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German Pages [393] Year 2022
Margareth Lanzinger und Raffaella Sarti
Eine Löwin im Kampf gegen Napoleon? Die Konstruktion der Heldin Katharina Lanz
Margareth Lanzinger | Raffaella Sarti
Eine Löwin im Kampf gegen Napoleon? Die Konstruktion der Heldin Katharina Lanz
Böhlau Verlag Wien Köln
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung durch den Verein zur Förderung von L’Homme. Z. F. G. (2010), die Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät der Universität Wien und den Dipartimento di Scienze della Comunicazione, Studi Umanistici e Internazionali der Università degli Studi di Urbino Carlo Bo
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2022 Böhlau Verlag, Zeltgasse 1, A-1080 Wien, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Umschlagabbildung : „Das Mädchen von Spinges“, aus der Postkartenserie „Tiroler Freiheitskampf 1809“ Verlag Fritz Gratl, Innsbruck [1909] Lektorat: Nicola Langreiter Einbandgestaltung : Michael Haderer, Wien Satz : Bettina Waringer, Wien
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-20851-8
Edith Saurer gewidmet (1942–2011)
Andrea: „Unglücklich das Land, das keine Helden hat!“ Galilei: „Nein. Unglücklich ist das Land, das Helden nötig hat.“ (Bertold Brecht, Leben des Galilei, 12. Bild)
Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13
1 Heldinnenbilder und Geschlechterrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2 Die Konstruktion einer Heldin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I Eine umstrittene Schlacht und eine geheimnisvolle Heldin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30
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Divergierende Wahrnehmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31 Unterschiedliche Erinnerungspolitiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Kein Mädchen von Spinges? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .47 Erste Berichte und Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53 Spurensuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .74
II Katharina Lanz: Heldin in vielfältigen Perspektivierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
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Heldinnengeschichten rund um 1797 und 1809 . . . . . . . . . . . . . . . . . .89 Der Name der Heldin und das europäische Jahr 1870 . . . . . . . . . . . . . . .99 Katharina Lanz im Kontext des ladinischen Schul- und Sprachenstreits . . . . . 113 Internationale Vernetzungen – zwischen Oxford und dem Vatikan . . . . . . . 120 Oder doch nur „eine im Pulverdampf entstandene Mähr“? . . . . . . . . . . . 130 Ein Denkmal für die Heldin: ein „schönes patriotisches Unternehmen“ . . . . . 137
III Heldinnenstoffe: Plots und transnationale Verflechtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
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Denkmäler in einer patriotischen Ära . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Modellierungen zwischen facts und fiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Katharina Lanz als literarische Figur … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 … und als transnationale Heldin: „The Maid of Spinges“ . . . . . . . . . . . . 191 Drehungen und Wendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
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Inhalt
IV Religiöse Überhöhungen und Nationalisierungen der Heldinnenfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
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Katharina Lanz als „Verteidigerin“, Jeanne d’Arc und „Hünenweib“ . . . . . . . 205 Nationale Positionierungen: Katharina Lanz als Ladinerin . . . . . . . . . . . . 222 Zwischen Wien und Tirol: ein Denkmal für die Kaisertreue . . . . . . . . . . . 231 Politische Vereinnahmungen: von der Leo-Gesellschaft bis zu Mussolini und Tolomei . . . . . . . . . . . . . 242 5 Der Streit um den „wahren Geburtsort“: St. Vigil oder Natz? . . . . . . . . . . 250 V Nachhall: Ambivalente Heldinnengeschichten und Erinnerungskontexte . . . . . . . 254
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Die androgyne und die verführte Heldin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Natzer versus Enneberger These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 „... über allen Wipfeln Ruh“ – 150 Jahre nach Spinges . . . . . . . . . . . . . . 275 Die Olympiade 1956 in Cortina und Jahrestage . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Vielgestaltige und unerwartete Projektionsflächen . . . . . . . . . . . . . . . . 290
VI Schluss: Kämpfende Frauen im internationalen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
1 In Männerkleidern und Waffen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 2 Bürger und Soldat – der Ausschluss der Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 3 Heldinnenbilder: Einpassungen, Überschreitungen, Brüche . . . . . . . . . . . 324 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335
Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385
Vorwort
Dieses Buch hat eine lange Vorgeschichte. Bereits während ihrer Kindheit in Brixen in Südtirol war Raffaella Sarti mehrmals im nahe gelegenen Spinges und hörte von der Geschichte des Spingeser Mädchens alias Katharina Lanz. Später weckte die Heldin ihre Neugier als Historikerin. Durch die Freundschaft und Zusammenarbeit mit Margareth Lanzinger wurde die Idee, die Geschichte des Mädchens von Spinges zu erforschen, nicht nur denkbar, sondern auch konkret. Raffaella Sartis Betreuung der tesi di laurea, die Dario Funaro an der Università di Urbino im Studienjahr 2004/05 über Katharina Lanz verfasste, war der erste Anlass, die vorhandene Literatur zu eruieren. Dass es lohnend sein könnte, sich mit dieser Figur weiter auseinanderzusetzen, stellte sich gleich bei den ersten Recherchen heraus, die auf ein widersprüchliches und auch geheimnisvolles making dieser Heldin hindeuteten. Die Ausschreibung von Forschungsprojekten im Vorfeld des Bicentenaire 1809–2009 von Seiten der Südtiroler Landesregierung bot dann Gelegenheit, uns intensiv auf die Spurensuche zu begeben. Den Rahmen dafür schuf ein von Siglinde Clementi geleitetes Projekt zu vier Frauen, die, wie es auf dem Klappentext des Projektbandes heißt, „einen Platz in der Tiroler Erinnerungskultur einnehmen“. Neben Katharina Lanz waren dies Giuseppina Negrelli, Therese von Sternbach und Anna von Menz. Der von Siglinde Clementi herausgegebene Band „Zwischen Teilnahme und Ausgrenzung“ (2010 erschienen) enthält einen ausführlichen Beitrag zum Mädchen von Spinges. Darüber hinaus publizierten wir zwei Ausätze zur Heldin – einen 2009 auf Deutsch in der Zeitschrift „Historische Anthropologie“ und einen 2010 auf Italienisch in dem Band „Teatri di guerra“. Wir präsentierten unsere Zugänge und Ergebnisse des Weiteren auf der Tagung „Teatri di guerra: rappresentazioni e discorsi tra età moderna ed età contemporanea“ im Juni 2009 in Bologna, im Rahmen der Geschichtswerkstatt zum Thema „Frauen 1809“ im November des Jahres in der Stadtbibliothek Bruneck, auf der Tagung des Forschungsschwerpunkts Geschlechtergeschichte im Februar 2010 an der Universität Wien, im Forschungskolloquium der Universität Siegen im Juli 2013 und im März 2018 auf der internationalen Tagung „Südtirol/Alto Adige 1918–2018“ in Urbino. Doch haben wir weit mehr Material zutage gefördert, als in einigen Artikeln sinnvoll auswertbar und darstellbar war. Zugleich kamen immer wieder neue Facetten zu unserem Bild der Heldin hinzu, neue Bezugspunkte und -räume taten sich auf. Daher schien es uns sinnvoll, ein Buch zu schreiben, in dem wir den Konstruktionsprozess der Heldin Katharina Lanz umfassend dokumentieren und die unterschiedlichen Perspektiven, die sich in ihrer Rezeptionsgeschichte kreuzen, in einen Zusammenhang stellen können. Insofern
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Vorwort
unterscheidet sich der Schwerpunkt unseres Buches von jenem, das Lois Craffonara und Helga Dorsch 2015 veröffentlicht haben. Wie bereits aus dem Titel „Catarina Lanz. Das Mächen von Spinges“ hervorgeht, interessieren sie sich für die historische Figur Catarina Lanz und die Erinnerung an sie. Wir fokussieren auf die Entstehung der Symbolfigur des Mädchens von Spinges, auf die zahlreichen Erinnerungsakteur*innen, Autor*innen und Künstler*innen, die dessen Geschichte erzählt und dargestellt haben, auf die manchmal konfliktuellen und unerwarteten Neubearbeitungen und Fassungen auf lokalen und überregionalen, habsburgischen und vielfältigen internationalen Ebenen. Diese Arbeit dauerte viel länger als gedacht. Nicht zuletzt machte die fortschreitende Digitalisierung von Schriftgut unterschiedlichster Art aus dem 19. Jahrhundert immer wieder neue Belege der Erwähnung und Auseinandersetzung mit dieser Figur einfacher zugänglich. Zudem tauchten neue Schriften, Theaterstücke, Videos usw. auf. Damit wird ein solches Buch im Grunde zu einer unendlichen Geschichte. So ist sicher noch nicht das letzte Wort gesprochen, doch wir haben nun einen Schlusspunkt gesetzt. Danken möchten wir insbesondere Siglinde Clementi für die Möglichkeit der Beteiligung an ihrem Projekt und für den produktiven Austausch, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bibliothek im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck für die Unterstützung und die optimalen Arbeitsbedingungen, dem Pfarrer von Mühlbach Don Hugo Senoner und dem damaligen Pfarrer von Livinallongo Don Dario Fontana für den Zugang zu den Pfarrarchiven in Spinges und Livinallongo sowie der Gemeinde Livinallongo für den Zugang zu deren Archiv. Des Weiteren danken wir dem inzwischen verstorbenen Lehrer Johann Schrott aus Latzfons (1932–2020), der auch als Archivar tätig war und uns das Belobigungsdekret für die Abb. 15 zur Verfügung gestellt hat, sowie seiner Frau Barbara und seinem Sohn Franz. Für die kritische Lektüre danken wir Nikola Langreiter, Brigitte Rath und den externen Gutachter*innen einer ersten Fassung des Manuskripts, das ursprünglich für die L’Homme-Schriften-Reihe vorgesehen war. Für ihre wertvollen Kommentare und Hinweise schulden wir auch Patrizia Delpiano, Ottavia Niccoli und Alessandro Pastore unseren Dank sowie den Kolleg*innen, die uns anlässlich der Tagungen und Präsentationen unserer Untersuchung nützliche Hinweise gegeben haben. Dank gebührt außerdem Bärbel Kuhn, die Margareth Lanzinger mit dem Stipendium des Forschungsinstituts für Geistes- und Sozialwissenschaften (FIGS) im Sommersemester 2013 einen sechsmonatigen Aufenthalt an der Universität Siegen ermöglichte, wo das Manuskript weiterbearbeitet und zur Diskussion gestellt werden konnte. Wir danken Nikola Langreiter für das umsichtige Lektorat. Gewidmet ist das Buch Edith Saurer (1942–2011). Sie hat uns Ende der 1990er Jahre in Kontakt gebracht und die Arbeit an der Heldinnengeschichte sehr ermuntert. In Verbindung mit den L’Homme-Schriften steht ein Anteil der Finanzierung der
Vorwort
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Druckkosten, der vom Verein zur Förderung von L’Homme. Z. F. G. unter der Leitung von Edith Saurer 2010 dankenswerterweise für den Band bereitgestellt wurde. Für die Übernahme eines Druckkostenanteils danken wir ferner dem Dekanat der HistorischKulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Weitere Kosten wurden mit Forschungsgeldern des Projekts „Culture di confine: Suedtirol/Europa/Mediterraneo“ an der Università degli Studi di Urbino Carlo Bo bestritten.
