Eine stabile Geld-, Währungs- und Finanzordnung: Gesammelte Schriften. Hrsg. von Theodor Baums [1 ed.] 9783428540594, 9783428140596

Die Stabilität der Geld-, Währungs- und Finanzordnung ist eine der Grundvoraussetzungen für wirtschaftliches Wohlergehen

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Eine stabile Geld-, Währungs- und Finanzordnung: Gesammelte Schriften. Hrsg. von Theodor Baums [1 ed.]
 9783428540594, 9783428140596

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HELMUT SIEKMANN

Eine stabile Geld-, Währungsund Finanzordnung Gesammelte Schriften

Herausgegeben von Theodor Baums

A Duncker & Humblot · Berlin

HELMUT SIEKMANN

Eine stabile Geld-, Währungs- und Finanzordnung

HELMUT SIEKMANN

Eine stabile Geld-, Währungsund Finanzordnung Gesammelte Schriften Herausgegeben von Theodor Baums

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1861-0951 ISBN 978-3-428-14059-6 (Print) ISBN 978-3-428-54059-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-84059-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort des Herausgebers Eine stabile Geld-, Währungs- und Finanzordnung ist eine der wesentlichen Grundlagen für erfolgreiches Wirtschaften und für den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Auch wenn diese Grundlage gelegentlich zu Gunsten sozialer Anliegen in Frage gestellt wird, sind stabiles Geld und stabile Finanzen letztlich auch unerlässliche Voraussetzungen für einen nachhaltigen sozialen Ausgleich. Geldentwertung, zerrüttete Staatsfinanzen und kollabierende Banken schaden nicht zuletzt den Schwachen und Schutzbedürftigen; mehr als den Starken, die sich auch in einer solchen Situation zu helfen wissen. Die Ausgestaltung des Rechts in einer Weise, die Stabilität gewährleistet, ist der rote Faden, der sich durch die Schriften von Helmut Siekmann zieht, die seit seinem Wechsel an die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt im Jahre 2006 entstanden sind. Sie sind in einer Zeit geschrieben worden, in der Helmut Siekmann das interdisziplinär ausgerichtete Institute for Monetary and Financial Stability aufgebaut hat. Die Gründung dieses Instituts kam wie gerufen, denn fast gleichzeitig brach die Finanzkrise aus, eine Krise, die – bei nüchterner Betrachtung – fast die gesamte Orthodoxie über Finanzmärkte, Notenbanken und die Rolle des Staates zertrümmert hat. Diese Krise und die Maßnahmen zu ihrer Bewältigung zeigen, welche Gefahren für das Vertrauen in die Institutionen damit verbunden sind, die auf nationaler und supranationaler Ebene für den unvergleichlichen Zuwachs an Sicherheit, Freiheit und Wohlstand in Europa gesorgt haben. Der größte Teil der Schriften, die in diesem Sammelband vereinigt sind, kreist deshalb um die Stabilitätsproblematik in einem weit verstandenen Sinne. Zum Teil sind sie nicht leicht greifbar, zum Teil sind sie bisher noch unveröffentlicht. Arbeiten zur europäischen Wirtschafts- und Währungsunion stehen naturgemäß an erster Stelle. Aber auch das nationale Verfassungsrecht, soweit es einen finanzrechtlichen Bezug hat, ist von erheblicher Bedeutung für die Finanzstabilität. Die internationale Finanzwelt musste zu ihrer Verwunderung und teilweise auch Erbitterung lernen, dass es finanzverfassungsrechtliche Regeln gibt, auch wenn sie in ihren Modellen nicht vorkommen, und dass die deutsche Verfassungsgerichtsbarkeit über ihre Einhaltung wacht. Die rechtlichen Regeln für die institutionelle Ausgestaltung der Akteure auf den Finanzmärkten und ihr geschäftliches Verhalten bilden die nächsten beiden Themenbereiche, mit denen sich Helmut Siekmann intensiv befasst hat. Einem besonders sperrigen Problemkreis ist der fünfte und abschließende Teil des Bandes gewidmet: der finanziellen Verantwortung des Staates für selbständige Einheiten. Er folgt damit der zuneh-

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Vorwort des Herausgebers

menden Tendenz der Akteure, sich in Räume zu flüchten, die dem prüfenden Blick der Öffentlichkeit möglichst entzogen sind und ein Agieren frei von der Kontrolle der dazu berufenen Einrichtungen, der Parlamente und der Rechnungshöfe, ermöglichen sollen. Nur die implizite oder – weniger gerne – die explizite Haftung des Staates, also der Gemeinschaft der Steuerzahler, für Verluste und Schäden soll selbstverständlich bestehen bleiben. Mögen die Ermahnungen des Verfassers, die zur Feier seines 65. Geburtstags veröffentlicht werden, nicht nur zahlreiche Leser finden, sondern auch beherzigt werden! Die Wiedergabe der Texte folgt den Originalveröffentlichungen. Die Nachweise der Erstveröffentlichung sind am Anfang des jeweiligen Aufsatzes angegeben. Einheitlichkeit der Zitierweise in den Anmerkungen, insbesondere bei den Abkürzungen, ließ sich nicht herstellen, nur einige Druckfehler konnten ausgemerzt werden. Für das Entstehen der Publikation schuldet der Herausgeber vielfältigen Dank. Er gilt zunächst den Verlegern und Herausgebern der Zeitschriften und Sammelwerke, die den Wiederabdruck der Schriften von Helmut Siekmann gestattet haben. Der Verlag Duncker & Humblot hat in bewährter Weise dieses Projekt unterstützt und betreut. Frau Melanie Döge, Mitarbeiterin am Institute for Law and Finance, Frau Helene Minor und Frau Catharina Schmidt, Mitarbeiterinnen am Institute for Monetary and Financial Stability, haben die Textdateien für den Druck erstellt und an den Korrekturen mitgewirkt. Ihnen allen sei hierfür herzlich gedankt. Frankfurt, am 27. November 2012

Theodor Baums

Inhaltsverzeichnis I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion 1. Die Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank nach geltendem Recht und dem Vertrag über eine Verfassung für Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Die Verwendung des Gewinns der Europäischen Zentralbank und der Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Life in the Eurozone With or Without Sovereign Default? The Current Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Eurobonds zur Bewältigung der europäischen Krise? Wegweisung zu einer modernen Entwicklungsunion (Gemeinsam mit Kotz/Krahnen/Leuz) . . . . . . . . . 111 5. Law and Economics of the Monetary Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

II. Verfassungsrecht 1. Allgemeines Finanzverfassungsrecht des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Zur Verfassungsmäßigkeit einer Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 3. Finanzzuweisungen des Bundes an die Länder auf unklarer Kompetenzgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 4. The Burden of an Ageing Society as a Public Debt: The Perspective of the German Constitutional Law and the Law of the European Union . . . . . . . . . . . . . 357 5. Die Spielbankabgabe und die Beteiligung der Gemeinden an ihrem Aufkommen – zugleich ein Beitrag zu den finanzverfassungsrechtlichen Ansprüchen der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 6. Die Legende von der verfassungsrechtlichen Sonderstellung des „anonymen“ Kapitaleigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415

III. Finanzmärkte 1. Keine Hilfe für Banken ohne einen neuen Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 2. Die Schaffung von Einrichtungen der Finanzaufsicht auf EU-Ebene . . . . . . . . . . 449 3. Berichte und Kritik – Die Neuordnung der Finanzmarktaufsicht . . . . . . . . . . . . . 475

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Inhaltsverzeichnis

4. Die Finanzmarktaufsicht in der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 5. Errichtung einer Europäischen Ratingagentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 6. Staatsversagen und Marktversagen im Bereich der Finanzmärkte . . . . . . . . . . . . 637 7. Neuorganisation der Finanzaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655

IV. Finanzinstitute 1. Stabilisierung der WestLB AG durch Garantien des Landes NRW . . . . . . . . . . . . 741 2. Prüfung der NRW.BANK durch den Landesrechnungshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757 3. Streitschrift für eine grundlegende Neuordnung des Sparkassen- und Landesbankensektors in Deutschland (Gemeinsam mit Hilgert/Krahnen/Merl) . . . . . . 811 4. Modell für eine leistungsfähige Sparkassen-Finanzgruppe – eine Replik (Gemeinsam mit Hilgert/Krahnen/Merl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 829 5. Die Bankenabgabe in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 839 6. Die rechtliche Regulierung öffentlicher Banken in Deutschland . . . . . . . . . . . . . 845

V. Finanzverantwortung des Staates für selbständige Einheiten 1. Haftung der Kommunen für ihre privatrechtlich organisierten Unternehmen . . . 893 2. Der Anspruch auf Herstellung von Transparenz im Hinblick auf die Kosten und Folgekosten der Steinkohlesubventionierung und den Börsengang der RAG AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 915 3. Welche Aufsicht braucht das Kammerwesen? – Anforderungen an staatliche Aufsicht und interne Kontrolle von Kammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 951 4. PPP-Finanzierung und Haushaltsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 969

I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

1. Die Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank nach geltendem Recht und dem Vertrag über eine Verfassung für Europa* I. Die Unabhängigkeit von Währungs- und Notenbanken 1. Rechtfertigung Schon vor über 200 Jahren hat Adam Smith die Gründe für die Unabhängigkeit geldpolitischer Instanzen mit großer Klarheit beschrieben: „[Ü]berall in der Welt haben Herrscher und unabhängige Staaten in ihrer Habsucht und Ungerechtigkeit das Vertrauen des Menschen missbraucht, indem sie nach und nach den ursprünglichen Metallgehalt ihrer Münzen herabgesetzt haben. Mit Hilfe solcher Manipulationen sahen sich die Herrscher und souveräne Staaten in der Lage, dem Anschein nach ihre Schulden zurückzuzahlen“. „Jedoch schien es nur so, denn ihre Gläubiger wurden in Wirklichkeit um einen Teil dessen, was ihnen zustand, betrogen.“ 1 Mehr als zwei Jahrhunderte später hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Maastricht-Vertrag moderner und in der nüchternen Sprache eines hohen Gerichts im Kern dasselbe gesagt: „Die Verselbständigung der meisten Aufgaben der Währungspolitik bei einer unabhängigen Zentralbank löst staatliche Hoheitsgewalt aus unmittelbarer staatlicher oder supranationaler Verantwortlichkeit, um das Währungswesen dem Zugriff von Interessengruppen und der an einer Wiederwahl interessierten politischen Mandatsträger zu entziehen.“ 2 Über die Aussage von Smith hinaus nennt es ausdrücklich noch als weitere Gefahrenquelle für den Geldwert die Interessengruppen. Damit sind zwei wesentliche Elemente der Problematik benannt: – das schutzbedürftige Vertrauen in eine stabile Währung, – der drohende Zugriff von Partikularinteressen und Politikern auf den Geldwert. Gleichwohl ist immer wieder in Zweifel gezogen worden, dass die Unabhängigkeit von Notenbanken für die Stabilität des Geldwertes erforderlich sei. Es * Erstveröffentlichung in: Institute for Monetary and Financial Stability der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Working Paper Series No. 2 (2006). 1 A. Smith, Der Wohlstand der Nationen, H. C. Recktenwald (Hrsg.), München 1978 (deutsche Übersetzung von: The Wealth of Nations, 5th edition, London 1789), S. 26. 2 In seinem Urteil zum Maastricht-Vertrag: BVerfGE 89, 155 (208).

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I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

gebe durchaus Beispiele für eine solide Geldpolitik durch Notenbanken, die nicht unabhängig gewesen seien.3 Diese Beispiele mag es durchaus geben, so dass es eine zwingende Verknüpfung von Zentralbankautonomie und Geldwertstabilität wohl nicht gibt.4 Die „historische Erfahrung“ zeigt jedoch immer wieder, „dass der Staat gerade in schwierigen Zeiten seine Geldschöpfungsmacht dazu gebraucht, seine Ausgaben [. . .] über zusätzliche Geldschöpfung zu finanzieren. Dieser Missbrauch der staatlichen Geldschöpfungsmacht war die Ursache der Mehrzahl der großen Inflationen.“ 5 Jedenfalls hat die empirische Forschung die Unabhängigkeit der Notenbank als einen wichtigen Faktor für die Höhe der Inflationsrate ermittelt. Je unabhängiger die Notenbank eines Landes sei, desto niedriger sei auch – über einen längeren Zeitraum hinweg betrachtet – die durchschnittliche Inflationsrate.6 In diesem Zusammenhang spielt auch die Glaubwürdigkeit der geldpolitischen Instanzen eine wichtige Rolle,7 und die war über lange Zeiträume besonders schlecht, wenn nur den Wünschen der Politik Folge geleistet worden ist. Es waren weisungsgebundene Notenbanken, welche die Hyperinflationen des 20. Jahrhunderts ermöglicht haben. Aber auch die schlei-

3 K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktioneller Unabhängigkeit und politischer Autonomie, 1979, S. 93 ff., 202 ff.; zust. J. A. Kämmerer, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 88, Rn. 13. 4 In diesem Sinne K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, S. 496; eingehende Diskussion der verschiedenen Argumente bei R. Caesar, Der Handlungsspielraum von Notenbanken, 1979; ders., Die Unabhängigkeit der Notenbank im demokratischen Staat, ZfP 1980, S. 347 ff., der aber die Unabhängigkeit selbst letztlich für berechtigt hält (S. 368). 5 W. Ehrlicher, in: Strukturwandel und makroökonomische Steuerung, Festschrift für F. Voigt, 1975, S. 387 (390 f.); s. a. A. Manes, Staatsbankrotte, 2. Aufl. 1919, S. 41, 85, der noch vor den Hyperinflationen des 20. Jahrhunderts auf die Umwandlung von „Münzschulden“ in „Papiergeldschulden“ und deren Entwertung als besonders schädliche Form des Staatsbankrotts hinweist. 6 Alesina/Summers, Central Bank Independence and Macroeconomic Performance: Some Comparative Evidence, Journal of Money, Credit and Banking, Vol. 25 (1993), S. 151; O. Issing, Einführung in die Geldtheorie, 13. Aufl. 2003, S. 211; R. Caesar, Der Handlungsspielraum von Notenbanken, 1981, S. 513; J. Endler, Europäische Zentralbank und Preisstabilität, 1998, S. 214 ff., unter eingehender Auswertung der Literatur (S. 220: empirische Begründungen, S. 225: theoretische Begründungen); C. Waigel, Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. Gemessen am Kriterium demokratischer Legitimation, 1999, S. 47–50; ferner R. Solveen, Der Einfluss der Unabhängigkeit auf die Politik der Zentralbanken, 1998; Junius/Kater/Meier/Müller, Handbuch Europäische Zentralbank, 2002, S. 36 f.; krit. H. Faber, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/ Stein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Alternativkommentar), 3. Aufl. 2001, Art. 88 (Loseblatt: 2002) Rn. 27, der die Unabhängigkeit zumindest partiell für „ungeeignet“ hält; ferner W. Gebauer, Geld und Währung, 2003, S. 45. 7 O. Issing, in: D. Duwendag (Hrsg.), Finanzmärkte im Spannungsfeld von Globalisierung, Regulierung und Geldpolitik, 1998, S. 179 (181 ff.); Modellierung bei Duwendag/Ketterer/Kösters/Pohl/Simmert, Geldtheorie und Geldpolitik in Europa, 5. Aufl. 1999, S. 324 ff.

1. Die Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank

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chende Geldentwertung der letzten Jahrzehnte kann auf Einflüsse der Politik zurückgeführt werden, die weniger gut einen optimalen Ausgleich zwischen Stabilitäts- und Beschäftigungszielen herbeiführen kann und wegen ihrer Kurzfristorientierung immer wieder einen „trade-off“ im Sinne des Phillips-Zusammenhanges8 zu verwirklichen sucht.9 Fragt man nach den Gründen, warum der Staat inflationiert, lassen sich zwei Hauptmotive feststellen: das „Beschäftigungsmotiv“ und das „Staatseinnahmenmotiv“. Darüber hinaus werden noch das „Zahlungsbilanzmotiv“ und die „Sicherung der Finanzmärkte“ genannt.10 Eine unabhängige Einrichtung kann letztlich effizienter das Ziel der Preisniveaustabilität verwirklichen: – Die Organwalter einer unabhängigen Zentralbank haben keinen persönlichen Vorteil von einer Geldentwertung. Sie sind keine politischen Unternehmer. – Die Festlegung auf ein Ziel sichert Identifikation mit diesem Ziel. – Eine unabhängige Zentralbank kann langfristig denken und unterliegt nicht der Versuchung, einen allenfalls kurzfristig wirksamen trade-off zwischen Geldwert und Beschäftigung anzustreben. – Sie kann die notwendige Stetigkeit und das Vertrauen, das für eine erfolgreiche Geldpolitik erforderlich ist, eher erreichen. Diese Erwägungen lassen die Unabhängigkeit der Notenbanken als einen regelmäßig wirkenden Umstand, wenn auch nicht strikte Bedingung, für Preisniveaustabilität erscheinen.11

8 A. W. Phillips, The Relation between Unemployment and the Rate of Change of Money Wage Rates in the United Kingdom, 1861–1957, Economica, Bd. 25 (1958), S. 283 (285); dazu H. Maneval, Die Phillips-Kurve, 1973; F. Modigliani, The Monetarist Controversy or should we forsake Stabilization Policy, American Economic Review, Bd. 67 (1977), S. 1 (3). 9 Namentlich die Kurzfristorientierung der Politik ist auch in die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts eingegangen; ähnlich K. H. Ladeur, Die Autonomie der Bundesbank – ein Beispiel für die institutionelle Verarbeitung von Ungewissheitsbedingungen, Staatswissenschaft und Staatspraxis, 1992, S. 486, Ermöglichung von Stetigkeit (S. 497 f.) und längerfristiger Rationalität (S. 500). Ein kurzfristiger Zusammenhang wird für möglich gehalten von H. Faber (Fn. 6), Rn. 20. 10 A. Cukierman, Central Bank Strategy, Credibility, and Independence: Theory and Evidence, 1992, S. 83 ff.; J. Endler (Fn. 6), S. 185 ff., 204 ff. Die Untersuchungen von G. Schmölders liefern zusätzlich Anzeichen, dass auch schlichte Unkenntnis und Unverständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge eine Rolle spielen können (Die Politiker und die Währung, 159, S. 135 ff.); ferner H. J. Hahn, The European Central Bank: Key to European Monetary Union or Target?, Common Market Law Review, Bd. 28 (1991), S. 783 (803 f.). 11 Im Ergebnis ebenso P.-G. Schmidt, Die Zentralbank in der Demokratie, Jahrbuch für neue politische Ökonomie, Bd. 2 (1983), S. 271 (303).

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I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

Unweigerlich ist dann aber die Frage aufzuwerfen, mit welcher Berechtigung den gewählten Repräsentanten des Volkes die Entscheidung von geld- oder währungspolitischen Fragen entzogen wird. Fragen, die von größter Bedeutung für das Wohlergehen eines Volkes sind. Überspitzt ausgedrückt: Darf das Volk auch vor seinen eigenen Repräsentanten geschützt werden? Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage im Ergebnis eindeutig mit „ja“ beantwortet und eine Verletzung des Demokratieprinzips verneint.12 Damit kann für alle praktischen Bedürfnisse von der Zulässigkeit unabhängiger Währungs- und Notenbanken nach deutschem Verfassungsrecht ausgegangen werden. Weitere Einzelheiten werden unten behandelt.13 2. Umfassender Wirkungsbereich Aber auch wenn die Unabhängigkeit einer Währungs- und Notenbank im Grundsatz rechtlich abgesichert war, hat es nicht an Versuchen von Seiten der Politik gefehlt, Einfluss auf die laufende Geldpolitik zu nehmen oder den „sinnvollen“ Einsatz von Gold- und Währungsreserven oder genauer, der darin liegenden stillen Reserven, für diverse politische Großprojekte zu verlangen.14 Ebenfalls wurden große Erwartungen an die Ausschüttung von Gewinnen der Währungs- und Notenbanken gesetzt, um damit die – eigentlich immer – angespannten öffentlichen Haushalte zu entlasten oder stets überfällige wichtige Großinvestitionen des Staates zu finanzieren. Die Unabhängigkeit muss deshalb umfassend gewährleistet sein, wenn sie ihren Zweck erfüllen soll. Das bedeutet, dass nicht nur die Institution geschützt werden muss, sondern auch die Menschen, welche die maßgebenden Entscheidungen in den Institutionen treffen. Sie sind das Ziel der Einwirkungsversuche von außen, die in vielfältiger Gestalt auftreten können. Ein wirksamer Schutz ist aber nur dann gewährleistet, wenn nicht erst abgewartet werden muss, bis tatsächlich Weisungen erteilt werden oder ein sonstiger Eingriff erfolgt. Politiker, Interessenvertreter und Organwalter in den Notenbanken bewegen sich in einem komplexen Beziehungsgeflecht, soweit Fragen der Geldpolitik angesprochen sind. Auch eher atmosphärische Einwirkungen können in diesem Umfeld bereits die Unbefangenheit der Entscheidungsfindung nen12

BVerfGE 89, 155 (208 f.). Unten III. 3. 14 Beispiele bei: R. Schmidt, Die Zentralbank im Verfassungsgefüge der Bundesrepublik Deutschland, in: Grawert (Hrsg.), Instrumente der sozialen Sicherung und der Währungssicherung in der Bundesrepublik Deutschland und in Italien, 1982, S. 61 (62 f.); O. Issing, Die Unabhängigkeit der Bundesbank, in: Festschrift F. Voigt, 1975, S. 366 (372); H. Faber (Fn. 6), Rn. 9; H. C. Hafke, Einige rechtliche Anmerkungen zur Praxis der Autonomie im System der Europäischen Zentralbanken (ESZB), in Bankrecht und Kapitalmarktrecht in der Entwicklung, Festschrift für Siegfried Kümpel zum 70. Geburtstag, 2003, S. 185; J. Endler (Fn. 6), S. 243–250. 13

1. Die Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank

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nenswert beeinträchtigen. Der Schutz der Unabhängigkeit muss daher bereits im Vorfeld von echten Weisungen einsetzen. 3. Die Dimensionen von Unabhängigkeit Der Begriff „Unabhängigkeit“ ist schillernd und vielgestaltig. Weder im Gemeinschaftsrecht noch im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland ist eine Definition zu finden. Zur Konkretisierung des Begriffs haben sich freilich im Laufe der Zeit verschiedene Unteraspekte entwickelt. Eine alte Tradition hat dabei die Unabhängigkeit der Rechtsprechung und der Finanzkontrolle (Art. 97, 114 Abs. 2 Satz 1 GG). Sie kann Anhaltspunkte für eine inhaltliche Anreicherung liefern.15 a) Traditionelle Konkretisierungen von Unabhängigkeit Auch wenn zunächst die Institution „Gericht“ oder das „Richteramt“ im Vordergrund von Unabhängigkeitsgarantien stand,16 wurde doch schon früh erkannt, dass der (verbotene) Einfluss des Fürsten und seiner Exekutive auf die Rechtspflege nur dann wirksam verhindert werden konnte, wenn auch „die persönliche Stellung der einzelnen Richter“ „eine möglichst unabhängige“ war.17 Bei den Rechnungshöfen, einer anderen Einrichtung, die ebenfalls seit langem Unabhängigkeit genießt, sind die Ausprägungen der Unabhängigkeit nicht so einheitlich. Zum Teil ist den prüfungsberechtigten Mitgliedern richterliche Unabhängigkeit eingeräumt. Häufig wird nur die Unabhängigkeit der Institution gewährleistet, 15 Umbach/Dollinger, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz, Mitarbeiterkommentar und Handbuch, 2002, Art. 88 Rn. 18. 16 § 175 Verfassung des Deutschen Reichs v. 28. März 1849 („Paulskirchenverfassung“): „Die richterliche Gewalt wird selbständig von den Gerichten geübt. Cabinetsund Ministerialjustiz ist unstatthaft.“ Siehe auch die eingehende Darstellung bei J. L. Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes und der Bundesstaaten, 4. Aufl. 1840, § 366 VIII, § 373. 17 H. Schulze, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, erstes Buch, 1881, S. 558. Diese Einbeziehung der Person fand sich auch bereits in den meisten Verfassungen des 19. Jahrhunderts: § III des fünften Titels der Konstitution für das Königreich Baiern v. 25. Mai 1808 („Napoleonische Verfassung“): „Die Glieder der Justiz-Kollegien werden von dem König auf Lebenszeit ernannt und können nur durch einen förmlichen Spruch ihre Stellen verlieren.“ Titel VIII § 3 Verfassungs-Urkunde des Königreichs Baiern v. 6. Juni 1818: „Die Gerichte sind innerhalb der Grenzen ihrer amtlichen Befugnis unabhängig, und die Richter können nur durch einen Rechtsspruch von ihren Stellen mit Verlust des damit verbundenen Gehaltes entlassen – oder derselben entsetzt werden.“ Art. 86 der Verfassung des preußischen Staats v. 31. Januar 1850 („revidierte“ Verfassung): „Die richterliche Gewalt wird im Namen des Königs durch unabhängige, keiner anderen Autorität als der des Gesetzes unterworfene Gerichte ausgeübt.“ Art. 87: „Die Richter werden vom König oder in dessen Namen auf ihre Lebenszeit ernannt. Sie können nur durch Richterspruch aus Gründen, welche die Gesetze vorgesehen haben, ihres Amtes entsetzt oder zeitweise enthoben werden.“

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I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

gelegentlich aber auch beides: die Unabhängigkeit der Mitglieder und die Unabhängigkeit der Institution.18 Das Grundgesetz hat sich für die in den Rechnungshöfen tätigen Personen entschieden, Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG.19 Unabhängigkeitsgarantien können sich also auf Institutionen oder Personen beziehen. Wenn sie sich – zumindest auch – auf Personen beziehen, wurde regelmäßig schon seit langem zwischen persönlicher und sachlicher Unabhängigkeit unterschieden.20 Sachliche Unabhängigkeit bedeutet Weisungsfreiheit und ausschließliche Unterwerfung unter das Gesetz. Persönliche Unabhängigkeit meint das weitgehende Verbot von Ingerenzen auf den Status des Amtsinhabers, namentlich seine Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit, außer in dienstgerichtlichen Verfahren.21 b) Ausgestaltungen von Zentralbankunabhängigkeit Für die Notenbanken, namentlich auch die EZB, hat das Schrifttum im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Aspekten der Unabhängigkeit mit zahlreichen Varianten im Detail herausgearbeitet und meist – wenig geordnet – nebeneinander gestellt. Insgesamt finden sich folgende Einzelausprägungen: – gesetzliche Unabhängigkeit – institutionelle Unabhängigkeit – instrumentelle Unabhängigkeit – finanzielle (funktionale) Unabhängigkeit – funktionelle Unabhängigkeit – materielle Unabhängigkeit – personelle (persönliche) Unabhängigkeit – strukturelle Unabhängigkeit – Weisungsunabhängigkeit – vermögensrechtliche Unabhängigkeit – wirtschaftliche Unabhängigkeit. 18 Nähere Einzelheiten bei K. Stern, Der verfassungsrechtliche Status der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder, in: Böning/v. Mutius (Hrsg.), Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen Staat, 1990, S. 11, 30 f.; H. Siekmann, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl. 2003, Art. 114 Rn. 31 f. 19 Detaillierte vergleichende Darstellung des Status der Rechnungshofmitglieder auf Bundes- und Landesebene bei W. Klappstein, Die kollegiale Verfassung der Rechnungshöfe, Gedächtnisschrift Heuer, 2000 (Beiheft 3 zu „Die Verwaltung“), S. 25 (36–44). 20 Folz/Hermann, Die richterliche Unabhängigkeit der Mitglieder der Rechnungshöfe, DÖV 1979, 705 (769). 21 Vgl. K. Stern (Fn. 4), S. 423, 911; S. Detterbeck, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2003, Art. 97 Rn. 11, 22 ff.; H. Siekmann (Fn. 18), Rn. 32.

1. Die Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank

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Je nach Geschmack des jeweiligen Autors wird davon aber regelmäßig nur eine Teilmenge herausgegriffen. Die folgenden Kombinationen von Merkmalen sind zu finden: – funktionelle Unabhängigkeit – personelle Unabhängigkeit – instrumentelle Unabhängigkeit – strukturelle Unabhängigkeit – institutionelle Unabhängigkeit22 oder: – institutionelle Unabhängigkeit – funktionelle Unabhängigkeit – persönliche (personelle) Unabhängigkeit – finanzielle Unabhängigkeit23 oder: – Weisungsunabhängigkeit – personelle Unabhängigkeit – funktionelle Unabhängigkeit – finanzielle Unabhängigkeit24 oder: – gesetzliche Unabhängigkeit – funktionale Unabhängigkeit – wirtschaftliche Unabhängigkeit – personelle Unabhängigkeit25 22

J. Endler (Fn. 6), 8. Kapitel (S. 405–507). G. Galahn, Die Deutsche Bundesbank im Prozess der europäischen Währungsintegration, 1996, S. 141 f.; B. Wahlig, Die Unabhängigkeit der nationalen Zentralbanken als institutionelles Kriterium für den Eintritt in die dritte Stufe der europäischen Währungsunion, in: Festschrift für Hugo J. Hahn, 1997, S. 265 (267–271); Hahn/Häde, in: Bonner Kommentar, Art. 88 (Loseblatt: 1999), Rn. 531, 537, 538, 546; I. Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 1, 2000, Art. 88 Rn. 27; B. Dutzler, The European System of Central Banks: An Autonomous Actor, 2003, S. 171 ff.; U. Palm, in: Grabitz/ Hilf (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Art. 8 EGV (Loseblatt: 2004) Rn. 26; ähnlich U. Häde, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft – EUV/EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 108 Rn. 7, 12. 24 S. Tilch, Europäische Zentralbank und Europäisches System der Zentralbanken, 2000, S. 55–58. 25 Junius/Kater/Meier/Müller (Fn. 6), S. 37–40. 23

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I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

oder: – institutionelle Unabhängigkeit – personelle Unabhängigkeit – materielle Unabhängigkeit – vermögensrechtliche Unabhängigkeit26 oder: – finanzielle Autonomie – institutionell-funktionale Autonomie – persönliche Autonomie – sachliche Autonomie27 oder: – personelle Unabhängigkeit – funktionelle Unabhängigkeit – finanzielle Unabhängigkeit28 oder: – funktionelle Unabhängigkeit – personelle Unabhängigkeit – institutionelle Unabhängigkeit29 oder: – sachlich-institutionelle Unabhängigkeit – finanzielle Unabhängigkeit – persönliche Unabhängigkeit30 oder: – materielle Unabhängigkeit – persönliche Unabhängigkeit31 26

D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, 1996, S. 89–145. H. J. Blanke, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Band 3, 4. Aufl. 2001, Art. 88, Rn. 67–70. 28 C. Waigel (Fn. 6), S. 46 f.; H.C. Hafke (Fn. 14), S. 187. 29 Gnan/Wittelsberger, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 5. Aufl. 1999, Art. 107 Rn. 25–27. 30 J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 26; ähnlich I. Pernice, in Grabitz/Hilf (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Art. 4a EGV (Loseblatt: 1996), Rn. 2: sachliche, persönliche und finanzielle Unabhängigkeit; ähnlich jetzt auch Gnan/Wittelsberger, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl. 2003, Art. 108 EGV Rn. 19–21, Art. 109 EGV Rn. 21–24. 27

1. Die Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank

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In seinem Konvergenzreport von 1996 hatte das European Monetary Institute vier Ausprägungen („features“) von Zentralbankunabhängigkeit für seine Bewertung zugrundegelegt: – institutional independence – personal independence – functional independence – financial independence.32 Diese sind wohl als „offiziöse“ Ausdeutung angesehen worden und fanden vor allem Eingang in das neuere juristische Schrifttum.33 c) Stellungnahme Die Vielfalt der meisten Deutungen erweckt den Eindruck, dass sie eher einer zufälligen Aneinanderreihung entstammen, als einer stringenten begrifflich-systematischen Analyse. Besinnt man sich auf den Gesetzeswortlaut, ist zunächst nur die Weisungsfreiheit normiert, Art. 108 EGV und § 12 BBankG. Die Weisungsfreiheit wird zur institutionellen Unabhängigkeit gezählt,34 obwohl sie in der Terminologie der richterlichen Unabhängigkeit eher zur sachlichen Unabhängigkeit gehört. Es wäre zu empfehlen, zu dieser im übrigen Staatsrecht eingeführten Terminologie zurückzukehren.35 Der Begriff institutionelle Unabhängigkeit verstellt den Blick dafür, dass nicht nur die Institution frei von Weisungen soll arbeiten können, sondern auch der einzelne Organwalter als Person. Insoweit ist der Begriff sachliche Unabhängigkeit neutral. Er kann sich zwanglos sowohl auf die Institution als auch die geschützte Person beziehen. Die Weisungsfreiheit der Personen wird auch nicht von der Kategorie „persönliche Unabhängigkeit“ abgedeckt, da sie im Staatsrecht nicht zur persönlichen, sondern zur sachlichen Unabhängigkeit gezählt wird.36 Allerdings erschöpft sich die Unabhängigkeit nicht in der Freiheit von Weisungen.37 Unabhängigkeit der Zentralbanken bedeutet zwar zunächst Freiheit von Einflüssen anderer politischer Entscheidungsträger auf geldpolitische Entscheidungen, aber auch Unabhängigkeit in finanzieller (wirtschaftlicher) Hinsicht so31

U. Häde, (Fn. 23), Art. 108 EGV Rn. 6 ff., 12 ff. European Monetary Institute, Progress towards Convergence 1996, November 1996, S. 100–103. 33 Nachweise in Fn. 23. 34 B. Wahlig, (Fn. 23), S. 268; B. Dutzler (Fn. 23), S. 174 f. 35 Dafür schon auch H. Fögen, Unabhängige Bundesbank, ZgesKW 1969, S. 658 (659). 36 Oben I. 3. a). 37 J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 26; für Gleichsetzung aber P. J. Tettinger, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl. 2003, Art. 88 Rn. 11. 32

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I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

wie Unabhängigkeit der Organwalter.38 Die auf die Institution bezogene Freiheit von Einwirkungen anderer politischer Entscheidungsträger zusammen mit weiteren ihr zukommenden Rechten, wie der Anspruch auf vorherige Anhörung, füllt im Wesentlichen das aus, was als institutionelle Unabhängigkeit bezeichnet wird. Der Begriff ist daher allenfalls im Sinne von „sachlicher Unabhängigkeit“ der Einrichtung zu verwenden. Die funktionelle Unabhängigkeit soll aus der Festlegung des ESZB auf die Preisstabilität als vorrangigem Ziel in Art. 105 Abs. 1 EGV und der sich daraus ergebenden Verhinderung von Zielkonflikten folgen.39 Diese Deduktion ist indes wenig überzeugend. Die Umkehrung dieses Schlusses macht dagegen Sinn: Funktionelle Unabhängigkeit in Verbindung mit der Festlegung auf ein vorrangiges Ziel vermeidet Zielkonflikte.40 Inhaltlich soll unter dem Begriff funktionelle Unabhängigkeit der autonome Einsatz von Handlungsinstrumenten zu verstehen sein.41 Ob eine so verstandene Facette der Unabhängigkeit tatsächlich ein eigenständiges Schutzgut darstellt, dürfte zu bezweifeln sein. Bei näherem Hinsehen handelt es sich eher um eine Grenze der Unabhängigkeit. Unabhängigkeit wird nur soweit gewährt, wie sie zur Funktionserfüllung, namentlich zur Erreichung des Ziels der Preisstabilität, erforderlich ist. Die Unabhängigkeit ist funktional ausgerichtet oder „funktionsbezogen“.42 Die Einteilung in persönliche und materielle Unabhängigkeit lässt bereits eine Systemvorstellung erkennen, die sich den eingeführten Kategorien von sachlicher und persönlicher Unabhängigkeit nähert. Allerdings ist der Begriff der materiellen Unabhängigkeit wieder erklärungsbedürftig und wird denn auch in funktionelle und finanzielle Unabhängigkeit aufgeschlüsselt.43 Bei einer grundlegenden Kategorisierung bleibt lediglich die Aufteilung in sachliche und persönliche Unabhängigkeit. Die sachliche Unabhängigkeit mag als „sachlich- institutionell“ bezeichnet werden, soweit sie sich auf eine Einrichtung (Institution) bezieht. Die übrigen Gesichtspunkte sind allenfalls Illustrationen oder Hilfsgarantien für diese Grundprinzipien.44 38

J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 26. Hahn/Häde (Fn. 23), Rn. 537, unter Berufung auf J. Stark, Notenbankunabhängigkeit in der Wirtschafts- und Währungsunion, WM 1999, S. 125, wo das so aber nicht steht. 40 So richtig J. Stark (Fn. 39). 41 Heterogen B. Dutzler (Fn. 23), S. 188 ff.: a) Instrument Independence, b) Deficit Financing and Monetisation of Debt, c) Foreign Exchange Policy, d) Override Mechanism. 42 B. Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl. 1999, Art. 88 Rn. 5. 43 U. Häde (Fn. 23), Art. 108 Rn. 6, 9b. 44 Im Ergebnis ebenso H. Fögen (Fn. 35), S. 659; ähnlich auch R. Schmidt, Die Gefährdung der Europäischen Zentralbank, ZRP 1998, S. 161 (162); J. A. Kämmerer (Fn. 71), Rn. 26. 39

1. Die Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank

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d) Fazit Es ist unmissverständlich zwischen der Unabhängigkeit der Institution Zentralbank und der Unabhängigkeit der in ihr und für sie handelnden Personen (Organwalter) zu unterscheiden. Im Übrigen reicht die Unterteilung in sachliche und persönliche Unabhängigkeit. Dabei umfasst die sachliche Unabhängigkeit als einen Hauptbestandteil die Weisungsfreiheit, enthält aber noch zusätzliche (Hilfs-) Garantien, wie finanzielle und wirtschaftliche Unabhängigkeit sowie Anhörungsrechte. Alle Garantien sind bezogen auf die Erfüllung der geld- und währungspolitischen Aufgaben. Sie sind in diesem Sinne begrenzt, also „funktionsbezogen“. II. Die Organisationsstruktur von EZB und ESZB Die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Zentralbanken (NZB) der Mitglieder der EU bilden zusammen ein einheitliches System: das Europäische System der Zentralbanken (ESZB), Art. 107 Abs. 1 EGV, Art. 1.2 der Satzung.45 Zu ihm gehören auch die Zentralbanken der Länder, die nicht die gemeinsame Währung, den Euro,46 eingeführt haben,47 also Dänemark,48 das Vereinigte Königreich49 und Schweden50 sowie die am 1. Mai 2004 neu aufgenommenen Mitglieder.51 Sie werden im EG-Vertrag als „Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt“, bezeichnet, Art. 122 (1) Abs. 1 Satz 2 EGV, wäh45

Mit „Der Satzung“ wird im Folgenden das „Protokoll über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank“ vom 7. Februar 1992 bezeichnet, das dem am 7. Februar 1992 in Maastricht geschlossenen „Vertrag über die Europäische Union“ beigefügt ist, veröffentlicht in: BGBl. II, S. 1253 (1297). Sie ist damit Teil des Primärrechts der EU. 46 Klargestellt in Art. I-8 des Vertrages über eine Verfassung für Europa: „Die Währung der Union ist der Euro.“ 47 M. Weber, Die Kompetenzverteilung im Europäischen System der Zentralbanken bei der Festlegung und Durchführung der Geldpolitik, 1995, S. 49; M. Selmayr, Wie unabhängig ist die Europäische Zentralbank?, WM 1999, S. 2429; R. Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 122 EGV Rn. 16. 48 Protokoll Nr. 26 über einige Bestimmungen betreffend Dänemark von 1992. 49 Protokoll Nr. 25 über einige Bestimmungen betreffend das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland von 1992. 50 Automatische Folge der Ratsentscheidung vom 3. Mai 1998 über die Auswahl der an der einheitlichen Währung teilnehmenden Mitgliedstaaten (Abl. Nr. L 139 vom 11. Mai 1998, S. 30). Sie betraf ursprünglich auch Griechenland. Sie trat kraft vertraglicher Anordnung nach Art. 121 Abs. 1 Satz 3 EGV ohne weitere Ratsentscheidung ein, vgl. R. Streinz (Fn. 47), Rn. 11. 51 Art. 4 der Beitrittsakte, die dem Beitrittsvertrag beigefügt ist (Abl. Nr. L 236 vom 23. September 2003, S. 33): „Jeder neue Mitgliedstaat nimmt ab dem Tag seines Beitritts als Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung im Sinne des Art. 122 des EGVertrags gilt, an der Wirtschafts- und Währungsunion teil.“ Damit sind sie zwar Teil des ESZB, die Einführung der gemeinsamen Währung hängt aber von einer Entscheidung des Ecofin-Rates ab.

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I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

rend mit dem Ausdruck „Mitgliedstaaten“ in den entscheidenden Vorschriften nur die Staaten erfasst sein sollen, die den Euro eingeführt haben, Art. 122 Abs. 4 EGV. Das ESZB umfasst also von seinem Ausgangspunkt her alle Mitglieder der EU. Allerdings sind die Mitgliedstaaten, für die eine Sonder- oder Ausnahmeregelung gilt, und ihre Nationalbanken von den meisten Regelungen ausgenommen, die das ESZB betreffen, Art. 122 Abs. 3 EGV, Art. 43 der Satzung.52 Sie behalten ihre währungspolitischen Befugnisse, Art. 43.2 der Satzung, und stellen vor allem auch kein Mitglied im EZB-Rat, Art. 43.4 der Satzung. Ihre Staatsangehörigen können nicht Direktoriumsmitglied werden, Art. 43.3 der Satzung. Solange es solche Mitgliedstaaten gibt, wird neben Rat und Direktorium ein drittes Beschlussorgan der EZB gebildet, das „Erweiterter Rat“ heißt, Art. 123 Abs. 3 EGV. Um die Staaten und Volkswirtschaften zu benennen, die den Euro bereits als gemeinsame Währung eingeführt haben, verwendet die EZB die Bezeichnung „Euro-Währungsgebiet“ 53. Der Teil des ESZB, der den Euro eingeführt hat, wird aber auch als „Eurosystem“ bezeichnet.54 Daneben wird von „Euro-Zone“ oder „Euroland“ gesprochen. Dieses Gebiet ist ein Teilgebiet der EU. Die nationalen Zentralbanken sind integraler Bestandteil dieses Systems, Art. 14.3 Satz 1 der Satzung.55 Deshalb ist es das Europarecht, das ihre Pflichten, Befugnisse und Organisation unmittelbar statuiert, soweit sie Aufgaben im Rahmen des ESZB erfüllen. Gleichwohl sind sie weiterhin Geschöpfe des nationalen Rechts,56 das ebenfalls ihre Errichtung, Tätigkeit und Organisation regelt. Allerdings sind die nationalen Gesetzgeber nicht frei in ihren Entscheidungen. 52 Nichtanwendbarkeit von Art. 104 Abs. 9 und 11 EGV: Sanktionen im Rahmen der Haushaltsüberwachung, Art. 105 Abs. 1, 2, 3 und 5 EGV: Aufgaben und Befugnisse des ESZB, Art. 106 EGV: Entscheidungsmonopol der EZB über die Ausgabe von Banknoten und Münzen, Art. 110 EGV: Verordnungen, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen der EZB, Art. 111 EGV: Wechselkursfestlegung nach außen, Art. 112 Abs. 2 lit b EGV: aktives und passives Wahlrecht zum EZB-Direktorium. 53 Vgl. beispielsweise Monatsbericht Dezember 2004, S. 9, 83, S1. 54 Deutsche Bundesbank, Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, 2004, S. 46. Bisher handelt es sich nicht um einen Begriff des Rechts der EU, demnächst aber durch Art. I-30 Abs. 1 Satz 2 Vertrag über eine Verfassung für Europa und durch Art. 1 Abs. 1 Satz 2 der im 4. Protokoll dazu neu gefassten Satzung des ESZB und der EZB: „Die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, bilden das Eurosystem.“ 55 Umgesetzt in § 3 Satz 1 BBankG; dazu Gnan/Wittelsberger (Fn. 30), Art. 14 ESZB-Satzung Rn. 27 ff. 56 J.-V. Louis, A legal and institutional approach for building a monetary union, Common Market Law Review, Bd. 35 (1998), S. 33 (73), der es auch als „federal and decentralized“ charakterisiert (S. 50); ähnlich danach M. Herdegen, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 88 (Loseblatt: 1998), Rn. 63; z. T. anders die Lehre von der „fusion“: Rometsch/Wessels, The European Union and member states: towards an institutional fusion?, 1996; zu den verschiedenen Konstruktionsmöglichkeiten H. J. Hahn, Zur Autonomie einer künftigen Europäischen Zentralbank, DÖV 1989, S. 233 (238 ff.).

1. Die Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank

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Auch für die nationalen Zentralbanken enthält das Europarecht Vorgaben, die zu beachten sind. Das EG-Recht hat Vorrang vor dem nationalen Recht, auch wenn das nicht ausdrücklich im EG-Vertrag angeordnet ist.57 Dieser Vorrang geht sehr weit. Jedes EG-Recht, primäres und sekundäres Recht, geht jedem nationalen Recht – gleich welcher Art und Rangstufe – vor.58 Damit würde sich im Falle eines Konflikts das Satzungsrecht der EZB selbst gegenüber nationalem Verfassungsrecht durchsetzen. Die nationalen Zentralbanken sind als integrale Bestandteile des ESZB nicht nur Zweigstellen der EZB, sondern deren „operativer Arm“.59 Sie führen die ihnen übertragenen Aufgaben entsprechend den vom EZB-Rat festgelegten Regeln durch. Sie sind an seine Leitlinien und Weisungen gebunden,60 da es innerhalb eines Währungsraums nur eine einheitliche Geldpolitik geben kann.61 Auch das Direktorium ist gegenüber den nationalen Zentralbanken weisungsbefugt.62 Eine besondere Bedeutung kommt ihnen als alleinige Zeichner des EZB-Kapitals und durch Entsendung ihrer Präsidenten in den EZB-Rat zu.63 Daneben ist ihnen gestattet, weitere Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, es sei denn der EZB-Rat stellt mit Zweidrittelmehrheit fest, dass diese Aufgaben mit den Zielen und Aufgaben des ESZB nicht vereinbar sind, Art. 14.4. der Satzung. Aus Art. 105 Abs. 4 EGV und Art. 3.3 der Satzung kann entnommen werden, dass beispielsweise die Bankenaufsicht eine solche „weitere Aufgabe“ ist.

57 EuGH Slg. 1964, S. 1251 (1257, 1269 f.); 1970, S. 1125 Rn. 3; 1978, S. 629 Rn. 17 f.; 1981, S. 1805 Rn. 43 für Verwaltungsvorschriften, ständige Rechtsprechung; BVerfGE 73, 339 (375); 75, 223 (244); 85, 191 (202); C. Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Art. 24 (Loseblatt: 1985), Rn. 79, 81 a. E.; H. P. Ipsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VII, 1992, § 181 Rn. 59; H.-J. Blanke, Föderalismus und Integrationsgewalt, 1992, S. 290; T. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rn. 615 ff.; H. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EGRechts, 1994, S. 2 f.; R. Streinz (Fn. 47), Art. 1 EGV Rn. 19; W. Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 249 Rn. 40 ff.; R. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 3. Aufl. 2002, S. 246 ff.; H. Maurer, Staatsrecht, 3. Aufl. 2003, § 17 Rn. 18; eingehend jüngst Jarass/Beljin, Die Bedeutung von Vorrang und Durchführung des EG-Rechts für die nationale Rechtsanwendung, NVwZ 2004, S. 1. 58 EuGH Slg. 1970, S. 1125 Rn. 3; W. Schroeder (Fn. 57), Rn. 44; Jarass/Beljin (Fn. 57), S. 2. 59 Anders M. Selmayr (Fn. 47), S. 2430 f., der eine Entnationalisierung und Vergemeinschaftung annimmt. 60 Art. 14.3 i.V. m. 12.1 UA 1 der Satzung. 61 M. Selmayr (Fn. 47), S. 2430; Konkretisierung für die EWU-Länder bei Duwendag/Ketterer/Kösters/Pohl/Simmert, Geldtheorie und Geldpolitik in Europa, 5. Aufl. 1999, S. 8 ff. 62 Deutsche Bundesbank (Fn. 54), S. 48. 63 Die Beteiligung der Deutschen Bundesbank betrug per 31. Dezember 2003 1.225 Mio. Euro (= 24,5 %) am Kapital der EZB von 5 Mrd. Euro. Das sind 30,2 % des voll eingezahlten Kapitals (Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2003, S. 193).

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I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

Das System selbst ist nicht mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet, wohl aber seine Bestandteile, die EZB (Art. 107 Abs. 2 EGV) und die nationalen Zentralbanken, wie die Bundesbank, § 2 BBankG. Es besteht damit aus ursprünglich 16 und jetzt 26 rechtlich selbständigen Einheiten. Weder das ESZB noch die EZB sind Organe der Gemeinschaft, da sie in Art. 7 EGV, der die Organe abschließend aufzählt, nicht genannt sind. Sie sind vielmehr als gesonderte Einrichtungen in Art. 8 EGV geregelt. Ob damit eine eigenständige vierte Säule der EU oder ein Teil der EG oder eine selbständige supranationale Einrichtung neben ihr errichtet werden sollte,64 bedarf in diesem Zusammenhang keiner Vertiefung. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass eine eigene organisatorische Einheit außerhalb von EU und EG geschaffen worden ist. Schon die Aufnahme der Regelungen über ESZB und EZB in das Primärrecht des EGVertrages ist ein entscheidender Anhaltspunkt dafür, dass es sich um Einrichtungen innerhalb der EU in einem weit verstandenen Sinne handeln soll.65 Die dogmatisch interessante Frage, wessen Zentralbank die EZB nun eigentlich ist,66 kann in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht abschließend erörtert werden, da die Antwort jedenfalls keine Auswirkung auf Art und Umfang ihrer Unabhängigkeit hat. Auch wenn man nicht der durchaus fragwürdigen Annahme folgen will, dass die EZB eine Handlungseinheit sei, die sowohl losgelöst von der EU als auch von den Mitgliedstaaten, die den Euro eingeführt haben, agiere, gelten die Regeln des Europarechts über ihre Unabhängigkeit ohne Einschränkung.

64 Darstellung der unterschiedlichen Konstruktionsversuche bei Zilioli/Selmayr, The Law of the European Central Bank, 2001, S. 29, m.w. N.; kein Organ: M. Weber, Das Europäische System der Zentralbanken, WM 1998, S. 146; H. Faber (Fn. 6), Rn. 42; J.-V. Louis (Fn. 56), S. 73 f. (gegen „organ sui generis“); C. Schütz, Europarecht, 2001, S. 291; für unabhängige Einrichtung sui generis des Gemeinschaftsrechts M. Selmayr (Fn. 48), S. 2433 ff.; ähnlich B. Kempen, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 8 Rn. 3: „primärrechtlich verankerte Gemeinschaftseinrichtung eigener Art“, Art. 107 Rn. 5, 8: „Die EZB ist nicht Organ der Gemeinschaft, sondern eigene Rechtspersönlichkeit in der Gemeinschaft“; allenfalls: „organähnliche Einrichtung eigener Art“; Hahn/ Häde, Die Zentralbank vor Gericht, ZHR, Bd. 165 (2001), S. 30 (34): „Gemeinschaftsinstitution mit organähnlicher Stellung“; U. Häde, (Fn. 23), Art. 8 Rn. 4: „organähnliche Einrichtung eigener Art“. Mit dem Begriff „organähnlich“ ist aber kein Erkenntnisgewinn verbunden. Er sollte vermieden werden. 65 So im Ergebnis auch: R. Torrent, Whom is the European Central Bank the Central Bank of? Common Market Law Review, Bd. 36 (1999), S. 1229 (1230); Amtenbrink/de Haan, The Eruopean Central Bank: An independent specialized organization of Community Law – A comment, Common Market Law Review, Bd. 39 (2002), S. 65 (73 f.); U. Häde (Fn. 23), Art. 8 Rn. 4; B. Kempen (Fn. 64), Art. 107 Rn. 4; a. A. Zilioli/Selmayr, The European Central Bank: An independent specialized organization of Community Law, Common Market Law Review, Bd. 37 (2000), S. 591 (624). 66 R. Torrent (Fn. 65), S. 1229.

1. Die Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank

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III. Die Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank nach geltendem Recht 1. Europarecht Maßgebende Bedeutung für die europarechtliche Gewährleistung der Unabhängigkeit haben zwei Vorschriften des EGV, Art. 108 und 109. Hinzu kommt der mit dem Inhalt von Art. 108 EGV wortgleiche Art. 7 der Satzung. a) Die unmittelbaren Anordnungen des Primärrechts Art. 109 EGV spricht eine an die Mitgliedstaaten gerichtete Verpflichtung zur Anpassung ihres Rechts aus, während Art. 108 EGV die Rechtslage unmittelbar gestaltet.67 Zudem ist er wesentlich detaillierter, so dass er für die weitere Betrachtung an erster Stelle stehen muss. aa) Sachliche (institutionelle) Unabhängigkeit Für die Unabhängigkeit der Zentralbanken des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) ist die in Art. 108 EGV angeordnete Weisungsfreiheit die zentrale Regelung. Sie bedarf keiner Umsetzung und ist unmittelbar geltendes, zwingendes Recht. Dies gilt auch im Hinblick auf die Verwendung des Begriffs „Grundsatz“ in Satz 2. Eine eingeschränkte rechtliche Bindungskraft im Sinne von „grundsätzlich“ ist damit nicht gemeint.68 Art. 108 EGV ordnet in Satz 1 ausdrücklich an, dass „weder die EZB noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen einholen oder entgegennehmen“ dürfen. Beschlussorgane sind das Direktorium und der EZB-Rat, aber auch der Erweiterte Rat.69 Der Kreis der Verpflichteten ist denkbar weit gezogen: die „Organe oder Einrichtungen der Gemeinschaft“, die „Regierungen der Mitgliedstaaten“, aber auch „andere Stellen“. Dieser Begriff ist umfassend zu verstehen und erfasst beispielsweise Landesregierungen,70 aber prinzipiell auch Privatrechtssubjekte.71 Ob dazu auch Organe der nationalen Zentralbanken gehören, ist nicht sicher.72 67

B. Kempen (Fn. 64), Art. 108 Rn. 1. B. Kempen (Fn. 64), Art. 108 Rn. 5; weniger klar, aber implizit auch: Gnan/Wittelsberger (Fn. 29), Art. 107 Rn. 53; U. Häde (Fn. 23), Art. 108 Rn. 4. 69 Gnan/Wittelsberger (Fn. 30), Art. 108 Rn. 43. 70 B. Kempen (Fn. 64), Art. 108 Rn. 7. 71 J.-V. Louis (Fn. 56), S. 43; U. Häde (Fn. 23), Rn. 7, der die „anderen Stellen“ aber auf solche in den Mitgliedstaaten und Drittstaaten beziehen will; J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 27; a. A. Gnan/Wittelsberger (Fn. 29), Art. 107 Rn. 56; implizit wohl auch noch in der Neuauflage (Fn. 30), Art. 108 Rn. 41; B. Kempen (Fn. 64), Art. 108 Rn. 7. 72 Unten V. 2. c) dd). 68

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I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

Gesetzestechnisch statuiert Art. 108 Satz 1 EGV – anders als § 12 BBankG – zunächst einmal nur eine Pflicht der EZB, ihrer Organe und Organwalter. Allerdings nimmt anschließend Satz 2 auch die (potentiellen) Urheber der verbotenen Weisungen in Pflicht, allerdings mit Unterschieden. Die Regelung in Art. 108 geht in zweifacher Hinsicht weiter als § 12 BBankG: 1. Bereits der Versuch einer Einflussnahme ist ausdrücklich untersagt. 2. Die Unabhängigkeit ist nicht mehr nur für die Institutionen, sondern auch für die Mitglieder ihrer Beschlussorgane, also die handelnden Personen, garantiert. Beschlussorgane sind der EZB-Rat und das Direktorium, Art. 107 Abs. 3 EGV. Die jetzt getroffene Regelung untersagt nicht nur formelle Anweisungen, sondern auch die Ausübung von Druck oder gar nur Überredungskunst auf die Organwalter, gleich welcher Art und Intensität. Auch der zielgerichtete Einsatz der Medien ist von der Vorschrift erfasst. Alle Versuche, in kompetenzwidriger Weise auf die Geld- und Währungspolitik einzuwirken, sollen schon „im Keime“ erstickt werden.73 Geschützt sind sowohl die EZB, als auch die nationalen Zentralbanken,74 allerdings nur, soweit sie Aufgaben im Rahmen des ESZB wahrnehmen. Es ist dieser Schutz der Unabhängigkeit der Institution, vor allem auch vor jeder Form von Weisungen, der (teilweise) mit dem Begriff „institutionelle“ Unabhängigkeit belegt wird.75 So verstanden, ist er annehmbar. Die nationalen Zentralbanken werden erfasst, weil sie sowohl Kreations- wie Ausführungsorgane für die EZB sind, Art. 112 Abs. 1, Art. 14.3 der Satzung. Auch wenn die nationalen Zentralbanken Geschöpfe der jeweiligen nationalen Rechtsordnung geblieben sind, garantiert Art. 108 EGV unmittelbar die Unabhängigkeit der Institution und ihrer Organwalter in den Beschlussorganen. Das ist Folge der souveränitätsübergreifenden Struktur des ESZB. Ohne innere Brüche kann die Unabhängigkeit des Ganzen nur effektiv werden, wenn auch seine integralen Bestandteile, die nationalen Zentralbanken, unbeeinflusst von außen handeln können. Art. 108 Satz 2 EGV hat einen eigenartigen Regelungsgehalt in Form einer Selbstverpflichtung. Die genaue Formulierung lautet: „Die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz“ also das Verbot, Weisungen einzuholen oder entgegenzunehmen, „zu beachten [. . .]“. Dieser Ausspruch ist zumindest ungewöhnlich. Vollständige Rechtsnormen enthalten einen Befehl, aber nicht „Selbstverpflich73

J. Endler (Fn. 6), S. 410 ff.; B. Kempen (Fn. 64), Art. 108 Rn. 5. J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 27. 75 In diesem Sinne B. Wahlig, (Fn. 23), S. 268; B. Kempen (Fn. 64), Art. 108 Rn. 8; wohl auch U. Häde (Fn. 23), Art. 108 Rn. 7; anders J. Endler (Fn. 6), S. 504 (im Sinne von „institutionelle Garantie“). 74

1. Die Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank

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tungen“. Die Entstehung der Norm durch Vertragsschluss bietet keine hinreichende Erklärung, da sich in der Vorschrift auch Organe und Einrichtungen verpflichten, die nicht Vertragspartner sind. Darüber hinaus ist eine derartige Gesetzgebungstechnik dem primären Gemeinschaftsrecht im Übrigen durchaus fremd. Eine Erklärung für diese besondere Form der Inpflichtnahme mag darin zu sehen sein, dass auf diese Weise die besondere Bedeutung der Regelung und die Beschwörung ihrer Unantastbarkeit herausgestellt werden sollte. Im Ergebnis kann jedenfalls kein Zweifel bestehen, dass das Primärrecht der EU die Unabhängigkeit der EZB und der nationalen Zentralbanken umfassend garantieren will. Trotz ihrer unterschiedlichen Perspektive entsprechen sich die Regelungen in Satz 1 und Satz 2 in Art. 108 EGV weitgehend. Ihr sachlicher Geltungsbereich ist trotz der unterschiedlichen Formulierung deckungsgleich.76 Allerdings sind zwei nicht zu vernachlässigende Unterschiede zu beachten: „die anderen Stellen“ sind in Satz 2 nicht mit aufgeführt.77 In Satz 2 – im Gegensatz zu Satz 1 – sind nur Personen und nicht Institutionen geschützt.78 bb) Garantie der persönlichen Unabhängigkeit Diese zentrale Garantie der Unabhängigkeit der Bestandteile des ESZB wird noch durch Regelungen der persönlichen Unabhängigkeit ergänzt. Sie schützen vor allem die in den Beschlussorganen wirkenden natürlichen Personen.79 Im Einzelnen sind zu nennen: – die feste Amtsperiode von acht Jahren mit dem Verbot einer Wiederernennung, Art. 112 Abs. 2 b EGV, – die Regelung der Beschäftigungsbedingungen, Art. 11.3 und 4 der Satzung, – Amtsenthebung nur bei schweren Verfehlungen oder Amtsunfähigkeit, Art. 11.4 der Satzung, – die Vorgabe einer Mindestamtszeit für die Präsidenten der nationalen Zentralbanken, Art. 14.2 der Satzung. Eine „freiwillige“ Verkürzung der Amtszeit ist damit prinzipiell nicht zu vereinbaren, jedenfalls nicht rechtlich verbindlich.80 76

U. Häde (Fn. 23), Art. 108 Rn. 9. Gnan/Wittelsberger (Fn. 30), Art. 108 Rn. 45, die ein Verbot gegenüber einem ebenso weiten Adressatenkreis wie in Satz 1 für „offensichtlich wenig sinnvoll“ halten. 78 Gnan/Wittelsberger (Fn. 30), Art. 108 Rn. 46. 79 W. Heun, Die Europäische Zentralbank in der Europäischen Währungsunion, JZ 1998, S. 866 (869, 874); B. Kempen (Fn. 64), Art. 108 Rn. 10. 80 U. Häde (Fn. 23), Art. 108 Rn. 15 für die Mitglieder des Direktoriums; W. Heun (Fn. 79), S. 874. 77

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cc) Unterstützende Garantien Der Bundesbank wurde in vermögensrechtlicher Hinsicht die Unabhängigkeit abgesprochen, vor allem deswegen, weil der Bund alleiniger Inhaber des Kapitals der Bank war und detaillierte Vorschriften für die Gewinnverwendung und die Behandlung der Währungsreserven die Autonomie der Bundesbank einschränken. Immerhin besitzt sie ein eigenes Rechnungswesen und ist nicht in den Bundeshaushalt integriert, § 26 BBankG. Die Stellung der EZB geht insoweit weiter. Art. 108 umfasst auch die finanzwirtschaftliche Unabhängigkeit.81 Inhaber ihres Kapitals sind nicht die Gemeinschaft oder ihre Mitgliedstaaten, sondern ausschließlich die nationalen Zentralbanken, Art. 28.2 der Satzung. Unmittelbare Einflussnahmen und Begehrlichkeiten von Kapitalgeberseite sind damit ausgeschlossen. Freilich mag der Kapitalanteil der Bundesbank wirtschaftlich über § 2 Satz 2 BBankG dem Bund zuzurechnen sein. Auch enthält die Satzung der EZB in den Art. 30–33 detaillierte Vorschriften über die Gewinnverwendung und die Währungsreserven. Darauf wird später noch näher einzugehen sein.82 Wegen der vorrangigen Ausrichtung des ESZB auf das Ziel der Preisstabilität nach Art. 105 Abs. 1 Satz 1 EGV enthält das Europarecht noch weitere Reglungen, welche die (allgemeine) Unabhängigkeitsgarantie verstärken: – das Verbot der Vergabe von Zentralbankkrediten an öffentliche Einrichtungen gleich welcher Art und Stufe, Art. 101 EGV, – das Verbot eines bevorrechtigten Zugangs von staatlichen Stellen zu Finanzinstituten, Art. 102 EGV, – der Haftungsausschluss nach Art. 103 EGV, – vielfältige Initiativrechte, Anhörungsrechte und Empfehlungen der EZB, die sicherstellen sollen, dass ohne ihre Mitwirkung keine Rechtsakte im Zuständigkeitsbereich des ESZB erlassen werden. dd) Die Befugnisse des Gesetzgebers Die Bundesbank besaß nach der vorherrschenden Deutung keine Unabhängigkeit gegenüber dem Gesetzgeber. Schlichte Parlamentsbeschlüsse waren aber auch für sie nicht verbindlich.83 Durch die Vorgaben des Europarechts ist der Bundesgesetzgeber jetzt vollständig von Regelungen ausgeschlossen, welche die Unabhängigkeit der EZB berühren könnten. Aber auch das Europarecht unterliegt erheblichen Restriktionen. Normen des sekundären Gemeinschaftsrechts dürfen, von den eng beschränkten Möglichkeiten des Art. 41 und dem speziellen 81 82 83

G. Galahn (Fn. 23), S. 140, 142; U. Häde (Fn. 23), Rn. 9b. Unten V. 1. a). K. Stern (Fn. 4), S. 499.

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Verfahren des – durch den Vertrag von Nizza eingefügten – Art. 10.6 der Satzung abgesehen, ebenfalls keine Regelungen enthalten, welche die Unabhängigkeit antasten. Es ist immer eine Änderung des primären Gemeinschaftsrechts unter Beteiligung der nationalen Parlamente erforderlich. ee) Aufsicht und Kontrolle Das ESZB unterliegt nicht einer Aufsicht im Sinne der gängigen Kategorien des Staats- und Verwaltungsrechts. Es hat lediglich Informations- und Berichtspflichten gegenüber den Organen der EG und der Öffentlichkeit zu erfüllen, Art. 113 Abs. 3 EGV, Art. 15 der Satzung.84 Präsident und Direktoriumsmitglieder können vor den zuständigen Ausschuss zu einer Anhörung geladen werden, Art. 113 Abs. 3 Satz 3 EGV. Der Präsident des Rates und die Kommissionsmitglieder dürfen an den Sitzungen des EZB-Rates teilnehmen. Im Hinblick auf die spezifische Regelung ihrer Unabhängigkeit in Art. 108 EGV darf es sich dabei aber nur um einen Informationsaustausch handeln. Da auch schon der Versuch einer Einflussnahme unzulässig ist, hat jede Ausübung von Druck zu unterbleiben. Eine Entlastung des Direktoriums ist nicht vorgesehen. Der Jahresabschluss wird lediglich vom Direktorium festgestellt und dann veröffentlicht, Art. 26.2 der Satzung. Die Jahresabschlüsse der EZB und der nationalen Zentralbanken sind allerdings durch externe Prüfer zu prüfen. Die Rechnungsprüfung durch den Rechnungshof der Gemeinschaft (Art. 248 EGV) muss sich auf die Effizienz der Verwaltung der EZB beschränken, Art. 27.2 der Satzung. Daraus ist auch zu schließen, dass die Bemühungen der EU um Betrugsprävention (OLAF)85 nur mit Zustimmung des EZB-Rates auf den Bereich des ESZB erstreckt werden dürfen.86 Darüber hinaus findet weder eine Fachaufsicht noch auch nur eine Rechtsaufsicht statt.87 Die erwogene Einführung einer Entlastung des Vorstands der Bundesbank wäre ein Verstoß gegen die Unabhängigkeitsgarantie.88 Allerdings unterliegen die Handlungen und Unterlassungen der EZB der gerichtlichen Kontrolle. Sie erfolgt durch den Gerichtshof der Gemeinschaft in dem 84 Es besteht aber keine Verpflichtung gegenüber den nationalen Parlamenten, C. Zilioli, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl. 2003, Art. 15 ESZB-Satzung, Rn. 1; weitere Einzelheiten bei H. J. Hahn, Berichtspflichten und Informationsmöglichkeiten der Europäischen Zentralbank, JZ 1999, S. 957. 85 Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF), Abl. Nr. L 136 vom 31. Mai 1999, S. 1. 86 Zum Streit zwischen der Kommission und der EZB über diese Frage, vgl. GnanWittelsbacher (Fn. 30), Art. 108 Rn. 26. 87 M. Herdegen (Fn. 56), Rn. 56. 88 U. Häde (Fn. 23), Art. 108 Rn. 9.

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speziell auf das ESZB zugeschnittenen Verfahren nach Art. 237 lit. d EGV, 35.6 der Satzung sowie den allgemeinen Verfahrensarten: – Nichtigkeitsklage, Art. 232 EGV, – Untätigkeitsklage, Art. 232 EGV, – Schadensersatzklage, Art. 235 i.V. m. 288 EGV, – inzidente Normenkontrolle, Art. 241 EGV, – Amtsenthebung eines Mitglieds des Direktoriums, Art. 11.4 der Satzung. Im Übrigen sind auch Entscheidungen durch die Gerichte der Einzelstaaten möglich, Art. 35.1 und 2 der Satzung. Die Unterwerfung unter Gerichtsentscheidungen ist kein Widerspruch zur Unabhängigkeitsgarantie, sondern folgt aus der Gesetzesbindung, die ein Korrelat zur Autonomie ist. Sie berührt zudem prinzipiell nicht die Erfüllung des vorrangigen Ziels der Preisstabilität. Gefahren für die Verwirklichung dieses Ziels entstehen erkennbar nicht aus Gerichtsentscheidungen.89 ff) Grenzen der Unabhängigkeit Die Unabhängigkeitsgarantie hat aber auch Grenzen. Sie ist kein Selbstzweck, sondern dient der Erfüllung spezifischer Funktionen. Dementsprechend knüpft Art. 108 Satz 1 EGV das Verbot von Weisungen an die „Wahrnehmung“ der „durch diesen Vertrag und die Satzung des ESZB übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten“. Es handelt sich also um eine „funktionsbezogene Unabhängigkeit“.90 Insoweit wird die Tradition des Bundesbankgesetzes fortgesetzt. Auch die Unabhängigkeit der Bundesbank war nicht schlechthin gewährt, sondern zur Erfüllung spezifischer Aufgaben.91 Die der EZB und den nationalen Notenbanken eingeräumte Unabhängigkeit ist weder ein „Statusprivileg“ dieser Einrichtungen noch der Mitglieder ihrer Beschlussorgane. Sie steht ganz im Dienste der zu erfüllenden Aufgaben im Bereich der Geld- und Währungspolitik mit dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität.92 Für sonstige den Zentralbanken zulässigerweise zugewiesene Tätigkeiten, namentlich die Bankenaufsicht, gilt die Unabhängigkeitsgarantie des Art. 108 EGV nicht.93 89 C. Schütz (Fn. 64), S. 301 ff.; B. Kempen (Fn. 64), Art. 108 Rn. 12; eingehend zu Klagen gegen die EZB: Hahn/Häde (Fn. 64), S. 41 ff.; Die Zentralbank vor Gericht, ZHR, Bd. 165 (2001), S. 30 ff.; ferner H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, Diss. Würzburg 1994. 90 M. Herdegen (Fn. 56), Rn. 56. 91 Vgl. K. Stern (Fn. 4), S. 499, für die Bundesbank. 92 B. Kempen (Fn. 64), Art. 108 Rn. 4. 93 B. Kempen (Fn. 64), Art. 108 Rn. 9.

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b) Pflicht der Mitgliedstaaten zur Rechtsanpassung Das Europarecht lässt den organisatorischen Status der nationalen Zentralbanken grundsätzlich unberührt. Die Mitgliedstaaten sind frei in der innerstaatlichen Organisation ihrer Währungs- und Notenbanken, solange sie zwei zwingende Voraussetzungen beachten: (1) Es muss überhaupt eine nationale Zentralbank geben. (2) Diese Zentralbank muss unabhängig sein. Diese Anforderungen folgen aus Art. 108, 109, 116 Abs. 2 EGV. In Art. 109 EGV ist die besondere Verpflichtung der Mitgliedstaaten betont, das jeweilige nationale Recht entsprechend den Vorgaben des Vertrages und der Satzung anzupassen. Ob diese Vorschrift angesichts des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Recht94 für Deutschland einen eigenständigen Regelungsgehalt hat, ist fraglich. Immerhin bringt sie noch einmal unmissverständlich die Pflicht zum gemeinschaftsrechtskonformen Verhalten zum Ausdruck und will sicherstellen, dass mit dem Beginn der dritten Stufe keine Rechtsunsicherheiten aus der Kollision von innerstaatlichem Recht mit Gemeinschaftsrecht entstehen.95 c) Fazit Dieses umfassende System von Garantien und Hilfsgarantien ist als „vollständige Entnationalisierung und Entpolitisierung“ der Geldpolitik bezeichnet worden.96 Ob das in letzter Konsequenz richtig ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls enthält das Europarecht einen umfassenden Schutz der Unabhängigkeit von ESZB und EZB einschließlich der nationalen Zentralbanken. Geschützt sind sowohl die Institutionen als auch die in ihr und für sie handelnden Personen. Die Unabhängigkeitsgarantie umfasst sowohl die sachliche wie die persönliche Unabhängigkeit und setzt weit im Vorfeld von strikten Befehlen und echten Weisungen ein. Der Kreis der Verpflichteten ist denkbar weit gezogen und umfasst auch Privatpersonen und die Medien. 2. Grundgesetz a) Vorgaben für die Bundesbank aa) Staatsrechtliche Stellung Die Bundesbank gehört auch nach ihrer Eingliederung in das ESZB zur Exekutivgewalt des Bundes.97 Dabei ist es zweitrangig, ob man sie als Behörde be94 95 96 97

Oben III. 1. a). So die Sinngebung von B. Kempen (Fn. 64), Art. 109 Rn. 2. M. Selmayr (Fn. 47), S. 2429. Hahn/Häde (Fn. 23), Rn. 119, 178.

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zeichnen will und wie in diesem Zusammenhang § 29 Abs. 1 Satz 1 BBankG zu deuten ist.98 Als integraler Bestandteil des ESZB ist sie zugleich Einrichtung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Gemeinschaft.99 Sie hat durch die Eingliederung nicht ihre rechtliche Selbständigkeit verloren und ist weiterhin juristische Person des deutschen öffentlichen Rechts, § 2 Satz 1 BBankG. In ihrer Eigenschaft als Bestandteil des ESZB wird sie von den Beschlussorganen der EZB, also EZB-Rat und Direktorium, geleitet, Art. 107 Abs. 3 EGV. Sie ist der EZB rechtlich untergeordnet.100 Das bedeutet, sie muss sich an die Leitlinien und Weisungen der EZB halten,101 die einen nennenswerten Teil ihrer Aufgaben auf diese Weise dezentral durch die nationalen Zentralbanken ausführen lässt.102 Auch als Notenbank ist die Bundesbank weitgehend von den Entscheidungen der EZB abhängig.103 Lediglich ihre „akzidentiellen“ Aufgaben, also Bankaufgaben ohne Zentralbankbezug,104 darf sie autonom in dem durch Art. 14.4 der Satzung gesteckten Rahmen ausführen. Allerdings übt sie maßgebenden Einfluss auf die Währungspolitik über ihren Präsidenten aus, der kraft Amtes Mitglied im EZB-Rat ist. Dass Errichtung und Einrichtung einer Institution zugleich dem Regime von zwei verschiedenen Rechtsordnungen unterliegen, ist durchaus ungewöhnlich. 98 So J. A. Kämmerer (Fn. 3), Art. 88 Rn. 11 f., 19, m. Nachw. zum Meinungsstand; gegen Einstufung als Behörde: K. Stern (Fn. 4), S. 469 („oberstes exekutives Staatsorgan“, „einem Regierungsorgan vergleichbar“); R. Schmidt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band III, 1988, § 82 Rn. 18 („einem Regierungsorgan näher“); M. Herdegen (Fn. 56), Rn. 46 („exekutives Leitorgan“); für Einstufung als Behörde: D. Wilke, in: v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, Band III, 2. Aufl. 1974, Art. 88 Anm. IV 3 b. 99 M. Seidel, Probleme der Verfassung der Europäischen Gemeinschaft als Wirtschafts- und Währungsunion, in: Festschrift Börner, 1992, S. 417 (425): „doppelt geschichtetes Organ der Gemeinschaft“; D. Janzen (Fn. 26), S. 99 f.; ansatzweise auch A. Weber, Die Wirtschafts- und Währungsunion nach dem Maastricht-Urteil, JZ 1994, S. 53 (59). Verbreitet wird aber auch angenommen, dass die nationalen Zentralbanken „noch keine Gemeinschaftseinrichtung seien“ und eindeutig den Mitgliedstaaten zuzuordnen seien, B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 7. Aufl. 2004, Art. 88 Rn. 5; B. Kempen (Fn. 64), Art. 107 Rn. 14; schwächer M. Weber (Fn. 64), S. 1472 f.; U. Häde (Fn. 23), Art. 107 Rn. 8. Diese Verschiebung der Gewichte auf das nationale Recht ist aber mit der Integration in das europäische Recht und der tatsächlichen Handhabung kaum zu vereinbaren. 100 B. Kempen (Fn. 64), Art. 107 Rn. 13. 101 Art. 14.3 i.V. m. Art. 12.1 UA 1 der Satzung. 102 Zur Ausgestaltung des „dezentralen Ansatz“ in der Geldpolitik nach Art. 9.2, 12.1 UA 3 der Satzung siehe die Dokumentation des EWI: Die einheitliche Geldpolitik in Stufe 3. Allgemeine Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des ESZB, September 1997; krit. Selmayr (Fn. 47), S. 2440. 103 Die Ausgabe von Banknoten bedarf der Genehmigung durch die EZB, Art. 16 Satz 1 der Satzung. 104 J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 6. Dazu gehören auch die Aufgaben in der Bankenaufsicht gem. § 7, § 2 Abs. 5 Satz 1 KWG. Das ESZB hat insofern nur Koordinationsund Konsultationsbefugnisse, Art. 105 Abs. 5 EGV und Art. 25.1 der Satzung.

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Bei der graduellen Entstehung einer neuen, übergeordneten Hoheitsgewalt dürfte eine solche „doppelte Verankerung“ 105 aber nicht immer zu vermeiden sein und auch nicht ohne weiteres gegen höherrangiges Recht verstoßen. Als Vorbild kann schon die Europäische Gemeinschaft (Union) selbst dienen, namentlich, wenn man sie noch nicht als (Bundes-)Staat106, sondern als ein anders geartetes supranationales Gebilde, vielleicht sogar als „Staatenverbund“ 107 ansieht. Aber auch im nationalen Bereich gibt es Vorbilder, wie die Mittelinstanzen der Finanzverwaltung, die zugleich Bundes- und Landesbehörden sind. Ihr Präsident ist sowohl Bundes- als auch Landesbeamter. Eine derartige „Mischverwaltung“ ist trotz der vielfach geäußerten Bedenken jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn das übergeordnete „Verfassungsrecht“ sie gestattet. Bezogen auf das ESZB genügt danach, dass das primäre Gemeinschaftsrecht diese Struktur ausdrücklich in Art. 107 Abs. 1 EGV und Art. 1.1, 14.3 der Satzung vorsieht. Das hat zur Konsequenz, dass die entsprechenden Regelungen bis in alle Einzelheiten auch nur durch Änderung des übergeordneten Rechts, also des primären Gemeinschaftsrechts, abgewandelt werden dürfen. bb) Garantie der Unabhängigkeit (1) Ursprüngliche Ablehnung einer verfassungsrechtlichen Unabhängigkeitsgarantie Ob das Grundgesetz die Unabhängigkeit der Bundesbank garantiert, war unter der Geltung der ursprünglichen Fassung von Art. 88 GG umstritten.108 Eine verfassungsrechtliche Garantie der Unabhängigkeit wurde teilweise bejaht,109 über105 Zum Teil wird auch von „Doppelfunktion“ gesprochen, vgl. J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 19; anders I. Pernice (Fn. 23), Rn. 20: Der „verfassungsrechtliche [. . .] Status“ ist weitergehend durch einen „europarechtlichen Status“ ersetzt worden. 106 Gegen die in Deutschland ganz herrschende Auffassung zutreffend für Staatsqualität der EU: F. Ossenbühl, Maastricht und das Grundgesetz – eine verfassungsrechtliche Wende, DVBl. 1993, S. 629, (631 f.). 107 BVerfGE 89, 115 (184, 188); zuvor schon M. Seidel, Zur Verfassung der Europäischen Gemeinschaft nach Maastricht, Europarecht 1992, S. 125 (139): „Staatsverband“. Mittlerweile wird sogar die Charakterisierung als ein „Verfassungsverbund“ propagiert und über einen „Werteverbund“ nachgedacht, vgl. C. Calliess, Europa als Wertegemeinschaft – Integration und Identität durch europäisches Verfassungsrecht?, JZ 2004, S. 1033, (1041 f.). 108 Umfassende Nachweise bei K. Stern (Fn. 4), S. 492–494. 109 O.-E. Starke, Die Stellung der Notenbank im Staatsgefüge, WM 1957, S. 75, 85 f.; ders., Das Gesetz über die Deutsche Bundesbank und seine wichtigsten öffentlich-rechtlichen Probleme, DÖV 1957, S. 606, (608 f.), der sie aus ihrem – von ihm angenommenen – Status als Verfassungsorgan ableitet; H. Fögen (Fn. 35), S. 658 f.; C. T. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefüge, 1967, S. 186; G. Prost, Die Deutsche Bundesbank im Spannungsbereich anderer unabhängiger Organe und Institutionen, in: Festschrift Rittershausen, 1968, S. 110 (117 f.); D. Uhlen-

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wiegend aber verneint.110 Es bestehe keine begriffsnotwendige Verknüpfung von Währungs- und Notenbankeigenschaft und Unabhängigkeit. Sie sei auch nicht zu ihrer „Funktionstauglichkeit“ unabdingbar. Im Umkehrschluss würde das nämlich bedeuten, dass eine „regierungsgeleitete Notenbank untauglich zur Währungssicherung anzusehen wäre, weil eine Regierung gleichsam von Natur aus die Stabilität einer Währung missachtete“.111 Verschiedene Zentralbanken hätten aber ihre Aufgabe auch in einer Zeit der Weisungsabhängigkeit durchaus zu erfüllen vermocht,112 wenn auch vielleicht noch verbesserungsfähig. Allerdings wurde der Vorschrift ganz überwiegend zumindest die Ermächtigung entnommen, einfachgesetzlich die Unabhängigkeit zu gewähren.113 Zur Begründung diente meist die Entstehungsgeschichte. Danach hatte der Parlamentarische Rat die Ausgestalbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, 1968, S. 26 f.; 50; S.-P. Eun, Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, Diss. Tübingen 1994, S. 175 f.; beiläufig und nicht ganz eindeutig BVerfGE 62, 169 (183): „Die Deutsche Bundesbank, die zudem kraft ihrer verfassungsrechtlichen unabhängigen Stellung keiner Aufsicht anderer Organe der Exekutive unterliegt, ist deshalb in der Lage, in erheblichem Umfange selbst zu bestimmen, welche Kriterien sie ihrer Genehmigungspraxis zugrunde legt.“. 110 BVerwGE 41, 334 (354 ff.); R. Schmidt, Grundlagen und Grenzen der Unabhängigkeit der deutschen Bundesbank, in: Festschrift P.J Zepos, Bd. 2, 1973, S. 671; ders. (Fn. 98), Rn. 24; ders. (Fn. 14), S. 63 f.; D. Wilke (Fn. 98), Anm. IV 3a, mit eingehender Begründung; E. Bauer, in: v. Münch (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 3, 1. Aufl. 1978, Art. 88 Rn. 13; K. Stern (Fn. 4), S. 496 m.w. N.; D. Janzen (Fn. 26), S. 54, 174. 111 K. Stern (Fn. 4), S. 496; weitere Nachweise oben Fn. 4. 112 K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktioneller Unabhängigkeit und politischer Autonomie, 1979, S. 93 ff., 202 ff.; zust. J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 13. 113 BVerwGE 41, 334 (354, 356); Fichtmüller, Zulässigkeit ministerialfreien Raums in der Bundesverwaltung, AöR Bd. 91 (1966), S. 297, 299, 346 ff.; O. Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, 1971, S. 100 f.; R. Schmidt (Fn. 110), S. 671; ders. (Fn. 98), Rn. 24; ders. (Fn. 14), S. 73; H.-J. Papier, Die Zentralbank im Verfassungsgefüge, in: Grawert (Hrsg.), Instrumente der sozialen Sicherung und der Währungssicherung in der Bundesrepublik Deutschland und in Italien, 1982, S. 111; D. Wilke (Fn. 98), Anm. IV 3 b; K. Stern (Fn. 4), S. 497 m.w. N.; D. Janzen (Fn. 26), S. 139 f.; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IX, 1997, § 221 Rn. 37; Hahn/Häde (Fn. 23), Rn. 251, mit der wenig konzisen materiellen Begründung, dass die Unabhängigkeit von Weisungen der Regierung die „sachgerechtere Lösung“ sei und man „insoweit von einer Art Gewaltenteilung innerhalb der Exekutive sprechen“ könne (Rn. 250); unter Einschränkungen ebenso B. Schmidt-Bleibtreu, in: ders./Klein, Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 6. Aufl. 1984, Art. 88, Rn. 6 (nicht mehr in der 9. Aufl.); a. A. unter Berufung auf das Demokratieprinzip: E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 198; H. Faber, Wirtschaftsplanung und Bundesbankautonomie, 1969, S. 71; ihm zustimmend W. Hoffmann-Riem in seiner Besprechung dieses Werkes (AöR Bd. 96 [1971]), S. 443, 445; P. Füsslein, Ministerialfreie Verwaltung, Begriff, Erscheinungsformen und Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, Diss. Bonn 1972, S. 338 f.; E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raums, 1974, S. 215; K. v. Bonin (Fn. 112), S. 170 f., 236 f.; ferner wohl auch K. Irrgang, Die Rechtsnatur der Deutschen Bundesbank, Diss. Köln 1969, S. 93 ff., der aus verfassungsrechtlichen Gründen die Notwendigkeit einer Staatsaufsicht annahm und in das Bundesbankgesetz

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tung der Rechtsbeziehungen zwischen Bundesbank, Bundesregierung und Bundestag dem (einfachen) Ausführungsgesetz überlassen wollen.114 Verfassungsrechtlich sollte (nur) die Pflicht des Bundes zur Errichtung einer solchen Bank als Einrichtung des Bundes und ihre Ausstattung mit den notwendigen Handlungsinstrumenten festgeschrieben werden.115 (2) Mittelbare Unabhängigkeitsgarantie durch Art. 88 Satz 2 GG Diese Kontroverse hat sich zum Teil durch die Änderung von Art. 88 GG erledigt. Der neu eingefügte Satz 2 in Art. 88 GG116 garantiert als solcher nach seinem klaren Wortlaut zwar noch nicht die Unabhängigkeit der Bundesbank. Insoweit stimmt die bei der Verfassungsänderung geäußerte Auffassung, dass die Regelung keine Auswirkung auf die gegenwärtige Rechtsstellung der Deutschen Bundesbank habe.117 Die Feststellung greift aber zu kurz: Die Übertragung der währungspolitischen Aufgaben und Befugnisse auf die EZB und die damit verbundene Unabhängigkeitsgarantie aus Art. 108 EGV führen zu einer mittelbaren verfassungsrechtlichen Garantie auch für die Bundesbank.118

hineininterpretierte. Der Begriff „innere Gewaltenteilung“ wurde von K. Stern (Fn. 4) für die Organvielfalt innerhalb der Bundesbank verwendet (S. 488). 114 Hahn/Häde (Fn. 23), Rn. 249. 115 In diesem Sinne unter detaillierter Auswertung der Entstehungsgeschichte Hahn/ Häde (Fn. 23), Rn. 1–17, 115, 135 f.; 187, 195 f. Die Existenz eines „vorrechtlichen Gesamtbildes“, auf das in der Begründung zum Regierungsentwurf des Bundesbankgesetzes im Jahre 1956 zurückgegriffen wurde (BT-Drucks. 2/2781, S. 25), wird ebenso wie die Existenz eines „vorverfassungsmäßigen“ Gesamtbildes, das vom Parlamentarischen Rat angeblich zugrunde gelegt worden sei, widerlegt von L. Gramlich, Abschied vom „vorverfassungsmäßigen Gesamtbild“, DVBl. 1980, S. 531; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, 1988, S. 95–102. 116 Gesetz vom 21.12.1992, BGBl. I, S. 2086. 117 Sonderausschuss des Deutschen Bundestages „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)“, BT-Drucks. 12/3896, S. 12: „dass die von ihm befürwortete Formulierung des Art. 88 Satz 2 GG keine Auswirkungen auf die gegenwärtige Rechtsstellung der Deutschen Bundesbank“ habe; daran anschließend ebenso T. Weikart, Die Änderung des Bundesbank-Artikels im Grundgesetz im Hinblick auf den Vertrag von Maastricht – Entstehen und Rechtswirkungen einer reformierten Norm, NVwZ 1993, S. 834 (840), Hahn/Häde (Fn. 23), Rn. 310, 312, nur soweit die Bundesbank noch nicht oder nicht mehr Bestandteil des ESZB ist. 118 Ansatzweise bereits G. Galahn (Fn. 23), S. 192 f.; deutlich: P. J. Tettinger (Fn. 37), Rn. 15: „zentrale ratio der Bestimmung“; Hahn/Häde (Fn. 23), Rn. 309, 314 a. E.; J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 14, 30; im Ergebnis auch K. Stern, Die Notenbank im Staatsgefüge, in: Deutsche Bundesbank (Hrsg.), Fünfzig Jahre Deutsche Mark, 1998, S. 141 (181); sinngemäß ebenso: H. J. Blanke (Fn. 27), Rn. 35, 37, 66: „Wortlaut . . . durch eine weite Auslegung zu korrigieren“; F. Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, 1997, S. 383 ff.: teleologische Auslegung zur „Funktionssicherung“ der EZB, aber mit weiteren Differenzierungen; I. Pernice (Fn. 23), Rn. 18; M. Herdegen (Fn. 56), Rn. 55; a. A. H. Faber (Fn. 6), Rn. 33; wohl auch: D. Janzen (Fn. 26), der in Art. 88 Satz 1 GG die Unabhängigkeit nicht geregelt sieht und Art. 88

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Zunächst folgt die Unabhängigkeit der Bundesbank über Art. 107 Abs. 1 EGV aus Art. 108 EGV und hat damit Teil an dem „verstärkten Abänderungsschutz des EG-Primärrechts“. Sie ist europarechtlich garantiert.119 Unzulässige Einwirkungen auf die Bundesbank sind zunächst eine Vertragsverletzung, da sie zugleich das ESZB berühren. Eine solche Vertragsverletzung kann zu einem Beanstandungsverfahren vor dem EuGH führen. Die Unabhängigkeitsgarantie ist aber auch Bestandteil des deutschen Verfassungsrechts. Allerdings lässt sich dieses Ergebnis nicht mit dem angeblichen „Verfassungsrang“ des EG-Vertrages begründen,120 sondern folgt mittelbar aus Art. 88 Satz 2 GG. Unmittelbar betrifft die Regelung zwar nur die Europäische Zentralbank.121 Die Unabhängigkeit der Bundesbank ist aber auch grundgesetzlich abgesichert, weil nach Art. 88 Satz 2 GG nur unter drei Voraussetzungen Aufgaben und Befugnisse auf eine Europäische Zentralbank (EZB) übertragen werden dürfen: – Einbindung in die Europäische Union, – Unabhängigkeit, – Verpflichtung auf das vorrangige Ziel der Sicherung der Preisstabilität. Diese Voraussetzungen sind für die EZB erfüllt.122 Die Bundesbank ist nun aber strukturell so mit der EZB verklammert, dass sie auch an deren Unabhängigkeit teilhaben muss.123 Beide sind integrale Bestandteile des ESZB. Zudem erfüllt die EZB die ihr übertragenen Aufgaben und Befugnisse dezentral. Die nationalen Zentralbanken sind ihre Ausführungsorgane und werden von den Beschlussorganen der EZB „geleitet“, Art. 107 Abs. 3 EGV. Solange es ein ESZB mit den integralen Bestandteilen EZB und Bundesbank gibt, ist die Unabhängigkeit der gesamten Einrichtung verfassungsrechtlich abgesichert.124 Es handelt sich damit um eine „gemeinschaftsrechtlich vermittelte verfassungsrechtliche Unabhängigkeitsgarantie“ für die Bundesbank.125 Satz 2 GG nicht auf die Bundesbank bezieht (S. 175 f.); Umbach/Dollinger (Fn. 15); B. Pieroth (Fn. 99), Rn. 3. 119 B. Pieroth (Fn. 99), Rn. 3; Umbach/Dollinger (Fn. 15), Rn. 21; D. Janzen (Fn. 26), S. 176, unter Berufung auf T. Weikart (Fn. 117), S. 840, wo das aber so nicht steht. Die zitierte Stelle beschäftigt sich lediglich mit der Rechtsstellung der EZB und nicht mit der Bundesbank, die erst im folgenden Abschnitt behandelt wird. Dass sie als integraler Bestandteil des ESZB auch von den europarechtlichen Vorgaben für die EZB erfasst wird, behandelt Weikart nicht. 120 So aber wohl H. Hauser, Die Ergebnisse von Maastricht zur Schaffung einer Europäischen Währungsunion, Außenwirtschaft 1992, S. 151 (154). 121 J. Schwarze, Das Staatsrecht in Europa, JZ 1993, S. 585, 587: verfassungsrechtliche Garantie der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ohne Äußerung zu den Folgen für die Bundesbank; H. J. Blanke (Fn. 27), Rn. 68; J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 23. 122 BVerfGE 89, 155 (201 ff.); 97, 350 (372). 123 Oben III. 2. a) aa). 124 H. J. Blanke (Fn. 27), Rn. 66.

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Diese Konstruktion hat zur Folge, dass entgegen der früher herrschenden Meinung die Bundesbank jetzt überwiegend als beteiligtenfähig im Organstreit vor dem Bundesverfassungsgericht angesehen wird. Sie könne sich auf diese Weise gegen Eingriffe in ihre Unabhängigkeit wehren.126 Ob die Bundesbank jedoch als „anderer Beteiligter“ im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG über Art. 88 Satz 2 GG und die Unabhängigkeit der EZB mit „eigenen Rechten“ durch das Grundgesetz ausgestattet worden ist, ist indes nicht so sicher. Es bleibt zu fragen, ob Rechte, die einem Gesamtsystem zukommen, „eigene“ Rechte eines integralen Bestandteils dieses Systems sein können. (3) Fazit Das deutsche Verfassungsrecht garantiert über Art. 88 Satz 2 GG (mittelbar) die Unabhängigkeit der Bundesbank als integralem Bestandteil des ESZB. cc) Inhalte der Garantie Zwar kann sich diese Garantie nicht gegen die EZB richten,127 wohl aber gegen jegliche Einwirkungen von „außen“. Zudem erschöpft sich Art. 88 Satz 2 GG nicht in der Vornahme der Übertragung der Befugnisse auf die Europäische Zentralbank, sondern stellt eine auf Dauer angelegte Struktursicherungsklausel dar.128 Für die Erfüllung von „akzidentiellen“ Aufgaben greift sie freilich nicht ein.129 Zur inhaltlichen Auffüllung dieser verfassungsrechtlichen Garantie kann auf die Regelungen des Primärrechts der EU zur Unabhängigkeit von ESZB und EZB zurückgegriffen werden. Sie stellen eine Konkretisierung der Intentionen des Verfassungsgebers dar.130 125 Nachweise wie in Fn. 118 außer D. Janzen, der diesen zweiten Schritt nicht mit vollzieht und die „institutionelle Struktur“ der Bundesbank ausschließlich von Art. 88 Satz 1 GG, nicht aber Satz 2 geregelt sieht; Umbach/Dollinger (Fn. 15), Rn. 21, die ausschließlich eine mittelbare Garantie der Unabhängigkeit durch das Europarecht anerkennen. 126 F. Brosius-Gersdorf (Fn. 118), S. 167 f., Fn. 69 a. E.; M. Herdegen (Fn. 56), Rn. 60; I. Pernice (Fn. 23), Rn. 20; J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 14; im Ergebnis ebenso H. J. Blanke (Fn. 27), Rn. 8, der sich aber zu Unrecht auf Hahn/Häde (Fn. 23), Rn. 213, beruft, die letztlich in Übereinstimmung mit der vor Änderung von Art. 88 GG herrschenden Meinung eine Antragsbefugnis ablehnen, allerdings mit einer sehr fragwürdigen Verengung der Argumentation auf den fehlenden Anspruch der Bundesbank auf bestimmte geld- und währungspolitische Instrumente; gegen Beteiligtenfähigkeit H. Faber (Fn. 6), Rn. 42; Umbach/Dollinger (Fn. 15), Rn. 22; ohne klares Ergebnis P. J. Tettinger (Fn. 37), Rn. 7. 127 J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 24: keine Geltung im Verhältnis der EZB zu den mitgliedstaatlichen Zentralbanken. 128 I. Pernice (Fn. 23), Rn. 13, 39; J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 17. 129 K. Stern (Fn. 4), S. 478; zust. J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 10. 130 M. Herdegen (Fn. 56), Rn. 55 a. E., 65, der sich für „einen völligen Gleichlauf“ von verfassungsrechtlicher Unabhängigkeitsgarantie und dem gemeinschaftsrechtlichen

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dd) Pflicht zur Unterstützung der Regierungspolitik In der Wortwahl sehr zurückhaltend, sieht § 12 Satz 2 BBankG vor, dass die Bundesbank die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung unterstützt, „soweit dies unter Wahrung ihrer Aufgabe als Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken möglich ist“. Ursprünglich ordnete § 12 Satz 1 BBankG an, dass die Bundesbank verpflichtet sei, „unter Wahrung ihrer Aufgabe die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützten“. Erst im zweiten Satz der Bestimmung war die Unabhängigkeit von „Weisungen der Bundesregierung“ geregelt. Eine materielle Änderung ist mit der Neugestaltung nicht verbunden. Sie enthält aber die Klarstellung, dass die Unabhängigkeit an erster Stelle steht und nicht durch gesamtwirtschaftliche Ziele der Bundesregierung relativiert wird. Die Unterstützung kann nur so weit gehen, wie es die Aufgabe der Währungssicherung zulässt. Bereits im Gesetzgebungsverfahren zur Schaffung von § 12 BBankG a. F. war deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass die Unabhängigkeitsgarantie weit zu verstehen sein sollte.131 Dennoch hatte es nicht an Bemühungen gefehlt, sie durch eine weitgehende Verpflichtung der Bundesbank zur Unterstützung der Regierungspolitik erheblich zu relativieren. Namentlich aus der Aufnahme der Anforderungen des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ in das deutsche Staatsrecht wurde eine Wandlung der angeblich „planlosen“ Zentralbankautonomie zur „planbeschränkten“ Autonomie abgeleitet. Positivrechtlich waren diese Versuche nicht zuletzt auf die in § 13 Abs. 3 StabG132 enthaltene Verpflichtung von Einheiten der mittelbaren Verwaltung gestützt, die Ziele des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu berücksichtigen.133

Standard ausspricht, jedenfalls solange, als die Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Währungsgemeinschaft eingebunden ist. 131 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (22. Ausschuss) v. 31. Mai 1957, BT-Drucks. 2/3603, S. 5: „Unter Unabhängigkeit wird verstanden, dass die Bank bei ihren währungspolitischen Entscheidungen nicht der parlamentarischen Kontrolle unterliegt, nicht an Weisungen der Bundesregierung gebunden ist und nicht unter Einfluss ,potentieller Interessenten‘ an einer für die Sicherheit unserer manipulierten Währung gefährlichen Ausdehnung des Geldvolumens gerät. Der Gesetzentwurf schafft alle Voraussetzungen dieser Unabhängigkeit [. . .].“ 132 „(3) Die bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sollen im Rahmen der ihnen obliegenden Aufgaben die Ziele des § 1 berücksichtigen.“ 133 H. Faber (Fn. 113), S. 42; W. Hoffmann, Rechtsfragen der Währungsparität, 1969, S. 220 ff.; ansatzweise K. Stern, Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, 2. Aufl. 1972, § 13 Anm. 3; A. Möller, Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft und Art. 109 Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 1969, § 13 Rn. 6, der ausdrücklich in der Regelung eine Relativierung der „ausschließlichen Ausrichtung auf das Ziel der Währungssicherung“ sieht: „Nunmehr hat die Bundesbank sich insbesondere auch an dem Ziel eines stetigen und angemessenen Wirtschaftswachstums zu orientieren [. . .]“, aber eine Weisungsmöglichkeit der

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Eine verfassungsrechtliche Absicherung für diese Bemühungen ist indes nicht zu finden. Namentlich bietet die grundgesetzliche Ausrichtung auf die Anforderungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in Art. 109 Abs. 2 GG dafür keine Handhabe. Dezidiert regelt die Vorschrift nur die Haushaltswirtschaft, während sich die Unabhängigkeitsgarantie der Bundesbank auf die Geld- und Währungspolitik bezieht.134 Zudem ist sie ausschließlich an Bund und Länder adressiert und enthält allenfalls die Ermächtigung, Einrichtungen der mittelbaren Verwaltung gesetzlich in die Pflicht zu nehmen.135 Dies ist in § 13 Abs. 3 StabG aber nur in sehr vager Form und unter dem Vorbehalt „im Rahmen der ihnen obliegenden Aufgaben“ geschehen. Die Aufgaben der Bundesbank sind jedoch spezialgesetzlich im Bundesbankgesetz geregelt, so dass der Grundsatz „lex posterior derogat legi priori“ nicht durchgreifen konnte.136 Die darin übertragene Aufgabe der Währungssicherung kann effektiv nur erfolgen, wenn sie eine eigenständige Analyse der gesamtwirtschaftlichen Situation umfasst.137 Schließlich handelt es sich um eine bloße Sollensvorschrift, die zudem inhaltlich auf ein schwaches „berücksichtigen“ gerichtet ist. § 13 Abs. 3 StabG vermochte daher im Ergebnis die Unabhängigkeit der Bundesbank schon nach der alten Fassung von § 12 BBankG nicht einzuschränken.138 Daher bedarf es keiner Vertiefung, ob das durch Art. 88 Satz 2 GG eingeführte Primat der Sicherung der Preisstabilität eine Änderung der Rechtslage bewirkt hat. Immerhin soll die Bundesbank auch verfassungsrechtlich im Rahmen des vorrangigen Stabilitätsziels „gehalten“ sein, auf die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung „Rücksicht“ zu nehmen. Zur Begründung wird das allgemeine Prinzip der „Organtreue“ angeführt.139 ee) Verhältnis zu den Gesetzgebungsorganen Wegen der fehlenden Weisungsbefugnisse der Bundesregierung gegenüber der Bundesbank ist auch die parlamentarische Kontrolle substanziell eingeBundesregierung ausschließt, soweit Maßnahmen der Währungssicherung durch die Bundesbank betroffen sind. Im Grunde erkennt er damit doch die Unabhängigkeit an. 134 D. Wilke (Fn. 98), Anm. III 6, S. 2405; D. Coburger, Die währungspolitischen Befugnisse der Deutschen Bundesbank, 1988, S. 41, der ausdrücklich eine „verfassungsrechtliche Fixierung der Deutschen Bundesbank auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht“ ablehnt; erwogen von Hahn/Häde (Fn. 23), Rn. 179. 135 K. Stern (Fn. 133), Art. 109 Anm. III 4; H. Siekmann (Fn. 18), Art. 109 Rn. 19. 136 So zu Recht D. Coburger (Fn. 134), S. 44; nicht erkannt von H. Faber (Fn. 113), S. 42; deutlich für Vorrang R. Schmidt (Fn. 110), S. 43 f.; O. Issing (Fn. 14), S. 375. 137 v. Spindler/Becker/Starke, Die Deutsche Bundesbank, Kommentar, 4. Aufl. 1973, § 12 Anm. 1; P. J. Tettinger, Rechtsanwendung und gerichtliche Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungsrecht, 1980, S. 241. 138 v. Spindler/Becker/Starke (Fn. 137); P. J. Tettinger (Fn. 137); D. Coburger (Fn. 134), S. 44 f.; Hahn/Häde (Fn. 23), Rn. 179; krit. H. Faber (Fn. 6), Rn. 13. 139 M. Herdegen (Fn. 56), Rn. 57, unter Berufung auf BVerfGE 89, 155 (191).

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schränkt.140 Ohne Einwirkungsmöglichkeiten kann es auch keine (parlamentarische) Verantwortlichkeit geben. Das liegt im Wesen „ministerialfreier“ Räume. Allerdings soll es dem Parlament nicht verwehrt sein, die Tätigkeit der Bundesbank zu erörtern und Petitionen zu bearbeiten, die ihren Aufgabenbereich berühren. Entsprechendes soll für parlamentarische Untersuchungsausschüsse gelten.141 Problematisch werden diese Rechte allerdings, wenn sie vor der Entscheidungsfindung ausgeübt werden und ihre Einwirkung nicht ungewollt ist. b) Vorgaben für die EZB Eine Beseitigung oder Einschränkung der Unabhängigkeit der EZB auf europäischer Ebene, die nur unter Mitwirkung aller Mitgliedstaaten erfolgen könnte, wäre nicht mit Art. 88 Satz 2 GG zu vereinbaren. Das folgt aus ihrem Gehalt als „Struktursicherungsklausel“.142 Darüber hinaus würden Maßnahmen auf nationalstaatlicher Ebene in Deutschland, die eine Einschränkung oder Beseitigung der Unabhängigkeit der Bundesbank zum Inhalt hätten, wegen der Verklammerung von EZB und Bundesbank143 (mittelbar) auch einen Teil der Unabhängigkeit der EZB antasten und damit ebenfalls gegen Art. 88 Satz 2 GG verstoßen. Entsprechendes gilt für sonstige, die Unabhängigkeit tangierende Einwirkungen auf die Bundesbank oder die EZB. Auch sie wären nicht nur ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorgaben, sondern zugleich auch ein Verstoß gegen das Grundgesetz. c) Konsequenzen für die Garantien des Europarechts Durch die Verklammerung der europarechtlichen Unabhängigkeitsgarantien mit dem Verfassungsrecht sind diese prinzipiell auch gegen Änderungen im Vertragswege geschützt. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat die Ausgestaltung der Unabhängigkeit des ESZB gekannt und in seinen Willen aufgenommen.144 Änderungen dieser Garantien können die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung der währungs- und notenbankpolitischen Befugnisse auf das ESZB entfallen lassen. Das deutsche Zustimmungsgesetz zu derartigen Änderungen bedürfte jedenfalls einer verfassungsändernden Mehrheit, auch wenn sich die innerstaatliche Funktions- und Aufgabenverteilung nicht änderte.145 Aber

140 K. Stern (Fn. 4), S. 506; für die EZB C. Zilioli (Fn. 84): „gegenüber den nationalen Parlamenten keine Verpfichtungen“. 141 J. Siebelt (Fn. 115), S. 184–189; zust. M. Herdegen (Fn. 56), Rn. 58. 142 Oben III. 2. a) cc). 143 Oben III. 2. a) aa). 144 P. J. Tettinger (Fn. 37), Rn. 15. 145 So auch J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 32.

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auch eine dauernde Missachtung der Garantien in der Praxis ohne Textänderung wäre nicht mit Art. 88 Satz 2 GG zu vereinbaren.146 d) Fazit Das Grundgesetz garantiert über Art. 88 Satz 2 GG die Unabhängigkeit der EZB und darüber hinaus auch (mittelbar) die Unabhängigkeit der Bundesbank als integralem Bestandteil des Gesamtsystems. Inhaltlich orientiert sich der Schutz an den Vorgaben des Europarechts. Die Garantie ist begrenzt durch die Anknüpfung an die Aufgabenerfüllung im Bereich der Geld- und Währungspolitik. 3. Vereinbarkeit mit dem Demokratieprinzip Obwohl die jahrzehntelange Diskussion um die Vereinbarkeit der Unabhängigkeit der Bundesbank mit dem Demokratieprinzip zu dem ganz allgemein akzeptierten Ergebnis geführt hat, dass auch schon ohne ausdrückliche Absicherung im Grundgesetz ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip nicht vorliege, sind die Stimmen nicht verstummt, die zumindest für Einzelelemente der Unabhängigkeitsgarantien weiterhin Bedenken im Hinblick auf das Demokratieprinzip äußern.147 Für die Unabhängigkeit des ESZB sind sowohl gemeinschaftsrechtliche Vorgaben als auch das Demokratieprinzip des Grundgesetzes einschlägig.

a) Gemeinschaftsrechtliches Demokratieprinzip Das gemeinschaftsrechtliche Demokratieprinzip ist letztlich nur die Summe der Vertragsbestimmungen, aus denen sich die legitimationsstiftende Rückbindung der Gemeinschaftsorgane an den Volkswillen ergibt.148 Deshalb können Bestimmungen des primären Gemeinschaftsrechts, wie Art. 108 und 109 EGV, nicht gegen ein derart – induktiv – abgeleitetes Prinzip verstoßen. Zudem ist die Figur eines „europarechtswidrigen“ primären Gemeinschaftsrechts durchaus fremd, 146

P. J. Tettinger (Fn. 37), Rn. 10a. Dezidiert H. Faber (Fn. 6), Rn. 31; C. Waigel (Fn. 6), S. 215 ff., 243, 269, 283; Gormley/de Haan, The Democratic Deficit of the European Central Bank, European Law Review 1996, S. 95; „Demokratische Defizite“ werden geltend gemacht von: B. Dutzler (Fn. 23), S. 88 ff.; A. Wagener, Die Europäische Zentralbank, 2001, S. 152 ff., 194; dagegen: I. Pernice (Fn. 23), Rn. 26: Art. 88 Satz 2 GG modifiziere schon nicht das Demokratieprinzip; Zilioli/Selmayr (Fn. 64), S. 48; insoweit ebenso R. Torrent (Fn. 65), S. 1234: „Central Banks, including the ECB, were and are simply Central Banks; they lie within and not outside the system of democratically organized political power“; K. H. Ladeur (Fn. 9), S. 497 f., 500. 148 B. Kempen (Fn. 64), Art. 108 Rn. 6. 147

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nicht zuletzt wegen des Fehlens einer Vorschrift, die mit Art. 79 Abs. 3 GG vergleichbar ist. Das Demokratieprinzip des Gemeinschaftsrechts ist nicht verletzt.149 b) Demokratieprinzip des Grundgesetzes Die Unabhängigkeit der EZB kann kaum auf Bedenken im Hinblick auf das in Art. 20 Abs. 2 GG grundgesetzlich garantierte Demokratieprinzip stoßen. Das Grundgesetz bindet und verfasst prinzipiell nur deutsche Staatsgewalt. Die EZB übt aber keine deutsche Staatsgewalt aus. Wegen der Integration der Bundesbank in das ESZB mag für dieses etwas anderes gelten. Dennoch kann man das System als Ganzes nicht der deutschen Staatsgewalt zurechnen. Auch ihre Rechtshandlungen sind nicht unmittelbar am Grundgesetz zu messen.150 Näher in Betracht kommt aber ein Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG. Durch die Einfügung von Satz 2 in Art. 88 GG könnte der verfassungsändernde Gesetzgeber einen der in Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze berührt haben. Wie bereits eingangs angemerkt, hat das Bundesverfassungsgericht in der Neufassung von Art. 88 GG eine Verletzung des demokratischen Prinzips, soweit es von Art. 79 Abs. 3 i.V. m. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG für unantastbar erklärt wird, nicht zu erkennen vermocht. Die „unverzichtbaren Mindestanforderungen demokratischer Legitimation der dem Bürger gegenübertretenden Hoheitsgewalt“ seien noch erfüllt.151 Dabei hat sich das Gericht ganz wesentlich von der Erwägung leiten lassen, dass die „Modifikation“ des Demokratieprinzips zur Sicherung des in eine Währung gesetzten „Einlösungsvertrauens“ vertretbar sei, weil es der Besonderheit Rechnung trage, dass eine „unabhängige Zentralbank den Geldwert [. . .] eher“ sichere „als Hoheitsorgane, die ihrerseits in ihren Handlungsmöglichkeiten und Handlungsmitteln von Geldmenge und Geldwert abhängen und auf die kurzfristige Zustimmung politischer Kräfte angewiesen“ seien.152 In seiner nachfolgenden Entscheidung zur Einführung des Euro wiederholt das Gericht seine Wendung vom „Einlösungsvertrauen“,153 stellt sie aber noch deutlicher in den Kontext der Freiheitsrechte und verwendet dazu die plakative Formel: „Geld ist geprägte Freiheit“.154 Eine derartige Freiheit hänge aber entscheidend davon ab, dass mit dem Geld gegenwärtig und künftig auch eine feste Menge von Gütern erworben werden könne. Das Gericht nennt in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Die Gleich149 150 151 152 153 154

Im Erg. ebenso W. Heun (Fn. 79), S. 874; U. Häde (Fn. 23), Art. 108 Rn. 20. J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 31; a. A. F. Brosius-Gersdorf (Fn. 118), S. 334 f. BVerfGE 89, 155 (172, 181, 208). BVerfGE 89, 155 (208 f.) unter Berufung auf BVerfGE 30, 1 (24); 84, 90 (121). BVerfGE 97, 350 (372). BVerfGE 97, 350 (371).

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wertigkeit von Geld- und Sacheigentum sei einer der „Funktionsgrundlagen“ dieser Garantie.155 Das Ergebnis, zu dem das Bundesverfassungsgericht gelangt ist, hat im Schrifttum breite Zustimmung gefunden.156 Es entspricht zudem der schon vor der Änderung von Art. 88 GG herrschenden Deutung der Vorschrift, nach der ihr zwar kein verfassungsrechtliches Gebot der Unabhängigkeit, wohl aber ihre verfassungsrechtliche Gestattung zu entnehmen sei.157 Gegen die Begründung des Bundesverfassungsgerichts wird aber zum Teil eingewandt, dass sich das Demokratieprinzip aus strukturellen Gründen jeglicher „Modifikation“ widersetze.158 Stattdessen wird aus dogmatischen Gründen eine inhaltliche Begrenzung des Prinzips dahingehend vorgezogen, dass eine Reduzierung der parlamentarischen Kontrolle auf Information und Konsultation genüge, wenn hinreichende sachliche Gründe dafür bestünden. Es genüge, wenn die Zentralbank selbst über eine zumindest mittelbare demokratische Legitimation in personeller und sachlicher Hinsicht verfüge. Das sei bei EZB und Bundesbank der Fall.159 Auch wenn die Unabdingbarkeit der Unabhängigkeit von geld- und währungspolitischen Instanzen mit einem Fragezeichen zu versehen sein sollte,160 ist der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts im Ergebnis zuzustimmen. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht die Stabilität des Geldwertes als ein Gut von hohem verfassungsrechtlichem Rang eingestuft. Es folgt damit einer Denkrichtung, die Klaus Stern vor fast 25 Jahren prägnant mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht hat: „Das Geld- und Währungswesen, seine Ordnung und die Erhaltung seiner Stabilität sind für die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft und die innere Ordnung eines Staates von ausschlaggebender Bedeutung“.161 Die Wäh155

BVerfGE 97, 350 (370 f.). K. Stern (Fn. 118), S. 141 (181 f.); Hahn/Häde (Fn. 23), Rn. 250 f.; U. Häde (Fn. 23), Art. 108 Rn. 19; H. Sodan, Die funktionelle Unabhängigkeit der Zentralbanken, NJW 1999, S. 5121 (1521 f.); C. Schütz (Fn. 64), S. 297; M. Herdegen (Fn. 56), Rn. 54, allerdings mit Betonung des Verfassungsrangs der Stabilität des Geldwertes; ferner P. J. Tettinger (Fn. 37), Rn. 20; H.-J. Blanke (Fn. 27), Rn. 70, 82; mit leicht abgewandelter Begründung ebenso J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 31; I. Pernice (Fn. 23), Rn. 25 f. trotz erheblicher Kritik an der Begründung, im Ergebnis aber keine Verletzung des Demokratieprinzips; krit. C. Waigel (Fn. 6), S. 234 ff. 157 Siehe dazu die Nachweise in Fn. 108, 109, 110, 113. 158 I. Pernice (Fn. 23), Rn. 25, mit der missverständlichen Feststellung, dass die Option für die Unabhängigkeit der Notenbank einer Präferenz für die monetaristische Denkschule gegenüber dem keynesianischen Ansatz „entspreche“; detaillierter D. Janzen (Fn. 26), S. 89 ff. 159 I. Pernice (Fn. 23), Rn. 26: „besonderen Fall sehr mittelbarer Repräsentation“; „keineswegs das Demokratieprinzip modifiziert“; J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 31; anders D. Janzen (Fn. 26), S. 139: „situationsgebundene Modifikation des Demokratieprinzips“, aber hinreichende Legitimation (S. 140). 160 Oben I. 1.; III. 2. a) bb). 161 K. Stern (Fn. 4), S. 465. 156

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rungsstabilität kann als „eines der Fundamente des Staates und der Gesellschaft“ bezeichnet werden.162 Aber auch dem in Art. 20 Abs. 1 GG normierten Sozialstaatsprinzip können geldpolitische Pflichten entnommen werden:163 Namentlich für die Schwachen und Schutzbedürftigen ist die Existenz von Geld wesentlich, dessen Wert stabil bleibt und zu dem sie diskriminierungsfrei Zugang haben. Das kann wohl nur staatliches Geld im Sinne von Georg Friedrich Knapp sein.164 Allerdings hat es das Bundesverfassungsgericht abgelehnt, insoweit einen (einklagbaren) Anspruch anzuerkennen, vor allem auch nicht aus Art. 14 Abs. 1 GG.165 Im Übrigen hat die Verfassung von Anfang an Ausnahmen von der demokratischen Verantwortlichkeit allen Staatshandelns zugelassen. Zu denken ist nur an die Unabhängigkeit der Gerichte, Art. 97 Abs. 1 GG, und des Bundesrechnungshofs, Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG. Allerdings handelt es sich um ausdrückliche Abweichungen. Gleichwohl wurde die einfachgesetzlich normierte Weisungsfreiheit der Bundesbank und die damit verbundene Durchbrechung des Demokratieprinzips als die sachlich eindeutig überzeugendere Lösung gerechtfertigt.166 Auch diese Überlegung hat Vorbilder, wie beispielsweise die Unabhängigkeit von staatlichen Prüfungskommissionen, die ebenfalls vom Bundesverfassungsgericht hingenommen werden, wenn auch nicht ohne einige Kautelen.167 Die Unabhängigkeit von Währungs- und Notenbanken entspringt schließlich auch einem Gebot der Staatsklugheit. Wenn die Staatseinnahmen nicht mehr durch Steuererhöhungen gesteigert werden können, weil die Steuerwiderstände zu groß werden, und wenn eine Ausweitung der Kreditaufnahme an rechtliche und tatsächliche Grenzen stößt, ist nur allzu häufig die Notenpresse von Seiten der Politik als probates Finanzierungsinstrument eingesetzt worden. Die verheerenden Folgen für das Gemeinwesen sind bekannt. Das hat zu der Erkenntnis geführt, dass „geschichtliche Erfahrung und vergleichende Analysen des Notenbankwesens der Welt“ eine unabhängige Notenbank regelmäßig als die bessere Institution zur Erhaltung einer stabilen Währung“ ausgewiesen haben „als eine 162 C. Wagenhöfer, Der Föderalismus und die Notenbankverfassung, in: Festschrift H. Ehard, 1957, S. 97 (105). 163 Das bedeutet aber nicht, dass eine verfassungsrechtliche Garantie der Unabhängigkeit aus dem Sozialstaatsprinzip abzuleiten wäre, Hahn/Häde (Fn. 23), Rn. 227; dafür aber: G. Prost (Fn. 109), S. 117 f. 164 Staatliche Theorie des Geldes, 3. Aufl. 1923; dazu K. Schmidt, Die „staatliche Theorie des Geldes“: Jahrhundertwerk oder Makulatur, in: Währung und Wirtschaft, Festschrift für Hugo J. Hahn zum 70. Geburtstag, 1997, S. 81. 165 BVerfG v. 31.3.1998 („Einführung des EURO“), EWiR 1998, S. 743 f. (H. Siekmann). 166 Hahn/Häde (Fn. 23), Rn. 250. 167 BVerfGE 84, 34 (45 f., 48 f.); 84, 59 (72, 79); BVerfG (K), DVBl. 1995, S. 1349; näher P. J. Tettinger (Fn. 37), Rn. 16–17 e.

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von Regierung und Parlament abhängige Zentralbank“.168 Zentralbanken sorgen aus den empirischen und theoretischen Gründen, die eingangs skizziert worden sind, effizienter für einen stabilen Geldwert als Mandatsträger.169 Aus der Perspektive des deutschen Verfassungsrechts ist aber letztlich entscheidend, dass Art. 79 Abs. 3 GG eng auszulegen ist170 und nicht im Einzelnen festlegt, wie der Vermittlungsprozess zwischen Bürgerwillen und Staatshandeln organisiert zu sein hat.171 Maßgebend ist, dass sich die Herrschaftsmacht einer Einrichtung letztlich auf das Volk zurückführen lässt und diese Herrschaft zeitlich begrenzt ist. Es kann eine (mittelbare) demokratische Legitimation der Organwalter genügen. Für Sonderbereiche erlaubt er damit durchaus auch Konstruktionen, die plausibel dazu bestimmt sind, andere wichtige Gemeinschaftsgüter mit Verfassungsrang, wie die Preisstabilität, zu sichern. Zum gleichen Ergebnis muss kommen, wer den Schutz des Art. 79 Abs. 3 GG auf einen Kernbereich durch eine entsprechende Auslegung des Begriffs „Grundsätze“ beschränkt.172 Da Art. 88 Satz 2 GG die zuvor dargelegten Vorbehalte nicht ausdrücklich enthält, sind sie methodisch im Wege der verfassungskonformen Auslegung einzuführen. c) Fazit Die Einführung der verfassungsrechtlichen Garantie der Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank ist mit Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar, wenn Art. 88 Satz 2 GG einschränkend dahingehend ausgelegt wird, dass die Organwalter durch die Art und Weise ihrer Berufung zumindest (mittelbar) über eine persönliche demokratische Legitimation verfügen müssen und ihre Amtszeit zeitlich begrenzt ist. IV. Der Vertrag über eine Verfassung von Europa 1. Entstehung und Inkrafttreten Nachdem der Europäische Rat auf seiner Tagung am 14./15. Dezember 2001 in Laeken (Belgien) in der Folge der Regierungskonferenz zu Nizza zu der Erkenntnis gelangt war, dass sich die Europäische Union an einem entscheidenden Wendepunkt ihrer Geschichte befinde, rief er den „Europäischen Konvent zur 168 K. Stern (Fn. 4), S. 497, unter Berufung auf O. Hahn, Die Währungsbanken der Welt, Bd. 2, 1968, S. 36; R. Schmidt (Fn. 110), S. 668 f. 169 Oben I. 1. 170 BVerfGE 30, 1 (25); 80, 90 (121). 171 B.-O. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Band 3, 4./5. Aufl. 2003, Art. 79 Rn. 40. 172 Ansatzweise B.-O. Bryde (Fn. 171), Rn. 28; strikt dagegen J. Lücke, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2003, Art. 79 Rn. 30; speziell im Zusammenhang mit der Neufassung von Art. 88 C. Waigel (Fn. 6), S. 236.

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Zukunft Europas“ (Verfassungskonvent) ein.173 Der Konvent machte verschiedene Vorschläge und warf in seiner Erklärung von Laeken die Frage auf, ob die Vereinfachung und Neuordnung der Verträge nicht zur Annahme eines Verfassungstextes führen sollte. Im Verlauf seiner weiteren Beratungen ist es dem Konvent unter Vorsitz von Valéry Giscard d’Estaing schließlich gelungen, den „Entwurf eines Vertrages über eine Verfassung für Europa“ (EVVE) auszuarbeiten. Über diesen Entwurf war auf der Plenartagung am 13. Juni 2003 „weitgehender Konsens“ erzielt worden. Er wurde am 20. Juni 2003 dem Europäischen Rat in Thessaloniki unterbreitet.174 Die EZB nahm ihr Anhörungsrecht gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 2 EUV wahr und äußerte in ihrer Stellungnahme vom 19. September 2003 verschiedene Bedenken.175 Dazu legte sie ausformulierte Änderungsvorschläge vor,176 die aber nur zum Teil Berücksichtigung fanden. Das Europäische Parlament sprach sich in einer Entschließung mit großer Mehrheit dafür aus, den Entwurf in toto anzunehmen.177 Dies geschah schließlich einstimmig auf der Tagung des Europäischen Rates am 18. Juni 2004 unter der Präsidentschaft Irlands. Die feierliche Unterzeichnung durch die Staats- und Regierungschefs der 25 EU-Mitgliedstaaten und der drei Kandidatenländer folgte am 29. Oktober 2004 in Rom.178 Zu seinem Inkrafttreten muss der Vertrag aber noch von jedem Unterzeichnerstaat – jeweils in dem von seinem Verfassungsrecht vorgeschriebenen Verfahren – ratifiziert werden. Wenn das geschehen ist und alle Unterzeichnerstaaten dies offiziell mitgeteilt haben (Hinterlegung der Ratifizierungsurkunden), tritt er – frühestens 173 Einzelheiten zur Arbeit des Konvents und zur Idee einer europäischen Verfassung mit zahlreichen Dokumenten und Texten H. Kleger, in: ders. (Hrsg.), Der Konvent als Labor, 2004, S. 22 ff., 71 ff.; T. Oppermann, Europäischer Verfassungskonvent und Regierungskonferenz 2002–2004, DVBl. 2004, S. 1264; ferner H. Kleger/I. P. Karolewski/ M. Munke, Europäische Verfassung, 2001; A. Puttler, Sind die Mitgliedstaaten noch „Herren“ der EU? – Stellung und Einfluss der Mitgliedstaaten nach dem Entwurf des Verfassungsvertrages der Regierungskonferenz, Europarecht 2004, S. 669; D.-U. Galetta, Der Vertrag über eine Verfassung für Europa aus italienischer Perspektive: Anmerkungen aus politischer und rechtswissenschaftlicher Sicht, DÖV 2004, S. 828; zur Entwicklung der EU nach dem Maastricht-Vertrag unter besonderer Berücksichtigung der amerikanischen Sicht die Beiträge in P. M. Lützeler (ed.), Europe after Maastricht, 1994; s. a. H. J. Hahn, Der Vertrag von Maastricht als völkerrechtliche Übereinkunft und Verfassung, 1992. 174 So die Erklärung des Konvents, vertreten durch seinen Vorsitzenden und die stellvertretenden Vorsitzenden Giuliano Amato und Jean-Luc Dehaene, abgedruckt in der offiziellen Ausgabe des Entwurfs, Luxemburg 2003. 175 Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 19. September 2003, ABl. Nr. C 229 vom 25. September 2003, S. 7–11; zum Teil noch weitergehend die Bedenken der Deutschen Bundesbank, Zur Währungsverfassung nach dem Entwurf einer Verfassung für die Europäische Union, Monatsbericht November 2003, S. 67. 176 Ebd. Anhang (S. 11). 177 K. H. Fischer, Der Europäische Verfassungsvertrag, 2005, S. 35. 178 Diese Fassung ist im Abl. Nr. C 310 der Europäischen Union vom 16. Dezember 2004, S. 310 veröffentlicht.

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am 1. November 2006 – in Kraft. Das Europäische Parlament hat angekündigt, seine – noch ausstehende – endgültige Stellungnahme möglichst rasch nach der Unterzeichnung abzugeben.179 Sobald der Vertrag in Kraft getreten ist, bildet er die Kodifikation des grundlegenden Primärrechts der Union. Die Verfassung für Europa übernimmt in weiten Teilen die Vorschriften des geltenden Rechts, die das ESZB betreffen, ohne nennenswerte inhaltliche Änderungen.180 Namentlich ist einem wichtigen Petitum der EZB181 Rechnung getragen worden: Die Satzung ist – anders als noch im Entwurf des Konvents – dem Verfassungsvertrag als Protokoll beigefügt.182 Damit ist unzweideutig klargestellt, dass sämtliche Satzungsbestimmungen weiterhin primäres Gemeinschaftsrecht sind. Allerdings sind in der Verfassung auch einige Abweichungen zu finden, die sich auf die Unabhängigkeit des ESZB auswirken können und nicht zu vernachlässigen sind. Sie betreffen vor allem: – den Vorrang des Ziels der Preisstabilität, – die Stellung von ESZB und EZB im Verfassungsgefüge, – die rechtlichen Möglichkeiten zur Änderung der Vorschriften, welche den Kern der europarechtlichen Unabhängigkeitsgarantie enthalten, – die Koordination der Wirtschafts- und Währungspolitik. 2. Abweichungen vom bisherigen Recht a) Das vorrangige Ziel der Preisstabilität In den grundlegenden Bestimmungen des ersten Teils des EG-Vertrages sind ein „nichtinflationäres Wachstum“ der Gemeinschaft als Aufgabe übertragen (Art. 2) und „stabile Preise“ als einer der „richtungsweisenden Grundsätze“ der Tätigkeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten (Art. 4 Abs. 3) genannt. In dieser Form waren diese Festlegungen im Konventsentwurf nicht mehr zu finden. Art. I-3 Abs. 3 der Verfassung führt jetzt aber wieder die „Preisstabilität“ als eines der Ziele der Union an. Insoweit wurde den Bedenken der EZB183 Rechnung getragen. Nach geltendem Recht verfolgen sowohl die Geldpolitik als auch die Währungspolitik „vorrangig das Ziel der Preisstabilität“. Diese vorbehaltlose Festle179

Entschließung vom 14. Oktober 2004, P6_TA(2004)0021. Die formalen und rein sprachlichen Anpassungen, die durch die Vereinfachung und Straffung der bisherigen Vorschriften bedingt sind, können außer Betracht bleiben. 181 Stellungnahme (Fn. 175), Nr. 6 (S. 7). 182 4. Protokoll zur Festlegung der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank, Abl. Nr. C 310, S. 225. 183 Stellungnahme (Fn. 175), Nr. 8 (S. 8). 180

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gung ist schon in den grundlegenden Festlegungen des ersten Teils des Gründungsvertrages zu finden, Art. 4 Abs. 2 EGV, und ist noch einmal für das ESZB in Art. 105 Abs. 1 Satz 1 EGV sowie in Art. 2 Satz 1 der Satzung wiederholt. Die Regelung von Art. 4 Abs. 2 EGV ist in den entscheidenden Passagen wortgleich in die übergreifende Zielbestimmung der Wirtschafts- und Währungspolitik in Art. III-177 Abs. 2 der Verfassung übernommen worden.184 Für das ESZB ist diese Festlegung auf das vorrangige Ziel der Preisstabilität in Art. III-185 Abs. 1 der Verfassung wieder aufgegriffen worden. Die Festlegung von Wechselkursen nach außen musste bisher in „Einklang“ mit dem Ziel der Preisstabilität stehen, Art. 111 Abs. 1 EGV. Durch die vorangestellte Regelung in Art. III-177 Abs. 2 der Verfassung, die allgemein für die Wirtschafts- und Währungspolitik gilt und ausdrücklich auch die Wechselkurspolitik umfasst, ist aber die Geltung des vorrangigen Ziels der Preisstabilität auch in diesem Bereich gesichert. Eine nennenswerte Verschlechterung für die Sicherung der Preisstabilität ist daher insgesamt nicht zu erkennen. Die Pflicht zur Unterstützung der „allgemeinen Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft“ (Art. 4 Abs. 2, Art. 105 Abs. 1 EGV) ist in die Verfassung übernommen worden (Art. III-177 Abs. 2 und III-185 Abs. 1), allerdings abgeschwächt. In Art. III-185 Abs. 1 der Verfassung ist die Unterstützungspflicht unter den Vorbehalt gestellt: „Soweit dies ohne Beeinträchtigung dieses Ziels [Gewährleistung der Preisstabilität] möglich ist.“ Darin liegt zumindest eine Klarstellung. Eine Aufweichung könnte allerdings in Art. III-177 Abs. 3 liegen, der die Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Union auf die Einhaltung von vier Grundsätzen festlegt: – stabile Preise, – gesunde öffentliche Finanzen, – gesunde monetäre Rahmenbedingungen, – eine dauerhaft finanzierbare Zahlungsbilanz. Der Vorrang der Preisstabilität ist nicht ausdrücklich angeordnet und kann allenfalls aus der Reihenfolge der Aufzählung erschlossen werden. Allerdings sollte die zweifache ausdrückliche Erwähnung des Vorrangs in geld- und währungspolitischen Sonderregelungen als „lex-specialis“ dieser allgemeinen Regelung vorgehen und damit keine Verschlechterung der bisherigen Rechtslage für das ESZB und seine Ziele bedeuten. 184 „(2) Parallel dazu umfasst diese Tätigkeit nach Maßgabe der Verfassung und der darin vorgesehenen Verfahren eine einheitliche Währung, den Euro, sowie die Festlegung und Durchführung einer einheitlichen Geld- sowie Wechselkurspolitik, die beide vorrangig das Ziel der Preisstabilität verfolgen und unbeschadet dieses Zieles die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union unter Beachtung des Grundsatzes einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb unterstützen sollen.“ Diese Formulierung ist gegenüber dem Konventsentwurf unverändert, dort Art. III-69 Abs. 2.

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b) Die Stellung von EZB und ESZB im Verfassungsgefüge Die grundlegenden institutionellen Rahmenbedingungen der Union sind in Titel IV des ersten Teils der Verfassung geregelt. Im Konventsentwurf trug dieser Titel die Bezeichnung „Die Organe der Union“ und war in die Kapitel „institutioneller Rahmen“ und „sonstige Organe und Einrichtungen“ unterteilt. Art. 29 des Entwurfs trug darin die Bezeichnung „EZB“ und enthielt in Abs. 3 folgende Bestimmung: „Die Europäische Zentralbank ist ein Organ, das Rechtspersönlichkeit besitzt.“ Begrifflichkeit und Systematik dieses Titels waren alles andere als konsistent und sachlich kaum nachvollziehbar. Inhaltlich stieß die Einstufung der EZB als „Organ“ der Union auf erhebliche Bedenken.185 Ganz überwiegend wird sie nach geltendem Recht, ungeachtet aller Streitigkeiten um die genaue Konstruktion, jedenfalls nicht als Organ gesehen.186 Die daraufhin vorgenommenen Änderungen in der Verfassung brachten aber trotz der detaillierten, gut nachvollziehbaren Vorschläge der EZB187 per Saldo keinen Fortschritt. Die EZB wird immer noch als „Organ“ mit „Rechtspersönlichkeit“ bezeichnet (Art. I-30 Abs. 3) und die Systematik ist eher noch widersprüchlicher geworden: Die Bezeichnung von Titel IV lautet nun „Organe und Einrichtungen der Union“. Das ist eine Verbesserung. Aber das zweite Kapitel ist jetzt überschrieben mit: „Die sonstigen Organe und die beratenden Einrichtungen der Union.“ Die EZB wäre schon nach dieser Systematik unweigerlich als Organ der Union anzusehen, da sie offenkundig keine beratende Einrichtung ist.188 Ihre Organeigenschaft ist aber auch in Art. I-30 Abs. 3 der Verfassung ausdrücklich geregelt: „Die Europäische Zentralbank ist ein Organ. Sie besitzt Rechtspersönlichkeit.“ Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass es sich nur um sprachliches Unvermögen der deutschen Fassung handelt. Es ist nicht gelungen, die für das deutsche Organisationsrecht eingeführte Begrifflichkeit korrekt zu verwenden; ein Problem, das im Europarecht nicht neu ist und schon zu vielen Anwendungsschwierigkeiten geführt hat, zum Beispiel durch die philologisch korrekte, aber juristisch falsche Übersetzung von „service public“ mit „öffentlicher Dienst“. Die französische Fassung vermeidet weitgehend die aufgezeigten Inkonsistenzen. Noch deutlicher gilt das für die englische Fassung – trotz der ganz andersartigen Rechtsterminologie des englischen Rechtssystems: 185

Stellungnahme (Fn. 175), Nr. 11 (S. 8). Oben II. 187 Ebd., S. 11. 188 Entsprechendes gilt übrigens auch für den Rechnungshof, der – abweichend von Art. 7 EGV – nicht mehr in der Aufzählung der Organe aufgeführt ist, wohl aber auch in diesem zweiten Kapitel von Titel IV des ersten Teils der Verfassung geregelt ist. Auf den ersten Blick ist diese merkwürdige Diskrepanz: fehlende Nennung in der Liste der Organe in Art. I-19 der Verfassung, aber nach systematischer Stellung und ausdrücklicher Regelung gleichwohl Organ, nicht zu erklären. 186

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Die Überschrift von Titel IV der Verfassung lautet im französischen Text: „Les institutions et organes de l’union“ und von Kapitel I: „Le cadre institutionnel“. Art. I-19 der Verfassung, der in der deutschen Fassung „Die Organe der Union“ benennt, kennt in der französischen Fassung den Begriff „Organ“ nicht. Das zweite Kapitel ist systematisch konsistent überschrieben mit: „Les autres institutions et les organes consultatives de l’union“: Es ist unerfindlich, warum die Begriffe „Organ“ und „Einrichtung“ in der deutschen Fassung vertauscht worden sind und damit keinen Sinn mehr machen. In der französischen Fassung muss die EZB zu den sonstigen Einrichtungen („autres institutions“) gerechnet werden, da sie offenkundig kein Konsultativorgan ist. Dies entspricht auch dem Regelungsgehalt von Art. I-30 Abs. 3 der Verfassung in der französischen Fassung. Dort ist sie keineswegs als Organ, sondern schlicht und zutreffend als „Einrichtung“ klassifiziert: „La Banque centrale européenne est une institution. Elle a la personnalité juridique.“ Im Ergebnis ergibt sich aus der französischen Fassung eindeutig, dass die EZB von der Verfassung nicht als Organ sondern als sonstige Einrichtung der Europäischen Union eingestuft wird. In der englischen Fassung der Verfassung fehlt der Organbegriff vollständig. Die Überschrift des vierten Titels lautet: „The union’s institutions and bodies“ und sein erstes Kapitel ist überschrieben mit: „The institutional framework“. Parallel zur französischen Fassung enthält der übergreifende Art. I-19 der Verfassung: „The union’s institutions“ und Kapitel II heißt: „The other union institutions and advisory bodies.“ Schließlich verwendet auch Art. I-30 Abs. 3 der Verfassung den Organbegriff nicht: „The European Central Bank is an institution. It shall have legal personality.“ Auch nach der englischen Fassung ist die EZB eine Einrichtung, aber nicht ein Organ der EU. Wegen dieser übereinstimmenden Ergebnisse der fremdsprachlichen Versionen und wegen ihrer inneren Widersprüche muss die deutsche Fassung mit ihrer Klassifizierung der EZB als „Organ“ in Art. I-30 Abs. 3 der Verfassung als dem objektiven Willen des Normgebers widersprechend außer Ansatz gelassen werden. Die EZB ist eine Einrichtung, aber kein Organ der EU. Aber selbst, wenn sie eindeutig als Organ eingeordnet worden wäre, folgt daraus entgegen den Bedenken der EZB keine nennenswerte Schmälerung ihres Status und ihrer Unabhängigkeit. Auch Organe können völlig unabhängig sein, wie die Stellung der Verfassungsgerichte zeigt. Nur ist nicht ersichtlich, wie sie zugleich Organ und juristische Person sein können. c) Ausdrückliche Vorschriften zur Unabhängigkeit Bereits in Teil I normiert Art. I-30 Abs. 3 der Verfassung die Unabhängigkeit der EZB und schließt dabei auch die Verwaltung ihrer Mittel ein. Allerdings nennt er die nationalen Zentralbanken, die integrale Bestandteile des ESZB sind, nicht. Im geltenden Recht fehlt eine entsprechende Bestimmung, doch ergibt sich

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dieser Aspekt der Unabhängigkeit aus den Bestimmungen in Kapitel VI der Satzung und einer zweckentsprechenden Auslegung von Art. 108 EGV. Eine Verschlechterung ist jedenfalls insoweit nicht zu erkennen. Möglicherweise wäre aber eine Nennung der nationalen Zentralbanken in Art. I-30 Abs. 3 der Verfassung angezeigt gewesen, da der erste Teil der Verfassung weniger leicht geändert werden kann als der dritte Teil, in dem die umfassende Garantie der Unabhängigkeit steht, Art. III-188 der Verfassung.189 Die Unabhängigkeit der EZB ist in der Verfassung nunmehr schon in der grundlegenden Regelung des ersten Teils normiert, Art. I-30 Abs. 3. Im Vergleich zur Regelung für die Kommission und vor allem für den Rechnungshof ist nicht die „volle“ Unabhängigkeit normiert, Art. I-26 Abs. 4, I-31 Abs. 3 der Verfassung. Es dürfte sich aber nur um eine sprachliche Abweichung ohne sachliche Bedeutung handeln190 und ist ohnehin keine Verschlechterung gegenüber der augenblicklichen Rechtslage. d) Die Stabilität unabhängigkeitsrelevanter Vorschriften aa) Bisherige Festlegung im primären Gemeinschaftsrecht Die für die Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank maßgebenden Bestimmungen, Art. 108 und 109 EGV, sind Bestandteil des EG-Vertrages und damit primäres Gemeinschaftsrecht. Die Stärke des primären Rechts besteht darin, dass es als Vertragsrecht prinzipiell nur durch die vertragsschließenden Parteien abgeändert werden kann. Das heißt, es ist grundsätzlich Einstimmigkeit erforderlich. Dieses Erfordernis gilt auch für die Satzung des ESZB, die als Protokoll zum Vertrag von Maastricht Bestandteil des Vertragsrechts ist. Sie ist ebenfalls primäres Gemeinschaftsrecht.191 Sie kann deshalb ebenfalls grundsätzlich nicht im allgemeinen Verfahren zur Erzeugung von sekundärem Gemeinschaftsrecht durch die Organe der Gemeinschaft geändert werden; mit zwei Ausnahmen: – Art. 10.6 der Satzung, – Art. 41.1 der Satzung. Auf Grund von Art. 10.6 der Satzung darf die Satzung vom Rat der Staats- und Regierungschefs außerhalb des Vertragsänderungsverfahrens modifiziert werden. Diese Ermächtigung bezieht sich aber auf eine einzige Vorschrift: Art. 10.2 der Satzung. Damit sollte eine flexiblere Möglichkeit als das Vertragsänderungsverfahren geschaffen werden, um den neuen Anforderungen, die durch eine Ausweitung der EG und des ESZB auf den EZB-Rat zukommen, Rechnung tragen zu 189 190 191

So die Bedenken der Bundesbank, EuZW 2004, S. 582. So auch die EZB in ihrer Stellungnahme (Fn. 175), Nr. 13 (S. 9). Fn. 45.

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können. Von der Vorschrift ist auch bereits durch Beschluss vom 21. März 2003 Gebrauch gemacht worden.192 Er sieht vor, dass bei einer entsprechenden Ausweitung der Mitgliedschaft, ein „rotierendes“ Abstimmungssystem im EZB-Rat eingeführt wird. Das vereinfachte Änderungsverfahren nach Art. 41.1 der Satzung hat im Einzelnen aufgezählte Vorschriften der Satzung zum Gegenstand. Darunter finden sich auch durchaus geldpolitisch relevante Regelungen, wie zu den Aufgaben und Operationen des ESZB oder zu den monetären Einkünften und der Gewinnverwendung. Erforderlich ist aber eine qualifizierte Mehrheit des Rates, wenn er nach einer Empfehlung der EZB aufgrund eines einstimmigen EZB-Ratsbeschlusses entscheidet. Einstimmigkeit ist im Rat erforderlich, wenn er aufgrund eines Vorschlags der Kommission entscheidet. Aus der Gesamtheit dieser Vorgaben kann zudem im Rückschluss entnommen werden, dass alle übrigen Vorschriften, namentlich Art. 7 der Satzung, ausschließlich durch – einstimmig beschlossene – Vertragsänderung modifiziert oder aufgehoben werden dürfen. bb) Änderungen Eine Reihe von Vorschriften der Satzung können nach Art. III-187 Abs. 3 der Verfassung, Art. 40 der Satzung n. F. nunmehr im allgemeinen Verfahren der europäischen Gesetzgebung (durch „Europäisches Gesetz“) geändert werden. Voraussetzung ist immer noch entweder ein Vorschlag der Kommission und die Anhörung der EZB oder eine Empfehlung der EZB und die Anhörung der Kommission. Der Rat beschließt nach Wegfall des Einstimmigkeitserfordernisses in der Satzung mit qualifizierter Mehrheit, Art. I-23 Abs. 3 der Verfassung. Betroffene Gegenstände sind, wie bisher: – die Erhebung statistischer Daten (Art. 5 Abs. 1, 2 und 3), – Konten bei den Zentralbanken (Art. 17), – Offenmarkt- und Kreditgeschäfte (Art. 18), – Mindestreserven (Art. 19 Abs. 1), – Verrechnungs- und Zahlungssystem (Art. 22), – Geschäfte mit dritten Ländern und internationalen Organisationen (Art. 23), – Sonstige Geschäfte (Art. 24), – Jahresabschlüsse (Art. 26), – Verteilung der monetären Einkünfte der nationalen Zentralbanken (Art. 32 Abs. 2, 3, 4 und 6), 192

2003/223/EG, ABl. Nr. L 83 vom 1.4.2003, S. 66.

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– Pflicht zur Dotierung des allgemeinen Reservefonds aus dem Nettogewinn (Art. 33 Abs. 1 lit a), – Personal (Art. 36). e) Die Satzung Die Satzung ist an vielen Stellen redaktionell angepasst worden. Inhaltliche Änderungen, die sich auf die Unabhängigkeit auswirken, sind eher selten. In Art. 2 ist der Vorbehalt zugunsten des Primärziels „Preisstabilität“ etwas weicher formuliert. Neu aufgenommen worden ist die Einbeziehung „sonstiger Stellen“ in die Regelung der Unabhängigkeit, Art. 7. Das dürfte aber eher eine Ausweitung des Schutzes bedeuten. Die Ernennung der Mitglieder des Direktoriums kann nach der Neufassung mit qualifizierter Mehrheit erfolgen und bedarf nicht mehr der Einstimmigkeit, Art. 11 Abs. 2. 3. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht Die mit dem Verfassungsvertrag verbundenen Änderungen können nicht gegen Europarecht verstoßen, da sie im Wege des Vertragsschlusses, also einstimmig, vorgenommen werden und eine dem Art. 79 Abs. 3 GG entsprechende Ewigkeitsklausel auf der europarechtlichen Ebene nicht ersichtlich ist.193 In Betracht kommt aber eine Verletzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 88 Satz 2 GG, die jedenfalls bei der Prüfung des Zustimmungsgesetzes zu beachten wären. Notfalls müsste das Grundgesetz geändert werden. Die Analyse der Veränderungen haben gezeigt, dass das Primat des Ziels der Preisstabilität nicht ernsthaft berührt ist. Allenfalls in Betracht kommt daher lediglich eine Verletzung des Unabhängigkeitspostulats. a) Anforderungen zur Änderung des Primärrechts Allein die Eröffnung des „allgemeinen Gesetzgebungsverfahrens“ zur Änderung der Satzung als Teil des Primärrechts ist sachlich noch so begrenzt gehalten, dass damit die Unabhängigkeit des ESZB nicht ernsthaft gefährdet wird. Das heißt nicht, dass die angeführten Bestimmungen nicht relevant für die sachliche (institutionelle) Unabhängigkeit sind. Nur die bloße Möglichkeit einer (vereinfachten) Änderung bedeutet noch keine Einschränkung der Unabhängigkeit. Nur wenn man Art. III-187 Abs. 3 der Verfassung als Indiz verstehen will, die dort genannten Vorschriften sollten in Richtung auf eine Relativierung der Unabhängigkeit geändert werden, kommt ein Verstoß in Betracht. Derartige Anhaltspunkte sind indes nicht ersichtlich. Zudem müssten die Änderungen auch noch 193

Oben III. 3.

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die notwendigen Mehrheiten finden. Die einfachgesetzlich eingeräumte Unabhängigkeit der Bundesbank ist jedenfalls nicht beschränkt worden, obwohl sie sehr viel leichter hätte ins Werk gesetzt werden können. Diese Überlegung gilt auch, soweit Teile der Verfassung künftig leichter geändert werden könnten.194 Zwar mag sich dadurch die Gefahr für eine Relativierung der Unabhängigkeit durch Rechtsänderung erhöhen, doch kamen bislang die Angriffe auf die Unabhängigkeit der Zentralbank in Deutschland durch sonstige Maßnahmen und nicht durch Gesetzesänderungen. Die Erhöhung des Gefahrenpotentials durch die Regelungen der Verfassung dürfte als so gering einzuschätzen sein, dass es jedenfalls noch nicht die Voraussetzungen für die Übertragung der Währungsbefugnisse auf die EZB entfallen lässt. Eine Verfassungswidrigkeit tritt jedoch nicht erst dann ein, wenn tatsächlich die Unabhängigkeit eines der Bestandteile des ESZB beseitigt ist. Aber die bloße Möglichkeit von rechtsändernden Maßnahmen dürfte noch nicht ausreichen. b) Erarbeitung gemeinsamer Standpunkte Die Erarbeitung gemeinsamer Standpunkte in der Währungspolitik ist nicht ohne Gewicht. Doch ist eher fraglich, ob die bloße Statuierung bereits die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Unabhängigkeit des ESZB in Frage stellt oder erst die Handhabung in der Praxis. Konkrete Vorgaben für die Geldpolitik sind jedenfalls mit dem bisherigen Art. 108 EGV nicht zu vereinbaren und tangieren damit Art. 88 Satz 2 GG. c) Änderungen der Satzung Die Änderungen der Satzung berühren allenfalls peripher die Unabhängigkeit von EZB und ESZB. Sie vermögen nicht das Verdikt eines Verfassungsverstoßes zu begründen. V. Einzelprobleme 1. Sachliche (institutionelle) Unabhängigkeit a) Gewinnerzielung und Gewinnverwendung aa) Gewinne der EZB als Element der Staatsfinanzierung Gewinnerzielung und Gewinnverwendung sind bei der gegenwärtigen Rechtslage das wichtigste Scharnier zwischen den unabhängigen Zentralbanken und ihrem Trägergemeinwesen. Die begehrlichen Blicke, welche die Politik auf den 194

Hier sieht die Bundesbank Gefahren, EuZW 2004, S. 582.

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Bundesbankgewinn wirft, ist ein untrügliches Zeichen für die Gefahr, die daraus für ihre Unabhängigkeit entstehen kann. Unmittelbare Ansprüche des Staates an die EZB scheiden aus, da alleinige Kapitalinhaber die nationalen Zentralbanken sind. Mittelbar können die Mitgliedstaaten dennoch am Gewinn der EZB partizipieren, da ihre Nettogewinne nach Art. 33.1 lit b der Satzung an die Anteilseigner ausgeschüttet werden und nach der Dotierung von Rücklagen an den Bund „abzuführen“ sind, § 27 Nr. 2 BBankG.195 Eine weitere ertragswirksame Verknüpfung zwischen der EZB und den nationalen Zentralbanken ergibt sich aus den Einkünften, die aus der Erfüllung der währungspolitischen Aufgaben des ESZB anfallen. Sie werden von der Satzung als „monetäre Einkünfte“ bezeichnet, Art. 32.1. Da die nationalen Notenbanken als „operativer Arm“ der EZB einen Gutteil der währungspolitischen Aufgaben der EZB ausführen, fallen diese monetären Einkünfte bilanztechnisch bei den nationalen Zentralbanken an. Sie stehen aber wirtschaftlich der EZB zu. Deshalb ist ein gemeinsamer Einkommenspool gebildet worden, an den die monetären Einkünfte abzuführen sind. Sie werden errechnet, indem die monetäre Basis der jeweiligen Zentralbanken mit dem Referenzzinssatz verzinst wird.196 Das kann ökonomisch so interpretiert werden, als hätte die EZB den nationalen Zentralbanken die monetäre Basis auf Kreditbasis zur Verfügung gestellt. Die monetäre Basis setzt sich aus den geldpolitisch relevanten Größen einer Zentralbankbilanz zusammen. Die wichtigsten sind: – Banknotenumlauf (Passivposten 1 der BBankG-Bilanz) und – Verbindlichkeiten in Euro aus geldpolitischen Operationen gegenüber Kreditinstituten im Euro-Währungsgebiet (Passivposten 2 der BBankG-Bilanz). Hinzu kommen noch weitere Passivposten der Bundesbankbilanz, die quantitativ weniger bedeutsam sind: – Verbindlichkeiten gegenüber der EZB aus Solawechseln (Passivposten 9.1 der BBankG-Bilanz), – Verbindlichkeiten aus der Verteilung des Euro-Banknotenumlaufs innerhalb des Eurosystems (Passivposten 9.2 der BBankG-Bilanz), – die Nettoverbindlichkeiten aus TARGET-Konten (enthalten in Passivposten 9.3 „sonstige Verbindlichkeiten“ der BBankG-Bilanz). 195 Aber keine Pflicht zum Ausgleich von Verlusten, H. K. Scheller, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl. 2003, Art. 33 ESZB-Satzung, Rn. 1; ferner J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 16: „mittelbare Kapitalbeteiligung“ des Bundes über § 2 Satz 2 BBankG an der EZB. 196 Beschluss der Europäischen Zentralbank über die Verteilung der monetären Einkünfte der nationalen Zentralbanken der teilnehmenden Mitgliedstaaten ab dem Geschäftsjahr 2002 (EZB/2001/16).

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Als Referenzzinssatz wird der jeweilige Hauptrefinanzierungssatz verwendet.197 Ab dem Jahr 2003 erfolgt die Bemessung des Betrags der monetären Einkünfte auf der Grundlage der tatsächlichen Einkünfte einer jeden nationalen Zentralbank, die sich aus den gesondert erfassten Vermögenswerten ergeben, die sie als Gegenposition zu ihrer monetären Basis hält. Die gesondert erfassten Aktiva setzen sich aus folgenden Positionen zusammen: – Forderungen aus geldpolitischen Operationen an Kreditinstitute im Euro-Währungsgebiet (Aktivposition 5), – Forderungen aus der Übertragung von Währungsreserven an die EZB (Aktivunterposition 9.2), – Forderungen aus der Verteilung des Euro-Banknotenumlaufs innerhalb des Eurosystems (Aktivunterposition 9.3), – Sonstige Forderungen (Aktivunterposition 9.4).198 Von dem so berechneten Betrag werden alle Zinsaufwendungen abgezogen, die von einer nationalen Zentralbank auf die genannten Passivpositionen geleistet worden sind. Der Gesamtbetrag der danach abgeführten monetären Einkünfte wird am Ende des Geschäftsjahres an die nationalen Zentralbanken entsprechend ihrem Kapitalanteil verteilt. Durch diese kompliziert anmutende Operation werden die regionalen Verwerfungen ausgeglichen, die sich aus der Aufgabenerfüllung durch die nationalen Zentralbanken „vor Ort“ und der Einheitlichkeit der Währungspolitik für das gesamte Gebiet ergeben. Quantitativ waren die monetären Einkünfte mit 41 Mio. Euro bei Nettoerträgen von insgesamt 7 Mrd. Euro im Geschäftsjahr 2002 für die Bundesbank199 nicht bedeutsam und daher auch eher weniger ein Ansatzpunkt für die Begehrlichkeiten, die zu einer Gefahr für die Unabhängigkeit führen können. Im Geschäftsjahr 2003 ergab sich sogar per Saldo ein Aufwand in Höhe von 91 Mio. Euro zu Lasten der Bank bei einem Nettoertrag von 1,982 Mrd. Euro.200 bb) Gefahr für die geldpolitische Unabhängigkeit Die Ausschüttung von Gewinnen an die Kapitalinhaber einer Zentralbank mag eine lange Tradition haben, ist aber aus grundsätzlichen öffentlich-rechtlichen 197

Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2002, S. 196. Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2003, S. 204 f. 199 Abführung an den gemeinsamen Pool von 2.870 Mio. Euro sowie Anspruch an den Pool in Höhe von 2.911 Mio. Euro, Deutsche Bundesbank (Fn. 197), S. 196. 200 Abführung an den gemeinsamen Pool von 2.483 Mio. Euro sowie Anspruch an den Pool in Höhe von 2.347 Mio. Euro, Deutsche Bundesbank (Fn. 198), S. 205. 198

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Erwägungen problematisch und stellt eine permanente Gefahrenquelle für die Unabhängigkeit der Einrichtung dar.201 Die Abführung von Zentralbankgewinnen an den Staat stellt zwar keine – nach Art. 101 EGV strikt verbotene – Kreditaufnahme des Staates bei der Zentralbank dar,202 doch hat sie ähnliche geldpolitische Wirkungen.203 Es wird dadurch letztlich kaufkraftwirksames Zentralbankgeld geschaffen.204 Diese Form der Seigniorage kann mit den stabilitätspolitischen Anforderungen unvereinbar sein. Mit der damit grundsätzlich verbundenen Ausweitung der Geldbasis werden weitere Geldschöpfungsmöglichkeiten eröffnet.205 Die Bundesbank hat wohl – gleich wie die geldpolitische Lage ist – kein Recht, die Ausschüttung eines ausgewiesenen Gewinns zu verweigern.206 Damit wird die EZB unter Umständen zu einem geldpolitischen Gegensteuern gezwungen, das nicht der geldpolitischen Situation angemessen ist.207 Auch insoweit besteht eine erhebliche Gefahr für ihre Unabhängigkeit. cc) Mangelnde Eignung zur Finanzierung des Staates Die grundlegenden Aufgaben des ESZB sind hoheitlicher Natur. Dazu gehören nach Art. 105 Abs. 2 EGV: 201 Eingehend zu den Gefahren W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 465–467 m.w. N. 202 So der Standpunkt der Bundesregierung, BT-Drucks. 11/6939, S. 8; zust. W. Höfling (Fn. 201), S. 185; H. Siekmann (Fn. 18), Art. 115 Rn. 23 Fn. 51; W. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band III, 2000, Art. 115 Rn. 14. 203 Noch strikter: BVerfGE 79, 311 (356), wo die Verwendung des „sogenannten Bundesbankgewinns zur Ausgabenfinanzierung“ als „in der Wirkung einer Kreditaufnahme bei der Notenbank ohne Zins- und Tilgungsverpflichtung gleichkommend“ eingestuft wird. Ob die Vereinnahmung dieser Gewinne bei der Berechnung der Höchstgrenze der Kreditaufnahme in Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG einzubeziehen ist, ist streitig; dafür: O Gandenberger, Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung, FinArch n. F. Bd. 48 (1990), S. 28 (48); dagegen: BT-Drucks. 11/6939, S. 8; W. Höfling (Fn. 201), S. 184; H. Siekmann (Fn. 18), Art. 115 Rn. 23. 204 Görgens/Ruckriegel/Seitz, Europäische Geldpolitik, 3. Aufl. 2003, S. 299 f. 205 D. Dickertmann, Die Gewinn- und Verlustrechnung der Deutschen Bundesbank – eine liquiditätstheoretische Bewertung, Wirtschaftsdienst 1981, S. 299 ff.; W. Höfling (Fn. 201), S. 461; H. Siekmann (Fn. 18), Art. 115 Rn. 23. 206 K. P. Follak, Währungssicherung und Gewinnabführungspflicht, BayVBl. 1982, S. 270 (273); aber Zuweisung an „Sonderrücklagen“, W. Höfling (Fn. 201), S. 466; a. A. M. C. Hettlage, Zur Ausschüttung der Bundesbankgewinne, ZgesKW 1982, S. 687 (690). 207 D. Kath, Defizitfinanzierung durch Zentralbankgewinne?, List Forum 11 (1981/ 82), S. 199 (207); D. Dickertmann, Bundesbankgewinne – Gewinn für den Bundeshaushalt, WiST 1982, 36 (39); O. Issing, Gewinnabführung der Notenbank, in: Festschrift W. Ehrlicher, 1985, S. 165 ff.; W. Höfling (Fn. 201), S. 270 f.; H. Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 115 Rn. 8a; nicht mehr in der Neukommentierung; H. Siekmann (Fn. 18), Art. 115 Rn. 23; zust. W. Heun (Fn. 202), Rn. 14. Die problematischen geldpolitischen Wirkungen werden auch von H. Faber (Fn. 6), Rn. 37 anerkannt.

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– die Festlegung und Ausführung der Geldpolitik der Gemeinschaft, – die Durchführung von Devisengeschäften, – die Verwaltung der offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten, – die Förderung des reibungslosen Funktionierens der Zahlungssysteme. Die EZB hat darüber hinaus das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Banknoten innerhalb der Gemeinschaft zu genehmigen, und darf selbst Banknoten ausgeben, Art. 106 Abs. 1 EGV. An dieser Einordnung ändert sich nichts, wenn die Aufgaben im Einzelfall mit privatrechtlichen, mit „marktkonformen“ Instrumenten, erfüllt werden. Auch Offenmarktgeschäfte sind ausdrücklich an die Ziele des ESZB und die Erfüllung seiner Aufgaben geknüpft, Art. 18 der Satzung. Sie dürfen deshalb nicht Erwerbszwecken dienen.208 Erst recht gilt die Zuordnung zum Hoheitsrecht, wenn öffentlich-rechtliche Maßnahmen, wie der Anordnung von Mindestreservesätzen,209 eingesetzt werden. Soweit die Zentralbanken auch sonstige Geschäfte betreiben dürfen, wie Bankgeschäfte mit jedermann nach § 22 i.V. m. § 19 Nr. 2–7 BBankG, darf es sich nur um zusätzliche Tätigkeiten handeln, die eindeutig ihrem eigentlichen Existenzgrund, Geld- und Währungspolitik zu betreiben, unterzuordnen sind. Art. 24 der Satzung erlaubt Geschäfte der EZB und der nationalen Zentralbanken, die nicht „mir ihren Aufgaben verbunden“ sind, nur für ihren „eigenen Betrieb und für ihre eigenen Bediensteten“. Bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben ist die Gewinnerzielung ein Fremdkörper. Gewinne mögen bei marktmäßigem Handeln anfallen, dürfen aber keine entscheidungsrelevante Größe sein. Das vorrangige Ziel der Gewährleistung der Preisstabilität, aber auch die Verfolgung der sonstigen Ziele des Art. 105 Abs. 1 EGV, sind ohne jegliche Rentabilitätserwägungen zu verfolgen. Das bedeutet allerdings nicht, dass dabei unwirtschaftlich gehandelt werden dürfte. Wirtschaftlichkeit kann aber auch verwirklicht werden, wenn das angestrebte Ziel mit dem geringsten Ressourceneinsatz verwirklicht wird. Gewinne brauchen dabei nicht anzufallen. Gewinne von Zentralbanken, die im hoheitlichen Bereich anfallen und an den Staat abgeführt werden, sind keine Gewinne im ökonomischen Sinne,210 sondern eher eine apokryphe Sondersteuer. Sie erhöhen die Transaktionskosten und sind deshalb prinzipiell schädlich im Sinne der Wohlfahrtsökonomie. Die sich daraus 208 Vgl. K. Stern (Fn. 4), S. 486 für die Bundesbank bei ähnlichem Wortlaut der Vorschrift. 209 BVerwGE 41, 334 (342 f.). 210 Das Bundesverfassungsgericht spricht deshalb auch zutreffend von einem „sogenannten“ Bundesbankgewinn, BVerfGE 79, 311 (356).

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ergebenden Belastungen des privaten Sektors sind zudem intransparent und verzerren die Signalwirkung der relativen Preise. Der moderne Staat ist Steuerstaat und muss es aus verfassungsrechtlichen Gründen möglicherweise auch sein. Nennenswerte Einnahmen aus hoheitlicher Tätigkeit zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben darf es in einem solchen System der Staatsfinanzen nicht geben.211 § 27 BBankG ist ein Relikt aus einer Zeit, als sich der Zentralstaat, das Deutsche Reich, im Wesentlichen nicht aus Steuern finanzieren durfte und auch die übrigen öffentlichen Haushalte zu einem großen Teil durch die Einnahmen aus öffentlichen Unternehmen mit tatsächlicher und rechtlicher Monopolstellung (vor allem Eisenbahnen) finanziert wurden. Die Reichsbank hatte private Anteilsinhaber, welche die Anteilsscheine mit hohem Agio erworben hatten und auf eine Verzinsung ihres eingebrachten Kapitals drängten. Insoweit verhielt sich das Reich wie diese privaten Anteilseigner. Noch vor Dotierung der Rücklagen genehmigte es sich und für die übrigen Anteilsinhaber eine Vorabdividende von 3,5 %. Wenn der Reingewinn nicht die 3,5 % erreichte, war er aus dem „Reservefonds“ entsprechend zu ergänzen.212 Diese Form der Staatsfinanzierung ist jedenfalls nicht mehr zeitgemäß, auch wenn sie (noch) nicht verfassungswidrig sein dürfte. dd) Fazit Es ist zu erwägen, die Tätigkeit der Zentralbanken so zu organisieren, dass keine ausschüttungsfähigen Gewinne anfallen, um allen Einwirkungen und Begehrlichkeiten vorzubeugen. Gemeinschaftsrecht, namentlich Art. 33.1. lit. b der Satzung, dürfte nicht entgegenstehen. b) Gold- und Devisenreserven Entsprechendes gilt für Gold- und Devisenreserven, die nach der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus Art. 30 der Satzung den nationalen Zentralbanken verbleiben. Immerhin ist für Geschäfte mit den Währungsreserven prinzipiell die Zustimmung der EZB erforderlich, Art. 31.2 der Satzung. Angesichts dieser eindeutigen Rechtslage erscheinen die immer wiederkehrenden Versuche des Bundesfinanzministers, die Bundesbank unter Einsatz der Medienöffentlichkeit zum Verkauf größerer Teile ihrer Goldreserven zu drängen, zumindest als problematisch.213 Die Entscheidung über Verkauf oder Nichtverkauf 211 212

Str., nähere Einzelheiten bei H. Siekmann (Fn. 18), vor Art. 104a, Rn. 44–47. P. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 3. Bd., 5. Aufl. 1913, S. 144

Fn. 3. 213

H. C. Hafke (Fn. 14), S. 193: „Bruch des Vertrages“.

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von Reserven hat durchaus geldpolitische Relevanz. Der Verkauf von Reserven entzieht zunächst der Wirtschaft Zentralbankgeld und verringert damit die Geldmenge. Schon dieser Vorgang ist relevant. Die Erlöse aus dem Verkauf werden jedoch darüber hinaus regelmäßig zu einer Gewinnsteigerung bei der Zentralbank führen und damit letztlich dem Staat zufließen. Im Ergebnis wird also Zentralbankgeld aus dem privaten in den öffentlichen Sektor überführt. Das kann sinnvoll sein, muss aber der freien, von Regierungswünschen unbeeinflussten Einschätzung der unabhängigen geldpolitischen Instanzen unterliegen. c) Wechselkursfestsetzung Entsprechend der langjährigen Tradition in den Mitgliedstaaten gehört die Festlegung der Wechselkurse nach außen nicht zu den Aufgaben des ESZB, Art. 111. Diese Vorschrift hat eindeutig Kompromisscharakter und stellt eine ernste Gefahr für die autonome Entscheidungsfähigkeit der EZB in Fragen der Geldpolitik dar. Jede Festlegung von Wechselkursen kann wegen der damit regelmäßig verbundenen Interventionen auf den Devisenmärkten mit dem Ziel der Preisstabilität in Konflikt geraten. Das haben die Währungskrisen in der Endzeit des Systems von Bretton-Woods mit aller Deutlichkeit gezeigt.214 Die politisch Verantwortlichen haben in dieser Zeit jedenfalls die Währungsprobleme nicht auf stabilitätskonforme Weise zu bewältigen vermocht und die Bundesbank verlor einen Gutteil ihrer geldpolitischen Handlungsfähigkeit. Bei der Währungspolitik nach außen wird eine der immanenten Schwächen des ESZB deutlich: Die Geldpolitik der EZB und eine autonome Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten, die auch den Außenwert der Währung umfasst, können miteinander unvereinbar sein. Sowohl der anfängliche Kursverlust der Gemeinschaftswährung als auch der schnelle Kursanstieg gegenüber dem U.S. Dollar riefen sehr schnell nervöse Reaktionen aus dem politischen Raum hervor. 2. Persönliche Unabhängigkeit a) Informaler Druck Bereits ein Überredungsversuch und der zielgerichtete Einsatz der Medien kann die Ausübung von unzulässigem Druck sein.215 Die Unabhängigkeit geriete in Gefahr, wenn allgemein-politisch agierenden Gremien, wie dem EcoFin-Rat oder dem Wirtschafts- und Finanzausschuss nach Art. 114 Abs. 2 EGV gestattet würde, durch eigene Vorgaben Druck auf die EZB auszuüben. Es läge ein Ver214 Beschreibung von Verwerfungen durch feste Wechselkurse wenige Zeit vor dem Zusammenbruch des Systems im Jahre 1973 bei H. Siekmann, Institutionalisierte Einkommenspolitik, 1985, S. 35 ff. 215 Oben III. 1. a) aa).

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stoß gegen Art. 108 EGV vor. Das wäre selbst dann der Fall, wenn es sich nur um an die EZB gerichtete Empfehlungen handelt, unter der Voraussetzung, dass sie nur konkret genug wären. Entsprechendes gilt, wenn Manipulationen bei der Besetzung der Führungsämter zu erkennen sind. Hierzu gehört auch eine normative oder faktische Verkürzung der die persönliche Unabhängigkeit sichernden achtjährigen Amtsdauer.216 Unter diesem Aspekt sind die Absprachen zu Beginn der ersten Amtszeit des EZB-Präsidenten nicht unbedenklich.217 Selbst eine Einladung zu einem vertraulichen Gespräch mit dem Regierungschef kann ein Zeichen allerhöchster Ungnade sein, die nicht an jedem Funktionsträger spurlos vorbeigeht und Druck erzeugt. Schon die Aussicht auf eine wohl dotierte Position nach Ausscheiden aus dem Amt kann bereits schädlich sein. Auch die Bildung informeller Regierungsgremien zur Diskussion von Fragen, die im Zusammenhang mit der besonderen Verantwortung der Regierungen „für die gemeinsame Währung“ stehen, kann bereits problematisch sein. Die Beschlussfassung kann in jedem Fall nur den zuständigen Organen der EZB oder dem EcoFin-Rat zustehen.218 b) Informations- und Auskunftsersuchen Nicht sicher ist, ob sich die Informations- und Auskunftspflichten des ESZB auf die Jahresberichte und vierteljährlichen Tätigkeitsberichte sowie Auskunftspflichten des Direktoriums im Parlament nach Art. 113 Abs. 3 EGV, Art. 15 der Satzung beschränken. Der Umstand, dass die entscheidenden Personen von jeglichem Druck freigehalten werden sollen, spricht dafür, dass es sich um eine abschließende Regelung der dahingehenden Pflichten handelt. Das in Satz 1 von Art. 108 EGV enthaltene, an das ESZB gerichtete Verbot zur Entgegennahme von Weisungen ist umfassend. Die „Selbstverpflichtung“ und die Vorverlagerung des Verbots der Einflussnahme in das Versuchsstadium in Satz 2 greifen jedoch nicht die lückenfüllende Wendung von den „anderen Stellen“ auf. Damit sind insbesondere die Parlamente der Mitgliedstaaten nicht erfasst. Insoweit könnte es an einer umfassenden Regelung fehlen. Das Regelungskonzept deutet jedoch eher auf eine unbewusste Lücke hin, da im Wege des Vertragsschlusses sprachlich schlecht eine Selbstbindung unbeteiligter Dritter formuliert werden kann, auch wenn materiell eine Bindung erzeugt werden soll. Es kann davon ausgegangen werden, dass die vertragsschließenden Parteien auch den Mitgliedsparlamenten untersagen wollten, Weisungen zu ertei216

In diesem Sinne eindeutig P. J. Tettinger (Fn. 37), Rn. 11. Deutlich B. Kempen (Fn. 64), Art. 108 Rn. 11; R. Schmidt (Fn. 44), S. 162; Einzelheiten zur Zusage eines vorzeitigen Rücktritts bei M. Selmayr, Die Wirtschafts- und Währungsunion als Rechtsgemeinschaft, AöR Bd. 124 (1999), S. 357 (388 f.). 218 U. Häde (Fn. 23), Art. 108 Rn. 9a. 217

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len. Jedenfalls ist eine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Parlament nicht vorgesehen.219 c) Die Stellung des Präsidenten der Bundesbank Trotz der weitreichenden kollektiven Verantwortung der Präsidenten der nationalen Zentralbanken als Mitglieder des EZB-Rates für die Geld- und Währungspolitik des ESZB und trotz der ungewöhnlichen Dichte der Integration in diesem Bereich sollen sie nicht in einem EG-Amtsverhältnis stehen.220 aa) Aufsicht Ebenso wie EZB und Bundesbank als Einrichtungen unterliegt auch der Bundesbankpräsident keiner Dienst- und Fachaufsicht im verwaltungsrechtlichen Sinne. Sowohl die europarechtliche als auch die verfassungsrechtliche Unabhängigkeitsgarantie schließen eine hierarchische Unterwerfung unter die Bundesregierung aus. Insoweit darf es auch keine Rechtsaufsicht geben, da sich leicht hinreichend flexible gesetzliche Regelungen finden würden, die von der Regierung gegenüber dem Präsidenten durchzusetzen wären. Allerdings ist dieses Verbot heteronomer Steuerung in der Sache ebenfalls auf den Bereich der geld- und währungspolitischen Befugnisse beschränkt. Die Person des Präsidenten lässt sich jedoch nicht in dieser Weise aufspalten, so dass es bei einem umfassenden Verbot der Dienstaufsicht bleiben muss. Der sachliche Grund liegt darin, dass auch nur die Möglichkeit von dienstaufsichtsrechtlichen Maßnahmen ein die Unabhängigkeit gefährdendes Druckmittel sein kann. Allenfalls ein den Richterdienstgerichten nachgebildetes Verfahren zur Amtsenthebung bei schweren Verfehlungen im Bereich des Kernstrafrechts mag mit der Unabhängigkeit vereinbar sein. Diese Beschränkung ist erforderlich, da sich angesichts der rasanten Ausweitung von Straftatbeständen mit zum Teil drakonischen Strafdrohungen, vor allem im Bereich dessen, was man früher als Verwaltungsunrecht bezeichnet hätte, zu leicht zumindest der Anfangsverdacht für die Erfüllung des objektiven Tatbestandes eines dieser uferlosen und unüberschaubaren Strafnormen finden ließe. Unbeschadet aller Weisungsunabhängigkeit und vorbehaltlich der Vorrangigkeit des Ziels der Preisstabilität soll der Präsident allerdings unter dem Gesichtspunkt der „Organtreue“ gehalten sein, auf die Wirtschaftspolitik der eigenen Regierung „Bedacht“ zu nehmen.221 219

C. Schütz (Fn. 64), S. 301; ferner H. J. Hahn, (Fn. 84), S. 960 ff. Dezidiert M. Weber (Fn. 47), S. 59–61, der auch eine Parallele zur Stellung der Oberfinanzpräsidenten strikt ablehnt; U. Palm, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. 112 (Loseblatt: 2003), Rn. 32. 221 M. Herdegen (Fn. 56), Rn. 57. 220

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bb) Amtsenthebung (1) Vorgaben des Europarechts Die Amtszeit aller Präsidenten der nationalen Zentralbanken muss rechtlich fixiert sein und mindestens fünf Jahre betragen. Eine vorzeitige Entlassung ist nur zulässig, wenn eine der beiden in Art. 14.2 Abs. 2 Satz 1 der Satzung aufgeführten Voraussetzungen vorliegen: – Der Präsident erfüllt nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausübung seines Amtes oder – er hat eine schwere Verfehlung begangen. Die erste Alternative bezieht sich zunächst auf die besonderen Anforderungen nach Art. 11.2 der Satzung. Darüber hinaus wird man das objektive Vorliegen physischer oder psychischer Behinderungen einbeziehen müssen, die eine ordnungsmäßige Erfüllung der Amtspflichten unmöglich machen. Die zweite Alternative orientiert sich an der entsprechenden Regelung für Kommissionsmitglieder in Art. 160 EGV. Sie soll ein schuldhaftes, aber nicht notwendig strafbares Handeln erfordern und sich in erster Linie auf die gewissenhafte Erfüllung der Amtspflichten beziehen.222 Gegen eine solche Entscheidung kann der Präsident oder der EZB-Rat Klage zum Gerichtshof erheben, Art. 14.2 Abs. 2 Satz 2 der Satzung. Allerdings schweigt die Satzung zur Frage der Zuständigkeit für die Entlassungsentscheidung. Aus der Einräumung der Klagemöglichkeit für den EZB-Rat kann jedoch geschlossen werden, dass er diese Entscheidung nicht zu treffen hat. Der Vergleich mit der parallelen Regelung für die Mitglieder des Direktoriums in Art. 11.4 der Satzung verbietet auch die Annahme, dass die Entscheidung durch den EuGH zu erfolgen hat. Sie ist dort nicht für die Mitglieder des EZB-Rates angeordnet. Aus der Tatsache, dass die nationalen Zentralbanken ungeachtet ihrer mehr oder weniger weit gehenden Doppelnatur auch weiterhin Geschöpfe der nationalen Rechtsordnungen sind, wird man bei einem Schweigen des Europarechts das nationale Recht als insoweit maßgebend ansehen müssen. Ihre Ernennung und Entlassung erfolgt daher ausschließlich nach nationalem Recht, das dafür aber die Vorgaben von Art. 14.2 Satz 2 der Satzung zu beachten hat.223

222 D. Janzen (Fn. 26), S. 115; für Mitglieder der Kommission: H. Schmitt von Sydow, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU-EG-Vertrag, 5. Aufl. 1997, Art. 160 Rn. 4; J. Endler (Fn. 6), S. 443; strenger Gnan/Wittelsberger (Fn. 30), Art. 14 ESZB-Satzung, Rn. 19: „z. B. bei Veruntreuung, Verurteilung wegen eines gravierenden strafrechtlichen Tatbestandes“. 223 M. Weber (Fn. 47), S. 60; U. Palm (Fn. 220), Rn. 32.

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(2) Fehlende Regelung im deutschen Recht Das Bundesbankgesetz regelt in § 7 Abs. 3 BBankG die Ernennung, nicht aber die Entlassung von Mitgliedern des Vorstandes. Insoweit hat sich die Rechtslage auch nicht geändert. Die Mitglieder des Vorstands der Deutschen Bundesbank stehen zwar in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis, sind aber keine Beamte, § 7 Abs. 4 BBankG. Deshalb sind beamtenrechtliche Vorschriften, namentlich die für politische Beamte, und das beamtenrechtliche Disziplinarrecht nicht anwendbar.224 Sie eignen sich auch in keiner Weise wegen der prinzipiell anderen Stellung von Beamten – Weisungsunterworfenheit – für Analogieschlüsse. Freilich ist gelegentlich die Stellung der Organmitglieder der Bundesbank auch mit der von Ministern verglichen worden.225 Obschon Minister ebenfalls Inhaber eines öffentlichen Amtes sind, ohne Beamte zu sein, besteht aber doch wieder der entscheidende Unterschied, dass sie nicht unabhängig gegenüber der Regierung als Kollegium und vor allem nicht gegenüber dem Bundeskanzler mit seiner Richtlinienkompetenz sind (Art. 65 Satz 1 GG), der sie zudem jederzeit entlassen kann, Art. 64 Abs. 1 GG.226 Gleichwohl hat es im (älteren) Schrifttum zu den früheren Versionen des Bundesbankgesetzes nicht an Versuchen gefehlt, eine Entlassung „aus wichtigem Grund“ als zulässig erscheinen zu lassen.227 Zur Begründung dienten eine reiche Vielfalt von Konstruktionen: entsprechende Anwendung von § 84 Abs. 3 AktG 1965,228 Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers,229 § 626 BGB,230 Parallele zu den politischen Beamten, die „nach §§ 36 BBG und 31 BRRG jederzeit ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können“,231 Analogie zum Richterrecht.232 Allerdings wurde zum Teil verlangt, dass eine Abberufung nur in Ausnahmefällen erlaubt sein sollte und auf „grobe 224 U. Häde, Bundesbank und Bundesregierung – ein schwieriges Verhältnis, NJW 2004, S. 1641. 225 H. Beck, Gesetz über die Deutsche Bundesbank vom 20. Juli 1957, Kommentar, 1959, K 806; K. Stern (Fn. 4), S. 489; K. v. Bonin (Fn. 112), S. 185. 226 O. Lampe (Fn. 113), S. 30. 227 Für Mitglieder des Zentralbankrats oder des Direktoriums: v. Spindler/Becker/ Starke, (Fn. 137), § 7 Anm. 4 Nr. 3; H. Faber (Fn. 113), S. 56; D. Uhlenbruck (Fn. 109), S. 49 m.w. N.; O. Lampe (Fn. 113), S. 32; L. Gramlich, Bundesbankgesetz, Währungsgesetz, Münzgesetz, 1988, BBankG § 7 Rn. 21; J. Siebelt (Fn. 115), S. 175; H. J. Hahn, Währungsrecht, 1990, § 17 Rn. 13, 16; D. Janzen (Fn. 26), S. 110; noch weitergehend, auch ohne wichtigen Grund: K. v. Bonin (Fn. 112), S. 185. 228 v. Spindler/Becker/Starke, (Fn. 137), § 7 Anm. 4 Nr. 3, die aber daneben – wenig konsistent – die Regelung der „Kündigung aus wichtigem Grund“ den Anstellungsverträgen überlassen wollen (Anm. 5); D. Uhlenbruck (Fn. 109), S. 49. 229 C. A. Gaugenrieder, Die rechtliche Stellung der Deutschen Zentralnotenbank im Staatsgefüge in Geschichte und Gegenwart, Diss. Würzburg 1961, S. 130. 230 L. Gramlich (Fn. 227), BBankG § 7 Rn. 21. 231 K. v. Bonin (Fn. 112), S. 185, der sich für eine grundsätzliche Abberufbarkeit ausspricht, die durch Widerruf des statusbegründenden Verwaltungsaktes wie bei den poli-

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Pflichtverletzung, Dienstunfähigkeit und ähnliches“ zu beschränken sei.233 Zum Teil wurde sogar das Vorliegen einer strafbaren Handlung verlangt.234 In diesem Zusammenhang wird nicht selten – mehr oder weniger differenziert – auf die „Grundsätze des actus contrarius“ verwiesen.235 Dabei wurde aber häufig schon nicht hinreichend berücksichtigt, dass ein, wie auch immer gefundenes „actus contrarius“-Prinzip jedenfalls keinen sachlichen Grund zur Beendigung eines Rechtsverhältnisses oder zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes liefern kann. Er muss sich aus dem materiellen Recht ergeben. Schon die differenzierten Regelungen des allgemeinen Verwaltungsrechts in §§ 48, 49 VwVfG bezeugen das. Allenfalls kann diese Lehre Hinweise auf das einzuschlagende Verfahren geben. Wenn deshalb die Abberufung als „actus contrarius“ auf Vorschlag der Bundesregierung, nach Anhörung des Zentralbankrats und durch Ausfertigung des Bundespräsidenten erfolgen soll,236 kann das allenfalls unter der Voraussetzung gelten, dass es eine materiellrechtliche Rechtfertigung für die Beendigung des Amtsverhältnisses gibt. Daran mangelt es aber. Fast alle Konstruktionsversuche kranken daran, dass sie sich entweder noch an der überkommenen Vorstellung von der Zentralbank als einem gesellschaftsrechtlichen Gebilde237 orientieren oder nicht hinreichend die vom Gesetzgeber hoch eingestufte persönliche Unabhängigkeit der Amtsträger berücksichtigen, die eine vorzeitige Abberufung durch die Ernennungsinstanz ausschließt. Die Gesetzesmaterialien enthalten deutliche Hinweise, dass das Schweigen des Bundesbankgesetzes als Anordnung einer Unabrufbarkeit zu verstehen sein sollte. Sowohl die Regierungsbegründung238 als auch der Bericht des Bundestagsausschusses für Geld und Kredit über den Entwurf 239 nannte ausdrücklich die „Unabrufbarkeit“ als Kautel zum Schutz der Unabhängigkeit. tischen Beamten erfolgen könne; H. Faber (Fn. 113), S. 56: nur bei Weigerung die verbindlichen Zielvorstellungen der Bundesregierung zu beachten. 232 H. J. Hahn (Fn. 227), § 17 Rn. 16; J. Siebelt (Fn. 115), S. 177, unter Bezugnahme auf §§ 1, 3 Abs. 5 BRHG und § 105 BVerfGG. 233 D. Uhlenbruck (Fn. 109), S. 49 f. 234 R. Wilbert, Ein Vorschlag zum Bundesbankgesetz, ZKW 1955, S. 145 (147). 235 v. Spindler/Becker/Starke, (Fn. 137), § 7 Anm. 4 Nr. 3; D. Uhlenbruck (Fn. 109), S. 51; D. Janzen (Fn. 26), S. 110 f.; U. Häde (Fn. 224), S. 1641; krit. W. Zeitler, Bundesbank und Bundesregierung – Wer entscheidet über den Rücktritt des Bundesbankpräsidenten?, NJW 2004, S. 2293 (2294), der zu Recht darauf hinweist, dass diese Lehre keine Rechtsgrundlage ersetzen kann. 236 D. Janzen (Fn. 26), S. 110 f.; im Grundsatz ähnlich v. Spindler/Becker/Starke, (Fn. 137), § 7 Anm. 4 Nr. 3; U. Häde (Fn. 224), S. 1641. 237 Die Reichsbank hatte private Anteilseigner und wurde zum Teil zunächst als juristische Person des Privatrechts angesehen, P. Laband (Fn. 212), S. 142; Meyer/Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrecht, 3. Teil, 7. Aufl. 1919, S. 832; dagegen allerdings RGZ 15, 230 (236). 238 BT-Drucks. 2/2782, S. 26. 239 BT-Drucks. 2/3603, S. 5.

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(3) Subsidiäre Heranziehung des Europarechts Da eine Rechtsgrundlage für die Abberufung im nationalen Recht fehlt, kann daran gedacht werden, Art. 14 Abs. 2 Satz 1 der Satzung (subsidiär) unmittelbar heranzuziehen. Es ist aber angesichts der besonderen Konstruktion des ESZB mit der weiterbestehenden Selbständigkeit der nationalen Zentralbanken zweifelhaft, ob das Europarecht eine materielle Rechtfertigung für die Beendigung eines Rechtsverhältnisses des nationalen Rechts liefern will und kann. Die dort gegebenen Voraussetzungen sind nämlich möglicherweise lediglich als Mindeststandards zu verstehen, die das nationale Recht nicht unterschreiten darf, um einer Aufweichung der persönlichen Unabhängigkeit von Mitgliedern der europäischen Beschlussorgane von Seiten des nationalen Rechts vorzubeugen. Dafür spricht auch, dass die entscheidende Frage, wer die Entscheidung über die Abberufung zu treffen hat, in der Satzung nicht angesprochen ist, obwohl der Gesetzgeber das Problem kannte und für die Mitglieder des Direktoriums in Art. 11.4 der Satzung geregelt hat. (4) Rechtsanalogie zum Richterrecht Wenn man aber eine vorzeitige Beendigung des Amtsverhältnisses gegen den Willen des Amtsinhabers zulassen will, folgt daraus noch nicht, dass auch dieselben Instanzen die Entscheidung in der Sache fällen, die über die Ernennung entschieden haben. In einer frühen Version der „actus contrarius“-Überlegungen war denn auch die Kündigung des privatrechtlichen Anstellungsvertrages durch die Bundesbankgremien zum entscheidenden Kriterium gemacht worden. Erst nach Ausspruch der Kündigung sollte anschließend nach den Regeln über den „actus contrarius“ die öffentlich-rechtliche Amtsstellung in demselben Verfahren und von denselben Instanzen wie die Ernennung beseitigt werden.240 Unabhängig davon, ob diese Konstruktion in allen Einzelheiten zutrifft, hat sie jedenfalls die maßgebende Sachentscheidung bei der Bundesbank belassen, die auf diese Weise untragbare Situationen selbst bereinigen kann, und ihre Unabhängigkeit nicht angetastet. Die Abberufung eines Zentralbankpräsidenten ist immer auch eine Maßnahme, welche sich im Bereich der durch das Primärrecht übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten bewegt.241 Die Unabhängigkeitsgarantie dürfte allenfalls ein Verfahren und Entscheidungsstrukturen zulassen, wie sie aus gutem Grund für Richter und Rechnungshofmitglieder, ebenfalls mit verfassungsrechtlich abgesicherter Unabhängigkeit versehene Amtsträger, eingeführt worden sind (§§ 21 Abs. 3, 24 DRiG; § 3 Abs. 4 BRHG). Auch ein Vergleich mit der Regelung in Art. 11.4 der Satzung, der die Amtsenthebung eines Direktoriumsmitgliedes dem 240 241

D. Uhlenbruck (Fn. 109), S. 51. Insoweit ebenso U. Häde (Fn. 224), S. 1642.

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Gerichtshof der Gemeinschaft vorbehält, spricht für die Zuweisung einer ausschließlichen Entscheidungskompetenz an ein Gericht, und nicht nur für eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung. Keinesfalls darf die materielle Entscheidungsbefugnis bei der Bundesregierung liegen, die oft genug Grund für die Annahme gegeben hat,242 sie könnte versuchen, einen ihr nicht genehmen Präsidenten auf diese Weise aus dem Amt zu entfernen. Die Entscheidungen über die Besetzung der Ämter der Zentralbankpräsidenten und Direktoriumsmitglieder sind nämlich die wesentlichen, rechtlich noch zulässigen Instrumente für die Politik, um Einfluss auf die Geldpolitik zu nehmen.243 Eine Entscheidungskompetenz der Regierung kann auch nicht mit „actus contrarius“-Erwägungen konstruiert werden. Wenn das möglich wäre, könnte der Justizminister – bei entsprechender einfachgesetzlicher Ausgestaltung – auch über die Abberufung von Richtern entscheiden. (5) Aufgabe der Gesetzgebung Die mehr oder weniger gekünstelten Begründungsversuche, die in ihrer Vielfalt die Beliebigkeit aufzeigen, mit der sie erzeugt werden, sowie der Rückgriff auf eine „actus contrarius“-Lehre, die es jedenfalls nicht in der Form gibt, dass sie der Bundesregierung das Recht zu einer Amtsenthebung gibt, sind ein deutliches Indiz dafür, dass im Grunde nur eine als unerwünscht empfundene, aber eindeutige Rechtslage angepasst werden soll. Das ist indes Aufgabe des Gesetzgebers und nicht der Gesetzesanwender. Bei einer gesetzlichen Regelung der Abberufung eines Bundesbankpräsidenten sind in jedem Fall Art. 108 EGV und Art. 14.2 der Satzung zu beachten. Ein Teil der Problematik dürfte sich aber dadurch etwas entschärfen, dass mittlerweile auch die Bundesbank einen „Verhaltenskodex für die Mitglieder des Vorstands der Deutschen Bundesbank“ erlassen hat. Er wurde vom Vorstand in seiner Sitzung am 14. Juli 2004 beschlossen244 und ist im Bundesanzeiger veröffentlicht worden.245 Inhaltlich orientiert er sich am „Verhaltenskodex für die Mitglieder des EZB-Rates“ der Europäischen Zentralbank.246 (6) Fazit Ohne eine gesetzliche Anordnung könnten allenfalls die Vorschriften für Richter und Rechnungshofmitglieder als eine der verfassungsrechtlichen und europa242 W. Zeitler (Fn. 235), S. 2294. Das wird auch von U. Häde (Fn. 224), S. 1642, für den konkreten Anlassfall eingeräumt. 243 Görgens/Ruckriegel/Seitz (Fn. 204), S. 308. 244 Pressemitteilung vom 20. Juli 2004, S. 1. 245 Ausgabe Nr. 189 vom 6. Oktober 2004, S. 21630. 246 Abgedruckt: ABl. Nr. C 123 vom 24. Mai 2002, S. 9.

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rechtlichen Unabhängigkeitsgarantie am ehesten entsprechende Vorgehensweise vorsichtig entsprechend angewendet werden.247 cc) Unabhängigkeit gegenüber dem Vorstand Fraglich ist, ob der Präsident der Bundesbank an Weisungen oder Beschlüsse des Vorstandes (§ 7 Abs. 1 BBankG) gebunden sein darf, die mit einfacher Mehrheit gefasst werden, § 7 Abs. 5 Satz 2 BBankG. Sowohl die Bundesbank als auch das Europäische Währungsinstitut haben ursprünglich angenommen, dass den Präsidenten der nationalen Zentralbanken, die kraft Amtes Mitglied des EZB-Rates sind (Art. 10.1 der Satzung), auch im Innenverhältnis zu den eigenen Beschlussorganen Unabhängigkeit zukommen muss. Demgegenüber wurde im Schrifttum jedoch bezweifelt, dass Beschlussorgane innerhalb des Systems „andere Stellen“ im Sinne von Art. 108 Satz 1 EGV seien.248 Dessen ungeachtet hatte der Bundesgesetzgeber die Unabhängigkeitsgarantie in § 6 Abs. 1 Satz 3 BBankG in der Fassung des sechsten Änderungsgesetzes auch auf das Innenverhältnis zwischen Präsident und Zentralbankrat erstreckt. Den Zentralbankrat gibt es indes nicht mehr und die Bestimmung ist mittlerweile wieder gestrichen worden. Das könnte dafür sprechen, dass jedenfalls der nationale Gesetzgeber dem Präsidenten keine Unabhängigkeit mehr im Innenverhältnis gewähren wollte. Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass dem Vorstand der Bundesbank keine eigenständigen währungspolitischen Befugnisse mehr zukommen. Allein die zur „Leitung“ des ESZB berufenen Beschlussorgane EZBRat und Direktorium (Art. 107 Abs. 3 EGV) sind für die grundlegenden geldpolitischen Leitlinien und Entscheidungen zuständig.249 Das unterscheidet ihn vom ehemaligen Zentralbankrat. Zudem vermittelt er auch keine weitergehende demokratische Legitimation.250 Dieser Deutung folgt auch das Organisationsstatut für die Deutsche Bundesbank251, das in § 1 Abs. 2 anordnet, dass der Vorstand der Deutschen Bundesbank den Präsidenten in seiner Eigenschaft als Mitglied des EZB-Rates und des erweiterten EZB-Rates lediglich „berät“.252 Es ist daher von 247 Für Analogie zum Richterrecht K. v. Bonin (Fn. 112), S. 177 f.; U. Häde (Fn. 224), S. 1641, sieht die Lösung ebenfalls im Richterdienstrecht, um dann aber völlig inkonsequent die materielle Entscheidungsbefugnis Bundesregierung und Bundespräsident zuzuweisen. Das entspricht im Kern schon nicht dem zunächst als Ausgangspunkt gewählten Richterdienstrecht. 248 M. Herdegen (Fn. 56), Rn. 51. 249 A. Weber (Fn. 99), S. 59; B. Kempen (Fn. 64), Art. 107 Rn. 13; s. a. oben S. 18, 29. 250 Auf diesen Gesichtspunkt weist M. Herdegen (Fn. 56) zu Recht hin. 251 Beschluss des Vorstands der Deutschen Bundesbank vom 8. Mai 2002 gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 BBankG, abgedruckt in: Deutschen Bundesbank Monatsbericht, Mai 2002, S. 16. 252 In diesem Sinne auch Deutsche Bundesbank (Fn. 54), S. 57.

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der Unabhängigkeit des Präsidenten im Innenverhältnis auszugehen, soweit es sich um Angelegenheiten handelt, die in den Zuständigkeitsbereich des EZB-Rates fallen.253 dd) Beteiligtenfähigkeit im Organstreitverfahren Zu erwägen ist, dem Präsidenten der Bundesbank die Beteiligtenfähigkeit im Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zuzubilligen, da er persönlich an Entscheidungen des EZB-Rates mitwirkt, für welche die Unabhängigkeitsgewährleistung von Art. 108 EGV – auch im Innenverhältnis – eingreift.254 Dem wird allerdings entgegengehalten, dass er trotz der Doppelrolle der Bundesbank als nationale und gemeinschaftsrechtliche Einrichtung keine deutsche, sondern europäische Hoheitsgewalt ausübe.255 Dies führt zu der noch ungeklärten Frage, ob die Mitwirkung von deutschen Amtsträgern in den Einrichtungen der europäischen Gemeinschaften auch die Ausübung deutscher Staatsgewalt ist. Erörtert wird diese Frage jedoch meist nur im Hinblick auf die Bindung von deutschen Amtsträgern in den Organen von EU und EG an nationale verfassungsrechtliche Vorgaben256 und (verfassungs-)gerichtliche Überprüfung ihres Verhaltens.257 Selbst wenn man der Einrichtung „Bundesbank“ Beteiligtenfähigkeit ungeachtet der Zweifel, ob ihr durch Art. 88 Satz 2 GG eigene Rechte (mittelbar) verliehen sind,258 zubilligen will, muss die Beteiligtenfähigkeit des Präsidenten nicht zwangsläufig gleichgerichtet beurteilt werden. Andererseits ist es der Bundesbankpräsident, der wegen seiner herausgehobenen Stellung als Mitglied des EZB-Rates an erster Stelle Schutzobjekt der Unabhängigkeitsgarantie ist. Das spricht dafür, auch insoweit eine Ausstattung mit eigenen Rechten im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG zu bejahen, auch wenn sie nur mittelbar über Art. 88 Satz 2 GG erfolgt ist.259

253 Im Ergebnis ebenso B. Wahlig (Fn. 23), S. 270; U. Häde (Fn. 23), Art. 108 Rn. 8; B. Kempen (Fn. 64), Art. 108 Rn. 7; wohl auch Gnan/Wittelsberger (Fn. 29), Art. 107 Rn. 59. 254 M. Herdegen (Fn. 56), Rn. 60. 255 J. A. Kämmerer (Fn. 3), Rn. 14; a. A. M. Herdegen (Fn. 56), Rn. 50, 63, 74. 256 Das Bundesverfassungsgericht nimmt sie möglicherweise an, allerdings nur in ganz knappen, nicht näher begründeten Wendungen BVerfGE 89, 155 (211 f.); 92, 203 (227 f.). 257 Hummer/Oberweser, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 203 Rn. 28; ausführlich Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 6. Aufl. 2004, Rn. 359, allerdings konzentriert auf den Grundrechtsschutz gegen Akte der Europäischen Gemeinschaft. 258 Oben III. 2. a) bb) (2). 259 Überlegungen in diese Richtung auch bei M. Herdegen (Fn. 56), Rn. 60 a. E.

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d) Selbstergänzungsrecht Solange politische Entscheidungsträger über die Besetzung der Entscheidungsorgane einer Einrichtung zu bestimmen haben, besteht die Gefahr, dass diese Befugnis dazu benutzt wird, um über die Ernennung des von ihnen als geeignet erscheinenden Kandidaten Einfluss auf künftige Entscheidungen zu nehmen. Ein spektakuläres Beispiel war das „court-packing“, durch das der damalige Präsident der USA, F. D. Roosevelt, versucht hatte, die Blockierung der von ihm als dringend erforderlich angesehenen Gesetze in der Wirtschaftskrise durch den U.S. Supreme Court aufzulösen. Ein wirksames Gegenmittel ist das Selbstergänzungsrecht der Mitglieder von Entscheidungsorganen. Ein solches Recht würde zwar in besonders effektiver Weise die persönliche Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank sichern,260 doch bestünde die Gefahr der intellektuellen „Versteinerung“. Auch wäre es singulär in der deutschen Verfassungsrechtsordnung, da es selbst für so hochrangige Einrichtungen wie das Bundesverfassungsgericht und den Bundesrechnungshof nicht vorgesehen ist. Kaum überwindbare rechtliche Bedenken würden sich aber aus den Anforderungen des Demokratieprinzips ergeben. Ein Selbstergänzungsrecht würde die im Wege der verfassungskonformen Auslegungen gewonnene Mindestanforderung an die demokratische Legitimation aus Art. 79 Abs. 3 GG261 unterschreiten und müsste wohl als nicht mehr von Art. 88 Satz 2 GG gedeckt verworfen werden. VI. Zusammenfassung und Ergebnisse 1.

Das Gemeinschaftsrecht garantiert durch Art. 108 EGV umfassend die Weisungsfreiheit der Europäischen Zentralbank und der nationalen Zentralbanken als Institutionen. Diese Garantie erfasst auch die natürlichen Personen, die Mitglieder der Entscheidungsgremien sind.

2.

Hinzu treten weitere Regelungen des Gemeinschaftsvertrages und der Satzung von ESZB und EZB, welche diese Garantie zu einer allgemeinen Unabhängigkeitsgarantie ausbauen und verstärken.

3.

Garantiert ist vor allem auch die persönliche Unabhängigkeit der Mitglieder in den Entscheidungsgremien.

4.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind diese Regelungen für das sekundäre Gemeinschaftsrecht unantastbar. Als Teil des primären Gemeinschaftsrechts können sie prinzipiell nur durch Vertragsänderung, also einstimmig verändert werden.

260 261

Angesprochen von U. Häde (Fn. 23), Art. 108 Rn. 13. Oben III. 3. b).

1. Die Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank

71

5.

Diese europarechtlichen Garantien werden über Art. 88 Satz 2 GG für die Bundesbank als integraler Bestandteil des ESZB in das deutsche Verfassungsrecht transponiert. Daraus ergibt sich eine „gemeinschaftsrechtlich vermittelte verfassungsrechtliche Unabhängigkeitsgarantie“ für die Bundesbank.

6.

Die Regelung ist mit dem Demokratieprinzip vereinbar.

7.

Änderungen der umfassenden Garantie können die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung der währungs- und notenbankpolitischen Befugnisse auf das ESZB entfallen lassen.

8.

Der Entwurf einer Verfassung für Europa enthält keine verfassungsrechtlich relevanten Relativierungen der Unabhängigkeitsgarantie.

9.

Das Ziel der Preisstabilität hat den ihm gebührenden Rang behalten. Bei genauer Analyse zeigt sich auch, dass sein besonderer Rang für die Tätigkeit des ESZB nicht beeinträchtigt ist.

10. Ein Vergleich der verschiedenen sprachlichen Fassungen des Verfassungsvertrages zeigt auch, dass – entgegen dem deutschen Text – die EZB nicht als – möglicherweise weniger unabhängiges – Organ der EU, sondern als sonstige Einrichtung eingestuft worden ist.

2. Die Verwendung des Gewinns der Europäischen Zentralbank und der Bundesbank*/ ** I. Einführung Die rechtliche Beurteilung der Verwendung des Gewinns von Zentralbanken bewegt sich im Überschneidungsbereich von: – Währungsrecht, – Finanzverfassungsrecht und – Finanzpolitik. Rechtliche Bedenken ergeben sich im Wesentlichen aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Staatsfinanzierung sowie aus der Garantie der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und der Bundesbank. Maßgebende Rechtsquellen sind sowohl das Recht der Europäischen Union als auch das deutsche Finanzverfassungsrecht, angereichert um das einfache Haushaltsrecht des Bundes. Gewinnerzielung und Gewinnverwendung sind bei der gegenwärtigen Rechtslage eines der wichtigsten Scharniere zwischen den unabhängigen Zentralbanken und ihren Trägergemeinwesen. Die begehrlichen Blicke, welche die Politik auf den Bundesbankgewinn wirft, sind ein untrügliches Zeichen für die Gefahr, die daraus für ihre Unabhängigkeit entstehen kann.1 Die Verwendung von Zentralbankgewinnen zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben mag eine lange Tradition haben, ist aber aus grundsätzlichen finanzverfassungsrechtlichen Erwägungen nicht unproblematisch. Jedenfalls wäre die Grenze zur Verfassungswidrigkeit überschritten, wenn sich der Einsatz hoheitlicher Maßnahmen an ihrem Ertragspotential für den Staatshaushalt ausrichtete. II. Der gesetzliche Rahmen 1. Gewinnausschüttung der Europäischen Zentralbank Unmittelbare Ansprüche des Bundes auf die Gewinne der Europäischen Zentralbank scheiden aus. Ihre Nettogewinne werden nach Art. 33.1. Buchstabe b * Erstveröffentlichung in: Institute for Monetary and Financial Stability der GoetheUniversität, Frankfurt am Main, Working Paper Series No. 3 (2006). ** Vortrag, gehalten am Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt am Main. Die Vortragsform wurde beibehalten. 1 Eingehend zu den Gefahren W. Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 465–467 m.w. N.

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der Satzung an die Anteilseigner ausgeschüttet. Alleinige Kapitalinhaber der Europäischen Zentralbank sind aber die nationalen Zentralbanken, und nicht die Mitgliedsländer. Dabei spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, ob aus § 2 Satz 2 BBankG eine „mittelbare Kapitalbeteiligung“ des Bundes2 abzuleiten ist. Ansprüche gegen die Europäische Zentralbank können sich aus der Kapitalbeteiligung an der Bundesbank jedenfalls nicht ergeben. Anteilseigner der Europäischen Zentralbank sind auch die Zentralbanken derjenigen Mitgliedsländer, die den Euro (noch) nicht eingeführt haben. Sie sind allerdings nicht an der Gewinnausschüttung beteiligt, da der Begriff „nationale Zentralbanken“ in Art. 33.1. der Satzung im Sinne von „Zentralbanken der Mitgliedstaaten, für die keine Ausnahmeregelung gilt“ zu verstehen ist, Art. 43.5. der Satzung. „Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt“, sind die Länder, die außerhalb des Eurosystems stehen, Art. 122 (1) Abs. 1 Satz 2 EGV, Art. 43 der Satzung.3 Die ursprüngliche Konzeption der Wirtschafts- und Währungsunion ging davon aus, dass sämtliche Mitglieder der Europäischen Union die gemeinsame Währung, den Euro, einführen würden. Da dies nicht geschehen ist und auch auf längere Sicht kaum damit zu rechnen ist, musste ein Rechtsregime für die Mitgliedstaaten außerhalb des Eurosystems auf die ursprünglich als einheitlich konzipierten Regelungen aufgesetzt werden. Dadurch ist die umständlich wirkende Begrifflichkeit und Regelungssystematik für die beiden Gruppen von Mitgliedstaaten zu erklären. Das hat zur Folge, dass derselbe Begriff, wie zum Beispiel „Mitgliedstaat“, unterschiedliche Bedeutungen in den Vorschriften über die Währungspolitik (Art. 105 ff. EGV) haben kann.4 Mittelbar können die Mitgliedstaaten dennoch am Gewinn der Europäischen Zentralbank partizipieren, da die Ausschüttungen an die nationalen Zentralbanken tendenziell deren Gewinn erhöhen und auf diese Weise letztlich in die Kassen der jeweiligen Trägergemeinwesen fließen können.

2 J. A. Kämmerer, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 88, Rn. 16. 3 Nach Art. 122 Abs. 3 EGV sind folgende Vertragsbestimmungen nicht anzuwenden: Nichtanwendbarkeit von Art. 104 Abs. 9 und 11 EGV (Sanktionen im Rahmen der Haushaltsüberwachung), Art. 105 Abs. 1, 2, 3 und 5 EGV (Aufgaben und Befugnisse des ESZB), Art. 106 EGV (Entscheidungsmonopol der EZB über die Ausgabe von Banknoten und Münzen), Art. 110 EGV (Verordnungen, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen der EZB), Art. 111 EGV (Wechselkursfestlegung nach außen), Art. 112 Abs. 2 lit. b EGV (aktives und passives Wahlrecht zum EZB-Direktorium). 4 Mit dem Ausdruck „Mitgliedstaaten“ werden in den entscheidenden Vorschriften nur die Staaten erfasst, die den Euro eingeführt haben, Art. 122 Abs. 4 EGV, Art. 43.3.

2. Gewinnverwendung der Europäischen Zentralbank und der Bundesbank

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2. Abführung von Gewinnen der Bundesbank an den Bund Die Verteilung des Reingewinns der Bundesbank ist in § 27 BBankG geregelt. Die Vorschrift ordnet schlicht an, dass der nach Dotierung von Rücklagen verbleibende „Restbetrag“ von dem Reingewinn „an den Bund abzuführen“ ist. Abweichungen von dieser Regelung lässt das Gesetz nicht zu.5 Unter Reingewinn soll in diesem Zusammenhang der „Überschuss der Aktivposten über die Passivposten“ der Bilanz zu verstehen sein.6 Diese Formulierung ist zumindest missverständlich. Es müsste auf die Veränderung dieser Größe abgestellt werden. Das dürfte aber gemeint sein. 3. Fehlen einer Pflicht zum Verlustausgleich Eine allgemeine Pflicht, komplementär zu diesen Gewinnverwendungsansprüchen Verluste auszugleichen, besteht nicht. Die Regelung für die Europäische Zentralbank ist eindeutig. Art. 33.2. der Satzung, der sich mit Verlusten beschäftigt, beschränkt die Verlustausgleichspflicht auf die „monetären Einkünfte“. Eine darüber hinausgehende Pflicht ist nicht vorgesehen.7 Im Bundesbankgesetz fehlt eine Regelung über den Ausgleich von Verlusten. Ohne gesetzliche Anordnung wird man aber eine allgemeine Pflicht des Trägers einer Einrichtung öffentlicher Verwaltung, namentlich auch einer Anstalt, zur Übernahme von Verlusten dieser Einrichtung nicht bejahen können. Einen dahingehenden Satz des ungeschriebenen allgemeinen Verwaltungsrechts gibt es nicht.8 Entsprechendes gilt für das Staatsorganisationsrecht, auch wenn es durch5 M. C. Hettlage will den Bundesbankgewinn nicht mehr unter den Begriff „Restbetrag“ subsumieren, wenn er eine bestimmte Größe überschreitet und einen nennenswerten Beitrag zur Deckung von „Haushaltslöchern“ leisten soll (Zur Ausschüttung der Bundesbankgewinne, ZgesKW 1982, S. 687). 6 v. Spindler/Becker/Starke, Die Deutsche Bundesbank, Kommentar, 4. Aufl. 1973, § 27 Anm. 1 (S. 475). 7 H. K. Scheller, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl. 2003, Art. 33 ESZB-Satzung, Rn. 2, 18, der die genaue Ausgestaltung der Ausgleichsmechanismen beschreibt, die aber nur für eine Übergangszeit bis 2001 vom EZB-Rat beschlossen worden sind (Rn. 20–22). 8 BVerwGE 64, 248 (257 f.); 75, 318 (324 f.); J. Oebbecke, Die Anstaltslast – Rechtspflicht oder politische Maxime?, DVBl. 1981, S. 960 (965); H. Siekmann, Die verwaltungsrechtliche Anstalt – eine Kapitalgesellschaft des öffentlichen Rechts?, NWVBl. 1993, S. 361 (366 f.), daran anknüpfend C. Koenig, Begründen Anstaltslast und Gewährträgerhaftung unabhängig von ihrer Kodifizierung tragfähige Kreditmerkmale öffentlicher Finanzinstitute?, WM 1995, S. 821 (828); A. Gerick, Nochmals: Anstaltslast und Gewährträgerhaftung bei kommunalen Sparkassen und Landesbanken, BB 1998, S. 494 (495); a. A.: Gruson/Schneider, The German Landesbanken, CBLRev 1995, 337 (390 ff.); M. Gruson, Zum Fortbestehen von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung zur Sicherung der Anleihen von Landesbanken, EuZW 1997, S. 357; T. Busch,

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aus Einstandsrechte und -pflichten in extremen Haushaltsnotlagen der föderativen Partner geben mag.9 Existenz und Umfang derartiger Pflichten sind aber alles andere als sicher und betreffen nicht das Verhältnis zwischen einer Anstalt des öffentlichen Rechts und ihrem Träger. Bezogen auf Anstalten – und das dürfte die Bundesbank sein – gibt es im Ergebnis eben solche mit und solche ohne Haftung ihrer Träger. Das hat die jahrelange Diskussion über Anstaltslast und Gewährträgerhaftung der öffentlich-rechtlich organisierten Geschäftsbanken gezeigt. Die Bundesbank ist eine Anstalt ohne Haftung ihres Trägers. Allenfalls wenn die Funktionsfähigkeit der Bundesbank, zu deren Errichtung und Unterhaltung der Bund nach Art. 88 GG verpflichtet ist, nicht mehr gewährleistet wäre, mag etwas anderes gelten. Die zur Stützung dieser Auffassung gezogenen Parallelen zu sonstigen Finanzdienstleistungsunternehmen10 sind indes verfehlt, da sie regelmäßig keine hoheitlichen Aufgaben zu erfüllen haben und es für sie spezialgesetzliche Haftungsregelungen gibt. Entscheidend ist, dass die Bundesbank eine Einrichtung ist, deren Unabhängigkeit in währungspolitischen Fragen gewährleistet ist. Die Anordnung einer Verlustübernahmepflicht könnte in Konflikt mit den Aufgaben einer Währungs- und Notenbank geraten. Sie ist aber auch nicht erforderlich. Fällige Forderungen gegen eine Notenbank stehen rechtlich und ökonomisch der Innehabung von Zentralbankgeld gleich, da eine Notenbank immer liquide ist. Sie kann und darf als einziger Teilnehmer am Wirtschaftsgeschehen die Zahlungsmittel selbst schaffen, mit denen gegen sie gerichtete Forderungen zu begleichen sind. Wenn sie es mit ihren geldpolitischen Aufgaben für vereinbar hält, könnte sie alle Zahlungsverpflichtungen sofort erfüllen, indem sie neue Banknoten drucken lässt. Ein zwingend angeordneter Verlustausgleich durch die Trägergemeinwesen würde automatisch und ohne Rücksicht auf die geldpolitische Lage der Wirtschaft Zahlungsmittel entziehen und die Geldmenge verringern, wäre also weniger effektiv im Hinblick auf die Erfüllung ihrer Aufgaben.

Die Nachhaftung des Anstalts- bzw. Gewährträgers bei Privatisierung der Rechtsform öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute, AG 1997, S. 357 (358); Thode/Peres, Anstaltslast und Gewährträgerhaftung bei kommunalen Sparkassen und Landesbanken, BB 1997, S. 1749 ff.; offenlassend: C. Löhr, Anstaltslast und Gewährträgerhaftung bei Sparkassen und Landesbanken als gemeinschaftsrechtswidrige Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG, Diss. Bochum 2000, S. 24, 26. 9 BVerfGE 86, 148 (263 ff., 269): Zulässigkeit von Bundesergänzungszuweisungen; P. M. Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Band 3, 4. Aufl. 2001, Art. 107 Rn. 150; einschränkend: J. W. Hidien, Ergänzungszuweisungen des Bundes gem. Art. 107 Abs. 2 Satz 3 des Grundgesetzes, 1997, S. 142; H. Siekmann, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., 2003, Art. 107 Rn. 41a. 10 v. Spindler/Becker/Starke (Fn. 7), § 27 Anm. 5 (S. 487).

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III. Entstehung und ökonomische Einordnung der Gewinne 1. Der Gewinn der Europäischen Zentralbank Maßgebliche Bedeutung für den Gewinn der Europäischen Zentralbank hat ihr Netto-Zinsertrag. Dieses Einkommen wird im Kern durch die Differenz zwischen der Ertragsrate ihrer Devisenguthaben in Dollar und Yen und dem kurzfristigen Euro-Zinssatz bestimmt.11 Quantitativ ist er jedoch verhältnismäßig gering (Geschäftsjahr 1999: 754 Mio. Euro; 2000: 1,414 Mio. Euro; 2001: 771 Mio. Euro; 2002: 995 Mio. Euro; 2003: 715 Mio. Euro). Größere Bedeutung für das Ergebnis in absoluten Zahlen hatten die Erträge oder Verluste aus Finanzgeschäften und Abschreibungen auf Wertpapierbestände (Geschäftsjahr 1999: –870 Mio. Euro; 2000: 3,4 Mrd. Euro; 2001: 1,4 Mrd. Euro; 2002: 612,5 Mio. Euro; 2003: –878,7 Mio. Euro).12 Insgesamt waren die Reingewinne der Europäischen Zentralbank bisher quantitativ eher unbedeutend. Zum Teil mussten Verluste ausgewiesen werden, wie voraussichtlich auch für das abgelaufene Geschäftsjahr 2004. Bilanzgewinn (-verlust) der EZB (in Mrd. Euro)13 1999 2000

–0,247 1.990

2001 2002

1.821 1,220

2003

–0,477

2. Der Bundesbankgewinn Bedeutsame Quellen für den Bundesbankgewinn sind: – die Nettozinserträge, – die Erträge aus Beteiligungen (darunter Gewinnausschüttung der Europäischen Zentralbank), – das Nettoergebnis aus monetären Einkünften, 11

H. K. Scheller (Fn. 8), Rn. 8. EZB-Jahresbericht 1999, S. 152; EZB-Jahresbericht 2000, S. 192; EZB-Jahresbericht 2001, S. 202; EZB-Jahresbericht 2002, S. 214; EZB-Jahresbericht 2003, S. 200. 13 EZB-Jahresbericht 1999, S. 150, 152; EZB-Jahresbericht 2000, S. 191 f.; EZB-Jahresbericht 2001, S. 201 f.; EZB-Jahresbericht 2002, S. 213; EZB-Jahresbericht 2003, S. 198. 12

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– die Gewinne aus Gold-, Fremdwährungs- und Wertpapiergeschäften (darunter: Gold- und Devisenverkäufe). Im Jahr 2003 leistete der Nettozinsertrag mit 3,3 Mrd. Euro den größten Gewinnbeitrag. Beteiligungen erbrachten 201 Mio. Euro gegenüber 639 Mio. Euro im Vorjahr. Realisierte Gewinne aus Gold-, Fremdwährungs- und Wertpapiergeschäften erbrachten 544 Mio. Euro gegenüber 2,1 Mrd. Euro im Vorjahr.14 a) Anteile am Gewinn der Europäischen Zentralbank In der Tendenz kann auch der Gewinn der Europäischen Zentralbank den Bundesbankgewinn erhöhen. Bisher haben die Ausschüttungen aber quantitativ keine nennenswerte Rolle gespielt. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass nicht nur Erträge, sondern auch Verluste zu verkraften waren. Für das Geschäftsjahr 2002 stellten die Ausschüttungen der EZB aber immerhin 114 von 639 Mio. Euro Beteiligungserträge.15 b) Die monetären Einkünfte Eine weitere ertragswirksame Verknüpfung zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ergibt sich aus den Einkünften, die aus der Erfüllung der währungspolitischen Aufgaben des Europäischen Systems der Zentralbanken anfallen. Sie werden von der Satzung als „monetäre Einkünfte“ bezeichnet, Art. 32.1. Der Sache nach handelt es sich um „SeigniorageEinkommen“ 16, also hauptsächlich aus der Ausgabe von Banknoten. Da die nationalen Notenbanken als „operativer Arm“ der EZB einen Gutteil der währungspolitischen Aufgaben der EZB ausführen, fallen diese monetären Einkünfte bilanztechnisch bei den nationalen Zentralbanken an. Sie stehen aber wirtschaftlich der EZB zu. Deshalb werden die monetären Einkünfte aller nationalen Zentralbanken zusammengefasst und grundsätzlich entsprechend ihrem Anteil an dem eingezahlten Kapital wieder verteilt, Art. 32.5. der Satzung. Durch diese kompliziert anmutende Operation werden die regionalen Verwerfungen ausgeglichen, die sich aus der Aufgabenerfüllung durch die nationalen Zentralbanken „vor Ort“ und der Einheitlichkeit der Währungspolitik für das gesamte Gebiet ergeben. Auf diese Weise können auch die schwer vorhersehbaren Diskrepanzen durch „Banknotenmigration“ ausgeglichen werden. 14

Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2003, S. 182. Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2002, S. 196. 16 H. K. Scheller (Fn. 8), Art. 32 ESZB-Satzung, Rn. 4. O. Issing definiert „Seigniorage“ als die „realen Erträge, die der Staat bzw. die Notenbank dank des Notenbankmonopols aufgrund der Tatsache erzielen können, dass Private freiwillig zinslos Zentralbankgeld (Basisgeld) halten (Einführung in die Geldtheorie, 13. Aufl. 2003, S. 257). 15

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Quantitativ waren die monetären Einkünfte mit 41 Mio. Euro bei Nettoerträgen von insgesamt 7 Mrd. Euro im Geschäftsjahr 2002 für die Bundesbank17 nicht bedeutsam und daher auch weniger ein Ansatzpunkt für Begehrlichkeiten, die zu einer Gefahr für die Unabhängigkeit werden können. Im Geschäftsjahr 2003 ergab sich sogar per Saldo ein Aufwand in Höhe von 91 Mio. Euro zu Lasten der Bank bei einem Nettoertrag von 1,982 Mrd. Euro.18 Die monetären Einnahmen werden errechnet, indem die monetäre Basis der jeweiligen Zentralbanken mit dem Referenzzinssatz verzinst wird.19 Das kann ökonomisch so interpretiert werden, als hätte die EZB den nationalen Zentralbanken die monetäre Basis als Kredit zur Verfügung gestellt. Die monetäre Basis setzt sich aus den geldpolitisch relevanten Größen einer Zentralbankbilanz zusammen. Die wichtigsten sind: – Banknotenumlauf (Passivposten 1 der BBankG Bilanz) und – Verbindlichkeiten in Euro aus geldpolitischen Operationen gegenüber Kreditinstituten im Euro-Währungsgebiet (Passivposten 2 der BBankG Bilanz). Hinzu kommen noch weitere Passivposten der Bundesbankbilanz, die quantitativ weniger bedeutsam sind: – Verbindlichkeiten gegenüber der EZB aus Solawechseln (Passivposten 9.1 der BBankG Bilanz), – Verbindlichkeiten aus der Verteilung des Euro-Banknotenumlaufs innerhalb des Eurosystems (Passivposten 9.2 der BBankG Bilanz), – die Nettoverbindlichkeiten aus TARGET-Konten (enthalten in Passivposten 9.3 „sonstige Verbindlichkeiten“ der BBankG Bilanz). Als Referenzzinssatz wird der jeweilige Hauptrefinanzierungssatz verwendet.20 Ab dem Jahr 2003 erfolgt die Bemessung des Betrags der monetären Einkünfte auf der Grundlage der tatsächlichen Einkünfte einer jeden nationalen Zentralbank, die sich aus den gesondert erfassten Vermögenswerten ergeben, die sie als Gegenposition zu ihrer monetären Basis hält. Die gesondert erfassten Aktiva setzen sich aus folgenden Positionen zusammen:

17 Abführung an den gemeinsamen Pool von 2.870 Mio. Euro sowie Anspruch an den Pool in Höhe von 2.911 Mio. Euro, Deutsche Bundesbank (Fn. 21), S. 196. 18 Abführung an den gemeinsamen Pool von 2.483 Mio. Euro sowie Anspruch an den Pool in Höhe von 2.347 Mio. Euro, Deutsche Bundesbank (Fn. 22), S. 205. 19 Beschluss der Europäischen Zentralbank über die Verteilung der monetären Einkünfte der nationalen Zentralbanken der teilnehmenden Mitgliedstaaten ab dem Geschäftsjahr 2002 (EZB/2001/16). 20 Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2002, S. 196.

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– Forderungen aus geldpolitischen Operationen an Kreditinstituten im EuroWährungsgebiet (Aktivposition 5), – Forderungen aus der Übertragung von Währungsreserven an die EZB (Aktivunterposition 9.2), – Forderungen aus der Verteilung des Euro-Banknotenumlaufs innerhalb des Eurosystems (Aktivunterposition 9.3), – Sonstige Forderungen (Aktivunterposition 9.4).21 Von dem so berechneten Betrag werden alle Zinsaufwendungen abgezogen, die von einer nationalen Zentralbank auf die genannten Passivpositionen geleistet worden sind. Der Gesamtbetrag der danach abgeführten monetären Einkünfte wird am Ende des Geschäftsjahres an die nationalen Zentralbanken entsprechend ihrem Kapitalanteil verteilt. c) Die Einnahmen aus Verkäufen von Gold- und Devisenreserven Im Geschäftsjahr 2003 wurden Nettoerträge aus Verkäufen von Gold in Höhe von 48 Mio. Euro, von US-Dollar in Höhe von 5 Mio. Euro und von Wertpapieren in Höhe von 584 Mio. Euro realisiert.22 Im Vorjahr lauteten die entsprechenden Beträge: Gold: 91 Mio. Euro, US-Dollar: 889 Mio. Euro und Wertpapiere: 1 Mrd. Euro.23 3. Ökonomische Klassifizierung In der ökonomischen Theorie ist zwischen Gewinnen im ökonomischen Sinne und im buchhalterischen Sinne zu unterscheiden. In beiden Fällen ergibt er sich als Residualgröße aus der Differenz zwischen Erlösen und Kosten. Der entscheidende Unterschied ist der Ansatz der Opportunitätskosten des eingesetzten Eigenkapitals, da das Fremdkapital im Zweifel zu verzinsen ist und so den buchhalterischen Gewinn mindert. Langfristig wird sich auf einem Wettbewerbsmarkt der ökonomische Gewinn auf Null einstellen, da das eingesetzte Kapital zu Marktsätzen verzinst wird, aber auch nicht mehr.24 Etwas anderes gilt auf monopolistischen Märkten. Wenn also Gewinne im ökonomischen Sinne zu verzeichnen sind, ist das ein Zeichen von Marktmacht. Wenn überhaupt, ist die währungspolitische Tätigkeit mit der eines Marktteilnehmers mit Marktmacht zu vergleichen, jedenfalls wenn hoheitliche Instrumente zum Einsatz kommen. Insoweit spiegeln die Gewinne der Bundesbank zumindest 21 22 23 24

Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2003, S. 204 f. Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2003, S. 203. Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht 2002, S. 195. Pindyck/Rubinfeld, Microeconomics, 5. Aufl. 2001, S. 273.

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teilweise ihre Monopolmacht wider und wirken im Effekt wie eine Besteuerung des Geldverkehrs. Soweit die hoheitliche Betätigung, aus der die Erträge fließen, auf Befehl und Zwang beruhen, liegt schon überhaupt keine marktmäßige Transaktion vor und der Begriff „Gewinn“ passt vollends nicht mehr.25 Die durch die „Monopolgewinne“ anfallenden Belastungen erhöhen die Transaktionskosten und sind deshalb prinzipiell schädlich im Sinne der Wohlfahrtsökonomie. Die sich daraus ergebenden Belastungen des privaten Sektors sind zudem intransparent und verzerren die Signalwirkung der relativen Preise. Quantitativ handelt es sich durchaus nicht um zu vernachlässigende Größen: Bilanzgewinn (Jahresüberschuss) der Bundesbank (in Mrd. Euro)26 1993 1994

9,634 5,554

1995 1996

5,590 4,822

1997 1998

12,393 8,298

1999 2000

3,903 8,353

2001 2002

11,238 5,437

2003 2004 (voraussichtlich)27

0,248 0,0

IV. Staatsfinanzierung durch Bundesbankgewinne § 27 BBankG ist ein Relikt aus einer Zeit, als sich der Zentralstaat im Wesentlichen nicht aus Steuern finanzieren durfte und auch die übrigen öffentlichen Haushalte zu einem großen Teil durch die Einnahmen aus öffentlichen Unternehmen mit tatsächlicher oder rechtlicher Monopolstellung (vor allem Eisenbahnen) 25 Das Bundesverfassungsgericht spricht deshalb auch zutreffend von einem „sogenannten“ Bundesbankgewinn, BVerfGE 79, 311 (356). 26 Geschäftsbericht 1993, S. 139; Geschäftsbericht 1994, S. 151; Geschäftsbericht 1995, S. 157; Geschäftsbericht 1996, S. 173; Geschäftsbericht 1997, S. 173; Geschäftsbericht 1998, S. 185; Geschäftsbericht 1999, S. 175; Geschäftsbericht 2000, S. 171; Geschäftsbericht 2001, S. 195; Geschäftsbericht 2002, S. 175; Geschäftsbericht 2003, S. 181. 27 FAZ v. 7. Januar 2005, S. 12.

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finanziert wurden. Zudem ist noch eine Orientierung an den Rechtsverhältnissen der alten Reichsbank zu erkennen mit ihren Anklängen an eine privatrechtlich organisierte Kapitalgesellschaft. Die Reichsbank hatte private Anteilsinhaber, welche die Anteilsscheine mit hohem Agio erworben hatten und auf eine Verzinsung ihres eingebrachten Kapitals drängten. Insoweit verhielt sich das Reich wie diese privaten Anteilseigner. Noch vor Dotierung der Rücklagen genehmigte es sich und für die übrigen Anteilsinhaber eine Vorabdividende von 3,5 %. Wenn der Reingewinn nicht die 3,5 % erreichte, war er aus dem „Reservefonds“ entsprechend zu ergänzen.28 Die dahinter stehende Vorstellung von der Ausnutzung von Hoheitsrechten zur Einnahmenerzielung („nutzbare Regalien“) und der Einsatz von gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben entstammt dem vormodernen Staatsdenken und gerät in Konflikt mit den modernen finanzverfassungsrechtlichen Prinzipien des Steuerstaates. Sie ist auch kaum mit den Anforderungen einer rechtsstaatlichen Verwaltung zu vereinbaren. 1. Hoheitliche Tätigkeiten als Einnahmequelle des Staates Die grundlegenden Aufgaben des Europäischen Systems der Zentralbanken sind hoheitlicher Natur. Dazu gehören nach Art. 105 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 1 EGV: – die Festlegung und Ausführung der Geldpolitik der Gemeinschaft, – die Durchführung von Devisengeschäften, – die Verwaltung der offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten, – die Förderung des reibungslosen Funktionierens der Zahlungssysteme. Die EZB hat darüber hinaus das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Banknoten innerhalb der Gemeinschaft zu genehmigen, und darf selbst Banknoten ausgeben, Art. 106 Abs. 1 EGV. An dieser Einordnung ändert sich nichts, wenn die Aufgaben im Einzelfall privat-rechtlich, mit „marktkonformen“ Instrumenten erfüllt werden. Auch Offenmarktgeschäfte sind ausdrücklich an die Ziele des ESZB und die Erfüllung seiner Aufgaben geknüpft, Art. 18 der Satzung. Sie dürfen deshalb nicht Erwerbszwecken dienen.29 Erst recht gilt die Zuordnung zum Hoheitsrecht, wenn öffentlich-rechtliche Instrumente, wie die Anordnung von Mindestreservesätzen,30 eingesetzt werden. 28 P. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 3. Bd., 5. Aufl. 1913, S. 144 Fn. 3. 29 Vgl. K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, 1980, S. 486 für die Bundesbank bei ähnlichem Wortlaut der Vorschrift. 30 BVerwGE 41, 334 (342 f.).

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Soweit die Zentralbanken auch sonstige Geschäfte betreiben dürfen, wie Bankgeschäfte mit jedermann nach § 22 i.V. m. § 19 Nr. 2–7 BBankG, darf es sich nur um zusätzliche Tätigkeiten handeln, die eindeutig ihrem eigentlichen Existenzgrund, Geld- und Währungspolitik zu betreiben, unterzuordnen sind. Art. 24 der Satzung erlaubt Geschäfte der Europäischen Zentralbank und der nationalen Zentralbanken, die nicht „mit ihren Aufgaben verbunden“ sind, nur für ihren „eigenen Betrieb und für ihre eigenen Bediensteten“. Bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben ist die Gewinnerzielung ein Fremdkörper. Sie mögen bei marktmäßigem Handeln anfallen, dürfen aber keine entscheidungsrelevante Größe sein. Das vorrangige Ziel der Gewährleistung der Preisstabilität, aber auch die Verfolgung der sonstigen Ziele des Art. 105 Abs. 1 EGV sind ohne jegliche Rentabilitätserwägungen zu verfolgen. Das bedeutet allerdings nicht, dass dabei unwirtschaftlich gehandelt werden dürfte. Wirtschaftlichkeit kann aber auch verwirklicht werden, wenn das angestrebte Ziel mit dem geringsten Ressourceneinsatz verwirklicht wird. Gewinne brauchen dabei nicht anzufallen. Bei Beachtung dieser Vorgaben kann die bloße Anordnung der Gewinnabführung wie in § 27 BBankG aber noch nicht als Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Regeln der Staatsfinanzierung bewertet werden. Ähnlich wie Geldbußen oder Geldstrafen müssen die Überschüsse an irgendeiner Stelle etatisiert werden. Nur dürfen Ertragsgesichtspunkte keinesfalls und in keiner Weise in die Entscheidungen einfließen, mit denen die Europäische Zentralbank und die Bundesbank ihre öffentlichen Aufgaben erfüllen. 2. Vereinbarkeit mit dem Steuerstaatsprinzip Der moderne Staat ist Steuerstaat und muss es aus verfassungsrechtlichen Gründen möglicherweise auch sein. Nennenswerte Einnahmen aus hoheitlicher Tätigkeit zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben darf es in einem solchen System der Staatsfinanzen nicht geben. Welche konkreten Vorgaben für die Staatsfinanzierung daraus abzuleiten sind, ist weitgehend ungeklärt. Nicht selten handelt es sich um bloße Postulate der Wissenschaft und nicht um strikte Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Weitgehende Einigkeit besteht jedenfalls insoweit, dass nichtsteuerliche Einnahmen einer besonderen Rechtfertigung bedürfen.31 Es ist bereits dargelegt worden, dass die Gewinne der Europäischen Zentralbank und der Bundesbank im Wesentlichen nicht Erträge sind, die marktmäßig im Wettbewerb erzielt worden sind und als solche gerechtfertigt werden könnten. Der Regierungsentwurf des Bundesbankgesetzes von 1956 begründete die Zufüh31

Str., nähere Einzelheiten bei H. Siekmann (Fn. 10), vor Art. 104a, Rn. 44–47.

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rung des Gewinns an den Bund denn auch damit, dass er „der Träger der Währungshoheit sei, der das Notenbankmonopol verliehen und die Währungsdeckungslast zu tragen“ habe.32 Formulierung dass die Entwurfsverfasser ebenfalls noch in den überholten Kategorien einer billigen, da zinslosen Kreditaufnahme durch die Ausgaben von Banknoten dachten, die nunmehr wieder beim Zentralstaat angesiedelt werden sollte. Im Schrifttum ist dagegen schon früh zu Recht vor allem vor der Verwendung des Begriffs „Notenbankmonopol“ gewarnt worden. Die hoheitliche Tätigkeit der Bundesbank, die gänzlich andersartig sei als „die monopolistische Tätigkeit des Staates auf dem Handelsgebiet, stehe eindeutig im Vordergrund“ 33. Die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben durch die Bundesbank muss daher jegliche Reminiszenzen an die alten „nutzbaren“ Monopole und Regalien als Instrument der Staatsfinanzierung ausschließen. Gleichwohl wird man letztlich in der Gewinnabführungsregelung keinen Verstoß gegen finanzverfassungsrechtliche Maximen der Staatsfinanzierung sehen können, da der Verfassungsgeber von der (finanzverfassungsrechtlichen) Zulässigkeit derartiger Einnahmen für den Staat ausging. Zur Zeit der Bank deutscher Länder waren es die Länder, die an den Gewinnen der Notenbank partizipierten. Aber schon bei den Beratungen im parlamentarischen Rat war klar zum Ausdruck gekommen, dass die Gewinne der Notenbank dem Zentralstaat zustehen müssten.34 Im Übrigen wurden sie ganz selbstverständlich als eine gern gesehene Einnahmequelle für den Staat betrachtet. In einigen Entwürfen des Grundgesetzes waren sie sogar ausdrücklich als Einnahme zur Deckung der Ausgaben des Bundes aufgeführt.35 Selbst wenn die entsprechende Bestimmung in der Abschlussphase der Beratungen wieder gestrichen wurde, ändert das nichts an der Einschätzung der Bundesbankgewinne als erlaubte Quelle der Staatsfinanzierung. Die ausdrückliche Erwähnung der Gewinne erfolgte lediglich deshalb, weil es noch keine „Bundes-, Währungs- und Notenbank“ gab.36 32

BT-Drucks. 2/2781, S. 42. v. Spindler/Becker/Starke (Fn. 7), § 27 Anm. 4 (S. 481). 34 Abg. Höpker-Aschoff in der 2. Sitzung des Finanzausschusses vom 16. September 1948, Sten.-Prot., S. 4, abgedruckt in: H. P. Schneider (Hrsg.), Das Grundgesetz, S. 598 (599). 35 Art. 122 in der Fassung der 1. und 2. Lesung des Hauptausschusses: „Zur Deckung der Ausgaben des Bundes dienen folgende Einnahmen: der Anteil am Gewinn der Bundesnotenbank“; Art. 122 in der Fassung des Redaktionsausschusses: „Anteil am Gewinn der Bundes-, Währungs- und Notenbank“. Diese Fassung findet sich auch noch in der dritten Lesung des Hauptausschusses. 36 In der 57. Sitzung des Hauptausschusses am 5. Mai 1959 wurde die gesamte Bestimmung mit nichtssagender Begründung gestrichen; Abg. Höpker-Aschoff, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Drs. 850 und 854), erstattet von den Berichterstattern des Hauptausschusses, Anlage zum Stenographischen Bericht der 9. Sitzung vom 6. Mai 1949, S. 54, abgedruckt in: H. P. Schneider (Hrsg.), Das Grundgesetz, S. 1098 (1099). 33

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3. Anrechnung der Bundesbankgewinne auf die Kreditaufnahmegrenzen Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass die Vereinnahmung des Bundesbankgewinns durch den Bund wohl noch mit den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren ist, wenn die angegebenen Vorbehalte beachtet werden. Es bleibt dann aber zu überlegen, ob es sich bei dieser Einnahme um eine Kreditaufnahme im Sinne von Art. 115 Abs. 1 GG handelt. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Verwendung des „sogenannten Bundesbankgewinns zur Ausgabenfinanzierung“ als „in der Wirkung einer Kreditaufnahme bei der Notenbank ohne Zins- und Tilgungsverpflichtung gleichkommend“ eingestuft.37 Gleichwohl dürfte die Vereinnahmung des Bundesbankgewinns keine Kreditaufnahme im Sinne von Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG sein. Sie ist nicht mit einer Rückzahlungsverpflichtung verbunden. Das ist auch im Hinblick auf die intertemporale Lastenverteilung ein entscheidender Unterschied. Sie ist daher bei der Berechnung der Höchstgrenze der Kreditaufnahme nicht mit einzubeziehen.38 V. Bundesbankgewinne und die Währungspolitik der Europäischen Zentralbank Nachdem die Gewinne der Bundesbank längere Zeit keine nennenswerte Bedeutung für den Bundeshaushalt gespielt hatten, waren sie für mehrere Jahre ein wichtiger Beitrag zum (formalen) Haushaltsausgleich: Veranschlagte Nettokreditaufnahme des Bundes (in Mrd. Euro)39 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 37

34,6 35,4 25,1 30,6 36,2 28,8 27,4 25,3 22,4 34,6 43,4 43,5

BVerfGE 79, 311 (356). BT-Drucks. 11/6939, S. 8; W. Höfling (Fn. 2), S. 184; H. Siekmann (Fn. 10), Art. 115 Rn. 23; wohl auch O. Gandenberger, Verfassungsgrenzen der Staatsverschuldung, FinArch n. F. Bd. 48 (1990), S. 28 (48), der aber durchaus Parallelen sieht. 39 Unter Berücksichtigung der Nachtragshaushalte. 38

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I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion Veranschlagtes Haushaltsvolumen des Bundes (in Mrd. Euro)40 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004

234,3 245,5 244,3 230,8 227,5 233,7 248,3 244,8 244,0 252,5 260,2 257,3

Haushaltstechnisch wurden sie seit Gründung der Bundesbank wie ordentliche Einnahmen zur Finanzierung der allgemeinen Staatsausgaben als schlichte Einnahme in den Einzelplan 60 (Allgemeine Finanzverwaltung) eingestellt.41 Für den Haushalt 2005 kommt der Veranschlagung eines Gewinns von 2 Mrd. Euro, obwohl möglicherweise der Gewinn tatsächlich Null betragen wird,42 entscheidende Bedeutung zu, da sich die für 2005 geplante Kreditaufnahme hart an der Grenze der Verfassungswidrigkeit bewegt. Dementsprechend groß ist der Druck führender Politiker auf die Bundesbank, Gewinne auszuweisen, welche ihre haushaltspolitischen Erwartungen erfüllen. Aus der Sicht der Politik könnte dies auch durch den Verkauf von Gold- und Devisenreserven geschehen. Dass es sich dabei um den Versuch handelt, eine unsolide Finanzpolitik zu alimentieren, wird nur schlecht damit kaschiert, dass die Erlöse unmittelbar zur Finanzierung wichtiger Zukunftsprojekte eingesetzt oder in eine Stiftung überführt werden sollen. Eine solche Vorgehensweise wäre mit dem haushaltsrechtlichen Non-Affektationsprinzip nicht zu vereinbaren. Diesem Haushaltsgrundsatz kommt indes kein Verfassungsrang zu.43 Er könnte des40

Unter Berücksichtigung der Nachtragshaushalte. Bundeshaushaltsplan 1958, Kapitel 60 02, Titel 37 „Anteil des Bundes am Reingewinn der Deutschen Bundesbank“, Soll 1957: 52,1 Mio. DM, Soll 1958: 42,3 Mio. DM; Bundeshaushaltsplan 1972: Kap. 60 02, Titel 121 04 „Anteil des Bundes am Reingewinn der Deutschen Bundesbank“, Soll 1971: 200 Mio. DM, Soll 1972: 0,00; Bundeshaushaltsplan 1982, Kap. 60 02, Titel 121 04 „Anteil des Bundes am Reingewinn der Deutschen Bundesbank“, Soll 1981: 2,270 Mrd. DM, Soll 1982: 10,5 Mrd. DM; Bundeshaushaltsplan 2004, Kap. 60 02, Titel 121 04 „Anteil des Bundes am Reingewinn der Deutschen Bundesbank“, Soll 2003: 3,5 Mrd. Euro, Soll 2004: 3,5 Mrd. Euro. 42 FAZ vom 7.1.2005, S. 12. 43 Vgl. H. Siekmann (Fn. 10), Art. 110 Rn. 103. 41

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halb einfachgesetzlich umgangen werden. Die diskutierte Zweckbindung von Erlösen aus Goldverkäufen ist aber, auch wenn sie einfachgesetzlich festgeschrieben wird, nicht mehr als eine unverbindliche Absichtserklärung. Sie könnte durch nachfolgende Gesetze leicht wieder aufgehoben werden. 1. Zuständigkeit des Europäischen Systems der Zentralbanken Weder der Bundesregierung noch dem Bundestag steht es zu, auf die Komponenten einzuwirken, die zur Entstehung des Bundesbankgewinns führen, soweit es sich um Entscheidungen mit währungspolitischer Relevanz handelt. Das gilt namentlich auch für die Entscheidung über den Verkauf von Gold- und Devisenreserven. Dafür ist ausschließlich das Europäische System der Zentralbanken zuständig.44 Art. 105 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich überträgt dem Europäischen System der Zentralbanken die „grundlegende Aufgabe“, die „offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten“. Das folgt auch aus Art. 31.2. der Satzung, der den Mitgliedstaaten lediglich das Halten und Verwalten von Arbeitsguthaben gestattet. Unter „Halten“ und „Verwalten“ ist dabei die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis zu verstehen. Auch wenn die Währungsreserven der Nationalen Zentralbanken nach der Gründung der Europäischen Zentralbanken nicht mehr die geldpolitische Bedeutung haben wie vor diesem Zeitpunkt, bleiben sie angesichts der Nachschusspflicht der Nationalen Zentralbanken45 von Bedeutung. Jede – wie auch immer geartete – Einflussnahme der Regierungen auf die Währungsreserven ist daher unzulässig. Erlöse aus Gold- und Devisenverkäufen mögen als Stiftungskapital eingesetzt werden, doch müssen die Bundesbank und die Europäische Zentralbank als Genehmigungsinstanz dahingehende Entscheidungen frei und unbeeinflusst selbst treffen. Ein Anspruch oder eine Anwartschaft des Bundes auf diese Vermögensgegenstände besteht nicht. 2. Gefährdung der geldpolitischen Ziele Die Abführung von Zentralbankgewinnen an den Staat stellt zwar keine nach Art. 101 EGV strikt verbotene Kreditaufnahme des Staates bei der Zentralbank

44 C. Kroppenstedt, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl. 2003, Art. 31 ESZB-Satzung, Rn. 23. 45 Art. 28.1 Satz 2 der Satzung legt fest, dass das Kapital der EZB durch einen Beschluss des EZB-Rates mit qualifizierter Mehrheit erhöht werden kann. Zur Durchführung derartiger Kapitalerhöhungen ist bereits eine Verordnung der EG erlassen worden (Nr. 1009/2000 über Kapitalerhöhungen der EZB vom 8. Mai 2000, Abl. 2000 Nr. L 115, S. 1.

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dar,46 doch hat sie ähnliche geldpolitische Wirkungen.47 Es wird dadurch letztlich kaufkraftwirksames Zentralbankgeld geschaffen, allerdings nicht zwangsläufig und nicht immer in vollem Umfang, da einzelne, hinter den Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung stehende Transaktionen zuvor der Wirtschaft Zentralbankgeld entzogen haben. Für sich genommen ist die Feststellung aber richtig, dass mit der Gewinnausschüttung der Geldkreislauf mit zusätzlichem Zentralbankgeld versorgt wird.48 Damit werden über Multiplikatorwirkungen weitere Geldschöpfungsmöglichkeiten ermöglicht.49 Diese – bei entsprechender gesetzlicher Ausgestaltung – automatisch wirkenden Mechanismen können negative geldpolitische Folgen haben. Dadurch wird die Europäische Zentralbank unter Umständen zu einem geldpolitischen Gegensteuern gezwungen, das nicht der geldpolitischen Situation angemessen ist.50 Das gilt auch für den Vorschlag des Sachverständigenrates, die periodisch anfallenden Zentralbankgewinne in einen Fonds einzuzahlen und daraus jährlich einen gleich hohen Betrag an den Bundeshaushalt abzuführen.51 Um diese misslichen Konsequenzen zu vermeiden, ist erwogen worden, der Bundesbank das Recht einzuräumen, die Ausschüttung eines ausgewiesenen Gewinns aus geldpolitischen Gründen zu verweigern.52 Dieser Ausweg aber war mit dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht zu vereinbaren und eine Ableitung aus höherrangigem Recht musste ausscheiden, weil die Aufgabe der Währungssicherung in ihren Detailausprägungen allein auf einfachgesetzlichen Regelungen be46

So der Standpunkt der Bundesregierung, BT-Drucks. 11/6939, S. 8; zust. W. Höfling (Fn. 2), S. 185; H. Siekmann (Fn. 10) Art. 115 Rn. 23 Fn. 51; W. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band III, 2000, Art. 115 Rn. 14. 47 Noch strikter BVerfGE 79, 311 (356). 48 Görgens/Ruckriegel/Seitz, Europäische Geldpolitik, 3. Aufl. 2003, S. 299 f. 49 D. Dickertmann, Die Gewinn- und Verlustrechnung der Deutschen Bundesbank, Wirtschaftsdienst 1981, S. 299 (306); W. Höfling (Fn. 2), S. 461; H. Siekmann (Fn. 10), Art. 115 Rn. 23. 50 D. Kath, Defizitfinanzierung durch Zentralbankgewinne?, List Forum 11 (1981/ 82), S. 199 (207); D. Dickertmann, Bundesbankgewinne – Gewinn für den Bundeshaushalt, WiST 1982, 36 (39); O. Issing, Gewinnabführung der Notenbank, in: Festschrift W. Ehrlicher, 1985, S. 165 ff.; W. Höfling (Fn. 2), S. 270 f.; H. Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 115 Rn. 8a; nicht mehr in der Neukommentierung; H. Siekmann (Fn. 10), Art. 115 Rn. 23; zust. W. Heun (Fn. 47), Rn. 14. Die problematischen geldpolitischen Wirkungen werden auch von H. Faber, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Alternativkommentar), 3. Aufl. 2001, Art. 88 (Loseblatt: 2002) Rn. 37 anerkannt. 51 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Sondergutachten vom 4. Juli 1981. 52 K. P. Follak, Währungssicherung und Gewinnabführungspflicht, BayVBl. 1982, S. 270 (273), aber Zuweisung an „Sonderrücklagen“; M. C. Hettlage (Fn. 6), S. 691 f.; dagegen: v. Spindler/Becker/Starke (Fn. 7), § 27 Anm. 1 (S. 475): „bindender Gesetzesbefehl für die Bundesbank“, dessen Nichteinhaltung dienstrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung des Anstellungsvertrages haben kann; W. Höfling (Fn. 2), S. 466.

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ruhte. Es wurde aber auch erwogen, den Gewinn durch Bildung von Sonderrücklagen zu verringern. Aber auch das wäre als Umgehungsversuch zumindest fragwürdig. Die geltende Fassung von § 26 Abs. 4 Satz 2 BBankG befasst sich jetzt detaillierter mit der Bildung von Passivposten und sieht eine derartige Rücklagenbildung nicht vor. Immerhin könnte nach der Neufassung von Art. 88 GG die undifferenzierte Gewinnablieferungspflicht des § 27 BBankG in Widerspruch zu den neuen europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben stehen. 3. Vereinbarkeit mit den Unabhängigkeitspostulaten a) Der Ausweis von Gewinnen Es bedarf daher einer näheren Prüfung, ob die gesetzliche Regelung über die Abführung der Bundesbankgewinne an den Bund mit der in Art. 108 EGV europarechtlich und in Art. 88 Satz 2 BBankG verfassungsrechtlich normierten Unabhängigkeit des Europäischen Systems der Zentralbanken53 zu vereinbaren ist. Bei der Beurteilung ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich nicht um ad-hoc Eingriffe handelt, sondern um eine allgemeine Regel, deren Wirkungen voraussehbar sind. Die währungspolitischen Instanzen können bei absehbaren Konflikten rechtzeitig gegensteuern. Darüber hinaus dürfte die quantitative Dimension der Gewinne auch in den Zeiten reicherer Erträge im Verhältnis zum Gesamtvolumen der Geldmengenänderungen so gering sein, dass nicht von einer ernsthaften Gefahr für die geldpolitische Entscheidungsfreiheit gesprochen werden kann.54 Das eigentlich missliche sind aber bisher nicht so sehr die tatsächlichen Auswirkungen der Gewinnabführung, sondern die Anreizstruktur für die politischen Entscheidungsträger. Wenn die Bundesbankgewinne die letzten Rettungsanker sind, um einen auch nur näherungsweise verfassungskonformen Haushalt vorzulegen, bekommt die Frage eine andere Dimension. Die Verknüpfung mit dem Finanzverfassungsrecht tritt stärker in den Vordergrund. Letztlich läuft es auf die Frage hinaus, ob Zentralbankgewinne dazu dienen dürfen, eine fragwürdige Finanzpolitik des Bundes und eine ansonsten verfassungswidrige Nettoneuverschuldung zu ermöglichen. Für die Einhaltung der Konvergenzkriterien wäre die Frage eindeutig mit „nein“ zu beantworten, da Erlöse aus Vermögensveräußerungen au53 Näher zu Umfang und Herleitung der Unabhängigkeitspostulate H. Siekmann, Die Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank nach geltendem Recht und dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Working Paper Nr. 035 des Instituts for Law and Finance and der Universität Frankfurt am Main, 2005, S. 20 ff. 54 So auch v. Spindler/Becker/Starke (Fn. 7), § 27 Anm. 4 (S. 481), allerdings bei deutlich geringeren Ausschüttungszahlen; sehr viel kritischer D. Dickertmann (Fn. 50) S. 307, der trotz seiner differenzierenden liquiditätstheoretischen Bewertung der Bundesbankgewinne ausdrücklich davor warnt, den „Einfluss der Gewinnausschüttung auf die Zentralbankgeldmengen-Steuerung zu verharmlosen“.

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ßer Ansatz bleiben müssen. Für das nationale Verfassungsrecht ist eine derartige Festlegung de lege lata aber nicht so eindeutig möglich. Die fast wöchentlich aus den Medien zu entnehmenden Einwirkungsversuche von Seiten der Politik verstoßen gegen die europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Unabhängigkeitsgarantien. Namentlich der Schutz von Art. 108 Satz 2 EGV setzt sehr weit im Vorfeld an. Schon der Versuch, die Mitglieder der Beschlussorgane „zu beeinflussen“ ist verboten. Eine andere Frage ist jedoch, ob gesetzliche Vorschriften, die lediglich einen Anreiz schaffen, derartige verbotene Einwirkungsversuche zu unternehmen, mit der europarechtlich und verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeitsgarantie vereinbar sind. Das wird man noch nicht annehmen können, obwohl es sich angesichts des Geschehens in den letzten Monaten schon um einen Grenzfall handelt. Wenn es sich jedoch um eine Dauererscheinung handeln sollte, mag die Bewertung der einfachgesetzlichen Regelungen anders ausfallen. b) Die Entscheidung über den Verkauf von Gold, Devisen und Wertpapieren Ein Sonderproblem für die Unabhängigkeit stellt die Entscheidung über den Verkauf von Gold, Devisen, und Wertpapieren dar. Hier ist der Anreiz, auf die Bundesbank einzuwirken, noch deutlich größer. Bei der Bildung des Europäischen Systems der Zentralbanken hatte man sich nach längeren Diskussionen darauf geeinigt, dass die nationalen Zentralbanken Währungsreserven in Höhe von 30 Mrd. Euro zu Eigentum zu übertragen waren und nicht nur die Einräumung entsprechender Forderungen für den Bedarfsfall, Art. 30.1. der Satzung. Nach Erfüllung ihrer Verpflichtungen sind erhebliche Reserven bei den nationalen Zentralbanken verblieben. Allerdings kann die Europäische Zentralbank in einem vereinfachten Verfahren die Einzahlung weiterer Währungsreserven verlangen, Art. 30.4. der Satzung. Darüber hinaus ist oberhalb bestimmter Grenzen für Geschäfte mit den Währungsreserven, die bei den nationalen Zentralbanken verblieben sind, die Zustimmung der Europäischen Zentralbank erforderlich. Auf diese Weise soll Übereinstimmung mit der Wechselkursund Währungspolitik gewährleistet werden, Art. 31.2 der Satzung. Angesichts dieser Ausgangslage erscheinen die immer wiederkehrenden Versuche der Bundesregierung, die Bundesbank unter Einsatz der Medienöffentlichkeit zum Verkauf größerer Teile ihrer Reserven zu drängen, zumindest als problematisch.55 Die Entscheidung über Verkauf oder Nichtverkauf von Reserven hat 55 H. C. Hafke, Einige rechtliche Anmerkungen zur Praxis der Autonomie im System der Europäischen Zentralbanken (ESZB), in Bankrecht und Kapitalmarktrecht in der Entwicklung, Festschrift für Siegfried Kümpel zum 70. Geburtstag, 2003, S. 193: „Bruch des Vertrages“.

2. Gewinnverwendung der Europäischen Zentralbank und der Bundesbank

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durchaus geldpolitische Relevanz. Der Verkauf von Reserven entzieht zunächst der Wirtschaft Zentralbankgeld und verringert damit die Geldmenge. Schon dieser Vorgang ist relevant. Andererseits werden die Erlöse aus dem Verkauf regelmäßig zu einer Gewinnsteigerung bei der Zentralbank führen und damit letztlich dem Staat zufließen. Die Geldmenge bleibt möglicherweise konstant. Das hängt indes von den zeitlichen Verwerfungen zwischen den Zahlungsströmen ab. Letztlich wird aber im Ergebnis Zentralbankgeld aus dem privaten in den öffentlichen Sektor überführt,56 ohne dass der Gesetzgeber – vor allem auch nicht der Haushaltsgesetzgeber – eine entsprechende Entscheidung getroffen hat. Währungspolitisch mag diese Verschiebung sinnvoll sein, sie muss aber der freien, von Regierungswünschen unbeeinflussten Einschätzung der unabhängigen geldpolitischen Instanzen unterliegen. Wegen des noch größeren Drucks auf die Entscheidungsträger im Hinblick auf diese besondere Komponente des Bundesbankgewinns, sind die verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Bedenken noch größer als bei der Gewinnabführung im Allgemeinen. Eine eindeutige Feststellung der Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht ist aber noch nicht möglich. Allen Bedenken wäre der Boden entzogen, wenn diese Erlöse jedenfalls nicht zum Ausgleich des laufenden Haushalts eingesetzt werden dürften. Aber die Grenzziehung zur extrabudgetären Finanzierung von Projekten, die der Politik wichtig sind, ist fließend. Die Art der Finanzierung wird in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen, so dass aus dem Ergebnis ungehindert politisches Kapital geschlagen werden kann. Lediglich die unmittelbare Verwendung des Gewinns zur Schuldentilgung wäre unter Unabhängigkeitsgesichtspunkten unproblematisch. VI. Zusammenfassung und Ergebnisse 1.

Europäische Zentralbank und Bundesbank erfüllen im Wesentlichen hoheitliche Aufgaben.

2.

Die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben darf nicht dazu dienen, den allgemeinen Staatsbedarf zu finanzieren. Akzidentiell anfallende Erlöse können jedoch im Haushalt vereinnahmt werden.

3.

Die gesetzliche Anordnung, Bundesbankgewinne an den Bund abzuführen (§ 27 BBankG), ist mit den finanzverfassungsrechtlichen Maximen der Staatsfinanzierung vereinbar. Es liegt auch kein Verstoß gegen das Steuerstaatsprinzip vor.

4.

Ertragsgesichtspunkte dürfen aber keinesfalls und in keiner Weise in die Entscheidungen einfließen, mit denen hoheitliche Aufgaben erfüllt werden. 56

Ansatzweise auch bei O. Gandenberger (Fn. 39), S. 48.

92

I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

5.

Die Vereinnahmung von Bundesbankgewinnen durch den Bund stellt keine Kreditaufnahme dar, die im Rahmen der Verschuldungsgrenzen des Art. 115 Abs. 1 GG zu berücksichtigen wäre.

6.

Weder die Bundesregierung noch der Bundestag haben die Kompetenz, auf die Komponenten einzuwirken, die zur Entstehung des Bundesbankgewinns führen. Dafür ist ausschließlich das Europäische System der Zentralbanken zuständig, soweit währungspolitische Gesichtspunkte betroffen sind.

7.

Das gilt insbesondere auch für die Entscheidung über den Verkauf von Goldoder Devisenreserven. Es besteht keinerlei Anrecht des Bundes auf diese Vermögensgegenstände, solange die Bundesbank besteht.

8.

Einwirkungen dieser Art sind mit der europarechtlich und verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit der Zentralbanken nicht zu vereinbaren. Schon der bloße Versuch einer Beeinflussung ist verboten, Art. 108 EGV und Art. 88 Satz 2 GG.

9.

Die gesetzlichen Vorschriften über die Gewinnabführung verstoßen als solche derzeit aber noch nicht gegen höherrangiges Recht, auch wenn sie starke Anreize für die Politik schaffen, sich über die Unabhängigkeitsgarantien hinwegzusetzen.

10. Die Bundesbank darf sich nicht aus währungspolitischen Erwägungen weigern, den zur Ausschüttung bereitstehenden Gewinn auszuzahlen. 11. Der unmittelbare Einsatz des Gewinns zur Schuldentilgung würde alle Bedenken im Hinblick auf die Unabhängigkeitsgarantie beseitigen.

3. Life in the Eurozone With or Without Sovereign Default? The Current Situation* It is still too early to give a comprehensive and final analysis of the crisis. Keeping in mind the complexity of what has happened it is also problematic to come to simple and clear-cut judgements. But with this “caveat” a few facts appear to be clear: 1. From the beginning on and also now with the turn to a “sovereign debt crisis” the crisis is and has been at the core a crisis of financial institutions, mainly of some big banks, but by no means all banks. 2. In the second place, it has now become a crisis of sovereign states and other governmental institutions. They have amassed debt on a scale which is not sustainable. 3. But it should not be forgotten that there has to always be someone who lends the money; and to a large extent it was again banks and other financial institutions. 4. The risk of write-offs of sovereign debt has increasingly been transferred from the market players to the central banks as they bought or accepted sovereign debt as collateral. Only by these actions does the sovereign debt problem now directly affect European institutions. Despite all the turns and twists the crisis has taken so far and might take in the future it is and was in essence a crisis of banks which expand credit and lend too much money and do not charge a risk adjusted price (interest rate). Although many analysts and some politicians have been referring to the crisis as a crisis of the euro or even worse of the European Union, it is in essence not a problem of the currency when a sovereign is not able or not willing to pay its debt. There is no stringent link between fiscal problems of a state and the currency used in this country as legal tender. Only if a government has the power to print the money it needs to pay back its debt might the currency be in danger. This is also why the ECB is not allowed to lend money to the EU or its Member States, Article 123 TFEU. * First publication in: Franklin Allen/Giancarlo/Corsetti (ed.), Life in the Eurozone With or Without Sovereign Default?, Philadelphia, 2011, p. 13–39 (European University Institute, Florence, Italy and Wharton Financial Institutions Center, University of Pennsylvania, Philadelphia, USA).

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In addition to an almost complete failure of financial markets and of economic sciences, the crisis has also demonstrated a total failure of the supervisory system – both of its rules and of their enforcement. Finally, an increasing lack of obedience to strict legal norms and contracts has been observed, and this is – in the medium term – the most frightening aspect and should be kept in mind before keenly designing new rules. I. Definition of Sovereign Default When pondering the effects of sovereign default, it should in the first place be clarified what is going to be the object of the analysis. Defining the matter of a discourse is not a pointless academic ritual, as one might suspect, but a prerequisite for a meaningful exchange of ideas. This simple fact seems to have slipped from memory in the present debate, in academia, in politics, and in the media. Instead, quite a bit of ambiguity has spread, which in turn leads to murky results. The term ‘sovereign default’ can have at least two distinctively different meanings: 1. the fact that a government entity is not willing or not able to fulfil its financial obligations properly, 2. the initiation of a formalized legal procedure1 designed to resolve a situation of insolvency or illiquidity. This distinction ought to be observed meticulously. In addition to these fairly precise meanings, the term “sovereign default” is often used to designate a situation of financial distress of a debtor which is a state, a government, or any other public sector entity with the exact boundaries undefined. This demarcation is so vague that it is meaningless for a scholarly debate. The public and the host of quasi-experts, however, seem to like it, as a high degree of inaccuracy saves a lot of thinking. For these reasons it shall not be used further on.

1 This procedural aspect is mainly discussed in the context of the insolvency of a sovereign s. International Monetary Fund, Orderly and Effective lnsovency Procedures – Key lssues, 1999; Aden, Insolvenzverfahren über Fiskalvermögen eines Staates, ZRP 2010, p. 191; Mayer, Wie nähert man sich einem internationalen Insolvenzverfahren für Staaten?, ZInsO 2005, p. 454; Mayer, Staateninsolvenz nach dem Argentinien-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts – Eine Chance für den Finanzplatz Deutschland?, WM 2008, p. 10; Paulus, Überlegungen zu einem Insolvenzverfahren für Staaten, WM 2002, p. 725; Paulus, Rechtlich geordnetes Insolvenzverfahren für Staaten, ZRP 2002, S. 383 ff.

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II. Insolvency and the Law Default and sovereign default clearly have a legal connotation. In any case, insolvency, in the sense of the unwillingness or inability to pay one’s debt, is always a breach of the law and regularly a breach of contract. This is only too often forgotten. This breach disregards one of the basic principles for the functioning of a society: pacta sunt servanda. This principle is not only a demand of justice but also of efficiency, of economic efficiency. Default has also close ties with insolvency or bankruptcy law: Bankruptcy law – and this is also too often forgotten – at its core provides for a procedure to distribute the assets of a failing entity in an orderly manner to the creditors. In case the entity is a legal person, it is dissolved at the end of the procedure. The bona fide natural person will eventually be relieved from all or parts of his debts. Usually a legal obligation – backed by criminal sanctions – has been imposed to timely petition for such a procedure in case of a legal person for two grounds: – illiquidity, – insolvency. This is the basic setup which has developed over the centuries. The statutory rules on insolvency, however, have been expanded in order to provide instruments to keep the failing legal entity alive if it is worth the effort: Chapter 11 of the U.S. bankruptcy code and similar provisions in the German insolvency code (sixth part “Insolvenzplan”: §§ 217–285, seventh part “Eigenverwaltung”: §§ 270–285). These instruments have some merits but they come at a cost, especially because of their effects on competition and crisis prevention. Often they make the non-fulfilment of obligations worthwhile. III. Insolvency of a Government Entity Government entities of any kind, which are probably meant by the term ‘sovereign’, have to discharge public duties. They cannot simply be dissolved at the end of an insolvency procedure. The tasks continue to exist. This makes it impossible to use the existing insolvency codes unaltered to handle the financial failing of a state. Another distinctive difference between sovereign and private debtors is the generation of revenue: States and many other government entities do not depend on markets and voluntary exchange of goods to obtain the necessary resources for their existence and operation. They are entitled with taxing power. Taxing power basically implies the right to take away means from its owner without compensation. Taxing power is one of the key features of the modern state. The legal capacity to generate income without having to deliver any goods or services in exchange

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is one of the crucial traits which discerns states – or “sovereign” entities, whatever they are – from all private entities. It is, however, an open question whether such an entity commands the physical power to exercise its right against a rebellious people. Another obstacle might be the lack of adequate resources in the population. When a government entity does not fulfil its financial obligations (“sovereign default”), it is a breach of legal obligations as much as it would be in the private sector. But there is an additional trait. Such a demeanor by a government entity has also to be judged by Article 126 para. 1 TFEU, which prescribes that the Member States of the EU “shall avoid excessive government deficits”. This holds not only true for the members whose currency is the Euro but for all Member States. Although the wording leaves some room for interpretation, a deficit which leads to a default is always “excessive”. Hence a default of an EU Member State is a breach of the primary law of the Union unless it can be demonstrated that exceptional circumstances justified the deficits. IV. The Often Forgotten Role of the Creditors In the course of the present crisis the focus of attention has not been directed sufficiently on the creditors. Bailing out Greece was originally essentially bailing out French, Spanish and German banks and – what is often forgotten – their creditors. They were again salvaged without sufficient (legal) reason for shifting the burden of a default from (private) creditors to the taxpayer. In Germany it was again to a large extent the usual suspects which are anyhow owned or were taken over by German government entities: HRE, Commerzbank, and several Landesbanken. Similar findings are true for the shielding of Ireland and Portugal. The desirable close scrutiny of the reasons why those banks lend a breathtaking amount of money to sovereign entities, whose credit is not beyond any doubt, is still overdue. This should be in the focus of attention. Mandatory clauses to allow a restructuring of bonds – now in the legislative process – might mitigate the problem to some extent but leave a lot of questions open, for example in respect of risk weight of “sovereign debt” in statutory rules. Serious flaws and inconsistencies exist in the regulatory framework, especially on capital adequacy, which have not been addressed so far. However, in the meantime a tacit bail-out of banks (bank holding companies) and private creditors has taken place. Especially in Germany a major fraction of southern European sovereign debt is now not only held by state owned banks,2 but by agencies of the federal government3 founded to help restructuring some of the failing German banks.4 They are 2 KfW appr. 8,4 billion Euro Greek sovereign debt, Commerzbank appr. 2,9 billion Euro Greek sovereign debt, state banks appr. 2,5 billion Euro Greek sovereign debt. 3 Appr. 8,8 billion Euro Greek sovereign debt.

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not banks but are often referred to as “bad banks”.5 A large share of the debt is also held by the European System of Central banks. V. Prevention of Default The EU-law on economic and fiscal policy is so far primarily oriented towards prevention and not so much on crisis resolution. This is also one of the reasons why ad-hoc measures had to be taken in the case of Greece and why the temporary support mechanisms (the EFSM and EFSF) were set up ‘somewhat’ outside the framework of the Treaty – with quite some legal risk. 1. Fiscal discipline a) Primary law of the EU In the words of the primary law “sustainability” of fiscal policy is required. The Maastricht Treaty declared “the sustainability of the government financial position” to be the essential criterion for the necessary convergence which in turn forms the basis for the monetary union.6 Even if this clause belongs to the transitional provisions, it can be used as a basis for interpretation of the permanent requirement that “Member States shall avoid excessive government debts”.7 The compliance with budgetary discipline is a permanent obligation of all Member States.8 It has to be monitored by the Commission on the basis of two reference values: the ratio of the planned or actual government deficit to gross domestic product and the ratio of government debt to gross domestic product.9 The reference values are specified in the protocol (No. 12) on the excessive deficit procedure added to the Maastricht Treaty and are carried through in the Treaty on the Functioning of the European Union (Lisbon Treaty).10 They read as follows:

4

Westdeutsche Landesbank AG, Hypo Real Estate Holding AG. WestLB AG has transferred 85 billion Euro to the “Erste Abwicklungsanstalt”, founded 11. Dezember 2009. It is a public law entity within the “Finanzmarktstabilisierungsanstalt” which in turn is a public law entity guaranteed by the Federal Republic of Germany. 1. October 2010 HRE has transferred loans and securities to the amount of about 173 billion Euro to the “FMS Wertmanagement”, another public law entity within the “Finanzmarktstabilisierungsanstalt”. A large portion of these portfolios is southern European government debt. 6 Article 140 (1) indent 2 TFEU. 7 Article 126 (1) TFEU. 8 Hahn, Der Stabilitätspakt für die Europäische Währungsunion, JZ 1997, p. 1133. 9 Article 126 (2) TFEU. 10 Protocol (No. 12) on the excessive deficit procedure, Official Journal C83, 30/3/ 2010, p. 279. 5

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– 3% for the ratio of the planned or actual government deficit to gross domestic product at market prices; – 60% for the ratio of government debt to gross domestic product at market prices.11 The protocol with the reference values is part of the primary law of the Union.12 They are quite frequently referred to as “Maastricht Criteria”. This might cause confusion as the admission criteria mentioned above are also called “Maastricht Criteria”. For this reason it should always be made clear which criteria are meant and the latter be called ‘convergence criteria’. In essence, both the procedural and the substantial rules for enforcing the requirement of permanent budgetary discipline are laid down in the primary law of the Union.13 However, true sanctions have not been embodied. Specifically an exclusion of a Member State from the Eurozone is not foreseen.14 But already at the initiation of the monetary union serious concerns were raised that the procedure provided in the primary law would be too tedious and – above all – the political determination would be lacking to impose sanctions.15 Definitions and specifications of the rules on government debt and deficits and the deficit procedure have been undertaken by the secondary law of the Union, but no reduction of the scope of discretion for imposing sanctions.16 b) Secondary law of the EU For this reason predominantly Germany demanded a “stability pact” preferably with automatic sanctions.17 This was, however, not compatible with the discretionary powers of the Commission and the Council in the primary law.18 A sepa11

Article 1 of the protocol. Article 51 TEU. 13 Article 126 (2)–(14) subparagraph 1 TFEU. 14 P. Kirchhof, Die Mitwirkung Deutschlands an der Wirtschafts- und Währungsunion, in: Festschrift Franz Klein, 1994, p. 61 (72). 15 Zeitler, Die Europäische Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft, WertpapierMitteilungen, 1995, 1609 (1611). 16 Council Regulation (EC) no. 3605/93 of 22 November 1993 on the application of the Protocol on the excessive deficit procedure annexed to the Treaty establishing the European Community, Official Journal L 332, 31.12.93, p. 7; amended several times, codified version: Council Regulation (EC) no. 479/93 of 25 May 2009, on the application of the Protocol on the excessive deficit procedure annexed to the Treaty establishing the European Community, Official Journal L 145, 10.6.2009, p. 1; Council Regulation (EC) no. 3603/93 of 13 December 1993 specifying definitions for the application of the prohibitions referred to in Articles 104 and 104b (1) of the Treary, Official Journal L 332, 31.12.93, p. l. 17 Details by Hahn, Der Stabilitätspakt für die Europäische Währungsunion, JZ 1997, p. 1133 (1134). 18 Now Article 126 TFEU. 12

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rate treaty – complementing the provisions in the TEC on the monetary union – would have been questionable from the legal point of view as well.19 Changing clauses of the primary law of the Union would not be possible; supplementing them only in fields which do no yet fall into its competences or which have been left explicitly open to further accords.20 As a result the somewhat awkward type of pact that we have at present was finally realized. aa) The original stability and growth pact of 1997 To enhance the compliance with the requirement of permanent budgetary discipline the so called “stability and growth pact” has been set up by secondary law of the Union. The term “pact” was coined to emphasize the underlying political consensus even though the term is used in other legal acts of the European Union in the strict sense of the word. It can be considered to be a reminiscence of the initially discussed separate treaty. This has been the cause for some confusion in the not so well informed public. Technically the pact consists of one resolution of the European Council,21 which is not binding, and two – binding – regulations of the Council. One contains mainly substantive provisions22 and the other mainly procedural rules.23 The resolution contains a multilateral promise to achieve an almost balanced budget in the medium range. The regulations are part of the secondary law of the Union. Regulation 1466/97 was based on Article 99 (5) TEC and contains an early warning system and the obligation of the Member States to provide a stability program. Regulation 1467/97 was based on Article 104 (14) TEC and attempts to speed up the procedure and to clarify it. bb) The amendments of 2005 Mainly on behalf of France and – ironically – Germany, these regulations were amended in 200524 when France and Germany failed to comply with the refer19 Smits, The European Central Bank, p. 85; Häde, Ein Stabilitätspakt für Europa?, EuZW 1996, 138 (140). 20 Häde, Ein Stabilitätspakt für Europa?, EuZW 1996, 138 (142). 21 Resolution of the European Council on the Stability and Growth Pact Amsterdam, 17. June 1997, Official Journal C 236, 2.8.1997, p. l. 22 Council Regulation (EC) no. 1466/97 of 7. July 1997 on the strengthening of the surveillance of budgetary positions and the surveillance and coordination of economic policies, Official Journal L 209, 2.8.1997, p. 1; amended by Council Regulation (EC) no. 1055/2005 of 27. June 2005, Official Journal L 174, 7.7.2005, p. l. 23 Council Regulation (EC) no. 1467/97 of 7. July 1997 on speeding up and clarifying the implementation of the excessive deficit procedure, Official Journal L 209, 2.8.1997, p. 6; amended by the Council Regulation (EC) no. 1056/2005 of 27. June 2005, Official Journal L 174, 7.7.2005, p. 5.

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ence values. The amendments left the reference criteria untouched, since they are also part of the primary law of the Union,25 but allowed to take more circumstances into account to excuse from a failure to meet them. Discretionary powers were extended. Procedural provisions were also changed to make it more difficult to adopt sanctions against non-compliant Member States. In addition to that, the deadlines for imposing sanctions were prolonged. These amendments were preceded by a Council decision not to continue with the deficit-procedure against France and Germany which was later declared not to be in accordance with the European Union law by the Court of Justice.26 cc) The proposed reform of the pact Again under pressure from Germany the Commission submitted on 29 September 2010 a comprehensive package of measures to prevent and correct macroeconomic imbalances including procedures to prevent and handle excessive budget deficits. A major part of the package is proposals for amending the stability and growth pact. The main subject matters of the package are: 1. An alert mechanism through a scoreboard,27 2. Preventive surveillance based on discussions with the Member States and indepth reviews,28 3. A budgetary framework for Member States, 4. Amendments of the excessive imbalance procedure (EIP) applying to EU Member States, 5. An enforcement mechanism for the Euro area members. Altogether six legislative proposals for concrete legal instruments were submitted. The regulation on the prevention and correction of macroeconomic im24 Council Regulation (EC) no. 1055/2005 of 27. June 2005, Official Journal L 174, 7.7.2005, p. 1; Council Regulation (EC) no. 1056/2005 of 27. June 2005, Official Journal L 174, 7.7.2005, p. 5. 25 Article 51 TEU. It might be argued, however, that they could be modified by acts of the secondary law on the basis of Article 126 (14) subparagraph 2 TFEU. 26 ECJ, Judgement of 13/7/2004 – C-27/04 (Commission vs. Council), Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, 2004, p. 465; Juristen-Zeitung, 2004, p. 1069 with comment Kotzur; see also Durzler/Hable, Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Stabilitäts- und Wachstumspakt – eine Klarstellung?, Vierteljahreszeitschrift des Instituts für Europäische Politik 27 (2004), p. 301. 27 Articles 3 and 4 proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on the prevention and correction of macroeconomic imbalances, COM(2010) 527 final, 2010/0281 (COD). 28 Article 5 proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on the prevention and correction of macroeconomic imbalances, COM(2010) 527 final, 2010/0281 (COD).

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balances is completely new. It is set up to detect imbalances and to establish a corrective procedure.29 Also new is the regulation that aims to establish national budgetary frameworks of quality.30 These requirements for the budgetary frameworks of all Member States are based on Article 126 (14) TFEU. In particular, they aim to specify the obligations of national authorities to comply with the provisions of Article 2 of the Protocol (No. 12) on the excessive deficit procedure. Two proposals are submitted for amending the regulations which constitute in essence the stability and growth pact.31 They are based on Articles 121 and 126 TFEU. The new enforcement mechanism for the euro area members is directed to budgetary surveillance32 and to correct excessive macroeconomic imbalances.33 The effective enforcement of budgetary surveillance is based on Article 136 in combination with Article 121 (6) TFEU. The respective regulations are now called the “preventive” arm and the “corrective” arm of the stability and growth pact. They allow fines not only for excessive deficits but also for exceeding the debt level of the reference values. The discretionary power of the Council is reduced significantly.34 The package clearly contains elements of a common fiscal policy for the Member States and a first step towards macroeconomic guidance. It reminds one of the “planification” in France and the “global steering” of the economy (“Globalsteuerung”), which had been attempted in Germany from 1966 on but largely failed.

29 Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on the prevention and correction of macroeconomic imbalances, COM(2010) 527 final, 2010/0281 (COD). 30 Proposal for a Council Directive on requirements for budgetary frameworks of the Member States, COM(2010) 523 final, 2010/0277 (NLE). 31 Proposal for a Council Regulation (EU) amending Regulation (EC) no. 1466/97 on the strengthening of the surveillance of budgetary positions and the surveillance and coordination of economic policies, COM(2010) 526 final, 2010/0280 (COD); proposal for a Council Regulation (EU) amending Regulation (EC) no. 1466/97 on speeding up and clarifying the implementation of the excessive deficit procedure, COM(2010) 522 final, 2010/0276 (COD). 32 Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on the effective enforcement of budgetary surveillance in the euro area, COM(2010) 524 final, 2010/0278 (COD). 33 Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on enforcement measures to correct excessive macroeconomic imbalances in the euro area, COM(2010) 525 final, 2010/0279 (COD). 34 Proposals 522 and 526 final, p. 3.

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c) Lack of common fiscal policy A common fiscal policy is in theory not indispensable for the functioning of a monetary union. The adverse effects of an unsustainable fiscal policy could be left to the markets. Markets tend, however, to react (too) late and – as we have seen – in a not very rational manner.35 The rationality of financial markets has proven to be largely a myth. That is why it was prudent by the Maastricht Treaty to establish rules about a sustainable fiscal policy of the participating states to prevent a situation where sanctions of the market (high interest rates, denial of loans) would have to come in and remind a member of the Eurozone of its (legal) obligations.36 The widespread complaint about the lack of a common fiscal policy (or even a common economic policy) reveals an almost total ignorance of the present design of federal systems. The constitution of the United States of America does not provide for a common fiscal policy of the members of the federation. In contrast to Germany the U.S. constitution allows to a large extent grants of the federal government to the states; also under conditions. With those strings attached, the federal government can exert some influence on the policy but this is far from a federal equalization system or even a common taxation. So far there is no clear evidence that the great autonomy of the states in the U.S. has adversely affected the functioning of the currency used there. Of course, in the long run too diverse developments might threaten the stability of the whole setup but that is not primarily a problem of the monetary system. It is a question of coherence of the federation in general. In essence, the EU appears to have more rules to secure a sound fiscal policy of its members than the U.S. has for its states on the constitutional level; and there is no fundamental criticism that the U.S. dollar cannot work in a federation with so little common economic and fiscal policy. Especially rules on (balanced) budgets are definitely state law and a request for financial aid by the state of California was turned down by the federal government. Also the constitution of the Federal Republic of Germany contained no clause restricting debt or deficit of the members of that federation. In the German constitution only a weak clause had been introduced in 1969 that both the central state (“Bund”) and its members (“Länder”) should align their fiscal policy to the requirements of the macroeconomic balance and that for this reason restrictions on borrowing could be im35 This was known already at the time of framing the monetary union: Report on economic and monetary union in the European Community, OPOCE, 1989, p. 24; later Beson, L’euro et les marchés financiers, in: L’euro dix ans après, Colloque de la CEDECE, 18. Juin 2010. 36 The states were to be exposed to the reactions of the markets on their fiscal policy Häde, Haushaltsdisziplin und Solidarität im Zeichen der Finanzkrise, EuZW 2009, 399 (402).

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posed by the federation. In addition to that, it could be decreed that reserves were to be built up during economic upswings that could be spent during downturns to stimulate the economy. These rules were strictly reserved to fight business cycles and not to cope with structural deficits in the budgets; and they were anyhow disregarded. It took as long as 2009 until the federal constitution of Germany was amended and for the first time binding rules on deficits for the states (“Länder”) were introduced by the central state (“Schuldenbremse”). Until then the European Union had – also compared with the central government of Germany – more legal rules directing the fiscal policy of its Member States than the Federal Republic of Germany. This led to the awkward result – and it was one of the reasons for the fundamental changes of the fiscal federalism in Germany in 2009 – that the federal government could not legally force the “Länder” to avoid “excessive deficits” in order to fulfill Germany’s obligations towards the European Union! The amendments to the German constitution imposing stiffer rules on the member states of the federation abolishing basically the right of the “Länder” to run a structural deficit from fiscal year 2020 on, raise quite some constitutional concerns because it had been an undisputed right of the members of any kind of federation to finance part of their budget by borrowing money. Interdicting any structural deficit except in time of disaster might have taken away too much “sovereignty” from the “Länder”. They might have lost an essential part of their “statehood” or “sovereignty”. This would be a breach of the federal constitution since the amending power is limited in Germany, Article 79 (3) of the federal constitution.37 A case on this question is pending in the Federal Constitutional Court of Germany. 2. Rules for Financial Aid a) Necessity of support European Union law does not contain an (explicit) legal obligation to support Member States with financial problems. When creating the Monetary Union there was a clear decision against establishing an equalization system which could provide for such assistance. Only Article 122 para. 2 TFEU was – as a compromise – finally designed in a way that it can serve as a basis for financial aid but only under extraordinary circumstances. But it does by no means establish a claim, not even an obligation to assist. Even if the very restrictive preconditions are met, it is totally up to the 37 New rules imposing rigid limits on the “Länder” to run a budget deficit are considered to be incompatible with Article 79 (3) of the federal constitution, see e. g. Hancke, Defizitbegrenzung im Bundesstaat – Verfassungsmäßigkeit einer verbindlichen Verschuldungsregel für die Bundesländer, DVBl. 2009, 621 (626).

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discretion of the Council to grant the aid: ‘Where a Member State is in difficulties or is seriously threatened with severe difficulties caused by natural disasters or exceptional occurrences beyond its control’ such aid may be provided.38 This clause demonstrates further that from the point of view of the EU-law a default of a Member State is considered to be in the first place an internal problem of the affected state and its respective creditors. It is not desirable and instruments have been set up to prevent it, but when it occurs crisis fighting and resolving mechanisms have been set up only for those Member States, whose currency is not the Euro (“Member States with a derogation” 39).40 From this point of view, default is also not considered to be a problem of the common currency, the EURO, even if some media and many politicians relentlessly claim the opposite. The framers of the Maastricht Treaty did this knowingly and willingly as otherwise the boundary to a true federal system would have been touched or even transgressed with severe consequences in regard of German constitutional law. This is also the reason why clear limits for support of government entities by the Union or the ECB have been set up. b) Potential support measures aa) No privileged access of public sector to financing Any privileged access to financial institutions by Union institutions, bodies, offices or agencies, central governments, regional, local or other public authorities, other bodies governed by public law or public enterprises is strictly prohibited by EU primary law.41 Thus, the banking system has to be dismissed as an instrument to prevent a sovereign default. bb) No assumption of sovereign debt by the Union or its members To strengthen the determination of the Member States to comply with the required budgetary discipline the Treaty explicitly excludes any liability of the Union or any Member State for the commitments42 of any central government or any other public sector entity of a Member State. Not only liability is legally excluded but also the (voluntary) assumption of such commitments. The wording leaves some space for interpretation as bilateral payments or credit guarantees must not necessarily be judged as “assuming” a commitment. 38 39 40 41 42

Article 122 para. 2 TFEU. Article 139 para. 1 TFEU. Article 143 TFEU. Article 124 TFEU. Article 125 para. 1 TFEU.

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c) No financing of the public sector by the ECB Any type of credit financing of the Union or the Member States by the ECB or by a central bank of a Member State is strictly prohibited. This prohibition is absolutely comprehensive. It holds not only for the Union and central governments but for all other bodies, offices or agencies, regional, local or other public authorities. It includes all other bodies governed by public law and public enterprises.43 An exception is only made for those publicly owned credit institutions which can be given the same access as commercial banks.44 To secure this strict interdiction the ECB and the national central banks may not purchase any debt instruments issued from the public sector. This covers especially government bonds. However, only the “direct” purchase is forbidden. This way the Eurosystem should be enabled to intervene in the markets to procure their proper functioning. In no way was it intended to open a back door for an (indirect) financing of governments. Keeping this in mind, the purchase of government bonds the ESCB started in early summer 2010 was from the beginning onwards not without a legal risk. The longer it lasts the more it becomes legally questionable as proper functioning of the markets can hardly be used any more as a justification. So it is not a question of the structure of the balance sheet of the ECB when it demands that the support of some of the Member States with debt problems have to be supported with other tools and its purchases have to terminate now. d) Voluntary support There might be, however, an opening for voluntary financial aid by the Union or its Member States. The wording of Article 125 TFEU does not prohibit it explicitly but it is often contended that it would change the nature of the EU and would jeopardize the basis of the monetary union. Often the term “Transferunion” is used in this context. So the reluctance of Germany to participate in support mechanisms is not primarily based on short sighted opportunistic reasons, as often is contended, but on very serious legal grounds. A deviation from the outlined principles would almost automatically lead to a constitutional question in Germany as it would overstretch the mandate given by the German legislature for the transfer of sovereign powers to the EU.45 The Treaty intended to disallow any support payments for a Member State in distress. This was made especially clear as in a separate clause (voluntary) financial assistance is allowed under certain, very restrictive conditions: “Where a 43

Article 123 para. 1 TFEU. Article 123 para. 2 TFEU. 45 Fassbender, Der europäische “Stabilisierungsmechanismus” im Lichte von Unionsrecht und deutschem Verfassungsrecht, NVwZ 2010, p. 799 (801–803). 44

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Member State is in difficulties or is seriously threatened with severe difficulties caused by natural disasters or exceptional occurrences beyond its control” such aid may be provided.46 The wording leaves, however, some space for interpretation as bilateral payments or credit guarantees must not necessarily be judged as “assuming” a commitment. Also the term “occurrences beyond its control” might be interpreted in different ways. It was inserted later in the course of the framing process of the Treaty as a result of compromise.47 This way any incentive for circumventing the rules should be excluded. These rules do, however, not apply to Member States of the European Union whose currency is not the Euro. In case a “Member States with a derogation” 48 is in difficulties or seriously threatened with difficulties as regards its balance of payments the Council can eventually grant “mutual assistance” and “appropriate methods” therefore.49 In case a “sudden crisis” in the balance of payments occurs the Member State may take the necessary protective actions as well.50 Such measures have been taken in the case of Hungary, Latvia and Romania. They are a common instrument of the EU administered by the Commission. In this case the EU is considered to be allowed to borrow money on the financial markets. In the course of the present crisis the Council has expanded the sum granted twice: from A 12 to A 25 to A 50 billion. The mere existence of the rules governing the ways and means to support Member States in financial distress shows that the Treaty did not want to allow it in other instances. In one of the most recent scholarly publications in Germany dealing with the problem it has, however, been pointed out that following Article 3 para. 1 TFEU a distinction has to be made between exclusive competences of the EU and competences it shares with the Member States.51 Monetary policy for the Member States whose currency is the euro falls under the exclusive competences of the EU and this leaves no space, absolutely no space, for national measures. This could be set in contrast to economic policy which is not mentioned there and only partially in Article 6 TFEU. These shared competences would leave space for measures of the Member States. 46

Article 122 para. 2 TFEU. See for details Louis, The no-bailout clause and rescue packages, Common Marker Law Review, vol. 47 (2010), p. 971 (982), who favors an interpretation which would allow voluntary aid under strict conditionality; similarily Herrmann, Griechische Tragödie – der währungsverfassungsrechtliche Rahmen für die Rettung, den Austritt oder den Ausschluss von überschuldeten Staaten aus der Eurozone, EuZW 2010, 413 (415). 48 Terminology introduced by the Treaty of Lisbon, Article 139 para. 1 TFEU. 49 Article 143 para. 1 subpara. 2, para. 2 TFEU. 50 Article 144 para. 1 TFEU. 51 Thym, Euro-Rettungsschirm: zwischenstaatliche Rechtskonstruktion und verfassungsgerichtliche Kontrolle, EuZW 2011, p. 167. 47

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Budgetary rules and fiscal policy in general could be treated in a similar way. As far as provisions exist, they have to be obeyed, e. g. Article 126. Actions of the EU need a mandate. The principle of subsidiarity and the principle of conferral hold, Article 5 TEU. This restricts substantially potential actions of the EU. But Member States – not the EU – would be free to grant financial aid or to set up a permanent support mechanism as far as they follow the spotty provisions set up in this field by the Treaty. This could also be done in conformity with the constitutional law of Germany. The proposed amendment to the Treaty (Article 136 para. 3 new TFEU)52 follows apparently this line of thinking. 3. Support for Greece In May 2010 financial support was given to Greece because of the imminent danger that the country could not refinance its outstanding debt and because its budget deficit which after some corrections of the statistics reached a two-digit number as a fraction of the GDP. The aid was basically granted as credit guarantees on a bilateral basis. Greece had promised to solve its budgetary problems by a rigorous austerity program with spending cuts, tax rises and an overall reduction in social security benefits.53 Whether the aid is in conformity with the principal provisions of the Treaty is questionable. The wording “assume the commitments” in Article 125 para. 1 TFEU would have to be interpreted in a way that new voluntary guarantees by Member States would not be covered. Article 122 para. 2 TFEU could be a basis when the situation of the Greek finances would be considered to be an “exceptional occurrence beyond the control” of Greece. 4. Temporary Support Mechanisms A few days after the rescue operations for Greece the heads of states and government of the Member States agreed to set up a support mechanism on a much larger scale for future financing problems of Member States. It was going to have an accumulated volume of euro 750 billion, distributed on three pillars: – European Financial Stability Mechanism (EFSM) (A 60 billion) – European Financial Stability Facility (EFSF) (A 440 billion) – Credits by the International Monetary Fund (IMF) (A 250 billion).

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Infra IV. See for details Louis, The no-bailout clause and rescue packages, Common Market Law Review, vol. 47 (2010), p. 971. 53

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The lion’s share of the aid should be granted in the form of guarantees and not in direct payments. The good credit ratings of most Member States were to be used to refinance the outstanding debt at much lower costs than the failing countries could have negotiated. The whole support mechanism was designed to be only of temporary nature to terminate by 2013. It should (possibly) be replaced by a permanent solution on a sound legal basis. a) Credits of the International Monetary Fund (IMF) The support mechanism is completed by loans from the International Monetary Fund (IMF). For some time there was strong resistance against the participation of the Fund in rescue operations within the EU or more precisely in the Euro area as it is designed to give support in the case imbalances due to the lack of foreign currencies. The fund, however, commands a lot of experience in doing so and it is neutral towards many special interests within the Union. In addition, there are few alternatives as long as the EU has not set up a fund of its own and still wants to provide aid. b) European Financial Stability Mechanism (EFSM) The European Financial Stability Mechanism is an instrument of the European Union. It is financed from general funds of the Union and administered by the Commission. Setting up an instrument of the EU is questionable from a legal point of view unless a very broad interpretation of Article 122 para. 2 TFEU can be supported. c) European Financial Stability Facility (EFSF) The European Financial Stability Facility is a separate entity set up by the Member States that have introduced the euro. It is designed as a special purpose vehicle to borrow money on the capital markets by issuing debt instruments guaranteed by the Member States not in need. The proceeds are passed on to the member in distress. This way there is no direct aid from Member States or the Union to other members. The volume of guarantees was distributed according to the share each member central bank’s holdings of the capital of the ECB. The liability is limited to that fraction. Technically a corporation under the law of Luxembourg with a seat in Luxembourg City was set up. This corporation issues bonds which are guaranteed by the various Member States. The corporation was given the desired top rating by the rating agencies. Its first application was the support for the Republic of Ireland.

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d) Purchase of debt instruments by the ECB In addition to this three-pronged mechanism the purchase of debt instruments issued by Member States by the ESCB since early summer 2010 played a considerable and growing role with the result that a major share of the sovereign debt of the supported members or its banks is already held by the ECB. Only a fraction of it is actually bought and held by the ECB. The rest is carefully distributed among the national central banks. A “restructuring” of sovereign debt would hit now to a great extent the ESCB. As the legality of this procedure has become increasingly doubtful with time passing on, the ECB has rightfully demanded that this task has to be fulfilled by the rescue mechanism set up by the EU. According to the fundamentals of the monetary union resolving budgetary problems of Member States is in no way a task of the ECB or the ESCB as a whole. The recent augmentation of the capital of the ECB has not been necessary in view of the purchase of the “sovereign” debt instruments even if the ECB takes into account a certain risk that they may fail. A central bank does not have to follow any kind of capital adequacy rules since it cannot become insolvent. It can even carry on a loss on its balance sheets indefinitely. It is unclear whether the taxpayer eventually will have to bear a loss, as it is everything else but sure that the Member State whose central bank shows finally a loss in consequence of capital requirements of the ECB will be liable for those losses. The same holds true for direct losses of the national central banks. So it is not only economic reasons but primarily obedience to the law that the purchase of these debt instruments has to come to an end. 5. Creation of a Permanent Support Mechanism (ESM) The heads of states and governments agreed 17 December 2010 to lay ground for a permanent support mechanism.54 It was recognized that it would be legally prudent to structure it as a (multilateral) support of the members of the Eurozone and not of the EU.55 As consequence a new paragraph 3 of Article 136 TFEU was created following the procedure set up by Article 48 TFEU to serve as a sound legal basis for this mechanism. This provision allows Member States, not the EU, to grant support on a voluntary basis under strict conditionality.56 The details of the new European Stabilization Mechanism (ESM) are still being negotiated. 54

Draft European Council Document EUCO 30/10 of 17.12.2010. Thym, Euro-Rettungsschirm: zwischenstaatliche Rechtskonstruktion und verfassungsgerichtliche Kontrolle, EuZW 2011, 167. 56 Attachment to Bundesrat-document 872/10. 55

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VI. Conclusion (1) In the primary law of the EU several safeguards have been set up to prevent the default of a Member State. (2) This includes budgetary rules which exceed the provisions for the members of federal systems like the U.S. or Germany (until 2009). (3) The Maastricht Treaty refrained deliberately from setting up any kind of equalization system. (4) A claim for financial assistance within the Eurosystem does not exist and its conformity with German constitutional law would be questionable. (5) A default of a Member State would be the result of an illegal budgetary policy of the respective state but it would not infringe the law of the EU when the Union or its Members let it happen. (6) Voluntary financial aid of the EU to a Member State is allowed only under very narrow conditions. Whether they are fulfilled in the present crisis is questionable. (7) A support mechanism set up by the Member States. Aside from institutions of the Union could be judged as in conformity with EU law and German constitutional law.

4. Eurobonds zur Bewältigung der europäischen Krise? Wegweisung zu einer modernen Entwicklungsunion* Gemeinsam mit Hans-Helmut Kotz, Jan Pieter Krahnen, Christian Leuz Die aktuelle Debatte um den Umgang mit der Verschuldung Griechenlands und anderer EWU Staaten berührt die Grundlagen europäischer Wirtschaftspolitik. Die nächsten Schritte sind wohl abzuwägen, um über eine unmittelbare Kriseneindämmung hinaus eine langfristige Stabilisierung der wirtschaftlichen und politischen Strukturen in der Eurozone zu erreichen. Eine funktionsfähige Wirtschafts- und Währungsunion hat ihren Preis. Sie ist aber auch von großem Nutzen, gerade für Deutschland und die wettbewerbsstarken Regionen, die insbesondere vom einheitlichen Binnenmarkt und der monetären Stabilität profitieren. Das rechtfertigt zugleich eine Unterstützung ökonomisch schwächerer Mitglieder der Union durch die stärkeren. Historisch waren Währungsunionen ohne einen derartigen minimalen fiskalischen Ausgleich nicht dauerhaft. Deshalb sind, wenn man die Währungsunion aufrechterhalten will, zwei Extrempositionen – keine Transfers, um keinen Preis ebenso wie deren Gegenteil: jedwedes Defizit wird bedingungslos finanziert – nicht zielführend. Ein kompletter Haftungsausschluss (no-bail-out) ist nicht glaubwürdig, solange unabweisbare Schuldenschnitte von insolventen Staaten oder Regionen (wegen Überschuldung) nicht möglich sind, weil sie innerhalb eines stark integrierten Bankenmarktes potentiell unkontrollierbare Rückwirkungen auslösen. Andererseits liefe die unkonditionierte, dauerhafte Finanzierung regionaler Ungleichgewichte auf Transfervolumina hinaus, die eine Überforderung der Transfergeber darstellten. Sie führte vor allem zu einer Perpetuierung der Probleme, weil Anreize zur letztlich unabdingbaren Anpassung fehlten. Damit bleiben zur Schaffung der Voraussetzungen einer funktionsfähigen Währungsunion nur Optionen, die zwischen den Polen liegen.

* Erstveröffentlichung in: House of Finance der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, White Paper, September 2011 (zusammen mit Hans-Helmut Kotz, Jan Pieter Krahnen und Christian Leuz) (Kurzfassung in FAZ vom 7.9.2011, S. 11).

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I. Eurobonds In der aktuellen Situation werden sogenannte Eurobonds von vielen als die Lösung der Krise gesehen. Gemeint sind damit Anleihen, die von der Gemeinschaft aller Länder der Eurozone gesamtschuldnerisch verbürgt werden. Eurobonds können von Einzelstaaten oder von übernationalen Körperschaften begeben werden. Auch die Emissionen des EFSF sind in diesem Sinne Eurobonds, obwohl dessen Haftungsumfang satzungsgemäß auf das eingezahlte Kapital und zusätzliche Garantiezusagen beschränkt ist. II. Befürworter Mit Hilfe des Eurobonds, so argumentieren die Befürworter, könne es gelingen, die weltweite Verunsicherung „der“ Finanzmärkte bezüglich der Zahlungsfähigkeit griechischer und weiterer staatlicher Schuldner in Europa auszuräumen, diesen Ländern eine wesentliche Entlastung bei ihren Zinskosten zu gewähren und ihnen damit wieder eine positive Entwicklungsperspektive zu geben. Zinsdifferenzen zwischen den europäischen Staatsanleihen sind in den Augen der Befürworter von Eurobonds vor allem Ausdruck eines „schlechten“ Gleichgewichts, also einer Abwärtsspirale, die durch Liquiditätsprobleme zustande kommt, nicht aber die Konsequenz von Kreditwürdigkeits- und letztlich Überschuldungsproblemen. Da die an einer Währungsunion teilnehmenden Länder keine eigene Notenbank haben, die als Ausleiher letzter Instanz agieren kann, sollen Eurobonds hier Abhilfe schaffen und die Liquiditätsprobleme beseitigen, um so eine sich selbstverstärkende Abwärtsspirale zu verhindern. III. Gegner Die Gegner weisen darauf hin, dass eine Übernahme von Eurobonds in das Reservoir europäischer Politikinstrumente den Einstieg in eine Transferunion bedeute und dringend benötigte Marktsignale außer Kraft setze. Weder werde die unangemessene Aufnahme von Krediten noch ihre Gewährung durch Finanzinstitute mit Sanktionen belegt und unverantwortliches Verhalten auf beiden Seiten der Darlehensvergabe gefördert. Die Stabilitätsziele der EU werden mittelfristig – so wird befürchtet – gefährdet ohne wirklich zu positiven Entwicklungsperspektiven in den Schuldnerländern zu führen. Tatsächlich könnte die Schuldenquote steigen und damit die Kreditwürdigkeit immer fragiler werden. Die Haushalte der solide wirtschaftenden Mitgliedstaaten würden zudem mit erheblichen, im Einzelnen schwer abzuschätzenden zusätzlichen Zinszahlungen für ihre eigenen Schulden belastet. Es entstünde dadurch schließlich ein intransparenter und kaum kontrollierbarer Finanzausgleich, für den es keine Grundlagen und Grenzen gäbe.

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IV. Unsere Position Beide Positionen handeln nicht von einem Streit über die Sinnhaftigkeit der Währungsunion. Sie wird nicht bezweifelt. Der Streit geht um die Instrumente, die Maßnahmen, die man zu deren Absicherung für erforderlich hält. Das ist eine vollkommen legitime Debatte. Diese ist auch nützlich, in dem Ausmaß wie die Position des Gegenübers ernst genommen wird. Das trägt zur öffentlichen Urteilsbildung bei. Für uns ist wichtig: Es gibt nicht das Allheilmittel. Alle Instrumente sind mit Nebenfolgen verbunden. Deshalb ist Abwägen – das Würdigen von trade-offs – geboten. Für uns ist vor allem wichtig, dass klar zwischen Liquiditäts-, Solvenz- und Strukturproblemen getrennt wird. Diese sind dann durch transparente Maßnahmen zu adressieren. In der Debatte um die Eurobonds werden diese drei Problemkreise dagegen regelmäßig vermengt. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass diejenigen, die Eurobonds als nicht zielführend ansehen, deshalb nicht zwingend gegen eine Unterstützung der Anpassungsanstrengungen schwacher Volkswirtschaften sind. Im Gegenteil: Unseres Erachtens sind konditionierte, wachstumsorientierte Transfers, die die strukturelle Anpassung begünstigen und damit die Schuldentragfähigkeit erhöhen, sehr wohl zweckgerecht. Sie erlauben die Wiederherstellung durchhaltbarer Leistungsbilanz- und Haushaltsrelationen. V. Pro Entwicklungsunion Auch in Zukunft wird es in einem geeinten Europa stets Salden in den regionalen Leistungsbilanzen geben. Diese sind per se kein Problem. Sie können jedoch, wenn sie sich über die Zeit anhäufen, Anpassungsbedarf auslösen. In einer Währungsunion kann dieser sich abrupt einstellen. Mit der Einführung des Euro und dem damit zwingend verbundenen Verlust der nationalen Geldpolitik ist es nicht mehr möglich, regionale Leistungsbilanzdefizite – und die daraus erwachsende Nettoauslandsverschuldung – durch Abwertung der Währung zu reduzieren. Stattdessen müssen drei Mechanismen stärker genutzt werden: produktivitätsgerechte Anpassung der Kosten, Arbeitskräftemobilität zwischen den Regionen und Transfers zur Entwicklung strukturschwacher Regionen. Die Stärkung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit verlangt neben gezielten Infrastrukturinvestitionen oftmals harte Einschnitte, soweit relative Faktorpreise (unter Berücksichtigung der regionalen Produktivitätsniveaus) angepasst werden müssen. Das wird in einigen Fällen nicht nur auf relatives Zurückbleiben der Reallöhne, sondern deren effektive Kürzung hinauslaufen müssen. Eine (in der Währungsunion nicht mögliche) nominale Abwertung bewirkte de facto das Gleiche. Auch bei den konsumtiven Staatsausgaben müssen Anpassungsmaßnahmen erfolgen. Haushaltsausgaben und Sozialleistungen sind eventuell zu kürzen, das Steueraufkommen ist zu erhöhen. Jedenfalls ist der Ausweg in eine weitere Kreditaufnahme eine Sackgasse. Die Strukturprobleme werden so nur akzentuiert. Empirische Studien,

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auf einer Vielzahl historischer Erfahrungen aufbauend, zeigen, dass Verschuldungskrisen letztlich nur durch eine Steigerung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit und reales Wirtschaftswachstum im Inland, gegebenenfalls gekoppelt mit einem Schuldenschnitt, zu lösen sind. Strukturelle Anpassungen finden innerhalb der einzelnen Länder ständig statt – und sie führen dazu, dass eine in der Produktivität hinterherhinkende Region wieder Anschluss finden kann. Sie beinhalten oft Anpassungsinvestitionen – etwa in eine leistungsfähigere Steuerbürokratie, ein effizienteres Gesundheitswesen, eine robustere Infrastruktur, ein leistungsfähigeres Schulsystem. Transferleistungen innerhalb Europas können deshalb auch gut investiertes Geld sein, sofern damit notwendige Anpassungsmaßnahmen über Struktur- und Entwicklungsprogramme gezielt gefördert werden. Die beispielsweise in Griechenland anstehenden Reformen der öffentlichen Verwaltung und die Verringerung wenig produktiver Teile des öffentlichen Dienstes bei gleichzeitiger Steigerung des Steueraufkommens durch technische Hilfen von außen (Beratung, Ausbildung) können durch Transfers gefördert und beschleunigt werden. Wenn den Defizitländern auf diese Weise aus ihrer wirtschaftlichen Abwärtsspirale geholfen wird, kommt das auch den Geberländern zugute. Die gesamteuropäische Produktivität wird gesteigert, sodass im Idealfall beide, Geber und Empfänger, gewinnen können. Jahrzehntelange Erfahrungen in anderen Bereichen der Entwicklungspolitik haben deutlich gemacht, dass nachhaltige Entwicklung nicht über unbedingte oder wohlgemeinte Unterstützungszahlungen, sondern nur über konditionierte Transferleistungen, die dem Aufbau leistungsfähiger Institutionen (Steuersystem, Bankenaufsicht, Wettbewerbspolitik, Insolvenzrecht usw.) dienen, gelingen kann. Solche bedingten Transfers haben den Vorteil, als Maßnahme transparent und in Umfang und Dauer begrenzt zu sein. Sie sind somit auch deutlich besser vom demokratischen Souverän zu kontrollieren. VI. Pro nationale Staatsanleihen Eng verbunden mit dem Gedanken einer erweiterten und gestärkten Entwicklungsunion ist die Rolle funktionsfähiger Anleihemärkte. Die Unterschiede im Zinsniveau zwischen einem national begrenzten Anleihemarkt im Vergleich zu Referenzmärkten benennen die Kosten einer Finanzierung zusätzlicher Schulden über den Kapitalmarkt und teilen Politikern und der Öffentlichkeit mit, inwieweit die aktuelle Haushaltspolitik langfristig durchhaltbar („nachhaltig“) und deshalb verantwortungsvoll ist. Was muss gegeben sein, damit Anleihemärkte diese Signalaufgabe wahrnehmen können? – Erstens, die Anleihemärkte müssen geografisch und wirtschaftlich eng umrissene, relativ homogene Haftungskreise umfassen, wie es insbesondere bei na-

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tionalen Staatsanleihen der Fall ist. Dadurch wird eine Übereinstimmung von Entscheidung (über die Wirtschafts- und Haushaltspolitik) und Verantwortung (bezüglich Zinsendienst und Schuldenlast) erreicht, so wie verantwortungsvolles Wirtschaften in allen Bereichen es stets verlangt. – Zweitens, in ihrer Rolle als Anleiheemittenten müssen die Staaten tatsächlich gezwungen sein, für ihre Schulden geradezustehen. Können sie den Schuldendienst einmal nicht erfüllen, dann gibt es keine Notfallhilfe von dritter Seite und die Anleihegläubiger verlieren im Rahmen einer Umschuldung einen Teil ihres Geldes („haircut“). Es ist diese glaubwürdige Ausfalldrohung, die Gläubiger so vorsichtig machen wird, dass sie in einem funktionierenden Markt eine überbordende Haushaltspolitik der Länder bereits im Vorhinein verhindern werden – sei es über hohe Zinsforderungen, sei es über eine Kreditverweigerung(-rationierung). – Drittens, wie wir heute wissen, existiert eine staatliche Umschuldung nur dann als reale Handlungsoption, wenn es für die Geschäftsbanken keine implizite Staatsgarantie aufgrund von systemischen Risiken (sei es „too-big-to-fail“, „too-interconnected-to-fail“ oder „too-many-to-fail“) mehr gibt. Dies bedeutet, dass Banken in Konkurs gehen können, ohne ihrerseits eine systemische Banken- oder Finanzkrise auszulösen und deshalb vom Staat gerettet werden (müssen). Zu diesem Zweck sind in vielen Ländern gesetzliche Regelungen geschaffen worden – in England im Banking Act 2009, in den USA im DoddFrank-Act („orderly resolution regime“) und in Deutschland im Restrukturierungsgesetz, das am 1.1.2011 in Kraft getreten ist. Hier gibt es aber Nachbesserungsbedarf. Der betrifft insbesondere die grenzüberschreitende Dimension. Damit ist er vor allem ein Thema, das in der Währungsunion zentral ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können die auf den Finanzmärkten beobachteten Preise wirksame Steuerungsgrößen für Politik und Wirtschaft darstellen. Sie bilden gewissermaßen das Sensorium für den Einsatz unterstützender Strukturhilfen und entsprechender Entwicklungsprogramme, keine „platten“ Transfers wie es der Begriff der Transferunion suggerieren mag, sondern – wie in erfolgreicher internationaler Entwicklungshilfe – eine Hilfe zur Selbsthilfe. VII. Eurobonds schaden Den Vorteilen nationaler Staatsanleihen stehen keine vergleichbaren Vorteile eines „Überregionalbonds“ oder Eurobonds gegenüber. – Da der Eurobond einen einheitlichen Preis für die gesamtschuldnerisch begebenen Staatskredite begründet, kann der Anleihezins für diesen Teil keine Signale mehr über die Solidität der Haushaltspolitik einzelner Länder senden. Solvenzprobleme werden verdeckt bzw. auf den mit Haftungsausschluss emittierten Teil begrenzt und dort möglicherweise kontraintentional verstärkt.

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Auch ist zu sehen, dass fehlende Zinsdifferenzen eine wesentliche Ursache für die jetzigen Probleme in der Eurozone darstellen. Sie begünstigen regionale Vermögenspreisblasen, die Wurzeln der Instabilität sind. Daher erscheint es wenig sinnvoll, Zinsdifferenzen, die die Unterschiede der Kreditwürdigkeit spiegeln, mit Eurobonds einzuebnen. – Ein Einheitszins ist gleichbedeutend mit Transfers zu leistungsschwächeren Ländern. Das Kernproblem sind aber nicht die Transfers an sich, sondern, dass sie verdeckt und unkontrolliert erfolgen. Während man Strukturhilfen lenken und mit gezielten Konditionen versehen kann, lassen sich die in Zinskonditionen eingebetteten Transfers nicht kontrolliert in notwendige Anpassungsinvestitionen lenken. Daher sind Eurobonds, sofern sie nicht mit entsprechenden Auflagen verbunden sind, angesichts des tiefgreifenden Anpassungsbedarfs nicht zweckgerecht. Sie können als Ultima-Ratio-Instrument im Extremfall eine Krisenverschärfung abwehren. Damit erlauben sie es, Zeit zu kaufen. Aber sie beseitigen die strukturellen Ursachen der Eurokrise nicht. Vielmehr verschärfen sie mittelfristig die Solvenz- und Strukturprobleme durch die ihnen innewohnenden Fehlanreize aufgrund des Einheitszinses. – Eurobonds könnten Anschluss – oder „roll-over“ – Risiken in Ländern abwehren, die einem fundamental unbegründeten Ansturm ausgesetzt sind. Ein derartiges schlechtes Gleichgewicht kann in einer Währungsunion entstehen, weil die Anleihen grundsätzlich in Fremdwährung emittiert werden und keine nationale Notenbank als Liquiditätsspender letzter Zuflucht mehr existiert. Handelt es sich dagegen um Solvenzprobleme, steht mithin die Fähigkeit oder Willigkeit, die Schulden zu bedienen, grundsätzlich in Frage, dann sind Eurobonds keine zweckgerechte Antwort. Sie überwälzen die Kosten von Fehlverhalten auf Dritte und stärken Anreize, die künftiges Fehlverhalten begünstigen („moral hazard“). – Als weiteres Argument für den Eurobond werden oft Liquiditätsvorteile angeführt, die aus größeren Anleihevolumina und den damit verbunden niedrigeren Geld-Brief-Spannen resultieren. Diese dürften eher gering ausfallen. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass dieser Effekt die Zinserhöhung für die stärkeren Euroländer aufwiegen kann. VIII. Drei Entscheidungsregeln Die voranstehenden Überlegungen lassen sich in drei Regeln zusammenfassen: – Regel 1: Klare Trennung von Liquiditäts- und Strukturproblemen und damit eine Entkoppelung der Eurobonds – Diskussion von den Überlegungen zu Transfers im Rahmen einer Entwicklungsunion. Letztere können durchaus gewünscht sein, um leistungsstärkere Wirtschafts- und Sozialstrukturen innerhalb Europas zu fördern, mittelfristig korrekturbedürftigen regionalen Un-

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gleichgewichten entgegenzuwirken, ein auseinanderdriften von Überschussund Defizitländern zu begrenzen sowie die damit verbundenen politischen Spannungen zu vermindern. Die Begebung von Eurobonds löst die Strukturprobleme in den schwächeren Ländern nicht. Diese bleiben bestehen, da die impliziten Transfers durch die Einführung von Eurobonds nur schwer an klare und nachhaltbare Bedingungen geknüpft werden können. Kurzfristige Liquiditätsprobleme sollten stattdessen in extremis durch die EZB, als Helfer in größter Not, und mittelfristig natürlich in erster Linie durch den EFSF adressiert werden. – Regel 2: Stärkung internationaler Strukturhilfe in der Eurozone („Europäische Entwicklungsbank“, gegebenenfalls EIB, KfW) zur Verbesserung der institutionellen Gegebenheiten in leistungsschwächeren Ländern der Eurozone. Die transferfinanzierte Aufbauhilfe kann ein wichtiges Instrument einer modernen Union sein. Strukturhilfen und Entwicklungsprogramme werden konditioniert, Transfers fließen abhängig von der Einhaltung vertraglicher Zusagen im Hinblick auf die Durchführung notwendiger Anpassungsmaßnahmen. Auch hier könnte der EFSF/ESM eine zentrale Rolle spielen. – Regel 3: Stärkung nationaler Anleihemärkte und Adressierung der Probleme im Finanzsektor. Um eine Verbesserung des Steuerungspotenzials der Anleihemärkte zu erreichen, ist eine durchschlagende Lösung des Problems der impliziten Staatsgarantie für Banken („too-big-to-fail“) von erster Priorität. Probleme im Finanzsektor sollten nicht über eine Unterstützung von Staaten gelöst werden. Wenn hinter der Forderung nach Eurobonds auch der Wunsch steht, die Probleme unterkapitalisierter Banken zu lösen, so ist es günstiger und sinnvoller, dieses Problem über eine Rekapitalisierung der Banken oder auch Garantieleistungen für einige systemrelevante Banken zu lösen. Auf dem Höhepunkt der Krise war das keine Option, bzw. eine mit prohibitiven Opportunitätskosten. Mittelfristig ist es jedoch unabdingbar, passende Insolvenzverfahren (und zwar von Banken und von Staaten) zu entwickeln. Hier gibt es entscheidenden regulatorischen Nachbesserungsbedarf sowohl in Europa als auch in den USA.

5. Law and Economics of the Monetary Union* I. History From the end of World War II the international monetary system was based on the agreement signed at Bretton Woods on 22 July 1944, which basically encompassed a system of fixed exchange rates with an adjustment procedure and the obligation of the United States of America to redeem dollars into gold. It was combined with the establishment of the International Bank for Reconstruction and Development – the World Bank – and the International Monetary Fund (IMF) and ultimately became the legal basis for the supremacy of the U.S. dollar. The tensions within the system of fixed exchange rates grew rapidly throughout most of the 1960s partly because of domestic spending programs in the U.S. (“Great Society”) and the cost of the Vietnam War. The dollar was considered to be overvalued but the adjustment procedure could not function as the system depended crucially on the fixed convertibility rate between the dollar and gold. As a result, the system dissolved between 1968 and 1973. The final turning point was the “temporary” suspension of the dollar’s convertibility into gold in August 1971, declared unilaterally by U.S. President Richard Nixon. All attempts to re-establish fixed exchange rates in the following months failed, so by March 1973 all major currencies floated against each other. Although the World Bank and the IMF had been created specifically to make the system of Bretton Woods function smoothly, especially to prevent and to mitigate current account imbalances, both institutions have survived until today. Their growing weight and the assumed new functions, e. g. in the context of the European stabilization facilities and mechanisms,1 raise serious concerns about the proper legal basis of this practice. As the system of Bretton Woods provided relatively stable monetary conditions and the European communities had very limited tasks to perform, there was no need for a closer monetary cooperation at the signing of the treaties in 1951 and 1957. Not many years later, the idea of a common currency for the EEC Member States, however, came on the agenda of the European Commission and was first addressed in its Memorandum of 24 October 1962 (the Marjolin Memorandum). Herein the Commission proposed that the customs union should evolve into an * First publication in: Thomas Eger, Hans-Bernd Schäfer (eds.), Research Handbook on the Economics of European Union Law, 2012, p. 355–411. 1 Infra Section VI. 4. a).

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economic union by the end of the 1960s with irrevocably fixed exchange rates between the currencies of the Member States.2 Still, there was no consensus about the economic need of such a common currency. However, with the increasing strains on the system of Bretton Woods the question became more urgent. The complex system of fixed prices set up under the common agricultural policy was jeopardized by the balance of payment and currency crises inside the European communities. The dragging discussions about a devaluation of the French franc and the revaluation of the German mark3 contributed to the insecurities. The incompatibility of frequent exchange rate adjustments or even floating exchange rates within the European Communities (Union) should be kept in mind when deliberating whether Greece should exit the Monetary Union and re-introduce the Greek drachma, which could then be devalued. These ideas, which dominate the advice given by economists on how to solve the current crisis, may seem plausible in a scholarly seminar, but are aloof from the real world and neglect the texture of the European Union. In February 1969, a report by Raymond Barre, then French member of the Commission and later Prime Minister, proposed greater coordination of economic policies and closer monetary cooperation.4 In this, he already addressed the two fields which were eventually introduced by the Treaty of Maastricht5 into the legal framework of the Community and have become the cornerstones of the European Economic and Monetary Union.6 But until today, it has remained an open question whether common economic policies would be an essential prerequisite for the functioning of a monetary union, or whether a monetary union would (automatically) lead to a common economic policy.7 1. Werner Plan The Barre report inspired the heads of states and governments to make the economic and monetary union (EMU) an official goal for further integration at their meeting on 1 and 2 December 1969 at The Hague. They agreed that the Council of Ministers should develop a plan to introduce step by step such a 2

Scheller (2006), p. 17; see also Szász (1999), p. 8. See Siekmann (1985), p. 36 et seq. 4 Commission Memorandum to the Council on the co-ordination of economic policies and monetary cooperation within the Community, submitted on 12 February 1969, Bulletin of the EC no. 1, 1971. 5 Signed 7 February 1992, Official Journal, 29 July 1992, C 191/1. 6 Now Part three, Title VIII of the Treaty on the Functioning of the European Union (TFEU), consolidated version, Official Journal, 30 March 2010, C 83/1 (96). 7 For details see infra, Section VI. 1. 3

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union but emphasized that “the development of monetary cooperation should be based on the harmonization of economic policies.” 8 Hence, the Council set up a group of experts, chaired by the then Prime Minister of Luxembourg, Pierre Werner, to draw a report on how this goal might be reached by the end of the decade.9 The group presented its final report in October 1970.10 In fulfillment of the expressed expectations a three-stage plan was devised, which was to be realized within a time frame of ten years.11 Its key elements were: – total and irreversible convertibility of currencies; – elimination of margins of fluctuation in rates of exchange; – irrevocable fixing of parity ratios; – total liberation of movements of capital; – adoption of a single currency, which would guarantee the irreversibility of the undertaking; – setup of two Community organs: a center of decision making for economic policy and a Community system for the central banks.12 In addition to these institutional provisions, it was recommended that “principal decisions of economic policy will be taken at Community level” and that the “budgetary policy of the Member States will be conducted in accordance with Community objectives.” In order to achieve this, a “Community survey” was to be effected “before the Governments draw up their budget proposal on a definitive basis.” 13 By this, a third element was added to the main goals of the Barre report (first, greater coordination of economic policies, and second, closer monetary cooperation): control of budgetary policy of the Member States, which would ultimately become a major field of dispute and an alleged source of instability. Thus, the fundamental points which dominate the debate until today were clearly envisaged: 8 Final communiqué at no. 8: “a plan by stages should be drawn up by the Council during 1970 with a view to the creation of an economic and monetary union,” Compendium of Community Monetary Texts (register no. P 5/88), p. 13 (15); published also in Krägenau and Wetter (1993), p. 97; for details about the decision and the following report see Szász (1999), chapter 4. 9 Decision of the Council of 6 March 1970 regarding the procedure in the matter of economic and monetary cooperation, Compendium of Community Monetary Texts (register no. P 5/88), p. 17. 10 “Report to the Council and the Commission on the realization by stages of economic and monetary union in the Community,” Luxembourg, 8 October 1970. An interim report had been presented to the Council on 20 May 1970. 11 Report, pp. 14, 26. 12 Report, p. 26. 13 Report, p. 27.

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– a common economic policy conducted by the Community – harmonization of the budgetary policy of the Member States. A political union was not considered to be a necessary prerequisite for the monetary union and the single currency. Instead, the economic and monetary union appeared “as a leaven for the development of political union.” Only in the long run it appeared “to be unable to do without”.14 With the collapse of Bretton Woods and the ensuing wave of instability on the foreign exchanges no further measures were taken to implement the plan. 2. Delors Plan After various attempts to bring the free-floating currencies to a closer alignment within the European Community, the drive for a monetary union gained new momentum over 15 years later. During the summit meeting held in Hanover on 27 and 28 June 1988 it was agreed to form (again) a group of experts and central bank governors to promote the envisaged monetary union. It was chaired by the then president of the Commission, Jacques Delors. The report of the group was presented on 17 April 1989 and proposed the introduction of an economic and monetary union in three stages. During the first step, all obstacles to the free flow of capital within the Community were to be abolished. The beginning of the second step would be marked by the foundation of a European Monetary Institute. With the third step all monetary competences of the Member States were to be transferred to the new European Central Bank.15 Again, the report emphasized the need for – a greater coordination of economic policies, – rules on the size and financing of national budget deficits, – the creation of a completely independent institution for the conduct of the monetary policy of the Union, the European Central Bank (ECB). Even though there was a lot of criticism of the plan, its major elements were accepted in the intense negotiations prior to the Treaty of Maastricht.16 3. Maastricht Treaty The Monetary Union and the provisions about the European System of Central Banks (ESCB) were finally introduced by the Treaty of Maastricht in 1992.17 14

Report, p. 26. Description of the development in depth by Padoa-Schioppa (1994), p. 137 et seq.; Szász (1999), pp. 110–19; Issing (2008a), p. 4 seq. 16 Supra note 5. 17 Supra note 5. 15

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The EMU’s organic law, the Statute of the European System of Central Banks and of the European Central Bank, was not left to ensuing legislation. It was also not left to the new institutions themselves. It was entirely formulated by the signing parties and added to the Treaty as a protocol. A protocol is legally an integral part of the primary law of the EU18 even though certain very small parts of the statute can be amended in a procedure outside of a revision of the Treaty.19 In the course of the negotiations, the United Kingdom obtained a provision which allowed it to refrain from entering the third stage of the EMU even if it fulfilled the convergence criteria.20 As the Treaty was rejected by means of a referendum in Denmark, the latter was granted an exemption as well.21 4. Introduction of the Euro With the beginning of the year 1999 the last, irrevocable step towards the implementation of the Monetary Union had been taken.22 The exchange rates of the old currencies towards the euro were irrevocably fixed and the euro was officially introduced in the eleven Member States which had been admitted to the euro. The participating countries were Belgium, Germany, Spain, France, Ireland, Italy, Luxembourg, the Netherlands, Austria, Portugal and Finland.23 For a period of time it was only used for the inter-bank business parallel to the old currencies. On 1 January 2002, euro notes and coins were introduced, as was

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Article 51 TEU. This clause has been used in 2008 to change Article 10.2 of the Statute to introduce a rotation system in the Governing Council. 20 “1. Unless the United Kingdom notifies the Council that it intends to adopt the euro, it shall be under no obligation to do so [. . .] 3. The United Kingdom shall retain its powers in the field of monetary policy according to national law.” Protocol (no. 15) on certain provisions relating to the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, Official Journal C 83, 30 March 2010, p. 284. 21 The exemption had the effect that all Articles and provisions of the Treaty and the Statute of the ECSB referring to a “derogation” should be applicable to Denmark. The admission procedure of Article 140 TFEU should only be initiated at the request of Denmark, No. 1 and 2 of the Protocol (No. 16) on certain provisions relating to Denmark, Official Journal C83, 30 March 2010, p. 287. 22 Decision of the Council of the European Union meeting in the composition of Heads of State or Government of 3 May 1998, Official Journal L 139, 11 May 1998, p. 30. It was criticized as too early by 155 German professors of economics, Wim Kösters et al. in Frankfurter Allgemeine of 9 February 1998, p. 15. 23 Regulation (EC) No. 974/98 of the Council, 3/5/1998, Official Journal, 11 May 1998, L 139/1; judged as no infringement of fundamental rights in Germany, Federal Constitutional Court, BVerfGE 97, 350 (370 f.); confirmed BVerfG (K), Neue Juristische Wochenschrift 1998, 3187. 19

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also the case in Greece, which had been admitted in the meantime.24 Cyprus, Malta, Slovenia, and Slovakia followed. Estonia was the last country to join, on 1 January 2011. The UK and Denmark did not adopt the euro according to the exemptions granted to them.25 Sweden did not continue in the process of introducing the euro26 although it fulfilled all the requirements to do so. As a result, Bulgaria, the Czech Republic, Denmark, Latvia, Lithuania, Hungary, Poland, Romania, Sweden and the UK are EU Member States but currently do not use the single European currency. The term “euro area” describes the Member States in which the euro is legal tender. In addition to these Member States, the euro is used as legal tender in three other European countries on the basis of a formal agreement following Article 219 para. 3 TFEU and these states are allowed to issue euro coins: San Marino,27 Monaco,28 and the Vatican.29 Andorra initially introduced the euro on a unilateral basis. The euro is also used in a number of third countries without a formal agreement and in overseas departments, territories and islands which are either part of or associated with euro area Member States. Non-Member States using the euro as legal tender without an agreement are Montenegro and Kosovo. It is also used in UK Sovereign Base Areas on Cyprus. Furthermore, there are some countries, regions and territories which have pegged their currency to the euro: Bulgaria as Member State and Bosnia & Herzegovina as Non-Member State. The euro is, however, not legal tender there.30 The agreements with Monaco, San Marino and the Vatican had to be renegotiated mainly to correct some shortcomings in their original implementation and to increase the maximum volume of euro-coins these countries are entitled to issue. The new agreement between the EU and the Vatican came into effect on 1 January 2010, between the EU and Monaco on 1 December 2011; the new agree24 The questionable actions of the Greek government preceding it are described by the Commission in its official “Report on Greek Government Deficit and Debt Statistics” of 8 January 2010, COM(2010) 1 final. 25 Supra notes 20 and 21. 26 Automatic consequence of the decision of the EU Council of 3 May 1998 and Article 140 para. 1 phrase 3 TFEU. 27 Official Journal, 27 July 2001, C 209, p. 1. 28 Official Journal, 31 May 2002, L 142, p. 59. 29 Official Journal, 25 October 2001, C 299, p. 1; amended by Council decision 2003/738/EC of 7 October 2003. 30 For more details see: “Monetary and exchange rate arrangements of the euro area with selected third countries and territories,” European Central Bank, Monthly Bulletin, April 2006, p. 87; European Commission (2008), p. 122. Special rules apply to some overseas territories of Member States which are not part of the territory of the EU, Article 355 TFEU; more in depth treatment by Krauskopf and Steven (1999); Hafke (2000); De Sèze, Marchand and Bardy (2011).

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ment with San Marino was concluded on 27 March 2012 and is in the process of ratification. Andorra finally concluded a treaty with the EU on 30 June 2011, which allows it to introduce officially the euro and mint euro-coins from 1 July 2013 on.31 II. Formation 1. No Close Political Union According to the Werner Plan, a common currency for all members of the European Community was to be set up to foster further integration. It was treated as a tool for further integration and not so much a result of the integration, even though in the long run a closer political union appeared to be indispensable.32 In fact, the Maastricht Treaty introduced the Economic and Monetary Union without a full-fledged political integration. The euro was created as a currency without a state.33 This was done in full awareness of the fact that many critics, namely economists, considered this procedure to be taking the second step before the first.34 Even if this closer political union was not realized from the beginning, the single currency extends and completes the “single market.” To this extent, it worked as “integration via the Economy.” 35 2. No Fiscal Federalism or Equalization System Great care was taken by the framers of the Maastricht Treaty that the Monetary Union did not include any trait of a federal equalization system. All Member States had to remain fully responsible for their finances and absolutely no expectations were to be nourished that outside help would come in case of budgetary problems.36 The capital markets were to provide the appropriate sanctions for an unsound fiscal policy. Permanent instruments to prevent an irresponsible fiscal policy were included in the legal framework besides the screening at the time of admission. Both safeguards37 allegedly did not fulfill their tasks properly.38

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Official Journal, 4 February 2010, C 28, p. 13. Supra, Section I. 1. 33 A topic which was treated intensively by one of the leading framers from the German side and later a member of the Executive Board of the ECB, Otmar Issing, see e. g. Issing (2008b). 34 See more infra, Section VI. 3. b). 35 Described by Issing (2008c), p. 299 et seq. 36 Smits (1997), p. 77. 37 More on the safeguards to guarantee permanent stability of the EMU infra in Section IV. 38 Louis (2010), p. 979; for the Stability and Growth Pact see Section 6.3.4. 32

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In the past, many governments had habitually tried to solve budgetary problems by lowering the internal or external value of the currency or both: inflation and/or devaluation. Both mechanisms usually did not increase the economic strength of the particular country and only helped for a very limited period of time to overcome the inherent structural problems. In the EMU they should – legally – no longer be at the disposition of countries whose currency is the euro. On the EU level it was envisioned that the problems should be solved at the roots by developing greater economic strength which would eventually result in the necessary convergence. This is also the reason for the existence of the many (coherence) programs of the EU to improve the infrastructure of defined areas or to solve structural economic deficits. They are definitely different from an equalization system as the funds are earmarked and are not at the general disposition of a government. The crucial point is to improve the competitiveness of Member States which are in need. 3. The Single Currency as Legal Tender of the Union The single currency was designed to be the official currency of the European Union; the only official currency in the Union. For this purpose the single currency had to become legal tender in all Member States; the only legal tender.39 All other currencies or means of payment had to cease in this function. By this, the Member States had to give up a substantial part of their sovereign powers:40 the power to create and maintain a currency as legal tender and to conduct monetary policy. The power to create money from a legal point of view was widely considered to be a sovereign right of a ruler but it was not indispensable, as shown by history. There have always been realms without a single currency or a currency of the central state. In any case, the general decision to transfer this sovereign right to the EU had been taken and it was not objected to by the judiciary.41 Only the scope of this transfer may be debated. III. The European System of Central Banks and the Eurosystem The Treaty of Maastricht has added monetary policy to the competences of the European Union and provided the necessary institutional setup. This was done by installing the entire legal framework for the European System of Central Banks (ESCB). All EU Member States, even those that have not adopted the euro be39

Article 128 para. 1 TFEU. Issing (2008c), p. 301. 41 BVerfGE 89, 155; 97, 350; Siekmann (2011a), Article 88 no. 34 with further references. 40

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cause of a special status or because of derogation, are part of the ESCB. It is the system as a whole and not only a subset of it which is charged by the Treaty to “conduct the monetary policy of the Union.” 42 This is a consequence of the original idea that the euro was to become the – single – currency of the Union. Despite all disputes and difficulties, monetary policy has become one of the major fields of common power and coherence of the Union. 1. Institutional Setup a) The general outlay The ESCB is made up of the European Central Bank (ECB) and the national central banks (NCBs) of all 27 EU Member States.43 The Governing Council of the ECB decided in November 1998 to adopt the term “Eurosystem” for both the ECB and those national central banks of the Member States whose currency is the euro. This step was taken in order to help the public understand the complex nature of the ESCB and to emphasize that these are the instruments used/implemented by the ESCB in order to carry out its tasks. The Treaty of Lisbon introduced the term into the primary law of the Union.44 The ESCB as such has no legal personality and consists of no organs on its own. It is governed by the decision-making bodies of the ECB:45 the Governing Council and the Executive Board of the ECB and temporarily the General Council, for as long as this body exists. b) The European Central Bank Since the euro was designed to be the official currency of the EU, the ECB is an institution of the EU46 and not a separate autonomous entity under European law,47 not a “community” of its own.48 Whether or not it is an “organ” of the EU 42

Article 127 para. 2 first indent; Article 282 para. 1 phrase 2 TFEU. Article 282 para. 1 TFEU. 44 Article 282 para. 1 phrase 2 TFEU. 45 Article 129 para. 1; Article 282 para. 2 phrase 1 TFEU. 46 ECJ of 10 July 2003 C-11/00, in: Europarecht 2003, p. 847 (870); Dutzler (2003), p. 86: “It [the ECB] is hence, in spite of its separate legal personality and its independence, not a third party to the Community, but an instrument of the Community set up to achieve one of its objectives”; Kempen (2003), Article 107 no. 4; Gaitanides (2005), p. 52; Häde (2011), Article 282 TFEU no. 38; implicitly: Torrent (1999), p. 1230; Amtenbrink and de Haan (2002), p. 73 et seq. 47 Favoring the classification as an independent and separate entity under European law, however: Weber (1998), p. 1465 et seq.; Zilioli and Selmayr (1999), p. 285; (2000), pp. 621, 643; (2001), p. 19; critical: Häde (2002), p. 921; (2006), p. 1605 et seq. 48 This is the wording of Selmayr (1999), p. 2433 et seq. 43

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is a question of minor importance49 even if the use of the term “organ” in the German version of the Lisbon Treaty raised some concern at the Bundesbank.50 However, this is merely a misleading translation51 considering that both the English and the French version use the word “institution”.52 The ECB has legal personality53 and enjoys the most extensive legal capacity accorded to legal persons under the respective national laws of each Member State. It has been awarded all the privileges and immunities that are necessary to carry out its tasks. The powers and authorities of the ECB are not delegated. They are directly derived from the Treaty. So the system is not simply one of the many European agencies which are derived from secondary law of the Union and which are ultimately responsibly to the Commission.54 At its inception, the ECB was not mentioned in the former Article 7 TEC which contained a list of the institutions of the Community. Instead, it had a separate legal basis in the Treaty. The Lisbon Treaty changed this and lists the ECB now among other institutions in Article 13 of the Treaty on the European Union (TEU). The ESCB as a whole has retained, however, a separate legal basis.55 The ECB was originally endowed with a capital of A 5000 million.56 The sole subscribers and holders of the capital are the national central banks and not the Member States.57 The capital can be augmented by the bank up to a sum authorized by the EU Council in advance. Already in 2000 the Council granted authority to increase the capital by up to A 5000 million.58 This authorization was used on 15 December 2010. The capital of the bank does not, however, serve the same function as equity in commercial banks as the ECB essentially is a government 49

See Fang (2006), p. 95 after discussing extensively the question. Deutsche Bundesbank (2003); less skeptical of the ECB: Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 19 September 2003, Official Journal C 229, 25 September 2003, pp. 7–11. 51 Siekmann (2005), p. 50 et seq. 52 Article 13 para. 1 TEU; part 6, title I, chapter 1 TFEU. 53 Article 282 para. 3 phrase 1 TFEU. 54 A comprehensive list is given by Calliess (2011), Article 13 TEU, no. 38; see extensively Fischer-Appelt (1999), Görisch (2009). There are in fact growing legal concerns about agencies which shall be granted independence solely on the basis of secondary law like regulatory bodies for the energy market, Article 35 sec. 4 Directive 2009/ 72/EC of the European Parliament and the Council of 13 July 2009, Official Journal L 211, 14 August 2009, p. 55 – electricity; Article 39 sec. 4 Directive 2009/73/EC of the European Parliament and the Council of 13 July 2009, Official Journal L 211, 14 August 2009, p. 94 – natural gas; Regulation (EC) 714/2009 of the European Parliament and of the Council of 13 July 2009, Official Journal L 211, 14 August 2009, p. 15. 55 Article 282 para. 1 TFEU. 56 Article 28.1. of the Statute. 57 Article 28.2. of the Statute. 58 Regulation 1009/2000 of 8 May 2000. 50

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entity with a special status, and it has the privilege to produce the money needed to pay back its (internal) debt. Capital adequacy rules are not applicable. The internal structure of the ECB is in principle formed by three bodies: the Governing Council, the Executive Board, and the General Council. (1) Governing Council The Governing Council of the ECB is made up of the members of the Executive Board of the ECB and the governors of the national central banks of the Eurosystem. It has to meet at least ten times a year. The current frequency is twice a month; usually on the first and third Thursday of each month. The President of the EU Council and a member of the EU Commission are entitled to attend the meetings but without a right to vote. The Governing Council’s tasks are of utmost importance to the ESCB. The Statute empowers it inter alia to formulate the monetary policy, adopt guidelines and take decisions necessary to ensure the performance of the ESCB’s responsibilities. The Governing Council takes into account the implications for the euro area as a whole when it makes decisions. (2) Executive Board The Executive Board is composed of the President and the Vice-President of the ECB and four other members. They are selected “from among persons of recognized standing and professional experience in monetary and banking matters” and are appointed by the European Council, acting by a qualified majority, on a recommendation from the Council, after it has consulted the European Parliament and the Governing Council of the European Central Bank.59 The board generally meets once a week. (3) General Council The Treaty on the Functioning of the European Union (TFEU) refers only to two decision-making bodies of the ESCB: the Governing Council and the Executive Board. Nonetheless, the General Council is the third decision-making body of the ECB. It had been constituted only as a temporary body, until all EU Member States have adopted the euro. It consists of the President and the Vice-President of the ECB and the governors of the national central banks of all EU Member States. The other members of the Executive Board, the President of the EU Council and a member of the EU Commission are also allowed to attend the meetings but do not have voting rights. c) The national central banks Within this framework the national central banks are of a double nature. They are created by national law and are subject to national law. Simultaneously they are integral parts of the ESCB.60 In this capacity they are (partially) a European 59

Article 11.2. subpara. 1 Statute. Article 14.3. Statute; on their status and integration in the ESCB: Zimmermann (2000), p. 5 et seq.; Dziechciarz (2009). 60

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institution as well. They are instruments in the hands of the ECB to discharge its duties and have to follow its instructions. In this capacity, they participate in all immunities and privileges which the law of the Union provides for the ESCB. On the other side, they exert substantial influence on the ECB as the heads or governors of the national central banks are members of the Governing Council of the ECB. The national central banks of the countries which have not introduced the euro are also members of the ESCB, but, in comparison to the countries that have adopted the euro, they have a special status. These national central banks have retained their monetary sovereignty, which implies that they are still responsible for the national monetary policy whilst they are excluded from taking part in the core activities of the Eurosystem. Even though they do not carry out the primary functions of the Eurosystem, they are committed to the principles of price-stability-oriented monetary policy. Additionally, they are bound to work closely with the Eurosystem in several areas, e. g. statistics. The institutional forum for this cooperation is the General Council. 2. Price Stability as Primary Objective The Monetary Union was designed to be a community rooted in stability. Stability was initially interpreted in terms of price stability alone. Hence, price stability was set as a superior goal for the new monetary system in all legal documents. Financial stability in a wider sense played only a marginal role.61 Price stability is laid down as one of the governing principles of the Union in Article 3 para. 3 subpara. 1 of the TEU. With regard to the Monetary Union, it is confirmed at various places in the TFEU, i. e. not only as one among other goals but in fact as its primary objective. To underline the importance and priority of this objective the chapter on monetary policy begins with the phrase: “The primary objective of the European System of Central Banks . . . shall be to maintain price stability.” 62 Only without prejudice to this primary objective, the ESCB shall also support the general economic policies of the Union with regard to contributing to the objectives of the Union as laid down in Article 3 of the TEU.63 In addition, it shall act in line with the principle of an open market economy with free competition. 61 It is mentioned in Article 127 para. 5 TFEU as an objective the ESCB shall contribute to: “The ESCB shall contribute to the smooth conduct of policies pursued by the competent authorities relating to the prudential supervision of credit institutions and the stability of the financial system.” 62 Article 127 para. 1 phrase 1 TFEU, restated in Article 282 para. 2 phrase 2 TFEU. 63 Article 127 para. 1 phrase 2 TFEU, restated in Article 282 para. 2 phrase 3 TFEU.

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The term “price stability” in the legal documents is generally interpreted in the sense of consumer price stability.64 This is explicitly done by the protocol on the convergence criteria.65 Consumer price stability is generally measured by the harmonized index of consumer prices (HICP) calculated by the European office of statistics (ESTAT).66 Asset prices and their tendency to form bubbles were not envisaged by the framers of the Treaty. 3. Tasks and Powers The ECB is entrusted with carrying out the central banking functions for the euro. It commands all the powers necessary to fulfill this task. The banknotes issued by the Eurosystem are the only such notes to have the status of legal tender within the Union.67 Member States may, however, issue euro coins. They may be regarded as modified “national” means of payment.68 The right of governments to issue coins has been an old tradition even in countries with a central bank which is granted guaranteed independence and a centralized money creating power. There is no material justification to continue with this tradition.69 The profit for the treasury from minting coins is an insufficient reason. However, prior approval by the ECB is necessary to prevent undue interference with its monetary policy.70 Moreover, the ESCB has to carry out four main tasks. These are: – to define and implement the monetary policy of the Union, – to conduct foreign-exchange operations (which have to be consistent with an international foreign-exchange system in case this has been set up),

64 Endler (1998), p. 65 et seq. with comprehensive discussion of the various alternatives and concepts; Gaitanides (2005), p. 20; Siekmann (2011a), Article 88 no. 29; Blanke (2010), Article 88 no. 67; Häde (2011), Article 127 TFEU no. 3; too vague Herdegen (2010), Article 88 no. 30. 65 Protocol (No. 13) on the convergence criteria, Official Journal C83, 30 March 2010, p. 281. 66 The office has the rank of directorate general of the Commission and is attributed to the Commissioner for administration, audit and fraud prevention. It is not entrenched in the primary law of the Union and has not been awarded a guaranteed independence. Solely in a “practical arrangement” on the “working relations” between the office and the members of the Commission, cabinets and services certain freedoms have been acknowledged (agreement between the competent commissioner, Olli Rehn, and the director general – DG ESTAT – Walter Radermacher of 11 May 2010). 67 Article 128 para. 1 phrase 1 and 2 TFEU; repeated in Article 282 para. 3 phrase 3 TFEU with no additional meaning, see Häde (2011), Article 282 TFEU no. 43. 68 Seiler (2004), p. 67. 69 Siekmann (2011a), Article 88 no. 20. 70 Article 128 para. 1 phrase 2 TFEU.

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– to hold and manage the official foreign reserves of the Member States, – to promote the smooth operation of payment systems.71 Although the tasks have been assigned explicitly to the ESCB, at least the monetary policy is performed as a task of the Union. This can be easily derived from the superscription of that part of the Treaty, “union policies and internal actions,” as well as the wording in Article 127 para. 2 first indent TFEU.72 It should, however, be considered that in effect not the entire ESCB is carrying out these tasks but mainly the Eurosystem.73 The monetary policy is adopted by the Governing Council of the ECB. The Executive Board of the ECB gives instructions to the national central banks in order to implement the monetary policy of the Governing Council. The authority to define and implement the monetary policy of the Union allows the ECB to exert a dominant influence on money market conditions and money market interest rates. Regarding the powers and competences of the ECB, the primary law of the EU strictly separates monetary policy from economic policy (including fiscal policy).74 Only under carefully elaborated provisions and to a very limited extent can the ECB act outside the described basic tasks: it shall contribute to the prudential supervision of credit institutions and the stability of the financial system, but only to the conduct of policies pursued by the competent authorities.75 This is a merely ancillary function. The tasks remain with the “competent authorities”. Additional competences or powers are not conferred by these clauses on the ECB. The Council may, however, confer “specific tasks” upon the ECB concerning policies relating to the prudential supervision of credit institutions and other financial institutions with the exception of insurance undertakings.76 The ECB may also submit opinions to the appropriate Union institutions, bodies, offices or agencies or to national authorities on matters in its fields of competence.77 All of these carefully designed provisions would be superfluous if the ECB could act beyond its basic tasks as laid down in Article 127 para. 2 TFEU. This shows that the ECB does not have competences to act as “lender of last resort” for credit institutions (banks) or even more so for governments. The support of failing banks or banking systems – aside from providing temporary li71

Article 127 para 2. TFEU. Häde (2011), Article 127 no. 11. 73 The Article was designed on the premise that eventually all Member States would introduce the euro and there would be no significant difference between the Eurosystem and the EU. 74 Chapter 1 “Economic Policy” and Chapter 2 “Monetary Policy” of Part three, Title VIII TFEU. 75 Article 127 para. 5 TFEU. 76 Article 127 para. 6 TFEU. 77 Article 127 para. 4 subpara. 2 TFEU. 72

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quidity to basically solvent banks – is beyond its mandate and powers. As part of economic policy, the primary law has reserved it to the Member States.78 It also shows that the ECB has no competences of its own in the fields of financial stability and prudential supervision; it may only support measures of the competent authorities. This is also one of the reasons why the tasks of the ECB within the framework of the new European Systemic Risk Board (ESRB) have to be limited and the Board itself does not have sovereign powers.79 The ECB does not have to fulfill all its duties by own personnel. It can use the national central banks as its “executive arm”.80 As a result, some of the day-today work is performed by the national central banks. This includes the purchase of “sovereign” bonds and private debt instruments, as in the covered bond program. The legal ownership of these instruments might be essential in case of a default. Also the respective liabilities in this case are an open and not sufficiently scrutinized issue. The primary law explicitly approves that both the ECB and the national central banks may in fact issue euro banknotes,81 but the exclusive responsibility for the material decisions remains with the ECB. To carry out the tasks entrusted to the ESCB, the ECB has been granted the power to adopt regulations, take decisions, and make recommendations and deliver opinions.82 IV. Safeguards for Procuring Stability of the Euro Looking at the overall picture, a host of safeguards can be pinpointed which were included in the Maastricht Treaty to ensure that the Monetary Union would be a space of stability not only at its beginning but in fact on a permanent basis. To ensure this lasting stability several carefully designed measures were implemented: – high admission standards, – far-reaching and absolute independence of the monetary institutions, – no financing of the public sector by the ECB, – no privileged access of the public sector to financing, – strict fiscal discipline, – no liability for the public sector of a Member State.

78 79 80 81 82

For the interdiction of support of Members States, see infra 6.4.2. Siekmann (2012), pp. 156, 159–163, 204. Siekmann (2011a), Article 88 no. 44. Article 128 para. 1 phrase 2 TFEU. Article 132 para. 1 TFEU.

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The design of the Monetary Union as a permanent community of stability (Stabiltätsgemeinschaft) was a major aspect for the Federal Constitutional Court of Germany to accept the Maastricht Treaty and the introduction of the euro as constitutional.83 1. High Admission Standards Although the single currency was originally designed to become the currency of the European Union, it was soon realized that this could not be achieved in one step as the number of members of the Union had rapidly grown. With the growing number, the Union had become increasingly heterogeneous. To achieve the desired minimum homogeneity among the participants of the single currency, restrictive admission standards were set up. A high degree of “sustainable convergence” was required. This convergence is assessed by four criteria: – the achievement of a high degree of price stability, – the sustainability of the government’s financial position, – normal fluctuation of exchange rates within the European Monetary System, – the convergence of long-term interest-rate levels.84 These criteria were specified in a protocol pertaining to the Maastricht Treaty,85 which is part of the Treaty and belongs to the primary law of the Union.86 They were (later) often referred to as the “Maastricht criteria”. To avoid confusion with the criteria for an admissible budget deficit, they should be referred to as “convergence criteria” as in the official wording.87 However, the convergence criteria are only reference values.88 The primary law leaves some space for discretion on the part of the deciding bodies. This space was used namely in the case of Italy, Belgium, and later also Greece. All Member States were originally expected to adopt the euro at one point in the future once they fulfilled the convergence criteria. Even though the Treaty of 83 BVerfGE 89, 155 (200, 204): “The Treaty on the Union regulates the Monetary Union as a community lastingly committed to stability and specifically guaranteeing monetary stability.” “This concept of the Monetary Union as community of stability (“Stabilitätsgemeinschaft”) is foundation and object of the German act of assent” (p. 205); confirmed by BVerfGE 97, 350 (370). 84 Article 140 para. 1 phrase 3 TFEU. 85 Protocol (No. 13) on the convergence criteria, Official Journal C83, 30 March 2010, p. 281. 86 Article 51 TEU: “The Protocols and Annexes to the Treaties shall form an integral part thereof.” 87 See note 85. 88 The German Federal Constitutional Court, however, judges them as binding basis for the consent of Germany to the Treaty, BVerfGE 89, 155 (202 f.); see also Hartmann (1996), p. 135 et seq.

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Lisbon has diluted this requirement to a certain extent, as it has led to the “official” recognition of two groups of Member States,89 the initial expectation is still valid. 2. Independence of Monetary Institutions An important feature of the ESCB is its independence.90 The ECB and the national central banks must not seek or take instructions from EU institutions or bodies, from any government of an EU country or from any other body when exercising powers or carrying out tasks conferred upon them by the Treaties and the Statute of the ESCB.91 This independence is granted not only to the respective bodies but also to their members. This has also been explicitly stated with regard to the members of the decision-making bodies of the national central banks.92 Especially the latter aspect is crucial for judging the legality of the pressure put on a member of the board of the Bundesbank recently by the president of the Republic and its chancellor. It is an open question, however, whether the guarantee also covers activities by the ECB or the national central banks in banking supervision. The independence is usually broken down into personal independence and material independence.93 Personal independence denotes a fixed tenure for governors of the national central banks and members of the Executive Board of the ECB. A minimum term of five years for governors94 and a non-renewable term of office of eight years for members of the Executive Board95 are demanded by EU law to strengthen their position. With regard to the members of the Executive Board, the Treaty allows a removal from office only if a member “no longer fulfills the conditions required for the performance of his duties or if he has been guilty of serious misconduct.” However, this cannot be done as a type of “actus contrarius” by the EU Council. Only the European Court of Justice may – on application of the Governing Coun89 Part three, Title VIII, Chapter 4: Provisions specific to Member States whose currency is the euro; Article 139: “Member States in respect of which the Council has not decided that they fulfill the necessary conditions for the adoption of the euro shall hereinafter be referred to as ‘Member States with a derogation’.”. 90 Accepted by the German Federal Constitutional Court as in accordance with the democratic principle, BVerfGE 89, 155 (172, 181, 208); see in depth: Dutzler (2003), pp. 88–109; Gaitanides (2005), pp. 199–279; Siekmann (2005), p. 40 et seq. 91 Article 130 phrase 1 TFEU. 92 Article 130 phrase 1 TFEU: “[. . .] nor any member of their decision-making bodies [. . .]”. 93 More subdivisions of various kinds are explicated by scholars; see the overview at Siekmann (2005), pp. 8–15; Gaitanides (2005), pp. 45–135; (2007), Article 88 no. 59 et seq. 94 Article 14.2 subpara. 1 Statute. 95 Article 283 para. 2 subpara. 3 TFEU.