Postscriptum Als wir dabei waren, die Fahnen dieses Buches zu korrigieren, fiel Russland in der Ukraine ein. Das seit längerem von Konfrontation geprägte Verhältnis zwischen diesen Ländern eskalierte damit auf brutale Weise. Andreas Kappeler hat in seinem 2017 erschienenen Buch „Ungleiche Brüder“ im Titel zwar die Asymmetrie adressiert. Aufgrund der vielfältigen Verflechtungen – über Sprache, Religion und Kultur, über Wirtschaft, Demographie und das alltägliche Zusammenleben – erschien ihm jedoch, als er vor mehr als zwanzig Jahren begann, sich mit der Geschichte der russisch-ukrainischen Beziehungen auseinanderzusetzen, ein bewaffneter Konflikt als sehr unwahrscheinlich. Seitdem hat sich die Situation grundlegend verändert: Der nicht erwartete bewaffnete Konflikt hat sich in einem tragischen Krieg realisiert. Auch dieser Krieg verstärkt die gegenseitigen Nationalismen, und diese nahmen und nehmen Geschichte in ihren Dienst. Dieses Buch zeigt die häufige Manipulierungsversessenheit von Nationalismen, ihre Gleichgültigkeit und Verachtung gegenüber einer auf geprüften Quellen basierenden Geschichtsschreibung sowie die Gefahr der durch diese Art von Geschichtsschreibung gestützten propagandistischen Diskurse. Den Nationalismus hätten wir gerne der Vergangenheit und der Geschichte zugeordnet, diesen Wunsch haben einmal mehr die aktuellen Ereignisse eingeholt. So hoffen wir, dass das Buch dazu beitragen kann, das Bewusstsein für die Gefahren des Nationalismus und eine ablehnende Haltung gegenüber Nationalismus und den daraus resultierenden Konflikten zu bestärken. Wien und Bologna/Urbino/Brixen-Bressanone im April 2022
Abb. 1: In Spinges wird mehrfach an den Kampf gegen die Franzosen im Jahr 1797 erinnert. Ein großes Fresko stellt das Mädchen von Spinges auf einer Hausfassade am Eingang des Dorfes dar.
Einleitung
Überliefert ist die Geschichte einer Bauernmagd, die in der sogenannten „Schlacht von Spinges“ mit einer Heugabel bewaffnet französische Soldaten von der Friedhofsmauer aus abgewehrt haben soll, die der durch Tirol stürmenden Napoleonischen Armee angehörten. Dichter und Historiker betonten vor allem das mutige Auftreten der jungen Frau, das den bereits erschöpften Männern des Tiroler Landsturms neue Kraft gegeben, die Feinde aber in Angst und Schrecken versetzt habe. Bemerkenswert ist der Ruhm, der dieser Figur im Vergleich zu zahlreichen anderen Frauen zuteil wurde, die ebenfalls aktiv an Kämpfen in diesen Jahren teilgenommen haben. Denn vergessen ist sie bis heute nicht (Abb. 1), im Gegenteil: Sie ist zur Heldin geworden und steht in traditionalen Geschichtsbildern paradigmatisch für den tapferen Widerstand der Tiroler gegen Invasoren. So zielen die zentralen Fragen dieses Bandes darauf, unter welchen Voraussetzungen, in welchen historisch-kulturellen Kontexten und auf welche Weise das Mädchen von Spinges, später als Katharina Lanz bekannt, zu einer Symbolfigur wurde.1 Daran schließt eine weitere Frage an, nämlich unter welchen Bedingungen eine einmal als solche erkorene Heldin über nunmehr zwei Jahrhunderte ihre Präsenz im öffentlichen Diskurs verstetigen konnte.2 Besonders lohnend erschien uns, die Geschichte des Mädchens von Spinges aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive zu analysieren – ausgehend von der These, dass sich Heldinnen von Helden hinsichtlich ihrer Konstruktionsmuster unterscheiden. Um dies aufzuzeigen, fragen wir einleitend nach Zusammenhängen zwischen Heldinnenbildern und den Logiken von deren Konstruktion. In den drauf folgenden fünf Kapiteln 1
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Das Buch ist das Ergebnis gemeinsamer Forschung und Auseinandersetzung. In folgenden Abschnitten ist der Beitrag von Margareth Lanzinger umfangreicher: Einleitung, Abschnitt 2; Kap. I, Abschnitte 3, 5; Kap. II, Abschnitte 5, 6; Kap. III, Abschnitte 2, 3; Kap. IV, Abschnitte 1, 5; Kap. V, Abschnitte 1, 2, 3, 4; Kap. VI, Abschnitt 1, während Raffaella Sarti in folgenden Abschnitten mehr geschrieben hat: Kap. I, Abschnitte 1, 4; Kap. II, Abschnitte 1, 3, 4; Kap. III, Abschnitte 4, 5; Kap. IV, Abschnitte 2, 3, 4; Kap. V, Abschnitt 5; Kap. VI, Abschnitt 2. In den anderen Abschnitten ist der Beitrag beider Autorinnen gleich gewichtet. Für Teilergebnisse, die auch in diesen Band eingeflossen sind, siehe Margareth Lanzinger u. Raffaella Sarti, Das „Mädchen von Spinges“ – eine facettenreiche Symbolfigur und ‚nützliche‘ Heldin, in: Siglinde Clementi (Hg.), Zwischen Teilnahme und Ausgrenzung. Tirol um 1800. Vier Frauenbiographien, Innsbruck 2010, 13–70; dies., Katharina Lanz, combattente tirolese nella guerra antinapoleonica (1797): la costruzione di un’eroina, in: Angela de Benedictis (Hg.), Teatri di guerra: rappresentazioni e discorsi tra età moderna ed età contemporanea, Bologna 2010, 265–294; dies., Wie das „Mädchen von Spinges“ zu Katharina Lanz wurde. Das making einer Heldin aus den antinapoleonischen Kriegen, in: Historische Anthropologie 17, 3 (2009), 360–385.
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Einleitung
rekonstruieren wir wesentliche Stationen der ‚Erfolgsgeschichte‘ der Heldin. Im ersten Kapitel stellen wir diese zunächst in den breiteren regionalen Kontext der ‚Schlacht‘. Dabei rollen wir die sehr unterschiedlichen Perspektiven von Zeitgenossen sowie von historiographischen Darstellungen auf. Auch gab es von Anfang an Kontroversen über die Präsenz des Mädchens von Spinges auf dem Kirchhof – und damit über seine Existenz. Erste Berichte, die das mutige Mädchen erwähnen, sind im zeitlichen Umfeld von 1797 entstanden. Doch blieb die Heldin über Jahrzehnte namenlos und mysteriös. Dennoch finden sich da und dort verstreut Würdigungen des tapferen Mädchens von Spinges: in Gedichten, Zeitschriftenartikeln, Reiseberichten und auf ersten bildlichen Darstellungen. Im zweiten Kapitel setzen wir die Heldin von Spinges mit anderen kämpfenden Frauen aus der Region, die immer wieder in Zusammenhang mit 1797 und 1809 genannt wurden, in Bezug. Erst Jahrzehnte später erhielt sie in der Öffentlichkeit einen Namen und eine Identität, jene der Katharina Lanz, 1869 in einem Zeitungsartikel vermutlich erstmals erwähnt. Dass das Revival der Heldin in die Zeit um 1870 fiel, muss kein Zufall sein. Vor dem Hintergrund europäischer Ereignisse und Politiken dieser Zeit erwies sich eine katholisch konnotierte Heldin als überaus nützlich. Zu denken ist dabei insbesondere an die Einigung Italiens mit der Einnahme des Kirchenstaates und der Verlegung der Hauptstadt nach Rom. Dennoch verstummten die Zweifel an der Heldinnengeschichte weiterhin nicht. Zugleich setzte eine Phase intensiver Aktivitäten rund um ihre Person ein. Genau diese Zeit, als Katharina Lanz mit ihrem Namen auch ihre ladinische Identität erhielt, fällt nicht zuletzt mit der liberalen Ära in der Habsburger Monarchie zusammen, die unter anderem die staatliche Schulaufsicht und den Streit um die Schulsprache zur Folge hatte. Dies gab auch im ladinischen Gadertal und im angeblichen Herkunftsort der Heldin Anlass für Auseinandersetzungen. Der Stoff des Heldenmädchens wurde zudem sogar in England und Amerika aufgegriffen. In Enneberg – ladinisch Mareo, italienisch Marebbe –, dem Geburtsort der Katharina Lanz, wurde ihr zu Ehren ein erster Gedenkstein errichtet. Die Initiatoren stellten Recherchen über ihre Person an und trugen zur medialen Verbreitung der Geschichte bei. Im dritten Kapitel verfolgen wir die Ausdifferenzierungen der Interpretationen und die geschlechtsspezifischen Stereotypisierungen, die über Katharina Lanz in Würdigungen, Broschüren und Zeitungsartikeln, in dramatischen und literarischen Bearbeitungen produziert wurden. Nicht zuletzt zeugen die Theaterstücke und Erzählungen, verdichtet an der Wende zum 20. Jahrhundert, von der öffentlichen und medialen Präsenz dieser Symbolfigur. Mit allerlei Attributen wurde die Heldin in diesen Rekursen ausgestattet, die sich zu immer wieder neuen und auch widersprüchlichen Bildern zusammensetzten. Wie das vierte Kapitel zeigt, erreichten die Katharina Lanz geltenden Reminiszenzen im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Den Rahmen dafür boten zum einen die sogenannten Säkularfeiern, die 1897 und 1909 in Hommage an den
Einleitung
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Kampf gegen die Napoleonische Armee im Jahr 1797 und den von Andreas Hofer 1809 geführten Aufstand gegen die bayerische und französische Herrschaft begangen wurden. In den vielfältigen Auseinandersetzungen kam es zu religiösen Vereinnahmungen und Überhöhungen der Figur, die immer öfter mit Jeanne d’Arc verglichen wurde. Zum anderen schlug die sich über Jahre hinziehende Errichtung eines Denkmals in Livinallongo – auch Buchenstein oder Fodom –, in jenem Ort, in dem Katharina Lanz verstorben war, Wellen. Enthüllt wurde das Denkmal 1912. Das Vorhaben beschäftigte Kaiser Franz Joseph ebenso wie Benito Mussolini und Ettore Tolomei. Infolge der Trentiner Autonomiebestrebungen, der auf die „terre irredente“ – der noch nicht ‚erlösten‘ oder ‚befreiten‘, also unter ‚Fremdherrschaft‘ stehenden Gebiete – gerichteten Agitationen auf italienischer Seite und der propagandistischen Aktivitäten auf deutschnationaler Seite, die sich auf die ladinischen Gebiete, insbesondere entlang von damals gezogenen Sprachgrenzen konzentrierten, war das politische Klima im damaligen Tirol als Teil der Habsburgermonarchie seit Längerem aufgeheizt. Livinallongo gehörte zu diesen umkämpften Gebieten. Ein Denkmal für Katharina Lanz „hart an der italienischen Grenze“, wie dies zeitgenössisch kommentiert wurde, repräsentierte daher die Kaisertreue der Ladiner.3 So verflocht sich die ‚besondere‘ Geschichte des Mädchens von Spinges über die Jahrzehnte immer wieder mit der sogenannten ‚allgemeinen‘ Geschichte und macht diese greifbar. Geschaffen und geprägt wurden Bild und Erinnerungsprofil der Heldin im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Daher liegt dieser Zeitraum im Fokus unserer Analyse. Kapitel fünf skizziert einige weitere Kontexte, in denen die Heldin bis in die Gegenwart begegnet. Die religiösen und ethnischen Komponenten4 blieben präsent, ebenso dominierte die kirchlich-konservative Perspektive weiterhin die Berichterstattung. Die Frage nach der „wahren Herkunft“ und damit nach der „wahren Identität“ der Katharina Lanz erfuhr eine Fortsetzung unter den gänzlich veränderten politischen Rahmenbedingungen in Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg. Diese Kontroverse, die sich bis 1948 hinzog, wurde in landeskundlichen Zeitschriften ausgetragen: War Katharina Lanz wirklich eine Ladinerin oder nicht doch eine Deutschtirolerin aus Natz bei Brixen? Geprägt war diese Zeit vom 3
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Die Ladiner sind eine romanischsprachige Minderheit. Im thematischen Kontext geht es um die „Dolomitenladiner“ im Gader- und Grödental (im heutigen Südtirol), im Fassatal (Trentino) sowie in Buchenstein und Ampezzo (heute Provinz Belluno). In Zusammenhang mit den Autonomiebestrebungen der italienischen Tiroler und der Nationalisierung wurden sie im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert „zum Politikum, salopp ausgedrückt: zum Puffer zwischen Deutschen und Italienern“. Christoph Perathoner, Die Dolomitenladiner 1848–1918. Ethnisches Bewußtsein und politische Partizipation, Wien/Bozen 1998, 32. Obwohl wir Ethnizität für ein problematisches Konzept halten, verwenden wir den Begriff in unserem Buch, da Ethnizität in Tiroler beziehungsweise Südtiroler Zusammenhängen eine bedeutsame Kategorie war und teilweise immer noch ist.
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Einleitung
italienischen Faschismus, der die öffentliche Inszenierung einer mit dem deutschsprachigen Südtirol und dessen Geschichte konnotierten Heldin verunmöglichte, vom Zweiten Weltkrieg, ab 1943 vom Nationalsozialismus und ab 1945 von einer bis zur Einführung des Autonomiestatuts im Jahr 1971 politisch schwierigen Situation. Nach 1945 boten vor allem Jahrestage des Gefechts von Spinges und Geburts- beziehungsweise Sterbetage der Katharina Lanz der Heldin punktuell eine Bühne – nunmehr vornehmlich in der Südtiroler Presse. Sie gaben Anlass für Berichte in katholisch-konservativen Medien und für Feierlichkeiten, für die eine oder andere neue Gedenktafel und Statue zu Ehren der Heldin. Wie aus dem medialen Echo ersichtlich ist, wurden insbesondere in den ersten Nachkriegsjahrzehnten die bei solchen Gelegenheiten gehaltenen Reden genutzt, um die minderheitenpolitisch unbefriedigende Situation in Südtirol zu thematisieren oder zumindest anzudeuten. Eine überraschende Entdeckung war, dass sich einige rechts-orientierte italienische Historiker mit der Geschichte des Mädchens von Spinges auseinandergesetzt haben – unter Berufung auf die katholischen und antirevolutionären Werte, die es verkörpere, und/oder auf die Verteidigung ihrer ‚Heimat‘. In den 2000er Jahren galt Katharina, Caterina oder Catarina Lanz unter manchen rechtsextremen Aktivisten und auch unter Mitgliedern der Lega Nord – jener Partei, die eine größere Autonomie beziehungsweise die Unabhängigkeit Norditaliens forderte – als Heldin, als ein positives Symbol und Vorbild. Politische Reaktualisierungen sind also immer noch möglich, wenngleich es auch Anzeichen einer Musealisierung der Figur gibt. Abschließend ziehen wir im sechsten Kapitel eine Schleife an den Anfang zurück, indem wir das Mädchen von Spinges in einen internationalen Forschungszusammenhang stellen. Dabei arbeiten wir Geschlechterbezüge und Logiken der Konstruktionen ausgehend von kampfesbereiten, bewaffneten und/oder kämpfenden Frauen in verschiedenen historischen und nationalen Kontexten heraus. Das Mädchen von Spinges Katharina Lanz ist als Symbolfigur im Tirol des 19. Jahrhunderts und im Südtirol des 20. Jahrhunderts verankert. Sie firmierte stets als Tirolerin, und viele, die ihren Mythos mitgetragen haben, waren selbst Tiroler und – wenngleich deutlich seltener – Tirolerinnen. So ist ihre Wirkungsgeschichte zum einen aufs Engste mit der Geschichte dieses Territoriums verbunden und deshalb kann der auf die Heldin gerichtete Blick zugleich wesentliche kulturelle, politische sowie soziale Aspekte dieser Region beleuchten. Im Zentrum stehen jedoch die Analyse und Kontextualisierung des Konstruktionsprozesses einer Heldin. Zum anderen hat die Rekonstruktion ihres Mythos und dessen Rezeption vielfältige Vernetzungen sichtbar werden lassen, die größere Kreise zogen, mit anderen österreichischen, mit deutschen und italienischen Räumen verknüpft waren und auch darüber hinaus bis nach England und sogar nach Amerika reichten. Da-
1 Heldinnenbilder und Geschlechterrollen
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her sind einzelne Aspekte zugleich paradigmatisch für die europäische Geschichte des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Denn heroischen Narrativen kommt stets eine „gegenwartsaufschließende Kraft“ zu, indem sich Vorstellungen sozialer Ordnung und die daran ausgerichteten Werte daran ablesen lassen.5
1 Heldinnenbilder und Geschlechterrollen
Helden und Heldinnen haben immer wieder Konjunktur – in der Gesellschaft wie in der Forschung,6 wobei Helden eindeutig dominieren.7 In der Literatur begegnen zahlreiche bewaffnete Frauen, in Europa schon seit dem Altertum: Penthesilea und die Amazonen, Camilla, Brünhild, Bradamante, Clorinda und viele andere bevölkern Dichtung, Epik und Romane. Es mag sein, dass zumindest einige dieser literarischen Figuren von ‚realen‘ kämpfenden Frauen inspiriert wurden.8 Die Beziehung zwischen fact und fiction ist jeden5
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Ulrich Bröckling, Postheroische Helden. Ein Zeitbild, Frankfurt a. M. 2020, 10. Nikolas Immer und Mareen van Marwyck erachten „die mediale Omnipräsenz des Helden für ein Kennzeichen unserer postheroischen Zeit“. Nikolas Immer u. Mareen van Marwyck, Helden gestalten. Zu Präsenz und Performanz des Heroischen, in: dies. (Hg.), Ästhetischer Heroismus. Konzeptionelle und figurative Paradigmen des Helden, Bielefeld 2013, 11–28, 11. Zur Rezeption ausgehend von antiken Helden und zur Wirkmacht verschiedener Celebrities und Figuren in der Gegenwart siehe auch Thomas Könecke, Das Modell der personenbezogenen Kommunikation und Rezeption: Beeinflussung durch Stars, Prominente, Helden und andere Deutungsmuster, Wiesbaden 2018. Siehe zuletzt Johanna Rolshoven, Toni Janosch Krause u. Justin Winkler (Hg.), Heroes. Repräsentationen des Heldischen in Geschichte, Literatur, Alltag, Bielefeld 2018, sowie die seit 2013 erscheinende Online-Zeitschrift helden. heroes. héros. E-Journal zu Kulturen des Heroischen des Sonderforschungsbereichs 948 „Helden – Heroisierungen – Heroismen. Transformationen und Konjunkturen von der Antike bis zur Moderne“ an der Universität Freiburg, hg. von Ulrich Bröckling, Barbara Korte und Ulrike Zimmmermann. Das Ausgangskonzept lässt sich folgendermaßen umreißen: „Held/innen müssen als personale Verdichtungen gesellschaftlicher Wertordnungen und Normengefüge, ihre Heroisierungen als komplexe, von unterschiedlichen Akteuren getragene und mediale Prozesse untersucht werden.“ Ralf von den Hoff u. a., Helden – Heroisierungen – Heroismen. Transformationen und Konjunkturen von der Antike bis zur Moderne. Konzeptionelle Ausgangspunkte des Sonderforschungsbereichs 948, in: ebd., 1, 1 (2013), 7–14, 8, https://freidok.uni-freiburg.de/fedora/objects/freidok:10877/datastreams/FILE1/content (letzter Zugriff: 28.7.2020). Für eine kritische Bilanz und die Forderung, Geschlecht systematisch in die Erforschung von Erinnerungskultur einzuschließen, siehe Sylvia Paletschek u. Sylvia Schraut, Introduction: Gender and Memory Culture in Europe – Female Representions in Historical Perspective, in: dies. (Hg.), The Gender of Memory. Cultures of Remembrance in Nineteenth and Twentieth-Century Europe, Frankfurt a. M./New York 2008, 7–28. Die Literatur zum Thema ist überaus reich. Siehe dazu in Bezug auf den deutschsprachigen Raum,
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Einleitung
falls komplex: Einerseits lieferte die Geschichte historischer Frauen, die als kämpfende Heldinnen in Erscheinung traten, vielfach den Grundstoff für literarische Verarbeitungen, während literarische Heldinnen andererseits historischen Heldinnen als Inspiration gedient haben dürften. Doch galt die tragische Geschichte vieler literarischer bewaffneter Frauen aus der Perspektive der Autoren und Autorinnen weniger als Vorbild, denn als Warnung, und zwar in dem Sinn, dass Geschlechtergrenzen respektiert werden sollten.9 Historisch prädestinierte Kontexte, um zu Heldenruhm zu gelangen, waren kriegerische und nationale Auseinandersetzungen – ein primär männlich besetztes Terrain, das ebenso männlich definierte Tugenden wie Wagemut und Tapferkeit erforderte.10 Die im „Zedler’schen Universal-Lexicon“ aus der Mitte des 18. Jahrhunderts enthaltene Definition wirkte noch lang fort: Darin ist der Held „einer, der von der Natur mit einer ansehnlichen Gestalt und ausnehmender Leibes-Stärcke begabet, durch tapffere Thaten Ruhm erlanget, und sich über den gemeinen Stand derer Menschen erhoben“.11 Kämpfen und Waffentragen wurde jahrhundertelang als Männersache erachtet,12 obwohl bewaffnete Frauen nicht nur als fiction, sondern auch real existierten.13 Von der Waffenfähigkeit lei-
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zusätzlich zu den im Folgenden zitierten Werken, Helen Watanabe-O’Kelly, Beauty or Beast? The Woman Warrior in the German Imagination from the Renaissance to the Present, Oxford 2010; Alice Gleave, The Female Soldier in Street Literature and Oral Culture in the German-speaking Lands between 1600 and 1950: A Marker of Changing Gender Relationships?, in: Folklore 122, 2 (2011), 176–195; Julie Koser, Armed Ambiguity: Women Warriors in German Literature and Culture in the Age of Goethe, Evanston/IL 2016. Cecilia Latella, „Giovane donna in mezzo ’l campo apparse“. Figure di donne guerriere nella tradizione letteraria occidentale, Dissertation Tours 2009, 24–36. Die Darstellung von (nur literarischen oder auch historischen) Helden und Heldinnen ist in verschiedenen Kontexten jedoch sehr unterschiedlich, siehe beispielsweise das Buch des Autor*innenkollektivs Wu Ming 4, L’eroe imperfetto, Milano 2010 (wir danken Salvatore Ritrovato, der uns darauf aufmerksam gemacht hat). Trotzdem sind in fiktionalen Werken faktische kriegerische und nationale Auseinandersetzungen entscheidende Kontexte der Genese von Helden und Heldinnen. Zur kritischen Hinterfragung des Geschlechts des Heldischen siehe auch Monika Mommertz, Gender, in: Ralf von den Hoff u. a., Das Heroische in der neueren kulturhistorischen Forschung: Ein kritischer Bericht, in: H-Soz-Kult (28.7.2015), 80–86, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/ forum/2015-07-001 (letzter Zugriff: 28.7.2020). Held, in: Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste […], Bd. 12, Leipzig 1735, Sp. 1214f. Morten Kansteiner schreibt, dass das männliche Geschlecht konventionell „als das bewaffnete konstruiert wird, als dasjenige, das Gewalt ausübt; es wird eine ‚natürliche‘ Entsprechung zwischen Männern und Krieg, zwischen Frauen und Frieden vorausgesetzt“. Morten Kansteiner, Die Sagbarkeit der Heldin. Jeanne d’Arc in Quellen des 15. und Filmen des 20. Jahrhunderts, Köln/ Weimar/Wien 2011, 11. Z. B. Nancy Loring Goldman (Hg.), Female Soldiers-Combatants or Noncombatants? Historical and Contemporary Perspectives, Westport/CT 1982; Jean Bethke Elshtain, Donne e guerra,
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Abb. 2: Katharina Lanz scheint als einzige Frau auf der Gedenktafel für die „Helden der Tiroler Freiheitskämpfe 1797–1809“ in der Innsbrucker Hofkirche auf.