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cil or the Executive Board – “retire” such a member compulsorily.96 A removal from office or any pressure in this direction is illegal, as shown in the present case of the Italian member of the Board, Lorenzo Bini Smaghi. A voluntary resignation may be in compliance with this rule. However, if a resignation at halftime has been agreed upon in advance, as e. g. in the case of the first president of the ECB, Willem Duisenberg, legal doubts remain. Nonetheless it is not binding.97 The law of the European Union provides no respective general clause for the members of the governing bodies of the national central banks as they are basically governed by the respective national law. Yet, it provides a minimum standard that a governor may be relieved from office only if he “no longer fulfills the conditions required for the performance of his duties or if he has been guilty of serious misconduct.” 98 An action of the national judiciary is not a prerequisite of the EU law. However, “a decision of this effect may be referred to the Court of Justice by the Governor concerned or the Governing Council.” 99 No rules were set up for other members of the governing bodies. This reluctance in regulating the interior composition of the national central banks is plausible but raises serious concerns in view of the independence of the Governing Council of the ECB, which takes the crucial decisions on monetary policy and decides far-reaching questions e. g. the legally and economically highly problematic purchase of sovereign debt, euphemistically named “quantitative easing”. At least in some Member States, like Germany, all tenured civil servants can be removed from office by court action and on very limited grounds only; not to mention judges and members of courts of audits, who enjoy a constitutionally guaranteed independence like all parts of the ESCB. This was widely ignored during the recent excitement about a member of the board of the Bundesbank and some years ago about an alleged misconduct of a president of the Bundesbank. Neither the president of the Republic nor the government in Germany have the right to remove an official from office, regardless of what he has committed; also not on the proposal of the Bundesbank. A court action is indispensable. Material independence indicates that the ECB and the national central banks can freely and uninterruptedly employ all competences and instruments that are necessary for the conduct of their duties. They are to be free to perform the monetary policy in a way they deem suitable. They are authorized to decide how and when to use their instruments without any undue influence from the EU institutions, national government bodies or private institutions. Any kind of pres96

Article 11.4 Statute. Heun (1998), p. 874; Kempen (2003), Article 108 TEC no. 11; Häde (2011), Article 130 TFEU no. 27. 98 Article 14.2 subpara. 2 phrase 1 Statute. 99 Article 14.2 subpara. 2 phrase 2 Statute. 97

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sure is a breach of that guarantee.100 Even the mere attempt to exert pressure is illegal,101 regardless of whether from a governmental or private body.102 3. No Financing of the Public Sector by the ECB Any type of credit financing of the Union or the Member States by the ECB or by a central bank of a Member State is strictly prohibited. This prohibition is absolutely comprehensive. It holds not only for the Union and central governments but also for all other bodies, offices or agencies, regional, local or other public authorities. It includes all other bodies governed by public law and public enterprises.103 An exception is only made for those publicly owned credit institutions which can be given the same access as other commercial banks.104 In order to secure this interdiction, the ECB and the national central banks may not purchase any debt instruments issued by the public sector. This specifically covers government bonds. However, only the “direct” purchase is forbidden. In this way the Eurosystem is enabled to intervene in the markets so as to procure their proper functioning. In no way was it intended to open a back door for an (indirect) financing of governments. The secondary law puts it plainly and unmistakably: “purchases made on the secondary market must not be used to circumvent the objectives of that Article.” 105 It is only allowed “in the context of monetary policy operations”.106 As a result, what is euphemistically and misleadingly called “monetizing” of public debt might be allowable for the Federal Reserve System of the U.S. but is clearly illegal for the ECB. Bearing this in mind, the purchase of government bonds started by the ESCB in early summer 2010 was not without a legal risk from the very beginning. The longer it lasts, the more it becomes legally questionable as the proper functioning of the markets can hardly any longer be used as a justification. So it is not a

100

ECJ, C-11/00, margin number 134. Article 130 phrase 2 TFEU. The English version of the Treaty is in this point, however, not so clear as the German version which explicitly bans the attempt (“[. . .] nicht zu versuchen [. . .]”); see also Endler (1998), p. 410 et seq.; Kempen (2003), Article 108 no. 5; Kämmerer (2003), Article 88 no. 27; Siekmann (2011a), Article 88 no. 54. 102 Louis (1998), p. 43. 103 Article 123 para. 1 TFEU. 104 Article 123 para. 2 TFEU. 105 Regulation no. 3603 of 13 December 1993 specifying definitions for the application of the prohibitions referred to in Articles 104 and 104b(1) of the Treaty, Official Journal L 332, 31 December 1993, p. 1, recital p. 1. 106 Hahn (1991), p. 807, from the time of drafting the clause; Heun (1998), p. 875: “unlimited and compulsory interdiction of central bank credits”; Kempen (2003), Article 101 EGV no. 5: only for purposes of open market policy. 101

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question of the structure of the balance sheet of the ECB when it demands that the support of some of the Member States with debt problems by the ESCB has to be terminated immediately and other instruments, like a (permanent) European Support Mechanism or Monetary Fund107 is used instead. Nevertheless, despite all legal concerns, the ECB and the national central banks of the Eurosystem resumed the bond buying program in July 2011 and expanded it considerably in size and scope, also now acquiring debt instrument issued by Italy and Spain. 4. No Privileged Access of the Public Sector to Financing In a similar manner, any privileged access to financial institutions by Union institutions, bodies, offices or agencies, central governments, regional, local or other public authorities, other bodies governed by public law or public enterprises is strictly prohibited as well.108 This prohibition is necessary as experience shows that governments prefer to put pressure on the banking system of their country to finance their budgetary deficits, as in the case of Greece. This might be especially true when banks are owned or controlled by government entities. Such a practice increases the danger of contagion and puts additional pressure on the ECB to assist banks as “lender of last resort”, thus indirectly financing governments and government entities. 5. Strict Fiscal Discipline a) Primary law The primary law requires the “sustainability” of the fiscal policy and thereby offers a rudimentary guideline for the long-term budgetary policy. It declares “the sustainability of the government’s financial position” to be the essential criterion for sustainable convergence in the framework of the economic and monetary union.109 Even if this clause is part of the transitional provisions it can be used as a basis for interpretation of the permanent requirement that “Member States shall avoid excessive government debts”.110 The United Kingdom diluted this clause to some extent in that it promised only to “endeavour to avoid an excessive government deficit”.111 The compliance with budgetary discipline has to be monitored by the Commission and the Council on the basis of two reference values: the ratio of the 107 108 109 110 111

Infra, Section VI. 4. c). Article 124 TFEU. Article 140 para. 1 indent 2 TFEU. Article 126 para. 1 TFEU. No. 5 of Protocol (No. 15) (supra note 20).

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planned or actual government deficit to gross domestic product and the ratio of government debt to gross domestic product.112 The reference values are specified in the protocol (No. 12) on the excessive deficit procedure added to the Maastricht Treaty and pertained in the TFEU.113 They read as follows: – 3% for the ratio of the planned or actual government deficit to gross domestic product at market prices; – 60% for the ratio of government debt to gross domestic product at market prices.114 These reference values are part of the primary law of the Union.115 They are quite frequently referred to as “Maastricht criteria”. This might cause confusion as the admission criteria mentioned above are also called “Maastricht criteria”. For this reason it should always be made clear which criteria are meant and the latter should be called “convergence criteria”. The monitoring and enforcement of the rules has to be achieved in a complex interaction of the Commission and the Council.116 They may result in admonition and recommendations.117 If a Member State persists in failing to put into practice the recommendations, sanctions may be imposed which may eventually entail a non-interest-bearing deposit with the Union or a “fine of an appropriate size”.118 In essence, both the procedural and the substantial rules for enforcing the requirement of permanent budgetary discipline are laid down in the primary law of the Union. However, really effective sanctions have not been embodied. Specifically an exclusion of a Member State from the Eurozone is not foreseen and would be illegal.119 In addition, substantial discretionary power remains with the political bodies. b) Stability and Growth Pact At the point of initiation of the Monetary Union, serious concerns were already raised that the procedure provided in the primary law seemed to be too tedious and – above all – the political determination seemed to lack possibilities to impose appropriate sanctions.120 Definitions and specifications of the rules on 112

Article 126 para. 2 TFEU. Protocol (No. 12) on the excessive deficit procedure, Official Journal C83, 30 March 2010, p. 279. 114 Article 1 of the protocol. 115 Article 51 TEU. 116 Article 126 paras 2–13 TFEU. 117 Article 126 paras 7–9 TFEU. 118 Article 126 para. 11 subpara. 1. 119 Kirchhof (1994), p. 72; probably also Herrmann (2010), p. 417. 120 Zeitler (1995), p. 1611. 113

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government debt and deficits and the deficit procedure had been provided for by the secondary law of the Union but no reduction of the scope of discretion was imposed for the purpose of imposing sanctions.121 It was mainly Germany which demanded a “stability pact” preferably with automatic sanctions.122 This would, however, have been barely compatible with the discretionary powers granted to the Commission and the Council through the primary law. A separate treaty – complementing the provisions in the TEC on the Monetary Union – would also have been questionable from a legal point of view.123 Changing clauses of the primary law of the Union cannot be accomplished this way: Supplementing them in fields which do not yet fall into its competences or which have been left explicitly open to further accords is admissible124 but of limited effectiveness. That is the reason why the somewhat awkward type of pact at the level of secondary law was finally realized. Ultimately the so-called Stability and Growth Pact (SGB) was set up by secondary law of the Union. The SGP is not a contract in the common understanding of the word. The term “pact” was retained to emphasize the underlying political consensus125 even though the term is used in other legal acts of the European Union in the strict sense of the word. It can be taken as a reminiscence of the initially discussed separate treaty. This has been the cause of some confusion among the not so well informed public. Technically the pact consists of one resolution of the European Council,126 which is not binding, and two – binding – regulations of the Council. One contains mainly substantive provisions127 and the

121 Council Regulation (EC) No. 3605/93 of 22 November 1993 on the application of the Protocol on the excessive deficit procedure annexed to the Treaty establishing the European Community, Official Journal L 332, 31 December 1993, p. 7; amended several times, codified version: Council Regulation (EC) No. 479/93 of 25 May 2009, on the application of the Protocol on the excessive deficit procedure annexed to the Treaty establishing the European Community, Official Journal L 145, 10 June 2009, p. 1; Council Regulation (EC) No. 3603/93 of 13 December 1993 specifying definitions for the application of the prohibitions referred to in Articles 104 and 104b(1) of the Treaty, Official Journal L 332, 31 December 1993, p. 1. 122 A “Stabilitätspakt für Europa” was presented by the German Minister of Finance on 10 November 1995; see for details Palm (2000), p. 44 et seq., 142; Häde (2006), p. 139; extensively to this and the origins of the Stability and Growth Pact Hentschelmann (2009), p. 205–85. 123 Smits (1997), p. 85; Häde (1996), p. 140. 124 Häde (1996), p. 142. 125 Explicitly expressed in recital no. 2 of both regulations, infra notes 127 and 128. 126 Resolution of the European Council on the Stability and Growth Pact, Amsterdam, 17 June 1997, Official Journal C 236, 2 August 1997, p. 1. 127 Council Regulation (EC) no. 1466/97 of 7 July 1997 on the strengthening of the surveillance of budgetary positions and the surveillance and coordination of economic policies, Official Journal L 209, 2 August 1997, p. 1; amended by Council Regulation (EC) no. 1055/2005 of 27 June 2005, Official Journal L 174, 7 July 2005, p. 1.

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other mainly procedural rules.128 The resolution contains a multilateral promise to achieve an almost balanced budget in the medium range. The regulations are part of the secondary law of the Union. Regulation 1466/ 97 was based on Article 99 para. 5 TEC and contains an early warning system and the obligation of the Member States to provide a stability program. It is now often named the “preventive part” of the pact. Regulation 1467/97 was based on Article 104 para. 4 TEC and attempts to speed up the procedure and to clarify it in case of an unsustainable deficit. It is called the “dissuasive” or “corrective” part of the pact. It governs the excessive deficit procedure (EDP). Mainly on behalf of France and – ironically – Germany, these regulations were amended in 2005129 when France and Germany failed to comply with the reference values. Those amendments left the reference criteria untouched, since they are part of the primary law of the Union,130 but allowed taking more circumstances into account to excuse a failure to meet them. Discretionary powers were extended. Procedural provisions were also changed to make it more difficult to adopt sanctions against non-compliant Member States. In addition to that, the deadlines for imposing sanctions were prolonged.131 These amendments were preceded by a Council decision not to continue with the deficit procedure against France and Germany, which was later declared not to be in accordance with the European Union law by the Court of Justice.132 Whereas the “convergence criteria” 133 were set up to warrant that only Member States which are sufficiently homogeneous in respect to the rest of the euro 128 Council Regulation (EC) no. 1467/97 of 7 July 1997 on speeding up and clarifying the implementation of the excessive deficit procedure, Official Journal L 209, 2 August 1997, p. 6; amended by Council Regulation (EC) no. 1056/2005 of 27 June 2005, Official Journal L 174, 7 July 2005, p. 5. 129 Council Regulation (EC) no. 1055/2005 of 27 June 2005, Official Journal L 174, 7 July 2005, p. 1; Council Regulation (EC) no. 1056/2005 of 27 June 2005, Official Journal L 174, 7 July 2005, p. 5. On 20 March 2005 the ECOFIN Council had adopted a report entitled “Improving the implementation of the Stability and Growth Pact.” This report was endorsed by the European Council in its conclusions of 22 March 2005 and is now considered by the ECOFIN Council as an “integral part” of the Pact, see the consolidated version of the “Specifications on the implementation of the Stability and Growth Pact and Guidelines on the format and content of Stability and Convergence Programmes,” endorsed by the ECOFIN Council on 7 September 2010, p. 3. 130 Article 51 TEU. It might be argued, however, that they could be modified by acts of the secondary law on the basis of Article 126 para. 14 subparagraph 2 TFEU. The protocol could have been replaced on this basis but remained untouched. The legal validity of the regulation was not affected by this, see Hentschelmann (2009), p. 1207. 131 Severe criticism: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, April 2005, p. 15 (20); Stark (2005), p. 64; Zeitler (2006), p. 235; more reserved: Hatje (2006), p. 604. 132 ECJ, Judgment of 13 July 2004 – C-27/04 (Commission vs. Council), Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, 2004, p. 465; Juristen-Zeitung, 2004, p. 1069 with comment by M. Kotzur; see also Dutzler and Hable (2004); Nicolaysen (2004). 133 Supra Section IV.1.

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area could introduce the euro, the rules on economic stability and on budgetary deficits should guarantee the required “community of lasting stability” that the Federal Constitutional Court of Germany had demanded.134 Beyond the deficit criteria it remained the goal of the EU in the framework of the Monetary Union that the public sector should have an “almost” balanced budget or even a surplus in the medium range to have sufficient leeway for the working of built-in stabilizers.135 6. No Liability for the Public Sector of a Member State Scholarly debates and the media regularly assume the existence of a so-called “no bail-out” clause. This is premature as a complete interdiction of “bail-outs” is not clearly expressed in the Treaties. Specifically, Article 125 para. 1 TFEU only states that the Union and the Member States shall not be liable for the commitments of central governments, regional, local or other bodies governed by public law, or public undertakings of any Member State. Moreover, at least some type of voluntary support is prohibited as neither the Union nor Member States shall “assume” such commitments. The assumption of debt is, however, not identical with financial support of a Member State in need. There is room for interpretation as bilateral payments or credit guarantees must not necessarily be judged as “assuming” a commitment. These rules do not however, apply to Member States of the European Union whose currency is not the euro. In case a “Member State with a derogation” 136 is in “difficulties or seriously threatened with difficulties as regards its balance of payments” the Council can eventually grant “mutual assistance” and “appropriate methods” in this regard.137 In case a “sudden crisis” in the balance of payments occurs the Member State may take the necessary protective actions as well.138 To complete the argumentation, another clause has to be taken into account. Article 122 para. 2 TFEU allows (voluntary) financial assistance under certain, very restrictive conditions: “Where a Member State is in difficulties or is seriously threatened with severe difficulties caused by natural disasters or exceptional occurrences beyond its control” such an aid may be provided. The clause and the wording are the result of a compromise. By using this phraseology the framers of the Treaty still show that they keenly intended limited support pay-

134

Supra Section IV. BVerfGE 89, 155 (200, 202, 204 et seq.); 97, 350 (370, 373,

376). 135 Council resolution (supra note 126), S. 1; Regulation 1466/97 (supra note 127), recital (2); Regulation 1467/97 (supra note 128), recital (3). 136 Terminology introduced by the Treaty of Lisbon, Article 139 para. 1 TFEU. 137 Article 143 para. 1 subpara. 2, para. 2 TFEU. 138 Article 144 para. 1 TFEU.

5. Law and Economics of the Monetary Union

143

ments for specific, extraordinary situations. Also the term “occurrences beyond its control” might be interpreted in different ways. It was inserted later in the course of the framing process of the Treaty as the original version wanted to restrict the aid only to situations of natural disasters. This way any incentive for circumventing the rules should be excluded. The question is, however, whether this is an exclusive provision banning all other types of aid which do not fulfill its prerequisites. A complete interdiction of support apart from that could therefore only be the result of careful legal reasoning considering the totality of Articles 122 para. 2, 143 para. 1, and 144 para. 1 TFEU. The purpose of the clauses is clear: the determination of the Member States to comply with the required budgetary discipline was to be strengthened and lenders were to receive a clear signal that there could be a (potential) risk. In effect, the opinion of legal scholars in Germany on the “constitutionality” of financial support by the Union or its Member States is split.139 7. No Exit from the Monetary Union The Treaty on European Union and the Treaty on the Functioning of the European Union have been concluded for an unlimited period, Article 53 TEU and Article 356 TFEU. The Monetary Union, as an integral part of the European Union, cannot be dissolved or altered without substantially amending the primary law of the Union. The movement of the European Community, as a whole, into the third stage of the Monetary Union was construed to be irreversible140 in order to clarify its institutional stability beyond any doubt. There was no way to leave the Monetary Union, which effectively prevented speculation of market participants against a single Member State.141 This legal position was reaffirmed by the Treaty, which, by introducing Article 50 TEU, opened a way to completely break away from the Union and not just from the Monetary Union.142

139 See for references Herrmann (2010), p. 414 footnote 19; Herrmann is – with some reservations – in favor of constitutionality. Faßbender (2011), p. 800: breach of Article 125 TFEU not justifiable by Article 122 TFEU, p. 802: breach of German constitutional law; also critical, Thym (2011), p. 169. 140 Protocol on the transition to the third stage of Economic and Monetary Union, O.J. C 1992/191/87. 141 Calliess (2011), margin no. 1, with further references to varying opinions. 142 Kirchhof (1994), p. 72; Athanassiou (2009), p. 21; Hahn and Häde (2010), § 26 margin no. 10; in general see also Herrmann (2010), p. 417; Scott (1998), p. 214, deliberating the application of Article 56 of the Vienna Convention on the Law of Treaties which was highly questionable at that time and is unacceptable following the Treaty of Lisbon.

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I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

A Member State leaving the Monetary Union illegally would run into fundamental legal problems, as monetary sovereignty would still rest with the European Union. The lex monetae for all contracts and other transactions would remain with the Union and would have a significant effect on all open claims.143 V. Macroeconomic Surveillance and Common Fiscal Policy Partially as a consequence of its report on intra-euro-area imbalances,144 the Commission submitted a comprehensive “economic governance package” on 29 September 2010, covering three main subjects: – reinforcement of Member States’ compliance with the Stability and Growth Pact, – broadening of economic surveillance to prevent, detect and correct macroeconomic imbalances and divergences in competitiveness, – strengthening of the enforcement mechanisms.145 The measures to prevent and correct macroeconomic imbalances contain 1. an alert mechanism through a scoreboard, 2. a preventive surveillance based on discussions with the Member States and in-depth reviews, 3. an excessive imbalance procedure (EIP) applying to EU Member States, 4. an enforcement mechanism for the euro area members.146 Altogether six legislative proposals for concrete legal instruments were submitted. Two proposals deal with the amendment of the regulations which constitute in essence the Stability and Growth Pact.147 The first is based on Article 121 TFEU, the second on Article 126 TFEU. The regulation on the prevention and correction of macroeconomic imbalances is completely new. It was set up to de143 Detailed analysis by Ernst (2012), p. 49; Scott (1998), pp. 207–28, who seems to consider the legality of an exit. 144 European Commission (2010). 145 MEMO/10/455, 29 September 2010. 146 MEMO/10/454, 29 September 2010. 147 Proposal for a Council Regulation (EU) amending Regulation (EC) No. 1466/97 on the strengthening of the surveillance of budgetary positions and the surveillance and coordination of economic policies, COM(2010) 526 final, 2010/0280 (COD); adopted as Council Regulation (EU) No. 1175/2011 of the European Parliament and of the Council of 16 November 2011, O.J. L 2011/306/12; proposal for a Council Regulation (EU) amending Regulation (EC) No. 146/97 on speeding up and clarifying the implementation of the excessive deficit procedure, COM(2010) 522 final, 2010/0276 (COD); adopted as Council Regulation (EU) No. 1177/2011 of the European Parliament and of the Council of 8 November 2011, O.J. L 2011/306/33.

5. Law and Economics of the Monetary Union

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tect imbalances and to establish a corrective procedure (“excessive imbalance procedure” – EIP).148 The regulation that aims to establish national budgetary frameworks of quality is also new.149 These requirements for the budgetary frameworks of all Member States are based on Article 126 para. 14 TFEU. In particular, they aim to specify the obligations of national authorities to comply with the provisions of Article 2 of the Protocol (No. 12) on the excessive deficit procedure. Two regulations deal specifically with the enforcement of rules: one provides an enforcement mechanism for the budgetary surveillance of the euro area Member States150 and the other deals with the enforcement of actions to correct macroeconomic imbalances in general.151 The effective enforcement of budgetary surveillance is based on Article 136 in combination with Article 121 para. 6 TFEU. Both regulations allow fines not only for excessive deficits but also for exceeding the debt level of the reference values. The discretionary power of the Council is reduced significantly.152 The requested automaticity might be realized indirectly by introducing a “reverse” decisionmaking mechanism (“reverse QMV”). This leads to semi-automatic sanctions, as they are derived directly from the normative rule and can only be stopped by a (“reverse”) decision with a qualified majority. It is assumed that such a majority will be difficult to rally and that sanctions will be the normal case. The package will in the end also contain a “European Semester” (Figure 1) to integrate the multitude of provisions into the national decision-making process. The package clearly contains elements of a common fiscal policy for the Member States and a first step towards macroeconomic guidance. In some respects, it reminds of the “planification” in France and the “global steering” of the economy (Globalsteuerung) which had been attempted in Germany from 1966 148 Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on the prevention and correction of macroeconomic imbalances, COM(2010) 527 final, 2010/ 0281 (COD); adopted as Council Regulation (EU) No. 1176/2011 of the European Parliament and of the Council of 16 November 2011, O.J. L 2011/306/25. 149 Proposal for a Council Directive on requirements for budgetary frameworks of the Member States, COM(2010) 523 final, 2010/0277 (NLE); adopted as Council Directive 2011/85/EU of 8 November 2011, O.J. L 2011/306/41. 150 Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on the effective enforcement of budgetary surveillance in the euro area, COM(2010) 524 final, 2010/0278 (COD); adopted as Regulation (EU) No. 1173/2011 of the European Parliament and of the Council of 16 November 2011, O.J. L 2011/306/01. 151 Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on enforcement measures to correct excessive macroeconomic imbalances in the euro area, COM(2010) 525 final, 2010/0279 (COD); adopted as Regulation (EU) No. 1174/2011 of the European Proposals 522 and 526 final, p. 3. 152 Proposals 522 and 526 final, p. 3.

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I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

Source: European Commission, MEMO/10/456 of 29 September 2010.

Figure 1: The European Semester

onward but had largely failed. On the other hand, it will provide the demanded increase of transparency in the budgetary process of the Member States.153 To overcome the alleged weaknesses, pressure increased in 2011 to amend the rules on fiscal stability of Member States not only at the level of secondary law but also of primary law. Such an amendment of the primary law requires, however, unanimity, according to Article 48 TEU. As the UK refused to cooperate at the meeting of Heads of State or Government on 30 January 2012, a separate “Treaty on Stability, Coordination and Governance in the Economic and Monetary Union”, including a new “fiscal compact”, was agreed on by the European leaders at an informal meeting excluding the UK and the Czech Republic. It was concluded that the Treaty is aimed at strengthening fiscal discipline and introducing more automatic sanctions and stricter surveillance within the euro area, in particular by introducing a “balanced budget rule”. According to the new “fiscal compact” treaty, national budgets are required to be in balance or in surplus, a criterion that would be met if the annual structural government deficit does not exceed 0.5% of nominal GDP. This balanced 153

Burda and Gerlach (2010), p. 66.

5. Law and Economics of the Monetary Union

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budget rule must be incorporated within one year into the member states’ national legal systems, at constitutional level or equivalent. In the event of deviation from this rule, an automatic correction mechanism would be triggered. It will be defined by each member state on the basis of principles proposed by the European Commission.

The Treaty will be formally signed as an instrument of the Law of Nations at the beginning of March 2012 and has to be ratified by the signatory states. VI. Overall Analysis From the beginning, it was an almost relentless mantra of economists that it was not a question of whether the single currency would fail but only when. To their surprise, the technical introduction procedure went smoothly even though it had been judged as challenging. But this did not discontinue their criticism. Each of the following movements of the dollar – euro exchange rate was accompanied by critical comments and the inevitable prediction of the imminent end of the common currency – regardless of whether it went up or down. It never seemed to reach a level which satisfied economic analysts. 1. The “Instrumental” View of the Currency At the various steps of the introduction of the Monetary Union, economists and politicians had debated extensively the “right” path to be taken.154 The “economist” view, which included the majority of German economists, considered the removal of all obstacles to a truly integrated single market as essential.155 The introduction of the common currency would follow almost automatically and was seen as a kind of “coronation” of the economic integration. In contrast, the “monetarist” approach regarded the introduction of the single currency as a tool to enhance (economic) integration. The underlying economic facts and prerequisites for the functioning of a monetary union would play a minor role in this way of thinking.156 For many economists this was “highly questionable.” 157 Even so, the “monetarist” approach appears to have prevailed, especially as fixed dates were set for the start of the single currency. However, economic facts played a strong role in the process. Not a common economic policy was pre154 For an early discussion see Mundell (1961), p. 662, who reduces the analysis finally to the question whether Western Europe can be considered to be a “single region”, defined by internal factor mobility and external factor immobility, which is to his view essentially “an empirical problem”. 155 It was mainly the Bundesbank seconded by the Dutch central bank which insisted that economic union had to precede monetary union, see for details and references including internal papers Marsh (2009), p. 54 et seq. 156 For details see: Szász (1999), p. 9; Issing (2008c), p. 302; Marsh (2009), pp. 39– 41, 53–7. 157 Issing (2008c), p. 302; for an early opposite view see Scitkovsky (1958), chapter 2.

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I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

scribed in the Treaty, but at least strong coordination mechanisms. Not a truly common fiscal policy was installed, but numerical goals for budget deficits were set up, however arbitrary they might be. The vast majority of federal states – with one currency – did not nearly have any similar goals at that time. This is too often ignored in public debates. The admission criteria were almost purely based on economic coherence even if there was room for discretion. The majority of the framers of the Monetary Union, especially political leaders, assigned the Monetary Union and the single currency the “role of a pacemaker towards political union”. Objections were expressed, but mainly from sources which altogether opposed the goal of an evolvement of the European Communities into a federal state.158 Others thought more in the categories of the Werner plan: development into a political union parallel to the introduction of the single currency.159 However, the question remains whether “integration via the Economy” 160 is a viable approach. Especially using the project of a single currency to foster political objectives raises concerns. From an economist’s point of view, it seems hard to perceive how the common currency can promote political unification. Doubts are also expressed that a strong single currency could work as a political prestige project reducing the “might” of the U.S. dollar.161 On the other hand, the modern “fiat” money is always based on political decisions and is tied closely to legal rules enacted by a sovereign.162 It is a creation of the legal system, at least the monetary basis of central bank money.163 As a result, the act of creating a common currency constitutes in itself the formation of a closer political union. Another question is the hope or expectation that additional political objectives may be achieved by using it and by the working of its institutions. 2. The Performance of the Euro When looking at the overall performance of the euro and the ESCB, it has been a great success, both economically and politically. The euro did extremely well during the present financial crisis. The sovereign debt problems of some Member States are predominantly a problem of the Union and of the other Member States if they feel obliged to help but not of the monetary system.164 The U.S. dollar is not endangered because the states of California and Illinois are de facto insolvent and have no legal claim of support by the federal government. An 158 159 160 161 162 163 164

Mainly the then Prime Minister Margret Thatcher, see Issing (2008c), p. 304. Issing (2008c), p. 303 et seq. with many details. Described by Issing (2008c), p. 299 et seq. Skeptical Issing (2008c), p. 303. Mishkin (2004), p. 48. Groundbreaking despite all criticism, Knapp (1905), pp. 53 et seq., 123, 131, 145. Heun (1998), p. 873 et seq.

5. Law and Economics of the Monetary Union

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indicator of the success is also the increase in the number of Member States which have been admitted to the euro from 11 to 17 members. Of course, part of this might be the result of strategic behavior, but costs and benefits for the single member have to be analyzed more in depth. Even among skeptical economists there is little doubt about the performance of the euro as a strong and stable currency, which enjoys worldwide acceptance and is increasingly used as a reserve currency.165 The primary objective of price stability has been fully achieved. The average annual rate of inflation has been below 2 percent (see Figures 2–4). By this, the

Note: Latest observation refers to April 2011 for the US and to May 2011 for the Euro Area. Source: European Central Bank, Monthly Bulletin, June 2011, p. 12.

Figure 2: Overall consumer price inflation (year-on-year percentage changes) 165 Baldwin and Gros (2010), p. 3; comprehensive coverage by the European Commission (2008); see also the contributions in: Bishop et al. (2008).

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I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

Note: Latest observation refers to April 2011. Source: European Central Bank, Monthly Bulletin, June 2011, p. 12.

Figure 3: Consumer price inflation excluding energy and food (year-on-year percentage changes)

official goal of the ECB has been fulfilled. Overall, the euro has performed better in this respect than the German mark which serves as an unofficial benchmark. The external value of the euro has increased for over ten years. Few currencies have appreciated towards the euro during recent years. The exchange rate to the U.S. dollar remains at an almost all-time high, despite the alleged “euro-crisis”. It is of secondary importance whether this outcome (partially) reflects only the weakness of the dollar. The euro has been stable and remained above its fundamental value, which is widely assumed to be between 1.10 and 1.20 USD per euro. (See Figures 5 and 6)

5. Law and Economics of the Monetary Union

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Source: Jürgen Stark, “Staatsschuld und Geldpolitik: Lehren aus der globalen Finanzkrise“, Rede, Münchner Seminare: CES ifo Group Munich & Süddeutsche Zeitung, Munich, 20 June 2011, slide 2 (European Central Bank).

Figure 4: Harmonized index of consumer prices (annual percentage change)

The above should be kept in mind despite the constant criticism from “experts”. Once the exchange rate approaches 1.60, it is allegedly far too high and damages the export sector. As soon as it falls below 1.30, critics assume the end of the euro and a dissolution of the monetary union. The envisaged reduction of transaction costs has also been achieved. Such costs essentially originate from the following sources: transformation of prices into a former currency, procuring and keeping foreign currency, and the risk of exchange rate changes. The latter can, of course, be insured against by means of modern financial instruments but only at a premium. Estimates of the positive effects of the reduced transaction costs run up to 0.5 percent p.a. of additional average growth for the Eurozone as a whole. In addition to that, manifold nonmonetary benefits were created for consumers. Long-term interest rates have been kept low, for some Members of the Eurozone far below the level they had to pay before the introduction of the euro (see Table 1). This is not only due to the introduction of the single currency but that is part of it. Low real long-term interest rates in general lead to a reduction in financing costs and may induce (additional) investments. The low interest rates in the Eurozone have, however, proven to be a mixed blessing. They contributed to the rise of a real estate bubble in Ireland and Spain. What was even more detrimental was that they induced several southern European states to increase their consumptive government spending, financed by credits, to a level which

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Source: European Central Bank, Monthly Bulletin, June 2011, S 73.

Figure 5: Euro effective exchange rates (EER-20) (monthly averages, 1999 Q1=100)

was not sustainable. This is, however, not a flaw of the Monetary Union but rather the result of autonomous political and economic decisions, partially in disregard of EU law. The mere existence of the Monetary Union has been a stabilizing factor in the present crisis. An almost certain run for devaluation with severe destabilizing effects could be avoided. A speculative attack on a small currency is also easier than against a big currency which is widely used. Massive intervention by central banks would not have prevented the collapse of the exchange rate system,166 e. g. in 1969 or 1992 when the dimension of economic and political strains on currencies was far smaller. 166

Issing (2008c), p. 301.

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Source: European Central Bank, Monthly Bulletin, June 2011, S 73.

Figure 6: Bilateral exchange rates (monthly averages, 1999 Q1=100)

3. The Alleged Structural Flaws of the Monetary Union Economists had been critical of the Monetary Union from the beginning. In their view, the European Monetary Union simply could not work, or maybe it should not work.167 Several fundamental structural flaws are emphasized: 1. 2. 3. 4.

unsuitable area for a common currency, lack of a state backing the currency, insufficient political integration, lack of a truly common fiscal policy.

167 See the comprehensive review of the American economic publications on the topic by Jonung/Drea (2009) with the title: “The Euro: It Can’t Happen. It’s a Bad Idea. It Won’t Last”.

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a) Unsuitable currency area In the past, governments had quite often tried to solve budgetary problems by lowering the internal or external value of the currency or both: inflation and/or depreciation. Both mechanisms had regularly not improved the internal economic strength of a country in the long run. The often deep-rooted structural problems could only have been solved by a combined effort of the government and the economic agents. It is usually a painful and long-lasting endeavor, which was not undertaken. In a monetary union, depreciation of the currency is not available anymore and inflation is substantially limited as long as monetary policy follows the primary goal of price stability, as prescribed by the primary law of the Union. In view of this reduction of freedom of choice for governments in the area of a single currency, it can be asked whether the EU has been and is a suitable area for a single currency.168 The theory of optimal currency areas concentrates on regions.169 An optimal area for a currency is a region, defined by internal factor mobility and external factor immobility.170 Later the degree of openness of an economy, the product diversity and the stability of real exchange rates were added. The stability of the real exchange rates eventually became the dominant indicator for the convergence of an area necessary for a common currency.171 Altogether, the emphasis was on the cost side. The benefits of a common currency were taken into account later. They are difficult to assess but can – even in theory – turn the evaluation to the positive. Altogether, it boils down to an empirical assessment,172 but there is no predefined borderline as it is mainly a dimensional rather than a categorical difference. When evaluating the different factors, it must not be forgotten that the introduction of the Monetary Union was primarily a political decision and not an economic development.173 The economic calculation has to be extended by the political benefits derived from such a decision. So a mere economic view is too

168 American economists were almost only focused on the optimal currency area theory, and that in a static way. They mainly did a cost-benefit analysis comparing fully flexible exchange rates with a permanently fixed rate aloof from the real (institutional) setup in Europe. In addition to that, they did not take sufficiently into account the existing factors of political economy in favor of a closer European integration; see Jonung and Drea (2009), pp. 28–30; see also Wilms (1998); Seiter (2002), pp. 176–196 judges the theory as little helpful. 169 Mundell (1961), p. 660. 170 Mundell (1961), p. 661. 171 See the overview in Wilms (1998), pp. 42–6. It is also considered to be the best indicator for both banking crises and currency crises, see Reinhart and Rogoff (2009), p. 381 et seq. 172 Mundell (1961), p. 662. 173 Supra, Section 2.1; acknowledged by Mishkin (2004), p. 49.

5. Law and Economics of the Monetary Union

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narrow.174 This does not, however, imply that economic facts can or should be neglected in a political project with an economic objective or on “economic rails”. Hence, a political project of this kind comes at a cost. The political decision-making bodies have to realize – and some did from the beginning175 – that such a project might lead to specific expenditures that have to be financed by somebody. As a result, the introduction of the single currency and the acceptance of new members have to be judged by the marginal net benefit or net cost of the whole project including all political aspects. Although, once a decision has been taken, the cost-benefit structure changes dramatically compared with the ex ante situation. Table 1 Macroeconomic performance indicators

Source: European Commission, EMU@10, 2008, p. 19.

b) A currency without a state A common criticism had been that it would be impossible – or at least not suitable – to form a monetary union without a political union. As a minimum, a well-coordinated economic policy and a common fiscal policy of the members of the Monetary Union was considered to be indispensable. In effect, it was also contended that a strong central bank needed a counterpart which would speak with one voice. In addition, it was argued that in times of a crisis, a monetary system needed a clear governmental unit to bear the financial burdens of rescue operations – both for private financial institutions and for governments. This assessment is partially due to an outdated understanding of a central bank as a commercial unit which has to keep its balance sheet balanced and might 174 See Jonung and Drea (2009), p. 30. Wilms (1998), p. 49 considers only an import of credibility and of the efficiency of the monetary policy as a benefit on the macro level. 175 E.g. former German President Richard von Weizsäcker, see Issing (2008c), p. 303.

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need fresh capital when its equity is diminished. However, this does not hold for a public law entity which has the right to produce the money with which it can pay its bills. There is no need – other than for monetary policy reasons – to reduce or even pay out its debt with the consequence of a financial burden to distribute. Partially this view is based on an economic theory of the role of a central bank which might be true in the U.S. but is definitely false in the EU: the ECB is by no means allowed to finance any public sector entity. Even exceptional circumstances do not justify such a serious breach of the law. Otherwise common robbery could be justified too. Moreover, from a legal point of view it was stipulated that only a state could have a currency and not a supranational organization such as the European Union.176 For this reason, attempts were undertaken to construe the euro as the currency not of the EU but of a group of sovereign states united to form the currency. However, if the appropriate sovereign powers are transferred to a body governing it, no convincing legal reasons exist why a currency cannot exist without a state backing it.177 Even if the ECB is not considered to be a pillar of the Union but an independent specialized organization of Community law,178 the ECB within the framework of the ESCB can act as a governing body set up by public law based on a treaty. Historically, even full-fledged states have been established by contract, e. g. the Norddeutsche Bund and its successor, the German Reich of 1870, which is often not mentioned. c) Deficits in political integration As early as 1957 J. E. Meade had stated that a monetary union even of the then only six members of the EEC would require a “single European government”. According to his view, “such a government would have to be able to control central-bank monetary policy and governmental budgetary policy throughout Europe.” 179 A closer look reveals, however, that a monetary system is not necessarily tied to a (centralized) political system as long as the free flow of goods, labor, and capital is guaranteed, the monetary institutions are granted sufficient powers and independence from politics, and structural discrepancies are being taken care of.180 This is especially true under the assumption that the monetary system has price stability as its primary objective and no other economic policy 176

See Torrent (1999), p. 1229. Implicitly accepted by Zilioli and Selmayr (2000), p. 643. 178 Zilioli and Selmayr (2000), pp. 621, 643. 179 Meade (1957), p. 388. 180 These are in principle the preconditions Meade (1957) is requiring too and which did not exist in 1957 for the EEC. Only his requirement of one central government is not met but this did not exist with the described powers in federal states. His focus is too much on England, which cannot serve as a role model for federal systems. 177

5. Law and Economics of the Monetary Union

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goals such as growth or employment. It has to be kept in mind that the institutional setup of the Federal Reserve System of the U.S. differs considerably in this respect from the monetary union of the EU.181 However there is a strong call for a political union.182 The deficit of political integration can be specified as an unfulfilled want of an economic and fiscal government. It is a strongly debated question whether the rules of the primary law (Articles 119-26 TFEU) and of the Stability and Growth Pact have to be expanded to create a body which could be called an economic government of the EU. This entity would outline a common economic and fiscal policy and would decide specific questions of common concern. The proposed economic governance package is a step in this direction.183

Source: Jürgen Stark, “Staatsschuld und Geldpolitik: Lehren aus der globalen Finanzkrise“, Rede, Münchner Seminare: CES ifo Group Munich & Süddeutsche Zeitung, Munich, 20 June 2011, slide 12 (European Central Bank).

Figure 7: Debt of general governments (percentage of GDP)

Yet, such a development could also be judged as a danger for the stability of the currency and the independence of the ECB. Instead of changing the rules, the existing rules ought to be obeyed more strictly.184 181

Mishkin (2004), pp. 350 et seq., 413. See e. g. de Grauwe (2010), p. 31. 183 Supra Section V. 184 Issing (2008c), p. 306; strongly in favor of a new institutional framework for the euro area including an amendment of the Stability and Growth Pact, new stability rules for the financial markets, and a European crisis resolution mechanism, Sachverständigenrat (2010), p. 89 et seq. 182

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I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

d) Lack of a common fiscal policy A common fiscal policy is not indispensable for the functioning of a monetary union. Unsustainable budget deficits and debt levels alone do not destabilize a currency. Contrary to widespread belief, there is no direct link between an irresponsible fiscal policy and the monetary system as long as the financing of a fiscal deficit by the central bank is effectively inhibited and an obligation for support does not exist. Effective independence is decisive for this.185 The empirical studies about a contagion between deficit crises and currency crises are usually based on the existence of a national currency, which does not exist in the European Monetary Union.186 It is an open question whether the EU (not the Monetary Union) could withstand the aggregate pressure of media, politicians, financial institutions and speculators when a Member State would not pay its debt, however small it may be in relation to the whole Union. Nevertheless, budget deficits and sovereign debt levels are definitely a good predictor for the solvency of a state in the medium range.187 It is, however, an open question whether the insolvency of a Member State would not be used to put pressure on the institutions of the monetary system, not only through politics but also through the media, which is unwilling or unable to see the difference between a budget problem and a currency problem. In the past, many governments tried to solve their budgetary problems by manipulating the monetary system. However, this cannot simply be assumed to happen in the Monetary Union. Even though these manipulations have a long tradition, there has been a change: they are legally impossible in the European Monetary Union. It would be a clear breach of the law, even under extraordinary circumstances. Yet pressure might be increased on the ECB. So it is prudent to prevent budget crises and the insolvency of a Member State. This could be done through sanctions of the markets which are responsible for an unsustainable deficit. However, markets tend to react (too) late and not always in a rational manner.188 Serious regulatory flaws have also contributed considerably to the malfunction of market forces.189 The lack of a common fiscal policy might also reduce the ability to even out the upturns and downturns in the course of the cyclical movements of the economy.190 Hence, effectively enforced legal norms are perhaps the only way to prevent the insolvency of a state. 185

See already Heun (1998), p. 873 et seq. See the overview in Karb (2006), p. 168 et seq. 187 Karb (2006), pp. 96, 267. 188 This was known already at the time of framing the monetary union: “Report on economic and monetary union in the European Community”, OPOCE, 1989, p. 24; later Beson, in “L’euro dix ans après”, Colloque de la CEDECE, 18 June 2010. 189 Infra 6.4.4. Siekmann (2010), pp. 99, 101. 190 Eichengreen (1994), p. 183 et seq. 186

5. Law and Economics of the Monetary Union

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The norms and the practice, especially the Stability and Growth Pact, allegedly did not fulfill their purpose.191 Usually the debt criteria are used to demonstrate this without taking into account that they are not strict limits but reference values.192 Figure 7 and Tables 2 and 3 demonstrate why it was prudent of the Maastricht Treaty to establish rules about a sustainable fiscal policy of the participating states. This was done to prevent a situation where sanctions of the market (high interest rates, denial of loans) would have to be employed in order to remind a member of the Eurozone of its (legal) obligations.193 The problem is, however, how to force Member States to follow the rules, especially big ones.194 But this is not a specific European problem of the Monetary Union and Germany has faced similar problems inside the German federation for decades. The widespread complaint about the lack of a common fiscal policy reveals some ignorance of the design and working of federal systems. The U.S. constitution does not provide for a common fiscal policy of the members of the federation. In contrast to Germany, it also does not interdict grants of the federal government to the states, conditional or unconditional. Often strings are attached to the grants which allow the federal government to exert considerable influence on the policy, but this is far from a federal equalization system or even a common taxation.195 So far, there is no clear evidence that the great autonomy of the states in the U.S. has adversely affected the functioning of the dollar. Even the long-run discrepancies inside the U.S. have not threatened the stability of the whole system. In essence, the EU appears to have more rules to secure a sound fiscal policy of its members than the U.S. has for its states, at least on a constitutional level; and no fundamental criticism exists that the U.S. dollar cannot work in a federation with so little common economic and fiscal policy. Especially rules on (balanced) budgets are definitely state law and requests for financial aid are turned down by the federal government. Until 2009, the constitution of the Federal Republic of Germany also did not contain a clause restricting debt or deficit of the members of the federation. In 191 Baldwin and Gros (2010), p. 4; Burda and Gerlach (2010), p. 65; Sachverständigenrat (2010), p. 89 et seq.; earlier similarily Feldmann (2003). 192 Baldwin and Gros (2010), p. 5. 193 The governments ought to be exposed to the reactions of the markets on their fiscal policy, see Häde (2009), p. 402. 194 Buti (2007), p. 177; doubting the effectiveness of such rules in general, Eichengreen (1994), p. 176; Wyplosz (2010), p. 35: “sanctions cannot be really imposed on democratically elected governments” citing a former work written together with Eichengreen (in Economic Policy, vol. 26 (1997), pp. 65–114). 195 See Nicholson and Crotty (2008) investigating the impact of fiscal federalism in the U.S. on state taxation.

Note: ESA 79 up to 1994. ESA 95 from 1995 onwards. Source: European Commission, European Economic Forecast, Spring 2011, p. 221.

Table 2: Net lending/borrowing of general governments (percentage of GDP) 160 I. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

(a) Unconsolidated general government debt. For 2010, this implies a debt ratio, which is 0.3pp. higher for the euro area (0.2pp. for the EU) than the consolidated general government debt ratio (i. e. corrected for the intergovernmental loans) published by Eurostat on April 26, 2011. Source: European Commission, European Economic Forecast, Spring 2011, p. 223.

Note:

Table 3: Gross debt of general governments (percentage of GDP)

5. Law and Economics of the Monetary Union 161

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the German constitution only a weak clause had been introduced in 1969 that both the central state (Bund) and its members (Länder) should align their fiscal policy to the requirements of the macroeconomic balance and that for this reason restrictions on borrowing could be imposed by the federation. In addition to that, it could be decreed that reserves were to be built up during an economic upswing which could be spent during a downturn to stimulate the economy. These rules were strictly reserved to fight business cycles and not to cope with structural deficits and they played a minor role in practice. An adverse effect on the stability of the currency could not be noticed. It was not until 2009 that the federal constitution of Germany was amended. For the first time, binding rules on deficits for the states (Länder) were introduced by the central state (Schuldenbremse).196 Until then, the European Union had more legal rules directing the fiscal policy of its Member States than the Federal Republic of Germany, also in comparison to the central government of Germany. This led to the awkward result – and it was one of the reasons for the fundamental changes to the fiscal federalism in Germany in 2009 – that the federal government could legally not force the Länder to avoid “excessive deficits” in order to fulfill Germany’s obligations towards the European Union! The amendments of the German constitution imposing stiffer rules on the Member States of the federation, abolishing the right of the Länder to run a structural deficit beginning with the fiscal year 2020, raised some constitutional concerns. This was due to the fact that it had been an undisputed right of the members of any form of federation to finance part of their budget by borrowing money. Interdicting any structural deficit except in times of disaster might have taken away too much “sovereignty” from the Länder. They would have lost an essential part of their “statehood” or “sovereignty.” This would be a breach of the federal constitution since the amending power is limited in Germany according to Article 79 para. 3 of the federal constitution.197 A case on this question is pending in the Federal Constitutional Court of Germany. A similar problem might arise in the event that the EU is transformed into a federation with similar rules on budgets. In a somewhat enigmatic phrase the German Federal Constitutional Court pointed out that the constitution would not empower the representatives of Germany to enter into a federation and thus “give up the right to self-determination of the German people and its sovereignty according to the law of nations”.198 It added that changing the “identity” of the 196 Article 1 No. 4 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes of 29 September 2009, BGBl. I 2248, amending Article 109 of the federal constitution. 197 New rules imposing rigid limits on the Länder to run a budget deficit are considered to be incompatible with Article 79 para. 3 of the federal constitution, see e. g. Hancke (2009), p. 626. 198 BVerfGE 123, 267 (347 f.) – Lisbon Treaty.

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Union and acting ultra vires could render those acts of the Union inapplicable in Germany. 4. Support of Member States a) Preliminary support mechanisms If the lack of general support mechanisms is considered to be a structural flaw of the Monetary Union, this has been partially mitigated. A support specifically for Greece was organized ad hoc within a few days, followed by an unspecified (general) mechanism a few days later, based on Article 122 para. 2 TFEU. The legality of this procedure is not beyond any doubt, particularly the question of whether or not the prerequisites of that provision are fulfilled. However, the duration of that mechanism has been limited to two years for good reasons. Now a permanent mechanism is being set up including an amendment of the Treaty. On 25 March 2010, the heads of state and government of the Eurozone Member States initially declared themselves willing to support Greece with bilateral loans in addition to assistance from the International Monetary Fund (IMF). On 23 April 2010, Greece applied for the financial assistance offered. At their meeting on 2 May 2010, Member States of the Eurogroup approved loans up to A 110 billion. Individual countries sought to provide a total of A 80 billion under strict lending terms which the IMF was to take over a share of A 30 billion. The aid was basically granted as credit guarantees on a bilateral basis. Greece promised to solve its budgetary problems by a rigorous austerity program with spending cuts, tax rises and an overall reduction in social security benefits. Whether the aid is conform with the principal provisions of the Treaty is questionable. The wording “assume the commitments” in Article 125 para. 1 TFEU would have to be interpreted in a way that new voluntary guarantees by Member States would not be covered. Article 122 para. 2 TFEU could be a basis when considering whether Greece’s financial situation was the result of an “exceptional occurrence beyond the control” of Greece. Only a few days after the rescue operations for Greece, the heads of states and governments of the Member States agreed on 7 May 2010 to set up a support mechanism on a much larger scale for potential financing problems of Member States. The details were further developed by the ministers of finance and economic affairs on 9 May, 2010. It was designed to have an accumulated volume of A 750 billion, distributed among three pillars: – European Financial Stability Mechanism (EFSM) (60 billion) – European Financial Stability Facility (EFSF) (440 billion) – credits by the International Monetary Fund (IMF) (250 billion). The lion’s share of the aid shall be granted in the form of guarantees and not as direct payments. The good credit ratings of most Member States are to be used to

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refinance the outstanding debt at much lower costs than the failing countries could have attained. The whole support mechanism is designed to be only of temporary nature and will terminate in 2013. The European Financial Stability Mechanism (EFSM) is an instrument of the European Union. It is financed from general funds of the Union and administered by the Commission. The regulation authorizing the Commission to take out loans on behalf of the European Union is expressly based on Article 122 para. 2 TFEU,199 which allows for EU assistance in the event of natural disasters and other extraordinary emergencies beyond the control of the receiving country. Whether these conditions are actually present is not certain. By virtue of authorizing this borrowing, the highly controversial eurobonds have essentially already been created: not as a direct obligation of the Member States, but as an obligation of the EU. Not only would Member States of the Eurozone have to vouch for payment of these loans, but ultimately also those Member States who have not (yet) introduced the euro. The European Financial Stability Facility (EFSF) has been designed as a special purpose vehicle to borrow money on the capital markets by issuing debt instruments guaranteed by those Member States not in need. The proceeds are passed on to the member in distress. This way there is no direct aid from Member States or the Union to other members. The volume of guarantees was distributed according to the share each member’s central bank holds of the capital of the ECB. The liability is limited to that fraction. Technically it was set up on 7 June 2010 as a stock corporation under the law of Luxembourg with seat in Luxembourg City. The state of Luxembourg was the only shareholder in order to speed up its creation. The corporation issues bonds which are guaranteed by the various Member States and it was given the desired top rating by the rating agencies.200 The shares of the corporation were transferred to the Member States of the euro group on a pro-rata basis, corresponding to the capital shares each national central bank holds in the ECB. Further details were outlined in a framework agreement, in which the contractual partners committed to dissolve the company on 30 June 2013, intended to ensure that the EFSF is not an institution of the EU. It was nonetheless still not certain whether its function is compatible with the provisions of European Union law. While it does serve the requirement of keeping the EU together, the assistance could still be in violation of Article 125 TFEU, the so-called “no bail out” clause. An argument in favor of the latter contention is that the creators of the Maastricht Treaty intended for each state to bear the consequences of its own fiscal policies. If assistance can be expected as soon as the market’s own sanctioning mechan199 200

Regulation (EU) No. 407/2010 of 11 May 2010, O.J. L 2011/118/1. See for details Louis (2010), p. 973.

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isms begin to kick in – higher interest rates, for instance – there would be little incentive to actually adhere to the required sound budgetary policy. The consequences might threaten the coherence of the monetary union, but also that of the EU as a whole. The example of the US, where the federal government does not bail out states with budgetary problems but has one currency for an economic area that is hardly more homogenous than the Eurozone, shows that a monetary union’s continuation can only be ensured by strict refusal of general budgetary assistance when a Member State of the EU experiences financial distress.201 A “no bail out” policy is essential and has to be taken seriously, as the creators of the Maastricht Treaty were fully aware. Legal concerns were taken so seriously that less than a year later, the primary laws of the EU were amended. The new Article 136 para. 3 TFEU was created, which now allows for financial support – under very strict conditions – from Member States whose currency is the euro. The important aspect to bear in mind is that this permission was not granted to the EU, but to Member States. Even if this clause can either be interpreted as a mere clarification or as a constitutive regulation, it still limits the freedom of Member States to provide assistance. Otherwise its narrow wording would not make sense. Bilateral assistance to Greece and the EFSF was judged to be compatible with German constitutional law by the German Federal Constitutional Court in its ruling of 7 September 2011, with certain reservations. The court made no pronouncement on compatibility with EU law, although there would have been reasons for doing so. Above all, the court underscored observance of the budget autonomy of the German Bundestag. In very general terms, the court considers it to be impermissible for the parliament to transfer its “budgetary responsibility” by means of the “undefined budgetary policy authorizations of other agents.” In particular, “nor is the law to give rise to mechanisms of a financial nature that [. . .] could lead to unmanageable charges affecting the budget in a significant way in the absence of prior constitutive agreement, whether through expenditures or loss of revenues.” Budgetary authorities have to make their decisions “free of external decisions on the part of the bodies of the EU and other Member States of the European Union” and had to remain “masters of their own decisions.” For this reason, no “permanent mechanisms of international law may be established that might in practice amount to liability for the free decisions of other nations.” Yet the court demanded only individual authorization where measures of “great significance in the international or federal context are concerned.” Insofar as 201 Henning and Kessler (2012), pp. 6–16, pointing out that this will almost automatically lead to “balanced budget rules” on the Member State level; see, for the convincing reasons for not introducing a bankruptcy option as an exit for Member States in financial distress, Spiotto (2011), p. 57 et seq. with telling statistics on the fiscal situation of the US and the Member States of the European monetary union (pp. 83–8); Burns (2011), p. 9 on state defaults in the US.

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“supranational agreements are made,” which could be of “structural significance” to German budget laws, not only would each individual disposition require approval by the German Parliament, but the existence of adequate parliamentary influence over the manner in which available funds are treated would also have to be ensured.202 This requirement may only be met by means of a very precise and detailed control of how receiving states manage their budgets on the part of the Federal Republic of Germany as the provider of financial assistance, including the involvement of the German Federal Court of Audit. This explains the ongoing debate over control of the use of assistance funds. The involvement of the IMF in the support program gives rise to several legal questions. The fund was founded for the purpose of avoiding and rectifying imbalances in balance of payments accounts. However, that the financial support of Member States of the Eurozone is primarily aimed at correcting balance of payments divergences is by no means certain. Far more, it is the preservation of the solvency of public authorities that is the main issue. The designated receivers of this assistance share the same currency and have transferred their monetary sovereignty to the EU and its institutions. Yet the IMF is aimed at balancing out divergences between states with different currencies, articles I (iii), V section 2 (a) of the Agreement adopted at the Conference at Bretton Woods, 22 July 1944. b) The support by the ECB In addition to this three-pronged mechanism, the purchase by the ESCB of debt instruments issued by Member States since early summer 2010 has played a considerable and growing role with the result that a major share of the sovereign debt of the supported members or their banks is already held by the ECB. Only a fraction of it is actually bought and held by the ECB. The rest is carefully distributed among the national central banks. A “restructuring” of sovereign debt would now hit the ESCB to a great extent, although the potential size of that loss is hard to gauge as it is unknown at which discount the instruments were purchased. The ECB also accepted government bonds of countries with budgetary problems as corollary – partially in conjunction with handing out credits to banks from countries in need. They in turn hold a large fraction of the sovereign debt of their home country. This could also be regarded as an “indirect” financing of sovereign debt by the ECB. The size of the loss in case of a default is hard to assess as well. However, it can be assumed that the corollary includes a sizable safety margin.

202 Federal Constitutional Court (Bundesverfassungsgericht), Judgement of September 7, 2011 – 2 BvR 987/10, 2 BvR 1485/10, 2 BvR 1099/10 – at no. 125–129, 133 et seq.

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Mid-2011, the ECB and the national central banks of the Member States which introduced the euro resumed their securities market program and expanded it to the sovereign bonds of Italy and Spain. It reached a volume of more than A 210 billion. They also substantially lowered the quality of collateral eligible for securing loans to the banking systems of various Member States with the intention to pass on the proceeds to their respective governments. This indirect financing of sovereigns was intensified on in December 2011 by a three-year tender of A 489 billion at 1 percent interest (LTRO I). This unusual and questionable operation was resumed at the end of February 2012 with additional A 530 billion (LTRO II).203 A repeat of this is scheduled for the end of February 2012. The conduct of the ESCB has given rise to considerable concern. The tasks of the ESCB do not include rescuing insolvent banks, banking systems or sovereign public authorities by direct or indirect means, not even in times of extreme need. The primary law of the EU follows a strict separation of economic policy – including budgetary policy – (chapter 1 of part III, title VIII TFEU) and monetary policy (chapter 2 of part III, title VIII TFEU). This may not be compatible with Anglo-Saxon economic thinking and the legal situation in the US, but it is the law in the European monetary union. No independent economic or financial policy responsibilities were transferred to the ECB and the national central banks of the euro area. It would make little sense to enumerate the “ESCB’s fundamental purposes”, if it were able to assume further tasks in the absence of express authorization. The transfer of further responsibilities to it was rejected when the Maastricht Treaty was drawn up. The only item permitted was a contribution on the part of the “competent authorities” towards the “smooth implementation” of measures taken in the area of “supervision of credit institutions” and “the stability of the financial system.” Nor would a sweeping prohibition on financing the loans of sovereign public authorities make any sense if bonds could be purchased on the secondary market virtually at whim. Eventually this would be a violation of the fundamental principle of limited conferral of competences: “Competences not conferred upon the Union in the Treaties remain with the Member States” (Article 4 and Article 5 para. 2 phrase 2 TEU). The short-term acquisition of debt instruments on the secondary market may be a further monetary policy measure within the permitted open market policy (Article 18.1 of the ESCB and ECB Statute). The ongoing purchase of government bonds can no longer be justified in terms of the requirements of a “monetary policy transmission mechanism” that is allegedly malfunctioning. This applies particularly to cases where bonds are held long-term. Purchasing programs, 203 Tender no. 20110149, settled on 22 December 2011, matures 29 January 2015, volume 489, A 19075 bn. A 489.19 bn; tender 20120034, settled on 1 March 2012, matures 26 February 2015, volume A 529.53 bn.

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which are used to subsidize the interest rates that the market is demanding of solvent Member States down to manageable levels, are no longer monetary policy measures but belong to the realm of fiscal policy, which must be clearly distinguished from monetary policy. The primary laws of the EU unequivocally did not assign the ESCB competence over fiscal and growth policies. Directly or indirectly financing Member States of the EU on the part of the ESCB is, in any event, strictly prohibited. The introduction of a three-year tender in December 2011 was an unusual measure, since the average remaining maturity of loans had been around thirty days until then. It has to be judged as a long-term capital injection to banks or sovereigns which is beyond the task of the ESCB. c) Expanding the competences of the EFSF On 21 July 2011, the heads of state and governments of the Eurozone announced that they sought to improve the effectiveness of the EFSF and increase its flexibility. While financial support was originally only supposed to be granted in the form of loan and loan facility agreements, support could now be provided in the form of inventory financing loans, lines of credit, loan commitments for recapitalizing financial institutions on behalf of the Member States in question and, in particular, by purchasing bonds on the primary and secondary markets. Interventions in the secondary market were only supposed to be carried out on the basis of ECB analysis, which was previously to confirm the existence of extraordinary market conditions and risks to financial stability. The scope of guarantees was at the same time raised to A 780 billion. This was intended to bring the amount actually available to A440 billion. At the same time, interest rates were lowered for receiver countries and the assistances’ terms to maturity were extended. d) Creation of a permanent support mechanism The heads of states and government agreed on 17 December 2010 to lay the basis for a permanent support mechanism.204 As a consequence, at the beginning of July 2011, the Council of economics and finance ministers of the Eurozone signed a framework agreement for a new, permanent stabilizing mechanism meant to succeed both the EFSM and the EFSF. It was intended to enter into effect mid-2013, upon expiry of the temporary assistance mechanisms. At a meeting of the European Council on 9 December 2011, it was decided that the initiative would enter into force earlier, in July 2012. It was recognized that it would be legally prudent to structure it as a (multilateral) support of the members of the Eurozone and not of the EU.205 That was also one of the reasons why 204 205

Draft European Council Document EUCO 30/10 of 17 December 2010. Thym (2011), p. 167.

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Article 136 para. 3 TFEU was created to provide a sound legal basis for the permanent mechanism. The German Bundestag has already approved the framework agreement of 11 July 2011, by means of the “Act Concerning the Giving of Guarantees within the Framework of a European Stabilization Mechanism.” The most important components of the regulations are: – A permanent stability mechanism, the European Stabilization Mechanism (ESM), is set up as an international financial institution. – It is headed by a Board of Governors consisting of the finance ministers of the euro group and/or members of national governments of Member States in charge of the finances. – Unanimous agreement is required for assistance to be granted. – The ESM has A 700 billion at its disposal. Of the latter amount A 80 billion are to be paid in immediately. – The respective shares of the Member States are once again in proportion to the capital share of the central banks of those states in the ECB. There is a special provision for Member States with below-average economic capabilities. This means that, unlike the EFSF, the institution will be able to dispose of its own capital. – The Board of Governors may decide a capital increase at any time, but only on the condition of mutual agreement. According to IMF procedure, the interest rate is to be one percentage point higher than the funding costs of the ESM; after three years it will be raised to two percentage points. The ESM is to enjoy seniority status over other creditors, subordinate only to the IMF. – Identically-worded collective action clauses (rules for adapting bonds with a super-majority of bond holders) are to be added to the terms and conditions of all bonds of Eurozone states with terms to maturity of over three years. This is intended to garner the participation of private creditors in the burdens of debt restructuring. – Assistance is only to be granted under strict conditions. – The ESM should be able to take on bonds. – The ESM should be allowed to acquire the bonds of Member States in the primary markets. – Losses on the part of the ESM are initially to be borne by the institution itself, first from the capital paid in and then later by participating Member States on a pro-rata basis according to their shares. The German Bundesbank welcomed the establishment of a mechanism as a last resort for warding off existential financial crises. However, three points

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would have to be observed: (1) the assistance payments must be bound to strict economic and financial policy restrictions; (2) interest rates must be reasonable; and (3) the involvement of credible private creditors in the event of state bankruptcy or default. The decisions of 21 July 2011, however, are in violation of these requirements. They imply another important step towards joint liability and less disciplining on the part of the capital markets, without noticeably enhancing options for control and influence on national financial policy by contrast. On 9 December 2011, Eurozone heads of state and government agreed to make the following amendments: – Participation of the private sector by means of inserting standardized and identical collective action clauses in the terms and conditions of government bonds. – Amendment of voting rights to include an emergency procedure. There is also a general consensus to incorporate control on the part of courts of audit, an aspect that was not previously included in the wording of the contract. Unanimity concerning the ESM was attained at the summit meeting of all 27 Member States on 23 January 2012. The “Treaty Establishing the European Stability Mechanism” was signed 2 February 2012 and is in the process of ratification. In an emergency, the ESM may step in and make use of all the principal instruments at its disposal: bond purchases in the primary market, interventions in the secondary market, recapitalizing financial institutions and pension schemes. For the time being, a limit of A 500 billion in loan capacity has been set. The heads of state are nonetheless to perform a review at the start of March. Judging the planned support system, it has to be remembered that budgetary support is not an essential part of a decentralized or even federal system. It might be installed for regions in need as in some, but by no means all, federally organized states. There are federations with great disparities that do not know an equalization system, such as the USA. However, a fiscal equalization system is partially considered to be essential for the functioning of a monetary union but focused on stability and allocation excluding redistribution.206 To avoid moral hazard and rent seeking when introducing such a mechanism it has to be ensured that – aid is provided only under strict conditions and controls; – the necessary structural improvements are not evaded; – lenders will have to compensate for the benefit of obtaining a debtor who will be supported by the public; – risk adjusted interest will be charged in the future for sovereign debt. 206

Francke (1998); see also Inman and Rubinfeld (1992), p. 659.

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e) A new fiscal compact At the same time, mainly at the request of Germany, an attempt was made towards adopting more effective regulation for imposing permanently sound financial policies among Member States in EU primary laws. This attempt failed since the UK refused to go along with the required amendments to EU treaties. Instead, the heads of state of the Eurozone agreed at the meeting of the European Council on 9 December 2011 to establish regulations along those lines in a separate, international treaty. Currently two treaties on the provision of assistance to Member States of the EU are in the final stages of consultation and implementation in the wake of that meeting: – a treaty to create an ESM for coping with crises; and – a fiscal policy treaty (the “new fiscal compact”), primarily for prevention of crises. According to the agreement reached by the heads of state and government on 9 December 2011, the fiscal agreement is meant to contain the following elements: – provisions on a balanced budget in national constitutional laws or equivalents; – limitation of annual structural deficits to a maximum of 0.5 percent of a country’s nominal GDP; – introduction of mechanisms to correct aberrations automatically; – comprehensive reporting obligations; – involvement of the European Court of Justice in implementing the above. The “Treaty on Stability, Coordination and Governance in the Economic and Monetary Union” was signed 2 March 2012. The requirement for a constitutional basis for the obligation to balance public sector budgets was already made less stringent, an alternative option for states of emergencies was inserted, the permitted structural deficits were raised to 1 percent of GDP and control on the part of the European Court of Justice was restricted. The adequacy and usefulness of this kind of agreement is dubious. Even in Germany, regulations on financing public sector deficits on credit have often been violated. Granting budgetary assistance has only rarely improved the fiscal situation of receiving countries. While instruments for imposing the regulations are necessary, they hit upon serious constitutional difficulties. The same applies to an insolvency act for sovereigns that can only function if receivers in insolvency are equipped with sovereign authority and may intervene in the core responsibilities of a state. In essence, setting up a parallel structure to the primary laws of the EU in key areas of the economic and monetary union is not without its problems.

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f) Beneficiaries In effect, a large portion of the default risk has been transferred already from private creditors to the public sector without proper compensation. Hence, not only for legal reasons does the purchase of sovereign debt instruments by the ECB have to come to an end but also because of the economically unjustifiable risk transfer. The speculation on an illegal “bail-out” of the debtors would be honored for free. Moreover, another sizable portion of the sovereign debt of the Member States which need support is held by banks or institutions which are owned, taken over in the course of the crisis or guaranteed by the governments of Germany and France. In this way, another part of the default risk has already been taken over tacitly by the taxpayer in those countries. Since it is unknown at what discount governmental entities including the ECB have acquired sovereign debt instruments or with what safety margin they accepted these instruments as corollary, the size of the transfer is hard to judge. In any case, it is realistic to assume that the profits from lending without an appropriate risk premium to the Member States currently needing support considerably surmount the losses when selling them, so a substantial subsidy is being handed out to the crediting financial institutions by supporting the debtors. This is the reason why a contribution of the creditors is essential. 5. The Coherence Problem There are signs that internal coherence in the monetary union is eroding (see Figure 8). Imbalances in the current accounts are not the result of a weak coherence but a gut indicator. But further details are of significance, such as the appropriation of the financial influx from abroad (see Figure 9). Such developments cannot be mitigated by any form of fiscal federalism, as the examples of the U.S. and the German fiscal federalism demonstrate vividly. To what extent these disparities might have been induced by a common currency is a different question and remains to be analyzed. Internal coherence of the members of a monetary union may be considered an important factor for its viability. Even in a single currency area three basic adjustment mechanisms remain in case of disparities, mainly with constant and excessive current account imbalances: enhancing competitiveness, movement of labor to a more efficient allocation, and economic growth. If initial discrepancies are too great or even increasing, this might lead to high additional overall costs in the form of support in times of a crisis, as well as programs to foster structural adjustments. This is a political and not primarily an economic decision. Also the EU would have the option to let a region turn into the Mississippi of Europe.

5. Law and Economics of the Monetary Union

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Source: Jürgen Stark, “Staatsschuld und Geldpolitik: Lehren aus der globalen Finanzkrise“, Rede, Münchner Seminare: CES ifo Group Munich & Süddeutsche Zeitung, Munich, 20 June 2011, slide 10 (European Central Bank).

Figure 8: Current account balance as percentage of nominal GDP

Source: Sachverständigenrat (2010), p. 74.

Figure 9: Weight of investments in real estate (percentage of GDP)

In general the EU has decided against that option and attempts to increase coherence by regional development programs. It has collected comprehensive information on the development of coherence in the euro area.207

207

European Commission (2010).

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6. A “Euro Crisis”? a) Foundations Although many analysts and some politicians have been referring to the crisis as a euro crisis,208 or even worse an EU crisis, it is essentially not a problem of the currency when a sovereign is not able or not willing to pay its debt. There is no stringent link between the fiscal problems of a state and the currency used in that country as legal tender. Only if a government has the power to print the money it needs in order to pay back its debt might the currency be in danger. This is also why the ECB is not allowed to lend money to the EU or its Member States according to Article 123 TFEU. In addition to an almost complete failure of financial markets and of economic sciences, the crisis has also demonstrated a total failure of the supervisory system – both of its rules and of their enforcement. The present turmoil with sovereign debt is primarily not a currency problem but the result of discrepancies among Member States. It occurs in any type of interconnected system regardless of whether it uses one or more currencies. There is no link between a government which faces difficulties to finance its budget and the currency used in its country. However, it is a consequence of the financial market crisis and the ensuing depression of the “real” economy. Serious flaws in redesigning financial markets and financial institutions are the major contributing factors. On the lenders’ side, ill-conceived capital adequacy rules and laxness towards unsustainable, but individually profitable, leverage ratios are of major significance. The absence of a national currency only forces a government to think about measures to solve its structural problems which are unpopular at home. Not having the questionable exit with inflation and devaluation of the currency might be very healthy in the medium term. It is not a flaw of the Monetary Union that the historically low interest rates in some Member States were not used in a more prudent manner. b) A banking crisis It is still too early to deliver a comprehensive and final analysis of the crisis. Bearing in mind the complexity of what has happened, it is also problematic to devise simple and clear-cut judgments. But, with this “caveat” a few facts appear to be clear: 1. Since the beginning of the crisis and with its current turn into a “sovereign debt crisis”, it has been a crisis of financial institutions at its core, i. e. mainly of some big banks, but certainly not all banks. 208 Paradigmatic: Sachverständigenrat (2010), p. 71 et seq.; Baldwin and Gros (2010), p. 1. Baldwin et al. (2010) deliberate even about completing the “Eurozone”.

5. Law and Economics of the Monetary Union

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2. It has now become a crisis of sovereign states and other governmental institutions. They have accumulated debt on a scale which is unsustainable. 3. There always has to be a lender of the underlying money; and to a large extent this money originates from banks and other financial institutions. 4. The risk of sovereign debt write-offs has increasingly been transferred from the market players to the central banks as they bought or accepted sovereign debt as corollary. This is augmented by the implicit subsidies handed out to creditors of sovereign debt.209

Note: Greece joined the euro area at the beginning of 2001. Source: Deutsche Bundesbank, Monthly Report, June 2011, p. 29.

Figure 10: Ten-year government bond yields for selected euro area countries

Despite all the turns and twists the crisis has taken until today and might take in the future, it was and is in essence a crisis of banks which expand credit and lend too much money and do not charge a risk-adjusted price (interest). This is consistent with the findings of Reinhart and Rogoff who consider the crises in the developed countries predominantly during the last two decades to be caused by banks.210 209 210

Supra, Section VI. 4. f). Reinhart and Rogoff (2009), pp. 141, 173, 348–92.

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c) The neglected side of the lenders So it is worthwhile to focus the analysis more on the side of the lenders. The bank rescue operations that took place directly increased the ratios of government debt to GDP. Private debt was turned into public debt, especially in Ireland but also in Germany. However, things are too complex to simply blame the financial institutions. The legal system substantially contributed to the emergence of the unsustainable sovereign debt situation which has to be resolved now. The risk weight was set at zero for essentially all sovereign debt in the legal rules on capital adequacy. In other statutes governing financial instruments or institutions, such as insurance laws, it is similar. This made the irresponsible lending so attractive alongside the gamble on a “bail-out” in case of need. As a result, market mechanisms were hindered from imposing the necessary sanctions on countries carrying out an unsustainable and irresponsible fiscal policy also from this side. Fatal mistakes were made in the course of deregulation as the necessary differences had been made in the previous statutory rules. Leverage ratios, maturity transformation, and general risk reduction by banks and other financial institutions are the core of the problem, besides the waning competitiveness of some Member States, and both have not yet been sufficiently addressed despite all efforts undertaken so far. Improving competitiveness is often identified when lowering real wages. This certainly helps but the non-eco-

Source: Jürgen Stark, “Staatsschuld und Geldpolitik: Lehren aus der globalen Finanzkrise”, Rede, Münchner Seminare: CES ifo Group Munich & Süddeutsche Zeitung, Munich, 20 June 2011, slide 8 (European Central Bank).

Figure 11: Development of the unit labor cost in the euro area relative to Germany (1998 Q4 = 100)

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nomic element might be more important and is often overlooked: superior engineering, good science and reliable workers, and an efficient legal system. These are all hard to achieve. d) Solutions It is an open question whether the EU could tolerate the financial failure of one of its Member States, i. e. one whose currency is the euro. Originally it was clearly intended that there should not be any support. These rules were also intended as a signal to markets that there might be a higher risk with certain “sovereign” debts. Until recently, however, markets completely ignored that signal. Then they overshot in the last months for a while with high fluctuation of spreads. It is hard to blame markets for this even if there might be a strong speculative element. In effect, markets were right since so far a creditor has not suffered any losses with “sovereign” debt from parts of the Eurosystem. Leaving the Eurosystem or expelling a euro Member State is no viable solution for two simple reasons: it is economically harmful and it is illegal.211 Membership in the Monetary Union is irrevocable for good reasons. Monetary systems that provide an exit option are inherently instable. The structural problems have to be solved: weak economic growth and weak competitiveness. The immediate crisis resolution necessities might demand a short-term different approach but that is in essence not a task of the monetary system. Finally, an increasing lack of obedience to strict legal norms and contracts has to be observed, and this is – in the medium term – the most frightening aspect of the recent development. That should be kept in mind before keenly designing new rules. VII. Conclusion The European Monetary Union has done very well since its initiation. Price stability has been secured and the external value of the new currency is more than satisfactory. The confidence in it is also demonstrated by an increasing use of the euro as a global reserve currency. It has been a stabilizing factor in the current crisis. The recent budgetary problems of some Member States are principally not a problem of the Monetary Union. It is therefore unjustifiable to speak of a “euro crisis”. However, the Monetary Union restricts the number of possibilities for Member States to solve their financial problems.

211 Despite the fact that the Treaty of Lisbon opened the door for a voluntary exit: Article 50 TFEU; for references see note 119.

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The purchase of debt instruments of those Member States by the ECB is questionable from an economic, and more importantly from a legal, point of view. With longer duration, it is legally no longer justifiable. Financial support for Member States in severe financial distress might be acceptable as a temporary crisis resolution mechanism. A permanent support mechanism needs a basis in the primary law of the EU. The treatment of the risk of “sovereign” debt in the legal framework for financial institutions needs urgent improvement. Especially the capital requirements for credit institutions have to be adjusted. References Amtenbrink, Fabian/de Haan, Jakob (2002), “The European Central Bank: An Independent Specialised Organization of Community Law – a Comment,” Common Market Law Review, 39: 65. Athanassiou, Phoebus (2009), “Withdrawal and Expulsion from the EU and EMU,” ECB Legal Working Paper Series No. 10. Baldwin, Richard/Gros, Daniel (2010), “Introduction: The Euro in Crisis – What to Do?” in Richard Baldwin, Daniel Gros and Luc Laeven (eds), Completing the Eurozone Rescue: What More Needs to Be Done, Centre for Economic Policy Research (CEPR), June. Baldwin, Richard/Gros, Daniel/Laeven, Luc (eds) (2010), Completing the Eurozone Rescue: What More Needs to Be Done, Centre for Economic Policy Research (CEPR), June. Bishop, Graham et al. (eds) (2008), 10 Years of the Euro: New Perspectives for Britain. Blanke, Hermann-Josef (2010), in Hermann von Mangoldt, Friedrich Klein and Christian Starck (eds), Kommentar zum Grundgesetz, 6th edn. Burda, Michael C./Gerlach, Stefan (2010), “A Credible Stability and Growth Pact: Raising the Bar for Budgetary Transparency,” in Richard Baldwin, Daniel Gros and Luc Laeven (eds), Completing the Eurozone Rescue: What More Needs to Be Done, Centre for Economic Policy Research (CEPR), June, p. 65. Burns, Debra Brubaker (2011), “Too Big to Fail, and Too Big to Pay: States, Their Public-pension Bills, and the Constitution,” Hastings Constitutional Law Quarterly, Fall 2011, pp. 1–35. Buti, Marco (2007), “Will the New Stability and Growth Pact Succeed? An Economic and Political Perspective,” in Fritz Breuss (ed.), The Stability and Growth Pact, New York: Springer, p. 153. Calliess, Christian (2011), in Christian Calliess and Matthias Ruffert (eds), EUV/ AEUV, 4th edn. De Grauwe, Paul (2010), “How to Embed the Eurozone in a Political Union,” in Richard Baldwin, Daniel Gros and Luc Laeven (eds), Completing the Eurozone Rescue: What More Needs to Be Done, Centre for Economic Policy Research (CEPR), June, p. 29.

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II. Verfassungsrecht

1. Allgemeines Finanzverfassungsrecht des Grundgesetzes* I. Die Bedeutung der öff. Finanzwirtschaft Träger der öff. Finanzwirtschaft sind zunächst einmal der Bund und die Länder. Hinzu treten die Gemeinden, die finanzverfassungsrechtl. als Teil der Länder angesehen werden (III. 1.). Das GG hat ihnen jedoch von Anfang an eine finanzwirtschaftl. Sonderstellung zugewiesen. Sie ist durch den neu eingefügten S. 3 in Art. 28 II noch verstärkt worden. Völlig systemwidrig lässt nunmehr der Ende 2010 eingefügte Art. 91e unmittelbare Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und einzelnen Gemeinden zu. Neben den Gebietskörperschaften haben noch die zahlreichen Parafisci große und wachsende Bedeutung als Träger öff. Finanzwirtschaft. Das sind vor allem die Sondervermögen, die Sozialversicherungsträger und die berufsständischen Einrichtungen des ö. R. Aber auch die öff. Unternehmen dürfen hier nicht vernachlässigt werden, gleich in welcher Rechtsform sie geführt werden, soweit sie in ihrer Hauptfunktion nicht nur marktbestimmte Leistungen erbringen. Damit ist im Wesentlichen der öff. Sektor i. S. des Europäischen Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG)1 umschrieben.2 Von einer ähnl. Abgrenzung gehen auch die Bestimmungen zur Verwirklichung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion aus, namentl. Art. 126 und 140 I 3 AEUV.3 Trotz aller Privatisierungsbemühungen4 bildet der öff. Sektor – einschließl. gemischtwirtschaftlicher Formen – in Deutschland immer noch einen wesentl. Teil der Gesamtwirtschaft. Die Ausgaben der öff. Haushalte beliefen sich im Jahre 2005 auf 1,050 Mrd. Euro in der Abgrenzung der volkswirtschaftl. Gesamtrech* Erstveröffentlichung in: Allgemeines Finanzverfassungsrecht des Grundgesetzes (Vorbemerkungen zu Abschnitt X des Grundgesetzes, in: Michael Sachs [Hrsg.], Grundgesetz, 6. Auflage, Verlag C. H. Beck, München, 2011; zuerst 1996). 1 Erl. als VO (EG) Nr. 2223/96 des Rates v. 25.6.1996 zum Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene in der Europäischen Gemeinschaft, ABl. L 310, v. 25.6.1996, S. 1–469, konsol. F. mit den nachfolgenden Änd. CONSLEG: 19 962 223-07/08/2003, Abgrenzung des Staates (S. 13) in 2.68 bis 2.70 (S. 53 f.). 2 Deutlich enger Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 42, die ihre Überlegungen auf die „Träger der Finanzhoheit“ in der Finanzverfassung des GG beschränken wollen. 3 Art. 2 des Prot. (Nr. 12), 1. Spiegelst., enthält die Abgrenzung. 4 Überblick über die Privatisierungen 1994 bis 2010, Finanzbericht 2011, S. 69–74.

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nung5 (1,003 Mrd. Euro in der Abgrenzung der Finanzstatistik6) und im Jahre 2009 auf 1,139 Mrd. Euro7 (1,127 Mrd. Euro8). Ihr Anteil am BIP (Staatsquote) betrug im Jahre 2010 48,0 % nach 44,5 % (1990), 48,5 % (2003), 43,7 % (2008).9 Der Anteil von Steuern und Sozialabgaben am BIP (Abgabenquote) belief sich in der Abgrenzung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung im Jahr 2009 (2010) auf 40,6 % (39,5 %); die Steuerquote 23,5 % (22,7 %); die fiskalische Belastung10 41,1 % (40,0 %).11 Im internat. Vergleich befindet sich Deutschland damit im unteren Mittelfeld. Die USA und Japan haben aber deutlich geringere Quoten.12 Allein wegen seiner schieren Größe ist der öff. Sektor von kaum zu unterschätzender Bedeutung für die wirtschaftl. Entwicklung eines Landes. Schon aus diesem Grunde müssten die Normen, die seine Organisation und sein Verhalten steuern, höchste Aufmerksamkeit von Ökonomen und Juristen beanspruchen. Hinzu kommt der immer wichtiger werdende Einsatz der Institute der Finanzverfassung zur unmittelbaren oder mittelbaren Steuerung des privaten Sektors (Beispiel: Lenkungsabgaben; Beschaffung nach nicht-ökonomischen Kriterien („Tariftreue“, Kauf von „fair“ gehandelten Produkten, Vorgaben für ökologisch „korrekte“ Produktion). Sie sind auch grundrechtl. relevant und sorgen für weitere Intransparenzen und erleichtern damit Verschwendung und Ineffizienz. II. Begriff und Abgrenzung der Finanzverfassung Abw. von seiner sonstigen Gliederung nach Funktionen und Organen hat das GG die Regelung der staatl. Finanzwirtschaft in einem eigenen Abschn.: „X. Das Finanzwesen“, zusammengefasst. Er enthält einen Querschnitt durch alle drei Staatsfunktionen: Legislative, Exekutive und Judikative. Dabei handelt es sich aber nicht um einen völlig abgeschlossenen Regelungskomplex. Vereinzelt sind Regelungen mit finanzverfassungsrechtl. Gehalt auch außerhalb dieses Abschn. zu finden. Das sind die Vorschriften über Gemeinschaftsaufgaben und Verwaltungszusammenarbeit (Art. 91a bis e), die Kriegsfolgelasten und die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung (Art. 120, 120a) sowie über das Vermögen des Reichs und der aufgelösten Länder (Art. 134, 135) und Übergangsregelungen (Art. 125c, 143c, d). Nicht zur Finanzverfassung gehört die Ordnung des Geld5

Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, April 2011, S. 54*. Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, April 2011, S. 55*. 7 Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, April 2011, S. 54*. 8 Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, April 2011, S. 55*. 9 Finanzbericht 2007, Übersicht 16 (S. 415); Finanzbericht 2008, Übersicht 16 (S. 417); Finanzbericht 2011, Übersicht 15 (S. 393). 10 Steuern und Sozialabgaben zzgl. Zöllen und Mehrwertsteueranteil der EU. 11 Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, April 2011, S. 54*. 12 Finanzbericht 2011, Übersichten 16 und 17 (S. 395 f.). 6

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und Währungswesens (Art. 73 Nr. 4, Art. 88).13 Dieser Sachbereich ist strikt von der staatl. Finanzwirtschaft zu trennen. Davon geht jetzt auch das Unionsrecht aus, Art. 123 I, 124 AEUV. Das Recht der ö.r. Religionsgesellschaften, Steuern zu erheben (Art. 140 i.V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV), mag man noch dazu rechnen. Eine solche Zuordnung ist aber wegen des Sonderstatus dieser Gesellschaften nicht unzweifelhaft. Im finanzwiss. Schrifttum wird der Begriff „Finanzverfassung“ z. T. sehr weit verstanden und umfasst auch die Verteilung der Aufgaben auf die verschiedenen Ebenen der Staatlichkeit.14 Dem soll hier nicht gefolgt werden. Für eine praktikable und aussagekräftige Abgrenzung ist eine Beschränkung auf unmittelbar finanzwirksame Vorgänge angebracht. Aber auch auf dieser Grundlage ist der Begriff noch nicht eindeutig. Er umfasst zwei deutlich voneinander zu unterscheidende Regelungsbereiche: (1) die Auferlegung und Verwaltung der staatlichen Abgaben, vor allem der Steuern, und ihre Verteilung auf die verschiedenen Ebenen im Bundesstaat sowie (2) die interne Ordnung der Finanzwirtschaft des Bundes, namentlich das Haushaltswesen und die Kreditaufnahme. Der erste Regelungsbereich kann als Finanzverfassung i. e. S. bezeichnet werden und ist Gegenstand der Art. 104a bis 109. Der zweite Bereich ist das HaushaltsverfassungsR und ist in den Art. 109 bis 115 geregelt.15 Art. 109 verklammert beide Bereiche, vor allem mit seinen Abs. 2 und 3; ebenso der neue Art. 109a. Stern schlägt deshalb als übergreifende Bezeichnung Finanz- und Haushaltsverfassung vor.16 Als Finanzverfassung (i. w. S.) lässt sich danach der Inbegriff der Verfassungsrechtssätze bezeichnen, welche die Finanzwirtschaft des (Bundes-)Staates re13 Ebenso, allerdings unter dem Vorbehalt der Verpflichtung auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht Stern, Staatsrecht II, S. 1061; zutr. R. Schmid, HStR V3, § 117 Rn. 1, 4, der die „Geldverfassung“ völlig getrennt von der „Finanzverfassung“ behandelt; anders: Hettlage, VVDStRL 14 (1956), 2 (3); Ulsenheimer, Untersuchungen zum Begriff „Finanzverfassung“, 1969, S. 132; Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 2; Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 13; Gröpl, Haushaltsrecht und Reform, 2001, S. 11 Fn. 13, der insgesamt den Kreis der finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften zu weit zieht; ebenso J.-P. Schneider AK GG, vor Art. 104a (2001) Rn. 1. 14 Umfassende Nachw. zu den verschiedenen Begriffsabgrenzungen bei Stern, Staatsrecht II, S. 1057 f.; Ulsenheimer (Fn. 13), S. 6 ff.; ferner J.-P. Schneider Der Staat 40 (2001), 272 (274 f.); zu eng Prokisch, Die Justiziabilität der Finanzverfassung, 1993, S. 17. 15 Gegen eine Beschränkung des Begriffs „Finanzverfassung“ auf die Finanzverfassung i. e. S. Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 1, 6; Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG III, Art. 104a Rn. 1; enger Heun, in: Dreier GG III, vor Art. 104a Rn. 16, der den Begriff „staatsrechtlich“ auf die Finanzverfassung i. e. S. beschränkt. 16 Stern, Staatsrecht II, S. 1050, 1061; ebenso jetzt Ortmann, Die Finanzwirksamkeit verfassungsgerichtlicher Entscheidungen im Spiegel der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2007, S. 434 Fn. 1.

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geln.17 Die rechtl. Regelung des Geld- und Währungswesens gehört nicht dazu und darf es wegen des Primats der Preisstabilität (Siekmann, in: Sachs GG, Art. 88 Rdn. 26, 30 ff., 84 ff.) und des Verbots der Staatsfinanzierung durch die EZB (Art. 123 I AEUV) auch nicht.18 Trotz dieser umfass. Begriffsbestimmung und der „sehr viel weiter gespannten Überschrift“19 von Abschn. X20 befassen sich die Art. 105 bis 108 fast ausschl. mit den Steuern (dazu u. V. 2.). Diese Sonderbehandlung entspricht ihrer tatsächl. und rechtl. Bedeutung (u. V. 1.), so wie sie sich der Verfassungsgeber vorgestellt hatte. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass auch die in diesem Abschn. nicht als Steuern bezeichneten Abgaben (Zölle,21 einmalige Vermögensabgaben und Ausgleichsabgaben zur Durchführung des Lastenausgleichs,22 Ergänzungsabgabe,23 Spielbankabgabe24) mat. Steuern sind; einzige Ausnahme: „Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften“.25 Die verfassungsrechtl. Abgrenzung der Steuern ist deshalb von eminenter Bedeutung (u. V. 2.). Fraglich ist aber, welche Folgerungen sich daraus für die Zulässigkeit anderer Einnahmen ergeben (u. V. 1., V. 2. b), V. 2. c), V. 3. a) cc), V. 3. c) bb)). III. Finanzverfassung und allg. Verfassungsrecht 1. Übernahme des zweistufigen Staatsaufbaus Im Abschn. X des GG sind die Gemeinden und Gemeindeverbände mehrfach ausdr. angesprochen, Art. 104b I, 105 III, 106 III, V–IX, 107 II, 108 IV, V, VII und 109 IV (mittelbar). Weitere finanzverfassungsrechtl. relevante Regelungen, die Kommunalkörperschaften unmittelbar betreffen, finden sich jetzt in Art. 91e. Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, dass bei der Behandlung von finanzverfassungsrechtlichen Fragen von einem dreistufigen Staatsaufbau auszuge17 Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 1: Verfassungsrechtssätze, „die sich auf die öffentlichen Finanzen beziehen“; übernommen durch: Gröpl (Fn. 13), S. 11; J.-P. Schneider AK GG, vor Art. 104a (2001) Rn. 1. 18 Das GG hat die „Geldverfassung“ eindeutig vom Finanzwesen des Staates getrennt, Art. 73 Nr. 4, Art. 88. Das ist sachgerecht und europarechtl. zwingend, ebenfalls i. d. S. R. Schmidt, HStR V3, § 117 Rn. 1, 4; zu weit Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 1, wo das Geldwesen ohne hinreichende krit. Auseinandersetzung mit der Problematik einbezogen wird. 19 Stern, Staatsrecht II, S. 1090. 20 Für Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rdn 4, kommt dem Begriff „Finanzwesen“ keine normative, sondern (nur) eine deskriptiv empirische Bedeutung zu. 21 Siekmann, in: Sachs GG, Art. 105 Rn. 15. 22 Siekmann, in: Sachs GG, Art. 106 Rn. 6; Art. 120a Rn. 5. 23 Siekmann, in: Sachs GG, Art. 106 Rn. 7. 24 Siekmann, in: Sachs GG, Art. 106 Rn. 11. 25 Siekmann, in: Sachs GG, Art. 106 Rn. 4.

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hen ist.26 Auch am anderen Ende der Skala wird dieses Prinzip nicht durchbrochen, selbst wenn die Einwirkung der EU auf das Finanzverfassungsrecht ständig zunimmt27 und seine Folgen nunmehr auch explizit in den Text des GG Eingang gefunden haben (Art. 104a VI, 109 II, V). In Übereinstimmung mit den anderen Abschn. des GG behandelt die Finanzverfassung die Gemeinden und Gemeindeverbände als Bestandteile der Länder und ihres Verfassungsrechtskreises.28 Das folgt eindeutig aus der Überschrift von Abschn. II des GG und aus Art. 106 IX, der die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden und Gemeindeverbände ausdr. den Einnahmen und Ausgaben der Länder zuordnet. Daran hat auch die Einführung von Art. 28 II 3 in keinem Fall etwas ändern wollen.29 Auch bedeuten die besonderen Garantien für die kommunale Finanzausstattung (Art. 28 II 2, 106 V, V a) keine Abkehr vom Grundprinzip der Zweistufigkeit,30 selbst wenn das BVerfG unlängst in einer nicht näher begründeten Bemerkung etwas anderes angedeutet hat.31 In den abschl. Beratungen der damaligen Änderung des GG ist dezidiert darauf hingewiesen worden, dass vermieden werden müsse, dass „auch nur der Anschein nach von dem im Grundgesetz begründeten zweigliedrigen Staatsaufbau abgewichen werde“. „Die Fi26 So jetzt auch deutl. Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 49; Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 18; Prokisch BK GG, Art. 104a (2003) Rn. 58; für die Behandlung der Gemeinden als eigenständige dritte Stufe der Finanzverfassung nur einige ältere Stimmen im Schrifttum: Schmidt-Eichstaedt, Bundesgesetze und Gemeinden, 1981, S. 123 (125); Fuchs Die Verwaltung 1 (1971), 385 (392). 27 Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 52. 28 BVerfGE 86, 148 (215): „Im Bundesstaat des Grundgesetzes stehen sich Bund und Länder und die Länder untereinander gegenüber; die Kommunen sind staatsorganisatorisch den Ländern eingegliedert“. 29 Das ist in der Begr. des G zur Änd. des GG (Art. 28 und 106) v. 20.10.1997 noch einmal ausdr. bekräftigt worden (BT-Dr. 13/1685, S. 4) und damit als (fortbestehender) Wille des Verfassungsgebers anzusehen; ebenso Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, 1998, S. 159 f.; Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 51; J.-P. Schneider AK GG, Art. 106 (2001) Rn. 19; Dreier, in: Dreier GG II, Art. 28 Rn. 95. 30 BVerfGE 86, 148 (215, 220); Grawert, Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 23 ff., 45; Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 48; Prokisch BK GG, Art. 104a (2003) Rn. 58 (jedenfalls für 104a); Heintzen, in: v. Münch/Kunig GG III, vor Art. 104a Rn. 48; Stern, Staatsrecht II, S. 1053; P. Kirchhof, HKWP VI, S. 3; Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 18; J.-P. Schneider AK GG, vor Art. 104a (2001) Rn. 3, Art. 106 Rn. 19; Häde, Finanzausgleich, 1996, S. 188; Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, 1997, S. 42, 425; eindeutig Mückl (Fn. 29), S. 144 ff., 194; Scholz, in: Maunz/Dürig GG, Art. 28 (1997) Rn. 84 b: „[. . .] verbleibt es aber – systemgerecht – beim definitiv zweistufigen Aufbau der bundesstaatlichen Finanzordnung“; K.-A. Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG III, Art. 106 Rn. 99; unklar noch Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG III, 5. Aufl. 2005, Art. 104a Rn. 23; jetzt zust. ders., in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG III, Art. 104a Rn. 23; ders., in: Starck (Hrsg.), Föderalismusreform“, 2007, Rn. 317. 31 BVerfGE 101, 158 (230): „modifiziert die bisherige Zweistufigkeit der Finanzverfassung“.

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nanzverfassung“ solle „durch die vorgeschlagene Ergänzung von Art. 28 Abs. 2 GG nicht verändert werden“.32 Deshalb ist der Bund „weder berechtigt noch verpflichtet, die finanz. Verhältnisse der Gemeinden unmittelbar ohne Einschaltung der Länder zu ordnen“.33 Ihm steht kein „unmittelbares Recht zum Durchgriff auf die Gemeinden“ zu.34 Auch in Finanzdingen sind nur die Länder die „föderalistischen Partner“ des Bundes.35 Damit sind Ansprüche der Gemeinden gegen den Bund wegen kostenträchtiger Gesetze ebenso ausgeschlossen wie finanz. Leistungen des Bundes an die Gemeinden unter Umgehung der Länder.36 Abweichungen sind nur zulässig, wenn sie ausdr. im GG vorgesehen sind. Als einzige derartige Ausnahme wird üblicherweise Art. 106 VIII genannt.37 Allerdings hat der durch die Föderalismusreform I neu gefasste Art. 84 I in Satz 7 nunmehr eine kostenträchtige Übertragung von Aufgaben auf die Kommunalkörperschaften durch BundesG ausnahmslos verboten.38 In mehrfacher Hinsicht systemwidrig erlaubt jetzt aber der neue Art. 91e direkte Durchgriffe des Bundes auf die Gemeinden mit finanz. Kompensation. 2. Die besondere Kompetenzordnung a) Grundlagen Abschn. X des GG enthält ein eigenständiges System der bundesstaatl. Kompetenzverteilung, das als lex specialis den allg. Regeln vorgeht.39 Es zeichnet 32

Bericht des RechtsA, BT-Dr 12/6000, S. 47 f. BVerfGE 26, 172 (182). 34 BVerfGE 8, 122 (137); sinngem. bestätigt durch BVerfGE 26, 172 (181); zust. Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 18. 35 BVerfGE 39, 96 (122); 41, 291 (310 ff.). 36 I. d. S. auch der Bericht des Rechtsausschusses (BT-Dr 12/6000, S. 48): „Die vorgeschlagene Ergänzung könne aber weder als eine Finanzausstattungsgarantie des Bundes zugunsten der Kommunen interpretiert werden, noch ließe sich aus ihr die Möglichkeit einer über die Bestimmungen des X. Abschnitts hinausreichenden finanziellen Inpflichtnahme des Bundes ableiten.“ Dementspr. spricht sich auch Scholz strikt gegen Ansprüche gegen den Bund (mit Ausnahme aus Art. 106 Abs. 5 a) aus (in: Maunz/Dürig GG, Art. 28 (1997) Rn. 84 b); ebenso Volkmann DÖV 2001, 497 (498); Heintzen, in: v. Münch/Kunig GG III, vor Art. 104a Rn. 49 m.w. N.; Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 24; Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989, S. 88 f., der aber eine „Sekundärverantwortung“ des Bundes anerkennt; ebenso Mückl (Fn. 29), S. 74. 37 Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 48; s. a. Grawert der es als „systemgerechter“ ansieht, Aufgabenbelastungen im allg. Bund-Länder-Finanzausgleich zu berücksichtigen (VVDStRL 36 [1978], 277 [302]). 38 Zu den finanzwirtschaftlichen Hintergründen Hermes, in: Dreier GG III, Art. 84 Rn. 9. 39 BVerfGE 3, 407 (435 f.); 4, 7 (13); 7, 244 (251); 13, 181 (196 f.); 14, 76 (99); 16, 147 (162); 67, 256 (286): „eine für Bund und Länder abschließende Regelung“. 33

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sich dadurch aus, dass es drei Kompetenzarten unterscheidet: die Gesetzgebungshoheit (Art. 105), die Verwaltungshoheit (Art. 108) und als Besonderheit die Ertragshoheit (Art. 106, 107). Hinzu kommt noch die Rspr. (Art. 108 VI). Ausdr. geregelt sind aber – von kleinen Ausnahmen abgesehen – nur die Steuern, nicht aber die anderen Einnahmen des Staates. Nichtsteuerliche Abgaben unterliegen den allg. Regeln. Die Kompetenz zu ihrer gesetzl. Regelung richtet sich nach den Vorschriften über die Sachgesetzgebungskompetenzen, Art. 70 ff.40 Sie müssen deshalb eindeutig von den Steuern abgegrenzt werden und sind – unabhängig von ihrer genauen begriffl. Zuordnung – „kompetenzrechtlich“ nur zulässig, wenn sie den „Anforderungen der Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung standhalten“ (näher u. IV. 2., V. 1.).41 Die Kompetenzvorschriften der Art. 104a ff. gelten nicht für die Erhebung und Verwaltung von Sozialversicherungsbeiträgen, auch wenn sie zum Gegenstand eines „sozialversicherungsrechtlichen Finanzausgleichsverfahrens“ gemacht werden.42 Die Verfolgung nichtfiskalischer Zwecke bei der Abgabenerhebung wirft zunehmend Probleme auf, die sich sowohl auf die begriffl. Einordnung als auch auf die Kompetenzverteilung auswirken.43 Im Vordergrund stehen dabei vor allem die Abgaben zum Schutze der Umwelt, die sowohl als Steuern („Öko-Steuern“,44 „ökologische Steuerreform“45) als auch als sonstige (nichtsteuerliche) Umweltabgaben46 konzipiert sind und stetig wachsende Bedeutung erlangen. 40

BVerfGE 108, 186 (212); 110, 370 (384); 113, 128 (145). BVerfGE 93, 319 (LS, 345). 42 BVerfGE 113, 167 (199). 43 So hatte sich auch der 63. DJT im Jahre 2000 die Frage gestellt, inwieweit die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öff. Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts zu empfehlen sei: Trzaskalik, Gutachten E, Berichterstatter Jochum, R. Schmidt und Raupach, Verh. 63. DJT, Bd. II/1, S. N 7 ff., N 25 ff., N 49 ff.; Begleitaufsätze: Rodi JZ 2000, 827 (827 ff.); Sacksofsky NJW 2000, 2619 (2619 ff.); Selmer/Brodersen DVBl 2000, 1153 (1153 ff.); ferner F. Kirchhof DVBl 2000, 1166 (1166 ff.). 44 Osterloh NVwZ 1991, 823 (823 ff.); Köck JZ 1991, 692 (692 ff.); Kloepfer/ Schulte UPR 1992, 201 (204); Zitzelsberger BB 1995, 1769 (1769 ff.); Arndt ZRP 1996, 176 (176 ff.); W. Ritter BB 1996, 1961 (1961 ff.); Zeitler, FS Rittner, 1997, S. 649 ff.; Söhn, FS Stern, 1997, S. 587 ff.; Kruse BB 1998, 2285 (2285 ff.); Jachmann, FS Selmer 2004, S. 707 ff.; krit. P. Kirchhof ebda., S. 745 (762). 45 Gesetze zur ökologischen Steuerreform sind das StromsteuerG v. 24.3.1999 (BGBl. I 378) und das G zur Fortführung der ökologischen Steuerreform v. 16.12.1999 (BGBl. I 2432); zur „ökologischen Steuerreform“: BVerfGE 110, 274 (274 ff.) – Verfassungsmäßigkeit der „Ökosteuer“; Urteilsbespr. bei Wernsmann NVwZ 2004, 819 (819 ff.); Selmer, GS Trzaskalik, 2005, S. 411; s. a. Nagel, Umweltgerechte Gestaltung des deutschen Steuersystems, 1993; Bach StuW 1995, 264 (264 ff.); Bizer NuR 1995, 385 (385 ff.); Mohl/Dicken NuR 1996, 328 (328 ff.); R. Schmidt StuW 1997, 70 (70 ff.); Hey StuW 1998, 32 (38 ff.); Kruse BB 1998, 2285 (2286 ff.); Beschorner/Konrad SteuerStud 1998, 439 (448 ff.); Bongartz/Schröer-Schallenberg DStR 1999, 962 (962 ff.); Frenz BB 1999, 1849 (1849 ff.); Jobs, Steuern als Element einer ökologischen Steuerreform, 1999; krit. List BB 2000, 1216 (1220); Herdegen/Schön, Ökologische Steuerreform, Verfassungsrecht und Verkehrsgewerbe, 2000, S. 30, 34 f. (keine Verbrauch41

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3. Lenkungssteuern Die Problematik der Lenkungssteuern47 umfasst im Wesentlichen die bereits genannten zwei Fragen: ihre begrifflich-systematische Zuordnung und ihre kompetenzrechtl. Behandlung. Beide Aspekte sind zu trennen, stehen aber nicht unverbunden nebeneinander. Lange Zeit war der Streit um die Zulässigkeit von Lenkungszwecken überwiegend auf der Ebene des Steuerbegriffs ausgetragen worden. Mittlerweile ist es aber fast einhellige Auffassung, dass – von Extremfällen abgesehen – auch Lenkungssteuern Steuern i. S. des Finanzverfassungsrechts sind. Das gilt selbst dann, wenn der Lenkungszweck eindeutig im Vordergrund steht (u. V. 2. a) cc)). Es bleibt dann aber gleichwohl zu klären, ob und in welchem Umfang der Steuergesetzgeber auch die Kompetenz zur Verfolgung von Sachzielen hat. Steuergesetzgebungskompetenz und Sachgesetzgebungskompetenz können auseinanderfallen. Dies hat zur Folge, dass die beabsichtigten Wirkungen in einem Sachgebiet eintreten können, für das der Steuergesetzgeber möglicherweise keine Kompetenz hat. Unklar und umstritten ist bereits, ob der Steuergesetzgeber bei der Verfolgung anderer als fiskalischer Zwecke zusätzl. auch die entspr. Sachkompetenz haben muss. Die Rspr. verneint das durchgängig,48 während im Schrifttum sowohl die Steuergesetzgebungskompetenz nach Art. 105 als auch zusätzl. die Sachkompetenz verlangt wird.49 Der „Steuertitel“ sei kein „Globaltitel“, der die Kompetenzsteuer), 39 (Unverhältnismäßigkeit der Zwecke); krit. zur Stromsteuer aus finanzwiss. Sicht Bareis/Elser DVBl 2000, 1176 (1180 ff.): vorzugswürdig statt dessen Zertifikatslösungen oder an zweiter Stelle emissionsorientierte Steuern. 46 Vgl. BVerfGE 93, 319 (LS, 181) – Wasserpfennig; 98, 83 (101) – Abfallabgaben; 110, 370 – Abgabe zum Klärschlamm-Entschädigungsfonds; BVerfGE 113, 128 – Abfallausfuhrabgabe; aus dem Schrifttum: Meßerschmidt, Umweltabgaben, 1986, S. 46– 50; Klages NVwZ 1988, 483 (483 ff.); Hendler AöR 115 (1990), 577 (577 ff.); ders., NuR 2000, 661 (661 ff.); ders./Heimlich ZRP 2000, 325 (329); Kuchler NuR 1994, 209 (209 ff.); Kügel NVwZ 1994, 535 (535 ff.); Kretz BWVP 1994, 29 (29 ff.); Siekmann ZAU 1994, 441 (441 ff.); Franke StuW 1994, 26 (26 ff.); Selmer, Sonderabfallabgaben und Verfassungsrecht, 1996; Gawel, Umweltabgaben zwischen Steuer- und Gebührenlösung, 1999, m. Bespr. Oebbecke DÖV 2000, 612 (612); Hey StuW 1998, 32 (33 ff.); Sacksofsky, Umweltschutz durch nichtsteuerliche Abgaben, 2000, S. 196 ff.; dies. NJW 2000, 2619 (2619 ff.); Jarass UPR 2001, 5 (5 ff.); ders. (Fn. 41), S. 61 ff.; Hösch WiVerw 2002, 141 (141 ff.); Koch, FS Selmer, 2004, S. 769 ff. 47 Dazu Trzaskalik, Gutachten E, 63. DJT, 2000; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005. 48 BVerfGE 13, 181 (196 f.); 14, 76 (99); 16, 147 (162); 36, 66 (71); 38, 61 (80); 98, 106 (118) auch bei außerfiskalischem Hauptzweck, wenn nur die obj. Ertragsfunktion gewahrt ist; 110, 274 (292); BVerwGE 96, 272 (288 f.); diese Entsch. abl. Gern NVwZ 1995, 771 (772); BVerwG JZ 2000, 946 (946 ff.) m. Anm. Seitz; FG Düsseldorf v. 28.4.2005, DStRE 2005, 1354 (1355), zu der neuen „Alkopopsteuer“. 49 Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 164; Tipke, Die Steuerrechtsordnung III, 1993, S. 1062; Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, 1976, S. 142 ff.; Stern, Staatsrecht II, S. 1105; Kluth DVBl 1992, 1261 (1265); undeutlich P. Kirchhof, HStR IV1, § 88 Rn. 56 einerseits und Rn. 57 andererseits.

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ordnung der Art. 30, 70 ff. überlagere.50 Allerdings wächst der Anteil der Stimmen im Schrifttum, die sich der Grundposition des Bundesverfassungsgerichts anschließen, wenn auch mit großen Unterschieden bei der Beurteilung von Art und Umfang der zulässigen Instrumentalisierung des Steuerrechts für Verwaltungszwecke.51 Vor allem wird zunehmend auch der Konflikt mit dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gesehen.52 Die Rspr. erlaubt dem Gesetzgeber sehr weitgehend, seine Steuergesetzgebungskompetenz auch auszuüben, um damit „Lenkungswirkungen zu erzielen“.53 Das gilt vor allem auch für die Gewährung von Steuervorteilen. So hat das BVerfG die Regelung der Abzugsfähigkeit von Parteispenden bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens unter den Kompetenztitel des Art. 105 II gefasst.54 Allerdings sei eine „erkennbare Entscheidung“ des Gesetzgebers erforderl. und nicht nur eine Einwirkung aufgrund der tatsächl. Entwicklung.55 Nur wenn die steuerl. Lenkung nach Gewicht und Auswirkung einer verbindlichen Verhaltensregel nahekomme, also die Finanzfunktion der Steuer durch eine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter verdrängt werde, biete die Besteuerungskompetenz keine ausreichende Rechtsgrundlage mehr für eine Lenkungssteuer. Entsprechendes gelte, wenn ihr Aufkommen nicht zur Finanzierung von Gemeinlasten verwendet werden soll. Derartige Regelungen seien nicht mehr steuerlicher

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Stern ebda. Maunz, in: Maunz/Dürig GG, Art. 105 (1979) Rn. 24; Starck, FS Wacke, 1972, S. 193 (206 ff.); P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 40; Sipp-Mercier KStZ 1993, 227 (227 ff.); Pieroth, in: Jarass/Pieroth GG, Art. 105 Rn. 4; Heintzen, in: v. Münch/Kunig GG, vor Art. 104a Rn. 34; so jetzt auch: J.-P. Schneider AK GG, Art. 104a (2001) Rn. 3; Heun, in: Dreier GG III, Art. 105 Rn. 16, aber Verbot einer „missbräuchliche[n] Umgehung der allgemeinen Kompetenznormen“; Rodi, FS K. Vogel 2000, 187 (199); Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 63 a. E.; Müller-Franken GG, in: Friauf/Höfling GG, Art. 105 Rn. 48; Wernsmann (Fn. 47), S. 182; differenzierend Selmer/Brodersen DVBl 2000, 1153 (1160): Der Einbau „außerfiskalischer Wirkungszweckelemente“ in „kompetenzrechtlich abgesicherte Steuergesetze“ soll ohne weiteres zulässig sein, während die Ersetzung des konstituierenden steuerlichen Sachverhalts durch rein lenkungsorientierte Aspekte als „Belastungsgrund“ unzulässig sein soll. Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, 2004, S. 256, stellt maßgebend auf die „Übergriffsintensität“ ab (S. 268). 52 Köck JZ 1991, 692 (696); Trzaskalik StuW 1992, 135 (140 f.); Söhn, FS Stern, 1997, S. 587 (591 ff.); Gawel StuW 1999, 374 (376 ff.); Jachmann StuW 2000, 239 (241–243); krit. Hendler/Heimlich ZRP 2000, 325 (326); s. a. u. Rn. 90, 107, 111. 53 BVerfGE 98, 106 (117) unter Berufung auf BVerfGE 84, 239 (274); 93, 121 (147), wo das aber zurückhaltender formuliert ist. Sehr früh hat das Gericht aber die „Besteuerungsfunktion des Staates“ als ein „legitimes Mittel [. . .] zur Wirtschaftssteuerung“ bezeichnet, BVerfGE 13, 331 (346). 54 BVerfGE 8, 51 (62); ferner zur Gesetzgebungsbefugnis BVerfGE 72, 200 (245); näher Siekmann, in: Sachs GG, Art. 104a Rn. 29. 55 BVerfGE 93, 121 (147); muss der Lenkungszweck „von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen sein“: BVerfGE 105, 73 (112 f.); 110, 274 (293). 51

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Art und könnten nicht auf eine Steuerkompetenz gestützt werden.56 Besondere Probleme wirft dabei die Instrumentalisierung der Verbrauchsteuern einschließl. der Aufwandsteuern auf.57 I. E. ist der Rspr. aber zuzustimmen, da die Steuererhebung und die Anordnung von Verhaltenspflichten sich grds. unterscheiden.58 Das BVerfG verlangt darüber hinaus, dass die Ausübung der Steuergesetzgebungskompetenz zur Lenkung in einem anderweitig geregelten Sachbereich nicht zu Regelungen führen dürfe, die den vom zuständigen Sachgesetzgeber getroffenen Regelungen widersprechen.59 Trotz grds. Zulässigkeit von Lenkungssteuern sei es dem Steuergesetzgeber nur insoweit erlaubt, „lenkend und damit mittelbar gestaltend in den Kompetenzbereich eines Sachgesetzgebers“ überzugreifen, als die Lenkung weder „der Gesamtkonzeption der sachl. Regelung noch konkreten Einzelregelungen“ zuwiderlaufe.60 Etwas überraschend stützt es sich dabei auf den aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Gedanken der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung.61 Schon die Anwendung des Rechtsstaatsprinzips bei Kompetenzfragen ist probl.62 Darüber hinaus stellt sich die Ausrichtung an der Kategorie der Gemeinlasten in diesem Kontext aber auch als verfehlt dar. Richtig ist vielmehr, dass es sich um eine asymmetrische Beziehung handelt, wenn man schon den Begriff der Gemeinlasten verwenden will. Verfassungsrechtl. ist es nicht zu beanstanden, Aufgaben, die durch Vorzugslasten (u. V. 2. b)) finanziert werden dürfen, statt56

BVerfGE 98, 106 (118). Schon früher hatte die Rspr. die Sachkompetenz dann verlangt, wenn im Steuergesetz eine „unmittelbare Sachregelung“ enthalten ist, das Gesetz also in eine „reine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter“ umschlägt, BVerfGE 38, 61 (81); zust. BVerwGE 96, 272 (288), allerdings für die Verpackungsteuer im konkreten Fall verneint. Vgl. zur Bedeutung der Unterscheidung von „Gemeinlast“ und „Sonderlast“ für die demokratische Legitimation der Staatsfinanzierung Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, 2004, S. 33 ff., 247, 250, 258; zu Recht dazu krit. Waldhoff, Die Verwaltung 39 (2006), 155 (180–183). 57 Näher Jachmann StuW 2000, 239 (244); Selmer/Brodersen DVBl 2000, 1153 (1161). Die Zweifel an der Einordnung von Strom- und Mineralölsteuern als Verbrauchsteuern nach der „ökologischen Steuerreform“ (vor allem bei Herdegen/Schön [Fn. 45], Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführer) hat das BVerfG dezidiert zurückgewiesen, BVerfGE 110, 274 (295 f.). 58 Trzaskalik, Gutachten E, 63. DJT, 2000, E38. 59 BVerfGE 98, 106 (118). Dagegen hatte das Gericht früher eine in den Regelungen des Bundesgesetzes „zum Ausdruck kommende Absicht des Bundesgesetzgebers zur steuerlichen Entlastung“ nicht als Sperre gegenüber den Ländern zur Einführung von Belastungen ausreichen lassen, BVerfGE 49, 343 (359). 60 BVerfGE 98, 106 (119). 61 BVerfGE 98, 106 (118 f.); vgl. ferner BVerfGE 98, 83 (97 f.) für eine nichtsteuerliche Lenkungsabgabe; 98, 265 (301), im Zusammenhang mit dem Bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetz. 62 Krit. Rodi StuW 1999, 105 (108 ff.); jetzt auch Wernsmann (Fn. 47), S. 184 ff.; zurückhaltend Kube (Fn. 51), S. 271 ff.; keine Einwände bei Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 63 a. E.

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dessen aus Steuermitteln zu finanzieren. Nur umgekehrt dürfen durch Vorzugslasten keine Gemeinlasten finanziert werden. I. E. ist es nicht statthaft, allein gestützt auf die Steuergesetzgebungskompetenz, Einzelregelungen oder Regelungskonzepte des sachl. zuständigen Gesetzgebers durch die intendierte Lenkungswirkung zu konterkarieren.63 Das ist bei der Kampfhundesteuer von den Fachgerichten bisher nicht angenommen worden,64 wohl aber z. T. bei der Vergnügungssteuer auf Gewaltspielgeräte.65 Den Bedenken, die auch insoweit gegen die Stromsteuer geltend gemacht worden sind, ist das BVerfG nicht gefolgt.66 4. Lenkende nichtsteuerliche Abgaben Diese Probleme können nur begrenzt bei nichtsteuerl. Abgaben, vor allem den Vorzugslasten (u. V. 2. b)), entstehen. Dort gibt es keine Sachgesetzgebungskompetenz, die von der Abgabenerhebungskompetenz zu unterscheiden wäre. Die besonderen Kompetenzvorschriften der Finanzverfassung für Steuern greifen nicht ein. Nichtsteuerl. Abgaben dürfen nur aufgrund der allg. Kompetenzvorschriften (Art. 70 ff.) erhoben werden,67 meist aufgrund von Annexkompetenzen, gelegentl. auch aus dem unmittelbaren Sachgehalt der Kompetenz.68 Ihre Offenheit für Lenkungszwecke ist mittlerweile weitgehend anerkannt,69 stößt aber auf spezifische Grenzen und Vorbehalte bei den einzelnen Finanzierungsformen (für die Vorzugslasten näher u. V. 2. b) dd)). Jedenfalls dann, wenn Lenkungswirkungen außerhalb des Sachbereichs erzeugt werden sollen, für den die Vorzugslast erhoben wird, stellt sich die Kompetenzfrage. Sie ist entspr. der Entscheidung bei den Steuern (o. III. 2. b)) zu beant63 Vgl. dazu und zum Postulat der Widerspruchsfreiheit: Bothe NJW 1998, 2333 (2333 ff.); Kluth DStR 1998, 892 (892 f.); Sendler NJW 1998, 2875 (2875 ff.); Weidemann DVBl 1999, 73 (73 ff.); Rodi StuW 1999, 105 (108 ff.); Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), 241 (275 f.); Rodi JZ 2000, 827 (833); Selmer/Brodersen DVBl 2000, 1153 (1157); Kloepfer/Bröcker DÖV 2001, 1 (1 ff.). 64 OVG SachsAnh. NVwZ 1999, 321 (321 ff.); OVG RhPf. NVwZ 2001, 228 (228 ff.); BWVGH VBlBW 2002, 210 (211); Seitz JZ 2000, 949 (951). 65 OVG Nds. NVwZ-RR 1999, 792 (792 ff.); aber aufgehoben vom BVerwG NVwZ 2000, 929 (932 ff.); zust. Rodi JZ 2000, 827 (833). Die „Erdrosselungsgrenze“ wurde auch im Beschl. v. 7.1.1998 nicht als erreicht beurteilt, BVerwG KStZ 1998, 238 f. 66 BVerfGE 110, 274 (298 ff.); krit. Wernsmann NVwZ 2004, 819 (820); zuvor Frenz BB 1999, 1849 (1852 f.): widersprüchliches Verhalten der BReg; Bedenken eher im Hinblick auf die Sonderabgabenjudikatur bei Gröpl DÖV 2001, 199 (199 ff.); krit. auch Selmer/Brodersen DVBl 2000, 1153 (1157). 67 BVerfGE 110, 370 (384), m.w. N.; Stern, Staatsrecht II, S. 1111; Heun, in: Dreier GG III, Art. 105 Rn. 19, (für Vorzugslasten); P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 59. 68 BVerfGE 78, 249 (267). 69 Vgl. BVerfGE 57, 139 (167); Hendler/Heimlich ZRP 2000, 325 (325 ff.); wohl auch Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 430 ff., 436 ff.; sowie die Nachw. in Fn. 363 für die Vorzugslasten.

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worten. Es können aber auch Kompetenzkonflikte („Widersprüche“) innerhalb desselben Sachbereichs entstehen; beispielsweise dann, wenn der Bund bei der Ausübung seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit Regelungsspielräume belassen hat. Entsprechendes gilt für die kommunale Ebene: Lenkungszwecke bei der Erhebung von Vorzugslasten sind zusätzliche Handlungsparameter und erlauben, auf lokaler Ebene eine Politik zu verfolgen, die über die Festsetzungen auf Bundes- oder Landesebene hinausgeht. Selbst wenn davon abgesehen wird, die Sachkompetenz für die verfolgten Zwecke zu verlangen, dürfen Gemeinden und Gemeindeverbände nur in ihrem örtl. Wirkungskreis tätig werden.70 Darüber hinaus ist eine kommunale Regelung – auch im Gewande einer Vorzugslast – unzulässig, wenn die bundes- oder landesrechtl. Vorgaben abschließend sind.71 In seiner weiteren Rspr. hat das BVerfG auch darauf abgestellt, dass das Regelungskonzept des Sachgesetzgebers nicht angetastet wird und damit einen Teil der Gestaltungsfreiheit zurückgenommen.72 Entscheidend für alle nichtsteuerl. Abgaben und namentlich für diejenigen mit Lenkungszwecken ist vor allem, dass über den Zweck der Einnahmeerzielung hinaus eine besondere sachl. Rechtfertigung besteht und dass eine klare Abgrenzung zur Steuer mögl. bleibt.73 Dafür ist die Abhängigkeit von einer besonderen Leistung des Staates, in der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts: einer Gegenleistung, unverzichtbar. Diese Abhängigkeit bleibt „nur erhalten, wenn deren Höhe den Wert der öff. Leistung nicht übersteigt“.74 Diese Formel ist zwar gut gemeint, wirft jedoch zahlreiche weitere Zweifelsfragen auf, namentl. dann, wenn der Staat vorgegebene oder selbst erzeugte Knappheitssituationen und Monopole ausbeutet und den Wert seiner Leistung mit dem erzielten höchsten Gebot gleichsetzt (o. III. 2. a), u. V. 4. c)). Über das Erfordernis einer besonderen sachl. Rechtfertigung hinaus müssen bei der Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben die Prinzipien der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen und der Vollständigkeit des Haushalts beachtet werden.75

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BVerfGE 79, 127 (143, 147): Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Hoppe DVBl 1990, 609 (611); Kloepfer/Schulte UPR 1992, 201 (206). Die Rspr. erlaubt aber gleichwohl die Verfolgung als Nebenzweck, BVerwG BayVBl 1994, 568 (568 ff.); Jahn GewArch 1995, 312 (312 ff.). 72 Vgl. Siekmann EWiR 1998, 841 (841 f.) zu BVerfGE 98, 83 (101); mehr o. Rn. 18. 73 BVerfGE 91, 186 (202 f.); 93, 319 (342 f.); 108, 1 (16); 110, 370 (387); so jetzt auch P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 75. 74 BVerfGE 93, 319 (347); s. a. Wegge KStZ 1999, 41 (45), für die Bemessung kommunaler Benutzungsgebühren. 75 BVerfGE 91, 186 (202 f.); 93, 319 (342 f.); 108, 1 (16); 110, 370 (387 f.). 71

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5. Umweltabgaben Schwierig und in weiten Teilen ungeklärt ist jedoch der Einsatz von Umweltabgaben (o. III. 2. a)). Schon ihre Kategorisierung ist häufig nur schwer möglich. Eine Vielzahl von Abgabeformen kommt dafür in Betracht. Das BVerfG weicht aber zunehmend einer eindeutigen Zuordnung aus (u. V. 4. b)). In seiner Entscheidung zu den Landesabfallabgaben hat es den Einsatz dieser Abgaben zu Lenkungszwecken als solchen nicht beanstandet, sondern ihren (angebl.) Verstoß gegen das Kooperationsprinzip des BImSchG.76 Dogmatisch ging das Gericht so vor, dass es zunächst eine „verfassungsrechtlich tragfähige Grundlage“ für diese Abgaben suchte. Aber weder die konkurrierende Sachgesetzgebungskompetenz für das Abfallwirtschaftsrecht noch die Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 II vermochten nach seiner Auffassung eine derartige Grundlage zu bilden, wobei der kompetenzrechtl. Gehalt dieser Wendung unklar bleibt. Unter Offenlassung der genauen finanzverfassungsrechtl. Einordnung der Abgaben konstatiert das Gericht dann einen Widerspruch der Lenkungsabgaben zu den Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzrechts, das eine „Gesamtkonzeption“ verfolge. Schon deshalb seien sie insgesamt verfassungswidrig. Letztlich handelt es sich um eine kompetenzrechtl. Lösung unter Vermeidung inhaltlicher Festlegungen. Das ebenfalls angesprochene rechtsstaatl. Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (o. III. 2. b)) hat demgegenüber dogmatisch nur eine untergeordnete Bedeutung.77 Der vom Gericht eingeschlagene Weg wird aber nicht konsequent zu Ende gegangen. Einerseits soll eine positive verfassungsrechtl. Grundlage erforderl. sein, die aber nicht gegeben sei, während anschließend die inhaltl. Diskrepanzen mit den höherrangigen bundesrechtl. Vorgaben für entscheidend erachtet werden. Die Bedeutung des ersten Prüfungsschritts bleibt bestenfalls unklar.78 Ungeachtet aller dogmatischen Ungereimtheiten ist das mit der Entscheidung verfolgte Ziel umso deutlicher zu erkennen: Nicht nur im Bereich der Steuern, sondern auch der nichtsteuerl. Abgaben sollen die vom Bundesgesetzgeber offen gelassenen Freiräume und Wahlfreiheiten für den Bürger i. E. auch nicht auf dem Wege über landesrechtl. Lenkungsabgaben eingeschränkt werden dürfen.79

76 BVerfGE 98, 83 (100, 104); dazu Versteyl UPR 2000, 297 (297 ff.); zum Kooperationsprinzip als Rechtsprinzip Westphal DÖV 2000, 996 (996 ff.); Jarass UPR 2001, 5 (5 ff.). 77 BVerfGE 98, 83 (100–105); zust. Weidemann DVBl 1999, 73 (73 ff.); kompetenzrechtliche Schwerpunktbildung zuvor bereits bei Selmer (o. Fn. 46), S. 24–74. 78 Krit. auch Bothe NJW 1998, 2333 (2333 ff.); Rodi StuW 1999, 105 (105 ff.); Schrader ZUR 1998, 152 (152 ff.); speziell im Hinblick auf die rechtsstaatliche Fundierung des Gebots der Widerspruchsfreiheit J.-P. Schneider AK GG, Art. 105 (2001) Rn. 23. 79 Deutlich BVerfGE 98, 83 (104); s. a. Siekmann EWiR 1998, 841 f.

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6. Besonderheiten des mat. Finanzverfassungsrechts a) Normativer Gehalt Abzulehnen sind alle Versuche, das Finanzverfassungsrecht zum „Ausnahmerecht“80 zu erklären.81 Es mag Besonderheiten aufweisen.82 Aber schon die häufig genannte geringere inhaltl. Bestimmtheit der verwendeten Begriffe83 ist nicht so sicher. In ihrer Gesamtheit sind die Regelungen der Finanzverfassung nicht weiter und die in ihr verwendeten Begriffe nicht weniger bestimmt als sonst im GG. Im Gegenteil weist sie insgesamt eine höhere Regelungsdichte auf als manche anderen Abschnitte der Verfassung.84 Jedenfalls enthalten die Begriffe des Finanzverfassungsrechts nicht ohne weiteres Beurteilungs- oder Entscheidungsspielräume.85 Aber selbst wenn einzelne normative Festlegungen solche Spielräume enthalten sollten,86 kann diese Eigenart bei Auslegung und Anwendung der Vorschriften hinreichend berücksichtigt werden, ohne dass es einer allg. Einschränkung der rechtl. Bindungskraft und der Justiziabilität der Regelungen bedürfte.87 Eine insgesamt besonders „flexible“ Interpretation des Finanzverfassungsrechts ist ebenfalls nicht angezeigt, auch nicht aus „funktionell-rechtlichen“ Gründen.88 80

Hettlage, VVDStRL 14 (1956), 2 (8). So auch Prokisch (Fn. 14), S. 49. 82 Näher Prokisch (Fn. 14), S. 26 ff.; Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 624. 83 BVerfGE 72, 330 (390); Ossenbühl, FS Carstens II, 1984, S. 752; Prokisch (Fn. 14), S. 85 ff.; 109 f. 84 So ausdr. BVerwGE 96, 45 (54); zust. Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 640; Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 180; J.-P. Schneider AK GG, vor Art. 104a (2001) Rn. 8; unklar Hummel, Verfassungsfragen der Verwendung staatlicher Einnahmen, 2008, S. 46 und Fn. 40 a. E. 85 BVerfGE 103, 142 (157); in der Tendenz ebenso BVerwGE 96, 45 (53 f.); Vogel/ Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 634 f., 637; Heun, in: Dreier GG III, vor Art. 104a Rn. 21; unzutr. K.-A. Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG III, Art. 106 Rn. 26 („somit“). 86 Dafür Pieroth, in: Jarass/Pieroth GG, Art. 104a Rn. 1; näher Fischer-Menshausen, in: Dreißig (Hrsg.), Probleme des Finanzausgleichs I, 1978, S. 135 ff.; Prokisch (Fn. 14), S. 109 ff.; Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG III, Art. 104a Rn. 6. Auch in der älteren Rspr. finden sich Wendungen, die in diese Richtung weisen, vgl. BVerfGE 72, 330 (390). Allerdings geht das BVerfG regelmäßig so vor, dass es voll nachprüft, ob die Beteiligten die Begriffe zutr. ausgelegt und sich an den dadurch abgesteckten Rahmen gehalten haben. Die danach noch bestehenden Freiräume bezeichnet das Gericht zu Recht aber nicht als Beurteilungsspielräume, vgl. BVerfGE 13, 230 (233 f.) zur alten Fassung von Art. 72 II; ebenso 26, 338 (382 f.); 39, 96 (115) zu Art. 104a IV. In seiner jüngsten Rspr. hat das Gericht jedenfalls deutl. hervorgehoben, dass die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe als solche nicht den Rückschluss auf die Einräumung eines Beurteilungsspielraums trägt, BVerfGE 103, 142 (157). 87 Näher zur These von der eingeschränkten Justiziabilität der Finanzverfassung u. Rn. 31–33. 81

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Die Normen des Finanzverfassungsrechts genießen uneingeschränkte Geltungskraft. Die Finanzverfassung erfüllt nach der Rspr. des BVerfG eine „Begrenzungs- und Schutzfunktion“.89 Sie bildet einen „tragenden Pfeiler der bundesstaatlichen Ordnung“ 90 (näher u. IV. 2.). Darüber hinaus entfaltet sie – mittelbar – auch Schutzwirkung für den Bürger.91 Daher kann sie weder insgesamt noch in Teilen ein Recht „minderer Geltungskraft“ sein.92 Ihre Normen sind kein „soft law“, wie es im Bereich des Völkerrechts vorkommen mag. Jede einzelne Vorschrift ist strikt und ungeschmälert anzuwenden.93 Andernfalls würde der bundesstaatl. Verfassungsordnung in einem zentralen Punkt Stabilität und Sicherheit genommen, die Freiheit verbürgt. „Das Grundgesetz hat auch in diesem Bereich, der nicht das Verhältnis des Bürgers zum Staat, sondern das Verhältnis zwischen Bund und Ländern sowie der Länder untereinander betrifft, rechtl. Positionen, Verfahrensregeln und Handlungsrahmen festgelegt, die Verbindlichkeit beanspruchen. Dadurch erhalten politische Kooperation und Auseinandersetzung der Glieder des föderativen Staatsverbandes Regeln und Form.“ 94 Wegen ihrer Bedeutung steht die verfassungsrechtl. Finanzordnung auch nicht zur Disposition der Beteiligten. Sie darf nicht durch vertragl. Abmachung modifiziert werden.95 Deshalb sind von ihren Vorgaben abw. Kompromisse und Handhabungen auch dann nicht zulässig, wenn sie letztl. zu einem „vertretbaren Ergebnis“ gelangen und auch frei von Elementen der Willkür sind.96 Namentl. im Bereich der Zuständigkeiten sind Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern nicht zulässig, auch nicht, wenn alle Beteiligten einverstanden sind.97 88 Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 634; Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 180. 89 BVerfGE 93, 319 (LS, 342, 345); 113, 128 (146). 90 BVerfGE 72, 330 (388), Hervorhebung nicht im Original; 105, 185 (194): „Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung“. 91 BVerfGE 67, 256 (288 f.); näher zum Schutz gegen übermäßige Belastung u. Rn. 182. Auch Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 638, sehen dieses Schutzziel nur durch strikte Anwendung und umfassende Kontrolle des Finanzverfassungsrechts als erfüllbar an und verwenden dafür die Bezeichnung „rechtsstaatliche Ergänzungsfunktion der Finanzverfassung“. 92 BVerfGE 72, 330 (388). 93 Zust.: Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 639; Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 178 f.; J.-P. Schneider AK GG, vor Art. 104a (2001) Rn. 8; Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG III, Art. 104a Rn. 5; Heun, in: Dreier GG III, vor Art. 104a Rn. 21; Wieland, FS 50 Jahre BVerfG I, 2001, S. 771 (773); Höfling, FS v. Arnim, 2004, S. 259 (269); Ortmann (Fn. 16), S. 439. Die Praxis sieht allerdings anders aus, so dass Kitterer und Groneck zum Ergebnis gelangen: „Verfassungsverstöße gelten offensichtlich als Kavaliersdelikte und interessieren weder die Mehrheit der Parlamentarier noch die Öffentlichkeit“ (Wirtschaftsdienst 2006, 559 [559]). 94 BVerfGE 72, 330 (389). 95 BVerfGE 32, 145 (156); 39, 96 (109); 55, 274 (300). 96 BVerfGE 72, 330 (388). 97 BVerfGE 55, 274 (300 f.); 105, 185 (194).

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Nur wo sie ausdr. vorgesehen sind, dürfen vertragl. Absprachen getroffen werden. In der Praxis werden dennoch derartige Vereinbarungen getroffen, die dann aber zunehmend durch inhaltl. und systematisch fragwürdige Änderungen des GG (Art. 91a bis e, 106 III, IV, 106a, 143c) nachträglich abgesichert werden (Siekmann, in: Sachs GG, Art. 91e Rdn. 10, Art. 106 Rdn. 19, Art. 106a Rdn. 1, Art. 125c, Art. 143c).98 b) Rahmenordnung Das BVerfG hat die Finanzverfassung mehrfach als Rahmen- und Verfahrensordnung bezeichnet.99 Innerhalb dieses Rahmens sei der politische Prozess frei und vermöge „sich nach seinen eigenen Regeln und Bedingungen zu entfalten“.100 Nach einigem Zögern hat es aber klargestellt, dass dieser Rahmen selbst eine von der Verfassung fest vorgegebene Grenze sei, die weder der einfache Gesetzgeber noch die Exekutive überschreiten dürften.101 Auf diese Weise konnte es den von ihm erkannten Besonderheiten des Finanzverfassungsrechts (o. III. 2.) Rechnung tragen, zugleich aber auf die strikte Einhaltung seiner Normen (o. III. 3. a)) pochen. Für Analogieschlüsse findet sich in diesem Bereich kein Raum.102 c) Ungeschriebenes Finanzverfassungsrecht Die Gesamtheit der Regeln, die Rspr. und Verfassungsrechtslehre den allg. Maßgaben des GG, insbes. dem Rechtsstaatsgebot und dem Gleichheitssatz, für die Finanzverfassung entnommen haben, ist das „ungeschriebene Finanzrecht des Grundgesetzes“ genannt worden.103 Die Bezeichnung ist nicht glücklich, da es sich genau genommen auch um „geschriebenes Recht“ handelt, nur ist sein spezifisch finanzverfassungsrechtlicher Gehalt erst im Wege der Auslegung und Konkretisierung zu erkennen.104 Die speziellen finanzrechtl. Handlungsanweisungen sind in ihnen nicht ausdr. niedergelegt. Ob dafür eine zusammenfass. Bezeichnung geschaffen werden muss, ist zu bezweifeln.105 Richtig ist aber, dass auch 98 Die Koalitionsvereinbarungen sind wörtl. in die Begr. des verfassungsändernden Gesetzes bei der Föderalismusreform 2006 aufgenommen worden, BT-Dr 16/813. 99 Vgl. BVerfGE 67, 256 (288); 105, 185 (193): „in sich geschlossene Rahmen- und Verfahrensordnung“; Wieland Jura 1989, 410 (418); ders., FS 50 Jahre BVerfG I, 2001, S. 771 (774): Abweichung des BVerfG von diesem Verständnis. 100 BVerfGE 39, 96 (115); 67, 256 (289); 73, 330 (390); 105, 185 (194). 101 BVerfGE 67, 256 (289); 72, 330 (390); deutl. im Hinblick auf den einfachen Gesetzgeber BVerfGE 105, 185 (194). 102 BVerfGE 105, 185 (194). 103 K. Vogel, GS Martens, 1987, S. 265 ff. 104 Das wird jetzt auch von Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 36, eingeräumt. 105 Dafür aber K. Vogel, GS Martens, 1987, S. 265 ff., unter Vernachlässigung der begrifflichen Problematik. Sie wird auch deutlich bei der praktischen Anwendung durch

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Verfassungsrechtssätze außerhalb des X. Abschn. des GG zur Finanzverfassung gehören, wenn sie die Finanzwirtschaft des Staates zum Gegenstand haben (o. II.). Das Gegen- und Miteinander der allg. Vorschriften des GG im Verhältnis zu den Regeln des Abschnitts X macht zudem erst die Systemvorstellungen des Verfassungsgebers richtig deutlich. Sie begrenzen den Handlungsspielraum des einfachen Gesetzgebers mehr, als von Seiten der Politik meist angenommen wird. d) Justiziabilität In Anknüpfung an die Vorstellung, dass die Finanzverfassung „Ausnahmerecht“ sei und aus „funktionell-rechtlichen“ Gründen eine flexiblere Handhabung erfordere, also nur einen „Rahmen“ für den politischen Prozess bilde, ist die These von der eingeschränkten Justiziabilität der Finanzverfassung entwickelt worden. Im Bereich der Finanzverfassung sei die (verfassungs-)gerichtl. Kontrolldichte im Vergleich zu den anderen Teilen der Verfassung reduziert. Dem Gesetzgeber und nicht dem BVerfG stehe insoweit die letztverbindl. nähere inhaltl. Ausgestaltung („Normverdichtungskompetenz“) zu.106 Die Frage nach der Justiziabilität deckt sich nicht mit der Frage nach der Rechtsgeltung der finanzverfassungsrechtl. Normen107 (o. III. 3. a)). Die erste Frage hat die Existenz der rechtl. Bindung zum Gegenstand, während die zweite Frage sich mit der Durchsetzung dieser Bindung befasst. Allerdings stehen diese Aspekte nicht unverbunden nebeneinander. Strikte Bindung ohne Kontrolle ihrer Beachtung bleibt i. d. R. ein Lippenbekenntnis. Wenn man diese Bindung also tatsächl. will, muss ihre Einhaltung auch effektiv und ungeschmälert kontrolliert werden, namentl. durch Gerichte. Wenn dagegen Entscheidungsfreiräume gewollt sind, müssen sie normativ, also auf der Ebene des mat. Rechts, eingeräumt sein.108 Einschränkungen der gerichtl. Kontrolldichte verschleiern nur die Verteilung der Entscheidungskompetenzen. I. E. gibt es aber auch keine „durchschlagenden“ Sachgründe für die Verringerung der verfassungsrechtl. Bindung und ihrer Kontrolle im Finanzverfassungsrecht; auch nicht die Unbestimmtheit der verwendeten Begriffe.109 Waldhoff, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Steuergesetzgebung im Vergleich Deutschland–Schweiz, 1997, S. 309–335; wie hier jetzt auch J.-P. Schneider AK GG, vor Art. 104a (2001) Rn. 1. 106 Ossenbühl, FS Carstens II, 1984, S. 752; ders., Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs gem. Art. 107 II, 1984, S. 92–105; ders., FS K. Vogel, 2000, S. 227 (236); wohl auch Franz Klein, FS Döllerer, 1988, S. 285 (287): „die Bestimmungen der Finanzverfassung (sind) nur beschränkt justiziabel“. 107 Dazu insgesamt Prokisch (Fn. 14). 108 BVerfGE 61, 82 (111 ff.). 109 Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 634 ff., 639; Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 180; diff. Fischer-Menshausen (Fn. 86), S. 137; s. a. Prokisch (Fn. 14),

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Das hat auch das BVerfG nach einigen gegenteiligen Bemerkungen letztlich anerkannt. In einer seiner ersten Entscheidungen zu diesem Thema hatte es zwar die Frage nach der Intensität des horizontalen Finanzausgleichs als eine „finanzpolitische und keine verfassungsrechtliche“ bezeichnet. Sie entziehe sich der „Prüfung durch das Gericht“.110 Auch bewertete es im Urteil zu den Finanzhilfen nach dem Städtebauförderungsgesetz die Voraussetzungen des Art. 104a IV 1 als so „unbestimmt“, dass sich „die verfassungsgerichtliche Prüfung darauf beschränken müsse“, ob die Beteiligten die „Begriffe zutr. ausgelegt und sich in dem dadurch bezeichneten Rahmen gehalten“ hätten.111 Das Bild von dem „Rahmen“ und der „Rahmenordnung“ wurde später wieder aufgegriffen und vertieft; zuletzt allerdings verbunden mit der Klarstellung, dass die „Einhaltung [. . .] des Rahmens“ „verfassungsgerichtlicher Nachprüfung“ unterliege.112 Wenn somit das BVerfG die Beachtung des Rahmens uneingeschränkt überprüfen will, ist es zweitrangig, ob die Vorschriften des Finanzverfassungsrechts als „Rahmenordnung“ bezeichnet werden oder nicht (o. III. 3. b)). IV. Die bundesstaatlichen Finanzbeziehungen 1. Entwicklung a) Ausgangspunkt und Finanzreform 1969 Die Finanzverfassung i. e. S., also die Ordnung der Finanzbeziehungen im Bundesstaat, gehörte und gehört zu den umstrittensten Teilen des GG. Schon im Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee gab es darüber Auseinandersetzungen. Sie setzten sich im ParlRat fort, begleitet von wiederholten Anweisungen der alliierten Militärgouverneure, die fast zum Scheitern des gesamten Verfassungswerks geführt hätten.113 Einzelne Vorschriften wurden bis in den Wortlaut hinein von den Alliierten vorgegeben. Auch nach dem Inkrafttreten des GG gingen die Auseinandersetzungen weiter und führten zu mehreren Novellierungen. Die bis zum 1.9.2006 geltende Fassung beruhte im Wesentlichen auf der Finanzreform des Jahres 1969. Sie ist nicht unerheblich vom Gutachten der Komm. für die Finanzreform (sog. Troeger-Komm.) aus dem Jahre 1964 beeinflusst worden.

S. 109 ff.; Ortmann (Fn. 16), S. 440; anders wohl Korioth (Fn. 30), S. 76 ff.; J.-P. Schneider AK GG, vor Art. 104a (2001) Rn. 8. 110 BVerfGE 1, 117 (134). 111 BVerfGE 39, 96 (114 f.). 112 BVerfGE 67, 256 (289); 72, 330 (390). 113 Vgl. Renzsch, Finanzverfassung und Finanzausgleich, 1991, S. 63 ff.; Vogel/ Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 193–198; Waldhoff Die Verwaltung 39 (2006), 155, (160), der aber wohl zu Unrecht in der ursprünglichen Fassung nur eine vorläufige Regelung sieht. Die Alliierten hatten das ganz anders gesehen.

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Sie hat folgende Grundgedanken verwirklicht: (1) Die Konnexität von Aufgaben- und Ausgabenverantwortung ist ausdr. festgehalten (Art. 104a I) und die Mischfinanzierung verfassungsrechtl. begrenzt und kanalisiert worden (Art. 91a und 91 b sowie Art. 104a III und IV). (2) Bund und Ländern werden je eigene Steuerquellen zur Verfügung gestellt – Trennsystem – (Art. 106 I und II). (3) Daneben sind weitere Steuern in einem Verbundsystem zusammengefasst. Ihr Ertrag ist Bund und Ländern, zum Teil auch den Gemeinden, gemeinschaftl. zugewiesen (Art. 106 III und IV). (4) Die Beteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände an den Verbundsteuern ist verfassungsrechtl. garantiert (Art. 106 V bis VII). (5) Die Abgrenzung und Zerlegung der Steuereinnahmen sowie die Möglichkeit von „Ergänzungsanteilen“ an der Umsatzsteuer sind verfassungsrechtl. vorgezeichnet (Art. 107 I). (6) Neben dem Sonderlastenausgleich nach Art. 106 VIII ist ein sekundärer (berichtigender) Finanzausgleich der Länder untereinander (Art. 107 II S. 1) und durch „Ergänzungszuweisungen“ des Bundes (Art. 107 II S. 3) vorgesehen. b) Die Deutsche Einigung Teile der Finanzverfassung waren durch Art. 7 EV im Bereich der neuen Länder suspendiert. Sie sind aber seit dem 1.1.1995 auch in diesem Teil Deutschlands unbeschränkt in Kraft. Entgegen verschiedener Forderungen wurden Art. 106 und 107 dabei unv. gelassen. Zu Recht wurde kein neues ÜbergangsR geschaffen. Aufgrund von Verhandlungen zwischen den alten und den neuen Ländern und dem Bund wurde jedoch eine Einigung über den Finanzbedarf der neuen Länder erzielt und in verschiedenen (einfachgesetzl.) Regelungen des Finanzausgleichs umgesetzt („Solidarpakt I“). Für die Zeit nach dem Auslaufen dieser Regelungen im Jahre 2004 wurden nach langem Ringen Anschlussregelungen vereinbart („Solidarpakt II“), die in zwei „Körben“ im Wesentlichen Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen und Maßnahmen zur gezielten Wirtschafts- und Infrastrukturförderung enthalten.114 c) Die Föderalismusreform I (2006) Nach langjährigen Diskussionen über eine Modernisierung der bundesstaatl. Ordnung und der andauernden Forderung nach einer Reform der Finanzverfas114 Detaillierte Darstellung bei Fuchs LKV 2001, 538 (539, 542); Huber 65. DJT Bd. I, 2004, S. D 25: „falsche, vom BVerfG verworfene Richtung“; Wieland, FS Selmer, 2004, S. 971 (976 f.).

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sung115 setzten BR und BT zu diesem Zweck im Herbst 2003 eine Komm. ein, die Vorschläge für eine grundl. Reform des föderativen Staatsaufbaus erarbeiten und den gesetzgebenden Körperschaften vorlegen sollte. Die Komm. gelangte auch in wesentl. Einzelfragen zu übereinstimmenden Bewertungen,116 doch konnte sie sich letztl. nicht auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen.117 Nach den Wahlen zum 16. BT wurde aber im Koalitionsvertrag vom 18.11.2005 eine Einigung über die Föderalismusreform erzielt.118 Daraufhin wurden rasch gleichlautende Gesetzentw. durch den BR (aufgrund eines Antrags der Länder NRW, Bay, Berlin und Bremen) und aus der Mitte des BT eingebracht.119 Am 30.6.2006 stimmten die Abgeordneten des BT dieser umfassendsten Reform des GG seit 1949 mit der erforderl. Mehrheit zu.120 Nach Zust. des BR trat das Gesetz am 1.9.2006 in Kraft.121 Die Föderalismusreform I hat bereits nennenswerte Teile der Finanzverfassung i. w. S. geändert, obwohl der Kern der Finanzverfassung erst in einem zweiten Schritt grundl. reformiert werden sollte. Neu geschaffen worden sind die Art. 104b, 125c und 143c. Substantielle Änderungen und Ergänzungen sind in Art. 91a und b, Art. 104a sowie Art. 109 vorgenommen worden; kleinere Änderungen in Art. 105 und 107. Nach der Gesetzesbegr. werden mit der Reform, orientiert an den Zielen der „Entflechtung, Verantwortungsklarheit und Handlungsautonomie“ – Mischfinanzierungstatbestände abgebaut (Artikel 91a Abs. 1 Nr. 1), – die Voraussetzungen für Finanzhilfen verschärft (Artikel 104b), – die regionale Steuerautonomie gestärkt (Artikel 105 Abs. 2a), – ein nationaler Stabilitätspakt im GG verankert (Artikel 109 Abs. 5), 115 Hendler DÖV 1993, 292 (292 ff.); F. Kirchhof VVDStRL 52 (1993), 71 (88, 95 ff.); namentl. für die Reformbedürftigkeit von Art. 104a ders. DVBl 2004, 977 (980 ff.); diff. Selmer VVDStRL 52 (1993), 39, 58: „zu spät und zu früh zugleich“; speziell zu Art. 104a eingehend: Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck III GG, 5. Aufl. 2005, Art. 104a Rn. 158–169; Heun, in: Dreier, GG III, vor Art. 104a Rn. 10; aus ökonom. Sicht: Lenk, Reformbedarf und Reformmöglichkeiten des deutschen Finanzausgleichs, 1993, S. 241 f.; ders., Aspekte des Länderfinanzausgleichs, 2001, S. 39; Färber, in: Bundesrat (Hrsg.), 50 Jahre Herrenchiemseer Verfassungskonvent – Zur Struktur des deutschen Föderalismus, 1999, S. 89 ff. 116 Deutscher Bundestag, Bundesrat (Hrsg.), Dokumentation der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, Zur Sache 1/2005. 117 BT-Dr 16/813, S. 7. 118 Gemeinsam für Deutschland – mit Mut und Menschlichkeit, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 11.11.2005, Anl. 2. 119 BT-Dr 16/813, BR-Dr. 178/06. 120 BT-Prot. 16/4295. 121 G. z. Änd. des GG v. 28.8.2006, BGBl. I 2034.

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– die Lastentragung von Bund und Ländern bei der Verletzung von supranationalen und völkerrechtl. Verpflichtungen im GG ausdr. geregelt (Artikel 104a Abs. 6).122 Ziel der Reform war nicht nur die Entflechtung von Zuständigkeiten und die damit einhergehende Stärkung der Eigenständigkeit von Bund und Ländern, sondern auch die Schaffung einer neuen Balance zwischen den föderalen Elementen der Solidarität und der Kooperation einerseits und des Wettbewerbs andererseits.123 Die bish. verfassungsgesetzl. Regelungen über die „Gleichwertigkeit“ (Art. 72 II) und die „Einheitlichkeit“ (Art. 106 III) der Lebensverhältnisse hatten noch keine entschiedene Stellungnahme im Richtungsstreit zwischen „föderativer Kooperation“ und „föderativem Wettbewerb“ geliefert.124 d) Die Föderalismusreform II (2009) und die weitere Entwicklung Die zweite Stufe der Föderalismusreform sollte eine grundl. Reform der Finanzverfassung bringen. Vor allem hätte sie sich mit den negativen Folgen des Bund-Länder-Finanzausgleichs beschäftigen müssen, obwohl sich einige Fortschritte bereits durch eine engere Auslegung und wesentl. striktere Anwendung der entspr. verfassungsrechtl. Vorgaben erreichen ließe. Ein erster Schritt in diese Richtung ist mit dem Urteil des BVerfG getan, in dem ein Anspruch des Landes Berlin auf „Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen zum Zwecke der Haushaltssanierung“ verneint worden ist.125 Allerdings bekämpft das Gericht damit nur die Geister, die es zuvor leichtfertig selbst hervorgerufen hatte.126 Das Konzept des Wettbewerbsföderalismus127 könnte auch schon ohne Verfassungs122 BT-Dr 16/813, S. 10; Huber 65. DJT Bd. I, 2004, S. D 33 ff.: „Verfassungsgebot der Entflechtung“; ders., FS Scholz, 2007, S. 602 ff.; s. a. Siekmann, in: Sachs GG, Art. 91a Rn. 8. 123 BT-Dr 16/813, S. 1, 7; grundl. zu Wettbewerb und Kooperation im deutschen Bundesstaat Mehde, Wettbewerb zwischen Staaten, 2005, S. 202 ff. 124 Osterloh EuGRZ 2002, 309 (312); zu Einheitlichkeit und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse: Mehde (Fn. 123), S. 141–176; ferner Häde, in: Konrad/Jochimsen (Hrsg.), Föderalismuskommission II: Neuordnung von Autonomie und Verantwortung, 2008, S. 157. 125 BVerfGE 116, 327 (327 ff.). 126 BVerfGE 72, 330 (330 ff.). 127 Dazu Vanberg, Bürgersouveränität und wettbewerblicher Föderalismus: Das Beispiel der EU, 2003; H. Bauer DÖV 2002, 871 (873); Schatz/van Ooyen/Werthes, Wettbewerbsföderalismus, 2000; Kirchgässner, FS v. Arnim, 2004, S. 375 ff.; Kruis DÖV 2003, 10 (13); C. Fuest, in: Konrad/Jochimsen (Hrsg.), Föderalismuskommission II: Neuordnung von Autonomie und Verantwortung, 2008, S. 119; speziell zum Steuerwettbewerb unter den Ländern Selmer NordÖR 2006, 221 (222), der aber in der Anwendung der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 II auf die Steuergesetzgebung nach Art. 105 II noch keine Tendenz zu mehr Wettbewerbsföderalismus zu erkennen vermag; zu Einheitlichkeit und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse Häde, ebda., S. 157; allg. zum Wettbewerbsföderalismus Siekmann, in: Sachs GG, Art. 91a Rn. 19.

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änderung im Ansatz verwirklicht werden.128 Die weiter geforderte grundl. Neustrukturierung129 und weitere Entflechtung130 kann aber nur durch Verfassungsänderungen erfolgen, wenn nicht der Weg des Art. 29131 gegangen wird, der zahlreiche Klippen aufweist. Die schließlich im Jahre 2009 erfolgte Verfassungsänderung hat aber keineswegs den Finanzausgleich grundl. neustrukturiert, sondern nur die Vorschriften über die Kreditaufnahme des Bundes neu gestaltet und erstmals Kreditaufnahmeregeln für die Länder in das GG aufgenommen (Art. 109 III, IV, 115). Für die Kreditaufnahme hatte es aber auch bisher schon wohl begründete Regeln im Verfassungsrecht des Bundes und der Länder gegeben. Deshalb ist die in Politik und Medien weit verbreitete Kennzeichnung als Schaffung einer „Schuldenbremse“ zumindest grob irreführend. Dass das bisherige Recht in erheblichem Umfang (bedingt) vorsätzlich gebrochen worden ist, bleibt meist unerwähnt. Eines der wichtigsten Ziele der erst wenige Jahre alten Föderalismusreform I wurde sogar in ihr Gegenteil verkehrt. Es wurden mit der Föderalismusreform II neue Mischverwaltungs- und Mischfinanzierungstatbestände (Art. 91c und d) geschaffen statt alte abgeschafft. Ein Jahr später wurde als Reaktion auf ein Verdikt des BVerfGG noch ein weiterer Mischtatbestand im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende geschaffen, der alle bisher geschaffenen Systemwidrigkeiten übertrifft. 2. Bedeutung für den Bundesstaat Die Ordnung der Finanzen im Allg. und der Finanzausgleich im Besonderen besitzen eine schlechterdings nicht zu überschätzende Bedeutung für das Funktionieren des bundesstaatl. Systems. Die in den Art. 104a bis 109 enthaltenen finanzverfassungsrechtl. Normen gehören daher zu den „tragenden Pfeilern der bundesstaatlichen Ordnung“ des GG.132 Dabei kommt der strikten Beachtung 128 Positiv zur Durchführung der Anpassung auf einfachgesetzlicher Ebene: Korioth (Fn. 30), S. 14, 412: „für Verfassungsänderungen [. . .] ist derzeit kein Raum und Bedarf“; Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 244; Selmer JuS 2006, 1052 (1059); im Erg. wohl ähnl. J.-P. Schneider Der Staat 40 (2001), 272 (284 ff.); ders. AK GG, vor Art. 104a (2001) Rn. 11, allerdings unter sehr allg. Bezugnahme auf politikwissenschaftliche Stereotypen. Auch sein undifferenzierter Rückgriff auf Douglass North ist fragwürdig. Vgl. aber auch Mehde (Fn. 123), S. 201 f., der die Verwirklichung eines „reinen“ Wettbewerbsföderalismus ohne vielfältige Verfassungsänderungen nicht für mögl. hält. 129 F. Kirchhof ZG 2006, 280; Braun ZSE 2007, 235; Seitz, in: Konrad/Jochimsen (Hrsg.), Föderalismuskommission II: Neuordnung von Autonomie und Verantwortung, 2008, S. 135; zurückhaltend Korioth ZG 2007, 1. 130 Waldhoff VVDStRL 66 (2007), 216, Hey VVDStRL 66 (2007), 277. 131 Er hat keinen Vorrang vor dem Finanzausgleich u. Rn. 45. 132 BVerfGE 72, 330 (388) (Hervorhebung nicht im Original); zuvor ähnl. schon BVerfGE 55, 274 (300); BVerfGE 105, 185 (194): „Eckpfeiler“.

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(o. III. 3. a), b)) der finanzverfassungsrechtl. Zuständigkeitsbereiche von Bund und Ländern eine „überragende Bedeutung für die Stabilität der bundesstaatl. Verfassung“ zu.133 Das gilt namentlich für die Regelung des Finanzausgleichs in Art. 107.134 Die Regelungen sollen eine Finanzordnung sicherstellen, die den „Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft sachgerecht beteiligt. Bund und Länder müssen im Rahmen der verfügbaren Gesamteinnahmen so ausgestattet werden, dass sie die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Ausgaben leisten können“.135 Die finanzverfassungsrechtl. Normen des GG dienen dazu, dass die „staatliche Selbständigkeit von Bund und Ländern real werden [. . .] kann“. Eine „hinreichende Finanzausstattung“ der Länder ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Länder ihre eigene Staatlichkeit entfalten können. Deshalb muss die Verfassung eines Bundesstaates die finanz. Positionen des Bundes und seiner Glieder bestimmen und absichern.136 Nicht angebracht ist es jedoch, in diesem Zusammenhang von der Finanzverfassung als eine „Folgeverfassung“ zu sprechen.137 Der Begriff erweckt den Eindruck eines einseitigen Wirkungszusammenhanges, der so nicht besteht.138 Die Absicherung der Staatlichkeit hat nicht primär durch eine Neugliederung der bestehenden Einheiten zu geschehen. Art. 29 genießt keinen Vorrang vor den Normen des Finanzausgleichs.139 Das System der gesetzl. Sozialversicherung ist in Art. 74 I Nr. 12, Art. 87 II, Art. 120

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BVerfGE 105, 185 (194). BVerfGE 72, 330 (388). 135 BVerfGE 55, 274 (300); 72, 330 (388); 86, 148 (214, 264); 105, 185 (194); ähnl. bereits BVerfGE 32, 333 (338). 136 BVerfGE 72, 320 (388); 86, 148 (214, 264). 137 So aber: F. Kirchhof VVDStRL 52 (1993), 71 (80 f.); Korioth (Fn. 30), S. 12 f., 32, sinngem. S. 151 f., oder noch enger „akzessorische Folgeverfassung“ (S. 32); Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG III, Art. 104a Rn. 4; Schwarz, in: Starck (Hrsg.), Föderalismusreform, Rn. 391; Huber 65. DJT Bd. I, 2004, S. 92 D, 127 D; Hillgruber JZ 2004, 837 (844). 138 Zu Recht weisen Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 71, auf die vielfältigen Wechselbeziehungen hin, die mit dem Begriff „Folgeverfassung“ nicht hinreichend zum Ausdruck kommen; ebenso Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 58, der aber nunmehr die alte finanzwissenschaftliche Regel, dass die Ausgaben den Aufgaben zu folgen haben, in Zweifel zieht; anders wohl noch ders., Die Verwaltung 39 (2006) 155 (156); krit. auch J.-P. Schneider AK GG, vor Art. 104a (2001) Rn. 7; Heun DVBl 1996, 1020 (1021); ders., in: Dreier GG III, vor Art. 104a Rn. 20. Juristisch wenig hilfreich und sachl. angreifbar ist es zudem, die Finanzverfassung als einen „Spiegel“ oder „Seismogramm“ für bundessstaatliche „Wandlungsprozesse“ zu bezeichnen, so aber Schuppert StWiss 6 (1995), 675 (691); Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht, 1998, S. 508. 139 Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 74; Huber 65. DJT Bd. I, 2004, S. D 128; a. A. Korioth (Fn. 30), S. 407 Fn. 1 als Folge seines Fehlverständnisses von der Finanzverfassung als „Folgeverfassung“ (o. Rn. 45); w. Nachw. bei Erbguth, in: Sachs GG, Art. 29 Rn. 18, der selbst von einem Vorrang ausgeht. 134

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II. Verfassungsrecht

I 4 gesondert geregelt und von den allg. Einnahme- und Ausgleichsregelungen der bundesstaatl. Finanzordnung abgekoppelt.140 3. Grundlagen des Finanzausgleichs und seine Abgrenzung Eine der Hauptaufgaben des Finanzverfassungsrechts ist die Verteilung der Einnahmequellen und die Umverteilung der daraus fließenden Erträge.141 „Es handelt sich um das Problem, wie die Gesamtmasse der öffentlichen Einnahmen, insbesondere der Steuern, auf die verschiedenen Träger öffentlicher Aufgaben sachgemäß zu verteilen ist.“ Dieses Problem stellt sich vordringlich im Bundesstaat, „wo die staatlichen Aufgaben nach Maßgabe der Verfassung zum Teil vom Gesamtstaat, zum Teil von den Gliedstaaten erfüllt werden“.142 Zutr. wird der Finanzausgleich im anglo-amerikanischen Raum deswegen auch als „fiscal federalism“ bezeichnet.143 Dabei stellen sich vor allem zwei Fragen: „Es ist einmal zu entscheiden, welche Einnahmen dem Gesamtstaate, welche den Gliedstaaten zuzuweisen sind (,vertikaler Finanzausgleich‘), zum anderen, ob und wie Unterschiede in Finanzkraft und Belastung zwischen den Gliedstaaten in Auswirkung des bundesstaatl. Gedankens ausgeglichen werden können (,horizontaler Finanzausgleich‘).“ 144 Darüber hinaus gibt es einen „primären“ und einen „sekundären“ Finanzausgleich.145 Dieser Linie folgt nun auch das BVerfG, wenn es zwischen einer „primären“ Verteilung und einer deren Ergebnisse korrigierenden weiteren Umverteilung unterscheidet. Mit der „primären Aufteilung“ wird den Ländern die ihnen „originär zustehende Finanzausstattung“ zugewiesen.146 Deshalb sollten sowohl die vertikale als auch die horizontale Primärverteilung begriffl. zum Finanzausgleich gerechnet werden. 140 BVerfGE 113, 167 (200); Heun, FS Selmer, 2004, S. 657 (666), m.w. N.; a. A. F. Kirchhof, HStR V3, § 125 Rn. 21; ders. DRV 1989, 32 (37 f.); ders., FS Dürig, 1990, S. 447 (459 ff.). 141 Dazu eingehend Stern, Staatsrecht II, S. 1128. 142 BVerfGE 1, 117 (119). 143 Stiglitz, Economics of the Public Sector, 3. Aufl. 2000, Kap. 26. In den verfassungsrechtlichen Werken wird der Begriff allerdings nicht verwendet, da die amerikanische Verfassung keine dem Art. 107 vergleichbare Vorschrift enthält, vgl. Currie, The Constitution of the Federal Republic of Germany, 1994, S. 59; zu den „intergovernmental fiscal relations“ Heun StWiss 5 (1994), 97 (97 ff.); Häde ZfZ 1994, 228 (228 ff.); Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 698 ff. 144 BVerfGE 1, 117 (119) (Hervorhebung nicht im Original). Der vertikale Finanzausgleich kann durch die Art der Verteilung und möglicherweise Weitergabe (Rückgabe) umverteilende, „redistributive“ Wirkung haben, vgl. BVerfGE 83, 362 (390). 145 Vgl. Kamp/Langheinrich/Stamm, Die Ordnung der öffentlichen Finanzen, 1971, S. 57, 73; Hidien BK GG, Art. 106 (2001) Rn. 237 ff.; Stern, Staatsrecht II, S. 1161, 1171. 146 Das BVerfG legt diese vier Kombinationen ebenfalls implizit zugrunde, setzt die denkbaren Varianten aber in ein Stufenverhältnis; näher u. Rn. 52.

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Es müssen danach immer zwei Fragenkreise unterschieden werden: (1) Der eine befasst sich damit, ob auf derselben bundesstaatl. Ebene verteilt wird oder über verschiedene Ebenen hinweg: horizontaler oder vertikaler Finanzausgleich. (2) Der andere hat die Frage zum Gegenstand, ob originäre Einnahmequellen zugewiesen werden oder ob eine Umverteilung von bereits vereinnahmten Erträgen vorgenommen wird: primärer oder sekundärer Finanzausgleich. Diese Unterscheidungen haben nicht nur theoretische oder rechtspolitische Bedeutung, sondern bestimmen maßgebend die Auslegung der entspr. Vorschriften. Sie können in beliebiger Kombination auftreten oder auch nur Einzelaspekte eines der Fragenkreise enthalten. Als Grundmuster ergeben sich insgesamt vier verschiedene Formen des Finanzausgleichs. Darauf ist zu achten, da es auch nach der Rspr. des BVerfG einen erhebl. Unterschied macht, ob eine Vorschrift originäre Steuerquellen verteilt (primärer Finanzausgleich) oder eine Umverteilung der daraus zugeflossenen Einnahmen vornimmt (sekundärer Finanzausgleich). Die Steuerquellen können im primären Finanzausgleich nur jeweils einer ertragsberechtigten Körperschaft (Bund) oder der Ländergesamtheit zugeteilt werden. Das wäre ein mehr oder weniger reines Trennsystem. Sie können aber auch den Ertragsberechtigten gemeinschaftl. zugewiesen werden. Sie erhalten dann den ihnen zustehenden Anteil nach einem festgelegten Verteilungsschlüssel. Das wäre ein Verbundsystem. Die danach den Ertragsberechtigten zustehenden Anteile sind originäre („eigene“) Steuerquellen und nicht bloß Finanzzuweisungen (zu ihnen Siekmann, in: Sachs GG, Art. 104b Rdn. 12). 4. Ausgestaltung des Finanzausgleichs im GG Das GG enthält ein mehrstufiges System zur Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat.147 Ziel dieser Verteilung ist es, „Bund und Länder finanziell in die Lage zu versetzen, die ihnen verfassungsrechtl. zukommenden Aufgaben wahrzunehmen“. Damit „können sich Eigenständigkeit und Eigenverantwortung der Aufgabenwahrnehmung entfalten“. Bund und Ländern muss im Rahmen der vorhandenen Finanzmasse soweit wie mögl. eine „angemessene Finanzausstattung“ verschafft werden.148 Sinn des Finanzausgleichs kann es aber nicht sein,

147 Deutlich BVerfGE 72, 330 (383–387); weniger klar BVerfGE 101, 158 (219– 225); modifiziert in BVerfGE 116, 327 (LS, 378): mehrstufiges System „zur Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat“, um „Bund und Ländern die Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben in staatlicher Eigenständigkeit und Eigenverantwortung finanziell zu ermöglichen“. 148 BVerfGE 72, 330 (383); sinngem. ebenso BVerfGE 86, 148 (215 f.).

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II. Verfassungsrecht

die Unterschiede zwischen den Ländern einzuebnen oder gar überzukompensieren. Es gilt ein Nivellierungsverbot als „ungeschriebene Grenze“ des (horizontalen) Finanzausgleichs,149 das allerdings schwer zu quantifizieren ist.150 Die Vorschriften der Finanzverfassung regeln „die Verteilung des Finanzaufkommens in verschiedenen aufeinander aufbauenden und aufeinander bezogenen Stufen, wobei jeder Stufe bestimmte Verteilungs- und Ausgleichsziele zugeordnet sind. Daraus ergibt sich insges. ein verfassungsrechtl. normiertes Gefüge des Finanzausgleichs, das zwar durchaus bewegl. und anpassungsfähig ist, dessen einzelne Stufen aber nicht beliebig funktional ausgewechselt oder übersprungen werden können“.151 Das GG sieht entspr. dem dargelegten Schema (o. IV. 3.) zwei Arten von Finanzausgleich vor: den primären und den sekundären. Beide Arten werden jeweils horizontal und vertikal durchgeführt: 1. Verteilung der Ertragshoheit zwischen Bund und Ländern, primärer vertikaler Finanzausgleich (u. IV. 4. a)); 2. Ertragsaufteilung zwischen den Ländern, primärer horizontaler Finanzausgleich (u. IV. 4. a)); 3. Umverteilung unter den Ländern, sekundärer horizontaler Finanzausgleich (u. IV. 4. b)); 4. sekundärer vertikaler Finanzausgleich und Mischfinanzierungstatbestände (u. IV. 4. b)).152 a) Verteilung von Einnahmequellen (primärer Finanzausgleich) Ausdr. ist im GG – von unbedeutenden Ausnahmen abgesehen – nur die Verteilung von Steuererträgen geregelt. Gemeint ist die Ertragshoheit in dem Sinne, dass eine Quelle zugewiesen wird. Davon zu unterscheiden ist der einfachgesetzl. Steueranspruch nach dem SteuerschuldR gegen den Bürger. Die Ertragshoheit für Vorzugslasten (Gebühren und Beiträge) folgt der Verwaltungskompetenz153 oder 149 Wörtl. oder sinngem. BVerfGE 1, 117 (131 f.); 72, 330 (398); 86, 148 (214 f.); 101, 158 (222); Heintzen, in: v. Münch/Kunig GG III, Art. 107 Rn. 28; Birk AK GG, 2. Aufl., Art. 107 Rn. 10; Birk/Wernsmann DÖV 2004, 868 (871); Vogel/Kirchhof BK GG, Art. 107 (1971) Rn. 50; dies BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 78; Maunz, in: Maunz/Dürig GG, Art. 107 (1983) Rn. 64; Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 73; Korioth (Fn. 27), S. 612 f.; Häde (Fn. 27), S. 239, allerdings unter Beschränkung auf den Länderfinanzausgleich; Meyer KritV 2008, 133 (148 ff.). 150 Nähere Darstellung bei Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 79 f. 151 BVerfGE 72, 330 (383, 385); 101, 158 (214); ihm folgend Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 73. 152 So jetzt auch deutlich: BVerfGE 101, 158 (219–226); ebenso Birk/Wernsmann DÖV 2004, 868 (869 f.). 153 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth GG, Art. 106 Rn. 2; Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 43, 425; Heun, in: Dreier GG III, Art. 106 Rn. 8.

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dem Gegenstand der Sachregelung,154 da sie Ausgleich für Leistungen des Staates sind. Im Schrifttum ist vertreten worden, dass die Ertragshoheit für Sonderabgaben und sonstige nichtsteuerl. Einnahmen dagegen der Gesetzgebungskompetenz folgen solle155 und auch rechtl. verselbstständigten Einrichtungen zugewiesen werden könne.156 Das ist aber inkonsequent und zeigt zudem, dass eine eigenständige Kategorie „Sonderabgaben“ ein Fremdkörper in der Finanzverfassung des GG ist (näher u. V. 3. c) aa)). Nunmehr hat das BVerfG für alle Einnahmen, die nicht aus Steuern oder Finanzmonopolen stammen und bei denen „ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe oder Tätigkeit besteht“, klargestellt, dass „die Ertragszuständigkeit“ „grundsätzlich der Verwaltungszuständigkeit für die Sachaufgabe, für die die Abgabe erhoben“ wird, folgt, wenn keine anderweitige Regelung besteht.157 Mit den Vorschriften über die „primäre Aufteilung des Steueraufkommens“ weist das GG Bund und Ländern die ihnen „originär“ zustehende Finanzausstattung zu.158 Sie erfolgt zunächst vertikal, also im Verhältnis des Bundes zur Ländergesamtheit, und dann horizontal, also im Verhältnis der einzelnen Länder untereinander. Die vertikale Steuerertragsaufteilung ist in Art. 106 geregelt. Sie folgt in der Grundanlage immer noch dem Trennsystem (o. IV. 3.). Die aufkommenstärksten Einzelsteuern sind aber mittlerweile nach dem Verbundsystem (o. IV. 3.) als Gemeinschaftsteuern ausgestaltet. Ihre Aufteilung ist in Art. 106 III durch die Verfassung selbst festgelegt. Davon ausgenommen ist nur die Umsatzsteuer. Sie wird durch einfaches Bundesgesetz zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Das GG gibt dafür in Art. 106 III 3 und IV ledigl. Leitlinien vor. Die damit ermöglichte Beweglichkeit wird aber nun durch das vom BVerfG geforderte Maßstäbegesetz eingeschränkt (u. IV. 4. d)). Aufgrund der so vorgenommenen Verteilung der Steuererträge zwischen Bund und Ländergesamtheit erfolgt dann die Aufteilung des Anteils der Ländergesamtheit auf die einzelnen Länder. Diese primäre horizontale Steuerertragsaufteilung ist in Art. 107 I geregelt und richtet sich nach dem „Prinzip des örtlichen Aufkommens“ (dazu näher Siekmann, in: Sachs GG, Art. 107 Rdn. 6). Eine abw. Regelung ist wieder nur für die Umsatzsteuer getroffen worden. Sie wird grds. nach der Einwohnerzahl aufgeteilt, allerdings mit der Möglichkeit, Ergänzungsanteile 154

Näher Stern, Staatsrecht II, S. 1160. Hidien BK GG, Art. 106 (2001) Rn. 574; Pieroth, in: Jarass/Pieroth GG, Art. 106 Rn. 2; Heun, in: Dreier GG, III, Art. 106 Rn. 8. 156 Pieroth ebda. 157 BVerfGE 105, 185 (193). Inkonsequent benennt das BVerfG dann aber doch sowohl die Gesetzgebungs- als auch die Verwaltungskompetenz für die entspr. Sachmaterie. 158 BVerfGE 72, 330 (385). 155

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(bis zu 25 % des Länderanteils) „vorweg“ an finanzschwache Länder zuzuweisen (Art. 107 I 4). Dieses System führt dazu, dass den finanzschwachen Ländern mindestens 92 % des durchschnittl. Steueraufkommens der Länder zur Verfügung stehen. b) Umverteilung von Erträgen (sekundärer Finanzausgleich) Der primäre Finanzausgleich wird im Interesse einer ausgewogenen Finanzausstattung aller Länder durch einen sekundären Finanzausgleich, also einer Umverteilung durch Leistungen aus „eigenen“ Finanzmitteln, korrigiert. Diese Korrektur und Ergänzung erfolgen wieder horizontal und vertikal: Art. 107 II 1 sieht einen horizontalen Ausgleich unter den Ländern vor, zum Teil auch Finanzausgleich i. e. S. genannt. Er hat zum Ergebnis, dass die finanzschwachen Länder 95 % der durchschnittl. Finanzkraft aller Länder erreichen. Daneben eröffnet Art. 107 II 3 dem Bund die Möglichkeit, aus seinen Mitteln, also im Wege eines ergänzenden, vertikalen Finanzausgleichs „Ergänzungszuweisungen“ an leistungsschwache Länder zu gewähren. Ausgleichswirkungen entfalten auch die Zuweisungen im Rahmen von Mischfinanzierungstatbeständen (Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a bis e sowie Geldleistungen nach Art. 104a III und Finanzhilfen nach Art. 104b). Zumindest wegen ihrer ökonomischen Konsequenzen sind sie auch im Rahmen des sekundären Finanzausgleichs zu beachten.159 c) Keine Berücksichtigung des Finanzbedarfs Die gesamte Regelung des Finanzausgleichs im GG ist dadurch gekennzeichnet, dass Bedarfsgesichtspunkte nur ausnahmsweise berücksichtigt werden dürfen. Das gilt sowohl für den primären als auch für den sekundären Finanzausgleich. Im Vordergrund stehen generelle und bedarfsunabhängige Verteilungsmaßstäbe, wie das Prinzip des örtl. Aufkommens oder die Einwohnerzahl, die allenfalls in sehr abstraktem Sinne als Indikator für den Finanzbedarf angesehen werden kann. Auch der sekundäre Finanzausgleich darf grds. nicht unterschiedlichen Finanzbedarf befriedigen, sondern nur Finanzkraftunterschiede ausgleichen. Sonderbedarfe einzelner Länder müssen unberücksichtigt bleiben.160 Andernfalls entstünde der unwiderstehl. Anreiz, durch politische Entscheidungen einen Bedarf zu erzeugen, der von dritter Seite zu decken wäre.161 Nur zwei Ausnah159 Vom BVerfG zutr. nun auch in das finanzverfassungsrechtliche System des Grundgesetzes zur „Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat“ miteinbezogen, BVerfGE 101, 158 (225). 160 Dazu näher Siekmann, in: Sachs GG, Art. 107 Rn. 33. 161 Zust. zur Gefahr von Fehlanreizen Birk/Wernsmann DÖV 2004, 868 (874).

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men hat das BVerfG im Rahmen des sekundären Finanzausgleichs weiterhin gestattet: den Sonderbedarf der Stadtstaaten und den für die Unterhaltung der Seehäfen.162 Auch der Begriff Leistungsschwäche in Art. 107 II 3 ist nicht allein aufkommensorientiert, sondern bezeichnet die Relation zwischen Finanzaufkommen und Ausgabenlasten eines Landes. Das bedeutet, dass der Bund bei der Vergabe von Bundesergänzungszuweisungen Sonderlasten einzelner Länder berücksichtigen darf. Sie müssen jedoch als Ergänzung und nicht als Ersatz des primären und des sekundären horizontalen Finanzausgleichs angelegt sein und müssen Ausnahmecharakter haben.163 d) Konkretisierung und Ergänzung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe durch den Gesetzgeber In seiner Entscheidung zum Finanzausgleich vom 11.11.1999 hat das Bundesverfassungsgericht – etwas überraschend und dogmatisch nur schwer nachvollziehbar – einen besonderen Regelungsauftrag für den (einfachen) Gesetzgeber zur Konkretisierung und Ergänzung verfassungsrechtlicher Maßstäbe erfunden. Die Finanzverfassung enthalte „keine unmittelbar vollziehbaren Maßstäbe, sondern verpflichte den Gesetzgeber, das verfassungsrechtl. nur in unbestimmten Begriffen festgelegte Steuerverteilungs- und Ausgleichssystem entspr. den vorgefundenen finanzwirtschaftl. Verhältnissen und finanzwissenschaftl. Erkenntnissen durch unmittelbar anwendbare, allgemeine und ihn selbst bindende Maßstäbe gesetzl. zu konkretisieren und zu ergänzen“.164 Diese Konkretisierung und Ergänzung sollte nach Vorstellung des BVerfG „– unabhängig von wechselnden Ausgleichsbedürfnissen und von konkreten Zuteilungs- und Ausgleichssummen –“ abstrakt und für lange Zeiträume erfolgen.165 Besonderen Wert legte das Gericht nicht nur auf die Dauerhaftigkeit und Langfristigkeit der Maßstäbe, sondern auch auf ihre zukunftsgestaltende Wirkung. Deshalb müsse das „maßstabgebende Gesetz“ zeitl. vor seiner konkreten Anwendung im FinanzausgleichsG beschlossen werden.166 Dieses MaßstäbeG bedürfe der Zustimmung des BR.167 Dabei hat sich das Gericht im Schwerpunkt von der Auffassung leiten lassen, dass eine „rein interessenbestimmte Verständigung über Geldsummen“ ausgeschlossen oder erschwert werden sollte.168 162

Dazu näher Siekmann, in: Sachs GG, Art. 107 Rn. 34. Dazu näher Siekmann, in: Sachs GG, Art. 107 Rn. 51–65. 164 BVerfGE 101, 158 (215, 238). 165 BVerfGE 101, 158 (215, 217 f., 226). 166 BVerfGE 101, 158 (217 f.): „[. . .] dass die Maßstäbe der Steuerzuteilung und des Finanzausgleichs bereits gebildet sind, bevor deren späteren Wirkungen konkret bekannt werden“; „kann die Vorherigkeit des Maßstäbegesetzes eine institutionelle Verfassungsorientierung gewährleisten“. 167 BVerfGE 101, 158 (219). 168 BVerfGE 101, 158 (217). 163

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II. Verfassungsrecht

Das Gericht hat damit dem Gesetzgeber ein zweistufiges Verfahren vorgegeben: (1) Zunächst sollten die verfassungsrechtl. Grundsätze in einem Maßstäbegesetz „inhaltlich zu verdeutlichen und seine verfassungskonkretisierenden Maßstäbe der Zuteilung und des Ausgleichs tatbestandlich zu benennen“ sein. (2) Sodann sollten „aus diesen Maßstäben die konkreten finanzrechtlichen Folgerungen für die jeweilige Ertragshoheit, Zuweisungsbefugnis und Empfangsberechtigung, Ausgleichsberechtigung und Ausgleichsverpflichtung zu ziehen“ sein.169 Das Gericht nennt als vier Hauptaufgaben für das Maßstäbegesetz die Festlegung von (1) Maßstäben für die vertikale Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländergesamtheit, Art. 106 III 4, (2) Kriterien für die Gewährung von Umsatzsteuerergänzungsanteilen, Art. 107 I 4, 2. Hs., (3) Voraussetzungen für Ausgleichsansprüche und Ausgleichsverbindlichkeiten sowie die Maßstäbe für deren Höhe im Länderfinanzausgleich, Art. 107 II 2, (4) Maßstäben für die Benennung und Begr. der Bundesergänzungszuweisungen, Art. 107 II 3.170 Diese Forderung des BVerfG an den Gesetzgeber steht z. T. in Widerspruch zu seiner bisherigen Rspr., stößt in jedem Fall aber auf erhebl. dogmatische und praktische Schwierigkeiten.171 Es gibt keine Grundlage für ein derartiges Postulat in der Verfassung. Im Gegenteil geht Art. 107 II 1 von einem Gesetz zur Regelung des Finanzausgleichs aus (Siekmann, in: Sachs GG, Art. 107 Rdn. 41). Nur im Spezialfall der Bundesergänzungszuweisungen verlangt Art. 107 II 2 die Festlegung von Maßstäben in einem Gesetz. Sie hat aber in einem Gesetz zu erfolgen und nicht auf einer vorgelagerten Stufe.172 Wenn das GG ein MaßstäbeG mit der Breitenwirkung, wie es das Gericht verlangt, vorgeschrieben hätte, wäre es ein leichtes gewesen, das ausdr. anzuordnen, wie es beispielsweise in Art. 109 III ge-

169

BVerfGE 101, 158 (216). BVerfGE 101, 158 (214 f.). 171 Insgesamt krit. Bull/Mehde DÖV 2000, 305 (305 ff.); Christmann DÖV 2000, 315 (315 ff.); Linck DÖV 2000, 325 (329); Lindner NJW 2000, 3757 (3757 ff.), mit besonderer Erörterung der Figur des „Schleiers des Nichtwissens“; Pieroth NJW 2000, 1086 (1086 ff.); H. P. Schneider/Berlit NVwZ 2000, 841 (844); Rupp JZ 2000, 269 (269 ff.); J.-P. Schneider AK GG, Art. 106 (2001) Rn. 15, 20; ders., Der Staat 40 (2001), 272 (296 ff.); Trzaskalik, FS Rudolf, 2001, S. 379 (387); Wieland DVBl 2000, 1310 (1312 f.); K.-A. Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG III, Art. 106 Rn. 30 f.; Starck, FS Öhlinger, 2004, S. 254 (269 f.); z. T. zust. Degenhart ZG 2000, 79 (79 ff.); Ossenbühl, FS K. Vogel, 2000, S. 227 (230–234); Waldhoff ZG 2000, 193 (193 ff.), der Vorbilder aus den romanischen Rechtskreisen darstellt (S. 212 f.), die aber nur bedingt mit der nordatlantischen Verfassungstradition, der sich das Grundgesetz angeschlossen hat, zu vergleichen sind; Mehde (Fn. 123), S. 193: „bestechender Gedanke, [. . .] dass die Konkretisierung der Regeln des Finanzausgleichs quasi [!] zu einer Aufgabe reift, die sich in reiner Deduktion aus den abstrakten Maßstäben erschöpft.“ Der juristische Gehalt dieser Erwägungen bleibt aber dürftig. 172 Im Wesentlichen wie hier Becker NJW 2000, 3742 (3744); J.-P. Schneider Der Staat 40 (2001), 272 (296). 170

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schehen ist.173 Die Erkenntnis, dass der Gesetzgeber mit diesem Gesetz säumig sei, hätte schon in den früheren Entscheidungen zum Finanzausgleich ausgesprochen werden müssen. Eine grundl. Änderung der Verhältnisse ist nicht eingetreten. Eine Bindung des Gesetzgebers durch ein derartiges Gesetz ist nach bisherigem Verständnis nicht begründbar und auch vom Gericht nur behauptet, aber nicht begründet worden.174 Sie kann auch nicht im Wege der Selbstbindung entstehen.175 Es ist auch keine verfassungsrechtl. Ermächtigung zur Einräumung des Vorranges zu erkennen. Der einfache Bundesgesetzgeber kann nicht den einfachen Bundesgesetzgeber binden. Bei Gesetzen gleicher Rangstufe muss das „lex posterior“ vorgehen.176 Wenn sich der Vollzugsgesetzgeber nicht an die im Maßstäbegesetz zuvor aufgestellten Maßstäbe hält, stößt ihre Durchsetzung auf erhebl. Schwierigkeiten. Das Maßstäbegesetz ist zudem kein geeigneter Prüfungsmaßstab in einem mögl. Normenkontrollverfahren, da darin Gesetze nur auf ihre Vereinbarkeit mit dem GG, nicht aber mit einem Maßstäbegesetz, zu überprüfen sind. Diese Regelung steht auch nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers.177 Das daraufhin im Jahre 2001 erlassene MaßstäbeG178 enthält entspr. den Vorgaben des Gerichts (o. IV. 4. d)) vier Hauptteile, denen allg. Bestimmungen vorangestellt sind (Abschn. 1): vertikale Umsatzsteuerverteilung nach Art. 106 III 4 und IV 1 (Abschn. 2), horizontale Umsatzsteuerverteilung nach Art. 107 I 4 (Abschn. 3), Länderfinanzausgleich nach Art. 107 II 1 und 2 (Abschn. 4) und Bundesergänzungszuweisungen nach Art. 107 II 3 (Abschn. 5). Es fehlt jedoch eine klare Anordnung der Bindung an die Maßstäbe des Gesetzes. Die in § 1 II MaßstG getroffenen Feststellungen sind Gemeinplätze, haben aber keinen normativen Gehalt. Ob damit auch inhaltl. den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts entsprochen worden ist, dürfte zu bezweifeln sein.179 Schon vor Erlass des Gesetzes war prognostiziert worden, dass namentlich die gesetzl. Regelung für 173 Linck DÖV 2000, 325 (328); Rupp JZ 2000, 269 (270); ähnl. K.-A. Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG III, Art. 106 Rn. 30. 174 Deutl. BVerfGE 101, 158 (217 oben). 175 Vgl. Linck DÖV 2000, 325 (326 f.), der sich zu Recht ausdr. auch gegen die „Systemgerechtigkeit“ als ein allg. Verfassungspostulat ausspricht. 176 Zutr. Rupp JZ 2000, 269 (271) allenfalls „Selbstverpflichtung“; Wieland DVBl 2000, 1310 (1313), unter Hinw. auf die Fundierung der Regel im Demokratieprinzip; Becker NJW 2000, 3742 (3745); K.-A. Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG III, Art. 106 Rn. 30 f.; a. A. Ossenbühl, FS K. Vogel, 2000, S. 227 (232); zuvor schon ders. DÖV 1969, 548 (548 ff.), zur ähnl. Problematik bei der kommenden Neugliederung durch Gesetz. 177 Isensee, FS Leisner, 1999, S. 359 ff.; Ossenbühl, FS K. Vogel, 2000, S. 227 (239). 178 MaßstäbeG vom 9.9.2001 (BGBl. I 2302). 179 So auch Mehde (Fn. 123), S. 194: lassen „wohlmeinende Intention“ des BVerfG „ins Leere laufen“.

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II. Verfassungsrecht

die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens nach Art. 106 III 4 wieder so verabschiedet werden würde, dass eine vorher ausgehandelte Verteilung des Umsatzsteueraufkommens nachträgl. mit abstrakten Umschreibungen festgeschrieben würde.180 V. Die Einnahmen des Staates 1. Verfassungsrechtliche Grundanforderungen Obschon das GG dem Finanzwesen des Staates einen besonderen Abschn. widmet, fehlt eine umfass. Normierung, wie der staatl. Finanzbedarf zu decken ist. Die Verfassung geht vielmehr von einzelnen Finanzierungsformen aus. Sie sind zum Teil ausf. geregelt (Steuern und Kreditaufnahme), zum Teil bloß erwähnt (Gebühren: Art. 74 I Nr. 22, Art. 80 II, Einnahmen aus Beteiligungsvermögen: Art. 110 I, 135 VI) oder nur stillschweigend vorausgesetzt. Ohne jegl. Anknüpfungspunkt im GG hat das BVerfG darüber hinaus zu Beginn der 80er Jahre eine völlig neue Kategorie kreiert: die Sonderabgaben. Um begriffl. einigermaßen Klarheit zu gewinnen, hat sich eingebürgert, für alle Formen des hoheitl. Geldtransfers von Privaten auf den Staat den Begriff „Abgabe“ zu verwenden.181 Er umfasst als wichtigste Untergruppen die Steuern, die Vorzugslasten (Gebühren und Beiträge), die Sozialversicherungsbeiträge und die Sonderabgaben, nicht aber Verspätungszuschläge, Geldbußen, Geldstrafen und Zwangsgelder.182 Für die finanzverfassungsrechtl. Einordnung einer Geldleistungspflicht kommt es dabei weder auf ihre Bezeichnung durch den Gesetzgeber noch auf ihre haushaltsmäßige Behandlung an. Entscheidend ist allein ihr mat. Gehalt.183 Lange Zeit hat das BVerfG beträchtliche Mühe aufgewandt, um eine konkrete Abgabe einer dieser Finanzierungsformen zuzuordnen184 und damit zugleich über ihre Zulässigkeit zu entscheiden. Davon ist es aber in den letzten Jahren immer mehr abgerückt und lässt zunehmend neue Abgabeformen zu185 oder weicht einer begriffl. Zuordnung aus.186 Damit verfehlt es zunehmend eine der 180 Deutlich Linck DÖV 2000, 325 (329); Ossenbühl, FS K. Vogel, 2000, S. 227 (229, 239); Rupp JZ 2000, 269 (270): „wirklichkeitsfremd“; ferner Lindner NJW 2000, 3757 (3758); Wieland, FS 50 Jahre BVerfG I, 2001, S. 771 (795 f.); ders., FS Selmer, 2004, S. 971 (979 f.), sehr krit. auch: Scholz, FS Badura, 2004 S. 491 (508, 510); Selmer NVwZ 2003, 1304 (1309); Waldhoff, Die Verwaltung 39 (2006), 155 (161). 181 Dazu Selmer, FS Starck, 2007, S. 435 (436 f.). 182 Drüen, in: Tipke/Kruse (Hrsg.), Abgabenordnung § 3 (2007), Rn. 7, 7 a. 183 BVerfGE 49, 343 (353), unter fragwürdiger Berufung auf BVerfGE 7, 244 (251 f.); 55, 274 (304 f.); 65, 325 (344); 67, 256 (276); 82, 159 (177); 92, 91 (114); 93, 319 (345); 108, 1 (13); 186 (212); 110, 370 (384); 113, 128 (145 f.); 122, 316 (333); 124, 348 (364); BVerwGE 72, 212 (221); Mußgnug, FS Forsthoff, 1972, S. 259, 273 ff.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth GG, Art. 105 Rn. 2. 184 Selmer/Brodersen DVBl 2000, 1153 (1154). 185 BVerfGE 78, 249 (266, 268): „Abschöpfungsabgabe“.

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Hauptaufgaben, die dem Verfassungsrecht zukommt: dem abgabeneinfordernden Herrscher Grenzen zu ziehen. Es ist keineswegs so, dass das Abgabenleid des Bürgers ein natürliches Hindernis für den um seine Wiederwahl besorgten Politiker bildet. Es existieren verschiedene Asymmetrien und (Markt-)Unvollkommenheiten, die das – zumindest in Deutschland – weitgehend verhindern. Als besonders abschreckendes Beispiel soll hier nur die monströse Zweitwohnungsteuer genannt werden. Formenstrenge und Formenklarheit haben, nicht zuletzt im Finanzrecht, ihren guten Sinn (u. V. 3. a) aa)).187 Vielfach ist versucht worden, einen Vorrang der Steuerfinanzierung aus der Charakterisierung der Bundesrepublik als Steuerstaat abzuleiten. Dieser – der Finanzwissenschaft entlehnte Begriff188 – hatte aber ursprüngl. rein deskriptive Bedeutung und bezog sich auch nicht auf einen bestimmten Staat, sondern den modernen Staat schlechthin. Schon vor 80 Jahren stand dabei aber eher die „Krise des Steuerstaates“ im Mittelpunkt des Interesses.189 Staatstheorie und Staatsrechtswissenschaft haben den Begriff erst spät aufgegriffen,190 jedenfalls lange nach Schaffung des GG. Auch sie haben den „modernen Staat“ als Steuerstaat charakterisiert,191 bisweilen auch beschränkt auf den Staat „in den westlichen Demokratien“ 192 oder den Staat des GG.193 Damit verbunden war eine Wendung 186 Wasserentnahmeabgaben: BVerfGE 93, 319 (Leitsatz, 342, 345); Abfallabgaben: BVerfGE 98, 83 (101). 187 BVerfGE 105, 185 (195); aus Sicht des Umweltschutzes verständlicherweise anders: Murswiek, Die Verwaltung 33 (2000), 241 (280 ff.); Heimlich DÖV 1997, 996 (996 ff.); Sacksofsky (Fn. 41), S. 188–195; deutlich Hendler/Heimlich ZRP 2000, 325 (328 f.); zu Recht krit.: Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 423; Selmer/ Brodersen DVBl 2000, 1153 (1155). 188 Vgl. Goldscheid, Staatssozialismus oder Staatskapitalismus, 4./5. Aufl. 1917 (unveränd. Nachdruck der 2./3. Aufl. 1917), S. 24; ders., HdbFW I, 1. Aufl. 1926, S. 151, 153; Schumpeter, Die Krise des Steuerstaates, 1918. 189 Schumpeter ebda; später: Andic/Andic FinArch n. F. 43 (1985), 460 (460 ff.); Grauhan, in: Res Publica, 1977, S. 129, 139; Hedtkamp, in: Staatsfinanzierung im Wandel, 1983, S. 11 ff.; Wittmann Steuerstaat, 1986, S. 11 ff., und die Neuveröffentlichung der maßgebenden Abhandlungen von Goldscheid und Schumpeter durch Hickel, in: Die Finanzkrise des Steuerstaates, 1976, mit einem Beitrag von dems. zu den Krisenproblemen des „verschuldeten Steuerstaates“ (ebda, S. 7 ff.). 190 Bezeichnend aber bereits (beiläufig und negativ) mit der Unterscheidung zwischen dem „heutigen Staat“ und „Deutschland“: C. Schmitt, Der Hüter der Verfassung, 1931, S. 81, ferner S. 92; ders., Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, 1934, S. 51; andeutungsweise auch Köttgen, VVDStRL 6 (1929), 8 (31 f.); zur Entwicklung des Begriffs vgl. K. Vogel, Der Staat 25 (1986), 498 (498 ff.), vor allem Fn. 123; ders., HStR II3, § 30 Rn. 51 ff.; Heun, in: Sacksofsky/Wieland (Hrsg.), Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, 2000, S. 10 (11 ff.); Wieland, FS 50 Jahre BVerfG I, 2001, S. 771 (776 f.). 191 H. Krüger Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 897. 192 K. Vogel, Der Staat 25 (1986), 516. 193 Zeidler, VVDStRL 19 (1961), 208 (214) („unser Staat“); Isensee (Fn. 41), S. 437: „Der Staat des Grundgesetzes ist Steuerstaat“; Pieroth, in: Jarass/Pieroth GG, Art. 105

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II. Verfassungsrecht

ins Normative: Der Staat des GG wird nicht allein als Steuerstaat analysiert, sondern er hat es von Verfassung wegen auch zu sein,194 möglicherweise sogar gesichert durch Art. 79 III.195 Dem hat sich das BVerfG in einer etwas merkwürdig anmutenden „Klammerdefinition“ angeschlossen.196 Ob damit auch die Bestrebungen, wieder mehr auf die Äquivalenz von staatlicher Leistung und finanz. Gegenleistung des Bürgers abzustellen, ohne weiteres als verfassungswidrig zu beurteilen sind,197 ist so sicher nicht. Für die – durchaus nicht neue – Forderung nach mehr „Responsivität zwischen Aufgaben- und Finanzierungsentscheidung“ 198 gibt es durchaus ernst zu nehmende Gründe. Bedeutung und normativer Gehalt des Begriffs sind aber bis zuletzt unklar geblieben und dürften eher plakativer Natur sein. Jedenfalls kann ihm nicht entnommen werden, dass es neben Steuern keine anderen Finanzierungsformen geben darf.199 Anschließend ist sogar noch eine Weiterentwicklung zum Abgabenstaat erwogen worden.200 Damit wird die rechtl. Bedeutung des Steuerstaatsprinzips aber noch mehr verwässert. Auch ist die Entwicklung des Steuerstaates zum Gebührenstaat analysiert worden.201 Die Grundsatzkritik an der Steuerstaatsdoktrin kommt im Wesentlichen, aber nicht nur,202 aus dem Lager des Rn. 2: „[. . .] werden die öffentlichen Aufgaben grundsätzlich nur aus Steuern finanziert (Prinzip des Steuerstaates [. . .])“; Schmehl (Fn. 56), S. 68: „[. . .] ist Deutschland nicht nur, aber wesentlich auch als ,Steuerstaat‘ zu beschreiben“. 194 Friauf, FS Haubrichs, 2. Aufl. 1977, S. 103 (106 f.); Isensee, FS H. P. Ipsen, 1977, S. 409 (420); P. Kirchhof JZ 1982, 305 (305 f.); Stober ZHR 145 (1981), 565 (587); Pieroth, in: Jarass/Pieroth GG, Art. 105 Rn. 2; Osterloh, NVwZ 1991, 823 (824 f.); Gramm, Der Staat 36 (1997), 267 (273 f.); K. Vogel, HStR II3, § 30 Rn. 69; Isensee, HStR V3, § 122 Rn. 71; Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 5; eingehend Vogel/ Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 327 ff.; Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, 1994, S. 28 ff.; ders. JZ 2000, 827 (832); ders., FS K. Vogel, 2000, 187 (189); Drömann (Fn. 212), S. 90 ff., 141 ff.; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG III, Art. 105 Rn. 2; zum Ganzen Wienbrake, Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr. Zugleich ein Beitrag zum Steuerstaatsprinzip und zum Kostendeckungsprinzip unter Berücksichtigung des Europarechts, 2004, S. 68 ff.; ders. StuW 2005, 81 (81 ff.); Kube (Fn. 51) S. 116 f.; zur Inhaltsbestimmung des Steuerstaatsgebots des GG aus finanzwissenschaftlicher Sicht Gawel, Der Staat 39 (2000), 209 (209 ff.). 195 So Isensee, FS H. P. Ipsen, 1977, S. 409 (434). 196 BVerfGE 78, 249 (267), unter Berufung allein auf K. Vogel, HStR I1, § 27 Rn. 70. 197 So Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 5. 198 Schmehl (Fn. 56), S. 12, 17, 220 ff. 199 Vgl. auch Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 2. Aufl. 1985, S. 198; Drömann (Fn. 212), S. 184 f., 370 f.; P. Kirchhof, FS Mußgnug, 2005, S. 131 (134); krit. Jachmann StuW 2001, 92 (94 f.). 200 F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137 (139 f.), aber ohne eindeutiges Ergebnis (S. 153); Gramm, Der Staat 36 (1997) 267 (267 ff.). 201 Hendler DÖV 1999, 749 (749 ff.); Helbig DVBl 1999, 688 (688 ff.); Sacksofsky/ Wieland (Hrsg.) (Fn. 190). 202 Heun (Fn. 190), S. 10 ff.; ders., in: Dreier GG III, Art. 105 Rn. 11.

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Umweltschutzes,203 wo gerne nichtsteuerl. Abgaben zur Verhaltenslenkung eingesetzt werden, da sie leichter durchsetzbar und weniger fühlbar sind als Gebote und Verbote. Soweit wirtschaftswissenschaftliche Postulate übernommen werden, wird allerdings sehr häufig verkannt, dass sie nur Effizienzaussagen enthalten, wie das Coase-Theorem. Kategorien wie Gerechtigkeit, Fairness und Verfassungsmäßigkeit bleiben dabei regelmäßig ausgeklammert. Dennoch kann dem GG jedenfalls eine Grundsatzentscheidung für die Finanzierung des Staates durch Steuern entnommen werden.204 Das ergibt sich einmal aus der quantitativen und qualitativen Sonderbehandlung, die sie in den diff. Regelungen der Art. 105, 106, 107 und 108 erfahren haben. Sie enthalten „kompetentielle Zuweisungen von erheblichem Gewicht“.205 Diese bevorzugte Behandlung der Steuern durch den Verfassungsgeber beruht auf einer bewussten Entscheidung und ist in voller Kenntnis ihrer faktischen Bedeutung für die Finanzwirtschaft des Staates erfolgt.206 Das System des föderativen Einstehens für einander im Finanzausgleich (o. IV. 4.) müsste zudem zusammenbrechen, wenn die einzelnen staatl. Einheiten frei auf andere Einnahmequellen zugreifen dürften.207 Alle Abgaben, die an den staatl. Sektor zu leisten sind, werden letztlich aus derselben Quelle gespeist. Sie partizipieren an der Wirtschaftsleistung des privaten Sektors. Es handelt sich um ein komplexes System gegenseitiger Abhän-

203 Hendler DÖV 1999, 749 (749 ff.); Sacksofsky (Fn. 46), S. 153 ff.; Koch, FS Selmer, 2004, S. 769 (777); Schmehl (Fn. 56), S. 71 ff., 114; skeptisch auch J.-P. Schneider AK GG, Art. 104a (2001) Rn. 6 f. 204 Vgl. neben den in Fn. 194 Genannten zumindest in der Tendenz ebenso: K. Vogel, GS Martens, 1987, S. 265 (266); ders., HStR II3, § 30 Rn. 70; Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 5, 82, 84; Isensee, HStR V3, § 122, Rn. 71; v. Einem BB 1987, 2367 (2368); wohl auch P. Kirchhof, HStR V3, § 118 Rn. 5 („Sie [die Steuer] bestimmt das alltägliche Gesicht des Verfassungsstaates.“); Weyreuther UPR 1988, 161 (167); Pieroth, in: Jarass/ Pieroth GG, Art. 105 Rn. 2; Rodi JZ 2000, 827 (832); Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck GG III, Art. 105 Rn. 2; Jahndorf, Grundlagen der Staatsfinanzierung durch Kredite und alternative Finanzierungsformen im Finanzverfassungs- und Europarecht, 2003, S. 6; Reimer/Waldhoff, Verfassungsrechtliche Vorgaben für Sonderabgaben des Banken- und Versicherungssektors, 2011, Rn. 138; a. A., aber mit zahlreichen Unterschieden i. E. Heun, in: Dreier GG III, Art. 105 Rn. 11: „schon nicht mehr haltbar“; Sacksofsky (Fn. 46), S. 161–188; wohl auch Osterloh NJW 1982, 1617 (1619 f.), im Hinblick auf die Sozialversicherungsbeiträge. 205 Stern, Staatsrecht II, S. 1098. 206 Vgl. den Schwerpunkt der Auseinandersetzungen über das Finanzwesen im ParlRat, die im Wesentlichen nur über Fragen der Steuergesetzgebung, -verwaltung und -ertragsverteilung gingen: Bericht des Abg. Dr. Höpker-Aschoff an das Plenum des ParlRates (Anlage zum ParlRat-Prot d. 9. Sitzung am 6.5.1949, S. 53–59); ferner JöR n. F. 1 (1951), 748 (749); Höpker-Aschoff DÖV 1949, 282 (282 ff.); Stern, Staatsrecht II, S. 1070. 207 Vgl. K. Vogel, GS Martens, 1987, S. 265 (266), mit dem Hinw., dass das „ausgefeilte Finanzverteilungssystem des Grundgesetzes aus den Angeln gehoben“ würde, wenn andere Einnahmen eine mehr als marginale Bedeutung erlangten.

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gigkeiten, das durch unkoordinierte und punktuelle Einzelbelastungen empfindlich gestört würde. Es dient darüber hinaus dem Schutz des Bürgers vor übermäßigen Belastungen.208 Auch das BVerfG entnimmt in seiner neueren Rspr. der grundgesetzl. Finanzverfassung das Gebot, dass „die Finanzierung der staatlichen Aufgaben [. . .] in erster Linie aus dem Ertrag der in Art. 105 ff. geregelten Einnahmequellen erfolgt (Prinzip des Steuerstaates [. . .]“).209 Zuvor und danach spricht es aber immer noch nur von der „grundsätzlichen“ Finanzierung der „Gemeinlasten“ durch Steuern, ohne das Steuerstaatsprinzip anzuführen.210 „Einnahmen außerhalb des von der Finanzverfassung erfassten Bereichs“ sollen aber nur „ausnahmsweise, also „unter besonderen Voraussetzungen“ erschlossen werden dürfen.211 Ein solches Regel-Ausnahme-Verhältnis kann aber nicht bedeuten, dass erst alle Steuerquellen ausgeschöpft sein müssen, bevor andere Abgabeformen in Anspruch genommen werden dürfen. Die Wendung des Gerichts wird zum Teil rein qualitativ i. S. einer „erhöhten Rechtfertigungspflicht“ verstanden.212 Sie lässt sich aber auch gut als Ausdruck einer quantitativen Begrenzung verstehen. Nichtsteuerliche Abgaben213 sind letztl. – unabhängig von ihrer begriffl. Zuordnung – „kompetenzrechtlich“ nur zulässig, wenn sie den „Anforderungen der Begrenzungsund Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung standhalten“,214 dem Prinzip der Belastungsgleichheit entsprechen,215 nicht gegen das Prinzip der Vollständigkeit des Haushaltsplans verstoßen216 und nicht das fein ausbalancierte System des bundesstaatl. Finanzausgleichs stören.217

208 In diesem Sinne jetzt auch Jahndorf (Fn. 204), S. 20 ff.; s. a. Isensee, FS Selmer 2004, 687 (694). 209 BVerfGE 93, 319 (342, 345). 210 BVerfGE 78, 269 (266 f.); 82, 159 (178); 92, 91 (113); 101, 141 (147). 211 BVerfGE 78, 249 (266 f.); 82, 159 (178); K. Vogel, HStR II3, § 30 Rn. 71 a. E.: Das Grundgesetz setzt voraus, dass sie (die nichtsteuerlichen Einnahmen) Ausnahmen bleiben, nicht zur Regel werden“. 212 Selmer/Brodersen DVBl 2000, 1153 (1165); Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, 2000, S. 171–184; wohl auch Müller-Franken, in: Friauf/Höfling GG, Art. 105 Rn. 54; anders dagegen die Deutung des Wechsels in der Formulierung als Ausdruck einer quantitativen Betrachtungsweise Hendler, in: Sacksofsky/Wieland (Hrsg.) (Fn. 190), 68 (81). 213 Allg. zu den nichtsteuerl. Abgaben Isensee, in: Staatsfinanzierung im Wandel, 1982, S. 435 ff.; Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, 1999; Drömann (Fn. 212). 214 BVerfGE 93, 319 (LS, 345); 124, 348 (364). 215 BVerfGE 93, 319 (343); 108, 1 (16); 110, 370 (387). 216 BVerfGE 93, 319 (343); 108, 1 (16); 110, 370 (388). 217 BVerfGE 55, 274 (300); 78, 249 (266).

1. Allgemeines Finanzverfassungsrecht des Grundgesetzes

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Danach ist Folgendes festzuhalten: (1) Die Inanspruchnahme nichtsteuerlicher Finanzierungsformen bedarf immer eines rechtfertigenden Grundes. Die Deckung des allg. Finanzbedarfs des Staates alleine reicht nicht aus.218 Es besteht kein allgemeines Wahlrecht des Staates zwischen der Erhebung von Steuern und nichtsteuerl. Abgaben.219 (2) Nichtsteuerl. Abgaben müssen sich deshalb ihrer Art nach von der Steuer, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird, „deutlich unterscheiden“.220 (3) Vorzugslasten gehören zum „tradierten Bestand“ staatlicher Tätigkeit. Sie unterscheiden sich durch ihre „Ausgleichsfunktion“ von der Steuer. Die erforderl. Abhängigkeit der Geldleistungspflicht von einer Gegenleistung ist nur dann gegeben, wenn ihre Höhe den „Wert“ der empfangenen öff. Leistung nicht übersteigt.221 (4) Wenn das Aufkommen einer nichtsteuerl. Abgabe nicht in den allgemeinen Haushalt fließt, bedarf das einer besonderen Rechtfertigung und muss dem Parlament vollständig zur Kenntnis gelangen.222 (5) Die Verteilung der Einnahmen aus derartigen Abgaben muss sich in die Verteilung der Finanzmassen durch das ausbalancierte System des bundesstaatl. Finanzausgleichs einpassen. Ob darüber hinaus die Finanzierung des gesamten Staatsbedarfs, also des öff. Sektors i. S. der volkswirtschaftl. Gesamtrechnung, mit Ausnahme des – traditionell gesondert finanzierten – Sozialversicherungssystems auch quantitativ zum größten Teil auf Steuereinnahmen beruhen muss,223 ist nicht sicher.224 Es wäre danach zwar nur das Gesamtergebnis zu prüfen, doch würde die notwendige quantitative Konkretisierung und Durchsetzung einer solchen Anforderung auf kaum überwindbare Schwierigkeiten stoßen.

218 BVerfGE 93, 319 (342, 347); 108, 1 (16); 108, 186 (115 f.); 113, 128 (147); 124, 348 (364). 219 BVerfGE 55, 274 (300); 67, 256 (275 f.); 93, 319 (342 ff.). 220 BVerfGE 93, 319 (343); 108, 1 (16); 108, 186 (216). 221 BVerfGE 93, 319 (347); 108, 1 (17); 108, 186 (216); näher zur Gebührenbemessung u. Rn. 101 ff., 110. 222 BVerfGE 93, 319 (343); 108, 1 (16); 108, 186 (216). 223 Dafür: P. Kirchhof., HStR V3, § 118 Rn. 6 („Hauptfinanzierungsinstrument“); ähnl. auch Jahndorf (Fn. 204), S. 7; Hendler (Fn. 212); Jachmann, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck GG III, Art. 105 Rn. 2: „tragende Säule der Staatsfinanzierung“; mit eingehender Begr. Wienbrake (Fn. 194), S. 82 ff., 95, 106, 109; ders. StuW 2005, 81 (82, 83 ff.); Reimer/Waldhoff (Fn. 204), Rn. 138: „in erster Linie durch Steuern“. 224 Dagegen Heun (Fn. 190), S. 21.

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2. Die anerkannten Finanzierungsformen a) Steuern aa) Grundlagen der begrifflichen Abgrenzung Es hat schon früh Versuche gegeben, das Wesen der Steuer auch von rechtswissenschaftlicher Seite definitorisch einzufangen.225 Aber erst seit Erlass des GG hat sich die Verfassungsrechtswissenschaft näher damit beschäftigt.226 Das BVerfG hat lange Zeit den Steuerbegriff des GG ohne nähere Begr. mit der einfachgesetzl. Definition aus § 1 I (R)AO und später § 3 I AO ausgefüllt.227 Die Rspr. der Fachgerichte228 und das Schrifttum229 sind dem gefolgt. Mittlerweile besteht aber weithin Einigkeit, dass es einen eigenständigen verfassungsrechtl. Begriff der Steuer gibt, der weder identisch mit dem traditionellen Steuerbegriff ist,230 noch verbindl. durch den einfachen Gesetzgeber festgelegt werden darf.231 Seine Regelungen sind es, die daran zu messen sind. Er muss deshalb selbstständig aus der Verfassung abgeleitet werden.232 Dabei kann die überkommene einfachgesetzl. Abgrenzung der Abgabenordnung eine wichtige Auslegungshilfe sein.233 225 Vgl. beispielsweise F. J. Neumann, Die Steuer und das öffentliche Interesse, 1887, S. 1–42, 391; O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, 3. Aufl. 1924, S. 316: „Die Steuer ist eine Geldzahlung, welche dem Untertanen durch die öffentliche Gewalt auferlegt wird schlechthin zur Vermehrung der Staatseinkünfte, aber nach einem allgemeinen Maßstabe“. 226 Vgl. beispielsweise Bodenheim, Der Zweck der Steuer, 1979; Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuern, 1966, S. 14 f.; Knies (Fn. 49); Maunz, in: Maunz/Dürig GG, Art. 105 (1979) Rn. 2–12; Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, 1997; Selmer (Fn. 49), S. 80 ff.; Starck, FS Wacke, 1972, S. 193 (193 ff.); Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 85; s. a. MüllerFranken, in: Friauf/Höfling GG, Art. 105 Rn. 58–73, der sich aber sehr an den einfachgesetzlichen Merkmalen der AO orientiert. 227 Grundl. BVerfGE 7, 244 (251); ferner BVerfGE 3, 407 (435); 8, 274 (317); 10, 372 (380 f.); 29, 402 (408 f.); 36, 66 (70); 38, 61 (79 f.); 42, 223 (228); 49, 343 (372); 55, 274 (299); 65, 325 (344); 67, 256 (282); 72, 330 (433). 228 BFHE 141, 369 (372). 229 Vgl. Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, 1991, S. 30 m.w. N. 230 BVerfGE 55, 274 (299); 67, 256 (282); Pieroth, in: Jarass/Pieroth GG, Art. 105 Rn. 3; Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 85; a. A. Franz Klein, Gleichheitssatz und Steuerrecht, 1966, S. 33; wohl auch Drüen (Fn. 182), Rn. 2 a. 231 Grundl. Leisner, Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung, 1964, vor allem S. 35; ebenso Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 370. 232 Stern, Staatsrecht II, S. 1098; Tipke (Fn. 49), S. 1055; danach ebenso: Vogel/ Waldhof BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 371, 373; Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 85; unausgesprochen, in der Sache aber schon in diesem Sinne BVerfGE 4, 7 (13 f.). 233 Stern, Staatsrecht II, S. 1098; Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 371; Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 85; J.-P. Schneider AK GG, Art. 104a (2001) Rn. 8.

1. Allgemeines Finanzverfassungsrecht des Grundgesetzes

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Versucht man, Bilanz zu ziehen, bleibt wenig übrig. Eine Kennzeichnung anhand von positiven Merkmalen ist letztlich wohl nicht möglich.234 Jedes denkbare positiv umschreibende Kriterium wird auch von zumindest einer anderen Geldleistungspflicht erfüllt. Schon E. Becker, der Schöpfer der Reichsabgabenordnung, sah es unter Berufung auf O. Mayer als Wesensmerkmal der Steuer an, dass sie „schlechthin zur Erzielung von Einkünften auferlegt wird“. Er musste aber selbst einräumen, dass dieses Begriffsmerkmal nicht „schön“, aber zur Abgrenzung gegenüber Zöllen, Geld- und Ordnungsstrafen unerlässl. sei.235 Es ist also etwas Negatives, was die Steuern auszeichnet. Es ist der reine, zweckfreie Transfer von Geld aus dem privaten in den öff. Sektor; und zwar aufgrund einseitiger (hoheitlicher) Anordnung. Diese Zahlungen stehen in keiner Form von Synallagma. Sie sind nicht Gegenleistung für irgendeine Art von staatlicher Leistung.236 Das häufig verwendete Merkmal „ohne besonderes Entgelt“ ist daher irreführend.237 Mit dieser weiten Abgrenzung wird zugleich sichergestellt, dass das positivrechtl. ausgefeilte System der Ertragskompetenzen und des (sekundären) Finanzausgleichs nicht so einfach unterlaufen werden kann. Das ist grds. auch der Standpunkt des BVerfG, wenn es „Steuern im Sinne des Grundgesetzes“ als „einmalige oder laufende Geldleistungen“ beschreibt, „die nicht Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem ö. r. Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“.238 Später floss dann die überflüssige und unklare Floskel von der „Gemeinlast“ in die Definition ein.239 Danach muss es sich um Geldzahlungen und nicht um Naturalabgaben handeln. Sie dürfen nicht Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates sein. Sie sind noch nicht einmal Gegenleistung für allg. Leistungen des Staates i. S. der steuerl. Äquivalenzlehren.240 Es genügt nicht, sie als generelle Entgelte 234 Wenig überzeugend noch der Versuch von Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 393. 235 E. Becker Reichsabgabenordnung, 7. Aufl. 1930, § 1 Anm. 4. 236 In diesem Sinne auch Hedtkamp, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, 2. Aufl. 1977, S. 289; ausdr. gegen die hier gegebene Definition als „weniger präzise“ Vogel/ Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 393 mit Fn. 133. Die Weite der Abgrenzung liegt aber nicht an der Definition, sondern ist durch den Gegenstand begründet. 237 Vgl. Neumark, FS Stucken, 1953, S. 16. 238 BVerfGE 49, 343 (353 ff.); 65, 325 (344); 72, 330 (433). 239 BVerfGE 84, 239 (269); 98, 106 (123); noch später variiert zu „Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs“ im Gegensatz zur Finanzierung eines „besonderen Finanzbedarfs“ (BVerfGE 110, 370 [384]); darauf hat zu Recht ebenfalls verzichtet Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 85. 240 Dazu eingehend F. K. Mann, Steuerpolitische Ideale, 1973, S. 46; Schmehl (Fn. 56), S. 91 ff., allerdings unter fast vollständiger Ausblendung des einschlägigen Schrifttums.

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oder Kostenersatz zu charakterisieren. Vielmehr ist die „grds. Entgeltlosigkeit“ eines der wesentl. Merkmale der Steuern im Gegensatz zu den Kausalabgaben. Das GG geht davon aus, dass das Wesen der Steuer darin liegt, dass ein beliebiges Objekt, der Steuergegenstand, ohne weitere Voraussetzung, also ohne irgendeinen Zusammenhang mit staatl. Leistungen, einseitig mit einer Geldzahlungspflicht belegt werden darf.241 Steuern müssen der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs dienen, zumindest im Nebenzweck. Das ist nur dann der Fall, wenn die gezahlten Mittel endgültig bei dem erhebungsberechtigten Gemeinwesen verbleiben. Zwangsanleihen sind deshalb keine Steuern.242 Im Ergebnis sind Steuern also Geldleistungen, die hoheitlich auferlegt einem kraft Verfassung ertragsberechtigten Gemeinwesen endgültig zufließen, um seinen allg. Finanzbedarf zu decken.243 Diese Festlegung ist der verfassungsrechtl. Eckstein für alle weiteren Überlegungen. bb) Die erhebungsberechtigten Körperschaften Es ist zu unterscheiden, welche juristische Person die Entscheidung über die Auferlegung einer Steuer trifft und wem ihr Ertrag zufließt. Dabei kann mit Auferlegung sowohl die rechtssatzmäßige Begr. der Zahlungspflicht als auch – bei Veranlagungsteuern – die Begr. durch Einzelakt gemeint sein.244 Schwierig ist die zweite Frage zu beantworten, ob nur solche Geldzahlungen Steuern sein können, die an bestimmte öffentlich-rechtliche Gemeinwesen zu zahlen sind, gleich wer die Entscheidung über die Begr. der Zahlungspflicht getroffen hat. Überwiegend wird verlangt, dass der Ertrag einer Steuer „einem kraft Verfassung ertragsberechtigten Gemeindewesen“ zufließen muss.245 Die bloße Auferlegung durch diese Institutionen reiche nicht aus.246 Die begriffliche Beschränkung der Steuern 241 Deshalb sind nach Einkommenshöhe gestaffelte Kindergartengebühren keine Steuer. Sie bleiben an die Inanspruchnahme einer staatlichen Infrastruktureinrichtung geknüpft und sind damit nicht „voraussetzungslos“ geschuldet, vgl. BVerfGE 97, 332 (343); Entsprechendes gilt für die Versteigerungserlöse, BVerfGE 105, 185 (194). 242 BVerfGE 4, 7 (14 f.); 67, 256 (282–285). 243 Ähnl. jetzt auch BVerfGE 98, 106 (123); vgl. im Übrigen Vogel/Waldhoff, BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 374–378; Starck, FS Wacke, 1972, S. 193 (202 f.); Draschka, Steuergesetzgebende Staatsgewalt und Grundrechtsschutz des Eigentums, 1982, S. 32 f.; Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 85; J.-P. Schneider AK GG, Art. 104a (2001) Rn. 8. 244 Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 378; Heun, in: Dreier GG III, Art. 105 Rn. 14. BVerfGE 10, 141 (176), stellt für den Steuerbegriff darauf ab, ob die Abgabe „vom Bund, von den Ländern oder von Gebietskörperschaften erhoben“ wird. 245 Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 378; Mußgnug, FS Forsthoff, 1972, S. 273; Brodersen, FS Wacke, 1972, S. 103 (108); Scholtz, in: Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 4. Aufl. 1993, § 3 Rn. 7. 246 Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig GG III, 3. Aufl. 1996, Art. 105 Rn. 6; i. E. jetzt ebenso BVerfGE 91, 186 (201).

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auf Geldzahlungen an bestimmte Gebietskörperschaften ist jedoch nicht unproblematisch und verursacht im Einzelfall schwer lösbare Abgrenzungsprobleme.247 Herkommen und Finanztheorie erfordern sie nicht. Jedenfalls sind auch die Kirchen als Personalkörperschaften steuererhebungsberechtigt, Art. 140 i.V. m. 137 VI WRV.248 Wie auch immer die Frage im Zusammenhang mit einem theoretischen Steuerbegriff zu beantworten wäre, sind hier jedoch konkrete Kompetenz- und Zuordnungsfragen im Rahmen der Finanzverfassung des GG zu klären. Deshalb kommt es maßgebend darauf an, welche Einrichtungen das GG als steuererhebungsberechtigt i. S. v. ertragsberechtigt anerkennt.249 Das sind der Bund, die Länder und die Gemeinden (Gemeindeverbände) sowie die Kirchen.250 Nur Zahlungen an diese Einrichtungen sollten als Steuern i. S. des GG behandelt werden. Ohne diese Beschränkung könnte der Staat versucht sein, das ganz auf die Steuern und ihre Verteilung zugeschnittene Finanzausgleichssystem des GG zu unterlaufen. Er könnte neue steuererhebungsberechtigte juristische Personen des öff. Rechts außerhalb dieses Systems schaffen und auf sie Aufgaben, Ausgaben sowie Steuereinnahmen ganz oder z. T. übertragen. cc) Zwecksteuern und Steuerzwecke Wenn der einfache Gesetzgeber den Ertrag aus einer Steuer für besondere Zwecke bestimmt (Beispiele: Mineralölsteuer, Stromsteuer), ist damit das Prinzip der Gesamtdeckung („Non-Affektationsprinzip“) (Siekmann, in: Sachs GG, Art. 110 Rdn. 47) berührt, nicht aber die Qualifikation als Steuer. Sie bleibt Steuer in Form der Zwecksteuer.251 Anders sieht es aber möglicherweise aus, wenn andere Zwecke als die Erzielung von Einnahmen – nichtfiskalische Steuerzwecke – verfolgt werden. Zwecksteuern werden grds. für zulässig gehalten.252 Nur eine weit überwiegende Zweckbindung der Steuereinnahmen wäre mit dem Non-Affektationsprin247 Vgl. Bopp, Ist die Baden-Württembergische Feuerwehrabgabe eine Steuer im Sinne des Grundgesetzes?, Diss. Heidelberg 1967, S. 152 ff.; Henseler, Begriffsmerkmale und Legitimation von Sonderabgaben, 1984, S. 27–54; Heun, in: Dreier GG III, Art. 105 Rn. 14. 248 Selmer (Fn. 49), S. 192; Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, 1975, S. 41; Maunz, in: Maunz/Dürig GG, Art. 105 (1979) Rn. 4; Kruse (Fn. 229), S. 33; Heun, in: Dreier GG III, Art. 105 Rn. 14. 249 So i. E. auch Stern, Staatsrecht II, S. 1100. 250 Beispiele aus der Rechtsprechung bei Stern, Staatsrecht II, S. 1100 f.; ebenso jetzt auch Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 85 a. E. 251 BVerfGE 7, 244 (254); 9, 291 (300); 49, 343 (354). 252 BVerfGE 93, 319 (348); Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 383; Waldhoff StuW, 2002, 285 (285 ff.).

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zip nicht vereinbar.253 Schwer vorstellbar ist aber, wie das Budgetrecht des Parlaments betroffen sein kann,254 da eine (Selbst-)Bindung des Gesetzgebers nicht möglich ist. Das die Zweckbindung des Aufkommens durchbrechende (Haushalts-)Gesetz ginge als lex posterior vor. Die neutrale Steuer gibt es nicht. Auferlegung und Zahlung von Steuern haben immer Wirkungen, die über den bloßen Transfer von Geld aus dem privaten in den öff. Sektor hinausgehen.255 Diese unausweichlichen Wirkungen können bewusst und gewollt eingesetzt werden. Die Abgabe kann dann insgesamt als Lenkungssteuer bezeichnet werden. Besser ist es, die entsprechenden Einzelvorschriften „Sozialzwecknormen“ zu nennen.256 Im Gegensatz zu den Zwecksteuern steht hier die Ausgestaltung des Steuertatbestandes und nicht die Bindung des Aufkommens einer Steuer für bestimmte Zwecke im Vordergrund. In Betracht kommen namentlich wirtschafts-, sozial-, kultur- oder umweltpolitische Ziele.257 Das BVerfG ist noch weiter gegangen und hat unterstellt, dass „die Steuer in der modernen Industriegesellschaft zwangsläufig auch zum zentralen Lenkungsinstrument aktiver staatlicher Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik geworden“ sei.258 Lange Zeit war es eine der wichtigsten Streitfragen gewesen, ob Steuern zur Verfolgung nichtfiskalischer Zwecke instrumentalisiert werden dürfen. Obwohl es nicht immer deutlich wurde, handelte es sich zunächst einmal um eine Frage der begriffl. Abgrenzung.259 Das schließt indes nicht aus, dass die begriffl. Zuordnung einer Abgabe Konsequenzen für ihre Zulässigkeit hat. Im Gegensatz zu den Vorzugslasten (V. 2. b)) dürfen Lenkungssteuern auch Personen auferlegt werden, die von dem verfolgten Zweck keinen Vorteil haben.260 Aus rechtsstaatl. Gründen dürfen diese Steuern aber nicht ungeeignet zur Erreichung des angestrebten Zwecks sein.261

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Diff. Behandlung der Frage jetzt auch bei Musil DVBl. 2007, 1526 (1531). So aber Pieroth, in: Jarass/Pieroth GG, Art. 105 Rn. 6; für mögl. gehalten bei einer „Zweckbindung in unvertretbarem Ausmaß“ von BVerfGE 93, 319 (348), ohne das weiter auszuführen; wie hier jetzt auch Heun, in: Dreier GG III, Art. 105 Rn. 15. 255 Ebenso Stern, Staatsrecht II, S. 1102; früh auch bereits der U. S. Supreme Court, der alle im Folgenden angesprochenen Fragen eingehend erörtert und bis hin zu den verwendeten Begriffen ähnl. entschieden hat; vgl. vor allem 296 U. S. 287 (1935); 300 U. S. 506 (1937); 345 U. S. 22 (1953). 256 Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, 2. Aufl. 2000, S. 77 ff.; Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl. 2008, § 4 Rn. 21. 257 Osterloh NVwZ 1991, 823 (823 ff.); Waldhoff, HStR V3, § 116, Rn. 133; P. Kirchhof, HStR V3, § 118 Rn. 46 m.w. N.; Rodi JZ 2000, 827 (827 ff.). 258 BVerfGE 55, 274 (299); 67, 256 (282). 259 Stern, Staatsrecht II, S. 1102: „der eigentliche Streit“, m.w. N. 260 BVerfGE 49, 343 (353 f.); 65, 325 (344). 261 BVerwGE 66, 140 (144); Pieroth, in: Jarass/Pieroth GG, Art. 105 Rn. 6. 254

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Die – gehäufte – Verfolgung nichtfiskalischer Zwecke gerät regelmäßig in Konflikt mit den Erfordernissen von Klarheit, Berechenbarkeit und Widerspruchsfreiheit staatl. Handelns sowie mit dem Gebot fiskalpolitischer Rationalität. Vor allem sind die zahlreichen interventionistischen oder gruppenbezogenen Sondervorschriften nichtfiskalischer Art nur schwer mit den Anforderungen der Steuergerechtigkeit und dem daraus abgeleiteten Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in Einklang zu bringen.262 Trotz dieser berechtigten Bedenken ist mittlerweile im Schrifttum263 und in der Rspr. des BVerfG264 anerkannt, dass sie mit dem Begriff der Steuer vereinbar ist. Ob die Erzielung von Einnahmen dabei Hauptzweck sein muss,265 ist dagegen nicht immer deutlich geworden. Zum Teil hat es das Gericht genügen lassen, wenn mit der Steuer nur fiskalische Nebenzwecke verfolgt werden.266 Die Annahme eines fiskalischen (Neben-)Zwecks und seine Abgrenzung zu den nichtfiskalischen Zwecken erzeugen mannigfache Schwierigkeiten. Dementspr. wird gefordert, auf jegliches Zweckelement in der Begriffsbestimmung zu verzichten.267 Auf die subj. Vorstellung des Gesetzgebers kann es jedenfalls nicht entscheidend ankommen. Allerdings ist es auch nicht möglich, auf die „finanzielle Dimension“ gänzl. zu verzichten. Sie hat die Steuern geprägt und unterscheidet sie von den anderen Instrumenten des Staatshandelns. Die „Finanzierungsfunktion“ der Steuern muss in ihrer begriffl. Abgrenzung zum Ausdruck kommen.268 Eine Regelung muss mindestens „Ertragsrelevanz“, einen „potenziellen Ertragseffekt“ haben; sonst kann sie keine Steuer sein.269 Sie muss „ge262 Tipke StuW 1994, 58 (59); ders. (Fn. 256), S. 6, 79, 83; Schemmel StuW 1995, 39 (43 f.); Söhn, FS Stern, 1997, S. 587 (591 ff.); Elsner/Kaltenborn JA 2005, 823 (825). 263 Vgl. Selmer/Brodersen DVBl 2000, 1153 (1156) m.w. N.; Wernsmann (Fn. 47), S. 178. 264 BVerfGE 3, 407 (436) (Gutachten); 6, 55 (81); 13, 331 (345 f.); 16, 147 (161); 19, 101 (114); 119 (125); 21, 160 (169); 30, 250 (264); 31, 8 (23 f.); 32, 78 (85); 36, 66 (70 f.); 38, 61 (80); 67, 265 (282); ferner auch BVerfGE 7, 244 (254); 37, 1 (16). 265 In diesem Sinne BVerfGE 13, 181 (196); 14, 76 (98); 19, 101 (114) (allerdings ohne unmittelbare Relevanz für den Begriff der Steuer); BVerfGE 32, 78 (85). In der Entscheidung BVerfGE 26, 172 (183 f.) wird verlangt, dass die Steuer „in erster Linie [...] den allgemeinen Finanzbedarf des Staates und der Gemeinden zu decken“ habe. 266 BVerfGE 3, 407 (436); 16, 147 (162); 55, 274 (299); ebenso BVerwGE 96, 272 (277 f.), aus anderen Gründen aufgeh. v. BVerfGE 98, 106 (106 ff.); aber wohl kaum BVerfGE 7, 244 (251), auf das sich das Gericht ebenfalls beruft. 267 So schon Nawiasky, Steuerrechtliche Grundfragen, 1926, S. 30 f.; Hensel Steuerrecht, 1924, S. 3; aber wohl nicht mehr in der 3. Aufl. 1933, S. 1, in der er schlicht die Definition von § 1 RAO übernahm; später Selmer (Fn. 49), S. 124–126; Knies (Fn. 49), S. 123, 134; Bodenheim, Der Zweck der Steuer, 1979, vor allem S. 182, 268, 293, 313; diff. Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 388–391. 268 Vgl. auch Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig GG III, 3. Aufl. 1996, Art. 105 Rn. 106a: „wesentlich für den Steuerbegriff“; sehr weitgehend Stern, Staatsrecht II, S. 1099: „Kern des Steuerbegriffs“. 269 Vgl. Knies (Fn. 49), S. 123 f., 134; Köck JZ 1991, 692 (695); Jarass (Fn. 41), S. 7.

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eignet“ sein, zu (dauerhaften) Einnahmen im Haushalt des Ertragsberechtigten zu führen270 und seinen finanz. Handlungsspielraum zu erweitern. Wenn eine Geldzahlungspflicht auferlegt wird, das Gesetz aber darauf abzielt, die Erfüllung des Abgabentatbestandes (praktisch) unmögl. zu machen und dadurch die Abgabenregelung nach „Gewicht und Auswirkung einem Verhaltensgebot nahekommt“, liegt schon begrifflich keine Steuer vor.271 Ein von allen fiskalischen Elementen befreiter Steuerbegriff genügt nicht den verfassungsrechtl. Anforderungen.272 Das gilt es vor allem im Umweltrecht zu beachten, wo die Steuern zum Schutze der Umwelt („Öko-Steuern“) wachsende Bedeutung erlangen (o. III. 2. a)). Zum Teil wird aber vertreten, dass sie denselben Begrenzungen wie Sonderabgaben unterliegen.273 Der Gesetzgeber ist weitgehend frei in der Auswahl von Steuergegenstand und Steuersatz. Bei der Auswahl der Steuerquellen darf er sich allein am Finanzbedarf orientieren (u. V. 3. a) aa)). Er bedarf auch keines besonderen „Belastungsgrundes“ für die Auferlegung einer Steuer.274 Das im politischen Prozess regelmäßig anders gesehen werden, ist aber juristisch irrelevant. Für die Steuereigenschaft einer Abgabe kommt es nicht darauf an, ob sie an eine (vermutete) wirtschaftl. Leistungsfähigkeit anknüpft. Sie ist jedenfalls kein Begriffsmerkmal der Steuer.275 Deshalb erübrigt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob Umweltbelastungen und ihre Vermeidung ein zulässiger Anknüpfungspunkt für die Auferlegung von Steuern oder die Bemessung von Steuersätzen sein dürfen.

270 Vgl. BVerfGE 18, 315 (328); ähnl. BVerwG JZ 1995, 196 (197); Starck, FS Wacke, 1972, S. 193 (203); Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig GG III, 3. Aufl. 1996, Art. 105 Rn. 6 a; Jarass (Fn. 41), S. 7. 271 BVerwGE 96, 272 (278); BWVGH VBlBW 2002, 210 (212); Pieroth, in: Jarass/ Pieroth GG, Art. 105 Rn. 4, unter Berufung auf BVerfGE 98, 106 (118), wo aber mit dieser Formulierung nur Kompetenzen, nicht aber der Steuerbegriff abgegrenzt werden (u. Rn. 80). Die Formulierung dürfte aber gleichwohl der (älteren) Rechtsprechung des BVerfG zur „erdrosselnden“ Wirkung von Steuern überlegen sein, dazu BVerfGE 16, 147 (161); ähnl. BVerfGE 31, 8 (23); 32, 78 (85); 38, 61 (80). In der Sache stimmt dem auch BVerwGE 96, 272 (278) (Verpackungsteuer) zu: „keine Steuern im Rechtssinne“. Obwohl sein Ausgangspunkt eine Erörterung des verfassungswidrigen Formenmissbrauchs war, im Grunde genommen also eine Rechtmäßigkeitsprüfung, lässt das Gericht letztl. doch keinen Zweifel daran, dass es der verfassungsrechtliche Begriff der Steuer ist, der zur Diskussion steht; ähnl. Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 392; Tipke/Lang (Fn. 256), § 3 Rn. 10. 272 Dafür aber R. Schmidt, Wirtschaftspolitik und Verfassung, 1971, S. 209. 273 Scholtz (Fn. 245), § 3 Rn. 8. 274 In diese Richtung aber Köck JZ 1991, 692 (695); Trzaskalik StuW 1992, 135 (140 f.); Gawel StuW 1999, 374 (374–376); Jachmann StuW 2000, 239 (240); Selmer/ Brodersen DVBl 2000, 1153 (1159). Das BVerfG hat immerhin die Frage aufgeworfen, aber unbeantwortet gelassen, „ob diese [die Abfallabgabe] eine Entsorgungslast zum Gegenstand haben könne“, BVerfGE 98, 83 (101). 275 Vgl. Hendler/Heimlich ZRP 2000, 325 (327).

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Das Problem der begriffl. Einordnung von Steuern mit lenkendem Haupt- oder Nebenzweck ist von der Frage zu unterscheiden, ob eine derartige Abgabe, wenn man sie als Steuer im verfassungsrechtl. Sinn klassifiziert, zulässig ist, vor allem, ob sie auf den Kompetenztitel für die Steuergesetzgebung gestützt werden kann (dazu o. III. 2. b)). Beide Aspekte werden nicht immer hinreichend klar getrennt. dd) Einzelfälle in der Rspr. Die Rspr. hat als Steuern eingestuft: Getränkesteuer,276 Kampfhundesteuern,277 Verpackungsteuer278, sowie einige zurzeit nicht erhobene Abgaben,279 nicht dagegen: Abfallausfuhrabgabe,280 (Beiträge zum) Absatzfonds der Landwirtschaft,281 Altenpflegeumlage,282 (Umlage zur Finanzierung der) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht,283 Feuerschutzabgabe (Bay),284 Feuerwehrabgabe (BW),285 Filmabgabe,286 (Abgabe zur Finanzierung des) Holzabsatzfonds,287 Investitionshilfeabgabe 1952,288 (rückzahlbare) Investitionshilfeabgabe 1982 (sog. Zwangsanleihe),289 Hebammenabgabe,290 (Jahresbeiträge zu) Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungseinrichtungen,291 (nach Einkommen 276

BVerfGE 44, 216 (216 ff.). BVerwG NVwZ 2000, 929 (929 ff.), bei 720 DM im Jahr, zust. Anm. Seitz, ebda., S. 951; OVG Nds. NVwZ 1997, 816 (819), bei 1200 DM jährlich; BayVGH BayVBl 1997, 760 (760 f.), bei ebenfalls 1200 DM; OVG RhPf NVwZ 2001, 228 (229): „Die Erfüllung des Steuertatbestandes [ist] nach wie vor möglich“; BWVGH VBlBW 2002, 210 (210 ff.). 278 BVerfGE 98, 106 (106 ff.); BVerwGE 96, 272 (277). 279 Beförderungsteuer (Werkfernverkehr) BVerfGE 16, 147 (161); Einwohnersteuer BVerfGE 16, 64 (74); BVerwG NVwZ 1992, 1098 (1098); Sonderumsatzsteuer nach dem Absicherungsgesetz BVerfGE 30, 250 (264); Stabilitätszuschlag 1973 BVerfGE 36, 66 (70); Straßengüterverkehrsteuer BVerfGE 38, 61 (79 f.); Weinabgabe (Baden) BVerfGE 7, 244 (251 f., 257); Zweigstellensteuer – Wareneinzelhandelsunternehmen BVerfGE 19, 101 (114); Zweigstellensteuer – Bank- und Kreditunternehmen BVerfGE 21, 160 (167). 280 BVerfGE 113, 128 (146). 281 BVerfGE 82, 159 (178); 122, 316 (332). 282 BVerfGE 108, 186 212). 283 BVerfGE 124, 235 (243). 284 BVerfGE 92, 91 (114); BayVerfGH BayVBl 1979, 269 (269 ff.). 285 BVerfGE 13, 167 (171); konventionswidrig EGMR NJW 1995, 1733 (1733); BVerfGE 92, 91 (114). 286 BVerwGE 45, 1 (2). 287 BVerfGE 123, 132 (140). 288 BVerfGE 4, 7 (13 f.). 289 BVerfGE 67, 256 (282–285). 290 BVerfGE 17, 287 (291 ff.). 291 BVerfGE 124, 348 (364), wo aber fälschl. die begriffl. Zuordnung mit der „Rechtfertigung“ zusammengefasst wird: „kann die Abgabe nicht als Steuer, sondern nur als eine nichtsteuerliche Abgabe verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden“. 277

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gestaffelte) Kindergartengebühren,292 (Beitrag zum) Klärschlamm-Entschädigungsfonds,293 „Krankenhausnotopfer“,294 (rückzahlbarer) Konjunkturzuschlag 1970,295 (Ausgleichsabgabe nach dem) Milch- und Fettgesetz,296 Preisausgleich nach dem Preisgesetz,297 Spielbanken-Tronc-Abgabe,298 UMTS-Versteigerungserlöse,299 Wasserentnahmeentgelte,300 Weinbauabgabe nach dem Weinwirtschaftsgesetz.301 b) Vorzugslasten: Gebühren und Beiträge Gebühren zählen zusammen mit den Beiträgen zu den sog. Vorzugslasten.302 Das BVerfG hat diese aus der Finanzwissenschaft stammende Begrifflichkeit anerkannt.303 Nach seiner Rspr. können auch bestimmte Sonderabgaben Vorzugslasten sein. Die Vorzugslasten müssen eindeutig von den Steuern zu unterscheiden sein, damit nicht die differenzierten Vorschriften für die Steuern, die Abschn. X des GG über das Finanzwesen bereithält, unterlaufen werden können. Ihr gemeinsames Kennzeichen bestand urspr. darin, dass sie zum Ausgleich für eine besondere individuell zurechenbare Leistung (Vorteil) des Staates erhoben werden. Nunmehr dienen sie aber immer häufiger auch zur Deckung bestimmter Kosten, die individuell verursacht worden sind. Zuletzt hat das BVerfG aber bloß „mittelbare Vorteile“ nicht mehr als „staatliche Leistung“ akzeptiert, „die als Gegenleistung“ die Auferlegung einer Vorzugslast rechtfertigen könnte.304 aa) Abgrenzung Wiederholt hat das BVerfG betont, dass das GG keinen eigenständigen, verfassungsrechtl. Gebührenbegriff enthalte, aus dem sich unmittelbar Kriterien für die Verfassungsmäßigkeit von Gebührenmaßstäben, Gebührensätzen oder Gebührenhöhen ableiten ließen.305 Das kann aber nur so gemeint sein, dass die Verfassung 292

BVerfGE 97, 332 (343). BVerfGE 110, 370 (384). 294 BSG NJW 2000, 3446 (3447). 295 BVerfGE 29, 402 (409). 296 BVerfGE 18, 315 (328 f.); BVerwGE 6, 134 (138); 14, 279 (280). 297 BVerfGE 8, 274 (317). 298 BVerfGE 28, 119 (150). 299 BVerfGE 105, 185 (194), auch nicht vergleichbar. 300 BVerfGE 93, 319 (344 f.). 301 BVerfGE 37, 1 (16). 302 Zur Begriffsgeschichte: Eyben, Die Abgabenform des Beitrags und ihre praktischen Schwerpunkte, Diss. Göttingen 1969, S. 50 ff. 303 Zuletzt BVerGE 108, 1 (17); 108, 186 (216); 110, 370 (388); 113, 128 (146). 304 BVerfGE 110, 370 (389); zu Recht krit. Drüen (Fn. 182), Rn. 19. 305 BVerfGE 97, 332 (345); zuvor hatte es pauschal und unzutr. behauptet, es gebe keinen verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff: BVerfGE 50, 217 (225 ff.); 85, 337 (346). 293

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keine Legaldefinition enthält.306 Da Gebühren immer in Konkurrenz zur Steuer stehen, ist aber eine eindeutige begriffl. Abgrenzung unerlässlich. In welchem Umfang sich daraus Folgerungen für die Verfassungsmäßigkeit oder gar die Bemessung konkreter Gebühren ergeben, ist eine andere Frage. Über die Steuerkompetenzverteilung können sich zumindest mittelbare Konsequenzen ergeben. Da Gebühren ebenso wie die Steuern einen Finanzierungszweck verfolgen, müssen sie die „besondere Zweckbestimmung“ haben, Einnahmen zu erzielen, „um speziell die Kosten der individuell zurechenbaren öff. Leistung ganz oder teilweise zu decken.“ 307 Diese Zweckbestimmung ist maßgebend. Dementspr. hat das BVerfG festgestellt: „Gebühren sind öffentlichrechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlichrechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahmen auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken“.308 Gebühren sind Gegenleistungen für besondere staatl. Leistungen. Sie lassen sich dadurch kennzeichnen, dass sie als finanz. Ausgleich für besondere individuell zurechenbare Leistungen des Staates oder für aus Anlass solcher Leistungen besonders verursachter bedeutender Kosten erhoben werden.309 Nicht erforderl. ist ein Leistungs-Gegenleistungsverhältnis i. S. eines „do-ut-des“. „Gebühren“ für die Ausstellung eines für alle Bürger vorgeschriebenen Personalausweises erfüllen beide Kriterien nicht. Besondere Schwierigkeiten bereitet aber die Bestimmung der staatl. Leistung. Obschon dem Gesetzgeber für die Entscheidung über den Anknüpfungspunkt grds. ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht, ist Vorsicht angebracht. Das ist vor allem wichtig bei der Erteilung von Erlaubnissen und Genehmigungen. Sie können zu einem geldwerten Vorteil beim Begünstigten führen, der weit über den Kosten ihrer Erstellung liegt, unabhängig davon, wie man sie kalkuliert. Bei Sondernutzungserlaubnissen und Parkgebühren sieht die Rspr. mittlerweile die staatl. Leistung in der Überlassung von Straßenfläche zur Nutzung i. S. einer öffentlich306 So zu Recht Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 410. Auch das BVerfGE verwendet jetzt ohne Einschränkung verfassungsrechtliche Definitionen der Vorzugslasten, deutlich in BVerfGE 110, 370 (388). 307 BVerfGE 50, 217 (226); Betonung der Komplementarität zu den Steuern bei K. Vogel, FS Geiger, 1989, S. 518 (520). 308 BVerfGE 97, 332 (345); 110, 370 (388); BVerfGE 113, 128 (148); inhaltl. ebenso 108, 1 (13); zuvor 50, 217 (226); 91, 207 (223), wo der Gebührenbegriff aber nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit (Angemessenheit) einer Belastung mit Gebühren eine Rolle spielt. 309 BVerfGE 91, 207 (223); 113, 128 (146): konkretes Gegenleistungsverhältnis; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973, S. 105, 109; K. Vogel, FS Geiger, 1989, S. 518 (533): „doppelgliedriger Gebührenbegriff“; P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 26.

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rechtlichen Vermietung.310 Bei den in Bay und BW erhobenen Feuerschutzabgaben fehlt sie indes.311 Entsprechendes gilt für Amtshandlungen, die eine (Abgaben-)Last reduzieren, zumindest dann, wenn auf die Reduktion ein Anspruch besteht. Für Bescheinigungen, Formulare, Anträge u. ä., die dazu dienen, eine Abgabenlast auf das gesetzl. geschuldete Niveau zurückzuführen, dürfen keine Gebühren oder an ihre Stelle tretende Leistungen erhoben werden. Es liegt keine besondere Leistung des Staates vor. Auch die Beiträge sollen einen Sondervorteil oder besonders verursachte Kosten ausgleichen. Sie unterscheiden sich aber dadurch von den Gebühren, dass die Verbindung zwischen besonderer staatlicher Leistung und Geldzahlungspflicht noch weiter gelockert ist. Es ist nicht erforderlich, dass tatsächl. ein Sondervorteil in Anspruch genommen worden ist. Es genügt die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme.312 Wegen der sich daraus ergebenden Konturlosigkeit ist eine handhabbare Abgrenzung zu den Steuern nur möglich, wenn weiter vorausgesetzt wird, dass es sich um öff. Einrichtungen handelt, deren Nutzung oder Nutzungsmöglichkeit vom Staat ermöglicht wird. Die vom Gesetzgeber als „Beiträge“ bezeichneten Geldleistungspflichten sind regelmäßig (Finanzierungs-) Sonderabgaben.313 bb) Gebührenarten Traditionell werden zwei Arten von Gebühren unterschieden: – Verwaltungsgebühren sowie – Benutzungsgebühren. 310 BVerwGE 80, 36 (40): „eine Art ,Miete‘ öffentlichen Straßenraums“. Das BVerfG stellt neuerdings auf die „aus der Sache selbst ableitbare“ „besondere Verantwortlichkeit“ des Zahlungspflichtigen ab – ähnl. wie bei den Sonderabgaben (u. Rn. 165) – (BVerfGE 91, 207 [223]). 311 BVerfGE 92, 91 (115). 312 BVerfGE 91, 207 (224); 110, 370 (388): „potenzielle Inanspruchnahme“; BVerwGE 72, 212 (219); zuvor BVerwGE 25, 147 (149); zum Vorteilsausgleich schon BVerfGE 42, 223 (228); Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 41; unter eingehender Auswertung des dogmenhistorischen und finanzwissenschaftlichen Schrifttums: Eyben (Fn. 302), S. 72 f.; F. Kirchhof, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechts, 2. Aufl. 2001, Rn. 246; Ubber, Der Beitrag als Institut der Finanzverfassung, Diss. Köln 1993, S. 281 ff., der allerdings erhebliche Unterschiede im Hinblick auf die Kostenverantwortlichkeit zwischen Gebühr und Beitrag sieht (S. 299); Jochum StuW 2006, 134 (135); Elsner/Kaltenborn JA 2005, 823 (825). 313 BVerfGE 110, 370 (388 f.) (Beiträge zum Klärschlamm-Entschädigungsfonds); 113, 128 (346) (Beiträge zum Solidarfonds Abfallrückführung); 122, 316 (333) (Beiträge zum Absatzfonds); 124, 348 (364 f.) (Jahresbeiträge zu Einrichtungen der Einlagensicherung und Anlegerentschädigung); ebenso sind die Beiträge der Kreditinstitute zum Restrukturierungsfonds der Banken nach § 12 I RestrukturierungsfondsG v. 9.12. 2010 (BGBl. I 1921).

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Verwaltungsgebühren sind für individuell gewidmete Amtshandlungen der Verwaltung zu entrichten, während bei Benutzungsgebühren die besondere Leistung in der Inanspruchnahme einer öff. Einrichtung besteht.314 Daneben wird noch ein dritter Typ von Gebühren propagiert: die Verleihungsgebühr. Sie soll für die Verschaffung eines subj. Rechts zu leisten sein. Vor allem im Umweltschutz genießt sie großen Anklang, weil sie die bisherigen rechtl. Grenzen überschreitet und flexibel zur Durchsetzung außerfiskalischer Zwecke eingesetzt werden kann, ohne dafür auf das Instrument der Steuer, das strikten rechtl. Grenzen unterliegt, zurückgreifen zu müssen. Ein solcher Gebührentyp stößt indes auf erhebliche verfassungsrechtl. Bedenken.315 Sie ist auch nicht durch das BVerfG in seiner Entscheidung zu den Wasserentnahmeentgelten anerkannt worden.316 Alles menschl. Leben ist nur möglich, wenn Umweltressourcen, wie Luft und Wasser, in Anspruch genommen werden. Eine darüber hinausgehende besondere Inanspruchnahme, die mit Vorzugslasten belegt werden könnten, lässt sich nicht in einer Weise festlegen, die rechtsstaatl. Anforderungen genügt. Der Staat könnte nahezu jedes Verhalten seiner Bürger gebührenpflichtig machen. Eine rechtfertigende Kostenverursachung (o. V. 2. b) aa)) ist ebenfalls mit der Verleihung von Rechten nicht verbunden oder sie ist vernachlässigbar.317 Ihre Konturlosigkeit macht die Gefährlichkeit der Verleihungsgebühr aus. I. E. wäre sie ein „Preis für die Freiheit“.318 Es käme zudem zu Konflikten zwischen hoheitl. und fiskalischen Interessen. Sie ist daher als eigenständiger Gebührentyp verfassungsrechtl. abzulehnen. Studiengebühren sind eine Vorzugslast in der Form einer Benutzungsgebühr. Sie sind keine bloße Verleihungsgebühr, da sie für die tatsächl. Benutzung der Hochschulen319 oder die Inanspruchnahme von Verwaltungsleistungen (Einschreibung, Rückmeldung)320 erhoben werden können. Sie können aber auch als 314

P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 36. Friauf, FS 600 Jahre Universität Köln, 1988, S. 679 (692–696), der sie mat. wie eine „Sonderabgabe“ beurteilt wissen will (696); P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 37; Pietzcker DVBl 1987, 774 (778); Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG III, Art. 105 Rn. 10; grds. positiv dagegen: F. Kirchhof DVBl 1987, 554 (554 ff.); Stober JA 1988, 250 (254); Wieland, Die Konzessionsabgaben, 1991, S. 305 f., der „nichtsteuerliche Konzessionsabgaben“ als Verleihungsgebühren qualifiziert. Murswiek will sie zulassen, wenn sie sich durch einen besonderen Sachzweck rechtfertigen lässt (NuR 1994, 170 [172]); i. Erg. ebenfalls wohl auch positiv, aber rechtfertigungsbedürftig Drömann (Fn. 212), S. 293 ff., 302, 378 f. 316 BVerfGE 93, 319 (319 ff.); unzutr. daher Heimlich DÖV 1997, 996 (996 ff.). 317 Drüen, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 3 Rn. 19. Soweit sie anfallen können sie über eine Verwaltungsgebühr abgedeckt werden. 318 Friauf, FS 600 Jahre Universität Köln, 1988, S. 679 (683 f.). 319 BVerwGE 115, 32 (38); BWVGH DÖV 2000, 874 (875). 320 Eine solche Gebühr muss aber auch bei der Bemessung von einer erkennbaren Entscheidung des Gesetzgebers über den verfolgten Verwendungszweck („Gebührenzweck“) getragen sein, BVerfGE 108, 1 (13). 315

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Beitrag für die Einrichtung „Hochschule“ konstruiert sein. In Betracht kommt auch die (vermehrte) Erhebung von Nutzungsentgelten. Die Einführung dieser Abgaben kann aber i. E. immer eine neue, besondere Belastung der Familien bedeuten und berührt daher Art. 6. cc) Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip Aus ihrer Rechtsnatur als Ausgleich für besondere staatl. Leistungen oder Kosten (o. V. 2. b)) folgt, dass Vorzugslasten von Verfassung wegen nicht beliebig festgesetzt werden dürfen. Andernfalls gerieten sie in Konflikt zu dem durch die Verfassung schärfer konturierten Finanzierungsinstrument der Steuern. Grenzen setzen das Äquivalenzprinzip (1) und das Kostendeckungsprinzip (2).321 Auch das BVerfG hat nunmehr anerkannt, dass die Bemessung von Vorzugslasten verfassungsrechtl. Grenzen unterliegt, dabei aber Vorteilsausgleich, Kostendeckung und Verhaltenslenkung in ein juristisch und ökonomisch inakzeptables Gemisch zusammengefasst, das zudem noch der Beurteilung durch den Gesetzgeber ausgeliefert wird. Nur noch bei einem „groben Missverhältnis“ sei die Bemessung zu beanstanden.322 Damit ist der intransparenten Geldbeschaffung Tür und Tor geöffnet. (1) Verbreitet wurde das Äquivalenzprinzip323 zugleich als Existenz- und als Rechtmäßigkeitskriterium für die Vorzugslasten angesehen.324 Das heißt: Nur wenn eine Abgabe finanz. Ausgleich für eine – näher zu definierende – Leistung des Staates ist, handelt es sich um eine Vorzugslast. Steht – aus welchen Gründen auch immer – fest, dass eine solche Last vorliegt, ist sie nur dann rechtmäßig, wenn Leistung und Gegenleistung äquivalent sind. Die vom Zahlungspflichtigen empfangene Sonderleistung ist rechtfertigender Grund für die Vorzugslast. Das soll auch für ihre konkrete Höhe gelten. Ist sie höher als der Vorteil, sei sie entweder Steuer oder willkürlich und damit unzulässig.325 Auch wenn diese beiden Aspekte regelmäßig zusammenfallen, sollte das Äquivalenzprinzip auf die Bemessung der Höhe der Vorzugslast begrenzt werden und seine Verletzung zur 321 Vgl. P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 45; für alternative Anwendung K. Vogel, FS Geiger, 1989, S. 518 (534): Sicherung des Individualbezugs der Vorzugslasten durch Begrenzung auf die Abschöpfung des dem Abgabepflichtigen zugeflossenen (geldwerten) Vorteils (Äquivalenzprinzip) oder durch Ausgleich der von ihm zu verantwortenden Kosten (Kostendeckungsprinzip), aber sowohl als Regeln zur begrifflichen Abgrenzung wie zur Bestimmung der zulässigen Höhe; a. A. F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, 1981, S. 81. Besondere Probleme bereitet die Bemessung von Abfallgebühren, vgl. dazu Siekmann, in: Brede (Hrsg.), Preise und Gebühren in der Entsorgungswirtschaft, 1998, S. 47–77; Klages ZfW 2001, 1 (10–17). 322 BVerfGE 108, 1 (17–19). 323 Dazu jetzt eingehend Schmehl (Fn. 56), S. 97 ff.; ders. ZG 2005, 123 (123 ff.). 324 Vgl. beispielsweise BVerfGE 20, 257 (270): „dem Begriff der Gebühr immanent“; in der Sache ähnl. für den Beitrag BVerfGE 42, 223 (228). 325 So K. Vogel, HStR IV1, § 87 Rn. 96.

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Unzulässigkeit, nicht aber zur begriffl. Umstufung der fraglichen Abgabe führen.326 Inhaltl. ist eine zunehmende Verwässerung des Äquivalenzprinzips bis hin zur „völligen Konturlosigkeit“ zu beobachten. Die Rspr. der Bundesgerichte sah sich in diesem Zusammenhang gezwungen, das Prinzip auf einen allgemeingültigen bundeseinheitlichen Rechtsgrundsatz zurückzuführen. Statt Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung – Äquivalenz – zu verlangen, sah sie darin nur eine Ausprägung des Übermaßverbots und des Gleichbehandlungsgrundsatzes.327 Während das BVerwG zunächst regelmäßig verlangte, dass zwischen Leistung und Gegenleistung bei der Gebühr ein „richtiges Verhältnis“ bestehen müsse,328 also das „Äquivalenzprinzip“ gelte,329 stellte es später entscheidend auf den Gleichheitssatz ab.330 In der jüngeren Rspr. wendet es sowohl das Äquivalenzprinzip als Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit als auch den Gleichheitssatz an.331 Zum Teil werden die beiden Grundsätze als gemeinsame Vorgabe miteinander verquickt.332 Das Äquivalenzprinzip sei nur verletzt, wenn zwischen der Gebühr und der mit ihr abgegoltenen Leistung der Verwaltung ein grobes Missverhältnis bestehe.333 Für die Prüfung der gesetzl. Abgrenzung des Kreises der Gebührenpflichtigen zieht das Gericht das Äquivalenzprinzip jedoch nicht mehr heran, sondern allein Art. 3 I.334 Das BVerfG war von Anfang an weniger streng: Das Äquivalenzprinzip besage „nur, dass die Gebühren in keinem Missverhältnis“ zur Leistung stehen dürften. Das Prinzip gebe nur eine Richtung an.335 Die Grenzen für die Gebührenbemessung leitet es im Wesentlichen nur aus dem Gleichheitssatz und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip i. e. S. ab.336 In jüngster Zeit verwendet es dafür den Begriff der Abgabengerechtigkeit.337 Es folgt da326 Zumindest das BVerwG geht auch so vor; vgl. BVerwGE 12, 162 (169 f.); ferner BVerwGE 69, 242 (244), wo es aber die Existenz eines bundeseinheitlichen Gebührenbegriffs insgesamt bestreitet (245); BVerwGE 81, 371 (371 ff.), ohne allerdings das Äquivalenzprinzip noch weiter zu nennen; a. A. K. Vogel, FS Geiger, 1989, S. 518 (529 f.); zum Ganzen Wienbrake (Fn. 194). 327 So das Fazit von F. Kirchhof DVBl 1987, 554 (559). 328 BVerwGE 2, 246 (249); 22, 299 (305). 329 BVerwGE 12, 162 (169); 22, 299 (305); aber nicht mehr erwähnt in BVerwGE 69, 242 (244 ff.); 81, 371 (371 ff.), obwohl es in der Sache geprüft wird; wohl aber wieder in BVerwGE 79, 90. 330 BVerwGE 69, 242 (242 ff.); 81, 371 (371 ff.). 331 BVerwGE 115, 32 (44 ff.); 118, 123 (126); BVerwG NVwZ-RR 2002, 217 (218); Beschl. v. 19.9.2005, 10 BN 2/05. 332 BVerwGE 118, 123 (126); Beschl. v. 19.9.2005, 10 BN 2/05. 333 BVerwGE 109, 272 (274), 115, 32 (44); 118, 123 (125). 334 BVerwG DVBl 1999, 620 (620 ff.); Beschl. v. 4.4.2002, 6 B 1/02. 335 BVerfGE 20, 257 (270); 83, 363 (392); 108, 1 (19): kein „grobes Missverhältnis“. 336 BVerfGE 50, 217 (226 ff.); 83, 363 (392); 91, 207 (223). 337 BVerfGE 97, 332 (346).

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mit dem von Wilke338 vorgezeichneten Weg. Im Rahmen der Überprüfung von Finanzierungsonderabgaben hat es jetzt aber deutlich ausgesprochen, dass auch auf die „Bemessung der nichtsteuerlichen Abgabe“ die „zentralen Zulässigkeitsanforderungen“ begrenzend einwirken.339 Im Einzelnen ist aber immer noch vieles unklar und begriffl. unscharf.340 Allerdings erfüllt nicht jedes individuell zurechenbare und – möglicherweise – andere Empfänger ausschließende Tätigwerden des Staates ein so verstandenes Äquivalenzprinzip.341 Auf diese Weise könnte der Staat sich sonst ergiebige Einnahmequellen an Abschn. X des GG vorbei verschaffen, indem er sich für die Beseitigung von zuvor errichteten administrativen Hürden entspr. honorieren ließe.342 Maßgebend muss eine Würdigung des gesamten Zurechnungstatbestandes sein. In älteren Entscheidungen hat das BVerfG einen „wirtschaftlichen Vorteil“,343 einen „besonderen wirtschaftlichen Vorteil“ 344 oder einen „besonderen wirtschaftlichen Nutzen“ 345 verlangt. Soweit braucht wohl nicht gegangen zu werden. Da die Leistung des Staates aber mindestens auch im privaten Interesse des Zahlungspflichtigen erfolgen muss,346 damit von einer Vorzugslast gesprochen werden kann, sollte zumindest die Erweiterung des Vermögensbestandes oder die Gewährung a priori nicht gegebener Handlungsspielräume vorliegen. Ihr in Geld messbarer Nutzen darf abgeschöpft werden.347 Wenn der Staat dagegen ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt errichtet, erweitert die Erlaubnis nicht konstitutiv den Handlungsspielraum des Erlaubnisnehmers, sondern beseitigt nur eine formale Hürde zur Ausübung der – regelmäßig grundrechtl. garantierten – Freiheit. Der 338

Wilke (Fn. 309), S. 301 f. BVerfGE 124, 235 (249). 340 Vgl. beispielsweise BVerwGE 12, 162 (166): „gröbliche“ Verletzung; BVerwGE 22, 299 (305): „angemessenes“ Verhältnis zwischen Gebühr und Wert der besonderen Leistung. 341 So aber BVerfGE 50, 217 (226); jetzt strenger auch für die Gebührenbemessung BVerfGE 91, 207 (223). 342 Das ist es wohl auch, was Friauf meint, wenn er sich gegen die Einführung von Gebühren als einem „vom Staat erhobenen Preis für Freiheit“ wendet (FS 600 Jahre Universität Köln, 1988, S. 679 [683]); abl. zur Finanzierung des allg. Haushalts durch Vorzugslasten Kruse (Fn. 229), S. 39 m.w. N. zum Streitstand. Genau das geschieht aber durch die Erhebung von „Gebühren“ zur Finanzierung von Maßnahmen zur Gewährleistung von (Flug-)Sicherheit (falsch daher BVerwGE 95, 188 [201]). 343 BVerfGE 11, 105 (117). 344 BVerfGE 7, 244 (256). 345 BVerfGE 9, 291 (297). 346 Vgl. Fleiner, FG Heusler, 1904, S. 92 (93, 95). 347 K. Vogel, FS Geiger, 1989, S. 518 (533); ähnl., aber z. T. noch strenger Staudacher, Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Sonderabgaben, 2004, S. 106 f., 154. Auf die Erlangung eines Vorteils verzichtet Müller-Franken, in: Friauf/Höfling GG, Art. 105 Rn. 92. 339

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Nutzen einer derartigen Erlaubnis darf daher nicht mit dem Wert der nunmehr legalen Handlung gleichgesetzt werden. Die unkritische Orientierung der Gebührenhöhe am „Gegenstandswert“ ist vor diesem Hintergrund probl., auch bzgl. europarechtlicher Vorgaben.348 Das gilt vor allem, wenn eine Einrichtung hoheitlicher Verwaltung vollständig durch Gebühren, Beiträge und Umlagen der Aufsichtsunterworfenen finanziert wird,349 auch wenn diese Form der Staatsfinanzierung in den letzten Jahren zunehmend im WirtschaftsverwaltungsR eingebürgert worden ist. Als Beispiele können die Aufsichtsbehörden für die Telekommunikation und vor allem die Finanzmarktaufsicht durch die BaFin genannt werden. Die BaFin deckt ihre Kosten aus „eigenen Einnahmen“, § 13 Abs. 1 FinDAG. Zu diesem Zwecke erhebt sie Gebühren (§ 14 FinDAG), gesonderte Erstattungen (§ 15 FinDAG) und Umlagen (§ 16 FinDAG). Das BVerfG hat sie als Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion (s. u. V. 3. c) ff)) gebilligt.350 Die sehr knappe Begr. überzeugt nicht und wird der Problematik der damit erzeugten Anreizstrukturen in keiner Weise gerecht. Schwierigkeiten bereitet es auch immer, wenn Gebühren für die Erfüllung von Kernaufgaben des Staates, wie die Gewährung der öff. Sicherheit, erhoben werden.351 Der Grund für die Postulierung eines derartigen Äquivalenzprinzips liegt darin, dass im Grundsatz die Steuern als gegenleistungsfreie Abgaben so austariert werden können, dass sie i. E. von jedem einzelnen Bürger den finanz. Beitrag zum Unterhalt des Gemeinwesens einfordern, der als gerecht empfunden wird. Jede darüber hinausgehende Leistung stört diese Balance. Sie bedarf besonderer Rechtfertigung.352 Das kann letztl. nur der genossene Sondervorteil sein. Wenn er durch eine Abgabe ausgeglichen wird, bleibt die zuvor gegebene Gerechtigkeit der Lastenverteilung per saldo unberührt.353 Das verbietet die Berücksichtigung von Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten bei der Erhebung von Vorzugslasten.354 Obwohl gerne in der Praxis verwendet, sind sozial motivierte Staffelungen Systembrüche und verfassungsrechtl. problematisch (mehr u. V. 2. b) dd)).355

348 EuGH Slg. 1997, I-6783, v. 02.12.97 – Fantask NVwZ 1998, 833 (833): nur kostendeckende Handelsregistergebühren; allg. Hösch WiVerw 2002, 141 (153). 349 Vgl. Wende NVwZ 2006, 765 (767), der sie überwiegend als Sonderabgaben einstuft. 350 BVerfGE 124, 135. 351 Dazu Moench, FS Scholz, 2007, S. 813 ff. 352 Vgl. v. Einem BB 1987, 2367 (2368); Henseler NJW 1987, 3103 (3105); K. Vogel, FS Geiger, 1989, S. 518 (529); o. Rn. 71. 353 So jetzt auch BVerfGE 97, 332 (346); 108, 1 (16). 354 Vgl. P. Kirchhof: Das „Entgelt“ sei nur angemessen, „wenn es lediglich den Zuwendungsvorteil abschöpft“ (HStR V3, § 119 Rn. 48); Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 420; Staudacher (Fn. 347), S. 154. 355 Z. T. aber anders BVerfGE 97, 332 (346); 108, 1 (16).

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(2) Nicht zu verwechseln mit dem Äquivalenzprinzip ist das Kostendeckungsprinzip. Danach darf die Vorzugslast nicht die Kosten für die Bereitstellung der Sonderleistung des Staates überschreiten. Es wird also nicht auf den Nutzen, den sie beim Zahlungspflichtigen stiftet, abgestellt, sondern auf die Kosten des Leistungserbringers. Gleichwohl werden Äquivalenz- und Kostendeckungsprinzip nicht selten als eine Einheit behandelt.356 Von einer Verletzung des Kostendeckungsprinzips soll allerdings nicht schon dann gesprochen werden, wenn „in einem Einzelfalle eine Gebühr die Aufwendungen für eine besondere Leistung, für die sie gefordert wird, übersteigt“ (spezielles Kostendeckungsprinzip),357 sondern erst dann, wenn „die Gesamtheit der Gebühren“ „die Gesamtheit der Aufwendungen“ (allg. Kostendeckungsprinzip)358 übersteigt.359 Fraglich und umstr. ist, ob das Prinzip ein Wesensmerkmal der Vorzugslast, namentlich der Gebühr, darstellt.360 Es ist in zahlreichen Einzelvorschriften des Bundes- und Landesrechts enthalten, ist aber nach der Rspr. des BVerfG nicht verfassungskräftig festgelegt.361 Jedenfalls muss es hilfsweise herangezogen werden, wenn die auszugleichende Leistung des Staates kein Nutzenäquivalent hat. Es dürfen aber nicht beliebige (kalkulatorische) Kosten mit ihr abgedeckt werden. Das gilt namentlich für die Einbeziehung externer Effekte, wie z. B. die Inanspruchnahme von Umweltgütern, denen aber keine Ausgaben des Staates gegenüberstehen. Es liegt dann in Wahrheit kein Finanzierungsinstrument mehr vor, sondern eine verfassungsrechtlich fragwürdige Verleihungsgebühr (o. V. 2. b) bb)). Eine Verwaltungsgebühr, die ein Mehrfaches der tatsächlich verursachten Kosten ausmacht, ist jedenfalls nicht gerechtfertigt und kann verfassungswidrig sein.362 dd) Nichtfiskalische Zwecke Vorzugslasten sind dazu da, einen besonderen Finanzbedarf zu decken. Dieser (besondere) Finanzierungsaspekt, also die Abhängigkeit von einer Leistung des 356 Vgl. beispielsweise BVerwGE 12, 162 (164, 166); Fehlverständnis als bloße Gebührenzwecke und Verquickung mit Vorteilsausgleich (Äquivalenz), Verhaltenssteuerung und sozialen Zwecken, BVerfGE 108, 1 (18). 357 Vgl. Arndt K&R 2001, 23 (29). 358 Vgl. Arndt K&R 2001, 23 (29). 359 BVerwGE 12, 162 (166); 87, 154 (168 f.), st. Rspr. 360 Vgl. die Darstellung der verschiedenen Auffassungen in BVerwGE 12, 162 (164– 166); und bei Wieland (Fn. 315), S. 314 f. 361 BVerfGE 33, 358 (365 f.); 50, 217 (226 f.); 97, 322 (345): „Das Kostendeckungsprinzip und ähnliche gebührenrechtliche Prinzipien sind keine Grundsätze mit verfassungsrechtlichem Rang“; BVerwGE 12, 162 (167); 13, 214 (222); 87, 154 (168); 95, 188 (200) – Luftsicherheit; a. A. Wienbracke (Fn. 194), S. 202 f.; ders. DÖV 2005, 201 (201 ff.); Wild DVBl 2005, 733 (735). 362 Cromme DVBl 2001, 757 (757 ff.); Verfassungswidrigkeit der bad.-württ. Rückmeldegebühr BVerfGE 108, 1 (1 ff.); zust. Wienbracke (Fn. 194), S. 164; krit. auch Schaffarzik NJW 2003, 3250 (3252).

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Staates, für die sie Gegenleistung sind, muss immer im Vordergrund stehen. Gleichwohl ist auch schon vor der Durchdringung vieler Rechtsgebiete durch die Anforderungen des Umweltschutzes erwogen worden, Gebühren nicht nur zu Finanzierungszwecken einzusetzen. Das Thema „lenkende Gebühr“ oder „Lenkungsgebühr“ ist zwar schon seit längerem Gegenstand wissenschaftlicher Abhandlungen gewesen,363 erregte aber nur wenig Aufmerksamkeit in der (Fach-) Öffentlichkeit. Die Rspr. erkennt nunmehr ausdr. an, dass mit einer Gebührenregelung neben der Kostendeckung auch andere Zwecke verfolgt werden dürfen.364 Die Ausgestaltung von Gebührenmaßstäben und Gebührensätzen dürfe zu einer „begrenzten Verhaltensteuerung“ in bestimmten Tätigkeitsbereichen eingesetzt werden.365 Dabei dürfen Gesichtspunkte wie die soziale Bedürftigkeit oder der Umweltschutz – in Grenzen – Berücksichtigung finden. Darüber hinaus sei der Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs ein zulässiger Gebührenzweck.366 Allerdings können nur solche legitimen Zwecke die Gebührenbemessung sachlich rechtfertigen, die von einer aus dem jeweiligen Gebührentatbestand „erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen werden.“ 367 Das BVerfG hat auch die Staffelung von Kindergartengebühren nach der Einkommenshöhe der Eltern gebilligt, allerdings nur insoweit, dass selbst die Höchstgebühr die tatsächlichen Kosten der Einrichtung nicht deckt.368 Dabei hat das Gericht allerdings verkannt, welche weiteren unkontrollierten und unkontrollierbaren Freiräume dem abgabenauferlegenden Staat damit eingeräumt werden.369 Zumindest können so die wahren Belastungswirkungen seines Handelns noch besser verschleiert werden. Lenkende Vorzugslasten stehen in der Mitte zwischen einer marktmäßigen Steuerung über Preise (Beispiel: handelbare Umweltzertifikate) und dirigistischen Eingriffen, namentl. über ordnungsrechtl. geprägte Anordnungen (Verbote,

363 Mittlerweile wird die Verfolgung von Lenkungszwecken überwiegend als zulässig angesehen: Kloepfer AöR 97 (1972), 232 (260); Wilke (Fn. 309), S. 304; Wendt (Fn. 248), S. 66; P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 40; Stober JA 1988, 250 (255) unter Einschränkungen; anders noch: BVerwGE 12, 162 (170); BayVGH BayVBl 1985, 249 (250); Leisner, GS Peters, 1967, S. 730 (745) „Formenmissbrauch“; krit. Schiller NVwZ 2003, 1337 (1340). 364 BVerfGE 50, 217 (226); 97, 332 (345); 108, 1 (18 f.); BVerwGE 26, 305 (311); BVerwG DVBl 1994, 816 (816 ff.); ebda. 820; BGH DVBl 1986, 1055 (1056). 365 BVerfGE 97, 332 (345); 108, 1 (18). 366 BVerfGE 108, 1 (18 f.). 367 BVerfGE 108, 1 (19 f.). Die vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke müssen sich also durch Auslegung dem Gebührentatbestand entnehmen lassen. Ist der Wortlaut des Gebührentatbestandes eng gefasst, finden „ungenannte Gebührenzwecke“ keine Berücksichtigung. 368 BVerfGE 97, 332 (345 f.). 369 Krit. auch Jestaedt DVBl 2000, 1820 (1830): „verstößt in jeder Gestaltung gegen die verfassungsrechtlich verbürgte Belastungsgleichheit.“

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Auflagen, Bußen). Sie ermöglichen eine weiche Steuerung, eröffnen aber auch eine größere Vielfalt von Steuerungsmöglichkeiten als die Festsetzung von Preisen für Umweltgüter. Deshalb versucht der Umweltschutz mit großer Dynamik und Breitenwirkung, diese Abgaben für seine Zwecke nutzbar zu machen. Ihre Einordnung und Zulässigkeit im Einzelnen sind aber vielfach umstritten und ungeklärt (o. III. 2. d)). ee) Sonderfall: „Rundfunkgebühren“ Eine besondere verfassungsrechtl. Stellung nehmen die Rundfunkgebühren ein. Finanzverfassungsrechtl. Aspekte werden zum Teil durch die Besonderheiten der grundrechtl. gewährleisteten Rundfunkfreiheit überlagert, da mit ihnen die von Art. 5 I 2 gebotene „funktionsgerechte Finanzierung“ des öff.-rechtl. Rundfunks gesichert werden soll.370 Zwar hat das BVerfG die „Gebührenfinanzierung als die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemäße Art der Finanzierung“ bezeichnet,371 doch ist damit nicht eine bestimmte Finanzierungsart zwingend von Verfassung wegen vorgeschrieben.372 Auch eine Steuerfinanzierung ist zulässig, wenn die besonderen Anforderungen, die sich aus der Rundfunkfreiheit ergeben, beachtet werden, also vor allem, wenn der zahlende Staat die Autonomie der An-

370 BVerfGE 73, 118 (158); 87, 181 (199); 90, 60 (90); 119, 181 (218), z. T. anders (214): „bedarfsgerechte Finanzierung“, obwohl im weiteren Verlauf entscheidend auf die „Erfüllung des Funktionsauftrags“ und die „Funktionsfähigkeit“ abgestellt wird (218 f., 221); grundl. Stern, Funktionsgerechte Finanzierung der Rundfunkanstalten durch den Staat, 1968; ders./Franz, Rundfunkfreiheit versus parlamentarische Budgethoheit, 2006, S. 16 ff.; Selmer/Gersdorf, Die Finanzierung des Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Prüfstand des EG-Beihilferegimes, 1994, S. 12 ff.; Bethge, in: Piazolo (Hrsg.), Das Bundesverfassungsgericht, 1995 S. 141 ff.; Hess, Verfassungsrechtliche Probleme der Gebührenfinanzierung im dualen Rundfunksystem, Diss. Köln 1996; Greissinger, Vorgaben des EG-Vertrages für nationales Rundfunk- und Multimediarecht, 2000, S. 130 ff.; Stulz-Herrnstadt, Nationale Rundfunkfinanzierung und europäische Beihilfenaufsicht im Lichte des Amsterdamer Rundfunkprotokolls, 2004, S. 40 ff., der aus der Finanzierungsgarantie eine „verfassungsrechtliche Anstaltslast“ und eine „Gewährträgerhaftung“ entwickelt; v. Münch, FS Selmer, 2004, S. 821 (821 f.); Hasse, Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2005, S. 94 ff., der eine „ländereinheitliche“ Erhebung von Rundfunkabgaben für erforderlich hält (S. 107); Scheel, Die staatliche Festsetzung der Rundfunkgebühr, 2007, S. 61 ff.; Fiebig, Gerätebezogene Rundfunkgebührenpflicht und Medienkonvergenz, 2008; Reuters, Die Rundfunkgebühr auf dem Prüfstand der Finanzverfassung unter Einbeziehung des europäischen Gemeinschaftsrechts, 2009; A. Smith, Das System der deutschen Rundfunkgebühr, 2010; Bspr. von Reuters und Smith durch Bethge, rkm-journal 7.4.2011. 371 BVerfGE 90, 60 (90), unter Berufung auf BVerfGE 73, 118 (158); 87, 181 (199); ebenso BVerwG NJW 2006, 632 (634). 372 BVerfGE 74, 297 (342, 347); 83, 238 (303 f.); 87, 181 (198); 89, 144 (153); BVerfGE 119, 181 (219 f.), allerdings nur bezogen auf Einnahmen aus Werbung und Sponsoring, welche die Gebührenfinanzierung „nicht in den Hintergrund drängen“ dürften; Stern/Franz (Fn. 370), S. 43.

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stalten achtet.373 Das ist indes nichts Ungewöhnliches, da es andere staatl. Einrichtungen gibt, die aus Steuermitteln finanziert werden und sogar in wesentl. größerem Umfang Weisungsfreiheit genießen, wie BVerfG und BRH. Eine Steuerfinanzierung würde sogar noch besser die vom BVerfG aufgestellte Hauptbedingung für eine funktionsgerechte Finanzierung des öff.-rechtl. Rundfunks erfüllen: ihm zu erlauben, „unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen ein Programm anzubieten, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht“.374 Die Festsetzung der „Rundfunkgebühren“ darf weder dem Gesetzgeber alleine überlassen bleiben noch „den Rundfunkanstalten selber“.375 Eine Ergebniskontrolle fällt – anders als bei sonstigen Gebühren – weitgehend aus. Der Grundrechtsschutz ist deshalb schwergewichtig in den „Prozess der Entscheidungsfindung“ über die Gebührenfestlegung vorverlagert.376 Entsprechendes gilt zur Effektuierung des neuerdings betonten Gebots der „Trennung der medienpolitischen Konkretisierung des Rundfunkauftrags einerseits und der Gebührenfestsetzung andererseits“.377 Spätestens seit der Zulassung privater Rundfunkveranstalter muss man die „Rundfunkgebühren“ als Instrument zur Finanzierung der Gesamtveranstaltung „Grundversorgung durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten“ 378 einstufen. Ein individualisierbarer Vorteil oder auch nur eine abgrenzbare Sonderleistung für den einzelnen Geräteinhaber, von dem sie erhoben werden, ist nicht mehr

373 Fiebig (Fn. 370), S. 213 f.; im Grundsatz ebenso, wenn auch zurückhaltend („ultima ratio“): Brosius-Gersdorf/Gersdorf, Rechtsfragen des Teilnehmerentgeltsystems nach bayerischem Rundfunkrecht, Rechtsgutachten, 1997, S. 50 f.; Lohbeck, Die Verfassungsmäßigkeit der Rundfunkgebühr in ihrer gegenwärtigen Gestalt in der gegenwärtigen und einer zukünftigen Rundfunkordnung, 2000, S. 75; Waldhoff AfP 2011, 1; a. A. Thieme AöR 88 (1963), 38 (73 f.); Hoffmann-Riem, Finanzierung und Finanzkontrolle der Landesmedienanstalten, 2. Aufl., 1994, S. 78 m.w. N.; Hasse (Fn. 370), S. 214. 374 BVerfGE 90, 60 (90). 375 BVerfGE 74, 297 (342); 87, 181 (202); 90, 60 (92). 376 BVerfGE 90, 60 (96); Bethge betont die Rolle des BVerfG als „Ersatzgesetzgeber“ (DÖV 1994, 445 [446]); zur Rolle der Komm. zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) Dörr/Zorn NJW 2005, 3114 (3118); Gröpl DÖV 2006, 105 (106, 110 ff.). 377 Dem soll ein „gestuftes und kooperatives“ Verfahren der Bedarfsfeststellung mit sehr beschränkten Abweichungsmöglichkeiten für die Landesgesetzgeber am ehesten gerecht werden, BVerfGE 119, 181 (222, 224); dazu die Beitr. von Piel, Stern, Steiner und Michel, in: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Gebührenfinanzierung vom 11. September 2007, 2008; i. S. des Urteils zuvor schon eingehend Scheel (Fn. 370), S. 104 ff. 378 Dazu Libertus, Grundversorgungsauftrag und Funktionsgarantie, 1990; Lohbeck (Fn. 373), S. 34 ff.; ferner Link, Unternehmensbeteiligungen öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, 2005, S. 49 ff.

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festzustellen.379 Das gilt in besonderem Maße für die am 15.12.2010 von den Regierungschefs der Länder beschlossenen „Rundfunkbeiträge“, die an die Stelle der bisherigen „Gebühren“ treten sollen.380 Die bisherigen „Rundfunkgebühren“, aber erst recht die neuen „Rundfunkbeiträge“ können deshalb nicht mehr als Vorzugslasten qualifiziert werden. Auf die (irreführenden) Bezeichnungen kommt es dabei nicht an.381 Für die Annahme einer (Finanzierungs-)Sonderabgabe fehlen die besondere Sachverantwortung der Zahlungspflichtigen und die Gruppenhomogenität (u. V. 3. c) dd)).382 Sie sind (zweckgebundene) Steuern.383

379 So schon BVerfGE 31, 314 (330); v. Münch, FS Selmer, 2004, S. 821 (822): Verurteilung des Aufkommens widerspricht dem Wesen der Gebühr; a. A. wohl BVerwG NJW 2006, 632 (634). 380 Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 15.12. 2010 in Berlin. Obwohl der 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wegen der einstimmigen Ablehnung seiner Ratifizierung durch den LT NRW (LT-Prot 15/20 v. 16.12.2010, S. 4) gescheitert ist (Bek. Berl. GVBl. 2011, 18), wird das neue Werk als 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag bezeichnet und so in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht, Hess. LT-Dr 18/3887 v. 30.3.2011; vorbereitet durch Gutachten von P. Kirchhof, krit. dazu Weber, Rundfunk-Berichte, 29.11.2010, der für eine allg. Informationssteuer plädiert; Dittmann/Scheel, Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch eine Medienabgabe, 2009, der die geräteunabhängige Haushalts- und Betriebsstättenabgabe allerdings als eine (zulässige) Medienabgabe sui generis einstuft (S. 51, 58). 381 Maßgebend ist allein der mat. Gehalt der Abgabe, s. o. Rn. 67. 382 Lohbeck (Fn. 373), S. 140 ff.; Hasse (Fn. 370), S. 170; a. A. Hess (Fn. 370), S. 107, nach eingehender Darstellung und Erörterung der Meinungen zur „wahren“ Rechtsnatur der Rundfunkgebühr, die von Konzessionsabgabe über Beitrag bis zur Sonderabgabe reichen (S. 92–108); unklar W. Schmidt, Die Rundfunkgebühr in der dualen Rundfunkordnung, 1989, S. 57 einerseits und S. 60 andererseits. 383 So schon Hümmerich/Beuchler AfP 1989, 708 (714); mit eingehender Begr. jetzt ebenso: Fiebig (Fn. 370), S. 234, der aber anschließend wegen der fehlenden Kompetenz – methodisch – unhaltbar seine Einordnung wieder zurücknimmt (S. 236), aber schließl. doch mangels Alternativen und zutr. analysierter „struktureller Vollzugsdefizite“ zur Verfassungswidrigkeit der gegenwärtigen Praxis gelangt (S. 257, 285); Reuters (Fn. 370), S. 189–227, vor allem S. 223; a. A. Hess (Fn. 370), S. 103, dessen Argumentation gegen den Steuercharakter sich im Wesentlichen fälschl. auf die fehlende Kompetenz der Länder zur Erhebung einer solchen Steuer und die Zweckbindung des Aufkommens stützt, ohne das Institut der Zwecksteuer zu erkennen; ähnl. Zeidler, Probleme der Rundfunkgebühr, 1961, S. 21, der zudem auch darüber hinaus aus den Rechtsverstößen auf die Kategorisierung schließt; Hasse (Fn. 370), S. 160 f., der die Merkmale einer Steuer als gegeben ansieht, aber das Vorliegen einer Steuer – methodisch unhaltbar – mangels Kompetenz schließlich verneint; Lohbeck (Fn. 373), S. 139 f.; Greissinger (Fn. 370), der eine Mischform von Gebühr und Beitrag für gegeben ansieht; ebenso zuvor schon, aber unkrit. Oppermann/Kilian, Rechtsgrundsätze der Finanzierung öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der dualen Rundfunkverfassung der Bundesrepublik Deutschland, 1989, S. 90; gegen Einordnung als Gebühr und für Beitrag Müller-Franken, in: Friauf/Höfling GG, Art. 105 Rn. 96; unspezifisch für „hoheitlich auferlegte Geldleistung“ (Abgabe) Gröpl DÖV 2006, 105 (107). Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 466, halten die hier vorgenommene Einordnung für „verfrüht“. Das BVerwG lässt die Einordnung offen, übersieht dabei aber schon die Möglichkeit des Vorliegens einer Steuer und ihre Folgen für die finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzen, BVerwGE 108, 108 (108 ff.).

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Dafür spricht auch, dass das BVerfG „finanzielle Belastung der Gebührenzahler“ als einen „grundsätzlich zulässigen Abweichungsgesichtspunkt“ gegenüber der Bedarfsfeststellung durch die KEF benannt hat. Das ist aber ein Leistungsfähigkeitsgesichtspunkt, der typisch für die Steuererhebung ist. Da diese Abgaben laufend erhoben werden, handelt es sich um besondere Verbrauchsteuern oder Aufwandsteuern. Allerdings fehlt den Ländern die Kompetenz, derartige Steuern zu erheben.384 Art. 105 II scheidet a limine als Kompetenzgrundlage aus, da es sich nicht um eine „örtliche“ Verbrauch- oder Aufwandsteuer handeln kann.385 Das BVerfG hält es allerdings „weiterhin für gerechtfertigt, die „Gebührenpflicht“ ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten der Empfänger allein an den Teilnehmerstatus zu knüpfen, der durch die Bereithaltung eines Empfangsgerätes begründet wird“.386 Damit verliert der Gebührenbegriff jedoch die ihn von der Steuer unterscheidende Kontur. Die Grundversorgung der Bevölkerung (!) mit Rundfunkprogrammen und die Sicherung der Meinungsvielfalt sind keinesfalls individuell zurechenbare Sonderleistungen, die mit einer Vorzugslast oder einer Sonderabgabe abgegolten werden könnten. Die angebl. „Defizite des privaten Rundfunks an gegenständlicher Breite und thematischer Vielfalt“ 387 mögen die Erforderlichkeit eines öff.-rechtl. Rundfunks begründen, sind indes keine Begr. für die Erhebung von Gebühren, Beiträgen oder Sonderabgaben. Wenn derartige Defizite auf der Anbieterseite bestehen sollten, ist ihre Beseitigung eine Aufgabe der Allgemeinheit und nicht derjenigen Bürger, die ein Rundfunkgerät bereit halten. Solche Aufgaben sind aus allg. Haushaltsmitteln zu finanzieren. Erst Recht dürfen deshalb auch nicht die Aufsichtsbehörden (Landesmedienanstalten) durch Gebühren der Geräteinhaber finanziert werden.388 Es handelt sich um eine gesamtstaatl. Aufgabe („Gemeinlast“). Ebenso wenig ist es verfassungrechtl. erlaubt, internetfähige Computer und Telefone mit nichtsteuerl. Abgaben zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu belasten.389 Von 384 Das bedeutet nicht, dass eine Steuerfinanzierung der Rundfunkanstalten unzulässig ist (Nachw. o. Fn. 373). Sie muss sich aber an die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben halten. Die Sicherstellung der „bedarfsgerechten Finanzierung“ hängt nicht von der gewählten Abgabenart ab. Sie kann entweder aus allg. Etatmitteln oder einer kompetenzgerecht erhobenen Steuer erfolgen. 385 Fiebig (Fn. 370), S. 235. 386 BVerfGE 90, 60 (90 f.); kein Anlass von diesen Grundätzen abzuweichen sieht BVerfG (K) DVBl 2000, 39 (39); s. auch Oppermann JZ 1994, 499 (501) m.w. N. v. Münch hält dagegen die „Rundfunkgebühr in ihrer überkommenen Form“ für „ein verfassungsrechtlich unhaltbares Fossil“ (FS Selmer, 2004, S. 821 [832]). 387 BVerfGE 90, 60 (90 f.); BVerwG DVBl 1999, 620 (621); nicht erwähnt in BVerfG (K) DVBl 2000, 39 (39). 388 A. A. BVerwG DVBl 1999, 620 (623). 389 Etwas anderes mag nur gelten, wenn sie über ein (herkömmliches) Rundfunksempfangsteil verfügen. Dann sind sie wie jedes andere Rundfunkempfangsgerät zu behandeln, Kitz NJW 2006, 406 (406 f.).

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der Öffentlichkeit lange Zeit kaum zur Kenntnis genommen, ist schon vor Jahren – mit strategischem Weitblick – von den Anstalten vorgearbeitet worden und die Rundfunkgebührenpflicht für Computer390 einfachgesetzl. unterstellt worden. Die Grundregelung stammt aus einer Zeit (1999), als es fast noch kein (Rundfunk-) Programmangebot im Internet gab und die Technik kaum in der Lage war, Ton und Bild in akzeptabler Qualität zu übertragen.391 Ihre Erhebung wurde deshalb durch ein mehrfach verlängertes „Moratorium“ ausgesetzt, das zum 31.12.2006 auslief.392 Die Informationen, die im Internet bereit gestellt werden, sind aber in keinem Fall „Rundfunk“, auch nicht, wenn ihre Inhalte aus den Programmen der Rundfunkanbieter stammen. Das hat das BVerwG in seinen kürzlich ergangenen Entscheidungen393 grundl. verkannt. Auch hat das BVerfG unkrit. die „Gebührenpflicht“ für so genannte neuartige Rundfunksempfangsgeräte, insbes. Rechner, die Rundfunkprogramme ausschl. über Angebote aus dem Internet wiedergeben können, referiert, allerdings nur beiläufig.394 Ein (neues) Medium wird nicht dadurch zum Rundfunk, dass Inhalte des Rundfunks dort eingespeist werden.395 Es gibt keinen eigenständigen „Programmauftrag Internet“.396 Das Medium ist 390 Für 3G Mobiltelefone gilt Entsprechendes, vgl. Tschentscher AfP 2001, 93 (93 ff.). 391 Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV) v. 31. August 1991, i. d. F. des Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag v. 16.7./31.8.1999, wo Computer, die Rundfunkprogramme ausschließl. über Angebote aus dem Internet wiedergeben können anmaßend als „neuartige Rundfunkempfangsgeräte“ bezeichnet werden. Eine Minderheit der Bundesländer hielt – zutr. – die von der Mehrheit unterstellte Rundfunkgebührenpflicht nicht für gegeben (Protokollerklärung von BW, Bay, Hess, Thür und Sachs zu diesem Vertrag). Die jetzt geltende Fassung des Vertrages unterstellt die „Gebührenpflicht“ durch die Regelung in §§ 2 II, 5 III 1 Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV); Neufassung bekanntgemacht am 28.7.2009, Hess. GVBl. 2009, 357; zur Neuregelung s. Schreier MMR 2005, 572 (572 ff.); Kitz NJW 2006, 406 (408). 392 § 5 a RGebStV, eingeführt durch den Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag v. 16.7./31.8.1999. 393 Urteile v. 27.10.2010 – 6 C 12.09 (Vorinstanz: OVG Koblenz, 7 A 10 959/08, Urteil v. 12.3.2009), 6 C 17.09 (Vorinstanz: OVG Münster, 8 A 732/09, Urteil v. 26.5. 2009) und 6 C 21.09 (Vorinstanz: VGH München, 7 B 08.2922, Urteil v. 19.5.2009). Das OVG Koblenz hatte bereits die zutr. Entscheidung der Eingangsinstanz aufgehoben, DStR 2009, 1395; umfassende Übersicht über die Rspr. – auch der Eingangsinstanzen – bei Reislhuber, MMR 2010, 459. 394 BVerfGE 119, 181 (219). Die Anerkennung neuer Verbreitungsformen wurde jedoch nur verwendet, um eine entwicklungsoffene Finanzierung zu begründen (218); zuvor schon ansatzweise BVerfGE 74, 297 (350 f.) „rundfunkähnlichen Kommunikationsdienste“, 83, 238 (298). 395 Ory AfP 1997, 845 (848); Ernst NJW 1997, 3006 (3006 f.); Kemmler, Die Anstaltslast, 2001, S. 173; a. A. Tschentscher AfP 2001, 93 (94); A. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2003, S. 80 ff.; zweifelnd Kitz NJW 2006, 406 (407 f.); s. a. Fiebig K&R 2005, 71 (71 ff.); Ricker NJW 1997, 3199 (3203); a. A. Held, Online-Angebote öffentlichrechtlicher Rundfunkanstalten, 2008, S. 85, der einen uferlosen Rundfunkbegriff propagiert, welcher jede Massenkommunikation erfasst, die auf elektronischem Wege erfolgt; Reuters (Fn. 370), S. 67 ff. 396 Vgl. Degenhart AfP 2005, 493 (495).

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nicht zum Rundfunkempfang geschaffen worden, sondern für militärische und wissenschaftl. Anwendungen. Wenn die Rundfunkanstalten meinen, ihre Programme nun auch dort anbieten zu sollen, steht ihnen das frei, kann aber nicht die Abgabenbasis für eine Vorzugslast verbreitern. Die außerordentliche Fragwüdigkeit der bisherigen Konstruktion der „Rundfunkgebühr“, aber vor allem auch der strukturell defizitäre – und damit willkürlich – Vollzug waren Hauptgründe für den vorgesehenen Systemwechsel.397 Er beseitigt zwar die nicht mehr hinnehmbaren Probleme der Belastung neuer Medien, führt aber, abgesehen von der verfassungswidrigen Einordnung als „Beitrag“ zu geradezu bizarren Detailregelungen, etwa bei der Abgrenzung der Wohnung (§ 3), der Betriebsstätten (§ 5) und der belasteten Kraftfahrzeuge (§ 5 II Nr. 2). Die neue Abgabe wird wieder zu aufwändigen Ermittlungen führen müssen, da bereits die minimale Nutzungen eines Autos für eine (selbständige) Nebentätigkeit (auf dem Papier) abgabepflichtig sein soll oder hohe Belastungssprünge eingebaut sind, etwa bei Einstellung einer Aushilfskraft für wenige Stunden oder bei der Gründung von Gesellschaften, die keine eigenen Mitarbeiter haben. Entsprechendes droht Familien mit studierenden Kindern, die neben der ebenso abwegigen Zweitwohnungsteuer, welche die Kommunen als Ausdruck einer angebl. besonderen Leistungsfähigkeit von auswärts untergebrachten jungen Erwachsenen entdeckt haben, noch mit fühlbaren „Rundfunkbeiträgen“ für eine eigene Unterkunft belastet werden. Auch diese Detailregelungen können keinen Bestand vor den verfassungsrechtl. Anforderungen eines verhältnismäßigen Abgabensystems haben. Jedenfalls gäbe es wesentlich schonendere Formen der funktionsgerechten Finanzierung des öff.-rechtl. Rundfunks.398 c) Verbandslasten Es gibt eine Vielzahl von mitgliedschaftl. strukturierten Einrichtungen des öR, die ganz oder z. T. aus Zahlungen ihrer Mitglieder finanziert werden (Beispiele: Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Rechtsanwaltskammern, Ärztekammern, Arbeitnehmerkammern). Diese Zahlungen werden z. T. als „Beiträge im abgabenrechtlichen Sinne“ eingestuft. Sie sollen sich angeblich durch „die Beteiligung der Interessenten an den Kosten einer öff. Einrichtung, auszeichnen, von der sie Nutzen“ hätten.399 397 Dittmann/Scheel (Fn. 380), S. 9–11; Nachw. zu den neuen Rechtsgrundlagen o. Fn. 380. 398 In diese Richtung jetzt auch Juitzi NVwZ 2008, 603 (608) für Steuerfinanzierung; Waldhoff AfP 2011, 1 (10), der zu Recht die Fixierung auf die Gebühren- oder Beitragsfinanzierung rügt; krit. zur Steuerfinanzierung mit z. T. fragwürdigen Annahmen Dittmann/Scheel (Fn. 380), S. 14–16. 399 Für Beiträge zu den Arbeitnehmerkammern in Bremen und im Saarl.: BVerfGE 38, 281 (311), unter Berufung auf BVerfGE 9, 291 (297 f.), wo allerdings keine Ver-

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Für die Gegenauffassung sind derartige Verbandslasten indes wesensmäßig verschieden von den Vorzugslasten, den Gebühren und Beiträgen.400 Das hat erhebliche Konsequenzen für die Anwendbarkeit des Äquivalenzprinzips und des Gleichheitssatzes. Vorzugslasten, also auch die Beiträge, seien eine – wenn auch weitgehend pauschalierte – Gegenleistung für einen individuellen Vorteil des Zahlungspflichtigen, während Verbandslasten „Geldforderungen“ seien, „die zur vollen oder teilweisen Deckung des Aufwands einer öff. Einrichtung von denjenigen erhoben werden, denen der Bestand der Einrichtung und die Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben allgemeine Vorteile gewähren soll“.401 Wegen der fehlenden Verknüpfung von Zahlung und besonderer staatlicher Leistung werden derartige korporative „Beiträge“ auch als (Zweck-)Steuern klassifiziert.402 Aber auch ein „mittelbarer Zusammenhang“ ist lange Zeit als ausreichend angesehen worden, um eine Vorzugslast in dem oben dargelegten Verständnis bejahen zu können. Danach bedürfte es keiner besonderen Kategorie der Verbandslast.403 Diesem Verständnis kann nach der „Klärschlamm-Entscheidung“ des BVerfG (o. V. 2. b)) nicht mehr gefolgt werden.404 Die bloße Vermutung oder Fiktion eines Vorteils durch das auferlegende Gesetz genügt jedoch keinesfalls, auch wenn das BVerwG das ausreichen lässt.405 Würde man dem folgen, könnte bandslast zur Beurteilung anstand und zudem die Eigenschaft des Beitrags als Ausgleich für besondere Vorteile des Zahlungspflichtigen besonders hervorgehoben wurde, der bei Verbandslasten gerade fragl. ist; BVerwGE 39, 100 (107), unter unzutr. Berufung auf Fried. Klein; BVerwG NVwZ 1990, 1167 (1167 f.); BVerwGE 92, 24 (26) für Mitgliedsbeiträge zu berufsständischen Kammern: „Beiträge im rechtlichen Sinne“; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 1997, S. 312 ff.; weitere umfangreiche Nachw. bei Ubber (Fn. 312), S. 304. 400 BVerwGE 42, 210 (217) für den „Beitrag“ zu einem Wasserverband; BVerwG NVwZ 2002, 1508 (1508): mangels Entgeltcharakter kein „äquivalenter Vorteil“ für Zahlungspflichtigen erforderlich; Junge GewArch 1986, 153 (153 ff.); Fried. Klein DVBl 1959, 315 (319); Tipke/Kruse Abgabenordnung, § 3 Rn. 20 (Loseblatt: 2001); Isensee, GS Geck, 1989, S. 355 (374); Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl. 1994, § 42 Rn. 42; anders aber in der 11. Aufl. 1999, ebda.; Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 427 f. 401 Junge GewArch 1986, 153 (153 ff.). 402 K. Vogel DVBl 1959, 491 (491 ff.); zust. Leisner (Fn. 231), S. 35 Fn. 81; Ubber (Fn. 312), S. 310 f. (je nach Ausgestaltung). 403 Vgl. in diesem Sinne BVerwGE 39, 100 (107); wohl auch BVerwGE 66, 330 (334); BVerwG NVwZ 1990, 1167 (1167 f.) m.w. N.; BVerwG GewArch 1995, 425 (426); OVG NRW NJW 1960, 214 (214 f.); P. Kirchhof rechnet denn auch die Mitgliedsbeiträge, namentlich der Industrie- und Handelskammern, der Handwerkskammern, der Ärzte- oder Rechtsanwaltskammern, ohne weiteres zum allg. Rechtsinstitut des Beitrags, da das (Zwangs-)Mitglied durch deren Tätigkeit begünstigt werde (Jura 1983, 505 [514]); ähnl. ders., HStR V3, § 119 Rn. 114, wo als rechtfertigender Grund nicht die Mitgliedschaft, sondern die im Rahmen der Mitgliedschaft zu erfüllende Finanzverantwortlichkeit genannt wird; näher Tettinger, FS Kruse, 2001, S. 79 (85). 404 BVerfGE 110, 370 (388 f.). 405 BVerwGE 39, 100 (107 f.): „Zwischen dem Erhebungsanlass und dem Vorteil des Pflichtigen besteht allerdings nur ein mittelbarer Zusammenhang, der sich zu einer blo-

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der einfache Gesetzgeber nahezu beliebig irgendwelchen Geldzahlungspflichten Beitragscharakter verleihen. Die bloße Fiktion eines Vorteils hat keine diskriminatorische Kraft mehr und der Beitragsbegriff verlöre jegl. Kontur.406 Immerhin hat es derartige Finanzierungsformen schon bei Schaffung des GG gegeben, und es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Verfassungsgeber sie abschaffen wollte. Den traditionellen Bildern entspr., mitgliedschaftlich aufgebaute Einrichtungen (Verbände) dürfen sich daher auch unter dem GG durch die Erhebung von „Beiträgen“ finanzieren, selbst wenn das einzelne Mitglied keine Vorteile oder Sonderleistungen genießt, auch nicht mittelbar, etwa durch die bloße Existenz der Einrichtung. Das BVerfG verlangt jetzt sogar explizit das Vorliegen einer Körperschaft und schließt Anstalten generell aus, also auch die körperschaftlich strukturierten Anstalten.407 Dem ist zuzustimmen, da sonst – wie im entschiedenen Fall – unweigerlich von Seiten des Staates versucht werden wird, durch zweckgerichtete Gestaltungen zwingendes Recht zu unterlaufen. Für die anzuerkennenden, traditionellen Formen bleibt nur die Klassifizierung als Abgabe sui generis.408 Um sie aber hinreichend von den Steuern abgrenzen zu können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: – mitgliedschaftliche Struktur der Einrichtung und darauf beruhende Mitwirkungsrechte des einzelnen Zahlungspflichtigen, – Beschränkung der Tätigkeit der Einrichtung auf die Erfüllung einer besonderen, traditionell überkommenen und sachlich eng begrenzten Aufgabe. Als verfassungsrechtl. anerkanntes Finanzierungsinstrument sind im Ergebnis Verbandslasten solche Geldleistungen, die von Mitgliedern einer ö. r. Einrichtung erhoben werden, die traditionell einen sachl. eng begrenzten Lebens- oder Wirtschaftsbereich mit Wirkung für ihre Mitglieder autonom verwaltet oder fördert.409

ßen gesetzlichen Vermutung oder Fiktion des Vorteils verflüchtigen kann“; BVerwGE 92, 24 (26): „nur vermutet werden kann“. Deshalb erlaubt das Gericht (systemwidrig) eine Beitragsbemessung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (ebda); ebenso BVerwG GewArch 1995, 425 (426). 406 Isensee, GS Geck, 1989, S. 355 (374): Die krampfhafte Konstruktion eines (individualisierbaren) Vorteils führt zu „gewaltsamen Dehnungen und Verbiegungen der Beitragsstrukturen“. 407 BVerfGE 113, 128 (149). 408 Dafür i. E. auch Rapsch DÖV 1987, 793 (797); wohl auch Tettinger, Kammerrecht, 1997, S. 201; ders., FS Kruse, 2001, 79 (93); Hey StuW 2008, 289 (294); starke Annäherung an die Sonderabgaben bei P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 116; ebenso Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG III, Art. 105 Rn. 21. 409 I. E. ähnl. Drüen (Fn. 182), Rn. 26.

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d) Sozialversicherungsbeiträge Eine weitere vom Verfassungsgeber vorgefundene und akzeptierte Kategorie sind die Sozialversicherungsbeiträge.410 Sie sind an die Träger der gesetzl. Sozialversicherung zur Finanzierung der Kranken-, Unfall-, Renten-, und Arbeitslosenversicherung zu leisten. Fraglich ist, ob darüber hinaus neue Versicherungszweige, wie die gesetzl. Pflegeversicherung, eingeführt und finanziert werden dürfen.411 Ihre Einordnung in die Systematik der herkömml. Abgaben stößt auf erhebl. Schwierigkeiten, da die Beiträge nicht ohne weiteres als finanz. Ausgleich für die Leistungen der Sozialversicherungsträger angesehen werden können, und zwar auch dann nicht, wenn man als Leistung die Gewährung von Versicherungsschutz und nicht die tatsächl. gezahlten Geldbeträge oder die Sachleistungen ansieht. Dafür sind im Wesentlichen drei Gründe maßgebend: (1) Der Versicherungsschutz besteht zum Teil unabhängig von Beitragszahlungen, z. B. für „mitversicherte Familienangehörige“. (2) In bestimmten Fällen sind Beiträge zu entrichten, obwohl bei realistischer Betrachtung nie ein Anspruch auf eine Versicherungsleistung oder eine Anwartschaft darauf entstehen wird, etwa bei bestimmten Rentenversicherungsbeiträgen. (3) Die Beiträge sind häufig nicht äquivalent zur – wie auch immer definierten – Leistung. Insbes. sind sie typischerweise nicht an dem versicherten Risiko ausgerichtet, sondern überwiegend nach sozialen Gesichtspunkten, etwa der Einkommenshöhe, bemessen. Einer Qualifikation als Steuer steht entgegen, dass sie nach Schuldnerkreis und Finanzierungszweck nicht Gemeinlast, sondern Sonderlast sind.412 Sie sind aber auch keine Beiträge im allg. Sinne des Begriffs, da sie nicht Ausgleich für eine vom Empfänger gewährte besondere Leistung oder das zur Verfügung stellen einer besonderen Einrichtung an den Zahlungspflichtigen sind. Namentlich sind sie auch keine Verbandslasten (o. V. 2. c)), da sie nicht nur von den Mitgliedern einer Körperschaft erhoben werden. Bei der Beitragserhebung der Sozialversi-

410 Vgl. Osterloh NJW 1982, 1617 (1620); Isensee, FS H. P. Ipsen, 1977, S. 409 (446 f.); P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 110; F. Kirchhof, NZS 1999, 161; ders. HStR V3, § 125 Rn. 8, nennt neben den Sozialversicherungsbeiträgen sieben weitere Finanzierungsquellen, die aber hier nicht weiter relevant sind. 411 Das BVerfG hat das unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet, vgl. BVerfGE 75, 108 (146). 412 Vgl. F. Kirchhof Die Verwaltung 21 (1988), 137 (144); ders., ZSR 1999, 161 (164); ders., HStR V3, § 125 Rn. 23; Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 459; zust. Heun, FS Selmer, 2004, S. 657 (660).

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cherungsträger stehen vielmehr der Solidarausgleich unter den versicherten Arbeitnehmern und die allgemeine Fürsorge der Arbeitgeber für ihre Bediensteten im Vordergrund. Die Leistungen der Versicherungsträger stehen in erheblichem Umfang nicht in einem Ausgleichsverhältnis zu den Beitragszahlungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.413 Das ist verfassungsrechtl. nicht unbedenklich, vor allem im Hinblick auf Bestrebungen, den Arbeitgeberanteil vom individuellen Einkommen des Versicherten zu lösen und an die betriebliche Wertschöpfung zu knüpfen („Maschinenbeitrag“). I. E. dürfte es sich um eine besondere Abgabenart, speziell zugeschnitten auf das traditionelle System der Sozialversicherungen, handeln.414 Die damit finanzierte Einrichtung muss sich aber insgesamt als Sozialversicherung darstellen. Das setzt voraus, dass sie im Grundsatz nach dem Versicherungsprinzip arbeitet. Andernfalls würde sich der Beitrag nicht mehr von einer (zweckgebundenen) Steuer zur Finanzierung bestimmter Sozialleistungen unterscheiden. Die Abgrenzung i. E. wirft jedoch zahlreiche Zweifelsfragen auf. Nach Auffassung des BVerfG darf zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen auch herangezogen werden, wer von der Versicherung keinen wirtschaftlichen Vorteil zu erwarten hat.415 Es müsse sich allerdings um einen „Beteiligten“ an der Sozialversicherung handeln. Urspr. verstand das Gericht darunter nur die Versicherten und ihre Arbeitgeber, „deren Heranziehung zugunsten der Arbeitnehmer als Auswirkung eines Fürsorgeprinzips“ angesehen werde, von dem das moderne Arbeitsverhältnis geprägt sei.416 Später hat es dann den Kreis der Beteiligten wesentlich weiter gezogen. Es soll zwar „nicht einfach jeder“ dazu gehören, „den der Gesetzgeber mit einer Abgabe belegt, deren Aufkommen zur Finanzierung von Sozialleistungen verwendet wird“. Genügen soll aber nunmehr das Vorliegen eines „sachorientierten Anknüpfungspunktes in den Beziehungen zwischen Versicherten und Beitragspflichtigen, der diese Heranziehung nicht au-

413 BVerfGE 11, 105 (117); 14, 312 (317); 51, 115 (124), wo darauf hingewiesen ist, dass von Verfassung wegen die Geldleistungen der Höhe nach nicht „in voller Äquivalenz“ zu den Beiträgen festgesetzt zu werden brauchten; ebenso BVerfGE 53, 313 (328 f.); 60, 68 (77), aber mit der Einschränkung, dass Beitragsäquivalenz berücksichtigt werden darf; vgl. auch F. Kirchhof, HStR V3, § 125 Rn. 25 ff. 414 Vgl. BVerfGE 14, 312 (317 f.); wohl auch BVerfGE 75, 146 (158); Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, 1973, 42; Siekmann, Die Staatsfinanzierung nach dem Grundgesetz, 1992 (2005), S. 438; Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 461; Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 95; F. Kirchhof, HStR V3, § 125 Rn. 23; zust. Heun, in: Dreier GG III, Art. 105 Rn. 23; ders., FS Selmer 2004, S. 657 (660); im Grundsatz auch Henseler NJW 1987, 3103 (3105), der aber gleichwohl die Anforderungen an Sonderabgaben auf sie anwenden will (S. 3107); eingehende Erörterung bei Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, 1992, S. 48 ff., der die Beiträge aber auch als „eigenen Abgabentypus“ ansieht (S. 52). 415 BVerfGE 11, 103 (117); 14, 312 (318); 75, 108 (157 f.). 416 BVerfGE 11, 105 (112).

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ßerhalb der Vorstellungen liegend erscheinen lässt, von denen die Sozialversicherung in ihrem sachlichen Grund bestimmt wird“.417 Das mag im Ansatz zutr. sein, ist indes viel zu vage, um eine einigermaßen praktikable Abgrenzung von (Sozialzweck-)Steuern vornehmen zu können. Gehaltvoller sind dagegen die zusätzl. Anforderungen, die das Gericht darüber hinaus aufstellt: Die Belastung bestimmter Bürger mit Sozialversicherungsbeiträgen, die Fremdlasten sind, bedürfe einer „besonderen Rechtfertigung“. Insoweit unterscheiden sie sich von der allg. Steuerzahlungspflicht der Bürger. Nach der Rspr. reichen allerdings auch nicht „beliebige Konfigurationen“ aus, „die sich der Gesetzgeber fallweise zusammensuchen kann“. Sie müssen sich vielmehr regelmäßig aus der „spezifischen Solidaritäts- oder Verantwortlichkeitsbeziehung zwischen Zahlungsverpflichteten und Versicherten, [. . .] die in den Lebensverhältnissen, wie sie sich geschichtlich entwickelt haben und weiter entwickeln, angelegt“ sind, ergeben.418 I. E. können Sozialversicherungsbeiträge danach verfassungsrechtl. umschrieben werden als öff.-rechtl. Geldleistungen, die den „Beteiligten“ einer Sozialversicherung auferlegt sind, einem organisatorisch verselbstständigten Träger dieser Versicherung zufließen und dazu dienen, Risiken abzudecken, die vom Bild der „klassischen“ Sozialversicherung geprägt sind. Beteiligter kann auch ein Nichtversicherter sein, wenn er in einer spezifischen Solidaritäts- und Verantwortlichkeitsbeziehung zum Versicherten steht, die in Lebensverhältnissen angelegt ist, wie sie sich geschichtlich entwickelt haben und sich weiter entwickeln. Wenn eine Abgabe Sozialversicherungsbeitrag ist, kann sie nicht zugleich „Sonderabgabe“ sein.419 Die Einordnung der Künstlersozialabgabe als Sozialversicherungsbeitrag420 ist ebenso wenig mit dem vom Gericht selbst aufgestellten Kriterium des „traditionellen Bildes der Sozialversicherung“ vereinbar wie die Umlage für die Konkursausfallgeldversicherung,421 auch nicht als Weiterentwicklung. Damit kann die

417 BVerfGE 75, 108 (146 f.). F. Kirchhof sieht zu Recht in dieser Öffnung eine Überdehnung und neuerdings eine Verwässerung des Prinzips der sozialen Verantwortung (HStR V3, § 125 Rn. 29). 418 BVerfGE 75, 108 (158). 419 Vgl. BVerfGE 75, 108 (147); Osterloh NJW 1982, 1617 (1620); Gössl (Fn. 415), S. 51 f.; Heun, FS Selmer, 2004, S. 657 (660); Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 292 ff.; anders: Henseler (Fn. 247), S. 91; ders. NJW 1987, 3103 (3105), der „Sonderabgabe“ als einen Oberbegriff versteht, zu dem auch Sozialversicherungsabgaben gehören; ebenso Arndt, Steuern, Sonderabgaben und Zwangsanleihen, 1983, S. 71 f. Die Zahlungen der privaten Krankenversicherungen in den neuen „Gesundheitsfonds“ sollen aber eine (unzulässige) Sonderabgabe sein, Giesen NZS 2006, 449 (453). 420 So aber BVerfGE 75, 108 (159). 421 So aber BVerfGE 89, 132 (144).

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Erhebung dieser Abgaben kompetenzrechtl. nicht auf Art. 74 I Nr. 12 gestützt werden. e) Kreditaufnahme Über die Trias Steuern, Gebühren und Beiträge, unter Einschluss der Zölle und Finanzmonopole hinaus, hat das GG die Kreditaufnahme in Art. 109 und 115 geregelt und damit – im Rahmen der dort gezogenen Grenzen – als Finanzierungsinstrument anerkannt. Dem steht das Gebot des Haushaltsausgleichs in Art. 110 I 2 nicht entgegen (Siekmann, in: Sachs GG, Art. 110 Rdn. 65 f.). Das gilt auch dann, wenn man mit dem BVerfG Art. 115 I 1 a. F. jegl. mat.-rechtl. oder kompetenzrechtl. Wirkungen absprechen will.422 Hier geht es nur darum, festzuhalten, dass das GG dem Staat die Aufnahme von Krediten als eine mögl. Finanzierungsform zur Verfügung gestellt hat. Das gilt auch noch nach der Föderalismusreform II (o. IV. 1. d)), auch wenn der Anwendungsbereich dieser Finanzierungsform eingeschränkt worden ist. Die Kreditaufnahme unterscheidet sich von allen anderen Finanzierungsformen dadurch, dass sie durch übereinstimmende Willenserklärungen erfolgt und mit der Geldzahlung ein Rückzahlungsanspruch entsteht. Insoweit ist ganz zivilistisch zu denken, da das VerfassungsR keine eigene Begriffsabgrenzung enthält und eine klare, feststehende Vorstellung, die dem ZivilR entstammte, geläufig war. Rentenanwartschaften sind zwar ökonomische „implizite“ Staatsschulden, erfüllen aber nicht die Kriterien der Kreditaufnahme, da jedenfalls bis zum Renteneintritt kein individueller Zahlungsanspruch besteht.423 f) Gewinne und privatrechtliche Entgelte Obschon Erwerbseinkünfte und Vermögenserträge nicht mehr die Rolle wie in früheren Zeiten spielen, tritt der Staat immer noch gewerblich am Markt mit der Absicht der Gewinnerzielung auf.424 Möglicherweise ist es ihm aber grds. verwehrt, ohne besondere Legitimation in Konkurrenz zur Privatwirtschaft erwerbswirtschaftlich tätig zu werden.425 Die geforderte Legitimation dürfte indes immer dann gegeben sein, wenn mit der wirtschaftl. Betätigung öff. Aufgaben erfüllt werden sollen. Die mittlerweile für die Finanzierung des Bundeshaushalts immer 422 Wirkungen „nur im Inter-Organ-Verhältnis zwischen Parlament und Regierung“ (BVerfGE 67, 265 [281]). 423 Siekmann, European Public Law, Vol. 13 (2007), S. 489 (494 ff.). 424 Beispiele für die rein erwerbswirtschaftliche Tätigkeit des Staates bei P. Kirchhof, HStR IV1, § 88 Rn. 300 a. E. 425 Vgl. Scholz, in Maunz/Dürig GG, Art. 12 (2006) Rn. 413; Grupp ZHR 140 (1976), 367 (382) m.w. N., der allerdings eine unterverfassungsrechtliche Norm ausreichen lässt.

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bedeutsameren Bundesbankgewinne stoßen unter diesem Aspekt aber nicht auf Bedenken.426 Wesentl. zweifelhafter ist jedoch, ob der Staat sich unter der Geltung des GG auch rein erwerbswirtschaftlich oder „privatwirtschaftlich“ betätigen darf, ob es sich also um ein zulässiges Finanzierungsinstrument des Staates handelt, und wenn ja, mit welchen Einschränkungen.427 Die Verfassung enthält keine klare Aussage über die Zulässigkeit einer „rein gewerblich“ Betätigung des Staates. Auch aus der mehrfachen Erwähnung von Unternehmen und Betrieben des Bundes (Art. 73 Nr. 6, 87 I, 110 I, 134, 135 VI) können insoweit keine eindeutigen Schlüsse gezogen werden.428 Entsprechendes dürfte für Art. 74 I Nr. 11 gelten. Dort ist das „privatrechtliche Versicherungswesen“ erwähnt. Das spricht zwar dafür, dass es auch öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen mit öffentlich-rechtlichen geregelten Versicherungsbeziehungen geben darf.429 Der Staat darf danach also das Versicherungsgeschäft betreiben. Damit ist aber nicht schon gesagt, dass er es auch aus (rein) erwerbswirtschaftl. Gründen tun darf. Auch die Erwähnung der Finanzmonopole in Art. 105 I, 106 I, 108 I hilft nicht recht weiter. In der Finanzwissenschaft werden sie ohnehin überwiegend nur als eine besondere Technik der Steuererhebung betrachtet. Obwohl ihre erwerbswirtschaftl. Komponente nicht zu leugnen ist,430 426 Vgl. Höfling, Staatschuldenrecht, 1993, S. 458 ff., der sich aber dezidiert gegen jeden Druck auf die Bundesbank zum Ausweis eines Gewinns ausspricht (S. 467); ferner Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, 1996, S. 242 f., 266 f., mit Einzelheiten zur Veranschlagungspraxis; zur (teilweisen) Nettoveranschlagung der Gewinne und ihrer Rechtzeitigkeit Siekmann, in: Sachs GG, Art. 110 Rn. 49, 58; zur Einschätzung als (verbotene) „Kreditaufnahme bei der Notenbank“ Siekmann, in: Sachs GG, Art. 115 Rn. 16. 427 Grds. gegen Zulässigkeit oder nur unter bestimmten Voraussetzungen: Grupp ZHR 140 (1976), 367 (392); Hamann NJW 1957, 1422 (1422 ff.); P. Kirchhof, FS Mußgnug, 2005, S. 131 (134). Hidien, Gemeindliche Betätigungen rein erwerbswirtschaftlicher Art und „öffentlicher Zweck“ kommunaler öffentlicher Unternehmen, 1981, S. 200; H. Krüger (Fn. 191), S. 897; Stober ZHR 145 (1981), 565 (586–589); Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl. 1976, S. 206; Burmeister, HkWP V, S. 2 (42); K. Vogel, GS Martens, 1987, S. 265 (267); Löwer, VVDStRL 60 (2001), 416 (418): „verfassungsrechtlich unzulässig“. Für Badura stellt sich die Frage nicht, da nach seiner Auffassung auch die „rein erwerbswirtschaftliche“ Betätigung der öff. Hand nur ein Schein und immer auch mit einem „öffentlichen Auftrag“ verbunden ist (FS Schlochauer, 1981, S. 3 [7]). 428 Vgl. die Arg. bei Stober ZHR 145 (1981), 565 (570 f.), der zudem zu Recht auf den Übergangscharakter von Art. 135 VI hinweist; ähnl. Ronellenfitsch, HStR IV3, § 98 Rn. 42. 429 Vgl. BVerfGE 41, 205 (LS): „Mit der Beschränkung der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes auf das privatrechtliche Versicherungswesen (Art. 74 Nr. 11) anerkennt das Grundgesetz die bestehenden landesrechtlichen Gebäudeversicherungsmonopole.“ 430 Vgl. Horak, Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand in der Bundesrepublik Deutschland und ihre Probleme, 1964, S. 16; anders Stober ZHR 145 (1981), 565 (570).

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handelt es sich aber nicht um eine rein erwerbswirtschaftl. Betätigung. Es werden immer auch Aufgaben öff. Verwaltung erfüllt. Aus ihr kann nicht auf die generelle Zulässigkeit staatlicher Teilnahme am Erwerbsleben geschlossen werden.431 Insgesamt dürfte aber trotz aller ordnungspolitischer Bedenken der Gesamtheit der grundgesetzl. Regelungen eine grds. Billigung gewinnorientierter staatlicher Erwerbswirtschaft zu entnehmen sein.432 Ein mögliches Rechtsinstitut „Steuerstaat“ steht letztl. ebenfalls nicht bedingungslos entgegen (o. V. 1.). Trotz alledem bleiben erhebl. Zweifel, ob der Staat nach Belieben neue Unternehmen gründen oder neue Beteiligungen erwerben darf, um sich auf diese Weise eine Einnahmequelle zu verschaffen. Aber auch die rein erwerbswirtschaftl. Betätigung der öff. Hand gehört in Deutschland wohl zum „vorverfassungsmäßigen Gesamtbild“ des Staates, das insoweit vom GG nicht grds. in Frage gestellt worden ist.433 3. Neue Finanzierungsformen a) Numerus clausus der Finanzierungsformen aa) Schutz von Freiheit und Gerechtigkeit Bei der Auferlegung von einseitigen Geldleistungspflichten, insbes. bei gegenleistungsfreien Abgaben, fehlt ein den Auferlegungsberechtigten zügelndes und dirigierendes Maß aus der Sache selbst. Der Staat darf sich aus einer Vielzahl von Einnahmequellen die von ihm benötigten finanziellen Mittel beschaffen. Welche Gegenstände er in welcher Höhe mit Abgaben belegt, ist aus juristischer Warte weitgehend eine Frage der Zweckmäßigkeit, solange nicht bestimmte Überlastungsgrenzen und Konsistenzgebote verletzt werden. Es gibt fast keine mat. Vorgaben434 – weder juristischer noch finanzwissenschaftlicher Art – außer einem nur schwer ohne subj. Gutdünken zu konkretisierenden Leistungsfähigkeitspostulat für einige wichtige Steuerarten.435 431 Sinngem. ebenso H. H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, 1968, S. 147; Stober ZHR 145 (1981), 565 (570). 432 So H. H. Klein (Fn. 432), S. 16, der vor allem aus Art. 15 die grds. Befugnis des Staates zur wirtschaftlichen Betätigung ableitet; i. E. ähnl. Torz DÖV 1958, 205 (209); Storr, Der Staat als Unternehmer, 2001; Kube (Fn. 51), S. 117. Auch Ronellenfitsch scheint insges. von der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit rein erwerbswirtschaftlicher Betätigung der öff. Hand auszugehen (HStR IV3, § 98 Rn. 33 ff.). 433 Vgl. Torz DÖV 1958, 205 (209): Sie erhalte „ihre Legitimation lediglich durch ihre nicht wegzudiskutierende historisch bedingte Existenz“; ferner H. H. Klein (Fn. 432), S. 53 ff.; a. A. Stober ZHR 145 (1981), 565 (571). 434 Vgl. Friauf DÖV 1980, 480 (482); speziell zur Besteuerung schon O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, 3. Aufl. 1924, S. 315 f.; ders., HdbFW I, 1. Aufl. 1926, S. 90; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl. 1928, S. 421; ähnl. auch BVerfGE 67, 256 (275). 435 BVerfGE 6, 55 (70 f.); 9, 237 (244); 13, 181 (202); 43, 108 (120); 47, 1 (29); 61, 319 (344); 66, 214 (223); 67, 290 (297); 68, 143 (152); 68, 287 (310); 72, 200 (260);

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Steuern dürfen idealtypisch einem prinzipiell unbegrenzten Zweck dienen: der Mehrung der Staatsfinanzen. Die Größe des Finanzbedarfs darf das entscheidende Kriterium für die Auswahl des Steuergegenstandes und der Steuersätze sein.436 Bei der Erschließung von Steuerquellen hat das BVerfG dem Gesetzgeber „weitgehende Gestaltungsfreiheit“ gelassen.437 Es gibt „keine wie auch immer geartete Sachlogik der Steueranknüpfung“.438 Auch der später vom BVerfG angebrachte Vorbehalt der „Gestaltungsgleicheit“, der zu beachten sei,439 schränkt den Spielraum des Gesetzgebers nur unwesentlich ein. So betrachtet, ist die Auferlegung von Steuern an keine substantiellen Voraussetzungen geknüpft und im Wesentlichen nur über Form- und Verfahrenserfordernisse verfassungsrechtl. zu bändigen. Grds. können nur die besondere Formenklarheit und Formenbindung440 und die dadurch geförderte Transparenz diese Begrenzung der Macht des Staates gegenüber dem zahlungspflichtigen441 Bürger leisten. Das verlangt eine rigorose Beschränkung der zulässigen Abgabeformen. bb) Die Besonderheiten der Finanzwirtschaft im Bundesstaat Sobald die Verfassungsordnung eine Verteilung von Finanzierungsquellen auf ihre einzelnen Glieder vornimmt, müssen sie genau bezeichnet und abgegrenzt werden. Die einzelnen Teile müssen an diese Verteilung strikt gebunden sein. Auch darf es keinen freien Zugriff auf „unverteilte“ Quellen geben. Das gilt in erhöhtem Maße, wenn neben die (primäre) Verteilung der Einnahmequellen noch eine (berichtigende) Verteilung der Einnahmen aus diesen Quellen (sekundärer Finanzausgleich) tritt. Diese Aufteilung muss sich zwangsläufig an formalen Kriterien orientieren und darf nicht zur Disposition der Betroffenen stehen, da die

74, 182 (199 f.); Paulick, FS Bühler, 1954, S. 121 (122 ff.), vor allem S. 141 ff.; Franz Klein (Fn. 230), S. 208 ff.; ders., FS Geiger, 1974, S. 697 (700); Gutachten der Steuerreformkommission, 1971, Abschnitt I, Allg. Teil, Rn. 39; Abschnitt IV, KSt, Rn. 54; Kröger JZ 1979, 631 (631 ff.); Selmer (Fn. 49), S. 356; Tipke BB 1973, 157 (157 ff.); Tipke/Lang (Fn. 256), § 4 Rn. 81 ff., Versuch der Konkretisierung Rn. 89–123; Blaurock JA 1980, 142 (145); Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983. 436 BVerfGE 13, 181 (203). 437 BVerfGE 13, 181 (202 f.); 49, 343 (360); 50, 386 (392); 81, 108 (117); 83, 395 (401); 84, 239 (271); 85, 238 (244); 93, 121 (136). 438 Kruse StuW 1995, 80 (83). 439 BVerfGE 93, 121 (136); 93, 165 (172); 99, 88 (95); mit Modifikationen zust. Jachmann StuW 2000, 239 (241). 440 BVerfGE 105, 185 (193). 441 U. S. Supreme Court: „The power to tax implies the power to destroy“, McCulloch vs. Maryland, 1 Cranch 223 (1806).

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Regelung des Finanzwesens nach dem GG eine „sorgsam ausbalancierende“ Gesamtordnung ist.442 Im Rahmen der Kompetenzabgrenzung verwendet das GG zur Bezeichnung der verschiedenen Arten von Abgaben Begriffe, die einen „objektiv bestimmbaren Inhalt“ haben. Deshalb kann es nicht in der Hand des jeweiligen Gesetzgebers liegen, „seine Zuständigkeit selbst zu begründen, indem er eine Abgabe mit einer bestimmten Bezeichnung belegt“.443 Auf die Bezeichnung, die der Gesetzgeber für eine Abgabe wählt, oder ihre haushaltsmäßige Behandlung kann es nicht ankommen. Entscheidend ist allein ihr mat. Gehalt (o. V. 1.). cc) Ergebnis Die Finanzverfassung des GG muss schwergewichtig als formale Ordnung begriffen werden. Damit ist die Schaffung neuer Finanzierungsformen grds. nicht zu vereinbaren. Die besondere Formenstrenge im Finanzwesen ist zur Gewährleistung von Freiheit und (Abgaben-)Gerechtigkeit des einzelnen (Individualschutz) und zur Sicherung des föderativen Staatsaufbaus (obj. Ordnungsfunktion) erforderlich.444 „Die Finanzverfassung [. . .] ist auf Formenbindung angelegt“.445 Das spricht entgegen der ganz überwiegend vertretenen Doktrin446 für einen numerus clausus der zulässigen Finanzierungsformen.447 442

BVerfGE 78, 249 (266). BVerfGE 8, 260 (270), unter Berufung auf BVerfGE 7, 244 (251 f.). 444 Für beide Anforderungen BVerfGE 55, 274 (301, 302 f.); zust. Friauf, FS 600 Jahre Universität Köln, 1988, S. 679 (693); insoweit jetzt ebenfalls so P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 12 f.; im Hinblick auf die grundrechtssichernde Wirkung von Formenklarheit Selmer/Brodersen DVBl 2000, 1153 (1155); speziell im Hinblick auf den Steuerbegriff: BVerfGE 67, 256 (285 f.): „die die Finanzverfassung ordnende Funktion des Steuerbegriffs“; Starck, FS Wacke, 1972, S. 193 (193 f.). 445 BVerfGE 67, 256 (288). 446 Gegen einen solchen numerus clausus: BVerfGE 82, 159 (181); 93, 319 (342); 108, 186 (215); 110, 370 (387); 113, 128 (146 f.); 123, 132 (141); Karpen AöR 109 (1984), 417 (423); F. Kirchhof Die Verwaltung 21 (1988), 137 (143), aber für die Einführung durch den Verfassungsgeber (VVDStRL 52 [1993], 71 [97]); W. Schmidt NVwZ 1991, 36 (39); Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck GG III, Art. 105 Rn. 8; Rodi JZ 2000, 827 (832); Drömann (Fn. 212), S. 168; Schmehl (Fn. 56), S. 101 f.; Kube (Fn. 51), S. 347; Kube/Palm/Seiler NJW 2003, 927 (928 f.); Elsner/Kaltenborn JA 2005, 823 (824); Ossenbühl DVBl 2005, 667 (668); Jochum StuW 2006, 134 (134); Müller-Franken, in: Friauf/Höfling GG, Art. 105 Rn. 172, wohl auch Waldhoff, HStR V3, § 116, Rn. 82 f., der ebenfalls die Wichtigkeit der Formenbindung anerkennt und nur meint, ein für einen numerus clausus erforderliches „in sich geschlossenes und widerspruchsfreies verfassungsrechtliches Abgabensystem“ sei bisher „durch die Verfassungsrechtsdogmatik nicht entwickelt worden“. So apodiktisch ist diese Aussage aber angreifbar. 447 In der Tendenz ähnl. Puwalla, Qualifikation von Abgaben, 1987, S. 85 f., 88 f.; Schumacher NJW 2000, 3096 (3098); ansatzweise auch Selmer/Brodersen DVBl 2000, 1153 (1154, 1163): „(Wieder-)Anerkennung eines grundsätzlich geschlossenen Katalogs öffentlicher Abgaben“. 443

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b) Das Verbot gegenleistungsfreier Abgaben außerhalb des Steuersystems Dessen ungeachtet stellt sich aber weiterhin die Frage, ob nichtsteuerliche Abgaben Gewinn abwerfen dürfen,448 oder anders gewendet: ob derartige Abgaben dazu eingesetzt werden dürfen, einen Beitrag zur Deckung des allg. Finanzbedarfs des Staates zu leisten. Das ist i. E. zu verneinen. Wegen des besonderen Abgabenzugriffs bedürfen Sonderlasten jeweils einer besonderen Rechtfertigung. Die Steuern genießen dagegen insoweit eine Vorzugsbehandlung, dass der Hinw. auf den Finanzbedarf des Staates ausreicht. Das macht zugleich ihre besondere Stellung plastisch. Sie sind „die“ Gemeinlast, neben der es andere Gemeinlasten nicht geben darf. Das BVerfG ist allerdings weniger rigoros, verlangt aber eine besondere Rechtfertigung und die Einhaltung besonderer Voraussetzungen.449 Die Besonderheit der Steuer besteht darin, dass mit ihr Einnahmen erzielt werden, ohne dass der Staat seinerseits eine Leistung dafür erbringen muss. Da ein rechtfertigender Grund außer dem Finanzbedarf des Staates nicht vorhanden sein muss, richtet sich ihre Bemessung und Repartition prinzipiell nicht nach einer immanenten Sachgesetzlichkeit. Regeln dafür können aus gleichzeitig verfolgten nichtfiskalischen (Neben-)Zwecken, den persönlichen Umständen des Steuerpflichtigen oder seinen Verhaltensweisen, die antizipiert werden, abgeleitet werden. Damit ist dem Staat ein Bereich eröffnet, in dem er weitgehend nach Belieben agieren darf. Eine derartige Abgabenform kann es sinnvoll in jeder Volkswirtschaft nur einmal geben. Für „allgemeinnützige“ Finanzierungen (Gemeinlasten) gibt es keine tragfähigen besonderen Verantwortlichkeiten. Sie müssen ausschließl. den Steuern vorbehalten bleiben. Nichtsteuerliche Abgaben, die einzig auf die Erzielung von frei verfügbaren Einnahmen für den allg. Staatshaushalt gerichtet sind („Gewinne“), darf es in einem solchen System nicht geben.450

448 Vgl. F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137 (149); verneinend für die Gebühr ders. (Fn. 321), S. 128 f. 449 BVerfGE 55, 274 (298); 57, 139 (166 ff.); 67, 256 (275); 75, 108 (147); 91, 186 (201); Schumacher NJW 2000, 3096 (3098); mit Einschränkungen: F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137 (150 f.); s. auch Henseler NJW 1987, 3103 (3105 f.), der aber nicht auf die Belastung, sondern die Möglichkeit von Sondereinnahmen abstellt. Das BVerfG verwendet den Begriff der „Gemeinlast“ auch für die Sachaufgabe, die durch Steuern zu finanzieren ist; bejaht für die Sicherheit der Strom- oder Energieversorgung (BVerfGE 91, 186 [206]). 450 Vgl. Weyreuther UPR 1988, 161 (169); Wienbracke StuW 2005, 81 (84); ders. DÖV 2005, 201 (203).

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c) Sonderabgaben und sonstige Mischformen aa) Die Sonderabgabe als eigenständige Abgabeform Im Text des GG ist ein „verfassungsrechtlicher Abgabentypus“ der Sonderabgaben nicht zu finden. Gleichwohl erfreuen sich die Sonderabgaben großer Beliebtheit bei der Staatsleitung. Das BVerfG hat sie als an sich zulässige besondere Finanzierungsform anerkannt.451 Die Rspr. der anderen Gerichtsbarkeiten ist ihr gefolgt.452 Begriffsabgrenzung, Funktion und Zulässigkeitsvoraussetzungen blieben jedoch ungesichert453 und sind vom BVerfG mehrfach modifiziert worden. Fraglich ist, ob es sich bei den Sonderabgaben um eine eigenständige Abgabeform neben den Steuern und den Vorzugslasten handelt.454 Im Schrifttum werden sie mittlerweile überwiegend als eigenständige Finanzierungsform angesehen.455 Zum Teil werden sie aber auch nur als – negativ abgegrenzter – Auffangtatbestand für anderweitig nicht zuordenbare Abgaben angesehen.456 Daneben gibt es eine Vielzahl vermittelnder Auffassungen.457 451 Grundl.: BVerfGE 55, 274 (297) – Berufsbildungsabgabe; BVerfGE 57, 139 (166) – Schwerbehindertenabgabe; BVerfGE 67, 256 (274 f.) – Investitionshilfeabgabe; BVerfGE 108, 186 (217 ff.) – Altenpflegeumlage. 452 Vgl. beispielsweise das BVerwG in der Entscheidung zum „Kohlepfennig“ (DVBl 1984, 1175 [1175 f.]). 453 Vgl. Henseler NJW 1987, 3103 (3103 ff.); F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137 (143, 150). 454 Zuerst wohl W. Weber, Die Dienst- und Leistungspflichten der Deutschen, 1943, S. 83; frühzeitig auch Mai, Sonderabgaben, Diss. Göttingen 1959, S. 11 ff.; später: Brodersen, FS Wacke, 1972, S. 103 (106); Friauf, FS Jahrreiß, 1974, S. 45 (51); ders., FG BVerfG II, 1976, S. 300 (307 ff.); ders., FS Haubrichs, 2. Aufl. 1977, S. 103 (109); Mattern BB 1970, 1405 (1405); Meessen BB 1971, 928 (928); Richter, Zur Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben, 1977; jetzt auch P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 70 („eigenständiger Abgabentypus“); anders noch Maunz, der den Begriff in seiner krit. Auseinandersetzung mit derartigen Abgaben nicht verwendet (in: Maunz/Dürig GG, Art. 105 [1979] Rn. 13–23). 455 Osterloh NJW 1982, 1617 (1619 f.); Heun DVBl 1990, 666 (666); Reimer/Waldhoff (Fn. 204), Rn. 156; wohl auch Selmer (Fn. 49), S. 183 f., der den Begriff allerdings noch in Anführungszeichen setzt; Müller-Franken, in: Friauf/Höfling GG, Art. 105 Rn. 135, der aber zu Unrecht davon ausgeht, dass das Grundgesetz ihn vorgefunden habe. Ein eigenständiger Abgabentyp „Sonderabgabe“ war zur Zeit der Schaffung des GG unbekannt. 456 P. Kirchhof ZIP 1984, 1423 (1428) („Auffangstatbestand“); anders aber jetzt ders., HStR V3, § 119 Rn. 70; Pietzcker DVBl 1987, 774 (780) („Restkategorie“); Charakterisierung durch negative Abgrenzung auch bei Rottländer, Haushaltspolitische Bedeutung und Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben, 1988, S. 22; Jachmann, StuW 1997, 299 (300 ff.); Sacksofsky (Fn. 46), S. 86 f.; J.-P. Schneider AK GG, Art. 105 (2001) Rn. 12. 457 So wohl Henseler (Fn. 247), S. 27 ff.; ders. NJW 1987, 3103 (3105 f.) „differenziertere Betrachtung“, der sie allerdings als „weitgehend variabel“ ansieht. Wegen der vielfältigen „Grauzonen“ und „Zweifelsfälle“ will Richter ausnahmsweise der Qualifi-

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Hatten die etablierten Finanzierungsformen wie Gebühr und Beitrag – wenn auch meist auf einfachgesetzlicher Ebene – einigermaßen klare Konturen gewonnen, „so benutzte die Sonderabgabe ihre begriffl. Unschärfe zur Okkupation neuer Gebiete“.458 „Ihre unklare Begrifflichkeit hat der Sonderabgabe zu einem Siegeszug durch das deutsche Abgabensystem verholfen, der zur Unterminierung des Steuerstaates führen kann“, so das Fazit von F. Kirchhof.459 bb) Verfassungsrechtliche Fragwürdigkeit Im Schrifttum sind massive verfassungsrechtl. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Sonderabgaben geäußert worden.460 Hervorzuheben sind folgende Gesichtspunkte: – ausschließl. Belastung einzelner Gruppen, – häufig fehlende Veranschlagung im Haushalt, – Vermeidung parlamentarischer Aufsicht und Kontrolle, – Durchbrechung der finanzverfassungsrechtl. Kompetenzordnung. Die entscheidende Frage jedoch, ob es sie überhaupt als eigenständige Finanzierungsform geben darf, wird indes fast nicht (mehr) gestellt. Vielmehr wird ledigl. versucht, den gröbsten Auswüchsen durch Zulässigkeitsanforderungen i. E., für die es im Übrigen keine Anhaltspunkte im GG gibt, zu begegnen.461 Das BVerfG hat sich ebenfalls in mehreren Entscheidungen bemüht, der Entwicklung Einhalt zu gebieten.462 Zutr. ist sein Ansatzpunkt: „Jede Sonderabgabe gerät zwangsläufig in Konkurrenz zu dem verfassungsrechtlich umfassend geregelten Institut der Steuer“, da sie ebenfalls dem Betroffenen eine Geldleistungspflicht „voraussetzungslos“, also „ohne Rücksicht auf eine korrespondierende Gegenleistung der öff. Hand auferlegt“.463 Trotzdem seien Steuer und Sonder-

kation durch den Gesetzgeber im Einzelfall und nicht dem mat. Gehalt Aussagekraft beimessen (Fn. 455), S. 71 f. 458 F. Kirchhof, Die Verwaltung 21 (1988), 137 (143) (Hervorhebung nicht im Original); in der Sache zust. Jochum StuW 2006, 134 (136). 459 Ebda. 460 Vgl. P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 71 („prinzipielle verfassungsrechtliche Bedenken“), Rn. 72 („finanziert eine ,schwarze‘ Kasse“), Rn. 74 („Fremdkörper im Verfassungsrecht“); Waldhoff, HStR V3, § 116 Rn. 93 a. E.; Puwalla (Fn. 448), S. 102, 138 („kein Platz“); gegen ihn Ubber (Fn. 312), S. 149 f.; Wieland, FS 50 Jahre BVerfG I, 2001, S. 771 (783); Staudacher (Fn. 347), S. 135 Fn. 389. 461 Dem stimmt jetzt auch Waldhoff, HStR V3, § 116, Rn. 93, ausdr. zu. 462 BVerfGE 55, 274 (297 ff.); 57, 139 (164 ff.); 67, 256 (274 ff.); 82, 159 (178 ff.); 91, 186 (201–203); 101, 141 (147 f.); 108, 186 (217 ff.); ferner BVerfGE 75, 108 (147 f.); 79, 249 (266, 268); 89, 132 (144). 463 BVerfGE 67, 256 (274 ff.).

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abgabe in ihrem rechtl. Charakter „wesensverschieden“ und unterscheiden sich grundl. nach „Idee und Funktion“.464 Der folgenschwerste Fehler dieser Rspr. liegt darin, dass die vom Gericht herausgearbeiteten Unterscheidungsmerkmale zugleich die Funktion von Zulässigkeitskriterien erfüllen.465 Damit waren die Sonderabgaben als eigenständige Abgabenkategorie nach dem GG anerkannt. Ihre verfassungsrechtl. Zulässigkeit als solche konnte nunmehr kaum noch in Zweifel gezogen werden. Es ging nur noch darum, die Zulässigkeitsmerkmale weiter zu differenzieren und zu konkretisieren. Statt zu untersuchen, ob eine zur verfassungsgerichtl. Prüfung gestellte Abgabe diese (selbstgeschaffenen) Voraussetzungen erfüllt, hätte zunächst explizit erörtert werden müssen, ob es eine solche (neue) Kategorie von Abgaben überhaupt geben darf. Diese Diskussion ist indes in der Rspr. nie geführt worden.466 Sie hätte auch im Wesentlichen zu einem negativen Ergebnis führen müssen:467 Entgegen der nunmehr fast einhelligen Meinung in Rspr. und Lit.468 lässt das GG die Einführung einer eigenständigen Abgabenkategorie „Sonderabgaben“ nicht zu.469 464 BVerfGE 55, 274 (298), unter Berufung auf BVerfGE 18, 315 (328), wo das aber nicht steht; erneut BVerfGE 67, 256 (274 f.). Auf diese Weise wird der Eindruck einer langjährigen st. Rspr. erzeugt, die so aber nicht existiert hat. 465 Vgl. Osterloh JuS 1982, 421 (424 f.); Henseler (Fn. 247), S. 85; ders. NVwZ 1985, 398 (401); Heun DVBl 1990, 666 (666 f.); Jakobs, FS Franz Klein, 1994, S. 663 (676 ff.); insoweit zust. Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 449; a. A. Staudacher (Fn. 347), S. 36. Nach Auffassung von Jochum StuW 2006, 134 (137), sei dieser Kritik in BVerfGE 108, 186 (186 ff.), z. T. Rechnung getragen worden. 466 Vgl. Friauf, FS Haubrichs, 1977, 2. Aufl., S. 103 (109): „Der Weg zu einer [. . .] solchen Lösung scheint aber endgültig verbaut zu sein, nachdem das Bundesverfassungsgericht [. . .] Sonderabgaben als an sich zulässig anerkannt hat, ohne die Grundsatzfrage aufzuwerfen“. 467 Auch P. Kirchhof geht davon aus, dass das GG „die Erhebung einer Sonderabgabe [. . .] nicht vorsieht“, scheut sich aber, daraus die Konsequenz der Verfassungswidrigkeit als eigenständiger Finanzierungsform zu ziehen (ZIP 1984, 1423 [1428]); noch zurückhaltender ders., HStR V3, § 119 Rn. 71, wo er aber noch die „prinzipiellen verfassungsrechtlichen Bedenken“ anerkennt und durch mat.-rechtliche Schranken zu bannen sucht (Rn. 71). 468 Immerhin spricht P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 74, 88, 105, jetzt (auch) von einem „verfassungsrechtlichen Krisentatbestand der Sonderabgabe“ und hält sie nur für „befristet zulässig“. Er versucht aber immer noch, die alles andere als gradlinige Rspr., vor allem aber auch die methodisch fragwürdige Vermischung von Abgrenzungsmerkmalen und Rechtfertigungsgründen, zu rechtfertigen, ohne sich allerdings mit der Grundsatzkritik im Schrifttum offen auseinanderzusetzen. 469 Im Erg. jetzt auch so Schmehl (Fn. 50), allerdings unter fast völliger Vernachlässigung des umfangreichen Schrifttums zum Problem. Dem Ergebnis steht nicht entgegen, dass ein generelles Verbot von „Sondereinnahmen“ beim „jetzigen Stand der Sonderabgaben ernsthaft nicht mehr erwogen werden“ könne (so aber Henseler NJW 1987, 3103 [3106], unter Berufung auf Friauf, FS Haubrichs, 2. Aufl., 1977, S. 103 [109]). Auch überzeugt der Hinw. auf die Vielzahl von Abgaben, die es bereits bei der Entstehung des Grundgesetzes gegeben habe und die nun als Sonderabgaben einzuordnen

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II. Verfassungsrecht

Hinzu kommt, dass die meisten Sonderabgaben mit wichtigen verfassungsrechtl. abgesicherten Budgetgrundsätzen nicht vereinbar sind. Das sind vor allem die Grundsätze der Vollständigkeit und der Einheitlichkeit des Haushaltsplans. Auch das BVerfG hat im Beschluss zum Absatzfondsgesetz470 ausdr. anerkannt, dass „der Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans“ nicht nur das Budgetrecht des Parl., sondern „auch den fundamentalen Grundsatz der Gleichheit der Bürger bei der Auferlegung öffentlicher Lasten“ sichere.471 Nur durch Beachtung dieses Grundsatzes sei gewährleistet, „dass das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare Finanzvolumen und damit auch über die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält, soweit sie der Verantwortung des Parlaments unterliegen.“ 472 Wenn der Gesetzgeber „Einnahme- und Ausgabekreisläufe außerhalb des Budgets organisiert“, wie bei den meisten Sonderabgaben, ist das nicht mehr der Fall.473 Allerdings scheute sich das BVerfG, die entspr. Konsequenzen zu ziehen. Es beschränkt diesen Grundsatz in all seiner Schärfe nur auf das Steueraufkommen. Nunmehr hat das Gericht aber insoweit eine Konsequenz aus dieser Kritik gezogen, dass es eine „vollständige Dokumentation“ der Sonderabgaben verlangt (u. V. 3. c) dd)). Die damit verfolgte Absicht ist zwar anzuerkennen, doch steht von einer solchen Pflicht nichts im GG, auch nicht einmal andeutungsweise. Das bedeutet indes nicht, dass nach der hier vertretenen Auffassung alle unter die Kategorie der Sonderabgaben subsumierten Abgaben verfassungswidrig sind. Es ist aber i. E. zu prüfen, ob sie die Voraussetzungen einer der zulässigen Formen erfüllen. Trifft dies nicht zu, könnte eine derartige Abgabe (ausnahmsweise) noch als überkommene und vom Verfassungsgeber akzeptierte „Sonderform“ zulässig sein. Andernfalls ist sie verfassungswidrig. Als Ergebnis ist danach festzuhalten, dass es von Verfassung wegen keine eigenständige Finanzierungsform „Sonderabgaben“ gibt. Für alle praktischen Belange ist jedoch davon auszugehen, dass das BVerfG sie grds. verfassungsrechtl. anerkannt hat, wenn auch mit vielen Vorbehalten und Ungereimtheiten im Detail.

seien, nicht; so aber das Hauptargument von Vogel/Waldhoff BK GG, vor Art. 104a (1997) Rn. 449, gegen die hier vertretene Auffassung. Diese Abgaben waren alle einzeln auf ihre Zulässigkeit zu prüfen. Sie konnten nicht schon durch ihre bloße Einordnung in eine dem Grundgesetz fremde Finanzierungsform gerechtfertigt werden. Auch bedeutet die Ablehnung einer eigenständigen finanzverfassungsrechtlichen Kategorie „Sonderabgabe“ nicht, dass sie damit automatisch verfassungswidrig sind (u. Rn. 155). 470 BVerfGE 82, 159 (159 ff.). 471 BVerfGE 82, 159 (178 f.). 472 BVerfGE 82, 159 (179); bestätigt durch BVerfGE 91, 186 (202). 473 BVerfGE 82, 159 (179); noch offengelassen BVerfGE 23, 12 (24).