teten sich nicht zuletzt politische Rechte ab, die Frauen erst sehr viel später zugestanden wurden als Männern. Für Frauen war es – abgesehen von den sogenannten „stillen Heldinnen des Alltags“ – stets schwieriger, zu einer Heldin zu werden.14 Doch findet sich auch die eine oder andere Frau unter den Helden. Die wohl bekannteste dürfte Jeanne d’Arc sein. Auch Katharina Lanz ist es gelungen, eine Heldin zu werden. Ein deutliches Indiz dafür ist, dass sie als einzige Frau Aufnahme in das Pantheon der „Tiroler Freiheitshelden“ ge-
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Bologna 1991 (Orig. Women and War, New York 1987); Fatima Farina, Forze armate: femminile plurale. Il femminile e il maschile del militare nella transizione dalla comunità maschile al sistema di genere, Milano 2004; dies., Donne nelle forze armate. Il servizio militare femminile in Italia e nella Nato, Roma 2015; Germana Ernst, Non solo la conocchia e il fuso. Figure di donne guerriere nel Rinascimento, in: B@belonline 16/17 (2014), 159–167, http://romatrepress.uniroma3.it/libro/ bbelonline-vol-16-17-pensare-altrimenti/ (letzter Zugriff: 28.7.2020). Die Feststellung, dass der „Begriff der ‚Heldin‘ […] das Problem der Asymmetrie der Geschlechterrollen im Heroischen [unterwandert]“, trifft aus unserer Sicht daher nur partiell zu. Johanna Rolshoven, Helden 2.0. Zur Einleitung, in: dies./Janosch Krause/Winkler, Heroes, 11–20, 13.
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Einleitung
funden hat.15 Mitten unter diesen ist sie auf der Gedenktafel für die „Helden der Tiroler Freiheitskämpfe 1797–1809“, jener Helden also, die gegen Napoleon, gegen französische und bayerische Truppen gekämpft haben, in der Innsbrucker Hofkirche verewigt (Abb. 2). Wenngleich Heldinnen in den „Tiroler Freiheitskriegen“ und insgesamt ihrer Anzahl nach marginal sein mögen, sind sie symbolhaft sehr aussagekräftig. Denn eine Heldin ist nicht einfach die weibliche Version eines Helden. Verantwortlich dafür sind spezifische Geschlechterkonstruktionen und -zuschreibungen, deren Analyse im Zentrum dieses Bandes steht. Kriegszeiten setzen oft Geschlechterordnungen außer Kraft. Dies trifft auch auf den Fall des Mädchens von Spinges zu: „[M]an sah hier unter anderen eine Bauersmagd aus Spinges, welche mit zusammgegürteten Unterkleide und fliegenden Haaren auf der Freit hofmauer stund, und die stürmenden Feinde mit einer Gabel hinunter stieß,“16 so heißt es im Bericht des Philipp von Wörndle, datiert auf den Anfang des Jahres 1798, einem der frühesten Texte, in dem das Mädchen von Spinges dokumentiert ist. Und auch die für kämpfende Heldinnen typische Ambivalenz kommt hier bereits zum Ausdruck, und zwar in Form der fliegenden Haare. Diese sind als Erscheinungsbild einer Magd Ende des 18. Jahrhunderts wenig plausibel und können vielmehr als Teil eines frauenspezifischen Bildinventars verstanden werden, das ‚Unordnung‘ signalisiert. Ambivalenz unterscheidet Heldinnen von Helden. Eine Heldin samt ihrer aus dem alltäglichen Handlungsrepertoire herausgehobene Heldinnentat, muss – so unsere These –, um gesellschaftlich überhaupt als positives Muster ‚funktionieren‘ zu können, in gängige Frauenbilder und Geschlechterrollenmodelle integrierbar sein, die möglichst frei von Irritationen sind. Das Überschreiten des als ‚normal‘ Erachteten, die Transgression, muss sich in tragfähige Vorstellungen und Werte einpassen lassen, umso mehr, wenn es sich um eine kriegerische Heldin handelt. Nur dann kann eine Heldinnenfigur auch breitenwirksam werden. Für Heldinnen im 19. Jahrhundert gilt dieses Erfordernis vor dem Hintergrund des Festschreibens der „Geschlechtscharaktere“
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Siehe dazu auch Laurence Cole, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“. Nationale Identität der deutschsprachigen Bevölkerung Tirols 1860–1914, Frankfurt a. M./New York 2000, 477. Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck (TLF), Abschrift der vom H[err]n Philipp von Wörndle verfaßten Geschichte des Landsturms der tyrolischen nördlichen Volksmasse, die am Ende des Monats März 1797 wider das bey Brixen, Mühlbach und dortiger Gegend postirte französische Heer unter dem Kommando des vorbenannten Verfassers als Colonn- und ObergränzKommandanten ausgerückt ist (Signatur FB 1457/4), fol. 1–27, fol. 7’–8. Die aus Quellen zitierten Passagen weisen mitunter deutliche Abweichungen von der heutigen Rechtschreibung auf. Wir folgen dem Original und haben im Sinne der Lesbarkeit auf sic als Verweis auf unübliche Schreibweisen bis auf wenige Ausnahmen verzichtet.
1 Heldinnenbilder und Geschlechterrollen
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möglicherweise stärker als für frühere Epochen.17 Die Prozesse von Nationsbildung waren von einer Reformulierung der Geschlechterbeziehungen begleitet. Die zunehmende Militarisierung, die national-patriotische Mobilisierung und die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht hatten eine männliche Konnotierung des Nationsbegriffs und umgekehrt, eine nationale Konnotierung von Männlichkeit, zum Ergebnis.18 Ungeachtet ihrer zahlreichen und aktiven Teilnahme an den Kriegen und Kämpfen der revolutionären und napoleonischen Ära sowie an jenen des späteren 19. Jahrhunderts blieben Frauen weitgehend vom militärischen Bereich ausgeschlossen. Kämpfen, um die Freiheit der Nation zu erreichen oder zu bewahren, galt als Pflicht der Männer, während die Pflicht der Frauen darin bestand, den Männern Unterstützung und Beistand zu leisten. Darüber hinaus sollte, um die Ehre der Nation zu sichern, ihr sexuelles Verhalten normkonform sein.19 Einige Frauen wurden sogar zu Sinnbildern nationaler Tugenden stilisiert, wie die 1810 im Alter von nur 34 Jahren nach kurzer Krankheit verstorbene preußische Königin Luise. Tatsächlich hatte Königin Luise eine wichtige Rolle im Rahmen der preußischen Politik gegen Napoleon gespielt. Eine Reihe von Zuschreibungen machte sie aber sehr bald zum reinen Mythos.20 Man feierte beziehungsweise überhöhte sie als Heldin der preußischen Nation und als Opfer Napoleons und allegorisierte sie als Germania. Sie stand für den „Beginn der deutschen Nationalgeschichte“, avancierte zur „Mutter der preußischen Nation“ und ihre Geschichte zum „Gründungsmythos des Deutschen Reiches“.21 So fehlte auch nicht eine Statue, die sie mit ihrem Sohn Wilhelm darstellt, bereits bei ihrer Anbringung Ende des 19. Jahrhunderts als „preußische Madonna“ bezeichnet.22 Im Gefolge der 17
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Grundlegend dazu Karin Hausen, Die Polarisierung der „Geschlechtscharaktere“. Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienarbeit, in: Werner Conze (Hg.), Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas, Stuttgart 1976, 363–393. Karen Hagemann, „Mannlicher Muth und Teutsche Ehre“. Nation, Militär und Geschlecht zur Zeit der antinapoleonischen Kriege Preußens, Paderborn u. a. 2002, 236–242; dies., „Heran, heran, zu Sieg oder Tod!“ Entwürfe patriotisch-wehrhafter Männlichkeit in der Zeit der Befreiungskriege, in: Thomas Kühne (Hg.), Männergeschichte – Geschlechtergeschichte. Männlichkeit im Wandel der Moderne, Frankfurt a. M./New York 1996, 51–68, 51f. Alberto Mario Banti, L’onore della nazione. Identità sessuali e violenza nel nazionalismo europeo dal XVIII secolo alla Grande Guerra, Torino 2005, 229–240; in Bezug auf Italien siehe ders., Sublime madre nostra. La nazione italiana dal Risorgimento al fascismo, Roma/Bari 2011, 38–50. Diese reichten von ihrer Volksnähe über ihre unkonventionelle und ungekünstelte Art bis zur Liebesheirat, die ihr vor allem von bürgerlicher Seite Sympathien einbrachte. Hagemann, Mannlicher Muth, 366–374; dies., Revisiting Prussia’s Wars against Napoleon. History, Culture, Memory, Cambridge 2015, 156, 150–162; Philipp Demandt, Luisenkult. Die Unsterblichkeit der Königin von Preußen, Köln/Weimar/Wien 2003, 7f; Daniel Schönpflug, Luise von Preußen. Königin der Herzen. Eine Biographie, München 2010. Demandt, Luisenkult, 405–410.
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Einleitung
nationalen Aufbrüche stellten im 19. Jahrhundert immer mehr weibliche Figuren Allegorien der Nation dar.23 Wie aber ließ sich eine in Spinges kämpfende Bauernmagd in ein öffentlich akzeptables Frauenbild integrieren? Der Weg dazu führte aus unserer Sicht über Religion, die im spezifischen Deutschtiroler Kontext eng mit ‚Nation‘ verknüpft war und allgemeiner mit Zuschreibungen an Frauen bestens kompatibel. Das Verteidigen der Kirche und des Allerheiligsten vor dem als gottlos angeprangerten französischen Feind bildete den Hauptstrang am Beginn der Konstruktions- und Rezeptionsgeschichte. Diese wurde zugleich, insbesondere im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, national aufgeladen. Der Herz-Jesu-Kult, der regen Zuspruch fand, repräsentierte die für Tirol in jener Zeit spezifische religiös-nationale Verklammerung. Das Herz-Jesu-Bündnis Tirols geht auf das Jahr 1796 zurück, als die Tiroler Landstände – in Bozen versammelt, um die Landesverteidigung auf Grundlage der Tiroler Wehrverfassung zu organisieren – beschlossen, das Land Tirol unter den Schutz des Herzens Jesu zu stellen, um es vor der militärischen Bedrohung durch französische Truppen und vor dem Einfluss der Französischen Revolution zu bewahren. Sie schworen dem Herzen Jesu ihre Treue und versprachen, das Herz-Jesu-Fest in allen Tiroler Gemeinden jedes Jahr besonders feierlich zu begehen.24 Das Herz-JesuBündnis stand damit im unmittelbaren zeitlichen Kontext zum Gefecht von Spinges im Jahr 1797 und zu dessen Heldin. Parallel dazu gewann im Lauf des 19. Jahrhunderts der Kult der Jungfräulichkeit an Präsenz25 und schuf einen weiteren Kontext, in dem die ledige Bauernmagd als Symbolfigur einsetzbar war. Diskursiv markiert wurde dies nicht zuletzt dadurch, dass die Bezeichnung als „Jungfrau“ immer öfter an die Stelle des Mädchens von Spinges trat.