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cc) Grundanforderungen Wenn man die Sonderabgaben als eigenständige Abgabeform anerkennt, ist es umso dringlicher, typspezifische Zulässigkeitskriterien des Verfassungsrechts zu entwickeln, welche „die Erhebung einer Sonderabgabe im Einzelfall“ als Ausnahme gegenüber den in Art. 104a ff. festgelegten Regeln legitimieren können.474 Andernfalls droht eine „Verwilderung des Abgabenrechts“.475 Nach der Rspr. des BVerfG dürfen „Sonderabgaben [. . .] als zusätzliche Belastung einzelner nur erhoben werden, wenn sie sich auf einen Zurechnungsgrund stützen lassen, der vor den Grundsätzen der bundesstaatl. Finanzverfassung und vor dem Gebot der Gleichheit aller Bürger vor den öff. Lasten Bestand hat.“ 476 Sie bedürfen also eines besonderen Rechtfertigungsgrundes. Grundlage ist die Überlegung, dass es dem Gesetzgeber nach dem GG versagt sein muss, Sonderabgaben zur Erzielung von Einnahmen für den allg. Finanzbedarf eines öff. Gemeinwesens zu erheben und das Aufkommen aus derartigen Abgaben zur Finanzierung allg. Staatsaufgaben zu verwenden. Neben den Steuern darf es keine weiteren Gemeinlasten geben. Für die danach noch rechtfertigungsfähigen und rechtfertigungsbedürftigen Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion hat das BVerfG die Bezeichnung Sonderabgaben i. e. S. neu eingeführt.477 Sonderabgaben müssen also der „Verfolgung eines Sachzweckes“ dienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht.478 In dem zugrundeliegenden Gesetz muss neben den finanzwirtschaftl. Seiten, Abgabenauferlegung und Verwendung des Aufkommens, auch eine sachl. Gestaltung enthalten sein. Wenn sich der Gesetzgeber beispielsweise auf Art. 74 I Nr. 11 stützt, muss die „gestaltende Einflussnahme auf die Wirtschaft“ zum Ausdruck kommen. Entsprechendes gilt bei Art. 74 I Nr. 18. Nur wenn dem Gesetzgeber auf diese Weise die Art. 70 ff. zur Seite stehen, erlaubt ihm das BVerfG, sich im Einzelfall über den bundesstaatl. begründeten „Ausschließlichkeitsanspruch“ der in Art. 104a ff. normierten Regeln hinwegzusetzen.479 474

Friauf, FS Haubrichs, 1977, 2. Aufl., S. 103 (109). Henseler NJW 1987, 3103 (3103 ff.). 476 BVerfGE 55, 274 (303 f.); 90, 60 (105) „Kabelgroschen“, wobei offengelassen ist, ob es sich um eine Sonderabgabe handelt. 477 BVerfGE 108, 186 (217); BVerfGE 123, 132 (141); zust. Jochum StuW 2006, 134 (136), die für die nicht erfasste Abgabengruppe die Begriffe „Sonderabgaben i. w. S.“ oder „sonstige Sonderabgaben“ verwendet (S. 136, 141). 478 BVerfGE 75, 108 (147); 108, 186 (218). 479 BVerfGE 55, 274 (304); 67, 256 (275 f.); 82, 159 (179): „gestaltende Einflussnahme auf den geregelten Sachbereich“. Diese Gestaltung hat das BVerfG regelrecht zum Begriffsmerkmal gemacht, wenn es „alle Sonderabgaben“ als „Abgaben“ beschreibt, „die der Verwirklichung besonderer Sachaufgaben dienen“. Allerdings spricht es auch – nicht ganz folgerichtig – von „hinzutretenden Lenkungszwecken“ (BVerfGE 67, 256 [277 f.]). 475

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Aber auch das BVerfG stellt diese Ausweichmöglichkeit nicht in das Belieben des Gesetzgebers, sondern versagt ihm kategorisch, „eine öffentliche Abgabe nach seiner Wahl im Wege der Besteuerung oder durch Erhebung einer ,parafiskalischen‘ Sonderabgabe zu finanzieren“.480 Deshalb soll die Erhebung von Sonderabgaben nur unter engen Voraussetzungen zulässig sein. Sie müssen seltene Ausnahmen bleiben481 und stets auf ihre Rücknehmbarkeit überprüft werden,482 damit sie nicht die Steuerverfassung der Art. 105 ff. unterlaufen.483 Im Einzelnen hat sich die Rspr. des BVerfG schrittweise in einer Vielzahl von Entscheidungen entwickelt. Ausgangspunkt waren die Entscheidungen zu folgenden Abgaben, in denen aber noch eine tiefere dogmatische Durchdringung der Materie fehlt: – Bundesausgleichsabgabe nach § 12 Milch- und Fettgesetz,484 – Preisausgleichsabgabe,485 – BW Feuerschutzabgabe,486 – Hebammenabgabe,487 – Mehrwertabgabe,488 – Milchausgleichsabgabe,489 – Spielbank-Tronc-Abgabe,490 – Konjunkturzuschlag.491

480

BVerfGE 67, 256 (275 f.). BVerfGE 55, 274 (308), unter Berufung auf Friauf, FS Haubrichs, 1976, S. 103 (118); zust. P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 71; bekräftigt zuletzt durch BVerfGE 108, 186 (217). 482 BVerfGE 82, 159 (181); 108, 186 (218); zuvor schon BVerfGE 55, 274 (308), unter Berufung auf BVerfGE 49, 89 (130) („schneller Brüter“), wo zwar allg. etwas zum „Nachfassen“ des Gesetzgebers steht, aber nichts zur speziellen Problematik finanzverfassungsrechtlicher Regelungen, geschweige denn zu den Sonderabgaben; zust. P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 87. 483 BVerfGE 67, 256 (278), speziell für die sog. Sonderabgaben mit Finanzierungszweck. 484 BVerfGE 6, 134 (138). 485 BVerfGE 8, 274 (316 f.). 486 BVerfGE 13, 167 (170 f.). 487 BVerfGE 17, 287 (292). 488 BVerfGE 18, 274 (287). 489 BVerfGE 18, 315 (328): „Abgabe besonderer Art“, „keine Steuer“, dient „nicht der Gewinnung von Mitteln für den allgemeinen Finanzbedarf des Staates“. 490 BVerfGE 28, 119 (150). 491 BVerfGE 29, 402 (409). 481

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Die dogmatischen Kernaussagen sind erst seit 1980 in den Entscheidungen zu folgenden Abgaben getroffen worden: – Berufsbildungsabgabe,492 – Schwerbehindertenabgabe,493 – Investitionshilfeabgabe,494 – Absatzfondsgesetz.495 Als Sonderabgaben hat das Gericht – unabhängig von ihrer gesetzl. Bezeichnung (o. V. 1. und u. V. 3. c) dd)) – eingestuft die: – Berufsbildungsabgabe,496 – Schwerbehindertenabgabe,497 – Investitionshilfeabgabe,498 – Ausgleichsabgabe nach dem Dritten Verstromungsgesetz („Kohlepfennig“),499 – Feuerwehrabgaben (Bay und BW),500 – Ausgleichsabgabe nach dem Hessischen Sonderurlaubsgesetz,501 – Altenpflegeumlage,502 – Absatzfondsabgabe,503 – Forstabsatzfondsabgabe,504 – Umlage zur Finanzierung der BaFin,505 – Jahresbeiträge zu Einrichtungen der Einlagensicherung- und Anlegerentschädigung.506

492 493 494 495 496 497 498 499 500 501 502 503 504 505 506

BVerfGE 55, 274 (297 ff.). BVerfGE 57, 139 (153). BVerfGE 67, 256 (275 ff.). BVerfGE 82, 159 (178 ff.). BVerfGE 55, 274 (297 ff.). BVerfGE 57, 139 (166). BVerfGE 67, 256 (278). BVerfGE 91, 186 (203). BVerfGE 92, 91 (115). BVerfGE 101, 141 (146). BVerfGE 108, 186 (220). BVerfGE 122, 316 (333). BVerfGE 123, 132 (141): Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion. BVerfGE 124, 235 (243): Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion. BVerfGE 124, 348 (364): Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion.

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II. Verfassungsrecht

Keine Sonderabgabe sah es in folgenden Abgaben: – Künstlersozialversicherungsbeitrag,507 – Fehlbelegungsabgabe,508 – Umlage für die Konkursausfallgeldversicherung.509 Die Umlage für die Konkursausfallgeldversicherung ist nach Auffassung des BVerfG deshalb keine Sonderabgabe, weil die Regelung über das Konkursausfallgeld auf „einer eigenen Abgabenkompetenz“, „der Bundeskompetenz für die Sozialversicherung nach Art. 74 I Nr. 12“, beruhe,510 die „bereits aus sich heraus auch auf die Regelung der Finanzierung gerichtet ist“.511 Als verfassungsrechtl. nicht zu rechtfertigende Sonderabgaben hat es beurteilt die: – Investitionshilfeabgabe,512 – Ausgleichsabgabe nach dem Dritten Verstromungsgesetz („Kohlepfennig“),513 – Feuerwehrabgaben,514 – Ausgleichsabgabe nach dem Hessischen Sonderurlaubsgesetz,515 – Abfallausfuhrabgabe,516 – Absatzfondsabgabe,517 – Forstabsatzfondsabgabe.518 Wegen der Vielfalt der Sonderabgaben wird im Schrifttum519 eine Typenbildung vorgenommen und je nach der Wirkung unterschieden zwischen: – ausgleichenden Sonderabgaben (Ausgleichsabgaben), – lenkenden Sonderabgaben, – fördernden Sonderabgaben, – Verursacherabgaben. 507

BVerfGE 75, 108 (147–149). BVerfGE 78, 249 (266, 268). 509 BVerfGE 89, 132 (144). 510 BVerfGE 89, 132 (144); Kritik o. Rn. 132. 511 BVerfGE 75, 108 (147 f.); 89, 132 (144). 512 BVerfGE 67, 256 (278). 513 BVerfGE 91, 186 (203). 514 BVerfGE 92, 91 (115). 515 BVerfGE 101, 141 (146 ff.). 516 BVerfGE 113, 128 (145) „Solidarfonds Abfallrückführung“. 517 BVerfGE 122, 316 (332). 518 BVerfGE 123, 132 (139). 519 P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 90, 93, 96, 99; s. a. Hey StuW 1998, 32 (37); krit. Selmer/Brodersen DVBl 2000, 1153 (1163). 508

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dd) Die einzelnen Zulässigkeitsvoraussetzungen Nach dem derzeitigen Stand der Rspr. müssen für die Erhebung von Sonderabgaben folgende fünf Voraussetzungen erfüllt sein:520 (1) Der Gesetzgeber darf sich des Finanzierungsinstruments der Sonderabgabe nur zur Verfolgung eines Sachzweckes bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht.521 (2) Es darf nur eine abgrenzbare gesellschaftl. Gruppe und nicht die Allgemeinheit mit einer Sonderabgabe in Anspruch genommen werden. Diese Gruppe muss „homogen“ in dem Sinne sein, dass sie durch eine gemeinsame in der Rechtsordnung vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar ist. Es reicht nicht aus, wenn erst für die beabsichtigte Abgabenerhebung Gruppen durch Normativakt gebildet werden, und zwar nach Gesichtspunkten, die nicht in der Rechts- und Sozialordnung vorgegeben sind.522 (3) Darüber hinaus setzt die Belegung mit einer Sonderabgabe eine „spezifische“ Beziehung („Sachverantwortung“)523 zwischen dem Kreis der Abgabepflichtigen und dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck voraus. Ihm muss „deshalb eine besondere Finanzierungsverantwortung zugerechnet“ werden können.524 Eine „evidente“ Nähe zum verfolgten Sachzweck, die in der früheren Rspr. verlangt worden war,525 ist nicht mehr erforderlich. 520 Zu diesen Voraussetzungen BVerfGE 67, 256 (276 f.); 82, 159 (180); 108, 186 (220); zuvor schon: BVerfGE 55, 274 (305 ff.); BVerfGE 57, 139 (167); vgl. ferner 91, 186 (205 f.); ganz oder im Wesentlichen zust. P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 78–86; Simon DÖV 2001, 63 (64 f.); krit. Ossenbühl DVBl 2005, 667 (675). 521 BVerfGE 124, 348 (366); zuvor ähnl.: BVerfGE 75, 108 (147); 82, 159 (179); 108, 186 (218). 522 BVerfGE 82, 159 (180); 91, 186 (205 f.); 92, 91 (120); 108, 186 (218); zuletzt knapper BVerfGE 124, 348 (366): „Mit einer Sonderabgabe darf nur eine homogene Gruppe belegt werden“. 523 BVerfGE 82, 159 (179); 92, 91 (120); 108, 186 (218); 124, 348 (366): „Sachnähe“. 524 BVerfGE 124, 348 (366). Schon zuvor hatte das BVerfG auf die „besondere Finanzierungsverantwortlichkeit“ abgestellt und diese für die letztl. mit dem sog. Kohlepfennig belasteten privaten Stromverbraucher im Hinblick auf die Kohleverstromung verneint (BVerfGE 91, 186 [205 f.]); zust. Lecheler NJW 1995, 933 (933); Wilms NVwZ 1995, 550 (550); zur Ähnlichkeit der „Stromsteuer“ mit dem Kohlepfennig Gröpl DÖV 2001, 199 (206 f.). 525 BVerfGE 82, 159 (180): „Die mit der Abgabe belastete Gruppe muss dem mit der Erhebung verfolgten Zweck evident näher stehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler. Aus der Sachnähe der Abgabepflichtigen muss eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen“; im Anschluss an BVerfGE 67, 256 (276). Die Gruppenverantwortung soll nicht nur für die Abgabenerhebung dem Grunde nach, sondern auch für die Bemessung der Höhe maßgeblich sein, BVerfGE 110, 370 (390 f.).

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(4) Nicht nur die Erhebung einer solchen Abgabe, sondern auch die Verwendung ihres Aufkommens ist zur Zulässigkeitsvoraussetzung erhoben worden: „Das Abgabenaufkommen muss im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen, also ,gruppennützig‘, verwendet werden“. Es genügt allerdings, wenn das Aufkommen „überwiegend“ im Interesse der Gesamtgruppe und nicht jedes einzelnen Abgabepflichtigen verwendet wird.526 Es ist jedoch wenig folgerichtig, die Verwendung des Aufkommens aus einer Abgabe zum Zulässigkeitskriterium zu erheben.527 (5) Schließlich sollen den Gesetzgeber nach der neueren Rspr. des BVerfG haushaltsrechtl. Informationspflichten treffen, das heißt, alle erhobenen Sonderabgaben müssen in einer Anlage zum Haushaltsplan vollständig dokumentiert werden. Diese Dokumentation muss Aufschluss geben über Bestand und Entwicklung aller Sonderabgaben des betreffenden Gesetzgebers sowie über ihr Verhältnis zu den Steuern.528 Zuletzt hat das BVerfG besonderen Wert auf das Zusammenspiel der 3. und 4. Voraussetzung gelegt. Es bilde den „entscheidenden Rechtfertigungsgrund“ für eine zu der Gemeinlast der Steuer hinzutretende Sonderlast und sichere so die verhältnismäßige Belastungsgleichheit.529 Diese Erwägung zeigt erneut die Fragwürdigkeit des gesamten Ansatzes, da nicht die Verwendung der Geldleistung (die Gegenleistung des Bürgers) die Belastungsgleicheit in Abgrenzung zur Steuer herstellt, sondern die besondere Leistung, die dem Bürger bei den Vorzugslasten vom Staat gewährt wird. Zu begrüßen ist allerdings, dass nunmehr die mehr oder weniger verkappten Wertungsfrage, was eigentlich eine der belasteten Gruppe „zuzurechnende Aufgabe“ ist, die mit Hilfe der Abgabe erfüllt wird, nunmehr deutlicher thematisiert wird. Die damit vom Gericht verbundene Finanzierungsverantwortung stellt das eigentliche Sachproblem eines großen Teils der Sonderabgabenjudikatur dar. Für diese besondere „Finanzierungsverantwortung“

526 BVerfGE 55, 274 (315 f.): eine „Art ,Gegenleistung‘ [. . .] ,Entgeltcharakter‘ “; 82, 159 (180); 108, 218 (186); knapper BVerfGE 124, 348 (366): „Das Abgabenaufkommen muss gruppennützig verwendet werden“. 527 Die Systemwidrigkeit des Merkmals wird deutlich, wenn „fremdnützige Sonderabgaben“ als „in der Regel unzulässig“ bezeichnet werden (P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 84). Damit ist (implizit) anerkannt, dass es sich nicht um ein Existenzkriterium, sondern ein Rechtmäßigkeitskriterium handelt, also der ursprüngliche Fehler des BVerfG, die methodisch fragwürdige Vermischung dieser Kategorien (o. Rn. 152), fortgeführt wird; krit. auch: W. Jakob, FS Franz Klein, 1994, S. 663 (676); Simon DÖV 2001, 63 (65); für weitere Differenzierungen, die aber nicht weiter führen, Selmer, FS Mußgnug, 2005, S. 217 (231, 236); nicht jedoch Jochum StuW 2006, 134 (139). 528 Grundl. BVerfGE 108, 186 (218 f.), Urteilsbesprechung von Wahlhäuser NVwZ 2005, 1389 (1389 ff.); danach st. Rspr. BVerfGE 110, 370 (389); 124, 348 (366); s. a. o. Rn. 154. 529 BVerfGE 124, 348 (366): „[. . .] entlaste die Gesamtgruppe der Abgabenschuldner von einer ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnenden Aufgabe“.

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ist allerdings nicht erforderlich, dass die Abgabepflichtigen dem verfolgten Ziel „evident“ näher stehen als die Allgemeinheit.530 Für die Beurteilung der Frage, ob eine Abgabe die jeweils geforderten Zulässigkeitskriterien erfüllt, ist weder die gesetzl. Klassifizierung noch die konkrete haushaltsmäßige Behandlung durch den Gesetzgeber entscheidend. Maßgebend ist allein eine „materiell-inhaltliche“ Betrachtungsweise.531 Sie gilt auch für landesrechtl. Abgaben.532 Zudem ist der Gesetzgeber verpflichtet, regelmäßig das weitere Vorliegen der Voraussetzungen zu überprüfen.533 Die tatsächl. gruppennützige Verwendung des Aufkommens aus der Abgabe soll der Rechtsgrund für das „Behaltendürfen“ sein. Falls dem nicht genügt wird, bestehe ein Erstattungsanspruch.534 Auch die Regeln für die Bemessung der individuellen Abgabenhöhe müssen den verfassungsrechtl. Anforderungen für nichtsteuerliche Abgaben genügen. Das gilt vor allem für die zentrale Zulässigkeitsanforderung einer besonderen sachl. Rechtfertigung. „Die Finanzierungsverantwortung der zur Leistung einer Sonderabgabe Verpflichteten kann nicht weiter reichen als der voraussichtliche Mittelbedarf für die mit der Sonderabgabe verfolgten Zwecke“.535 ee) Geltungskraft der Voraussetzungen Diese strengen Anforderungen konnte das BVerfG jedoch nicht für solche Abgaben durchhalten, die keinen Finanzierungszweck verfolgen. Deshalb ist nach der Rspr. des Gerichts zu unterscheiden, ob die Sonderabgabe einen Finanzierungsfunktion erfüllen soll oder nicht.536 (1) Besteht ein solcher Finanzierungszweck, gelten die angeführten Zulässigkeitsvoraussetzungen uneingeschränkt, unabhängig davon, ob er Haupt- oder Nebenzweck ist.537 Hinzutretende Lenkungszwecke ändern daran nichts.538 Das er530 Ausdr. klargestellt in der Entscheidung zu den Jahresbeiträgen zu Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungseinrichtungen, BVerfGE 124, 348 (372); krit. zum Merkmal der Finanzierungsverantwortung Hummel, DVBl 2009, 874 ff. P. Kirchhof, HStR V3, § 119 Rn. 81, versucht das Problem dadurch zu lösen, dass die Gruppennützigkeit [der Verwendung der Abgabe] das Allgemeininteresse eindeutig überwiegen müsse; zust. Reimer/Waldhoff (Fn. 204), Rn. 265. Das entspricht (1) nicht mehr der neuesten Rspr. des BVerfG und ist (2) nur eine Formel die Wertungen verdeckt. 531 BVerfGE 55, 274 (304 f.); 67, 256 (276); 92, 91 (114); 93, 319 (345); 108, 1 (13), 186 (212); 110, 370 (384); 113, 128 (145 f.); 122, 316 (333); 124, 348 (364); BVerwGE 72, 212 (221). 532 BVerfGE 92, 91 (115); 93, 319 (345); 108, 1 (13); 186 (212). 533 BVerfGE 67, 256 (276); 82, 159 (181); 124, 348 (366). 534 So mit guten Gründen Simon DÖV 2001, 63 (67). 535 BVerfGE 108, 1 (17); 110, 370 (390 f.); 124, 235 (249). 536 BVerfGE 122, 316 (334); 123, 132 (141 f.); 124, 235 (244); 348 (365). 537 So jetzt auch Reimer/Waldhoff (Fn. 204), Rn. 181, die sich insoweit auch auf neueste Entscheidungen des BVerfG berufen, wo das jedoch so nicht steht; Nachw. u. Fn. 547.

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fordern die Sicherung der bundesstaatl. Finanzverfassung und die Abgrenzung gegenüber Gemeinlasten. Diese sind einzig aus dem Aufkommen von Steuern nach Maßgabe der steuerl. Ertragsverteilung zu finanzieren und nicht durch eine „atypische“ Sonderabgabe in Form einer „Gemeinlast“, die das GG nicht kennt. Die vom BVerfG entwickelten Zulässigkeitsmerkmale gelten nicht nur für bestimmte Arten von Sonderabgaben mit Finanzierungszweck. „Sie bezeichnen vielmehr allgemein die Voraussetzungen, unter denen solche Abgaben überhaupt [. . .] zulässig sind“.539 Für Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion, die ähnlich den Steuern „voraussetzungslos“ erhoben werden, hat das BVerfG jüngst noch einmal betont, dass die allg. finanzverfassungsrechtl. Begrenzungen für nichtsteuerl. Abgaben in besonders strenger Form anzuwenden seien.540 Unter Finanzierung versteht das BVerfG jedoch nicht nur die Finanzierung des allg. Staatshaushalts. Durchlaufende Posten sollen ebenso dazu gehören wie die Dotierung von verselbstständigten Aufsichtseinrichtungen541 und Fonds.542 Auch für so genannte „Ausgleichs-Finanzierungsabgaben“, die der Finanzierung von Ausgleichskassen dienen,543 sollen die oben aufgestellten Voraussetzungen in vollem Umfang gelten. (2) Eine andere Behandlung erfahren jedoch diejenigen Abgaben, bei denen „nicht die Finanzierung einer besonderen Aufgabe“ Anlass zu ihrer Einführung war. Diese „Ausgleichsabgaben eigener Art“ seien nach milderen Kriterien zu beurteilen. Insoweit sollen die vom Gericht aufgestellten Zulässigkeitsmerkmale nicht uneingeschränkt gelten.544 Welche verfassungsrechtl. Anforderungen dann aber im Einzelnen zu stellen sind, ist bisher nicht gesichert.545 I. E. rechnet das 538

So jetzt auch Wernsmann (Fn. 47), S. 465. BVerfGE 67, 256 (278). 540 BVerfGE 122, 316 (334); 123, 132 (141); 124, 235 (244); 348 (365). 541 BVerfGE 124, 199 (243): Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. 542 BVerfGE 110, 370 (389): Klärschlamm-Entschädigungsfonds; 113, 128 (146): Solidarfonds Abfallrückführung; 122, 316 (333): Absatzfonds; 123, 132 (140): Forstabsatzfonds; 124, 348 (364 f.): Jahresbeiträge zu den Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungseinrichtungen. Die Beiträge zum neuen Bankenrestrukturierungsfonds nach §§ 2, 12 Abs. 1 Restrukturierungsfondsgesetz (Art. 3 des Restrukturierungsgesetzes vom 9.12.2010, BGBl. I 1900 [1921]), dürfte ebenfalls hierzu gehören, vgl. Siekmann, Der Betrieb, 2011, S. 29 ff.; Reimer/Waldhoff (Fn. 204), Rn. 156, die nach sehr weitgehenden Erwägungen zur Homogenität hinreichende Unterschiede zwischen Banken und sonstigen Finanzdienstleistungsinstituten ausmacht (Rn. 183–261). 543 Sie wurden zunächst auch nicht als Sonderabgaben bezeichnet. Vgl. BVerfGE 8, 274 (316 f.): „Bei den Leistungen an die Ausgleichskassen handelt es sich nicht um die Entrichtung von Steuern oder öffentlichen Beiträgen, Abgaben und Gebühren, da sie nicht zur Deckung des Finanzbedarfs der öffentlichen Verwaltung bestimmt sind“; BVerfGE 17, 287 (292) – Hebammenabgabe; 18, 274 (287): „Mehrwertabgabe [. . .] beitragsähnliche Zahlungspflicht“; 18, 315 (328): „die Milchausgleichsabgabe [. . .] ist also ihrer Idee und Funktion nach eine Abgabe besonderer Art, keine Steuer“. 544 BVerfGE 57, 139 (167); 67, 256 (278). 545 BVerfGE 67, 256 (278); nähere Einzelheiten bei Jochum StuW 2006, 134 (141– 143). 539

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Gericht also nur solche (Ausgleichs-)Abgaben zu den Sonderabgaben ohne Finanzierungszweck, die überhaupt keinen Finanzierungszweck verfolgen, weder als Haupt- noch als Nebenzweck.546 Derartige Abgaben hatte das BVerfG deshalb zu Recht urspr. völlig außerhalb des Finanzrechts angesiedelt.547 In der neueren Rechtsprechung sondert es deshalb die „Ausgleichsabgaben eigener Art“ oder Abgaben, die „sonstige unterscheidungskräftige besondere Belastungsgründe“ aufweisen, die eine Konkurrenz zur Steuer ausschließen, aus, bevor es die strengen Kriterien für die Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion anwendet.548 Beherrschend ist die Sorge des Gerichts, dass sich der Gesetzgeber zunehmend der nichtsteuerl. Abgaben bedient, um die strengeren (kompetenzrechtl.) Anforderungen an die Steuererhebung zu unterlaufen. In diese Kategorie (Sonderabgaben ohne jeden Finanzierungszweck) könnten die Wasserentnahmeabgaben, die Landesabgaben und Lizenzentgelte (Beispiel: UMTS,549 u. V. 4. c)) eingeordnet werden. In Betracht kommt dafür aber auch die (probl.) Verleihungsgebühr (o. V. 2. b) bb)), die bisher vom BVerfG nicht ausdr. anerkannt worden ist. Die konkreten finanzverfassungrechtl. Anforderungen sind nur mittelbar festzustellen, da das Gericht in seiner jüngeren Rspr. z. T. von einer eindeutigen Klassifizierung abgesehen hat (u. V. 3. c) ff), V. 4. b)) und nur die Beachtung grundl. (allg.) finanzverfassungsrechtlicher Anforderungen prüft: Derartige Abschöpfungsabgaben, wenn man sie denn akzeptiert, bleiben abhängig von der Leistung des Staates und dürfen nur den erhaltenen Sondervorteil abschöpfen. Andernfalls wären sie voraussetzungslos geschuldet und damit Steuer.550 Die Ausgleichsabgabe nach dem Hessischen Sonderurlaubsgesetz ist deswegen als verfassungswidrig beurteilt worden, weil mit ihr eine Gemeinlast finanziert werde.551 (3) I. E. sind danach also nur allgemeinnützige Finanzierungs-Sonderabgaben in jedem Fall verfassungswidrig.552 546 Vgl. BVerfGE 67, 256 (277 f.); Beispiele: BVerfGE 13, 167, (170 f.) – Feuerwehrabgabe; BVerfGE 29, 402 (409) – Konjunkturzuschlag 1970; BVerfGE 57, 139 (153) – Schwerbehindertenausgleichsabgabe. 547 BVerfGE 8, 274 (317): „kein Institut des Finanzrechts“; BVerfGE 18, 315 (328); insgesamt zu derartigen Abgaben und ihrer Abgrenzung zu den Steuern Götz AöR 85 (1960), 200 (202, 210). 548 BVerfGE 124, 348 (365). 549 S. zu den UMTS-Lizenzen BVerfGE 105, 185 ff. Ihre rechtliche Einordnung hat das Gericht offen gelassen. 550 BVerfGE 93, 319 (347): ihre Höhe darf den „Wert der öffentlichen Leistung nicht übersteigen“; zu den Abschöpfungsabgaben Jochum StuW 2006, 134 (143 f.). 551 BVerfG NVwZ 2000, 307 (308). 552 BVerfGE 75, 108 (147): „[. . .] versagt es das Grundgesetz dem Gesetzgeber kompetenzrechtlich, Sonderabgaben zur Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf eines öffentlichen Gemeinwesens zu erheben und das Aufkommen aus derartigen Abgaben zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben zu verwenden“. Es ist allerdings zu bezweifeln, dass es sich (alleine) um ein kompetenzrechtliches Problem

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ff) Weiterentwicklung in der neueren Rspr. Eine weitere – implizite – Einschränkung seiner Sonderabgabenjudikatur musste das BVerfG für die Fehlbelegungsabgabe im sozialen Wohnungsbau machen. Es klassifizierte sie nicht als Sonderabgabe, sondern als „Abschöpfungsabgabe“ zur Rückabwicklung staatl. gewährter Subventionsvorteile553 mit der Folge, dass sie nicht den inzwischen für die Sonderabgaben entwickelten Standards zu genügen brauchte. In der neueren Rspr. ist zudem zu beobachten, dass sich das BVerfG zeitweise gescheut hat, eine Abgabe einer bestimmten nichtsteuerl. Abgabenart zuzuordnen.554 Es lässt sogar offen, ob eine Abgabe überhaupt eine nichtsteuerliche Abgabe oder eine Steuer ist (u. V. 4. b)). Keine Korrektur und Modifizierung der Sonderabgabenjudikatur ist jedoch im Urteil über die Künstlersozialabgabe enthalten, auch wenn das gelegentl. behauptet wird.555 Das Gericht hatte in dieser Entscheidung die Künstlersozialabgabe als Sozialversicherungsbeitrag und nicht als Sonderabgabe klassifiziert.556 Damit hat es durchaus nicht die begrifflich-gegenständliche Weite der Sonderabgaben eingeschränkt, sondern nur die Grenze zu einer der etablierten und vom Verfassungsgeber anerkannten Abgabearten gezogen.557 4. Neue Abgaben a) Abgabenerfindungsrecht Im Gegensatz zur Schaffung neuer Finanzierungsformen dürfen grds. neue Einzelabgaben entwickelt werden. Voraussetzung ist nach der hier vertretenen Auffassung allerdings, dass sie einer der anerkannten Finanzierungsformen zugeordnet werden können (o. V. 3. a) cc)). Damit ist auch zugleich die Zuordnung der aus ihnen fließenden Erträge gesichert. Das gilt allerdings nicht für neue Steuern und Steuerarten. Sie müssen wegen der abschl. Ertragsverteilung im Art. 106 unter eine der dort geregelten Steuern oder Steuerarten subsumiert werden können. Das BVerfG erkennt jetzt aber ausdr. „weitere Abgaben“ an, wohl i. S. von neuen Finanzierungsformen („sonstige atypische Abgaben“), und nennt dafür zum Teil solche, die es urspr. den Sonderabgaben zugeordnet hatte: Schwerbehinhandelt. Darauf ist bei der Verwerfung des „Kohlepfennigs“ auch nicht mehr abgestellt worden (BVerfGE 91, 186); zu Recht abl. gegenüber den Unterscheidungen des BVerfG, aber ohne überzeugenden dogmatischen eigenen Ansatz J.-P. Schneider AK GG, Art. 105 (2001) Rn. 15. 553 BVerfGE 78, 249 (266, 268). 554 BVerfGE 110, 370 (389). 555 Henseler NJW 1987, 3103 (3104). 556 BVerfGE 75, 108 (147–149). 557 BVerfGE 75, 108 (147).

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dertenabgabe, Fehlbelegungsabgabe.558 Damit befreit es sie von den strengen Rechtmäßigkeitsanforderungen, die es – im Fall der Sonderabgaben – selbst aufgestellt hatte. In „engen Grenzen“ sollen Ausgleichsabgaben eigener Art verfassungsrechtl. zulässig sein.559 Sie werden denjenigen auferlegt, die eine primäre Pflicht nicht erfüllen. Daneben spielen auch die Umwelt(-lenkungs-)abgaben und die Abschöpfungsabgaben eine große Rolle. b) Offenlassen der Zuordnung Die Zuordnung derartiger Abgaben bereitet erhebl. Probleme. Ihnen versucht das BVerfG dadurch aus dem Wege zu gehen, dass es die finanzverfassungsrechtl. Einordnung möglichst offen lässt, wie bei den Wasserentnahmeabgaben560 und bei den Landesabfallabgaben.561 Bei den bayerischen und bw. Feuerwehrabgaben ließ es die Einordnung als Sonderabgabe oder Ausgleichsabgabe eigener Art offen, schied aber klar Steuer, Gebühr und Beitrag aus.562 Die Abfallausfuhrabgabe zum „Solidarfonds Abfallrückführung“ hat es jedoch an den – von ihm aufgestellten – Anforderungen für Sonderabgaben mit Finanzierungsszweck gemessen.563 Die Vergütungsregelung nach dem Stromeinspeisungsgesetz wird als Finanzierungsform sui generis angesehen,564 die Einordnung der Erlöse aus der UMTS-Versteigerung bis auf die Verneinung der Steuereigenschaft (näher u. V. 4. c)) ebenfalls offen gelassen.565 Die im TelekommunikationsR und im Postrecht erhobenen Universaldienstleistungsabgaben werden weithin als (unzulässige) Sonderabgaben eingestuft.566 c) Sonderfall: Versteigerung von Hoheitsakten Die Erlöse aus der Versteigerung von UMTS-Frequenzen nach § 11 TKG lassen sich nicht ohne weiteres in eine der Finanzierungsformen des GG einord558

BVerfGE 92, 91 (114); 93, 319 (344). BVerfGE 92, 91 (117). Der HessVGH erkennt neben den öff. Abgaben noch „sonstige öffentlich-rechtliche Abgaben“ an, ZfW 1997, 109 (109); ähnl. Selmer NVwZ 2003, 1304 (1308); zu Recht krit. Neuner, FS Selmer, 2004, S. 443 (447). 560 BVerfGE 93, 319 (Leitsatz, 342, 345); für eine Einstufung als Gebühr NdsOVG NVwZ-RR 1995, 442 (442). 561 BVerfGE 98, 83 (101); dazu Siekmann EWiR 1998, S. 841 (841 f.); Schrader ZUR 1998, 152 (152 ff.); krit. zur Vorgehensweise des BVerfG Rodi StuW 1999, 105 (108 ff.). 562 BVerfGE 92, 91 (315). 563 BVerfGE 113, 128 (146); i. Erg. ähnl. bei den Beiträgen zum Klärschlamm-Entschädigungsfonds, BVerfGE 110, 370 (389). 564 Blanke/Peilert RdE 1999, 96 (99). 565 BVerfGE 105, 185 (193). 566 Vgl. die Nachw. bei Gersdorf, FS Selmer, 2004, S. 351 (353), der sie selbst aber als neuen (verfassungsmäßigen) Abgabetyp einstuft (S. 371–373); Staudacher (Fn. 347), S. 183. 559

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nen.567 Schon das angewendete Verfahren – eine Versteigerung von VA – war jedenfalls in dieser Größenordnung eine Neuerung.568 Hinzu tritt die Höhe der dabei transferierten Geldbeträge von fast 100 Mrd. DM.569 Sie sind bzgl. der Finanzierung des Bundeshaushalts (etwa 20 % der Gesamteinnahmen) und die finanzverfassungsrechtl. Balance von beträchtlichem Gewicht. Dabei dürfen die gewinnreduzierenden Abschreibungen auf diese Beträge nicht aus den Augen verloren werden, die sich i.R. der Verbundsteuern sehr fühlbar auch zu Lasten der Länder und Gemeinden auswirken.570 Im Umweltrecht finden ähnl. Verfahren Anwendung, wie die Versteigerung von Emissionsrechten (Verschmutzungsrechten). Eine Einordnung als Steuer scheidet aus, da die Beträge nicht voraussetzungslos geschuldet sind, sondern die Zahlungspflichtigen dafür einen VA erhalten, die Erlaubnis, bestimmte Frequenzen zu benutzen.571 Gegen die Beurteilung als Verwaltungsgebühr spricht die ganz außergewöhnl. Höhe der Beträge, die völlig außer Verhältnis zu den Kosten stehen, die dem Hoheitsträger entstehen. Zweifelhaft ist aber auch, ob der mögl. ökonomische Vorteil bei Erteilung einer Erlaubnis für nur präventiv verbotene Tätigkeiten überhaupt berücksichtigt werden darf. Es findet keine echte Erweiterung des Rechtskreises des Erlaubnisnehmers statt,572 jedenfalls nicht in einem Umfang, der auch nur annäherungsweise den Geldbeträgen entspricht, die die Erlaubnisnehmer zahlen müssen.573 Es ist zweifelhaft, ob die verwaltungsmäßige Bewältigung eines solchen Verteilungsproblems durch die Versteigerung grundl. Effizienzanforderungen erfüllt. Der Staat liefert keinen Vermögenswert i. e. S.,574 sondern beutet eine vorgegebene, wahrscheinl. aber erst von ihm geschaffene Knappheitssituation monopolistisch aus. Die Unsicherheiten bei der Schätzung künftiger Gewinnchancen als Grundlage für die Bemessung einer gegenleistungsbezogenen Abgabe sind zudem so groß, dass nicht mehr von einer Gegenleistung gesprochen werden kann.575

567 Das BVerfG hat ledigl. klargestellt, dass es sich bei den Versteigerungserlösen nicht um Steuern handelt und sie auch nicht wie Steuern behandelt werden dürfen. Im Übrigen hat es ihre Rechtsnatur aber offen gelassen, BVerfGE 105, 185 (193 f.); zur krit. Auseinandersetzung mit diesem Urt. vgl. Selmer NVwZ 2003, 1304 (1304 ff.). 568 Zu Versteigerungen in den Jahre 1996 und 1999 Koenig/Neumann ZRP 2001, 252 (252 ff.). 569 Koenig/Neumann ZRP 2001, 252 (253): 99,3682 Mrd. DM. 570 Zu den Auswirkungen auf die monetäre und finanz. Entwicklung: EZB Monatsberichte 2000, 14, 49; s. a. Schumacher NJW 2000, 3096 (3098). 571 BVerfGE 105, 185 (194); Arndt K&R 2001, 23 (25); Selmer NVwZ 2003, 1304 (1306). 572 Vgl. dazu Möstl NVwZ 2001, 735 (738), der die UMTS Lizenzpflicht als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt einstuft; zur Gebührenbemessung in einer solchen Situation o. Rn. 106. 573 Verneint von Arndt K&R 2001, 23 (30). 574 Arndt K&R 2001, 23 (23 ff.).

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Der Grundstruktur nach kommen die Zahlungen einer Sonderabgabe576 ohne Finanzierungszweck (o. V. 3. c) ee)) oder einer Verleihungsgebühr nahe577 mit allen ihren finanzverfassungsrechtl. Gefahren und Problemen (o. V. 2. b) bb)). Das BVerfG hat zwar die ähnl. strukturierten Wasserentnahmeabgaben gebilligt, aber ausdr. und an hervorgehobener Stelle darauf abgestellt, dass es sich um eine Maßnahme im Rahmen der Bewirtschaftung der „knappen natürlichen Ressource“ Wasser handele, deren Benutzung als Sondervorteil gewährt wurde.578 Ob das für die Zuteilung von Frequenzen auch gesagt werden kann, ist mehr als zweifelhaft, vor allem da Funkwellen nicht das Umweltmedium Luft benutzen oder verbrauchen. Aber auch eine derartige Abschöpfungsabgabe bleibt abhängig von der Leistung des Staates und darf allenfalls den erhaltenen Sondervorteil abschöpfen. Andernfalls wäre sie voraussetzungslos geschuldet und damit Steuer (o. V. 2. a) aa)). Auch insoweit bestehen kaum auszuräumende Zweifel.579 Trotz der äußerlichen Übernahme ökonomischer Instrumente und Verfahren handelt es sich bei der Vergabe derartiger Berechtigungen um die verwaltungsmäßige Bewältigung einer Knappheitssituation durch eine Sonderform der Bewirtschaftung.580 Sie muss aber – unabhängig von ihrer begriffl. Zuordnung – den Anforderungen der Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatl. Finanzverfassung standhalten.581 Abgaben in Höhe von fast 100 Mrd. DM können diesen Anforderungen kaum entsprechen. Sie sind allenfalls als reiner Verwaltungsvorgang ohne Finanzierungszweck haltbar,582 so wie Geldstrafen und Zwangsgelder.583 575 I. E. ebenso, aber zu weit Arndt K&R 2001, 23 (27, 29) (nur „vage Hoffnungen“ werden abgeschöpft), da erfahrene Leiter solcher Großunternehmen wohl solidere Grundlagen für ihre Gewinnerwartungen haben; skeptisch auch Koenig/Neumann ZRP 2001, 252 (255), aber ohne hinreichend stringente Analyse der zugrundeliegenden Problematik. 576 Gegen Sonderabgabe Arndt K&R 2001, 23 (28). 577 In diesem Sinne Schumacher NJW 2000, 3096 (3099), der die Frequenzen gut vertretbar als „Güter der Allgemeinheit“ qualifiziert, aber nicht begründet, dass es sich um eine „natürliche Ressource“ handelt. Das wäre bei Frequenzen auch nicht möglich. 578 BVerfGE 93, 319 (LS). 579 So aber Schumacher NJW 2000, 3096 (3099); F. Becker, Die Verwaltung 35 (2002), 1 (23): verfassungswidrig; zum Ganzen die Beiträge in: Piepenbrock/Schuster (Hrsg.), UMTS-Lizenzvergabe, 2001. 580 Arndt K&R 2001, 23 (24); F. Becker, Die Verwaltung 35 (2002), 1 (3 ff.). 581 BVerfGE 93, 319 (LS, 345). 582 Für Abgabe sui generis Arndt K&R 2001, 23 (23 ff.); gegen öff. Abgabe Selmer NVwZ 2003, 1304 (1308), der am ehesten die Subsumtion der Versteigerungserlöse unter den Begriff der „laufenden Einnahmen“ i. S. des Art. 106 III S. 4 Nr. 1 für einen gangbaren Weg hält, s. NVwZ 2003, 1304 (1308 f., 1313); wie hier für Verstoß gegen finanzverfassungsrechtliche Kompetenzordnung Kube (Fn. 51), S. 671; zurückhaltend auch P. Kirchhof, HStR V3, § 99 Rn. 41. 583 Die ergangenen Entscheidungen sollen t. T. VA in Form von personalen Allgemeinverfügungen sein, Sachs K&R 2001, 13 (19). Gleichwohl hat das BVerfG den An-

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5. Die Sicherung des Bürgers vor übermäßiger Belastung Jede der Finanzverfassung entnommene Beschränkung des Staates, Abgaben zu erfinden, auszugestalten und aufzuerlegen, schützt die Bürger vor übermäßigen Belastungen. Die Diskussion um die verfassungsrechtl. Grenzen der individuellen oder gesamtwirtschaftlichen Abgabenlast unter Einbeziehung grundrechtlich-rechtsstaatlicher Anforderungen hat erst begonnen.584 Nicht selten konzentriert sie sich auf die Steuern, vor allem anhand des vom BVerfG propagierten585 und mittlerweile wieder stark relativierten586 „Halbteilungsgrundsatzes“. Es war aber immer verfehlt gewesen, in der urspr. Entscheidung des BVerfG eine „Steuer- und Eigentumswende“ zu sehen.587 Das ist aber angesichts kommunaler Gebührenpolitik und ausufernder Sonderabgaben, die zusätzl. Impulse durch vielfältige ökologische Forderungen erhalten, zu eng.588 Hier muss das Verfassungsrecht Grenzen ziehen, da dem Bürger unmittelbare Einwirkungen – wie etwa im Ausland durch direktdemokratische Sachentscheidungen589 – verwehrt sind. Deshalb hat das BVerfG im Rahmen seiner Sonderabgabenjudikatur immer wieder darauf hingewiesen, dass die strengen Voraussetzungen, die es aufgestellt hat, an prominenter Stelle dazu dienen, der „Belastungsgleichheit“ der Abgabepflichtigen Rechnung zu tragen.590 Ein denkbarer Ansatzpunkt könnte auch Art. 106 III Nr. 2 sein (Vermeidung einer „Überbelastung der Steuerpflichtigen“). Eine konfiskatorische Belastung ist

trag der Länder BW, Bay und Hess auf Beteiligung an den Versteigerungserlösen zurückgewiesen. Art. 106 Abs. 3 dürfe nicht – auch nicht im Wege der Analogie – auf nichtsteuerliche Einnahmen erstreckt werden, BVerfGE 105, 185 (194). 584 Herzog StuW 1993, 322 (323 ff.); Tipke StuW 1994, 58 (58 ff.); Mielke StuW 1994, 232 (232 ff.); Schemmel StuW 1995, 39 (51 ff.); Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, 1999; P. Kirchhof AöR 128 (2003), S. 1 (1 ff.); Möstl DStR 2003, 720 (720 ff.). 585 BVerGE 93, 121 (LS 3). Der BFH hatte insoweit seine Gefolgschaft verweigert, BFHE 189, 413 (413 ff.); zust. Wieland JZ 2000, 357 (357 ff.); krit. Seer FR 1999, 1280 (1280 ff.). 586 BVerfGE 115, 97 (108). „Der Beschluss vom 22. Juni 1995 (BVerfGE 93, 121 [136 ff.]) hat schon inhaltlich keine verfassungsrechtliche Obergrenze für die Gesamtbelastung mit der Einkommen- und Gewerbesteuer zum Gegenstand [. . .]. Überdies kommt den Ausführungen zum so genannten Halbteilungsgrundsatz keine verfahrensgesetzliche Bindungswirkung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG zu [. . .]“. 587 So zu Recht Wieland, in: Dreier GG I, Art. 14 Rn. 54. 588 BVerfGE 93, 319 (342); s. a. BVerfGE 55, 274 (300 ff.); a. A. Tipke StuW 1994, 58 (61). 589 Hier ist vor allem an die verschiedenen „Steuerrevolten“ in den USA zu erinnern: „proposition 13“ in Kalifornien; dazu Schwadron (ed.), California and the American Tax Revolt, 1984; Sears/Citrin, Tax Revolt, 1985; Folkers, Begrenzung von Steuern und Staatsausgaben in den USA, 1983. 590 BVerfGE 122, 316 (333 f.); 123, 132 (141); 124, 235 (243); 348 (364).

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jedenfalls verfassungswidrig.591 Eine individuelle Belastungsgrenze ergibt sich auch aus dem Existenzminimum des Steuerpflichtigen und seiner Angehörigen, namentlich auch seiner Kinder, das von der Belastung mit direkten Steuern verschont bleiben muss.592 VI. Vorgaben für die Staatsausgaben Die Finanzverfassung enthält keine umfass. und systematische Regelung der Staatsausgaben,593 wenn man von den eher formalen Vorschriften für Aufstellung und Vollzug des Haushalts absieht. Geregelt sind immer nur Teilaspekte und diese auch nur rudimentär: (1) Die bundesstaatl. Verteilung der Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung findet sich in Art. 104a. (2) Die Ausübung der Gesetzgebungskompetenz für die Steuern gem. Art. 105 kann über die Anordnung von Steuervergünstigungen zu Mindereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden führen. Sie haben z. T. denselben wirtschaftl. Effekt wie Ausgaben. (3) Einzelheiten für die Leistung von Ausgaben sind für den Bund in den haushaltsverfassungsrechtl. Vorschriften der Art. 110–113 und für Bund und Länder gemeinsam in Art. 109 enthalten. Besondere Schwierigkeiten bereitet die verfassungsrechtl. Behandlung der Subventionen. Schon der Begriff ist nicht eindeutig. Er sollte aber nicht auf Zuwendungen (§ 14 HGrG, § 23 BHO), also offene Geldzahlungen, beschränkt werden. Die BReg versteht ihn auch in einem weiteren Sinne, wenn sie den nach § 12 StWG vorgeschriebenen Bericht über die Finanzhilfen und Steuervergünstigungen als „Subventionsbericht“ bezeichnet.594 Allerdings enthält § 12 StWG 591 BVerfGE 63, 343 (368); 91, 121 (138); Tipke StuW 1994, 58 (61). Im Schrifttum wird die gesamte Problematik fast ausschließl. bei Art. 14 II angesiedelt, vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig GG, Art. 14 Rn. 23, 66 (Steuer- und Abgabenrecht). Das BVerfG hat aber in seiner gesamten Rspr. bisher noch nie ernsthaft eine Verletzung von Art. 14 durch die Auferlegung von Geldleistungspflichten in Betracht gezogen, Wieland, in: Dreier GG I, Art. 14 Rn. 53, 56: grds. Ablehnung der Schrifttumsmeinung, die im Kern Art. 14 als geeigneten Prüfungsmaßstab ansieht. 592 BVerfGE 82, 60 (85); 87, 153 (169 ff.); 89, 346 (353); 91, 93 (108 f.) mit instruktiven Zahlenangaben zum Bedarf und zu den erforderlichen Freibeträgen (S. 112); Herdegen, in: Maunz/Dürig GG, Art. 1 (2009) Rn. 114; ausf. auch Arnd/Schumacher NJW 1994, 961 (961 ff.); Forster BB 1994, 691 (691 ff.); Söhn FinArch n. F. 51 (1994), 372 (372 ff.); Hackmann BB 1994, Beil. Nr. 19, 1 (1 ff.); Neumann NVwZ 1995, 426 (426 ff.); K. Vogel, FS Offerhaus, 1999, S. 47 (47 ff.); Seer/Wendt NJW 2000, 1904 (1904 ff.). 593 Vgl. aber den Versuch einer einheitlichen Behandlung durch Hummel (Fn. 84). 594 Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen gem. § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und

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keine Legaldefinition und ist nur einfaches Gesetz. Die Vorschrift verwendet zudem den Begriff der Finanzhilfe in einem anderen Sinne als Art. 104b I, der damit Zahlungen im Bund-Länder-Verhältnis anspricht (Siekmann, in: Sachs GG, Art. 104b Rdn. 12). Rechtl. klarere Konturen hat der europarechtl. Begriff der „Beihilfe“ (Art. 107, 108 AEUV) gewonnen. Die Begriffe „Beihilfe“ und „Subvention“ werden nicht selten synonym verwendet. Dafür gibt es indes keine hinreichenden Anhaltspunkte im geschriebenen Recht.595 In der Staatspraxis sehr beliebt und verfassungsrechtl. nur schwer zu erfassen ist die Zuwendung geldwerter Vorteile an eine begünstigte Gruppe, indem Dritte zur Vornahme kostenträchtiger Handlungen gezwungen werden, deren Vorteile dieser Gruppe zugutekommen. Sie haben aber nur dann einen finanzverfassungsrechtl. Bezug, wenn unmittelbar Geld gezahlt oder auf Einnahmen verzichtet wird. Im Übrigen unterliegen sie den allg. Regeln, die aber insoweit keine wirksamen Grenzen setzen. I. E. sind Subventionen i. S. des Finanzverfassungsrechts Geldzahlungen oder Einnahmeminderungen, die der Staat – oder auf Anordnung des Staates Dritte – Privatpersonen596 ohne Gegenleistung zuwendet.597 Das sind im Wesentlichen offene Transferzahlungen und Steuervergünstigungen. Aber nicht alle Steuervergünstigungen598 sind Subventionen oder gar Geldleistungen i. S. von Art. 104a III. Die Abgrenzung im Einzelfall ist zweifelhaft und umstritten. Um das Ausmaß der Subventionierung optisch zu verringern, hat deshalb die BReg seit dem sechsten Subventionsbericht (1977) zahlreichen Steuervergünstigungen den „direkten Subventionscharakter“ abgesprochen und führt sie nur noch als Anlage zum Subventionsbericht auf.599 Finanzielle Aufwendungen für „allgemeine Staatsaufgaben“ sind ebenso ausgesondert worden wie große Teile der „allgemeinen Forschungs- und Entwicklungsförderung“.600 Aber auch sie kommen regelmäßig nur einem kleinen, eng begrenzten Kreis von Begünstigten zugute. des Wachstums der Wirtschaft (StWG) vom 8. Juni 1967 für die Jahre 2003 bis 2006 (20. Subventionsbericht) v. 2.3.2006, BT-Dr 16/1020; zul. mit geänd. Titel: Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 2005 bis 2008 (21. Subventionsbericht) v. 21.8.2007, BT-Dr 16/6275. 595 Kämmerer, HStR V3, § 124 Rn. 5. 596 Unklar Dommach, der einerseits nur Zahlungen an Unternehmen im Rahmen der Wirtschafts- und Forschungsförderung erfassen will, andererseits aber alle Privatrechtssubjekte als Empfänger nennt (in: Heuer, Kommentar zum Haushaltsrecht, § 23 BHO [1997] Anm. 5). 597 Ähnl. jetzt auch Kämmerer, HStR V3, § 124 Rn. 6 m.w. N. 598 Eingehend zu den Vergünstigungen und vergleichbaren Subventionsleistungen im deutschen und europäischen Steuer-, Finanz- und Abgabenrecht P. Kirchhof AöR 128 (2003), 1 (46 f.); ders., FS Selmer, 2004, S. 745 (745 ff.); G. Jochum, Die Steuervergünstigung, 2006. 599 BT-Dr 13/2230, Anl. 3. 600 Vgl. BT-Dr 13/2230, Tz. 3.

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Die Gewährung von Subventionen wird von den Wirtschaftswissenschaften zu Recht außerordentl. krit. beurteilt. Trotz ihrer weiten Verbreitung in der Staatspraxis601 ist sie auch verfassungsrechtl. nicht unbedenklich.602 Sie ermöglicht es der Staatsleitung nicht nur, auf diese Weise dringende öff. Aufgaben zu erfüllen, sondern auch, ihr nahe stehende Gruppen oder Individuen Geld oder geldwerte Vorteile in erheblichem Umfang bei nur schwacher Kontrolle603 ohne Gegenleistung zukommen zu lassen. Allerdings wird man eine „verfassungsrechtliche Grundentscheidung“ zum Subventionsabbau dem GG kaum entnehmen können.604 Ungeachtet aller Abgrenzungs- und Erfassungsprobleme stellt sich vor allem die Frage, wie die besonders schwer zu kontrollierenden Einnahmeminderungen, namentlich die Steuervergünstigungen, verfassungsrechtl. zu behandeln sind. Sie sind jedenfalls keine Geldleistungen i. S. von Art. 104a III. Subventionen durch Steuerermäßigungen können auf Art. 105 gestützt werden.605 Wenn jedoch das vom Steuergesetzgeber selbst gesetzte System des betreffenden Gesetzes durchbrochen wird, handelt es sich nicht mehr um eine steuerrechtl. Regelung. Das ist vor allem dann der Fall, wenn zur – systemwidrigen – Ausschaltung von Progressionswirkungen zugunsten des Steuerpflichtigen nur der Abzug von der Steuerschuld und nicht von der Steuerbemessungsgrundlage zugelassen wird. Falls darüber hinaus eine beliebige Steuerschuld dazu herangezogen wird und nicht eine solche, die in „innerem Zusammenhang“ mit der Abzugsregelung steht, liegt erst recht keine steuerrechtl. Regelung mehr vor, sondern eine „Leistung“ des Staates „Erfüllungs halber“. Wenn eine solche Leistung nur formal im Rahmen eines Steuergesetzes geregelt ist und von den Finanzämtern unmittelbar aus dem örtlichen Steueraufkommen bezahlt wird, ist sie nicht mehr von der Steuergesetzgebungskompetenz nach Art. 105 gedeckt.606 Sie mag dann 601 BVerfGE 98, 83 (97 f., 104 f.); 98, 106 (118 f.), bei hinreichender Abstimmung. Die Länder haben zu ihrer Begrenzung einen Subventionskodex erstellt, abgedr. als Anlagen 10 und 11 im 9. Subventionsbericht, BT-Dr 10/352, S. 310, 312. 602 Vgl. v. Arnim FinArch n. F. 44 (1986), 1 (1 ff.); Kämmerer, HStR V3, § 124 Rn. 2 m.w. N. 603 Vgl. Lange, FS General-Rechen-Kammer, 1989, S. 279 (292 ff.). 604 Kämmerer, HStR V3, § 124 Rn. 4. 605 Selmer (Fn. 43), S. 131, 179; mit Einschränkungen Maunz, in: Maunz/Dürig GG, Art. 104a (1977) Rn. 38 für Art. 106, 108; Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig GG III, 3. Aufl. 1996, Art. 104a Rn. 16; Pieroth GG, in: Jarass/Pieroth GG, Art. 104a Rn. 5; Heun, in: Dreier GG III, Art. 105 Rn. 17; G. Jochum (Fn. 599), S. 247. 606 Selmer (Fn. 49), S. 132, 181; Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig GG III, 3. Aufl. 1996, Art. 105 Rn. 11; ebenso jetzt auch Heun, in: Dreier GG III, Art. 105 Rn. 17; ähnl. P. Kirchhof, FS Selmer, 2004, S. 745 (759 f.). Gleichwohl ist der mühsam nach zweimaliger Anrufung des Vermittlungsausschusses ausgehandelte Kompromiss im JahressteuerG 1996 v. 20.11.1995 (BGBl. I 1250), der eine überkomplizierte modifizierte Finanzamtslösung für das Kindergeld verwirklicht, als neuer Abschnitt X in das EStG aufgenommen worden, wo er aber nicht hingehört (so jetzt auch G. Jochum

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als Geldleistung i. S. von Art. 104a III zu beurteilen sein (näher Siekmann, in: Sachs GG, Art. 104a Rdn. 29 f.). Diese Vorschrift enthält aber nicht die entscheidenden Maßstäbe für die Beurteilung ihrer finanzverfassungsrechtl. Zulässigkeit. Maßgebend ist ihre Behandlung im Finanzausgleich (Art. 107) und im Haushaltsplan (Art. 110). Jedenfalls dann, wenn die Finanzverwaltung auch Nettozahlungen zu leisten hat, wie bei den seit langem diskutierten Modellen der Integration von Abgaben- und Transfersystem (Finanzamtslösung für das Kindergeld, Bürgergeld, negative Einkommensteuer),607 ist eine Veranschlagung im Haushalt verfassungsrechtl. zwingend erforderlich. Aber auch, wenn nur Verrechnungen vorgenommen werden, ist es kaum mit den haushaltsverfassungsrechtl. Prinzipien der Bruttoveranschlagung und der Haushaltsklarheit zu vereinbaren, Ausgaben durch Saldierung auf der Einnahmenseite des Haushalts „verschwinden zu lassen“,608 anstatt sie in vollem Umfang auf der Ausgabenseite offen und kontrollierbar auszuweisen.609 Schrifttum Allgemein Brodersen, C., Nichtfiskalische Abgaben und Finanzverfassung. Zur Abgrenzung nichtfiskalischer Abgaben von Steuern, FS Wacke, 1972, S. 103 Dreier, H., in: Dreier, Horst (Hrsg.): Grundgesetz, Kommentar, Band II, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Fleiner, F., Oeffentlich-rechtliche Vorteilsausgleichung, FG Heusler, 1904, S. 92 Friauf, K. H., Öffentliche Sonderlasten und Gleichheit der Steuerbürger, FS Jahrreiß, 1974, S. 45 – Zur Zulässigkeit von außersteuerlichen Sonderabgaben, FS Haubrichs, 1976, S. 103 – Die Finanzverfassung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, FG BVerfG II, 1976, S. 300 – „Verleihungsgebühren“ als Finanzierungsinstrument für öffentliche Aufgaben?, FS 600 Jahre Universität Köln, 1988, S. 679

[Fn. 599], S. 185). Um die Einnahmeausfälle der Länder zu kompensieren, musste in den primären Finanzausgleich eingegriffen werden. Der Anteil der Länder am Aufkommen der Umsatzsteuer (Siekmann, in: Sachs GG, Art. 106 Rn. 14) wurde um 5,5 Prozentpunkte auf 49,5 % für 1996 und 1997 angehoben. Ab 1998 sollte der Umsatzsteuerausgleich in der Weise erfolgen, dass der Bund 74 % und Länder und Gemeinden 26 % der Lasten tragen. Zur Absicherung dieses Ergebnisses ist bereits Art. 106 III geändert worden, nicht zuletzt ein Zeichen für die genannten Kompetenzprobleme und Systembrüche (Kruhl BB 1995, 2032 [2033]). Die tatsächliche Entwicklung verlief dann aber doch ganz anders (Siekmann, in: Sachs GG, Art. 106 Rn. 25). 607 Mitschke, Steuer- und Transferordnung aus einem Guss, 1985. 608 Selmer (Fn. 49), S. 181 f. 609 Heintzen, in: v. Münch/Kunig GG III, Art. 110 Rn. 16.

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Hellermann, J., in: von Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian: Kommentar zum Grundgesetz, Bd. III, 5. Aufl. 2005, 6. Aufl. 2011, Art. 104a Hermes, G., in: Dreier, Horst (Hrsg.): Grundgesetz, Kommentar, Band III, 2. Aufl. 2006, Art. 84 Heun, W., in: Dreier, Horst (Hrsg.): Grundgesetz, Kommentar, Band III, 2. Aufl. 2008, vor Art. 104a, Art. 105, 106 Hidien, J. W., in: Dolzer, Rudolf/Kahl, Wolfgang/Waldhoff, Christian/Graßhof, Karin (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 106 (2001) Höfling, W., Die sog. extreme Haushaltsnotlage – Anmerkungen zu einem ungeschriebenen Begriff des Finanzverfassungsrechts, FS v. Arnim, 2004, S. 259 Huber, P., Deutschland nach der Föderalismusreform – in besserer Verfassung!, FS Scholz, 2007, S. 595 Hummel, L., Verfassungsfragen der Verwendung staatlicher Einnahmen, 2008 Isensee, J., Steuerstaat als Staatsform, FS H. P. Ipsen, 1977, S. 409 – Äquivalenz, Kostenausgleich, Verbandssolidarität im Abgabenrecht, GS Geck, 1989, S. 355 Jachmann, M., Die Rechtfertigung der ökologisch motivierten Steuer, FS Selmer, 2004, S. 707 Kirchgässner, G., Wettbewerb versus Kooperation: Zur Reform des deutschen Föderalismus, FS v. Arnim, 2004, S. 375 Kirchhof, F., Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands, VVDStRL 52 (1993), 71 Klein, F., Die Finanzverfassung als Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzung insbesondere zwischen Bund und Ländern, FS Döllerer, 1988, S. 285 Kommission für die Finanzreform, Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1966 („Troeger-Gutachten“) Kube, H., Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, 2004 Leisner, W., Verwaltungspraxis – Verwaltungssteuer. Betrachtungen zu den Gebührengrundsätzen, GS Peters, 1967, S. 730 Maunz, T., in: Maunz, Theodor/Düring, Günter (Begr.)/Herzog, Roman/Scholz, Rupert/ Herdegen, Matthias/Klein, Hans H. (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Art. 105 (1979), Art. 107 (1983) Müller-Franken, S., in: Friauf, Karl Heinrich/Höfling, Wolfram (Hrsg.): Berliner Kommentar zum Grundgesetz, 2000, Stand: 30. Ergänzungslieferung, Juli 2010, Art. 105 Mußgnug, R., Die zweckgebundene öffentliche Abgabe, FS Forsthoff, 1972, S. 259 Neumark, F., Vom Wesen der Besteuerung, Beiträge zur Finanzwissenschaft und zur Geldtheorie, FS Stucken, 1953, S. 7 Ortmann, A., Die Finanzwirksamkeit verfassungsgerichtlicher Entscheidungen im Spiegel der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2007 Ossenbühl, F., Zur Justiziabilität der Finanzverfassung, FS Carstens II, 1984, S. 752

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– Das Maßstäbegesetz – dritter Weg oder Holzweg des Finanzausgleichs?, FS K. Vogel, 2000, S. 227 Pieroth, B., in: Jarass, Hans D./Pieroth, Bodo, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 11. Aufl. 2011, Art. 104a, 105, 106 Prokisch, R., Die Justiziabilität der Finanzverfassung, 1993 – in: Dolzer, Rudolf/Kahl, Wolfgang/Waldhoff, Christian/Graßhof, Karin (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 104a (2003) Rodi, M., Ökonomische, ökologische und andere öffentliche Zwecke im Abgabenrecht, JZ 2000, 827 – Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsauftrag des Steuergesetzgebers, FS K. Vogel 2000, S. 187 Sacksofsky, U., Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, 2000 Schneider, J.-P., Bundesstaatliche Finanzbeziehungen im Wandel, Der Staat 40 (2001), 272 Scholz, R., Zur Reform des bundesstaatlichen Systems, FS Badura, 2004 S. 491 – in: Maunz, Theodor/Düring, Günter (Begr.)/Herzog, Roman/Scholz, Rupert/Herdegen, Matthias/Klein, Hans H. (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Art. 12 (2006), Art. 28 (1997) Schwarz, K.-A., in: von Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian: Kommentar zum Grundgesetz, Bd. III, 6. Aufl. 2011, Art. 106 Selmer, P., Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972 – Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands, VVDStRL 52 (1993), 10 – Zur Tatbestandsmäßigkeit öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten – Zugleich ein Beitrag zum Verfassungsbegriff der öffentliche Abgabe, FS Starck, 2007, S. 435 Söhn, H., Umweltsteuer und Finanzverfassung, FS Stern, 1997, S. 587 Starck, C., Überlegungen zum verfassungsrechtlichen Steuerbegriff, FS Wacke, 1972, S. 193 Stern, K., Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980 Tettinger, P., Der Kammerbeitrag als Verbandslast, FS Kruse, 2001, S. 79 Ulsenheimer, K., Untersuchungen zum Begriff „Finanzverfassung“, Diss. Bonn 1967 Vogel, K., Das ungeschriebene Finanzrecht des Grundgesetzes, GS Martens, 1987, S. 265 – Vorteil und Verantwortlichkeit, Der doppelgliedrige Gebührenbegriff des Grundgesetzes, FS Geiger, 1989, S. 518 Vogel, K./Waldhoff, C., in: Dolzer, Rudolf/Kahl, Wolfgang/Waldhoff, Christian/Graßhof, Karin (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, vor Art. 104a (1997) Wacke, G., Das Finanzwesen der Bundesrepublik, 1950

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Zur Finanzverfassung (Art. 104a–108) Kirchhof, F., Klarere Verantwortungsteilung von Bund, Ländern und Kommunen?, DVBl 2004, 977 Konrad, K. A./Jochimsen, B. (Hrsg.), Föderalismuskommission II: Neuordnung von Autonomie und Verantwortung, 2008 Kube, H., Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, 2004 Schmehl, A., Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, 2004.

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Zu den Finanzierungsformen, Steuerbegriff Arndt, H.-W., Steuern, Sonderabgaben und Zwangsanleihen, 1983 Fiebig, A., Gerätebezogene Rundfunkgebührenpflicht und Medienkonvergenz, 2008 Friauf, K. H., Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, 1966 Heun, W., Die Sonderabgaben als verfassungsrechtlicher Abgabetypus, DVBl 1990, 666 Hey, J., Verbandslast – Mitgliedsabgabe – Kammersteuer, StuW 2008, 289 Jachmann, M., Die Rechtfertigung der ökologisch motivierten Steuer, FS Selmer, 2004, S. 707 – in: von Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian: Kommentar zum Grundgesetz, Bd. III, 6. Aufl. 2011, Art. 105 Jarass, H. D., Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, 1999

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Jochum, H., Neustrukturierung der Sonderabgabenproblematik, StuW 2006, 134 Kirchhof, P., Der Grundrechtsschutz des Steuerpflichtigen, AöR 128 (2003), 1 Knies, W., Steuerzweck und Steuerbegriff, 1976 Koch, H-J., Umweltabgaben in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, FS Selmer, 2004, S. 769 Ossenbühl, F., Zur Rechtfertigung von Sonderabgaben mit Finanzierungszweck, DVBl 2005, 667 Osterloh, L., „Öko-Steuern“ und der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, NVwZ 1991, 823 Reimer, E./Waldhoff, C., Verfassungsrechtliche Vorgaben für Sonderabgaben des Banken- und Versicherungssektors, 2011 Schiller, G., Neues zum Gebührenverfassungsrecht, NVwZ 2003, 1337 Staudacher, R., Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Sonderabgaben, 2004 Ubber, T., Der Beitrag als Institut der Finanzverfassung, Diss. Köln 1993 Wahlhäuser, J., Wird die „heimliche Steuer unheimlich“?, NVwZ 2005, 1389 Wendt, R., Die Gebühr als Lenkungsmittel, 1975 Wernsmann, R., Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 2005 Wieland, J., Die Konzessionsabgaben, 1991 Wienbracke, M., Bemessungsgrenzen der Verwaltungsgebühr, 2004 Wilke, D., Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973.

Zum Finanzausgleich Arndt, H.-W., Finanzausgleich und Verfassungsrecht, 1997 Carl, C., Bund-Länder-Finanzausgleich im Verfassungsstaat, 1995 Geske, O.-E., Der bundesstaatliche Finanzausgleich, 2001 Häde, U., Finanzausgleich, 1996 Kesper, I., Bundesstaatliche Finanzordnung, 1998 Korioth, S., Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, 1997 Mehde, V., Wettbewerb zwischen Staaten, 2005 Renzsch, W., Finanzverfassung und Finanzausgleich, 1991 Seybold, M., Der Finanzausgleich im Kontext des deutschen Föderalismus, 2005 Wieland, J., Die verfassungsrechtliche Rahmenordnung des Finanzausgleichs, Jura 1988, 410

2. Zur Verfassungsmäßigkeit einer Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen* I. Einführung und Problemstellung Der eingetragene Verein „Mehr Demokratie in NRW“ hat beim Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen die Zulassung eines Volksbegehrens beantragt, das unter anderem die ersatzlose Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW zum Ziel hat. Die Vorschrift, die entfallen soll, erklärt Volksbegehren „über Finanzfragen, Abgabengesetze und Besoldungsordnungen“ für „nicht zulässig“. Das wirft zunächst die Frage auf, ob eine Verfassungsänderung Gegenstand eines Volksbegehrens sein darf. Sie ist an anderer Stelle näher untersucht und im Ergebnis zutreffend bejaht worden.1 Darüber hinaus ist aber fraglich, ob die genannte Vorschrift wegen ihres besonderen Inhalts nicht gestrichen werden darf, sie also gegen Verfassungsänderungen „immun“ ist. Im wesentlichen geht es darum, ob Volksgesetze mit finanziellen Auswirkungen „plebiszitäre Tabuzonen“ bilden müssen.2 Der besoldungsrechtliche Aspekt soll dabei nicht im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung stehen, sondern der finanzrechtliche. Auf das Verfahren, in dem Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW gestrichen werden soll, kommt es für die Frage nach der materiellen Zulässigkeit der erstrebten Änderung nicht an. Auch Volksgesetzgebung ist Gesetzgebung und damit an die verfassungsmäßige Ordnung des Landes und des Bundes gebunden, soweit sie im Verfassungsraum des Landes Geltung hat.3 Das gilt auch für Verfassungsänderungen im Wege des Volksbegehrens und des Volksentscheids.4 Als Folge „kon* Erstveröffentlichung in: Peter Neumann/Stefan von Raumer (Hrsg.), Die verfassungsrechtliche Ausgestaltung der Volksgesetzgebung, Baden-Baden, 1999, S. 181–226. 1 Christoph Degenhart, Volksgesetzgebungsverfahren auf Verfassungsänderung nach der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, in: Peter Neumann/Stefan von Raumer (Hrsg.), Die verfassungsrechtliche Ausgestaltung der Volksgesetzgebung, Baden-Baden, 1999, S. 57 ff.; Stefan Muckel, Ist ein Volksgesetzgebungsverfahren, das auf Änderung der Landesverfassung gerichtet ist, nach der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen zulässig?, in: Peter Neumann/Stefan von Raumer (Hrsg.), Die verfassungsrechtliche Ausgestaltung der Volksgesetzgebung, Baden-Baden, 1999, S. 109 ff. 2 Burmeister, Die Verwaltung, Bd. 29 (1996), S. 181 (183, 209). 3 Vgl. BremStGH, DÖV 1986, S. 792 (793). 4 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof prüfte allerdings in einem Fall nur die Übereinstimmung mit „übergeordnetem bayerischen Recht“, BayVBl. 1977, S. 143 (144).

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stitutioneller Selbstbeschränkung“ 5 begibt sich das Volk auf die Ebene der „pouvoirs constitué“.6 Insoweit unterscheidet es sich nicht von der verfassungsändernden Gewalt des Parlaments. Verfassungsändernde „konstituierte Gewalt“, die von der verfassungsgebenden Gewalt zu unterscheiden ist.7 Sie wird daher treffend als „pouvoir constituant constitué“ 8 oder noch besser als „pouvoir constituant institué“ bezeichnet.9 II. Der Zweck von Finanzvorbehalten Wegbereiter für die Beschränkung der Volksgesetzgebung durch Finanzvorbehalte oder Finanzausschlußklauseln war Art. 73 Abs. 5 WRV, der aus der Verfassung Österreichs übernommen wurde und Nachfolger in den Verfassungen Italiens und Spaniens gefunden hat.10 1. Die Argumente Es werden im wesentlichen folgende Gründe für die Erforderlichkeit von Finanzvorbehalten angeführt: – Es handele sich um den Ausschluß „ungeeigneter“ Materien von der Volksgesetzgebung.11 – Haushaltsplan und Haushaltsgesetz seien zu komplex (kompliziert) und vielschichtig.12 – Diese Art von Gesetzen müßten aus „verwaltungstechnischen Gründen“ von Volksbegehren ausgeschlossen bleiben.13 – Nur der parlamentarische Gesetzgeber sei in der Lage, alle Einnahmen und Ausgaben im Blick zu behalten und sie im Rahmen eines „Gesamtkonzepts“ in eine „sachgerechte Relation“ zu bringen.14 5 Stern spricht von einem Akt der „Selbstbindung“ der originären verfassunggebenden Gewalt für die Dauer der Geltung der Verfassung (Staatsrecht I, S. 153 m.w. N. zu den verschiedenen Deutungen). 6 Sinngemäß ebenso Preuß, DVBl. 1985, S. 710 (711); Burmeister, Die Verwaltung, Bd. 29 (1996), S. 181 (186). 7 Vgl. Stern, Staatsrecht I, S. 152; eingehend zur Abgrenzung Steiner, S. 173–189. 8 Vgl. Burdeau, Traité, S. 203, 211. 9 Vgl. Burdeau, Droit Constitutionnel, S. 72. 10 Vgl. Kühne, ZParl 1991, S. 116 (118), der sie im internationalen Kontext als den „bemerkenswerten Fall eines Mißtrauensvotums gegenüber dem Volk durch die von ihm eingesetzten Organe“ bezeichnet. 11 BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (149); 1995, S. 173, 205 (206). 12 BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (149); 1995, S. 173, 205 (206); BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (389); Vogels, Art. 68 Anm. 3. 13 Meißner, S. 133.

2. Zur Verfassungsmäßigkeit einer Streichung von Art. 68 I 4 VerfNRW

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– „Die unauflösbare gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen Positionen des Haushalts und der gesamten Haushaltswirtschaft“ verbiete „ein Nebeneinander zweier grundsätzlich gleichberechtigter Gesetzgeber“.15 – Die Verteilung und Vergabe der staatlichen Haushaltsmittel könne vor allem zum „Konflikt zwischen der Gesetzgebungskompetenz der Legislative und der unmittelbaren Gesetzgebungskompetenz des Volkes“ führen, namentlich in Zeiten der „Sparpolitik“.16 – Dadurch, daß „einzelne durch die Festsetzung der Höhe des Haushaltsplans und der Besoldungssätze mittelbar und unmittelbar betroffen“ werden, würde sich „die Selbstsucht“ zu stark „bei Volksentscheiden über Abgabengesetze“ geltend machen und das „Interesse der Allgemeinheit gefährden“.17 – Es bestehe die Gefahr des „Mißbrauchs der Volksgesetzgebung“. Durchsetzungskräftige Partikularinteressen könnten sich Sondervorteile verschaffen, da es „erfahrungsgemäß“ nicht schwierig sei, „aus den Reihen der unmittelbar Betroffenen die erforderliche Zahl von Unterschriften zu erhalten“. Auf diese Weise könne „verhältnismäßig leicht [. . .] ein Teil des Volkes zuungunsten eines anderen Teiles über die Verteilung der wirtschaftlichen Lasten entscheiden“.18 – Oder es wird schlicht die „Sachkenntnis“ des Volkes in Zweifel gezogen.19 Faßt man sie zusammen, sind im wesentlichen drei sich teilweise überlappende Argumentationsfiguren zu unterscheiden: 1. das Konzentrationsargument: keine zwei gleichberechtigte Gesetzgeber in bestimmten Fragen, 2. das Unfähigkeitsargument: mangelnde Fähigkeiten des Volkes zur sachgerechten Entscheidung der komplizierten Fragen, 3. das Mißbrauchsargument: leichte Verschaffung von Sondervorteilen für Partikularinteressen unter Verstoß gegen das Gemeinwohl. 14 BayVerfGH, BayVBl. 1995, S. 173, 205 (207); BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (389). 15 Giehl/v. Scheurl, BayVBl. 1976, S. 486 (487); sinngemäß ähnlich schon StierSomlo, Art. 6 Anm. 3 I D a. 16 Fessmann, BayVBl. 1976, S. 389 (390). 17 Stier-Somlo, Art. 6 Anm. 3 I D a. 18 BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (150); 1995, S. 173, 205 (206); ähnlich die Besorgnis fehlender „Gemeinwohlbindung“ des Volkes bei Fessmann, BayVBl. 1976, S. 389 (390); Degenhart, Der Staat, Bd. 31 (1992), S. 77 (94); v. Danwitz, DÖV 1992, S. 601 (601, 603, 607); Schmitt Glaeser/Horn, BayVBl. 1994, S. 289 (299). Der Hinweis auf den „Mißbrauch“ durch Partikularinteressen hat in Deutschland Tradition und findet sich schon verbreitet im älteren Schrifttum, vgl. Poetzsch-Heffter, JöR, Bd. 17 (1929), S. 1 (134); Gebhard, Art. 73 Anm. 20. 19 Degenhart, Der Staat, Bd. 31 (1992), S. 77 (94); v. Danwitz, DÖV 1992, S. 601 (603, 607).

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Hinzu kommen vielfach anzutreffende Erwägungen zur Rivalität von repräsentativer und unmittelbarer Demokratie. Sie sind aber primär von staatstheoretischem und nicht von juristischem Interesse.20 Insgesamt spiegelt sich die Ablehnung in der vielzitierten Bemerkung von Theodor Heuss im Parlamentarischen Rat wieder, daß Volksbegehren und Volksinitiative in der großräumigen Demokratie zu Zeiten von Vermassung und Entwurzelung eine „Prämie für jeden Demagogen“ seien.21 2. Ihre sachliche Berechtigung Bei näherer Betrachtung ist die inhaltliche Stichhaltigkeit der genannten Gründe durchaus zweifelhaft.22 a) Konzentration Hinter dem Konzentrationsargument steht wohl die vielfach geäußerte Befürchtung der Parlamentsentmachtung durch direktdemokratische Entscheidungsformen. Dagegen sprechen jedoch die Erfahrungen in der Schweiz, wo zwischen 1848 und 1988 nur in einem Drittel der Referenden auf Bundesebene Parlamentsgesetze verworfen wurden.23 Im übrigen darf nicht vergessen werden, daß sich Volksgesetzgebung durchaus auch als sinnvolle Entlastung des Parlaments anbietet. b) Geeignetheit Ein pauschaler Verweis auf die Ungeeignetheit bestimmter Materien für Volksbegehren reicht sicher nicht aus. Die Komplexität von Haushaltsplan und Haushaltsgesetz ist nicht zu bestreiten, erfordert aber keinen Finanzvorbehalt. Die gängigen anderslautenden Behauptungen sind Beweise bisher schuldig geblieben.24 Im Gegenteil zeigen die andernorts im Wege der Volksgesetzgebung vorgenommenen massiven Eingriffe in Abgabengesetze und die regelmäßigen Entscheidungen über die Finanzierung weiter Bereiche der Staatsaufgaben durch das Volk, daß sie zumindest in dieser Allgemeinheit jeder realen Grundlage entbehren.25 Diese 20

Vgl. Maurer, S. 21; Kühne, ZParl 1991, S. 116 (117). Parlamentarischer Rat, Sten. Ber., S. 43. 22 Kühne spricht von einer „Perhorreszierung“ der Volksgesetzgebung (ZParl 1991, S. 116 [117, 118, 119]). 23 Vgl. Kühne, ZParl 1991, S. 116 (127). 24 Burmeister bezeichnet es als eine „Mär“, daß allein der parlamentarische (Haushalts-)Gesetzgeber in der Lage sein soll, Einnahmen und Ausgaben verantwortungsbewußt im Blick zu halten (Die Verwaltung, Bd. 29 [1996], S. 181 [210]). 25 Vgl. die Aufstellung bei Glaser, S. 64; Heußner, S. 168 ff., 387 ff.; s. a. Stelzenmüller, S. 117 ff. 21

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Staatswesen sind keineswegs weniger leistungsfähig als die entsprechenden deutschen Einrichtungen. Die „Komplexität des Abstimmungsgegenstandes“ ist zudem in anderen, nicht unter den Vorbehalt fallenden Verfahren der Volksgesetzgebung zwanglos anerkannt worden, um daraus rechtliche Schlußfolgerungen zu ziehen, die zu ihrer Bewältigung dienten.26 c) Mißbrauchsgefahr Zum Mißbrauchsargument ist zunächst zu bemerken, daß es metajuristischer Natur ist und deshalb mit Vorliebe von totalitären Regimen zur Durchsetzung politischer Ziele in paralegaler Verkleidung verwendet wird.27 In einem Rechtsstaat darf es keinen Raum haben, auch wenn es sich immer noch einer nicht zu unterschätzenden Beliebtheit erfreut, da auf diese Weise unerwünschte juristische Ergebnisse vermieden werden können. Jedenfalls ist es mit allergrößter Vorsicht zu betrachten.28 So sind denn auch die Vertreter des Mißbrauchsarguments zur Notwendigkeit von Finanzvorbehalten bei der Volksgesetzgebung in der Weimarer Zeit nicht gerade durch ihre besondere Vorliebe für demokratische Herrschaftsstrukturen im Sinne der „klassischen“ nordatlantischen Verfassungsstaaten hervorgetreten. Einen Nachweis oder gar empirischen Beweis für seine „Erfahrungen“ ist der Bayerische Verfassungsgerichtshof denn auch schuldig geblieben.29 Die „Erfahrung“ spricht mit guten, vielleicht sogar besseren Gründen dafür, daß es leichter ist, eine überschaubare Gruppe von Parlamentariern für ein Partikularinteresse zu gewinnen, als eine Unterschriftensammlung durchzuführen. Dafür sprechen sowohl theoretische Gründe30 als auch die Durchmusterung der neueren Gesetzgebung auf Bundesebene, vor allem im Steuerrecht und im Recht der staatlichen Transfers, die unbeeinflußt von jeglicher Form von Volksgesetzgebung massiv kleine und kleinste Partikularinteressen immer wieder begünstigt hat. Schließlich bedeutet die Zulassung eines Volksbegehrens noch nicht seine Annahme. Es müßte der Nachweis geführt werden, daß es einem Partikularinteresse 26

BayVerfGH, BayVBl. 1994, S. 203 (207, 208). Eingehende Darstellung von Haferkamp, S. 178–265, der zutreffend von einem „gesetzesimmanenten Umwertungsmittel“ zur Erfüllung des Bedürfnisses nach „Scheinlegalität“ spricht (S. 264). 28 Krit. auch Burmeister, Die Verwaltung, Bd. 29 (1996), S. 181 (208). 29 Als einziges Beispiel für den „Mißbrauch“ eines Volksentscheids auf zentralstaatlicher Ebene (von insgesamt neun) läßt sich wohl nur das Begehren gegen die Annahme des Young-Planes unter der Bezeichnung „Freiheitsgesetz“ anführen. Die Problematik lag aber im wesentlichen im Gewaltenteilungsprinzip, vgl. Jung, Direkte Demokratie in der Weimarer Republik, 1989, S. 109, 122. 30 Blankart, Staatswissenschaften und Staatspraxis, Bd. 3 (1992), S. 509 (speziell bei der Budgetpolitik S. 513, 520). 27

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leichter fällt, zu Lasten des Gemeinwohls im Wege des Volksbegehrens ihre Wünsche durchzusetzen als im Wege parlamentarischer Gesetzgebung. Auch im Hinblick auf die „rationale Apathie“ im Wahlverhalten („voting paradox“), ist das keineswegs sicher oder auch nur überwiegend wahrscheinlich. Bezeichnend ist auch der Rekurs des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs auf „den wahren Willen der Staatsbürger“, der durch die Volksgesetzgebung verfälscht werden könnte,31 ohne auch nur zu erwähnen, daß der „wahre Wille der Staatsbürger“ durch die Mediatisierung in Parlamenten vielleicht noch mehr verfälscht wird. Nur bei einer paternalistisch, autoritativen Grundeinstellung kann so fraglos unterstellt werden, daß Regierung und Parlamentarier den „wahren Willen“ der Bürger besser kennen als die Teile des Volkes, die direktdemokratisch an der Staatswillensbildung mitwirken.32 d) Organisationserfordernisse Den Gegnern direktdemokratischer Willensbildung ist allerdings zuzugeben, daß das Volk als solches nicht handlungsfähig ist.33 Auch bei plebiszitären Handlungsformen bedarf es eines „personellen Nukleus“, der die Organisation der Antragstellung übernimmt. Empirisch handelt es sich häufig um Politprofis.34 Das ist aber nicht gleichzusetzen mit Vorherrschaft von Sonderinteressen. Wenn man jedoch die Zugangsschwellen zur direktdemokratischen Willensbildung absenkt, führt das zu einer stärkeren Absicherung von Gesetzen im Vorfeld gegenüber allen, die zu direktdemokratischen Reaktionen fähig sind, also auch den einflußreichen Verbänden. Das zeigen Erfahrungen aus der Schweiz.35 e) Zwischenergebnis Der materielle Entscheidungsgehalt von Volksgesetzen ist im Ergebnis nicht per se schlechter, aber auch nicht per se besser als von Parlamentsentscheidungen.36 Sachliche Gründe, die Finanzvorbehalte unabdingbar erscheinen lassen, sind bei näherer Betrachtung nicht ersichtlich.37

31 VerfGH 2, 181 (217); BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (150); 1995, S. 173, 205 (206). 32 Vgl. auch Kühne, ZParl 1991, S. 116 (118), der zutreffend darauf hinweist, daß mit der Finanzausschlußklausel im Grunde „spätkonstitutionelle Schlacken“ tradiert werden. 33 Vgl. BayVerfGH, VerfGHE 44, 9 (14). 34 Vgl. Kühne, ZParl 1991, S. 116 (123). 35 Eingehende Darstellung bei Neidhart, S. 305 ff. 36 Kühne, ZParl 1991, S. 116 (124). 37 Im Ergebnis ähnlich die umfassenden Untersuchungen von Jürgens, S. 227 ff.

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3. Normativer Gehalt Ungeachtet ihrer sachlichen Berechtigung sind die dargestellten Argumente zur Notwendigkeit von Finanzvorbehalten aber für die rechtliche Bewertung der Zulässigkeit des Volksbegehrens von „Mehr Demokratie e.V.“ zur Änderung der Verfassung von Nordrhein-Westfalen nur dann von Belang, wenn sie zum Ausspruch einer Rechtsnorm gehören.38 Es genügt aber nicht jede beliebige Rechtsnorm, sondern es müßte eine Norm sein, die den verfassungsändernden Gesetzgeber des Landes Nordrhein-Westfalen bindet.39 In Betracht kommen – das Verfassungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, – das Grundgesetz, – einfaches Bundesrecht, – ungeschriebenes Recht. Das bedarf näherer Untersuchung. Sie setzt aber eine genaue Kenntnis des normativen Gehalts von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW und den rechtlichen Konsequenzen seines Wegfalls voraus. Sie sind daher zunächst zu ermitteln. III. Die Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW 1. Der normative Gehalt von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW a) Stellenwert der Regelung Wenn Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW bestimmte Materien dem plebiszitären Zugriff entzieht, schafft er damit exklusive Reservate für den parlamentarischen Gesetzgeber und durchbricht die Zuständigkeitskongruenz zwischen Landesparlament und Volk in ihrer Eigenschaft als Gesetzgeber.40 Es handelt sich um einen „Parlamentsvorbehalt“,41 der wörtlich aus Art. 6 Abs. 3 der preußischen Verfassung von 1919 übernommen worden ist und sich unter Verwendung derselben Begriffe in der Verfassung von Rheinland-Pfalz (Art. 109 Abs. 3 Satz 2) findet. Die Ausklammerung bestimmter Materien aus der – im übrigen zugelassenen – 38 Auch v. Danwitz behandelt die von ihm vorgetragenen Bedenken gegenüber der Volksgesetzgebung eher als Argumente in der „verfassungspolitischen Diskussion“ und nicht als bindende Rechtssätze für den verfassungsändernden Gesetzgeber (DÖV 1992, S. 601 [671]). 39 Kühne plädiert ohne juristische Vorbehalte bei seiner Besprechung der eben erst in die Niedersächsische Verfassung eingeführten direktdemokratischen Elemente für eine „Einschränkung oder Aufhebung der Finanzausschlußklausel“ (NdsVBl. 1995, S. 25 [31]). 40 Burmeister, Die Verwaltung, Bd. 29 (1996), S. 181 (202). 41 Begriff bei Grawert, Verfassung, Art. 68 Anm. 2.

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plebiszitären Gesetzgebung hat Tradition im deutschen Staatsrecht42 und findet sich in fast allen geltenden Landesverfassungen. Nach den dort getroffenen Regelungen dürfen sich direktdemokratische Gesetzgebung oder Volksbegehren nicht erstrecken auf: – die Verfassung,43 Änderung der Verfassung,44 – Einzelvorhaben,45 – Haushaltsgesetze,46 das Staatshaushaltsgesetz,47 den Staatshaushalt,48 den Landeshaushalt,49 den Haushalt des Landes,50 den Haushaltsplan,51 Haushaltsangelegenheiten,52 – Finanzfragen,53 finanzwirksame Gesetze, insbesondere Gesetze über Abgaben, Besoldung, Staatsleistungen und den Staatshaushalt,54 – Abgabengesetze,55 Abgaben,56 öffentliche Abgaben,57 Steuern, Abgaben und Gebühren,58 – Tarife der öffentlichen Unternehmen,59 – Besoldungsgesetze,60 Besoldungsordnungen,61 Besoldungsregelungen,62 Besoldung,63 Dienstbezüge,64 Dienst- und Versorgungsbezüge,65 42 Vgl. Klinghoffer, AöR, Bd. 53 a. F. (1928), S. 1 (9–13); Venator, AöR, Bd. 43 a. F. (1922), S. 40 (93 ff.). 43 Art. 62 Abs. 5 Verf. Berlin. 44 Art. 100 Abs. 4 Verf. Saarl. 45 Art. 50 Abs. 1 Satz 2 Verf. Hamburg. 46 Art. 73 Abs. 1 Verf. Sachsen; Art. 81 Abs. 1 Satz 3 Verf. Sa-Anh. 47 Art. 60 Abs. 6 Verf. BW. 48 Art. 73 BayVerf. 49 Art. 62 Abs. 5 Verf. Berlin; Art. 76 Abs. 2 Verf. Brandb.; Art. 70 Satz 2 Verf. Bremen; Art. 48 Abs. 1 Satz 3 NdsVerf.; Art. 68 Abs. 2 Verf. Thür. 50 Art. 59 Abs. 3 Verf. MV; Art. 41 Abs. 2 Verf. Sl.-Hol. 51 Art. 124 Abs. 1 Satz 3 Verf. Hessen. 52 Art. 50 Abs. 1 Satz 2 Verf. Hamburg. 53 Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW; Art. 109 Abs. 3 Satz 2 Verf. Rh.-Pf. 54 Art. 99 Abs. 1 Satz 3 Verf. Saarl. 55 Art. 60 Abs. 6 Verf. BW; Art. 124 Abs. 1 Satz 3 Verf. Hessen.; Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW; Art. 109 Abs. 3 Satz 2 Verf. Rh.-Pf.; Art. 73 Abs. 1 Verf. Sachsen; Art. 81 Abs. 1 Satz 3 Verf. Sa-Anh. 56 Art. 62 Abs. 5 Verf. Berlin; Art. 76 Abs. 2 Verf. Brandb.; Art. 50 Abs. 1 Satz 2 Verf. Hamburg; Art. 59 Abs. 3 Verf. MV; Art. 68 Abs. 2 Verf. Thür. 57 Art. 48 Abs. 1 Satz 3 NdsVerf.; Art. 41 Abs. 2 Verf. Sl.-Hol. 58 Art. 70 Satz 2 Verf. Bremen. 59 Art. 62 Abs. 5 Verf. Berlin; Art. 50 Abs. 1 Satz 2 Verf. Hamburg. 60 Art. 60 Abs. 6 Verf. BW; Art 73 Abs. 1 Verf. Sachsen. 61 Art. 70 Abs. 2 Verf. Bremen; Art. 124 Abs. l Satz 3 Verf. Hessen; Art. 109 Abs. 3 Satz 2 Verf. Rh.-Pf.

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– Personalentscheidungen,66 – Bauleitpläne und vergleichbare Pläne67. Auch in früheren Verfassungen waren derartige Vorbehalte anzutreffen: – Staatshaushaltsgesetz,68 Haushaltsplan,69 Landeskassenvoranschlag,70 – Finanzgesetze,71 Finanzfragen,72 – Gesetze über Steuern und Abgaben,73 Abgabengesetze,74 Steuergesetze,75 – Gehaltsgesetze,76 Besoldungsordnungen,77 Gesetze, die sich auf die Besoldung von Staatsbeamten beziehen,78 – Staatsverträge,79 – Gesetze über Grenzregelungen,80 – Gesetze, die sich auf die Errichtung von Behörden beziehen,81 – Ausführungsgesetze zu Reichsgesetzen, sofern diese „bindende Anweisungen“ über Erlassung oder Inhalt der Ausführungsgesetze geben,82 – die vom Landtag als dringend bezeichneten Gesetze83. 62

Art. 81 Abs. 1 Satz 3 Verf. Sa-Anh. Art. 59 Abs. 3 Verf. MV. 64 Art. 70 Abs. 2 Verf. Bremen. 65 Art. 62 Abs. 5 Verf. Berlin; Art. 76 Abs. 2 Verf. Brandb.; Art. 50 Abs. 1 Satz 2 Verf. Hamburg; Art. 48 Abs. 1 Satz 3 NdsVerf.; Art. 41 Abs. 2 Verf. Sl.-Hol.; Art. 68 Abs. 2 Verf. Thür. 66 Art. 62 Abs. 5 Verf. Berlin; Art. 76 Abs. 2 Verf. Brandb.; Art. 68 Abs. 2 Verf. Thür. 67 Art. 50 Abs. 1 Satz 2 Verf. Hamburg. 68 § 65 Abs. 2 Verf. Oldenburg. 69 Art. 73 Abs. 4 WRV; Art. 41 Verf. Braunschweig. 70 Art. 10 Abs. 5 Verf. Lippe. 71 § 77 Abs. 1 Nr. 1 BayVerf. (1919). 72 Art. 41 Verf. Braunschweig; Art. 6 Abs. 3 Verf. Preußen. 73 § 77 Abs. 1 Nr. 1 BayVerf. (1919). 74 Art. 73 Abs. 4 WRV; Art. 41 Verf. Braunschweig; Art. 10 Abs. 5 Verf. Lippe; Art. 6 Abs. 3 Verf. Preußen. 75 § 65 Abs. 2 Verf. Oldenburg. 76 § 65 Abs. 2 Verf. Oldenburg. 77 Art. 73 Abs. 4 WRV; Art. 41 Verf. Braunschweig; Art. 10 Abs. 5 der Verf. Lippe; Art. 6 Abs. 3 Verf. Preußen. 78 § 77 Abs. 1 Nr. 4 BayVerf. (1919). 79 § 77 Abs. 1 Nr. 2 BayVerf. (1919). 80 § 77 Abs. 1 Nr. 3 BayVerf. (1919). 81 § 77 Abs. 1 Nr. 4 BayVerf. (1919). 82 § 77 Abs. 1 Nr. 5 BayVerf. (1919). 83 § 77 Abs. 1 Nr. 6 BayVerf. (1919). 63

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Ähnliche Grenzen für die Ausübung direkter Demokratie finden sich auch in den Verfassungen ausländischer Staaten,84 aber beileibe nicht in allen.85 Diese Verbreitung der Klauseln legt die Einschätzung nahe, daß sie eine wichtige Rolle im System der repräsentativen Demokratie mit unmittelbarer Beteiligung des Volkes an der Staatswillensbildung spielen.86 Zu weit geht jedoch die Feststellung von Carl Schmitt, daß die Finanzvorbehaltsklauseln „in ihrem letzten Grunde die Frage nach den Grenzen der unmittelbaren Demokratie überhaupt“ ansprächen.87 Sie ist – wie häufig bei ihm – plakativer Natur und geprägt von seinem speziellen reichsdeutschen Staatsverständnis. Diejenigen „klassischen“ Demokratien, die seit langem Volksbegehren und Volksentscheide nicht zuletzt und schwergewichtig in Abgaben- und Finanzfragen praktizieren, werden sich kaum als „borderline cases“ etikettieren lassen. Daß die Auslegung der Begriffe „Finanzfragen“ und „Abgabengesetze“ massive Rückwirkungen für das mögliche Betätigungsfeld plebiszitärer Gesetzgebung hat, liegt auf der Hand. Es gibt fast keine Gesetzgebung, die nicht mit Kosten verbunden ist,88 und zwar Kosten die über den Ressourcenverbrauch, den jedes Gesetzgebungsverfahren mit sich bringt, hinausgehen. Kaum eine amtliche Mitteilung ist so häufig unrichtig wie der auf den meisten Gesetzgebungsentwürfen zu findende Vermerk „Kosten: keine“; jedenfalls dann, wenn man einen aussagekräftigen Kostenbegriff zugrunde legt. Selbst wenn man sich auf die beim Staat anfallenden Kosten beschränkt und die unmittelbaren und mittelbaren Kosten, die den Bürgern entstehen, ausklammert, entstehen dem Staat Kosten, nur nicht immer unmittelbar haushaltswirksame Ausgaben. Das ist aber eine andere Kategorie. In einem so verstandenen Sinne sind sehr viele Gesetze „finanzwirksam“.89 Aber auch wenn man nur die haushaltswirksamen Kosten, also Ausgaben im kameralistischen Sinne, betrachtet, wirken sich zahlreiche Gesetze mittelbar oder

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Vgl. die Nachweise bei Przygode, S. 391 Fn. 592. Als Beispiel seien nur Kalifornien und Massachusetts genannt. In diesen Staaten hatten einige der spektakulärsten direktdemokratischen Volksgesetzgebungsinitiativen Erfolg, die gezielt und ausschließlich Finanz- und Abgabenfragen zum Gegenstand hatten. Es sind die „proposition 13“ in Kalifornien und „proposition 2 1/2“ in Massachusetts; dazu Folkers, der in Anhang 1 und 2 den Originaltext der Abstimmungsfragen mitteilt; vgl. ferner den Überblick bei Heußner, S. 168 ff. 86 Vgl. Kühne, ZParl 1991, S. 116 (118): außerhalb Deutschlands praktisch ohne Parallele; anders Przygode, S. 391, der aber erkennbar zu Unrecht davon ausgeht, daß es im Ausland dem Volk nicht möglich sei, „plebiszitär initiierte Volksgesetzgebungsverfahren hinsichtlich finanzrelevanter Materien durchzuführen“. 87 Volksentscheid und Volksbegehren, S. 31. 88 Burmeister, Die Verwaltung, Bd. 29 (1996), S. 181 (201). 89 Vgl. auch BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (390); jüngstes Beispiel das Volksbegehren zu den Kindertagesstätten in Niedersachsen, FAZ v. 21. Juli 1999, S. 4. 85

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unmittelbar auf den Staatshaushalt aus, indem sie neue Leistungen vorsehen oder Ansprüche begründen oder Einnahmen mindern.90 b) Ausdeutungsmöglichkeiten Nun verbietet Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW aber nicht schlicht die Verursachung von Kosten durch plebiszitäre Gesetzgebung, sondern nur Volksbegehren über „Finanzfragen“ und „Abgabengesetze“ sowie „Besoldungsordnungen“. aa) Abgabengesetze Schon Art. 73 Abs. 4 WRV und Art. 6 Abs. 3 Verf. Preußen (1919) schlossen Abgabengesetze aus dem Kreis zulässiger Volksbegehren aus. Unter Abgaben wurden öffentlich-rechtliche Geldleistungen an eine öffentliche Körperschaft unter Einschluß von Benutzungsgebühren und Beiträgen für öffentlich-rechtliche Anstalten verstanden.91 Dementsprechend werden auch heute als (öffentliche) Abgaben die von einem Hoheitsträger einseitig auferlegten, öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten bezeichnet, die ein Gemeinwesen mit Finanzkraft ausstatten sollen.92 Zu den Abgaben werden neben den klassischen Formen „Steuern, Gebühren und Beiträgen“ seit einiger Zeit noch die „Sonderabgaben“ als eigenständige Finanzierungsform gerechnet, die sich wachsender Beliebtheit bei der Staatsleitung erfreut93. Nicht zu vernachlässigen sind auch die „Beiträge“ zur Finanzierung der Einrichtungen der gesetzlichen Sozialversicherung, die eine Sonderrolle spielen. bb) Besoldungsordnungen Der Begriff „Besoldung“ ist als Verfassungsbegriff aus dem einfachen Gesetzesrecht rezipiert. Auch wenn er grundsätzlich entwicklungsoffen ist,94 ist er grundsätzlich in Anknüpfung an dieses Recht zu bestimmen.95 Besoldung ist danach die in Erfüllung des Alimentationsprinzips erbrachte Leistung.96 Der Be90

Sinngemäß ebenso BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (150). Vgl. Gebhard, Art. 73 Anm. 21; ähnlich Dickersbach: „Abgabengesetze“ sind Gesetze, „durch die dem Bürger Geldleistungen zur Förderung öffentlicher Zwecke auferlegt werden; hierzu rechnen nach richtiger Ansicht auch diejenigen, die Beiträge zu einer öffentlichen oder öffentlich-rechtlichen Anstalt festlegen“ (in: Kleinrahm/Dickersbach/Kühne, Art. 68 Anm. 2 b bb). 92 Vgl. Vogel, in: Gedächtnisschrift Martens, S. 266; Wilke, S. 9; Stern, Staatsrecht II, S. 1095; s. a. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 9–20. 93 Dazu Siekmann, in: Sachs, vor Art. 104a Rn. 123 ff. 94 Degenhart, in: Sachs, Art. 70 Rn. 46 95 Degenhart, in: Sachs, Art. 74a Rn. 7. 96 Vgl. BVerfGE 62, 354 (368); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 74a Rn. 2 und Art. 33 Rn. 15 ff. 91

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amte erhält nach diesem Prinzip Alimentation oder angemessene Unterhaltsrente für sich und seine ganze Familie grundsätzlich auf Lebenszeit. Es handelt sich um eine Art Ausgleichsentschädigung dafür, daß der Beamte sich dem Staat zur Verfügung stellt („aufopfert“) und auf private Erwerbsquellen verzichtet.97 Darüber hinaus dürfte der Begriff der Besoldung im Sinne von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW auch um die Inhalte des Begriffs der „beamtenrechtlichen Versorgung“ zu erweitern sein, da kein Grund erkennbar ist, diesen Bereich der Alimentation dem plebiszitären Zugriff zu eröffnen, die Besoldung demgegenüber zu verschließen. Damit fallen unter den Begriff der Besoldung beispielsweise die Dienstbezüge, die Anwärterbezüge, das Ruhegehalt, die Hinterbliebenenversorgung und das Übergangsgeld. cc) Finanzfragen Das Finanzwesen und die Finanzwirtschaft umspannen sowohl die Einnahmenwie auch die Ausgabenseite des Staates. Das kommt deutlich in der Spannweite der von Abschnitt X des Grundgesetzes über „Das Finanzwesen“ behandelten Gegenstände zum Ausdruck. Sie umfassen zwei deutlich voneinander zu unterscheidende Regelungsbereiche: (1) die Auferlegung und Verwaltung der Steuern sowie (2) die interne Ordnung der Finanzwirtschaft des Bundes, namentlich das Haushaltswesen und die Kreditaufnahme.98 Auch die Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen widmet einen eigenen Abschnitt dem Finanzwesen. Es ist der siebente Abschnitt „Das Finanzwesen“, der aber im wesentlichen nur die Regelungsmaterien des zweiten Bereichs von Abschnitt X des Grundgesetzes umfaßt. Das könnte die besondere Erwähnung der Abgabengesetze in Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW rechtfertigen. Um den Ausdeutungsschwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, empfiehlt sich eine Zusammenfassung beider Aspekte. Als Auslegungsmöglichkeiten im einzelnen kommen in Betracht:99 (1) Mit Gesetzgebung über „Finanzfragen“ im Sinne von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW könnten alle Gesetze gemeint sein, die gezielt Gegenstände der staatlichen Finanzwirtschaft regeln. Das kann sowohl auf der Ausgaben- wie auf der Einnahmenseite sein.100 Bei dieser Auslegung wären die ebenfalls 97

Bauschke, in: Scheerbarth/Höffken/Bauschke/Schmidt, § 23 II, S. 553. Siekmann, in: Sachs, vor Art. 104a Rn. 6. 99 Keine Konkretisierung im Kommentar zur Landesverfassung von Dästner, Art. 68 Rn. 3. 100 In diesem Sinne Dickersbach: „Unter Gesetzen über Finanzfragen sind solche zu verstehen, die ihrer ausdrücklichen gesetzgeberischen Absicht nach auf die Finanzen des Staates, die Einnahmen und Ausgaben, das Vermögen und die Schulden unmittelbar einwirken wollen. Gesetze, die sich auf andere Gegenstände beziehen, jedoch die Ausgabenwirtschaft z. B. infolge der Notwendigkeit der Errichtung neuer Behörden beeinflussen, fallen nicht darunter“ (in: Kleinrahm/Dickersbach/Kühne, Art. 68 Anm. 2b bb). 98

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ausdrücklich von Volksbegehren ausgeschlossenen „Abgabengesetze“ bereits mitumfaßt. Es hätte einer gesonderten Aufnahme in die Vorschrift nicht bedurft. (2) Will man dem Rechnung tragen und unter Finanzfragen nur die staatliche Ausgabenwirtschaft und die Verwaltung der staatlichen Mittel verstehen, ist die Einnahmenseite nicht vollständig erfaßt, da sich das Land nicht nur aus Abgaben finanziert. Ein wichtiger Einnahmeposten, der nicht aus Abgaben stammt, ist beispielsweise die Kreditaufnahme. Sie dürfte nach dieser Ausdeutung Gegenstand eines Volksbegehrens sein. Entsprechendes müßte für die Einnahmen aus erwerbswirtschaftlicher oder gemischtwirtschaftlicher Betätigung des Staates gelten, die zumindest auf Landesebene beträchtlich sein können (Landesbanken). (3) Der Vorbehalt des Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW könnte aber auch als Schutzklausel zugunsten eines materiell verstandenen Budgetprozesses verstanden werden. Kerngehalt der Regelung wäre die Sicherung eines „geordneten, von Parlament und Regierung gemeinsam zu verantwortenden Staatshaushalts“. Dann wären zunächst alle die Gesetze erfaßt, die selbst finanzielle Leistungen des Staates neu vorsehen oder Einnahmen des Staates mindern, sich also unmittelbar auf den Haushalt auswirken. Darüber hinaus wären aber auch solche Gesetze hinzuzuzählen, die als „notwendige Folge ihrer Durchführung“ finanzielle Belastungen des Staates mit sich bringen. Danach genügt jede „Auswirkung“ auf „die Gesamtheit der staatlichen Einnahmen und Ausgaben“,101 selbst wenn sie nur mittelbar102 oder künftig103 erfolgt. (4) Noch weiter würde der Kreis der ausgeschlossenen Gesetzesvorhaben gezogen, wenn nicht auf die Ausgaben- oder Einnahmerelevanz im Sinne des kameralistischen Rechnungswesens, sondern auf Kosten und Erträge im Sinne des – ökonomisch richtigeren – betriebswirtschaftlichen Rechnungswesens abgestellt wird, das zunehmend auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung eingesetzt wird.104 101 BayVerfG, BayVBl. 1977, S. 143 (149); 1995, S. 173, 205 (206); Hopfe, in: Linck/Jutzi/Hopfe, Art. 82 Rn. 9. 102 BayVerfG, BayVBl. 1977, S. 143 (150); 1995, S. 173, 205 (206); in diesem Sinne zuvor bereits Giehl/v. Scheurl, BayVBl. 1976, S. 486 (489 f.); deutlich enger aber die h. M. zum Finanzvorbehalt in der Weimarer Reichsverfassung (Art. 73 Abs. 4), die eine unmittelbare Berührung des Haushalts verlangte. Nur Carl Schmitt hatte über die damals herrschende Meinung hinausgehend vertreten, daß alle Gesetze mit wesentlich geldlichem Charakter den „Haushaltsplan“ unmittelbar beträfen und daher nicht Gegenstand eines Volksbegehrens sein könnten (S. 22). 103 Für die vergleichbare Regelung in Niedersachsen: Burmeister, Die Verwaltung, Bd. 29 (1996), S. 181 (207). 104 Auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof spricht gelegentlich von „Kosten“, meint aber wohl „Ausgaben“ (BayVBl. 1995, S. 173, 205 [207, 208]). Der Unterschied ist Rechtsprechung und juristischem Schrifttum nicht immer geläufig.

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(5) Zu erwägen ist aber eine Einschränkung der weiten Ausdeutungen durch eine Erheblichkeitsschwelle, die für eine Beeinträchtigung überschritten sein muß.105 Sie kann darin bestehen, daß der Haushalt als Ganzes betroffen sein muß oder „grundsätzliche Umstrukturierungen“ erforderlich werden.106 Eine Beschränkung des Vorbehalts auf das Haushaltsgesetz, wie sie für die Weimarer Reichsverfassung,107 Bayern108 und Bremen109 erwogen worden ist, kommt für Nordrhein-Westfalen angesichts der sehr viel weitergehenden Formulierung in Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW nicht in Betracht.110 c) Der verbleibende Raum für Volksbegehren Die beiden zuletzt genannten extensiven Auslegungsvarianten würden die Felder für ein zulässiges Volksbegehren massiv einschränken und im wesentlichen auf den Erlaß bloß „ideeller“ Gesetze beschränken111 oder gar zu einer „Entmündigung des Souveräns“ führen,112 da es nur sehr wenige Gesetze gibt, die 105 Für Nordrhein-Westfalen VerfGH NW, NVwZ 1982, S. 188 (189) und der 1. Leitsatz: „Staatshaushalt wesentlich beeinflussen“; für Bayern Meder, Art. 73 Rn. 1: „Einfluß“ auf den „Gesamtbestand des Haushalts“, „Störung des Gleichgewichts des Haushalts“ und dadurch „wesentliche“ Beeinträchtigungen des Budgetrechts des Landtags; Giehl/v. Scheurl, BayVBl. 1976, S. 486 (489), „Erheblichkeit der Beeinträchtigung des Haushalts“, aber ohne Festlegung auf bestimmte Prozentsätze; Engels, BayVBl. 1976 S. 201 (203): ohne, daß es darauf ankommt ob die „nicht nur völlig unerhebliche Beeinträchtigung“ „beabsichtigt ist“ oder ob es sich bei ihr nur um „Haupt- oder Nebenwirkungen handelt“; für die WRV Kaisenberg, S. 207. 106 Hopfe, in: Linck/Jutzi/Hopfe, Art. 82 Rn. 9. 107 Meißner, S. 133: Beschränkung auf die „Etatgesetze“; Poetzsch-Heffter, S. 322 f.: Verbot nur für Regelungen, die die den Staatshaushalt in seine Gesamtheit verändern; Triepel, DJZ 1926, Sp. 845 ff.; für eine enge Auslegung auch W. Jellinek, S. 169, der darauf abstellen will, ob „der Entwurf zum Geschäftsbereich des Reichsfinanzministers als federführendem Minister gehört oder nicht“; dagegen für ein weites Verständnis von Art. 73 Abs. 4 WRV: Anschütz, Art. 73 Anm. 10 Fn. 1: „weit“ auszulegen und „nicht bloß Etatgesetz“; Gebhard, Art. 73 Anm. 20; Kaiserberg, S. 207; C. Schmitt, S. 24. 108 Das Verbot in Bayern bezieht sich auf Volksentscheide „über den Staatshaushalt“ (Art. 73 BayVerf.). Diese Formulierung kann ohne weiteres auch in einem formellen Sinne verstanden werden, so Fessmann, BayVBl. 1976, S. 389 (390 f.); gegen eine Beschränkung auf das formelle Haushaltsgesetz Giehl/v. Scheurl, BayVBl. 1976, S. 486 (488); übernommen vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof, BayVBl. 1977, S. 143 (148). 109 BremStGH, NVwZ 1989, S. 388 (389). 110 In Bayern hatte man sich bewußt auf die Ausnahme des „Haushaltsplans“ von der Volksgesetzgebung beschränkt. Andere Materien, wie Abgabengesetze, Besoldungsordnungen, Finanzgesetze, sollten dezidiert im Gegensatz zu anderen Verfassungen von der Vorbehaltsklausel nicht erfaßt werden (Nachw. in BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 [189]). 111 Fessmann, BayVBl. 1976, S. 389 (393). 112 Pestalozza, NJW 1982, S. 1571 (1572); Hopfe, in: Linck/Jutzi/Hopfe, Art. 82 Rn. 9: „nahezu vollständiges Verbot der Volksgesetzgebung“.

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völlig ohne derartige finanzielle Auswirkungen sind, und seien es nur die Vollzugs- und Umsetzungskosten einer Regelung. Fast jede gesetzliche Maßnahme hat irgend eine Auswirkung auf die Finanzwirtschaft des Landes. Entweder führt sie zu erhöhten Ausgaben oder verringert die Einnahmen. Dieser Effekt tritt in jedem Fall bei Änderungen des Steuer- oder Abgabenrechts ein, auch wenn damit nur Lenkungszwecke verfolgt werden. Auch darf im Wege der Volksgesetzgebung nicht die formelle Entscheidung über den Landeshaushalt, also das Haushaltsgesetz nach Art. 81 Abs. 3 Satz 1 Verf.NW, getroffen werden. Sie ist allein Sache des Landtages. Die Verfassung von Nordrhein-Westfalen enthält zwar im Gegensatz zu anderen Landesverfassungen113 kein ausdrückliches dahingehendes Verbot, doch dürfte es von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW bei jeder der möglichen Auslegungen mitumfaßt sein. d) Der weite Ausgangspunkt der Rechtsprechung Die Rechtsprechung der Gerichte zeichnet sich zunächst durch ein im Ansatz weites Verständnis der Finanzvorbehalte aus. So hat sich der Bayerische Verfassungsgerichtshof ausdrücklich gegen eine restriktive Auslegung von Art. 73 BayVerf. ausgesprochen.114 Ähnlich vertritt der Staatsgerichtshof von Bremen eine weite Auslegung von Art. 70 Abs. 2 Verf. Bremen.115 Gleichwohl ist aber das Bestreben zu erkennen, diese Vorbehalte nicht zu unüberwindbaren Bastionen für Volksbegehren zu machen.116 Ob beispielsweise ein Gesetz, das Sachfragen regelt, aber zur Verwirklichung seiner Ziele finanzielle Leistungen als Anreiz für das gewünschte Verhalten in Aussicht stellt, „Finanzfragen“ zum Gegenstand hat, ist nach den oben dargelegten Auslegungsmöglichkeiten nicht sicher. Der Nordrhein-westfälische Verfassungsgerichthof hat das Vorhaben einer „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (!), jedoch als unzulässig beurteilt, das die Rückkehr ausländischer Mitbürger in ihre Heimatländer mittels gesetzlich gewährter finanzieller Unterstützung für verschiedene Programme und Einrichtungen fördern wollte. Der Schwerpunkt des Begehrens liege in der Regelung von Finanzfragen.117 Im Urteil zur „Aktion 113 Art. 60 Abs. 6 Verf. BW; Art. 73 BayVerf.; Art. 76 Abs. 2 Verf. Brandb., Art. 48 Abs. 1 Satz 3 NdsVerf.; Art. 70 Satz 2 Verf. Bremen; Art. 124 Abs. 1 Satz 3 Verf. Hessen. 114 BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (149 f.); 1995, S. 173, 205 (206); zuvor ebenso schon Giehl/v. Scheurl, BayVBl. 1976, S. 486 (488 f.), die aber grundlegende Fehlverständnisse von Rechtsnatur und Funktion eines Haushaltsgesetzes erkennen lassen; dezidiert anders Fessmann, BayVBl. 1976, S. 389 (392): für eine enge Auslegung als Ausnahmevorschrift unter der WRV oben Fn. 107. 115 BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (389 f.). 116 Burmeister, Die Verwaltung, Bd. 29 (1996), S. 181 (204). 117 VerfGH NW, NVwZ 1982, S. 188 (189).

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Volksbegehren NRW gegen Atomanlagen“ ging der Gerichtshof allerdings nicht auf Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW ein, da nach seiner Auffassung schon die Gesetzgebungskompetenz des Landes zu verneinen war und damit ein Verstoß gegen Art. 68 Abs. 1 Satz 3 Verf. NW vorlag. Der Innenminister hatte sich für seine ablehnende Entscheidung jedoch noch auf den Finanzvorbehalt gestützt.118 Auch der Saarländische Verfassungsgerichtshof sah in seinem Urteil zum Volksbegehren der Aktionsgemeinschaft „Rettet die Schulen“ ausdrücklich von einer Prüfung der Frage ab, ob der Gesetzentwurf „finanzwirksam“ war, obwohl die Regierung ihren Ablehnungsbeschluß noch darauf gestützt hatte.119 Näher hat sich vor allem der Bayerische Verfassungsgerichtshof in zwei Entscheidungen mit dem in Art. 73 BayVerf. normierten Finanzvorbehalt befaßt. Diese Vorschrift ordnet – anders als in Nordrhein-Westfalen – ausdrücklich an, daß „über den Staatshaushalt“ kein Volksentscheid stattfindet. Für NordrheinWestfalen wird ein ähnlicher Rechtssatz aber im Wege der Auslegung gewonnen.120 Ein Bürgerkomitee „Lernmittelfreiheit“ wollte die Bayerische Verfassung um eine Vorschrift ergänzen, die Lernmittelfreiheit gewährt, und einfachgesetzliche Einschränkungen bei Leistungen zur Ausbildungsförderung und im Rahmen der Schulwegekosten rückgängig machen.121 Im zweiten Fall sollte die Größe bayerischer Schulklassen gesetzlich auf „höchstens 30 Schülerinnen und Schüler“ beschränkt werden.122 Nach Auffassung des Gerichtshofs ist es ein Zweck der (bayerischen) Finanzvorbehaltsklausel, „ungeeignete Materien“ von der Volksgesetzgebung auszuschließen. Dazu gehörten wegen der Kompliziertheit der Materie Haushaltsplan und Haushaltsgesetz. Das sei letztlich eine „Selbstverständlichkeit“.123 Zusätzlich wird noch das Mißbrauchsargument hinzugezogen: Zweck der Vorschrift sei es auch, einem „Mißbrauch der Volksgesetzgebung“ vorzubeugen.124 Es bestehe die Gefahr, daß sich durchsetzungskräftige Partikularinteressen Sondervorteile zu Lasten anderer Teile des Volkes verschaffen könnten. Bei Gesetzesinitiativen finanzieller Natur sei es „erfahrungsgemäß nicht schwierig, aus den Reihen der

118 VerfGH NW, NWVBl. 1987, S. 13 (14). Bemerkenswert ist, daß in den Entscheidungsgründen der Innenminister als entscheidende Behörde genannt wird, obwohl Art. 68 Abs. 1 Satz 5 Verf. NW ausdrücklich eine Entscheidung der Landesregierung verlangt. 119 SaarlVerfGH, NVwZ 1988, S. 245 (246). 120 Vgl. Gensior/Krieg/Grimm, zu § 3, S. 27. 121 BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143. 122 BayVerfGH, BayVBl. 1995, S. 173, 205. 123 BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (149); 1995, S. 173, 205 (206). 124 BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (149); 1995, S. 173, 205 (206).

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unmittelbar betroffenen Interessenten die erforderliche Zahl von Unterschriften zu erhalten“.125 Wegen der daher gebotenen restriktiven Auslegung sollen Gesetze bereits dann die Finanzvorbehaltsklausel berühren, wenn sie die „Gesamtheit der Einnahmen und Ausgaben des Staates“ betreffen.126 Mittelbare oder künftige Auswirkungen reichten dafür aus.127 Auch der Bremer Staatsgerichtshof hatte über den Umfang des Finanzvorbehalts in Art. 70 Abs. 2 Verf. Bremen zu entscheiden. Der Senat der Freien Hansestadt Bremen hatte die Entscheidung beantragt, weil er ein Volksbegehren, das auf den Erlaß von Gesetzen zur „Schulunterrichtsversorgung“, zur Schaffung von Schulraum („Schulraumgesetz“) und zur Durchführung der in der Landesverfassung angeordneten Lehr- und Lernmittelfreiheit (Art. 31 Abs. 3 Verf. Bremen) gerichtet war („Lernmittelfreiheitsgesetz“), für unzulässig hielt. Das Gesetz zur Schulunterrichtsversorgung sollte auch Obergrenzen für die Schülerzahlen in den Klassen enthalten.128 Obwohl Art. 70 Abs. 2 Verf. Bremen nur einen Volksentscheid über „den Haushaltsplan, über Dienstbezüge und über Steuern, Abgaben und Gebühren sowie über Einzelheiten solcher Gesetzesvorlagen“ für unzulässig erklärt, hielt der Staatsgerichtshof die Vorverlagerung dieser Ausschlußklausel auf Volksbegehren durch das einfache Recht für verfassungsmäßig und damit das auf einen unzulässigen Volksentscheid gerichtete Volksbegehren für unzulässig.129 In der Sache sah der Gerichtshof trotz der relativ detaillierten Ausgestaltung der Vorschrift von einer Einzelauslegung der verwendeten Begriffe ab und stützte seine Entscheidung schwergewichtig auf den „Zweck“ und die „Funktion der Normen“.130 Er folgte im wesentlichen – trotz des erheblich abweichenden Wortlauts der Regelung in Bremen – den Argumentationslinien des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, der jede haushaltswirksame Einzelentscheidung in einem „Gesamtzusammenhang“ sieht, der bei der Entscheidung über die Verteilung der Finanzmittel zu beachten sei. Nur der parlamentarische Gesetzgeber habe „alle Einnahmen und notwendigen Ausgaben insgesamt im Blick“ und könne sie „unter Beachtung der haushaltsrechtlichen Vorgaben der Verfassung und des Vorbehalts des Möglichen“ in „eine sachgerechte Relation zueinander setzen“ und „für einen Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben sorgen“.131 Den Unterschied der Bremer

125

BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (150); 1995, S. 173, 205 (206 und 207). BayVerfGE, BayVBl. 1977, S. 143 (149); 1995, S. 173, 205 (206). 127 BayVerfGE, BayVBl. 1977, S. 143 (150); 1995, S. 173, 205 (206). 128 BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (388, 390). 129 BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (389). 130 BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (389). 131 BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (389) unter Berufung auf BayVerfGH, DVBl. 1995, S. 419 (426); zu dieser Vorgehensweise sehr krit. Jung, NVwZ 1998, S. 372 (373). 126

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Regelung zu den zum Teil sehr viel weitergehenden Formulierungen in anderen Landesverfassungen („Finanzfragen“) hielt er für nicht erheblich.132 e) Einschränkungen des weiten Ausgangspunktes Da bei einer derart weiten Ausdeutung des Finanzvorbehalts das Instrument der Volksgesetzgebung praktisch leer laufen würde, sah sich schon der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen im Fall der Rückkehrförderung für Ausländer veranlaßt, eine Einschränkung vorzunehmen. Vielmehr komme es darauf an, daß das Gesetz seinen Schwerpunkt dort habe. Wörtlich führt das Gericht aus: „Allerdings handelt es sich um „Finanzfragen“ in der Regel nicht schon dann, wenn ein Gesetz finanzielle Auswirkungen mit sich bringt, etwa durch die Schaffung neuer Behörden, Einführung neuer Schulen und Ausbildungsstätten.“ 133 Jedoch soll unter Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW jedes Gesetz fallen, „dessen Schwerpunkt in der Anordnung von Einnahmen oder Ausgaben liegt, die den Staatshaushalt wesentlich beeinflussen.“ 134

Auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof mußte seinen weiten Ausgangspunkt beschränken, da es nicht Sinn der Vorbehaltsklausel sein könne, daß die zu den „Grundentscheidungen der Bayerischen Verfassung“ gehörende Einrichtung der Volksgesetzgebung „faktisch“ zur „Bedeutungslosigkeit absinken würde“.135 Der Staatsgerichtshof von Bremen schloß sich auch insoweit der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes an.136 Verfassungswidrig sei ein plebiszitäres Gesetzgebungsvorhaben nur dann, wenn seine Auswirkungen „das Gleichgewicht des gesamten Haushalts stören und damit zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Budgetrechts des Parlaments führen“ könnten. Ob eine solche Beeinträchtigung vorliege, sei anhand der Umstände des Einzelfalles zu bestimmen.137 In der Entscheidung zur Klassenstärke hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof dann aber die Grenze wieder enger gezogen und weitere Faktoren genannt, die für die Beurteilung der maßgeblichen Verhältnisse und Umstände des Einzelfalles bedeutsam sein sollen:

132

BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (389). VerfGH NW, NVwZ 1982, S. 188 (189) unter Berufung auf Geller/Kleinrahm/ Fleck, NRWVerf., 2. Aufl. (1963), Art. 68 Anm. 2 b bb; Gensior-Krieg-Grimm, Volksbegehren und Volksentscheid in NRW, 3. Aufl. (1978), § 3 Anm. 2. 134 VerfGH NW, NVwZ 1982, S. 188 (189) und der 1. Leitsatz. 135 BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (150); 1995, S. 173, 205 (206). 136 BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (390). 137 BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (150); 1995, S. 173, 205 (206); zust. BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (390). 133

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(1) absolute und relative Höhe der finanziellen Auswirkung138 (2) Art und Dauer der von dem Gesetzesentwurf ausgehenden finanziellen Belastungen139 Allerdings lehnte der Gerichtshof ausdrücklich ab, die Grenze durch einen festen Prozentsatz festzulegen, bis zu dem Volksbegehren finanzielle Auswirkungen haben dürften.140 (1) Zunächst betonte der Gerichtshof, daß auch Gesetze, die „– absolut gesehen – einen relativ geringen Finanzbedarf“ erforderten, Auswirkungen auf das Budgetrecht des Parlaments hätten. Ausgabenwirksame Volksgesetzgebung stünde nur dann im Einklang mit der Verfassung, wenn sie in ihren finanziellen Auswirkungen die auf Grund des Budgetrechts vom Parlament getroffene „Gesamtbeurteilung, Haushaltsplanung und Prioritätensetzung“ „nicht wesentlich“ beeinträchtigen.141 In der dabei anzustellenden „wertenden Gesamtbeurteilung“, ob ein konkret vorliegender Gesetzentwurf gegen Art. 73 BayVerf. verstoße, müßten auch mehrere, in ihren finanziellen Auswirkungen relativ geringe Einzelgesetzentwürfe zusammen betrachtet werden.142 Auf das Verhältnis der einzelnen Ausgabentitel zueinander oder die Disproportionalität von Einnahme- oder Ausgabenposten komme es dabei nicht an.143 (2) Nicht jede sich über mehrere Jahre erstreckende finanzielle Belastung führe zur Unvereinbarkeit eines Volksbegehrens mit Art. 73 BayVerf., doch komme dem Gesichtspunkt der zeitlichen Dauer eigenes Gewicht zu.144 Besondere Qualität sollen die Auswirkungen aber immer dann haben, wenn sie zur Einstellung von (unkündbaren) Lebenszeitbeamten führen müßten. Der parlamentarische Gesetzgeber wäre damit auf „Jahrzehnte hinaus an die Entscheidungen gebunden, die der Volksgesetzgeber [. . .] ohne jegliche Einpassung in das Gesamtkonzept des [. . .] Haushalts“ möglicherweise treffen würde.145 Im Fall der Lernmittel- und Schulwegkostenfreiheit hielt der Bayerische Verfassungsgerichtshof jedoch diese Grenze noch nicht für überschritten, da es lediglich um Mehrausgaben von jährlich 15,8 Mio. DM ging, verglichen mit einem 138 BayVerfGH, BayVBl. 1995, S. 173, 205 (206 f., 208); BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (390). 139 BayVerfGH, BayVBl. 1995, S. 173, 205 (207); BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (390); zuvor Giehl/v. Scheurl, BayVBl. 1976, S. 486 (489). 140 BayVerfGH, BayVBl. 1995, S. 173, 205 (206, 208); BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (390); dafür aber Fessmann, BayVBl. 1976, S. 389 (393). 141 BayVerfGH, BayVBl. 1995, S. 173, 205 (206). 142 BayVerfGH, BayVBl. 1995, S. 173, 205 (207). 143 BayVerfGH, BayVBl. 1995, S. 173, 205 (209). 144 BayVerfGH, BayVBl. 1995, S. 173, 205 (207). 145 BayVerfGH, BayVBl. 1995, S. 173, 205 (208) ebenso zuvor schon Giehl/ v. Scheurl; BayVBl. 1976, S. 486 (490); krit. Burmeister, Die Verwaltung, Bd. 29 (1996), S. 181 (208 f.).

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Gesamtetat von 25,7 Mrd. DM im Jahre 1977 und 27,2 Mrd. DM im Jahre 1978.146 Gleichwohl lehnte er im Ergebnis aus anderen Gründen (Begründungsmängel147) die Zulassung des Volksbegehrens „Lernmittelfreiheit“ ab, soweit es auf die Änderung des einfachen Rechts gerichtet war,148 und ließ es nur zu, soweit es die Änderung der Verfassung zum Ziel hatte.149 Im Fall der Klassengröße sah er jedoch nach detaillierten Berechnungen eine wesentliche Beeinträchtigung des Budgetrechts des Parlaments und daher einen Verstoß gegen den Finanzvorbehalt als gegeben an.150 Deckungsvorschläge von seiten der Antragsteller und die Berücksichtigung des Wirtschaftswachstums bei Beurteilung der Frage einer wesentlichen Beeinträchtigung des Budgetrechts ließ er nicht zu.151 Ähnlich ging der Staatsgerichtshof von Bremen vor und gelangte zu der Auffassung, daß der Erlaß des „Schulunterrichtsvorsorgegesetzes“ und des „Schulraumgesetzes“ zu einer „wesentlichen Beeinträchtigung“ des Budgetrechts der Bürgerschaft führen würde. Das Volksbegehren sei unzulässig, soweit es auf den Erlaß dieser Gesetze gerichtet sei.152 Keine Bedenken hatte er jedoch im Hinblick auf das Gesetz zur Lernmittelfreiheit. Der finanzielle Mehrbedarf sei weitgehend disponibel und könne flexibel der jeweiligen Haushaltslage und den tatsächlichen Gegebenheiten angepaßt werden.153 Als Ergebnis ist danach festzuhalten, daß der Bayerische Verfassungsgerichtshof und ähnlich der Staatsgerichtshof von Bremen entscheidend auf die Wirkungen der Regelung für Budget und Budgetprozeß abstellt. Dagegen setzt der Verfassungsgerichtshof für Nordrhein-Westfalen am Regelungsinhalt an, um die faktische Ausschließung von Volksbegehren zu verhindern. Der „Schwerpunkt der Regelung“ muß „in der Anordnung von Einnahmen und Ausgaben“ liegen. Allerdings greift er zusätzlich auch noch auf ein Wirkungskriterium zurück: Die angeordneten Einnahmen und Ausgaben sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie „den Staatshaushalt wesentlich beeinflussen“. Das „Schwerpunktkriterium“ des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen ist im Ansatz restriktiver und damit volksgesetzgebungsfreundlicher, doch dürfte sich in der praktischen Handhabung daraus kein entscheidender Unterschied ergeben. Die verwendeten Begriffe sind zu schwammig. 146 BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (150). Im Schrifttum waren die Meinungen zuvor geteilt gewesen: für Verfassungsmäßigkeit Fessmann, BayVBl. 1976, S. 389 (393); dagegen Engels, BayVBl. 1976, S. 201 (203 f.). 147 BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (147). 148 BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (144). 149 BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (147, 150); a. A. Engels, BayVBl. 1976, S. 201 (204). 150 BayVerfGH, BayVBl. 1995, S. 173, 205 (207, 209). 151 BayVerfGH, BayVBl. 1995, S. 173, 205 (209). 152 BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (390). 153 BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (391).

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f) Auswirkungen auf plebiszitäre Mitwirkungsmöglichkeiten Die stark am Einzelfall orientierte Linie der Rechtsprechung mit ihren differenzierten Ergebnissen hat jedoch zur Folge, daß der Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens insoweit kaum noch vorauszusehen ist. Zum Teil wird dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof und neuerdings auch dem Bremer Staatsgerichtshof sogar vorgeworfen, eine für „einen Rechtsstaat inakzeptable und unvertretbare Basis für eine Situationsjurisprudenz geschaffen“ zu haben.154 Ob diese Einschätzung überzogen ist,155 braucht hier nicht weiter geklärt zu werden. Jedenfalls hat diese Rechtsprechung die mißliche Konsequenz, daß die zunächst mit der Frage befaßte Bürokratie regelmäßig eine möglichst restriktive Haltung einnehmen kann. Daß sie diese Möglichkeit auch tatsächlich wahrnimmt, ist durch die wiedergegebenen Fälle belegt.156 Diese Verhaltensweise ist auch im System angelegt, da die entscheidenden Behörden den Standpunkt der Regierung und der sie tragenden Fraktionen umzusetzen haben. Regelmäßig haben sich diese aber dem Anliegen des Volksbegehrens verschlossen; sonst wäre es dazu nicht gekommen. Das führt aber strukturell zu einer Benachteiligung von Initiativen aus dem Volke. Sie verfügen ohnehin schon nicht über den Apparat und die Informationen, auf die Fraktionen oder die Regierung zurückgreifen können.157 Sie haben erst recht nicht die Ressourcen, um sich auch noch die Zulassung ihres Begehrens vor Gericht jedes Mal erstreiten zu können. Selbst wenn sie dann nach einiger Zeit vor dem Landesverfassungsgericht obsiegen sollten, ist möglicherweise der aktuelle Anlaß für ihre Initiative aus dem Bewußtsein der Öffentlichkeit entschwunden. 2. Rechtliche Konsequenzen einer Streichung a) Entscheidung über das Haushaltsgesetz Es ist nicht sicher, ob nach einer Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW auch über das Haushaltsgesetz nach Art. 81 Abs. 3 Satz 1 Verf. NW im Wege der Volksgesetzgebung entschieden werden darf. Dagegen spricht, daß Art. 81 Abs. 1 Verf. NW den Landtag verpflichtet „durch die Bewilligung der 154 Zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof Przygode, S. 407; zum Bremer Staatsgerichtshof Jung, NVwZ 1998, S. 372. 155 So aber die Kritik von Burmeister, Die Verwaltung, Bd. 29 (1996), S. 181 (207). 156 Auch das Volksbegehren zu den Kindertagesstätten in Niedersachsen wird wegen seiner finanziellen Auswirkungen wohl nicht zugelassen werden, FAZ v. 21. Juli 1999, S. 4. 157 Zur fehlenden „Waffengleichheit“ zwischen Volk und Staatsorganen vgl. die abweichende Meinung in: BayVerfGH, BayVBl. 1994, S. 203 (242); dagegen Schmitt Glaeser/Horn, BayVBl. 1994, S. 289 (299 Fn. 136).

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erforderlichen laufenden Mittel für die Deckung des Landesbedarfs“ zu sorgen. Dazu wird er nur dann in der Lage sein, wenn er den Haushalt als Ganzes beschließt. Allerdings ist die Formulierung nicht so eindeutig wie in Bayern, wo Art 70 Abs. 2 BayVerf. anordnet, daß „der Staatshaushalt [. . .] vom Landtag durch formelles Gesetz festgestellt werden“ muß. Das mag aber eine entstehungsgeschichtliche Zufälligkeit sein. Eine exklusive Entscheidungsbefugnis ist dafür zwar regelmäßig, aber nicht denknotwendig erforderlich. Vor allem ist nicht ausgeschlossen, daß das Volk Einsparungen durch Änderungen des Haushaltsgesetzes beschließt. Dann wäre Art. 81 Abs. 1 Verf. NW nicht berührt. Systematik und Gesamtzusammenhang der in Art. 81 Verf. NW getroffenen Regelung sprechen aber dafür, daß die förmliche Entscheidung über das Haushaltsgesetz in jedem Fall dem Parlament vorbehalten sein sollte.158 Dann hätte die Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW insoweit keine Auswirkung auf den förmlichen Budgetprozeß.159 Im Zusammenhang mit der Auslegung von Vorbehaltsklauseln, die eine Volksgesetzgebung über den „Staatshaushalt“ verbieten,160 ist auf die Interdependenz zwischen Positionen des Haushaltsplans und sonstigen Gesetzen, welche Ansprüche und Verpflichtungen des Staates begründen, hingewiesen worden. Es sei letztlich ein „rein formaler Unterschied und weitgehend steuerbar, ob unmittelbar über das Haushaltsgesetz abgestimmt oder dieses auf dem Umweg über ein anderes Gesetz beeinflußt“ werde.161 Die wirtschaftliche Interdependenz ist sicher gegeben. Gleichwohl ist juristisch streng zwischen dem Haushaltsgesetz und sonstigen finanzwirksamen Gesetzen zu unterscheiden. Für das Haushaltsgesetz gelten verschiedene Besonderheiten, die vom speziell geregelten Initiativrecht über die Geltungsdauer, den Adressatenkreis bis hin zum Ausschluß von bestimmten Gegenständen („Bepackungsverbot“) reichen.162 Vor allem begründen Haushaltsplan und Haushaltsgesetz keine – nach außen wirkenden – Ansprüche und Verbindlichkeiten (§ 3 Abs. 2 HGrG). Sie stellen lediglich eine Ermächtigung für die Exekutive dar, die veranschlagten Ausgaben zu leisten (§ 3 Abs. 1 HGrG). Deshalb muß auch der parlamentarische Gesetzgeber immer wieder global wirkende Gesetze zur Haushaltssicherung erlassen, die nicht Teil des Haushaltsgesetzes sind und auch nicht sein 158

Dafür Grawert, Verfassung, Art. 81 Anm. 6. So wohl auch Grawert, Verfassung, Art. 81 Anm. 6, der insoweit nicht auf Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW abstellt, aber auch keine sonstige Begründung für sein Ergebnis gibt. 160 Z. B. Art. 73 BayVerf. 161 Giehl/v. Scheurl, BayVBl. 1976, S. 486 (488), die deshalb im Rahmen von Art. 73 BayVerf. nicht zwischen dem Haushaltsgesetz und sonstigen finanzwirksamen Gesetzen unterscheiden wollen. 162 Vgl. Siekmann, in: Sachs, Art. 110 Rn. 25 f., 71, 87 f. 159

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dürfen.163 Sie sind der Prototyp finanzwirksamer Gesetze außerhalb des Haushalts, deren Zweck es ist, das finanzielle Gleichgewicht der Staatswirtschaft zu sichern. Auch das zeigt den funktionalen und gegenständlichen Unterschied zwischen Haushalt und finanzwirksamen Gesetzen. Es ist deshalb keineswegs nur ein „rein formaler Unterschied“, ob über den Haushalt abgestimmt wird oder ob mittelbar die Einnahmen oder Ausgaben des Staates über finanzwirksame Gesetze beeinflußt werden. b) Budgetinitiative Das Recht zur Aufstellung und Einbringung des Haushaltsgesetzes (Haushaltsinitiative) soll exklusiv der Landesregierung zustehen.164 Es umfaßt auch die Einbringung von Nachtragshaushalten.165 Dieses Ergebnis ist schon jetzt entsprechend der parallelen Regelung im Grundgesetz166 nur durch Auslegung zu gewinnen. Der Ausschluß des Parlaments von der Gesetzesinitiative ist nicht ausdrücklich in der Verfassung geregelt. Es ergibt sich vor allem nicht aus Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW. Eine Streichung dieser Vorschrift kann deshalb in keiner Weise Einfluß auf das exklusive Recht der Regierung zur Haushaltsinitiative haben.167 c) Deckungsgrundsatz für finanzwirksame Gesetze Schwierigkeiten könnte nach einer Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW allerdings Art. 84 Verf. NW bereiten. Die Vorschrift sieht vor, daß „Beschlüsse des Landtags, welche Ausgaben nach sich bringen“ bestimmen müssen, „wie diese Ausgaben gedeckt werden“. Sie gilt auch für Gesetzesbeschlüsse,168 doch richtet sie sich ihrem klaren Wortlaut nach nur an den Landtag. Plebiszitäre Entscheidungen könnten also frei von diesen Vorgaben getroffen werden, wenn Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW gestrichen wird. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof sah jedoch keinerlei Probleme im Hinblick auf die sich daraus ergebenden Konsequenzen und wendete eine entsprechende Vorschrift der Bayerischen Verfassung (Art. 79) auch nicht auf Volksbe163 Vgl. dazu die Aufzählung der zahlreichen Gesetze dieses Typs auf Bundesebene bei Siekmann, in: Sachs, Art. 110 Rn. 19; Beispiel auf Landesebene: das Finanzplanungsgesetz 1975 in Bayern vom 23.12.1975 (GVBl. S. 414). 164 Vgl. Grawert, Verfassung, Art. 81 Anm. 6, aber ohne Begründung. 165 Siekmann, in: Sachs, Art. 110 Rn. 75. 166 Mittelbare Folge von Art. 110 Abs. 3 und Art. 113 Abs. 1 Satz 1 GG, vgl. Siekmann, in: Sachs, Art. 110 Rn. 75. 167 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof meint, es handele sich um eine „Selbstverständlichkeit“, da Haushaltsplan und Haushaltsgesetz „schon von der Kompliziertheit der Materie her gesehen nicht Gegenstand einer Volksinitiative sein“ könnten (BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 [149]). 168 Vgl. Dickersbach, in: Kleinrahm/Dickersbach/Kühne, Art. 84 Anm. 2.

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gehren an. Es sei „Sache des Landtags und der Staatsregierung, nach Annahme eines Gesetzes durch Volksentscheid die für den Haushaltsausgleich notwendigen Beschlüsse zu fassen“.169 Dementsprechend wird auch im Ausland verfahren. Selbst die erheblichen Schwierigkeiten, welche die Annahme von „proposition 13“ durch das Volk für den Haushaltsausgleich in Kalifornien mit sich brachte, wurden auf diese Weise gemeistert.170 Eine andere Frage ist jedoch, in welchem Ausmaß der Volksgesetzgeber an die zur Verfügung stehende finanzielle Manövriermasse unter Einbeziehung der bereits vorhandenen Schuldenlast gebunden sein wird. Eine rechtliche Bindung über das Maß hinaus, das auch für den parlamentarischen Gesetzgeber gilt, ist nicht ersichtlich.171 3. Zwischenergebnis Es ist damit zu rechnen, daß Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW weit ausgelegt wird und so einen großen Teil aller Gesetzgebungsvorhaben erfaßt. Sie sind damit vom Volksbegehren ausgeschlossen. Aber auch wenn man die Begrenzung auf den Schwerpunkt der Regelung ernst nimmt, ist im Hinblick auf die Weite und Unbestimmtheit der Begriffe das Ergebnis einer gerichtlichen Überprüfung nur schwer zu prognostizieren. Dauer und Risiko der damit verbundenen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof treffen die Organisatoren von Volksbegehren ungleich schwerer und erschweren die Volksgesetzgebung zusätzlich über die in der Verfassung vorgesehenen Kautelen hinaus. Die Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW führt nicht zum Verlust des exklusiven Rechts der Exekutive zur Budgetinitiative. Im Wege des Volksbegehrens darf danach nicht ein Haushalt eingebracht werden. Das schließt indes nicht aus, daß dann Volksbegehren auf Ergänzung oder Änderung einzelner Ansätze gerichtet sein dürfen, so wie auch das Parlament frei ist, Änderungs- und Ergänzungsanträge zum Haushaltsgesetz einzubringen. IV. Vereinbarkeit mit der Landesverfassung 1. Ausdrückliche Grenzen für Verfassungsänderungen Art. 75 Abs. 1 BayVerf. zieht dem verfassungsändernden Gesetzgeber in Bayern ausdrücklich Schranken. Verfassungsänderungen dürfen den demokratischen 169 BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (150); BayVerfGH, BayVBl. 1995, S. 173, 205 (209); ebenso BremStGH, NVwZ 1998, S. 388 (390); anders zuvor Engels, BayVBl. 1976, S. 201 (203). 170 Vgl. Citrin, in: Schwadron/Richter/Citrin, S. 24 ff. 171 Unklar Burmeister, Die Verwaltung, Bd. 29 (1996), S. 181 (209): Der Volksgesetzgeber kann daran „nicht vorbeigehen“.

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Grundgedanken der Bayerischen Verfassung nicht widersprechen. Der Finanzvorbehalt des Art. 73 BayVerf. soll aber nicht dazu zu zählen sein. Ebensowenig falle das Budgetrecht als solches darunter. Der Vorbehalt könne im Wege der Verfassungsänderung ohne weiteres gestrichen werden.172 Ob dem zuzustimmen ist, bedarf hier keiner Vertiefung, da Nordrhein-Westfalen eine entsprechende Vorschrift nicht kennt.173 2. Das Landesverfassungsrecht im übrigen a) Vereinbarkeit mit einzelnen Normen der Landesverfassung Möglicherweise ist ein auf eine Verfassungsänderung gerichtetes Volksbegehren an den sonstigen Normen der Verfassung zu messen. Diese Konstruktion bereitet indes schon in ihrer Grundanlage kaum überwindbare dogmatische Probleme, da zu messende Norm und Maßstabsnorm derselben Rangstufe im Stufenbau der Rechtsordnung angehören. Die jüngere Norm, also das verfassungsändernde Gesetz, hat Vorrang, zumal es zugleich die speziellere Regelung ist. Eine rechtlich relevante Unvereinbarkeit mit gleichrangigen Normen ist ausgeschlossen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat gleichwohl die Zulässigkeit eines auf Verfassungsänderung gerichteten Volksbegehrens am Finanzvorbehalt des Art. 73 BayVerf. gemessen.174 Daß es dieser Schranke unterliege, folge bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Aber auch ihr Sinn und Zweck erforderten eine Übereinstimmung mit dem Finanzvorbehalt, weil andernfalls mit Hilfe eines „als Änderung der Verfassung formulierten Gesetzentwurfs diese von der Verfassung der Volksgesetzgebung gesetzte Schranke umgangen werden könnte“.175 Diese wenigen lapidaren Bemerkungen sind in mehrfacher Hinsicht sehr problematisch. Schon die Berufung auf den Wortlaut von Art. 73 BayVerf. ist verfehlt. Er sagt nichts zu Verfassungsänderungen. Im übrigen handelt es sich nicht 172

Fessmann, BayVBl. 1976, S. 389 (394). Vgl. Dickersbach, in: Kleinrahm/Dickersbach/Kühne, Art. 69 Anm. 7; Dästner, Art. 69 Rn. 4; Grawert, Verfassung, Art. 69 Anm. 2: „Im Unterschied zu Art. 79 Abs. 3 GG normiert Art. 69 keine Unantastbarkeiten“; Grimm, in: Grimm/Papier, S. 45. 174 BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (148), unter Berufung auf VerfGH 27, 153 (163); Giehl/v. Scheurl, BayVBl. 1976, S. 486 (489) und Engels, BayVBl. 1976, S. 201 (203 f.). Die Berufung auf Engels ist in dieser Form unzutreffend, da er ausdrücklich den gegenteiligen Standpunkt eingenommen hatte: keine Geltung von Art. 73 BayVerf. für verfassungsändernde Gesetze, auch nicht im Wege der Analogie (S. 204). Nur im Ergebnis lehnt er ein Initiativrecht des Volkes für finanzwirksame Verfassungsänderungen ab. Problematisch ist auch der Verweis auf BayVerfGH 27, 153 (163), da Art. 73 BayVerf. dort nicht angesprochen ist. 175 BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (148). Das Umgehungsargument findet sich bereits bei Giehl/v. Scheurl, BayVBl. 1976, S. 486 (489); Engels, BayVBl. 1976, S. 201 (204). 173

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um eine bloße Formulierungsfrage, wie der Gerichtshof unterstellt, sondern um einen fundamentalen dogmatischen Unterschied, ob ein Volksbegehren auf die Änderung der Verfassung oder eines einfachen Gesetzes gerichtet ist. Vor allem verkennt das Gericht aber, daß der verfassungsändernde Gesetzgeber alle Normen der Verfassung ändern darf. Das ist seine Funktion. Etwas anderes gilt nur, wenn und soweit Vorschriften ausdrücklich seinem Zugriff entzogen sind. Das zeigt allein schon die Existenz von Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BayVerf. Sie wäre sinnlos, wenn Schranken auch aus anderen Vorschriften entnommen werden dürften. Es ist allein diese Vorschrift, die dem verfassungsändernden Gesetzgeber Schranken zieht. Sie behandelt abschließend das Thema „Verfassungsänderung“. Den Finanzvorbehalt des Art. 73 BayVerf. erwähnt sie nicht und enthält zudem keinerlei Anhaltspunkte, daß die Befugnisse des Volkes als verfassungsänderndem Gesetzgeber geringer einzuschätzen wären, als die des Parlaments.176 Im Gegenteil deutet Art. 75 Abs. 2 BayVerf. genau in die entgegengesetzte Richtung.177 b) Vereinbarkeit mit übergreifenden Prinzipien der Landesverfassung Es ist bereits zweifelhaft, ob aus einer Gesamtschau der Konstruktionsprinzipien des demokratischen Herrschaftssystems, so wie sie die Landesverfassung ausgestaltet hat, Schranken für den verfassungsändernden Gesetzgeber hergeleitet werden dürfen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich jedenfalls – in anderem Zusammenhang – eindeutig gegen die Gewinnung zusätzlicher Verfassungsrechtssätze aus derartigen induktiven Schlüssen ausgesprochen.178 aa) Volksgesetzgebung als Ausnahme Schranken könnten sich aus dem Ausnahmecharakter der Volksgesetzgebung ergeben. So wird denn auch postuliert, daß Volksbegehren und Volksentscheid in einer „grundsätzlich parlamentarisch-repräsentativ verfaßten Demokratie“ „naturgemäß“ „absoluten Ausnahmecharakter“ hätten. Zur Begründung wird im wesentlichen darauf abgestellt, daß „ihre Durchführung weit umständlicher und schwieriger zu bewerkstelligen“ sei als die Gesetzgebung des Landtags.179 Es ist schon nicht sicher, ob diese Aussage normativ gemeint ist oder ob es sich lediglich um die Beschreibung von Faktizitäten handelt. Die Berufung auf 176 Das erkennt auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof nachfolgend ausdrücklich an (BayVBl. 1977, S. 143 [148]). 177 Im Ergebnis hält Engels haushaltswirksame Verfassungsänderungen für zulässig, nur spricht er dem Volk das Initiativrecht für derartige Gesetze ab, also nicht wegen inhaltlicher Verstöße, BayVBl. 1976, S. 201 (203 f.). 178 BVerfGE 50, 290 (336 ff.) – überbetriebliche Mitbestimmung. 179 Fessmann, BayVBl. 1976, S. 389.

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die Natur von Erscheinungen („naturgemäß“) als Begründung vermag jedenfalls nicht zu überzeugen, zumal die parlamentarisch-repräsentative Demokratie durchaus in sehr unterschiedlichen Erscheinungsformen auftritt. Konkrete Vorschriften des Bundes- oder Landesverfassungsrechts, die berührt sein können, werden nicht genannt. In der Sache ist noch folgendes anzumerken. Die Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen konstituiert einen demokratischen Staat. Das Demokratieprinzip gehört zu den elementaren Prinzipien dieses Staates. Demokratische Herrschaft kann aber sowohl vom Volk unmittelbar als auch durch Repräsentanten, die gewählten „Volksvertreter“, ausgeübt werden. Das Land Nordrhein-Westfalen ist keineswegs ausnahmslos als repräsentative Demokratie ausgestaltet. Die Verfassung räumt an mehreren Stellen ausdrücklich dem Volk die Möglichkeit zur unmittelbaren Mitwirkung an der staatlichen Willensbildung ein. Der Volkswille wird an erster Stelle, noch vor allen anderen Organen und ihrer Willensbildung genannt: „Das Volk bekundet seinen Willen durch Wahl, Volksbegehren und Volksentscheid“ (Art. 2 Verf. NW). Ebenso steht die Gesetzgebung durch das Volk an prominenter Stelle: „Die Gesetzgebung steht dem Volk und der Volksvertretung zu“ (Art. 3 Abs. 1 Verf. NW). Die Reihenfolge, in der Volk und Volksvertretung genannt werden, ist nicht ohne Belang. Die Volksgesetzgebung ist schließlich näher ausgestaltet in Art. 68 und 69 Verf. NW. Danach kann keineswegs von einem „Primat“ der Parlamentsgesetzgebung ausgegangen werden,180 so daß allen Erwägungen zum „Ausnahmecharakter“ der Volksgesetzgebung keine normative Relevanz beizumessen ist. Jedenfalls wird es durch eine Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW nicht angetastet. bb) Das förmliche Budgetrecht als Reservatrecht Der Haushaltsplan wird durch das Haushaltsgesetz festgestellt, Art. 81 Abs. 3 Verf. NW. Dieses Recht des Parlaments ist aber kein Selbstzweck, sondern war zunächst ein Schritt zur Erzeugung von Transparenz181 und zum anderen eine Errungenschaft im Kampf zur Bändigung absoluter Herrschaft. Die Regierung hatte nach seiner Einführung die Staatswirtschaft nicht mehr alleine in der Hand.182 180 Sinngemäß für Bayern auch BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 143 (148); 1994, S. 203 (205, 206, 207): „Das Volksgesetzgebungsverfahren hat den gleichen Rang und die gleiche Bedeutung wie ein Gesetzgebungsverfahren des Landtags“ (S. 206); zust. Schmitt Glaeser/Horn, BayVBl. 1994, S. 289 (297); implizit so auch SaarlVerfGH, NVwZ 1988, S. 245 (248), der aber die Möglichkeit einer Nachrangigkeit nicht ausschließt. 181 Deshalb wirkte der Schritt von J. J. Necker so spektakulär, als er im Jahre 1781 bisher geheime Zahlen in seinem „Compte rendu au Roi“ veröffentlichte. Das hatte aber noch nichts mit einem (vor-)parlamentarischen Budgetrecht zu tun. 182 Stern, Staatsrecht I, S. 1192.

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In der historischen Entwicklung war es aber nicht so, daß ursprünglich Parlamente vorhanden waren, die nun einen Machtzuwachs für sich verbuchen konnten. Vielmehr waren es die Stände oder das von ihnen repräsentierte Volk, an die sich der Herrscher bei finanzieller „Insuffizienz“ wenden mußte. Ohne ihre Zustimmung durfte er keine (neuen) Abgaben auferlegen und sie für seine Schulden haften lassen. Die frühparlamentarischen Vertretungskörperschaften sind überwiegend entstanden, damit sich der Herrscher bei ihnen und den von ihnen Vertretenen die notwendigen Finanzmittel beschaffen konnte. Letztlich ging es darum, daß die Zahlungspflichtigen nicht ohne ihre Zustimmung belastet werden durften. Es waren konsentierte Zahlungen. Die Einschaltung von Vertretungskörperschaften erfolgte nur schrittweise und aus praktischen Gründen. Zahlungspflichtige Stände erschienen in den Beschlußgremien persönlich, nur Mediatisierte nicht. Das Budgetbewilligungsrecht war von seiner Entstehung her kein originäres Recht der allmählich entstehenden Parlamente, zunächst in England, dann auch auf dem Kontinent. Vielmehr war es die „sicherste Gewähr für die Selbst- und Mitbestimmung des Volkes an der Regierung.“ 183 Von seiner Herkunft her ist es nicht geeignet, es als Reservatrecht des Parlaments direktdemokratischen Einflüssen zu entziehen. Allenfalls Zweckmäßigkeitserwägungen können dafür sprechen. Es fehlen aber wieder hinreichende Anhaltspunkte für eine dahingehende rechtliche Bindung des verfassungsändernden Gesetzgebers, zumal auch das Volk mit Verstand unmittelbar über die Bewilligung der für die Regierung erforderlichen Mittel entscheiden kann. Das zeigen all die Staaten, die in diesem Punkte eine andere Entwicklung genommen haben als Deutschland. 3. Zwischenergebnis Damit steht Landesverfassungsrecht einer Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW nicht entgegen. Es verbleiben lediglich die Vorgaben aus Art. 28 Abs. 1 bis 3 GG und den unmittelbar in das Landesverfassungsrecht einwirkenden Normen des Grundgesetzes. V. Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz Die Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW könnte mit den Anforderungen des Grundgesetzes unvereinbar sein. Die Verfassung der Gliedstaaten eines Bundesstaates ist nicht allein in der Landesverfassungsurkunde enthalten, „sondern in sie hinein wirken auch Bestimmungen der Bundesverfassung“.184 183 So die Einschätzung durch Max von Heckel gegen Ende des 19. Jahrhunderts (S. 6, Hervorhebung nicht im Original). 184 BVerfGE 1, 208 (232); 27, 44 (55); zust. HessStGH, NJW 1982, S. 1141 f.

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Sie hat der Landesgesetzgeber gleichfalls zu beachten. Das Landesrecht macht insoweit nur eine „Teilrechtsordnung“ aus, die zugleich dem Recht des Gesamtstaates „ein- und untergeordnet“ ist.185 In Betracht kommen hier nur organisationsrechtliche Vorgaben und die Staatsstrukturprinzipien. Ein Verstoß gegen Grundrechte ist nicht ersichtlich und bedarf daher keiner weiteren Erörterung. 1. Geltung des Grundgesetzes im Verfassungsraum des Landes a) Keine allgemeine unmittelbare Geltung Die organisationsrechtlichen Vorschriften des Grundgesetzes und seine Staatsstrukturprinzipien gelten nicht allgemein und unmittelbar für die Länder, sondern nur, wenn sie sich diese Wirkung ausdrücklich zulegen.186 Das folgt zum einen aus der Staatsqualität der Länder187, die einen autonomen Gestaltungsbereich der Länder für ihre Binnenstruktur voraussetzt. Er mag als „Verfassungsautonomie“ 188 oder „Verfassungshoheit“ 189 bezeichnet werden. Auch wäre die im gegliederten föderativen Gemeinwesen erwünschte Pluralität und Heterogenität der Gemeinwesen sonst nicht zu verwirklichen. Zum anderen ist die Existenz von Art. 28 Abs. 1 GG nur zu erklären, wenn die genannten Regelungen nicht allgemein und unmittelbar gelten.190 Die Vorschrift wäre überflüssig, wenn die dort geforderte Entsprechung von Bund und Ländern ohnehin durch unmittelbare Geltung der einschlägigen Vorschriften des Grundgesetzes gesichert wäre.191 Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht immer wieder Wert auf die Feststellung gelegt: „In dem betont föderativ gestalteten Bundesstaat des Grundgesetzes stehen die Verfassungsbereiche des Bundes und der Länder grundsätzlich selbständig nebeneinander.“ 192 185

Vgl. Grawert, NJW 1987, S. 2329 (2329, 2338). Sie werden als „Durchgriffsnormen“ bezeichnet, vgl. Kersten, DÖV 1993, S. 896 (897); Nierhaus, in: Sachs, Art. 28 Rn. 4; sinngemäß ebenso Stern, Staatsrecht I, S. 704; Grawert, NJW 1987, S. 2329 (2331). 187 BVerfGE 1, 14 (18, 34); 13, 54 (75); 22, 267 (270); 34, 9 (19 f.); 36, 342 (360 f.); 60, 175 (207); 72, 330 (383, 388 f.). 188 BVerfGE 1, 14 (34); 36, 342 (361); 41, 88 (119); 64, 301 (317); 90, 60 (85); Stern, Staatsrecht I, S. 668; Sachs, DVBl. 1987, S. 857 (863); Nierhaus, in: Sachs, Art. 28 Rn. 1; Grawert, NJW 1987, S. 2329 (2330); Kersten, DÖV 1993, S. 896. 189 Sachs, DVBl. 1987, S. 857 (863); Isensee, in: HStR IV, § 98 Rn. 78 mit Kritik am Begriff „Verfassungsautonomie“ in Rn. 79; Kersten, DÖV 1993, S. 896. 190 Vgl. Graf Vitzthum, VVDStRL, Heft 46 (1988), S. 7 (11): „Derivatives Landesverfassungsrecht [. . .] umginge Art. 28 Abs. 1 GG“. 191 Die Vorschrift begrenzt nicht nur die verfassungsrechtliche Gestaltungsfreiheit der Länder, sondern erkennt sie dadurch auch an, vgl. Sachs, DVBl. 1987, S. 857 (863 f.). 192 BVerfGE 63, 301 (317) unter Berufung auf die ständige Rspr.: BVerfGE 4, 178 (189); 6, 376 (381 f.); 22, 267 (270); 41, 88 (118); 60, 175 (209), wo zum Teil auch von 186

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b) Einwirkung über das Homogenitätsprinzip des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG Neben den (wenigen) unmittelbar im Verfassungsbereich der Länder geltenden Vorschriften des Grundgesetzes („Durchgriffsnormen“, „Bestandteilsnormen,“)193 wird die als notwendig erachtete Übereinstimmung der Verfassungsstruktur von Bund und Ländern sowie der Länder untereinander durch eine spezielle Vorschrift, Art. 28 Abs. 1 GG, hergestellt. Das dort geregelte Homogenitätsprinzip verlangt, daß die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates entsprechen muß. Daraus folgt aber nicht, daß sich die für den Bund normierten Entscheidungsstrukturen als exakte Kopie auf Landesebene wiederfinden müssen.194 Es genügt eine grundsätzliche Entsprechung. Es muß nur ein „Mindestmaß an Übereinstimmung“ bestehen.195 Homogenität bedeutet nicht Uniformität.196 In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist daher daran festzuhalten, daß das Grundgesetz für die Verfassungen der Länder nur wenige Normativbestimmungen enthält. „Im übrigen können die Länder ihr Verfassungsrecht [. . .] nach eigenem Ermessen ordnen“.197 2. Grundsätzliche Zulässigkeit plebiszitärer Herrschaftsformen in den Ländern Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG nennt als Formen unmittelbarer Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk „Wahlen und Abstimmungen“. Nicht ausdrücklich geregelt ist, in welchen Fällen sie stattfinden. Zum Teil wird die Vorschrift im Sinne eines „Verfassungsvorbehalts“ 198 verstanden. Volksentscheide, gleich welcher Art, sind danach auf die vom Grundgesetz ausdrücklich vorgesehenen Fälle „Verfassungsräumen des Bundes und der Länder“ gesprochen wird, die einander selbständig gegenüber stehen. 193 Vgl. Nierhaus, in: Sachs, Art. 28 Rn. 4 f. Das sind vor allem die Vorschriften über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen. 194 Weber, DÖV 1985, S. 178 (179); zust. Burmeister, Die Verwaltung, Bd. 29 (1996), S. 181 (183). 195 Stern, Staatsrecht I, S. 704; Maunz/Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 28 Rn. 17: „der Bestand eines Mindestmaßes (eines Standards) an Übereinstimmung hinsichtlich verfassungsrechtlicher Grundsätze und Fundamentaleinrichtungen“, etwas anders Rn. 1: ein „gewisses Maß“ an Übereinstimmung in der „Verfassungsstruktur“ und in der „inneren Gliederung der Länder“. 196 BVerfGE 9, 268 (279); 90, 60 (84); Stern, in: Bonner Kommentar, Art. 28 Rn. 26; Kersten, DÖV 1993, S. 898; Menzel, DÖV 1969, S. 765 (768, 770); Maunz/ Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 28 Rn. 3; Nierhaus, in: Sachs, Art. 28 Rn. 1. 197 BVerfGE 4, 178 (189); 60, 175 (208). Schmitt Glaeser/Horn sprechen von einem „Spielraum“ für „föderale Vielfalt und Alternativen“ (BayVBl. 1994, S. 289 (286). 198 Burmeister, Die Verwaltung, Bd. 29 (1996), S. 181 (183).

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beschränkt.199 Gelegentlich wird auch nur die plebiszitäre Gesetzgebung als unzulässig beurteilt.200 Diese restriktiven Ausdeutungen bedürfen indes in diesem Zusammenhang keiner weiteren Vertiefung,201 da sie im Ergebnis keine vergleichbare „plebiszitäre Abstinenz“ von den Ländern verlangen.202 Die unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 20 Abs. 2 GG für das Landesverfassungsrecht ist bereits zweifelhaft.203 Vereinzelt wird zwar die unmittelbare Geltung von Art. 20 Abs. 2 GG im Sinne einer „Durchgriffsnorm“ vertreten, meist aber, ohne dafür eine Begründung zu geben.204 Vor allem wird nicht nach Satz 1 (Legitimation aller Staatsgewalt durch das Volk) und Satz 2 (repräsentative Demokratie) differenziert. Mag eine unmittelbare Geltung von Satz 1 noch denkbar sein,205 obwohl Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG eine erschöpfende Sonderregelung enthält, die dann überflüssig wäre, ist eine unmittelbare Geltung von Satz 2 nicht akzeptabel. Sachliche Gründe für die Geltung sind nicht ersichtlich. Zudem würde die subtile und differenzierte Regelung von Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG einerseits und Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits zu demokratischer Herrschaft und Existenz einer Volksvertretung eingeebnet. Die Vorschrift macht nur als lex specialis für Vorgaben zu Lasten der Länder Sinn.206 Es bleibt danach nur eine Einwirkung über Art. 28 Abs. 1 GG. Selbst wenn man davon ausgeht, daß der „repräsentativ-demokratische Zug“ des Grundgesetzes durch das Homogenitätsprinzip „nach unten [. . .] fortgesetzt wird“,207 sind 199 Ebsen, AöR, Bd. 110 (1985), S. 2 (20, 29); Krause, HStR II, § 39 Rn. 13–15; Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 32; v. Danwitz, DÖV 1992, S. 601 (602); a. A. Roßnagel, ZParl 1986, S. 587. 200 Weber, DÖV 1985, S. 178 (179). 201 Gegen einen „Verfassungsvorbehalt“ Bleckmann, JZ 1978, S. 217 (222 f.); Meyer, VVDStRL, Heft 33 (1975), S. 115 Leitsatz 28; Pestalozza, NJW 1981, S. 733 ff. 202 Vgl. Burmeister, Die Verwaltung, Bd. 29 (1996), S. 181 (183); Stiens, S. 35. 203 Auch das Bundesverfassungsgericht stützte sich bei seiner Entscheidung zum kommunalen Wahlrecht für Ausländer nicht allein auf Art. 20 Abs. 2 GG, sondern auf Art. 28 Abs. 1 Satz 1 i.V. m. Art. 20 Abs. 2 (BVerfGE 83, 60 [70, 76]) und Satz 2 GG (BVerfGE 83, 37 [37, 53 ff., 58 ff.]). 204 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 (Demokratie) Rn. 100: insoweit nur deklaratorische Bedeutung von Art 28 Abs. 1 GG; Stern, Staatsrecht I, S. 704; Graf Vitzthum, VVDStRL, Heft 46 (1988), S. 7 (11); März, S. 179; Stiens, S. 34; dezidiert gegen die Annahme einer „Durchgriffsnorm“ Kersten, DÖV 1993, S. 896 (901). Nachweise werden lediglich von Stern angegeben. Sie beziehen sich aber auf die anderen von ihm genannten Vorschriften, nicht auf Art. 20 Abs. 2 GG (BVerfGE 1, 208 [227]: Art. 21; 2, 307 [319]: Gewaltenteilung, aber keine unmittelbare Geltung, sondern über Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG; 2, 380 [403]: Rechtsstaatsprinzip; 4, 375 [378]: Art. 21; 6, 367 [375]: Art. 21; 42, 312 [Staatskirchenrecht, Wahlen]; P. Werner, S. 48 f.). Auch die gelegentlich angeführte Entscheidung des Hessischen Staatsgerichthofs (NJW 1982, 1141 [1142]) enthält keine Qualifizierung von Art. 20 Abs. 2 GG als Durchgriffsnorm. 205 Dafür BVerfGE 83, 37 (53); Grawert, Verfassung, Art. 2 Anm. 1. 206 Dafür auch Kersten, DÖV 1993, S. 896 (901 f.). 207 Stern, in: Bonner Kommentar, Art. 28 Rn. 31.

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dadurch unmittelbar demokratische Einrichtungen wie Volksbegehren und Volksentscheid nicht ausgeschlossen.208 Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1982 unmißverständlich festgestellt, daß die gesamtstaatliche Verfassung plebiszitäre Herrschaftsformen in den Ländern nicht verbiete. Die Länder seien frei in der Ausgestaltung ihrer Verfassung. „Insbesondere“ sei es „ihrem Ermessen überlassen“, „ob sie den Erlaß von Gesetzen dem Parlament vorbehalten oder daneben Volksgesetzgebungsverfahren“ vorsähen.209 Ebenfalls keiner Vertiefung bedarf die Frage, ob und in welchem Ausmaß die Regelung der repräsentativen Demokratie im Grundgesetz „verfassungsfest“ ist, also ob sie auch nicht im Wege der Verfassungsänderung zugunsten erweiterter plebiszitärer Mitwirkungsmöglichkeiten durchbrochen oder aufgelockert werden darf.210 Es steht nicht eine Änderung des Grundgesetzes zur Diskussion, sondern die Änderung einer Landesverfassung. Als Fazit ist danach festzuhalten, daß die Öffnung von Landesverfassungen für Einrichtungen der direkten Demokratie aus gesamtstaatlicher Perspektive nicht ausgeschlossen ist und daß das Grundgesetz auch nicht ihre Weiterentwicklung verbietet. 3. Grenzen für das Ausmaß plebiszitärer Herrschaft in den Ländern a) Das Prinzip parlamentarisch-repräsentativer Demokratie Auch wenn grundsätzlich plebiszitäre Elemente auf Landesebene unbedenklich sind, darf möglicherweise die Grenze zwischen direkt-demokratischer und repräsentativer Herrschaft nicht soweit verschoben werden, daß das Prinzip der repräsentativen Demokratie in seinem Kern angetastet ist. Bisweilen wird deshalb verlangt, daß das (Landes-)Staatswesen sich nach seinem gesamten Erscheinungsbild noch als „klassische“ repräsentative Demokratie darstellen müsse. Die Einführung einer sogenannten Volksdemokratie oder einer Räterepublik dürfte damit nicht mehr zu vereinbaren sein.211 Noch weitergehend wird bisweilen verlangt, daß Art. 28 Abs. 1 GG dazu zwinge, „das Repräsentationsprinzip zur Regel 208

Ebd., Rn. 39. BVerfGE 60, 175 (208). 210 Sachs hält eine dahingehende Änderung des Grundgesetzes nicht für unvereinbar mit Art. 79 Abs. 3 GG (in: Sachs, Art. 20 Rn. 32); ebenso Krause, HStR II, § 39 Rn. 15; Wolff, S. 196 ff. Dem ist zuzustimmen, da die Regelung in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG offen ist für abweichende Ausgestaltungen. Sie müssen nur ausdrücklich im Grundgesetz vorgesehen sein. Es liegt insoweit noch kein „Berühren“ im Sinne von Art. 79 Abs. 3 GG vor. Etwas anderes mag für die Grenzen gelten, bis zu denen der verfassungsändernde Gesetzgeber die Volksgesetzgebung ausdehnen dürfte. 211 Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 (Demokratie) Rn. 96; Maunz, in: Maunz/ Dürig, Art. 28 Rn. 24; Stern, in: Bonner Kommentar, Art. 28 Rn. 28. 209

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der Demokratie zu machen“, so daß „die plebiszitären Zuständigkeiten Ausnahme bleiben“ müßten.212 Weniger streng wird aber auch speziell im Hinblick auf die „Elemente plebiszitärer Demokratie“ die Souveränität der Länder zur Bestimmung ihrer eigenen Verfassungsordnung besonders hervorgehoben und lediglich verlangt, daß „das Übergewicht des parlamentarischen Gesetzgebers nicht in Frage gestellt wird“.213 aa) Geltung im Verfassungsraum der Länder In Betracht kommt zunächst eine Geltung derartiger Prinzipien im Verfassungsraum der Länder über Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Vorschrift verlangt aber nur, daß die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den „Grundsätzen des [. . .] demokratischen [. . .] Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes“ entsprechen muß. Auch ein Staat mit stark plebiszitären Elementen ist noch ein „demokratischer Rechtsstaat“. Die Wendung „im Sinne dieses Grundgesetzes“ zwingt, wie bereits dargelegt,214 nicht zur Übernahme der grundgesetzlichen Regeln im einzelnen. Das gilt namentlich für die Ausprägung, die das Prinzip repräsentativer Herrschaft im Grundgesetz gefunden hat.215 Möglicherweise ist jedoch anders zu entscheiden, wenn die in Art. 28 Abs. 1 GG genannten Grundsätze als Beschreibung der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ zu verstehen sind oder mit den durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Grundsätzen übereinstimmen.216 Auf diese Weise könnten den Ländern Elemente repräsentativer Herrschaft oder Grenzen für plebiszitäre Herrschaftsformen vorgeschrieben sein. Eine derartige Konstruktion stößt jedoch auf schwerwiegende Bedenken. Eine unmittelbare Geltung von Art. 79 Abs. 3 GG auf Landesebene scheidet aus, da diese Vorschrift Grenzen für Änderungen des Grundgesetzes, nicht aber Vorgaben für die Landesverfassungen normiert. Aber auch eine Gleichsetzung der dort gegen Änderungen besonders geschützten Grundsätze mit dem sachlichen Geltungsbereich von Art. 28 Abs. 1 GG ist nicht möglich. Schon die abweichenden Formulierungen stehen entgegen, aber auch der völlig verschiedene Anwendungsbereich der beiden Vorschriften. So hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, daß die notwendige Homogenität „inhaltlich in Art. 28 Abs. 1 bestimmt“ sei.217 Damit ist ein Rückgriff auf andere Vorschriften des Grundgesetzes oder pauschal die „verfassungsmäßige 212 Grawert, Verfassung, Art. 2 Anm. 4; zum angeblichen „Ausnahmecharakter“ der Volksgesetzgebung bereits oben unter IV. 2. b) aa). 213 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 (Demokratie) Rn. 97. 214 Oben unter V. 1. b). 215 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 (Demokratie) Rn. 97. 216 Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 (Demokratie) Rn. 100; H.-P. Schneider, DÖV 1987, S. 749 (751). 217 BVerfGE 90, 60 (85).

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Ordnung“ zur inhaltlichen Bestimmung der Homogenitätsanforderungen schwerlich zu vereinbaren. Die behauptete Gleichsetzung widerspricht zudem der allgemein anerkannten Zurückhaltung gegenüber Einwirkungen des Bundesverfassungsrechts in den Verfassungsraum der Länder. Sie verlangt eine „enge“ Interpretation von Art. 28 Abs. 1 GG.218 Früher hat man das mit der unglücklichen Bezeichnung „Normativbestimmung“ zum Ausdruck bringen wollen. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG sollte nur „Richtlinien“ oder einen „Rahmen“ vorgeben.219 Die dort genannten Grundsätze müssen daher enger als die in von Art. 79 Abs. 3 GG erfaßten Prinzipien oder die „verfassungsmäßige Ordnung“ sein. Nur so kann die Beschränkung auf das als ausreichend angesehene „Mindestmaß“ an Übereinstimmung von Grundgesetz und Landesverfassungen verwirklicht werden.220 Schließlich ist noch zu beachten, daß das Grundgesetz eine direktdemokratische Beteiligung des Volkes an der (allgemeinen) Gesetzgebung nicht kennt. Insoweit weicht die verfassungsmäßige Ordnung in einem Bundesland, das sie aber kennt, immer von dem demokratischen Prinzip, so wie es im Grundgesetz ausgestaltet ist, ab. Das Prinzip repräsentativer Herrschaft auf Bundesebene kann daher auch keinen Maßstab für das zulässige Ausmaß einer solchen Beteiligung enthalten.221 Das gilt selbst bei grundsätzlicher Anerkennung einer „Rückverweisung des Grundgesetzes auf sich selbst“.222 Auch von daher steht die Forderung, daß die verfassungsmäßige Ordnung in einem Land ein mehr oder weniger ausgeprägtes Element „repräsentativer“ Herrschaft enthalten muß, selbst wenn sie im übrigen ein (direkt-)demokratischer Rechtsstaat ist, wie beispielsweise einzelne Schweizer Kantone, auf schwankendem Boden. bb) Anwendung Aber selbst wenn man davon ausgeht, daß das Prinzip repräsentativer Herrschaft auch für das Landesverfassungsrecht gilt, wird es durch die Streichung 218 So ausdrücklich BVerfGE 90, 60 (85). Das Gericht führt sprachlich mißlungen, aber in der Sache richtig, weiter aus: „Das Homogenitätserfordernis ist auf die dort genannten Staatsstruktur- und Staatszielbestimmungen und innerhalb dieser wiederum auf deren Grundsätze beschränkt.“ 219 Vgl. Stern, in: Bonner Kommentar, Art. 28 Rn. 14; Maunz/Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 28 Rn. 17. 220 In diesem Sinne auch Kersten, DÖV 1993, S. 896 (898). 221 Das erkennt implizit auch Herzog an, der seine Gleichsetzung ausschließlich auf das demokratische Prinzip als solches beschränkt (in: Maunz/Dürig, Art. 20 [Demokratie] Rn. 99) und Zulässigkeit und Grenzen plebiszitärer Elemente davon gesondert behandelt (Rn. 97). 222 Gemeint ist, daß die Prinzipien des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG nicht unabhängig von Art. 20 Abs. 1, 2 und 3 GG bestimmt werden könnten, in diesem Sinne Kersten, DÖV 1993, S. 896 (899).

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von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW nicht verletzt. Auch nach einer Streichung dieser Vorschrift wäre die verfassungsmäßige Ordnung des Landes noch weit von den oben223 genannten „verbotenen“ Staatsformen entfernt. Dem Parlament würde keine Aufgabe oder Funktion entzogen. Die gewählten Repräsentanten des Volkes könnten sich wie bisher mit allen Fragen und Themen befassen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Sie verlören lediglich das „Befassungs- und Entscheidungsmonopol“ für die von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW erfaßten Materien. Der Verlust eines Monopols kann Machtverlust bedeuten, nicht aber Funktionsverlust. Das Gewicht dieses Machtverlusts ist aber nur schwer abzuschätzen.224 Letztlich handelt es sich um eine Frage der innerstaatlichen Machtbalance, die im wesentlichen nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden ist. Sie berührt nicht das Prinzip der repräsentativen Demokratie als solches, das vielfältige Detailausgestaltungen zuläßt und nicht Einzelheiten vorgibt. Deshalb bedarf die vieldiskutierte Frage, ob die repräsentative Demokratie eine (defizitäre) Demokratie zweiter Wahl gegenüber der (vollkommenen) unmittelbaren Demokratie ist, oder ob genau umgekehrt die eine „illusionär“ und die andere allein „praktikabel“ ist,225 keiner Vertiefung. Rechtliche Anforderungen lassen sich für die hier interessierende Frage nicht ableiten. Im Kern setzt es nur voraus, daß es Repräsentativorgane zur Bildung des Staatswillens gibt und daß sie einen genügend großen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich besitzen. Für das daneben zulässige Ausmaß direktdemokratischer Mitwirkung des Volkes an der Willensbildung enthält es keine zwingenden Vorgaben. Dafür ist es zu konturschwach und die Wirklichkeit der repräsentativen Herrschaftsformen zu vielfältig. Es hat allenfalls „Richtlinienfunktion“ 226. Nur so wird auch dem Postulat des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen, daß „die konkrete Ausgestaltung, die diese Grundsätze [des Art. 28 Abs. 2 GG] im Grundgesetz gefunden haben, [. . .] für die Landesverfassungen nicht verbindlich“ sind.227 Hinzu kommt, daß namentlich in den „klassischen“ Demokratien, die alle als repräsentativ anerkannt werden, plebiszitäre Herrschaftsformen in großem Umfang vorgesehen sind (USA, Schweiz). Diese Staaten stoßen sich auch nicht an einer für Deutschland nur schwer akzeptierbaren Vielfalt im Innern. Das beste Beispiel sind die USA, in denen es extrem weitgehende plebiszitäre Herrschaftsmöglichkeiten (Kalifor-

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Siehe oben unter V. 3. a). Es gibt allerdings auch Monopolsituationen ohne Monopolmacht, etwa im Bereich von „natürlichen“ Monopolen, vgl. Blankart, Öffentliche Finanzen, S. 429. 225 So die – wohl überspitzte – Beschreibung der Frontstellung durch Schmitt Glaeser/Horn, BayVBl. 1994, S. 289 (297) mit Nachweisen zum Meinungsstand; zum Rangverhältnis der beiden Gesetzgebungsverfahren auch oben Fn. 180. 226 In diesem Sinne Stern, in: Bonner Kommentar, Art. 28 Rn. 17; Kersten, DÖV 1993, S. 896 (898), allerdings mit unzutreffendem Zitat des Bundesverfassungsgerichts. 227 BVerfGE 90, 60 (85). 224

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nien) neben fast völliger Abstinenz auf diesem Gebiet gibt (Bundesverfassung).228 Schließlich ist Art. 28 Abs. 1 GG auch dann nicht verletzt, wenn man – erstens – ihn entgegen der hier vertretenen Auffassung inhaltlich mit den Anforderungen aus Art. 79 Abs. 3 GG anreichert und wenn man – zweitens – Art. 79 Abs. 3 GG das Gebot entnimmt, daß die Staatswillensbildung durch Gesetzgebung „im Regelfall“ bei den Repräsentativkörperschaften verbleiben muß. Dieses Erfordernis wäre auch nach einer Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW erfüllt. Nach den Erfahrungen in den Staaten, die keine Finanzvorbehalte für die Volksgesetzgebung kennen, besteht kein Grund zur Annahme, daß die Volksgesetzgebung zum Regelfall der Staatswillensbildung würde.229 Danach bleibt festzuhalten, daß das Prinzip der repräsentativen Demokratie nicht zwingend Reservatbereiche für die Repräsentationsorgane zu Lasten direktdemokratischer Herrschaftsausübung erfordert. Es darf sie geben, muß es aber nicht. b) Die Spezialregelung des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG Da das bundesverfassungsrechtlich ausgeformte Prinzip repräsentativer Herrschaft nicht unmittelbar für die Landesverfassungen gilt, zumindest aber keine einengenden Maßstäbe liefert, enthält das Grundgesetz eine Spezialregelung für das bundesverfassungsrechtliche Mindestmaß an repräsentativer Herrschaft. Das ist Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG.230 Nach der hier vertretenen Auffassung geht es als Spezialregelung den allgemeinen Prinzipien vor. Das zulässige Ausmaß direktdemokratischer Beteiligung an der (allgemeinen) Gesetzgebung legt das Grundgesetz allein durch die Regelung in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG fest. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt aber lediglich, daß das Volk eine nach näher bezeichneten Prinzipien zu wählende Vertretung hat. Nähere Angaben zu Funktionsumfang und Gewicht einer solchen Vertretung macht die Vorschrift nicht. Vor allem erfordert sie nicht einen Finanzvorbehalt in der Form, wie er in Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW niedergelegt ist. Auch nach seiner Streichung wäre in Nordrhein-Westfalen noch eine funktionsfähige, mit ausreichenden Aufgaben ausgestattete Volksvertretung vorhanden. Ihr Zuständigkeitsbereich wäre nicht geschmälert, sondern es wären nur konkurrierende Zuständigkeiten des direktdemokratisch handelnden Volkes geschaffen worden.231

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Eingehende Darstellung mit allen Einzelheiten bei Heußner. Vgl. die Aufstellung bei Citrin, in: Schwadron/Richter/Citrin, S. 17. 230 Vgl. Kersten, DÖV 1993, S. 896 (901 f.); im Ergebnis ebenso auch Burmeister, Die Verwaltung, Bd. 29 (1996), S. 181 (209). 231 Oben unter V. 3. a) bb). 229

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c) Das Demokratieprinzip Das Demokratieprinzip ist über Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG für das Landesverfassungsrecht verbindlich. Es ist indes schon zweifelhaft, ob es die Existenz von Repräsentativorganen garantiert. Die fortdauernde Legitimation von Herrschaft durch das Volk kann unmittelbar oder über Repräsentanten vermittelt werden. Beide Formen sind vom Demokratieprinzip mitumfaßt. Dabei hat die repräsentative Demokratie gegenüber der unmittelbaren den größeren Legitimationsbedarf.232 Die zwingende Verknüpfung von Demokratieprinzip und Herrschaft durch gewählte Repräsentanten greift deshalb zu kurz. Das Demokratieprinzip für sich genommen enthält dazu keine Vorgaben.233 Institutionelle Ausgestaltung und Repräsentation sind eben nicht dem Demokratieprinzip immanent, sondern finden sich in sehr unterschiedlicher Ausprägung in den demokratischen Staaten. Sie hängt nicht zuletzt von äußeren Umständen ab, die nichts mit dem Demokratieprinzip als solchem zu tun haben. Völlig fehl geht jedoch die Annahme, es könne innerhalb des Demokratieprinzips eine „partizipatorische Funktion“ abgesondert werden,234 die möglicherweise ungebührlich aufgewertet wird. Partizipation kann nur Mitwirkung des Volkes in einem Bereich bedeuten, von dem es ausgeschlossen ist. Das ist aber nur denkbar in einem System, in dem es zugunsten von Repräsentanten bereits mehr oder weniger mediatisiert ist. Ein solches System ist aber nicht mit dem Demokratieprinzip schlechthin gleichzusetzen. Hier wird auch deutlich, wie sich die Gleichsetzung von Demokratie und repräsentativer Herrschaft auf die Ergebnisse auswirkt. Die Motivation für diese Vorgehensweise wird deutlich, wenn zur Begründung die bekannten Schreckensbilder plebiszitärer Herrschaft ausgemalt werden: Die „demokratische Teilhabe des Aktivbürgers durch unmittelbare Volksentscheidungen“ sei „gleichbedeutend“ mit einer Verschiebung der „demokratischen Gewichte zugunsten aktiver Minderheiten oder Interessengruppen“.235 Dabei kann es sich aber allenfalls um verfassungspolitische Erwägungen handeln.236 Die „Ausbalancierung“ der „repräsentativ-demokratisch verfaßten Organisation des Staates“ mit „direkt-demokratisch verfaßten Formen der Willensbildung“ mag den Verfassungsorganen aufgegeben sein,237 doch ist damit immer 232

So ausdrücklich E.-W. Böckenförde, HStR II, § 30 Rn. 1. So aber E.-W. Böckenförde, HStR II, § 30 Rn. 12; ihm folgend v. Danwitz, DÖV 1992, S. 601. 234 v. Danwitz, DÖV 1992, S. 601, unter Berufung auf E.-W. Böckenförde, in: HStR II, § 30 Rn. 4 ff., 12 ff., 17 ff., wo das aber in dieser Formulierung nicht steht. 235 v. Danwitz, DÖV 1992, S. 601; ähnlich zuvor, aber nicht so pejorativ H. H. Klein, Die politische Meinung, 1992, S. 8 (9): „Erhöhung der Partizipationschancen engagierter Minderheiten“. 236 Das bestreitet auch v. Danwitz nicht (DÖV 1992, S. 601). 237 Schmitt Glaeser/Horn, BayVBl. 1994, S. 289 (299). Die Herleitung dieser Aussage aus BVerfGE 37, 84 (90 f.) durch die Autoren ist kaum nachzuvollziehen. 233

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nur eine bestehende verfassungsrechtliche Situation angesprochen. Anforderungen an den verfassungsändernden Gesetzgeber lassen sich daraus nicht ableiten. Die darüber hinaus von E.-W. Böckenförde entworfene Skizze von Strukturelementen „realisierter Demokratie und eines realisierbaren Demokratiebegriffs“ verbleiben in der Unbestimmtheit des verfassungspolitisch Wünschenswerten. Das gilt namentlich für die von ihm geforderte Beschränkung von Volksentscheid und Volksbegehren auf eine „Balancierungs- und Korrekturfunktion“.238 Auch wenn man ihm darin folgt, daß ihre „generell-globale“ Installierung als „eigentliches Regierungsprinzip oder Gegengewalt zu den repräsentativen Leitungsorganen“ zu einer „Paralysierung demokratischer Leitungsgewalt überhaupt“ oder zu einem „Umschlag“ in der Weise führt, daß „der globalen Entscheidungsgewalt des Volkssouveräns über die Okkupierung des Rechts der Fragestellung eine verkappte Leitungsgewalt gegenübertritt, die das Volk doch wieder zum Akklamationsorgan herabstuft“,239 sind eindeutige normative Vorgaben für den verfassungsändernden Gesetzgeber auf Landesebene nur schwer auszumachen. Allenfalls die Feststellung, daß sich „für jedes staatlich-politisches Gemeinwesen“ „leitende und selbsthandelnde, insofern repräsentative Organe [. . .] als unabdingbar notwendig erweisen“,240 mag normative Konsequenzen haben. Vielleicht läßt sich die notwendige Existenz eines repräsentativen Leitungsorgans in der Demokratie so begründen, doch bedarf das hier keiner abschließenden Beurteilung. Dieselbe Anforderung stellt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich für die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern auf, so daß es keiner Herleitung aus dem Demokratieprinzip bedarf und dahingehende Konstruktionsversuche für das Landesstaatsrecht zweitrangig bleiben. Falls ihnen überhaupt ein normativer Gehalt zu entnehmen ist, geht er jedenfalls nicht über die spezialgesetzliche Regelung in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG hinaus. Jedenfalls ist nicht zu besorgen, daß diese Minimalanforderungen durch eine Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW verletzt wird. Angesichts der begrenzten Rechtsfolgen dieser Maßnahme241 verbleiben Volksentscheid und Volksbegehren in der für wünschenswert erachteten Balancierungs- und Korrekturfunktion. Keineswegs werden die repräsentativen Leitungsorgane, also Parlament und Regierung, auf eine reine „Ausführungs- und Vollzugsfunktion“ begrenzt, der Böckenförde entgegentritt.242 Ihre Funktion wird nicht dadurch angetastet, daß für Volksbegehren ein zusätzliches Betätigungsfeld eröffnet wird. Falls die finanziellen Konsequenzen eines direktdemokratisch beschlossenen Gesetzes 238

E.-W. Böckenförde, in: HStR II, § 30 Rn. 16; s. a. ders., Demokratie, S. 26 ff. E.-W. Böckenförde, in: Festschrift Eichenberger, S. 301 (316); ders., in: HStR II, § 30 Rn. 16. 240 E.-W. Böckenförde, in: HStR II, § 30 Rn. 16. 241 Oben II. 2. 242 E.-W. Böckenförde, in: HStR II, § 30 Rn. 16. 239

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als untragbar angesehen werden, steht es der Staatsleitung frei, ein Ansprüche kassierendes Korrekturgesetz zu verabschieden, wie sie es regelmäßig auch für parlamentarisch beschlossene Anspruchsnormen vorführt.243 Im übrigen enthält das Demokratieprinzip keine rechtlich verbindlichen Aussagen über das maximal zulässige Ausmaß direktdemokratischer Herrschaft. Erst recht erfordert es keine (Finanz-)Vorbehalte, die den Wirkungskreis des Volksgesetzgebers einschränken.244 d) Das Rechtsstaatsprinzip Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG ordnet an, daß die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen eines Rechtstaates entsprechen muß. Ob es sich dabei um eine gewaltenteilende Ordnung handeln muß, ist nicht sicher. Das Gewaltenteilungsprinzip hat eine besondere, von rechtsstaatlichen Anforderungen getrennte Ausgestaltung in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG erfahren. Das spricht dagegen, das Gewaltenteilungsprinzip, so wie es im Grundgesetz ausgestaltet ist, auch als verbindlich für die Länder anzusehen.245 Allerdings pflegt das Bundesverfassungsgericht beide Prinzipien in einem Atemzug zu nennen246 und auch nach Auffassung der Landesverfassungsgerichtsbarkeit „prägt“ das Prinzip der Gewaltenteilung den Rechtsstaat oder – anders gewendet – „beruht“ der Rechtsstaat auf dem Gewaltengleichgewicht.247 Diese Sichtweise führt zu der Forderung, daß auch auf Landesebene das Prinzip der Gewaltenteilung als solches nicht durch Verfassungsänderung angetastet werden dürfe, ebensowenig wie der Kernbereich der einzelnen Gewalten.248 aa) Gewaltenteilung Daraus können das Verbot eines umfassenden Gesetzesvorbehalts im Sinne eines „Gewaltenmonismus“ und die Existenz einzelner Reservatrechte der Exekutive abgeleitet werden, die erst nach Abschluß der Willensbildung durch die Regierung demokratischer Kontrolle und Korrektur zugänglich werden.249 Einen derartigen autonomen Gestaltungsbereich hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich für die „auswärtige Gewalt“ 250 und die „Verteidigung“ anerkannt.251 In 243 244 245 246 247 248 249 250 251

Oben Fn. 163. Vgl. Fessmann, BayVBl. 1976, S. 389 (394). Vgl. Kersten, DÖV 1993, S. 896 (901). Vgl. BVerfGE 49, 89 (124 f.); 68, 1 (87); 77, 170 (230 f.). StGH Bad.-Württ., DÖV 1986, S. 794. StGH Bad.-Württ., DÖV 1986, S. 794. BVerfGE 67, 100 (139). BVerfGE 68, 1 (87 f.). BVerfGE 68, 1 (85 f.); zust. StGH Bad.-Württ., DÖV 1986, S. 794 (795).

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dem hier interessierenden Zusammenhang könnten solche Reservatrechte der Exekutive allenfalls im Hinblick auf die Aufstellung des Haushaltsplanes und das (exklusive) Recht zur Einbringung des Haushaltsgesetzes im Parlament bestehen. Sie würden indes durch die Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW nicht angetastet. Es wäre weiterhin allein die Regierung, die den Haushalt aufstellen und das Haushaltsgesetz in das Parlament einbringen dürfte.252 Im übrigen würde nur eine Verschiebung der Balance zwischen Parlaments- und Volksgesetzgeber stattfinden, sich also innerhalb der gesetzgebenden Gewalt bewegen. Insoweit ist das Gewaltenteilungsprinzip nicht tangiert und es kann auch nicht der „Kernbereich“ einer Gewalt angetastet sein. Die Erwägungen, die der Nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof jüngst im Zusammenhang mit der Zusammenlegung von Innen- und Justizministerium angestellt hat, stützen sich im wesentlichen auf die Sonderrolle des Justizministeriums für die rechtsprechende Gewalt.253 Dieser Aspekt ist für die Existenz von Finanzvorbehalten aber nicht einschlägig und führt im übrigen auch nur zum Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für die Maßnahme. Dieses Erfordernis wäre zudem bei einer Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW erfüllt. bb) Parlamentsvorbehalt Es werden gelegentlich auch Bedenken im Hinblick auf die Verfahrensausgestaltung direktdemokratischer Sachentscheidungen unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten geäußert.254 Daraus einen „Parlamentsvorbehalt“ für die Entscheidung einzelner Sachbereiche abzuleiten, ist indes mehr als zweifelhaft. Schon die Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Entscheidung „wesentlicher“ Fragen durch das Parlament ist problematisch, da sie vornehmlich dem Schutz des Bürgers, namentlich in seinen Grundrechtspositionen, dient.255 Diese Schutzrichtung würde auf den Kopf gestellt, wenn man diesen Parlamentsvorbehalt gegen die Bürger in ihrer Eigenschaft als plebiszitäre Gesetzgeber wenden würde, um einzelne Materien seinem Zugriff zugunsten des parlamentarischen Gesetzgebers zu entziehen. Aber selbst wenn man die Wurzel der „Wesentlichkeitslehre“ (auch) im Rechtsstaatsprinzip sieht,256 handelt es sich jedenfalls nur um eine verschärfende Anforderung im Verhältnis zur Exekutive: Der Gesetzgeber selbst und nicht die Verwaltung soll wesentliche Fragen ent252

Siehe oben unter II. 2. b). NWVBl. 1999, S. 176 (179 f.). 254 v. Danwitz, DÖV 1992, S. 601 (606); keine rechtsstaatlichen Bedenken bei Maurer, S. 25. 255 Vgl. Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 117. 256 In diesem Sinne etwa BayVerfGH, BayVBl. 1995, S. 173 (178); v. Danwitz, DÖV 1992, S. 601 (606). 253

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scheiden. Gesetzgeber in diesem Sinne kann aber auch das Volk sein, so daß dieser Lehre keine Aussagen für die Abgrenzung zwischen Parlamentsgesetzgeber und Volksgesetzgeber zu entnehmen sind. e) Das Budgetrecht des Parlaments und die exklusive Befugnis der Exekutive zur Haushaltsinitiative Es bleibt aber zu untersuchen, ob das Budgetrecht des Parlaments zwingend Volksbegehren über Finanzfragen und Abgabengesetze ausschließt. In diesem Zusammenhang wird auf die „zentrale Bedeutung“ „des Budgetrechts (Haushaltsbewilligungsrechts) des Parlaments in dem durch die Dreiteilung der Gewalten geprägten demokratischen Rechtsstaat“ verwiesen. Ungeachtet der vielfältigen Verpflichtungen und finanziellen Zwangsläufigkeiten, bleibe „die rechtlich umfassende, alleinige Entscheidungs- und Feststellungskompetenz des Gesetzgebers unbeeinträchtigt. Je nach „Einschätzung der Gesamtsituation und einer entsprechenden Gesamtbewertung“ könne das Parlament entscheiden, wo jeweils das Schwergewicht des finanziellen Engagements des Staates liegen solle und welche Bereiche demgegenüber zurücktreten müßten.257 Die Ausübung des Budgetrechts des Parlaments werde demnach maßgeblich von der „verantwortungsbewußten Bewertung der Gesamtsituation des Staates“, „der Prioritätensetzung“ sowie dem „ständig zu beachtenden Vorbehalt des Möglichen“ geprägt.258 Auch wenn das Budgetrecht ein wesentlicher Teil der gesetzgebenden Gewalt der Parlamente ist, folgt zumindest nicht aus dem Demokratieprinzip, daß es auch exklusiv den Parlamenten zustehen muß. Dementsprechend ist die Aufnahme von Bestimmungen in die Verfassung (Bayern) im Wege der Volksgesetzgebung für zulässig erachtet worden, die beträchtliche Auswirkungen auf den Staatshaushalt haben und das Budgetrecht des Parlaments „tiefgreifend beeinträchtigen“. Wenn das Volk den Willen habe, die Verfassung dahingehend zu verändern, so könne man ihm das nicht verwehren.259 4. Zwischenergebnis Die begehrte Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW ist mit den Anforderungen des Grundgesetzes zu vereinbaren.260 Sie verstößt weder gegen das Demokratieprinzip noch gegen das Rechtsstaatsprinzip. Besondere finanzrecht257

BayVerfGH, BayVBl. 1995, S. 173, 205 (206). BayVerfGH, BayVBl. 1985, S. 14 (15); 1986, S. 77 (80); 1986, S. 139 (141); 1995, S. 173, 205 (206). 259 Fessmann, BayVBl. 1976, S. 389 (394). 260 Auch Dästner führt Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW nicht bei den als unabänderbar bezeichneten Materien auf (Art. 69 Rn. 4). 258

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liche Anforderungen, von denen auch durch Verfassungsänderung nicht abgewichen werden darf, sind nicht verletzt. VI. Vereinbarkeit mit dem Haushaltsgrundsätzegesetz Auch das Haushaltsgrundsätzegesetz kommt als Maßstab für die Zulässigkeit der begehrten Streichung in Betracht. Es handelt sich zwar nur um ein „einfaches“ Bundesgesetz und nicht um höherrangiges Recht, wie die Bezeichnung vermuten läßt,261 doch geht auch einfaches Bundesrecht, soweit es einschlägig ist, Landesverfassungsrecht vor. Die Kompetenz des Bundes, auch für das Finanzwesen der Länder zwingende Vorschriften zu erlassen, ergibt sich aus Art. 109 Abs. 3 GG.262 Die Bindungswirkung für die Länder spricht § 1 HGrG noch einmal ausdrücklich aus. Eine Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW ist dann mit dem Haushaltsgrundsätzegesetz nicht zu vereinbaren, wenn das Gesetz ausdrücklich derartige Vorbehaltsklauseln in den Landesverfassungen verlangt. Das ist indes nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist aber zu erwägen, ob nicht auch dann ein Verstoß gegen das Haushaltsgrundsätzegesetz vorliegen kann, wenn das Gesetz die Behandlung der in Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW genannten Materien zwingend der plebiszitären Mitwirkung entzieht. Es ist aber bereits zu bezweifeln, daß daraus die Pflicht der Länder folgt, entsprechende Vorbehaltsklauseln in ihren Verfassungen zu haben. Ein Volksbegehren, das insoweit nicht in Einklang mit dem Haushaltsgrundsätzegesetz stünde, wäre unzulässig, ohne daß es einer Vorbehaltsklausel bedürfte. Wie auch im übrigen, wäre lediglich in jedem Einzelfall die Vereinbarkeit eines Volksbegehrens mit (höherrangigem) Bundesrecht zu prüfen. Das Gesetz enthält namentlich in Abschnitt I und II seines ersten Teils eine Fülle von Pflichten, die bei der Haushaltsaufstellung zu beachten sind, doch vermeidet das Gesetz sorgfältig, einen bestimmten Adressaten zu nennen. Sie wen261 Als einfaches Bundesgesetz bindet es aber den Bundesgesetzgeber und namentlich den Haushaltsgesetzgeber nicht ohne weiteres. Nicht entscheidend ist, daß zahlreiche Regeln des Gesetzes von den zuständigen Ministerien aus Bund und Ländern „ausgehandelt“ worden sind, die das Parlament anschließend nur noch „ratifiziert“ hat. Das Institut einer „paktierten“ Gesetzgebung ist dem Grundgesetz fremd, auch wenn Art. 109 Abs. 3 GG von „gemeinsam geltenden Grundsätzen“ spricht. Diese Wendung kann lediglich bedeuten, daß der Bund derartige Grundsätze für die Länder nur aufstellen darf, wenn sie auch für ihn gelten. Eine mittelbare Bindung tritt allenfalls über das Zustimmungserfordernis des Art. 109 Abs. 3 GG ein. Zustimmung des Bundesrates ist aber etwas anderes als Zustimmung der Länder. Allerdings gibt es zahlreiche Versuche, doch eine Bindung des Bundeshaushaltsgesetzgebers zu konstruieren, die aber dogmatisch meist alles andere als überzeugend sind, vgl. dazu Siekmann, in: Sachs, Art. 109 Rn. 38 ff. 262 In diesem Sinne auch Grawert, Verfassung, Art. 81 Anm. 2.

2. Zur Verfassungsmäßigkeit einer Streichung von Art. 68 I 4 VerfNRW

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det sich neutral lediglich an „die Gesetzgebung des Bundes und der Länder“.263 Ein bestimmtes Gesetzgebungsorgan ist nicht genannt. Damit respektiert das Gesetz die Organisationshoheit der beteiligten Staaten. Aber auch Teil II, der Vorschriften enthält, die „einheitlich und unmittelbar gelten“ sagt nichts zu Finanzvorbehalten zugunsten des Parlamentsgesetzgebers. VII. Vereinbarkeit mit ungeschriebenem Recht 1. Die Erforderlichkeit von Finanzvorbehaltsklauseln als Satz des „gemeindeutschen“ Verfassungsrechts Möglicherweise gibt es jedoch einen übergreifenden Satz des Verfassungsrechts, daß Finanzfragen und eventuell die öffentlichen Abgaben nicht Gegenstand der Volksgesetzgebung sein dürfen. Dafür spricht die weite Verbreitung dahingehender Vorbehaltsklauseln im gegenwärtigen und früheren Landesstaatsrecht.264 Es ist indes außerordentlich fraglich, ob daraus auch eine den verfassungsändernden Gesetzgeber bindende Norm abgeleitet werden kann. Ausgangspunkt könnte die Deutung der Vorbehaltsklauseln als positivrechtlicher Ausdruck eines allgemein geltenden Prinzips sein. Die Idee eines übergreifenden „gemeindeutschen“ Verfassungsrechts fand zwar lange Zeit in Deutschland großen Anklang und findet sich immer noch gelegentlich in Rechtsprechung265 und Schrifttum266. Ihre Berechtigung hatte die Idee aber im wesentlichen nur in der besonderen staatsrechtlichen Situation Deutschlands im 19. Jahrhundert, als es keine gesamtdeutsche Verfassung (mehr) gab. Spätestens als Franz II. von Habsburg im Jahre 1806 die deutsche Kaiserkrone niederlegte, hatte das Sacrum Imperium Romanum wohl aufgehört zu existieren und damit auch seine Verfassungsordnung. Der nachfolgend geschaffene Deutsche Bund konnte und sollte nicht an seine Stelle treten. Übrig geblieben waren souveräne Fürsten und Territorien, die zum Teil keine geschriebene Verfassung besaßen. Diese Lücke wurde mit der Hilfskonstruktion eines (ungeschriebenen) gemeindeutschen Verfassungsrechts (Staats263

Wörtlich: „Teil I. Vorschriften für die Gesetzgebung des Bundes und der Länder“. Oben unter V. 3. b) c). 265 Vom Bundesverfassungsgericht noch in BVerfGE 4, 250 (276) anerkannt. 266 Namentlich wird das Landesverfassungsrecht als „Entwicklungsfaktor“ für ein „gemeindeutsches Verfassungsrecht“ angesehen, vgl. Häberle, JZ 1969, S. 613 (617 Fn. 51): in vielen Ländern sind Grundsätze formuliert, die als „allgemeine“ Prinzipien auf das Bundesverfassungsrecht einwirken können und sich zu „gemeindeutschem Verfassungsrecht verdichten“; Schmitt Glaeser/Horn, BayVBl. 1994, S. 289; s. a. Kühne, NdsVBl. 1995, S. 25, der von „gemeindeutschen Standards“ (S. 25), „gemeindeutscher Ausführungsbandbreite“ (S. 28) oder „gemeindeutschem Gleichklang“ (S. 29) spricht, wenn auch in etwas anderem Zusammenhang. 264

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II. Verfassungsrecht

rechts), das aus geschriebenen und verbreiteten Einzelvorschriften destilliert wurde, teilweise ausgefüllt.267 Ihre normative Bindungskraft für die Gesetzgebung blieb aber dubios,268 zumal sich in Deutschland nicht einmal die (nordamerikanische) Idee von der Höherrangigkeit des (geschriebenen) Verfassungsrechts durchzusetzen vermochte. Schon von diesem Ausgangspunkt her ist es kaum möglich, aus einer Zusammenschau von Vorschriften des Landesverfassungsrechts eine allgemein bindende Norm abzuleiten. Zudem steht einer derartigen Vorgehensweise das Kodifikationsprinzip des Art. 69 Abs. 1 Satz 1 Verf. NW entgegen, das mit der Regelung in Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG auf Bundesebene übereinstimmt. Es verlangt, daß sich die Gesamtheit des Verfassungsrechts aus dem Text der Verfassung ergeben muß. „Nebenverfassungen“ sind verboten.269 Das gilt zumindest für das geschriebene Verfassungsrecht. Im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung darf sich Verfassungsrecht nicht mehr in anderen Gesetzen als der für das entsprechende Gebiet geltenden Verfassung befinden, auch wenn es mit den für eine Verfassungsänderung erforderlichen Mehrheiten beschlossen worden ist. Regeln, die in anderen Landesverfassungen niedergelegt sind, können deshalb im Ergebnis nicht dazu führen, daß der verfassungsändernde Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen gebunden wird. 2. Sonstiges ungeschriebenes Verfassungsrecht Wenn der Rechtssatz, der die Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW verbieten soll, jedoch dem Bundesverfassungsrecht zuzuordnen wäre, stellt sich die Frage etwas anders. Er könnte prinzipiell Bindungswirkung auch gegenüber dem verfassungsändernden Gesetzgeber auf Landesebene entfalten. Allerdings müßte das ungeschriebene Verfassungsrecht des Bundes tatsächlich einen Rechtssatz mit diesem Inhalt enthalten, und es stellt sich erneut die Frage der Vereinbarkeit mit dem Kodifikationsprinzip, diesmal aus Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG. a) Fraglichkeit der Anerkennung als Quelle von Verfassungsrecht Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG kann durchaus so verstanden werden, daß er als Quelle für Verfassungsrecht des Bundes nur das Grundgesetz zuläßt. Verfassungsrecht müßte immer geschriebenes Verfassungsrecht sein und der einzige erlaubte Text wäre das Grundgesetz. Eine so strenge Deutung ist indes nicht allgemeine Meinung. 267 Vgl. Zoepfl, Staatsrecht I, S. 130, der es als das „historisch-gemeine Staatsrecht“ bezeichnet. 268 Zurückhaltend Maurenbrecher, § 6, der das allgemeine Staatsrecht als „nirgends unmittelbar practisch“ ansieht, das „blos in der Wissenschaft existiert“. Nur das Staatsrecht des „einzelnen deutschen Staats“ sei das „wirklich geltende Staatsrecht“. 269 Lücke, in: Sachs, Art. 79 Rn. 1, 4.

2. Zur Verfassungsmäßigkeit einer Streichung von Art. 68 I 4 VerfNRW

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Die Frage nach der Anerkennung von ungeschriebenem Verfassungsrecht und von Verfassungsgewohnheitsrecht hat die Staatsrechtslehre nicht nur zur Zeit der Weimarer Republik, sondern frühzeitig auch schon unter Geltung des Grundgesetzes bewegt.270 Die Antworten reichen von einer klaren Verneinung271 bis zur uneingeschränkten Zustimmung.272 Richtig dürfte im Hinblick auf die in Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG getroffene Regelung eine starke Zurückhaltung sein, ohne aber das Rechtsinstitut völlig zu verwerfen.273 Auch das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach die „clausula rebus sic stantibus“ als „ungeschriebenen Bestandteil des Bundesverfassungsrechts“ anerkannt.274 Es darf aber keinesfalls dazu dienen, sich unter Berufung auf ungeschriebenes Verfassungsrecht über geschriebenes Verfassungsrecht hinwegzusetzen.275 Auch Verfassungsgewohnheitsrecht muß auf eine Marginalfunktion beschränkt bleiben.276 Stern verlangt für die Existenz einer Norm des nicht-geschriebenen Verfassungsrechts zudem die Billigung des Bundesverfassungsgerichts.277 Legt man diese Maßstäbe zugrunde, kann es kaum einen (ungeschriebenen) Rechtssatz geben, der rangmäßig dem Bundesrecht zuzuordnen ist und die Existenz von Finanzvorbehalten im Landesverfassungsrecht zu Lasten des Volksgesetzgebers zwingend vorschreibt. Doch soll dieser Frage noch weiter nachgegangen werden. b) Der ungeschriebene Grundsatz der Bundestreue Das Bundesverfassungsgericht hat schon frühzeitig einen „ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz der Bundestreue“ anerkannt.278 Danach haben die Länder ebenso wie der Bund die verfassungsrechtliche Pflicht, dem „Wesen“ des sie verbindenden verfassungsrechtlichen „Bündnisses“ entsprechend zusammenzuwirken und zu seiner Festigung und Wahrung der „wohl verstandenen“ Belange des Bundes und seiner Länder beizutragen. Er hat vor allem im Bereich der konkur270 Sie war schon Thema der Tagung der Deutschen Staatsrechtslehrer im Jahre 1951 mit den Referaten von E. v. Hippel und A. Voigt (VVDStRL Heft 10 [1952], S. 1 ff. und 33 ff.). 271 Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, 1972. 272 Bachof, Verfassungswidrige Verfassungsnormen?, 1951; A. Voigt, VVDStRL Heft 10 (1952), S. 37 f., 47 f., 50 f. 273 In diesem Sinne Stern, Staatsrecht I, S. 111. 274 BVerfGE 34, 216 (231); 42, 345 (358). 275 Vgl. Hesse, Grundzüge, Rdn. 34. Nicht sicher ist, ob die Unterscheidung zwischen nichtgeschriebenem Verfassungsrecht „contra-constitutionem“ und „intra-constitutionem“ die Bryde vorschlägt (Verfassungsentwicklung, 1982, S. 446 ff.) als allgemeine Richtschnur geeignet ist; dafür aber Stern, Staatsrecht I, S. 111. 276 Stern, Staatsrecht I, S. 110; ders., Staatsrecht II, S. 580, aber eher im Sinne einer Zustandsbeschreibung. 277 Stern, Staatsrecht I, S. 112. 278 BVerfGE 1, 299 (315); 8, 104 (138).

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II. Verfassungsrecht

rierenden Gesetzgebung, aber auch der ausschließlichen Bundesgesetzgebung, sein Hauptanwendungsgebiet.279 Die Konstruktion ist durchaus dogmatisch angreifbar. Das zeigt nicht zuletzt der Rückgriff auf Begriffshülsen, wie „Wesen“ und „wohl verstandene“ Eigeninteressen. Aus dem Wesen der Dinge läßt sich alles deduzieren, was vorher hineingelegt wurde, und wenn das Interesse der Betroffenen gegen ihren Willen gewahrt werden soll, gibt das immer Anlaß zu größter Vorsicht. Meist geht es schlicht um die Durchsetzung von Standpunkten gegen den Widerstand der Betroffenen, ohne dafür eine Rechtsgrundlage zu haben. Ungeachtet dieser tiefgreifenden Bedenken muß für praktische Zwecke damit gerechnet werden, daß sowohl das Bundesverfassungsgericht280 als auch die Verfassungsgerichte der Länder281 bei Bedarf ohne Zögern auf die Figur der Bundestreue zurückgreifen werden. In der Sache dürfte die weite Verbreitung von Finanzvorbehaltsklauseln282 aber kaum ausreichen, um aus Gründen der „Bündnistreue“ verlangen zu können, daß kein Land innerhalb der Bundesrepublik auf eine derartige Klausel verzichtet. Dafür sind sie viel zu heterogen. Auch machen die oben (II.) angeführten Sachgründe ihre Existenz für die Funktionsfähigkeit des föderativen Systems nicht unabdingbar. c) Gewohnheitsrecht Schließlich ist noch an Verfassungsgewohnheitsrecht zu denken, dessen Existenz nicht völlig auszuschließen ist.283 Allerdings sind die Voraussetzungen für seine Entstehung nicht erfüllt.284 Die längere tatsächliche Übung mag für die Finanzvorbehalte gegeben sein. Diese Übung muß aber von allen Beteiligten als Befolgung einer verbindlichen Rechtsnorm anerkannt sein. Daran fehlt es aber. 3. Zwischenergebnis Im Ergebnis sind also keine Rechtssätze des ungeschriebenen Rechts zu finden, die einer Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW entgegenstehen.

279

BVerfGE 42, 103 (117 f.); 43, 291 (348 f.). Beispiele: BVerfGE 1, 299 (315); 8, 104 (138); 42, 103 (117 f.); 43, 291 (348 f.). 281 Beispiele: VerfGH NW, NVwZ 1982, S. 188 (189); StGH Bad.-Württ., DÖV 1986, S. 794 (795). 282 Oben III. 1. a). 283 Stern, Staatsrecht I, S. 111. 284 Darstellung der Voraussetzungen bei BVerfGE 34, 293 (303 f.). 280

2. Zur Verfassungsmäßigkeit einer Streichung von Art. 68 I 4 VerfNRW

331

VIII. Zusammenfassung und Ergebnisse 1.

Die Streichung von Art. 68 Abs. 1 Satz 4 Verf. NW berührt das Budgetrecht des Parlaments und das Recht der Exekutive zu Haushaltsinitiative nur in seinen tatsächlichen Auswirkungen. Die Rechtsposition von Parlament und Regierung bleibt unangetastet.

2.

Die Verfassung von Nordrhein-Westfalen enthält keinen ausdrücklichen Rechtssatz, der es dem verfassungsändernden Gesetzgeber verwehrt, die Streichung vorzunehmen.

3.

Übergreifende Prinzipien, die entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Jedenfalls sind sie nicht verletzt.

4.

Auch mit den Anforderungen des Grundgesetzes an die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern wäre die Streichung zu vereinbaren.

5.

Das Prinzip der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie gilt nicht unmittelbar für den verfassungsändernden Landesgesetzgeber. Jedenfalls ist es nicht verletzt.

6.

Den spezialgesetzlichen Anforderungen von Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG ist auch nach einer Streichung noch Rechnung getragen.

7.

Das Demokratieprinzip steht nicht entgegen, auch wenn es Anforderungen an die Funktion von Repräsentationsorganen enthalten sollte.

8.

Ebensowenig kann dem Rechtsstaatsprinzip ein Rechtssatz entnommen werden, der einer Streichung entgegensteht. Gewaltenteilungsfragen sind nur am Rande berührt.

9.

Die Vorschriften des Haushaltsgrundsätzegesetzes werden nicht tangiert.

10. Dem ungeschriebenen Verfassungsrecht kann kein Rechtssatz entnommen werden, der die Streichung ausschließt.

3. Finanzzuweisungen des Bundes an die Länder auf unklarer Kompetenzgrundlage* Der Bund darf nicht nach Belieben die Finanzierung von Länderaufgaben übernehmen. Die Lastenverteilungsregel des Art. 104a Abs. 1 GG knüpft die Finanzierungskompetenz an die Verwaltungskompetenz. Sie enthält ein Verbot, fremde Aufgaben ganz oder teilweise zu finanzieren. Ungeschriebene Finanzierungszuständigkeiten des Bundes darf es danach nicht geben. Allerdings kann sich eine solche Zuständigkeit des Bundes aus ungeschriebenen Verwaltungszuständigkeiten ergeben, wenn und soweit derartige Zuständigkeiten anerkannt werden können. Mangels entsprechender geschriebener oder ungeschriebener Verwaltungszuständigkeiten steht dem Bund keine Kompetenz zur flächendeckenden Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen und von kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen im Land Berlin sowie von Finanzhilfen zur Ausstattung von beruflichen Schulen mit Informationstechnologie und für ein „Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ zu. Entsprechende Programme sind mit der finanzverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung nicht vereinbar. I. Ausgangslage In den ersten beiden Jahrzehnten des Bestehens der Bundesrepublik Deutschland war ein weitverzweigtes und nur schwer zu durchschauendes Geflecht von Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern entstanden. Es bestand aus Finanzzuweisungen des Bundes an die Länder, mehr oder weniger rechtlich selbständigen Finanzierungsfonds und der Etablierung von Programmen und Einrichtungen, für die weder der Bund noch die Länder eine klare Finanzverantwortung hatten1. Dieser Wildwuchs fand im Wesentlichen keine Grundlage in der geschriebenen Finanzverfassung, so wie sie in Abschnitt X des Grundgesetzes über das Finanzwesen niedergelegt worden war2. Man sprach deshalb von einer zwei* Erstveröffentlichung in: DÖV 2002, S. 629–639. 1 Dazu kritisch bereits Köttgen, Fondsverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland, 1965, S. 34 ff.; Darstellung des Meinungsstands bei Müller-Volbehr, Fonds- und Investitionshilfekompetenz des Bundes, 1975, S. 24 ff.; zur Problematik ferner Kratzsch, Die Zuständigkeit des Bundes zur Aufgabenförderung durch Ermessenszuschüsse an Bund, Länder und Private nach dem Grundgesetz, Diss. Köln 1966. 2 Vgl. Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 1999, Art. 104a Rn. 2.

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ten oder „apokryphen“ Finanzverfassung. Verfassungswirklichkeit und normativer Anspruch klafften hier besonders weit auseinander. Hinzu trat, dass der Bund nicht uneigennützig Aufgaben der Länder finanzierte, sondern damit durchaus auch eigene Sachziele verfolgte. Es war eine Herrschaft mit dem „goldenen Zügel“, die nicht unerheblich auch gegen die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen in Abschnitt VII und der Verwaltungskompetenzen in Abschnitt VIII des Grundgesetzes verstieß. Beanstandet wurde vor allem, dass der Bund sich einzelner, überregional bedeutsamer Länder und Kommunalaufgaben annahm, mit seinen Förderangeboten und Dotationsauflagen „steuernd und gestaltend auf die Art und Intensität der Aufgabenerfüllung“ einwirkte sowie mittelbar über die komplementär von den Ländern bereitzustellenden Mittel („Interessenquoten“) in die Mitteldisposition der Länder eingriff. Mit der „großen“ Finanzreform der Jahre 1967 und 19693, die durch das Gutachten der „Troeger-Kommission“ 4 vorbereitet worden war, sollte dieser Wildwuchs möglichst weitgehend beseitigt werden. Die im „kooperativen Föderalismus“ 5 unabdingbaren Verflechtungen von Bund und Ländern sollten geordnet und auf eine solide finanzverfassungsrechtliche Grundlage gestellt werden. Dies geschah im Wesentlichen durch die Änderung von Art. 109 GG und durch die Einfügung von Art. 104a GG sowie von Art. 91a und b GG. Vom Grundgesetz zugelassene Mischfinanzierungstatbestände sind danach die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und b GG sowie Geldleistungen nach Art. 104a Abs. 3 GG und Finanzhilfen nach Art. 104a Abs. 4 GG6. Im Jahr 1998 belief sich das Volumen der danach bewegten Finanzmittel auf insgesamt 56,65 Mrd. DM. Der Gesamtumfang der Mischfinanzierungstatbestände betrug 38,9 Mrd. DM und 32,7 Mrd. DM ohne die Zahlungen im Zusammenhang mit Geldleistungsgesetzen7. Darüber hinaus können auch noch die Zahlungen im Rahmen von Art. 120 GG (Kriegsfolgelasten, Lasten der Sozialversicherung) und von Art. 120a GG (Lastenausgleich) sowie von Art. 106 Abs. 8 GG als von der Verfassung vorgesehene Mischfinanzierungstatbestände angesehen werden. 3 15., 20. und 21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 8.06.1967 (BGBl. I, S. 581) und v. 12.05.1969 (BGBl. I, S. 357, 359); dazu BT-Drs. 5/890, S. 1686, 2861, 3605, 3896. 4 Kommission für die Finanzreform, Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1966. 5 Grundlegend Hesse, Der unitarische Bundesstaat, 1962; ders., in: Festschrift für Gebhard Müller, 1970, S. 141; Kisker, Kooperation im Bundesstaat, 1971. 6 Vom BVerfG zutreffend nun auch in das finanzverfassungsrechtliche System des Grundgesetzes zur „Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat“ mit einbezogen, BVerfGE 101, 158 (225). 7 Vgl. Petersen/Anton/Bork, Mischfinanzierungen im deutschen Länderfinanzausgleich, 2001, S. 5, 14, bei denen auch die relativen Positionen der einzelnen Länder nach Durchführung der verschiedenen Stadien des Finanzausgleichs zusammengestellt sind (S. 8 f.); anders die Abgrenzung bei Arndt, Finanzausgleich und Verfassungsrecht, 1997.

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Trotz der von ihm vielfach beklagten Finanznot versucht der Bund in jüngster Zeit wieder verstärkt, Einrichtungen und Programme zu finanzieren, deren Gegenstände möglicherweise in den exklusiven Aufgabenbereich der Länder fallen und für die sie die Finanzierungsverantwortung tragen8. In diesem Zusammenhang sind namentlich zu nennen: – die flächendeckende Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen,9 – Finanzhilfen zur Ausstattung von berufsbildenden Schulen,10 – Mittel für ein „Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“,11 – Förderung kultureller Einrichtungen und Veranstaltungen im Land Berlin12. II. Programme 1. Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen Es wurde erwogen, das Kindergeld im Jahr 2002 nicht so stark zu erhöhen und stattdessen erstmals Bundesmittel für die Schaffung von mehr Kinderbetreuungsplätzen bereitzustellen. Jeder zusätzliche Kindergartenplatz soll mit einem Betrag im fünfstelligen Bereich gefördert werden. Damit soll nicht nur ein Teil der Investitionskosten abgedeckt werden, sondern auch eine Unterstützung der Länder und Gemeinden bei den Betriebskosten erfolgen. Wenn der Bund nunmehr Kinderbetreuungseinrichtungen finanziell fördern will, soll auf diese Weise zumindest ein Teil der vom Bundesverfassungsgericht zuletzt in seinem Urteil vom 19.01.1999 konstatierten verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zur Verbesserung der finanziellen Situation von Familien erfüllt werden. Die Überlegungen gehen dahin, die Ausweitung des Angebots an Kinderbetreuungseinrichtungen 8 Vgl. Hense, DVBl. 2000, S. 376 (379): „hat sich [. . .] ein kulturföderales Mischfinanzierungssystem entwickelt, dessen Abhängigkeit schaffende Gefahren die Länder offensichtlich nicht nur billigend in Kauf genommen haben [. . .], sondern gleichsam zur Voraussetzung für eigenes kulturelles Engagement machen“. Der Gesamtbetrag der Zuweisungen und Zuwendungen an Länder und Gemeinden, ist allerdings nach einem Höchststand von 33,05 Mrd. DM im Jahr 1992 auf 11,43 Mrd. DM im Jahr 2000 gefallen. Für 2001 und die folgenden Jahre sieht die Planung aber wieder einen (leichten) Anstieg auf knapp 12 Mrd. DM vor, vgl. Finanzbericht 2002, Tabelle 5, und eigene Berechnungen. 9 Berliner Zeitung v. 20.01.2001. 10 Der Name des Programms lautet: „Zukunftsinvestitionen für berufliche Schulen 2001–2002“. Vorgesehen ist ein Finanzvolumen von 175 Mio. DM für 2001 und von 80 Mio. DM für 2002, insgesamt also 255 Mio. DM; Umsetzung im Bundeshaushaltsplan 2002: Kapitel 3003, Titel 882 97. 11 Pressemitteilung Nr. 263 v. 27.02.2001; Übersicht über die Einzelprogramme unter www.buendnis-toleranz.de; Umsetzung im Bundeshaushaltsplan 2002: Kapitel 0635 Titel 532 02; Kapitell 1702, Titel 684 14, 686 02, 686 03. 12 Vertrag v. 17.05.2000.

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(teilweise) an die Stelle der für 2002 vorgesehenen 2. Stufe der Kindergelderhöhung treten zu lassen. Damit werden zwei Gegenstände miteinander verknüpft, die möglicherweise im Hinblick auf ihre kompetenzmäßige Zuordnung unterschiedlich zu beurteilen sind: die unmittelbare (finanzielle) Unterstützung der Personen, die für Kinder zu sorgen haben, auf der einen Seite und ihre mittelbare Unterstützung durch Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen auf der anderen Seite. 2. Finanzhilfen zur Ausstattung von beruflichen Schulen Der Bund will aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung den Ländern Finanzhilfen für die Ausstattung von beruflichen Schulen mit moderner Informationsund Kommunikationstechnik einschließlich der dafür erforderlichen Infrastruktur und Software gewähren (§ 1 der Vereinbarung). Dafür sollen den Ländern im Jahr 2001 Mittel in Höhe von 175 Mio. DM und im Jahr 2002 in Höhe von 80 Mio. DM zugewiesen werden (§ 2 der Vereinbarung). Die Verteilung auf die einzelnen Länder soll nach ihrem jeweiligen Schüleranteil erfolgen. Damit soll eine „technologische Lücke“ im schulischen Teil der Berufsausbildung geschlossen werden. Die Länder verpflichten sich, die gewährten Mittel nicht zur Ersetzung ihrer eigenen Aufwendungen für derartige Investitionen zu verwenden (§ 5 Abs. 3 der Vereinbarung). 3. Mittel für ein „Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ Die Bundesregierung hat für dieses Programm zusätzlich zu den bereits für die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit bei Jugendlichen bereitgestellten 65 Mio. DM weitere 30 Mio. DM zur Verfügung gestellt. Diese Mittel sollen in Maßnahmen der politischen Bildung fließen. Schwerpunkte sollen die verstärkte Unterstützung der Jugendbildungsarbeit, die Initiierung von lokalen Projekten sowie von Informationsveranstaltungen gegen Rechts sein. Darüber hinaus soll in diesem Zusammenhang ein Programm „Xenos“ eingerichtet werden, das arbeitsmarktbezogene Maßnahmen mit Aktivitäten zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz verbinden soll. Mit dem weiteren Programm „Civitas“ soll der Rechtsextremismus speziell in den neuen Bundesländern bekämpft werden. 4. Förderung kultureller Einrichtungen und Veranstaltungen im Land Berlin Der Bund hatte schon die ehemalige Bundeshauptstadt und jetzige Bundesstadt Bonn zur Wahrnehmung von besonderen Aufgaben der gesamtstaatlichen Repräsentation aufgrund verschiedener Abkommen finanziell unterstützt. Ähnlich ver-

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fährt er jetzt bei der neuen Hauptstadt Berlin. Die Förderung kultureller Einrichtungen und Veranstaltungen erfolgte aufgrund des Vertrags vom 17. Mai 2000, der in Ausführung von Art. 3 Abs. 2 des „Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Berlin“ vom 30. Juni 1994 („Hauptstadtfinanzierungsvertrag“)13 zur Kulturfinanzierung „zunächst für das Jahr 2000“ geschlossen worden ist14. Für das Jahr 2000 wurde dem Land Berlin darin ein Betrag von 100 Mio. DM zugewiesen (§ 1). Davon ist ein Teilbetrag von 80 Mio. DM bestimmt zur Finanzierung von Einrichtungen, „die für die kulturelle Ausstrahlung der Bundeshauptstadt besondere Bedeutung haben“. Dazu sollen nach § 2 Abs. 1 des Vertrags namentlich zu rechnen sein: – Deutsche Oper Berlin, – Deutsche Staatsoper Berlin, – Philharmonisches Orchester Berlin, – Schauspielhaus/Konzerthaus, – Deutsches Theater/Kammerspiele, – Haus der Kulturen der Welt, – Jüdisches Museum. Im Gegenzug verpflichtete sich das Land, dafür Sorge zu tragen, dass diese Einrichtungen „auf einem kulturellen und künstlerisch hohen Niveau geführt werden und international konkurrenzfähig sind“ (§ 2 Abs. 3 des Vertrags). Am 13. Juni 2001 wurde ein Anschlussvertrag mit gleichem jährlichen Finanzvolumen (100 Mio. DM) für die Jahre 2001 bis 2004 geschlossen15. In § 2 Abs. 1 dieses Vertrags wurde der Teilbetrag von 80 Mio. DM (40,904 Mio. Euro) in leichter sprachlicher Abwandlung zur Förderung von Einrichtungen „von nationaler Bedeutung“ in der Bundeshauptstadt bereitgestellt. Nach § 2 Abs. 2 übernimmt der Bund unter Einsatz von 36,127 Mio. DM (18,472 Mio. Euro) die alleinige institutionelle Förderung folgender Einrichtungen: – Stiftung Jüdisches Museum, – Berliner Festspiele GmbH, – Haus der Kulturen der Welt GmbH, – Martin-Gropius-Bau GmbH i.G.

13 Dokumente zur Bundeshauptstadt Berlin, Presse- und Informationsamt des Landes Berlin (Hrsg.), August 1994, S. 134. 14 Nicht veröffentlicht. 15 Drs. 14/96 des Abgeordnetenhauses von Berlin. Als Gesamtbetrag kultureller Leistungen an Berlin und Bonn sind veranschlagt für 2001: 234,5 Mio. DM und für 2002: 238,1 Mio. DM (Kapitel 0405, Titelgruppe 08).

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In einer Protokollnotiz zum Vertrag wurden Landesanteile zahlenmäßig spezifiziert benannt. Spezielle Regelungen sind für die „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ getroffen worden. Der Bund beteiligt sich mit 43,873 Mio. DM (22,432 Mio. Euro) an dem Anteil des Landes (!) an den Bauinvestitionen für die Stiftung (§ 2 Abs. 6 des Vertrags). In einer weiteren Protokollnotiz ist festgehalten, dass der Bund außerhalb des Vertrags weitere 25 Mio. DM (12,782 Mio. Euro) jährlich in den Jahren 2001 bis 2010 für den Landesanteil an den Bauinvestitionen zahlt, die auf den Finanzierungsanteil des Landes anzurechnen sind. Weitere konkrete Einrichtungen sind nicht benannt, so dass insoweit dem Land ein weiterer Entscheidungsspielraum zustehen dürfte. Im übrigen werden dem Hauptstadtkulturfonds jährlich 20 Mio. DM (10,226 Mio. Euro) für Projekte und Veranstaltungen zur Verfügung gestellt. Aus diesem Fonds sollen für Berlin als Bundeshauptstadt bedeutsame Einzelmaßnahmen und Veranstaltungen gefördert werden, die „nationale oder internationale Ausstrahlung haben oder besonders innovativ“ sind (§ 3 Abs. 1 und 2 des Vertrags). Die im Hauptstadtfinanzierungsvertrag im übrigen genannten Projekte, die gefördert werden sollen, betreffen ganz überwiegend Investitionen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur (Art. 3 Abs. 1 des Hauptstadtfinanzierungsvertrags) und Ergänzungszuweisungen zur Abgeltung von Sonderlasten des Landes im Sinne von Art. 106 Abs. 8 GG. III. Lastenverteilungsgrundsatz Bund und Länder haben gesondert die Ausgaben zu leisten, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben (Art. 104a Abs. 1 GG). Diese Aufteilung der Finanzierungsverantwortung auf Bund und Länder hat nicht nur das Gebot zum Inhalt, die finanziellen Lasten im Bereich der jeweiligen Wahrnehmungszuständigkeit zu tragen, sondern auch das Verbot, fremde Aufgaben zu finanzieren16. Eine Gebietskörperschaft darf sich nicht außerhalb ihrer Aufgabenzuständigkeit an den Kosten beteiligen, die der Gebietskörperschaft einer anderen Ebene bei der Erfüllung allein von ihr nach der verfassungsmäßigen Zuständigkeitsordnung wahrzunehmender Aufgaben entstehen17. Namentlich ist es dem

16 BVerwGE 81, 312 (314); Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 104a (1977) Rn. 25; v. Arnim, HdbStR IV, § 103 Rn. 41 f.; Siekmann (Anm. 2), Rn. 12; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl. 1999, Art. 104a Rn. 8; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 3, Art. 104a Rn. 11, 17; J.-P. Schneider, in: Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Reihe Alternativkommentare), 3. Aufl. 2001, Art. 104a Rn. 5: „grundsätzliches Verbot von Fremdoder Mischfinanzierungen“. 17 BVerwGE 81, 312 (314).

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Bund untersagt, in Bereichen als Zuwendungsgeber aufzutreten, die in die Aufgabenverantwortung der Länder fallen18. Auch ist jede Form der Mischfinanzierung grundsätzlich unzulässig19. Dasselbe gilt für das Fondswesen20. Bei bloß faktischer Überschneidung von Aufgaben, wie im Zusammenhang von Verkehrswegekreuzungen, wird eine anteilmäßige Finanzierung als zulässig und geboten angesehen. Entsprechendes soll für die Zusammenarbeit im Bereich der Leistungsverwaltung (Daseinsvorsorge) gelten. Eine Abstimmung im Einzelfall über die „sich überschneidenden Wahrnehmungszuständigkeiten“ soll zulässig sein21. Vereinbarungen über eine Aufteilung der Lasten nach Maßgabe der jeweiligen Aufgabenzuständigkeit sind jedoch nicht unbedenklich22. Fragwürdig ist auch die gemeinsame Errichtung und Finanzierung von öffentlichen Einrichtungen (z. B. Großforschungseinrichtungen, Personenverkehr)23, auch wenn dies durch Gründung von Gesellschaften des privaten Rechts geschieht, an der sowohl der Bund als auch ein oder mehrere Länder beteiligt sind. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen auch im Verhältnis des Bundes zu den Gemeinden24, die in Übereinstimmung mit den anderen Abschnitten des Grundgesetzes von der Finanzverfassung als Bestandteile der Länder und ihres Verfas-

18 BGH, NJW 1987, S. 1627; Vogel/Kirchhof, in: Dolzer/Vogel (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 104a (1971) Rn. 66; K. Stadler, BayVBl. 1969, S. 297 (302); Holch, DÖV 1970, S. 841 f.; Scheuner, DÖV 1972, S. 585 (587); Kisker (Anm. 5), S. 43 f.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, S. 1138; Keilmann, in: Piduch/Dreßler, Bundeshaushaltsrecht, Art. 104a Rn. 32 (1999). 19 BVerfGE 26, 338 (390 f.); BVerwGE 44, 351 (364); 102, 119 (124); BGH, NJW 1987, S. 1625 (1627); Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GrundgesetzKommentar, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 104a Rn. 3; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 6. Aufl. 2001, Art. 104a Rn. 3; Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Bd. 3, 4. Aufl. 2001, Art. 104a Rn. 32, 52; Heun (Anm. 16), Rn. 17. Keine Mischfinanzierung soll dann vorliegen, wenn Bund und Länder eine „gemeinschaftliche Aufgabe“ auch gemeinsam finanzieren, BVerfGE 26, 338 (391). 20 Stern (Anm. 18), S. 1138, 1141; Vogel/Kirchhof (Anm. 18), Rn. 66. 21 BVerwGE 81, 312 (314); Brockmeyer (Anm. 16), Rn. 8; z. T. a. A. K. Vogel, HdbStR IV, § 87 Rn. 25 f.; Pieroth (Anm. 19), Rn. 3, der das auch für die Kostenaufteilung im öffentlichen Personenverkehr annimmt; insoweit krit. Fromm, NVwZ 1992, S. 536 (538). 22 Eine Kompetenzverschiebung ist auch mit Zustimmung der Beteiligten nicht zulässig, vgl. BVerfGE 32, 145 (156); 39, 96 (109); BVerwG, NJW 1976, S. 1468 (1469); Carl, DÖV 1986, S. 581, 585. 23 Das BVerwG hält Erstattungen und vertragliche Vereinbarungen über eine Kostenaufteilung im Bereich sich „überschneidender Wahrnehmungszuständigkeiten“ für zulässig, BVerwGE 81, 312 (314); weitere Einzelheiten Fromm, NVwZ 1992, S. 536. 24 BVerfGE 86, 148 (215); BVerwGE 44, 351 (364); 98, 18 (21); Pieroth (Anm. 19), Rn. 2.

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sungsrechtskreises behandelt werden25. Nur die Länder sind die „föderalistischen Partner“ des Bundes26. Von dieser strikten Trennung und Verteilung der Finanzierungszuständigkeiten darf nur abgewichen werden, wenn und soweit das Grundgesetz selbst Ausnahmen vorsieht27. Derartige Ausnahmen sind vor allem die Finanzierung von Geldleistungen, die aufgrund eines Bundesgesetzes von den Ländern erbracht werden (Art. 104a Abs. 3 GG), und die Gewährung von Finanzhilfen durch den Bund für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und der Gemeinden nach Art. 104a Abs. 4 GG. Eine Sonderregelung gegenüber den Grundsätzen von Art. 104a Abs. 1 GG enthält auch Art. 120 GG für die finanziellen Lasten der Kriegsfolgen und der gesetzlichen Sozialversicherung. Ob auch die finanzielle Beteiligung des Bundes an den Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91a Abs. 4 GG sowie Art. 91b GG) und am Lastenausgleich (Art. 120a GG) echte Ausnahmen von der Grundregel darstellen28, ist nicht sicher. Es dürfte sich schon um eine ausnahmsweise vom Grundgesetz zugelassene Mischverwaltung handeln, die auch nach Art. 104a Abs. 1 GG gemeinsam finanziert werden darf. Vereinzelt ist im Schrifttum dieser Kanon der zugelassenen Durchbrechungen der Grundregel von Art. 104a Abs. 1 GG als nicht abschließend beurteilt worden. Namentlich könne Art. 104a Abs. 4 GG „außerhalb seiner Tatbestände kein generelles Verbot zur Finanzierung von Länderaufgaben durch den Bund“ entnommen werden. Vor allem seien die über Art. 104a Abs. 4 GG hinausgehenden traditionellen Formen der Fondsfinanzierung durch die materielle Normierung der Investitionshilfekompetenz weder unmöglich gemacht noch eingeengt worden29. Im Ergebnis soll dann aber doch eine zumindest ungeschriebene Verwaltungskompetenz erforderlich sein, um Mittel für eine subventionierende oder zuschussgewährende Fondsverwaltung bereitzustellen. In diesem Fall darf der Bund allerdings auch schon nach der Grundregel von Art. 104a Abs. 1 GG als Finanzier auftreten. Im Übrigen wäre kaum nachvollziehbar, warum der Verfassungsgeber ausgefeilte Ausnahmetatbestände normiert, wenn an diesen vorbei doch freizügig finanziert werden dürfte. Die ursprünglich vieldiskutierten „ungeschriebenen Finanzierungszuständigkeiten“ 30 entpuppen sich daher bei genauer Betrachtung als 25 BVerfGE 86, 148 (215): „Im Bundesstaat des Grundgesetzes stehen sich Bund und Länder und die Länder untereinander gegenüber; die Kommunen sind staatsorganisatorisch den Ländern eingegliedert.“ 26 BVerfGE 39, 96 (122); 41, 291 (310 ff.). 27 Vogel/Kirchhof (Anm. 18), Rn. 66; Brockmeyer (Anm. 16), Rn. 3, 6. 28 Für Art. 91a GG als lex specialis gegenüber Art. 104a Abs. 1 GG: Pieroth (Anm. 19), Art. 91a Rn. 1; Art. 120a Abs. 1 GG als Ermächtigung zur Einführung von Mischverwaltung: Jarass, in: Jarass/Pieroth (Anm. 19), Art. 120a Rn. 2. 29 Müller-Volbehr (Anm. 1), S. 85. 30 Vgl. BT-Drs. V/2861, Tz. 73; Fischer-Menshausen (Anm. 19), Art. 104a Rn. 9 f.; Sturm, DÖV 1968, S. 473; Oppermann, DÖV 1972, S. 596; Lücke, DÖV 1977, S. 497 ff.; krit. oder abl. B. Tiemann, Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern in

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Problem ungeschriebener Verwaltungszuständigkeiten im Bereich der gesetzesfreien Verwaltung31. IV. Sachkompetenz des Bundes? 1. Geschriebene Regeln Die genannten Maßnahmen sind keine Gesetzgebungsakte, sondern bewegen sich im Bereich der Verwaltung. Verwaltung ist grundsätzlich Sache der Länder. Nur wenn und soweit das Grundgesetz etwas anderes bestimmt oder vorsieht, kommt eine Kompetenz des Bundes in Betracht. Das ergibt sich für die gesetzesvollziehende Verwaltung aus Art. 83 GG und im Übrigen aus Art. 30 GG. Das Begriffspaar „Ausübung staatlicher Befugnisse“ und „Erfüllung staatlicher Aufgaben“ in Art. 30 GG ist nicht im Sinne von obrigkeitlicher, gesetzesgebundener Verwaltung zu verstehen32. Es umfasst vielmehr auch die gesetzesfreie und auch bloß gewährende Verwaltung33. Der nicht ganz eindeutige Wortlaut von Art. 83 GG ist darüber hinaus dahin gehend zu deuten, dass er für den Gesetzesvollzug in zweifacher Weise ein Regel-Ausnahme-Verhältnis normiert: Zum einen weist die Vorschrift die Residualkompetenz im Bund-Länder-Verhältnis den Ländern zu. Zum anderen legt sie als Regelfall der Verwaltungsform die Landeseigenverwaltung fest34. Ausnahmen sieht das Grundgesetz für die hier zu beurteilenden Aktivitäten nicht vor. Weder handelt es sich um Gegenstände der obligatorischen Bundesverwaltung nach Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG (Auswärtiger Dienst, Bundesfinanzverwaltung, Bundeswasserstraßen, Schifffahrt)35 noch um solche der fakultativen Bundesverwaltung nach Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG (Bundesgrenzschutz, Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen, für die Kriminalpolizei und für den Verfassungsschutz und zur Abwehr von Bestrebungen, welche ausverfassungsrechtlicher Sicht, 1970, S. 143; eindeutig K. Vogel, HdbStrR IV, § 87 Rn. 26 a. E.; Vogel/Kirchhof (Anm. 18), Rn. 61; Stern (Anm. 18), S. 1146; Heun (Anm. 16), Rn. 12; Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bd. 3, Art. 104a Rn. 149 („unhaltbar geworden“). 31 K. Vogel, Finanzverwaltung und politisches Ermessen, 1972, S. 25; ders., HdbStR IV, § 87 Rn. 25; Maunz (Anm. 16), Rn. 16; Stern (Anm. 18), S. 1146; v. Arnim, HdbStR IV, § 103 Rn. 54; Brockmeyer, in: Festschrift für Franz Klein, 1994, S. 633 (636); ders. (Anm. 16), Art. 30 Rn. 7, Art. 104a Rn. 3; Heun (Anm. 16), Rn. 12; im Ausgangspunkt wohl auch Fischer/Menshausen (Anm. 19), Art. 104a Rn. 9. 32 So aber noch H. Peters, in: Festgabe für E. Kaufmann, 1950, S. 294 f., 298. 33 Vgl. BVerfGE 12, 205 (246); 22, 180 (217): „Art. 30 GG gilt sowohl für die gesetzesakzessorische wie für die ,gesetzesfreie‘ Erfüllung staatlicher Aufgaben“; Maunz, in: Maunz/Dürig (Anm. 16), Art. 30 (1982) Rn. 7; Köttgen (Anm. 1), S. 40. 34 Pieroth (Anm. 19), Art. 83 Rn. 9. 35 Die auswärtige Kulturpolitik des Bundes wird auf Art. 73 Nr. 1 i.V. m. Art. 32 GG und auf Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG gestützt, vgl. Hense, DVBl. 2000, S. 376 (378).

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wärtige Belange der Bundesrepublik gefährden). Namentlich gehören Programme zur „Abwehr von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ nicht zum Schutz vor den in Art. 87 Abs. 1 S. 2 letzte Alternative GG genannten Bestrebungen. Sie sind auf Bestrebungen mit erheblichen – insbesondere terroristischen – Gewalttätigkeiten beschränkt36. Entscheidend ist jedoch, dass das Programm, soweit bisher bekannt, nicht die Errichtung einer Zentralstelle zum Gegenstand hat. Dafür ist aber nur die Bundeskompetenz eingeräumt. Auch sind die in den Sondervorschriften der Art. 87a–f, 88–90 GG geregelten Materien erkennbar nicht betroffen. Ebenso wenig geht es um die Errichtung von neuen Bundesoberbehörden oder von bundeseigenen Mittel- und Unterbehörden im Sinne von Art. 87 Abs. 3 GG. Da die Verwaltungskompetenz nicht weiter als die Gesetzgebungskompetenz reichen kann37, sei noch darauf hingewiesen, dass auch die Gesetzgebungskompetenz des Bundes insoweit zweifelhaft oder nicht gegeben ist. Die Errichtung und der Betrieb von Museen (Jüdisches Museum, Stiftung Preußischer Kulturbesitz) können nicht auf die Kompetenz zur Schaffung national bedeutsamer Archive oder Bibliotheken zur Förderung wissenschaftlicher Forschung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG gestützt werden38. Entsprechendes gilt im Ergebnis vor allem auch für die Kinderbetreuungseinrichtungen. Als Kompetenztitel kommt dafür allein Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG in Betracht. Der dort genannte Begriff „öffentliche Fürsorge“ soll „nicht eng“ auszulegen sein39. Er umfasst auch vorbeugende Maßnahmen, um Notlagen nicht erst entstehen zu lassen40. Dazu soll nicht nur die Jugendfürsorge im engeren Sinne, sondern auch die Jugendpflege41 und der Jugendschutz42, insbesondere auch in den Medien, zu rechnen sein. Deutlich darüber hinausgehend hat nunmehr das Bundesverfassungsgericht auch die Kindergartenbetreuung darunter gefasst43. Die im Fürsorgebegriff vorausgesetzte Hilfsbedürftigkeit oder die Abwendung ihres Eintritts ist aber für diese Materien kaum noch begründbar44, jedenfalls nicht für die Kindergartenbetreuung. 36 Lerche, in: Maunz/Dürig (Anm. 16), Art. 87 (1992) Rn. 146; Sachs, in: Sachs (Anm. 2), Art. 87 Rn. 46. 37 BVerfGE 12, 205 (229); 15, 1 (16); 78, 374 (386); 102, 167 (174): „[. . .] bezeichnet die Gesetzgebungskompetenz des Bundes die äußerste Grenze für seine Verwaltungsbefugnisse“. 38 Hense, DVBl. 2000, S. 376 (378). 39 BVerfGE 88, 203 (329); 97, 332 (341). 40 BVerfGE 88, 203 (329 f.). 41 BVerfGE 22, 180 (212); 97, 332 (341). 42 BVerfGE 31, 113 (117). 43 BVerfGE 97, 332 (341). 44 Vgl. Lerche, Verfassungsfragen um Sozialhilfe und Jugendwohlfahrt, 1963, S. 21 ff.; Degenhart, in: Sachs (Anm. 2), Art. 74 Rn. 33.

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Wenn man alle vorbeugenden Maßnahmen, die lediglich einer abstrakten Gefahr für das körperliche, geistige und sittliche Wohl von Jugendlichen entgegenwirken sollen, für die Annahme „öffentlicher Fürsorge“ ausreichen lässt, wie es das Bundesverfassungsgericht postuliert45, ist eine sinnvolle Eingrenzung der Bundeskompetenzen kaum mehr möglich. Das gilt namentlich für die Kindergartenbetreuung, für die das Bundesverfassungsgericht anführt, dass sie den Eltern bei der Erziehung helfe, die Kinder fördere und schütze sowie dazu beitrage, positive Lebensbedingungen für Familien mit Kindern zu schaffen. Für das spätere Sozialverhalten der Kinder sei die Kindergartenbetreuung als „erste Betreuung außerhalb des Elternhauses in hohem Maße prägend“. Damit werde der „präventiven Konfliktverhütung gedient“ 46. Das mag in der Sache zutreffen, doch ist das keine hinreichende Begründung für die Bundeskompetenz. Die Aussagen treffen für alle Bildungseinrichtungen zu, die nicht lediglich der Erwachsenenbildung dienen. Ein so weit verstandener Begriff der „öffentlichen Fürsorge“ überantwortet große Teile der „Kulturhoheit“ der Länder, die den Kern der ihnen noch verbliebenen Kompetenzen ausmacht47, fast vollständig dem Belieben des Bundes. Er dürfte freizügig Regelungen im Kultur- und Bildungsbereich erlassen, soweit sie nur die schulische, vorschulische oder jugendpflegerische Betätigung des Staates oder freier Träger betreffen. Damit wäre der Weg zu der bisher allgemein abgelehnten „allgemeinen Bildungskompetenz“ des Bundes eröffnet48. Das Bundesverfassungsgericht leugnet nicht, dass der Kindergarten eine Bildungseinrichtung im elementaren Bereich ist. Das ist auch einfachgesetzlich in § 22 Abs. 2 SGB VIII und in den Landeskindergartengesetzen anerkannt49. Der Schwerpunkt des Kindergartenwesens, von dem die Bestimmung der Gesetzgebungskompetenz abhänge50, sei nach wie vor eine „fürsorgende Betreuung“ mit dem Ziel einer Förderung sozialer Verhaltensweisen und damit präventiver Konfliktvermeidung. Der vorschulische Bildungsauftrag müsse dahinter zurücktre45

BVerfGE 97, 332 (341). Ebd. 47 Anerkennung der „Kulturhoheit der Länder“ als Kernstück ihrer Eigenstaatlichkeit: BVerfGE 6, 309 (346 f.); 12, 205 (229). Den Ländern muss ein „Kern“ eigener Aufgaben als „Hausgut“ unentziehbar verbleiben, vgl. BVerfGE 34, 9 (19 f.); 87, 181 (196). 48 Vgl. Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Bd. 2, 4. Aufl. 2000, Art. 74 Rn. 75. Eine Bundeskulturpolitik ist allerdings seit einiger Zeit in der Diskussion, vgl. Hense, DVBl. 2000, S. 376 ff. 49 Beispielsweise ordnet § 2 Abs. 1 S. 1 des Zweiten Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder – GTK) des Landes Nordrhein-Westfalen v. 29.10.1991 (GVBl. NW S. 380) an: „Der Kindergarten ist eine sozialpädagogische Einrichtung und hat neben der Betreuungsaufgabe einen eigenständigen Erziehungs- und Bildungsauftrag als Elementarbereich des Bildungssystems.“ 50 BVerfGE 97, 228 (251 f.). 46

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ten51. Diese Aussage war schon zur Zeit der Entscheidung hochproblematisch, ist aber spätestens seit den Erkenntnissen der „PISA-Studie“ unhaltbar. Kindergärten und sonstige Kinderbetreuungseinrichtungen erfüllen einen besonders wichtigen Bildungsauftrag. Dementsprechend steht die bloße „Verwahrung“ im Sinne des Bundesverfassungsgerichts schon seit Jahrzehnten in nahezu allen Industriestaaten nicht mehr im Vordergrund der Tätigkeit vorschulischer Einrichtungen. Auch in Deutschland wird man sich dieser Erkenntnis nicht mehr verschließen können. Daher muss die Jugendpflege unter Ausschluss von Einrichtungen mit allgemeinem Bildungsauftrag auf die Förderung des Wohls der Jugendlichen durch verwahrende und beschäftigende Maßnahmen, wie die Förderung der Jugendverbände bei der Abhaltung von Freizeiten, Veranstaltungen zur politischen Bildung, internationaler Begegnungen, der Ausbildung und Fortbildung ihrer Mitarbeiter und der Errichtung und Unterhaltung von Jugendheimen, Freizeitstätten und Ausbildungsstätten, beschränkt bleiben52. Kindergärten haben einen allgemeinen Bildungsauftrag zu erfüllen, so dass es nicht möglich ist, sie unter den Begriff der „öffentlichen Fürsorge“ zu fassen, mag er auch noch so weit verstanden werden. Sie werden daher nicht von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG umfasst53. An erster Stelle ist daher die Finanzierung von Einrichtungen und Programmen in den Bereichen Kultur und Bildung (Ausstattung beruflicher Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen, Förderung kultureller Veranstaltungen und Einrichtungen in Berlin) betroffen, deren Verwaltung den Ländern überlassen geblieben ist. Auch bloße Mitentscheidungsrechte des Bundes sind nur in den ausdrücklich von Art. 91a und b GG, Art. 104a Abs. 3 und 4 GG sowie Art. 108 GG erfassten Konstellationen zulässig. Davon abgesehen ist Art. 30 GG ein Verbot der Mischverwaltung zu entnehmen54. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder Wert auf die Feststellung gelegt, dass „in dem betont föderativ gestalteten Bundesstaat des Grundgesetzes“ „die Verfassungsbereiche des Bundes und der Länder grundsätzlich selbständig 51

BVerfGE 97, 332 (342). So die ursprüngliche Abgrenzung von BVerfGE 22, 180 (213) in einer 4:3-Entscheidung. 53 So im Erg. auch BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 81 (82 ff.); Maunz, in: Maunz/Dürig (Anm. 16), Art. 74 (1984) Rn. 116; Isensee, DVBl. 1995, S. 1 (5 f.); Degenhart, in: Sachs (Anm. 2), Art. 74 Rn. 33; Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 74 Rn. 340; deutlich: Kunig, in: v. Münch/Kunig (Anm. 19), Art. 74 Rn. 34; Rengeling, HdbStR IV, § 100 Rn. 154; wohl auch Oeter (Anm. 48): a. A. BVerfGE 97, 332 (341 f.); VerfG Sachs.Anh., LVerfGE 9, 390 (399 f.); BVerwG v. 14.02.1995, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 73, S. 27; OVG Berlin, NJW 1982, S. 954; OVG NW, NVwZ 1995, S. 191 (192); NVwZ 1995, S. 195. 54 Vgl. Pieroth (Anm. 19), Art. 30 Rn. 10; a. A. Seer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Anm. 18), Art. 108 (1999) Rn. 117 Fn. 562 unter Berufung vor allem auf BVerfGE 63, 1 (38). 52

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nebeneinander“ stehen55. Auch die Verwaltungsräume des Bundes und der Länder stehen grundsätzlich getrennt nebeneinander56. Diese Trennung verlangt eine klare Aufteilung der Aufgabenerfüllung durch Bund und Länder. Die gesondert zugewiesenen Aufgaben sind selbständig und eigenverantwortlich zu erfüllen57. Diese Grundsätze sind nicht zuletzt eine Folge der allgemein anerkannten Staatsqualität der Länder58 und der Tatsache, dass Kompetenzzuweisungen nicht zur Disposition der Betroffenen stehen59. Eine naheliegende Folgerung aus diesen Grundannahmen ist dann das weithin postulierte Verbot der Mischverwaltung60. Seine Geltung ist allerdings in jüngerer Zeit insgesamt in Frage gestellt worden61. Jedenfalls dann, wenn die Verfassung selbst derartige Verwaltungsformen vorsehe oder gestatte, sei dagegen nichts einzuwenden62. Richtig ist, dass es sich nur um einen Grundsatz handelt, der durchbrochen werden kann. Gleichwohl ist daran festzuhalten, dass jede institutionelle Vermischung und Verbindung und jede Zusammenarbeit bei der Aufgabenerledigung im Einzelfall Ausnahme bleiben muss und einer besonderen Rechtfertigung bedarf 63. Fraglich kann allein

55 BVerfGE 64, 301 (317), unter Berufung auf die st. Rspr.: BVerfGE 4, 178 (189); 6, 376 (381 f.); 22, 267 (270); 41, 88 (118); 60, 175 (209), wo zum Teil auch von „Verfassungsräumen des Bundes und der Länder“ gesprochen wird, die einander selbständig gegenüberstehen. In BVerfGE 96, 345 (368) findet sich eine leichte Abschwächung durch Weglassen von „betont“. 56 So Stern (Anm. 18), S. 832. 57 BVerfGE 63, 1 (41): „Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung“ durch „eigene Verwaltungseinrichtungen – mit eigenen personellen und sächlichen Mitteln“; Isensee, HdbStR IV, § 98 Rn. 63, 94, 183 f.; wohl auch Heun (Anm. 16), Art. 91a Rn. 1. 58 BVerfGE 1, 14 (18, 34); 13, 54 (75); 22, 267 (270); 34, 9 (19 f.); 36, 342 (360 f.); 60, 175 (207); 72, 330 (383, 388 f.); Isensee, HdbStR IV, § 98 Rn. 64–68 m.w. N. 59 Deutlich ausgesprochen von BVerfGE 63, 1 (39); ebenso BVerfGE 41, 291 (311) speziell für Finanzhilfen. 60 Vgl. BVerfGE 11, 105 (124); 32, 145 (156); 39, 96 (108 f., 120); 41, 291 (311); BVerwGE 4, 24 (29); 18, 333 (334); Isensee, HdbStR IV, § 98 Rn. 179, 183 f.; Erbguth, in: Sachs (Anm. 2), Art. 30 Rn. 13; Brockmeyer (Anm. 16 ), Art. 30 Rn. 2 a; umfassende Erörterung des Problems bei Loeser, Die Mischverwaltung, Diss. Göttingen 1973; Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, 1975; Lerche, in: Maunz/Dürig (Anm. 16), Art. 83 (1983) Rn. 85 ff. 61 Das BVerfG hat im Jahr 1983 – unter Abweichung von seiner früheren st. Rspr. – den Begriff der „Mischverwaltung“ als bloß verwaltungswissenschaftliche Kennzeichnung bezeichnet, der nichts über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit aussage, BVerfGE 63, 1 (38); zust. Blümel, HdbStR IV, § 101 Rn. 121, m. zahlr. Nachw. für die immer noch herrschende Gegenansicht in Fn. 730; zu apodiktisch Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bd. 3, Art. 91a Rn. 7 („anachronistisch“ „eigentümlich deplaziert“, „Paradigmenwechsel zum ,kooperativen‘ Föderalismus“). Ob das von ihm propagierte „neue Leitbild“ nicht in Wahrheit schon wieder veraltet ist, bleibt unerörtert. 62 So im Ergebnis auch Isensee, HdbStR IV, § 98 Rn. 184; Seer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Anm. 18), Art. 108 (1999) Rn. 117 Fn. 562. 63 BVerfGE 63, 1 (41).

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sein, ob jeder sachliche Grund ausreicht oder ob er eine verfassungsunmittelbare Grundlage haben muss64. Möglicherweise lassen sich Finanzierungskompetenzen aber aus ungeschriebenen Rechtssätzen ableiten. 2. Ungeschriebene Bundeszuständigkeiten a) Begrenzte Anerkennung Ungeschriebene Finanzierungskompetenzen bestehen als solche nicht. Wenn von solchen Kompetenzen gesprochen wird, kann das nur als verkürzte Bezeichnung für die Finanzierung im Bereich ungeschriebener Verwaltungskompetenzen des Bundes anerkannt werden. Es ist daher zu untersuchen, ob derartige Kompetenzen dem Bund über die Grundregel des Art. 104a Abs. 1 GG die Finanzierung der zu prüfenden Vorhaben erlauben. Zunächst ist daran festzuhalten, dass eine „anderweitige Regelung“ zur Begründung einer Zuständigkeit des Bundes eine ausdrückliche Zuweisung voraussetzt65. Immerhin kann die Wendung „zulässt“ in Art. 30 GG aber so verstanden werden, dass ausnahmsweise auch ungeschriebene Zuständigkeiten anzuerkennen sind. Derartige Zuständigkeiten wären aber kaum mit der fundamentalen Bedeutung einer eindeutigen Kompetenzverteilung im Bundesstaat zu vereinbaren66. Etwas anderes mag für die davon zu unterscheidenden „stillschweigend“ mitgeschriebenen Zuständigkeiten gelten, die durch Auslegung zu ermitteln sind67. Derartige Zuständigkeiten sind „kraft Sachzusammenhangs“ 68 oder aus der „Natur der Sache“ 69 bejaht worden. Zum Teil wird auch von einer Annex-Kom64 Allein die zweite Variante wollte das Bundesverfassungsgericht wohl nur zurückdrängen, wenn es ausführt: „Es gibt keinen allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach Verwaltungsaufgaben ausschließlich vom Bund oder von den Ländern wahrzunehmen sind, sofern nicht ausdrückliche verfassungsrechtliche Regeln etwas anderes zulassen.“ Primär wendet es sich nur gegen die Ausnahmslosigkeit der Rechtfertigungsbedürftigkeit und will statt dessen prüfen, ob gegen einzelne Vorschriften des Grundgesetzes verstoßen worden ist, BVerfGE 63, 1 (40). 65 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1994, S. 675. 66 Gubelt, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 30 Rn. 14 m.w. N. 67 BVerfGE 11, 6 (17 f.); Stern (Anm. 65), S. 676; Gubelt (Anm. 66), Rn. 15 f. m.w. N. 68 BVerfGE 4, 74 (84); 12, 205 (237); 15, 1 (20); 98, 265 (299); Gubelt (Anm. 66), Rn. 19; Brockmeyer (Anm. 16), Art. 30 Rn. 7; ausdrücklich offengelassen in BVerfGE 3, 407 (421). 69 BVerfGE 11, 89 (98 f.); 12, 205 (251); 22, 180 (216 f.); Stern (Anm. 65), S. 676; ähnlich Gubelt (Anm. 66), Rn. 18 m.w. N.; Brockmeyer (Anm. 16), Art. 30 Rn. 7. Die Berufung auf BVerfGE 11, 6 (17) ist nicht unproblematisch, da dort von einer anderen Zuständigkeitsregelung die Rede ist, die „stillschweigend“ vom Grundgesetz zugelassen ist.

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petenz gesprochen70. Sie sind generell abzulehnen71. Wenn man sie jedoch mit der Rechtsprechung und der h. M. anerkennt, können sie nur in Ausnahmefällen angenommen werden72. Bloße Zweckmäßigkeit oder mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit der Länder reicht als Rechtfertigung nicht aus73. b) Gesamtstaatliche Repräsentation und Wirtschaftsförderung Das sog. Flurbereinigungsabkommen zwischen Bund und Ländern aus dem Jahr 1971 ist bloßer Entwurf geblieben, da die Länder von einer Unterzeichnung abgesehen haben. Der Bund legt es gleichwohl für seine Förderpraxis zugrunde, so dass es erhebliche praktische Bedeutung gewonnen hat74. Ein derartiges Abkommen kann aber keinesfalls Kompetenzzuweisungen des Grundgesetzes modifizieren. Sie stehen eben nicht zur Disposition der Betroffenen. § 1 Abs. 1 des Abkommens sieht eine Förderkompetenz des Bundes vor allem für Zwecke der „gesamtstaatlichen Repräsentation“ (Nr. 1) und für „Maßnahmen der Wirtschaftsförderung, die sich auf das Wirtschaftsgebiet des Bundes als Ganzes“ beziehen (Nr. 5), vor. Im Ergebnis ist eine derart weitgehende Förderkompetenz aber kaum mit der trennscharfen und abschließenden Regelung in Art. 104a Abs. 1 GG zu vereinbaren. So pauschal lassen sich ungeschriebene Verwaltungszuständigkeiten des Bundes nicht bejahen. Die weit darüber hinausgehende Staatspraxis ist noch bedenklicher75. Vor allem das Eindringen des Bundes in den Zuständigkeitsbereich der Länder für kulturelle Angelegenheiten, gestützt auf den Gesichtspunkt der gesamtstaatlichen Repräsentation, ist weithin nicht mehr von einer ungeschriebenen Bundeskompetenz der „Natur der Sache“ oder des „Sachzusammenhangs“ gedeckt76. Es muss sehr viel genauer begründet wer70

Vgl. BVerfGE 8, 143 (149 f.). Siekmann (Anm. 2), Rn. 4. 72 BVerwGE 98, 18 (23): verneint für das Personalausweiswesen; sehr zurückhaltend im Ausgangspunkt auch BVerfGE 98, 265.(299): „Ungeschriebene Gesetzgebungskompetenzen des Bundes sind dagegen nur in äußerst engen Grenzen anerkannt.“; Brockmeyer (Anm. 16), Art. 30 Rn. 7; Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein, Bd. 3, 4. Aufl. 2001, Art. 104a Rn. 147. 73 BVerfGE 3, 407 (421); 12, 205 (251). 74 Näher Keilmann (Anm. 18) Rn. 16 ff. mit Abdruck des Textes als Anlage 1 des Anhangs; Brockmeyer (Anm. 16), Art. 30 Rn. 8: „interne Richtschnur“; K. Vogel, HdbStR IV, § 87 Rn. 26; Maunz (Anm. 16), Rn. 17: „gewisse Richtschnur für die Praxis“. 75 K. Vogel, HdbStR IV, § 87 Rn. 26; Maunz (Anm. 16), Rn. 17; Brockmeyer (Anm. 16), Art. 30 Rn. 9. 76 In der Tendenz ebenso Maunz (Anm. 16), Rn. 17; Brockmeyer (Anm. 16), Art. 30 Rn. 9; ders. (Anm. 31), S. 643 ff., mit zahlreichen Beispielen aus der Staatspraxis; skeptisch auch Hense, DVBl. 2000, S. 376 (379). Huber, in: Sachs (Anm. 2), Art. 22 Rn. 5, will aus Art. 22 GG eine ausschließliche Bundeskompetenz für die Planung und Gestaltung „nationaler Identifikationsobjekte“ ableiten. Dazu sollen das Reichstagsge71

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den, warum aus Gründen der gesamtstaatlichen Repräsentation das Tätigwerden des Bundes im Kompetenzbereich der Länder erforderlich ist. Allerdings hatte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Jugendwohlfahrtsgesetz einen weitherzigen Standpunkt eingenommen und solche Fördermaßnahmen von einer ungeschriebenen Verwaltungskompetenz als gedeckt angesehen, die der „Aufgabe nach eindeutig überregionalen Charakter haben“. Es müsse sich „um Bestrebungen handeln, die ihrer Art nach nicht durch ein Land wirksam gefördert werden“ können77. Die Wendung vom „eindeutig überregionalen Charakter“ einer Aufgabe darf aber nicht dazu führen, die im Übrigen aufgestellten Eingrenzungen zu ignorieren: Die Schlussfolgerung aus der Natur der Sache muss begriffsnotwendig sein und „eine bestimmte Lösung unter Ausschluss anderer Möglichkeiten sachgerechter Lösung zwingend fordern“ 78. Sie müssen die eigentlichen Maßstäbe für die Beurteilung der Zulässigkeit von Maßnahmen des Bundes bilden79. Ein Übergreifen in eine nicht ausdrücklich dem Bund zugewiesene Verwaltungskompetenz muss die unerlässliche Voraussetzung für die Wahrnehmung einer ausdrücklich zugewiesenen Kompetenz sein80. Für die flächendeckende Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen, für die Finanzhilfen zur Ausstattung von berufsbildenden Schulen und für die Mittel für ein „Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ ist diese zwingende Verbindung indes nicht gegeben. Die Förderung kultureller Einrichtungen und Veranstaltungen im Land Berlin mag noch als unerlässlich für die Ausübung von Regierungsfunktionen, namentlich auch der Außendarstellung, angesehen werden. Sie wäre danach Wahrnehmung eigener, ungeschriebener Zuständigkeiten des Bundes. Die Förderung der Ausstattung von beruflichen Schulen mit Informations- und Kommunikationstechnologie weist auch einen Bezug zur gesamtstaatlichen Wirtschaftsförderung auf und könnte möglicherweise entsprechend § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Entwurfs eines Flurbereinigungsabkommens eine (ungeschriebene) Bundeskompetenz gestützt werden. Erforderlich wäre allerdings nach der Protokollnotiz zu dieser Stelle, dass es sich um Maßnahmen handelt, die die Sorge für die Gebäude und die Neue Wache in Berlin ebenso wie die Stätten kollektiver und überregionaler Erinnerung gehören. Eines Rückgriffs auf die Kompetenz „kraft Natur der Sache“ bedürfe es dafür nicht. 77 BVerfGE 22, 180 (217). 78 BVerfGE 12, 205 (237); 22, 180 (217). 79 Brockmeyer (Anm. 31), S. 638. 80 BVerfGE 12, 205 (237); Brockmeyer (Anm. 31), S. 638; Schulze-Fielitz, NJW 1991, S. 2456 (2457); der eine Förderung der in Berlin gelegenen kulturellen Einrichtungen nur dann als zulässig ansieht, wenn sie für die Erfüllung von Hauptstadtaufgaben unerlässlich sind, „im Zweifel verfassungswidrig“ (S. 2459); restriktiv auch Hellermann (Anm. 72).

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samtwirtschaft zwingend erfordert, wie die Sicherstellung der Energieversorgung und des Schiffbaus. Soweit eine sachgerechte Erledigung der Aufgabe nach Art. 104a Abs. 4 GG möglich ist, soll sie aber in jedem Fall ausgeklammert sein81. Auch wenn die Verbesserung der beruflichen Ausbildung eine gesamtwirtschaftliche Komponente aufweisen sollte, ist ihre Wahrnehmung durch den Bund keineswegs zwingend für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Die bloße Wünschbarkeit oder Nützlichkeit reicht nicht aus. Es kommt noch ein Weiteres hinzu: Die flächendeckende Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen und die Finanzhilfen zur Ausstattung von berufsbildenden Schulen sind so konstruiert, dass nicht der Bund seine eigenen Tätigkeiten finanziert, sondern den Ländern Mittel für ihre Realisierung zur Verfügung stellt, die zum Teil ihrerseits eigene Mittel beisteuern. Damit nimmt der Bund aber keine eigene Verwaltungskompetenz wahr. Er darf dann auch nicht über die Grundnorm des Art. 104a Abs. 1 GG finanzieren, sondern nur über eine der Ausnahmeregelungen wie Art. 104a Abs. 4 GG. c) Zusammenfallen mit Landeszuständigkeiten Gemischte Kommissionen mit Entscheidungsbefugnissen, wie etwa in § 4 des Kulturfördervertrags für Berlin, sind ebenfalls nicht unproblematisch. Echte Kompetenzüberschneidungen, die eine derartige Vorgehensweise rechtfertigen könnten, sind mit dem Grundsatz lückenloser und strikter Kompetenzabgrenzung82 kaum zu vereinbaren. Dieses Prinzip wird man aber nicht in aller Konsequenz durchhalten können, namentlich nicht bei ungeschriebenen Zuständigkeiten, die nicht so klar und strikt abgegrenzt werden. Wenn eine ungeschriebene Verwaltungszuständigkeit mit der daraus folgenden Finanzierungszuständigkeit des Bundes besteht, bedeutet das wohl nicht, dass es sich um eine ausschließliche Kompetenz handelt, welche die Landeszuständigkeit verdrängt. Kennzeichnend für derartige Kompetenzen des Bundes ist vielmehr, dass sie neben die fortbestehende Landeszuständigkeit tritt. Namentlich im kulturellen Bereich sind die Verwaltungs- und damit Finanzierungszuständigkeiten des Bundes, wenn sie bestehen, kaum als exklusiv denkbar. Dementsprechend sieht § 2 Abs. 1 des Flurbereinigungsabkommens auch vor, dass zwischen dem Bund und der zuständigen Landesregierung die Finanzierung durch Übereinkommen geregelt wird, wenn und soweit eine Maßnahme, für deren Förderung der Bund zuständig ist, auch in die Zuständigkeit des Landes fällt, in dem sie durchgeführt wird83.

81 82 83

Brockmeyer (Anm. 31), S. 648. Vgl. Erbguth, in: Sachs (Anm. 2), Art. 30 Rn. 17. Brockmeyer (Anm. 31), S. 640; a. A. Schulze-Fielitz, NJW 1991, S. 2456 (2457).

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d) Zwischenergebnis Die flächendeckende Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen, die Finanzhilfen zur Ausstattung von berufsbildenden Schulen sowie die Mittel für ein „Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ fallen also nicht in die Verwaltungskompetenz des Bundes. Nach der allgemeinen Lastenverteilungsregel des Art. 104a Abs. 1 GG sind damit finanzielle Zuwendungen des Bundes an die Länder insoweit nicht zulässig, es sei denn, einer der im Grundgesetz vorgesehenen Ausnahmetatbestände ist erfüllt.

V. Finanzierungskompetenz nach Art. 104a GG Die untersuchten Programme und Vereinbarungen haben bis auf das „Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ Zahlungen des Bundes an die Länder zum Gegenstand. Geldleistungsgesetze im Sinne von Art. 104 Abs. 3 GG sind aber nicht angesprochen. Deshalb ist ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit primär nach Art. 104a Abs. 4 GG zu beurteilen. Die im Rahmen des Programms „Zukunftsinvestitionen für berufliche Schulen 2001–2002“ zu gewährenden Finanzhilfen sind denn auch ausdrücklich auf diese Vorschrift gestützt (§ 1 Abs. 1 des Abkommens). 1. Sachliche Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Finanzhilfen nach Art. 104a Abs. 4 S. 1 GG Die Mitfinanzierung von Länderaufgaben durch den Bund nach dieser Vorschrift unterscheidet sich grundlegend dadurch vom Zusammentreffen ungeschriebener Verwaltungs- und Finanzierungskompetenzen mit fortbestehenden Landeskompetenzen, dass insoweit der Bund keine eigenen Verwaltungskompetenzen wahrnimmt und allein aufgrund dieser Ausnahmevorschrift zur Finanzierung ermächtigt wird. a) Erfasste Leistungen Erfasst sind nur Zuweisungen, also Geldzahlungen an Stellen innerhalb der öffentlichen Verwaltung (des öffentlichen Sektors). Empfänger sind die Länder84. Es muss sich um Leistungen für konkrete Projekte oder Projektarten handeln. Diese Voraussetzungen sind jedenfalls bei den Finanzhilfen zur Ausstattung von berufsbildenden Schulen und bei der Förderung kultureller Einrichtungen und Veranstaltungen im Land Berlin erfüllt. 84

Siekmann (Anm. 2), Rn. 41.

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b) Verwendungszweck Art. 104a Abs. 4 GG gestattet die Finanzhilfen des Bundes nur für engbegrenzte Zwecke. Sie müssen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und der Gemeinden oder Gemeindeverbände bestimmt sein. Unter Investitionen sind hier Sachinvestitionen einschließlich der Förderung von Sachinvestitionen zu verstehen85. Die geförderten Investitionen müssen auch besonders bedeutsam sein. Das ist dann der Fall, wenn sie „in Ausmaß und Wirkung ein besonderes Gewicht haben“ 86. Diese Voraussetzung ist beispielsweise bejaht worden bei den notwendigen Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden und bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus87. aa) Förderung von Sachinvestitionen Die Finanzhilfen im Rahmen des Programms „Zukunftsinvestitionen für berufliche Schulen 2001–2002“ sollen zunächst für die Ausstattung mit modernen Geräten der Informationstechnik gewährt werden (§ 1 Abs. 2, 1. und 3. Alternative des Abkommens). Dabei handelt es sich fraglos um Sachinvestitionen. Darüber hinaus sollen sie jedoch auch für Software einschließlich Lernsoftware sowie für die mit den Investitionen verbundenen Dienstleistungen wie Installationen, Softwareadaptionen und -modifikationen gewährt werden (§ 1 Abs. 2, 2. und 4. Alternative des Abkommens). Ob der Erwerb von Software eine Sachinvestition ist, mag in Frage gestellt werden. Erworben wird ein Recht und kein körperlicher Gegenstand. Diese Grenzziehung dürfte aber für den Investitionsbegriff in Art. 104a Abs. 4 GG nicht entscheidend sein. Der Vorschrift kommt es vielmehr auf die Erzielung von Konjunktur-, Struktur- oder Wachstumseffekten an. Dafür ist aber nicht erforderlich, dass in körperliche Gegenstände investiert wird. Lediglich durch reine Finanztransaktionen (z. B. Erwerb von Aktien, Rückzahlung von Darlehen) können die angestrebten Effekte regelmäßig nicht erzielt werden. Von den Sachinvestitionen sind daher die Finanzinvestitionen zu unterscheiden, die nicht erfasst sind. Danach ist der Erwerb von Software förderungsfähig. Noch problematischer ist allerdings die Gewährung von Hilfen zur Finanzierung von Ausgaben für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit den förderfähigen Investitionen erbracht werden. Keine Investitionen sind Ausgaben zur 85 Maunz (Anm. 16), Rn. 43; Fischer-Menshausen (Anm. 19), Rn. 25; Brockmeyer (Anm. 16), Rn. 18 a; Pieroth (Anm. 19), Art. 104a Rn. 8; Siekmann (Anm. 2), Rn. 43; Heun (Anm. 16), Rn. 35. 86 BT-Drs. V/2861, Tz. 297; BVerfGE 39, 96 (115); Stern (Anm. 18), S. 1143: „nach Umfang, Rang und Wirkung gewichtig“. 87 Ausdrücklich in der Begründung genannt, BT-Drs. V/2861, Tz. 298.

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Bildung und Ausbildung von Personal („investment in human capital“). Sie werden schon nicht zum (weiteren) Begriff der Investitionen in Art. 115 Abs. 1 GG gerechnet88. Hier geht es allerdings nicht um derartige Ausgaben für das Humankapital, sondern um Nebenkosten, die sich – bei sehr großzügiger Betrachtung – im Wert der gesamten Installation niederschlagen und deshalb noch zu den Investitionen gerechnet werden können. Die Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen erfüllt nur insoweit diese Anforderungen, als nicht Personalkosten abgedeckt werden, wie das erwogen wird. Soweit bisher erkennbar, genügt auch die Gewährung von Mitteln für ein „Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ überwiegend diesen Voraussetzungen nicht. bb) Besondere Bedeutsamkeit Die besondere Bedeutsamkeit der Investition ergibt sich nicht allein aus ihrer quantitativen Größe. Sie mag bei jedem einzelnen der Programme zweifelhaft sein89. Abzustellen ist vielmehr auch auf die mit ihr verbundene Wirkung („besonderes Gewicht in Ausmaß und Wirkung“). Sie mag bei Investitionen in die Ausstattung von Schulen mit moderner Informationstechnik im Hinblick auf die Entwicklung der Gesamtwirtschaft zu bejahen sein. c) Förderungsziele Die Finanzhilfen dürfen nicht dazu dienen, den Finanzausgleich zu ersetzen oder allgemeine wirtschafts-, währungs-, raumordnungs- oder strukturpolitische Ziele des Bundes in den Ländern durchzusetzen90. Sie sind vielmehr auf drei abschließend aufgezählte Ziele beschränkt: Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, Ausgleich der unterschiedlichen Wirtschaftskraft oder Förderung des wirtschaftlichen Wachstums. Sie können vereinfacht als konjunkturpolitische, regionalpolitische oder wachstumspolitische Zielsetzungen bezeichnet werden. Pauschale Mittelzuweisungen sind danach unzulässig91. Es genügt allerdings nicht, dass die Finanzhilfen zur Zielerreichung geeignet sind. Sie müssen auch erforderlich sein. Zweifelhaft ist vor allem, ob Investitionen im Kultur- und Bildungsbereich diese Anforderungen erfüllen. Sie mögen in einem weit verstandenen Sinne durchaus zumindest auch wachstumsfördernde Effekte haben. Das wird zum Teil 88

BVerfGE 79, 311 (337); Siekmann (Anm. 2), Art. 115 Rn. 40. Insgesamt 255 Mio. DM für das Programm „Zukunftsinvestitionen für berufliche Schulen 2001–2002“. 90 BVerfGE 39, 96 (111 f.). 91 Pieroth (Anm. 19), Art. 104a Rn. 9. 89

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im Schrifttum als ausreichend angesehen92. Überwiegend werden jedoch strengere Maßstäbe angelegt93. Konjunkturpolitische Ziele scheiden bei den konkreten kultur- und bildungspolitisch ausgerichteten Programmen (Ausstattung berufsbildender Schulen mit Informationstechnologie, Förderung von Kultureinrichtungen in der Hauptstadt) aus. Auch steht die Angleichung der regionalen Wirtschaftskraft nicht zur Diskussion. Im Gegenteil: Die Verbesserung der informationstechnischen Ausstattung der Schulen soll flächendeckend erfolgen. Die Finanzhilfen des Bundes sollen nach dem Anteil der Schülerinnen und Schüler pro Land an der Gesamtheit der Schülerinnen und Schüler an beruflichen Schulen verteilt werden (§ 3 des Abkommens). Die Unterstützung von Kultureinrichtungen in der Hauptstadt dient ebenfalls nicht regionalpolitischen Zielen, sondern erfolgt aus Gründen der gesamtstaatlichen Repräsentation nach außen. Wachstumsfördernd kann nach maßgebenden Wachstumstheorien jede Steigerung der Investitionen oder jede Vergrößerung der Sparquote sein. Damit könnte auch jede Investition Gegenstand von Finanzhilfen des Bundes sein. Bei einer solchen Deutung verlöre das Erfordernis aber gegenüber dem ohnehin schon vorgesehenen Investitionserfordernis jede eingrenzende Kraft und wäre sinn- und funktionslos. Auch der Wortlaut der Vorschrift gebietet eine einengende Auslegung94, wenn er nur die Unterstützung der zur Erreichung des Wachstumsziels „erforderlichen“ Investitionen zulässt. Erforderlich sind die Fördermaßnahmen für das wirtschaftliche Wachstum aber nicht. Dieselben Effekte können auch auf andere Weise, namentlich durch eigene Anstrengungen der Länder und ihrer Gemeinden als Schulträger, erzielt werden. 2. Erfordernis einer näheren Regelung durch Gesetz oder Verwaltungsvereinbarung Über die materiellen Anforderungen hinaus müssen auch eher formelle (verfahrensrechtliche) Voraussetzungen erfüllt sein, damit Finanzhilfen des Bundes an die Länder zulässig sind. Nähere Einzelheiten müssen durch Gesetz oder Verwaltungsvereinbarung geregelt sein (Art. 104a Abs. 4 S. 2 GG). Dafür kommt zunächst die „Grundvereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über die Gewährung von Finanzhilfen des Bundes an die Länder nach Art. 104a Abs. 4 des Grundgesetzes vom 15. Oktober 1986“ 95 in Betracht. Aber auch die Folgeab92

Vogel/Kirchhof (Anm. 18), Rn. 136; Starck, JZ 1975, S. 364. Maunz (Anm. 16), Rn. 51; Stern (Anm. 18), S. 1144; Brockmeyer (Anm. 16), Rn. 22; Siekmann (Anm. 2), Rn. 44. 94 v. Arnim, HdbStR IV, § 103 Rn. 49–51; Brockmeyer (Anm. 16), Rn. 22: keine Generalklausel; Siekmann (Anm. 2), Rn. 57; a. A. Heun (Anm. 16), Rn. 43. 95 Bundesanzeiger 1986 Nr. 204, S. 15, 105. 93

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kommen wie der Kulturfördervertrag für Berlin oder die Verwaltungsvereinbarung über die Zukunftsinvestitionen für berufliche Schulen 2001–2002 erfüllen diese Anforderungen. 3. Geltungskraft und Justitiabilität Die dargelegten Anforderungen sind strikt und ungeschmälert zu beachten. Finanzverfassungsrecht ist kein Recht minderer Geltungskraft96. Eine insgesamt „flexible“ Interpretation des Finanzverfassungsrechts ist nicht angezeigt, auch nicht aus „funktionell-rechtlichen“ Gründen“ 97. Allerdings ist ausgehend von der Vorstellung, dass die Finanzverfassung aus „funktionell-rechtlichen“ Gründen eine flexiblere Handhabung erfordere als das Verfassungsrecht im Übrigen, die These von der eingeschränkten Justitiabilität der Finanzverfassung98 aufgestellt worden. Dem Gesetzgeber und nicht dem Bundesverfassungsgericht stehe letztverbindlich ihre nähere inhaltliche Ausgestaltung zu („Normverdichtungskompetenz“). Deshalb sei die (verfassungs-)gerichtliche Kontrolldichte insoweit reduziert99. Auch das Bundesverfassungsgericht hatte ursprünglich bei den Begriffen des Finanzverfassungsrechts ganz allgemein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Beurteilungs- und Entscheidungsspielräume gesehen100. Dementsprechend bewertete es die Voraussetzungen von Art. 104 Abs. 4 S. 1 GG als so unbestimmt, dass sich „die verfassungsgerichtliche Prüfung darauf beschränken müsse“, ob die Beteiligten die „Begriffe zutreffend ausgelegt und sich in dem dadurch bezeichneten Rahmen gehalten“ hätten101. Das Schrifttum hat ebenfalls in erheblichem Umfang die Voraussetzungen von Art. 104a Abs. 4 GG für nichtjustitiabel erklärt, vor allem die Merkmale „besonders bedeutsam“ und „erforderlich“. Aber auch Gegenstand und Zweckbestimmung der Finanzhilfen seien gerichtlich nicht nachprüfbare Motive. Dabei hat es Parallelen zu den Merkmalen in Art. 72 Abs. 2 GG gezogen. In beiden Normen werde der Weg zu einer politischen Entscheidung eröffnet, die sich einer gerichtlichen Nachprüfung

96 BVerfGE 72, 330 (388); Siekmann (Anm. 2), Rn. 15; Vogel/Waldhof, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Anm. 18), vor Art. 104a (1997) Rn. 639. 97 Vogel/Waldhof, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Anm. 18), vor Art. 104a (1997) Rn. 634. 98 Dazu insgesamt Prokisch, Die Justitiabilität der Finanzverfassung, 1993. 99 Ossenbühl, in: Festschrift für Carstens, 1984, S. 752; ders., Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs gem. Art. 107 II GG, 1984, S. 92–105; wohl auch Franz Klein, in: Festschrift für Döllerer, 1988, S. 285 (287): „die Bestimmungen der Finanzverfassung [sind] nur beschränkt justitiabel“. 100 BVerfGE 1, 117 (134); 39, 96 (114 f.). 101 BVerfGE 39, 96 (114 f.).

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entziehe102. Diesem Argument dürfte aber nach der Neuregelung der Vorschrift der Boden entzogen worden sein. Auch das Bundesverfassungsgericht hat seinen Satz von den nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungs- und Entscheidungsspielräumen der Finanzverfassung in dieser Allgemeinheit nicht aufrechterhalten und klargestellt, dass die Einhaltung des von der Finanzverfassung vorgegebenen Rahmens uneingeschränkt seiner Nachprüfung unterliege103. VI. Zusammenfassung und Ergebnisse Die Förderung von Programmen und Einrichtungen im Bereich von Schule und Kultur durch den Bund ist bedenklich. Ungeschriebene Finanzierungszuständigkeiten darf es nach den Grundregeln der Lastenverteilung im Bundesstaat nicht geben. Eigene ausdrückliche oder stillschweigende (ungeschriebene) Verwaltungszuständigkeiten des Bundes, die eine Finanzierung über Art. 104a Abs. 1 GG ermöglichen würde, sind schwerlich gegeben. Die flächendeckende Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen, die Ausstattung von berufsbildenden Schulen mit modernen Einrichtungen der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie ein „Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ stehen nicht in unabdingbarem Zusammenhang mit ausdrücklichen Verwaltungszuständigkeiten. Eine Verwaltungszuständigkeit kraft Sachzusammenhangs oder aus der Natur der Sache scheidet daher aus. Die Förderung kultureller Einrichtungen und Veranstaltungen im Land Berlin mag noch aufgrund von gesamtstaatlichen Repräsentationsbedürfnissen auf einer ungeschriebenen Bundeskompetenz beruhen. Im Übrigen sind die Fördermaßnahmen an den strengen Voraussetzungen von Art. 104a Abs. 4 GG zu messen, die sie nur zum (geringeren) Teil erfüllen. Namentlich ist die Erforderlichkeit für die Wachstumsförderung zweifelhaft.

102 Seeger, DÖV 1968, S. 781 (786); weniger krit. B. Tiemann, BayVBl. 1970, S. 157 (158 f.). 103 BVerfGE 67, 256 (289); 72, 330 (390).

4. The Burden of an Ageing Society as a Public Debt: The Perspective of the German Constitutional Law and the Law of the European Union* This article is based on the assumption that the financial burden of an ageing society can be considered as an “implicit” public debt. The future claims (“prospective entitlements”) to unfunded public pension systems will result in severe financial strains for public finances because of the demographic developments in Germany and other industrialized nations. A closer analysis of the German (federal) constitution reveals that there are almost no provisions to handle the potential dangers from this foreseeable development. The rules on explicit public debt and the accounting requirements for the government are in this respect of little value. The law of the European Union, on the other hand, contains a somewhat better starting point as the EC Treaty requires the “sustainability” of the fiscal policy. By this it offers at least a rudimentary guideline for a long term budget-policy regulation of the “implicit” public debt. Stricter legal rules would, however, require an amendment of primary law of the European Union or at least a substantial redefinition of the existing definitions of the European system of Economic Accounts (ESA). One of the chief purposes of this article is to look for legal tools taking the expected financial burdens into proper account and to make it more “visible” for the budgetary process. It is not primarily designed to cut future pensions or to exclude “soft” means from solving the underlying substantive problems. The comparative analysis of additional legal systems is left to further research. Dieser Artikel beruht auf der Annahme, dass die finanziellen Lasten einer alternden Gesellschaft als „implizite“ Staatsschulden angesehen werden können. Anwartschaften auf Rentenzahlungen durch umlagenfinanzierte Alterssicherungssysteme können wegen des demographischen Wandels in Deutschland und anderen Industrienationen zu erheblichen Belastungen für die öffentlichen Finanzen führen. Eine genauere Prüfung der Vorgaben des Grundgesetzes für die Staatsfinanzen zeigt, dass es kaum Vorschriften gibt, welche sich mit den Gefahren aus der voraussehbaren Entwicklung befassen. Die Regeln über die Staatsverschuldung und die Rechnungslegung haben in dieser Hinsicht wenig Wert. Das Recht der Europäischen Union bietet dagegen etwas bessere Ansatzpunkte, da * First publication in: The Burden of an Ageing Society as a Public Debt – The Perspective of the German Constitutional Law and the Law of the European Union –, European Public Law, Vol. 13 (2007), p. 489–518.

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der EG-Vertrag die „Nachhaltigkeit“ der Finanzpolitik verlangt. Dadurch bietet er zumindest eine rudimentäre Richtschnur für eine langfristige haushaltsmäßige Regelung der „impliziten“ öffentlichen Schulden. Striktere Rechtsregeln würden aber eine Änderung des primären Gemeinschaftsrechts oder zumindest eine substanzielle Umdeutung der Definitionen des Europäischen Systems der Europäischen Gesamtrechnung (ESVG) erfordern. Eines der Hauptziele dieser Untersuchung besteht darin, nach geeigneten juristischen Instrumenten zu suchen, welche die kommenden finanziellen Lasten hinreichend erfassen und im Rahmen des Finanzverfassungsrechts handhabbar machen. Sie ist nicht darauf ausgerichtet, Instrumente zur Kürzung künftiger Pensions- und Rentenzahlungen zu entwickeln oder „weichere“ Instrumente zur Lösung der zugrunde liegenden materiellen Probleme auszugrenzen. Die vergleichende Analyse weiterer Rechtsordnungen bleibt künftiger Forschung vorbehalten. I. Introduction Demographic change in industrialized nations has been a matter of common interest for some time. The financial implications of an ageing society are also increasingly discussed, particularly with regard to pension systems. The impact of this development on public finances is, however, only gradually being realized and the constitutional framework of public finances in Germany and the European Union just falls short of ignoring it entirely. This essay is a preliminary assessment of the burden of an ageing society under the fiscal law, specifically in respect of prospective entitlements to the public pension system. The first part analyses the provisions of the German constitution on finances (Finanzverfassungsrecht) to identify what rules, if any, exist addressing such (potential) expenditures, which lie in the immediate or distant future. The second part analyses the fiscal requirements under European Union law. In the third and final part a few comments on the proposed national pact on stability and the recent moves to amend the German Federal Constitution are presented. II. The Burden of an Ageing Society as an “Implicit” Public Debt Not long ago, the European Commission prepared a report that deals extensively with the impact of an ageing society on public expenditure.1 It attempts a 1 Economic Policy Committee and the European Commission (Directorate-General For Economic and Financial Affairs – DG ECFIN), The impact of ageing on public expenditure: projection for the EU25 Member States on pensions, health care, longterm care, education and unemployment transfers (2004–2005), Special Report no 1/ 2006; to the consequences of the demographic development for public budgets see Seitz, Freigang, Högel and Kempkes. Die Auswirkung der demographischen Verände-

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detailed forecast of the payments for pensions, health care, long-term care, education and unemployment benefits up to the year 2050.2 The results are given in absolute numbers as well as in percentages of gross national products, and are specified for each member state. These estimates require careful scrutiny, because the financial statements for the public sector, as prescribed by the fiscal law, capture the financial burden of these payments for future budgets only in a very rudimentary manner. Economic publications, on the other hand, have for some time discussed the question of payments projected into the future that may cause financial burdens for coming generations that are similar to payments of interest and principal on the public debt.3 This is especially true for prospective entitlements under social security systems and entitlements under the pension system for public employees, when such entitlements are not covered by an underlying fund, i. e. financed according to a “pay-as-you-go” principle. Intergenerational balance sheets have been developed in order to examine this question with greater precision.4 Notably, these figures are captured by the terms “prospective” or “implicit” public debt.5 With reference to Article 121 EC Treaty, the German Council of Economic Advisers has tried to examine the “sustainability” of government budgets in Germany. According to the Council, this task cannot be performed without an “in-

rungen auf die Budgetstrukturen der öffentlichen Haushalte, Perspektiven der Wirtschaftspolitik, (2007), pp. 147–164; for the economy as a whole see Deutsche Bundesbank, Demographische Belastungen für Wachstum und Wohlstand in Deutschland, Monthly Bulletin, December 2004, p. 15 et seq.; cf. for the impact of the ageing society on the (German) legal system: Becker, Die alternde Gesellschaft – Recht im Wandel, JZ (2004), pp. 929–938. 2 Otherwise reductions in mortality and the adherent longevity constitute social welfare gains. To a framework for valuing improvements in health, see Murphy and Topci, The Value of Health and Longevity, Journal of Political Economy (2006) Vol. 114, pp. 871–904. 3 Corsetti and Roubini, European versus American Perspectives on Balanced-Budget Rules, The American Economic Review (1996) Vol. 86, pp. 408, 410 who consider as particularly important future liabilities from: first, the growth of public pension (socialsecurity) systems; second, those from the expected increase in health-care expenditures. 4 This approach can be traced back to Auerbach, Gokhale and Kotlikoff, Generational Accounting: A Meaningful Way to Evaluate Fiscal Policy, Journal of Economic Perspective (1994) Vol. 8, pp. 73–94; for Germany see: Feist and Raffelhüschen, Möglichkeiten und Grenzen von Generationenbilanzierung, Wirtschaftsdienst 2000, pp. 440– 448; Bonin, Generational Accounting – Theory and Application (2001). 5 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2003/2004, Staatsfinanzen konsolidieren – Steuersystem reformieren (2003) p. 270 et seq.; Deutsche Bundesbank, Defizitbegrenzende Haushaltsregeln und nationaler Stabilitätspakt, Monthly Bulletin, April 2005, pp. 23, 30; Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie (6th edn 2006), p. 379. Corsetti and Roubini, supra note 3, use the term “unfunded future liabilities”.

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tertemporal budget equation”.6 Retirement benefits that are financed by current revenues are not reflected in the overtly stated, “explicit” public debt. The Council finds a pension system that is financed by current revenues to be “economically equivalent [. . .] to a specific time path of overt government debt”. Thus, the Council holds that it is also indispensable for a sustainability analysis to complete the “explicit” public debt by adding a “statement of the implicit public debt”.7 A sustainability gap exists subsequently if the present value of the projected “primary balances” is not sufficient to cover the sum of the “implicit” and the “explicit” net public debt.8 As a result, the Council of Economic Advisers has found an “implicit” debt amounting to 270 per cent of the gross domestic product for the base year 2002. This greatly exceeds the “explicit” debt9 of 60.8 per cent of the gross domestic product for that year.10 This approach shows a significantly greater need for consolidation. The Bundesbank estimates it at 3.5 per cent of the gross domestic product.11 III. The Regulation of the “Implicit” Public Debt by the Fiscal Constitution of Germany The “implicit” public debt is debt that is not recorded in the book-keeping of the state.12 This is one of its decisive differences from the “explicit” public debt. Examined below are the provisions of German constitutional law that offer starting points for capturing the “implicit” public debt.

6 Sachverständigenrat, supra note 5, p. 274 (text-no. 441). A formal description can be found at: Blankart, supra note 5, p. 381, who calls it an “intertemporal budget constraint of the state”. 7 Sachverständigenrat, supra note 5; p. 271 (text-no. 440). The assessment of a pension system which is financed by current revenues (“pay-as-you-go”) as “forced loan”, can already be found at: Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie (2nd ed. 1994), p. 351 et seq., but not yet in the 1st edn (1991); Siekmann, in Sachs (ed.), Grundgesetz, (4th edn 2007), Art. 115 margin-no. 5. 8 Sachverständigenrat, supra note 5, p. 274 (text-no. 441); reconsidered Jahresgutachten 2005/2006, Die Chancen nutzen – Reformen mutig voranbringen, p. 297 (textno. 441). This follows almost exactly Auerbach, Gokhale and Kothlikoff, supra note 4, p. 75. 9 The explicit debt is the debt, recorded in the budgets. 10 Sachverständigenrat, supra note 5, p. 276 (text-no. 445). 11 Zeitler, Was bleibt vom Stabilitäts- und Wachstumspakt?, in: Hartmut Bauer (ed.), Wirtschaft im offenen Verfassungsstaat, Festschrift für Reiner Schmidt zum 70. Geburtstag (2006), pp. 223, 229. Different effects are derived from a more specified analysis for the federal, regional (state) and local level by Seitz, Freigang, Högel and Kempkes, supra note 1, pp. 155, 156, 159, 160, 162. 12 See Feist and Raffelhüschen, supra note 4, p. 448.

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1. The Present Day Focus of the Constitutional Rules on Government Borrowing The relevant provisions of both the German federal constitution (the “Basic Law“, or Grundgesetz) and, to a great extent, the state constitutions reveal a differentiated approach to governmental borrowing: As a general rule, however, they permit the credit financing of government projects and services.13 The balancing requirement in Article l10, para. l; clause 2 of the Basic Law has to be understood in a strictly formal way. Any revenue can be used to balance the budget including proceeds of borrowed funds.14 The attempts of legal scholars to expand or enrich it by adding substantive contents15 have failed. The norm does not contain a material “balanced budget clause”.16 Otherwise, it would be impossible to explain the existence of the elaborate rules for the borrowing of funds in Article 115, para. l of the Basic Law. However, it should be noted that credit financing is only permitted under specific conditions and within narrow limits. The conditions specified in the German constitutional law are principally confined to the ways and limits of borrowing for the next budget. In principle, future developments are not taken into consideration. Thus, not even actual borrowing – in contrast to planned borrowing – is accounted for.17 Accumulated debt or sustainability gaps have remained beyond the attention of German constitutional law. 13 BVerfGE 79, 311, 334; Höfling and Rixen, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (2003), Art. 115 margin-no. 63. 14 Siekmann, supra note 7, Art. 110 margin-no. 65 and Art. 115 margin-no. 9; Heun, in: Dreier (ed.), Grundgesetz (2000), Art. 110 margin-no. 25; Hillgruber, in: v. Mangoldt, Klein and Starck (eds), Kommentar zum Grundgesetz (5th edn 2005), Art. 110 margin-no. 54: “exclusively formal meaning”; Heintzen, in: v. Münch and Kunig (eds), Grundgesetz Kommentar (4th/5th edn 2003), Art. 110 margin-no. 27; Jarass, in: Jarass and Pieroth (eds), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (8th edn 2006), Art. 110 margin-no. 5; Kirchhoff, Der notwendige Ausstieg aus der Staatsverschuldung, DVBl. (2002), p. 1569, 1574; Gumboldt, Europäisches Gemeinschaftsrecht als nachhaltige Verschuldungsbremse? DÖV (2005), p. 499; Gröpl, Schwächen des Haushaltsrechts – Wege zu einer nachhaltigen Finanzwirtschaft, Die Verwaltung, vol. 39 (2006), pp. 215, 219; with reservation Höfling, Staatsschuldenrecht (1993), p. 311. 15 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland (vol. II, 1980) p. 1250: “Missbrauchsschranke”; Lappin, Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz (1994), p. 103; crit. Kirchhof, supra note 14. 16 The introduction of such a clause at the federal level in the United States has failed several times; see Senate Joint Resolution 106, 104. Cong., I sess. 1995; U.S. Congress, House Committee on the Budget, The Balanced Budget Amendment, Hearings, 2 Vols., 102. Cong., 2 sess. 1992; comparatively evaluated by Corsetti and Roubini, supra note 3, pp. 408–413. 17 The majority of legal scholars agree on this; see Heun, supra note 14, Art. 115 margin-no. 23 with further references to the discussion; see also Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 27, which is critical of this; strictly against such an interpretation Gröpl, supra note 14, p. 223; Schemmel, Staatsverschuldung und öffentliche Investitionen, Karl-Bräuer-Institut der Steuerzahler (ed.) (leaflet 99), 2006, p. 157 et seq. with numerous references.

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Some legal scholars even state explicitly that Article 115 of the Basic Law does not contain a limit for the accumulated debt of the federal government.18 2. Starting Points for Capturing Future Financial Development a) The Direct Application of Article 115 of the Basic Law Even if governments find – in accordance with the opinion of the majority of legal scholars – that the “implicit” public debt is outside the domain of Article 115, this provision merits further consideration. This norm is of central importance in German constitutional law for government credit. Its scope of application encompasses the “borrowing of funds” (1). It is further applicable “to the assumption of surety obligations, guarantees or other commitments that may lead to expenditures in future fiscal years” (2). (1) The term “borrowing of funds” is understood as the raising of financial means which have to be paid back.19 By creating future claims or prospective entitlements in the sense of the “implicit” public debt, the government does not raise financial means.20 However, the transformation of claims against the state into financial claims or the avoidance of payments by granting instruments promising future payment (financial deeds) are also considered to be the “raising of financial means”.21 This aspect, however, does not lead to a different result, as the government does not transform anything into financial claims or financial deeds by creating prospective entitlements. In contrast to the overtly expressed “explicit” public debt, the elements of the “implicit” debt have not yet vested as actionable claims. They are founded on statutory rules which can be changed prior to the relevant payment date. Thus their exact amount can only be given 18 Heintzen, supra note 14, Art. 115 margin-no. 5, referencing Wendt, in: v. Mangoldt, Klein and Starck (eds), Kommentar zum Grundgesetz (5th edn 2005), Art. 115 marginno. 33 et seq., where this is not stated. However, the attitude is beginning to change; see the attempts to limit (the accumulated) government debt by: Gumboldt, supra note 14, p. 505, and Gröpl, supra note 14, p. 226 et seq.; see also Halstenberg, Staatsverschuldung ohne Tilgungsplanung (2001), DVBl., p. 1405, who sees, however, the necessity of amending the constitution (p. 1407). Kirchhof, supra note 14, p. 1575, already demands the accounting of the implicit debt arising from future claims against the social security system under the given constitutional rules. He fails, however, to give any legal argument for this proposition. 19 Höfling, supra note 14, p. 29; Höfling and Rixen, supra note 13, margin-no. 124; Siekmann, supra note 7, Art. 115 margin-no. 20; Heun, supra note 14, Art. 115, marginno. 11; Hüsken, Bernd and Mann, Der Staat als “Homo Oeconomicus”?; DÖV 2005, pp. 143,149. 20 Gröpl is critical of this result with regard to prospective entitlements for government employees but he provides no sound legal alternative; supra note 14, p. 237. 21 Heun, supra note 14, Art. 115 margin-no. 11; against the inclusion of the sparing expenditures as a type of borrowing see Höfling and Rixen, supra note 13, marginno. 126.

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subject to future statutory changes,22 and most importantly they cannot provide a cause of action prior to their maturity. However, the “implicit” public debt could be regarded as forced loans – not only from an economic but, also from a legal point of view.23 The Federal Constitutional Court so far has expressly refrained from deciding whether Article 115, para. 1 of the Basic Law embraces the forced loans of the government.24 In any case, this has to be denied if the clause requires the acquisition of financial means “by contract on a market”. But there is another caveat: assuming that the prospective entitlements are to be considered as forced loans, the payments of the future beneficiaries into the social security system may amount to an unconstitutional “extra contribution” (Sonderabgabe).25 This would be truly regardless of the decision on the applicability of Article 115, para. 1 of the Basic Law. With respect to the entitlements of public employees, such a claim would in any case be barred. In effect, a claim to a defined or definable amount of money is not thereby created. Such a claim, however, is an indispensable prerequisite for the existence of a (forced) loan as well. (2) The last possibility for a direct application of Article 115, para. l, clause 1 of the Basic Law would be the existence of a “commitment that may lead to expenditures in future fiscal years”. Such a commitment will only be found to exist if the government contractually assumes liability for the obligation of a third party.26 This is not the case with prospective entitlements created by law. b) The Indirect Consideration of “Implicit” Public Debt within the Framework of Article 115 Basic Law Article 115, para. l, clause 1 of the Basic Law links the revenue obtained from borrowing to the total investment expenditures provided for in the budget. This rule speaks of global figures that have to correspond. The total amount of the planned net increase of debt must not exceed the total amount of the planned investment expenditure in the budget.

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Sachverständigenrat, supra note 5, p. 271 (text-no. 439 at the end). For the economic point of view see supra note 5. 24 BVerfGE 67, 256, 280; likewise Siekmann, supra note 7, Art. 115 margin-no. 20; agreeing Höfling, supra note 14, p. 57; Höfling and Rixen, supra note 13, marginno. 156, who do not count somewhat inconsistently – the proceeds from forced loans as borrowing in the meaning of Art. 115 para. l clause 2, 1st alt. Basic Law; different Heun, supra note 14, Art. 115 margin-no. 11. 25 In this sense, BVerfGE 67, 256, 274, 278, for the “lnvestitionshilfeabgabe” which had to be judged in that case. The payments were also not qualified as (regu1ar) taxes within the meaning of Art. 105. para. 2 Basic Law. 26 Siekmann, supra note 7, Art. 115 margin-no. 21; consenting: VerfGH Berlin, judgment of 21 March 2003, NVwZ-RR (2003), pp. 537, 540. 23

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This correlation of the two figures suggests that the regulation as a whole is future-oriented, even though it expressly states requirements for only one – the next – fiscal period. It is based on the assumption that expenditures for investments result in the acquisition of durable goods. They are ideally ready for use in future periods (for “future generations”) to the same extent as the burden of the debt that finances them has to be borne. The Federal Constitutional Court also sees the “normative intent” of Article 115, para. l, clause 2 of the Basic Law to limit government debt, and stresses the future benefits of budgetary expenditures for investments.27 However, the dictum of the Court was pronounced in a different context; it was directed at the lack of a specifying federal law under clause 3 of this provision,28 and no workable guideline for judging the sustainability of public debt in general can be derived from this. Another barrier has to be surmounted in so far as the “implicit” public debt is comprised of prospective entitlements to pensions to be paid by the social security system: Here para. 2 of Article 115 of the Basic Law is significant. It states that exceptions to the provisions of para. 1, Article 115 of the Basic Law may be authorized by federal legislation with respect to special fund assets of the Federation (Sondervermögen des Bundes). However, the German social security system is not comprised of such (semi-independent) special fund assets, but rather of separate legal entities created by public law. Such legal persons fall under neither para. 1 nor para. 2 of Article 115 of the Basic Law. These entities have budgetary autonomy and are not part of the federal budget, even if they are financed by the Federation and/or the Federation is liable for their obligations.29 For this reason, it does not matter whether a liability of the Federation for the obligations of the social security system can be derived directly from Article 120, para. l, clause 4 of the Basic Law,30 and thus an “implicit” debt of the federal government can be construed in respect of prospective entitlements to retirement benefits from the social security system.

27 BVerfGE 79, 311, 334, 337; 99, 57, 67; see also Schwarz, Voraussetzungen und Grenzen staatlicher Kreditaufnahme, DÖV (1998), pp. 721, 722 but ignoring completely the longstanding debate whether government debt is a burden on future generations. 28 Note also Gumboldt, supra note 14, p. 501. 29 Siekmann, supra note 7, Art. 115 margin-no. 60; agreeing Heun, supra note 14, Art. 115 margin-no. 35; consenting VerfGH Berlin, judgment of 21 March 2003, NVwZ-RR (2003), pp. 537, 538. 30 In this sense, BSGE 34, 148 (Headnote and p. 158); disagreeing Siekmann, supra note 7, Art. 120 margin-no. 28. Muckel finds that a close examination of the judgment reveals that the BSG also contradicts an application of Art. 120 para. 1 clause 4 Basic Law, and that it derives this finding from the “social state”; principle (Sozialstaatsprinzip) of Art. 10 para. 1 Basic Law (in: v. Mangoldt, Klein and Starck (eds), Kommentar zum Grundgesetz (5th edn 2005), Art. 120 margin-no. 40). In the present context the derivation of the result is irrelevant.

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Moreover, some legal scholars contend that the borrowing by such legal persons has to be consolidated into the federal budget when there is an abuse of these formal legal structures31 or simply when they act on behalf or instruction of the state, even if they do it on their own account.32 Nevertheless, it is difficult to give a sound legal argument for such proposed consolidation; an additional difficulty arises from the elusive nature of the relevant facts. c) Orientation According to the “Overall Economic Equilibrium” The “overall economic equilibrium” is of significance in two provisions with respect to the borrowing of funds. First, according to Article 109, para. 2 of the Basic Law, the federation and the states have to take due account of the “requirements of the overall economic equilibrium” (Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts) in managing their respective budgets. These requirements must also be met when borrowing funds. In this respect Article 109, para. 2 of the Basic Law and Article 115, para. 1 of the Basic Law have to be read together.33 Second, Article 115, para. 1, clause 2 of the Basic Law allows the borrowing of funds in excess of investment expenditures to avert a disturbance of the overall economic equilibrium. This is an exception to the regular borrowing limit (Regelkreditgrenze) applicable to the normal economic situation (Normallage). As an exception, it has to be construed narrowly and must be used only rarely, unlike the longstanding practice of both the Federation and the majority of the states.34 Furthermore, there is no legally permissible way to construe further exceptions to these borrowing limits.35

31 Hering, Die Kreditfinanzierung des Bundes über Nebenhaushalte, Diss. Bochum 1997, p. 294; Siekmann, supra note 7, Art. 115 margin-no. 61 with further references; consenting: VerfGH Berlin, judgment of 21 March 2003, NVwZ-RR (2003), pp. 537, 540; Heun, supra note 14, Art. 115 margin-no. 35; see also VerfGH Rheinl.-Pfalz, judgment of 20 November 1996, DÖV (1997), p. 246. 32 Hüsken and Mann, supra note 19. p. 149 but without giving a solid legal justification. 33 Siekmann, supra note 7, Art. 115 margin-no. 26; consenting Wendt, supra note 18, margin-no. 29. 34 See the compilation by the Sachverständigenrat, supra note 8, p. 312 (textno. 477); Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 30, even without considering depreciation and sale of capital assets whose counting would enlarge the – in economic terms – “true” deficit considerably; Schemmel, supra note 17, p. 286 et seq. (attachments 2 and 3). 35 Therefore, the construction of an additional exception for a situation of “extreme budgetary distress” (extreme Haushaltsnotlage) by the Constitutional Court for the state of Berlin (decision of 31 October 2003, published in: NVwZ (2004) p. 210) is a clear breach of the Constitution of the State Berlin; crit. also Rossi, Verschuldung in extremer Haushaltsnotlage (2005), DVBl., pp. 269–276.

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The principle of orientation regarding the requirements of the “overall economic equilibrium” was clearly designed to counteract the phenomenon of cyclical economic fluctuations.36 Structural disequilibria are not embraced by any aspect of these norms.37 Nevertheless, the Federal Constitutional Court has interpreted Article 109, para. 2 of the Basic Law as being designed to limit the continuous accumulation of debt – by governments borrowing well below the limit of Article 115, para. l, clause 2, first part of the Basic Law – which could eventually jeopardize the ability of the budget to accommodate the demands of present or future economic problems.38 The intention of the Court is certainly understandable, but its legal foundation is erroneous and, in the final analysis, it is an expression of helplessness in the face of political reality. The justification offered in scholarly circles – i. e. the excess burden from interest payments unduly limits the flexibility necessary to fight economic fluctuations39 – appears contrived and does not deliver usable results in court.40 d) The Proportionality Principle In a much commented upon 2003 judgment, the Constitutional Court for the state of North-Rhine-Westphalia declared unconstitutional and void sizeable parts of the state-budgets for 2001 and 2002.41 The plaintiffs claimed that a reserve fund had been created in those budgets to cover future expenditures, although the expenditures of the budget had been partially financed by borrowing. The Court did not find an infringement of the specific rules on the borrowing of funds or of other budgetary rules. However, in its opinion, the formation of such a reserve fund in a (partially) credit-financed budget was not compatible with the principle of cost-effectiveness as an expression of the general proportionality principle, which – supposedly – rules all government spending. It is doubtful in itself that the cost-effectiveness-principle also governs the decisions of the Parliament when acting on the budget.42 Its establishment in Ar-

36 Wendt, supra note 18, margin-no. 31; Hillgruber, supra note 14, Art. 109 marginno. 52, 70; Gumboldt, supra note 14, p. 500. 37 Siekmann, supra note 7, Art. 109 margin-no. 15, Art. 115 margin-no. 51; partially disagreeing Hillgruber, supra note 14, Art. 109 margin-no. 52 at the end, but without reference and inconsistent with his overall reasoning. 38 BVerfGE 79, 311, 355. 39 Höfling and Rixen, supra note 13, margin-no. 358 f.; agreeing: Wendt, supra note 18, margin-no. 34. 40 This is also acknowledged by Höfling and Rixen, supra note 13, margin-no. 360. 41 Judgment of 2 September 2003, NVwZ (2004), p. 217 et seq.; extensive comment by Wendt and Elicker, Staatskredit und Rücklagen, VerwArch, (2004) vol. 95 p. 471 et seq. 42 References to the discussion at: Wendt, supra note 18, margin-no. 67c.

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ticle 114, para. 2 of the Basic Law speaks against it. Besides, a general rule that the proceeds from borrowing have to be spent in the same fiscal year cannot – contrary to the opinion of the Court – be found in the provisions of constitutional law on government borrowing. This means that the specific rules on government borrowing have to be applied exclusively. Recourse to general principles – as this Court has done – is not permissible.43 Moreover, the Federal Constitutional Court explicitly stated in an earlier decision that the general proportionality principle is not an independent and separate barrier for government borrowing.44 The language of the Basic Law offers no support for construing a specific “fiscal proportionality principle”.45 e) Democratic Principle Many attempts have been made to derive limits for public debt from the idea of a democratic form of government. The borrowing of funds ought to be considered a premature use of future revenues, which curtails the freedom of future democratically elected representatives.46 The democratic principle, however, has already been modified by the provisions of Article 115, para. l of the Basic Law. As long as the prerequisites of this norm are fulfilled, an infringement of the democratic principle cannot be found. Nevertheless, the Federal Constitutional Court has tried to derive legal limits for government debt from the principle of democratic rule. In the Court’s opinion, it is a fundamental principle of the constitution that the “government may use credit only up to an amount equal to investment expenditures”.47 The problem of a perpetually increasing pedestal of public debt can however no more be solved in this way than it can by the (questionable) use of Article 109, para. 2 of the Basic Law, because the Statement of the Court relates only to consumptive government spending. 43 Wendt, id., who was, however, the legal representative of the state legislature which also took part in the law suit like the state government of the state of NorthRhine-Westphalia; crit. to the opinion of the court also Gumboldt, supra note 14, p. 502. 44 BVerfGE 79, 311, 341 f.; consenting: Siekmann, supra note 7, Art. 115 marginno. 10; Heintzen, supra note 14, Art. 115 margin-no. 15; Höfling and Rixen, supra note 13, margin-no. 325; who demand an explicit normative link to be able to apply the general proportionality principle outside the civil rights context. 45 For a view favoring such a principle, see especially Birk, Die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben für die Begrenzung der Staatsverschuldung, DVBl. (1984), pp. 745, 748. 46 Püttner, Staatsverschuldung, 1980, p. 12; crit. Siekmann, Buchbesprechung (1983) Vol. 41, FinArch n. F., pp. 167, 169. 47 BVerfGE 79, 311, 334, 343; 99, 57, 67, with the result that borrowing funds which exceed the investment expenditures constitute a “serious drawback” in the sense of § 32 BVerfGG.

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Aside from that, many decisions of the current government and Parliament – outside of government finances – have had grave effects on future generations and their freedom of action, yet no one has argued such decisions inappropriately curtail democratic rights. f) Creating Transparency According to Article 114, para. 1 of the Basic Law, the minister of finance is obliged at the end of each fiscal year to render an accounting not only of all proceeds and expenditures, but also of assets and debts. Such an accounting, if comprehensive and true, would make it possible to achieve transparency with respect to the future burden.48 Constitutional law does not provide further details regarding this accounting. Thus, a widely accepted interpretation of Article 114, para. 1 of the Basic Law reaches the conclusion that the norm does not have the purpose of producing a balance sheet that discloses the overall net-wealth of the Federation.49 On the basis of this interpretation, numerous circumventions of the legal obligation are possible and in fact carried out, especially in respect of “extra budgets” 50 and (quasi) public enterprises, where sizeable sums of tax revenues seep away, and where dynamite for future budgets is sometimes buried. Hence severe difficulties arise when trying to take “explicit” public debt into account. It might be possible to solve these difficulties with an adequate interpretation of Article 114, para. 1 of the Basic Law. The attempt to enclose the “implicit” public debt in such an account would, however, be doomed to failure. No category for “reserves for uncertain or undefined obligation” is provided, but such a category would be necessary to take into account the “implicit” public debt. g) Interim Result This brief overview of the constitutional provisions which are relevant for government borrowing shows already that the existing rules are hardly suited to limit the public debt to an amount that is sustainable in the long run. Vague starting points for confining the “implicit” public debt could be found in the democratic principle, which would, however, require a substantially different interpre-

48 The Bundesbank has made an attempt to produce it. The result is a negative (!) net wealth in 2004 compared with a positive net wealth of 30 percent of the GDB in 1991and of 60 percent in 1971, cp. Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 31. 49 Heintzen, supra note 14, Art. 114 margin-no. 12. 50 See Schwarz, in: v. Mangoldt, Klein and Starck (eds), Kommentar zum Grundgesetz (5th edn. 2005), Art. 114 margin-no. 29–32.

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tation. The right place to enhance transparency, which could be very beneficial, would be the accounting rules in Article 114, para. 1 of the Basic Law. Again, a much stricter interpretation and practice is needed as a first step. Further legal research in this field is in any case desirable. 3. Further Normative Enhancements a) The Interdiction of Government Borrowing The introduction of a constitutional obligation to preserve financial equilibrium in normal economic situations (Normallage) – as now proposed by the Federal Minister of Finance51 – could mitigate the problem of the “implicit” public debt, but it would not fulfill the already existing need for consolidation. Moreover, its effectiveness in practice is questionable. The experiences of past years have shown that governments often are unwilling to obey strictly the requirements placed on extra borrowing to avert a disturbance of the overall economic equilibrium. In particular – and above all – they have never realized a net reduction of government debt in time of boom,52 which is crucial in the logic of this exception to borrowing limits. A correct application of the rules would absolutely require that the extra debt incurred to fight disequilibria adds up to zero during the course of a full business cycle.53 In addition, a disturbance of the overall economic equilibrium is much too easily assumed, even if there is no factual basis for it, in order to create new slack for additional borrowings.54 On the other hand, the introduction of a fully-fledged interdiction of all government borrowing, i. e. without exemption clauses that would allow borrowing under certain circumstances, could result in severe economic disadvantages. Substantial variations of income-tax rates might be inevitable to balance the bud51

Der Spiegel, 26/2006, p. 48. For more on this requirement, see Siekmann, supra note 7, Art. 115 margin-no. 12, 50; in the same sense now also Gröpl, supra note 14, p. 238. 53 Siekmann, supra note 7, Art 115 margin-no. 51; agreeing: Wendt, supra note 18, margin-no. 31; Wendt and Elicker, supra note 41, p. 500; Gumboldt, supra note 14, p. 500; sec also Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 27, which erroneously supposes that such a legal obligation does not yet exist (for the extra borrowing). 54 For example in 2005. As early as fall of 2003 the Council of Economic Advisers could not see any imminent disturbance of the overall economic equilibrium that could justify additional borrowing (Sachverständigenrat, supra note 8, p. 328). The recent move to amend the Constitution introducing an explicit obligation for the government to protect the “interests of future generations” (new Art. 20b) and “taking account of the interests of future generations” in managing the budgets (addition to Art. 109 para. 29), BT-Drucksache 16/3399 of 11 November 2006, have not yet been voted on. Moreover they are much too vague to impose practical restrictions on government borrowing, since the present, much clearer provisions are regularly circumvened. However, further parliamentary moves are in progress. 52

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get. This, in turn, could aggravate instabilities. Such variations would thus probably have to be prohibited as well.55 These new rules might mitigate the problems of the “explicit” public debt but – again – would not automatically solve the problem of the “implicit” debt. Additional provisions would be needed. b) Enhancement of Transparency As already mentioned, it would be possible to enhance transparency,56 but this would likely be a less effective way to mitigate the problem. Article 114, para. l of the Basic Law would have to be amended to create a strict obligation for a comprehensive accounting. It would have to cover all assets and debts, including the “implicit” public debt and all extra budgets, regardless of whether they belong to legally separate entities. Additionally, one might consider strengthening the individual rights of the Members of Parliament to demand comprehensive information during the budgetary process. The constitutional courts have already acknowledged these rights judicially,57 but they need to be enlarged and specified.58 This is especially desirable with regard to extra-budgets, public enterprises and the recipients of subsidies that absorb a sizeable portion of tax revenues. It has to be expressly provided that, in the course of the budgetary process, when the legislature has to apportion vast sums of money, it will no longer be possible to invoke “business secrets” 59 or the “personal rights” of the potential beneficiaries of government monies to avoid a full disclosure of the relevant facts upon request. In this way, during the 55 Schmitt-Grohé and Uribc, Balanced-Budget Rules, Distortionary Taxes, and Aggregate Instability, Journal of Political Economy, (1997) Vol. 5, pp. 976, 978, 998, supposing a Laffer curve-type relationship between tax rate and tax revenue in the steady state (p. 980, 984). See also Corsetti and Roubini, supra note 3, p. 409: “Both neoclassical (tax-smoothing) and Keynesian models of fiscal deficits advocate the optimality of deficit spending during recessions.” But experience shows that the necessary (complementary) surplus saving in the boom has not worked in Germany. 56 The importance of an enhanced transparency is particularly underlined by Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 37. 57 BVerfGE 70, 324, 355, 359; 79, 311; 344; 110, 199, 221 et seq, (as constitutional court for the state of Schleswig-Holstein); VerfGH NW, judgment of 4 October 1993, NWVBl. (1994), pp. 10, 11; VerfGH Rheinl.-Pfalz, judgment of 20 November 1996, DÖV (1997), p. 246: expressively requiring transparency of the development of public finances and a corresponding obligation of the parliament to seek disclosure of the facts. 58 Corsetti and Roubini, supra note 3, p. 412 emphasize the importance of procedural budget rules and consider the reform of institutions and procedural rules as a provision of “effective fiscal discipline at lower macroeconomic costs”. 59 Very popular among the biggest receivers of government subsidies like RAAG. There, substantive.“implicit” public debt might also be hidden (‘eternity burdens’ of coal mining – Ewigkeitslasten).

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deliberation in connection with enacting the budget, the risks for future budgets could be assessed more properly in advance. c) Authorizations for Future Budgets The instrument of authorizing the government to create obligations for future expenditures (Verpflichtungsermächtigung) is not expressly regulated in German constitutional law.60 It is derived from the budget autonomy of the parliaments.61 Because most parts of the “implicit” public debt are based on statutory regulation a stricter application of the described instrument would also not render useful results for “prospective” entitlements. 4. Interim Result Provisions of German constitutional law on government borrowing are clearly insufficient to properly regulate the fiscal burden of an ageing society, as reflected in the “implicit” public debt. A starting point for enhancement could be a clearer application of the democratic principle specifically to the budgetary process and an articulated obligation for comprehensive accounting. This could be achieved by a stricter interpretation of Article 114, para. l of the Basic Law or by an amendment of this norm. The same would be true for the parallel provisions in the state constitutions. IV. The Requirements of European Union Law The orientation of European Union (EU) law is not as clearly focused on short term financing for budgetary needs as is the German law on public debt. The EU law focuses more strongly on the fact that financial burdens from budgetary decisions, especially from the raising of funds by borrowing, must be bearable in the future. Because of the difficulty of creating a workable definition for a balanced budget after eliminating cyclical distortions (konjunkturbereinigt ausgeglichener Haushalt), the European regulators attempted to keep at least the national debt to gross national product ratio constant over time by introducing the “Maastricht criteria”.62 The European Community Treaty (EC Treaty) requires the “sustainability” of the fiscal policy and offers by this means at least a rudimentary guideline for a long term budget-policy. Article 121, para. l of the EC Treaty, declares “the sus60

Gröpl, supra note 14, p. 232. VerfGH Rheinl.-Pfalz, judgment of 20 November 1996, DÖV (1997), pp. 246, 248 et seq.; Siekmann, Abhandlungen zum öffentlichen Finanzrecht (2005) vol. 1, p. 45. 62 Zeitler, supra note 11, p. 230. 61

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tainability of the government financial position” to be the essential criterion for sustainable convergence in the framework of the economic and monetary union. Even if Article 121 of the EC Treaty belongs to the transitional provisions, the requirements of Article 104 of the EC Treaty dealing with the avoidance of an “excessive government deficit” and “budgetary discipline”, as well as the relevant implementing regulations in the framework of the Stability and Growth Pact63 essentially reinforce this central theme.64 1. The Regulations a) Content Article 104, para. l of the EC Treaty simply states: “Member States shall avoid excessive government deficit”. The term “excessive” is not defined as such in the Treaty. Whether a deficit is “excessive” shall only be evaluated on the basis of the following two criteria: – the ratio of the planned or actual government deficit to gross domestic product, and – the ratio of government debt to gross domestic product. This regulation stated in Article 104, para. 2, clause 3 of the EC Treaty is made manageable by establishing numerically fixed reference values. They are specified in the Protocol on the excessive deficit procedure annexed to the EC Treaty,65 and therefore belong to primary community law.66 The regulation reads as follows:

63 The Pact is not a contract in a legal sense. The term “Pact”, which is also used in legal acts of the European Community, was coined to stress the underlying political consensus. Technically it consists of one resolution of the European Council, which is not compulsive, and two – binding – regulations of the Council: (1) Resolution of the European Council on the Stability and Growth Pact of 17 July 1997, Official Journal C 236, 2 August 1997, p. 1. (2) Council Regulation (EC) no. 466/97 of 7 July 1997 on strengthening of the surveillance of budgetary positions and the surveillance and coordination of economic policies, Official Journal L 209, 2/8/1997, p. 1; amended by the Council Regulation (EC) no. 1055/2005 of 27 June 2005, Official Journal L 174, 7 July 2005, p. 1. (3) Council Regulation (EC) no. 1467/97 of 7 July 1997 on speeding up and clarifying the implementation of the excessive deficit procedure, Official Journal L 209, 2 August 1997, p. 6; amended by the Council Regulation (EC) no. 1056/97 of 27 June 2005; Official Journal L 174, 7 July 2005, p. 5. 64 Häde, in: Calliess and Ruffert (eds), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag (2nd edn 2002), Art. 104 margin-no. 6 et seq.; Konow, Der Stabilitäts- und Wachstumspakt (2002). 65 BGBl. II 1992, p. 1309 (5. Protokoll). Pursuant to Art. 311 EC Treaty it is part of the Treaty. 66 Kempen, in: Streinz (ed.), EUV/EGV (2003), Art. 104 margin-no. 7.

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“The reference values referred to in Article 104c para. 2 of this Treaty are: – 3 per cent for the ratio of the planned or actual government deficit to gross domestic product at market prices, and – 60 per cent for the ratio of government debt to gross domestic product at market prices. The values are not arbitrarily fixed, although that is occasionally maintained.67 They are linked with one another by the fact that with an assumed nominal growth rate of 5 per cent per year for the gross domestic product, the growth rate of government debt may be up to 3 per cent per year without pushing the government debt to gross domestic product-ratio above 60 per cent.68 Moreover, the historical average of public investment expenditure in the European Community had been about 3 percent of GDP at their introduction. Thus borrowing had been allowed within the limits of capital expenditures.69 The legal meaning of these values is debatable. They could be considered as a fixed ceiling.70 Surpassing one of the reference values would imply the existence of an “excessive government debt”. But they could also be interpreted somewhat more flexibly as the majority of scholars do.71 Nevertheless, in essence an obligation for Germany to have a “structurally” almost balanced budget could be derived from the EU law.72 b) Consequences for the Domestic Law of the Member States The limitations that the EU law imposes on the borrowing of funds by the Member States are directly applicable in the Member States. They are legally binding without implementation or transformation into national law and, since 67

See Corsetti and Roubini, supra note 3, p. 408; Zeitler, supra note 11, p. 230. 3:5 equals 0.6. 69 See Corsetti and Roubini, supra note 3, p. 409 stating: “The Maastricht deficit criterion can then be interpreted as an implicit current account balanced-budget rule.” They give an overall positive evaluation of the European rules. The accounting link between budget deficit and government debt is analysed in depth by the ECB, From Government Deficit to Debt: Bridging the Gap, ECB Monthly Bulletin (April 2007), pp. 87–93. 70 Corsetti and Roubini, supra note 3, p. 409; Hartmann, Europäische Union und die Budgetautonomie der deutschen Länder (1994), p. 69 et seq. 71 Saint-Etienne, Finances publiques européennes: une reforme politiquement acceptable du Pacte de stabilité et de croissance, in: Conseil d’Analyse économique (ed.), Réformer le Pacte de stabilité et de croissance, (2004), pp. 49, 51: “On peut contester que la décision par le Conseil des ministres des 24 et 25 novembre 2003 de rejeter les sanctions [. . .] à l’encontre de l’a France et de l’Allemagne” “respecte l’esprit de la résolution du 17 Juin 1997, mais les textes ont été respectés”; Häde, supra note 64, margin-no. 13; Kempen, supra note 66, margin-no. 15. 72 Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 31. 68

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the beginning of the third stage of the economic and monetary union on 1 January 1999, have to be obeyed without any reservation – Article 116, para. 3 of the EC Treaty.73 EU law enjoys priority over all national law74, including constitutional law.75 However, if domestic law violates a provision of the EU law, the domestic regulation is not automatically void. Rather it is only inapplicable.76 In effect, the rules of the German constitutional law on the borrowing of funds are superseded but not displaced by the EU law. They can have a parallel existence, since they do not collide with each other in (1) their application and (2) their legal consequences:77 (1) The requirements of the European Union Law refer to the entire public sector of the Member States. The EU regulations do not plainly provide a numerically defined or definable upper limit for the government debt of any part of the federally organized state.78 This means that their content is not specific enough to create direct obligations for the various interior parts of the Federal Republic even if in general the states of the federation (Länder) should be obliged to fulfil the obligations of the EU law.79 The federal republic of Ger73

Kempen, supra note 66, margin-no. 4. ECJ, collection of decisions 1964, pp. 1251, 1257, 1269 et seq., 1970, 1125 margin-no. 3; 1978, 629 margin-no. 17 f. l981, 1805 margin-no. 43 for executive orders; BVerfGE 73, 339, 375; 75, 223, 244; 85, 191, 202; Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Art. 24 (1985), margin-no. 79, 81 at the end; Ipsen, in: Isensee and Kirchhof (eds), Handbuch des Staatsrechts (Vol. VII, 1992), § 181 margin-no. 59; Blanke, Föderalismus und Integrationsgewalt (1992), p. 290; Oppermann, Europarecht (2nd ed. 1999), margin-no. 615 et seq.; Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts (1994), p. 2 et seq.; Jarass and Beljin, Die Bedeutung von Vorrang und Durchführung des EG-Rechts für die nationale Rechtsetzung und Rechtsanwendung (2004) NVwZ, p. 1; Wegener, in: Calliess and Ruffert (eds), EUV/EGV (3rd edn 2007), Art. 220 margin-no. 31; Streinz, in: Streinz (ed.), EUV/EGV (2003), Art. 1 EGV margin-no. l9; Schroeder, in: Streinz (ed.), EUV/EGV (2003), Art. 249 EGV margin-no. 40 et seq.; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht (3rd edn 2002), p. 246 et seq. 75 ECJ, collection of decisions 1970, p. 1125 margin-no. 3; Streinz, supra note 74; Schroeder, supra note 74, margin-no. 44; Jarass and Beljin, supra note 74, p. 2; Siekmann, supra note 7, Art. 109 margin-no. 54. 76 Somewhat disputed, but majority opinion: Wegener, supra note 74, margin-no. 32; Streinz, supra note 74, margin-no. 20; Schroeder, supra note 74, margin-no. 43; with additional differentiations Jarass and Beljin, supra note 74, p. 4 et seq.; Siekmann, supra note 7, Art. 109 margin-no. 54; in effect consenting but with varying argumentation see BVerfGE 22, 293, 295 et seq.; 89, 155, 190. 77 Gröpl, supra note 14, p. 227. This could be considered as priority in a wider sense, proposed by Jarass and Beljin, supra note 74, p. 3. 78 Siekmann, supra note 7, Art. 115 margin-no. 17; agreeing Heun, supra note 14, Art. 115 margin-no. 5; Gröpl, supra note 14, p. 227; Gumboldt, supra note 14, p. 505 f. Specifically, they do not contain numerically fixed provisions for the acceptable deficit of the federal government. Subsequently Article 104 EC Treaty cannot be considered as an implicit amendment of Art. 115 Basic Law; for this, however, Häde, supra note 64, margin-no. 72. 79 More to that in the following subsection. 74

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many is only bound to provide for ways and means that its legal obligation is also enforced towards the various entities of its federal system.80 (2) The legal consequences of offences are also varying. Differently from German national law, a breach of EU Law does not lead to the offending budgetary law becoming void or non-applicable.81 Rather the special deficit-limiting regulations of the EU law provide a complex system of mechanisms to discipline the offending member state under Article 104, para. 2–8, 10, 11–13 of the EC Treaty. In the case of persistent offences, the Council of the European Union can impose one or several of the sanctions enumerated in Article 104, para. 11, clause 1 of the EC Treaty.82 This system of legal sanctions has priority over any general rules as “lex specialis”.83 For this reason, in the (highly improbable) case that a violation of one of the EU criteria can be attributed to specific budgetary decisions of one or more parts of the Federation, the sanction by itself does not render it void or inapplicable. c) Application to the States of the Federation The addressee of the stability requirements of EU law is the Federation (Bund). According to Article 3, clause 1 of the Protocol on Excessive Deficits, the Federation is even responsible for those parts of the national deficit that are caused by the other parts of the federally organized state.84 The Member States are, however, allowed to transfer obligations from EU law to other parts of their system of government by creating (internal) competences for the respective fields. Under the condition that the states (Länder) have the competence to fulfil the stability requirement of the EU law according to the domestic law of the Member States they are bound by the respective EU regulation.85 Hence, domestic (constitutional) law is decisive.86

80 Häde, Die innerstaatliche Verteilung gemeinschaftsrechtlicher Zahlungspflichten (Berlin, 2006), p. 51. 81 Siekmann, supra note 7, Art. 115 margin-no. 19; consent. Heun, supra note 14, Art. 115 margin-no. 5. 82 For more details, see Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Gutachten zur Bedeutung der Maastricht-Kriterien für die Verschuldungsgrenzen von Bund und Ländern (Opinion on the Meaning of the Maastricht Criteria for limits on indebtedness for the Federation and the Federal States), Schriftenreihe Heft 54 (1994). 83 Siekmann, supra note 7, Art. 115 margin-no. 19; consent. Heun, supra note 14, Art. 115 margin-no. 5. 84 Siekmann, supra note 7, Art. 109 margin-no. 55. 85 Häde, supra note 80, p. 13, citing Kahl, in: Calliess and Ruffert (eds), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag (2nd edn 2002), Art. 10 margin-no. 14, who are, however, not so specific. 86 Häde, supra note 80, p. 15 with further references.

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According to Article 109, para. l of the Basic Law, the Federation and the states have sovereignty over their own budgetary matters. Their budgets are separate and independent. For this reason it would have been necessary to amend Article 109 of the Basic Law after signing the treaty of Maastricht. Only this way the Federation (Bund) could be attributed the necessary authority to fulfil its obligations under EU 1aw.87 The introduction of such an amendment failed and that is the reason why the federal government later pronounced that it was not necessary. Years later, Section 51a was instead inserted into the Basic Budgetary Law (Haushaltsgrundsätzegesetz). This clause is, however, insufficient in many ways88 and is altogether unconstitutional as the Federation lacks the competence for such legislation.89 The recently adopted “Maßstäbegesetz”90 can also not create a binding obligation for the states of the Federation. Its section 4, para. 3 is a futile attempt of regulation. Article 109, para. 4 of the Basic Law is clearly designed as a tool to fight cyclical imbalances and not structural deficits. Hence, it is also not a suitable basis for imposing general ceilings on government borrowing.91 Finally, the problem of how the burdens of sanctions resulting from violation of EU law are to be distributed within the confederate framework have remained unresolved until recently. The regulation of Article 104a, para. 5 of the Basic Law was clearly unsuitable for a solution of this issue, since its application on

87 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, supra note 82, p. 48; Stern, Die Konvergenzkriterien des Vertrags von Maastricht und ihre Umsetzung in der bundesstaatlichen Finanzverfassung, in: Festschrift Everling (Vol. I, 1995), pp. 1469, 1488; Höfling, Haushaltsdisziplinierung der Länder durch Bundesrecht, (1997) ZRP, pp. 231, 233 et seq.; Vogel and Waldhoff, in: Bonner Kommentar, Art. 104a marginno. 661; Siekmann, supra note 7, Art. 109 margin-no. 56 with extensive references; Hillgruber, supra note 14, Art. 109 margin-no. 148, Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 35; see also Gumboldt, supra note 14, p. 504; disagreeing Heun, supra note 14, Art. 109 margin-no. 7. 88 Kirchhof, supra note 14, p. 1773; Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 33: “fruitless” (weitgehend wirkungslos); Häde, supra note 80, p. 62. 89 The content of Art. 109, para. 3 Basic Law does not provide for sufficient legislative power; see Hillgruber, supra note 14, Art. 109 margin-no. 144; Mehde, Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Aufteilung der Verschuldungsgrenzen des Vertrags von Maastricht, DÖV (1997), pp. 616, 619; disagreeing: Hartmann, supra note 70, p. 178 et seq.; Heun, supra note 14, Art. 109 margin-no. 7 Art. 109, para. 4 Basic Law addresses exclusively the competences of the Federation to limit credit financing by the other parts of the Federal Republic and is not fulfilled in the present context, see Heintzen, supra note 14; Art. 109 margin-no. 27; in essence also Häde, supra note 80, p. 57. 90 From 9 September 2001, BGBl. I, p. 3202. 91 Disagreeing Häde, supra note 80, p. 60, by a daring interpretation of this provision in “the light of EU law”. From this basis he also favors an application of the already existing sections 19 and 20 of the German stability and growth act from 8 June 1967, BGBl. I 582.

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the administration of EU law was not sure92 and – most important – the clause covered (and still covers) only administrative actions.93 The borrowing of funds has to be, however, authorized by law. These are also the reasons why Article 37 of the Basic Law does not offer a viable path even though it enables the federal government to force a state to comply with its duties. It is a measure requiring the stated fact of a breach of constitutional law by the state. This is, however, questionable since specific ceilings for the borrowing by the states cannot be derived from EU-law or national law – at least not for the time being. But the situation has changed rapidly.94 The move to amend the Basic Law, which was originally stalled and then deemed unnecessary, has come to fruition in the mean time. Already the first stage of the “Federalism Reform” (Föderalismusreform 2006) seeks to solve this hitherto unresolved problem.95 It was adopted by the parliament (Bundestag) on 30 June 200696 with the Bundesrat consenting a few days later.97 The newly inserted para. 5 of Article 109 of the Basic Law, declares the fulfilment of obligations arising under legal acts of the European Community adopted according to Article 104 of the EC Treaty a common task of the Federation and the states (Länder).98 They have to be borne in the ratio of 65 to 35 by the Federation and the entirety of the states.99 Furthermore, according to the new Article 104a, para. 6, clause 2 of the Basic Law, burdens arising from financial adjustments demanded by the European Union that have effects beyond the borders of a single state are to be borne in the ratio of 15 to 85 by the Federation and the entirety of the states. In both cases the

92 In favor Koenig and Braun, Rückgriffsansprüche des Bundes bei einer Haftung für Verstöße der Bundesländer gegen Gemeinschaftsrecht, Neue Justiz (2005), p. 97 (100) with further references; Häde, supra note 80, p. 42; disagreeing BVerwGE 116, 234 (241), referring the case to the federal constitutional court, decided there 17 October 2006 2 BvG 1/04, 2 BvG 2/04 in favour, note 136, 148. 93 Siekmann, supra note 7, Art. 104a margin-no. 45; Häde, supra note 80, p. 35; see also BVerwGE 116, 234 (238). 94 This change had urgently been asked for by Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 35. 95 Act for Amendments to the Basic Law (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes), 28 August 2006, BGBl. I, p. 2034. 96 44th session of the 16th term, 30 June 2006, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenografischer Bericht (protocol), 16/1749, 4233, 4295. 97 824th session, 7 Ju1y 2006, Verhandlungen des Deutschen Bundesrates, Stenografischer Bericht (protoco1), 2006, pp. 203, 222. 98 This new clause has been praised as (basis of) a “national stability pact”, see Wieland, Staatsverschuldung als Herausforderung für die Finanzverfassung, JuristenZeitung (2006), p. 751 note 33. This notion is, however, at least misleading, see infra p. 515. 99 See also Häde, Zur Föderalismusreform in Deutschland, (2006), JZ, p. 930 (937).

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allocation to individual states is under the reservation of more detailed regulation by federal law with consent of the Federal Council (Bundesrat).100 2. Addressing “Implicit” Public Debt In their basic structure, the requirements of EU law are suited to address the problem of “implicit” public debt because of their alignment towards the “sustainability” of the government financial position. In contrast to the financial provisions of German constitutional law, the EU regulations are clearly aligned to a medium- and long-term basis. They aim at the maintenance of a bearable government debt in the long term.101 Since they – in contrast to German law – consider not only intended values, but also the actual raising of credit in the budget execution, they already have an impact on periods subsequent to the passing of the budget. Crucial for the inclusion of the overall “implicit” public debt is the definition of the term “deficit”. It is defined in Article 2 of the Protocol as “net borrowing as defined in the European System of Integrated Economic Accounts”. The European system of Economic Accounts (ESA) in its present form originated in 1995 and has been amended by various EC regulations of the Council102 and the Commission since then.103 100 Art. 14 of the also adopted Federalism Reform Transforming Act (Föderalismusreform Begleitgesetz), 5 September 2006, BGBl. I, p. 2098, regulates this topic in specific. Häde derives from the new clause the power of the federation to set borrowing ceilings for the states, supra note 99, p. 938; see furthermore Peffekoven, Härtere Verschuldungsgrenzen für die Bundesländer, Wirtschaftsdienst (2006), p. 555; Häde, Rechtliche Grenzen für die Staatsverschuldung der Länder, ibid., p. 563; Blankart, Fasten and Klaiber, Föderalismus ohne lnsolvenz?, ibid., p. 567. 101 This is also the reason why there have been proposals to treat public investments and the accounting of capital-movements in a different way by the Pact, cp. Blanchard and Giavezzi, Comment améliorer le Pacte de stabilité et de croissance par une comptabilité appropriée de l’investissement public, in: Conseil d’Analyse économique (ed.), Réformer le Pacte de stabilité et de croissance (2004), pp. 15, 21. 102 Council Regulation (EC) No 2223/96 of 25 June 1996 on the European system of national and regional accounts in the Community, Official Journal L 310, 30/11/1996, pp. 1–469; subsequently amended by: Council Regulation (EC) No 448/98 of 16 February 1998 completing and amending Regulation (EC) No 2223/96 with respect to the allocation of financial intermediation services indirectly measured (FISIM) within the European system of national and regional accounts (ESA), Official Journal L 058, 27 February 1998, pp. 1–14; Regulation (EC) No 2516/2000 of the European Parliament and of the Council of 7 November 2000 modifying the common principles of the European system of national and regional accounts in the Community (ESA) 95 as concerns taxes and social contributions and amending Council Regulation (EC) No 2223/96, Official Journal L 290, 17 November 2000, pp. 1–2; Regulation (EC) No 2558/2001 of the European Parliament and of the Council of 3 December 2001 amending Council Regulation (EC) No 2223/96 as regards the reclassification of settlements under swaps arrangements and under forward rate agreements, Official Journal L 344, 28 December 2001, pp. 1–4; Regulation (EC) No 359/2002 of the European Parliament and of the Council of 12 February 2002 amending Council Regulation (EC) No 2223/96 as con-

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By the definition pursuant to these rules, promises to perform that are given under conditions, such as prospective entitlements to pensions, are excluded. Although social security systems belong to the “state” sector,104 prospective entitlements to pensions are as a rule only “contingent liabilities” for the debtor and only “contingent assets” for the creditor. They are only accounted for by the ESA if the contractual agreement on which they are based “itself has a market value because it is tradable or can be offset on the market”.105 Prospective entitlements to pensions in Germany’s social security system or in the separate system for public employees (Pensionen der Beamten)106 do not satisfy these conditions; therefore, they are not included within the financing account of the state.107 As a result they do not contribute to the financing balance of the state in the national accounting system.108 cerns the use of ESA 95 in the determination of Member States payments to the VATbased own resource, Official Journal L 58, 28 February 2002, pp. 1–2; Regulation (EC) No 1267/2003 of the European Parliament and of the Council of 16 June 2003 with respect to the time limit for transmission of the main aggregates of national accounts and to the transmission of employment data in hours worked, Official Journal L 180, 28/07/2003, pp. 1–22. 103 Commission Regulation (EC) No 1500/2000 of 10 July 2000 implementing Council Regulation (EC) No 2223/96 with respect to general government expenditure and revenue, Official Journal L 172, 12/07/2000, pp. 3–10; Commission Regulation (EC) No 995/2001 of 22 May 2001 implementing Regulation (EC) No 2516/2000 of the European Parliament and of the Council modifying the common principles of the European system of national and regional accounts in the Community (ESA 95) as concerns taxes and social contributions, Official Journal L 139, 23 May 2001, pp. 3–8; Commission Regulation (EC) No 113/2002 of 23 January 2002 amending Council Regulation (EC) No 2223/96 with regard to revised classifications or expenditure according to purpose, Official Journal L 021, 24 January 2002, pp. 3–9. 104 As S. 1314, cited from the consolidated text, document ID: 1996R2223 from 7 August 2003, p. 41; see also the official edition by eurostat, Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen – ESVG 1995, 1996, p. 31. 105 ESA, supra note 104, p. 126 (5.05.). This made even clearer by the additional remark, id.: “Otherwise, a contingent asset is not recorded in the system. (1) Insurance technical reserves (AF.6) are unconditional liabilities of insurance corporations and pension funds. However, the counterpart financial assets of individual policy holders and beneficiaries are contingent assets in most cases. In a “pay-as-you-go” pension system are essentially no technical reserves and the assets of the beneficiaries are only contingent. Only “prepayments of insurance premiums and reserves for outstanding claims (F.62)” and “net equity of households in pension funds reserves (F.612)” are shown in funds” liabilities and household assets, supra note 104, p. 351. 106 The ESA classifies “insurance schemes organized by government units for their own employees” not “as social security schemes, but as private funded or unfunded social insurance schemes” (supra note 104, p. 348). In Germany they would be basically unfunded social insurance schemes. However, some units have begun to form reserves for that purpose. 107 ESA, supra note 104, p. 126 (5.05.). Government expenditure and revenue have later been specified more detailed in the annex of Commission Regulation (EC) No 1500/2000, supra note 103. It is table 2 in annex B of the system. 108 ESA, supra note 104, p. 211 (8.50.).

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The Deficit Protocol defines the term “debt” as the “total gross debt at nominal value outstanding at the end of the year after consolidation and consolidated between and within the sectors of general government”.109 Since prospective entitlements are not entered in the financing account of the state, they are at present not treated as a part of the public debt. 3. Expansion to Include the “Implicit” Public Debt a) The Necessity of Amending the Primary Law In order to include the “implicit” public debt within the requirements of EU law, the definition of the term “deficit” has to be expanded. It may be sufficient to change the assignments in the European System of Integrated Economic Accounts (ESA),110 on which the Deficit Protocol is based. In light of the serious consequences for the entire deficit procedure, it cannot be assumed that a dynamic reference was intended. Primary EU law would have to be amended. b) The Compliance with the Deficit Criteria Within the territory of the states participating in the common European currency, the Euro area, the financing balance has been negative since 1970. Only in three periods was a balance almost reached: That was in the years 1970, 1973 and 2001. In this regard, the disciplining effect on the public finances by the Maastricht criteria as a condition for a country’s participation in the common currency is clearly visible. However the effect rapidly lost momentum.111 In every year since 2002, Germany failed to fulfil the criteria of the Deficit Proto109 For the purpose of the Member States reports to the Commission under the excessive deficit procedure laid down in Council Regulation (EC) No 3605/93 (Official Journal L 332, 31 December 1993, p. 7. Regulation as last amended by Regulation (EC) No 475/2000, Official Journal L 58, 3 March 2000, p. 1), “Government deficit” is the balancing item “net borrowing/net lending” of General Government, including streams of interest payments resulting from swaps arrangements and forward rate agreements. “This balancing item is codified as EDPB9. For this purpose, interest includes the above mentioned flows and is codified as EDPD41”, Regulation (EC) No 2558/2001, supra note 102. The definition of the term “deficit” does not follow a well defined economic concept and could be considered as rather an “arbitrary number whose value depends on how the government chooses to label its receipts and payments”, cp. Auerbach, Gokhale and Kothlikoff, supra note 4, p. 74. 110 Expansion of the present accounting system towards a “socio-economic” general accounting system by Schwarz, Der Beitrag der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zur sozioökonomischen Modellierung, Statistisches Bundesamt (manuscript 2006), p. 5 et seq. 111 See Artus, Les mauvaises règles de politique macroéconomique sont-elles responsables de la faible croissance de la zone euro?, in: Conseil d’Analyse économique (ed.), Réformer le Pacte de stabilité et de croissance (2004), pp. 27, 30.

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col.112 France, Italy and some other Member States have an almost similar negative record.113 An initial, superficial analysis of the causal nexus indicates that the emergence of the chronic deficits coincides in time with a significant increase in public expenditures at the beginning of the seventies, continuing into the middle of the eighties of the last century. The re-appearance of the financing imbalances after the year 2000 fall in a period marked by considerable tax reductions that are not accompanied by corresponding reductions in expenditures.114 When evaluating these figures, it must be remembered, however, that they are averages for the entire Euro area. They consist of a remarkably heterogeneous set of individual values. Above all, the group of the “reform countries” stands out. They launched extensive programs to cut and reform public expenditures, and reduced their primary expenditures by more than 5 per cent of their gross domestic products as measured against their respective, historical maximum expenditures. The “first wave” of “reform countries” consisted of the four states: Belgium, Ireland, Luxembourg and The Netherlands. In a “second wave”, Spain, Austria and Finland followed. In contrast, the remaining five countries of the Euro area made no or very little progress. These are the principal findings of the ECB.115 The reform countries were able not only to reduce the volume of their total expenditures, but also to improve the composition of their expenditures. Productive expenditures, such as for investments and education, were reduced relatively less than expenditures for state consumption. This way the portion of total expenditures made for those purposes increased. In addition, it became possible to enact tax reductions that were fully covered by other financial means. In effect they did not have to be financed by (additional) borrowing. The states that embedded their spending reductions within extensive structural reforms could thus clearly improve almost all of their macro-economic indicators and set themselves apart not only from the average rates of development in the Euro area, but also from the other Euro area states, i. e. Germany, France and Italy.116

112 Deficit ratio to GDP: –3.7 per cent (2002), –4.0 (2003), –3.7 (2004), –3.3 (2005); debt ratio to GDP: 60.3 (2002), 63.8 (2003), 65.5 (2004), 67.7 (2005). The Bundesbank remanded it as the “lacking political will” to transform strictly the existing rules; Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 31. 113 For details see the news release of eurostat 48/2006 of 24 April 2006, and European Central Bank, ECB Monthly Bulletin (July 2006), S50 and S51; see also Artus, supra note 111, pp. 30, 34. 114 European Central Bank, Die Bedeutung von Reformen der Staatsausgaben für Wirtschaftswachstum und Stabilität, ECB Monthly Bulletin (April 2006), pp. 67, 69. 115 European Central Bank, supra note 114, p. 74 et seq. 116 European Central Bank, supra note 114, p. 76.

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Both the ECB and a considerable part of the economic literature thus see expenditure reductions as an extremely effective means of guarantying durable budget consolidation.117 In reality, however, a remarkable discrepancy existed between the plans of the states of the Euro area for recovering budget stability, as announced in their annually updated stability programs, and the existing facts. At least the plan to reduce the portion of public expenditures of the gross domestic product was largely a failure.118 c) The Lack of Rigidity of the Deficit Criteria The fiscal reference values of the EU law are not judged as a rigid ceiling. Various additional circumstances have to be taken into account when deciding whether deficits are “excessive”.119 But even if an “excessive” deficit can be ascertained the procedures to impose sanctions are complicated and painstaking. The inherent weakness of the sanction mechanisms was rendered even weaker by the amendments of the stability pact in 2005.120 This makes it even more doubtful that the expansion of the deficit definition alone would achieve the desired results. d) Interim Result Before changing the primary law to include the “implicit” public debt, assurances would therefore first have to be provided that the rules could also be enforced in the large member states like France, Germany and Italy, which had so far undertaken some reform steps, but were still a long way from the goal of a long-term, sustainable state of the public finances.

117 European Central Bank, supra note 114, p. 76; Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 35. 118 European Commission, Autumn Forecast 2005, European Central Bank, supra note 114, p. 80. 119 See above IV. 1. a). 120 For sources see footnote 63; very critical of the changes see Deutsche Bundesbank, Die Änderungen am Stabilitäts- und Wachstumspakt (April 2005), Monthly Bulletin, pp. 15, 20: “considerable weakening, additional complication and intransparancy”, giving the details of the changes in procedure, even though the material substance derived from the EC Treaty remained unchanged; Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 32; Zeitler, supra note 11, pp. 233, 234; for the discussion whether there is a need of amending the Pact from an economic point of view see the contributions in: Conseil d’Analyse économique (ed.), Réformer le Pacte de stabilité et de croissance (2004). At least the weak growth rates in the Euro-zone are not caused by the rules of the Pact, cp. Artus (supra note 100), id. p. 36; for the problem of taking into account “exceptional circumstances” see Bénassy-Quéré and Penot, Vers une redéfinition des “circonstances exceptionnelles” du Pacte de stabilité et de croissance, id., p. 93.

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4. Interim Result A question that is even more serious than the obedience to German constitutional law on finance is that of enforcing the requirements of EU law – if not its words, at least its spirit – against the governments of influential member states. This problem must be addressed before the scope of application of the existing rules is to be expanded. V. National Stability Pact Because of the quite insufficient compliance of the Federal Republic with the EU requirements for government deficits121 and because of the extensive borrowing of funds by the various parts of the federal state122 the establishment of a “National Stability Pact” has been discussed for some time.123 This way, the different levels of the federal state were to be coordinated in regard of their borrowing funds.124 The proposals of politicians and scholars suffered, however, from serious drawbacks. They either contain no real legal obligation125 and could be categorized as one of the usual declamations which are superfluous from the perspective of the constitutional law126 or, in case they were to contain binding legal obligations, they are – due to the long-time failure to amend Article 109 of the Basic Law as it would have been appropriate127 – on their face unconstitutional. The distribution of competences and powers – including the competence to bear financial burdens – among the Federation and the states are strictly regulated by the Basic Law. This regulation is binding and cannot be altered at the discretion of politicians, even if they act unanimously. It is also not open to contractual agreements between the Federation and a single state or the entirety of states.128 121

Supra note 112. In 2004 only about 60 per cent of the borrowing was done by the federal government and 40 percent by the states and their municipalities. The debt of the federal level would only account to a 40 per cent ratio of the GDP and the debt of the states to a more than 25 per cent share, Deutsche Bundesbank, supra note 5, pp. 24, 25, with vast differences among the various states. 123 Compare the description by Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 32 et seq. 124 Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 32. 125 This is true for the later inserted § 51a HGrG (see supra at note 88). It is also (incorrectly) sometimes called “National Stability Pact”; see Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 33. The distribution of the deficit-potential by the Finanzplanungsrat for the years of 2004 until 2006 is neither appropriate nor binding, see Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 36. 126 Typical press release of the state government for Brandenburg from 14 May 2002: Nationaler Stabilitätspakt und Solidarpakt II zwingen zur Haushaltsdisziplin. 127 Supra IV. 1. c). 128 Waldhoff and Vogel, supra note 87, margin-no. 661 at the end; problematic therefore: Hillgruber, supra note 14, Art. 109. margin-no. 148: “Staatsvertrag”; Deutsche Bundesbank, supra note 5, p. 32: “Ein nationaler Stabilitätspakt stellt einen Eingriff in 122

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Even if these principles have often been neglected in the past, this is no justification for further breaches of the law. As already mentioned, the first stage of the “federalism reform” (Föderalismusreform) has amended Article 109 of the Basic Law.129 But it has not entrenched a “National Stability Pact” as the official motives for the amendments state.130 The new para. 5 of Article 109 of the Basic Law only provides that the requirements from EU law regarding government deficits establish an obligation both for the Federation and the states. This means, that the burdens of the EU requirements are passed on to the various parts of the Federal Republic by national constitutional law. This is not a pact and in substance it is not national.131 The requirements are those of the EU law as it does not contain a material substance of its own.132 This could, however, mean that the EU requirements will be – in effect – in the future also requirements of the national constitutional law. It remains, however, the need to have sufficient complementary rules and institutions on the national level.133 VI. Conclusions This initial – and necessarily provisional – attempt to place the “implicit” public debt within a legal framework delivered mainly negative results. Only a few concrete starting points in the financial provisions of German constitutional law and in the EU law could be found. Nevertheless, the systematically correct locations for further inquiry could be shown. Particularly serious is the current nonchalance with which a number of governments override mandatory provisions of the financial law or have stretched them in questionable ways to meet their own needs. die Haushaltsautonomie von Bund und Ländern dar und erfordert eine rechtliche Regelung, die der Zustimmung beider staatlichen Ebenen bedarf.” Not the consent of the two federal levels is necessary but a formal amendment to the constitution. That is a difference. 129 Supra at IV. 1. c). 130 BT-Drucks. 16/813, p. 10. The expression has also been used during the extensive committee hearings and was part of the official agenda for the joint session by the committee for legal affairs and the committee for internal affairs on 31 May 2006, protocol of the 18th session, p. 1 (A), 5 (C), 9 (C), 10 (B), 11 (B), 21 (D), 37 (C), 111 (C), 123 (D), 139 (D), 147 (D), 160 (C). 131 Siekmann, supra note 7, Art. 109 margin-no. 61; different see Wieland, supra note 98. 132 See also Korioth, supra note 130, pp. 1 f, 148 (D) who stated that the provision does not follow a convincing underlying principle and that it does not deal with the problem of preventing a deficit. For the direct application this can be true but not for the indirectly adopted rules of the EU law. Additional research is necessary to clarify the other point whether a material national regulation is desirable. 133 European Central Bank, supra note 114, p. 78.

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VII. Appendix Referenced Provisions of the German Basic Law Article 37 [Federal Enforcement] (1) If a Land fails to comply with its obligations under this basic law or other federal laws, the federal government, with the consent of the federal council [Bundesrat], may exert the necessary measures to force the state [Land] by the way of federal enforcement [Bundeszwang] to comply with its duties. (2) For the purpose of implementing this federal enforcement [Bundeszwang], the federal government or its representative has the right to issue instructions to all states [Länder] and their administrative agencies. Article 104a [Apportionment of Expenditures; Grants in Aids] (1) [. . .] [. . .] (5) The federation and the states [Länder] meet the administrative expenses incurring at their administrative agencies and are liable to one another for a proper administration. Details are regulated by a federal legislation requiring the consent of the federal council [Bundesrat]. (6) The federation and the states [Länder] bear the burden arising from a breach of supranational obligations and obligations by the law of nations according to the internal distribution of competences and duties. In case of financial corrections of the European Union affecting more than one state [länderübergreifend] the federation and the states [Länder] bear these burdens in a ratio of 15 to 85. In this case the entirety of states [Länder] bears in solidarity 35 of one hundred of the total burden according to a general redistribution scheme; 50 of one hundred of the total burden is borne by the states [Länder] which caused the burden, apportioned according to the volume of the funds received. Details are regulated by a federal legislation requiring the consent of the federal council [Bundesrat]. Article 109 [Budget Management] (1) The federation and the states [Länder] are autonomous and independent of each other in managing their respective budgets. (2) In managing their respective budgets the federation and the states [Länder] take due account of the requirements of the overall economic equilibrium. (3) A federal law requiring the consent of the federal council [Bundesrat] may establish principles applicable to both the Federation and the Länder governing

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budgetary law, the responsiveness of budgetary management to economic trends, and long-term financial planning. [. . .]. (5) Obligations of the federal republic of Germany arising from legal acts of the European Union based on Article 104 of the European community treaty to ensure budgetary discipline have to be fulfilled jointly by the federation and states [Länder]. Sanctions of the European Union are borne by the federation and the states [Länder] in a ratio of 65 to 35. The entirety of the states [Ländergesamtheit] bears in solidarity 35 of one hundred of the burden apportioned to the states [Länder] according to the number of their inhabitants; 65 of one hundred of the burden apportioned to the states is borne by the specific states according to their share of causation. Details are regulated by a federal legislation requiring the consent of the federal council [Bundesrat]. Article 110 [Federal Budget] (1) All revenues and expenditures of the federation are included in the budget; in respect of federal enterprises and special assets, only payments to or remittances from them need to be included. The budget has to be balanced in revenues and expenditures. (2) [. . .]. Article 114 [Accounting and Audit] (1) For the purpose of discharging the federal government, the federal minister of finance has to submit annually an account, covering the preceding fiscal year, of all revenues and expenditures as well as of property and debt, to the federal parliament [Bundestag] and to the federal council [of the State Governments] [Bundesrat] for their approval. (2) The federal audit office whose members enjoy judicial independence audits the account and examines the cost effectiveness and orderliness of the management of the budget and the conduct of business. It submits an annual report directly to the federal government as well as to the federal parliament [Bundestag] and to the federal council [Bundesrat]. Apart from that the powers of the federal audit office are regulated by federal legislation. Article 115 [Borrowing] (1) The borrowing of funds and the assumption of surety obligations, guarantees or other commitments that may lead to expenditures in future fiscal years re-

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quires authorization by a federal legislation indicating, or permitting computation of, the respective amounts. Revenue obtained by borrowing may not exceed the total of investment spending appropriated in the budget; exceptions are permissible only to avert a disturbance of the overall economic equilibrium. Details are regulated by federal legislation. (2) In respect of special assets of the federation, exceptions to the provisions of para. 1 may be authorized by federal legislation. Article 120 [Financial Burdens from the War and from the social security system] (1) [clause 1 to 3] The federation provides for contributions covering the burdens of the social security system, including the social unemployment insurance and the unemployment welfare. [clause 5]

5. Die Spielbankabgabe und die Beteiligung der Gemeinden an ihrem Aufkommen – zugleich ein Beitrag zu den finanzverfassungsrechtlichen Ansprüchen der Gemeinden* Die Spielbankunternehmer haben in Nordrhein-Westfalen eine Spielbankabgabe in Höhe von 80 % der Bruttospielerträge zu entrichten, § 4 Abs. 2 S. 1 des Spielbankengesetzes NW.1 Dafür sind sie aber von denjenigen Landes- und Gemeindesteuern befreit, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb der Spielbank stehen, § 4 Abs. 3 Spielbankengesetz NW. Ein „angemessener“ Anteil dieser Abgabe ist den jeweiligen Spielbankgemeinden2 wegen der Befreiung des Spielbankunternehmers von Gemeindesteuern zuzuwenden. Durch Rechtsverordnung bestimmt der Innenminister im Einvernehmen mit dem Finanzminister die Höhe dieses Anteils, § 4 Abs. 2 Satz 3 Spielbankgesetz NW. Er hat ihn in § 1 der Verordnung über den Anteil der Spielbankgemeinden an der Spielbankabgabe vom 8. Mai 19853 auf 15 % festgesetzt. 11 Jahre später ist dieser Anteil durch das Haushaltsbegleitgesetz 2006 von 15 % auf 12 % abgesenkt worden.4 Die Absenkung ist am 1. Juli 2006 in Kraft getreten, § 2 Nr. 2 des Haushaltsstrukturgesetzes 2006.5 Seit dem 6. Mai 2006 wird darüber hinaus die vom Spielbankunternehmer zu zahlende Umsatzsteuer auf die Spielbankabgabe angerechnet.6 Das hat zur Folge, * Erstveröffentlichung in: Butzer/Kaltenborn/Meyer (Hrsg.), Organisation und Verfahren im sozialen Rechtsstaat – Festschrift für Friedrich E. Schnapp zum 70. Geburtstag, Berlin 2008. 1 Gesetz über die Zulassung öffentlicher Spielbanken im Land Nordrhein-Westfalen (Spielbankgesetz NW-SpielbG NW) vom 19.03.1974, GV. NRW, S. 93. 2 Es handelt sich um die Städte Aachen, Bad Oeynhausen, Dortmund und Duisburg. 3 GV. NRW, S. 438. 4 Nr. 7 des Gesetzes zur Änderung haushaltswirksamer Landesgesetze (Haushaltsbegleitgesetz 2006) vom 23. Mai 2006, GV. NRW, S. 197, 205. Es ist als Artikel 2 des Gesetzes über die „Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2006“ und des Gesetzes „zur Änderung haushaltswirksamer Landesgesetze (Haushaltsstrukturgesetz 2006)“ erlassen worden, GV. NRW, S. 197. Artikel 2 selbst trägt die Bezeichnung: „Gesetz zur Änderung haushaltswirksamer Landesgesetze (Haushaltsbegleitgesetz 2006)“. Sie stimmt damit nicht genau mit der Bezeichnung in der Überschrift für das gesamte Gesetz überein. Im Folgenden soll einheitlich die Bezeichnung Haushaltsbegleitgesetz 2006 verwendet werden. 5 GV. NRW, S. 197, 206. 6 Das ist eine Konsequenz von Artikel 2 des Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28.04.2006, BGBl. I, S. 1095.

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dass sich die (absolute) Höhe des Landesanteils an den Bruttospielerträgen – und damit auch der an die Gemeinden weitergereichte Betrag – um die angerechnete Umsatzsteuer verringert. Im Ergebnis haben sich also die Einnahmen der Spielbankgemeinden aus der Spielbankabgabe aus zwei Gründen verringert: Der zu verteilende Kuchen wird durch die angerechnete Umsatzsteuer verkleinert und die Gemeinden erhalten ein kleineres Stück des Kuchens. Eine Reihe von kommunalrechtlichen, aber auch finanzverfassungsrechtlichen Fragen sind dadurch aufgeworfen worden. Sie betreffen in ihrem Kern das Recht auf Selbstverwaltung, vor allem den Anspruch der Gemeinden auf eine angemessene Finanzausstattung. Möglicherweise haben die Spielbankgemeinden einen Anspruch auf Zuweisung des ungeschmälerten Anteils an dem Aufkommen der Spielbankabgabe. Als Grundlage für einen derartigen Anspruch kommen vor allem die Selbstverwaltungsgarantie in ihrer finanziellen Ausprägung nach Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG und die Finanzausgleichsregelungen in Art. 106 Abs. 2 und 6 GG in Betracht. I. Die Erhebung einer Spielbankabgabe 1. Gesetzgebungszuständigkeit des Landes Der Bund hat nach Art. 105 Abs. 1 GG die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit über Zölle und Finanzmonopole. Die Spielbankabgabe ist aber weder ein Zoll noch fließen ihre Erträge aus einem Finanzmonopol. Da eine ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nicht gegeben ist, könnte die Zuständigkeit des Landes nach Art. 105 Abs. 2 oder 2a GG gegeben sein. Sie könnte aber auch aus der Zuständigkeit zur Regelung eines einheitlichen Gegenstandes „Spielbankrecht“ folgen, für das die Länder mangels anderweitiger Zuweisung zuständig sind, Art. 70 Abs. 1 GG (Residual- oder Auffangkompetenz der Länder). Die finanzverfassungsrechtliche Gesetzgebungszuständigkeit hängt davon ab, ob es sich bei der Abgabe um eine Steuer handelt. Art. 106 Abs. 2 GG führt in seiner Aufzählung von Steuern („Das Aufkommen folgender Steuern [. . .]“), deren Ertrag den Ländern zusteht, ausdrücklich unter Nr. 6 die „Abgabe von Spielbanken“ an. Diese formale Behandlung spricht bereits deutlich für das Vorliegen einer Steuer. Aber auch materiell ist eine Abgabe von Spielbanken der Art, wie sie in Nordrhein-Westfalen erhoben wird, keine Vorzugslast. Sie ist nicht Gegenleistung für die Erteilung der Spielbankkonzession,7 sondern eine Geldleistung, die ohne weitere Voraussetzungen zu erbringen ist, wenn der Tatbestand der Ab7 BFHE 58, 556 (559): keine „Verwaltungsabgabe“; 177, 276 (286) für die Niedersächsische Spielbankabgabe; allgemein BFH, Beschluss v. 29.3.2001 – III B 80/00, NV 2002, S. 1294 (1296); Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, München, Art. 106 Rn. 33 (Loseblatt: 1978).

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gabenorm erfüllt ist. § 4 Abs. 1 Satz 1 SpielbG NW knüpft lediglich an die Eigenschaft „Spielbankunternehmer“ an. Es handelt sich daher um eine Steuer im verfassungsrechtlichen Sinne.8 Wenn es sich um eine Steuer im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit handelt, kommt es weiter darauf an, ob eine Regelung der Materie durch den Bund vorliegt. Eigene Gesetze hat der Bund nicht erlassen. Wenn jedoch das Reichsrecht, das die ursprüngliche Spielbankabgabe geregelt hätte, als Bundesrecht und nicht als Landesrecht weiter gilt, könnte eine die Länder sperrende Bundesgesetzgebung vorliegen. Das ist tatsächlich bisweilen vertreten worden,9 doch berücksichtigt diese Auffassung nicht hinreichend die tragenden Gründe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verwendung des „Troncs“ der Spielbanken. Das Gericht hat in dieser Entscheidung ausdrücklich das Spielbankrecht unter Nennung der maßgebenden Vorschriften der weiter geltenden reichsrechtlichen Verordnung als eine einheitliche Materie („Spielbankrecht insgesamt“) bezeichnet.10 § 7 Abs. 2 Satz 2 SpielbVO über die Verwendung des Troncaufkommens verwirkliche ebenso wie die §§ 5, 6 und 9 der Verordnung den maßgeblichen Grundgedanken der Abschöpfung.11 Die Materie „Spielbankrecht“ falle unter keine der dem Bund ausschließlich oder konkurrierend zugewiesenen Sachbereiche und es verbleibe bei der Gesetzgebungskompetenz der Länder.12 Das Gericht lässt dann aber dahingestellt, ob es sich bei der eigentlichen Spielbankabgabe um eine Steuer handele und wie sie in das Steuersystem einzuordnen sei. Dessen 8 BFH, Beschluss v. 29.3.2001 – III B 80/00, NV 2002, S. 1294 (1296); Walter, Spielbankabgabe und Finanzverfassung, Steuer und Wirtschaft 1972, S. 225 (227); Maunz (Fn. 7), Rn. 33; Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl., München, 2007, Art. 106 Rn. 11; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 9. Aufl., München, 2007, Art. 106 Rn. 5; Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, 5. Aufl., München 2005, Art. 106 Rn. 58; Hidien, in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg, Art. 106 Rn. 1446 (Loseblatt: 2002); offen gelassen von BVerfGE 28, 119 (150 f.); Steuer im Sinne der Abgabenordnung: BFHE 58, 556 (559) unter Bezugnahme auf den Zweck einer „umfassenden Abschöpfung“; 177, 276 (282 f., 285) auch für die (höhere) zusätzliche Spielbankabgabe nach niedersächsischem Recht (286); Birk, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Köln, § 1 Rn. 9 (Loseblatt: 2005); Vogt, Spielbankabgaben, Zeitschrift für Kommunalfinanzen 1984, S. 162 (163); für „Abgabe“ Schmitz, Die Spielbankabgabe in der Bundesrepublik Deutschland, Finanzarchiv 1965, S. 472 (475), allerdings vor Änderung von Art. 106 Abs. 2 GG. 9 Walter (Fn. 8), S. 225: § 5 Abs. 1 SpielbankVO v. 27.7.1938 (RGBl. I, S. 955) gelte als Bundesrecht weiter. Nach Auffassung des BFH würde eine solche Qualifikation die Länder aber gleichwohl nicht an konkretisierender eigener Gesetzgebung hindern, BFHE 177, 276 (285). 10 BVerfGE 28, 119 (145, 149). 11 BVerfGE 28, 119 (146). 12 BVerfGE 28, 119 (146): „Das Spielbankrecht gehört weder zum Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) noch zum Arbeitsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) oder zum Steuerrecht des Art. 105 Abs. 2 GG.“

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ungeachtet zieht es dann aber doch ein umfassendes Fazit: „Das Spielbankrecht betrifft nicht einen Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes.“ 13 Diese kompetenzrechtlichen Festlegungen des Bundesverfassungsgerichts sind auch nicht durch die Entscheidung vom 19. Juli 2000 in Frage gestellt worden, die den Betrieb einer Spielbank zum Schutzbereich der Berufsfreiheit gerechnet hat.14 Wenn die Spielbankabgabe untrennbarer Bestandteil des Spielbankrechts insgesamt ist,15 muss die (ausschließliche) Zuständigkeit der Länder angenommen werden.16 Diese Gesetzgebungskompetenz der Länder würde sich aber auch aus Art. 105 Abs. 2a GG ergeben, da es sich um eine örtliche Verbrauch- oder Aufwandsteuer handelt, die bundesgesetzlich geregelten Steuern nicht gleichartig ist. Steuerquelle und Steuerbemessungsgrundlage sind die Bruttospielerträge fast ohne Abzugsmöglichkeiten oder Anrechnungen. Das macht sie einzigartig im Vergleich zu anderen Steuern. 2. Zulässigkeit der Erhebung einer Spielbankabgabe Die Erhebung einer solchen Abgabe muss wegen ihrer ausdrücklichen Erwähnung in Art. 106 Abs. 2 Nr. 6 GG auch materiell als vom Grundgesetz in ihrer „Grundstruktur“ gebilligt angesehen werden, selbst wenn die Vorschrift nur die Ertragskompetenz regelt.17 Die Verteilung des Aufkommens aus einer Abgabe, die das Grundgesetz verbietet, würde keinen Sinn machen, es sei denn, die konkrete Ausgestaltung der Abgabe wäre mit Vorschriften des Grundgesetzes nicht (mehr) vereinbar, wie das bei den Steuern, die auf gleichheitswidrig festgesetzten Einheitswerten beruhten, der Fall war.18 Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Grundrechte oder materielle Grundprinzipien des Grundgesetzes durch die konkrete Ausgestaltung der Abgabe in Nordrhein-Westfalen sind aber nicht ersichtlich. Bei ähnlicher Gestaltung in Hamburg und Schleswig-Holstein sah der BFH jedenfalls in der Heranziehung der Spielgeräteaufsteller zur Gewerbesteuer keinen Verstoß gegen die europarechtlichen Freiheiten und keine gleichheitswidrige Schlechterstellung gegenüber den Spielbankunternehmern, die nach § 3 Nr. 1 13

BVerfGE 28, 119 (151). BVerfGE 102, 197 (215). In dieser Entscheidung wird ohne Vorbehalt oder Einschränkung die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers unter Berufung auf BVerfGE 28, 119 (144 ff.) in einem Satz festgestellt. 15 Wohl BVerfGE 28, 119 (151); Lauer, Staat und Spielbanken – Rechtsfragen des Staatshandelns in einem Spannungsfeld zwischen Erwerbswirtschaft und Gefahrenabwehr, Heidelberg, 1993, S. 96 f.; offen gelassen von BFHE 177, 276 (284). 16 Schmitz (Fn. 8), S. 474 Fn. 2. 17 Eingehend unter Diskussion der verschiedenen Meinungen anhand der Gewerbesteuerabgeltung BFHE 203, 206 (267 ff.). 18 BVerfGE 93, 121 (142); zuvor schon BFH, BStBl. 1978 II, S. 446; BFHE 125, 188. 14

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GewStG von der Zahlung der Gewerbesteuer befreit sind.19 Die dem Bundesverfassungsgericht vorliegenden Verfahren der konkreten Normenkontrolle20 betreffen keine hier relevanten Fragen. II. Die Weiterleitung von Ertragsanteilen Art. 106 Abs. 2 Nr. 6 GG weist das Aufkommen aus der Abgabe von Spielbanken den Ländern zu. Diese Festlegung ist zwingend. Abweichende vertragliche Regelungen sind nicht zulässig.21 Erlaubte Durchbrechungen der Ertragsverteilungsregeln des Art. 106 GG waren abschließend in Art. 91a und b sowie Art. 104 Abs. 4 GG22 geregelt. Die Vereinbarung über die Abführung von Teilen der Spielbankabgabe an den Bund war daher verfassungswidrig.23 Eine horizontale Umverteilung zwischen den Ländern kann dagegen durch Bundesgesetz geregelt werden, soweit sie sich als „Zerlegung“ des Aufkommens im Sinne von Art. 107 Abs. 1 Satz 3 GG darstellt.24 Aber auch insoweit sind vertragliche Abmachungen in jedem Fall unzulässig. Die Beteiligung der Kommunen am Aufkommen der Abgabe könnte jedoch anders zu beurteilen sein. In Übereinstimmung mit den übrigen Abschnitten des Grundgesetzes behandelt die Finanzverfassung die Gemeinden und Gemeindeverbände als Bestandteile der Länder und ihres Verfassungsrechtskreises.25 Das 19

BFH, Beschluss v. 29.03.2001 – III B 80/00 – NV 2002, S. 1294 (1296 f.). BVerfG – 2 BvL 5/03, Vorlagebeschluss des FG Niedersachsen vom 14.05.2003 – 3 K 264/95; BVerfG – 2 BvL 6/03, Vorlagebeschluss des FG Niedersachsen vom 15.05.2003 – 3 K 289/95. 21 BVerfGE 55, 274 (300 f.); Siekmann (Fn. 8), Art. 106 Rn. 3; Pieroth (Fn. 8), Art. 106 Rn. 3; Häde, Finanzausgleich, Tübingen, 1996, S. 2, 183, unter Berufung auf Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 106 Rn. 34; Schwarz (Fn. 8), Art. 106 Rn. 25; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Band III, Tübingen, 2000, Art. 106 Rn. 10; ausführlich jetzt Hidien (Fn. 8), Art. 106 Rn. 484, 679 (nicht 677, wie im Stichwortverzeichnis angegeben). 22 Seit dem 1.9.2006 in Art. 91b und 104b Abs. 2 GG sowie wohl auch in Art. 91a Abs. 3 GG in der neuen Fassung. 23 Walter (Fn. 8), S. 229; Siekmann (Fn. 8), Art. 106 Rn. 3; Pieroth (Fn. 8), Art. 106 Rn. 3; Schneider, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 106 Rn. 6 (Loseblatt: 2002); Schwarz (Fn. 8), Art. 106 Rn. 25; Heun (Fn. 21), Art. 106 Rn. 10, 16; Heintzen, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 3, 4./5. Aufl., München, 2003, Art. 106 Rn. 9; Hidien (Fn. 8), Art. 106 Rn. 484, 487, 679, 1446; zu den Einzelheiten des Abkommens, seiner Vorgeschichte und finanziellen Auswirkung Schmitz (Fn. 8), S. 486 ff. 24 Walter (Fn. 8), S. 230, allerdings mit der Einschränkung, dass es sich um bundesgesetzlich geregelte Landessteuern handeln müsse. 25 BVerfGE 86, 148 (215): „Im Bundesstaat des Grundgesetzes stehen sich Bund und Länder und die Länder untereinander gegenüber; die Kommunen sind staatsorganisatorisch den Ländern eingegliedert“. Das ist in der Begründung des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 28 und 106) v. 20.10.1997 noch einmal ausdrücklich bekräftigt worden (BT-Drs. 13/1685, S. 4) und damit als (fortbestehender) Wille des Ver20

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II. Verfassungsrecht

folgt eindeutig aus der Überschrift von Abschnitt II des Grundgesetzes und aus Art. 106 Abs. 9 GG, der die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden und Gemeindeverbände ausdrücklich den Einnahmen und Ausgaben der Länder zuordnet. Daran hat auch die schrittweise Einführung von Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG nichts ändern wollen.26 Auch bedeuten die besonderen Garantien für die kommunale Finanzausstattung (Art. 28 Abs. 2 Satz 3, 106 Abs. 5 und 5a GG) keine Abkehr vom Grundprinzip der Zweistufigkeit,27 selbst wenn das Bundesverfassungsgericht unlängst in einer nicht näher begründeten Bemerkung etwas anderes angedeutet hat.28 In den abschließenden Beratungen der Grundgesetzänderung ist aber dezidiert darauf hingewiesen worden, dass „die Finanzverfassung“ „durch die vorgeschlagene Ergänzung von Art. 28 Abs. 2 GG nicht verändert werden“ solle.29 fassungsgebers anzusehen; dezidiert in diesem Sinne auch nach Änderung von Art. 84 Abs. 1 GG und 85 Abs. 1 GG Nierhaus/Rademacher, Die große Staatsreform in der Föderalismusfalle?, LKV 2006, S. 385 (393). 26 Bei der Formulierung der Vorschläge zur Ergänzung des Art. 28 Abs. 2 GG war Wert darauf gelegt worden, dass „auch nur der Anschein“ vermieden werden müsse, es solle von „dem im Grundgesetz begründeten zweigliedrigen Staatsaufbau abgewichen“ werden, BT-Drs. 12/6000, S. 47; ebenso Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden, 1998, S. 159 f.; Vogel/Waldhoff, in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg, vor Art. 104a Rn. 51 (Loseblatt: 1997); Schneider (Fn. 23), Art. 106 Rn. 19; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Band II, 2. Aufl., Tübingen, 2006, Art. 28 Rn. 95; Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, Baden-Baden, 1996, S. 65, unklar S. 72 ff. 27 BVerfGE 86, 148 (215, 220); Grawert, Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, Berlin, 1989, S. 23 ff., 45; Vogel/Waldhoff (Fn. 26), vor Art. 104a Rn. 48; Waldhoff, Reformperspektiven im Finanzrecht – ein Überblick, Die Verwaltung, Bd. 39 (2006), S. 155 (172); ders., in: lsensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Aufl., Heidelberg, 2007, § 116 Finanzwesen, Rn. 18; Prokisch, in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg, Art. 104a Rn. 58 (Loseblatt: 2003); Heintzen (Fn. 23), vor Art. 104a Rn. 48; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, München, 1980, S. 1053; v. Arnim, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, 2. Aufl, Heidelberg, 1999, § 103 Finanzzuständigkeit, Rn. 3, 32; Wendt, ebda., § 104 Rn. 62; Schneider (Fn. 23), vor Art. 104a Rn. 3, Art. 106 Rn. 19; Häde (Fn. 21), S. 188; Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, Tübingen, 1997, S. 42, 425; eindeutig Mückl (Fn. 26), S. 144 ff., 194; Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, München, Art. 28 Rn. 84b (Loseblatt: 1997): „[. . .] verbleibt es aber – systemgerecht – beim definitiv zweistufigen Aufbau der bundesstaatlichen Finanzordnung“; Schwarz (Fn. 8), Art. 106 Rn. 111; unklar Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, München 2005, Art. 104a Rn. 23; anders vielleicht Weiß, Die völkerrechtliche Pflicht zur aufgabenadäquaten Finanzausstattung der Kommunen, DÖV 2000, S. 905 (909), der Ansprüche der Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 GG in Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 2 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung (EKC) herleitet. 28 BVerfGE 101, 158 (230): „modifiziert die bisherige Zweistufigkeit der Finanzverfassung“. 29 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 12/6000, S. 47 f.; im Ergebnis wie hier: keine Modifikation, auch nicht nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Waldhoff (Fn. 27), S. 175.

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Daraus folgt, dass die Weiterleitung von Mitteln aus der Spielbankabgabe an Kommunalkörperschaften den bundesstaatlichen Finanzausgleich nicht berührt. Die Mittel werden lediglich innerhalb einer der föderativen Ebenen umgeschichtet. Es handelt sich deshalb schon a-limine nicht um einen Vorgang des bundesstaatlichen Finanzausgleichs. Jedenfalls liegt aber keine Abweichung von den zwingenden und unabdingbaren Vorgaben des Grundgesetzes für die Steuerertragsverteilung vor. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass die Regelungen des Grundgesetzes, welche speziell die Kommunalkörperschaften und ihre Finanzen betreffen, nicht doch einschlägig sind. Sie können als „leges speciales“ oder Durchbrechungen dieser grundsätzlichen Ordnung etwas anderes bestimmen und bedürfen deshalb noch einer näheren Betrachtung. III. Anspruch auf Zuweisung eines Anteils an dem Aufkommen der Spielbankabgabe Wenn also die Zuweisung von Mitteln aus dem Aufkommen der Abgabe an die Kommunen verfassungsrechtlich unbedenklich ist, ist damit aber noch nicht entschieden, ob auch ein Anspruch auf diese Zahlungen besteht und wenn ja, in welcher Höhe. 1. Anspruchsgrundlage Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG (1) Das Verhältnis von Art. 28 Abs. 2 GG zu Art. 78 Abs. 1 LVerf. NW ist nicht eindeutig geklärt. Im Grundsatz bestand ursprünglich Einigkeit, dass die Selbstverwaltungsgarantie der Landesverfassung unmittelbar an die im Grundgesetz ausgeformten Gewährleistungen anknüpft, aber zum Teil darüber hinausgeht.30 In seiner neueren Rechtsprechung fügte der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen sogar Art. 28 Abs. 2 GG in Klammern der Vorschrift der Landesverfassung hinzu.31 Im Ergebnis verkörpert Art. 28 Abs. 2 GG wohl eine Mindestgewährleistung,32 die auf Landesebene ebenso wie die Vorschriften der Landesverfassung zu beachten ist. Dogmatisch ist die grundgesetzliche Vorschrift aber trotz ihres Durchgriffscharakters nicht Teil der Landesverfassung. Die Garantien des Grundgesetzes und der Landesverfassung stehen selbstständig nebeneinander.33 30 VerfGH NW, OVGE 9, 74 (75); Tettinger, in: Löwer/Tettinger (Hrsg.), Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/ Weimar/Dresden, 2002, Art. 78 Rn. 13. 31 VerfGH NW, NWVBl. 1991, S. 187 (188); 1993, S. 381 (382 f.); 1997, S. 333 (336); 1999, S. 136. 32 In diesem Sinne Volkmann, Der Anspruch der Kommunen auf finanzielle Mindestausstattung, DÖV 2001, S. 497 (498). 33 Tettinger (Fn. 30), Art. 78 Rn. 12.

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Entsprechendes dürfte für das Verhältnis zu Art. 79 LVerf. NW gelten, der als Präzisierung oder „spezielle Ausformung“ der Finanzausstattungsgarantie des Art. 78 Abs. 1 LVerf. NW verstanden werden kann.34 Dabei kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob Art. 79 LVerf. NW hinter den neuen Gewährleistungen von Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG zurückbleibt oder nicht.35 Die grundgesetzlichen Vorgaben sind auch auf Landesebene strikt zu beachten. Die schrittweise Einfügung der Halbsätze 1 und 2 in Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG in den Jahren 1994 und 199736 könnte zu verfassungsrechtlich abgesicherten Ansprüchen der Gemeinden auf bestimmte Einnahmequellen und damit auch des Anteils an der Spielbankabgabe geführt haben. Dies gilt vor allem auch im Hinblick auf eine mögliche Abgeltung von Steuern durch die Spielbankabgabe, deren Erträge sonst den Gemeinden zustünden. Die Vorschrift wirft zahlreiche Interpretationsprobleme auf, da sie nach Wortlaut, Zweck und systematischer Stellung alles andere als eine gesetzgeberische Meisterleistung ist.37 Das zeigt nicht zuletzt auch ihre Genese. Zum Teil wird im Schrifttum sogar die Auffassung vertreten, dass ihre Einfügung überhaupt nicht zu einer Änderung der Position der Gemeinden im System der Finanzverfassung geführt habe.38 Diese Deutung bedarf indes keiner weiteren Vertiefung, da die Garantie der kommunalen Finanzhoheit auch schon vor der Neufassung von Art. 28 Abs. 2 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt war.39 Da dem verfassungsändernden Gesetzgeber nicht völlig überflüssiges und damit sinnloses Tätigwerden unterstellt werden kann, muss die Neuregelung zumindest als verbindliche Klarstellung der Rechtslage verstanden werden.40 Im Ergebnis dürfte sie zwei Varianten von finanziellen Gewährleistungen aussprechen: – eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle, – die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung im Allgemeinen. 34

Tettinger (Fn. 30), Art. 79 Rn. 5, 14. In diesem Sinne aber wohl Grawert, Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen, Wiesbaden, 1998, Art. 79 Anm. 1; dagegen Tettinger (Fn. 30), Art. 79 Rn. 14. 36 42. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 27.10.1994, BGBl. I, S. 3146; 44. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 20.10.1997, BGBl. I, S. 2470. 37 Sehr krit. Löwer, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 2, 4./5. Aufl., München, 2001, Art. 28 Rn. 88. 38 Scholz (Fn. 27), Art. 28 Rn. 84a; ihm folgend Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl., München, 2007, Art. 28 Rn. 84 ff.; Löwer (Fn. 37), Art. 28 Rn. 88: „ein Stück bloß semantischer Verfassungsreform“; zust. Waldhoff (Fn. 27), S. 175; ders. (Fn. 27), § 116 Rn. 24. 39 BVerfGE 52, 95 (117); 71, 25 (36); implizit wohl auch 83, 363 (386). 40 Nierhaus (Fn. 38), Art. 28 Rn. 86; Löwer (Fn. 37), Art. 28 Rn. 88; Waldhoff (Fn. 27), S. 175; weiter aber wenig folgerichtig Scholz (Fn. 27), Art. 28 Rn. 84b: „Diese Gewährleistung wird durch den neuen Art. 28 Abs. 2 S. 3 nicht nur deklaratorisch bestätigt, sondern materiell-rechtlich verstärkt.“ 35

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Im Übrigen verbietet sich eine isolierte Interpretation von Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG. Die Vorschrift muss im Zusammenhang mit Abschnitt X des Grundgesetzes – und dort vornehmlich mit Art. 106 GG – gelesen werden.41 (2) Möglicherweise kann die mit der Erhebung der Spielbankabgabe verbundene Befreiung der Spielbankunternehmer von der Gewerbesteuerpflicht in § 3 Nr. 1 GewStG, unvereinbar mit Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG sein, vor allem, wenn aus dieser Vorschrift auch die Gewährleistung eines bestimmten Aufkommens abzuleiten sein sollte. Es ist aber schon sehr zweifelhaft, ob eine (institutionelle) Garantie der „Gewerbesteuer [. . .] in Form der Gewerbeertragsteuer“ überhaupt der Vorschrift entnommen werden kann.42 Wortlaut und Entstehungsgeschichte43 lassen eine solche Deutung nicht zu.44 Im Übrigen zeigt auch die gebotene Zusammenschau mit Abschnitt X des Grundgesetzes – und dort vornehmlich mit Art. 106 GG, dass eine solche Garantie nicht in Betracht kommt. Wenn der Gesetzgeber mit der Änderung von Art. 28 Abs. 2 GG die Gewerbesteuer in ihrer Existenz oder mit einem bestimmten Ertrag hätte garantieren wollen, wäre es ein Leichtes gewesen, in Anlehnung an die Formulierung der Ertragsverteilungsregelung in Art. 106 Abs. 6 GG dies unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen. Das ist aber nicht geschehen. Darüber hinaus ist sehr zweifelhaft, ob aus einer institutionellen Garantie der Gewerbesteuer klagbare (subjektive) Rechte zu Gunsten einer einzelnen Gemeinde bei einer Verletzung dieser Garantie abgeleitet werden könnten.45 Aber auch diese Frage bedarf keiner Vertiefung, da die Gewerbesteuer durch die Spielbankabgabe nicht abgeschafft oder in eine andere Ertragskompetenz überführt wird. Die „Vorenthaltung“ von Erträgen fällt aber in die Regelung der Ertragsverteilung gemäß Art. 106 Abs. 6 GG. Dort ist die Frage einer Garantie der Gewerbesteuer und ihres Aufkommens noch einmal zu stellen.46 Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG gewährt jedenfalls im Ergebnis keine Ertragsgarantie für eine wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.47 41

Nierhaus (Fn. 38), Art. 28 Rn. 86 im Sinne einer „Klarstellung“. Pieroth (Fn. 8), Art. 28 Rn. 14. 43 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 13/8488): „[. . .] (Änderung von Artikel 28) Die Ergänzung des S. 3 in Abs. 2 ist erforderlich, um kommunale [!] Finanzautonomie durch den Bestand der Gewerbeertragsteuer oder durch eine andere an der Wirtschaftskraft der am Wirtschaftsleben der jeweiligen Gemeinde Beteiligten an knüpfende Steuer zu gewährleisten.“ [Hervorhebung nicht im Original]. 44 Siekmann (Fn. 8), Art. 105 Rn. 53, Art. 106 Rn. 41 f.; Scholz (Fn. 27), Art. 28 Rn. 84d; Löwer (Fn. 37), Art. 28 Rn. 88. 45 „Keine individuelle Anspruchsgrundlage“ Rennert, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, Heidelberg, 2002, Art. 28 Rn. 169; zust. Waldhoff (Fn. 27), S. 176; ders. (Fn. 27), § 116 Rn. 24. 46 Unten III. 3. 47 Tettinger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, 5. Aufl., München 2005, Art. 28 Rn. 250 unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien. 42

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(3) Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht eine Garantie der kommunalen Finanzhoheit schon aus Art. 28 Abs. 2 GG a. F. abgeleitet, doch ließ es ausdrücklich offen, ob zu dieser Gewährleistung auch ein Anspruch der Gemeinden auf eine „angemessene Finanzausstattung“ oder jedenfalls eine „finanzielle Mindestausstattung“ gehört.48 Im Schrifttum49 und in der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte50 sowie des Bundesverwaltungsgerichts51 wurde eine Garantie der angemessenen Finanzausstattung auch schon vor der Ergänzung der Vorschrift nahezu einhellig anerkannt. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass das gewährleistete eigenverantwortliche Handeln ohne entsprechende finanzielle Leistungsfähigkeit der Selbstverwaltungskörperschaften kaum möglich sei.52 (4) Eine Konkretisierung der Angemessenheit fällt indes schwer. Nicht selten wird – auch nach der Neufassung – nur eine „finanzielle Mindestausstattung“ oder „gewisse finanzielle Mindestausstattung“ als garantiert angesehen. Diese „Schutzwirkung“ soll aber erst bei einer „gänzlich inadäquaten Einengung“ oder „Aushöhlung der kommunalen Finanzausstattung“ „zum Tragen“ kommen.53 Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen sieht die „Finanzausstattungsgarantie“ dann als verletzt an, wenn „das Selbstverwaltungsrecht ausgehöhlt und einer sinnvollen Betätigung der Selbstverwaltung die finanzielle Grundlage entzogen wird“.54 Dabei ist ungeklärt, ob sich eine Finanzausstattungsgarantie auch zu einem Anspruch einer individuellen Gemeinde verdichten kann.55 48 BVerfGE 26, 172 (181); 71, 25 (36 f.); 83, 363 (386); 2. Kammer des 2. Senats v. 7.1.1999, NVwZ 1999, S. 520 (521). 49 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Aufl., München; 1984, S. 422; Scholz (Fn. 27), Art. 28 Rn. 84b: „aufgabenadäquate Finanzausstattung“ vor der Änderung, danach Erweiterung zur „angemessenen Finanzausstattung“; Wendt, Abschaffung und Ersetzung der Gewerbesteuer aus verfassungsrechtlicher und verfassungspolitischer Sicht, BB 1987, S. 1677 (1679); Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, Baden-Baden, 1989, S. 68 f.: „Finanzausstattungsanspruch“; Mohl, Die Einführung und Erhebung neuer Steuern aufgrund des kommunalen Steuererfindungsrechts, Köln, 1992, S. 48 f.; Mückl (Fn. 26), S. 66 f.; Rennert (Fn. 45), Art. 28 Rn. 173; Waldhoff (Fn. 27), S. 175; ders. (Fn. 27), § 116 Rn. 21, aber keinen „ausdrücklichen Anspruch“; wohl nicht Nierhaus/Radermacher (Fn. 22), S. 386: „Zukunftsmusik“. 50 VerfGH NW, OVGE 38, 301 (303); 40, 300 (302); NWVBl. 1993, S. 381 (382): „angemessene Finanzausstattung“; VerfGH Rh-Pf, DÖV 1978, S. 763 (764). 51 BVerwGE 106, 280 (286 f.). 52 VerfGH NW, NWVBl. 1993, S. 381 (382); Scholz (Fn. 27), Art. 28 Rn. 84b. 53 Tettinger (Fn. 47), Art. 28 Rn. 246, als amtierendes Mitglied des Verfassungsgerichtshofs für Nordrhein-Westfalen unter Berufung auf BVerfGE 83, 363 (386), wo das so aber nicht steht; Volkmann (Fn. 32), S. 500 f.: „finanzielle Mindestausstattung“; krit. Mückl (Fn. 26), S. 71. 54 VerfGH NW, NWVBl. 1993, S. 381 (382); NWVBl. 1998, S. 390 (391). 55 Dezidiert dagegen Rennert (Fn. 45), Art. 28 Rn. 169; Waldhoff (Fn. 27), S. 176; dafür Mückl (Fn. 26), S. 87; vgl. ferner Volkmann (Fn. 32), S. 504.

5. Die Spielbankabgabe und die Beteiligung der Gemeinden

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Stimmen im Schrifttum gehen zum Teil deutlich über diese Minimalposition hinaus.56 Eine Verletzung der Garantie soll sogar schon bei einer Unterschreitung der freien Spitze von fünf bis zehn Prozent der insgesamt verfügbaren Mittel anzunehmen sein.57 Die Festlegung numerisch exakt bestimmter oder bestimmbarer freier Mittel als Kriterium für die Verletzung der von Art. 28 Abs. 2 GG gebotenen Finanzausstattung mag einen effektiveren Schutz versprechen als unbestimmte Begriffe,58 doch dürfte sie im Hinblick auf die tatsächliche finanzielle Lage vieler Kommunen eher Wunschdenken als der gerichtsfesten verfassungsrechtlichen Wirklichkeit entsprechen. Konkrete, gerichtlich durchsetzbare Ansprüche können daraus jedenfalls kaum hergeleitet werden.59 Es besteht regelmäßig kein Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung des kommunalen Einnahmesystems.60 Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Kammerentscheidung ausdrücklich die Finanzhoheit als nicht „berührt“ bezeichnet, wenn „den Gemeinden einzelne Einnahmen entzogen oder verwehrt“ werden.61 Ansprüche gegen den Bund aus Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG sind in jedem Fall ausgeschlossen.62 (5) Aber selbst wenn man die Existenz einer derart präzisierten Finanzausstattungsgarantie mit Ansprüchen gegen das Land unterstellt, kommen als anspruchsbegründende Tatbestände allenfalls konkrete Maßnahmen (des Gesetzge56 Scholz (Fn. 27), Art. 28 Rn. 84b; Hufen, Friedhelm, Aufgabenentzug und Aufgabenüberlastung, DÖV 1998, S. 276; Weiß (Fn. 27), S. 909: „aufgabenadäquate Finanzausstattung“ garantiert, wenn auch nicht unmittelbar über Art. 9 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung (EKC); jeweils mit umfassenden Nachw. 57 Vgl. Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung für gesetzgeberisch veranlasste kommunale Aufgaben, Stuttgart, 1995, S. 189; Hufen (Fn. 56), S. 280. Einzelheiten sind bei Dreier (Fn. 26), Art. 28 Rn. 156, dargestellt. 58 Dreier (Fn. 26), Art. 28 Rn. 156. 59 Dezidiert gegen derartige Festlegungen VerfGH NW, NWVBl. 1993, S. 381 (382); 1998, S. 390 (392); Mohl, (Fn. 49), S. 51, 57 f.; Stern (Fn. 49), S. 422: „[. . .] dürfte es außerordentlich schwer fallen, konkrete oder gar bezifferbare Ansprüche durchzusetzen“. 60 Wendt (Fn. 49), S. 1679. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine verfassungsrechtliche Gewährleistung einer kommunalen Steuer- und Abgabenhoheit, Rennert (Fn. 45), Art. 28 Rn. 171; anders Waldhoff (Fn. 27), S. 174, der sie als Teilelement der kommunalen Finanzhoheit ansieht, sich aber zu Unrecht auf Rennert beruft. 61 2. Kammer des 2. Senats v. 7.1.1999, NVwZ 1999, S. 520 (521); dazu Koenig/ Siewer, Zur Verfassungsmäßigkeit der unentgeltlichen Nutzungsberechtigungen von Telekommunikationsnetzbetreibern an kommunalen Verkehrswegen, NVwZ 2000, S. 609 (613). 62 Im Bericht des Rechtsausschusses wird das Ergebnis der Beratungen wie folgt zusammengefasst (BT-Drs. 12/6000, S. 48): „Die vorgeschlagene Ergänzung könne aber weder als eine Finanzausstattungsgarantie des Bundes zugunsten der Kommunen interpretiert werden, noch ließe sich aus ihr die Möglichkeit einer über die Bestimmungen des X. Abschnitts hinausreichenden finanziellen Inpflichtnahme des Bundes ableiten.“ Dementsprechend spricht sich auch Scholz strikt gegen Ansprüche gegen den Bund (mit Ausnahme aus Art. 106 Abs. 5a) aus ([Fn. 27], Art. 28 Rn. 84b); ebenso Volkmann (Fn. 32), S. 498. Meis (Fn. 49), S. 88 f., erkennt aber eine „Sekundärverantwortung“ des Bundes an; ebenso Mückl (Fn. 26), S. 74.

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bers) in Betracht. Bezogen auf die Spielbankabgabe hieße das, dass die verfassungsrechtlich gebotene finanzielle Mindestausstattung der Spielbankgemeinde durch die Reduktion ihres Anteils an der Spielbankabgabe unterschritten worden sein müsste. Die Zuweisungen der Anteile der Spielbankabgaben an die jeweiligen Spielbankgemeinden durch das Land erlauben aber kaum eine solche Annahme.63 In diesem Zusammenhang müssen zudem die positiven Effekte, die mit dem Betrieb einer Spielbank verbunden sind, hinreichend berücksichtigt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 18. Mai 1970 die Vorteile einer Gemeinde, die ihr durch das Betreiben einer Spielbank auf ihrem Gebiet zukommen, hervorgehoben. Wörtlich führte es aus: „Ohne Zweifel ist [. . .] der Betrieb einer Spielbank auf Gewinn gerichtet. Die in den Spielbanken zugelassenen Glücksspiele sind so angelegt, dass jedenfalls in aller Regel die Bank letztlich gewinnt. [. . .] Dieser Umstand war eines der Motive des Gesetzgebers von 1933. Für ihn spielten aber auch wirtschaftliche Erwägungen eine Rolle: die Steigerung des Devisenaufkommens durch Anlockung [!] von Ausländern, insbesondere aber die Förderung des Fremdenverkehrs ganz allgemein und die Förderung bestimmter Kur- und Badeorte im Besonderen, in denen auf mannigfache Weise eine Vielzahl von Gewerbetreibenden vom Spielbankbetrieb und von den Spielbankenbesuchern profitieren, die aber auch insofern einen beträchtlichen Nutzen aus dem Spielbankenbetrieb ziehen, als der Staat ihnen seit jeher einen Teil der Spielbankabgabe zur Erhaltung und zum Ausbau ihrer Kur- und Badeanlagen zur Verfügung gestellt hat“.64 Das Gericht hat damit den Vorteil der Spielbankgemeinden aus dem Betrieb einer Spielbank unmissverständlich auf zwei Säulen gestellt: die Beteiligung an der Spielbankabgabe und die zusätzlichen (Steuer-)Einnahmen aus den Geschäften anderer Betriebe mit den Besuchern der Spielbank. Eine einseitige Betrachtung allein der kommunalen Einnahmen aus der Spielbankabgabe verbietet sich daher. Die Existenz von Teilhaberechten an den finanziellen Mitteln des Landes wegen der Insuffizienz der Finanzausstattung der Spielbankgemeinden im Allgemeinen dürfte daher ebenso wenig zu begründen sein wie die Existenz konkreter Zahlungsansprüche.65 2. Anspruchsgrundlage Art. 106 Abs. 2 GG Wegen der Zweistufigkeit des finanzverfassungsrechtlichen Aufbaus sind die Gemeinden prinzipiell gegenüber dem Bund mediatisiert. Wenn – ausnahms63

Unten III. 3. BVerfGE 28, 119 (147); vgl. auch Schmitz (Fn. 8), S. 494 ff. 65 Das VG Oldenburg hatte diese Möglichkeit (in Frage stellen der Finanzausstattung) als „abwegig“ bezeichnet, Urteil vom 8. Juli 2005, Az. 2 A 1373/05, Volltext in der Rechtsprechungsdatenbank des Nds. OVG veröffentlicht, teilweise unter Beck RS 2005, 28401. 64

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weise – die kommunale Ebene in der Finanzverfassung des Grundgesetzes mit eigenen Rechten (oder auch Pflichten) angesprochen sein soll, kann das wegen des Regel-Ausnahme-Verhältnisses nur dann angenommen werden, wenn es dafür eindeutige Anhaltspunkte im Text des Grundgesetzes gibt. Der klare Wortlaut von Art. 106 Abs. 2 GG liefert keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorschrift den Kommunen Ansprüche einräumen will. Funktion und Zweck der Vorschrift rechtfertigen ebenfalls nicht ein solches Ergebnis. Art. 106 Abs. 2 GG ist eine Vorschrift zur Regelung der Ertragskompetenz. Sie ist Teil des primären, vertikalen Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländergesamtheit und damit zwar prinzipiell geeignet, Ansprüche zu erzeugen, doch lediglich im Bund-Länder-Verhältnis. Ansprüche der Gemeinden sind nicht Regelungsgegenstand der Vorschrift. Die Begründung von Ansprüchen oder Anwartschaften der kommunalen Ebene sind nach Sinn und Zweck der Regelung dem Landesrecht überlassen. Auch die Entstehungsgeschichte der Norm vermag nicht weiterzuhelfen. Erst das Finanzverfassungsgesetz vom 23. Dezember 195566 hat die Abgabe von Spielbanken in die Bestimmung aufgenommen und nach längeren Diskussionen bewusst auf eine Regelung zur Weiterleitung oder Umverteilung von Erträgen verzichtet.67 Im Regierungsentwurf zum Finanzverfassungsgesetz von 1955 war die Spielbankabgabe noch nicht erwähnt.68 Der Bundestagsausschuss Finanzund Steuerfragen unterbreitete dann jedoch den Vorschlag, dass der Ertrag der Spielbankabgabe ausdrücklich den Ländern zugewiesen werden sollte, allerdings verbunden mit einer Beteiligung des Bundes. Die Beteiligung des Bundes, die – wie bereits dargelegt – eine verfassungsrechtliche Grundlage benötigte, wurde damit begründet, dass mit der Zahlung der Spielbankabgabe zugleich die an sich fälligen Umsatz- und Einkommenssteuern abgegolten sein sollten.69 Der Bundestag nahm den Ausschussvorschlag an.70 Im Vermittlungsausschuss wurde die Klausel über die Beteiligung des Bundes aber gestrichen. Im Bericht hieß es wörtlich: „Das Aufkommen an Abgaben von Spielbanken hat der Vermittlungsausschuss ausschließlich den Ländern zugewiesen [. . .]“ 71. Eine Regelung über eine Beteiligung des Bundes am Aufkommen der Abgabe ist also erwogen, aber schließlich bewusst abgelehnt worden.72 Eine Beteiligung der Kommunen ist hingegen nicht einmal in Betracht gezogen worden. Dies war 66

BGBl. I, S. 817. Vgl. BFHE 58, S. 556 (559); Czapski, Spielbankabgabe und Steuer, DGStZ 1967, S.145 (146 ff.); Walter (Fn. 8), S. 228 f. 68 BT-Drs. II/480, Anlage 1. 69 BT-Drs. II/960, Anlage 1, S. 11. 70 57. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 19.11.1954. 71 76. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 24.3.1955. 72 Vgl. Schmitz (Fn. 8), S. 488 f.; Walter (Fn. 8), S. 229. 67

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II. Verfassungsrecht

auch folgerichtig, da die Finanzverfassung des Grundgesetzes im Jahre 1955 noch viel konsequenter die Zweistufigkeit verwirklicht hatte. Sie enthielt keine (ausdrücklichen) Regelungen über die Finanzausstattung der Kommunen. Erst durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 24. Dezember 1956 ist den Gemeinden ein Anspruch auf das Aufkommen an den Realsteuern sowie auf Teilhabe an den Gemeinschaftssteuern nach Maßgabe der Landesgesetzgebung eingeräumt worden.73 Die in Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG in der Fassung des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955 getroffene Regelung war damit so konzipiert, dass den Ländern die Entscheidungsbefugnis zustehen sollte, „ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden zufließt“. Dabei ist zu beachten, dass es auch noch keine Realsteuergarantie zu Gunsten der Gemeinden gab. Art. 106 Abs. 2 Nr. 7 GG in der damaligen Fassung sah auch für diese Steuern lediglich eine Ertragskompetenz der Länder vor. Wortlaut, Zweck und Entstehungsgeschichte von Art. 106 Abs. 2 GG lassen daher nur die Deutung zu, dass Ansprüche der Gemeinden durch diese Vorschrift nicht begründet werden. Wegen der damaligen generellen finanzrechtlichen Abstinenz des Grundgesetzes in Bezug auf die Gemeinden kann daraus aber andererseits auch nicht gefolgert werden, dass anderweitig begründete Ansprüche der kommunalen Ebene ausgeschlossen sein sollten.74 Die Materie ist damals insoweit, aber auch nur insoweit, schlicht ungeregelt geblieben. Das hat aber auch zur Folge, dass damit (implizit) eine endgültige und abschließende Regelung über die Verteilung des Aufkommens vorliegt, wenn keine anderweitige verfassungsrechtliche Anordnung zu finden ist. Im Ausgangspunkt noch strenger ist das Urteil des VG Oldenburg vom 8. Juli 2005.75 Das Gericht sieht die Ableitung von verfassungsrechtlichen Ansprüchen der Gemeinden mit Bezug auf die „Landessteuern“ als unvereinbar mit der Übertragung der Entscheidung über die Beteiligung der Gemeinden an diesen Steuern auf „die Landesgesetzgebung“ in Art. 106 Abs. 7 Satz 2 GG an. Nicht ganz folgerichtig hat das Gericht aber gleichwohl recht eingehend erörtert, ob nicht Art. 106 Abs. 6 GG zu einem für die klagende Spielbankgemeinde günstigeren Ergebnis führen könnte. 3. Anspruchsgrundlage Art. 106 Abs. 6 GG (1) Im Schrifttum sind aus der Anordnung in Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG, dass das Aufkommen der Gewerbesteuer den Gemeinden zusteht, konkrete Teilhabe73

BGBl. I, S. 1077. Vgl. Koch, Verfassungsfragen der Beteiligung der Spielbankengemeinden an der Spielbankabgabe, NdsVBl. 2001, S. 305 (308). 75 Az. 2 A 1373/05, Volltext in der Rechtsprechungsdatenbank des Nds. OVG veröffentlicht, teilweise unter Beck RS 2005, 28401. 74

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ansprüche der Spielbankgemeinden in Bezug auf die Spielbankabgabe konstruiert worden.76 Die Spielbankabgabe habe Abgeltungswirkung für die Gewerbesteuer. Da der Ertrag der Gewerbesteuer aber den Gemeinden von Verfassung wegen zustehe, müssten ihre Einnahmeausfälle auf Grund der Abgeltungswirkung über eine entsprechende Beteiligung an der Spielbankabgabe ausgeglichen werden. Hinzu könne auch noch der entgangene Ertrag der Vergnügungssteuer treten, der ebenfalls ausgeglichen werden müsse. Die Abgeltungswirkung transformiere die gemeindliche Ertragshoheit in Bezug auf die Gewerbesteuer und die Vergnügungssteuer in einen Teilhabeanspruch am Aufkommen der Spielbankabgabe, aber beschränkt auf die Höhe der Steuereinbußen der Gemeinde.77 Das Finanzverfassungsrecht des Bundes kennt die Begriffe „Abgeltungswirkung“ oder „Abgeltungsteuer“ indes nicht.78 Gemeint ist damit, dass in Verbindung mit dem „exorbitant hohen Steuersatz“ von 80 % auf die Bruttospielerträge – ohne die Möglichkeit, die betrieblich veranlassten Kosten abzuziehen – aus Praktikabilitätsgründen auf die Erhebung aller anderen Steuern verzichtet werden sollte.79 Dies ist durch umfassende Befreiungstatbestände in den verschiedenen Steuergesetzen – ohne Verfassungsrang – verwirklicht worden.80 Schon § 6 der Verordnung über öffentliche Spielbanken vom 27. Juli 193881, die auf Grund von § 3 des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken82 erlassen worden war und als Landesrecht weiter galt, enthielt umfangreiche Steuerbefreiungen für die zugelassenen öffentlichen Spielbanken unter Einschluss der Gewerbesteuer.83 Nunmehr findet sich aus Gründen der Rechtssicherheit eine ausdrückliche Regelung im Gewerbesteuergesetz, § 3 Nr. 1.84 Die Befreiung von der Umsatzsteuer in

76

Koch (Fn. 74), S. 307. Koch (Fn. 74), S. 309. 78 Koch (Fn. 74), S. 307. 79 BFH, Beschluss v. 29.3.2001– III B 80/00, NV 2002, S. 1294 (1296). 80 Vgl. Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., Köln, 2008, § 15 Rn. 47. 81 RGBl. I, S. 955. 82 v. 14.7.1933, RGBl. I, S. 480. 83 Vgl. Czapski (Fn. 67), S. 145 f. 84 Durch Art. 11 Nr. 1 JStErgG 1996 (BGBl. I 1995, S. 1959) wurde die Befreiung der Spielbanken eingefügt. Danach lautet die Vorschrift: „§ 3 Befreiungen Von der Gewerbesteuer sind befreit 1. das Bundeseisenbahnvermögen, die Monopolverwaltungen des Bundes, die staatlichen Lotterieunternehmen, die zugelassenen öffentlichen Spielbanken mit ihren der Spielbankenabgabe unterliegenden Tätigkeiten und der Erdölbevorratungsverband nach § 2 Abs. 1 des Erdölbevorratungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1987 (BGBl. I S. 2509)“; zur Entstehung vgl. BT-Drs. 13/3084 vom 22.11.1995, S. 25; Güroff, in: Glanegger/ Güroff, Gewerbesteuergesetz, 6. Aufl., München, 2006, § 3 Rn. 7; Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 9. Aufl., Köln, § 3 Rn. 14 (Loseblatt: 1995 ff.). 77

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§ 4 Nr. 9 Buchst. b UStG85 führte aus europarechtlichen Gründen86 zu unerwünschten Ergebnissen und wurde deshalb aufgehoben.87 Da durch die Steuerbefreiungen in Verbindung mit der Erhebung der Spielbankabgabe wichtige eigene Einnahmen der Gemeinden, aber auch des Bundes und der Länder, die keine Spielbanken zulassen, entfallen, könnte die Besteuerung der Spielbanken für die Gemeinden zu erheblich höheren Einnahmen führen, wenn sie stattdessen nach den allgemeinen Regeln erfolgte.88 Damit ist in der Tat die Frage zu stellen, ob bei der Entscheidung über eine Beteiligung der Gemeinde am Aufkommen der Spielbankabgabe zu berücksichtigen ist, dass diese Abgabe (teilweise) auch an die Stelle von Steuern tritt, deren Aufkommen gemäß Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG den Gemeinden zusteht. (2) Auch wenn die Gesetzgebungszuständigkeiten und die Ertragsverteilung für Steuern im Abschnitt über das Finanzwesen im Grundgesetz vollständig und abschließend geregelt sind,89 folgt daraus nicht zwangsläufig, dass die Regelung in Art. 106 Abs. 2 Nr. 6 GG die anderweitige Begründung von Ansprüchen der Gemeinden auf Anteile an den Erträgen der Spielbankabgabe ausschließt, namentlich wenn sie auf Art. 106 Abs. 6 GG gestützt ist.90 Im Schrifttum sind die Meinungen geteilt, ob mit der Zuweisung der Ertragshoheit über die Gewerbesteuer an die Gemeinden durch Art. 106 Abs. 6 Satz 1 85

„§ 4 Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei: [. . .] 9. [. . .] b) die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, sowie die Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind. Nicht befreit sind die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden Umsätze, die von der Rennwett- und Lotteriesteuer befreit sind oder von denen diese Steuer allgemein nicht erhoben wird“. 86 Mit Urteil vom 17. Februar 2005 hatte der EuGH entschieden, dass eine Umsatzsteuerbefreiung von Glückspielen mit Geldeinsatz in zugelassenen öffentlichen Spielbanken mit Art. 13 Teil B Buchst. f der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 unzulässig ist, wenn gleichartige Umsätze außerhalb dieser Spielbanken umsatzsteuerpflichtig sind, EuGH C-453/02 und C-462/02 (EuZW 2005, S. 210), zur Vereinbarkeit der Befreiung von der GewSt mit dem Verfassungs- und Europarecht, vgl. BFH NV 2001, S. 1294 ff. 87 Gesetz vom 28. April 2006, BGBl. I, S. 1095. Die Vorschrift lautet nun: „§ 4 Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei: a) die Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, b) die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Nicht befreit sind die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden Umsätze, die von der Rennwett- und Lotteriesteuer befreit sind oder von denen diese Steuer allgemein nicht erhoben wird; [. . .]“. 88 Vgl. Schmitz (Fn. 8), S. 492; Vogt, ZKF 1984, S. 162 (164); von Koch ohne Beleg schlicht unterstellt ([Fn. 74], S. 307). 89 Siekmann (Fn. 8), vor Art. 104a Rn. 12 ff. 90 Oben III. 3.

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GG auch eine verfassungsrechtliche Garantie des Fortbestandes der Gewerbesteuer verbunden ist. Vereinzelt wird die Existenz der Gewerbesteuer als garantiert angesehen. Sie müsse es geben und ihr Aufkommen stehe den Gemeinden zu.91 Ganz überwiegend wird jedoch – ebenso wie im Rahmen des Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG – eine solche (institutionelle) Garantie abgelehnt. Die Vorschrift enthalte lediglich eine Ertragszuweisung dahingehend, dass den Gemeinden das Aufkommen aus dieser Steuer zustehe, wenn und soweit sie existiere.92 Entsprechendes muss auch für die Vergnügungssteuer gelten. Für die zuletzt genannte Auffassung spricht, dass Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG in seinem Wortlaut keinen Anhaltspunkt dafür bietet, ihm Inhalte zu entnehmen, die über eine reine Ertragsverteilung hinausgehen. Darüber hinaus besteht das Problem, dass nicht ohne weiteres von der abstrakten Betrachtungsebene („die Gewerbesteuer“) auf einzelne ertragsberechtigte Subjekte übergegangen werden darf. Dies leitet über zu der Frage, ob aus einer institutionellen Garantie überhaupt subjektive Rechte abgeleitet werden können. Jedenfalls wird durch § 3 Nr. 1 GewStG und die Regelung der Beteiligung der Spielbankgemeinden am Aufkommen der Spielbankabgabe weder die Gewerbesteuer insgesamt noch für die jeweilige Gemeinde im Speziellen abgeschafft. Eine eventuelle institutionelle Garantie ist also nicht verletzt. Noch problematischer wäre die Bejahung einer Garantie eines bestimmten Aufkommens der Gewerbesteuer.93 Sie wäre aber erforderlich, wenn aus einer konkreten Spezialregelung im Gewerbesteuergesetz (Befreiung der Spielbanken von der Gewerbesteuerpflicht) ein Kompensationsanspruch, ein Anspruch auf

91 Grawert, Kommunale Finanzhoheit und Steuerhoheit, in: Festgabe zum 70. Geburtstag G. C. v. Unruh, Berlin, 1983, S. 587 (593); Stern (Fn. 27), S. 1152; Wendt (Fn. 49), S. 1678; Henneke, Öffentliches Finanzwesen – Finanzverfassung, 3. Aufl., Heidelberg, 2007, Rn. 904 f. 92 Maunz (Fn. 8), Art. 106 Rn. 88; Scholz (Fn. 27), Art. 28 Rn. 84d; Pagenkopf, Der Finanzausgleich im Bundesstaat, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz, 1981, S. 191; Meis (Fn. 49), S. 94; Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, 2. Aufl., Heidelberg, 1999, § 87 Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, Rn. 31; weniger deutlich Waldhoff (Fn. 27) in der Neuauflage, § 116 Rn. 23, 26; Siekmann (Fn. 8), Art. 106 Rn. 41; Heun (Fn. 21), Art. 106 Rn. 37; Pieroth (Fn. 8), Art. 106 Rn. 1, 16; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Kommentar zum Grundgesetz, 11. Aufl., Köln/München, 2008, Art. 106 Rn. 17c, 18a; Löwer (Fn. 37), Art. 28 Rn. 88 a. E.; Heintzen (Fn. 23), Art. 106, Rn. 49; Schwarz (Fn. 8), Art. 106 Rn. 127; Häde (Fn. 21), S. 190; Selmer/Hummel, Verfassungsrechtliche Pflicht der Gemeinden zur Erhebung von Gewerbesteuer? – Überlegungen auf der Grundlage des BVerfG-Beschlusses vom 25.1.2005, NVwZ 2006, S. 14 (19); offen gelassen in BVerfGE 26, 172 (184). 93 Abgelehnt von BVerfGE 26, 172 (184); BFHE 168, 350 (360); Maunz (Fn. 8), Art. 106 Rn. 88; Pagenkopf (Fn. 92), S. 191; Wendt (Fn. 49), S. 1678, obwohl er eine Bestandsgarantie bejaht; Vogel (Fn. 92), § 87 Rn. 31; Siekmann (Fn. 8), Art. 106 Rn. 41; Heun (Fn. 21), Art. 106 Rn. 37; Pieroth (Fn. 8), Art. 106 Rn. 1, 16; Brockmeyer (Fn. 92), Art. 106 Rn. 17c, 18a; Heintzen (Fn. 23), Art. 106, Rn. 49; Schwarz (Fn. 8), Art. 106 Rn. 127; Häde (Fn. 21), S. 190; Selmer/Hummel (Fn. 92), S. 19.

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II. Verfassungsrecht

Teilhabe an der Spielbankabgabe, folgen sollte. Die Ertragshoheit kann nicht als umfassendes gemeindliches Abwehrrecht gegen aufkommenswirksame Maßnahmen des Gesetzgebers interpretiert werden, zumal Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 GG (nur) von einer „wirtschaftskraftbezogene[n] Steuerquelle“ spricht. „Da wohl jede Ausgestaltung des Gesetzgebers [. . .] im Ergebnis Auswirkungen auf den konkreten Umfang des den Gemeinden zufließenden Aufkommens zeitigt, hieße es, die dadurch berührte gemeindliche Ertragshoheit als generelle Grenze zu begreifen, dem Gesetzgeber sein von Art. 106 Abs. 6 S. 2 GG doch eingeräumtes und damit gewolltes Gestaltungsrecht zu entziehen.“ 94 Das Aufkommen der Gewerbesteuer ist nur in dem Umfang den Gemeinden verfassungsrechtlich garantiert, das sich aus der einfachgesetzlichen Ausgestaltung dieser Steuer ergibt.95 (3) Auch wenn formal die Steuerbefreiung in das Gewerbesteuergesetz aufgenommen worden ist, könnte es sich aber um eine Regelung des Spielbankrechts handeln, wenn man mit der Grundaussage des Bundesverfassungsgerichts Ernst macht, dass es sich um ein einheitliches Rechtsgebiet handelt.96 Ob es auch die Abgabenpflicht und die damit verbundene Befreiung von verschiedenen Steuern für die Spielbankunternehmen darunter fasst, ist der Entscheidung nicht mit letzter Sicherheit zu entnehmen. Hier könnte aber ein Ansatzpunkt für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gewerbesteuerrechtlichen Seite des Regelungskomplexes liegen. Auch insoweit könnte die Materie in die alleinige Zuständigkeit der Länder fallen. Wenn man dem nicht folgt, müssen die Voraussetzungen für die Ausübung der konkurrierenden Zuständigkeit durch den Bund erfüllt sein. Art. 105 Abs. 2 GG weist die (konkurrierende) Gesetzgebungskompetenz für die Gewerbesteuer dem Bund zu.97 Diese Kompetenz beschränkt sich inhaltlich nicht auf die Ausgestaltung von Modalität und Verfahren, zumal diese immer auch ertragsrelevant sein können. Sie umfasst auch die Befugnis, eine Steuer abzuschaffen. Die in Art. 106 GG genannten Steuern müssen somit nicht erhoben werden98, und ihr Ertrag ist nicht verfassungsmäßig garantiert.99 Dies wird be94

Selmer/Hummel (Fn. 92), S. 19. Vgl. BFHE 168, 350 (360); Maunz (Fn. 21), Art. 106 Rn. 88. 96 Oben I. 1. 97 Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, 5. Aufl., München 2005, Art. 105 Rn. 24 ff. 98 Maunz (Fn. 8), Art. 106 Rn. 19, 21, allerdings mit der Einschränkung, dass Gemeinschaftssteuern nicht abgeschafft werden dürften; Vogel/Waldhoff (Fn. 26), vor Art. 104a Rn. 581; Heintzen (Fn. 23), Art. 105 Rn. 46, Art. l06 Rn. 10; Vogel (Fn. 92), § 87 Rn. 31; Schwarz (Fn. 8), Art. 106 Rn. 20; Pieroth (Fn. 8), Art. 106 Rn. 1; Korioth (Fn. 27), S. 429; im Erg. ebenso Tipke, Vom Konglomerat herkömmlicher Steuern zum System gerechter Steuern: Steuerreformen und Gleichheitssatz unter dem Aspekt der Art. 105, 106 GG, Betriebs-Berater 1994, S. 437; a. A. v. Arnim, Der Landkreis, 1985, S. 520. 99 Wendt (Fn. 49), S. 1679, speziell für die Gewerbesteuer. 95

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sonders deutlich bei der Vermögensteuer, die nicht (mehr) erhoben werden darf, weil ihre über Jahrzehnte (bewusst) aufrecht erhaltene verfassungswidrige Ausgestaltung nicht bereinigt worden war.100 Die Untätigkeit des Bundesgesetzgebers ist nicht etwa ein Verstoß gegen Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG. Allerdings müssen auch für die Ausübung der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2 GG die Voraussetzungen von Art. 72 Abs. 2 GG erfüllt sein. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 25. Januar 2005 noch einmal bekräftigt, in dem es den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Einfügung von § 16 Abs. 4 Satz 2 in das Gewerbesteuergesetz ablehnte.101 Mit dieser Gesetzesänderung wurde die Pflicht der Gemeinde begründet, die Gewerbesteuer mit einem Mindesthebesatz von 200 v. H. zu erheben. Bis dahin waren die Gemeinden berechtigt, die Steuer zu erheben, durften aber im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten Hebesatzautonomie (Art. 28 Abs. 2 Satz 3, 106 Abs. 6 Satz 2 GG) den Hebesatz auf Null festsetzen.102 Das Gericht hat aber ausdrücklich die Frage als ungeklärt bezeichnet, ob sich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz auch auf die Anordnung einer Untergrenze des Hebesatzes und damit den Zwang zur Erhebung der Gewerbesteuer erstrecke.103 Denkt man diesen Ansatz konsequent zu Ende, könnte er auch bedeuten, dass Zweifel an der Kompetenz des Bundes bestünden, eine Steuer, hier die Gewerbesteuer, punktuell – für die Spielbankgemeinden – durch eine andere Steuer, die Spielbankabgabe zu substituieren. Allerdings hat der Verfassungsgeber diese Situation, anders als die Anordnung von Mindesthebesätzen, vorgefunden, so dass zumindest von einer impliziten Billigung dieser Vorgehensweise auszugehen sein dürfte. Der Bund hat von seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2 GG Gebrauch gemacht und durch § 3 Nr. 1 GewStG die Spielbanken von der Gewerbesteuer befreit.104 Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass die Spielbanken von der Gewerbesteuer nur befreit worden sind, weil sie eine hohe Spielbankabgabe 100

Näher Siekmann (Fn. 8), Art. 105 Rn. 8–10. BVerfGE 112, 216 (222) = DStRE 2005, S. 771 (772). 102 Das Bundesverfassungsgericht hält es für möglich, dass Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG „eine neben der Finanzhoheit bestehende „Hebesatzhoheit“ begründet, BVerfGE 112, 216 (222). In früheren Entscheidungen hatte das Bundesverfassungsgericht schon betont, dass es mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG nicht zu vereinbaren wäre, wenn eine Gemeinde sich bei Ausübung ihrer Gesetzgebungsbefugnisse, also auch bei Festsetzung von Hebesätzen, an den Regelungen anderer Gemeinden anzupassen hätte, BVerfGE 21, 54 (68). Andererseits hat es die Vermeidung von „Steueroasen“ als legitimes Regelungsziel anerkannt, BVerfGE 23, 353 (371). Selmer/Hummel halten die Anordnung von Mindesthebesätzen in § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG im Ergebnis für verfassungsmäßig, ([Fn. 92], S. 21). 103 BVerfGE 112, 216 (222). 104 Oben III. 3. 101

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zahlen, die unter anderem auch die Gewerbesteuer abgelten soll. Es könnte daher erwogen werden, ob die Gewerbesteuer der Spielbanken nicht nur in einem anderen Gewande, nämlich der Spielbankabgabe erhoben wird. Dann käme es auf die Garantie von Bestand und Höhe im Allgemeinen und für eine einzelne Spielbankgemeinde im Besonderen nicht mehr entscheidend an.105 Es stellt sich dann die Frage, ob Gewerbe- und Vergnügungssteuer nicht weiterhin, wenn auch in anderer Form, erhoben werden. Der Abgeltungscharakter der Spielbankabgabe beruht freilich auf Praktikabilitätserwägungen,106 nicht aber darauf, dass Steuern im wirtschaftlichen Ergebnis ganz oder teilweise nicht erhoben werden sollen. (4) Geht man nun davon aus, dass die in Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG genannten Steuern erhoben werden können, steht das Aufkommen aus diesen Steuern ohne weiteres den Gemeinden zu. Das grundgesetzlich vorgegebene System der Steuerertragsverteilung könnte unterlaufen werden, wenn der einfache Bundes- und Landesgesetzgeber an die Stelle der den kommunalen Gebietskörperschaften zustehenden Steuern eine Abgeltungssteuer treten lassen dürfte, deren Aufkommen insgesamt einem anderen Steuersubjekt zusteht.107 Konstruktiv könnte man der Spielbankabgabe wegen ihrer Substitutionsfunktion den Charakter einer reinen Landessteuer im Sinne des Art. 106 Abs. 7 Satz 2 GG absprechen, so dass es nicht mehr der Landesgesetzgebung überlassen bliebe, ob und inwieweit das Aufkommen dieser Steuer den (Spielbank-)Gemeinden zufließt.108 Die Landesgesetzgebung wäre danach verpflichtet eine Beteiligung vorzusehen, hätte aber Entscheidungsspielräume zur Bestimmung der Höhe der Beteiligung.109 Solange jedoch den Spielbankgemeinden ein „angemessener“ Anteil am Ertrag der Spielbankabgabe zugewiesen wird, kann nicht von einem „Unterlaufen“ der grundgesetzlichen Ertragsverteilung ausgegangen werden. Nur ein völliger Ausschluss vom Aufkommen der Spielbankabgabe wäre nach diesem Ansatz verfassungswidrig. § 4 Abs. 2 Satz 3 Spielbankgesetz NW sieht aber vor, dass den Spielbankgemeinden ein angemessener Anteil an der Spielbankabgabe durch die Verordnung des Innenministers zuzuweisen ist („bestimmt“). Auch wäre dieser Ansatz nicht mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu vereinbaren, der

105

Sinngemäß so Koch (Fn. 74), S. 308. Vgl. BFH, BStBl. 1995, II, S. 432 (437). 107 Vgl. Lauer (Fn. 15), S. 101; Hidien (Fn. 8), Art. 106 Rn. 1446, sieht die Gefahr der Aushöhlung bundesgesetzlich geregelter Gemeinschaftssteuern durch den Landesgesetzgeber bei der Regelung der Spielbankabgabe, verkennt dabei aber, dass die eigentliche „Abgeltungswirkung“ durch Steuerbefreiungen in der Bundesgesetzgebung erzeugt werden. 108 Vgl. Pieroth (Fn. 8), Art. 106 Rn. 18. 109 A. A. Koch (Fn. 74), S. 309, für den die Ertragshoheit der Gemeinden sich in einen Teilhabeanspruch gegen das Land in der Höhe der Gemeindesteuereinbußen verwandelt. 106

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die Spielbankabgabe schon frühzeitig als „einheitliche Steuer“ qualifiziert und eine gesonderte Beurteilung ihrer unterschiedlichen Elemente ausdrücklich abgelehnt hat.110 Das VG Oldenburg weist ebenfalls alle dahinzielenden Deutungen von Art. 106 GG zurück. Durch die Änderung des Grundgesetzes sei nicht die inhaltliche Reichweite der Realsteuern in Art. 106 Abs. 2 Nr. 7 GG a. F. verändert, sondern lediglich um den Aspekt der Ertragszuweisung zugunsten der Gemeinden ergänzt worden. Eine modifizierende Abgrenzung von Art. 106 Abs. 2 Nr. 6 GG und von Art. 106 Abs. 2 Nr. 7 GG a. F. im Sinne eines neuartigen Vorranges der Ertragszuweisung der Realsteuern sei nicht vorgenommen worden. Die Realsteuergarantie sei bereits „vorbelastet“ und durch die besondere Ertragsberechtigung der Länder im Hinblick auf die Spielbankabgabe erfolgt. Den Ertragsverteilungsregelungen könne im Ergebnis keine Anspruch begründenden Elemente entnommen werden.111 Für diese Auffassung spricht zudem im Ergebnis, dass die Gewerbesteuer vollständig abgeschafft werden dürfte, wenn eine andere ertragsabhängige Steuer als Ersatz eingeführt würde. Allenfalls die Selektivität der Befreiung zu Lasten der Spielbankgemeinden ist unter diesem Aspekt noch ein Problem. Es ist systematisch jedoch nicht bei Art. 106 GG anzusiedeln. (5) In jedem Fall ist aber wieder zu berücksichtigen, dass die Zulassung einer Spielbank auf dem Gebiet der Spielbankgemeinde positive ökonomische und auch fiskalische Effekte für die Gemeinde haben kann, die weit über die entgangenen Einnahmen aus der Gewerbesteuer und der Vergnügungssteuer hinaus gehen können.112 Nur wenn im Einzelnen nachgewiesen werden kann, dass die entgangenen Einnahmen auf Grund der Steuerbefreiungen für die Spielbanken höher sind als die – noch verbliebene Beteiligung an der Spielbankabgabe – und die zusätzlichen Einnahmen der Spielbankgemeinde auf Grund der Zulassung und des Betriebs einer Spielbank, kommt ernsthaft ein Ausgleichsanspruch einer Spielbankgemeinde in Betracht. Exemplarisch seien hier die Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Stadt Duisburg dargestellt: – 2002: 1,673 Mio. Euro – 2003: 3,300 Mio. Euro – 2004: 4,312 Mio. Euro – 2005: 4,626 Mio. Euro 110

BFHE 58, 556 (561). Az. 2 A 1373/05, Volltext in der Rechtsprechungsdatenbank des Nds. OVG veröffentlicht, teilweise unter Beck RS 2005, 28401. 112 Oben III. 1. 111

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– 2006: 3,881 Mio. Euro – 2007: 6,720 Mio. Euro.113 Diese Zahlen erlauben nicht ohne weitere hinzutretende Umstände – die hier nicht ersichtlich sind – die Angemessenheit der Beteiligung in Frage zu stellen. Betrachtet man die tatsächlichen Zuweisungen aus der Spielbankabgabe an die Spielbankgemeinden, dürfte es schwierig zu begründen sein, dass eine „angemessene“ Beteiligung nicht vorliegt. Lediglich wenn die Steuerausfälle der Stadt durch die verschiedenen Steuerbefreiungen für den Betrieb der Spielbank eindeutig höher sind als die positiven Effekte, kann ernsthaft die Angemessenheit in Frage gestellt werden. 4. Anspruchsgrundlage Art. 79 LVerf. NW Schon tatbestandlich ist es kaum möglich, Ansprüche aus dieser Vorschrift herzuleiten. Das Recht, eigene Steuerquellen zu erschließen, kann das Land nur im Rahmen der Finanzordnung des Grundgesetzes gewähren. Diese geht in jedem Fall vor. Selbst einfachgesetzliche Vorgaben des Bundes haben Vorrang vor Landesverfassungsrecht, so dass die gesetzlichen Steuerbefreiungen zugunsten der Spielbanken die Vorschrift nicht verletzen können. Im Übrigen ist der Verpflichtungsgrad der Norm (der Gesetzgeber hat „Rechnung zu tragen“) gering. Den landesverfassungsrechtlichen Ansprüchen der Gemeinden hat die gesetzliche Regelung der Spielbanken durch den Landesgesetzgeber auch bei einem reduzierten Anteil „Rechnung“ getragen. 5. Anspruchsgrundlage Art. 78 Abs. 1 LVerf. NW Die Finanzausstattungsgarantie des Art. 78 Abs. 1 LVerf. NW ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs für Nordrhein-Westfalen dann verletzt, wenn das Selbstverwaltungsrecht ausgehöhlt und einer sinnvollen Bestätigung der Selbstverwaltung die finanzielle Grundlage entzogen ist.114 Folgt man diesem Ansatz, ist die von der Verfassung gewährleistete Finanzausstattung erst dann unzureichend und nicht mehr angemessen, wenn die Gemeinden ihre verfassungsrechtlich oder gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht mehr erfüllen können.115 Der Verfassungsgerichtshof billigt dabei dem Gesetzgeber aber einen „weiten Gestaltungsspielraum“ zu. Die Höhe der gemeindlichen Finanzausstattung dürfe vor allem auch unter angemessener Berücksichtigung des finanziellen Bedarfs und der Haushaltssituation des Landes bestimmt werden. Art. 78, 79 LVerf. NW legten den Umfang der Mittel nicht fest, die den Gemeinden zur 113 Kapitel 20 020, Titel 633 14 der Haushaltspläne des Landes Nordrhein-Westfalen für die Haushaltsjahre 2003 bis 2007. 114 Oben Fn. 54. 115 Vgl. Dreier (Fn. 26), Art. 28 Rn. 156; Pieroth (Fn. 8), Art. 28 Rn. 14 ff.

5. Die Spielbankabgabe und die Beteiligung der Gemeinden

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freien Disposition gestellt werden müssten: weder zahlenmäßig festgelegte Beträge noch bestimmte Quoten.116 Da die finanziellen Möglichkeiten des Landes aber seit Jahren sehr begrenzt sind und nur mit Mühe verfassungsmäßige Haushalte verabschiedet werden können, steht auch die gemeindliche Finanzausstattungsgarantie einer Kürzung nicht entgegen. Eine Verletzung dieses Anspruchs dürfte nur dann vorliegen, wenn der Gesamtumfang der Finanzausstattung durch die Reduktion des Anteils an der Spielbankabgabe derart verringert wurde, dass einer sinnvollen Betätigung der Gemeinde die finanzielle Grundlage entzogen worden ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer – hypothetischen – Prüfung von Art. 28 Abs. 2 GG verlangt, dass dargelegt wird, welchen Gesamtumfang die Finanzausstattung der Gemeinde hat und inwieweit dieser durch die beanstandeten Vorschriften gemindert wird und welche Aufgaben nun nicht mehr (angemessen) erfüllt werden können.117 Der bloße Hinweis auf die kritische Haushaltslage und die ungesicherte Finanzierung von Bauprojekten dürfte dafür kaum ausreichen. Zudem wäre immer auch eine Vergleichsberechnung erforderlich, wie die städtischen Finanzen ohne Spielbank und ohne Anteil an der Spielbankabgabe dastünden. Auch Aspekte des Vertrauensschutzes helfen im Hinblick auf die Finanzausstattung der Gemeinde nicht weiter, da selbst dem Bürger zugemutet wird, grundlegende Erschütterungen seiner Investitionskalkulationen durch tief greifende und unsystematische Änderungen der (betrieblichen) Besteuerung – auch noch in der laufenden Steuerperiode – hinzunehmen, selbst wenn dadurch schon getätigte Investitionen ökonomisch völlig entwertet werden. Die Garantie der Selbstverwaltung der Gemeinden enthält jedenfalls keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Beibehaltung einer einmal erreichten Struktur oder eines einmal erreichten Standards des Finanzausgleichs. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen steht es dem Gesetzgeber weitgehend frei, „veränderte Rahmenbedingungen, neue Erkenntnisse und gewandelte Präferenzvorstellungen bei der jährlichen Regelung des kommunalen Finanzausgleichs zu berücksichtigen“.118 6. Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgebots Durch die Reduzierung des Anteils der Spielbankgemeinden könnte schließlich noch das interkommunale Gleichbehandlungsgebot als spezielle Ausformung des rechtsstaatlich determinierten Gleichheitssatzes119 verletzt sein. 116

VerfGH NW, NWVBl. 1998, S. 390 (392). BVerfGE 71, 25 (37). 118 VerfGH NW, NWVBl. 1993, S. 381 (382). 119 Tettinger (Fn. 30), Art. 78 Rn. 32. Das Bundesverfassungsgericht hat im Staatsorganisationsrecht zunehmend die Anwendung des – objektiv-rechtlich gedeuteten – Art. 3 Abs. 1 GG durch das Rechtsstaatsgebot als Rechtsgrundlage für staatsorganisa117

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Im Rahmen der Überlegungen, ob die Vorenthaltung eines angemessenen Anteils an der Spielbankabgabe verfassungswidrig ist, braucht auf die Diskussion über die Grundrechtsfähigkeit der Gemeinden120 und die Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1 GG auf öffentlich-rechtlich organisierte Einheiten nicht weiter eingegangen zu werden.121 Art. 78 LVerf. NW kann eine Pflicht des Landes zur Gleichbehandlung der kommunalen Gebietskörperschaften in Finanzdingen entnommen werden,122 jedenfalls in Angelegenheiten des Finanzausgleichs.123 Das Land ist demnach verpflichtet, bestimmte Gemeinden oder Gemeindeverbände bei der Zuweisung von Finanzmitteln nicht sachwidrig zu begünstigen oder zu benachteiligen. Die gewählten Maßstäbe dürfen „nicht in Widerspruch zueinander stehen und dürfen nicht ohne einleuchtenden Grund verlassen werden“.124 Der Grundsatz ist erst dann verletzt, wenn „für die getroffene Regelung jeder sachliche Grund fehlt“.125 Die Vorteile, die eine Spielbankgemeinde aus der Existenz einer Spielbank genießt, dürften ein hinreichender sachlicher Grund sein, um die punktuellen Durchbrechungen der Steuerpflicht zugunsten der Spielbankbetreiber zu rechtfertigen.126 Ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht der Kommunen, (neue) Steuerquellen zu erschließen, das weiterhelfen könnte, wird nahezu einhellig abgelehnt.127 Selbst punktuelle Belastungen werden kaum im Ergebnis zu einer Verletzung der Selbstverwaltungsgarantie führen können.128 Immerhin ließe sich argumentieren, dass den Gemeinden die verschiedenen Steuerquellen allgemein nicht in gleicher Höhe zur Verfügung stehen können, da zwischen den tatsächlich tionsrechtliche Gleichheitsgebote ersetzt, Osterloh, Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz – Entwicklungslinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, EuGRZ 2002, S. 309, unter Berufung auf BVerfGE 86, 148 (250 f.). Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht aber regelmäßig auf die objektive Geltung des Gleichheitssatzes auch für „die Beziehungen innerhalb des hoheitlichen Staatsaufbaus“ abgestellt; BVerfGE 72, 330 (404); 76, 130 (139). 120 Das BVerfG lehnt die Grundrechtsfähigkeit der Gemeinden in st. Rspr. ab, vgl. BVerfGE 61, 82 (100 ff.). 121 Dafür Koch (Fn. 74), S. 310. 122 Tettinger (Fn. 30), Art. 78 Rn. 32. 123 VerfGH NW, NWVBl. 1993, S. 381 (382); 1998, S. 390 (391 f.); Tettinger (Fn. 30), Art. 78 Rn. 12 ff. 124 VerfGH NW, OVGE 40, S. 300 (302); VerfGH NW, NWVBl. 1993, S. 381 (382); 1998, S. 390 (392). 125 VerfGH NW, NWVBl. 1998, S. 390 (391). 126 So auch VG Oldenburg, Urteil vom 8. Juli 2005, Az. 2 A 1373/05, Volltext in der Rechtsprechungsdatenbank des Nds. OVG veröffentlicht, teilweise unter Beck RS 2005, 28401. 127 Vgl. nur Siekmann (Fn. 8), Art. 105 Rn. 45, 48; zust. Tettinger (Fn. 47), Art. 28 Rn. 250; Waldhoff (Fn. 27), § 116 Rn. 27; a. A. Mohl, (Fn. 49), S. 64–71; Koch (Fn. 74), S. 310, ohne hinreichende Begründung. 128 Tettinger (Fn. 47), Art. 28 Rn. 235.

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durch die Ertragshoheit der Gemeinden erzielten Steuern und den zu finanzierenden Aufgaben der Gemeinden ein spezifischer Zusammenhang besteht.129 Die Einbeziehung spezifischer Belastungen durch die Errichtung von Spielbanken könnte bei einer per Saldo Betrachtung möglicherweise doch die Rechtsposition der einzelnen Gemeinde verbessern. Der Grundsatz der interkommunalen Gleichbehandlung aus Art. 78 LVerf. NW könnte als Anspruchsgrundlage dienen, vorausgesetzt es wird dargelegt, dass die Kommune Aufwendungen tragen muss, die bei der Festsetzung des Anteils nicht hinreichend berücksichtigt worden sind und zu einer Schlechterstellung unter Berücksichtigung aller Umstände führen. 7. Zwischenergebnis Die Prüfung der möglichen Anspruchsgrundlagen liefert bei nüchterner Betrachtung nur wenige Ansatzpunkte für die Konstruktion eines Anspruchs der Spielbankgemeinden. Lediglich wenn bei Berücksichtigung aller Umstände die finanziellen Nachteile für die Städte aus dem Betrieb der Spielbank die finanziellen Vorteile unter Einschluss des (reduzierten) Anteils an der Spielbankabgabe übertreffen, dürften Ansprüche bestehen. IV. Ergebnis Die Reduzierung des Anteils der Spielbankgemeinden am Aufkommen der Spielbankabgabe in Nordrhein-Westfalen auf 12 v. H. ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Lediglich besondere Umstände der finanziellen Gesamtsituation der Spielbankgemeinde könnten zu einer anderen Beurteilung führen. Art. 106 Abs. 2 Nr. 6 GG weist das Aufkommen aus der Spielbankabgabe zwingend den Ländern zu. Über die weitere Verteilung wird keine Aussage getroffen, insbesondere lässt sich weder aus dem Grundgesetz noch aus der Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen ein Anspruch auf eine bestimmte Zuweisung an die Spielbankgemeinden herleiten. Das kommunale Selbstverwaltungsprinzip aus Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 78, 79 LVerf. NW umfasst zwar auch die finanzielle Eigenverantwortlichkeit und eine angemessene Finanzausstattung, jedoch vermittelt es keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung des kommunalen Einnahmensystems. Art. 106 Abs. 2 GG vermag ebenfalls keinen Anspruch der Spielbankgemeinden gegen das Land auf Zuweisung bestimmter Finanzmittel zu begründen. Selbst wenn man den Anteil der Gemeinden an der Spielbankabgabe als Substitut für die Gewerbesteuer ansehen wollte, von der die Spielbanken befreit sind, 129

Vgl. Koch (Fn. 74), S. 310.

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lässt sich kein Anspruch auf eine bestimmte Beteiligungshöhe an dieser Abgabe begründen. Art. 106 Abs. 6 GG weist zwar das Aufkommen der Gewerbesteuer den Kommunen zu, jedoch ergibt sich aus der Ertragszuweisung keine institutionelle Garantie der Steuer. Den Gemeinden steht die Steuer nur zu, wenn und soweit sie existiert. Allerdings ist es Sache des Bundes, diese Ertragsverteilung zu ändern, die Länder dürfen sie nicht durch Zuteilung einer zu geringen Spielbankabgabe unterlaufen. Solange jedoch den Spielbankgemeinden ein „angemessener“ Anteil am Ertrag der Abgabe zugewiesen wird, kann nicht von einem „Unterlaufen“ ausgegangen werden. Zieht man die positiven ökonomischen und fiskalischen Effekte in die Betrachtung ein, so kann selbst bei einem Anteil von 12 v. H. an der Spielbankabgabe nicht von einer unangemessenen Beteiligung gesprochen werden. Dies liegt erst vor, wenn die Steuerausfälle der Stadt aufgrund der Steuerbefreiungen deutlich höher sind als die positiven Effekte. Eine Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsverbotes ist deshalb ebenfalls abzulehnen.

6. Die Legende von der verfassungsrechtlichen Sonderstellung des „anonymen“ Kapitaleigentums* In jüngster Zeit sind wieder Bestrebungen zu erkennen, dem „anonymen“ Geldeigentum ein als höherwertig empfundenes Sacheigentum entgegenzustellen. Auch wenn es nicht immer deutlich ausgesprochen wird, soll auf diese Weise ein unterschiedliches grund- und menschenrechtliches Schutzniveau konstruiert werden, verbunden mit einer zusätzlichen Pflichtenbindung des Eigentums an Kapitalgesellschaften. Diese Bestrebungen sind indes nicht neu. Bei genauem Hinsehen können sie auf eine lange Tradition zurückblicken, wenn auch zum Teil in einem anderen Gewande. Ihre geistigen Wurzeln sind allerdings meist weniger bekannt. Im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Krise der Finanzmärkte und Finanzinstitutionen erleben diese überwunden geglaubten Ideen eine erstaunliche Wiedergeburt. Dabei wird allerdings schon im Ansatz verkannt, dass die Entstehung der gegenwärtigen Krise nichts mit der Anonymität von Geld- oder Anteilseigentum zu tun hat, wohl aber sehr viel mit Marktversagen und Staatsversagen. Beängstigend ist vor allem das Versagen des Gesetzgebers („Deregulierung“, „Finanzplatz Deutschland stärken“) und der zuständigen Aufsichtseinrichtungen. Auch spielen Fehlentscheidungen in der Geldpolitik des Federal Reserve System der USA und gravierende Schwächen der wissenschaftlichen Behandlung von „finance“ eine wesentliche Rolle, bedürfen aber einer differenzierenden Betrachtung.1 I. Der vermeintliche Gegensatz von Geldeigentum und Wareneigentum hatte zwar Sozialreformer schon seit langem beschäftigt (Pierre-Joseph Proudhon, Silvio Gesell), ist aber im Tatbestand von Art. 14 GG nicht aufgegriffen worden. * Erstveröffentlichung in: Der grundrechtsgeprägte Verfassungsstaat, Festschrift für Klaus Stern zum 80. Geburtstag, herausgegeben von Michael Sachs und Helmut Siekmann, Berlin, 2012, S. 1527–1541. 1 Anders aber wohl Otto Depenheuer, Eigentumsrecht und Finanzkrise – Die Struktur einer Ordnungsidee als Maßstab für die Regulierung der Finanzwirtschaft, in: Arno Scherzberg/Ìlyas Dogan/Osman Çan (Hrsg.), Staatliche Finanzmarktregulierung und Eigentumsschutz, 2010, S. 83 (87 f.), der die in der Finanzkrise sichtbar gewordene Anonymisierung des Freiheitsgebrauchs beklagt; zu einem ersten Überblick über die Ursachen s. Helmut Siekmann, Die Neuordnung der Finanzmarktaufsicht, Die Verwaltung, Bd. 43 (2010), S. 95 (99 f.).

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Geld- und Sacheigentum werden auch vom Bundesverfassungsgericht mustergültig als gleichwertig und gegeneinander austauschbar angesehen.2 Entsprechendes gilt für die Unterscheidung von persönlichem Eigentum und Eigentum an Produktionsmitteln. Eine a-priori Sonderbehandlung bestimmter Eigentumsobjekte erlaubt lediglich Art. 15 GG. Der Tatbestand von Art. 14 GG lässt jedoch eine Differenzierung nicht zu und legt auch nicht als Regelfall das Sacheigentum als Schutzgut zugrunde. Der gerne herangezogene Satz 2 von Absatz 2 dieser Bestimmung bietet ebenfalls keine hinreichende Grundlage für derartige Unterscheidungen.3 Gleichwohl soll sich das Sacheigentum „seiner Natur nach“ vom Geldeigentum unterscheiden. Forderungen und Verbriefungen, insbesondere aber Geld, seien zwar ebenfalls eigentumsfähig, doch sei der „Dreiklang von Verfügungsbefugnis – Verantwortung – Haftung“ des Privateigentümers nur bei Eigentum an Sachen, Grund und Boden, die steter Pflege bedürften, wirklich ausgeprägt. Nur das Sacheigentum „trage das Vertrauen auf etwas, was in elementarer Weise „da sei”.4 Namentlich in der Haftbarmachung und bei der Verantwortlichkeit bestünden signifikante Unterschiede zwischen Sacheigentum und sonstigen Eigentumsformen. Beim Anteilseigentum sei die Verantwortung für den Eigentumsgebrauch vielfaltig gelockert.5 Zu einer derartigen Sicht hatte das Bundesverfassungsgericht selbst in seiner Entscheidung zur paritätischen Mitbestimmung aus dem Jahre 1979 beigetragen, indem es ausführte: „Anders als beim Sacheigentum, bei dem die Freiheit zum Eigentumsgebrauch, die Entscheidung über diesen und die Zurechnung der Wirkungen des Gebrauchs in der Person des Eigentümers zusammenfallen, ist diese Konnexität beim Anteilseigentums also weitgehend gelöst.“ 6 Damit verwendete das Gericht nahezu wörtlich eine Formulierung von Dieter Suhr,7 ohne sich kritisch mit der dahinter stehenden Weltanschauung auseinander zu setzen. Diese Formulierung ist aber durch die nachfolgende Rechtsprechung revidiert worden.8

2 BVerfGE 97, 350 (371): „Die Gleichwertigkeit von Sach- und Geldeigentum ist auch eine der Funktionsgrundlagen des Art. 14 GG.“ Dieser Kernaussage stimmt auch das Schrifttum zu, vgl. Paul Kirchhof, Das Geldeigentum, in: Freiheit und Eigentum, Festschrift für Walter Leisner, 1999, S. 635 (639), ohne Verweis auf das Bundesverfassungsgericht, dessen Mitglied er zu dieser Zeit aber war; Otto Depenheuer, in: Thomas von Danwitz/ders./Christoph Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 2002, S. 109 (153). 3 Otto Depenheuer, in: Hermann v. Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 14, Rn. 38, 52. 4 Depenheuer (Fn. 1), S. 89 f. 5 Depenheuer (Fn. 3), Rn. 142. 6 BVerfGE 50, 290 (342); abl. Johannes Dietlein, in: Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, S. 2194. 7 Unten Fn. 21. 8 Unten Abschnitt VIII.

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II. Die Herabwürdigung des „anonymen“ Kapitals war schon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts ein geläufiger Topos.9 Vor allem wurde auch schon damals kritisiert dass die Schaffung „anonymen“ Kapitals einer „Haftbarmachung“ entgegen stehe.10 Der Kampf gegen das „anonyme“ Kapital war denn auch eines der Hauptanliegen bei der Schaffung des Aktiengesetzes von 1937.11 Von der ernsthaft erwogenen Abschaffung der Aktiengesellschaft als Rechtsform wurde aber abgesehen.12 Stattdessen wurde die Linie verfolgt, dass die „Anonymität“, wenn sie schon „nicht restlos“ zu beseitigen sei, doch zumindest so zu modifizieren sei, dass „typische Gefahren auszuschalten oder wenigstens zu mildern“ seien. Allerdings sei „die Rechtsform der Aktiengesellschaft mit ihrer notwendigen Anonymität“ nur da zuzulassen, wo das Maß des Kapitalbedarfs sie aus wirtschaftlichen Gründen unbedingt fordert“.13 Das „anonyme Kapital“ werde sich aber unter der Herrschaft der neuen Aktienrechtsordnung voraussichtlich nicht mehr in der alten Weise „breitmachen“ und nachhaltig auswirken können.14 Die ebenfalls erwogene zwangsweise Einführung von Namensaktien zur Bekämpfung der Anonymität, wurde verworfen, steht aber gegenwärtig wieder auf der Tagesordnung.15 Die Bekämpfung der „Anonymität“ des Anteilseigentums war eng verbunden mit der Einführung des Führerprinzips im Aktienrecht.16 Den Aktionären wurde die Legitimation zur maßgebenden Leitung einer Aktiengesellschaft abgesprochen. Mit der Steuerung einer großen Gesellschaft sollten nahezu ausschließlich die „leitenden Personen“ betraut werden und nicht ihre Eigentümer, die nichts von der Sache verstünden.17 Mit Hilfe des „Führerprinzips“ sollte die „Kapitaldemokratie“ bei der Aktiengesellschaft endgültig überwunden werden.18 9 Näher Walter Bayer/Sylvia Engelke, Die Revision des Aktienrechts durch das Aktiengesetz von 1937, in: Walter Bayer/Mathias Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. I, 2007, Rn. 2. 10 Friedrich Klausing, Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktien=Gesetz), 1937, Einleitung, Rn. 58. 11 Wilhelm Kißkalt, 1. Bericht über die Arbeiten des Aktienrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht, ZAkDR 1934, S. 20. Der Aktienrechtsausschuss der 1933 gegründeten (nationalsozialistischen) Akademie für Deutsches Recht leistete wichtige Vorarbeiten für das Aktiengesetz 1937. 12 „Im Einvernehmen mit der Akademie für Deutsches Recht wird an der Rechtsform der Aktiengesellschaft festgehalten“ (Begründung zum Aktiengesetz 1937, Einleitung, Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Nr. 28 [1937], S. 1). 13 Begründung zum Aktiengesetz 1937, Einleitung, Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Nr. 28 (1937), S. 1. 14 Klausing (Fn. 10), Rn. 62. 15 Kißkalt (Fn. 11), S. 21. 16 Jan Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 337 ff. 17 Vgl. die Begründung zum Aktiengesetz 1937, Einleitung, Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Nr. 28 (1937), S. 1.

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III. Diese Anliegen sind vor allem von Herbert Krüger auch nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft intensiv weiter propagiert worden: „Wie risikolose, so darf auch anonyme Herrschaft weder im Bereich der Ämter noch der Gesellschaft eine Stätte haben. Es sollte sich daher parallel die Auffassung durchsetzen, daß anonymes Eigentum kein Eigentum ist, daß ihm jedenfalls die Privilegien des produzierenden Eigentums nicht zustehen.“ 19 Krüger hielt auch mit kaum geänderter Diktion an der dominierenden Stellung der Unternehmensleitung und der Missachtung der Aktionäre, also der Eigentümer einer Aktiengesellschaft, fest: „Ist aber Herrschaft über ein Gebilde von öffentlicher Bedeutung nicht anders denkbar denn als innerlich zur Richtigkeit bestimmte Herrschaft, dann folgt hieraus, dass dem Aktionär grundsätzlich eine Herrschaft über ein solches Unternehmen nicht mehr anvertraut werden darf [. . .].“ 20 Angesichts der Fehlleistungen der Vorstände großer deutscher Unternehmen und der gigantischen Kapitalvernichtung bei der Verwirklichung von „Visionen“ der Vorstandsvorsitzenden einiger DAX-Konzerne handelt es sich um eine beklemmende Vorstellung. Dabei wird nur allzu gerne vergessen, dass es sich bei dem Kapital um fremdes Vermögen handelt, dass der Unternehmensleitung nur zu treuen Händen überantwortet wird. In der Folgezeit spielte die Dissertation von Dieter Suhr aus dem Jahre 1966, die von Herbert Krüger betreut worden war, eine wichtige Rolle. Suhr betonte erneut die „Konnexität von Freiheit und Verantwortung beim Eigentumsinstitut“ und befasste sich näher mit der „Sollstruktur“ des aktienrechtlich organisierten Eigentums als einer der wichtigsten Erscheinungsformen des „anonymen“ Eigentums. Er erkannte die verfassungsrechtliche Bedeutung des Anteilseigentums, doch war Aktieneigentum für ihn letztlich nur „mediatisiertes Eigentum“.21 Die Schrift von Suhr orientiert sich maßgebend an der Philosophie von Georg Wilhelm Friedrich Hegel, verwendet aber auch zahlreiche Überlegungen, die Herbert Krüger in seiner Allgemeinen Staatslehre angestellt hatte. Sie enthält deutliche Verbindungen zum organologischen Staatsdenken und zeigt viel Sympathie für syndikalistisch-korporatistisches Gedankengut bis hin zu einem „germanischen“ 22 Eigentumsbegriff. Die Sonderbehandlung, die dem Geldeigentum zu18

Klausing (Fn. 10), Rn. 45. Allgemeine Staatslehre, 2. Auflage, 1966, S. 428. 20 Krüger (Fn. 19), S. 432 f. 21 Eigentumsinstitut und Aktieneigentum, 1966, S. 46, 113, 141. 22 Dem germanischen Eigentumsbegriff ist die „Pflichtbindung“ des Rechtsinhabers „immanent“, vgl. Depenheuer (Fn. 3), Rn. 38; teilweise anders aber die Darstellung von Dietlein (Fn. 6), S. 2148 f. 19

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kommen soll, findet sich allerdings vornehmlich erst in späteren Schriften von Suhr.23 Suhr unterscheidet allerdings klar zwischen dem Eigentum des Aktionärs und dem Eigentum der juristischen Person. Letztlich versteht er die Aktiengesellschaft als „schon im Privaten funktionell vergemeinschaftetes Eigentum“, die allerdings dem „Typus nach keine gelungene Form der Vergemeinschaftung“ sei. Diese „Vergemeinschaftung“ sei allerdings ein Argument für und nicht gegen das Privateigentum.24 IV. Angesichts der „energischen“ Maßnahmen im Jahre 1937, mit denen die Gefahren „anonymen“ Eigentums endgültig ausgerottet werden sollten,25 ist kaum zu erkennen, wie die „zunehmende“ Entstehung „anonymen“ Eigentums ein Phänomen sein kann, das „heute“ besonderer Aufmerksamkeit verdient. Inhaltlich wird zudem grundlegend verkannt, dass durch die Schaffung juristischer Personen zwangsläufig das Eigentum an den Vermögensgegenständen dieser Person („assets“) von den dahinter stehenden natürlichen und juristischen Personen abgetrennt und, wenn man so will, „anonymisiert“ wird.26 An die Stelle ihrer „personalen“ Eigentumsrechte treten (korporationsrechtliche) Mitwirkungsrechte und bei Gesellschaften das Anteilseigentum, das mehr oder weniger weitreichende Mitgliedschaftsrechte mit umfasst, aber gesellschaftsrechtlich gebunden ist. Die unmittelbare Ausübung von Eigentumsrechten in Bezug auf Eigentumsobjekte der juristischen Person, also vor allem auch auf die körperlichen Gegenstände (Sachen), geht auf die Leitung dieser Einrichtung über, die zumindest bei Großunternehmen regelmäßig nicht mehr von den Eigentümern des Unternehmens (den Aktionären) ausgeübt wird. Die Leitung hat aber ihrerseits – für die juristische Person als Eigentümer – alle eigentumsbezogenen Pflichten zu erfüllen und 23 Dieter Suhr, Die Geldordnung aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Joachim Starbatty (Hrsg.), Geldordnung und Geldpolitik in einer freiheitlichen Gesellschaft, 1982, S. 91–116; ders., Geldordnungspolitik aus der Sicht des Grundgesetzes, in: Fragen der Freiheit, Heft 161 (1983), S. 3 (10 ff.); ders., Alterndes Geld, 1988; ders., Netzwerk neutrales Geld. Eine kritische Analyse des herkömmlichen Geldes und das Konzept einer Finanzinnovation für neutrales Geld, in: Fragen der Freiheit, Heft 228 (1994), S. 32 ff. 24 Suhr (Fn. 21), S. 145. 25 Die Begründung zum Aktiengesetz 1937 hatte es so ausgedrückt: „mit der Übernahme der Macht durch den Nationalsozialismus konnte endlich an eine energische Aufnahme der Erneuerungsarbeiten gedacht werden. Sie war vor allem deshalb erforderlich, um den nationalsozialistischen Grundsätzen auch auf dem Gebiete der Wirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen“ (Einleitung, Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Nr. 28 [1937], S. 1). 26 Durchaus auch von der Begründung zum Aktiengesetz 1937 erkannt: „Die Rechtsform der Aktiengesellschaft mit ihrer notwendigen Anonymität [. . .]“ (Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Nr. 28 [1937], S. 1).

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ist in jedem Sinne „Verantwortungsträger“, auch und vor allem im Hinblick auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Hinzu treten noch Sozialpflichtigkeit und Bindung des „Anteilseigentums“, die aber gesondert zu betrachten sind. Dabei ist aber von jeder staats- oder rechtsphilosophischen Überhöhung dieser im Wesen einer Kapitalgesellschaft liegenden Grundstruktur Abstand zu nehmen. Alle Pauschalempfehlungen für die Organisation der Unternehmensleitung sind durch die Wirklichkeit widerlegt worden. Besonders problematisch wird ein solches Anliegen jedoch dann, wenn es verfassungsrechtlich fundiert wird und aus einem Grundrecht eine Pflicht des Gesetzgebers abgeleitet wird, durch „Haftungsverantwortlichkeiten“ und Transparenzregelungen der unterstellten „zunehmenden Anonymisierung“ des Eigentums entgegen zu wirken.27 V. Allerdings hatte sich Suhr um eine genauere begrifflich-konstruktive Erfassung des „anonymen“ Eigentums bemüht, indem er das „aktienrechtlich organisierte“ Eigentum als „funktionell differenziertes“ und entsprechend „rechtstechnisch parzelliertes“ Eigentum zu begreifen suchte.28 Ob dem zu folgen ist, mag hier dahin stehen. Zumindest ist aber sauber zwischen dem Eigentum der juristischen Person an den ihr gehörenden Sachen und dem Eigentum an den Anteilen an dieser Person zu unterscheiden, soweit solche Anteile existieren. Begrifflich wird teilweise sogar eine Dreiteilung vorgenommen: „Betriebseigentum“, „Eigentum des Unternehmensträgers am Unternehmen“ und dem „Anteilseigentum“, das eine immer wichtigere Rolle auch im Verfassungsrecht spielt.29 Zwar sah auch Suhr Kursbildung und Kapitallenkungsfunktion an und durch die Börse durch – modern gesprochen – zahlreiche Informationsasymmetrien, namentlich zu Lasten der Kleinanleger, als zutiefst gestört an.30 Das mag seinerzeit gar nicht so falsch gewesen sein; Stichwort „Deutschland AG“. Ob diese Störung aber so allgemein noch weiter besteht, bedarf eingehender empirischer Untersuchung, namentlich nach den Erfahrungen mit der Finanzmarktkrise. Sowohl die „Mediatisierung“ 31 des Eigentums an den Vermögensgegenständen des Unternehmens als auch die Trennung von Eigentum und Leitung eines Unternehmens32 sind Ergebnis einer sinnvollen „Arbeitsteilung“, die sich über Jahr27 Im Schrifttum ist deshalb auch eher die gegenteilige Tendenz zu erkennen: Wolfgang Schön, Der Aktionär im Verfassungsrecht, in: Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag, 2003, S. 1359 (1368): „Der Gesetzgeber ist kraft Verfassungsrecht verpflichtet, den wirtschaftlich handelnden Bürgern Rechtsformen gemeinsamen Eigentums anzubieten.“ 28 Suhr (Fn. 21), S. 95. 29 Uwe Hüffer/Eberhard Schmidt-Aßmann, in: dies./Martin Weber, Anteilseigentum, Unternehmenswert und Börsenkurs, 2005, S. 41 ff., 45. 30 Suhr (Fn. 21), S. 102–112.

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hunderte herausgebildet und die Verwirklichung der meisten (privaten) Großprojekte überhaupt erst möglich gemacht hat.33 Es ist nicht ersichtlich, dass der menschenrechtliche Kern der Eigentümerfreiheit 34 Rechtsstrukturen erfordern könnte, in denen der Eigentümer sich nicht hinter anonymen Eigentumsformen verbergen kann. Das Grundgesetz hat die beschriebene Aufteilung vorgefunden und nicht in Frage gestellt, auch nicht das Aktiengesetz von 1937. Ob eine Rechtsordnung die Schaffung von so konstruierten Institutionen zulassen sollte, ist jedenfalls keine verfassungsrechtliche Frage. Das schließt keineswegs aus, dass sich Reformen des Gesellschaftsrechts, des Wertpapierrechts, des Bankrechts und des allgemeinen Finanzmarktrechts als notwendig erweisen können. Sie sind aber nicht Folge einer Gefährdung der Eigentümerfreiheiten durch eine zunehmende Anonymisierung „des“ Eigentums. Je nach Zusammensetzung des Kreises der Gesellschafter (Aktionäre) geht es entweder um den Antagonismus von Mehrheit und Minderheit von (Anteils-)Eigentümern, also die Kontrolle der Mehrheitsmacht, oder um den Antagonismus zwischen Management und Anlegern.35 Das sind aber keine Fragen, die sich aus der Dichotomie von Sacheigentum und (anonymen) Geld- oder Anteilseigentum ergeben. VI. Allerdings könnten sich aus der „Idee des Verantwortungseigentums“ Beschränkungen ergeben. Fraglich ist jedoch, ob sich aus dem personalen, men31 Dieser Begriff, der schon von Suhr (Fn. 21) verwendet wird (vor allem S. 141– 148), ist treffender als der Begriff „Anonymisierung“. Er wird auch von Schön (Fn. 27) benutzt. 32 Sie führt zu dem klassischen Problem der Unternehmensführung („corperate governance“), formuliert bei Adolf A. Berle/Gardiner C. Means, The Modern Corporation and Private Property, 1932. Die Existenz von Transaktionskosten als Begründung, warum es überhaupt Unternehmen gibt und nicht nur ein System gegenseitiger Verträge, hat Ronald H. Coase geliefert (The Nature of the Firm, Economica 4 [1937], S. 386–405), der dafür den Nobelpreis erhalten hat. 33 Das hatte selbst die Begründung zum Aktiengesetz von 1937 trotz seines Kernanliegens, den „nationalsozialistischen Grundsätzen“ zum Durchbruch zu verhelfen (oben Fn. 25), nicht in Abrede gestellt: „Die neuzeitliche Wirtschaft kann ohne die Aktiengesellschaft nicht bestehen. Sie war und ist ein geeignetes Mittel, um durch das Zusammentragen der Ersparnisse vieler die Schaffung umfangreicher Kapitalgüter zu ermöglichen“ (Einleitung, Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Nr. 28 [1937], S. 1). 34 Zum menschenrechtlichen Gehalt der „Eigentumsfreiheit“ Dietlein (Fn. 6), S. 2131 f. 35 Joself Wolany, Die Diskussion über eine Reform des Aktienrechts, Die Aktiengesellschaft 1956, S. 1; grundlegend Theodor Baums, Empfiehlt sich eine Neuregelung des aktienrechtlichen Anfechtungs- und Organhaftungsrechts, insbesondere der Klagemöglichkeiten von Aktionären? Gutachten F für den 63. Deutschen Juristentag, in: Verhandlungen des dreiundsechzigsten Deutschen Juristentages in Leipzig 2000, 2000, S. F14.

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schenrechtlichen Kern der Eigentümerfreiheit Anforderungen an Transparenz, Verantwortlichkeit und – vor allem – Haftung der Kapitaleigner ableiten lassen. Der Begriff „Verantwortungseigentum“ taucht zwar schon in einem Vortrag aus dem Jahre 2004 auf, freilich nur formelhaft und ohne Beleg oder nähere Begründung.36 Auch Suhr hatte schon bei der Exegese von Art. 14 GG die Wahrung der „Verantwortung“ in den Vordergrund gestellt.37 Aber auch das war nicht neu, sondern Übernahme eines wesentlichen Anliegens des Aktiengesetzes von 1937.38 In dieser Allgemeinheit gerät das Konstrukt des „Verantwortungseigentums“ in Konflikt mit dem Anliegen, die freiheitssichernde Funktion des privaten (Sach-) Eigentums zu stärken. Suhr hatte denn auch den Bezug der Eigentumsgarantie zur persönlichen Freiheit nicht als Anknüpfungspunkt gewählt, sondern seine Rede von der „Verantwortung“ und den „Verantwortlichkeiten“ an dem Institut „Eigentum“ festgemacht.39 Das personale Substrat der Eigentumsgarantie erfordert eben nicht eine Ausgestaltung der Eigentümergarantie in einer Weise, welche die individuelle Verantwortung in den Vordergrund rückt. Vor allem untersagt die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes nicht das mit der Schaffung von Kapitalgesellschaften verbundene Auseinanderfallen von Eigentümerstellung, Residualbefugnissen und Leitungsmacht. Auch Herbert Krüger hatte schon wortreich die kollektivistische Pflichtenbindung des Eigentums, und namentlich des Anteilseigentums, zu entfalten versucht;40 allerdings beschränkt auf „Unternehmen von öffentlicher Bedeutung“,

36 Paul Kirchhof, Eigentum als Ordnungsidee – Wert und Preis des Eigentums, in: Otto Depenheuer (Hrsg.), Eigentum, 2005, S. 19 (39). Auf die „Verantwortung durch Eigentum“ geht auch Depenheuer (Fn. 1), S. 88–90, näher ein. 37 Suhr (Fn. 21), S. 46 ff. 38 „Nach nationalsozialistischer Auffassung kann die Aktiengesellschaft nur da zugelassen werden, wo es sich darum handelt, ein Unternehmen auf breiter geldlicher Grundlage zu schaffen und zu diesem Zweck weite Kreise des Volkes zur Aufbringung der erforderlichen Mittel heranzuziehen. Im Übrigen soll der Unternehmer die persönliche Verantwortung uneingeschränkt tragen“ (Begründung, Einleitung, Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Nr. 28 [1937], S. 1). „Kann ein Unternehmen auch in einer anderen Rechtsform betrieben werden, die mehr persönliche Verantwortung in den Vordergrund stellt, so muss es grundsätzlich in dieser Form betrieben werden und darf nicht das Kleid der anonymen Aktiengesellschaft wählen“ (Begründung, Erstes Buch, Aktiengesellschaft, Erster Teil, Allgemeine Vorschriften [§§ 1–15], Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Nr. 28 [1937], S. 1). Die Begrenzung des Führergedankens durch das „Verantwortungsprinzip“ stammt, soweit feststellbar, aus einer Stellungnahme des Reichsbankdirektors und beauftragten des Reichswirtschaftsministers Hjalmar Schacht zum Entwurf des neuen Aktiengesetzes, vgl. Bayer/Engelke (Fn. 9), Rn. 50. 39 Suhr (Fn. 21), S. 46 ff.; in der Sache ähnlich auch Krüger (Fn. 19), S. 421 ff., 434 ff. 40 Krüger (Fn. 19), S. 431–437.

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die er ohnehin als „Machtgebilde“ 41 und als „Zelle der gesellschaftlichen Integration“ 42, verstand. Sie besäßen Eigenschaften, die denen souveräner Staaten glichen,43 und hätten „öffentlichen Charakter“.44 Die daran anschließenden Ausführungen geben dann aber die Beschränkung auf „Unternehmen von öffentlicher Bedeutung“ auf und räsonieren allgemein und losgelöst von jeglicher rechtsnormativer Grundlage über „das Eigentum als staatsbildender Kraft“, auch wenn diese Ausführungen noch systematisch in den Zusammenhang mit den Großunternehmen gestellt sind. Hier sind wieder die Quellen für die Glorifizierung des Sacheigentums und die Perhorreszierung des Geld- oder Anteilseigentums zu finden: Nur das Sacheigentum führe zu „Sachtreue und Verantwortungsgefühl“ und aktiviere die „erzieherische Wirkung“ von Sachen auf den Menschen;45 anders aber das Geld- oder Anteilseigentum: „Das Eigentum hat jedoch im Falle der Kapitalgesellschaften von vornherein eine Gestaltung erfahren, die es um diejenigen Gehalte und Eigenschaften bringt, auf denen seine versittlichende Wirkung [sie!] und seine gesellschaftliche Funktion beruhen: Wenn risikoloses, verantwortungsloses und liquides Eigentum der sittlichen und gesellschaftlichen Substanz nach Eigentum nicht mehr ist, wenn andererseits der GmbH-Anteil und vor allem die Inhaberaktie gerade durch eine praktische Risikolosigkeit [Nachweis], Unverantwortlichkeit und durch Liquidität gekennzeichnet sind, dann kann man die Inhaberaktie nur noch als Karikatur eines substantiell begriffenen Eigentums bezeichnen.“ 46 Alle Versuche menschenrechtliche Freiheiten in Pflichten umzudeuten, verfehlen jedoch grundsätzlich das Wesen der Freiheitsrechte, bedürfen jedenfalls einer eingehenden Rechtfertigung,47 vor allem auch im Hinblick auf die dezidiert anderslautende Grundentscheidung des Verfassungsgebers.48 Es handelt sich im Grundsatz immer um eine Rechtsfortbildung contra legem. Es ist in keiner Weise einzusehen, warum der Inhaber einer Forderung oder der Eigentümer einer Aktie in Bezug auf Verantwortung oder Haftung strengeren Anforderungen unterworfen werden soll als ein Sacheigentümer. Unzählige Forderungen stammen aus seriö41

Ebd., S. 410 ff. Ebd., S. 417. 43 Ebd., S. 411. 44 Ebd., S. 415. 45 Ebd., S. 429. 46 Ebd., S. 431 f. 47 Prägnant Michael Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, vor Art. 1, Rn. 59: „Die Verpflichtungen des Einzelnen, die im Interesse der verschiedensten Aspekte des Gemeinwohls [. . .] gesetzlich aufgestellt werden können, erscheinen als legitimationsbedürftige Einschränkung der Grundrechte.“ 48 Vgl. eingehend Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 146, 157; Sachs (Fn. 47). 42

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sen Erwerbsgeschäften, auch „kleiner“ Handwerker und Selbständiger, und viele Aktien sind aus Ersparnissen erworben worden oder dienen unmittelbar oder mittelbar (über Fonds) der Alterssicherung. Das gilt nicht zuletzt auch für manche Hedgefonds und institutionelle „aktive“ Anteilseigentümer aus den USA. Auch ein sehr extensiv ausgelegter Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG bietet keine hinreichende Grundlage für das erwünschte „Verantwortungseigentum“.49 Die Ableitung einer Pflicht des Eigentümers aus dieser Vorschrift, sein Eigentum zu pflegen und zu erhalten, es mit bedachtem Risiko zu verwalten und es nachhaltig zu nutzen wäre keine Auslegung, sondern Rechtssetzung durch den Normanwender. Damit würde eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition zu einem (bloßen) Anknüpfungspunkt für die Auferlegung einer Vielzahl neuer Pflichten mutieren. Der Staat bräuchte derartige Pflichten seinen Bürgern nicht einmal mehr vorschreiben. Sie wären der Rechtsinhaberschaft immanent, ihr Inhalt aber kaum abgrenzbar. Was soll ein „bedachtes Risiko“ sein? Jedenfalls doch nicht die Teilnahme am staatlichen Zahlenlotto, denn dort ist das (objektive) Risiko eines Totalverlustes höher als bei anderen Formen des (erlaubten) Glücksspiels und subjektiv haben die Teilnehmer in aller Regel keinerlei Vorstellung über die konkrete Wahrscheinlichkeit des Verlustes ihres Einsatzes. Worin besteht denn die Pflege einer Aktie? Soll für die Kleinaktionäre einer Bank die Pflicht bestehen, ihr Stimmrecht auszuüben, damit sich ein unfähiges oder räuberisches Management nicht weiter auf ihre Kosten bereichert oder ihr Kapital buchstäblich verspielt? Wie sollen denn die Sanktionen bei Verstoß gegen derartige Pflichte oder Obliegenheiten aussehen: Verlust des Eigentums? Bußgeld? Zudem steht der „anonyme“ Aktionär keineswegs außerhalb jeder Haftung. Die „praktische Risikolosigkeit“ der Inhaberaktie ist eine Chimäre.50 Es besteht das Risiko des Totalverlustes; allerdings begrenzt auf das eingesetzte (Spar-)Kapital. Wer diese Haftungsbeschränkung nicht will, darf keine Gesellschaftsformen mit beschränkter Haftung zulassen. Es wäre aber abwegig, darüber hinaus allgemein dem „anonymen“ Anteilseigentümer die Verantwortung für ein Verhalten der Unternehmensleitung aufzuerlegen, das als sozial unerwünscht angesehen wird, und diese Verantwortung noch aus einem Grundrecht herleiten zu wollen. Der Eigentümer von 100 Aktien der RWE kann und darf beispielsweise nicht für die sozialverträgliche (umweltgerechte) Entsorgung von Brennelementen aus Kernkraftwerken verantwortlich gemacht werden. Dafür sind Ordnungsrecht und Strafrecht zuständig. Erst recht müssten diese Bedenken im Hinblick auf eine Verantwortung für die Verwendung des investierten Kapitals gelten. Aufsichtsversagen ist nicht über gesteigerte Verantwortlichkeit des „anonymen“ Eigentums zu kompensieren. Das zeigt die gegenwärtige Krise mit aller Deutlichkeit. 49 So aber Suhr (Fn. 21). Diese Auslegung hat aber in den vierzig Jahren, die seitdem verflossen sind, fast keine Anhänger gefunden. 50 So aber Krüger (Fn. 19), der sie zu begründen versucht (S. 431, Fn. 86).

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Es könnte allerdings überlegt werden, ob sich „Eigentümer und Eigentum“ „wechselseitig“ „prägen“. Eine dahingehende Annahme ist ebenso selbstverständlich richtig wie sie unzweifelhaft dubios ist. Es ist eine banale Erkenntnis, dass der Eigentümer die ihm gehörenden Sachen (um-)gestalten darf und – je nach persönlichen Fähigkeiten – auch kann. Es ist ähnlich selbstverständlich, dass die Möglichkeit der Nutzung von Sachen Freiheitsräume eröffnet. Diese Möglichkeit muss aber nicht zwingend aus Eigentum fließen, vor allem nicht nur aus Sacheigentum. Im Übrigen stehen die meisten Arbeitsmittel der Arbeitnehmer nicht in deren Eigentum und haben deswegen keine herausgehobene eigentumsrechtliche Bedeutung. Was die generelle Prägung des Eigentümers durch sein Eigentum angeht, bedürfte die Aussage dringend einer empirischen Absicherung. Daraus eine unterschiedliche rechtliche Bedeutung verschiedener „Eigentumsformen“ ableiten zu wollen, hat zwar eine alte sozialphilosophische Tradition, steht aber nicht in Einklang mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes. VII. Es erscheint im Ansatz verfehlt, – wieder einmal – den Versuch zu unternehmen, eine Sonderbehandlung einzelner Eigentumskategorien, wie „höchstpersönlichem“ oder „anonymem“ Eigentum, im Wege rechtswissenschaftlicher Deduktionen durchzusetzen.51 Der Parlamentarische Rat hat dezidiert anders entschieden. Ebenso wenig, wie es einen inhärenten Wert von Sachen gibt, können Eigentumsobjekte a priori einer der genannten Formen zugeordnet werden. Die aufgewendete Arbeit, die von Klassikern der Ökonomie und Sozialphilosophen gerne als maßgebendes Kriterium für den Wert einer Sache propagiert worden ist,52 hat sich in toto als ungeeignet erwiesen. Das von der Mutter geerbte Schmuckstück hat der Sohn weder durch Arbeit erlangt noch dient es seinem „persönlichen Bedarf“, was immer das sein mag. Dennoch dürfte er es als sehr persönliches Eigentum empfinden. Die Fondsanteile, die im Rahmen der durch Steuermittel geförderten privaten Altersvorsorge gekauft worden sind, sind nicht durch eigene Arbeit verdient worden; jedenfalls nicht in vollem Umfang. Ob sie dem „persönlichen Bedarf“ des Eigentümers dienen, ist ihnen nicht anzusehen. Vielleicht möchte der Eigentümer von seiner Grundrente leben und sie vererben. 51 Vgl. Brun-Otto Bryde, in: Ingo v. Münch/Philip Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 14, Rn. 3. 52 John Locke wird gerne als Urheber der Konzeption des „Arbeitseigentums“ angeführt. Wenn eine solche Deutung erwogen wird, sollte aber jedenfalls auch die Gegenposition hinreichend gewürdigt werden, die Immanuel Kant zugeschrieben wird: Der Eigentümer muss sich nicht ethisch qualifizieren (Arbeit), sondern es genügt die schlichte Okkupation des Eigentumsobjekts, vgl. Wolfgang Kersting, Eigentumsfreiheit und soziale Gerechtigkeit. Versuch einer philosophischen Deutung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes „Eigentum verpflichtet“, in: Otto Depenheuer (Hrsg.), Eigentum, 2005, S. 43–51 f.; Dietlein (Fn. 6), S. 2143.

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Eine Kategorisierung als „höchstpersönliches Eigentum“ oder nicht ist mehr oder weniger willkürlich. Völlig zu Recht ist deshalb davon abgesehen worden, das Grundgesetz mit einer derartigen Begrifflichkeit zu belasten. Auch trifft es nicht zu, dass der Eigentümer sein Eigentum immer durch den Einsatz seiner Arbeit oder seines Vermögens erwirbt. Als Gegenbeispiele mögen nur Erbschaft, Schenkung und Transferzahlungen genannt werden. Ebenso wenig trifft es zu, dass das Eigentum das Resultat eigener Leistung und damit „geronnener Arbeit“, „gespeicherte“ und „geprägte Freiheit“ ist. Eigentum wird nicht nur durch Arbeit erlangt und führt nicht immer und nicht zwangsläufig zu mehr Freiheit. Es kann allenfalls eine notwendige Bedingung für Freiheit sein, aber keine hinreichende. Aber auch das ist nicht sicher, wenn man an die freiwillig gewählte Eigentumslosigkeit des Asketen denkt. Die gegenteilige Sicht war auch eher ein politischer Kampfbegriff, um „leistungsloses“ Einkommen, also nicht durch (Hand-)Arbeit erworbenes Eigentum, zu diskreditieren und gegen Kapital und Kapitaleinkünfte vorzugehen. Auch hat das Bundesverfassungsgericht den Begriff „geprägte Freiheit“ nicht im Sinne einer allgemeinen (wechselseitigen) Prägung verwandt, sondern in einem ganz wörtlichen Sinne für gesetzliche Zahlungsmittel.53 Im Ergebnis lässt sich die Eigentumsgarantie jedenfalls nicht auf den Schutz „selbsterarbeiteten Eigentums“ reduzieren.54 VIII. Schon seit einiger Zeit hat das Bundesverfassungsgericht den Schutz des Anteilseigentums in den Mittelpunkt seiner Bemühungen gestellt,55 auch wenn es zunächst diesen Schutz dadurch relativiert hatte, dass es den Eingriff durch das Mitbestimmungsgesetz für gerechtfertigt angesehen hatte.56 Aber selbst in der Entscheidung zum Mitbestimmungsgesetz hat es keineswegs Pflichten für den (Anteils-)Eigentümer aus dem Grundrecht abgeleitet, sondern im Gegenteil ausdrücklich betont, dass „das Aktieneigentum eine Sphäre individueller Freiheit 53

BVerfGE 97, 350 (371). Bryde (Fn. 51), Rn. 3. 55 Paradigmatisch BVerfGE 100, 289 (301 f.); zuvor aber auch schon BVerfGE 50, 290 (345): „Im Vordergrund steht also der Schutz des Anteilsrechts, der auch den Schutz der Funktion des gesellschaftsrechtlich vermittelten Eigentums begründet und bestimmt.“ Vgl. ferner noch: BVerfGE 102, 197 (211): Kommanditanteile sind Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG; BVerfG (K), NJW 2001, 279 (280) („Moto Meter“); NJW 2007, 3268 („squeeze-out“). 56 BVerfGE 50, 290 (341–343). Das Schrifttum hat sich nahezu einhellig gegen eine Relativierung des Schutzes des Anteilseigentums ausgesprochen: Hans-Jürgen Papier, Unternehmen und Unternehmer in der verfassungsrechtlichen Ordnung der Wirtschaft, VVDStRL 35 (1977), S. 55 (59 f.); Bryde (Fn. 51), Rn. 22; Depenheuer (Fn. 2), S. 182; ders. (Fn. 3), Rn. 283; Rudolf Wendt, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 14, Rn. 90; Dietlein (Fn. 6), S. 2194; zurückhaltender Joachim Wieland, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 14; Rn. 49. 54

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in finanzieller Hinsicht“ ermögliche. Auch die weitere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stärkt eindeutig die (vermögensrechtliche) Position des (Minderheits-)Aktionärs im Gesellschaftsrecht und relativiert sie nicht etwa durch die Konstruktion von Verantwortlichkeiten oder von Haftung.57 Das Bundesverfassungsgericht hat auch nicht in seiner Entscheidung zur Montanmitbestimmung58 eine Relativierung des Schutzes des Anteilseigenturns vorgenommen. Es hat nur eine reine Willkürprüfung im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG durchgeführt und die Eigentumsgarantie nicht näher geprüft. Die Entwicklung in der (neueren) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat in der Wissenschaft weitgehende Zustimmung gefunden.59 Umstritten ist im Wesentlichen nur, ob der Erhalt der mitgliedschaftlichen Stellung (des Kleinaktionärs) genügend vom Bundesverfassungsgericht berücksichtigt worden ist. Auch der Schutz – und nicht zusätzliche Verantwortlichkeiten – der Erwerber und Inhaber „innovativer“ (jetzt „toxischer“) „Finanzprodukte“ beschäftigt schon zunehmend die Rechtsprechung, ganz zu schweigen von den Auswirkungen für Staatsfinanzen und Steuerzahler. Hier liegen die eigentlichen Probleme „moderner“ Eigentumsformen. Aber auch sie sind nicht Folge des Versteckens hinter „anonymen Eigentumsformen“. IX. Auch aus dem Wesen des Geldes und seiner rechtliche Behandlung kann keine eigentumsrechtliche Sonderbehandlung abgeleitet werden. Das Einlösevertrauen ist bei Geldzeichen ohne eigenen Sachwert der maßgebende wertbestimmende Faktor. Es ist auch vom Bundesverfassungsgericht betont worden, allerdings nicht als eigenständige eigentumsrechtliche Kategorie.60 Art. 14 Abs. 1 GG 57

Überblick bei Schön (Fn. 27), S. 1360 f. BVerfGE 99, 367 (389). 59 Schön (Fn. 27), S. 1369 f.; Hüffer/Schmidt-Aßmann (Fn. 29), S. 56 f.; Martin Tonner, Die Maßgeblichkeit des Börsenkurses bei der Bewertung des Anteilseigentums – Konsequenzen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Festschrift für Karsten Schmidt zum 70. Geburtstag, 2009, S. 1581 (1584 ff.); Arndt Rölike/Martin Tonner, Der Schutz des Minderheitsaktionärs durch Art. 14 GG, in: Harmut Rensen/Stefan Brink (Hrsg.), Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, 2009, S. 199 ff.; insoweit im Kern ebenfalls Lars Leuschner, Gibt es das Anteilseigentum wirklich?, NJW 2007, S. 3248–3250; Peter O. Mülbert/Lars Leuschner, Die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 14 GG und Art. 2 Abs. 1 GG für die Gesellschafterstellung – wo bleibt die Privatautonomie?, ZHR 170 (2006), S. 615 (624); wohl auch Johannes Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2007, S. 292–294, 297, 299–302; Theodor Baums, Rechtsfragen der Bewertung bei Verschmelzung börsennotierte Gesellschaften, Institute for Law and Finance, Working Paper Series No. 104 (06/2009), S. 4 f. Die Kritik von Dietlein (Fn. 6), S. 2194, bezieht sich auf die Relativierung in der Entscheidung zur paritätischen Mitbestimmung aus dem Jahre 1979. 60 BVerfGE 97, 350 (371). 58

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II. Verfassungsrecht

schützt nicht den Wert oder den Tauschwert des Geldes.61 Das Bundesverfassungsgericht hat es abgelehnt, einen (einklagbaren) Anspruch auf Geld anzuerkennen, das von der deutschen Staatsgewalt ausgegeben und dessen Einlösung von ihr garantiert wird. Ein solcher Anspruch soll sich auch nicht aus Art. 14 Abs. 1 GG ergeben.62 Allerdings befasste sich das Gericht nur damit, dass die deutsche Staatsgewalt als „hoheitlicher Garant des Einlösungsvertrauens“ durch die „Teilnehmerländer an der Währungsunion“ ersetzt wurde. Das Gericht ging aber als sicher davon aus, dass ein Hoheitsträger die Währung garantiert.63 Eine mehr oder weniger weit reichende Prägekraft des Geldes ist ohne individualpsychologische Spekulationen ebenfalls nicht zu erkennen. Geldeigentum abstrahiert auch nicht vom konkreten Eigentumsobjekt, selbst wenn man darunter nur Sacheigentum verstehen will. Abgesehen von Buchgeld und neuen elektronischen Geldersatzformen besteht an Geld Sacheigentum. X. Es ist zu befürchten, dass die bekannten politisch-sozialen Großformeln, die der Reform des Aktienrechts in Jahre 1937 zugrunde lagen: Entmachtung der „Masse der unverantwortlichen Aktionäre“, Unterbindung der „Ausnutzung einer Kapitalgesellschaft zu eigensüchtigen Zwecken“, der „gemeine Nutzen“ als Unternehmensziel,64 in neuem – nunmehr grundrechtlichen – Gewande zu einer Renaissance verholfen werden soll. Sie ist jedoch mit dem geltenden Verfassungsrecht nicht zu vereinbaren. Es ist festzuhalten, dass die Aktiengesellschaft Eigentümerin der Sachen der Gesellschaft ist und der Aktionär Eigentümer seiner Aktie. Eine Bindung, die gelockert sein könnte, ist nicht ersichtlich. Allerdings ist die Ausübung von Eigentumsrechten auf die Organe der Gesellschaft nach Maßgabe des Gesellschaftsrechts übertragen. Ein rechtliches Konstrukt, wie eine juristische Person, bedarf solcher Organe, um überhaupt handlungsfähig zu sein. Jedenfalls ist der Aktionär nicht Eigentümer der Sachen, die der Gesellschaft gehören, so dass eine Lösung der Eigentümerherrschaft vom Eigentümer auch insoweit schwer vorstellbar ist.

61 BVerfGE 105, 17 (30 f.), bezogen auf den Sozialpfandbrief; nähere Begründung bei Depenheuer (Fn 3), Rn. 157. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht nicht für ausgeschlossen angesehen, dass der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG bei Verletzung des Einlösevertrauens betroffen sein kann, BVerfGE 97, 350 (372). 62 BVerfG 89, 155 (174); 97, 350 (370); zust. Anm. Helmut Siekmann, Urteilsanmerkung, EWiR 1998, 743 (743 f.). 63 BVerfGE 97, 350 (372 f.). 64 Amtliche Begründung, Einleitung, Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Nr. 28 (1937), S. 1.

6. Die Legende von der Sonderstellung des „anonymen‘‘ Kapitaleigentums

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Allerdings bedürfen der Minderheitsaktionär des Schutzes gegenüber der Mehrheit der Anteilseigner und die Aktionäre gegenüber der Unternehmensleitung, wenn es keine herrschende Aktionärsgruppe gibt. Die Ableitung besonderer grundrechtlich fundierter Pflichten und Verantwortlichkeiten der Anteilseigner oder der Geldeigentümer entspricht nicht dem geltenden Verfassungsrecht. Wichtiger ist, dass der Staat seine Obliegenheit zur Gefahrenabwehr nachkommt und gefährliche Geschäfte sowie „systemrelevante“ Institute so wirksam beaufsichtigt und notfalls auch verbietet, dass der Eintritt von Schäden effektiv verhindert wird.

III. Finanzmärkte

1. Keine Hilfe für Banken ohne einen neuen Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte* / ** I. Das Grundanliegen des Antrags Dem Grundanliegen des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann im Wesentlichen zugestimmt werden. Allerdings sind im Einzelnen Vorbehalte anzumelden. Vor allem muss hinreichend beachtet werden, dass das Land in den angesprochenen Fragenkreisen weder Gesetzgebungs- noch Verwaltungskompetenz besitzt. Die Krise ist noch zu neu, um endgültige Schlussfolgerungen ziehen zu können. Sie wandelt zudem laufend ihre Gestalt und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Im Gegenteil bestehen Anzeichen, dass in raschen Abständen, neue Verschärfungen eintreten. In jedem Fall handelt es sich um ein komplexes, multifaktorielles und multikausales Geschehen. Schon aus diesem Grunde verbieten sich vorschnelle und pauschale Empfehlungen. 1. Verschärfung der Krise Zu häufig haben sich zudem die Prognosen und Hilfsvorschläge von Experten und Politikern als deutlich verfehlt oder ineffektiv herausgestellt. In diesem Zusammenhang sind vor allem vier grundlegende Annahmen zu nennen, die von der Wirklichkeit schmerzhaft widerlegt worden sind: – Beschränkung der Krise auf ein ganz spezielles Segment der Finanzmärkte (verbriefte Forderungen gegen amerikanische Immobilienerwerber), – Immunisierung des Restes der Welt von einem im Kern amerikanischen Problem, – Abkopplung der „realen“ Wirtschaft von den Problemen auf den Finanzmärkten, – Rettung durch die stark wachsenden Wirtschaften der „emerging countries“, vor allem China, Indien, Russland und Brasilien. * Erstveröffentlichung in: Stellungnahme für die öffentliche Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft, Mittelstand und Energie und des Haushalts- und Finanzausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 4. Februar 2009 (LT-Stellungnahme 14/ 2328, A17 + A06), Institute for Monetary and Financial Stability der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Working Paper Series No. 19 (2009). ** Siehe Stellungnahme zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drucksache 14/2328; siehe Fragekatalog Ds. 14/7680.

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III. Finanzmärkte

Nun ist die Weltwirtschaft an einem Punkt angelangt, an dem die Krise der Banken ganze Volkswirtschaften destabilisiert und die Leistungsfähigkeit von Einzelstaaten überfordert, und das nicht nur in Island, Lettland oder Irland. Es bestehen Indizien, dass der immer noch bestehende Abschreibungsbedarf konsolidierter Banksysteme deren Eigenkapital deutlich überschreitet. Sie sind damit technisch Insolvent. Es heißt jetzt möglicherweise nicht mehr „too big to fail“, sondern „too big to save“. Hier spielt jedoch der Anteil der Finanzinstitute an der Gesamtwirtschaftsleistung eine wichtige Rolle. Obschon noch vor wenigen Monaten, als die Krise schon weit fortgeschritten war, hochqualifizierte Beratungsunternehmen verkündet haben, dass der Anteil der Finanzwirtschaft in Deutschland noch viel zu niedrig sei, ist das Gegenteil wahr. Die konsolidierte Bilanzsumme der Banken im Verhältnis zum Sozialprodukt ist in Deutschland gefährlich hoch. 2. Weiterer Handlungsbedarf Die verschiedenen Hilfs- und Rettungsprogramme, die in bisher undenkbarem Ausmaß aus öffentlichen Mitteln finanziert worden sind, haben weltweit letztlich ihren Zweck nicht erfüllt: die Stabilisierung der Banken1 und die Versorgung der „realen“ Wirtschaft mit hinreichenden Krediten zu akzeptablen Konditionen. Möglicherweise ist eine weitere drastische Verkürzung der Bankbilanzen erforderlich. Ob dabei eine sogenannte „bad bank“ eine gute Lösung ist, wird zunehmend in Zweifel gezogen, obschon Sie das Gefallen der Bankwirtschaft findet. Die Gründe sind nachvollziehbar, aber nicht unbedingt vorzugswürdig im Hinblick auf Staatfinanzen und künftige Generationen von Steuerzahlern. Schwächen des (rechtlichen) Ordnungsrahmens für die Finanzmärkte und ihre Akteure haben mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Entstehung und zum Verlauf der Krise nennenswert beigetragen. Tausende von hochkomplizierten Vorschriften und hunderte Druckseiten von Empfehlungen haben ebenfalls im Ergebnis einen ihrer Hauptzwecke, die Verhinderung einer Finanzmarktkrise, die zunehmend die „reale“ Wirtschaft in eine tiefe Rezession stürzt, nicht erfüllt. Sie alle müssen auf den Prüfstand gestellt werden, kritisch und unbeeinflusst von den Partikularinteressen, die zum Teil an ihrer Formulierung mitgewirkt habe. Ein grundlegender Mangel der Vorschriften kann aber schon bei erster Durchsicht festgehalten werden. Sie sind fast unlesbar und genügen keinesfalls rechtstaatlichen Anforderungen an Klarheit und Verständlichkeit von Gesetzen, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich um technische Spezialnormen handelt, die sich nicht an die Allgemeinheit richten.

1 Vor allem in den USA sind in nennenswertem Umfang auch andere Finanzdienstleistungsunternehmen, namentlich Versicherungen (AIG), betroffen.

1. Keine Hilfe für Banken ohne einen neuen Ordnungsrahmen

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3. Kompetenzfragen Da die betroffenen Unternehmen global agieren, besteht zudem weitgehender Konsens, dass es internationaler Maßnahmen bedarf. Zumindest ist die Ebene der Europäischen Union oder das Gebiet der einheitlichen Währung, des Euro, angesprochen. Aber auch im nationalen Kontext ist es fast ausschließlich der Bund, der über die erforderlichen Kompetenzen verfügt. Lediglich im Bereich der Börsenaufsicht, der kommunalen Sparkassen und der Landesbanken verfügen die Länder über nennenswerte Kompetenzen. Bis auf die Landesbanken sind das aber nicht die eigentlichen Problemfelder der gegenwärtigen Krise. II. Einzelfragen 1. Sind die einzelnen im Antrag genannten Vorschläge und Instrumente geeignet, zu einem neuen Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte im Sinne von mehr Stabilität und mehr Transparenz beizutragen? Der Aufbau eines staatlichen „TÜV“ für Finanzmarktprodukte wird bei den Fragen 9–11 behandelt. Der Aufbau eines globalen Kreditregisters ist sinnvoll, aber politisch wohl kaum zu verwirklichen. Die Bekämpfung und Austrocknung von Steueroasen spielt im Rahmen der gegenwärtigen Krise keine erkennbare Rolle. Die Gründung einer öffentlich-rechtlich organisierten Ratingagentur, möglichst auf europäischer Ebene, sollte zumindest ernsthaft geprüft werden; dazu mehr bei den Antworten zu Fragen 9–11. Die Einführung einer Tobin-Steuer oder einer ähnliche Abgabe wird periodisch immer wieder in die Diskussion eingebracht. Die Idee hat aber noch nie wirklich zu überzeugen vermocht. Sie ist, wie alle Transaktionskosten, letztlich gemeinwohlschädlich. Das Verbot von „Leerverkäufen“ kann nicht pauschal beurteilt werden. „Leerverkäufe“ sind im Wirtschaftsleben weit verbreitet und erfüllen sinnvolle Funktionen. Sie sind auch in keiner Weise von der Rechtsordnung missbilligt, auch wenn das für Nichtjuristen nicht immer leicht nachvollziehbar ist: Der Verkauf von Gegenständen, die dem Verkäufer nicht oder noch nicht gehören, ist rechtlich wirksam und ein normaler Vorgang. Dabei spielen die Besitzverhältnisse keine Rolle, auch nicht im amerikanischen Recht, obwohl durchgängig in den Medien etwas anderes zu lesen ist. In besonderen Situationen können Leerverkäufe von Wertpapieren allerdings destabilisierend für ein Unternehmen wirken, auch wenn das alles andere als empirisch abgesichert ist. Nur sind Leerverkäufe von Wertpapieren auch hochriskant für denjenigen, der sie tätigt. Das haben viele

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III. Finanzmärkte

„Spekulanten“ mit Aktien der VW AG schmerzhaft erfahren müssen. Die möglichen Verluste sind theoretisch unbegrenzt. Die FSA in Großbritannien hat das Verbot von Leerverkäufen (bestimmter Finanztitel) wegen seiner ungesicherten Rechtfertigung denn auch schon wieder aufgehoben. Auf jeden Fall ist eine Vorgabe zu unterstützten, dass Risikoaktiva nicht auf außerbilanzielle Zweckgesellschaften ausgelagert werden dürfen, um so (aufsichtsrechtliche) Anforderungen an Eigenmittel zu unterlaufen. Die Einführung eines Selbstbehalts bei der Verbriefung und Weitergabe von hypothekarisch abgesicherten Forderungen wird nicht einheitlich beurteilt. Die größten Probleme für Banken sind dadurch entstanden, dass der Risikotransfer nicht gelungen ist, aus welchen Gründen auch immer. Das „originate to distribute“ hat eben nicht oder nicht vollständig stattgefunden. Die Banken mit besonderen Schwierigkeiten hatten noch unmittelbar oder mittelbar zu viele dieser problematischen Papiere in ihren Bilanzen.2 Ein Selbstbehalt hätte daran überhaupt nichts geändert. Allerdings besteht für denjenigen, der zumindest teilweise noch Gläubiger einer Forderung bleibt, ein größeres Interesse, seinen Schuldner sich genauer anzusehen und im Verlauf der Darlehensabwicklung darauf zu achten, dass alle geschuldeten Zahlungen auch geleistet werden. Bei hinreichender Transparenz wird aber auch derjenige, der keinen Anteil zurückbehält, auf die Bonität seines Schuldners achten, da er sonst große Probleme mit dem Übernehmer der Forderung erhält. Nur durch die Komplexität der Verbriefungen und das problematische Wirken der Ratingagenturen war es möglich, die schlechte Qualität der Forderungen so zu verschleiern, dass der Absatz keine Probleme bereitete. An diesen Punkten sollte eher angesetzt werden. Die Stärkung der Rechte der Verbraucher im Umgang mit Finanzinstitutionen ist ein wichtiges Thema. Hier liegt einiges im Argen. Das Problem des „mis-selling“ wird erst jetzt von Seiten der Wirtschaftswissenschaften ernst genommen. Auch schon geltendes Recht wird in nicht zu vernachlässigendem Umfang missachtet, wie Stichprobenuntersuchungen der Stiftung Warentest zeigen. Bankangestellte haben vor allem beim Absatz von „Finanzprodukten“ an ältere Menschen durchaus nicht immer deren Interessen und Bedürfnisse im Blick gehabt. Das ist vielleicht auch nicht ihre Aufgabe. Nur sollte dann klar zum Ausdruck gebracht werden, dass es hier um den Absatz von „Produkten“ geht, die möglichst (kurzfristig) dem Veräußerer maximalen Gewinn bringen soll. Die Bezeichnung „Be-

2 Huertas, Containment and Cure: Some Perspectives on the Current Crisis, Institute for Law and Finance, Working Paper Series No. 96 (12/2008), S. 5 „The most significant problems over the past year have been associated with banks that originated but did not distribute.“ Huertas is Director, Banking Sector, Financial Services Authority (UK).

1. Keine Hilfe für Banken ohne einen neuen Ordnungsrahmen

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rater“ oder „Beratung“ ist allerdings in diesem Zusammenhang ein irreführender Euphemismus. 2. Welche weiteren Instrumente können aus Ihrer Sicht geeignet sein, die Stabilität und die Transparenz auf den Finanzmärkten zu erhöhen? a) Zu erwägen ist die Schaffung eines einheitlichen, systemübergreifenden Einlagensicherungssystems mit einfachen und klaren Regeln. Die gesicherten Höchstbeträge müssten unbedingt auf 100.000 Euro – ohne Selbstbehalt – angehoben werden, wie ich schon vor einigen Monaten gefordert habe. Ein Selbstbehalt sollte entfallen. Außerdem wäre gesetzlich vorzuschreiben, dass innerhalb von wenigen Arbeitstagen nach Feststellung des Notfalls, die Kunden wieder auf ihre Einlagen zugreifen können. Es sind individuelle Rechtsansprüche auf Leistungen aus diesem System einzuräumen. Grundsätzlich ist eine Finanzierung durch risikoadjustierte Beiträge vorzusehen. Damit müssen zwingend, wie bei der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC), Aufsichtsbefugnisse gegenüber den angeschlossenen Instituten verbunden sein, um das moral hazard Problem auszuschalten. Unter anderem könnten sich gefährdete Institute sonst leicht Finanzierungsvorteile verschaffen, indem sie geringfügig höhere Zinsen bieten als ihre Konkurrenten. Problematisch wäre aber in jedem Fall die Abgrenzung der Aufsichtsbefugnisse gegenüber der allgemeinen Aufsicht. Aber schon jetzt gibt es Prüfungsbefugnisse der bestehenden Sicherungseinrichtungen innerhalb der „Säulen“. Aus wirtschaftstheoretischen Überlegungen wird zum Teil die Einräumung einer expliziten Staatsgarantie abgelehnt. Sie besteht auch jetzt nicht in Deutschland; anders wohl in den USA, wo der FDIC ein unbegrenzter Kreditrahmen bei der Treasury trotz grundsätzlicher Beitragsfinanzierung eingeräumt ist. Immerhin haben fast alle Staaten solche Garantien in der gegenwärtigen Krise ausgesprochen, wobei deren juristische Wirksamkeit nicht über jeden Zweifel erhaben ist. b) In jedem Fall dürften gesetzliche Vorschriften über „innovative“ Finanzprodukte erforderlich sein. Zumindest muss ihre Komplexität reduziert und die Transparenz im Hinblick auf die damit verbundenen Risiken drastisch verbessert werden. Dies könnte durch die Erhöhung von Eigenmittelanforderungen bei der Investition in solche Instrumente erfolgen. Sie hätten dann Sanktionscharakter. Soweit derartige Wertpapiere in einem nicht geregelten Mark (OTC) gehandelt werden, kommt die Errichtung von verbindlichen Clearingstellen in Betracht. Das gilt vor allem für Credit Default Swaps (CDS), die durchaus – bei richtiger Handhabung – auch nützliche ökonomische Funktionen erfüllen. Als schärfster Eingriff bieten sich Verbote bestimmter besonders anfälliger „Produkte“ an. Ob ein Verbot im Verkehr mit Endverbrauchern sinnvoll wäre, ist eher zweifelhaft. Es ist aber in Betracht zu ziehen. Immerhin haben auch profes-

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III. Finanzmärkte

sionelle Vermögensverwalter unzutreffende Bewertungen vorgenommen. Über den Wertverfall von Anteilscheinen zahlt letztlich der Endverbraucher auch für diese Fehlentscheidungen von höchstbezahlten Managern. c) Kritisch zu prüfen ist auch der Einsatz von Vermittlern beim Absatz an Endverbraucher. 3. Wie sind die einzelnen Instrumente international miteinander zu verzahnen, damit sie erfolgreich wirken können und nicht einseitig zu Lasten einer einzelnen Volkswirtschaft gehen? a) Es existieren bereits eine Vielzahl von Institutionen, Ausschüssen und Koordinierungsstellen, die sich auf internationaler oder supranationaler Ebene mit Aufsichtsfragen befassen. Fast alle arbeiten allerdings ohne spezielle Rechtsgrundlage und verfügen nicht über Hoheitsbefugnisse. Zunehmendes faktisches Gewicht gewinnt das Financial Stability Forum (FSF) neben den schon länger bestehenden Einrichtungen auf internationaler Ebene: – International Organization of Securities Commissions – IOSCO, – Bank of International Settlement – BIS, – Basel Committee on Banking Supervision, – International Monetary Fund – IMF. Auf europäischer Ebene ist das Committee of European Securities Regulators – CESR, das zumindest über einen formellen Auftrag der EU Organe verfügt. b) Die eigentlich erforderlichen bindenden internationalen Abmachungen sind wohl nicht zu erwarten. Fortschritte sind wohl eher auf europäischer Ebene möglich: Grundsätzlich in Betracht kommen: – Die Errichtung einer völlig neuen Aufsichtsbehörde. – Die Erweiterung der Befugnisse der Europäischen Zentralbank – EZB. – Eine vertiefte Kooperation der bestehenden nationalen Aufsichtsbehörden. Die Kooperation ist schon jetzt recht weit fortgeschritten und es findet ein intensiver Informationsaustausch statt. Auch werden grenzüberschreitende Register geführt. Die einige Zeit favorisierte Erweiterung der Befugnisse der EZB dürfte gegenwärtig politisch nicht mehr durchsetzbar sein. Immerhin hätte möglicherweise Art. 105 Abs. 6 EGV eine rechtliche Basis geboten – bei sehr weiter Interpretation. Dann wäre nicht unbedingt eine Änderung des Vertragsrechts erforderlich gewesen, wohl aber ein einstimmiger Beschluss des Rates. c) Ein bisher ungelöstes Hauptproblem besteht darin, dass (systemrelevante) Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsunternehmen zunehmend global agieren,

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solange sie gesund sind. Sobald sie aber in Gefahr geraten, unterliegen sie als Geschöpfe der nationalen Rechtsordnungen dem Recht ihres Heimatstaates. Sie sind dann normale, nationale Personen. Vor allem wenden sie sich, wenn sie finanzielle Unterstützung benötigen, an erster Stelle an ihre Heimatregierungen, die sie dann auch tatkräftig mit exorbitanten Summen aus der jeweiligen Staatskasse unterstützt haben. Dabei besteht aber die Gefahr, dass supranationales Recht, vor allem Beihilferecht und die europäischen Grundfreiheiten, nicht mehr beachtet werden, also die europäische Integration gefährdet wird. Hilfsmaßnahmen auf europäischer Ebene sind aber dem heimatlichen Steuerzahler kaum zu vermitteln, wenn damit die eklatanten Fehlentscheidungen eines risikofreudigen oder unfähigen Managements in einem „fremden“ Land ausgeglichen werden müssen. Hier sind dringend europaweite Regelungen erforderlich. Die Bildung europaweiter Fonds, in die alle grenzüberschreitend tätigen Banken einzuzahlen hätten, wäre möglicherweise angezeigt. In Betracht kommt auch eine Regelung dahingehend, dass solche Institute die jeweils vom nationalen Recht verlangten Eigenmittel vor Ort vorzuhalten hätten. 4. Welche Schlussfolgerungen sind aus der aktuellen Krise in Bezug auf die Struktur und die Arbeitsweise der Finanzmarktaufsicht zu ziehen? Seit Gründung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist diese Aufsichtsbehörde als Allfinanzaufsicht ausgestaltet, da sie sowohl Aufgaben der Aufsicht über Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsunternehmen wie über Versicherungsunternehmen ausübt. Hinzu kommt die Aufsicht über den Wertpapierhandel, § 4 Abs. 1 FinDAG. Allerdings ist die interne Integration der Aufgabenbereiche nicht sehr weit fortgeschritten und wurde durch die völlig überflüssige und kostspielige Änderung der Organisationsstruktur auf dem Höhepunkt der Krise weiter behindert.3 Die (monokratische) Leitung der Anstalt wurde durch ein Kollegialorgan (Direktorium) ersetzt, das aus der Präsidentin oder dem Präsidenten und vier Exekutivdirektorinnen oder direktoren besteht, § 6 Abs. 1 FinDAG. Die Exekutivdirektorinnen leiten die vier Hauptaufgabenbereiche. Ein Problem bildet aus juristischer Sicht die Finanzierung einzig aus Abgaben der Aufsichtsunterworfenen. Das ist für die Politik zwar bequem und wird deshalb immer häufiger vorgesehen. Als Finanzierung einer Einrichtung mit massi3 Gesetz zur Modernisierung der Aufsichtsstruktur der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz) vom 28. März 2008; Regierungsentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Aufsichtsstruktur der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Aufsichtsmodernisierungsgesetz) der Bundesregierung vom 12.11.2007, BT-Drucks. 16/7078.

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ven Eingriffsbefugnissen ist das aber mehr als fragwürdig. Entsprechendes gilt für die Zusammensetzung des Verwaltungsrates. Zehn der 21 Mitglieder sind nicht demokratisch legitimiert und Vertreter von Partikularinteressen, § 7 Abs. 3 FinDAG. Es ist nicht auszuschließen, dass diese organisatorischen Besonderheiten für ein noch näher zu untersuchendes Versagen der Aufsicht mitverantwortlich sind. Eine Besonderheit bietet schließlich noch die Bankenaufsicht, an der traditionell, wie in vielen anderen Staaten, die Notenbank beteiligt ist. Die Abgrenzung der Aufgabenbereiche zwischen Bundesbank und BaFin in § 7 KWG ist indes schwammig. Weitere Einzelheiten sind in der dazu ergangenen Aufsichtsrichtlinie4 geregelt. Die Aufsichtsrichtlinie dient auch dazu, den risikoorientierten Ansatz der Bankenaufsicht zu konkretisieren, der in Artikel 124 der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Bankenrichtlinie) und den darauf beruhenden Leitlinien (Guidelines) des Ausschusses der Europäischen Bankaufsichtsbehörden (CEBS) angelegt wurde. Darüber hinaus ist in § 3 FinDAG die Einrichtung eines Forums für Finanzmarktaufsicht vorgesehen. Ihm gehören die BaFin und die Bundesbank an. Das BMF kann an den Sitzungen teilnehmen. Das Forum hat koordinierende Funktionen und berät in Fragen der Allfinanzaufsicht. Dennoch bestehen Zweifel, ob diese Organisationsstruktur der Bankenaufsicht optimal ist. Im Gegensatz zu den ursprünglichen Plänen5, die auch die Einbeziehung der Bundesbank in die Struktur der BaFin6 und die dringend erforderliche genauere Abgrenzung der Aufgabenbereiche behandelten,7 wurde schließlich nur ein Gesetz verabschiedet, das die Leitung der Anstalt durch einen Präsidenten durch ein fünfköpfiges Direktorium ersetzte. Ob die Einführung einer einheitlichen Bankenaufsicht nach dem Vorbild der FSA in Großbritannien die Krise verhindert hätte, ist aber alles andere als sicher. 4 Richtlinie zur Durchführung und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute durch die Deutsche Bundesbank (AufsichtsRL) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 2008. 5 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Aufsichtsstruktur der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Aufsichtsmodernisierungsgesetz) des BMF vom 5.7.2007. 6 In § 3 des Entwurfs war ein „Steuerungsausschuss“ beim Bundesministerium der Finanzen unter Beteiligung der Bundesanstalt und der Deutschen Bundesbank vorgesehen. Die Bundesbank hat „grundlegende und schwerwiegende Bedenken“ gegen den Referentenentwurf angemeldet (Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Aufsichtsstruktur vom 11. Juli 2007). Auch der Präsident der Deutschen Bundesbank hat eine institutionelle Einbindung ausdrücklich abgelehnt, Börsen-Zeitung vom 20.10.2007, S. 6. 7 Dem Referentenentwurf war ein Eckpunktepapier des BMF am 22. Mai 2007 vorangegangen; kritische Würdigung durch Gschwandtner, ZfgK, 2007, S. 599 ff.

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5. Welche Auswirkungen hätte die Einrichtung einer (integrierten) europäischen Finanzmarktaufsicht auf das deutsche Dreisäulensystem? Es wären keine oder nur geringe Auswirkungen zu erwarten, da schon die gegenwärtige nationale Aufsicht durch die BaFin für alle drei Säulen im Wesentlichen einheitlich erfolgt. Öffentlich-rechtlich organisierte Sparkassen und Landesbanken sowie Genossenschaftsbanken unterliegen ebenso den Grundregeln des KWG wie die privaten Geschäftsbanken. Sie sind gleichermaßen Kreditinstitute im Sinne von § 1 Abs. 1 KWG, auf die sich die wesentlichen Regelungen des Gesetzes beziehen. Auch eine europäische Lösung müsste an die Eigenschaft, Kreditinstitut zu sein, anknüpfen. 6. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus der aktuellen Krise in Bezug auf die Regelungen zur Eigenkapitalausstattung nach Basel II? a) Die Regelungen zur Eigenkapitalausstattung nach Basel II sind lediglich Empfehlungen und keine Regelungen im Rechtssinne.8 Sie sind von einem Komitee von Sachverständigen9 ausgearbeitet worden, das keine Rechtsetzungsbefugnisse hat und noch nicht einmal über eine hinreichende rechtliche Grundlage verfügt. Es ist kein Teil der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die lediglich organisatorische Unterstützung leistet. Aber auch die BIZ verfügt nicht über ein sicheres juristisches Fundament, jedenfalls ist sie kein Hoheitsträger. Als Basel II wird das Rahmenwerk aus dem Jahre 2004 bezeichnet, dessen letzte (veröffentlichte) Fassung vom Juni 2006 stammt.10 Ihre Empfehlungen habe gleichwohl große praktische Bedeutung erlangt, da sie in wesentlichen Teilen in Richtlinien der Europäischen Union (EU) übernommen worden sind.11 Danach sind sie in das (nationale) deutsche Recht, vor allem das Kreditwesengesetz (KWG) und die Solvabilitätsverordnung (SolvV) umgesetzt worden.

8 Presber, in: Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 30 Rn. 24; Möllers, ZaöRV 65 (2005), 351, 368 ff. 9 Basel Committee on Banking Supervision. 10 Basel Committee on Banking Supervision, International Convergence of Capital Measurement and Capital Standards, A Revised Framework, Comprehensive Version, June 2006, published by the Bank for International Settlement, Basel 2006. 11 Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung), ABl. EU Nr. L 177 vom 30. Juni 2006, S. 1, Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung), ABl. EU Nr. L 177 vom 30. Juni 2006, S. 201.

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b) Die Baseler Empfehlungen zum Eigenkapital haben eine grundlegende Schwäche offenbart: Sie verleiten dazu, die Institutsaufsicht im Wesentlichen an der Relation zwischen Eigenmitteln und Risikoaktiva (CAR) zu orientieren. Dahinter steht die Annahme, dass mit der Stabilität jeder einzelnen Bank auch die Stabilität des Gesamtsystems gewährleistet sei. Dies hat sich jedoch als irrig herausgestellt. Es reicht nicht, zu gewährleisten, dass jede Bank über eine hinreichende Eigenkapitalausstattung verfügt, damit sie sich jederzeit am Markt refinanzieren kann. Im Gegenteil haben sich endogene, sich selbst verstärkende Destabilisierungseffekte auf der Ebene des Gesamtsystems gezeigt. Das Scheitern einer Bank führt fast zwangsläufig zu einer Schwächung der anderen Banken12 und nicht nur zu einem – vielleicht wünschenswerten – Ausscheiden eines Wettbewerbers. Diesen Effekten kann möglicherweise durch eine antizyklische Eigenkapitalausstattung entgegen gewirkt werden. Hohe Marktpreise der Aktiva bei niedriger Volatilität erlauben es den Banken im Ergebnis bei gegebener Eigenkapitalausstattung ihre Ausleihungen auszuweiten, also das „leverage“ bezogen auf die Eigenmittel auszuweiten. Dem könnte durch eine höhere Quote an Eigenmitteln ein Riegel vorgeschoben werden, während im Abschwung die Anforderung zu lockern wären. In jedem Fall sollte aber die Eigenkapitalquote für Wertpapiere im Handelsbuch erhöht werden. Auch wird eine Verknüpfung von Eigenkapitalanforderungen und Liquidität vorgeschlagen.13 Darüber hinaus ist zu erwägen, die Eigenmittelanforderungen abgestuft auszugestalten, um ihr stärker den Charakter einer Sanktion für ein im Hinblick auf die Stabilität des Gesamtsystems unerwünschtes Verhalten zu verleihen. Bisher wirken sie ökonomisch eher wie eine Abgabe, da Eigenmittel regelmäßig teurer sind als Fremdmittel. c) Aber auch die einzelnen Regeln über die Eigenmittelausstattung haben Schwächen und Defizite in der Krise gezeigt. In diesem Zusammenhand ist auf Folgendes hinzuweisen: aa) Es muss absolut sicher gestellt sein, das alle Formen von Sicherheitsleistungen, Liquiditätszusagen oder Rücknahmeverpflichtungen („recourse“) von den gesetzlichen Anforderungen an die bilanziellen Transparenz, aber vor allem auch die Eigenkapitalausstattung lückenlos erfasst werden. Dies muss unabhängig von der rechtlichen Verselbständigung der Einrichtungen gelten, die als „originator“ oder „sponsor“ von Verbriefungen auftreten, und unabhängig davon, ob sie nach in- oder ausländischem Recht geschaffen worden sind. Das betrifft 12 Eingehend zu diesen negative Externalitäten jüngst eingehend Brunnermeier/ Crocket/Goodhart/Persaud/Shin, The Fundamental Principles of Financial Regulation, Geneva Reports on the World Economy 11, Preliminary Conference Draft for the Conference on 24. January 2009, S. 3 ff. 13 Brunnermeier/Crocket/Goodhart/Persaud/Shin (oben Fn. 12), S. 56 f.

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vor allem „special purpose vehicles“. Es darf ebenfalls keine Rolle spielen, in welchen Staat sie ihren Sitz haben oder ihre Geschäftstätigkeit ausüben. Drüber hinaus ist kritisch zu prüfen, ob die Dauer, für die eine der genannten Garantiezusagen erfolgt, eine rechtliche Bedeutung haben darf. Diese Dauer wirkt sich vor allem für die Schaffung und den Vertrieb von forderungsgedeckten Geldmarktpapieren („asset backet commercial papers“) aus. Ein forderungsgedecktes Geldmarktprogramm ist nach § 229 Abs. 2 Satz 2 SolvV ein Verbriefungsprogramm, das revolvierend Wertpapiere überwiegend in der Form von Geldmarktpapieren mit einer Ursprungslaufzeit von längstens einem Jahr begibt. Möglicherweise hat diese Laufzeitgrenze eine Rolle bei den existentiellen Problemen deutscher Kreditinstitute, vor allem der Sachsen-Landesbank, gespielt. Auch muss das Verbot der impliziten Unterstützung von Verbriefungstransaktionen in § 234 SolvV kritisch auf seine Wirksamkeit und tatsächliche Beachtung untersucht werden. bb) Es ist grundsätzlich in Frage zu stellen, ob für die Beurteilung der Angemessenheit der Eigenmittel eines Instituts erlaubt sein soll, auf interne Risikomessverfahren, insbesondere auf internen Ratings basierende Ansätze (IRBA), zurückzugreifen. Das ist bisher unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, § 10 Abs. 1 Satz 2 KWG, §§ 55 ff. SolvV. Es ist zu erwägen, künftig nur noch einen einheitlichen vom Gesetzgeber vorgegebenen Kreditrisiko-Standardansatz (KSA) vorzusehen. Dieser ist bisher in den §§ 24 ff. SolvV geregelt, muss aber in allen Einzelheiten kritisch überprüft, und vor allem drastisch vereinfacht werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Vorgaben in wesentlichen Teilen den Empfehlungen des Basel Committee on Banking Supervision aus dem Jahre 2004 (Basel II) und ihrer Umsetzung in Richtlinien der Europäischen Union entsprechen. Die Empfehlungen habe jedoch keine Rechtsnormqualität14 und lassen ebenso wie die Richtlinien der EU Spielräume für den nationalen Gesetzgeber, die es auszuloten gilt. Zudem hat das Basel Committee selbst schon einen Überarbeitungsprozess in Gang gesetzt.15 Damit sollen die Prinzipien für Stress-Tests und die Aufsicht verschärft werden. cc) Das berücksichtigungsfähige Eigenkapital im Rahmen der Eigenmittelanforderungen ist enger zu fassen. Es ist zu erwägen, Drittrangmittel, die bisher nach § 10 Abs. 2 KWG in bestimmtem Umfang berücksichtigt werden durften, auszuklammern. Auch sollte die Abgrenzung des Ergänzungskapitals in § 10 Abs. 2 b KWG enger gefasst werden. dd) Bei der Feststellung der für ein Institut erforderlichen Eigenmittel spielen die Beurteilungen der von der BaFin anerkannten Ratingagenturen eine maßgeb14

Oben Fn. 8. Basel Committee on Banking Supervision, Consultative Document: Principles for sound stress testing practices and supervision, Basel, January 2009. 15

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liche Rolle.16 Das gilt vor allem für das Ausfallrisiko von Aktiva. Die Zuordnung von Bonitätsbeurteilungskategorien der Ratingagenturen zu aufsichtsrechtlich relevanten Bonitätsstufen nach § 54 SolvV hat sich als völlig unzureichend erwiesen. Wenn Ratingagenturen für strukturierte Wertpapiere, für die es keine empirischen Erfahrungen gab, die gleichen Bestnoten („triple A“) vergeben haben, wie für solide Staatsanleihen oder Industrieobligationen, ist das skandalös. Eine derartige Spitzennote wird aber in den aufsichtsrechtlich anerkannten Zuordnungen gleich gewertet. Diese Gleichsetzung muss sofort beendet werden. Darüber hinaus muss die Relevanz von Beurteilungen dieser Agenturen für das Aufsichtsrecht insgesamt drastisch reduziert werden, solange sie nicht grundlegend neu konzipiert und beaufsichtigt werden (dazu Fragen 9 und 10). Im Schrifttum wird eine Reglementierung der Ratingagenturen aber auch abgelehnt. Dann sollten aber – konsequent – ihrer Bewertungen auch keinen Eingang in formalisierte Regelwerke finden dürfen. Investmentmanager und Banker sollten die Verantwortung in vollem für ihre Entscheidung übernehmen. Sie sollten sich ebenso wenig wie die Aufsichtsbehörden hinter den (fragwürdigen) Urteilen privater Dritter verstecken dürfen.17 7. Haben Schwächen im Bereich der unternehmensinternen Risikosteuerung und/oder falsche unternehmensinterne Anreizsysteme zu der aktuellen Krise beigetragen? Wenn Ja, wie lassen sich diese Mängel beheben? a) Soweit bisher erkennbar, haben derartige Schwächen bei Kreditinstituten eine erhebliche Rolle gespielt. Wenn die Investition in gleichgerichtete, strukturierte Wertpapiere in einem Umfang, die ein mehrfaches der Bilanzsumme erreicht, nicht vom internen Risikomanagementsystem bemängelt wird, ist es defizitär oder es ist vorsätzlich missachtet worden. Für Änderungsvorschläge bedarf es noch genauerer Analyse bei den einzelnen Unternehmen. Ob diese allerdings die erforderlichen Einblicke gewähren werden, ist eher zweifelhaft. Sie könnte allerdings bei der Gewährung von Staatshilfe erzwungen werden. Nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit ist es aber eher ungewiss, dass entsprechende Klauseln in die Vergabebescheide aufgenommen werden. Selbst diese Bescheide, die von fundamentalem Interesse für die Steuerzahler und ihre gewählten Vertreter sind, wurden in der Vergangenheit bei ähnlichen Subventionen vertraulich behandelt. Es wäre Aufgabe der Parlamentarier, hier energisch einzuschreiten. Sie sollen schließlich Mittel in einem Umfang bewilligen, der selbst den Staat in Gefahr bringen könnte. 16 Die zentrale Rolle, welche die Ratings in den Eigenkapitalanforderungen in den Basel II Empfehlungen spielen wird auch von anderer Seite durchaus kritisch gesehen, vgl. Brunnermeier/Crocket/Goodhart/Persaud/Shin (oben Fn. 12), S. 46. 17 Brunnermeier/Crocket/Goodhart/Persaud/Shin (oben Fn. 12), S. 46.

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b) Es besteht weitgehend Konsens, dass die Vergütungssysteme unternehmensintern Anreize für ein Verhalten gesetzt haben, dass zumindest mitursächlich für die Entstehung der Krise war. Dies geschah und geschieht aber nicht nur im Bereich des Spitzenmanagements, sondern auch bis zur untersten Ebene der Bankangestellten, die sogenannte Finanzprodukte verkaufen sollen. Ihr Einkommen hängt nicht selten vom Umfang der von ihnen getätigten Geschäfte ab, vor allem in den USA („fee driven sale“). Die Gewährung von umsatz- oder gewinnabhängigen Vergütungen sollte idealerweise die gesamte Laufzeit des vertriebenen Produkts umfassen. Auch Verluste müssten bei der Vergütung berücksichtigt werden. In jedem Fall ist eine längerfristige Ausrichtung erforderlich. Im Verkehr mit Endverbrauchern sind noch stärkere Einschränkungen zu erwägen. Hier dürfte das „mis-selling“ eine erheblich Rolle bei der Entstehung und den Auswirkungen der Krise gespielt haben. Verschärft wird die Problematik noch durch die Einschaltung von Vermittlern. Sie sollten in jedem Fall strengen gesetzlichen Anforderungen unterworfen, möglicherweise sogar ganz verboten werden im Verkehr mit Endverbrauchern. 8. Wo liegen die Mängel der bestehenden Finanzmarktordnung insbesondere mit Blick auf ihre Auswirkungen auf die Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen in der derzeitigen konjunkturellen Abschwungsituation? Soweit gegenwärtig eine Zurückhaltung bei der Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen zu beobachten ist, dürfte die Finanzmarktordnung nicht an erster Stelle dafür verantwortlich sein, sondern die Situation, in der sich die Kreditinstitute befinden. Sie horten Eigenmittel, da sie weiteren Abschreibungsbedarf fürchten. Die Vergabe von Krediten würde wieder zu Ausweitung der Bilanzsumme führen und damit weitere Eigenmittel erfordern. Im Hinblick auf die unsichere konjunkturelle Lage besteht zudem die Gefahr, zusätzlichen Abschreibungsbedarf zu erzeugen, der nicht verkraftet werden kann. 9. Ist es notwendig, eine öffentlich-rechtliche Ratingagentur zu gründen oder könnten mit Verfahrensvorschriften, wie es sie z. B. für Wirtschaftsprüfungsunternehmen gibt, nicht bessere Ergebnisse erreicht werden? 10. Halten Sie es für möglich, dass eine öffentlich-rechtliche Ratingagentur erforderlich ist, um bestmögliche und qualitativ hochwertige Ratings zu vergeben? Fragen 9 und 10 sollen wegen ihrer sachlichen Nähe zusammen beantwortet werden.

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a) Die Ratingagenturen haben in der gegenwärtigen Krise den größten Teil ihres Ansehens verloren.18 Ihnen wird unredliches Verhalten vorgeworfen, namentlich wegen inhärenter Interessenkonflikte. Tatsächlich werden die Agenturen von denen bezahlt, die gute Bewertungen ihrer „Produkte“ brauchen, von den Verkäufern der Wertpapiere. Dagegen dient eine objektive Bewertung vor allem den Erwerbern dieser Papiere. Sie bezahlen aber nicht die Agenturen. Die ohnehin bestehenden gravierenden Informationsasymmetrien werden dadurch noch deutlich verschärft. Noch gravierender sind die Interessenkonflikt, welche durch die Beratungstätigkeit der Agenturen entstehen. Sie haben Beratungsleistungen für die Institutionen erbracht, welche die Wertpapiere geschaffen haben, die zu bewerten sind. Auf diese Weise wurde ihnen deutlich gemacht, wie sie die Papiere zu strukturieren hätten, um Spitzenbewertungen zu erlangen. Ob sie dadurch objektiv besser wurden, muss bezweifelt werden. Lange Zeit wurde verkündet, diese Strukturschwächen könnten die Objektivität der Bewertung nicht beeinträchtigen. Dazu sei der Wettbewerb zu stark. Außerdem sei der drohende Reputationsverlust eine hinreichende Sicherung.19 Beides hat sich indes als unzutreffend erwiesen. Namentlich hat es die Agenturen nicht davon abgehalten, für Papiere Spitzenbewertungen zu vergeben, die sich als höchst minderwertig herausgestellt haben. Sie haben diese Noten vergeben, ohne hinreichende Daten aus der Vergangenheit zu haben, da es sich um sogenannte Finanzinnovationen handelte. Für den Adressaten der Information, den Investor war nicht zu erkennen, dass beispielsweise ein „AAA“ für eine „mortgage backed sucerity“ etwas völlig anderes bedeutete als für eine Industrieobligation oder eine Staatsanleihe. Auch das Aufsichtsrecht hat diesen Unterschied nicht erkannt [oben II. Frage 6. c) dd)]. Auf breiter Front wurde dadurch der Eindruck erweckt, dass die grundlegende, schon von alters her geläufige Erkenntnis „garbage in, garbage out“ bei strukturierten Wertpapieren außer Kraft gesetzt werden könne. Die übergroße Komplexität der Papiere hat dies lange Zeit möglich gemacht und die Agenturen haben einen erklecklichen Beitrag dazu geleistet. b) Es gibt aber auch Stimmen, welche die Agenturen verteidigen. Diese würden im Kern nur Prognosen über die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines zukünftigen Ereignisses abgeben, den Ausfall eines Schuldners. Sie hätten sich über die Dynamik und Selbstverstärkung der Abwärtsprozesse getäuscht, wie fast alle anderen Prognostiker, die felsenfeste Voraussagen meist schon nach wenigen Tagen grundlegend revidieren mussten. 18 So die vernichtende Feststellung von Brunnermeier/Crocket/Goodhart/Persaud/ Shin (oben Fn. 12), S. 46. 19 Vgl. die Nachweise bei Haar, Juristen-Zeitung 2008, S. 964 (970).

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Die Interessenkonflikte ließen sich ausschließen und Vorschriften über eine größere Transparenz von Methoden und Ergebnissen würden ausreichen. Eine weitere Reglementierung und Beaufsichtigung sei nicht erforderlich.20 c) Selbstverständlich darf jede Privatperson und jedes Unternehmen Produktbewertungen vornehmen, wenn sie sich dabei an die rechtlichen Vorgaben halten, welche die Rechtsprechung für Warentester und Gastronomiekritiker entwickelt hat. Eine andere Frage ist jedoch, ob deren mehr oder weniger fundierten Urteile Grundlage für aufsichtsrechtliche Anforderungen in einem sehr dichten rechtlichen Regelwerk sein dürfen. Zum Teil ist die Rechtsprechung recht großzügig bei der Ausfüllung von unbestimmten Gesetzesbegriffen durch Normen und Standards, die von privater Hand ohne jegliche demokratische Legitimation geschaffen worden sind. Es handelt sich aber juristisch nur um antizipierte Sachverständigengutachten, die jederzeit widerlegt werden können. Bei aufsichtsrechtlichen Anforderungen handelt es sich aber strukturell um etwas anderes. Hinzu kommt, dass die Marktkräfte in der Vergangenheit nicht für bessere Ergebnisse gesorgt haben und das auch in Zukunft nicht zu erwarten ist. Es bestehen Anzeichen dafür, dass die Ratingagenturen im Bereich sinkender Durchschnittskosten arbeiten. Es handelt sich dann um ein sogenanntes natürliches Monopol. Zudem handelt es sich um Informationen, die nur einmal (kostspielig) erarbeitet werden müssen. Ihre Weiterverbreitung ist fast ohne Kosten möglich. Die Märkte für Informationen weisen fast immer Anomalien auf und sind nicht mit Wettbewerbsmärkten zu vergleichen. Auch können Netzwerkeffekte auftreten, da der Wert eines Ratings für den Auftraggeber steigt, wenn es von vielen genutzt wird. Das erhöht die Marktzutrittsschranken für (neue) Wettbewerber. Produktdifferenzierungen sind kaum möglich. Das sind klare Anzeichen für Marktversagen.21 In der Folge des Enron-Skandals ist deshalb in den USA ein Anerkennungsverfahren mit klaren Kriterien geschaffen worden. Es handelt sich um den Credit Rating Agency Reform Act of 2006.22 Die USA haben also eine prozeduralen Ansatz gewählt, der auch für Deutschland (mittelbar) maßgebend ist, da die Agenturen im Wesentlichen in den USA beheimatet sind. Er hat allerdings das Versagen der Agenturen in der gegenwärtigen Krise nicht zu verhindern vermocht. Auch die International Organisation of Securities Commission (IOSC) hat Grundsätze für Ratingagenturen aufgestellt. Sie stellen aber stärker auf eine hinreichende Ausstattung mit Ressourcen und die laufende Überwachung von Ra20

Brunnermeier/Crocket/Goodhart/Persaud/Shin (oben Fn. 12), S. 46. Anders wohl Lemke, in: Achleitner/Everling (Hrsg.), Rechtsfragen im Rating, 2005, S. 119, 129. 22 In den Securities and Exchange Act von 1934 sind nach Section 3(a) die Absätze (60) bis (64) angefügt und eine völlig neue SEC 15E. eingefügte worden, die eine Registrierung von „nationally recognized statistical rating organizations“ vorsieht. 21

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tings ab. Allerdings haben diese Grundsätze keine Rechtsnormqualität. Würden sie geltendes Recht, brächten sie erhebliche Eingriffe in die unternehmerische Freiheit der Agenturen. Auch wird eine Beschränkung des Wettbewerbs befürchtet.23 Dieses Argument ist jedoch deplatziert, da bei allen Formen von Marktversagen, vor allem aber bei Vorliegen eines natürlichen Monopols ohnehin kein oder nur ein reduzierter Wettbewerb strukturell möglich ist. Zwingende gesetzhebe Regelungen mit Zulassungsverfahren und strukturellen Transparenzvorgaben werden auch von den Gegnern materieller Vorgaben befürwortet.24 Ob sie aber ausreichen, um katastrophale Fehler – wie in der gegenwärtigen Krise – zu vermeiden, ist alles andere als gewiss. Die Problematik ist aber zu wichtig, um sie Experimenten mit ungewissem Ausgang zu überlassen. d) Es ist daher angebracht, über einen grundsätzlich anderen Ansatz nachzudenken. Für die Bewertung tangibler Güter ist in Deutschland der Weg einer Stiftung des privaten Rechts gewählt worden.25 Eine ähnliche Konstruktion wäre auch für die Bewertung von Wertpapieren denkbar. Doch dürfte wegen ihrer Systemrelevanz und ihrer Bedeutung für das Aufsichtsrecht eine öffentlich-rechtliche Rechtsform angezeigt sein. Wichtig wären aber in jedem Fall eine hinreichende Ausstattung dieser Einrichtung mit Ressourcen und der Ausschluss von Einflussnahmemöglichkeiten sowohl von interessierter privater wie von politischer Seite. Auch auf Seiten der Politik könnte ein Interesse bestehen, die Wertpapiere bestimmter Emittenten besser zu bewerten als sachlich angezeigt. Dabei ist die Gefahr durchaus nicht zu vernachlässigen, dass der Eindruck eines amtlichen Gütesiegels entsteht, von dem mehr erwartet wird als es leisten kann. Dieser Gefahr dürfte aber durch hinreichende Aufklärungsarbeit begegnet werden können. Einzelheiten müssten genauer untersucht werden. 11. Was könnte [die] Politik unternehmen, um mehr Wettbewerb auf dem Ratingmarkt zu erreichen? Wegen der dargelegten Marktversagensproblematik sind kaum realistische Möglichkeiten in Sicht. Die Schaffung von privatwirtschaftlichen Gegengewichten auf deutscher oder europäischer Seite ist wegen der Marktzutrittsschranken auch nur unter Einsatz erheblicher öffentlicher Mittel möglich. 23 Es kommt vor allem von Seiten der Ökonomen wird aber auch von Haar, JuristenZeitung 2008, S. 964 (970) unterstützt, die zusätzlich das Argument unterstützt, materielle Anforderungen schreckten die Entwicklung „neuer innovativer Ratingmethoden und Organisationsmodelle“ ab und beruft sich dafür auf White Regulation 30 (2007), S. 48 (52). 24 Haar, Juristen-Zeitung 2008, S. 964 (971). 25 Sie wurde nach Jahrelangen Diskussionen durch einen Beschluss der Bundesregierung vom 16. September 1964 (der Bundestag stimmte am 4. Dezember zu) als selbstständige, rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts errichtet.

2. Die Schaffung von Einrichtungen der Finanzaufsicht auf EU-Ebene* Stellungnahme zu dem Vorschlag der Sachverständigengruppe unter dem Vorsitz von Jacques de Larosière Der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, hat im Oktober 2008 eine Gruppe von Sachverständigen unter Vorsitz des früheren Präsidenten des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Banque de France, Jacques de Larosière, mit der Ausarbeitung von Ratschlägen zur Zukunft der europäischen Finanzregulierung („financial regulation“) und Aufsicht („supervision“) beauftragt. Die Gruppe hat ihren Bericht am 25. Februar 2009 vorgelegt.1 Kapitel III des Berichts behandelt das Aufsichtssystem auf EU-Ebene und gelangt im Wesentlichen zu zwei Empfehlungen: 1. Errichtung einer präventiv tätigen, institutsübergreifenden („macroprudential“) Aufsichtseinrichtung mit dem Namen „European Systemic Risk Council“ [ESRC], 2. Umwandlung der bestehenden Ebene-3 Ausschüsse („3L3 committees“)2 in ein neues europäisches System von Finanzaufsicht [ESFS] mit hoheitlichen Funktionen. Vor allem die geforderte Neustrukturierung der Aufsicht ist unter verschiedenen Gesichtspunkten kritisch zu würdigen. Die Erwägungen konzentrieren sich * Erstveröffentlichung in: Institute for Monetary and Financial Stability der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Working Paper Series No. 24 (2009). 1 The High-Level Group on Financial Supervision in the EU, Chaired by Jacques de Larosière, Report, Brussels, 25. February 2009. 2 Committee of European Banking Supervisors (CEBS) (Ausschuss der europäischen Bankaufsichtsbehörden), eingesetzt durch Beschluss der Kommission vom 5. November 2003, ABl. v. 7.1.2005, L 3/28; European Securities Committee (CESR) eingesetzt durch Beschluss der Kommission vom 6. Juni 2001, ABl. v. 13.7.2001, L 191/45; Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors (CEIOPS), eingesetzt durch Beschluss der Kommission vom 23. Januar 2001, ABl. v. 29.1.2001, L 25/ 28, ersetzt durch Beschluss der Kommission vom 29. Januar 2009, ABl. v. 29.1.2009, L 25/28. CEIOPS ist als juristische Person des privaten Rechts (eingetragener Verein) mit Sitz in Frankfurt am Main organisiert worden (Gründungsversammlung am 28. Mai 2004). Seine Mitglieder sind ausschließlich die nationalen Aufsichtsbehörden der Mitgliedsstaaten oder die Mitgliedsstaaten selbst, wenn die Aufsichtsbehörden keine Rechtsfähigkeit besitzen.

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dabei auf die Frage, ob die Umsetzung der Vorschläge ohne Änderung des primären Gemeinschaftsrechts möglich erscheint. Der Abschluss von separaten Verwaltungsabkommen oder von Staatsverträgen, mit denen ad hoc neue Einrichtungen geschaffen werden könnten, soll im Folgenden nicht weiter untersucht werden. Zwar könnte auf diese Weise ein vollständiger Rechtsrahmen für Aufsichtseinrichtungen auf EU-Ebene geschaffen werden. Er könnte auch die Grundlage für die Übertragung von Hoheitsbefugnissen bilden, doch wäre dies mit gravierenden Nachteilen verbunden. Es ist keineswegs sicher, dass alle Mitglieder der EU eine solche Vereinbarung unterzeichnen würden, so dass unterschiedliche Aufsichtssysteme entstehen würden. Einer der Hauptgründe für eine Aufsicht auf europäischer Ebene würde verfehlt. Zum anderen würde eine institutionelle Parallelstruktur im Kernbereich der EU, dem gemeinsamen Binnenmarkt mit den Grundfreiheiten, geschaffen, die zahlreiche gravierende Probleme der Koordination und Abstimmung zwischen diesen, voneinander unabhängigen Systemen hervorrufen würde. I. Das European Systemic Risk Council 1. Der Vorschlag Das ESRC soll unter der Schirmherrschaft der EZB stehen und von ihm verwaltungsmäßig unterstützt werden.3 Den Vorsitz soll der Präsident der EZB führen. An erster Stelle soll es die Aufgabe haben, Informationen zu allen institutsübergreifenden („macroprudential“) Risiken in der EU zu sammeln. Dazu soll ihm das Recht auf Zugang zu allen mikro- und makroökonomischen Informationen einschließlich der institutsübergreifenden („macroprudential“) Entwicklungen eingeräumt werden. Damit sollen Risiken für die Finanzstabilität identifiziert werden können.4 Nach Analyse der Informationen hat es gegebenenfalls RisikoWarnungen auszusprechen, die dann zwingend Maßnahmen der zuständigen EUEinrichtungen zur Folge haben sollen. 2. Beurteilung Die Tätigkeit des ESRC hat ihren Schwerpunkt in der Sammlung und Verarbeitung von Informationen.5 Es übt damit im Wesentlichen Hilfsfunktionen aus. Nicht das ESRC, sondern die zuständigen Organe und Einrichtungen der EU ha3 Zu weit Roche, Neue Finanzaufsicht stößt auf Widerstand der EU-Staaten, BörsenZeitung v. 23.4.2009, S. 8: „Unter Verantwortung der Europäischen Zentralbank“. 4 Roche (Fn. 3). 5 Bericht (Fn. 1), S. 46: Empfehlung 16.

2. Die Schaffung von Einrichtungen der Finanzaufsicht auf EU-Ebene

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ben die danach erforderlichen Maßnahmen zu erlassen. Soweit ersichtlich, ist der Erlass eigener hoheitlicher Maßnahmen durch das ESRC nicht vorgesehen. Damit sind die demokratisch-rechtsstaatlichen Anforderungen an die Errichtung und Tätigkeit eines solchen Gremiums nicht so hoch wie bei der Schaffung von Einrichtungen und Behörden mit der Befugnis, rechtlich relevante Entscheidungen zu treffen. Soweit es zu den Aufgaben einer Einrichtung gehören soll, (hoheitliche) Maßnahmen mit Wirkung für den Bürger zu treffen, muss eine gesetzliche Grundlage in jedem Fall vorhanden sein. Aber auch bei Organisationsmaßnahmen, die lediglich den Staatsinnenbereich betreffen, ist nach deutschem Verfassungsverständnis eine gesetzliche Grundlage erforderlich, wenn sie wesentliche sind (institutioneller oder organisatorischer Gesetzesvorbehalt).6 Dieser Gesetzesvorbehalt greift vor allem dann ein, wenn Einrichtungen mit eigener Rechtspersönlichkeit geschaffen, aufgehoben oder in ihrer Grundstruktur verändert werden.7 Im Übrigen ist sein Umfang nicht klar abgegrenzt und seine Geltung im Binnenbereich der EU weniger sicher. Beiräte und sonstige reine Beratungsgremien bedürfen aber auch nach deutschem Verständnis keiner gesetzlichen Grundlage. Allerdings ist eine solche Grundlage beispielsweise für den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geschaffen worden, obwohl ihm die lange erwogene Befugnis zur (verbindlichen) Feststellung einer Störungslage nicht eingeräumt worden ist. Der Ausspruch einer Warnung durch das ESRC entspricht aber einer solchen Feststellung, namentlich weil daran zwingende Folgen („mandatory follow up“) geknüpft werden.8 Auch ist zu bedenken, dass der Wirtschafts- und Finanzausschuss der EU (EFC) im primären Gemeinschaftsrecht verankert worden ist 6 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2006, Art. 20 (Rechtsstaat) Rdn. 125 f.; a. A. Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 10. Aufl. 2009, Art. 20 Rdn. 53, der sich auf BVerfGE 86, 1 (109) beruft, wo aber nur die Existenz eines „Totalvorbehalts“ abgelehnt wird; zurückhaltend auch zur Anerkennung eines allgemeinen „institutionellen“ Gesetzesvorbehalts und auch zu einer pauschalen Übertragung der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 108 Rdn. 71, 101; grundlegend zum Ganzen Köttgen, Die Organisationsgewalt, VVDStRL Heft 16 (1958), S. 154 ff. (161 ff.); Burmeister, Herkunft, Inhalt und Stellung des institutionellen Gesetzesvorbehalts, 1991. 7 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl. 1976, § 98 III, S. 379; Breuer, Die öffentlichrechtliche Anstalt, VVDStRL, Heft 44 (1986), S. 235 m.w. N.; E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 96 f.; Renck, Zur Bildung sog. Körperschaften des öffentlichen Rechts im formellen Sinne, BayVBl. 1993, S. 452 (454); Krebs (Fn. 6) Rdn. 102 m.w. Nachw.: Gesetzesvorbehalt für die Verselbständigung von Verwaltungsträgern. Dezidiert fordert das Bundesverfassungsgericht eine gesetzliche Regelung auch für Einrichtungen der „funktionalen Selbstverwaltung“, BVerfGE 111, 191 (217 f.). 8 Bericht (Fn. 1), S. 46: Empfehlung 17, erster Spiegelstrich.

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III. Finanzmärkte

(Art. 114 Abs. 2 EGV), obwohl er im Kern auch nur Informationen zu sammeln und darüber zu berichten hat; sowie Beratungsaufgaben wahrnimmt und vorbereitende Arbeiten für entscheidungsbefugte Organe der EU erledigt. Andererseits ist in den Empfehlungen des Berichts vorgesehen, dass bei ernsthaften Risiken („risks [. . .] of a serious nature, potentially having a negative impact on the financial sector or the economy as a whole“) das ESRC den Wirtschafts- und Finanzausschuss (EFC) einschalten soll. Dieser – und nicht das ESRC – soll dann in Zusammenarbeit mit der Kommission eine geeignete Abwehrstrategie ausarbeiten und umsetzen („implement“). Ob die vorgeschlagene Vorgehensweise mit Art. 114 Abs. 2 EGV vereinbar ist, dürfte zu bezweifeln sein. Möglicherweise liegen aber nur (sprachliche) Ungenauigkeiten vor. Jedenfalls ist eine nähere Untersuchung und Präzisierung angezeigt. Auch sind die Aufsichts- und Weisungsbefugnisse des ESRC gegenüber den nationalen Aufsichtsbehörden, wenn deren Reaktion auf die Warnung als unzureichend angesehen wird, sehr beschränkt. Sie bestehen im Wesentlichen nur aus der Beobachtung dieser Behörden, der Beurteilung ihres Verhaltens, einem Anzeigerecht gegenüber dem Wirtschafts- und Finanzausschuss und einem Vorschlagsrecht im Hinblick auf weitere Maßnahmen gegenüber solchen Behörden. Die Empfehlung weist im Hinblick auf das ESRC noch einige Unklarheiten und Ungereimtheiten auf, die der Klärung bedürfen. Die angesprochenen rechtlichen Bedenken bedürfen weiterer Untersuchung, erscheinen aber prinzipiell als ausräumbar. In jedem Fall wäre aber eine Vertragsänderung, vor allem auch im Vergleich zu Art. 114 Abs. 2 EGV, die juristisch „sauberere“ Lösung. II. Die Neustrukturierung der Aufsicht 1. Der Vorschlag a) Schaffung von Aufsichtseinrichtungen auf EU-Ebene Nach eingehender Untersuchung der gegenwärtigen Aufsichtsstruktur, und insbesondere der Zusammenarbeit in den Ausschüssen der Ebene-3 (CEBS, CESR und CEIOPS), gelangt der Bericht zu dem Ergebnis, dass sowohl die Struktur als auch die Rolle, die den bestehenden Ausschüssen zugewiesen sind, nicht ausreichen, um finanzielle Stabilität in der EU und ihren Mitgliedsländern zu gewährleisten. Er konstatiert eine Reihe von Ineffizienzen, denen bei ihrer gegenwärtigen rechtlichen Struktur nicht abgeholfen werden könne.9 Deswegen wird die Bildung eines europäischen Systems der Finanzaufsicht („European System of Financial Supervision“ – ESFS) vorgeschlagen. 9

Bericht (Fn. 1), Absatz 183.

2. Die Schaffung von Einrichtungen der Finanzaufsicht auf EU-Ebene

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aa) Das ESFS Das ESFS soll aus einem integrierten Netz europäischer Finanzaufsichtsbehörden bestehen, das mit den zu verstärkenden Ebene-3 Ausschüssen zusammenarbeitet. Der englische Originaltext ist in diesem Punkt aber nicht eindeutig. Er kann auch so zu verstehen sein, dass das ESFS aus den Ebene-3 Ausschüssen bestehen soll und die nationalen Aufsichtseinrichtungen in das System integriert werden.10 Jedenfalls soll das System eine dezentrale Struktur aufweisen und die Ausschüsse sollen von reinen Beratungsgremien in Einrichtungen (Behörden) mit Hoheitsbefugnissen („authorities“) transformiert werden.11 Die bestehenden nationalen Behörden sollen aber weiterhin die laufende Aufsicht ausüben und die Mehrheit („majority“) ihrer derzeitigen Kompetenzen behalten. Auf EU-Ebene sollen die in „Authorities“ umgewandelten Ausschüsse weiterhin ihre bisherigen Aufgaben erfüllen und darüber hinaus im Einzelnen aufgeführte umfangreiche neue Kompetenzen erhalten. Die Aufteilung der Kompetenzen zwischen der nationalen Ebene und der EU-Ebene ist im Bericht bereits bis in alle Einzelheiten aufgeführt.12 Soweit grenzüberschreitend tätige (Finanz-)Institutionen betroffen sind, soll sich künftig auch das ESFS auf die neu eingerichteten Aufsichtskollegien („supervisory colleges“) stützen. Die letztlich ausgesprochene Empfehlung13 beschreibt das ESFS als ein dezentrales Netzwerk, das sich aus folgenden Elementen zusammensetzt: – den bestehenden nationalen Aufsichtsbehörden, – den drei neuen europäischen Aufsichtsbehörden („authorities“), – den Aufsichtskollegien („supervisory colleges“) für relevante grenzüberschreitend tätige Institute. bb) Unabhängigkeit Der Bericht hält es für unabdingbar, dass das ESFS sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene unabhängig von möglichen Einflüssen der Politik oder der Unternehmen ist. Dazu müssten die Aufsichtseinrichtungen mit klaren Aufträgen und Aufgaben versehen werden. Sie müssten auch mit hinreichenden Ressourcen für ihre Arbeit ausgestattet sein. Als Gegengewicht zur Unabhängigkeit soll jedoch eine sachgerechte Verantwortlichkeit („proper accountability“) gegenüber den politischen Autoritäten auf Ebene der EU und auf nationaler Ebene 10 Bericht (Fn. 1), Absatz 184: „The ESFS should consitute an integrated network of European financial supervisors, working with enhanced level 3 committees [. . .]“. 11 Bericht (Fn. 1), Absatz 185. 12 Bericht (Fn. 1), Absätze 184 und 208, Anhang V des Berichts (in Absatz 184 des Textes fälschlich als Anhang 3 bezeichnet). Dort wird unzutreffend auf Absatz 206 des Textes Bezug genommen, obwohl wohl Absatz 208 gemeint ist. 13 Bericht (Fn. 1), S. 48, Empfehlung 18.

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III. Finanzmärkte

sichergestellt sein. Damit soll auch ihre Legitimität („legitimacy“) gestärkt werden. Die Aufsichtsarbeit soll unabhängig von den politischen Autoritäten sein, aber dennoch vollständig verantwortlich (rechenschaftspflichtig) ihnen gegenüber („fully accountable to them“). Wie diese widerstreitenden Anforderungen verwirklicht werden sollen, lässt der Bericht weitgehend im Dunkeln. cc) Inhalte Das ESFS soll sich für seine Arbeit auf einen gemeinsamen Satz von im Kern harmonisierten Regeln stützen („rely on a common set of core harmonised rules“) und Zugang zu allen wichtigen Informationen haben.14 Welche Art von Regeln gemeint ist, bleibt zunächst unklar. Das entspricht einer immer häufiger anzutreffenden Praxis im ökonomischen und politischen Sprachgebrauch, die sich nicht mehr die Mühe macht, zwischen (bindenden) Rechtsnormen und sonstigen Standards, Gewohnheiten oder Abmachungen zu unterscheiden. Möglicherweise ist sogar eine Normsetzungsbefugnis der neu geschaffenen Einrichtungen (stillschweigend) vorausgesetzt. Hier Klarheit zu schaffen, dürfte ein eminent wichtiger Punkt sein; nicht zuletzt im Hinblick auf die katastrophalen Wirkungen, die von (privaten) Regelwerken ausgegangen sind, die versteckt oder mittelbar in Rechtsnormen Eingang gefunden haben. Immerhin erkennt der Bericht die hoch problematische Wirkung unterschiedlicher (nationaler) Rechtsvorschriften für die grenzüberschreitenden Finanzmärkte und verlangt kategorisch die Beseitigung aller wesentlichen Unterschiede in den nationalen Gesetzen und Ausmerzung von Mehrdeutigkeiten in den Richtlinien bis zum Beginn des Jahres 2013. Diese Aufgabe müsse an erster Stelle erfüllt werden. Auffällig ist, dass in diesem Zusammenhang die schwammigen und meist irreführenden Begriffe „regulator“ und „regulation“, die sonst gerne verwendet werden,15 vermieden werden. Schlicht und zutreffend wird jetzt von einzelstaatlicher Gesetzgebung („national legislation“) gesprochen. b) Zweistufiges Verfahren Die Umwandlung der Ebene-3 Ausschüsse zu Behörden mit Hoheitsbefugnissen („authorities“) soll in zwei Stufen erfolgen.16 Die erste Stufe dient der Vor14

Bericht (Fn. 1), S. 48, Empfehlung 18. Auch in die deutsche Rechtssprache hat der nichtssagende Begriff „Regulierung“ bereits Eingang gefunden und soll zu einem neuen Rechtsgebiet „Regulierungsverwaltungsrecht“ führen, vgl. Masing, Grundstukturen eines Regulierungsverwaltungsrechts, Die Verwaltung, Bd. 36 (2003), S. 1 ff.; ders., Soll das Recht der Regulierungsverwaltung übergreifend geregelt werden?, Gutachten zum 66. DJT, 2006; Bumke, Kapitalmarktregulierung – Eine Untersuchung über Konzeption und Dogmatik des Regulierungsverwaltungsrechts, Die Verwaltung, Bd. 41 (2008), S. 227, der aber selbst die Konturlosigkeit des Regulierungsbegriffs eingehend darlegt (S. 228 f.). 16 Bericht (Fn. 1), Absatz 191. 15

2. Die Schaffung von Einrichtungen der Finanzaufsicht auf EU-Ebene

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bereitung der Umwandlung. Auf ihr sollen die Ausschüsse personell verstärkt werden, eine Neudefinition ihrer Arbeit und Prioritäten stattfinden und schließlich eine verstärkte Zusammenarbeit erfolgen. Die Ebene-3 Ausschüsse sollen bereits auf dieser Stufe bei der Schaffung umfassender harmonisierter inhaltlicher Vorschriften maßgebend mitwirken. Entsprechendes gilt für die Schaffung einheitlicher Regeln über die Befugnisse nationaler Behörden und die Verhängung von (abschreckenden) Sanktionen.17 Auf der zweiten Stufe soll das ESFS dann ein rechtliches Fundament erhalten. Die Ebene-3 Ausschüsse sollen möglichst bald von Rechts wegen in „Authorities“ umgewandelt werden.18 Neben ihren gegenwärtigen Beratungs- und Koordinierungsfunktionen sollen sie zahlreiche zusätzliche Kompetenzen erhalten.19 2. Beurteilung a) Das Grundanliegen der Empfehlungen Das Grundanliegen, das mit den Empfehlungen des Berichts verfolgt wird, leuchtet ein. Eine Internationalisierung und Ausweitung von Aufsicht und Kontrolle über Finanzmärkte und die auf ihnen tätigen Akteure erscheint unbedingt angebracht. Es muss jedenfalls – soweit menschenmöglich – ausgeschlossen werden, dass durch das Verhalten einiger weniger Entscheidungsträger große Volkswirtschaften in Gefahr geraten und die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession stürzt. Wenn in Deutschland das unverantwortliche Geschäftsgebaren einer einzelnen Bank einen Unterstützungsbedarf erzeugen kann, der fast die Hälfte des Volumens des Bundeshaushalts ausmacht, liegen auch gravierende Fehler und Schwächen der Rechtsregeln und der Aufsicht vor. Die verschiedenen Hilfs- und Rettungsprogramme, die in bisher undenkbarem Ausmaß aus öffentlichen Mitteln finanziert worden sind, haben weltweit letztlich ihren Zweck nicht erfüllt: die Stabilisierung der Banken20 und die Versorgung der „realen“ Wirtschaft mit hinreichenden Krediten zu akzeptablen Konditionen. Möglicherweise ist eine weitere drastische Verkürzung der Bankbilanzen erforderlich. Ob dabei eine sogenannte „bad bank“ eine gute Lösung ist, wird zunehmend in Zweifel gezogen, auch wenn sie das Gefallen der Bankwirtschaft finden sollte. Die Gründe sind nachvollziehbar, aber nicht unbedingt vorzugswürdig, nicht zuletzt im Hinblick auf die Staatsfinanzen und künftige Generationen von Steuerzahlern. 17

Bericht (Fn. 1), Absätze 200 und 201. Bericht (Fn. 1), Absatz 205. 19 Im Einzelnen aufgezählt im Bericht (Fn. 1) und im Anhang (Absatz 208 und Anhang V). 20 Vor allem in den USA sind in nennenswertem Umfang auch andere Finanzdienstleistungsunternehmen, namentlich Versicherungen (AIG), betroffen. 18

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III. Finanzmärkte

Schwächen des (rechtlichen) Ordnungsrahmens für die Finanzmärkte und ihre Akteure haben mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Entstehung und zum Verlauf der Krise nennenswert beigetragen. Tausende von hochkomplizierten Vorschriften und hunderte Druckseiten von Empfehlungen haben ebenfalls im Ergebnis einen ihrer Hauptzwecke, die Verhinderung einer Finanzmarktkrise, die zunehmend die „reale“ Wirtschaft in die Rezession stürzt, nicht erfüllt. Sie alle müssen auf den Prüfstand gestellt werden, kritisch und unbeeinflusst von den Partikularinteressen, die zum Teil an ihrer Formulierung mitgewirkt haben. Ein grundlegender Mangel der Vorschriften kann aber schon bei erster Durchsicht festgehalten werden. Sie sind fast unlesbar und genügen keinesfalls rechtstaatlichen Anforderungen an Klarheit und Verständlichkeit von Gesetzen, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich um technische Spezialnormen handelt, die sich nicht an die Allgemeinheit richten. Möglicherweise besteht gegenwärtig die einmalige Gelegenheit, supranationale oder gar globale Rahmenbedingungen für Finanzmärkte aufzustellen, die klar, einfach, lückenlos und rechtlich bindend sind. Selbst aus Großbritannien sind erstaunlich weitgehende Vorschläge für eine Finanzmarktaufsicht, die diesen Namen verdient, gemacht worden – auch auf Ebene der EU.21 Allerdings hat sich vor wenigen Tagen die britische Regierung auf dem Treffen der Finanzminister und Notenbankgouverneure in Prag skeptisch zu den vorgeschlagenen Befugnissen für die „authorities“ geäußert.22 Allerdings gibt es noch nicht genug Distanz zu den Ereignissen, um wirklich überlegte Vorschläge für die Zukunft machen zu können. Sie sollten hinreichend vorbereitet und sorgfältig geprüft werden. Kurzfristiger Aktivismus kann mehr schaden als nutzen und zu nicht mehr reversiblen Festlegungen für die Zukunft führen. Die Krise ist noch zu neu, um endgültige Schlussfolgerungen ziehen zu können. Sie wandelt zudem laufend ihre Gestalt und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Im Gegenteil bestehen Anzeichen, dass in raschen Abständen neue Verschärfungen eintreten. In jedem Fall handelt es sich um ein komplexes, multi-faktorielles und multi-kausales Geschehen. Schon aus diesem Grunde verbieten sich vorschnelle und (zu) breit angelegte Umbaumaßnahmen, die allenfalls künftige Krisen verhindern können. Zur Bewältigung der gegenwärtigen Situation tragen sie wenig oder nichts bei. 21 FSA, The Turner Review, A regulatory response to the global banking crisis, March 2009, Empfehlung Nr. 27: „A new European institution should be created which will be an independent authority with regulatory powers, a standard setter and overseer in the area of supervision, and will be significantly involved in macro-prudential analysis. This body should replace the Lamfalussy Committees. Supervision of individual firms should continue to be performed at national level.“ 22 Vgl. Roche (Fn. 3).

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b) Die Rechtsnatur der „Authorities“ Bei den zu schaffenden „Authorities“ handelt es sich möglicherweise um Agenturen im Sinne des Gemeinschaftsrechts, auch wenn (bewusst) nicht der Begriff „Agency“ verwendet worden ist. aa) Die europarechtliche Agentur Im Vertragstext tauchen die Agenturen nicht auf. Sie sind Geschöpfe des sekundären Gemeinschaftsrechts. Der Begriff Agentur ist dabei nicht gefestigt, unterscheidet sich aber von dem der Behörde.23 Die Kommission umschreibt sie wie folgt: „Agenturen sind keine Organe der EU, sondern von der EU geschaffene Einrichtungen, die sehr spezifische fachliche, wissenschaftliche oder administrative Aufgaben haben.“ 24 Im Schrifttum wird ähnlich weit abgegrenzt und unter europäischen Agenturen „relativ unabhängige Einrichtungen, die auf Dauer angelegt, mit speziellen, eigenständigen Aufgaben befasst und als Einrichtung des Gemeinschaftsrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind“ 25 verstanden. Es werden vier Kategorien von EU-Agenturen unterschieden: 1. Gemeinschaftsagenturen, 2. Agenturen für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, 3. Agenturen für die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, 4. Exekutivagenturen. (1) Gemeinschaftsagenturen sind Körperschaften des europäischen öffentlichen Rechts. Sie sind gegenüber den Organen der Gemeinschaft (Rat, Parlament, Kommission usw.) verselbständigt und verfügen über eine eigene Rechtspersönlichkeit.26 Sie werden durch einen Akt des abgeleiteten Rechts zur Ausübung ganz bestimmter technischer, wissenschaftlicher oder verwaltungstechnischer Aufgaben im Rahmen des „ersten Pfeilers“ der Europäischen Union errichtet. 23 Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, 1999, S. 44, die aber einen problematischen Behördenbegriff verwendet. In der frühen Diskussion ist aber auch von „nachgeordneten Behörden der Kommission“ gesprochen worden, vgl. Everling, Zur Errichtung nachgeordneter Behörden der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, in: Walter Hallstein und Hans-Jürgen Schlochauer (Hrsg.), Festschrift für Carl Friedrich Ophüls aus Anlass seines 70. Geburtstags, 1965, S. 33 ff. 24 Europäische Kommission, Generaldirektion Presse und Kommunikation: Wie funktioniert die Europäische Union, Juni 2003. 25 Fischer-Appelt (Fn. 23), S. 38. Weiterhin wird auch zwischen Agenturen des Unionsrechts und des Gemeinschaftsrechts unterschieden, vgl. Brenner, Die Agenturen im Recht der Europäischen Union, in: Europa im Wandel, Festschrift für Hans-Werner Rengeling, 2008, S. 193, 196. 26 So der Sprachgebrauch von Rat und Kommission, zust. Ohler, Anmerkung zum EuGH Urteil vom 2.5.2006, Aktenzeichen C-217/04, EuZW 2006, 369 (373).

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III. Finanzmärkte

Gegenwärtig gibt es 22 Gemeinschaftsagenturen,27 von denen die Europäische Agentur für Grundrechte besonders umstritten war, so dass im Schrifttum bereits von einem „Agenturunwesen“ gesprochen wird.28 (2) Im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (GASP) – des „zweiten Pfeilers“ – wurden Agenturen zur Ausübung ganz bestimmter technischer, wissenschaftlicher oder verwaltungstechnischer Aufgaben errichtet. Es gibt zurzeit drei solche Agenturen.29 (3) Eine andere Gruppe von Agenturen wurde geschaffen, um die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität zu unterstützen. Diese Zusammenarbeit in Strafsachen ist der „dritte Pfeiler“ der EU. Von diesen Agenturen bestehen drei.30 (4) Exekutivagenturen sind Organisationen, die entsprechend der Verordnung (EG) Nr. 58/200331 mit bestimmten Aufgaben bei der Verwaltung von Gemein27

– Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (FRONTEX) – Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) – Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) – Europäische Agentur für Grundrechte (FRA) – früher: EUMC – Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA) – Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EUOSHA) – Europäische Arzneimittel-Agentur (EMEA) – Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) – Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) – Europäische Chemikalienagentur (ECHA) – Europäische Eisenbahnagentur (ERA) – Europäische Fischereiaufsichtsbehörde (CFCA) – Europäische GNSS-Aufsichtsbehörde (GSA) – Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen (in Vorbereitung) – Europäische Stiftung für Berufsbildung (ETF) – Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (EUROFOUND) – Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (Cedefop) – Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) – Europäische Umweltagentur (EEA) – Gemeinschaftliches Sortenamt (CPVO) – Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (OHIM) – Übersetzungszentrum für die Einrichtungen der Europäischen Union (Cdt). 28 Wittinger, „Europäische Satelliten“: Anmerkungen zum Europäischen Agentur(un)wesen und zur Vereinbarkeit Europäischer Agenturen mit dem Gemeinschaftsrecht, EuR 2008, 609, die – ohne nähere Angaben – auf 23 Gemeinschaftsagenturen kommt. 29 – Europäische Verteidigungsagentur (EDA) – Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien (ISS) – Satellitenzentrum der Europäischen Union (EUSC). 30 – Einheit für justizielle Zusammenarbeit der Europäischen Union (Eurojust) – Europäische Polizeiakademie (CEPOL) – Europäisches Polizeiamt (Europol). 31 ABl. L 11/1 vom 16.1.2003.

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schaftsprogrammen beauftragt werden. Diese Agenturen werden für einen festgelegten Zeitraum eingerichtet. Sie müssen am Sitz der Europäischen Kommission (Brüssel oder Luxemburg) angesiedelt sein. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch von den Gemeinschaftsagenturen, dass sie nicht auf Dauer angelegt sind. Gegenwärtig sind sechs Exekutivagenturen eingerichtet.32 bb) Die „Authorities“ als Gemeinschaftsagenturen (1) Voraussetzung für die Einstufung als Gemeinschaftsagenturen ist, dass die „Authorities“ unabhängig sind. Unabhängigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Einrichtung nicht Teil eines Gemeinschaftsorgans ist.33 Die „Authorities“ sollen aber keine Dienststellen der Kommission, sondern Teil des (selbständigen) ESFS sein. Zur haushaltsrechtlichen Unabhängigkeit macht der Bericht keine Angaben, doch dürfte diese auch kein konstituierendes Merkmal für eine Agentur sein. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden die Ebene-3 Ausschüsse jedenfalls von den jeweiligen Mitgliedern finanziert.34 Sie stellen ihr eigenes Budget auf.35 Für besondere Projekte bekommen sie Zuwendungen von anderen europäischen Institutionen.36 Haushaltsrechtliche Unabhängigkeit ist daher schon jetzt gegeben. (2) Die „Authorities“ sollen auch auf Dauer angelegt sein. (3) Ihnen werden schon durch den Bericht spezielle eigenständige Aufgaben zugewiesen. Dabei handelt es sich unter anderem um die Möglichkeit, eine rechtlich bindende Mediation („legally binding mediation“) durchzuführen.37 Wenn kein Ergebnis dabei gefunden werden kann, soll die Möglichkeit bestehen, gewisse aufsichtsrechtliche Maßnahmen direkt gegenüber den betroffenen Finanzinstitutionen anzuordnen. Weiterhin sollen die „Authorities“ alle nötigen Informationen über grenzüberschreitende Institutionen von den nationalen Aufsichten einsammeln.38 Darüber hinaus sollen die „Authorities“ aufsichtsrechtliche Stan32 – Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelles und Kultur (EACEA) Exekutivagentur des Europäischen Forschungsrates (EFR) Exekutivagentur für das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-T EA) Exekutivagentur für die Forschung (REA) Exekutivagentur für Gesundheit und Verbraucher (EAHC) Exekutivagentur für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (EAWI). 33 Fischer-Appelt (Fn. 23), S. 39. 34 CESR Art. 9.2 des Charters, CEBS Art. 8.2 des Charters und CEIOPS § 4 Abs. 4 der Satzung. 35 CESR Art. 9.1 des Charters, CEBS Art. 8.1 des Charters und CEIOPS § 4 Abs. 4 der Satzung. 36 CESR Art. 9.3 des Charters, CEBS Art. 8.3 des Charters und CEIOPS § 4 Abs. 4 der Satzung. 37 Bericht (Fn. 1), Absatz 208 Buchst. i, erster Spiegelstrich. 38 Bericht (Fn. 1), Absatz 208 i, dritter Spiegelstrich.

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dards verbindlich festsetzen können.39 Die „Authorities“ sollen auch für die Erteilung von Erlaubnissen und Genehmigungen („licensing“) zum Betrieb von bestimmten EU-weiten Instituten und für deren Überwachung zuständig sein.40 Schließlich sollen sie sicherstellen, dass alle nationalen Aufsichten die nötigen Standards erfüllen.41 Wenn in außergewöhnlichen Situationen die Finanzstabilität in Gefahr ist, soll es den „Authorities“ möglich sein, teilweise die Aufgaben der nationalen Aufsicht durch strikte Koordination („strong coordination“) und durch Hilfe bei den Vollzugsentscheidungen („help the relevant authorities to define and implement the right decisions“) zu übernehmen.42 (4) Die „Authorities“ sollen auf der zweiten Stufe – im Gegensatz zu den bestehenden Ebene-3 Ausschüssen – auch als Einrichtung des Gemeinschaftsrechts organisiert werden. Dabei dürften ihnen auch – auf sekundärrechtlicher Grundlage – die wesentlichen Elemente, wie innere Struktur und Rechtsschutz, vorgegeben werden.43 (5) Die Überlegungen des Berichts zur Unabhängigkeit44 setzen auch voraus, dass die „Authorities“ mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet werden sollen. (6) Schließlich dürfte die Wahl der Bezeichnung („authority“ statt „agency“) einer Einstufung als Gemeinschaftsagentur nicht entgegenstehen. Von den 22 Gemeinschaftsagenturen tragen zwei ebenfalls die Bezeichnung „Authority“, wie die European Food Safety Authority (EFSA) und die European GNSS Supervisory Authority (GSA). Auch tragen die meisten Agenturen nicht die Bezeichnung „Agentur“.45 c) Die Schaffung von Gemeinschaftsagenturen Der Text der Verträge enthält fast keine Anhaltspunkte für Gründung und Ausgestaltung von nachgeordneten Einrichtungen der EU, namentlich von Agenturen. Auf EU-Ebene ist es deshalb grundsätzlich untersagt, Kompetenzen auf solche Einrichtungen zu übertragen, die nicht in den Verträgen über die Europäischen Gemeinschaften und die Europäische Union vorgesehen sind. Die Übertragung solcher Befugnisse muss daher sehr zurückhaltend gehandhabt werden und unterliegt besonderen Bedingungen.46 Allerdings ist ihre (grundsätzliche) Zuläs39

Bericht (Fn. 1), Absatz 208 iii. Bericht (Fn. 1), Absatz 208 ii. 41 Bericht (Fn. 1), Absatz 208 iv, dritter Spiegelstrich. 42 Bericht (Fn. 1), Absatz 208 vi. 43 Fischer-Appelt (Fn. 23), S. 41. 44 Bericht (Fn. 1), Absatz 187 mit Fn. 10. 45 Siehe die Aufzählung in Fn. 27 und Wittinger (Fn. 28), S. 609. 46 Das ist Folge der „Meroni-Doktrin“, wie sie von der EU selbst in ihren Veröffentlichungen dargestellt wird. 40

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sigkeit in Art. 234 Abs. 1 lit. c EGV vorausgesetzt und entspricht auch der bereits dargestellten umfangreichen Praxis, die allerdings im Hinblick auf ihre Massierung zunehmend auf Kritik stößt. Analytisch sind immer drei Fragen zu unterscheiden, auch wenn sie bei dem tatsächlichen Errichtungsakt meist zusammen fallen: 1. Hat die EU die Kompetenz zur Wahrnehmung der Aufgabe, die durch die Einrichtung erfüllt werden soll? 2. Hat sie die Rechtsmacht zur Schaffung der Einrichtung? 3. Entspricht die konkrete Ausgestaltung der Aufgaben und Befugnisse, die auf die Einrichtung übertragen werden, den Anforderungen des (primären) Gemeinschaftsrechts? aa) Beschränkte Zulässigkeit Es bestehen aber keine durchgreifenden Bedenken, Agenturen als bloße Informationssammelstellen oder Beratungseinrichtungen für die Organe der EU zu errichten. Soweit sie keine verbindlichen Rechtsakte erlassen, bedarf es dazu keiner spezifischen Grundlage im primären Gemeinschaftsrecht. Es ist anerkannt, dass die Kommission berechtigt ist, derartige Einrichtungen im Rahmen ihrer Organisationsgewalt zu errichten, wenn Zuständigkeit und die Verantwortung für das Handeln nach außen gegenüber den anderen Organen der Gemeinschaft, den Mitgliedstaaten und den Unternehmen und Bürgern bei der Kommission verbleiben. In diesem Fall wird auch das institutionelle Gefüge der Gemeinschaft in keiner Weise angetastet, und der Rechtsschutz bleibt ungeschmälert.47 bb) Einrichtungen mit Hoheitsbefugnissen Etwas anderes dürfte aber gelten, wenn Hoheitsbefugnisse auf eine nachgeordnete Stelle übertragen werden. Bloße Organisationsakte der Kommission (oder auch des Rates) reichen insoweit nicht mehr aus.48 Unklar ist aber, ob in einem solchen Fall immer eine Vertragsänderung erforderlich ist. Das wird überwiegend verneint49 und wohl auch von der Rechtsprechung nicht verlangt, wenn be47

Everling (Fn. 23), S. 40. Fischer-Appelt (Fn. 23), S. 84 f. 49 Streinz, in: ders., EUV/EGV, 2003, Art. 7 Rdn. 34; Schwartz, in: von der Groeben/ Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Bd. 4, 6. Aufl. 2004, Art. 308 Rdn. 215 m.w. N.; Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 7 Rdn. 38, mit Wiedergabe der verschiedenen Standpunkte (Rdn. 34–36); anders Everling (oben Fn. 23), S. 42: „Es bedarf vielmehr einer Vertragsänderung [. . .]“, der aber im Folgenden doch von nachgeordneten Behörden ausgeht, die durch Sekundärrecht geschaffen worden sind (S. 43 f.). 48

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stimmte Grenzen eingehalten werden.50 Es kommt danach entscheidend darauf an, auf welche Vorschrift des Vertrages die Errichtung der Stelle gestützt wird51 und wie die Befugnisse der nachgeordneten Stelle (Agentur) im Einzelnen ausgestaltet sind.52 In jedem Fall dürften aber Akte des (sekundären) Gemeinschaftsgesetzgebers erforderlich sein. Es ist aber nicht sicher, ob der bloße Errichtungsakt bereits eines förmlichen Gesetzes bedarf, da das Primärrecht keinen ausdrücklichen institutionellen Gesetzesvorbehalt enthält. Allerdings wird eine förmliche gesetzliche Regelung für die Übertragung von (Exekutiv-)Befugnissen zu verlangen sein.53 In jedem Fall bedarf dieser Punkt aber angesichts der divergierenden Rechtsprechung weiterer Vertiefung. d) Rechtsgrundlagen für die Errichtung der „Authorities“ Wegen des für die EU geltenden Prinzips der „begrenzten Einzelermächtigung“ (Art. 5 Abs. 1 EGV) bedarf die Gründung einer Gemeinschaftsagentur einer Rechtsgrundlage im Primärrecht. Dazu bieten sich grundsätzlich zwei Wege an, das Abstellen auf Spezialvorschriften oder die Verwendung der Auffangkompetenz aus Art. 308 EGV.54 Sie schließen sich aber gegenseitig aus, so dass immer nur ein Weg begangen werden kann. In der Praxis ist lange Zeit vornehmlich der zweite Weg gewählt worden, während nun zunehmend der Rückgriff auf Spezialvorschriften, vor allem materielle Kompetenznormen, erfolgt.55 Es ist zwar nicht unbestritten, doch wird verbreitet vertreten, dass jede Vorschrift des (primären) Gemeinschaftsrechts, welche die Befugnis enthält, „zweckdienliche Vorschriften“ zu erlassen oder „bestimmte Gemeinschaftsmaßnahmen“ zur Erreichung von einzelnen Zielen und Politiken der Gemeinschaften zu ergreifen, auch 50 EuGH Urteil vom 13.06.1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 – Meroni; Urteil vom 2.5.2006, Rs. C-217/04, Rdn. 44, 56 f., 63 Slg. I (2006), 3771 (3806) – ENISA. Die dort behandelte Agentur (ENISA) hat aber wohl keine echten eigenen Entscheidungsbefugnisse; anders aber die Rechtsprechung zu der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeiter, EuGH Rs. 19/67, Slg. 1967, 461 (474) – van der Vecht: echte Entscheidungsbefugnisse dürfen nicht übertragen werden; noch strenger EuGH Rs. 98/80, Slg. 1981, Rdn. 20 – Romano/INAMI. 51 Dazu näher unten im Abschnitt „d) Rechtsgrundlagen für die Errichtung der ,Authorities‘“. 52 Dazu näher unten im Abschnitt „e) Die Aufgaben und Befugnisse der ,Authorities‘“. 53 In diesem Sinne Ohler (Fn. 26), S. 373, bei Verwendung von nicht eindeutiger Terminologie. 54 Vgl. Wittinger (Fn. 28), S. 612. Ob das so allgemein auch für rein beratende oder informationssammelnde Stellen gilt, kann hier offenbleiben, da die vorgeschlagenen „Authorities“ deutlich darüber hinausgehende Befugnisse haben sollen. 55 Streinz (Fn. 49), Art. 308 Rdn. 34; Ohler (Fn. 26), S. 373. Eine Aufzählung ist bei Wittinger (Fn. 28), S. 612, zu finden.

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als Grundlage zur Errichtung von Agenturen dienen kann. Dies gilt auch, soweit diesen Einrichtungen Verwaltungskompetenzen übertragen werden sollen.56 Allerdings bedarf es jeweils einer sorgfältigen Prüfung im Einzelfall, ob diese Errichtungskompetenz besteht und ob das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EGV gewahrt ist.57 aa) Spezialermächtigungen Eine ausdrückliche Ermächtigung, welche die Schaffung der vorgeschlagenen „Authorities“ oder des ESFS insgesamt erlauben würde, ist im Primärrecht nicht ersichtlich. Allerdings könnte Art. 95 EGV als Grundlage dienen, Gemeinschaftsagenturen durch Akte des sekundären Gemeinschaftsrechts zu gründen. In der Praxis ist beispielsweise die Gründung der Agentur für Netz- und Informationssicherheit auf diese Vorschrift gestützt worden.58 Art. 95 Abs. 1 EGV spielt eine zentrale Rolle für die Harmonisierung des Binnenmarktes. Danach kann der Rat zur Verwirklichung des Funktionierens des Binnenmarktes Maßnahmen zur Angleichung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten erlassen. Zum Teil wird diese Formulierung so verstanden, dass damit auch die Befugnis eingeräumt sei, Agenturen zu gründen.59 Zum Teil wird aber darauf abgestellt, dass von der Angleichung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften und nicht von Verwaltungsakten die Rede sei. Wenn der Bezugspunkt von Art. 95 Abs. 1 EGV die Vorschriften der Mitgliedstaaten seien, lasse sich kaum begründen, dass ein Organisationsakt zur Errichtung einer Gemeinschaftsagentur die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften zum Inhalt habe. Damit scheide die Vorschrift als vertragliche Rechtsgrundlage zur Errichtung von Agenturen mit Vollzugsbefugnissen aus.60 In seiner Entscheidung zur Gründung der Agentur für Netz- und Informationssicherheit hat der EuGH diese Möglichkeit („Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung“) nunmehr aber ausdrücklich anerkannt.61 Nach Auffassung des EuGH kann der Gemeinschaftsgesetzgeber im Rahmen von Art. 95 EGV aufgrund sei56 Vetter, Die Kompetenzen der Gemeinschaft zur Gründung von unabhängigen europäischen Agenturen, DÖV 2005, 721 (723 ff.); Wittinger (Fn. 28), S. 612. 57 Streinz (Fn. 49), Art. 308 Rdn. 34; Vetter (Fn. 56), S. 727. 58 Verordnung (EG) Nr. 460/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2004 zur Errichtung der Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit. 59 Ohler (Fn. 26), S. 373; ähnlich Wittinger (Fn. 28), S. 613. 60 Vetter (Fn. 56), S. 728 f.; ähnlich auch Fischer-Appelt (Fn. 25), S. 87 f. 61 EuGH Urteil vom 2.5.2006, Rs. C-217/04, Rdn. 44, Slg. I (2006), 3771 (3806); abl. Ohler (Fn. 26), S. 373 f., der aber das Vorliegen einer „ungeschriebenen Annexkompetenz“ in Erwägung zieht.

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ner Sachwürdigung die Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung für notwendig erachten. Sie muss allerdings die Aufgabe haben, einen Beitrag zur Verwirklichung des Harmonisierungsprozesses zu leisten.62 Der EuGH verlangt weiter, dass die Aufgaben, die einer solchen Einrichtung übertragen werden, in engem Zusammenhang mit den Bereichen stehen, auf die sich die Rechtsakte zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten beziehen.63 Es ist zu prüfen, ob die vom EuGH aufgestellten Kriterien bei einer Umwandlung der Ebene-3-Ausschüsse in „Authorities“ erfüllt sind. Es muss danach der Gemeinschaftsgesetzgeber aufgrund seiner Sachwürdigung die Schaffung der Einrichtung für notwendig erachten. Der Bericht begründet die Schaffung der „Authorities“ mit dem Versagen der Finanzaufsicht. Nur eine neue europaweite Finanzaufsicht vermöge in einer solchen Krise effizient zu reagieren. Dieser Einschätzung dürfte sich auch der Gemeinschaftsgesetzgeber anschließen. Weiterhin müssten die „Authorities“ zur Verwirklichung des Harmonisierungsprozesses beitragen. Dies würde hier wohl der Fall sein. Der Bericht legt dar, dass die Harmonisierung noch nicht abgeschlossen sei.64 Das liege daran, dass die Richtlinien den Mitgliedstaaten eine Reihe von Schlupflöchern und Abweichungsmöglichkeiten eröffneten („stem from [. . .] ambiguities contained in directives“).65 Für die fehlende oder unzureichende Harmonisierung werden zahlreiche Beispiele aufgezeigt.66 Schließlich dürften die Aufgaben, welche den „Authorities“ übertragen werden sollen, auch in engem Zusammenhang mit den Bereichen stehen, auf die sich das materielle Sekundärrecht bezieht. Die Schaffung oder Änderung entsprechender sekundärrechtlicher Normen werden im Bericht im Einzelnen dezidiert empfohlen.67 Ausdrücklich wird es als Aufgabe der „Authorities“ bezeichnet, die bestehenden Unterschiede zu analysieren und Vorschläge zu ihrer Beseitigung auszuarbeiten. Im Ergebnis dürfte im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH Art. 95 Abs. 1 EGV als Grundlage für die Schaffung der „Authorities“ geeignet sein. Weitere Untersuchungen könnten im Hinblick auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips gemäß Art. 5 Abs. 2 EGV vorgenommen werden. Doch wäre ihre praktische Bedeutung eher gering, da dieses Prinzip bisher noch wenig Wirkung entfaltet hat.68 62

EuGH Urteil vom 2.5.2006, Rs. C-217/04, Rdn. 44 Slg. I (2006), 3771 (3806). EuGH Urteil vom 2.5.2006, Rs. C-217/04, Rdn. 45 Slg. I (2006), 3771 (3806). 64 Bericht (Fn. 1), Absatz 103. 65 Bericht (Fn. 1), Absatz 199. 66 Bericht (Fn. 1), Absatz 105. 67 Bericht (Fn. 1), Abschnitt IV, Absätze 101, 107–109 sowie 198. 68 Näher, speziell bezogen auf unabhängige europäische Agenturen Vetter (Fn. 56), S. 725 ff. 63

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bb) Auffangtatbestand: Art. 308 EGV Art. 308 EGV kommt ebenfalls als Rechtsgrundlage für die Gründung von Gemeinschaftsagenturen in Betracht. Es handelt sich allerdings um eine „Auffangkompetenz“, die nicht dazu missbraucht werden darf, an sich notwendige Änderungen des Primärrechts zu umgehen. Wenn die Verträge die für die Verwirklichung der Gemeinschaftsziele nötigen Befugnisse nicht enthalten, kann der Rat auf der Grundlage von Art. 308 EGV die „geeigneten Vorschriften“ erlassen. Diese Kompetenz umfasst auch die Gründung von Agenturen.69 So wurde die Gründung der Grundrechteagentur auf Art. 308 EGV gestützt.70 Allerdings enthält Art. 308 EGV eine Reihe von (einschränkenden) Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. Die Gründung der „Authorities“ müsste erforderlich erscheinen, um im Rahmen des Gemeinsamen Marktes ein Gemeinschaftsziel zu verwirklichen. Das mit der Gründung zu verwirklichende Gemeinschaftsziel ist die Sicherstellung von Finanzstabilität als Teil der harmonischen, ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung des Wirtschaftslebens durch Europäisierung der Finanzaufsicht. Bei der Beurteilung des Gemeinschaftszieles wird dem Gemeinschaftsorgan ein weiter Ermessenspielraum eingeräumt.71 Das Gemeinschaftsziel der Sicherstellung von Finanzstabilität hält sich auch im Rahmen des gemeinsamen Marktes. Das Versagen und die Unzulänglichkeiten der Finanzaufsicht im internationalen Maßstab sind im Bericht wohl hinreichend plausibel dargelegt, bedürfen aber noch eingehender Untersuchungen. Vor allem ist es noch zu früh für eine abschließende Bewertung. Derart weitreichende organisatorische Änderungen auf EU-Ebene, wie die Errichtung eines neuen dezentralen Aufsichtssystems und die Schaffung von Einrichtungen mit Hoheitsbefugnissen bedürfen sorgfältiger Prüfung. Sie können ohnehin nur künftigen Krisen vorbeugen und nicht mehr die gegenwärtige Situation bereinigen, so dass kein extremer Zeitdruck besteht. cc) Ausschluss einer Finanzmarktaufsicht auf EU-Ebene Aber selbst wenn die geplanten „Authorities“ die Voraussetzungen von Art. 95 EGV oder Art. 308 EGV erfüllen, bleibt ein gravierendes Bedenken: Der Weg zu diesen Vorschriften könnte deswegen versperrt sein, weil das Problem der Finanzmarktstabilität, und namentlich der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzdienstleistungsunternehmen, bei der Schaffung des Vertrags von Maastricht 69

Wittinger (Fn. 28), S. 614. Verordnung (EG) Nr. 168/2007 des Rates vom 15.2.2007 zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte. 71 Schwartz, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Bd. 4, 6. Aufl. 2004, Art. 308 EG Rdn. 172. 70

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gesehen und nach kontroverser Diskussion in einer ganz spezifischen Weise entschieden worden ist. Die schließlich Gesetz gewordene Regelung wäre exklusiv und würde als lex specialis die Anwendung der Art. 95 und 308 EGV zur Schaffung einer Finanzmarktaufsicht auf EU-Ebene ausschließen. (1) Art. 105 Abs. 5 EGV Nach Art. 105 Abs. 5 EGV trägt das ESZB zur reibungslosen Durchführung der Maßnahmen bei, die von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität der Finanzsysteme ergriffen worden sind. Eine Konkretisierung dieser Regelung ist in Art. 25.1 ESZB Statut enthalten. Diese Aufgabe war bei den Verhandlungen, die zum Maastricht-Vertrag führten, sehr umstritten. „Einige Vertreter wollten der EZB bei der Beaufsichtigung der Kreditinstitute eine beschränkte Rolle zuerkennen, während ihre Gegner diese Aufgabe allein den nationalen Behörden vorbehalten wollten.“ 72 Der ursprüngliche Vorschlag der Präsidenten der nationalen Notenbanken zum Statut des ESZB ging noch weiter in die andere Richtung und sah in der Aufsicht „eine der grundlegenden Aufgaben des ESZB“.73 Der Wortlaut des ersten Entwurfs bedeutete, dass das System die Befugnis haben sollte, eigene Vorstellungen zur Vorgehensweise in Aufsichts- und Stabilitätsfragen zu formulieren, die Vorgehensweise der zuständigen (nationalen) Einrichtungen zu koordinieren und eigene Entscheidungen durchzusetzen.74 Nach langen Diskussionen wurde die gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag stark verwässerte Regelung schließlich Gesetz.75 Dieser mühsam bei der Schaffung primären Gemeinschaftsrechts gefundene Kompromiss würde durch die Verwirklichung der Vorschläge zum ESFS und den „Authorities“ in wesentlichen Punkten durch sekundäres Gemeinschaftsrecht aufgebrochen. Das wäre mit fundamentalen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts kaum zu vereinbaren und bedarf eingehender weiterer Untersuchungen. (2) Art. 105 Abs. 6 EGV Das gefundene Ergebnis wird noch dadurch bestärkt, dass das primäre Gemeinschaftsrecht in Art. 105 Abs. 6 EGV eine weitere Regelung getroffen hat, die sich speziell mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstigen Finanzinsti72 Smits, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Bd. 3, 6. Aufl. 2003, Art. 105 Rdn. 70 [Hervorhebung nicht im Original]. 73 Smits (Fn. 72), Rdn. 70 Fn. 54. 74 Smits, The European Central Bank, 1997, S. 335. 75 Vgl. Smits (Fn. 74), S. 337.

2. Die Schaffung von Einrichtungen der Finanzaufsicht auf EU-Ebene

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tute auf EU-Ebene befasst. In dieser Vorschrift ist ein spezifischer Weg eröffnet, wie die Aufsicht auf eine europäische Institution übertragen werden kann. Die im Bericht der de Larosière-Gruppe aus guten Gründen angestrebte „Europäisierung“ der Aufsicht ist nach erster Einschätzung auf diesen Weg zu verweisen, wenn sie nicht den Weg der Vertragsänderung gehen will. Der Weg ist detailliert geregelt. Er ist an spezifische Voraussetzungen geknüpft und weist dezidierte Grenzen auf, da die Aufsicht über Versicherungen nach langen Diskussionen im Gesetzgebungsverfahren bewusst ausgenommen worden ist.76 Alle diese Vorgaben könnten unterlaufen werden, wenn eine vergleichbare Struktur durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geschaffen werden dürfte, das an wesentlich geringere Voraussetzungen und Grenzen gebunden ist. Auch diese Bedenken erfordern eingehende weitere Untersuchungen. (3) Zwischenergebnis Die in Art. 105 Abs. 5 und 6 EGV als Kompromiss getroffene Regelung der Finanzmarktaufsicht und der Finanzmarktstabilität versperren nach erster Prüfung als lex specialis den Weg zur Schaffung eines ESFS mit dezentralen „Authorities“ durch sekundäres Gemeinschaftsrecht. Es bedarf eingehender weiterer Untersuchungen, ob das vorgeschlagene System ohne Änderung des Vertragsrechts eingeführt werden darf. dd) Zwischenergebnis Es bestehen erhebliche Bedenken, ob das gegenwärtige Primärrecht eine hinreichende Grundlage für die vorgeschlagene Einführung des ESFS mit „Authorities“, denen Exekutivfunktionen zukommen sollen, bietet. e) Die Aufgaben und Befugnisse der „Authorities“ Eine Übertragung von Aufgaben und Befugnissen ist grundsätzlich zulässig. Die Übertragung neuer Entscheidungszuständigkeiten durch den Rat auf Agenturen richtet sich nach der zugrundeliegenden Kompetenznorm. Auch die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen der Kommission an eine Agentur ist möglich.77 Selbst von dem Rat auf die Kommission übertragene Kompetenzen können durch die Kommission weiter übertragen werden, wenn dies in einer Delegationsnorm vorgesehen ist.78 Ohne eine Subdelegationsermächtigung hat es 76 77 78

Smits (Fn. 72), Rdn. 77 und 78. Fischer-Appelt (Fn. 23), S. 102 f. Fischer-Appelt (Fn. 23), S. 103–105.

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III. Finanzmärkte

allein der Gemeinschaftsgesetzgeber in der Hand, Aufgaben zu verteilen.79 Die Kommission darf sich nicht eigenmächtig ihrer Aufgaben entledigen. aa) Die Meroni-Doktrin Der EuGH hat in seiner „Meroni“-Rechtsprechung80 Grenzen für die Übertragung von Befugnissen auf Einrichtungen aufgestellt, die von den Organen der Europäischen Gemeinschaften getrennt sind. In dem entschiedenen Fall ging es um die Übertragung von finanzrechtlichen Befugnissen auf eine selbstständige finanzielle Einrichtung („Ausgleichskasse für eingeführten Schrott“), die in privatrechtlicher Form organisiert war. Eine solche Übertragung war als solche ausdrücklich in Art. 53 Abs. 1 EGKSV vorgesehen. Es ging also im Wesentlichen um die Modalitäten und die Grenzen der Übertragungsmöglichkeit. Ausgangspunkt der nach diesem Urteil benannten „Meroni-Doktrin“ ist die Überlegung, dass die Mitgliedstaaten ihre Hoheitsrechte nur insoweit auf die Europäischen Gemeinschaften übertragen haben, wie im Rahmen der Gemeinschaften Einrichtungen und Organe handeln, die in den von ihnen geschlossenen Verträgen vorgesehen sind. Nur solche Einrichtungen haben die erforderliche demokratische Legitimation. Entscheidend kommt es nach Auffassung des Gerichts darauf an, ob tatsächlich hoheitliche Befugnisse übertragen worden sind.81 Die Vorbereitung von Beschlüssen, die von einem Gemeinschaftsorgan durchgeführt werden und für die es die Verantwortung trägt, soll nicht darunter fallen.82 Im Wesentlichen meint das Gericht damit die Rechtsmacht, rechtsverbindliche Ermessensentscheidungen treffen zu dürfen.83 Entscheidungen auf der „Grundlage festumrissener Vorschriften“, die „Willkürmaßnahmen ausschließen und die Nachprüfung der verwendeten Unterlagen ermöglichen“ sollen nicht erfasst sein.84 Es spricht sogar an einer Stelle von „freiem“ Ermessen, das eingeräumt worden sein müsse und eine eigene Wirtschaftspolitik ermögliche.85 Der Grund für das Verbot der Übertragung von so verstandenen Ermessensentscheidungen ist nicht nur die fehlende demokratische Legitimation und Verantwortlichkeit, sondern auch eine Störung des „Gleichgewichts der Gewalten“, die eine „für den organisatorischen Aufbau der Gemeinschaft kennzeichnende“ „grundlegende Garantie“ darstelle. „Die Übertragung von Befugnissen mit Er79 80 81 82 83 84 85

Fischer-Appelt (Fn. 23), S. 105. EuGH Urteil vom 13.06.1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11. EuGH Urteil vom 13.06.1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (36). EuGH Urteil vom 13.06.1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (37). EuGH Urteil vom 13.06.1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (44). EuGH Urteil vom 13.06.1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (42). EuGH Urteil vom 13.06.1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (43 f.).

2. Die Schaffung von Einrichtungen der Finanzaufsicht auf EU-Ebene

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messensspielraum auf andere Einrichtungen als solche, die im Vertrag zur Ausübung und Kontrolle dieser Befugnisse im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten vorgesehen sind, würde diese Garantie jedoch verletzen.“ 86 Im Ergebnis müssen bei der Übertragung von Hoheitsbefugnissen zumindest folgende Anforderungen beachtet werden: – Es dürfen „keine weiterreichenden Befugnisse übertragen werden, als sie der übertragenden Behörde nach dem Vertrag selbst zustehen“.87 – Es dürfen nur Ausführungsbefugnisse übertragen werden, die genau umgrenzt sind und deren Ausübung von dem zuständigen Gemeinschaftsorgan beaufsichtigt wird.88 – Der Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz darf durch die Übertragung von Aufgaben auf nachgeordnete Stellen nicht verletzt werden.89 – Die Übertragungsentscheidung muss ausdrücklich erfolgen.90 Diese Rechtsprechung ist jedoch nicht unmittelbar auf die Errichtung von Gemeinschaftsagenturen übertragbar. Zunächst bezog sich das Urteil auf Art. 53 Abs. 1 EGKSV und nicht auf den EG-Vertrag. Weiterhin handelte es sich um die Übertragung von Befugnissen auf ein Privatrechtssubjekt und nicht auf eine Einrichtung des öffentlichen europäischen Rechts.91 Auch in inhaltlicher Hinsicht gilt es zu bedenken, dass bei der Meroni-Rechtsprechung Aufgaben übertragen werden sollten, die primärrechtlich angelegt waren.92 Daher ist eine direkte Anwendung der Maroni Rechtsprechung nicht mehr in ihrer strengen Form geboten. Die Meroni-Rechtsprechung dürfte sich aber insoweit auf die Errichtung der „Authorities“ auswirken, dass 1. eine hinreichende Grundlage im Primärrecht für die Aufgaben vorliegt, die übertragen werden, Art. 5 Abs. 1 EGV und dass 2. eine Kontrolle möglich ist. bb) Die übertragenen Aufgaben Ob hinreichende Befugnisse der EU im Hinblick auf die zu übertragenden Befugnisse vorliegen, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen. Bei den vorgesehenen Befugnissen handelt es sich (1) um die Möglichkeit, eine rechtlich bindende Media86

EuGH Urteil vom 13.06.1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (14, 44). EuGH Urteil vom 13.06.1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (40). 88 EuGH Urteil vom 13.06.1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (44), bezogen auf die Hohe Behörde. 89 EuGH Urteil vom 13.06.1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 16 (44). 90 EuGH Urteil vom 13.06.1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (15, 42). 91 Fischer-Appelt (Fn. 23), S. 107. 92 Ohler (Fn. 26), S. 373. 87

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III. Finanzmärkte

tion durchzuführen93, (2) alle nötigen Informationen über grenzüberschreitende Institutionen von den nationalen Aufsichten zu sammeln94, (3) aufsichtsrechtliche Standards verbindlich festzusetzen95, (4) eine Lizenzierung und Aufsicht über bestimmte EU weite Institutionen auszuüben96 und (5) sicherzustellen, dass alle nationalen Aufsichten die nötigen Standards erfüllen, notfalls die Aufgaben selbst zu übernehmen.97 Insgesamt ist jedoch nicht sicher, ob die Verwirklichung des Binnenmarktes nach Art. 14 Abs. 1 EGV tatsächlich einer EU-weiten Finanzmarktaufsicht bedarf. Die übliche weite Interpretation der Vorschrift mag das noch abdecken,98 bedarf aber noch vertiefter Erörterung. (1) Die Möglichkeit, eine rechtlich bindende Mediation durchzuführen, mag mit Art. 5 Abs. 1 EGV zu vereinbaren sein, da sie letztlich der Verwirklichung des Binnenmarktes nach Art. 14 Abs. 1 EGV zu dienen bestimmt ist. Wenig überzeugend ist jedoch das Ziel der Harmonisierung der Finanzaufsicht, da nicht ohne weiteres einsichtig ist, wie eine EU-weite Harmonisierung durch rechtlich verbindliche Mediation zwischen nationalen Finanzaufsichten herbeigeführt werden kann. Das liegt zum Teil daran, dass unklar bleibt, was eine solche bindende Mediation sein soll. Als Mediation wird regelmäßig ein Verfahren alternativer Streitschlichtung (alternative dispute resolution – ADR) bezeichnet, das im Gegensatz zu Schiedsverfahren die Beteiligten eben nicht bindet. (2) Die Koordination des Informationsflusses mag der Harmonisierung der Finanzaufsicht und Sicherung der Finanzstabilität dienen. (3) Auch die verbindliche Festsetzung von aufsichtsrechtlichen Standards dient der Harmonisierung der Finanzaufsicht und Sicherung der Finanzstabilität. (4) Der Bericht empfiehlt beispielsweise Credit Rating Agenturen wegen ihres hohen und grenzüberschreitenden Einflusses zentral zu beaufsichtigten. Ein pauschales Urteil dahingehend, ob dies der Sicherung der Finanzstabilität dient, lässt sich nicht fällen. (5) Die Sicherstellung einheitlicher Aufsichtsstandards in der Gemeinschaft dient dem Ziel, Regulierungslücken zu schließen und Arbitrage zu unterbinden. Dieses Ziel korrespondiert mit der Sicherung der Finanzstabilität. Sehr weit geht jedoch die Kompetenz, im Notfall die Aufgaben von einzelnen nationalen Auf-

93 94 95 96 97 98

Bericht (Fn. 1), Absatz 208 Buchst. i, erster Spiegelstrich. Bericht (Fn. 1), Absatz 208 Buchst. i, dritter Spiegelstrich. Bericht (Fn. 1), Absatz 208 Buchst. iii. Bericht (Fn. 1), Absatz 208 Buchst. ii. Bericht (Fn. 1), Absatz 208 Buchst. iv, dritter Spiegelstrich. Leible, in: Streinz (Hrsg.) EUV/EGV, 2003, Art. 14 Rdn. 26.

2. Die Schaffung von Einrichtungen der Finanzaufsicht auf EU-Ebene

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sichtsmaßnahmen zu würdigen und gegebenenfalls an Stelle der nationalen Einrichtungen tätig zu werden. cc) Unabhängigkeit des ESFS Problematisch ist hier, dass dem ESFS und den „Authorities“ eine begrenzte Unabhängigkeit eingeräumt werden soll. Die Immunisierung der Aufsicht sowohl von Einwirkungen der Politik als auch der beaufsichtigten Institutionen mag in der Sache dringend geboten sein. Es bestehen zahlreiche Anhaltspunkte, dass hier ein wesentlicher Faktor für Entstehung und Verlauf der gegenwärtigen Krise liegt. Dennoch müssen die Grenzen, die das Demokratieprinzip setzt, beachtet werden. Schon bei der Gewährung von Unabhängigkeit für die Notenbanken sind immer wieder Bedenken im Hinblick auf die Anforderungen demokratischer Legitimation und Verantwortlichkeit geäußert worden. Diese Kritik ist nie vollständig verstummt, kann letztlich aber aus überzeugenden Gründen entkräftet werden.99 Die Kommission wird wohl wenig Einfluss auf die „Authorities“ ausüben können, wenn sie sich über Gebühren finanzieren. So kann die Kommission bei den Agenturen Gemeinschaftliches Sortenamt (CPVO) und Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (OHIM) in Finanz- und Haushaltsangelegenheiten aufgrund der Gebührenfinanzierung wenig effektive Kontrolle ausüben.100 Agenturen brauchen aber eine demokratische Legitimation.101 Soweit sie hoheitlich tätig werden, muss der Zusammenhang von Aufsicht, Verantwortung und Kontrolle bestehen bleiben. Diese Bedenken sind der Expertengruppe wohl auch nicht fremd gewesen. In einer Fußnote wird deswegen versucht, die Anforderungen an die (gewünschte) Unabhängigkeit zu konkretisieren. Aufsichtsrechtliche Unabhängigkeit wird dort als eine Situation definiert, in der die Aufsichtsbehörde („supervisor“) in der Lage sei, ihre Beurteilungen und Befugnisse unabhängig vom Vollzug von Vorsichtsregeln oder anerkannten Geschäftsgebräuchen („prudential and/or business conduct rules“) auszuüben, das heiße ohne ungebührlich von den Beaufsichtigten, der Regierung, dem Parlament oder irgend einer anderen interessierten Seite beeinflusst zu werden oder auf diese angewiesen zu sein.102 Noch deutlicher wird gefordert, dass die Aufsichtseinrichtung („supervisory authority“) in der Lage sein müsse, ein eigenes, unabhängiges Urteil zu fällen (z. B. im Hinblick auf die Erteilung von Genehmigungen, vor-Ort-Kontrollen, 99 Vgl. beispielsweise Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 88 Rdn. 33–40 m. Nachw. für die Kritik in Fn. 116. 100 Dammann, Die Beschwerdekammern der europäischen Agenturen, 2004, S. 91, 94. 101 Fischer-Appelt (Fn. 23), S. 184–187. 102 Bericht (Fn. 1), Absatz 187 Fn. 10.

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III. Finanzmärkte

Aufsicht aus der Distanz, Verhängung und Vollstreckung von Sanktionen) und auch die dazu notwendigen Befugnisse eingeräumt werden müssten. Dabei dürften weder andere Behörden noch die (Finanz-)Industrie das Recht oder die Möglichkeit haben, zu intervenieren. Sehr idealisierend wird weiter gefordert, dass die Aufsichtseinrichtung („supervisor“) ihre Entscheidungen auf rein objektiver und diskriminierungsfreier Grundlage zu treffen habe. Es soll sich aber nicht um eine Unabhängigkeit handeln, wie sie dem ESZB eingeräumt worden sei. Vielmehr solle sich diese aufsichtsrechtliche Unabhängigkeit von der Unabhängigkeit der Zentralbanken dahingehend unterscheiden, dass die Regierung politisch verantwortlich bleibe („the government [. . .] remains politically responsible“).103 Dann heißt es aber wieder relativierend, dass Parlament und Regierung nur keine unmittelbaren Befugnisse gegenüber der Aufsichtseinrichtung ausüben und nicht direkt in das Tagesgeschäft eingreifen sollten. Die Unabhängigkeit sollte ausgeglichen („balanced“) und gestärkt („strengthened“) werden durch angemessene Rechenschaftspflichten und Transparenz des Regulierungs- und Aufsichtsprozesses in Übereinstimmung mit den Anforderungen an die Vertraulichkeit.104 Ganz konkret wird anschließend gefordert, dass die nationalen Behörden von solchen Kontrollmechanismen Abstand nehmen sollten, wie dem Vorsitz von Regierungsvertretern in Leitungsgremien oder deren aktive Teilnahme in solchen Organen. Entsprechendes gelte für Aufsichts- und Verwaltungsräte. Ihr Einfluss solle auf die Möglichkeit beschränkt bleiben, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu ändern, langfristige Ziele vorzugeben oder die Leistung der Einrichtung zu bewerten, unter der Voraussetzung, dass dies auf eine offene und transparente Weise geschehe. Es mögen gute, aus vergangener Erfahrung gespeiste Gründe für diese konkreten Anforderungen sprechen. Sie sind aber alles andere als in sich konsistent, da sie versuchen, sich wechselseitig ausschließende Grundprinzipien zu verwirklichen. Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht (der Regierung) sind ohne Weisungs- und Leitungsbefugnisse nicht möglich. Niemand kann für etwas verantwortlich sein, auf das er keinen Einfluss hat. Zudem fehlt eine hinreichend plausible Begründung, warum eine solche Durchbrechung des Demokratieprinzips bei der Aufsicht durch die „Authorities“ von der Sache geboten und damit auch gerechtfertigt ist. dd) Zwischenergebnis Je nach Ausgestaltung, mögen die (modifizierten) Anforderungen der MeroniRechtsprechung noch erfüllt sein. Die Empfehlungen zur Unabhängigkeit des ESFS sind aber wenig eindeutig und nicht in sich konsistent. Zudem fehlt eine 103 104

Ebda. Ebda.

2. Die Schaffung von Einrichtungen der Finanzaufsicht auf EU-Ebene

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hinreichende Darlegung der Gründe, warum eine Durchbrechung des Demokratieprinzips, und vor allem des Prinzips der Ministerverantwortlichkeit, sachlich geboten und damit gerechtfertigt ist. f) Zwischenergebnis Bei den bisher angestellten Erwägungen kann es sich nur um eine erste Einschätzung handeln. Insgesamt ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang durch sekundäres Gemeinschaftsrecht (neue) nachgeordnete Einrichtungen der EU mit Hoheitsbefugnissen geschaffen werden dürfen und wann dafür eine Änderung des Primärrechts erforderlich ist, außerordentlich umstritten und bedarf weiterer eingehender Prüfung. 3. Fazit Das Grundanliegen, das mit den Empfehlungen verfolgt wird, leuchtet ein, doch bedarf es sorgfältiger Prüfung im Detail. Namentlich muss ihre Umsetzung über jeden rechtlichen Zweifel erhaben sein. Insoweit besteht auch kein Zeitdruck, da die gegenwärtige Krise durch die Neuregelungen nicht gelöst werden kann. Sie dienen der Prävention. Bei den vorgeschlagenen „Authorities“ handelt es sich um Gemeinschaftsagenturen, deren grundsätzliche Zulässigkeit nicht mehr in Zweifel gezogen wird. Sehr kritisch wird aber ihre Massierung gewürdigt, die immer mehr zu einem disparaten eigenen Verwaltungsunterbau der EU geführt habe. Das sei aber von den Verträgen so nicht gewollt. Die Schaffung von Gemeinschaftsagenturen mit eigenen Entscheidungsbefugnissen im Verhältnis zu anderen Einrichtungen der EU, den Mitgliedsländern oder gar dem Bürger durch Sekundärrecht ist im Schrifttum nicht unumstritten, wird aber überwiegend wohl anerkannt. Die Rechtsprechung des EuGH ist insoweit nicht eindeutig, so dass in diesem Punkte weiterer Klärungsbedarf besteht. Jedenfalls wird für die Errichtung von Gemeinschaftsagenturen, also auch den vorgeschlagenen „Authorities“, eine Rechtsgrundlage im Primärrecht verlangt. Grundsätzlich kommt dafür Art. 95 Abs. 1 EGV in Betracht; subsidiär auch Art. 308 EGV als Auffangtatbestand. Erhebliche Zweifel bestehen jedoch, ob dieser Weg nicht durch die speziellen Vorschriften zur Finanzmarktaufsicht in Art. 105 Abs. 5 und 6 EGV versperrt ist. Da die Problematik einer EU-weiten Aufsicht im Zusammenhang mit dem Vertrag von Maastricht kontrovers diskutiert worden ist, darf der schließlich Gesetz gewordene Kompromiss mit seinen besonderen Anforderungen und Voraussetzungen nicht durch neues sekundäres Gemeinschaftsrecht unterlaufen werden. In diesem Punkt besteht jedenfalls weiterer Klärungsbedarf.

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III. Finanzmärkte

Die rechtliche Beurteilung der den „Authorities“ zu übertragenden Aufgaben und Befugnisse hängt weitgehend von der Deutung der nicht klaren Rechtsprechung des EuGH ab. Jedenfalls liegt keine Beschränkung auf eine informationssammelnde und entscheidungsvorbereitende Tätigkeit vor. Die Befugnisse können auch nicht als Ermächtigungen zur Vornahme von Handlungen rein technischer Natur verstanden werden. Die Anordnung verbindlicher Mediation ist unklar. Im Zweifel soll es auch Anordnungsbefugnisse geben, wohl auch gegenüber einzelnen Behörden und Finanzinstituten. Hier bestehen auch Unklarheiten und Unsicherheiten, die weiterer Klärung bedürfen. Entscheidend wird die Ausgestaltung im Detail sein. Schließlich stößt auch die vorgesehene Unabhängigkeit von Einwirkungen der Politik und von den Aufsichtsunterworfenen auf rechtliche Zweifel. Die Parallelen zum ESZB sind augenfällig, werden aber zum Teil bestritten. Insgesamt ist dieser Teil der Vorschläge in sich so brüchig, dass er in dieser Form nicht die notwendige sachliche Rechtfertigung für eine Durchbrechung demokratischer Leitungs- und Verantwortungsstränge bietet. III. Zusammenfassung und Ergebnisse Die notwendig kursorische Prüfung der Empfehlungen führt zu folgenden (vorläufigen) Ergebnissen: Die Errichtung des European Systemic Risk Council stößt auf keine gravierenden rechtlichen Bedenken. Die Umwandlung der bestehenden Ebene-3 Ausschüsse in ein neues europäisches System von Finanzaufsicht wirft verschiedene rechtliche Zweifelsfragen auf. Eine Umsetzung der Empfehlungen ohne Änderung des Vertragsrechts ist mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden. Sie betreffen vor allem die rechtliche Grundlage für sekundärrechtliche Maßnahmen, die Zulässigkeit der Übertragung der vorgesehenen Befugnisse auf die „Authorities“ als Gemeinschaftsagenturen und die Konflikte der als unabdingbar angesehenen Unabhängigkeit der Einrichtungen mit dem Demokratieprinzip.

3. Berichte und Kritik – Die Neuordnung der Finanzmarktaufsicht* / ** I. Einführung Im März dieses Jahres hat der Nobelpreisträger Edmund S. Phelps gefordert, dass der Finanzsektor von Grund auf neu gestaltet werden müsse. Dem ist vorbehaltlos zuzustimmen. Auch in einer breiteren Öffentlichkeit hat diese Forderung verbreitet Anklang gefunden, ohne sogleich mit der Diagnose eines Versagens des „Kapitalismus“ oder der „Marktwirtschaft“ verbunden zu werden. Mit einer solchen Diagnose waren zwar interessierte Kreise aus Politik und Medien schnell bei der Hand. Das war zu erwarten. Doch lenken solche Großformeln und die intensive Diskussion abstrakter Systemfragen nur von den eigentlichen Problemen ab. Sie sollen deshalb hier auch nicht weiter verfolgt werden. Ob aber aus der zutreffenden Erkenntnis der Notwendigkeit einer Neugestaltung des Finanzsektors auch die notwendigen Konsequenzen gezogen werden, ist allerdings alles andere als sicher. Im Gegenteil mehren sich die Anzeichen, dass mit dem Abflauen oder zumindest der Eindämmung der Krise die maßgebenden Akteure auf den Finanzmärkten am liebsten weiter machen möchten wie bisher; so als sei nichts Nennenswertes geschehen und nicht unvorstellbare Lasten durch eine explodierende Staatsverschuldung zukünftigen Generationen aufgebürdet worden. Dieser Schaden ist bereits entstanden und lässt sich auch nicht mehr ändern. Über die Bewältigung seiner Folgen und die Verhütung einer ähnlichen Entwicklung in der Zukunft ist allerdings intensiv nachzudenken. Von Seiten der Politik sind bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen worden oder sind in Vorbereitung. Es handelt sich dabei nicht nur um Maßnahmen zur unmittelbaren Bewältigung der Krise, sondern zunehmend auch zur Verhinderung künftiger krisenhafter Entwicklungen. Sie bewegen sich auf allen Ebenen: global, europaweit und national. In diesem Zusammenhang haben vor allem die Aktivitäten im Rahmen der G-20 Gruppe Aufmerksamkeit erregt. Auf dem Gipfeltreffen in Pittsburgh vom 24. bis 25. September 2009 wurden im Wesentlichen folgende Beschlüsse gefasst: „Implementierung“ von Regeln zum stärkeren Aufbau von qualitativ hochwertigem Eigenkapital und zur Eindämmung konjunktur* Erstveröffentlichung in: Die Verwaltung, 43. Band (2010), S. 95–115. ** Vortrag gehalten im Rahmen des VII. Kolloquiums des Deutsch-Türkischen Forums für Staatsrechtslehre am 17. Oktober 2009 in Kayseri, Türkei. Die Vortragsform wurde beibehalten und mit einigen Anmerkungen versehen.

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III. Finanzmärkte

verstärkender Effekte (Prozyklizität), konkrete Regeln für Vergütungssysteme des Finanzsektors, Verbesserungen für den außerbörslichen Handel mit Wertpapieren, Erarbeitung konkreter Lösungen für das Problem zu großer Banken („too big to fail“) oder von Banken mit zu vielen Verknüpfungen („too interconnected to fail“), Bemühungen zur Schaffung eines einheitlichen, qualitativ hochwertigen, weltweit gültigen Systems von Rechnungslegungsvorschriften, Verpflichtung, Druck auszuüben in den Bereichen Steueroasen, Geldwäsche, Korruptionserlöse, Terrorismusfinanzierung und aufsichtsrechtliche Standards1. Das Financial Stability Forum (FSF) wurde zu einem Financial Stability Board (FSB) weiter entwickelt, in dem die Finanzminister, die Notenbanken und die Aufsichtsbehörden wichtiger Staaten vertreten sind. Aber auch die hastigen Bemühungen zur Änderung des mit außerordentlich großem Aufwand vom Committee on Banking Supervision erarbeiteten, mehrhundertseitigen Regelwerks aus dem Jahre 2006 („Basel II“)2 gehören zur globalen Ebene3. Auf europäischer Ebene legte die EU-Kommission bereits im Oktober 2008 einen Aktionsplan vor, mit dem sie die Wirtschaft aus der Krise in den Aufschwung führen wollte4. Auch begann sie schon früh mit Vorbereitungen zu einer Europäisierung der Finanzmarktaufsicht, die bereits in dem Aktionsplan angesprochen war5. Mittlerweile sind im Rahmen der Europäischen Union schon sehr konkrete und umfangreiche Gesetzgebungsvorhaben auf den Weg gebracht6. 1

Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht Oktober 2009, Nr. 2.2. International Convergence of Capital Measurement and Capital Standards, A Revised Framework, Comprehensive Version, June 2006. Das Basel II-Regelwerk hat über Richtlinien der EU, Änderungen des Kreditwesengesetzes (KWG) und namentlich die Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen (Solvabilitätsverordnung – SolvV) vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2926) Eingang in das deutsche Recht gefunden. Die maßgebenden Richtlinien der EU sind: Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung) (ABl. L 177 vom 30. Juni 2006, S. 1), Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung) (ABl. L 177 vom 30. Juni 2006, S. 201). 3 Basel Committee on Banking Supervision, Principles for sound stress testing practices and supervision vom 13. März 2009 (consultative document). 4 Die EU-Kommission legte einen dreigliedrigen Ansatz zugrunde: (1) eine neue Finanzarchitektur auf EU-Ebene, (2) Begrenzen der Auswirkungen auf die Realwirtschaft und (3) eine globale Reaktion auf die Finanzkrise (Aus der Finanzkrise in den Aufschwung: Ein Aktionsrahmen für Europa vom 29. Oktober 2008, COM [2008] 706 final). Wenig später wurde ein „European Economic Recovery Plan“ vorgelegt, vom 26. November 2008, COM (2008) 800 final. 5 Der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, hat im Oktober 2008 eine Gruppe von Sachverständigen unter Vorsitz des früheren Präsidenten des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Banque de France, Jacques de Larosière, mit der Ausarbeitung von Ratschlägen zur Zukunft der europäischen Finanzregulierung („financial regulation“) und Aufsicht („supervision“) beauftragt. Die Gruppe hat ihren 2

3. Berichte und Kritik – Die Neuordnung der Finanzmarktaufsicht

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Umfassend sind die Reformpläne in den Vereinigten Staaten von Amerika7. Sie schließen vor allem auch den Schutz der Verbraucher als einen wichtigen Baustein ein. Dazu soll eine spezielle Behörde errichtet werden: die „Consumer Financial Protection Agency“ 8. In Deutschland sind insoweit erhebliche Defizite zu verzeichnen9 und auch keine durchgreifende Änderung in Sicht. Entsprechendes gilt für die Einlagensicherung10, bei der es – entgegen einer weit verbreiteten Bericht am 25. Februar 2009 vorgelegt und die Schaffung eines „European Systemic Risk Council“ und in Anlehnung an das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) – die Errichtung eines Europäischen Systems der Finanzaufsichtseinrichtungen (European System of Financial Supervisors – ESFS) vorgeschlagen (The High-Level Group on Financial Supervision in the EU, Chaired by Jacques de Larosière, Report, Brussels, 25 February 2009). 6 Es handelt sich um folgende Entwürfe der Kommission: – proposal for a regulation on Community macro prudential oversight of the financial system and establishing a European Systemic Risk Board (ESRB) COM(2009) 499 final; – proposal for a decision entrusting the European Central Bank with specific tasks concerning the functioning of the European Systemic Risk Board, COM(2009) 500 final; – proposal for a regulation establishing a European Banking Authority (EBA) COM (2009) 501 final; – proposal for a regulation establishing a European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA), COM(2009) 502 final; – proposal for a regulation establishing a European Securities and Markets Authority (ESMA), COM(2009) 503 final. 7 Departement of the Treasury, Financial Regulatory Reform, Rebuilding Financial Supervision and Regulation, 2009. 8 Am 22. Oktober 2009 hat der Ausschuss für „Financial Services“ des Repräsentantenhauses der entsprechenden Gesetzesvorlage (111th Congress 1st Session, H.R. 3126 „A bill to establish the Consumer Financial Protection Agency and.for other purposes“) vom 8. Juli 2009 zugestimmt. 9 Symptomatisch ist § 4 Abs. 4 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – FinDAG vom 22. April 2002 (BGBl. I S. 1310), mit dem versucht wird, Amtshaftungsansprüche auszuschließen. Weder im FinDAG noch im KWG ist der Schutz der Endnutzer von „Finanzprodukten“ als besondere Aufgabe der Anstalt genannt. Auch im Schrifttum wird der Verbraucherschutz als unvereinbar mit der gesamtwirtschaftlichen Ausrichtung der Bankenaufsicht angesehen, vgl. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, Band II, 3. Aufl. 2008, § 125 Rn. 20. § 4 Abs. 4 FinDAG sei „notwendig geworden“, weil der BGH in zwei Entscheidungen Amtshaftungsanspruche gegen die Aufsichtsbehörden im Grundsatz für möglich gehalten hatte (BGH, Urteil vom 15. Februar 1979 – Wetterstein, WM 1979, S. 482, Urteil vom 1. Juli 1979 – Herstatt, WM 1979, S. 934). Dementsprechend lehnt der BGH die Existenz solcher Ansprüche nunmehr ab (BGH, ZIP 2005, S. 287 und S. 1168). Der EuGH hatte in dem vorgeschalteten Vorlageverfahren die Europarechtswidrigkeit der Vorschrift verneint (Vorlagebeschluss vom 16. Mai 2002, NJW 2002, S. 2464, EuGH Urteil vom 12. Oktober 2004, Rs. C 222/02, NJW 2004, 3479). Das Bundesverfassungsgericht hat sich noch nicht geäußert. 10 Einzelheiten bei Wagner, Die Einlagensicherung bei Banken und Sparkassen nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, 2004; Fröhlich, Die freiwillige Einlagensicherung der privaten Banken, 2008; zu Reformüberlegungen aus ökonomischer und rechtsvergleichender Sicht: Bigus/Leyens Einlagensicherung und Anlegerentschädigung, 2008.

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Fehlvorstellung – in Deutschland anders als in den USA11 keine Staatsgarantie oder Versicherung durch den Staat gibt, wenn man einmal von der mündlichen Erklärung der Bundeskanzlerin und des Bundesministers der Finanzen im Herbst 2008 absieht. Ihre rechtliche Wirksamkeit dürfte aber einer näheren Überprüfung nicht standhalten. Eine solche Garantie ist auch nicht durch die hastige Änderung der (unzureichenden) Richtlinien der EU12 oder die Novellierung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes im Jahre 2009 eingeführt worden13. Etwas verbessert worden ist allerdings der Verbraucherschutz bei Falschberatung14. Diese Fragenkreise sind eminent wichtig für das Vertrauen in das Bankensystem, können hier aber nicht weiter vertieft werden. Auch wenn die Politik unter starkem Handlungsdruck steht, ist jeder Aktionismus verfehlt. Es besteht die Gefahr, dass nur zweitrangige Symptome kuriert werden und nicht die angezeigte grundlegende Neugestaltung erfolgt. Eine solche will wohl überlegt sein. Das Geschehen ist trotz mancher Erkenntnisfortschritte immer noch nicht in vollem Umfang entschlüsselt; weder durch offizielle Berichte15 noch durch private Forschungsarbeiten16. 11 Die FDIC wurde errichtet durch Section 8 des Banking Act vom 16. Juni 1933 als „Amendment 12B“ zum „Federal Reserve Act“. Die notwendige Kapitalausstattung war von der Treasury und den 12 Federal Reserve Banks zur Verfügung zu stellen. Die Gesetzgebung wurde grundlegend reformiert in der Folge der Savings- and Loan Krise zwischen 1982 und 1991, in deren Verlauf andere Sicherungseinrichtungen insolvent geworden waren. Die Reform erfolgte vor allem durch den „Financial Institutions Reform, Recovery, and Enforcement Act“ (FIRREA) aus dem Jahre 1989 und dem „Federal Deposit Insurance Improvement Act“ (FDICIA) von 1991, durch den auch nahezu unbegrenzte Refinanzierungsmöglichkeiten bei der Treasury geschaffen wurden, vgl. Federal Deposit Insurance Corporation, A Brief History of Deposit Insurance in the United States, Prepared for the International Conference on Deposit Insurance, Washington D.C., September 1998, S. 27 f. (51 f., 54 f.). 12 Richtlinie 2009/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009, ABl. L 68 vom 13. März 2009, S. 3–7. 13 Regierungsentwurf vom 16. März 2009, BT-Drucks. 16/12255, Gesetz vom 25. Juni 2009 (BGBl. I S. 1528). 14 Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung vom 31. Juli 2009, BGBl. I S. 2512. 15 Financial Services Authority, A regulatory response to the global banking crisis, Discussion Paper 09/2, March 2009; Financial Services Authority, The Turner Review, A regulatory response to the global banking crisis, March 2009; International Monetary Fund, World Economic Outlook, Crisis and Recovery, April 2009; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Die Finanzkrise meistern – Wachstumskräfte stärken, Jahresgutachten 2008/09, November 2008, vor allem S. 144 ff., 164 ff. 16 Allen/Gale, Understanding Financial Crises, 2007; Krugman, Die neue Weltwirtschaftskrise, 2008 (deutsche Übersetzung von: The Return of Depression Economics, 1999); Steven L. Schwarcz, Systemic Risk, The Georgetown Law Journal, Vol. 97 (2008), S. 193–249; Gerlach/Giovannini/Tille/Vinals, Are the Golden Years of Central Banking Over? The Crisis and the Challenges, Geneva Reports on the World Economy 10, 2009; Brunnermeier/Crockett/Goodhart/Persaud/Shin, The Fundamental Principles

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Jedenfalls ist es nach bisherigem Erkenntnisstand multikausal und multifaktoriell. Es verbieten sich daher alle vorschnellen Pauschalurteile und unüberlegten Schnellschüsse. Soweit es nicht um die unmittelbare Krisenbewältigung geht, sondern um die Abwehr künftiger Gefahren, steht auch hinreichend Zeit zur Verfügung. Das eklatante Versagen der Wirtschaftswissenschaften, die – von einigen wenigen Außenseitern abgesehen17 – mit ihren hochkomplexen Modellen und minutiösen Prognosen die Krise auch nicht einmal im Ansatz voraus gesehen haben, kann an dieser Stelle nicht näher behandelt werden. Entsprechendes gilt für „die“ Märkte, deren immerwährende Effizienz in diesen Dingen noch vor wenigen Jahren allgemein gelobt wurde. Neben dem Marktversagen und dem Versagen der Wissenschaft ist aber noch ein dritter Bereich zu nennen: das Versagen von Staat und Recht18. Er soll im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen stehen. Aus der Vielzahl der damit verbundenen Probleme sollen im Folgenden einige Aspekte etwas näher betrachtet werden. Dabei sollen die Maßnahmen zur unmittelbaren Krisenbewältigung ausgeklammert werden. Auch können die drängenden Fragen nach der Rolle der Geldpolitik sowie der globalen außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte, die beide einen erheblichen, wenn nicht gar entscheidenden Beitrag zur Entstehung der Instabilitäten geleistet haben,19 hier nicht näher of Financial Regulation, Geneva Reports on the World Economy 11, 2009, Schwergewicht auf „maturity mismatch“; Dewatripont/Freixas/Portes, Macroeconomic Stability and Financial Regulation: Key Issues for the G20, Centre for Economic Policy Research, 2009; Huertas, Containment and Cure: Some Perspectives on the Current Crisis, Institute for Law and Finance der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Working Paper Series Nr. 96 (12/2008); Hüther/Hellwig/Hartmann-Wendels, Arbeitsweise der Bankenaufsicht vor dem Hintergrund der Finanzmarktaufsicht, Forschungsvorhaben fe 22/08, Bericht vom 17. Februar 2009; High Level Conference „Towards a new supervisory architecture in Europe“, 7 May 2009; Coval/Jurek/Stafford, The Economics of Structured Finance, Journal of Economic Perspectives, Vol. 3 (2009), S. 3–25; John B. Taylor, Getting off Track, 2009; Hank, Der amerikanische Virus, 2009. 17 Vor allem Shiller, Irrational Exuberance, 2nd edition (first published 2005), in dem schon auf die „Schneeballstruktur“ („Ponzi Process“) auf den Immobilienmärkten (S. 56 ff.) und das „Herdenverhalten“ (S. 157 ff.) hingewiesen wurde. 18 Dezidiert vom Versagen des Staates spricht auch der Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2008/09 (Fn. 15), Text-Nr. 257–259. Allerdings bleibt die pauschale Feststellung, dass das „Banksystem weltweit zu den besonders stark regulierten Sektoren“ zähle, doch sehr vordergründig. Die anschließend behaupteten massiven Defizite der „nationalen wie globalen Organisation der staatlichen Aufsicht“ verkürzt die Problematik erheblich. Die genannten Schwächen der Aufsicht lassen sich keineswegs auf Organisationsfragen reduzieren. Im Ansatz richtig ist allerdings seine Erkenntnis, dass sich die Finanzmärkte „durch eine hohe Kreativität“ auszeichnen „wenn es darum geht, staatliche Regulierungen zu umgehen“. Es sind aber nicht die (anonymen) Finanzmärkte, sondern Menschen, die sich so verhalten, und was eine „staatliche Regulierung“ ist, bedürfte genauerer Analyse. 19 Sie werden zu den wesentlichen (makroökonomischen) Ursachen der Krise gerechnet, vgl. Möschel, Die Finanzkrise – Wie soll es weitergehen?, ZRP 2009, S. 129. Dabei sind aber zwei wichtige Faktoren ungewiss, auf die Möschel nicht eingeht: (1) Mögli-

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behandelt werden. Das Hauptaugenmerk soll stattdessen auf folgende Fragenkreise gelegt werden: – Der Beitrag der Rechtsordnung zu Entstehung und Verlauf der Krise. – Verbesserung von Aufsicht und Kontrolle als Kern einer Neugestaltung. – Die Rolle der Ratingagenturen. – Die reale Bedeutung von Finanzmärkten und Finanzinstitutionen. – Überlegung zur Prävention. Dabei sollen nicht Detailregelungen im Vordergrund der Betrachtung stehen, sondern die grundsätzliche Rolle der Rechtsordnung für die Stabilisierung der Finanzmärkte. II. Der Beitrag der Rechtsordnung für Entstehung und Verlauf der Krise Einzelne Rechtsvorschriften haben die gegenwärtige Krise nicht verursacht; auch nicht die rechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt. Sie haben aber einen erheblichen Beitrag dazu geleistet. Sie haben es möglich gemacht, dass die Krise entstanden ist, wenn auch aus anderen Gründen, und dass sie einen so verhängnisvollen Verlauf genommen hat. Die Rechtsordnung hat die Werkzeuge dafür geliefert, dass innovative Finanzprodukte geschaffen werden konnten, die binnen kurzer Zeit „toxisch“ wurden und große Finanzinstitutionen in den Abgrund gerissen haben. Die Rechtsordnung hat auch die Werkzeuge dafür geliefert, dass immense Risiken in „Special Purpose Vehicles“ versteckt werden konnten, die jetzt noch die Bilanzen wichtiger Banken so belasten, dass der Staat unter Einsatz immenser Steuermittel immer neue Rettungseinrichtungen schaffen musste20 cherweise wich die Geldpolitik des Federal Reserve Systems nicht so deutlich von dem als Richtschnur anerkannten Taylor-Zinssatz ab, wie das im Nachhinein aussieht, wenn man die seinerzeit verfügbaren Daten für die Berechnung diese Zinses zugrunde legt. (2) Die Kausalitäten sind ungeklärt. Waren die Zahlungsbilanzungleichgewichte kausal oder die (kreditfinanzierten) Konsumausgaben in den USA? War nachfrageinduziert oder durch das immense Konsumgüterangebot, vor allem aus China, angebotsinduziert? 20 Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1980). Mit diesem Gesetz musste das Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmepaktes zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz – FMStG) vom 17. Oktober 2008 (BGBl. I S. 1982), das unter maßgeblicher Beteiligung einer angelsächsisch geprägten „law firm“ formuliert worden war, erneut grundlegend reformiert werden. Namentlich die dauerhafte Sanierung der Probleminstitute war noch nicht geleistet worden. Das Gesetz wandelt die Finanzmarktstabilisierungsanstalt in eine Dauereinrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit um (§ 3a Abs. 1 FMStFG), ermöglicht staatliche Garantien für Zweckgesellschaften, auf die problematische („toxische“) Wertpapiere ausgelagert werden (§ 6 a FMStFG), erlaubt die Bildung nicht-rechtsfähiger Bundesanstalten innerhalb der Finanzmarktstabilisierungsanstalt, auf die ebenfalls derartige Wertpapiere, aber auch ganze Geschäftsbereiche ausgelagert werden können (§ 8 a FMStFG) und regelt die Bildung entsprechender landesrechtlicher „Abwick-

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oder die betroffenen Institute in Staatshand überführt hat. Ob die Ausnutzung dieser Möglichkeiten aber der Rechtsordnung zuzurechnen ist, dürfte eher fraglich sein. Ein Versagen, das in jedem Fall Staat und Rechtsordnung zuzurechnen ist, muss aber im Bereich der Aufsicht konstatiert werden. Die Tausenden von Vorschriften auf vielen hundert Druckseiten im Aufsichtsbereich haben als Gesamtheit ihren Zweck nicht erfüllt. Sie haben das was wir seit zwei Jahren beobachten, nicht zu verhindern gemocht. Dazu sind sie aber geschaffen worden21. Der einzige Grund, warum Hunderte von komplexen Vorschriften existieren, ist der Eintritt einer solchen Situation, wie wir sie jetzt haben, verlässlich zu verhindern. Sie haben also grundlegend und nicht nur in Einzelausprägungen versagt. Damit ist noch keinerlei Schuldzuweisung verbunden. Es handelt sich lediglich um die Feststellung einer objektiven Tatsache. Aber auch Vollzugsdefizite mögen eine Rolle gespielt haben. In welchem Umfang das der Fall war, bedarf aber noch sorgfältiger Untersuchung. Fest steht nur, dass in keinem Fall die BaFin rechtzeitig eingeschritten ist, gleich ob es privatwirtschaftliche Institute, wie HRE oder Commerzbank, Institute in staatlicher Trägerschaft, wie SachsenLB, WestLB AG, LBBW oder Bayerische Landesbank, oder gemischtwirtschaftliche Institute, wie die IKB oder die HSH Nordbank, betraf. Ob sie intern gewarnt hat, ist nicht belegt. Alle diese Banken wären ohne den massiven, weitgehend endgültig verlorenen Zufluss von Steuermitteln schon lange verloren. Andererseits darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass zahlreiche Vorschriften keiner Umsetzung durch Behörden bedürfen, und dass sie wohl auch befolgt worden sind, also aufsichtsrechtliches Einschreiten nicht angezeigt war. Es ist daher auch zu prüfen, ob diese Vorschriften falsch konzipiert sind, also nicht die Aufsichtsbehörden, sondern der Gesetzgeber die Ursachen gesetzt hat. Das wird bei den vielfältigen Reformbemühungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, der juristisch betrachtet ein Nullum ist, der Europäischen Kommission, aber auch des Bundesgesetzgebers immer noch nicht hinreichend beachtet. Die verbreitete Rede von den „Regulators“ verstellt auch hier den Blick für eine sorgfältige Analyse. III. Verbesserung von Aufsicht und Kontrolle als Kern einer Neugestaltung Die geforderte Neugestaltung muss jedenfalls im Schwergewicht die Aufsicht über die Finanzmärkte und die Kontrolle der Finanzmarktakteure zum Gegenlungsanstalten“ (§ 8 b FMStFG). Das „Bad Bank“ Modell der Bundesbank ist erläutert in: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Mai 2009, S. 56–59. 21 Vgl. nur Fischer, Bankrechts-Handbuch (Fn. 9), Rn. 17; ders., in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler (Hrsg.), Kreditwesengesetz, 3. Aufl. 2008, Einf. KWG Rn. 61.

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stand haben. Das ist auch die dezidierte Auffassung des Internationalen Währungsfonds. Er hat sie in seinem „World Economic Outlook“ mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht: „A key lesson is that the EU financial stability framework needs to be revamped. Useful steps in this direction were proposed in the February 25, 2009, report of the de Larosière Group22. Ultimately, what is needed is an institutional structure for regulation and supervision that is firmly grounded on the principle of joint responsibility and accountability for financial stability, including the sharing of crisis related financial burdens.“ 23 Dabei muss es sich zunächst einmal um eine grundlegende Umgestaltung des institutionellen Rahmens für die Finanzmärkte handeln. Dieser – auch von Ökonomen gerne verwendete – Begriff bedarf allerdings der Konkretisierung. Zumindest eine Unterscheidung ist wichtig: Es ist zwischen den institutionellen Vorschriften für Organisation und Verfahren von Kontrolleinrichtungen und den materiellen Vorgaben für die Tätigkeit der Finanzmarktakteure zu unterscheiden. Die Grenzen verschwimmen allerdings an den Rändern, da es auch Regeln für die organisatorische Ausgestaltung der Finanzmarktakteure geben muss. Letztlich sind es die Regeln, die einer eingehenden Überprüfung und Neuausrichtung bedürfen. Das hat auch der Vorsitzende des Vorstandes der Deutschen Bank vor wenigen Tagen in einem Interview grundsätzlich anerkannt24. Nun ist aber in der Vergangenheit ein Wust von Regeln entstanden, deren Rechtscharakter teilweise unklar bis fragwürdig ist: Neben Rechtsnormen finden sich Empfehlungen, Richtlinien, Codices, Übereinkünfte, „good practice“ und vieles mehr. Sie werden nicht nur von Juristen zunehmend falsch eingeordnet und gerne unter dem Begriff „Regulierung“ zusammengefasst. Das spart eine genaue Analyse und ist sicher Teil der Probleme, vor denen wir jetzt stehen. Auch hier bedarf es einer Neubesinnung auf tradierte Begriffe und klare Strukturen. Der Begriff „Regulierung“ sollte vermieden werden. IV. Die Rolle der Ratingagenturen Eine besonders wichtige Rolle für die Entstehung der Krise und ihren Verlauf haben die Ratingagenturen gespielt. Es handelt sich um private, gewinnorientierte Unternehmen aus einer fremden Rechtsordnung, die gegen Bezahlung ihre Auftraggeber oder deren „Produkte“ bewerten und dafür im Grundsatz die gewohnten amerikanischen Schulnoten verteilen. Zudem üben sie in erheblichem Umfang gegen sehr auskömmliche Bezahlung Beratungstätigkeit für ihre Auftraggeber aus. Sie beurteilen sowohl Institute (Emittenten) als auch Forderungen. 22 23 24

Oben Fn. 5. International Monetary Fund, World Economic Outlook 2009 (Fn. 15), S. 84. Der Spiegel, 41/2009, S. 74.

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Das Urteil hat die Wahrscheinlichkeit zum Inhalt, dass innerhalb eines gegebenen Zeitraums Zahlungspflichten nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden. Daneben ist noch zwischen vom Schuldner in Auftrag gegebenen und nicht beauftragten Ratings zu unterscheiden. 1. Das Versagen der Ratingagenturen Das lange Zeit immer wieder vorgebrachte Argument, die Ratingagenturen könnten sich schon im Hinblick auf drohende Reputationsverluste nicht leisten, schlechte oder voreingenommene Arbeit zu leisten25 hat sich als grandiose Fehleinschätzung erwiesen. Die Qualität der Ratings hat sich schließlich vielfach als indiskutabel herausgestellt. Wenn Anleihen in großem Umfang Spitzennoten erhalten, die wenige Tage später nicht mehr absetzbar sind und damit einen Marktwert von Null haben oder wenn das emittierende Unternehmen wenige Tage nach Erteilung einer solchen Note Insolvenz anmelden muss, kann etwas nicht stimmen. Dazu bedarf es keiner Detailanalyse, vor allem wenn man bedenkt, dass es durchaus Unternehmen und Wertpapiere zum gleichen Zeitpunkt gegeben hat, wo das nicht geschehen ist: In jedem Fall liegt aber ein krasses Versagen der Agenturen vor, wenn sie für „Finanzinstrumente“ (meist Anleihen) Spitzennoten vergeben für deren Solidität sie keine Erfahrungswerte haben und wenn sie dieselbe Spitzennote für ein (dubioses) „strukturiertes“ Produkt wie für Anleihen der Bundesrepublik Deutschland erteilen. Entsprechendes gilt, wenn nach der Zusammenfassung von schwachen Forderungen in „strukturierten“ Produkten in sehr viel größerem Umfang Spitzennoten vergeben werden, als wenn jede darin enthaltene Einzelforderung getrennt bewertet worden wäre. Die Agenturen haben den Banken (Originatoren), von denen sie regelmäßig bezahlt worden sind, ganz maßgeblich dabei geholfen, in großem Stile den falschen Eindruck bei den Investoren zu erwecken, dass durch die „Umverpackung“ von Forderungen sich deren Qualität ändern lasse. Auch wenn man davon ausgeht, was aber nicht sicher ist, dass sich bestimmte Risiken durch Diversifizierung verringern lassen, haben sie die dafür maßgebenden methodischen Grundregeln (z. B. Berücksichtigung von Korrelationen zwischen den Einzelelementen) nicht hinreichend beachtet. Auch ist zweifelhaft, ob ab einer be25 v. Randow, Rating und Regulierung, ZBB 1995, S. 140 (147 f.): „Reputation ist auf dem von Wiederholungsgeschäften und Publizität geprägten Markt ein kostbares Gut.“ „Sie steht mit jedem neuen Urteil einer Rating-Agentur auf dem Spiel. Wer sie erworben hat, wird sie nicht dadurch leichtfertig gefährden wollen, dass er kurzfristig Begehrlichkeiten einzelner Emittenten nach übermäßig günstiger Einschätzung entspricht“ (S. 148); Schwarcz, Private Ordering of Public Markets: The Rating Agency Paradox, University of Illinois Law Review, 2002, S. 1 (14); Hill, Regulating the Rating Agencies, Washington University Law Quarterly, Vol. 82 (2004), S. 43 (74); Deipenbrock, Aktuelle Rechtsfragen zur Regulierung des Ratingwesens, WM 2005, S. 261 (262), Eisen, Haftung und Regulierung internationaler Rating-Agenturen 2007, S. 370.

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stimmten Größe eine Risikominderung durch Diversifizierung noch stattfinden kann. Andererseits ist aber keineswegs klar, dass die Institute, welche die hochkomplexen Papiere kreiert haben, diese Mechanismen zur bewussten Täuschung eingesetzt haben. Dafür waren sie selbst zu häufig auch Leidtragende. Entweder hatten sie diese innovativen, später toxischen Produkte wegen der Gewinnaussichten in ihrem Bestand gehalten oder dafür Garantien übernommen. Das waren aber die Hauptgründe für das spätere Scheitern dieser Institute. Objektiv haben die Agenturen aber mit ihren Bewertungen entscheidend dazu beigetragen, dass die gegenwärtige Krise dieses Ausmaß und diese Gefährlichkeit weltweit erlangen konnte. An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts, wenn man berücksichtig, dass in empirischen Studien früher eine hohe Korrelation zwischen Ratings und Ausfallwahrscheinlichkeiten ermittelt wurde26. 2. Effizienz von Bewertungen für den Markt Die prognostische Beurteilung der (künftigen) Zahlungsfähigkeit von Unternehmen und der von ihnen aufgenommenen Kredite ist grundsätzlich eine nützliche Tätigkeit und liefert den Märkten wichtige Informationen. Dies gilt vor allem auch für Wertpapiere, die diese Unternehmen emittieren. Unternehmen in diesem Sinne können sowohl Unternehmen des Finanzsektors als auch der „realen“ Wirtschaft sein. Es ist wenig effizient, wenn jeder Gläubiger eines Unternehmens separat Informationen über die Zahlungsfähigkeit dieses Unternehmens und die Ausfallwahrscheinlichkeit von Forderungen sammelt. Es genügt, wenn dieses einmal geschieht und die übrigen Marktteilnehmer darauf zurückgreifen können. Allerdings muss diese Beurteilung unvoreingenommen, methodisch korrekt und konsistent sein. Bei zunehmender Internationalisierung, fehlenden unmittelbaren Kontakten von Gläubigern und Schuldnern und der immer größeren Ungewissheit über die Fortdauer einer früher erworbenen Reputation wächst der Bedarf an verlässlichen Informationen über den Vertragspartner. Die Ratingagenturen versprechen, diesen Bedarf zu befriedigen. Damit lässt sich zu einem großen Teil ihre rapide Ausbreitung und ihre hohe Profitabilität erklären. 3. Die Verwischung von Verantwortlichkeiten Es kommt aber noch ein weiteres hinzu: Die Ratingagenturen befriedigen auch das ganz persönliche Bedürfnis der Entscheidungsträger nach Absicherung. Lange Zeit haben diese Personen gemeint, so einen Teil der Verantwortung für 26 Thompson/Vaz, Dual Bond Ratings: A Test of the Certification Function of Rating Agencies, The Financial Review, Vol. 25 (1990), S. 457 ff.; v. Randow, Rating und Regulierung (Fn. 25), S. 149.

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ihre Entscheidungen abwälzen zu können: Sie haben ja nur erstklassig „geratete“ Anleihen von erstklassig „gerateten“ Emittenten, die zudem noch eine Vielzahl von mehr oder weniger anerkannten Gütesiegeln und Akkreditierungen vorweisen können, erworben. Dieses Bedürfnis haben die Ratingagenturen ebenfalls erkannt und erfüllt. Allerdings haben sich diese Mechanismen nicht erst in der gegenwärtigen Krise als ausgesprochen fatal erwiesen, da sie zu einer Verschleierung und Verwässerung der Verantwortlichkeiten führen. Auch verändern sie die Anreize für die Akteure. Deswegen hat sich auch die EU-Kommission schon mit dem Thema „excessive reliance“ befasst27. 4. Die juristische Problematik dynamischer Verweisung auf private Bewertungen Aus juristischer Sicht ist besonders fragwürdig, dass die Bewertungen Eingang in Rechtsnormen gefunden haben (z. B. § 54 SolvV). Noten zu verteilen, ist jedem unbenommen. Das macht auch jeder Restaurantkritiker. Das juristische Problem besteht aber darin, dass der Gesetzgeber an diese Noten Rechtsfolgen geknüpft hat, die erhebliche kostenträchtige Auswirkungen haben28. Das aufsichtsrechtlich erforderliche Eigenkapital hängt maßgebend von den Adress(ausfall)-risiken der Ausleihungen ab, § 2 Abs. 1 SolvV. Für dessen Ermittlung ist entweder der Kreditrisiko-Standardansatz (KSA) oder der auf internen Ratings basierende Ansatz (IRBA) zu verwenden, § 8 Abs. 1 SolvV. Dabei spielen Bonitätsstufen eine entscheidende Rolle, die sich aber ihrerseits an den Ratings „anerkannter“ Ratingagenturen29 orientieren30. Unbeauftragte Ratings sind grundsätzlich bei der Bemessung des aufsichtsrechtlichen Eigenkapitals nicht verwendungsfähig, § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SolvV. Die BaFin kann aber Abweichungen zulassen, § 46 Abs. 1 S. 3 SolvV. Derartige (dynamische) Verweisungen des Gesetzgebers auf Nichtnormen oder Bewertungen nichtstaatlicher Einrichtungen sind hochproblematisch, auch wenn sie durchaus nicht singulär sind. Dies war aber wohl den Akteuren im Baseler Ausschuss, der weder eine demokratische Legitimation noch eine sonstige recht27 Policy options to address the problem of excessive reliance on ratings, consultation document, July 31, 2008. 28 Dazu bereits v. Randow, Rating und Regulierung (Fn. 25), S. 151 ff.; allgemein krit. zur Bezugnahme in Gesetzen auf „außerstaatliche Regelungen“ Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 5. Aufl. 2009, Art. 20 Rn. 123a mit ausführlichen Nachweisen für die weniger strenge Rechtsprechung. 29 Die Anerkennung richtet sich nach §§ 52 f. SolvV: Die Vorschriften orientieren sich an den CEBS-Guidelines on the recognition of External Credit Assessment Institutions. Es handelt sich aber nicht um Rechtsnormen, was häufig verkannt wird. 30 Die entsprechenden Tabellen sind abgedruckt bei Dürselen, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler (Hrsg.), Kreditwesengesetz (Fn. 21), SolvV § 54 Rn. 2.

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liche Grundlage hat31, mangels hinreichenden juristischen Sachverstands nicht klar. Der Ruf nach Aufsicht und Kontrolle von Ratingagenturen ist nicht neu. Schon der ENRON-Skandal hat zu gesetzgeberischen Maßnahmen geführt32. Die im Kern juristischen Fragwürdigkeiten im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Ratingagenturen lassen sich aber kaum mit der nun vielfach geforderten strengeren „Regulierung“ lösen. Schon im Hinblick auf die Oligopolistische Struktur der Märkte33, auf denen die Ratingagenturen tätig werden, aber auch im Hinblick auf die Besonderheiten von Informationsökonomien34, die eine Vervielfältigung der Informationen, wenn sie kostenträchtig neutral ermittelt worden sind, praktisch zu Null Grenzkosten ermöglicht, erwecken erhebliche Zweifel, ob mit verstärkten Aufsichtsmaßnahmen die Probleme zu lösen sind. Auch die hohen spezifischen Investitionen die zu erbringen sind, dürften ebenfalls verhindern, dass es effektiven Wettbewerb geben wird. Dabei ist nicht sicher, ob in diesem Fall mehr Wettbewerb heilsam wäre. Er könnte nicht zuletzt wegen der hohen spezifischen Investitionen ruinös werden („contestable competition“) und im Ergebnis zu einem „race to the bottom“ führen35. Die zivilrechtliche Haftung führt zumindest gegenwärtig ebenfalls nicht weiter. Die Agenturen schließen in ihren Bedingungen jede Haftung aus. Die Rechtsprechung hat mangels Anspruchsgrundlage Ansprüche der nicht am Vertragsverhältnis beteiligten Nutzer der Informationen ebenfalls abgelehnt.

31 Das Basel Committee on Banking Supervision ist keine Abteilung oder Einrichtung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, obwohl sie das Committee logistisch unterstützt. Aber selbst die BIZ hat nur eine höchst mittelbare Grundlage im Völkerrecht. Sie ist als privatrechtliche Gesellschaft schweizerischen Rechts gegründet worden, an der auch eine Gruppe privater Banken beteiligt war. Das Haager Abkommen vom 20. Januar 1930 über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nord-Irland, Italien und Japan mit der Schweiz sieht lediglich vor, dass die Schweiz der Bank das beigefügte Grundgesetz mit einigen Vorrechten zu gewähren habe. Als Anhang sind dem Abkommen die Statuten der Bank angefügt. Änderungen des Grundgesetzes und der Statuten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sind am 22. Juni 1970 bekannt gemacht worden (BGBl. II S. 765). Mittlerweile hat sie nur noch öffentlich-rechtliche Gesellschafter und kann damit wohl als mittelbare Einrichtung öffentlicher Verwaltung angesehen werden. 32 Credit Agency Reform Act of 2006, US Stat. 1327, 1328; dazu Haar, Nachhaltige Ratingqualität durch Gewinnabschöpfung? – Zur Regulierung und ihrer Implementierung im Ratingsektor, ZBB 2009, S. 177 (179). 33 v. Randow, Rating und Regulierung (Fn. 25), S. 148; aber keine Korrelation mit dem Qualitätsniveau bei Spencer, Monopoly, Quality and Regulation, Bell Journal of Economics, Vol. 6 (1975), S. 417 ff. 34 Vgl. v. Randow, ZBB 1996, S. 85 (92 f.). 35 Hill (Fn. 25), S. 75; Hunt, Securities and Exchange Commission Re-Proposed Rules for Nationally Recognized Statistical Rating Organizations – Release No. 3459343, File No. S7-04-09, Comments, 2009, S. 1.

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V. Die reale Bedeutung von Finanzmärkten und Finanzinstitutionen Alle Aussagen über Umfang und Bedeutung des „Finanzsektors“ sind nicht erst seit der Entwicklung der letzten Monate mit großer Vorsicht zu betrachten. Schon die Bedeutung des Begriffs „Finanzsektor“ ist unklar. Vermutlich sind damit die Finanzmärkte, vielleicht aber auch Versicherungen und finanzbezogene Dienstleistungen finanzieller Institutionen der Privatwirtschaft gemeint, nicht aber die makroökonomische Analyse der Geldwirtschaft. Vor allem lässt die relative Bedeutung eines so verstandenen, „Finanzsektors“ nicht ohne weiteres einen Schluss auf die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft zu. Normative Aussagen dahin, dass „der deutsche Finanzsektor seiner Bedeutung für die Volkswirtschaft nur unzureichend gerecht“ werde, entbehren hinreichender empirischer und theoretischer Grundlagen. Im Gegenteil gibt es Anzeichen dafür, dass die Volkswirtschaften, in denen der Anteil des Finanzsektors an der Wertschöpfung relativ gering ist im Verhältnis zur gewerblichen Produktion, letztlich stabiler sind und nachhaltiger Wohlstand schaffen. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass ein hoher Anteil von Finanzdienstleistungen an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung als solcher noch nichts über das Ausmaß der gesamtwirtschaftlichen Nutzenstiftung besagt. Als solcher hat er keinen besonderen Wert. Im Gegenteil kann er ein Anzeichen dafür sein, dass die notwendigen Dienstleistungen ineffizient erbracht werden, die Transaktionskosten (relativ) zu hoch sind. Auch wenn sich empirisch zeigen sollte, dass Volkswirtschaften mit einem hohen Anteil von Finanzdienstleistungen gesamtwirtschaftlich mehr Gewinn erwirtschaften, darf dabei aber nicht das unter Umständen wesentlich höhere Risiko, das dabei eingegangen wird, außer Acht gelassen werden. Das ist aber bei Gewinnbetrachtungen nur zu häufig geschehen. Die Bedeutung funktionierender Finanz- und Kapitalmärkte für das Wachstum einer Wirtschaft soll damit in keiner Weise in Abrede gestellt werden. Doch darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass Finanzmärkte lediglich bestimmte Dienstleistungen zu erbringen haben. Sie schaffen keine realen Güter und dürfen deshalb kein Selbstzweck sein. Sie gewinnen ihre Bedeutung ausschließlich in dienender Funktion. Auf diese Weise helfen sie mittelbar, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Darin liegt ihr Nutzen, aber auch nur darin. Es gilt, den Bezug zum Menschen wieder herzustellen. VI. Prävention Die Bekämpfung einiger Erscheinungen, die als Ursachen der Krise immer wieder diskutiert werden und teilweise auch schon zu Gesetzesvorhaben geführt haben, dürfte zwar eine hohe politische und mediale Bedeutung haben, aber kaum verlässlich zu einem stabileren Finanzsystem führen. Es handelt sich vor

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allem um einen zwingenden Selbstbehalt für die Schöpfer von strukturierten „Finanzprodukten“, – die Honorierung des (Spitzen-)Managements in der Finanzwirtschaft, – die Eigenkapitalquote, – die Größe und Verknüpfung der Institute. Ein zwingender Selbstbehalt hätte wohl kaum den Ausbruch der Krise verhindert. Im Gegenteil hatten die Banken, die in Schwierigkeiten geraten sind, in großem Umfang die strukturierten Wertpapiere, die dann „toxisch“ wurden, noch in ihren Bilanzen oder hatten für ihre Bezahlung Garantien übernommen36. Höhe und Struktur der Gehälter des Managements mögen eine zu hohe Risikoneigung hervorgerufen haben. Es besteht aber kein hinreichender Beleg, dass mit Obergrenzen oder der Orientierung am langfristigen Erfolg ein nennenswert anderes Verhalten zu sehen gewesen wäre. Hinzu kommt der Vertrieb vor Ort, der eine wichtige Rolle gespielt hat, aber politisch wesentlich weniger interessant ist. Die kleinen Bankangestellten oder Vermittler, fälschlich jetzt als „Bankberater“ tituliert, haben für erhebliches Mis-Selling gesorgt. Die Eigenkapitalquote ist nicht allein entscheidend. Alle Werte sind mehr oder weniger gegriffen. Auch eine Quote von 75 % im Gegensatz zu den jetzt geltenden 8 % kann den Untergang einer Bank nicht verhindern, wenn das Vertrauen in ihre Zahlungsfähigkeit beschädigt ist. Die fehlenden 25 %, die erforderlich wären, um alle Gläubiger zu befriedigen, sind dann fatal, wenn die Ausleihungen nicht absolut fristenkongruent refinanziert sind. Die Größe und Verknüpfung der Institute ist ein wichtiger Faktor. Aber selbst die Einführung von Obergrenzen kann nicht jede Instabilität ausschließen. Wenn viele Kleine in dieselbe Richtung laufen, wie in der Savings- und Loan-Krise in den USA, muss faktisch der Staat ebenfalls helfen. Die Verstaatlichung der Banken mag als Augenblicksmaßnahme durchaus angezeigt sein und hat im In- und Ausland auch in erheblichem Umfang stattgefunden. Sie löst aber keineswegs das Problem. Neben den bekannten privaten Großbanken Hypo-Real-Estate, Commerzbank/Dresdner Bank und den gemischtwirtschaftlichen Instituten IKB und HSH/Nordbank waren es vor allem die Mehrzahl der Landesbanken, die in Deutschland massiv in Schwierigkeiten geraten sind. Die Verstaatlichung von Staatsbanken macht keinen Sinn. In USA waren es die halbstaatlichen Förderbanken „Fannie Mae“ (Federal Horne Loan Mortgage Corporation) und „Freddie Mac“ (Federal National Mortgage Association [FNMAJ]), nicht aber das wenig bekannte, aber ähnlich strukturierte Förderinstitut „Ginnie Mae“ (Government National Mortgage Association [GNMA]), die massive Unterstützung benötigten. Staatliches oder privates Eigentum an einer Bank war nicht der (alleine) maßgebende Umstand für Schwierigkeiten oder Wohlergehen. 36

Vgl. Huertas (Fn. 16), S. 5.

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Sicher scheint jedenfalls zu sein, dass das Euro-System keiner grundlegenden Umgestaltung bedarf. Die EZB und der Euro haben sich hervorragend gehalten. Entgegen zahlreicher skeptischer Stimmen hat die einheitliche Währung maßgebend zur finanziellen Stabilisierung schwächerer Mitgliedstaaten beigetragen37. Der Harvard-Ökonom Kenneth Ragoff hat es so ausgedrückt: „Insgesamt glaube ich, es war eine gute Krise für Europa: Der Euro ist nicht kollabiert, kein Staat ist bankrottgegangen. Es war ein kurzzeitiges Drama. Deutschland wird sich langsam, aber stark erholen.“ 38 Der zweite Teil der Aussage dürfte aber im Hinblick auf die gigantisch wachsende Staatsverschuldung39 in Frage zu stellen sein, auch wenn den Deutschen insoweit oft zu viel Ängstlichkeit vorgeworfen wird. Holzschnittartig möchte ich Ihnen nunmehr einige der Veränderungen nennen, die besonders dringlich erscheinen: 1. Aufsichtsrecht als Sonderordnungsrecht Das Aufsichtsrecht muss wieder klar als Sonderordnungsrecht konzipiert werden. Es dient der Gefahrenabwehr und nicht der Stärkung des „Finanzplatzes Deutschland“. Alle Tendenzen, dieses Recht als eine Art korporatistisches Standesrecht der Banken, oder genauer: einiger Großbanken zu begreifen40 müssen unterbunden werden. Die Vorstellung, dass Aufsichtsregeln eine Selbstordnung („Selbstregulierung“) der Industrie sein können, die durch mehr oder weniger private eigene Kontrolleinrichtungen vollzogen werden könnten, funktioniert allenfalls insoweit, als einzelne „schwarze Schafe“ ausgesondert werden, verhindert aber keinesfalls gefährliche branchenweite Fehlentwicklungen. Es muss auch den ökonomisch ausgerichteten Beratern wieder klar gemacht werden, dass Verhaltensempfehlungen oder Kodices etwas anderes sind als Rechtsnormen und dass diese Rechts37 Das ist auch die Einschätzung der EU-Kommission in ihrem Jahresbericht 2009 über das Euro-Gebiet: Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic und Social Committee, the Committee of the Regions and the European Central Bank, Annual Statement on the Euro Area 2009, vom 7. Oktober 2009, COM (2009), 527. 38 Interview in: Der Standard vom 11. Oktober 2009. 39 Für Deutschland werden Staatsverschuldungsquoten bis fast 100 % des BIP prognostiziert, allerdings mit großen Unterschieden, je nachdem welche Annahmen über Wachstumsraten, Nominalzinsen und Erfolge bei der Einschränkung des Primärsaldos gemacht werden, vgl. Boone, Euro Theme, Fiscal exit strategy, no sweet medicine, in: Barclays Capital vom 25. September 2009. 40 In diesem Sinne Junker, Gewährleistungsaufsicht über Wertpapierdienstleistungsunternehmen, 2003, S. 68 („regulierte Selbstregulierung“), der dieses Ordnungsmodell nicht einmal mehr eindeutig dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zuordnen mag (S. 273).

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III. Finanzmärkte

normen strikt zu beachten sind. Das ist keine Frage von mehr oder weniger guter „Compliance“. Damit ist auch eine nur subsidiäre Geltung wesentlicher Elemente des Aufsichtsrechts nicht zu vereinbaren. Namentlich die Solvabilitätsverordnung weist derartige Tendenzen auf. Bei der Ermittlung von Adressrisiken erlaubt sie beispielsweise neben dem Kreditrisiko-Standardansatz (KSA), §§ 24 ff. SolvV, ein auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRBA), §§ 55 ff. SolvV. Damit wird den Instituten, die damit umgehen können, weitgehend überlassen, selbst zu bestimmen, welchen materiellen Gehalt die Regelungen tatsächlich für sie haben. Die Aufsicht der BaFin über diese Verfahren hat jedenfalls nach bisherigem Erkenntnisstand nicht ausgereicht. 2. Organisation der nationalen Aufsicht Die Aufsichtseinrichtung darf nicht unter dem Einfluss der Beaufsichtigten stehen. Sowohl der Wunsch der Politik als auch der aufsichtsunterworfenen Institute ging aber dahin, ihre Geschäftstätigkeit auszuweiten, große Einheiten zu schaffen und den Finanzplatz Deutschland zu stärken. Die dabei vernachlässigten Risiken haben sich als fatal erwiesen. Da sowohl Markt- als auch Staatsversagen vorliegt, ist es nicht möglich, pauschale Empfehlungen abzugeben. Jedenfalls ist die Finanzierung der BaFin allein aus eigenen Einnahmen (§ 13 Abs. 1 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – FinDAG) für den finanzminister erfreulich, aber staatsrechtlich nicht ohne Risiken41, auch wenn das Bundesverfassungsgericht vor wenigen Tagen diese Umlage als zulässige Sonderabgabe hat passieren lassen42. Auch das sehr starke Gewicht der Aufsichtsunterworfenen und ihrer Verbände im Verwaltungsrat der BaFin (§ 7 Abs. 3 FinDAG) mag zwar den skizzierten korporatistischen Vorstellungen entsprechen, ist aber im Grundansatz verfehlt. Zudem hat der Fachbeirat nach § 8 FinDAG seine Aufgabe als unabhängiges Beratungsgremium nicht erfüllt. Ob die Krise mit einer zentralen Aufsicht anders verlaufen wäre, ist alles andere als sicher. Reibungsverluste im Bereich von § 7 Kreditwesengesetz – KWG – und der „Aufsichtsrichtlinie“ der Bundesregierung sind nicht zu bestreiten, doch dürfte eine von der Politik unabhängige Bankenaufsicht nicht mit dem Demokratieprinzip zu vereinbaren sein (Verbot „ministerialfreier Räume“). Obschon leichte Vorteile für eine Ansiedlung zumindest der Bankenaufsicht bei der Bundesbank zu erkennen sind, können dadurch Gefahren für ihre europarechtlich (Art. 108 EGV) und verfassungsrechtlich (Art. 88 S. 2 GG) garantierte Unabhän41 Dezidiert für Verfassungswidrigkeit: Ehlers/Achelpöhler, Die Finanzierung der Wirtschaftsaufsicht des Bundes durch Wirtschaftsunternehmen, NVwZ 1993, S. 1025 (1031), aber Gebührenerhebung für einzelne Amtshandlungen zulässig. 42 BVerfG, Beschluss vom 16. September 2009, 2 BvR 852/07, WM 2009, S. 2023.

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gigkeit entstehen, wenn diese Garantie nur für die Geldpolitik gewährt ist. Das ist allerdings umstritten. Es wird sich in jedem Fall um eine juristische Gratwanderung zwischen Demokratieprinzip und Unabhängigkeitsgarantie handeln. 3. Europäisierung und Globalisierung der Aufsicht Es besteht weitgehend Einigkeit, dass die Ausbreitung der Krise durch das weitgehende Fehlen einer grenzüberschreitenden Aufsicht begünstigt worden ist. Die Vorschläge der de Larosière-Gruppe, die im Oktober 2008 von der EU-Kommission eingesetzt worden war, erhielten insoweit zwei wesentliche Empfehlungen: – Errichtung einer präventiv tätigen, institutsübergreifenden („macroprudential“) Aufsichtseinrichtung mit dem Namen „European Systemic Risk Council“ (ESCR); – Umwandlung der bestehenden Ebene-3 Ausschüsse (3L3 committees)43 in ein neues europäisches System von Finanzaufsicht (ESFS) mit hoheitlichen Funktionen44. Im Kern hat die Kommission diese Vorschläge übernommen und entsprechende Gesetzgebungsinitiativen ergriffen. Allerdings sollen die Einrichtungen etwas andere Bezeichnungen haben. Die vorgeschlagene Struktur ist aber beibehalten worden. Auch ergibt sich aus den Verordnungsentwürfen eindeutig, dass die einzelnen Aufsichtseinrichtungen als Europäische Behörden („Authorities“) organisiert werden sollen45. Die lange Zeit sehr umstrittene Frage, ob das Risk Council tatsächlich der EZB angegliedert würde, ist ebenfalls dahingehend entschieden worden, dass diese nunmehr „European Systemic Risk Board“ genannte Einrichtung mit der 43 Committee of European Banking Supervisors (CEBS) (Ausschuss der europäischen Bankaufsichtsbehörden), eingesetzt durch Beschluss der Kommission vom 5. November 2005, L 3/28; Committee of European Securities Regulators (CESR), eingesetzt durch Beschluss der Kommission vom 6. Juni 2001, ABl. vom 13. Juli 2001, L 191/45; Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors (CEIOPS), eingesetzt durch Beschluss der Kommission vom 23. Januar 2001, ABl. vom 29. Januar 2001, L 25/28, ersetzt durch Beschluss der Kommission vom 29. Januar 2009, ABl. vom 29. Januar 2009, L 25/28. CEIOPS ist als juristische Person des privaten Rechts (eingetragener Verein) mit Sitz in Frankfurt am Main organisiert worden (Gründungsversammlung am 28. Mai 2004). Seine Mitglieder sind ausschließlich die nationalen Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten oder die Mitgliedstaaten selbst, wenn diese Behörden keine Rechtsfähigkeit besitzen. 44 Näher Siekmann, Die Schaffung von Einrichtungen der Finanzaufsicht auf EUEbene, Stellungnahme zu dem Vorschlag der Sachverständigengruppe unter dem Vorsitz von Jacques de Larosière, Institute for Monetary and Financial Stability der Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Working Paper Series No. 24 (2009). 45 Oben Fn. 6.

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III. Finanzmärkte

EZB verknüpft werden soll46, wenn auch nicht so eng, wie von der de LarosièreGruppe vorgeschlagen. Insgesamt hat die EU-Kommission die Vorschläge aber aufgegriffen und die notwendigen Schritte zu ihrer Aufnahme in das EU-Recht eingeleitet. Juristische Fragen stellen sich vor allem im Hinblick auf die – wenn auch abgeschwächte – Einbindung der EZB, da das Primärrecht der EU in Art. 105 Abs. 5 und 6 EGV möglicherweise abschließend die Frage der Beteiligung der EZB bei der Finanzmarktaufsicht regelt. Die Übertragung von Aufgaben der Versicherungsaufsicht ist in Art. 105 Abs. 6 EGV ausdrücklich ausgeschlossen. Die Errichtung von authorities durch sekundäres Gemeinschaftsrecht ist zwar in der Praxis recht weit verbreitet, stößt aber ebenfalls auf Bedenken, die mit dem Stichwort „Meroni Doktrin“ 47 verbunden sind. Danach dürfen Einrichtungen mit Hoheitsbefugnissen möglicherweise nur durch Vertragsänderung oder -ergänzung errichtet werden, auch wenn der EuGH zuletzt eine großzügigere Haltung eingenommen hat48. 46

Art. 5 Nr. 5, Art. 6 Nr.1 a des proposal for a regulation of the European Parliament and of the Council on Community macro prudential oversight of the financial system and establishing a European Systemic Risk Board, COM (2009) 499 final; proposal for a Council decision entrusting the European central Bank with specific tasks concerning the functioning of the European Systemic Risk Board, COM (2009) 500 final. 47 Der EuGH hat in seiner „Meroni“-Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11) Grenzen für die Übertragung von Befugnissen auf Einrichtungen aufgestellt, die von den Organen der Europäischen Gemeinschaften getrennt sind. In dem entscheidenden Fall ging es um die Übertragung von finanzrechtlichen Befugnissen auf eine selbstständige finanzielle Einrichtung („Ausgleichskasse für eingeführten Schrott“), die in privatrechtlicher Form organisiert war. Eine solche Übertragung war als solche ausdrücklich in Art. 53 Abs. 1 EGKSV vorgesehen. Es ging also im Wesentlichen um die Modalitäten und die Grenzen der Übertragungsmöglichkeit. Im Ergebnis müssen bei der Übertragung von Hoheitsbefugnissen zumindest folgende Anforderungen beachtet werden: Es dürfen „keine weitreichenden Befugnisse übertragen werden, als sie der übertragenden Behörde nach dem Vertrag selbst zustehen“ EuGH Urteil vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, S. 11 (40). Es dürfen nur Ausführungsbefugnisse übertragen werden, die genau umgrenzt sind und deren Ausübung von dem zuständigen Gemeinschaftsorgan beaufsichtigt wird, EuGH Urteil vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, S. 11 (44), bezogen auf die Hohe Behörde. Der Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz darf durch die Übertragung von Aufgaben auf nachgeordnete Stellen nicht verletzt werden, EuGH, Urteil vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, S. 16 (44). Die Übertragungsentscheidung muss ausdrücklich erfolgen, EuGH-Urteil vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, S. 11 (15, 42). 48 In seiner Entscheidung zur Gründung der Agentur für Netz- und Informationssicherheit hat der EuGH die „Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung“ ausdrücklich anerkannt, EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-217/04, Rn. 44, Slg. I (2006), 3771 (3806); abl. Ohler, Anmerkung zum EuGH Urteil vom 2. Mai 2006, Aktenzeichen C217/04, EuZW 2006, S. 369 (373 f.), der aber das Vorliegen einer „ungeschriebenen Annexkompetenz“ in Erwägung zieht. Nach Auffassung des EuGH kann der Gemeinschaftsgesetzgeber im Rahmen von Art. 95 EGV aufgrund seiner Sachwürdigung die Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung für notwendig erachten. Sie muss allerdings die Aufgabe haben, einen Beitrag zur Verwirklichung des Harmonisierungsprozesses zu leisten, EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-217/04, R. 44 Slg. I (2006), 3771 (3806).

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4. Reduktion der Komplexität Wesentliche Teile des Aufsichtsrechts sind im Wesentlichen unlesbar. Das betrifft sowohl die einschlägigen Richtlinien der EU als auch das deutsche Kreditwesengesetz und die dazu ergangenen Ausführungsverordnungen, die fast ausschließlich europarechtliche Vorgaben umsetzen. Auch wenn man berücksichtigt, dass es sich um Recht zur Regelung einer engen Spezialmaterie handelt, erfüllt es kaum die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Klarheit und Verständlichkeit von Normen49. Auch wenn die Grundidee von Basel II einleuchtet, die Orientierung der Eigenkapitalerfordernisse an dem individuellen Risiko des Schuldners auszurichten, ist ihre praktische Umsetzung in den genannten Regelwerken problematisch und hat zu gefährlichen Ergebnissen geführt. Eine Rückkehr zu einfachen, theoretisch weniger eleganten Regeln, wie Basel I, ist zu erwägen. Jedenfalls ist die prozyklische Wirkung der Basel II-Regeln zu beseitigen. Daran wird aber schon gearbeitet. Allerdings haben sie nicht die Krise herbeigeführt, sondern allenfalls zeitweise verschärft. Zur Prävention tragen derartige neue Regeln nicht wesentlich bei. 5. Anteil der Fremdfinanzierung („leverage“) Materielle Regeln über das Ausmaß der Fremdfinanzierung von Finanzinstitutionen sind angezeigt. Sie verringern zwar die Eigenkapitalrentabilität, erhöhen aber den Sicherheitspuffer in der Krise. Allerdings hätte auch ein deutlich höheres Eigenkapital zahlreiche der in Schwierigkeiten geratenen Banken nicht vor der drohenden Illiquidität oder der Insolvenz geschützt. Das Problem des „atmenden“ Eigenkapitals ist zu lösen. 6. Erfassung von Risiken Die Fristeninkongruenz bei der Finanzierung von Aktiva war eine der Hauptursachen für die Schwierigkeiten von Banken und anderen Finanzdienstleistern. Hier sind sehr viel strengere Rechtsvorschriften zur Begrenzung der damit verbundenen Risiken und zur Erzeugung von Transparenz auch für die Kapitalgeber erforderlich. Entsprechendes gilt für die Bewertung der Aktiva und das Verbot von gefahrgeneigten Aktivitäten außerhalb des Rechnungswesens („off-balance-sheet“). Ein Der EuGH verlangt weiter, dass die Aufgaben, die einer solchen Einrichtung übertragen werden, in engem Zusammenhang mit den Bereichen stehen auf die sich die Rechtsakte zur Angleichung er Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten beziehen, EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-217/04, Rn. 45 Slg. I (2006), 3771 (3806). 49 BVerfGE 14, 13 (16); 17, 306 (314); 47, 239 (247); 103, 21 (33).

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großer Teil der Investmenttätigkeiten der Banken sind „off-balance-sheet“ erfolgt. Entsprechendes gilt für die Beratungstätigkeit und Garantieübernahmen. Eine Unterlegung mit Eigenkapital statt Verboten ist zu erwägen. 7. Implizite Garantien für das Überleben von großen Instituten Größenbeschränkungen sind erforderlich, damit sich das Management nicht auf eine implizite Staatsgarantie verlassen kann. Eine Bank soll nicht „too big to fail“ sein. Ob neue Regeln über eine „geordnete“ Insolvenz von Banken erforderlich sind, ist eher ungewiss. Auch sie hätten vermutlich wenig am Verlauf der Krise geändert. Aus Sicht der Politik sind sie aber wohl so wichtig, dass wieder einmal, wie bei den Finanzmarktstabilisierungsgesetzen Anwaltskanzleien mit der Ausarbeitung von Gesetzesentwürfen beauftragt worden sind. Möglicherweise sind aber (neue) explizite Garantien vorzuziehen, da für diese eine risikoadjustierte Prämie verlangt werden kann. Auch lassen sich strengere Transparenz und Aufsichtsmöglichkeiten damit rechtfertigen. 8. Zulassungsverfahren für Verbriefungen Eine weitere wesentliche Ursache für Entstehung und Verlauf der Krise ist die Intransparenz der Verbriefungen. Im Extremfall ist hier an ein staatliches Zulassungsverfahren zu denken, zumindest soweit ein Vertrieb an Personen außerhalb des Finanzsektors erfolgen soll. Für Produkte außerhalb des Finanzsektors, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen können, ist das kein Problem. Entsprechendes sollte auch für „Finanzprodukte“ gelten, wenn sie zu einem vollständigen Zusammenbruch des Finanzsystems führen können. Entsprechendes mag auch aus Verbraucherschutzgründen gelten. Auch zugelassene Arzneimittel oder Chemikalien sind beispielsweise nicht für jedermann frei verkäuflich. Ob aber ein derartiger zusätzlicher Schutz der Investoren ausreicht, um Systemstabilität zu garantieren, ist indes fraglich, da nahezu alle Banken, welche in Schwierigkeiten geraten sind, entweder noch von ihnen selbst geschaffene Wertpapiere im Portfolio hatten oder dafür Garantien übernommen hatten. Sie haben selbst an die überdurchschnittlichen Gewinnmöglichkeiten der von ihnen geschaffenen Papiere geglaubt. Sie sind also auch Opfer, da sie an die Bewertungen der Ratingagenturen geglaubt haben. 9. Ratingagenturen Ohne das Wirken der Ratingagenturen und der Art und Weise, wie sie ihre Zensuren verteilt haben, wäre die Krise entweder nicht entstanden oder anders verlaufen. Vor allem hätte die Intransparenz der „innovativen“, jetzt „toxischen“ Finanzprodukte, welche die Finanzmärkte und Steuerzahler in Billionenhöhe belasten, nicht ihre fatale Wirkung entfalten können. Hier sind völlig neue Wege

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angezeigt. Eine denkbare Möglichkeit wäre die Errichtung absolut neutraler, öffentlich-rechtlicher Einrichtungen. Dahin ging der Vorschlag des EU-Binnenmarktkommissars McCreevy50. Dabei war aber eine Finanzierung aus öffentlichen Mitteln noch ausgeklammert. Sie dürfte aber der entscheidende Punkt sein. Ob die Vorgabe eines Mindestqualitätsniveaus51 und eine daran geknüpfte Gewinnabschöpfung52 weiter helfen würde, dürfte schon aus praktischen Gründen zu bezweifeln sein. 10. Entscheidungen und Entscheidungsträger Ein Faktor, der große Aufmerksamkeit verdient, ist das menschliche Verhalten. Letztlich waren es objektiv fehlerhafte menschliche Entscheidungen, welche die Krise ausgelöst haben und zu ihrem fatalen Verlauf geführt haben. Es gibt Anzeichen, dass die Entscheidungsfindung in vielen Instituten sehr problematisch war. Das betrifft vor allem Kollegialorgane, die möglicherweise zu radikaleren Entscheidungen neigen als Einzelpersonen. In Kollegialorganen von Banken einschließlich ihrer Vorstände gab es wohl eine Unkultur autokratischer Gremienvorsitzender, die nur vorher gefasste Entscheidungen durchsetzen wollten. Jeder Hinweis auf Risiken oder Alternativstrategien wurde als Störung empfunden und konnte das Ende der Karriere bedeuten. Vorsichtiges Verhalten wurde institutsintern als langweilig oder gar überholt angesehen. Es brachte zudem nicht genügend Gewinn, um unter Konkurrenzdruck mithalten zu können. Zwangsläufig entstand eine kollektive Fehlwahrnehmung von Risiken. Das eherne Gesetz, dass hohe Erträge im Finanzsektor mit hohen Risiken verbunden sind, wurde missachtet oder verdrängt. Hinzu kommt die spezifische Ausbildung und Persönlichkeitsstruktur der Entscheidungsträger im Finanzsektor. Damit sind nicht allgemein die Natur des Menschen und seine Schwächen gemeint. Die Kategorie „Gier“, die gerne in der Öffentlichkeit diskutiert wird, ist irreführend. Es geht vielmehr um spezifische Persönlichkeitsmerkmale, die sehr selten sind, aber möglicherweise gehäuft bei Entscheidungsträgern in Finanzinstituten auftreten. Hinzu kommt die Art der Ausbildung in „finance“ und in „business. schools“. Auch hier gibt es Anzeichen, dass es erhebliche Schwächen gibt, die aber keinesfalls kurzfristig beseitigt werden können. Überflüssig und eher schädlich ist jedenfalls die Ausbreitung von „Ethikbeauftragten“ oder die Einrichtung von Lehrstühlen für „business ethics“. Es handelt sich nicht um Probleme der Moralphilosophie, sondern effi50

Börsen-Zeitung vom 13. November 2008, S. 3. Hunt, Credit Rating Agencies and the Worldwide Credit Crisis: the Limits of Reputation, the Insufficiency of Reform, and a Proposal for Improvement, Columbia Business Law Review, 2009, S. 109 (179). 52 Haar (Fn. 32), S. 187. 51

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zienter und zweckentsprechender Organisation von Institutionen sowie der Ausbildung und Auswahl von Führungspersonal. Hier dürften entscheidende Schwächen bestehen. Kurzfristig könnte hier allenfalls ein Verbot ganzer Kategorien von Geschäften helfen, die sich nur marginal von reinem Glücksspiel unterscheiden. VII. Schlussbemerkung Es ist noch zu früh, eine abschließende Bewertung der Entwicklung auf den Finanzmärkten während der letzten zwei Jahre vorzunehmen. In jedem Fall sind aber alle Regelungen auf den Prüfstand zu stellen. Das Aufsichtsrecht hat insgesamt seine Aufgabe, Finanzstabilität zu gewährleisten, nicht erfüllt. Wesentliche Schritte für eine grundlegende Reform sind: – ein striktes Verständnis des Aufsichtsrechts als Sonderordnungsrecht, – eine drastische Reduktion der Komplexität der Rechtsvorschriften, – die Internationalisierung und Europäisierung der Aufsicht, – die Steigerung der Transparenz der Verbriefung, einschließlich eines möglichen Zulassungsverfahrens und des Verbots bestimmter gefährlicher „Produkte“, – die vollständige Neuausrichtung der Bewertung von Finanzunternehmen und ihrer „Produkte“ („ratings“), – die Einbeziehung des menschlichen Verhaltens und der Persönlichkeitsstruktur der maßgebenden Personen in den Finanzinstitutionen.

4. Die Finanzmarktaufsicht in der Krise* Im März des Jahres 2009 hatte der Nobelpreisträger Edmund S. Phelps gefordert, dass der Finanzsektor von Grund auf neu gestaltet werden müsse. Auch in einer breiteren Öffentlichkeit hat diese Forderung Anklang gefunden, ohne sogleich mit der Diagnose eines Versagens des „Kapitalismus“ oder der „Marktwirtschaft“ verbunden zu werden. Mit einer solchen Diagnose waren zwar interessierte Kreise aus Politik und Medien schnell bei der Hand. Das war zu erwarten. Doch lenken derartige Großformeln und die Diskussion abstrakter Systemfragen nur von den eigentlichen Problemen ab1. Stattdessen ist die Befassung mit konkreten Sachfragen sehr viel ergiebiger. Die geforderte Neugestaltung muss jedenfalls im Schwergewicht die Aufsicht über die Finanzmärkte und die Kontrolle der Finanzmarktakteure zum Gegenstand haben. Das ist auch die dezidierte Auffassung des Internationalen Währungsfonds. Er hat sie in seinem „World Economic Outlook“ mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht: „A key lesson is that the EU financial stability framework needs to be revamped. Useful steps in this direction were proposed in the February 25, 2009, report of the de Larosière Group. Ultimately, what is needed is an institutional structure for regulation and supervision that is firmly grounded on the principle of joint responsibility and accountability for financial stability, including the sharing of crisis-related financial burdens.“ 2 Ob aber aus der zutreffenden Erkenntnis der Notwendigkeit einer Neugestaltung des Finanzsektors tatsächlich auch die richtigen Konsequenzen gezogen werden, ist allerdings alles andere als sicher. Im Gegenteil mehren sich die Anzeichen, dass mit dem Abflauen oder zumindest der Eindämmung der Krise die maßgebenden Akteure auf den Finanzmärkten am liebsten weiter machen möchten wie bisher; so als sei nichts Nennenswertes geschehen und nicht unvorstellbare Lasten durch eine explodierende Staatsverschuldung zukünftigen Generationen aufgebürdet worden. Dieser Schaden ist bereits entstanden und lässt sich auch nicht mehr ändern. Über die Bewältigung seiner Folgen und die Ver* Erstveröffentlichung in: Arno Scherzberg, Ilyas Dogan, Osman Çan (Hrsg.), Staatliche Finanzmarktregulierung und Eigentumsschutz, Münster/Hamburg/Berlin/Wien/ London, 2010, S. 9–66. 1 Ähnlich Sank, Der amerikanische Virus, 2009, S. 13, 212. 2 International Monetary Fund, World Economic Outlook, Crisis and Recovery, April 2009, S. 84. Bei dem angesprochenen Bericht handelt es sich um: The High-Level Group on Financial Supervision in the EU, Chaired by Jacques de Larosière, Report, Brussels, 25 February 2009; näher dazu unten S. 566.

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hütung einer ähnlichen Entwicklung in der Zukunft ist allerdings intensiv nachzudenken. I. Die Suche nach den Ursachen der Krise 1. Die einzelnen Faktoren Das Geschehen ist trotz mancher Erkenntnisfortschritte immer noch nicht in vollem Umfang entschlüsselt; weder durch offizielle Berichte3 noch durch private Forschungsarbeiten4. Die Mutierung der Bankenkrise zu einer Staatsschul3

[de Larosière] The High-Level Group on Financial Supervision in the EU (Fn. 2), Kapitel I; Department of the Treasury, Financial Regulatory Reform, A New Foundation: Rebuilding Financial Supervision and Regulation, 2009; Financial Services Authority, A regulatory response to the global banking crisis, Discussion Paper 09/2, March 2009; International Monetary Fund (Fn. 2); Issing/Asmussen/Krahnen/Regling/ Weidmann/White, New Financial Order- Recommendations by the Issing Committee, Part I (October 2008), Center for Financial Studies of the University Frankfurt (February 2009); Part II (March 2009), Center for Financial Studies of the University Frankfurt, White Paper No. II (February 2009); [Lamfalussy], High-Level Committee on a New Financial Architecture, chaired by Alexandre Lamfalussy, June 2009; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Die Finanzkrise meistern – Wachstumskräfte stärken, Jahresgutachten 2008/09, November 2008, vor allem S. 144 ff., 164 ff.; [Turner], Financial Services Authority, The Turner Review, A regulatory response to the global banking crisis, March 2009. 4 Acharya/Philippon/Richardson/Roubini, The Financial Crisis of 2007–2009: Causes and Remedies, in: Acharya/Richardson (ed.), Restoring Financial Stability, 2009, S. 1 ff.; Acharya/Schnabl, How Banks Played the Leverage Game, in: Acharya/Richardson (ed.), Restoring Financial Stability, 2009, S. 83 ff.; Akerlof/Shiller, Animal Spirits, 2009, S. 86 ff.; Allen/Gale, Understanding Financial Crises, 2007; Allen/Gale (ed.), Financial Crises, 2008; Brunnermeier/Crockett/Goodhart/Persaud/Shin, The Fundamental Principles of Financial Regulation, Geneva Reports on the World Economy 11, 2009: Schwergewicht auf „maturity mismatch“; Coval/Jurek/Stafford, The Economics of Structured Finance, Journal of Economic Perspectives, Vol. 23 (2009), S. 3–25; Dewatripont/Freixas/Portes, Macroeconomic Stability and Financial Regulation: Key Issues for the G20 Centre for Economic Policy Research 2009; Gerlach/Giovannini/Tille/ Viñals, Are the Golden Years of Central Banking Over? The Crisis and the Challenges, Geneva Reports on the World Economy 10, 2009; Hank, Der amerikanische Virus, 2009; Huertas, Crisis: Cause, Containement and Cure, 2010; Hüther/Hellwig/Hartmann-Wendels, Arbeitsweise der Bankenaufsicht vor dem Hintergrund der Finanzmarktaufsicht, Forschungsvorhaben fe 22/08, Bericht vom 17. Februar 2009; Jaffee/Lynch/ Richardson/Van Nieuwerburgh, Mortgage Origination und Securitization in the Financial Crisis, in: Acharya/Richardson (ed.), Restoring Financial Stability, 2009, S. 61 ff.; Krugman, Die neue Weltwirtschaftskrise, 2009 (deutsche Übersetzung von: The Return of Depression Economics and the Crisis of 2008, 2008); Kübler, Die Krise der amerikanischen Hypothekenverbriefungen – Ursachen und Herausforderungen, in: Unternehmensrecht zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Festschrift für Eberhard Schwark zum 70. Geburtstag, 2009, S. 499 ff.; Richardson, Causes of the Financial Crisis of 2007–2009, in: Acharya/Richardson (ed.), Restoring Financial Stability, 2009, S. 57 ff.; Richardson/White, The Rating Agencies: Is Regulation the Answer?, in: Acharya/Richardson (ed.), Restoring Financial Stability, 2009, S. 101 ff.; Rudolph, Die internationale Finanzkrise: Ursachen, Treiber, Veränderungsbedarf und Reformansätze, ZGR 2010, S. 4–26; Shiller, The Subprime Solution, 2008, S. 29 ff.; Schwarcz, Systemic Risk, The George-

4. Die Finanzmarktaufsicht in der Krise

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denkrise oder gar einer Währungskrise hat gezeigt, dass mitnichten Ursachen und Natur der Krise hinreichend verstanden sind.5 Die Krise ist ein multikausales und multifaktorielles Geschehen. Sie hat in ihrem Verlauf mehrfach ihre Gestalt verändert. Unter diesen Umständen verbieten sich einfache Erklärungsansätze, namentlich in der Form linearer Ursache-Wirkungszusammenhänge. Es ist also immer das Zusammenwirken verschiedener Faktoren zu betrachten, die unterschiedlich gewichtige Beiträge zum Geschehensablauf geliefert haben. Als Faktoren, die mehr oder weniger bedeutsam für Entstehung und Verlauf der Krise gewesen sind, lassen sich anführen: 1.

die globalen Ungleichgewichte in den Handels- und Zahlungsströmen,

2.

die (zu laxe) Geldpolitik des Federal Reserve Systems,

3.

die Aufweichung der Anforderungen für die Vergabe von Immobilien-Krediten in den USA,

4.

die Verbriefung von Forderungen und ihre fehlerhafte Bewertung durch die Rating-Agenturen,

5.

die Komplexität der Finanzinstrumente,

6.

die Fristeninkongruenz von Ausleibung und Refinanzierung,

7.

der Anteil von Fremdkapital (leverage) bei Finanzgeschäften,

8.

das Verstecken von Risiken der Finanzinstitute in ausgelagerten Einheiten,

9.

die Anforderungen des Bankenaufsichtsrechts an das Eigenkapital und deren prozyklische Wirkungen,

10. die Vorschriften für die Bewertung von Aktiva der Banken (mark to market), 11. die Fehlanreize durch die Art der Honorierung von Entscheidungsträgern in den Finanzinstituten, aber auch von „Beratern“ vor Ort, 12. das Versagen der corporate-governance der Institute, namentlich ihr fehlendes oder fehlerhaftes Krisenmanagement, 13. das Versagen von „Regulierung“, Aufsicht und Krisenmanagement, 14. die Komplexität der Rechtsvorschriften, 15. das Herdenverhalten der Beteiligten 16. oder schlicht die menschliche Gier. Bei genauerer Betrachtung dürfte das Schwergewicht aber auf folgenden Ursachen liegen:

town Law Journal, Vol. 97 (2008); S. 193–249; Sinn, Kasino-Kapitalismus, 2. Aufl. 2009, S. 15–241; J. B. Taylor, Getting off Track, 2009. 5 Unzutreffend daher Hopt, Auf dem Weg zu einer neuen europäischen und internationalen Finanzmarktarchitektur, NZG 2009, S. 1401 (1401).