2 Die Konstruktion einer Heldin
Eine Besonderheit des Mädchens von Spinges liegt in der Person der Heldin selbst: in der nicht mehr zu klärenden Frage nach ihrer Existenz beziehungsweise ihrer Identität. Denn zum einen ist nicht gesichert, ob an jenem 2. April 1797, dessen Bedeutung im Kriegsge23 24
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Banti, L’onore della nazione, 3–32. Cole, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, 151; Carlo Romeo, I fuochi del Sacro Cuore: la devozione al Sacro Cuore di Gesù nella storia del Tirolo tra politica e religione, Bolzano 1996; aus einer vergleichenden Perspektive mit Schwerpunkt auf dem Ersten Weltkrieg, aber auch mit einem allgemeineren Teil zur Geschichte und „Erfolgsgeschichte“ dieses Kultes siehe Claudia Schlager, Kult und Krieg. Herz Jesu – Sacré Cœur – Christus Rex im deutsch-französischen Vergleich 1914–1925, Tübingen 2011, Kap. 3. Banti, L’onore della nazione, 241–245.
2 Die Konstruktion einer Heldin
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schehen ebenfalls fraglich ist, tatsächlich eine Frau auf der Friedhofsmauer in Spinges mitgekämpft hat. Zum anderen lässt sich nicht verifizieren, dass Katharina Lanz – der Eintragung im Taufbuch zufolge Catharina Lonz–,26 die Pfarrersköchin in St. Vigil in Enneberg und später in Colle Santa Lucia und Andraz, die sich zahlreichen Narrativen zufolge als jene Heldin zu erkennen gegeben habe, das Mädchen von Spinges war. Die Heldin erhielt nämlich erst Jahrzehnte später in der Öffentlichkeit einen Namen. Die breit angelegte Untersuchung zum Leben der Catarina Lanz, die Lois Craffonara und Helga Dorsch 2015 veröffentlicht haben, konnte die bereits bekannten dünnen Spuren eines lokalen Wissens um ihre Teilnahme an der Spingeser Schlacht, das sich lediglich auf spärliche Mitteilungen von Catarina Lanz selbst stützt, nur in geringem Maß erweitern.27 Unseren Recherchen zufolge scheint der Name „Katharina Lanz“ erstmals 1869 auf, nicht 1870 wie alle anderen Autor*innen und auch wir selbst in unseren früheren Veröffentlichungen zum Thema geschrieben haben. Bis dahin firmierte die Heldin stets als „Mädchen von Spinges“. Selbst die Ansicht, dass der am Gefecht beteiligte französische General Barthélemy-Catherine Joubert die Geschichte in die Welt gesetzt habe, verschwand nie völlig. Der Wirkungsgeschichte der Heldin taten deren ungesicherte Existenz und Identität jedoch keinerlei Abbruch, im Gegenteil. Zwar blieb das Mädchen von Spinges als historische Person geheimnisvoll; als Symbolfigur führte und führt es ein sehr langes und schillerndes Leben. Warum ist diese Frau nicht einfach in Vergessenheit geraten? Sie ist nicht die einzige Tirolerin, von der überliefert ist, dass sie zu jener Zeit gegen die französischen Soldaten gekämpft haben soll. Keine der Frauen wurde jedoch so bekannt und verehrt wie jene aus Spinges. Ihr wurden Gedenktafeln und Denkmäler gewidmet; zahlreiche historische und literarische Texte sowie Reiseführer, Gedichte, eine Szene in einem Comic (Abb. 3), ein Film erzählen ihre Geschichte oder verweisen auf sie, und es gibt ikonographische Darstellungen ihrer mutigen Tat. In der näheren Umgebung von Spinges und St. Vigil in Enneberg sind Straßen nach Katharina Lanz benannt (Abb. 4a und 4b), eine Schützenkompanie, ein Apartmenthaus und eine Mittelschule tragen ihren Namen. In der Region kennt man sie allgemein als historische Figur und viele halten sie auch heute noch für eine Heldin. In landeshistorischen Werken finden sich zur konkreten Wirkungsgeschichte allerdings nur sporadische und punktuelle Hinweise, obwohl ihr als Heldin zugleich ein besonderer Rang zugesprochen wird. Gretl Köfler und Michael Forcher etwa merkten an, dass „neben Margarethe Maultasch wohl am häufigsten das ‚Mädchen von Spinges‘ genannt“ würde, 26
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Merch Graffonara, Catharina Lonz, das „Mädchen von Spinges“ (1771–1854), in: Der Schlern 69, 5 (1995), 300–301; Lois Craffonara, Catarina Lanz. Lebensgeschichte in: ders. u. Helga Dorsch, Catarina Lanz. Das Mädchen von Spinges, San Martin de Tor 2015, 16–429, 32, Anm. 62, 36f. Craffonara, Catarina Lanz, insbes. 166, 226–229, 233.
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Einleitung
Abb. 3: Viele Tirolerinnen kämpften gegen die französischen Soldaten, doch sind ihre Namen heute fast vergessen. Das Mädchen von Spinges hingegen stellen zahlreiche Texte, Gedichte, Romane, Theaterstücke und auch eine Comic-Szene dar – in „Das Leben und Sterben des Andreas Hofer“ von 1959.
wenn „von Frauen in der Geschichte Tirols die Rede“ sei. Zwar habe sie „gewiß keine entscheidende Rolle“ im „Abwehrkampf“ gespielt, „jedoch mit ihrer Einsatzbereitschaft und ihrem Mut den um sie herum kämpfenden Männern und allen, die später davon hörten, ein Beispiel“ gegeben. Sie sei „zu einer Symbolgestalt für Tiroler Freiheitswillen und Verteidigungsbereitschaft“ geworden.28 In der mehrbändigen „Geschichte des Landes Tirol“ 28
Gretl Köfler u. Michael Forcher, Die Frau in der Geschichte Tirols, Innsbruck 1986, 149. Siehe auch Michael Forcher, Tirols Geschichte in Wort und Bild, Innsbruck 1984, 118. Katharina Lanz als das berühmte Mädchen von Spinges, als Bauernmagd mit der Heugabel, ist hier ebenfalls genannt,
2 Die Konstruktion einer Heldin
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Abb. 4a und 4b: Im Alltag präsent ist die Heldin unter anderem in Form von Straßennamen, so in Mühlbach nahe Spinges und in St. Vigil in Enneberg.
ist ihr als Symbolgestalt und „legendenumwobene Bauernmagd“ ein einziger Satz gewidmet.29 Die Gründe ihrer anhaltenden öffentlichen Präsenz ebenso wie die nationalen und religiösen Implikationen ihres Erfolgs und insbesondere dessen geschlechtergeschichtliche Aspekte wurden bislang nur selten angesprochen und noch nie systematisch analysiert; in der Historiographie sind sie weitgehend unberücksichtigt geblieben. Die knappen Verweise stehen jedenfalls im Gegensatz zu der ihr von manchen Historikern und Historikerinnen zugeschriebenen Prominenz, aber auch zur Bedeutung der Figur Katharina Lanz in regionalen kulturellen und sozialen sowie politischen Kontexten. Dem Prozess nachzuspüren, wie diese Heldin gemacht wurde, ist die Aufgabe, die wir uns gestellt haben.30 Dazu war es notwendig, den verschiedenen Deutungen, Zuschreibungen und Formen der Re-Aktualisierung in ihrer Chronologie nachzugehen, um das Geflecht der Überlieferungen zu entwirren. Dabei galt es zu rekonstruieren, in welcher
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und zwar mit dem Hinweis, dass man von ihr „wenig historisch Gesichertes“ wisse. Ähnlich in Michael Forcher, Anno Neun. Der Tiroler Freiheitskampf von 1809 unter Andreas Hofer. Ereignisse, Hintergründe, Nachwirkungen, Innsbruck/Wien 2008, 13f, 76. Georg Mühlberger, Absolutismus und Freiheitskämpfe (1665–1814), in: Josef Fontana u. a. (Hg.), Geschichte des Landes Tirol, Bd. 2: Die Zeit von 1490 bis 1848, Bozen/Innsbruck/Wien 19982, 290–579, 481. Siehe dazu auch Rosalinde Sartorti, On the Making of Heroes, Heroines, and Saints, in: Richard Stites (Hg.), Culture and Entertainment in Wartime Russia, Bloomington 1995, 176–193; Waltraud Heindl u. Claudia Ulbrich, Editorial, in: dies. (Hg.), HeldInnen?, L’Homme. Z. F. G. 12, 2 (2001), 235–238.
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Einleitung
Beziehung die verschiedenen Genres – unveröffentlichte Berichte, Zeitungsartikel, Lieder, literarische Texte, Inschriften, Denkmäler, Bilder – stehen. Denn historische und mythische Elemente vermischten sich in Darstellungen relativ unbekümmert. Verschiedene, bisweilen auch widersprüchliche Motive, Berichte und Legenden, Abhandlungen und literarische Bearbeitungen amalgamierten zu neuen Geschichten. Vor allem wurde munter, vielfach ohne Verweis auf die Quelle, und oft auch sehr kreativ abgeschrieben. Nicht immer ließ sich feststellen, woher die eine oder andere Aussage stammt, woher die Informationen bezogen wurden. Der Plot und die Erzählstränge veränderten sich immer wieder. Unser Interesse richtete sich hauptsächlich darauf, hinter die Kulissen der Fabrikation einer Heldinnenfigur zu schauen, zeitspezifische Aspekte und Facetten der Konstruktionen zu identifizieren und damit dieses making of in seiner Prozesshaftigkeit offen zu legen. Wie die Heldin charakterisiert und beschrieben, mit welchen Attributen sie versehen wurde, zieht sich daher in vielen Facetten durch das Buch. Sicher geht es auch um die Frage, wie zwischen fact und fiction zu unterscheiden sei, wie Karen Hagemann in Bezug auf weibliche Soldaten aus den sogenannten antinapoleonischen „Befreiungskriegen“, die in Berichten, Theaterstücken, Gedichten und Liedern porträtiert wurden, auseinandersetzt.31 Der Umstand der umstrittenen Existenz des Mädchens von Spinges und der kaum zu fassenden mündlichen Überlieferung, die es neben der schriftlichen und ikonographischen zweifelsohne gab, erhöhen die Komplexität dieses Unterfangens und stellen manchmal vor die Grenzen des Rekonstruierbaren. Das Augenmerk liegt aber nicht nur auf den Texten, den Bildern und Zuschreibungen selbst, sondern, so weit wie möglich, auch auf dem Wie der jeweiligen Rezeption und damit auf deren soziokulturellen und soziopolitischen Kontexten sowie den konkreten Akteuren und Akteurinnen, die diese Texte, Gedichte, Bilder, Erzählungen usw. produzierten, aneigneten, reproduzierten, umdeuteten und paraphrasierten, immer wieder de- und resemiotisierten. So stellt sich des Weiteren die Frage, wer die Akteure und Akteurinnen waren, die das Bild der Heldin mitzeichneten und die erinnerungspolitischen Linien prägten, in welchen Kontexten sie zu verorten sind. Denn Männer und Frauen werden nicht allein durch das, was sie leisteten, durch „den Gestus, die Kühnheit des Tuns“,32 zu Helden 31
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Karen Hagemann, „Heroic Virgins“ and „Bellicose Amazons“: Armed Women, the Gender Order and the German Public during and after the Anti-Napoleonic Wars, in: European History Quarterly 37, 4 (2007), 507–527, 512. Karl Heinz Bohrer und Kurt Scheel definieren das Heldentum über zwei Aspekte: über jenen der „Abweichung, die das Heroische kennzeichnet“ und eben über den „Gestus, die Kühnheit des Tuns, die uns das Heroische erkennen lässt“. – Dies ist allerdings nur ein Teil der Geschichte. Karl Heinz Bohrer u. Kurt Scheel, Zu diesem Heft, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Sonderheft zum Thema: Heldengedenken. Über das heroische Phantasma 63, 9/10 (2009), 751–752, 752.