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III. Finanzmärkte

– die Kreditvergabepraxis in den USA6 und bei einigen Banken in Europa, – Art und Ausmaß der Verbriefung von Forderungen („opaqueness“, „complexity“), – die Geldpolitik des Federal Reserve Systems, – Art und Höhe der Fremdfinanzierung von Instrumenten und Instituten des Finanzsektors („leverage“, „maturity mismatch“), – Risikowahrnehmung und Entscheidungsfindung in den Organen von Finanzinstituten („aggregate tail-risks“, „moral hazard“). Nicht sicher ist, ob die Bildung überhöhter Preise auf den Vermögensmärkten (asset price bubbles) hätte verhindert werden können. Die Möglichkeiten der Geldpolitik werden insoweit kontrovers beurteilt. Einen wesentlichen Beitrag zur Entstehung der Krise und ihrem weiteren Verlauf haben aber auch geleistet: – die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Tätigkeit der Finanzinstitute, – die Aufsicht über Finanzmärkte und Finanzinstitute, – das Fehlen geeigneter Rechtsregeln für die systemschonende Abwicklung fallierender Finanzinstitute. 2. Die Ratingagenturen Eine besonders wichtige Rolle für die Entstehung der Krise und ihren Verlauf haben die Ratingagenturen gespielt.7 Es handelt sich um private, gewinnorientierte Unternehmen aus einer fremden Rechtsordnung, die gegen Bezahlung ihre Auftraggeber oder deren „Produkte“ bewerten und dafür im Grundsatz die gewohnten amerikanischen Schulnoten verteilen. Zudem üben sie in erheblichem Umfang eine sehr einträgliche Beratungstätigkeit aus, meist für die Institute, die ihre Bewertungen wünschen. Sie beurteilen sowohl Institute (Emittenten) als auch Forderungen. Das Urteil hat die Wahrscheinlichkeit zum Inhalt, dass innerhalb eines gegebenen Zeitraums Zahlungspflichten nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden. Neben diesen in Auftrag gegebenen Bewertungen („solicited“) gibt es Bewertungen, die ohne einen Auftrag („unsolicited“) erstellt werden.8 6 Überblick über die Entwicklung bei Wohnungsbaudarlehen in den USA bei Rudolph (Fn. 4), S. 4–8, der aber die verbreitete Fehlvorstellung wiedergibt, dass in den USA eine persönliche Haftung der Darlehensnehmer von Immobilienkrediten nicht bestehe (S. 7). Die persönliche Haftung („recourse“) hängt jedoch von der Ausgestaltung der Verträge und den sehr unterschiedlichen Vorschriften der einzelnen „states“ ab. 7 Cortez/Schön, Die neue EU-Verordnung über Ratingagenturen, ZfK 2010, S. 226; M. J. Möllers, Regulierung von Ratingagenturen, JZ 2009, S. 861 (862, 868). 8 Ebenroth/Daum, Die rechtlichen Aspekte des Ratings von Emittenten und Emissionen, WM Sonderbeilage 5/1992, S. 2 (3); Blaurock, Verantwortlichkeit von Ratingagenturen – Steuerung durch Privat- oder Aufsichtsrecht, ZGR 2007, S. 603 (604 f.).

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Das lange Zeit immer wieder vorgebrachte Argument, die Ratingagenturen könnten sich schon im Hinblick auf drohende Reputationsverluste nicht leisten, schlechte oder voreingenommene Arbeit zu leisten9, hat sich als grandiose Fehleinschätzung erwiesen. Die Qualität der Ratings hat sich mittlerweile vielfach als indiskutabel herausgestellt.10 Wenn Anleihen in großem Umfang Spitzennoten erhalten, die wenige Tage später nicht mehr absetzbar sind und damit einen Marktwert von Null haben, oder wenn das emittierende Unternehmen wenige Tage nach Erteilung einer solchen Note Insolvenz anmelden muss, kann etwas nicht stimmen. Dazu bedarf es keiner Detailanalyse, vor allem wenn man bedenkt, dass es zum gleichen Zeitpunkt durchaus Unternehmen und Wertpapiere gegeben hat, bei denen das nicht geschehen ist. In jedem Fall liegt aber ein krasses Versagen der Agenturen vor, wenn sie für „Finanzinstrumente“ (meist Anleihen) Spitzennoten vergeben, für deren Solidität sie keine Erfahrungswerte haben. Dasselbe gilt, wenn sie undifferenziert dieselbe Spitzennote für ein (dubioses) „strukturiertes Finanzprodukt“ wie für Anleihen der Bundesrepublik Deutschland erteilen. Als hochproblematisch hat sich ebenfalls herausgestellt, wenn nach der Zusammenfassung von schwachen Forderungen in „strukturierten Produkten“ in größerem Umfang Spitzennoten vergeben werden, als wenn jede darin enthaltene Einzelforderung getrennt bewertet worden wäre.11 Die Agenturen haben den

9 v. Randow, Rating und Regulierung, ZBB 1995, S. 140 (147 f.): „Reputation ist auf dem von Wiederholungsgeschäften und Publizität geprägten Markt ein kostbares Gut.“ „Sie ist mit jedem neuen Urteil einer Rating-Agentur auf dem Spiel. Wer sie erworben hat, wird sie nicht dadurch leichtfertig gefährden wollen, dass er kurzfristig Begehrlichkeit einzelner Emittenten nach übermäßig günstiger Einschätzung entspricht . . .“ (S. 148); Schwarcz, Private Ordering of Public Markets: The Rating Agency Paradox, University of Illinois Law Review, 2002, S. 1 (14); Hill, Regulating the Rating Agencies, Washington University Law Quarterly, Vol. 82 (2004), S. 43 (74); Deipenbrock, Aktuelle Rechtsfragen zur Regulierung des Ratingwesens, WM 2005, S. 261 (262); Dittrich, The Credit Rating Industry: Competition and Regulation, Diss., Köln 2007: „While the model critique presented is valid in some respects, it offers no starting point to question the principles of the reputation mechanism. The conclusion holds that reputation will always provide for a high quality in the credit rating market“ (S. 55), „the reputation mechanism is working“ (S. 148); Eisen, Haftung und Regulierung internationaler Rating-Agenturen, 2007, S. 370; ebenso noch Ende 2007 der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Das Erreichte nicht Verspielen, Jahresgutachten 2007/08, November 2007, S. 161; sehr viel skeptischer aber schon vor der Krise große Teile des juristischen Schrifttums: A. C. Peters, Die Haftung und die Regulierung von Rating-Agenturen, 2001, S. 156; Habersack, Rechtsfragen des Emittenten Ratings, ZHR 169 (2005), S. 185 (191); Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen – Wer überwacht die Überwacher?, 2006, S. 346 f. 10 Andrieu, Ratingagenturen in der Krise, 2010, S. 81: „schwerwiegendes Versagen der Ratingagenturen“; Haar, Das deutsche Ausführungsgesetz zur EU-Rating-Verordnung – Zwischenetappe auf dem Weg zu einer europäischen Finanzmarktarchitektur, ZBB 2010, S. 185 (188). 11 Nähere Einzelheiten bei M. J. Möllers (Fn. 7), S. 867.

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Banken (Originatoren) ganz maßgeblich dabei geholfen, in großem Stile den falschen Eindruck bei den Investoren zu erwecken, dass durch die „Umverpackung“ von Forderungen sich deren Gesamtqualität ändern lasse. Auch wenn man davon ausgeht, was aber nicht sicher ist, dass sich bestimmte Risiken durch Diversifizierung verringern lassen,12 haben sie die dafür maßgebenden methodischen Grundregeln (z. B. Berücksichtigung von Korrelationen zwischen den Einzelelementen) nicht hinreichend beachtet. Schließlich ist zweifelhaft, ob ab einer bestimmten Größe eine Risikominderung durch Diversifizierung noch stattfinden kann. Andererseits ist aber keineswegs sicher, dass die Institute, welche die hochkomplexen Papiere kreiert haben, diese Mechanismen zur bewussten Täuschung eingesetzt haben. Dafür waren sie selbst zu häufig auch die Leidtragenden. Entweder hatten sie diese innovativen, später toxischen Produkte wegen der Gewinnaussichten in ihrem Bestand gehalten oder dafür Garantien übernommen. Das waren aber die Hauptgründe für das spätere Scheitern dieser Institute.13 Objektiv haben die Agenturen aber mit ihren Bewertungen entscheidend dazu beigetragen, dass die gegenwärtige Krise dieses Ausmaß und diese Gefährlichkeit weltweit erlangen konnte, wie es geschehen ist. An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts, wenn man berücksichtigt, dass in empirischen Studien früher eine hohe Korrelation zwischen Ratings und Ausfallwahrscheinlichkeiten ermittelt worden war.14 3. Staatsversagen Das eklatante Versagen der Wirtschaftswissenschaften, die – von einigen Außenseitern abgesehen15 – mit ihren hochkomplexen Modellen und minutiösen Prognosen die Krise auch nicht einmal im Ansatz korrekt vorausgesehen ha12 Inderst, Regulation and Supervision in Financial Markets – Lessons Learned From the Crisis, House of Finance der Universität Frankfurt am Main, Policy Platform White Paper, June 2010, S. 3, bezweifelt, dass es überhaupt um Diversifizierung und Risikoverminderung ging. In Betracht komme auch die Verlagerung von Risiken in Bereiche, die schlecht beaufsichtigt waren. 13 Für die Landesbank Sachsen: Sächsischer Rechnungshof, Sonderbericht nach § 99 SäHO, Landesbank Sachsen Girozentrale, Az. 120308/64, März 2009, S. 13 f., 30 f.; Verfassungsgerichtshof für den Freistaat Sachsen, Urteil vom 28. August 2009, Az. Vf. 41-I-08, S. 6–8; für die IKB: Florstedt, Zur organhaftungsrechtlichen Aufarbeitung der Finanzmarktkrise, Die Aktiengesellschaft, 2010, S. 315 (316); s. a. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4.2.2010-I-6 W 45/09, Die Aktiengesellschaft, 2010, S. 126. 14 Thompson/Vaz, Dual Bond Ratings: A Test of the Certification Function of Rating Agencies, The Financial Review Vol. 25 (1990), S. 457 ff.; v. Randow (Fn. 9), S. 149. 15 Vor allem Shiller, Irrational Exuberance, 2nd edition (first published 2005), in dem schon auf die „Schneeballstruktur“ („Ponzi Process“) auf den Immobilienmärkten (S. 56 ff.) und das „Herdenverhalten“ (S. 157 ff.) hingewiesen wurde. Auch sind Roubini und in Deutschland Otte als Warner zu nennen, die fast alle „Puzzlestücke“ richtig zusammengesetzt haben. Vgl. Nienhaus, Die Blindgänger, 2009, vor allem S. 30.

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ben,16 kann an dieser Stelle nicht näher behandelt werden. Entsprechendes gilt für „die“ Märkte, deren Effizienz in Finanzdingen noch vor wenigen Jahren allgemein unterstellt wurde; auch nach dem Börsencrash von 1987.17 Mittlerweile werden aber die Annahmen „rational expectations“, „efficient markets“ und die in den finanzmathematischen Modellen unterstellte Normalverteilung zunehmend in Frage gestellt.18 Es wird unter dem Eindruck der Ereignisse die Existenz von „big fat tails“ oder „black swans“ 19 in Betracht gezogen. Neben dem Marktversagen und dem Versagen der Wissenschaft ist aber noch ein dritter Bereich zu nennen: das Versagen von Staat und Recht.20 16 In diesem Sinne auch Bayer, Wirtschaftsrecht in einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft, in: Pauly (Hrsg.), Wendepunkte – Beiträge zur Rechtsentwicklung der letzten 100 Jahre, 2009, S. 101 (121). Das schließt nicht aus, dass auch der eine oder andere Ökonom nicht auch Bedenken im Hinblick auf Einzelaspekte der Wirtschaftsentwicklung geäußert hat. Nur eine Krise dieser Art und dieses Ausmaßes hat von ihnen keiner vorausgesagt oder zumindest hinreichend deutlich auf die Gefahren hingewiesen; vgl. Nienhaus (Fn. 15), S. 9 f., 13–35, die auch auf das merkwürdige Phänomen hinweist, dass trotz dieses eklatanten Versagens die Nachfrage nach Beratung durch (dieselben) Ökonomen nicht abgenommen hat, so als sei nichts Nennenswertes geschehen. 17 Fama, Efficient capital markets: a review of theory and empirical work, The Journal of Finance, Bd. 25 (1970), S. 383 (414); ders., Efficient Capital Markets: II, The Journal of Finance, Bd. 46 (1991), S. 1575 (1576, 1607); weitgehend akzeptiert vom wirtschaftsrechtlichen Schrifttum: Gilson/Kraakman, The mechanisms of market efficiency, Va. L. Rev. 70 (1984); S. 549 (643); Fischel, Efficient capital markets, the crash, and the fraud of the market theory, Cornell L. Rev. 74 (1988–1989), S. 907, der zwischen „trading-rule efficiency“ und „value efficiency“ unterscheidet (S. 913). Auch im Hinblick auf die „noise traders“, also solche Marktteilnehmer, die sich nicht rational im Sinne der ökonomischen Theorie verhalten und so die Volatilität vergrößern, gebe es keine bessere Alternative, den Wert von Wertpapieren zu bestimmen, als die Marktpreise (S. 915). Das gelte auch im Hinblick auf den „crash“ vom 19. Oktober 1987 (S. 916). 18 Akerlof/Shiller (Fn. 4), S. 167; krit. gegenüber dem „risk modeling“, das „unforseen contingencies“ per definitionem nicht erfasst, auch Inderst (Fn. 12), S. 6, anders aber Rudolph (Fn. 4), S. 10 f., 25, der weiterhin die Vorteile „strukturierter Finanzprodukte“ betont und sogar eine Transformation der Qualität, also Qualitätsverbesserung der zugrundeliegenden Förderungen, für möglich hält, sich insoweit aber fast ausschließlich auf Vorkrisenschrifttum stützt: „Aus ökonomischer Perspektive lässt sich zeigen, dass solchermaßen konstruierte Kreditrisikotransferinstrumente zur Vervollkommnung der Kapitalmärkte und zur Verbesserung der Informationseffizienz der Märkte beitragen können.“ Möglicherweise können sie das theoretisch, aber in der Realität ist das nicht geschehen. Stattdessen haben sie einen wesentlichen Anteil daran gehabt, dass die Finanzwelt am Abgrund gestanden hat und mit immensen Steuermitteln gerettet werden musste. 19 Taleb, The Black Swan, 2007. 20 Siekmann, Die Neuordnung der Finanzmarktaufsicht, Die Verwaltung, Bd. 43 (2010), S. 95 (99); insoweit ähnlich Rudolph (Fn. 4), S. 27 („schweres Marktversagen“, „Regulierungs- oder Staatsversagen“). Dezidiert vom Versagen des Staates spricht auch der Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2008/09 (Fn. 3), Text-Nr. 257–259. Allerdings bleibt die pauschale Feststellung, dass das „Banksystem weltweit zu den besonders stark regulierten Sektoren“ zähle, doch sehr vordergründig. Die anschließend be-

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Das gesamte hochkomplexe System hoheitlicher Kontrolle der Finanzmärkte mit seinen tausenden von Vorschriften, hunderten Druckseiten voller Anweisungen, komplizierten Modellen und großen Behörden hat jedenfalls, wenn man auf das Ergebnis schaut, seinen wesentlichen Zweck nicht erfüllt. Es hat insgesamt versagt. Ein besonderes Versagen interner und externer Steuerung und Kontrolle ist zudem bei vielen, aber keineswegs allen Banken in staatlicher Trägerschaft offenbar geworden. In deren internen Aufsichtsorganen waren hochrangige Vertreter der staatlichen Träger zugegen, haben aber im Wesentlichen die fatalen Entscheidungen, die ohne kostspielige Rettungsmaßnahmen zum Untergang dieser Banken geführt hätten, nicht verhindert.21 Die quantitativ größten Problemfälle liegen aber eindeutig im Bereich privater Banken. Auf die Schwächen der Regeln, die der Ausschuss für Bankaufsicht22 in Basel erarbeitet hat („Basel II“),23 ist vereinzelt frühzeitig hingewiesen worden,24 allerdings ohne Wirkung. Die Mängel der Aufsicht über Finanzmärkte und Finanzinstitute bilden einen der Hauptfaktoren für Entstehung und Verlauf der gegenwärtigen Krise, auch wenn sie nicht deren primäre Ursache sind. Schlechte Polizeiarbeit alleine verursacht kein Anwachsen der Kriminalität, macht sie aber möglich. Den Schwächen der Aufsicht soll im Folgenden daher besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Maßnahmen zur unmittelbaren Krisenbewältigung müssen aber ausgeklamhaupteten massiven Defizite der „nationalen wie globalen Organisation der staatlichen Aufsicht“ verkürzt die Problematik ebenfalls. Die genannten Schwächen der Aufsicht lassen sich keineswegs auf Organisationsfragen reduzieren. Inderst (Fn. 12), S. 3, sieht fast ausschließlich Staatsversagen. Wenn es eine sachgerechte Aufsicht gegeben hätte, wäre auch kein Marktversagen zu beobachten gewesen. Eine wichtige Rolle bei der Ansteckung über Zwangsverkäufe hätten zudem Vorschriften über die Rechnungslegung gespielt, also auch ein Beitrag des Staates. Es liege im Wesentlichen also nur Staatsversagen vor. 21 Bayer (Fn. 16), S. 120 m.w. N. 22 Das Basel Committee on Banking Supervision ist keine Abteilung oder Einrichtung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, obwohl die Bank das Committee logistisch unterstützt. Aber selbst die BIZ hat nur eine höchst mittelbare Grundlage im Völkerrecht. Sie ist als Gesellschaft schweizerischen Rechts gegründet worden, an der auch eine Gruppe privater Banken beteiligt war. Das Haager Abkommen vom 20. Januar 1930 über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, dem Vereinigten Königreiche von Großbritannien und Nord-Irland, Italien und Japan mit der Schweiz sieht lediglich vor, dass die Schweiz der Bank das beigefügte Grundgesetz mit einigen Vorrechten zu gewähren habe. Als Anhang sind dem Abkommen die Statuten der Bank beigefügt. Änderungen des Grundgesetzes und der Statuten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sind am 22. Juni 1970 bekannt gemacht worden (BGBl. II, S. 765). Mittlerweile hat sie nur noch öffentlich-rechtliche Gesellschafter und kann damit wohl als mittelbare Einrichtung öffentlicher Verwaltung angesehen werden. 23 Committee on Banking Supervision, International Convergence of Capital Measurement and Capital Standards. Ihre Transformation in Rechtsnormen ist unten Fn. 52 nachgewiesen. 24 Danielson/Embrechts/Goodhart/Keating/Muennich/Renault/Shin, An Academic Response to Basel II, Special Paper No. 130, LSE Financial Markets Group, May 2001.

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mert werden. Auch können die drängenden Fragen nach der Rolle der Geldpolitik sowie der globalen außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte, die beide einen erheblichen, wenn nicht gar entscheidenden Beitrag zur Entstehung der Instabilitäten geleistet haben25, nicht näher behandelt werden. II. Der Beitrag der Rechtsordnung für Entstehung und Verlauf der Krise 1. Grundlagen Einzelne Rechtsvorschriften haben die gegenwärtige Krise nicht verursacht; auch nicht die rechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt. Sie haben aber einen erheblichen Beitrag dazu geleistet. Sie haben es möglich gemacht, dass die Krise entstanden ist und dass sie einen so verhängnisvollen Verlauf genommen hat. Die Rechtsordnung hat die Werkzeuge dafür geliefert, dass innovative Finanzprodukte geschaffen werden konnten, die binnen kurzer Zeit „toxisch“ wurden und große Finanzinstitutionen in den Abgrund gerissen haben. Die Rechtsordnung hat auch die Werkzeuge dafür geliefert, dass immense Risiken in „Special Purpose Vehicles“ versteckt werden konnten, die jetzt noch die Bilanzen wichtiger Banken so belasten, dass der Staat unter massivem Einsatz von Steuermitteln immer neue Rettungseinrichtungen schaffen musste26 oder die betroffenen Insti25 Möschel, Die Finanzkrise – Wie soll es weitergehen?, ZRP 2009, S. 129. Dabei sind aber zwei wichtige Faktoren ungewiss, auf die Möschel nicht eingeht: (1) Möglicherweise wich die Geldpolitik des Federal Reserve Systems nicht so deutlich von dem als Richtschnur anerkannten Taylor-Zinssatz ab, wie das im Nachhinein aussieht, wenn man die seinerzeit verfügbaren Daten für die Berechnung dieses Zinses zugrunde legt. (2) Die Kausalitäten sind ungeklärt. Waren die Zahlungsbilanzungleichgewichte kausal oder die (kreditfinanzierten) Konsumausgaben in den USA? Waren sie nachfrageinduziert oder durch das immense Konsumgüterangebot, vor allem aus China, angebotsinduziert? Vgl. J. Taylor, Housing and monetary policy, Paper presented at the Symposium on Housing, Housing Finance and Monetary Policy sponsored by the Federal Reserve Bank of Kansas City in Jackson Hole, September 2007; Eickmeier/Hofmann, Monetary policy, housing booms and financial (im)balances, Discussion Paper Series 1: Economic Studies No. 07/2010, S. 27 f., die nachweisen, dass die Geldpolitik zwar die Blasenbildung und vor allem die Aufblähung der Vermögenspreise verstärkt und verlängert, aber nicht ausgelöst hat („not the trigger“). 26 Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung vom 17. Juli 2009 (BGBl. I, S. 1980). Mit diesem Gesetz musste das Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmepaktes zur Stabilisierung des Finanzmarktes (FinanzmarktstabilisierungsgesetzFMStG) vom 17. Oktober 2008 (BGBl. I, S. 1982), das unter maßgeblicher Beteiligung einer angelsächsisch geprägten „law firm“ formuliert worden war, erneut grundlegend reformiert werden. Namentlich die dauerhafte Sanierung der Probleminstitute war noch nicht geleistet worden. Das Gesetz wandelt die Finanzmarktstabilisierungsanstalt in eine Dauereinrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit um (§ 3a Abs. 1 FMStFG), ermöglicht staatliche Garantien für Zweckgesellschaften, auf die problematische („toxische“) Wertpapiere ausgelagert werden (§ 6a FMStFG), erlaubt die Bildung nicht-rechtsfähiger Bundesanstalten innerhalb der Finanzmarktstabilisierungsanstalt, auf die ebenfalls derartige Wertpapiere, aber auch ganze Geschäftsbereiche ausgelagert werden können (§ 8a FMStFG) und regelt die Bildung entsprechender landesrechtlicher „Abwick-

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tute in Staatshand überführen musste. Ob die Ausnutzung dieser Möglichkeiten aber der Rechtsordnung zuzurechnen ist, dürfte eher fraglich sein. Anders verhält es sich aber mit Aufsicht und Kontrolle. 2. Aufsicht und Kontrolle Die umfangreichen und hochkomplizierten Normen zur Regelung der Finanzmärkte27 haben vor allem im Bereich der Banken versagt. Sie haben im Ergebnis nicht das geleistet, wofür sie geschaffen worden sind: eine (Banken-)Krise der Art zu verhindern, wie sie seit nunmehr drei Jahren zu beobachten ist.28 Sie haben also grundlegend und nicht nur in Einzelausprägungen versagt. Damit ist noch keinerlei Schuldzuweisung verbunden. Es handelt sich lediglich um die Feststellung einer objektiven Tatsache. Gescheitert ist vor allem auch die Idee der „Selbstregulierung“ durch die betroffenen Wirtschaftskreise.29 Hier ist ein radikaler Neubeginn erforderlich und nicht nur Veränderungen im Detail, welche – trotz bester Absichten – das einschlägige Rechtsregime letztlich noch undurchsichtiger und damit anfälliger machen.30 Das Grundkonzept von Basel II31 muss in wesentlichen Punkten als gescheitert angesehen werden. Das Konzept des „auf internen Ratings basierenden Ansatlungsanstalten“ (§ 8b FMStFG). Das „Bad Bank“ Modell der Bundesbank ist erläutert in: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Mai 2009, S. 56–59. 27 Sie werden meist ungenau als „Regulierung“ bezeichnet. Es handelt sich um eine problematische Übersetzung des englischen Begriffs „regulation“, der definiert wird als the set of rules and standards that govern financial „institutions“, vgl. The High-Level Group on Financial Supervision in the EU (Fn. 2), Textnr. 38; näher unten S. 38. 28 The High-Level Group on Financial Supervision in the EU (Fn. 2), Textnr. 51, 53– 58, 85, 93, 96, 102, 105, 110, 153–162; Siekmann (Fn. 20), S. 101; Partsch, Die Harmonisierung der Europäischen Finanzaufsicht, ZBB-Report 1/10, S. 72 (72); Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band II, 3. Aufl., 2008, § 125, Rn. 17; ders., in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 3. Aufl. 2008, Einf. KWG Rn. 61. 29 Ob angesichts dieser Tatsache das Konzept einer „regulierten Selbstregulierung“ weiter führen kann, dürfte zu bezweifeln sein; schon vor der gegenwärtigen Krise skeptisch im Hinblick auf die Ratingagenturen Habersack (Fn. 9), S. 194; dafür aber Junker, Gewährleistungsaufsicht über Wertpapierdienstleistungsunternehmen, 2003, S. 68; Bauer, Ein Organisationsmodell zur Regulierung der Rating-Agenturen, 2009, S. 132 ff., 180 ff.; F. Becker, Die Regulierung von Ratingagenturen, Der Betrieb, 2010, S. 941 (942). 30 Ein Beispiel ist die Richtlinie 2009/111/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2007/64/EG hinsichtlich der Zentralorganisationen zugeordneter Banken, bestimmter Eigenmittelbestandteile, Großkredite, Aufsichtsregelungen und Krisenmanagement, ABl. L 302/97 vom 17.11.2009. Wie ihr Titel schon andeutet, enthält sie ein Sammelsurium von Einzelmaßnahmen zur Veränderung und Ergänzung bestehender Vorschriften. Nicht sofort zu erkennen ist, dass das erste Maßnahmenbündel die Aufsicht über (grenzüberschreitende) Bankengruppen (groups) betrifft. 31 Oben Fn. 23.

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zes“ (IRBA) (Kapitel 4 der SolvabilitätsVO),32 der es den Banken erlaubt, das aufsichtsrechtlich erforderliche Eigenkapital nach eigenen, internen Modellen zu berechnen, ist aus theoretischen und praktischen Gründen außerordentlich fragwürdig.33 Der zugrundeliegende theoretische Ansatz ist deswegen problematisch, weil diese Modelle entscheidend auf „value-at-risk“ und ähnliche Methoden abstellen, die inhärente Schwächen aufweisen. Grundlegende Konstruktionsfehler sind die Behandlung von Risiken als exogene Prozesse und die Annahme von Normalverteilung riskanter Ereignisse.34 Hinzu kommt, dass die vorgesehene Überprüfung dieser bankeigenen Modelle durch die Aufsichtsbehörden praktisch kaum wirkungsvoll durchgeführt werden kann. Aber auch der „Kreditrisiko-Standardansatz“ (KSA) (Kapitel 3 der SolvabilitätsVO)35 §§ 24–54 ist vor allem deswegen problematisch, weil er maßgebend auf die Urteile von Ratingagenturen abstellt. Von deren Korrektheit aber nicht ausgegangen werden kann,36 wie die Erfahrungen der Krise zeigen.37 Hinzu kommen erhebliche juristische Bedenken. Die Urteile privater, gewinnorientierter Unternehmen werden zum Anknüpfungspunkt zwingender Rechtsfolgen gemacht, die grundrechtsrelevant sind.38 Als wichtigste Schwächen haben sich schließlich noch bei einer Gesamtbetrachtung die Gefahr prozyklischer Wirkungen und die Erhöhung der Anfälligkeit des Finanzsystems für systemische Krisen durch das Regelsystem erwiesen.39 Das negative Urteil gilt auch für die Organisation der Aufsichtsbehörden und ihre tatsächliche Verwaltungspraxis40. Soweit bekannt, ist gegen keine der Risiken bei systemisch relevanten Kreditinstituten, die sich später als Existenz bedro32

§§ 55–153 SolvabilitätsVO. Er ermöglicht es vor allem den Großbanken, sich maßgebend auf den Marktmechanismus zu stützen und auf einem winzigen Sockel von Eigenkapital, wohl zum Teil nur 2 %, eine große Geschäftstätigkeit zu entfalten, die bei Marktstörungen unweigerlich Risiken für das gesamte Finanzsystem heraufbeschwört, vgl. Inderst (Fn. 12), S. 5, der auch auf das spezifische Gegenparteirisiko hinweist. 34 Das haben Danielson/Embrechts/Goodhart/Keating/Muennich/Renault/Shin (Fn. 24) bereits im Entwurfsstadium der Regeln überzeugend dargelegt (S. 4 f.). 35 §§ 24–54 SolvabilitätsVO. 36 Hellsichtig von Danielson/Embrechts/Goodhart/Keating/Muennich/Renault/Shin (Fn. 24), S. 5, bereits im Jahre 2001 vorausgesehen. 37 Oben I. 2. 38 Dazu näher unten IV. 4. c). 39 Auch das ist bereits von Danielson/Embrechts/Goodhart/Keating/Muennich/Renault/Shin (Fn. 24), S. 5, richtig gesehen worden: „Perhaps our most serious concern is that these proposals, taken altogether, will enhance both the procyclicality of regulation and the susceptibility of the financial system to systemic risk, thus negating the central purpose of the whole exercise.“. 40 Sie wird teilweise als „Aufsicht“ („supervision“) bezeichnet. The High-Level Group on Financial Supervision in the EU (Fn. 2) versteht darunter „the process designed to oversee financial institutions in order to ensure that rules and standards are properly applied“ (Textnr. 38). Die Organisation der Aufsichtseinrichtungen ist damit nicht erfasst. 33

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hend herausgestellt haben, rechtzeitig vorgegangen worden.41 In welchem Umfang Vollzugsdefizite vorgelegen haben, bedarf noch sorgfältiger Untersuchung. Fest steht nur, dass in keinem Fall die BaFin rechtzeitig eingeschritten ist, gleich ob es privatwirtschaftliche Institute, wie HRE oder Commerzbank, Institute in staatlicher Trägerschaft, wie SachsenLB42, WestLB AG, LBBW oder Bayerische Landesbank, oder gemischtwirtschaftliche Institute, wie die IKB oder die HSH Nordbank, betraf. Ob sie intern gewarnt hat, ist nicht belegt. Alle diese Banken wären ohne den massiven, weitgehend endgültig verlorenen Zufluss von Steuermitteln schon lange verloren. Andererseits darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass zahlreiche Vorschriften keiner Umsetzung durch Behörden bedürfen und dass sie wohl auch befolgt worden sind, also aufsichtsrechtliches Einschreiten nicht angezeigt war. Es ist daher auch zu prüfen, ob diese Vorschriften falsch konzipiert sind, also nicht die Aufsichtsbehörden, sondern der Gesetzgeber die Ursachen gesetzt hat. Das wird bei den vielfältigen Reformbemühungen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht,43 der juristisch betrachtet ein Nullum ist44, der Europäischen Union,45 aber auch des Bundesgesetzgebers46 immer noch nicht hinreichend beachtet. Die verbreitete Rede von den „regulators“ verstellt auch hier den Blick für eine sorgfältige Analyse. Alle materiellrechtlichen Regelungen aber auch Organisation und Tätigkeit der Aufsichtseinrichtungen sind daher einer Grundsatzkritik zu unterziehen und möglicherweise unter Verwertung der Erfahrungen aus der Krise von Grund auf neu zu konzipieren.47 Politischer Aktionismus und Änderungen im Detail tragen möglicherweise zu einer Verschärfung der offensichtlichen Schwächen und nicht zu ihrer dauerhaften Beseitigung bei.

41 The High-Level Group on Financial Supervision in the EU (Fn. 2), Textnr. 25–31; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates „Impulse für den Aufschwung in Europa“, vom 4.3.2009, KOM (2009) 114 endgültig, S. 6; Siekmann (Fn. 20), S. 101. 42 Einige wichtige Erkenntnisse sind bereits im Sonderbericht des Sächsischen Rechnungshofs (Fn. 13) enthalten, S. 64–68. Aufschlussreich ist auch das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof für den Freistaat Sachsen über die Verletzung von Rechten des Landesparlaments in Bezug auf die Landesbank Sachsen, Urteil vom 28. August 2009, Az. Vf. 41-I-08. 43 Unten III. 1. 44 Oben Fn. 22. 45 Unten III. 2. 46 Unten III. 3. b). 47 In diese Richtung auch Recine/Teixeira, The new financial architecture in the EU, Institute for Law and Finance, Working Paper Series No. 110 (12/2009), S. 1; Inderst (Fn. 12), S. 2 ff.; verschiedene Beiträge in Acharya/Richardson (eds.), Restoring Financial Stability, 2009.

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III. Bereits ergriffene Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzstabilität Von Seiten der Politik sind bereits zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzstabilität ergriffen worden oder sind in Vorbereitung. Es handelt sich dabei nicht nur um Maßnahmen zur unmittelbaren Bewältigung der Krise, sondern zunehmend auch zur Verhinderung künftiger krisenhafter Entwicklungen. Sie bewegen sich auf allen Ebenen: global, europaweit und national. 1. Global In diesem Zusammenhang sind vor allem die Aktivitäten im Rahmen der G-20 Staaten zu nennen. Schon auf ihrem Treffen in London am 2. April 2009 wurde ein Aktionsplan verabschiedet, der die Rolle des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der Initiativen des Basel-Ausschusses stärken sollte.48 Das Forum für Finanzstabilität (FSF) sollte in ein „Financial Stability Board“ umgewandelt werden, damit es auf neuer, gestärkter Grundlage eine zentrale Rolle bei der Reform des globalen Finanzsystems ausüben konnte.49 Darüber hinaus wurde beschlossen, dass kein systemisch relevanter Finanzmarktakteur, kein Finanzmarktprodukt und kein Finanzmarkt ohne „Aufsicht oder Regulierung“ bleiben sollten. Besonders genannt wurden die Hedge Fonds, die aber eher Opfer als Täter bei Entstehung und Verlauf der Krise waren, und die Ratingagenturen. Der Aufbau von Eigenkapitalpuffern, die Verringerung der Prozyklizität der Aufsichtsregeln und die Überarbeitung der Bilanzierungsvorschriften wurden ebenfalls vereinbart. Gegen „Steueroasen“ und „unkooperative Jurisdiktionen“ sollte vorgegangen und Manager-Vergütungssysteme umgestaltet werden,50 obwohl sie keinen oder nur einen empirisch wenig gesicherten Beitrag zur Entstehung der Krise geleistet hatten. Das Financial Stability Forum (FSF) wurde auch unverzüglich auf Grund des Beschlusses auf dem G-20 Treffen in London zu einem Financial Stability Board (FSB) weiter entwickelt und erlangte bereits zunehmende Bedeutung für die Behandlung der Gefahren für die Stabilität des globalen Finanzsystems. In ihm sind die Finanzminister, die Notenbanken und die Aufsichtsbehörden wichtiger Staaten vertreten. Auf dem Gipfeltreffen in Pittsburgh vom 24. bis 25. September 2009 wurden im Wesentlichen folgende Beschlüsse gefasst: – „Implementierung“ von Regeln zum stärkeren Aufbau von qualitativ hochwertigem Eigenkapital und zur Eindämmung konjunkturverstärkender Effekte (Prozyklizität), 48 49 50

Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht April 2009, Nr. 2.3. Ebda., Nr. 2.2. Ebda.

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III. Finanzmärkte

– konkrete Regeln für Vergütungssysteme des Finanzsektors, – Verbesserungen für den außerbörslichen Handel mit Wertpapieren, – Erarbeitung konkreter Lösungen für das Problem zu großer Banken („too big to fail“) oder von Banken mit zu vielen Verknüpfungen („too interconnected to fail“), – Bemühungen zur Schaffung eines einheitlichen, qualitativ hochwertigen weltweit gültigen Systems von Rechnungslegungsvorschriften, – Verpflichtung, Druck auszuüben in den Bereichen Steueroasen, Geldwäsche, Korruptionserlöse, Terrorismusfinanzierung und aufsichtsrechtliche Standards51. Aber auch die hastigen Bemühungen zur Änderung des mit außerordentlich großem Aufwand vom Committee on Banking Supervision erarbeiteten, mehrhundertseitigen Regelwerks aus dem Jahre 2006 („Basel II“)52 gehören zur globalen Ebene. An erster Stelle sind die im September 2008 erlassenen (neuen) Prinzipien für ein solides Liquiditätsmanagement und seine Aufsicht vom September 2008 zu nennen.53 Es folgte im Juli 2009 eine Revision des Basel II Regelwerkes in Bezug auf das Marktrisiko,54 das seinerseits am 18. Juni 2010 erneut revidiert werden musste.55 Am 13. März 2009 wurde ein Vorschlag über Prinzipien für die Praxis von „stress testing“ und für solide Aufsicht beschlossen,56 dem im Dezember 2009 Vorschläge für verschärfte Anforderungen an das 51

Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht Oktober 2009, Nr. 2.2. International Convergence of Capital Measurement and Capital Standards, A Revised Framework, Comprehensive Version, June 2006. Das Regelwerk hat über Richtlinien der EU, Änderungen des Kreditwesengesetzes (KWG) und namentlich die Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen (Solvabilitätsverordnung – SolvV) vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I, S. 2926), die Verordnung über die Erfassung, Bemessung, Gewichtung und Anzeige von Krediten im Bereich der Großkredit- und Millionenkreditvorschriften des Kreditwesengesetzes (Großkredit- und Millionenkreditverordnung-GroMiKV) vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I, S. 3065) sowie die Verordnung über die Liquidität der Institute (Liquiditätsverordnung – LiqV) vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I, S. 3117) Eingang in das deutsche Recht gefunden. Die maßgebenden Richtlinien der EU sind: Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung) (ABl. L177 vom 30. Juni 2006, S. 1), Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung) (ABl. L177 vom 30. Juni 2006, S. 201). 53 Basel Committee on Banking Supervision, Principles for sound liquidity risk management and supervision, September 2008. 54 Basel Committee on Banking Supervision, Revisions to the Basel II market risk framework, July 2009. 55 Basel Committee on Banking Supervision, Changes to the revisions to the Basel II market risk framework, 18. June 2010. 56 Basel Committee on Banking Supervision, Principles for sound stress testing practices and supervision vom 13.3.2009 (consultative document). 52

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Eigenkapital und die Liquidität von Banken57 und im Juli 2010 Vorschläge für die Einführung eines antizyklischen Kapitalpuffers58 folgten. Das zuletzt genannte Regelwerk wird zum Teil auch schon als Basel III bezeichnet. Es ist bemerkenswert, wie hektisch das über fast anderthalb Jahrzehnte minutiöse ausgearbeitete Regelwerk mit der Bezeichnung Basel II, das noch nicht einmal flächendeckend umgesetzt worden war, angesichts der Krise als dringend reformbedürftig angesehen wird; allerdings nur in zahlreichen Details.59 2. Europa Auf europäischer Ebene hatte die EU-Kommission bereits im Oktober 2008 einen Aktionsplan vorgelegt, mit dem sie die Wirtschaft aus der Krise in den Aufschwung führen wollte60. Auch begann sie schon früh mit Vorbereitungen zu einer Europäisierung der Finanzmarktaufsicht, die bereits in dem Aktionsplan angesprochen worden war. Dazu beauftragte der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, eine Gruppe von Sachverständigen unter Vorsitz des früheren Präsidenten des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Banque de France, Jacques de Larosière, mit der Ausarbeitung von Ratschlägen zur Zukunft der europäischen Finanzregulierung („financial regulation“) und Aufsicht („supervision“). Die Gruppe hat ihren Bericht am 25. Februar 2009 vorgelegt und die Schaffung eines „European Systemic Risk Council“ und – in Anlehnung an das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) – die Errichtung eines Europäischen Systems der Finanzaufsichtseinrichtungen (European System of Financial Supervisors – ESFS) vorgeschlagen.61 Mittlerweile sind umfangreiche Vorschläge zur Schaffung eines Aufsichtssystems im Rahmen der EU (European System of Financial Supervisors – ESFS) im letzten Stadium ihrer Beratung. Die Entwürfe der Kommission stammen vom 23. September 2009. Es handelt sich um Vorschläge für jeweils eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates

57 Basel Committee on Banking Supervision, Strengthening the resilience of the banking sector, December 2009 (consultative document). 58 Basel Committee on Banking Supervision, Countercyclical capital buffer proposal, July 2010 (consultative document). 59 Wenig kritische Auseinandersetzung mit einigen Details bei Rudolph (Fn. 4), S. 32 ff., allerdings Hinweis auf zusätzliche prozyklische Wirkungen der Eigenkapitalvorschriften (S. 37 f.). 60 Die EU-Kommission legte einen dreigliedrigen Ansatz zugrunde: (1) eine neue Finanzarchitektur auf EU-Ebene, (2) Begrenzen der Auswirkungen auf die Realwirtschaft und (3) eine globale Reaktion auf die Finanzkrise (Aus der Finanzkrise in den Aufschwung: Ein Aktionsrahmen für Europa vom 29.10.2008, KOM(2008) 706 endgültig). Wenig später wurde ein „European Economic Recovery Plan“ vorgelegt, vom 26.11.2008, COM(2008) 800 final. 61 The High-Level Group on Financial Supervision in the EU (Fn. 2).

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III. Finanzmärkte

– über die gemeinschaftliche Finanzaufsicht auf Makroebene und zur Einsetzung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken62, – zur Einrichtung einer Europäischen Bankenaufsichtsbehörde63, – zur Einrichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung64, – zur Einrichtung einer Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde65. Hinzu kommt noch der Entwurf für eine Entscheidung des EU-Rates zur Übertragung von Aufgaben auf die Europäische Zentralbank, die von ihr im Zusammenhang mit dem neuen Europäischen Ausschuss für Systemrisiken erfüllt werden sollen.66 Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) ist als 62 KOM(2009) 499 endgültig (proposal for a regulation on Community macro prudential oversight of the financial system and establishing a European Systemic Risk Board [ESRB], COM[2009] 499 final) vom 23. September 2009, Ratsdokument 13648/ 09 vom 25. September 2009. Im Anschluss an die Tagung des EU-Rates (Wirtschaft und Finanzen) am 20. Oktober 2009 hat der Vorsitz des Rates einen Kompromissvorschlag unterbreitet, der die Aufgaben im Vergleich zum ursprünglichen Kommissionsentwurf einschränkt (Ratsdokument 14491/1/09 REV 1 vom 21. Oktober 2009). Der Vorschlag ist nach Inkrafttreten des AEUV angepasst worden (Ratsdokument 5554/10 vom 21. Januar 2010). 63 KOM(2009) 501 endgültig (proposal for a regulation establishing a European Banking Authority [EBA], COM[2009] 501 final) vom 23. September 2009, Ratsdokument 13652/09 vom 25. November 2009; geänderte Fassung auf Grund der Einigung auf der Ratstagung am 2. Dezember 2009: Kompromisstext des Rates (Wirtschaft und Finanzen) vom 2. Dezember 2009 (Ratsdokument 16748/1/09 REV 1 vom 3. Dezember 2009). 64 KOM(2009) 502 endgültig (proposal for a regulation establishing a European Insurance and Occupational Pensions Authority [EIOPA], COM[2009] 502 final) vom 23. September 2009, Ratsdokument 13653/09; geänderte Fassung auf Grund der Einigung auf der Ratstagung am 2. Dezember 2009: Kompromisstext des Rates (Wirtschaft und Finanzen) vom 2. Dezember 2009 (Ratsdokument 16748/1/09 REV 1 vom 7. Dezember 2009). 65 KOM(2009) 503 endgültig (proposal for a regulation establishing a European Securities and Markets Authority [ESMA], COM[2009] 503 final) vom 23. September 2009, Ratsdokument 13654/09; Änderung durch Kompromisstext des Vorsitzes des Rates mit neuer Bezeichnung: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (Ratsdokument 16751/09 vom 27. November 2009). Es handelt sich dabei um eine konsolidierte Fassung der Dokumente 16077/1/09 REV 1 + ADD 1. Das Dokument 16077/1/09 ist nicht öffentlich zugänglich. Der Vorschlag wurde geändert auf Grund der Einigung auf der Ratstagung am 2. Dezember 2009: Kompromisstext des Rates (Wirtschaft und Finanzen) vom 2. Dezember 2009 (Ratsdokument 16751/1/09 REV 1 vom 7. Dezember 2009; Korrektur durch Ratsdokument 16751/1/09 REV 1 COR 1 vom 16. Dezember 2009). 66 Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Funktionsweise des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken auf die Europäische Zentralbank, KOM(2009) 500 endgültig (proposal for a decision entrusting the European Central Bank with specific tasks concerning the functioning of the European Systemic Risk Board, COM[2009] 500 final), Ratsdokument

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spezielles Gremium für die Makroaufsicht über das gesamte EU-Finanzsystem konzipiert und ist auf Art. 95 EGV (jetzt Art. 114 AEUV) gestützt. Flankiert werden diese Vorschläge von Entwürfen zur Änderung des materiellen Aufsichtsrechts. Sie enthalten Regelungen, welche Befugnisse die neuen Einrichtungen im Einzelnen ausüben sollen.67 Diese Entwürfe wurden vorbereitet und begleitet durch grundlegende Untersuchungen zu den Auswirkungen und Kosten der Maßnahmen durch den Stab der Kommission.68 Der EU-Rat hat wesentliche Abschwächungen vorgenommen, die das Europäische Parlament jedoch wieder rückgängig machen möchte. Zum Teil will es noch deutlich über die ursprünglichen Kommissionsentwürfe hinausgehen.69 Eine Reihe von Richtlinien, die im Wesentlichen materielles Aufsichtsrecht enthält, sind ebenfalls schon geändert worden, teilweise mehrfach.70 Bereits in Kraft getreten sind auch die neuen Vorschriften der EU zur Beaufsichtigung von Ratingagenturen.71 Das europäische Komitee der Wertpapieraufsichtsbehörden

13645/09 vom 25. September 2009; Änderung durch Kompromissvorschlag des Vorsitzes (Ratsdokument 14493/09 vom 15. Oktober2009; korrigiert durch Ratsdokument 14493/09 COR 1 vom 16. Oktober 2009; Umwandlung in einen Verordnungsvorschlag und Anpassung an den AEUV durch Ratsdokument 5551/10 vom 21. Januar 2010). 67 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und Rates zur Änderung der Richtlinien 1998/26/EG, 2002/87/EG, 2003/87/EG, 2003/41/EG, 2003/71/ EG, 2004/39/EG, 2004/109/EG, 2005/60/EG, 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2009/65/ EG im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Bankaufsichtsbehörde, der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung und der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde, KOM(2009) 576 endgültig; Ratsdokument 15093/09. 68 Commission Staff Working Document vom 23. September 2009, Impact Assessment, SEC(2009) 1234; Commission Staff Working Document vom 23. September 2009, Summary of the impact Assessment, SEC(2009) 1235. 69 Siekmann, Das neue Europäische Finanzaufsichtssystem, Institute for Monetary and Financial Stability, Working Paper Series No. 40 (2010), S. 41 ff. 70 Richtlinie 2009/83/EG der Kommission vom 27. Juli 2009 zur Änderung bestimmter Anhänge der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates mit technischen Bestimmungen über das Risikomanagement, ABl. L 196/14 vom 28. Juli 2009; Richtlinie 2009/111/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2007/ 64/EG hinsichtlich Zentralorganisation zugeordneter Banken, bestimmter Eigenmittelbestände, Großkredite, Aufsichtsregelungen und Krisenmanagement, ABl. L 302/97 vom 17. November 2009; Richtlinie2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte[r] Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGA W), ABl. L 302/32 vom 17. November 2009. 71 Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABl. L 302/1 vom 17. November 2009; Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren: The Committee of European Securities Regulators, CESR’s response to the consultation document of the Commission services on a draft proposal for a Directive/Regulation on Credit Rating Agencies, Ref.: CESR/08671.

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(CESR) hatte zuvor auf Bitten der EU-Kommission Stellungnahmen erarbeitet, in die die Erfahrungen mit der Krise eingeflossen sind.72 3. National a) USA Umfassend sind die Reformpläne in den Vereinigten Staaten von Amerika73. Am 16. Juli 2010 wurde nach langen Diskussionen74 das „Dodd-Frank-Gesetz“ vom Senat verabschiedet.75 Insgesamt erhalten die Aufsichtseinrichtungen deutlich mehr Befugnisse. Es wird ein Finanzstabilitätsrat eingerichtet, dem die Leiter der wichtigsten Aufsichtseinrichtungen angehören. Er hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass systemische Krisen an den Finanzmärkten früher erkannt werden. Auch soll er unter Einschaltung des Federal Reserve Systems höhere Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen anordnen dürfen. Ein wesentlicher Bestandteil des Reformpakets ist das Verbot, Finanzunternehmen unter Einsatz von Steuermitteln in der Krise zu retten. Das Finanzministerium, die Bundeseinlagenversicherung FDIC und das Federal Reserve System sollen das Recht haben, die geordnete Liquidation eines Finanzinstituts zu erzwingen. Der Finanzstabilitätsrat darf (zu) große Finanzinstitute aufspalten. Banken, die das Einlagengeschäft betreiben, wird der Eigenhandel, die Investition in Hedge Fonds und in private Anlagegesellschaften (Private Equity) untersagt. Der bislang weitgehend unreglementierte Handel mit Derivaten wird einer Aufsicht unterstellt und muss über zentrale Handelsplätze („central counterparts“) abgewickelt werden. Dadurch soll die Markttransparenz für die Marktteilnehmer und die Aufsichtseinrichtungen erhöht werden. Zugleich soll die Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Dominoeffekten weitgehend verringert werden. Hedge Fonds und Private Equity Fonds müssen sich registrieren lassen und neue Informationspflichten erfüllen. Auch sollen Ratingagenturen schärfer kontrolliert werden.76 72 The Committee of European Securities Regulators, The role of credit rating agencies in structured finance, consultation paper, February 2008; dasselbe, CESR’s Second Report to the European Commission of the compliance of credit rating agencies with the IOSCO Code and The role of credit rating agencies in structured finance, May 2008, Ref.: CESR/08-277. 73 Department of the Treasury, Financial Regulatory Reform, Rebuilding Financial Supervision and Regulation (2009). 74 Bereits am 22.10.2009 hatte der Ausschuss für „Financial Services“ des Repräsentantenhauses der entsprechenden Gesetzesvorlage (111th Congress 1st Session, H.R. 3126 „A bill to establish the Consumer Financial Protection Agency, and for other purposes“) vom 8. Juli 2009 zugestimmt. 75 H.R. 4173 – Restoring American Financial Stability Act of 2010; nach Durchführung des Vermittlungsverfahrens: Conference report considered in Senate 7/13/2010. 76 Vorgeschlagen von der Securities and Exchange Commission, Re-Proposed Rules for Nationally Recognized Statistical Rating Organizations, 17 CFR Parts 240 and 243, Federal Register, Vol. 74, No. 25, February 9, 2009, S. 6485 ff.

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Es soll eine neue Bundesbehörde zur Überwachung der Versicherungswirtschaft entstehen. Der Schutz der Verbraucher bei Finanzdienstleistungen bildet einen weiteren wesentlichen Bestandteil des Gesetzes. Dazu wird eine spezielle Behörde errichtet werden: die „Consumer Financial Protection Agency“. Sie ist organisatorisch dem Federal Reserve Board angegliedert. Aktionäre erhalten das Recht, über die Gehälter der Manager abzustimmen. Allerdings ist ihre Entscheidung nicht bindend. Auch erhalten sie das Recht, Mitglieder für das „Board“ zur Wahl vorzuschlagen. Der ursprüngliche Plan, eine Bankenabgabe einzuführen, musste aber fallen gelassen werden. b) Deutschland In Deutschland sind vor allem im Hinblick auf den finanziellen Verbraucherschutz substantielle Defizite zu verzeichnen77 und auch keine durchgreifende Änderung in Sicht. Der hier favorisierte Ausbau von Aufklärungspflichten hat sich längst als wenig wirkungsvoll erwiesen und erhöht – von wenigen Einzelfällen abgesehen – nur den bürokratischen Aufwand beim Abschluss von Verträgen mit Verbrauchern, bewirkt aber substantiell fast nichts. Auch im Hinblick auf die Einlagensicherung sind erhebliche Schwächen zu verzeichnen.78 Entgegen einer weit verbreiteten Fehlvorstellung gibt es in Deutschland im Gegensatz zu den USA79 keine Staatsgarantie oder Versicherung 77 Symptomatisch ist § 4 Abs. 4 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – FinDAG vom 22. April 2002 (BGBl. I, S. 1310), mit dem versucht wird, Amtshaftungsansprüche auszuschließen. Weder im FinDAG noch im KWG ist der Schutz der Endnutzer von „Finanzprodukten“ als besondere Aufgabe der Anstalt genannt. Auch im Schrifttum wird der Verbraucherschutz als unvereinbar mit der gesamtwirtschaftlichen Ausrichtung der Bankenaufsicht angesehen, vgl. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, Band II, 3. Aufl., 2008, § 125 Rn. 20. § 4 Abs. 4 FinDAG sei „notwendig geworden“, weil der BGH in zwei Entscheidungen Amtshaftungsansprüche gegen die Aufsichtsbehörden im Grundsatz für möglich gehalten hatte (BGH Urteil vom 15. Februar 1979 – Wetterstein, WM 1979, S. 482, Urteil vom 12. Juli 1979 – Herstatt, WM 1979, S. 934). Dementsprechend lehnt der BGH die Existenz solcher Ansprüche nunmehr ab (BGH, ZIP 2005, S. 287 und S. 1168). Der EuGH hatte in dem vorgeschalteten Vorlageverfahren die Europarechtswidrigkeit der Vorschrift verneint (Vorlagebeschluss vom 16.5.2002, NJW 2002, 2464, EuGH Urteil vom 12.10.2004 Rs. C 222/02, NJW 2004, 3479). Das Bundesverfassungsgericht hat sich noch nicht geäußert. 78 Einzelheiten bei Wagner, Die Einlagensicherung bei Banken und Sparkassen nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, 2004; Fröhlich, Die freiwillige Einlagensicherung der privaten Banken, 2008; zu Reformüberlegungen aus ökonomischer und rechtsvergleichender Sicht: Bigus/Leyens, Einlagensicherung und Anlegerentschädigung, 2008. 79 Die FDIC wurde errichtet durch Section 8 des Banking Act vom 16. Juni 1933 als „Amendment 12B“ zum „Federal Reserve Act“. Die notwendige Kapitalausstattung war von der Treasury und den 12 Federal Reserve Banks zur Verfügung zu stellen. Die Gesetzgebung wurde grundlegend reformiert in der Folge der Savings and Loan Krise zwischen 1982 und 1991, in deren Verlauf andere Sicherungseinrichtungen insolvent ge-

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durch den Staat, wenn man einmal von der mündlichen Erklärung der Bundeskanzlerin und des Bundesministers der Finanzen im Herbst 2008 absieht. Ihre rechtliche Wirksamkeit dürfte aber einer näheren Überprüfung nicht standhalten.80 Eine solche Garantie ist auch nicht durch die hastige Änderung der (unzureichenden) Richtlinien der EU81 oder die Novellierung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes im Jahre 2009 eingeführt worden82. Allerdings liegt jetzt ein umfassender Richtlinienentwurf der EU vor.83 Etwas verbessert worden ist in Deutschland der Verbraucherschutz bei Falschberatung84. 4. Würdigung Auch wenn die Politik unter starkem Handlungsdruck steht, ist jeder Aktionismus verfehlt. Es besteht die Gefahr, dass nur zweitrangige Symptome kuriert werden und durch die zahlreichen Änderungen und Ergänzungen im Detail das Geflecht der Normen noch komplexer wird. Die Komplexität der Vorschriften und ihre Vielfalt ist aber eine der Ursachen der Krise. Auch fehlt eine Gesamtwürdigung der Wirkungen und Wechselwirkungen. Die Weiterentwicklung eines Systems, das eine seiner wichtigsten Aufgaben nicht erfüllt hat, versperrt den Blick für die angezeigte grundlegende Überprüfung des Grundansatzes. Eine solche grundlegende Überprüfung und möglicherweise Neukonzeption will aber wohlüberlegt sein. Soweit es nicht um die unmittelbare Krisenbewältigung geht, sondern um die Abwehr künftiger Gefahren, steht auch hinreichend Zeit zur Verfügung.

worden waren. Die Reform erfolgte vor allem durch den „Financial Institutions Reform, Recovery, and Enforcement Act“ (FIRREA) aus dem Jahre 1989 und dem „Federal Deposit Insurance Improvement Act“(FDICIA) von 1991, durch den auch nahezu unbegrenzte Refinanzierungsmöglichkeiten bei der Treasury geschaffen wurden, vgl. Federal Deposit Insurance Corporation, A Brief History of Deposit Insurance in the United States, Prepared for the International Conference on Deposit Insurance, Washington D.C., September 1998, S. 27 f., 51 f., 54 f. 80 Die Übernahme von Garantien dieser Art bedarf einer gesetzlichen Ermächtigung nach Art. 115 Abs. 1 GG. 81 Richtlinie 2009/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 zur Änderung der Richtlinie 94/19/EG über die Einlagensicherungssysteme im Hinblick auf die Deckungssumme und die Auszahlungsfrist, ABl. L 68 vom 13.3.2009, S. 3–7. 82 Regierungsentwurf vom 16. März 2009, BT-Drucks. 16/12255, Gesetz vom 25. Juni 2009 (BGBl. I, S. 1528). 83 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Einlagensicherungssysteme [Neufassung], KOM(2010) 369, verabschiedet von der Kommission am 12. Juli 2010. 84 Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung vom 31. Juli 2009, BGBl. I, S. 2512.

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5. Exkurs: Ratingagenturen Die EU hat bereits neue Vorschriften zur verschärften Aufsicht über die Ratingagenturen erlassen.85 Sie verfolgen vier Hauptziele: 1. Schaffung eines effizienten Registrierungs- und Aufsichtsrahmens, 2. Verstärkung der Transparenz der Arbeit der Agenturen, 3. Vermeidung von Interessenkonflikten und die Behandlung von Interessengegensätzen, 4. Verbesserung der Qualität der Ratings.86 Entgegen dem Kommissionsentwurf ist darin eine spezielle Behandlung von strukturierten Finanzinstrumenten vorgeschrieben. Für sie ist in Art. 10 Abs. 3 der Verordnung angeordnet, dass klar von den sonst üblichen Symbolen (Noten) unterscheidbare Klassifikationen für diese Instrumente vorgenommen werden.87 Im Übrigen werden im Wesentlichen nur Informationspflichten und Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten, vor allem im Hinblick auf Beratungsdienstleistungen, auferlegt. Schließlich ist eine Registrierung der Agentur vorgeschrieben, wenn ihre Urteile im Rahmen der Eigenkapitalvorschriften anerkannt werden sollen. Auch wird ein Verhaltenskodex verlangt. Von der Einführung einer zivilrechtlichen Haftung wurde aber abgesehen. CESR wurde eine maßgebende Rolle für den Erlass von guidelines, die Koordination der nationalen Behörden und bei dem Antrag auf Zulassung eingeräumt. Die damit verbundene Aufwertung dieser Einrichtung wird im Schrifttum begrüßt.88 Allerdings sind damit immer noch keine Entscheidungsbefugnisse verbunden. Entscheidungen sollen auch weiterhin von den zuständigen (nationalen) Behörden getroffen werden. Die Regelungen der Verordnung sollen aber wieder durch die Verordnung zur Schaffung einer Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde geändert werden.89 Diese Verordnung bedurfte eines nationalstaatlichen Ausführungsgesetzes, obwohl eine EU-Verordnung unmittelbar geltendes Recht ist, vor allem weil eine 85

Oben Fn. 71. Vgl. M. J. Möllers, Auf dem Weg zu einer neuen europäischen Finanzmarktaufsichtsstruktur, NZG 2010, S. 285 (286 f.); Andrieu (Fn. 10), S. 91 ff., mit näheren Einzelheiten. 87 Schon im code of conduct von IOSCO vorgesehen, The Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies, vom 24. Dezember 2004, Version May 2008, Nr. 3.5 (b); ebenso der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Fn. 9) hatte für „strukturierte Produkte“ eine „eigenständige Rating-Skala“ gefordert (Textnr. 248 f.); ebenso The High-Level Group on Financial Supervision in the EU (Fn. 2), Textnr. 71 Recommendation 3: „the rating for structured products should be transformed by introducing distinct codes for such products“; Darstellung der Vorgeschichte bei M. J. Möllers (Fn. 7), S. 866 f., der ebenfalls für die Einführung einer eigenen Gattung für strukturierte Finanzprodukte plädiert hat (S. 868). 88 M. J. Möllers (Fn. 86), S. 287 f. 89 Nähere Einzelheiten bei Siekmann (Fn. 69), S. 42, 44, 50, 79. 86

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Aufsichtsbehörde zu bestimmen war.90 Im Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates zur Errichtung einer Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde91 im Rahmen des neuen Europäischen Systems der Finanzaufsichtsbehörden (ESFS) ist zwar vorgesehen, dass die Aufsicht über die Ratingagenturen vollständig und exklusiv der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) übertragen werden soll.92 Sie ist aber noch nicht errichtet worden. Da die neue Verordnung zur Aufsicht über die Ratingagenturen aber bereits in Kraft getreten ist, mussten vorerst nationale Aufsichtsbehörden zu deren Vollzug bestimmt werden. Es war innerstaatlich festzulegen, welche Stelle die operative Aufsicht über die Benutzung der Ratings durch Kreditinstitute und Versicherungen durchzuführen hat.93 Ungewöhnlich schnell hat der Bund ein Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung erlassen.94 Darin wird die BaFin zur Aufsichtsbehörde über die Ratingagenturen bestimmt, § 17 Abs. 1 WpHG n. F. Sie übt alle Befugnisse aus, die nach der Verordnung der zuständigen Aufsichtsbehörde zustehen sollen, § 17 Abs. 2 WpHG n. F. Auch werden die Ratingagenturen verpflichtet, ihre Tätigkeit einmal jährlich durch einen Wirtschaftsprüfer prüfen zu lassen, § 17 Abs. 5 WpHG n. F. Schließlich führt das Gesetz einen Katalog von insgesamt 42 (!) Bußgeldtatbeständen ein, § 39 Abs. 2 b WpHG n. F.95 IV. Aufsichtsrechtliche Schritte auf dem Weg zu einer effektiven Prävention 1. Abgrenzungen a) Die Problematik des Begriffs „Regulierung“ Letztlich sind es die Regeln, die einer eingehenden Überprüfung und Neuausrichtung bedürfen. Nun ist aber in der Vergangenheit ein Wust von Regeln ent90 Die „Durchführung“ des Gemeinschaftsrechts ist ein seit längerem diskutiertes Problem, näher C. Möllers, Durchführung des Gemeinschaftsrecht – Vertragliche Dogmatik und theoretische Implikationen, EuR 2002, S. 483. 91 Oben Fn. 65. 92 Siekmann (Fn. 69). 93 Diese Aufteilung findet sich bereits im Commission Staff Working Document vom 23. September 2009, Possible Amendments to Financial Services Legislation, SEC(2009), 1233, S. 9. 94 Ausführungsgesetz zur Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung) vom 14. Juni 2010, BGBl. I, S. 786. Der Entwurf stammt vom 15. Februar 2010, BT-Drucks. 17/716; erste Lesung im Bundestag am 25. Februar 2010, 24. Sitzung, BT-Prot. 17. Wahlperiode, S. 2072 (D). 95 Nach Art. 36 Rating-VO ist als weitere Sanktionsebene das nationale Recht vorgesehen. Auf europäischer Ebene wurden keine Bußgeldtatbestände eingeführt, vgl. M. J. Möllers (Fn. 86), S. 287.

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standen, deren Rechtscharakter teilweise unklar bis fragwürdig ist: Neben Rechtsnormen finden sich Empfehlungen, Richtlinien, Codices, Übereinkünfte, „good practice“ und vieles mehr. Sie werden nicht nur von Juristen zunehmend falsch eingeordnet und gerne unter dem Begriff „Regulierung“ zusammengefasst. Das spart eine genaue Analyse und ist sicher Teil der Probleme, vor denen wir jetzt stehen. Auch hier bedarf es einer Neubesinnung auf die eingeführte Begrifflichkeit und klarer Strukturen. Der Begriff „Regulierung“ sollte vermieden werden, da er sehr inhaltsarm ist. Meist handelt es sich auch nur um eine unkritische Übernahme des englischen Begriffs „regulation“, der auch häufig sehr unspezifisch verwendet wird. In besseren Texten wird aber mittlerweile doch deutlich unterschieden zwischen „regulation“ als der Gesamtheit der für ein Finanzinstitut geltenden Vorschriften und Standards und „supervision“ als die Ausübung von Kontrolle über Finanzinstitute, um zu gewährleisten, dass die Vorschriften und Standards auch richtig angewandt werden.96 Es handelt sich also um die altbekannte Unterscheidung zwischen Normgebung und Normanwendung. Allerdings werden bei dieser Abgrenzung auch mehr oder weniger private Werke mit einbezogen („Standards“), während auch im amerikanischen Verwaltungsrecht der Staat als Quelle dieses Rechts im Vordergrund steht.97 Die Abgrenzung bleibt also insoweit aus juristischer Sicht problematisch. Die dabei auch noch fehlende Unterscheidung zwischen dem Erlass von Normen und dem Erlass von Einzelakten entspricht aber wohl dem – wenig ausgeformten – amerikanischen Verwaltungsrecht, das nicht materiellrechtlich denkt. Eine „regulation“ kann dort sowohl eine (Rechts-)Vorschrift als auch eine (Allgemein-)Verfügung der Exekutive sein. Diese Unterscheidung, die sehr vielen Autoren, die über „regulation“ schreiben, unbekannt sein dürfte, ist aber auch dem amerikanischen Recht nicht fremd; nur spielt sie wegen der prozeduralen Ausrichtung des Verwaltungsrechts keine maßgebende Rolle. Hinzu kommt, dass im juristischen Sprachgebrauch mit „regulation“ die exekutive Normgebung gemeint ist, während von wirtschaftswissenschaftlicher oder politischer Seite meist auch der Erlass förmlicher Gesetze gemeint ist. Jedenfalls wird über Regeln gesprochen, die in förmlichen Gesetzen stehen. Schließlich wird der Begriff „regulation“ im EU-Recht eindeutig als Rechtssatz verstanden und deshalb auch korrekt mit „Verordnung“ übersetzt. Wegen dieser verschiedenen Bedeutungsinhalte und ihrer unterschiedlichen Abgrenzung in den verschiedenen Rechtsordnungen sollte der Begriff „Regulierung“ unbedingt vermieden werden. Stattdessen kann klar und eindeutig gesagt werden, was eigentlich gemeint ist. Allerdings ist dazu eine gewisse Kenntnis der korrekten Termini erforderlich. 96

The High Level Group on Financial Supervision in the EU (Fn. 2), S. 13. Merriam Webster’s Dictionary of Law, 1996 „regulation“: „an authoritative rule; specif: a rule or order issued by a government agency and often having the force of law“; Gifis, Law Dictionary, „regulations“: „rules or other directives issued by administrative agencies that must have specific authorization to issue directives [. . .]“. 97

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b) Die Umgehungsmöglichkeiten Zu Recht hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten 2007/08 aber darauf hingewiesen, dass bei allen Reformüberlegungen immer zu beachten ist, dass sich die Finanzmärkte „durch eine hohe Kreativität“ auszeichnen, „wenn es darum geht, staatliche Regulierungen zu umgehen“.98 Es sind aber nicht die (anonymen) Finanzmärkte, sondern Menschen, die sich so verhalten. Auch in anderen Bereichen, in denen der Staat (selbstverständlich) ordnend tätig wird, gibt es diese Phänomene, doch ist das kein Grund bei drohenden Gefahren für die Allgemeinheit, nicht tätig zu werden. Die Fragwürdigkeit des Begriffs „staatliche Regulierung“ ist bereits dargelegt worden.99 c) Ausgrenzungen Die Bekämpfung einiger Erscheinungen, die als Ursachen der Krise immer wieder diskutiert werden und teilweise auch schon zu Gesetzesvorhaben geführt haben, dürfte zwar eine hohe politische und mediale Bedeutung haben, aber kaum verlässlich auf Dauer zu einem stabileren Finanzsystem führen. Es handelt sich vor allem um – einen zwingenden Selbstbehalt für die Schöpfer von strukturierten „Finanzprodukten“, – die Honorierung des (Spitzen-)Managements in der Finanzwirtschaft, – Verstaatlichung von bestehenden Finanzinstituten, – die Größe und Verknüpfung der Institute. Ein zwingender Selbstbehalt hätte wohl kaum den Ausbruch der Krise verhindert. Im Gegenteil hatten die Banken, die in Schwierigkeiten geraten sind, in großem Umfang die strukturierten Wertpapiere, die dann „toxisch“ wurden, noch in ihren Bilanzen oder hatten für ihre Bezahlung Garantien übernommen100. Höhe und Struktur der Gehälter des Managements mögen eine zu hohe Risikoneigung hervorgerufen haben. Es besteht aber kein hinreichender Beleg, dass mit Obergrenzen oder der Orientierung am langfristigen Erfolg ein nennenswert anderes Verhalten zu sehen gewesen wäre.101 Dabei darf vor allem nicht vergessen wer98 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Fn. 3), Text-Nr. 257–259. 99 Oben IV. 1. a). 100 Vgl. Huertas, (Fn. 4), S. 5; Rudolph (Fn. 4) weist ebenfalls darauf hin, dass ein weitgehend übersehener Faktor war, dass die Banken Kreditrisiken eben nicht weitergereicht haben, sondern wegen eines „Anlagenotstands“ in den eigenen Büchern behalten oder zurück erworben haben (S. 15) sowie Kredit- oder Liquiditätslinien gewährt haben, die dann zu einer „Falle“ wurden (S. 17). 101 Vgl. Hopt (Fn. 5), S. 1401.

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den, dass für viele Fehlentwicklungen, namentlich in den USA, der Vertrieb vor Ort eine wichtige Rolle gespielt hat. Die kleinen Bankangestellten oder Vermittler, fälschlich jetzt als „Bankberater“ tituliert, haben für erhebliches Mis-selling gesorgt. Das ist aber weder für die Vertreter der Medien noch die Politik ein angenehmes Thema. Die Verstaatlichung der Banken mag als Augenblicksmaßnahme durchaus angezeigt sein und hat im In- und Ausland auch in erheblichem Umfang stattgefunden. Neben den bekannten privaten Großbanken Hypo-Real-Estate, Commerzbank/Dresdner Bank und den gemischtwirtschaftlichen Instituten IKB und HSH/ Nordbank waren es vor allem die Mehrzahl der Landesbanken, die in Deutschland massiv in Schwierigkeiten geraten sind. Die Verstaatlichung von Staatsbanken macht aber keinen Sinn. In den USA waren es die halbstaatlichen Förderbanken „Fannie Mae“ (Federal Home Loan Mortgage Corporation) und „Freddie Mac“ (Federal National Mortgage Association, FNMA), nicht aber das wenig bekannte, aber ähnlich strukturierte Förderinstitut „Ginnie Mae“ (Government National Mortgage Association [GNMA]), die massive Unterstützung benötigten. Staatliches oder privates Eigentum an einer Bank war wohl nicht der maßgebende Umstand für Schwierigkeiten oder Wohlergehen. Auch wenn eine (flächendeckende) Verstaatlichung als Präventionsmaßnahme gegenwärtig weder geeignet noch angemessen sein dürfte, darf sie aber als ultima ratio nicht völlig ausgeschlossen werden, wenn andernfalls die westlichen Demokratien an der Bewältigung von Bankenkrisen zu zerbrechen drohen. Dabei ist es zweitrangig, ob Banken „Produktionsmittel“ im Sinne von Art. 15 GG sind, da auch Art. 14 Abs. 3 GG in einem solchen Fall eine hinreichende Grundlage bieten würde. In jedem Fall ist aber nach den mehr oder weniger schlecht durchgeführten Privatisierungen von Finanzinstituten (Depfa, WestLB, Postbank etc.) zu erwägen, eine flächendeckende, kostengünstige und absolut sichere Versorgung der Bevölkerung mit den wirklich notwendigen Dienstleistungen durch staatliche oder kommunale Einrichtungen zu gewährleisten. Die Postbank erfüllt diese Aufgabe der Daseinsvorsorge, welche die Postgiroämter in zufriedenstellender Weise bewältigt hatten, jedenfalls immer weniger. Hier hat ein von der Öffentlichkeit kaum thematisierter, aber deutlich spürbarer Erosionsprozess stattgefunden, der immer noch andauert; ganz zu schweigen von dem (erheblichen) Adressrisiko, das es vor der (Form-)Privatisierung dieses Instituts nicht gab. Allerdings dürfte insoweit kein nennenswerter Zusammenhang mit dem Stabilisierungsziel bestehen. Sicher scheint jedenfalls zu sein, dass das Euro-System keiner grundlegenden Umgestaltung bedarf. Die EZB und der Euro haben sich auch angesichts der Staatsschuldenkrise gut gehalten. Entgegen zahlreichen skeptischen Stimmen hat die einheitliche Währung maßgebend zur finanziellen Stabilisierung schwächerer

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Mitgliedstaaten beigetragen.102 Der Harvard Ökonom Kenneth Rogoff hat es so ausgedrückt: „Insgesamt glaube ich, es war eine gute Krise für Europa: Der Euro ist nicht kollabiert, kein Staat ist bankrott gegangen. Es war ein kurzzeitiges Drama. Deutschland wird sich langsam, aber stark erholen.“ 103 Der zweite Teil der Aussage dürfte aber im Hinblick auf die gigantisch wachsende Staatsverschuldung in Frage zu stellen sein, auch wenn den Deutschen insoweit oft zu viel Ängstlichkeit vorgeworfen wird. 2. Der begrenzte Nutzen von Finanzmärkten und Finanzinstitutionen Es besteht kein Zweifel, dass eine entwickelte Volkswirtschaft ein gutfunktionierendes Bankensystem braucht. Entsprechendes gilt auch für Versicherungen und Kapitalmärkte, aber schon mit Einschränkungen. Alle übrigen Aussagen über Umfang und Bedeutung des „Finanzsektors“ sind nicht erst seit der Entwicklung der letzten Monate mit großer Vorsicht zu betrachten. Schon die Bedeutung des Begriffs „Finanzsektor“ ist unklar. Vermutlich sind damit die Finanzmärkte, vielleicht aber auch Versicherungen und finanzbezogene Dienstleistungen finanzieller Institutionen der Privatwirtschaft gemeint, nicht aber die makroökonomische Analyse der Geldwirtschaft. Vor allem lässt die relative Bedeutung eines so verstandenen „Finanzsektors“ nicht ohne weiteres einen Schluss auf die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft zu. Normative Aussagen dahin, dass „der deutsche Finanzsektor seiner Bedeutung für die Volkswirtschaft nur unzureichend gerecht“ werde, entbehren hinreichender empirischer und theoretischer Grundlagen. Im Gegenteil gibt es Anzeichen dafür, dass die Volkswirtschaften, in denen der Anteil des Finanzsektors an der Wertschöpfung relativ gering ist im Verhältnis zur gewerblichen Produktion oder dem nicht finanziellen Dienstleistungssektor, letztlich stabiler sind und nachhaltiger Wohlstand schaffen. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass ein hoher Anteil von Finanzdienstleistungen an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung als solcher noch nichts über das Ausmaß der gesamtwirtschaftlichen Nutzenstiftung besagt. Für sich genommen hat er keinen besonderen Wert. Im Gegenteil kann er ein Anzeichen dafür sein, dass die notwendigen Dienstleistungen ineffizient erbracht werden, die Transaktionskosten (relativ) zu hoch sind. Auch wenn sich empirisch zeigen sollte, dass Volkswirtschaften mit einem hohen Anteil von Finanzdienstleistungen 102 Das ist auch die Einschätzung der EU-Kommission in ihrem Jahresbericht 2009 über das Euro Gebiet: Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee, the Committee of the Regions and the European Central Bank, Annual Statement on the Euro Area 2009, 7.10.2009, COM(2009) 527. 103 Interview in: Der Standard vom 11. Oktober 2009.

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gesamtwirtschaftlich mehr Gewinn erwirtschaften, darf dabei aber nicht das unter Umständen wesentlich höhere Risiko, das dabei eingegangen wird, außer Acht gelassen werden.104 Dieser Fehler wird aber bei der Darstellung des angeblichen Netto-Nutzens der Finanzwirtschaft allzu häufig gemacht. Die Bedeutung funktionierender Finanz- und Kapitalmärkte für das Wachstum einer Wirtschaft soll damit in keiner Weise in Abrede gestellt werden. Doch muss dabei immer berücksichtigt werden, dass Finanzmärkte lediglich bestimmte Dienstleistungen zu erbringen haben. Sie schaffen keine realen Güter und dürfen deshalb kein Selbstzweck sein. Sie gewinnen ihre Bedeutung ausschließlich in dienender Funktion. Auf diese Weise helfen sie mittelbar, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Darin liegt ihr Nutzen, aber auch nur darin. Es gilt, den Bezug zum Menschen wieder herzustellen. Bei allen Überlegungen zu Neuregelungen muss der Dienstleistungscharakter der Finanzwirtschaft daher eindeutig wieder im Vordergrund stehen. Es bestehen Anzeichen, dass der allergrößte Teil sogenannter Finanzprodukte, vor allem aber „innovativer Finanzprodukte“, für die Masse der Bevölkerung nutzlos oder gar schädlich sind, wenn man von der Befriedigung des Spieltriebs einmal absieht. Wirklich gebraucht werden 1. ein verlässliches und absolut sicheres System zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs, 2. die Möglichkeit zur Anlage von Sparguthaben ohne Risiko oder mit begrenztem Risiko, 3. die Kreditgewährung für den Erwerb von Wohnimmobilien, 4. möglicherweise: der langfristige Aufbau eines Kapitalstocks zur Alterssicherung. Schon die Kreditfinanzierung anderer langlebiger Konsumgüter ist nicht unproblematisch. Welche Institute man dafür braucht und wie sie konstruiert und überwacht werden, muss von Grund auf neu durchdacht werden, wenn immense Steuermittel für die Rettung von Finanzinstituten, vor allem aber ihrer Eigentümer und ihrer Fremdkapitalgeber, eingesetzt werden. Mittelfristig ist nur die 104 Vgl. Gerlach/Schulz/Wolff, Banking and sovereign risk in the euro area, Deutsche Bundesbank, Discussion Paper Series 1: Economic Studies, No. 09/2010, S. 12 f.: Das Verhältnis der aggregierten Vermögenswerte des Bankensektors zum Sozialprodukt (Maß für die Bedeutung des Sektors für eine Volkswirtschaft) kann in guten Zeiten ein Treiber für das Wirtschaftswachstum sein, ist aber in einer Krise ein Risiko für den Staat, das sich selbst im Euro Gebiet in einer signifikanten Erhöhung seiner Finanzierungskosten widerspiegelt. Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass der Kurs der Bundesanleihen, der als Referenzgröße verwendet wird, durch die Erwartung von kostspieligen Hilfsaktionen wahrscheinlich ungünstiger ist als ohne diese Erwartung. Empirisch lässt sich damit zeigen, dass letztlich die Allgemeinheit – versteckt und mittelbar – die Kosten eines großen Finanzsektors zu tragen hat, auch wenn es tatsächlich (noch) nicht zu staatlichen Unterstützungszahlungen für Finanzinstitute gekommen ist.

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Sicherung oder Stützung solcher Einrichtungen vertretbar, ohne die eine der oben genannten Funktionen nicht mehr erbracht werden würde. Für die gewerbliche Wirtschaft, nicht aber öffentliche Einrichtungen, ist dieses Spektrum zu erweitern. Dabei ist allerdings zu beachten, dass über die Hälfte der Arbeitnehmer in Klein- und Kleinstunternehmen tätig sind. Diese benötigen im Wesentlichen auch keine komplexen „Finanzprodukte“ sondern allenfalls eine Wagnisfinanzierung bei Neugründungen oder Erweiterungen, wenn die banküblichen Sicherheiten nicht vorhanden sind. Trotz der Unzahl immer neuer „Finanzprodukte“ dürfte es hier aber immer noch Lücken geben, die gesamtwirtschaftlich sinnvoll zu schließen wären. 3. Die grundlegende Neugestaltung von Aufsicht und Kontrolle Der Weg zu einer effektiven Prävention stellt sich im Kern dar als eine grundlegende Umgestaltung des institutionellen Rahmens für die Finanzmärkte.105 Dieser – auch von Ökonomen gerne verwendete – Begriff bedarf allerdings der Konkretisierung. Zumindest eine Unterscheidung ist wichtig: Es ist zwischen den institutionellen Vorschriften für Organisation und Verfahren von Kontrolleinrichtungen und den materiellen Vorgaben für die Tätigkeit der Finanzmarktakteure zu unterscheiden. Die Grenzen verschwimmen allerdings an den Rändern, da es auch Regeln für die organisatorische Ausgestaltung der Finanzmarktakteure geben muss. Bei allen weiteren Überlegungen zur Verbesserung der Aufsicht, um künftige Krisen zu verhindern, ist aber analytisch immer genau zu unterscheiden zwischen – dem materiellen Aufsichtsrecht (Komplexität, Aufweichung, Selbstregulierung, institutsbezogene Sicht), – der Organisation der Aufsichtseinrichtungen und – dem tatsächlichen Verhalten dieser Einrichtungen in der Verwaltungspraxis (mangelndes Einschreiten gegen gefährliche oder gar rechtswidrige Praktiken). Das wird häufig in der öffentlichen, aber auch der akademischen Diskussion im Bereich der Wirtschaftswissenschaften versäumt. Darüber hinaus bedarf es einer Klärung, welche Ziele mit der Aufsicht verfolgt werden sollen. Im Hinblick auf Banken kann unterschieden werden zwischen – dem Schutz der Investoren, – der Sicherstellung der Funktion der Märkte und – der Funktionsfähigkeit des Finanzsystems als Ganzem.106 105 106

In diesem Sinne auch Inderst (Fn. 12), S. 12. Vgl. Inderst (Fn. 12), S. 2.

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a) Finanzmarktaufsicht als Gefahrenabwehr Das Aufsichtsrecht muss wieder klar als Sonderordnungsrecht konzipiert werden. Es dient der Gefahrenabwehr und nicht der Stärkung des „Finanzplatzes Deutschland“. Alle Tendenzen, dieses Recht als eine Art korporatistisches Standesrecht der Banken, oder genauer: einiger Großbanken zu begreifen107, müssen unterbunden werden. Die Vorstellung, dass Aufsichtsregeln eine Selbstordnung („Selbstregulierung“)108 der Industrie sein können, die durch mehr oder weniger private eigene Kontrolleinrichtungen vollzogen werden könnten, funktioniert allenfalls insoweit, als einzelne „schwarze Schafe“ ausgesondert werden, verhindert aber keinesfalls gefährliche branchenweite Fehlentwicklungen. Es muss auch den ökonomisch ausgerichteten Beratern wieder klar gemacht werden, dass Verhaltensempfehlungen oder Codices etwas anderes sind als Rechtsnormen und dass diese Rechtsnormen strikt zu beachten sind. Das ist keine Frage von mehr oder weniger guter „Compliance“. Damit ist auch eine nur subsidiäre Geltung wesentlicher Elemente des Aufsichtsrechts nicht zu vereinbaren. Namentlich die Solvabilitätsverordnung weist derartige Tendenzen auf. Bei der Ermittlung von Adressrisiken erlaubt sie beispielsweise neben dem Kreditrisiko-Standardansatz (KSA), § 24 ff. SolvV, einen auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRBA), § 55 ff. SolvV. Damit wird den Instituten, die damit umgehen können, weitgehend überlassen, selbst zu bestimmen, welchen materiellen Gehalt die Regelungen tatsächlich für sie haben. Die Aufsicht der BaFin über diese Verfahren hat jedenfalls nach bisherigem Erkenntnisstand nicht ausgereicht. b) Organisation der nationalen Aufsicht Die Aufsichtseinrichtung darf nicht unter dem Einfluss der Beaufsichtigten stehen. Sowohl der Wunsch der Politik als auch der aufsichtsunterworfenen Institute ging aber dahin, ihre Geschäftstätigkeit auszuweiten, große Einheiten zu schaffen und den Finanzplatz Deutschland zu stärken. Die dabei vernachlässigten Risiken haben sich als fatal erwiesen. Da sowohl Markt- als auch Staatsversagen vorliegt, ist es nicht möglich, pauschale Empfehlungen abzugeben. Jedenfalls ist die Finanzierung der BaFin allein aus eigenen Einnahmen (§ 13 Abs. 1 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – FinDAG) für den Finanzminister erfreulich, aber

107 In diesem Sinne Junker (Fn. 29), S. 68 („regulierte Selbstregulierung“), der dieses Ordnungsmodell nicht einmal mehr eindeutig dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zuordnen mag (S. 273). 108 Oben II. 2.

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staatsrechtlich nicht ohne Risiken109, auch wenn das Bundesverfassungsgericht vor wenigen Tagen diese Umlage als zulässige Sonderabgabe hat passieren lassen110. Auch das sehr starke Gewicht der Aufsichtsunterworfenen und ihrer Verbände im Verwaltungsrat der BaFin (§ 7 Abs. 3 FinDAG) mag zwar den skizzierten korporatistischen Vorstellungen entsprechen, ist aber im Grundansatz verfehlt. Zudem hat der Fachbeirat nach § 8 FinDAG seine Aufgabe als unabhängiges Beratungsgremium nicht erfüllt.111 Ob die Krise mit einer zentralen Aufsicht anders verlaufen wäre, ist alles andere als sicher. Reibungsverluste im Bereich von § 7 Kreditwesengesetz – KWG und der „Aufsichtsrichtlinie“ der Bundesregierung sind nicht zu bestreiten, doch dürfte eine von der Politik unabhängige Bankenaufsicht nicht mit dem Demokratieprinzip zu vereinbaren sein (Verbot „ministerialfreier Räume“). Obschon leichte Vorteile für eine Ansiedlung zumindest der Bankenaufsicht bei der Bundesbank zu erkennen sind, können dadurch Gefahren für ihre europarechtlich (Art. 130 AEUV) und verfassungsrechtlich (Art. 88 Satz 2 GG) garantierte Unabhängigkeit entstehen, wenn diese Garantie nur für die Geldpolitik gewährt ist. Das ist allerdings umstritten112. Es wird sich in jedem Fall um eine juristische Gratwanderung zwischen Demokratieprinzip und Unabhängigkeitsgarantie handeln. c) Europäisierung und Globalisierung der Aufsicht Es besteht weitgehend Einigkeit, dass die Ausbreitung der Krise durch das weitgehende Fehlen einer grenzüberschreitenden Aufsicht begünstigt worden ist. Die Bemühungen um eine neue globale Ordnung der Finanzmärkte sind noch nicht in ein entscheidendes Stadium getreten und die Vorschläge des Ausschusses für Bankenaufsicht in Basel sind doch eher detailorientiert. Dabei ist aber zu bedenken, dass ein Ausbau der internationalen Bankenaufsicht auch zu mehr 109 Dezidiert für Verfassungswidrigkeit Ehlers/Achelpöhler, Die Finanzierung der Wirtschaftsaufsicht des Bundes durch Wirtschaftsunternehmen, NVwZ 1993, 1025 (1031), aber Gebührenerhebung für einzelne Amtshandlungen zulässig. 110 BVerfG, 2 BvR 852/07 vom 16.9.2009. 111 Krahnen/Siekmann, Rettungsstrategie ohne Moral Hazard – Versuch eines Gesamtkonzepts zur Bankkrisenvermeidung, Institute for Monetary and Financial Stability, Working Paper Series No. 38 (2010), S. 13. 112 Für sonstige den Zentralbanken zulässigerweise zugewiesenen Tätigkeiten, namentlich im Bereich der Bankenaufsicht, soll die Unabhängigkeitsgarantie des Art. 108 EGV nicht gelten; in diesem Sinne: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Bd. II, 1980, S. 478; zust. Kämmerer, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 88 Rn. 10; Kempen, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 108 Rn. 9; Häde, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV – Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta, 3. Aufl. 2007, Art. 108 Rn. 20; zweifelnd, dass eine solche Trennung möglich ist, Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 88 Rn. 66.

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gleichgerichtetem Verhalten der Betroffenen führen und die prozyklischen Eigenschaften bankaufsichtsrechtlicher Regelwerke verstärken kann.113 Juristische Fragen stellen sich vor allem im Hinblick auf die – wenn auch abgeschwächte – Einbindung der EZB, da das Primärrecht der EU in Art. 127 Abs. 5 und 6 AEUV möglicherweise abschließend die Frage der Beteiligung der EZB bei der Finanzmarktaufsicht regelt. Die Übertragung von Aufgaben der Versicherungsaufsicht ist in Art. 127 Abs. 6 AEUV ausdrücklich ausgeschlossen.114 Die Errichtung von Gemeinschaftsbehörden („authorities“) durch sekundäres Gemeinschaftsrecht ist zwar in der Praxis recht weit verbreitet, stößt aber ebenfalls auf Bedenken, die mit dem Stichwort „Meroni Doktrin“ 115 verbunden sind. Danach dürfen Einrichtungen mit Hoheitsbefugnissen möglicherweise nur durch Vertragsänderung oder -ergänzung errichtet werden,116 auch wenn der EuGH zuletzt eine großzügige Haltung eingenommen hat.117 113

Rudolph (Fn. 4), S. 31. Näher Siekmann (Fn. 20), S. 64 ff. 115 Der EuGH hat in seiner „Meroni“-Rechtsprechung (EuGH Urteile vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11; Rs. 10/56, Slg. 1958, 51) Grenzen für die Übertragung von Befugnissen auf Einrichtungen aufgestellt, die von den Organen der Europäischen Gemeinschaften getrennt sind. In dem entschiedenen Fall ging es um die Übertragung von finanzrechtlichen Befugnissen auf eine selbstständige finanzielle Einrichtung („Ausgleichskasse für eingeführten Schrott“), die in privatrechtlicher Form organisiert war. Eine solche Übertragung war als solche ausdrücklich in Art. 53 Abs. 1 EGKSV vorgesehen. Es ging also im Wesentlichen um die Modalitäten und die Grenzen der Übertragungsmöglichkeit. Im Ergebnis müssen bei der Übertragung von Hoheitsbefugnissen zumindest folgende Anforderungen beachtet werden: Es dürfen „keine weiterreichenden Befugnisse übertragen werden, als sie der übertragenden Behörde nach dem Vertrag selbst zustehen“, EuGH Urteil vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (40). Es dürfen nur Ausführungsbefugnisse übertragen werden, die genau umgrenzt sind und deren Ausübung von dem zuständigen Gemeinschaftsorgan beaufsichtigt wird (S. 44), bezogen auf die Hohe Behörde. Die Übertragungsentscheidung muss ausdrücklich erfolgen (S. 15; 42). Der Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz darf durch die Übertragung von Aufgaben auf nachgeordnete Stellen nicht verletzt werden, EuGH Rs. 19/67, Slg. 1967, 461 (474) – van der Vecht. 116 Näher Siekmann (Fn. 20), S. 69 ff. 117 In seiner Entscheidung zur Gründung der Agentur für Netz- und Informationssicherheit hat der EuGH die „Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung“ ausdrücklich anerkannt, EuGH Urteil vom 2.5.2006, Rs. C-217/04, Rn. 44, Slg. I (2006), 3771 (3806); abl. Ohler, Anmerkung zum EuGH Urteil vom 2.5.2006, Aktenzeichen C-217/ 04, EuZW 2006, 369 (373 f.), der aber das Vorliegen einer „ungeschriebenen Annexkompetenz“ in Erwägung zieht. Nach Auffassung des EuGH kann der Gemeinschaftsgesetzgeber im Rahmen von Art. 95 EGV aufgrund seiner Sachwürdigung die Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung für notwendig erachten. Sie muss allerdings die Aufgabe haben, einen Beitrag zur Verwirklichung des Harmonisierungsprozesses zu leisten, EuGH Urteil vom 2.5.2006, Rs. C-217/04, Rn. 44 Slg. I (2006), 3771 (3806). Der EuGH verlangt weiter, dass die Aufgaben, die einer solchen Einrichtung übertragen werden, in engem Zusammenhang mit den Bereichen stehen, auf die sich die Rechtsakte zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten beziehen, EuGH Urteil vom 2.5.2006, Rs. C-217/04, Rn. 45 Slg. I (2006); 3771 (3806). 114

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d) Reduktion der Komplexität Nennenswerte Teile des Aufsichtsrechts sind im Wesentlichen unlesbar. Das betrifft sowohl die einschlägigen Richtlinien der EU als auch das deutsche Kreditwesengesetz und die dazu ergangenen Ausführungsverordnungen, die fast ausschließlich europarechtliche Vorgaben umsetzen.118 Auch wenn man berücksichtigt, dass es sich um Recht zur Regelung einer engen Spezialmaterie handelt, erfüllt es kaum die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Klarheit und Verständlichkeit von Normen119. Selbst wenn man die Grundidee der Regeln von Basel II, die Orientierung der Eigenkapitalerfordernisse an dem individuellen Risiko des Schuldners, für einleuchtend hält,120 ist ihre praktische Umsetzung in den genannten Regelwerken problematisch und hat zu gefährlichen Ergebnissen geführt.121 Eine Rückkehr zu wesentlich einfacheren Regeln ist ernsthaft zu erwägen, auch wenn sie theoretisch suboptimal sind. Jedenfalls ist die prozyklische Wirkung der Basel II Regeln zu beseitigen. Daran wird aber schon gearbeitet. Allerdings habe sie nicht die Krise herbeigeführt, sondern allenfalls zeitweise verschärft. Zur Prävention tragen derartige neue Regeln nicht wesentlich bei. e) Anforderungen an das Eigenkapital Die Eigenkapitalquote ist nicht allein entscheidend. Alle Werte sind mehr oder weniger gegriffen. Auch eine Quote von 75 % im Gegensatz zu den jetzt geltenden 8 % kann den Untergang einer Bank nicht verhindern, wenn das Vertrauen in ihre Zahlungsfähigkeit beschädigt ist. Die fehlenden 25 %, die erforderlich wären, um alle Gläubiger zu befriedigen, sind dann fatal, wenn die Ausleihungen nicht absolut fristenkongruent refinanziert sind. In jedem Fall würde aber zusätzliches Eigenkapital einen wirksamen Puffer gegenüber Schocks bieten und damit auch systemische Auswirkungen verringern.122 f) Anteil der Fremdfinanzierung („leverage“) Materielle Regeln über das Ausmaß der Fremdfinanzierung von Finanzinstitutionen sind angezeigt. Auf den ersten Blick scheint der größere Einsatz von Eigenmitteln die Eigenkapitalrentabilität zu verringern. Dieses Ergebnis beruht aber auf methodischen Fehlern, da bei korrekter Einpreisung der höheren Risiken 118

Oben Fn. 52. BVerfGE 14, 13 (16); 17, 306 (314); 47, 239 (247); 103, 21 (33). 120 Dagegen Danielson/Embrechts/Goodhart/Keating/Muennich/Renault/Shin (Fn. 24). 121 Anders Rudolph (Fn. 4), der ihre mangelnde Umsetzung für die Entstehung der Krise (mit-)verantwortlich macht (S. 27). 122 Inderst (Fn. 12), S. 7, der sich zugleich gegen risikoadjustierte Abgaben wendet. 119

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die Eigenkapitalrentabilität unabhängig von der Komposition der Finanzierung eines Investments ist. Das ist der Kerninhalt des (zweiten) Modigliani-Miller Theorems123. Zudem dient der höhere Eigenkapitalanteil als Sicherheitspuffer in der Krise, auch wenn er keine Garantie für die Bewältigung von Krisen bietet. g) Erfassung von Risiken und ihre Lenkung Die Fristeninkongruenz bei der Finanzierung von Aktiva war eine der Hauptursachen für die Schwierigkeiten von Banken und anderen Finanzdienstleistern. Hier sind sehr viel strengere Rechtsvorschriften zur Begrenzung der damit verbundenen Risiken und zur Erzeugung von Transparenz auch für die Kapitalgeber erforderlich. Entsprechendes gilt für die Bewertung der Aktiva und das Verbot von gefahrgeneigten Aktivitäten außerhalb des Rechnungswesens („off-balance-sheet“). Ein großer Teil der Investmenttätigkeiten der Banken sind „off-balance-sheet“ erfolgt. Entsprechendes gilt für die Beratungstätigkeit und Garantieübernahmen. Eine Unterlegung mit Eigenkapital anstelle von Verboten ist möglicherweise vorzugswürdig. h) Zulassung von Finanzprodukten Eine weitere wesentliche Ursache für Entstehung und Verlauf der Krise ist die Intransparenz der Verbriefungen. Im Extremfall ist hier an ein staatliches Zulassungsverfahren zu denken, zumindest soweit ein Vertrieb an Personen außerhalb des Finanzsektors erfolgen soll. Wenn von Produkten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht, dürfen sie im Zweifelsfall aus dem Verkehr gezogen werden. Neben solchen Verkehrsverboten kennt das Ordnungsrecht sehr strenge Vorschriften über Zulassung, Verkauf oder Werbung für solche Produkte, wie beispielsweise bei Fahrzeugen, Suchtmitteln, Baustoffen, Glücksspielen oder Arzneimitteln. Auch zugelassene Arzneimittel oder Chemikalien sind beispielsweise nicht für jedermann frei käuflich. Dies muss auch für „Finanzprodukte“ gelten, wenn sie sich als gefährlich erwiesen haben. In diesem Zusammenhang dürfen auch Gesichtspunkte des Selbstschutzes (Verbraucherschutzes) nicht außer Acht gelassen werden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit den Verpflichtungen zum Tragen von Schutzhelmen oder zum Anlegen von Sicherheitsgurten anerkannt.124 Offen ist lediglich, ob die Stabilität des Finanzsystems ein hinreichend wichtiges Gemeinschaftsgut ist. Zumindest dürfte eine Standardisierung vorgeschrieben 123 Der Gesamtkapitalkostensatz eines Unternehmens ist vom Verschuldungsgrad dieses Unternehmens unabhängig, wenn einige plausible Annahmen erfüllt sind. 124 BVerfGE 21, 72 (73); 59, 275 (278).

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werden dürfen, damit für die Beteiligten auf einfache Art und Weise Erträge und Risiken eingeschätzt werden können. Ein zusätzlicher Nutzen von Komplexität ist – außer für die Originatoren und Verkäufer – nicht ersichtlich. i) Keine impliziten Garantien für das Überleben von Instituten Eine Überlebensgarantie für private Banken darf es nicht mehr geben.125 Möglicherweise sind Größenbeschränkungen erforderlich, damit sich das Management nicht auf eine implizite Staatsgarantie verlassen kann. Eine Bank soll nicht „too big to fail“ sein. Aber selbst die Einführung von Obergrenzen kann nicht jede Instabilität ausschließen. Nicht nur die Größe eines Finanzinstituts, sondern auch die Verknüpfung innerhalb des Finanzsektors („too interconnected to fail“) ist ein wichtiger Faktor, der dazu führen kann, dass ein Untergang des Instituts praktisch zu jedem Preis (vom Staat) verhindert werden muss . Damit ist das neben der staatlichen Aufsicht wichtigste Regulativ, die Marktdisziplin, außer Kraft gesetzt. Ähnliche Probleme treten auf, wenn viele kleine Institute in dieselbe Richtung laufen, wie in der Savings und Loan Krise in den USA. Auch dann ist der Staat praktisch gezwungen, zu helfen („too many to fail“). 125 Ebenso Rudolph (Fn. 4), S. 29; Meltzer, End Too-Big-to-Fail, The International Economy, 2009, S. 49; zur Verbesserung und Schaffung eines Regimes für die (transnationale) Abwicklung von Finanzinstitutionen: Amend, Die „eingeschränkte Insolvenz“ oder die Kunst, ein bisschen schwanger zu sein, ZIP 2009, S. 395; dies., Das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz oder der Bedeutungsverlust des Insolvenzrechts, ZIP 2009, S. 589 ff.; Ayotte/Skeel, Bankruptcy or Bailouts?, Institute for Law & Economics, University of Pennsylvania Law School, Research Paper No. 09-11; Binder, Bankenintervention und Bankenabwicklungen Deutschland: Reformnotwendigkeit und Grundzüge eines verbesserten Rechtsrahmens, Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Arbeitspapier 05/2009; ders., Institutionalisierte Krisenbewältigung bei Kreditinstituten, ZBB 2009, S. 19; Claessens/Herring/ Schoenmaker, A Safer World Financial System: Improving the Resolution of Systemic Institutions, Geneva Report on the World Economy, April 2010; Eidenmüller, Finanzkrise, Wirtschaftskrise und das deutsche Insolvenzrecht, 2009; Evanoff/Kaufman, Systemic Financial Crises – Resolving Large Bank Insolvencies, 2005; Hüpkes, The Legal Aspects of Bank Insolvency, 2000; dies., Neue Aufgaben für die Bankenaufsicht – die Bankenkommission als Konkursbehörde Insolvenz- und Wirtschaftsrecht, 2002, S. 125 ff., 2003, S. 1 ff.; dies., Cross-Border Complexities in Resolving Bank Insolvencies, in: Peter/Jeandin/Kilborn (eds.), The Challenge of Insolvency Law Reform in the 21st Century, S. 373 ff.; dies., Insolvency – What is Different About Banks?, ebda., S. 471 ff.; dies., Form Follows Function’ – A New Global Architecture for Regulating and Resolving Global Financial Institutions, European Business Organization Law Review, Bd. 10 (2009), S. 369–385; dies., Bank insolvency: the last frontier, in: Mayes/ Pringle/Taylor (eds.), Towards a New Framework for Financial Stability, 2009, S. 185 ff.; dies. und Devos, Cross-Border Bank Resolution: A Reform Agenda, in: Giovanoli/Devos (eds.), International Monetary and Financial Law, 2010, S. 359–377; Krimminger, Deposit insurance, banking resolution and moral hazard: considerations in system design, in: Mayes/Pringle/Taylor (eds.), Towards a New Framework for Financial Stability, 2009, S. 199 ff.; Marotzke, Das deutsche Insolvenzrecht in systemischen Krisen, JZ 2009, S. 763 ff.

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Ein sehr wichtiges Problem von Krisenintervention und Krisenprävention ist daher die (Wieder-)Herstellung der Möglichkeit, auch systemisch relevante Kreditinstitute insolvent werden zu lassen. Dabei ist nicht zu verhehlen, dass das Konzept des „systemic risk“ durchaus auch missbraucht worden sein könnte, um Eigenkapitalgeber und Gläubiger vor finanziellen Schäden zu bewahren.126 Die Schaffung eines Sonderrechts zur Sanierung oder Abwicklung von systemrelevanten Banken innerhalb des allgemeinen Insolvenzrechts ist verfehlt,127 da das Insolvenzrecht den Schutz der Gläubiger, eventuell noch der Arbeitnehmer eines Unternehmens, zum Ziel hat. Bei der Rettung oder Abwicklung eines Unternehmens der Finanzbranche steht aber die Finanzstabilität, also eines Gemeinschaftsgutes eindeutig im Vordergrund. Sie muss nach Kriterien der Gefahrenabwehr („prompt corrective action“) und einer gerechten Lastenverteilung erfolgen. Den Behörden muss dazu ein einfach zu handhabendes ordnungsrechtliches Instrumentarium zur Verfügung gestellt werden.128 Dazu ist das Insolvenzrecht nicht geeignet.129 Dies ist teilweise mit dem Banking Act 2009 in Großbritannien geschehen.130 Die im Jahre 2009 im Auftrag des Bundesministers der Finanzen und des Bundesministers der Justiz einerseits131 und des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie andererseits von Großkanzleien erstellten Gesetzentwürfe sind daher in ihrer Grundanlage wenig brauchbar. Seit kurzem liegt ein neuer Referentenentwurf vor,132 der insoweit einen Fortschritt bringt, dass nunmehr ein eigenes Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten vorgesehen ist. Es enthält aber immer noch überflüssige und zeitraubende Regelungen, wie die Einsetzung eines „Sanierungsberaters“ und die Abstimmung mit den Gläubigern oder den Anteilsinhabern. Auch soll der Reorganisationsplan der Bestätigung durch das Oberlandesgericht bedürfen. Immerhin sind für das Kreditwesengesetz hoheitliche Maß126 Dezidiert in diesem Sinne Inderst (Fn. 12), S. 4, der davor warnt, auf diese Weise Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden zu entlasten. 127 Issing/Krahnen/Regling/White, Criteria for a workable approach towards bank levies and bank restructuring, University Frankfurt, Policy Platform White Paper (June 2010), S. 8; wohl auch Marotzke (Fn. 125), S. 773; a. A. Eidenmüller (Fn. 125), S. 7, 30 ff. 128 Ähnlich Dewatripont/Rochet, The Treatment of Distressed Banks, in: Dewatripont/Freixas/Portes, Macroeconomic Stability and Financial Regulation: Key Issues for the G20, Centre for Economic Policy Research 2009, S. 152 ff. 129 Krahnen/Siekmann (Fn. 111), S. 7. 130 Zu den Defiziten Avgouleas, Banking supervision and the special resolution regime of the Banking Act 2009: the unfinished reform, Capital Markets Law Journal, Vol. 4 (2009), S. 201 ff.; Brierley, The UK Special Resolution Regime for failing banks in an international context, Bank of England, Financial Stability Paper No. 5 – July 2009. 131 Diskussionsentwurf vom 26. August 2009; krit. Eidenmüller (Fn. 125), S. 55 ff. 132 Referentenentwurf vom 5. Juli 2010; grundsätzlich zust., aber krit. in Einzelpunkten Eidenmüller (Fn. 125), S. 60 f.

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nahmen bei Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems vorgesehen, die ordnungsrechtlichen Charakter haben. Ein möglicher Weg zur Verwirklichung von effektiver Prävention ist die Einführung einer Abgabe auf das Eingehen von systemrelevanten Risiken. Solche Risiken stellen eine negative Externalität dar,133 die durch Belastung mit einer risikoadjustierten Abgabe internalisiert werden kann. Die Gewinne, die durch das Eingehen von Risiken erzielt werden, während die Lasten der Allgemeinheit aufgebürdet werden, können durch eine Abgabe abgeschöpft werden.134 Das macht ökonomisch Sinn und ist vielfach in anderen Rechtsgebieten erprobt, namentlich im Umweltrecht. Wenn diese Abgabe als reine Lenkungsabgabe konzipiert wird, erfüllt sie ohne weiteres die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an eine Sonderabgabe stellt.135 Darüber hinaus sind aber auch andere nichtsteuerliche Abgaben in Betracht zu ziehen, die ebenfalls vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden sind,136 da das Gericht nicht von einem numerus clausus zulässiger Finanzierungsformen ausgeht.137 Das Aufkommen einer solchen Abgabe darf auch zur Stabilisierung von Finanzinstituten verwendet werden, die in Schwierigkeiten geraten. Für ihre finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit hängt alles von der Ausgestaltung im Einzelnen ab.138 4. Ratingagenturen Ohne das Wirken der Ratingagenturen und der Art und Weise, wie sie ihre Zensuren verteilt haben, wäre die Krise entweder nicht entstanden oder anders verlaufen. Vor allem hätte die Intransparenz der „innovativen“, jetzt „toxischen“ Finanzprodukte, welche die Finanzmärkte und Steuerzahler in Billionenhöhe belasten, nicht ihre fatale Wirkung entfalten können. Hier sind völlig neue Wege angezeigt. a) Die Effizienz von Bewertungen für den Markt Die prognostische Beurteilung der (künftigen) Zahlungsfähigkeit von Unternehmen und der von ihnen aufgenommenen Kredite ist grundsätzlich eine nützliche Tätigkeit und liefert den Märkten wichtige Informationen.139 Dies gilt vor 133

Für Externalität jetzt auch Inderst (Fn. 12), S. 3. Krahnen/Siekmann (Fn. 111), S. 10; krit. Inderst (Fn. 12), S. 7. 135 BVerfGE 57, 139 (167); 67, 256 (277 f.). 136 BVerfGE 78, 249 (266, 268); 93, 319 (345). 137 BVerfGE 82, 159 (181); 93, 319 (342); 108, 186 (215); a. A. Siekmann (Fn. 112), vor Art. 104a Rdn. 143 m.w. N. 138 Nur wegen dieser Ausgestaltung war die Abgabe zur Finanzierung des Solidarfonds „Abfallrückführung“ verfassungswidrig, BVerfGE 113, 128 (145). 139 Eingehend Husisian, What standard of care should govern the world’s shortest editorials?: An analysis of bond rating agency liability, Cornell Law Review, 75 (1989– 1990), S. 411 (415 ff.). 134

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allem auch für Wertpapiere, die diese Unternehmen emittieren. Unternehmen in diesem Sinne können sowohl Unternehmen des Finanzsektors als auch der „realen“ Wirtschaft sein. Es werden aber auch öffentlich-rechtliche Einrichtungen und deren Emissionen bewertet.140 Ob das Sinn macht, ist jedenfalls in Deutschland mehr als fraglich. Im Grundsatz ist es aber wenig effizient, wenn jeder Gläubiger eines Unternehmens separat Informationen über die Zahlungsfähigkeit dieses Unternehmens und die Ausfallwahrscheinlichkeit von Forderungen sammelt. Es genügt, wenn das einmal geschieht und die übrigen Marktteilnehmer darauf zurückgreifen können.141 Auch kann die Allokationseffizienz der Märkte insgesamt durch die verbesserte Transparenz gesteigert werden. Voraussetzung ist jedoch immer, dass die Bewertungen neutral und methodisch korrekt durchgeführt werden. Wenn eine solche hochkonzentrierte Beurteilung allerdings fehlerhaft ist, sind die Folgen ungleich gravierender, als wenn sich das Urteil eines einzelnen Kreditgebers als falsch erweist. Bei zunehmender Internationalisierung, fehlenden unmittelbaren Kontakten von Gläubigern und Schuldnern und der immer größeren Ungewissheit über die Fortdauer einer früher erworbenen Reputation wächst der Bedarf an verlässlichen Informationen über den Vertragspartner. Die Ratingagenturen versprechen, diesen Bedarf zu befriedigen. Damit lässt sich zu einem großen Teil ihre rapide Ausbreitung und ihre hohe Profitabilität erklären. b) Die Verwischung von Verantwortlichkeiten Es kommt aber noch ein Weiteres hinzu: Die Ratingagenturen befriedigen auch das ganz persönliche Bedürfnis der Entscheidungsträger nach Absicherung. Lange Zeit haben diese Personen gemeint, so einen Teil der Verantwortung für ihre Entscheidungen abwälzen zu können: Sie haben ja nur erstklassig „geratete“ Anleihen von erstklassig „gerateten“ Emittenten, die zudem noch eine Vielzahl von mehr oder weniger anerkannten Gütesiegeln und Akkreditierungen vorweisen können, erworben. Dieses Bedürfnis haben die Ratingagenturen ebenfalls erkannt und erfüllt. Allerdings haben sich diese Mechanismen nicht erst in der gegenwärtigen Krise als ausgesprochen fatal erwiesen, da sie zu einer Verschleierung und Verwässerung der Verantwortlichkeiten führen. Auch verändern sie die Anreize für die Akteure. Deswegen hat sich auch die EU-Kommission schon mit dem Thema unter dem Stichwort „excessive reliance“ befasst142. 140

Vgl. Blaurock (Fn. 8), S. 604. Ebenroth/Daum (Fn. 8), S. 6, die darauf hinweisen, dass die institutionellen Investoren auf ihre Credit-Research-Abteilungen verzichten könnten; Habersack (Fn. 9), S. 186. 142 Policy options to address the problem of excessive reliance on ratings, consultation document, July 31, 2008. 141

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c) Private Werturteile als Anknüpfungspunkt für Hoheitsmaßnahmen Noten zu verteilen, ist jedem unbenommen. Das macht auch jeder Restaurantkritiker. Diese Bewertungen würden jedoch sofort einen anderen juristischen Stellenwert erhalten, wenn daran hoheitliche Rechtsfolgen, wie beispielsweise die Erteilung der Gaststättenerlaubnis oder die Höhe der zu entrichtenden Steuern, geknüpft würden. Die Noten der Ratingagenturen haben aber auf vielfältige Weise Rechtswirkungen erlangt.143 Aus juristischer Sicht besonders fragwürdig ist dabei, dass sie Eingang in Rechtsnormen gefunden haben. Der Gesetzgeber hat an die Noten der Ratingagenturen Rechtsfolgen geknüpft, die erhebliche kostenträchtige Auswirkungen haben144. Das aufsichtsrechtlich erforderliche Eigenkapital hängt maßgebend von den Adress(-ausfall-)risiken der Ausleihungen ab, § 2 Abs. 1 SolvV. Für dessen Ermittlung ist entweder der Kreditrisiko-Standardansatz (KSA) oder der auf internen Ratings basierende Ansatz (IRBA) zu verwenden, § 8 Abs. 1 SolvV. Im Standardansatz spielen Bonitätsstufen eine entscheidende Rolle, die sich aber ihrerseits an den Ratings „anerkannter“ Ratingagenturen145 orientieren, § 54 SolvV146. Unbeauftragte Ratings sind grundsätzlich bei der Bemessung des aufsichtsrechtlichen Eigenkapitals nicht verwendungsfähig, § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SolvV. Die BaFin kann aber Abweichungen zulassen, § 46 Abs. 1 Satz 3 SolvV. Aber auch die Tätigkeit der EZB in der Geldpolitik, aber auch der Aufsichtsbehörden greift auf die Bewertungen der Agenturen zurück.147 Derartige (dynamische) Verweisungen des Gesetzgebers auf Nichtnormen oder Bewertungen nichtstaatlicher Einrichtungen sind problematisch,148 auch wenn sie 143 Nähere Einzelheiten bei Eisen (Fn. 9), S. 115 ff.; internationaler Überblick bei Blaurock (Fn. 8), S. 612. Die „staatliche Aufwertung“ und der damit verbundene Bedeutungsgewinn ist für Rudolph (Fn. 4) der Ausgangspunkt für Missbrauch gewesen (S. 41). 144 Dazu bereits v. Randow, Rating und Regulierung (Fn. 9), S. 151 ff.; allgemein krit. zur Bezugnahme in Gesetzen auf „außerstaatliche Regelungen“ Sachs, in: ders., Grundgesetz-Kommentar, 5. Aufl. 2009, Art. 20 Rn. 123a, mit ausführlichen Nachweisen für die weniger strenge Rechtsprechung. 145 Die Anerkennung richtet sich nach §§ 52 f. SolvV. Die Vorschriften orientieren sich an den CEBS-Guidelines on the recognition of External Credit Assessment Institutions. Es handelt sich aber nicht um Rechtsnormen, was häufig verkannt wird. 146 Die entsprechenden Tabellen sind, abgedruckt bei Dürselen, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 3. Aufl. 2008, SolvV § 54 Rn. 2. 147 Sehr weit F. Becker (Fn. 29), S. 943: „Ohne Rückgriff auf die Informationsleistungen der Ratingagenturen könnten die Aufsichtsbehörden ihre Aufgaben kaum erfüllen.“ 148 Vgl. Denninger, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, 1990, Rdn. 144; F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen der Normsetzung, 2005, S. 537 ff.; ders., Staatlich-private Rechtsetzung in globalisierten Finanzmärkten, ZG 2009, S. 123 (123–139), allerdings überwiegend deskriptiv und ohne konkrete juristische Folgerungen.

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durchaus nicht singulär sind. Dies war aber wohl den Akteuren im Baseler Ausschuss, der weder eine demokratische Legitimation noch eine sonstige rechtliche Grundlage hat149, nicht klar. Entsprechendes gilt, wenn sich Hoheitsträger, wie die EZB, bei ihren Entscheidungen, beispielsweise bei der Annahme von Staatsanleihen als Sicherheiten, an den Noten der Ratingagenturen orientieren. Das ist sachlich verfehlt und juristisch fragwürdig150. d) Die Bedeutung der Ratings Viele Investoren dürfen aufgrund von gesetzlichen oder satzungsrechtlichen Vorgaben nur in Wertpapiere investieren, die ein bestimmtes Rating („investment grade“) erzielt haben. Unabhängig davon ist über die Jahre auch in Europa der Druck gewachsen, dass Kreditnehmer Ratings vorweisen können.151 Sie wirken sich unmittelbar auf die Marktpreise von Anleihen aus. Dazu müssen sich die wirtschaftlichen Tatsachen eines Emittenten nicht einmal geändert haben. Es genügt regelmäßig, dass die Agentur lediglich ihre Methodik ändert. Das geschieht mitunter von einem Tag auf den anderen und kann zu erheblichen Verlusten der Investoren und zusätzlichen Kosten für die Emittenten führen. Dabei ist der Zusammenhang nicht linear, sondern überproportional und kann deshalb von existentieller Bedeutung sein.152 e) Abhilfe Der Ruf nach Aufsicht und Kontrolle von Ratingagenturen ist nicht neu. Schon 1975 hatte die SEC für Zwecke der rechtlichen Verwertung von Ratings im Rahmen der Kapitaladäquanz ein Anerkennungsverfahren für „Nationally Recognized Statistical Rating Organization – NRSRO“ eingeführt, das zwar keine rechtliche Zugangsvoraussetzung war, aber de facto als Marktzugangshemmnis wirkte.153 Der ENRON-Skandal führte zu einem weiteren Verlust des Vertrauens in die Ratingagenturen, da sie die Anleihen dieses Unternehmens noch wenige 149

Fn. 22. Vgl. BVerfGE 49, 89 (139), für Handeln der Exekutive. 151 Für Deutschland wurde auch die Aufhebung der Genehmigungspflicht für die Ausgabe von Inhaberschuldverschreibungen (§§ 795 und 808a BGB) zum 1. Januar 1991 als Grund für die wachsende Bedeutung der Ratings genannt, vgl. Breuer, Zur Idee eines europäischen Ratings, WM 1991, S. 1109; a. A. Ebenroth/Daum (Fn. 8), S. 4. 152 Habersack (Fn. 9), S. 186–188 mit zahlreichen Beispielen wie die geänderte Behandlung von Pensionsverpflichtungen, die bei der ThyssenKrupp AG im Frühjahr 2003 zu einem Sinken des Kurses der Anleihen um 6 % innerhalb eines Tages und zu zusätzlichen Zinskosten in Höhe von 20–30 Mio. Euro pro Jahr geführt hat, obschon im Übrigen keine Änderungen der wirtschaftlichen Fundamentaldaten eingetreten waren; Blaurock (Fn. 8), S. 609. 153 Blaurock (Fn. 8), S. 613. 150

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Tage vor dessen Insolvenz mit „investment grade“ bewertet hatten.154 Darauf folgten gesetzgeberische Maßnahmen in den USA, die bereits eine Pflicht zur unverzüglichen Aktualisierung (update) der Bewertungen und zur Mitteilung von Änderungen in der Bewertungsmethodik enthielten. Hinzu kommen Vorschriften zur Verhütung von Interessenkonflikten und missbräuchlichem Verhalten.155 Vorarbeiten hatte auf internationaler Ebene IOSCO – The International Organization of Securities Commissions – geleistet und einen umfangreichen Kodex für das Verhalten von Ratingagenturen erarbeitet.156 Ein solcher Kodex ist eine rechtlich unverbindliche Empfehlung,157 wird aber häufig – auf staatsrechtlich sehr fragwürdige Weise – zu einem de-facto Standard. Es ist außerordentlich bemerkenswert, dass all diese Bemühungen und hochrangigen Ratschläge das erneute krasse Versagen der Agenturen im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Krise nicht verhindert haben. Auch die im Kern juristischen Fragwürdigkeiten im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Ratingagenturen lassen sich kaum mit der nun vielfach geforderten oder bereits geschaffenen strengeren „Regulierung“ lösen. Schon im Hinblick auf die oligopolistische Struktur der Märkte158, auf denen die Ratingagenturen tätig werden, aber auch im Hinblick auf die Besonderheiten von Informationsökonomien159, die eine Vervielfältigung der Informationen, wenn sie kostenträchtig ermittelt worden sind, praktisch zu Null Grenzkosten ermöglicht, erwecken erhebliche Zweifel, ob mit verstärkten Aufsichtsmaßnahmen die Probleme zu lösen sind. Auch die hohen spezifischen Investitionen, die zu erbringen sind, und andere Marktzugangshürden dürften ebenfalls verhindern, dass es effektiven Wett-

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Blaurock (Fn. 8), S. 613. Credit Agency Reform Act of 2006, US Stat. 1327, 1328; dazu L. J. White, A New Law for the Bond Rating Industry, Regulation 2007, S. 48 ff.; Deipenbrock, Der US-amerikanische Rechtsrahmen für das Ratingwesen – ein Modell für die europäische Regulierungsdebatte?, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, 2007, S. 2217 ff.; Blaurock (Fn. 8), S. 617; Haar, Nachhaltige Ratingqualität durch Gewinnabschöpfung? – Zur Regulierung und ihrer Implementierung im Ratingsektor, ZBB 2009, 177 (179); dies. (Fn. 10), S. 186. 156 Oben Fn. 87. The Committee of European Securities Regulators (CESR) hat am 30.11.2004 ein Konsultationspapier vorgelegt: CESR’s technical advice to European Commission on possible measures concerning credit rating agencies, Consultation paper, November 2004. 157 Habersack (Fn. 9), S. 193 f., der deshalb eine „effiziente Durchsetzung“ der Regeln fordert und sich nicht mit einer „Selbstregulierung“ begnügen will. 158 v. Randow (Fn. 9), S. 148; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Fn. 9), S. 160; Blaurock (Fn. 8), S. 606; aber keine Korrelation mit dem Qualitätsniveau Spencer, Monopoly, Quality and Regulation, Bell Journal of Economics, Vol. 6 (1975), S. 417 ff. 159 Vgl. v. Randow, Rating und Wettbewerb, ZBB 1996, S. 85 (92 f.); ferner M. J. Möllers (Fn. 7), S. 861. 155

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bewerb geben wird.160 Dabei ist nicht sicher, ob in diesem Fall mehr Wettbewerb heilsam wäre.161 Er könnte nicht zuletzt wegen der hohen spezifischen Investitionen ruinös werden („contestable competition“) und im Ergebnis zu einem „race to the bottom“ führen162. Die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Haftung hilft zumindest gegenwärtig ebenfalls nicht weiter.163 Die Agenturen schließen in ihren Bedingungen jede Haftung aus.164 Ansprüche der nicht am Vertragsverhältnis beteiligten Anleger werden mangels Anspruchsgrundlage überwiegend verneint.165 Die Verordnung der EU enthält aber im Wesentlichen Regelungen zur Erhöhung der Transparenz, zur Sicherung der Unabhängigkeit der Agenturen und zur Vermeidung von Interessenkonflikten bei der Vornahme der Bewertungen. Die Regelungen bewegen sich – unter Einfluss des angelsächsischen Rechtsdenkens – eher im Prozeduralen und vermeiden klare inhaltliche Vorgaben.166 Ob die angestrebte Erhöhung der Qualität der Bewertungen verwirklicht werden kann, dürfte zu bezweifeln sein. Der empirische Zusammenhang zwischen der Beratungstätigkeit der Agenturen und der Ratingqualität ist nicht gesichert.167 Die 160 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Fn. 9), S. 160, der zu Recht auf die „ungewöhnlich hohen Renditen“ der Agenturen hinweist und Elemente eines „natürlichen Monopols“ sieht. 161 Dafür aber L. J. White (Fn. 155). 162 Hill, (Fn. 9), S. 75; Hunt, Securities and Exchange Commission Re-Proposed Rules for Nationally Recognized Statistical Rating Organizations – Release No. 3459343, File No. S7-04-09, Comments, 2009, 1; Haar (Fn. 10), S. 187, die auf Marktanteilsverluste bei konservativen Bewertungen von Mortgage Backed Securities hinweist; a. A. Dittrich (Fn. 9), S. 148. 163 Die Mehrzahl der Stimmen spricht sich sowohl aus juristischen als auch aus ökonomischen Gründen gegen die Einführung einer (vollen) Haftung der Agenturen aus, die nach der gegenwärtigen Rechtslage entweder nicht besteht oder zumindest auf erhebliche Durchsetzungsprobleme stößt: Husisian (Fn. 139), S. 461, der sich maßgebend auch auf das First Amendment (freedom of expression) der U.S. Bundesverfassung stützt (S. 446 ff.); Bottini, An examination of the current status of rating agencies and proposals for limited oversight of such agencies, San Diego Law Review, 30 (1993), S. 579 (609 f.); Dittrich (Fn. 9), S. 145 f., 148; Habersack (Fn. 9), S. 206, der aber eine Haftung de lege ferenda in Betracht zieht (S. 208); Blaurock (Fn. 8), S. 634–637, 642 f.; a. A. Partnoy, How and why credit rating agencies are not like other gatekeepers, in: Fuchita/Litan (eds.), Financial gatekeepers: Can they protect investors?, 2006, S. 59 (83–89, 95 f.). 164 Siehe aber A. C. Peters (Fn. 9), S. 143: keine Wirksamkeit gegenüber den Anlegern. 165 Die Haftung ist sowohl in den USA als auch in Deutschland im Wesentlichen auf Vorsatz beschränkt; Ebenroth/Daum (Fn. 8), S. 11 ff., 13, 19; Lemke, Haftungsrechtliche Fragen des Ratingwesens – ein Regelungsproblem, 2000, S. 100; Reidenbach (Fn. 9), S. 373; Habersack (Fn. 9), S. 208, 211; Eisen (Fn. 9), S. 367; a. A. A. C. Peters (Fn. 9), S. 182: Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter; Korth, Dritthaftung von Ratingagenturen, 2010, S. 194: „quasi-vertragliche Haftung“. 166 Gegen eine „materielle Regulierung“ der Rating-Methodik Habersack (Fn. 9), S. 194. 167 Haar (Fn. 10), S. 190.

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Prüfung durch Wirtschaftsprüfer168 hat auch schon bei den Finanzinstituten die Entstehung katastrophaler „Schieflagen“ nicht verhindert.169 Es besteht zudem die Gefahr einer Überfrachtung mit Informationen über sehr viele Einzelheiten, die eine Analyse der wirklichen Schwachstellen außerordentlich aufwendig machen oder ganz vereiteln.170 Das Problem der Vergütung der Tätigkeit der Agenturen durch den an guten Noten interessierten Emittenten von Wertpapieren ist ausgeklammert171 und das juristische Kernproblem, die Verbindung von hoheitlichen Rechtsfolgen mit privatwirtschaftlich erteilten Bewertungen, ist nicht einmal im Ansatz gesehen. Das bloße Offenlegen von Interessenkonflikten reicht nicht aus, da es von der falschen Annahme ausgeht, informierte Investoren könnten dann selbst die Relevanz des Konflikts für ihre Entscheidung beurteilen.172 Dabei wird übersehen, dass Investoren diese Rationalität kaum aufbringen (können) und vor allem, dass Gesetze Rechtsfolgen an die Ratings knüpfen. Eine Beurteilung der Relevanz von Interessenkonflikten kann dann nicht mehr stattfinden. Ein Verbot von Ratings bei Interessenkonflikten ist daher angebracht. Schon sehr früh ist darauf hingewiesen worden, dass das bestehende (natürliche) Monopol oder Oligopol der Ratingagenturen – unabhängig von der Frage der Verwendung der Ratings in Hoheitsakten – auf erhebliche Bedenken stößt.173 Deshalb gab es bereits Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts Bestrebungen, eine europäische Ratingagentur zu schaffen. Das Projekt wurde von der Deutschen Bank AG174 und anderen großen Marktteilnehmern gefördert, gelangte aber nicht über die Gründung einer Projektgesellschaft hinaus.175 Angesichts der Erfahrungen in der jetzigen Krise hat EU-Binnenmarktkommissar McCreevy diese Idee wieder zur Diskussion gestellt.176 Es könnte eine europäische Einrichtung sein, die auf der Grundlage von öffentlich zugänglichen In-

168 Kritische Würdigung durch Migge, Zur Beauftragung von Wirtschaftsprüfern bei der Prüfung von Rating-Agenturen, Kredit & Rating Praxis, 2010, S. 26 (28 f.). 169 Vgl. Bayer (Fn. 16), S. 113 f. 170 Auf die Probleme die mit zu vielen Informationen verbunden sind, weist auch schon M. J. Möllers hin (Fn. 7, S. 861 [869]), der aber die Regelungen des Verordnungsentwurfs als wichtige erste Schritte begrüßte; s. a. Haar (Fn. 10), S. 189, die eine Verbesserung durch die Regelung sieht. 171 Darstellung der Kritik bei Cortez/Schön (Fn. 7), S. 228: bisheriges Geschäftsmodell der Ratingagenturen bleibe weitgehend unverändert bestehen; M. J. Möllers (Fn. 7), S. 865. 172 So aber M. J. Möllers (Fn. 7), S. 865. 173 Ebenroth/Daum (Fn. 8), S. 6. 174 Deutlich Breuer (Fn. 151), der aber maßgebend auf die unterschiedlichen Rechnungslegungsvorschriften abstellt. 175 Weitere Einzelheiten bei Ebenroth/Daum (Fn. 8), S. 3. 176 Börsen-Zeitung vom 13.11.2008, S. 3.

4. Die Finanzmarktaufsicht in der Krise

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formationen unabhängig Ausfallwahrscheinlichkeiten ermittelt.177 Es sollte aber auch erwogen werden, amtliches Wissen über die Emittenten, das in den Aufsichtseinrichtungen vorhanden ist, nutzbar zu machen. Entscheidend wäre aber die Art ihrer Finanzierung. Sie war im Vorschlag von McCreevy noch ausgeklammert. Eine Finanzierung aus öffentlichen Mitteln, etwa als Stiftung des öffentlichen Rechts, wäre kaum zu vermeiden, wenn die bekannten Interessenkonflikte nicht wieder aufbrechen sollen.178 Die Trägerschaft und damit auch die Finanzierung durch Sonderinteressen war die maßgebende Schwäche der „Projektgesellschaft für Europäisches Rating mbH“ aus dem Jahre 1991. Wenn auf europäischer Ebene ein Handeln nicht oder nur spät möglich ist, wären auch nationale Alleingänge überlegenswert. Ob die Vorgabe eines Mindestqualitätsniveaus179 und eine daran geknüpfte Gewinnabschöpfung180 weiter helfen würde, dürfte schon aus praktischen Gründen zu bezweifeln sein. Jedenfalls muss jede Bezugnahme auf die Urteile der Ratingagenturen in Rechtsnormen oder als Anknüpfungspunkt für hoheitliches Handeln beseitigt werden, solange es sich um private Meinungsäußerungen handelt. 5. Entscheidungen und Entscheidungsträger Ein Faktor, der große Aufmerksamkeit verdient, ist schließlich das menschliche Verhalten. Letztlich waren es objektiv fehlerhafte menschliche Entscheidungen, welche die Krise ausgelöst haben und zu ihrem fatalen Verlauf geführt haben.181 Es gibt Anzeichen, dass die Entscheidungsfindung in vielen Instituten sehr problematisch war. Das betrifft vor allem Kollegialorgane, die möglicherweise zu radikaleren Entscheidungen neigen als Einzelpersonen. In Kollegialorganen von Banken, einschließlich ihrer Vorstände, gab es wohl eine Unkultur autokratischer Gremienvorsitzender, die nur vorher gefasste Entscheidungen „absegnen“ lassen wollten. Jeder Hinweis auf Risiken oder Alternativstrategien wurde als Störung empfunden und konnte das Ende der Karriere bedeuten. Vorsichtiges Verhalten wurde institutsintern als langweilig oder gar überholt angesehen. Es brachte zudem nicht genügend Gewinn, um unter Konkurrenzdruck mithalten zu können. Zwangsläufig entstand eine kollektive Fehlwahrnehmung von Risiken. Das eher-

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In diese Richtung auch Haar (Fn. 10), S. 189. Kritisch zum Staat als „Ratingagentur“ F. Becker (Fn. 147), S. 942. 179 Hunt, Credit Rating Agencies and the Worldwide Credit Crisis: the Limits of Reputation, the Insufficiency of Reform, and a Proposal for Improvement, Columbia Business Law Review, 2009, S. 109 (179). 180 Haar (Fn. 155), S. 187. 181 Akerlof/Shiller (Fn. 4), S. 167 ff.; Bayer (Fn. 16), S. 120. 178

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III. Finanzmärkte

ne Gesetz, dass hohe Erträge im Finanzsektor mit hohen Risiken verbunden sind, wurde missachtet oder verdrängt. Hinzu kommt die spezifische Ausbildung und Persönlichkeitsstruktur der Entscheidungsträger im Finanzsektor. Damit sind nicht allgemein die Natur des Menschen und seine Schwächen gemeint. Die Kategorie „Gier“, die gerne in der Öffentlichkeit diskutiert wird, ist irreführend. Es geht vielmehr um spezifische Persönlichkeitsmerkmale, die möglicherweise gehäuft bei Entscheidungsträgern in Finanzinstituten auftreten. Hinzu kommt die Art der Ausbildung in „finance“ und in „business schools“. Auch hier gibt es Anzeichen, dass es erhebliche Schwächen gibt, die aber keinesfalls kurzfristig beseitigt werden können. Überflüssig und eher schädlich ist jedenfalls die Ausbreitung von „Ethikbeauftragten“ oder die Einrichtung von Lehrstühlen für „business ethics“. Es handelt sich nicht um Probleme der Moralphilosophie, sondern effizienter und zweckentsprechender Organisation von Institutionen sowie der Ausbildung und Auswahl von Führungspersonal. Hier dürften entscheidende Schwächen bestehen. V. Zusammenfassung und Ergebnisse Es ist noch zu früh, eine abschließende Bewertung der Entwicklung auf den Finanzmärkten während der letzten zwei Jahre vorzunehmen. In jedem Fall sind aber alle Regelungen auf den Prüfstand zu stellen. Das Aufsichtsrecht hat insgesamt seine Aufgabe, Finanzstabilität zu gewährleisten, nicht erfüllt. Wesentliche Schritte für eine grundlegende Reform sind: – ein striktes Verständnis des Aufsichtsrechts als Sonderordnungsrecht, – eine drastische Reduktion der Komplexität der Rechtsvorschriften, – die Internationalisierung und Europäisierung der Aufsicht, – die Steigerung der Transparenz der Verbriefung einschließlich eines möglichen Zulassungsverfahrens und des Verbots bestimmter gefährlicher „Produkte“, – die vollständige Neuausrichtung der Bewertung von Finanzunternehmen und ihrer „Produkte“ („ratings“), – die Schaffung geeigneter Regeln und Verfahren, um auch systemisch relevante Institutionen der Marktdisziplin, also ihrem Untergang, auszusetzen, – die Grundlage für kurzfristige Entscheidungen über Fortführung, Zerlegung oder Abwicklung eines Instituts als Maßnahme der Gefahrenabwehr muss geschaffen werden. Ein Sonderinsolvenzrecht für Banken ist nicht angezeigt. – die Einbeziehung des menschlichen Verhaltens und der Persönlichkeitsstruktur der maßgebenden Personen in den Finanzinstitutionen.

5. Errichtung einer Europäischen Ratingagentur* I. Sachverhalt Es gab bereits Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts Bestrebungen, eine europäische Ratingagentur zu schaffen. Das Projekt wurde von der Deutschen Bank AG1 und anderen großen Marktteilnehmern gefördert, gelangte aber nicht über die Gründung einer Projektgesellschaft hinaus. Die Projektgesellschaft „Rating m.b.H.“ sollte die Möglichkeiten und Chancen von Ratings für den Finanzplatz Deutschland und Europa untersuchen und die Gründung einer Ratingagentur vorbereiten. Alleinige Gesellschafterin war die Herausgebergemeinschaft Wertpapier-Mitteilungen Keppler, Lehman GmbH & Co. KG, die auch die Börsen-Zeitung herausgibt. Wirtschaftliche Träger waren jedoch namhafte Unternehmen aus Industrie und Finanzwirtschaft.2 Anfang 1993 setzte sich die Auffassung durch, dass sich eine deutsche oder europäische Ratingagentur finanziell nicht selbst tragen würde. Da weitere Zuschüsse nicht zu erwarten waren, wurde die Projektgesellschaft zum 31. März 1993 liquidiert.3 Auf Initiative des hessischen Wirtschaftsministeriums und der Deutschen Ausgleichsbank wurde Mitte 1999 erneut ein Versuch unternommen, eine europäische Ratingagentur, die Euro-Rating AG, zu etablieren. Sie sollte sich vor allem auf das Rating von mittelständischen Unternehmen spezialisieren. Aber auch dieser Versuch wurde Mitte 2002 wieder aufgegeben, als nach der Fusion von Deutscher Ausgleichsbank und Kreditanstalt für Wiederaufbau die Prioritäten anders gesetzt wurden4 und sich auch der Creditreform e. V. letztlich doch nicht an der Euro-Rating AG beteiligte.5

* Erstveröffentlichung in: unveröffentlichtes Gutachten für das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 30. November 2010. 1 Deutlich Breuer, Zur Idee eines europäischen Ratings, WM 1991, S. 1109, der aber maßgebend auf die unterschiedlichen Rechnungslegungsvorschriften abstellt. 2 Eisen, Haftung und Regulierung internationaler Rating-Agenturen, 2007 (zugl. Diss. Frankfurt am Main), S. 95 f. 3 Weitere Einzelheiten bei O. Everling, Projektgesellschaft für europäisches Rating, Die Bank, 1991, S. 308 ff.; Ebenroth/Daum, Die rechtlichen Aspekte des Ratings von Emittenten und Emissionen, WM Sonderbeilage 5/1992, S. 2 (3); Kniese, Die Bedeutung der Rating-Analyse für deutsche Unternehmen, 1996, S. 95 ff.; Eisen (Fn. 2), S. 96. 4 O. Everling, Perspektiven des Ratingmarktes, ZKredW 2005, S. 185 ff. 5 Weitere Einzelheiten bei Eisen (Fn. 2), S. 96.

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III. Finanzmärkte

Im Oktober 2008 forderte dann das Bundeswirtschaftsministerium den Aufbau einer europäischen Ratingagentur. Das Wissen und die Erfahrung der Notenbanken könne der „Nukleus“ einer europäischen Ratingagentur sein. Die Notenbanken genössen bei den Marktteilnehmern eine hohe Reputation und seien neutral und unabhängig von der Politik. Im Zentrum dieser Agentur sah das Ministerium dabei die Deutsche Bundesbank, da sie ebenso wie die Banque de France schon jetzt die Bonität von Unternehmen bewerte.6 Angesichts der Erfahrungen in der jetzigen Krise hat auch der damalige EUBinnenmarktkommissar Charles McCreevy die Idee einer europäischen Ratingagentur wieder zur Diskussion gestellt.7 Davon ausgehend wurde bei Schaffung der Ratingverordnung im Jahre 2009 der Kommission der Auftrag erteilt, einen Bericht über die „Errichtung einer öffentlichen Ratingagentur der Gemeinschaft“ zu erstellen und eine Bewertung geeigneter Lösungsvorschläge vorzunehmen.8 Anfang 2010 sprachen sich sowohl der Vorsitzende der Euro-Gruppe, JeanClaude Juncker, als auch der Gouverneur der Österreichischen Nationalbank, Ewald Nowotny, für die Einrichtung einer europäischen Ratingagentur aus. Im Mai 2010 erneuerte auch die deutsche Bundesregierung ihren Standpunkt, dass sie sich für eine europäische Ratingagentur einsetzen werde.9 Auch im Bereich der Legislative wurden entsprechende Forderungen erhoben. In einem „recital“ des Europäischen Parlaments im Rahmen der Beratungen der Ratingverordnung wurde die Kommission aufgefordert, Parlament und Rat bis Dezember 2012 einen Bericht zu erstatten, in dem unter anderem eine Einschätzung über die Errichtung einer öffentlichen („public“) EU-Ratingagentur abgegeben werden sollte. Die FDP-Abgeordneten im Europäischen Parlament, Jorgo Chatzimarkakis und Wolf Klinz, schlugen die Errichtung einer unabhängigen europäischen Ratingagentur nach dem Vorbild der Stiftung Warentest vor. Zur Begründung führten sie aus, dass die Zahlungsfähigkeit Griechenlands schon länger bezweifelt worden sei. Trotzdem hätten die drei internationalen Rating-Agenturen die Bonität des Landes mit Spitzenbewertungen versehen. „Erst geraume Zeit, nachdem bekannt geworden sei, dass die griechische Haushaltsdefizitquote geschönt worden“ sei, „folgten Abwertungen in rascher Folge, was die Refinanzierung des Landes auf dem Anleihemarkt erschwerte und zuletzt fast unmöglich machte“. Ein „Oligopol aus drei privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen“ domi6

Wirtschaftswoche vom 21. Oktober 2008. Börsen-Zeitung vom 13. November 2008, S. 3. 8 Begründungserwägung (73), Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABl. L 302 vom 17. November 2009, S. 1. 9 Bundesregierung, Magazin Wirtschaft und Finanzen, Nr. 082 05/2010. 7

5. Errichtung einer Europäischen Ratingagentur

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niere den Markt und übe erheblichen Einfluss aus. Für die Bewertung bezahle der Anbieter, der von der Agentur beurteilt werden solle. Dies und die Vermischung von Beratungsleistung und Bewertung führten zu Interessenskonflikten. Zwar habe die EU versucht, diese Mängel abzustellen. Dennoch müsse die EU dringend auch den Aufbau eines eigenen Länderratings in Angriff nehmen.10 Nach Berichten über Finanzierungsprobleme in Portugal erneuerte Wolf Klinz, Vorsitzender des Sonderausschusses zur Wirtschafts-, Finanz- und Sozialkrise, die Forderung nach einer unabhängigen EU-Bewertungsstiftung für Staatsschulden als Wettbewerber für die drei US-amerikanischen Agenturen. Vor dem Hintergrund des informellen Krisentreffens der Finanzminister der Euro-Gruppe in Brüssel am 30. September 2010 sagte Klinz: „Die Probleme in Portugal, Irland und Spanien sind absolut keine Überraschung. Es gibt keinen Grund für Abstufungen zum jetzigen Zeitpunkt, der nicht schon vor Monaten bestanden hätte. Das erratische Agieren der US-Bewertungsagenturen wirkt eher, als wolle man die Politik vor sich hertreiben. Die Lösung für dieses Problem ist die Einrichtung einer unabhängigen, nicht an finanzielle Interessen gebundenen Bewertungsstiftung für Staatsschulden.“ 11 Von französischer Seite wurde vorgeschlagen, über zusätzliche Akteure, wie die Kreditversicherer Euler-Hermes und Coface, den Wettbewerb auf dem Ratingmarkt zu beleben. Sie bewerteten ohnehin die Qualität von Krediten und könnten deshalb „leicht ihre eigenen Ratings vornehmen“. Sie hätten das Wissen, eine entsprechende Erfahrung und sie müssten sogar bezahlen, wenn die Ratings sich als falsch herausstellten. Der Bundeswirtschaftsminister äußerte sich zustimmend, während der EU Binnenmarktkommissar Zurückhaltung übte.12 Auch der Deutsche Bundesrat hat sich für die Schaffung einer europäischen Ratingagentur ausgesprochen und ihr „eine zentrale Bedeutung“ zugemessen,13 allerdings ohne die ursprünglich beantragte Festlegung auf eine privatwirtschaftliche Organisation. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprach sich im Rahmen der Beratungen des Ausführungsgesetzes zur EU-Ratingverordnung für die Gründung einer öffentlich-rechtlichen Ratingagentur aus und forderte die 10 Presseerklärung der Abgeordneten Jorgo Chatzimarkakis und Wolf Klinz, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP im Europäischen Parlament, vom 25. Juni 2010. 11 Mitglied des Europäischen Parlaments, Dr. Wolfgang Klinz, Pressemitteilung vom 30. September 2010. 12 Präsident der Banque de France, Christian Noyer, Handelsblatt vom 2. Juni 2010. 13 BR-Drucks. 432/10 vom 24. September 2010; angenommen in der 874. Sitzung am 24. September, BR-Prot., S. 322 (C), (D). Auch die Empfehlung der Ausschüsse enthielt die letztlich beschlossene Fassung, BR-Drucks. 432/1/10 vom 13. September 2010; zuvor bereits Minister Reinhart (Baden-Württemberg) im Rahmen der Beratungen des Ausführungsgesetzes zur Ratingverordnung im Bundesrat, BR-Prot. 871. Sitzung am 4. Juni 2010, S. 219 (B).

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III. Finanzmärkte

Bundesregierung auf, auf europäischer Ebene eine dahingehende Initiative zu ergreifen.14 Schließlich ist zu beachten, dass Union und FDP in ihrem Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode vereinbart haben, sich für die Entwicklung einer europäischen Ratingagentur einzusetzen. Die Gründung einer unabhängigen Stiftung für Finanzprodukte nach dem Muster der Stiftung Warentest soll geprüft werden.15 Das Financial Stability Board hat im Oktober 2010 Prinzipien zur Verminderung des (blinden) Vertrauens in die Ratings vorgelegt.16 Dazu gehört nach seiner Diktion auch die Bezugnahme in Rechtsnormen und Hoheitsakten auf Ratings. Breiter angelegt ist die Initiative, welche die EU-Kommission Anfang November ergriffen hat. Sie hat ein förmliches Konsultationsverfahren zur Lösung der offenen Probleme der Ratingagenturen eröffnet.17 In dem dazu erstellten Arbeitsdokument („working document“) wird die Errichtung einer europäischen Ratingagentur als Option ebenfalls zur Diskussion gestellt.18 Im politischen Raum besteht danach eine breite Strömung, die eine europäische Ratingagentur schaffen möchte. Dabei gehen die Vorstellungen im Einzelnen aber recht weit auseinander. II. Grundlagen Ratingagenturen sammeln gewerbsmäßig Informationen über (potentielle) Schuldner und geben Urteile über ihre Bonität (Kreditwürdigkeit) oder ihre Schuldtitel und finanziellen Verbindlichkeiten ab. Sie erstellen regelmäßig eine Prognose darüber, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Schuldner seine Schulden insgesamt oder eine einzelne Verbindlichkeit in einem vorgegebenen Zeitraum vertragsgemäß begleichen wird; oder anders ausgedrückt: wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass er das nicht tun wird (Ausfallwahrscheinlichkeit). Diese Urteile können sich sowohl auf Privatpersonen wie Wirtschaftsunternehmen oder Freiberufler als auch auf öffentlich-rechtliche Einrichtungen, wie Staaten oder Kommunen, beziehen.

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BT-Drucks. 17/1612 vom 5. Mai 2010, S. 2. Wachstum.Bildung.Zusammenhalt, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, S. 53. 16 Financial Stability Board, Principles for Reducing Reliance on CRA Ratings, 27. October 2010. 17 Europäische Kommission, Finanzdienstleistungen: Europäische Kommission leitet Konsultation zum weiteren Vorgehen bei Ratingagenturen ein, IP/10/1471 vom 5. November 2010. 18 European Commission, Public consultation on Credit Rating Agencies, working document vom 5. November 2010. 15

5. Errichtung einer Europäischen Ratingagentur

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1. Abgrenzung In den Vereinigten Staaten haben die Einschätzungen von „Credit Rating Agencies“ (Beispiel: Equifax) schon seit längerem eine große Bedeutung auch für Verbraucher, beispielsweise bei der Beantragung von Kreditkarten oder der Anmietung von Wohnungen, nicht aber bei der bloßen Eröffnung eines Bankkontos, da dieses üblicherweise nicht überzogen werden kann.19 Auch in Deutschland hat sich immer mehr die Tätigkeit von ähnlichen Einrichtungen, wie der Schufa e. V. und dem Verband der Vereine Creditreform e. V., ausgeweitet. Es besteht sicher ein anerkennenswertes Interesse der kreditgebenden Wirtschaft, sich auf die Erkenntnisse derartiger Einrichtungen stützen zu können. Das wird auch von der Rechtsprechung berücksichtigt, die diese Einrichtungen außerordentlich nachsichtig behandelt. Fehler bei der Informationssammlung oder der lasche Umgang mit personenbezogenen Daten werden kaum mit Sanktionen belegt. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Tätigkeit dieser Einrichtungen in der Praxis nicht nur im Einzelfall fehlerhaft ist, sondern auch gravierende strukturelle Mängel mit zum Teil erheblichen Konsequenzen für die Betroffenen aufweist, wie jüngst noch ein hochrangiger Mitarbeiter der Deutschen Bundesbank erfahren musste. Schon die Übermittlung von Informationen aus der Wirtschaft, auch von Banken, ist zu häufig mangelhaft, also inhaltlich falsch oder unvollständig, wie Stichprobenuntersuchungen der Stiftung Warentest gezeigt haben. Zudem sind Rechtsrahmen und Realität – wie auch sonst verbreitet im deutschen Wirtschaftsleben – anbieterlastig. Der Endkunde hat wenig Chancen, die Kreditwürdigkeit seines Vertragspartners prüfen zu können, auch wenn von ihm immer häufiger Vorleistung verlangt wird und der Druck ständig wächst, dass seine Vertragspartner freizügig auf seine Bankkonten oder Kreditkarten zugreifen können, ohne dass eine hinreichende Legitimationsprüfung vorgenommen wird. In diesem Bereich besteht also dringender Reformbedarf. Wenn allerdings in der aktuellen Diskussion von Ratingagenturen gesprochen wird, sind meist nicht diese „consumer credit rating agencies“ gemeint,20 sondern die bekannten drei Agenturen, die den Markt zur Beurteilung von Gebietskörperschaften, Unternehmen und Anleihen beherrschen:21 Standard & Poor’s Corporation, Moody’s Investors Service, beide mit Sitz in New York, und Fitch Investor Service mit Sitz in London, deren Marktanteil nach wie vor etwa 95 %

19 Die fehlende Überziehungsmöglichkeit ist zwar manchmal lästig, aber ein wichtiger Schutz nicht nur für die Stabilität des Gesamtsystems, sondern auch für die Konteninhaber. Er bestand in Deutschland beispielsweise lange bei Postscheckkonten. Er ist aber weitgehend und unmerklich beseitigt worden. 20 Das gilt auch für die neuen Regeln der EU, welche die Bewertung von Verbrauchern aus ihrem Regelungsbereich ausklammern, unten V. 2. a). 21 O. Everling, Credit Rating durch internationale Agenturen, 1991, S. 25.

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III. Finanzmärkte

beträgt.22 Daneben existiert noch eine Reihe von kleineren Instituten, die sich mit Einzelsektoren, beispielsweise Fonds oder Versicherungen, befassen.23 Ratingagenturen in diesem (engeren) Sinne sind private, gewinnorientierte Unternehmen, die Schuldner, die nicht Verbraucher sind, und deren Verbindlichkeiten bewerten, vor allem wenn diese verbrieft sind, also Emissionen und Emittenten.24 Auch diese Bewertung hat die Wahrscheinlichkeit zum Gegenstand, dass ein Schuldner seine Verbindlichkeiten insgesamt oder eine einzelne (verbriefte) Schuld innerhalb einer bestimmten Periode ordnungsgemäß erfüllen wird. Dieses Urteil wird in einer einzigen Zensur („Rating“) ausgedrückt.25 Sie hat mittlerweile eine sehr große praktische Bedeutung erlangt, da sie für vielfältige Zwecke – teilweise blind – übernommen wird und wesentliche Kreditkonditionen determiniert. Nutzer der Ratings sind regelmäßig große, institutionelle Investoren. Sie können aber auch als Richtschnur für die Entscheidungen für Kleinanleger dienen. Wenn das der Fall ist, spielen Aspekte des (finanziellen) Verbraucherschutzes eine Rolle. Dieser Aspekt gewinnt allmählich auch in Deutschland zunehmendes Gewicht. Es wird namentlich im politischen Raum auch als Aufgabe von Ratingeinrichtungen angesehen, den Verbraucher über Qualität und Risiken eines „Finanzproduktes“ ausreichend zu informieren. Der sogenannte „Beipackzettel“ erfüllt diese Funktion nicht, da er nicht von einer neutralen Stelle stammt und so kompliziert ist, dass auch für Experten nur schwer die wirkliche Risikoverteilung zwischen Anbieter und Nachfrager zu erkennen ist, geschweige denn für den Durchschnittsbürger. Es ist also zu unterscheiden, wer bewertet wird: Verbraucher oder Unternehmen und Institutionen, und wer Adressat der Urteile ist: institutionelle Investoren oder Verbraucher. 22 Financial Times Deutschland, 2. November 2010, S. 17; Haar, Nachhaltige Ratingqualität durch Gewinnabschöpfung? – Zur Regulierung und ihrer Implementierung im Ratingsektor, ZBB 2009, S. 177 (178): Standard & Poor’s und Moody’s zusammen 77 % sowie Fitch 15 %. 23 Nachweis unten Fn. 247. 24 Das ist sinngemäß auch die Abgrenzung der Ratingverordnung der EU (Fn. 8), die in Art. 2 Abs. 1 b) auf „Unternehmen“ abstellt; ähnlich O. Everling (Fn. 21), S. 29 f., 34 f., der sich auf Emissionen und Emittenten konzentriert; A. C. Peters, Die Haftung und die Regulierung von Rating-Agenturen, 2001, S. 29, der darauf hinweist, dass der Informationsgehalt des Emittenten-Ratings in der Regel deutlich geringer sei, da die Durchsetzbarkeit von Forderungen von der Ausgestaltung der Anleihebedingungen abhänge; Kumpan, Regulierung von Ratingagenturen – ein anreizorientierter Ansatz, in: Unternehmen, Markt und Verantwortung, Festschrift für Klaus J. Hopt zum 70. Geburtstag, 2010, S. 2157 (2159); Wildmoser/Schiffer/Langoth, Haftung von Ratingagenturen gegenüber Anlegern? RIW 2009, S. 657. 25 Darstellung der einzelnen Kategorien und Nuancierungen bei Mattern, Rating im internationalen Kreditgeschäft, Die Bank, 1984, S. 374 ff.; O. Everling (Fn. 21), S. 38 f.

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Bewertungsobjekte: – Verbraucher – Unternehmen – staatliche Einrichtungen Nutzer der Bewertungen: – Unternehmen und Institutionen – Verbraucher Wenn über Ratingagenturen gesprochen wird, muss immer klargestellt werden, welcher dieser Bereiche gemeint ist. 2. Tätigkeit der Agenturen Es gibt Bewertungen, die vom (künftigen) Schuldner in Auftrag gegeben worden sind („solicited“) und solche, die ohne einen Auftrag („unsolicited“) erstellt werden.26 Gegen Bewertungen, die ohne Auftrag erfolgen, können sich die Betroffenen nicht wehren, auch wenn sie nicht damit einverstanden sind und diese für schädlich halten. Die Rechtsprechung in den USA sieht sie bisher als vom Grundrecht der Meinungsfreiheit („first amendment“ der US-Bundesverfassung) geschützt an.27 In Deutschland fallen sie ebenfalls unter den Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG, die aber deutlich leichter eingeschränkt werden kann als das „first amendment“.28 Zum Teil ist der Druck der (ausländischen) Investoren so groß geworden, dass eine Kreditaufnahme ohne ein „Rating“ kaum noch möglich ist,29 wie schon seit langem für die Konsumenten in den USA.30 Zumindest ist ein Risikoaufschlag im Vergleich zu Schuldnern zu zahlen, die über ein Rating verfügen.31 Es wird aber auch davon berichtet, dass Unternehmen, die einer „Einladung“, sich freiwillig einem Ratingverfahren zu unterziehen, nicht gefolgt seien, gänzlich ohne ihre Mitwirkung bewertet worden seien. Im „Interesse der Gläubiger“ habe die Ratingagentur davon ausgehen müssen, dass ein Emittent wegen der fehlenden 26 Ebenroth/Daum (Fn. 3), S. 3; Blaurock, Verantwortlichkeit von Ratingagenturen – Steuerung durch Privat- oder Aufsichtsrecht, ZGR 2007, S. 603 (604 f.). 27 Näher unten IV. 3. c). 28 Näher unten IV. 3. c). 29 A. C. Peters (Fn. 24), S. 27; Habersack, Rechtsfragen des Emittenten Ratings, ZHR 169 (2005), S. 185 (186); Breuer (Fn. 1); O. Everling, Wie unterscheiden sich Rating und Bonitätsprüfung, Kreditpraxis 1991, S. 19 f.; a. A. Ebenroth/Daum (Fn. 3), S. 4. 30 Dabei ging es nicht um das Vorliegen von Negativmerkmalen, sondern um das fehlende Vorliegen einer „credit history“ und der daraus folgenden Einschätzung durch Einrichtungen wie „Equifax“, die ebenso wie die „Schufa“ durchaus nicht selten fehlerbehaftete Bewertungen abgeben. 31 Kumpan (Fn. 24), S. 2159 m.w. N.

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Kooperation „wenig Gutes“ zu berichten gehabt hätte. „Schlechte Noten“ seien die Folge gewesen.32 Solche Abläufe, wenn sie denn zutreffen, dürften durchaus förderlich für das rasche Wachstum des Ratinggeschäfts in Europa gewesen sein. Die Ratingagenturen werden wegen ihrer systemischen Bedeutung für die Finanzmärkte und wegen des Vertrauens, das ihnen entgegen gebracht wird, auch als private Wächter der Kreditmärkte, als „gatekeeper“ 33 bezeichnet.34 Diese Bezeichnung ist im Dodd-Frank Act35 aufgegriffen worden, wo ihnen in Sec. 931 par. 2 eine Rolle als „critical“ „gatekeeper“ für die Kreditmärkte zugemessen wird. 3. Finanzierung der Agenturen Mittlerweile erfolgt die Finanzierung der Tätigkeit der Agenturen in aller Regel durch die (künftigen) Schuldner, die ein „Rating“ in Auftrag geben, und nicht durch die Investoren und Kreditgeber, auch wenn es vor allem in ihrem Interesse liegt, eine neutrale Einschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeiten zu erhalten. Die Schuldner und Auftraggeber haben dagegen ein Interesse an einer möglichst guten Benotung. Hier deutet sich bereits ein fundamentaler Interessenkonflikt an. Zudem haben die Ratingagenturen in erheblichem Umfang eine sehr einträgliche Beratungstätigkeit ausgeübt, meist für die (künftigen) Schuldner, die ihre Bewertungen wünschten. Auch das kann zu Interessenkonflikten führen. Insgesamt haben die Agenturen in den letzten Jahren zu den profitabelsten Unternehmen weltweit gehört.36 III. Die Bedeutung der Ratingagenturen für Entstehung und Verlauf der gegenwärtigen Krise Für Entstehung und Verlauf der gegenwärtigen Krise haben die Ratingagenturen eine tragende Rolle gespielt.37 Ohne das Wirken der Ratingagenturen und die 32

Achleitner/Everling, Vorwort in: dies. (Hrsg.), Rechtsfragen im Rating, 2005, S. V. Fuchita/Litan (eds.), Financial Gatekeepers, 2006; krit. Partnoy, How and why credit rating agencies are not like other gatekeepers, in: Fuchita/Litan (eds.), Financial Gatekeepers, 2006, S. 59 (62 ff.): „gateopeners“. 34 v. Schweinitz, Die Haftung von Ratingagenturen, WM 2008, S. 953 (953); Wildmoser/Schiffer/Langoth (Fn. 19), S. 657. 35 An Act to promote the financial stability of the United States by improving accountability and transparency in the financial system, to end „too big to fail“, to protect the American taxpayer by ending bailouts, to protect consumers from abusive financial services practices, and for other purposes (Dodd-Frank Wall Street Reform and Cosumer Protection Act), 29 June 2010, H.R. 4173. 36 Vgl. die Angaben bei Partnoy (Fn. 33), S. 64 ff. 37 Cortez/Schön, Die neue EU-Verordnung über Ratingagenturen, ZfK 2010, S. 226; T. M. J. Möllers, Regulierung von Ratingagenturen, JZ 2009, S. 861 (862, 868); referierend sowohl im Hinblick auf die ursprünglichen Bewertungen als auch für verspätete 33

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Art und Weise, wie sie ihre Zensuren verteilt haben, wäre die Krise entweder nicht entstanden oder weniger gravierend verlaufen. Vor allem hätte die Intransparenz der „innovativen“, jetzt „toxischen“ Finanzprodukte, welche die Finanzmärkte und Steuerzahler in Billionenhöhe belasten, nicht ihre fatale Wirkung entfalten können. Das gilt namentlich für „strukturierte“ Finanzprodukte.38 Erst die Bewertungen durch die Agenturen haben sie verkäuflich gemacht. Viele institutionelle Investoren sind gesetzlich oder satzungsrechtlich verpflichtet, nur Wertpapiere zu kaufen, die eine bestimmte Mindestbewertung („investment grade“) erhalten haben, und zwar von zwei „accredited statistical rating agencies“. Ohne die Existenz von Ratingagenturen und Ratings wären die Wertpapiere, die fast zum Zusammenbruch des Weltfinanzsystems geführt haben, im Wesentlichen in den Bilanzen der maßgebenden Institute nicht vorhanden gewesen. Insoweit war die Tätigkeit der Agenturen mitentscheidend für die Entstehung der Krise. Aber auch Schulden des öffentlichen Sektors („sovereign debt“) waren zum Absatz an nicht-finanzielle Institute auf diese Bewertungen angewiesen, allerdings nicht für den Bankensektor. Kreditinstitute dürfen nach der verfehlten Regelung im Kreditwesengesetz und der auf seiner Grundlage erlassenen Solvabilitätsverordnung („Basel II“) diese Schulden bei der Berechnung des aufsichtsrechtlich erforderlichen Eigenkapitals weitgehend außer Acht lassen (Risikogewicht: Null). Allerdings darf nicht verkannt werden, dass die Schaffung von strukturierten „Finanzprodukten“ und ihre Bewertung durch die Ratingagenturen häufig von der Nachfrage getrieben gewesen ist. Es waren die Investoren, die bei sehr niedrigem allgemeinem Zinsniveau nach höher rentierlichen Anlagemöglichkeiten gesucht haben. Sie haben zum Teil auf die Schaffung immer neuer Wertpapiere dieser Art gedrängt. Zeitweise konnte die Nachfrage nicht einmal befriedigt werden. Die Erwerber dieser „Finanzprodukte“ haben sich möglicherweise „blind“ auf die Bewertungen der Agenturen verlassen, ohne noch ein eigenes Urteil abzugeben. Damit hätten sie die Grenzen dessen, was ein Rating leisten kann überschritten. Darüber hinaus wird den Ratingagenturen vorgeworfen, dass sie die verschlechterte Marktlage nicht früh genug in ihren Ratings zum Ausdruck gebracht hätten und dass es ihnen nicht gelungen sei, bereits erteilte Bewertungen rechtzeitig anzupassen.39

Anpassungen: Minister Reinhart (Baden-Württemberg), BR-Prot., 871. Sitzung am 4. Juni 2010, S. 218 (C), (D); Kumpan (Fn. 24), S. 2157 m.w. N.; Zimmer, Rating-Agenturen: Reformbedarf nach der Reform, in: Unternehmen, Markt und Verantwortung, Festschrift für Klaus J. Hopt zum 70. Geburtstag, 2010, S. 2689 (2693). 38 Ausdrücklich anerkannt in Sec. 931 par. 5 des Dodd-Frank Act (Fn. 35); zuvor bereits Partnoy (Fn. 33), S. 60. 39 Begründungserwägung (10) der Ratingverordnung (Fn. 8).

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Bei Reformüberlegungen ist aber auch zu beachten, dass es weite Bereiche gegeben hat, in denen die Prognosen der Agenturen im Wesentlichen korrekt waren und hohe Trefferquoten erzielt haben.40 Für den Bereich der strukturierten Wertpapiere haben die Agenturen allerdings Bewertungen abgegeben, für die sie nicht über hinreichende Informationen verfügten und für die sie – ununterscheidbar für die Nutzer der Ratings – dieselben Spitzennoten erteilt haben, wie für solide Bundesanleihen, die auf einer völlig anderen Informations- und Erfahrungsbasis bewertet werden können. Für dieses deutliche Versagen hat es bisher keine erkennbaren Sanktionen gegeben, weder für die Agenturen noch für die maßgebenden Entscheidungsträger bei den Erwerbern dieser Wertpapiere, die sich später als fatal herausgestellt haben. Die Zusammenhänge bedürfen aber im Einzelnen noch weiterer (empirischer) Aufarbeitung. IV. Schwachpunkte und Verbesserungsvorschläge 1. Reformbemühungen vor der Krise Der Ruf nach Aufsicht über Ratingagenturen und ihre Kontrolle ist nicht neu. Schon 1975 war für Zwecke der rechtlichen Verwertung von Ratings im Rahmen der Kapitaladäquanz ein Anerkennungsverfahren für „Nationally Recognized Statistical Rating Organization – NRSRO“ in den USA eingeführt worden, das zwar keine rechtliche Zugangsvoraussetzung war, aber de facto als Marktzugangshemmnis wirkte.41 Zwischen 1975 und 2003 verlieh die SEC nur acht Ratingagenturen den Status einer NRSRO. Für die Zulassung wurde entscheidend auf die Marktakzeptanz abgestellt. Für einen neuen Bewerber war es fast unmöglich diese Zulassungsvoraussetzung zu erfüllen, da der Markt im Wesentlichen nur zugelassene Agenturen akzeptierte.42 Die Skandale um Worldcom und ENRON führten zu einem weiteren Verlust des Vertrauens in die Ratingagenturen, da sie die Anleihen dieser Unternehmen noch wenige Tage vor dessen Insolvenz mit „investment grade“ bewertet hatten.43 Darauf folgten gesetzgeberische Maßnahmen in den USA, die bereits eine Pflicht zur unverzüglichen Aktualisierung („update“) der Bewertungen und zur Mitteilung von Änderungen in der Bewertungsmethodik enthielten. Hinzu kommen Vorschriften zur Erzeugung von Trans40 Vgl. die Nachweise bei Dittrich, The Credit Rating Industry: Competition and Regulation, Diss. Köln, 2007, S. 12, der den Informationszuwachs durch Tätigkeit der Agenturen selbst für begrenzt hält. Auch wird in empirischen Studien festgestellt, dass das Ausfallrisiko bei ex-post Nachprüfungen größer ist als aus den Ratings hervorgeht, Galil, The Quality of Corporate Credit Ratings, Working Paper, Tel-Aviv University, 2003, S. 35. 41 Blaurock (Fn. 26), S. 613. 42 Vgl. Haar (Fn. 22), S. 180. 43 Blaurock (Fn. 26), S. 613.

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parenz sowie zur Verhütung von Interessenkonflikten und missbräuchlichem Verhalten. Auch sollte ausdrücklich der Wettbewerb auf dem Ratingmarkt gestärkt werden. Deshalb wurde auch die Marktakzeptanz, die als Markzugangshindernis erkannt worden war, neu geregelt.44 Vorarbeiten hatte auf internationaler Ebene die International Organization of Securities Commissions (IOSCO) geleistet und bereits im Jahre 2003 „Principles Regarding the Activities of Credit Rating Agencies“ 45 vorgelegt. Darauf aufbauend wurde im Jahre 2004 ein umfangreicher Kodex für das Verhalten von Ratingagenturen veröffentlicht.46 Ein solcher Kodex ist aber nur eine rechtlich unverbindliche Empfehlung.47 Allerdings wird sie häufig – auf staatsrechtlich fragwürdige Weise – zu einem de-facto Standard, der von Unkundigen wie eine Rechtsnorm behandelt und tatsächlich auch weitgehend befolgt wird.48 Auf europäischer Ebene hat das Committee of European Securities Regulators (CESR) am 30. November 2004 ein Konsultationspapier vorgelegt, in dem mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Aufsicht über Ratingagenturen ausgelotet werden.49 Auf seinen Rat hin hatte die EU-Kommission eine „Warten und Beobachten“ Haltung eingenommen. Der Effekt des (freiwilligen) IOSCO Code of Conduct auf die Ratingindustrie sollte in dieser Zeit ausgewertet werden. In ihrer Mitteilung über Ratingagenturen aus dem Jahre 2006 forderte die Kommission CESR auf, die Einhaltung des IOSCO-Kodex zu überwachen und ihr jähr44 Credit Agency Reform Act of 2006, Public Law 109–291, 120 US Stat. 1327 (1328) (2006), der im Wesentlichen Vorschriften des Securities Exchange Acts (15 U.S.C. 78 ff.) änderte und eine Section 15E in das Gesetz einfügte; dazu L. J. White, A New Law for the Bond Rating Industry, Regulation 2007, S. 48 ff.; Deipenbrock, Der US-amerikanische Rechtsrahmen für das Ratingwesen – ein Modell für die europäische Regulierungsdebatte?, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, 2007, S. 2217 ff.; Blaurock (Fn. 26), S. 617; Haar, (Fn. 22), S. 180; dies. Das deutsche Ausführungsgesetz zur EU-Rating-Verordnung – Zwischenetappe auf dem Weg zu einer europäischen Finanzmarktarchitektur, ZBB 2010, 185 (186). 45 International Organization of Securities Commissions, Statement of Principles Regarding the Activities of Credit Rating Agencies, September 2003. 46 The Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies, vom 24. Dezember 2004, Version May 2008, Nr. 3.5 (b). 47 O. Kruse, Verhaltenskodex der IOSCO – hinreichendes Instrument für eine Regulierung?, in: Everling/Achleitner (Hrsg.), Rechtsfragen im Rating, 2005, S. 3 (10): „freiwillige Selbstverpflichtung der Agenturen [. . .], aus der sich keine haftungsrechtlichen Verpflichtungen ergeben“; Habersack (Fn. 29), S. 193 f., der deshalb eine „effiziente Durchsetzung“ der Regeln fordert und sich nicht mit einer „Selbstregulierung“ begnügen will; Kumpan (Fn. 24), S. 2164: „soft law“. 48 So das Ergebnis des ersten Berichts von CESR. The Committee of European Securities Regulators, CESR’s Report to the European Commission on the compliance of Credit Rating Agencies with the IOSCO Code, CESR/06-545, December 2006, S. 4. 49 The Committee of European Securities Regulators (CESR), CESR’s technical advice to European Commission on possible measures concerning credit rating agencies, Consultation paper, November 2004.

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lich über die Ergebnisse Bericht zu erstatten.50 In dem Bericht aus dem Jahre 200851 folgte CESR weiterhin seiner abwartenden Linie und kam zu der Einschätzung, dass es keine Anhaltspunkte gebe, dass strengere Vorschriften für die Ratingagenturen einen Effekt auf die Entstehung der Krise im Zusammenhang mit den „subprime“ Hypotheken in den USA gehabt hätten.52 Ein Anerkennungsverfahren für Ratingagenturen wurde auch für den Bereich der EU durch die Richtlinien53 zur Umsetzung der Empfehlungen des Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel II)54 eingeführt und in das deutsche Recht übernommen.55 Wenn ein Kreditinstitut ein externes Rating für die Bestimmung seines aufsichtsrechtlich erforderlichen Eigenkapitals verwenden will, muss die Ratingagentur, auf deren Bewertungen es sich stützen will, von den Aufsichtsbehörden anerkannt sein. Dafür muss sie die notwendige Sachkenntnis aufweisen sowie mit Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit, Neutralität und Objektivität arbeiten, Art. 81 der Richtlinie 2006/48/EG. Um als eine ECAI (External Credit Assessment Institution) anerkannt zu werden, muss eine Agentur folgende Kriterien erfüllen: – Objektivität (nachvollziehbare Bewertung und laufende Überwachung), – Unabhängigkeit, – Transparenz (Bewertungsmethoden öffentlich zugänglich), – Offenlegung der Definitionen und der Bedeutung eines Ratings, – Vorhandensein ausreichender Quellen zur Erstellung eines Ratings, – Glaubwürdigkeit, nachgewiesen durch das Vertrauen der Investoren.56 Das Anerkennungsverfahren ist in Deutschland in den §§ 52 ff. SolvVO geregelt. Nach § 53 Nr. 1 SolvVO ist Voraussetzung für die Anerkennung die Verpflichtung zur sorgfältigen, systematischen und stetigen Vergabe von Bonitätsbe50

ABl. C 59 vom 11. März 2006, S. 2. The Committee of European Securities Regulators (CESR), The role of credit rating agencies in structured finance, Consultation paper, February 2008, Textnr. 156 f. 52 Committee of European Securities Regulators (CESR) (Fn. 52), Summary Nr. 7. 53 Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung), ABl. L 177 vom 30. Juni 2006, S. 1; Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung), ABl. L 177 vom 30. Juni 2006, S. 201. 54 International Convergence of Capital Measurement and Capital Standards, A Revised Framework, Comprehensive Version, June 2006. 55 Namentlich die Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen (Solvabilitätsverordnung – SolvV) vom 14. Dezember 2006, BGBl. I, S. 2926. 56 Anhang VI Teil 2 der Richtlinie 2006/48/EG; dazu Strunz-Happe, in: Everling/ Achleitner (Hrsg.), Rechtsfragen im Rating, 2005, S. 17 ff. 51

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urteilungen sowie zur laufenden Validierung. Nach § 53 Nr. 4 SolvVO besteht eine Verpflichtung zur laufenden Überprüfung der erteilten Bonitätsbeurteilungen sowie zur Anpassung bei Veränderungen der finanziellen Situation der beurteilten Person oder Einrichtung. Es ist außerordentlich bemerkenswert, dass all diese Bemühungen und hochrangigen Ratschläge das erneute Versagen der Agenturen im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Krise nicht verhindert haben. Allerdings waren die Ursachen möglicherweise schon gelegt, bevor die Regeln zur Anerkennung als ECAI ihre Wirkung entfalten konnten. 2. Schwächen der Ratingverfahren a) Die ursprüngliche Bewertung Wenn Anleihen in großem Umfang Spitzennoten erhalten, die wenige Tage später nicht mehr absetzbar sind und damit einen Marktwert von Null haben oder wenn das emittierende Unternehmen wenige Tage nach Erteilung einer solchen Note Insolvenz anmelden muss, kann etwas nicht stimmen. Dazu bedarf es keiner Detailanalyse, vor allem wenn man bedenkt, dass es zum gleichen Zeitpunkt durchaus Unternehmen und Wertpapiere gegeben hat, bei denen das nicht geschehen ist. In jedem Fall liegt aber ein Versagen der Agenturen vor, wenn sie für „Finanzinstrumente“ (meist Anleihen) Spitzennoten vergeben, für deren Solidität sie keine Erfahrungswerte haben. Dasselbe gilt, wenn sie undifferenziert dieselbe Spitzennote für ein undurchsichtiges „strukturiertes Finanzprodukt“ wie für Anleihen der Bundesrepublik Deutschland erteilen. Als hochproblematisch hat sich ebenfalls herausgestellt, wenn nach der Zusammenfassung von schwachen Forderungen in „strukturierten Produkten“ in größerem Umfang Spitzennoten vergeben werden, als wenn jede darin enthaltene Einzelforderung getrennt bewertet worden wäre.57 Die Agenturen haben den Banken (Originatoren) ganz maßgeblich dabei geholfen, in großem Stile den Eindruck zu erwecken, dass durch die „Umverpackung“ von Forderungen sich die Gesamtqualität des Forderungsbündels ändern lasse. Auch wenn man davon ausgeht, was aber nicht sicher ist, dass sich bestimmte Risiken durch Diversifizierung verringern lassen,58 haben die Agenturen dafür wichtige methodische Grundregeln, soweit erkennbar, missachtet. An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts, wenn man berücksichtigt, dass in empirischen Studien früher eine hohe Korrelation zwischen Ratings und Ausfallwahr57

Nähere Einzelheiten bei T. M. J. Möllers (Fn. 37), S. 867. Inderst, Regulation and Supervision in Financial Markets – Lessons Learned From the Crisis, House of Finance der Universität Frankfurt am Main, Policy Platform White Paper, June 2010, S. 3, bezweifelt, dass es überhaupt um Diversifizierung und Risikoverminderung ging. In Betracht komme auch die Verlagerung von Risiken in Bereiche, die schlecht beaufsichtigt waren. 58

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scheinlichkeiten ermittelt worden war.59 Im Einzelnen sind folgende mögliche Quellen für Fehlleistungen erkennbar, vor allem in Bezug auf die „strukturierten“ Anleihen, die sich besonders verhängnisvoll ausgewirkt haben: (1) Es ist zweifelhaft, ob ab einer bestimmten Größe eine Risikominderung durch Diversifizierung noch stattfinden kann. (2) Es sind Ereignisse als stochastisch unabhängig unterstellt worden, deren Eintrittswahrscheinlichkeiten miteinander korreliert sind. Zumindest ist die Höhe der Korrelation zu niedrig angesetzt worden. (3) Es ist Normalverteilung von Ereignissen unterstellt worden, die aber in Wirklichkeit anders verteilt sind. (4) Es sind unsichere Ereignisse, für die nicht einmal Eintrittswahrscheinlichkeiten angegeben werden können („uncertainty“ im Sinne von Knight), aus dem Kalkül ausgeblendet worden. (5) Es gibt Anzeichen, dass die verwendeten Verfahren zur Einschätzung der Bonität von Schuldnern, deren Forderungen verbrieft worden sind, systematische Schwächen aufwiesen, die ebenso systematisch von Wertpapierhändlern ausgenutzt worden sind. Eine Schwäche des Ratingverfahrens soll beispielsweise darin gelegen haben, dass Moody’s und S & P nicht etwa die Güte der einzelnen Kredite, die zusammengefasst wurden oder als Sicherheit dienten, geprüft hätten, sondern dass die Modelle der Agenturen nur mit allgemeinen Charakteristika der Schuldner gearbeitet hätten. Als Beispiel wird die Verwendung von „FICO scores“ 60 genannt. Diese „scores“ spielen bei der oben geschilderten Bewertung der Kreditwürdigkeit von Verbrauchern in den USA eine große (und zweifelhafte Rolle). Hier zeigt sich deutlich die Verbindung zwischen dem Wirken der Consumer Credit Rating Agencies (Beispiel: Equifax) und der jetzt im Mittelpunkt des Interesses stehenden Agenturen für die Bewertung von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen. Dabei seien zwei Schwachpunkte ausgenutzt worden: Die Agenturen hätten sich nicht die einzelnen „FICO scores“ geben lassen, sondern nur Durchschnittswerte. Ein Durchschnittswert von 615 sei als ausreichend angesehen worden,61 ohne zu unterscheiden, ob die Masse der Kreditnehmer nahe bei diesem Mittelwert lag oder ob eine große Streuung vorlag.62 59 Thompson/Vaz, Dual Bond Ratings: A Test of the Certification Function of Rating Agencies, The Financial Review vol. 25 (1990), S. 457 ff.; v. Randow, Rating und Regulierung (Fn. 85), S. 149; abweichend aber Galil (Fn. 40). 60 Geschaffen 1950 von der Fair Isaac Corporation. 61 Die Skala reicht von 300 bis 850 mit einem Median von 723 für die USA, vgl. M. Lewis, The big short, 2010, S. 99 f. 62 Vgl. zu Ganzen M. Lewis (Fn. 61).

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Die Varianz wäre aber bei gleichem arithmetischem Mittel entscheidend für das Risiko. Da die Consumer Credit Rating Agencies aber nicht maßgebend auf Negativmerkmale abstellen, sondern auf eine „credit history“, also die ordnungsgemäß bedienten Kredite, kann dafür gesorgt werden, dass der notwendige Mittelwert auch dann erreicht wurde, wenn sich Schulden von völlig kreditunwürdigen Schuldnern im Pool befanden. Eine gute „credit history“ lässt sich leicht dadurch erzeugen, dass von einer Person, die noch keinen „credit“ hat, gemeint ist „credit history“, ein Kredit aufgenommen wird, der entweder sofort zurückgezahlt wird oder durch ein gleich hohes fristenkongruentes Barguthaben bei der Kredit gewährenden Bank gesichert ist, aus dem er dann bedient wird. Dieser Mechanismus ist Kundigen seit langem bekannt. Der Schuldner hat dann eine sehr gute Kreditwürdigkeit, die aber auf einer ganz dünnen Basis ermittelt worden ist („thin file“). Diese Schwäche sei den Ratingagenturen bekannt gewesen, aber bei Erreichen der erforderlichen Durchschnittswerte der „FICO scores“ in dem Pool der Kredite, die verbrieft wurden, bei Erteilung eines Ratings nicht berücksichtigt worden.63 Es ist aber nicht bekannt, ob die Institute, welche die hochkomplexen Papiere geschaffen und abgesetzt haben, diese Mechanismen zur bewussten Täuschung eingesetzt haben. Dafür waren sie selbst (später) zu häufig auch die Leidtragenden. Entweder hatten sie diese innovativen, später toxischen Produkte wegen der Gewinnaussichten in ihrem Bestand gehalten oder sie haben für deren Liquidität Garantien übernommen. Vor allem diese Garantieübernahmen, die weder aus den Bilanzen erkennbar waren noch die erforderlichen Ermächtigungen der (öffentlichen) Träger der Banken hatten, haben maßgebend zum späteren Scheitern dieser Institute beigetragen.64 Auch die Ratingagenturen haben grundsätzlich kein Interesse daran, bewusst methodisch fehlerhafte Bewertungen zu Täuschungszwecken abzugeben. b) Anpassung von Bewertungen im Zeitablauf Ein weiterer Schwachpunkt der Tätigkeit der Ratingagenturen wird darin gesehen, dass die ursprünglichen Bewertungen entweder überhaupt nicht oder zu spät den geänderten Umständen angepasst werden,65 also Spitzenbewertungen nicht oder nicht rechtzeitig herabgesetzt werden, wenn sich Schwierigkeiten andeuten. 63

M. Lewis (Fn. 61), S. 100. Für die Landesbank Sachsen: Sächsischer Rechnungshof, Sonderbericht nach § 99 SäHO, Landesbank Sachsen Girozentrale, Az. 120308/64, März 2009, S. 13 f., 30 f.; Verfassungsgerichtshof für den Freistaat Sachsen, Urteil vom 28. August 2009, Az. Vf. 41-I-08; S. 6–8; für die IKB: Florstedt, Zur organhaftungsrechtlichen Aufarbeitung der Finanzmarktkrise, Die Aktiengesellschaft, 2010, S. 315 (316); s. a. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Februar 2010 – I-6 W 45/09, Die Aktiengesellschaft, 2010, S. 126. 65 F. Becker, Die Regulierung von Ratingagenturen, Der Betrieb, 2010, S. 941 (942). 64

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aa) Asymmetrische Folgen Allerdings ist jede Herabsetzung heikel, da sie das ursprüngliche Anlagekalkül grundlegend erschüttern kann. Es kann auch zu einer „Abwärtsspirale“ kommen, wenn Investoren aufgrund ihrer Anlagerichtlinien gezwungen sind, derart abgewertete Anlagen kurzfristig zu verkaufen. Damit gerät ihr Marktwert weiter unter Druck. Ein ähnlicher Effekt tritt ein, wenn in Kreditverträgen „rating trigger“ enthalten sind, die bei Säumigkeit selbst für einen Kleinbetrag oder eben bei Herabstufungen zivilrechtliche Folgen haben. Sie können bis zu einem Kündigungsrecht gehen.66 Wenn also eine Ratingagentur von Zahlungsschwierigkeiten eines emittierenden Unternehmens erfährt und das zum Anlass nimmt, ein Rating herabzusetzen, wird das mit hoher Wahrscheinlichkeit die Schwierigkeiten des Unternehmens, die ohne diese Maßnahme noch lösbar wären, unlösbar machen. Hinzu kommt, dass die Informationen, welche eine Ratingagentur erhält, nicht immer sicher oder gar gerichtsfest sind. Es besteht also eine Wahrscheinlichkeitsverteilung ihrer Richtigkeit. Die Ratingagentur muss deren Varianz berücksichtigen. Unter diesen Umständen kann es für eine Agentur sehr gefährlich sein, eine Herabstufung überhaupt oder zu früh vorzunehmen. Die Folgen einer zu Unrecht oder zur Unzeit durchgeführten Herabstufung sind ungleich gravierender als die Folgen einer unterlassenen oder zu späten Herabstufung. Es ist deshalb nachvollziehbar, wenn die Ratingagenturen bei Herabstufungen sehr vorsichtig sind und im Wesentlichen nur eine am Markt schon erkennbare Entwicklung nachvollziehen. Bei der gegenwärtigen Struktur der Ratingmärkte und der Haftungsbedingungen kann ein anderes Verhalten kaum erwartet werden. bb) Die Herabstufung von Staaten und Staatsanleihen Ein Sonderproblem stellt aber die Anpassung von Bewertungen der Hoheitsträger und ihrer Anleihen dar. Im Rahmen der „Staatsschuldenkrise“ im Frühjahr 2010 soll es angeblich allein auf die Entscheidung von Fitch angekommen sein, griechische Staatsanleihen herabzustufen oder nicht, ob der Bestand des gesamten Eurosystem in Gefahr geraten wäre. Falls tatsächlich die Zahlungsfähigkeit ganzer Staaten von der Note einer (kleinen) Ratingagentur abhängt, ist das problematisch, auch wenn damit nur eine Marktentwicklung nachgezeichnet wird. Vor allem ist der Spielraum für die Wahl des Zeitpunkts einer solchen Entscheidung nicht akzeptabel. Andererseits liegen die Ursachen tiefer und sind nicht von den Ratingagenturen gesetzt worden. An erster Stelle sind die Kredit gebenden Banken zu nennen, welche die Kredite an die betroffenen Staaten gewährt haben. Allerdings han66

Reidenbach (Fn. 75), S. 298.

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delte es sich aus Sicht der einzelnen Kreditgeber aus verschiedenen Gründen, die nichts mit den Ratingagenturen zu tun haben, um interessante Geschäfte. Auch hier kann nicht ohne weiteres Willkür oder übermäßige Risikoneigung unterstellt werden, auch wenn sie eine Rolle gespielt haben mögen. Die Anreize für dieses Verhalten liegen zum Teil tiefer und sind nicht zuletzt auch von der Politik und ihren (wirtschafts-)wissenschaftlichen Beratern gesetzt worden: (1) Vor allem ist hier die völlig verfehlte Regelung in den bankrechtlichen Eigenkapitalvorschriften zu nennen, die es erlaubt, die Forderungen gegen EUMitgliedsländer (und ihre nachgeordneten Einrichtungen) gleichermaßen mit einem Risikogewicht von Null anzusetzen. Für griechische Staatsanleihen war und ist danach keine höhere Eigenkapitalvorsorge zu leisten als für Bundesanleihen. (2) In weiteren Bereichen, wie dem Pfandbriefgesetz, werden diese Schulden ebenfalls gleichbehandelt, also griechische Staatsanleihen als ebenso sicher eingestuft wie Bundesanleihen, und können auf diese Weise günstig refinanziert werden. (3) Die Kredit gebenden Banken konnten von der auf Erfahrung gestützten Erwartung ausgehen, dass es auch im Krisenfall nicht zu nennenswerten Zahlungsausfällen bei einem staatlichen Schuldner kommen würde (implizite „bail-out“ Garantie), namentlich bei EU-Mitgliedsstaaten, da aus politischen Gründen Unterstützung geleistet werden würde. Nur bei den Staaten, die den Euro eingeführt hatten, war das nicht so sicher, da eine solche Unterstützung einen Bruch zwingenden Vertragsrechts bedeutet. Die Wirklichkeit hat aber das ökonomische Kalkül, das mittlerweile Rechtsbruch als beliebige Option ansieht („rational breach of contract“),67 bestätigt. Die Politik hat also zum Teil selbst zu vertreten, dass sie sich anschließend in einer Situation wiedergefunden hat, die mit einiger Berechtigung als „erpresserisch“ bezeichnet wird. Verlässt man allerdings die einzelwirtschaftliche Ebene zeigt sich, dass diese Kredite nicht zu Konditionen gewährt worden sind, die ihr Risiko für die Finanzmarktstabilität adäquat widerspiegeln. Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive waren sie für die Politiker der Schuldnerländer, die sie aufgenommen haben, viel zu „billig“; ein eklatanter Fall von Marktversagen. Wegen des „bail-outs“ kann es auch zu einer Belastung der deutschen Steuerzahler kommen. Zunächst einmal wird aber die Bevölkerung der Schuldnerländer mit harten Sparmaßnahmen belastet, die bei einem Forderungsausfall und anschließender erneuter kostspieliger Rettung großer Banken in Deutschland und Frankreich wohl nicht so durchgesetzt worden wären. Da die letztlich eintretenden Verteilungswirkungen in der 67 Die damit verbundenen hohen externen Kosten werden dabei aber – wieder einmal – nicht angemessen berücksichtigt.

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III. Finanzmärkte

gegebenen Situation nicht verlässlich abgeschätzt werden können, ist eine Beseitigung der primären Ursachen angezeigt, um künftigen Wiederholungen vorzubeugen. Die erforderlichen grundlegenden Änderungen sind aber allenfalls teilweise in Angriff genommen worden. c) Zwischenergebnis Fest steht allerdings, dass die Agenturen mit ihren Bewertungen im Ergebnis entscheidend dazu beigetragen haben, dass die gegenwärtige Krise dieses Ausmaß und diese Gefährlichkeit weltweit erlangen konnte, wie es geschehen ist.68 3. Ursachen a) Bezahlung An erster Stelle wird meist die Bezahlung der Ratingagenturen durch die Schuldner, die an (zu) guten Urteilen interessiert sind und nicht durch die Investoren, die an realistischen oder eher kritischen Urteilen interessiert sind, als eine der Hauptursachen für die Fehlentwicklungen bei den Ratingagenturen genannt.69 Dieser fundamentale Interessenkonflikt werde noch durch die lukrative Gutachtentätigkeit der Agenturen für die Auftraggeber verschärft. b) Unzureichende Aufsicht Es wird aber auch die unzureichende Aufsicht über die Ratingagenturen als Ursache für dieses stabilitätsgefährdende Verhalten genannt. Allerdings hat es eine Registrierungsobliegenheit in den USA schon seit 1975 gegeben, die durch den Credit Rating Reform Act nach dem Zusammenbruch von Worldcom und ENRON noch verschärft worden ist.70 Gesetzliche Vorgaben für die inhaltliche und methodische Vorgehensweise der Agenturen sind aber auch danach kaum eingeführt worden. Entsprechendes gilt für die Aufsicht über ihre Tätigkeit. Überwiegend wurde auf die Marktkräfte71, (regulierte) „Selbstregulierung“ und rechtlich nicht bindende „codes of conduct“ vertraut.

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Oben III. L. J. White, Financial Regulation and the Current Crisis: A Guide for the Antitrust Community, 2009, Fn. 42; Zimmer (Fn. 37), S. 2693. Die Entwicklung von der Bezahlung durch die Investoren bis zum Umschwung in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts soll angeblich mit dem Aufkommen der modernen Fotokopiertechnik zusammen gehangen haben. 70 Oben IV. 1. 71 Wildmoser/Schiffer/Langoth (Fn. 19), S. 657 (659). 69

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c) Fehlende Haftung Als weitere Ursache kommt auch die fehlende zivilrechtliche Haftung der Agenturen für die Fehlleistungen und Pflichtverletzungen gegenüber den Investoren in Betracht. Die Agenturen weisen in der Regel in den Verträgen, die sie schließen, darauf hin, dass sie ihre Ratings als reine Meinungsäußerung verstanden wissen wollen und keine Garantie für die Richtigkeit ihrer Beurteilungen übernähmen. Darüber hinaus halten sie fest, dass ihre Beurteilungen keine Empfehlung an Anleger zum Kauf, Verkauf oder Halten von Wertpapieren darstellten.72 Sie schließen jede Haftung, auch aus Vermögensdispositionen der Anleger auf Grund der Beurteilungen, aus.73 Ob und in welchem Umfang diese Freizeichnungsklauseln wirksam sind, ist aber nicht sicher.74 In Rechtsprechung und Schrifttum ist eine Haftung gegenüber den Anlegern unter diesen Umständen aber weitgehend verneint worden. Ansprüche der nicht am Vertragsverhältnis beteiligten Anleger seien mangels Anspruchsgrundlage abzulehnen.75 Die Ablehnung der Haftung wird in den Vereinigten Staaten nicht 72

Wildmoser/Schiffer/Langoth (Fn. 19), S. 666. Die Formulierung bei Moody’s lautet: „Under no circumstances shall Moody’s have any liability to any person or entity for (a) any loss or damage in whole or in part caused by, resulting from, or relating to, any error (negligent or otherwise) or other circumstances or contingency within or outside the control of Moody’s or any of its directors, officers, employees or agents in connection with the procurement, collection, compilation, analysis, interpretation, communication, publication or delivery of any such information, or (b) any direct, indirect, special, consequential, compensatory or incidental damages whatsoever (including without limitation, lost profits), even if Moody’s is advised in advance of the possibility of such damages, resulting from the use of or the inability to use, any such information.“ (Zit. nach Wildmoser/Schiffer/ Langoth (Fn. 19), S. 666 Fn. 96. 74 A. C. Peters (Fn. 24), S. 143: keine Wirksamkeit gegenüber den Anlegern; Rohe, Schadensersatzrechtliche Aspekte des Ratings und Haftungsbegrenzung, in: Everling/ Achleitner (Hrsg.), Rechtsfragen im Rating, 2005, S. 133 (142, 145); Fiala/Kahrs, Verantwortlichkeit und Haftung einer Ratinggesellschaft gegenüber Dritten am Beispiel des Versicherungsratings, in: Everling/Achleitner (Hrsg.), Rechtsfragen im Rating, 2005, S. 341 (346): „wirkungslos“; Wildmoser/Schiffer/Langoth (Fn. 19), S. 667: „umfassende Haftungsfreizeichnung der Ratingagenturen“ ist „unwirksam“. 75 Die Haftung ist sowohl in den USA als auch in Deutschland im Wesentlichen auf Vorsatz beschränkt; Ebenroth/Daum (Fn. 3), S. 11 ff., 13, 19; Lemke, Haftungsrechtliche Fragen des Ratingwesens – ein Regelungsproblem, 2000, S. 65 ff., 83; ders., Aufsichtsrechtliche Regulierung von Ratingagenturen, in: Everling/Achleitner (Hrsg.), Rechtsfragen im Rating, 2005, S. 119 (123); Plück/Kühn, Ratingagenturen – Grundlagen und Umfang der Haftung gegenüber Auftraggebern und Dritten; in: Everling/Achleitner (Hrsg.), Rechtsfragen im Rating, 2005, S. 239 (248–250); Rotter/Kremer, Anlegerschutz und Rating, in: Everling/Achleitner (Hrsg.), Rechtsfragen im Rating, 2005, S. 327 (337); Oellinger, Juristische Konsequenzen bei fehlerhaften Ratings und mögliche Lösungsansätze, in: Everling/Achleitner (Hrsg.), Rechtsfragen im Rating, 2005, S. 357 (384); Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen – Wer überwacht die Überwacher?, 2006, S. 373; Habersack (Fn. 29), S. 208, 211; Eisen (Fn. 2), S. 367; a. A. A. C. Peters (Fn. 24), S. 182: Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter; Wild73

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zuletzt auch auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung („freedom of expression“) gestützt. Die Rechtsprechung in den USA sieht sie als geschützt vom „first amendment“ 76 der Bundesverfassung an,77 das über das „fourteenth amendment“ auch für die „states“ gilt. Allerdings fehlen eine klare Entscheidung des U.S. Supreme Courts und eine systematische Aufarbeitung der Problematik durch das neuere Schrifttum.78 In Deutschland fallen die Ratings ebenfalls unter den Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG),79 die aber deutlich leichter eingeschränkt werden kann als das „first amendment“.80 Allerdings liegt für Deutschland – anders als für die USA – bislang keine Rechtsprechung zur Haftung von Ratingagenturen vor.81 Allerdings ist im Hinblick auf eine mögliche Haftung bei Fehlern sowohl nach amerikanischem wie nach deutschem Recht zu unterscheiden, ob falsche Tatsachen verwendet worden sind, ob methodisch fehlerhaft vorgegangen worden ist oder ob sich die prognostische Einschätzung, die in die Zukunft gerichtet ist, als unzutreffend herausstellt. Die Verwendung falscher Tatsachen, auch wenn sie in eine Meinungsäußerung eingekleidet ist, wird nicht durch die Meinungsfreiheit von der Haftung freigestellt.82 Soweit es um das prognostische Element geht, mag tatsächlich ein problematisches Zusammenwirken zwischen den Auftraggebern der Ratings und den Agenturen vorgelegen haben.83 Dies gilt vor allem, soweit zugleich Beratungsleistungen an die Auftraggeber erbracht worden sind und moser/Schiffer/Langoth (Fn. 19), S. 667; Korth, Dritthaftung von Ratingagenturen, 2010, S. 194: „quasi-vertragliche Haftung“. 76 „Congress shall make no law [. . .] abridging the freedom of speech, or of the press [. . .]“ Der Supreme Court hat daraus eine umfassende „freedom of expression upon public questions“ entwickelt, welche den „unfettered interchange of ideas“ sichert, New York Times v. Sullivan, 376 U.S. 254 at 269 (1964). 77 Grundlegend: Jefferson County School District NO. R-1 v. Moody’s Investor’s Service, Inc., 175 F.3d 848, 1999-1 (United States Court of Appeals, Tenth Circuit); ferner: First Equity Corporation of Florida v. Standard and Poor’s Corporation, 670 F.Supp. 115 (United States District Court, S.D. New York 1987) unter Anwendung der „Jaillet rule“; Bestätigung des Ergebnisses durch 869 F.2d 175 (2nd Circuit 1989) allerdings ohne Anwendung des „first amendment“ nur gestützt auf „common law“; Orange County v. McGraw-Hill Cos. Inc. 245 B.R. 151, 155 (C.D. Cal.1999); In re Enron Sec., Deriv., & „ERISA“ Litigation 511 F.Supp. 2d 742, 819 (S.D. Texas 2005); dazu Partnoy (Fn. 33), S. 71 ff. 78 Vgl. Reidenbach (Fn. 75), S. 192–196, 353 f.; grundlegend Husisian, What standard of care should govern the world’s shortest editorials?: An analysis of bond rating agency liability, Cornell Law Review, 75 (1989–1990), S. 461 (446 ff.). 79 A. C. Peters (Fn. 24), S. 60 f. 80 Die Einschränkbarkeit von Art. 5 Abs. 1 GG durch „Regulierung“ bejaht A. C. Peters (Fn. 24), S. 163, 171. 81 Wildmoser/Schiffer/Langoth (Fn. 19), S. 668. 82 Deutlich Jefferson Count School District NO. R-1 v. Moody’s Investor’s Sercice, Inc., 175 F.3d 848, 1999 – 1 (United States Court of Appeals, Tenth Circuit). 83 Ratings werden nicht als reine Tatsachenbehauptungen eingestuft: Oellinger (Fn. 75), S. 358.

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lukrative Aufträge zur Bewertung strukturierter Anleihen von den wenigen großen Originateuren in Aussicht gestellt wurden.84 Es müsste aber auch den Hinweisen nachgegangen werden, dass methodisch fragwürdig vorgegangen worden ist. Möglicherweise lag aber auch ein (stillschweigender) Konsens aller Beteiligten, der Auftraggeber, der Agenturen und der Investoren, vor, diese Vorgehensweise als akzeptabel hinzunehmen. Zur weiteren Konkretisierung und Aufklärung im Einzelnen sind aber interdisziplinär angelegte empirische Untersuchungen wünschenswert. Nur so können Reformmaßnahmen, wie die Errichtung einer europäischen Ratingagentur, zielgerecht eingesetzt werden. d) Fehlender Wettbewerb Schließlich soll fehlender Wettbewerb auf dem Markt für Ratings eine maßgebende Rolle gespielt haben. 4. Versagen von Schutzmechanismen Lange Zeit ist diesen Bedenken wenig Gewicht beigemessen worden. Namentlich von Seiten der Wirtschaftswissenschaften ist gegenüber kritischen Einwänden immer wieder behauptet worden, die Ratingagenturen könnten sich schon im Hinblick auf drohende Reputationsverluste nicht leisten, schlechte oder voreingenommene Arbeit zu leisten.85 Diese Überlegung ist – wie viele andere Prognosen und Theorien von dieser Seite – durch die Wirklichkeit widerlegt worden. Die Treffsicherheit der Ratings hat sich in wichtigen Bereichen als nicht akzeptabel herausgestellt.86 Untersuchungen von Seiten der Rechtswissenschaft waren aller84

Kumpan (Fn. 24), S. 2161 f. v. Randow, Rating und Regulierung, ZBB 1995, S. 140 (147 f.): „Reputation ist auf dem von Wiederholungsgeschäften und Publizität geprägten Markt ein kostbares Gut.“ „Sie ist mit jedem neuen Urteil einer Rating-Agentur auf dem Spiel. Wer sie erworben hat, wird sie nicht dadurch leichtfertig gefährden wollen, dass er kurzfristig Begehrlichkeiten einzelner Emittenten nach übermäßig günstiger Einschätzung entspricht . . .“ (S. 148); Lemke, in: Everling/Achleitner (Hrsg.) (Fn. 75), S. 128 f., allerdings unter der Einschränkung, dass funktionierender Wettbewerb besteht; Schwarcz, Private Ordering of Public Markets: The Rating Agency Paradox, University of Illinois Law Review, 2002, S. 1 (14); Hill, Regulating the Rating Agencies, Washington University Law Quarterly, vol. 82 (2004), S. 43 (74); Deipenbrock, Aktuelle Rechtsfragen zur Regulierung des Ratingwesens, WM 2005, S. 261 (262); Dittrich (Fn. 40): „While the model critique presented is valid in some respects, it offers no starting point to question the principles of the reputation mechanism. The conclusion holds that reputation will always provide for a high quality in the credit rating market“ (S. 55), „the reputation mechanism is working“ (S. 148); Eisen (Fn. 2), S. 370; ebenso noch Ende 2007 der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Das Erreichte nicht Verspielen, Jahresgutachten 2007/08, November 2007, S. 161. 86 Andrieu, Ratingagenturen in der Krise, 2010, S. 81: „schwerwiegendes Versagen der Ratingagenturen“, S. 127: gavierende Fehlbewertungen“ im Bereich der strukturierten Finanzprodukte, „eindeutig mangelhaft“; Haar (Fn. 22), S. 188; Rudolph, Die inter85

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dings schon frühzeitig deutlich skeptischer gewesen.87 Damit ist aber nicht gesagt, dass der von Seiten der Wirtschaftswissenschaften immer wieder angeführte Reputationsverlust gänzlich ungeeignet ist, richtige Anreize zu setzen. Er hat nur eben im Hinblick auf die unverantwortlichen Ratings für strukturierte Anleihen unter den gegebenen Marktbedingungen für Ratings versagt. Auch wenn man dieses Versagen als Einzelerscheinung werten möchte, ist es angesichts der Gefahren und Schäden, die dadurch für das Weltfinanzsystem heraufbeschworen worden sind, nicht vertretbar, sich noch einmal auf diesen Mechanismus zu verlassen. 5. Verbesserungsvorschläge Aus der Schwachstellenanalyse sind sehr unterschiedliche Verbesserungsvorschläge abgeleitet worden. Sie können grob in sechs Gruppen eingeteilt werden: (1) Erlass neuer gesetzlicher Vorgaben für Organisation und Tätigkeit der Agenturen, (2) Änderung des Bezahlungssystems, (3) Haftung für Fehler gegenüber den Investoren, (4) Erhöhung der Wettbewerbsintensität durch Schaffung neuer Agenturen, (5) Reduzierung der Bedeutung der Agenturen, vor allem durch Streichen aller Bezugnahmen in Rechtsnormen auf ihre Bewertungen, (6) Gewinnabschöpfung bei Unterschreitung eines Mindestqualitätsniveaus. Auf sie wird im Folgenden näher eingegangen. V. Die Reformen nach den Erfahrungen aus der Krise 1. USA Die SEC erließ Mitte 2007 unter anderem spezielle Regelungen zur Eingrenzung von Interessenkonflikten. Sie waren auf die Ermächtigung in Section 15E(h)(2) des Securities Exchange Act gestützt. Diese wurden im Jahre 2009 überarbeitet und ergänzt.88 Der Dodd-Frank Act vom Juni 2010 hat die Vorschriften für die anerkannten Ratingagenturen deutlich verschärft. Sie werden verpflichtet interne Kontrollnationale Finanzkrise: Ursachen, Treiber, Veränderungsbedarf und Reformansätze, ZGR 2010, S. 1 (13–21, 25). 87 A. C. Peters (Fn. 24), S. 156; Habersack (Fn. 29), S. 191; Reidenbach (Fn. 75), S. 346 f.; später Kumpan (Fn. 24), S. 2163 m.w. N.; Zimmer (Fn. 37), S. 2694; anders aber v. Randow (Fn. 85); Lemke, in: Everling/Achleitner (Hrsg.) (Fn. 75), S. 129, der keine empirische Bestätigung für ein Marktversagen sieht. 88 Kumpan (Fn. 24), S. 2164.

5. Errichtung einer Europäischen Ratingagentur

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mechanismen einzuführen und darüber jährlich zu berichten. Die Möglichkeiten zum Widerruf der Registrierung sind erweitert worden. Weitere Vorschriften betreffen die Transparenz der „performance“, der Methoden und der verwendeten Informationen. Die bisher weitgehend verneinte Haftung der Agenturen gegenüber den Investoren89 ist möglicherweise im Rahmen dieses Gesetzeswerks in den USA eingeführt worden,90 indem ihnen der Status von Sachverständigen, wie Wirtschaftsprüfern, Wertpapieranalysten und Investmentbanken gesetzlich zugemessen wird. Diese Tätigkeit sei im Kern kommerzieller Natur und bedürfe der gleichen Überwachung und Haftung wie die anderen genannten Dienste.91 Genau genommen dürfte es sich aber nur um eine Beweislastumkehr bei Anzeichen von vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schädigung handeln, Sec. 933 (b) (2) (B) des DoddFrank Act. Ganz wesentlich ist aber, dass alle Bezugnahmen in Gesetzen auf die Ratings entfernt worden sind, Sec. 939 des Dodd-Frank Act, und dass eine Einrichtung zum Schutz der Verbraucher in Finanzangelegenheiten („Bureau of Consumer Financial Protection“) geschaffen worden ist, Title X (Sec. 1001–1100H) des Dodd-Frank Act. 2. EU Die EU hatte lange Zeit eine Haltung des „Beobachtens“ und „Abwartens“ eingenommen. Auch sie hatte, unterstützt von CESR, auf die Marktkräfte, (regulierte) „Selbstregulierung“ und die rechtlich nicht bindenden „codes of conduct“ vertraut. Als sich jedoch das Konzept der „regulierten Selbstregulierung“ 92 immer deutlicher als ungeeignet erwiesen hatte, erfolgte im Jahre 2008 eine Kehrtwendung, die in einer Verordnung mit aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen für alle Ratingagenturen mündete.93 Das europäische Komitee der Wertpapieraufsichtsbehörden (CESR) hatte zuvor auf Bitten der EU-Kommission

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Oben IV. 3. c). So die Einschätzung der EU-Kommission, European Commission (Fn. 18), S. 24. 91 Sec. 931 par. 3 Dodd-Frank Act (Fn. 35): „Because credit rating agencies perform evaluative and analytical services on behalf of clients, much as other financial ,gatekeepers‘ do, the activities of credit rating agencies are fundamentally commercial in character and should be subject to the same standards of liability and oversight as apply to auditors, securities analysts, and investment bankers.“ 92 Schon vor der gegenwärtigen Krise skeptisch im Hinblick auf die Ratingagenturen Habersack (Fn. 29), S. 194; dafür aber Junker, Gewährleistungsaufsicht über Wertpapierdienstleistungsunternehmen, 2003, S. 68; Bauer, Ein Organisationsmodell zur Regulierung der Rating-Agenturen, 2009, S. 132 ff., 180 ff.; F. Becker (Fn. 65), S. 942. 93 Grundsätzlich kritisch The Committee of European Securities Regulators, CESR’s response to the consultation document of the Commission services on a draft proposal for a Directive/Regulation on Credit Rating Agencies, Ref.: CESR/08-671. 90

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III. Finanzmärkte

Stellungnahmen erarbeitet, in die die Erfahrungen mit der Krise eingeflossen sind.94 a) Die Verordnung vom 16. September 2009 Bereits in Kraft getreten95 sind neue Vorschriften der EU für die Ratingagenturen. Es handelt sich um die Ratingverordnung vom 16. September 2009.96 Sie verfolgt zwei Hauptziele: – Sicherung der Stabilität der Finanzmärkte, – Schutz der Anleger. Die weit verbreitete und problematische Tätigkeit von Einrichtungen zur Bewertung von Verbrauchern97 gehört nicht zum Regelungsbereich der Verordnung.98 Sie will auch nicht das Verfahren zur Anerkennung externer Ratingagenturen (ECAI), deren Ratings zur Bestimmung des aufsichtsrechtlich erforderlichen Eigenkapitals im Rahmen der Richtlinie 2006/48/EG verwendet werden, ersetzen. Bereits als ECAI anerkannte Agenturen sollen allerdings eine Registrierung nach der neuen Verordnung beantragen.99 Mit den neuen Vorschriften soll keine allgemeine Verpflichtung begründet werden, Finanztitel oder sonstige Schulden einem Rating durch eine nach der Ratingverordnung zugelassene und beaufsichtigte Ratingagentur zu unterziehen. Auch sollen Organismen für die gemeinsame Verwaltung von Wertpapieren (OGAW)100 und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung nicht verpflichtet werden, nur in solche Finanzinstrumente zu investieren, für die ein Rating nach dieser Verordnung erstellt worden ist.101 Dasselbe gilt für sonstige Anleger. Ebenso wenig sollen Emittenten einem Rating unterworfen werden, wenn sie die Zulassung von Wertpapieren an einem geregelten Markt beantragen.102 Allerdings soll ein Wertpapierprospekt klar und unmissverständlich zum Aus-

94 The Committee of European Securities Regulators, The role of credit rating agencies in structured finance, consultation paper, February 2008; dasselbe, CESR’s Second Report to the European Commission of the compliance of credit rating agencies with the IOSCO Code and The role of credit rating agencies in structured finance, May 2008, Ref.: CESR/08-277. 95 Einzelne Vorschriften über die Verwendung von Ratings aus Drittländern treten allerdings erst ab dem 7. Juni 2011 in Kraft, Art. 41 der Ratingverordnung. 96 Oben Fn. 8. 97 Oben II. 1. 98 Begründungserwägung (7) der Ratingverordnung (Fn. 8). 99 Begründungserwägung (44) der Ratingverordnung (Fn. 8). 100 Das sind im Wesentlichen Investmentfonds. 101 Begründungserwägung (3) der Ratingverordnung (Fn. 8). 102 Begründungserwägung (4) der Ratingverordnung (Fn. 8).

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druck bringen, ob für das jeweilige Wertpapier ein Rating von einer zugelassenen Ratingagentur erstellt worden ist.103 Die neuen Vorschriften haben im Wesentlichen fünf Regelungsgegenstände: 1. Anerkennung von Ratings und Registrierung von Ratingagenturen, 2. Beaufsichtigung und Kontrolle der Agenturen, 3. Transparenz der Arbeit der Agenturen, 4. Verbesserung der internen Führungsstruktur, 5. Vermeidung von Interessenkonflikten und die Behandlung von Interessengegensätzen.104 Letztlich dienen alle Regelungen dazu, die Qualität der Ratings zu verbessern. An erster Stelle befasst sich die Verordnung mit der Registrierung von Ratingagenturen und der Anerkennung von Ratings. Alle Ratingagenturen, die eine Rechtspersönlichkeit haben und ihren Sitz in der Gemeinschaft haben, müssen nach Art. 14 Abs. 1 Ratingverordnung eine Registrierung beantragen. Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungsunternehmen, Organismen für die gemeinsame Verwaltung von Wertpapieren (OGAW) und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung dürfen darüber hinaus für „aufsichtsrechtliche Zwecke“ nur noch Ratings von Ratingagenturen verwenden, die ihren Sitz in der Gemeinschaft haben und nach den Regeln der Ratingverordnung registriert sind, Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1 Ratingverordnung. Damit entsteht ein erheblicher Druck auf alle Ratingagenturen, sich den Anforderungen der Verordnung zu unterwerfen. Wegen dieser Konstruktion enthält die Verordnung ausführliche und verwickelte Regeln für Dispense vom Sitzerfordernis105 und für die Anerkennung von Ratings, die außerhalb der EU erstellt worden sind, wenn sie von Ratingagenturen mit Sitz in der EU übernommen werden106. Das betrifft vor allem die Arbeit von Standard & Poor’s und von Moody’s. Abweichend von dem Kommissionsentwurf sieht die Verordnung eine spezielle Behandlung von strukturierten Finanzinstrumenten vor. Art. 10 Abs. 3 der Verordnung ordnet an, dass für diese Instrumente Bewertungsklassifikationen verwendet werden, die sich klar von den sonst üblichen Symbolen (Noten) unterscheiden.107 Weitere Sonderregelungen finden sich in Art. 8 Abs. 4 der Verord103

Begründungserwägung (5) der Ratingverordnung (Fn. 8). Vgl. auch T. M. J. Möllers, Auf dem Weg zu einer neuen europäischen Finanzmarktaufsichtsstruktur, NZG 2010, S. 285 (286 f.), allerdings mit etwas abweichender Kategorisierung; Andrieu (Fn. 86), S. 91 ff., mit näheren Einzelheiten. 105 Art. 5 Ratingverordnung. 106 Art. 4 Abs. 3–6 Ratingverordnung. 107 Diese deutliche Unterscheidbarkeit ist schon im code of conduct des IOSCO vorgesehen gewesen: The Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions (Fn. 46). Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der ge104

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III. Finanzmärkte

nung108 und in dem Verbot, Vorschläge oder Empfehlungen zur Ausgestaltung von strukturierten Finanzprodukten zu unterbreiten, zu denen ein Rating von der Ratingagentur erwartet wird, Art. 6 Abs. 2 i.V. m. Anhang I, Abschnitt B, Nr. 5. Die Ratingagenturen sollen Maßnahmen treffen, die verhindern, dass sich Emittenten durch eine „Vorabbewertung“ das günstigste Rating heraussuchen.109 Ein „rating-shopping“ soll auf diese Weise unterbunden werden. Im Übrigen führt die Verordnung neue Informationspflichten, Regeln zur Bekanntgabe von Ratings und Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten ein. Sie gelten vor allem für die Beratungsdienstleistungen der Agenturen, aber auch bei Verbindungen zwischen dem bewerteten Unternehmen und der Agentur. Beratende Tätigkeiten sind danach grundsätzlich verboten und Interessenkonflikte offenzulegen. Die interne Unternehmensführung soll durch Kontrollmechanismen und die Überwachung der Einhaltung von Anforderungen verbessert werden. Dazu ist ein „Compliance Beauftragter“ zu bestellen. Darüber hinaus sind allgemein Vorkehrungen für eine „verantwortungsvolle Unternehmensführung“ zu treffen. Die Unabhängigkeit des Ratingverfahrens von Geschäftsinteressen soll dadurch befördert werden, dass mindestens ein Drittel der Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans unabhängig ist. Ihre Vergütung wird reglementiert. Für die Ratingtätigkeit und die Aktualisierung von Ratings sind personelle und finanzielle Ressourcen in ausreichender Zahl mit angemessenen Kenntnissen und Erfahrungen bereit zu stellen. Die Unabhängigkeit der Analysten soll durch ein gestaffeltes Rotationssystem gewahrt werden. Ebenso sind detaillierte Inkompatibilitätsregeln für das Personal der Ratingagenturen aufgestellt worden, die zum Teil auch noch für die Zeit nach dem Ausscheiden aus den Diensten der Agentur Beschränkungen enthalten. Zur Verbesserung der internen Unternehmensführung wird die Aufstellung eines Verhaltenskodex verlangt. Im Hinblick auf den materiellen Inhalt der Ratingtätigkeit sollen die Ratingagenturen gewährleisten, dass die zur Ermittlung der Ratings „verwendeten Modelle und grundlegenden Annahmen, wie z. B. mathematische Annahmen oder Korrelationsannahmen stets auf dem neuesten Stand gehalten und regelmäßig einer umfassenden Überprüfung unterzogen werden“. Wenn wegen „fehlender versamtwirtschaftlichen Entwicklung (Fn. 85), hatte für „strukturierte Produkte“ eine „eigenständige Rating-Skala“ gefordert (Textnr. 248 f.); ebenso: The High-Level Group on Financial Supervision in the EU, Chaired by Jacques de Larosière, Report, Brussels, 25th February 2009, Textnr. 71 Recommendation 3: „the rating for structured products should be transformed by introducing distinct codes for such products“; Darstellung der Vorgeschichte bei T. M. J. Möllers (Fn. 37), S. 866 f., der ebenfalls für die Einführung einer eigenen Gattung für strukturierte Finanzprodukte plädiert hat (S. 868). 108 Behandlung von Ratings anderer Agenturen bei der Beurteilung von strukturierten Finanzinstrumenten. 109 Begründungserwägung (41) der Ratingverordnung (Fn. 8).

5. Errichtung einer Europäischen Ratingagentur

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lässlicher Daten oder der komplexen Struktur eines neuartigen Finanzinstruments, insbesondere eines strukturierten Finanzinstruments, zweifelhaft ist, ob die Ratingagentur ein verlässliches Rating abgeben kann, sollte die Ratingagentur kein Rating abgeben“.110 Sie sollen die verwendeten Methoden, Modelle und grundlegenden Annahmen regelmäßig überprüfen und Änderungen sofort bekanntgeben.111 Zur Sicherung der Qualität der Ratings soll die Ratingagentur darüber hinaus die Informationen, auf die sie ihre Bewertung stützt, durch folgende Maßnahmen auf ihre Richtigkeit prüfen: – Verwendung von geprüften Abschlüssen, – sonstige öffentlich bekanntgegebene Informationen, – Überprüfung durch seriöse Drittanbieter, – stichprobenartige Überprüfung der erhaltenen Informationen, – Haftung des Auftraggebers für die Erteilung falscher oder irreführender Informationen.112 Dem europäischen Komitee der Wertpapieraufsichtsbehörden (CESR) wird in der Verordnung eine maßgebende Rolle für den Erlass von „guidelines“ und die Schaffung von „funktionsfähigen Netzen“ von Aufsichtsbehörden (Kollegien)113 zugewiesen, die der Koordination der nationalen Behörden dienen. Die „guidelines“ sollen auch bei dem Antrag auf Zulassung zu beachten sein. Die damit verbundene Aufwertung des europäischen Komitees der Wertpapieraufsichtsbehörden wird zwar im Schrifttum begrüßt,114 doch ist damit noch nicht die Befugnis verbunden, rechtlich verbindliche Entscheidungen zu treffen. Es ist auch zweifelhaft, ob sie europarechtlich zulässig wären.115 Die verbindlichen Entscheidungen sind auch weiterhin von den zuständigen nationalen Behörden zu treffen. Die Verordnung enthält auch Vorschriften zur wirksamen Durchsetzung ihrer Regelungen.116 Im Wege der Aufsicht können verschiedene Sanktionen erlassen werden, die bis zum Widerruf der Registrierung gehen. Die Erhebung von Zwangsgeldern oder der Erlass von Bußgeldbescheiden ist allerdings, wie auch sonst üblich, dem nationalen Recht vorbehalten.117 In diesem Punkt geht der 110

Begründungserwägung (34) der Ratingverordnung (Fn. 8). Begründungserwägung (37) der Ratingverordnung (Fn. 8). 112 Begründungserwägung (35) der Ratingverordnung (Fn. 8). 113 Begründungserwägung (46) der Ratingverordnung (Fn. 8). 114 T. M. J. Möllers (Fn. 104), S. 287 f. 115 Eingehend Siekmann, Das neue Europäische Finanzaufsichtssystem, Institute for Monetary and Financial Stability, Working Paper Series No. 40 (2010), S. 88. 116 Begründungserwägung (58) der Ratingverordnung (Fn. 8). 117 Begründungserwägung (66) der Ratingverordnung (Fn. 8). 111

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III. Finanzmärkte

Vorschlag für eine Änderungsverordnung deutlich weiter.118 Eine zivilrechtliche Haftung der Ratingagenturen gegenüber den Investoren wurde nicht eingeführt. Forderungen gegen Ratingagenturen aufgrund von Verstößen gegen die Verordnung sollen sich nach den nationalen Rechtsvorschriften richten.119 Die neue Aufsichtsstruktur soll aber nicht als langfristige Lösung für die Kontrolle der Ratingagenturen zu betrachten sein.120 Jedenfalls wird eine Änderung schon durch die Verordnung zur Schaffung einer Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde eintreten,121 die Ende 2010 in Kraft treten soll. b) Der Entwurf einer Verordnung vom 2. Juni 2010 Die Kommission hat am 2. Juni 2010 einen Vorschlag zur Änderung der Ratingverordnung vom 16. September 2009 vorgelegt.122 Mit dieser Verordnung sollen zunächst die notwendigen organisationsrechtlichen Anpassungen im bestehenden Gemeinschaftsrecht vorgenommen werden, damit die bei der Konzipierung des European System of Financial Supervisors abweichend von der dezentralen Struktur des Systems vorgesehene vollständige und exklusive Aufsicht über die Ratingagenturen durch die neu zu schaffende Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) nach Art. 6 Abs. 3 VO-Entwurf ESMA123 verwirklicht werden kann. Die vorgeschriebene Registrierung soll künftig alleine bei der ESMA erfolgen, Art. 15 Ratingverordnung n. F. Dasselbe gilt für die laufende Aufsicht. Die Anerkennung von Ratingagenturen aus Staaten von außerhalb der 118

Unten V. 2. b). Begründungserwägung (96) der Ratingverordnung (Fn. 8). 120 Begründungserwägung (51) der Ratingverordnung (Fn. 8). 121 Nähere Einzelheiten bei Siekmann (Fn. 115), S. 42, 44, 50, 79. 122 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen KOM(2010) 289 endgültig vom 2. Juni 2010; dazu das „impact assessment“: European Commission, Impact Assessment, accompanying document to the Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulation (EC) No 1060/2009 on credit rating agencies, Sec(2010) 678; Unterrichtung des Bundesrates durch BR-Drucks. 379/ 10; Stellungnahme BR-Prot. 874. Sitzung am 24. September 2010, S. 322 (A). 123 KOM(2009) 503 endgültig (proposal for a regulation establishing a European Securities and Markets Authority [ESMA], COM[2009] 503 final) vom 23. September 2009, Ratsdokument 13654/09; Änderung durch Kompromisstext des Vorsitzes des Rates mit neuer Bezeichnung: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (Ratsdokument 16751/09 vom 27. November 2009). Es handelt sich dabei um eine konsolidierte Fassung der Dokumente 16077/1/09 REV 1 + ADD 1. Das Dokument 16077/1/09 ist nicht öffentlich zugänglich. Der Vorschlag wurde geändert auf Grund der Einigung auf der Ratstagung am 2. Dezember 2009: Kompromisstext des Rates (Wirtschaft und Finanzen) vom 2. Dezember 2009 (Ratsdokument 16751/1/09 REV 1 vom 7. Dezember 2009; Korrektur durch Ratsdokument 16751/1/09 REV 1 COR 1 vom 16. Dezember 2009). 119

5. Errichtung einer Europäischen Ratingagentur

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EU, die Zertifizierung von Ratings außerhalb der EU und der Widerruf von Registrierungen soll ebenfalls durch die ESMA erfolgen, Art. 4 Abs. 3, Art. 5, Art. 20 Ratingverordnung n. F. Damit die ESMA ihre Aufgaben erfüllen kann, räumt der Entwurf ihr umfangreiche Auskunfts- und Ermittlungsrechte ein. Namentlich soll sie die Befugnis erhalten, Dokumente und Daten anzufordern, Personen vorzuladen und anzuhören sowie vor Ort Untersuchungen vorzunehmen, auch ohne vorherige Ankündigung, Art. 23a–23c Ratingverordnung n. F. Neben Leitlinien zur Anwendung der Vorschriften über die Übernahme von Ratings und zur Bewertung, ob Ratingmethoden den Anforderungen der Verordnung genügen, soll die ESMA künftig technische Standards beschließen für: – die Informationen, die im Registrierungsverfahren zu erbringen sind, – die Informationen, die für eine Zertifizierung und die Bewertung der „systembezogenen Bedeutung“ einer Agentur erforderlich sind, – die Präsentation von Angaben. Allerdings müssen diese Standards von der Kommission als Verordnung oder Beschluss angenommen werden, Art. 21 Abs. 3 Ratingverordnung n. F. i.V. m. Art. 7 und Art. 29 Abs. 1 des Entwurfs der Verordnung zur Errichtung der ESMA. Die Befugnis zur Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern soll nun auf die EU übergehen. Sie sollen künftig auf Ersuchen der ESMA von der Kommission per Beschluss verhängt werden können, Art. 36a Abs. 1 und Art. 36b Abs. 1 Ratingverordnung n. F. Sie können bis zu 20 % des Jahreseinkommens oder des Jahresumsatzes der Ratingagentur betragen. Die möglichen Verstöße sind im neuen Anhang III abschließend aufgezählt. Die Kommission wird auch ermächtigt, „delegierte“ Rechtsakte zu erlassen. Das betrifft Kriterien zur Bestimmung der Geldbußen, zur Anerkennung von Ratings aus Staaten außerhalb der EU und den Erlaß einer Gebührenordnung, Art. 38a bis 38c Ratingverordnung n. F. Allerdings soll es Aufgabe der einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden und nicht der ESMA sein, zu kontrollieren, ob die Finanzinstitute zur Erfüllung ihrer rechtlichen Verpflichtungen nur Ratings von Agenturen verwenden, die bei der ESMA registriert und von ihr beaufsichtigt werden, Art. 4 Abs. 1 Ratingverordnung i.V. m. Art. 21 Abs. 1 und Art. 25a Ratingverordnung n. F. Auch bleiben sie insoweit für die Verhängung von Bußgeldern und Zwangsgeldern zuständig, da die Sachkompetenz auch nicht auf die EU übertragen werden soll. Neben diesen im Wesentlichen organisations- und verfahrensrechtlichen Vorschriften enthält der Verordnungsvorschlag eine wichtige Ergänzung der Sonderreglungen für strukturierte Finanzinstrumente. Sie waren im Entwurf der Kommission für die Ratingverordnung vom 16. September 2009 überhaupt nicht vorgesehen gewesen und erst nachträglich in die Ratingverordnung eingefügt

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III. Finanzmärkte

worden.124 Diese Sonderregeln sollen jetzt verschärft werden. Art. 8a Ratingverordnung n. F. schreibt vor, dass der Emittent eines strukturierten Finanzprodukts nicht nur der von ihm beauftragten Ratingagentur sämtliche Informationen zur Verfügung stellt, die für die Erstellung eines Ratings benötigt werden, sondern dass er sie auch jeder anderen registrierten Ratingagentur zur Verfügung stellen muss. Voraussetzung soll nur sein, dass diese Agentur die Vertraulichkeit der Information gewährleisten kann und in mindestens 10 % der Fälle ein eigenes, unentgeltliches Rating der Verbriefungen veröffentlicht. Technisch soll dies durch Verwendung einer kennwortgeschützten Internetseite geschehen. Damit zeigt die Kommission, dass sie nun die „strukturierten Finanzprodukte“ als eine Hauptgefahrenquelle ansieht und versucht, in diesem Bereich mehr Wettbewerb125 zu erzeugen. Insgesamt sieht die Kommission also schon jetzt Bedarf nicht nur für organisatorische Anpassungen, sondern für eine Verbesserung der EU-Aufsicht über die Ratingagenturen insgesamt.126 3. Deutschland Die neue Verordnung der EU bedurfte eines nationalstaatlichen Ausführungsgesetzes, obwohl EU-Verordnungen unmittelbar geltendes Recht sind. In diesem Gesetz musste vor allem eine Aufsichtsbehörde bestimmt werden.127 Im Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates zur Errichtung einer Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde,128 die im Rahmen des neuen Europäischen Systems der Finanzaufsichtsbehörden (ESFS) errichtet werden soll, ist zwar vorgesehen, dass die Aufsicht über die Ratingagenturen vollständig und exklusiv der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) übertragen werden soll. Sie konnte aber nicht vor Inkrafttreten der Vorschriften über die neue europäische Aufsichtsarchitektur errichtet werden. Da die neue Verordnung zur Aufsicht über die Ratingagenturen aber bereits in Kraft getreten ist, mussten vorerst nationale Aufsichtsbehörden zu deren Vollzug bestimmt werden. Es war innerstaatlich festzulegen, welche Stelle die operative Aufsicht über die Benutzung der Ratings durch Kreditinstitute und Versicherungen durchzuführen hat.129 124

Oben V. 2. a). Dazu mehr unten VII. 3. a). 126 So auch der Tenor der Erklärung vom 3. Juni 2010, IP/10/656. 127 Die „Durchführung“ des Gemeinschaftsrechts ist ein seit längerem diskutiertes Problem, näher C. Möllers, Durchführung des Gemeinschaftsrechts – Vertragliche Dogmatik und theoretische Implikationen, EuR 2002, S. 483. 128 Oben Fn. 123. 129 Diese Aufteilung findet sich bereits im Commission Staff Working Document vom 23. September 2009, Possible Amendments to Financial Services Legislation, SEC(2009), 1233, S. 9. 125

5. Errichtung einer Europäischen Ratingagentur

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Ungewöhnlich schnell hat der Bund das Ausführungsgesetz erlassen.130 Darin wird die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur Aufsichtsbehörde über die Ratingagenturen bestimmt, § 17 Abs. 1 WpHG n. F. Sie übt alle Befugnisse aus, die nach der Verordnung der zuständigen Aufsichtsbehörde zustehen sollen, § 17 Abs. 2 WpHG n. F. Auch werden die Ratingagenturen verpflichtet, ihre Tätigkeit einmal jährlich durch einen Wirtschaftsprüfer prüfen zu lassen, § 17 Abs. 5 WpHG n. F. Schließlich führt das Gesetz einen Katalog von insgesamt 42 (!) Bußgeldtatbeständen ein, § 39 Abs. 2b WpHG n. F.131 4. Vergleichendes Fazit Ungeachtet aller Fragen zur Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen, fällt vor allem auf, dass in Europa drei wichtige Problemkreise überhaupt noch nicht angegangen worden sind, die in den USA schon geregelt worden sind; zum Teil sehr detailliert: die Beseitigung der Bezugnahme auf Ratings in Hoheitsakten, eine Einrichtung zum effektiven Schutz der Verbraucher und ansatzweise eine Verschärfung der Haftung der Ratingagenturen gegenüber Dritten. Eine europäische Ratingagentur könnte nicht zuletzt Defizite im Verbraucherschutz beseitigen. VI. Weiterer Reformbedarf Verbreitet wird weithin die Notwendigkeit für weitere Maßnahmen gesehen.132 1. Funktion und Bedeutung von Ratingagenturen und Ratings Um beurteilen zu können, ob tatsächlich weiterer Reformbedarf besteht, ist zunächst zu klären, welche (ökonomische) Funktion Ratings haben, welche Aufgaben Ratingagenturen zu erfüllen haben und welche Gefahren, die mit ihrer Tätigkeit verbunden sind, bekämpft werden müssen.

130 Ausführungsgesetz zur Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung) vom 14. Juni 2010, BGBl. I 786. Der Entwurf stammt vom 15. Februar 2010, BT-Drucks. 17/716; erste Lesung im Bundestag am 25. Februar 2010, 24. Sitzung, BT-Prot. 17. Wahlperiode, S. 2072 (D). 131 Nach Art. 36 Rating-VO ist als weitere Sanktionsebene das nationale Recht vorgesehen. Auf europäischer Ebene wurden keine Bußgeldtatbestände eingeführt, vgl. T. M. J. Möllers (Fn. 104), S. 287. 132 Zimmer (Fn. 37), S. 2701 ff., 2706; Kumpan (Fn. 24), S. 2167. Im Rahmen der Beratungen des Ausführungsgesetzes zur Ratingverordnung: Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 5. Mai 2010, BT-Drucks. 17/1612, S. 2; Minister Reinhart (Baden-Württemberg), BR-Prot. 871. Sitzung am 4. Juni 2010, S. 219 (B): „weitere strategische Ansätze nötig sind“.

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III. Finanzmärkte

a) Der wirtschaftliche Sinn von Ratings Bei zunehmender Internationalisierung, fehlenden unmittelbaren Kontakten von Gläubigern und Schuldnern und der immer größeren Ungewissheit über die Fortdauer einer früher erworbenen Reputation wächst der Bedarf an verlässlichen Informationen über den Vertragspartner. Informationsasymmetrien verschärfen sich.133 Die Ratingagenturen versprechen, diesen Bedarf zu befriedigen. Die Ratings können zu echten Effizienzgewinnen führen, da ihre Tätigkeit dazu führen kann, dass nicht jeder Gläubiger selbst Informationen sammeln und durch hoch spezialisiertes Personal, das teuer ist, bewerten muss. Zudem können die Vorteile von Arbeitsteilung und Spezialisierung genutzt werden. Damit lässt sich zu einem großen Teil die rapide Ausbreitung und die hohe Profitabilität der Agenturen erklären. Dieser mögliche Gewinn an einzelwirtschaftlicher Effizienz verringert sich aber in dem Ausmaß, in welchem es dem Investor auferlegt wird, sich nicht alleine auf die Ratings zu verlassen („overreliance“) und eine eigene Bewertung vorzunehmen.134 aa) Einsparung von Kosten – Erhöhung der Produktionseffizienz Die prognostische Beurteilung der (künftigen) Zahlungsfähigkeit von Unternehmen und der von ihnen aufgenommenen Kredite ist grundsätzlich eine nützliche Tätigkeit und liefert den Märkten wichtige Informationen.135 Dies gilt vor allem auch für Wertpapiere, die diese Unternehmen emittieren. Unternehmen in diesem Sinne können sowohl Unternehmen des Finanzsektors als auch der „realen“ Wirtschaft sein. Es werden aber auch öffentlich-rechtliche Einrichtungen und deren Emissionen bewertet.136 Im Grundsatz können jedenfalls Kosten gespart werden, wenn nicht jeder Gläubiger separat Informationen über die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit eines Schuldners sammelt und versucht, die Ausfallwahrscheinlichkeit von Forderungen zu kalkulieren. Es genügt, wenn dies einmal kompetent geschieht und die übrigen Marktteilnehmer darauf zugreifen können.137 bb) Verbesserung der Allokationseffizienz Auch kann die Allokationseffizienz der Finanzmärkte gesteigert werden, da durch Ratings die Transparenz für die Marktteilnehmer gesteigert wird. Damit 133

Kumpan (Fn. 24), S. 2160; Zimmer (Fn. 37), S. 2693. Dazu mehr unten VI. 2. f), VI. 3. c) cc). 135 Eingehend Husisian (Fn. 78), S. 415 ff. 136 Vgl. Blaurock (Fn. 26), S. 604. Ob das Sinn macht, ist jedenfalls für deutsche Hoheitsträger sehr fraglich. 137 Ebenroth/Daun (Fn. 26), S. 6, die darauf hinweisen, dass die institutionellen Investoren auf ihre Credit-Research-Abteilungen verzichten könnten; Habersack (Fn. 29), S. 186. 134

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korrespondiert die „Informationseffizienz“ des Marktes.138 „Finanzprodukte“ werden leichter vergleichbar und Transaktionskosten vermindert. cc) Hinreichende Qualität als notwendige Voraussetzung Voraussetzung ist jedoch, dass die Bewertungen neutral und methodisch korrekt durchgeführt werden. Nur so können die angestrebten Effizienzgewinne realisiert werden. Sind die Bewertungen aber qualitativ fragwürdig, verfehlen sie nicht nur ihren Zweck, sondern können darüber hinaus Schaden stiften, da sie zu Fehlentscheidungen der Investoren verleiten und die Stabilität des Gesamtsystems gefährden. Eine Folge von Fehlbewertungen kann beispielsweise sein, dass Finanzinstitute ein viel zu geringes Eigenkapital vorhalten müssen, da die Bewertungen im Tatbestand von Rechtsnormen zur Eigenkapitalausstattung enthalten sind. b) Aufgabe der Ratingagenturen Hauptaufgabe einer Ratingagentur muss es sein, Prognosen über die Ausfallwahrscheinlichkeit einer (verbrieften) Forderung oder eines Schuldners insgesamt zu erstellen, die möglichst genau der späteren Entwicklung entsprechen. Neutralität, Objektivität und Unabhängigkeit sowie die korrekte methodische Vorgehensweise sind lediglich Hilfsziele, um die Erreichung dieses Hauptziels zu gewährleisten. Entsprechendes gilt für die Vermeidung von Interessenkonflikten. Damit sollen Gefährdungen von Neutralität und Objektivität schon im Vorfeld ausgeschlossen werden. Diese weiteren Ziele dienen alle letztlich nur dazu, die Qualität der Prognosen zu gewährleisten. c) Die Bedeutung der Ratings Die Bedeutung von Ratings hat eine ökonomische und eine juristische Seite. Viele Investoren dürfen aufgrund von gesetzlichen oder satzungsrechtlichen Vorgaben nur in Wertpapiere investieren, die ein bestimmtes Rating („investment grade“) erzielt haben.139 Auch enthalten viele Darlehensverträge „rating triggers“, also Klauseln, die für den Fall der Herabsetzung von Ratings (gravierende) zivilrechtliche Folgen vorsehen.140 Unabhängig davon ist über die Jahre auch in Europa der Druck gewachsen, dass Kreditnehmer Ratings vorweisen können.141 Für Deutschland wurde auch die Aufhebung der Genehmigungspflicht für die 138 O. Everling, Nutzenaspekte des Ratings für Emittenten, Der langfristige Kredit, 1991, S. 272. 139 Vgl. Reidenbach (Fn. 75), S. 292–294; Kumpan (Fn. 24), S. 2160. 140 Kumpan (Fn. 24), S. 2160. 141 Oben II. 2.

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III. Finanzmärkte

Ausgabe von Inhaberschuldverschreibungen (§§ 795 und 808a BGB) zum 1. Januar 1991 als Grund für die wachsende Bedeutung der Ratings genannt, auch wenn der Gesetzgeber die Aufhebung der Vorschriften nicht durch eine Bezugnahme auf Ratings ersetzt hat.142 Eine vielfach noch immer unterschätzte Bedeutung hat die (unkritische) Übernahme von Ratings in die Tatbestände von Vorschriften über die Aufsicht von Finanzinstituten gewonnen. Sie hat ihnen „quasi-hoheitliche“ Funktion zukommen lassen.143 Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Lebens- und Nichtlebensversicherungen, Rückversicherungsgesellschaften, Organismen für die gemeinsame Anlage in Wertpapieren (OGAW) und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung können sich bei der Berechnung ihrer gesetzlichen Eigenkapitalanforderungen oder der Berechnung der Risiken ihres Anlagegeschäfts auf Ratings stützen.144 Ratings wirken sich unmittelbar auf die Marktpreise von Anleihen aus, also die Finanzierungskosten für ein Unternehmen. Dazu müssen sich die wirtschaftlichen Tatsachen eines Emittenten nicht einmal geändert haben. Es genügt regelmäßig, dass die Agentur lediglich ihre Methodik ändert. Das geschieht mitunter von einem Tag auf den anderen und kann zu erheblichen Verlusten der Investoren und zu zusätzlichen Kosten für die Emittenten führen. Dabei ist der Zusammenhang nicht linear, sondern überproportional und kann deshalb von existentieller Bedeutung sein.145 Anleger, Kreditnehmer, Emittenten und Regierungen nutzen unter anderem die Ratings, um fundierte Anlage- und Finanzentscheidungen zu treffen. Sie können dazu beitragen, Informationsasymmetrien zu verringern.146 Ob Ratings tatsächlich neue Informationen für die Märkte enthalten, ist allerdings empirisch nicht eindeutig gesichert. Es gibt allerdings Studien, die vor allem bei Änderungen von Ratings Effekte auf die Märkte empirisch nachweisen.147 Ratings werden deshalb als wichtige Faktoren für das Funktionieren der Märkte und für die Entscheidungen von Anlegern und Verbrauchern angesehen.

142

Reidenbach (Fn. 75), S. 299 f. Näher unten VI. 1. e). 144 Begründungserwägung (1) der Ratingverordnung (Fn. 8). 145 Habersack (Fn. 29), S. 186–188 mit zahlreichen Beispielen wie die geänderte Behandlung von Pensionsverpflichtungen, die bei der ThyssenKrupp AG im Frühjahr 2003 zu einem Sinken der Kurse der Anleihen um 6 % innerhalb eines Tages und zu zusätzlichen Zinskosten in Höhe von 20–30 Mio. Euro pro Jahr geführt hat, obschon im Übrigen keine Änderungen der wirtschaftlichen Fundamentaldaten eingetreten waren; Blaurock (Fn. 26), S. 609. 146 European Commission (Fn. 18), S. 3. 147 Kliger/Sarig, The Information Value of Bond Ratings, The Journal of Finance, Vol. LV (2000), S. 2879 (2901). 143

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d) Grundsätzliche Gefahren von Ratings aa) Breitenwirkung von Fehlleistungen Den Effizienzgewinnen durch Konzentration der Erstellung von Ratings steht aber zugleich eine Gefahr gegenüber: Wenn eine solche hochkonzentrierte Beurteilung fehlerhaft ist, sind die Folgen ungleich gravierender, als wenn sich das Urteil eines einzelnen Kreditgebers als falsch erweist. bb) Die Verwischung von Verantwortlichkeiten Es kommt aber noch ein Weiteres hinzu: Die Ratingagenturen befriedigen auch das ganz persönliche Bedürfnis der Entscheidungsträger nach Absicherung. Lange Zeit haben diese Personen gemeint, auf diese Weise einen Teil der Verantwortung für ihre Entscheidungen abwälzen zu können: Sie haben ja nur erstklassig „geratete“ Anleihen von erstklassig „gerateten“ Emittenten, die zudem noch eine Vielzahl von mehr oder weniger anerkannten Gütesiegeln, Zertifikaten und Akkreditierungen vorweisen können, erworben. Dieses Bedürfnis haben die Ratingagenturen ebenfalls erkannt und erfüllt.148 Allerdings haben sich diese Mechanismen nicht erst in der gegenwärtigen Krise als ausgesprochen fatal erwiesen, da sie zu einer Verschleierung und Verwässerung der Verantwortlichkeiten führen können. Auch verändern sie die Anreize für die Akteure. „Blindes“ Vertrauen in die Noten der Ratingagenturen war mitverantwortlich für die Krise. cc) Machtkonzentration Wegen der wirtschaftlichen Bedeutung, die Ratings gewonnen haben, kommt den Agenturen, die sie erstellen, erhebliche Macht zu. Ihr Urteil kann das Ende eines Schuldners bedeuten. Diese Macht ist zudem in den Händen der beiden großen Ratingagenturen hochkonzentriert. Der Wettbewerb auf Anbieterseite ist schwach und eine Kontrolle durch die Marktgegenseite kaum wirksam.149 dd) Einflussnahme auf wirtschafts- und finanzpolitische Entscheidungen Vor allem bei der Bewertung von Staaten und von Staatsschulden besteht für die Ratingagenturen in ihrer gegenwärtigen Zusammensetzung zudem die Möglichkeit, durch die Wahl des Zeitpunktes von Einstufungsänderungen auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Hier kann sich die Machtkonzentra148 149

Zimmer (Fn. 37), S. 2693. Oben IV. 3. d).

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tion besonders fatal auswirken. Dies ist zuletzt wieder deutlich geworden bei der Bewertung von Portugal, Irland und Spanien, deren Probleme seit längerem bekannt waren, aber zunächst zu keiner Änderung von Ratings geführt haben. Erst als wichtige Treffen der Politik anstanden, sind sie angekündigt worden. Das wird von der Politik nicht ohne Grund als ein „erratisches Agieren“ der angelsächsisch dominierten Agenturen angesehen.150 Gemeint ist damit aber wohl, dass auf diese Weise der Versuch unternommen wird, Einfluss auf die europäische Politik zu nehmen, um sie den angelsächsischen Vorstellungen von der richtigen Wirtschafts- und Finanzpolitik anzupassen. Auch kann der Einfluss dazu dienen, den zur Zeit bei Wissenschaftlern in den USA sehr verbreiteten (neo-)keynesianischen Lehren in Europa zur Geltung zur verhelfen. e) Die „quasi-hoheitlichen“ Funktionen von Ratings Noten zu verteilen, ist jedem unbenommen. Das macht auch jeder Restaurantkritiker. Diese Bewertungen würden jedoch sofort einen anderen juristischen Stellenwert erhalten, wenn daran hoheitliche Rechtsfolgen, wie beispielsweise die Erteilung der Gaststättenerlaubnis oder die Höhe der zu entrichtenden Steuern, geknüpft würden. Die Noten der Ratingagenturen sind aber nicht mehr nur private Meinungsäußerungen, denen man glauben kann oder auch nicht. Sie haben vielmehr auf vielfältige Weise hoheitliche Rechtswirkungen erlangt.151 Die Europäische Zentralbank greift bei ihren Maßnahmen ebenso auf die Bewertungen der Agenturen zurück152 wie andere Aufsichtsbehörden.153 Auch die Verpflichtung zu ihrer Verwendung in der Anlageberatung154 und zur Aufnahme in Prospekte155 führt zu einem weiteren Bedeutungszuwachs. 150 Mitglied des Europäischen Parlaments, Dr. Wolfgang Klinz, Pressemitteilung vom 30.09.2010. 151 Nähere Einzelheiten bei Eisen (Fn. 2), S. 115 ff.; internationaler Überblick bei Blaurock (Fn. 26), S. 612. Die „staatliche Aufwertung“ und der damit verbundene Bedeutungsgewinn ist für Rudolph der Ausgangspunkt für den Missbrauch gewesen, (Fn. 86), S. 41. 152 Im „Eurosystem credit assessment framework (ECAF)“ ist geregelt, welche Quellen das Eurosystem verwendet, um Vermögensgegenstände zu bewerten. Dazu gehören auch die (externen) Ratings von Ratingagenturen. Die normale Minimalanforderung des Eurosystems war ein „single A“, das einer Ausfallwahrscheinlichkeit über ein Jahr von bis zu 0,10 % entspricht. Im Oktober 2008 hat es diesen Schwellenwert zeitweise niedriger angesetzt und auch mit „triple B“, das einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 0,40 % entspricht, bewertete Wertpapiere angenommen. Im April 2010 hat der Rat der ECB diese Erleichterung über das Ende des Jahres 2010 hinaus verlängert. 153 Nähere Einzelheiten jetzt bei European Commission (Fn. 191), S. 31 f.; sehr weit F. Becker (Fn. 65), S. 943: „Ohne Rückgriff auf die Informationsleistungen der Ratingagenturen könnten die Aufsichtsbehörden ihre Aufgaben kaum erfüllen.“ 154 Näher Arendts, in: Everling/Achleitner (Hrsg.), Rechtsfragen im Rating, 2005, S. 287 ff.; Rotter/Kremer (Fn. 75), S. 327 ff.; Reidenbach (Fn. 75), S. 305–307. 155 Näher Reidenbach (Fn. 75), S. 309–312.

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Diese offizielle Anerkennung von Ratings führt auch in der ökonomischen Analyse zu Verzerrungen, da ein „license value“ erzeugt wird, der die Nachfrage nach Ratings maßgebend antreibt.156 Hier wird auch aus ökonomischer Sicht Regelungsbedarf gesehen, da der überwiegende Informationsgehalt von Ratings durch die Bezugnahme in Hoheitsakten erzeugt werde und deshalb Herabstufungen überhaupt zur Kenntnis genommen würden.157 Aus juristischer Sicht besonders fragwürdig ist jedoch, dass die Ratings Eingang in Rechtsnormen gefunden haben. Der europäische Gesetzgeber158 hat ebenso wie der nationale Gesetzgeber an die Noten der Ratingagenturen Rechtsfolgen geknüpft, die erhebliche kostenträchtige Auswirkungen haben.159 Das gilt vor allem für das aufsichtsrechtlich erforderliche Eigenkapital. Es hängt maßgebend von den Adress(-ausfall-)risiken der Ausleihungen ab, § 2 Abs. 1 SolvV. Für dessen Ermittlung ist entweder der Kreditrisiko-Standardansatz (KSA) oder der auf internen Ratings basierende Ansatz (IRBA) zu verwenden, § 8 Abs. 1 SolvV. Im Standardansatz spielen Bonitätsstufen eine entscheidende Rolle, die sich aber ihrerseits an den Ratings „anerkannter“ Ratingagenturen160 orientieren, § 54 SolvV161. Unbeauftragte Ratings sind grundsätzlich bei der Bemessung des aufsichtsrechtlichen Eigenkapitals nicht verwendungsfähig, § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SolvV. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht kann aber Abweichungen zulassen, § 46 Abs. 1 Satz 3 SolvV. Derartige (dynamische) Verweisungen des Gesetzgebers auf Nichtnormen oder Bewertungen nichtstaatlicher Einrichtungen sind problematisch,162 auch wenn sie durchaus nicht singulär sind. Dies war aber wohl den Akteuren im Baseler Ausschuss, der weder über eine demokratische Legitimation noch eine sonstige

156 Dittrich (Fn. 40), S. 67 ff.; eingehend zur „regulatory license“ Partnoy (Fn. 33), S. 81 ff. 157 Dittrich (Fn. 40), S. 72. 158 Eine systematische Darstellung für die Rechtsnormen auf EU-Ebene sind jetzt zu finden bei: European Commission (Fn. 191), S. 29–31. 159 Dazu bereits v. Randow, Rating und Regulierung (Fn. 85), S. 151 ff.; Reidenbach (Fn. 75), S. 303 f.; allgemein krit. zur Bezugnahme in Gesetzen auf „außerstaatliche Regelungen“ Sachs, in: ders., Grundgesetz-Kommentar, 5. Aufl. 2009, Art. 20 Rn. 123a, mit ausführlichen Nachweisen für die weniger strenge Rechtsprechung. 160 Die Anerkennung richtet sich nach §§ 52 f. SolvV. Die Vorschriften orientieren sich an den CEBS-Guidelines on the recognition of External Credit Assessment Institutions. Es handelt sich aber nicht um Rechtsnormen, was häufig verkannt wird. 161 Die entsprechenden Tabellen sind abgedruckt bei Dürselen, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 3. Aufl. 2008, SolvV § 54 Rn. 2. 162 Vgl. Denninger, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, 1990, Rdn. 144; F. Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen der Normsetzung, 2005, S. 537 ff.; ders., Staatlich-private Rechtsetzung in globalisierten Finanzmärkten, ZG 2009, S. 123 (123–139), allerdings überwiegend deskriptiv und ohne konkrete juristische Folgerungen.

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III. Finanzmärkte

rechtliche Grundlage verfügt,163 nicht klar. Entsprechendes gilt, wenn sich Hoheitsträger, wie die Europäische Zentralbank, bei ihren Entscheidungen, beispielsweise bei der Annahme von Staatsanleihen als Sicherheiten, an den Noten der Ratingagenturen orientieren. Das ist angesichts der Beliebigkeit, mit der implizite bail-out Garantien unterstellt werden, sachlich verfehlt und juristisch fragwürdig.164 Die (unkritische) Bezugnahme auf die Bewertungen der Agenturen in Rechtsnormen, wie in Vorschriften der Solvabilitätsverordnung, ist schon aus staatsrechtlichen Gründen fragwürdig. Sie zementiert die Macht der Ratingagenturen. Deshalb ist die Beseitigung der Bezugnahme auf „ratings“ in allen Rechtsnormen und anderen hoheitlichen Maßnahmen unabdingbar, wenn die Ratingagenturen nicht als Hoheitsträger organisiert werden.165 Das hätte zur Folge, dass sich (institutionelle) Investoren und die Notenbanken wieder selbst ein Bild von Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit ihrer Schuldner machen müssen. Das mag zwar in der Theorie ineffizient sein, verteilt aber praktisch wirksam das Risiko von Fehlbewertungen und justiert die Verantwortlichkeit für weitreichende, nicht selten desaströse Anlageentscheidungen. Nach anfänglicher Zurückhaltung hat die Rechtsprechung auch eine Verpflichtung von Anlageberatern anerkannt, sich aus der einschlägigen Wirtschaftspresse zu informieren.166 Dazu gehört auch die Pflicht sich über Ratings kundig zu machen und die gewonnenen Informationen weiterzugeben. Eine Bank ist im Beratungsgespräch mit ihrem Kunden verpflichtet, auf ein fehlendes externes Rating einer Industrieanleihe hinzuweisen, sofern dieser eine sichere Anlage wünscht.167 163 Das Basel Committee on Banking Supervision ist keine Abteilung oder Einrichtung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, obwohl die Bank das Committee logistisch unterstützt. Aber selbst die BIZ hat nur eine höchst mittelbare Grundlage im Völkerrecht. Sie ist als Gesellschaft schweizerischen Rechts gegründet worden, an der auch eine Gruppe privater Banken beteiligt war. Das Haager Abkommen vom 20. Januar 1930 über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, dem Vereinigten Königreiche von Großbritannien und Nord-Irland, Italien und Japan mit der Schweiz sieht lediglich vor, dass die Schweiz der Bank das beigefügte Grundgesetz mit einigen Vorrechten zu gewähren habe. Als Anhang sind dem Abkommen die Statuten der Bank beigefügt. Änderungen des Grundgesetzes und der Statuten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sind am 22. Juni 1970 bekannt gemacht worden (BGBl. II, S. 765). Mittlerweile hat sie nur noch öffentlich-rechtliche Gesellschafter und kann damit wohl als mittelbare Einrichtung öffentlicher Verwaltung angesehen werden. 164 Vgl. BVerfGE 49, 89 (139), für Handeln der Exekutive. 165 Schon frühzeitig in diesem Sinne Siekmann, Die Finanzmarktaufsicht in der Krise, in: Scherzberg/Dogan/Çan (Hrsg.), Staatliche Finanzmarktregulierung und Eigentumsschutz, 2010, S. 9 (65); dafür jetzt auch Financial Stability Board (Fn. 16), S. 1 (principle I), S. 3 (principle III.1). 166 BGHZ 123, 126. 167 OLG Nürnberg, ZIP 2002, S. 611 (613); LG Münster, EWiR § 31 WpHG 1/04, S. 41; Arendts (Fn. 154), S. 293: „Nachforschungspflicht“; ferner BGH, NJW 1996,

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Danach stellt es einen Makel dar, wenn eine Anleihe kein externes Rating vorweisen kann.168 Darüber hinaus wird eine Pflicht anerkannt, Ratings in Prospekte aufzunehmen und deren Änderungen ad hoc mitzuteilen, auch wenn – anders als in den USA – eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt.169 f) Die Bewertung von Hoheitsträgern und ihrer Schulden Ratings für Staaten und ihre Verbindlichkeiten sind wegen der Beliebigkeit, mit der Stützungsmaßnahmen der internationalen Staatengemeinschaft unterstellt werden können, als solche problematisch. Das gilt erst Recht im Rahmen der EU, wo sie grundsätzlich verboten sind (Art. 125 Abs. 1 AEUV), aber gleichwohl durchgeführt werden. Die Beteiligung der Gläubiger an den Kosten der Rettungsaktionen wird zwar diskutiert, ist aber noch kein geltendes Recht. Andererseits werden Anleihen der EU-Mitgliedsstaaten (und einiger weniger anderer Staaten) samt der ihnen nachgeordneten Einrichtungen, soweit sie zum öffentlichen Sektor gerechnet werden, im Aufsichtsrecht für Finanzinstitute privilegiert behandelt und fast dem Zentralbankgeld gleichgestellt. Damit wäre eine Beteiligung der Gläubiger an den Rettungskosten nicht zu vereinbaren. Die nicht-ordnungsgemäße Bezahlung von Staatsanleihen ist bei der Mehrzahl der westlichen Industrienationen ein seltenes Ereignis und die Durchführung von internationalen Stützungsmaßnahmen eine politische Ermessensentscheidung, wenn sie überhaupt rechtlich zulässig ist. Wie unter diesen Umständen seriös ermittelt werden kann, wie hoch die Ausfallwahrscheinlichkeit einer solchen Anleihe ist und wie sie sich im Zeitablauf ändert, ist schwer nachzuvollziehen. Das mag für die Anleihen amerikanischer Kommunalkörperschaften anders sein, die den Ratingagenturen vertraut sind, aber um die geht es hier nicht. Schon deutsche Kommunalschuldverschreibungen folgen völlig anderen Gesetzmäßigkeiten. Das gilt erst Recht für Staatsanleihen. Es ist daher grundsätzlich zu fragen, ob Ratings für diesen Bereich Sinn machen und ob mit den differenzierten Zensuren nicht eine Scheingenauigkeit vorgetäuscht wird, die keine sachlich-statistische Grundlage hat. Immerhin enthält die Ratingverordnung schon eine Vorsichtsmaßnahme, indem sie eine Verwendung von Ratings aus Drittländern ohne besondere Übernahmeerlaubnis nach Art. 4 Abs. 3 Ratingverordnung dann ausschließt, wenn sie eine „systembezogene Bedeutung für die finanzielle Stabilität oder Integrität der Finanzmärkte in einem oder mehreren Mitgliedstaaten haben“, Art. 5 Abs. 1 lit. d. S. 1744 f., wo aus der Spitzennote (AAA) geschlossen wird, dass keine Zweifel an der Bonität bestanden. 168 Witte/Bultmann, in: Everling/Achleitner (Hrsg.), Rechtsfragen im Rating, 2005, S. 89 (94). 169 Reidenbach (Fn. 75), S. 309 f. mit Nachweisen zum Diskussionsstand.

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2. Defizite der neuen Regelungen Die Verordnung der EU enthält im Wesentlichen Regelungen zur Erhöhung der Transparenz, zur Sicherung der Unabhängigkeit der Agenturen und zur Vermeidung von Interessenkonflikten bei der Vornahme der Bewertungen. Die Regelungen bewegen sich – unter Einfluss des angelsächsischen Rechtsdenkens – eher im Prozeduralen und vermeiden klare inhaltliche Vorgaben. Entsprechendes gilt für die Anforderungen an Ratinganalysten, Mitarbeiter und sonstige an der Abgabe von Ratings beteiligten Personen einschließlich des Rotationssystems (Art. 7 Abs. 4 Ratingverordnung) und des Verbots erfolgsorientierter Vergütung und Leistungsbewertung (Art. 7 Abs. 5 Ratingverordnung). Diese Maßnahmen sind sicher Schritte in die richtige Richtung. Nur ist ungewiss, ob damit tatsächlich der angestrebte Erfolg, die Erhöhung der Qualität der Bewertungen, verwirklicht werden kann. Der empirische Zusammenhang zwischen der Beratungstätigkeit der Agenturen und der Ratingqualität ist nicht gesichert.170 Auch eröffnet die vorgesehene Anerkennung von Ratings aus Drittstaaten oder die Zertifizierung von Ratingagenturen, die außerhalb der EU ihren Sitz haben, eine Hintertür, die Anforderungen der Verordnung zu unterlaufen. Im Zusammenhang mit den europarechtlich vorgeschriebenen Standards für den Datenschutz und vergleichbaren Gleichwertigkeitsvorgaben konnte gut beobachtet werden, wie das abläuft, wenn nur genügend Druck auf die EU ausgeübt wird. Die Offenlegung, welche Methoden, Modelle und grundlegenden Annahmen die Ratingagentur verwendet,171 ist sinnvoll, um die Validität ihrer Arbeit einschätzen zu können. Die Dokumentation der bisherigen Ergebnisse unter Einschluss von Angaben zur Häufigkeit der Änderung von Ratings und früher abgegebenen Ratings sowie deren Änderungen172 ist eine ähnlich wichtige Informationsquelle zur Beurteilung der Qualität der Arbeit. Die offengelegten Informationen sollen so detailliert sein, dass der Nutzer der Ratings über ausreichende Angaben verfügt, um „selbst eine sorgfältige Prüfung bei der Entscheidung vornehmen zu können, in welchem Maße er sich auf diese Ratings stützt“. Dadurch sollte jedoch nicht eine Pflicht begründet werden, Geschäftsgeheimnisse preiszugeben oder Innovationen „ernsthaft“ zu behindern.173 Wenn die Offenlegungspflicht unter einem solchen Vorbehalt steht, werden die wirklich wichtigen Informationen kaum an die Öffentlichkeit gelangen. Auch die materiellen Anforderungen an die Qualität der verwendeten Methoden und Verfahren sowie die Qualität der verwendeten Informationen174 beruhen 170 171 172 173 174

Haar (Fn. 44), S. 190. Art. 8 Abs. 1 i.V. m. Anhang I Abschnitt E Teil I Nummer 5 Ratingverordnung. Art. 11 Abs. 2 Ratingverordnung. Begründungserwägung (25) der Ratingverordnung (Fn. 8). Art. 8 Abs. 2 und 3, Art. 9 Ratingverordnung und oben S. 566.

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auf den Erfahrungen der Vergangenheit und sind ein Schritt in die richtige Richtung. Entsprechendes gilt für die laufende Überwachung der Ratings175 und die Pflicht, rechtzeitig Änderungen von Methoden, Modellen und grundlegenden Annahmen bekanntzugeben176. Allerdings wecken die verwendeten weichen Formulierungen177 Zweifel, ob auf dieser Grundlage im Konfliktfall effektive Vollzugsmaßnahmen möglich sind. Die besondere Rolle, welche die strukturierten Finanzinstrumente für Entstehung und Verlauf der Krise gespielt haben, rechtfertigen sicher die strengeren Anforderungen, welche die Ratingverordnung und der Vorschlag für eine Änderung dieser Verordnung enthalten.178 Ratings für diese Instrumente waren auch für die Ratingagenturen besonders lukrativ.179 Allerdings sind die neuen Regelungen in den USA teilweise deutlich strenger.180 Vor allem beugen die neuen Vorschriften nicht der Schaffung ähnlich gefährlicher, noch unbekannter Instrumente vor. Eine tatsächlich wirksame Gefahrenverhütung dürfte nur durch ein allgemeines präventives Verbot mit dem Vorbehalt der Erlaubnis, für den Fall, dass die Ungefährlichkeit eines Instruments für die Gesamtwirtschaft nachgewiesen wird, möglich sein. Angesichts der Gefahren, die von „innovativen Finanzprodukten“ ausgegangen sind, dürfte es angebracht sein, dass der Gesetzgeber selbst die Bewertung vornimmt und nicht nur (punktuell) die Anforderungen an die Erteilung eines Ratings verschärft. Diese Risikoeinschätzung hat er auch früher beim Erlass von Vorschriften zur Regelung von Finanzmärkten und Finanzinstrumenten vorgenommen. Diese Vorschriften waren zum Teil sehr viel umfassender, als alles, was bisher unternommen worden ist.181 Es ist nicht nachgewiesen, dass die erlassenen Verbote letztlich und unter Einbeziehung aller Faktoren seiner Zeit die positive wirtschaftliche Entwicklung behindert hätten. Sie haben zudem eine egalisierende Wirkung, können also Wettbewerbsverzerrungen ausmerzen, wenn ihr Anwendungsgebiet nur weit genug ist. Immerhin schafft die Verordnung das Instrumentarium, das notwendig ist, um die getroffenen Regelungen auch durchzusetzen. Dazu zählen nicht nur verwal175

Art. 8 Abs. 5 Ratingverordnung. Art. 8 Abs. 6 Ratingverordnung. 177 Beispiel: Art. 8 Abs. 3 Ratingverordnung: „Die Ratingagentur wendet Ratingmethoden an, die streng, systematisch und beständig sind und einer Validierung unterliegen, die auf historischen Erfahrungswerten, insbesondere Rückvergleichen beruhen.“ Auch das ist richtig gedacht, doch wie soll nachgewiesen werden, dass die Anforderungen eingehalten worden sind? Wenn überhaupt keine Erfahrungswerte vorliegen, wie bei vielen strukturierten Finanzinstrumenten, dürfte allerdings ein Verstoß gegen diese Vorschrift vorliegen; vgl. Begründungserwägung (34) der Ratingverordnung (Fn. 8). 178 Oben V. 2. a). 179 Kumpan (Fn. 24), S. 2162 m.w. N. 180 Kumpan (Fn. 24), S. 2167. 181 Als Beispiel kann das umfassende Erfordernis der Genehmigung von Inhaberschuldverschreibungen genannt werden, dazu unten S. 593. 176

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tungsrechtliche Instrumente bis hin zum Widerruf der Registrierung (Art. 20 Ratingverordnung), sondern auch die Möglichkeit, Zwangs- und Bußgelder zu verhängen. Diese bisher dem nationalen Recht zugewiesene Aufgabe (Art. 36 Ratingverordnung) soll nach dem Entwurf der Änderungsverordnung der ESMA übertragen werden (Art. 36a und b Ratingverordnung n. F.); ebenfalls eine Maßnahme, für eine effektive Durchsetzung der Vorschriften zu sorgen. Allerdings räumt auch die EU-Kommission nunmehr ein, dass noch erhebliche Defizite bestehen und nennt folgende Problemkreise, die bisher noch nicht angesprochen worden seien: – „blindes“ Vertrauen („overreliance“) der Nutzer, – Konzentrationsgrad im Ratingsektor, – zivilrechtliche Haftung der Ratingagenturen, – Bezahlungsmodelle, – Schulden von Staaten in einem weit verstandenen Sinne („sovereign debt“), – Schaffung einer europäischen Ratingagentur.182 a) Fortbestand der „quasi-hoheitlichen“ Funktionen der Ratings Das juristische Kernproblem, die Verbindung von hoheitlichen Rechtsfolgen mit privatwirtschaftlich erteilten Bewertungen,183 ist nicht gelöst. Das bloße Offenlegen von Interessenkonflikten reicht nicht aus, da es von der zweifelhaften Annahme ausgeht, informierte Investoren könnten dann selbst die Relevanz des Konflikts für ihre Entscheidung beurteilen.184 Dabei wird übersehen, dass Investoren diese Rationalität und Sachkunde nur sehr begrenzt aufbringen (können) und vor allem, dass Gesetze Rechtsfolgen an die Ratings knüpfen. Eine Beurteilung der Relevanz von Interessenkonflikten wird dann regelmäßig nicht stattfinden. Ob dieses Verhalten einen haftungsbegründenden Pflichtverstoß darstellt ist noch nicht geklärt. Schließlich stehen die Investoren vor dem Dilemma, dass sie im Zweifel keine Alternativen haben. Wie sollen sie sich verhalten, wenn ein Interessenkonflikt offen gelegt wird? In dieser Situation verwenden sie lieber ein qualitativ schlechtes Rating als überhaupt keins. Nachdem schon früh auf diese Probleme hingewiesen worden war,185 hat nun auch das Financial Stability Board – mit großer Verzögerung – das Problem erkannt und eine weitgehende Reduzierung der Bezugnahme auf Ratings in „standards, laws and regulations“ gefordert. Wo immer möglich, sollen sie dort 182

European Commission (Fn. 18), S. 3. Oben VI. 1. e). 184 So aber T. M. J. Möllers (Fn. 37), S. 865. 185 Siekmann, Die Neuordnung der Finanzmarktaufsicht, Die Verwaltung, Bd. 43 (2010), S. 95 (105). 183

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entfernt werden.186 Entsprechendes wird auch für die Entscheidungen von Zentralbanken gefordert.187 Hier ist das amerikanische Recht durch Erlass entsprechender Vorschriften im Dodd-Frank Act allerdings schon weiter.188 b) Wettbewerb und Bezahlung der Ratingagenturen Das Marktstrukturproblem und die Beteiligung der Nutznießer an den Kosten der Ratings sind weiterhin ungelöst. Bisher wird die Tätigkeit der Agenturen fast ausschließlich durch die an guten Noten interessierten Emittenten von Wertpapieren finanziert („issuer-pays-model“). Dies kann zu Interessenkonflikten führen. Dieses Problem ist in den bisher erlassenen Reformmaßnahmen ausgeklammert worden.189 Es wurde nur mit großer Sorgfalt versucht, die aus der Bezahlung möglicherweise folgenden Interessenkonflikte zu beseitigen. Das Bezahlsystem selbst blieb unangetastet. In der Ratingverordnung wird lediglich ein Prüfauftrag an die Kommission erteilt.190 Dem ist die Kommission nachgekommen und hat verschiedene Bezahlmodelle skizziert.191 Als Alternativen werden vorgestellt: – „Subscriber/Investor-Pays model“, – „Payment-upon-results model“, – „Trading venues Pay model“, – „Government as Hiring Agent model“, – „Public Utility model“. c) Strukturierte Finanzinstrumente Zu Recht wird dem Problem der strukturierten Finanzinstrumente erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet. Das zeichnete sich auch schon durch die Erteilung der besonderen Prüfaufträge an CESR ab. Das Verbot der Beratung zur Ausgestaltung dieser Instrumente ist angesichts der Erfahrungen mit der Entstehung der Krise angezeigt, da diese Instrumente einen großen Teil der Probleme hervorgerufen haben. Ob allerdings die geplante Pflicht zur Gewährung von Zugang zu 186

Financial Stability Board (Fn. 16), Principle I. Financial Stability Board (Fn. 16), Principle III.1. 188 Oben V. 1. 189 Darstellung der Kritik bei Cortez/Schön (Fn. 37), S. 228: bisheriges Geschäftsmodell der Ratingagenturen bleibe weitgehend unverändert bestehen; T. M. J. Möllers (Fn. 37), S. 865. Auch Zimmer (Fn. 37), S. 2701, sieht in der Auswahl und Bezahlung der Agenturen durch die Schuldner ein ungelöstes Hauptproblem; ebenso Kumpan (Fn. 24), S. 2167. 190 Begründungserwägung (25) und Art. 39 Abs. 1 der Ratingverordnung (Fn. 8). 191 European Commission (Fn. 18), S. 26–28. 187

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den internen Informationen der Auftraggeber tatsächlich zu mehr Wettbewerb führen wird, ist ungewiss. Vor allem darf nicht vergessen werden, dass es in dieser Krise zwar die strukturierten Finanzinstrumente waren, die einen großen Teil des Gefahrenpotenzials ausgemacht haben. In Zukunft kann es aber ein völlig anders geartetes „Instrument“ oder Geschäftsfeld sein. Die „Finanzindustrie“ arbeitet mit hoher Wahrscheinlichkeit schon an der Konzeption von neuen, noch unbekannten Geschäften, die einzelwirtschaftlich sehr einträglich sein mögen, aber ebenso neue und unbekannte Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems in sich bergen. Insoweit ist die Konzentrierung auf die strukturierten Instrumente nicht falsch, ersetzt aber nicht sehr viel grundsätzlichere Maßnahmen zur Gefahrenbekämpfung. d) Beratungstätigkeit Auch das Verbot der Beratung, namentlich hinsichtlich der Ausgestaltung strukturierter Finanzinstrumente, ist angezeigt, enthält aber Lücken. „Nebendienstleistungen“ sollen gestattet sein, soweit sie keine Interessenkonflikte mit der Abgabe von Ratings nach sich ziehen, Art. 6 Abs. 2 i.V. m. Anhang I Abschnitt B Nr. 4 UA 2 und 3. Ob das der Fall ist, bleibt weitgehend der Einschätzung der Agenturen überlassen. Zudem können hinter den als Beispielen aufgeführten Nebendienstleistungen „Marktprognosen, Einschätzungen der wirtschaftlichen Entwicklung, Preisanalysen und anderen Analysen allgemeiner Daten sowie damit zusammenhängender Verteilungsdienst“ sehr lukrative Zuwendungen versteckt werden. e) Kontrolle der Ratingagenturen durch Wirtschaftsprüfer Ob die nunmehr vorgeschriebene Prüfung durch Wirtschaftsprüfer (§ 17 Abs. 5 WpHG n. F.) zu einer nennenswerten Verbesserung führen wird, ist ebenfalls zu bezweifeln.192 Die Prüfung durch Wirtschaftsprüfer hat auch schon bei den Finanzinstituten die Entstehung katastrophaler „Schieflagen“ nicht verhindert.193 Es besteht zudem die Gefahr einer Überfrachtung mit Informationen über sehr viele Einzelheiten, die eine Analyse der wirklichen Schwachstellen außerordentlich aufwendig macht oder ganz vereitelt.194 Zum Tätigkeitsumfang der Wirtschaftsprüfer kann auf die Regelungen für Kreditinstitute verwiesen werden: 192 Kritische Würdigung durch Migge, Zur Beauftragung von Wirtschaftsprüfern bei der Prüfung von Rating-Agenturen, Kredit & Rating Praxis, 2010, S. 26 (28 f.). 193 Vgl. Bayer, Wirtschaftsrecht, in einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft, in: Pauly (Hrsg.), Wendepunkte – Beiträge zur Rechtsentwicklung der letzten 100 Jahre, 2009, S. 101 (113 f.). 194 Auf die Probleme, die mit zu vielen Informationen verbunden sind, weist auch schon T. M. J. Möllers hin (Fn. 37, S. 861 [869]), der aber die Regelungen des Verordnungsentwurfs als wichtige erste Schritte begrüßte; s. a. Haar (Fn. 44), S. 189, die aber insgesamt eine Verbesserung durch die Regelung sieht.

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Nach § 340a HGB haben Kreditinstitute, auch wenn sie nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben werden, einen Jahresabschluss nach den Vorschriften für große Kapitalgesellschaften aufzustellen. Dieser Jahresabschluss muss nach § 316 Abs. 1 HGB durch einen Abschlussprüfer geprüft werden. Auch ein Konzernabschluss ist einer solchen Prüfung zu unterziehen, § 316 Abs. 2 HGB.195 Unter Einbeziehung der Buchführung sind Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung daraufhin zu prüfen, ob die gesetzlichen Vorschriften und sie ergänzende Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages und der Satzung beachtet worden sind, § 317 Abs. 1 Satz 2 i.V. m. § 242 Abs. 3 HGB. Es wird geprüft, ob die Eintragungen in den Büchern vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen worden sind, § 239 Abs. 2 HGB. Diese Prüfung ist im Wesentlichen nur formaler Natur. Das gilt auch für die Prüfung des Lageberichts, § 317 Abs. 2 HGB. Im Kern geht es dort um die Frage, ob die Lage des Unternehmens und die Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind. Es wird geprüft, ob der Jahresbericht ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermittelt, § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB. Die Prüfung erstreckt sich dagegen nicht auf die allgemeine Geschäftsführung des Unternehmens.196 Die Prüfung durch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ist zwar notwendig, aber keinesfalls hinreichend, wie die zahlreichen spektakulären Zusammenbrüche zeigen, bei denen noch wenige Tage vor der Insolvenz ein uneingeschränktes Testat erteilt worden war (ENRON, Lehman-Brothers, SachsenLB). Auch zeigen die Erfahrungen der deutschen Praxis, dass die Prüfung durch Wirtschaftsprüfer nicht ausreicht, um allfällige Gefahren oder Verschwendungen aufzudecken.197 Selbst bei den Prüfungen, die von staatlichen Einrichtungen bei Wirtschaftsprüfern in Auftrag gegeben werden, ist nicht sicher, dass sie tatsächlich mit dem Ausmaß an kritischer Distanz und Durchsetzungsvermögen durchgeführt werden, das erforderlich ist, um wesentliche Risiken aufzudecken.198 Deshalb darf von einer 195 Als Beispiel für eine landesrechtlich Bestimmung kann § 10 NRW.BankG genannt werden. 196 Klaus Hopt/Hanno Merkt, in: Baumbach/Hopt/Merkt, Handelsgesetzbuch, 34. Auflage, München, § 317 Rdn. 5. 197 Einen kleinen Einblick gewähren die Tätigkeitsberichte der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung, die punktuell Rechenwerke überprüft, die von großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften testiert worden sind. Sie muss erhebliche Fehlerquoten selbst bei größeren Unternehmen und auch bei Finanzinstituten registrieren, zuletzt Jahresbericht 2009, S. 4 f. 198 Die Prüfung der Landesbank Sachsen Girozentrale durch eine Prüfungsgesellschaft im Auftrag der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat zwar erhebliche Mängel zu Tage gefördert, nicht erkannt wurde aber das ganze Ausmaß der Risiken für den Freistaat Sachsen, die in „special purpose vehicles“ (außerbilanziell) versteckt waren, vgl. Sächsischer Rechnungshof, Sonderbericht nach § 99 SäHO, Landesbank Sachsen Girozentrale, S. 43; ferner bereits Bank, Zur Neuordnung des Haushaltswesens und der öffentlichen Finanzkontrolle bei den juristischen Personen des öffentl. Rechts, DÖH Jg. 8 (1966/67), S. 204 (213–215).

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Prüfung der Ratingagenturen durch Wirtschaftsprüfer nicht allzu viel im Hinblick auf die Qualität der Ratings erwartet werden. f) Das zu große Vertrauen in die Ratings („overreliance“) Die bisherigen Maßnahmen auf nationaler und supranationaler Ebene enthalten keine Ansätze zur wirksamen Lösung des Problems des „overreliance“, also des „blinden“ Vertrauens in Ratings.199 Im Gegenteil könnten die ergriffenen Maßnahmen genau das Gegenteil bewirken. aa) Das Problem Es bestehen Anhaltspunkte, dass sich die Entscheidungsträger in Finanzinstituten, die später mit großem Aufwand gerettet werden mussten, „blind“ auf Ratings verlassen haben und keine eigene (kritische) Bewertung von Kreditgeschäften, die sich später als fatal herausgestellt haben, mehr vorgenommen haben. Dieses Problem kann nicht ernst genug genommen werden. Die Entscheidungsabläufe in den Gremien der Banken dürften einer der Hauptgründe für Entstehung und Verlauf der Krise gewesen sein. Hier besteht allerdings noch weiterer Aufklärungsbedarf. bb) Erkennung des Problems Die EU-Kommission hat sich schon früher mit dem Problem des „excessive reliance“ befasst.200. Auch in der Begründung zur Ratingverordnung heben die Organe der EU hervor, dass die Nutzer von Ratings diesen nicht „blind“ vertrauen sollten. Sie sollten „auf jeden Fall“ eigene Analysen vornehmen und „zur Abwägung, in welchem Maße sie sich auf diese Ratings stützen, immer sorgfältig alle Unterlagen prüfen“.201 Ob es allerdings eine Pflichtverletzung der Organe des Investors darstellt, die zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sie nur auf Ratings vertrauen und keine eigenen Bewertungen vornehmen, ist nicht sicher.202 In ihren neuesten Veröffentlichungen gehen das Financial Stability Board203 und die EU-Kommission204 von einem wesentlich weiteren Verständnis von 199

Begründungserwägung (10) der Ratingverordnung (Fn. 8). Policy options to address the problem of excessive reliance on ratings, consultation document, July 31, 2008. 201 Begründungserwägung (10) der Ratingverordnung (Fn. 8): „Die Nutzer von Ratings sollten diesen nicht blind vertrauen, sondern in jedem Fall eigene Analysen vornehmen zur Abwägung, in welchem Maße sie sich auf diese Ratings stützen, immer sorgfältig alle Unterlagen prüfen.“ 202 Unten VI. 3. c) cc). 203 Financial Stability Board (Fn. 16). 204 European Commission (Fn. 18), S. 5–13. 200

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„overreliance“ aus. Hier soll jedoch an einem engen Verständnis festgehalten werden. Die Bezugnahme in Rechtsnormen oder anderen Hoheitsakten auf die Ratings sollen nicht darunter gefasst werden. Es macht einen erheblichen Unterschied aus, ob ein Investor sich (zu sehr) auf ein Rating verlässt oder ob der Gesetzgeber ein Rating in den Tatbestand einer Rechtsnorm aufnimmt und ob ein Rating als Voraussetzung für hoheitliche Entscheidungen verwendet wird. Die Zusammenfassung ist analytisch nicht zu rechtfertigen, kommt aber einer Denkweise entgegen, die keinen qualitativen Unterschied mehr zwischen Staatshandeln und Investorenentscheidungen sieht. cc) Lösungsdefizite Die Forderungen, nicht „blind“ zu vertrauen, sind zum Teil kontrafaktisch, zum Teil enthalten sie erhebliche Wertungswidersprüche. Es wird immer wieder die große und wachsende Bedeutung von Ratings und der Tätigkeit von Ratingagenturen für das Funktionieren der Finanzmärkte betont. Auch ihre ökonomische Effizienz wird unterstrichen. Dann ist es für die Betroffenen schwer nachzuvollziehen, wenn sie sich nicht auf die Ratings verlassen sollen; jedenfalls nicht „blind“. Das gilt umso mehr, wenn derselbe Gesetzgeber, der vor einem „blinden“ Vertrauen“ in die Ratings warnt,205 diese in seinen eigenen Vorschriften für das materielle Aufsichtsrecht verwendet. Diese Widersprüche werden noch dadurch verschärft, dass den Agenturen, welche die Ratings erstellen, nunmehr in einem strengen Verfahren eine „amtliche“ Anerkennung verliehen wird. Das wirkt nach außen wie die Verleihung eines amtlichen Gütesiegels, auch wenn das juristisch nicht so gemeint ist. Als Schritt auf dem Weg zu einer eigenständigen Bewertung durch den Nutzer sollen die erhöhten Transparenzgebote dienen. Nach Art. 8 Abs. 1 Ratingverordnung legt eine Ratingagentur offen, welche Methoden, Modelle und grundlegenden Annahmen sie bei ihrer Ratingtätigkeit verwendet. Die Informationen sollen so detailliert sein, dass der Nutzer der Ratings über ausreichende Angaben verfügt, „um selbst eine sorgfältige Prüfung bei der Entscheidung vornehmen zu können, in welchem Maße er sich auf die Ratings stützt“.206 Es mag sich um Schritte in die angestrebte Richtung handeln, doch lösen sich nicht die grundlegenden Widersprüche. Es ist nicht zu leugnen, dass der Gesetzgeber vor einem Dilemma steht. Einerseits will er die Agenturen wegen ihres „quasi-hoheitlichen“ Wirkens immer mehr mit inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Regeln umhegen und ihnen eine öffentlich-rechtliche Anerkennung verleihen. Andererseits sollen die Ratings der so geprüften, überwachten und anerkannten Agenturen nur als bloße Meinungs205 206

Begründungserwägung (10) der Ratingverordnung (Fn. 8). Begründungserwägung (25) der Ratingverordnung (Fn. 8, 96).

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äußerung von Privaten nicht von einer eigenen Prüfung entbinden. Diese beiden Forderungen sind nicht ohne weiteres miteinander zu vereinbaren. Wenn sich zwar die Aufsichtsbehörden, aber nicht die Investoren auf die Ratings sollen verlassen können, ist das kaum zu vermitteln. Dies gilt umso mehr, als es explizites Ziel der Regelungen ist, die Anleger zu schützen.207 Wenn der Gesetzgeber tatsächlich will, dass den Ratings nur begrenzt vertraut werden soll, müsste er sie aus den Tatbeständen aller Rechtsnormen entfernen und die Pflicht, sich ein eigenes Urteil zu bilden, auch effektiv durchsetzen. Dafür wäre erforderlich, dass die Verantwortlichen in den Finanzinstituten, die mit ihren Entscheidungen maßgebend zur Entstehung der Krise und ihren immensen Schäden beigetragen haben, tatsächlich mit zivil- und strafrechtlichen Sanktionen belegt werden, wenn sie sich nicht hinreichend ein eigenes Urteil über die Gefährlichkeit ihrer Geschäfte gemacht haben. Wenn der Gesetzgeber die Ratings aber tatsächlich weiter für hoheitliche Zwecke verwenden will, spricht einiges dafür, dass die Hoheitsträger in noch größerem Umfang die Verantwortung für die Bewertungen übernehmen müssen als bisher und sie möglicherweise mit eigenen Behörden oder öffentlich-rechtlichen Einrichtungen durchführen müssten. g) Zwischenergebnis Die neuen Regelungen sind ein Schritt in die richtige Richtung, doch ist zu bezweifeln, dass ihre überwiegende Ausrichtung an Formalzielen geeignet ist, tatsächlich die erstrebte Sicherung der Qualität der Ratings herbei zu führen. Auch die juristischen Fragwürdigkeiten im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Ratingagenturen lassen sich kaum mit der nun geschaffenen strengeren „Regulierung“ lösen. Ungelöst sind folgende Probleme: – Bezugnahme auf die Ratings in Hoheitsakten, – „Blindes“ Vertrauen in Ratings, – Ratings von Staaten und Staatsschulden („sovereign debt“), – Interessenkonflikte durch die gegenwärtige Art der Bezahlung der Ratingagenturen, – Haftung der Ratingagenturen gegenüber Nutzern.208 207 Art. 1 Satz 1: „[. . .] um auf diese Weise zu einem reibungslos funktionierenden Binnenmarkt beizutragen und ein hohes Maß an Verbraucher- und Anlegerschutz zu gewährleisten“. 208 Das hat nun auch die EU-Kommission durch die Themenstellung in ihrem Konsultationsverfahren anerkannt, European Commission (Fn. 18), S. 2. Kumpan (Fn. 24), S. 2167, hält den grundsätzlichen Interessenkonflikt, der durch die Bezahlung der Ratingagenturen hervorgerufen wird, für noch „nicht adäquat gelöst“.

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Das wichtige Problem des „overreliance“ ist eher noch verschärft als gemildert worden. Der Verbraucherschutz ist fast vollständig ausgeklammert. 3. Bedarf für zusätzliche Agenturen a) Die Erzeugung von mehr Wettbewerb Schon sehr früh ist darauf hingewiesen worden, dass das bestehende Oligopol der Ratingagenturen – unabhängig von der Frage der Verwendung der Ratings in Hoheitsakten – auf erhebliche Bedenken stößt.209 Die Intensivierung des Wettbewerbs durch den Markteintritt neuer Agenturen könnte ein Mittel sein, um die dargelegten Schwächen des Ratingwesens zu beseitigen.210 Die oligopolistische Struktur der Märkte211, auf denen die Ratingagenturen tätig werden, aber auch die Besonderheiten von Informationsökonomien212, die eine Vervielfältigung der Informationen, wenn sie kostenträchtig ermittelt worden sind, praktisch zu Null Grenzkosten ermöglicht, erwecken erhebliche Zweifel, ob mit weiteren Wettbewerbern die Probleme zu lösen sind. Es könnte sich zudem um ein natürliches Monopol handeln.213 Die damit verbundenen Probleme lassen sich nicht mit dem Eintritt eines weiteren Wettbewerbers in den Markt lösen. Es ist zudem nicht sicher, ob ein weiterer Teilnehmer an einem Oligopol zu mehr oder zu weniger Wettbewerb führt. Dazu müsste die bestehende Marktstruktur empirisch näher untersucht werden. Das Ausmaß des Wettbewerbs im Oligopol wird nicht allein durch die Marktform determiniert. Nach der Theorie kann auch in einem Oligopol intensiver Wettbewerb herrschen.214 Wenn kein oder nur schwacher Wettbewerb herrscht, führt der Eintritt eines weiteren Marktteilnehmers aber nicht ohne weiteres zu mehr Wettbewerb.215 Vor allem bestehen Zweifel, ob mehr Wettbewerb auf dem Markt für Ratings überhaupt wünschenswert wäre. Er könnte nicht zuletzt wegen der hohen spezifischen Investitionen ruinös wirken („contestable competition“) und im Ergebnis 209

Ebenroth/Daum (Fn. 3), S. 6. Dafür L. J. White (Fn. 44); ebenfalls ernsthaft erwogen von European Commission (Fn. 18), S. 19. 211 v. Randow, Rating und Regulierung (Fn 85), S. 148; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Fn. 85), S. 160; Blaurock (Fn. 26), S. 606; aber keine Korrelation mit dem Qualitätsniveau Spencer, Monopoly, Quality and Regulation, Bell Journal of Economics, vol. 6 (1975), S. 417 ff. 212 Vgl. v. Randow, Rating und Wettbewerb, ZBB 1996, S. 95 (92 f.); ferner T. M. J. Möllers (Fn. 37), S. 861. 213 Oben VI. 4. d) aa). 214 Pindyck/Rubinfeld, Microeconomics, sixth edition, 2005, S. 441, 453 ff. 215 Ebda., S. 461. 210

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zu einem „race to the bottom“ führen,216 also eine schlechtere Qualität der Prognosen bewirken statt einer besseren.217 Die EU-Kommission hat aber gleichwohl die Erzeugung von mehr Wettbewerb zu einem Hauptthema in ihrem Konsultationsverfahren gemacht. Sie möchte, dass folgende Alternativen als (potentielle) Wettbewerber näher untersucht werden: – die europäische Zentralbank oder nationale Zentralbanken, – neue nationale Wettbewerber, – öffentlich-private Mischstrukturen, – ein europäisches Netzwerk kleiner oder mittelgroßer Agenturen.218 b) Schaffung von nicht im Wettbewerb stehenden Einrichtungen Eine neue Einrichtung zur Durchführung von Ratings muss aber nicht als zusätzlicher Wettbewerber auf Wettbewerbsmärkten konzipiert sein. Es kann sich auch um eine Institution handeln, die unabhängig ihre Bewertungen vornimmt und nicht die Schwächen der bestehenden Agenturen in Finanzierung, Beratung und Transparenz aufweist. Vor allem könnte sie so konstruiert sein, dass keine Bedenken mehr bestehen, wenn ihre Bewertungen in Hoheitsakten verwendet werden. Auch eröffnen sich völlig andere Möglichkeiten für ihre Finanzierung. Wenn man sie als Einrichtung der „Daseinsvorsorge“ begreift,219 stehen grundsätzlich auch verschiedene Formen der Abgabenfinanzierung zur Verfügung. Insoweit sind die Fragen der Finanzierung der Agenturen mit ihrer Organisation verknüpft. In jedem Fall könnte aber mit einer neu konzipierten Ratingagentur verhindert werden, dass über angekündigte oder durchgeführte Bewertungsänderungen amerikanische Vorstellungen über eine zutreffende Wirtschafts- und Finanzpolitik durchgesetzt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die neue Einrichtung auch entsprechend organisiert ist. Dies gilt vordringlich für die Herabstufung von Staaten und Staatsschulden. Vor allem ist die Wahl des Zeitpunkts für derartige Entscheidungen kritisch und kann massiv die Entscheidungsspielräume für die 216 Hill (Fn. 85), S. 75; Hunt, Securities and Exchange Commission Re-Proposed Rules for Nationally Recognized Statistical Rating Organizations – Release No. 3459343, File No. S7-04-09, Comments, 2009, 1; Haar (Fn. 44), S. 187, die auf Marktanteilsverluste bei konservativen Bewertungen von Mortgage Backed Securities hinweist; ebenso Kumpan (Fn. 24), S. 2162, a. A. Dittrich (Fn. 40), S. 148. 217 Das gibt auch die EU-Kommission zu bedenken, vgl. European Commission (Fn. 18), S. 19. 218 European Commission (Fn. 18), S. 19 ff. 219 Diese nicht exklusive Möglichkeit (als Kontrollmaßstab) wird auch von der EUKommission erwogen, vgl. European Commission (Fn. 18), S. 28.

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Politik einschränken, ohne dafür eine hinreichende Legitimation zu besitzen. Wenn es allerdings nur um die Bewertung von Staatsschulden geht, die im Vordergrund der Vorschläge von Chatzimarkakis und Klinz stehen, bedürfte es aber nicht einer Agentur, die umfassende Bewertungen vornimmt, wie die bestehenden drei marktbeherrschenden Agenturen. c) Alternativen Die aufgezeigten Defizite der bisherigen Ratingverfahren können aber möglicherweise durch andere Maßnahmen als durch die Schaffung von neuen Einrichtungen ausgemerzt werden. Die Gründung einer europäischen Ratingagentur wäre dann problematisch, vor allem im Hinblick auf die mit ihr verbundene Gefahr, dass die Politik oder mächtige Partikularinteressen auf die Bewertungen Einfluss nehmen. Als derartige Alternativlösungen kommen näher in Betracht: – Eine deutliche Verschärfung der materiellen Vorgaben für die Tätigkeit der Ratingagenturen (aa), – eine substantielle Reduktion der rechtlichen und ökonomischen Bedeutung von Ratings (bb), – eine Verschärfung der zivilrechtlichen Haftung (cc), – eine Abschöpfung der (monopolistischen) Gewinne der Ratingagenturen (dd). aa) Strengere materiell-rechtliche Vorgaben Eine Verschärfung der materiellen Vorgaben für die Tätigkeit der Agenturen stößt aber rasch an Grenzen und ist auch mit anderen Nachteilen verbunden.220 Es ist schon zweifelhaft, ob ein Gesetzgeber die Vielfalt der zu beurteilenden Sachverhalte voraussehen und adäquat tatbestandlich erfassen kann. Auch würde ein erheblicher Teil der sachnotwendigen Flexibilität des Bewertungsverfahrens verloren gehen. Zudem würden dichte normative Vorgaben für Methodik und Inhalte von Ratings zu einer weiteren Nivellierung der Tätigkeit der Agenturen führen und damit jedenfalls dem angestrebten Ziel von mehr Wettbewerb und der Vergrößerung des Meinungsspektrums zuwider laufen. Schließlich würde die Vorgabe immer weiterer Details für die Durchführung von Ratings zunehmend die Verantwortlichkeit für die Qualität der Ratings von den Agenturen auf den Gesetzgeber verschieben. Die subjektiven Elemente des Bewertungsprozesses221 können auf diese Weise ohnehin nicht eingefangen werden. Deshalb erkennt das deutsche öffentliche Recht auch in Prüfungsverfahren, die ähnliche Bewertungen 220 Gegen eine „materielle Regulierung“ der Rating-Methodik Habersack (Fn. 29), S. 194. 221 O. Everling, Ratingagenturen weltweit, Die Bank, 1991, S. 151 (153).

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vornehmen, in begrenztem Umfang „Beurteilungsspielräume“ an, für die es nur vage inhaltliche Vorgaben gibt und deren Ergebnisse nur begrenzt gerichtlich nachgeprüft werden dürfen. Einzelheiten sind aber ständig im Fluss und umstritten. bb) Reduktion der Bedeutung von Ratings Ein völlig anderer Ansatzpunkt wäre, die tatsächliche und rechtliche Bedeutung der Ratings zu verringern. Dies ist jetzt auch das erklärte Ziel des Financial Stability Board.222 Damit würden zugleich die mit ihnen verbundenen Gefahren und strukturellen Probleme gemindert. (1) An erster Stelle müssten alle Bezugnahmen auf die Ratings in Rechtsnormen und anderen Hoheitsakten223 wieder ausgemerzt werden.224 Damit würden auch die Ratings klar erkennbar auf das reduziert, was sie bei genauer Betrachtung sein sollten: private Meinungsäußerungen. Der „quasi-hoheitliche“ Charakter, den sie in den letzten Jahren erlangt haben, ist in der gegenwärtigen Ausgestaltung von Legitimation, Aufsicht und Kontrolle ohnehin rechtlich kaum haltbar. Wenn dieser „quasi-hoheitliche“ Charakter ihrer Tätigkeit entfällt, sind organisationsmäßige Reformen nicht mehr so vordringlich. Auch wird damit das Problem des „overreliance“ gemildert, da die Entscheidungsträger in den Finanzinstituten selbstverständlich privaten Rat in Form von Prognosen über Ausfallwahrscheinlichkeiten einholen können. Dabei ist aber von Anfang an klar, dass dieser Rat keinesfalls an die Stelle von eigenen, selbst zu verantwortenden Bewertungen treten darf. (2) Es müsste aber noch ein zweites hinzutreten, da die Ungewissheit über die Qualität von Schuldnern (Emittenten) und ihren Schulden (Emissionen) bestehen bliebe. Der Staat müsste wieder stärker die Verantwortung für die Qualität von Emittenten und Emissionen übernehmen. Er hat sich dieser Verantwortung erst in den letzten Jahren in großem Umfang entledigt. Auch hat er die gesetzlichen Sicherungen für Emittenten und Emission so gesenkt oder verwässert, dass in erheblichem Umfang Bedarf für eine Bewertung durch die Agenturen entstanden ist, den es vorher nicht gab. (3) Das betrifft in Deutschland vor allem die Immobilienfinanzierung und die Staatsfinanzierung durch Pfandbriefe, die quantitativ einen großen Teil des ge222 Financial Stability Board (Fn. 16), unter dem Gesichtspunkt „reducing reliance on CRA ratings“, der aber sehr weit verstanden wird. 223 ObenVI. 1. e). 224 Schon frühzeitig in diesem Sinne Siekmann, Die Finanzmarktaufsicht in der Krise, in: Scherzberg/Dogan/Çan (Hrsg.), Staatliche Finanzmarktregulierung und Eigentumsschutz, 2010, S. 9 (65); dafür jetzt auch Financial Stability Board (Fn. 16), S. 1 (principle I), S. 3 (principle III.1); bereits verwirklicht in Sec. 939 des Dodd-Frank Act (Fn. 35).

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samten Wertpapiermarktes ausmachen. Amerikanische Schrottimmobilien und griechische Staatsanleihen dürfen seit der letzten groß angelegten Reform des Pfandbriefrechts im Jahre 2005225, die nicht zuletzt auf Betreiben der Finanzwirtschaft erfolgt ist, auch im „mündelsicheren“ deutschen Pfandbrief als Sicherheiten dienen. Noch auf dem Höhepunkt der gegenwärtigen Krise haben die Finanzinstitute erheblichen Druck auf die Bundesregierung ausgeübt, darüber hinaus die seit über hundert Jahren bewährte Beleihungsgrenze von 60 % auf 80 % anzuheben, um gegenüber angelsächsisch ausgerichteten „covered bonds“ wettbewerbsfähig zu bleiben. Da zu dieser Zeit schon Steuermittel in großem Umfang „verbrannt“ worden waren, um Banken zu retten, die sich mit angelsächsischen „covered bonds“ verspekuliert hatten, war diese Initiative schon mehr als anmaßend. Sie konnte aber noch gestoppt werden. (4) Auch das Erfordernis der Genehmigung für die Ausgabe von Inhaberschuldverschreibungen nach § 795 BGB a. F.,226 das erst 1990 aufgehoben worden ist, muss in diesem Zusammenhang genannt werden, denn viele der problematischen „assets“ sind juristisch Inhaberschuldverschreibungen. Es handelte sich um eines der Verbote mit Erlaubnisvorbehalt, die schon erwähnt worden sind.227 Dabei ist zweitrangig, dass zuletzt eine weitgehende Umgehung dieser Regelung geduldet worden ist. Schon frühzeitig hat die Finanzwirtschaft das Erfordernis in erheblichem Umfang zunächst durch die Emission von Orderschuldverschreibungen mit Blankoindossament und nach Einfügung von § 808a BGB228 durch Emissionen über Tochtergesellschaften auf den niederländischen Antillen unterlaufen. (5) Zwar diente das Genehmigungserfordernis zunächst einmal der Absicherung des Notenausgabemonopols der Notenbank. Die Herausbildung des Unterschieds von Banknoten im Gegensatz zu sonstigen Schuldverschreibungen ist nicht gradlinig und hatte fast zwei Jahrhunderte gedauert. Sie kann hier nicht im 225

Pfandbriefgesetz (PfandBG) vom 22. Mai 2005, BGBl. I S. 1373. Es geht zurück auf das preußische „Gesetz, wegen Ausstellung von Papieren, welche eine Zahlungsverpflichtung an jeden Inhaber enthalten“, vom 17. Juni 1833. Es ist auf sechs Paragraphen beschränkt. § 1 unterwirft sowohl die „Ausstellung“ wie das „in Umlauf Setzen“ von Inhaberschuldverschreibungen für den ganzen Umfang der Preußischen Monarchie dem Erfordernis der vorausgehenden behördlichen Genehmigung. Ausgenommen hiervon ist das Ausstellen von Inhaberwechseln durch Kaufleute. Die Genehmigung wird auf Antrag des Ministers für den Handel und für die Finanzen durch landesherrliches Privileg erteilt, vgl. Baums, Das preußische Schuldverschreibungsgesetz von 1833, Institute for Law and Finance, working paper series, Nr. 121, 2010, S. 2 f. 227 Oben VI. 2. 228 Eingefügt durch das „Gesetz über den Kapitalverkehr“ vom 15.12.1952, BGBl. I, 801. Dieses Gesetz trat bereits am 31.12.1953 außer Kraft. Die Genehmigungspflicht – auch für Orderschuldverschreibungen – wurde aber alsbald durch „Gesetz über die staatliche Genehmigung der Ausgabe von Inhaber- und Orderschuldverschreibungen“ (Gesetz vom 26.6.1954, BGBl. I, 147) wieder eingeführt. 226

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Einzelnen nachgezeichnet werden.229 Ihre Verwandtschaft ist aber bestehen geblieben und hat zu den gesetzlichen Vorsichtsmaßnahmen im BGB geführt. Es ist jedoch eindeutig nachweisbar, dass dem Gesetzgeber nicht nur die Sicherung des Notenausgabemonopols, sondern auch der Schutz der Gläubiger vor nicht zahlungsfähigen oder nicht zahlungswilligen Schuldnern gleichermaßen ein Anliegen gewesen ist.230 Er hat die Prüfung von Schuldverschreibungen auf ihre Qualität aus guten Gründen nicht einer Privatperson übertragen, sondern durch staatliche Einrichtungen, zuletzt die Bundesbank, vornehmen lassen. Er hat also einen Teil der Tätigkeiten, die jetzt Ratingagenturen ausüben, über einen sehr langen Zeitraum selbst ausgeübt. Ob der damit verfolgte Zweck immer erfüllt worden ist,231 bedarf aber weiterer Untersuchungen. (6) Wenn der Gesetzgeber den Rechtsrahmen für standardisierte Finanzinstrumente schafft und Qualitätsanforderungen vorgibt, ist das zudem effizient. Rechtliche Formalisierungen werden gerne als unflexibel und rückwärtsgewandt kritisiert, doch wird dabei übersehen, dass mit ihnen nicht nur ein großer Gewinn an Rechtssicherheit verbunden ist, der auch ökonomisch von Bedeutung ist, sondern auch erhebliche Effizienzgewinne. Es genügt, sich einmal mit der gesetzlichen Regelung, die sehr kurz sein kann, vertraut zu machen, um die Qualität aller auf dieser Grundlage ausgegebenen Wertpapiere verlässlich beurteilen zu können. Die Standardisierung reduziert die Transaktionskosten, beseitigt weitgehend Informationsasymmetrien und verhindert recht zuverlässig eine Täuschung der Marktgegenseite über Risiken und Preiswürdigkeit. Wenn zudem die Zahlungsfähigkeit der Emittenten gesetzlich gesichert ist, wie das für die große Mehrzahl der Finanzinstitute in Deutschland der Fall gewesen war, gibt es kein Adressrisiko, das einer Bewertung bedarf. Ratings der Emittenten sind in diesem Fall überflüssig. Zugleich könnte in erheblichem Umfang der bis vor etwa zehn Jahren durch institutionelle und rechtliche Vorgaben für die Emittenten sehr weit gehende Schutz der Verbraucher wieder etwas verbessert werden. Dieser rechtliche Schutz ist in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert worden. Das ist nur noch nicht in das Bewusstsein der Bevölkerung gedrungen und auch vielen Spezialisten nicht klar, da die rechtlichen Konsequenzen der Neuregelungen nicht immer einfach zu erkennen sind. (7) Schließlich müsste aufsichtsrechtlich vorgeschrieben werden, dass Finanzinstitute, die Finanzinstrumente halten, die nicht diesen Standards genügen, diese mit einer sehr hohen Eigenkapitalquote, möglicherweise hundert Prozent, zu unterlegen haben.

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Einzelheiten bei Baums (Fn. 226), S. 5 ff. Vgl. Baums (Fn. 226), S. 15, 19 ff. 231 Bejahend Serfling/Pries, Möglichkeiten und Grenzen des Ratings, Die Bank, 1990, S. 381 (384). 230

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cc) Verschärfung der zivilrechtlichen Haftung Die Schaffung einer neuen Ratingeinrichtung wäre aber auch dann nicht angezeigt, wenn das mit ihr verfolgte primäre Ziel der Verhinderung von Fehlleistungen, wie im Vorfeld der gegenwärtigen Krise, auch durch eine zweckentsprechende Ausgestaltung der Regeln über eine zivilrechtliche Haftung erreicht werden kann. Haftung in diesem Sinne kann sich einmal auf die Haftung der Organwalter von Finanzinstituten für ein pflichtwidriges Unterlassen eigener Beurteilung von Risiken („excessive reliance“, „overreliance“) und zum anderen auf die Haftung der Ratingagenturen gegenüber Marktteilnehmern – nicht ihren Auftraggebern – beziehen, die sich auf ihre Bewertungen bei Investitionsentscheidungen verlassen haben. Es gibt in jeder arbeitsteiligen Wirtschaft eine sinnvolle Spezialisierung. Diese Spezialisierung kann sehr weit gehen und dazu führen, dass bestimmten Fragen von unternehmensexternen Spezialisten zu beurteilen sind. Nicht jeder Entscheidungsträger muss diese Beurteilungen selbst vornehmen (Beispiel: Beurteilung komplexer internationaler Rechtsfragen). Das spricht dafür, dass auch die Bewertung von Kreditrisiken externen Spezialisten, also den Ratingagenturen, übertragen werden darf. Wenn man nun den Rechtsstandpunkt einnimmt, dass ein Rating grundsätzlich nicht von der Pflicht der Organe des Investors entbindet, eigene Beurteilungen vorzunehmen, und die Verletzung einer solchen Pflicht ernsthaft mit Sanktionen belegen will, wie dies gegenwärtig bei einigen der größten Problemfälle in Deutschland erwogen wird, stehen dem aber auch gewichtige Gründe entgegen: 1. Der Effizienzgewinn, der durch Ratings erzielt werden kann, wird teilweise wieder vernichtet, wenn der Verwender verpflichtet sein soll, eigene Prüfungen anzustellen. 2. Der Staat hat selbst in maßgebenden Rechtsakten die Bewertungen der Agenturen völlig als Tatbestandsmerkmal für hoheitliche Rechtsfolgen verwendet, wie beispielsweise in der Solvabilitätsverordnung. Es kann sich also nur um eine begrenzte Pflicht handeln. Sie könnte sich beispielsweise auf dieselben Elemente beziehen, die auch im Rahmen eines Beurteilungsspielraums gerichtlich nachprüfbar wären: Richtige Tatsachen, keine sachfremden Erwägungen, korrekte Anwendung vorgeschriebener Methoden. Zwar ist die Verwendung von Ratings im Tatbestand von Rechtsnormen kein zwingendes Gegenargument für eine Haftung, da mit diesen Vorschriften zunächst ein anderer Zweck erfüllt werden soll, beispielsweise die Höhe des aufsichtsrechtlich erforderlichen Eigenkapitals festzulegen. Letztlich soll aber dadurch doch (auch) die fortdauernde Zahlungsfähigkeit des jeweiligen (Finanz-) Instituts gesichert werden. Das ist aber auch ein Ziel von Risikomanagementent-

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scheidungen. Deshalb wäre es auch im Hinblick auf diese Haftung empfehlenswert, die Bezugnahme auf Ratings in Rechtsnormen zu entfernen. Hinzutreten müsste aber auch die Haftung der Ratingagenturen für bestimmte Arten von Fehlleistungen. Die Mehrzahl der Stimmen hat sich bisher sowohl aus juristischen als auch aus ökonomischen Gründen gegen die Einführung einer (vollen) Haftung der Agenturen gegenüber Dritten ausgesprochen.232 Namentlich im Hinblick auf die Möglichkeit von „class actions“ in den USA dürfte die damit möglicherweise verbundene zivilrechtliche Haftung zu einem Risiko führen, das die sofortige Einstellung der Geschäftstätigkeit der Agenturen zur Folge haben müsste. Nur ein einziger Haftungsfall könnte sie aller Voraussicht nach sofort ruinieren, möglicherweise sogar schon bevor es überhaupt zu einem zusprechenden Urteil kommt. Diese Mechanismen bestehen allerdings in Deutschland nicht. Ihre Einführung durch Gesetz würde auch einen Fremdkörper in unserer Rechtsordnung schaffen. Das Problem der fehlenden Anspruchsgrundlage für die Nutzer der Ratings könnte aber entweder durch entsprechende gesetzliche Regelungen oder durch eine zweckentsprechende Ausdehnung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nach § 311 BGB, die sich ohnehin in Rechtsprechung und Schrifttum abzeichnet,233 erzielt werden. Die Rechtsprechung des BGH zur „Expertenhaftung“ könnte eine Grundlage bieten.234 Sie würde aber nicht das Problem lösen, eine Haftung für Ratings ohne Beauftragung („unsolicited“) zu begründen. In diesem Falle existiert kein Vertrag, dessen Schutzwirkung auf die Nutzer der Ratings erstreckt werden kann.235 Auch bestehen einige juristische Schwierigkeiten mit den Freizeichnungsklauseln der Agenturen.236 Die zur Lösung dieser Schwierigkeiten vorgeschlagene „quasi-vertragliche“ Haftung237 entspricht nicht dem geltenden Recht und könnte nur durch den Gesetzgeber eingeführt werden. Dabei dürfte die Schaffung klarer und genau abgegrenzter Tatbestände schwierig sein. Sie ist aber erforderlich, um eine nicht gewollte uferlose Haftung zu vermeiden. 232 Husisian (Fn. 78), S. 446 ff., unter Hinweis auf das First Amendment (freedom of expression) der U.S. Bundesverfassung; Bottini, An examination of the current status of rating agencies and proposals for limited oversight of such agencies, San Diego Law Review, 30 (1993), S. 579 (609 f.); Dittrich (Fn. 40), S. 145 f., 148; Blaurock (Fn. 26), S. 634–637, 642 f.; a. A. Partnoy (Fn. 33), S. 83–89, 95 f.; wohl auch Habersack (Fn. 29), S. 208. 233 Dafür: Krimphove, Bestandsaufnahme und Ausblick auf ein neu zu schaffendes Ratingrecht, in: Everling/Achleitner (Hrsg.), Rechtsfragen im Rating, 2005, S. 65 (75), der zudem die Schaffung eines „Standesrechts“ für Ratingagenturen befürwortet; Wildmoser/Schiffer/Langoth (Fn. 19), S. 664–666; wohl auch Fiala/Kahrs (Fn. 74), S. 348; strikt dagegen Rotter/Kremer (Fn. 75), S. 337. 234 BGHZ 127, S. 378. 235 Korth (Fn. 75), S. 77. 236 Wildmoser/Schiffer/Langoth (Fn. 19), S. 667, halten die Klauseln im Ergebnis für unwirksam. 237 Korth (Fn. 75), S. 121–137.

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Von der EU-Kommission wird sogar die Einführung einer Haftungsbestimmung in die Ratingverordnung zur Diskussion gestellt, die es bisher nicht gab. Die Verordnung belässt es gegenwärtig bei den nationalen Rechtsvorschriften.238 Haftungsauslösender Tatbestand könnte der Verstoß gegen Vorschriften der Verordnung sein. Es soll aber auch in Betracht gezogen werden, ob eine derartige Haftung nicht nur für fehlerhaft zu gute, sondern auch für fehlerhaft zu schlechte Ratings entstehen soll.239 Für eine derartige Lösung spricht, dass sie gleichermaßen für Ratings gelten würde, für die ein Auftrag erteilt worden ist, wie für unbeauftragte. Sie würde Rechtssicherheit für die Investoren bringen und ein „forum shopping“ ausschließen. Allerdings ist keineswegs sicher, dass damit tatsächlich die beobachteten Fehlleistungen hinreichend verlässlich verhindert werden können, also ob ihre präventive Wirkung sicher ist. Zudem ist fraglich, ob eine derartige zivilrechtliche Regelung noch von der Regelungskompetenz für die Ratingverordnung abgedeckt wäre. dd) Gewinnabschöpfung Ob die Vorgabe eines Mindestqualitätsniveaus240 und eine daran geknüpfte Gewinnabschöpfung241 weiter helfen würde, dürfte schon aus praktischen Gründen zu bezweifeln sein. In Deutschland ist eine Abschöpfungsabgabe zwar prinzipiell möglich, muss aber die differenzierten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu den nicht-steuerlichen Abgaben, vor allem den Sonderabgaben,242 erfüllen. d) Zwischenergebnis Folgende Maßnahmen können die Schaffung einer neuen Ratingagentur obsolet machen: – Die Bezugnahme auf Ratings in Hoheitsakten, vor allem auch Rechtsnormen, wird ausgemerzt. – Der Staat schafft den Rechtsrahmen für standardisierte Finanzinstrumente, deren Risiko aus der gesetzlichen Regelung abgeleitet werden kann. – Für andere Finanzinstrumente müssen Finanzinstitute einen sehr hohen Anteil von Eigenkapital vorhalten. 238

Begründungserwägung (69) der Ratingverordnung (Fn. 8). European Commission (Fn. 18), S. 24. 240 Hunt, Credit Rating Agencies and the Worldwide Credit Crisis: the Limits of Reputation, the Insufficiency of Reform, and a Proposal for Improvement, Columbia Business Law Review, 2009, S. 109 (179). 241 Haar (Fn. 22), S. 185 f.; zust. Kumpan (Fn. 24), S. 2167. 242 Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 5. Auflage, 2009, vor Art. 104a Rdn. 73, 165 ff. 239

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– Das Haftungsrecht für das Leitungspersonal von Finanzinstituten und für die Ratingagenturen wird angepasst, um wirksame Sanktionen mit entsprechender Anreizwirkung für Fehlleistungen der Beteiligten zu schaffen. Solange und soweit diese Maßnahmen, die vorzugswürdig erscheinen, nicht verwirklicht sind, könnten die beschriebenen Gefahren und Defizite des gegenwärtigen Ratingverfahrens auch mit der Schaffung einer neuen Einrichtung bekämpft werden. 4. Bedarf für eine europäische Einrichtung a) Abgrenzungen Wenn von einer europäischen Ratingagentur gesprochen wird, muss im weiteren Verlauf der Überlegungen unterschieden werden, ob damit eine Einrichtung der EU, eine Einrichtung auf europarechtlicher Grundlage oder eine grenzüberschreitende Einrichtung, die nach nationalem Recht organisiert ist, gemeint ist. Soweit die EU nicht selbst Träger der Einrichtung ist, kommen sowohl private als auch öffentlich-rechtliche Träger in Betracht. b) Schwäche einer neuen nationalen Agentur Wenn es trotz der genannten Bedenken243 Hauptzweck einer weiteren Ratingagentur sein soll, den Wettbewerb zu intensivieren, muss dies nicht zwangsläufig durch Schaffung einer europäischen Einrichtung geschehen. Jede weitere Ratingagentur, nicht nur eine europäische, könnte diesen Zweck erfüllen. Allerdings würde sie in vollem Umfang den gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf Registrierung und Tätigkeit unterliegen.244 Allerdings dürfte zu bezweifeln sein, dass eine rein nationale Einrichtung die hohen Hürden überwinden könnte, die dem erfolgreichen Markteintritt einer neuen Agentur entgegenstehen. Dies gilt sowohl für eine privatwirtschaftlich wie für eine hoheitlich konstruierte Einrichtung oder eine Mischung von beiden (Beispiel: Beleihung, Public/Private structures). Wegen der Besonderheiten der Informationsökonomien245 ist kaum zu erwarten, dass eine nationale Einrichtung auf Dauer Bestand haben kann, wenn sie sich im Wettbewerb durchsetzen muss. Auch die bisherige Entwicklung und die früheren Versuche246 geben nicht Anlass für eine positive Prognose, ungeachtet der Tatsache, dass es einige kleinere Agenturen auf nationaler Ebene gibt.247 243

Oben VI. 3. a). Das ist jetzt auch der Standpunkt der EU-Kommission, European Commission (Fn. 18), S. 20. 245 Oben VI. 3. a). 246 Oben I. 247 Eine Zusammenstellung ist im „impact assessment“ zum Vorschlag einer Änderungsverordnung enthalten, European Commission (Fn. 122), Annex I. 244

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Wenn die neue Einrichtung aber nicht als privater Wettbewerber agieren soll, wird sie als eine Einrichtung eines Mitgliedslandes der EU kaum von den anderen Hoheitsträgern akzeptiert werden. Auch dürfte das materielle Finanzmarktrecht, das in weiten Teilen europarechtlich determiniert ist, kaum in die Richtung angepasst werden können, dass die Bewertungen einer einzelnen, nationalen Agentur, die nicht im Wettbewerb steht, aufsichtsrechtlich maßgebend sein sollen. Es ergibt sich danach das Dilemma, dass eine rein marktmäßig handelnde nationale Einrichtung kaum Überlebenschancen hat, während eine „hoheitlich“ konzipierte einzelstaatliche Einrichtung kaum die notwendige Akzeptanz der anderen Mitgliedsstaaten erlangen kann. Das spricht dagegen, dass eine nationale Einrichtung die erstrebten Zwecke erfüllen kann. c) Gründe für eine europäische Einrichtung Eine europäische Ratingagentur kann zunächst auf der Grundlage von öffentlich zugänglichen Informationen unabhängig Ausfallwahrscheinlichkeiten ermitteln. Ein Zugewinn an Qualität ihrer Bewertungen könnte aber dann erzielt werden, wenn sie amtliches Wissen über die Emittenten, das europaweit in den Aufsichtseinrichtungen vorhanden ist, nutzen darf. Dazu dürfte jedoch erforderlich sein, dass sie eine Einrichtung der EU ist oder von anderen Hoheitsträgern gesteuert wird. In diesem Fall könnte auch zwanglos ein anderes Bezahlmodell, etwa über Abgaben, vorgesehen werden. Bei der Gründung der Projektgesellschaft248 hatte dieser Aspekt keine nennenswerte Rolle gespielt. Maßgebend war dagegen die Vorstellung gewesen, dass die marktbeherrschenden Ratingagenturen den Besonderheiten der nationalen Rechnungslegung der Emittenten in Europa nicht ausreichend Rechnung trügen, da sie im Wesentlichen angelsächsische Bilanzierungs- und Bewertungsmaßstäbe anwendeten.249 Unabhängig von dem Wettbewerbsaspekt ist zu beachten, dass die Bewertungen trotz des sicher vorhandenen Bemühens um Objektivität immer auch ein Element des „Dafürhaltens“, der subjektiven Einschätzung von Faktoren, enthalten.250 Dann sind die Personen, die eine Bewertung vornehmen, nicht beliebig austauschbar. Danach macht es einen Unterschied, wie die Entscheidungsträger sozialisiert worden sind und welche Vorverständnisse sie haben. Das dürfte ein gewichtiger Grund sein, nicht irgendeinen neuen Wettbewerber für die bestehenden Agenturen zu schaffen, sondern eine spezifisch europäische Einrichtung. Wegen ähnlicher Ausrichtung der Agenturen und ähnlicher Vorverständnisse der handelnden Personen in den drei großen bestehenden Agenturen kann eine 248 249 250

Oben I. Breuer (Fn. 1). O. Everling (Fn. 221).

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Verbesserung des Ratingprozesses schon dadurch erzielt werden, dass eine weitere Agentur geschaffen wird, die anders ausgerichtet ist, asiatisch oder eben europäisch. Mathematik und Statistik sind international, aber die Auswahl der relevanten Daten und die Interpretation der Ergebnisse sind subjektiv beeinflusst. Auch die Unkenntnis der juristisch-institutionellen Gegebenheiten in Europa könnte innerhalb einer europäisch ausgerichteten Einrichtung leichter und effektiver beseitigt werden. Dies ist besonders relevant, wenn es sich um Schulden staatlicher Einrichtungen handelt oder um die Einschätzung von Unternehmen und Instrumenten, die es in den USA nicht gibt, wie Anstalten des öffentlichen Rechts, Gewährträgerhaftung, Pfandbriefe, Grundschulden, Grundbücher öffentlichen Glaubens, kommunale Sparkassen, mitbestimmte Aufsichtsräte und vieles mehr. Einige dieser Institute sind allerdings schon unter dem starken wirtschaftlichen und politischen Druck von Sonderinteressen, nicht zuletzt auch der angelsächsischen Kautelarjurisprudenz, so aufgeweicht worden, dass sie ihre klaren Konturen verloren haben. Auf der anderen Seite sind amerikanische Rechtsinstitute, wie „class action“, „punitive damages“, „personal trusts“ u. ä., die maßgebend für Bewertungen sein können, dem kontinentalen Recht weitgehend unbekannt. Die räumliche Nähe dürfte dabei allerdings nicht so entscheidend sein, wie die Kenntnis der Personen und Institutionen. Eine eindeutig europäisch ausgerichtete Einrichtung könnte andere Bewertungen zur Diskussion stellen und den Bewertungsprozess insgesamt verbessern, wenn sie zweckentsprechend konstruiert wird. Wegen der hohen spezifischen Investitionen und dem Bestreben der bestehenden Agenturen, jeden ernst zu nehmenden Wettbewerber aufzukaufen oder aus dem Markt zu drängen, sind die Marktzutrittsschranken aber sehr hoch. Hier wären wohl länderübergreifende, breit angelegte und koordinierte Maßnahmen erforderlich. Eine maßgebende Beteiligung von Hoheitsträgern ist wohl unverzichtbar. Unter diesen Voraussetzungen könnte die Errichtung einer europäischen Ratingagentur eine Lösung sein. Die Verpflichtung zur ständigen Vorhaltung ausreichender Ressourcen für die Bewertungstätigkeit kann auch angeordnet und durchgesetzt werden, ohne dass eine europäische Ratingagentur geschaffen wird. Sie dürfte kein entscheidender Gesichtspunkt sein, der für die Gründung einer europäischen Ratingagentur spricht. d) Das Finanzierungsproblem Die möglichen Interessenkonflikte, die durch die Bezahlung der Ratings durch die Emittenten („Issuer-Pays“) hervorgerufen werden, hat auch die EU-Kommission zu einem Hauptthema ihres Konsultationsverfahrens gemacht, obwohl sich die EU um die Milderung der Interessenkonflikte schon in der Ratingverordnung bemüht hatte. Die Bezahlung durch den Emittenten führt zwangsläufig („by its

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nature“) zu Konflikten und kann zu Qualitätsstandards führen, die unter dem wohlfahrtsökonomisch effizienten Niveau liegen.251 aa) Schwierigkeiten marktmäßiger Lösungen Es ist nicht geklärt, wie die Investoren, die von den Informationen der Ratingagenturen profitieren, an den Kosten ihrer Erstellung beteiligt werden können. Ein Ausschluss von der Nutzung ist mit vertretbarem Aufwand kaum zu erreichen.252 Zudem kann er in Konflikt mit den möglichen Effizienzvorteilen einer weiten Verbreitung geraten. Letztlich dürfte es sich um öffentliche Güter handeln, die der Markt für die Investoren nicht in der Qualität und dem Umfang bereitstellen würde, der wohlfahrtsökonomisch optimal ist. Die Ratingverordnung schreibt deshalb auch die sofortige Bekanntgabe von Ratings vor, auch von solchen, die an Abonnenten weitergegeben werden.253 Weiter bedarf es näherer Prüfung, ob die Informationen, die die Ratingagenturen bereit stellen, nicht in Bereichen mit stetig sinkenden Durchschnittskosten erzeugt werden, so dass bei Durchsetzung des Ausschlussprinzips ein natürliches Monopol entstünde. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung weist auf die „ungewöhnlich hohen Renditen“ der Agenturen hin und sieht schon jetzt Elemente eines „natürlichen Monopols“.254 Dass es tatsächlich aber noch mehr als einen Anbieter gibt, dürfte maßgeblich darauf beruhen, dass die Anlagerichtlinien vieler Investoren vorschreiben, dass positive Ratings von zwei akkreditierten Agenturen vorliegen müssen.255 bb) Lösungsansätze Als Alternative zur Bezahlung durch die Schuldner (Emittenten) hat der Internationale Währungsfonds eine Bezahlung nach Leistung vorgeschlagen. Der größte Teil des Honorars soll erst gezahlt werden dürfen, wenn sich die Bewertungen als treffsicher erwiesen haben. Es könnte aber auch die Höhe der Honorierung („level of fees“) von der Treffsicherheit der Prognosen einer Agentur abhängig gemacht werden. Theoretisch denkbar wäre aber auch, dass die Agentur einen Teil ihrer Entgelte in die bewerteten Anleihen investieren muss, wenn sie eine gute Bewertung („Investmentgrade“) erteilt. Auf diese Weise kann sie am Risiko der Investoren beteiligt werden, die sich auf ihre Einschätzung verlassen. Ein derartiges eigenes wirtschaftliches Interesse haben zum Beispiel schon jetzt 251

European Commission (Fn. 18), S. 26 ff. Ähnlich jetzt auch Zimmer (Fn. 37), S. 2706. 253 Art. 10 Abs. 1 der Ratingverordnung. 254 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Fn. 85), S. 160. 255 Reidenbach (Fn. 75), S. 293. 252

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die Kreditversicherer, die auch die Ausfallwahrscheinlichkeit der von ihnen versicherten Forderungen zu ermitteln haben. Auch wäre es möglich die Ratingagenturen aus einem gemeinsamen Fonds von Schuldnern und Gläubigern zu bezahlen oder sie aus einer Stiftung zu finanzieren. Das würde aber ihren Charakter als gewinnorientierte Wirtschaftsunternehmen grundlegend ändern, wenn dieser Fonds nicht nur dazu dienen soll, aufgeschobene Bezahlungen vorzufinanzieren. Deshalb wird für eine stärker „anreizorientierte“ Ausgestaltung der Bezahlung plädiert. Die Verschärfung der Haftung reiche dafür nicht aus, da sie immer eine Pflichtverletzung voraussetze, auf die aber nicht bei jeder unzutreffenden Prognose geschlossen werden dürfe.256 Das ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des BGH zu Warentests.257 Darüber hinaus werden komplizierte Modelle erwogen, welche stärker die Investorenseite in die Pflicht nehmen, beispielsweise durch die Einführung einer Pflicht, selbst Ratings in Auftrag zu geben. Weiter in die institutionelle Richtung gehen Vorschläge, dass große Investoren oder Gruppen von Investoren eigene Ratingeinrichtungen schaffen oder zumindest gemeinsam Aufträge erteilen.258 Schließlich könnte der Staat als Auftraggeber der Ratingagenturen fungieren.259 So sieht der Dodd-Frank Act vor, dass eine Machbarkeitsstudie erstellt werden soll, ob für die Bewertung strukturierter Finanzprodukte eine Einrichtung des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts oder der Selbstorganisation der Interessenten anzuraten ist, welche maßgebend die Bezahlung der Agenturen vornimmt oder regelt.260 cc) Bewertung Eine Bezahlung durch die Investoren, die vornehmlich ein Interesse an neutralen Bewertungen haben, stößt auf erhebliche praktische Schwierigkeiten und ist wegen der Veröffentlichungspflicht nach Art. 10 Abs. 1 der Ratingverordnung nach der gegenwärtigen Rechtslage kaum realisierbar.261 Aber auch bei einer Bezahlung nach Erfolg ist die praktische Umsetzung unklar, da ex-post beispielsweise eine Anleihe vertragsgemäß bedient worden ist oder nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Ereignis eingetreten ist, kann nachträglich nur schwer verifiziert werden, allenfalls über Bildung von Kategorien.262 Anders mag es sein, wenn es um viele Schulden eines Schuldners geht. Es ist unklar, wie die 256 257 258 259 260 261 262

Kumpan (Fn. 24), S. 2170 f. BGH, NJW 1987, S. 2222 (2223). European Commission (Fn. 18), S. 27. European Commission (Fn. 18), S. 28. Sec. 939F (b) (2) Dodd-Frank Act (Fn. 35). So auch Zimmer (Fn. 37), S. 2707, der eine solche Lösung befürwortet. Negative Ergebnisse insoweit für Standard & Poors bei Galil (Fn. 40), S. 34.

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Bezahlung aussehen soll, wenn ein schlecht bewerteter Schuldner alle seine Schulden vertragsgemäß bezahlt. Die Bezahlung aus einem „Pool“ ist kaum praktikabel. Die Vergütung der Agenturen aus einem „Pool“ würde aber alleine noch keine hohe Qualität von Ratings gewährleisten, auch wenn damit einige Interessenkonflikte ausgeräumt werden würden. In jedem Fall würde eine leistungsbezogene Vergütung, die korrekte Anreize setzt, den Einsatz eines neutralen Vermittlers voraussetzen. Diese Funktion könnte die Aufsichtsbehörde oder eine andere Einrichtung – wie im Dodd-Frank Act erwogen – wahrnehmen.263 Allerdings müsste sie dann auch die Qualität der Ratings beurteilen und nicht nur Pflichtverletzungen nachgehen. Der Aufwand dürfte so groß sein, dass der Schritt zur „Selbstvornahme“ von Ratings nicht mehr groß ist. Erwägenswert ist schon, eine Auswahl – und möglicherweise Bezahlung – der Agenturen durch eine staatliche Stelle vornehmen zu lassen. Sie würde aber eine völlig neuartige Zwischenstufe zwischen marktbasierten Ratings und mehr oder weniger deutlich vom Staat vorgenommenen Bewertungen legen. Die Schaffung von derart völlig neuen Typen des Staatshandelns ist jedenfalls immer mit großen Schwierigkeiten und (rechtlichen) Unsicherheiten verbunden. Sie bedürfte in jedem Fall eingehender Detailuntersuchungen. Eine Auswahl der (privaten) Agenturen und ihre Bezahlung durch öffentliche Stellen werden als „systemfremd“ abgelehnt. Das soll selbst dann gelten, wenn die Ratings aufsichtsrechtlichen Zwecken dienen. Außerdem sei die Übernahme der Kosten durch die öffentliche Hand „schwer begründbar“, da das Rating in jedem Fall den Interessen Privater diene.264 Bei dieser Einschätzung wird allerdings übersehen, dass Ratings möglicherweise öffentliche Güter sind. Zudem spielen sie eine wichtige Rolle für die Stabilität des Gesamtsystems, die mit Sicherheit ein öffentliches Gut ist. Bei allen Überlegungen zur Bezahlung durch den Investor („investor-paid rating“) bleibt die Frage unbeantwortet, wie eine Beteiligung an der Finanzierung erreicht werden kann. Zudem ist auch der Investor nicht in jeder Lage an einer wirklich neutralen Bewertung interessiert, beispielsweise wenn er schon entsprechende Wertpapiere im Bestand hat. Er möchte sie möglichst nicht abschreiben müssen.265 Eine Finanzierung aus öffentlichen Mitteln oder über die Erträge einer Stiftung des öffentlichen Rechts wäre danach kaum zu vermeiden, wenn die bekannten Interessenkonflikte nicht wieder aufbrechen sollen.266 Die private Trägerschaft 263

Kumpan (Fn. 24), S. 2171. Zimmer (Fn. 37), S. 2703, der aber eine Abweichung vom Modell des „issuerpaid rating“ als unabdingbar ansieht. 265 Das räumt auch Zimmer (Fn. 37), S. 2704 ein. 266 Anders Zimmer (Fn. 37), S. 2708, der sich für seine Einschätzung aber alleine auf die seiner Meinung nach verfehlte Regelung in Art. 10 Abs. 1 der Ratingverordnung stützt. Ein Marktversagen liege nicht vor. Das ist indes zu bezweifeln. Auch ohne diese Vorschrift wäre eine Beteiligung aller Nutzer eines Ratings nur sehr schwer zu verwirk264

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und damit auch die Finanzierung durch Sonderinteressen war die maßgebende Schwäche der „Projektgesellschaft für Europäisches Rating mbH“ aus dem Jahre 1991. Diese Lösungen sind aber teuer und erfordern im Zweifel den Einsatz erheblicher Steuermittel. Wenn auf europäischer Ebene allerdings ein Handeln nicht oder nur zu spät möglich ist, wären auch nationale oder binationale Alleingänge überlegenswert. Sie könnten modellhaft wirken und später ausgeweitet werden. Allerdings sind bei einer solchen Vorgehensweise andere Schwierigkeiten zu meistern. e) Gefahren für die Unabhängigkeit einer europäischen Einrichtung Dabei ist jedoch das Problem zu lösen, dass auch – oder vor allem – eine europäische Ratingagentur erheblichem Druck interessierter Kreise, auch aus dem Bereich der Mitgliedsländer, ausgesetzt sein dürfte, bestimmte Noten zu erteilen oder Herabstufungen zu vermeiden. Das betrifft nicht nur Staatsanleihen, sondern auch die Anleihen großer, von der Politik als wichtig angesehener Industrieunternehmen und Finanzinstitute („nationale Champions“). Der Umgang mit der europarechtlich und verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit des Systems der Europäischen Zentralbanken in den letzten Wochen gibt insoweit Anlass zu erheblicher Sorge. Entsprechendes gilt für die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Tagespolitisches Kurzfristdenken wird sich erfahrungsgemäß durchsetzen, auch wenn letztlich alle davon profitieren würden, unverzerrte Bewertungen zu erhalten, auch die Staaten, deren Anleihen zur Abwertung anstehen. In diesem Zusammenhang sind erhebliche „collective action“ Probleme zu lösen. f) Zwischenergebnis Es sind also gute Gründe ersichtlich, dass eine europäische Ratingeinrichtung geschaffen wird, wenn die an erster Stelle anzustrebende Reduktion der Bedeutung der Ratingagenturen und die Verwirklichung eines zweckentsprechenden Haftungsregimes nicht gelingen. Eine endgültige Einschätzung hängt aber von der Beantwortung zahlreicher Einzelfragen und ihrer Ausgestaltung im Detail ab. 5. Empirische Ermittlung von Schwächen und Defiziten Diese eher theoretisch orientierte Analyse sollte durch eine empirische Untersuchung ergänzt werden, durch die bei den Betroffenen ermittelt wird, welche Schwächen und Defizite sie auf dem Ratingmarkt und seiner Ausgestaltung durch den Gesetzgeber sehen. In diesem Zusammenhang käme es vor allem auf lichen. Der Hinweis auf die Agentur Egan-Jones, die von den Nutzern bezahlt wird, reicht nicht als Gegenargument, da sie keinen nennenswerten Marktanteil hat.

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die Einschätzung durch Banken, Wertpapieremittenten und (institutionelle) Investoren an. 6. Zwischenergebnis Die bisher ergriffenen Maßnahmen weisen erhebliche Defizite auf. Ungelöst sind namentlich folgende Probleme: – Bezugnahme auf die Ratings in Hoheitsakten, – „Blindes“ Vertrauen in Ratings, – Ratings von Staaten und Staatsschulden („sovereign debt“), – Interessenkonflikte durch die gegenwärtige Art der Bezahlung der Ratingagenturen, – Haftung der Ratingagenturen gegenüber Nutzern, – Schutz der Verbraucher. In diesen Bereichen könnte die Schaffung einer Europäischen Ratingagentur zumindest teilweise Abhilfe schaffen. Sie weist aber Gefahren im Hinblick auf ihre Unabhängigkeit und Neutralität auf. Vorzugswürdig wäre daher zunächst, eine Abhilfe durch gezielte Einzelmaßnahmen zu schaffen: – Die Bezugnahme auf Ratings in Hoheitsakten, vor allem auch Rechtsnormen, wird ausgemerzt. – Der Staat schafft den Rechtsrahmen für standardisierte Finanzinstrumente, deren Risiko aus der gesetzlichen Regelung abgeleitet werden kann. – Für andere Finanzinstrumente müssen Finanzinstitute einen sehr hohen Anteil von Eigenkapital vorhalten. – Das Haftungsrecht für das Leitungspersonal von Finanzinstituten und für die Ratingagenturen wird angepasst, um wirksame Sanktionen mit entsprechender Anreizwirkung für Fehlleistungen der Beteiligten zu schaffen. – Staatschulden in einem weit verstandenen Sinne dürfen nicht mehr unterschiedslos im Aufsichtsrecht als (fast) risikolos bewertet werden. Falls diese Maßnahmen nicht realisierbar sind, bleibt die Schaffung einer europaweiten Einrichtung eine Option. Nationale Einrichtungen dürften kaum die notwendige Akzeptanz und Standfestigkeit erreichen. VII. Konzeption einer europäischen Ratingagentur 1. Ziele Zunächst muss eindeutig und nachprüfbar festgelegt werden, welches Ziel oder welche Ziele mit der Errichtung einer europäischen Ratingagentur verwirklicht werden sollen. Oberstes Ziel sollte die Verbesserung der Qualität der Bewertun-

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gen, also die Treffsicherheit der Prognosen der Agenturen sein, namentlich in den Bereichen, in denen sie bisher versagt haben. Fast gleichrangig soll mit der Existenz einer solchen Einrichtung verhindert werden, dass über Bewertungen und über Änderung von Ratings die politischen Entscheidungsträger unter Druck gesetzt werden können. Als Nebenbedingung muss bei einer Neuorganisation dafür gesorgt werden, dass den erheblichen rechtlichen Bedenken, die bei einer Verwendung von privaten Werturteilen in Hoheitsakten (Rechtsnormen und Einzelfallentscheidungen) bestehen, Rechnung getragen wird. Die weiteren Ziele, die zu erwägen sind, haben eher Instrumentalcharakter im Hinblick auf die genannten Oberziele: – Herstellung und Sicherung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Agenturen, – Herstellung und Sicherung von Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Bewertungen (Publizitätsanforderungen), – Herstellung und Sicherstellung der Unabhängigkeit der Agenturen, – Europaweite Aufsicht und Kontrolle des Ratingverfahrens, – Verpflichtung zur ständigen Vorhaltung ausreichender Ressourcen für die Bewertungstätigkeit. Wettbewerb und Angst vor Reputationsverlust haben entgegen den festen Erwartungen fast aller Ökonomen, die sich mit dem Thema beschäftigt haben, nicht verhindert, dass es zu den beschriebenen gravierenden Fehlleistungen gekommen ist.267 Es ist sicher richtig, dass die Funktionsfähigkeit von Ratings zu einem erheblichen Teil auf Vertrauen beruht, doch bestehen Anzeichen, dass sich Entscheidungsträger und Medien immer noch an den Noten der Agenturen orientieren, also die Agenturen trotz ihrer Fehlleistungen subjektiv noch Vertrauen genießen, auch wenn das objektiv nicht gerechtfertigt ist. Das kann zu gefährlichen Fehlentscheidungen führen. Die Gefahr eines solchen Verhaltens kann aber nicht durch die Sicherung und Herstellung von Vertrauen beseitigt werden, sondern nur durch objektiv bessere Prognosen. Wie weit den Bewertungen tatsächlich noch getraut wird, sollte weiter – interdisziplinär – untersucht werden. 2. Aufgaben Wenn eine europäische Ratingagentur geschaffen wird, ist an erster Stelle zu klären, wie ihre Aufgaben, also ihr Tätigkeitsbereich abgegrenzt wird. Soll sie umfassend Bewertungen vornehmen, wie die drei marktbeherrschenden Unternehmen, oder soll ihre Tätigkeit auf die Bewertung von Einrichtungen des öffentlichen Sektors, namentlich Staaten, und ihre Schulden beschränkt bleiben?

267

Oben IV. 4.

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Wenn eine Beschränkung auf den Bereich der Staaten und der Staatsschulden im weiteren Sinne angestrebt wird, wie das aus den Äußerungen im Zusammenhang mit der Staatsschuldenkrise (nicht: Währungskrise) im Frühjahr des Jahres 2010 zu entnehmen ist, wären die Grenzen dieses Bereichs weit zu ziehen. Er sollte jedenfalls alle die Staaten, föderativen Glieder und Gemeinden sowie die öffentlichen Einrichtungen umfassen, deren Risikogewicht nach §§ 26–30 SolvV mit 0 Prozent angesetzt werden darf.268 Es wären die Schulden, die verbreitet, aber ungenau als „sovereign debt“ bezeichnet werden, von der neuen europäischen Agentur zu bewerten; zumindest soweit sie aus dem Europäischen Wirtschaftsraum stammen. Damit könnte immerhin der Druck auf die Politik, wie er von der Bewertung Griechenlands und einiger weiterer südeuropäischer Staaten ausging, gemildert oder beseitigt werden. In diesem Bereich ist aber eine besonders sorgfältige Einschätzung der Gefahren erforderlich, denen eine europäische Einrichtung ausgesetzt ist, wenn sie sich auf diesem Gebiet betätigt.269 Allerdings spricht für eine über diesen Bereich hinausgehende Aufgabenbestimmung, dass nur eine gegenständlich unbegrenzte, weltweit agierende Einrichtung eine ernsthafte privatwirtschaftliche Konkurrenz für die bestehenden, marktbeherrschenden Agenturen darstellen könnte. Die wohl nötige weltweite Präsenz, kann kaum mit einem auf Staatsschulden begrenzten Tätigkeitsfeld erreicht werden. Zudem besteht auch für private Emittenten und ihre Anleihen Bedarf, die europäische Sicht der Dinge einzubringen und eine Einrichtung zu haben, die anders finanziert ist, wie die bisher dominierenden großen Agenturen. Nur eine universell arbeitende europäische Ratingagentur kann die Probleme mildern, die insgesamt mit der bisherigen Situation verbunden sind. Die finanziellen und organisatorischen Hürden für eine umfassend tätige Einrichtung sind deutlich höher als für eine europäische Ratingagentur mit begrenztem Aufgabenkreis. Die bestehenden, marktbeherrschenden Agenturen haben über Jahrzehnte Informationen gesammelt und Methodenkenntnisse erworben, die einer neuen Einrichtung nicht zur Verfügung stehen, jedenfalls nicht sofort. Zu erwägen ist deshalb, zunächst mit einer gegenständlich begrenzt tätigen Einrichtung zu beginnen, um dann in einem zweiten Schritt ihre Aufgaben auszudehnen. Ziel sollte aber letztlich doch die Errichtung einer räumlich und sachlich universell tätigen europäischen Ratingagentur sein.

268 Falsch ist allerdings die Begrifflichkeit in § 26 und § 27 SolvV, wo von „Zentralregierungen“ und „Regionalregierungen“, gesprochen wird. Regierungen können nicht Schuldner von Forderungen sein. Jedenfalls in Deutschland und anderen kontinentalen Rechtssystemen sind sie nicht rechtsfähig. Vermutlich handelt es sich um eine Weiterverwendung der – vor allem bei Ökonomen und in der Politik – weit verbreiteten, aber falschen Übersetzung von „government“. Der englische Begriff „government“ hat eine andere Bedeutung als der deutsche Begriff „Regierung“. 269 So auch die EU-Kommission, European Commission (Fn. 18), S. 19.

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3. Organisation Für die Organisation einer europäischen Ratingagentur kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Sie lassen sich grob nach den folgenden Kriterien gliedern: – Trägerschaft: Privatpersonen – Gebietskörperschaften, – Öffentliche Trägerschaft: national – supranational, – Organisationsform: öffentlich-rechtlich – privatrechtlich, – Öffentlich-rechtliche Organisationsform: Behörde – Korporation – beliehene Privatperson – Stiftung. Von der EU-Kommission wird auch noch ein Netzwerk kleinerer und mittelgroßer Ratingagenturen in Betracht gezogen, die grenzüberschreitend miteinander kooperieren, aber rechtlich selbständige Einheiten bleiben. Sie könnten dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und allmählich ihre Tätigkeit auf alle Geschäftsfelder ausdehnen, die von den drei großen Agenturen abgedeckt werden.270 a) Die privatwirtschaftliche Lösung Eine privatwirtschaftliche Lösung würde bedeuten, dass die europäische Ratingagentur auf Dauer eigenwirtschaftlich arbeiten müsste, also keine laufenden Zuschüsse benötigen würde. Eine Anschubfinanzierung durch die öffentliche Hand wäre unter Umständen damit zu vereinbaren,271 nicht aber laufende Subventionen, unabhängig davon, ob sie über Steuervorteile, offene Transfers, Rechtsvorschriften oder Bevorzugung im Wettbewerb erfolgt. Eine privatwirtschaftlich agierende europäische Ratingagentur müsste uneingeschränkt im Wettbewerb mit den bestehenden Agenturen stehen und müsste sich dort marktmäßig behaupten. Das europäische Wettbewerbsrecht müsste in vollem Umfang beachtet werden. aa) Organisation Daraus folgt aber nicht zwangsläufig, dass sie auch privatrechtlich organisiert sein müsste. Vor allem Deutschland kennt auch Wettbewerbsunternehmen, die öffentlich-rechtlich organisiert sind. Hier sind nicht nur Sparkassen und Landesbanken, sondern auch Unternehmen der Versorgung und Entsorgung zu nennen. Allerdings dürfte in diesem Fall immer ein öffentlicher Auftrag sowie Steuerung und Kontrolle durch das Trägergemeinwesen erforderlich sein. Unabhängigkeitspostulate dürften ohne verfassungsrechtliche Ermächtigung, wie bei der Bundes270

European Commission (Fn. 18), S. 21 f. Vgl. European Commission (Fn. 18), S. 21, unter Berufung auf das Handbook on Community State Aid Rules for SMEs, 25/02/2009. 271

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bank, kaum rechtlich unangreifbar zu verwirklichen sein. Ob auch eine der anderen in Betracht kommenden nationalen Rechtsordnungen eine derartige öffentlich-rechtliche Organisationsform zur Verfügung stellen könnte, bedürfte weiterer vergleichender Untersuchungen. Das Recht der Europäischen Union kennt jedenfalls, soweit ersichtlich, keine öffentlich-rechtliche Organisationsform, die für eine erwerbswirtschaftlich tätige Einrichtung verwendet werden kann. Wenn eine privatwirtschaftliche Tätigkeit der europäischen Ratingagentur gewünscht wird, wäre es nur folgerichtig, auch eine privatrechtliche Organisationsform zu wählen. Im Kampf um den Erwerb des Vertrauens von Anlegern und im internationalen Wettbewerb bietet sie auch Vorteile, wie Bekanntheit, Flexibilität, kurze Entscheidungswege und die Verwirklichung von „good governance“. Auch für eine wettbewerbskonforme Beschaffung des notwendigen Kapitals ist sie besser geeignet. In Betracht zu ziehen sind: – eine Kapitalgesellschaft (EG, AG, GmbH, KGaA), – eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, – ein eingetragener Verein, – eine Stiftung des privaten Rechts. bb) Überwindung von Marktzutrittsschranken Für die Tätigkeit der Ratingagenturen sind hohe spezifische Investitionen notwendig. Es müssen allgemeine Kenntnisse und Erfahrungen vorhanden sein, die nicht zuletzt aus erprobten statistischen Methoden und langjährigen Datensammlungen bestehen. Zudem sind Spezialkenntnisse über Märkte erforderlich, in denen Emittenten tätig sind. Schließlich muss die Kooperationsbereitschaft der bewerteten Unternehmen erarbeitet werden. Die Investoren müssen den Bewertungen des neuen Marktteilnehmers vertrauen. Unter der Voraussetzung, dass ihm keine Wettbewerbsvorteile durch Hoheitsakte verschafft werden, muss dieses Vertrauen über viele Jahre erst aufgebaut werden. Auch das ist kostspielig. Es wäre wahrscheinlich eine Anschubfinanzierung von mehreren hundert Millionen Euro erforderlich, um diese Hürden zu überwinden und sich ohne Unterstützung durch die EU oder ihre Mitgliedsländer auf dem Markt für Ratings zu etablieren. Geringer wären wahrscheinlich die Kosten, wenn die bestehenden Einrichtungen der Kreditversicherung (Coface, Euler-Hermes) die Aufgaben einer Ratingagentur übernehmen würden, wie es von Seiten der französischen Regierung vorgeschlagen worden ist.272 Für eine Beurteilung fehlt allerdings die Datenbasis. Die notwendigen Größen müssten in weiteren Untersuchungen ermittelt werden.

272

Oben I.

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Für die bewerteten Unternehmen macht es wenig Sinn, einem weiteren Wettbewerber unternehmensinterne Daten zur Verfügung zu stellen und praktisch in Permanenz für Überprüfungen bereit zu stehen. Das ist nicht nur kostspielig, sondern setzt auch viel Vertrauen voraus. Bei privatwirtschaftlich arbeitenden Ratingagenturen kann diese Kooperationsbereitschaft nach der gegenwärtigen Rechtslage nicht erzwungen werden. Die hohen „Eintrittsschwellen“ waren unter anderem für das Scheitern der früheren Versuche, eine europäische Ratingagentur zu etablieren, verantwortlich gewesen.273 Einen Versuch zur (teilweisen) Lösung des Marktzutrittsproblems enthält der neue Richtlinienvorschlag der Kommission vom 2. Juni 2010.274 Der darin vorgesehene Zwang zur Kooperation der Emittenten von strukturierten Wertpapieren mit anderen registrierten Ratingagenturen275 zeigt, dass die Kommission das Problem des Marktzutritts sehr ernst nimmt und zu Recht eine wesentliche Marktzutrittsschranke in der Zusammenarbeit der Emittenten mit den Agenturen sieht. Zwar ist der vorgesehene Mechanismus theoretisch ein Schritt in die richtige Richtung, doch ist seine praktische Umsetzbarkeit unklar. Vor allem kann er einen Vertragsschluss zwischen einem neuen Marktteilnehmer und dem Emittenten nicht erzwingen. Auch setzt er voraus, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Ratings tatsächlich greifen, um ein „race to the bottom“ verlässlich zu verhindern. Eine weitere Möglichkeit ist die Verknüpfung kleiner oder mittelgroßer Ratingagenturen zu einem europaweiten Netzwerk.276 cc) Abwägung Für eine privatwirtschaftliche Lösung spricht, dass sie sich in das bestehende System einfügen und keinen Eingriff in das Marktgeschehen darstellen würde. Sie wäre ordnungspolitisch unproblematisch und würde nicht auf Dauer zum Kostgänger des Steuerzahlers, wenn es überhaupt möglich ist, sie im Markt zu etablieren. Auch könnte sie leichter gegen einen sachwidrigen Einfluss von Staaten und der Politik abgeschirmt werden. Transparenz der Methodik und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen sind sicher wichtige Hilfsmittel zur Verwirklichung der Hauptziele einer europäischen Ratingagentur. Sie werden durch die privatrechtliche Organisation und Gewinnorientierung der Agenturen aber zu einem erheblichen Teil ausgeschlossen. Vor 273 Eisen (Fn. 2), S. 96, der darüber hinaus auch den Wegfall des weiteren Beweggrundes für eine solche Einrichtung durch die Vereinheitlichung der Rechnungslegungsvorschriften als Grund nennt. 274 Näher oben V. 2. b). 275 Oben V. 2. b). 276 Auch von der EU-Kommission zur Diskussion gestellt, vgl. European Commission (Fn. 18), S. 21 f.

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allem Einzelheiten der angewandten Methoden werden als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse behandelt. Ob die Vorgaben des Vorschlags zur Änderung der Rating-Verordnung insoweit zu einer durchgreifenden Verbesserung führen können, ist eher ungewiss. Es ist zweifelhaft, ob die Probleme der Ratings überhaupt marktmäßig gelöst werden können. Wenn die bestehenden Strukturen auf dem Markt für Ratings nicht geändert werden, dürfte der Zutritt eines weiteren Marktteilnehmers, der nach denselben Regeln arbeiten würde wie die bisherigen Anbieter keines der dargelegten Probleme lösen. Eine privatrechtliche Organisation und privatwirtschaftliche Tätigkeit einer europäischen Ratingagentur würde kaum zu Verbesserungen führen, wenn die übrigen Rahmenbedingungen konstant bleiben. Hier können Lösungen mit Trägerschaft der EU oder anderer Hoheitsträger erhebliche Vorteile bieten, die aber sehr von der Ausgestaltung im Einzelnen abhängen.277 Für Stiftungslösungen – auch des privaten – Rechts gelten besondere Erwägungen.278 Es bedürfte weitergehender Untersuchungen, welche strukturellen Änderungen vorgenommen werden müssten, damit ein weiterer, privatwirtschaftlich arbeitender Wettbewerber auf dem Markt für Ratings, die heilsamen Wirkungen von mehr Wettbewerb erzeugen könnte ohne dass es zu einem „race to the bottom“ kommt, das die Qualität der Ratings weiter verschlechtern würde bis ein oder mehrere Marktteilnehmer ausgeschieden sind. Jedenfalls muss jede Bezugnahme auf die Urteile der Ratingagenturen in Rechtsnormen oder als Anknüpfungspunkt für hoheitliches Handeln auch dann beseitigt werden, wenn es sich um eine europäische Einrichtung handelt, solange sie (rein) privatwirtschaftlich tätig wird. Ihre Ratings stellen private Meinungsäußerungen dar und müssen von der Rechtsordnung auch so behandelt werden. Wenn die europäische Ratingagentur jedoch öffentlich-rechtlich konstruiert wird, entfallen die Bedenken, die an der Verwendung ihrer Urteile für hoheitliche Zwecke bestehen. b) Öffentlich-rechtliche Einrichtungen aa) Organisationsmöglichkeiten Für die Schaffung einer europäischen Ratingagentur als öffentlich-rechtlicher Einrichtung kommen vornehmlich folgende Möglichkeiten in Betracht: – Errichtung durch Primärrecht der EU, – Übertragung der Aufgabe auf eine bestehende, primärrechtlich fundierte Einrichtung, 277 Für eine öffentlich-rechtliche Lösung die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag, Entschließungsantrag, BT-Drucks. 17/1612 vom 5. Mai 2010, S. 2. 278 Dazu unten VII. 5.