2 Die Konstruktion einer Heldin
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und Heldinnen, sondern dazu braucht es den Einsatz von Promotoren: Personen, die deren Tun als Heldentat definieren und anerkennen, die den einmal eingeführten Helden, die Heldin etablieren, öffentlich präsent halten und deren Geschichte fortschreiben. Die Heldinnenfigur Katharina Lanz fällt kulturgeschichtlich in eine Phase des Umbruchs. Denn bis weit ins 18. Jahrhundert hinein dominierten Helden und Heldinnen der Antike,33 waren integrativer Teil der Bildungsinhalte. Ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert richtete sich im Kontext des einsetzenden Nationalismus die Aufmerksamkeit nun aber verstärkt auf „heimische, vaterländische Heroenfiguren“. Für diese mussten andere Formen gefunden werden, um sie einem breiteren Publikum „auf möglichst eindrucksvolle Weise“ bekannt zu machen und eine „kollektive Faszination“ zu erzeugen. Paradigmatisch für diesen Wandel war die im Jahr 1791 in Paris erfolgte Umwidmung der Sainte Geneviève geweihten Kirche in das Panthéon zu Ehren herausragender Persönlichkeiten der Nation. Damit begann, so Waltraud Heindl, die Zeit „der bewussten medialen Vermarktung von Helden und Idolen“.34 Um sie zu popularisieren, wurden Gedichte, Zeitungsartikel, Theaterstücke und Bücher geschrieben, Lieder gedichtet und gesungen, Porträts, Bilder, Postkarten erzeugt, Inschriften angebracht, Gedenksteine und Monumente gesetzt, Reden gehalten und nicht zuletzt Gleichgesinnte für die Sache mobilisiert. Mit den verschiedenen Formen des Feierns und Zelebrierens von Helden und Heldinnen wurden diese zugleich als solche konstruiert. Helden und Heldinnen sind dementsprechend immer gemacht.35 Im konkreten Fall des Mädchens von Spinges muss zwar of33
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35
Zu anderen Konzepten des Heroischen in der Frühen Neuzeit siehe Ronald G. Asch, Herbst des Helden. Modelle des Heroischen und heroische Lebensentwürfe in England und Frankreich von den Religionskriegen bis zum Zeitalter der Aufklärung. Ein Essay, Würzburg 2016. Asch geht davon aus, dass „das Ideal des Heroischen“ vor der Aufklärung – zumindest unter Eliten – „eine umfassende normative Geltung für sich beanspruchen konnte“, die in der Folge zusehends „verloren ging“. Ebd., 17. Waltraud Heindl, Die „Geburt“ von Heldengestalten und Idolen. Kollektive Erinnerungskultur und nationale Identität in der österreichischen Monarchie, in: Wolfgang Müller-Funk u. Georg Kugler (Hg.), „Zeitreise Heldenberg“. Lauter Helden. Niederösterreichische Landesausstellung 2005, St. Pölten 2005, 55–65, 55. Zum Panthéon siehe Jean-Claude Bonnet, Naissance du Pan théon. Essai sur le culte des grands hommes, Paris 1998. Heindl/Ulbrich, Editorial, 235; Barbara Neuwirth, Auch ein fragwürdiger Begriff: die Heldin, in: Müller-Funk/Kugler, „Zeitreise Heldenberg“, 31–35. Dem Thema „Héroïnes“ ist ein Heft von „Clio“ gewidmet. Auch hier liegt der konzeptionelle Schwerpunkt auf dem Gemachtsein von Heldinnen. Siehe Sophie Cassagnes-Brouquet u. Mathilde Dubesset, Editorial: La fabrique des héroïnes, in: Clio. Histoire, Femmes et Sociétés 30 (2009), 7–16, 14f; Maria N. Todorova, Bones of Contention. The Living Archive of Vasil Levski and the Making of Bulgaria’s National Hero, Budapest 2011; sowie das Themenheft „Mediale Strategien der Heroisierung“ von helden. heroes. héros. E-Journal zu Kulturen des Heroischen 2, 2 (2014), http://www.helden-heroes-heros.de/ (letzter Zugriff: 28.7.2020).
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Einleitung
fen bleiben, wer die Geschichte seiner mutigen Tat als erstes erzählte, die weiteren Spuren führen jedoch hauptsächlich zu patriotisch gesinnten Männern aus bildungsbürgerlichen und katholischen Kreisen in Tirol36 und darüber hinaus: zu Historikern, Dichtern und Malern, Geistlichen, Juristen und Medizinern, die zum Teil miteinander vernetzt waren. Sie repräsentieren prototypisch die neue „Erzählkultur“, die in Zusammenhang mit dem Erzeugen von national konnotierten Heldenbildern entstand, und mit ihr eine „Erzählgemeinschaft“, die sich über Geschichte und Kunst gleichermaßen in Worten und Bildern ausdrückte und für die eine „deutlich vaterländische Prägung“ kennzeichnend war.37 Diese national inspirierten Erzählungen wirkten sinnstiftend und lieferten Identifikationsangebote, wobei immer zu fragen ist: für wen? Jedenfalls hatten sie einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Formieren von Weltbildern und der politischen Kultur ihrer jeweiligen Zeit.38 Im Fall des Mädchens von Spinges sind die Bestrebungen der Tiroler Eliten jedoch nicht getrennt von breiteren politischen, das heißt kaiserlichen Interessen in der Habsburger Monarchie zu interpretieren. Denn in Wien bestand ebenfalls ein Interesse am tapferen Mädchen von Spinges und an dessen propagandistischem Potenzial, was zu einer bemerkenswerten Dialektik zwischen dem regionalen Raum und der kaiserlichen Machtsphäre führte. Darüber hinaus wurde die Geschichte des Spingeser Mädchens im Zeitalter des Nationalismus auch außerhalb des deutschsprachigen Raums ‚verwertet‘ und ‚ausgebeutet‘, sodass sein Ruhm nicht nur von Tiroler Seite getragen wurde, sondern weitere Kreise zog, zu einer transnationalen Geschichte wurde, die unter anderem in England und in den Vereinigten Staaten einen Echoraum fand. Unter ihren Promotor*innen waren auch reisende Frauen, Übersetzerinnen, Schriftstellerinnen, Sammlerinnen von Sagen und frühe Alpinistinnen. So kreuzen wir Perspektiven und suchen nach möglichen Verbindungen und Transferwegen, über die sich Vorstellungen und Bilder der Heldin verbreitet haben. Den Begriff der „Erinnerung“ setzen wir dabei sparsam ein. Unser Bestreben trifft sich mit der Kritik von Gadi Algazi an dem dichotomisierenden und beschränkten Zugriff über die Opposition Erinnern und Vergessen. Er schlägt stattdessen ein breiteres Begriffsinventar „of shaping history, or, in the broader sense, of the range of practices shaping representations of the 36
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Für eine differenzierte Analyse der diskursiven und medialen Herstellung des „Heiligen Landes Tirol“ und verschiedener Ausprägungen des Katholischen in unterschiedlichen Räumen Tirols siehe Florian Huber, Grenzkatholizismen. Religion, Raum und Nation in Tirol 1830–1844, Göttingen 2016. Heindl, Die „Geburt“ von Heldengestalten, 56. Heindl, Die „Geburt“ von Heldengestalten, 56; siehe allgemein dazu Stefan Berger, Linas Eriksonas u. Andrew Mycock (Hg.), Narrating the Nation. Representations in History, Media and the Arts, New York/Oxford 2008.
2 Die Konstruktion einer Heldin
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past“ vor.39 Die Rekonstruktion dieser Praxis zeigt, dass die Erinnerung an die Heldin in ganz unterschiedlichen Kontexten von konkreten Personen aktiv hergestellt, festgehalten und weitergetragen wurde.40 Nicht selten beschwor man sie, wenn es um Problemlagen der jeweiligen Gegenwart ging, und instrumentalisierte sie politisch. Nach den Promotoren und Promotorinnen der Heldin zu fragen, begegnet dem von Sylvia Schraut und Sylvia Paletschek monierten Manko, dass trotz der Fülle an Forschungsliteratur zu Erinnerungskultur, Erinnerungspolitik etc. die „Auseinandersetzungen um öffentliches Gedenken [...] in der Regel ohne nennenswerte Bezüge zum Geschlecht der Akteure“ auskommen.41 Um sichtbar zu machen, wie ein solchen Prozess abgelaufen ist, muss das konkrete making of einer Heldinnenfigur rekonstruiert und analysiert werden. Das bedeutet, einem Mythos nachzuspüren, der „aus einem komplexen Zusammenwirken von historischen Prozessen und Ereignissen, von Identifikation und Projektion“ kreiert wurde.42 Die Rekonstruktion und Analyse der Machart einer Symbolfigur impliziert, einen Mythos zu dekonstruieren. Roland Barthes sieht das Prinzip eines Mythos darin, dass er „deformiert“. Der Mythos sei „eine Abwandlung“, das heißt vor allem, „er verwandelt Geschichte in Natur“, in dem Sinn, dass er Geschichte naturalisiert und essentialisiert.43 Den Mythos in die Geschichte und in jene Kommunikationszusammenhänge, in denen er entstanden ist, zurückzuführen, bedeutet unweigerlich, ihn zu zerstören. Umso mehr gilt dies im thematischen Kontext von Krieg und Gewalt, in dem Gerüchte und Legendenbildung eine besondere Rolle spielten und spielen.
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Gadi Algazi, Forget Memory: Some Critical Remarks on Memory, Forgetting and History, in: Sebastian Scholz, Gerald Schwedler u. Kai-Michael Sprenger (Hg.), Damnatio in memoria: Deformation und Gegenkonstruktionen von Geschichte, Wien/Köln/Weimar 2014, 25–34, 28. Für eine kritische Reflexion siehe Peter Melichar, Ist das Museum ein Gedächtnis? Zur Erprobung eines Konzepts, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 23, 2 (2012), 110–139. Sylvia Schraut u. Sylvia Paletschek, Erinnerung und Geschlecht – Auf der Suche nach einer transnationalen Erinnerungskultur in Europa. Beitrag zum Themenschwerpunkt „Europäische Geschichte – Geschlechtergeschichte“, in: Themenportal Europäische Geschichte (2009), http:// www.europa.clio-online.de/2009/Article=420 (letzter Zugriff: 28.7.2020). Demandt, Luisenkult, 10. Roland Barthes, Mythen des Alltags, Frankfurt a. M. 1964, 112f.