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– Gründung einer Gemeinschaftseinrichtung durch Sekundärrecht der EU, – Schaffung einer neuen Organisationsform durch separates Vertragsrecht, – „Beleihung“ von Privatrechtssubjekten mit der (teilweisen) Erfüllung der Aufgabe. bb) Unabhängigkeit Die Unabhängigkeit einer europäischen Ratingagentur dürfte eine wichtige Voraussetzung zur Erreichung der Hauptziele sein. Sie könnte aber bei Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen durch die Agentur in Konflikt mit den europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Anforderungen des Demokratieprinzips und vielleicht sogar des vom EuGH betonten institutionellen Gleichgewichts auf EU-Ebene geraten. cc) Bewertung Ob Staaten oder supranationale Einrichtungen Ratings durchführen sollten, ist durchaus zweifelhaft.279 Das ist aber auch nicht zwingend erforderlich, wenn eine öffentlich-rechtliche Organisationsform gewählt wird. Vor allem ist an die Errichtung einer Institution zu denken, der Unabhängigkeit gewährt ist, wie dem Rechnungshof der EU280, dem Europäischen Amt zur Betrugsbekämpfung (OLAF)281 und teilweise auch der europäischen Statistikbehörde ESTAT. Auch ihren Erkenntnissen kommt zum Teil Tatbestandswirkung zu, selbst wenn der Zusammenhang nicht so eng sein mag, wie bei den Ratings. Wenn im Wege sinnvoller Arbeitsteilung Spezialisten Prüf- und Bewertungsaufgaben übertragen werden, müssen sie regelmäßig anspruchsvolle Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, wenn mit ihrer Tätigkeit Gefahren für die Allgemeinheit verbunden sind. Hinzu kommt regelmäßig eine strenge laufende Aufsicht und Kontrolle durch den Staat. Wenn diese Gefahren sehr hoch sind oder sie zu sehr großen Schäden führen können, wird diese Tätigkeit zum Teil unter staatlicher Verantwortung oder unmittelbar durch den Staat ausgeübt.282 Das gilt vor 279

Kritisch zum Staat als „Ratingagentur“ F. Becker (Fn. 153), S. 942. Der Rechnungshof ist Organ der EU (Art. 13 Abs. 1 EUV) und seine Mitglieder üben ihre Aufgaben in „voller Unabhängigkeit“ aus (Art. 285 Abs. 2 Satz 2 AEUV). 281 Eingerichtet durch Beschluss der Kommission vom 28. April 1999 zur Errichtung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) (ABl. L 136, S. 20 vom 31. Mai 1999). Sein Art. 3 lautet: Das Amt übt die Untersuchungsbefugnisse [. . .] in voller Unabhängigkeit aus. Der Direktor des Amtes darf bei der Ausübung dieser Befugnisse keine Anweisungen der Kommission, einer Regierung, eines anderen Organs, einer Einrichtung, eines Amtes oder einer Agentur erbitten oder entgegennehmen.“ 282 Als Beispiel kann die auf das Jahr 1870 zurück gehende Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin genannt werden, die eine Bundesoberbehörde ist. Auf europäischer Ebene kann die europäische Luftsicherheitsbehörde genannt werden, die für die Zulassung von Flugzeugen und wichtigen Komponenten, wie den Triebwerken, zuständig ist. 280

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allem, wenn der Staat in der Lage sein muss, die einzelnen Schritte der Prüfung mit eigenem Personal zu steuern und zu kontrollieren oder wenn hoheitliche Eingriffe erforderlich sind. Die Krise hat gezeigt, dass die Gefahren, die durch Fehlbewertungen hervorgerufen worden sind, so gravierend sind, dass es angezeigt sein kann, diese Bewertungen unmittelbar durch eigene Behörden oder mittelbar durch selbständige Verwaltungsträger durchzuführen. Dies gilt vor allem dann, wenn daran festgehalten werden soll, dass die Bewertungen Voraussetzungen für Hoheitsmaßnahmen sind, vor allem aber dass sie Tatbestandselemente von Aufsichtsrecht sind. Hinzu kommt, dass privatwirtschaftliche Lösungen nicht wirklich überzeugend sind und die Gefahr besteht, dass sie ihren Zweck nicht erfüllen werden. Das Risiko einer zweiten Krise dieses Ausmaßes darf die Staatengemeinschaft aber nicht eingehen. Im Zweifel muss sie sich für die sicherere Alternative entscheiden, auch wenn mit ihr nennenswerte andere Nachteile verbunden sind. Wenn die europäische Ratingagentur als öffentlich-rechtliche Einrichtung errichtet wird, können jedenfalls die Bedenken im Hinblick auf die Verwendung ihrer Bewertungen in Hoheitsakten weitgehend eliminiert werden. Zudem könnte sie auch Aufgaben des Verbraucherschutzes wahrnehmen, der ohnehin schon mit den Ratings verbunden wird.283 c) Mischformen Von verschiedener Seite sind auch öffentlich-private Mischformen vorgeschlagen worden. Sie könnten als „institution d’utilité publique“, „Public Interest Company“, „Public-Private-Partnership“ oder europäische Stiftung errichtet werden,284 bedürfen aber einer besonders eingehenden Überprüfung. Ihre Attraktivität besteht darin, dass der hohe Finanzaufwand, um sie im Markt zu etablieren, von privater Seite aufgebracht werden könnte. Gegen sie spricht, dass sie meist intransparent, selten wirklich effizient und eher anfällig für Korruption sind. Der Reiz für private Investoren besteht entweder in Steuervorteilen oder einer Vorzugsstellung, die vom Staat eingeräumt wird. Das lässt sich aber kaum mit dem Ziel von mehr Wettbewerb vereinbaren. Hierzu wären allerdings weitergehende Untersuchungen angezeigt. Eine Anschubfinanzierung könnte durch die Europäische Investitionsbank, die EU-Kommission und Mitgliedsstaaten erfolgen, wobei aber das europäische Beihilferecht zu beachten wäre. 283 Oben VI. 1. e); Haar plädiert auf verhaltenswissenschaftlicher Basis eher für „Anlegerkoordination“ und private Zertifizierungen, wie die TÜV-Fondszertifizierung der Commerzbank in: Unternehmen, Markt und Verantwortung, Festschrift für Klaus J. Hopt zum 70. Geburtstag, 2010, S. 1865 (1887, 1891). 284 European Commission (Fn. 18), S. 21.

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4. Einzelfragen öffentlich-rechtlicher Organisation a) Beleihung eines Privatrechtssubjekts Die mögliche „Beleihung“ eines Privatrechtssubjekts mit hoheitlichen Funktionen ist eher fragwürdig. Auch wenn sich diese Figur wachsender Beliebtheit bei der Kautelarjurisprudenz erfreut, um auf diese Weise die dort gerne verwendeten verschachtelten und unübersichtlichen Strukturen auf die Erfüllung staatlicher Aufgaben zu übertragen (Beispiele: Börsen, Trägerschaft von Landesbanken), darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich um eine atypische Konstruktion handelt, die strenge Anforderungen an Errichtung, Steuerung und Kontrolle erfüllen muss, um verfassungsrechtlich akzeptabel zu sein. Bei Beachtung dieser Anforderungen, verflüchtigen sich meist die angeblichen Vorzüge einer solchen Konstruktion. Von der Verwendung des Instituts der Beleihung ist im Ergebnis bei der Errichtung einer europäischen Ratingagentur abzuraten. b) Übertragung der Aufgaben auf eine bestehende Einrichtung Näher in Betracht zu ziehen ist aber die Übertragung der Aufgaben einer Ratingagentur auf eine bestehende Einrichtung. Dafür kommt an erster Stelle das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) in Betracht,285 aber auch der Rechnungshof, das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) und die Europäische Statistikbehörde ESTAT. aa) ESZB Das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) besteht aus den nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten und der Europäischen Zentralbank (EZB), Art. 282 Abs. 1 AEUV. Die nationalen Zentralbanken sind „integraler Bestandteil“ des ESZB, Art. 14.3. der Satzung286. Die EZB stützt sich für viele Tätigkeiten auf die nationalen Zentralbanken, die integrale Bestandteile des Systems sind. Sie werden auch als der „operationelle Arm“ der EZB bezeichnet. Die Aufgaben einer europäischen Ratingagentur könnte also auch eine der nationalen Zentralbanken, wie die Bundesbank, für die EZB oder das ESZB insgesamt erfüllen. Sie genießen hohes Ansehen bei allen Teilnehmern auf den Finanzmärkten. Reputation müsste nicht erst aufgebaut werden. In beiden Einrichtungen sind 285 Auch von der EU-Kommission zur Diskussion gestellt, European Commission (Fn. 18), S. 19 f.; allerdings beschränkt auf Ratings, die für hoheitliche Zwecke verwendet werden sollen. 286 Protokoll über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank vom 7. Februar 1992, ABl. C 191, S. 68. Das Protokoll ist Bestandteil der Verträge, Art. 51 EUV.

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sehr viel Fachwissen und Spezialinformationen vorhanden, die für die Tätigkeit einer Ratingagentur außerordentlich nützlich wären. Sie müssten nicht erst kostspielig und zeitraubend erworben werden. Gegenwärtig werden für interne Zwecke Kreditbewertungen von der Deutschen Bundesbank, der Banco de España, der Banque de France und der Österreichischen Nationalbank durchgeführt.287 Ihre Bewertungen werden auch von der EZB schon jetzt für ihre Entscheidungen neben den „external credit assessment institutions“ (ECAIs), den „counterparties’ internal ratings based systems (IRBs) und den „third-party providers’ rating tools“ (RTs) verwendet. Ihre Unabhängigkeit ist europarechtlich und verfassungsrechtlich garantiert. Nicht sicher ist allerdings, ob sich diese Unabhängigkeitsgarantie auch auf die Erfüllung der Aufgaben einer Ratingagentur erstrecken würde. Früher wurde überwiegend vertreten, dass diese Garantie ganz im Dienste der Geld- und Währungspolitik stehe. Mittlerweile wird aber auch dafür plädiert, sie – in Grenzen – auf sonstige, zulässigerweise übertragenen Aufgaben zu erstrecken.288 Welche Institution funktional bessere Voraussetzungen für die Erfüllung der Aufgaben einer Ratingagentur mitbringt, müsste noch näher untersucht werden. Fest steht jedoch, dass die Deutsche Bundesbank die laufende Aufsicht über die Kreditinstitute im Rahmen von § 7 KWG durchführt und auch „vor Ort“ tätig ist. Sie verfügt deshalb über sehr viele und hochaktuelle Einzelinformationen zu zahlreichen Finanzinstrumenten und ihren Emittenten. Es ist zu vermuten, dass für die darüber hinaus erforderlichen Informationen die Emittenten kooperieren würden, zumindest solange Ratings aufsichtsrechtlich verwendet werden. Aber auch wegen der Reputation des ESZB werden sie ein Rating wünschen. Es ist aber auch kein Problem, die EZB oder eine für sie tätig werdende nationale Zentralbank mit Eingriffsbefugnissen auszustatten, wenn sich dies als erforderlich erweisen sollte. Bei dieser Lösung könnten aber auch – ähnlich wie nach dem Dodd-Frank-Act in den USA – zugleich Aufgaben übertragen werden, welche die Verbraucher in Finanzdingen schützen sollen.289 Dieser Schutz könnte auch in einer realistischen und verständlichen Einschätzung von Gefahren und Nutzen eines Finanzinstruments bestehen, das an Verbraucher vertrieben wird. Es besteht eine (lose) Verbindung zu den Tätigkeiten der Ratingagenturen, da ihre Ratings auch zum Schutz der Verbraucher eingesetzt werden.290 Allerdings besteht dabei die Gefahr, dass das ESZB von der Wahrnehmung seiner Kernaufgabe „Sicherung der Preisstabilität“ übermäßig abgehalten wird.

287 288 289 290

European Commission (Fn. 18), S. 20. Siekmann (Fn. 242), Art. 88 Rdn. 66. Oben V. 1. Oben VI. 1. e).

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Für die Übertragung dieser Aufgaben auf das ESZB oder eines seiner Teile dürfte keine Änderung des EU-Primärrechtes erforderlich sein. Als Grundlage im bestehenden Recht kann möglicherweise Art. 127 Abs. 7 AEUV dienen. Danach dürfen der EZB durch Verordnung „besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute mit Ausnahmen von Versicherungsunternehmen“ übertragen werden. Es müsste allerdings das Tatbestandsmerkmal „Aufsicht über Kreditinstitute“ weit ausgelegt werden. Nicht völlig ausgeschlossen ist auch, Ratingagenturen als „Finanzinstitute“ im Sinne dieser Bestimmung zu verstehen, da zumindest im deutschen Recht ein deutlicher Unterschied zu den Begriffen „Kreditinstituten“ (§ 1 Abs. 1 KWG), „Finanzdienstleistungsinstituten“ (§ 1 Abs. 1a KWG) und „Instituten“ (§ 1 Abs. 1b KWG) besteht, die alle gesetzlich definiert sind. Allerdings würde die Tätigkeit als Ratingagentur nicht mehr „Aufsicht“ sein. Da vor allem die Stabilität des gesamten Bankensystems durch die Fehlleistungen der Ratingagenturen bedroht worden ist, und eine Wiederholung dieser Gefahr ausgeschlossen werden soll, lässt sich eine Deutung der Tätigkeit einer Ratingagentur als „Aufsicht über Kreditinstitute“ in einem sehr weit verstandenen Sinne wohl noch vertreten, auch wenn die Ratings für andere Zwecke Verwendung finden, wie im Versicherungsaufsichtsrecht. Die Formulierung der Vorschrift war bei der Schaffung des Maastricht-Vertrages sehr umstritten.291 Allerdings wäre in jedem Fall eine Änderung des Sekundärrechts erforderlich. Art. 2 Abs. 2 d Ratingverordnung nimmt Ratings von Zentralbanken unter anderem nur dann von den Vorschriften der Verordnung aus,292 wenn sie nicht veröffentlicht werden. Eine laufende Beaufsichtigung des ESZB und seiner Bestandteile durch die ESMA, einer Einrichtung des Sekundärrechts, ist kaum mit ihrer primärrechtlich garantierten und näher ausgestalten Stellung zu vereinbaren. Entsprechendes gilt für die Pflicht zur Registrierung nach Art. 2 Abs. 3 der Ratingverordnung. Freiwilligkeit ist allerdings nicht erforderlich.293 Eine mögliche Haftung stellt keine realistische Gefahr dar, da die Voraussetzungen für einen Anspruch aus Amtspflichtverletzung außerordentlich streng sind. Sie kann zudem weitgehend vom Gesetzgeber ausgeschlossen werden, wie dies für die BaFin in § 4 Abs. 4 FinDAG unter Billigung der Rechtsprechung geschehen ist. Eine Haftung aus Verträgen mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kann dadurch ausgeschlossen werden, dass die EZB (oder eine beauftrage nationale Notenbank) keine Verträge schließen muss und auch nicht sollte, sondern hoheitlich tätig wird, eventuell gebunden an einen Antrag des Emittenten. Eine 291

Näher Siekmann (Fn. 115), S. 67 f. Daneben sieht die Verordnung noch auf Antrag eine explizite Entscheidung der Kommission vor, um eine einheitliche Anwendung der Vorschrift zu gewährleisten, Art. 2 Abs. 4 UA 1. 293 Anders zu Unrecht European Commission (Fn. 18), S. 20. 292

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Haftung ist auch nicht als Steuerungsmittel erforderlich. Die Gefahr von Interessenkonflikten ist weitgehend ausgeschlossen, wenn eine derartige Institution tätig wird. bb) Rechnungshof der EU Der Rechnungshof ist Organ der EU (Art. 13 Abs. 1 EUV) und seine Mitglieder üben ihre Aufgaben in „voller Unabhängigkeit“ aus (Art. 285 Abs. 2 Satz 2 AEUV). Seine Aufgabe ist allerdings die „Rechnungsprüfung“ (Art. 285 Abs. 1, Art. 287 AEUV). Das Primärrecht sieht nicht vor, dass ihm andere Aufgaben übertragen werden. Auch wenn er mit der wünschenswerten Unabhängigkeitsgarantie ausgestattet ist, sollte diese Alternative nicht weiter in Betracht gezogen werden. cc) OLAF Auch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) hat eine sehr spezifische Aufgabenzuweisung, die weit entfernt von den Aufgaben einer Ratingagentur sind. Durch interne und externe Verwaltungsuntersuchungen soll es Betrug, Korruption und sonstige rechtswidrige Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaft bekämpfen.294 Es übt Befugnisse der Kommission aus, auch wenn ihm sekundärrechtlich Unabhängigkeit eingeräumt ist.295 Seine Tätigkeit ist repressiv und hat keinen prognostischen Charakter. Anders als dem ESZB steht ihm auch nicht eine breite Informationsbasis zur Verfügung, die sinnvoll für eine Ratingtätigkeit eingesetzt werden könnte. Wenn ihm die Aufgaben einer Ratingagentur übertragen würden, wäre das eine vollständige Umwälzung, die einer Neuerrichtung gleich käme. Vorteile sind nicht ersichtlich. dd) ESTAT Das Statistische Amt der Europäischen Union (EuroStat oder ESTAT), ist das statistische Amt der Europäischen Union. Es hat den Rang einer Generaldirektion der Europäischen Kommission und ist dem Kommissar für Verwaltung, Audit und Betrugsbekämpfung zugeordnet. Es ist nicht im Primärrecht der EU verankert und genießt keine garantierte Unabhängigkeit. Lediglich in einer Vereinbarung zwischen dem zuständigen Kommissar und dem Leiter der Behörde im Range eines Generaldirektors ist eine Vereinbarung („practical arrangement“) über die Arbeitsbeziehungen („working relations“) zwischen dem Amt und den 294 295

Art. 2 Abs. 1 des Errichtungsbeschlusses (Fn. 281). Art. 3 des Errichtungsbeschlusses (Fn. 281).

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Mitgliedern der Kommission geschlossen worden.296 Darin übernimmt der Kommissar zu Recht die volle (politische) Verantwortung und bestimmt die Linien der Politik. Dem Generaldirektor soll die alleinige Verantwortung für Entscheidungen über statistische Methoden, Standards und Prozeduren sowie Inhalt und Zeitpunkt von statistischen Veröffentlichungen zustehen.297 Es ist zu bezweifeln, dass auf dieser Basis eine europäische Ratingagentur arbeiten könnte, auch wenn das Amt über viele Informationen verfügt, die für Bewertungen sehr nützlich wären, vor allem in Bezug auf Mitgliedsländer und deren Zahlungsfähigkeit. ee) Zwischenergebnis Es gibt gute Gründe, die für eine Übertragung der Aufgaben einer europäischen Ratingagentur auf eine bestehende Einrichtung der EU sprechen. Bei EUROSTAT ist nicht sicher, ob die Unabhängigkeit hinreichend gesichert ist und ob für eine Übertragung eine hinreichende Rechtsgrundlage besteht. Bei einer Übertragung auf das ESZB kommt als Rechtsgrundlage Art. 127 Abs. 7 AEUV in Betracht, doch wäre dafür eine weite Interpretation dieser Vorschrift erforderlich, die nicht ohne rechtliche Risiken ist. Bei dieser Lösung könnten aber auch – ähnlich wie im Dodd-Frank-Act in den USA – zugleich die Aufgaben einer Einrichtung angesiedelt werden, welche die Verbraucher in Finanzdingen schützt. Allerdings besteht dabei die Gefahr, dass das ESZB von der Wahrnehmung seiner Kernaufgabe „Sicherung der Preisstabilität“ zu sehr abgelenkt wird. c) Schaffung einer neuen Gemeinschaftsagentur Es ist aber auch die Errichtung der europäischen Ratingagentur als Gemeinschaftsagentur der EU in Betracht zu ziehen. aa) Die europäische Ratingagentur als Gemeinschaftsagentur der EU Im Vertragstext tauchen die Agenturen nicht auf. Sie sind Geschöpfe des sekundären Gemeinschaftsrechts. Der Begriff Agentur ist dabei nicht gefestigt, unterscheidet sich aber von dem der Behörde.298 Die Kommission umschreibt sie 296 Practical arrangements governing working relations between members of the commission, cabinets and services, geschlossen zwischen dem zuständigen Kommissionsmitglied, Olli Rehn und dem Generaldirektor – DG ESTAT – Walter Radermacher vom 11. Mai 2010. 297 1.1. General Principles des „arrangements“. 298 Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, 1999, S. 44, die aber einen problematischen Behördenbegriff verwendet. In der frühen Diskussion ist aber

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wie folgt: „Agenturen sind keine Organe der EU, sondern von der EU geschaffene Einrichtungen, die sehr spezifische fachliche, wissenschaftliche oder administrative Aufgaben haben.“ 299 Im Schrifttum wird ähnlich weit abgegrenzt und unter einer europäischen Agentur eine „relativ unabhängige“ Einrichtung verstanden, „die auf Dauer angelegt, mit speziellen, eigenständigen Aufgaben befasst und als Einrichtung des Gemeinschaftsrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind“.300 Zum Teil werden sie auch als „vertragsfremde“ Einrichtungen bezeichnet, da sie keine explizite Grundlage im Vertragsrecht haben.301 Unabhängigkeit im Sinne der Gemeinschaftseinrichtungen bedeutet nur, dass die Einrichtung nicht Teil eines Gemeinschaftsorgans ist.302 Da die europäische Ratingagentur aber organisatorisch verselbständigt und frei von Weisungen arbeiten sollte, würde sie in jedem Fall die Kriterien für eine Gemeinschaftsagentur erfüllen. bb) Die Zulässigkeit der Errichtung von Gemeinschaftsagenturen durch Sekundärrecht Auf EU-Ebene ist es grundsätzlich untersagt, Befugnisse auf Einrichtungen zu übertragen, die nicht in den Verträgen über die Europäischen Gemeinschaften und die Europäische Union vorgesehen sind. Der Text der Verträge enthält fast keine Anhaltspunkte für Gründung und Ausgestaltung von nachgeordneten Einrichtungen der EU, also auch nicht von Agenturen. Die Übertragung solcher Befugnisse muss daher sehr zurückhaltend gehandhabt werden und unterliegt besonderen Bedingungen. Allerdings ist ihre (grundsätzliche) Zulässigkeit in Art. 234 Abs. 1 lit. c EGV vorausgesetzt. Dies dürfte auch für die Neufassung gelten, in der die Regelung von Buchstabe c teilweise in Buchstabe b von Art. 267 Abs. 1 AEUV integriert worden ist. Sie entspricht auch der ständigen Praxis der EU. Analytisch sind immer drei Fragen zu unterscheiden, auch wenn sie bei dem tatsächlichen Errichtungsakt meist zusammen fallen: auch von „nachgeordneten Behörden der Kommission“ gesprochen worden, vgl. U. Everling, Zur Errichtung nachgeordneter Behörden der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, in: Walter Hallstein und Hans-Jürgen Schlochauer (Hrsg.), Festschrift für Carl Friedrich Ophüls aus Anlass seines 70. Geburtstags, 1965, S. 33 ff. 299 Europäische Kommission, Generaldirektion Presse und Kommunikation: Wie funktioniert die Europäische Union, Juni 2003. 300 Fischer-Appelt (Fn. 298), S. 38. Weiterhin wird auch zwischen Agenturen des Unionsrechts und des Gemeinschaftsrechts unterschieden, vgl. Brenner, Die Agenturen im Recht der Europäischen Union, in: Europa im Wandel, Festschrift für Hans-Werner Rengeling, 2008, S. 193, 196. 301 Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 7 Rdn. 25, mit weiteren Ausführungen und Nachweisen zur heterogenen Begrifflichkeit. 302 Fischer-Appelt (Fn. 298), S. 39.

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1. Hat die EU die Kompetenz zur Wahrnehmung der Aufgabe, die durch die Einrichtung erfüllt werden soll? 2. Hat sie die Rechtsmacht zur Schaffung der Einrichtung? 3. Entspricht die konkrete Ausgestaltung der Aufgaben und Befugnisse, die auf die Einrichtung übertragen werden, den Anforderungen des (primären) Gemeinschaftsrechts? Die Rechtsmacht zur Schaffung einer Einrichtung kann aber trotz dieser analytischen Unterscheidung nicht völlig losgelöst von den zu erfüllenden Aufgaben und Befugnissen beurteilt werden, da die Anforderungen an die Ermächtigung, vergleichbar dem institutionellen Gesetzesvorbehalt, am Aufgabenspektrum ausgerichtet sind. Es bestehen aber keine durchgreifenden Bedenken, Agenturen als bloße Informationssammelstellen oder Beratungseinrichtungen für die Organe der EU zu errichten. Soweit sie keine verbindlichen Rechtsakte erlassen, bedarf es dafür keiner spezifischen Grundlage im primären Gemeinschaftsrecht. Es ist anerkannt, dass die Kommission berechtigt ist, derartige Einrichtungen im Rahmen ihrer Organisationsgewalt zu errichten, wenn Zuständigkeit und die Verantwortung für das Handeln nach außen gegenüber den anderen Organen der Gemeinschaft, den Mitgliedstaaten und den Unternehmen und Bürgern bei der Kommission verbleiben, so wie es bei ESTAT der Fall ist. Unter diesen Voraussetzungen wird auch das institutionelle Gefüge der Gemeinschaft in keiner Weise angetastet, und der Rechtsschutz bleibt ungeschmälert.303 Etwas anderes dürfte aber gelten, wenn grundsätzlich Hoheitsbefugnisse auf eine nachgeordnete Stelle übertragen werden sollen. Bloße Organisationsakte der Kommission (oder auch des Rates) reichen insoweit nicht mehr aus.304 Unklar ist aber, ob in einem solchen Fall immer eine Vertragsänderung erforderlich ist. Das wird überwiegend verneint305 und wohl auch von der Rechtsprechung nicht verlangt, wenn bestimmte Grenzen eingehalten werden.306 Es kommt danach entscheidend darauf an, auf welche Vorschrift des Vertrages die Errichtung der Stelle gestützt wird und wie die Befugnisse der nachgeordneten Stelle (Agentur) 303

U. Everling (Fn. 298), S. 40. Fischer-Appelt (Fn. 298), S. 84 f. 305 Streinz, in: ders., EUV/EGV, 2003, Art. 7 Rdn. 34; Schwartz, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Bd. 4, 6. Aufl. 2004, Art. 308 Rdn. 215 m.w. N.; Calliess (Fn. 301), Art. 7 Rdn. 38, mit Wiedergabe der verschiedenen Standpunkte (Rdn. 34–36); anders U. Everling (Fn. 298), S. 42: „Es bedarf vielmehr einer Vertragsänderung [. . .]“, der aber im Folgenden doch von nachgeordneten Behörden ausgeht, die durch Sekundärrecht geschaffen worden sind (S. 43 f.). 306 EuGH Urteil vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 – Meroni; Urteil vom 13. Juni 1958, Rs. 10/56, Slg. 1958, 51 – Meroni; Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-217/ 04, Rdn. 44, 56 f., 63 Slg. I (2006), 3771 (3806) – ENISA. Die dort behandelte Agentur (ENISA) hat aber keine echten eigenen Entscheidungsbefugnisse. 304

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im Einzelnen ausgestaltet sind. Es ist aber nicht sicher, ob der bloße Errichtungsakt bereits eines förmlichen Gesetzes bedarf, da das Primärrecht keinen ausdrücklichen institutionellen Gesetzesvorbehalt enthält. Allerdings wird eine förmliche gesetzliche Grundlage zu verlangen sein, wenn der Einrichtung grundsätzlich auch (Exekutiv-)Befugnisse zustehen sollen.307 Dies dürfte für die europäische Ratingagentur der Fall sein, wenn sie mit Zwangsmitteln soll arbeiten dürfen und wenn ihre Bewertungen Tatbestandswirkungen für andere Hoheitsakte haben. Zu ihrer Errichtung dürfte eine Verordnung der EU erforderlich sein. cc) Grundlage im Primärrecht Wegen der Geltung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung bedarf die Errichtung der neuen europäischen Gemeinschaftseinrichtung einer Ermächtigung im Primärrecht der EU. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ist nunmehr ausdrücklich in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 EUV statuiert. Zur Erfüllung dieser Anforderung bieten sich grundsätzlich zwei Wege an: Entweder kann auf Spezialvorschriften abgestellt werden oder die Auffangkompetenz aus Art. 352 AEUV (308 EGV) wird herangezogen.308 Beide Wege schließen sich aber gegenseitig aus, so dass immer nur ein Weg begangen werden kann. In der Praxis ist lange Zeit vornehmlich der zweite Weg gewählt worden, während nun zunehmend der Rückgriff auf Spezialvorschriften, vor allem materielle Kompetenznormen, erfolgt.309 Dabei wird überwiegend davon ausgegangen, dass jede Vorschrift des (primären) Gemeinschaftsrechts, welche die Befugnis enthält, „zweckdienliche Vorschriften“ zu erlassen oder „bestimmte Gemeinschaftsmaßnahmen“ zur Erreichung von einzelnen Zielen und Politiken der Gemeinschaften zu ergreifen, auch als Grundlage zur Errichtung von Agenturen dienen könne. Dies gilt auch, soweit diesen Einrichtungen Verwaltungskompetenzen übertragen werden sollen.310 Allerdings bedarf es jeweils einer sorgfältigen Prüfung im Einzelfall, ob diese Errichtungskompetenz besteht und ob die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit gewahrt sind, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EUV (teilweise Art. 5 Abs. 2 EGV).311

307 In diesem Sinne Ohler, Anmerkung zum EuGH Urteil vom 2. Mai 2006, Aktenzeichen C-217/04, EuZW 2006, 369 (373 f.), bei Verwendung von nicht eindeutiger Terminologie. 308 Vgl. Wittinger, „Europäische Satelliten“: Anmerkungen zum Europäischen Agentur(un)wesen und zur Vereinbarkeit Europäischer Agenturen mit dem Gemeinschaftsrecht, EuR 2008, 609 (612). 309 Streinz (Fn. 305), Art. 308 Rdn. 34; Ohler (Fn. 307), S. 373. Eine Aufzählung ist bei Wittinger (Fn. 308), S. 612, zu finden. 310 Vetter, Die Kompetenzen der Gemeinschaft zur Gründung von unabhängigen europäischen Agenturen, DÖV 2005, 721 (723 ff.); Wittinger (Fn. 308), S. 612. 311 Streinz (Fn. 305), Art. 308 Rdn. 34; Vetter (Fn. 310), S. 727.

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III. Finanzmärkte

Die Kommission stützt sich in jüngster Zeit überwiegend auf Art. 114 Abs. 1 AEUV (Art. 95 EGV), um neue europäische Einrichtungen sekundärrechtlich zu errichten. So hält sie es für zulässig, die neuen Europäischen Finanzmarktaufsichtsbehörden – gestützt auf Art. 95 EGV312 – durch sekundäres Gemeinschaftsrecht zu errichten. Das sind die Vorschläge für je eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates – über die gemeinschaftliche Finanzaufsicht auf Makroebene und zur Einsetzung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken,313 – zur Einrichtung einer Europäischen Bankenaufsichtsbehörde,314 – zur Einrichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung,315 – zur Einrichtung einer Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde316.

312 In modifizierter Form jetzt Art. 114 Abs. 1 AEUV, der aber in dem wesentlichen Punkt unverändert geblieben ist. 313 KOM(2009) 499 endgültig (proposal for a regulation on Community macro prudential oversight of the financial system and establishing a European Systemic Risk Board [ESRB], COM[2009] 499 final) vom 23. September 2009, Ratsdokument 13648/ 09 vom 25. September 2009. Im Anschluss an die Tagung des EU-Rates (Wirtschaft und Finanzen) am 20. Oktober 2009 hat der Vorsitz des Rates einen Kompromissvorschlag unterbreitet, der die Aufgaben im Vergleich zum ursprünglichen Kommissionsentwurf einschränkt (Ratsdokument 14491/1/09 REV 1 vom 21. Oktober 2009). Der Vorschlag ist nach Inkrafttreten des AEUV angepasst worden (Ratsdokument 5554/10 vom 21. Januar 2010). 314 KOM(2009) 501 endgültig (proposal for a regulation establishing a European Banking Authority [EBA], COM[2009] 501 final) vom 23. September 2009, Ratsdokument 13652/09 vom 25. November 2009; geänderte Fassung auf Grund der Einigung auf der Ratstagung am 2. Dezember 2009: Kompromisstext des Rates (Wirtschaft und Finanzen) vom 2. Dezember 2009 (Ratsdokument 16748/1/09 REV 1 vom 3. Dezember 2009). 315 KOM(2009) 502 endgültig (proposal for a regulation establishing a European Insurance and Occupational Pensions Authority [EIOPA], COM[2009] 502 final) vom 23. September 2009, Ratsdokument 13653/09; geänderte Fassung auf Grund der Einigung auf der Ratstagung am 2. Dezember 2009: Kompromisstext des Rates (Wirtschaft und Finanzen) vom 2. Dezember 2009 (Ratsdokument 16748/1/09 REV 1 vom 7. Dezember 2009). 316 KOM(2009) 503 endgültig (proposal for a regulation establishing a European Securities and Markets Authority [ESMA], COM[2009] 503 final) vom 23. September 2009, Ratsdokument 13654/09; Änderung durch Kompromisstext des Vorsitzes des Rates mit neuer Bezeichnung: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (Ratsdokument 16751/09 vom 27. November 2009). Es handelt sich dabei um eine konsolidierte Fassung der Dokumente 16077/1/09 REV 1 + ADD 1. Das Dokument 16077/1/09 ist nicht öffentlich zugänglich. Der Vorschlag wurde geändert auf Grund der Einigung auf der Ratstagung am 2. Dezember 2009: Kompromisstext des Rates (Wirtschaft und Finanzen) vom 2. Dezember 2009 (Ratsdokument 16751/1/09 REV 1 vom 7. Dezember 2009; Korrektur durch Ratsdokument 16751/1/09 REV 1 COR 1 vom 16. Dezember 2009).

5. Errichtung einer Europäischen Ratingagentur

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Die Kommission sieht sich damit im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den Gemeinschaftsagenturen.317 Der EU-Rat hat sie nachträglich auch für den ESRB geltend gemacht.318 Art. 114 Abs. 1 AEUV (Art. 95 Abs. 1 EGV) spielt eine zentrale Rolle für die Harmonisierung des Binnenmarktes. Danach kann der Rat zur Verwirklichung des Funktionierens des Binnenmarktes Maßnahmen zur Angleichung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten erlassen. Zum Teil wird diese Formulierung auch im Schrifttum so verstanden, dass damit auch die Befugnis eingeräumt sei, Agenturen zu gründen.319 Zum Teil wird aber darauf abgestellt, dass von der Angleichung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften und nicht von Verwaltungsakten die Rede sei. Wenn der Bezugspunkt von Art. 114 Abs. 1 AEUV (Art. 95 Abs. 1 EGV) die Vorschriften der Mitgliedstaaten seien, lasse sich kaum begründen, dass ein Organisationsakt zur Errichtung einer Gemeinschaftsagentur die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften zum Inhalt habe. Damit scheide die Vorschrift als vertragliche Rechtsgrundlage zur Errichtung von Agenturen mit Vollzugsbefugnissen aus.320 In seiner Entscheidung zur Gründung der Agentur für Netz- und Informationssicherheit hat der EuGH nun aber eindeutig die „Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung“ auf der Grundlage von Art. 95 EGV (jetzt Art. 114 AEUV) anerkannt.321 Nach Auffassung des EuGH kann der Gemeinschaftsgesetzgeber im Rahmen von Art. 95 EGV (jetzt Art. 114 AEUV) aufgrund seiner Sachwürdigung die Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung für notwendig erachten. Sie muss allerdings die Aufgabe haben, einen Beitrag zur Verwirklichung des Harmonisierungsprozesses zu leisten.322 Der EuGH verlangt weiter, dass die Aufgaben, die einer solchen Einrichtung übertragen werden, in engem Zusammenhang mit den Bereichen stehen, auf die sich die Rechtsakte zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten beziehen.323 Danach 317

Begründungserwägung Nr. 10 der VO-Entwürfe. Rat der Europäischen Union, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gemeinschaftliche Finanzaufsicht auf Makroebene und zur Einsetzung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken – Kompromissvorschlag des Vorsitzes, vom 15. Oktober 2009 (Dokument 14491/1/09 REV 1 vom 21.10.2009), Begründungserwägung Nr. 19a. 319 Ohler (Fn. 307), S. 373; Lamandini, When More is Needed: The European Financial Supervisory Reform and its Legal Basis, European Company Law, 6 (2009), S. 197 (200); ähnlich Wittinger (Fn. 308), S. 613. 320 Vetter (Fn. 310), S. 728 f.; ähnlich auch Fischer-Appelt (Fn. 298), S. 87 f. 321 EuGH Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-217/04, Rdn. 44, Slg. I (2006), 3771 (3806); abl. Ohler (Fn. 307), S. 373 f., der aber das Vorliegen einer „ungeschriebenen Annexkompetenz“ in Erwägung zieht. 322 EuGH Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-217/04, Rdn. 44, Slg. I (2006), 3771 (3806). 323 EuGH Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-217/04, Rdn. 45, Slg. I (2006), 3771 (3806). 318

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III. Finanzmärkte

muss der Gemeinschaftsgesetzgeber aufgrund seiner Sachwürdigung die Schaffung der Einrichtung für notwendig erachten. Die Angleichung darf wegen des übergreifenden Begriffs „Maßnahmen“ nicht nur durch Richtlinien, sondern auch durch Verordnungen und wohl auch Entscheidungen des Rates erfolgen.324 Zwar ist das Aufsichtsrecht über Ratingagenturen mittlerweile weitgehend durch Rechtsnormen der EU ausgeformt, doch bestehen weiterhin Zweifel, ob damit schon die maßgebenden Gefahren gebannt sind, die durch fehlerhafte Ratings hervorgerufen werden. Eine europäische Ratingagentur kann zur Verwirklichung des Harmonisierungsprozesses beitragen, indem sie die Einzelheiten des Ratingverfahrens unter Kontrolle der EU bringt und europäische Vorstellungen und europäisch geprägte Urteile in den Bewertungsprozess einbringt. Die europäische Ratingagentur wäre das organisatorische Gegenstück zur Ratingverordnung der EU und den Anknüpfungspunkten an die Ratings im materiellen Aufsichtsrecht, wie der Eigenkapitalrichtlinie. Sie stünde also auch in engem Zusammenhang mit Bereichen, auf die sich die Rechtsakte zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten beziehen. Schon früher hatte der EuGH – in anderem Zusammenhang – verlangt, dass die eine Maßnahme der EU auch „tatsächlich den Zweck haben“ müsse, „die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern“. Die „bloße Feststellung von Unterschieden zwischen den nationalen Vorschriften und die abstrakte Gefahr von Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten oder daraus möglicherweise entstehenden Wettbewerbsverzerrungen“ genügten nicht, um die Wahl von Art. 114 AEUV (95 EGV) als Rechtsgrundlage zu rechtfertigen. Andernfalls „könnte der gerichtlichen Kontrolle der Wahl der Rechtsgrundlage jede Wirksamkeit genommen werden“.325 Ein stabiles und verlässliches Finanzsystem ist aber eine absolute Grundvoraussetzung für das Vertrauen in den Binnenmarkt und seinen Zusammenhalt. Es würde noch im Rahmen der Beurteilung bleiben, die der EuGH als vertretbar ansieht, wenn dazu die Errichtung einer europäischen Ratingagentur gerechnet wird. Dass die Errichtung einer europäische Ratingagentur auch präventiv ausgerichtet wäre, steht einer Inanspruchnahme von Art. 114 AEUV (Art. 95 EGV) nicht entgegen. Eine Maßnahme der Rechtsangleichung im Sinne dieser Vorschrift kann auch darin liegen, dass künftige unterschiedliche Rechtsentwicklun324 Pipkorn/Bardenhewer-Rating/Taschner, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Band 2, 6. Auflage 2003, Art. 95 Rdn. 67. 325 St. Rspr. z. B. Urteil vom 5.10.2000, Rs. C-376/98, Rdn. 84; Urteil vom 6.12.2005, Rs. C-66/04. Slg. 2005 I, 10553: „wenn aus dem Rechtsakt objektiv und tatsächlich hervorgeht, dass er den Zweck hat, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern“.

5. Errichtung einer Europäischen Ratingagentur

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gen in den Mitgliedstaaten, welche die Errichtung oder das störungsfreie Funktionieren des Binnenmarktes gefährden, verhindert werden sollen. „Vorbeugendes Handeln“ der Gemeinschaft zur „Vermeidung von Normgegensätzen“ sollte nicht ausgeschlossen werden.326 dd) Übertragung von Befugnissen Von der Frage der Rechtsgrundlage für die Errichtung einer europäischen Ratingagentur zu trennen ist die Frage, welche Befugnisse ihr durch Sekundärrecht verliehen werden dürfen. Der EuGH hat in seiner „Meroni“-Rechtsprechung327 Grenzen für die Übertragung von Befugnissen auf Einrichtungen aufgestellt, die von den Organen der Europäischen Gemeinschaften getrennt sind. Danach darf vor allem nicht das „Gleichgewicht der Gewalten“ (später: das „institutionelle Gleichgewicht“) durch eine solche Übertragung beeinträchtigt werden.328 In den entschiedenen Fällen ging es um die Übertragung von finanzrechtlichen Befugnissen auf eine selbstständige finanzielle Einrichtung („Ausgleichskasse für eingeführten Schrott“), die in privatrechtlicher Form organisiert war. Eine solche Übertragung war aber als solche ausdrücklich in Art. 53 Abs. 1 EGKSV vorgesehen. Es ging also im Wesentlichen um die Modalitäten und die Grenzen der Übertragungsmöglichkeit. Ausgangspunkt der nach diesem Urteil benannten „Meroni-Doktrin“ ist die Überlegung, dass die Mitgliedstaaten ihre Hoheitsrechte nur insoweit auf die Europäischen Gemeinschaften übertragen haben, wie im Rahmen der Gemeinschaften Einrichtungen und Organe handeln, die in den von ihnen geschlossenen Verträgen vorgesehen sind. Nur solche Einrichtungen haben die erforderliche demokratische Legitimation. Nach Auffassung des Gerichts kommt es entscheidend darauf an, ob tatsächlich hoheitliche Befugnisse übertragen worden sind.329 Die bloße Vorbereitung von Beschlüssen, die von einem Gemeinschaftsorgan durchgeführt werden und für die es die Verantwortung trägt, soll nicht darunter fallen.330 Im Wesentlichen meint das Gericht damit die Rechtsmacht, rechtsverbindliche Ermessensentscheidungen treffen zu dürfen.331 Entscheidungen auf der 326 Pipkorn/Bardenhewer-Rating/Taschner (Fn. 324), Rdn. 43 f.; Partsch, Die Harmonisierung der Europäischen Finanzaufsicht, ZBB-Report 1/10, S. 72 (75). 327 EuGH Urteile vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11; Rs. 10/56, Slg. 1958, 51. 328 EuGH Urteile vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (44); Rs. 10/56, Slg. 1958, 51 (82). 329 EuGH Urteile vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (36); Rs. 10/56, Slg. 1958, 51 (75). 330 EuGH Urteile vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (37); Rs. 10/56, Slg. 1958, 51 (75 f.). 331 EuGH Urteile vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (44); Rs. 10/56, Slg. 1958, 51 (81 f.).

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III. Finanzmärkte

„Grundlage festumrissener Vorschriften“, die „Willkürmaßnahmen ausschließen und die Nachprüfung der verwendeten Unterlagen ermöglichen“, sollen nicht erfasst sein.332 Es spricht sogar an einer Stelle von „freiem“ Ermessen, das eingeräumt worden sein müsse und eine eigene Wirtschaftspolitik ermögliche, damit eine Vertragsverletzung vorliege.333 Der Grund für das Verbot der Übertragung von so verstandenen Ermessensentscheidungen ist nicht nur die fehlende demokratische Legitimation und Verantwortlichkeit, sondern eben die (mögliche) Störung des „Gleichgewichts der Gewalten“, die eine „für den organisatorischen Aufbau der Gemeinschaft kennzeichnende“ „grundlegende Garantie“ darstelle. „Die Übertragung von Befugnissen mit Ermessensspielraum auf andere Einrichtungen als solche, die im Vertrag zur Ausübung und Kontrolle dieser Befugnisse im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten vorgesehen sind, würde diese Garantie verletzen.“ 334 In keinem Fall dürften jedoch weiterreichende Befugnisse übertragen werden, als sie der übertragenden Behörde nach dem Vertrag selbst zustehen. Andernfalls könnten durch die Übertragung an selbständige Einrichtungen vertragswidrig die Befugnisse der Gemeinschaft ausgedehnt werden.335 Im Ergebnis müssen bei der Übertragung von Hoheitsbefugnissen zumindest folgende Anforderungen beachtet werden: – Es dürfen „keine weiterreichenden Befugnisse übertragen werden, als sie der übertragenden Behörde nach dem Vertrag selbst zustehen“.336 – Es dürfen nur Ausführungsbefugnisse übertragen werden, „die genau umgrenzt“ sind und deren Ausübung von dem zuständigen Gemeinschaftsorgan beaufsichtigt und kontrolliert wird.337 – Die Übertragungsentscheidung muss ausdrücklich erfolgen.338 Teilweise sind diese Grundsätze in der Folgezeit bestätigt worden.339 Wesentlich strenger waren aber die Entscheidungen in der Sache „van der Vecht“ 340 aus

332

EuGH Urteil vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (42). EuGH Urteile vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (43 f.); Rs. 10/56, Slg. 1958, 51 (81). 334 EuGH Urteile vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (14, 44); Rs. 10/56, Slg. 1958, 51 (82). 335 EuGH Urteile vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (40); Rs. 10/56, Slg. 1958, 51 (79). 336 EuGH Urteile vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (40); Rs. 10/56, Slg. 1958, 51 (79). 337 EuGH Urteile vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (44); Rs. 10/56, Slg. 1958, 51 (81). 338 EuGH Urteile vom 13. Juni 1958, Rs. 9/56, Slg. 1958, 11 (42). 339 EuGH, Rs. 25/70, Slg. 1970, 1161 (1173) Rdn. 9 – Köster, wo entscheidend auf die Verfälschung des „institutionellen Gleichgewichts“ abgestellt wird. 340 EuGH Rs. 19/67, Slg. 1967, 461 – van der Vecht. 333

5. Errichtung einer Europäischen Ratingagentur

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dem Jahre 1967 und in der Sache „Romano/INAMI“ aus dem Jahre 1981.341 In der Sache „van der Vecht“ ging es um die Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeiter. Nach Auffassung des Gerichts könne ihren Beschlüssen „nur der Rang von Gutachten“ zukommen. Es sei europarechtlich nicht zulässig, ihnen echte Entscheidungsbefugnisse zukommen zu lassen, da andernfalls die Befugnisse der zuständigen Gerichte berührt würden.342 Noch deutlicher stellte der EuGH in der Sache „Romano/INAMI“ heraus, dass aus dem durch den Vertrag geschaffenen Rechtsschutzsystem geschlossen werden müsse, dass eine Stelle außerhalb der Kommission nicht ermächtigt werden dürfe, „Rechtsakte mit normativem Charakter“ zu erlassen. Ihre Entscheidungen könnten ein „Hilfsmittel“ für die Durchführung des Gemeinschaftsrechts sein, doch seien sie nicht bindend.343 Obwohl im Schrifttum die Wahrung des vertraglichen Rechtsschutzes häufig schon der (ursprünglichen) Meroni-Doktrin zugeordnet wird, ergibt sich diese Anforderung erst aus der Folgerechtsprechung:344 Vertragsfremden Einrichtungen dürfen hoheitliche Befugnisse nur dann zugewiesen werden, wenn sie unter den gleichen Bedingungen wie die des übertragenden Organs der Nachprüfung durch den Gerichtshof unterworfen sind. Der Rechtsschutz darf durch die Delegation nicht geschmälert werden.345 Fraglich ist, welche allgemeinen Regeln unter Berücksichtigung dieser nicht ganz einheitlichen Rechtsprechung für Gemeinschaftsagenturen, also auch für eine neue europäische Ratingagentur, abzuleiten sind. Die ursprünglichen Urteile in der Sache „Meroni“ bezogen sich auf Art. 53 Abs. 1 EGKSV und nicht auf den EG-Vertrag und erst recht nicht auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV, der durch den Vertrag von Lissabon geschaffen worden ist. Weiterhin handelte es sich um die Übertragung von Befugnissen auf ein Privatrechtssubjekt und nicht auf eine Einrichtung des (europäischen) öffentlichen Rechts. Daraus wird teilweise geschlossen, dass eine unmittelbare Übertragung dieser Rechtsprechung auf Gemeinschaftsagenturen nicht in Betracht komme.346 Auch in inhaltlicher Hinsicht gilt es zu bedenken, dass bei der Meroni-Rechtsprechung Aufgaben übertragen werden sollten, die primärrechtlich angelegt waren.347 Allerdings ist zu beachten, dass die Rechtsprechung die Grundsätze der 341

EuGH Rs. 98/80, Slg. 1981, 1241 – Romano/INAMI. EuGH Rs. 19/67, Slg. 1967, 461 (474) – van der Vecht. 343 EuGH Rs. 98/80, Slg. 1981, 1241 (1256) Rdn. 20 – Romano/INAMI. 344 Vgl. Hatje, in: Schwartze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl., 2009, Art. 7 Rdn. 19, unter Berufung auf die erste Meroni-Entscheidung, S. 27, wo das aber so nicht steht; Calliess (Fn. 301), Art. 7 Rdn. 30; der keinen Nachweis für seine Aussage liefert. 345 Im Ergebnis ebenso Hatje (Fn. 344), Art. 7 Rdn. 19; Calliess (Fn. 301), Art. 7 Rdn. 30. 346 Fischer-Appelt (Fn. 298), S. 107. 347 Ohler (Fn. 307), S. 373. 342

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III. Finanzmärkte

ursprünglichen Meroni-Entscheidungen auch auf öffentlich-rechtliche Einrichtungen der Union übertragen hat.348 Die Auffassungen im Schrifttum sind geteilt, ob die Meroni-Rechtsprechung allgemeine Voraussetzungen für die Übertragung von Befugnissen im Gemeinschaftsrecht aufgestellt hat. Teilweise wird das unionsrechtliche Agenturwesen „mehr oder weniger umstandslos an diesen Voraussetzungen gemessen“.349 Danach ist die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen unter den in den ursprünglichen Entscheidungen genannten Voraussetzungen zulässig, namentlich wenn die Ausführungsbefugnisse genau abgegrenzt sind und das „institutionelle Gleichgewicht“ nicht gefährdet werde.350 Teilweise wird aber auch eine Übertragung von Entscheidungsbefugnissen generell für unzulässig gehalten.351 Überwiegend orientiert sich das Schrifttum zwar an den ursprünglichen Meroni-Entscheidungen, sieht aber – bei vielen Unterschieden im Einzelnen – von einer direkten Anwendung der dort entwickelten Grundsätze in ihrer strengen Form ab.352 Dabei werden Demokratieprinzip, institutionelles Gleichgewicht und die Grundsätze der Meroni-Rechtsprechung nicht selten unverbunden nebeneinandergestellt.353 Verbreitet wird das institutionelle Gleichgewicht in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt, das durchaus auch dynamisch verstanden werden könne.354 Dabei gebe es aber eine absolute Grenze der Übertragung von Entscheidungsbefugnissen, die der – nicht einheitlichen – Rechtsprechung als „Schnittmenge“ zu entnehmen sei: „Befugnisse von politischer Tragweite“ dürften nicht auf „vertragsfremde Einrichtungen“ übertragen werden und das Rechtsschutzsystem des Vertrages dürfe nicht beeinträchtigt werden.355 Einen anderen Weg geht die Auffassung, die entscheidend auf die Anforderungen des Demokratieprinzips abstellt, so wie es in Art. 6 Abs. 1 EGV europarechtlich verankert ist. Dem institutionellen Gleichgewicht soll dagegen nur eine dienende Rolle zukommen.356 Von diesem Ansatz ausgehend, kann ein kompletter 348

Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, 2009, S. 366 ff.,

371. 349

Umfassende Nachweise bei Görisch (Fn. 348), S. 372 Fn. 391. Hatje (Fn. 344), Art. 7 EGV Rdn. 19. 351 Oppermann, Europarecht, 3. Aufl., 2000, § 5 Rdn. 168; Nettesheim, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 4. Aufl., 2009, § 7 Rdn. 187, der aber eine „implizite“ Auflösung der Meroni-Kriterien sieht; U. Everling (Fn. 298), S. 42: „Es bedarf vielmehr einer Vertragsänderung [. . .]“, der aber im Folgenden doch von nachgeordneten Behörden ausgeht, die durch Sekundärrecht geschaffen worden sind (S. 43 f.). 352 Umfassende Nachweise bei Görisch (Fn. 348), S. 372 Fn. 392. 353 Umfassende Nachweise bei Görisch (Fn. 348), S. 372 Fn. 393. 354 Calliess (Fn. 301), Art. 7 Rdn. 38. 355 Calliess (Fn. 301), Art. 7 Rdn. 39 m.w. N. 356 Görisch (Fn. 348), S. 373 ff. 350

5. Errichtung einer Europäischen Ratingagentur

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Ausschluss von „Verantwortungsverlagerung auf kommissionsfremde Einrichtungen“ nicht in Betracht kommen, wenn und solange durch „umfassende Aufsichtsunterworfenheit“ die Anforderungen der demokratischen Legitimation gewahrt werden.357 Selbst die Übertragung auf „weisungsunabhängige Verwaltungseinrichtungen“ soll zulässig sein, wenn es sich um die „Wahrnehmung konkreter Sachaufgaben in einem bestimmten, genau gekennzeichneten Sachbereich“ handle. Allerdings müsste die dann eintretende Absenkung des demokratischen „Legitimationsniveaus“ anderweitig „kompensiert“ werden. In Betracht sollen kommen „gerichtlich voll nachprüfbare normative Entscheidungsvorgaben“, eine „Verstärkung der personellen Rückbindung“ sowie die „Budgetsteuerung“.358 Die fehlende Kommissionsanbindung verlange aber in jedem Fall eine „strenge Rechtsbindung“ und „umfassend nachprüfbare normative Vorgaben für das Agenturhandeln“. „Gerichtlich nicht nachprüfbare Entscheidungsspielräume der Verwaltung“ sollen „regelmäßig“ ausgeschlossen sein.359 Für diese eher funktional ausgerichtete Betrachtungsweise spricht die deutliche Aufwertung des Demokratieprinzips im Primärrecht durch den Vertrag von Lissabon, in Art. 10 EUV, und die Möglichkeit einer sachbezogenen, flexiblen Handhabung. Kritisch ist die kollegiale Binnenstruktur als Kompensationsmöglichkeit für fehlende demokratische Legitimation zu sehen. Auch vermag eine umfassende gerichtliche Kontrolle nicht Demokratiedefizite, verursacht durch fehlende Rückanbindung an demokratisch legitimierte Organe in Sachfragen, zu ersetzen. Insgesamt dürfte der Kompensationsgedanke aber weiter führen und problemadäquate Lösungen ermöglichen. Er ist zudem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur demokratischen Legitimation verselbständigter Verwaltungsträger auf nationaler Ebene anerkannt. Auch wenn die Rückführung der Meroni-Doktrin auf Fragen der demokratischen Legitimation gut nachvollziehbar ist, kommt dem Gesichtspunkt des „institutionellen Gleichgewichts“ doch eine eigenständige Bedeutung im Sinne der Wahrung einer Organ- und Gewaltenbalance im internen Machtgefüge der EU zu. Sie darf also nicht völlig ausgeklammert werden. Versucht man eine Synthese der verschiedenen Ansätze, zeichnet sich ab, dass ein vollständiges Verbot der Übertragung von rechtlich bindenden Entscheidungsbefugnissen auf die neue europäische Ratingagentur europarechtlich nicht zu begründen ist. In Grenzen ist die Ausstattung mit hoheitlichen Befugnissen zulässig. In keinem Fall dürfen mehr Befugnisse übertragen werden, als dem übertragenden Organ zustehen. Auch ist sicher zu stellen, dass die gerichtlichen Kontrollmechanismen des Vertrags nicht unterlaufen werden. Rein technische Ausführungsbefugnisse dürfen wohl in beiden Fallgruppen zugewiesen werden. 357 358 359

Görisch (Fn. 348), S. 376. Görisch (Fn. 348), S. 378 f. Görisch (Fn. 348), S. 396.

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III. Finanzmärkte

Im Hinblick auf die Befugnisse, die der europäischen Ratingagentur eingeräumt werden müssten, ist nicht sicher, dass es sich um „hoheitliche Befugnisse“ im Sinne dieser Rechtsprechung handelt. Die Bewertungen haben aber auch nicht nur vorbereitenden Charakter für die Beschlüsse anderer Einrichtungen und Organe der Union. Sie sind Anknüpfungspunkt für Rechtsfolgen, beispielsweise für die Kapitaladäquanz von Kreditinstituten. Sicher soll der Agentur kein freies Ermessen eingeräumt werden, doch werden ihre Entscheidungen auch nicht auf der „Grundlage festumrissener Vorschriften“ erfolgen können. Es wird Beurteilungsspielräume geben müssen. Sie würden aber auch nicht „Willkürmaßnahmen“ erlauben. Das institutionelle Gleichgewicht innerhalb der EU wird durch eine europäische Ratingagentur nicht gestört. Dafür ist ihr Aufgabenbereich zu eng und spezialisiert. Insgesamt ergibt sich kein ganz eindeutiges Bild. Entscheidend dürfte aber sein, dass eine demokratische Rückanbindung oder Kontrolle der Entscheidungen der Agentur ausgeschlossen sein muss, soll sie ihre Aufgaben effektiv erfüllen können, auch gegenüber einflussreichen Mitgliedsländern der EU. Gerichtlicher Rechtsschutz muss nicht ausgeschlossen sein, vermag aber diese Defizite nicht zu kompensieren. Er müsste aber sachnotwendig begrenzt sein. Aus diesen Gründen bestehen Bedenken, ob eine unabhängige europäische Ratingagentur ohne Änderung des Primärrechts der EU errichtet werden dürfte. Allerdings ist bereits eine „Agency for the Cooperation of Energy Regulators – ACER“ mit weitgehender Unabhängigkeit errichtet worden.360 Sogar für die nationalen Aufsichtsbehörden im Elektrizitäts- und Gassektor verlangt die Richtlinie – rechtlich äußerst zweifelhaft – Unabhängigkeit.361 ee) Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip Soweit danach eine Zuständigkeit der EU besteht, ist bei ihrer Ausübung der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EUV (Art. 5 Abs. 2 EGV). Die praktische Bedeutung des Prinzips war bisher sehr gering, da Art. 5 Abs. 2 EGV kaum Wirkung entfaltet hatte.362 Allerdings ist das Subsidiaritätsprinzip nun in Art. 5 Abs. 1 und 3 EUV detaillierter geregelt worden und in dem Protokoll (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit vom 13. Dezember 2007 weiter ausgestaltet. Dieses Protokoll ist von den Organen der Union nach Art. 5 Abs. 3 UA 2 Satz 1 EUV anzuwenden. Der materielle Inhalt des Subsidiaritätsprinzips, so wie es jetzt in Art. 5 360 Verordnung (EG) 713/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009. 361 Art. 35 Abs. 4, 5 Richtlinie 2009/72/EG – Elektrizität; Art. 39 Abs. 4, 5 Richtlinie 2009/73/EG – Gas. 362 Näher, speziell bezogen auf unabhängige europäische Agenturen Vetter (Fn. 310), S. 725 ff.

5. Errichtung einer Europäischen Ratingagentur

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Abs. 3 UA 1 EUV ausgestaltet ist, stimmt im Wesentlichen mit der bisherigen Formulierung überein. Zusätzlich werden lediglich die verschiedenen Ebenen der Mitgliedstaaten (zentral, regional, lokal) ausdrücklich als alternative Möglichkeiten zur Erreichung der Ziele der von der EU in Betracht gezogenen Maßnahmen aufgeführt. Die geplante europäische Ratingagentur kann aber kaum wirksam werden, wenn sie auf einzelstaatlicher Ebene errichtet wird.363 Daher dürfte eine Einrichtung auf EU-Ebene nicht gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoßen. ff) Verhältnismäßigkeit Im Rahmen der nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EUV (Art. 5 Abs. 2 EGV) gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung ist ferner zu untersuchen, ob die Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung „ein geeignetes Mittel“ ist, um das „Auftreten von Unterschieden zu verhüten, die zu Hindernissen für das reibungslose Funktionieren in diesem Bereich führen könnten“.364 Die einer europäischen Ratingagentur zugewiesenen Aufgaben können aber weder mit hinreichender Erfolgsaussicht privatwirtschaftlich bewältigt werden,365 noch auf nationalstaatlicher Ebene366. Allerdings ist Voraussetzung, dass sie im Einzelnen zweckentsprechend ausgestaltet ist. Vor allem dürfte erforderlich sein, dass sie hinreichend gegen Einflüsse aus dem Bereich der Emittenten, aus dem Bereich der Finanzwirtschaft und aus dem Bereich der Politik abgesichert ist. Diese Absicherung muss sowohl auf rechtlicher wie auf tatsächlicher Ebene erfolgen, um effektiv zu sein. Allerdings zeichnet sich hier eine Gratwanderung zwischen Effektivität und Legalität ab. Je mehr den neuen Einrichtungen Hoheitsbefugnisse und eigene Entscheidungsspielräume eingeräumt werden desto zweifelhafter wird ihre rechtliche Basis. Allerdings pflegen Einrichtungen der EU ein Eigenleben zu entfalten, sobald sie errichtet sind und über hinreichende Ressourcen verfügen. Jedenfalls wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur anzunehmen sein, wenn die Maßnahme, also die Errichtung der europäischen Ratingagentur zur Erreichung des verfolgten Ziels „offensichtlich ungeeignet ist“.367 gg) Zwischenergebnis Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Art. 114 AEUV (Art. 95 EGV) als Grundlage für die Errichtung einer europäischen Ratingagentur dürften 363

Oben VI. 4. b). EuGH Urteil vom 2. Mai 2006, Rs. C-217/04, Rdn. 62, Slg. I (2006), 3771 (3810). 365 Oben VII. 3. a) cc). 366 Oben VI. 4. b). 367 Herrnfeld, in: Schwartze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Auflage, 2009, Art. 95 Rdn. 25, m.w. N. aus der Rspr. 364

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III. Finanzmärkte

erfüllt sein, doch bestehen Bedenken im Hinblick auf die „Meroni-Doktrin“, wenn sie mit der notwendigen Unabhängigkeit ausgestattet wird und über Beurteilungsspielräume verfügt, die mit jeder prognostischen Bewertung verbunden sein müssen. 5. Stiftungslösungen Es kommt sowohl die Gründung einer Stiftung des öffentlichen Rechts als auch des Privatrechts in Betracht. Öffentlich-rechtliche Lösungen können wohl nur durch oder auf Grund von Europarecht erfolgen, während Stiftungen des Privatrechts auch nach dem Recht eines Mitgliedslandes der EU geschaffen werden könnten. Als Vorbild kann die Stiftung Warentest dienen, die wegen erheblicher Marktversagensprobleme im Bereich der Warentests durch Bundesrecht geschaffen worden ist, aber privatrechtlich organisiert ist. Sie wird mittlerweile auch im Bereich der Finanzdienstleistungen tätig. a) Stiftungen des privaten Rechts Nach den Vorstellungen der Befürworter einer Stiftung des privaten Rechts, den Abgeordneten des Europäischen Parlaments, Dr. Chatzimarkakis und Dr. Klinz, haben folgende Punkte zentrale Bedeutung: 1. „Die Finanzkrise hat dazu geführt, dass sich die EU-Staaten stärker verschulden mussten als geplant. Eine korrekte Bewertung der Kreditwürdigkeit der Mitgliedstaaten gewinnt dadurch zusätzliches Gewicht. Es muss sichergestellt werden, dass die Bewertung so zuverlässig wie möglich erfolgt. Das Oligopol der privaten Rating-Agenturen muss deshalb durch eine EU-Bewertungsstiftung nach dem Muster der deutschen Stiftung Warentest ergänzt werden. 2. Da es kein europäisches Stiftungsrecht gibt, sollte die EU-Bewertungsstiftung unter dem Namen European Rating Foundation in Belgien als Institut von öffentlichem Nutzen organisiert sein. 3. Die Bewertungsstiftung muss unabhängig von der EZB und politischem Einfluss sein. Denkbar ist eine Startfinanzierung, die jeweils zu einem Drittel durch die Kommission, die Europäische Investitionsbank sowie durch die Finanzministerien der Eurozone getragen wird. Langfristig soll sich die Stiftung durch die Vermarktung von Bewertungen selbst finanzieren. 4. Diese Vermarktung darf keine Abhängigkeiten schaffen. Statt des zu bewertenden Unternehmens bezahlen Investoren für risikorelevante Informationen. 5. Die europäische Bewertungsstiftung muss so rasch wie möglich aufgebaut werden. Sie sollte sich auf die Bewertung der Bonität der Mitgliedstaaten der EU beschränken, mit einem besonderen Fokus auf die Länder, die gegen die Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes verstoßen.

5. Errichtung einer Europäischen Ratingagentur

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6. Künftig müssen Staatsanleihen europäischer Mitgliedstaaten obligatorisch zwei Bewertungen aufweisen, eines davon von der EU-Bewertungsstiftung. 7. Die Mitgliedstaaten müssen den Urteilen der Bewertungsstiftung zwingend folgen; die Stiftung darf keine Weisungen von der Kommission und den Mitgliedstaaten entgegennehmen. 8. Die Stiftung sollte durch ein Aufsichtsgremium überwacht werden, das aus Vertretern aller beteiligten Institutionen, aber auch aus Vertretern des Europäischen Parlaments besteht.“ 368 Diese Erwägungen lassen eine Reihe von Fragen offen. Vor allem ist unklar, wie sich eine so konstruierte Stiftung aus Zahlungen der Investoren finanzieren kann, da ihre Leistungen im Kern ein „öffentliches Gut“ sind. Es müsste also nicht nur die Organisationsform der Stiftung gewählt werden, sondern die Stiftung müsste, wie es die Bezeichnung andeutet, über ein hinreichendes Stiftungskapital verfügen. Es müsste so bemessen sein, dass seine Erträge ausreichen, um den laufenden Betrieb zu finanzieren. Wenn für die Ratings Entgelte verlangt würden, wäre der Vorteil der Stiftungslösung deutlich verringert und die Interessenkonflikte könnten wieder zum Vorschein kommen. Als weitere Erträge der Stiftung kommen allenfalls Nebeneinnahmen in Betracht, die nicht aus der eigentlichen Ratingtätigkeit fließen. Dass möglichst schnell eine Bewertung der Bonität der Mitgliedstaaten der EU mit einem besonderen Fokus auf die Länder, die gegen die Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes verstoßen, erfolgen soll, ist gut nachvollziehbar. Eine derart begrenzte Aufgabenstellung hat aber auch gravierende Nachteile.369 Die notwendige Unabhängigkeit der Einrichtung kann zwar in einer privatrechtlichen Organisationsform verwirklicht werden. Fraglich ist aber, ob damit das Problem der Verwendung der Bewertungen in Hoheitsakten gelöst werden kann. Es stellt sich aber im Wesentlichen nicht, wenn die Einrichtung den vorgeschlagenen sehr engen Auftrag hat. Fraglich ist auch, ob eine Rechtspflicht für die Einholung von Ratings für Staatsanleihen europarechtlich eingeführt werden kann. Sie müsste jedenfalls in das Gesamtkonzept des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspaktes eingebunden sein. Mit der Einführung einer Rechtspflicht zur Durchführung von Ratings würde in jedem Fall juristisches Neuland betreten. Auch ist zweifelhaft, ob damit nicht eine den Wettbewerb verzerrende Bevorzugung der neuen Einrichtung eingeführt würde. Es würde sich nicht mehr um einen neuen Teilnehmer in einem ungestörten Wettbewerb handeln.

368 369

Oben Fn. 10. Oben VII. 2.

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III. Finanzmärkte

In jedem Fall müssten Gründungsvoraussetzungen und Arbeitsweise eines „Instituts von öffentlichem Nutzen“ nach belgischem Recht näher untersucht werden. Sie wären zudem zu vergleichen mit den entsprechenden Regelungen in anderen EU-Mitgliedsländern, die möglicherweise besser für den verfolgten Zweck geeignet sind. Grundsätzlich erscheint dieser Weg aber gangbar. Ob die deutsche Stiftung Warentest als Modell geeignet ist, bedürfte näherer Überprüfung. Nach erstem Anschein erfüllt sie ihre Aufgabe im Bereich Warentest doch deutlich besser als im Bereich Finanztest, so verdienstvoll ihre Informationen im Einzelfall auch sein mögen. Hier wäre eine empirische Auswertung ihrer Urteile, die zum Teil in Finanzdingen zudem sehr vage sind, angezeigt. b) Stiftung des öffentlichen Rechts Bei dieser Organisationsform besteht in der Tat die Schwierigkeit, dass auf europäischer Ebene eine solche Rechtsform nicht ersichtlich ist und die Schaffung durch Hoheitsakt eines der Mitgliedsstaaten vielfältige politische und rechtliche Fragen aufwirft. Wenn diese gelöst werden können, stellt sie sich grundsätzlich als geeignete Organisationsform dar. Aber auch sie müsste mit einem erheblichen Kapitalstock ausgestattet werden, damit ihre Tätigkeit im Wesentlichen aus den laufenden Erträgen finanziert werden könnte. 6. Zwischenergebnis Eine reine privatwirtschaftlich arbeitende Neugründung dürfte kaum auf Dauer Überlebenschancen haben. Aus diesem Grunde sind öffentlich-rechtliche Ausgestaltungen vorzugswürdig. Für die an erster Stelle in Betracht kommende Übertragung der Aufgaben einer Ratingagentur auf eine bestehende Einrichtung kommt vor allem das Europäische System der Zentralbanken in Betracht. Das dürfte ohne Änderung des Primärrechts möglich sein, wenn Art. 127 Abs. 7 AEUV entsprechend weit ausgelegt wird. In Betracht kommt auch die Errichtung einer Gemeinschaftsagentur durch Sekundärrecht. Allerdings bestehen rechtliche Risiken, wenn die Einrichtung mit Unabhängigkeit ausgestattet wird und ihre Tätigkeit Beurteilungsspielräume ausfüllt. Falls ihren Bewertungen aber der Entscheidungscharakter abgesprochen wird, dürften keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Stiftungslösungen sind denkbar, setzen aber einen erheblichen Finanzaufwand voraus, um das notwendige Stiftungskapital zu bilden. Wenn die Stiftung ihre Tätigkeit im Wesentlichen aus ihren Erträgen finanzieren kann, kann sie tatsächlich die angestrebte Unabhängigkeit von den Emittenten erreichen. Es mag gute Gründe geben, eine Rechtspflicht zur Verwendung von Ratings dieser Einrichtung einzuführen. Allerdings liegt dann keine rein marktwirtschaftliche Lösung mehr vor.

5. Errichtung einer Europäischen Ratingagentur

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VIII. Zusammenfassung und Ergebnisse Trotz der bereits ergriffenen Reformmaßnahmen sind gravierende Schwächen im Ratingwesen auf den Finanzmärkten bestehen geblieben. Namentlich die Verwendung der Ratings im Tatbestand von Rechtsnormen und beim Erlass von Hoheitsakten ist ein noch nicht einmal im Ansatz gelöstes Problem. Hinzu kommen die Besonderheiten des Marktes, auf dem die Ratingagenturen tätig sind. Ob mehr Wettbewerb diese Probleme lösen kann, ist fraglich. Möglicherweise liegt zumindest in Teilbereichen ein natürliches Monopol vor. Auch kann mehr Wettbewerb zu einer Verschlechterung der Qualität der Ratings führen. Interessenkonflikte durch die gegenwärtige Art der Bezahlung der Ratingagenturen müssten noch durch eine Änderung der Bezahlsysteme beseitigt werden. Diese können aber nicht losgelöst von den Organisationsformen betrachtet werden. Ungelöst sind auch noch die Probleme des „blinden“ Vertrauens in Ratings („overreliance“) und der Ratings von Staaten und Staatsschulden („sovereign debt“). Entsprechendes gilt für die Haftung der Ratingagenturen gegenüber Nutzern und der Schutz der Verbraucher im Bereich der Finanzinstrumente. In diesen Bereichen könnte die Schaffung einer Europäischen Ratingagentur zumindest teilweise Abhilfe schaffen. Eine europäische Ratingagentur ist aber nicht zu vernachlässigenden Gefährdungen im Hinblick auf ihre Unabhängigkeit und Neutralität ausgesetzt. Vorzugswürdig wäre daher zunächst, eine Abhilfe durch gezielte Einzelmaßnahmen zu schaffen: – Die Bezugnahme auf Ratings in Hoheitsakten, vor allem auch Rechtsnormen, wird ausgemerzt. – Der Staat schafft den Rechtsrahmen für standardisierte Finanzinstrumente, deren Risiko aus der gesetzlichen Regelung abgeleitet werden kann. – Für andere Finanzinstrumente müssen Finanzinstitute einen sehr hohen Anteil von Eigenkapital vorhalten. – Das Haftungsrecht für das Leitungspersonal von Finanzinstituten und für die Ratingagenturen wird angepasst, um wirksame Sanktionen mit entsprechender Anreizwirkung für Fehlleistungen der Beteiligten zu schaffen. – Staatsschulden in einem weit verstandenen Sinne dürfen nicht mehr unterschiedslos im Aufsichtsrecht als (fast) risikolos bewertet werden. Falls diese Maßnahmen nicht realisierbar sind, bleibt die Schaffung einer europaweiten Einrichtung eine Option. Nationale Einrichtungen dürften kaum die notwendige Akzeptanz und Standfestigkeit erreichen. Wenn eine europäische Ratingeinrichtung geschaffen werden soll, sprechen Sachkompetenz und garantierte Unabhängigkeit für eine Übertragung dieser Aufgabe auf das ESZB. Auch die Gefahren für die Systemstabilität, die von Ratings hervorgerufen werden können, sprechen für eine derartige Lösung. Es kommt

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III. Finanzmärkte

aber auch die Gründung einer neuen Gemeinschaftsagentur in Betracht. Sie stößt aber auf juristische Bedenken, wenn sie die notwendige Unabhängigkeit und Bewertungsspielräume erhalten soll. Stiftungslösungen sind grundsätzlich möglich, bedürften aber noch weiterer Detailanalysen.

6. Staatsversagen und Marktversagen im Bereich der Finanzmärkte* I. Einleitung Eingriffe des Staates in das Wirtschaftsgeschehen haben in den letzten Jahrzehnten einen schlechten Ruf gehabt. Sie wurden überwiegend als Störung marktwirtschaftlicher Prozesse angesehen, die im Grundsatz von sich aus zu optimalen Ergebnissen führen würden. Allenfalls die Wahrung der Wettbewerbsordnung und die Sicherung sozialer Ausgewogenheit konnten lange Zeit als Rechtfertigungsgründe für Eingriffe dienen. Später fanden dann auch Interventionen zugunsten des Umwelt- oder Tierschutzes breite Zustimmung. Soweit der Staat selbst Güter und Dienstleistungen anbot, standen diese Aktivitäten unter dem Generalverdacht der Vetternwirtschaft oder allgemeiner Ineffizienz. Privatisierung und Deregulierung waren die beherrschenden Schlagworte. Speziell bezogen auf die Finanzmärkte kam noch hinzu, dass es nahezu allgemeiner Konsens in Politik und Wirtschaftswissenschaften war, dass der Finanzplatz Deutschland gestärkt werden müsse. Die Finanzwirtschaft sei die „Industrie“, welche in Deutschland im Vergleich etwa zu Großbritannien oder auch Spanien völlig unterentwickelt sei: Bei ihr und nicht beim produzierenden Gewerbe liege die Zukunft „reifer“ Volkswirtschaften. Sie schaffe echte Werte. Das vor allem von den betroffenen Akteuren als lästig und vorgestrig empfundene Korsett gesetzlicher Vorschriften müsse dringend modernisiert, sprich aufgeweicht werden, wenn Deutschland als Finanzplatz eine Zukunft haben solle. Selbstverständlich sei damit auch dem Rest der verbliebenen produzierenden Industrie am besten gedient. II. Grundlagen Sicher ist eine kritische Durchleuchtung bürokratischer Abläufe und vor allem des Wusts an immer neuen gesetzlichen Regelungen dringend geboten. Auch kann durchaus bezweifelt werden, ob der Staat tatsächlich Fluglinien oder Stahlwerke betreiben muss. Die Vergeudung nennenswerter Teile der Steuereinnahmen für den Steinkohlebergbau ist mindestens ebenso fragwürdig wie die Produktion von Automobilen durch ein Staatsunternehmen. Was aber Staatsinterventionen * Vortrag gehalten am 16.9.2011 auf dem dritten internationalen Thyssen-Symposium „Wirtschaftlicher Wettbewerb versus Staatsintervention“ in Taipei, Taiwan.

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III. Finanzmärkte

insgesamt anbetrifft, ist jedes Pauschalurteil fehl am Platze. Es bedarf in jedem Fall sehr genauer und differenzierter Analyse im Einzelnen, ob und in welchem Ausmaß staatliche Aktivitäten im Bereich der Wirtschaft angezeigt sind. Eine der schwierigsten Fragen überhaupt, ist die Frage nach dem rechten Maß staatlicher Intervention, wenn vollständige staatliche Abstinenz nicht angebracht ist. Vor allem ist ungewiss, ob der Staat mit eigenem Personal eine bestimmte Leistung zu erstellen hat oder ob er sie vollständig einkaufen kann. Dies kann sich auch auf einzelne Vorleistungen beziehen. Ebenso komplex ist die Frage nach dem Ausmaß der Einflussnahme der Politik auf öffentliche Unternehmen, wenn diese als verselbständigte Einheiten der Leistungserstellung geschaffen worden sind. Wann Marktversagen vorliegt, steht nicht mit letzter Sicherheit fest. Aus neoklassischer Sicht ist es regelmäßig dann gegeben, wenn – die Marktteilnehmer asymmetrische Informationen haben, – einer der Marktteilnehmer Marktmacht hat, – externe Effekte bei Transaktionen auftreten, – öffentlicher Güter bereitgestellt werden. Marktmacht hat vor allem, aber nicht nur, der Monopolist oder der Monopsonist. Behauptetes Marktversagen kann aber durchaus auch bloßer Vorwand für staatliche Eingriffe sein. Sowohl die staatliche Bürokratie als auch wohl organisierte Sonderinteressen können ein Interesse an staatlichen Interventionen haben. Das mag zu einer nicht gerechtfertigten Präferenz für Staatseingriffe führen. Dieses Argument kann aber auch in sein Gegenteil verkehrt werden, da sowohl die Bürokratie als auch Sonderinteressen davon profitieren können, dass der Staat nicht einschreitet oder sich zurücknimmt („Deregulierung“). Die ökonomischen Modelle, die ein Vorurteil zugunsten von Interventionen zeigen, gehen zum Teil von einseitigen Annahmen aus. Auch wenn eine Kausalität zwischen Marktversagen und Staatseingriffen kaum je festzustellen ist, kann Marktversagen Eingriffe rechtfertigen. Dabei ist jedoch immer zu beachten, dass die durch staatliche Eingriffe verursachten Kosten möglicherweise höher sind als die Kosten des Marktversagens, wenn dagegen nicht vorgegangen wird. Das ist juristisch gesprochen eine Frage der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Im aufsichtsrechtlichen Kontext sind in jedem Fall die Größe des Schadens, der eintritt, wenn sich eine Gefahr verwirklicht, und die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts zu berücksichtigen. Speziell bezogen auf die Finanzmärkte ist ein Eingriff immer dann gerechtfertigt oder gar geboten, wenn der Bestand des Staates oder einer supranationalen Einrichtung, auf die ein Teil der Hoheitsrechte übertragen worden ist, bedroht ist. Das gleiche gilt für eine Bedrohung der Funktionsfähigkeit der sogenannten realen Wirtschaft, also des Teils der Wirtschaft, die reale Güter herstellt.

6. Staatsversagen und Marktversagen im Bereich der Finanzmärkte

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Jedenfalls ist festzuhalten, dass eine differenzierende Betrachtung der staatlichen Maßnahmen angezeigt ist. Sie sind jedoch unterschiedlich zu beurteilen, je nachdem, ob es sich um: – das Setzen von Rahmenbedingungen, – einen Eingriff in wirtschaftliche Abläufe, – die Teilnahme am Wirtschaftsgeschehen, – die Verlagerung staatlicher Aufgaben und Aktivitäten auf Privatrechtssubjekte handelt. Ein Generalverdacht ökonomischer Ineffizienz der öffentlichen Wirtschaft ist nicht angezeigt. III. Einzelbeispiele Anhand folgender Einzelbeispiele sollen diese Überlegungen konkretisiert werden: – Staatsverschuldung (1.) – Öffentliche Banken (2.) – Finanzprodukte (3.) – Pfandbriefe und Hypothekenbanken (4.) – Bundesschuldenverwaltung (5.) – Einlagensicherung (6.) – Ratingagenturen (7.) 1. Staatsverschuldung Eines der zurzeit brennendsten Probleme ist die nicht mehr tragbare Staatsverschuldung in einer Reihe von Mitgliedstaaten der EU, die den Euro eingeführt haben; aber auch in den USA und ihren Gliedstaaten. Die unverantwortliche Kreditfinanzierung öffentlicher Haushalte ist zunächst ein typisches Politikversagen, auch wenn sie von (neo-)keynesianischen Wissenschaftlern und Politikern wieder gefordert wird, um angeblichen Wachstumsschwächen entgegen zu treten. Auf ihre Gründe kann hier nicht näher eingegangen werden. Diese Verschuldungspolitik steht zudem nicht selten in Widerspruch zu nationalen oder supranationalen Rechtsregeln. Zum Teil handelt es sich sogar um offene Rechtsbrüche. Besonders bedenklich ist, dass die Entscheidungen der zuständigen Verfassungsgerichte kaum noch Beachtung gefunden haben – jedenfalls in Deutschland. Der Umgang mit der Rechtsordnung, die Arroganz mit der zwingende Vorschriften beiseitegeschoben werden, und nicht ein möglicher Ausfall von Forderungen gegen Griechenland ist die eigentliche Gefahr, die von der Krise ausgeht.

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III. Finanzmärkte

Zum Staatsversagen tritt jedoch Marktversagen hinzu. Mit einer unverantwortlichen Kreditaufnahme geht immer auch eine unverantwortliche Kreditvergabe einher. Wirksam kann eigentlich nur bei der Gewährung von Krediten für Abhilfe gesorgt werden. Sowohl die Investoren auf den Kapitalmärkten als auch die verantwortlichen Entscheidungsträger in den Banken haben die gebotene Sorgfalt bei der Kreditgewährung verletzt. Dabei ist von untergeordneter Bedeutung, ob dies aus Gier, Unkenntnis oder Sorglosigkeit geschah. Es ist aber auch möglich, dass die Verantwortlichen die Gefahren richtig erkannt haben, dann aber darauf vertraut haben, dass die EU und ihre Mitglieder schon dafür sorgen würden, dass es nicht zu einem Zahlungsausfall kommen wird. Das hat dazu geführt, dass sich die Zinssätze für langfristige Schulden von Staaten der südlichen Peripherie der EU kaum von den Sätzen für Bundesanleihen unterschieden haben. Makroökonomisch gab es dafür keinerlei Rechtfertigung. Eine solche Wette auf rechtlich fragwürdiges Verhalten ist bisher aufgegangen und hat den Banken und anderen Investoren reiche Gewinne beschert. Das ist nunmehr in Frage gestellt und hat zu der viel beschworenen „Nervosität“ der Märkte und ihren irrationalen Überreaktion geführt. Allerdings trägt neben Ratingagenturen, die auch insoweit versagt haben, der Gesetzgeber ein gerütteltes Maß an Mitverantwortung. Er hat das Risiko staatlicher Kredite im Aufsichtsrecht grob fehlerhaft bewertet; zum Teil unter erheblichem Einfluss der interessierten Finanzmarktakteure. Das betrifft sowohl das Pfandbriefrecht als auch das Versicherungsaufsichtsrecht. Besonders gravierend ist aber die Fehlbewertung von Forderungen gegen Staaten und ihnen nachgeordneter Hoheitsträger in den Vorschriften über die Eigenkapitalausstattung von Banken, meist ungenau als Basel II bezeichnet. In den maßgebenden Vorschriften des Kreditwesengesetzes und der dazu ergangenen Ausführungsverordnung, der Solvabilitätsverordnung, ist das Risikogewicht dieser Forderungen für den Euro-Raum im Standardansatz mit Null angesetzt. Entsprechendes gilt mittelbar für den auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRBA). Es war der Gesetzgeber, der für Zwecke des Bankenaufsichtsrechts das Risiko einer ökonomisch hoch soliden Anleihe des Großherzogtums Luxemburg gleich bewertet hat, wie eine griechische oder portugiesische Staatsanleihe, obwohl die makroökonomischen Daten diese Einschätzung schon damals nicht gerechtfertigt haben. Der historische Gesetzgeber ist sehr viel klüger gewesen. 2. Öffentliche Banken Ein erheblicher Teil des gesamten Marktes in Deutschland wird von öffentlichen Banken abgedeckt. Das sind Banken, die vom Bund, den Ländern oder Kommunalkörperschaften getragen werden oder ihnen gehören. Diese Banken waren ursprünglich alle öffentlich-rechtlich organisiert. Das trifft indes nicht mehr zu, da eine Reihe dieser Banken seit einigen Jahren Privatrechtssubjekte sind, wie die Westdeutsche Landesbank (WestLB) oder die HSH Nordbank. Den-

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noch wird jetzt in der öffentlichen Diskussion häufig von „öffentlich-rechtlichen“ Banken gesprochen. a) Sparkassen und Landesbanken als Einrichtungen der Daseinsvorsorge Die bankwirtschaftliche Betätigung des Staates geht bis in das 16. Jahrhundert zurück. Besonderes Gewicht hat sie in Preußen seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts erlangt. Mit ihr sollte die Stabilität der Währung, der Zugang des Staates zum Kapitalmarkt, aber auch die Versorgung der Bevölkerung mit Bankdienstleistungen gesichert werden, die von den privaten Banken nicht oder nicht zu annehmbaren Konditionen für die kleineren und mittleren Endkunden angeboten wurden. Es ging letztlich auch um die Bereitstellung eines öffentlichen Gutes im Rahmen der Daseinsvorsorge, also der Milderung von Marktversagen. Konkret sollte der Bevölkerung eine sichere Anlagemöglichkeit für ihre Ersparnisse und die Abwicklung des Zahlungsverkehrs geboten werden. Die (Spar-) Einlagen konnten der lokalen Wirtschaft und (begrenzt) den Kommunen als Kredite ausgereicht werden. Der bis heute bestehende Passivüberhang in den Bilanzen der Sparkassen war bei den Girozentralen anzulegen, deren Solvenz vom Staat gesichert war. Dieses System war insgesamt wasserdicht und hat über lange Zeiträume sehr gut funktioniert. Die damit verbundenen Gefahren – auch für den Staatshaushalt – waren schon im Jahre 1838, dem Jahr des ersten preußischen Sparkassenreglements, gesehen worden. Zu ihrer Bekämpfung dienten im Wesentlichen folgende Vorkehrungen auf der Ebene der Girozentralen: – eng begrenzter Katalog zulässiger Geschäfte, – regionale Begrenzung des Geschäftsgebiets, – strikte Aufsicht bis hin zur Genehmigungspflicht einzelner als möglicherweise riskant angesehener Geschäfte. Die Sparkassennotverordnung des Reichspräsidenten von 1931, welche die rechtliche Verselbständigung der Sparkassen einführte, die bis dahin unselbständige Teile der Kommunalverwaltung waren, verschärfte diese Sicherungen als Lehre aus der damaligen Krise noch. So mussten bis zu 50 % Spareinlagen zur Sicherheit bei der Reichsbank deponiert werden. Ist das nun ein Eingriff in das Marktgeschehen oder nicht? Von diesen Sicherungen ist bis Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts fast nichts mehr übrig geblieben. Vor allem die Beseitigung von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung vor wenigen Jahren hat zu einer Verschlechterung der Stellung der Endkunden geführt, die sie im Grunde genommen nicht tragen können. Die staatliche Garantie ist aus guten Gründen im 19. Jahrhundert eingeführt worden und hätte auch vor dem Europarecht Bestand gehabt, wenn sich die öffentlichen Banken nicht als Vollsortimenter und „global player“ geriert hätten, die zunehmend in Konkurrenz zu den Geschäftsbanken traten. Das war aber von

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III. Finanzmärkte

den staatlichen Trägern durchaus erwünscht und nicht nur von dem Management, das seine Gehälter damit noch einmal außerordentlich steigern konnte. Die aus den Girozentralen hervorgegangenen Landesbanken haben zeitweise den Haushalten ihrer Träger erhebliche Gewinne beschert, die aber nicht selten auf riskanten, nicht richtig gepreisten Geschäften beruhten, die nunmehr in großem Umfang notleidend geworden sind und ohne staatliche Hilfen zum Untergang der Mehrzahl dieser Institute geführt hätte. Hier lag eindeutiges Marktversagen vor. Staatsversagen ist insoweit zu konstatieren, als Aufsicht und Kontrolle über diese Institute zunehmend defizitär geworden war. Die gesetzlichen Vorgaben für die regional und sachlich zulässigen Geschäfte sind sukzessive aufgeweicht worden und nicht einmal die stark verwässerten Grenzen für die Aktivitäten dieser Banken sind administrativ durchgesetzt worden. Die gebotene Kontrolle durch Rechnungshöfe wurde meist völlig ausgeschlossen, selbst wenn diese Banken im Ergebnis das größte Risiko überhaupt für die Landeshaushalte darstellten. Auch die Einhaltung von Verfahrensregeln ist im Verhältnis zu den Trägergemeinwesen missachtet worden, wie sowohl der Sächsische Verfassungsgerichtshof als auch der Sächsische Rechnungshof eindrücklich für die Sächsische Landesbank dokumentiert haben. b) Bankdienste der Post Die Post hat ebenfalls einfache Bankdienstleistungen für alle Bevölkerungskreise flächendeckend, zuverlässig und absolut sicher angeboten. Sie konnten auch vor der Zeit des Internets bequem von zu Hause oder in jeder Poststelle auf dem Land und in jedem Postamt in Anspruch genommen werden. Ein finanzielles Risiko für das Sondervermögen Deutsche Bundespost und die Bundesrepublik Deutschland war damit nicht verbunden, da keine Kredite gewährt werden durften und sich die Verwaltung daran gehalten hat. Davon ist wenig übrig geblieben. Nach der Formprivatisierung in Form der Postbank AG hat das Management in kürzester Zeit durch riskante Geschäfte einen Konsolidierungsbedarf in Milliardenhöhe erzeugt. Um diese auszugleichen sind drastische Maßnahmen der Kostenreduktion („cost slashing“) ergriffen worden, die noch andauern. Der beschleunigte Rückzug aus der Fläche ist dramatisch, selbst in den Großstädten, und führt zu einer drastischen Verschlechterung der Qualität der Dienstleistung, überwiegend zu Lasten der Bevölkerungsteile, die besonders dringend darauf angewiesen sind. Von einer Leistung der Daseinsvorsorge kann mittlerweile keine Rede mehr sein, obwohl die privaten Geschäftsbanken diese Leistungen nicht in gleicher Qualität und mit gleicher Sicherheit anbieten. Allenfalls private Genossenschaftsbanken können Ersatz bieten, aber auch nur begrenzt. Die rechtliche Stellung der Nutzer hat sich schon durch die Formprivatisierung massiv verschlechtert. Sie müssen nunmehr ein Adressrisiko tragen, das diese Kreise am wenigsten tragen können. Zudem sind sie niemals hinreichend über

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die Verschlechterung ihrer Rechtsstellung aufgeklärt worden. Hinzu kommt, dass sich die einzelne Geschäftsbeziehung nun nicht mehr nach einem staatlichen Gesetz richtet, das nur wenige Seiten umfasste und einigermaßen ausgewogen war. An ihrer Stelle sind hundertseitige allgemeine Geschäftsbedingungen getreten, bei denen jeder Satz einzig das Ziel hat, die Position des Kunden zu verschlechtern, ohne offen in Konflikt mit der verbraucherschützenden Rechtsprechung der Gerichte zu geraten. c) Bankdienstleistungen als Daseinsvorsorge Es liegt also ein Staatsversagen im Sinne eines Untermaßes vor. Der Staat hat die Tätigkeit seiner eigenen Einrichtungen nicht hinreichend beschränkt und die bestehenden Regeln nicht durchgesetzt. Ein Angebot an Bankdienstleistungen mit der Sicherheit, wie sie noch vor wenigen Jahren bestanden hat, ist praktisch nicht mehr existent. Mit der Privatisierung von Postbank und einigen Landesbanken sowie der Beseitigung von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung bei den kommunalen Sparkassen gibt es jetzt selbst für Großunternehmen keinen Zugang mehr zu einem Zahlungsverkehr, der gleich sicher ist, wie vor fünfzehn Jahren. Erst einzelne Unternehmen haben das verstanden, wie der drittgrößte deutsche Versicherungskonzern Talanx, der die Deutsche Bundesbank auf Einrichtung eines Girokontos verklagt hat (VG Frankfurt Urteil vom 11.2.2010 – Az. 1 K 2319/ 09.F); allerdings erfolglos. Hinzu kommt, dass durch den Rückzug aus der Fläche und die Privatisierung staatlicher Institute bereits eine deutliche Verringerung der Wettbewerbsintensität zu Lasten der Endkunden zu beobachten ist. Teilweise sind schon lokale Monopole entstanden. 3. „Finanzprodukte“ Das zu Beginn dieses Jahres in Kraft getretene Recht des neuen Europäischen Systems der Finanzaufsicht (ESFS) räumt den Aufsichtsbehörden das Recht ein, unter eng begrenzten Voraussetzungen einzelne Finanzgeschäfte zu untersagen. Auch die BaFin kann nach Wertpapierhandelsrecht einzelne Geschäfte verbieten. Das hat sie für ungedeckte Leerverkäufe auch schon getan. Eine allgemeine Kontrolle von „Finanzprodukten“ ist danach aber kaum möglich. Bis 1990 war die Ausgabe von Inhaberschuldverschreibungen nach § 795 BGB und von Inhaberwechseln nach § 808 a BGB dagegen nur nach vorheriger Genehmigung durch die zuständigen Behörden zulässig. Diese Regelungen dienten nicht nur der Sicherung des Notenausgabemonopol der Notenbanken, sondern auch der Wahrung der Stabilität der Finanzmärkte und vor allem auch dem Schutz der Abnehmer vor dubioser Finanzproduktion. Diese Regelungen hätten einen großen Teil der innovativen, später toxischen „Finanzprodukte“, die in den letzten Jahren kreiert worden sind und fast zum Zusammenbruch des gesamten

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Weltfinanzsystems geführt hätten, erfasst. Allerdings waren die Vorschriften in den letzten Jahren ihrer Geltung immer weniger effektiv und wurden vielfach unterlaufen und umgangen, ohne dass die Behörden eingeschritten sind. Sie wurden als nicht mehr zeitgemäß im Rahmen der Finanzmarktmodernisierung aufgehoben („Stärkung des Finanzplatzes Deutschland“). Die Änderung beruhte auch auf der fatalen Fehleinschätzung, dass die sich auch in Deutschland immer weiter ausbreitenden angelsächsischen Ratingagenturen für eine Qualitätssicherung sorgen würden. Die Regelungen gingen zurück auf das Preußische Gesetz über Inhaberschuldverschreibung von 1833 (Gesetz, wegen Ausstellung von Papieren, welche eine Zahlungsverpflichtung an jeden Inhaber enthalten, vom 17. Juni 1833, Gesetzessammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1833, S. 75). Schon dieses Gesetz enthielt ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Wechsel fielen allerdings nicht darunter. Die Erlaubnis wurde regelmäßig Staatsbanken oder staatsnahen Kreditinstituten erteilt. Die Sparkassenbücher, die von kommunalen Sparkassen ausgegeben wurden, waren schon kraft Gesetzes nach dem Sparkassenreglement von 1838 ausgenommen. Zu dieser Kontrolle traten weitere institutionelle Kontrollmechanismen, die wirksam eine Schädigung der Endkunden durch innovative „Finanzprodukte“ ausschlossen. Der Rückzug des Staates aus der Qualitätskontrolle hat wohl erst die gegenwärtige Krise möglich gemacht. Der angeblich wirksame Wettbewerb zwischen den Kreditinstituten auf den Finanzmärkten, aber auch zwischen den Ratingagenturen und ihre angebliche Sorge vor Reputationsverlusten, haben die katastrophale Entwicklung während der letzten Jahre nicht verhindert. Im Gegenteil hat er zu immer fragwürdigeren Kreationen geführt, die keinen gesellschaftlichen oder finanzwirtschaftlichen Nutzen haben, außer den Gewinn der ausgebenden Kreditinstitute und das Einkommen ihrer Bediensteten zu erhöhen. Auch insoweit ist ein substantielles Marktversagen zu konstatieren. 4. Hypothekenbanken und Pfandbriefe Der Pfandbrief war ein Wertpapier, das als besonders sichere Anlageform geschaffen worden war. Diese Sicherheit wurde durch eine besondere Ausgestaltung der Institute, die sie emittieren durften, und der Anforderungen an die Pfänder, die zu seiner Absicherung verwendet werden durften, erreicht. Nachrangig gesicherte Kredite oder zweitklassige Pfänder („subprime“) waren nicht „pfandbrieffähig“. Mit der Schaffung eines solchen Wertpapiers sollte aber nicht nur eine außerordentlich sichere Anlagemöglichkeit für das Publikum geschaffen werden, sondern auch eine günstige Refinanzierungsmöglichkeit für ausgesuchte Ausleihungen: Staats- und Kommunalkredite (öffentliche Pfandbriefe) und erstklassige Immobiliarkredite (Immobilienpfandbriefe). Später kamen noch Schiffspfandbriefe und vor kurzem auch Flugzeugpfandbriefe hinzu.

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Juristisch ist ein Pfandbrief eine Inhaberschuldverschreibung, die durch ein Treuhandvermögen abgesichert ist. Falls es zu einer Insolvenz des emittierenden Instituts kommen sollte, besteht ein Absonderungsrecht für dieses Vermögen. Es kann in diesem Fall zur Bedienung der Anleihe eingesetzt werden. In dieses Sicherungsvermögen (untechnisch „Deckungsstock“ genannt) durften ursprünglich nur ganz ausgesuchte Forderungen eingestellt werden. Bei Immobiliarpfandbriefen musste die Forderung mit Grundpfandrechten bis maximal 60 % des Wertes der Immobilie – abzüglich weiterer Sicherheitsabschläge – abgesichert sein. Die verpfändeten Immobilien mussten im Sitzland des Emittenten gelegen sein. Ihr Wert war von neutralen Gutachtern zu ermitteln. Über die Einhaltung dieser Regeln wachte ein Treuhänder. Die emittierenden Institute waren entweder als juristische Personen des öffentlichen Rechts mit staatlichen Garantien versehen und damit im Ergebnis immer zahlungsfähig oder bedurften einer besonderen Erlaubnis, wenn sie als juristische Personen des privaten Rechts organisiert waren. Sie mussten strikt von sonstigen Kreditinstituten getrennt sein und durften nur einen eng begrenzten Kanon von risikolosen Geschäften betreiben. Lange vor dem Glass-Steagall-Act war insoweit das Trennbankensystem in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben worden. Nach langen Streitigkeiten ist es zumindest rudimentär als „Volcker-rule“ im Dodd-Frank-Act der USA wieder vorgeschrieben. Eine noch deutlichere Ausgliederung des Investmentbanking wird von der Independent Commission on Banking (ICB – Vickers Commission) in Großbritannien erwogen. Die „Mündelsicherheit“ des Pfandbriefs war ein besonderes Qualitätsmerkmal. Er war nicht zu vergleichen mit angelsächsischen „covered bonds“, selbst dann, wenn diese von Ratingagenturen mit Spitzennoten versehen waren. Deshalb ist ein deutscher Pfandbrief bisher noch nie ausgefallen. Allerdings hätte diese Gefahr bei einer Insolvenz der Hypo Real Estate (HRE), einem der größten Wertpapieremittenten überhaupt, gedroht. Es bestehen Anzeichen, dass es nicht nur die in der Öffentlichkeit meist beschworene „Systemrelevanz“ des Instituts der Grund war, dass das es mit einem zweistelligen Milliardenbetrag aus Steuermitteln gerettet und schließlich ganz vom Bund übernommen werden musste, sondern die begründete Sorge, dass das Sicherungssystem des „mündelsicheren“ Pfandbriefs nicht mehr halten würde. Diese Gefahr, die mehrere hundert Milliarden Euro an ausstehenden Wertpapieren betroffen hätte, wurde aber der Öffentlichkeit verschwiegen. Auch insoweit liegen wieder einmal sowohl Staats- als auch Marktversagen vor. Beide gingen Hand in Hand. Die eigentliche Ursache für die faktische Insolvenz des Instituts mit ihren fatalen Folgen für die Steuerzahler waren Garantien für ein Tochterunternehmen, die Depfa, das erst kurz zuvor viel zu teuer übernommen worden war; zu einem Zeitpunkt, als schon klar zu ersehen war, dass ihr irischer Ableger, die Depfa plc, an seinem hochriskanten Engagement im ameri-

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kanischen Immobilienmarkt („subprime loans“) zugrunde gehen würden. Dabei ist es zweitrangig, ob Unfähigkeit, Gier oder plumpes Machtstreben („empire building“) Hauptgrund für diese Fehlentscheidung gewesen ist. Entscheidend in dem hier behandelten Zusammenhang sind zwei Hauptaspekte und eine Randerscheinung: die verfehlte Privatisierung einer ihre Zwecke gut erfüllenden öffentlichen Einrichtung und die Aufweichung eines über hundert Jahre sicher funktionierenden Rechtsinstituts, das von „innovativ“ denkenden Ökonomen und Branchenvertretern als lästiges Korsett empfunden wurde. Kaum noch überraschend ist der Nebenaspekt, dass eine Hauptrisikoquelle durch Aufsichtsarbitrage, also das Ausweichen in eine aufsichtsmäßig als angenehmer empfundene Jurisdiktion innerhalb der EU, geschaffen werden konnte. Wobei nach den in der Krise gewonnenen Erfahrungen aber durchaus zweifelhaft ist, ob die deutschen Aufsichtseinrichtungen tatsächlich die fatale Entwicklung verhindert hätten. Dafür gibt es keine Anzeichen. (1) Die Depfa war eine solide Anstalt des öffentlichen Rechts mit Anstaltslast und Gewährträgerhaftung gewesen, die ihre beiden öffentlichen Zwecke, Vergabe günstiger Kredite an Schuldner bester Bonität und die Ausgabe sicherer Wertpapiere zu ihrer Refinanzierung, über Jahrzehnte verlässlich erfüllt hatte. Das Management empfand dieses Geschäft aber als äußerst langweilig und sah große Expansionsmöglichkeiten und aufregende neue Geschäftsfelder nach einer Beseitigung des öffentlich-rechtlichen Korsetts. Auch konnte es gehaltsmäßig ebenso davon profitieren wie der Finanzminister durch die Privatisierungserlöse. Ein in die privatrechtliche Freiheit entlassenes Institut konnte jedenfalls durch das allgemeine Bankenaufsichtsrecht und den angeblich besonders intensiven Wettbewerb auf den Finanzmärkten von seiner fatalen Entwicklung nicht abgehalten werden. (2) Aber erst die weitgehende Aufweichung des Pfandbriefrechts hat die Katastrophe für die Steuerzahler erst wirklich herbeigeführt. In der parteiübergreifend gefeierten Reform (durch das Pfandbriefgesetz von 2004), das eine maßgebende Stärkung des Finanzplatzes Deutschland bringe, wurden einige entscheidende Sicherungen beseitigt: Das Spezialinstitutserfordernis wurde aufgegeben und gleichzeitig die strenge Begrenzung der zulässigen Geschäfte. Jetzt konnte endlich jedes Kreditinstitut Pfandbriefe ausgeben und das über Jahrzehnte aufgebaute Ansehen profitabel ausbeuten, ohne auf die Konsequenzen achten zu müssen. Auch wurden die Anforderungen an die Forderungen, die zu seiner Absicherung dienen konnten deutlich reduziert, angeblich, damit der Pfandbrief gegenüber „covered bonds“ wettbewerbsfähig bleiben konnte. Die Regeln zur Ermittlung der Werte der zu verpfändenden Immobilien wurden aufgeweicht und es durften auch Forderungen, die durch Grundpfandrechte an Grundstücken in den USA gesichert waren, zur Absicherung des deutschen Pfandbriefs verwendet werden. Diese Aufweichung war noch nicht einmal im Regierungsentwurf enthalten gewesen und wurde erst auf Wunsch des Bundesrates später eingefügt.

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Es kann davon ausgegangen werden, dass die außerordentlich kostspielige Rettung der HRE nicht erforderlich gewesen wäre, wenn noch die ursprünglichen Regeln gegolten hätten. Sinnvolle Geschäfte wären der deutschen Volkswirtschaft dadurch nicht entgangen. Einige Bankvorstände hätten allerdings größere Millionenbeträge nicht verdienen können. 5. Bundesschuldenverwaltung Ein weiteres Beispiel für Staatsversagen ist die Organisation der staatlichen Kreditaufnahme und der Verwaltung der staatlichen Schulden. Die Kreditaufnahme des Staates dient an erster Stelle der Finanzierung von Haushaltsdefiziten. Als Nebenzweck kann aber auch die Schaffung einer einfachen, transparenten und risikolosen Anlagemöglichkeit für das Publikum hinzukommen. Solange flächendeckend Bankdienstleistungen von Instituten angeboten worden sind, die aus Rechtsgründen immer zahlungsfähig waren, spielte dieser Nebenzweck keine entscheidende Rolle, obwohl noch kleine Unterschiede in der Risikowahrnehmung bestanden. Dies hat sich entscheidend gewandelt. Die Beschaffung von Krediten oder die Aufnahme von Darlehen zur Finanzierung von Haushaltsdefiziten kann effizient und kostengünstig durch den Schuldner erfolgen. Auch entspricht es einer international verbreiteten Praxis, dass der Staat Geld unmittelbar von seinen Bürgern ohne Einschaltung von Intermediären aufnimmt und verwaltet. Diese Aufgabe hat lange Zeit die Bundesschuldenverwaltung auch kostengünstig und sicher erfüllt. Bei der technischen Abwicklung wurde sie von der Deutschen Bundesbank unterstützt, die damals noch in der Fläche präsent war. Vor einigen Jahren ist dafür aber eine GmbH gegründet worden, die Bundesfinanzagentur. Es handelt sich um eine reine Formprivatisierung, die zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten geführt hat. Schon die Einrichtung von Tageskonten war nicht möglich, da sie nicht über eine Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften nach dem Kreditwesengesetz (KWG) verfügt. Stattdessen musste eine komplizierte Umgehungskonstruktion gewählt werden (EONIA-Anleihen). Vor wenigen Tagen hat die Finanzagentur damit begonnen, von Hunderttausenden von Bürgern, die bei ihr Konten unterhalten, Legitimationsprüfungen vorzunehmen, auch wenn sie schon seit Jahrzehnten dort bekannt sind. Zeit- und kostenaufwendig müssen beglaubigte Kopien von Personalausweisen beschafft und übersandt werden. All dies wäre nicht erforderlich, wenn die Umwandlung in eine GmbH unterblieben wäre. Wie so häufig bei solchen Formprivatisierungen ging es auch nicht wirklich um eine effizientere Aufgabenerfüllung, sondern um die Gehälter, die den Bediensteten gezahlt werden können und der Öffentlichkeit meist verborgen werden, während das Gehalt eines Beamten transparent ist. Der Geschäftsführer einer vom Staat getragenen GmbH verdient ein Vielfaches eines Ministerialbeamten mit gleichen Funktionen.

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6. Einlagensicherung In dem ursprünglichen System der Versorgung der Bevölkerung mit Bankdienstleistungen war bis vor kurzem ein Einlagensicherungssystem nicht erforderlich. Fast zwei Drittel des relevanten „Retail“-Marktes wurde von Kreditinstituten abgedeckt, deren Solvenz jederzeit vom Staat (einschließlich seiner Kommunalkörperschaften) abgesichert war. Aus Sicht des Endkunden war das optimal, da sowohl der Zahlungsverkehr als auch die Sparanlagen keinem Ausfallrisiko unterlagen. Damit dieses Risiko für den staatlichen Haushalt tragbar war, hatte der Staat ein eigenes Interesse daran, dass die öffentlich-rechtlichen Institute keine unverantwortlichen Risiken eingingen, sondern ihren öffentlichen Auftrag erfüllen. Das wurde zunächst durch zweckentsprechende gesetzliche Vorgaben, die vor allem auch die zulässigen Geschäftstätigkeiten einschränkten, aber auch durch eine strenge Anstaltsaufsicht gewährleistet. Dieses System ist aus verschiedenen Gründen aufgeweicht, unterlaufen oder vollständig beseitigt worden. Die danach erforderlich gewordene Absicherung durch ein Einlagensicherungssystem wurde von Deutschland auf EU-Ebene erbittert bekämpft. Die schließlich vorgesehene Absicherung von maximal 90 % bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 Euro kann nur als lächerlich bezeichnet werden. Die Öffentlichkeit wurde dabei auf zweifache Art und Weise in die Irre geführt: (1) Diese gesetzlich vorgeschriebene Absicherung wurde in der Öffentlichkeit so dargestellt, und weithin auch so verstanden, als handele es sich um eine vom Staat garantierte Sicherung. Das ist aber mitnichten der Fall. Selbst Hochschullehrer des Bankrechts zeigten in diesem Punkte eine erstaunliche Unkenntnis. (2) Es wurde eine sehr viel höhere Absicherung bei den privaten Banken vorgetäuscht als tatsächlich bestand. Diese Absicherung erfolge durch einen freiwilligen Sicherungsfonds. Zunächst einmal besteht kein Rechtsanspruch auf diese Leistungen, was immer wieder unterschlagen wird. Darüber hinaus ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dieser Einrichtung völlig unzureichend. Obwohl keine Zahlen veröffentlicht werden, gibt es klare Anzeichen, dass schon der Ausfall einer einzigen mittelgroßen Bank zur Zahlungsunfähigkeit dieser Sicherungseinrichtung geführt hätte. Auch das Institutssicherungssystem der Sparkassen und öffentlichen Banken hätte den Ausfall einer einzigen Landesbank nicht überstanden und konnte schon die Schwierigkeiten einer lokalen Sparkasse (Köln-Bonn) nicht ohne externe Hilfe bewältigen. Die zur Zeit beratene neue Einlagensicherungsrichtlinie der EU krankt weiterhin daran, dass sie vom Wettbewerbskommissariat stammt, obwohl mehr Wettbewerb nicht das Problem der Endkunden und der für eine Wirtschaft existenziellen Sicherheit des Zahlungsverkehrs löst. Staatsgarantien sind nicht vorgesehen und der geplante Fonds ist insuffizient. Im Ergebnis wird es dann wieder auf eine undifferenzierte und rechtlich äußerst fragwürdige Garantieerklärung der Regie-

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rung hinauslaufen, wenn tatsächlich Probleme auftauchen. Auch hier liegt ein Staatsversagen vor. Solche Garantieerklärungen stellen eine implizite staatliche Versicherung dar, für die keine angemessene Prämie bezahlt wird. Explizite Garantien, wie sie bis vor kurzem für öffentlich-rechtliche Institute bestanden haben, können sehr viel besser zielgerichtet eingesetzt werden und ihre Kosten können transparent gemacht werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die zugelassenen Tätigkeiten dieser Institute gesetzlich eng begrenzt sind und streng überwacht werden, nicht nur von der allgemeinen Aufsicht, sondern von ihren Trägern und den Rechnungsprüfungseinrichtungen. 7. Ratingagenturen Ratingagenturen sind im Prinzip sehr nützliche Einrichtungen. Es ist effizienter, wenn eine Stelle Informationen über Schuldner und Schuldinstrumente sammelt, auswertet und den Anlegern zur Verfügung stellt, als wenn das jeder Einzelne kostenträchtig selbst macht. Da die Ratings aber seit einiger Zeit im Wesentlichen von den Emittenten, also den (potentiellen) Schuldnern, bezahlt werden, die an guten Noten interessiert sind, liegen die Interessenkonflikte auf der Hand. Bis zum Enron-Skandal ging die ökonomische Theorie aber davon aus, dass der Wettbewerb und die Sorge vor dem Reputationsverlust diese Gefahr beseitigen würde. Das hat sich bei der Entstehung der gegenwärtigen Krise als groteske Fehleinschätzung erwiesen. Fast alle hochproblematischen Anleihen, die zur Existenzgefährdung oder Untergang von Finanzinstitutionen geführt haben, sind mit Spitzennoten bewertet worden. Entsprechendes gilt für Staatsanleihen, die von den Finanzmärkten gegenwärtig nur noch mit einem Bruchteil ihres Nennwertes bewertet werden und die Europäische Union, nicht die gemeinsame Währung, wie Politiker, Analysten und zahlreiche Ökonomen immer wieder fälschlich behaupten, in ihren Grundfesten erschüttern. Hauptgründe für dieses Marktversagen sind: – monopolistische Marktstrukturen, da es sich um information economies handelt, – problematische Finanzierung durch die Emittenten (issuer pays), – methodisches Versagen (Bewertungen ohne hinreichende Informationsgrundlagen), – Übertragung quasi-hoheitlicher Funktionen durch Bezugnahme auf ihre Bewertungen in zahlreichen Rechtsnormen und sonstigen Hoheitsakten. Die quasi-hoheitlichen sind zwar in den USA durch den Dodd-Frank-Act eliminiert worden, nicht aber in der EU, obwohl sie laufend neue Vorschriften zu den Ratingagenturen erlässt oder vorbereitet.

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IV. Synthese 1. Gefahren für die öffentliche Sicherheit Finanzmärkte und Finanzinstitute sind notwendig für das Funktionieren einer modernen arbeitsteiligen Wirtschaft, aber nur in einer rein dienenden Funktion. Sie bergen ein zerstörerisches Potential in sich, ein Potential, das die Finanzwirtschaft souveräner Staaten oder die Einrichtungen supranationaler Gemeinschaften in ihren Grundfesten erschüttern kann. Diese zerstörerische Gewalt hat sich in den vergangenen vier Jahren wieder eindrucksvoll gezeigt. Sicher war das nur möglich aufgrund gravierender Fehler, die von den Staatsleitungen in der Vergangenheit begangen worden sind, doch es bleiben die Finanzmärkte und die Finanzinstitute, die die entscheidenden Ursachen für Krisen setzen, auch wenn weitere Randbedingungen erfüllt sein müssen. Auf Dauer würde es aber das Ende freiheitlich-demokratischer Staats- und Gesellschaftsordnungen bedeuten, wenn „die“ Finanzmärkte die Regierungen und Parlamente großer Staaten vor sich her treiben können und diese sich zunehmend als weitgehend willenlose Nothelfer darstellen, die sich zunehmend bedenkenlos über zwingendes Recht hinwegsetzen. Hinzu kommt, was gerne vergessen wird, dass „die“ Finanzmärkte weit weniger neutral und anonym sind, als das regelmäßig in theoretischen Darstellungen vorausgesetzt wird. Nicht selten handelt es sich um einige wenige Entscheidungsträger, deren Kenntnisstand begrenzt ist und die menschliche Schwächen aufweisen. Teilweise verfolgen sie Partikularinteressen oder es handelt sich um vorprogrammierte Entscheidungen, die von Maschinen ausgeführt werden und im Effekt die Volatilitäten verschärfen und die Instabilitäten des Systems vergrößern. Eigenständige Konzepte zur grundlegenden Lösung der Probleme sind kaum zu erkennen oder bewegen sich im Bereich des klaren Rechtsbruchs. An erster Stelle müsste eine tiefschürfende und neutrale Analyse des Versagens der Aufsichtseinrichtungen und des Regelwerks stehen, denn weder die Behörden noch die hunderte Druckseiten starken Gesetzeswerke haben das erreicht, wozu sie mit viel Vorschusslorbeeren geschaffen worden sind: Eine Krise wie wir sie nun seit vier Jahren erleben und die immer groteskere Ausmaße annimmt, zu verhindern. Selbst diese Analyse ist in Deutschland – im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten und Großbritannien – nicht in Sicht. Weder gibt es etwas Vergleichbares wie den Turner Review, den Interim Report der Vickers Commission oder den Bericht an den Kongress über die Ursachen der Krise. Insgesamt stellen Finanzmärkte und Finanzinstitutionen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Eine solche Gefahr ist mit polizei- und ordnungsrechtlichen Maßnahmen zu bekämpfen. Auf ein Verschulden der Akteure kommt es dabei nicht an. Es genügt, dass sie die Gefahren durch ihr Verhalten unmittelbar verursacht haben. Sie sind dann Störer im ordnungsrechtlichen Sinne. Abstrakte

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Gefahren sind mit zweckentsprechenden gesetzlichen Vorschriften zu bekämpfen. Entscheidend muss auch hier die Effektivität der Gefahrenabwehr sein. 2. Defizitärer Verbraucherschutz in Finanzangelegenheiten Hinzu kommt, dass selbst der in Finanzdingen gut unterrichtete Verbraucher, der in Deutschland die große Ausnahme ist, dem Spezialwissen der Marktgegenseite weitgehend hilflos ausgeliefert ist. Aber selbst professionelle Anleger haben für sich so fehlerhafte Anlageentscheidungen getroffen, dass von strukturellen Asymmetrien auszugehen ist, die auch durch vermehrte Aufklärung nicht zu beseitigen sind. Die weitgehend zivilrechtlich orientierten Verbraucherschutzregeln haben insgesamt fast vollständig versagt. Auch die Kurzfassung der Prospekte, die besonders verständlich sein sollten, waren bei stichprobenmäßigen Überprüfungen defizitär. Ein besonders abschreckendes Beispiel sind die jüngst eingeführten „Beipackzettel“. Erste Muster, die überprüft wurden (Discountzertifikate), waren weder hinreichend verständlich noch machten sie die bestehende schiefe Risikoverteilung deutlich. Die Angemessenheit der Bepreisung war ohne komplizierteste finanzmathematische Analysen nicht abschätzbar. Ein weiteres Beispiel sind Indexfonds. Wenn überhaupt Fonds als Anlagemöglichkeit für Verbraucher in Frage kommen, sind sie eine geeignete, kostengünstige Alternative zu den aktiv gemanagten Fonds, die eher den Interessen der Emittenten als ihren Abnehmern dienen. Zunächst waren sie in Deutschland kaum erhältlich, da hier der Fondsmarkt – anders als in den USA – von Banken beherrscht wird. Ihre Gewinnmöglichkeiten, die aber insoweit regelmäßig die Erträge der Kunden verringern, sind aber bei passiv gemanagten Fonds deutlich geringer als bei den bislang vorherrschenden Konstrukten. Von „Bankberatern“ wurden Indexfonds deshalb selbstverständlich nicht empfohlen. Als die Endkunden dann doch immer mehr die Vorteile dieser Anlageform erkannten und danach fragten, hat es die Bankwirtschaft in Deutschland binnen kurzer Zeit geschafft, die positive Grundstruktur der Anlageform zu ihren Gunsten zu verwässern, Indexzertifikate statt Indexfonds durchzusetzen, also ein zusätzliches, aus Sicht des Abnehmers aber völlig überflüssiges Adressrisiko einzubauen, ohne das hinreichend klar zu machen. Zudem sind sie zum Teil vollständig synthetisiert. Auch dürfen strukturierte „Produkte“ enthalten sein. Das wortreiche Prospektmaterial ist in den entscheidenden Punkten, Fonds oder Zertifikat und tatsächlicher Inhalt des Fonds, ausgesprochen dürftig. Mittlerweile wird der Markt von einer Vielzahl hochkomplexer Varianten dieser Anlageform überschüttet, die sich ursprünglich durch ihre Einfachheit und Durchsichtigkeit ausgezeichnet hatte. Letztlich ist wieder die Auswahl des „Bankberaters“, dem ein Endkunde vertraut, entscheidend. Das persönliche Vertrauen bleibt maßgebend, obwohl der „Berater“ doch in erster Linie etwas verkaufen soll, was dem Anbieter einen möglichst hohen Ge-

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winn und damit zwangsläufig dem Abnehmer eine schlechtere Rendite erbringt. Er erhält weniger als bei alternativen, gleich riskanten Anlagen zu erzielen wäre. Dabei wird flächendecken verdrängt, dass der „Berater“ nicht selten unter massivem Druck steht, die „Finanzprodukte“ zu verkaufen, die für sein Unternehmen am gewinnträchtigsten sind, aber nicht für den Erwerber. Erste empirische Studien haben das für Deutschland eindrucksvoll bestätigt. Auch für Großbritannien, wo die FSA den Verbraucherschutz sehr viel ernster genommen hat als die BaFin, wird dennoch ähnliches berichtet. Der Kunde, der meint, er sei doch immer so gut beraten worden, kann die Vorteilhaftigkeit seiner Anlageentscheidung regelmäßig überhaupt nicht erfassen. Der Wettbewerb hat jedenfalls im Ergebnis nicht zu ausgewogenen Ergebnissen geführt. Im Gegenteil erzielt der Endkunde deutlich schlechterer Renditen auf seine Ersparnisse, als bei alternativen Anlagen möglich wären. Sie setzen aber regelmäßig Spezialwissen voraus. Er wird ein zweites Mal geschädigt, wenn er als Steuerzahler Banken retten muss, die das eingesetzte Kapital verspielt haben. 3. Ordnungsrechtliches Vorgehen Ein grundsätzliches Umdenken im gesamten Finanzmarktaufsichtsrechts und im Handeln der Aufsichtsbehörden ist unabdingbar. Schon die ursprünglich aus den Wirtschaftswissenschaften stammenden Begrifflichkeiten wie „Regulierung“, „Regulierer“ und „regulierte Selbstregulierung“, die sich auch immer mehr im juristischen Schrifttum ausgebreitet haben, stehen einer weiterführenden Analyse im Wege. Im Übrigen beruhen sie auf einer fragwürdigen Übersetzung angelsächsischer Termini. Trotz der Flut von neuen gesetzlichen Regelungen, die für sich genommen nicht falsch sind, ist dieses grundsätzliche Umdenken nicht in Sicht. Auch das zurzeit noch diskutierte Paket von Maßnahmen, das als Basel III bezeichnet wird, ändert daran nichts. Es ist nicht zu Unrecht auf der vor wenigen Tagen beendeten Jahrestagung des ehrwürdigen Vereins für Sozialpolitik denn auch als Basel 2.01 bezeichnet worden, um seine Unzulänglichkeit auch begrifflich zu dokumentieren. V. Zusammenfassung 1.

Im Bereich der Finanzmärkte ist vielfach sowohl Staats- als auch Marktversagen zu beobachten.

2.

Die Illusion von den Finanzmärkten als dem Prototyp effizienter Märkte kann angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre nicht mehr aufrechterhalten werden.

3.

Finanzmärkte haben vor allem versagt bei der korrekten Bepreisung von Risiken.

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4.

Finanzinstitute haben Geld durch Kreditgewährung ohne hinreichende Ausstattung mit Eigenkapital in einem die Finanzstabilität permanent gefährdenden Ausmaß geschaffen.

5.

Ein großer Teil der Aktivitäten auf den Finanzmärkten stiftet weder einen gesellschaftlichen noch einen ökonomischen Nutzen.

6.

Die Gefährdung der Finanzmarktstabilität durch Aktivitäten der Kreditinstitute stellt einen negativen externen Effekt dar. Er kommt im Rechnungswesen der Kreditinstitute nur sehr unzureichend zum Ausdruck.

7.

Wettbewerb auf den Finanzmärkten ist im Verhältnis zum Endkunden nur schwach ausgeprägt und führt auf makroökonomischer Ebene nicht zu tragbaren Ergebnissen.

8.

Finanzmärkte sind durch starke Informationsasymmetrien geprägt.

9.

Die Defizite der öffentlichen Haushalte haben eine gefährliche Abhängigkeit von Banken und Finanzmärkten erzeugt.

10. Die gesetzlichen Regelungen sind trotz ihrer immensen Detailverliebtheit der Gefahrenlage im Kern nicht angemessen. Der Staat hat es versäumt, an adäquaten gesetzlichen Vorgaben und Beschränkungen festzuhalten. 11. Ein grundsätzliches Umdenken ist erforderlich. Der Wust neuer Vorschriften löst die grundlegenden Probleme der Finanzmärkte nicht. 12. Dennoch sind Finanzmärkte und Finanzinstitute notwendig. Der von ihnen ausgehende Druck hat dazu geführt, dass über nationale Reformen nachgedacht wird, die noch vor kurzem in den jeweiligen Staaten undenkbar erschienen.

7. Neuorganisation der Finanzaufsicht* I. Einführung Die Mutierung der Bankenkrise zu einer Staatsschuldenkrise hat gezeigt, dass mitnichten Ursachen und Natur der Krise hinreichend verstanden sind.1 Vielmehr handelt es sich um ein sich stetig wandelndes, multifaktorielles und multikausales Geschehen, das immer noch mehr Fragen aufwirft als bereits beantwortet sind. Neben Staats- und Marktversagen ist vor allem auch ein Versagen der Fachwissenschaften zu verzeichnen, die in ihrer ganz großen Mehrheit weder den Eintritt noch die Entwicklung der Krise zutreffend vorausgesagt haben noch wirklich problemadäquate Lösungen zu ihrer Bewältigung anbieten konnten.2 Obwohl die Krise mittlerweile schon vier Jahre andauert, zeichnen sich die Stellungnahmen und Rezepte zur Bewältigung der gegenwärtigen Situation3 eher durch Ratlosigkeit und unsystematisches ad hoc-Bekämpfen von Symptomen aus als durch ein durchdachtes Gesamtkonzept, dem fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde liegen. Das gilt gleichermaßen für offizielle Berichte4 wie für private Forschungsarbeiten5. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Vorschläge zur Lösung * Erstveröffentlichung in: Stefan Kadelbach (Hrsg.), Nach der Finanzkrise, Rechtliche Rahmenbedingungen einer neuen Ordnung, Baden-Baden, 2012, S. 131–220. 1 Unzutreffend daher Hopt, Auf dem Weg zu einer neuen europäischen und internationalen Finanzmarktarchitektur, NZG 2009, S. 1401 (1401). Allerdings wird man ihm insoweit zustimmen können, dass die Vergütungsfrage „nicht primär“ die Ursache der Krise gewesen ist. 2 Eingehend mit vielen Beispielen Nienhaus, Die Blindgänger, 2009, vor allem S. 9 f., 13–35, die auch auf das merkwürdige Phänomen hinweist, dass trotz dieses eklatanten Versagens die Nachfrage nach Beratung durch Ökonomen nicht abgenommen hat; s. a. Siekmann, Die Neuordnung der Finanzmarktaufsicht, Die Verwaltung, 2010, S. 95 (99). 3 Überblick bei Petrovic/Tutsch, National Rescue Measures in Response to the Current Financial Crisis, European Central Bank, Legal Working Paper Series No 8, July 2009. 4 Financial Services Authority, A regulatory response to the global banking crisis, Discussion Paper 09/2, March 2009; Financial Services Authority, The Turner Review, A regulatory response to the global banking crisis, March 2009; International Monetary Fund, World Economic Outlook, Crisis and Recovery, April 2009; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Die Finanzkrise meistern – Wachstumskräfte stärken, Jahresgutachten 2008/09, November 2008, vor allem S. 144 ff., 164 ff. 5 Allen/Gale, Understanding Financial Crises, 2007; Krugman, Die neue Weltwirtschaftskrise, 2008 (deutsche Übersetzung von: The Return of Depression Economics, 1999); Schwarcz, Systemic Risk, The Georgetown Law Journal, 97 (2008), 193–249;

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der Staatsschuldenkrise, häufig fälschlich als „Euro-Krise“ bezeichnet, sich in Bereichen eines offenen Rechtsbruchs bewegt, ohne dass daran Anstoß genommen wird. Wenn es als selbstverständlich angesehen wird, finanzielle Probleme durch rechtswidriges Verhalten zu lösen, ist das der Anfang vom Ende jeder (staatlichen) Ordnung. Immerhin kann aber schon jetzt festgehalten werden, dass die umfangreichen und hochkomplizierten Normen zur Regelung der Finanzmärkte6 zumindest im Bereich der Banken versagt haben. Sie haben im Ergebnis nicht das geleistet, wofür sie geschaffen worden sind: eine (Banken-)Krise der Art zu verhindern, wie sie zu beobachten ist.7 Entsprechendes gilt für die Organisation der Aufsichtsbehörden und ihre tatsächliche Verwaltungspraxis8. Soweit bekannt, ist gegen keine der später existenzbedrohenden Risiken systemisch relevanter Kreditinstitute rechtzeitig vorgegangen worden.9 Gescheitert ist vor allem auch die Idee der „Selbstregulierung“ durch die betroffenen Wirtschaftskreise. Hier ist ein radikaler Neubeginn erforderlich und nicht nur Veränderungen im Detail,10 welche – Gerlach/Giovannini/Tille/Viñals, Are the Golden Years of Central Banking Over? The Crisis and the Challenges, Geneva Reports on the World Economy 10, 2009; Huertas, Crisis: Cause, Containment and Cure, 2010; High Level Conference, „Towards a new supervisory architecture in Europe“, 7 May 2009; Coval/Jurek/Stafford, The Economics of Structured Finance, Journal of Economic Perspectives, 23 (2009), 3–25; John B. Taylor, Getting off Track, 2009; Hank, Der amerikanische Virus, 2009. 6 Speziell zur Finanzmarktaufsicht: Brunnermeier/Crockett/Goodhart/Persaud/Shin, The Fundamental Principles of Financial Regulation, Geneva Reports on the World Economy 11, 2009: Schwergewicht auf „maturity mismatch“; Dewatripont/Freixas/Portes, Macroeconomic Stability and Financial Regulation: Key Issues for the G20, Centre for Economic Policy Research 2009; Hüther/Hellwig/Hartmann-Wendels, Arbeitsweise der Bankenaufsicht vor dem Hintergrund der Finanzmarktaufsicht, Forschungsvorhaben fe 22/08, Bericht vom 17. Februar 2009. 7 The High-Level Group on Financial Supervision in the EU, Chaired by Jacques de Larosière, Report, Brussels, 25 February 2009, Textnr. 51, 53–58, 85, 93, 96, 102, 105, 110, 153–162; Siekmann (Fn. 2), S. 101; Department of the Treasury, Financial Regulatory Reform, A new Foundation: Rebuilding Financial Supervision and Regulation, 2009, S. 2; Partsch, Die Harmonisierung der Europäischen Finanzaufsicht, ZBB-Report 1/10, S. 72 (72); Papathanassiou/Zagouras, Mehr Sicherheit für den Finanzsektor: der Europäische Ausschuss für Systemrisiken und die Rolle der EZB, WM 2010, S. 1584– 1589 (1584). 8 Sie wird teilweise als „Aufsicht“ (supervision) bezeichnet. The High-Level Group on Financial Supervision in the EU (Fn. 7) versteht darunter „the process designed to oversee financial institutions in order to ensure that rules and standards are properly applied“, Textnr. 38. Die Organisation der Aufsichtseinrichtungen ist damit nicht erfasst. 9 The High-Level Group on Financial Supervision in the EU (Fn. 7), Textnr. 25–31; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates „Impulse für den Aufschwung in Europa“, vom 4.3.2009, KOM(2009) 114 endg., S. 6; Siekmann (Fn. 2), S. 101. 10 Ein Beispiel ist die Richtlinie 2009/111/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG, 2006/49/ EG und 2007/64/EG hinsichtlich der Zentralorganisationen zugeordneter Banken, be-

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trotz bester Absichten – das einschlägige Rechtsregime letztlich noch undurchsichtiger und damit anfälliger machen. Eine Totalrevision ist angezeigt. Das Recht der Finanzmarktaufsicht muss eindeutig (wieder) als (Sonder-)Ordnungsrecht konzipiert werden, das einfachen Grundprinzipien folgt, die ohne Ausnahmen in zwingende Rechtsvorschriften umgesetzt und strikt vollzogen werden. Nur so wird es seinen Zweck einigermaßen verlässlich erfüllen können.11 Im Gegensatz zu den meisten anderen wirtschaftlich führenden Ländern, die zutreffend Hauptursachen der Krise im Verhalten der Banken und Ratingagenturen, aber auch im Aufsichtsrecht sehen,12 ist eine grundlegende und systematische Aufarbeitung von Entstehung und Verlauf der Krise und den daraus zu ziehenden Konsequenzen für Banken und Finanzmärkte in Deutschland nicht in Sicht. Es scheint von Seiten der deutschen Staatsleitung daran kein wirkliches Interesse zu bestehen, möglicherweise weil schon jetzt abzusehen wäre, dass viele staatliche Stellen und Finanzinstitute in keinem guten Licht dastehen würden. Auch ist im Finanzmarktrecht in keiner Weise mehr der Optimismus begründet, dass in der „Zeit nach der Krise“ „die“ Märkte regelmäßig klüger seien als der Staat. Im Gegenteil hat Marktversagen erst zu der gegenwärtigen Situation geführt und wird voraussichtlich immer wieder dazu führen.13 Der Staat mag zwar nicht klüger sein, wird aber in höchster Not immer dann zur Hilfe gerufen, wenn die an Eliteuniversitäten ausgebildeten Spezialisten, die komplexen mathematischen Modelle und die höchstbezahlten Entscheidungsträger in den Finanzinstituten (wieder einmal) ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Wenn der Staat – und das heißt die Gesamtheit der Steuer zahlenden Bürger – für deren Fehler aufkommen muss, sollte er auch vorher die Entscheidungen treffen. Wenn die viel zitierten Regierungsoberamtsräte die maßgebenden Entscheidungen treffen, kann das Ergebnis kaum schädlicher sein als das, was ein großer Teil der stimmter Eigenmittelbestandteile, Großkredite, Aufsichtsregelungen und Krisenmanagement, ABl. L 302/97 vom 17.11.2009. Wie ihr Titel schon andeutet, enthält sie ein Sammelsurium von Einzelmaßnahmen zur Veränderung und Ergänzung bestehender Vorschriften. Nicht sofort zu erkennen ist, dass das erste Maßnahmenbündel die Aufsicht über (grenzüberschreitende) Bankengruppen (groups) betrifft. 11 Siekmann (Fn. 2), 109. Wymeersch sieht schon jetzt die gesetzgeberischen Konsequenzen als zahlreich und ernst an (The reforms of the European Financial Supervisory System, ECFR 2010, 240 [241]). Eine wirklich grundlegende Rückbesinnung auf das (Sonder-)Ordnungsrecht ist aber nicht in Sicht und von den sehr einflussreichen Finanzinstituten weder in den USA noch in Europa gewünscht. 12 In jüngster Zeit vor allem die Berichte der offiziellen „Financial Crisis Inquiry Commission“ in den USA (Financial Crisis Inquiry Commission, The Financial Crisis Inquiry Report, January 2011) und der „Vickers Commission“ in Großbritannien (Independent Commission on Banking, Interim Report, Consultation on Reform Options, April 2011). 13 Ebenso Wymeersch (Fn. 11), S. 241; Enderlein, Global Governance der internationalen Finanzmärkte, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2009, S. 3–8 (7).

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III. Finanzmärkte

„Finanzindustrie“ auf den von bürokratischen Fesseln befreiten („deregulierten“) Finanzmärkten produziert hat. Nur kosten sie wesentlich weniger und können einfacher beaufsichtigt werden. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich auch schon jetzt, dass die gegenwärtige Staatsschuldenkrise im Kern eine Krise der Finanzinstitute, vor allem von Banken, ist. Zu viele Institute hätten den Abschreibungsbedarf bei Einstellung der Zahlungen von Seiten Griechenlands und seiner Trabanten nicht ohne fremde Hilfe überlebt. Die Gläubiger der problematischen Forderungen und vor allem die Gläubiger der Gläubiger sind schon bei der ersten Welle von Rettungsaktionen viel zu wenig in das Licht der Öffentlichkeit gerückt worden. Sie sind es, die im Wesentlichen durch den massiven Einsatz von öffentlichen Mitteln geschont worden sind. Das gilt erst recht für die gegenwärtig angelaufene Sicherung der Zahlungsfähigkeit von Staaten durch die Staatengemeinschaft. Es bestehen deutliche Anzeichen dafür, dass im Ergebnis nicht primär ein Transfer von öffentlichen Mitteln aus den Geberländern in die Kassen Griechenlands oder seiner Bevölkerung stattfindet, auch wenn das der Hauptreizpunkt in der öffentlichen Diskussion ist, sondern (mittelbar) in die Kassen der Inhaber von Forderungen gegen Griechenland. Diese können dann Gewinne ausweisen, die sogleich für die exorbitant hohe Besoldung des Personals und für Ausschüttungen an die Eigentümer verwendet werden. Von daher wäre ein Blick auf die Gläubigerseite dringend erforderlich. Es ist aber keineswegs hinreichend untersucht, warum Finanzinstitute mittelbar oder unmittelbar Kredite an Staaten in einem Ausmaß gewährt haben, das sie ohne die erneuten Rettungsaktionen der öffentlichen Hand in existenzbedrohende Schwierigkeiten gebracht hätten. Namentlich die Frage nach den Gründen für diese Ausleibungen wird noch nicht einmal richtig gestellt. Die Anreize, die das materielle Aufsichtsrecht – beispielsweise in den Vorschriften über die Eigenkapitalausstattung von Banken14 oder im deutschen Pfandbriefrecht15 – für diese Ausleibungen enthält, bedürfen wesentlich dringender einer grundlegenden Revision16 14 E.g. Anhang VI Teil 1 Nr. 1.2.4. Richtlinie 2006/48/EC des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung) ABl. L 177, vom 30.6.2006, S. 1–200 (81). Dieser Anhang enthält verschiedene andere fatale Schwächen, wie die Gleichbehandlung von Forderungen gegen Mitgliedstaaten und gegen die EZB oder das Abstellen auf die Ratings von Ratingagenturen für das Risikogewicht von Forderungen gegen Hoheitsträger (Nr. 1.1.2.); im nationalen Recht § 26 Nr. 2 SolvV für die „Zentralregierung“. Schon die Verwendung des Begriffs „Zentralregierung“ zeigt die profunde Unkenntnis der Autoren des Gesetzestexts von den rechtlichen Gegebenheiten, da die Zentralregierung nicht Schuldnerin einer Forderung sein kann, sondern allenfalls der Zentralstaat. Wahrscheinlich handelt es sich (nur) um eine der üblichen falschen Übersetzungen des Begriffs „government“. 15 § 20 Abs. 1 Nr. 1 PfandBG. 16 Zu eng Hopt (Fn. 1), 1402.

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als der Erlass neuer Vorschriften gegen „Spekulanten“, auch wenn diese durchaus auch ihren Teil zur (unnötigen) Verschärfung der Situation beigetragen haben dürften. Immerhin gibt es gute Gründe, angesichts der Internationalisierung und Globalisierung der Finanzmärkte und der Finanztransaktionen eine transnationale Aufsicht einzurichten,17 auch wenn durchaus noch nicht empirisch mit Sicherheit geklärt ist, in welchem Umfang das Fehlen einer derartigen Aufsicht einen Beitrag zu Entstehung und Verlauf der Krise geleistet hat. Dabei kann es zweckmäßig sein, auf der europäischen Ebene voranzugehen, auch wenn wichtige Akteure auf den Finanzmärkten global organisiert oder miteinander verknüpft sind. Auch ist ein aufeinander abgestimmtes Verhalten nicht selten zu beobachten bis hin zur gemeinsamen Überreaktion (Panik). Das trifft auch angesichts der Tatsache zu, dass das Geschehen auf den Finanzmärkten zu einem erheblichen Teil außerhalb der EU stattfindet oder stattfinden kann. Deutlich eher als auf der Ebene der EU sind in Großbritannien18 und in den USA19 grundlegende Reformgesetze erlassen worden, die trotz ihrer Schwächen in verschiedener Hinsicht deutlich mehr Schwachpunkte angehen als die europarechtlichen Regelungen. Zu nennen sind beispielsweise der Schutz der Verbraucher,20 die Beseitigung der quasi-hoheitlichen Funktionen der Ratingagenturen21 und die Auflösung und Abwicklung von systemrelevanten Banken22. 17 van Aaken, Transnationales Kooperationsrecht nationaler Aufsichtsbehörden als Antwort auf die Herausforderung globalisierter Finanzmärkte, in: Möllers/Vosskuhle/ Walter (Hrsg.), Internationales Verwaltungsrecht, 2007, S. 219 (221–226); Financial Services Authority, A regulatory response to the global banking crisis, Discussion Paper 09/02, S. 145 ff.; Hüpkes, „Form Follows Funktion“ – A New Architecture for Regulating and Resolving Global Financial Institutions, European Business Organization Law Review, 10 (2009), 369 ff., mit besonderer Betonung der Notwendigkeit eines Abwicklungsregimes (S. 371); für Koordinierung, aber gegen Zentralisierung der Aufsicht Acharya/Wachtel/Walter, International Alignment of Financial Sector Regulation, in: Acharya/Richardson (Hrsg.), Restoring Financial Stability, 2009, S. 365 (373 f.); Lehmann/Manger-Nestler, Die Vorschläge zur neuen Architektur der europäischen Finanzaufsicht, EuZW 2010, S. 87–92 (88); Massenberg, Der Aufsicht eine Stimme geben, Die Bank, Nr. 6, 2010, S. 9 f.: „eklatanter Gegensatz zwischen Marktintegration und national zersplitterten Aufsichtsstrukturen“; Hopt (Fn. 1), S. 1404: „nationale Aufsichten und bisherige Zusammenarbeit [. . .] nur begrenzt funktionsfähig“. 18 Banking Act 2009 of 12th February 2009. 19 Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act, 111th Congress of the United States of America, H. R. 4173; dazu Skeel, The New Financial Deal, Understanding the Dodd-Frank Act and its (Unintended) Consequences, 2011. 20 Title IX, X, XIV Dodd-Frank Act, mit der Errichtung eines „Bureau of Consumer Financial Protection“ in Titel X. 21 Sec. 939 Dodd-Frank Act. 22 Orderly Liquidation Authority, Title II Dodd-Frank Act; Special Resolution Regime, Chapter 1 Part 1 Banking Act 2009. Auf diesem Gebiet ist auch Deutschland tätig geworden, wenn auch mit einiger Verspätung: Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungs-

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III. Finanzmärkte

Mit den folgenden Erwägungen soll aber nicht die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Errichtung von Europäischen Finanzaufsichtsbehörden23 und der vorgesehenen Aufgabenzuweisung im Vordergrund stehen. Entsprechendes gilt für die Schaffung einheitlicher Standards für die Aufsicht über die grenzüberschreitend tätigen Institute. Einheitliche materiellrechtliche Vorgaben sorgen ebenso für Wettbewerbsneutralität wie einheitliche Vorgaben für die Umsetzung und Anwendung dieser Vorgaben.24 Vielmehr sollen schwergewichtig die offenen Rechtsfragen untersucht werden, die mit den konkreten Maßnahmen zur Schaffung einer europäischen Aufsichtsarchitektur verbunden sind. Auch die von der Krise angestoßene Fortentwicklung des materiellen Aufsichtsrechts soll nicht im Mittelpunkt der Darstellung stehen. Dabei handelt es sich vor allem um Vorgaben für Ratingagenturen25, Investmentfonds26 und Banken27.

fonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz), vom 9. Dezember 2010, BGBl. I, S. 1900. 23 Dafür: T Richter, Eine zentrale europäische Bankenaufsichtsbehörde?, 2006, S. 94 mit Darstellung der Argumente dafür und dagegen (S. 54 ff., 83 ff.); Moss, The International Network of Financial Authorities, in: Masciandaro (Hrsg.), Handbook of Central Banking and Financial Authorities in Europe, 2005, S. 373–397 (396); Financial Services Authority (Fn. 17), S. 145 ff.; zust. The Turner Review, A regulatory response to the global banking crisis, March 2009, S. 101 f.; Lamandini, When More is Needed: The European Financial Supervisory Reform and its Legal Basis, European Company Law 6 (2009), 197–202; Lehmann/Manger-Nestler (Fn. 17), S. 88, allerdings mit Vorrang einer transatlantischen Abstimmung; Brunnermeier/Crockett/Goodhart/Persaud/ Shin, The Fundamental Principles of Financial Regulation, 2009, S. 29; allgemein krit. gegenüber den Zentralisierungstendenzen der Kommission, des EuGH und des Parlaments Vaubel, The European Institutions as an Interest Group, 2009, S. 95 f.; eher beschreibend Vander/Stichele (Hrsg.), An Oversight of Selected Financial Reforms on the EU Agenda, Stichting Onderzoek Multinationale Ondernemingen – SOMO, 2009. 24 Ähnlich Herdegen, Bankenaufsicht im Europäischen Verbund, 2010, S. 13. 25 Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABl. L 302/1 vom 17.11.2009. 26 Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte[r] Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), ABl. L 302/32 vom 17.11.2009. 27 Richtlinie 2009/83/EG der Kommission vom 27. Juli 2009 zur Änderung bestimmter Anhänge der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates mit technischen Bestimmungen über das Risikomanagement, ABl. L 196/14 vom 28.7.2009; Richtlinie 2009/111/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2007/64/EG hinsichtlich Zentralorganisation zugeordneter Banken, bestimmter Eigenmittelbestände, Großkredite, Aufsichtsregelungen und Krisenmanagement, ABl. L 302/97 vom 17.11. 2009.

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II. Der Weg zur Schaffung einer europäischen Aufsicht 1. Vorstufen a) Die „Ebene-3-Ausschüsse“ Die „Ebene-3-Ausschüsse“ sind im Rahmen eines Verfahrens zur Beschleunigung des Gesetzgebungsprozesses zu Finanzdienstleistungen errichtet worden, das auf einen Vorschlag des „Ausschusses der Weisen“ unter Vorsitz von Alexandre Barin Lamfalussy zurückgeht28 und dem der Europäische Rat im März 2001 zugestimmt hat.29 Nach diesem Verfahren sollten der Rat und das Parlament nur noch die politischen Grundentscheidungen, die den Rahmen des Regelungsprogramms vorgeben im Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EGV (jetzt: im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV) treffen.30 Einzelheiten sollten auf einer zweiten Stufe in Durchführungsbestimmungen im delegierten Rechtssetzungsverfahren unter Einbeziehung von Fachausschüssen ausgearbeitet werden, die dann von der EU-Kommission vorgeschlagen und von Vertretern der Mitgliedstaaten in einem „Komitologie-Ausschuss“ beschlossen werden (Lamfalussy-Verfahren). Auf der dritten Stufe sollten (technische) Standards, Empfehlungen und Leitsätze für die alltägliche Aufsichtsarbeit erarbeitet werden. Die Einhaltung der Vorgaben soll auf der vierten Stufe kontrolliert werden.31 In diesem Vierstufenkonzept (Rahmenrichtlinien, Durchführungsmaßnahmen, Zusammenarbeit und technische Einzelheiten sowie Durchsetzung der Maßnahmen) ist die Gesetzgebung zu einem erheblichen Teil an die Kommission delegiert worden.32 In der Folgezeit sind drei Ausschüsse errichtet worden: – Ausschuss der europäischen Bankenaufsichtsbehörden (Committee of European Banking Supervisors – CEBS),33 28 Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der Europäischen Wertpapiermärkte, Brüssel, 15. Februar 2001. 29 Entschließung des Europäischen Rates vom 23. März 2001, ABl. C 138/1 vom 11.5.2001. 30 Als erste Rahmenrichtlinien sind in Ausführung dieses Verfahrens erlassen worden: die Markmissbrauchs-Richtlinie, die Prospekt-Richtlinie, die MiFiD und die Transparenz-Richtlinie, vgl. T. M. J. Möllers, Recht und soft law als Mittel zu einer effektiveren Finanzmarktaufsicht in Europa, in: Braumüller/Ennöckl/Gruber/Raschauer (Hrsg.), Aktuelles Finanzmarktrecht, 2009, S. 1–21 (2). 31 Das vierstufige Verfahren ist näher erläutert bei: Schmolke, Der Lamfalussy-Prozess im Europäischen Kapitalmarktrecht – eine Zwischenbilanz, NZG 2005, S. 912– 919 (913); T. M. J. Möllers (Fn. 30), S. 3. 32 T. M. J. Möllers, Europäische Methoden- und Gesetzgebungslehre im Kapitalmarktrecht – Vollharmonisierung, Generalklauseln und soft law im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens als Mittel zur Etablierung von Standards, ZEuP 2008, S. 480–505 (484 f.). 33 Eingesetzt durch Beschluss der Kommission vom 5. November 2003, ABl. L 3/28 vom 7.1.2005; ersetzt durch Beschluss vom 23.1.2009, ABl. L 25/23 vom 29.1.2009.

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III. Finanzmärkte

– Ausschuss der europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors – CEIOPS),34 – Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (Committee of European Securities Regulators – CESR).35 Die „Ebene-3-Ausschüsse“ waren „technische Regelungsausschüsse“, die sich aus Vertretern der nationalen Finanzaufsichtsbehörden zusammensetzten und unterhalb des Komitologie-Ausschusses angesiedelt waren.36 Sie hatten die Aufgabe, die Kommission beim Erlass von Durchführungsrichtlinien und -verordnungen auf der zweiten Stufe des Lamfalussy-Verfahrens zu beraten und auf der dritten Stufe Empfehlungen, Leitlinien und (technische) Standards für die Aufsichtspraxis zu entwickeln und teilweise auch zu erlassen.37 Die Richtlinien sollten sich im Regelfall an die (nationalen) Aufsichtsbehörden und die Empfehlungen an die Marktteilnehmer richten. Sie bedurften keiner nationalen Umsetzung.38 Trotz Erweiterung ihrer Aufgaben39 fehlte ihnen die Befugnis, Entscheidungen mit hoheitlichem Charakter zu treffen.40 Die Rechtsqualität von Leitlinien und Empfehlungen der Ausschüsse war zweifelhaft und ihr Erlass wurde nicht als Akt der Gesetzgebung angesehen.41 b) Die Aufsichtskollegien Ohne spezielle gesetzliche Grundlage wurden dann „Colleges of Supervisors“ geschaffen, um die Kooperation zwischen den verschiedenen (nationalen) Aufsichtsbehörden zur Beaufsichtigung von grenzüberschreitenden Bankengruppen, Versicherungsgruppen und Finanzkonglomeraten zu verbessern. Dabei handelte 34 Eingesetzt durch Beschluss der Kommission vom 23. Januar 2001, ABl. L 25/28 vom 29. Januar 2001; ersetzt durch Beschluss der Kommission vom 23. Januar 2009, ABl. L 25/28 vom 29.1.2009. CEIOPS ist als juristische Person des privaten Rechts (eingetragener Verein) mit Sitz in Frankfurt am Main organisiert worden. 35 Eingesetzt durch Beschluss der Kommission vom 6. Juni 2001, ABl. L 191/45 vom 13.7.2001; ersetzt durch Beschluss der Kommission vom 23.1.2009, ABl. L 25/14 vom 29.1.2009. 36 Partsch (Fn. 7), S. 73. 37 Baur/Boegl, Die neue europäische Finanzmarktaufsicht – Der Grundstein ist gelegt, BKR 2011, 177–186. 38 T. M. J. Möllers (Fn. 30), S. 4 m.w. N. 39 Beschlüsse 2009/77/EG, 2009/78/EG und 2009/79/EG sowie Beschlussvorschlag der EU-Kommission KOM(2009) 14. 40 Partsch (Fn. 7), S. 73; T. M. J. Möllers (Fn. 32), S. 484; Baur/Boegl (Fn. 37); näher dazu: Karpf, Der Lamfalussy-Prozess, Österreichisches Bank-Archiv, 2005, S. 573 ff.; Schmolke (Fn. 31), S. 912 ff.; Keller/Langner, Überblick über EU-Gesetzgebungsvorhaben im Finanzbereich, BKR 2003, S. 616–619 (616 ff.); ferner Röh, Erster Zwischenbericht der neuen IIMG zum Lamfalussy-Verfahren, BKR 2006, S. 223–224 (223 f.). 41 T. M. J. Möllers (Fn. 30), S. 4, 9.

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es sich nach der Definition, die CEBS und CEIOPS erarbeitet hatten, um „permanente, jedoch flexible Strukturen zur Kooperation und Koordination zwischen den Behörden, die für die Aufsicht über die einzelnen Bestandteile von grenzüberschreitenden Gruppen, insbesondere großen Gruppen, verantwortlich sind und mit der Aufsicht befasst sind“.42 Für den Bankenbereich war auch ein „General College“ vorgesehen.43 Durch die Richtlinie vom 16. September 2009 zur Verbesserung der Aufsicht44 war für die Errichtung von Aufsichtskollegien für Banken eine gesetzliche Grundlage geschaffen worden. Die Aufsichtkollegien sollten nach dieser Richtlinie die Aufsichtstätigkeit wirksamer koordinieren und auf diese Weise die Beaufsichtigung von Bankengruppen auf „konsolidierter Basis“ wirksamer ausgestalten und damit das „systemische Risiko“ mindern. Sie wurden aus den Aufsichtsbehörden der betroffenen Mitgliedstaaten gebildet. c) Die konsolidierende Aufsichtsbehörde Die Richtlinie führte die neue Kategorie „konsolidierende Aufsichtsbehörde“ in das europäische Aufsichtsrecht ein.45 Damit war eine Aufsichtsbehörde gemeint, die auf „konsolidierter Basis“ für die Beaufsichtigung des Mutterkreditinstituts und für die Beaufsichtigung von Kreditinstituten zuständig ist, die von EU-Mutterfinanzholdinggesellschaften kontrolliert werden. Man kann diese Weiterentwicklung des europäischen Aufsichtsrechts als „horizontale“ Kompetenzverlagerung bezeichnen,46 da sie zwar durch das Europarecht vorgenommen wird, aber auf der Ebene der nationalen Aufsichtseinrichtungen erfolgt. Im Gegensatz dazu würden durch eine „vertikale“ Kompetenzverlagerung Aufgaben auf eine übergeordnete Einrichtung, also von der mitgliedstaatlichen Ebene auf die EU, übertragen.47 Darüber hinaus ist die Schaffung eines „lead supervisors“ erörtert worden.48 42 CEBS, CEIOPS, Colleges of Supervisors – 10 Common Principles, CEIOPS-SEC54/08, CEBS 2008 124, IWCFC 08 32, 27. January 2009, S. 1: „Colleges of Supervisors are permanent, although flexible, structures for cooperation and coordination among the authorities responsible for and involved in the supervision of the different components of cross-border groups, specifically large groups.“ 43 Ebd., S. 2. 44 Oben Fn. 10. Der Entwurf der Kommission stammt vom 1. Oktober 2008, KOM(2008) 602 endg., 2008/0191 (COD). 45 Art. 1 Nr. 2 b, durch den in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2006/48/EG eine neue Nr. 48 eingefügt wird. 46 In diesem Sinne Herdegen (Fn. 24), S. 7, 25. 47 Herdegen (Fn. 24), S. 57 ff. 48 European Financial Services Round Table, Towards a lead supervisor for cross border financial institutions in the European Union, 2004; Osterloo/Schoemaker, A lead supervisor model for Europe, The Financial Regulator, Vol. 9 no. 3 (Dezember 2004), S. 34–42.

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III. Finanzmärkte

Die konsolidierende Aufsichtsbehörde wurde für die Einrichtung der Aufsichtskollegien zuständig, Art. 131a Abs. 1 Unterabs. 1 (neu) der Richtlinie 2006/ 48/EG, und führte den Vorsitz in den Aufsichtskollegien. Sie hatte zu entscheiden, welche Behörden an einer Sitzung oder einer Tätigkeit des Kollegiums teilnehmen, Art. 131a Abs. 2 Unterabs. 4 (neu) der Richtlinie 2006/48/EG. Sie hatte in Krisensituationen Warnungen auszusprechen, Art. 130 Abs. 1 (neu) der Richtlinie 2006/48/EG. Mit der Schaffung von „konsolidierenden Aufsichtsbehörden“ sollten systemische Risiken gemindert werden, die aus Mängeln im Informationsfluss zwischen dem Herkunfts- und dem Aufnahmestaat bei Finanzgruppen fo1gen.49 Die konsolidierende Aufsichtsbehörde und die in einem Mitgliedstaat für die Beaufsichtigung einer Tochtergesellschaft eines EU-Mutterkreditinstituts oder einer EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft zuständigen Behörden sollten unbedingt („setzen alles daran“) zu einer gemeinsamen Entscheidung über die Anwendung der Art. 123, 124 und 136 Abs. 2 auf jedes einzelne Unternehmen der Bankengruppe auf konsolidierter Basis gelangen, Art. 129 Abs. 3 (neu) der Richtlinie 2006/48/EG. Dies sollte durch ein gestuftes Verfahren unter Einschaltung des Ausschusses der europäischen Bankenaufsichtsbehörden erzwungen werden. Wenn eine solche gemeinsame Entscheidung aber nicht zu erreichen war, sollte letztlich die konsolidierende Aufsichtsbehörde die Befugnis zu einer verbindlichen Entscheidung haben, Art. 129 Abs. 3 Unterabs. 4 (neu) der Richtlinie 2006/48/EG.50 Damit wurde bereits ein Weg vorgezeichnet, der auch in den Regelungen über die Europäischen Aufsichtsbehörden enthalten ist: verbindliche Entscheidung über Hoheitsakte, die sich nicht auf einen nationalen Hoheitsträger zurückführen lassen, dem der Adressat dieses Aktes unterworfen ist. Das wirft Fragen von Souveränität und demokratischer Legitimation auf. d) Europaweite Betrachtung des Finanzsystems Die Arbeit der Aufsichtskollegien und der konsolidierenden Aufsichtsbehörden kann aber nur begrenzt als Europäisierung der Aufsicht angesehen werden. Im Schwerpunkt handelt es sich um eine engere und institutionell verfestigte Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden. Dennoch zeigt sich bei ihnen schon ein Teil der rechtlichen Probleme, die mit der Errichtung der neuen Europäischen Aufsichtsbehörden und ihren Befugnissen verbunden sind.

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Erwägungsgründe Nr. 6 und 10 der Richtlinie 2009/111/EG (Fn. 10). Lamandini (Fn. 23), S. 198, geht von Einstimmigkeit aus und sieht darin eine Verwässerung des ursprünglichen Kommissionsentwurfs. 50

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Die Richtlinie vom 16. September 200951 enthält aber auch schon Ansätze für eine institutsübergreifende („makroprudentielle“) Betrachtung, die über das Finanzsystem der einzelnen Mitgliedstaaten hinausgeht. In Art. 130 Abs. 1 der Richtlinie 2006/48/EG waren schon Mechanismen für den Fall des Eintritts einer Krisensituation, welche die Stabilität und Integrität des Finanzsystems in einem der Mitgliedstaaten untergraben könnten, enthalten. Nunmehr haben die zuständigen Behörden der Gemeinschaftsdimension Rechnung zu tragen. Die zuständigen Behörden sollen bei der Aufsicht über die Kreditinstitute die „Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf die Stabilität der Finanzsysteme aller anderen betroffenen Mitgliedstaaten gebührend berücksichtigen“.52 2. Der de Larosière-Bericht Im Oktober 2008 hat der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, eine Gruppe von Sachverständigen unter Vorsitz des früheren Präsidenten des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Banque de France, Jacques de Larosière, mit der Ausarbeitung von Ratschlägen zur Zukunft der europäischen Finanzregulierung („financial regulation“) und Aufsicht („supervision“) beauftragt. Die Gruppe hat ihren Bericht am 25. Februar 2009 vorgelegt.53 Kapitel III des Berichts behandelt das Aufsichtssystem auf EU-Ebene und gelangt in diesem Zusammenhang54 im Wesentlichen zu zwei Empfehlungen: – Errichtung einer präventiv tätigen, institutsübergreifenden („macroprudential“) Aufsichtseinrichtung mit dem Namen „European Systemic Risk Council“ (ESRC) und – Umwandlung der bestehenden „Ebene-3-Ausschüsse“ („L3 committees“) in ein neues europäisches System von Finanzaufsicht „European System of Financial Supervisors“ (ESFS) mit hoheitlichen Funktionen. 51

Oben Fn. 10. Begründungserwägung Nr. 7 der Richtlinie 2009/111/EG (oben Fn. 10). Der in Art. 40 der Richtlinie 2006/48/EG eingefügte Absatz 3 hat folgenden Wortlaut: „Die zuständigen Behörden in einem Mitgliedstaat berücksichtigen bei der Ausübung ihrer allgemeinen Aufgaben in gebührender Weise die möglichen Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf die Stabilität des Finanzsystems in allen anderen betroffenen Mitgliedstaaten und insbesondere in Krisensituationen, wobei sie die zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren Informationen zugrunde legen.“ 53 The High-Level Group on Financial Supervision in the EU (Fn. 7), S. 1. 54 Die Empfehlung in Kapitel II befassen sich überwiegend mit dem materiellen Aufsichtsrecht, dessen grundlegende Überarbeitung dem Basel-Ausschuss und der EU empfohlen wird (Empfehlung Nr. 1–10), der corporate governance (Empfehlung Nr. 11) und dem internen Risiko-Management (Empfehlung Nr. 12), der Einlagensicherung (Empfehlung Nr. 14) und dem Krisenmanagement (Empfehlung Nr. 13 und 15). Die Empfehlungen in Kapitel IV haben die globale Aufsicht zum Gegenstand. 52

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III. Finanzmärkte

Dies sollte in zwei Stufen geschehen.55 Der Vorschlag wies der EZB eine wichtige Rolle bei der „makroprudentiellen“ Aufsicht zu und sah deshalb eine enge organisatorische Verknüpfung mit dem neuen „Risk Council“ vor.56 In ihrer Mitteilung „Impulse für den Aufschwung in Europa“ vom 4. März 200957 hat die EU-Kommission die Empfehlungen des Berichts der de LarosièreGruppe weitgehend begrüßt und befürwortet. Gestützt auf die Empfehlungen hat sie ein „Reformprogramm“ vorgelegt, mit dem im Wesentlichen fünf Ziele erreicht werden sollten: – Es soll der EU ein Aufsichtsrahmen an die Hand gegeben werden, „mit dem potenzielle Risiken früh erkannt und vor ihrem Eintreten wirksam angegangen werden“. Er soll den komplexen internationalen Finanzmärkten gerecht werden. – Nach dem Grundsatz „safety first“ sollen die Lücken geschlossen werden, „die unzureichende oder unvollständige europäische oder einzelstaatliche Regulierungen gelassen haben“. – Es soll erreicht werden, „dass europäische Anleger, Verbraucher und KMU im Hinblick auf ihre Ersparnisse, ihren Zugang zu Darlehen und ihre Rechte beim Umgang mit Finanzprodukten Vertrauen hegen können“. – Die Maßnahmen sollen ferner „das Risikomanagement in Finanzunternehmen verbessern und die Verknüpfung von Vergütungsanreizen mit nachhaltigen Erfolgskriterien fördern“. – Sie sollen auch „wirkungsvollere Sanktionen gegen Fehlverhalten am Markt ermöglichen“.58 Die Kommission hat die Maßnahmen zur Schaffung eines Europäischen Systems der Finanzaufsicht als „besonders dringlich“ eingestuft.59 Auf seiner Tagung am 19. und 20. März 2009 hat sich der Europäische Rat darauf geeinigt, „dass die Kontrolle und Beaufsichtigung der Finanzinstitute in der EU verbessert werden“ müsse. Der Bericht der von Jacques de Larosière geleiteten „Hochrangigen Gruppe“ zur Finanzaufsicht solle die „Grundlage für künftige Maßnahmen“ bilden.60 55 Grundsätze: Empfehlungen Nr. 16–18; erste Stufe (zu verwirklichen in den Jahren 2009–2010): Empfehlungen 19–21; zweite Stufe (zu verwirklichen in den Jahren 2011– 2012): Empfehlungen Nr. 22–23; Überprüfung nach 3 Jahren: Empfehlung Nr. 24. 56 The High-Level Group on Financial Supervision in the EU (Fn. 7), Rn. 153. 57 KOM(2009) 114, S. 6 f. 58 KOM(2009) 114, S. 8 f. 59 KOM(2009) 114, S. 7. 60 Rat der Europäischen Union, Tagung des Europäischen Rates in Brüssel vom 19./ 20. März 2009, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Dokument 7880/1/09 REV 1 vom 29. April 2009, Textnr. 5.

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3. Das Reformprogramm der EU In ihrer Mitteilung „Europäische Finanzaufsicht“ vom 27. Mai 2009 hat die EU-Kommission dann ihre Vorstellungen konkretisiert und einen neuen „europäischen Rahmen zur Wahrung der Finanzstabilität“ vorgestellt.61 Diese Mitteilung sah eine Reihe von Reformen der gegenwärtigen Strukturen für die Erhaltung der Finanzmarktstabilität auf EU-Ebene vor. Dazu gehörte namentlich die Einsetzung eines für die Makroaufsicht zuständigen Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (European Systemic Risk Board – ESRB)62 und eines Europäischen Finanzaufsichtssystems (European System of Financial Supervisors – ESFS)63. Als Rechtsgrundlage für die Errichtung der neuen Europäischen Aufsichtsbehörden stützte sich die Kommission auf Art. 95 EGV (jetzt Art. 114 AEUV). Der EU-Rat „Wirtschaft und Finanzen“ (ECOFIN) befürwortete auf seiner Tagung am 9. Juni 2009 die Pläne der Kommission, brachte aber den Vorbehalt an, dass „Entscheidungen der neuen Aufsichtseinrichtungen keine Auswirkungen auf die haushaltspolitische Zuständigkeit der Mitgliedstaaten haben sollten“.64 Die Staats- und Regierungschefs schlossen sich auf der Sitzung des Europäischen Rates am 18. und 19. Juni 2009 dieser Auffassung an65 und kamen ergänzend zu den Schlussfolgerungen des Rates (Wirtschaft und Finanzen) vom 9. Juni 2009 überein, „dass das Europäische Finanzaufsichtssystem über bindende und angemessene Beschlussfassungsbefugnisse verfügen sollte in der Frage, ob die Aufsichtsbehörden ihre Verpflichtungen gemäß dem gemeinsamen Regelwerk und den einschlägigen gemeinsamen Rechtsvorschriften erfüllen; sowie im Falle von Uneinigkeit zwischen den Aufsichtsbehörden im Herkunftsstaat und im Aufnahmestaat, auch innerhalb der Aufsichtskollegien“.66 Die „Europäische Finanzaufsichtsbehörde“ sollte zudem über Aufsichtsbefugnisse in Bezug auf Rating-Agenturen verfügen.67

61 KOM(2009) 252, S. 3–18. In diese Richtung gingen auch schon die Überlegungen von Director General Holmquist sowie der zuständigen Mitglieder der EU-Kommission Charlie McCreevy und Joaquin Almunia auf der High-Level Conference „Towards a new supervisory architecture in Europe“ am 7. Mai 2009 im Europäischen Parlament. 62 Im Einzelnen KOM(2009) 252, S. 4–9. 63 Im Einzelnen KOM(2009) 252, S. 9–16. 64 Rat der Europäischen Union, ECOFIN 434 vom 10. Juni 2009 (Dokument 10862/ 09), Anlage, S. 6. 65 Rat der Europäischen Union, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, CONCL 2 vom 10. Juli 2009 (Dokument 11225/09), S. 6 ff., S. 8. 66 Im Rat (Wirtschaft und Finanzen) war in diesen Punkten noch keine einhellige Auffassung zustande gekommen, sondern nur „überwältigende Mehrheiten“, Rat der Europäischen Union (Fn. 65), S. 8 f. 67 Rat der Europäischen Union (Fn. 65), Textnr. 20.

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III. Finanzmärkte

4. Die Entwürfe der EU-Kommission a) Die institutionellen Regelungen Am 23. September 2009 legte die EU-Kommission ein umfangreiches Paket von Vorschlägen für Verordnungen vor, mit denen der neue europäische Aufsichtsrahmen verwirklich werden soll. Wie schon im Bericht der de LarosièreGruppe vorgeschlagen und in den folgenden Rechtsakten bestätigt, besteht er aus zwei Kernelementen: der Schaffung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (European Systemic Risk Board – ESRB) – primär zur Bekämpfung der Risiken auf Makroebene – und eines Europäischen Finanzaufsichtssystems (European System of Financial Supervisors – ESFS) mit den drei Aufsichtsbehörden – primär zur Bekämpfung der Gefahren auf Mikroebene. Da sich die Risiken auf den beiden Ebenen aber analytisch nicht sauber trennen lassen, voneinander abhängen und aufeinander einwirken, wird eine Interaktion zwischen den beiden Aufsichtseinrichtungen als wesentlich angesehen. Es soll daher ein ständiger Informationsaustausch stattfinden und auch darüber hinaus kooperiert werden. Das Paket besteht aus Vorschlägen für jeweils eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates, gestützt auf Art. 95 EGV (jetzt Art. 114 AEUV), – über die gemeinschaftliche Finanzaufsicht auf Makroebene und zur Einsetzung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken,68 – zur Einrichtung einer Europäischen Bankenaufsichtsbehörde,69 – zur Einrichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung,70 68 KOM(2009) 499 endg., 2009/0140 (COD) (proposal for a regulation on Community macro prudential oversight of the financial system and establishing a European Systemic Risk Board [ESRB], COM[2009] 499 final) vom 23. September 2009, Ratsdokument 13648/09 vom 25. September 2009. Im Anschluss an die Tagung des EU-Rates (Wirtschaft und Finanzen) am 20. Oktober 2009 hat der Vorsitz des Rates einen Kompromissvorschlag unterbreitet, der die Aufgaben im Vergleich zum ursprünglichen Kommissionsentwurf einschränkt (Ratsdokument 14491/1/09 REV 1 vom 21. Oktober 2009). Der Vorschlag ist nach Inkrafttreten des AEUV angepasst worden (Ratsdokument 5554/10 vom 21. Januar 2010). 69 KOM(2009) 501 endg. (proposal for a regulation establishing a European Banking Authority [EBA], COM[2009] 501 final) vom 23. September 2009, Ratsdokument 13652/09 vom 25. November 2009; geänderte Fassung auf Grund der Einigung auf der Ratstagung am 2. Dezember 2009: Kompromisstext des Rates (Wirtschaft und Finanzen) vom 2. Dezember 2009 (Ratsdokument 16748/1/09 REV 1 vom 3. Dezember 2009). 70 KOM(2009) 502 endg. (proposal for a regulation establishing a European Insurance and Occupational Pensions Authority [EIOPA], COM[2009] 502 final) vom 23. September 2009, Ratsdokument 13653/09; geänderte Fassung auf Grund der Einigung auf der Ratstagung am 2. Dezember 2009: Kompromisstext des Rates (Wirtschaft und Finanzen) vom 2. Dezember 2009 (Ratsdokument 16748/1/09 REV 1 vom 7. Dezember 2009).

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– zur Einrichtung einer Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde71. Hinzu kommt noch der Entwurf für eine Entscheidung des EU-Rates zur Übertragung von Aufgaben auf die Europäische Zentralbank, gestützt auf Art. 105 Abs. 6 EGV (jetzt Art. 127 Abs. 6 AEUV),72 die von ihr im Zusammenhang mit dem neuen Europäischen Ausschuss für Systemrisiken erfüllt werden sollen.73 Diese Entwürfe wurden vorbereitet und begleitet durch grundlegende Untersuchungen zu den Auswirkungen und Kosten der Maßnahmen durch den Stab der Kommission.74 Nach den Vorstellungen der Kommission sollten die nationalen Aufsichtseinrichtungen zur laufenden Überwachung beibehalten werden. Die Koordinierung und Kooperation der Aufsicht sollte durch die neuen europäischen Einrichtungen („authorities“) erfolgen, die im Rahmen eines Netzwerkes mit den nationalen Behörden zusammenarbeiten sollten. Die Vorschläge der Kommission enthalten eine Klausel zum Schutz der haushaltspolitischen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten (Art. 23 VO-Entwürfe „Schutzmaßnahmen“), die auf die Vorbehalte des EU-Rates (Wirtschaft und Finanzen – ECOFIN) und des Europäischen Rates vom Juni 2009 zurückgehen. Danach gewährleistet die jeweilige Behörde, dass sich keine der nach Art. 10

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KOM(2009) 503 endg. (proposal for a regulation establishing a European Securities and Markets Authority [ESMA], COM[2009] 503 final) vom 23. September 2009, Ratsdokument 13654/09; Änderung durch Kompromisstext des Vorsitzes des Rates mit neuer Bezeichnung: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (Ratsdokument 16751/09 vom 27. November 2009). Es handelt sich dabei um eine konsolidierte Fassung der Dokumente 16077/1/09 REV 1 + ADD 1. Das Dokument 16077/ 1/09 ist nicht öffentlich zugänglich. Der Vorschlag wurde geändert auf Grund der Einigung auf der Ratstagung am 2. Dezember 2009: Kompromisstext des Rates (Wirtschaft und Finanzen) vom 2. Dezember 2009 (Ratsdokument 16751/1/09 REV 1 vom 7. Dezember 2009; Korrektur durch Ratsdokument 16751/1/09 REV 1 COR 1 vom 16. Dezember 2009). 72 Die Rechtsgrundlage wird für zutreffend gehalten von Pötzsch, Reform der Europäischen Finanzaufsichtsstrukturen, in: Festschrift Hopt, 2010, S. 2367–2384 (2370). 73 Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Funktionsweise des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken auf die Europäische Zentralbank, KOM(2009) 500 endg. (proposal for a decision entrusting the European Central Bank with specific tasks concerning the functioning of the European Systemic Risk Board, COM[2009] 500 final), Ratsdokument 13645/09 vom 25. September 2009; Änderung durch Kompromissvorschlag des Vorsitzes (Ratsdokument 14493/09 vom 15. Oktober 2009; korrigiert durch Ratsdokument 14493/09 COR 1 vom 16. Oktober 2009; Umwandlung in einen Verordnungsvorschlag und Anpassung an den AEUV durch Ratsdokument 5551/10 vom 21. Januar 2010. 74 Commission Staff Working Document vom 23. September 2009, Impact Assessment, SEC(2009) 1234; Commission Staff Working Document vom 23. September 2009, Summary of the Impact Assessment, SEC(2009) 1235.

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III. Finanzmärkte

oder 11 erlassenen Entscheidungen75 auf die haushaltspolitischen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten auswirken. Diese Bestimmung wird in der Diskussion meist als „Schutzklausel“ bezeichnet. Bei Meinungsverschiedenheiten, ob diese Vorschrift hinreichend beachtet worden ist, soll aber letztlich der EU-Rat mit qualifizierter Mehrheit entscheiden, Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 5 und Abs. 3 Unterabs. 3 VO-Entwürfe. Diese Klausel ist besonders umstritten. In der Folgezeit sind verschiedene Änderungs- und Kompromissvorschläge vorgelegt worden. b) Befugniszuweisungen und Sicherstellung der Funktion der neuen Behörden Nach den Vorstellungen der Kommission sollten die neuen Behörden „sämtliche exklusiven Aufsichtsbefugnisse für gemeinschaftsweit tätige Institute oder Wirtschaftstätigkeiten mit gemeinschaftsweiter Tragweite wahrnehmen“, Art. 6 Abs. 3 VO-Entwürfe. Das dürfte so zu verstehen sein, dass sie unter Ausschluss anderer Aufsichtseinrichtungen die Aufsicht über die relevanten international tätigen Finanzinstitute ausüben sollten. Allerdings war eine ausdrückliche Zuständigkeitsübertragung durch die anwendbaren materiellen Rechtsvorschriften erforderlich. Dementsprechend hat die Kommission im Oktober 2009 noch einen Richtlinienentwurf vorgelegt, der das materielle Aufsichtsrecht im Hinblick auf die Befugnisse der neuen Europäischen Aufsichtsbehörden anpassen und ergänzen sollte.76 Die Europäische Zentralbank hat sich im Grundsatz zustimmend geäußert, aber einige bedeutsame Verbesserungsvorschläge eingebracht, namentlich im Bereich der Annahme von technischen Standards und des Informationsflusses.77 5. Der weitere Verlauf a) Die Zustimmung des Bundesrates Die Vorschläge der EU-Kommission wurden am 19. September 2009 dem Bundesrat zur Stellungnahme gemäß §§ 3 und 5 des Gesetzes über die Zusam75 Artikel 10: Maßnahmen im Krisenfall, Artikel 11: Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen zuständigen Behörden. 76 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und Rates zur Änderung der Richtlinien 1998/26/EG, 2002/87/EG, 2003/87/EG, 2003/41/EG, 2003/71/ EG, 2004/39/EG, 2004/109/EG, 2005/60/EG, 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2009/65/ EG im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Bankaufsichtsbehörde, der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung und der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde, KOM(2009) 576 endg.; Ratsdokument 15093/09. Einzelheiten finden sich bereits im Commission Staff Working Document vom 23. September 2009, Possible Amendments to Financial Services Legislation, SEC(2009), 1233. 77 Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 18. März 2010, ABl. C 87/1 vom 1.4.2010.

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menarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBLG) zugeleitet.78 Entsprechend den Empfehlungen der beteiligten Ausschüsse79 beschloss er in seiner Sitzung am 6. November 2009 eine grundsätzlich zustimmende Stellungnahme.80 Er hält eine stabilitätsorientierte Reform der Finanzmarktaufsicht in Europa für erforderlich und unterstützt die Vorschläge der Kommission zur Einrichtung eines Europäischen Systems der Finanzaufsichtsbehörden und begrüßt das geplante Europäische Finanzaufsichtssystem, in dem die nationalen Behörden mit den drei neuen Aufsichtsbehörden sowie mit dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) koordiniert zusammenarbeiten werden.81 Der Bundesrat fordert aber eine neue Austarierung der direkten Weisungsrechte der vorgesehenen Behörden mit der Klausel zum Schutze der haushaltspolitischen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten, da Ungleichgewichte zu Lasten der nationalen Haushalte nur mit einer qualifizierten Mehrheit im EU-Rat (Wirtschaft und Finanzen) beseitigt werden könnten.82 Als „nicht akzeptabel“ wurde vor allem auch das direkte Weisungsrecht gegenüber den nationalen Aufsichtsgremien bezeichnet. „Tiefgreifenden Bedenken“ begegnete darüber hinaus die geplante Befugnis, unmittelbar gegenüber Finanzinstituten Einzelentscheidungen treffen zu können („Durchgriffsrecht“). Überdacht werden sollte auch die fehlende Einbindung des Europäischen Parlaments und des Rates in Setzung der „technischen Standards“,83 also die Normgebung außerhalb demokratischer Verfahren.84 b) Modifikationen und Aufweichung der Eingriffsbefugnisse durch den EU-Rat (Wirtschaft und Finanzen) aa) ESRB Der EU-Rat (Wirtschaft und Finanzen) einigte sich bereits am 20. Oktober 2009 über die makrofinanzielle Seite der Aufsicht.85 Die an den Entwürfen vorgenommenen Änderungen waren aber im Wesentlichen redaktioneller Natur. 78

BR-Drucks. 736/09, 737/09, 738/09, 739/09, 740/09. BR-Drucks. 736/1/09. 80 863. Sitzung am 6. November, BR-Prot., S. 414 (A). 81 BR-Drucks. 736/1/09, S. 3. 82 BR-Drucks. 736/1/09, S. 5 Nr. 7; Minister Hahn, 863. Sitzung am 6. November, BR-Prot., S. 413 (D). 83 Minister Reinhart, 863. Sitzung am 6. November, BR-Prot., S. 411 (A); s. a. BRDrucks. 736/1/09, S. 5 Nr. 8 und S. 6 Nr. 11 f. 84 BR-Drucks. 736/1/09, S. 5 Nr. 9. 85 Grundsätzliche Zustimmung des Rates, Draft Minutes vom 7. Dezember 2009 (14717/09); Rat der Europäischen Union (Wirtschaft und Finanzen), Kompromissvorschlag des Vorsitzes (14491/1/09 REV 1 und 14349/01/09 REV 1 vom 21. Oktober 2009); Nachweise für die einzelnen Dokumente in Fn. 71. 79

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III. Finanzmärkte

Nennenswerte sachliche Modifikationen wurden in folgenden Vorschriften vorgenommen: Es wurde ein neuer Satz 2 in Art. 1 Abs. 1 VO-Entwurf ESRB eingefügt, der ausdrücklich feststellt, dass der ESRB ein unabhängiges Gremium ohne eigene Rechtspersönlichkeit ist. Der Auftrag zur Sicherstellung eines nachhaltigen Beitrags des Finanzsektors zum Wirtschaftswachstum wurde gestrichen. Der Beratende Fachausschuss wurde nun auch noch bei der grundsätzlichen Darstellung des Aufbaus erwähnt, Art. 4 Abs. 1 VO-Entwurf ESRB n. F. Ausdrücklich wurde dem ESRB auch die Befugnis zur Erteilung von Rechtssetzungsvorschlägen eingeräumt, Art. 16 Abs. 1 VO-Entwurf ESRB n. F. Neu eingeführt wurde auch das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit für die Annahme einer Empfehlung, Art. 16 Abs. 5 VO-Entwurf ESRB (neu eingefügt). Das bedeutet eine deutliche Verschärfung für die Arbeit des Ausschusses. Das Erklärungserfordernis bei Nichtbefolgung von Empfehlungen wurde konkretisiert („in angemessener Weise“), Art. 17 Abs. 1 VO-Entwurf ESRB n. F. bb) ESFS Es blieben aber noch erhebliche Meinungsunterschiede im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Schutzklausel (Art. 23), die unmittelbaren Eingriffsund Weisungsbefugnisse der neuen Aufsichtsbehörden sowie die Abstimmungsmodalitäten (Art. 29 Abs. 1).86 Auf der Tagung des Rates am 2. Dezember 2009 wurde schließlich eine Einigung auf eine „allgemeine Ausrichtung“ zu den Entwürfen von Verordnungen zur Einrichtung der drei neuen Aufsichtsbehörden für Finanzdienstleistungen in der EU erzielt.87 Auf der Grundlage eines zwischen Deutschland und Frankreich ausgehandelten Kompromisses wurde im Wesentlichen folgende Einigung im Rat erreicht:88 – volle exklusive Aufsichtsbefugnisse der neuen Aufsichtsbehörden nur noch gegenüber Ratingagenturen, Art. 6 Abs. 3 VO-Entwürfe n. F. – Durchsetzung von Empfehlungen zur Beseitigung von Rechtsverletzungen unmittelbar gegenüber dem betroffenen Kreditinstitut, wenn die nationale Aufsichtsbehörde EU-Recht verletzt, Art. 9 Abs. 6 VO-Entwürfe n. F. – Entscheidung über das Bestehen einer Krise nicht alleine durch die Kommission, sondern durch den Rat in Abstimmung mit der Kommission, Art. 10 Abs. 1a VO-Entwürfe n. F. 86 Ausschuss der Ständigen Vertreter für den Rat der Europäischen Union (Wirtschaft und Finanzen), Bericht vom 27. November 2009, II 6 (16752/09); ders., Korrigendum zum Bericht vom 1. Dezember 2009, S. 1. 87 2981. Tagung des Rates (Wirtschaft und Finanzen) vom 2. Dezember 2009 in Brüssel, Mitteilung an die Presse, 16838/09 (Presse 352); Entwurf des Protokolls vom 3. Februar 2010, 16972/09, ECOFIN 860, S. 4. 88 Der Inhalt der Einigung ergibt sich aus den Dokumenten 16784/1/09 REV 1, 16749/1/09 und 16751/1/09, auf die sich der Rat geeinigt hat (S. 4 des Protokolls).

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– In der Krise bindende Entscheidungen gegenüber nationalen Aufsichtsbehörden, nur unter der verschärften Voraussetzung, dass „außergewöhnliche Umstände“ ein koordiniertes Vorgehen erforderlich machen, Art. 10 Abs. 2 VOEntwürfe n. F. – Beseitigung der Durchgriffsrechte auf einzelne Finanzinstitute in der Krise, Streichung von Art. 10 Abs. 3 VO-Entwürfe. – Beibehaltung bindender Entscheidungen gegenüber den zuständigen nationalen Behörden bei unterschiedlichen Auffassungen, um Einhaltung des Unionsrechts zu gewährleisten, Art. 11 Abs. 3 VO-Entwürfe n. F. – Beseitigung der Durchgriffsrechte auf einzelne Finanzinstitute bei Auffassungsunterschieden der nationalen Aufsichtsbehörden, Streichung von Art. 11 Abs. 4 VO-Entwürfe. – Beibehaltung des Erfordernisses der qualifizierten Mehrheit im ECOFINCouncil für ein Stattgeben von Beschwerden über Berühren der haushaltspolitischen Zuständigkeiten eines Mitgliedstaates (Ausgestaltung der Schutzklausel), Art. 23 VO-Entwürfe n. F. – Entscheidungen der EU-Behörden unverändert grundsätzlich mit einfacher Mehrheit des Aufsichtsorgans nach dem Grundsatz, dass jedes Mitglied über eine Stimme verfügt; mit Modifikationen auch für Entscheidungen nach Art. 11 Abs. 3 (Beilegung von unterschiedlichen Auffassungen zwischen Aufsichtsbehörden), Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 und 3 VO-Entwürfe n. F.89 Alle drei Behörden sollten nach den ursprünglichen Entwürfen der Kommission „sämtliche exklusiven Aufsichtsbefugnisse für gemeinschaftsweit tätige Institute oder Wirtschaftstätigkeiten mit gemeinschaftsweiter Tragweite wahrnehmen“ (Art. 6 Abs. 3 VO-Entwürfe). Davon ist nach dem Kompromiss vom 2. Dezember 2009 lediglich die unmittelbare und exklusive Befugnis zur Beaufsichtigung der Ratingagenturen durch die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) geblieben, für die nach der Verordnung (EG) 1060/2009 bisher die nationalen Behörden zuständig sind. Art. 6 Abs. 3 ist in den Entwürfen der Kommission für die Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und für die Versicherungsund Pensionskassenaufsichtsbehörde (EIOPA) gestrichen worden. Art. 6 Abs. 3 VO-Entwurf ESMA n. F. ist entsprechend angepasst worden. Beibehalten wurde also im Kompromiss vom 2. Dezember die Befugnis zum Erlass von verbindlichen Entscheidungen unmittelbar gegen ein Finanzinstitut nur für den Fall, dass eine nationale Aufsichtsbehörde EU-Recht verletzt und Empfehlungen der Europäischen Behörde nicht befolgt, Art. 9 Abs. 6 VO-Entwürfe n. F.90 Die ursprünglich vorgesehenen Durchgriffsrechte auf einzelne Fi89 Entgegen dem zwischen Frankreich und Deutschland gefundenen Kompromiss wurde die ursprüngliche Regelung im Wesentlichen beibehalten. 90 Von Deutschland noch abgelehnt, Ratsdokument 15633/09.

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III. Finanzmärkte

nanzinstitute in Krisenfällen (Art. 10 Abs. 3 VO-Entwürfe) und ihr Vorrang vor allen früheren Entscheidungen der zuständigen Behörden (Art. 10 Abs. 4 VOEntwürfe) wurden gestrichen. Ebenso wurde die Befugnis gestrichen, Einzelentscheidungen an ein Finanzinstitut zu richten, wenn Zusammenarbeit, Koordinierung oder gemeinsame Entscheidungen von mehr als einem Mitgliedstaat vom materiellen Recht vorgeschrieben ist, aber eine nationale Behörde mit der Vorgehensweise einer anderen Behörde nicht einverstanden ist, Art. 11 Abs. 1, 4 VOEntwürfe. Im Krisenfall sollen die EU-Behörden weiterhin bindende Entscheidungen gegenüber nationalen Aufsichtsbehörden erlassen dürfen, wenn dies in den sektoralen Richtlinien ausdrücklich vorgesehen ist. Deutschland hatte darüber hinaus eine ausdrückliche Klarstellung verlangt, dass es sich dabei aber nicht um eine institutsbezogene Maßnahme handeln dürfe. Dies ergibt sich aber nicht mehr aus dem schließlich angenommenen Kompromisstext in Art. 10 Abs. 2 VO-Entwürfe n. F. Außerdem wurde die Ausgestaltung der sogenannten „Schutzklausel zur Sicherung der Haushaltsautonomie“ der Mitgliedstaaten modifiziert und ausdrücklich klargestellt, dass Entscheidungen der Europäischen Aufsichtsbehörden „keinerlei Auswirkungen auf die haushaltspolitischen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten haben sollen“. Jede „verbindliche Entscheidung der Europäischen Auf-sichtsbehörden“ wäre von den Gerichten der EU zu prüfen91 und könnte nicht allein durch Entscheidung des Rates aufrecht erhalten werden. c) Die Zustimmung durch den Bundestag Der Bundestag hat in seiner Sitzung am 25. Februar 2010 zustimmend von den modifizierten Vorschlägen der EU-Kommission Kenntnis genommen.92 Zum Teil wurde aber kritisiert, dass die neuen Aufsichtsbehörden nach dem Kompromiss des Rates (Wirtschaft und Finanzen) selbst im Krisenfall keine Weisungsbefugnisse gegenüber einzelnen Finanzinstituten hätten. Es wurde harter Widerstand im Europaparlament dagegen in Aussicht gestellt.93 In diesem Zusammenhang wurde auch konstatiert, dass die Bankenaufsicht in Deutschland nicht „funktioniert“ habe. „Keine einzige Schieflage in Deutschland“ sei „durch die deutsche Bankenaufsicht festgestellt“ worden.94

91

Ebd. BT-Prot. 17. WP, 24. Sitzung, S. 2083 (B). 93 Abg. Zöllmer, BT-Prot., S. 2075 (D); dagegen aber der Abg. Flosbach, BT-Prot., S. 2080 (D). 94 Abg. Schäffler, BT-Prot., S. 2081 (D); in diesem Sinne bereits Siekmann (Fn. 2), S. 101. 92

7. Neuorganisation der Finanzaufsicht

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d) Unterstützung durch die EZB Die EZB unterstützt in ihren Stellungnahmen die allgemeine Richtung der Verordnungsentwürfe und den vorgeschlagenen institutionellen Rahmen. Sie wünscht aber vor allem eine effiziente institutionelle Gestaltung der Kooperation zwischen ESRB und den Aufsichtsbehörden. Sie wünscht vor allem Änderungen, um den reibungslosen Informationsfluss zu erleichtern. Auch soll die Regelung der Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden und dem Europäischen System der Zentralbanken verbessert werden.95 Die EZB befürwortet vor allem auch die Entwicklung gemeinsamer technischer Standards („single rulebook“).96 e) Die erneute Verschärfung durch das Europäische Parlament Schon frühzeitig wurde im Europäischen Parlament fraktionsübergreifend zum Ausdruck gebracht, dass der geplanten EU-Finanzaufsicht deutlich mehr Befugnisse zugebilligt werden müssten als nach dem Kompromiss vom 2. Dezember 2009 vorgesehen. Anfang Februar 2010 legten die Berichterstatter des zuständigen Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments Entwürfe für ihre Berichte vor, die bereits zahlreiche und grundlegende Änderungen der Verordnungsentwürfe enthielten und zum Teil sogar deutlich über die (ursprünglichen) Vorschläge der Kommission hinausgingen.97 Etwa einen Monat 95 Opinion of the European Central Bank on three proposals for regulations of the European Parliament and of the Council establishing a European Banking Authority (EBA), a European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) and a European Securities and Markets Authority (ESMA), COD/2009/142, 143, 144 vom 08. Januar 2010. 96 Opinion of the European Central Bank on a proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directives 1998/26/EC, 2002/87/EC, 2003/87/EC, 2003/41/EC, 2003/71/EC, 2004/39/EC, 2004/109/EC, 2005/60/EC, 2006/48/EC, 2006/49/EC and 2009/65/EC in respect of the powers of the European Banking Authority, the European Insurance and Occupational Pensions Authority and the European Securities and Markets Authority, COD/2009/0161 vom 18. März 2010. 97 Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gemeinschaftliche Finanzaufsicht auf Makroebene und zur Einsetzung eines Ausschusses für Systemrisiken (KOM[2009]0499 – C7-0166/ 2009 – 2009/0140[COD]) vom 10. Februar 2010, Berichterstatterin Sylvie Goulard; Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Funktionsweise des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken auf die Europäische Zentralbank (05551/2010 – C7-0014/2010 – 2009/0141[CNS]) vom 10. Februar 2010, Berichterstatter Ramon Tremosa i Balcells vom 10. Februar 2010; Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Bankaufsichtsbehörde (KOM[2009]0501 – C7-0169/2009 – 2009/ 142[COD]) vom 10. Februar 2010, Berichterstatter José Manuel Garcia-Margallo y Marfil; Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, (KOM[2009]0502 –

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III. Finanzmärkte

nach der ersten Beratung im Ausschuss am 10. Mai 2010 wurden die endgültigen Berichte veröffentlicht.98 Auch wurden die Entwürfe für die Anpassung des materiellen Aufsichtsrechts erheblich verändert.99 Die für den 3. Juni 2010 vorgesehene Behandlung im Plenum wurde auf den 6. Juli 2010 verschoben.100 Der Ausschuss Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments wollte den ESRB eindeutig der „Federführung der Europäischen Zentralbank“ unterstellen.101 Im Hinblick auf den „Erfolg des Europäischen Systems der Zentralbanken oder des Europäischen Wettbewerbsnetzes“ schlug der Berichterstatter vor, „den ESRB in das EFSF einzubeziehen“.102 Das war in der Tat bisher nur in lockerer Form vorgesehen, nicht vergleichbar mit der Integrationsdichte im ESZB.103 Im C7-0168/2009 – 2009/143[COD]) vom 10. Februar 2010, Berichterstatter Peter Skinner; Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, (KOM[2009]0503 – C70167/2009 – 2009/144[COD]) vom 10. Februar 2010, Berichterstatter Sven Gigold. 98 Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gemeinschaftliche Finanzaufsicht auf Makroebene und zur Einsetzung eines Ausschusses für Systemrisiken (KOM[2009]0499 – C7-0166/2009 – 2009/ 0140[COD]) vom 25. Mai 2010, A7-0168/2010, Berichterstatterin Sylvie Goulard; Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Funktionsweise des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken auf die Europäische Zentralbank (05551/2010 – C7-0014/2010 – 2009/0141[CNS]) vom 21. Mai 2010, A7-0167/2010, Berichterstatter Ramon Tremosa i Balcells; Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Bankaufsichtsbehörde (KOM [2009]0501 – C7-0169/2009 – 2009/142[COD]) vom 3. Juni 2010, A7-0166/2010, Berichterstatter José Manuel Garcia-Margallo y Marfil; Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, (KOM[2009]0502 – C7-0168/2009 – 2009/143[COD]) vom 26. Mai 2010, A7-0170/2010, Berichterstatter Peter Skinner; Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, (KOM[2009]0503 – C7-0167/2009 – 2009/144[COD]) vom 3. Juni 2010, A7-0169/2010, Berichterstatter Sven Gigold. 99 Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und Rates zur Änderung der Richtlinien 1998/26/EG, 2002/87/EG, 2003/ 87/EG, 2003/41/EG, 2003/71/EG, 2004/39/EG, 2004/109/EG, 2005/60/EG, 2006/48/ EG, 2006/49/EG und 2009/65/EG im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Bankaufsichtsbehörde, der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung und der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (KOM[2009]576 – C7-0251/2009 – 2009/0161[COD]) vom 18. Februar 2010, Berichterstatter Antolin Sánchez Presedo. Der endgültige Bericht stammt vom 25. Mai 2010 und hat das Aktenzeichen A7-0168/2010. 100 Europäisches Parlament, Endgültiger Entwurf der Tagesordnung, 5.–8. Juli 2010 in Straßburg, Plenarsitzungsdokument vom 2. Juli 2010 – 444.569. 101 Ausschuss für Wirtschaft und Währung (Fn. 98), Bericht 55/85. 102 Ausschuss für Wirtschaft und Währung (Fn. 98), Bericht 56/85. 103 Unten III. 1.

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Einzelnen schlägt der Bericht vor, dass der Präsident der EZB wieder, wie in einem frühen Stadium der Überlegungen, kraft Amtes auch Vorsitzender des ESRB sein soll, Art. 5 Abs. 1 VO-Entwurf ESRB (Ausschussfassung).104 Auch soll es zwei stellvertretende Vorsitzende unterschiedlicher Herkunft geben, Art. 5 Abs. 1a und 1b VO-Entwurf ESRB (Ausschussfassung).105 Außerdem soll der ESRB einen „Beratenden Wissenschaftlichen Ausschuss“ erhalten. Er soll dem ESRB in den für eine Arbeit maßgeblichen Fragen beratend und unterstützend zur Seite stehen, Art. 4 Abs. 1 und 5 VO-Entwurf ESRB (Ausschussfassung). Die Ausdehnung der Befugnisse betrifft vor allem die Beschreibung der Aufgaben der Aufsichtsbehörden in Art. 6 VO-Entwürfe.106 Dazu gehören direkte Durchgriffe auf Einzelinstitute im Krisenfall und Weisungsbefugnisse gegenüber nationalen Aufsichtsbehörden, Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b und fd (neu), Art. 10 Abs. 2, Art. 11 Abs. 3 und 4 VO-Entwürfe (Ausschussfassung).107 Wo Ermessen in den Vorschlägen der EU-Kommission und des EU-Rates vorgesehen war, soll nunmehr eine Pflicht zum Eingreifen statuiert werden.108 Auch wird vorgeschlagen, dass EU-weite Bankengruppen unmittelbar von der neuen Europäischen Bankenaufsichtsbehörde überwacht werden sollen, Art. 6 Abs. 1 Buchstabe fd (neu) VO-Entwürfe (Ausschussfassung). Schließlich schlägt der Ausschuss noch vor, dass ein Europäischer Einlagensicherungsfonds geschaffen werden soll. Dem Vorschlag von Kommission und Rat über einen Sitz an verschiedenen Orten wird nicht gefolgt. Der Berichterstatter zur ESRB-Verordnung schlug schon im Februar vor, alle Europäischen Aufsichtseinrichtungen, also den ESRB und die drei Behörden, zusammen an einem Ort in Frankfurt am Main unterzubringen. Dem ist der Ausschuss gefolgt.109 Damit soll eine „gemeinsame Aufsichtskultur“ geschaffen werden. Die Unterbringung der bisherigen LamfalussyAusschüsse in verschiedenen Hauptstädten stehe einer strafferen europäischen Struktur, wie sie die EU brauche, nicht entgegen.110 In den endgültigen Berichten zu den Aufsichtsbehörden ist als Sitz Frankfurt für alle Aufsichtseinrichtungen vorgesehen, Art. 5 VO-Entwürfe (Ausschussfassung). Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments geht zwar nun ebenfalls von einer sektorspezifischen Organisation der Aufsichtsbe104 Ausschuss für Wirtschaft und Währung (Fn. 98), Änderungsantrag 48, Bericht 26/ 53; Economic and monetary affairs (Fn. 110), S. 2. 105 Änderungsanträge 49, 50, Bericht (Fn. 98), 29 f., 85. 106 Änderungsanträge 67 bis 85 (Fn. 98). 107 Änderungsanträge 74, 118, 125. 108 Beispielsweise Art. 6 Abs. 1 Buchstabe fd (neu), der völlig neu gefasste Art. 7 (technische Standards), Art. 9 Absatz 6 Unterabs. 1, jeweils in der Ausschussfassung. 109 Bericht (Fn. 98), 56/85. 110 Ausschuss für Wirtschaft und Währung (Fn. 97), Bericht 52/53; Economic and monetary affairs, Press release vom 24. Februar 2010, REF 20100223IPR69355.

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hörden aus, allerdings unter dem Schirm eines deutlich gestärkten ESRB („quasiumbrella authority“) und mit Sitz in Frankfurt am Main. Das enge Zusammenwirken der Aufsichtseinrichtungen sei essentiell, um ein einheitliches Regelbuch („single rulebook“) zu erstellen. Die einzelnen Befugnisse der Behörden werden gestärkt. Ein (zeitlich begrenztes) Verbot von Finanzprodukten wird ermöglicht, die ein zu großes Risiko darstellen. Die „Schutzklausel“ wird strenger gefasst. Gleichzeitig wird die Schaffung von zwei neuen Fonds, einem europäischen Einlagensicherungsfonds und einem europäischen Stabilitätsfonds, vorgeschlagen.111 Auch im Schrifttum wird ein deutlich europäischer Akzent befürwortet, da andernfalls eine Bürokratie zum „Selbstzweck“ errichtet werde.112 Der Zeitpunkt für die Einführung einer direkten Aufsicht über einzelne Banken wird allerdings für verfrüht gehalten.113 In den Vorschlägen der Kommission waren „exklusive Aufsichtsbefugnisse für gemeinschaftsweit tätige Institute oder Wirtschaftstätigkeiten mit gemeinschaftsweiter Tragweite“ vorgesehen, Art. 6 Abs. 3 VO-Entwürfe. Sie wurden in der Folge der EU-Ratssitzung am 2. Dezember 2009 gestrichen. Volle exklusive Aufsichtsbefugnisse sind danach nur bei der Aufsicht über Ratingagenturen bestehen geblieben, Art. 6 Abs. 3 VO-Entwurf ESMA n. F.114 Derartige volle Aufsichtsbefugnisse werden auch im Schrifttum weiterhin gefordert.115 Statt der sektoral aufgespaltenen drei Behörden soll es nach Auffassung des Schrifttums nur eine Behörde am Sitz der EZB in Frankfurt am Main geben.116 f) Zwischenergebnis Festzuhalten ist, dass die Entwürfe der Kommission eine mittlere Linie im Hinblick auf echte Eingriffsbefugnisse der neuen Behörden verfolgen. Bundesrat und Rat der EU haben sie weitgehend beseitigt. Bemerkenswert ist die sehr aktive Rolle des Europäischen Parlaments, das eine deutliche Stärkung und Zentralisierung der Aufsicht fordert und sich in einigen Abschnitten auch durchsetzen konnte. Die schließlich verabschiedete Fassung ging in wesentlichen Punkten über die von der Kommission vorgeschlagene Europäisierung hinaus. 111 Economic and monetary affairs, Press release vom 10. Mai 2010, REF 20100510IPR74360. 112 Lamandini (Fn. 23), S. 201 f.; Massenberg (Fn. 17), S. 12. 113 Massenberg, ebd. 114 Im Wortlaut: „Die Behörde wird die exklusiven Aufsichtsbefugnisse über RatingAgenturen wahrnehmen, für die sie gemäß Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 zuständig ist. Zu diesem Zweck erhält die Behörde angemessene Befugnisse für die Durchführung von Nachforschungen und die rechtliche Durchsetzung, so wie sie in den einschlägigen Rechtsvorschriften festgeschrieben sind, sowie die Möglichkeit, Gebühren in Rechnung zu stellen.“ In den übrigen Entwürfen ist der gesamte Absatz 3 gestrichen worden. 115 Massenberg (Fn. 17), S. 12. 116 Lehmann/Manger-Nestler (Fn. 17), S. 89.

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III. Das neue Aufsichtssystem 1. Grundstrukturen Nach den Vorstellungen der Kommission sollte das Europäische System für Finanzaufsicht (EFSF) aus den neuen Europäischen Aufsichtsbehörden und den nationalen Aufsichtsbehörden bestehen, die im „Netzverbund“ zusammenarbeiten sollten. Daneben sollte ein Europäischer Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) eingerichtet werden.117 Diese Grundstruktur des neuen Aufsichtssystems war bis zuletzt umstritten. Das Europäische Parlament wünschte entgegen den Vorschlägen der Kommission ein einheitliches Aufsichtssystem mit Sitz in Frankfurt am Main. Es konnte sich damit zwar nicht durchsetzen, doch wurden die dezentral zu errichtenden Europäischen Aufsichtseinrichtungen (ESAs) mit dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) in einem System zusammengefasst: dem (ESFS).118 In der einheitlichen Bezeichnung der dezentral organisierten Aufsichtseinrichtungen auf europäischer Ebene („Europäische Aufsichtsbehörde“ mit Klammerzusatz) ist die Vorstellung einer einheitlichen mikroprudentiellen Aufsicht fortgeführt worden. Auch ist der erst auf Wunsch des Parlaments geschaffene „Gemeinsame Ausschuss“ eine Einrichtung zur Verklammerung des gesamten Systems. Das ESFS besteht also aus – dem ESRB, – der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde, – der Europäischen Behörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, – der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, – dem Gemeinsamen Ausschuss, – den zuständigen Aufsichtseinrichtungen der Mitgliedstaaten.119 Im Gegensatz zum ESZB hat das ESFS und seine Bestandteile keine Fundierung im Vertragsrecht und ist alleine durch sekundäres Gemeinschaftsrecht errichtet worden. Auch werden seine nationalstaatlichen Glieder nicht in gleicher Weise in das System integriert wie die nationalen Zentralbanken in das ESZB. Nach Art. 281 Abs. 1 AEUV sind die nationalen Zentralbanken integrale Bestandteile des ESZB. Die neuen Aufsichtsbehörden werden zwar als „Bestandteile“ des ESFS bezeichnet (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 ESA-VO),120 doch soll das gesamte System als „Netzverbund“ oder „Netzwerk“ agieren.121 117

Oben II. 4. b). Das kommt nicht deutlich genug zum Ausdruck bei Baur/Boegl (Fn. 37), S. 179. 119 Ausdrücklich festgestellt in Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Einsetzung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, ABl. L 331/1 vom 15.12.2010 (ESRB-VO). 120 Die Bezeichnung als „Teile“ in Art. 39 Abs. 1 VO-Entwürfe ist weggefallen. 118

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III. Finanzmärkte

Die nationalen Aufsichtseinrichtungen sind weiterhin uneingeschränkt für die laufende Aufsicht im eigenen Land zuständig geblieben.122 Sie sind dabei mehr oder weniger strikt an die technischen Standards und Empfehlungen, welche die neuen Behörden produzieren, gebunden. Das fortbestehende Gewicht der nationalen Einrichtungen zeigt sich auch daran, dass die neuen Europäischen Behörden nur begrenzt an der Arbeit der Aufsichtskollegien teilnehmen, Art. 21 ESAVO.123 Auch ist keine engere institutionelle Verknüpfung mit dem ESRB, sondern nur eine Kooperationspflicht („shall co-operate“) angeordnet, Art. 1 Abs. 5124 und Art. 21 VO-Entwürfe. Anders als die EZB hat das ESRB keine Weisungsbefugnisse gegenüber dem ESFS oder seinen Teilen. Parallel zu den organisationsrechtlichen Regelungen ist auch das materielle Aufsichtsrecht an die neue Aufsichtsstruktur angepasst worden (Omnibusrichtlinie I).125 Es handelt sich um gezielte Änderungen der bestehenden Finanzdienstleistungsrichtlinien: – 2006/48/EG und 2006/49/EG: Eigenkapitalrichtlinien, – 2002/87/EG: Finanzkonglomeratsrichtlinie, – 2003/41/EG: Richtlinie über Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, – 2003/6/EG: Marktmissbrauchsrichtlinie, – 2004/39/EG: MiFID-Richtlinie, – 2003/71/EG: Prospektrichtlinie, – 1998/26/EG: Richtlinie über die Wirksamkeit von Abrechnungen, – 2004/109/EG: Transparenzrichtlinie, – 2005/60/EG: Geldwäscherichtlinie, – 2009/65/EG: OGAW-Richtlinie.

121

Begründungserwägung 7 ESA-VO. Lamandini (Fn. 23), S. 199; Hopt (Fn. 1), S. 1405. 123 Krit. Hopt (Fn. 1), S. 1405, der aber die Bildung der Kollegien bereits als Fortschritt bezeichnet; ebenso Deutsche Bundesbank, Monatsbericht September 2009, S. 67–83 (75 f.). 124 In der englischen Fassung: Abs. 6; angepasst in der deutschen Fassung der VOEntwürfe Behörden n. F. 125 Richtlinie 2010/78/EU des Europäischen Parlamentes und Rates vom 24.11.2010 zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG, 2002/87/EG, 2003/87/EG, 2003/41/EG, 2003/71/EG, 2004/39/EG, 2004/109/EG, 2005/60/EG, 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2009/65/EG im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäischen Bankaufsichtsbehörde), der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung) und der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), ABl. L 331/120 vom 15.12.2010. 122

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Die Änderungen lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: – Bestimmung des Anwendungsbereichs der technischen Standards als einem neuen Instrument zur Erreichung übereinstimmender Aufsichtspraktiken und gemeinsamer Regeln, – Integration der behördlichen Befugnis zur Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten in Bereichen, für die bereits eine gemeinsame Beschlussfassung vorgesehen ist, – allgemeine Änderungen, wie die Umbenennung der Stufe-3-Ausschüsse oder die Gewährleistung angemessener Kanäle für den Informationsaustausch. Eine weitere Sammelrichtlinie (Omnibusrichtlinie II)126 ist in Vorbereitung. Sie wird erneut die Prospektrichtlinie und auch die Richtlinie für das Versicherungswesen (Solvabilität II) ändern. Die folgenden Überlegungen sollen sich aber auf die organisationsrechtliche Seite beschränken. 2. Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) ist als spezielles Gremium für die Makroaufsicht und „Eckpfeiler“ einer integrierten EU-Aufsicht konzipiert.127 Seine Errichtung ist auf Art. 114 AEUV gestützt128 und dient der Abwendung oder Eindämmung von Systemrisiken für die Finanzstabilität in der Union, Art. 3 Abs. 1 ESRB-VO.129 Unter Systemrisiken versteht die Verordnung Risiken einer Beeinträchtigung des Finanzsystems, die das Potential schwerwiegender negativer Folgen für den Binnenmarkt und die Realwirtschaft beinhalten, Art. 2 lit. 2 ESRB-VO. Diese Makroaufsicht ist jedenfalls nicht identisch mit der Sicherung der Geldwertstabilität, die dem ESZB als primäre Pflicht übertragen ist.130 a) Aufgaben und Befugnisse Wesentliche Aufgabe des ESRB ist es, Informationen zu sammeln und Risikoanalysen durchzuführen, Art. 3 Abs. 2 lit. a, b ESRB-VO. Ihm ist deshalb Zu126 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 2003/71/EG und 2009/138/EG im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung und der Europäischen Wertpapierbehörde vom 19. Januar 2011, KOM(2011) 8 endg. – 2011/0006 (COD). 127 VO-Entwurf ESRB, Begründung 4. 128 Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Einsetzung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, ABl. L 331/1 vom 15.12.2010 (ESRB-VO). 129 Die – eher theoretischen – Unterschiede zwischen Mikro- und Makroaufsicht sind zusammengefasst bei Papathanassiou/Zagouras (Fn. 7), S. 1585. 130 Papathanassiou/Zagouras (Fn. 7), S. 1586.

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gang zu allen Informationen zu gewähren, Art. 15 Abs. 2 ESRB-VO.131 Er hat aber auch seinerseits für den Austausch von Informationen zu sorgen, Art. 15 Abs. 1 ESRB-VO. Der Ausschuss soll nicht nur die Risiken für die Stabilität des Finanzsystems ermitteln, sondern bei Bedarf auch Risikowarnungen und Empfehlungen für Maßnahmen zur Eindämmung und Bekämpfung dieser Risiken aussprechen, Art. 3 Abs. 2 lit. a–c, Art. 16 ESRB-VO.132 Hinzu kommt die Überwachung der Maßnahmen, die im Anschluss an Warnungen und Empfehlungen durchgeführt werden sollen, Art. 3 Abs. 2 lit. f., Art. 17 ESRB-VO.133 Die Warnungen und Empfehlungen können allgemeiner oder spezifischer Art sein. Sie können an die Gemeinschaft insgesamt, aber auch an einzelne Mitgliedstaaten oder Gruppen von Mitgliedstaaten gerichtet sein; ebenso an eine oder mehrere Aufsichtsbehörden, Art. 16 Abs. 2 ESRB-VO. Er kann von Fall zu Fall entscheiden, seine Warnungen und Empfehlungen zu veröffentlichen, Art. 18 ESRB-VO. Sein Aufgabenkreis ist also weit gefasst.134 b) Verbindlichkeit Letztlich ist der Ausschuss darauf angewiesen, dass seine Warnungen und Empfehlungen zur Kenntnis genommen und befolgt werden, ohne dass Zwangsmittel eingesetzt werden, da ihm die Befugnis zu (rechts-)verbindlichen Entscheidungen nicht zusteht.135 Der Gesetzgeber stellt sich vor, dass die Warnungen und Empfehlungen des ESRB durch die Unabhängigkeit seiner Einschätzungen, die hohe Qualität seiner Analysen und die Schärfe seiner Schlussfolgerungen Wirksamkeit erlangen.136 Den Warnungen und Empfehlungen soll auch dadurch mehr Gewicht verliehen werden, dass sie über den EU-Rat und gegebenenfalls die neuen Aufsichtsbehörden geleitet werden, Art. 16 Abs. 3 ESRB-VO.137 Auch soll die mögliche Veröffentlichung in diese Richtung wirken. Die Begründung der Verordnung geht davon aus, dass die Adressaten angesichts eines festgestellten Risikos nicht untätig bleiben können und in irgendeiner Weise reagieren müssen.138

131

Begründung 6.2.2., Begründungserwägung Nr. 16 VO-Entwurf ESRB. Begründung 6.2.1., Begründungserwägung Nr. 7 f. VO-Entwurf ESRB. Warnungen und Empfehlungen sollen sich durch ihren Abstraktionsgrad unterscheiden, Papathanassiou/Zagouras (Fn. 7), S. 1586. 133 Begründungserwägung Nr. 10 VO-Entwurf ESRB. 134 Papathanassiou/Zagouras (Fn. 7), S. 1586. 135 Ebenso Hopt (Fn. 1), S. 1405; Papathanassiou/Zagouras (Fn. 7), S. 1585. 136 VO-Entwurf ESRB, Begründung 6.1. 137 VO-Entwurf ESRB, Begründungserwägung Nr. 9. 138 VO-Entwurf ESRB, Begründung 6.2.1. 132

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Für die Empfehlungen ist darüber hinaus vorgesehen, dass sie einen zeitlichen Rahmen für die zu treffenden „politischen“ Maßnahmen vorgeben, Art. 16 Abs. 2 ESRB-VO, und dass deren Einhaltung durch den Ausschuss kontrolliert wird, Art. 17 ESRB-VO. Wenn der Adressat einer Empfehlung nicht folgen will, muss er „erläutern“, warum er keine Maßnahmen ergriffen hat. Davon werden der Rat und gegebenenfalls die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden in Kenntnis gesetzt, Art. 17 Abs. 1 ESRB-VO. Diese Mitteilung erfolgt auch, wenn eine Empfehlung nicht befolgt worden ist, Art. 17 Abs. 2 ESRB-VO. c) Organisation Der Ausschuss ist unabhängig,139 besitzt aber keine eigene Rechtspersönlichkeit. Organisatorisch ist er mit der EZB verbunden.140 Er hat einen Verwaltungsrat, einen Lenkungsausschuss, ein Sekretariat, einen Beratenden Wissenschaftlichen Ausschuss und einen Beratenden Fachausschuss, Art. 4 Abs. 1 ESRB-VO. Hinzu kommen noch Vorsitzender und stellvertretende Vorsitzende, Art. 5 ESRB-VO, die in der Übersichtsvorschrift nicht genannt sind. Maßgebendes Entscheidungsgremium ist der Verwaltungsrat, der sich zusammensetzt aus: Präsident und Vizepräsident der EZB, den Präsidenten der nationalen Zentralbanken, einem Mitglied der Kommission, den Vorsitzenden der Europäischen Aufsichtsbehörden, dem Vorsitzenden und den beiden stellvertretenden Vorsitzenden des Beratenden Wissenschaftlichen Ausschusses und dem Vorsitzenden des Beratenden Fachausschusses. Ohne Stimmrecht gehören ihm je Mitgliedstaat ein Vertreter der nationalen Aufsichtsbehörden und der Vorsitzende des Wirtschafts- und Finanzausschusses (WFA) an, Art. 6 Abs. 2 ESRB-VO. Wegen der Größe des Gremiums wird ein erheblicher Teil der Sacharbeit durch den sehr viel schlankeren Lenkungsausschuss erledigt werden müssen, auch wenn er formal den Entscheidungsprozess des ESRB nur dadurch zu unterstützen hat, dass er die Sitzungen des Verwaltungsrats vorbereitet, die zu erörternden Unterlagen prüft und die Fortschritte der laufenden Arbeit überwacht, Art. 4 Abs. 2 ESRB-VO. Der Lenkungsausschuss setzt sich zusammen aus dem Vorsitzenden und dem ersten stellvertretenden Vorsitzenden des ESRB, dem Vizepräsidenten der EZB, vier weiteren Mitgliedern des Verwaltungsrats, einem Mitglied der Kommission, den drei Vorsitzenden der Europäischen Aufsichtsbehörden, dem Vorsitzenden des WFA, dem Vorsitzenden des Beratenden Wissenschaftlichen Ausschusses und dem Vorsitzenden des Beratenden Fachausschusses, Art. 11 Abs. 1 ESRB-VO.

139 140

Art. 7 Abs. 1 ESRB-VO: Unparteilichkeit und keine Weisungsunterworfenheit. Baur/Boegl (Fn. 37), S. 180.

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Heftig umstritten war die Frage des Vorsitzes im ESRB. Nach dem Kommissionsentwurf war Vorsitzender nicht automatisch der Präsident der EZB.141 Vielmehr sollte er von den Mitgliedern des Verwaltungsrates gewählt werden, die auch Mitglieder des Erweiterten Rates der EZB sind. Er sollte aus ihren Reihen stammen, Art. 1 Abs. 1 VO-Entwurf ESRB. Entsprechendes gilt für den stellvertretenden Vorsitzenden. Beide hätten danach Zentralbankpräsidenten sein müssen. Das Parlament legte aber Wert auf eine enge, auch personelle Anbindung an die EZB. Als Kompromiss wurde die Personalunion für eine erste Amtszeit von fünf Jahren vorgeschrieben. Danach soll neu entschieden werden, Art. 5 Abs. 1 ESRB-VO. Der Vorsitzende führt den Vorsitz im Lenkungsausschuss und vertritt den ESRB nach außen, Art. 5 Abs. 5 und 8 ESRB-VO. Der Beratende Wissenschaftliche Ausschuss und der Beratende Fachausschuss stehen dem ESRB beratend und unterstützend zur Seite, Art. 4 Abs. 5 ESRB-VO. Im Beratenden Fachausschuss sind im Wesentlichen die Vertreter von nationalen Aufsichtsbehörden und nationalen Zentralbanken vertreten. Anders als im Verwaltungsrat müssen es nicht die Präsidenten sein. Im Wesentlichen sind es aber wieder Personen aus dem Kreis von Aufsichtseinrichtungen, die bisher auch schon für die Bankenaufsicht zuständig waren. Von Seiten des Parlaments wurde angesichts des Versagens der Aufsicht im Vorfeld der gegenwärtigen Krise die Hinzuziehung neuen Sachverstandes von außen für erforderlich gehalten.142 Dies führte zur Schaffung des Beratenden Wissenschaftlichen Ausschusses, der im Entwurf der Kommission nicht vorgesehen war. d) Enge Verknüpfung mit den Notenbanken Die EZB soll den neuen Ausschuss für Systemrisiken „analytisch, statistisch, administrativ und logistisch“ unterstützen, Art. 4 Abs. 4 ESRB-VO.143 Zur Konkretisierung und Umsetzung dieser Verpflichtung ist eine gesonderte Verordnung erlassen worden,144 in der vorgesehen ist, dass die EZB ein Sekretariat für den ESRB stellt und ihm dadurch analytische, logistische und administrative Unterstützung leistet, Art. 2 Verordnung-Übertragung. Auch ist eine enge personelle Verklammerung zwischen den Organwaltern des ESRB und der EZB vorgesehen. Sie ergibt sich vor allem aus der personellen Zusammensetzung des Verwaltungsrates der Regelung über den Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzen141

Unzutreffend Massenberg (Fn. 17), S. 12. Bericht des Parlaments v. 10. Februar 2010, 1009/0140 (COD), zu Art. 12. 143 Begründung 6.5.4, Begründungserwägung Nr. 5 a. E. VO-Entwurf ESRB; Begründungserwägung 6 ESRB-VO. 144 Verordnung (EU) Nr. 1096/2010 des Rates vom 17.11.2010 zur Betrauung der Europäischen Zentralbank mit besonderen Aufgaben bezüglich der Arbeitsweise des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, ABl. L 331/162 vom 15.12.2010. Die Kommission hatte in ihrem Vorschlag nur eine Entscheidung vorgesehen, oben Fn. 73. 142

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den. Entsprechendes ergibt sich auch aus der Zusammensetzung des Lenkungsausschusses. Hier zeigt sich eine ganz klare Dominanz der Notenbanken. Trotz dieser Verknüpfung bleibt eine institutionelle Trennung zwischen dem neuen Aufsichtssystem und dem Zentralbanksystem bestehen.145 e) Würdigung Die sachliche und persönliche Anbindung an das ESZB ist nachvollziehbar. Dort dürften der erforderliche Sachverstand und die wünschenswerte Unabhängigkeit des Urteils am ehesten zu finden sein.146 Allerdings wird die Organisationsstruktur als „komplex“ gerügt. Die schiere Größe des Verwaltungsrates drohe, zur Ineffizienz zu führen.147 Ob die vorgestellten Umsetzungsmechanismen, namentlich das „comply or explain“, tatsächlich so wirken wie geplant, ist schwer einzuschätzen.148 3. Die Europäischen Aufsichtsbehörden a) Errichtung Es sind drei Europäische Aufsichtsbehörden errichtet worden: – die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) mit Sitz in London,149 – die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) mit Sitz in Frankfurt am Main,150 145 Sie soll auch erforderlich sein, um Interessenkonflikte innerhalb der Institutionen zu vermeiden, vgl. Lehmann/Manger-Nestler (Fn. 17), S. 89. Ob sich die Ziele Finanzmarktstabilität und Preisstabilität aber immer so sauber trennen lassen, ist indes nicht sicher. 146 I. Erg. ebenso, vor allem auch im Hinblick auf das Sekretariat, Papathanassiou/ Zagouras (Fn. 7), S. 1587. Die dabei vorgesehene institutionelle Trennung ist wegen der anders gearteten geldpolitischen Aufgaben des ESZB angezeigt. 147 Hopt (Fn. 1), S. 1405. 148 Dafür wohl Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht, 2010, Fn. 48; skeptisch EZB, Stellungnahme vom 26. Oktober 2009, COM/2009/88; Hopt (Fn. 1), S. 1405; Lehmann/Manger-Nestler (Fn. 17), S. 87, 91; unentschieden Papathanassiou/Zagouras (Fn. 7), S. 1587, für die aber gleichwohl die Schaffung des Ausschusses ein „unverzichtbarer Schritt in die richtige Richtung“ ist. 149 Art. 1 Abs. 1 und Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/ 2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl. L 331/12 vom 15.12.2010. 150 Art. 1 Abs. 1 und Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl. L 331/48 vom 15.12.2010.

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– die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) mit Sitz in Paris151. Die Behörden sind Einrichtungen der Union mit eigener Rechtspersönlichkeit, Art. 5 Abs. 1 ESA-VO. Sie verfügen über ein eigenes Budget, Art. 62 ESA-VO. Die Errichtungsverordnungen sind in Aufbau und Inhalt weitgehend gleich. Sie sollen insoweit als ESA-VO bezeichnet werden. Soweit Unterschiede bestehen, wird auf die betreffende Einrichtung Bezug genommen: EBA-VO, EIOPA-VO und ESMA-VO. Im Kern handelt es sich um Verwaltungsbehörden mit hoheitlichen Befugnissen. Verbindliche Entscheidungen, die zwangsweise vollzogen werden können, sollen nicht nur gegenüber Privaten, sondern auch gegenüber nationalen Behörden ergehen können. b) Ziele und Aufgaben Die Behörden sind errichtet worden, damit sie zur „Stabilität und Effektivität des Finanzsystems“ beitragen. Art. 1 Abs. 5 ESA-VO nennt folgende Einzelziele: – das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern, insbesondere mittels einer soliden, wirksamen und kohärenten Regulierung und Überwachung, – die Gewährleistung der Integrität, Transparenz, Effizienz und des ordnungsgemäßen Funktionierens der Finanzmärkte, – der Ausbau der internationalen Koordinierung der Aufsicht, – die Verhinderung von Aufsichtsarbitrage und Förderung gleicher Wettbewerbsbedingungen, – die Gewährleistung, dass die Übernahme von Kredit- und anderen Risiken angemessen reguliert und beaufsichtigt wird, – die Verbesserung des Verbraucherschutzes. Die neuen Europäischen Aufsichtsbehörden sollen sämtliche beratenden und koordinierenden Funktionen der bisherigen „Ebene-3-Ausschüsse“ erfüllen, Art. 8 Abs. 1 lit. 1 ESA-VO. Darüber hinaus sind ihnen weitere spezifische Aufgaben übertragen worden: Festlegung „qualitativ hochwertiger Regulierungs- und Aufsichtsstandards, Sicherstellung der einheitlichen Rechtsanwendung, Aufsicht über grenzüberschreitende Institute, Maßnahmen im Krisenfall, Beilegung von Differenzen zwischen nationalen Behörden, Art. 8 Abs. 1 ESA-VO. Die Behörden können „technische Regulierungsstandards“ (Art. 10 ESA-VO), „technische Durchführungsstandards“ (Art. 15 ESA-VO) und eine gemeinsame „Aufsichts151 Art. 1 Abs. 1 und Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl. L 331/84 vom 15.12.2010.

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kultur“ (Art. 29 ESA-VO) schaffen. Durch eine vergleichende Analyse der zuständigen nationalen Behörden („peer review“) sollen sie auch Qualitätssicherung betreiben (Art. 30 ESA-VO).152 Sie sollen als Koordinatoren zwischen den nationalen Behörden wirken (Art. 31 ESA-VO) und die Marktentwicklungen bewerten (Art. 32 ESA-VO). Ähnlich wie § 4 Abs. 4 FinDAG betonen die Verordnungen, dass die Behörden tätig werden, um das „öffentliche Interesse zu schützen“ (Art. 1 Abs. 5 Satz 1 ESA-VO). In diese Richtung weist möglicherweise auch die Formulierung in Art. 1 Abs. 5 Unterabsatz 5 ESA-VO, dass die Behörde „bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben [. . .] unabhängig und objektiv und im alleinigen Interesse der Union“ handelt. Ob sie damit aber tatsächlich nicht der Durchsetzung individueller Interessen dienen darf, ist eher zweifelhaft.153 Jedenfalls ist ihnen auf Initiative des Parlaments ausdrücklich auch der Verbraucherschutz zugewiesen, Art. 9 ESA-VO. Es dürfte sich eher nur um eine „Angstklausel“ zur Abwehr von Amtshaftungsansprüchen handeln. c) Befugnisse Die Behörden des ESFS sollen technische Standards für alle Finanzinstitutionen entwickeln, die auf dem einheitlichen europäischen Markt tätig sind („rule book“). Dabei wird zwischen technischen Regulierungsstandards (Art. 10 ESAVO) und technischen Durchführungsstandards unterschieden (Art. 15 ESA-VO). Voraussetzung für den Erlass technischer Regulierungsstandards ist, dass der Kommission vom Europäischen Parlament und vom Rat die Befugnis zum Erlass „delegierter Rechtsakte“ nach Art. 290 AEUV übertragen worden ist. Entsprechende Begrenzungen sind für die technischen Durchführungsstandards vorgesehen, die auf Art. 291 AEUV beruhen. Am wenigsten einschneidend dürfte die Befugnis der Europäischen Behörden zum Erlass von Empfehlungen und Leitlinien („recommendations and guidelines“) nach Art. 9 Abs. 2, 16 Abs. 1 ESA-VO sein, die sich an die zuständigen (nationalen) Behörden und die Finanzmarktteilnehmer richten. In Anlehnung an den Lamfallussy-Prozess154 ist davon auszugehen, dass sich die Richtlinien an die Aufsichtsbehörden und die Empfehlungen im Regelfall an die Marktteilnehmer richten. Entsprechend dürften sie auch nicht als Akte der Gesetzgebung zu qualifizieren sein. Allerdings sollen auch hier die Adressaten verpflichtet sein, ihre Gründe für die Nichtbefolgung darzulegen, Art. 16 Abs. 3 ESA-VO. Sie sollen als „untergesetzliche Normkategorie“ eine „gewisse Bindungskraft“ haben. Schon der Inhalt dieser Aussage ist vage und der Bezug zu den EZB-Leitlinien ist zwei152 153 154

Skeptisch, ob das funktionieren wird: Lehmann/Manger-Nestler (Fn. 17), S. 90. Anders aber Baur/Boegl (Fn. 37), S. 181. Oben II. 1. a).

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felhaft,155 da für diese durch Primärrecht (!) die interne Bindungskraft angeordnet ist. In eng umgrenzten Situationen ist den Behörden aber auch die Befugnis verliehen worden, letztlich einseitige, also hoheitliche Anordnungen, zu erlassen. Diese Eingriffsbefugnisse waren im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens umstritten und sind mehrfach eingeschränkt oder ausgedehnt worden.156 Sie haben zwei Zielrichtungen: (aa) einzelne Finanzinstitutionen und (bb) nationale Aufsichtsbehörden. Darüber hinaus ist ihnen die Befugnis verliehen worden, „bestimmte Finanztätigkeiten“ zu verbieten (cc). aa) Anordnungen gegenüber einzelnen Finanzinstituten Die Behörden dürfen Maßnahmen zur Regelung von Einzelfällen gegenüber einzelnen Finanzinstitutionen erlassen, um damit die Einhaltung von Unionsrecht einschließlich technischer Regulierungs- und Durchführungsstandards, die nach Art. 10–15 ESA-VO erlassen worden sind, zu erzwingen, Art. 17 Abs. 6 ESAVO. Ihnen geht ein mehrstufiges Verfahren mit Empfehlungen voraus, um eine kohärente Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu bewirken. Bindende Entscheidungen, die sich an das betroffene Finanzinstitut richten, sind ebenfalls bei Maßnahmen im Krisenfall (Art. 18 Abs. 4 ESA-VO) und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den zuständigen einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden in grenzüberschreitenden Fällen möglich, wenn sie nach dem Finanzdienstleistungsrecht zur Zusammenarbeit, Koordinierung oder gemeinsamen Entscheidung verpflichtet sind und sich nicht einigen (Art. 19 Abs. 4 ESA-VO).157 Voraussetzung ist immer, dass die nationalen Aufsichtsbehörden ihre europarechtlich vorgegebenen Aufsichtspflichten nicht erfüllen. Es soll sich um eine „Art Ersatzvornahme“ zur Schaffung „neutraler Wettbewerbsbedingungen“ handeln.158 bb) Anordnungen gegenüber einzelstaatlichen Behörden In Krisensituationen haben die neuen Behörden auch die Rechtsmacht, verbindliche Anordnungen gegenüber einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden zu erlassen, Art. 18 Abs. 3 ESA-VO. Verbindliche Anordnungen gegenüber nationalen Behörden dürfen sie auch zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen diesen Behörden über die Anwendung des Unionsrechts in grenzüber155

So aber Lehmann/Manger-Nestler (Fn. 17), S. 90. Oben II. 4. und 5. 157 Ob der Begriff „bindendes Mediationsverfahren“ dafür zutreffend ist, mag zu bezweifeln sein, auch wenn er schon im Bericht der de Larosière-Gruppe verwendet wird; dafür aber Massenberg (Fn. 17), S. 11. 158 Lehmann/Manger-Nestler (Fn. 17), S. 91; Pötzsch (Fn. 72), S. 2380. 156

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schreitenden Fällen erlassen, Art. 19 Abs. 3 ESA-VO. Diese Vollzugsermächtigungen treten neben das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV, das vom Vertragsrecht zur Verfügung gestellt wird, um die Einhaltung des Unionsrechts zu garantieren. cc) Verbot von Finanztätigkeiten Auf Drängen des Europäischen Parlaments ist den Behörden auch die ursprünglich nicht vorgesehene Befugnis verliehen worden, bestimmte Finanzaktivitäten zu verbieten oder zu beschränken, durch die das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des Finanzsystems in der Union gefährdet wird. Voraussetzung für eine derartige Maßnahme ist eine Krisensituation im Sinne von Art. 18 ESA-VO. Die Maßnahme darf nur vorübergehend sein, Art. 9 Abs. 5 Unterabs. 1 ESA-VO. Unter Tätigkeiten, die eingeschränkt oder verboten werden dürfen, sind auch einzelne „Finanzprodukte“, wie CDS, zu zählen. d) Interne Organisation Die Europäischen Aufsichtsbehörden verfügen über folgende Organe: – Rat der Aufseher,159 – Verwaltungsrat,160 – Vorsitzender,161 – Exekutivdirektor.162 aa) Rat der Aufseher Der Rat der Aufseher soll das „Hauptbeschlussfassungsorgan“ der jeweiligen Behörde sein.163 Er gibt die Leitlinien für die Arbeit der Behörde vor, Art. 43 Abs. 1 ESA-VO. Der Rat erlässt die (verbindlichen) Entscheidungen, gibt Stellungnahmen und Empfehlungen ab und erteilt Ratschläge, Art. 43 Abs. 2 ESAVO. Er ernennt den Vorsitzenden und erlässt den Haushaltsplan, Art. 43 Abs. 3 und 7 ESA-VO. Der Rat beschließt auf Vorschlag des Verwaltungsrats ein jährliches Arbeitsprogramm und ein Mehrjahresarbeitsprogramm, Art. 43 Abs. 4 und 6 ESA-VO.

159 160 161 162 163

Kapitel III, Abschnitt 1 (Art. 40–44) ESA-VO. Kapitel III, Abschnitt 2 (Art. 45–47) ESA-VO. Kapitel III, Abschnitt 3 (Art. 48–50) ESA-VO. Kapitel III, Abschnitt 4 (Art. 51–53) ESA-VO. Begründungserwägung Nr. 52 ESA-VO.

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III. Finanzmärkte

Der Rat der Aufseher setzt sich zusammen aus – dem nicht stimmberechtigten Vorsitzenden, – den Leitern der für die Beaufsichtigung der jeweiligen Sektoren zuständigen nationalen Behörden, – einem nicht stimmberechtigten Vertreter der Kommission, – einem nicht stimmberechtigten Vertreter der Europäischen Zentralbank, – einem nicht stimmberechtigten Vertreter des ESRB, – je einem nicht stimmberechtigten Vertreter der jeweils anderen beiden Europäischen Aufsichtsbehörden.164 Soweit die nationale Zentralbank nicht Aufsichtsbehörde ist, kann der Leiter der nationalen Aufsichtsbehörde von einem nicht stimmberechtigten Vertreter der Zentralbank des entsprechenden Mitgliedstaats begleitet werden, Art. 40 Abs. 4 ESA-VO. bb) Verwaltungsrat Der Verwaltungsrat sorgt dafür, dass die Behörde ihren Auftrag erfüllt und die ihr durch die jeweilige Verordnung zugewiesenen Aufgaben wahrnimmt, Art. 47 Abs. 1 ESA-VO. Er schlägt das vom Rat der Aufseher zu beschließende Jahresund Mehrjahresarbeitsprogramm vor und schlägt dem Rat einen vom Exekutivdirektor erstellten Jahresbericht zur Billigung vor, Art. 47 Abs. 2 und 6 ESA-VO. Er hat Befugnisse im Haushaltsverfahren, Art. 47 Abs. 3 ESA-VO. Er setzt sich aus dem Vorsitzenden und sechs weiteren Mitgliedern zusammen, die aus dem Kreis der stimmberechtigten Mitglieder des Rates der Aufseher stammen müssen und von diesen gewählt werden, Art. 45 Abs. 1 ESA-VO. cc) Vorsitzender Die neuen Aufsichtsbehörden werden jeweils durch einen Vorsitzenden vertreten, der das Amt unabhängig und als Vollzeitbeschäftigter wahrnimmt. Er wird vom Rat der Aufseher ernannt, doch kann das Europäische Parlament zuvor einer Ernennung widersprechen, Art. 48 Abs. 2 ESA-VO. Er kann nur durch das Parlament im Anschluss an einen Beschluss des Rates der Aufseher seines Amtes enthoben werden, Art. 48 Abs. 5 Unterabs. 1 ESA-VO. Der Vorsitzende bereitet die Arbeit des Rates der Aufseher vor und führt bei den Sitzungen des Rates der Aufseher und des Verwaltungsrats den Vorsitz, Art. 48 Abs. 1 Unterabs. 2 ESAVO. Er ist dem Europäischen Parlament zur Auskunft verpflichtet und hat über die Wahrnehmung seiner Aufgaben Bericht zu erstatten, Art. 50 ESA-VO. 164

Art. 40 Abs. 1 ESA-VO.

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dd) Exekutivdirektor Die Behörden werden jeweils von einem Exekutivdirektor geleitet, der unabhängig und als Vollzeitbeschäftigter das Amt wahrnimmt, Art. 51 Abs. 1 ESAVO. Er wird vom Rat der Aufseher ernannt und kann nur durch Beschluss des Rates der Aufseher seines Amtes enthoben werden, Art. 51 Abs. 2 und 5 VOEntwürfe. Der Exekutivdirektor ist für das Management der Behörde verantwortlich und bereitet die Arbeiten des Verwaltungsrates vor. Er ist für die Durchführung des Jahresarbeitsprogramms verantwortlich, das er erstellt, Art. 53 Abs. 1 und 2 ESA-VO. e) Rechtsschutz Jede natürliche oder juristische Person, aber auch zuständige Behörden können gegen Entscheidungen, die eine der Europäischen Behörden nach Art. 17, 18 oder 19 ESA-VO getroffen hat, also hoheitliche Maßnahmen, Beschwerde beim Beschwerdeausschuss einlegen, Art. 60 ESA-VO. Der Beschwerdeausschuss ist ein gemeinsames Gremium der ESA (Art. 58 ESA-VO) und entscheidet unabhängig und unparteilich, Art. 59 ESA-VO. Gegen seine Entscheidungen kann vor dem Gericht erster Instanz oder dem Gerichtshof entsprechend Art. 263 AEUV Klage erhoben werden, Art. 61 Abs. 1 ESA-VO. Auch ist eine Untätigkeitsklage gemäß Art. 265 AEUV zulässig, Art. 61 Abs. 2 ESA-VO. 4. Der Gemeinsame Ausschuss Als weiterer Bestandteil des ESF ist ein Gemeinsamer Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden eingerichtet worden.165 Er soll als Forum für die regelmäßige und enge Zusammenarbeit der einzelnen Aufsichtsbehörden dienen, Art. 54 Abs. 2 ESA-VO. Er setzt sich zusammen aus den Vorsitzenden der ESA, von denen einer jährlich rotierend zum Vorsitzenden des Ausschusses ernannt wird, und dem Vorsitzenden eines gegebenenfalls eingerichteten Unterausschusses für Finanzkonglomerate, Art. 54 Abs. 1, 3 ESA-VO. In diesem Ausschuss, der nicht rechtsfähig ist, sollen sektorübergreifende Themen behandelt werden.166 Im Einzelnen kommen nach Art. 54 Abs. 2 ESA-VO in Betracht: – Finanzkonglomerate, – Rechnungslegung und Rechnungsprüfung, – Mikroprudentielle Analysen, – Anlageprodukte für Kleinanleger, 165 166

Kapitel IV ESA-VO. Vgl. Lehmann/Manger-Nestler (Fn. 17), S. 88.

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– Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche, – Informationsaustausch mit dem ESRB und Ausbau der Beziehungen zu ihm. 5. Übergreifende Merkmale a) Unabhängigkeitsgarantien Den maßgebenden Entscheidungsträgern (Organwaltern) im Rahmen des ESFS wird weitgehend Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit garantiert. Die Mitglieder des ESRB sind bei ihrer Mitwirkung an den Tätigkeiten des Verwaltungsrats und des Lenkungsausschusses oder bei der Wahrnehmung sonstiger Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem ESRB unabhängig. Sie sind insoweit keiner Weisung unterworfen, sowohl von öffentlichen als auch von privaten Stellen. Die indikativische Formulierung in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ESRB-VO167 orientiert sich an der Unabhängigkeitsgarantie für das Europäische System der Zentralbanken in Art. 130 Satz 1 AEUV, die ebenfalls in diesem Sinne ausgelegt wird.168 Darüber hinaus sind auch die Organe der ESA mit weitgehenden Unabhängigkeitsgarantien ausgestattet: – Rat der Aufseher, Art. 42 ESA-VO, – Verwaltungsrat, Art. 46 ESA-VO, – Vorsitzender, Art. 49 ESA-VO, – Exekutivdirektor, Art. 52 ESA-VO, – Beschwerdeausschuss, Art. 59 ESA-VO. Die Annahme und Erteilung von Weisungen sind untersagt. Diese Verbote richten sich nicht nur an die Regierungen der Mitgliedstaaten, sondern auch an die Organe und Einrichtungen der Union. Das Verbot für den Exekutivdirektor war ursprünglich allgemeiner gehalten, weicht aber in der geltenden Fassung nur gering von den anderen Garantien ab, Art. 52 ESA-VO.169 Sachliche Unterschiede ergeben sich daraus nicht. Die Unabhängigkeit der Mitglieder des Beschwerdeausschusses ist wieder anders ausgestaltet, enthält im Kern aber auch

167 „In keinem Fall holen sie Weisungen der Mitgliedstaaten, der Unionsorgane oder anderer öffentlicher oder privater Einrichtungen ein oder nehmen solche Weisungen entgegen.“ 168 Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 6. Aufl. 2012, Art. 88 Rn. 53–55; Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 130 AEUV Rn. 3, 13; Papathanassiou/Zagouras (Fn. 7), S. 1588; die sie als „essentiell“ ansehen. 169 „[. . .] darf der Exekutivdirektor von Organen oder Einrichtungen der Union, von Regierungen eines Mitgliedstaats und von anderen öffentlichen oder privaten Stellen Weisungen weder anfordern noch entgegennehmen.“

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eine Unabhängigkeitsgarantie, Art. 59 Abs. 1 ESA-VO.170 Diese Garantien werden ergänzt und abgesichert durch die Art und Weise der Finanzierung der ESA. Sie soll nicht zuletzt aus Zwangsbeiträgen der nationalen Aufsichtsbehörden und Gebühren in besonderen Fällen erfolgen, Art. 62 Abs. 1 (a), (c) ESA-VO. Allerdings treten Zahlungen der Gemeinschaft hinzu, die – inkonsistent mit dem deutschen Haushaltsrecht – als „Zuschuss“ der Union bezeichnet werden, Art. 62 Abs. 1 (b) ESA-VO.171 Diese Unabhängigkeit entspricht einem häufig von Ökonomen und Medienvertretern geäußerten Wunsch,172 die aber regelmäßig die damit verbundenen verfassungsrechtlichen Probleme, namentlich im Hinblick auf das Demokratieprinzip, nicht sehen (wollen).173 b) Keine Integration der Aufsichtskollegien Die bereits bestehenden Aufsichtskollegien174 sollen nicht in das Europäische Finanzaufsichtssystem institutionell integriert werden. Das gilt auch für die Bankaufsicht, die in der Neufassung der Richtlinie 2006/48/EG durch die Richtlinie 2009/111/EG vom 16. September 2009 eine gesetzliche Ausformung erfahren hatte.175 Die neuen Europäischen Aufsichtsbehörden sollen lediglich „zur Förderung und Überwachung einer wirksamen, effizienten und kohärenten Funktionsweise“ dieser Kollegien beitragen. Sie sollen zudem die kohärente Anwendung des Unionsrechts in diesen Kollegien fördern, Art. 21 Abs. 1 ESA-VO. Sie können an ihnen als Beobachter teilnehmen. Zur Erleichterung der Arbeit der Kollegien sollen sie allerdings die einschlägigen Informationen beschaffen, Art. 21 Abs. 2 und 3 ESA-VO.

170 „Die Mitglieder des Beschwerdeausschusses sind in ihren Beschlüssen unabhängig. Sie sind an keinerlei Weisungen gebunden. Sie dürfen keine anderen Aufgaben für die Behörde, den Verwaltungsrat oder den Rat der Aufseher wahrnehmen.“ 171 Noch fragwürdiger ist der in der englischen Fassung verwendete Begriff „subsidy“. Vermutlich war immer noch nicht verstanden worden, dass es sich um hoheitliche Einrichtungen und nicht um eine ständische Selbstverwaltung handelt, die subventioniert wird. 172 Aus ökonomischer Sicht zur Unabhängigkeit der Aufsicht: Quintiyn/Taylor, Robust Regulators and Their Political Masters: Independence and Accountability in Theory, in: Masciandaro/Quintryn (Hrsg.), Designing Financial Supervision Institutions, 2007, S. 3–40; Bini Smaghi, Independence and Accountability in Supervision: General Principles and European Setting, ebd., S. 41–62; Quintryn/Ramirez/Taylor, The Fear of Freedom: Politicans and the Independence and Accountability of Financial Supervision in Practice, ebd., S. 63–116; Westrup, Independence and Accountability: Why Politics Matters, ebd., S. 117–150. 173 Dazu näher unten IV. 4. d) bb) (5) und V. 2. 174 Sie sind bisher für etwa 30 weltweit tätige Banken- und Versicherungsgruppen unter dem „Schirm des Financial Stability Board (FSB)“ gebildet worden, vgl. Hopt (Fn. 1), S. 1405. 175 Oben II. 1. b).

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III. Finanzmärkte

IV. Europarechtliche Würdigung 1. Rechtsnatur der neuen Europäischen Aufsichtseinrichtungen Bei den zu schaffenden Einrichtungen handelt es sich möglicherweise um Agenturen im Sinne des Unionsrechts, auch wenn der Begriff nicht verwendet wird. a) Die europarechtliche Agentur Im Vertragstext tauchen die Agenturen nicht auf. Sie sind Geschöpfe des sekundären Unionsrechts. Der Begriff Agentur ist dabei nicht gefestigt, unterscheidet sich aber von dem der Behörde.176 Die Kommission umschreibt sie wie folgt: „Agenturen sind keine Organe der EU, sondern von der EU geschaffene Einrichtungen, die sehr spezifische fachliche, wissenschaftliche oder administrative Aufgaben haben.“ 177 Im Schrifttum wird ähnlich weit abgegrenzt und unter einer europäischen Agentur eine „relativ unabhängige Entität, die auf Dauer angelegt, mit speziellen, eigenständigen Aufgaben befasst und als Einrichtung des Gemeinschaftsrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestaltet“ ist, verstanden.178 Zum Teil werden sie auch als „vertragsfremde“ Einrichtungen bezeichnet, da sie keine explizite Grundlage im Vertragsrecht haben.179 Sie zeichnen sich durch eine reiche Typenvielfalt aus.180 b) Die neuen Aufsichtseinrichtungen als Unionsagenturen Fraglich ist, ob der Ausschuss für Systemstabilität eine Unionsagentur ist, da er möglicherweise nicht über hinreichende rechtliche Selbständigkeit verfügt.

176 Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, 1999, S. 44, die aber einen problematischen Behördenbegriff verwendet. In der frühen Diskussion ist aber auch von „nachgeordneten Behörden der Kommission“ gesprochen worden, vgl. Everling, Zur Errichtung nachgeordneter Behörden der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, in: Walter Hallstein und Hans-Jürgen Schlochauer (Hrsg.), Festschrift für Carl Friedrich Ophüls aus Anlass seines 70. Geburtstags, 1965, S. 33 ff. 177 Europäische Kommission, Generaldirektion Presse und Kommunikation: Wie funktioniert die Europäische Union, Juni 2003. 178 Fischer-Appelt (Fn. 176), S. 38. Weiterhin wird auch zwischen Agenturen des Unionsrechts und des Gemeinschaftsrechts unterschieden, vgl. Brenner, Die Agenturen im Recht der Europäischen Union, in: Europa im Wandel, Festschrift für Hans-Werner Rengeling, 2008, S. 193, 196. 179 Calliess (Fn. 168), Art. 13 EUV Rn. 31, mit weiteren Ausführungen und Nachweisen zur heterogenen Begrifflichkeit ebenso Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 7 EGV Rn. 34. 180 Eine Typologie ist zu finden bei Riedel, Die Europäische Agentur für Flugsicherheit im System der Gemeinschaftsagenturen, in: Schmidt-Assmann/Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, 2005, S. 103 (110 ff.).

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Allerdings dürfte er das Unabhängigkeitskriterium erfüllen. Unabhängigkeit im Sinne der Gemeinschaftseinrichtungen bedeutet nur, dass die Einrichtung nicht Teil eines Unionsorgans ist.181 Das dürfte trotz der engen Allbindung an die EZB182 wohl noch der Fall sein, so dass es sich um eine Gemeinschaftseinrichtung handeln kann.183 Die neuen Europäischen Aufsichtsbehörden sind dagegen Rechtspersonen und verfügen ebenfalls über eine weit reichende Unabhängigkeit. Sie sind keine Dienststellen der Kommission, sondern Teil des (selbständigen) ESFS. Sie verfügen zudem über ein eigenes Budget. Das galt auch schon für die Ebene-3-Ausschüsse, die von den jeweiligen Mitgliedern finanziert wurden184 und über ein eigenes Budget verfügten.185 Haushaltsrechtliche Unabhängigkeit ist daher gegeben. Die neuen Aufsichtseinrichtungen sind auch auf Dauer angelegt. Ihnen sind eigenständige Aufgaben zugewiesen worden. Alle neuen Träger der Aufsicht – ESRB, EBA, EIOPA, ESMA – sind als Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts organisiert worden. Das Europarecht gibt – auf sekundärrechtlicher Grundlage – alle wesentlichen Elemente, wie innere Struktur und Rechtsschutz186, vor. Die Bezeichnung als Behörde („authority“ statt „agency“) oder als Ausschuss ist für die Einstufung als Gemeinschaftsagentur nicht entscheidend. Von den 22 Gemeinschaftsagenturen tragen zwei ebenfalls die Bezeichnung „authority“, wie die European Food Safety Authority (EFSA) und die European GNSS Supervisory Authority (GSA). Auch werden die meisten Agenturen nicht als „Agentur“ bezeichnet.187

181

Fischer-Appelt (Fn. 176), S. 39. Oben III. 2. d). 183 Anders wohl Papathanassiou/Zagouras (Fn. 7), S. 1587: weder Organ noch „Europäische Behörde“, sondern neuartiges „Gremium“. 184 CESR Art. 9.2 des Charters, CEBS Art. 8.2 des Charters und CEIOPS § 4 Abs. 4 der Satzung. 185 CESR Art. 9.1 des Charters, CEBS Art. 8.1 des Charters und CEIOPS § 4 Abs. 4 der Satzung. 186 Die besondere Bedeutung des Rechtsschutzes ist behandelt bei: Saurer, Der Rechtsschutz gegen Entscheidungen und Fachgutachten der Europäischen Agenturen nach dem Sogelma-Urteil des EuGH, DVBl. 2009, S. 1021–1027 (1021 ff.).; FischerAppelt (Fn. 176), S. 41. 187 Siehe die Aufzählung bei Wittinger, „Europäische Satelliten“: Anmerkungen zum Europäischen Agentur(un)wesen und zur Vereinbarkeit Europäischer Agenturen mit dem Gemeinschaftsrecht, EuR 2008, 609, die – ohne nähere Angaben – auf 23 Gemeinschaftsagenturen kommt. Calliess (Fn. 168), Art. 13 EUV Rn. 38, nennt neben den 22 Gemeinschaftsagenturen (besser: Unionsagenturen) noch drei weitere im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik errichtete Agenturen (Rn. 39) und drei Agenturen für die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Rn. 40). Daneben sind noch sechs „Exekutivagenturen“ am Sitz der Kommission für die Verwaltung von Gemeinschaftsprogrammen zu nennen (Rn. 41). 182

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c) Die Zulässigkeit der Errichtung von Unionsagenturen Auf EU-Ebene ist es grundsätzlich untersagt, Befugnisse auf Einrichtungen zu übertragen, die nicht in den Verträgen über die Europäische Union vorgesehen sind. Sie würden das institutionelle Gleichgewicht stören. Der Text der Verträge enthält fast keine Anhaltspunkte für Gründung und Ausgestaltung von nachgeordneten Einrichtungen der EU, also auch nicht von Agenturen. Die Übertragung solcher Befugnisse muss daher sehr zurückhaltend gehandhabt werden und unterliegt besonderen Bedingungen. Allerdings war ihre (grundsätzliche) Zulässigkeit schon in Art. 234 Abs. 1 lit. c EGV vorausgesetzt. Dies dürfte auch für die Neufassung gelten, in der die Regelung von Buchstabe c teilweise in Buchstabe b von Art. 267 Abs. 1 AEUV integriert worden ist. Sie entspricht auch der ständigen Praxis der EU. Analytisch sind immer drei Fragen zu unterscheiden, auch wenn sie bei dem tatsächlichen Errichtungsakt meist zusammen fallen: – Hat die EU die Kompetenz zur Wahrnehmung der Aufgabe, die durch die Einrichtung erfüllt werden soll? – Hat sie die Rechtsmacht zur Schaffung der Einrichtung? – Entspricht die konkrete Ausgestaltung der Aufgaben und Befugnisse, die auf die Einrichtung übertragen werden, den Anforderungen des (primären) Unionsrechts? Die Rechtsmacht zur Schaffung einer Einrichtung kann aber trotz dieser analytischen Unterscheidung nicht völlig losgelöst von den zu erfüllenden Aufgaben und Befugnissen beurteilt werden, da die Anforderungen an die Ermächtigung, vergleichbar dem institutionellen Gesetzesvorbehalt,188 am Aufgabenspektrum ausgerichtet sind. Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken, Agenturen als bloße Informationssammelstellen oder Beratungseinrichtungen für die Organe der EU zu errichten. Soweit sie keine verbindlichen Rechtsakte erlassen, bedarf es dafür keiner spezifischen Grundlage im primären Unionsrecht. Es ist anerkannt, dass die Kommission berechtigt ist, derartige Einrichtungen im Rahmen ihrer Organisationsgewalt zu errichten, wenn Zuständigkeit und Verantwortung für das Handeln nach außen gegenüber den anderen Organen der Union, den Mitgliedstaaten und den Unternehmen und Bürgern bei der Kommission verbleiben. In diesem Fall wird auch das institutionelle Gefüge der Union in keiner Weise angetastet, und der Rechtsschutz bleibt ungeschmälert.189 Etwas anderes dürfte aber gelten, wenn grundsätzlich Hoheitsbefugnisse auf eine nachgeordnete Stelle übertragen werden sollen. Bloße Organisationsakte der

188 189

Unten V. 4. Everling (Fn. 176), S. 40.

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Kommission (oder auch des Rates) reichen insoweit nicht mehr aus.190 Unklar ist aber, ob in einem solchen Fall immer eine Vertragsänderung erforderlich ist. Das wird überwiegend verneint191 und wohl auch von der Rechtsprechung nicht verlangt, wenn bestimmte Grenzen eingehalten werden.192 Es kommt danach entscheidend darauf an, auf welche Vorschrift des Vertrages die Errichtung der Stelle gestützt wird und wie die Befugnisse der nachgeordneten Stelle (Agentur) im Einzelnen ausgestaltet sind. Es ist aber nicht sicher, ob der bloße Errichtungsakt bereits eines förmlichen Gesetzes bedarf, da das Primärrecht keinen ausdrücklichen institutionellen Gesetzesvorbehalt enthält. Allerdings wird eine förmliche gesetzliche Grundlage zu verlangen sein, wenn der Einrichtung grundsätzlich auch (Exekutiv-)Befugnisse zustehen sollen.193 2. Ermächtigung durch das Primärrecht Wegen der Geltung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung bedarf die Errichtung der neuen Europäischen Aufsichtseinrichtungen einer Ermächtigung im Primärrecht der EU. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ist nunmehr ausdrücklich in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 EUV statuiert. Zur Erfüllung dieser Anforderung bieten sich grundsätzlich zwei Wege an: Entweder kann auf Spezialvorschriften abgestellt werden oder die Auffangkompetenz aus Art. 352 AEUV wird herangezogen.194 Beide Wege schließen sich aber gegenseitig aus, so dass immer nur ein Weg begangen werden kann. In der Praxis ist lange Zeit vornehmlich der zweite Weg gewählt worden, während nun zunehmend der Rückgriff auf Spezialvorschriften, vor allem materielle Kompetenznormen erfolgt.195 Dabei wird überwiegend davon ausgegangen, dass jede Norm des (primären) Unionsrechts, welche die Befugnis enthält, „zweckdienliche Vorschriften“ zu erlassen oder „bestimmte Gemeinschaftsmaßnahmen“ zur Erreichung von einzelnen Zielen und Politiken der Union zu ergreifen, auch als Grundlage zur Errichtung von 190

Fischer-Appelt (Fn. 176), S. 84 f.; Brenner (Fn. 178), S. 197. Streinz (Fn. 179), Art. 7 EGV Rn. 34; Schwartz, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Bd. 4, 6. Aufl. 2004, Art. 308 Rn. 215 m.w. N.; Calliess (Fn. 168), Art. 7 EUV Rn. 56, mit Wiedergabe der verschiedenen Standpunkte (Rn. 52– 55); anders Everling (Fn. 176), S. 42: „Es bedarf vielmehr einer Vertragsänderung [. . .]“, der aber im Folgenden doch von nachgeordneten Behörden ausgeht, die durch Sekundärrecht geschaffen worden sind (S. 43 f.). 192 EuGH, Meroni, Slg. 1958, I-11; EuGH, ENISA, Slg. 2006, I-3771 (3806). Die dort behandelte Agentur (ENISA) hat aber keine echten eigenen Entscheidungsbefugnisse. 193 In diesem Sinne Ohler, Anmerkung zum EuGH Urteil vom 2. Mai 2006, Aktenzeichen C-217/04, EuZW 2006, S. 369 (373 f.), bei Verwendung von nicht eindeutiger Terminologie. 194 Vgl. Wittinger (Fn. 187), S. 612. 195 Streinz (Fn. 179), Art. 308 EGV Rn. 34; Ohler (Fn. 193), S. 373; Brenner (Fn. 178), S. 198 ff. Eine Aufzählung ist bei Wittinger (Fn. 187), S. 612, zu finden. 191

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Agenturen dienen könne. Das soll auch gelten, soweit diesen Einrichtungen Verwaltungskompetenzen übertragen werden.196 Allerdings bedarf es jeweils einer sorgfältigen Prüfung im Einzelfall, ob diese Errichtungskompetenz besteht und ob die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit gewahrt sind, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EUV.197 a) Art. 114 AEUV Die Kommission hielt es für zulässig, die neuen Europäischen Aufsichtsbehörden – gestützt auf Art. 95 EGV198 – durch sekundäres Gemeinschaftsrecht zu errichten. Sie sieht sich damit im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den Gemeinschaftsagenturen.199 Der EU-Rat hat sie nachträglich auch für das ESRB geltend gemacht.200 Art. 114 Abs. 1 AEUV (Art. 95 Abs. 1 EGV) spielt eine zentrale Rolle für die Harmonisierung des Binnenmarktes. Danach kann der Rat zur Verwirklichung des Funktionierens des Binnenmarktes Maßnahmen zur Angleichung von Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten erlassen. Zum Teil wird diese Formulierung im Schrifttum so verstanden, dass damit auch die Befugnis eingeräumt sei, Agenturen zu gründen.201 Zum Teil wird aber darauf abgestellt, dass von der Angleichung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften und nicht von Verwaltungsakten die Rede sei. Wenn der Bezugspunkt von Art. 114 Abs. 1 AEUV die Vorschriften der Mitgliedstaaten seien, lasse sich kaum begründen, dass ein Organisationsakt zur Errichtung einer Unionsagentur die Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften zum Inhalt habe. Damit scheide die Vorschrift als vertragliche Rechtsgrundlage zur Errichtung von Agenturen mit Vollzugsbefugnissen aus.202 In seiner Entscheidung zur Gründung der Agentur für Netz- und Informationssicherheit hat der EuGH nun aber eindeutig die „Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung“ auf der Grundlage von Art. 95 EGV (jetzt Art. 114 AEUV) aner196 Vetter, Die Kompetenzen der Gemeinschaft zur Gründung von unabhängigen europäischen Agenturen, DÖV 2005, S. 721–739 (723 ff.); Wittinger (Fn. 187), S. 612. 197 Streinz (Fn. 179), Art. 308 EGV Rn. 34; Vetter (Fn. 196), S. 727. 198 In modifizierter Form jetzt Art. 114 Abs. 1 AEUV, der aber in dem wesentlichen Punkt unverändert geblieben ist. 199 Oben II. 3.; Begründungserwägung Nr. 10 der Entwürfe für die VO-ESAs. 200 Rat der Europäischen Union, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gemeinschaftliche Finanzaufsicht auf Makroebene und zur Einsetzung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken – Kompromissvorschlag des Vorsitzes, vom 15. Oktober 2009 (Dokument 14491/1/09 REV 1 vom 21.10.2009), Begründungserwägung Nr. 19a. 201 Ohler (Fn. 193), S. 373; Lamandini (Fn. 23), S. 200; Papathanassiou/Zagouras (Fn. 7), S. 1585; ähnlich: Wittinger (Fn. 187), S. 613; Brenner (Fn. 178), S. 201. 202 Vetter (Fn. 196), S. 728 f.; ähnlich auch Fischer-Appelt (Fn. 176), S. 87 f.

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kannt.203 Nach Auffassung des EuGH kann der Gemeinschaftsgesetzgeber im Rahmen von Art. 95 EGV (jetzt Art. 114 AEUV) aufgrund seiner Sachwürdigung die Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung für notwendig erachten. Sie muss allerdings die Aufgabe haben, einen Beitrag zur Verwirklichung des Harmonisierungsprozesses zu leisten.204 Der EuGH verlangt weiter, dass die Aufgaben, die einer solche Einrichtung übertragen werden, in engem Zusammenhang mit den Bereichen stehen, auf die sich die Rechtsakte zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten beziehen.205 Danach muss der Gemeinschaftsgesetzgeber aufgrund seiner Sachwürdigung die Schaffung der Einrichtung für notwendig erachten. Die Angleichung darf wegen des übergreifenden Begriffs „Maßnahmen“ nicht nur durch Richtlinien, sondern auch durch Verordnungen und wohl auch Entscheidungen des Rates erfolgen.206 aa) Unterschiedliche Rechts- oder Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten Zwar ist das materielle Aufsichtsrecht weitgehend durch Richtlinien der EU geprägt, doch stehen den Mitgliedstaaten Spielräume bei deren Umsetzung und Vollzug zu. Die dabei aufgetretenen Unterschiede haben sich durch die Möglichkeit von Aufsichtsarbitrage als Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems erwiesen. Die EU-Kommission spricht von einem Flickwerk von Aufsichtsregeln und unterschiedlicher Interpretationen derselben Vorschriften.207 Diese Unterschiede alleine reichen indes nicht aus. bb) Objektiver Zweck: Verbesserung der Voraussetzungen für den Binnenmarkt Schon früher hatte der EuGH – in anderem Zusammenhang – verlangt, dass die Maßnahme auch „tatsächlich den Zweck haben“ müsse, „die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern“. Die „bloße Feststellung von Unterschieden zwischen den nationalen Vorschriften 203 EuGH, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland gegen Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, Slg. 2006, I-3771 (3806); abl. Ohler (Fn. 193), S. 373 f., der aber das Vorliegen einer „ungeschriebenen Annexkompetenz“ in Erwägung zieht. 204 EuGH, United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. European Parliament and Council of the European Union, Slg. 2006, I-3771 (3806). 205 Ebd. 206 Pipkorn/Bardenhewer-Rating/Taschner, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Band 2, 6. Aufl. 2003, Art. 95 EGV Rn. 67. 207 Begründungserwägung Nr. 6 der VO-Entwürfe Behörden.

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und die abstrakte Gefahr von Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten oder daraus möglicherweise entstehenden Wettbewerbsverzerrungen“ genügten nicht, um die Wahl von Art. 95 EGV (jetzt Art. 114 AEUV) als Rechtsgrundlage zu rechtfertigen. Andernfalls „könnte der gerichtlichen Kontrolle der Wahl der Rechtsgrundlage jede Wirksamkeit genommen werden“.208 In ihren Erwägungen stellt die Kommission darauf ab, dass die Krise eine reale und ernsthafte Gefahr für den (europäischen) Binnenmarkt erzeugt habe. Ein stabiles und verlässliches Finanzsystem sei aber eine absolute Grundvoraussetzung für das Vertrauen in den Binnenmarkt und seinen Zusammenhalt. Dafür sei auch die Errichtung und Bewahrung eines voll funktionsfähigen Binnenmarktes im Bereich der Finanzdienstleistungen unabdingbar. Tiefer und umfangreicher integrierte Finanzmärkte böten bessere Möglichkeiten zur Finanzierung und Risikodiversifizierung. Dadurch würden auch die Fähigkeiten, Schocks zu absorbieren, verbessert.209 Auch werde durch das ESFS ein einheitliches Regelwerk geschaffen, das die einheitliche Anwendung von Regeln in der EU sicher stelle.210 Aufgabe der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden werde es sein, die nationalen Behörden bei der konsistenten Interpretation und Anwendung der Unionsvorschriften zu unterstützen. Die gegenwärtigen Komitees europäischer Aufsichtseinrichtungen hätten ihre Grenzen erreicht und seien beschränkt auf die Beratung der Kommission. Angesichts des Flickwerks von Aufsichtsregeln und unterschiedlicher Interpretationen derselben Vorschriften könne der gegenwärtige Zustand nicht bestehen bleiben.211 Diese Erwägungen sind nicht über jeden Zweifel erhaben, dürften aber im Rahmen der Beurteilung bleiben, die der EuGH als vertretbar ansieht. Unterschiedliche einzelstaatliche Ausführungsvorschriften und eine unterschiedliche Deutung des EU-Rechts durch die nationalen Behörden können das Funktionieren des Binnenmarktes ernsthaft beeinträchtigen, zumal es sich um Märkte für sehr bewegliche Güter handelt, die sich fast beliebig eine ihnen genehme Rechtsordnung aussuchen können. Auch kann es zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen kommen, wenn beispielsweise die Kapitalanforderungen für Kreditinstitute je nach Mitgliedstaat im Ergebnis unterschiedlich sind. 208 St. Rspr. z. B. EuGH, Bundesrepublik Deutschland/Europäisches Parlament und Rat der EU, Slg. 2000, I-8419; EuGH, United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. European Parliament and Council of the European Union, Slg. 2005 I-10553: „wenn aus dem Rechtsakt objektiv und tatsächlich hervorgeht, dass er den Zweck hat, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern“. 209 Mitteilung „Europäische Finanzaufsicht“ vom 27. Mai 2009, KOM(2009) 252, Nr. 4.4; Begründungserwägung Nr. 6 der VO-Entwürfe Behörden; ebenso Partsch (Fn. 7), S. 75. 210 Mitteilung „Europäische Finanzaufsicht“ vom 27. Mai 2009, KOM(2009) 252, Nr. 6.2.1, Begründungserwägung Nr. 4 der VO-Entwürfe Behörden. 211 Begründungserwägung Nr. 6 der Entwürfe VO-ESAs.

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Dass die Maßnahmen auch präventiv ausgerichtet sind, steht einer Inanspruchnahme von Art. 95 EGV (jetzt Art. 114 AEUV) nicht entgegen. Eine Maßnahme der Rechtsangleichung im Sinne dieser Vorschrift kann auch darin liegen, dass künftige unterschiedliche Rechtsentwicklungen in den Mitgliedstaaten, welche die Errichtung oder das störungsfreie Funktionieren des Binnenmarktes gefährden, verhindert werden sollen. „Vorbeugendes Handeln“ der Union zur „Vermeidung von Normgegensätzen“ sollte nicht ausgeschlossen werden.212 cc) Der enge Zusammenhang mit den zu harmonisierenden Bereichen Die Kommission legt auch dar, auf welche Weise die Aufgaben, die den neuen europäischen Einrichtungen übertragen werden, eng mit den Maßnahmen verbunden sind, welche die Kommission als Antwort auf die Krise in ihren Mitteilungen vom 4. März und 27. Mai 2009213 angekündigt hatte. Sie führt auch im Einzelnen die materiellrechtlichen Vorschriften auf, die Bezugspunkt für die Arbeit der „Behörden“ sein sollen.214 Damit dürfte auch die Erfüllung des Kriteriums enger Zusammenhang mit den Bereichen, auf die sich die Rechtsakte zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten beziehen, hinreichend dargelegt sein.215 dd) Beachtung des Subsidiaritätsprinzips Soweit danach Zuständigkeiten der EU bestehen, ist bei ihrer Ausübung der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EUV. Die praktische Bedeutung des Prinzips war bisher sehr gering, da Art. 5 Abs. 2 EGV kaum Wirkung entfaltet hatte.216 Allerdings ist das Subsidiaritätsprinzip nun in Art. 5 Abs. 1 und 3 EUV detaillierter geregelt worden und im Protokoll (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit vom 13. Dezember 2007 weiter ausgestaltet. Dieses Protokoll ist von den Organen der Union nach Art. 5 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 1 EUV anzuwenden. Der materielle Inhalt des Subsidiaritätsprinzips, so wie es jetzt in Art. 5 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV ausgestaltet ist, stimmt aber im Wesentlichen mit der bisherigen Formulierung überein. Zusätzlich werden lediglich die verschiedenen Ebenen der Mitgliedstaaten (zentral, regional, lokal) ausdrücklich als alternative Möglichkei212

Pipkorn/Bardenhewer-Rating/Taschner (Fn. 206), Rn. 43 f.; Partsch (Fn. 7), S. 75. Mitteilung „Europäische Finanzaufsicht“ vom 27. Mai 2009, KOM(2009) 252. 214 Begründungserwägungen Nr. 11–13 der Entwürfe VO-ESA. 215 Ebenso, aber ohne Auseinandersetzung mit dem Schrifttum Pötzsch (Fn. 72), S. 2371. 216 Näher, speziell bezogen auf unabhängige europäische Agenturen Vetter, Die Kompetenzen der Gemeinschaft zur Gründung von unabhängigen europäischen Agenturen, DÖV 2005, S. 721 (725 ff.); skeptisch Brenner (Fn. 178), S. 202. 213

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ten zur Erreichung der Ziele der von der EU in Betracht gezogenen Maßnahmen aufgeführt. Der Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) und die neuen Europäischen Aufsichtsbehörden sollen aber die Gefahren bekämpfen, die sich aus der internationalen Verknüpfung der Finanzinstitute und der Finanzmärkte ergeben haben. Es soll vor allem auch die Möglichkeit der „Aufsichtsarbitrage“ eingeschränkt werden. Die Erfahrungen der Krise haben gezeigt, dass hier wesentliche Schwachpunkte des bisherigen Aufsichtssystems liegen. Der Bericht der de LarosièreGruppe hat sie im Einzelnen benannt.217 Sie lassen sich kaum ausreichend auf einzelstaatlicher Ebene beseitigen.218 Im Übrigen sollen die nationalen Behörden bestehen bleiben und ihre Aufgaben auf einzelstaatlicher Ebene erfüllen. Die sorgfältigen Überlegungen zur Aufteilung der Aufgaben zwischen der nationalen Ebene und der EU-Ebene sind ausführlich im Anhang V des Berichts, aufgegliedert nach den verschiedenen Sektoren, dargestellt,219 so dass eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips nicht vorliegen dürfte.220 ee) Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen Im Rahmen der nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EUV gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung ist ferner zu untersuchen, ob die Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung „ein geeignetes Mittel“ ist, um das „Auftreten von Unterschieden zu verhüten, die zu Hindernissen für das reibungslose Funktionieren in diesem Bereich führen könnten“.221 Die dem ESRB zugewiesenen Aufgaben erweitern den bisher weitgehend fehlenden Blick über das Einzelinstitut hinaus auf das Gesamtsystem. Sie sind geeignet, Gefahren für die Stabilität des Gesamtsystems frühzeitig zu erfassen und durch Warnungen Gegenmaßnahmen herbeizuführen. Da dem ESRB zudem nicht die Befugnis zu verbindlichen Entscheidungen eingeräumt worden ist, bestehen auch keine Bedenken im Hinblick auf die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Regelung. Die Geeignetheit des vorgesehenen Netzwerks der Aufsichtsbehörden zum Ausmerzen von Schwächen des bisherigen Aufsichtssystems ist allerdings nicht wirklich überzeugend dargelegt. Die Behauptung, dass die Verbindung der nationalen Aufsichtsbehörden mit den neuen Europäischen Aufsichtsbehörden zu einem starken Gemeinschaftsnetzwerk ein System darstellen werde, das das Ziel eines stabilen einheitlichen EU-Finanzmarktes verwirkliche, ist nicht unangreifbar. Der schließlich gefundene Kompromiss zwischen Kommission, Rat und Par217

Oben Fn. 53; II. 1. b) f., II. 2. f., III. 3. c) aa). Massenberg (Fn. 17), S. 10; Partsch (Fn. 7), S. 75. 219 Oben Fn. 53, IV. 4. d) bb) ff. 220 Ebenso Lamandini (Fn. 23), S. 201. 221 EuGH, United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland v. European Parliament and Council of the European Union, Slg. 2006, I-3771 (3810). 218

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lament geht weit über die Entscheidung des Rates vom 2. Dezember 2009 hinaus222 und weist den Behörden unter bestimmten Voraussetzungen unmittelbare Eingriffsbefugnisse zu. Bei der rechtlichen Beurteilung ist jedoch zu beachten, dass eine Gratwanderung zwischen Effektivität und Legalität vorliegt. Je mehr den neuen Einrichtungen Hoheitsbefugnisse und eigene Entscheidungsspielräume eingeräumt werden, desto zweifelhafter wird ihre rechtliche Basis. Nennenswerte Hoheitsbefugnisse sind aber erforderlich, um die angestrebten Ziele verwirklichen zu können. Allerdings pflegen Einrichtungen der EU nicht selten ein Eigenleben zu entfalten, sobald sie errichtet sind und über hinreichende Ressourcen verfügen. Es besteht daher die Aussicht, dass selbst rechtlich unverbindliche Empfehlungen, Hinweise, technische Regeln de facto eine Bindung erzeugen. Ob diese faktische Effektivität ausreicht, ist nicht sicher. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird jedoch nur angenommen, wenn die Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Ziels „offensichtlich ungeeignet ist“ 223. Das ist aber bei dem neuen Aufsichtssystem nicht der Fall. ff) Zwischenergebnis Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Art. 95 EGV (jetzt Art. 114 AEUV) als Grundlage für die Errichtung der neuen Aufsichtseinrichtungen dürften erfüllt sein. b) Art. 115 AEUV Art. 115 AEUV wird im Verhältnis zu Art. 114 AEUV als lex generalis oder als subsidiär angesehen. Er kann daher nur zur Anwendung gelangen, wenn Art. 114 AEUV nicht einschlägig ist.224 Art. 115 AEUV ermächtigt zudem nur zum Erlass von Richtlinien,225 während hier Verordnungen der EU zu beurteilen sind. Er bietet daher keine geeignete Grundlage für die Errichtung der neuen Aufsichtseinrichtungen. c) Art. 352 AEUV Art. 352 AEUV ist eine Vorschrift, auf die allgemein Maßnahmen zur Verwirklichung von Zielen der Union gestützt werden können. Es handelt sich aller222

Oben II. 5. b) bb). Herrnfeld, in: Schwartze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 95 Rn. 25 m.w. N. aus der Rspr. 224 Pipkorn/Bardenhewer-Rating/Taschner (Fn. 206), Rn. 50; Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 115 AEUV Rn. 11. 225 Herrnfeld (Fn. 223), Art. 94 Rn. 41; anders wohl – entgegen dem klaren Wortlaut – Pipkorn/Bardenhewer-Rating/Taschner (Fn. 206), Rn. 49. 223

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dings um eine „Auffangkompetenz“, die subsidiär gegenüber Art. 114 AEUV ist.226 Sie darf nicht dazu missbraucht werden, an sich notwendige Änderungen des Primärrechts zu umgehen.227 Wenn die Verträge die für die Verwirklichung der Unionsziele nötigen Befugnisse nicht enthalten, kann der Rat auf der Grundlage von Art. 352 AEUV die „geeigneten Vorschriften“ erlassen. Diese Kompetenz umfasst auch die Gründung von Agenturen.228 So wurde die Gründung der Grundrechteagentur auf Art. 352 AEUV (Art. 308 EGV) gestützt.229 Allerdings enthält die Vorschrift eine Reihe von (einschränkenden) Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. Die Gründung der neuen Aufsichtseinrichtungen müsste erforderlich erscheinen, um im Rahmen des Gemeinsamen Marktes ein Gemeinschaftsziel zu verwirklichen. Das mit der Gründung zu verwirklichende Unionsziel ist die Sicherstellung von Finanzstabilität als Teil der harmonischen, ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung des Wirtschaftslebens durch Europäisierung der Finanzaufsicht. Bei der Beurteilung des Gemeinschaftszieles wird dem Unionsorgan ein weiter Ermessenspielraum eingeräumt.230 Das Gemeinschaftsziel der Sicherstellung von Finanzstabilität hält sich auch im Rahmen des gemeinsamen Marktes. Das Versagen und die Unzulänglichkeiten der Finanzaufsicht im internationalen Maßstab sind im Bericht der de Larosière-Gruppe und den Erwägungsgründen der VO-Entwürfe hinreichend plausibel dargelegt. Zu bezweifeln ist aber, dass trotz der Subsidiarität eine kumulative Anwendung mit Spezialvorschriften erlaubt ist.231 d) Ausschluss durch Spezialregelungen? Der Weg über Art. 114 AEUV oder Art. 352 AEUV könnte aber versperrt sein, weil das Problem der Finanzmarktstabilität, und namentlich der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzdienstleistungsunternehmen, bei der Schaffung des Vertrags von Maastricht gesehen und nach kontroverser Diskussion in einer ganz spezifischen Weise entschieden worden ist. Die schließlich Gesetz gewordene Regelung wäre exklusiv und könnte als lex specialis die Anwendung der 226 EuGH, Commission of the European Communities v. Council of the European Communities, Slg. 1987, I-1493 (1520), Zollpräferenzen; Pipkorn/Bardenhewer-Rating/ Taschner (Fn. 206), Rn. 50; Rosst, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 352 AEUV Rn. 58; Papathanassiou/Zagouras (Fn. 7), S. 1585; Herdegen (Fn. 24), S. 32, 54. 227 EuGH, Gutachten 2/94, Slg. 1996, I-1759. Siehe auch JZ 1996, S. 624 (625) zu Art. 308 EGV. 228 Wittinger (Fn. 187), S. 614. 229 Verordnung (EG) Nr. 168/2007 des Rates vom 15. Februar 2007 zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, ABl. L 53/1 vom 22.2.2007, Begründungserwägung Nr. 31. 230 Schwartz (Fn. 191), Rn. 172. 231 Rossi (Fn. 226), Rn. 69 m. Nachw. zum Streitstand.

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Art. 114 AEUV, Art. 115 AEUV und Art. 352 AEUV zur Schaffung einer Finanzmarktaufsicht auf EU-Ebene ausschließen. aa) Art. 127 Abs. 5 AEUV Nach Art. 127 Abs. 5 AEUV trägt das ESZB zur reibungslosen Durchführung der Maßnahmen bei, die von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität der Finanzsysteme ergriffen worden sind. Eine Konkretisierung dieser Regelung ist in Art. 25.1 ESZB-Statut enthalten. Die hier genannte Aufgabe war bei den Verhandlungen, die zum MaastrichtVertrag geführt haben, sehr umstritten. „Einige Vertreter wollten der EZB bei der Beaufsichtigung der Kreditinstitute eine beschränkte Rolle zuerkennen, während ihre Gegner diese Aufgabe allein den nationalen Behörden vorbehalten wollten.232 Der ursprüngliche Vorschlag der Präsidenten der nationalen Notenbanken zum Statut des ESZB ging noch weiter in die andere Richtung und sah in der Aufsicht „eine der grundlegenden Aufgaben des ESZB“.233 Der Wortlaut des ersten Entwurfs der Vorschriften lief darauf hinaus, dass das System die Befugnis haben sollte, eigene Vorstellungen zur Vorgehensweise in Aufsichts- und Stabilitätsfragen zu formulieren, die Vorgehensweise der zuständigen (nationalen) Einrichtungen zu koordinieren und eigene Entscheidungen durchzusetzen.234 Nach langen Diskussionen wurde die gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag stark verwässerte Regelung schließlich Gesetz.235 Dieser mühsam bei der Schaffung des primären Gemeinschaftsrechts gefundene Kompromiss wird möglicherweise durch die Schaffung des ESFS und seiner Europäischen Aufsichtsbehörden in nicht unwesentlichen Punkten durch sekundäres Unionsrecht aufgebrochen. Allerdings kann man den Wortlaut der Vorschrift auch so interpretieren, dass die Organisation der Aufsicht auf EU-Ebene vom Primärrecht unentschieden geblieben ist. Danach bestünden Spielräume für sekundärrechtliche Regelungen, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. bb) Art. 127 Abs. 6 AEUV Im primären Unionsrecht findet sich aber noch eine weite Regelung, die sich ausdrücklich mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute auf EU-Ebene befasst: Art. 127 Abs. 6 AEUV. In dieser Vorschrift ist nach den 232 Smits, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Bd. 3, 6. Aufl. 2003, Art. 105 Rn. 70 (Hervorhebung nicht im Original). 233 Ders. (Fn. 232), Rn. 70 Fn. 54. 234 Smits, The European Central Bank, 1997, S. 335. 235 Vgl. ders. (Fn. 234), S. 337.

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Diskussionen im Gesetzgebungsverfahren eine ganz spezielle Lösung gefunden worden: keine Übertragung kraft Gesetzes auf die EZB, aber ein Weg, wie eine solche Übertragung später von den Organen der EU vorgenommen werden kann. Die aus guten Gründen angestrebte „Europäisierung“ der Aufsicht ist nach erster Einschätzung auf diesen Weg zu verweisen, wenn sie nicht den Weg der Vertragsänderung gehen will. Der Weg ist detailliert geregelt. Er ist an spezifische Voraussetzungen geknüpft und weist dezidierte Grenzen auf, da die Aufsicht über Versicherungen nach langen Diskussionen im Gesetzgebungsverfahren bewusst ausgenommen worden ist.236 Alle diese Vorgaben könnten unterlaufen werden, wenn eine vergleichbare Struktur durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geschaffen werden dürfte, das an wesentlich geringere Voraussetzungen und Grenzen gebunden ist. Nur wenn man die Vorschrift sehr eng interpretiert, ihren Anwendungsbereich strikt auf eine Finanzmarktaufsicht durch die EZB beschränkt und diese Regelung nicht als abschließend ansieht, würde sie der Errichtung neuer Aufsichtseinrichtungen auf EU-Ebene, losgelöst von der EZB, nicht entgegenstehen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das ESRB eine enge Verbindung zur EZB aufweist. Für die enge Auslegung spricht die systematische Stellung der Vorschrift. Sie steht im Kapitel über die Währungspolitik. Gegen die enge Auslegung spricht jedoch, dass verschiedentlich auf einzelstaatlicher Ebene eine (erneute) Zusammenfassung der Aufsicht, zumindest über Banken, möglicherweise aber auch Versicherungen, bei der Notenbank erwogen wird oder schon verwirklich worden ist.237 Die Errichtung von europäischen Aufsichtsbehörden lässt sich kaum isoliert von der Abgrenzung der Aufgaben der EZB durchführen. Das hat auch die Diskussion im Gesetzgebungsverfahren gezeigt. Die Sachfragen sind zu eng miteinander verknüpft. Danach wäre kaum verständlich, wenn die Übertragung von Aufsichtsaufgaben die auf einzelstaatlicher Ebene ohnehin von Bestandteilen des ESZB durchgeführt werden, auf die EZB streng geregelt wäre, während die Übertragung der Aufsicht auf europäische Institutionen weitgehend freizügig durch Sekundärrecht erfolgen dürfte. Das spricht dafür, die in Art. 127 Abs. 6 AEUV als abschließende Sonderregelung des gesamten Problembereichs Aufsicht über Finanzinstitute auf EU-Ebene anzusehen. 236

Smits (Fn. 232), Rn. 77 und 78. Bezogen auf das Jahr 2003 hat Masciandaro Indizien für die Konzentration der Finanzaufsichtsbefugnisse (Banken, Wertpapiere, Versicherungen) für 68 Staaten ermittelt. Dabei zeigte sich bei der Mehrheit der Aufsichtssysteme eine starke Einbindung der Notenbanken (Central Banks and Single Financial Authorities: Economics, Politics and Law, in: Masciandaro [Hrsg.], Handbook of Central Banking and Financial Authorities in Europe, 2005, S. 67–105 [85]); Darstellung der verschiedenen Systeme auch bei Wymeersch, The Structure of Financial Supervision in Europe: About Single Financial Supervisors, Twin Peaks and Multiple Financial Supervisors, European Business Organization Law Review 2007, S. 237–306 (289 ff.); zur Entwicklung in der Schweiz Weber/Geiger/Breining-Kaufmann/Schmitz/Trott, Integrierte Finanzmarktaufsicht, 2006. 237

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cc) Zwischenergebnis Die in Art. 127 Abs. 5 und 6 AEUV getroffene Regelung der Finanzmarktaufsicht und der Finanzmarktstabilität kann als lex specialis den Weg zur Schaffung eines ESRB und eines ESFS mit eigenständigen europäischen Behörden durch sekundäres Unionsrecht versperren. e) Zwischenergebnis Es bestehen Bedenken, ob Art. 114 AEUV oder Art. 352 AEUV als Ermächtigung für die Errichtung der neuen Europäischen Aufsichtsbehörden durch sekundäres Unionsrecht dienen können. 3. Einbindung der EZB Die Einbindung der EZB in den Ausschuss für Finanzstabilität, die schon im de Larosière-Bericht vorgesehen war,238 verstößt nicht gegen die Unabhängigkeitsgarantie des Art. 130 AEUV, da sie nicht mit einer Einflussnahme auf die Entscheidungen der EZB verbunden ist. Im Gegenteil werden die Rechte der EZB erweitert. Allerdings könnte durch die Mitwirkung an der Stabilität des gesamten Finanzsystems in der Sache ein Binnenkonflikt mit dem Ziel der Preisstabilität entstehen, das vorrangig zu beachten ist, Art. 127 Abs. 1 Satz 1 AEUV. Dabei wäre aber im Einzelnen zu untersuchen, ob und in welchem Umfang zwischen Finanzstabilität und Preisstabilität ein antinomisches Verhältnis besteht. Auch wenn es diesen Konflikt im Einzelfall geben sollte, wird er vom Primärrecht hingenommen und darauf vertraut, dass sich das ESZB rechtstreu verhalten und den strikten Vorrang der Preisstabilität vor allen anderen Zielen und Interessen beachten wird, Art. 127 Abs. 2 Satz 2 AEUV. Zudem ist in Art. 127 Abs. 5 AEUV ausdrücklich vorgesehen, dass das ESZB, also auch die EZB, bei Maßnahmen der zuständigen Behörden auf dem Gebiet der „Stabilität des Finanzsystems“ unterstützend mitwirkt. Art. 127 Abs. 6 AEUV i.V. m. Art. 25.2 ESZB/EZB-Satzung ermächtigt den Rat, einstimmig durch Verordnung Aufsichtsbefugnisse auf die EZB zu übertragen; allerdings mit Ausnahme der Versicherungsaufsicht. Deshalb wird teilweise im Schrifttum vertreten, dass die Zusammenarbeit der EZB mit dem ESRB auf diese Vorschrift gestützt werden könne. Das Verbot der Versicherungsaufsicht schade nicht, da es nur die Mikroaufsicht, nicht aber die dem ESRB zugewiesene Makroaufsicht betreffe.239 Diese Argumentation ist inkonsistent. Wenn die Vorschrift nur die Mikroaufsicht betrifft, kann sie keine geeignete Grundlage für die Zusammenarbeit in makroprudentiellen Fragen sein. 238 239

Oben II. 2. Papathanassiou/Zagouras (Fn. 7), S. 1585; i. E. ebenso Pötzsch (Fn. 72), S. 2378.

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4. Die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen Von der Frage der europarechtlichen Rechtsgrundlage für die Errichtung von Unionsagenturen zu trennen ist die Frage, welche Befugnisse ihnen durch Sekundärrecht verliehen werden dürfen. a) Die Meroni-Doktrin aa) Die ursprünglichen Entscheidungen des EuGH Der EuGH hat in seiner „Meroni-Rechtsprechung“ 240 Grenzen für die Übertragung von Befugnissen auf Einrichtungen aufgestellt, die von den Organen der Europäischen Gemeinschaften getrennt sind. Danach darf vor allem nicht das „Gleichgewicht der Gewalten“ (später: das „institutionelle Gleichgewicht“) durch eine solche Übertragung beeinträchtigt werden.241 In den entschiedenen Fällen ging es um die Übertragung von finanzrechtlichen Befugnissen auf eine selbstständige finanzielle Einrichtung („Ausgleichskasse für eingeführten Schrott“), die in privatrechtlicher Form organisiert war. Eine solche Übertragung war aber als solche ausdrücklich in Art. 53 Abs. 1 EGKSV vorgesehen. Es ging also im Wesentlichen um die Modalitäten und die Grenzen der Übertragungsmöglichkeit. Ausgangspunkt der nach diesem Urteil benannten „Meroni-Doktrin“ ist die Überlegung, dass die Mitgliedstaaten ihre Hoheitsrechte nur insoweit auf die Europäischen Gemeinschaften übertragen haben, wie im Rahmen der Gemeinschaften Einrichtungen und Organe handeln, die in den von ihnen geschlossenen Verträgen vorgesehen sind. Nur solche Einrichtungen haben die erforderliche demokratische Legitimation. Nach Auffassung des Gerichts kommt es entscheidend darauf an, ob tatsächlich hoheitliche Befugnisse übertragen worden sind.242 Die bloße Vorbereitung von Beschlüssen, die von einem Gemeinschaftsorgan durchgeführt werden und für die es die Verantwortung trägt, soll nicht darunter fallen.243 Im Wesentlichen meint das Gericht damit die Rechtsmacht, rechtsverbindliche Ermessensentscheidungen treffen zu dürfen.244 Entscheidungen auf der „Grundlage festumrissener Vorschriften“, die „Willkürmaßnahmen ausschließen und die Nachprüfung der verwendeten Unterlagen ermöglichen“, sollen nicht erfasst sein.245 Es spricht sogar an einer Stelle von „freiem“ Ermessen, das eingeräumt worden sein müsse und eine eigene Wirtschaftspolitik ermögliche, damit eine Vertragsverletzung 240 241 242 243 244 245

EuGH, Meroni, Slg. 1958, I-11 (53). EuGH, Meroni, Slg. 1958, I-11 (44, 82). EuGH, Meroni, Slg. 1958, I-11 (36, 75). EuGH, Meroni, Slg. 1958, I-11 (37, 75 f.). EuGH, Meroni, Slg. 1958, I-11 (44, 81 f.). EuGH, Meroni, Slg. 1958, I-11 (42).

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vorliege.246 Der Grund für das Verbot der Übertragung von so verstandenen Ermessensentscheidungen ist nicht nur die fehlende demokratische Legitimation und Verantwortlichkeit, sondern eben die (mögliche) Störung des „Gleichgewichts der Gewalten“, die eine „für den organisatorischen Aufbau der Gemeinschaft kennzeichnende“ „grundlegende Garantie“ darstelle. „Die Übertragung von Befugnissen mit Ermessensspielraum auf andere Einrichtungen als solche, die im Vertrag zur Ausübung und Kontrolle dieser Befugnisse im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten vorgesehen sind, würde diese Garantie verletzen.“ 247 In keinem Fall dürften jedoch weiterreichende Befugnisse übertragen werden als sie der übertragenden Behörde nach dem Vertrag selbst zustehen. Andernfalls könnten durch die Übertragung an selbständige Einrichtungen vertragswidrig die Befugnisse der Gemeinschaft ausgedehnt werden.248 Im Ergebnis müssen bei der Übertragung von Hoheitsbefugnissen zumindest folgende Anforderungen beachtet werden: – Es dürfen „keine weiterreichenden Befugnisse übertragen werden, als sie der übertragenden Behörde nach dem Vertrag selbst zustehen“.249 – Es dürfen nur Ausführungsbefugnisse übertragen werden, „die genau umgrenzt“ sind und deren Ausübung von dem zuständigen Gemeinschaftsorgan beaufsichtigt und kontrolliert wird.250 – Die Übertragungsentscheidung muss ausdrücklich erfolgen.251 bb) Weiterentwicklung Teilweise sind diese Grundsätze in der Folgezeit bestätigt worden.252 Wesentlich strenger waren aber die Entscheidungen in der Sache „van der Vecht“ 253 aus dem Jahre 1967 und in der Sache „Romano/INAMI“ aus dem Jahre 1981.254 In der Sache „van der Vecht“ ging es um die Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeiter. Nach Auffassung des Gerichts könne ihren Beschlüssen „nur der Rang von Gutachten“ zukommen. Es sei europarechtlich nicht zulässig, ihnen echte Entscheidungsbefugnisse zukommen zu lassen, da andernfalls die Befugnisse der zuständigen Gerichte berührt würden.255 Noch deutlicher 246

EuGH, Meroni, Slg. 1958, I-11 (43 f., 81). EuGH, Meroni, Slg. 1958, I-11 (14, 44 und 82). 248 EuGH, Meroni, Slg. 1958, I-11 (40, 79). 249 EuGH, Meroni, Slg. 1958, I-11 (40, 79). 250 EuGH, Meroni, Slg. 1958, I-11 (44, 81). 251 EuGH, Meroni, Slg. 1958, I-11 (42). 252 EuGH, Köster, Slg. 1970, I-1161 (1173) Rn. 9, wo entscheidend auf die Verfälschung des „institutionellen Gleichgewichts“ abgestellt wird. 253 EuGH, van der Vecht, Slg. 1967, 461. 254 EuGH, Romano/INAMI, Slg. 1981, 1241. 255 EuGH, van der Vecht, Slg. 1967, 461 (474). 247

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III. Finanzmärkte

stellte der EuGH in der Sache „Romano/INAMI“ heraus, dass aus dem durch den Vertrag geschaffenen Rechtsschutzsystem geschlossen werden müsse, dass eine Stelle außerhalb der Kommission nicht ermächtigt werden dürfe, „Rechtsakte mit normativem Charakter“ zu erlassen. Ihre Entscheidungen könnten ein „Hilfsmittel“ für die Durchführung des Gemeinschaftsrechts sein, doch seien sie nicht bindend.256 Obwohl im Schrifttum die Wahrung des vertraglichen Rechtsschutzes häufig schon der (ursprünglichen) Meroni-Doktrin zugeordnet wird, ergibt sich diese Anforderung erst aus der Folgerechtsprechung:257 Vertragsfremden Einrichtungen dürfen hoheitliche Befugnisse nur dann zugewiesen werden, wenn sie unter den gleichen Bedingungen wie das übertragende Organ der Nachprüfung durch den Gerichtshof unterworfen sind. Der Rechtsschutz darf durch die Delegation nicht geschmälert werden.258 b) Konsequenzen Fraglich ist, welche allgemeinen Regeln unter Berücksichtigung dieser nicht ganz einheitlichen Rechtsprechung für Gemeinschaftsagenturen, also auch für die neuen Europäischen Aufsichtseinrichtungen, abzuleiten sind. Die ursprünglichen Urteile in der Sache „Meroni“ bezogen sich auf Art. 53 Abs. 1 EGKSV und nicht auf den EG-Vertrag und erst recht nicht auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der durch den Vertrag von Lissabon geschaffen worden ist. Weiterhin handelte es sich um die Übertragung von Befugnissen auf ein Privatrechtssubjekt und nicht auf eine Einrichtung des (europäischen) öffentlichen Rechts. Daraus wird teilweise geschlossen, dass eine unmittelbare Übertragung dieser Rechtsprechung auf Unionsagenturen nicht in Betracht komme.259 Auch in inhaltlicher Hinsicht gilt es zu bedenken, dass bei der „Meroni-Rechtsprechung“ Aufgaben übertragen werden sollten, die primärrechtlich angelegt waren.260 Andererseits hat die Rechtsprechung die Grundsätze der ursprünglichen „Meroni-Entscheidungen“ auch auf öffentlich-rechtliche Einrichtungen der Union übertragen.261

256

EuGH, Romano/INAMI, Slg. 1981, 1241 (1256) Rn. 20. Vgl. Hatje, in: Schwartze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 7 Rn. 19, unter Berufung auf die erste Meroni-Entscheidung, S. 27, wo das aber so nicht steht. Calliess (Fn. 168), Art. 13 EUV Rn. 49, ordnet dieses Erfordernis bereits der Ausgangsentscheidung zu, ohne allerdings einen konkreten Nachweis zu liefern. 258 Im Ergebnis ebenso Hatje (Fn. 257), Art. 7 Rn. 19; Calliess (Fn. 168), Art. 13 EUV Rn. 49, 51, 57. 259 Fischer-Appelt (Fn. 176), S. 107. 260 Ohler (Fn. 193), S. 373. 261 Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, 2009, S. 366 ff., 371. 257

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Die Auffassungen im Schrifttum sind geteilt, ob die „Meroni-Rechtsprechung“ allgemeine Voraussetzungen für die Übertragung von Befugnissen im Gemeinschaftsrecht aufgestellt hat. Teilweise wird das unionsrechtliche Agenturwesen „mehr oder weniger umstandslos an diesen Voraussetzungen gemessen“.262 Danach ist die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen unter den in den ursprünglichen Entscheidungen genannten Voraussetzungen zulässig, namentlich wenn die Ausführungsbefugnisse genau abgegrenzt sind und das „institutionelle Gleichgewicht“ nicht gefährdet werde.263 Teilweise wird aber auch eine Übertragung von Entscheidungsbefugnissen generell für unzulässig gehalten.264 Überwiegend orientiert sich das Schrifttum zwar an den ursprünglichen „Meroni-Entscheidungen“, sieht aber – bei vielen Unterschieden im Einzelnen – von einer direkten Anwendung der dort entwickelten Grundsätze in ihrer strengen Form ab.265 Dabei werden Demokratieprinzip, institutionelles Gleichgewicht und die Grundsätze der „Meroni-Rechtsprechung“ nicht selten unverbunden nebeneinandergestellt.266 Verbreitet wird aber nunmehr das institutionelle Gleichgewicht in den Mittelpunkt der Überlegungen gerückt, das aber durchaus auch dynamisch verstanden werden könne.267 Dabei gebe es aber eine absolute Grenze der Übertragung von Entscheidungsbefugnissen, die der – nicht einheitlichen – Rechtsprechung als „Schnittmenge“ zu entnehmen sei: „Befugnisse von politischer Tragweite“ dürften nicht auf „vertragsfremde Einrichtungen“ übertragen werden und das Rechtsschutzsystem des Vertrages dürfe nicht beeinträchtigt werden.268 Einen anderen Weg geht die Auffassung, die entscheidend auf die Anforderungen des Demokratieprinzips abstellt, so wie es in Art. 10 ff. EUV europarechtlich verankert ist. Dem institutionellen Gleichgewicht soll dagegen nur eine dienende Rolle zukommen.269 Von diesem Ansatz ausgehend kann ein kompletter Ausschluss von „Verantwortungsverlagerung auf kommissionsfremde Einrichtungen“ nicht in Betracht kommen, wenn und solange durch „umfassende Aufsichtsunterworfenheit“ die Anforderungen der demokratischen Legitimation gewahrt werden.270 Selbst die Übertragung auf „weisungsunabhängige Verwaltungseinrich262

Umfassende Nachweise bei ders. (Fn. 261), S. 372 Fn. 391. Hatje (Fn. 257), Art. 7 EGV Rn. 19. 264 Oppermann, Europarecht, 3. Aufl., 2000, § 5 Rn. 168; Nettesheim, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 4. Aufl., 2009, § 7 Rn. 187, der aber eine „implizite“ Auflösung der Meroni-Kriterien sieht; Everling (Fn. 176), S. 42: „Es bedarf vielmehr einer Vertragsänderung [. . .]“, der aber im Folgenden doch von nachgeordneten Behörden ausgeht, die durch Sekundärrecht geschaffen worden sind (S. 43 f.). 265 Umfassende Nachweise bei Görisch (Fn. 261), S. 372 Fn. 392. 266 Umfassende Nachweise bei Görisch (Fn. 261), S. 372 Fn. 393. 267 Calliess (Fn. 168), Art. 13 EUV Rn. 56. 268 Calliess (Fn. 168), Art. 13 EUV Rn. 57 m.w. N. 269 Görisch (Fn. 261), S. 373 ff. 270 Görisch (Fn. 261), S. 376. 263

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tungen“ soll zulässig sein, wenn es sich um die „Wahrnehmung konkreter Sachaufgaben in einem bestimmten, genau gekennzeichneten Sachbereich“ handele. Allerdings müsste die dann eintretende Absenkung des demokratischen „Legitimationsniveaus“ anderweitig „kompensiert“ werden. In Betracht sollen kommen „gerichtlich voll nachprüfbare normative Entscheidungsvorgaben“, eine „Verstärkung der personellen Rückbindung“ sowie die „Budgetsteuerung“.271 Die fehlende Kommissionsanbindung verlange aber in jedem Fall eine „strenge Rechtsbindung“ und „umfassend nachprüfbare normative Vorgaben für das Agenturhandeln“. „Gerichtlich nicht nachprüfbare Entscheidungsspielräume der Verwaltung“ sollen „regelmäßig“ ausgeschlossen sein.272 Für diese eher funktional ausgerichtete Betrachtungsweise spricht die deutliche Aufwertung des Demokratieprinzips im Primärrecht durch den Vertrag von Lissabon in Art. 10 ff. EUV und die Möglichkeit einer sachbezogenen, flexiblen Handhabung. Kritisch ist dagegen die kollegiale Binnenstruktur als Kompensationsmöglichkeit für fehlende demokratische Legitimation zu sehen. Auch vermag eine umfassende gerichtliche Kontrolle nicht Demokratiedefizite, verursacht durch fehlende Rückanbindung an demokratisch legitimierte Organe in Sachfragen, zu ersetzen. Der Kompensationsgedanke dürfte dagegen weiter führen und problemadäquate Lösungen ermöglichen. Er ist zudem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur demokratischen Legitimation verselbständigter Verwaltungsträger auf nationaler Ebene anerkannt.273 Auch wenn die Rückführung der „Meroni-Doktrin“ auf Fragen der demokratischen Legitimation gut nachvollziehbar ist, kommt dem Gesichtspunkt des „institutionellen Gleichgewichts“ doch eine eigenständige Bedeutung im Sinne der Wahrung einer Organund Gewaltenbalance im internen Machtgefüge der EU zu. Sie darf also nicht völlig ausgeklammert werden. c) Synthese Versucht man eine Synthese der verschiedenen Ansätze, zeichnet sich ab, dass ein vollständiges Verbot der Übertragung von rechtlich bindenden Entscheidungsbefugnissen auf die neuen Europäischen Aufsichtseinrichtungen europarechtlich nicht zu begründen ist. In Grenzen ist die Ausstattung mit hoheitlichen Befugnissen zulässig. Dabei sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden: – Die Einrichtung unterliegt der Aufsicht und Kontrolle durch demokratisch legitimierte Organe der EU. – Die Organe der Einrichtung sind nicht an Weisungen demokratisch legitimierter Organe der EU gebunden. 271 272 273

Görisch (Fn. 261), S. 378 f. Görisch (Fn. 261), S. 396. Unten V. 2. b) cc).

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In keinem Fall dürfen mehr Befugnisse übertragen werden als dem übertragenden Organ zustehen. Auch ist sicher zu stellen, dass die gerichtlichen Kontrollmechanismen des Vertrags nicht unterlaufen werden. Rein technische Ausführungsbefugnisse dürfen wohl in beiden Fallgruppen zugewiesen werden. In der ersten Fallgruppe ist es auch grundsätzlich zulässig, dass der Einrichtung eigene Entscheidungsspielräume eingeräumt werden; entweder durch begrenztes Ermessen oder durch weite und unbestimmte gesetzliche Vorgaben. Dann muss aber eine strikte Aufsicht mit Einzelweisungsbefugnis durch demokratisch legitimierte Organe der EU gewährleistet sein. Sie darf nicht dazu führen, dass eine solche Einrichtung unabhängig von den Organen der EU eine eigene Politik betreibt. In der zweiten Fallgruppe muss gewährleistet sein, dass ein hinreichendes Niveau demokratischer Legitimation nicht unterschritten wird. Eigene Entscheidungsspielräume der Einrichtung sind damit grundsätzlich nicht vereinbar. Das setzt genaue gesetzliche Vorgaben und Befugnisse nur in einem eng begrenzten Sachbereich voraus. Ermessenspielräume darf es grundsätzlich nicht geben. Eine kollegiale Binnenstruktur und eine pluralistische Besetzung der Organe vermag die fehlende demokratische Legitimation nicht zu ersetzen. Auch die nachfolgende gerichtliche Kontrolle ist grundsätzlich nicht geeignet, defizitäre demokratische Legitimation zu kompensieren. d) Anwendung Der Entwurf der Kommission wollte erkennbar eine Änderung des primären Unionsrechts vermeiden. Das schränkte aber die Effektivität der möglichen Regelungen erheblich ein. Der deutsch-französische Kompromiss ging auf diesem Weg noch ein Stück weiter, ohne wirklich alle rechtlichen Risiken zu beseitige. Der damit verbundene Verlust an Effektivität macht aber andererseits die Geeignetheit der Vorschläge zur Erreichung einer wirksamen und konsistenten Finanzmarktaufsicht immer fraglicher. Die Forderungen des Europäischen Parlaments gingen dagegen wieder in die Richtung einer deutlichen Stärkung der Kompetenzen und Befugnisse des neuen Europäischen Aufsichtssystems unter Zurückstellung der europarechtlichen Bedenken. Die schließlich Gesetz gewordene Fassung folgte in erheblichem Umfang den Wünschen des Parlaments. aa) Aufgaben und Befugnisse des ESRB Die Tätigkeiten, die für den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) vorgesehen sind, haben ihren Schwerpunkt in der Sammlung und Verarbeitung von Informationen.274 Er übt damit im Wesentlichen Hilfsfunktionen aus. Nicht der Ausschuss, sondern die zuständigen Organe und Einrichtungen der EU 274

Oben III. 2. a) und b).

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III. Finanzmärkte

haben die danach erforderlichen Maßnahmen zu erlassen. Der Erlass eigener hoheitlicher Maßnahmen ist nicht vorgesehen. Allerdings ist das ESRB auch befugt, Warnungen und Empfehlungen auszusprechen, Art. 3 Abs. 2 c, d, Art. 16 ESRB-VO. Die Empfehlungen dürfen auch Rechtsetzungsvorschläge umfassen, Art. 16 Abs. 1 ESRB-VO. Dabei handelt es sich um Aussprüche, an die zwingende Folgen („mandatory follow up“) geknüpft sind. Die europarechtliche Unbedenklichkeit dieses Mechanismus ist nicht über jeden Zweifel erhaben. Immerhin wird erheblicher Druck ausgeübt.275 Auch wenn formal keine Hoheitsakte erlassen werden, ist der angestrebte „comply or explain“ Mechanismus aus der Sicht des öffentlichen Rechts nicht irrelevant. Es kann sich um Eingriffe durch „faktisches“ oder „mittelbares“ Einwirken handeln.276 Informales Handeln der Exekutive durch Überzeugung („moral suasion“) und Druckausübung außerhalb der formalisierten („rechtsgeschäftlichen“) Staatsakte ist auch schon in der Vergangenheit immer wieder eingesetzt worden und Gegenstand juristischer Diskussionen gewesen.277 Auch lediglich faktischer Zwang zur Befolgung von Empfehlungen müsste wohl einer gerichtlichen Überprüfung unterworfen sein. Dabei ist zu beachten, dass der Wirtschafts- und Finanzausschuss (WFA) – anders als das neue Aufsichtssystem – im primären Unionsrecht verankert worden ist, Art. 134 AEUV, obwohl er im Kern auch nur Informationen zu sammeln und darüber zu berichten hat. Darüber hinaus hat das ESRB Beratungsaufgaben wahrzunehmen und vorbereitende Arbeiten für entscheidungsbefugte Organe der EU zu erledigen. Die Aufsichts- und Weisungsbefugnisse des ESRB gegenüber den nationalen Aufsichtsbehörden, wenn deren Reaktion auf die Warnung als unzureichend angesehen wird, sind jedoch sehr beschränkt. Sie bestehen im Wesentlichen aus der Beobachtung dieser Behörden, der Beurteilung ihres Verhaltens, einem Anzeigerecht gegenüber dem EU-Rat und den Europäischen Aufsichtsbehörden (Art. 17 Abs. 2 ESRB-VO) sowie einem Vorschlagsrecht im Hinblick auf weitere Maßnahmen gegenüber solchen Behörden. 275 Oben III. 2. c) f.; vgl. schon Bericht (Fn. 53), S. 46: Empfehlung 17, erster Spiegelstrich. 276 Für Grundrechtseingriffe ausdrücklich BVerfGE 105, 279 (300 f.); 110, 177 (191); 113, 63 (76); 116, 202 (222); zusammenfassend Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1992, S. 278 ff.; Bethge, Der Grundrechtseingriff, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 ff.; Weber-Dürler, ebd., S. 57 ff.; Sachs, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 6. Aufl., 2012, vor Art. 1 Rn. 83; ders., in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, S. 130 ff., mit erschöpfender Darstellung der Einzelkriterien; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 1, 2. Aufl., 2004, Vorb. Rn. 125 f., speziell zu Warnungen, Empfehlungen und Hinweisen Rn. 127; nicht gesehen von Papathanassiou/Zagouras (Fn. 7), S. 1587. 277 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981; Siekmann, Institutionalisierte Einkommenspolitik, 1985.

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Letztlich dürfte die Errichtung des ESRB nicht auf durchgreifende Bedenken stoßen.278 bb) Aufgaben und Befugnisse der ESA Die vielfaltigen Aufgaben der ESA im Bereich der Informationssammlung und -analyse dürften an dieser Stelle auf keine nennenswerten Bedenken stoßen.279 Auch die Förderung der Kooperation der Aufsichtsbehörden untereinander und mit dem ESRB ist letztlich unbedenklich. Für die rechtliche Beurteilung kommt es entscheidend darauf an, ob und in welchem Umfang den neuen Aufsichtsbehörden die Befugnis zum Erlass normativer Rechtsakte oder verbindlicher Entscheidungen (nach außen) zugebilligt worden ist. Ein weiterer wesentlicher Umstand für die rechtliche Beurteilung sind die Unabhängigkeitsgarantien. Die in Art. 8 Abs. 1 ESA-VO aufgezählten Aufgaben mögen noch zur Verwirklichung des Binnenmarktes beitragen und so bei der üblichen weiten Interpretation von Art. 26 Abs. 1 AEUV280 noch von der Vorschrift gedeckt sein. Kritisch sind jedoch die Einräumung der Befugnis zur Setzung von Norme, die im Ergebnis verbindlich sind, mit nur begrenzten Einwirkungsmöglichkeiten der Kommission, und die Befugnis zum Erlass von verbindlichen Rechtsakten im Einzelfall. (1) Exklusive und umfassende Aufsicht – Ratingagenturen Die in Art. 6 Abs. 3 der Kommissionsentwürfe vorgesehenen exklusiven und umfassenden Aufgaben sind im Kompromissentwurf des Rates gestrichen und auch nicht in der Endfassung wieder hergestellt worden. Volle Aufsichtsbefugnisse sind allerdings der ESMA gegenüber den Ratingagenturen eingeräumt worden. Das folgt aber nicht mehr aus der ESMA-VO, sondern den Verordnungen über die Ratingagenturen.281 Eine derartige Übertragung der vollen Aufsicht auf eine europäische Institution ist im Finanzrecht neu.282 278

Ebenso Partsch (Fn. 7), S. 76. Inspektionsbefugnisse gegenüber einzelnen Marktteilnehmern sind erstmals der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) eingeräumt worden, vgl. Riedel (Fn. 180), S. 107; zum Instrument der Inspektion im Europäischen Verwaltungsverbund David, Inspektionen im Europäischen Verwaltungsrecht, 2003; dies. Inspektionen als Instrument der Vollzugskontrolle im Europäischen Verwaltungsverbund, in: SchmidtAssmann/Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, 2005, S. 237 ff. 280 Leibte, in: Streinz (Hrsg.) EUV/EGV, 2003, Art. 14 Rn. 26. 281 In der Verordnung (EG) 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABl. L 302/l vom 17.11.2009 war vorgesehen, dass der Antrag auf Registrierung an CESR zu richten war, Art. 15 Abs. 1. Die Prüfung des Antrags sollte aber durch die zuständige Behörde des Herkunftsstaates erfolgen, Art. 16 Abs. 1. Auch sollte die laufende Aufsicht nach nationalem Recht erfol279

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III. Finanzmärkte

Dem Erlass einer verbindlichen Maßnahme sollte nach den Entwürfen ein längerer Abstimmungsprozess vorausgehen. Nach dem Kompromiss des Rats vom 2. Dezember 2009 sollte das nicht mehr eine (verbindliche) Entscheidung der Kommission, sondern nur noch eine (unverbindliche) förmliche Stellungnahme sein, Art. 9 Abs. 4 VO-Entwürfe n. F. Diese Stellungnahme sollte aber von der Behörde bei ihrer Entscheidung zugrunde gelegt werden („in conformity“), Art. 9 Abs. 6 VO-Entwürfe. Ob im Ergebnis ein rechtlicher Unterschied besteht, ist nicht klar. Immerhin wurde versucht, auf diese Weise Ermessenspielräume der Europäischen Aufsichtsbehörden auszuschließen, die nach den oben entwickelten Grundsätzen zweifelhaft sein könnten. Entsprechende Sicherungen waren aber bei der Aufsicht über Ratingagenturen nicht vorgesehen, Art. 6 Abs. 3 VO-Entwurf-ESMA. Der Verweis auf künftige materiell-rechtliche Regelungen für die Ratingagenturen war nicht ohne weiteres verständlich, da bereits eine neue Verordnung über Ratingagenturen erlassen worden war, welche die aufsichtsrechtlichen Befugnisse weitgehend dem CESR zuwies.283 Nunmehr ist es Art. 24 der Rating-VO,284 der dem Rat der Aufseher der ESMA die Befugnis verleiht, einschneidende Aufsichtsmaßnahmen zu erlassen, die bis zur Verhängung von Zwangsgeldern (Art. 36b Rating-VO 2011) und von Geldbußen (Art. 36a Rating-VO 2011) gehen. Der Rat der Aufseher der ESMA muss eine der Aufsichtsmaßnahmen nach Art. 24 Rating-VO 2011 ergreifen oder eine Geldbuße nach Art. 36a Rating-VO 2011 verhängen, wenn einer der in Anhang III der Rating-VO 2011 aufgeführten Verstöße begangen worden ist, Art. 23e Abs. 5 Rating-VO 2011. Ermessen ist ihm insoweit nicht eingeräumt. Anhang III enthält eine Liste von 73 (!) detailliert umschriebenen Tatbeständen. Abgesehen davon, dass mit einem solchen Wust von kleinteiligen Detailvorschriften kaum das eigentliche Problem von Ratings und Ratingagenturen zu bewältigen ist, wird so der Behörde wenig Spielraum auch auf der Tatbestandsseite eingeräumt. Die Verfolgung einer eigenen Politik dürfte damit der Behörde von Rechts wegen nicht möglich sein. Trotz der Unabhängigkeit, die nach Art. 49 ESMA-VO dem Rat der Aufseher eingeräumt worden ist, kann die Regelung deshalb wohl noch den europarechtlichen Anforderungen genügen.

gen, Art. 23. Die neue Verordnung 513/2011, die am 11.5.2011 erlassen worden ist (ABl. L 145/30 vom 31.5.2011), hat Art. 15 dahingehend geändert, dass nunmehr die ESMA alleine zuständig ist. Im Übrigen ist auch die gesamte laufende Aufsicht der ESMA übertragen worden und detailliert in Art. 21–25a geregelt. 282 Hopt (Fn. 1), S. 1406, der daraus aber keine juristischen Schlüsse zieht. Sie war sehr umstritten, vgl. T. M. J. Möllers (Fn. 30), S. 10 f., der sich aber noch im Wesentlichen mit den Befugnissen von CESR auseinandersetzt. 283 Fn. 281. 284 In der Fassung der Rating-VO 2011 (Fn. 281).

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(2) Die Ausarbeitung technischer Standards („single rule book“) Die Behörden haben Entwürfe für „technische Regulierungsstandards“ und „technische Durchführungsstandards“ zu erstellen.285 Beide Arten von Standards sind jedoch der Kommission zur Billigung vorzulegen, Art. 10 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 1 ESA-VO. Sie werden mittels Verordnungen oder Beschlüssen angenommen und im Amtsblatt veröffentlicht, Art. 10 Abs. 4, Art. 15 Abs. 4 ESA-VO. Danach gelten sie unmittelbar und ohne weitere Umsetzungsakte.286 Die Annahme darf aber nur sehr eingeschränkt verweigert werden, Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 6–8, Abs. 2 und 3, Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 5–7, Abs. 2 und 3 ESAVO. Damit wird dem ESFS im Ergebnis ein nennenswerter Einfluss auch auf die Normgebung eingeräumt.287 Die Beteiligung der neuen Europäischen Aufsichtsbehörden an der Entwicklung technischer Standards könnte eine unzulässige Gesetzgebung durch eine demokratisch nicht legitimierte Exekutiveinrichtung sein. In der konkreten Ausgestaltung, die diese Tätigkeit in Art. 10–15 ESA-VO gefunden hat, dürfte sie aber noch mit den europarechtlichen Anforderungen zu vereinbaren sein. Entscheidend dürfte sein, dass die Standards letztlich als Verordnungen oder Beschlüsse erlassen werden. Nur dadurch erlangen sie verbindliche Außenwirkung.288 Damit trägt im Außenverhältnis letztlich die Kommission die Verantwortung für ihren Inhalt. Unbefriedigend und angreifbar bleibt aber die Gratwanderung zwischen dieser rechtlich erforderlichen Verantwortungsübernahme legitimierter Organe und dem Versuch, die Behörden als „Akteure“ zu etablieren, die sich im Regelfall mit ihrer Auffassung durchsetzen (sollen).289 Es bleibt aber auch dann noch eine Gesetzgebung durch die Exekutive.290 Der EuGH stellt in solchen Fällen darauf ab, ob die Vorschriften, die erlassen werden sollen, von „wesentlicher Bedeutung“ für eine bestimmte zu regelnde Materie sind. „Durchführungsmaßnahmen“ darf der Gesetzgeber an die Kommission übertragen.291 Der Vertrag von Lissabon hat diese Rechtsprechung und den 285

Oben III. 3. c). Im Erg. ebenso Pötzsch (Fn. 72), S. 2379, unter Berufung auf Begründungserwägung (14) der Entwürfe wo das aber so nicht steht. Dort ist von „Rechtskraft“ die Rede. 287 Eine Mitwirkung an der Rechtssetzung mit begrenzten Abweichungsmöglichkeiten des eigentlichen Normgebers ist auch bereits der EASA eingeräumt worden, vgl. Riedel (Fn. 180), S. 108 f. 288 Begründungserwägung (23) ESA-VO. 289 Begründungserwägung (23) ESA-VO: „Sie [die Billigung der Entwürfe der Behörden] sollten nur in äußerst begrenzten Fällen und unter außergewöhnlichen Umständen geändert werden dürfen, da die Behörde der Akteur ist.“ 290 Krit. Langenbucher, Zur Zulässigkeit parlamentsersetzender Normgebungsverfahren im Europarecht, ZEuP 2002, S. 265–286 (279 ff.). 291 EuGH, Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel/Köster u. a., Slg. 1970, I-1161; EuGH, Romkes/Officier van Justitie van het arrondissement Zwolle, Slg. 1987, I-2671. 286

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Wunsch des Parlaments nach stärkerer Beteiligung aufgegriffen und in dem neuen Art. 290 AEUV eine positivrechtliche Regelung getroffen. Absatz 1 der Vorschrift erlaubt, der Kommission die Befugnis zu übertragen, „Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften“ zu erlassen. Allerdings sind ähnlich wie nach Art. 80 GG „Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befugnisübertragung ausdrücklich“ festzulegen, Art. 290 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV. Reine Durchführungsakte dürfen nach Art. 291 Abs. 2 AEUV unter erleichterten Voraussetzungen übertragen werden. Im Hinblick auf diese Vorgaben ordnet Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 2 ESA-VO an, dass die „technischen Regulierungsstandards“ technischer Art sein müssen und keine „strategischen oder politischen Entscheidungen“ enthalten dürfen und ihr Inhalt durch die Gesetzgebungsakte begrenzt wird, auf denen sie beruhen. Die „technischen Durchführungsstandards“ (Art. 15 ESA-VO) erfüllen durch ihre Bezeichnung auch die Anforderungen von Art. 291 Abs. 4 AEUV. Schließlich darf die Übertragung der Befugnis zur Gesetzgebung auf die Kommission, die sie dann weiter übertragen darf, nur befristet sein, Art. 11 ESA-VO, und ist widerruflich, Art. 12 ESA-VO. Insgesamt dürften die europarechtlichen Anforderungen noch erfüllt sein.292 Dabei ist nicht sicher, ob diese technischen Standards Rechtsnormen sind und ob sie Rechtsbindung entfalten.293 Es ist auch zweifelhaft, ob es sich um norminterpretierende Verwaltungsvorschriften handelt, da sie immerhin verwaltungsintern Bindungswirkung entfalten. (3) Empfehlungen und Richtlinien Auch wenn der Erlass von Empfehlungen und Richtlinien nicht als Akt der Gesetzgebung angesehen wird,294 sind mit ihm Rechtswirkungen verbunden. Vor allem die Verpflichtung, abweichendes Verhalten begründen zu müssen, ist nach deutschen Vorstellungen vom Rechtsstaatsprinzip ein Eingriff, der dem Gesetzesvorbehalt unterliegt. Nach europarechtlichen Vorstellungen, die insoweit vom angelsächsischen Rechtsdenken geprägt sein mögen, sind sie möglicherweise dem Bereich des soft law zuzuordnen, das im Wesentlichen Appellcharakter habe und weniger strengen Anforderungen unterliege.295 Allerdings sind die zuständigen Behörden und Finanzinstitute nach Art. 16 Abs. 3 ESA-VO gehalten, „alle erforderlichen Anstrengungen“ zu unternehmen, um den Leitlinien und Empfehlungen nachzukommen. Das geht über einen bloßen Appell hinaus.296 292 Im Ergebnis wohl auch T. M. J Möllers (Fn. 32), S. 486, allerdings noch für die Standards im Rahmen des Lamfallussy-Verfahrens. 293 Dagegen T. M. J Möllers (Fn. 32), S. 492 f., für die bisherigen „Guidelines“ von CESR. 294 Oben III. 3. c). 295 Vgl. T. M. J. Möllers (Fn. 30), S. 6 ff.

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(4) Verbindliche Entscheidungen im Einzelfall Die ESA haben die im Gesetzgebungsverfahren lange umstrittene Befugnis,297 verbindliche Entscheidungen gegenüber einzelnen Finanzinstituten und gegenüber nationalen Aufsichtsbehörden zu erlassen („Durchgriffsrechte“).298 Verbindliche Entscheidungen gegenüber einzelnen Finanzinstituten sind für folgende Situationen vorgesehen: – Erzwingung der Einhaltung von Unionsrecht, – Maßnahmen im Krisenfall, – Meinungsverschiedenheiten zwischen nationalen Aufsichtsbehörden. Hinzu kommt noch die Befugnis, Einzelgeschäfte zu verbieten.299 Die ursprünglich vorgesehene Befugnis der Kommission, bei fruchtloser Anmahnung der Einhaltung des Unionsrechts durch die nationale Aufsichtsbehörde eine verbindliche Aufforderung zur Einhaltung des Gemeinschaftsrechts im Wege der „Entscheidung“ zu erlassen, ist in der endgültigen Fassung wegen rechtlicher Bedenken fallen gelassen worden. Die Kommission darf nicht im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens Rechte und Pflichten eines Mitgliedstaates abschließend feststellen.300 Vielmehr muss sie dafür nach Art. 258 AEUV den Gerichtshof anrufen. Die Mitgliedstaaten hatten sich deshalb im Rat geeinigt, dass die Kommission nur eine formale Stellungnahme abgeben darf, Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 und 2 ESA-VO.301 Auch hat der Rat die Befugnis der Europäischen Aufsichtsbehörden gegenüber dem Kommissionsentwurf stark eingeschränkt. Die zuletzt genannten Einschränkungen sind aber weitgehend vom Parlament wieder rückgängig gemacht worden. Auch wenn diese Entscheidungen an enge Voraussetzungen geknüpft sind, handelt es sich letztlich um hoheitliche Eingriffe in die Rechte von Privaten, die grundsätzlich einer demokratischen Rechtfertigung und Kontrolle unterliegen müssen. Fraglich ist allerdings, ob angesichts der engen normativen Vorgaben bereits die institutionelle Balance im Sinne der „Meroni-Rechtsprechung“ gestört ist. Bedenken bestehen aber im Hinblick auf die erforderliche demokratische Legitimation.

296 Vgl. T. M. J. Möllers (Fn. 30), S. 17: kein unverbindliches soft law, aber auch keine originäre Rechtsquelle. Die Konsequenzen seiner Lehre von den „subsidiären Rechtsquellen“ bleiben aber letztlich unklar (S. 19). 297 Vgl. Pötzsch (Fn. 72), S. 2380 f. 298 Oben III. 3. c) aa). 299 Oben III. 3. c) bb) und cc). 300 EuGH, Salengo, Slg. 1981, I-1413; EuGH, Gomes Valente/Fazenda Pública, Slg. 2001, I-1327. 301 Pötzsch (Fn. 72), S. 2379.

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III. Finanzmärkte

Noch größere Bedenken bestehen im Hinblick auf die Weisungsbefugnisse gegenüber den nationalen Aufsichtsbehörden, die in Krisensituationen und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Aufsichtsbehörden vorgesehen sind.302 Sie bedeuten im Ergebnis eine Durchbrechung der Aufsichts- und Leitungsbefugnisse der nationalen Regierungen und Parlamente, auch wenn – im ersten Fall – Voraussetzung eine vorherige Feststellung der Krisensituation durch den Rat ist, Art. 18 Abs. 3 AEUV. Es ist zweifelhaft, ob die Vertragsschließenden der Europäischen Verträge derart weitreichende Befugnisse der Kommission, dem Rat und (oder) einer europäischen Einrichtung zubilligen wollten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Mitgliedstaaten Einrichtungen der EU Aufsichts- und Weisungsbefugnisse über nationale Behörden einräumen. Dazu bedarf es aber wohl einer speziellen Grundlage im Primärrecht der EU. Sie ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass Art. 258 AEUV ein spezielles gerichtliches Verfahren zur Sicherung der Vertragstreue enthält. Vollstreckbare Weisungen europäischer Behörden gegenüber Behörden von Mitgliedstaaten sind darin aber nicht vorgesehen. Der Rechtsschutz gegenüber solchen Anweisungen ist zudem unklar.303 Das hat die EU allerdings nicht davon abgehalten, auch schon vor den jetzt errichteten Behörden Gemeinschaftsagenturen zu schaffen, die verbindliche Entscheidungen treffen können.304 (5) Das Problem der Unabhängigkeit Eine nicht unwesentliche Rolle für die endgültige Bewertung spielt das Ausmaß der Einflussmöglichkeiten demokratisch verantwortlicher Amtsträger auf die Tätigkeit der neuen Behörden. Die Organe der ESA – in ihren drei Ausprägungen: EBA, ESMA EIOPA – sind jedoch explizit mit weitgehenden Unabhängigkeitsgarantien ausgestattet worden.305 Hinzu kommt die Art und Weise der Finanzierung dieser Einrichtungen,306 die eine weitgehende finanzielle Unabhängigkeit der neuen Europäischen Aufsicht bedeutet. Insgesamt sind die Möglichkeiten demokratischer Aufsicht und Kontrolle deutlich eingeschränkt.307 Eine

302

Oben III. 3. c) bb) und cc). Groß, Die Kooperation zwischen europäischen Agenturen und nationalen Behörden, EuR 2005, S. 54–68 (64). 304 Ders. (Fn. 303), S. 67, der aber selbst eine Überordnung noch als eine „Kooperation“ verstehen will, die „asymmetrisch strukturiert“ ist. Allerdings räumt er ein, dass die rechtsdogmatische Durchdringung der Kooperationsbeziehungen zwischen den europäischen Agenturen und den mitgliedstaatlichen Verwaltungen noch am Anfang stehe (S. 64). 305 Oben III. 5. f. 306 Oben III. 5. a). 307 Dammann, Die Beschwerdekammern der europäischen Agenturen, 2004, S. 91, 94. 303

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Kompensation von Defiziten der demokratischen Legitimation durch „Budgetsteuerung“ 308 ist nicht gegeben. Die Immunisierung der Aufsicht sowohl von Einwirkungen der Politik als auch von den beaufsichtigten Institutionen mag in der Sache geboten sein. Es bestehen Anhaltspunkte, dass hier ein wesentlicher Faktor für Entstehung und Verlauf der gegenwärtigen Krise liegt. Dennoch müssen die Grenzen, die das Demokratieprinzip setzt, auch bei Unionsagenturen beachtet werden.309 Das gilt auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Errichtung von unabhängigen Einrichtungen im Zuge der Zeit liegt. Schon bei der Errichtung der „Agency for the Cooperation of Energy Regulators – ACER“ ist dieser Weg beschritten worden.310 Sogar für die nationalen Aufsichtsbehörden im Elektrizitäts- und Gassektor verlangt die Richtlinie – rechtlich äußerst zweifelhaft – Unabhängigkeit.311 Diese Bedenken sind auch der Expertengruppe unter Leitung von de Larosière bewusst gewesen. In einer Fußnote hatte sie deshalb versucht, die Anforderungen an die (gewünschte) Unabhängigkeit zu konkretisieren. Aufsichtsrechtliche Unabhängigkeit wird dort als eine Situation definiert, in der die Aufsichtsbehörde („supervisor“) in der Lage sei, ihre Beurteilungen und Befugnisse unabhängig vom Vollzug von Vorsichtsregeln oder anerkannten Geschäftsgebräuchen („prudential and/or business conduct rules“) auszuüben, das hieße ohne ungebührlich von den Beaufsichtigten, der Regierung, dem Parlament oder irgend einer anderen interessierten Seite beeinflusst zu werden oder auf diese angewiesen zu sein.312 Dem entsprachen die Regelungen der Verordnungsentwürfe. Allerdings forderte die Gruppe, dass die Aufsichtseinrichtung („supervisory authority“) in der Lage sein müsse, ein eigenes, unabhängiges Urteil zu fällen (z. B. im Hinblick auf die Erteilung von Genehmigungen, Vor-Ort-Kontrollen, Aufsicht aus der Distanz, Verhängung und Vollstreckung von Sanktionen). Ihr müssten die dafür notwendigen Befugnisse eingeräumt werden. Dabei dürften weder andere Behörden noch die (Finanz-)Industrie das Recht oder die Möglichkeit haben, zu intervenieren. Sehr idealisierend wird weiter gefordert, dass die Aufsichtseinrichtung („supervisor“) ihre Entscheidungen auf rein objektiver und diskriminierungsfreier Grundlage zu treffen habe. Es soll sich aber nicht um eine Unabhängigkeit handeln, wie sie dem ESZB eingeräumt worden sei. Vielmehr solle sich diese aufsichtsrechtliche Unabhängigkeit von der Unabhängigkeit der 308

Görisch (Fn. 261), S. 378. Fischer-Appelt (Fn. 176), S. 184–187; Görisch (Fn. 261), S. 379, 396. 310 Verordnung (EG) 713/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009. 311 Art. 35 Abs. 4, 5 Richtlinie 2009/72/EG – Elektrizität; Art. 39 Abs. 4, 5 Richtlinie 2009/73/EG – Gas, nachgewiesen bei Hermes, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, 2. Aufl. 2010, § 35 Rn. 121. 312 Bericht (Fn. 53), Absatz 187 Fn. 10. 309

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Zentralbanken dahingehend unterscheiden, dass die Regierung politisch verantwortlich bleibe („the government [. . .] remains politically responsible“).313 Angesichts der in den VO-Entwürfen getroffenen Regelungen ist eine derartige Verantwortlichkeit aber ausgeschlossen. Verantwortung kann nur jemand tragen, der auf Entscheidungen maßgebend Einfluss nehmen kann. Dann heißt es im de Larosière-Bericht aber wieder relativierend, dass Parlament und Regierung nur keine unmittelbaren Befugnisse gegenüber der Aufsichtseinrichtung ausüben und nicht direkt in das Tagesgeschäft eingreifen sollten. Die Unabhängigkeit sollte ausgeglichen („balanced“) und gestärkt („strengthened“) werden durch angemessene Rechenschaftspflichten und Transparenz des Regulierungs- und Aufsichtsprozesses in Übereinstimmung mit den Anforderungen an die Vertraulichkeit.314 Ganz konkret wird anschließend gefordert, dass die nationalen Behörden von solchen Kontrollmechanismen Abstand nehmen sollten, wie dem Vorsitz von Regierungsvertretern in Leitungsgremien oder deren aktive Teilnahme in solchen Organen. Entsprechendes gelte für Aufsichts- und Verwaltungsräte. Ihr Einfluss solle auf die Möglichkeit beschränkt bleiben, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu ändern, langfristige Ziele vorzugeben oder die Leistung der Einrichtung zu bewerten, unter der Voraussetzung, dass dies auf eine offene und transparente Weise geschehe. Es mögen gute, aus vergangener Erfahrung gespeiste Gründe für diese konkreten Anforderungen sprechen. Sie sind aber alles andere als in sich konsistent, da sie versuchen, sich wechselseitig ausschließende Grundprinzipien zu verwirklichen. Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht (der Regierung) sind ohne Weisungs- und Leitungsbefugnisse nicht möglich. Niemand kann für etwas verantwortlich sein, auf das er keinen Einfluss hat. Zudem fehlt eine hinreichend plausible Begründung, warum eine solche Durchbrechung des Demokratieprinzips bei der Aufsicht durch die neuen Behörden von der Sache geboten ist und damit vielleicht auch gerechtfertigt sein könnte. Auch wenn die Gewährung von Unabhängigkeit für die Notenbanken Vorbild gewesen sein mag, bestehen entscheidende Unterschiede für die rechtliche Bewertung. Zunächst sind auch in diesem Zusammenhang die Bedenken im Hinblick auf die Anforderungen demokratischer Legitimation und Verantwortlichkeit nicht verstummt. Sie können letztlich aber aus überzeugenden Gründen entkräftet werden.315 Dem hat sich auch das Bundesverfassungsgericht angeschlossen, wenn auch mit einiger Zurückhaltung: Die „unverzichtbaren Mindestanforderungen demokratischer Legitimation der dem Bürger gegenübertretenden Hoheitsgewalt“ seien noch erfüllt.316 Dabei spielte der Gesichtspunkt, dass das „Wäh313

Ebd. Ebd. 315 Vgl. beispielsweise Siekmann (Fn. 168), Rn. 36–42 m. Nachw. für die Kritik in Fn. 123. 314

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rungswesen“ „dem Zugriff von Interessengruppen und der an der Wiederwahl interessierten politischen Mandatsträger zu entziehen“ seien,317 eine wichtige Rolle. Diese Gründe mögen auch für die Finanzmarktaufsicht im Allgemeinen und die Bankenaufsicht im Besonderen gelten; nur: die Unabhängigkeit der EZB ist sowohl im primären Gemeinschaftsrecht (Art. 108 EGV) als auch im Verfassungsrecht (Art. 88 Satz 2 GG) verankert. Eine derartige Verankerung fehlt aber für die Aufsicht durch die neuen Behörden. (6) Synthese Die Befugnisse zu verbindlichen Entscheidungen sind an verhältnismäßig enge Voraussetzungen geknüpft, doch bestehen zumindest Spielräume über das „Ob“ einer Maßnahme. Das könnte schon als problematisches Ermessen im Sinne der „Meroni-Rechtsprechung“ gewertet werden,318 für das auch keine hinreichende Kompensation der fehlenden demokratischen Legitimation vorliegt.319 Die Weisungsunabhängigkeit und die Haushaltsautonomie stehen dem entgegen. Abgemildert werden die Bedenken dadurch, dass die maßgebenden Entscheidungsgremien der neuen Europäischen Aufsichtsbehörden weitgehend von nationalen Behördenvertretern beherrscht werden,320 die ihrerseits möglicherweise über eine eigene demokratische Legitimation verfügen. Das mag für Deutschland zutreffen, ist aber keineswegs für alle Mitgliedsländer gesichert. Aber selbst wenn das der Fall wäre, bliebe das Bedenken, dass fremde Hoheitsträger gegenüber deutschen Bürgern und deutschen Behörden Hoheitsakte erlassen dürften. Das ist durchaus möglich, setzt aber voraus, dass die entsprechenden Hoheitsbefugnisse vertraglich übertragen worden sind. Das ist aber nicht zu erkennen. cc) Gerichtliche Kontrolle Der Beschwerdeausschuss ist ein gemeinsames Gremium der ESA, Art. 58 Abs. 1 ESA-VO. Seine Tätigkeit vermag aber weder eine parlamentarische Kontrolle noch eine gerichtliche Kontrolle zu ersetzen. e) Zwischenergebnis Errichtung und Befugnisse des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) begegnen keinen durchgreifenden europarechtlichen Bedenken. Die Be316 BVerfGE 89, 155 (172, 181, 208); dazu ausführlich Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, 1997, S. 334 f. 317 BVerfGE 89, 155 (208). 318 Ebenso, aber ohne wirkliche Begründung Partsch (Fn. 7), S. 76 319 Weniger krit. Pötzsch (Fn. 72), S. 2374, der auch in diesen Fällen nur „umgrenzte Ausführungsaufgaben“ und „keine politischen Ermessensentscheidungen“ sieht. 320 Oben III. 3. d) aa).

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fugnisse der neuen Europäischen Aufsichtsbehörden (ESA) stoßen aber auf Bedenken im Hinblick auf die hoheitlichen Eingriffsbefugnisse gegenüber Privaten und die Weisungsbefugnisse gegenüber nationalen Behörden, verbunden mit weitreichenden Unabhängigkeitsgarantien ohne Absicherung im Primärrecht der EU.321 Die Erfahrung lehrt zudem, dass die Behörden, wenn sie denn einmal errichtet sind und über beträchtliche Ressourcen verfügen, ein Eigenleben führen und die rechtlichen Grundlagen in den Hintergrund treten werden. Der faktische Einfluss auf die Normgebung ist auch nicht unbedenklich, dürfte aber wohl noch nicht die Grenzen des Zulässigen überschritten haben. 5. Zwischenergebnis Errichtung und Befugnisse des ESRB dürften mit den europarechtlichen Anforderungen zu vereinbaren sein. Es ist aber zweifelhaft, ob die Errichtung der ESA auf Art. 114 AEUV (Art. 95 EGV) gestützt werden kann, da das Verfahren nach Art. 127 Abs. 6 AEUV (Art. 105 Abs. 6 EGV) als abschließende Sonderregelung Vorrang haben könnte. Die Befugnis der neuen Europäischen Aufsichtsbehörden zu rechtsverbindlichen Entscheidungen gegenüber nationalen Aufsichtsbehörden und Finanzinstituten stößt auf Bedenken im Hinblick auf das institutionelle Gleichgewicht und die Anforderungen des Demokratieprinzips auf EU-Ebene. V. Grundgesetzliche Anforderungen 1. Das Verhältnis von EU-Recht zu deutschem Recht Wenn Akte der EU am Maßstab des deutschen Rechts gemessen werden sollen, sind zwei Fragen zu unterscheiden, die nicht selten zusammen behandelt werden.322 Kann das deutsche Recht, einschließlich des Verfassungsrechts, Maßstab für die Beurteilung von Akten, vor allem auch Rechtssetzungsakten, der EU sein? Prüft das Bundesverfassungsgericht Akte der EU auf ihre Vereinbarkeit mit dem deutschen Recht? a) Geltung für Akte der EU Zunächst ist daher zu überlegen, ob und in welchem Ausmaß die vorgeschlagenen Rechtsakte mit den Anforderungen des Grundgesetzes übereinstimmen 321 Im Ergebnis wohl auch Lehmann/Manger-Nestler (Fn. 17), S. 88, aber ohne nähere Prüfung. 322 So auch BVerfGE 37, 271 (278); BVerfGE 123, 267 (353), Lissabon.

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müssen. Wenn zwischen dem EU-Recht und dem nationalen Recht ein Widerspruch auftritt, kommt dem EU-Recht Vorrang zu. Dieser Vorrang führt nicht zur Unwirksamkeit des nationalen Rechts, sondern zu dessen Unanwendbarkeit im konkreten Fall. Es besteht also ein Anwendungsvorrang.323 Dieser Vorrang ist in der Erklärung Nr. 17 zur Schlussakte der Regierungskonferenz, die den am 13. Dezember 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon angenommen hat, noch einmal ausdrücklich bestätigt worden.324 Er führt dazu, dass grundsätzlich das nationale Recht unter Einschluss des Verfassungsrechts zurücktreten muss und nicht als Maßstab zur Beurteilung der Rechtsakte der EU dienen kann. Das EU-Recht und das deutsche Recht bilden jeweils eigenständige Rechtsordnungen. Das gilt auch für das deutsche Verfassungsrecht.325 Doch stehen diese Rechtskreise nicht völlig unverbunden nebeneinander. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann der Vorrang des EU-Rechts nur insoweit gelten, wie der zwischenstaatlichen Einrichtung rechtmäßig Hoheitsrechte übertragen worden sind. Es darf durch die Übertragung nicht die „Identität der geltenden Verfassungsordnung“ „durch Einbruch in ihr Grundgefüge, in die sie konstituierenden Strukturen“ aufgegeben werden.326 Dieser Vorbehalt gilt aber nicht nur für die Übertragung von Hoheitsrechten, sondern auch für die Ausübung der übertragenen Hoheitsrechte. Namentlich dürfen Rechtssetzungsakte der zwischenstaatlichen Einrichtung nicht „wesentliche Strukturen des Grundgesetzes“ aushöhlen.327 EU-Akte, welche die Grenze der tatsächlich übertragenen Hoheitsrechte und damit der Unionsverträge überschreiten, vermögen für Deutschland keine Bindungswirkung zu entfalten.328 Wesentliche Änderungen des im UnionsVertrag angelegten „Integrationsprogramms“ und seiner Handlungsermächtigungen sind nicht mehr vom Zustimmungsgesetz gedeckt.329 Die Auslegung des Vertragsrechts darf im Ergebnis nicht einer „Vertragserweiterung gleichkom323 EuGH, von Colson und Kamann, Slg. 1984, I-1891 (1908 f.); EuGH, Marleasing, Slg. 1990, I-4135 (4159 Rn. 8); EuGH, Engelbrecht, Slg. 2000, I-7321 (7361 Rn. 39); BVerfGE 73, 339 (375); 75, 223 (244); 85, 191 (202, 204); 116, 271 (314); besonders gegenüber innerstaatlichem Verfassungsrecht Tomuschat, BK, Art. 24 (1981) Rn. 79, 81 a. E.; Blanke, Föderalismus und Integrationsgewalt, 1992, S. 290; Nettesheim (Fn. 264), § 11 Rn. 27; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 23 Rn. 34. 324 17. Erklärung zum Vorrang: „Die Konferenz weist daraufhin, dass die Verträge und das von der Union auf der Grundlage der Verträge gesetzte Recht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unter den in dieser Rechtsprechung festgelegten Bedingungen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten haben“, ABl. C 83/344 vom 30.3.2010. 325 BVerfGE 22, 293 (297); 37, 271 (277 f.), Solange I. 326 BVerfGE 73, 339 (375 f.), Solange II. 327 BVerfGE 73, 339 (376), Solange II. 328 BVerfGE 89, 155 (156, 210), Maastricht. 329 BVerfGE 75, 223 (240), dort aber im Ergebnis verneint; 89, 155 (156 LS 5), Maastricht; 123, 267 (268, 354), Lissabon. Dafür hat sich der Begriff des „ausbrechenden Rechtsaktes“ eingebürgert, vgl. Nettesheim (Fn. 264), § 11 Rn. 25.

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men“.330 Insoweit ist das Sekundärrecht der EU prinzipiell auch an den Vorschriften des Grundgesetzes zu messen. Doch dürfte eine Überschreitung dieser Grenzen nur in „ungewöhnlichen Ausnahmesituationen“ zu bejahen sein.331 In seinem Urteil zum Vertrag von Lissabon hat das Bundesverfassungsgericht aber ausdrücklich betont, dass sowohl das Handeln ultra vires der Union als auch die „Identitätskontrolle“ prinzipiell dazu führen könnten, dass Unionsrecht in Deutschland für „unanwendbar“ erklärt wird.332 Darin soll aber kein Widerspruch zur Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes liegen.333 Insgesamt ist diese Rechtsprechung nicht sehr konsistent und trennscharf. Grundsätzlich soll es wohl beim Vorrang des (sekundären) Europarechts bleiben und nur in ganz besonderen Ausnahmefällen, die bisher noch niemals bejaht worden sind, zu einer Unanwendbarkeit des Europarechts kommen. b) Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht Zunächst hat es das Bundesverfassungsgericht kategorisch abgelehnt, Akte supranationaler Organe im Verfassungsbeschwerdeverfahren nachzuprüfen. Es handele sich nicht um „Akte deutscher öffentlicher Gewalt“. Dabei sei es ohne Bedeutung, dass die öffentliche Gewalt der Europäischen Gemeinschaften nur durch die Mitwirkung der deutschen Staatsgewalt entstehen konnte.334 Wenig später änderte das Bundesverfassungsgericht aber seine Rechtsprechung und behielt sich vor, die Konformität des sekundären Gemeinschaftsrechts mit den deutschen Grundrechten „solange“ zu prüfen, wie der „Integrationsprozess der Gemeinschaft“ nicht so weit fortgeschritten sei, dass das Gemeinschaftsrecht auch einen von einem Parlament beschlossenen und in Geltung stehenden „Katalog von Grundrechten“ enthalte, der dem Grundrechtskatalog des Grundgesetzes „adäquat“ sei.335 Nach dem weiteren Ausbau des EG-Grundrechtsschutzes erklärte sich das Gericht bereit, einen nationalen Durchführungsakt von EG-Recht nicht mehr an den Grundrechten des Grundgesetzes zu prüfen, „solange die Europäischen Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleich zu achten“ sei.336

330 331 332 333 334 335 336

BVerfGE 89, 155 (156, 210), Maastricht. Jarass (Fn. 323), Rn. 35; ähnlich Nettesheim (Fn. 264), § 11 Rn. 25. BVerfGE 123, 267 (354), Lissabon. BVerfGE 123, 267 (401), Lissabon. BVerfGE 22, 293 (297) unter Berufung auf BVerfGE 6, 15 (18). BVerfGE 37, 271 (285), Solange I. BVerfGE 73, 339 (387), Solange II.

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In seiner Entscheidung zum Maastricht-Vertrag griff das Bundesverfassungsgericht aber wieder auf seinen Prüfungsvorbehalt zurück und erstreckte ihn vor allem auch unmittelbar auf EU-Recht, obwohl der Rechtsschutz in den Gemeinschaften eher noch verbessert worden war. Das Gericht wollte nunmehr wieder umfassend prüfen, „ob Rechtsakte der europäischen Einrichtungen und Organe sich in den Grenzen der ihnen eingeräumten Hoheitsrechte halten oder aus ihnen ausbrechen“ 337 („ausbrechende Hoheitsakte“). Allerdings wurde dieser Prüfungsanspruch in der Folgezeit kein einziges Mal praktisch wirksam. Im Gegenteil stellte das Gericht in seiner Entscheidung zur Bananenmarktordnung eindeutig klar, dass die Grundsätze der „Solange II“-Entscheidung weiterhin Bestand hätten.338 Wieder aufgeweicht wurden diese klaren Grundsätze durch die Entscheidung zum Lissabon-Vertrag. Danach prüft das Bundesverfassungsgericht, – ob Rechtsakte der europäischen Organe und Einrichtungen sich in den Grenzen der ihnen im Wege der begrenzten Einzelermächtigung eingeräumten Hoheitsrechte halten339 („Grenzdurchbrechungen“ 340), – ob das gemeinschafts- und unionsrechtliche Subsidiaritätsprinzip gewahrt ist341 und – ob der unantastbare Kerngehalt der Verfassungsidentität des Grundgesetzes verletzt ist342. Die zuletzt genannte Kontrolle stellt aber insoweit keine Besonderheit dar, als die Einhaltung der durch Art. 79 Abs. 3 GG gezogenen Grenzen in jedem Fall vom Bundesverfassungsgericht kontrolliert wird. Im Grunde handelt es sich nur 337 BVerfGE 89, 155 (156), Maastricht, unter maßgebender Betonung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung (S. 193 ff., 209 f.), des Subsidiaritätsprinzips (210 f.) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (S. 212). Zuvor war schon ansatzweise diese Vorgehensweise entwickelt worden, BVerfGE 75, 223 (240). Im Urteil zum Lissabon Vertrag hat das Bundesverfassungsgericht aber relativierend hinzugefügt, dass es sich um einen Rechtsakt handeln müsse, der einer „unzulässigen autonomen Vertragsänderung gleichkomme“, BVerfGE 123, 267 (400). 338 BVerfGE 102, 147, Bananenmarkt: „Verfassungsbeschwerden und Vorlagen von Gerichten, die eine Verletzung von Grundrechten des Grundgesetzes durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geltend machen, sind von vornherein unzulässig, wenn ihre Begründung nicht darlegt, dass die europäische Rechtsentwicklung einschließlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach Ergehen der Solange II-Entscheidung (BVerfGE 73, 339 [378 bis 381]) unter den erforderlichen Grundrechtsstandard abgesunken sei“; bestätigt durch BVerfGE 118, 79. 339 BVerfGE 58, 1 (30 f.); 75, 223 (235, 242); 123, 267 (268, 347, 350, 353), Lissabon. 340 BVerfGE 123, 267 (353), Lissabon. 341 BVerfGE 123, 267 (268), Lissabon. 342 BVerfGE 113, 273 (296); 123, 267 (268, 347), Lissabon.

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um eine inhaltliche Anreicherung und Konkretisierung der Vorschrift, namentlich des Demokratieprinzips. Die Ausübung dieser Prüfungskompetenz hat jedoch dem „Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit“ des Grundgesetzes zu folgen und widerspricht nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht dem in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatz der „loyalen Zusammenarbeit“.343 Danach kommt zwar wieder eine Prüfung von Sekundärrecht am Maßstab des Grundgesetzes in Betracht. Bei einer Gesamtwürdigung der Entscheidung dürfte diese Prüfung aber im Ergebnis auf eine Verletzung systemtragender Prinzipien des Grundgesetzes, vor allem des Demokratieprinzips, und den Verlust der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland beschränkt sein. Für eine Verletzung dieser Anforderungen genügt nicht jede Kompetenzüberschreitung. Schon in seiner Entscheidung zum Lissabon-Vertrag hatte das Gericht verlangt, dass es sich um „ersichtliche“ Grenzüberschreitungen handeln müsse. Wenig später hat es dieses Erfordernis in seiner „Honeywell-Entscheidung“ konkretisiert und verschärft: Das „kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt“ müsse „offensichtlich“ sein und „der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten der Mitgliedstaaten“ führen.344 Diese Verletzungen können allerdings über Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG auch im Wege der Individualbeschwerde geltend gemacht werden.345 Tauglicher Beschwerdegegenstand sind dann das Zustimmungsgesetz und die zum Vertrag ergangenen Begleitgesetze.346 Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht eine Prüfung durch deutsche Gerichte davon abhängig gemacht, „dass Rechtsschutz auf Unionsebene nicht zu erlangen“ sei.347 c) Fazit Die möglichen Grenzüberschreitungen durch die Ausgestaltung des neuen Europäischen Aufsichtssystems dürften aber nicht so gravierend sein, dass sie zu einer „strukturell bedeutsamen“ Verschiebung zulasten der Mitgliedstaaten geführt haben. Die kritischen Befugnisse sind als ultima ratio konzipiert und auf eng begrenzte Sachbereiche beschränkt. Auch ist die Offensichtlichkeit eines kompetenzwidrigen Verhaltens eher fraglich. Davon unabhängig sollte aber vorsorglich die materielle Vereinbarkeit mit deutschem Verfassungsrecht, namentlich dem Demokratieprinzip, untersucht werden.