I Eine umstrittene Schlacht und eine geheimnisvolle Heldin
Am Beginn der Heldinnengeschichte steht die „Schlacht bei Spinges“ vom 2. April 1797. Deren Einschätzung fällt zeitgenössisch wie historiographisch sehr unterschiedlich aus.1 Der erste Koalitionskrieg war seit 1792 im Gange. Frankreich hatte Österreich im April des Jahres den Krieg erklärt. Friedrich Wilhelm II. von Preußen schloss sich Österreich aufgrund seiner Bündnispflicht an.2 Tirol wurde erst gegen Ende infolge der geänderten Strategie Napoleons zum Schauplatz schwerer Kämpfe. Der Feldzugsplan sah vor, eine zusätzliche Kampflinie vom Süden her zu eröffnen und Tirol als westlichen Vorposten Österreichs anzugreifen. Der norditalienische Raum war 1796 bereits weitgehend erobert, nur Mantua als letzte kaiserliche Bastion noch nicht.3 Nach kleineren Gefechten Ende Juni 1796 und einem französischen Sieg bei Bassano Anfang September rückte der Krieg näher an Tirol heran. Dabei kam es zu diversen Übergriffen und Anfang November zu einem größeren Kampf, in dem sich die Tiroler Schützen erfolgreich verteidigten. Die kaiserlichen Truppen erlitten allerdings Mitte Januar 1797 bei Rivoli in der Nähe von Verona schwere Niederlagen. Anfang Februar nahm Napoleon Mantua ein. Zu diesem Zeitpunkt war bereits die Offensive gegen Tirol angelaufen. In einem massiven Vorstoß besetzte der französische General Barthélemy-Catherine Joubert Ende März Neumarkt, Bozen und am 23. März auch Brixen, damals noch (und bis zur Säkularisation 1803) ein geistliches Fürstentum.4 Feldmarschallleutnant Alexander Baron Kerpen, der Be1
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Für ein Plädoyer, „auf der Ebene der Region und der Nation“ mit dem Erforschen der Wahrnehmung von Kriegen zu beginnen, siehe Karen Hagemann, Umkämpftes Gedächtnis. Die antinapoleonischen Kriege in der deutschen Erinnerung, Paderborn 2019, 15. Zum Ersten Koalitionskrieg und dessen Kontext siehe z. B. Michael Erbe, Revolutionäre Erschütterung und erneuertes Gleichgewicht. Internationale Beziehungen 1785–1830, Paderborn u. a. 2004, 293–307; Alexander Grab, Napoleon and the Transformation of Europe, Basingstoke/New York 2003, 2–6; mit Schwerpunkt auf den Jahren 1796/97: Owen Connelly, The Wars of the French Revolution and Napoleon, 1792–1815, London/New York 2006, 77–96; mit Schwerpunkt auf Tirol: Martin P. Schennach, Revolte in der Region. Zur Tiroler Erhebung von 1809, Innsbruck 2009, 97–104. Mühlberger, Absolutismus, 473. Das Hochstift Brixen fiel 1803 an das Kronland Tirol. Siehe Josef Gelmi, Bistum Bozen-Brixen (bis 1964: Brixen), in: Erwin Gatz (Hg.), Die Bistümer der deutschsprachigen Länder von der Säkularisation bis zur Gegenwart, Freiburg u. a. 2005, 141–155, 141; ders., Geschichte der Kirche in Tirol. Nord-, Ost- und Südtirol, Innsbruck/Wien/Bozen 2001, 244f. Zu den Ereignissen mit weiterführender Literatur siehe Schennach, Revolte in der Region, 101f.
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fehlshaber des Tiroler Korps, hatte sich bei Sterzing, nördlich von Brixen, verschanzt. Der Inntaler Landsturm schloss sich mit dessen Leuten zusammen. Von den kaiserlichen Truppen war keine Unterstützung zu erwarten. Diese Doppelstruktur von kaiserlichen Truppen und Tiroler Korps, das auch den Landsturm einschloss, erklärt sich aus der militärischen Sonderstellung Tirols. Das Landlibell von 1511, eine Urkunde Kaiser Maximilians I., bestimmte, dass die Bewohner des Landes nur zur Verteidigung der eigenen Grenzen verpflichtet waren. Das „Tiroler Aufgebot“ durfte in Kriegen außerhalb Tirols nicht eingesetzt werden. In einer plötzlichen Gefahrensituation war die Formierung des sogenannten Landsturms vorgesehen, dem sich alle waffenfähigen Männer anschließen mussten.5 Eine solche Situation lag 1797 vor. Das eigene Territorium selbst verteidigt zu haben, ist ein nicht unwesentliches Element in der späteren Bewertung des Koalitionskrieges und des Gefechts von Spinges als „Freiheitskampf“ und in der Heroisierung der Männer und Frauen, die mitgekämpft haben.
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Für den 2. April 1797 war ein Angriff geplant. Der Hauptmann des Landsturms Philipp von Wörndle6 sollte am linken Flügel über das Valser Joch nach Mühlbach und Aicha ziehen und die dort stationierten französischen Soldaten angreifen (siehe Abb. 5 und 6). Taktisch war vorgesehen, von mehreren Seiten gleichzeitig und großräumig gegen die Feinde vorzugehen. Dieser Plan ging jedoch nicht auf, sodass von Wörndle und dessen Männer die Hauptlast des Kampfes zu tragen hatten. Die französische Armee unternahm mehrere Vorstöße. Das am breitesten in die Geschichte eingegangene Gefecht fand vor der Friedhofsmauer in Spinges statt.7 Die französischen Einheiten zogen sich daraufhin in Richtung 5
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Siehe dazu Martin P. Schennach, Das Tiroler Landlibell von 1511. Zur Geschichte einer Urkunde, Innsbruck 2011; ders., Zur Rezeptionsgeschichte des Tiroler Landlibells, in: Klaus Brandstätter u. Julia Hörmann (Hg.), Tirol – Österreich – Italien. Festschrift für Josef Riedmann zum 65. Geburtstag, Innsbruck 2005, 577–592; ders., Tiroler Landesverteidigung 1600–1650. Landmiliz und Söldnertum, Innsbruck 2003, 139–152; ders., Gesetz und Herrschaft. Die Entstehung des Gesetzgebungsstaates am Beispiel Tirols, Köln/Weimar/Wien 2010, 91–111; Rudolf Palme, Frühe Neuzeit (1490–1665), in: Josef Fontana u. a. (Hg.), Geschichte des Landes Tirol, Bd. 2: Die Zeit von 1490 bis 1848, Bozen/Innsbruck/Wien 19982, 3–287, 13. Philipp von Wörndle (1755–1818) hatte eine juristische Ausbildung und war in diesem Bereich in verschiedenen Funktionen tätig, unter anderem als Pflegssubstitut, Hofrichter und Dicasterial advokat; er war auch k. k. Landrat. Siehe Heinrich von Wörndle, Dr. Philipp von Wörndle zu Adelsfried und Weierburg, Tiroler Schützenmajor und Landsturmhauptmann. Ein Lebensbild aus der Kriegsgeschichte Tirols, Brixen 1894, 13–16, 170. Palme, Frühe Neuzeit, 475–483.
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I Eine umstrittene Schlacht und eine geheimnisvolle Heldin
Abb. 5: Spinges und Umgebung
Mühlbach zurück, doch französischer Nachschub rückte erneut vor, auf Tiroler Seite blieb der erhoffte „Sukkurs“ aus dem Pustertal jedoch aus. Thomas Leimgruber, der damalige Kurat in Spinges, schrieb in einem Bericht: „Die Schützen stritten mit größter Tapferkeit, und jagten den Feind dreymal in die schnelleste Flucht über den Berg herab, schier gar bis zur Landstrasse, daß wir glaubten, nun wären wir vor dem Feinde befreyet. Aber der Feind bekam gleich von allen Seiten her vielen Sukurs [...].“8 Er berichtete auch von Plünderun8
TLF, Bericht, welcher über den feindlichen Einfall der Franzosen in Spings und der erfolgten Schlacht daselbst im Jahre 1797 an S.e Hochfürstlichen Gnaden zu Brixen von dem Hrn. Curat zu Spinges Thomas Leimgruber ist erstattet worden (Abschrift, Signatur FB 1457/2), fol. 1–3, fol. 1’. Siehe auch einen weiteren, an den Brixner Hofrichter gerichteten, Bericht, abgedruckt bei Erwin Adalbert Steinmair, Heiliggrab-Denkmäler in Südtirol. Ursprung – Geschichte – Zusammenhänge, Brixen 1993, 588f.