343 344 345 346 347

BVerfGE 123, 267 (268), Lissabon. BVerfGE 126, 286 (Leitsatz, 304), Honeywell. BVerfGE 123, 267 (328), Lissabon. BVerfGE 123, 267 (329), Lissabon. BVerfGE 123, 267 (353), Lissabon.

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2. Das Demokratieprinzip a) Übertragung von Aufgaben auf die europäische Ebene Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG schließt es aus, dass die durch Wahlen bewirkte Legitimation von Staatsgewalt und die Einflussnahme auf deren Ausübung „durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Bundestages auf die europäische Ebene“ entleert wird.348 Die Mitgliedstaaten müssen dauerhaft Herren der Verträge bleiben, und eine Übertragung der „Kompetenz-Kompetenz“ ist nach deutschem Verfassungsrecht nicht erlaubt.349 Durch die vorgesehenen Rechtsakte sollen aber die Aufgaben und Befugnisse der EU im Wesentlichen nicht gegenüber den Mitgliedstaaten erweitert, sondern von den Organen der Union auf (weisungsunabhängige Agenturen) verlagert werden. Es soll nicht ein Mehr an Befugnissen eingeräumt werden als den Organen primärrechtlich zusteht oder zustehen könnte. Allerdings ist nicht wirklich sicher, dass primärrechtlich zweifelsfrei den Organen der EU Weisungsrechte gegenüber nationalen Behörden eingeräumt werden dürfte. b) Ausübung von Hoheitsbefugnissen Durch die Gewährung von Weisungsbefugnissen für die neuen Europäischen Aufsichtsbehörden gegenüber deutschen Behörden und deutschen Finanzinstituten könnte das grundgesetzliche Demokratieprinzip verletzt sein. aa) Grundlagen Das Demokratieprinzip verlangt eine demokratische Legitimation aller Staatstätigkeit, da nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht und, normativ gewendet, auch ausgehen muss. Sie wird von diesem in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Diese bedürfen dafür einer Legitimation, die sich auf die „Gesamtheit der Bürger als Staatsvolk zurückführen lässt“.350 Die danach erforderliche Rückanbindung an das Volk erfolgt auf zweierlei Weise: Die handelnden Amtsträger müssen demokratisch legitimiert sein (personelle Legitimation) und die Sachentscheidungen müssen unter der Aufsicht der Repräsentanten des Volkes erfolgen (sachlich-inhaltliche Legitimation).351 348

BVerfGE 89, 155 (172), Maastricht; BVerfGE 123, 267 (330), Lissabon. BVerfGE 89, 155 (187 f., 192, 199), Maastricht; 123, 267 (349), Lissabon. 350 BVerfGE 38, 258 (271), 47, 253 (272); 77, 1 (40); 83, 60 (71); 93, 37 (66); 107, 59 (87). 351 Sinngemäß, wenn auch etwas verklausuliert BVerfGE 123, 267 (341 f.), Lissabon; die Unterscheidung in personelle und sachliche Legitimation auch im Hinblick auf die Organe der EU und ihre Entscheidungen findet sich schon bei Classen, Europäische Integration und demokratische Legitimation, AöR 119 (1994), S. 238–260 (244 ff.). 349

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Das bedeutet, dass nicht nur alles Handeln der Exekutive auf ein (gewähltes) Mitglied der Regierung zurückführbar sein muss, sondern dass auch gegenüber den gewählten Repräsentanten des Volkes, den Abgeordneten, Rechenschaft abzulegen ist. Nur sie verfügen über eigene demokratische Legitimation und haben deshalb umfassende Aufsichts- und Kontrollbefugnisse über alles exekutive Handeln. Es handelt sich dabei nicht nur um Rechte, die ausgeübt werden können, aber nicht müssen. Vielmehr ist mit diesen Befugnissen auch eine Kontrollpflicht verbunden. Die Anforderungen des demokratischen Prinzips sind nicht „abwägungsfähig“.352 Das bedeutet, dass sie auch nicht mit den Erfordernissen der Finanzmarktstabilität abgewogen werden dürfen, mögen sie auch noch so dringend sein. Diese Anforderungen gelten auch für ausgegliederte Einheiten der öffentlichen Verwaltung.353 Eine nicht vom Volke legitimierte und kontrollierte Verwaltung darf es nicht geben.354 Allerdings führt die Konkretisierung dieser Grundsätze zu unterschiedlich strengen Anforderungen im Einzelnen. Das Bundesverfassungsgericht hat namentlich den „Prinzipien der Selbstverwaltung und der Autonomie“ eine eigenständige Bedeutung zugebilligt. Diese Prinzipien wurzelten im demokratischen Prinzip und entsprächen dem freiheitlichen Charakter der Verfassung.355 Außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung sei das Demokratieprinzip offen für andere, insbesondere vom Erfordernis lückenloser personeller demokratischer Legitimation aller Entscheidungsbefugten abweichende Formen der Organisation und Ausübung von Staatsgewalt. Zugeschnitten sind diese Ausführungen aber im Kern auf die „historisch gewachsenen“ Einrichtungen der „funktionalen Selbstverwaltung“ 356. Allerdings sind die Anforderungen des Demokratieprinzips offen für das Ziel, Deutschland in eine internationale und europäische Friedensordnung einzufügen. Die politische Willensbildung darf im Rahmen der EU danach anders gestaltet sein, als die, die das Grundgesetz für die deutsche Verfassungsordnung bestimmt. Es sind Abweichungen von den Organisationsprinzipien innerstaatlicher Demokratie erlaubt. Es ist auch keine „strukturelle Kongruenz“ oder gar Übereinstimmung der institutionellen Ordnung der Europäischen Union mit der Ordnung, die das Demokratieprinzip des Grundgesetzes für die innerstaatliche Ordnung vorgibt, erforderlich.357 Damit ist eine weniger strenge Handhabung des Demokra352

BVerfGE 123, 267 (343), Lissabon. VerfGH NW, DÖV 1980, 691; NVwZ 1987, 211–213 (212); BVerwGE 41, 195 (196); BGH, NJW 1983, 2509–2513 (2511). 354 BVerfGE 9, 268 (282); 22, 106 (113); Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 2. Aufl. 1985, S. 135; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, S. 627 ff. 355 BVerfGE 33, 125 (159); 107, 59 (91). 356 BVerfGE 111, 191 (215). 357 BVerfGE 123, 267 (347, 365, 369), Lissabon: „nicht staatsanalog“. 353

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tieprinzips bei der Beurteilung von Gemeinschaftsakten nach deutschem Verfassungsrecht gestattet.358 Allerdings muss der Grundsatz „demokratischer Selbstbestimmung“ und der „gleichheitsgerechten Teilhabe an der öffentlichen Gewalt“ unangetastet bleiben.359 Die europäische Integration darf weder zu einer „Aushöhlung des demokratischen Herrschaftssystems“ in Deutschland führen noch darf die „supranationale öffentliche Gewalt für sich genommen“ grundlegende demokratische Anforderungen verfehlen.360 bb) Legitimationsbedürftige Tätigkeiten Für das Sammeln von Informationen, die Beratung privater und öffentlicher Einrichtungen sowie die Aufklärung der Öffentlichkeit wird keine Aufsicht und Kontrolle zu verlangen sein, welche den Anforderungen des Demokratieprinzips genügt. Hier sind autonome Gestaltungsspielräume und Weisungsfreiheit möglich. Die Übertragung hoheitlicher Aufgaben macht demgegenüber eine demokratische Rückanbindung notwendig. Hoheitlich bedeutet auch „schlicht“ hoheitlich, also nicht nur den Einsatz obrigkeitlicher Mittel, wie Befehl und Zwang. In einer etwas kryptischen Wendung hat das Bundesverfassungsgericht unter Ausübung von Staatsgewalt im Sinne von Art. 20 Abs. 2 GG „alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter“ gefasst.361 Dies gelte gleichermaßen für Entscheidungen, die unmittelbar nach außen wirken, wie auch für solche, die nur behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben schaffen362 sowie für die Wahrnehmung von Mitentscheidungsbefugnissen einschließlich der Ausübung von Vorschlagsrechten.363 In seiner Entscheidung zum Lissabon-Vertrag hat das Bundesverfassungsgericht jedenfalls insoweit eine Klarstellung vorgenommen, dass „verbindliche Entscheidungen für die Bürger“, soweit sie im öffentlichen Raum getroffen werden, auf einen „frei gebildeten Mehrheitswillen des Volkes zurückreichen müssen“. Das soll insbesondere bei Entscheidungen über Eingriffe in Grundrechte gelten.364 Die Anforderungen des Demokratieprinzips hängen danach ganz wesentlich davon ab, in welchem Umfang hoheitliche Aufgaben auf die Union übertragen werden und „wie hoch der Grad der politischen Verselbständigung bei der Wahrnehmung der übertragenen Hoheitsrechte“ ist.365 Der erste Teil der Feststellung ist für die vorgesehenen Aufsichtsbehörden weniger relevant, wohl aber der zweite Teil. Die Wendung „poli358 359 360 361 362 363 364 365

BVerfGE 123, 267 (366), Lissabon. BVerfGE 123, 267 (344), Lissabon. BVerfGE 123, 267 (356), Lissabon. BVerfGE 47, 253 (272 f.); 77, 1 (40); 83, 60 (73); 93, 37 (68); 107, 59 (87). BVerfGE 93, 37 (68); 107, 59 (87). BVerfGE 83, 60 (73); 107, 59 (87). BVerfGE 123, 267 (341), Lissabon. BVerfGE 123, 267 (364), Lissabon.

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III. Finanzmärkte

tische Verselbständigung“ erinnert dabei an die „Meroni-Rechtsprechung“ des EuGH. Soweit der ESA die Befugnis zu verbindlichen Entscheidungen übertragen ist,366 sind diese Kriterien erfüllt. Die Entscheidungen des ESRB dürften dagegen ausscheiden. cc) Die Wahrung des demokratischen Legitimationsniveaus Für die unmittelbare Staatsverwaltung und die kommunale Selbstverwaltung gilt: „Die verfassungsrechtlich notwendige demokratische Legitimation erfordert eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern“.367 Ein Amtsträger ist uneingeschränkt personell legitimiert, wenn er sein Amt im Wege einer Wahl durch das Volk oder das Parlament oder durch einen seinerseits personell legitimierten Amtsträger oder mit dessen Zustimmung erhalten hat. Diese Anforderungen erfüllen der Vorsitzende368 und der Exekutivdirektor369 der Behörden nicht. Sie werden vom Rat der Aufseher ernannt, der aber ebenfalls weisungsunabhängig handelt und über fast keine eigene personelle demokratische Legitimation verfügt.370 Wird ein Amtsträger von einem Gremium bestellt, das nur zum Teil aus personell legitimierten Amtsträgem besteht, erfordert die „volle demokratische Legitimation“ nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, „dass die die Entscheidung tragende Mehrheit aus einer Mehrheit unbeschränkt demokratisch legitimierter Mitglieder des Kreationsorgans besteht“. Diese Regel wird als „Prinzip der doppelten Mehrheit“ bezeichnet.371 Es ist zweifelhaft, ob dieses Prinzip vom Rat der Aufseher erfüllt wird. Er wird zwar im Wesentlichen von den leitenden nationalen Aufsichtsbeamten dominiert, Art. 40 Abs. 1 lit. b ESAVO, doch wird auf diese Weise kaum das Erfordernis demokratischer Legitimation durch das deutsche Volk erfüllt. Sowohl der Rat der Aufseher als auch der Vorsitzende und Exekutivdirektor dürften den Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts an die (personelle) demokratische Legitimation erfüllen. Im Bereich der „funktionalen Selbstverwaltung“ erlaubt das Bundesverfassungsgericht allerdings eine Kompensation von Defiziten der personellen demokratischen Legitimation durch eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitima366

Oben III. 3. c) f. BVerfGE 47, 253 (275); 52, 95 (130); 77, 1 (40); 83, 60 (72 f.); 93, 37 (66); 107, 59 (87). 368 Oben III. 3. d) cc). 369 Oben III. 3. d) dd). 370 Zusammensetzung oben III. 3. d) aa). 371 BVerfGE 93, 37 (67 f.); 107, 59 (88); Verfassungsgerichtshof für NordrheinWestfalen, OVGE 39, 292 (294): Bestellung von Arbeitnehmervertretern in den Verwaltungsräten von öffentlich-rechtlich organisierten Sparkassen. 367

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tion. In diesem Zusammenhang reicht es aus, dass im Zusammenspiel der einzelnen Legitimationsstränge ein ausreichendes Legitimationsniveau insgesamt verwirklicht wird.372 Ob die Behörden einer Einrichtung der „funktionalen Selbstverwaltung“ gleichgestellt werden können, ist sehr zweifelhaft. Daran vermag auch die Einbindung von Interessengruppen nach Art. 37 ESA-VO nichts zu ändern. Seine Mitglieder werden vom Rat der Aufseher („Board of Supervisors“) auf Vorschlag der „jeweiligen Akteure“ ernannt („following proposals from the relevant [!] stakeholders“). Der Begriff „stakeholder“ mag in der Betriebswirtschaftslehre und im Kreise der Unternehmensberater geläufig sein, juristische Konturen weist er ebenso wenig auf wie der Begriff „Akteure“ und vermag nicht demokratische, mitgliedschaftlich vermittelte Legitimation zu erzeugen. Wenn die Bankenaufsicht durch die Behörde jedoch als „organisierte Beteiligung der sachnahen Betroffenen“ verstanden werden könnte, mag eine Kompensation fehlender personeller Legitimation in Betracht kommen. Die ernannten Akteure („stakeholder“) sind aber keine demokratisch legitimierten Repräsentanten der Hoheitsunterworfenen. Der Vorsitzende und der Exekutivdirektor der Behörden sollen aufgrund ihrer Qualifikation373 ernannt werden, Art. 48 Abs. 2, Art. 51 Abs. 2 ESA-VO. Sie sollen ihr Amt ebenso wie der Rat der Aufseher unabhängig wahrnehmen und keinerlei Weisungen einholen oder entgegen nehmen.374 Sachlich-gegenständliche demokratische Legitimation besteht also ebenfalls nicht. Auch die vorgeschlagene Haushaltsautonomie ist aus der Sicht des deutschen Verfassungsrechts nicht unproblematisch. Das Bundesverfassungsgericht rechnet zu den „wesentlichen Bereichen“ demokratischer Gestaltung unter anderem Einnahmen und Ausgaben einschließlich der Kreditaufnahme.375 Sie darf danach kaum demokratisch nur sehr schwach legitimierten Einrichtungen übertragen werden. Im Übrigen muss das Volk auch im Rahmen der „funktionellen Selbstverwaltung“ sein Selbstbestimmungsrecht wahren, indem es „maßgeblichen Einfluss“ auf das verbindliche Handeln mit Entscheidungscharakter“ behält. Das erfordert, dass „die Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe in einem von der Volksvertretung beschlossenen Gesetz ausreichend vorherbestimmt sind und ihre Wahrnehmung der Aufsicht personell demokratisch legitimierter Amtswalter unterliegt“.376 Zumindest die zweite Voraussetzung ist bei den Behörden nicht erfüllt. 372

BVerfGE 83, 60 (72); 93, 37 (66 f.); 107, 59 (87). Ausdrücklich sind genannt: Verdienste, Kompetenzen, Kenntnis über Finanzinstitute und -märkte sowie Erfahrungen im Bereich Finanzaufsicht und -regulierung. 374 Oben III. 5. 375 BVerfGE 123, 267 (358), Lissabon. 376 BVerfGE 107, 59 (94). 373

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III. Finanzmärkte

Es zeichnet sich insgesamt ein „Missverhältnis zwischen Art und Umfang der ausgeübten Hoheitsrechte“ und dem „Maß demokratischer Legitimation“ ab, das aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts problematisch ist. c) Zwischenergebnis Es ist zweifelhaft, ob die neuen Europäischen Aufsichtsbehörden die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt erfüllen. Die Gewährung von Unabhängigkeit bedarf einer Grundlage im Verfassungsrecht, die nicht vorhanden ist. Die Legitimationskette der nationalen Aufsichtsbehörden wird unterbrochen, soweit sie verbindlichen Weisungen der ESA folgen müssen. 3. Verlust der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland Ein Verlust der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland könnte mit Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist damit aber nicht in erster Linie die Aufgabe von materiellen Verfassungsprinzipiell gemeint, sondern das Verfahren im Rahmen eines Transformationsprozesses zum „europäischen Bundesstaat“. Die Wahlberechtigten sollen das Recht besitzen, über den „Identitätswechsel der Bundesrepublik Deutschland“, wie er durch „Umbildung zu einem Gliedstaat eines europäischen Bundesstaates“ bewirkt würde, zu befinden. Es geht um die Ausübung der verfassunggebenden Gewalt.377 Die Einräumung von Weisungsbefugnissen europäischer Behörden gegenüber nationalen Behörden mag ein wichtiger Schritt in Richtung auf einen europäischen Bundesstaat sein, aber die Grenze zum „Identitätswechsel“ zu einem Gliedstaat ist damit alleine noch nicht überschritten. Diese Weisungsbefugnisse bestehen auch schon für die EZB im Rahmen des ESZB. 4. Rechtsstaatlicher Gesetzesvorbehalt a) Übertragung von Hoheitsbefugnissen Hoheitsrechte dürfen nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG nur durch Gesetz und mit Zustimmung des Bundesrates übertragen werden. Dieser Gesetzesvorbehalt ist zur Wahrung der „Integrationsverantwortung“ und zum Schutze des „Verfassungsgefüges“ so auszulegen, dass jede Veränderung der „textlichen Grundlagen“ des europäischen Primärrechts erfasst wird.378 Im Kern geht es bei den vor377 378

BVerfGE 123, 267 (330 f.), Lissabon. BVerfGE 123, 267 (355), Lissabon.

7. Neuorganisation der Finanzaufsicht

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geschlagenen Rechtsakten aber nicht um eine derartige Übertragung von (neuen) Hoheitsbefugnissen. b) Die Schaffung von Aufsichts- und Kontrolleinrichtungen Die demokratisch-rechtsstaatlichen Anforderungen an die Errichtung und Tätigkeit eines Kontrollgremiums sind bei bloßen Beratungsgremien nicht so hoch wie bei der Schaffung von Einrichtungen und Behörden mit der Befugnis, rechtlich relevante Entscheidungen zu treffen. Soweit es zu den Aufgaben einer Einrichtung gehören soll, (hoheitliche) Maßnahmen mit Wirkung für den Bürger zu treffen, muss eine gesetzliche Grundlage in jedem Fall vorhanden sein. Aber auch bei Organisationsmaßnahmen, die lediglich den Staatsinnenbereich betreffen, ist nach deutschem Verfassungsverständnis eine gesetzliche Grundlage erforderlich, wenn sie wesentlich sind (institutioneller oder organisatorischer Gesetzesvorbehalt).379 Dieser Gesetzesvorbehalt greift vor allem dann ein, wenn Einrichtungen mit eigener Rechtspersönlichkeit geschaffen, aufgehoben oder in ihrer Grundstruktur verändert werden.380 Im Übrigen ist sein Umfang nicht klar abgegrenzt und seine Geltung im Binnenbereich der EU weniger sicher. Beiräte und sonstige reine Beratungsgremien bedürfen aber auch nach deutschem Verständnis keiner gesetzlichen Grundlage. Allerdings ist eine solche Grundlage beispielsweise für den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geschaffen worden,381 obwohl ihm die lange erwogene Befugnis zur (verbindlichen) Feststellung einer Störungslage nicht eingeräumt worden ist.

379 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2006, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 125 f.; a. A. Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 10. Aufl. 2009, Art. 20 Rn. 53, der sich auf BVerfGE 86, 1 (109) beruft, wo aber nur die Existenz eines „Totalvorbehalts“ abgelehnt wird; zurückhaltend auch zur Anerkennung eines allgemeinen „institutionellen“ Gesetzesvorbehalts und auch zu einer pauschalen Übertragung der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 108 Rn. 71, 101; grundlegend zum Ganzen Köttgen, Die Organisationsgewalt, VVDStRL Heft 16 (1958), S. 154–188 (161 ff.); Burmeister, Herkunft, Inhalt und Stellung des institutionellen Gesetzesvorbehalts, 1991. 380 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl. 1976, § 98 III, S. 379; Breuer, Die öffentlichrechtliche Anstalt, VVDStRL, Heft 44 (1986), S. 235 m.w. N.; E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 96 f.; Renck, Zur Bildung sog. Körperschaften des öffentlichen Rechts im formellen Sinne, BayVBl. 1993, S. 452 (454); Krebs (Fn. 379) Rn. 102 m.w. N.: Gesetzesvorbehalt für die Verselbständigung von Verwaltungsträgern. Dezidiert fordert das Bundesverfassungsgericht eine gesetzliche Regelung auch für Einrichtungen der „funktionalen Selbstverwaltung“, BVerfGE 111, 191 (217 f.). 381 Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vom 14. August 1963, BGBl. I S. 685.

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III. Finanzmärkte

Verordnungen der EU dürften die Anforderungen eines solchen Vorbehalts aber erfüllen, wenn sie entsprechend den europarechtlichen Anforderungen erlassen worden sind. 5. Transnationale Kooperation von Verwaltungsbehörden Die transnationale Kooperation von Verwaltungsbehörden, wie sie in den neuen Europäischen Aufsichtsbehörden des ESFS vorgesehen ist, stößt auf nicht zu vernachlässigende Bedenken aus dem deutschen Staatsorganisationsrecht. Namentlich die Einhaltung der dort getroffenen Absprachen und ihre Bindungswirkung werden kritisch gesehen.382 Ohne eine entsprechende Ermächtigung könnten allenfalls die Behörden selbst gebunden sein.383 Behörden können aber völkerrechtlich nicht von dem Staat getrennt werden, dem sie angehören.384 Sie sind keine Subjekte des Völkerrechts. Art. 59 Abs. 1 GG weist die völkerrechtliche Vertretung der Bundesrepublik dem Bundespräsidenten zu. In der Staatspraxis wird jedoch allgemein gebilligt, dass ein Großteil der nach außen bezogenen Handlungen von der Bundesregierung erledigt wird. Das bedeutet, dass das Auswärtige Amt an allen abzuschließenden Vereinbarungen mit Verpflichtungscharakter zu beteiligen ist. Zumindest ist ein Ermächtigungsakt erforderlich. Die Eingliederung in Gremien, in dem „nichtdeutsche Vertreter eine deutsche Verwaltungspraxis mitdefinieren“ erfordert in jedem Fall eine „intensivere sachgesetzliche Ausgestaltung“.385 Die Entwicklung von „harmonisierten Regulierungsstandards“ bedarf einer eigenen gesetzlichen Grundlage.386 Ob die von den Behörden zu entwickelnden „qualitativ hochwertigen [. . .] Regulierungs- und Aufsichtsstandards und -praktiken“ (Art. 8 Abs. 1 lit. a ESA-VO) rechtlich bindend sein werden, ist nicht sicher. Sie werden aber praktisch weitgehend als verbindlich angesehen und wohl auch befolgt werden. Die Auflösung der Staatlichkeit in Netzwerken nationaler Fachbehörden, die grenzüberschreitende Aufsichtsprobleme lösen wollen, ist ein derzeit noch nicht gelöstes Problem. 382 C. Möllers, Transnationale Behördenkooperation, ZaöRV, Bd. 65 (2005), S. 351 ff.; van Aaken (Fn. 17), S. 220; weniger skeptisch Ohler, Internationale Regulierung im Bereich der Finanzmarktaufsicht, in: Möllers/Vosskuhle/Walter (Hrsg.), Internationales Verwaltungsrecht, 2007, S. 259 (269 ff.), der sich auf den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, IAIS und IOSCO konzentriert; gegen die verfassungsrechtlichen Bedenken Winter, Transnationale Regulierung: Gestalt, Effekte und Rechtsstaatlichkeit, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2009, S. 9 (13), allerdings mit einer Methodik und Begrifflichkeit, die rechtswissenschaftlichen Anforderungen nicht genügt. 383 Bittner, Die Lehre von den völkerrechtlichen Vertragsurkunden, 1924. 384 C. Möllers (Fn. 382), S. 369. 385 C. Möllers (Fn. 382), S. 375. 386 C. Möllers (Fn. 382), S. 376.

7. Neuorganisation der Finanzaufsicht

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Der Einsatz von „Leitlinien und Empfehlungen“ (Art. 16 ESA-VO) als soft law mag zwar den angelsächsischen Normsetzungsgewohnheiten entsprechen und möglicherweise die Steuerungsfähigkeit des Rechts im transnationalen Kontext erhöhen, doch bleibt die Delegation von auswärtiger Gewalt auf nachgeordnete Verwaltungseinrichtungen problematisch. Auch ist ihre juristische Einordnung in das System von Rechtsnormen zweifelhaft. Klar definierte Voraussetzungen und Rechtsfolgen für den Erlass der verschiedenen Arten von Normen waren eine kulturelle Errungenschaft und hatten einen großen Zuwachs an Rechtssicherheit gebracht, der jetzt leichtfertig aufgegeben wird. Auch der zunehmende Druck, bessere Aufsichtsergebnisse durch „politisch“ unabhängige Einrichtungen zu erzeugen, verstärkt die Tendenz zu Empfehlungen, Richtlinien, technischen Standards,387 die zwar keine Rechtsnormqualität haben, aber gleichwohl faktische Verbindlichkeit erlangen.388 Hinzu kommt das Phänomen „kooperative Normsetzung“. Das betrifft vor allem den Ausschuss zur Bankenaufsicht, der bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel detaillierte Vorschriften für die Bankaufsicht entwirft, obschon er weder rechtlich verfasst ist noch über eine eigene demokratische Legitimation verfügt. Die Vorschriften werden auf verschiedenen Ebenen von Hoheitsträgem mehr oder weniger ungeprüft, vermutlich auch unverstanden, in Rechtsnormen transformiert. Entsprechendes gilt für die „Lamfalussy-Ausschüsse“, die immerhin durch einen Rechtsakt der EU eingesetzt worden waren. Auch auf der Ebene der Rechtsdurchsetzung gibt es transnationale Behördenkooperation auf schwacher gesetzlicher Grundlage.389 Im Hinblick auf die Einhaltung der Anforderungen aus dem Demokratieprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip bestehen schon bei diesen Formen transnationaler Kooperation einige Bedenken. Es sind also auch die verschiedenen Formen von Empfehlungen, Richtlinien und Standards, die keine rechtsverbindlichen Entscheidungen darstellen, sondern auf Überzeugung (ESRB) oder faktischem Zwang (ESA) beruhen, die nach deutschem Verfassungsrecht nicht unbedenklich wären.390

387 Whytock, A Rational Design Theory of Transgovernmentalism: The Case of E.U. – U.S. Merger Review Cooperation, Boston University International Law Journal, 23 (2005), S. 1 ff. 388 Dreyling, Bedeutung internationaler Gremien für die Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland, Institute for Law and Finance, Working Paper Series No. 4, 2002, S. 5 ff.; Zeitler, Internationale Entwicklungslinien der Bankenaufsicht, WM 2001, S. 1397–1409 (1400); Ohler (Fn. 382), S. 269. 389 van Aaken (Fn. 17), S. 227 ff., 230 ff., 237 ff. 390 van Aaken (Fn. 17), S. 256 f.; a. A. Ohler (Fn. 382), S. 271: keine personelle demokratische Legitimation erforderlich, da es nicht um die Setzung verbindlichen Rechts gehe.

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III. Finanzmärkte

6. Haushaltsrecht Die im Gesetzgebungsverfahren heftig umstrittene Klausel zum Schutz der nationalen Haushaltsautonomie (Art. 38 ESA-VO) ist dagegen weniger problematisch als die Diskussion vermuten lässt. Beschlüsse nach Art. 18 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 3 ESA-VO mögen zwar Auswirkungen auf die Haushalte der Mitgliedstaaten haben, doch sind damit nicht zwingend ihre „haushaltspolitischen Zuständigkeiten“ betroffen. Die dahingehenden Befürchtungen391 sind kaum begründet, da es sich in der Sache um Weisungen an die nationalen Aufsichtsbehörden handelt. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wird nicht aus dem Bundeshaushalt finanziert, auch nicht anteilig, § 13 Abs. 1 FinDAG.392 7. Zwischenergebnis Aus der Sicht des deutschen Verfassungsrechts ist nicht sicher, ob die Schaffung unabhängiger europäischer Aufsichtseinrichtungen mit der Befugnis zu rechtsverbindlichen Entscheidungen gegenüber Finanzinstituten und nationalen Aufsichtsbehörden nicht schon die Ermächtigung der EU durch die Zustimmungsgesetze überschreitet. VI. Zusammenfassung und Ergebnisse Die Schaffung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken stößt nicht auf durchgreifende rechtliche Bedenken. Es ist nicht sicher, dass die Errichtung der neuen Europäischen Aufsichtsbehörden ohne entsprechende Änderung des Primärrechts zulässig ist. Die Einzelweisungsbefugnisse der Behörden gegenüber Finanzinstituten und gegenüber nationalen Aufsichtsbehörden sind europarechtlich kaum abgesichert. Die weitreichenden Unabhängigkeitsgarantien sind nicht mit den Anforderungen demokratischer Aufsicht und Kontrolle zu vereinbaren. Für die Schaffung weisungsfreier Hoheitsträger ist nach deutschem Verfassungsrecht eine ausdrückliche Regelung in der Verfassung, wie in Art. 88 Satz 2 GG, erforderlich. Die transnationale Kooperation von Verwaltungsbehörden bedarf zumindest dann einer gesetzlichen Ermächtigung, wenn faktisch verbindliche Entscheidungen getroffen werden.

391 392

Oben II. 4. a) und b). Gebilligt von BVerfGE 124, 235 (241).

IV. Finanzinstitute

1. Stabilisierung der WestLB AG durch Garantien des Landes NRW* / ** I. Grundsätzliches Die bisherige Diskussion um die WestLB AG kreist meist um die Augenblicksmaßnahmen, die zu ergreifen sind, um das Institut zu stabilisieren. Das ist gut nachvollziehbar und genießt Priorität. Zugleich werden aber immer auch die Zukunftsaussichten und die zukünftige Geschäftstätigkeit in die Diskussion miteinbezogen. Bevor aber über „Geschäftsmodelle“ für die WestLB AG nachgedacht wird, sind zunächst einige grundsätzliche Fragen zu klären, die vorrangig sind. 1. Erforderlichkeit einer WestLB AG als öffentlichem Unternehmen An erster Stelle ist fraglich, ob das Land Nordrhein-Westfalen neben der NRWBank, Anstalt des öffentlichen Rechts, eine privatrechtlich organisierte Geschäftsbank benötigt, die im Eigentum des Landes und seiner nachgeordneten Körperschaften und Anstalten steht. Es ist nicht ersichtlich, welche staatlichen oder auch nur öffentlichen Aufgaben mit ihr erfüllt werden sollen, welche die NRW-Bank nicht auch erfüllen kann. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 NRW.BankG1 hat sie „den staatlichen Auftrag, das Land und seine kommunalen Körperschaften bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben, insbesondere in den Bereichen der Struktur-, Wirtschafts-, Sozial- und Wohnungsbaupolitik, zu unterstützen und dabei Fördermaßnahmen im Einklang mit den Beihilfevorschriften der Europäischen Gemeinschaft durchzuführen und zu verwalten.“ * Stellungnahme für die öffentliche Anhörung des Haushalts- und Finanzausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 29. Oktober 2009 (LT-Stellungnahme 14/2889, A06). ** Siehe Gesetzentwurf der Landesregierung NRW, Landtag Nordrhein-Westfalen 14. Wahlperiode – Drucksache 14/9380 – 10.06.2009, Gesetz über die Feststellung eines zweiten Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2009 und zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Fonds für eine Inanspruchnahme des Landes Nordrhein-Westfalen aus der im Zusammenhang mit der Risikoabschirmung zugunsten der WestLB AG erklärten Garantie (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2009); Ergänzung der Landesregierung NRW zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 14/9380 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2009) – Drucksache 14/9510 – 01.07.2009; Zweite Ergänzung der Landesregierung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksachen 14/9380 und 14/9510 (1. Ergänzung) – Drucksache 14/9910 – 02.10.2009. 1 Gesetz über die NRW Bank (NRW.BankG) vom 16. März 2004, GV NRW, S. 126, geänd. durch Gesetz vom 30. Oktober 2007, GV NRW, S. 443.

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IV. Finanzinstitute

Staatsrechtlich ist ein klar definierter öffentlicher Zweck für jedes öffentliche Unternehmen erforderlich. Die bloße Gewinnerzielungsabsicht reicht dafür auf keinen Fall aus.2 Die Funktion als Sparkassenzentralinstitut erfordert kaum eine Geschäftsbank dieser Größenordnung. Ob diese Funktion eine staatliche Aufgabe ist, dürfte auch nicht über jeden Zweifel erhaben sein und sollte eher von den Sparkassen und ihren öffentlich-rechtlich organisierten Verbänden in eigener Regie entschieden werden. Sie würde zudem eine Rückkehr zu den Wurzeln der WestLB bedeuten, die aus den Girozentralen für das Rheinland und für Westfalen-Lippe hervorgegangen ist. 2. Klare und nachprüfbare Festlegung der öffentlichen Aufgabe durch Gesetz Wenn aber eine öffentliche Aufgabe zu erkennen sein sollte, muss diese Aufgabe klar umschrieben sein. Sie muss so konkret sein, dass ihre Erfüllung nachgeprüft werden kann. Hintertüren, wie Klauseln: „Bankgeschäfte jeder Art“, darf es dann nicht mehr geben. 3. Begrenzung der Tätigkeit auf das Gebiet des Landes Die Tätigkeit eines solchen am öffentlichen Zweck orientierten Kreditinstituts muss auf das Gebiet seines Trägers, also des Landes, beschränkt sein. „Global banking made by WestLB“ darf es dann nicht mehr geben, auch nicht durch Einsatz von Tochterunternehmen und „Special Purpose Vehicles“ in Irland oder einer anderen steuer- oder aufsichtsrechtlichen Oase. Eine Entwicklung zu einer Erscheinung, wie „KfW-Bankengruppe“, darf es ebenfalls nicht geben. 4. Aufsicht und Kontrolle Ein derartiges Unternehmen muss vollständig transparent arbeiten, da sein Existenzgrund die Erfüllung von staatlichen Aufgaben in Privatrechtsform ist. Es muss wieder eindeutig als Teil der öffentlichen Verwaltung3 wahrgenommen werden. Seine Vorstandsmitglieder sind Amtsträger im strafrechtlichen Sinne.4 2 VGH Baden-Württemberg, Betriebs-Berater 1994, S. 1957; Janson, Rechtsformen öffentlicher Unternehmen in der Europäischen Gemeinschaft, 1980, S. 37–41; Thiemeyer, Öffentliche Bindung von öffentlichen Unternehmen, 1983; Siekmann, Corporate Governance und öffentlich-rechtliche Unternehmen, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie, 15. Band (1996), S. 282 (295 f.); noch strenger Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, 2000, S. 491, der von einer grundsätzlichen Unzulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand ausgeht, wenn nicht die Erfüllung der Aufgabe von Verfassungswegen zu gewährleisten ist; a. A. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 1969, S. 119: „Das Grundgesetz enthält – von wenigen Ausnahmen abgesehen – keine Aussagen über die Zulässigkeit öffentlicher Unternehmen.“ 3 OLG Hamm, DVBl. 1981, S. 228.

1. Stabilisierung der WestLB AG durch Garantien des Landes NRW

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Die Einhaltung dieser Vorgaben sowie das sonstige Finanzgebaren und die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots sind vom Landesrechnungshof umfassend zu prüfen. Diese Prüfung ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Die Abweichungen, die Art. 88 LVerf NRW dem Gesetzgeber erlaubt, umfassen dezidiert nicht die Prüfungsbefugnis und Prüfungspflicht des Landesrechnungshofs. Die Prüfung durch Wirtschaftsprüfer ist sinnvoll, genügt aber nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Darüber hinaus muss die Kontrolle durch die Repräsentanten des Volkes, also die Landtagsabgeordneten, gewährleistet sein. Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse darf es gegenüber dem Träger des Unternehmens nicht geben, soweit er für die Verbindlichkeiten des Unternehmens haftet oder die Erfüllung des öffentlichen Auftrags kontrolliert. Das dürfte zwar an erster Stelle die Exekutive sein, doch ist diese gegenüber dem Parlament und einzelnen Abgeordneten auskunftsund rechenschaftspflichtig.5 II. Stellungnahme zum Fragenkatalog 1. Wie hat sich der Geld-, Kredit- und Kapitalmarkt in den letzten Monaten entwickelt und wie beurteilen Sie die kurz- und mittelfristigen Perspektiven dieser Märkte? Ich beschränke mich auf einige Anmerkungen: Das exorbitante Geldmengenwachstum (M3) in den Jahren 2004 bis 2007 im Euro-Raum ist im letzten Jahr zu einem abrupten Halt gekommen. Noch im dritten Quartal 2008 betrug seine Jahreswachstumsrate 9,1 %; im dritten Quartal 2009 nur noch 2,5 %. In demselben Zeitraum stieg aber eine der wichtigsten Komponenten des Wachstums von M3, die Wachstumsrate des Bargeldumlaufs, von 0,7 % auf 13,6 %. Sie wurde aber kompensiert durch einen drastischen Rückgang der längerfristigen Einlagen (bis zu zwei Jahren) und vor allem der marktfähigen Finanzinstrumente (M3–M2). Ihre Wachstumsrate fiel von 37,6 % auf –15,1 %.6 Geldmarktfondsanteile waren die einzige Teilkomponente dieses Marktes, bei denen im August ein Kapitalzufluss zu verzeichnen war.7 Die Zinsen am unbesicherten Geldmarkt sind weiter rückläufig. Allerdings hat sich die Geschwindigkeit – verglichen mit den letzten Monaten – deutlich verringert.8 Seit November 2008 sind die Geldmarktsätze parallel zur Entwicklung der 4

BGH, NJW 1983, S. 2509. VerfGH NRW, Urteil vom 19. August 2008 – Az. VerfGH 7/07 – BeckRS 2008/ 38846, Abschnitt C I. 6 Europäische Zentralbank, Monetäre und finanzielle Entwicklung, Monatsbericht Oktober 2009, S. 15 f. 7 Ebenda, S. 17. 8 Ebenda, S. 27. 5

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EZB-Zinssätze und den Tagesgeldsätzen (EONIA) deutlich gesunken, so dass dort Geld sehr „billig“ zur Verfügung steht. Die Kreditgewährung an nichtfinanzielle Unternehmen hat sich seit Sommer 2008 deutlich abgeschwächt. Diese Abschwächung betrifft vor allem die kurzfristigen Ausleihungen – bis zu einem Jahr. Sie ist vor allem bei der Buchkreditgewährung von Großbanken, Realkreditinstituten und sonstigen Banken festzustellen. Die Buchkreditvergabe durch Landesbanken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften zeigt keine derartige Abschwächung.9 Auch wenn es eine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs „Kreditklemme“ nicht gibt, ergibt eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Indikatoren noch keine „stichhaltigen Hinweise auf eine bereits bestehende Kreditklemme“.10 Dies gilt vor allem im Hinblick auf die schwache wirtschaftliche Entwicklung außerhalb des Finanzsektors, also in der so genannten Realwirtschaft. Eine solche Abschwächung ist nachfragebedingt und kein Indikator für eine unzureichende Kreditvergabepraxis der Banken. Allerdings könnten bankseitige Faktoren künftig durchaus eine größere Bedeutung für das Kreditangebot erlangen. Sie können durch Eigenkapitalengpässe verursacht werden, vor allem wenn die bankenaufsichtsrechtlichen Anforderungen an das Eigenkapital deutlich erhöht werden, wie an verschiedenen Stellen diskutiert wird. Der Rückgang der Kreditgewährung an nichtfinanzielle Unternehmen ist in jedem Fall aber noch sehr weit von den (negativen) Zahlen aus der Zeit der Rezession der Jahre 2001 bis 2005 entfernt. Die Ausbreitung des Kreditangebots in der Vergangenheit war teilweise durch die Verbriefung von Bankaktiva getrieben. Wenn sich Banken aber mehr über Kapitalmärkte finanzieren – namentlich durch Verbriefungen – als über Einlagen, wächst damit auch ihre Abhängigkeit von den Kapitalmärkten. Das dürfte auch zu einer stärkeren Abhängigkeit von geldpolitischen Maßnahmen geführt haben.11 Die Kapitalmärkte nehmen aber „strukturierte“ Wertpapiere gegenwärtig fast nicht mehr auf. Die Beschaffung von Eigenkapital durch die Ausgabe neuer Aktien sowie die Beschaffung von Fremdkapital durch den Absatz von Unternehmensanleihen gelingt den Großunternehmen recht gut, wenn auch sektoriell sehr unterschiedlich. Die Finanzierung des Staates und anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts 9 Deutsche Bundesbank, Die Entwicklung der Kredite an den privaten Sektor während der globalen Finanzkrise, Monatsbericht September 2009, S. 21. 10 Ebenda, S. 17, 22 ff., wo Kreditklemme als „eine Einschränkung des Kreditangebots“ definiert wird, „die quantitativ so bedeutsam ist, dass sie ein maßgebliches konjunkturelles Risiko begründet“ (S. 22). Die Ergebnisse der ersten Umfrage der EZB und der EU-Kommission über den Zugang kleiner und mittlerer Unternehmen im EuroWährungsgebiet zu Finanzmitteln ist dargestellt von der EZB (Fn. 6), S. 36 f. 11 Europäische Zentralbank, Geldpolitik und Kreditangebot im Euro-Währungsgebiet, Monatsbericht Oktober 2009, S. 79 f.

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durch Anleihen gelingt im Euro-Gebiet immer noch problemlos zu sehr günstigen Sätzen.12 Der Absatz von Bankanleihen verzeichnet insgesamt einen erheblichen Rückgang.13 2. Wie bewerten Sie, dass das Land NRW eine Garantieerklärung in Höhe von 1.509.848.000 EUR zugunsten des SoFFin am 30. September 2009 ohne gesetzliche Ermächtigung abgeschlossen hat? a) Nach Art. 83 Satz 1 LVerf NRW bedarf die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren führen können, einer Ermächtigung durch Gesetz. Sie muss der Höhe nach bestimmt oder bestimmbar sein. Diese Gewährleistungen stimmen sachlich insoweit mit der Aufnahme von Krediten überein, dass sie die Dispositionsmöglichkeiten des Haushaltsgesetzgebers in den nachfolgenden Haushaltsjahren berühren. Auch Gewährleistungen können dazu führen, dass diese Dispositionsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Die Regelung will verhindern, dass das parlamentarische Budgetrecht dadurch ausgehöhlt wird, dass die Finanzmittel des Landes weitreichend gebunden werden, ohne dass das Parlament seine Zustimmung erteilt hat.14 Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen droht eine solche Aushöhlung allerdings nur dann, wenn das Land finanzielle Risiken eingeht, die ihrem Gegenstand oder ihrem Umstand nach neu sind und deshalb zusätzliche Belastungen künftiger Haushaltsjahre nach sich ziehen können. Wenn solche Risiken ohnehin schon vorhanden gewesen waren, werde durch Garantien oder sonstige Gewährleistungen des Landes, die diese Risiken lediglich aufgreifen, ohne sie jedoch nach Gegenstand oder Umfang zu verändern, der Handlungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers in späteren Jahren nicht weiter eingeengt. Dann könne von einer „Übernahme“ einer Bürgschaft oder Garantie nicht mehr die Rede sein.15 b) Eine dergestalt einengende Auslegung der Vorschrift ist nicht zwingend, doch soll sie hier für praktische Zwecke zugrunde gelegt werden. Es käme danach darauf an, ob mit der Übernahme einer Garantie bis zu einem Höchstbetrag von 1.509.848.000 EUR gegenüber dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung für Schuldverschreibungen (Class A 3 und A 4 Notes der Phoenix Light SF Limited, Notes der House of Europe Funding I, II und V sowie Notes der Carnutum 12

Europäische Zentralbank (Fn. 6), S. 25, 27, Tabelle 3 und Abbildung 8, S. 30. Europäische Zentralbank (Fn. 6), S. 26 und Abbildung 7. 14 VerfGH NRW, NWVBl. 1994, S. 292 (294 f.). 15 VerfGH NRW, NWVBl. 1994, S. 292 (295); zust. VerfGH Sachsen, Urteil vom 28. August 2009, Az. Vf. 41-I-08, S. 25 des Urteilsumdrucks, zust. auch für den Bund Höfling/Rixen, in: Bonner Kommentar, Art. 115 Rn. 163 (Loseblatt 2003). 13

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High Grade I) neue Risiken für den Landeshaushalt eingegangen worden sind, ohne dass eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung vorgelegen hat. Das wiederum hängt davon ab, ob das Land ohnehin schon mittelbar oder unmittelbar für die Erfüllung der Ansprüche aus diesen Schuldverschreibungen haftet. Dafür gibt es zunächst einmal keine Anhaltspunkte, da es sich um Wertpapiere eines Unternehmens aus dem angelsächsischen Umfeld handelt; vermutlich irischen Rechts. Näheres lässt sich dem Gesetzentwurf nicht entnehmen. Er ist deshalb schon im Hinblick auf das besondere Transparenzgebot im Verfahren der Haushaltsgesetzgebung16 bedenklich. Das Land haftet auch nicht für die Verbindlichkeiten der WestLB AG. Das liegt im Wesen einer solchen Gesellschaftsform. In Betracht kommt allenfalls eine Haftung für die frühere WestLB, Anstalt des öffentlichen Rechts. Hier könnten noch Verpflichtungen aus der Anstaltslast, vor allem aber der Gewährträgerhaftung, bestehen. Allerdings stehen nicht Schuldverschreibungen dieser Anstalt zur Diskussion, sondern der Phoenix Light SF Limited. Auszuschließen ist eine rechtsgeschäftlich erteilte Garantie der WestLB AG gegenüber diesem Unternehmen (special purpose vehicle) für die von ihm begebenen Wertpapiere. Der mit seiner Schaffung verfolgte Zweck könnte sonst nicht erfüllt werden: Entlastung der Bilanz der WestLB AG. Bei einer rechtsgeschäftlich vereinbarten Haftung oder Unterstützung der WestLB für die Phoenix Light SF Limited, gleich welcher Art, hätten entsprechende Rückstellungen gebildet werden müssen mit entsprechenden negativen Folgen für das aufsichtsrechtlich vorgeschriebene Eigenkapital. Ob und in welcher Höhe bereits Verpflichtungen des Landes bestanden haben, die eine Ermächtigung verzichtbar erscheinen lassen, lässt sich nur klären, wenn im Einzelnen und nachvollziehbar dargelegt wird, dass letztlich die Phoenix Light Limited Inhaber von Forderungen ist, für welche das Land haftet. Zudem müsste diese Haftung betragsmäßig und risikomäßig deckungsgleich mit der Haftung für die Schuldverschreibungen sein, für welche die Garantie gegenüber dem Finanzmarktstabilisierungsfonds übernommen worden ist. Davon geht aber auch die Landesregierung nicht aus, denn dann wäre die nun begehrte Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines zweiten Nachtrags zum Haushaltsplan überflüssig. c) Die Übernahme von Gewährleistungen im Wege des Notbewilligungsrechts nach Art. 85 Abs. 1 LVerf NRW dürfte schon angesichts des Wortlauts der Vorschrift nicht in Betracht kommen. Auf Bundesebene wird auch eine Kreditaufnahme auf diesem Wege abgelehnt.17 Wegen der vergleichbaren Belastung für 16

BVerfGE 70, S. 324 (358). Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 112 Rn. 1; Gröpl, in: Bonner Kommentar, Art. 112 Rn. 80, 107 (Loseblatt 2003), der auch sonstige Fälle ablehnt, ohne auf die Übernahme von Garantien ausdrücklich einzugehen (Rn. 81). 17

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künftige Perioden ist die Übernahme von Gewährleistungen parallel zu behandeln.18 d) Bei fast gleichem Wortlaut der maßgebenden Verfassungsvorschrift (Art. 95 Satz 1 SächsVerf) hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen in seinem Urteil vom 28. August 200919 entschieden, dass der Sächsische Staatsminister der Finanzen dadurch die Rechte des Sächsischen Landtages verletzt hat, dass er für den Freistaat Sachsen am 28. Dezember 2007 eine Garantie bis zur Höhe von 1,65 Mrd. Euro zugunsten der Landesbank Sachsen AG und anderer Begünstigter abgegeben und dieser Garantie mit Erklärung vom 15. Februar 2008 um 1,1 Mrd. Euro auf insgesamt 2,75 Mrd. Euro erhöht hat. Die vorangegangene Zustimmung der Staatsregierung des Freistaats Sachsen im Kreditausschuss der Sächsischen Landesbank am 16. Juni 2005 zur Aufstockung der Kreditlinie zugunsten des Kreditnehmers Ormond Quay Funding plc. verstieß ebenfalls gegen die verfassungsrechtlichen Rechte des Landtags. Auch damals war von einem sehr geringen Refinanzierungsrisiko für die Assets im Pool die Rede gewesen. Diese strukturierten Schuldverschreibungen erwiesen sich dann aber kurze Zeit später als „hochtoxisch“ und führten letztlich zum Untergang der Bank als selbständigem Unternehmen und zu hohen Lasten für den Steuerzahler. Das Gericht lehnte auch eine Subsumtion unter die allgemeine Ermächtigung zur Wirtschaftsförderung ab.20 In beiden Fällen lag somit keine hinreichende gesetzliche Ermächtigung vor. e) Es ist also zunächst davon auszugehen, dass die Garantieerklärung der Landesregierung ohne entsprechende gesetzliche Ermächtigung gegen Art. 83 Satz 1 LVerf NRW verstoßen hat. 3. Ist die von der Landesregierung (ohne gesetzliche Ermächtigung seitens des Parlaments) abgegebene Garantieerklärung rechtlich bindend? Lediglich wenn man in der Ermächtigung die Erteilung einer Vertretungsmacht sehen würde, käme (schwebende) Unwirksamkeit nach § 177 Abs. 1 BGB in Betracht. Die Vorgaben des Haushaltsverfassungsrechts spielen sich aber im organschaftlichen Innenbereich des Staates ab. Sie haben prinzipiell keine Außenwir18 Möglicherweise auch Gröpl (Fn. 17), Rn. 107, der sich aber insoweit nicht klar äußert. 19 Az. Vf. 41-I-08. 20 VerfGH Sachsen, Urteil vom 28. August 2009, Az. Vf. 41-I-08, S. 27 f. des Urteilsumdrucks.

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kung. Das gilt namentlich auch für Haushaltsplan und Haushaltsgesetz.21 Das kommt einfachgesetzlich in § 3 Abs. 2 LHO NRW zum Ausdruck, der anordnet, dass durch den Haushaltsplan Ansprüche oder Verbindlichkeiten weder begründet noch aufgehoben werden. Im Schrifttum wird die verfassungswidrige Zustimmung des Bundesministers der Finanzen zu über- oder außerplanmäßigen Ausgaben ebenfalls auf den organschaftlichen Bereich beschränkt. Sie führe nicht zur Unwirksamkeit der Rechtsgeschäfte, welche unter Verstoß gegen Art. 112 GG geschlossen würden.22 Allerdings führt ein Verstoß gegen verwaltungsverfahrensrechtliche 23 oder kommunalrechtliche 24 Vertretungsvorschriften regelmäßig zur (schwebenden) Unwirksamkeit der Erklärungen, nicht aber zur Nichtigkeit.25 Diese Vorschriften dienen aber dem Schutz der Kommune oder Behörde.26 Wenn es aber nur um einen Verstoß gegen innerkörperschaftliche Kompetenzverteilungsregeln geht, kommt auch im Kommunalrecht Verbindlichkeit nach außen in Betracht.27 Art. 83 LVerf NRW dient aber nicht primär dem Schutz des Landes nach außen, sondern der Sicherung des Budgetrechts des Parlaments. Ein Verstoß dürfte daher im Ergebnis nicht zur (schwebenden) Unwirksamkeit von rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Landes führen. 4. Inwieweit kann das Parlament den von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf überhaupt noch entsprechend seiner Funktion als Haushaltsgesetzgeber ergebnisoffen beraten? Begründet der abgeschlossene Garantievertrag ein Präjudiz, durch das die verfassungsrechtliche Stellung des Parlaments beeinträchtigt wird? Die Ermächtigung, die in § 20 Abs. 8 der 2. Ergänzung des Entwurfs eines zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes erteilt werden soll, geht – soweit feststellbar – ins Leere. Die Garantievereinbarung („Rückhaftungsvereinbarung“) war bis spätestens zum 30. September 2009 abzuschließen. Sie ist zwar den Unterlagen zu dieser Anhörung nicht beigefügt, doch kann davon ausgegangen werden, dass sie zur Wahrung dieser Frist bereits abgeschlossen ist. Dann macht in Anbetracht der Ausführungen zu Frage 2 eine parlamentarische Behandlung keinen Sinn mehr. 21 Vgl. nur Hillgruber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 110 Rn. 63 f. 22 Gröpl (Fn. 17), Rn. 97. 23 Verstoß gegen die Anforderungen von § 61 Abs. 1 Satz 2 VwVfG (Befähigung zum Richteramt bei Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung): Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 61 Rn. 20. 24 Vgl. BGH, DVBl. 2001, S. 1273 (1274). 25 Vgl. BGH, DVBl. 2001, S. 1273 (1274). 26 St. Rspr. des BGH, vgl. BGH, NJW 1994, S. 1528 m.w. N. 27 Vgl. BGH, NJW 1973, S. 1494 (1495), wo allerdings das zuständige Organ zugestimmt hatte.

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Sollte die Vereinbarung aber noch nicht abgeschlossen sein, kann eine sinnvolle Beratung des Gesetzentwurfs durch das Parlament nur erfolgen, wenn es hinreichend informiert ist. Das ergibt sich aus allgemeinen parlamentsrechtlichen Grundsätzen, vor allem aber auch aus den besonderen Transparenzerfordernissen des parlamentarischen Budgetrechts.28 Vor allem müssen zur Klärung der Frage, ob das Land neue Risiken übernehmen soll oder ob es ohnehin schon für die Verbindlichkeiten haftet, für die eine „Rückhaftungsvereinbarung“ abgeschlossen werden soll, spezifiziert und substantiiert die Verbindlichkeiten nach Betrag und Höhe dargelegt werden. Außerdem ist substantiiert darzulegen, aus welcher Vorschrift sich die Pflicht der Eigentümer der WestLB AG zur Übernahme einer solchen Garantie ergeben soll. Der Wortlaut von § 8 des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes (FMStFG) und von §§ 4 und 5 der Finanzmarktstabilisierungsfondsverordnung (FMStFV) lassen eine solche Verpflichtung nicht klar erkennen. Es wäre unbedingt näher zu prüfen, ob der Bund auf diese Weise nur aus politischen Gründen seine Haftung auf das Land abwälzen wollte, da er in der Öffentlichkeit immer den Standpunkt eingenommen hatte, die Rettung der Landesbanken sei Aufgabe der Länder. Dies steht jedoch in Gegensatz zum Erlass der gesetzlichen Regelungen als Bundesgesetz, die klar davon ausgehen, dass der Bund die Gesetzgebungskompetenz zur Sicherung der Finanzmarktstabilität hat. Ob er auch die Finanzierungskompetenz hat, richtet sich nach Art. 104a Abs. 1 GG. Danach kommt es auf die Verwaltungskompetenz an. Diese hat er aber durch die Errichtung der Finanzmarktstabilisierungsanstalt und den Lenkungsausschuss für sich in Anspruch genommen. Das ist zumindest ein Indiz, dass die Finanzierungskompetenz für die Bankenrettung nicht bei den Ländern liegt. Eine Mischfinanzierung ist aber in jedem Fall ausgeschlossen. Deshalb verstößt § 13 Abs. 2 FMStFG klar gegen das Grundgesetz.29 5. § 20 Abs. 8 Satz 3 bzw. Satz 4 (neu gemäß 2. Ergänzungsvorlage) sieht eine Ermächtigung des Finanzministeriums vor, die an die Zustimmung des Haushalts- und Finanzausschusses gebunden ist. Reicht die Bindung an die Zustimmung des Haushalts- und Finanzausschusses oder ist hier eine Zustimmung des Landtags NRW insgesamt erforderlich? Die Problematik dürfte parallel zu den so genannten (qualifizierten) Sperrvermerken im Haushaltsvollzug zu beurteilen sein. Vereinzelt werden in diesem Zu28 BVerfGE 70, S. 324 (358); 79, S. 311 (344); 110, S. 199; ausdrücklich auch in Bezug auf privatrechtlich organisierte Unternehmen: BVerfGE 98, S. 145 (161); BayVerfGH, NVwZ 2007, 204 (206 f.); VerfGH NRW, Urteil vom 19.8.2008, BeckRS 2008/38846. 29 So auch Becker/Mock, FMStG, 2009, § 13 Rn. 22; anders Horbach/Diehl, in: Jaletzke/Varennemann (Hrsg.), Finanzmarktstabilisierungsgesetz, 2009, § 13 Rn. 5, die aber die maßgebende Vorschrift des Grundgesetzes übersehen haben.

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sammenhang verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet,30 doch ganz überwiegend wird ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten eines Parlamentsausschusses für zulässig angesehen, zumindest wenn die Vorgaben im Gesetz hinreichend präzise sind.31 Wegen der erheblichen quantitativen Bedeutung32 könnten aber Bedenken bestehen, auch wenn grundsätzlich Zustimmungsvorbehalte zugunsten von Ausschüssen für zulässig gehalten werden. 6. Die WestLB AG setzt als erste Landesbank Maßnahmen gemäß Finanzmarktstabilisierungsfortentwicklungsgesetz um. a) Kommt daher der WestLB eine Vorreiterrolle zu? b) Können Sie den wesentlichen Regelungsgehalt der §§ 6a, 8 und 8a Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz kurz erläutern? c) Was waren die Gründe dafür, dass die Bundesregierung das vorangegangene Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz fortentwickelt hat? a) Es wird – rechtlich zweifelhaft – nicht bekannt gegeben, welche Institute Anträge nach dem Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz gestellt haben.33 Aber selbst wenn das der Fall sein sollte, ist einer „Vorreiterrolle“ keine rechtliche Bedeutung zuzumessen. b) Die §§ 6a, 8a und 8 b FMStFG sind im Juli 2009 nachträglich in das Gesetz eingefügt worden, um Finanzinstitute auf Dauer zu stabilisieren. Dies war notwendig, da immer noch ein sehr hoher, im Einzelnen aber unbekannter Abschreibungsbedarf auf Aktiva bei einigen großen Geschäftsbanken und Zentralinstituten sowie der Mehrzahl der Landesbanken besteht. Durch die Übertragung dieser Aktiva auf privatrechtliche Zweckgesellschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts im Austausch mit soliden, da staatlich garantierten Forderungen, soll der hohe Abschreibungsbedarf bei den abgebenden Instituten aufsichtsrechtlich beseitigt und betriebswirtschaftlich über einen langen Zeitraum gestreckt werden. 30

Hillgruber (Fn. 21), Rn. 72. Siekmann (Fn. 17), Art. 110 Rn. 92 m.w. N. 32 Darauf stellt Stern ab (Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, 1980, S. 1225). 33 In den Vereinigten Staaten von Amerika hat demgegenüber das Parlament auf Bundesebene im Verlauf des Haushaltsgesetzgebungsverfahrens durchgesetzt, dass Name und Beträge der unterstützten Institutionen bekannt gegeben werden: Amendment SA 875 [Sanders]: in Sec. 215 of the budget law: „including the identity to which the Board has provided, all loans and other financial assistance since March 24, 2005, the value or amount of that financial assistance, and what that entity is doing with such financial assistance after 2008“, Congressional Record – Senate, April 1, 2009, S4212; April 2, 2009, S4277. 31

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Das Eigenkapital der betreffenden Institute sollte so auf Dauer entlastet werden. Andererseits war es aus politischen Gründen dringend erwünscht, dass letztlich nicht der Steuerzahler für die übertragenen Risiken aufkommen sollte. Beide Ziele lassen sich seriös aber kaum miteinander vereinbaren. Ob die überaus komplizierten und handwerklich wenig gelungenen Regelungen gleichwohl das angestrebte Ziel erreichen können, bleibt abzuwarten. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 FMStFG kann der Finanzmarkstabilisierungsfonds (FMS) Garantien für Schuldtitel übernehmen, welche von (privatrechtlichen) Zweckgesellschaften als Gegenleistung für die Übernahme von „strukturierten Wertpapieren“ an Kreditinstitute, Finanzholding-Gesellschaften oder deren inund ausländischen Tochterunternehmen begeben werden. Dafür sind Entgelte zu entrichten, die in § 6 b FMStFG Ausgleichsbeträge genannt werden, um eine Passivierungspflicht zu umgehen. Nach § 8a Abs. 1 FMStFG können auf Antrag teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts errichtet werden, welche im Grundsatz dieselbe Funktion erfüllen wie die Zweckgesellschaften nach § 6a FMStFG. Diese Abwicklungsanstalten sind Einrichtungen der (mittelbaren) Bundesverwaltung. Sie können aber im Gegensatz zu den Zweckgesellschaften nach § 6a FMStFG auch ganze Geschäftsbereiche der abgebenden Institute übernehmen, wenn sie „nichtstrategienotwendig“ sind. Der Bund hat versucht, sich durch eine „Angstklausel“ in § 8a Abs. 1 FMStFG jeder Haftung für diese Abwicklungsanstalten zu entziehen. § 8 b Abs. 1 FMStFG sieht vor, dass auch durch Landesrecht derartige Abwicklungsanstalten gegründet werden können. Sie haben im Kern denselben Aufgabenkreis wie die bundesrechtlichen Abwicklungsanstalten. Ob die Regelungen im Einzelnen noch von einer Bundeskompetenz gedeckt sind, bedarf eingehender Prüfung, da in nennenswertem Umfang Landesorganisationsrecht betroffen ist. Während die §§ 6a, 8a und 8 b FMStFG der Stabilisierung der betroffenen Institute auf Dauer dienen sollen, war die Übernahme von riskanten Aktiva nach § 8 FMStFG als Überbrückungshilfe gedacht. Sie war bis zum 31. Dezember 2009 befristet, § 13 Abs. 1 FMStFG. Schon bei Erlass des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes im Oktober 2008 war die Notwendigkeit erkennbar, die Bilanzen einiger Banken, vor allem auch der Landesbanken, auf Dauer zu bereinigen. Die damit verbundenen Bewertungsprobleme verhinderten aber eine Lösung, da politisch weder eine Übernahme der Risiken durch den Steuerzahler noch – nach schwedischem Muster – eine Vollverstaatlichung der betroffenen Banken erwünscht war. c) Ob die Bundesregierung oder eine der beteiligten (angelsächsischen) Großkanzleien das Gesetz fortentwickelt hat, ist nicht bekannt. Aber unabhängig davon, wer die entsprechenden Formulierungen zu vertreten hat, handelt es sich in keinem Fall um ein Gesetz der Bundesregierung, sondern des Deutschen Bundestages.

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Die erneute, erhebliche Umgestaltung des Gesetzes vom 17. Oktober 200834 war erforderlich, weil die Vorgängerversionen35 das Kernproblem nicht gelöst hatten: den immensen Abschreibungsbedarf und die dadurch eintretende Erosion des Eigenkapitals bis hin zur Insolvenzreife. 7. Die WestLB AG setzt konsequent und erfolgreich die Vorgaben der Europäischen Kommission vom 12. Mai 2009 um. Könnten Sie die Auflagen der Europäischen Kommission kurz erläutern? Ob die WestLB AG tatsächlich konsequent und erfolgreich die Vorgaben der Europäischen Kommission umsetzt, die in der Entscheidung der Kommission vom 12. Mai 2009 enthalten sind,36 kann ohne Kenntnis der internen Geschäftsabläufe der WestLB AG nicht beurteilt werden. Die Kommission beurteilte die Garantie in Höhe von 5 Milliarden EUR als eine Beihilfe im europarechtlichen Sinne, die aber vorbehaltlich zahlreicher Bedingungen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei, Art. 1 der Entscheidung. Eine der Bedingungen ist, dass der vorgelegte Umstrukturierungsplan vom 8. August 2008 vollständig und zeitgerecht umgesetzt wird, Art. 2 Abs. 1 der Entscheidung. Weitere Bedingungen sind in einem Anhang zu dieser Bestimmung aufgeführt. Vor allem enthalten die Vorgaben ein Veräußerungsgebot, das bis zum 31. Dezember 2011 erfüllt sein muss (2.1). Darüber hinaus ist eine drastische Verkleinerung der WestLB AG angeordnet. Sie muss ihre Gesamtbilanzsumme bis zum 31. März 2010 um insgesamt 25 % und bis zum 31. März 2011 um insgesamt 50 % reduzieren (3.1). Der Marktwert der Derivate soll dabei außer Ansatz bleiben. Auch wird ein genauer Zeitplan zur Reduzierung der risikogewichteten Aktiva vorgegeben (3.2). Die Kerngeschäftsaktivitäten der WestLB AG sind zu entflechten und drei operativ, wirtschaftlich transparent segmentierten Teilbereichen zuzuordnen: a) Transaction Banking, b) Verbund/Mittelstand und c) Firmenkunden/Kapitalmarkt/Strukturierte Finanzierungen (4.1). Im Bereich der Kapitalmarktaktivitäten muss die WestLB AG ihren Eigenhandel einstellen (4.5 c). Die Standorte Münster, Bielefeld, Köln, Dortmund und Mainz sind ebenso wie zahlreiche Repräsentanzen im Ausland zu schließen (4.6 c und d). Eine Vielzahl

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BGBl. I, S. 1982. Gesetz zur weiteren Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz FMStErgG) vom 7. April 2009, BGBl. I, S. 725. 36 Entscheidung der Kommission (KOM[2009] 3900 endg. vom 12.5.2009) über die staatliche Beihilfe, C 43/2008 (ex N 390/2008), die Deutschland zur Umstrukturierung der WestLB AG gewähren will. 35

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von Beteiligungen ist zu veräußern (5.1). Der Erlös ist vollständig zur Finanzierung des Umstrukturierungsplans zu verwenden (5.6). 8. Die Eigentümer beabsichtigen, die WestLB AG zukunftsfest aufzustellen und eine langfristig tragfähige Lösung herbeizuführen. Dazu sollen nichtstrategienotwendige Geschäftsbereiche sowie Risikopositionen auf eine Abwicklungsanstalt nach § 8a FMStFG ausgelagert werden, wie im Rahmen der Begründung zur 2. Ergänzung zum 2. Nachtragshaushalt ausgeführt wird. a) Welche Auswirkungen hätte die Ausgliederung der nichtstrategienotwendigen Geschäftsbereiche sowie von Risikopositionen auf eine AidA für die Kapitalausstattung der WestLB AG? b) Würde die verbleibende Kernbank damit strukturell besser dastehen und bessere Zukunftsoptionen haben? c) Ist der durch Begebung von Garantien gewählte Weg zur Risikoabschirmung der WestLB AG die haushaltsschonendste Lösung im Rahmen der EU-Vorgaben vom 12. Mai 2009? a) Die notwendige Kapitalausstattung der Anstalt hätte eine entsprechende Minderung des Eigenkapitals der WestLB AG zur Folge, wenn sie nicht von den Eigentümern der WestLB AG übernommen wird. Der Kapitalbedarf dürfte ebenso schwierig zu ermitteln sein, wie der Abschreibungsbedarf auf die übertragenen Aktiva und die Gewinn- und Verlustaussichten für die übertragenen Geschäftsbereiche. Der eigentliche Vorteil dieser Vorgehensweise dürfte darin bestehen, dass keine marktnahe Bewertung erfolgen muss und die bankenaufsichtsrechtlichen Eigenkapitalerfordernisse für die Anstalt nicht gelten, § 8a Abs. 5 FMStFG. Das Gesetz überlässt die nähere Ausgestaltung der Anstalt und ihrer Tätigkeit gesonderten Statuten, § 8a Abs. 2 FMStFG. Der Begriff „Statut“ entspricht nicht der anerkannten und eingeführten öffentlich-rechtlichen Begrifflichkeit. Vermutlich sind damit untergesetzliche Rechtsnormen, möglicherweise Satzungen gemeint. Die Gesetzesverfasser haben dabei aber übersehen, dass eine Normsetzung durch die Exekutive in Deutschland seit Erlass des Grundgesetzes vor 60 Jahren nicht mehr zulässig ist. Lediglich in den engen Grenzen von Art. 80 GG sind Ausnahmen zulässig. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind aber hier nicht erfüllt. Es ist also davon auszugehen, dass die Statuten, wenn sie erlassen werden, verfassungswidrig und nichtig sind. b) Das hängt von den Voraussetzungen ab, die unter a) beschrieben worden sind. c) Welcher Weg die Finanzen des Landes am geringsten belastet, ist schwer einzuschätzen. Jedenfalls wäre ernsthaft die Option zu prüfen gewesen, eine wei-

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tere Unterstützung des Instituts von Seiten der Eigentümer einzustellen. Der Bund hätte sich dann die Frage stellen müssen, ob es sich um eine „systemrelevante“ Bank handelt, die er ähnlich wie die Commerzbank AG oder die Hypo Real Estate AG aus übergeordneten Gründen rettet. Dies setzt jedoch voraus, dass die Verpflichtungen aus Anstaltslast und Gewährträgerhaftung nicht höher sind als die Lasten, welche die öffentlichen Haushalte auf Landesebene zu tragen haben. Ob eine Übernahme in unmittelbares Eigentum des Landes eine Entlastung gebracht hätte, ist eher zweifelhaft angesichts der bisherigen Eigentümer, die alle dem öffentlichen Sektor des Landes zuzurechnen sind und letztlich auch vom Land soweit unterstützt werden müssten, dass sie ihre Aufgaben erfüllen können. 9. In den einleitenden Erläuterungen zur 2. Ergänzung heißt es: „Sollte die Übertragung des AidA-Portfolios bis zum 30. November 2009 nicht gelingen, so ist für das § 8-Portfolio eine Übertragung oder Überführung in eine Maßnahme gem. § 6a oder § 8a FMStFG oder die Übertragung an einen Dritten erforderlich.“ Wie bewerten Sie diese Aussage? Dazu kann keine Stellungnahme abgegeben werden. 10. Die WestLB AG hat einen Antrag nach § 8 Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStG) – BGBl. I 2008, S. 1982, in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung, BGBl. I 2009, S. 1980 – auf Risikoübernahme eines Portfolios in Höhe von nominal 6,4 Milliarden Euro durch den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) gestellt. Die Risikoübernahme nach § 8 FMStG durch den SoFFin erfordert eine quotale Garantie der Eigentümer der WestLB AG für den Betrag von 4 Milliarden Euro. Die notwendige Garantie des Landes hat damit einen Umfang von rund 1,51 Milliarden Euro. Die nunmehr notwendige Abgabe einer quotalen Garantie gegenüber dem SoFFin stellt eine Zwischenlösung bis zum 30. November 2009 dar. Wie hoch bewerten Sie angesichts dessen die Ausfallwahrscheinlichkeit der Positionen im auszulagernden Portfolio? Ohne Kenntnis der Solvenz und der Liquidität der Schuldnerin ist eine seriöse Einschätzung nicht möglich. Sie hängen im Wesentlichen von der Bedienung der Problemaktiva ab, welche die WestLB AG auf die Phoenix Light Limited übertragen hat, sowie von der Ausgestaltung der Schuldverschreibungen, die nach irischem Recht erfolgt ist und wahrscheinlich auch von Experten kaum verlässlich analysiert werden kann. Es bestehen Indizien, dass die Übersetzungen, soweit sie vorgenommen worden sind, problematisch sind. Eine „public sector guarantee“ ist etwas anderes als eine Kommunalgarantie. Im Übrigen ist Phoenix nicht dem öffentlichen Sektor zuzuordnen.

1. Stabilisierung der WestLB AG durch Garantien des Landes NRW

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11. Die hier in Rede stehende Garantie in Höhe von 4 Mrd. EUR geht ausweislich der Darstellung im Erläuterungstext auf eine veränderte Bewertungsmethodik der Aufsichtsbehörde (BaFin) hinsichtlich der Veranschlagung des „expected loss“ bei der Phönix-Konstruktion zurück. Wie weit reicht der an dieser Stelle bestehende Handlungs- und Ermessensspielraum der BaFin? Wo und in welcher Form ist dieser gesetzlich normiert? Die Anforderungen an die Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen richtet sich nach § 10 KWG und der Solvabilitätsverordnung (SolvV) vom 14. Dezember 200637. Die Solvabilitätsverordnung erlaubt den Instituten einen individuellen Ansatz zur Berücksichtigung von Adressausfallrisiken. Es handelt sich um den auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRBA) nach §§ 55 ff. Solvabilitätsverordnung. Er erlaubt das Abgehen von den externen Ratings im Kreditrisiko-Standardansatz (KSA) nach §§ 24 ff. SolvV. Die externen Ratings haben sich ohnehin im Verlauf der Krise als völlig ungeeignet erwiesen. Etwa 75 % der jetzt notleidenden Forderungen ist mit der höchsten Note „AAA“ bewertet worden, der gleichen Note wie Anleihen der Bundesrepublik Deutschland sie erhalten haben. Im Rahmen des IRBA wird der „expected loss“ anhand der Vorgaben von § 125 SolvV geschätzt. Die Anforderungen an das Schätzverfahren sind in § 128 SolvV detailliert geregelt und werden von der BaFin kontrolliert. In der Sache handelt es sich um mathematisch-statistische Schätzverfahren.38 Für deren Beurteilung stellt die gesetzliche Regelung aber nur relativ vage Maßstäbe („angemessen“, „nachvollziehbar“, „regelmäßig validiert“ etc.) zur Verfügung. Hier sind erhebliche Spielräume auch für Behördenentscheidungen zu erkennen. Hinzu kommen Unsicherheiten über die Qualität der empirisch zu ermittelnden Daten, die Grundlage der Schätzungen bilden. Echte Ermessensspielräume sind insoweit aber nicht zu erkennen. Allerdings sind die Regelungen in §§ 10, 11 KWG und in der Solvabilitätsverordnung, die etwa 250 Druckseiten umfasst, so komplex, dass alle Aussagen nur unter Vorbehalt gemacht werden können. Rechtsstaatlichen Anforderungen genügt eine derartige Normierung kaum; auch nicht in Anbetracht der Tatsache, dass es sich um eine technische Spezialmaterie handelt. 12. Welche spezifischen aufsichtsrechtlichen Vorgaben sind in Verbindung mit der hier in Rede stehenden Garantie zu beachten? Die Garantie muss unbedingt und auf Dauer erteilt sein, damit die entsprechenden Aktiva in der Bilanz der WestLB AG wie Ausleihungen an das Land 37

BGBl. I, S. 2926. Nähere Einzelheiten bei Daun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), Kreditwesengesetz, 3. Aufl. 2008, § 128 SolvV Rn. 2, 6 ff. 38

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behandelt werden können. Das hat zur Folge, dass sie mit „0“ bei der Berechnung des aufsichtsrechtlichen Eigenkapitals gewichtet werden. 13. Gemäß § 5 Abs. 4 Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung (FMStFV) muss der SoFFin darauf hinwirken, dass „Organmitglieder und Geschäftsleiter [. . .] keine unangemessene Vergütung erhalten“. Als angemessen gilt eine monetäre Vergütung bis max. 500.000 EUR. Wie ist diese Vorgabe einzuschätzen vor dem Hintergrund, dass die SoFFin-Risikoübernahme auf der Grundlage von § 8 FMStFG nur eine Zwischenlösung darstellt und nach dem 30.11.2009 durch eine Risikoübernahme auf der Grundlage von § 6a FMStFG oder auf der Grundlage von § 8a FMStFG abgelöst werden soll? Bei der Schaffung einer nichtrechtsfähigen Anstalt innerhalb der Finanzmarktstabilisierungsanstalt nach § 3a Abs. 1 FMStFG sollte darauf geachtet werden, dass eine entsprechende oder niedrigere Höchstgrenze vorgeschrieben wird. Es ist auch möglich, dass der Bund im Verordnungswege eine solche Grenze allgemeinverbindlich festlegt.

2. Prüfung der NRW.BANK durch den Landesrechnungshof* I. Einleitung 1. Grundlagen a) Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes Gegenstand der folgenden Ausführungen ist die Kontrolle der NRW.BANK durch den Landesrechnungshof. Die Sinnhaftigkeit der Auflösung der Wohnungsbauförderungsanstalt Nordrhein-Westfalen1 gehört nicht dazu. Die möglichen negativen Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Förderung des Wohnungsbaus in Nordrhein-Westfalen sind im Gesetzgebungsverfahren gesehen und erörtert worden.2 Im Wesentlichen handelt es sich nicht um Rechtsfragen. Ebenso wenig ist hier zu untersuchen, ob mit dem Gesetz tatsächlich ein „Beitrag zur Normenklarheit und Entbürokratisierung im Bereich der Wohnraumförderung“ geleistet worden ist, wie das nach der Gesetzesbegründung angestrebt worden ist.3 Auch ist die (fehlende) gesetzliche Festschreibung einer Untergrenze für Fördermittel4 nicht zu erörtern. Finanzverfassungsrechtlich hätte sie ohnehin nur die Festigkeit einer politischen Absichtserklärung. Der Haushaltsgesetzgeber ist daran nicht gebunden.

* Unveröffentlichtes Gutachten für den Rechnungshof Nordrhein-Westfalen vom 3. April 2010. 1 Gesetz zur Auflösung der Wohnungsbauförderungsanstalt Nordrhein-Westfalen (Wfa-Auflösungsgesetz), erlassen als Artikel 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen, zur Steigerung der Fördermöglichkeiten der NRW.BANK und zur Änderung anderer Gesetze vom 8. Dezember 2009, GV.NW, S. 771. 2 Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung vom 10. Juni 2009, LTDrucks. 14/9394, S. 68–71; öffentliche Anhörung in der gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für Bauen und Verkehr und des Haushalts- und Finanzausschusses am 3. September 2009, APr 14/935; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bauen und Verkehr vom 30. November 2009, LT-Drucks. 14/10158, S. 5. 3 Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung vom 10. Juni 2009, LTDrucks. 14/9394, S. 1. 4 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bauen und Verkehr vom 30. November 2009, LT-Drucks. 14/10158, S. 6 f., 9 f.

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b) Rechtsstellung der NRW.BANK aa) Einrichtung zur Erfüllung eines staatlichen Auftrags Die NRW.BANK ist ein Kreditinstitut, das als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts des Landes Nordrhein-Westfalen organisiert ist, § 1 NRW.BankG. Das Gesetz hat als einzigen Zweck der Anstalt statuiert, dass sie das Land und seine kommunalen Körperschaften bei der „Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben“ zu unterstützen habe. Dieser Zweck der Bank wird ausdrücklich als „staatlicher Auftrag“ bezeichnet. Da diese Formulierung ungewöhnlich ist, kann davon ausgegangen werden, dass sie mit Bedacht verwendet worden ist. Die gewählte Formulierung ist aus der Entstehungsgeschichte der Bank zu erklären. Die Bank ist im Zuge der Neuorganisation der alten Westdeutschen Landesbank, Anstalt des öffentlichen Rechts, entstanden. Sie ist auf Druck der EUKommission erfolgt. Während es der ebenfalls neu geschaffenen Westdeutschen Landesbank AG erlaubt bleiben sollte, Geschäfte im Wettbewerb mit anderen Kreditinstituten durchzuführen, musste die NRW.BANK auf die Erfüllung staatlicher Aufgaben beschränkt werden. Andernfalls hätte die Gefahr bestanden, dass die in § 4 Abs. 2 NRW.BankG begründete Anstaltslast und die in § 4 Abs. 3 NRW.BankG angeordnete Gewährträgerhaftung europarechtlich (erneut) als verboten oder zumindest kontrollunterworfene Beihilfe gewertet worden wären.5 In der sogenannten Verständigung II war ausdrücklich vereinbart worden, dass die dort im Einzelnen abschließend umschriebenen zulässigen Förderaufgaben auch in den einschlägigen Regelwerken konkret zu beschreiben seien. Die Erfüllung der dort genannten staatlichen Aufgaben kann nicht im Wettbewerb erfolgen. Die NRW.BANK ist dementsprechend nicht als Wettbewerbsunternehmen konzipiert. Zur Erfüllung von Aufgaben im Wettbewerb dient die Westdeutsche Landesbank AG oder allenfalls eigenständige (Tochter-)Unternehmen.6 Die Landesregierung hat es für „zwingend erforderlich“ gehalten, dass die Vorgaben der Verständigung II „präzise eingehalten“ werden und die danach zulässigen Aufgaben abschließend im Gesetz genannt werden.7 5 Auffassung der Kommission, dass Anstaltslast und Gewährträgerhaftung als eine Beihilferegelung anzusehen sind, Schreiben vom 08.05.2001, SG (2001) D/288482. Die daraufhin erfolgten Verständigungen sind im Schreiben der Europäischen Kommission vom 27.03.2002 niedergelegt (Verständigung I, S. 6; Verständigung II, S. 10) – C(2002) 1286. In der Verständigung I hatten sich die EU-Kommission und die Bundesregierung dahingehend geeinigt, dass bei den Sparkassen und Landesbanken die Gewährträgerhaftung vollständig und die Anstaltslast weitgehend abgeschafft werden (S. 6 f.). 6 Gesetz zur Umstrukturierung der Landesbank Nordrhein-Westfalen zur Förderbank des Landes Nordrhein-Westfalen und zur Änderung anderer Gesetze, Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drucks. 13/4578, S. 2, 27, 31: Umwandlung der Westdeutschen Landesbank Girozentrale „mit dem verbliebenen Wettbewerbsgeschäft“ in die WestLB AG. 7 LT-Drucks. 13/4578, S. 2, 27.

2. Prüfung der NRW.BANK durch den Landesrechnungshof

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bb) Die Einbindung in die Verwaltung Die NRW.BANK ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie ist damit „ein Stück öffentlicher Verwaltung“8. Auch wenn es – in seltenen Fällen – körperschaftlich strukturierte Anstalten gibt9, ist die Anstalt des öffentlichen Rechts ein Instrument in der Hand ihres Trägers zur Erfüllung von Verwaltungszwecken.10 Die Instrumentalfunktion der Anstalt ergibt sich auch schon aus der klassischen Definition von Otto Mayer: „Die öffentliche Anstalt ist ein Bestand von Mitteln, sachlichen und persönlichen, welche in der Hand eines Subjektes öffentlicher Verwaltung einem bestimmten öffentlichen Zwecke dauernd zu dienen bestimmt sind.“11 Wichtig ist in dem hier maßgebenden Zusammenhang, dass sie nur in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung Aufgaben erfüllen darf. Das bedeutet, dass die Letztentscheidungsbefugnis bei dem Verwaltungsträger, also bezogen auf die NRW.BANK, bei dem zuständigen Minister liegen muss. Weiter ist wichtig, dass ihr nur Aufgaben übertragen werden können, die in die Zuständigkeit und Befugnis des Trägergemeinwesens fallen.12 Selbst eine körperschaftlich strukturierte Anstalt ist rechtlich ihrem Trägergemeinwesen zuzurechnen. Die Eingliederung in die öffentliche Verwaltung ist „für den Anstaltsbegriff unerlässlich“.13 Die organisatorische Verselbständigung der Sparkassen wird mit dem von Art. 28 Abs. 2 GG geschützten gewachsenen Leitbild gerechtfertigt.14 Unabhängig davon, ob diese Begründung tragfähig ist, kann sie jedenfalls nicht auf die NRW.BANK übertragen werden. Für sie gilt Art. 28 Abs. 2 GG nicht, und es gibt auch kein historisch gewachsenes Leitbild. Im Gegenteil sollte sie Teil eines grundlegenden organisatorischen Neubeginns staatlicher Banken in NordrheinWestfalen sein. Auch wenn die Kautelarjurisprudenz zunehmend versucht hat, gesellschaftsrechtliche Vorstellungen in das Organisationsrecht von Anstalten des öffentlichen Rechts einzubringen, sind diese Ansätze bei neutraler Betrachtung rechtlich fragwürdig. Das gilt vor allem auch im Hinblick auf die vielfältigen Bemühungen, private Kapitalbeteiligungen an den Banken, die als Anstalten des öffentlichen 8 Allgemein für die Anstalt des öffentlichen Rechts Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 503. 9 Gegen die Möglichkeit mitgliedschaftlicher Strukturen aber deutlich Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 496. 10 Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 53: Die öffentliche Anstalt ist „die Vereinigung sächlicher und persönlicher Mittel in den Händen der Verwaltung zur Erfüllung bestimmter Verwaltungszwecke“. 11 Mayer, Verwaltungsrecht II, 1. Auflage, S. 318. 12 Siekmann, NWVBl. 1993, S. 361 (366 f.); Burmeister/Becker, Fusion, S. 15 f., 21 f.; Becker, Vernetzung, S. 244 f. 13 Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 502. 14 Stellungnahme Mayen zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung aufsichtsrechtlicher, insbesondere sparkassenrechtlicher Vorschriften (LT-Drucks. 14/6831), Stellungnahme 14/2074 vom 8. September 2008, S. 4.

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Rechts organisiert sind, zu ermöglichen. Die mitgliedschaftlichen Rechte, die den Kapitalgebern im Gesellschaftsrecht zustehen, sind grundsätzlich nicht mit den verwaltungsorganisationsrechtlichen Leitungsbefugnissen des oder der Anstaltsträger und dem unverzichtbaren öffentlichen Auftrag zu vereinbaren.15 Die angestrebte Verbindung von Flexibilität des Gesellschaftsrechts mit den Privilegien, die öffentlich-rechtliche Einrichtungen wegen ihrer spezifischen gemeinwohlfördernden Funktion zu Recht genießen, ist aus Sicht des öffentlichen Rechts nicht hinnehmbar. Schon aus Kompetenzgründen ist es zumindest dem Landesrecht verwehrt, eine Kapitalgesellschaft des öffentlichen Rechts zu schaffen.16 Diese Eckpunkte gilt es stets bei der Beurteilung von Einzelfragen, welche die NRW.BANK betreffen, zu beachten. cc) Leitung und Überwachung Die NRW.BANK unterliegt der Aufsicht durch das Innenministerium. Sie wird im Einvernehmen mit dem für das Wohnungswesen zuständigen Ministerium ausgeübt, soweit sie die soziale Wohnraumförderung betrifft. Diese Aufsicht soll sich darauf erstrecken, „dass die Tätigkeit der NRW.BANK im Einklang mit Gesetz und Recht steht“, § 11 Abs. 1 NRW.BankG. Die Frage der Fachaufsicht ist im Gesetz nicht eindeutig angesprochen. Es sieht allerdings eine Überwachung der Geschäftsführung durch den Verwaltungsrat vor, § 9 Abs. 1 NRW.BankG. Die Zuständigkeiten des Verwaltungsrates sind im Einzelnen beispielhaft in § 9 Abs. 2 NRW.BankG aufgeführt. Auch legt das Gesetz fest, in welchen Fällen der Vorstand der Bank der Zustimmung des Verwaltungsrates bedarf, § 9 Abs. 3 NRW.BankG. Hinzu kommen weitere organisatorische Regelungen für den Verwaltungsrat. Auch wenn diese Regelungen einige Anklänge an das Aktienrecht zeigen, darf nicht verkannt werden, dass Vorstand und Verwaltungsrat der Anstalt eine grundsätzlich andere Funktion zukommt als Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft. Der Wortlaut von § 11 Abs. 1 NRW.BankG muss wohl so verstanden werden, dass sich die Aufsicht auf eine Rechtsaufsicht beschränken soll. Das Bundesverwaltungsgericht hat die vergleichbare Formulierung in § 115 Abs. 1 HandwO ohne weitere Diskussion ebenfalls in diesem Sinne verstanden und wörtlich ausgeführt: „Die Aufsicht umfasst die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Handelns der beaufsichtigten Körperschaft, nicht deren Zweckmäßigkeit, ist also eine Rechtsaufsicht und keine Fachaufsicht [. . .]“.17 15 Siekmann, NWVBl. 1993, S. 361 (370); Becker, Vernetzung, S. 250–254. Forsthoff leitet dieses Ergebnis bereits aus dem Wesen der Anstalt ab: „Da sie nicht über Mitglieder verfügt [. . .]“ (Verwaltungsrecht, S. 496). Gesellschafter eines Unternehmens, das als Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert ist, kann es danach nicht geben. 16 Siekmann, NWVBl. 1993, S. 361 (369); Becker, Vernetzung, S. 270; ders., DÖV 2005, S. 97 (103). 17 BVerwGE 98, 163 (173).

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dd) Fachweisungsbefugnis Anders als den Handwerkskammern ist der NRW.BANK aber nicht das Recht der Selbstverwaltung verliehen worden; auch nicht einfachgesetzlich. Sie ist also keine Einrichtung der (funktionalen) Selbstverwaltung, die zumindest in Grenzen verfassungsrechtlich anders zu beurteilen sein mag.18 Sie steht auch nicht im Wettbewerb und darf auch kein Wirtschaftsunternehmen sein, das sich an der Gewinnerzielung orientiert. Ob das Recht der Europäischen Union auch eine andere Ausrichtung zulassen würde, bedarf angesichts der eindeutigen einfachgesetzlichen Ausgestaltung keiner weiteren Erörterung. Die Unabhängigkeit von Fachweisungen ist aber verfassungsrechtlich nur in eng begrenzten Sonderfällen zulässig, die hier nicht gegeben sind.19 Für eine Einrichtung des Verwaltungsrechts, die eine staatliche Aufgabe zu erfüllen hat und auch nicht als Wettbewerbsunternehmen tätig sein darf, ist die Schaffung aufsichts- und kontrollfreier Räume schon im Grundsatz außerordentlich fragwürdig. Das parlamentarisch verantwortliche Regierungsmitglied muss sich jederzeit und in jeder Angelegenheit informieren können und muss die Rechtsmacht haben, seinen Willen in der nachgeordneten Einheit durchzusetzen; entweder durch entsprechendes Stimmgewicht in den Organen der Einheit oder durch die Befugnis, Weisungen im Einzelfall zu erteilen.20 „Ministerialfreie Räume“ sind auch im Bereich der leistenden, der „fürsorgenden“ Verwaltung grundsätzlich unzulässig.21 Dabei bedarf es hier keiner Vertiefung, ob die Schaffung wei18 Eingehende Darstellung der verfassungsrechtlichen Anforderungen bei Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 245 ff., speziell zur demokratischen Legitimation: S. 342 ff. 19 Mayen, Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Umstrukturierung der Landesbank Nordrhein-Westfalen zur Förderbank des Landes Nordrhein-Westfalen und zur Änderung anderer Gesetze, Landtag Nordrhein-Westfalen (Drucksache 13/4578), Landtag Nordrhein-Westfalen, Zuschrift 13/3740, S. 7: „Von dem Grundsatz der Weisungsgebundenheit dürfen nur in engen Grenzen Ausnahmen gemacht werden. Diese Ausnahmen betreffen Fälle geringer politischer Tragweite, Fälle, in denen zwingende verfassungsrechtliche Gegengründe eine Weisungsfreiheit gebieten und Fälle mit geringer Eingriffsintensität“; „[. . .] kommt eine Einschränkung dieser verfassungsrechtlichen Grundsätze nicht Betracht. Insbesondere greift auch nicht der Gedanke der funktionalen Selbstverwaltung“ (S. 8). 20 Eingehend Gersdorf, Unternehmen, S. 189 f., 195; ferner VerfGH NW, NWVBl. 1997, S. 333 (338) für Braunkohleplan. 21 Forsthoff kommt zu ähnlichen Ergebnissen, allerdings ohne den Bezug zum Demokratieprinzip. Er unterscheidet zwischen Daseinsvorsorge und gewerblicher Betätigung. Nur die Daseinsvorsorge könne „Gegenstand der Anstaltsverwaltung sein“. Ausgeschlossen sei die „konkurrierende Beteiligung am Wirtschaftsleben“ (Verwaltungsrecht, S. 502). Auch wenn die Verwaltungspraxis sich zum Teil anders entwickelt hat, ist angesichts der Erfahrungen der Vergangenheit unbedingt angezeigt, diesen Grundlagen im Bereich der Banken in staatlicher, einschließlich kommunaler Trägerschaft, wieder zu beachten: Eine staatliche Bank darf nur dann als Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert werden, wenn sie der Daseinsvorsorge dient. Wenn sie sich als Wettbewerber am Wirtschaftsleben beteiligt, muss sie als Privatrechtssubjekt organisiert werden.

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sungsfreier Räume durch das Sparkassenrecht tatsächlich mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar sind.22 Die NRW.BANK ist keine Sparkasse und erfüllt auch nicht Funktionen wie eine Sparkasse. Indem Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG anordnet, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, muss grundsätzlich auch die leistende Tätigkeit des Staates diesen Anforderungen genügen. Die Erfüllung öffentlicher oder gar staatlicher Aufgaben bedarf der demokratischen Legitimation. Hinzu kommt die Erforderlichkeit unmittelbarer parlamentarischer Kontrolle, die ebenfalls aus dem Demokratieprinzip, aber auch aus dem Gewaltenteilungsprinzip abzuleiten ist. Klar abgegrenzte Einzelanforderungen an die personelle oder die sachlich-inhaltliche Legitimation werden durch das Demokratiegebot aber nicht vorgegeben. Vielmehr dürfte ausreichen, dass im Zusammenspiel der einzelnen Legitimationsstränge ein ausreichendes Legitimationsniveau insgesamt verwirklicht wird.23 Während die personelle Legitimation durch die unmittelbare oder mittelbare Wahl der Personen gewährleistet werden kann, die hoheitliche Befugnisse ausüben, mag die sachlich-institutionelle Legitimation durch externe Aufsicht, interne Kontrollen oder enge normative Steuerung der verselbständigten Einrichtungen erreicht werden.24 Ein umfassendes Informationsrecht der Aufsichtsbehörde ist in § 11 Abs. 3 NRW.BankG statuiert. Im Übrigen ist die Aufsicht über die Bank und ihre Leitung stark dem Recht der Aufsicht über Kommunalkörperschaften angenähert. Das ist aber im Grundansatz verfehlt, da diese über eine eigenständige, verfassungsrechtlich abgesicherte demokratische Legitimation verfügen. Der Vorstand der NRW.BANK besitzt jedenfalls keine hinreichende eigene demokratische Legitimation. In dieser Situation ist es verfassungsrechtlich geboten, dass das Volk „maßgeblichen Einfluss“ auf das verbindliche „Handeln mit Entscheidungscharakter“ behält.25 Es muss seinen Willen auch im Einzelfall durchsetzen können. Regelmäßig geschieht dies über die Vertreter der Träger der Anstalt, die demokratisch legitimiert sind.26 Das gilt vor allem, wenn die Entscheidungsträger der Anstalt nur über eine schwache personelle demokratische Legitimation verfügen. Eine bloße Rechtsaufsicht reicht dazu jedenfalls nicht aus, vor allem

22 Es ging um die Umstände der Verabschiedung des Sparkassendirektors und nicht um riskante geschäftliche Aktivitäten des Instituts. Dennoch ist die Unbedingtheit mit der der VGH Mannheim Weisungsfreiheit und Abschottung von Informationsansprüchen gegenüber dem haftenden Trägergemeinwesen angenommen hat, mehr als befremdlich. Art. 20 GG ist nicht behandelt (NVwZ-RR 1990, S. 320 [321]). Das Bundesverwaltungsgericht billigte die Nichtzulassung der Revision mit einigen vordergründigen Floskeln (ebda., S. 322). 23 BVerfGE 83, 60 (72). 24 Heusch, in: Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, Abschnitt M, Rn. 8 ff. 25 BVerfGE 107, 59 (94). 26 Gersdorf, Unternehmen, S. 189.

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da es sich bei der NRW.BANK nicht um eine Einrichtung der funktionalen Selbstverwaltung handelt. Schon die Einrichtung eines Verwaltungsrates, dem Arbeitnehmervertreter angehören (§ 8 Abs. 1 lit. g NRW.BankG), ist als solche daher nicht unproblematisch. Immerhin ist er so zusammengesetzt, dass die Vertreter der demokratisch legitimierten Trägergemeinwesen die eindeutige Mehrheit haben.27 Das mag für die Erfüllung verfassungsrechtlicher Anforderungen genügen, wenn noch weitere Elemente hinzukommen, die dafür sorgen, dass insgesamt das erforderliche „Legitimationsniveau“ gesichert ist. Entscheidend ist nicht die Form der demokratischen Legitimation, sondern deren Effektivität, die in einer Gesamtschau zu ermitteln ist.28 Das Beanstandungsrecht, so wie es in § 11 Abs. 4 Satz 2 NRW.BankG konzipiert ist, reicht dafür aber nicht aus, da es auf reine Rechtsverstöße beschränkt ist. Die Möglichkeiten einer Ersatzvornahme nach § 11 Abs. 5 NRW.BankG genügen ebenfalls nicht, da sie das Vorliegen von Rechtsverstößen voraussetzen. Die Genehmigungserfordernisse nach § 11 Abs. 6 NRW.BankG wirken nur punktuell und lassen weite aufsichtsfreie Räume. Vor allem erfassen sie nicht die (potentiell) für die Gewährträger existenzbedrohenden Risiken aus den Geschäften der Bank nach § 4 Abs. 4 Satz 1 NRW.BankG. Im Ergebnis bestehen daher erhebliche Bedenken, ob die Ausgestaltung der Aufsicht über die NRW.BANK den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. 2. Die Vorgaben des einfachen Landesrechts für die Prüfung durch den Rechnungshof Die Beantwortung verschiedener Fragen, die gestellt worden sind, hängt maßgebend davon ab, ob das einfache Landesrecht so zu verstehen ist, dass der Landesrechnungshof die NRW.BANK unmittelbar prüfen darf oder nicht. Es ist allgemein anerkannt, dass der Auftrag der Rechnungshöfe „umfassend angelegt“ ist.29 Schon nach den Vorschriften der Haushaltsordnungen von Bund und Ländern soll es „keine prüfungsfreien Räume“ geben.30 Damit ist nicht ge-

27 Damit ist zumindest das vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Prinzip der „doppelten Mehrheit“ (BVerfGE 93, 37 [67 f.]) erfüllt. 28 BVerfGE 83, 60 (72). Bei mangelnder personeller demokratischer Legitimation muss es aber ein umfassendes Evokations- und Letztentscheidungsrecht eines übergeordneten Organs geben (S. 74). 29 Vgl. nur BVerwG, DÖV 1996, S. 29 (30). 30 BVerwGE 98, 163 (170); 116, 92 (94); sinngemäß zuvor schon BVerwGE 82, 56 (60 f.) – psychiatrische Patientenakten; eingehend Haverkate, in: Festschrift GeneralRechenkammer, S. 197; Blasius/Stadtmann, DÖV 2002, S. 12 (15).

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meint, dass es tatsächlich keine ungeprüften Bereiche geben soll, sondern „dass es keine der Prüfung unzugänglichen Räume“ geben darf.31 Das gilt zunächst uneingeschränkt für die unmittelbare Landesverwaltung. Aber auch die „landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts“32 unterliegen grundsätzlich der Prüfung durch den Landesrechnungshof, § 111 Abs. 1 LHO. Diese Prüfung hat insoweit auch umfassend zu sein.33 Dem steht auch nicht entgegen, dass diese Einrichtungen möglicherweise eigene Haushaltspläne und Wirtschaftspläne außerhalb des zentralen Landeshaushalts aufstellen oder dass ihnen das Recht der Selbstverwaltung eingeräumt worden ist.34 Es war eines der zentralen Ziele der Haushaltsrechtsreform auch diesen Bereich der Prüfung zu unterwerfen.35 Das eigene Budgetrecht schließt nicht die Prüfung durch Rechnungshöfe aus. Die Körperschaften des öffentlichen Rechts sollten unabhängig davon, ob sie staatliche Zuwendungen erhalten, der Finanzkontrolle durch die Rechnungshöfe unterliegen.36 Dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich um ein Regelungssystem des einfachen (Haushalts-)Rechts handelt. Abweichungen durch Gesetz sollten davon zunächst einmal nicht erfasst werden.37 Dementsprechend existieren gesetzliche Sonderregeln für diejenigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die Unternehmen sind. Die Prüfung dieser Unternehmen durch den Landesrechnungshof ist in § 112 LHO speziell geregelt. Die NRW.BANK ist ausdrücklich in § 112 Abs. 2 LHO genannt. Allerdings enthält auch § 13 NRW.BankG Vorschriften für die Prüfung der NRW.BANK durch den Landesrechnungshof.

31

BVerwGE 116, 92 (94); Siekmann, in: Sachs, Art. 114 Rn. 29. Die Verwendung des Begriffs „landesunmittelbar“ dürfte ein Versehen sein, da wohl alle „landesrechtlichen“ juristischen Personen gemeint sind, vgl. Vogel, DVBl. 1970, S. 193 (198). 33 Weber, DÖH 1954, S. 27 (39); Haverkate, in: Festschrift General-Rechenkammer, S. 197 (205); für die Bundesebene: Siekmann, in: Sachs, Art. 114 Rn. 29; zust. Kube, in: Maunz/Dürig, Art. 114 Rn. 83 (2008). Daher ist zweifelhaft, dass Beteiligungsgesellschaften selbst nicht Prüfungsgegenstand sein können, so aber Hahn, ZUM 2001, S. 775 (777 f.); zurückhaltend auch Karehnke, DVBl. 1981, S. 173 (174), der aber zugleich beklagt, dass eine „Anzahl staatlicher Unternehmen [. . .] durch ihr Management selbst ,beherrscht‘“ werde (S. 175). 34 BVerwGE 98, 163 (170); zust. Stackmann, DVBl. 1996, S. 414 (417). 35 Dezidiert BVerwGE 98, 163 (170); Haverkate, in: Festschrift General-Rechenkammer, S. 197 (205); anders wohl Antweiler, NVwZ 2005, S. 168 (171): „Die Rechnungshöfe habe die Verwaltung zu kontrollieren, nicht den Zuwendungsempfänger.“ Zuwendungsempfänger seien nicht selbst Adressat der Prüfung durch die Rechnungshöfe, „sondern nur ,Erhebungsobjekt‘ für die Prüfung der Verwaltung“. Diese Exklusivität ist aber nicht in § 91 BHO/LHO angelegt; vgl. aber auch Fröhler/Kormann, GewArch 1984, S. 1 (6 ff.). 36 Stackmann, DVBl. 1996, S. 414 (415). 37 BVerwGE 98, 163 (172). 32

2. Prüfung der NRW.BANK durch den Landesrechnungshof

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a) Die Landeshaushaltsordnung aa) Unklarer Ausganspunkt § 112 Abs. 2 Satz 1 LHO sieht durch Verweisung auf § 111 LHO vor, dass auch Unternehmen in der Rechtsform einer landesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts durch den Landesrechnungshof zu prüfen sind. Die Prüfung erfolgt umfassend und erstreckt sich auf das gesamte Finanzgebaren.38 Die NRW.BANK erfüllt diese Voraussetzungen. Sie wäre danach der Prüfung unterworfen. Allerdings nimmt Satz 2 von § 112 Abs. 2 LHO die NRW.BANK ausdrücklich von dieser Rechtsfolge aus. Diese Vorschrift ist in Fortführung einer Regelung für die Westdeutsche Landesbank – Girozentrale durch das NRW.BankG eingeführt worden, obwohl der sachliche Grund für die Ausnahmeregelung, Unternehmen im Wettbewerb, für die NRW.BANK nicht zutrifft. Der Wortlaut der Vorschrift ist auf den ersten Blick auch so klar und eindeutig, dass eine teleologische Reduktion kaum möglich erscheint. Bei näherer Betrachtung ist jedoch zu erkennen, dass der Regelungsgehalt von § 112 Abs. 2 Satz 1 LHO mitnichten eindeutig ist. Von maßgebender Bedeutung für die hier zu beantwortenden Fragen ist die Verweisung auf § 111 Abs. 1 LHO. Die Vorschrift enthält die Grundregel zur Rechnungsprüfung: umfassende Prüfung der „landesunmittelbaren“ juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Wenn § 112 Abs. 2 Satz 1 LHO für öffentliche Unternehmen auf diese Grundregel verweist, könnte es sich um eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgenverweisung handeln. Die Regelung könnte konstitutiv sein oder bloß klarstellende Funktion haben. Beide Fragestellungen überschneiden sich, sind aber nicht deckungsgleich. bb) Deutungsmöglichkeiten Gegen die Deutung als Rechtsfolgenverweisung spricht, dass das Gesetz ausdrücklich eine „unmittelbare“ und nicht nur eine „entsprechende“ Anwendung anordnet. Damit ist aber noch nicht die hier maßgebende Frage beantwortet, was gilt, wenn § 112 Abs. 2 Satz 1 LHO nicht anzuwenden ist. Das hängt vom genauen Regelungsgehalt von § 112 Abs. 2 Satz 1 LHO ab. Er könnte darin bestehen, dass eine Prüfung durch den Landesrechnungshof unabhängig von der Höhe der Beteiligung des Landes zu erfolgen habe. Ob eine solche Regelung konstitutiv oder deklaratorisch ist, bedarf in diesem Zusammenhang keiner weiteren Vertiefung. Wenn die dort getroffenen Regelungen für die öffentlichen Unternehmen in Privatrechtsform auch auf öffentliche Unternehmen des öffentlichen Rechts anzuwenden sein sollten, wäre die Regelung konstitutiv. Wenn aber Teil VI der Landeshaushaltsordnung, der die landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts insgesamt regelt und nicht nur ihre 38

Volino, GewArch 2010, S. 72 (72).

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IV. Finanzinstitute

Prüfung durch den Rechnungshof, als abschließende Sonderregelung anzusehen ist, kann die Vorschrift insoweit nur deklaratorische Bedeutung haben. Schon die Grundregel des § 111 Abs. 1 LHO würde eine umfassende Prüfung auch der öffentlichen Unternehmen sicherstellen. Der klare Wortlaut der §§ 92, 104 LHO schließt ihre Anwendung auf öffentlich-rechtliche Unternehmen des Landes aus, so dass in jedem Fall die Höhe der Beteiligung keine Rolle für die Prüfung dieser Unternehmen spielt. Im Ergebnis hätte die Prüfung auch ohne § 112 Abs. 2 Satz 1 LHO unabhängig von der Höhe der Beteiligung zu erfolgen. § 112 Abs. 2 Satz 1 LHO könnte aber auch so zu deuten sein, dass er überhaupt erst die Anwendung von § 111 LHO auf öffentliche Unternehmen des öffentlichen Rechts anordnet. Dagegen spricht aber zunächst der Wortlaut von § 111 LHO, der Regelungen für alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts enthält und nicht etwa öffentliche Unternehmen ausnimmt. Auch wäre eine solche Deutung kaum mit der unmittelbaren und nicht nur entsprechenden Anwendung, die § 112 Abs. 2 Satz 1 LHO vorsieht, zu vereinbaren. Danach hätte die Regelung insoweit nur die Funktion einer Klarstellung. Sie wäre rein deklaratorisch. Der Ausschluss ihrer Anwendung auf die NRW.BANK in Satz 1 würde in der Sache nichts ändern. Es ist aber fraglich, ob eine solche enge Sicht dem Anliegen des Gesetzgebers gerecht wird. § 112 Abs. 2 Satz 2 LHO könnte aber auch als gesetzliches Verbot der Prüfung verstanden werden. Die anderslautende Regelung in § 13 NRW.BankG wäre damit aber kaum zu vereinbaren. Angesichts der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ist aber auch denkbar, dass schlicht ein gesetzgeberisches Versehen vorliegt. cc) Zwischenergebnis Eine Auslegung, nach der lediglich die Geltung von § 111 LHO für die NRW.BANK durch § 112 Abs. 2 Satz 2 LHO ausgeschlossen, eine anderweitige Regelung aber nicht versperrt werden sollte, vermeidet Brüche und Widersprüche. Bei dieser Deutung wäre die Frage nach der Prüfung der NRW.BANK offen geblieben und könnte widerspruchsfrei anderweitig geregelt werden. Diese Lösung ermöglicht noch am besten eine einigermaßen konsistente Beantwortung der gestellten Fragen. Ihr ist daher zu folgen. b) Das Gesetz über die NRW.BANK aa) Prüfungsbefugnis des Landesrechnungshofs Nach § 13 Abs. 1 NRW.BankG prüft der Landesrechnungshof die Führung der Geschäfte der NRW.BANK im Zusammenhang mit der bestimmungsgemäßen Verwendung aller Fördermittel (Landesmittel und Eigenmittel der NRW.BANK). Nach § 13 Abs. 2 NRW.BankG erstreckt sich diese Prüfung auch auf die Beteili-

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gungen der Bank, soweit sie nicht im Wettbewerb stehen. Dieser Regelung ist zunächst einmal zu entnehmen, dass die Geschäfte der Bank der Prüfung durch den Landesrechnungshof unterliegen. Der Rechnungshof ist also durch diese Vorschrift nicht grundsätzlich von der Prüfung ausgeschlossen. Allerdings enthält § 13 Abs. 1 NRW.BankG die Einschränkung, dass nur solche Geschäfte der Prüfung durch den Landesrechnungshof unterliegen, die „im Zusammenhang mit der bestimmungsgemäßen Verwendung aller Fördermittel“ stehen. Bei welchen Geschäften ein solcher „Zusammenhang“ anzunehmen ist, bedarf näherer Untersuchung. Die Bank hat den „staatlichen Auftrag“, das Land und seine kommunalen Körperschaften bei der Erfüllung „ihrer Aufgaben“ zu „unterstützen“, § 3 Abs. 1 Satz 1 NRW.BankG. Sie hat daher lediglich eine dienende Funktion. Das Gesetz legt auch fest, in welchen Bereichen die Bank tätig werden darf, § 3 Abs. 2 NRW.BankG. Die Aufzählung dieser Bereiche enthält keine Öffnungsklausel und ist abschließend.39 Das Gesetz legt auch verbindlich fest, auf welche Art und Weise die Bank das Land und seine kommunalen Körperschaften bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen hat: Sie hat „Fördermaßnahmen [. . .] durchzuführen und zu verwalten“. Die Beschränkung auf Fördermaßnahmen ist verbindlich. Andere Handlungsmodalitäten oder gar ein Wahlrecht der Anstaltsleitung zur Bestimmung der Modalitäten der Aufgabenerfüllung sind nicht vorgesehen, § 3 Abs. 1 Satz 1 NRW.BankG. Im Ergebnis darf die NRW.BANK lediglich als Förderbank tätig werden.40 Allerdings könnte § 13 Abs. 1 NRW.BankG aber auch so verstanden werden, dass nur die kassenmäßige Abwicklung der Fördermaßnahmen der Prüfung unterliegen soll. Der Wortlaut spricht dagegen. Wenn das gewollt gewesen sein sollte, wäre es ein Leichtes gewesen, eine solche Einschränkung unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, zumal die Prüfung der Bank durch den Landesrechnungshof im Gesetzgebungsverfahren ein wichtiges Thema gewesen ist. Die dazu angehörten Sachverständigen haben eine umfassende Kontrolle durch den Landesrechnungshof gefordert.41 Daraufhin ist § 13 NRW.BankG überhaupt erst 39 Begründung des Regierungsentwurfs, LT-Drucks. 13/4578, S. 2, 27; Mayen, Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Umstrukturierung der Landesbank Nordrhein-Westfalen zur Förderbank des Landes Nordrhein-Westfalen und zur Änderung anderer Gesetze, Landtag Nordrhein-Westfalen (Drucksache 13/4578), Landtag Nordrhein-Westfalen, Zuschrift 13/3740, S. 2. 40 Begründung des Regierungsentwurfs, LT-Drucks. 13/4578, S. 1, 27 f., 29. 41 Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen, Landtag Nordrhein-Westfalen, Vorlage 13/2453, S. 2; Vorlage 13/2527, S. 12; Siekmann, Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Umstrukturierung der Landesbank Nordrhein-Westfalen zur Förderbank des Landes Nordrhein-Westfalen und zur Änderung anderer Gesetze, Landtag Nordrhein-Westfalen, Zuschrift 13/3744, S. 15; Protokoll der 76. Sitzung des Haushalts- und Finanzausschus-

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in das Gesetz eingefügt worden. Wenn also nur eine eng begrenzte Kontrolle gewollt gewesen sein sollte, bestand hinreichender Grund, das deutlich im Gesetz zum Ausdruck zu bringen. bb) Pflicht zur Prüfung durch Wirtschaftsprüfer Möglicherweise ergeben sich aber Einschränkungen durch die Regeln über die Prüfung durch Wirtschaftsprüfer. Es ist zu untersuchen, ob sie ganz oder teilweise die Rechnungshofskontrolle verdrängen; entweder als höherrangiges oder als spezielleres Recht. In Betracht kommen zunächst die handelsrechtlichen Vorschriften, die als Bundesrecht im Konfliktfall Vorrang haben. Nach § 340a HGB haben Kreditinstitute, auch wenn sie nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben werden, einen Jahresabschluss nach den Vorschriften für große Kapitalgesellschaften aufzustellen. Dieser Jahresabschluss muss nach § 316 Abs. 1 HGB durch einen Abschlussprüfer geprüft werden. Auch ein Konzernabschluss ist einer solchen Prüfung zu unterziehen, § 316 Abs. 2 HGB. Eine verdrängende Sonderregelung als lex specialis könnte § 10 NRW.BankG sein, der ebenfalls eine Prüfung des Jahresabschlusses durch Wirtschaftsprüfer vorsieht. Die Jahresabschlussprüfung durch Wirtschaftsprüfer ist gegenständlich enger gefasst als die Kontrolle durch Rechnungshöfe. Unter Einbeziehung der Buchführung sind Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung daraufhin zu prüfen, ob die gesetzlichen Vorschriften und sie ergänzende Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages und der Satzung beachtet worden sind, § 317 Abs. 1 Satz 2 i.V. m. § 242 Abs. 3 HGB. Es wird geprüft, ob die Eintragungen in den Büchern vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen worden sind, § 239 Abs. 2 HGB. Diese Prüfung ist im Wesentlichen nur formaler Natur. Das gilt auch für die Prüfung des Lageberichts, § 317 Abs. 2 HGB. Im Kern geht es dort um die Frage, ob die Lage des Unternehmens und die Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind. Es wird geprüft, ob der Jahresbericht ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmen vermittelt, § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB. Die Prüfung erstreckt sich dagegen nicht auf die allgemeine Geschäftsführung des Unternehmens.42 Die Prüfung durch Wirtschaftsprüfer umfasst vor allem keine Wirtschaftlichkeitskontrolle. Diese ist aber ein Kernstück der Finanzkontrolle durch die Rechnungshöfe. Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Verf. NRW ordnet im Einklang mit Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG ausdrücklich an, dass der Rechnungshof nicht nur die Ordses am 13. Februar 2004, Ausschussprotokoll 13/1143, S. 2 (Präsidentin des Landesrechnungshofs Scholle), S. 8 (Siekmann), S. 10, 18, 23 f. (Scholle), S. 54 f. (Siekmann). 42 Hopt/Merkt, in: Baumbach/Hopt/Merkt, Handelsgesetzbuch, § 317 Rn. 5.

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nungsmäßigkeit, sondern auch die Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu prüfen hat. Die Wirtschaftlichkeitskontrolle, die umfassend angelegt sein muss, unterscheidet sich schon von ihrem theoretischen Ansatz her deutlich von der Ordnungsmäßigkeitsprüfung, die eher der Prüfung durch Wirtschaftsprüfer entspricht. Hinzu kommt Folgendes: Die Rechnungshofskontrolle erfolgt durch staatliche Institutionen, die von Verfassungs wegen Unabhängigkeit genießen; entweder weil die Unabhängigkeit der Institution garantiert ist oder weil ihren Mitgliedern (richterliche) Unabhängigkeit verliehen worden ist.43 Demgegenüber sind Wirtschaftsprüfer bezahlte Auftragsnehmer des zu prüfenden Unternehmens. Auch zeigen die Erfahrungen der Praxis, dass die Prüfung durch Wirtschaftsprüfer unbedingt notwendig, aber durchaus nicht hinreichend ist, um allfällige Gefahren oder Verschwendungen aufzudecken.44 Selbst bei den Prüfungen, die von staatlichen Einrichtungen bei Wirtschaftsprüfern in Auftrag gegeben werden, ist nicht sicher, dass sie tatsächlich mit dem Ausmaß an kritischer Distanz und Durchsetzungsvermögen durchgeführt werden, das erforderlich ist, um wesentliche Risiken aufzudecken.45 Die Abschlussprüfung durch Wirtschaftsprüfer und die Rechnungshofskontrolle sind nicht deckungsgleich. Stellung und Auftrag unterscheiden die Rechnungshöfe deutlich von den Wirtschaftsprüfern. Aber auch Erkenntnisinteresse, Fragestellung und Blickrichtung sind andersartig.46 Eine erschöpfende Regelung der Materie durch die handelsrechtlichen Vorgaben zur Prüfung des Jahresabschlusses und durch § 10 NRW.BankG kann daher nicht angenommen werden. Auch wäre die Regelung in § 13 NRW.BankG schwer verständlich, wenn § 10 NRW.BankG eine exklusive Prüfung durch Wirtschaftsprüfer hätte anordnen wollen. Namentlich seine nachträgliche Einfügung verbietet eine solche Annahme. Im Ergebnis verdrängt die Pflicht zur Prüfung durch Wirtschaftsprüfer nicht die Rechnungshofskontrolle. Im Gegenteil ist die Prüfung durch Wirtschaftsprüfer im öffentlichen Sektor sachlich ergänzungsbedürftig.47 43

Zusammenfassende Darstellung bei Stern, in: Finanzkontrolle, S. 11 (29–32). Einen kleinen Einblick gewähren die Tätigkeitsberichte der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung, die punktuell Rechenwerke überprüft, die von großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften testiert worden sind. Sie muss erhebliche Fehlerquoten selbst bei größeren Unternehmen und auch bei Finanzinstituten registrieren, zuletzt Jahresbericht 2009, S. 4 f. 45 Die Prüfung der Landesbank Sachsen Girozentrale durch eine Prüfungsgesellschaft im Auftrag der BaFin förderte zwar erhebliche Mängel zu Tage, erkannte aber nicht das ganze Ausmaß der Risiken für den Freistaat Sachsen, die in „special purpose vehicles“ (außerbilanziell) versteckt waren, vgl. Sächsischer Rechnungshof, Sonderbericht nach § 99 SäHO, Landesbank Sachsen Girozentrale, S. 43; ferner bereits Bank, DÖH Jg. 8 (1966/67), S. 204 (213–215). 46 Karehnke, DÖH Jg. 15 (1974), S. 146 (170); Blasius, NWVBl. 2000, S. 413 (414). 47 Vgl. Siekmann, in: Sachs, Art. 114 Rn. 29 m.w. N. in Fn. 73. 44

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cc) Zwischenergebnis Da der Bank nur die Durchführung und Verwaltung von Fördermaßnahmen erlaubt ist, haben die dabei getroffenen Entscheidungen zwangsläufig einen Bezug zur Verwendung von Fördermitteln. Wenn dieser Bezug fehlt, handelt es sich nicht um Geschäfte, welche die Bank durchführen darf. Der „Zusammenhang“ im Sinne von § 13 Abs. 1 NRW.BankG läge danach bei allen Geschäften der Bank vor, die sie zulässigerweise durchführt. Das hätte zur Folge, dass die gesamte Tätigkeit der Bank der Rechnungshofskontrolle unterliegen muss. c) Zwischenergebnis § 112 Abs. 2 LHO ist letztlich so zu deuten, dass er die Anwendung von § 111 LHO für die NRW.BANK ausschließt, aber die Frage nach der Prüfungsbefugnis des Landesrechnungshofs nicht abschließend beantwortet. Ihre Beantwortung hängt daher zunächst davon ab, welche Regelung als Grundfall angesehen wird: umfassende Prüfung von „landesunmittelbaren“ juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Prüfung außerhalb der engeren Landesverwaltung nur durch ausdrückliche Anordnung. Aus dem grundsätzlichen Verbot „prüfungsfreier Räume“ folgt, dass selbst Einrichtungen mit Selbstverwaltungsrecht der Prüfung unterliegen. Es bedarf insoweit keiner besonderen (gesetzlichen) Anordnung. § 112 Abs. 2 Satz 1 LHO ist dann so zu verstehen, dass er nicht ein Prüfungsrecht des Rechnungshofes für die selbständigen Einrichtungen begründet, sondern nur klarstellt, dass es auch für öffentliche Unternehmen als Personen des öffentlichen Rechts gilt. Wenn dieser Satz für die NRW.BANK nicht gilt, ändert das zunächst nichts an der (grundsätzlich) gegebenen Prüfungsbefugnis des Landesrechnungshofs. Allerdings sind anderslautende gesetzliche Anordnungen dadurch auch nicht ausgeschlossen. Eine abweichende gesetzliche Regelung ist in § 13 NRW.BankG enthalten. Die Vorschrift kann aber so ausgelegt werden, dass im Ergebnis kaum ein Bereich der Tätigkeit der NRW.BANK bleibt, der nicht der Prüfung unterliegt. Allerdings ist nicht sicher, ob diese Auslegung dem Willen des Gesetzgebers entspricht, da die Vorschrift nicht im Regierungsentwurf enthalten war. Letztlich ist es aber angezeigt, dass auch höherrangiges Recht bei der Auslegung des einfachen Rechts berücksichtigt wird. II. Frage 1: Kann § 112 LHO NW eine Prüfung des Landesrechnungshofs in Bezug auf die Betätigung des Finanzministeriums bezüglich der NRW.BANK einschränken? Einschränkungen der Prüfung durch das einfache Landesrecht, also die Landeshaushaltsordnung und das Gesetz über die NRW.BANK sind jedenfalls dann unwirksam, wenn sie gegen höherrangiges Recht verstoßen. In Betracht kommen

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nicht nur verfassungsrechtliche Vorgaben, sondern auch die Vorgaben des Haushaltsgrundsätzegesetzes. Die Regelungen in Teil II dieses Gesetzes gelten einheitlich und unmittelbar – auch für die Länder, § 49 HGrG. Nach Art. 31 GG gehen sie kollidierendem Landesrecht vor. Das gilt selbst für Landesverfassungsrecht.48 Sie sind deshalb an erster Stelle zu erörtern (1). Das Bankenaufsichtsrecht enthält ebenfalls Regelungen über die Prüfung von Kreditinstituten. Sie gelten auch für die NRW.BANK und gehen dem Landesrecht im Konfliktfall vor (2). Schließlich sind die Vorgaben der Landesverfassung für die Kontrolle der NRW.BANK durch den Rechnungshof zu untersuchen (3). Sie gelten unabhängig von den Vorgaben des Haushaltsgrundsätzegesetzes, dürfen ihm aber nicht widersprechen. Auch das Grundgesetz enthält Vorgaben für die Finanzkontrolle, Art. 114 Abs. 2. Sie beziehen sich aber nur auf den Bund und den Bundesrechnungshof. Sie sind deshalb für die Prüfung der NRW.BANK nicht maßgebend. Das schließt allerdings nicht aus, dass Rechtsprechung und Schrifttum zu dieser Vorschrift für eine entsprechende Beurteilung auf Landesebene nutzbar gemacht werden können. 1. Vorgaben des Haushaltsgrundsätzegesetzes Im Recht der Finanzkontrolle ist zu unterscheiden, ob die Haushalts- und Wirtschaftsprüfung einer Einheit geprüft wird oder ob die Prüfung nur „bei“ einer Einheit erfolgt. In der ersten Alternative erfolgt die Prüfung umfassend. In der zweiten Alternative erfolgt sie aus Anlass der Prüfung einer anderen Einheit, beispielsweise der unmittelbaren Landesverwaltung. Um die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Finanzgebarens dieser Einheit beurteilen zu können, kann es erforderlich sein, die Mittelverwendung bei einer außen stehenden Einheit zu untersuchen. Diese Prüfung ist begrenzt und darf nur soweit gehen, wie es erforderlich ist, um die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Verhaltens der Ursprungsverwaltung, im Beispiel: der Landesverwaltung, beurteilen zu können. Sie kann sich aber auch auf die „Betätigung“ des Trägergemeinwesens in dem Unternehmen erstrecken. Es ist im Zweifel verpflichtend auf das Beteiligungsunternehmen einzuwirken,49 möglicherweise aber nur unter der Voraussetzung, dass öffentliche Mittel dort eingebracht worden sind.50 Deshalb ist zunächst zu untersuchen, ob und in welchem Umfang eine Prüfung „der“ NRW.BANK durch Bundesrecht vorgeschrieben ist.

48 BVerfGE 96, 345 (364) unter Berufung auf BVerfGE 26, 116 (135); 36, 342 (363), wo das aber nicht ausdrücklich für das Landesverfassungsrecht steht; Huber, in: Sachs, Art. 31 Rn. 14. 49 Karehnke, DVBl. 1981, S. 173 (176). 50 Glauben, ZG 1997, S. 148 (158).

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a) Prüfung der NRW.BANK Die NRW.BANK ist rechtfähig, § 1 NRW.BankG. Damit ist sie eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Die maßgebenden Vorgaben für die Prüfung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts ergeben sich aus § 55 HGrG. aa) Prüfung juristischer Personen des öffentlichen Rechts Soweit eine juristische Person des öffentlichen Rechts vom Bund oder einem Land Zuschüsse erhält, die dem Grund oder der Höhe nach gesetzlich begründet sind, unterliegt ihre gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung der Prüfung durch die Rechnungshöfe, § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG. Diese Rechtsfolge tritt allerdings auch ein, wenn eine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung des Bundes oder des Landes besteht, § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG. Von dieser Grundregel ausgenommen sind lediglich Gebietskörperschaften und Gemeindeverbände sowie deren Zusammenschlüsse. Ebenfalls ausgenommen sind öffentlich-rechtlich organisierte Religionsgesellschaften. Die NRW.BANK fällt nicht unter eine dieser Ausnahmen. Deshalb kommt es darauf an, ob die NRW.BANK Zuschüsse vom Land erhält oder ob eine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung des Landes besteht. Auf die Aufsichtszuständigkeit des Landes kommt es dabei aber nicht an.51 (1) Zuschüsse Der Begriff des Zuschusses ist gesetzlich nicht definiert. Er dürfte aber zu den Zuwendungen im Sinne von § 14 HGrG und des im Wesentlichen wortgleichen § 23 LHO gehören. Zuwendungen können einmalig oder laufend gewährt werden. Keine Zuwendungen sollen Leistungen sein, auf die der Empfänger einen dem Grund und der Höhe nach unmittelbar durch Rechtsvorschriften begründeten Anspruch hat.52 Unmittelbar durch Gesetz begründete Ansprüche werden nicht von § 23 LHO erfasst.53 Mögliche Zahlungen aufgrund der Gewährträgerhaftung wären danach keine Zuschüsse. Allerdings ist zu überlegen, ob die Einbringung des Vermögens der Wohnungsbauförderungsanstalt in die Bank ein Zuschuss ist. Das kann bereits die ursprüngliche Begründung der teilrechtsfähigen Wohnungsbauförderungsanstalt innerhalb der NRW.BANK gewesen sein. Das kann aber auch die unbeschränkte Eingliederung des Vermögens der Wohnungsbauförderungsanstalt in die NRW.BANK

51 Eibelshäuser/Wallis, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Haushaltsrecht, § 55 Anm. 1 (1999). 52 So die Formulierung in 1.2.2 der VV-BHO zu § 23. 53 Giesen/Fricke, Haushaltsrecht, § 23 Rn. 3.

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durch Auflösung der Anstalt mit Wirkung vom 1. Januar 201054 geschehen sein. Dafür spricht, dass diese organisationsrechtliche Maßnahme wesentlich dadurch motiviert war, die wirtschaftliche Basis der Bank zu stärken. Ihre nach dem KWG und der Solvabilitätsverordnung limitierten Kreditgwährungsmöglichkeiten sollten durch die Zuführung von Eigenkapital erweitert werden.55 Das spricht dafür, sie als Zuschuss zu beurteilen und die Verwendung, aber auch die laufende Verwaltung dieses Vermögens durch den Zuwendungsempfänger, die NRW.BANK, durch den Rechnungshof prüfen zu lassen. Eine solche Sichtweise entspricht auch Sinn und Zweck der Vorschrift. Es wäre sehr problematisch, wenn beträchtliche Teile des Landesvermögens dadurch der Rechnungshofskontrolle entzogen werden könnten, dass sie in eine juristische Person des öffentlichen Rechts eingebracht werden, die nicht der Kontrolle durch den Landesrechnungshof unterliegt. Allerdings ist zu beachten, dass die Finanzstatistik zwischen „Zuweisungen“ und „Zuschüssen“ unterscheidet. Bei Zuweisungen handelt es sich um Finanztransfers innerhalb des öffentlichen Sektors, während es sich bei Zuschüssen um Finanztransfers zwischen öffentlichem Sektor und Privaten handelt.56 Die Finanzströme zwischen Land und NRW.BANK, wie auch immer sie geartet sind, bewegen sich ausschließlich im öffentlichen Sektor. Sie wären danach keine Zuschüsse. Das Haushaltsgrundsätzegesetz orientiert sich jedoch nicht primär an der Finanzstatistik, so dass fraglich ist, ob der Begriff „Zuschüsse“ in § 55 Abs. 1 HGrG im Sinne der Finanzstatistik zu verstehen ist. Diese Frage braucht hier aber nicht endgültig entschieden zu werden, da ernsthaft in Betracht kommt, dass eine „Garantieverpflichtung“ des Landes für die NRW.BANK „gesetzlich begründet“ ist. (2) Garantieverpflichtung Nach § 4 Abs. 2 NRW.BankG stellen die Gewährträger der Bank sicher, dass die NRW.BANK ihre Aufgaben erfüllen kann. Sie tragen die Anstaltslast. Darüber hinaus ordnet das Gesetz auch Gewährträgerhaftung an: Die Gewährträger der NRW.BANK haften nach § 4 Abs. 3 Satz 1 NRW.BankG für alle Verbindlichkeiten der Bank nach Maßgabe der Satzung. § 2 Abs. 3 NRW.BANK-Satzung enthält die entsprechende Regelung. Diese Gewährträgerhaftung ist zwar grundsätzlich subsidiär, § 4 Abs. 3 Satz 2 NRW.BankG, doch ist eine unmittelbare ge54

§ 1 Wfa-Auflösungsgesetz (Fn. 1). Das Vermögen der Wohnungsbauförderungsanstalt war von der BaFin nur zu einem Bruchteil als Kernkapital anerkannt worden; gegen eine Einbeziehung KnobbeKeuk, Der Betrieb 1992, S. 563 (565); a. A. Schneider, Der Betrieb, 1992, S. 769 (773). 56 Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 23 Rn. 1 (S. 5) (2007); zur Abgrenzung von Zuwendungen und Zuschüssen vgl. auch Krämer/Schmidt, Zuwendungsrecht, Abschnitt B IV 2.2 (1992). 55

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samtschuldnerische Haftung in Satz 3 der Vorschrift angeordnet für aufgenommene Darlehen, begebene Schuldverschreibungen, als Festgeschäfte ausgestaltete Termingeschäfte, die Rechte aus Optionen und andere Kredite an die Bank sowie sonstige Kredite, soweit sie von der Bank ausdrücklich gewährleistet werden. Für ein nahezu umfassendes Spektrum von Geschäften besteht also eine unmittelbare, gesamtschuldnerische Haftung des Landes; im Übrigen subsidiär für alle anderen Verbindlichkeiten der Bank. Hinzu kommt die Anstaltslast, die ebenfalls als Garantieverpflichtung im Sinne des § 55 Abs. 1 HGrG angesehen werden kann, auch wenn sie nur im Verhältnis zwischen Bank und Gewährträgern wirkt. Dabei braucht nicht vertieft zu werden, ob Ansprüche aus der Anstaltslast gepfändet werden können und auf diese Weise auch Zahlungsverpflichtungen im Verhältnis zu außen stehenden Gläubigern erzeugen können. Diese Haftung besteht sowohl für Verbindlichkeiten, die sich aus der Erfüllung der Verwaltungsaufgabe „Wohnungsbauförderung“ ergeben, als auch für Verbindlichkeiten aus den übrigen Geschäften der Bank. (3) Zwischenergebnis Damit erfüllt die NRW.BANK den Tatbestand von § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG. bb) Prüfung öffentlicher Unternehmen Fraglich und umstritten ist jedoch, ob § 55 Abs. 1 HGrG auf Unternehmen in der Rechtsform des öffentlichen Rechts anzuwenden ist. (1) Meinungsstand Teilweise wird § 55 Abs. 2 HGrG als (abschließende) Sonderregelung für diejenigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts angesehen, die Unternehmen sind. Die Vorschrift ginge als lex specialis der allgemeinen Regelung der Prüfungsrechte vor. § 55 Abs. 1 HGrG wäre auf sie dann nicht anzuwenden.57 Überwiegend wird jedoch angenommen, dass die beiden Vorschriften unterschiedliche Regelungsgegenstände haben und nebeneinander anzuwenden seien. Soweit § 55 Abs. 1 HGrG jedoch strengere Anforderungen enthalte, seien diese maßgebend. Sie müssten auch für diejenigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts beachtet werden, die Unternehmen seien.58 57 Giesen/Fricke, Haushaltsrecht, § 112 Rn. 5; Dörries, Rechtsstellung, S. 203 f.; Nebel, in: Piduch, § 111 BHO Rn. 8 (1998). 58 Lohl, DÖH, 12. Jg. (1971), S. 24 (42), der ausdrücklich feststellt, dass derartige öffentlich-rechtliche Unternehmen auch dann der Prüfung durch den Rechnungshof unterlägen, wenn sie nach § 48 Abs. 2 Satz 2 oder 3 von der Rechnungsprüfung freigestellt seien; Karehnke, DÖH 16. Jg. (1975), S. 27 (36, 65); Siekmann, in: Sachs,

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(2) Erheblichkeit § 55 Abs. 2 HGrG ordnet an, dass „auf Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts“ § 53 HGrG entsprechend anzuwenden ist. § 53 regelt die Prüfung von privatrechtlich organisierten Unternehmen, an denen eine Gebietskörperschaft maßgeblich beteiligt ist. Die Unterwerfung unter die Prüfung nach Maßgabe von § 53 HGrG steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass ein Unternehmen nicht nach § 48 Abs. 2 Satz 2 und 3 HGrG von der Rechnungsprüfung freigestellt ist. § 48 Abs. 2 Satz 2 HGrG gestattet dem Landesgesetzgeber, Einheiten von der Prüfung durch den Rechnungshof freizustellen. Eine solche Freistellung könnte durch § 112 Abs. 2 LHO tatsächlich erfolgt sein. § 48 Abs. 2 Satz 3 HGrG lässt bisher bestehende Ausnahmen von der Prüfung weiterbestehen. Die NRW.BANK ist erst durch Gesetz vom 16. März 2004 gegründet worden59, während das Haushaltsgrundsätzegesetz aus dem Jahre 1969 stammt.60 Es kann sich also nicht um eine der „nach bisherigem Recht zugelassenen Ausnahmen“ handeln. § 112 Abs. 2 LHO enthielt zwar ursprünglich eine Ausnahme zugunsten der Westdeutschen Landesbank Girozentrale. Selbst wenn es sich dabei um eine der zugelassenen Ausnahmen handeln sollten, was keineswegs sicher ist, darf diese nicht auf die NRW.BANK übertragen werden. Sie ist weder Rechtsnachfolgerin der Westdeutschen Landesbank Girozentrale noch erfüllt sie deren Funktion. Sie steht – anders als die Westdeutsche Landesbank Girozentrale – nicht im Wettbewerb und ist – ebenfalls anders als die Westdeutsche Landesbank Girozentrale – als reine Förderbank ausgestaltet. Es kommt danach darauf an, ob dem Landesgesetzgeber über § 55 Abs. 2 HGrG i.V. m. § 48 Abs. 2 Satz 2 HGrG gestattet ist, für die NRW.BANK Ausnahmen von der lückenlosen Prüfung durch den Landesrechnungshof vorzusehen. Die unterschiedlichen Auffassungen sind damit auch für das Ergebnis von Bedeutung. (3) Erörterung Der Gesetzeswortlaut deutet bei erstem Hinsehen darauf hin, dass der Gesetzgeber eine Trennlinie zwischen den Unternehmen, die als juristische Personen des öffentlichen Rechts organisiert sind, und sonstigen juristischen Personen des Art. 114 Rn. 29; Puhl, Budgetflucht, S. 360 Fn. 438 und S. 362 Fn. 452; Haverkate, in: Festschrift General-Rechenkammer, S. 197 (200); Eibelshäuser/Wallis, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Haushaltsrecht, § 55 Anm. 3 (1999); ferner Blasius, NWVBl. 2000, S. 413 (414). 59 GV.NRW. S. 126. 60 Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz – HGrG) vom 19. August 1969, BGBl. I S. 1273.

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öffentlichen Rechts ziehen wollte. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass § 55 Abs. 2 HGrG als lex specialis Vorrang gegenüber § 55 Abs. 1 HGrG zukommt.61 Das Haushaltsgrundsätzegesetz hat auch nicht durchgängig ein Sonderrecht für Unternehmen in der Rechtsform des öffentlichen Rechts geschaffen, das strikt von dem allgemeinen Recht für die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu unterscheiden wäre.62 Eine derart ungewöhnliche Anordnung müsste klar im Gesetzeswortlaut Ausdruck gefunden haben. Für eine derartige, durchgängige Sonderbehandlung gibt es jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte.63 Auch erfordern die „gerade im Bankbereich üblicherweise streng vertraulichen Geschäftsbeziehungen zu einzelnen Kunden“ nicht den Ausschluss der Rechnungsprüfung. Andernfalls wären die Landeshaushaltsordnungen, die ausdrücklich eine Prüfung der Sparkassen ausschließen, wie beispielsweise die bayerische,64 inkonsistent, da andere öffentlich-rechtlich organisierte Finanzinstitutionen dort nicht genannt sind. In der Sache kann das Vertraulichkeitsargument ebenfalls nicht überzeugen, da die Vertraulichkeit einer Geschäftsbeziehung keinesfalls schon durch die Prüfung berührt wird. Im Hinblick auf die Prüfung durch die (privaten) Wirtschaftsprüfer oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wird das auch nicht befürchtet. Falls aber tatsächlich eine Namensnennung im Bericht des Rechnungshofes unumgänglich sein sollte und diese gleichzeitig einen Eingriff in subjektive Rechte der betroffenen Person oder des betroffenen Unternehmens darstellen sollte, können entsprechende Vorkehrungen nach der Geheimschutzordnung der Parlamente zur Wahrung der Vertraulichkeit getroffen werden. Ernster zu nehmen ist die Berufung auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Die Freistellungsmöglichkeit war im Regierungsentwurf des Haushaltsgrundsätzegesetzes65 nicht vorgesehen und ist erst im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens eingefügt worden. Der Haushaltsausschuss hat sie damit begründet, dass den Landesgesetzgebern die Möglichkeit eröffnet werden sollte, „auch bei den öffentlich-rechtlichen Unternehmen unterschiedliche Verhältnisse zu berücksichtigen und Unternehmensgruppen, bei denen eine anderweitige, ausreichende Prüfung gewährleistet erscheint, von der Rechnungsprüfung freizustellen“.66

61

So aber Dörries, Rechtsstellung, S. 204. So aber Giesen/Fricke, Haushaltsrecht, § 112 Rn. 5. 63 Nähere Einzelheiten bei Haverkate, in: Festschrift General-Rechenkammer, S. 197 (201–204). 64 Art. 112 Abs. 3 Satz 2 BayHO. 65 BT-Drucks. V/3040. 66 BT-Drucks. V/4379, S. 7. 62

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Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass § 55 Abs. 2 HGrG nicht eine Freistellung von der Rechnungshofsprüfung enthält, sondern im Gegenteil eine Erweiterung der Prüfungspflichten anordnet. Für öffentlich-rechtliche Unternehmen soll die erweiterte Abschlussprüfung durch Wirtschaftsprüfer nach § 53 HGrG im Gegensatz zu den Beteiligungen an privatrechtlichen Unternehmen unabhängig von der Höhe der Beteiligung gelten. Die Vorschrift befasst sich also überhaupt nicht mit der Prüfung durch die Rechnungshöfe. Systematisch kann sie dann auch nicht lex specialis zu § 55 Abs. 1 HGrG sein. Die Bezugnahme auf § 48 Abs. 2 Satz 2 und 3 HGrG ermöglicht nur Ausnahmen von der erweiterten Abschlussprüfung durch Wirtschaftsprüfer, da nur diese Regelungsgegenstand der Vorschrift ist. Das Anliegen des Haushaltsausschusses ist nicht in den insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut eingegangen. Wenn tatsächlich eine Ausnahme von der Rechnungsprüfung durch die Rechnungshöfe hätte ermöglicht werden sollen, hätte sie in § 55 Abs. 1 HGrG aufgenommen werden müssen. Dort finden sich die expliziten Ausnahmen von der Prüfungspflicht. Eine solche Ausnahme hätte sich dort auch ohne weiteres als Ermächtigung an den Gesetzgeber und nicht nur als Ausnahme ex lege formulieren lassen. Zweck der erweiterten Prüfung nach § 53 HGrG ist es, durch zusätzliche Informationen die Tätigkeit der Rechnungshöfe, aber auch der parlamentarischen Kontrolle zu erleichtern. Die Bezugnahme in § 55 Abs. 2 HGrG kann deshalb schwerlich den Sinn haben, die Prüfung durch die Rechnungshöfe auszuschließen.67 Darüber hinaus spricht gegen ein lex specialis-Verhältnis, dass § 55 Abs. 1 HGrG eine strikte Anordnung enthält („prüft“), während § 53 HGrG, auf den § 55 Abs. 2 HGrG verweist, nur eine Möglichkeit eröffnet („kann verlangen“). Schließlich ist es von der Sache her geboten, die Kontrolle durch die Rechnungshöfe unter den Voraussetzungen von § 55 Abs. 1 HGrG verbindlich vorzuschreiben. Die dort genannten Tatbestände, namentlich die gesetzlich begründete Garantieverpflichtung, bedeuten ein besonderes, möglicherweise existenzbedrohendes Risiko für die jeweilige Gebietskörperschaft. Das unterscheidet sie auch wesentlich von der grundsätzlich haftungsbeschränkten Beteiligung an privatrechtlichen Unternehmen. Auch die Verwendung von Zuschüssen birgt besondere Risiken und bedarf besonderer Aufmerksamkeit.68 67 Haverkate, in: Festschrift General-Rechenkammer, S. 197 (200); Eibelshäuser/ Wallis, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Haushaltsrecht, § 55 Anm. 3 (1999); im Ergebnis ebenso Blasius, NWVBl. 2000, S. 413 (414 f.). Eine unmissverständliche Aussage wäre erforderlich gewesen, weil zuvor der Bundesrechnungshof die bundeseigenen Erwerbsunternehmen in Form juristischer Personen des öffentlichen Rechts geprüft hat, vgl. Bank, DÖH, Jg. 8 (1966/67), S. 204 (212). 68 Eibelshäuser/Wallis, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Haushaltsrecht, § 55 Anm. 3 (1999); ebenso unter Betonung der Risiken für den Staatshaushalt: Haverkate, in: Festschrift General-Rechenkammer, S. 197 (208); Blasius, NWVBl. 2000, S. 413 (414).

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IV. Finanzinstitute

(4) Zwischenergebnis Im Ergebnis sprechen Wortlaut, Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck der in beiden Absätzen von § 55 HGrG getroffenen Gesamtregelung gegen eine Verdrängung von Absatz 1 durch Absatz 2. Deshalb unterliegen auch öffentliche Unternehmen der Prüfung durch die Rechnungshöfe, wenn die Voraussetzungen von § 55 Abs. 1 HGrG erfüllt sind. Es kommt daher nicht darauf an, ob die NRW.BANK tatsächlich ein öffentliches Unternehmen im Sinne von § 55 Abs. 2 HGrG ist oder nur eine verselbständigte Verwaltungseinheit ohne echte unternehmerische Betätigung. cc) Abweichungsmöglichkeiten § 55 Abs. 1 HGrG enthält weder den Vorbehalt einer anderweitigen gesetzlichen Regelung noch eine Freistellungsmöglichkeit durch die Exekutive im Zusammenwirken mit einem Rechnungshof. Ein Prüfungsverzicht ist nicht zulässig; auch nicht durch den Landesgesetzgeber. Insoweit unterscheidet er sich deutlich von § 48 Abs. 1 und 2 HGrG.69 Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht § 48 HGrG bei der Beurteilung der Prüfungsbefugnis in Bezug auf eine Handwerkskammer herangezogen, ohne § 55 HGrG auch nur zu erwähnen.70 Das Gericht geht davon aus, dass durch Gesetz ein Dispens erteilt werden darf, verneint aber das Vorliegen einer solchen Befreiungsvorschrift. Im Ergebnis kam es also nicht darauf an, ob § 55 HGrG vorrangig gewesen wäre. Da eine Begründung fehlt, ist die Vorgehensweise nur schwer nachzuvollziehen. Sowohl § 48 Abs. 2 HGrG als auch § 55 Abs. 2 HGrG enthalten Regelungen für Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. § 48 Abs. 2 Satz 1 HGrG erklärt die Vorschriften über die Prüfung durch die Rechnungshöfe (§§ 42 bis 46) grundsätzlich für anwendbar, allerdings mit einer Abweichungsbefugnis für den Gesetzgeber in Satz 2. Auf diese Weise sollte die Möglichkeit eröffnet werden, unterschiedliche Verhältnisse zu berücksichtigen und Unternehmensgruppen, bei denen eine anderweitige ausreichende Prüfung gewährleistet erscheint, von der Rechnungsprüfung freizustellen.71 Diese Möglichkeit war im Regierungsentwurf nicht vorgesehen gewesen. Im Gegenteil war die Unterwerfung von Unternehmen in der Rechtsform einer juristi-

69 Eibelshäuser/Wallis, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Haushaltsrecht, § 55 Anm. 1 (1999). Ein genereller Prüfungsverzicht ist auch nach Auffassung von Blasius nicht zulässig (NWVBl. 2000, S. 413 [414]). 70 BVerwGE 98, 163 (176 f.). 71 So der Ausschussbericht zu § 46 des Entwurfs des HGrG, zu BT-Drucks. V/4378, 4379.

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schen Person des öffentlichen Rechts unter die Prüfung durch die Rechnungshöfe in der Begründung des Regierungsentwurfs des Haushaltsgrundsätzegesetzes als „unabdingbar“ bezeichnet worden.72 Es besteht aber kein Anlass zu der Annahme, dass durch die Änderung das Prinzip der Lückenlosigkeit der Rechnungsprüfung grundsätzlich eingeschränkt werden sollte.73 Auch zeigt die fortbestehende Bezugnahme auf die Vorschriften über die Rechnungsprüfung, dass sie weiterhin als Regelfall angesehen wurde – auch für öffentliche Unternehmen.74 §§ 42 bis 48 HGrG gehören zu den Grundsätzen, die von der Gesetzgebung des Bundes und der Länder nach § 1 HGrG zu beachten sind, aber nicht unmittelbar anwendbares Recht sind. § 55 HGrG gilt dagegen unmittelbar. Die Vorschrift enthält differenzierte Voraussetzungen, unter denen eine umfassende Prüfung vorgeschrieben ist. Darin unterscheidet sie sich von § 48 HGrG. Auch enthält die in Bezug genommene Regelung der Betätigungsprüfung in Unternehmen des privaten Rechts in § 44 HGrG wesentlich weniger Rechte als die Prüfung der Unternehmen nach § 53 HGrG, auf die § 55 Abs. 2 HGrG für die Unternehmen in der Rechtsform der juristischen Person des öffentlichen Rechts verweist. Die Regelung in § 48 Abs. 2 ist für alle öffentlichen Unternehmen in der Rechtsform der juristischen Person des öffentlichen Rechts getroffen worden, unabhängig davon, welche finanziellen Risiken sich aus ihrer Tätigkeit für den Staat ergeben. Auch bei diesen Unternehmen ist der Regelfall, dass der Staat für ihre Verbindlichkeiten nicht oder nur begrenzt haftet.75 Die Regelung in § 55 Abs. 1 HGrG erfasst dagegen aus dem großen Spektrum der juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur diejenigen, bei denen die Haftung über das eingebrachte Vermögen des Staates hinausgeht. Vor allem die Personen, für die der Staat unbegrenzt haftet, müssen einem anderen, wesentlich strengeren Kontrollregime unterliegen. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber bei der Einfügung der Befreiungsmöglichkeit in § 48 Abs. 2 HGrG diese besonders riskanten Unternehmen ebenfalls von der Rechnungshofkontrolle freistellen wollte.76 § 55 Abs. 1 HGrG muss daher als lex specialis im Verhältnis zu § 48 72 BT-Drucks. V/3040, S. 58, Textnr. 263: „Die Vorschrift beschränkt sich auf die Grundsätze, die zur Wahrung der Belange des Bundes oder des Landes unabdingbar sind.“ Diese Grundsätze waren der Verweis auf Prüfung durch die Rechnungshöfe. 73 Karehnke, DÖH 10. Jg. (1969/1970), S. 207 (219), der sich insgesamt ablehnend zu der Regelung äußert, ohne aber klarzustellen, ob eine andere Auslegung möglich und angezeigt ist oder ob sie verfassungswidrig ist. 74 Haverkate, in: Festschrift General-Rechenkammer, S. 197 (207). 75 Siekmann, NWVBl. 1993, S. 361 (366); in der Sache ähnlich Haverkate, in: Festschrift General-Rechenkammer, S. 197 (207), der aber zunächst missverständlich davon spricht, dass die Haftung des Staates bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts „stets“ auf das Vermögen der juristischen Person beschränkt sei. 76 Haverkate, in: Festschrift General-Rechenkammer, S. 197 (208).

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IV. Finanzinstitute

Abs. 2 HGrG angesehen werden, der Prüfungsbefreiungen durch den Gesetzgeber untersagt.77 Daraus folgt, dass sich die Prüfung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, für die eine unbegrenzte Haftung des Staates besteht, nach § 55 Abs. 1 HGrG i.V. m. § 53 HGrG zu richten hat. Die Befreiungsmöglichkeit für den Gesetzgeber aus § 48 Abs. 2 Satz 2 HGrG kann nicht zum Zuge kommt, wenn die Voraussetzungen von § 55 Abs. 1 HGrG erfüllt sind.78 Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist mit dieser Lösung zu vereinbaren, da sie eine Kammer betraf, für die eine (unbegrenzte) Haftung des Staates nicht besteht. dd) Zwischenergebnis Unabhängig davon, ob die NRW.BANK ein Unternehmen im Sinne von § 55 Abs. 2 HGrG ist, sind für sie die Anforderungen von § 55 Abs. 1 HGrG zu beachten. Der Landesgesetzgeber ist grundsätzlich an sie gebunden, da ihm die Befreiungsmöglichkeit nach § 48 Abs. 2 Satz 2 HGrG verschlossen sein dürfte. Danach dürfte die NRW.BANK nicht von der Prüfung durch den Rechnungshof ausgenommen werden. b) Prüfung „bei“ der Bank Auch wenn der Landesrechnungshof ein öffentliches Unternehmen nicht als solches prüft oder prüfen darf, kann eine Prüfung „bei“ dem Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen, § 91 LHO. In diesem Fall ist es nicht Prüfungsadressat, sondern nur „Erhebungsobjekt“.79 Dafür kommt vor allem die Prüfung der Tätigkeit des zuständigen Ministers in Betracht. Er ist in diesem Fall der Prüfungsadressat. Wenn das zuständige Ministerium geprüft wird, kann sowohl die Betätigung des Ministers im staatlichen Bereich als auch im Unternehmen Gegenstand der Prüfung sein.80 Die Erfüllung seiner Kontroll- und Überwachungspflichten ist Gegenstand der Rechnungshofkontrolle.81 Auch die Prüfung der angeblich wegen ihrer Vertraulichkeit einer Prüfung entzogenen bankmäßigen Geschäftsbeziehungen im Einzelfall dürfen in diesem Fall geprüft werden. Die Klage der (früheren) Westdeutschen Landesbank, Anstalt des 77

Haverkate, in: Festschrift General-Rechenkammer, S. 197 (209 f.). Haverkate, in: Festschrift General-Rechenkammer, S. 197 (212). Karehnke, DÖH 10. Jg. (1969/1970), S. 207 (220 f.), behandelt das Verhältnis von § 55 Abs. 2 zu § 48 Abs. 2 HGrG, sieht auch die zweifelhafte Kongruenz, aber es wird nicht völlig klar, wie seine Lösung aussehen soll; a. A. Antweiler, NVwZ 2005, S. 168 (172), der eine Prüfung „des“ Zuwendungsempfängers ausschließt. 79 BVerwGE 116, 92 (95); zust. Antweiler, NVwZ 2005, S. 168 (172). 80 Vgl. Karehnke, DÖH 10. Jg. (1969/1970), S. 207 (216). 81 Antweiler, NVwZ 2005, S. 168 (171); Siekmann, in: Sachs, Art. 114 Rn. 29; Kube, in: Maunz/Dürig, Art. 114 Rn. 83. 78

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öffentlichen Rechts, auf Rücknahme des Prüfungsberichts hatte keinen Erfolg, allerdings schon aus Verfahrensgründen.82 Auch im Rahmen der Prüfung der Einnahmeerhebung bei einer Universitätsklinik hat das Bundesverwaltungsgericht den Anspruch eines Landesrechnungshofs auf Zugang zu psychiatrischen Patientenakten gebilligt.83 Selbst wenn man davon ausginge, dass die NRW.BANK von der Prüfung durch den Landesrechnungshof freigestellt sei, ist in erheblichem Umfang eine Prüfung von Vorgängen innerhalb der Bank aus „Anlass“ der Prüfung anderer Stellen möglich.84 Nach § 91 Abs. 2 LHO „erstreckt“ sich die Prüfung auf bestimmte Bereiche. Das wird unter Berufung auf die „Regierungsbegründung“ zum Teil als eine Einschränkung der Prüfung verstanden. Eine Kontrolle der eigenständigen Finanzgebarung der Stellen oder der Dritten sei „im allgemeinen“ ausgeschlossen.85 Die NRW.BANK verwaltet Vermögensgegenstände des Landes. Das gilt erst Recht nach der unbegrenzten Einbringung der Wohnungsbauförderungsanstalt. Sie stellen die wesentlichen Aktiva dar. Deshalb muss sich auch bei Anwendung von § 91 Abs. 2 LHO die Prüfung auf die gesamte Geschäftstätigkeit der NRW.BANK erstrecken, auch wenn Prüfungsadressat bei einer Prüfung nach § 91 LHO nicht die Bank ist. Daneben ist aber auch eine Prüfung nach § 55 HGrG möglich. Dabei ist die NRW.BANK selbst Prüfungsadressat. Eine Kumulation der Erhebungsrechte nach § 91 LHO und § 55 HGrG ist möglich.86 Dabei ist aber darauf zu achten, dass die Prüfungsadressaten, nicht aber der Prüfungsumfang nach der hier vertretenen Auffassung verschieden sind. 2. Bankenaufsichtsrecht Das Bankenaufsichtsrecht enthält in §§ 28–30 KWG weitere Regeln über die Prüfung von Kreditinstituten, die auch für die NRW.BANK gelten. Sie beruht ebenfalls in erheblichem Umfang auf Jahresabschluss und Lagebericht, auch wenn sie in Einzelheiten darüber hinausgeht.87 82

VG Düsseldorf, NJW 1981, S. 1396 (1396). BVerwGE 82, 56 (59); krit. Heintzen/Lilie, NJW, S. 1601 (1603 f.). 84 Groß, VerwArch, Bd. 95 (2004), S. 194 (205); Kube, in: Maunz/Dürig, Art. 114 Rn. 83. 85 Giesen/Fricke, Haushaltsrecht, § 91 Rn. 6; für den Bund: Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. V/3040, Anm. 250 (S. 57); zust. Kammer, in: Heuer/Engels/ Eibelshäuser, Haushaltsrecht, § 91 BHO Anm. 14 (1999). 86 Kammer, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Haushaltsrecht, § 91 BHO Anm. 19 (1999); unzutreffend daher Antweiler, NVwZ 2005, S. 168 (172), der eine Prüfung „des“ Zuwendungsempfängers ausschließt. 87 Winter, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), Kreditwesengesetz, § 29 Rn. 1. 83

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IV. Finanzinstitute

Diese Prüfung ist allerdings ebenfalls keine Wirtschaftlichkeitskontrolle, sondern dient der Aufsicht über die Institute durch die Bundesbank und die BaFin. Sie hat auch eine andere Zweckbestimmung als die Rechnungshofskontrolle. Sie soll „Mißständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen“ entgegenwirken, „welche die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsmäßige Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können“, § 6 Abs. 2 KWG. Kern dieser Tätigkeit ist die Gefahrenabwehr im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts. Diese Prüfung soll die finanzielle Stabilität des Einzelinstituts, des Konglomerats und (möglicherweise) auch des Gesamtsystems gewährleisten. Die Vermögensinteressen der Institutseigentümer oder Institutsträger stehen dabei nicht im Vordergrund. Auch eine unwirtschaftlich geführte Bank kann stabil im Sinne des Aufsichtsrechts sein. Die Regelungsbereiche der Vorschriften über die Prüfung im Rahmen der Bankenaufsicht und der Vorschriften über die Rechnungshofskontrolle überschneiden sich also nicht. Sie bestehen nebeneinander, so dass eine Verdrängung der Regeln über die Rechnungshofskontrolle nicht in Betracht kommt. 3. Vorgaben der Landesverfassung a) Prüfung durch den Landesrechnungshof aa) Grundsatz Unabhängig davon, ob das Haushaltsgrundsätzegesetz dem Landesgesetzgeber erlaubt, die NRW.BANK von der Prüfung durch den Landesrechnungshof freizustellen, kann eine derartige Freistellung nach den Vorgaben der Landesverfassung unzulässig sein. Art. 86 Abs. 2 Satz 1 LVerf. ordnet an, dass der Landesrechnungshof „die Rechnung“ prüft sowie „die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung“. Verbreitet wird die in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich garantierte Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs ebenso wie die in Art. 86 Abs. 2 Satz 1 LVerf. garantierte Befugnis des Landesrechnungshofs auf das Land mit allen seinen Behörden und Organen sowie die Sondervermögen und Regiebetriebe beschränkt. Keine verfassungsmäßig begründeten Prüfungszuständigkeiten sollen die Rechnungshöfe bei anderen Rechtssubjekten haben.88 Es ist aber fraglich, ob diese Auslegung mit den Intentionen des Verfassungsgebers und dem Zweck der Finanzkontrolle zu vereinbaren ist.

88 v. Mutius/Nawrath, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Haushaltsrecht, Art. 114 Anm. 22 (1999).

2. Prüfung der NRW.BANK durch den Landesrechnungshof

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Nach der Neufassung von Art. 86 LVerf. im Jahre 1971 sollte es im Unterschied zur bisherigen Rechtslage „prüfungsfreie Räume“ nicht mehr geben.89 Das verfassungsrechtliche Postulat der „Lückenlosigkeit“ der Rechnungshofkontrolle ist allgemein anerkannt.90 Allerdings ist die Formulierung so allgemein gefasst, dass aus ihr nicht ohne weiteres abgeleitet werden kann, dass auch alle juristisch selbständigen Einheiten des Landes der Prüfung durch den Landesrechnungshof unterliegen müssen.91 Das gilt vor allem, soweit die Haftung des Landes auf einen bestimmten Betrag begrenzt ist. Soweit das Land aber darüber hinaus Garantien übernimmt, muss zumindest die Garantieübernahme als solche der Prüfung unterliegen. Das wäre aber nicht eine (umfassende) Prüfung des Garantieempfängers, sondern eine Prüfung „bei“ diesem aus Anlass der Prüfung der Garantie gebenden Landesbehörden. Im Schrifttum wurde aber schon frühzeitig gefordert, dass die Finanzkontrolle aus verfassungsrechtlichen Gründen den verbreiteten Bestrebungen entgegenwirken müsse, durch die „Abzweigungen in öffentliche Gesellschaften, Anstalten, Körperschaften und Stiftungen“ ein von der Kontrolle schwer oder überhaupt nicht mehr erfassbares Wirtschaften zu ermöglichen.92 Eine umfassende Rechnungshofskontrolle müsse an die Stelle einer fehlenden unmittelbaren Steuerung der Haushalte der verselbständigten juristischen Personen des öffentlichen Rechts treten. Sie müsse sich auf die Gesamtheit der staatlichen Finanzbetätigung erstrecken und es dürfe keine „rechnungskontrollfreien“ Haushalte außerhalb des Zentralhaushaltes des Bundes und der Länder geben.93 Für diese Auffassung spricht, dass andernfalls die verfassungsrechtlich gebotene „Lückenlosigkeit“ der 89 Giesen/Fricke, Haushaltsrecht, Vor Art. 86 Rn. 7; für das Grundgesetz: Bericht des Haushaltsausschusses, BT-Drucks. zu V/4378, 4379, S. 7; Reger, VerwArch, Bd. 66 (1975), S. 195 (239) m.w. N.; v. Mutius/Nawrath, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Haushaltsrecht, Art. 114 Anm. 10 (1999). 90 Löwer, NWVBl. 2009, S. 125 (128 f.); für das Grundgesetz: Hufeld, in: Handbuch des Staatsrechts, § 56 Rn. 9; Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 114 Rn. 52 m.w. N.; ferner Blasius/Stadtmann, DÖV 2002, S. 12 (15). Es ist auch weitgehend anerkannt, dass es sich auch auf Sondervermögen und Betriebe erstreckt, Puhl, Budgetflucht, S. 331, für den Bund. 91 Tettinger, in: Löwer/Tettinger, Art. 86 Rn. 20, bezieht das verfassungsrechtliche Lückenlosigkeitspostulat nur auf den Landeshaushalt einschließlich der Landesbetriebe und Sondervermögen. Nur innerhalb der „unmittelbaren Landesverwaltung“ dürfe es keine „prüfungsfreien Räume“ geben. Nur insoweit könne denn auch die Prüfungszuständigkeit des Landesrechnungshofs als „ausschließlich und lückenlos“ bezeichnet werden. 92 Reger, VerwArch, Bd. 66 (1975), S. 195 (241). 93 Tiemann Finanzkontrolle, S. 102, 118; Kilian, Nebenhaushalte, S. 761 f. m.w. N.; ähnlich Puhl, Budgetflucht, S. 347 ff.; speziell für den Bund Haverkate, in: Festschrift General-Rechenkammer, S. 197 (230), der das Postulat aus dem demokratischen Prinzip des Art. 20 Abs. 2 GG herleitet. Puhl, Budgetflucht, S. 338, 345, lehnt die Herleitung einer umfassenden Prüfungspflicht aus Art. 114 Abs. 2 GG ab und bezeichnet diese Meinung als herrschend. Gleichwohl will er aber den Gesetzgeber verpflichten, für eine wirksame Kontrolle zu sorgen, die aber letztlich wohl nur der Bundesrechnungshof leis-

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Rechnungshofskontrolle leicht durch den einfachen Gesetzgeber unterlaufen werden könnte.94 Es gibt zahlreiche Beispiele für die Rechnungshofskontrolle selbständiger Einheiten, überwiegend aber wohl nur „bei“ ihnen als Zuwendungsempfänger.95 Hier soll aber – weitergehend – auch ein verfassungsrechtlicher Auftrag zur Kontrolle „der“ Einheit untersucht werden. bb) Das Risiko für das Land Durch die Auflösung der Wohnungsbauförderungsanstalt und die vollständige Einbringung ihres Vermögens in die NRW.BANK ist das bankenaufsichtsrechtlich maßgebende Eigenkapital der Bank deutlich erhöht worden. Soweit dieses Kapital als Kernkapital im Sinne von § 10 Abs. 2a Nr. 5 KWG anerkannt wird, kann die Bank ihre Ausleihungen in einem Umfang ausweiten, der etwa dem 12,5-fachen des eingebrachten Kapitals entspricht. Diese Ausleihungen einschließlich Kreditlinien und Garantieübernahmen dürfen, soweit sie überhaupt berücksichtigt werden, bis auf etwa 8 % fremdfinanziert werden. Die Ausweitung der Geschäftstätigkeit, die durch die Einbringung ermöglicht wird, ist auch vom Gesetzgeber gewollt. Sie führt aber auf der anderen Seite zu einer dramatischen Ausweitung der Haftungsrisiken des Landes. Die Schäden für das Land, die durch die unbeschränkte Einbringung der Wohnungsbauförderungsanstalt in die NRW.BANK, ermöglicht werden, übersteigt das Volumen des gesamten Landeshaushalts. Die Folgen des danach möglichen Geschäftsverhaltens für die Finanzen des Landes sind anschaulich am Beispiel der Westdeutschen Landesbank abzulesen. Für andere Bundesländer sind die HSH-Nordbank, die Sachsen LB, die LBBW und die Bayern LB weitere warnende Beispiele. Auch schon vor der gegenwärtigen Krise sind erhebliche Schäden für die Landesfinanzen zu verkraften gewesen, wie die Rettung der Hessischen Landesbank zeigt. Regelmäßig hatte es sich um Anstalten des öffentlichen Rechts mit Anstaltslast und Gewährträgerhaftung gehandelt, die keiner effektiven Kontrolle durch die Anstaltsträger oder den Rechnungshof unterworfen waren. cc) Eingrenzung des Risikos Die Risiken, die sich aus der Tätigkeit der NRW.BANK für den Landeshaushalt ergeben können, sind nur dann wirtschaftlich vertretbar, wenn die Tätigkeit der Anstalt einer rigorosen Aufsicht und Kontrolle durch die letztlich verantwortten könne (S. 348). Letztlich soll Art. 114 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG „Grundsatznorm für die Finanzkontrolle rechtsfähiger Nebenhaushalte“ sein (S. 354). 94 In diesem Sinne deutlich auch: Puhl, Budgetflucht, S. 249; Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 114 Rn. 52. 95 Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 114 Rn. 53.

2. Prüfung der NRW.BANK durch den Landesrechnungshof

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lichen Organe des Landes unterliegt: die Landesregierung und den Landtag. Als maßgebende Einrichtung, um eine solche Kontrolle zu ermöglichen und zu erleichtern hat die Landesverfassung den Landesrechnungshof vorgesehen und institutionell garantiert (Art. 87 LVerf.). Die Wirtschaftlichkeitskontrolle durch den Landesrechnungshof muss sich daher zumindest auch darauf erstrecken, welche Risiken durch die Tätigkeit der NRW.BANK für das Land erzeugt werden. Nur so kann der verfassungsrechtliche „Generalauftrag“ für eine „effektive Finanzkontrolle“96 verwirklicht werden. Die Grundprinzipien staatlichen Wirtschaftens, Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit, wären verletzt, wenn diese Kontrollmöglichkeiten nicht bestünden. Die genannten Prinzipien gelten nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen nicht nur im engeren Bereich der Rechnungshofkontrolle, sondern allgemein.97 Die Wirtschaftlichkeitsprüfung muss sich auch darauf erstrecken, ob die Anstalt hinreichend von der Landesregierung, und vor allem von dem für die Aufsicht zuständigen Minister, unter Kontrolle gehalten werden. Die Tätigkeit der Anstalt muss im Einzelnen und kontinuierlich von der Landesregierung im Hinblick auf die potentiell unbegrenzten Risiken für das Land beobachtet werden. Sie muss aus verfassungsrechtlichen Gründen das Recht haben, Weisungen im Einzelfall zu erteilen. Es genügt nicht, dass es einen Verwaltungsrat gibt. Den Vertretern des Landes fehlen dort die entscheidenden Durchgriffsmöglichkeiten.98 Wegen dieses Verantwortungszusammenhangs muss es dem Landesrechnungshof aber zumindest möglich sein, im Rahmen einer Prüfung der Landesregierung Einzelheiten der NRW.BANK zu untersuchen, ohne „die“ Bank als solche zu prüfen. Das Demokratieprinzip verlangt zudem, dass das Parlament seine Verantwortung für das gesamtstaatliche Finanzgebaren wahrnimmt. Dafür benötigt es die Ermittlung, Aufbereitung und Übermittlung der erforderlichen Informationen durch eine unabhängige Finanzkontrolle.99 dd) Zwischenergebnis Es muss eine effektive Kontrolle der NRW.BANK durch das Parlament und den Rechnungshof geben, der auch dazu geschaffen ist, die Kontrolltätigkeit des Parlaments zu effektuieren. Wenn die hier entwickelten Anforderungen nicht erfüllt sind, darf es eine so konstruierte Anstalt nicht geben. Andernfalls könnten 96

BVerwGE 116, 92 (98) zu Art. 114 GG. VerfGH NRW, NWVBl. 2004, S. 419 (425); ebenso Gröpl, in: Bonner Kommentar, Art. 110 Rn. 140 (2001); ähnlich auch VerfGH Rh.-Pf. 25, 387 (403). 98 s. o. I. 1. b) cc). 99 Haverkate, in: Festschrift General-Rechenkammer, S. 197 (230); Puhl, Budgetflucht, S. 354–358. 97

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die Organe einer solchen Anstalt durch nach außen wirksame Geschäfte das Land ruinieren, ohne dass es effektive Eingriffsmöglichkeiten für die demokratisch gewählten Repräsentanten des Volkes gäbe. Eine reine Rechtsaufsicht ist in jedem Fall unzureichend. b) Begrenzte Durchbrechungsmöglichkeit aa) Fehlender Gesetzesvorbehalt Anders als Art. 114 Abs. 2 GG unterliegt Art. 86 LVerf. keinem Gesetzes- oder Ausgestaltungsvorbehalt. Dieser ist lediglich in Art. 87 Abs. 3 LVerf. angebracht und bezieht sich ausschließlich auf Status und Organisation des Landesrechnungshofs. Der verfassungsrechtliche Auftrag in Art. 86 Abs. 2 LVerf. wird davon nicht erfasst. Die Regelungen in § 112 Abs. 2 LHO und § 13 NRW.BankG lassen sich daher nicht als Ausgestaltung oder Konkretisierung der Verfassungsnorm rechtfertigen. Zudem wird auch Art. 114 Abs. 2 GG so interpretiert, dass die verfassungsunmittelbare Aufgabenstellung des Bundesrechnungshofs ebenfalls nicht durch ein Ausführungsgesetz beschränkt werden darf.100 bb) Ertragswirtschaftliche Unternehmen Allerdings ist in diesem Zusammenhang noch Art. 88 LVerf. zu beachten. Er erlaubt ausdrücklich, dass durch Gesetz von den Vorschriften der Artikel 81 bis 86 abgewichen werden darf. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um das Finanzwesen einer „ertragswirtschaftlichen“ Unternehmung des Landes handelt. Die Existenz der Vorschrift bestätigt die Auslegung, dass auch Unternehmungen des Landes grundsätzlich von den Artikeln 81 bis 86 LVerf., also auch der Prüfungspflicht nach Art. 86 Abs. 2 Satz 1 LVerf., erfasst werden. Andernfalls macht eine solche Öffnungsklausel keinen Sinn. Fraglich ist allerdings, ob mit dem Begriff „Unternehmungen des Landes“ nur Landesbetriebe im Sinne von § 26 Abs. 1 LHO gemeint sind oder ob auch rechtlich selbständige Unternehmen darunter fallen. Diese werden bei Anstaltslast oder Gewährträgerhaftung von § 26 Abs. 3 Nr. 1 LHO erfasst.101 Der Begriff „Unternehmung“ ist schon in der Ursprungsfassung der Landesverfassung verwendet worden. Er ist nicht erst mit der Haushaltsrechtsreform im Jahre 1969/ 1971 eingeführt worden. Mit Errichtung der NRW.BANK ist aber ein Unternehmen geschaffen worden, dass nicht erwerbswirtschaftlich tätig sein darf, aber gleichwohl eine juristische Person und nicht nur ein Landesbetrieb im Sinne von 100 Siekmann, in: Sachs, Art. 114 Rn. 41; Stern, DÖV 1990, S. 261 (263); Löwer, NWVBl. 2009, S. 125 (130). 101 Giesen/Fricke, Haushaltsrecht, § 26 Rn. 6.

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§ 26 LHO ist. Es kommt danach entscheidend darauf an, ob die NRW.BANK eine Unternehmung im Sinne von § 88 LVerf. ist. Die Verfassung selbst kennt den Begriff „Landesbetrieb“ und verwendet ihn in Art. 81 Abs. 2 Satz 1. Das spricht dafür, dass in Art. 88 LVerf. nicht nur Landesbetriebe gemeint sind. Andernfalls hätte dieser Begriff auch hier verwendet werden können. Im Schrifttum wird allerdings vertreten, dass eine Auslegung des Begriffs „Unternehmung“ im Sinne von „Landesbetrieb“ angezeigt sei und behauptet schlicht eine „begriffliche Identität“. Deshalb könne auch keine „schädliche Unausgewogenheit in der Diktion der Verfassungsvorschriften hergeleitet werden“.102 Die nahe liegende Möglichkeit, dass die Verfassung tatsächlich auch unterschiedliche Begriffsinhalte gemeint hat, wird nicht in Betracht gezogen. Wenn Art. 88 LVerf. nicht nur Landesbetriebe erfasst,103 ist verfassungsrechtlich eine Abweichung vom verfassungsrechtlichen Prüfungsgebot nur bei „ertragswirtschaftlichen“ Unternehmen zulässig. Ein solches Unternehmen ist die NRW.BANK aber nicht und sollte es aus europarechtlichen Gründen auch nicht sein unabhängig davon, ob der Begriff „ertragswirtschaftlich“ mit dem Begriff „erwerbswirtschaftlich“104 gleichzusetzen ist. Jedenfalls dürfte eine unternehmerische Betätigung im Wettbewerb gemeint sein. Die unternehmerische Betätigung als Landesbank im Wettbewerb war aber allein der WestLB AG zugewiesen worden. Deshalb greift die Vorschrift nicht für die NRW.BANK. c) Zwischenergebnis Eine Freistellung der NRW.BANK von der Prüfung durch den Landesrechnungshof ist mit Art. 86 Abs. 2 LVerf. nicht zu vereinbaren. 4. Ergebnis Im Ergebnis kann § 112 LHO eine Prüfung des Landesrechnungshofs in Bezug auf die Betätigung der zuständigen Minister bezüglich der NRW.BANK nicht einschränken. 102

Giesen/Fricke, Haushaltsrecht, Art. 88 Rn. 2; Dästner, Verfassung, Art. 88 Rn. 1. In diesem Sinne Grawert, Verfassung, Art. 88 Anm. 1; Tettinger, in: Löwer/Tettinger, Art. 88 Rn. 6, 7, der speziell auch eine „Abkehr von den rigiden Vorgaben [. . .] über die Rechnungsprüfung für zulässig hält. Es soll auch eine Übertragung von Kontrollfunktionen auf freiberufliche Träger (Wirtschaftsprüfer) ermöglicht werden (Rn. 11). Auf die daraus folgenden gravierenden Kontrolldefizite geht er allerdings nicht ein, vor allem auch nicht auf die Besonderheiten bei Anstaltslast und Gewährträgerhaftung. 104 Jede hoheitliche Tätigkeit sollte nicht unter den Begriff fallen, auch wenn sie nach unternehmerischen oder betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erfolgt und (oder) auf Gewinnerzielung gerichtet ist, vgl. Bettermann, in: Festschrift Hirsch, S. 1 (2). 103

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IV. Finanzinstitute

III. Frage 2: Wenn nicht: Verletzt das Finanzministerium den Landesrechnungshof in seinen verfassungsmäßigen Rechten, wenn es insoweit Auskunftsersuchen des Landesrechnungshofs mit Hinweis auf § 112 LHO nicht nachkommt? 1. Auskunftspflicht § 95 LHO enthält umfassende Informations- und Mitwirkungspflichten. Nach Absatz 1 sind Unterlagen, die der Landesrechnungshof „zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält“ auf Verlangen vorzulegen. Absatz 2 enthält eine allgemeine Auskunftspflicht.105 Dem Landesrechnungshof sind „die erbetenen Auskünfte zu erteilen“. Mit diesen etwas ungewöhnlichen Formulierungen sollte deutlich zum Ausdruck gebracht werden, dass langwierige Auseinandersetzungen zwischen dem Rechnungshof und der geprüften Stelle darüber vermieden werden sollten, ob Unterlagen und Auskünfte tatsächlich benötigt werden. Es soll allein auf die Einschätzung des Rechnungshofs ankommen.106 Im Ergebnis sind deshalb von der Rechtsprechung bejaht worden die Pflicht zur Vorlage von Patientenakten einer psychiatrischen Abteilung im Rahmen einer Einnahmeprüfung107 und von vollständigen Personalakten.108 Ein möglicherweise bestehender Missbrauchsvorbehalt109 ist hier nicht relevant, da ein missbräuchliches Verhalten des Landesrechnungshofs nicht in Sicht ist. Der Gesetzgeber bezeichnet die gesamte Vorschrift mit „Auskunftspflicht“. Deshalb sollen sowohl die Vorlage von Unterlagen als auch die Erteilung von Auskünften als Auskunftserteilung behandelt werden. 2. Rechtsnatur Das einzelne Auskunftsbegehren ist möglicherweise kein Verwaltungsakt, auch wenn es gegenüber einer landesunmittelbaren Person des öffentlichen Rechts erfolgt.110 Letztlich kommt es aber auf diese (umstrittene) Einstufung hier nicht an, 105 Ob die Vorschrift auch eine Befugnisnorm gegenüber Grundrechtsträgern ist, bedarf hier keiner Erörterung, da die NRW.BANK als Anstalt des öffentlichen Rechts weder Grundrechtsträger ist noch ein rechtlich geschütztes Recht der Selbstverwaltung hat. Überwiegend wird aber angenommen, dass es sich um eine Befugnisnorm handelt, vgl. Heintzen/Lilie, NJW 1997, S. 1601 (1602) m.w. N. 106 Blasius, NWVBl. 2000, S. 413 (415). Das ergibt auch die Änderung des Wortlauts im Gesetzgebungsverfahren für den insoweit wortgleichen § 95 BHO; BT-Drucks. 4378, S. 36; Klostermann, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Haushaltsrecht, § 95 Anm. 7 (2001); im Ergebnis ebenso Lopacki, DöD 2009, S. 269 (270 f.). 107 BVerwGE 82, 56 (60); ebenso die Vorinstanz: OVG Lüneburg, DVBl. 1984, S. 837; krit. Heintzen/Lilie, NJW, S. 1601 (1603 f.). 108 OVG Lüneburg, NJW 1984, S. 2652 (2653). 109 In diesem Sinne Blasius, NWVBl. 2000, S. 413 (415). 110 Kein Verwaltungsakt: BFH, BB 1999, S. 1747; Hockenbrink, DÖV 1991, S. 241 (242); Belemann, DÖV 1990, S. 58 (62 f.); Klostermann, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser

2. Prüfung der NRW.BANK durch den Landesrechnungshof

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da es in jedem Fall justiziabel ist.111 Die Beantwortung der Rechtswegsfrage hängt allerdings davon ab, ob der Anspruch letztlich im Verfassungsrecht wurzelt.112 3. Verfassungsrechtliche Fundierung Der Auskunftsanspruch folgt nicht nur aus der einfachgesetzlichen Regelung in § 95 LHO, sondern ist letztlich aus dem Verfassungsrecht abzuleiten. Er gehört zu den „verfassungsrechtlichen Hilfsgarantien“ 113, mit denen die Funktionsfähigkeit der Rechnungsprüfung sichergestellt werden soll. Es ist ein verfassungsrechtlich verankerter, „überragend wichtiger Belang des Allgemeinwohls, daß der Rechnungshof imstande ist, seine durch die Verfassung zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen und seiner Kontrollfunktion nachzukommen“.114 Dazu gehört auch der Auskunftsanspruch.115 4. Adressat der Auskunftspflicht Adressat der Auskunftspflicht ist die zu prüfende Stelle. Das ist die Stelle, die Haushaltsmittel bewirtschaftet oder die bestimmungsgemäße Verwendung von Haushaltsmitteln nachzuweisen hat.116 Nach der hier vertretenen Auffassung ist die NRW.BANK Empfänger von Mitteln des Landes. Sie bewirtschaftet sie auch dann, wenn sie diese durch eigene Geschäftstätigkeit eingenommen hat. Wegen der gesetzlichen Haftung des Landes für die NRW.BANK und der daraus folgenden Aufsichtspflicht ist auch das für die Aufsicht zuständige Mitglied der Landesregierung Adressat der Pflicht. Das in die Bank eingebrachte Landesvermögen, namentlich die Wohnungsbauförderungsanstalt, verlangt eine Beaufsichtigung durch das zuständige Mitglied der Landesregierung. Das ist an erster Stelle das Innenministerium, § 11 Abs. 3 NRW.BankG. Es ist verpflichtet, die (Hrsg.), Haushaltsrecht, § 95 Anm. 22 (2004); für Verwaltungsakt: BVerwGE 98, 163 (164); Hess.VGH, DÖV 2001, S. 873 (874); Bay.VGH, BayVBl. 1992, S. 655; Fittschen, VerwArch, Bd. 83 (1992), S. 165 (188, 191); offengelassen in: BVerfGE 74, 69 (76); BVerwG, DÖV 1996, S. 29, aber deutliche Feststellung, dass die Annahme eines Verwaltungsakts durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nicht Bundesrecht verletzt; zust. Stackmann, DVBl. 1996, S. 414, der die Anordnung der Prüfung gegenüber Dritten jedenfalls als Verwaltungsakt ansieht. 111 BVerfGE 74, 69 (76). 112 s. u. VIII. 2. 113 Stern, DÖV 1990, S. 261 (263 f.); ders., in: Finanzkontrolle, S. 11 (28, 35); Siekmann, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 114 Rn. 30, 38; daran anschließend Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 114 Rn. 71, 106. 114 BVerwGE 82, 56 (60). 115 Vgl. BVerwGE 82, 56 (60); für die parallele Vorlagepflicht nach § 95 Abs. 1 LHO. 116 Lopacki, DöD 2009, S. 269 (271).

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IV. Finanzinstitute

Bank im Rahmen seiner Aufsichtspflicht zu prüfen und die vom Rechnungshof gewünschten Unterlagen zur Verfügung zu stellen.117 Aber auch das Finanzministerium verfügt als Mitglied des Verwaltungsrates über prüfungsrelevante Informationen. Es kann also auch Adressat der Auskunftspflicht sein. 5. Ergebnis Im Ergebnis verletzt das für die Aufsicht zuständige Ministerium verfassungsmäßige Rechte des Landesrechnungshofs, wenn es einem Auskunftsbegehren nicht nachkommt. Entsprechendes gilt für das Finanzministerium, soweit es als Mitglied des Verwaltungsrates über prüfungsrelevante Informationen verfügt. IV. Frage 3: Wenn die Frage zu 2) bejaht wird: Kann sich das Finanzministerium seiner Auskunftsverpflichtung dadurch entziehen, dass es sich darauf beruft, die Willensbildung finde nur in den Organen der NRW.BANK statt? 1. Unterrichtungsanspruch der Aufsichtsbehörde Nach § 11 Abs. 3 NRW.BankG hat die Aufsichtsbehörde das Recht, sich jederzeit über die Angelegenheiten der NRW.BANK zu unterrichten. Sie darf insbesondere sämtliche Geschäfts- und Verwaltungsvorgänge nachprüfen sowie Berichte und Akten anfordern. Aufsichtsbehörde ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 NRW.BankG aber nicht das Finanzministerium, sondern das Innenministerium, das sie im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung im Einvernehmen mit dem für das Wohnungswesen zuständigen Ministerium auszuüben hat. Das Finanzministerium ist nicht Aufsichtsbehörde und hat deshalb auch nicht die Befugnis, sich im Wege der Aufsicht Informationen bei der NRW.BANK zu beschaffen. Allerdings ist das Finanzministerium kraft Gesetzes Mitglied des Verwaltungsrates, § 8 Abs. 1 lit. a NRW.BankG. In dieser Eigenschaft erhält es Zugang zu den Informationen, die für die Prüfung der Bank durch den Rechnungshof wesentlich sind. Auch wenn der Rechnungshof nicht „die“ Bank prüft oder entgegen der hier vertretenen Auffassung nicht prüfen darf, haben die Mitglieder der Landesregierung seinem Auskunftsverlangen zu erfüllen, § 95 Abs. 2 und 3 LHO. Das Innenministerium hat nach der hier vertretenen Auffassung zunächst als zuständige Aufsichtsbehörde das Auskunftsverlangen des Rechnungshofs zu erfüllen. Das Gleiche gilt auch für das Finanzministerium, soweit es über seine 117 Zavelberg, in: Festschrift Forster, S. 724 (731), unter entsprechender Anwendung von § 92 BHO. Diese Heranziehung dürfte aber nicht erforderlich sein.

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Mitgliedschaft im Verwaltungsrat über prüfungsrelevante Informationen und Unterlagen verfügt. 2. Umfang des Anspruchs Allerdings erstreckt sich die Aufsicht nach § 11 Abs. 1 Satz 3 NRW.BankG darauf, dass die Tätigkeit der Bank im Einklang mit Gesetz und Recht steht. Diese Wendung wird man wohl so deuten müssen, dass der Gesetzgeber die Aufsicht auf eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränken wollte. Ob eine solche Beschränkung jedoch bei einer juristischen Person, der nicht das Recht der Selbstverwaltung zusteht, zulässig ist, kann hier dahinstehen, da die Unterrichtungspflicht nicht eingeschränkt sein kann. Auch eine bloße Rechtmäßigkeitsaufsicht muss sich umfassend informieren können. Nur so kann sie verständig beurteilen, ob sich der Aufsichtsunterworfene tatsächlich an Gesetz und Recht gehalten hat. Eine effektive Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde wäre nicht möglich, wenn dem Aufsichtsunterworfenen ein Spielraum bei der Entscheidung zugebilligt würde, welche Vorgänge er vorlegt und welche Informationen er zurückhält. Berufs- und Geschäftsgeheimnisse, wenn sie denn tatsächlich bestehen und geschützt sein sollten, stehen Auskünften gegenüber den zuständigen Stellen des Trägergemeinwesens grundsätzlich nicht entgegen. Durch die Ausgliederung von Tätigkeiten der Verwaltung in selbständige Einheiten darf der Aufsichts- und Kontrollstrang nicht unterbrochen werden. Das betrifft auch die parlamentarische Kontrolle und die Kontrolle durch die Rechnungshöfe. Andernfalls wäre es ein Leichtes, „kontrollfreie Räume“ zu schaffen. Diese darf es aber nicht geben. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Vorlagepflicht für sehr sensitive Daten, wie die Patientenakten einer Universitätspsychiatrie, bejaht.118 Auch der Schutz sonstiger personenbezogener Daten steht einer Prüfung durch den Rechnungshof wegen seines verfassungsmäßig verbürgten Prüfungsrechts nicht entgegen.119 Entsprechendes gilt für Auskunftsverlangen gegenüber der Landesregierung. 3. Willensbildung in Organen a) Einrichtungen mit dem Recht der Selbstverwaltung oder mit einer Unabhängigkeitsgarantie Der Willensbildungsprozess in Organen von Selbstverwaltungskörperschaften, die einen besonderen Grundrechtsschutz genießen, mag von den Unterrichtungsansprüchen ausgenommen sein, wenn sie einer eigenständigen demokratischen 118 119

BVerwGE 82, 56 (60); krit. Heintzen/Lilie, NJW, S. 1601 (1603 f.). Lopacki, DöD 2009, S. 269 (270).

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IV. Finanzinstitute

Kontrolle unterliegen, wie Kommunalkörperschaften. Auch sind Besonderheiten im Bereich von Einrichtungen zu beachten, denen ein besonderer institutioneller Schutz von Verfassungs wegen gewährt ist, wie Rundfunkanstalten, Universitäten oder der Bundesbank. Aber selbst für die EZB, die einen besonders ausgeprägten europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Schutz genießt, hat der EuGH angenommen, dass sie dem Finanzkontrollsystem OLAF unterliegt.120 Der NRW.BANK ist das Recht der Selbstverwaltung nicht eingeräumt; weder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich. Aber selbst wenn einfachgesetzlich Selbstverwaltungsrechte eingeräumt sind, schließt das eine Prüfung durch die Rechnungshöfe nicht aus. Das ist mittlerweile auch mehrfach höchstrichterlich entschieden worden.121 Der Auskunftsanspruch des Rechnungshofs hat „Verfassungsrang“.122 b) Kernbereich exekutiver Eigenverantwortlichkeit Ob es einen unausforschbaren und damit unkontrollierbaren Kernbereich exekutiver Eigenverantwortlichkeit gibt, ist nicht sicher.123 Wenn überhaupt, wird es sich um den internen Willensbildungsprozess innerhalb eines Verfassungsorgans handeln. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1984 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem obiter dictum anerkannt, dass es Fälle geben könne, „in denen die Regierung aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung geheim zu haltende Tatsachen mitzuteilen nicht verpflichtet“ sei.124 Diese Entscheidung betraf aber Informationsbegehren eines Untersuchungsausschusses und nicht die Rechnungshofskontrolle. Später hat es dann als Verfassungsgericht für Schleswig-Holstein diese Aussage eingeschränkt. Die Pflicht, Informationswünschen zu entsprechen, bestehe nur dann nicht, wenn „die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen“ könne, die „in der alleinigen Kompetenz der Regierung“ liegen.125 Das Gericht hat mitnichten allgemeine Richtlinien für Informationen aus Kollegialorganen aufgestellt. Darüber hinaus hat es die Informationsbegehren des Parlaments eindeutig nur für noch nicht abgeschlossene Vorgänge ausgeschlossen. Die Kontrollkompetenz des Parlaments enthalte nicht die Befugnis, 120 Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-11/00, Rn. 64, 92, 135, EuR 2003, 847; weitere Einzelheiten bei Siekmann, in: Sachs, Art. 88 Rn. 63. 121 BVerwGE, 163 (177) (Handwerkskammern); BVerwG, GewArch 2010, S. 69 (Industrie- und Handelskammern), mit Anmerkung Volino. 122 Löwer, NWVBl. 2009, S. 125 (132). 123 Für die Kontrolle durch Rechnungshöfe verneint, sobald ein Vorgang abgeschlossen ist: v. Mutius/Nawrath, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Haushaltsrecht, Art. 114 Anm. 32 (1999). 124 BVerfGE 67, 100 (139). 125 BVerfGE 110, 199 (214).

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in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen.126 Letztlich hat es nur noch einen stark eingeschränkten Schutz von Informationen aus dem Vorfeld von Regierungsentscheidungen nach Abschluss der jeweiligen Entscheidung bejaht.127 Zwischen Informationsbegehren des Parlaments einschließlich seiner Ausschüsse und den Auskunftsersuchen eines Rechnungshofs bestehen entscheidende Unterschiede, auch wenn die Berichte des Rechnungshofs dem Parlament zuzuleiten sind. Die Mitglieder der Rechnungshöfe sind „geheimnisfähig“, wie es Löwer ausgedrückt hat.128 Sie unterliegen den beamtenrechtlichen Verpflichtungen zur Verschwiegenheit und zum Schutz von Dienstgeheimnissen. Wenn ihnen ein Geheimnis bekannt wird, ergibt sich „trotz der damit einhergehenden Vermehrung der Zahl der Wissensträger noch keine strukturelle Gefährdung des Geheimnisses“.129 Darüber hinaus ist die Willensbildung in dem Organ eines nachgeordneten Trägers öffentlicher Verwaltung in keiner Weise mit dem Abstimmungsprozess innerhalb des Verfassungsorgans „Regierung“ zu vergleichen. Nur dazu hatte sich das Bundesverfassungsgericht aber geäußert. Aspekte der Gewaltenteilung können insoweit keine vergleichbare Rolle spielen. Jedenfalls besteht bei Entscheidungsprozessen in Kollegialorganen der Verwaltung nicht die Gefahr des „Mitregierens“, um die es dem Gericht vorrangig geht. Ein solches Verwaltungsorgan hat auch keine eigenständige Verantwortung gegenüber Parlament und Volk. Sie ist aber die Prämisse für die Anerkennung eines „Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung“.130 Die Kontrolle der administrativen Umsetzung einer Regierungsentscheidung macht diese nicht im Wege der Vorwirkung unmöglich oder erschwert sie. Es gibt daher keinen sachlichen Grund, allgemein der Prüfung entzogene Freiräume unterhalb der Regierungsebene zu schaffen.131 Sie folgen auch nicht aus der Ratio eines angeblichen Rechtsinstituts „geschützter, unausforschbarer Kernbereich der Exekutive“. Ein solches Institut ist in dieser Allgemeinheit auch nicht vom Bundesverfassungsgericht bejaht worden. Dies ist auch in der Sache gerechtfertigt, da das Staatsorgan „Regierung“ durchaus nicht an die Willensentscheidung eines anderen gebunden wäre,132 wenn es dieses Rechtsinstitut nicht gäbe.

126

BVerfGE 110, 199 (215). BVerfGE 110, 199 (216). 128 Löwer, NWVBl. 2009, S. 125 (127), der darin einen Unterschied zur parlamentarischen Kontrolle sieht. 129 Löwer, NWVBl. 2009, S. 125 (127). 130 BVerfGE 110, 199 (214). 131 In diesem Sinne auch die Beschränkung von Freiräumen auf die Regierungsebene durch Sierig, Grenzen, S. 107 ff. 132 Das war aber die Sachlage in der Entscheidung zum Bremischen Personalvertretungsrecht, BVerfGE 9, 268 (281 f.). 127

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IV. Finanzinstitute

Das Ergebnis einer Entscheidung muss in jedem Fall Gegenstand der Prüfung durch den Rechnungshof sein, unabhängig davon, ob die Entscheidung durch ein Kollegialorgan getroffen worden ist oder nicht. Andernfalls würde die Prüffähigkeit von Vorgängen von Zufälligkeiten der Verwaltungsorganisation abhängen. c) Zwischenergebnis Wenn die Willensbildung tatsächlich nur in den Organen der NRW.BANK stattfinden sollte, ist das kein Grund, der eine Verweigerung der Auskunftserteilung rechtfertigen würde. 4. Ergebnis Soweit eine Auskunftspflicht besteht, darf der Finanzminister seine Erfüllung nicht deswegen verweigern, weil die Willensbildung nur in den Organen der NRW.BANK stattfindet. V. Frage 4: Steht dem Landesrechnungshof aufgrund des § 13 Abs. 1 NRW.BANKG gegenüber dem Finanzministerium nur ein eingeschränktes Prüfrecht dergestalt zu, dass er nicht die „Erwirtschaftung“ und „Verwaltung“ der Fördermittel, sondern nur deren „Verwendung“ prüfen kann? Es ist bereits in der Einleitung dargelegt worden,133 dass eine sachgerechte Auslegung von § 13 Abs. 1 NRW.BankG zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass nicht nur die zweckgerechte Verwendung von Mitteln geprüft werden kann. VI. Frage 5: Zur Haushalts- und Wirtschaftsführung gehören auch Garantieverpflichtungen, die das Land gegeben hat. Gehört es zum verfassungsmäßigen Auftrag des Landesrechnungshofs, auch diesen Aufgabenbereich zu prüfen, bevor es zu einer Inanspruchnahme des Landes aus der Garantie kommt? 1. Zeitnähe der Rechnungshofskontrolle Bei der Durchführung der Haushaltsreform war es ein wichtiges Anliegen, die Prüfung näher an die Gegenwart heranzuführen. Eine Prüfung allein auf der Grundlage der Rechnungslegung durch den Finanzminister hatte sich als ineffektiv erwiesen. Andererseits sollte die Prüfung nicht von einer überwachenden Kontrolle zum (beratenden) Mitvollzug mutieren.134 Wo die genaue Grenze ver133 134

s. o. I. 2. c). Vgl. Stern, Staatsrecht II, S. 431.

2. Prüfung der NRW.BANK durch den Landesrechnungshof

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läuft, ist indes nicht sicher. Jedenfalls darf die Prüfung aber schon vor der Rechnungslegung ansetzen, § 42 HGrG.135 Grundsätzlich darf sich die Prüfung aber nur auf abgeschlossene Vorgänge beziehen.136 Allerdings wird auch diese Grenze nicht sehr scharf gezogen. Ausgeschlossen werden soll im Wesentlichen ein „Mitplanen“ durch die Rechnungshöfe. Der Grund für die Einschränkung ist, dass andernfalls der Vorteil einer unabhängigen Kritik durch eine Einrichtung, die für die Durchführung einer Maßnahme nicht verantwortlich ist, aufs Spiel gesetzt würde.137 Der entscheidende Gesichtspunkt ist danach die Verantwortlichkeit. Eine Kontrolle ist wenig effektiv, wenn sie Maßnahmen zum Gegenstand hat, an der die kontrollierende Einrichtung verantwortlich mitgewirkt hat. Deshalb wird aber die (selbständige) Beratung durch die Rechnungshöfe – in Grenzen – als zulässig angesehen.138 Eine begleitende Prüfung ist beim Bau des Aachener Klinikums durch den Landesrechnungshof erfolgt. Eine derartige „bauabschnittsweise“ Prüfung vor Fertigstellung des Gesamtwerks dürfte in jedem Fall zulässig sein. Sie kann auch aus § 89 Abs. 1 Nr. 2 LHO abgeleitet werden. Die Prüfung schon im Vorfeld ermöglicht es, auf Schwächen hinzuweisen, bevor ein Schaden eingetreten ist.139 Abgeschlossene Teilentscheidungen dürfen zum Gegenstand der Kontrolle gemacht werden, wenn sie finanzwirksame Folgen auslösen.140 Noch etwas weitergehend wird es sogar als ausreichend angesehen, wenn zumindest ein abgrenzbarer „Tatsachenkern“ vorliegt, der „Teil eines potenziell finanzwirksamen, noch nicht abgeschlossen größeren Ganzen ist. In diesem Sinne kann auch die „begleitende Prüfung“ als eine nachherige Prüfung betrachtet werden.141 2. Vollständige Einbringung der Wohnungsbauförderungsanstalt Spätestens seit Verabschiedung des Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen, zur Steigerung der Fördermöglichkeiten der NRW.BANK und zur Änderung anderer Gesetze vom 8. Dezember 2009 betrifft 135

Vogel/Kirchhof, BK, Art. 114 Rn. 20 (1973). VG Düsseldorf, NJW 1981, S. 1396 (1397); Vogel, DVBl. 1970, S. 193 (198); Reger, VerwArch, Bd. 66 (1975), S. 195 (248, 250); Stern, Staatsrecht II, S. 431; für die parlamentarische Kontrolle: BVerfGE 110, 199 (215) m.w. N.; Dästner, Verfassung, Art. 86 Rn. 4; Löwer, NWVBl. 2009, S. 125 (126, 131). 137 Reger, VerwArch, Bd. 66 (1975), S. 195 (248). 138 Nur in engen Grenzen: Vogel, DVBl. 1970, S. 193 (197 f.); Stern, Staatsrecht II, S. 432. 139 Bertrams, NWVBl. 1999, S. 1 (5), der die Gefahr der Verantwortungsverlagerung für nicht so groß ansieht. 140 Löwer, NWVBl. 2009, S. 125 (131); für die parlamentarische Kontrolle: BayVGH, NVwZ 1996, S. 822. 141 Vgl. Mähring, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Haushaltsrecht, Art. 114 Anm. 9 (2007); nicht eindeutig Vogel, DVBl. 1970, S. 193 (196 f.). 136

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IV. Finanzinstitute

eine Prüfung der NRW.BANK und der vollständigen Einbringung der Wohnungsbauförderungsanstalt einen abgeschlossenen Vorgang, wenn man das zuvor entwickelte Kriterium zugrunde legt. Das betrifft vor allem auch Informationsbegehren gegenüber der Landesregierung. 3. Garantieverpflichtungen Wenn das Land eine Garantie abgibt, ist das bereits ein finanzwirksamer Vorgang, auch wenn es nicht zu einer Inanspruchnahme der Garantie kommt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Garantie durch Rechtsgeschäft begründet worden ist oder durch Gesetz. Für die rechtsgeschäftliche Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen ist allerdings eine Ermächtigung durch Gesetz erforderlich, Art. 83 Satz 1 LVerf. Die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstiger Gewährleistungen ist eine geldwerte Leistung. Im geschäftlichen Privatrechtsverkehr ist dafür regelmäßig eine Gegenleistung zu erbringen. Banken verlangen dafür auch von Privatkunden eine „Avalprovision“. Derartige Entgelte sind auch für die Garantien des Finanzmarktstabilisierungsfonds zu leisten, der ein Teil der Staatsverwaltung ist. Erfolgt die Übernahme einer solchen Garantie durch den Staat ohne Gegenleistung, liegt eine Zuwendung vor, die einen europarechtlichen Beihilfetatbestand erfüllen kann. Dazu sind auch Anstaltslast und Gewährträgerhaftung zu rechnen.142 Die europarechtliche Beihilfeproblematik war doch der eigentliche Grund, warum die NRW.BANK überhaupt geschaffen worden ist.143 Aber nicht nur die Prüfung der Übernahme solcher Garantien gehört zum verfassungsrechtlich übertragenen Aufgabenspektrum, sondern auch das damit eingegangene Risiko für den Landeshaushalt. Das gilt vor allem, wenn die Garantie der Höhe nach unbegrenzt ist. Das ist der Fall bei der durch § 4 Abs. 2 NRW.BankG begründeten Anstaltslast und der in § 4 Abs. 3 NRW.BankG angeordneten Gewährträgerhaftung. Hier kann sich die Prüfung nicht auf die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Begründung der potentiellen Verpflichtung beschränken, da die Höhe des möglichen Schadens für den Landeshaushalt nicht bekannt ist. Einfachgesetzlich ist dieser Zusammenhang bereits durch die Formulierung in § 89 Abs. 1 Nr. 2 LHO anerkannt. Danach erstreckt sich die Prüfung auf Maßnahmen, „die sich finanziell auswirken können“. Es braucht also noch nicht zu einer Zahlung gekommen zu sein. Dies muss auch für Garantien jeglicher Art gelten, selbst wenn bei der Schaffung der Vorschrift die Gewährleistung einer zeitnahen Prüfung bei mehrstufigem komplexem Verwaltungshandeln im Vorder142 143

Schreiben der EU-Kommission vom 08.05.2001, SG (2001) D/288482. s. o. I. 1. b).

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grund gestanden hat.144 Die Regelung entspricht § 42 Abs. 2 Nr. 2 HGrG, der auch für den Landesgesetzgeber verbindliche Maßstäbe enthält, allerdings mit der oben erörterten Abweichungsmöglichkeit für Unternehmen in § 48 Abs. 2 HGrG.145 Eine (mit-)laufende Prüfung der Einrichtung, welche durch ihr Verhalten die Landesfinanzen ruinieren kann, muss zum verfassungsrechtlichen Prüfungsauftrag gehören. Die Wirtschaftsführung des Landes wird entscheidend geprägt durch die Einnahmen und Ausgaben für verselbständigte Einheiten der Verwaltung, vor allem die Finanzinstitute aber auch die Ruhrkohle AG (RAG AG) und deren Nachfolger, auch wenn diese formal Privatrechtssubjekt ist. Namentlich die WestLB hat durch Erträge aus hochriskanten Geschäften die Einnahmesituation des Landes aufgebessert, aber durch Unterstützungsbedarf, um sie vor der Insolvenz zu retten, auch fast in den Ruin getrieben. Ob Kosten und Erträge für das Land und seine nachgeordneten Körperschaften in einem einigermaßen akzeptablen Verhältnis stehen, muss Gegenstand einer lückenlosen Wirtschaftlichkeitsprüfung des Landes sein. Es bestehen zudem Anhaltspunkte, dass auch in Zeiten, in denen die Landesbank Gewinne erwirtschaftet hat, durch Fehlentscheidungen und Fehlverhalten Gewinne in substantieller Höhe entgangen sind, die (teilweise) dem Land zugestanden hätten. Auch oberhalb der Grenze einer Inanspruchnahme und ungeachtet nicht richtig bepreister Risiken, die nur durch die Garantien des Landes eingegangen werden konnten, besteht erheblicher Kontrollbedarf, wenn ein einigermaßen vollständiges Bild von der Wirtschaftsführung des Landes erstellt werden soll. Die Einrichtungen, die nur auf Grund der unbedingten und unbeschränkten Garantien des Landes die Geschäfte tätigen können, die sie tätigen, müssen insoweit als integraler Bestandteil der Landesfinanzen angesehen werden, auch wenn sie rechtlich selbständig sind. 4. Vorbereitende Maßnahmen Zur verfassungsrechtlich abgesicherten Prüfungskompetenz gehört es auch, dass der Rechnungshof die Vorlage von Akten oder entsprechende Auskünfte zu Vorgängen verlangen kann, die Auswirkungen haben können. Er muss feststellen können, ob bereits Entscheidungen getroffen worden sind, die sich finanziell auswirken können146 und jetzt in die Untersuchungsplanung einbezogen werden müssen. Wegen der unbegrenzten Haftung des Landes für die NRW.BANK gehört im Grundsatz die gesamte Geschäftstätigkeit dazu, da sie zu einer Inan144 Vgl. Nawrath, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Haushaltsrecht, § 89 Anm. 3 (1999). 145 s. o. II. 1. a) cc) f. 146 Löwer, NWVBl. 2009, S. 125 (132).

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IV. Finanzinstitute

spruchnahme des Landes führen und mögliches Dotationskapital verringern kann. 5. Ergebnis Es gehört zum verfassungsmäßigen Auftrag des Landesrechnungshofs, Maßnahmen zu überprüfen, die zu einer Inanspruchnahme des Landes aus Garantien führen können, bevor es zu einer Inanspruchnahme gekommen ist. VII. Frage 6: Ein zentrales Strukturelement der parlamentarischen Demokratie in Deutschland ist die Kontrolle der Regierung durch das Parlament. Der Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen unterstützt das Landesparlament bei der Kontrolle der hiesigen Landesregierung. Die Bilanzsumme der NRW.BANK beträgt bereits jetzt ein Mehrfaches des Landeshaushalts. Mit der von der Landesregierung beabsichtigten Vollintegration der Wohnungsbauförderungsanstalt in die NRW.BANK ist im Grundsatz die Möglichkeit gegeben, das Geschäftsvolumen und die Bilanzsumme der Bank noch erheblich auszuweiten. Vor allem angesichts der künftig für den Landeshaushalt geltenden „Schuldenbremse“ könnte sich hier möglicherweise ein Schattenhaushalt erheblichen Ausmaßes mit nicht überschaubaren Risiken für das Land etablieren. Ist vor diesem Hintergrund verfassungsrechtlich zulässig, dem Landesrechnungshof nur ein eingeschränktes Prüfungsrecht einzuräumen, mit der Konsequenz, dass der Landesrechnungshof insoweit die Parlamentarische Kontrolle auch nur eingeschränkt unterstützen kann? Die Beantwortung dieser Frage ist im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Frage 1 beantwortet worden.147 VIII. Frage 7: Kann der Landesrechnungshof eventuelle Verstöße (siehe vorstehende II. bis VII.) unmittelbar vor dem Verfassungsgerichtshof geltend machen? Wer wäre ggf. Beklagte(r)? 1. Organstreitverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof Der Rechtsweg zum Verfassungsgerichtshof ist nicht durch eine Generalklausel eröffnet. Anders als in der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist er nur in einer bestimmten Verfahrensart gegeben. Insoweit ist ein Enumerationsprinzip verwirklicht worden. Näher in Betracht kommt ein Organstreitverfahren nach Art. 75 Nr. 2 LV NRW, § 12 Nr. 5, §§ 43 ff. des Verfassungsgerichtshofsgesetzes (VerfGHG NRW) 147

s. o. II. 3.

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vor dem Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen. Organstreitverfahren fallen in seine Zuständigkeit. a) Anforderungen an den Antrag Es muss ein ordnungsgemäßer Antrag gestellt werden. aa) Schriftlichkeit Der Antrag ist schriftlich zu stellen, § 18 Abs. 1 Satz 1 VerfGHG. bb) Begründung Der Antrag ist zu begründen. Die erforderlichen Beweismittel müssen angegeben werden, § 18 Abs. 1 Satz 2 VerfGHG. Die Maßnahme oder Unterlassung, durch die der Antragsgegner gegen die Verfassung verstoßen haben soll, ist näher darzulegen, § 44 Abs. 2 VerfGHG. cc) Frist Der Antrag ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist, zu stellen, § 44 Abs. 3 VerfGHG. b) Verfahrensgegenstand Ein Organstreitverfahren ist nur zulässig, wenn Gegenstand des Verfahrens die Prüfung der Frage ist, ob die Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners gegen die Verfassung verstoßen hat, § 44 Abs. 1 VerfGHG. Als Verfassungsnormen, die möglicherweise verletzt sind, kommen Art. 86 Abs. 2 und Art. 87 LVerf. in Betracht. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht die Berufung auf Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG nicht ausreichen lassen, um einen Verfassungsrechtsstreit anzunehmen, wenn sich der Klageanspruch schon aus einfach-rechtlichen Normen ergebe. Das streitige Rechtsverhältnis sei dann nicht entscheidend vom Verfassungsrecht geprägt. Dem stehe nicht entgegen, dass der Ausgang des Rechtsstreits zugleich von der Klärung verfassungsrechtlicher Fragen abhänge.148 Danach kommt es darauf an, ob die oben ermittelten Rechtsverstöße ihren Schwerpunkt im einfachen Gesetzesrecht haben. Überwiegend ist der Streit eines Rechnungshofs mit Stellen außerhalb der Staatsverwaltung nichtverfassungs148

BVerwGE 116, 92 (93).

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rechtlich beurteilt worden. Er sei vor den Verwaltungsgerichten auszutragen.149 So wurden Streitigkeiten von Privatrechtssubjekten mit den Rechnungshöfen über die Weitergabe von Prüfungsberichten als nichtverfassungsrechtliche Streitigkeiten behandelt.150 Das Bundesverfassungsgericht hat die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, dass Auseinandersetzungen darüber, ob und in welchem Umfang ein Rechnungshof zur Prüfung berechtigt sei, als öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art zu beurteilen seien, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei, nicht beanstandet.151 Der Streit um einzelne Maßnahmen der Prüfungsdurchführung wird daher grundsätzlich als nichtverfassungsrechtlicher Art zu beurteilen sein. Er muss vor den Verwaltungsgerichten ausgetragen werden. Das soll selbst dann gelten, wenn auf beiden Seiten Organe beteiligt sind, die prinzipiell auch Beteiligte an einem Verfassungsgerichtsverfahren sein könnten. Es fehle die erforderliche „doppelte Verfassungsunmittelbarkeit“.152 Allerdings wird dieses Kriterium nicht durchgängig anerkannt; vor allem in der Rechtsprechung.153 Gleichwohl nimmt die Rechtsprechung regelmäßig eine nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit an. Andererseits ist der Streit eines Privatrechtssubjekts mit dem Landesrechnungshof über die Prüfung und den Prüfbericht auch als verfassungsrechtliche Streitigkeit beurteilt worden, obwohl der Landesrechnungshof lediglich oberste Landesbehörde aber kein Verfassungsorgan sei.154 Auf das Erfordernis, dass zumindest auf einer Seite des Verfahrens ein Verfassungsorgan beteiligt sein müsse, sei dann zu verzichten, wenn auf eine im „Kern“ verfassungsrechtliche Beziehung – im zu entscheidenden Fall zwischen Rechnungshof und Landtag – eingewirkt werden solle. Dabei ließ das Gericht ausdrücklich offen, ob die Prüfungstätigkeit gegenüber Dritten Verwaltungstätigkeit sei.155

149 OVG Münster, NJW 1980, S. 137 (138); BayVGH, BayVBl. 1992, S. 655; VGH Kassel, NVwZ-RR 1994, S. 515 (516); Reimers, in: Posser/Wolff, § 40 Rn. 129; Lopacki, DöD 2009, S. 269 (272). 150 BVerwGE 104, 20; OVG Rh.-Pf., DVBl. 1995, S. 1372; OVG Münster, NJW 1980, S. 137. 151 BVerfGE 74, 69 (75 f.); wörtlich aufgegriffen vom VGH Kassel, NVwZ-RR 1994, S. 511 (512); NVwZ-RR 1994, S. 515 (516), der damit den Streit als beigelegt ansieht. 152 Verwendung dieses Kriteriums bei Groß, VerwArch, Bd. 95 (2004), S. 194 (208); allgemein Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 11 Rn. 49; dagegen im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Rechnungshöfe Löwer, NWVBl. 2009, S. 125 (132). 153 Vgl. den Überblick bei Reimers, in: Posser/Wolff, § 40 Rn. 94–96. 154 VG Düsseldorf, NJW 1981, S. 1396 (1397). 155 VG Düsseldorf, NJW 1981, S. 1396 (1397); ähnlich, aber im konkreten Fall verneint: BVerwGE 116, 92 (93). Das Bundesverwaltungsgericht stellt allgemein darauf ab, wo der Kern einer Streitigkeit liegt, vgl. BVerwGE 24, 272; 36, 218.

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Hier kann aber letztlich dahinstehen, ob der Streit über die Prüfungsbefugnis der Rechnungshöfe mit Privatrechtssubjekten verfassungsrechtlicher Natur ist. Soweit es um die Durchsetzung von Rechten gegenüber Mitgliedern der Landesregierung geht, wird eine Streitigkeit „im Kern“ oder „entscheidend“ vom Verfassungsrecht geformt sein. Es dürfte insoweit immer eine verfassungsrechtliche Streitigkeit vorliegen, da die Finanzkontrolle ein „Herzstück“ der parlamentarischen Kontrolle im Budgetkreislauf ist. Das Parlament kann seine Kontrolle effektiv nur mit Hilfe der Rechnungshöfe ausüben. Art und Weise dieser Kontrolle ist in Art. 86 Abs. 2 LVerf. und Art. 87 Abs. 1 LVerf. verfassungsunmittelbar und nicht substituierbar festgelegt.156 Ein Streit darüber ist „im Kern“ verfassungsrechtlicher Natur.157 Hinzu kommt, dass wesentlich über die Grenzen der „verfassungsrechtlich fundierten Notwendigkeit einer lückenlosen Rechnungsprüfung“158 gestritten würde. Soweit es aber um die Durchsetzung von Rechten gegenüber einem Subjekt des öffentlichen Rechts außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung geht, also auch gegenüber der NRW.BANK, ist es möglich, Anordnungen hoheitlich, also einseitig, zu erlassen. Sie dürften als Verwaltungsakte zu klassifizieren sein.159 Die sogenannte Verwaltungsaktsbefugnis wird im neueren Schrifttum und Rechtsprechung den Rechnungshöfen zugebilligt.160 Der Rechnungshof kann dann seine Rechte auch ohne Inanspruchnahme der Gerichte durchsetzen. Der Adressat einer solchen Maßnahme kann verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen,161 auch dann, wenn man die Maßnahmen des Rechnungshofs nicht als Verwaltungsakt qualifiziert. Eine verwaltungsgerichtliche Unterlassungsklage wäre dann zulässig.162 Ein Streit über Art und Umfang der Prüfungsbefugnis eines Rechnungshofs mit einer Stelle, die kein Verfassungsorgan ist, erfüllt nicht das Erfordernis der „doppelten Verfassungsunmittelbarkeit“.163 Auch wenn man dieses Kriterium nicht verwenden will,164 dürfte aber die entscheidende Prägung durch das Verfas-

156

Löwer, NWVBl. 2009, S. 125 (133). Löwer, NWVBl. 2009, S. 125 (132). 158 BVerwGE 82, 56 (61). 159 BVerwGE 98, 163 (164); HessVGH, DÖV 2001, S. 873 (875); weitere Nachweise oben Fn. 110. 160 HessVGH, DÖV 2001, S. 873 (875); Groß, VerwArch, Bd. 95 (2004), S. 194 (212 ff.); indirekt wohl auch BVerwGE 98, 163; a. A. Hockenbrink, DÖV 1992, S. 241 (243). 161 BayVGH, BayVBl. 1992, S. 655. 162 BVerfGE 74, 69 (76). 163 Groß, VerwArch, Bd. 95 (2004), S. 194 (208). 164 So Löwer, NWVBl. 2009, S. 125 (132). 157

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sungsrecht fehlen.165 Im Ergebnis liegt insoweit keine verfassungsrechtliche Streitigkeit vor. Das hat zur Folge, dass grundsätzlich der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten in diesem Fällen eröffnet ist.166 Soweit aber mit einem Verfassungsorgan über Fragen gestritten wird, die vom Verfassungsrecht maßgebend geprägt sind, liegt eine verfassungsrechtliche Streitigkeit vor. c) Richtiger Antragsgegner Richtiger Antragsgegner in einem solchen Verfahren wäre die Landesregierung oder das für die Auskunft zuständige Mitglied dieses Verfassungsorgans. In Betracht kommen dafür das Innenministerium als Aufsichtsbehörde und das Finanzministerium als Mitglied des Verwaltungsrates. Sie sind verpflichtet, Auskunftsersuchen nach § 95 LHO zu erfüllen. d) Beteiligtenfähigkeit (Parteifähigkeit) aa) Antragsteller Der Landesrechnungshof könnte als „oberstes Landesorgan“ im Sinne von Art. 75 Nr. 2 LVerf. beteiligtenfähig sein. Das Gesetz über den Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen (LRHG) bezeichnet ihn als „oberste Landesbehörde“, § 1 Abs. 1 LRHG. Es ist nicht sicher, ob „Behörde“ und „Organ“ in diesem Zusammenhang die gleiche Bedeutung haben. Das wird in der Rechtsprechung verneint.167 Das OVG Münster hat dem Landesrechnungshof die Stellung als Verfassungsorgan abgesprochen.168 Im Schrifttum werden die Rechnungshöfe zwar teilweise als Verfassungsorgane beurteilt,169 überwiegend wird das jedoch anders gesehen.170 165 Das OVG Münster beurteilt ebenfalls nicht automatisch Streitigkeiten, an der Rechnungshöfe beteiligt sind, als verfassungsrechtlich (NJW 1980, S. 137). Das Gericht stellt auf den „eigentlichen Kern des Rechtsstreit“ ab und verneint, dass das streitige Rechtsverhältnis „entscheidend vom Verfassungsrecht geformt“ sei; anders wohl Löwer, NWVBl. 2009, S. 125 (132). 166 BayVGH, BayVBl. 1992, S. 655; VGH Kassel, NVwZ-RR 1994, S. 515 (516). Belemann stellt ebenfalls maßgebend auf den Streitgegenstand ab, DÖV 1990, S. 58 (59); mehr dazu unten S. 806. 167 VG Düsseldorf, NJW 1981, S. 1396 (1397). 168 OVG Münster, NJW 1980, S. 137; zust. VGH Kassel, NVwZ-RR 1994, S. 511 (512); NVwZ-RR 1994, S. 515 (516). 169 Reimer, in: Posser/Wolff, § 40 Rn. 127. 170 Dästner, Verfassung, Art. 87 Rn. 2 für Nordrhein-Westfalen; Bertrams, NWVBl. 1999, S. 1 (2); Vogel/Kirchhof, Art. 114 Rn. 177 (1973) für den Bundesrechnungshof; Stern, in: Böning/v. Mutius, S. 36; Sodan, in: Sodan/Ziekow, § 40 Rn. 262, aber oberstes Staatsorgan; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 114 Rn. 17 für den Bundesrechnungshof; Wieland, DVBl. 1995, S. 894: „Diskussion über die Verfassungsorganqualität des Bundesrechnungshofs dürfte dagegen abgeschlossen sein“; Sierig, Grenzen, S. 42.

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Falls das richtig sein sollte, kommt aber auch eine Beteiligung als anderer Beteiligter, der durch die Verfassung mit eigenen Rechten ausgestattet ist, in Betracht. Die eigenen Rechte könnten sich aus Art. 87 LVerf. ergeben. Insgesamt hat sich die Rechtsprechung noch nicht eindeutig darauf festgelegt, dass Rechnungshöfe andere Beteiligte im Sinne des Verfassungsprozessrechts sein können.171 Das Schrifttum vertritt dagegen überwiegend die Auffassung, dass Rechnungshöfe die „Antragsfähigkeit“, „Parteifähigkeit“ oder die (aktive) „Beteiligtenfähigkeit“ haben. Zumindest werden sie als „andere Beteiligte“ im Sinne des Verfassungsprozessrechts eingestuft.172 Der Begriff „Aktivlegitimation“ ist in diesem Zusammenhang nicht ganz passend. Zum Teil wird jedoch die (aktive) Beteiligtenfähigkeit oder auch die Antragsbefugnis darauf beschränkt, dass eine Gefahr für Status oder Unabhängigkeit des Rechnungshofs geltend gemacht wird. Diese Frage sollte jedoch getrennt von der Beteiligtenfähigkeit behandelt werden. Eine relative Beteiligtenfähigkeit ist unzweckmäßig. Notwendige Einschränkungen sollten bei der Frage des zulässigen Streitgegenstandes vorgenommen werden. Die Rechnungshöfe sind von der Verfassung nicht nur erwähnt, sondern mit eigenen Befugnissen ausgestattet. Diese müssen sie auch aktiv wahrnehmen können. Sie sind auch nicht bloße Hilfsorgane anderer Verfassungsorgane; weder des Parlaments noch der Regierung. Das kommt in Art. 87 Abs. 1 Satz 1 LVerf. klar zum Ausdruck, der sich insoweit deutlich von Art. 114 Abs. 2 GG unterscheidet. Der Landesrechnungshof von Nordrhein Westfalen ist auch weder dem Landtag noch der Landesregierung oder einem Ministerium eingegliedert oder angegliedert.173

171 Offen gelassen in BVerfGE 92, 130 (133); ebenso Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, DÖV 1998, S. 200. Der Staatsgerichtshof des Landes Hessen hat diese Frage auch nicht entschieden, sondern die Antragsbefugnis, im Sinne möglicherweise verletzter Rechte (nur) im konkreten Fall verneint, Beschluss vom 13. Januar 1999 – Az.P.St. 1315, Umdruck, S. 9. 172 Für den Landesrechnungshof von Nordrhein-Westfalen: Belemann, DÖV 1990, S. 58 (63); Tettinger, in Löwer/Tettinger, Art. 87 Rn. 9; für den Bundesrechnungshof: Vogel/Kirchhof, Art. 114 Rn. 179 (1973); Stern, Staatsrecht II, S. 449 f. m.w. N.; ders., in: Böning/v. Mutius, S. 36; Fittschen, VerwArch, Bd. 83 (1992), S. 165 (190); Siekmann, in: Sachs, Art. 114 Rn. 25; v. Mutius/Nawrath, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Haushaltsrecht, Art. 114 Anm. 13 (1999); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 93 Rn. 6a; Jarass, ebda, Art. 114 Rn. 4; wohl auch Groß, VerwArch, Bd. 95 (2004), S. 194 (207); Heun, in: Dreier, Art. 114 Rn. 19; Löwer, in: Handbuch des Staatsrechts, § 70 Rn. 18 mit umfassenden Nachweisen; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 114 Rn. 17; Lopacki, DöD 2009, S. 269 (272); Kube, in: Maunz/Dürig, Art. 114 Rn. 129 (2008); a. A.: Grupp, Stellung, S. 95; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 114 Rn. 12 in der Vorbearbeitung (1984), aufgegeben in der Neubearbeitung durch Kube; Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, S. 52 (Rn. 87); Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 114 Rn. 7. 173 Grawert, Verfassung, Art. 87; Sierig, Grenzen, S. 42; allgemein bloßes „Hilfsorgan“ Fröhler/Kormann, GewArch 1984, S. 1 (3).

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Im Streit mit Verfassungsorganen oder obersten Staatsorganen scheidet ein Verfahren vor den Verwaltungsgerichten aus. Ohne die Möglichkeit des Organstreitverfahrens bestünde die Gefahr, dass ihre Befugnisse im Konfliktfall leer laufen. Deshalb ist im Ergebnis der nunmehr ganz herrschenden Meinung zu folgen. bb) Antragsgegner Die Landesregierung ist ein oberstes Landesorgan im Sinne von Art. 75 Nr. 2 LVerf. i.V. m. § 43 VGHG. Ihr ist ein eigener Abschnitt in der Verfassung gewidmet.174 Sie ist beteiligtenfähig. Ob auch einzelne Minister oberste Landesorgane im Sinne dieser Vorschriften sind, kann hier dahinstehen. Jedenfalls sind sie mit eigenen Rechten ausgestattete Teile dieser Organe. Im Ergebnis sind sie beteiligtenfähig in einem Organstreitverfahren.175 e) Antragsbefugnis Der Rechnungshof ist antragsbefugt, wenn er „schlüssig“ behauptet, dass er und der Antragsgegner an einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis beteiligt sind und hieraus erwachsende eigene Rechte des Antragstellers durch das Verhalten des Antragsgegners verletzt oder unmittelbar gefährdet sind.176 Später hat die Rechtsprechung diese Formel dahingehend abgeschwächt, dass eine Verletzung oder Gefährdung „nicht vornherein ausgeschlossen“ sein darf.177 Das trifft für die Verweigerung der Erfüllung von Auskunftsersuchen des Landesrechnungshofs zu. f) Rechtsschutzbedürfnis Wegen des objektiven Charakters des Organstreitverfahrens ist es außerordentlich zweifelhaft, ob ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers vorliegen muss.178 Jedenfalls ist es hier zu bejahen, da es keinen einfacheren Weg gibt die erbetenen Informationen von der Landesregierung zu erhalten. Der Erlass von einseitigen Hoheitsakten, vor allem Verwaltungsakten, gegenüber einem Verfassungsorgan ist nicht zulässig.

174

VerfGH NRW, NVwZ 1986, 58; NWVBl. 1992, 129; NWVBl. 1999, 176 (177). Mann, in: Tettinger/Löwer, Art. 75 Rn. 15 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs in Fn. 39. Gegenstimmen werden nicht genannt. 176 BVerfGE 80, 188 (209); Vonderbeck, ZParl 1983, 311 (318): „mögliche Verletzung oder Gefährdung“. 177 BVerfGE 104, 151 (196); 104, 310 (325). 178 Verlangt aber von BVerfGE 68, 1 (77). 175

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g) Zwischenergebnis Ein Streit mit Mitgliedern der Landesregierung dürfte verfassungsrechtlicher Natur sein, obwohl insoweit eine eindeutige Entscheidungsgrundlage fehlt. Ganz überwiegend haben die Verwaltungsgerichte bislang eine nicht verfassungsrechtliche Streitigkeit angenommen. Das gilt namentlich auch für das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen. Dabei handelte es sich aber fast immer um Streitigkeiten unter Beteiligung außen stehender Dritter. Wenn eine verfassungsrechtliche Streitigkeit angenommen wird, wird man dem Landesrechnungshof auch die Beteiligtenfähigkeit entsprechend der jetzt herrschenden Meinung zubilligen müssen. 2. Verfassungsbeschwerde a) Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen Eine Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen scheidet von vornherein aus. Eine Individualverfassungsbeschwerde ist in Art. 75 LVerf., § 12 VerfGHG nicht vorgesehen und die Voraussetzungen für eine Kommunalverfassungsbeschwerde nach §§ 12 Nr. 8, 52 VerfGHG liegen erkennbar nicht vor. b) Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG kann jedermann Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben. aa) Rügefähige Rechte Der Antragsteller muss behaupten können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 GG enthaltenen Rechte verletzt zu sein, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG. Das ist hier nicht ersichtlich. Allenfalls käme eine Beeinträchtigung von Statusrechten des Landesrechnungshofs in Betracht. Zweifel bestehen aber, ob auch die aus der Landesverfassung abgeleiteten Rechte vor dem Bundesverfassungsgericht rügefähig sein können. bb) Verweisung auf Organstreitverfahren Rechte, die mit verfassungsrechtlichem Status verbunden sind, müssen grundsätzlich im Organstreitverfahren geltend gemacht werden.179 Sobald ein Streit 179

BVerfGE 6, 445 (448); 43, 142 (148); 64, 301 (313); 108, 251 (267).

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mit obersten Staats- und Verfassungsorganen um Statusrechte vorliegt, ist das Organstreitverfahren die einzig zulässige Verfahrensart. Sie ist insoweit vorrangig gegenüber der Verfassungsbeschwerde.180 Die „als außerordentlicher Rechtsbehelf des Bürgers gegen den Staat ausgestaltete Verfassungsbeschwerde ist kein Mittel zur Austragung von Meinungsunterschieden zwischen Staatsorganen“.181 3. Sonstige gerichtliche Rechtsbehelfe a) Streitigkeiten mit obersten Landesorganen oder ihren Teilen Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist für Streitigkeiten des Landesrechnungshofs mit obersten Landesorganen, also der Landesregierung, nicht eröffnet. Entsprechendes gilt für Minister als Teile dieses Organs. Namentlich sind die Voraussetzungen von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht erfüllt. Ein möglicher Rechtsstreit hätte im Kern verfassungsrechtliche Fragen zum Gegenstand. Beteiligte wären oberste Landesorgane oder mit eigenen Rechten ausgestattete Teile solcher Organe.182 b) Streitigkeiten mit sonstigen Personen Soweit aber mit Stellen gestritten wird, die eigene Rechtspersönlichkeit haben, also auch die NRW.BANK, dürfte es sich nicht um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 40 Abs. 1 VwGO handeln.183 Verweigert oder behindert eine juristische Person des öffentlichen Rechts die Prüfung ihrer Haushalts- und Wirtschaftsführung, dürfte ein Verstoß gegen gesetzliche Pflichten vorliegen. Ein Einschreiten der Rechtsaufsicht ist dann jedenfalls im Wege der Rechtsaufsicht möglich.184 Doch besteht darauf regelmäßig kein Anspruch, so dass die Rechnungshöfe von Opportunitätserwägungen der Aufsichtsbehörden für die Durchsetzung ihres verfassungsmäßigen Auftrags angewiesen wären. Ganz überwiegend wird daher angenommen, dass ihnen eigene Instrumente zur Durchsetzung ihres Auftrags zur Verfügung stehen müssen.185 Die Rechnungshöfe, also auch der Landesrechnungshof, hat die Befugnis, verbindliche einseitige Anordnungen zu erlassen. Er dürfte auch die sogenannte 180

BVerfGE 108, 251 (267). BVerfGE 108, 251 (267), unter Berufung auf BVerfGE 15, 298 (302); 43, 142 (148); 64, 301 (312). 182 s. o. VIII. 1. b). 183 s. o. VIII. 1. d) aa). 184 Groß, VerwArch, Bd. 95 (2004), S. 194 (209). 185 Knöpfle, Zuständigkeit, S. 74 ff.; Nebel, in: Piduch, § 111 BHO Rn. 1 (1998); Groß, VerwArch, Bd. 95 (2004), S. 194 (209). 181

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Verwaltungsaktsbefugnis, also das Recht Verwaltungsakte zu erlassen, haben.186 Eine Klage des Rechnungshofs vor den Verwaltungsgerichten wäre mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Der Adressat derartiger Anordnungen könnte gegen sie im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten vorgehen. 4. Ergebnis Ein Organstreitverfahren des Landesrechnungshofs gegen die Landesregierung wegen Verletzung ihrer Auskunftspflichten wäre zulässig. Es ist gegen den Landesminister zu richten, der ein konkretes Auskunftsverlangen des Rechnungshofs nicht erfüllt hat. Prüfungsanordnungen und Auskunftsverlangen gegenüber außenstehenden Dritten, also auch der NRW.BANK, könnten durch einseitige Anordnung geltend gemacht werden. Eine verwaltungsgerichtliche Klage des Rechnungshofs wäre mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Literaturverzeichnis Antweiler, Clemens, Subventionskontrolle und Auftragsvergabekontrolle durch Bewilligungsbehörden und Rechnungshöfe, NVwZ 2005, S. 168–172. Bank, Bernhard, Zur Neuordnung des Haushaltswesens und der öffentlichen Finanzkontrolle bei den juristischen Personen des öffentl. Rechts, DÖH Jg. 8 (1966/67), S. 204–221. Baumbach, Adolf/Hopt, Klaus J./Merkt, Hanno, Handelsgesetzbuch, 34. Auflage, München 2010. Becker, Florian, Die Vernetzung der Landesbanken, Berlin 1998. – Die landesrechtliche „Kapitalgesellschaft des öffentlichen Rechts“ in der bundesstaatlichen Kompetenzordnung, DÖV 1998, S. 97–106. Belemann, Gerd, Dieter Rechtsschutzprobleme im Bereich der Finanzkontrolle, DÖV 1990, S. 58–63. Bertrams, Michael, 50 Jahre Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen, NWVBl. 1999, S. 16. Bettermann, Karl August, Gewerbefreiheit der öffentlichen Hand, in: Berliner Festschrift für Ernst E. Hirsch, Berlin 1968, S. 1–24. Blasius, Hans, Einige Bemerkungen zu aktuellen Problemen der Finanzkontrolle, NWVBl. 2000, S. 413–417. Blasius, Hans/Stadtmann, Burkhard, Justiz und Finanzkontrolle, DÖV 2002, S. 12–19.

186

221).

BayVGH, BayVBl. 1992, S. 655; Groß, VerwArch, Bd. 95 (2004), S. 194 (214 ff.,

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2. Prüfung der NRW.BANK durch den Landesrechnungshof

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3. Streitschrift für eine grundlegende Neuordnung des Sparkassen- und Landesbankensektors in Deutschland* Gemeinsam mit Heinz Hilgert, Jan Pieter Krahnen, Günther Merl I. Motivation und Ausgangslage 1. Motivation Die gute konjunkturelle Entwicklung in Deutschland und die positiven Zahlen vom Arbeitsmarkt lenken davon ab, dass grundlegende strukturelle Probleme im Finanzsektor nicht zuletzt auch wegen der aktuellen Finanzkrise weiterhin nicht angegangen worden sind. Zwar sind erste Schritte gemacht, um die Beaufsichtigung des Finanzsektors zu verbessern: Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen werden verschärft, eine Berücksichtigung systemischer Risiken ist unter dem Stichwort Basel III in Vorbereitung, es sind erste gesetzliche Regelungen geschaffen worden, um die faktische Überlebensgarantie für Finanzinstitute („toobig-to-fail“) zu beseitigen und eine Beteiligung auch von Bankgläubigern in einem drohenden Insolvenzfall zu erreichen. Diese Ansätze sind allesamt auf die Krisenprävention im Finanzsektor gerichtet – die grundlegende Frage einer Neuordnung und Stärkung des öffentlich-rechtlichen Teils1 der deutschen Finanzindustrie bleibt hierbei allerdings unberührt. Wir wollen mit dieser Streitschrift die Debatte über einen der bedeutendsten Teile der finanzwirtschaftlichen Infrastruktur unseres Landes, nämlich der Landesbanken und Sparkassen, anstoßen. Der eigentliche Missstand ist weniger die problematische Lage einiger Teile dieses Sektors, sondern das Fehlen einer umfassenden Diskussion über die wünschenswerte Ausgestaltung dieses wichtigen Teils des Finanzsektors in Deutschland. Wir vermuten, dass es auch deshalb an dieser so wichtigen grundlegenden Auseinandersetzung fehlt, weil es schlicht an durchdachten Alternativkonzepten mangelt, über die es sich zu streiten lohnt. Ohne greifbare, verständliche Alternativen ist für viele Interessierte die Materie * Erstveröffentlichung in: Institute for Monetary and Financial Stability Working Paper Series No. 42 (2011) (House of Finance der Goethe-Universität Frankfurt, White Paper, Februar 2011; englische Fassung: White Paper, March 2011) (zusammen mit Heinz Hilgert, Jan Pieter Krahnen und Günther Merl). 1 Genauer: der Finanzsektor in staatlicher oder kommunaler Trägerschaft. Sie sind mittlerweile zum Teil als juristische Personen des Privatrechts organisiert.

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oftmals zu komplex, um sich engagiert an der Debatte beteiligen zu können und zu wollen. Das vorgestellte Strukturmodell erfüllt eine Reihe als gegeben vorausgesetzter Bedingungen, die sich aus den drei Zielen betriebswirtschaftliche Ertragskraft, flächendeckendes Angebot von Finanzdienstleistungen und gesamtwirtschaftliche Nachhaltigkeit ableiten lassen. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass über das vorgestellte Gestaltungsmodell als realistische, aber ehrgeizige Alternative zur heutigen Lage debattiert werden kann – während eine detaillierte Ausgestaltung der Entwicklung dem politischen Prozess überlassen bleibt. Gleichzeitig ist aber sichergestellt, dass die Öffentlichkeit eine Beurteilungsgrundlage für die tatsächlichen Entscheidungen der Politik in dieser für die weitere Entwicklung des deutschen Finanzsektors so entscheidenden historischen Phase erhält. Angesichts des teilweise verfahrenen politischen Durcheinanders bei der Rettung und künftigen Gestaltung der Landesbanken und den weit verbreiteten Interessenkonflikten zwischen Kommunal-, Landes-, Verbands-, Bundespolitik und Europäischer Wettbewerbspolitik kommt einer kritischen öffentlichen Diskussion eine besondere Bedeutung zu. In ihrer Gesamtheit bergen die Landesbanken und Sparkassen gegenwärtig für die Bundesrepublik Deutschland und die öffentlichen Haushalte ein erhebliches finanzielles Risiko – wenn eine zielgerichtete Reform des Sektors insgesamt nicht gelingt. Sie bietet aber auch die Chance zu einer dauerhaften Stärkung der Rolle der deutschen Finanzindustrie in einem integrierten europäischen Finanzmarkt – wenn die notwendigen Weichenstellungen, deren Varianten wir weiter unten skizzieren, entschieden vorgenommen werden. Vor diesem Hintergrund haben sich die Autoren zu „Werkstattgesprächen“ zusammengefunden, mit dem Ziel eine den Gesamtsektor „Landesbanken und Sparkassen“ erfassende, zukunftsgerichtete Reform(-diskussion) anzustoßen, und damit von den gegenwärtigen, eher zufälligen und punktuellen Konsolidierungsversuchen für deutsche Landesbanken weg zu kommen2. 2. Ausgangslage Die aktuelle Situation des Sektors bietet Anlass zu großer Sorge, nicht zuletzt weil grundlegende Strukturänderungen bei den durch das Beihilfeverfahren betroffenen Landesbanken aus Brüssel angemahnt, aber immer noch nicht umgesetzt sind. Weiterhin wollen sich Sparkassen und Länder aus den meisten Landesbanken zurückziehen. Erhebliche Belastungen drohen zudem aus einer Umsetzung einiger regulatorischer Neuerungen, wie insbesondere Basel III, die Bankenabgabe und eine Reform der Einlagensicherung.

2 Die Fusionsdiskussion von West LB und Bayern LB im Frühherbst 2010 mag hier als Beispiel dienen.

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Wesentliche Teile des Landesbankensektors haben gegenwärtig weder ein nachhaltiges Geschäftsmodell noch lebensfähige Ertrags- oder Bilanzstrukturen. Für die Landesbanken sind die Belastungen aus den Kapitalhilfen und die Kosten für die Staatsgarantien sehr hoch. Sofern von den Ländern Eigenkapital zugeführt wurde, kann darin eine betriebswirtschaftliche Subventionierung der laufenden Gewinn- und Verlustrechnung liegen, da auf absehbare Zeit mit einer Ausschüttung nicht gerechnet werden kann. Sofern stille Einlagen vorgenommen worden sind, sind diese mit rund zehn Prozent zu verzinsen. Es besteht kaum eine Chance diese Belastungen zurückzuführen. Würde man die stillen Einlagen in Grund- oder Stammkapital umwandeln, würde sich die Risikoposition der Träger erhöhen, da es sich um Kernkapital handeln würde. Mehrere Landesbanken werden – zum Teil seit Jahren – durch erhebliche staatliche Unterstützungszahlungen nach der Logik des „too big to fail“ am Leben erhalten. Dadurch ergibt sich – ebenso wie durch die Stützung einiger schwer belasteter privatwirtschaftlich organisierter Banken – eine Verzerrung der Wettbewerbssituation in der deutschen Bankenlandschaft. Sie tritt neben die Lasten, die sich unmittelbar aus dem umfänglichen Einsatz von Steuergeldern zur Rettung von öffentlichen und privaten Banken ergibt. Auf den ersten Blick erscheinen die kommunalen Sparkassen als stabil und von der Krise großer Landesbanken nicht betroffen. Dies stimmt aber nur teilweise. Zum einen sind sie, und damit ihre kommunalen Träger, über die regionalen Sparkassenverbände mittelbar Eigentümer3 der Landesbanken und haften damit für deren Verluste anteilig, soweit eine Haftung der Verbände (noch) besteht. Zum anderen sind Sparkassen in erheblichem Umfang Inhaber von Forderungen gegen die Landesbanken. In diesem Zusammenhang werden Zahlen im dreistelligen Milliardenbereich genannt. Sollte sich bei den Wertansätzen für ihre Beteiligungen weiterer Abschreibungsbedarf ergeben, geriete die Stabilität zahlreicher Sparkassen in Gefahr. Vor dem Hintergrund dieser vielschichtigen Problemlage kann es sehr schnell zu einer Vertrauenskrise kommen. Der Handlungsdruck ist groß, verstärkt noch durch die Auflagen der EU. Geeignete Vorkehrungen müssen jetzt getroffen werden, um die Trägergemeinwesen (Länder und Kommunen), die deutsche Wirtschaft und die deutschen Verbraucher zu schützen. Der gegenwärtige konjunktu3 Ihr Anteil (Stand: Mitte 2009) liegt historisch bedingt typischerweise bei 50 %, die übrigen 50 % wurden von den jeweiligen Ländern gehalten. Eine derartige Beteiligungsquote ist im Wesentlichen erhalten geblieben bei der Nord LB, der LB Bremen (als Tochter der Nord LB) und der West LB. Dagegen ist der Anteil der Sparkassenverbände bei der LBBW auf 40,5 %, bei der Saar LB auf 15 %, bei der Bayern LB auf 6 % und bei der HSH auf 5,3 % gesunken. Lediglich bei der Helaba und der LB Berlin zeigt sich ein anderes Bild. Während bei der Helaba der Verbandsanteil auf 85 % gestiegen ist, wurde die LBB über eine verschachtelte Konstruktion vom überregionalen Deutschen Sparkassen- und Giroverband zu 98 % übernommen.

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relle Aufschwung bietet eine Chance, die notwendigen grundlegenden Strukturreformen vorzunehmen. Von einer Reform der Landesbanken und Sparkassen in Deutschland hängt auch ab – ebenso wie bei der Redimensionierung problembehafteter privater Institute – ob Deutschland die vorhandenen strukturellen Risiken im Finanzsektor beseitigen und damit auch einer Wiederholung der aktuellen Finanzkrise entgegenwirken kann. II. Die Verwobenheit von Sparkassen und Landesbanken Es ist bekannt, dass wesentliche Teile der deutschen Landesbanken kein stabiles, in sich tragendes Geschäftsmodell haben und weder über nachhaltige und robuste Ertragsstrukturen verfügen noch über belastbare Bilanzstrukturen. Insbesondere die Refinanzierung der Landesbanken ist nach dem Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung ungelöst, da weder der Interbankenmarkt noch der Kapitalmarkt Mittel zu auskömmlichen Konditionen zur Verfügung stellt. Eine deutliche Bilanzverkürzung einzelner Landesbanken ist die Folge. Dieser Prozess ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. Der endgültige Ausgang der Beihilfeverfahren und des daraus resultierenden Restrukturierungsbedarfs ist bei den betroffenen Landesbanken noch weitgehend offen. Fest steht, dass das Bilanzvolumen in etwa halbiert und die Bilanz um die problembehafteten Kredite und Wertpapiere sowie um die strategisch nicht notwendigen Geschäftsbereiche bereinigt werden muss. Eine isolierte Betrachtung der Landesbanken greift allerdings entschieden zu kurz, da die Problemlage der Landesbanken ohne eine Betrachtung ihres spezifischen Umfeldes und der engen wirtschaftlichen und haftungsrechtlichen Verflechtungen nicht möglich ist. Neben den Eigentümerstrukturen – Sparkassen tragen bei wichtigen Landesbanken auch heute noch wesentlich zum haftenden Eigenkapital bei – ist die Rolle der Sparkassen als Gläubiger und ultimativer wirtschaftlicher Träger der Sicherungseinrichtung von Sparkassen und Landesbanken zentral für die weitere Betrachtung. Hierbei sind folgende Tatbestände für die Diskussion einer an Systemstabilität orientierten, neuen Struktur von Landesbanken und Sparkassen von Bedeutung: Das Geschäftsmodell der Sparkassen – obwohl entschieden besser durch die Finanzkrise gekommen als die Landesbanken – ist nicht frei von Schwächen. Es besteht eine hohe Abhängigkeit des operativen Ergebnisses von der Fristentransformation und dem Ergebnis der Anlage der Eigenmittel. Die Beendigung der krisenbedingt expansiv ausgerichteten Geldmarkt- und Liquiditätspolitik der EZB und die damit verbundene Verflachung der Zinsstrukturkurve wird vermutlich erhebliche negative Rückwirkungen auf die operativen Zinsergebnisse nicht zuletzt von Landesbanken und Sparkassen haben. Sparkassen verfügen über hohe Passivüberschüsse, die auf der Aktivseite zu einem erheblichen Anlagedruck führen. Dieser wurde üblicherweise durch Einla-

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gen bei den Landesbanken gelöst. Nach dem Wegfall von Gewährträgerhaftung und Anstaltslast für die Landesbanken stellen sich hier in einigen Fällen erhebliche Solvenzprobleme, die die Sparkassen in ihrer Gläubigerposition gegenüber den Landesbanken in besonderer Weise treffen. Die Situation wird zusätzlich dadurch belastet, dass noch erhebliche finanzielle Risiken aus Gewährträgerhaftung und Anstaltslast bestehen, auch wenn sie zum Jahre 2005 abgeschafft worden sind. Erst zum Jahre 2015 laufen sie aus und dürften zurzeit noch einen dreistelligen Milliardenbetrag ausmachen. Darüber hinaus wurde ein wesentlicher Teil des Nachrangkapitals der Landesbanken von den Sparkassen gezeichnet. Die hohe Abhängigkeit der Sparkassen vom Zinseinkommen belegt eine fehlende Risikodiversifikation der Erlösquellen. Das Provisionseinkommen besteht immer noch zu einem großen Teil aus Provisionen für den Zahlungsverkehr und der Kontoführung; beides Bereiche, in denen der Wettbewerb (gebührenfreie Kontoführung) oder rechtliche Vorgaben der EU das Aufkommen nachhaltig reduzieren werden. Der Wettbewerbsdruck in den von den Sparkassen dominierten Marktsegmenten (Privatkundengeschäft und Mittelstand) wird zunehmen. Durch die Verbindung von Unicredit und HVB, Commerzbank und Dresdner Bank sowie von Deutsche Bank und Postbank ist der private Bankensektor weitgehend konsolidiert. Hinzu kommen starke Wettbewerber aus dem Ausland (ING, Santander/SEB, und Credit Mutuel/Targobank) die in ihren jeweiligen Heimatmärkten mit auf Privatkunden fokussierten Geschäftsmodellen ihre Erfolgsfähigkeit belegt haben. Die strategische Gestaltungsfähigkeit der Sparkassen und Sparkassen-Verbandsorganisation hat in den letzten Jahren stark gelitten. Neben den beschriebenen Lasten aus der Gläubigerfunktion für die Landesbanken schränken die Altlasten aus den Konsolidierungsanstrengungen der Vergangenheit die weitere Bewegungsfähigkeit der Organisation in Ihrer Gesamtheit erheblich ein. Der Kauf der LBB erzeugt nicht nur einen erheblichen zusätzlichen Abschreibungsbedarf bei den Sparkassen. Er erschwert auch jede sinnvolle Strukturänderung unter Einbeziehung der LBB, solange diese Abschreibungen nicht vorgenommen worden sind. Allein der im Sinne der Sparkassen strategisch zweckmäßige Schritt zur Vollübernahme der DekaBank gerät vor diesem Hintergrund zu einer Belastungsprobe für die gesamte Sparkassenorganisation. Ein gemeinsames, tragfähiges Konzept für die Struktur der Landesbanken seitens der Sparkassen ist nicht erkennbar. Die Sparkassen scheinen im Wesentlichen darauf fixiert zu sein, möglichst rasch die Verantwortung für die finanziellen Lasten des Engagements als Eigner und Gläubiger bei Landesbanken abschütteln zu können. Die Bereitschaft und Fähigkeit der Sparkassen, einen solchen Ablösungsprozess mit finanziellen Mitteln zu stützen, ist objektiv limitiert. Dies wird Rückwirkungen auf die zu verfolgenden Handlungsalternativen haben.

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Sparkassen, Landesbanken und Landesbausparkassen sind über verschiedene Stützungsfonds in einem Haftungsverbund zusammengefasst, der die Existenz der Institute und damit der Einlagen der Kunden sichert. Im Krisenfall regelt ein mehrstufiges Überlaufsystem („Haftungskaskade“) die Stützungsleistung. Nach dem derzeitigen System stehen damit Sparkassen und Landesbanken füreinander ein. Die Qualität und ökonomische Leistungsfähigkeit dieses Institutssicherungssystems entspricht nach Beseitigung von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung nicht mehr den Anforderungen.4 Weder die Dotation der Sicherungseinrichtungen noch die dahinterstehende Haftungsmasse dürfte ausreichen, um auch nur eine größere Landesbank in Deutschland aufzufangen. Nach den Erfahrungen der Finanzkrise beabsichtigt die EU die Einlagensicherung europaweit neu zu regeln.5 Die Sparkassen möchten von dieser Regelung auf Grund des bestehenden Systems der Institutssicherung befreit werden. Sollte der Erhalt der Institutssicherung der Sparkassen und der Verzicht auf eine Einbindung in ein neu zu schaffendes Einlagensicherungssystem nur unter der Bedingung erfolgen, dass die Landesbanken aus dem Haftungsverbund der Sparkassenorganisation ausscheiden, so hätte dies weitreichende Folgen auf deren Bonitätseinstufung. Unabhängig hiervon stellt sich die Frage, ob das System der Institutssicherung auch heute noch für die Landesbanken gelten kann, die sich fast ausschließlich im Eigentum von Ländern befinden. Zudem sind die Sparkassen, die unter den Bilanzvorschriften des HGB bilanzieren, in ihrer Bilanzpolitik gegenüber den unter IFRS bilanzierenden Landesbanken ausweistechnisch begünstigt. Die vergleichsweise gute finanzwirtschaftliche Leistung der Sparkassen in den Jahren 2007 bis 2009 ist nicht ausschließlich aber doch wesentlich geprägt durch Abschreibungen auf Wertpapierpositionen des Anlagevermögens, die unter HGB-Bilanzierung nicht oder nur bedingt notwendig waren. Die Folge ist, dass die Lasten aus einer Fair Value-Bewertung von den Landesbanken, jedoch bisher nicht oder nicht im selben Umfang von Sparkassen zu tragen sind. Aus den vorstehenden Überlegungen folgt, dass eine eindimensionale Betrachtung einer zukunftsgerichteten Reorganisation der Landesbanken in Deutschland nicht möglich ist. Erstens gilt auch für die Sparkassen, dass eine grundlegende Strukturänderung in diesem Sektor nötig ist. Weiter ist aufgrund der Verwobenheit von Landesbanken und Sparkassen nur eine gemeinsame zukunftsgerichtete Reorganisation sinnvoll. Die Reformdiskussion muss sich deshalb auf den Gesamtsektor „Landesbanken und Sparkassen“ beziehen.

4 Dies gilt im Übrigen in gleicher Weise auch für die Einlagensicherungssysteme der privaten und der genossenschaftlichen Banken. 5 Richtlinienentwurf der EU Kommission vom 12.7.2010 KOM (2010) 368/2.

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III. Grundüberlegungen zur Neuordnung von Sparkassen und Landesbanken Unabhängig von der konkreten organisationsrechtlichen Ausgestaltung wird eine Restrukturierung der Landesbanken und Sparkassen in Deutschland stets einer Reihe von grundlegenden „sachlichen“ Anforderungen genügen müssen, um zugleich betriebswirtschaftlich sinnvoll, rechtlich möglich und politisch akzeptabel zu sein. Das letztgenannte Kriterium bezieht sich auf die Eigentümerstruktur der Landesbanken und Sparkassen, ohne deren positive – um nicht zu sagen begeisterte – Mitwirkung kein konkreter Reformvorschlag Aussicht auf Erfolg haben wird. Wir erkennen drei derartig grundlegende Anforderungen: die Erarbeitung eines zukunftsfähigen Geschäftsmodells, die Schaffung dauerhafter Eigentümerstrukturen und die Förderung der wettbewerblichen Strukturen im Bankenmarkt. 1. Geschäftsmodell Wie einleitend bereits dargestellt, haben die meisten Landesbanken gegenwärtig weder ein nachhaltiges Geschäftsmodell noch lebensfähige Ertrags- oder Bilanzstrukturen. Mangels Zugang zum breiten Massengeschäft haben sich die Landesbanken häufig auf bestimmte Marktsegmente konzentriert, für die ein Niederlassungsnetz keine Vorbedingung darstellt, oder haben im Ausland expandiert. Der frühere Wettbewerbsvorsprung im Wholesale Banking resultierte aus den vergleichsweise sehr guten Refinanzierungsbedingungen, die sich aus Anstaltslast und Gewährträgerhaftung ergaben. Seit ihrem Wegfall erweisen sich die Margen in der direkten Konkurrenz mit privaten nationalen und internationalen Banken als nicht mehr auskömmlich. Eine einfache Erweiterung des Geschäftsmodells, das einen Zugang zum Retailgeschäft eröffnen würde, hat sich angesichts der Konkurrenz zu den Sparkassen, die zugleich (mittelbar) Eigentümer der Landesbanken sind, bisher als kaum durchführbar erwiesen. Ausnahmen sind bisher im Wesentlichen im Bereich des Landes Berlin, in Frankfurt am Main, in Baden-Württemberg und in Braunschweig anzutreffen. Die Restrukturierung des Landesbankensektors ist aus diesem Grund keine aus sich selbst heraus lösbare Aufgabe. Durch die Neuverteilung und/oder Schrumpfung von Volumen und/oder Funktionen alleine unter den Landesbanken werden keine neuen wettbewerbsfähigen Einheiten entstehen. Erst wenn ein tragfähiges Geschäftsmodell für die Landesbanken gefunden ist, wird es auch wieder interessant, eine unternehmerische Trägerschaft für diese Institute zu übernehmen. Das Wholesale-Geschäft der Landesbanken wird allgemein als ein tendenziell opportunistisches und stark kapitalmarktabhängiges Geschäft eingeschätzt, das zwar einzelne Chancen wahrnimmt, aber nicht systematisch einen Markt abdeckt oder entwickelt. Auch aus diesem Grunde ist das Geschäft besonders schwankungsanfällig. Eine Restrukturierung des Sektors muss daher vor allem zu einem

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Geschäftsportfolio führen, das eine entsprechende Profitabilität bei einem vertretbaren Risikoprofil aufweist und das ausreichend diversifiziert ist. Die Einbindung der Sparkassen kann auf unterschiedlichem Wege erfolgen, wie später dargelegt wird. Die Sparkassen bieten durch das Privat- und Firmenkundengeschäft (insbesondere im Retail-, aber auch im mittelständischen Bereich) die natürliche Ergänzung zu den Landesbanken; sie liefern eine stabile und wettbewerbsfähige Refinanzierung, mit deren Hilfe Liquidität und Rentabilität verbessert werden könnten. Mit dem direkten oder indirekten Zugang zum Privatkundenmarkt und dem klein- und mittelständischem Kreditgeschäft wird eine verbesserte Diversifikation und eine erhöhte Stabilität der Erträge erreicht und zudem die Abhängigkeit von den Geld- und Kapitalmärkten verringert. Umgekehrt ermöglicht die Verbindung mit den Landesbanken den Sparkassen einen systematischen Ausbau im oberen mittelständischen Bereich und damit eine Begleitung von Firmen durch einen Wachstums- und Internationalisierungsprozess. Es lässt sich daher festhalten, dass für die Restrukturierung der Landesbanken eine Form der Vertikalisierung notwendig ist. Diese Verbindung der Geschäftsmodelle von Landesbanken und Sparkassen hat nicht das Ziel, die Schwächen der einen Seite mit den Stärken der anderen Seite zu subventionieren. Vielmehr richtet sich diese Verbindung daran aus, über ausgewogene Geschäfts- und Bilanzstrukturen einen strukturellen Beitrag zum mikroökonomischen Risikoausgleich und damit zur Finanzmarktstabilität zu sichern. Das Ganze kann deshalb stabiler sein als dessen Teile. Dabei bleibt vorerst offen, in welcher organisationsrechtlichen Form diese Vertikalisierung umgesetzt wird. Hier reichen die denkbaren Alternativen von stabilen, durch Verträge geschaffenen Kooperationsformen bis hin zu einer rechtlichen Verschmelzung. 2. Governance/Eigentümer In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass Sparkassen und Länder als Träger der Landesbanken unterschiedliche geschäftsstrategische Interessen verfolgt haben. Seit der Finanzkrise haben beide Eigentümergruppen jedoch das gemeinsame Ziel, sich aus der Verantwortung bei den Landesbanken zurückzuziehen. Eine Weiterentwicklung der Landesbanken ist jedoch nur denkbar, wenn deren Eigentümer in der Lage und willens sind, zu ihrer unternehmerischen Verantwortung zu stehen und die Landesbanken mit dem für Risikotragfähigkeit und Wachstum notwendigen Eigenkapital auszustatten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der erhöhten Eigenkapitalanforderungen nach Basel III. Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich eine zweite Anforderung: Um die in der Vergangenheit deutlich gewordenen Interessenskonflikte zu vermeiden, sollte eine Entflechtung zwischen den beiden Eigentümergruppen stattfinden. Ziel soll sein, dass aus einer Strukturreform heraus Institute entstehen, die eine klare strategische Ausrichtung im Sinne ihrer Eigentümer erfahren können, also

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Institute, die entweder im Eigentum der Kommunen und/oder der Sparkassenverbände auf der einen Seite oder der Länder auf der anderen Seite stehen. Dazu muss die Arbeitsteilung innerhalb des Sparkassen- und Landesbankensektors neu überdacht werden. Im Interesse der Finanzstabilität, aber auch der Eigentümer und Steuerzahler, ist eine Verbesserung des Risikomanagements sowie der internen und externen Kontrolle öffentlicher Banken unabdingbar. 3. Wettbewerb Landesbanken erfüllen als Wettbewerber eine wesentliche Funktion für die Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft. Ihre Marktanteile liegen im Bereich des Mittelstands- und Großkundengeschäfts, der gewerblichen Immobilienfinanzierung, der Projektfinanzierung und des Kommunal- und Staatkreditgeschäfts zwischen 20 und 40 Prozent. Sie stellen somit einen wichtigen Partner für Unternehmen, gewerbliche Immobilienkunden, institutionelle Kunden sowie Kommunen, Länder und den Bund dar. Im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern sind sie auch bereit, Risiken selbst auf die eigene Bilanz zu nehmen und nicht auf andere Marktteilnehmer auszulagern. Ohne die Landesbanken würde nach der bereits erfolgten Konsolidierung der Geschäftsbanken der Wettbewerb in wesentlichen Marktbereichen deutlich eingeschränkt. Es kann deshalb unter Wettbewerbsgesichtspunkten nicht das Ziel sein, die Landesbanken abzuschaffen. Eine Zusammenfassung der Landesbanken- und Sparkassenaktivitäten unter einem Dach würde ein Institut schaffen, dessen Bilanzvolumen einen Spitzenplatz in Europa einnähme, und das größer wäre als die Deutsche Bank. Eine derartige Bankenkonzentration in der größten und wichtigsten Volkswirtschaft Europas wäre wettbewerbspolitisch nicht wünschenswert, würde wohl auch von den Europäischen Wettbewerbsbehörden kaum akzeptiert werden und wäre nicht finanzierbar. Es kann deshalb unter Wettbewerbsgesichtspunkten auch nicht das Ziel sein, die Landesbanken auf ein Institut zu konzentrieren. Daher sehen wir eine weitere Anforderung für eine politikfähige Reform der Landesbanken und Sparkassen in einer Konsolidierung, die den Wettbewerb auf dem Finanzmarkt nicht verringert, sondern verstärkt. Damit einher geht die Vorstellung, dass die erwünschten zukünftigen Institute groß genug und ausreichend diversifiziert sind, um eines Tages auch eine aktive Rolle im europäischen Rahmen übernehmen zu können. Eine so definierte Wettbewerbsfähigkeit eröffnet dem Institut Wachstumsmöglichkeiten nicht nur in dessen heutigem, regionalem Markt, sondern auch darüber hinaus im nationalen und internationalen Umfeld.6 6 Vergleichbare Institute in anderen Ländern sind schon seit längerer Zeit erfolgreich in den europäischen Wettbewerb eingestiegen und haben dadurch auch Beschäftigungsgewinne erzielt. Beispiele sind die Wettbewerber anderer Länder, wie etwa Institute in Italien, Spanien und Frankreich.

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IV. Gestaltungsvorschlag Die in Abschnitt III. dargestellten allgemeinen Anforderungen lassen sich prinzipiell mit sehr verschiedenen Reformkonzepten verbinden. Aus zahlreichen denkbaren Modellen wollen wir auf der Basis der genannten Grundanforderungen ein neues Strukturmodell für den Sparkassen- und Landesbankensektor vorstellen, bei dem es zu einer klaren Arbeitsteilung und gleichzeitig zu einer Bündelung der Kräfte kommt. Der Vorschlag wird der Einfachheit halber als Dreiermodell bezeichnet, da drei neue Institutstypen entstehen. Neben diesen drei Typen wird es weiterhin (kommunale) Sparkassen traditioneller Art geben. Die Bausteine des Dreiermodells sind neben den Sparkassen: mehrere Sparkassenregionalinstitute (SRI), ein Sparkassenzentralinstitut (SZI) und mehrere Landesförderbanken (LFB). DekaBank und Landesbanken gehen ganz oder zum Teil in den drei genannten Bausteinen auf. Durch die Neuverteilung der Zuständigkeiten werden bestehende Überlappungen beseitigt. So werden die derzeit bestehenden Landesbanken jeweils in drei Teile geteilt und den neugeschaffenen Instituten zugeordnet (vgl. Schaubild 1). Dies bedeutet, dass das direkte Kundengeschäft einer Landesbank in eines der neu geschaffenen Sparkassenregionalinstitute eingegliedert wird. Gleichzeitig wird das in einer Landesbank vorhandene Verbundgeschäft in das Sparkassenzentralinstitut eingebracht. Schließlich, drittens, werden alle nicht zukunftsfähigen Geschäftsfelder abgewickelt oder in eine Abwicklungsanstalt überführt. Dabei nehmen wir an, dass ein Verkauf oder Börsengang für Landesbanken mit ihrem traditionellen Geschäftsmodell als Wholesale-Institute nicht umsetzbar und lediglich ein Verkauf von Unternehmensteilen möglich ist, wie an einer Reihe von Beispielen deutlich wurde. 1. Sparkassenregionalinstitute (SRI) Durch die Zusammenfassung von Sparkassen und Landesbanken7 in einem Ballungsraum entsteht eine kleine Zahl von Sparkassenregionalinstituten. Diese Institute betreiben überregional das Privatkundengeschäft, das Mittel- und Großkundengeschäft, das Projektfinanzierungs- und Kapitalmarktgeschäft, das Kommunal- und Immobilienfinanzierungsgeschäft sowie das Spezialfondsgeschäft für institutionelle Anleger und regional im Geschäftsgebiet der eingebundenen Sparkassen das Privatkundengeschäft sowie das Geschäft mit kleineren und mittleren Firmenkunden. Im Gegenzug hierzu geben die SRIs das Verbundgeschäft einschließlich der Bausparkassen-, Publikumsfonds- und Leasingaktivitäten an das SZI ab.

7 Genau genommen ist hier nur das direkte Kundengeschäft der Landesbank gemeint, also insbesondere das Mittelstands- und Großkundengeschäft.

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Schaubild 1: Der Split der Landesbanken

Diese Institute verbessern die Risikodiversifizierung gegenüber dem Status Quo. Vor allem erlauben sie einen besseren Ausgleich im Sinne einer Aktiv-/Passivsteuerung. Die vertikale Struktur ermöglicht das Angebot einer breiten Produktpalette, auch für international tätige mittelständische Unternehmen (Wholesale), bei gleichzeitigem breitem Zugang zum Kundengeschäft (Retail). Die neu geschaffenen Regionalbanken entstehen aus der Verbindung von Landesbanken und Sparkassen, sinnvollerweise auf regionaler Basis. Dies kann unter Ausnutzung der besonderen Wirtschaftsstruktur Deutschlands mit seinen Ballungsräumen Hamburg/Bremen, Berlin, Köln/Düsseldorf, Hannover, Frankfurt/ Rhein-Main, Stuttgart/Rhein-Neckar und München erfolgen. Von Seiten der Landesbanken werden die entwicklungsfähigen Aktivitäten im Bereich mittelständischer und großer Kunden sowie weitere Bereiche auf das neu entstehende SRI übertragen. Für die weitere Entwicklung dieser Ballungsräume werden die Regionalinstitute eine Schlüsselrolle spielen – im Unterschied zur jetzigen Situation wird dann der Sparkassen- und Landesbankensektor gewissermaßen als anfangs regionale, später überregionale S-Finanzgruppe in Erscheinung treten. Das integrierte Geschäftsmodell eines Sparkassenregionalinstituts ist stark auf das direkte Kundengeschäft ausgerichtet und kann auf spekulative Ersatzgeschäfte verzichten. Ein ausgewogenes Verhältnis von Kunden- und Kapitalmarktgeschäft sichert langfristig die Ertragskraft und damit das Wachstum dieser Institute. Damit ist auch ein gutes Rating sichergestellt.

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Auf Seiten der Landesbanken ist für eine solche Lösung eine Abspaltung der Altlasten und des strategisch nicht notwendigen Geschäfts sowie des Personalüberhangs in eine Abwicklungsanstalt („Bad-Bank“) notwendig, die im Risiko der bisherigen Träger verbleibt. Es könnte aber auch aus eigener Kraft durch Verkauf oder Rückführung erfolgen. Die bestehenden integrierten Geschäftsmodelle bei der LBBW, der LBB, der Helaba und der NordLB können weiterentwikkelt und in den anderen Ballungsräumen neue SRIs geschaffen werden. Solche regionalen Clusterbildungen können aber auch durch die Fusion von Sparkassen entstehen (auch ohne Beteiligung einer heutigen Landesbank). Die SRIs gehören im Wesentlichen den Kommunen und kommunalen Verbänden. Als Alternative zu einem ballungsraumbezogenen Geschäftsmodell oder auch als längerfristiges Entwicklungsmodell sind auch überregionale Geschäftsmodelle bei einem Fortfall des Regionalprinzips wie in anderen europäischen Ländern (z. B. Italien, Spanien, Österreich) denkbar. Die Schaffung von integrierten Geschäftsmodellen führt zu leistungsfähigen Einheiten für das Privat- und Firmenkundengeschäft, die sich im innereuropäischen Wettbewerb behaupten können und einen Zugang zum Kapitalmarkt verfügen. Um die zweite Grundanforderung, die Wettbewerbsbedingung, zu erfüllen, sollen mehrere derartige regionale Clusterbildungen erfolgen. Diese können ein wirksames Wettbewerbskorrektiv zu dem privaten Geschäftsbankenbereich darstellen.

Schaubild 2: Funktionen und Bestandteile der SRIs

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2. Sparkassenzentralinstitut Grundgedanke ist hier die Schaffung eines Sparkassenzentralinstituts (SZI), das für die Sparkassen sowie für die neu geschaffenen SRIs zentral die Verbundleistungen erbringt. Zu diesen Verbundleistungen zählen das Wertpapiereigenund das Wertpapierkundengeschäft, das Metakreditgeschäft, der Zahlungsverkehr, das Angebot von Publikumsfonds, geschlossenen Fonds und Zertifikaten, Leasing und Konsumentenkredite sowie das Bauspar- und Versicherungsgeschäft. Die regionalen Landesbausparkassen werden daher im Rahmen einer Holdinglösung ebenso in das SZI eingebracht wie die DekaBank und weitere Institute mit Verbundleistungsangeboten, wie die Versicherungen in staatlicher oder kommunaler Trägerschaft, die schon jetzt der Sparkassengruppe zugerechnet werden. Es gibt in diesen Geschäftsfeldern nur noch einen Produktanbieter in der Sparkassenorganisation, so dass Skalenerträge in vollem Umfang genutzt werden können.

Schaubild 3: Funktionen und Bestandteile des SZI

Dazu ist es u. a. notwendig, die Eigentumsverhältnisse bei der DekaBank zu bereinigen und die DekaBank in das alleinige Eigentum der Sparkassen zu überführen. Die DekaBank und andere Institute der S-Finanzgruppe, die sich in der Trägerschaft der Sparkassen befinden, können den Nukleus des Sparkassenzentralinstituts darstellen. Das Geschäftsmodell des Sparkassenzentralinstituts ist tragfähig, da es das Verbundgeschäft mit den Sparkassen und den Regionalinstituten sowie damit verbunden den indirekten Zugang zum Privatkundenmarkt umfasst. Das Geschäfts-

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IV. Finanzinstitute

portfolio ist dadurch ausgewogen. Das Sparkassenzentralinstitut als Holding wird ausschließlich von den Sparkassen und den Sparkassenverbänden getragen. 3. Landesförderbanken (LFB) Für die Landesbanken, für die eine Einbeziehung in ein Sparkassenregionaloder -zentralinstitut nicht in Frage kommt, verbleibt letztlich nur die Möglichkeit einer geordneten Abwicklung, da reine Wholesale-Institute nicht verkauft oder an die Börse gebracht werden können. Als Alternative zur direkten Abwicklung kommt u. U. auch eine Redimensionierung dieser Institute auf das nach der Verständigung II zugelassene Geschäft und die Fusion mit den öffentlich-rechtlichen Förderbanken der Länder in Betracht. Das „Wettbewerbsgeschäft“ kann abverkauft und die Altlasten unter Berücksichtigung der bisherigen Trägerstrukturen in eine „Bad-Bank“ eingebracht werden, die als Anstalt in der Anstalt (AidA) die geordnete Abwicklung übernimmt. Damit lassen sich zugleich die Hauptprobleme einer geordneten Abwicklung, nämlich der Abbau des Personalbestandes und die Sicherung der beamtenrechtlichen Pensionslasten, lösen.

Das vorgeschlagene Modell in der Gesamtschau

LFBs Entstehen aus:

Entsteht aus: Verbindung

Landesbankteilen mit des

Deka, LBS, Landesbankenteilen,

LandesförderBanken

Funktionen: – Retailbanking, Mittelstand

Verbundleistungen für die und die nicht

– Projektfinanzierung

Fördergeschäft nach Verständigung II, ggfs. auch für Abwicklung, Verwertung, Verkauf von nicht zukunftsfähigen Teilen der Landesbanken

– Kommunal-

(z. B. AidA)

Holding im Eigentum der und

Kommunen und kommunale

Sparkassen, die sich keinem SRI angeschlossen

Träger: Länder, aber Haftung für die Abwicklungslasten entsprechend der Eigentumsstrukturen der Landesbank (alt)

Retail/Private-Banking, Träger:

Schaubild 4: Das Dreiermodell bestehend aus SRIs, SZI und LFBs

3. Streitschrift für Neuordnung des Sparkassen- und Landesbankensektors

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Die neu entstandenen Landesförderbanken sind mit einem klaren Förderauftrag im Rahmen der Verständigung II ausgestattet und befinden sich in der alleinigen Trägerschaft der Länder. Auf der Basis der öffentlich-rechtlichen Rechtsform und der Trägerschaft der Länder haben sie einen guten Zugang zu den Geld- und Kapitalmärkten und können so die Förderaufgaben der Länder erfüllen. Sie müssen aber der effektiven Kontrolle durch ihren staatlichen Träger unterliegen. Die Haftung für die Abwicklungseinrichtung der Landesbanken (z. B. AidA) muss von den Alteigentümern der Landesbanken (alt) quotal übernommen werden und kann nicht alleine bei den Ländern liegen.

4. Offene Gestaltungsfragen Diese drei Reformteile – SZI, SRI, LFB – ergänzen einander; ihre Realisierung wäre ein „Big Bang“ für die deutsche Finanzindustrie. Positive Wachstumsimpulse nicht nur für die Gesamtwirtschaft, sondern auch für die Finanzindustrie halten wir für durchaus realistisch. Auf längere Sicht erwarten wir von dem vorgeschlagenen Reformmodell auch kräftige Impulse für den Finanzwettbewerb in Deutschland. Dies gilt insbesondere dann, wenn nach einer Bildung leistungsfähiger Regionalinstitute das bis heute noch öffentlich-rechtlich gesicherte Regionalprinzip eingeschränkt oder aufgehoben wird. Allerdings stehen einer Realisierung unseres Reformmodells formidable Hindernisse im Wege. Wir wollen einige dieser Hindernisse in diesem Abschnitt ansprechen. Es wird einiger Phantasie und eines starken politischen Willens bedürfen, diese Hindernisse strukturiert in Angriff zu nehmen und zu überwinden. Wir halten ihre Überwindung innerhalb überschaubarer Zeit dann für möglich, wenn der politische Wille hierzu existiert. Ein wesentliches Hindernis besteht in den komplexen Eigentumsverhältnissen im Bereich der Finanzinstitute in staatlicher oder kommunaler Trägerschaft. Erschwerend kommt hinzu, dass die Sparkasseninteressen in regionalen Verbänden gebündelt sind, die ihrerseits eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen und insbesondere spezielle Aufgaben wahrnehmen und eigene Interessen vertreten. Um dem hier vorgestellten Restrukturierungsvorschlag eine Chance zu geben, müssen alle beteiligten Parteien für sich einen Vorteil in der Teilnahme an dem Restrukturierungsprozess sehen. Dies gilt in diesem Fall für die Eigentümer der Landesbanken, also insbesondere die Länder und die Verbände einschließlich ihrer Träger, sowie die Sparkassen selbst. Für jeden einzelnen Beteiligten ist daher zu prüfen, inwieweit sich durch einen „Big Bang“ die jeweilige Situation verbessert – sei es, dass sich die individuell erwarteten Verluste verringern, sei es dass sich positive Handlungsoptionen ergeben. Durch ein System von Ausgleichszahlungen sollte diese Besserstellung aller Beteiligten allerdings grundsätzlich möglich sein und damit eine Vetohaltung

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IV. Finanzinstitute

einzelner Beteiligter verhindert werden. Weil die Gesamtlösung die Leistungsfähigkeit des Finanzsektors insgesamt stärkt und ihn stabilisiert, existiert zumindest prinzipiell auch über alle Beteiligten gerechnet ein Netto-Vermögensgewinn, der mittels des Systems von Ausgleichszahlungen gewissermaßen gerecht zu verteilen ist. So ist beispielsweise ein Weg zu finden, wie Kommunen als Träger der Sparkassen diese in ein SRI einbringen können. Es bieten sich verschiedene Lösungen, darunter jene, die in anderen europäischen Ländern in vergleichbarer Situation bereits umgesetzt worden sind und deren Ergebnisse für eine Alternativenbewertung herangezogen werden können8. Die bei der Bildung der SRI und des SZI erforderlichen Ausgleichszahlungen bedürfen der Finanzierung. Beispielsweise stellt sich die Frage, auf welche Weise die Sparkassen und Verbände die fehlenden Anteile an in das SZI eingebrachten Institutionen finanzieren werden. Hier sind Lösungen zu finden, die aber nicht notwendig auf zusätzliches Kapital von Seiten der Träger hinauslaufen müssen. Sie lassen sich auch aus intelligenten Beteiligungsmodellen entwickeln. Die Ausarbeitung einer entsprechenden Finanzierungs- und Beteiligungsstrategie ist zwar eine Herausforderung, aber nach unserer Einschätzung realisierbar. Zwei weitere Herausforderungen haben wir ebenfalls aus der Betrachtung herausgehalten – um uns nicht in einem Dickicht von Themen zu verlieren – und damit die Entstehung eines Lösungsvorschlags für die Landesbankenproblematik hinauszuzögern. Zum einen klammern wir rechtliche Fragen aus, insbesondere die Frage nach dem öffentlichen Auftrag von Sparkassen und Landesbanken sowie Vorgaben aus den länderspezifischen Sparkassenrechten. Diese Themen bedürfen weiterer Vertiefung, da sie die übrigen, oben genannten Anforderungen wesentlich betreffen können. Zum zweiten haben wir die Frage nach einer sinnvollen, d.h. langfristig lebensfähigen und zugleich glaubwürdigen Sicherungseinrichtung für Sparkassen und Landesbanken ausgeklammert. Alle in diesem Abschnitt erwähnten Themen – Eigentumsverhältnisse und Ausgleichszahlungen, deren Finanzierung und die damit zusammenhängenden rechtlichen Fragen sowie die Reform der Sicherungseinrichtungen – sind zwar wichtig, aber der grundlegenden und in diesem Text im Vordergrund stehenden Strukturfrage nachgelagert. V. Handlungsempfehlungen In den bisherigen Abschnitten dieses Gutachtens haben wir in gebotener Kürze und unter Auslassung einiger bedeutsamer Fragen eine mögliche Struktur für den gesamten Sparkassen- und Landesbankensektor entworfen. Dieser Entwurf erfüllt 8 Neben den sehr unterschiedlichen Vorgehensweisen in Italien, Spanien und Frankreich sind auch andersartige, innovative Wege denkbar. Wir gehen hierauf in dieser Studie nicht weiter ein.

3. Streitschrift für Neuordnung des Sparkassen- und Landesbankensektors

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die eingangs formulierten Grundbedingungen für eine wünschenswerte Reform dieses Teils des öffentlich-rechtlichen Finanzwesens: Ausgehend von der heute gegebenen Bankenstruktur betreffen diese Anforderungen zum einen die Vertikalisierung des Bankgeschäfts, weiterhin die klare Zuweisung der Eigentumsrechte an eine (öffentliche) Körperschaft, und drittens die Wahrung oder Verbesserung des Wettbewerbs auf dem Markt für Finanzdienstleistungen. Für die weitere Vorgehensweise und um der Diskussion auf eine gesellschaftspolitisch legitimierte Schiene zu setzen, schlagen wir die offizielle Einrichtung einer Regierungskommission mit einem entsprechenden Mandat vor, die beauftragt ist, einen umsetzungsreifen Vorschlag zur Restrukturierung des gesamten öffentlich-rechtlichen Finanzsektors oder zumindest des Sparkassen- und Landesbankensektors zu erarbeiten. Dieser Gestaltungsvorschlag ist innerhalb eines klar bemessenen Zeitrahmens und auf der Grundlage einer klar definierten Agenda der Bundesregierung zu unterbreiten. Wir sehen unseren in diesem Text vorgestellten Reformvorschlag als einen Beitrag zur Aufstellung der Zielsetzung und der Agenda für diese Regierungskommission. Wird anstelle einer Regierungskommission das Vehikel einer Enquêtekommission gewählt, so ist der Bericht entsprechend dem Parlament vorzulegen. In beiden Fällen werden die Mitglieder der Kommission von dem Auftraggeber – also von der Regierung oder dem Parlament – ernannt und für ihre Aufgabe mit einem Mandat ausgestattet. Direkt Betroffene – wie beispielsweise Vertreter der Verbände, der Sparkassen oder der Landesbanken – sollten als Experten von der Kommission gehört werden, ihr aber nicht angehören. Die Ergebnisse dieser Kommissionsarbeit setzen den langjährigen Vorhaltungen von Seiten der Europäischen Kommission eine sichtbare und offensive Strategie entgegen, deren Umsetzung den Sparkassen- und Landesbankensektor dauerhaft als einen starken Faktor innerhalb Deutschlands erhält, und auch eine solche Position innerhalb Europas möglich macht. Wir sind deshalb der Überzeugung, dass die Fortführung der eröffneten Diskussion ein Anliegen mit hoher politischer Priorität sein sollte, nicht zuletzt angesichts drohender Belastungen der öffentlichen Haushalte für den Fall eines Ausbleibens grundlegender Reformen.

4. Modell für eine leistungsfähige Sparkassen-Finanzgruppe – eine Replik* Gemeinsam mit Heinz Hilgert, Jan Pieter Krahnen, Günther Merl Angesichts der großen Bedeutung der künftigen Struktur der deutschen Kreditwirtschaft für die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Institute verdient eine „grundlegende Neuordnung des Sparkassen- und Landesbankensektors in Deutschland“ eine gründliche Diskussion und Aufarbeitung. Nach der Veröffentlichung einer diesbezüglichen Streitschrift durch Frankfurter Wissenschaftler und ehemalige Vorstandsvorsitzende zweier Landesbanken gab es in dieser Zeitschrift mehrfach Reaktionen (siehe Kreditwesen 7-2011 sowie 8-2011 und 9-2011). Nun melden sich die Autoren der Streitschrift Heinz Hilgert, Jan Pieter Krahnen, Günther Merl und Helmut Siekmann mit einer Replik zu Wort. Mit Blick auf die Position der Professoren Gischer, Hartmann-Wendels und Reichling (Kreditwesen 8-2011) betonen sie ihr Bekenntnis zum Regionalprinzip, wollen aber den Sektor der Landesbanken und Sparkassen als Ganzes bewertet und reformiert sehen. (Red.) Im Februar dieses Jahres haben die Verfasser eine Streitschrift für eine Neuordnung des Sparkassen- und Landesbankensektors vorgestellt. Anlass dieser Studie waren die bedrohliche Schwäche, die das deutsche Finanzsystem im Zuge der Finanzkrise gezeigt hat: Nur durch massive Staatshilfe war es gelungen, mehrere private Großbanken, Landesbanken in öffentlicher Trägerschaft und vor allem auch Hypothekenbanken in existenzieller Not zu stabilisieren und mit den notwendigen Garantien oder haftendem Kapital auszustatten. I. Erschreckende Konzeptionslosigkeit bei der Bewältigung der Landesbankenkrise** Unsere Untersuchung hat sich auf die Kreditinstitute in öffentlicher Trägerschaft konzentriert, weil es sich nach Größe und Bedeutung für die Haushalte und die Betriebe in Deutschland um den bedeutendsten Teil der deutschen Finanzwirtschaft handelt. Zugleich sticht eine erschreckende Konzeptionslosigkeit bei der Bewältigung der schweren Landesbankenkrise allen Beobachtern ins * Erstveröffentlichung in: Modell für eine leistungsfähige Sparkassen-Finanzgruppe – eine Replik, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 2011, S. 536–540. ** Die Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

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IV. Finanzinstitute

Auge, unabhängig davon, ob sie von Frankfurt, Berlin, Brüssel oder Washington aus ihre Analysen vortragen. Aus staatsbürgerlicher Verantwortung für den Erhalt eines bodenständigen, an den Wünschen und Bedürfnissen der Bevölkerung und der (kleineren) Betriebe ausgerichteten und flächendeckend operierenden Finanzanbieters haben wir Anfang 2011 einen Vorstoß in der Debatte um die Neustrukturierung dieses Sektors gemacht. Ziel ist ein stabiles und zugleich wettbewerbsintensives Finanzsystem, das sich in einem zukünftigen europäischen Finanzmarkt zu behaupten vermag. Aus diesem Grunde haben wir drei Anforderungen vorangestellt: leistungsfähiges Geschäftsmodell, klare Governance-Strukturen, intensiver Wettbewerb. Gleich zu Anfang unserer Studie haben wir zudem deutlich gemacht, dass wir keineswegs dogmatisch unseren Vorschlag verteidigen werden – unser wichtigstes Ziel ist das Wachrütteln einer als weitgehend lethargisch erlebten gesellschaftlichen Öffentlichkeit, die sich nicht in ausreichendem Maße um die Zukunft eines Kerns des deutschen Finanzsystems kümmert. Gerade aus diesem Grunde freuen wir uns über die fortdauernde Diskussion unserer Thesen in den Medien. Es ist uns daher eine besondere Ehre, auf eine umfangreiche kritische Stellungnahme dreier renommierter Professorenkollegen und Leiter von Sparkassenforschungszentren an den Universitäten Magdeburg und Köln in dieser Zeitschrift replizieren zu dürfen. Die Kritik der Professoren Horst Gischer, Thomas Hartmann-Wendels und Peter Reichling (ZfgK 8/2011, Seiten 378 bis 383) geht dankenswerterweise im Detail auf unsere Aussagen ein und gelangt zu entgegengesetzten Ergebnissen. Sie raten im Wesentlichen zu einer Konservierung des Status quo. Bevor wir auf einzelne Argumente der Autoren (im Folgenden abkürzend als Gischer et al. bezeichnet) eingehen, möchten wir ein grundsätzliches Missverständnis beseitigen, das sich auf unser Modell zum Umgang mit den akut gefährdeten Landesbanken bezieht. Da wir ein sehr ähnliches Missverständnis auch bei mündlichen Vorträgen unserer Ideen vor fachkundigem Publikum wiederholt erlebt haben, müssen wir davon ausgehen, dass unsere Darstellung insoweit zumindest missverständlich ist. II. Missverständnis bezüglich der „Sparkassenregionalinstitute“ Bei dem Missverständnis handelt es sich um die von uns sogenannten Sparkassenregionalinstitute (SRI), bei deren Entstehung Landesbankenteile mit einer Ballungsraumsparkasse verknüpft werden. Bei dieser Verknüpfung geht es aber nicht – wie vielfach vermutet – darum, „marode Landesbanken mittels gesunder Sparkassen aufzufangen“. Ganz im Gegenteil sollen die „maroden“ Teile der heute bestehenden Landesbanken ausgesondert und in die Obhut der Länder überführt werden, wo sie abgewickelt werden können. Die Haftung für die Ab-

4. Modell für eine leistungsfähige Sparkassen-Finanzgruppe

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wicklungslasten muss von den Alteigentümern der Landesbanken quotal übernommen werden. Das Verbundgeschäft, soweit es heute von einzelnen Landesbanken angeboten wird, soll in einem nationalen Zentralinstitut konsolidiert werden. Das direkte Kundengeschäft der heutigen Landesbanken, im Wesentlichen das Großkunden- und Projektfinanzierungsgeschäft, verbindet sich organisch mit dem angestammten Kundengeschäft der regionalen Sparkassen. Bei einer Verknüpfung dieser Geschäftsfelder mit einer regionalen Ballungsraum-Sparkasse übernimmt die Sparkasse de facto Personal, Know-how und Kunden der Großkundenabteilungen der ehemaligen Landesbanken. Die Ballungsraum-Sparkasse (von uns als Regionalinstitut bezeichnet) gewinnt damit einen Geschäftszweig, den Sparkassen bisher nicht entwickeln konnten – und den sie benötigen, wenn sie auf Augenhöhe mit den privaten Kreditbanken zu einer Verstärkung des binnenwirtschaftlichen (Banken-)Wettbewerbs beitragen wollen.

III. Ein „Vollsortimenter“ für kleine und große Kunden Das Sparkassenregionalinstitut ist damit ein „Vollsortimenter“, der kleine und große Kunden bedienen kann. Weil er das angestammte Sparkassengeschäft komplementär auf größere Firmenkunden erweitert, darf von einer stabilen und gegebenenfalls steigenden Profitabilität des Instituts ausgegangen werden – und nicht, wie Gischer et al. vermuten, von einer sinkenden Profitabilität. Es spricht für sich, dass diese von uns geforderte Zerlegung der Landesbanken in drei Teile mittlerweile bei der West-LB umgesetzt wird. Von einer Schwächung der Sparkassen ist bisher nicht die Rede gewesen. Wenn wir von diesem Missverständnis einmal absehen, so zeigt die Gegenposition von Gischer et al. große Ähnlichkeit mit unserem Vorschlag für eine grundlegende Neuordnung des Sparkassen- und Landesbankensektors in Deutschland. So ist die grundsätzliche Einschätzung der Autoren, welche Funktionen der Landesbanken für den öffentlich-rechtlichen Bankensektor von Bedeutung sind und erhalten bleiben müssen (unter anderem das kundenorientierte Kapitalmarktgeschäft, das Projektfinanzierungsgeschäft und das Verbundgeschäft), deckungsgleich. Zugleich und vor allem sehen wir eine hohe Übereinstimmung in der Beurteilung der Stärken der Sparkassen in diesem Sektor. Die Quelle ihres Erfolgs sehen Gischer et al. zu Recht darin, dass das Sparkassenverbundsystem es erlaubt „[. . .] Aktivitäten, bei denen es Größenvorteile gibt, aus den einzelnen Instituten auszulagern, während andere Aktivitäten, wo es nicht auf Größe, sondern auf Kundennähe und Flexibilität ankommt, dezentral zu organisieren“ (Seite 382). Es ist genau diese Stärke des dezentral geführten Sparkassennetzes, welche das Dreiermodell nicht nur anerkennt, sondern sich zunutze machen und ausbauen möchte.

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IV. Finanzinstitute

Dennoch gibt es zwischen der Gegenposition von Gischer et al. und unserem Dreiermodell einen grundsätzlichen Dissens. Im Folgenden möchten wir zuerst diese Differenz herausarbeiten, bevor wir zusätzlich dezidiert auf einige Textstellen eingehen, welche aus unserer Sicht eine Richtigstellung verlangen oder zumindest kommentiert werden müssen. IV. Wirtschaftlich und rechtlich verflochtene Einheiten Der grundlegende Unterschied in der Analyse des Sparkassen- und Landesbankensektors durch Gischer et al. besteht darin, dass die Autoren die Stärken und Schwächen der Sparkassen und Landesbanken diskutieren, als wären deren Erfolge unabhängig voneinander entstanden und als könnten die Institute und ihre jeweiligen Geschäfte unabhängig bewertet werden. Gischer et al. gelangen zu dem Schluss, dass es bei Sparkassen keinen Anlass zu Veränderung gibt, während die Landesbanken reformiert werden müssen, bevor sie sich „reumütig“ um die Rückkehr in den Familienbund bemühen und den Erfordernissen der Sparkassen „unterordnen“ dürfen. Diese Sicht auf den Sektor ist sicherlich gut gemeint, aber etwas weltfremd. Er verkennt, dass die Sparkassen und Landesbanken als wirtschaftlich und rechtlich verflochtene Einheiten entstanden sind. Die Verordnung des Reichspräsidenten vom 6. Oktober 1931, durch welche die kommunalen Sparkassen rechtliche Selbstständigkeit von ihren Trägergemeinwesen erlangt haben, regelt detailliert ihre Verzahnung mit den Vorläufern der Landesbanken, den Girozentralen. Dort ist auch vorgeschrieben, dass die Girozentralen als Anstalten des öffentlichen Rechts der Länder wesentliche Funktionen für die kommunalen Sparkassen zu erfüllen haben und ihrerseits eng mit der Deutschen Girozentrale, Deutsche Kommunalbank, zusammenzuarbeiten hatten. Die Sparkassen waren gesetzlich verpflichtet, nennenswerte Teile ihres Passivüberhangs bei der zuständigen Girozentrale anzulegen, die ihrerseits ihre Liquiditätsreserven bei der Deutschen Girozentrale, Deutsche Kommunalbank, anlegen mussten, die ebenfalls in eine Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt wurde. Als Lehre aus der Krise der Jahre 1929 bis 1931 war ein dezentrales, aber aufeinander abgestimmtes und verflochtenes System rein öffentlich-rechtlicher Banken geschaffen worden, die gemeinsam eine öffentliche Aufgabe zu erfüllen hatten. Die Verflechtung besteht bis auf den heutigen Tag und betrifft praktisch alle Passivpositionen der Landesbanken. So sind Sparkassen nicht nur Miteigentümer der Landesbanken (traditionell zu 50 Prozent), sie sind auch deren größter Lieferant von Termineinlagen, sie sind die größte Gläubigergruppe was Schuldverschreibungen anbelangt, und sie sind auch mittelbar der größte Vertreiber von Landesbank-Schuldverschreibungen. Letztere platzieren sie in die Depots ihrer Kunden. Da alle genannten Schuldverhältnisse von staatlichen Trägern garantiert

4. Modell für eine leistungsfähige Sparkassen-Finanzgruppe

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waren, war eine Einlagensicherung ursprünglich nicht erforderlich. Nun fehlt sie, sodass sich aus dieser dominanten Gläubigerrolle der Sparkassen gegenüber den Landesbanken ein nicht unerhebliches Ansteckungsrisiko im Falle einer Krise ergibt. V. Bewertung des Sektors als Ganzes Da die genaue Verschuldungslage der Landesbanken bei den Sparkassen nicht bekannt ist, können wir allenfalls mit Schätzwerten arbeiten. Bei einem konservativ geschätzten Anteil der Sparkassen an den genannten Landesbankpassiva ergibt sich ein Forderungsbestand der Sparkassen gegenüber Landesbanken im unteren bis mittleren dreistelligen Milliardenbereich. Gischer et al. mahnen hier zu Recht Belege und genauere Zahlenangaben an – wir reichen diesen Wunsch gerne an die statistischen Behörden und Aufsichtsämter weiter, denn diese sind für die sehr bescheidene Datenlage verantwortlich – wie jeder Wissenschaftler nur zu gut weiß, der auf diesem Gebiet zu arbeiten versucht hat. Die tatsächlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Verflechtungen der Sparkassen und der Landesbanken sind unterschiedlich ausgestaltet. Die Sparkassen sind ebenso eine Kreation des jeweiligen Landesrechts wie die Landesbanken, jedenfalls soweit sie noch öffentlich-rechtlich organisiert sind. Sie sind kein Selbstzweck, sondern erfüllen als Einrichtungen ihrer Gebietskörperschaften auch dann einen öffentlichen Auftrag, wenn sie als Aktiengesellschaften organisiert sind. Aus der engen Verflochtenheit innerhalb des Sektors und seiner Bedeutung für die Finanzstabilität unseres Finanzsystems folgern wir, dass der Sektor nur als Ganzes bewertet und reformiert werden kann. Dies ist die Herangehensweise der Streitschrift. VI. Ausgleichenden „Gegenspieler“ gesucht Dass die Sparkassen besser durch die Krise gekommen sind als die Landesbanken, hat vielfältige Gründe, unter anderem, dass die Sparkassen ihre Passivüberschüsse bei den Landesbanken anlegen. Die riskanten Investitionen der Landesbanken in die Subprime-Portfolios – unter Billigung der Vertreter der Eigentümer, also auch der Sparkassen und ihrer Verbände, in den Verwaltungsräten – sind insbesondere durch den Anlagedruck großer Passivüberhänge der Sparkassen und Landesbanken ausgelöst worden. Die strukturellen Passivüberschüsse der Sparkassen verlangen nach einem ausgleichenden „Gegenspieler“, einem Institut, das strukturell Aktivüberschüsse erzielt. Hätten die Sparkassen das Geld in eigener Regie verwaltet und angelegt, wären die Verluste eventuell bei ihnen entstanden. Gischer et al. schreiben, es sei in unserem Modell ein Zwang vorgesehen, dass Sparkassen ihre Passivüberschüsse bei SRIs anzulegen hätten (Seite 380). Richtig ist, dass Sparkassen traditionell ihre enormen Passivüberschüsse bei Landesban-

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IV. Finanzinstitute

ken anlegen und auch dazu verpflichtet waren. Den von Gischer et al. dargestellten Automatismus mit dem Einlagen, die lokal eingehen, dann im regionalen Wirtschaftskreislauf in Form von Kreditvergaben wirken (vgl. Seite 382), gibt es so nicht. Die Einlagen überschreiten regelmäßig die Möglichkeiten der Kreditvergabe für den örtlichen Wohnungsbau und für die lokale Wirtschaft. Auch jenseits der Gläubigerposition von Sparkassen bei den Landesbanken gibt es wirtschaftliche Verflechtungen, die das Geschäftsmodell der Sparkassen erst möglich machen. Gischer et al. reduzieren in ihrer Darstellung das Geschäft der Landesbanken sehr stark auf das Verbundgeschäft. Dies ist aber nur der kleinere und unrentable Teil. Dieses Geschäft wird in unserem Modell an das SZI abgegeben. Im Übrigen hat die Sparkassenorganisation mittlerweile begonnen, ein Zentralinstitut (unter der Leitung der Deka-Bank) aufzubauen, wie wir es vorgeschlagen haben. Das eigentliche Geschäft der Landesbanken ergänzen die Sparkassen vor allem beim gehobenen Mittelstand, bei Großkunden, bei gewerblichen Immobilienkunden und bei der Projektfinanzierung. Dieses Geschäft der Landesbanken ist ein notwendiger Bestandteil des Produktangebots der Sparkassen und wird in unserem Modell von mehreren SRI übernommen. Die SRI sind Großsparkassen mit einem erweiterten Produktangebot in den großen wirtschaftlichen Ballungsräumen. Nur mit diesen Leistungen hat die Sparkassenorganisation ein umfassendes Produktangebot für alle Kundengruppen. Heute liegt der Marktanteil der Landesbanken in diesen Geschäftsfeldern zwischen 20 und 40 Prozent1 und ist für die deutsche Wirtschaft von entscheidender Bedeutung, nachdem ein starker Konzentrationsprozess bei den Großbanken und den privaten Hypothekenbanken stattgefunden hat. Die Kreditvergabefähigkeit der einzelnen Sparkasse ist aber begrenzt. Die durchschnittliche Sparkassengröße liegt bei 2,5 Milliarden Euro Bilanzsumme.2 Die größeren Sparkassen liegen bei 5 bis 8 Milliarden Euro. Nimmt man die Eigenkapitalvorschriften, so liegt der maximal mögliche Einzelkredit vielleicht bei 20 bis 30 Millionen Euro. Der Bedarf darüber kann nicht gedeckt werden. Es sind also größere Institute, wie die SRI, notwendig. VII. Fusion auf freiwilliger Basis Die föderale Struktur Deutschlands hat zu großen dezentralen Wirtschaftszentren geführt. So wie bei den Sparkassen die örtliche Nähe einen entscheidenden 1 Für das Geschäftsfeld Unternehmenskredite macht der DSGV in seiner Presseerklärung zur Bilanzpressekonferenz vom 16. März (Seite 4) folgende Angabe: „Zusammen haben Sparkassen und Landesbanken heute einen Marktanteil von 42,2 Prozent bei der Finanzierung von Unternehmen und Selbstständigen.“ 2 Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, April 2011, Seite 24, Bilanzsumme aller 429 Sparkassen im Februar 2011: 1,071 Billionen Euro.

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Wettbewerbsvorteil darstellt, verlangt auch die Kundschaft, die von den Sparkassen nicht bedient werden kann, ein dezentrales Produktangebot. Dieses Angebot nur den Auslandsbanken zu überlassen, wäre fatal. Vor diesem Hintergrund ist das Bemühen von Bildern, welche ein Unterordnungs- oder Abhängigkeitsverhältnis von Landesbanken gegenüber Sparkassen suggerieren, fehl am Platz. Die Fusion von Sparkassen mit einem SRI geschieht auf freiwilliger Basis und nicht wie von Gischer et al. angenommen unter Zwang. Natürlich wird in Regionen mit bestimmter Kundenstruktur ein Druck auf nicht eingebundene Sparkassen entstehen, sich dem SRI anzuschließen. Es bleibt aber richtig, dass die Sparkassen sich an den Bedürfnissen der lokalen Wirtschaft ausrichten müssen. Die Nachfrage nach den Leistungen der SRI hängt ab von der Größe und der Geschäftsstruktur der Unternehmen im regionalen Wirtschaftsraum. Nur durch eine Ausrichtung am regionalen Bedarf werden die Sparkassen ihre starke Wettbewerbsposition, die von Gischer et al. beschworen wird, halten können. Zuletzt sei nochmals betont, dass die Stärke des Sparkassenverbundsystems die in der „räumlichen Nähe zur Kundschaft“ und in den „ausgeprägten Kenntnissen der regionalen Unternehmensstrukturen sowie in den flachen Entscheidungshierarchien“ (vgl. Gischer et al. Seite 382) liegen, gerade in unserem Dreiermodell erhalten bleibt. Auch das Regionalprinzip ist Bestandteil des Dreiermodells: Im regionalen Gebiet der eingebundenen Sparkassen übernehmen die SRI das Privatkundengeschäft und das Geschäft mit kleinen und mittleren Firmenkunden. Überregional übernehmen sie das Mittelstands- und Großkundengeschäft, das gewerbliche Immobiliengeschäft und das kundenbezogene Kapitalmarktgeschäft. Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass die Bewertung der Stärke der Sparkassen ohne eine Berücksichtigung der vielfältigen Verbindungen zwischen den Sparkassen und den Landesbanken nicht möglich ist. Der Sektor ist als Ganzes zu betrachten und eine Reformdiskussion muss beide Institutstypen berücksichtigen. Im Folgenden soll nun gezielt auf einige Passagen eingegangen werden: (1) Gischer et al. argumentieren, eine Fusion mehrerer Sparkassen zu einem SRI würde komplexe und unter Umständen mit Spannung geladene Eigentümerstrukturen hervorrufen, da mehrere kommunale Träger zusammenfinden müssen. Vor dem Hintergrund, dass es solche Institute bereits heute gibt und diese ohne Probleme operieren, halten wir dieses Argument für gegenstandslos. (2) In unserem Modell gehen wir davon aus, dass eine Bündelung des Verbundangebots im SZI eine kostenmäßig effizientere Bereitstellung der Leistungen, die bisher dezentral von den Landesbanken angeboten werden, erfolgen kann. In diesem Sinne äußern sich auch die Sparkassenvertreter, die einen Ausbau der Deka-Bank zu einem Zentralinstitut befürworten. Dies hat übrigens nichts mit der von Gischer et al. behaupteten Abwesenheit von Skalenerträgen bei typischen Kreditbanken zu tun.

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IV. Finanzinstitute

VIII. Überragende Bedeutung des Zinsergebnisses (3) Gischer et al. folgern, dass die stabile Profitabilität der Sparkassen reduziert wird, um die SRIs rentabler zu machen. Die Profitabilität der Sparkassen hängt in überragender Weise vom Zinsergebnis ab, dabei generiert die Sparkassenorganisation deutlich mehr Kundeneinlagen als Kundenkreditgeschäft. Die Bilanzsumme der Sparkassen beträgt 1.084 Milliarden Euro, die Kundenkredite 660 Milliarden Euro, die Kundeneinlagen 767 Milliarden Euro. 79 Prozent aller Erträge der Sparkassen sind Zinserträge.3 Das Zinsergebnis der Sparkassen dürfte daher ganz wesentlich durch die Zinserträge aus der Wiederanlage des Kapitals, dem Wertpapieranlagevermögen und der Fristentransformation geprägt sein. Es entfallen allein 13 Prozent der Erlöse der Sparkassenorganisation auf Fristentransformationsbeiträge.4 (4) Ein durch die SRIs geschaffener Ausgleich von Aktiv- und Passivpositionen fördert unmittelbar die Stabilität des Geschäftsmodells und erhöht die Systemstabilität der Finanzindustrie erheblich. Die besondere Präferenz der Liquiditätsanlage der Sparkassen bei Landesbanken (keine Anrechnung auf die Großkreditgrenze) ist ohnehin spätestens seit der Abschaffung von Gewährträgerhaftung und Anstaltslast im Jahre 2005 eine unter Solvenzgesichtspunkten kaum vertretbare regulatorische Sonderregelung. Die organisationsrechtliche Verbindung von geschäftspolitisch gewollten Teilen der Landesbanken und Sparkassen in SRIs kombiniert mit der zwangsläufig veränderten Eigentümerstruktur und Governance führt nicht nur zu einem sinnvollen Ausgleich der Bilanzstrukturen, sondern wird die Abhängigkeit vom Zinsergebnis – und damit auch von exogenen Faktoren wie der Lage und Struktur der Zinskurven oder der Solvenz der Partner und Solidität der Instrumente im Kapitalmarkt, die zur Anlage von Liquiditätsüberschüssen herangezogen werden – deutlich mindern. (5) Die verschiedenen Vergleichsrechnungen zu den Erträgen von Sparkassen und privaten Kreditbanken, die Gischer et al. in ihrem Aufsatz präsentieren, haben wir mit Interesse zur Kenntnis genommen. Allerdings haben wir uns zu einem Vergleich von Sparkassen und Kreditbanken in der Streitschrift nicht geäußert. Wir halten dies auch nicht für sinnvoll, weil die Sparkassen aufgrund einer andersartigen Geschäftspolitik und einer systematisch anderen Gewinnthesaurierungspolitik nicht direkt mit Kreditbanken verglichen werden können. Ebenso wäre für eine korrekte Vergleichsrechnung die zumindest teilweise Einbeziehung der Landesbankenergebnisse anzumahnen – wir mahnen hier aber nicht an, weil der Ertragsvergleich gar nicht Gegenstand der Debatte ist.

3 4

Bilanzpressekonferenz des DSGV vom 16. März 2011. Ebda.

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IX. Mangelnder Wettbewerb in der Fläche (6) Gischer et al. bemängeln eine fehlende Wettbewerbsanalyse in der Streitschrift und stellen fest, dass Sparkassen ihre Wettbewerbsposition in der Vergangenheit gut verteidigt haben (wie ebenso die Genossenschaftsbanken). Diese Kritik ist insofern interessant, als sie – sicherlich ungewollt – unser Argument tatsächlich bestätigt: Wir haben nämlich einer Verstärkung des Wettbewerbs auf dem deutschen Markt für Finanzdienstleistungen das Wort geredet, weil wir diesen Wettbewerb insbesondere in den Regionen für unzureichend halten. Gischer et al. bestätigen diese Aussage in ihrer Abbildung 4 (Lerner-Index), weil dort ein höherer Monopolgrad in der Gruppe der Sparkassen gezeigt wird, als bei den Großbanken. Es sei hier allerdings redlicherweise angemerkt, dass auch diese Interpretation mit einem Fragezeichen zu versehen ist, da die Anwendung des Lerner-Indexes auf Institutstypen im Stile von Gischer et al. nicht als Positionierung im Wettbewerb interpretiert werden sollte. Korrekt wäre eine Interpretation, die sich auf die unterschiedlichen Regional- und Produktmärkte bezieht. Dann zeigt die Abbildung 4 in Gischer et al. nämlich ein ganz anderes Bild: Die Wettbewerbsintensität ist dort hoch, wo Großbanken (auch) operieren, während sie niedrig ist, wo Sparkassen und Genossenschaftsbanken ohne Großbankenkonkurrenz agieren. Dieses empirische Ergebnis bestätigt die oft gehörte Ansicht, dass es in Deutschland gerade in der Fläche – und weniger in den Ballungsräumen – an Wettbewerb mangelt. (7) Die rechtliche und ökonomische Leistungsfähigkeit des Institutssicherungssystems entspricht nach Beseitigung von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung nicht mehr den Anforderungen. Dies ist der Öffentlichkeit jedoch bisher nicht bewusst gemacht worden. Mit Rücksicht auf den Schaden, der durch eine öffentliche Infragestellung der Qualität der Institutssicherung angerichtet werden kann, haben wir uns in unserem Papier nicht detailliert zu diesem Punkt geäußert. Dass die Ratingagentur Moody’s nun eine mögliche Herabstufung der Kreditwürdigkeit der Landesbanken angekündigt hat, belastet die Institutssicherungssysteme zusätzlich. Moody’s begründet die Überprüfung der Bonitätseinstufung der Landesbanken mit der schwindenden Unterstützung durch Bund und Länder. X. Vorzüge einer regionalen Integration Dass Gischer et al. in ihrer Analyse im Wesentlichen zur Beibehaltung des Status quo raten, kommt unter Umständen auch daher, dass sich das Problem, wie mit den Landesbanken vor dem Hintergrund des Haftungsrisikos umzugehen ist, aus Sicht der Sparkassen erledigt oder zumindest deutlich entschärft hat. Unter dem Druck der aktuellen Banken-Stresstests haben sich die Eigentumsverhältnisse in den letzten Wochen verschoben. Die Anteile der Deka-Bank wurden von

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IV. Finanzinstitute

den Sparkassen vollständig übernommen. Die Bayern-LB und die HSH Nordbank sind fast ausschließlich im Eigentum der Länder; bei der Nord-LB werden es zukünftig 60 Prozent sein. Die WestLB soll auf eine Verbundbank mit nur noch einem Viertel des bisherigen Volumens redimensioniert werden. Als traditionelle Landesbanken, bezogen auf die Eigentümerstruktur, verbleiben lediglich die LBBW und die Helaba. Bezeichnenderweise sind gerade diese beiden Institute partiell vertikalisiert, haben also bereits wesentliche Schritte in Richtung SRI gemacht. Auch die LBB ist ein vertikal integriertes Institut, ähnlich einem SRI. Die Vertikalisierung von LBBW und LBB ist interessanterweise unter Führung von Heinrich Haasis, seinerzeit Verwaltungsratsvorsitzender in diesen Instituten, umgesetzt worden. Dieses Beispiel zeigt, dass Verantwortliche im Sparkassenverband in anderen Positionen durch Taten belegt haben, dass auch sie die Vorzüge einer regionalen Integration von Sparkassen und Landesbanken erkannt haben. Wir haben Verständnis dafür, dass der Sparkassenverband, einzelne Sparkassen, und auch die Sparkassenforschungszentren die Thesen unserer Streitschrift kritisch, mit Blick auf die Partikularinteressen der Sparkassen, prüfen. Wir hoffen, dass unsere Ausführungen deutlich machen, dass eine Neuausrichtung der Landesbanken in Deutschland auch die Sparkassen und ihr Geschäftsmodell nicht unberührt lassen wird. Dort wo Landesbanken wegfallen, werden neue Institute entstehen, die deren Funktionen etwa im Bereich gehobener Mittelstand, Großkunden, gewerbliche Immobilienkunden, Projektfinanzierung ausüben. Es bedarf einer zukunftsgerichteten Lösung für den gesamten Sparkassen- und Landesbankensektor in Deutschland. Unser Dreiermodell schlägt eine Struktur dieses Sektors vor, welche eine Stärkung der Leistungsfähigkeit dieses bedeutenden Teils des deutschen Finanzsektors bedeuten würde.

5. Die Bankenabgabe in Deutschland* Die Diskussion von gesetzgeberischen Maßnahmen zur Bewältigung von Finanzkrisen und ihrer effektiven Bekämpfung kreist nicht zuletzt um die Auferlegung von finanziellen Lasten. Banken sollen an den Lasten, die durch die Bekämpfung der Krise entstanden sind, beteiligt werden. Es sind aber auch Abgaben als Mittel der Prävention und Intervention erörtert worden. Hinzu kommt die überfällige Reform der Einlagensicherung, die ebenfalls zu erhöhten (Beitrags-)Lasten für Kreditinstitute führen kann. Zu denken ist aber auch an die Wiedereinführung unverzinslicher Mindestreserven als Steuerungs- und Sicherungsmittel, die bisher noch außerhalb des Blickfeldes gelegen hat. I. Verhinderung und Bekämpfung von Finanzkrisen Es besteht weitgehend Einigkeit, dass der Eintritt einer Situation, wie sie seit Sommer 2007 zu beobachten ist, verhindert werden muss. Es soll vor allem verhindert werden, dass ein faktischer Zwang für die Politik entsteht, Finanzmarktakteure, aber auch Staaten, vor dem finanziellen Zusammenbruch zu retten. Als nicht akzeptabel wird zudem die Übernahme von Verlusten aus risikoreichen Finanzmarktgeschäften durch die Allgemeinheit angesehen; während die Gewinne durch Private vereinnahmt werden. Das neue Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz, das als Art. 1 des Restrukturierungsgesetzes vom 9.12.2010 (BGBl. I. 1900) erlassen worden ist, versucht, diese Aufgaben zu erfüllen. Es sieht zu Recht von der Einführung eines Sonderinsolvenzverfahrens für Kreditinstitute ab. Entscheidend ist vielmehr die Schaffung ordnungsrechtlicher Eingriffsinstrumente zur Abwehr von Krisen, die in das Kreditwesengesetz aufgenommen worden sind. Voraussetzung für ihren Einsatz ist die drohende systemrelevante Schwierigkeit eines Instituts. Ihr Ziel ist die effektive Bekämpfung einer Gefahr, ohne die Verursacher der Gefahr (Störer) zu begünstigen. Darüber hinaus ist als präventive Maßnahme eine Abgabe eingeführt worden, die von den Kreditinstituten zu entrichten ist. Wenn über die Auferlegung einer Abgabe für den Finanzsektor nachgedacht wird, ist zunächst zu klären, ob die Erzielung von Einnahmen für die Staatshaushalte oder die Verhaltenslenkung im Vordergrund stehen sollen. Wenn die Ein* Erstveröffentlichung in gekürzte Fassung in: Der Betrieb, 2011, S. 29 f.; Originalfassung in: Institute for Monetary and Financial Stability der Johann Wolfgang GoetheUniversität, Frankfurt am Main, Working Paper Series No. 43 (2011).

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IV. Finanzinstitute

nahmen dazu dienen sollen, die Verursacher der Krise an den finanziellen Schäden, welche die gegenwärtige Krise hervorgerufen hat, zu beteiligen, ist die Steuer das geeignete Instrument. Wenn die Abgabe aber der Verhinderung künftiger Krisen dienen soll, ist an erster Stelle an die Einführung nichtsteuerlicher Abgaben zu denken. Entsprechendes gilt, wenn Mittel zur Krisenbekämpfung bereitstehen sollen. Die Schaffung von Einlagensicherungssystemen, die auch tatsächlich über die notwendigen Mittel verfügen, um ihre Aufgaben zu erfüllen, ist ebenfalls in die Zukunft gerichtet, dient aber eher der Folgenbekämpfung als der Prävention. Präventive Wirkung haben die Beiträge zu solchen Einrichtungen jedoch, wenn sie risikoorientiert bemessen sind. Auch mit Steuern können Lenkungseffekte erzielt werden. Zielgenauer ist aber der Einsatz nichtsteuerlicher Abgaben. Auch können sie besser zur Bildung von finanziellen Reserven für den Notfall eingesetzt werden. Mit nichtsteuerlichen Abgaben können die negativen Auswirkungen von Systemrelevanz und das Eingehen von Risiken für die Gesamtwirtschaft den Verursachern angelastet werden. Diese Internalisierung (negativer) externer Effekte durch die Auferlegung derartiger Abgaben ist ein vielfach erprobtes Verfahren in anderen Rechtsgebieten, namentlich im Umweltrecht. Wenn es darum geht, negative externe Effekte von Finanzgeschäften zu internalisieren, muss entscheidend auf die Systemrelevanz abgestellt werden. Geschieht dies, ist auch der häufig vorgebrachte Einwand entkräftet, dass Institute, die wegen ihrer Solidität oder fehlenden Systemrelevanz niemals die Mittel einer Sicherungs- oder Rettungseinrichtung benötigten, mit Abgaben belastet würden. Wenn eine Abgabe auf Systemrelevanz erhoben wird, kann sie als reine Abschöpfungsabgabe ausgestaltet sein. Sie wäre finanzverfassungsrechtlich unproblematisch. Der Einsatz einer Bankenabgabe, die Lenkungszwecke verfolgt, kann aber über die bloße Abschöpfung hinausgehen. In Betracht kommen vor allem die Finanzierung von Wandelschuldverschreibung (CoCos), bei denen der Staat Gläubiger ist, oder die Speisung eines Rettungsfonds. Bei Einsatz einer derartigen Wandelanleihe könnte der Staat in der Krise problemlos die Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital erzwingen, ohne den – möglicherweise schon funktionsgestörten – Kapitalmarkt in Anspruch nehmen zu müssen. Wenn das Aufkommen der Abgabe aber zur Finanzierung eines Rettungsfonds dienen soll, müssen die strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen einer Finanzierungssonderabgabe erfüllt sein. II. Einordnung der deutschen Bankenabgabe Die Bankenabgabe nach dem Restrukturierungsgesetz besteht aus „Beiträgen“ zu einem „Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute“. Sie haben zwei Komponenten: Jahresbeiträgen und Sonderbeiträgen. Beitragspflichtig sind alle Kreditinstitute, soweit sie nicht von der Körperschaftsteuer befreit sind. Aufgabe des

5. Die Bankenabgabe in Deutschland

841

Restrukturierungsfonds ist die Stabilisierung des Finanzmarkts. Es sollen Bestands- und Systemgefährdungen überwunden werden. Die Mittel des Fonds können für die Gründung von Brückeninstituten, den Erwerb von Anteilen an Kreditinstituten, die Gewährung von Garantien, die Rekapitalisierung von Kreditinstituten und „sonstige Maßnahmen“ verwendet werden. Wegen dieser generalklauselartigen Formulierung ist eine denkbar breite Verwendung möglich. Der Fonds wird durch die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung verwaltet, die auch die entsprechenden Abgabenbescheide zu erlassen hat. Unter Bestandsgefährdung versteht das Gesetz die Gefahr eines insolvenzbedingten Zusammenbruchs eines Kreditinstituts für den Fall des Unterbleibens korrigierender Maßnahmen, § 48 b Abs. 1 Satz 1 KWG. Eine Systemgefährdung liegt vor, wenn zu besorgen ist, dass sich die Bestandsgefährdung des Kreditinstituts in erheblicher Weise negativ auf andere Unternehmen des Finanzsektors, auf die Finanzmärkte oder auf das allgemeine Vertrauen der Einleger und anderer Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems auswirkt, § 48 b Abs. 2 Satz 2 KWG. Die Bankenabgabe ist keine Steuer, da sie nicht voraussetzungslos erhoben wird und ihr Ertrag nicht zur Deckung des „allgemeinen Finanzbedarfs“ dient. Es handelt sich mangels „Ausgleichsfunktion“ auch nicht um eine Vorzugslast (Gebühr oder Beitrag). Die Bankenabgabe ist keine Gegenleistung für öffentliche Leistungen, die den Abgabepflichtigen individuell zurechenbar sind, und dient auch nicht der Deckung spezieller Kosten der Verwaltung. Es dürfte sich auch nicht um eine Ausgleichsabgabe eigener Art handeln, da sie nicht als Ausgleich für die Nichterfüllung einer Primärverpflichtung dient. Im Ergebnis handelt es sich um eine Sonderabgabe mit Finanzierungszweck, vergleichbar den Beiträgen zum Solidarfonds Abfallrückführung, zum Klärschlamm-Entschädigungsfonds und zum Holzabsatzfonds.

III. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit Für Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion, die ähnlich den Steuern „voraussetzungslos“ erhoben werden, hat das BVerfG die allgemeinen finanzverfassungsrechtlichen Begrenzungen für nichtsteuerliche Abgaben in besonders strenger Form präzisiert. Sie bedürfen der Rechtfertigung durch die Verfolgung eines besonderen Sachzwecks, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Es muss sich um die Belastung einer abgrenzbaren, „homogenen“ gesellschaftlichen Gruppe handeln. Diese Gruppe muss eine spezifische Beziehung zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck haben, die zu einer besonderen „Finanzierungsverantwortung“ führt. Das Aufkommen aus der Abgabe muss „gruppennützig“ verwendet werden und sie muss haushaltsrechtlich vollständig dokumentiert sein.

842

IV. Finanzinstitute

Sachzweck der Beiträge zum Bankenrestrukturierungsfonds ist die Internalisierung negativer externer Effekte von Systemrelevanz und die risikoadäquate Bepreisung von Finanzgeschäften. Zudem sollen für künftige Maßnahmen zur Abwehr von Krisen hinreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, ohne allgemeine Steuermittel in Anspruch nehmen zu müssen. Durch die im Gesetz vorgegebene Ausrichtung der Höhe der Jahresbeiträge an Parametern für Systemrelevanz (Größe und Vernetztheit des jeweiligen Instituts) und eingegangenen Risiken (offene Termingeschäfte) wird die Verfolgung dieser Sachzwecke hinreichend deutlich. Der Kreis der Abgabeschuldner ist mit den Kreditinstituten i. S. von § 1 Abs. 1 KWG sachlich vorgegeben, da unmittelbar an die Tätigkeit bestimmter Unternehmen auf den Finanzmärkten angeknüpft wird, ohne dass er für die Zwecke der Abgabenerhebung gebildet wird. Diese Vorgehensweise ist in anderem Zusammenhang bereits vom BVerfG gebilligt worden. Die Gruppe der erfassten Kreditinstitute ist auch hinreichend homogen, da sie alle die Erlaubnis haben, die potenziell das System destabilisierenden Geschäfte zu tätigen. Die abgabepflichtigen Kreditinstitute haben eine spezifische Beziehung zur Stabilität der Finanzmärkte, auch wenn diese ein öffentliches Gut ist. Für die besondere „Finanzierungsverantwortung“ ist nicht erforderlich, dass die abgabepflichtigen Institute dem verfolgten Ziel der Finanzmarktstabilisierung und Bankenrettung ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel „evident“ näher stehen als die Allgemeinheit. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seiner jüngeren Rspr. ausdrücklich klargestellt (BVerfGE 124, S. 348 [372]). Durch ihr Verhalten können die abgabepflichtigen Institute maßgebend Entstehung und Verlauf von Finanzmarktkrisen beeinflussen; auch soweit sie sich als Staatsschuldenkrisen darstellen. Sachnähe und Finanzierungsverantwortung aller Banken werden auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Inpflichtnahme aller Banken in der Sache eine „Verantwortungszurechnung“ für „die Folgen fremden Fehlverhaltens“ bedeuten kann. Die gruppennützige Verwendung der Mittel ist durch die Schaffung einer separaten Vermögensmasse, die zudem von einer rechtsfähigen Anstalt verwaltet wird, gewährleistet. Die Zwecke, für welche die Mittel des Fonds verwendet werden dürfen, kommen der Gesamtheit der Abgabepflichtigen zugute. Wegen der Vernetzung der Kreditinstitute ist die Stabilität der Finanzmärkte für alle ein positives externes Gut. Auch die Regeln für die Bemessung der individuellen Abgabenhöhe müssen den verfassungsrechtlichen Anforderungen für nichtsteuerliche Abgaben genügen. Das gilt vor allem für die zentrale Zulässigkeitsanforderung einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Die individuelle Beitragshöhe ist zutreffend an der Systemrelevanz und dem Risikoexposure der abgabepflichtigen Institute ausgerichtet, § 12 Abs. 10 Satz 7, 8 RFStruktFG. Der vorgeschriebene progressive

5. Die Bankenabgabe in Deutschland

843

Verlauf der Abgabensätze (§ 12 Abs. 10 Satz 9 RFStruktFG) entspricht besonders gut dem verfolgten Sachzweck. Im Einzelnen sind die Regeln für die Jahresbeiträge, die Sonderbeiträge und die Freigrenzen genau darauf ausgerichtet, dass die verfassungsrechtlich vorgegebenen Zumutbarkeitsgrenzen für das einzelne Institut nicht überschritten werden. Die Beiträge zum Restrukturierungsfonds sind auch strikt an der Deckung der (voraussichtlich) entstehenden Kosten orientiert. Deshalb ist auch eine Pflicht zur Herabsetzung und Rückzahlung von Beiträgen vorgesehen, soweit sie sich als nicht erforderlich erweisen sollten, § 12 Abs. 2, 5 RStruktFG. Mit diesen Regeln ist vor allem den Bedenken des BVerfG aus der Bemessung der Abfallausführabgabe Rechnung getragen (BVerfGE 113, S. 128 [150 f.]). Auch die Erhebung von Mindestbeiträgen (§ 12 Abs. 10 Satz 10 RFStruktFG) ist von der Rspr. gebilligt. IV. Bankenabgabe muss ihren Zweck erfüllen Wenn die Bankenabgabe ihren Zweck erfüllen soll, muss sie hinreichend fühlbar sein. Auch muss das Volumen des Fonds groß genug sein, um die ihm übertragenen Aufgaben erfüllen zu können. Insoweit sind im Hinblick auf die deutsche Regelung Bedenken anzumelden. Problemtisch ist vor allem aber, dass eine Zielgröße von 70 Mrd. A für den Fonds vorgegeben ist. Auch ist zu bezweifeln, dass die individuellen Beiträge hoch genug sind, um den angestrebten Lenkungseffekt zu erzielen und schnell genug hinreichende finanzielle Ressourcen für Rettungsaktionen zu schaffen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Möglichkeit der Kreditaufnahme eingeräumt worden ist, § 12 Abs. 6 RStruktFG. Zumindest der schrittweise, also schonende Übergang zu höheren Beiträgen hätte die Dominanz des Lenkungszweckes deutlicher hervortreten lassen. Ein weitgehend ungelöstes Problem ist aber die zweckgerechte Anlage der Fondsmittel. Sie müssen absolut sicher angelegt sein und jederzeit zur Verfügung stehen, vor allem auch in Zeiten nicht funktionierender Finanzmärkte. Die Finanzierung von Wandelanleihen durch die Abgabe hätte wohl Vorteile, die Effizienz und Verhältnismäßigkeit der Fondslösung fraglich erscheinen lassen können.

6. Die rechtliche Regulierung öffentlicher Banken in Deutschland* Nicht erst seit der gegenwärtigen Krise sind Kreditinstitute, die ganz oder teilweise einer deutschen Gebietskörperschaft gehören, Gegenstand intensiver ökonomischer, juristischer und politischer Diskussionen gewesen.1 Regelmäßig waren Skandale im Bereich der Landesbanken unter Beteiligung von Spitzenpolitikern und Führungspersonen dieser Institute unmittelbare Auslöser gewesen; aber auch mehr oder weniger existenzbedrohende finanzielle „Schieflagen“. Probleme mit dem EU-Recht und Visionen von Bundesministern der Finanzen über die künftige Bankenlandschaft in Deutschland haben die Diskussion weiter befeuert, aber regelmäßig nicht zu überzeugenden Lösungen geführt; noch nicht.2 Zuletzt musste die Westdeutsche Landesbank AG erneut vor einer drohenden Zahlungsunfähigkeit gerettet werden. Im Hintergrund haben sich regelmäßig die Sprecher der verschiedenen Bankengruppen, ihre Sympathisanten in Legislative und Exekutive sowie Verbandsvertreter jeder Couleur heftige Grabenkämpfe geliefert, teilweise um einen für sie günstigen „Status quo“ zu wahren, teilweise aber auch, um die anstehende Übernahme der Kosten von Sanierungsmaßnahmen von sich abzuwehren. Dabei * In: Otto Depenheuer (Hrsg.), Deutsch-Türkisches Forum für Staatsrechtslehre, Bd. 8, 2012, S. 65–123. 1 Dietrich Dickertmann, Die Kreditinstitute der Länder, ZögU 8 (1985), S. 38 ff., 164 ff.; Georg Dörries, Zur Rechtsstellung von Landesbanken unter besonderer Berücksichtigung der Westdeutschen Landesbank, 1988; Helmut Siekmann, Die deutschen Landesbanken – Einrichtungen öffentlicher Verwaltung als international agierende Großkonzerne? (2000), in: ders., Abhandlungen zum öffentlichen Finanzrecht, Bd. 2, 2005, S. 189 ff; ders., Die Einbindung der Landesbank Berlin in die Berliner Bankgesellschaft, ebd., S. 225 ff.; Jürgen Steiner, Bankenmacht und Wirtschaftsordnung – Sparkassen und Landesbanken in der Privatisierungsdiskussion, 1994; Hans-Werner Sinn, Der Staat im Bankwesen – Zur Rolle der Landesbanken in der Privatisierungsdiskussion, 1994; ders., Der Staat im Bankwesen – Zur Rolle der Landesbanken in Deutschland, 1997; Michael Gruson/Uwe H. Schneider, The German Landesbanken, Columbia Business Law Review, 1995, S. 337 ff.; Florian Becker, Die Vernetzung der Landesbanken, 1998; ders., Die landesrechtliche „Kapitalgesellschaft des öffentlichen Rechts“ in der bundesstaatlichen Kompetenzordnung, DÖV 1998, S. 97; Andreas Engels, Landesbanken zwischen Marktsteuerung und Marktwirtschaft, 2010. 2 Heinz Hilgert/Jan Pieter Krahnen/Günther Merl/Helmut Siekmann, Streitschrift für eine grundlegende Neuordnung des Sparkassen- und Landesbankensektors in Deutschland, White Paper des House of Finance der Universität Frankfurt am Main, Februar 2011; dies., Modell für eine leistungsfähige Sparkassen-Finanzgruppe – eine Replik, Kreditwesen 2011, S. 536 ff.

846

IV. Finanzinstitute

haben Sicherheit, Qualität und Preiswürdigkeit der Dienstleistungen für den Kunden eine eher untergeordnete Rolle gespielt; ganz zu schweigen von den Anforderungen der Finanzmarktstabilität insgesamt. Die Politik hat in diesem Zusammenhang kaum je eigenständige Konzepte entwickelt, sondern erschien nicht selten als lediglich ausführendes Organ der jeweiligen – hier besonders wohl organisierten – Partikularinteressen. Das hat mehr als einmal dazu geführt, dass sich Deutschland auf EU-Ebene in einer peinlichen Außenseiterposition wiedergefunden hat. Schließlich sollte nicht vergessen werden, dass durch einige „Reformwerke“ der letzten Jahre ein handfestes Adressrisiko zu Lasten der Kunden der „öffentlichen Banken“ geschaffen worden ist, das es bis dahin nicht gegeben hatte und selbst vielen Fachleuten immer noch nicht hinreichend bewusst ist. Es wird regelmäßig in Hochglanzbroschüren und Internetauftritten schamhaft verschwiegen. Zum Teil werden noch nicht einmal die Organisationsform und die Haftungsverhältnisse für die jeweilige „öffentliche Bank“ mitgeteilt. Die Sicherungseinrichtungen stellen weder juristisch noch ökonomisch auch nur annähernd einen adäquaten Ersatz für die beseitigten Staatsgarantien dar. Die folgenden Erwägungen sind vor dem Hintergrund der skizzierten Probleme zu sehen. Sie sind in vier Abschnitte gegliedert: Nach den notwendigen Abgrenzungen und begrifflichen Klarstellungen (I) soll ein Überblick über die durchaus heterogene Landschaft der „öffentlichen Banken“ gegeben werden (II), um anschließend etwas näher auf die Besonderheiten von Aufsicht und Kontrolle in diesem Sektor einzugehen (III). Den Abschluss werden einige Überlegungen zur Neuordnung und Neustrukturierung der „öffentlichen Banken“ bilden (IV). I. Abgrenzungen Bisher sind die Begriffe „Regulierung“, „öffentliche Banken“ und „Träger“ eher unbefangen verwendet worden. Sie bedürfen der Abgrenzung und Präzisierung. 1. Öffentliche Banken In der gegenwärtigen Diskussion hat sich seit kurzem fast durchgängig der Begriff „öffentlich-rechtliche“ Banken eingebürgert, vor allem wenn von den Landesbanken die Rede ist. Das ist erstaunlich. Diese Bezeichnung wäre noch vor wenigen Jahren zutreffend gewesen, doch damals wurde er – zu Unrecht – meist nicht verwendet.3 Mittlerweile sind die Mehrzahl der Landesbanken und einige Sonderkreditinstitute aber nicht mehr öffentlich-rechtlich organisiert, so 3 Anders dagegen schon Helmut Siekmann, Corporate Governance und öffentlichrechtliche Unternehmen, Jahrbuch für neue politische Ökonomie, 15. Bd. (1996), S. 282 ff.

6. Die rechtliche Regulierung öffentlicher Banken in Deutschland

847

dass die Bezeichnung „öffentlich-rechtliche“ Banken den Gegenstand nicht mehr zutreffend erfasst, auch wenn die Sparkassen – mit Ausnahme der „freien“ Sparkassen4 – weiterhin juristische Personen des öffentlichen Rechts sind. Da es einen erheblichen Unterschied macht, ob eine Einheit als juristische Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts organisiert ist, handelt es sich nicht nur um eine umgangssprachliche Ungenauigkeit, die tolerabel wäre. Der Begriff „öffentlich-rechtliche“ Banken als Oberbegriff für Banken in staatlicher Trägerschaft ist nunmehr also zumindest irreführend, wenn nicht gar falsch. Das gilt auch dann, wenn gemeint sein sollte, dass Träger der Bank eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Das wird durch die Bezeichnung öffentlich-rechtliche Bank aber nicht zum Ausdruck gebracht.

4

Es handelt sich um folgende Institute:

Sparkassen

Bilanzsumme

Kreditvolumen

Gesamteinlagen

Eigenkapital

Mio. Euro

Mio. Euro (1)

Mio. Euro (2)

Mio. Euro (3)

Anzahl Mitarbeiter

Anzahl Bankstellen

(4)

(5)

Aktiengesellschaften Bordesholmer Sparkasse AG

711

388

364

48

164

8

Spar- und Leihkasse zu Bredstedt AG

481

433

175

21

84

2

Die Sparkasse Bremen AG

10.850

7.626

7.118

539

1.444

60

Hamburger Sparkasse AG

37.514

24.213

29.961

1.597

5.547

180

Sparkasse zu Lübeck AG

2.214

1.547

1.439

138

469

15

Sparkasse Mittelholstein AG

1.907

1.382

1.070

85

268

11

Rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts Sparkasse Westholstein

2.688

2.018

2.036

154

678

28

Insgesamt 7 Institute

56.365

37.607

42.163

2.582

8.654

304

Stand: 31.12.2009 (1) Forderungen an Nichtbanken, Wechselkredite, Durchlaufende Kredite, Avale (2) Verbindlichkeiten gegenüber Nichtbanken, Inhaberschuldverschreibungen und Sparkassenobligationen ohne nachrangige Verbindlichkeiten (3) Rücklagen gem. § 10 KWG, ohne Genussrechtskapital und nachrangige Verbindlichkeiten sowie ohne Zuführung aus Gewinnverwendung (4) Ohne Konzernmitarbeiter (5) Ohne Selbstbedienungs-Service-Stellen

848

IV. Finanzinstitute

Allerdings haben sich die Kreditinstitute in der Trägerschaft der öffentlichen Hand neben der Organisationsform noch durch ein weiteres gemeinsames Merkmal ausgezeichnet: die Haftung der Trägergemeinwesen. Sie ergab sich meist aus Anstaltslast und Gewährträgerhaftung, die fast flächendeckend gesetzlich angeordnet war. Mit leichten Modifikationen bestand sie auch für die Kreditinstitute des Bundes und vor allem auch die Postscheckämter. Deshalb braucht an dieser Stelle nicht weiter der lange Zeit umstrittenen Frage nachgegangen zu werden, ob sich eine derartige Haftung auch ohne gesetzliche Regelung aus dem Wesen der Anstalt oder dem Rechtsstaatsprinzip ergibt.5 Sowohl in der Staatspraxis als auch in Rechtsprechung und Schrifttum wird mittlerweile aber davon ausgegangen, dass es auch Anstalten des öffentlichen Rechts ohne Haftung des Trägergemeinwesens gibt.6 Das hat erhebliche Konsequenzen beispielsweise für die Frage einer Haftung des Bundes für möglicherweise entstehende Schulden der Bundesbank, die überwiegend von Ökonomen und Politikern ohne Problembewusstsein unterstellt wird. Ob die Regelungen über die (begrenzte) Haftungskontinuität nach Beseitigung von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung für die öffentlich-rechtlich organisierten Kreditinstitute verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, dürfte zu bezweifeln sein.7 Auch aus diesem Grunde wäre eine Insolvenz der WestLB AG für die ehemaligen Träger der Anstalt des öffentlichen Rechts Westdeutsche Landesbank-Girozentrale sehr gefährlich gewesen. Die Frage einer Haftung ist zwar überwiegend unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten behandelt worden. Auslöser waren die Auseinandersetzungen um die 5 Dafür Hannes Schneider/Torsten Busch, Anstaltslast und Gewährträgerhaftung als Beihilfen im Sinne von Art. 92 EGV?, EuZW 1995, S. 602 (603); Peter Scherer/Martin Schödermeier, Staatliche Beihilfen und Kreditgewerbe, ZBB 1996, S. 165 (178); dagegen mit weiteren Einzelheiten Christian Koenig, Öffentlich-rechtliche Anstaltslast und Gewährträgerhaftung als staatliche Beihilfen gem. Art. 92 EGV, EuZW 1995, S. 595 (596–598). Die Rechtsprechung des BVerwG (BVerwGE 64, 248 [257]; 75, 318 [324 f.]) wird dabei kontrovers gedeutet (Schneider/Busch, S. 603 Fn. 8). 6 Janbernd Oebbecke, Rechtsfragen der Eigenkapitalausstattung der kommunalen Sparkassen, 1980, S. 43 ff., ders., DVBl. 1981, S. 960; Helmut Siekmann, Die verwaltungsrechtliche Anstalt – eine Kapitalgesellschaft des öffentlichen Rechts? NWVBI. 1992, S. 361 (366); Matthias Herdegen, Die vom Bundesrat angestrebte Festschreibung der Privilegien öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute: Gefahr für die EG-Wettbewerbsordnung, WM 1997, S. 1130 (1130 f.); Christian Koenig, Die Privilegien öffentlichrechtlicher Einstandspflichten zugunsten der Landesbanken vor den Schranken der EGBeihilfeaufsicht, EWS 1998, S. 149 (151); ders. (Fn. 5), S. 598. 7 Vgl. Torsten Busch, Die Nachhaftung des Anstalts- bzw. Gewährträgers bei Privatisierung der Rechtsform öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute, AG 1997, S. 357 (361 f.); Michael Gruson, Zum Fortbestehen von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung zur Sicherung der Anleihen von Landesbanken, EuZW 1997, S. 357 (361 f.); ders., Noch einmal zum Fortbestehen von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung für die Sicherung von Anleihen von Landesbanken, EuZW 1997, S. 429; z. T. anders Christian Koenig/Claude Sander, Zur Beihilfeaufsicht über Anstaltslast und Gewährträgerhaftung nach Art. 93 EGV, EuZW 1997, S. 363 (369 f.).

6. Die rechtliche Regulierung öffentlicher Banken in Deutschland

849

Spitzennoten, welche die Ratingagenturen den öffentlichen Banken verliehen, die aber angeblich fundamental nicht gerechtfertigt gewesen seien.8 Die Haftung des Staates hat aber nicht nur wettbewerbsrechtliche und verbraucherschützende Auswirkungen. Sie ist vielmehr von großer Bedeutung für die Sicherheit des (bargeldlosen) Zahlungsverkehrs und damit unmittelbar auch für die Finanzmarktstabilität insgesamt. Da diese explizite Haftung aber, von wenigen Ausnahmen abgesehen, beseitigt worden ist, kann die Staatshaftung auch nicht mehr als das entscheidende Kennzeichen der Banken in staatlicher Trägerschaft verwendet werden. Die vielfach beschworene „implizite“ Haftung des Staates für angeblich oder tatsächlich „systemrelevante“ Finanzinstitute bezieht sich auf alle Banken und nicht nur die in staatlicher Trägerschaft. Sie ist also ebenfalls als Abgrenzungskriterium ungeeignet. Es bleibt daher nur die Bezeichnung „öffentliche Banken“. Da sie aber nicht sehr trennscharf ist und Anlass für Missverständnisse geben kann, bedarf sie der Konkretisierung. Unter „öffentlichen Banken“ sollen Kreditinstitute im Sinne von § 1 Abs. 1 KWG verstanden werden, deren Träger Gebietskörperschaften sind oder eine von Gebietskörperschaften getragene juristische Person. Es muss sich aber nicht um ein Institut handeln, das Einlagen oder andere unbedingt rückzahlbare Gelder des Publikums entgegennimmt (Einlagenkreditinstitut im Sinne von § 1 Abs. 3d KWG). Finanzdienstleistungsunternehmen (§ 1 Abs. la KWG), Finanzholding-Gesellschaften (§ 1 Abs. 3a KWG) und Finanzkonglomerate (§ 1 Abs. 20 KWG) mögen auch bei den öffentlichen Banken vorkommen, sind aber nicht charakteristisch. Die Deutsche Bundesbank gehört nicht zu den „öffentlichen Banken“. Sie darf zwar Bankgeschäfte fast jeder Art durchführen (§ 19 BBankG) – auch mit Privatpersonen (§ 22 BBankG),9 doch ist sie integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken und damit mitverantwortlich für die Geldpolitik und hat sich an erster Stelle am Erfordernis der Geldwertstabilität zu orientieren. Die unmittelbare Versorgung der Bevölkerung und der Unternehmen mit Bankdienstleistungen ist dieser Ausrichtung untergeordnet. Allerdings gehört die sichere Abwicklung des Zahlungsverkehrs zu ihren Hauptaufgaben. Dafür muss sie aber kein Kreditinstitut sein. Sie ist staatsrechtlich ein Teil der Exekutive des Bundes; allerdings mit einem verfassungsrechtlich und europarechtlich verbürgten Sonderstatus.10 Eine Gebietskörperschaft ist dann Träger eines Kreditinstituts, wenn sie – bei öffentlich-rechtlicher Organisation – Anstaltsträger in verwaltungsrechtlichem 8

Sinn (Fn. 1), S. 40 f., 43. Die unmittelbare oder mittelbare Gewährung von Krediten an private Nichtbanken ist allerdings nicht zulässig. 10 Helmut Siekmann, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 6. Aufl. 2011, Art. 88, Rn. 8, 47, 68 ff. 9

850

IV. Finanzinstitute

Sinne ist oder – bei privatrechtlicher Organisation – einen beherrschenden Einfluss auf das Institut ausüben kann,11 also Inhaber einer Anzahl von Geschäftsoder Gesellschaftsanteilen ist, die ausreicht, um die Gesellschafter- oder Hauptversammlung zu dominieren. Sonderfragen treten bei stillen Beteiligungen und Hybridstrukturen auf, namentlich bei der Einschaltung Beliehener. Derartige Konstrukte der Kautelarjurisprudenz sind aber – noch – die große Ausnahme. 2. Regulierung Der Begriff „Regulierung“ bedarf ebenfalls der Konkretisierung. Er ist zunächst im Wesentlichen von angelsächsisch geschulten Ökonomen verwendet worden und beruhte meist auf einer fragwürdigen Verwendung und Übersetzung des Begriffs „regulation“. Mittlerweile hat er aber auch Verbreitung in der Rechtssprache gefunden. Zwar wird auch der englische Begriff nicht selten sehr unspezifisch verwendet, aber in anspruchsvolleren Texten wird doch deutlich unterschieden zwischen „regulation“ als der Gesamtheit der Vorschriften, die für einen Sachbereich einschlägig sind, und „supervision“ als die Ausübung von Kontrolle, die sicherstellen soll, dass die Vorschriften auch eingehalten werden.12 Es handelt sich also um die altbekannte Unterscheidung zwischen Normgebung und Normanwendung. Allerdings werden bei dieser Abgrenzung auch mehr oder weniger private Werke miteinbezogen („standards“, „codices“). Dem ist aber entgegenzuhalten, dass bei genauem Hinsehen auch im amerikanischen Verwaltungsrecht der Staat als Quelle der anzuwendenden Vorschriften im Vordergrund steht.13 11 Volker Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 1969, S. 59 f., mit zahlr. Nachw. aus dem älteren Schrifttum; Theo Thiemeyer, Wirtschaftslehre öffentlicher Betriebe, 1975; Stefan Machura, Die Kontrolle öffentlicher Unternehmen, S. 10 f.; ders., Besonderheiten des Managements öffentlicher Unternehmen, ZögU Bd. 16 (1993), S. 169; Siekmann (Fn. 3), S. 287 f.; Werner Schroeder, Vernünftige Investition oder Beihilfe?, ZHR, Bd. 161 (1997), S. 805 (816); Kathrin Schmidt/Thomas Vollmöller, Öffentliche Kreditinstitute und EU-Beihilfenrecht, NJW 1998, S. 716 (718), unter Berufung auf Art. 2 Abs. 2 der Transparenzrichtlinie, ABlEG 1980 Nr. L 195, S. 35; Nora Dittmer, Öffentliche Unternehmen und der Begriff des öffentlichen Auftraggebers, 2008, S. 29, unter Berufung auf Art. 2 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2000/52/EG, ABl. L 193, S. 75; enger unter vollständigem Ausschluss gemischtwirtschaftlicher Unternehmen: Günter Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 2. Aufl. 1985, S. 26; Dirk Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 9; weiter unter Einschluss der gesamten wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand: Hubertus Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratieprinzip und Wirtschaftlichkeitsprinzip, 2000, S. 22 f. 12 The High Level Group on Financial Supervision in the EU, chaired by Jacques de Larosière, Report, Brussels, 25 February 2009, S. 13. 13 Merriam Webster’s Dictionary of Law, 1996, „regulation“: „an authoritative rule; specif: a rule or order issued by a government agency and often having the force of law“; Gifts, Law Dictionary, „regulations“: rules or other directives issued by administrative agencies that must have specific authorization to issue directives [. . .]“.

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Die dabei noch fehlende Unterscheidung zwischen dem Erlass von Normen und dem Erlass von Einzelakten entspricht aber wohl dem – dogmatisch wenig ausgeformten – amerikanischen Verwaltungsrecht, das eher prozedural und nicht materiellrechtlich denkt. Eine „regulation“ kann dort sowohl eine (Rechts-)Vorschrift als auch eine (Allgemein-)Verfügung der Exekutive sein. Diese Unterscheidung, die sehr vielen Autoren, die über „regulation“ schreiben, unbekannt sein dürfte, ist aber auch dem amerikanischen Recht nicht fremd; nur hat sie wegen der prozeduralen Ausrichtung des Verwaltungsrechts nicht dieselbe dogmatische Bedeutung wie im kontinentalen Rechtsdenken. Hinzu kommt, dass im amerikanischen juristischen Sprachgebrauch mit „regulation“ vor allem die exekutive Normgebung gemeint ist, die in Deutschland nur sehr eingeschränkt zulässig ist, während im wirtschaftswissenschaftlichen Sprachgebrauch oder von Seiten der Politik auch undifferenziert förmliche Gesetze mit dem Begriff erfasst werden. Eindeutig ist allerdings das EU-Recht. Eine „regulation“ ist nur eine EU-Verordnung und nichts anderes. Das hindert indes den wissenschaftlichen Diskurs nicht daran, auch in diesem Zusammenhang von „Regulierung“ zu reden und gleich den Erlass von Richtlinien miteinzubeziehen, die dann auch regelmäßig falsch als „Direktiven“ bezeichnet werden, wenn sie denn überhaupt als eigenständige Kategorie von „Regulierung“ erkannt werden. Wegen dieser vielfältigen Unklarheiten, Abgrenzungsunsicherheiten und semantischer Fehler sollen im Folgenden statt des Begriffs „Regulierung“ die jeweils zutreffenden konkreten juristischen Fachtermini verwendet werden. II. Überblick über die öffentlichen Banken Die „öffentlichen Banken“ können grob in drei Gruppen eingeteilt werden: – die Sparkassen, – die Landesbanken, – Förderbanken und andere Institute mit Sonderaufgaben. Diese Institute stehen aber nicht isoliert nebeneinander, sondern sind teilweise horizontal und vertikal miteinander verflochten. Zum Teil bestehen auch Kooperationsabsprachen, die nicht die Dichte einer organisationsrechtlichen Verflechtung erreichen. Einzelne Institute fungieren auch als Holdingeinrichtungen, wie beispielsweise die NRW.BANK für die Westdeutsche Landesbank AG. Eine Sondergruppe stellen die Banken dar, die im Verlauf der Krise ganz oder teilweise vom Bund übernommen worden sind, um sie vor der Insolvenz zu bewahren. Auch sie müssten nunmehr – streng genommen – zu den „öffentlichen Banken“ gerechnet werden, obwohl das dem Management nicht gefällt und auch Zweifel im Hinblick auf den notwendigen öffentlichen Auftrag bestehen.

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Sparkassen und die zuständigen Girozentralen, die später zu den Landesbanken entwickelt worden sind, waren zumindest ursprünglich als eine wirtschaftliche Einheit anzusehen, die zum Teil auch juristisch miteinander verflochten waren. Sie haben mit verteilten Rollen im Kern denselben öffentlichen Auftrag erfüllt, Versorgung der nicht so wohlhabenden Bevölkerung, der kommunalen Träger und der regionalen Wirtschaft mit einem streng begrenzten Angebot an Bankdienstleistungen. Das war im Wesentlichen die Abwicklung des (bargeldlosen) Zahlungsverkehrs, absolut sichere Anlagemöglichkeit für die Ersparnisse der Bevölkerung und Ausreichung von Krediten aus den Einlagen für den gegenständlich und regional begrenzten Immobilienerwerb, für die örtliche Wirtschaft und zum Teil auch für ihre Träger.14 Schon lange vor Ausbruch der gegenwärtigen Krise haben die Girozentralen, später Landesbanken, diesen gegenständlich und regional sehr begrenzten Auftrag überschritten. Die kommunalen Sparkassen blieben aber in der Regel maßgebende Träger und Eigentümer der Landesbanken und sollten ihren typischen Passivüberhang bei ihnen anlegen. Ein Risiko für die Masse der Bevölkerung war damit nicht verbunden, da sämtliche Landesbanken durch Anstaltslast und Gewährträgerhaftung vor der Insolvenz mit höchstmöglicher Sicherheit geschützt waren. Mit dem wachsenden Konsolidierungsbedarf bei den Landesbanken auf Grund von zum Teil grotesken Fehlinvestitionen haben sich die Sparkassen immer mehr aus ihrer Eigentümerstellung entfernt und stattdessen den Ländern im Wesentlichen die Konsolidierungslasten zugeschoben. Zuletzt musste der Bund sogar einspringen (WestLB AG), obwohl er jahrelang die Landesbanken als ein Problem behandelt hatte, das ausschließlich die Länder und ihre Kommunalkörperschaften als Träger der Banken zu lösen hätten. 1. Die Sparkassen Die Sparkassen sind mit wenigen Ausnahmen15 als Anstalten des öffentlichen Rechts organisiert. Sie besitzen Rechtsfähigkeit und werden von Kommunalkör-

14 Deutlich zu erkennen in der Dritten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 6. Oktober 1931, durch welche den kommunalen Sparkassen Rechtsfähigkeit erteilt worden ist (Fünfter Teil, Kapitel I, § 2 Abs. I), RGBl. I, S. 537 (554). Bis dahin waren sie rechtlich unselbständige Teile der Kommunalverwaltung; in Preußen nach dem Reglement, die Einrichtung des Sparkassenwesens betreffend, vom 12. Dezember 1838, Gesetzes-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1838, S. 5 (No. 1956). Nach § 5 Abs. 2 war die Liquiditätsreserve der Sparkassen bei den „zuständigen“ Girozentralen, den Vorläufern der Landesbanken, anzulegen. Organisation und Geschäftsbetrieb der Girozentralen waren so zu regeln, wie es die Liquidität der Sparkassen erforderte, § 8 der Verordnung. 15 Oben Fn. 4.

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perschaften16 getragen. Sie können daher immer noch als „kommunale“ Sparkassen bezeichnet werden. Dies gilt allerdings nicht für einige der größten Sparkassen Deutschlands, die sich nicht in der Hand von Kommunen befinden. a) Die Baden-Württembergische Bank ist eine rechtlich unselbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts innerhalb der Landesbank Baden-Württemberg. Sie nimmt für den Bereich Stuttgart die Aufgaben einer Sparkasse wahr.17 Die Berliner Sparkasse ist dagegen eine teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts in der Trägerschaft der Landesbank Berlin AG.18 Die Braunschweigische Landessparkasse (BLSK) ist eine teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts innerhalb der Nord/LB.19 Die Frankfurter Sparkasse von 1822 ist erst vor wenigen Jahren in eine Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt worden. Sie besitzt Rechtsfähigkeit, wie die anderen Sparkassen. Sie ist jedoch eine „landesunmittelbare Anstalt“ des Landes Hessen. Ihre Trägerin ist die Landesbank HessenThüringen.20 In diesen Fällen ist die vieldiskutierte vertikale Integration also bereits verwirklicht worden, wenn auch in unterschiedlichen Formen.21 b) Wieder eine andere Rolle war den Sparkassen in Sachsen durch Schaffung des sächsischen Finanzverbandes zugewiesen worden, der eine Beteiligung der kommunalen Sparkassen vorsah, aber nur auf freiwilliger Basis.22 Diese ungewöhnliche Konstruktion war zwar vom Verfassungsgerichtshof des Freistaats Sachsen grundsätzlich gebilligt worden,23 ist aber im Zusammenhang mit einem dagegen gerichteten Volksbegehren kurze Zeit später wieder beseitigt worden.24 Der Verfassungsgerichtshof hatte den Weg dafür frei gemacht und den ablehnenden Bescheid der Staatsregierung auf Zulassung des Volksbegehrens aufgeho16 Das sind traditionell Gemeinden, Kreise und Zweckverbände. Teilweise ist aber neuerdings auch die Möglichkeit zur Gründung von Sparkassenholdings als Anstalten des öffentlichen Rechts eingeräumt worden, beispielsweise § 17c Hessisches Sparkassengesetz vom 24. Februar 1991 (GVBl. Hessen I, S. 78), eingefügt durch Gesetz vom 29. September 2008 (GVBl. Hessen I, S. 875). In Hessen ist auch die Möglichkeit einer Trägerschaft durch Stiftungen des öffentlichen Rechts eröffnet worden. Dagegen sieht § 1 Abs. 1 Satz 1 SpkG NRW die Errichtung einer Sparkasse nur durch Gemeinden oder Gemeindeverbände vor. 17 Näher unten II. 4. a). 18 Näher unten II. 2. c), II. 4. c). 19 Näher unten II. 4. e). 20 Näher unten II. 4. d). 21 Näher unten II. 4. 22 Gesetz über den Sachsen-Finanzverband (VerbG) und Sparkassengesetz des Freistaates Sachsen (SächsSparkG) [Neuregelung], die als Art. 1 und 2 des Gesetzes zur Neuordnung der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute im Freistaat Sachsen einschließlich der Sächsischen Aufbaubank GmbH vom 3. Mai 1999 (SächsGVBl., S. 190, 195) erlassen worden waren. 23 Urteil vom 23. November 2000 – Vf. 62-II-99. 24 Artikel 9, § 2 des Gesetzes über das öffentlich-rechtliche Kreditwesen im Freistaat Sachsen vom 13. Dezember 2002 (GVBl. Sachsen, S. 333, 351).

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ben.25 An die Stelle des Verbandes ist die Sachsen-Finanzgruppe als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts getreten,26 an der einige große Sparkassen und das Land Sachsen beteiligt sind.27 Bis zur Übernahme der Landesbank Sachsen-Girozentrale durch die Landesbank Baden-Württemberg zur Abwendung der Insolvenz dieses Instituts im April 200828 war die Gruppe auch Träger der Landesbank, die noch im Verlauf der Krise in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden ist.29 2. Landesbanken Die Landesbankenlandschaft ist mittlerweile sehr heterogen. Schon die grundlegenden Organisationsformen weisen erhebliche Unterschiede auf. Davon unabhängig sind aber alle Institute auf Wettbewerbsmärkten tätig; teilweise immer noch weit über das Territorium der sie tragenden Gebietskörperschaften hinaus. Ein Teil der Landesbanken übt immer noch hoheitliche Funktionen aus. Im Einzelnen sind verschiedene Ordnungsmerkmale zu beachten. Teilweise, aber nicht mehrheitlich, sind die Landesbanken dergestalt vertikal integriert, dass sie unmittelbar oder über Tochterinstitute in nennenswertem Umfang mit Verbrauchern Bankgeschäfte abwickeln. Teilweise sind sie Einrichtungen nur eines Bundeslandes unter Einschluss seiner Kommunalkörperschaften. Teilweise sind zwei oder mehr Bundesländer Träger oder Eigentümer. Soweit es sich um juristische Personen des öffentlichen Rechts handelt, ist in jedem Fall ein Staatsvertrag als Grundlage erforderlich, wie bei der Landesbank Hessen-Thüringen. Die Beteiligung des Bundes an Anstalten des öffentlichen Rechts ist eindeutig unzulässig, während sie bei Privatrechtssubjekten, wie der WestLB AG, gesellschaftsrechtlich möglich ist; wenn auch mit einer Reihe öffentlich-rechtlicher Zweifelsfragen verbunden. Überwiegend nehmen die Landesbanken noch Aufgaben als Förderbanken wahr, vereinzelt sind aber auch selbstständige Institute als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts mit Anstaltslast und Gewährträgerhaf25 Urteil vom 15. März 2001 – Vf. 59-X-00. Zuvor war aber ein Antrag auf einstweilige Anordnung abgelehnt worden, Beschluss vom 26. August 1999 – Vf. 59-I-99. 26 § 49 Abs. 1 des Gesetzes über die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute im Freistaat Sachsen und die Sachsen-Finanzgruppe, erlassen als Artikel 1 des Gesetzes über das öffentlich-rechtliche Kreditwesen im Freistaat Sachsen vom 13. Dezember 2002 (GVBl. Sachsen, S. 333). 27 Weitere Einzelheiten: Dino Uhle, Der Sachsen-Finanzverband und die Sachsen-Finanzgruppe: Über die Umstrukturierung des öffentlich-rechtlichen Kreditsektors im Freistaat Sachsen, 2005. 28 Vgl. Martin Fischer, Die Ursachen der Immobilienkrise und ihre Auswirkungen auf den Finanzmarkt Deutschland, 2009, S. 39. 29 Gesetz zur Umwandlung der Landesbank Sachsen Girozentrale in eine Aktiengesellschaft (Landesbank Sachsen Umwandlungsgesetz – SachsenLBUmwG) = Artikel 1 des Gesetzes zur Umwandlung der Landesbank Sachsen Girozentrale in eine Aktiengesellschaft und zur Änderung anderer Gesetze vom 4. Juli 2007, SächsGVBl. S. 303.

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tung gegründet worden, wie die NRW.BANK in Nordrhein-Westfalen. Ob die NRW.BANK zur Gruppe der Landesbanken gerechnet werden sollte, ist eine offene Frage. Auch ist die gesellschaftsrechtliche oder organisationsrechtliche Beteiligung der (kommunalen) Sparkassen und ihrer (öffentlich-rechtlichen) Verbände an den Instituten nach Art und Umfang von sehr unterschiedlichem Gewicht und hat sich zum Teil im Verlauf der Krisenbewältigung dramatisch gewandelt. Schließlich gibt es auch Ansätze zur Bildung von vertikalen Konzernen innerhalb des Landesbankensektors wie in Bremen und Oldenburg. Wenn also über Landesbanken gesprochen wird, ist es regelmäßig angezeigt, nach folgenden Kriterien zu differenzieren: – Rechtsform, – Vertikale Integration, – Staatliche Trägerschaft, – Beteiligung kommunaler Sparkassen oder Verbände, – Ausgliederung von Förderbanken, – Konzernbildung. Wesentlich ist aber in jedem Fall die Unterteilung anhand der Rechtsform, in der sie organisiert sind: – Rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts (a), – Aktiengesellschaften (b), – Mischformen (c). a) Rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) Die Landesbank Baden-Württemberg ist zum 1. Januar 1999 durch Vereinigung der Südwestdeutschen Landesbank Girozentrale, der Landesgirokasse und des Marktteils der Landeskreditbank Baden-Württemberg entstanden. Das Vermögen der Landesgirokasse und der Landeskreditbank Baden-Württemberg gingen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Südwestdeutsche Landesbank über. Die neu gegründete Landesbank wurde als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert.30 An ihr sind der Sparkassenverband Baden-Württemberg mit 40,534 %, das Land Baden-Württemberg mit 19,570 %, die Landeshauptstadt Stuttgart mit 30 § 1 Abs. 1 Satz 1, § 34 Gesetz über die Landesbank Baden-Württemberg vom 11. November 1998 (GBl. BW, S. 589), zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Landesbankgesetzes vom 14. August 2010 (GBl. BW, S. 201).

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18,932 %, die Landesbeteiligungen Baden-Württemberg GmbH mit 18,258 % und die L-Bank (Landeskreditbank Baden-Württemberg) mit 2,706 % beteiligt.31 Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) Die Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale wurde 1992 durch Staatsvertrag über die Bildung einer gemeinsamen Sparkassenorganisation Hessen-Thüringen zwischen dem Land Hessen und dem Freistaat Thüringen gegründet.32 Sie ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts.33 An ihr sind der Sparkassenund Giroverband Hessen-Thüringen zu 85 %, das Land Hessen zu 10 % sowie der Freistaat Thüringen zu 5 % beteiligt. Hinzu kommt aber noch eine stille Beteiligung des Landes Hessen. Norddeutsche Landesbank (NordLB) Ebenso wie die Landesbank Hessen-Thüringen handelt es sich bei der bereits im Jahre 1970 errichteten Norddeutschen Landesbank34 um eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts35, deren Trägerkreis und Tätigkeitsbereich die Landesgrenzen überschreitet. Rechtsgrundlage ist ein Staatsvertrag zwischen den Ländern Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Gegenwärtig hält das Land Niedersachsen mit 41,75 % den größten Anteil an der Landesbank. Das Land Mecklenburg-Vorpommern ist im Juli 2005 als Träger ausgeschieden. Es besteht aber eine indirekte regionale Beteiligung über den Sparkassenbeteiligungszweckverband Mecklenburg-Vorpommern mit 5,22 % der Anteile. Die restlichen Anteile sind in der Hand des Sparkassenverbandes Nie31

§ 3 Abs. 3 der Satzung der LBBW i. d. F. vom 14. August 2010. Staatsvertrag über die Bildung einer gemeinsamen Sparkassenorganisation Hessen-Thüringen vom 10. März 1992 (Ratifikation durch Hessen, Gesetz vom 20. Mai 1992, GVBl. Hessen I, S. 189; Ratifikation durch Thüringen, Gesetz vom 26. Juni 1992, GVBl. Thüringen, S. 291); zuletzt geändert durch Staatsvertrag vom 18. Juni 2008 (Ratifikation durch Hessen, Gesetz zu dem Staatsvertrag zwischen dem Land Hessen und dem Freistaat Thüringen zur Änderung des Staatsvertrages über die Bildung einer gemeinsamen Sparkassenorganisation Hessen-Thüringen vom 19. November 2008, GVBl. Hessen I, S. 983; Ratifikation durch Thüringen, Gesetz vom 16. Juli 2008, GVBl. Thüringen, S. 217). 33 Art. 4 Satz 2 des Staatsvertrages. 34 Geschäftsbericht der Norddeutschen Landesbank 2010, S. 290. 35 § 1 Abs. 1 des Staatsvertrages zwischen dem Land Niedersachsen, dem Land Sachsen-Anhalt und dem Land Mecklenburg-Vorpommern über die Norddeutsche Landesbank-Girozentrale vom 22. August 2007 (Ratifikation durch Niedersachsen, Gesetz vom 16. November 2007, Nds. GVBl. S. 631; Ratifikation durch Mecklenburg-Vorpommern, Gesetz vom 3. Dezember 2007, GVBl. Mecklenburg-Vorpommern, S. 373; Ratifikation durch Sachsen-Anhalt, Gesetz vom 7. Dezember 2007, GVBl. Sachsen-Anhalt, S. 393). Der Staatsvertrag ist zuletzt durch Staatsvertrag vom 12. Juli 2011 geändert worden, durch den § 15 aufgehoben worden ist (Nds. GVBl. S. 291). 32

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dersachsen mit 37,25 %, des Landes Sachsen-Anhalt mit 8,25 % und des Sparkassenbeteiligungsverbandes Sachsen-Anhalt mit 7,53 %.36 Das Land Niedersachsen hat zum Zwecke einer getrennten Darstellung der für Kapitalisierungsmaßnahmen erforderlichen Kreditaufnahme ein nichtrechtsfähiges Sondervermögen gebildet („Sondervermögen NORD/LB“).37 Landesbank Saar (SaarLB) Bei der Landesbank Saar handelt es sich ebenfalls um eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts.38 Ihre Träger sind die Bayerische Landesbank, der Sparkassenverband Saar und das Saarland.39 Noch bis zum 20. Juni 2010 gehörte die Landesbank Saar zum Konzern der Bayerischen Landesbank. Bis dahin hielt die Bayerische Landesbank 75,1 % der Anteile. Mit Vertrag vom 18./21. Dezember 2009 vereinbarte die Bayerische Landesbank mit dem Saarland die Übertragung von Anteilen im Umfang von 25,2 %. Mit Wirkung zum 21. Juni 2010 waren alle vertraglichen Bedingungen erfüllt und die Landesbank Saar schied aus dem Konzern der Bayerischen Landesbank aus. Gleichzeitig widerrief die Bayerische Landesbank mit Wirkung zum 21. Juni 2010 ihre Patronatserklärungen zu Gunsten der Landesbank Saar für alle Verbindlichkeiten, die nach dem 21. Juni 2010 begründet werden würden. b) Aktiengesellschaften HSH Nordbank AG Die HSH Nordbank AG ist durch die Fusion der Landesbank Hamburg und der Landesbank Schleswig-Holstein im Jahr 2003 entstanden. Sie wurde durch Staatsvertrag vom 4. Februar 2003 rückwirkend auf den 1. Januar 2003 vereinbart.40 Die Fusion wurde durch eine die Rechtsform ändernde Verschmelzung der beiden Anstalten auf die neu gegründete Aktiengesellschaft zum 2. Juni 2003 vollzogen.41 36 § 6 Abs. 1 des Gesetzes zum Staatsvertrag vom 16. November 2007 (Nds. GVBl. 2007, S. 632) i.V. m. § 3 Abs. 1 der Satzung der Norddeutschen Landesbank i. d. F. vom 13. Dezember 2010. 37 § 1 des Gesetzes über Kapitalmaßnahmen zugunsten der Norddeutschen Landesbank vom 26. Mai 2011, Nds. GVBl. S. 155. 38 § 32 Abs. 1 des Saarländischen Sparkassengesetzes – SSpkG vom 8. August 2006 (Abl. Saarland, S. 1534). 39 § 32 SSpkG. 40 Gesetz zur Fusion der Hamburgischen Landesbank – Girozentrale – mit der Landesbank Schleswig-Holstein vom 22. Mai 2003 (GVBl. Schleswig-Holstein, S. 216; GVBl. Hamburg, S. 119). 41 Der Rechtsformenwechsel wurde dabei rückwirkend mit Staatsvertrag vom 4. Februar 2003 zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Land Schleswig-Hol-

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Im Zusammenhang mit den im Verlauf der gegenwärtigen Krise erforderlichen Stützungsmaßnahmen ist ein Finanzfonds als gemeinsame Anstalt des öffentlichen Rechts der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg geschaffen worden. Er ist mit 59,92 % an der HSH Nordbank AG beteiligt. Die Freie und Hansestadt Hamburg hält unmittelbar 12,37 % der Anteile an der Bank, das Land SchleswigHolstein 10,98 % und der Sparkassen- und Giroverband Schleswig-Holstein 6,08 %. Mit einem Anteil von 10,66 % weist die HSH Nordbank AG als einzige Landesbank eine direkte private Beteiligung auf. Es handelt sich um neun Trusts, die von J.C. Flowers & Co. LLC verwaltet werden. Aufgrund der Rekapitalisierungsmaßnahmen von Seiten der Länder hat sich ihr Anteil von ursprünglich 25,67 % (2008) auf 10,66 % (2010) reduziert.42 Westdeutsche Landesbank AG Die Westdeutsche Landesbank AG ist im Jahre 2002 als Folge der Neustrukturierung der Westdeutschen Landesbank Girozentrale, Anstalt des öffentlichen Rechts, entstanden.43 Im Wesentlichen wurden die Wohnungsbauförderungsanstalt Nordrhein-Westfalen, der Geschäftsbereich Investitionsbank NordrheinWestfalen sowie der Geschäftsbereich Öffentlicher Pfandbrief von der Anstalt abgespalten.44 Die abgespaltenen Aufgabenbereiche wurden auf die neu gegründete Landesbank Nordrhein-Westfalen übertragen, die als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert worden war. Nach Vollzug der Abspaltung wurde die Westdeutsche Landesbank Girozentrale in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.45 Sämtliche Anteile der Gewährträger an der Westdeutschen Landesbank Girozentrale gingen auf die Landesbank Nordrhein-Westfalen über.46 Die Landesbank Nordrhein-Westfalen wurde schließlich in die jetzige NRW.BANK umgewandelt.47 Danach ergaben sich folgende Beteiligungsverhältnisse an der WestLB AG: NRW.BANK 30,862 %, Rheinischer Sparkassen- und Giroverband sowie Sparkassenverband Westfalen-Lippe jeweils 25,032 %, das Land Nordrhein-Westfalen stein über die Verschmelzung der Landesbank Schleswig-Holstein Girozentrale und der Hamburgischen Landesbank – Girozentrale – auf eine Aktiengesellschaft vollzogen (GVBl. Schleswig-Holstein; S. 216; GVBl. Hamburg, S. 119). 42 Geschäftsberichte der HSH Nordbank AG 2010, S. 53 sowie 2008, S. 181. 43 Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli 2002 (GVBl. NRW 2002, S. 284). 44 Art. 1, § 2 Abs. 1 des Neuregelungsgesetzes vom 2. Juli 2002 (GVBl. NRW 2002, S. 284). 45 Art. 1, §§ 1 und 2 Abs. 2, 8 Abs. 1 des Neuregelungsgesetzes vom 2. Juli 2002 (GVBl. NRW 2002, S. 284 f.). 46 Art. 1, § 6 Satz 1 des Neuregelungsgesetzes vom 2. Juli 2002 (GVBl. NRW 2002, S. 285). 47 Näher unten II. 3. b).

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unmittelbar 17,766 %, der Landschaftsverband Rheinland sowie der Landschaftsverband Westfalen-Lippe jeweils 0,654 %.48 Träger der NRW.BANK sind das Land und die beiden Landschaftsverbände.49 Die Landschaftsverbände haben ihre Anteile an der NRW.BANK vor kurzem in unmittelbare Beteiligungen an der WestLB AG umgewandelt. Erhebliche Aktiva der Bank im Umfang von 77 Mrd. Euro (2009 Teilportfolio von 6 Mrd. Euro; 2011 Hauptportfolio von 71 Mrd. Euro) sind bereits auf eine öffentlich-rechtliche Sanierungsanstalt („bad bank“) unter dem Dach der Finanzmarktstabilisierungsanstalt des Bundes (Erste Abwicklungsanstalt-EAA) ausgelagert worden. Dadurch ist das wirtschaftliche Risiko insoweit vollständig auf den Bund übergegangen.50 Der Bund hat sich in Gestalt des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung („Soffin“) in Höhe von 3 Mrd. Euro mit einer stillen Einlage an der Bank beteiligt.51 Da die Einlage handelsrechtlich als Eigenkapital (und aufsichtsrechtlich als Kernkapital) gewertet wird, sind die Beteiligungsverhältnisse entsprechend anzupassen. Im Bescheid zur Billigung der Maßnahmen des Landes und seiner Sparkassen zur Stützung der WestLB AG hat die EU-Kommission zur Auflage gemacht, dass die Bank zur Übernahme durch Private bis Ende 2011 angeboten wird. c) Mischformen BayernLB Holding AG Im Gegensatz zu den anderen Landesbanken sind unmittelbare Träger der Bayerischen Landesbank nicht die Gebietskörperschaften oder ein Sparkassenverband. Die Bayerische Landesbank Holding AG ist vielmehr als Finanzholding zwischengeschaltet und mit der Trägerschaft der Bayerischen Landesbank beliehen, die nach wie vor eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ist.52 In diesem Zusammenhang übertrugen der Bayerische Sparkassen- und Giroverband und das Land Bayern als Träger der damaligen Landesbank ihre Anteile in Höhe von jeweils 50 % auf die neu errichtete Bayerische Landesbank Holding AG, an der sie im Gegenzug Anteile zu jeweils 50 % übernahmen. Die Beteiligung des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes ist im Verlauf der Krise auf 5,97 % geschrumpft. Der Freistaat Bayern hält nunmehr 97,03 % 48 Art. 1, § 8 Abs. 2 des Neuregelungsgesetzes vom 2. Juli 2002 (GVBl. NRW 2002, S. 285). 49 Näher unten II. 3. b). 50 Geschäftsbericht 2010, S. 16. 51 Geschäftsbericht 2010, S. 97 f. 52 Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Bayerische Landesbank vom 1. Februar 2003 (GVBl. Bayern, S. 54), zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Bayerischen Landesbank-Gesetzes vom 27. Juli 2009 (GVBl. Bayern, S. 397).

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der Anteile an der Bayerischen Landesbank Holding AG. Diese Verschiebung ist Folge der Kapitalzuführung durch das Land Bayern in Höhe von 10 Mrd., die notwendig war, um das Institut wegen fehlerhafter Geschäftsentscheidungen vor der Insolvenz zu retten. Landesbank Berlin Holding AG Die Landesbank Berlin ist als Folge der Skandale um die Berliner Bank AG und die Berliner Bankgesellschaft nunmehr als Aktiengesellschaft organisiert. Das entsprach einer Auflage der EU-Kommission. Sie ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Landesbank Berlin Holding AG und ist als beliehenes Unternehmen Träger der Berliner Sparkasse. Die Landesbank Berlin (LBB) ist zum 1. Januar 2006 von einer Anstalt des öffentlichen Rechts in eine Aktiengesellschaft (LBB AG) umgewandelt worden.53 Im Einzelnen ist so verfahren worden: Die Bankgesellschaft Berlin AG (BGB) hat das gesamte Grundkapital der Landesbank Berlin AG übernommen.54 Das Vermögen der Bankgesellschaft Berlin AG wurde durch Beschluss der Hauptversammlung im Wege der Ausgliederung vollständig auf die Landesbank Berlin AG übertragen. Gleichzeitig wurde die Berliner Sparkasse, die bis zu diesem Zeitpunkt eine unselbstständige Abteilung der Landesbank Berlin (LBB) war, zu einer teilrechtsfähigen Anstalt55 ohne eigenes vom Träger getrenntes Vermögen. Mit Umwandlung der Landesbank Berlin Girozentrale trat die Landesbank Berlin AG (LBB AG) an ihre Stelle und wurde – im Wege der Beleihung – Träger der Berliner Sparkasse.56 Am 14. Juli 2006 wurde die Bankgesellschaft Berlin (BGB) durch Beschluss der Hauptversammlung in Landesbank Berlin Holding AG umbenannt. Sie hält alle Anteile an der Landesbank Berlin AG (LBB AG).57 Sie ist eine Finanzholding im Sinne des Kreditwesengesetzes. Anders als die Landesbank Berlin Holding AG ist die Landesbank Berlin AG nicht börsennotiert. Sie ist in ein komplexeres Beteiligungsgeflecht eingebettet, das im Wesentlichen vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband finanziert worden ist und von ihm beherrscht wird. Ihre Mehrheitsaktionärin ist die Erwerbsgesellschaft der S-Finanzgruppe mbH & Co. KG (S-Erwerbsgesellschaft),

53 § 10 Abs. 1 und 3 des Gesetzes über die Berliner Sparkasse und die Umwandlung der Landesbank Berlin – Girozentrale – in eine Aktiengesellschaft (Berliner Sparkassengesetz – SpkG) vom 28. Juni 2005 (GVBl. Berlin, S. 346). Durch dieses Gesetz wurde auch die Möglichkeit zur Übernahme einer Sparkasse durch Private geschaffen, ein Novum in der deutschen Sparkassengeschichte. 54 § 10 Abs. 2 des Gesetzes vom 28. Juni 2005 (GVBl. Berlin, S. 348). 55 § 3 Abs. 1 des Gesetzes vom 28. Juni 2005 (GVBl. Berlin, S. 346). 56 Siehe § 3 Abs. 2 des Gesetzes vom 28. Juni 2005 (GVBl. Berlin, S. 346). 57 Geschäftsbericht der Landesbank Berlin Holding AG 2006, S. 50.

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die einen Anteil von 88,03 % hält. 10,63 % der Anteile hält die S-Finanzgruppe mbH & Co. KG (S-Beteiligungsgesellschaft), deren Komplementärin die S-Erwerbsgesellschaft ist. Die Funktion als Komplementärin der S-Erwerbsgesellschaft übernimmt wiederum die Regionalverbandsgesellschaft der S-Finanzgruppe mbH, die sowohl für die S-Erwerbsgesellschaft als auch für die S-Beteiligungsgesellschaft die Geschäftsführung wahrnimmt. 1,34 % der Anteile an der Landesbank Berlin Holding AG befinden sich im Streubesitz.58 3. Förderbanken und andere Institute mit Sonderaufgaben a) Bundesebene Auf Bundesebene59 ist mittlerweile mit Abstand die wichtigste „öffentliche Bank“ die KfW-Bank, wenn man zunächst einmal von der Commerzbank und der Hypo-Real-Estate (HRE)60 absieht. Sie ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts61 mit unbegrenzter Haftung des Bundes62. Obwohl sie vom Gesetzgeber als reine Förderbank ausgestaltet worden ist, hat sie – wie schon so häufig im Bereich der „öffentlichen Banken“ – zahlreiche Tochterunternehmen gegründet, mit denen sie vielfältige andere Aktivitäten entfaltet. Öffentlich tritt sie als 58

Geschäftsbericht der Landesbank Berlin Holding AG 2010, S. 36. Überblick über die Förderbanken des Bundes bei Helko Ueberschär, Haushalte ohne Kontrolle, 2007, S. 40 ff. 60 Nach Abspaltung der „toxischen“ Vermögenswerte und Geschäftsbereiche und Übertragung auf eine Abwicklungsanstalt im Rahmen der Finanzmarktstabilisierungsanstalt („FMS Wertmanagement“) zum 1. Oktober 2010 ist sie in die „Deutsche Pfandbriefbank AG“ umgewandelt worden. Sie ist im Juni 2009 durch die Verschmelzung der beiden Pfandbriefbanken Hypo Real Estate Bank AG und DEPFA Deutsche Pfandbriefbank AG und anschließende Umfirmierung entstanden. Als Holding besteht die HRE aber weiter. Vorausgegangen war im November 2008 der Zusammenschluss der beiden Immobilienbanken im HRE-Konzern, der Hypo Real Estate Bank International AG und der Hypo Real Estate Bank AG. Der HRE-Konzern selbst war im September 2003 aus der Abspaltung von Teilen des gewerblichen Immobilienfinanzierungsgeschäfts der damaligen HVB Group entstanden. Im Oktober 2007 hatte die HRE Holding die irische DEPFA Bank plc samt ihrer Tochtergesellschaften, unter anderem die DEPFA Deutsche Pfandbriefbank AG, übernommen. Die problematischen Aktiva stammten im Wesentlichen von der „Depfa plc.“. Diese war auf dem Höhepunkt der Krise von der HRE übernommen worden, als sich ihre Gefährlichkeit für das Gesamtinstitut schon klar abzeichnete. Das Management wollte aber unbedingt sein „empire building“ fortsetzen. Die „Depfa plc.“ ist aus einem soliden öffentlich-rechtlichen Kreditinstitut mit Anstaltslast und Gewährträgerhaftung, der deutschen Pfandbriefanstalt in Wiesbaden, hervorgegangen, das verlässlich einen öffentlichen Auftrag erfüllt hatte. Nach seiner Privatisierung ist es zu einem hochgefährlichen Instrument umgewandelt worden, das ohne Eingreifen des Bundes fast die gesamte Bankenlandschaft in den Abgrund gerissen hätte; ein weiteres Beispiel für eine verfehlte und schlecht durchgeführte Privatisierung. 61 § 1 Abs. 1 Gesetz über die KfW vom 5. November 1948 (WiGBl. S. 123) in der Fassung vom 23. Juni 1969 (BGBl. I S. 573), zuletzt geändert durch die Neunte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2427). 62 § 1a Gesetz über die KfW. 59

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„KfW-Bankengruppe“ auf.63 Ihr Status als Träger öffentlicher Verwaltung mit unbegrenzter Staatshaftung wird nur gelegentlich kundgetan, wenn es dem Management opportun erscheint. Ihre Aufsichtsgremien sind aber unmittelbar von Spitzenpolitikern aus Bund und Ländern besetzt worden. Auch ihre Vorstandsvorsitzende war eine ehemalige Spitzenpolitikerin. b) Landesebene Auf Landesebene nehmen häufig die Landesbanken die Aufgaben einer Förderbank wahr. Das ist auch im Hinblick auf das europäische Wettbewerbsrecht zulässig, solange und soweit eine klare organisatorische und rechnungsmäßige Trennung von den Aktivitäten der Bank im Wettbewerbsgeschäft vorhanden ist. Es muss ausgeschlossen sein, dass eine Quersubventionierung stattfindet. Das wäre eine europarechtlich grundsätzlich unzulässige Beihilfe. Einen anderen Weg ist das Land Nordrhein-Westfalen gegangen. Dort ist im Jahre 2004 eine rechtlich selbständige Förderbank im Rahmen der Neuordnung der Westdeutschen Landesbank Girozentrale gegründet worden, die NRW.BANK.64 Die Bank ist ein Kreditinstitut in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts.65 Ihre Träger waren von ihrer Gründung bis zum 1. Juni 2011 das Land Nordrhein-Westfalen sowie die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe;66 diese allerdings nur mit einem minimalen Anteil. Die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe sind vor kurzem entsprechend einer vertraglichen Vereinbarung auf der Grundlage von § 4 Abs. 5 NRW.BANK G mit Wirkung zum 31. Mai 2011 aus dem Kreis der Gewährträger ausgeschieden und haben ihre Anteile von jeweils 0,69 % in direkte Anteile an der WestLB AG umgewandelt.67 In § 4 Abs. 2 NRW.BANK G sind Anstaltslast und in § 4 Abs. 3 NRW.BANK G Gewährträgerhaftung des Landes angeordnet. Sowohl die Anstaltslast als auch die Gewährträgerhaftung sind in ihrer Höhe nicht begrenzt. Die Gewährträgerhaftung hat eine unmittelbare Haftung gegenüber Dritten zum Inhalt. Sie ist im Grundsatz auch unbedingt, also nicht von vorher zu erfüllenden Bedingungen, wie eine vorherige Inanspruchnahme der Bank, abhängig und unbefristet. Zwar enthält § 4 Abs. 3 Satz 2 NRW.BANK G die Bedingung, dass „eine Befriedigung aus dem Vermögen der NRW.BANK nicht zu erlangen ist“. Diese Bedingung 63 Weitere Einzelheiten bei Ueberschär (Fn. 59), S. 48 ff., allerdings nicht in allen Details juristisch korrekte Darstellung. 64 Gesetz über die NRW.BANK (NRW.BANK G) vom 16. März 2004 (GV NRW, S. 126). Der Titel war mit Wirkung vom 15. November 2007 geändert worden (GV NRW, S. 443). 65 § 1 NRW.BANK G. 66 § 4 Abs. 1 NRW.BANK G. 67 GV NRW vom 3. Juni 2011, S. 764.

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wird aber anschließend für nahezu alle risikoträchtigen Geschäfte wieder beseitigt, da die Gewährträger nach § 4 Abs. 3 Satz 3 NRW.BANK G „unmittelbar gesamtschuldnerisch“ für die von der Bank aufgenommenen Darlehen und begebenen Schuldverschreibungen, die als Festgeschäfte ausgestalteten Termingeschäfte, die Rechte aus Optionen und andere Kredite an die NRW.BANK sowie für Kredite, soweit sie von der Bank ausdrücklich gewährleistet werden, haften. Namentlich begründet die letzte Variante eine unbegrenzte Haftung des Landes, deren Begründung in der Hand der Anstaltsleitung liegt. Es besteht also eine unmittelbare, unbegrenzte, unbedingte und unbefristete Haftung des Landes.68 Diese „öffentliche Bank“ ist nach der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung strikt auf einen eng begrenzten Geschäftskreis beschränkt worden. Sie sollte – auch aus europarechtlichen Gründen – kein „Wettbewerbsgeschäft“ betreiben dürfen. Das sollte allein der neuen Westdeutschen Landesbank AG überlassen bleiben. Das Gesetz hat deshalb ihren Auftrag explizit als „staatlich“ bezeichnet und auf die Unterstützung des Landes und seiner Kommunalkörperschaften bei der Erfüllung ihrer Aufgaben beschränkt.69 Gleichwohl hat das Management das Institut mit Billigung der Landesregierung schon wieder zu einem der größten deutschen Kreditinstitute ausgedehnt.70 4. Verflechtungen und (vertikale) Integration Schon seit vielen Jahren ist ein Prozess der Verflechtung zwischen den Landesbanken zu beobachten.71 Teilweise wurden Eingliederungen in Konzerne vorgenommen, wie bei der Landesbank Saar, der Landesbank Rheinland-Pfalz und der Bremer Landesbank Kreditanstalt Oldenburg – Girozentrale. Es hat aber nicht zu der vielfach geforderten „Konsolidierung“ des Landesbankensektors geführt. Im Gegenteil hat mit dem Ausscheiden der Landesbank Saar aus dem Konzernverbund der BayernLB jüngst eine „Entkonsolidierung“ stattgefunden. Erst mit der Aufteilung der WestLB und der Gründung einer von der Sparkassen-Finanzgruppe etablierten und kapitalisierten Verbundbank72 sowie deren mögliche Übernahme durch die Helaba würde ein derartiger Prozess in Gang kommen. 68 Ausdrücklich festgestellt im Schreiben des Finanzministeriums an den Vorstand der Bank vom 1. März 2005 – Az. J 1002-265-IV 3. Dementsprechend hat die Bundesbank eine „Solva 0“-Erklärung abgegeben, nach der alle Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute Forderungen gegen die Bank entsprechend behandeln, Schreiben vom 21. April 2004 – Az. laufende Aufsicht 1–200. 69 § 3 Abs. 1 NRW.BANK G. 70 Nach eigenen Angaben größte Förderbank in Deutschland und Rang 16 aller deutschen Kreditinstitute. 71 Zuerst Siekmann (Fn. 6), S. 362; später eingehend Becker (Fn. 1). 72 Verständigung der Eigentümer der WestLB vom 23. Juni 2011 mit der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA), der Ersten Abwicklungsanstalt (EAA) und der WestLB auf verbindliche Eckpunkte zum Restrukturierungsplan der WestLB, Zwischenbericht der WestLB zum 1. Halbjahr 2011, S. 7 f.; ad-hoc Meldung der WestLB

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Hinzu kommt aber noch die Diskussion um eine „vertikale“ Integration der Landesbanken mit den (kommunalen) Sparkassen, da nur dies ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell für die Landesbanken sei. Dies entsprach auch lange Zeit der Sicht der EU-Kommission. Als erfolgreiches und zukunftsträchtiges Modell wird in diesem Zusammenhang die Übernahme (und Sanierung) der Frankfurter Sparkasse von 1822 durch die Landesbank Hessen-Thüringen angesehen. Im Einzelnen sind folgende Verbindungen erwähnenswert: a) Landesbank Baden-Württemberg Zum 1. Januar 2005 hat die Landesbank Baden-Württemberg die Landesbank Rheinland-Pfalz vollständig übernommen.73 Sie wurde zum 1. Januar 2008 unter dem neuen Namen Rheinland-Pfalz Bank als rechtlich unselbständige Anstalt in den LBBW-Konzern eingegliedert.74 Im August 2005 wurde auch die Baden-Württembergische Bank in die Landesbank Baden-Württemberg eingegliedert. Sie ist eine rechtlich unselbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts innerhalb der Landesbank und betreut als operativ selbstständige Einheit die Geschäftsfelder des Privat- und Unternehmenskundengeschäfts mit einem besonderen Fokus auf das Mittelstandsgeschäft in Baden-Württemberg. Auf dem Gebiet der Landeshauptstadt Stuttgart erfüllt sie auch für die Landesbank die Aufgabe einer Sparkasse (vertikale Integration). Im Rahmen dieser Aufgaben bietet die BW-Bank alle Arten von Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäften an. Zum 1. April 2008 wurde auch die Landesbank Sachsen AG in die Landesbank Baden-Württemberg eingegliedert und wird nun als unselbstständige Anstalt unter dem Namen Sachsen Bank weitergeführt (horizontale Integration).75 Die sächsische Landesbank war erst im Verlauf der Krise von einer Anstalt des öffentlichen Rechts in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden.76 b) Bayerische Landesbank Durch die Veräußerung von 25,2 % ihrer Anteile an das Saarland hat die BayernLB ihre Beteiligung an der Landesbank Saar von 75,1 % auf 49,9 % mit Wirkung zum 21. Juni 2010 verringert. gem. § 15 WpHG vom 24. Juni 2011; die kontroverse und nicht einheitlich entschiedene parlamentarische Behandlung fand in der 37. Sitzung der 15. WP des Landtags am 30. Juni 2011 statt, Plenarprotokoll 15/37, S. 3647, 3676 f. 73 Geschäftsbericht der Landesbank Baden-Württemberg 2005, S. 2. 74 Geschäftsbericht der Landesbank Baden-Württemberg 2008, S. 67. 75 Geschäftsbericht der Landesbank Baden-Württemberg 2008, S. 67. 76 Oben II. 2.

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c) Landesbank Berlin AG Die Landesbank Berlin AG ist Trägerin der teilrechtsfähigen Anstalt Berliner Sparkasse.77 Da die Landesbank als Privatrechtssubjekt nicht Trägerin einer verwaltungsrechtlichen Anstalt sein kann, ist man wieder der Idee einer „Beleihung“ verfallen.78 Sie hatte schon bei der alten Bankgesellschaft Berlin eine fragwürdige Rolle gespielt. d) Landesbank Hessen-Thüringen Die Landesbank Hessen-Thüringen hat am 8. September 2005 sämtliche Anteile an der Frankfurter Sparkasse AG erworben (vertikale Integration). Zum 1. Juli 2007 wurde durch formwechselnde Umwandlung dieser Aktiengesellschaft die Frankfurter Sparkasse als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts gegründet.79 e) Norddeutsche Landesbank Die Norddeutsche Landesbank hält 92,5 % an der Bremer Landesbank Kreditanstalt Oldenburg – Girozentrale. Sie ist Trägerin der Braunschweigischen Landessparkasse, die als eine besondere Abteilung der Norddeutschen Landesbank – Girozentrale – (NORD/LB) geführt worden war und in eine teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts der NORD/LB umgewandelt worden ist.80 f) NRW.BANK Die Bank übt Holdingfunktionen aus und hält 30,862 % der Anteile an der Westdeutschen Landesbank AG. Die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe haben ihre Trägerschaft aufgegeben und in unmittelbare Beteiligungen an der WestLB umgewandelt.81 g) Landesbank Saar Die Bayerische Landesbank ist seit diesem Jahr nur noch in Höhe von 49,9 % an der Landesbank Saar beteiligt (horizontale Verflechtung). Das Saarland ist 77 § 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 Gesetz über die Berliner Sparkasse und die Umwandlung der Landesbank Berlin – Girozentrale – in eine Aktiengesellschaft (Berliner Sparkassengesetz – SpkG) vom 28. Juni 2005 (GVBl. Berlin, S. 346). 78 § 3 Abs. 2 Satz 2 Berliner SpkG; oben II. 2. c). 79 § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Errichtung der Frankfurter Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechts (Fraspa-Gesetz) vom 14. Mai 2007 (GVBl. I S. 283). 80 § 1 des Statuts der Braunschweigischen Landessparkasse, beschlossen von der Trägerversammlung der Norddeutschen Landesbank – Girozentrale am 12. Dezember 2007. 81 Oben II. 3. b).

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Träger in Höhe von 35,2 % sowie der Sparkassenverband Saar in Höhe von 14,9 %. Vor diesem Hintergrund hat sich die Anzahl der Landesbanken entgegen den Konsolidierungsforderungen aus Bankwirtschaft und Politik noch von sieben auf acht erhöht. 5. DekaBank – Deutsche Girozentrale Die DekaBank – Deutsche Girozentrale ist das Zentralinstitut und die Investmentgesellschaft der deutschen Sparkassen. Die DekaBank ging 1999 aus der Fusion der Deutschen Girozentrale Deutsche Kommunalbank und der DekaBank GmbH hervor. Sie hat unter anderem Tochterunternehmen in Luxemburg, Irland und der Schweiz. Sie ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts des Bundes, die bis vor kurzem gemeinsam von sechs Landesbanken und dem deutschen Sparkassenund Giroverband getragen wurde.82 Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (DSGV ö.K.) und ist leicht mit dem namensgleichen Verein zu verwechseln, der eine Interessenvertretung der Sparkassen ist. Er wurde 1924 gegründet. Seine Hauptaufgabe ist gegenwärtig die Trägerschaft der DekaBank (gemeinsam mit den Landesbanken). Die übrigen Aufgaben und Funktionen ruhen mit Genehmigung der Staatsaufsicht seit dem Jahr 1955 und werden seit dieser Zeit vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband e. V. wahrgenommen. Einige Landesbanken sind nicht mehr juristische Personen des öffentlichen Rechts. Es ist rechtlich außerordentlich fragwürdig, ob sie als Privatrechtssubjekte noch Träger der DekaBank, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, sein können. Die dafür gelegentlich herangezogene Figur der Beleihung ist ebenfalls problematisch. Die Rechtsaufsicht hätte schon seit längerem einschreiten müssen. Im Januar 2011 ist eine Einigung erzielt worden, dass die Landesbanken als Träger der Anstalt ausscheiden. Am 8. Juni 2011 ist der Übergang vollzogen worden.83 Die Bank tritt als der „zentrale Asset Manager der Sparkassen-Finanzgruppe“ und als „DekaBank Konzern“ auf. Während bei der KfW das Gesetz einen derartigen Auftritt toleriert, ist es bei einer derartigen Einrichtung öffentlicher Verwaltung rechtlich nicht akzeptabel. Der Begriff „Finanzgruppe“ hat keinen nennenswerten Inhalt und ist kein Rechtsbegriff. Rechtsform, Aufsicht und Haftungsverhältnisse werden in den Publikationen der Bank (Geschäftsbericht und Internetauftritt) nicht hinreichend klar zum Ausdruck gebracht. Neben einem 82 Die Anteile der Landesbanken wurden mittelbar über die GLB GmbH & Co OHG (49,17 %) sowie die NIEBA GmbH (0,83 %), einer Tochtergesellschaft der NORD/LB, gehalten, Geschäftsbericht 2010, S. 19. Die Trägerschaft einer Anstalt des öffentlichen Rechts durch zwei juristische Personen des Privatrechts ist aber grundsätzlich nicht zulässig, auch wenn die Kautelarjurisprudenz immer wieder versucht, derartige Konstruktionen zu entwerfen, die als Steuersparmodell vielleicht einen gewissen Charme haben, aber nicht geeignet sind, Einrichtungen der Staatsverwaltung zu organisieren. 83 Deutscher Sparkassen- und Giroverband, 8. Juni 2011 – Pressemitteilung Nr. 55.

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Wust irrelevanter Phrasen werden diese entscheidenden Informationen von der Geschäftsleitung und ihren Beratern wohl lieber verschwiegen. Die Aktivitäten der Bank sind in drei Geschäftsfeldern und einer zentralen Vertriebseinheit gebündelt: – Asset Management Kapitalmarkt (AMK), – Asset Management Immobilien (AMI), – Corporates & Markets (C&M), – Vertrieb Sparkassen. III. Besonderheiten von Aufsicht und Kontrolle Dem brennenden Problem einer effektiven Kontrolle des Managements der „öffentlichen Banken“ ist bisher kaum die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet worden. Bis in die allerjüngste Zeit hat es vielfachen Anlass gegeben, sich sehr viel intensiver mit dem Geschäftsgebaren dieser Institute auf allen Ebenen des gegliederten Staatswesens zu befassen, als das bisher der Fall war. Es genügt, hier nur die Namen einiger „öffentlicher Banken“ zu nennen: Kreditanstalt für Wiederaufbau – KfW, Sachsen LB, Bayern LB, WestLB, HSH Nordbank AG, Sparkasse Köln-Bonn. Noch größere Defizite bestehen im Hinblick auf die Erfüllung des öffentlichen Auftrags der „öffentlichen Banken“ und ihres Verhaltens gegenüber den Bürgern, denen sie doch letztlich zu dienen bestimmt sind. Diese Feststellung gilt ungeachtet der Tatsache, dass sich vor allem die kommunalen Sparkassen im Verlauf der gegenwärtigen Krise als überdurchschnittlich stabil erwiesen haben. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass dies teilweise nur deswegen möglich war, weil die riskanten internationalen Aktivgeschäfte von den jeweiligen Zentralinstituten wahrgenommen worden sind, also regelmäßig den jeweiligen Landesbanken.84 1. Grundlagen Aufsicht und Kontrolle von „öffentlichen Banken“ sind mit einem Dilemma konfrontiert, das sich in dieser Form bei privatwirtschaftlichen Instituten nicht stellt. Einerseits sind diese Einrichtungen geschaffen worden, um sie dem unmittelbaren Einfluss der Politik zu entziehen. Damit sollte eine möglichst effiziente, sachbezogene Erfüllung von öffentlichen Aufgaben gewährleistet werden. Die Einmischung der Politik insgesamt oder einzelner einflussreicher Politiker in die laufenden Geschäfte ist nicht selten von sachfremden Erwägungen gesteuert und kann der Aufgabenerfüllung zuwiderlaufen. Andererseits handelt es sich aber um staatliche Einrichtungen und die Erfüllung öffentlicher oder staatlicher Aufga84

Näher Hilgert/Krahnen/Merl/Siekmann (Fn. 2), S. 4 ff.

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ben, die den demokratisch-parlamentarischen Kontrollmechanismen nicht entzogen sein dürfen. Es darf keine öffentlichen Unternehmen geben, die – wie in der Privatwirtschaft – lediglich der Erzielung von Einnahmen dienen.85 Sie müssen immer auch der Erfüllung eines öffentlichen Auftrags dienen.86 Eine rein erwerbswirtschaftliche Tätigkeit des Staates, ohne Verfolgung eines öffentlichen Zwecks, stößt auf erhebliche (verfassungsrechtliche) Bedenken.87 Wegen der Zugehörigkeit zum Staat darf es insoweit auch keine „kontrollfreien“ Räume geben. „Öffentliche Banken“ müssen der Aufsicht und Kontrolle durch ihr Trägergemeinwesen unterliegen. Das gilt uneingeschränkt für alle öffentlich-rechtlich organisierten Institute, da sie letztlich eine Einrichtung öffentlicher Verwaltung sind, auch wenn es sich überwiegend um leistende Verwaltung handelt. Andernfalls dürfte diese Rechtsform nicht verwendet werden. Aber auch für privatrechtlich organisierte öffentliche Unternehmen muss es Aufsicht und Kontrolle geben. Das haben sowohl der bayerische Verfassungsgerichtshof88 als auch der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen89 in neueren Entscheidungen mit der notwendigen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht. Art und Umfang 85 Püttner (Fn. 11), S. 131; Dirk Ehlers, Interkommunale Zusammenarbeit in Gesellschaftsform, DVBl. 1997, S. 137 (142); Johannes Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung, 2000, S. 207; Ulrich Hösch, Der öffentliche Zweck als Voraussetzung kommunaler Wirtschaftstätigkeit, Gewerbe Archiv, 2000, S. 1 (3); Martin Pagenkopf, Einige Betrachtungen zu den Grenzen für privatwirtschaftliche Betätigung der Gemeinden – Grenzen für die Grenzzieher?, Gewerbe Archiv, 2000, S. 177 (180); Michael Brenner, Gesellschaftsrechtliche Ingerenzmöglichkeiten von Kommunen auf privatrechtlich ausgestaltete Unternehmen, AöR 127 (2002), S. 222 (238). 86 Vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Betriebs-Berater 1994, S. 1957; Bernd Janson, Rechtsformen öffentlicher Unternehmen in der Europäischen Gemeinschaft, 1980, S. 37–41; Theo Thiemeyer, Öffentliche Bindung von öffentlichen Unternehmen, 1983; Siekmann (Fn. 3), S. 295 f.; noch strenger Gersdorf (Fn. 11), S. 491, der von einer grundsätzlichen Unzulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand ausgeht, wenn nicht die Erfüllung der Aufgabe von Verfassungs wegen zu gewährleisten ist; Florian Becker, Grenzenlose Kommunalwirtschaft, DÖV 2000, S. 1032; Thomas Mann, in: Peter J. Tettinger/Wilfried Erbguth/Thomas Mann, Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 2007, Rn. 301. 87 Dirk Ehlers, Verwaltung, S. 92 ff.; ders., Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand in der Bundesrepublik Deutschland, JZ 2000, S. 1089 (1091); Gersdorf (Fn. 11), S. 500: „[. . .] verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen“; gegen Verfassungswidrigkeit aber: Emmerich (Fn. 11), S. 86 ff., 119: „Das Grundgesetz enthält – von wenigen Ausnahmen abgesehen keine Aussagen über die Zulässigkeit öffentlicher Unternehmen.“. 88 BayVGH, NVwZ 1996, S. 822; BayVerfGH, Urteil v. 26.7.2006 – Vf. 11-IVa-05, S. 48, ausdrücklich auch für „gemischtwirtschaftliche“ Unternehmen, wenn sie von der öffentlichen Hand „beherrscht“ werden. Dabei haben bundesrechtlich geregelte Geheimhaltungspflichten auch im Verfassungsraum der Länder nicht „zwangsläufig“ Vorrang (S. 50); im Grundsatz ebenso BVerfGE 98, 145 (161). 89 VerfGH NW, NVwZ 1994, S. 678; NWVBI. 2004, S. 419 (425); ähnlich auch VerfGH Rh.-Pf. 25, 387 (403).

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hängen aber maßgebend davon ab, ob hoheitlich oder marktwirtschaftlich gehandelt wird und welche Gegenrechte möglicherweise bestehen. Der pauschale Verweis auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sowie die Persönlichkeitsrechte der Entscheidungsträger reichen keinesfalls aus.90 Eine besonders strikte Kontrolle ist aber verfassungsrechtlich geboten, soweit irgendeine Form von Haftung des Trägergemeinwesens für die Verbindlichkeiten des Instituts besteht. Die rechtsgeschäftliche Übernahme von Bürgschaften und Garantien unterliegt den staatsschuldenrechtlichen Vorgaben. Die gesetzliche Anordnung von Anstaltslast oder Gewährträgerhaftung berührt den Kern des parlamentarischen Budgetrechts und den verfassungsrechtlich verbürgten Kontrollauftrag der Rechnungshöfe. Sie erfordern eine weitreichende und strenge Kontrolle, da sie das Budgetrecht des Parlaments weitgehend relativieren und das Trägergemeinwesen finanziell ruinieren können. 2. „Allgemeine“ Aufsicht Aufsicht und Kontrolle von „öffentlichen Banken“ kann unternehmensintern oder durch externe Kontrolleinrichtungen erfolgen. a) Aufsicht und Kontrolle durch unternehmensinterne Einrichtungen Unternehmensintern erfolgen Aufsicht und Kontrolle der „öffentlichen Banken“ wie in den privatwirtschaftlich tätigen Banken in den Vertretungsorganen der Eigentümer (Gesellschafterversammlung, [Gewähr-]Trägerversammlung, Generalversammlung) und in Aufsichtsorganen, wie Aufsichtsrat und Verwaltungsrat. b) Aufsicht und Kontrolle durch unternehmensexterne Einrichtungen Darüber hinaus unterliegen öffentliche Unternehmen regelmäßig, aber nicht notwendig der Aufsicht durch die jeweils sachlich-gegenständlich zuständigen Aufsichtsbehörden. Das bedeutet, dass die „öffentlichen Banken“ grundsätzlich auch der Bankenaufsicht durch die Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterworfen sind. Sie benötigen die für ihren Betrieb erforderlichen Erlaubnisse, beispielsweise nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG, ebenso wie privatwirtschaftlich tätige Institute. Es gibt allerdings Ausnahmen, wie für die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Das ist auch sinnvoll, da grundsätzlich eine Bundesbehörde nicht eine andere Bundesbehörde zu kontrollieren hat.91 90

VerfGH NW, 2004, S. 419; näher unten III. 4. a). Das Gegenargument ist die besondere Sachkunde der Aufsichtsbehörde. Dieses wird aber wieder dadurch relativiert, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht der Weisungsbefugnis des Bundesministers der Finanzen unterliegt, der Mitglied des Verwaltungsrates der KfW ist. 91

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Soweit „öffentliche Banken“ privatrechtlich organisiert sind, unterliegen sie darüber hinaus – wie privatwirtschaftlich arbeitende Unternehmen – den allgemeinen Kontrollmechanismen des Handels- und Gesellschaftsrechts, vor allem der Kontrolle durch Wirtschaftsprüfer. Diese Art der Kontrolle ist nicht selten auch für öffentlich-rechtlich organisierte Banken gesetzlich vorgeschrieben; zum Beispiel für die Landesbank Hessen-Thüringen und die NRW.BANK.92 Diese Regelungen erfreuen sich beim jeweiligen Management großer Beliebtheit, da es maßgebenden Einfluss auf die Auswahl der Prüfer ausüben kann und von den Wirtschaftsprüfern weder eine Wirtschaftlichkeitskontrolle noch eine Kontrolle der Aufgabenerfüllung durchgeführt wird. 3. „Staatliche“ Aufsicht a) Abgrenzung Die Aufsicht über „öffentliche Banken“ im Sinne des Verwaltungsrechts erfolgt funktional durch die demokratisch legitimierte Exekutive. In neueren Gesetzen wird sie deshalb auch explizit als „staatliche“ Aufsicht bezeichnet.93 Sie entspricht dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass es keine „ministerialfreien“ Räume geben darf. Ausnahmen müssen sich aus der Verfassung selbst ergeben, wie bei der EZB und der Bundesbank aus Art. 88 Satz 2 GG. Aber selbst wenn das der Fall ist, werden immer wieder Bedenken aus Art. 79 Abs. 3 GG angemeldet.94 Die Bezeichnung „staatliche“ Aufsicht ist indes irreführend und entspricht nicht der eingeführten Begrifflichkeit des allgemeinen Verwaltungsrechts. Auch die Aufsicht durch Sonderaufsichtsbehörden, wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, ist staatliche Aufsicht. Sie muss das auch sein, selbst wenn die beteiligten Wirtschaftskreise sie gerne als „Selbstregulierung“95 nach 92

§ 10 NRW.BANK G. Beispielsweise § 11 Abs. 1 NRW.BANK G. 94 Vgl. Heiko Faber, in: AK GG, 2. Aufl. 2002, Art. 88, Rn. 31; Christian Waigel, Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. Gemessen am Kriterium demokratischer Legitimation, 1999, S. 215 ff., 243, 269, 283; Laurence Gormley/Jakob de Haan, The Democratic Deficit of the European Central Bank, European Law Review, 21 (1996), S. 95 (95); Ines Dernedde, Autonomie der Europäischen Zentralbank: Im Spannungsfeld zwischen demokratischer Legitimation der Europäischen Union und Währungsstabilität, 2002, S. 137, 314. „Demokratische Defizite“ werden geltend gemacht von: Barbara Dutzler, The European System of Central Banks: An Autonomous Actor?, 2003, S. 88 ff.; Andreas Wagener, Die Europäische Zentralbank, 2001, S. 152 ff., 194. 95 Vgl. die Beiträge in dem Beiheft zu „Die Verwaltung“: Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates. Ergebnisse des Symposiums aus Anlass des 60. Geburtstages von Wolfgang Hoffmann-Riem, 2001; Wolfgang Schulz/Thorsten Held, Regulierte Selbstregulierung als Form modernen Regierens, Im Auftrag des Bundesbeauftragten für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, Endbericht Mai 2002 (Arbeitspapiere des Hans-Bredow-Instituts Nr. 10); aus historischer 93

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Art einer berufsständischen Selbstverwaltung, aber ohne deren rechtliche Bindungen und Grenzen, verstanden wissen wollten. Zum Teil waren sie dabei schon recht erfolgreich; ganz im Sinne der „capture“-Theorie der Wirtschaftswissenschaften. Die äußerst negativen Folgen für die Allgemeinheit liegen mittlerweile auf der Hand. b) Anstaltsaufsicht Die Aufsicht über selbstständige juristische Personen des öffentlichen Rechts erfolgt entweder als Rechtsaufsicht oder als Fachaufsicht. Grundsätzlich ist zur Wahrung des vom Bundesverfassungsgericht geforderten „hinreichenden Gehalts an demokratischer Legitimation“ Fachweisungsbefugnis erforderlich. Es muss danach im Regelfall zumindest eine Fachaufsicht für alles „amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter“ geben.96 Es muss ein „bestimmtes Legitimationsniveau“ gesichert sein.97 Eine bloße Rechtsaufsicht genügt dagegen nicht. Neben der personellen demokratischen Legitimation müssen dem Staat hinreichende Einfluss-, Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten über die Tätigkeit der Amtsträger und somit auch über Körperschaften des öffentlichen Rechts zukommen.98 Die Amtsträger müssen „im Auftrag und nach Weisung der Regierung handeln“, wodurch diese in die Lage versetzt wird, „die Sachverantwortung gegenüber Volk und Parlament zu übernehmen“.99 Neben diese Weisungsgebundenheit darf grundsätzlich keine Bindung des Amtsträgers an die Willensentschließung einer außerhalb der parlamentarischen Verantwortung stehenden Stelle treten.100 Gesichert sein muss demnach zwar nicht die Vornahme jeder einzelnen Entscheidung durch eine in parlamentarischer Verantwortung stehende Stelle, sondern nur das Letztentscheidungsrecht des dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers. Lediglich bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung ist eine Abweichung von diesen Grundsätzen verfassungsrechtlich erlaubt. Sie müssen aber über eine eigene demokratische Legitimation verfü-

Perspektive: Peter Collin, „Gesellschaftliche Selbstregulierung“ und „Regulierte Selbstregulierung“ – ertragreiche Analysekategorien für eine (rechts-)historische Perspektive?, in: Peter Collin/Gerd Bender/Stefan Ruppert/Margrit Seckelmann/Michael Stolleis (Hrsg.), Selbstregulierung im 19. Jahrhundert – zwischen Autonomie und staatlichen Steuerungsansprüchen, 2011, S. 3–31. 96 BVerfGE 107, 59 (87). 97 BVerfGE 107, 59 (87); Helmut Siekmann, Welche Aufsicht braucht das Kammerwesen? – Anforderungen an staatliche Aufsicht und interne Kontrolle der Kammern, in: Jahrbuch Recht und Ökonomik des Dritten Sektors 2009/2010 (RÖDS), 2010, S. 94 ff. 98 BVerfGE 83; 268 (281 f.); BVerfG, DVBl. 1995, 1291 (1292); Püttner (Fn. 11), S. 136 f., 141. 99 BVerfGE 107, 59 (88). 100 So BVerfG, DVBl. 1995, 1291 (1292).

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gen101 und ihre Entscheidungen dürfen nur die Personen betreffen, von denen die verfassungsrechtliche Legitimation abgeleitet ist.102 Insoweit weisen fast alle Gesetze, die Grundlage und Rechtsrahmen für Errichtung und Tätigkeit „öffentlicher Banken“ bilden, gravierende Defizite auf. Meist ist die Aufsicht nach dem Gesetzeswortlaut darauf beschränkt, dass die „Tätigkeit“ der Bank im Einklang mit Gesetz und Recht steht.103 Zumindest ist in solchen Fällen eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend erforderlich, dass bei allen „amtlichen“ Maßnahmen mit „Entscheidungscharakter“104 eine Fachweisungsbefugnis im Einzelfall bestehen muss, und zwar nicht nur bei Eingriffen in die Rechte der Bürger. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Einhaltung der gesetzlich festgelegten Aufgaben, also wie im Gesellschaftsrecht der Einhaltung des Unternehmenszwecks.105 Bei allen öffentlich-rechtlich organisierten Banken ist nicht ausgeschlossen, dass sie „amtlich“ handeln. Das hängt jedoch von einer Beurteilung im Einzelfall ab. Die ausnahmslose Beschränkung auf eine reine Rechtsaufsicht ist in jedem Fall bedenklich. Die notwendige Einflussnahme des Trägers der „öffentlichen Bank“ könnte möglicherweise aber auch durch Entscheidungsteilhabe in den Gremien der Bank ([Gewährträger-]Versammlung, Verwaltungsrat)106 erfolgen. Sie ist regelmäßig in den gesetzlichen Grundlagen dieser Institute vorgesehen,107 bedarf aber einer eingehenden Prüfung im Einzelnen, ob sie den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Dazu zählt insbesondere das Erfordernis der doppelten Mehr-

101 BVerfGE 107, 59 (94): „Verbindliches Handeln mit Entscheidungscharakter“ im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung ist „aus verfassungsrechtlicher Sicht aber nur gestattet, weil und soweit das Volk auch insoweit sein Selbstbestimmungsrecht wahrt, indem es maßgebenden Einfluss auf dieses Handeln behält“; ähnlich BVerfGE 111, 191 (217 f.). 102 BVerfGE 111, 191 (217). 103 Paradigmatisch § 11 Abs. 1 Satz 2 NRW.BANK G, im Ergebnis wohl ebenso § 12 Abs. 1 Gesetz über die KfW: „Das Bundesministerium der Finanzen übt die Aufsicht über die Anstalt im Benehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aus. Die Aufsichtsbehörde ist befugt, alle Anordnungen zu treffen, um den Geschäftsbetrieb der Anstalt mit den Gesetzen, der Satzung und den sonstigen Bestimmungen im Einklang zu halten.“. 104 In diesen Fällen liegt jedenfalls „Ausübung von Staatsgewalt“ vor; vgl. BVerfGE 107, 59 (87) unter Berufung auf BVerfGE 38, 258 (271); 47, 253 (272); 77, 1 (40); 83, 60 (71); 93, 37 (66). 105 Thomas Mayen hält die Weisungsfreiheit von Sparkassenorganen allerdings für unbedenklich, Anhörung zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung aufsichtsrechtlicher, insbesondere sparkassenrechtlicher Vorschriften (LT-Drucks. 14/6831), LT-Stellungnahme 14/2074 vom 8. September 2008, S. 4 m. Nachw. 106 Oben III. 2. a). 107 Paradigmatisch § 8 NRW.BANK G für die Gewährträgerversammlung, § 9 NRW.BANK G für den Verwaltungsrat.

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heit.108 In jedem Fall ist zu beachten, dass eine einseitig zu erlassende Aufsichtsmaßnahme strukturell etwas völlig anderes ist, als die Mitwirkung einzelner Vertreter der Aufsichtsbehörde in Gremien, die heterogen zusammengesetzt sind und in denen durch Mehrheitsbeschluss entschieden wird. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben zudem gezeigt, dass sich die Vertretung in den Unternehmensorganen bei „öffentlichen Banken“ zur Wahrung ihres gesetzlichen Auftrags und zur Sicherung des Gemeinwohls tatsächlich als wenig geeignet erwiesen hat. Da diese Gremien regelmäßig der überbetrieblichen Mitbestimmung unterliegen und ihre Mitglieder meist über geringe Sachkunde verfügen, ist ihre Aufsicht und Kontrolle wenig effektiv.109 Vor allem werden die Mehrheitsverhältnisse im Trägergemeinwesen nicht korrekt wiedergegeben, da die Arbeitnehmervertreter regelmäßig bestimmten Parteien zuneigen. Auch wenn diese im Trägergemeinwesen nicht über die Mehrheit verfügen, können sie gemeinsam mit Vertretern des Trägers ein öffentliches Unternehmen in ihrem Sinne steuern. Das ist selbstverständlich dem Management bekannt, das ohnehin nicht selten aus ehemaligen Politikern besteht, so dass sich leicht eine Selbstbedienungsmentalität zu Lasten des demokratisch legitimierten Trägergemeinwesens und der Erfüllung des öffentlichen Auftrags etablieren kann.110 Die Vertreter der Träger von „öffentlichen Banken“ haben zudem parteiübergreifend keinen Anreiz, sich mit dem Management dieser Institute anzulegen, wenn sich dieses halbwegs geschickt verhält. Im Gegenteil ist ein Zusammenwirken zu Lasten der Destinatäre der Anstalt und der Allgemeinheit sehr verlockend, da das Management dieser Institute über große (finanzielle) Ressourcen verfügt, mit denen am zentralen Budget des Trägers vorbei, viele Anliegen von Politikern verwirklicht werden können. Gern wird dafür das Instrument der Stiftung gewählt. Viele Sparkassen haben deshalb Sparkassenstiftungen gegründet. Auch damit können geräuschlos und weitgehend unkontrolliert Mittel eingesetzt werden,

108 Das entsprechende Gremium muss mehrheitlich mit Vertretern des Trägergemeinwesens besetzt sein und die Entscheidungen müssen mit der Mehrheit der Stimmen dieser Vertreter getroffen werden, vgl. BVerfGE 93, 37 (70): Mitbestimmung von Personalräten; Verfassungsgerichtshof für Nordrhein-Westfalen, OVGE 39, 292 (294): Bestellung von Arbeitnehmervertretern in den Verwaltungsräten von öffentlich-rechtlich organisierten Sparkassen. 109 Vgl. für die SachsenLB: Sächsischer Rechnungshof, Sonderbericht nach § 99 SäHO, Landesbank Sachsen Girozentrale, Az. 120308/64, März 2009, S. 13 f., 30 f.; Verfassungsgerichtshof für den Freistaat Sachsen, Urteil vom 28. August 2009, Az. Vf. 41-I-08, S. 6–8; für die IKB: Tim Florstedt, Zur organhaftungsrechtlichen Aufarbeitung der Finanzmarktkrise, Die Aktiengesellschaft, 2010, S. 315 ff.; s. a. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4.2.2010 – I-6 W 45/09, Die Aktiengesellschaft, 2010, S. 126. 110 Näher Helmut Siekmann, Die Erweiterung der Unternehmensmitbestimmung in privatrechtlich organisierten öffentlichen Unternehmen, ZögU 2004, S. 394 ff.

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die entweder entsprechend dem öffentlichen Auftrag der Institute zur Verbilligung ihrer Leistungen oder zur Finanzierung des demokratisch kontrollierten Haushalts zu verwenden gewesen wären. Schließlich gibt es im Bereich der „öffentlichen Banken“ manche wohl dotierte Posten, die zur Versorgung von (ehemaligen) Politikern sehr interessant sind. Bei diesen Schwachstellen handelt es sich um ganz spezifische Besonderheiten der „öffentlichen Banken“. Sie sind bei anderen Kreditinstituten nicht zu beobachten und müssen sauber von den gegenwärtig viel diskutierten Anreizen für das Management „systemrelevanter“ Banken unterschieden werden, riskante Geschäfte zu tätigen, deren Lasten bei Fehlschlägen von der Allgemeinheit der Steuerzahler getragen werden. 4. Aufsicht und Kontrolle durch Parlamente und Rechnungshöfe Die bisher behandelten Instrumente von Aufsicht und Kontrolle entbinden keinesfalls Parlamente und Rechnungsprüfungseinrichtungen von ihren Kontrollaufgaben. Es ist klar zu erkennen, dass das Management „öffentlicher Banken“ vor allem die Kontrolle durch Rechnungshöfe zu verhindern versucht. Das hat sich vor allem bei der Beratung des Gesetzes über die NRW.BANK mit aller Deutlichkeit gezeigt.111 Entsprechendes gilt für die Exekutive des Trägergemeinwesens, die ebenfalls der Kontrolle durch Parlamente und Rechnungshöfe sehr reserviert gegenübersteht. Dabei wird die Prüfung durch Wirtschaftsprüfer gerne als Argument verwendet, um eine (effektivere) Kontrolle durch Parlamente und Rechnungshöfe für überflüssig zu erklären. Das ist indes nicht richtig. Nach § 340a HGB haben Kreditinstitute, auch wenn sie nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben werden, einen Jahresabschluss nach den Vorschriften für große Kapitalgesellschaften aufzustellen. Dieser Jahresabschluss

111 So hatte der Regierungsentwurf für das „Gesetz zur Umstrukturierung der Landesbank Nordrhein-Westfalen zur Förderbank des Landes Nordrhein-Westfalen und zur Änderung anderer Gesetze“ (LT-Drucksache 13/4578) zunächst keine Kontrolle durch den Landesrechnungshof vorgesehen. Erst in der parlamentarischen Beratung wurde auf Grund von Sachverständigenäußerungen § 13 NRW.BANK G gegen den erbitterten Widerstand des Managements in das Gesetz eingefügt. Im Rahmen einer Anhörung wurde fraktionsübergreifend erkannt, welche Kontrolldefizite im Hinblick auf die „öffentlichen Banken“ des Landes bestanden, vgl. Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen, Landtag Nordrhein-Westfalen, Vorlage 13/2453, S. 2; Vorlage 13/2527, S. 12; Helmut Siekmann, Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Umstrukturierung der Landesbank Nordrhein-Westfalen zur Förderbank des Landes Nordrhein-Westfalen und zur Änderung anderer Gesetze, Landtag Nordrhein-Westfalen, Zuschrift 13/3744, S. 15; Protokoll der 76. Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 13. Februar 2004, Ausschussprotokoll 13/1143, S. 2 (Präsidentin des Landesrechnungshofs Scholle), S. 8 (Siekmann), S. 10, 18, 23 f. (Scholle), S. 54 f. (Siekmann).

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muss nach § 316 Abs. 1 HGB durch einen Abschlussprüfer geprüft werden. Auch ein Konzernabschluss ist einer solchen Prüfung zu unterziehen, § 316 Abs. 2 HGB.112 Unter Einbeziehung der Buchführung sind Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung daraufhin zu prüfen, ob die gesetzlichen Vorschriften und sie ergänzende Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages und der Satzung beachtet worden sind, § 317 Abs. 1 Satz 2 i.V. m. § 242 Abs. 3 HGB. Es wird geprüft, ob die Eintragungen in den Büchern vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen worden sind, § 239 Abs. 2 HGB. Diese Prüfung ist im Wesentlichen nur formaler Natur. Das gilt auch für die Prüfung des Lageberichts, § 317 Abs. 2 HGB. Im Kern geht es dort um die Frage, ob die Lage des Unternehmens und die Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind. Es wird geprüft, ob der Jahresbericht ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermittelt, § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB. Die Prüfung erstreckt sich dagegen nicht auf die allgemeine Geschäftsführung des Unternehmens.113 Die Prüfung durch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ist zwar notwendig, aber keinesfalls hinreichend, wie die zahlreichen spektakulären Zusammenbrüche zeigen, bei denen noch wenige Tage vor der Insolvenz ein uneingeschränktes Testat erteilt worden war (ENRON, Lehman-Brothers, SachsenLB). Auch zeigen die Erfahrungen der deutschen Praxis, dass die Prüfung durch Wirtschaftsprüfer nicht ausreicht, um allfällige Gefahren oder Verschwendungen aufzudecken.114 Selbst bei den Prüfungen, die von staatlichen Einrichtungen bei Wirtschaftsprüfern in Auftrag gegeben werden, ist nicht sicher, dass sie tatsächlich mit dem Ausmaß an kritischer Distanz und Durchsetzungsvermögen durchgeführt werden, das erforderlich ist, um wesentliche Risiken aufzudecken.115 Speziell bezogen auf „öffentliche Banken“ leidet die Kontrolle durch Wirtschaftsprüfer vor allem an drei gravierenden Schwächen:

112 Als Beispiel für eine landesrechtliche Bestimmung kann § 10 NRW.BANK G genannt werden. 113 Klaus Hopt/Hanno Merkt, in: Baumbach/Hopt/Merkt, Handelsgesetzbuch, 34. Aufl. 2010, § 317 Rn. 5. 114 Einen kleinen Einblick gewähren die Tätigkeitsberichte der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung, die punktuell Rechenwerke überprüft, die von großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften testiert worden sind. Sie muss erhebliche Fehlerquoten selbst bei größeren Unternehmen und auch bei Finanzinstituten registrieren, vgl. Jahresbericht 2009, S. 4 f. 115 Die Prüfung der Landesbank Sachsen Girozentrale durch eine Prüfungsgesellschaft im Auftrag der BaFin förderte zwar erhebliche Mängel zu Tage, erkannte aber nicht das ganze Ausmaß der Risiken für den Freistaat Sachsen, die in „special purpose vehicles“ (außerbilanziell) versteckt waren, vgl. Sächsischer Rechnungshof, Sonderbericht nach § 99 SäHO, Landesbank Sachsen Girozentrale, S. 43; ferner bereits Bernhard Bank, Zur Neuordnung des Haushaltswesens und der öffentlichen Finanzkontrolle bei den juristischen Personen des öffentl. Rechts, DÖH Jg. 8 (1966/67), S. 204 (213–215).

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(1) Die Auswahl der Prüfer wird entscheidend von den Prüfungsunterworfenen beeinflusst.116 (2) Die Prüfung erstreckt sich nicht auf die Wirtschaftlichkeit des Geschäftsgebarens. (3) Die Prüfung befasst sich nicht mit der Einhaltung der gesetzlichen Aufgabenbestimmung und dem Ausmaß seiner Erfüllung. Hinzu kommt, dass die Ergebnisse der Prüfung durch Wirtschaftsprüfer regelmäßig als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse behandelt werden, die vor den Augen der Öffentlichkeit, aber auch der Parlamentarier, zu verbergen seien. Eine öffentliche Diskussion über die aufgedeckten Schwächen und Pflichtverstöße kann nicht stattfinden, auch wenn es letztlich um die ordnungsmäßige und wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel geht. a) Parlamentarische Kontrolle Die Kontrolle öffentlicher Unternehmen durch die Parlamente bis hin zu Auskunftsansprüchen einzelner Parlamentarier ist ein vieldiskutiertes Problem. Im Kern richten sich diese Ansprüche gegen die Regierung und nicht unmittelbar gegen das Unternehmen.117 Die Praxis zeigt, dass sich die Regierung aber bei wirklich delikaten Fragen gern auf Nichtwissen, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder Persönlichkeitsrechte der betreffenden Manager beruft. Das gilt vor allem dann, wenn hochrangige Regierungsmitglieder in den Gremien des Unternehmens die entsprechenden Beschlüsse mitgetragen haben, die zum Teil zu Schäden in Milliardenhöhe für die öffentlichen Haushalte geführt haben. Allerdings gehen die Rechte von Untersuchungsausschüssen des Parlaments deutlich darüber hinaus.118 Auch das Unternehmen selbst kann Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsverfahrens sein, wie im Hinblick auf verschiedene Landesbanken gegenwärtig zu beobachten ist. Die Rechtsprechung der Verfassungsgerichte zeigt eine deutliche Tendenz, die verfassungsrechtlich fundierten Auskunftsansprüche der Parlamentarier zu stärken. Den gewählten Vertretern des Volkes sollen diejenigen Informationen verschafft werden, die erforderlich sind, um verantwortlich Entscheidungen in Bezug auf öffentliche Unternehmen oder aus Steuermitteln finanzierte Unternehmen und ihr Finanzgebaren treffen zu können. Das Budgetrecht des Parlaments schließt einen „Anspruch des Parlaments wie der einzelnen Abgeordneten darauf 116 Bei der NRW.BANK erfolgt die Beauftragung durch die Gewährträgerversammlung, § 10 NRW.BANK G. 117 Vgl. nur Christian Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 182 f., der aber zutreffend eine Ausweitung der Adressaten zur Aufklärung von Missständen im Bereich der Regierung anerkennt. 118 Weitere Einzelheiten bei Teuber (Fn. 117), S. 123–134.

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ein, dass ihnen die für eine sachverständige Beurteilung des Haushaltsplans erforderlichen Informationen nicht vorenthalten werden“.119 Die Regierung muss sich notfalls auch die notwendigen Informationen verschaffen.120 Sie darf sich nicht pauschal auf Nichtwissen, Persönlichkeitsschutz oder Geschäftsgeheimnisse der von ihr beherrschten Unternehmen stützen, um ihr unangenehme Tatsachen auf diese Weise vor der Parlamentsöffentlichkeit zu verbergen.121 Entsprechendes muss für Informationen aus Einrichtungen und Unternehmen gelten, die maßgebend aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, wenn das Parlament für die Entscheidung über die Bewilligung der betreffenden Mittel die Umstände der Subventionsgewährung aufklären will.122 Das Parlament darf sich nicht seiner Verantwortung für das gesamte Finanzwesen des Staates entziehen, indem es durch Gesetz öffentliche Unternehmen schafft und mit weitgehender Autonomie ausstattet.123 Das gilt auch für Einheiten in Privatrechtsform. Auch sie müssen vom Inhaber der „Zentralbudgetgewalt“ gesteuert und überwacht werden.124 Andernfalls würde sich das Parlament (teilweise) selbst entmachten und die Haushaltspläne verkämen zu bloßen Rahmen119 BVerfGE 110, 199 (225), unter Berufung auf BVerfGE 70, 324 (355), wo dieses Ergebnis ebenfalls schon festgestellt wird, allerdings – anders als in der jüngeren Entscheidung – noch auf die Statusgewährleistung nach Art. 38 Abs. 1 abgestellt wird; ähnlich Ableitung von Ansprüchen der einzelnen Abgeordneten auf Beantwortung ihrer Fragen durch die Verfassungsgerichte auf Landesebene VerfGH NW, OVGE MünsterLüneburg 43, 274 (277 f.); NWVBl. 2004, S. 419; BayVerfGH, VerfGHE 54, 62 (73); BayVerfGH, NVwZ 2007, 204 (205); positiv zu einer ausdrücklichen Normierung in den Verfassungen Bodo Pieroth/Katrin Haghu, Stärkung der Rechte der Abgeordneten und der Opposition im Landesverfassungsrecht, 2004, S. 69, 76. 120 BayVerfGH, NVwZ 2007, 204 (206): zu Nachforschungen verpflichtet, soweit ihr Verantwortungsbereich geht. 121 Vgl. BVerfGE 98, 145 (161): Die Regierung ist auch „hinsichtlich der Betätigung in privatwirtschaftlichen Unternehmen zur Rechnungslegung verpflichtet und hat sich der Überprüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu unterziehen“; ebenso BayVerfGH, NVwZ 2007, 204 (206), ausdrücklich auch für „gemischtwirtschaftliche“ Unternehmen, wenn sie von der öffentlichen Hand „beherrscht“ werden. Dabei haben bundesrechtlich geregelte Geheimhaltungspflichten auch im Verfassungsraum der Länder nicht „zwangsläufig“ Vorrang (207); deutlich Teuber (Fn. 117), S. 215 f.: andernfalls „[. . .] würde der Informationsanspruch des Parlaments weitgehend leer laufen [. . .]“; vgl. auch Holger Poppenhäger, Parlamentarisches Fragerecht und Verantwortlichkeit der Landesregierung in Thüringen, ThürVBl. 2000, S. 152 (155). 122 BayVerfGH, NVwZ 2007, 204 (206); Manuela Rottmann, Die Rückkehr des Öffentlichen in die öffentlichen Unternehmen, ZögU Bd. 29 (2006), S. 259 (272); Johannes Masing, Parlamentarische Untersuchungen privater Sachverhalte, 1998, S. 328 f., 335; allg. zu Frage- und Informationsrechten der Abgeordneten Julia Plattner, Das Frage- und Informationsrecht des Abgeordneten in den neuen Ländern, LKV 2005, S. 99. 123 Thomas Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, 1996, S. 210. 124 Michael Kilian, Nebenhaushalte des Bundes, 1993, S. 876; Paul Kirchhof, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, NVwZ 1983, S. 506 f.; Paul J. Glauben, Privatisierung als Preisgabe parlamentarischer Hausgüter, Zeitschrift für Parlamentsfragen 1998, S. 496 (507).

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plänen.125 Kontrollbefugnisse des Parlaments sind nicht bloß Rechte, die nach Belieben wahrgenommen werden dürfen, sondern auch Pflichten, die nicht übertragen werden dürfen.126 In der Staatspraxis wird zunehmend dazu übergegangen, Abgeordnete in die Aufsichtsorgane von öffentlichen Unternehmen zu entsenden. Die Mitgliedschaft in derartigen Gremien ist jedoch keine parlamentarische Kontrolle, sondern Teilhabe an der Exekutive.127 Sie kann allenfalls als „parlamentsbeeinflusste“ Kontrolle gelten, „die zudem noch Gefahr läuft, die Unabhängigkeit der parlamentarischen Finanzkontrolle zu gefährden und zwangsläufig Interessenkollisionen mit sich bringt“.128 Zudem unterliegen die Vertreter des Trägergemeinwesens den üblichen Bindungen des Gesellschaftsrechts,129 da regelmäßig „vergessen“ wird, entsprechende Ausnahmeklauseln in Gesellschaftsverträge oder Satzungen aufzunehmen. Die entsprechenden Entwürfe werden auch meist von Anwaltskanzleien erstellt, welche vom Management beauftragt werden, das kein Interesse an einer intensiven Leitung und Kontrolle durch den Träger hat. Eine gesetzliche Ausnahme ist lediglich in § 394 AktG bezüglich der Berichterstattung und der Verschwiegenheitspflicht vorgesehen. Die Entsendung von Parlamentariern in die Organe einer „öffentlichen Bank“ vermag also nicht die Kontrolle durch das Parlament und seine Mitglieder zu ersetzen. b) Rechnungshofskontrolle Die Rechnungshofskontrolle erfolgt durch staatliche Institutionen, die von Verfassungs wegen Unabhängigkeit genießen; entweder weil die Unabhängigkeit der Institution garantiert ist oder weil ihren Mitgliedern (richterliche) Unabhängigkeit verliehen worden ist.130 Das unterscheidet sie maßgebend von Wirt125

Kilian (Fn. 124), S. 888. Deutlich hervorgehoben nunmehr vom BVerfG in seinem Urteil zu den Rettungsmaßnahmen zugunsten von Staaten auf europäischer Ebene, Urteil vom 7. September 2011 – 2 BvR 987/10, 2 BvR 1485/10, 2 BvR 1099/10 – Rn. 125, 128 f. 127 Görg Haverkate, Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem, VVDStRL, Heft 46 (1987), S. 217 (233). 128 Glauben (Fn. 124), S. 508; ebenso: Haverkate (Fn. 127), S. 234; R. Peter Dach, Verwaltungs-, Aufsichts- und Mitwirkungsgremien mit parlamentarischer Beteiligung, in: Hans Peter Schneider/Wolfgang Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 62 Rn. 17; Kilian (Fn. 124), S. 894. 129 H. M. vgl. Franz Jürgen Säcker, Behördenvertreter im Aufsichtsrat, in: Festschrift für Kurt Rehmann zum 65. Geburtstag, 1989, S. 781 (791), mit Nachweisen auch für die Gegenmeinung in Fn. 24. Die Verpflichtung alleine auf das „Unternehmenswohl“ bleibe auch dann erhalten, wenn die Anteile an der Gesellschaft voll in öffentlicher Hand liegen (S. 793). Wenn dem gefolgt wird, darf sich eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht an einer Aktiengesellschaft beteiligen. 130 Zusammenfassende Darstellung bei Klaus Stern, Der verfassungsrechtliche Status der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder, in: Wolfgang Böning und Albert von 126

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schaftsprüfern als bezahlten Auftragsnehmern des zu prüfenden Unternehmens. Der Prüfungsauftrag der Rechnungshöfe ist umfassend. „Prüfungsfreie“ Räume darf es im Bereich ihrer Prüfungsgegenstände nicht geben. Ihr Prüfungsmaßstab ist nicht nur die Ordnungsmäßigkeit, sondern auch die Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Staates. Auch das unterscheidet sie von der Prüfung durch Wirtschaftsprüfer. Nicht sicher ist jedoch, ob sich ihr Prüfungsauftrag auch auf öffentliche Unternehmen erstreckt, soweit ihre Wirtschaftsführung aus dem zentralen Etat ausgegliedert ist. Das betrifft fast alle „öffentlichen Banken“. In diesem Zusammenhang ist zwischen der Prüfung „der“ verselbständigten Einheit und der Prüfung „bei“ ihr aus Anlass der Prüfung einer übergeordneten Einheit, beispielsweise des die Aufsicht führenden Ministeriums, zu unterscheiden. Die zuletzt genannte Prüfung muss immer möglich sein. Fraglich ist aber, ob auch die Prüfung „des“ Unternehmens, also auch der „öffentlichen Bank“, von Verfassungs wegen möglich sein muss. Im Schrifttum wurde schon frühzeitig gefordert, dass die Finanzkontrolle aus verfassungsrechtlichen Gründen den verbreiteten Bestrebungen entgegenwirken müsse, durch die „Abzweigungen in öffentliche Gesellschaften, Anstalten, Körperschaften und Stiftungen“ ein von der Kontrolle schwer oder überhaupt nicht mehr erfassbares Wirtschaften zu ermöglichen.131 Eine umfassende Rechnungshofkontrolle müsse an die Stelle einer fehlenden unmittelbaren Steuerung der Haushalte der verselbständigten juristischen Personen des öffentlichen Rechts treten. Sie müsse sich auf die Gesamtheit der staatlichen Finanzbetätigung erstrecken und es dürfe keine „rechnungskontrollfreien“ Haushalte außerhalb des Zentralhaushaltes des Bundes und der Länder geben.132 Für diese Auffassung spricht, dass andernfalls die verfassungsrechtlich gebotene „Lückenlosigkeit“ der

Mutius (Hrsg.), Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System, 1990, S. 11 (29–32). 131 Hans Reger, Bemerkungen zur Finanzkontrolle – Theorie, allgemeine Sach- und Rechtsfragen, Reform, VerwArch, Band 66 (1975), S. 195 (241). 132 Susanne Tiemann, Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes, 1974, S. 102, 118; Kilian (Fn. 124), S. 761 f. m.w. N.; ähnlich Puhl (Fn. 123), S. 347 ff.; Görg Haverkate, Prüfungsfreie Räume – Welche Türen in der öffentlichen Verwaltung bleiben dem Rechnungshof verschlossen?, in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen, Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechenkammer, Berlin 1989, S. 197 (230), der das Postulat aus dem demokratischen Prinzip des Art. 20 Abs. 2 GG herleitet. Puhl (Fn. 123), S. 338, 345, lehnt die Herleitung einer umfassenden Prüfungspflicht aus Art. 114 Abs. 2 GG ab und bezeichnet diese Meinung als herrschend. Gleichwohl will er aber den Gesetzgeber verpflichten, für eine wirksame Kontrolle zu sorgen, die aber letztlich wohl nur der Bundesrechnungshof leisten könne (S. 348). Im Ergebnis soll Art. 114 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG „Grundsatznorm für die Finanzkontrolle rechtsfähiger Nebenhaushalte“ sein (S. 354).

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Rechnungshofkontrolle leicht durch den einfachen Gesetzgeber unterlaufen werden könnte.133 Einschränkungen des Prüfungsrechts der Rechnungshöfe durch das einfache Landesrecht, also die Landeshaushaltsordnung und Gesetze über „öffentliche Banken“ sind auch dann unwirksam, wenn sie gegen (einfaches) Bundesrecht verstoßen. Näher in Betracht kommen die Vorgaben des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG). Die Regelungen in Teil II dieses Gesetzes gelten einheitlich und unmittelbar – auch für die Länder, § 49 HGrG. Nach Art. 31 GG gehen sie kollidierendem Landesrecht vor. Das gilt selbst für Landesverfassungsrecht.134 Soweit eine juristische Person des öffentlichen Rechts vom Bund oder einem Land Zuschüsse erhält, die dem Grund oder der Höhe nach gesetzlich begründet sind, unterliegt ihre gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung der Prüfung durch die Rechnungshöfe, § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG. Diese Rechtsfolge tritt auch ein, wenn eine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung des Bundes oder des Landes besteht, § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG. Das betrifft alle „öffentlichen Banken“, für die Anstaltslast und Gewährträgerhaftung besteht oder sonstige Garantien übernommen worden sind. Allerdings erlaubt § 55 Abs. 2 HGrG, dass „auf Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts“ § 53 HGrG entsprechend anzuwenden ist. § 53 HGrG regelt die Prüfung von privat-rechtlich organisierten Unternehmen, an denen eine Gebietskörperschaft maßgeblich beteiligt ist. Die Unterwerfung unter die Prüfung nach Maßgabe von § 53 HGrG steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass ein Unternehmen nicht nach § 48 Abs. 2 Satz 2 und 3 HGrG von der Rechnungsprüfung freigestellt ist. § 48 Abs. 2 Satz 2 HGrG gestattet dem Landesgesetzgeber, Einheiten von der Prüfung durch den Rechnungshof freizustellen. Diese Regelung wäre vor allem für die Sparkassen und Landesbanken von Bedeutung. Teilweise wird § 55 Abs. 2 HGrG als (abschließende) Sonderregelung für diejenigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts angesehen, die Unternehmen sind. Die Vorschrift ginge als lex specialis der allgemeinen Regelung der Prüfungsrechte vor. § 55 Abs. 1 HGrG wäre auf sie dann nicht anzuwenden.135 Überwiegend wird jedoch angenommen, dass die beiden Vorschriften unter133 In diesem Sinne deutlich auch: Puhl (Fn. 123), S. 249; Schwarz, in: Christian Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, 6. Aufl. 2010, Art. 114, Rn. 52. 134 BVerfGE 96, 345 (364), unter Berufung auf BVerfGE 26, 116 (135); 36, 342 (363), wo dies aber nicht ausdrücklich für das Landesverfassungsrecht steht; Huber, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 6. Aufl. 2011, Art. 31, Rn. 14. 135 Hans Adolf Giesen und Eberhard Fricke, Das Haushaltsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 1972, § 112 Rn. 5; Dörries (Fn. 1), S. 203 f.; Nebel, in: Erwin Adolf Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 2. Aufl. (Loseblatt, Stand: Dezember 2008), § 111 BHO Rn. 8 (1998).

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schiedliche Regelungsgegenstände haben und nebeneinander anzuwenden seien. Soweit § 55 Abs. 1 HGrG jedoch strengere Anforderungen enthalte, seien diese maßgebend. Sie müssten auch für diejenigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts beachtet werden, die Unternehmen seien.136 Systematik und Wortlaut der Vorschrift sprechen dafür, dass § 55 Abs. 2 HGrG nicht lex specialis gegenüber § 55 Abs. 1 HGrG ist. 5. Kontrolle durch Sicherungseinrichtungen Kreditinstitute und andere Finanzdienstleistungsunternehmen unterliegen regelmäßig auch der Kontrolle durch die gesetzlich vorgeschriebenen und die freiwilligen Sicherungseinrichtungen. Die Kontrolle durch die gesetzlich vorgeschriebenen Sicherungseinrichtungen ist insoweit eine mittelbare Kontrolle des Staates als die entsprechenden Einrichtungen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau angesiedelt (§ 6 Abs. 1 Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz)137 oder Beliehene (§ 7 Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz) sind. Entgegen weit verbreiteter Vorstellungen ist damit aber keine Haftung des Staates verbunden. Auch gesetzliche Sicherungseinrichtungen können insolvent werden, wie es im Falle des Einlagensicherungsfonds der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW) manifest geworden ist. Insoweit besteht in Deutschland ein gravierender Unterschied zur Einlagensicherung durch die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) in den USA. Die gegenwärtige Krise hat deutlich gemacht, dass die Aufsicht durch die FDIC über die ihr angeschlossenen Institute in der verwirrenden und unkoordinierten Vielzahl der Aufsichts- und Kontrollgremien und -einrichtungen auf Bundes- und Einzelstaatsebene in den USA wohl diejenige war, die mit Abstand noch am ehesten funktioniert hat. Entsprechende Anzeichen gibt es auch für die Sicherungseinrichtungen der Genossenschaftsbanken und der Sparkassen, da diese nicht nur Einlagen, sondern Institute sichern und deshalb sehr genau auch deren Geschäftstätigkeit überprüfen. Eine genaue Kontrolle ist aber generell erforderlich, sobald echte risikoadjustierte Prämien oder Beiträge auferlegt werden. Künftige Reformwerke, wie 136 Reinhold Lohl, Möglichkeiten und Grenzen der Prüfung der staatlichen Beteiligung bei Unternehmen, DÖH 12. Jg. (1971), S. 24 (42), der ausdrücklich feststellt, dass derartige öffentlich-rechtliche Unternehmen auch dann der Prüfung durch den Rechnungshof unterlägen, wenn sie nach § 48 Abs. 2 Satz 2 oder 3 von der Rechnungsprüfung freigestellt seien; Helmut Karehnke, Die Unternehmen in der Rechtsform einer bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts und ihre Prüfung, DÖH 16. Jg. (1975), S. 27 (36, 65); Siekmann (Fn. 10), Art. 114 Rn. 29; Puhl (Fn. 123), S. 360 Fn. 438 und S. 362 Fn. 452; Haverkate (Fn. 132), S. 200; Manfred Eibelshäuser/Hugo von Wallis, in: Ernst Heuer, Dieter Engels und Manfred Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht (Loseblatt, Stand: September 2009), § 55 Anm. 3 (1999); nicht eindeutig Engels (Fn. 1), S. 125. 137 Vom 16. Juli 1998, BGBl I S. 1842.

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der neue Richtlinienentwurf der EU-Kommission berücksichtigen das bereits ansatzweise.138 6. Sonderproblem: Beleihung und Hybridstrukturen Besondere Schwierigkeiten bereitet die Kontrolle der zunehmend verwendeten Hybridkonstruktionen. Bei ihnen werden öffentlich-rechtliche Organisationsformen mit denen des Privatrechts vermischt. Unabhängig von allen Detailfragen darf die Verwendung derartiger Strukturen nicht zu einer Kontrollausdünnung führen, auch wenn das ihren Schöpfern und der Leitung der betroffenen Einrichtungen durchaus nicht unerwünscht wäre. Vor allem ist sehr viel größere Vorsicht bei der Verwendung des Rechtsinstituts der Beleihung angebracht. Auch wenn es grundsätzlich anerkannt ist, darf seine Verwendung nicht zur Unterbrechung von Aufsichts- und Leitungssträngen führen. Es muss gesetzlich festgelegt sein, dass auch dem Beliehenen gegenüber Fachweisungen von parlamentarisch Verantwortlichen im Einzelfall erteilt werden dürfen. Das Parlament muss auch insoweit eine „letztentscheidende“ Einflussmöglichkeit behalten.139 IV. Überlegungen zur Neuordnung 1. Die unterschiedlichen Herangehensweisen Für die Überlegungen zur Neuordnung der „öffentlichen Banken“ in Deutschland kommen zwei grundsätzlich unterschiedliche Vorgehensweisen in Betracht: (1) Ausgehend von dem oben skizzierten Ist-Zustand kann untersucht werden, welche Änderungen besonders dringlich sind, namentlich um Schwierigkeiten einzelner Institute oder Institutsgruppen schnell zu beseitigen. (2) Es kann aber auch grundsätzlich überlegt werden, wie ein rationales System „öffentlicher Banken“ in Deutschland im Rahmen der Vorgaben des EURechts und des deutschen Verfassungsrechts aussehen sollte. Die zuerst genannte Vorgehensweise hat den Vorteil, dass Teilziele angegangen werden können, die in einem überschaubaren Zeitrahmen auch realisiert werden können. Ihr Nachteil ist jedoch, dass die Einzelprobleme miteinander verknüpft sind und selten wirklich isoliert gelöst werden können. Eine Reform oder „Konsolidierung“ des Landesbankensektors macht beispielsweise keinen rechten Sinn, ohne die Funktion der Landesbanken als Zentralinstitut für die kommunalen 138 Art. 11 Abs. 1 und 2 des Richtlinienvorschlags, EUROPÄISCHE KOMMISSION, Vorschlag für eine RICHTLINIE . . ./. . ./EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über Einlagensicherungssysteme [Neufassung], vom 12. Juli 2010, KOM(2010) 368/2, 2010/xxxx (COD) {KOM(2010) 369}, {SEK(2010) 834}, {SEK (2010) 835}. 139 Vgl. BremStGH, LVerfG 13, 209 (224 ff.); BerlVerfGH 10, 96 (105); Hans D. Jarass/Bodo Pieroth, Grundgesetz, 11. Aufl. 2011, Art. 20, Rn. 10.

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Sparkassen in die Überlegungen mit einzubeziehen. Auch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Sparkassen noch immer zu einem nennenswerten Teil Eigentümer und Hauptgläubiger dieser Institute sind.140 Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass ihre Anteile im Verlauf der Krise abgenommen haben, weil sie die immensen Lasten, die zur Rettung der meisten Landesbanken erforderlich waren, nicht mehr tragen konnten, ohne selbst in Gefahr zu geraten. Zudem wird bei jeder Teilreform auf der Basis der bestehenden Gesamtstrukturen von den Betroffenen versucht werden, von ihrem isolierten Standpunkt aus nachteilig erscheinende Konsequenzen zu vermeiden. Diese Abläufe sind gegenwärtig wieder besonders anschaulich bei den Auseinandersetzungen um die Reform der Einlagensicherung141 zu beobachten, deren juristische und ökonomische Insuffizienz in Deutschland auf der Hand liegt, auch wenn Bankenvertreter aus allen Lagern jahrelang etwas anderes behauptet haben. Von einer aktiven Gestaltung dieses wichtigen Problemfeldes durch die deutsche Politik ist fast nichts zu sehen; ganz zu schweigen von einem in die Zukunft gerichteten Gesamtkonzept, das durchaus auch von nationaler Seite erarbeitet und – horribile dictu – auch einmal im Alleingang als nationale Lösung erprobt werden könnte. Auch hierbei spielen die „öffentlichen Banken“ mit ihrer besonderen „Institutssicherung“ eine wichtige Rolle. Entsprechendes gilt für die Erarbeitung neuer Regeln zum aufsichtsrechtlich erforderlichen Eigenkapital und zur Sicherung der Liquidität von Banken durch den Ausschuss für Bankenaufsicht in Basel; umgangssprachlich nunmehr meist als Basel III bezeichnet. Auch hier hat Deutschland wieder eine ungute Rolle zum Schutz seiner „öffentlichen Banken“ gespielt, aber auch um privatwirtschaftlich agierenden nationalen „Champions“ oder verstaatlichten Versagern entgegenzukommen. Ob ihnen damit aber wirklich ein Gefallen getan wird, ist eher zweifelhaft. Die Schweiz hat jedenfalls vorgemacht, was ökonomisch und juristisch möglich ist, selbst wenn die dort beschlossenen Regeln für ihre beiden nationalen „Champions“ durchaus schmerzhaft sind.142 Mittelfristig dürften sie sich aber als 140

Hilgert/Krahnen/Merl/Siekmann (Fn. 2), S. 4 ff. Oben Fn. 138. 142 Eigenkapitalquote von 19 %, vgl. Financial Times Deutschland vom 16. Juni 2011; Verringerung von Systemrisiken durch die Ausgabe von Contingent Convertible Bonds („Coco Bonds“). Ein entsprechender Vorschlag für Deutschland (Jan Pieter Krahnen/Helmut Siekmann, Rettungsstrategie ohne Moral Hazard – Versuch eines Gesamtkonzepts zur Bankkrisenvermeidung, Institute for Monetary and Financial Stability, Working Paper Series No. 38 [2010], S. 11) wurde nicht umgesetzt, sondern stattdessen ein Restrukturierungsfonds geschaffen, der durch eine ebenfalls vorgeschlagene Sonderabgabe der Banken („Bankenabgabe“) gespeist wird, nähere Einzelheiten bei Helmut Siekmann, Die Bankenabgabe in Deutschland, Der Betrieb 2011, S. 29 (= Policy Letter der Policy Platform des House of Finance der Goethe-Universität Frankfurt, April 2011). 141

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IV. Finanzinstitute

ein großer Vorteil für den dortigen Finanzplatz erweisen. Strenge oder sogar sehr strenge bankenaufsichtsrechtliche Anforderungen schützen nämlich nicht nur die Steuerzahler vor weiteren Zumutungen aus der Bankwirtschaft, sondern schaffen etwas, was in diesem Gewerbe von unschätzbarem Wert sein sollte: Vertrauen. Vor allem hat die Schweiz auch gezeigt, dass nicht erst abgewartet werden muss, was letztlich auf internationaler oder supranationaler Ebene beschlossen wird, sondern dass auch ein einzelnes Land, das ebenfalls in nennenswertem Umfang „öffentliche Banken“ kennt, eine Vorreiterrolle einnehmen kann. Davon ist aber in Deutschland fast nichts zu sehen. 2. Das inhaltliche Grundproblem Die wirklich entscheidende Frage, ob und in welcher Form Gebietskörperschaften unmittelbar oder durch verselbständigte Einheiten Bankdienstleistungen anbieten sollten, ist bei den Auseinandersetzungen um drängende Teilreformen nie ernsthaft und umfassend diskutiert worden. Die Antwort ist keinesfalls trivial. Es handelt sich nicht um das von der Wirtschaftspublizistik und von Betriebswirten gerne diskutierte Problem des fehlenden „Geschäftsmodells“ „öffentlicher Banken“, sondern ist ihm vorgelagert. Wenn entschieden ist, ob und welche Bankdienstleistungen vom Staat angeboten werden sollten, ergibt sich das „Geschäftsmodell“ zwanglos von selbst. Vor allem verbietet eine solche Entscheidung die Kreation immer neuer sogenannter Finanzprodukte für Endverbraucher, die im Wesentlichen nur den Instituten und ihrem Management einen Nutzen bereiten, für die große Mehrheit der Bevölkerung aber nutzlos oder gar schädlich sind. Diese Entscheidung ist vor dem Hintergrund der noch wenig verbreiteten Erkenntnis zu treffen, dass es die vormals mit höchster Sicherheit ausgestatteten öffentlich-rechtlichen Institute zur bequemen Versorgung der Bevölkerung mit den wirklich notwendigen Bankdienstleistungen in dieser Form nicht mehr gibt. Die darüber in der Öffentlichkeit und den Parlamenten eigentlich zu führende Diskussion hat niemals stattgefunden. Weder die Privatisierung der Deutschen Pfandbriefanstalt (Depfa) oder der Bankdienste der Post, noch der Wegfall der Staatsgarantie für Landesbanken und Sparkassen, ist in ihren wirklichen Auswirkungen der Bevölkerung jemals wirklich klar gemacht worden. Stattdessen wird an unzulänglichen Ersatzinstrumenten, wie Ratings und Einlagensicherung durch gesonderte Einrichtungen mit rechtlich und ökonomisch dubioser Leistungsfähigkeit laboriert. Entsprechendes gilt für die weitgehende Beseitigung der öffentlich-rechtlichen Hypothekenbanken und die Aufweichung des „mündelsicheren“ deutschen „Pfandbriefs“ zu einem „covered bond“ angelsächsischer Prägung, der zwar ein AAA-Rating trägt, sich im Krisenfall aber schnell als wertlos herausstellen kann. Um die wirkliche Sicherheit auch nur eines dieser Papiere verlässlich beurteilen

6. Die rechtliche Regulierung öffentlicher Banken in Deutschland

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zu können, müssen tausendseitige „covenants“ nach irischem Recht gelesen und auch verstanden werden, während zur Beurteilung der Sicherheit aller Pfandbriefe entweder nur auf Anstaltslast und Gewährträgerhaftung des emittierenden Instituts zu achten war oder wenige, kurze Vorschriften eines Gesetzes, das für alle Pfandbriefe, also eine ganze „Produktklasse“, galt, zu lesen waren. Ob es aber die Vielzahl von Landesbanken geben muss, ist durchaus fraglich. Nur werden aus der Zusammenfassung aller Landesbanken oder von WestLB AG und BayernLB nicht automatisch leistungsfähige Institute. Vor allem entsteht ein Größenproblem auf dem deutschen Bankenmarkt, denn es würden ein oder mehrere Institute entstehen, die mit Abstand das größte Bilanzvolumen aufweisen würden. 3. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit sicheren Bankdienstleistungen In der Folge der Privatisierung und tiefgreifenden Umorganisation fast aller „öffentlichen Banken“ ist die Sicherung der Einlagen und des Zahlungsverkehrs zu einem der brennendsten Probleme der Finanzwirtschaft in Deutschland geworden; von der Politik allerdings erst auf dem Höhepunkt der Krise, als ein Zusammenbruch des Banksystems kurz bevorstand, mit einer staatsrechtlich überaus fragwürdigen Garantieerklärung von Bundeskanzlerin und Bundesfinanzminister nur kurzfristig entschärft. Es gibt weiterhin gute Gründe, Kreditinstitute mit unmittelbarer Staatshaftung als Einrichtungen der Daseinsvorsorge zu betreiben.143 Wie dringend erforderlich sie sein können, zeigt die Klage des drittgrößten deutschen Versicherungskonzerns Talanx, der die Deutsche Bundesbank auf Einrichtung eines Girokontos verklagt hatte.144 Hier ging es nicht um die mehr oder weniger riskante Anlage von Geld, sondern schlicht um die wirtschaftlich dringend erforderliche sichere Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Das klagende Unternehmen hatte im Gegensatz zur breiten Bevölkerung zutreffend die schamhaft verschwiegene drastische Verschlechterung der Stellung der Endkunden durch Deregulierung und Privatisierung erkannt. Eine solche Klage wäre noch vor wenigen Jahren überflüssig gewesen. Ein schlichter Verweis auf die Konten bei den kommunalen Sparkassen, Landesbanken oder den Postscheckämtern hätte das Unternehmen klaglos stellen können. Das geht nun nicht mehr. Daran ändert auch nichts die in diesen Tagen von Verbandsvertretern wortreich beschworene „Institutssicherung“ im Bereich der Sparkassen. In diesem Zusammenhang wird weiterhin verschwiegen,

143 Dieser Aspekt ist in dem Reformvorschlag von Hilgert/Krahnen/Merl/Siekmann (Fn. 2), S. 11 ff. bewusst noch nicht weiter vertieft worden. 144 VG Frankfurt, Urteil vom 11.2.2010 – Az. 1 K 2319/09.F (Abweisung). Berufung wurde aus unbekannten Gründen nicht eingelegt.

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IV. Finanzinstitute

dass „Institutssicherung“ heute ein völlig anderes ökonomisches und juristisches Gewicht hat als noch vor zehn Jahren. Die Haftung des Staates war aus guten Gründen eingeführt worden und machte die Einführung einer umfassenden Einlagensicherung oder genauer: einer Versicherung der Einlagen durch den Staat, wie bei der Federal Deposit Insurance Corporation – FDIC in den USA, weitgehend überflüssig. Eine nicht hinreichend bedachte Folge der weitgehenden Abschaffung von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung im Bereich der „öffentlichen Banken“ hat die Gefahr eines „bankruns“, der das gesamte Bankensystem in den Abgrund stoßen kann, sehr real werden lassen und die Reform der Einlagensicherung so wichtig werden lassen, aber auch eine faktische Geiselhaft des Staates durch die Finanzinstitute zur Folge. Keine Regierung wagt mehr den Zusammenbruch des bargeldlosen Zahlungsverkehrs durch die Insolvenz auch nur eines mittelgroßen Instituts in Kauf zu nehmen. Auch die von der EU-Kommission angestoßene Reform der Einlagensicherung145 droht wieder im Gestrüpp der heterogenen Bankenstruktur und den Sonderinteressen der „öffentlichen Banken“ zu versanden oder verwässert zu werden. Die nunmehr dringend erforderlich gewordene staatliche Garantie für die Zahlungsfähigkeit der Sicherungssysteme ist auch im Entwurf der Kommission nicht vorgesehen, obschon es sie in den USA für die FDIC schon seit Jahrzehnten gibt – bei jeweils deutlich höheren abgesicherten Beträgen. 4. Wahl der Rechtsform Wenn es aber „öffentliche Banken“ geben soll, spielt die Wahl der geeigneten Rechtsform eine wichtige Rolle. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts unterliegt einem völlig anderen Rechtsregime als eine juristische Person des Privatrechts, auch wenn die öffentlich-rechtlichen Rechtsformen vom Management und seinen Beratern immer mehr für gesellschaftsähnliche Gestaltungen missbraucht werden. Nicht zuletzt sind ihre Leitungspersonen Amtsträger im strafrechtlichen Sinne. Die Entscheidung über die Rechtsform einer Bank in der Trägerschaft des Staates (im weiteren Sinne) darf auch nicht zum Spielmaterial in der Hand von Unternehmensberatern und Kautelarjuristen mutieren, das beliebig zur „Steueroptimierung“, Konzernbildung, Schaffung kontrollfreier Räume, Arbeitnehmermitbestimmung oder anderen sachfremden Zwecken eingesetzt werden kann. In jedem Fall ist es aber angezeigt, sich wieder darauf zu besinnen, dass die Anstalt des öffentlichen Rechts ein Instrument des Verwaltungsorganisationsrechts ist, wenn man „öffentliche Banken“ in dieser Rechtsform betreiben will. Politik und Kautelarjurisprudenz haben zunehmend versucht, die Anstalt des öf145

Oben Fn. 141.

6. Die rechtliche Regulierung öffentlicher Banken in Deutschland

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fentlichen Rechts als eine fast beliebig ausformbare Rechtsform zur Organisation „öffentlicher Banken“ zu etablieren, die sich weitgehend am privaten Gesellschaftsrecht orientiert. Hochrangige Rechtsberater und Ökonomen sprechen nicht selten von Gesellschaftern und Gesellschaftsanteilen, wenn von öffentlich-rechtlich organisierten Banken die Rede ist. Zumindest auf Landesebene ist es aber nicht zulässig, verwaltungsrechtliche Anstalten zu „Kapitalgesellschaften des öffentlichen Rechts“ umzuformen. Es bestehen sowohl kompetenzrechtlich Bedenken als auch Vorbehalte im Hinblick auf die Wahrung des institutionellen Gesetzesvorbehalts.146 Zahlreiche Detailregelungen in den gesetzlichen Rahmenbedingungen für „öffentliche Banken“ gehen gleichwohl in diese Richtung (Übertragbarkeit der Trägerschaft, gesellschafterähnliche Stellung der Träger, „Beleihung“ von privatrechtlichen Trägern, Bildung von Stammkapital, Beteiligung von Privatkapital), sind aber verfassungsrechtlich angreifbar. Vor allem die Beteiligung von Privatkapital an Anstalten des öffentlichen Rechts ist nicht nur aufsichtsrechtlich, sondern auch staatsrechtlich heikel. Privatrechtssubjekte als Träger von Anstalten des öffentlichen Rechts sind aber in jedem Fall rechtlich fragwürdig. 5. Verbesserung von Leitung, Aufsicht und Kontrolle „öffentlicher Banken“ Wenn und solange es aber „öffentliche Banken“ gibt, stellt sich die weitere grundlegende Frage, wie sie geleitet, beaufsichtigt und kontrolliert werden sollen. Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass hier auf allen Ebenen des gegliederten Staatswesens dringender Handlungsbedarf besteht. Der Staat hat sich in der Vergangenheit keineswegs als ein durchwegs guter „Bankier“ erwiesen. Er hat aber auch nicht immer schlechter gearbeitet als rein privatwirtschaftlich arbeitende Institute, wie die Hypo-Real-Estate und die Commerzbank. Es gibt neben der großen Mehrzahl der Sparkassen durchaus auch andere öffentlich-rechtlich organisierte Kreditinstitute, welche die Krise ordentlich gemeistert haben. Das Spannungsfeld zwischen politisch-demokratischer Einflussnahme und fachlich-ökonomischer Eigenständigkeit ist aber in jedem Einzelfall neu auszuloten. Dabei wird wohl zwischen den Sparkassen, den Landesbanken und den Förderbanken des Bundes und der Länder zu unterscheiden sein und vor allem den Bedürfnissen der Endkunden wieder viel mehr Aufmerksamkeit zu widmen sein. V. Zusammenfassung und Ergebnisse 1.

Unter „öffentlichen Banken“ sind Kreditinstitute in unmittelbarer oder mittelbarer Trägerschaft einer Gebietskörperschaft zu verstehen. 146

Siekmann (Fn. 6), S. 369 f.; Becker (Fn. 1), S. 254 ff.

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IV. Finanzinstitute

2.

Eine Bestandsaufnahme ergibt, dass ein nennenswerter Teil der „öffentlichen Banken“ materiell privatisiert oder stark umgeformt worden ist.

3.

Die Sicherung der Kunden durch Anstaltslast und Gewährträgerhaftung ist weitgehend beseitigt worden, ohne dass dies den Betroffenen hinreichend deutlich gemacht worden ist.

4.

Die bestehenden „öffentlichen Banken“ sind deutlich vielgestaltiger organisiert als noch vor wenigen Jahren.

5.

Auch „öffentliche Banken“ unterliegen regelmäßig der „allgemeinen“ Aufsicht und Kontrolle, wie sie für privatwirtschaftliche Institute in ihrer jeweiligen Rechtsform gelten.

6.

Darüber hinaus ist aus verfassungsrechtlichen Gründen eine besondere Leitung, Aufsicht und Kontrolle der „öffentlichen Banken“ durch ihr Trägergemeinwesen erforderlich; nicht zuletzt um die Einhaltung ihres besonderen öffentlichen Auftrags kontrollieren zu können.

7.

Die Prüfung durch Wirtschaftsprüfer kann diese Aufgaben nicht erfüllen.

8.

Sie ist an erster Stelle Aufgabe der Exekutive des Trägergemeinwesens.

9.

Eine bloße Rechtsaufsicht ist verfassungsrechtlich problematisch, jedenfalls dann, wenn eine Einstandspflicht des Trägergemeinwesens besteht.

10. Die Mitwirkung in Aufsichtsgremien der „öffentlichen Banken“ ist keine hinreichende Aufsicht in diesem Sinne. 11. Darüber hinaus sind die parlamentarische Kontrolle und die Kontrolle durch die Rechnungshöfe ganz wesentlich. 12. Die Kontrolle durch Sicherungseinrichtungen kann wirksam und sinnvoll sein. 13. Öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Mischformen dürfen nicht zu einer Ausdünnung von Aufsicht und Kontrolle führen. 14. Der Einsatz des Instituts der Beleihung ist nur dann rechtlich akzeptabel, wenn ein durchgehender Aufsichts- und Leitungsstrang auch gegenüber dem Beliehenen gesichert ist. 15. Überlegungen zur Neuordnung der „öffentlichen Banken“ müssen zuerst die Frage beantworten, ob und welche Bankdienstleistungen der Staat unmittelbar oder mittelbar anbieten sollte. 16. Eine Grundversorgung der Bevölkerung mit einfachen Bankdienstleistungen, die sicher, einfach, kostengünstig und leicht erreichbar ist, ist eine staatliche Aufgabe. Hier liegt in weitem Umfang Marktversagen vor.

6. Die rechtliche Regulierung öffentlicher Banken in Deutschland

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17. Ob ein reformiertes Einlagensicherungssystem die notwendige Sicherheit bieten kann, ist zweifelhaft, solange keine Staatsgarantie für die Sicherungseinrichtungen besteht. 18. Es ist an eine Reaktivierung von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung für einfache Institute zur Grundversorgung der Bevölkerung zu denken. 19. Leitung und Kontrolle des Managements „öffentlicher Banken“ müssen aber wesentlich strenger werden, um jegliche Risiken für die öffentlichen Haushalte auszuschließen. Gehaltsmäßig muss ihre Leitung so uninteressant sein, dass sie weder für Politiker noch für „Finanzingenieure“ attraktiv ist.

V. Finanzverantwortung des Staates für selbständige Einheiten

1. Haftung der Kommunen für ihre privatrechtlich organisierten Unternehmen* I. Einführung 1. Die Freiheit der Wahl privatrechtlicher Organisationsformen Grundsätzlich dürfen Kommunalkörperschaften privatrechtliche Organisationsformen zur Erfüllung ihrer Aufgaben wählen, soweit nicht ausnahmsweise spezialgesetzliche Regelungen entgegenstehen oder der Einsatz hoheitlicher Zwangsmittel erforderlich ist. Diese Freiheit ist durchgängig von der Rechtsprechung anerkannt worden1 und ist auch ganz überwiegende Meinung im Schrifttum.2 Allerdings unterliegen die Kommunen dabei einigen Einschränkungen des Kommunalwirtschaftsrechts des jeweiligen Landes, dem sie angehören. Diese ursprünglich bundesweit recht einheitlich geregelte Materie hat sich in letzter Zeit immer weiter auseinander entwickelt. Ein grundsätzliches Verbot privatrechtlicher Organisationsformen ist aber bisher in keinem Bundesland ausgesprochen worden. Allerdings wurde in einigen Ländern der Vorrang öffentlich-rechtlicher Organisationsformen angeordnet.3 Vereinzelt ist auch das „Kommunalunternehmen“ als

* Erstveröffentlichung in: Günter Püttner (Hrsg.), Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, Baden-Baden, 2002, S. 159–180. 1 Vgl. BGZ 91, 84 (86, 95); OVG NW, NWVBl. 1995, 173 (174): „[. . .] steht es im Ermessen der Stadt, ob sie die Daseinsvorsorge mit den Gestaltungsmitteln des öffentlichen Rechts oder in den Formen des Privatrechts betreiben will“. 2 Ossenbühl (1971), S. 518; Ehlers (1984), S. 113 mit Einschränkungen,§ 3 Rn. 9; Maurer (2000), § 3 Rn. 9. s. a. Erbguth/Stollmann (1993), S. 799. 3 Sachsen Anhalt: „Die Gemeinde darf ein Unternehmen in einer Rechtsform des Privatrechts nur unterhalten, errichten, übernehmen, wesentlich erweitern oder sich daran beteiligen, wenn 1. . . . der öffentliche Zweck des Unternehmens nicht ebenso durch einen Eigenbetrieb oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts erfüllt wird oder erfüllt werden kann [. . .]“, § 117 Abs. 1 GO LSA; Thüringen: „Die Gemeinde darf Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts nur gründen, deren Zweckbestimmung ändern oder sich an solchen Unternehmen nur beteiligen, wenn 1. [. . .]. 2. Der öffentliche Zweck nicht ebenso gut in einer Rechtsform des öffentlichen Rechts, insbesondere durch einen Eigenbetrieb der Gemeinde erfüllt werden kann oder wenn Private an der Erfüllung des öffentlichen Zwecks wesentlich beteiligt werden sollen und die Aufgabe hierfür geeignet ist“, § 73 Abs. 1 GO Thür. In Niedersachsen (§ 108 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 NGO), Rheinland-Pfalz (§ 92 Abs. 1 GO RhPf) und Schleswig-Holstein (§ 102 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO SchlH) sind die Gemeinden aufgefordert, Vor- und Nachteile der im Einzelfall gewählten Organisationsform zu untersuchen und das Ergebnis der Aufsichtsbehörde vorzulegen.

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V. Finanzverantwortung des Staates für selbständige Einheiten

rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts eingeführt worden4, bisher aber lediglich als Angebot an die Kommunen, wenn man von den Sonderfällen des Berliner Betriebegesetzes5 und des Gesetzes zur Errichtung der Stadtreinigung Hamburg6 absieht.7 Wenn privatrechtliche Organisationsformen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gewählt werden, schreibt das Kommunalwirtschaftsrecht regelmäßig vor, dass nur solche Formen zulässig sind, bei denen die Haftung der Trägerkörperschaft auf einen bestimmten Geldbetrag beschränkt ist. Parallele Vorschriften finden sich im Haushaltsrecht des Bundes und der Länder. Deshalb benutzen die Kommunalkörperschaften regelmäßig Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Es finden sich aber immer auch noch Aktiengesellschaften, obschon diese Gesellschaftsform einige Nachteile beim Einsatz zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben aufweist. 2. Haftungsbegrenzung durch die Wahl der Organisationsform Nicht sicher ist indes, dass sich der Staat im weitesten Sinne überhaupt einer Haftung entziehen darf, indem er eine der haftungsbeschränkten Organisationsformen des Zivilrechts für seine Einrichtungen wählt. Eine möglicherweise fragwürdige Umgehung öffentlich-rechtlicher Haftungsgrundsätze durch die Wahl der Organisationsform dürfte aber nur dann in Betracht kommen, wenn der Einsatz öffentlich-rechtlicher Formen ausnahmslos oder zumindest regelmäßig eine (unbeschränkte) Haftung des Trägergemeinwesens zur Folge hätte. Der Träger einer rechtlich selbständigen Einrichtung des öffentlichen Rechts haftet nicht automatisch für deren Verbindlichkeiten.8 Erforderlich ist eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung (Gewährträgerhaftung) oder Garantieübernahme. Das gilt namentlich für die Unternehmen der öffentlichen Hand, die als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts organisiert sind, wie fast alle Banken und Versicherungen des Staates und der Kommunen oder die verschiedenen Betriebe der Daseinsvorsorge des Landes Berlin. 4 Vorreiter war Bayern: Art. 89 BayGO. Es folgten Rheinland-Pfalz: § 86a GO RhPf, und Nordrhein-Westfalen: § 114a GO NW. 5 Art. I des Eigenbetriebsreformgesetzes, GVBl. 1993, 319. 6 Gesetz zur Errichtung der Anstalt Stadtreinigung Hamburg (SRG), GVBl. 1994, 79. 7 Einen anderen Weg ist Baden-Württemberg gegangen, indem es sein Eigenbetriebsgesetz grundlegend umgestaltet hat: Gesetz über die Eigenbetriebe der Gemeinden (EigBG) v. 08.01.1992, GVBl. 1992, 22. 8 Vgl. Siekmann (1993), S. 366 ff.; Püttner (1985), S. 186, der aber zutreffend darauf hinweist, dass dieser Grundsatz nirgends in allgemeiner Form verankert ist und aus der Natur der juristischen Person als selbständiger Rechtspersönlichkeit abgeleitet werden muss; skeptisch gegenüber diesem Begründungsansatz Naendrup (1967), S. 47, Fn. 1.

1. Haftung der Kommunen für ihre privatrechtlich organisierten Unternehmen 895

Eine derartige Haftungsbegrenzung gilt indes nicht für nichtrechtsfähige Sondervermögen, Regiebetriebe und Eigenbetriebe. Schulden dieser Einrichtungen sind Schulden des Trägers selbst.9 Der Staat kann sich nicht einer Haftung durch Bildung von (rechtlich unselbständigem) Sondervermögen entziehen.10 Dieses vielgestaltige Bild dürfte es aber verbieten, von einer allgemeinen Haftung des Staates für seine rechtlich verselbständigten Einrichtungen im öffentlich-rechtlichen Bereich auszugehen, die unabhängig von einer positivrechtlichen Anordnung besteht. Das muss im Grundsatz erst recht für Rechtssubjekte des Privatrechts gelten, derer sich der Staat bedient.11 Diese Grundsätze sind mit verfassungsrechtlichen Argumenten in Zweifel gezogen worden. Dadurch, dass der Staat „illiquide Verwaltungseinheiten unterhalte“, lasse er es zu einer „verfassungsrechtlich verbotenen Sonderopferlage“ kommen. Die Haftungsbeschränkung mit anschließendem Forderungsausfall stelle ein Sonderopfer der Gläubiger dar, das lediglich durch einen haftungsrechtlichen „Durchgriff“ behoben werden könne.12 Diese Auffassung hat sich indes nicht durchzusetzen vermocht. Missbrauchsfalle könnten verfassungskonform über die allgemeinen Grundsätze einer Durchgriffshaftung aufgefangen werden.13 Entsprechendes gilt für die noch weiter reichende Deutung, nach der grundsätzlich die Haftungsbegrenzungen des Zivilrechts der öffentlichen Hand vorzuenthalten sind. Eine derartige Einschränkung wäre aber kaum mit der grundsätzlich anerkannten Freiheit der öffentlichen Hand zu vereinbaren, haftungsbegrenzende Organisationsformen des Zivilrechts einzusetzen.14 Auch die zahlreichen Vorschriften, die ausdrücklich die Wahl haftungsbegrenzter Formen verlangen15, wären sinnlos. Wenig gibt das Europarecht für eine Haftungsbegrenzung her. Jedenfalls kann nicht aus dem angeblichen Beihilfecharakter einer unbeschränkten Haftung auf deren Unzulässigkeit nach Art. 86 Abs. 1 EGV geschlossen werden. Unabhängig davon, ob die aus einer bestimmten Organisationsform fließende Haftung (nicht: Garantieübernahme) überhaupt eine Beihilfe im Sinne des Europarechts sein kann, ist ein derartiger Schluss nicht möglich.16

9 Püttner (1985), S. 186; vgl. aber auch die Darstellung bei Gundlach (1999), S. 820, die in die entgegengesetzte Richtung deutet. 10 Gundlach (1999), S. 822, will aber ein allgemeines Sonderinsolvenzverfahren analog § 11 Abs. 2 InsO dort zulassen, wo die Haftung gegenüber den Gläubigern auf das Sondervermögen beschränkt ist (S. 822); dazu mehr unten II. 1. 11 Brüning (1997), S. 119. 12 Naendrup (1967), S. 179 ff., 204. 13 Püttner (1985), S. 187. 14 Kuhl/Wagner (1995), S. 439. 15 Z. B. § 108 Abs. 1 Nr. 3 GO NW. 16 So aber Ruffert (2001), S. 54 f.

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V. Finanzverantwortung des Staates für selbständige Einheiten

3. Die praktische Bedeutung von Haftung und Haftungsbegrenzung für öffentliche Unternehmen Zahlreiche öffentliche Unternehmen, vor allem auch in kommunaler Trägerschaft, arbeiten mit einer sehr knappen Finanzausstattung. Ohne die Zuwendungen ihrer Träger wären sie regelmäßig nicht überlebensfähig.17 Aber auch wenn sie einzelwirtschaftlich rentabel arbeiten, vermindert die Erfüllung des mit ihnen verfolgten öffentlichen Zweckes ihren Ertrag. Dies liegt nicht etwa an der mangelnden Fähigkeit dieser Unternehmen, wirtschaftlich zu handeln, sondern an der Struktur der Leistungen, die sie zu erbringen haben. Regelmäßig treten die öffentliche Hand und ihre Unternehmen dort ein, wo die erwerbswirtschaftlich orientierte Privatinitiative kein oder kein entsprechend großes Angebot an Leistungen zur Verfügung stellen würde (Marktversagen). Immer häufiger handelt es sich zudem um Aktivitäten, die ursprünglich zum Kernbereich öffentlicher Verwaltung gerechnet wurden. Sie wurden unmittelbar von der Verwaltung oder allenfalls Regiebetrieben durchgeführt. Errichtung und Unterhaltung eines privatrechtlich organisierten Unternehmens, das wegen seiner Ausrichtung auf Dauer Verluste macht und machen muss, ist daher nichts Ungewöhnliches. Öffentliche Aufgaben können in großem Umfang nicht (einzelwirtschaftlich) rentabel erfüllt werden. Sonst wären sie regelmäßig keine öffentlichen Aufgaben.18 Hinzu kommt aber noch ein weiterer Gesichtspunkt. Die öffentliche Hand stattet ihre Unternehmen häufig mit einem im Verhältnis zum Umfang der Geschäftstätigkeit viel zu geringem Eigenkapital aus. In gesellschaftsrechtlichen Kategorien gesprochen, liegt eine materielle Unterkapitalisierung vor. Auch das ist leicht damit zu erklären, dass es sich regelmäßig um Aktivitäten handelt, die unmittelbar von der Verwaltung erbracht wurden und für die es ebenfalls kein Eigenkapital in den Kategorien des Gesellschaftsrechts gab. Es sind also zwei Umstände, die tendenziell für Gläubiger und (Mit-)Gesellschafter eines öffentlichen Unternehmens erhebliche finanzielle Risiken in sich bergen können: (1) die durch Widmung oder Statut (Gesellschaftsvertrag) zu erfüllenden Aufgaben, die prinzipiell und auf Dauer zu Verlusten des Unternehmens führen oder führen können, (2) die (zu) geringe Ausstattung mit (haftendem) Eigenkapital. Kompensiert werden diese Risiken aber regelmäßig dadurch, dass das Trägergemeinwesen tatsächlich die entstehenden Verluste in irgendeiner Form trägt und so für den Fortbestand des Unternehmens sorgt. Anders als bei haftendem Eigen17

Vgl. Parmentier (2000), S. 22. Daneben gibt es auch noch die Bereiche, in denen Privatpersonen nicht tätig werden dürfen. Sie sollen hier aber nicht näher betrachtet werden. 18

1. Haftung der Kommunen für ihre privatrechtlich organisierten Unternehmen 897

kapital, für dessen Erhaltung zahlreiche Regeln des Gesellschaftsrechts sorgen, sind diese Zuschüsse und Zuweisungen jedoch nicht rechtlich gesichert, sondern entsprechen nur der (langjährigen) Praxis und dem Eigeninteresse des Trägergemeinwesen, das zum Teil sogar verpflichtet ist, den mit dem öffentlichen Unternehmen verfolgten öffentlichen Auftrag zu erfüllen. Es kann daher zu Schwierigkeiten kommen, wenn diese Mittel ausbleiben, auch wenn solche Fälle bisher extrem selten gewesen sind.19 Unter Verkennung dieser fundamentalen Gegebenheiten sind aber bereits staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren wegen Untreue (zum Nachteil des Trägergemeinwesens) eingeleitet worden. Wenn die erhofften oder gewohnten Subsidien verringert werden oder gänzlich entfallen, kann dies sowohl auf rechtlichen wie auf tatsächlichen Umständen beruhen. Rechtsgründe, die für eine Umorientierung sorgen, sind vor allem das europarechtliche Beihilfereglement, der Wegfall von Steuervergünstigungen und die Änderungen von Finanzierungsregeln außenstehender Körperschaften (Bund, Länder, Sozialversicherungsträger). Tatsächliche Gründe sind namentlich Änderungen der Mehrheitsverhältnisse in Kommunalparlamenten, geänderte politische Anschauungen (Kernenergie, U-Bahnbau) und Verringerung finanzieller Spielräume (Quersubventionierung des Nahverkehrs durch Gewinne im Versorgungsbereich). Folgende Zahlungsunfähigkeiten seit dem ersten Weltkrieg sind in der Rechtsprechung behandelt worden: – Wittener Straßenbahnen GmbH,20 – Berliner Opernbühne,21 – Düsseldorfer Beschäftigungsgesellschaft mbH,22 – Kurbetriebsgesellschaft mbH.23 Trotz der Seltenheit eines finanziellen Scheiterns kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform ist es daher angebracht, drei Fragen näher zu untersuchen: 19 Sie sind praktisch nicht mehr vorgekommen, vgl. Schmidt (1990), S. 503. Bekanntgeworden ist der Fall der Wittener Straßenbahn GmbH durch die lange Zeit einzige höchstrichterliche Entscheidung zum Thema: RGZ 148, 101. Noch im Jahre 1995 konstatierten Kuhl/Wagner (1995), dass seit Bestehen der Bundesrepublik ein Konkursverfahren über das Vermögen einer kommunalen Eigengesellschaft offensichtlich nicht stattgefunden habe (S. 433). Sie wiesen allerdings bereits auf den Konkurs der Beschäftigungsgesellschaft im Fall des OLG Düsseldorf, ZIP 1995, S. 465, und der kommunalen Kurbetriebsgesellschaft im Fall des LG Hannover, NdsVBl. 1999, S. 221, hin; dazu näher unten V. 20 RGZ 148, 101. 21 BGHZ, in: Monatszeitschrift für Deutsches Recht, Jg. 1975, S. 826. 22 OLG Düsseldorf, in: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP, Jg. 1995, S. 465. 23 LG Hannover, in: Niedersächsische Verwaltungsblätter, Jg. 1999, S. 221; bestätigt von OLG Celle, in: Der Betrieb, Jg. 2000, S. 2261.

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V. Finanzverantwortung des Staates für selbständige Einheiten

(1) Sind privatrechtlich organisierte Unternehmen insolvenzfähig (konkursfähig)? (2) Muss das Trägergemeinwesen diese Unternehmen mit hinreichenden Ressourcen ausstatten, damit materiell keine Zahlungsunfähigkeit eintritt? (3) Haftet das Trägergemeinwesen unmittelbar den Gläubigern eines solchen Unternehmens? Dabei ist vor allem auch der Entsprechung von Haftungsbegrenzung und Gläubigerschutz durch Transparenz und Schutz eines ausgewiesenen Haftkapitals Aufmerksamkeit zu schenken. II. Die Insolvenzfähigkeit kommunaler Gesellschaften Die Insolvenzfähigkeit von Gesellschaften, die von einer Kommune getragen werden, könnte aufgrund der Gesellschafterstellung der öffentlichen Hand ausgeschlossen sein. Diese Frage ließe sich aber leicht verneinen, wenn auch über das Vermögen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, namentlich der Kommunalkörperschaften, ein Insolvenzverfahren durchgeführt werden dürfte. Dann bestünden keine sachlichen Gründe, ein Insolvenzverfahren für die von ihnen getragenen Gesellschaften des privaten Rechts auszuschließen. Deshalb ist zunächst die Zulässigkeit des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu untersuchen. 1. Unzulässigkeit von Insolvenzverfahren über das Vermögen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts Unzulässig ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bundes oder eines Landes sowie einer sonstigen juristischen Person des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes untersteht, wenn das Landesrecht dies bestimmt (§ 12 Abs. 1 InsO). Mit dieser Vorschrift soll die Funktionsfähigkeit der Staatsgewalt und der öffentlichen Verwaltung gesichert werden.24 Der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung dieser Einrichtungen soll allein mit staats- oder verwaltungsrechtlichen Mitteln begegnet werden.25 Sicher ist jedenfalls, dass „das allgemeine Konkursrecht für einen Staatsbankrott weder gedacht noch geeignet ist“.26 Wenn man das Insolvenzverfahren aber auf Gegenstände beschränken würde, die für die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben entbehrlich sind, wären kaum zu bewältigenden Abgrenzungsschwierigkeiten die Folge.27 Zudem müss24

Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/2443, S. 113. Kirchhof (2001), Rn. 2, unter Berufung auf BVerfGE 15, S. 135 f., wo das so aber nicht steht. 26 BVerfGE 15, S. 126 (135 L); s. a. BVerfGE 41, S. 126 (151 f.). 27 Baur/Stürner (1990), Rn. 6.39. Das wurde auch im Streit um den Konkurs der Stadt Glashütte im Jahre 1929 deutlich, den das Sächsische Oberverwaltungsgericht im 25

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ten ernste verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet werden, wenn ein Insolvenzverwalter oder eine Gläubigerversammlung anstelle der demokratisch legitimierten Staatsorgane Entscheidungen treffen dürften, die sich maßgebend auf die Erfüllung von Staatsaufgaben auswirken.28 Deshalb haben alle Länder von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Insolvenzverfahren für unzulässig zu erklären, allerdings in sehr unterschiedlichem Umfang. Übereinstimmung herrscht aber insoweit, als es in keinem Land über das Vermögen von Gemeinden stattfinden darf.29 Dementsprechend ordnet § 125 Abs. 2 GO für die Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen an, dass „ein Insolvenzverfahren“ über ihr Vermögen „nicht zulässig ist“. Diese Insolvenzunfähigkeit erstreckt sich auch auf die rechtlich unselbständigen Eigenbetriebe der Kommunen.30 Allerdings findet sich im Schrifttum auch ein Vorstoß in die entgegengesetzte Richtung, jedoch beschränkt auf haftungsrechtlich abgesonderte öffentlich-rechtliche Sondervermögen. In analoger Anwendung von § 11 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) sei für diese ein Sonderinsolvenzverfahren zulässig. Dem könne auch nicht entgegengehalten werden, dass die Erledigung öffentlicher Aufgaben, die mit diesem Sondervermögen verfolgt wird, in Frage gestellt werde.31 Problematisch ist aber schon, wie eine derartige haftungsrechtliche Absonderung erfolgen soll. Die bloße Bildung von Sondervermögen hat zunächst nur (begrenzte) haushaltsrechtliche, nicht aber haftungsrechtliche Konsequenzen.32 Das gilt auch für die wirtschaftlichen Betriebe des Bundes33 und der Länder34 sowie die kommunalen Eigenbetriebe.35 Die haftungsrechtliche Verselbständigung dieser Einrichtungen bedürfte zumindest einer gesetzlichen Grundlage, wenn sie verfassungsrechtlich überhaupt tragbar sein soll. Nach der jetzigen Regelung steht den Gläubigern aber ein haftungsrechtlich abgesondertes Vermögen nicht zur Verfügung.36 Die rudimentären Kapitalerhaltungsregeln im Recht der Eigenbetriebe entsprechen auch nicht annähernd den dahingehenden Vorschriften zum Gläubigerschutz im Recht der Kapitalgesellschaften. wesentlichen zugunsten der Stadt entschied, die ihr gesamtes Vermögen für unentbehrlich hielt, vgl. Lehmann (1999), S. 94, mit Darstellung der abweichenden Auffassungen im Schrifttum (S. 95 ff.). 28 Sinngemäß ebenso BVerfGE 66, S. 1 (21) für öffentlich-rechtliche Kirchen. 29 Zusammenstellung der verschiedenen Regelungen bei Kirchhof (2001), Rn. 3. 30 Im Ergebnis übereinstimmend Kirchhof (2001), Rn. 7; Gundlach (1999), S. 822. 31 Gundlach (1999), S. 822. 32 Z. B. § 113 BHO, § 113 LHO NW, § 95 Abs. 2 GO NW i.V. m. § 44 GemHVO NW. 33 § 26 Abs. 1 u. 2 BHO. 34 Z. B. § 26 Abs. 1 u. 2 LHO NW. 35 Z. B. § 114 GO NW i.V. m. §§ 9 ff. EigenbetriebsVO NW. 36 Vgl. Püttner (1985), S. 186.

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Das Bundesverfassungsgericht hatte bisher keine Bedenken, wenn der einfache Gesetzgeber für juristische Personen des öffentlichen Rechts die Konkursfähigkeit ausgeschlossen hat. Freilich hat es sich näher meist nur mit Kompetenzfragen befasst, in der Sache aber die Möglichkeit fraglos akzeptiert wie beim Landesverband der Betriebskrankenkassen in Bayern37 oder der Landesärztekammer in Hessen38. Im Schrifttum sind allerdings verfassungsrechtliche Einwände erhoben worden, wenn der Gesetzgeber von seiner Befugnis unterschiedlichen Gebrauch macht und die Gerichte bei fehlender ausdrücklicher Regelung der Konkursunfähigkeit zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen.39 Die Konkursunfähigkeit von Kirchen und ihren Organisationen, soweit sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, sowie für die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten hat das Bundesverfassungsgericht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet.40 Es handelte sich also nicht um Maßnahmen des einfachen Gesetzgebers, die an der Verfassung zu messen wären. 2. Insolvenzrechtliche Stellung der Gesellschaften in kommunaler Trägerschaft Für kommunale Einrichtungen und Unternehmen, die in der Form von juristischen Personen des Privatrechts geführt werden, sollen „im allgemeinen“ keine Besonderheiten gelten. § 11 InsO sei auch auf Gesellschaften anzuwenden, deren Gesellschafter Körperschaften des öffentlichen Rechts seien (Eigengesellschaften).41 Danach bliebe es insoweit bei der Grundregel, dass ein Insolvenzverfahren über das Vermögen jeder natürlichen und jeder juristischen Person eröffnet werden kann. Die Tatsache, dass eine Einrichtung ganz oder teilweise der Erfüllung öffentlicher Aufgaben gewidmet ist, hätte insolvenzrechtlich insoweit keine Bedeutung. Diese Aussagen bedürfen aber einer Vertiefung. Vor allem ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Einschränkungen von der Grundregel („im allgemeinen“) vorzunehmen sind. Der Staat in allen seinen Erscheinungsformen hat sich schon seit langem der Organisationsformen des privaten Rechts zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient, namentlich im Bereich der sogenannten Daseinsvorsorge. Diese Entwicklung hat sich aber in den letzten Jahren stark beschleunigt und auf immer neue Tätigkeitsfelder ausgedehnt. Zahlreiche Aufgaben, die bislang unmittelbar durch die Verwaltung (Ämterverwaltung) oder durch mehr oder weniger verselbständigte Ein37

BVerfGE 60, S. 135 (140). BVerfGE 65, S. 359 (364). 39 Baur/Stürner (1990), Rn. 6.42. 40 BVerfGE 66, S. 1 (19 f.) – Kirchen; BVerfGE 89, S. 144 (153 f.) – öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten; im Ergebnis ebenso Kempen (1988), S. 551 f. 41 Kirchhof (2001), Rn. 7; Kuhl/Wagner (1995), S. 434; ähnlich Gundlach (1999), S. 822. 38

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heiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit (Regiebetriebe, Eigenbetriebe, Sondervermögen) wahrgenommen worden waren, sind nunmehr auf eigens gegründete juristische Personen des Privatrechts übertragen worden. Damit stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit eines Insolvenzverfahrens auf ähnliche Weise wie bei den öffentlich-rechtlich organisierten Einrichtungen auch für diese privatrechtlichen „Trabanten“ öffentlicher Verwaltung. Die Sachgründe, die gegen die Zulässigkeit sprechen, sind dieselben. Nicht selten erfüllen sie dieselben öffentlichen Aufgaben wie zuvor die öffentlich-rechtlichen Einheiten. Der eigentliche Sachgrund für die Insolvenzfähigkeit von Eigengesellschaften ist darin zu sehen, dass ein Durchgriff auf Vermögen und Einnahmen der letztlich hinter ihnen stehenden öffentlich-rechtlichen Gesellschafter grundsätzlich nicht möglich ist. Statt dessen steht den Gläubigern ein haftungsrechtlich abgesondertes Vermögen zur Verfügung. Dieses Ergebnis ist auch vom Gesetzgeber angestrebt, wie die Regelung in § 108 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GO NW zeigt. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die Gläubiger einer kommunalen Eigengesellschaft möglicherweise eine (berechtigte) Expektanz hegen, dass das Trägergemeinwesen dafür sorgen werde, dass die Gesellschaft zahlungsfähig bleibt, ungeachtet wie hoch ihre Verbindlichkeiten sind. 3. Die Erfüllung des öffentlichen Auftrags in der finanziellen Krise Bei öffentlichen Sachen wird angenommen, dass durch die Widmung eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft begründet wird, die wie eine Dienstbarkeit auf dem Eigentum laste.42 Schon der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft soll zu entnehmen sein, dass dem widmenden Aufgabenträger, unabhängig von der eigentumsrechtlichen Zuordnung, ein Recht zum Besitz zustehe, damit der Widmungszweck nicht vereitelt werde.43 Teilweise wird aber auch wegen der Grundrechtsrelevanz eine besondere gesetzliche Grundlage gefordert.44 Das könnte ein Insolvenzverfahren insoweit ausschließen, als es derartige Gegenstände ihrer öffentlichen Zweckbestimmung entziehen würde. Ein Krankenhaus, eine Strafvollzugsanstalt oder ein Feuerwehrfahrzeug dürften danach zum Beispiel nicht in die Masse fallen, auch wenn sie von einer Gesellschaft des privaten Rechts getragen und betrieben werden. Das wäre nur schwer mit ihrer öffentlichen Zweckbestimmung zu vereinbaren. Allerdings sahen sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen keine Möglichkeit, diesen Rechtsgedanken auf Sachen im Verwaltungsgebrauch zu übertragen.45 Aus diesem 42

OVG NW, NWVBl. 1993, S. 348 (349) m.w. N. Z. B. VG Köln, NWVBl. 1991, S. 425 (427); Erbguth (1981), S. 154. 44 BVerwG, NJW 1980, S. 2538 (2540); OVG NW, NWVBl. 1993, S. 348 (350); Axer (1992), S. 13. 45 BVerwG, NJW 1980, S. 2538 (2540); OVG NW, NWVBl. 1993, S. 348 (351). 43

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Grunde gab das Bundesverwaltungsgericht der Klage eines Vertragspartners einer Gemeinde statt, mit der dieser Rückübertragung eines mittlerweile mit einem Rathaus bebauten Grundstücks aus ungerechtfertigter Bereicherung gefordert hatte.46 4. Eingeschränkte Bedeutung der Insolvenzfähigkeit Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die Frage nach der Insolvenzfähigkeit nur in sehr begrenztem Umfang Auskunft darüber geben kann, ob ein Gläubiger mit seiner Forderung ausfällt oder nicht. Selbst wenn die Unzulässigkeit des Insolvenzverfahrens feststeht, bedeutet das noch nicht, dass eine Forderung auch beglichen wird. Das Insolvenzverfahren dient dazu, den Mangel auf geordnete Art und Weise zu verteilen. Insolvenzrecht ist daher in erster Linie Verfahrensrecht. Sein Ausschluss („Konkursunfähigkeit“) hat lediglich zur Folge, dass der Mangel auf andere Art und Weise verteilt werden muss.47 Bei Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben zu erfüllen haben, kann auf diese Weise die Beeinträchtigung der Aufgabenerfüllung zu Lasten der Gläubiger gering gehalten werden. Eine materielle Sicherung der Leistungsfähigkeit der „konkursunfähigen“ Einrichtung ist damit aber nicht verbunden.48 Sie bedarf gesonderter Untersuchung. An erster Stelle ist dabei zu prüfen, ob den Träger einer solchen Einrichtung zumindest im Innenverhältnis die Pflicht trifft, die materiellen Voraussetzungen für ihre Leistungsfähigkeit zu schaffen und zu erhalten. Darüber hinaus kommt aber auch eine unmittelbare Haftung des Trägergemeinwesens für die Verbindlichkeiten des Unternehmens in Betracht. Eine solche Haftung würde der Frage nach der Insolvenzfähigkeit des Unternehmens die sachliche Berechtigung entziehen. III. Die Pflicht zur Ausstattung der Unternehmen mit hinreichenden Ressourcen (Innenverhältnis) 1. Pflicht des Trägergemeinwesens zur Ausstattung seiner Gesellschaften mit angemessenem Kapital Auch wenn grundsätzlich zu erwägen ist, dass das Trägergemeinwesen seine Gesellschaft mit einem angemessenen Stammkapital auszustatten hat49, ergeben 46

BVerwG, NJW 1980, S. 2538 (2540). Mittelbar wirkte sich die Konkursfähigkeit (Insolvenzfähigkeit) aber vor allem für die Beitragspflicht zur Konkursausfallversicherung aus. Zu dieser Frage sind auch fast alle gerichtlichen Entscheidungen ergangen. Da der Gesetzgeber die Beitragspflicht an die Konkursfähigkeit geknüpft hatte, ging er wohl davon aus, dass konkursunfähige Einrichtungen immer die Löhne und Gehälter der Bediensteten würden zahlen können. 48 Vgl. auch Lehmann (1999), S. 107. 49 Dazu näher Oettle (1964). 47

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sich zahlreiche Schwierigkeiten. Namentlich kann das Stammkapital kaum die typischen Gefahren für die Gläubiger einer kommunalen Gesellschaft abdecken.50 Hinzu kommt das Fehlen betriebswirtschaftlich zwingender Maßstäbe für die konkrete Bemessung.51 2. Verstoß gegen das Kapitalrückzahlungsverbot Wenn eine Trägerkommune auf Dauer ihre Gesellschaft verlustträchtige öffentliche Aufgaben erfüllen lässt, könnte darin ein Verstoß gegen das gesellschaftsrechtliche Kapitalrückzahlungsverbot liegen. Es könnte eine Leistung ohne hinreichende Vergütung an die Gesellschafter vorliegen, die nicht mit § 30 GmbHG vereinbar ist. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass es der Zweck der Gesellschaft ist, diese Tätigkeiten durchzuführen. Da dieser Zweck regelmäßig den Gläubigern der Gesellschaft bekannt ist, werden solche verlustträchtigen Aktivitäten nicht vom Schutzmechanismus der §§ 30 f. GmbHG erfasst. Das gilt selbst dann, wenn das verbundene Vermögen tangiert wird. Ein effektiver Gläubigerschutz wäre ohnehin nicht damit verbunden, da das haftende Stammkapital dafür – zulässigerweise – ohnehin viel zu gering wäre.52 3. Sicherung der fortwährenden Zahlungsfähigkeit durch das Trägergemeinwesen (Insolvenzabwendungsgebot) a) Die Praxis Weite Teile der staatlichen und kommunalen Daseinsvorsorge können nicht in vollem Umfang durch Entgelte und entgeltgleiche Leistungen, die an ihre Stelle treten53, finanziert werden. Das ist häufig auch nicht angestrebt, obwohl § 6 Abs. 1 Satz 3 Kommunalabgabengesetz (KAG) grundsätzlich Kostendeckung bei Benutzungsgebühren verlangt. Es entspricht gängiger Praxis, diese Einrichtungen aus politischen oder sozialpolitischen Gründen auf Dauer zumindest teilweise aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu finanzieren. Klassische Beispiele sind in den letzten Jahren der öffentliche Personennahverkehr und die kommunalen Kultureinrichtungen gewesen. Diese Unterstützung wird auf sehr unterschiedlichen Wegen realisiert. Als Beispiele seien nur genannt: – direkte Verlustübernahme, – Eigenkapitalzuführung, 50 51 52 53

Vgl. Parmentier (2000), S. 232. Raiser (1992), § 29, Rn. 33. Vgl. Parmentier (2000), S. 156. Z. B. Leistungen nach § 45a PBefG.

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– Querverbund mit profitablen öffentlichen Unternehmen, – Kreditaufnahme mit Garantieübernahmen der Trägergemeinwesen. Die grundsätzliche Zulässigkeit dieser Vorgehensweisen ist bislang nicht ernsthaft bezweifelt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat dahingehende Verfassungsbeschwerden regelmäßig nicht einmal zur Entscheidung angenommen. Ob und in welchem Ausmaß das europäische Beihilferecht und das daraufhin angepasste nationale Recht Einschränkungen verlangen, ist gegenwärtig einer der meistdiskutierten Punkte des öffentlichen Wirtschaftsrechts. Keinesfalls folgt daraus aber eine generelle Unzulässigkeit von öffentlichen Einrichtungen, die auf Dauer aus allgemeinen Haushaltsmitteln unterstützt werden müssen. Wenn die dafür zuständigen Entscheidungsträger in voller Kenntnis der Umstände sich dafür entscheiden, eine defizitäre öffentliche Einrichtung zu schaffen oder beizubehalten, kann das keine Pflichtwidrigkeit sein. Andernfalls wären alle Subventionen, also Steuervorteile und Transferzahlungen des öffentlichen Sektors an Private, rechtswidrig und möglicherweise strafbar. Zu untersuchen ist aber, ob sich aus der Seltenheit von Insolvenzen in der Vergangenheit54 die Erwartung bilden durfte, dass eine von der öffentlichen Hand getragene Einrichtung zahlungsfähig bleiben würde, solange sie besteht, und zwar unabhängig von der gewählten Organisationsform. b) Die objektivrechtliche Pflicht der Kommune zum Ausgleich von Verlusten (Konkursabwendungspflicht) Nachdem bereits Naendrup aus verfassungsrechtlichen Gründen dafür plädiert hatte, die Haftungsbegrenzung durch Rechtsformenwahl zu durchbrechen, sich damit aber nicht durchsetzen konnte, sind später ähnliche Überlegungen erneut angestellt worden, jetzt allerdings mehr im Sinne einer internen Ausgleichspflicht (Sicherung des Betriebs der Einrichtung) wie bei der Anstaltslast. Im Schrifttum ist dementsprechend verschiedentlich eine Pflicht der öffentlichen Hand bejaht worden, die von ihr eingesetzten Gesellschaften mit ausreichenden Betriebsmitteln auszustatten und auf diese Weise den Konkurs von ihnen abzuwenden.55 Diese Pflicht wird dem öffentlichen Recht entnommen, namentlich dem Sozialstaatsprinzip56 oder einer Kombination verschiedener verfassungsrechtlicher Prinzipien und Normen57.

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Siehe oben Fn. 19. Oettle (1964), S. 29; Oettle (1976), Bd. I, S. 141; ders., Bd. II, S. 25; Alfuß (1976), S. 100 ff.; Piette (1980), S. 335; Ehlers (1984), S. 321 ff.; Achterberg (1985), S. 505; Erbguth/Stollmann (1993), S. 807; krit. Kuhl/Wagner (1995), S. 437. 56 Alfuß (1976), S. 106. 57 Ehlers (1984), S. 321. 55

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Zur Begründung wird vor allem darauf hingewiesen, dass die staatlichen Funktionsträger auch bei der Verwendung privatrechtlicher Handlungs- und Gestaltungsformen weiterhin die verantwortlichen Träger der Gemeinwohlbelange blieben. Da schon die Illiquidität oder eine Unterbilanz und erst recht der Konkurs einer privatrechtlich organisierten sozialen Einrichtung die notwendige krisenfeste, lückenlose und dauerhafte Versorgung der Gesellschaft mit den notwendigen Gütern gefährdete, seien die öffentlich-rechtlichen Träger verpflichtet, die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zu ergreifen.58 Ein Rechtsanspruch der privatrechtlichen Organisation oder ihrer Gläubiger werde dadurch aber nicht begründet.59 Ehlers stützt sich darüber hinaus auf Gesichtspunkte des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes und der Grundrechte. Wenn sich die Verwaltung privatrechtlicher Werkzeuge bediene, welche den Bürger bewusst und gezielt zu vermögenswerten Dispositionen veranlassen sollen, schaffe das einen Vertrauenstatbestand, von dem sich die Verwaltung nicht einfach durch das ersatzlose Wegfallenlassen des privatrechtlichen Schuldners distanzieren könne.60 Daraus folge zwar keine allgemeine finanzielle „Instandhaltungspflicht“, doch müsse die öffentliche Hand entweder den Konkurs der von ihr getragenen Organisationen abwenden oder die Haftung für die Verbindlichkeiten im Außenverhältnis übernehmen.61 Dagegen wird allerdings eingewandt, dass das Sozialstaatsprinzip der Konkretisierung durch den Gesetzgeber bedürfe und allenfalls dann die Konkursabwendungspflicht als Reflex sozialstaatlicher Verpflichtungen enthalte, wenn nur durch die bedrohte Eigengesellschaft die Versorgung sichergestellt werden könne. Im übrigen müsse der Konkurs der Eigengesellschaft nicht zur Störung der Aufgabenerfüllung führen.62 IV. Die unmittelbare Haftung für Verbindlichkeiten der Unternehmen im Außenverhältnis 1. Rechtsgeschäftliche Haftungsübernahme Eine Haftung kann sich aus einer Verpflichtungserklärung zur Übernahme von Verlusten, namentlich aus einer Bürgschaft des Trägers63, ergeben. Für eine Ge58

Alfuß (1976), S. 107. Ebenda, S. 110. 60 Ehlers (1984), S. 321. 61 Ebenda, S. 321, 323. 62 Kuhl/Wagner (1995), S. 436, die sich aber vornehmlich mit der Energie- und Abfallwirtschaft befassen. 63 Auf die verbreitet genutzte Möglichkeit der Bürgschaft weist auch Püttner (1984), S. 186 Fn. 12, hin; Fälle aus jüngerer Zeit: OLG Düsseldorf, in: ZIP, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, Jg. 1995, S. 465; BGH, in: Juristen Zeitung, Jg. 2000, S. 149 m. krit. Anm. Singer. 59

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meinde ist das aber nur eingeschränkt möglich. Das soll am Beispiel des Landesrechts von Nordrhein-Westfalen dargestellt werden: Wenn eine Gemeinde eine Gesellschaft des privaten Rechts gründet, darf sie sich nach § 108 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GO NW nicht zur Übernahme von Verlusten in unbeschränkter Höhe verpflichten. Allerdings kann die Aufsichtsbehörde in begründeten Fällen Ausnahmen zulassen (§ 108 Abs. 1 Satz 2 GO NW). Auch sonstige Sicherheiten darf die Gemeinde nicht bestellen. Die Aufsichtsbehörde kann aber auch insoweit Ausnahmen zulassen (§ 86 Abs. 1 GO NW). Etwas weniger restriktiv sind die Vorgaben für die Übernahme von Bürgschaften und Verpflichtungen aus Gewährverträgen. Sie dürfen im Rahmen der Erfüllung der gemeindlichen Aufgaben übernommen werden (§ 86 Abs. 2 Satz 1 GO NW), sind aber unverzüglich der Aufsichtsbehörde in Schriftform anzuzeigen(§ 86 Abs. 2 Satz 2 GO NW). Rechtsgeschäfte, die diesen Rechtsgeschäften wirtschaftlich gleichkommen, sind ebenso zu behandeln (§ 86 Abs. 3 GO NW). Rechtsgeschäfte, die entgegen dem Verbot des § 86 Abs. 1 GO NW geschlossen worden sind, erklärt die Gemeindeordnung für „nichtig“ (§ 127 Abs. 2 GO NW). „Unwirksam“ sollen solche Geschäfte sein, die ohne die erforderliche Genehmigung der Aufsichtsbehörde geschlossen worden sind (§ 127 Abs. 1 GO NW). Es ist aber fraglich, ob die Länder die Wirksamkeit zivilrechtlicher Rechtsgeschäfte von kommunalaufsichtlichen Genehmigungen abhängig machen dürfen. Dafür dürfte ihnen die Gesetzgebungskompetenz fehlen. Ob die Vorschriften als Regelung der Außenvertretung der Gemeinde haltbar wären, ist ebenfalls nicht sicher.64 Durch ihr tatsächliches Verhalten und auch durch Erklärungen von Gemeindevertretern soll aber regelmäßig eine bürgschaftsrechtliche Haftung der Gemeinde für ihre Unternehmen nicht begründet werden können. Sie scheitert an der nach der Rechtsprechung erforderlichen Genehmigung der Aufsichtsbehörde.65 Aus der bloßen Genehmigung der Gründung einer GmbH kann sie jedenfalls nicht abgeleitet werden. Nicht ausgeschlossen ist in dieser Situation eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss.66 Sie setzt aber voraus, dass tatsächlich zumindest Vertrags64

Dagegen für die parallele Vorschrift in Niedersachsen Koch (1999), S. 207. Der BGH hat (schwebende) Unwirksamkeit bei fehlender Genehmigung in einer jüngeren Grundsatzentscheidung bejaht, da die Genehmigung – anders als die erforderliche Zustimmung von Körperschaftsorganen – „nicht ausschließlich das Innenverhältnis zwischen kommunaler Gebietskörperschaft und Aufsichtsbehörde“ betreffe, in: Juristen Zeitung, Jg. 2000, S. 149 f. Das Kompetenzproblem hat er indes nicht gesehen. Das OLG Celle sprach dagegen die verfassungsrechtlichen Bedenken an, sah aber keinen Eingriff des Landesgesetzgebers in das Zivilrecht, in: Der Betrieb, Jg. 2000, S. 2261 (2262). 66 Vom BGH im konkreten Fall bejaht, aber abgelehnt von Singer, in: Juristen Zeitung, Jg. 2000, S. 149 (151, 153 ff.). 65

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verhandlungen stattgefunden haben und die Gemeinde ein schutzwürdiges Vertrauen „hervorgerufen“ hat.67 Das ist bei allgemeinem Vertrauen in das Einstehen der Gemeinde für „ihr“ Unternehmen aber nicht ohne weiteres der Fall. In Betracht kommt aber darüber hinaus eine Haftung durch Patronatserklärungen. Derartige Erklärungen werden als besondere Art von Sicherheitsleistung angesehen. Sie reichen von losen, zu nichts verpflichtenden Zusagen („weiche“ Patronatserklärungen) bis hin zu Verpflichtungen mit garantie- oder bürgschaftsähnlichem Inhalt („harte“ Patronatserklärungen).68 Es dürfte sich um einen einseitig verpflichtenden Vertrag sui generis handeln. „Harte“ Patronatserklärungen sind kein Geschäft der laufenden Verwaltung und bedürfen wie eine Bürgschaft der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.69 Sie führen daher regelmäßig auch nicht zu einer unmittelbaren Haftung der Gemeinde für ihr Unternehmen. In der Rechtsprechung ist der Beschluss der Gesellschafterversammlung durch die einzige Gesellschafterin, eine Gemeinde, dass das „erwirtschaftete Defizit [. . .] durch die Gesellschafterin abgedeckt“ werde, als ein der Bürgschaft oder dem Gewährsvertrag wirtschaftlich gleichkommendes Rechtsgeschäft beurteilt worden, das der Genehmigung durch die Kommunalaufsichtsbehörde bedurfte. Da sie nicht vorlag, wurde die Haftung der Gemeinde verneint.70 In einer derartigen Erklärung könne auch nicht die Zusicherung einer bestimmten Kapitalausstattung oder die Verpflichtung zur Verhinderung einer Unterkapitalisierung der Gesellschaft gesehen werden. Es liege kein „eigenkapitalersetzendes Sicherungsmittel“ vor.71 2. Allgemeiner Haftungsdurchgriff auf die öffentliche Hand Eigengesellschaften und andere öffentliche Einrichtungen, gleich in welcher Rechtsform sie organisiert sind, dürfen nur zur Verwirklichung öffentlicher Zwecke oder öffentlicher Aufgaben gegründet und unterhalten werden. Diese besondere Ausrichtung wirkt sich ertragsmindernd auf ihr wirtschaftliches Ergebnis aus, auch wenn sie nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu führen sind. Alleine die Verwendung von Gesellschaften und Einrichtungen als „Instrument“ des Verwaltungshandelns macht es noch nicht erforderlich, eine Haftung des Trägers für ihre Verbindlichkeiten anzunehmen. Ohne die gesetzliche Gewährträgerhaftung oder die dargestellten privatrechtlichen Garantieübernahmen kann ein Haftungsdurchgriff auf den Träger nur aus-

67 68 69 70 71

OLG Celle, in: Der Betrieb, Jg. 2000, S. 2261 (2263). BGHZ 117, 127. OLG Dresden, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, Jg. 2001, S. 836 (837). OLG Celle, in: Der Betrieb. Jg. 2000, S. 2261 (2262). Ebenda.

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nahmsweise unter Berücksichtigung der Grundsätze des Konzernrechts in Betracht kommen.72 V. Die Haftung nach konzernrechtlichen Grundsätzen Die konzernrechtlichen Vorschriften können nicht nur zu einer Haftung der Gemeinde als herrschendem Unternehmen führen, sondern auch eine Verpflichtung der Trägerkörperschaft zur Verhinderung eines Insolvenzverfahrens (Konkurses) zur Folge haben. Zwar zielt das Konzernrecht darauf ab dem Konkurs abhängiger Unternehmen entgegenzuwirken, doch ist das herrschende Unternehmen nicht unbedingt verpflichtet, den Gesellschaftsgläubigem einen zahlungsfähigen Schuldner zu erhalten. Im (einfachen) faktischen Konzern sind gemäß §§ 311 ff. AktG jedenfalls nur die durch nachteilige Einflussnahme im einzelnen zugefügten Nachteile auszugleichen.73 Voraussetzung ist, dass entweder ein Vertragskonzern nach § 302 AktG oder ein qualifiziert faktischer Konzern vorliegt. Ein einfacher faktischer Konzern reicht für eine allgemeine Haftung nicht.74 1. Anwendbarkeit des Konzernrechts Geht man mit der Rechtsprechung des BGH davon aus, dass ein Träger öffentlicher Verwaltung herrschendes Unternehmen im Sinne des aktienrechtlichen Konzernrechts sein kann75, kommt eine Haftung der Gemeinde für ihre Eigengesellschaft in Betracht. Überwiegend ist anerkannt, dass die Vorschriften des Konzernrechts auch auf das Verhältnis zwischen kommunalen Gebietskörperschaften und ihren Unternehmen anzuwenden sind.76 Letztlich entscheidend ist der Konflikt zwischen den Interessen der Gesellschaft sowie der Gesellschaftsgläubiger auf der einen Seite und der Verfolgung des – nach öffentlichem Recht zwingend erforderlichen – öffentlichen Zwecks als Sonderinteresse der öffentlichen Hand auf der anderen Seite. Dieser Konflikt wird auch vom OLG Celle und vom LG Hannover gesehen, auch wenn sie im Ergebnis die Haftung verneint haben.77 Körperschaften des öffentlichen Rechts sind sogar bereits dann schon als Unter72

Rehn u. a. (1995), § 108, Anm. IV. 1. Vgl. Raiser (2001), § 53, Rn. 24, 31; Ehlers (1984), S. 320. 74 BGHZ 90, 370 (376); OLG Düsseldorf, ZIP 1995, S. 465; Hüffer (1999), § 1, Rn. 21. 75 BGHZ 69, 334 (335). 76 OLG Celle, in: Der Betrieb, Jg. 2000, S. 2261 (2264); Emmerich (1969), S. 229; Koch (1994), S. 668 ff.; Koch (1999), S. 208; Raiser (1996), S. 464 ff.; Schmidt (1996), S. 360; Brüning (1997), S. 116; dagegen Alfuß (1976), S. 128. 77 OLG Celle, in: Der Betrieb, Jg. 2000, S. 2261 (2264); LG Hannover v. 9.3.1999, NdsVBl. 1999, S. 221 (222). 73

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nehmen im konzernrechtlichen Sinn anzusehen, wenn sie lediglich ein einziges in privater Rechtsform organisiertes Unternehmen beherrschen.78 2. Vertragskonzern Ein Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag wird regelmäßig nicht abgeschlossen. Dann sind die Regeln über den Vertragskonzern nicht anwendbar. 3. Qualifizierter faktischer Konzern Wenn das herrschende Unternehmen die abhängige Gesellschaft „breitflächig“ steuert und nach den Bedürfnissen des Konzerns umgestaltet, reicht das Ausgleichssystem der §§ 311 bis 318 AktG nicht aus. In diesem Fall kommt eine Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens in entsprechender Anwendung von § 302 AktG in Betracht, namentlich für einen GmbH-Konzern.79 Es genügt der Tatbestand der Konzernbildung. Ein Verschulden oder wiederholte Schädigungen sind nicht erforderlich.80 Ob der erforderliche qualifizierte faktische Konzern vorliegt, ist aufgrund einer umfassenden Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles festzustellen.81 Diese Grundsätze gelten auch für die Einmann-GmbH82, also die typische kommunale Eigengesellschaft. Voraussetzung für eine konzernrechtliche Haftung ist zunächst die personelle Verwobenheit zwischen dem herrschenden Unternehmen, also hier der Gemeinde, und der Gesellschaft. Darüber hinaus ist entsprechend den vom BGH in der TBB-Entscheidung entwickelten Grundsätzen erforderlich, dass die „Konzernleitungsmacht“ in einer Weise ausgeübt worden ist, die keine „angemessene Rücksicht“ auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft nimmt, ohne dass sich aber der ihr insgesamt zugefügte Nachteil durch Einzelausgleichsmaßnahmen kompensieren lasse.83 Sie muss sich als objektiver Missbrauch der herrschenden Gesellschafterstellung darstellen.84 Das gilt erst recht für kommunale Eigengesellschaften. Die konzernrechtlichen Regeln werden auch nicht durch die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30 ff. GmbHG verdrängt, wenn es sich um eine Einmann-GmbH handelt.85 78

BGHZ 135, 107 ff.; OLG Celle, in: Der Betrieb, Jg. 2000, S. 2261 (2264). BGHZ 95, 330 – Autokran; 107, 7 (16 ff.) – Tiefbau; OLG Celle, in: Der Betrieb, Jg. 2000, S. 2261 (2263); Raiser (1992), § 53, Rn. 38. Das ist nicht hinreichend von Brüning (1997), S. 119 f., beachtet, der sie verneint. 80 BGHZ 107, 7 (17 f.) – Autokran. 81 Raiser (2001), § 53, Rn. 56, m. zahlr. Nachw. 82 Ebenda, § 53, Rn. 63 f. 83 BGHZ 122, 123 (130). 84 Noack (1995), S. 383. 85 Kuhl/Wagner (1995), S. 443. 79

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Es ist indes nicht sicher, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines solchen Konzerns erfüllt sind, wenn das herrschende Unternehmen, also die Gemeinde, nur ihr gesetzlich vorgesehenes Weisungsrecht zur Erfüllung des öffentlichen Auftrags der Eigengesellschaft ausübt und als Alleingesellschafter die Gesellschaftsorgane besetzt. Gleichwohl spricht einiges für die Annahme eines solchen Konzerns, da die Gemeinde ihre Leitungsmacht so intensiv ausübt und ausüben muss, wie sonst kaum ein Gesellschafter.86 Von einem Missbrauch kann aber jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn die Eigengesellschaft entsprechend ihrer Funktion, wie sie sich aus dem Unternehmensgegenstand ergibt, eingesetzt worden ist. Das bloße Einstehen des kommunalen Trägergemeinwesens für die Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaften ist jedenfalls keine missbräuchliche Ausübung von Leitungsmacht. Haftungsgrund im Konzernverbund ist nicht das abstrakte Vertrauen in die Finanzkraft des Alleingesellschafters. Für Kommunen, die selbst nicht konkursfähig (insolvenzfähig) sind, entstünde sonst eine uneingeschränkte Einstandspflicht für ihre Eigengesellschaften, die sich aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht herleiten lässt und die über die Haftung hinausginge; der private Alleingesellschafter unterliegen würden. Grund für die Einbeziehung des herrschenden Gesellschafters in den Haftungsverbund verbundener Unternehmen ist vielmehr dessen Einwirkungsmacht auf die Vermögenslage der abhängigen Gesellschaft zu seinen Gunsten.87 Es muss daher weiter eine Vermögensverlagerung oder Vermögensvermischung zwischen der Gemeinde als herrschendem Unternehmen und der Eigengesellschaft stattgefunden haben. Sie kann durch Ausgleichszahlungen auf die Jahresfehlbeträge ausgeschlossen sein.88 4. Einfacher faktischer Konzern Im einfachen faktischen Konzern besteht entsprechend § 311 AktG eine Ausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens für die Verursachung konkreter Nachteile durch Veranlassung des herrschenden Unternehmens zur Vornahme eines einzelnen nachteiligen Rechtsgeschäfts oder einer sonstigen Maßnahme. Allerdings sind Planungsmaßnahmen, die zeitlich vor und nicht während der Dauer der „Konzernlage“ getroffen worden sind, keine Einwirkungen auf die beherrschte Gesellschaft, sondern Fehlplanungen des Gesellschafters.89 Sie stellen nicht die erforderliche missbräuchliche Ausübung der Leitungsmacht dar und führen nicht zu einer konzernrechtlichen Haftung.

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Vgl. ebenda, S. 444. LG Hannover v. 09.03.1999, NdsVBl. 1999, S. 221 (223). Ebenda, S. 224. Ebenda, S. 223.

1. Haftung der Kommunen für ihre privatrechtlich organisierten Unternehmen 911

VI. Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Das Insolvenzverfahren darf grundsätzlich über das Vermögen kommunaler Eigengesellschaften durchgeführt werden, auch wenn sie der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen. 2. Die Insolvenzunfähigkeit (Konkursunfähigkeit) einer Einrichtung ist nicht gleichbedeutend mit ihrer materiellen Zahlungsfähigkeit. 3. Die Zahlungsfähigkeit ist vielmehr nur dann gesichert, wenn die kommunalen Träger für die Leistungsfähigkeit ihrer Eigengesellschaften zu sorgen haben. 4. Es spricht vieles dafür, dass der Träger einer kommunalen Eigengesellschaft die öffentliche Aufgaben des Trägers zu erfüllen hat, für eine hinreichende Ausstattung mit Ressourcen zu sorgen hat, solange sie besteht. Dies kann sich zu einer lnsolvenzabwendungspflicht konkretisieren. Das entspricht jedenfalls der herrschenden Auffassung im Schrifttum. 5. Darüber hinaus kommt eine unmittelbare Haftung der Kommunalkörperschaften für die Verbindlichkeiten ihrer Gesellschaften den Gesellschaftsgläubigern gegenüber in Betracht. 6. Grundsätzlich darf die Haftung für kommunale Gesellschaften durch Wahl einer entsprechenden Organisationsform begrenzt werden. 7. Dennoch kann eine Haftung nach konzernrechtlichen Grundsätzen zu bejahen sein. Die Kommune wäre in analoger Anwendung von § 302 AktG zum Verlustausgleich verpflichtet. Ein Insolvenzverfahren hätte nicht stattzufinden.

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1. Haftung der Kommunen für ihre privatrechtlich organisierten Unternehmen 913 Rehn, Erich/Cronauge, Ulrich/Lennep, Hans Gerd von (1995): Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. (Loseblatt 1995 ff., Stand Mai 2000), Siegburg. Schmidt, Reiner (1990): Öffentliches Wirtschaftsrecht, Allgemeiner Teil, Berlin u. a. 1990. – (1996): Der Übergang öffentlicher Aufgabenerfüllung in private Rechtsform, in: Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, Jg. 1996, S. 345 ff. Siekmann, Helmut (1993): Die verwaltungsrechtliche Anstalt – eine Kapitalgesellschaft des öffentlichen Rechts?, in: Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter, Jg. 1993, S. 361 ff.

2. Der Anspruch auf Herstellung von Transparenz im Hinblick auf die Kosten und Folgekosten der Steinkohlesubventionierung und den Börsengang der RAG AG* / ** I. Herstellung von Transparenz 1. Der Anspruch auf Herstellung von Transparenz a) Ableitung aus dem Verfassungsrecht Verfassungsrechtliche Ansprüche auf Herstellung von Transparenz können aus verschiedenen Quellen stammen: An erster Stelle ist das Zitierrecht des Art. 45 Abs. 2 LVerf1 zu nennen. Davon zu unterscheiden ist das so genannte Interpellationsrecht, das nicht ausdrücklich in der Landesverfassung geregelt ist; wohl aber in der Geschäftsordnung des Landtags (§§ 85 ff. GO LT). Eine wichtige Rolle spielt auch das Recht zur Beratung von Themen jeder Art im Parlament. Das betrifft schwergewichtig die Beratung von Gesetzen, ist aber nicht darauf beschränkt. Eine besondere Bedeutung kommt der parlamentarischen Behandlung des Landeshaushalts und seiner Feststellung im Haushaltsgesetz zu. In diesem Zusammenhang können sich Informationsrechte ergeben, die deutlich über die anderen Bereiche hinausgehen. aa) Zitierrecht Das Zitierrecht, das ausdrücklich in der Landesverfassung geregelt ist (Art. 45 Abs. 2), gehört zu den klassischen Instrumenten des Parlamentsrechts, um die Kontrolle der Exekutive durch das Parlament zu verwirklichen. Es ist eine Ausprägung der „Ministerverantwortlichkeit“.2 Seit langem war umstritten, ob das „zitierte“ Mitglied der Landesregierung über seine bloße Anwesenheit hinaus dem Parlament oder seinen Ausschüssen auch Rede und Antwort zu stehen hat, * Erstveröffentlichung in: Institute for Monetary and Financial Stability der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, Working Paper Series No. 8 (2008). ** Die Abhandlung beruht im Wesentlichen auf einem Rechtsgutachten, das im Auftrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Nordrhein-Westfalen erstellt worden ist. 1 Die zitierten Vorschriften entstammen dem Landesrecht des Landes NordrheinWestfalen, wenn nicht etwas anderes angegeben ist. 2 Menzel, in: Löwer/Tettinger, Art. 45 Rn. 16.

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ob es also Fragen zu beantworten hat. Zu Recht wird diese Pflicht heute überwiegend bejaht,3 auch speziell für das Verfassungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen.4 Diese Frage bedarf indes hier keiner Vertiefung, da das Zitierrecht nur durch mehrheitlichen Landtags- oder Ausschussbeschluss ausgeübt werden kann. Es ist ein unentbehrliches Recht des Gesamtparlaments gegenüber der Regierung.5 Die Rechtsposition des einzelnen Abgeordneten beschränkt sich auf das Recht, die Anwesenheit von Mitgliedern der Landesregierung an den Beratungen des Landtags zu beantragen, Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GO LT.6 Die von der Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“ und ihren Mitgliedern erstrebte Transparenz lässt sich also auf diesem Wege nicht erzwingen. bb) Interpellationsrechte Teilweise wird das so genannte Interpellationsrecht als Konkretisierung oder Fortführung des Zitierrechts verstanden.7 Schon wegen seiner mangelnden rechtlichen Konturierung und gesetzlichen Positivierung soll es aber nicht eindeutig vom Zitierrecht abzugrenzen sein. Stattdessen müsse auf die einzelnen daraus abgeleiteten Rechte abgestellt werden.8 Zum Teil wird es aber auch wegen signifikanter Unterschiede als klares „Aliud“ zum Zitierrecht verstanden.9 Solche Unterschiede sind in der Tat zu finden: Das Interpellationsrecht erfordert nicht die Anwesenheit von Regierungsmitgliedern. Es richtet sich nicht an einzelne Regierungsmitglieder und es ist als Minderheitenrecht ausgestaltet. Zu seiner Ausübung bedarf es also nicht einer (mehrheitlich zu treffenden) Entscheidung des Parlaments oder eines seiner Ausschüsse.10 Diese Erwägungen sprechen dafür, dass Art. 45 LVerf nicht die Grundlage für Informationsansprüche des einzelnen Abgeordneten oder einer Fraktion in seiner Weiterentwicklung zum Interpellationsrecht angesehen werden kann.11 Diese Erwägungen brauchen aber nicht weiter vertieft zu werden, da das Bundesverfassungsgericht einen anderen Weg gegangen ist. Es leitet die Pflicht zur substantiellen Beantwortung von Fragen zunehmend aus den Rechten des einzelnen Abgeordneten aus seinem Mandat ab.12 Dem haben sich weite Teile des 3 Stern, Staatsrecht II, S. 52 m.w. N.; Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 43 Rn. 13. 4 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48; zust. Menzel, in: Löwer/Tettinger, Art. 45 Rn. 20. 5 Stern, Staatsrecht II, S. 53. 6 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (49). 7 Vgl. in diese Richtung Stern, Staatsrecht II, S. 55 f. 8 Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 43 Rn. 4. 9 Menzel, in: Löwer/Tettinger, Art. 45 Rn. 21. 10 Stern, Staatsrecht II, S. 56. 11 Menzel, in: Löwer/Tettinger, Art. 45 Rn. 21. 12 BVerfGE 12, 123 (125); 57, 1 (5); 67, 100 (129); 70, 324 (355); 80, 188 (218).

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Schrifttums13 und auch der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen angeschlossen.14 Dabei gehen sie von folgenden Erwägungen aus: Allgemein anerkannt ist, dass der Abgeordnete im Gesetzgebungsverfahren nicht nur das Recht hat, im Parlament abzustimmen, sondern auch das Recht zu beraten. Dies folgt auf Bundesebene aus der Verwendung des Begriffs „verhandeln“ in Art. 42 Abs. 1 GG. Auf Landesebene fehlt eine entsprechende Vorschrift.15 Das Bundesverfassungsgericht hat aber das „öffentliche Verhandeln von Argument und Gegenargument“ sowie die „öffentliche Debatte“ und die „öffentliche Diskussion“ zu den wesentlichen Elementen des demokratischen Parlamentarismus schlechthin gerechnet. Dies wird auch als allgemeines „Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie“ bezeichnet.16 Diese Anforderungen müssen auch im Verfassungsraum des Landes Nordrhein-Westfalen gelten, unabhängig von seiner positivrechtlichen Ausgestaltung. Ob Art. 20 Abs. 1 GG dazu die Grundlage bieten kann, ist zweifelhaft.17 Näher in Betracht kommen die Anforderungen von Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG. Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen leitet die entsprechenden Befugnisse aus Art. 30 Abs. 2 LVerf ab, obwohl er selbst einräumt, dass in der Bestimmung keine ausdrückliche Regelung über Fragerechte der Abgeordneten und Antwortpflichten der Landesregierung zu finden ist. Er zieht aber eine Parallele zu Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG.18 In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht mit großer Eindringlichkeit die Bedeutung von Informationen für den einzelnen Abgeordneten hervorgehoben. Abgeordnete bedürften „grundsätzlich einer umfassenden Information, um ihren Aufgaben genügen zu können“. Das gelte insbesondere für par13 Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 43 Rn. 17; W. W. Schmidt, DÖV 1986, 236 m.w. N. 14 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (49). 15 Mit Bezug auf das Gesetzgebungsverfahren Mann, in: Löwer/Tettinger, Art. 66 Rn. 7. 16 Gröpl, Bonner Kommentar, Art. 110 (2001) Rn. 131. 17 Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder betont, dass „in dem betont föderativ gestalteten Bundesstaat des Grundgesetzes [. . .] die Verfassungsbereiche des Bundes und der Länder grundsätzlich selbständig nebeneinander“ stehen, BVerfGE 63, 301 (317) unter Berufung auf die ständige Rspr.: BVerfGE 4, 178 (189); 6, 376 (381 f.); 22, 267 (270); 41, 88 (118); 60, 175 (209), wo zum Teil auch von „Verfassungsräumen des Bundes und der Länder“ gesprochen wird, die einander selbständig gegenüber stünden. Die organisationsrechtlichen Vorschriften des Grundgesetzes und seine Staatsstrukturprinzipien gelten nicht allgemein und unmittelbar für die Länder, sondern nur, wenn sie sich diese Wirkung ausdrücklich zulegen. Diese werden als „Durchgriffsnormen“ bezeichnet, vgl. Kersten, DÖV 1993, 896 (897); Nierhaus, in: Sachs, Art. 28 Rn. 4, der Art. 20 nicht dazu zählt; sinngemäß ebenso Stern, Staatsrecht I, S. 704; Grawert, NJW 1987, 2329 (2331). 18 DVBl. 1969, 113; DVBl. 1994, 48 (49).

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lamentarische Minderheiten. Eine Beratung verfehle ihren Zweck, „wenn über den Beratungsgegenstand keine oder nur unzureichende Informationen zur Verfügung“ stünden.19 Die Antworten der Regierung auf parlamentarische Anfragen hätten den Zweck, „dem einzelnen Abgeordneten die für seine Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen“. Sie seien „Teil des Frage- und Interpellationsrechts des Parlaments“.20 Dem hat sich der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen unter wörtlicher Übernahme der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts angeschlossen.21 Das Fragerecht erfüllt keinen Selbstzweck, sondern dient dazu die Erfüllung der sachlichen Aufgaben des Abgeordneten zu erleichtern und zu ermöglichen. Er kann seine Aufgaben nur erfüllen, wenn er über die Informationen verfügt, die für eine sachbezogene Beteiligung am Entscheidungsprozess des Parlaments erforderlich sind. Der Informationsstand des einzelnen Abgeordneten ist entscheidend für die Funktionsfähigkeit des Parlamentarismus. Nur in Ausnahmefällen verfügt er über hinreichende eigene Sachkenntnis. „Auch ist er wegen der zunehmenden Komplexität der in der parlamentarischen Arbeit zu beurteilenden Gegenstände und der von ihm mit zu gestaltenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge regelmäßig außerstande, sich die erforderliche Sachkunde selbst zu verschaffen.“ Er muss auf den Sachverstand, der in der Ministerialverwaltung vorhanden ist, für seine Aufgabenerfüllung zugreifen können und darf nicht auf die Informationen verwiesen werden, welche die Regierung „von sich aus zur Verfügung stellt“. Als Folge des freien Mandats, das nur an das Volkswohl gebunden ist (Art. 30 Abs. 2 LVerf), ist es der Abgeordnete selbst, der zu entscheiden hat, welche Informationen er zur verantwortlichen Erfüllung seiner Aufgaben benötigt.22 An diese Entscheidung ist die Exekutive gebunden. cc) Kontrollrechte Die Kontrolle der Regierung durch das Parlament ist ein „grundlegendes Prinzip“ des parlamentarischen Regierungssystems.23 Die Ausübung dieser Kontrollfunktion ist angesichts des in der Verfassungswirklichkeit regelmäßig bestehenden Interessengegensatzes zwischen regierungstragender Parlamentsmehrheit und opponierender Parlamentsminderheit aber ganz wesentlich von den Wirkungsmöglichkeiten der Minderheit abhängig.24 Regierungskontrolle kann im parla19 BVerfGE 70, 324 (355), unter Berufung auf BVerfGE 40, 237 (249), wo das aber allenfalls ansatzweise steht. 20 BVerfGE 57, 1 (5). 21 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (49). 22 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (49). 23 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (50), unter Berufung auf BVerfGE 67, 100 (130). 24 Stern, Staatsrecht II, S. 55 f.

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mentarischen Regierungssystem nur mit starken Minderheitsrechten wirklich werden. Dafür ist ein für die Minderheit indisponibles, in die Verantwortung allein des einzelnen Abgeordneten gestelltes Fragerecht unabdingbar. Dies schließt wieder eine Antwortpflicht der Regierung ein.25 dd) Budgetrecht Besondere und weit reichende Informationsrechte können sich für die Feststellung des Haushaltsplans durch das Parlament ergeben. Zudem dienen die spezifizierten Ansätze im Haushaltsplan als Grundlage der Kontrolle der Regierung, besonders ausgeprägt in der Finanzkontrolle. Auch sie kann man im weiteren Sinne noch zum Budgetrecht des Parlaments rechnen. Nur wenn das Parlament über Einzelheiten zu den einzelnen Haushaltsansätzen informiert wird, können die Ansätze im Haushaltsplan so genau sein, dass eine sinnvolle parlamentarische Kontrolle der Verwendung öffentlicher Mittel durchgeführt werden kann. Nur unter diesen Voraussetzungen können Rechnungslegung und Entlastung am Ende des Haushaltskreislaufs (Art. 86 Abs. 1 Satz 1 LVerf) mehr sein als ein sinnentleertes Ritual. (1) Besondere Informationsansprüche als Bestandteil des Budgetrechts des Parlaments Dem Gesetzgeber steht bei der Feststellung des Haushaltsplans im Verhältnis zu den anderen beteiligten Verfassungsorganen – abweichend von der sonst herrschenden Gewaltenbalance 26 – der Vorrang zu.27 Das gilt nicht nur auf Bundesebene, sondern wegen der insoweit vergleichbaren Vorgaben in den Landesverfassungen auch auf Landesebene.28 Dementsprechend hat der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen aus Art. 81 Abs. 3 LVerf die „prinzipiell ausschließliche Befugnis“ des Landtags entnommen, über die Ausgaben zu entscheiden, die in der nachfolgenden Haushaltsperiode getätigt werden dürfen29 und ebenfalls den „verfassungsrechtlichen Vorrang des Haushaltsgesetzgebers“ festgestellt30. Das Budgetrecht ist eines der wichtigsten Rechte des Parlaments.31 Es trifft mit der Entscheidung über den Haushaltsplan eine „wirtschaftliche Grundsatzent25

Ähnlich VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (50). BVerfGE 49, 89 (126). 27 BVerfGE 45, 1 (32); 70, 324 (355): „überragende verfassungsrechtliche Stellung“. 28 In diesem Bereich können daher Rechtsprechung und Schrifttum zum Verfassungsrecht des Bundes auch zur Beurteilung von Rechtsfragen im Verfassungsraum der Länder herangezogen werden. 29 VerfGH NRW, NWVBl. 1996, 291 (295). 30 VerfGH NRW, NWVBl. 1992, 129 (130). 31 BVerfGE 110, 199 (225). 26

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scheidung für zentrale Bereiche der Politik während des Planungszeitraums“.32 Auch wenn seine politische Gestaltungsfreiheit beschränkt ist, bleibt seine „rechtlich umfassende, alleinige Entscheidungs- und Feststellungskompetenz“ unbeeinträchtigt.33 Das Budgetrecht schließt weit reichende Informationsansprüche ein.34 Elementare Voraussetzung für ihre Erfüllung ist, dass die Angaben im Haushaltsentwurf der Wahrheit entsprechen.35 Haushaltsberatung und -verabschiedung müssen wegen der Sonderstellung des Haushalts in besonderem Maße eine „Kontroll- und Legitimationsfunktion“36 erfüllen. Dazu ist grundsätzlich auch eine umfassende Information der Abgeordneten über den Beratungsgegenstand erforderlich. Schon der Haushaltsentwurf der Regierung muss deshalb „hinreichend konkrete Angaben über Einnahmen und Ausgaben“ enthalten.37 Dem parlamentarischen Informationsinteresse kommt ein besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße oder vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung geht.38 Anfragen der Abgeordneten, die Gegenstände mit Relevanz für den Haushalt betreffen, sind besonders eingehend zu beantworten. (2) Erstreckung auf öffentliche Einrichtungen außerhalb der unmittelbaren Landesverwaltung Das Budgetrecht und die Haushaltsgrundsätze gelten möglicherweise nur für die staatliche Einheit, deren Haushalt beschlossen wird, da sich die verfassungsrechtlichen Budgetprinzipien der Einheitlichkeit und der Vollständigkeit des Haushalts nur auf „das Land“ und sein Budget beziehen. Einnahmen und Ausgaben des Landes sind in einem einzigen Haushaltsplan zu veranschlagen.39 Für Landesbetriebe und Sondervermögen erlaubt die Verfassung Abweichungen, Art. 81 Abs. 2 Satz 1 LVerf. Dazu werden allerdings nur rechtlich unselbständige Einrichtungen gerechnet. Rechtlich selbständige Einheiten gehören nicht dazu. Wenn Verwaltungsträger und Unternehmen als juristische Personen des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts rechtlich verselbständigt werden, sollen sie schon nicht in den Regelungsbereich der Vorschrift 32 BVerfGE 45, 1 (32); 70, 324 (355, 361); 79, 311 (328 f.); zust. VerfGH NRW, NRWVBl. 1996, 291 (295). 33 BVerfGE 45, 1 (32); VerfGH NRW, NWVBl. 1996, 291 (296): Möglichkeit zur Revision zuvor gesetzter Zwangspunkte; ebenso Tettinger, in: Löwer/Tettinger, Art. 81 Rn. 39. 34 BVerfGE 110, 199 (225). 35 Kreibohm, LKV 2005, 143 (144). 36 BVerfGE 79, 311 (344). 37 BVerfGE 70, 324 (355), für den Bund. 38 BVerfGE 110, 199. 39 VerfGH NRW, NWVBl. 1996, 291 (294).

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fallen.40 Sie haben ihre eigenen Budgets aufzustellen und erscheinen deshalb nur mit ihren Zuführungen und Ablieferungen im Haushaltsplan des Landes. Gleichwohl kann das Budgetrecht des Landtags nicht strikt an diesen Grenzen enden. Dies gilt vor allem, soweit Zuwendungen aus Landesmitteln erfolgen. Hier sind zumindest nach § 26 Abs. 3 LHO Übersichten dem Haushaltsplan beizufügen. Dementsprechend hat in entsprechender Anwendung von § 43 HGrG unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen der Rechnungshof auch in diesen Bereichen zu prüfen41 und der Landtag diese Prüfung auszuwerten. Darüber hinaus wird im Schrifttum für eine Konsolidierung rechtlich selbständiger Einheiten in bestimmten Fällen plädiert: Die haushaltsverfassungsrechtlichen Anforderungen, einschließlich des Budgetrechts des Landtags, müssen auch dann gelten, wenn rechtlich selbständige Einheiten zur Umgehung haushaltsrechtliche Anforderungen errichtet und unterhalten werden oder Haftungsrisiken für das Land entstehen.42 In jedem Fall ist die Entstehung eines „Konvoluts“ von „Schatten- und Nebenhaushalten“ zu vermeiden.43 (3) Entwicklungsoffenes Verständnis des Budgetrechts und der daraus fließenden Informationsansprüche Aus dem Budgetrecht hat das Bundesverfassungsgericht jüngst sogar die bis dahin unbekannte Pflicht entwickelt, in einer Anlage zum Haushaltsplan alle nichtsteuerlichen Abgaben aufzuführen.44 Dies geschah, obwohl für die Existenz einer solchen Pflicht keine Anhaltspunkte im Wortlaut des Grundgesetzes zu finden sind. Zwar mögen damit die Grenzen der Verfassungsinterpretation berührt sein, dem kann jedoch im Ergebnis zugestimmt werden. Der von der Sache her gebotene und verfassungsrechtlich anerkannte Informationsbedarf der Abgeordneten und der Öffentlichkeit geht eben in Finanzdingen deutlich über das hinaus, was von der Exekutive bisher praktiziert worden ist. Das Verfassungsrecht muss zudem flexibel auf neue und neuartige Beeinträchtigungen der parlamentarischen Haushaltsautonomie reagieren können. Die Neuschöpfung des Bundesverfassungsgerichts zeigt zweierlei: Einmal ist sie ein Beleg dafür, dass auch unbenannte und bisher nicht anerkannte Informationsansprüche aus dem Budgetrecht abzuleiten sind. Zum anderen zeigt die Entscheidung, dass nicht nur diejenigen Einnahmen und Ausgaben vom Budgetrecht und den daraus fließenden Informationsansprüchen erfasst werden, die im 40 Tettinger, in: Löwer/Tettinger, Art. 81 Rn. 22, unter Verweis auf den neuen § 14a LOG. 41 Tettinger, in: Löwer/Tettinger, Art. 81 Rn. 22. 42 Siekmann, in: Sachs, Art. 110 Rn. 96 f., für die entsprechende Lage auf Bundesebene. 43 Tettinger, in: Löwer/Tettinger, Art. 81 Rn. 26. 44 BVerfGE 108, 186 (219) – Altenpflege.

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zentralen Etat des Bundes (oder entsprechend: eines Landes) etatisiert werden. Sie beziehen sich auch auf Finanzströme außerhalb des Budgets, die aber aus öffentlichen (Zwangs-)Abgaben gespeist werden. (4) Zwischenergebnis Das Parlament muss Kenntnis von den Entscheidungen der Regierung und ihren Hintergründen erlangen, die sich unmittelbar auf den haushaltspolitischen Spielraum des Parlaments auswirken, auch wenn sie sich nicht in (spezifizierten) Ansätzen im Haushalt des Landes oder seiner Finanzplanung erscheinen. Entsprechendes gilt für ausgelagerte Einrichtungen des Landes, für deren Aufgabenerfüllung es aber verantwortlich ist. Soweit durch solche Entscheidungen der Gestaltungsspielraum des Parlaments für künftige Haushaltsperioden nennenswert beeinträchtigt wird, ist auch seine Zustimmung erforderlich. Andernfalls würde die Haushaltsautonomie des Parlaments – mangels verwirklichbarer Alternativen – rasch zu einer bloßen Worthülse verkommen. b) Anspruchsinhaber aa) Ansprüche der einzelnen Abgeordneten Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat zur Inhaberschaft der Informationsrechte45 festgehalten, dass „Träger des parlamentarischen Fragerechts [. . .] der einzelne Abgeordnete selbst“ ist.46 Daraus folgt, dass es der einzelne Abgeordnete ist, der einen Anspruch auf die inhaltliche Beantwortung der von ihm eingebrachten Anfragen durch die Regierung hat.47 Es ist nicht nur ein Fragerecht des gesamten Parlaments, das verfassungsrechtlich gewährleistet ist. Das Fragerecht ist ein originäres Recht des einzelnen Abgeordneten, das nicht zuletzt auch ein Instrument des Minderheitenschutzes ist.48 Es handelt sich nicht nur um einen Anspruch auf Teilhabe an den Informationen, dessen Adressat allein das Parlament wäre.49 Der einzelne Abgeordnete hat einen Anspruch darauf, dass seine Fragen „erschöpfend“ beantwortet werden.50 Er hat einen Anspruch auf „umfassende Information“.51 45

Oben I. 1. a) bb). VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (49). 47 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (49); Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 38 Rn. 90: „umfassender Informationsanspruch der Abgeordneten“, m.w. N.; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 38 Rn. 72, Art. 43 Rn. 19. 48 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (49). 49 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (50). 50 BVerfG, NJW 1996, 2085; Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 38 Rn. 90. 51 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (50). 46

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bb) Ansprüche der Fraktion Die Fraktionen sind teilrechtsfähige Körperschaften des Verfassungsorgans Landtag. Sie sind in der Geschäftsordnung an verschiedenen Stellen mit eigenen Rechten ausgestattet. Sie können aber auch gebündelt die Rechte ihrer Mitglieder wahrnehmen. c) Anspruchsgegner An erster Stelle haben die Landesregierung als Kollegium und ihre einzelnen Mitglieder52 die Informationsansprüche zu erfüllen. Den Mitgliedern der Regierung ist die verfassungsrechtliche Verpflichtung auferlegt, „auf Fragen Rede und Antwort zu stehen“. Sie haben „den Abgeordneten die zur Ausübung ihres Mandats erforderlichen Informationen zu verschaffen“.53 Die Ansprüche können sich aber auch gegen den Landtag als Ganzes richten, wenn er über die begehrten Informationen verfügt. Dem entspricht § 16 Abs. 1 GO LT, der den Mitgliedern des Landtags das Recht einräumt, alle Akten und Unterlagen einzusehen, die sich in der Verwahrung des Landtags befinden. Ansprüche gegen andere Verfassungsorgane hat das Bundesverfassungsgericht – eher beiläufig – in einem der sehr seltenen Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG zur Beilegung von Streitigkeiten innerhalb eines Landes mit Zurückhaltung betrachtet, aber grundsätzlich nicht ausgeschlossen.54 Das Gericht hatte aber einen Anspruch der einzelnen Abgeordneten gegen den Landesrechnungshof auf Vorlage der jährlichen Prüfberichte an den Landtag abgelehnt.55 Die sehr knapp begründete Entscheidung, welche die Rechte der einzelnen Abgeordneten deutlich kritischer als sonst sieht, ist allerdings im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangen und die Ausführungen des Gerichts betrafen nur die Antragsbefugnis, also bestenfalls eine summarische Prüfung materieller Fragen. Hinzu kommt, dass Besonderheiten des Landesverfassungsrechts von Thüringen eine Rolle spielten. In der Verfassung des Freistaates Thüringen sind die Informationsansprüche der einzelnen Abgeordneten in einer Weise detailliert und differenziert geregelt, die weder mit dem Grundgesetz noch mit der Verfassung von Nordrhein-Westfalen vergleichbar ist. Die Grenzziehungen des Bundesverfassungsgerichts in dieser Entscheidung sind daher nur sehr eingeschränkt auf das Landesverfassungsrecht von Nordrhein-Westfalen übertragbar. 52 Art. 51 LVerf: Die Landesregierung besteht aus dem Ministerpräsidenten und den Landesministern. 53 BVerfGE 13, 123; 57, 1 (5); bestätigt in BVerfGE 92, 130 (136), wenn auch zurückhaltender in der Diktion. 54 BVerfGE 92, 130 (136). 55 BVerfGE 92, 130 (136); vgl. auch OVG Münster, NVwZ 2003, 1526, das einen Anspruch des einzelnen Kammermitglieds auf Einsichtnahme in den Prüfbericht verneint; eingehend zum Problemkreis Grupp, in: Festschrift Mußgnug, 163 ff.

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V. Finanzverantwortung des Staates für selbständige Einheiten

Ein Anspruch des einzelnen Abgeordneten auf Einsichtnahme in die Rechnungshofberichte, sobald sie denn dem Parlament oder der Regierung vorliegen, ist durch die Entscheidung aber jedenfalls nicht ausgeschlossen worden. Es ging lediglich um die Frage, ob eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen dem einzelnen Abgeordneten und dem Rechnungshof besteht. d) Inhalt und Umfang der Informationsansprüche aa) Grundsatz Die Regierung trifft die Pflicht zu einer vollständigen und zutreffenden Antwort auf die Fragen des Abgeordneten.56 Sie muss dabei den in der Ministerialbürokratie vorhandenen Sachverstand und die dort gesammelten Tatsachen ausschöpfen. Darüber hinaus ist sie grundsätzlich auch verpflichtet, sich kundig zu machen, soweit die begehrten Informationen im Bereich der Exekutive nicht vorhanden sind. Eher beiläufig, aber in der Diktion eindeutig, hatte das Bundesverfassungsgericht schon im Jahre 1981 davon gesprochen, dass die Mitglieder der Regierung die allgemeine Verpflichtung treffe, den Abgeordneten „die erforderliche Information zu verschaffen“.57 Unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht genannten Vorbehalte: Schutz der eigenverantwortlichen Kompetenzausübung der Regierung und (präventiver) Schutz der Funktionsfähigkeit der Regierung,58 muss die Regierung sich notfalls auch die notwendigen Informationen verschaffen.59 bb) Gegenständliche Erstreckung Nach dem zuvor Gesagten hat die Regierung die Abgeordneten umfassend und zutreffend zu unterrichten. Sie hat sich die erforderlichen Informationen notfalls auch von Dritten zu beschaffen. Damit stellt sich aber sogleich die Frage, ob sich diese Pflicht auch auf Informationen erstreckt, die sich auf private Einrichtungen und Unternehmen beziehen oder nur dort vorhanden sind. (1) Grundlagen Im Recht der Untersuchungsausschüsse ist nicht sicher, ob und in welchem Umfang sich die Kontrollrechte des Parlaments auch auf Gegenstände erstrecken, die natürliche und juristische Personen des Privatrechts betreffen. Im Grundsatz mögen hier die Rechte der Privatpersonen, namentlich ihre Grundrechte, (enge) 56

VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (50). BVerfGE 57, 1 (5). 58 BVerfGE 110, 199 (216). 59 BayVerfGH, Urteil v. 26.7.2006 – Vf. 11-IVa-05, S. 47: zu Nachforschungen verpflichtet, soweit ihr Verantwortungsbereich geht. 57

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Grenzen setzen. Mit der Bereitstellung der entsprechenden Mittel in Verbindung mit der Aufstellung von Richtlinien für ihre (diskriminierungsfreie) Vergabe mögen hier bereits die Rechte des Parlaments und seiner Mitglieder erschöpft sein. (2) Privatrechtssubjekte in der Trägerschaft des Staates Etwas anderes gilt jedoch für die juristischen Personen des Privatrechts, die vom Land oder den seiner Aufsicht unterliegenden Einrichtungen (mit-)getragen werden. Die Regierung bleibt vor allem „hinsichtlich der Betätigung in privatwirtschaftlichen Unternehmen zur Rechnungslegung verpflichtet und hat sich der Überprüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu unterziehen“. Sie darf sich nicht pauschal auf Nichtwissen, Persönlichkeitsschutz oder Geschäftsgeheimnisse der vom Land beherrschten Unternehmen und Einrichtungen stützen, um ihr unangenehme Tatsachen auf diese Weise vor der Parlamentsöffentlichkeit zu verbergen.60 Als Grundlinie ist festzuhalten, dass diejenigen Privatrechtssubjekte, die vom Staat oder seinen Einrichtungen getragen werden, grundsätzlich vom Staat geleitet und beaufsichtigt werden müssen. Der bloße Wechsel der Rechtsform darf nicht dazu führen, dass die Verantwortlichkeit des Staates für die von ihm geschaffenen und beherrschten „Trabanten“ zu Ende geht. Jedenfalls soweit sich die Aufsichtspflicht des Staates erstreckt, reicht auch der Informationsanspruch des Parlaments und des einzelnen Abgeordneten. (3) Privatrechtssubjekte im Übrigen Untersuchungsausschüsse dürfen sich auch mit Fragen befassen, die Privatpersonen zum Gegenstand haben, an denen der Staat in keiner Weise beteiligt ist. Der Staat und das Parlament müssen sich auch über diese Bereiche informieren können. Nur so können sie sachgerecht entscheiden, ob Handlungsbedarf für den Staat besteht. Allerdings reicht der Grundrechtsschutz der Betroffenen wesentlich weiter und steht regelmäßig umfassenden Informationsansprüchen entgegen. Auch bietet insoweit das Budgetrecht regelmäßig keine Grundlage für (ausforschende) Eingriffe. Das wird selbst dann angenommen, wenn der Staat Subventionen zur Verfügung stellt. Lediglich die zweckentsprechende Verwendung der Mittel soll der Kontrolle des zahlenden Staates unterliegen. Unabhängig davon, wo die Grenzen im Detail verlaufen, ist aber eine Ausnahme von diesen Regeln anerkannt: Privatrechtssubjekte, die ganz überwiegend aus öffentlichen 60 BVerfGE 98, 145 (161); ebenso BayVerfGH, Urteil v. 26.7.2006 – Vf. 11-IVa-05, S. 48, ausdrücklich auch für „gemischtwirtschaftliche“ Unternehmen, wenn sie von der öffentlichen Hand „beherrscht“ werden. Dabei haben bundesrechtlich geregelte Geheimhaltungspflichten auch im Verfassungsraum der Länder nicht „zwangsläufig“ Vorrang (S. 50); vgl. auch Poppenhäger, ThürVBl. 2000, 152 (155).

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Mitteln unterhalten werden, müssen im Hinblick auf Transparenzpflichten ebenso behandelt werden, wie Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft. Unternehmen und Einrichtungen in Privatrechtsform, die nicht vom Staat getragen werden, sind in gleichem Maße wie Eigengesellschaften oder gemischtwirtschaftliche Unternehmen rechenschaftspflichtig, wenn sie maßgebend aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. In diesem Fall sind dem Parlament und den einzelnen Abgeordneten hinreichende Informationen für die Entscheidung über die Bewilligung der betreffenden Mittel zur Verfügung zu stellen. Wenn ein Privatrechtssubjekt nur durch öffentliche Mittel am Leben erhalten wird, müssen die Umstände der Subventionsgewährung und -verwendung in allen Details den verantwortlichen Repräsentanten des Volkes für ihre Entscheidung zur Verfügung stehen. Sie müssen spezifizierte und kontrollierbare Vorgaben für die Mittelverwendung machen.61 Andernfalls verletzen sie ihre Pflichten als Haushaltsgesetzgeber und können ihren Kontrollauftrag nicht ausführen. cc) Informationen zur Reorganisation der RAG Das Budgetrecht des Parlaments schließt einen „Anspruch des Parlaments wie der einzelnen Abgeordneten darauf ein, dass ihnen die für eine sachverständige Beurteilung des Haushaltsplans erforderlichen Informationen nicht vorenthalten werden“.62 (1) Haushaltsrechtliche Bedeutung der Reorganisation Die geplante Reorganisation der RAG bedeutet letztlich eine Umschichtung oder Veräußerung von Landesvermögen. Der Aufbau eines nicht steinkohlebezogenen Unternehmensbereichs („weißer Bereich“) durch ein Unternehmen, das von Anfang an ganz überwiegend aus Steuermitteln finanziert worden ist, stellt nur dann keine verbotene Zweckentfremdung öffentlicher Mittel dar, wenn diese Vorgehensweise einzig den Zweck hatte, Rückstellungen zur Absicherung künftiger Ansprüche gegen das Unternehmen zu bilden und dabei eine marktgerechte Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu erzielen. Die Steinkohlebeihilfen sind eindeutig zur Fortführung und sozialverträglichen Abwicklung des Steinkohle61 BayVerfGH, Urteil v. 26.7.2006 – Vf. 11-IVa-05, S. 49; Masing, Parlamentarische Untersuchung privater Sachverhalte, S. 328 f., 335; allg. zu Frage- und Informationsrechten der Abgeordneten Platter, LKV 2005, 99; zur Transparenz öffentlicher Unternehmen Rottmann, Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen Bd. 29 (2006), S. 259; ferner Säcker, FS Rebmann, 1989, 781. 62 BVerfGE 110, 199 (225), unter Berufung auf BVerfGE 70, 324 (355), wo dieses Ergebnis ebenfalls schon festgestellt wird, allerdings – anders als in der jüngeren Entscheidung – noch auf die Statusgewährleistung nach Art. 38 I GG abgestellt wird; ähnlich Ableitung von Ansprüchen der einzelnen Abgeordneten auf Beantwortung ihrer Fragen durch die Verfassungsgerichte auf Landesebene: VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (49); BayVerfGH, VerfGH 54, 62 (73); Urteil v. 26.7.2006 – Vf. 11-IVa-05, S. 45.

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bergbaus und nicht zum Aufbau eines international tätigen Großunternehmens gewährt worden. Soweit sie (zulässigerweise) in den „weißen Bereich“ investiert worden sind, muss dieser uneingeschränkt den Subventionsgebern zur Verfügung stehen. Aus der Sicht des Haushaltsrechts handelt es sich um (anteiliges) Landesvermögen. (2) Der besondere Informationsbedarf Für die weitere Gewährung von Subventionen aus dem Landeshaushalt für die RAG (Steinkohlebeihilfen) sind detaillierte Informationen über die Verwendung dieses Vermögens erforderlich. Das schließt einen möglichen Verkauf oder Börsengang ein. Nur so kann eine sachkundige Entscheidung über die Notwendigkeit weiterer Zahlungen aus Steuermitteln und die Abdeckung von Risiken für den Landeshaushalt erfolgen. Besonders dezidiert hat der Verfassungsgerichtshof für das Land NordrheinWestfalen die Bindung des Haushaltsgesetzgebers an das Wirtschaftlichkeitsgebot als Ausprägung des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips betont.63 Ihm sei jedenfalls das Erfordernis zu entnehmen, ein bestimmtes Ziel mit dem geringstmöglichen Einsatz von Mitteln zu erreichen.64 Damit ist der Minimierungsaspekt des ökonomischen Prinzips angesprochen. Der Haushaltsgesetzgeber ist danach verfassungsrechtlich verpflichtet, das erstrebte Ziel mit dem geringsten Aufwand zu verfolgen. Das kann auch eine sofortige Einstellung jeglicher Steinkohleförderung bedeuten, wenn die finanziellen Folgen („Ewigkeitslasten“, Schadensersatzansprüche, volle soziale Absicherung der Arbeitnehmer im Bergbau, Struktureffekte) geringer sind, als die Fortführung des Steinkohlebergbaus; und sei es auch nur in reduzierter Form. Diese Alternative muss der Haushaltsgesetzgeber eingehend in seiner Erwägungen einbeziehen, wenn er nicht gegen das verfassungsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen will. Vor der Ermächtigung zur Zahlung von Subventionen, die einen nennenswerten Teil der gesamten Ausgaben des Landes ausmachen, muss er erneut prüfen, ob nicht die Verweigerung der Zahlungen kostengünstiger ist. Der Widerruf von bestandskräftigen Bewilligungsbescheiden kann selbst dann wirtschaftlicher sein, wenn er Schadensersatzansprüche auslösen würde. Er müsste dann auch erfolgen. Dem Haushaltsgesetzgeber ist es unbenommen, die Bewil63 VerfGH NRW, NWVBl. 2004, 419 (425); zust. Birk, Festschrift Selmer, 2004, 589 (595), der aber zu Unrecht „Einigkeit“ in diesem Punkt konstatiert; aus demselben Blickwinkel Tappe, NWVBl. 2005, 209 (211); ebenso, aber ohne Zitat des Gerichts Hüsken/Mann, DÖV 2005, 143 Fn. 1; krit. zur Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgebots zur Beurteilung von Entscheidungen des Haushaltsgesetzgebers Gumboldt, NVwZ 2005, 36 (41). 64 VerfGH NRW, NWVBl. 2004, 419 (422), unter Berufung auf: VerfGH RhPf, NVwZ-RR 1998, 145 (149); Gröpl, in: Bonner Kommentar, Art. 110 (2001) Rn. 141; krit. Wendt/Elicker, VerwArch 2004, 471 (474 f.).

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ligung der Mittel zu verweigern und dadurch eventuell einen Schadensersatzanspruch auszulösen. Die angebliche oder tatsächliche Gewährleistung von Energiesicherheit für ganz Deutschland gehört dabei nicht zu den Aufgaben, für die das Land zuständig ist. Sie darf bei der Entscheidung des Landesgesetzgebers über die Ermächtigung zur Zahlung von Subventionen im Haushaltsgesetz des Landes keine Rolle spielen. dd) Zwischenergebnis Der Haushaltsgesetzgeber des Landes Nordrhein-Westfalen darf Subventionen in dreistelliger Millionenhöhe für ein einzelnes Unternehmen nur dann bewilligen, wenn er über alle entscheidungserheblichen Umstände hinreichend informiert ist und die Gewährung der Subventionen die kostengünstigste Lösung zur Verwirklichung des erstrebten Zieles ist. Die Sicherung der Energieversorgung für ganz Deutschland ist nicht Aufgabe eines Landes. e) Grenzen des Anspruchs Fragerecht und Antwortpflicht genießen Verfassungsrang. Sie können deshalb nur Beschränkungen unterliegen, die sich aus der Verfassung selbst ergeben. In der Rechtsprechung wird das Fragerecht der Abgeordneten und die korrespondierende Antwortpflicht der Regierung dementsprechend unter zwei Vorbehalte gestellt: die Funktionsfähigkeit der Regierung darf nicht beeinträchtigt werden (aa), und für die Bestimmung von Art und Weise der Beantwortung sowie in „gewissem Umfang“ auch der Zeitpunkt der Antwort soll es eine Einschätzungsprärogative der Regierung geben (bb).65 Bei der Frage nach Informationen, die private Dritte, die nicht vom Staat oder seinen Einrichtungen getragen werden, können darüber hinaus noch entgegenstehende Rechte dieser Dritten zu beachten sein (cc). aa) Funktions- und Arbeitsfähigkeit der betroffenen Verfassungsorgane (1) Regierung Es besteht ein „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“, in den die anderen Staatsgewalten nicht eingreifen dürfen. Seine Grundlage ist das in Art. 3 LVerf und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG normierte Gewaltenteilungsprinzip. Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen stützt sich demgegenüber maßgebend auf die so genannte Verfassungsorgantreue und leitet aus ihr ab, dass „die Verfassungsorgane und ihre Gliederungen zur gegenseitigen Rücksicht65

VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (50).

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nahme“ verpflichtet seien und den Funktionsbereich bei der Ausübung ihrer Befugnisse zu respektieren hätten, den die „davon mitbetroffenen Staatsorgane in eigener Verantwortung wahrzunehmen haben“.66 Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortlichkeit umfasst einen Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung, in den auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit seinen Informationsrechten nicht eingreifen darf. Dieser geschützte Bereich exekutiven Handelns „steht im Zusammenhang und ist teilweise deckungsgleich mit der Notwendigkeit“, die „Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Regierung“ zu sichern, die Verfassungsrang besitzt.67 Daraus ergeben sich vor allem Grenzen für die Beantwortungspflicht. Die Regierung ist der Antwortpflicht ganz oder teilweise enthoben, wenn sie sonst ihre übrigen Aufgaben in „unvertretbarem Umfang“ vernachlässigen müsste oder gar „ein Zustand der Funktionsunfähigkeit in diesen Bereichen zu besorgen wäre“.68 (2) Parlament Der Informationsanspruch des einzelnen Abgeordneten oder einer Vereinigung von Abgeordneten kann nicht nur in Konflikt mit der Funktionsfähigkeit der Regierung, sondern auch des Verfassungsorgans Parlament geraten. Auch gegenüber dem Gesamtparlament muss der Abgeordnete sein Recht so ausüben, dass das „Funktionsinteresse der Gesamtheit“ nicht verletzt wird.69 Das Parlament darf deshalb die Wahrnehmung des Informationsanspruchs im Interesse einer geordneten Wahrnehmung und sachgerechten Erfüllung an recht weit reichende Bedingungen knüpfen.70 bb) Art und Weise sowie Zeitpunkt der Beantwortung (1) Einschätzungsprärogative der Regierung Der Landtag hat ausführliche Regelungen zur Einbringung von parlamentarischen Anfragen aufgestellt (§§ 85–90 GO LT). Da entsprechende Regelungen zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Regierung fehlen, hat der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen der Regierung eine begrenzte Einschätzungsprärogative zur Wahrung ihrer Funktions- und Arbeitsfähigkeit bei 66

VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (50). VerfGH NRW, OVGE 18, 316; DVBl. 1994, 48 (50); für das Bundesrecht: BVerfGE 67, 100 (139); Stern, AöR 109, 199 (239); Vogelsang, ZRP 1988, 5 (7). 68 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (50). 69 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (50). 70 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (50), unter Berufung auf: BVerfGE 80, 188 (218 f.); 84, 304 (321 f.), wo aber die Ausschussbildung zur beurteilen war und nur ganz peripher der Informationsanspruch erwähnt wird. Es finden sich allerdings allgemeine Ausführungen zur Geschäftsordnungsbefugnis. 67

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der Entscheidung über die Art und Weise der Beantwortung von Fragen sowie in Grenzen auch über den Zeitpunkt der Antwort eingeräumt.71 In diesem Zusammenhang hat er ihr überlassen, „in welchem Umfang sie auf Einzelheiten eingeht“. Dabei sei jedoch auf die Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen.72 Als Beurteilungskriterien nennt er: – den politischen Stellenwert der angesprochenen Problematik, – ihren Schwierigkeitsgrad, – die Dringlichkeit des in der Frage zum Ausdruck kommenden Informationsbedürfnisses, – die Inanspruchnahme der Ministerialverwaltung durch anderweitige Aufgaben. Eine Bezugnahme auf frühere Antworten zu einer „im wesentlichen inhaltsgleichen Frage“ soll zulässig sein. Entsprechendes soll für einen Verweis auf einen anstehenden Untersuchungsausschuss gelten.73 (2) Verfassungsgerichtliche Überprüfung Die wertende Einschätzung der Regierung soll nicht in „allen Einzelheiten“ einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung unterliegen. Die Regierung brauche vor allem nicht den Nachweis zu führen, dass die Grenze der Funktionsfähigkeit im Einzelfall erreicht gewesen sei.74 Dem wird zwar im Schrifttum mit erwägenswerten Gründen widersprochen,75 doch ist für praktische Zwecke der Standpunkt des für das Land zuständigen Verfassungsgerichts für die weitere Prüfung zugrunde zu legen. Bei der Ausübung ihrer Einschätzungsprärogative hat sich die Regierung aber an ihrer Pflicht zu vollständiger und zutreffender Antwort zu orientieren. Die Erfüllung dieser Pflicht unterliegt der uneingeschränkten Kontrolle durch das Verfassungsgericht. Wesentliche Grundlage für die gerichtliche Beurteilung sind die Gründe, welche die Regierung angibt, warum sie eine inhaltliche Antwort ganz oder teilweise (zunächst) ablehnt.76 Den Formulierungen, welche die Regierung bei der Behandlung der kleinen Anfragen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gewählt hat, kommt damit erhöhte Bedeutung zu.

71 DVBl. 1994, 48 (50), unter Berufung auf HambVerfGH, HmbJVBl. 1978, 11; Geck, Fragestunde, S. 75; Bodenheim, ZParl. 1980, 39 (52 f.); a. A. Platter, LKV 2005, 99 (102). 72 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (51). 73 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (51). 74 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (51). 75 Vogelsang, ZRP 1988, 5 (8); Weis, DVBl. 1988, 268 (272 f.). 76 VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (52).

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Aber auch wenn sie diese Pflicht erfüllt, kann in Ausnahmefällen ein Verfassungsverstoß vorliegen. Für die Beurteilung, ob eine Antwort zu lange herausgezögert worden ist, können die Regeln der Geschäftsordnung des Landtags über die zeitliche Behandlung von Anfragen als Anhaltspunkt herangezogen werden.77 cc) Entgegenstehende Rechte Dritter Da die RAG aus haushaltsrechtlichen Gründen insgesamt als (anteiliges) Landesvermögen einzustufen ist,78 kann es prinzipiell gegenüber dem wirtschaftlichen Träger des Unternehmens aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse geben. Andernfalls müsste das Land mit sofortiger Wirkung seine Zahlungen einstellen. Soweit es um diese finanzrechtlichen Fragen geht, können auch Persönlichkeitsrechte der handelnden Personen nicht betroffen sein.79 Das Unternehmen als juristische Person kann nicht Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sein. Unternehmen können nicht die dafür notwendig vorausgesetzte Menschenwürde haben.80 2. Erfüllung des Anspruchs durch die bisher zur Verfügung gestellten Informationen Spätestens bei der Beratung des Haushaltsgesetzes, in welches Ermächtigungen zu Zahlungen für die Steinkohle oder das Eingehen von dahingehenden finanziellen Verpflichtungen aufgenommen werden, müssen weitere detaillierte Informationen über die künftige Haftung und die wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel vorliegen. Das betrifft vor allem den erzielbaren Erlös aus der Veräußerung des „weißen Bereichs“ der RAG, der zur Deckung künftiger finanzieller Risiken für den Landeshaushalt dienen muss. Entsprechendes gilt, wenn Abkommen unter Beteiligung des Landes geschlossen werden, welche den Entscheidungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers in künftigen Haushaltsperioden nennenswert einschränken. 77

VerfGH NRW, DVBl. 1994, 48 (51). Oben I. 1. d) cc) (1). 79 Tendenziell zurückhaltend zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüber dem Informationsanspruch Raap, NJW 1997, 508 (509); allg. zum Problem: Vogelsang, ZRP 1988, 5 (8); Masing, Parlamentarische Untersuchungen privater Sachverhalte, S. 128 ff., 142 ff., 153 ff.; Konzentration auf personenbezogene Daten bei Burkholz, VerwArch 1993, 203 (213 ff.). 80 Dreier, in: Dreier I, Art. 2 I Rn. 81, mit Nachweisen für die ganz h. M. im Verfassungsrecht, der allerdings selbst eine Ausnahme für den Ehrschutz macht; Masing, Parlamentarische Untersuchungen privater Sachverhalte, S. 135; weniger klar Kestler, ZParl. 2001, 258 (266 f.); a. A. BGH, NJW 1994, 1281 und weite Teile der zivilrechtlichen Rspr., welche die Verwurzelung in der Menschenwürde völlig ignoriert; offen gelassen von BVerfG, NJW 1994, 1784. 78

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Dem Haushaltsgesetzgeber müssen vor der Bewilligung weiterer Mittel für die Steinkohle und der Übernahme von finanziellen Risiken aus der Umstrukturierung detaillierte und substantiierte Informationen über die für den Steuerzahler günstigste Lösung vorliegen, unter Einschluss von bisher nicht diskutierten Lösungen, wie der sofortigen Einstellung des Bergbaus unter voller sozialer Absicherung der betroffenen Arbeitnehmer. Dies ist neben der Haushaltsautonomie des Parlaments auch Folge des Wirtschaftlichkeitsgebots, wie es der Verfassungsgerichtshof für das Land NordrheinWestfalen versteht. Dieses Gebot deutet er als Ausprägung des allgemeinen Übermaßverbots, das nach seiner Auffassung nicht nur die Exekutive beim Haushaltsvollzug, sondern auch den (Haushalts-)Gesetzgeber bei der Entscheidung über Haushaltsansätze bindet. a) Informationen durch den Haushaltsentwurf Der Landeshaushalt für das Haushaltsjahr 200781 ist am 30. August 2006 eingebracht worden.82 Er wurde in der 3. Lesung am 24. Januar 2007 angenommen83 und am 30. Januar 2007 verkündet. Der durch das Gesetz festgestellte Haushaltsplan sieht in Kapitel 08 050 in Titel 683 20 Zuschüsse für den Absatz deutscher Steinkohle zur Verstromung und an die Stahlindustrie sowie zum Ausgleich von Belastungen infolge von Kapazitätsanpassungen Ausgaben in Höhe von 564 Mio. Euro vor. Die Erläuterungen zu diesem Titel verweisen auf den Zuwendungsbescheid des Bundes für den Zeitraum von 2006 bis 2008 und eine „Vorschaltvereinbarung“ zwischen dem Bund und dem Land. Diese Vereinbarung sehe folgende Landesbeteiligung vor: – für das Haushaltsjahr 2007 564,0 Mio. Euro, – für das Haushaltsjahr 2008 540,0 Mio. Euro, – für das Haushaltsjahr 2009 516,0 Mio. Euro. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass die „Jahresplafonds“ jeweils jährlich nachschüssig ausbezahlt werden. In Titel 972 10 ist eine (globale) Minderausgabe in Höhe von 50 Mio. Euro veranschlagt. Sie war im Haushaltsjahr 2006 noch nicht vorgesehen. Zur Erläuterung wird dargelegt, dass die Landesregierung davon ausgehe, dass „im Rahmen der Ausführung des Zuwendungsbescheides des Bundes über die Jahresplafonds 2006 bis 2008 [. . .] dort festgelegte

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Gesetzentwurf der Landesregierung vom 18.08.2006, Drucksache 14/2300. 1. Lesung – Einbringung Plenarprotokoll 14/35, S. 3812–3818, 3821–3881, 3892– 3893. 83 Plenarprotokoll 14/49, S. 5513–5568. 82

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Einspar- und Flexibilitätsregelungen zu Rückzahlungen oder Minderausgaben führen“ würden. Diese Informationen sind im Lichte der zuvor entwickelten Anforderungen sehr dürftig und nicht geeignet den Informationsbedarf des interessierten Abgeordneten zu decken. Darüber hinaus bestehen Zweifel an der Beachtung des haushaltsverfassungsrechtlichen Prinzips der Wahrheit und Klarheit der Veranschlagung. Anstelle der von der Landesregierung erhofften Minderausgabe in Höhe von 50 Mio. Euro haben RAG/DSK noch vor Verabschiedung des Haushalts zusätzliche Forderungen in Höhe von 163 Mio. Euro gestellt84 und mit Entlassungen bei Nichterfüllung gedroht. Der gesteigerte Informationsanspruch des Parlaments und der Abgeordneten im Rahmen ihres Budgetrechts ist damit jedenfalls noch nicht erfüllt. Namentlich können sie nicht abschätzen, ob es Alternativen gibt, die geringere Ausgaben für das Land zur Folge haben, also das Wirtschaftlichkeitsgebot beachten. b) Beantwortung von Anfragen des Abgeordneten Priggen aa) Ausgangslage Der Abgeordnete Priggen hat schon seit mehreren Jahren versucht, mehr Licht in die Subventionierung des deutschen Steinkohlebergbaus zu bringen und Informationen über die künftig auf das Land zukommenden finanziellen Lasten zu erlangen. Dazu hat er sich nicht zuletzt des Instruments der kleinen Anfrage bedient. Die dort gestellten Fragen dienten auch dazu, Alternativen zu ermitteln, die mit geringeren Ausgaben oder finanziellen Risiken verbunden sind. Für die Entscheidung über den jetzt beschlossenen Haushalt waren vor allem die Anfrage aus den Monaten September und Oktober 2006 von gesteigerter Bedeutung.85 Die Landesregierung hat ihre Pflicht zur vollständigen und zutreffenden Beantwortung der Anfragen des Abgeordneten Priggen als solche nicht in Frage gestellt. Allerdings hat sie verschiedene Antworten unter Hinweis auf fehlende Kenntnis oder den Schutz von Geschäftsgeheimnissen verweigert. 84 Vgl. dazu die Antwort der Landeswirtschaftsministerin auf die mündliche Anfrage des Abg. Priggen v. 22.01.2007. 85 Kleine Anfrage 943 v. 12.09.2006, Drucksache 14/2524; kleine Anfrage 944 v. 12.09.2006, Drucksache 14/2525; kleine Anfrage 945 v. 12.09.2006, Drucksache 14/ 2526; kleine Anfrage 946 v. 12.09.2006, Drucksache 14/2527; kleine Anfrage 947 v. 12.09.2006, Drucksache 14/2528; kleine Anfrage 948 v. 12.09.2006, Drucksache 14/ 2529; kleine Anfrage 949 v. 12.09.2006, Drucksache 14/2530; kleine Anfrage 950 v. 12.09.2006, Drucksache 14/2531; kleine Anfrage 951 v. 12.09.2006, Drucksache 14/ 2532; kleine Anfrage 952 v. 12.09.2006, Drucksache 14/2533; kleine Anfrage 953 v. 12.09.2006, Drucksache 14/2534; kleine Anfrage 954 v. 12.09.2006, Drucksache 14/ 2535; kleine Anfrage 955 v. 12.09.2006, Drucksache 14/2536; kleine Anfrage 956 v. 12.09.2006, Drucksache 14/2537; kleine Anfrage 957 v. 12.09.2006, Drucksache 14/ 2538.

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bb) Antworten Die bisher von der Landesregierung auf Anfragen der Fraktion „Bündnis 90/ Die Grünen“ und des Abgeordneten Priggen erteilten Auskünfte erfüllen nicht in vollem Umfang den oben entwickelten Anforderungen. Vor allem bedürfen die Antworten auf folgende Fragen einer näheren Untersuchung: Frage 2 in Anfrage 943,86 Frage 2 in Anfrage 944,87 Frage 5 in Anfrage 945,88 Frage 5 in Anfrage 947,89 Fragen 1, 2, 3 und 4 in Anfrage 950,90 Fragen 1 und 5 in Anfrage 95291. (1) Frage 2 in Anfrage 943 Die Zuordnung des Bildungsbereichs der RAG (RAG-Bildung GmbH) kann bedeutsam für die Überprüfung einer zweckentsprechenden Verwendung der Steinkohlebeihilfen sein. Seine Zuordnung bei der geplanten Neuorganisation beeinflusst den Subventionsbedarf. Für die Entscheidung, welche Zuordnung für das Land mit den geringsten Aufwendungen verbunden ist, spielt die Ertragssituation der GmbH eine maßgebende Rolle. Dafür sind nicht nur die Anteile des Umsatzes mit verbundenen Unternehmen entscheidungserheblich, sondern auch die Ertragssituation in absoluten Zahlen und der Kostendeckungsgrad. Welche schützenswerten Unternehmensinteressen einer vollständigen Beantwortung der Frage entgegen stehen könnten, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil bedarf es einer Klärung, ob hier nicht Zuwendungen zweckwidrig verwendet werden. (2) Frage 2 in Anfrage 944 Die nach aktiven Bergwerken aufgeschlüsselten Kosten für Wasserhaltung, für Schäden durch Bergsenkungen und für Schäden an Deichen sind für die Entscheidung über einen wirtschaftlichen Einsatz der Zuwendungen von erheblichem Belang. Nur bei voller Kenntnis dieser – vermutlich – stark differierenden Kosten kann kontrolliert werden, ob die vom Land (und dem Bund) gezahlten Mittel effizient eingesetzt werden, also der vom Subventionsgeber erstrebte Erfolg mit dem geringsten Aufwand erzielt wird. Die Landesregierung verkennt, dass der Subventionsempfänger in dieser besonderen Situation Staatsaufgaben erfüllt. Dafür müssen ihm auch Anweisungen erteilt werden können. Ohne Kenntnis spezifizierter Kostenstrukturen ist das aber nicht möglich. 86 87 88 89 90 91

LT-Drucksache 14/2524; Antwort in LT-Drucksache 14/2915. LT-Drucksache 14/2525; Antwort in LT-Drucksache 14/2933. LT-Drucksache 14/2526; Antwort in LT-Drucksache 14/2934. LT-Drucksache 14/2528; Antwort in LT-Drucksache 14/2936. LT-Drucksache 14/2531; Antwort in LT-Drucksache 14/2939. LT-Drucksache 14/2533; Antwort in LT-Drucksache 14/2940.

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Die Veröffentlichungspraxis der EU-Kommission ist in diesem Zusammenhang irrelevant, da für sie nicht das Budgetrecht des Landtages zur Diskussion steht. Das Parlament hat einen anders gearteten Informationsbedarf als die Kommission im Rahmen ihrer Beihilfekontrolle. (3) Frage 5 in Anfrage 945 Das KPMG-Gutachten sollte wesentliche Fragen im Hinblick auf eine für den Steuerzahler günstige Lösung der Problematik erbringen. Vor allem besteht Informationsbedarf über den Wert des Beteiligungsvermögens der RAG und die künftigen Kosten des Steinkohlebergbaus und seiner Abwicklung einschließlich der Altlasten. Der vom Vorstand der RAG favorisierte Börsengang führt möglicherweise zu einer erheblichen Schädigung des Landes, da auf diese Weise nicht der maximal mögliche Erlös zu erzielen ist. Der Verkauf an einen Investor („trade sale“) bringt vermutlich einen wesentlich höheren Ertrag als ein Börsengang. Das bedarf der Aufklärung. Dabei darf diese Art der Verwertung nicht verwechselt werden mit der Frage: Aufteilung des Beteiligungsvermögens oder Veräußerung im Ganzen. Beides ist in den Varianten „Börsengang“ oder „trade sale“ möglich. Erfahrungswerte sprechen dafür, dass mit einem Börsengang, in welcher Form auch immer, ein schätzungsweise 20% niedrigerer Erlös zu erzielen ist, auch wenn das Unternehmen nicht zerlegt wird. Bei einer Veräußerung als Ganzes ist zusätzlich zu beachten, dass möglicherweise vom Markt ein Konglomeratsabschlag vorgenommen wird, der zu einer weiteren erheblichen Schädigung des Landes und seiner Steuerzahler führt. Für die Beurteilung durch den Gesetzgeber ist daher eine vollständige Kenntnis aller ertragsrelevanten Faktoren erforderlich. Dazu bedarf es zumindest der Kenntnis der bisher erstellten Gutachten. Ihre Weiterleitung an die Abgeordneten des Landtags steht nicht im Belieben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle oder des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die Landesregierung muss alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um Kenntnis vom Inhalt dieser Gutachten zu erlangen und muss diese Kenntnis auch den Abgeordneten zugänglich machen. Es ist das Parlament und nicht die Regierung, das die für jede denkbare Lösung erforderlichen Mittel bereitstellen und gegenüber den Wählern verantworten muss. (4) Frage 5 in Anfrage 947 Der erbetene aufsummierte Barwert aller Zahlungsströme ist weder zu dem vom Aktuar zugrunde gelegten Diskontierungssatz von 2,39% noch zu dem erbetenen Diskontierungssatz von 1,5% mitgeteilt worden. Die Frage ist also ohne Angabe von Gründen im Kern nicht beantwortet worden.

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(5) Fragen 1, 2, 3 und 4 in Anfrage 950 Die Fragen zielen auf die Ermittlung der Kosten von Verbänden, deren einzigen Mitglieder lediglich aus der RAG AG und ihren Beteiligungen besteht. Zum Teil bestehen Überkreuzverflechtungen. Die Mitglieder des Unternehmensverbandes des deutschen Steinkohlebergbaus (UVSt) sind: – RAG Aktiengesellschaft, – RAG Beteiligungsgesellschaft, – Deutsche Steinkohle AG, – RAG Immobilien Holding GmbH, – DSK Anthrazit Ibbenbüren GmbH, – RAG Immobilien AG, – RAG Wohnimmobilien GmbH. Die Mitglieder des Gesamtverbandes des deutschen Steinkohlebergbaus (GVSt) sind: – RAG Aktiengesellschaft, – Deutsche Steinkohle AG, – DSK Anthrazit Ibbenbüren GmbH, – Bergwerksgesellschaft Merchweiler mbH, – STEAG GmbH, – Unternehmensverband Steinkohlebergbau (UVSt). Damit handelt es sich um zwei Einrichtungen, die der RAG-Konzern unterhält. Es besteht aller Anlass, deren Finanzierung aufzuklären, zumal die Landesregierung selbst von „produktionskostenwirksamen“ Mitgliedsbeiträgen ausgeht. Die gestellten Fragen sind nicht mit der Feststellung beantwortet, dass die Verbände keine unmittelbaren Zuwendungsempfänger sind. Entscheidend ist, dass ihre einzigen Mitglieder im Wesentlichen aus Steuermitteln alimentiert werden. Damit werden im wirtschaftlichen Ergebnis auch die Verbände aus Steuermitteln finanziert und der Haushaltsgesetzgeber muss die Verwendung der Mittel kennen, die ihnen zufließen. Die Mitgliedsbeiträge zu Verbänden, die bei wirtschaftlicher Betrachtung nur ein Mitglied haben, sind nicht ohne weiteres „normale Betriebsausgaben“. Der Vergleich zu anderen Branchen ist verfehlt, da es keine weitere „Branche“ in Deutschland gibt, die wie der Steinkohlebergbau nur aus einem Unternehmen besteht, der RAG AG. Es bedarf der Aufklärung, ob Steuermittel dazu eingesetzt werden, um die weitere Bewilligung von Steuermitteln im politischen Raum zu bewirken.

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(6) Fragen 1 und 5 in Anfrage 952 Die vollständige Beantwortung von Frage 1 wird mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um „geschützte Unternehmensdaten“ handele. Diese Begründung ist nicht hinreichend, wie bereits dargelegt worden ist (oben (2)). Im Übrigen dürfte es sich nur um einen Vorwand handeln, da diese Zahlen (teilweise) wenige Tage später in der Regionalpresse zu finden waren.92 Die mit Frage 5 erbetenen Angaben zu den Plänen eines Unternehmens, das einen öffentlichen Auftrag erfüllt und ganz wesentlich aus Steuermitteln finanziert wird, dürfen nicht vor dem Haushaltsgesetzgeber geheim gehalten werden. Er muss schließlich entscheiden, ob diese Mittel zu Recht gewährt werden können. cc) Andere zumutbare Wege der Klärung Es bleibt zu klären, ob der Informationsanspruch des Abgeordneten Priggen dadurch erfüllt worden ist, dass die Landesregierung einen Weg aufgezeigt hat, auf dem „zumutbarerweise eine Klärung der gestellten Fragen“ erreicht werden konnte. Es kann hier dahinstehen, ob der Abgeordnete sich auf andere Wege der Informationsbeschaffung verweisen lassen muss.93 Die Regierung hat jedenfalls keine Wege aufgezeigt, wie die nicht erteilten Auskünfte beschafft werden könnten. dd) Zwischenergebnis Die Landesregierung hat folgende Fragen nicht hinreichend beantwortet und auch keine anderen für den Abgeordneten zumutbaren Wege aufgezeigt, sich die gewünschten Informationen zu beschaffen: die Frage 2 in Anfrage 943,94 die Frage 2 in Anfrage 944,95 die Frage 5 in Anfrage 945,96 die Frage 5 in Anfrage 947,97 die Fragen 1, 2, 3 und 4 in Anfrage 95098 sowie die Fragen 1 und 5 in Anfrage 95299.

92

Rheinische Post v. 2.12.2006. Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat die Verweisung auf ein unmittelbar bevorstehendes Untersuchungsverfahren als zumutbare Alternative ausreichen lassen, da dort dieselben Gegenstände wie in der Anfrage behandelt werden sollten, VerfGH NRW, NWVBl. 1994, 48 (52). 94 LT-Drucksache 14/2524; Antwort in LT-Drucksache 14/2915. 95 LT-Drucksache 14/2525; Antwort in LT-Drucksache 14/2933. 96 LT-Drucksache 14/2526; Antwort in LT-Drucksache 14/2934. 97 LT-Drucksache 14/2528; Antwort in LT-Drucksache 14/2936. 98 LT-Drucksache 14/2531; Antwort in LT-Drucksache 14/2939. 99 LT-Drucksache 14/2533; Antwort in LT-Drucksache 14/2940. 93

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3. Ergebnis Die Landesregierung hat den Informationsanspruch des Abgeordneten Priggen verletzt, indem sie die zuvor näher bezeichneten Fragen nicht vollständig beantwortet hat. II. Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung Ein genereller Parlamentsvorbehalt für Verfügungen über Staatsvermögen wird nicht anerkannt. Die Verfügungsbefugnis über das Staatsvermögen soll generell der Exekutive zustehen. Auch verlangt das Budgetrecht als solches keine parlamentarische Zustimmung, auch nicht indem voraussehbare Einnahmen aus der Veräußerung etatisiert werden müssten.100 Ein Gesetzesvorbehalt auf Grund der „Wesensgehaltsrechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts101 kommt ebenfalls nicht in Betracht, da sie auf Grundrechtseingriffe zugeschnitten ist. Ein solcher liegt hier aber regelmäßig nicht vor. Ob die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs für das Land NordrheinWestfalen zur Zusammenlegung von Innenministerium und Justizministerium102 in diesem Zusammenhang herangezogen werden kann, ist eher zweifelhaft. 1. Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung des öffentlichen Rechts a) Institutioneller Gesetzesvorbehalt Juristische Personen des öffentlichen Rechts können nur durch Gesetz errichtet werden. Eine Stiftung des öffentlichen Rechts, in die der Erlös aus einer Veräußerung von den Teilen der RAG, die nicht dem Steinkohlebergbau gewidmet sind („weißer Bereich“), eingebracht werden soll, kann nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes gegründet werden, wenn ihr Rechtsfähigkeit zukommen soll. Dazu muss ein entsprechendes Parlamentsgesetz vorliegen. Entsprechendes gilt auch für Veränderung im Trägerkreis einer solchen Einrichtung.103 b) Sicherung des Landeseinflusses Es ist alles andere als unzweifelhaft, ob die Rechtsform der Stiftung überhaupt die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Aufsicht und Kontrolle von Trägern öffentlicher Verwaltung zu erfüllen vermag. Letztlich soll sie zumindest 100 101 102 103

Vgl. Birk/Wernsmann, DVBl. 2005, 1 (2). BVerfGE 49, 89 (124 ff.); 69, 1 (108 f.). VerfGH NRW, NJW 1999, 1243 (1244 f.). Das verkennen Birk/Wernmann, DVBl. 2005, 1 (6).

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auch Aufgaben des Landes erfüllen und Haftungsrisiken abdecken, für die letztlich die gewählten Repräsentanten des Volkes ihren Wählern gegenüber Rechenschaft ablegen müssen. Wenn die Stiftung nicht nach dem Recht des Landes Nordrhein-Westfalen errichtet wird, ist zumindest eine hinreichende Beteiligung des Landes mit Einflussmöglichkeiten auf die Stiftung zu sichern. 2. Einbringung des Veräußerungserlöses in ein Sondervermögen Als Sondervermögen werden Vermögensmassen bezeichnet, denen gesetzlich zur Erfüllung eng begrenzter Aufgaben ihres Trägers nach festgesetzten Regeln eine Sonderstellung eingeräumt ist, ohne dass eine selbständige juristische Person gegründet worden wäre.104 In seiner Entscheidung zum „Grundstock“ hat der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen festgestellt, dass Art. 81 Abs. 2 Satz 1 LVerf nicht vorschreibe, auf welchem Wege ein solches Vermögen gebildet werden könne. Die Vorschrift verlange nicht, dass ein solches Vermögen nur durch ein Sondergesetz oder durch eine entsprechende Regelung in der Landeshaushaltsordnung gebildet werden dürfe. Es dürfe auch durch ein periodisch verabschiedetes Haushaltsgesetz geschaffen werden.105 Ob überhaupt eine gesetzliche Regelung erforderlich ist, ist nicht sicher, dürfte aber anzunehmen sein, da sonst die gesetzliche Abgrenzung der Sonderzwecke kaum möglich wäre. Im Ergebnis wäre also auch bei dieser Konstruktion eine Zustimmung des Landtags erforderlich. 3. Errichtung und Veräußerung von Privatrechtssubjekten Die Schaffung neuer juristischer Personen des Privatrechts steht nicht unter Gesetzesvorbehalt. Entsprechendes gilt für die Beteiligung an bestehenden Privatrechtssubjekten. Für die Veräußerung von Landesvermögen ist grundsätzlich eine parlamentarische Zustimmung nicht erforderlich. Die Verfassung knüpft die Veräußerung landeseigener Grundstücke oder sonstigen Landesvermögens an keine besonderen Bedingungen.106 Ein Gesetzesvorbehalt ist insoweit nicht zu erkennen. Fälle von besonderer Bedeutung sind allerdings im Rahmen von § 63 Abs. 3 Satz 4 Landeshaushaltsordnung dem Landtag mitzuteilen.

104 Vgl. Tettinger, in: Löwer/Tettinger, Art. 81 Rn. 24; ähnlich schon zuvor Giesen/ Fricke, Haushaltsrecht, § 26 LHO Rn. 4, die ausdrücklich rechtlich verselbständigte Vermögensmassen ausnehmen. 105 VerfGH NRW, NWVBl. 1996, 291 (294). 106 VerfGH NRW, NWVBl. 1994, 292 (294); ebenso Tettinger, in: Löwer/Tettinger, Art. 81 Rn. 12.

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4. Belastungen künftiger Haushalte a) Grundlagen Soweit aber durch finanzrelevante Entscheidungen der Regierung der Gestaltungsspielraum des Parlaments für künftige Haushaltsperioden nennenswert beeinträchtigt wird, ist seine Zustimmung erforderlich. b) Das Erfordernis der Ausweisung von Verpflichtungsermächtigungen Maßnahmen, die das Land zur Leistung von Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren verpflichten können, sind nur zulässig, wenn das Haushaltsgesetz oder der Haushaltsplan dazu ermächtigt (Verpflichtungsermächtigungen). Das gilt vor allem auch für Abkommen des Landes mit anderen Hoheitsträgern, durch die Verpflichtungen dieser Art entstehen können. Sie bedürfen der Zustimmung des Landtages und müssen im Zweifel als Verpflichtungsermächtigungen in den Haushalt eingestellt werden. c) Zustimmungsvorbehalt für Staatsverträge Wenn nennenswerte Teile des Vermögens der RAG, die letztlich (auch) der Absicherung von Haftungsrisiken des Landes dienen, durch Vereinbarung mit Dritten umorganisiert werden, hat das in der Form eines Staatsvertrages zu erfolgen. Er bedarf zu seinem Inkrafttreten der parlamentarischen Zustimmung. d) Zwischenergebnis Entweder ist danach eine Einstellung als Verpflichtungsermächtigung in das Haushaltsgesetz erforderlich. In Betracht kommt aber auch die Verpflichtung zum Abschluss eines Staatsvertrages, welcher der Zustimmung des Parlaments bedarf. Soweit bisher abschätzbar, dürften die genannten Voraussetzungen bei den jetzt in Aussicht genommenen Abkommen („Kohlekompromiss“) erfüllt sein, so dass eine parlamentarische Zustimmung erforderlich ist. 5. Ergebnis Die Reorganisation der Steinkohleförderung in Deutschland darf nicht ohne Zustimmung des Landtags erfolgen, soweit juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Sondervermögen geschaffen werden. Bindende vertragliche Absprachen mit anderen Hoheitsträgern, die nennenswerte Folgen für künftige Haushalte des Landes haben, bedürfen wohl der Form des Staatsvertrages, der zu seinem Wirksamwerden der parlamentarischen Zustimmung bedarf. Die vertragliche Verpflichtung zur Erbringung finanzieller Leistungen in der Zukunft muss als Verpflichtungsermächtigung vom Haushaltsgesetzgeber etatisiert werden.

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III. Gerichtlicher Rechtsschutz 1. Organstreitverfahren Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen entscheidet über Organstreitverfahren, Art. 75 Nr. 2 LVerf. Sie fallen in seine Zuständigkeit, §§ 12 Nr. 5, 43 ff. VerfGHG. a) Anforderungen an den Antrag Es muss ein ordnungsgemäßer Antrag gestellt werden. aa) Schriftlichkeit Der Antrag ist schriftlich zu stellen, § 18 Abs. 1 Satz 1 VerfGHG. bb) Begründung Der Antrag ist zu begründen. Die erforderlichen Beweismittel müssen angegeben werden, § 18 Abs. 1 Satz 2 VerfGHG. cc) Frist Der Antrag ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist, zu stellen, § 44 Abs. 3 VerfGHG. Der Abgeordnete Priggen beanstandet die mangelnde Beantwortung seiner Fragen durch die Landesregierung im Monat November. Der Antrag kann also fristgerecht gestellt werden. b) Streitgegenstand Zulässiger Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Prüfung der Frage, ob die Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners mit der Verfassungsnorm vereinbar ist, die dem Antragsteller das behauptete Recht zuweist, § 44 Abs. 1 VerfGHG. Der einzelne Abgeordnete hat einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf vollständige und zutreffende Beantwortung seiner Fragen. Dieser Informationsanspruch folgt aus seinem Status als Abgeordneter und aus dem Budgetrecht des Landtags. Ob die nicht hinreichende Beantwortung der Fragen mit diesem Recht vereinbar ist, kann zulässiger Gegenstand eines solchen Verfahrens sein.107 Die 107 Ohne weiteres vom Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen bejaht, DVBl. 1994, 48; im Erg. ebenso Platter, LKV 2005, 99 (102). Auch das Bundesverfassungsgericht hat eine vergleichbare Auseinandersetzung in Schleswig-Holstein trotz Umkehrung der Rollen durch das Landesverfassungsrecht als Organstreit behandelt, BVerfGE 106, 51 (56).

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Zulässigkeit scheitert auch nicht an dem Einwand, dass es sich nicht um eine rechtserhebliche Maßnahme handelt.108 c) Richtiger Antragsgegner Richtiger Antragsgegner ist die Landesregierung. Sie ist verpflichtet, den Informationsanspruch des Abgeordneten zu erfüllen. d) Beteiligtenfähigkeit aa) Antragsteller Der einzelne Abgeordnete kann im Organstreit die behauptete Verletzung oder unmittelbare Gefährdung jedes Rechts geltend machen, das mit seinem Status verfassungsrechtlich verbunden ist.109 Der Abgeordnete Priggen ist beteiligtenfähig im Organstreitverfahren, soweit er geltend macht, dass seine Informationsansprüche als Abgeordneter durch das Verhalten der Antragsgegnerin beeinträchtigt sind. Eine Fraktion könnte als „anderer Beteiligter“, der durch die Verfassung oder in der Geschäftsordnung eines obersten Landesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet ist (Art. 75 Nr. 2 LVerf), beteiligtenfähig sein. Bei den anderen Beteiligten muss es sich um Rechtsträger handeln, die nach Rang und Funktion den obersten Landesorganen insofern gleichstehen, als auch sie verfassungsrechtliche Rechte und Pflichten haben und dadurch wie die obersten Landesorgane berufen sind, an der Bildung des Staatswillens mitzuwirken.110 Das wird einhellig für Landtagsfraktionen bejaht.111 bb) Antragsgegner Die Landesregierung ist ein oberstes Landesorgan im Sinne von Art. 75 Nr. 2 LVerf. Ihr ist ein eigener Abschnitt in der Verfassung gewidmet.112 e) Antragsbefugnis Der einzelne Abgeordnete ist antragsbefugt, wenn er „schlüssig“ behauptet, dass er und der Antragsgegner an einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis 108

Vgl. BVerfGE 110, 199 (211). Im Ergebnis bejaht vom Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, DVBl. 1994, 48; ebenso auf Bundesebene: BVerfGE 62, 1 (32); 70, 324 (350); 80, 188 (208 f.); Vonderbeck, ZParl 1983, 311 (318). 110 VerfGH NRW, OVGE 24, 296 (305). 111 VerfGH NRW, OVGE 24, 296 (305); 44, 289 (291 f.); 44, 325 f.; NWVBl. 1999, 176 (177); NWVBl. 1999, 411; Mann, in: Löwer/Tettinger, Art. 75 Rn. 15. 112 VerfGH NRW, NVwZ 1986, 58; NWVBl. 1992, 129; NWVBl. 1999, 176 (177). 109

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beteiligt sind und hieraus erwachsende eigene Rechte des Antragstellers durch das Verhalten des Antragsgegners verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.113 Später hat die Rechtsprechung diese Formel dahingehend abgeschwächt, dass eine Verletzung oder Gefährdung „nicht von vornherein ausgeschlossen“ sein darf.114 Eine solche Gefährdung der Rechte des Abgeordneten Priggen durch die unzureichenden Antworten der Landesregierung ist nicht ausgeschlossen. f) Rechtsschutzbedürfnis Wegen des objektiven Charakters des Organstreitverfahrens ist es außerordentlich zweifelhaft, ob ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers vorliegen muss.115 Jedenfalls ist es hier zu bejahen, da es keinen einfacheren Weg gibt die erbetenen Informationen von der Landesregierung zu erhalten. 2. Verfassungsbeschwerde a) Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen Eine Individualverfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen scheidet von vornherein aus. Sie ist in Art. 75 LVerf, § 12 VerfGHG nicht vorgesehen. b) Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG kann jedermann Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben. aa) Rügefähige Rechte Der Antragsteller muss behaupten können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 GG enthaltenen Rechte verletzt zu sein, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG. Hier kommt durchaus die Beeinträchtigung von Statusrechten in Betracht, da die Informationsansprüche der Abgeordneten in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durchaus auch aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitet werden. Allerdings ist nicht sicher, ob es sich hierbei um Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte handelt. Allerdings fasst das Bundesverfassungsge113 BVerfGE 80, 188 (209); Vonderbeck, ZParl 1983, 311 (318): „mögliche Verletzung oder Gefährdung“. 114 BVerfGE 104, 151 (196); 104, 310 (325). 115 Verlangt von BVerfGE 68, 1 (77).

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richt die aus dem Status des einzelnen Abgeordneten abgeleiteten Rechte in weitem Umfang zu den grundsätzlich im Verfassungsbeschwerdeverfahren rügefähigen Rechten.116 Zweifel bestehen aber, ob auch die aus der Landesverfassung abgeleiteten Rechte der Landtagsabgeordneten vor dem Bundesverfassungsgericht rügefähig sein können. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht den Streit um die Information von Landtagsabgeordneten (subsidiär) als zulässig im Verfahren nach Art. 94 Abs. 1 Nr. 4 GG angesehen.117 Es handelt sich zwar um eine Sonderregelung, doch zeigt sie, dass es nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass das Bundesverfassungsgericht im Verfassungsraum der Länder judiziert. Diese Frage bedarf indes keiner Vertiefung, da die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde aus einem anderen Grund ausgeschlossen ist. bb) Verweisung auf Organstreitverfahren Der Abgeordnete muss seine Rechte, die mit seinem verfassungsrechtlichen Status verbunden sind, grundsätzlich im Organstreitverfahren geltend machen.118 Sobald er mit obersten Staats- und Verfassungsorganen um Statusrechte streitet, ist das Organstreitverfahren die einzig zulässige Verfahrensart. Sie ist insoweit vorrangig gegenüber der Verfassungsbeschwerde.119 Die „als außerordentlicher Rechtsbehelf des Bürgers gegen den Staat ausgestaltete Verfassungsbeschwerde ist kein Mittel zur Austragung von Meinungsunterschieden zwischen Staatsorganen“.120 Dies gilt auch für Fraktionen. 3. Vorbeugendes Organstreitverfahren Vorbeugende Verfahren im Verfassungsprozess kommen praktisch nicht vor. Die Rechtsprechung beurteilt die Zulässigkeit, soweit überhaupt Entscheidungen ergangen sind, außerordentlich zurückhaltend. Die vorbeugende Normenkontrolle ist, von extremen Ausnahmen abgesehen, unzulässig. Ein vorbeugendes Organstreitverfahren wird nicht so radikal ausgeschlossen. Namentlich hält das Schrifttum ein derartiges Verfahren grundsätzlich für möglich. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht den Antrag von Abgeordneten des Landtags von Thüringen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung der Haushaltsberatungen, bevor nicht bestimmte Informationen (jährlich 116 BVerfGE 108, 251 (266) für den Schutz des Abgeordneten vor Durchsuchungen und Beschlagnahmen in seinem Büro. 117 BVerfGE 92, 130 (133 f.). 118 BVerfGE 6, 445 (448); 43, 142 (148); 64, 301 (313); 108, 251 (267). 119 BVerfGE 108, 251 (267). 120 BVerfGE 108, 251 (267), unter Berufung auf BVerfGE 15, 298 (302); 43, 142 (148); 64, 301 (312).

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zu erstellender Prüfungsbericht des Landesrechnungshofs) vorlagen, als unzulässig zurückgewiesen. Es hat zwar seine Entscheidung auf die mangelnde Antragsbefugnis gestützt, da „ein in einem künftigen Organstreitverfahren zu verfolgendes und durch die beantragte einstweilige Anordnung zu sicherndes eigenes Recht des Abgeordneten“ nicht vorliege.121 Doch kann angenommen werden, dass es den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als das an sich richtige prozessuale Instrument angesehen hat und nicht etwa ein vorbeugendes Organstreitverfahren. Entsprechendes dürfte auch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen gelten. 4. Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung Bei Eilbedürftigkeit ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 27 VerfGHG der richtige Weg. Das Bundesverfassungsgericht hat einen solchen Antrag im Streit um ein Informationsverlangen zwischen Landesregierung und einzelnen Abgeordneten für zulässig angesehen.122 Allerdings war es als Landesverfassungsgericht für das Land Schleswig-Holstein tätig, wo das Landesverfassungsrecht insoweit Besonderheiten aufweist. Es ist fraglich, ob die Voraussetzungen für den Erlass hier erfüllt sind. Namentlich dürfte die Anordnung zur Zeit noch nicht „zum gemeinen Wohl dringend geboten“ sein. 5. Sonstige gerichtliche Rechtsbehelfe Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist nicht eröffnet. Namentlich sind die Voraussetzungen von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht erfüllt. Ein möglicher Rechtsstreit hätte im Kern verfassungsrechtliche Fragen zum Gegenstand. Beteiligte wären Verfassungsorgane oder mit eigenen Rechten ausgestattete Teile solcher Organe. 6. Ergebnis Ein Organstreitverfahren des Abgeordneten Priggen gegen die Landesregierung wegen Verletzung seines Informationsanspruchs wäre zulässig. IV. Zusammenfassung 1. Begründung der Informationsansprüche a) Der einzelne Abgeordnet hat einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Informationen durch die Regierung. 121 122

BVerfGE 92, 130 (136). BVerfGE 106, 51 (55 f.).

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b) Der Anspruch ist im Schwerpunkt aus dem Status als Abgeordneter abzuleiten. Er kann aber auch auf das „Interpellationsrecht“ gestützt werden. In Betracht kommt schließlich noch das Demokratieprinzip. Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen leitet die entsprechenden Befugnisse aus Art. 30 Abs. 2 der Verfassung des Landes ab. c) In Angelegenheiten, welche die Finanzen des Landes betreffen, ist auch das Budgetrecht des Parlaments betroffen. Haushaltsberatung und -verabschiedung müssen wegen der Sonderstellung des Haushalts in besonderem Maße eine „Kontroll- und Legitimationsfunktion“ erfüllen. d) Daraus folgen noch weiter reichende Ansprüche auf Informationen. Sie müssen so detailliert sein, dass nicht nur jeder einzelne Abgeordnete sachgerecht über die Bewilligung von Mitteln und die Übernahme von Garantien entscheiden kann, sondern dass auch eine effektive Kontrolle der Mittelverwendung ermöglicht wird. 2. Inhalt und Umfang der Ansprüche a) Die Regierung trifft die Pflicht zu einer vollständigen und zutreffenden Antwort auf die Fragen des Abgeordneten. Diese Pflicht wird allerdings begrenzt durch das Recht der Regierung zu eigenverantwortlicher Kompetenzausübung und dem Schutz ihrer Funktionsfähigkeit. b) Soweit die Regierung nicht selbst über die notwendigen Informationen verfügt, ist sie grundsätzlich verpflichtet, sich diese zu verschaffen. Es besteht ein Informationsbeschaffungsanspruch der Abgeordneten gegenüber der Regierung. c) Der Anspruch erstreckt sich auf alle Gegenstände, für deren Behandlung das Land zuständig ist. Es sind auch Informationen im Bereich von verselbständigten Einrichtungen des öffentlichen Rechts in unmittelbarer oder mittelbarer Trägerschaft des Landes erfasst. d) Informationen, die Privatrechtssubjekte betreffen, sind nicht grundsätzlich von dieser Verpflichtung ausgeschlossen. Allerdings setzen die Grundrechte dieser Personen dem Informationsanspruch Grenzen. e) Privatrechtlich organisierte Einrichtungen in Trägerschaft des Landes und seiner Einrichtungen, wie Eigengesellschaften, unterliegen aber denselben Informationsansprüchen, wie öffentlich-rechtliche Einrichtungen. Der Wechsel der Rechtsform darf aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu einer Ausdünnung der Rechte des Parlaments und der Abgeordneten führen. f) Privatrechtssubjekte, an denen das Land oder eine seiner Einrichtungen nicht beteiligt ist, unterliegen dann den (uneingeschränkten) Informationsansprüchen der Abgeordneten, wenn sie ganz überwiegend aus öffentlichen Mitteln unterhalten werden. Das trifft zumindest für die Deutsche Steinkohle AG zu.

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Für die RAG insgesamt muss wegen des Haftungsverbundes, dessen Substanz letztlich nur aus öffentlichen Mitteln aufgebaut werden konnte, entsprechendes gelten. g) Soweit öffentliche Mittel verwendet worden sind, weitere Zahlungen geleistet werden sollen und die Haftungsverhältnisse für künftige Lasten geändert werden sollen, steht der RAG kein Auskunftsverweigerungsrecht zu. Insbesondere rechtfertigen Geschäftsgeheimnisse nicht die Verweigerung der Erfüllung von Auskunftsbegehren von Regierung, Parlament und einzelnen Abgeordneten. Auch werden Persönlichkeitsrechte der handelnden Personen durch die Auskunftserteilung in diesen Bereichen grundsätzlich nicht berührt. 3. Beteiligung des Parlaments a) Für die Veräußerung von Landesvermögen ist nur unter bestimmten Umständen eine parlamentarische Zustimmung erforderlich. b) Juristische Personen des öffentlichen Rechts können nur durch Gesetz errichtet werden. Eine Stiftung des öffentlichen Rechts, in die der Erlös aus einer Veräußerung von den Teilen der RAG, die nicht dem Steinkohlebergbau gewidmet sind („weißer Bereich“), eingebracht werden soll, kann nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes gegründet werden. c) Dazu ist ein entsprechendes Parlamentsgesetz zu schaffen. Wenn diese Stiftung nicht nach dem Recht des Landes Nordrhein-Westfalen errichtet werden soll, ist die Beteiligung des Landes im Wege eines Staatsvertrages zu sichern. Dazu ist eine parlamentarische Zustimmung erforderlich. d) Soweit die Veräußerung oder Errichtung von Privatrechtssubjekten erfolgen soll, ist grundsätzlich keine Zustimmung des Landtags erforderlich. Fälle von besonderer Bedeutung sind allerdings dem Landtag mitzuteilen, § 63 Abs. 3 Satz 4 Landeshaushaltsordnung. e) Soweit aber durch finanzrelevante Entscheidungen der Regierung der Gestaltungsspielraum des Parlaments für künftige Haushaltsperioden nennenswert beeinträchtigt wird, ist seine Zustimmung erforderlich. f) Maßnahmen, die das Land zur Leistung von Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren verpflichten können, sind nur zulässig, wenn das Haushaltsgesetz oder der Haushaltsplan dazu ermächtigt (Verpflichtungsermächtigungen). Abkommen des Landes, durch die Verpflichtungen dieser Art entstehen können, bedürfen daher der Zustimmung des Landtags. g) Entweder ist danach eine Einstellung als Verpflichtungsermächtigung in das Haushaltsgesetz erforderlich. In Betracht kommt aber auch die Verpflichtung zum Abschluss eines Staatsvertrages, welcher der Zustimmung des Parlaments bedarf.

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h) Soweit bisher abschätzbar, dürften die genannten Voraussetzungen bei den jetzt in Aussicht genommenen Abkommen („Kohlekompromiss“) erfüllt sein, so dass eine parlamentarische Zustimmung erforderlich ist. 4. Erfüllung von Informationsansprüchen a) Die bisher von der Landesregierung auf Anfragen der Fraktion „Bündnis 90/ Die Grünen“ und des Abgeordneten Priggen erteilten Auskünfte erfüllen nicht in vollem Umfang diese Anforderungen. b) Als nicht hinreichend beantwortet sind zu beurteilen: in LT-Drucksache 14/ 2915 die Frage 2, in LT-Drucksache 14/2933 die Frage 2, in LT-Drucksache 14/2934 die Frage 5, in LT-Drucksache 14/2936 die Frage 5, in LT-Drucksache 14/2939 die Fragen 1, 2, 3 und 4, in LT-Drucksache 14/2940 die Fragen 1 und 5. c) Spätestens bei der Beratung des Haushaltsgesetzes, in welches Ermächtigungen zu Zahlungen für die Steinkohle oder das Eingehen von dahingehenden finanziellen Verpflichtungen aufgenommen werden, müssen weitere detaillierte Informationen über die künftige Haftung und die wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel vorliegen. Das betrifft vor allem den erzielbaren Erlös aus der Veräußerung des „weißen Bereichs“ der RAG, der zur Deckung künftiger finanzieller Risiken für den Landeshaushalt dienen muss. d) Entsprechendes gilt, wenn Abkommen unter Beteiligung des Landes geschlossen werden, welche den Entscheidungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers in künftigen Haushaltsperioden nennenswert einschränken. e) Dem Haushaltsgesetzgeber müssen vor der Bewilligung weiterer Mittel für die Steinkohle und der Übernahme von finanziellen Risiken aus der Umstrukturierung detaillierte und substantiierte Informationen über die für den Steuerzahler günstigste Lösung vorliegen unter Einschluss von bisher nicht diskutierten Lösungen, wie der sofortigen Einstellung des Bergbaus unter voller sozialer Absicherung der betroffenen Arbeitnehmer. f) Dies ist neben der Haushaltsautonomie des Parlaments auch Folge des Wirtschaftlichkeitsgebots, so wie es der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen versteht. Es bindet nach seiner Rechtsprechung auch den (Haushalts-)Gesetzgeber. 5. Verfassungsgerichtliche Geltendmachung von Informationsansprüchen a) In Betracht kommt vor allem die Einleitung eines Organstreitverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen. b) Einzelne Abgeordnete sind antragsberechtigt, da ihre Informationsansprüche aus dem Abgeordnetenstatus betroffen sind. Die notwendige Antragsbefugnis

2. Der Anspruch auf Herstellung von Transparenz

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des Abgeordneten Priggen wäre auch gegeben, da seine Anfragen nicht vollständig beantwortet worden sind. c) Ein Antrag im Wege eines vorbeugenden Organstreitverfahrens ist nicht zu empfehlen. Bei Eilbedürftigkeit ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 27 VerfGHG der richtige Weg. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Voraussetzungen für den Erlass erfüllt sind. Namentlich dürfte die Anordnung zur Zeit noch nicht „zum gemeinen Wohl dringend geboten“ sein.

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3. Welche Aufsicht braucht das Kammerwesen? – Anforderungen an staatliche Aufsicht und interne Kontrolle von Kammern* I. Einleitung Die Fragestellung des Themas umfasst sowohl juristische als auch verwaltungswissenschaftliche Aspekte: Das Kammerwesen benötigt eine Aufsicht, welche die gesetzlichen, vor allem die verfassungsrechtlichen, Anforderungen erfüllt. Innerhalb dieses von der Rechtsordnung gesetzten Rahmens ist zu untersuchen, welche Ausgestaltung der Aufsicht zweckmäßig und effizient ist. Dabei stellt sich weiter die Frage nach der Verteilung der Aufsichtsfunktionen auf interne und externe Kontrolleinrichtungen. Wenn über Aufsicht nachgedacht wird, ist zunächst einmal eine nähere Bestimmung des Begriffs „Aufsicht“ angezeigt. Zum einen kann er bedeuten, dass der Staat als Subjekt Privatpersonen und private Sachverhalte, vor allem im Bereich der Wirtschaft (Wirtschaftsaufsicht) präventiv prüft, anleitet und kontrolliert. Davon zu unterscheiden ist die Aufsicht im Innenbereich des Staates.1 Namentlich in einem gegliederten Staatswesen und in dezentral organisierten Bürokratien bedarf es einer Aufsicht über die mehr oder weniger selbständigen Verwaltungseinheiten, damit ein sinnvolles Zusammenwirken der einzelnen Teile gewährleistet ist und die Anforderungen parlamentarischer Verantwortlichkeit gewahrt werden. Die Aufsicht im Binnenbereich eines Verwaltungsträgers ist Ausprägung der Letztverantwortung in einer hierarchisch strukturierten Einheit. Diese unbeschränkte Befugnis zur Durchsetzung eigener Sachentscheidungen des Entscheidungsträgers einer höheren hierarchischen Ebene sollte zur Klarstellung als „Leitung“ bezeichnet werden.2 Aufsicht ist aber auch erforderlich gegenüber * Erstveröffentlichung in: Hans-Jörg Schmidt-Trenz/Rolf Stober (Hrsg.), Jahrbuch Recht und Ökonomik des Dritten Sektors 2009/2010 (RÖDS), S. 85–102. 1 Diese Unterscheidung ist deutlich herausgearbeitet bei Kluth, in: Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2005, Abschnitt M, Rn. 3 f. 2 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, I. Band, Allgemeiner Teil, 1960, S. 419; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung – Verfassungsrechtlicher Status, verfassungsrechtlicher Schutz, 1997, S. 271; ders. (Fn. 1), Rn. 4; Schuppert, Staatsaufsicht im Wandel, DÖV 1998, S. 831 (832); Kahl, Die Staatsaufsicht, Entstehung, Wandel und Neubestimmung unter besonderer Berücksichtigung der Aufsicht über die Gemeinden, 2000, S. 357.

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rechtlich verselbständigten Trägern öffentlicher Verwaltung, wie Gemeinden, Universitäten, staatlichen Förderbanken und Kammern. Diese Einheiten stehen zwar außerhalb der staatlichen Organisation im engeren Sinne, gehören aber zum staatlichen Bereich in einem weit verstandenen Sinne.3 Sie sind nicht Teil der Zivilgesellschaft. Dieser Variante der Aufsicht sind die folgenden Ausführungen gewidmet. Aufsicht ist gegenüber der Kontrolle der weitere Begriff. Er umfasst sowohl die Beobachtung, vor allem durch das Sammeln von Informationen, als auch den Vergleich des beobachteten Verhaltens oder Zustandes mit einem vorgegebenen Sollwert. Hinzu kommt als Drittes die Befugnis, berichtigend einzugreifen.4 Dies kann in unterschiedlichen Formen geschehen. Bekannt sind die Androhung und Anwendung von Sanktionen, die Ersatzvornahme oder die Selbstvornahme. Unter „Kontrolle“ wird dagegen ein dynamischer vergleichender Prozess zwischen einem Soll- und einem Ist-Wert verstanden.5 Der Begriff wird aber nunmehr überwiegend auf die nachträgliche Prüfung solcher „Soll-Ist-Abweichungen“ beschränkt. Diese Abgrenzungen sind meist keine verbindlichen Normen, sondern sprachliche Konventionen. Sie sind aber für eine bessere Verständigung unabdingbar. II. Grundlagen 1. Die übergeordneten Zwecke des Kammerwesens Kammern haben als funktionale Selbstverwaltungskörperschaften eine ambivalente Natur. Einerseits können sie dem Dritten Sektor zugeordnet werden, andererseits sind sie zugleich Hoheitsträger. Als Organisationen des Dritten Sektors oder auch Non-profit-Sektors bewegen sie sich zwischen den beiden Polen Staat und Markt. Aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht zeichnen sie sich durch einen eigenständigen Steuerungsmodus aus. Im Gegensatz zu Unternehmen verfolgen sie solidarische oder altruistische Zwecke und bezwecken nicht die Erwirtschaftung von Gewinnen, die an ihre Mitglieder ausgeschüttet werden.6 3

Kahl (Fn. 2), S. 375 f. Kahl (Fn. 2), S. 355, 358 ff. 5 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 17. 6 Vgl. Zimmer/Priller, Gemeinnützige Organisationen im gesellschaftlichen Wandel, 2. Aufl. 2007, S. 16; Anheier/Priller/Seibel/Zimmer, Der Dritte Sektor in Deutschland – Organisationen zwischen Staat und Markt im gesellschaftlichen Wandel, 2. Aufl. 1998, S. 13; Weiß, Der „dritte Sektor“ zwischen Markt und Staat – Eine Analyse zur Relevanz ökonomischer Theorien amerikanischer Provenienz am Beispiel der USA und der BRD, 1998, S. 7 ff., unter Bezugnahme auf Seibel mit dem Hinweis, dass eine positive Eingrenzung des Sektors nicht frei von Schwierigkeiten ist. Dies sei unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass der dritte Sektor maßgeblich von der jeweiligen Kultur eines Landes geprägt ist. 4

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Andererseits vertreten sie auch die Interessen ihrer Mitglieder nach außen. Trotz ihrer hoheitlichen Befugnisse gegenüber ihren Mitgliedern, sind sie körperschaftlich strukturiert. Das bedeutet, dass die Willensbildung grundsätzlich von unten nach oben erfolgt. Dem müssen im Kern auch Verantwortlichkeit und Kontrolle entsprechen. Die Übertragung von Aufgaben auf Einheiten der „funktionalen Selbstverwaltung“ dient gleichermaßen der Entlastung der Staatsverwaltung und der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements in öffentlichen Angelegenheiten. Es wird davon ausgegangen, dass die Betroffenen über größere Sachnähe verfügen und deshalb diejenigen öffentlichen Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, im Grundsatz besser erledigen können als eine sachfremde Bürokratie. Weitgehend wird den Kammern auch die Wahrnehmung berufsständischer Interessen zugebilligt. Dabei soll die Herstellung des „Gesamtinteresses“ als Ergebnis eines umfassenden Abwägungsprozesses zwischen den Interessen der einzelnen Zweige oder Einheiten, die in ihnen zusammengefasst sind, im Vordergrund stehen.7 Durch die Kammern sollen Sachverstand und Interessen gebündelt, strukturiert und ausgewogen in den politischen Willensbildungsprozess eingebracht werden.8 2. Verfassungsrechtliche Grundanforderungen Grundsätzlich ist es Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, welche Aufgaben der Staat nicht durch Behörden, sondern durch eigens gegründete Anstalten und Körperschaften erfüllen lässt.9 Es dürfen besondere Einrichtungen mit dem Recht der Selbstverwaltung durch Gesetz errichtet werden. Es müssen aber verfassungsrechtliche Grundanforderungen für Errichtung und Tätigkeit von Kammern beachtet werden: (1) Die Kammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und damit Teil der (mittelbaren) Staatsverwaltung. (2) Für sie gelten die Anforderungen des Rechtsstaats- und des Demokratieprinzips. (3) Ausnahmen, wie für Kommunalkörperschaften, Universitäten, Rundfunkanstalten, Kirchen und die Bundesbank, sieht das Verfassungsrecht für berufsständische und wirtschaftliche Kammern nicht vor. 7 BVerfG, NVwZ 2002, 335 (336); Jahn, Wirtschaftliche und freiberufliche Selbstverwaltung durch Kammern – Standortbestimmung und Entwicklungsperspektiven, GewArch 2002, 353 (354 f.); ausführlich zu Entwicklungsgeschichte und Aufgaben im Einzelnen Kluth, Entwicklungsgeschichte und aktuelle Rechtsgrundlagen der Kammern im Überblick, in: Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2005, Abschnitt B, Rn. 1 ff. 8 BVerfG, NVwZ 2002, 335 (336); Jahn (Fn. 7), S. 357. 9 BVerfGE 10, 89 (102); 107, 59; BVerwGE 120, 255.

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(4) Für sie gilt deshalb auch das grundsätzliche Verbot „ministerialfreier Räume“ uneingeschränkt. (5) Aufsicht und Kontrolle müssen den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. (6) Die Befugnis zum Erlass von Rechtsnormen darf ihnen nur unter strikter Beachtung der Anforderungen von Art. 80 GG (und der einschlägigen landesverfassungsrechtlichen Vorschriften) übertragen werden. (7) Soweit sie Rechtsnormen erlassen oder als „vollziehende Gewalt“ tätig werden, sind sie an die Grundrechte gebunden, Art. 1 Abs. 3 GG. (8) Die Anordnung von Zwangsmitgliedschaft ist grundsätzlich zulässig, hat aber strikte – grundsätzlich fundierte – Vorgaben für Errichtung und Tätigkeit der Einrichtung zur Folge. Auch wenn die Selbstverwaltungsidee, der Autonomiegedanke und die Pflichtmitgliedschaft grundsätzlich auch vor der Verfassung Bestand haben, muss die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Anforderungen laufend überprüft und sichergestellt werden.10 a) Grundrechtliche Anforderungen Für die Errichtung und Tätigkeit von Körperschaften mit Pflichtmitgliedschaft werden Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche unmittelbar den Grundrechten entnommen.11 Nur so kann das System der öffentlich-rechtlichen Zwangskorporationen dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit entgehen. Davon geht prinzipiell auch das Bundesverfassungsgericht aus.12 aa) Normative Grundlagen Es ist im Grundsatz anerkannt, dass der Schutzbereich von Art. 9 Abs. 1 GG eine „negative“ Komponente umfasst. Ob sie sich allerdings auch auf öffentlichrechtliche organisierte Vereinigungen bezieht, ist umstritten. Dagegen spricht, dass sich die Freiheit, Vereinigungen zu gründen und sich dort zu betätigen, nur auf privatrechtliche Organisationen beziehen kann. Öffentlich-rechtliche Einrichtungen können nur durch Hoheitsakt geschaffen werden. Das ist aber eine Handlungsform die den Bürgern nicht zur Verfügung steht, so dass sie nicht von der Vereinigungsfreiheit erfasst sein kann. Im Ergebnis ist deshalb Art. 9 Abs. 1 GG nicht Prüfungsmaßstab für die Zwangsinkorporation in öffentlich-rechtliche Verbände und ihrer Grenzen.13 10 11 12

So wohl BVerwG, NVwZ 2002, 335 ff. (= GewArch 2002, 110 ff.). BVerwG, DVBl. 2001, 139; OVG NW, DVBl. 2000, 425 (426). BVerfGE 78, 320 (331).

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Der richtige Maßstab für die Überprüfung von öffentlich-rechtlichen Zwangskorporationen und ihre Tätigkeit ist danach Art. 2 Abs. 1 GG. Diese Vorschrift verbietet im Ergebnis nicht die Anordnung von Zwangsmitgliedschaften. Es müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Daraus folgen zugleich enge Grenzen für die Tätigkeit dieser Einrichtungen. Art. 2 Abs. 1 GG gewährt dem einzelnen Mitglied eines öffentlich-rechtlichen Zwangsverbandes ein Abwehrrecht gegen solche Maßnahmen des Zwangsverbandes, die sich nicht im Wirkungskreis legitimer öffentlicher Aufgaben bewegen. Die Mitglieder können von der Korporation, also der Kammer, die Einhaltung derjenigen Grenzen verlangen, die ihre Tätigkeit durch die gesetzlich festgelegte Aufgabenstellung gezogen sind. Sie haben einen Anspruch auf die Einhaltung dieser Grenzen.14 Dabei kommt es nicht darauf an, ob das einzelne Mitglied einen „darüber hinausgehenden rechtlichen oder spürbaren faktischen Nachteil erleidet.“15 bb) Voraussetzung für die Errichtung als Zwangskörperschaft Der einzelne hat ein durch Art. 2 Abs. 1 GG grundrechtlich verbürgtes Recht auf Verschonung von „unnötigen“ Zwangskörperschaften.16 Er ist „grundrechtsmäßig“ vor einer Zwangsmitgliedschaft in öffentlich rechtlichen Körperschaften geschützt, die nicht oder jedenfalls nicht in dem am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichteten Maß durch „legitime öffentliche Aufgaben“ gerechtfertigt ist.17 Für die Verfassungsmäßigkeit von Zwangsverbänden müssen also zwei Voraussetzungen erfüllt sein: – Erfüllung legitimer öffentlicher Aufgaben durch den Zwangsverband. – Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.18 – Darüber hinaus wird teilweise auch noch verlangt, dass die Einhaltung der gesetzlichen Aufgabenabgrenzung effektiv durchgesetzt werden kann.19

13 BVerfGE 10, 89 (102); 38, 281 (297 f.); 78, 320 (329); NVwZ 2002, 335 (336), wo aber – angreifbar – stärker auf den Aspekt der Freiwilligkeit bei privaten Vereinigungen abgestellt wird; Löwer, in: v. Münch/Kunig, 5. Aufl. 2000, Art. 9 Rn. 20. 14 BVerwGE 59, (238, 240); 59, 242 (248); 64, 115 (117); 64, 298 (301): ausdrücklich für Ärztekammern; 107, 169 (174 f.); BVerwG, NJW 1987, 337 (338) unter der Voraussetzung, dass die Aufgabenüberschreitung zugleich als eine Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit des Mitglieds anzusehen ist; OVG NW, NWVBl. 2000, 425 (428); im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch wohl zustimmend BVerfGE 78, 320 (331). 15 BVerwG, DVBl. 2001, 139. 16 BVerfG, NVwZ 2002, 335 (336); BVerwGE 59, 231 (238); 64, 115 (117); 64, 298 (301). 17 BVerfGE 10, 89 (102, 104). 18 BVelfGE 38, 281 (299, 301 f.); NVwZ 2002, 335 (336). 19 Möstl, Grundsätze und aktuelle Rechtsfragen der Staatsaufsicht über Kammern, in: Kluth, Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2006, S. 33 (37 f.) m.w. N.

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Unter legitimen öffentlichen Aufgaben sind in diesem Zusammenhang solche Aufgaben zu verstehen, „an deren Erfüllung ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft besteht, die aber weder allein im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden können noch zu den im engeren Sinn staatlichen Aufgaben zählen, die der Staat selbst durch eigene Behörden wahrnehmen muss“.20 Bei der Einschätzung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, komme dem Staat ein „weites Ermessen“ zu.21 Nimmt man diese Voraussetzungen ernst, dürften erhebliche Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Errichtung berufsständischer Kammern mit Zwangsmitgliedschaft bestehen. Zu diesem Ergebnis gelangen auch die Teile des Schrifttums, die Art. 9 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab heranziehen. Für sie sind „etliche öffentlich-rechtliche Zwangsvereinigungen verfassungsrechtlich kaum zu rechtfertigen“.22 Das Bundesverfassungsgericht hat aber bisher fast alle diese Einrichtungen trotz erkennbarer Bedenken nicht beanstandet und statt dessen versucht, den Einzelnen durch rigide Schranken für ihre Betätigung zu schützen. cc) Gesetzlich präzise abgegrenzter Aufgabenbereich Da die Errichtung von Zwangskorporationen einen „empfindlichen Eingriff in#das Grundrecht der individuellen Freiheit des Verhaltens im Wirtschafts- und Arbeitsleben“ darstellt,23 muss ihr Tätigkeitsspektrum eindeutig gesetzlich festgelegt sein und strikt interpretiert werden.24 Das ist die Grundlage für die Rechtfertigung des damit verbundenen Grundrechtseingriffs. Damit ist in jedem Fall ausgeschlossen, dass sich eine Kammer weitergehende Kompetenzen „anmaßt“, als im Gesetz vorgesehen.25 Auch wenn dem Gesetzgeber bei der Auswahl der zu übertragenden Aufgaben sowie bei der Regelung der Strukturen und Entscheidungsprozesse weit reichende Entscheidungsspielräume eingeräumt werden,26 müssen die Aufgaben auf die Mitglieder bezogen sein; zumindest soweit sie hoheitlicher Natur sind. Neben der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dürfen die Kammern aber auch die Interessen des jeweiligen Berufsstandes oder Wirtschaftszweiges vertreten.27 Die Anord20 BVerfG, NVwZ 2002, 335 (336); zuvor ähnlich schon BVerfGE 38, 281 (299); s. a. Dettmeyer, NJW 1999, 3367 (3368): keine Definition bisher gelungen. 21 BVerfG, NVwZ 2002, 335 (336). Die Verwendung des Begriffs „Ermessen“ in diesem Zusammenhang zeigt, wie wenig sorgfältig die Entscheidung gemacht ist. 22 Höfling, in: Sachs, 5. Aufl. 2009, Art. 9 Rn. 23 m.w. N. 23 BVerfGE 38, 281 (301 f.). 24 Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein, Art. 2 Rn. 126. 25 BVerwG, NJW 1987, 337 (337); OVG NW, NWVBl. 2000, 425 (427); Dettmeyer, NJW 1999, 3367 ff. 26 BVerfGE 107, 59 (90). 27 Möstl (Fn. 19), S. 35 ff.; Heusch, in: Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2005, Abschnitt M, Rn. 12.

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nung von Pflichtmitgliedschaft in den Kammern ist aber nur gerechtfertigt, wenn die Verfolgung der Sonderinteressen durch eine Bindung an das gemeine Wohl diszipliniert ist.28 Ob sie allgemeine verbandspolitische Interessen verfolgen dürfen („Bundesverband freier Berufe“) ist nicht sicher. dd) Einzelheiten Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch das Bundesverwaltungsgericht halten die Wahrnehmung des Gesamtinteresses der Pflichtmitglieder durch Wirtschaftskammern grundsätzlich für verfassungsrechtlich unbedenklich.29 Die mitgliedschaftliche Betätigung von Kammern in Berufsverbänden ist aber nur dann mit dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit der Kammermitglieder vereinbar, wenn sie innerhalb des der Kammer gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereiches liegt. Darüber hinaus muss sie geeignet, erforderlich und angemessen sein, zur Verwirklichung eines Zweckes der Kammer beizutragen, welche die Pflichtmitgliedschaft rechtfertigt.30 Als problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang vor allem die Erbringung von Dienstleistungen durch die Kammern. Die einschlägigen Jahresberichte zeigen, dass sich insbesondere die Industrie- und Handelskammern zunehmend als Dienstleistungsorganisationen verstehen.31 Jede Dienstleistung muss aber eindeutig innerhalb des der Kammer gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereiches liegen. Es besteht zudem die Gefahr, dass die Erfüllung der Kernaufgaben der Kammer vernachlässigt wird.32 Die Finanzierung der Kammern durch Zwangsabgaben (Mitgliedsbeiträge) hat die Rechtsprechung ganz überwiegend gebilligt. Zuletzt hat das Bundesverwaltungsgericht die Belastung durch Beiträge im Hinblick auf die (potentiellen) Vorteile, welche den Mitgliedern aus der Mitgliedschaft erwachsen, als geeignet und erforderlich anerkannt.33 Dagegen hatte auch das Bundesverfassungsgericht nichts einzuwenden.34 Allerdings führt die Beitragsfinanzierung von Dienstleistungen möglicherweise zu problematischen Umverteilungseffekten. Eine vorran28

Möstl (Fn. 19), S. 37 f. m.w. N. BVerfG, NVwZ 2002, 335 ff. (= GewArch 2002, 110 ff.); BVerwGE 107, 169 (175 ff.) (= NJW 1998, 298). 30 Vgl. BVerwGE 59, 231 (238); 64, 115 (117); 64, 298 (301); etwas großzügiger OVG NW, NWVBl. 2000, 425 (427): die zugewiesenen Aufgaben zu fördern und zu wahren. 31 Kluth (Fn. 2), S. 7. 32 Deutlich Kluth, IHK-Pflichtmitgliedschaft weiterhin mit dem Grundgesetz vereinbar, NVwZ 2002, 298 (299). 33 BVerwGE 107, 169 (176) (= NJW 1998, 3510); erste Instanz VG Darmstadt, GewArch 1997, 475. 34 BVerfG, NVwZ 2002, 335 (336). 29

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gige Gebührenfinanzierung wäre ein milderer Eingriff und würde diese Effekte verringern.35 b) Die Anforderungen des Rechtsstaatsgebots Das Rechtsstaatsgebot enthält das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Seine Beachtung setzt voraus, dass die Einhaltung der Gesetze kontrolliert wird. Dies gilt auch für die Kammern als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. Eine Rechtsaufsicht über die Tätigkeit der Kammern ist daher von Verfassungswegen unabdingbar.36 Dies gilt auch, wenn die Kammern als „Interessenvertretung“ ihrer Mitglieder handeln. Zwar wird gelegentlich vertreten, dass bereits die bloße Rechtsaufsicht über das Ziel hinausschieße oder zumindest besonders restriktiv gehandhabt werde müsse,37 soweit die Kammern Aufgaben als „Interessenvertretung“ erfüllten. Diese Auffassung verkennt jedoch, dass die Kammern qualitativ etwas anderes sind als private Einrichtungen zur Vertretung von Interessen. Nur in der Kombination von Staatsentlastung, Bündelung von Sachverstand und Interessen sowie Herstellung eines „Gesamtinteresses“ sind sie verfassungsrechtlich als Zwangsverbände hinnehmbar.38 Ein Zwangszusammenschluss zu einer reinen Interessenvertretung wäre verfassungsrechtlich nicht zulässig.39 c) Die Anforderungen des Demokratieprinzips Das Demokratieprinzip verlangt eine demokratische Legitimation aller Staatsgewalt, da nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht und, normativ gewendet, auch ausgehen muss. Die danach erforderliche Rückanbindung an das Volk erfolgt auf zweierlei Weise: die handelnden Amtsträger müssen demokratisch legitimiert sein (personale Legitimation) und die Sachentscheidungen müssen unter der Aufsicht der Repräsentanten des Volkes erfolgen (sachliche Legitimation). Das bedeutet, dass nicht nur alles Handeln der Exekutive auf ein (gewähltes) Mitglied der Regierung zurückführbar sein muss, sondern dass auch gegenüber den gewählten Repräsentanten des Volkes, den Abgeordneten, Rechenschaft abzulegen ist. Nur sie verfügen über eigene demokratische Legitimation und haben deshalb umfassende Aufsichts- und Kontrollbefugnisse über alles exekutive Handeln. Es handelt sich dabei nicht nur um Rechte, 35

Siehe Kluth (Fn. 2), S. 300. Im Ergebnis ebenso Möstl (Fn. 19), S. 40; a. A. Kormann, Sieben Thesen zur Kammeraufsicht über Innung und Kreishandwerkerschaft, GewArch 1987, 249 (253); Kormann/Wittmann, Neue hoheitliche Aufgaben für die Handwerkskammern; 2005, S. 73. 37 Eyermann, Staatsaufsicht über Handwerkskammern – insbesondere im Interessenvertretungsbereich, GewArch 1992, S. 209 ff.; Kopp, Die Staatsaufsicht über Handwerkskammern, 1992, S. 18 ff. 38 BVerfG, NVwZ 2002, 335 (336). 39 Möstl (Fn. 19), S. 37. 36

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die ausgeübt werden können, aber nicht müssen. Vielmehr ist mit diesen Befugnissen auch eine Kontrollpflicht verbunden. Diese Anforderungen gelten auch für ausgegliederte Einheiten der öffentlichen Verwaltung.40 Eine nicht vom Volke legitimierte und kontrollierte Verwaltung darf es nicht geben.41 Neben dieser parlamentarischen Kontrolle gibt es noch die Kontrolle durch die Rechnungshöfe. Sie waren ursprünglich als Einrichtungen zur Selbstkontrolle der Exekutive geschaffen worden. Mittlerweile üben sie ihre Kontrolle aber mindestens in gleichem Umfang auch für die Parlamente aus. Sie sind nicht mehr einer der Gewalten zugeordnet und verfügen über eine eigene verfassungsrechtliche Verankerung außerhalb des Gewaltenteilungsschemas. III. Aufsicht und demokratische Verantwortung Selbstverwaltung hat die Einräumung von Entscheidungsspielräumen zum Inhalt. Aufsicht bedeutet aber auch Leitung und Korrektur von Entscheidungen im Einzelfall. Mit ihr können die mit der Selbstverwaltung angestrebten positiven Effekte vereitelt werden. Es ist daher weiter auszuloten, welches Maß an Aufsicht und Kontrolle durch das Demokratieprinzip geboten ist. 1. Die legitimationsbedürftigen Tätigkeiten Den Kammern werden regelmäßig Aufgaben übertragen, welche das Sammeln von Informationen, die Beratung privater und öffentlicher Einrichtungen sowie die Aufklärung der Öffentlichkeit zum Gegenstand haben. Für derartige Tätigkeiten wird keine Aufsicht und Kontrolle zu verlangen sein, welche den Anforderungen des Demokratieprinzips genügt. Hier sind autonome Gestaltungsspielräume und Weisungsfreiheit möglich. Die Übertragung hoheitlicher Aufgaben macht demgegenüber eine demokratische Rückanbindung notwendig. Sie kann im Wege der Aufsicht erfolgen. Die Aufsicht durch den Staat ist aber so auszugestalten, dass die Vorteile der Selbstverwaltung und der Entscheidungsteilhabe der Betroffenen nicht zunichte gemacht werden.42 Das setzt die Existenz autonomer Entscheidungsbefugnisse voraus. In diesem Sinne mag es angebracht sein, vor einem Überborden aufsichtlicher Ingerenzen zu warnen.43 40 VerfGH NW, DÖV 1980, 691; NVwZ 1987, 211 (212); BVerwGE 41, 195 (196); BGH, NJW 1983, 2509 (2511). 41 BVerfGE 9, 268 (282); 22, 106 (113); Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 2. Aufl. 1985, S. 135; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, S. 627 ff. 42 So auch das Verständnis des Bundesverfassungsgerichts, BVerfG, NVwZ 2002, 335 ff. (= GewArch 2002, 110 ff.); siehe auch Möstl (Fn. 19), S. 38. 43 Vgl. Möstl (Fn. 19), S. 33.

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Dem Gesetzgeber werden zwar bei der Auswahl der den Selbstverwaltungskörperschaften zu übertragenden Aufgaben weit reichende Entscheidungsspielräume eingeräumt.44 Doch müssen die verfassungsrechtlichen Vorgaben im Übrigen eingehalten werden. Der Gesetzgeber hat dafür zu sorgen, dass insbesondere dem Demokratiegebot und den grundrechtlichen Grenzen aus der Pflichtmitgliedschaft Rechnung getragen wird. Dabei ergeben sich aber möglicherweise Unterschiede dahingehend, dass die hoheitliche Tätigkeit in zwei verschiedene Richtungen erfolgen kann: nach innen, also den Kammermitgliedern gegenüber, oder nach außen, also Nichtmitgliedern gegenüber. 2. Die Wahrung des demokratischen Legitimationsniveaus Die Ermittlung der einzelnen Anforderungen, die aus dem Demokratieprinzip folgen, stößt auf erhebliche Schwierigkeiten. Klar abgegrenzte Einzelanforderungen an die personelle oder die sachlich-inhaltliche Legitimation werden durch das Demokratieprinzip wohl nicht vorgegeben. Vielmehr dürfte ausreichen, dass im Zusammenspiel der einzelnen Legitimationsstränge ein ausreichendes Legitimationsniveau insgesamt verwirklicht wird.45 Während die personelle Legitimation durch die unmittelbare oder mittelbare Wahl der Personen gewährleistet werden kann, die hoheitliche Befugnisse ausüben, mag die sachlich-institutionelle Legitimation durch externe Aufsicht, interne Kontrollen oder enge normative Steuerung der Kammern erreicht werden.46 a) Personelle demokratische Legitimation Die personelle demokratische Legitimation wird dadurch hergestellt, dass die Personen, die hoheitliche Befugnisse ausüben, von Amtsträgern bestellt werden, die über demokratische Legitimation verfügen. Ihre Bestellung muss sich auf das Staatsvolk zurückführen lassen. Erforderlich ist damit eine ununterbrochene Legitimationskette. Der Präsident (Präses) einer Industrie- und Handelskammer wird aber von der Vollversammlung gewählt, § 6 Abs. 1 IHK-G; ihr Hauptgeschäftsführer von der Vollversammlung bestellt, § 7 Abs. 1 IHK-G. Die Mitglieder der Vollversammlung werden ihrerseits von den Kammerzugehörigen gewählt, § 5 Abs. 1 IHK-G. Der Vorstand der Handwerkskammern wird von der Vollversammlung gewählt, § 108 Abs. 1 HandwO. Er besteht aus dem Vorsitzenden (Präsidenten) und Stell44 45 46

BVerfGE 107, 59 (90). BVerfG, DVBl. 2003, 923 f. Heusch (Fn. 27), Rn. 8 ff.

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vertretern, § 108 Abs. 2 HandwO. Die Vollversammlung setzt sich aus gewählten Vertretern der Betriebsinhaber und – zu einem Drittel – aus Gesellen oder anderen Arbeitnehmern zusammen. Die Organe anderer Kammern sehen insoweit vergleichbare Strukturen vor, als eine von der staatlichen Exekutive abgeleitete personelle demokratische Legitimation nicht vorhanden ist. Dies mag jedenfalls insoweit unschädlich sein, als lediglich Entscheidungen getroffen werden, welche die Vertretung von Sonderinteressen der Kammermitglieder betreffen. Diese haben – zumindest theoretisch – über die Wahl der Mitglieder der Haupt- oder Vollversammlung die Chance, ihren Standpunkt zur Geltung zu bringen. Die Beteiligung von Arbeitnehmern ist nicht unproblematisch, wird aber von der Rechtsprechung – unter Hintanstellung aller Bedenken – dann noch hingenommen, wenn sichergestellt ist, dass die Vertreter der öffentlichen Hand in Kollegialorganen die Mehrheit der Sitze innehaben und dass sie in jedem Einzelfall mehrheitlich einer Entscheidung zugestimmt haben (Prinzip der doppelten Mehrheit).47 Entsprechendes muss gelten, wenn demokratische Legitimation über die Vertretungsorgane der Mitglieder erzeugt werden soll. Soweit aber Aufgaben im Interesse des Gemeinwohls erfüllt werden (Staatsaufgaben), bedarf es einer Kompensation durch eine Stärkung der sachlich-inhaltlichen Legitimation,48 also insbesondere der externen Leitung und Kontrolle. b) Sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation Neben der personellen demokratischen Legitimation müssen dem Staat jedoch auch hinreichende Einfluss-, Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten über die Tätigkeit der Amtsträger und somit auch über Körperschaften des öffentlichen Rechts zukommen.49 Die Amtsträger müssen im Auftrag und nach Weisung der Regierung handeln, wodurch diese in die Lage versetzt wird, die sachliche Verantwortung gegenüber Staatsvolk und Parlament zu übernehmen. Neben diese Weisungsgebundenheit darf grundsätzlich keine Bindung des Amtsträgers an die Willensentschließung einer außerhalb der parlamentarischen Verantwortung stehenden Stelle treten.50 Gesichert sein muss demnach zwar nicht die Vornahme jeder Entscheidungsfindung durch eine in parlamentarischer Verantwortung ste-

47 BVerfGE 93, 37 (70): Mitbestimmung von Personalräten; Verfassungsgerichtshof für Nordrhein-Westfalen, OVGE 39, 292 (294): Bestellung von Arbeitnehmervertretern in den Verwaltungsräten von öffentlich-rechtlich organisierten Sparkassen. 48 Vgl. Heusch (oben Fn. 27), Rn. 9. 49 BVerfGE 83, 268 (281 f.); BVerfG, DVBl. 1995, 1291 (1292); Püttner (Fn. 41), S. 136 f., 141. 50 So BVerfG, DVBl. 1995, 1291 (1292).

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hende Stelle, sondern nur das Letztentscheidungsrecht des dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers. Schon aus rechtsstaatlichen Gründen ist eine Rechtsaufsicht über die Kammern erforderlich.51 Es ist allerdings zweifelhaft, ob eine Beschränkung auf die Rechtsaufsicht, auch wenn sie stark verbreitet ist,52 den genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Grundsätzlich ist eine Fachweisungsbefugnis im Bereich hoheitlicher Tätigkeit unabdingbar. Das parlamentarische Regierungssystem des Grundgesetzes erfordert, dass zumindest für die gesamte hoheitliche Tätigkeit des Staates ein Regierungsmitglied die Verantwortung trägt. Verantwortung kann aber nur jemand tragen, der Einfluss auf Entscheidungen nehmen kann. Diese Person muss Leitungsbefugnis haben. Etwas anderes gilt dann, wenn die Verfassung selbst Autonomie oder Unabhängigkeit vorschreibt oder zumindest erlaubt. Das ist aber für die Kammern nicht der Fall. Mit der Fachweisungsbefugnis staatlicher Stellen würde aber die Selbständigkeit eingeschränkt, welche einer der Hauptgründe für die Schaffung von Selbstverwaltungskörperschaften ist. Es ist deshalb zu prüfen, ob ein hinreichendes demokratisches Legitimationsniveau auch auf andere Weise sichergestellt werden kann, so dass ein Abweichen von den zuvor skizzierten Grundsätzen gerechtfertigt werden kann. Prinzipiell kommen dafür zwei Wege in Betracht: – Möglicherweise kann ein hinreichendes Legitimationsniveau durch wesentlich genauere Vorgaben des parlamentarischen Gesetzgebers für die Kammertätigkeit erreicht werden (aa). – Zu erwägen ist auch eine Ergänzung der Rechtsaufsicht durch eine verstärkte Kontrolle von Seiten der Kammermitglieder (bb). aa) Präzisierung der gesetzlichen Vorgaben für die Tätigkeit der Kammern Die präzise gesetzliche Umschreibung der Kammertätigkeit hat einen größeren Einschnitt in den Gestaltungs- und Handlungsspielraum der Kammern zur Folge. Angesichts der Entwicklung der Kammern zu Dienstleistungsinstitutionen erscheint aber schon aus grundrechtlichen Gründen eine kritische Überprüfung der gegenwärtigen gesetzlichen Aufgabenbeschreibung angezeigt. Ob damit aber im Ergebnis ein angemessenes Niveau demokratischer Legitimation für die hoheitliche Tätigkeit der Kammern verwirklicht werden kann, dürfte aber fraglich sein.53 51

Oben II. 2. b). c). Ausführlich Möstl (Fn. 19), m.w. N. 53 Möstl (Fn. 19), S. 41, hält aber bei einer stärkeren inhaltlichen Programmierung durch Gesetz die weisungsfreie Übertragung staatlicher Aufgaben auf die Kammern für „tolerierbar“. 52

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bb) Stärkung der internen Kontrolle Interne Kontrolle findet durch die Kammermitglieder und ihre Vertretungsorgane statt. Sie könnte möglicherweise die (zu) schwache demokratische Rückanbindung kompensieren. Demokratische Legitimation könnte durch Entscheidungsteilhabe und Kontrolle durch die Kammermitglieder, also durch demokratische Partizipation „von unten“ erzeugt werden. Auch kann die mit der Pflichtmitgliedschaft verbundene Freiheitsbeschränkung durch die Eröffnung der „Chance zur Beteiligung und Mitwirkung an staatlichen Entscheidungsprozessen“ gerechtfertigt werden.54 Hier ist aber vorweg schon eine wichtige Einschränkung zu machen. Demokratische Legitimation kann auf diesem Wege nur erzeugt werden, soweit es um Maßnahmen geht, welche die Kammermitglieder betreffen. Für eine hoheitliche Tätigkeit der Kammern gegenüber Außenstehenden ist diese Entscheidungsteilhabe aber kein geeigneter Weg, die erforderliche demokratische Legitimation zu erzeugen. § 115 Abs. 1 Satz 2 HandwO ist daher in dieser Allgemeinheit mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht zu vereinbaren. Die Modifikation durch § 124 b Satz 2 HandwO hat aber möglicherweise die erforderliche Ausbesserung bei entsprechend weiter Auslegung gebracht.55 Art und Umfang der Einflussnahme der Kammermitglieder auf die Tätigkeit der Kammern sind nur rudimentär geregelt. Entsprechendes gilt für Mitglieder der Vollversammlungen. Gerichtliche Auseinandersetzungen sind die Folge. Für eine effektive Aufsicht und Kontrolle „von unten“ sind aber hohe prozessuale Hürden zu überwinden,56 so dass sie schon aus diesem Grunde schwerlich als ausreichende Kompensation für mangelnde sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation dienen können. Außerdem kann gerichtliche Kontrolle immer nur Rechtskontrolle sein. Die erforderliche Zweckmäßigkeitskontrolle kann sie nicht ersetzen. Sie erfolgt im Wege der Aufsicht. Hinzu kommt, dass „wehrfähige Innenrechtspositionen“ als Substitut für fehlende subjektive Rechte57 in wichtigen Punkten von der Rechtsprechung verneint worden sind. Das betrifft vor allem das Finanzgebaren der Kammern und die von ihnen getragenen wirtschaftlichen Unternehmen. Maßgebende Informationen werden den Mitgliedern nicht zur Verfügung gestellt. Sie sind aber eine unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung einer wirksamen Kontrolle. Der Staatsgerichtshof für Bremen hatte aber in seiner Entscheidung zur Beleihung vom 54

BVerfG, NVwZ 2002, 335 (337). Vgl. Stober/Eisenmenger, Interessenvertretung und Beratung, in: Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, 2005, Abschnitt F, S. 87, 92, 97, 103, 106 ff. 56 Vgl. Schobener, Innenrechtsstreitigkeiten in Kammern, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2007, S. 63 (65–69); ders., Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten im Kammerrecht, GewArch 2008, 329 (330 f.). 57 Schöbener (Fn. 56), Innenrechtsstreitigkeiten, S. 72 ff. 55

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15.1.2002 mit großem Nachdruck festgehalten, dass es „mit dem Gebot demokratischer Legitimation der Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht vereinbar“ sei, wenn „Informationsbegehren oder Weisungen der (Aufsichts-)Behörde unter Hinweis auf das gesellschaftsrechtlich geschützte Interesse an der Geheimhaltung bestimmter Vorgänge oder auf entgegenstehende Gesellschaftsinteressen oder Abstimmungsergebnisse verweigert werden“ könnten.58 Ähnliche Probleme sind auch im Hinblick auf die parlamentarischen Kontrollrechte auf Bundes- und Landesebene zu konstatieren. Wesentliche Informationen müssen nicht selten in jedem Einzelfall erst mühsam im Wege des Organstreitverfahrens erstritten werden. Dabei geht es nicht um Kleinigkeiten, sondern um existenzbedrohende Risiken, die von den – schwach kontrollierten – Leitungen der Einrichtungen eingegangen werden und letztlich von den Trägern dieser Einrichtungen ausgeglichen werden müssen. Warnende Beispiele sind die gigantischen Zahlungen aus Steuermitteln für die RAG AG und die Landesbanken. In diesem Zusammenhang zeigen die Verfassungsgerichte aber in der Tendenz mehr Problembewusstsein als das Bundesverwaltungsgericht, das eine kontrollfreundliche Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für Nordrhein-Westfalen aufgehoben hat.59 Das Oberverwaltungsgericht hatte einem Mitglied der Kammervollversammlung einen Anspruch auf Einsicht in den Bericht der Sonderprüfungsstelle der Industrie- und Handelskammern zugebilligt.60 Das Bundesverwaltungsgericht hielt demgegenüber für ausreichend, dass das Mitglied zur Sitzung geladen wird und dabei eine Tagesordnung erhält, in der die einzelnen Angelegenheiten hinreichend konkret beschrieben sind. Dies geht aber völlig an der Realität vorbei, wenn etwa das komplexe potentiell gefährliche Verhalten professioneller Geschäftsführer effektiv kontrolliert werden soll. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Mitgliedern der Vollversammlung umfassende Mitwirkungsrechte in allen Angelegenheiten zuerkannt, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Es konkretisiert diese Rechte, indem es die Rechte auf Teilnahme und Rede, Antrag und Abstimmung sowie auf ausreichende Information einschließt.61 Es stellt aber zugleich die Grenzen bundesgesetzlich abzuleitender Informationsrechte in den Vordergrund. Das Recht einzelner Vollversammlungsmitglieder zur Mitentscheidung setzt lediglich eine Mindestinformation als notwendig voraus. Unter Berücksichtigung des Prinzips der verbandsinternen Demokratie sei die Ausgestaltung der Informationsrechte unter Abwägung des Interesses des einzelnen Versammlungsmitglieds an einer möglichst weitgehenden Unterrichtung mit dem Interesse des Gesamtorgans an einer effektiven Arbeit abzuwägen. 58 59 60 61

NVwZ 2003, 81 (84). BVerwGE 120, 255. OVG NW, GewArch 2004, 255. BVerwGE 120, 255 (259).

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In jedem Fall ist aber eine stärkere Ausdifferenzierung der Kontroll- und der sich daraus ergebenden Informationsrechte erforderlich.62 Das alleinige Abstellen auf die Rechtsstellung des Hauptorgans einer Kammer, aus der sich die Kontrollrechte herleiten lassen,63 reicht nicht aus, um Defizite demokratischer Legitimation auszugleichen. c) Die Möglichkeit der Abberufung von Amtsträgern der Kammern Das Recht der Industrie- und Handelskammern regelt nicht, unter welchen Umständen eine Abberufung oder Neuwahl des Vorstandes möglich ist.64 Durch die Möglichkeit der Abberufung könnte aber in letzter Konsequenz eine interne demokratische Kontrolle sichergestellt werden. Das Fehlen einer entsprechenden gesetzlichen oder satzungsmäßigen Regelung ist als ein „echtes verfassungsrechtliches Defizit an personeller Legitimation der nachgeordneten Kammerorgane“65 beurteilt worden. Dem wird aber entgegengehalten, dass damit die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die demokratische Legitimation überspannt würden.66 Dem Gesetzgeber stehe ein weiter Spielraum bei der Entscheidung zu, die Dominanz des Vertretungsorgans durch Einführung einer Abwahlmöglichkeit zu stärken oder durch Verzicht darauf, die Unabhängigkeit des Hauptverwaltungsbeamten während der Wahlperiode zu sichern.67 Diese Erwägungen verkennen jedoch, dass die demokratische Legitimation defizitär ist, und durch eine Stärkung der internen Kontrolle den verfassungsrechtlichen Anforderungen angenähert werden muss. Dazu könnte eine Abberufungsmöglichkeit beitragen, auch wenn es gute Gründe geben mag, sie im Interesse einer funktionierenden Geschäftsführung nicht vorzusehen. Selbst wenn man aus § 27 Abs. 2 Satz 1 BGB den allgemeinen Rechtsgedanken einer jederzeitigen Abberufungsmöglichkeit ableiten könnte,68 bedürfte es aber aus Gründen der Rechtsklarheit einer verbindlichen Regelung der Abberufungsmöglichkeit. 62 So Schöbener (Fn. 56), Innenrechtsstreitigkeiten, S. 79 und 93; ders. (Fn. 56), Organstreitigkeiten, S. 334. 63 So aber Diefenbach, Zur Organstruktur der Handwerks- und der Industrie- und Handelskammern, GewArch 2006, 313 (319). 64 Das war Gegenstand eines Rechtsstreits in Frankfurt, zunächst im einstweiligen Rechtsschutz (VG Frankfurt/M, GewArch 2007, 483 ff.), dann im Hauptsacheverfahren (VG Frankfurt, Urteil vom 15.11.2007 – 5 G 777/07). Verwaltungsrechtliche Einzelheiten sind von Schöbener (Fn. 56) erörtert. 65 So Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991, S. 444. 66 Diefenbach (Fn. 63), S. 320. 67 Diefenbach (Fn. 63), unter Bezugnahme BVerwGE 81, 318 (324). 68 So Musielak/Detterbeck, Das Recht des Handwerks, Kommentar zur Handwerksordnung, 3. Aufl. 1995, § 66 Rn. 11, in Bezug auf § 4 Abs. 1 Satz 2 der Satzung der IHK München und Oberbayern, anders jedoch in § 108 Rn. 10.

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d) Zwischenergebnis Soweit die Kammern hoheitlich tätig werden, bedürfen sie der demokratischen Legitimation. Es gilt für sie das grundsätzliche Verbot ministerialfreier Räume. Das macht zumindest eine umfassende Rechtsaufsicht erforderlich. Soweit die Kammern hoheitlich gegenüber außenstehenden Dritten tätig werden, ist auch eine Fachaufsicht mit Einzelweisungsbefugnissen erforderlich. Soweit sie gegenüber ihren Mitgliedern hoheitlich tätig werden, kann die erforderliche demokratische Legitimation durch genaue gesetzliche Vorgaben für ihre Aufgabenerfüllung und durch Entscheidungsteilhabe und Kontrolle durch ihre Mitglieder, also „von unten“, vermittelt werden. Voraussetzung sind aber normativ geregelte Informations- und Mitwirkungsansprüche der Mitglieder und ihrer Repräsentanten. Soweit Fachaufsicht danach aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich ist gilt sie unabhängig davon, ob sie einfachgesetzlich in den jeweiligen Kammergesetzen (explizit) angeordnet ist. Entgegenstehende einfachgesetzliche Regelungen sind verfassungswidrig und nichtig. IV. Finanzkontrolle durch externe Prüfungseinrichtungen Die Kammergesetze sehen lediglich allgemeine, wenig detaillierte Regelungen zum Haushaltsrecht vor. Regelmäßig wird im Kammerrecht die Aufstellung eines Haushaltsplans, die Verpflichtung auf eine sparsame und wirtschaftliche Haushaltsführung und die kammerinterne Prüfung der Haushaltsrechnung angeordnet.69 Besondere Bedeutung kommt angesichts der mit der Pflichtmitgliedschaft verbundenen Beitragspflicht der kammerinternen Prüfung der Haushaltsrechnung zu.70 Die Rechnungsprüfung erfolgt nach den Bestimmungen des Kammerrechts in der Regel durch die Prüfung der Jahresrechnung unter Einbeziehung der Buchführung durch einen Wirtschaftsprüfer und durch Feststellung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung sowie der Wahrung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit durch den Finanzausschuss. Hierzu wird ein Prüfungsbericht erstellt, der Grundlage für die Entscheidung über die Entlastung des Vorstands ist. Die Prüfung durch Wirtschaftsprüfer ist sicher sinnvoll, aber keineswegs ausreichend. Auf Grund der vertraglichen Beziehungen kann es zu Kollisionen mit den Interessen der beitragszahlenden Mitglieder kommen. Außerdem umfasst die Prüfung durch Wirtschaftsprüfer regelmäßig nur die Ordnungsmäßigkeit der 69 Kluth/Rieger, Haushaltsrecht und Rechnungshofkontrolle der Kammern – Zur Reichweite der Bindungen an staatliches Haushaltsrecht, in: Institut für Kammerrecht e. V., aktuelle Stellungnahmen 5/05, S. 5. 70 Vgl. BVerwGE 120, 255 ff.

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Rechnungslegung, nicht aber die Wirtschaftlichkeit des Handelns der Kammern. Nicht zuletzt zeigt die Erteilung von Testaten noch kurze Zeit vor der Insolvenz großer Unternehmen die Begrenztheit der Wirtschaftsprüferkontrolle. Eine Prüfung der Kammern durch Rechnungsprüfungseinrichtungen könnte daher angezeigt sein. Grundsätzlich steht einer Prüfung durch Rechnungshöfe, abgesehen von speziell geregelten Prüfungsverboten71, nichts entgegen.72 Die Prüfung durch Rechnungshöfe ist auch verfassungsrechtlich geboten, soweit die Kammern Mittel aus den Kassen des Bundes oder der Länder verwalten. Trotz ihrer unbestreitbaren Schwächen ist die Finanzkontrolle durch Rechnungshöfe ein wesentlicher Schritt auf dem Wege zu mehr Wirtschaftlichkeit in der öffentlichen Verwaltung, namentlich wenn sie mit einer (körperschaftsinternen) Veröffentlichung der Berichte verbunden ist. Das gilt vor allem im Hinblick auf Unternehmen, an denen eine Kammer beteiligt ist. Aufsicht unter Kontrolle über öffentliche Unternehmen hat sich in der Vergangenheit als hoch defizitär erwiesen – auf allen Ebenen des gegliederten Staatswesens. Namentlich die formprivatisierten Unternehmen, die Aufgaben erfüllen, die zuvor unmittelbar von der Ämterverwaltung erfüllt worden sind, sind in nennenswertem Umfang aus verschiedenen Gründen „out of control“, und zwar nicht nur, was die Gehälter der Geschäftsführer im Vergleich zur Besoldung der früheren Amtsleiter anbetrifft. Die Schwäche der Rechnungshofkontrolle, die fehlenden Sanktionen auf Grund ihrer Feststellung, hat jedoch im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung den Vorteil, dass genügend Raum für die Autonomie der Kammern bleibt.73 Im Ergebnis sollte die Kontrolle der Kammern durch externe Einrichtungen der Finanzkontrolle, wie die Rechnungshöfe, selbstverständlich sein, auch soweit sie nicht verfassungsrechtlich geboten ist. Schon die Finanzierung durch Zwangsbeiträge, also öffentlichen Abgaben, macht sie unabdingbar. Es darf insoweit keine kontrollfreien Räume geben. V. Schlussbemerkungen (1) Das Grundgesetz enthält keine Garantie der Kammern und ihrer Aufgaben. Alle ihre Aufgaben beruhen auf einer einfachgesetzlichen Übertragung. Diese muss den Erfordernissen des Verfassungsrechts uneingeschränkt genügen. 71 So ausdrücklich nach § 11 Abs. 3 IHKG für die Landesrechnungshöfe. Zum Sondersystem des Haushaltsrechts und der Rechnungslegung der IHK siehe auch Jahn, Die Kontrolle von Unternehmen und Beteiligungen der Kammern, GewArch 2006, 89 (90). 72 Kluth/Rieger (Fn. 69), S. 3. 73 Kluth, Wirtschaftlichkeit im Sinne von § 7 Haushaltsordnung des Bundes und der Länder als Maßstab der Rechnungshofkontrolle, Institut für Kammerrecht, aktuelle Stellungnahmen 3/06.a.

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(2) Die Pflichtmitgliedschaft in Kammern ist verfassungsrechtlich nur dann zu rechtfertigen, wenn die Aufgaben der Kammern gesetzlich abgegrenzt und präzise formuliert sind. Das einzelne Pflichtmitglied hat einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch gegen den Zwangsverband darauf, dass diese Grenzen eingehalten werden. (3) Das Rechtsstaatsprinzip erfordert ebenso wie das Demokratieprinzip des Grundgesetzes eine umfassende Rechtsaufsicht über die Tätigkeit der Kammern. (4) Eine Fachaufsicht ist aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich, soweit Kammern gegenüber Nichtmitgliedern hoheitlich tätig werden. Soweit sie hoheitlich gegenüber ihren Mitgliedern tätig werden, können Entscheidungsteilhabe und Kontrolle durch die Mitglieder oder ihre Repräsentation ausreichen, wenn sie hinreichend genau normativ geregelt ist. Dazu gehören weitgehende Informationsansprüche, auch wenn sie bisher in Einzelfällen von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung verneint worden sind. Die Kontrolle durch externe Rechnungsprüfungseinrichtungen ist teilweise verfassungsrechtlich verzichtbar, teilweise aber aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht geboten, namentlich soweit es die Beteiligung der Kammern an Unternehmen betrifft.

4. PPP-Finanzierung und Haushaltsrecht* I. Einleitung Angesichts der hohen Staatsverschuldung und der steigenden Schuldenlast – insbesondere der steigenden Zinslastquote – ist der finanzielle Handlungsspielraum des Staates zunehmend eingeengt. Mit weiteren Einschränkungen ist bei der schrittweisen Umsetzung der neuen Schuldenbremse zu rechnen, die im Rahmen der Föderalismusreform II in das Finanzverfassungsrecht eingeführt worden ist. Ein Ausweg ist verbreitet in der formellen oder materiellen Privatisierung gesucht worden. Aber auch Public Private Partnerships (PPP), zu Deutsch: Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP), werden als ein besonders geeignetes Instrument zur Lösung der Finanzierungsprobleme angesehen; deutlich zu erkennen am politischen Willen, die PPP-Projekte deutlich auszudehnen.1 Sowohl die Anzahl durchgeführter PPP-Projekte als auch das Investitionsvolumen verzeichnen ein starkes Wachstum.2 Dieser Tendenz wird auch durch die vom deutschen Bundesgesetzgeber verabschiedeten Konjunkturprogramme zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der Förderung durch die Kommission auf EU-Ebene3 Nachdruck verliehen. Dabei ist die Förderung mittelständischer Unternehmen, die als Aufgabe der Wirtschaftspolitik aufgefasst wird, zentrales politisches Anliegen. Bisher nahmen mittelständische Unternehmen nur eine eher untergeordnete Rolle im Rahmen von PPP ein. * Erstveröffentlichung in: Gotthold A. Balensiefen/Carsten Merten (Hrsg.), Public Private Partnership, Frankfurt am Main, 2011, S. 43–55. 1 Beispiele dafür sind das Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingung für Öffentliche Private Partnerschaften vom 01.09.2005 (BGBl. I 2005, S. 2676) sowie das Vorhaben der EU-Kommission PPP als Finanzierungsinstrument zu fördern und zu stärken; siehe Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafs- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 19.11. 2009, (KOM [2009] 615, S. 14 ff.). 2 So stehen nach Angaben der PPP Task Force des Bundes 22 Vertragsabschlüssen des Jahres 2006 35 Vertragsabschlüsse im Jahre 2007 gegenüber. Das bedeutet eine Zunahme von 59%; vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, PPPHandbuch – Leitfaden für Öffentliche-Private-Partnerschaften, 2008, S. 9 ff. 3 Siehe Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 19.11.2009, (KOM [2009] 615).

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V. Finanzverantwortung des Staates für selbständige Einheiten

Die potentiellen positiven Effekte, wie Wachstumsimpulse für die Wirtschaft, Beschäftigungssicherung und – zumindest auf den ersten Blick – die Vermeidung von Belastungen des Staatshaushalts durch Neuverschuldung scheinen für den Einsatz von PPP zu sprechen, deren Ziel eine Effizienzsteigerung bei gleichzeitig angemessener Risikoverteilung ist. Gerade in der angemessenen Risikoverteilung, welche das Schlüsselelement einer erfolgreichen PPP bilden soll, liegt aber die Schwierigkeit und Herausforderung dieses Instruments. Die Finanzkrise hat insbesondere im Zusammenhang mit den Cross-BorderLeasing-Geschäften4 vor Augen geführt, dass Risiken komplexer Finanzierungskonstruktionen schwer zu kalkulieren und auch die Zahlungsströme von PPP-Projekten angesichts der langen Zeiträume, um die es geht, nicht immer mit der hinreichenden Sicherheit voraus zu schätzen sind. Soweit Cross-Border-Leasing-Verträge abgeschlossen worden sind, kann es jedenfalls wegen der Schwierigkeiten eines der Hauptbeteiligten, der American International Group (AIG), zu erheblich zusätzlichen Belastungen kommen.5 Die PPP-Projekte erwiesen sich nicht nur in diesem Zusammenhang als nicht mehr für alle Beteiligten vorteilhaft. Die Kreditaufnahmeproblematik spielt bei der Beurteilung von PPP-Projekten eine wesentliche Rolle. Sie soll im Folgenden näher beleuchtet werden. Die europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Begrenzung der Staatsverschuldung liefern wichtige Anreize, Handlungsspielräume durch alternative Finanzierungsformen zu erweitern. Es sind Finanzierungsformen, die nicht den europa- und verfassungsrechtlichen Kreditbeschränkungen unterliegen. PPP erfreut sich als Finanzierungsform so großer Beliebtheit, da mit ihr Projekte der öffentlichen Hand vorfinanziert werden können, ohne dass eine Kreditaufnahme über einen öffentlichen Haushalt erfolgen muss. Im Fokus steht daher die Frage, ob mit PPP tatsächlich ein Projekt bei gleichem Risikoprofil wirtschaftlicher verwirklicht werden kann. Es ist dabei zu untersuchen, ob es sich nicht doch um ein Instrument handelt, das letztlich (auch) 4 Im Rahmen des Cross-Border-Leasing übertrug die Kommune auf Grundlage eines Leasing-Vertrags das jeweilige Objekt für 99 Jahre auf einen amerikanischen Investor und leaste (pachtete/mietete) gleichzeitig das Objekt mit einer Laufzeit von 30 Jahren. Dabei wurden Steuervorteile in den USA genutzt. Die erzielten Steuervorteile zahlte der Investor an die Kommunen (sog. Barwertvorteil). Das Kapital wurde von Banken und Versicherungen verwaltet und die laufenden Leasingraten aus den Kapitalerträgen finanziert. 5 Zurückzuführen ist dies auf die mit dem Abschluss der neuen Versicherungsverträge verbundenen Mehrkosten. Zudem hat der Internal Revenue Service (IRS) der USA die Cross-Border-Leasing-Geschäfte als rechtswidrige Scheingeschäfte eingestuft. Als Folge des Wegfalls der ihnen zu Grunde liegenden Steuervorteile, besteht die Gefahr der Inanspruchnahme der Kommunen durch die Investoren wegen Schadensersatz, dessen Höhe den Barwertvorteil um ein Vielfaches übersteigen kann.

4. PPP-Finanzierung und Haushaltsrecht

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dazu dient, die Höhe der Nettoneuverschuldung und den Staatsschuldenstand zu verschleiern oder gar rechtlich verbindliche Verschuldungsgrenzen zu durchbrechen. Dabei kommt es ganz wesentlich auch auf eine korrekte Erfassung der Risiken an. Nur wenn die Risiken transparent sind, können PPP-Projekte im Kontext der Verschuldungsproblematik zutreffend eingeordnet und rechtlich bewertet werden. Auch ist zu überlegen, ob eine hinreichende Haushaltskontrolle gewährleistet ist. II. Bedeutung und Einordnung der PPP Zum besseren Verständnis soll jedoch zunächst auf die Bedeutung und Einordnung von PPP eingegangen werden. Ein feststehender normativer Rechtsbegriff der PPP existiert nicht. Ihre Begriffsbestimmung gestaltet sich auch wegen der Polyvalenz des Begriffs sehr schwierig.6 Welche Inhalte eine solche Partnerschaft kennzeichnen und welche Mindestanforderungen an die Verantwortungsstruktur zu stellen sind, bedarf im Einzelnen der Konkretisierung.7 Keine Probleme bereitet der grundsätzliche Ausgangspunkt: effizientere, und damit wirtschaftlichere, Verwirklichung von Projekten der öffentlichen Hand im Vergleich zu traditionellen Finanzierungs- und Bewirtschaftungsformen. Wirtschaftlichkeitsvorteile sollen auch unter Berücksichtigung der jeweils übernommenen Risiken angemessen zwischen öffentlichem und privatem Partner verteilt werden. Effizient ist dabei eine Verteilung der Risiken, bei der jeder Partner die Risiken übernimmt, die er am besten beherrschen kann.8 Er ist der „cheapest cost avoider“ im Sinne der „law and economics“ Theorie.9 Durch eine dementsprechende Risikoverteilung und die Nutzung des Know-hows des privaten Sektors können zumindest theoretisch öffentliche Leistungen wirtschaftlicher erbracht werden. Ob sie tatsächlich geeignet ist, diese zu erreichen, bedarf einer kritischen Überprüfung. PPP kann in die Kategorie der funktionalen Privatisierung10 eingeordnet werden.11 Im Unterschied zur Organisations- oder Aufgabenprivatisierung bedeutet 6 Büllesfeld, KommJur 2009, 161 (162); Lämmerzahl, Die Beteiligung Privater an der Erledigung öffentlicher Aufgaben, 2007, S. 67. 7 Lämmerzahl, Die Beteiligung Privater an der Erledigung öffentlicher Aufgaben, 2007, S. 67. 8 Siehe Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, PPP-Handbuch – Leitfaden für Öffentliche-Private-Partnerschaften, 2008, S. 9. 9 Cooter/Ulen, Law and Economics, 4th edition, 2004, S. 6 f.; Wehrt, Das ökonomische Vertragsmodell: Theorie und Anwendung, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, Bd. 75 (1992), S. 358 (366–372); Eidenmüller, Effizienz als Rechtsproblem, 3. Aufl. 2005, S. 65, 402. 10 Zu den synonym verwendeten Begriffen Vollzugsprivatisierung, Verfahrensprivatisierung, Heranziehungsprivatisierung, siehe Lämmerzahl, Die Beteiligung Privater an der Erledigung öffentlicher Aufgaben, 2007, S. 105 f. m.w. N.

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dies, dass die staatliche Aufgabenerfüllung durch die Einbeziehung Dritter erfolgt – bei gleichzeitigem Verbleib der Aufgabenverantwortung beim Staat.12 Der Staat spaltet also lediglich Teilbeträge seiner Aufgaben ab und überträgt sie auf Dritte, die ihrerseits den jeweiligen Teilbetrag mit funktionalem Bezug zu einer Staatsaufgabe erbringen.13 Dabei ist zwischen den beiden Grundformen der PPP zu unterscheiden: der Gründung einer gemeinsam getragenen juristischen Person und der PPP auf vertraglicher Basis.14 Diese Unterscheidung geht auf das Grünbuch15 nebst Mitteilung16 der Kommission zurück. Unter einer institutionalisierten PPP ist die Einrichtung eines gemeinsam vom öffentlichen und vom privaten Partner unterhaltenen Wirtschaftsgebildes mit eigener Rechtspersönlichkeit zu verstehen.17 Demgegenüber ist die zweite Grundform der PPP entscheidend durch die vertragliche Vereinbarung zwischen öffentlichen Stellen und Privatunternehmen geprägt, durch die Finanzierung, Bau, Renovierung, Betrieb oder Unterhalt einer Infrastruktur oder Bereitstellung einer Dienstleistung vereinbart wird.18 Eine Einrichtung wird nicht geschaffen. III. Rechtlicher Rahmen und Verschuldungsproblematik 1. Europarechtliche Vorgaben Die europäischen Bestrebungen zur Förderung von PPP sind auf die Unionsziele zurückzuführen. Aus europäischer Sicht eignet sich PPP als Mittel zur Rea11 Burgi, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, Gutachten für den 67. DJT, 2008, D 33 f. 12 Lämmerzahl, Die Beteiligung Privater an der Erledigung öffentlicher Aufgaben, 2007, S. 106. 13 Burgi, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, Gutachten für den 67. DJT, 2008, D 33. 14 Zur begrifflichen Prägung durch die Kommission, siehe Burgi, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, Gutachten für den 67. DJT, 2008, D 31 ff. 15 Grünbuch der EG-Kommission zu öffentlich-privaten Partnerschaften und die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen vom 30.04.2004 (KOM [2004] 327 endg.). 16 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zu öffentlichprivaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für das öffentliche Beschaffungswesen und Konzessionen vom 15.11.2005 (KOM [2005] 569 endg.). 17 Siehe Grünbuch der EG-Kommission zu öffentlich-privaten Partnerschaften und die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen vom 30.04.2004 (KOM [2004] 327 endg., Ziff. 3, Rn. 53 und 54). 18 Siehe Grünbuch der EG-Kommission zu öffentlich-privaten Partnerschaften und die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen vom 30.04.2004 (KOM [2004] 327 endg., Ziff. 1.1, Rn. 1).

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lisierung des Binnenmarktes und Liberalisierung staatlich und kommunaldominierter und monopolisierter Märkte. Gleichzeitig besteht auch ein Interesse an der Geringhaltung der Staatsverschuldung der Mitgliedstaaten, die durch Art. 126 Abs. 1 AEUV (ex Art. 104 Abs. 1 EGV) verbindlich vorgegeben ist. Im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion sollen die negativen Auswirkungen der Staatsverschuldung eines Mitgliedsstaats auf die Währungsstabilität und damit den europäischen Wirtschaftsraum begrenzt bleiben. In Anbetracht dieser unionsrechtlichen Ziele erweist sich aus Sicht der Kommission der Einsatz von PPP als optimales Instrument zur Bewältigung der Finanzkrise. Einerseits verspricht man sich durch die Kombination öffentlicher und privater Fähigkeiten und Finanzmittel den Prozess der wirtschaftlichen Wiederbelebung und die Entwicklung von Märkten zu begünstigen.19 Andererseits soll dadurch eine problemlose Rückkehr zur Haushaltsdisziplin ermöglicht werden.20 2. Haushaltsrechtliche Vorgaben nach deutschem Recht Auch auf nationalstaatlicher Ebene wird die PPP vor dem Hintergrund der Überwindung der Verschuldungsproblematik als förderungswürdig angesehen. Insbesondere verspricht man sich durch Privatisierung die öffentlichen Aufgaben im Rahmen der Daseinsvorsorge besser erfüllen zu können, indem durch den Einsatz privater Dritter den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit21 besser Rechnung getragen werden kann.22 Dabei kann an dieser Stelle offen bleiben, ob es ein allgemeines, verfassungsrechtlich fundiertes Wirtschaftlichkeitsgebot für den Staat gibt.23 Einfachgesetzlich ist die öffentliche Hand jedenfalls verpflichtet zu prüfen, ob und inwieweit staatliche Aufgaben durch Aus19 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 19.11. 2009, (KOM [2009] 615 endg., S. 3). 20 Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 19.11.2009, (KOM [2009] 615 endg., S. 5 f.). 21 Einfachgesetzlichen Ausdruck findet dies in der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 BHO/LHO, wonach bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten sind. 22 Allerdings ergibt sich eine Grenze der Aufgabenerfüllung dort, wo es durch die Einbeziehung privater Dritter zu einer unzureichenden Versorgungslage der Bevölkerung kommt, Schäfer/Thiesch, in: Weber/Schäfer/Hausmann, Praxishandbuch Public Private Partnership, 2006, 2. Teil Rechtliche Rahmenbedingungen, § 2 Verfassungsrechtlicher Rahmen, S. 85 f. 23 Dezidiert VerfGH NRW, NWVBl. 2004, S. 419 (422): Ausprägung des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgebots; ferner VerfGH Rh-Pfalz, Amtliche Sammlung Bd. 25, S. 387 (403); Grupp, DVBl. 1994, S. 140 (146); Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig, 3. Aufl. 1996, Art. 110 Rn. 7; Gröpl, in: Bonner Kommentar, Art. 110

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gliederung, Entstaatlichung oder Privatisierung erfüllt werden können (§ 7 Abs. 1 Satz 2 BHO/LHO). Demzufolge ist auch zu Beginn jeder Privatisierungsentscheidung eine Privatisierungsanalyse zu erstellen. Normativ ist diese Verfahrensvoraussetzung in § 7 Abs. 2 Satz 1 BHO/LHO festgelegt. Hiernach ist für alle finanzwirksamen Maßnahmen eine angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durchzuführen. Die politischen Förderungsambitionen haben auch im „PPP-Beschleunigungsgesetz“24 aus dem Jahr 2005 ihren Niederschlag gefunden. Neu aufgenommen wurde in § 7 Abs. 2 Satz 2 BHO/LHO die Berücksichtigung einer angemessenen Risikoverteilung. Weiter wurde § 63 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 BHO neu eingefügt.25 § 63 BHO regelt die Voraussetzung für den Erwerb und die Veräußerungen von Vermögensgegenständen der öffentlichen Hand. Vermögensgegenstände dürfen hiernach nur veräußert werden, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben des Bundes in absehbarer Zeit nicht benötigt werden (§ 63 Abs. 2 Satz 1 BHO). Die Neuregelung in § 63 Abs. 2 Satz 2 BHO enthält eine Lockerung des Veräußerungsverbots für unbewegliche Vermögensgegenstände. Sie dürfen nunmehr auch dann zur langfristigen Eigennutzung veräußert werden, wenn sie zur Erfüllung von Aufgaben des Bundes weiterhin benötigt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass auf diese Weise die Aufgaben des Bundes nachweislich wirtschaftlicher erfüllt werden können. Diese Vorschrift soll der öffentlichen Hand mehr Flexibilität einräumen und ihr eine erleichterte Liquiditätsbeschaffung ermöglichen. Im haushaltsrechtlichen Kontext sind der Staatsverschuldung auch in Deutschland normative Grenzen gesetzt, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Vorgaben des EU-Rechts, dessen unmittelbare Geltung im deutschen Verfassungsrecht sehr zweifelhaft war.26 Die nationalen Verschuldungsgrenzen wurde durch die Neuregelungen in Art. 115 Abs. 2 Satz 1 GG sowie Art. 109 Abs. 3 GG erheblich verschärft. Das gilt namentlich für die Landesebene. Nunmehr gilt ein grundsätzliches Verbot, die Haushalte mit Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Durch die Vorgaben der Einhaltung der Kreditobergrenzen nach Art. 115 Abs. 2 GG soll eine übermäßige Verschiebung der Schuldenlast auf künftige Generationen verhindert werden. Damit soll auch dem aus dem (2001) Rn. 140; zweifelnd Siekmann, in: Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 110 Rn. 67 m.w. N. 24 Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingung für Öffentliche Private Partnerschaften vom 01.09.2005 (BGBl. I 2005, S. 2676). 25 Vgl. dazu Gatzer, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Stand: Dezember 2008, § 63 BHO, Rn. 6. 26 Einzelheiten bei Siekmann, in: Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 109 Rn. 53–57.

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Demokratieprinzip abgeleiteten Gebot Achtung verschafft werden, der Entscheidungsfreiheit künftiger Generationen Rechnung zu tragen.27 Die Handlungsspielräume künftiger Generationen können auch im Rahmen einer PPP durch Verträge mit langfristigen Zahlungsverpflichtungen eingeengt werden. Auch hierin zeigt sich ihre haushaltsrechtliche Relevanz. Zu ihrer weiteren Beurteilung ist der verfassungsrechtliche Begriff der Kreditaufnahme näher zu konkretisieren. IV. Einzelheiten Damit ist bereits ein Kernproblem der PPP angesprochen. Unter Gesichtspunkten der Transparenz kommt es angesichts der komplexen Finanzierungsstrukturen im Rahmen der verschiedenen Modelle einer PPP auf eine möglichst realitätsgerechte Darstellung im Haushalt an. Aber vor allem auch im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Kreditaufnahme und zum Haushaltsausgleich kommt es entscheidend darauf an, ob PPP als Kreditaufnahme im haushaltsrechtlichen Sinne zu klassifizieren ist. Nur so kann festgestellt werden, ob die haushaltsrechtlichen Grenzen eingehalten und nicht umgangen werden. V. Verschuldungsbegrenzung und Umgehungsproblematik Die Versuche zur Umgehung der Verschuldungsbegrenzungen sind vielgestaltig. Sie knüpfen häufig an die Verlagerung der Kreditaufnahme von der öffentlichen Hand auf einen privaten Dritten oder ihre Ausweisung als bloße Verwaltungsschulden an. Weiterer Anknüpfungspunkt ist die Entkleidung der Kreditaufnahme aus dem Gewand eines rechtlichen Kreditgeschäfts oder die Konstruktion einer Mischform aus beiden Varianten.28 Da die Klassifizierung als Schulden im Sinne des Grundgesetzes an das Rechtsträgerprinzip anknüpft, können durch die Verlagerung der Kreditfinanzierung auf Dritte im Rahmen der PPP die Kreditaufnahmevorgaben umgangen werden. Es werden – zumindest zunächst – keine Finanzschulden aufgenommen.29 Es stellt sich dann aber die Frage, ob nicht eine extensive Auslegung des Kreditbegriffs geboten wäre, um der Gefahr von Umgehungsgeschäften zu begegnen, wie das Teile des Schrifttums fordern.30 27

Siehe BVerfGE 79, 311 ff. Jahndorf, NVwZ 2001, S. 620 (621). 29 Siehe Jahndorf, NVwZ 2001, S. 620 (621 f.); Neumann/Szabados, in: Weber/ Schäfer/Hausmann, Praxishandbuch Public Private Partnership, 2006, 2. Teil Rechtliche Rahmenbedingungen, § 4 Bundes- und Landeshaushaltsrecht, S. 159. 30 Jahndorf, NVwZ 2001, S. 620 (624); Neumann/Szabados, in: Weber/Schäfer/ Hausmann, Praxishandbuch Public Private Partnership, 2006, 2. Teil Rechtliche Rahmenbedingungen, § 4 Bundes- und Landeshaushaltsrecht, S. 159 m.w. N. 28

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Jedenfalls ist eine derartige Verlagerung der Kreditaufnahme unter Transparenzgesichtspunkten nicht völlig unbedenklich. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die aus Art. 110 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsätze der Vollständigkeit und Wahrheit des Haushalts. VI. PPP als Kredit im Sinne des Grundgesetzes Der haushaltsrechtliche Kreditbegriff ist gesetzlich nicht definiert. Unter einer Kreditaufnahme im Sinne des Grundgesetzes31 ist die „Beschaffung von Geldmitteln“ auf vertraglicher Grundlage zu verstehen, „die zurückgezahlt werden müssen“.32 Dadurch werden der öffentlichen Hand für eine bestimmte Zeit Geldmittel zur Finanzierung ihrer Ausgaben zugeführt oder ihr unmittelbar die Leistung von Ausgaben erspart.33 Von diesen Finanzschulden sind Kassenverstärkungskredite und Verwaltungsschulden zu unterscheiden, die nicht unter den Begriff der Kreditaufnahme fallen.34 Es handelt sich dabei um Schulden, die aus der Geschäfts- und Verwaltungstätigkeit des Staates resultieren und nicht der Erzielung von Einnahmen dienen. Diese müssen im Haushalt durch andere Einnahmen gedeckt sein. Grundsätzlich werden PPP-Vertragsmodelle nicht als Kreditaufnahme beurteilt, wenn die Finanzierungsverantwortung bei privaten Dritten liegt. Die Zahlungsverpflichtung der öffentlichen Hand ist als Verwaltungsschuld einzuordnen. Hiervon ist das PPP-Leasingmodell als „Sale-and-lease-back“-Geschäft ausgenommen. Grundlage dieses Geschäfts ist die Veräußerung von Immobilien durch die öffentliche Hand und die Kreditaufnahme durch einen privaten Partner, an dem die öffentliche Hand maßgeblich beteiligt ist. Die Einnahmen aus dem Veräußerungserlös fallen dann unter den Kreditbegriff, wenn die öffentliche Hand den Finanzdienst übernimmt und die Einnahmen allgemein zur Deckung von Haushaltsaufsaufgaben verwendet werden.35 Immer dann, wenn der bloße Finan31 An diesem Begriffsverständnis wird sich wohl auch durch die Neuregelung des Grundgesetzes (Art. 109 Abs. 3 GG sowie Art. 115 Abs. 2 GG) nichts ändern. 32 BerlVerfGH, NVwZ-RR 2003, S. 537; Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 42; ähnlich Siekmann, in: Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 115 Rn. 20 m. N. für abweichende Auffassungen; Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Stand: Dezember 2008, Art. 115 GG, Rn. 12; Jahndorf, NVwZ 2001, S. 620 (621); Neumann/Szabados, in: Weber/Schäfer/Hausmann, Praxishandbuch Public Private Partnership, 2006, 2. Teil Rechtliche Rahmenbedingungen, § 4 Bundes- und Landeshaushaltsrecht, S. 158 m.w. N. 33 Vgl. Jahndorf, NVwZ 2001, S. 620 (621); Neumann/Szabados, in: Weber/Schäfer/ Hausmann, Praxishandbuch Public Private Partnership, 2006, 2. Teil Rechtliche Rahmenbedingungen, § 4 Bundes- und Landeshaushaltsrecht, S. 158. 34 Siekmann, in: Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 115 Rn. 20 m.w. N.; etwas differenzierter Jahndorf, NVwZ 2001, S. 620 (621). 35 Neumann/Szabados, in: Weber/Schäfer/Hausmann, Praxishandbuch Public Private Partnership, 2006, 2. Teil Rechtliche Rahmenbedingungen, § 4 Bundes- und Landeshaushaltsrecht, S. 163.

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zierungsaspekt bei einem PPP-Projekt im Vordergrund steht, wird bei einer langfristigen Bindung verfassungsrechtlich eine Behandlung wie eine Kreditaufnahme verlangt.36 Die Frage ist aber nicht unumstritten37 und dürfte von der Ausgestaltung im Einzelnen abhängen. VII. PPP als Kredit aus europäischer Sicht Im Rahmen des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen ESVG 199538 ist auf europäischer Ebene noch nicht abschließend geklärt, wie PPP zu veranschlagen ist. Lediglich den Empfehlungen von Eurostat vom 11.02.200439 lässt sich entnehmen, unter welchen Voraussetzungen Vermögensgegenstände, die Gegenstand einer PPP sind, nicht auf staatlicher Seite zu veranschlagen sind und damit keine negativen Auswirkungen auf die staatliche Verschuldung haben. Voraussetzung sind zwei Bedingungen: Der private Partner muss das Baurisiko40 und entweder das Ausfallrisiko41 oder das Nachfragerisiko42 tragen. Die Vermögenswerte sollen buchhalterisch dem Staat zugerechnet werden, wenn der private Partner kein oder allein das Baurisiko ohne jede weitere Risikoübernahme trägt. Die Empfehlung von Eurostat wirft aber auch einige Probleme auf.43 Insbesondere fehlt es an einer begrifflichen Bestimmung der PPP. Ebenfalls erweist sich die Abgrenzung der darin benannten Risiken und damit ihre Klassifizierung als schwierig. VIII. PPP-Vertragsmodelle und Passivierung wirtschaftlichen Eigentums Zur Untersuchung, ob PPP ein geeignetes Mittel gegen die Belastung der Zukunft durch eine immer weiter steigende Verschuldung darstellen kann, kommt es 36 Vgl. Wendt, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl. 2005, Art. 115 Rn. 23; Siekmann, in: Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 115 Rn. 22; Hüsken/Mann, DÖV 2005, S. 143 (148); differenzierend Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsordnung, 2. Aufl., Art. 115 (2005) Rn. 13. 37 Keine Kreditaufnahme: Heun, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2008, Art. 115 Rn. 13. 38 Verordnung (EG) Nr. 2223/96 des Rates vom 25.06.1996 zum Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene in der Europäischen Gemeinschaft (ABl. EG Nr. L 310, S. 1). 39 Siehe Pressemitteilung Eurostat 18/2004 vom 11.02.2004. 40 Insbesondere das Risiko verspäteter Leistung, Nichteinhaltung vorgegebener Standards, zusätzlicher Kosten, technischer Mängel und externer negativer Effekte. 41 Das Risiko der Nichteinhaltung von Quantitäts- oder Qualitätsanforderungen. 42 Das Risiko von Nachfrageschwankungen, die nicht auf eigenes Verhalten zurückzuführen sind. 43 Zu den Einzelheiten siehe Neumann/Szabados, in: Weber/Schäfer/Hausmann, Praxishandbuch Public Private Partnership, 2006, 2. Teil Rechtliche Rahmenbedingungen, § 4 Bundes- und Landeshaushaltsrecht, S. 165 f.

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insbesondere vor dem Hintergrund der Risikoverteilung darauf an, ob das der PPP zu Grunde liegende Objekt als wirtschaftliches Eigentum der privaten oder der öffentlichen Hand anzusehen ist. Da viele öffentliche Haushalte, vor allem auf kommunaler Ebene, schon jetzt nicht mehr nach dem kameralistischen System buchen, sondern nach den Grundsätzen der kaufmännischen doppelten Buchführung, soll auf diese abgestellt werden. Wenn das Eigentum am Gegenstand der PPP wirtschaftlich der öffentlichen Hand zuzurechnen ist, muss sie ihn – unabhängig davon, ob die PPP-Modelle als kreditähnliche Geschäfte zu werten sind – aktivieren und die Verbindlichkeiten aus dem Geschäft als Passivposten verbuchen. Damit dürfte auch die haushaltsrechtlich relevante Verschuldung steigen. In der Praxis haben sich im Rahmen der PPP verschiedene Organisations- und Vertragsstrukturen als Grundtypen herausgebildet. Jedes Modell wirkt sich unterschiedlich auf die Passivierung aus – wobei in diesem Rahmen nicht auf die Einzelheiten der Modelle eingegangen werden kann. Eine Gesamtschau der Modelle zeigt, dass das wirtschaftliche Eigentum bei allen Modellen – außer dem Miet- und Konzessionsmodell sowie im Rahmen des operativen Leasings – bei der öffentlichen Hand im Haushalt zu veranschlagen ist. Beim Gesellschaftsmodell hängt dies von der vertraglichen Ausgestaltung ab.44 Soweit das wirtschaftliche Eigentum im Haushalt nicht veranschlagt werden muss, kommt es zu einer Vergrößerung der (Kredit-)Finanzierungsspielräume für die öffentliche Hand. Im Kontext der Verschuldungsproblematik bedeutet dies, dass dem Staat durch die betreffenden PPP-Modelle ein gewisser Gestaltungsspielraum eingeräumt wird, um eine Verletzung von Kreditaufnahmeverboten zu vermeiden.45 IX. Risikoverteilung und Relevanz der Wirtschaftlichkeitsanalyse Zu beachten sind allerdings die Interessen- und Zielkonflikte, die im Rahmen der PPP-Modelle bestehen, bei denen das wirtschaftliche Eigentum dem Privaten zuzurechnen ist. Der Private wird dafür, dass er die wirtschaftlichen Risiken trägt, eine ökonomische Kompensation verlangen. Damit werden der öffentlichen Hand zwar Gestaltungsspielräume eröffnet, soweit das wirtschaftliche Risiko auf den Privaten verlagert wird, gleichzeitig stellt sich aber die Frage, ob angesichts des Risikoaufschlags der Einsatz einer PPP noch zu einer Steigerung der Wirtschaftlichkeit führen kann.

44 45

Holtwisch, Verwaltungsrundschau 2008, S. 369 (371 ff.). Holtwisch, Verwaltungsrundschau 2008, S. 369 (373).

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Vor diesem Hintergrund ist eine gründliche Wirtschaftlichkeitsanalyse nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BHO/LHO unter dem Aspekt der Risikoverteilung besonders wichtig. Allerdings muss auch in diesem Zusammenhang beachtet werden, dass jede Risikoprognose mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. Das künftige Staatsund Marktverhalten lässt sich weder präzise prognostizieren noch exakt messen.46 X. Einbindung der Rechnungshöfe Eine besondere und verfassungsrechtlich unzweifelhafte Bedeutung hat das Wirtschaftlichkeitsprinzip für die Finanzkontrolle durch die Rechnungshöfe. Mit zunehmender Komplexität der vertraglich ausgestalteten Finanzierungskonstruktionen steigt auch die Gefahr der Ausdünnung von Kontrolle. Dies hat sich in der Praxis deutlich gezeigt. Die Rechnungshöfe konstatierten in der Vergangenheit Vollzugsdefizite, die auf die mangelnde Ausschöpfung der vertraglichen Gestaltungsspielräume zu Gunsten der öffentlichen Hand zurückzuführen seien. Auch die Cross-Border-Leasing-Geschäfte haben diese Defizite sichtbar gemacht. Damit drängt sich die Frage auf, ob die Rechnungshöfe wegen ihrer Prüfungserfahrungen und höheren fachlichen Kompetenz bereits früher in die Wirtschaftlichkeitsprüfung von PPP-Projekten einbezogen werden sollten. Sie könnten die öffentliche Hand bei der vertraglichen Ausgestaltung der Finanzierungsfunktionen zumindest beratend unterstützen.47 Dem wird jedoch entgegengehalten, dass dadurch die Unabhängigkeit der Rechnungshöfe gefährdet werde. Eine regelmäßige Vorabbegutachtung von PPP-Projekten könne die Unvoreingenommenheit der nachfolgenden Kontrolle beeinträchtigen.48 In der Tat ist die Beratungstätigkeit im Sinne einer Begutachtung, die Grundlage einer künftigen Entscheidung der öffentlichen Hand ist, nicht unproblematisch. Die Rechnungshöfe können auf diese Weise zwar auf Entscheidungen der öffentlichen Hand rechtzeitig Einfluss nehmen, sind für sie dann aber auch mitverantwortlich. Solange die Beratungstätigkeit jedoch erkennen lässt, dass diese

46 Stober, Privatisierung öffentlicher Aufgaben – Phantomdiskussion oder Gestaltungsoption in einer verantwortungsgeteilten offenen Wirtschafts-, Sozial- und Sicherheitsverfassung, NJW 2008, 2301 (2308). 47 § 88 BHO ermöglicht ein beratendes Tätigwerden des Bundesrechnungshofes gegenüber verschiedenen Bundesorganen. Hiervon abweichend sehen einige LHO-Vorschriften bei Beratungsersuchen der Rechnungshöfe eine zwingende Beratungstätigkeit vor, siehe Neumann/Szabados, in: Weber/Schäfer/Hausmann, Praxishandbuch Public Private Partnership, 2006, 2. Teil Rechtliche Rahmenbedingungen, § 4 Bundes- und Landeshaushaltsrecht, S. 192. 48 Neumann/Szabados, in: Weber/Schäfer/Hausmann, Praxishandbuch Public Private Partnership, 2006, 2. Teil Rechtliche Rahmenbedingungen, § 4 Bundes- und Landeshaushaltsrecht, S. 192.

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ausschließlich auf Prüfungserfahrungen zurückzuführen ist,49 erscheinen diese Gefahren nicht allzu groß. XI. Fazit Die vorangegangenen Überlegungen haben gezeigt, dass es einer kritischen Überprüfung im Einzelfall bedarf, ob PPP als Kreditaufnahme zu behandeln ist. Es kann sich auch um eine Finanzierungsstruktur zur Umgehung von Verschuldungsbegrenzungen handeln, ohne dass mit ihr Effizienzgewinne verbunden sind. Zudem ist zu beachten, dass in den Fällen, in denen das wirtschaftliche Eigentum eines PPP-Objekts der privaten Seite zuzuordnen ist, eine ökonomische Kompensation für die Risikoübernahme durch Private erforderlich ist. Dadurch kann die gebotene Wirtschaftlichkeitsuntersuchung unter Beachtung der Risikoverteilung zu anderen Ergebnissen führen. Wegen der Komplexität der Konstruktionen im Rahmen einer PPP erscheint zudem eine möglichst frühe Einbeziehung der Rechnungshöfe sinnvoll. Jedenfalls sprechen die sichtbar gewordenen Vollzugsdefizite in der Vergangenheit für eine Stärkung der Haushaltskontrolle.

49 So auch Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Stand: Dezember 2008, Art. 114 GG, Rn. 28.