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Abb. 6: Philipp Miller, „Übersicht von Spinges und Umgebung mit Referenz auf das Gefecht von 1797 und die Rettung Tirols“, zeitgenössische Radierung
gen9 und gab an, dass die französischen Soldaten am 6. April – andere nennen den 5. April –, also erst Tage später, endgültig abgezogen seien, als sich General Gideon Ernst von Laudon mit den kaiserlichen Truppen näherte.10 9 10
Siehe dazu auch Ute Planert, Der Mythos vom Befreiungskrieg: Frankreichs Kriege und der deutsche Süden. Alltag – Wahrnehmung – Deutung 1792–1841, Paderborn u. a. 2007, 175–182. „Die autem 6ta Aprilis direptis domibus omnibus audito adventu caesarii generalis Laudonii territi discesserunt usque Lienz multis prius exustis pontibus ut insequentes tardarent.“ Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 229–231, Nr. 230, Liber Mortuorum in Curatia Spinges. Constat 227 Foliis, & Iuxta modernum modum cum indice provisus est, incipit anno Domini MDCCLXII, fol. 16. Unter den Autoren, die schreiben, dass Joubert am 5. April mit dem gesamten Korps die Gegend von Brixen verlassen habe, siehe z. B. Ignaz Theodor von Preu, Historische, topographische und statistische Nachrichten von dem k. k. Landgerichte Mühlbach, in: Beiträge zur Geschichte, Statistik, Naturkunde und Kunst von Tirol und Vorarlberg 7 (1832), 1–74, 33: „Es entspann sich ein mörderisches Gefecht, in welchem der Feind mehrere hundert Mann verlohr, aber, da der Angriff zu voreilig und vor jenem der übrigen Kolonnen geschehen war, diesen Tag doch das Feld behauptete, und erst den 5. April mit dem ganzen Korps zum Abzuge sich genöthigt fand. Die durch Requisizionen aller Art ohnehin schon tief gedrückten Einwohner [von Spinges] sahen sich nach diesem Gefechte auch noch dem Raube, der Plünderung und der Brandfackel Preis gegeben.“ Zur
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Diesem Tenor folgt auch der Bericht von Simon Laichartinger, der am Gefecht teilgenommen hatte und das wechselvolle Geschick des Tiroler Landsturms ohne heroischen Unterton schildert. Laichartinger war mit einer Nachhut erst nach dem ersten Angriff in Spinges eingetroffen: „Es war also das erste, was wir zu sehen bekamen, 2 gefangene Franzosen und unsrige Blessirten [Verwundeten], das machte, das viehle von unsern Leuthen das Herz verlohren. Der Feind hatte sich im Wald zerstreit [zerstreut], der Walt mußte gesäubert werden; zu diesem Ende zoch [zog] man eine Kette, und streifte den ganzen Wald durch, so erreichte man diesen Zweck, sobald man den Feind im Herzen hatte, so gings ganz entsetzlich draufloß, ja, man jagte im bis Mihlbach, als aber unsere Leuthe hinunter wolln, um ihm zuverfolgen, kam ihnen der Feind mit Canonen und Cartetschen entgegen und Na thürlicher weise zogen sie sich zurück, wir kammen wider ins Dorf Spinnes [...].“ Dort ging der Kampf weiter. Kugeln seien an seinem Kopf „vorbei gesumst“, zwei Männer neben ihm erschossen worden, schrieb Laichartinger und betonte, das habe seinen Mut nur gestärkt. Sie besetzten das Dorf, so gut es ging, vornehmlich den „Gottesacker“, dessen Ummauerung ihnen Schutz und Schießscharten bot. Ein zweites Mal schlugen sie die Feinde zurück, doch seien diese ein drittes Mal und „in mehreren Abtheillungen“ wiedergekommen. Auch sei es ihnen gelungen, „die Höhe zu gewinnen“, sodass sich der Landsturm aus dem Dorf zurückziehen musste. Manche Tiroler flohen, denn „der Eine hatte kein Pulver, der Andere kein Bley, der Dritte hatte eine Kugl Rohr stecken, die er weder ein noch aus brachte“. Er selbst habe geschossen, so viel er konnte. Doch dann sei es ungefähr 500 Franzosen gelungen, ins Dorf zu kommen. Die wenigen verbliebenen Tiroler hätten gesehen, dass sie nun „nichts mehr ausrichten“ konnten und zogen sich auf einen Bauernhof zurück. Dort wurden sie von französischen Soldaten gefangen genommen, die Flucht gelang. Im Wald trafen sie auf die anderen Männer des Landsturms, griffen nochmals an, wurden aber zurückgeschlagen. So zogen sie aufs Valser Joch, „weil kein anderer Weeg offen war, man kann sich die Mattigkeit der Leuthe vorstellen, die alle 3 Angriffe mitgemacht und noch mit dem Leben davon gekommen waren, 2 Tage nichts zu essen, und dabey Tag und Nacht einen solchen Weeg marschieren, [...] im Walde gieng man zehn Schritte, so lag ein Todter.“11 Diese und andere das Gefecht bei Spinges nüchtern kommentierende Stimmen erwähnten zahlreiche österreichische und zum Teil auch deutsche Autoren des 19. und
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Analyse von Kriegszeugnissen im Sinne einer „dokumentarischen Mikrogeschichte“ siehe Hans Medick, Der Dreißigjährige Krieg. Zeugnisse vom Leben mit Gewalt, Göttingen 2018. TLF, S[imon] Laichartinger, Beschreibung des Landsturmes in Spinnes bey Mihlbach, Manuskript (Signatur W 468), ohne fol. (insgesamt 13 Quartseiten). Zu Johann Gänsbacher und Michael Pfurtscheller aus dem Stubaital, die ebenfalls an diesem Gefecht beteiligt gewesen waren und Berichte verfasst haben, siehe Michael Span, Ein Bürger unter Bauern? Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850, Wien/Köln/Weimar 2017, 69–74.
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Abb. 7: „Die Schlacht bei Spinges“, Postkarte nach einem Gemälde von Edmund von Wörndle, 1909 anlässlich der „Jahrhunderfeier Tirols“ in Umlauf. Sie dokumentiert das verfestigte Narrativ als siegreiches Gefecht, das für den Abzug der Franzosen aus Tirol ausschlaggebend gewesen sei.
beginnenden 20. Jahrhunderts nicht. Das gilt für populärhistorische Darstellungen und gleichermaßen für landes- und allgemeinere historische Werke. Das Kampfgeschehen in Spinges firmierte vielmehr als „Glanzpunkt“ der Kriegsereignisse,12 als die entscheidende Episode des Krieges, als das für den Abzug der Franzosen aus Tirol ausschlaggebende Geschehen (Abb. 7):13 Der deutsche Dichter und Historiker Wolfgang Menzel schrieb zum Beispiel in seiner „Geschichte der Deutschen“ in den 1840er Jahren: „Unaufhaltsam rückte der Bezwinger Italiens [Napoleon] in Steyermark gerade gegen Wien vor. Ein anderes französisches Corps unter Joubert war ins Tirol vorgedrungen, aber so kräftig von den tapfern Bauern dieses Landes bei Spinges angegriffen worden, daß er, unaufhörlich im Pusterthal verfolgt, mit einem Verlust von 6 bis 8000 Mann sich zu Bonaparte’s Hauptheer zurückzog, das er bei Villach fand.“14 12 13 14
Zur Tirolischen Geschichte, in: Deutsches Museum. Zeitschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben 7 (13.2.1862), 225–237, 231. Zu den patriotisch gefärbten Wertungen siehe auch Schennach, Revolte in der Region, 102. Wolfgang Menzel, Geschichte der Deutschen bis auf die neuesten Tage. Vierte umgearbeitete Ausgabe, Zweite Abteilung, Stuttgart/Tübingen 1843, 1092f.
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Die Vorlage für die heroische Variante der Geschichte dürfte unter anderem das Statement von General Laudon geliefert haben, der mit seinen Truppen erst ins Pustertal kam, als das Gefecht schon vorüber war. Im „Bregenzer Wochenblatt“ vom 21. April 1797, in der „Wiener Zeitung“ vom 26. April und in anderen Zeitungen jener Tage, stand eine längere Lobeshymne in einem moralisch-religiös unterfütterten Duktus zu lesen, datiert auf den 9. April 1797: „Liebe wackere Tiroler! Gott hat euer Unternehmen gesegnet, ihr habt euer Land vom Feinde befreyet [...]. In zweyen Tagen, da ihr standhaft, einig, und Gehorsam waret, habt ihr einen Feind fliehend gemacht, der sich das Ansehen gab, als wenn er nie von dem ungerechten Besitz, und von dem muthwilligen Genuß eures Habes weichen wollte. Ihr habt der Welt einen Beweiß gegeben, daß die Tugenden eure[r] Väter nicht von euch gewichen sind, und Gott hat es euch fühlen lassen, daß er bey euch ist, sobald ihr bey ihm seynd.“15 Aus der Sicht des französischen Generals Joubert war die Geschichte allerdings ganz anders verlaufen, wie Briefe dokumentieren. Seinem Vater schrieb er am 29. März 1797 aus Brixen allerlei kriegstechnische Details. Er schloss im Ungewissen und beunruhigt, was die Zukunft bringen würde: „mais que vais-je devenir? que va-t il faire de moi? Voilà ce qui m’inquiète.“16 Der nächste Brief, wiederum an seinen Vater adressiert, datiert bereits vom 10. April 1797, verfasst nach dem Abzug aus Tirol im Kärntner Sachsenburg. Er beginnt: „Je suis sorti vainqueur du Tyrol.“ – „Ich bin siegreich aus Tirol herausgekommen.“ Es habe sich vielleicht das Gerücht verbreitet, dass er mit seinen Truppen dort umgekommen sei, da er jede Kommunikation mit Trient unterbrochen habe, und dass er sich – ein feindliches Korps hinter sich lassend – in die Schluchten der Berge geworfen und durch eine Heerschar von bewaffneten Bauern den Weg gebahnt habe, um sich General Bonaparte anzuschließen, der vor den Toren Wiens stand. Sein Vorhaben sei geglückt.17 Den Marsch durch das Pustertal und den Aufstand der Tiroler erfuhr er als dramatisch, doch habe er beides bezwungen.18 Er beendet das Schreiben mit einem Loyalitätsgestus und seiner Be15 16
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Baron von Laudon, Liebe, wackere Tiroler!, in: Bregenzer Wochenblatt 16 (21.4.1797), 1–2, 1; Wiener Zeitung 33 (26.4.1797), 1210–1211. Edmond Chevrier, Le général Joubert d’après sa correspondance, Paris 18842, 98: „[A]ber was wird aus mir werden? Was wird mit mir gemacht? Das ist es, was mich beunruhigt.“ Sämtliche Übersetzungen stammen von den Autorinnen. Chevrier, Le général, 103: „On aura peut-être fait courir le bruit que j’y ai succombé avec toutes mes troupes, parce que j’ai interrompu de suite toutes mes communications avec Trente, et que, laissant un corps ennemi derrière moi, je me suis jeté au milieu des gorges, à travers une multitude de paysans armés, pour forcer les passages et faire ma jonction avec le général Bonaparte qui est aux portes de Vienne. Mon projet a réussi.“ Chevrier, Le général, 103: „Pendant vingt-quatre heures je me suis vu sous le fer homicide des Tyroliens levés en masse, et pendant une marche de vingt lieues, dans le pays les plus terribles, je les ai contenus.“
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wunderung für Napoleon: „Ma marche est quelque chose d’extraordinaire; avec Bonaparte peut-on faire autre chose? Puissent tant d’efforts héroïques nous amener la paix!“19 Den Ort Spinges erwähnt Joubert nicht. Vielleicht ist er unter den „schrecklichsten Dörfern“– „les pays les plus terribles“ –, von denen er in der Darstellung seines Marsches spricht. Etwa eine Woche nach dem Gefecht stellte somit auch er sich als Sieger dar. Napoleon selbst schilderte die Manöver von Joubert in einem Brief, den er am 16. April 1797 von Leoben aus an das Directoire Exécutif schrieb, ebenfalls als Erfolg: „Die Generäle Joubert, Delmas und Baraguey d’Hilliers hatten in Bozen und Mühlbach verschiedene Gefechte, aus denen sie immer als Sieger hervorgegangen sind. Ihnen ist es gelungen, ganz Tirol zu durchqueren, 8.000 Gefangene im Zuge der verschiedenen Gefechte zu nehmen und sich unserer großen Armee im Drautal anzuschließen. Damit ist die ganze Armee vereint.“20 Als triumphaler Sieger wird Joubert üblicherweise auch in der französischen Historiographie des 19. Jahrhundert gehandelt.21 Alphonse de Beauchamp beispielsweise streicht in seiner Joubert-Biographie dessen Erfolg hervor: „Während des ersten Heereszuges von Buonaparte in Italien war Joubert einer der ergebensten und geschicktesten Generäle. Millesimo, Ceva, Montebello, Rivoli trugen zu seinem Glanz bei; der Höhepunkt aber war sein Feldzug in Tirol. Joubert siegte über die Rauheit der Gegend und den Mut der kampferprobten Feinde; gegen jede Wahrscheinlichkeit gelang es ihm, sich einen Weg durch tausende von Gefahren zu bahnen und sich mit dem Hauptflügel der 19 20
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Chevrier, Le général, 103. „Mein Marsch ist eine außerordentliche Sache; kann man mit Bonaparte etwas anderes machen? Mögen uns all diese heroischen Anstrengungen den Frieden bringen!“ Jean Baptiste Philibert Vaillant (Hg.), Correspondance de Napoléon Ier: publiée par ordre de l’empereur Napoléon III, Bd. 2, Paris 1859, 487: Brief. Nr. 1732, Au Directoire Exécutif, Quartier général, Leoben, 27 germinal an V (16 avril 1797): „Les généraux Joubert, Delmas et Baragueyd’Hilliers ont eu à Botzen et Mühlbach différents combats desquels ils sont toujours sortis vainqueurs. Ils sont parvenus à traverser tout le Tyrol, à faire, dans les différents combats, 8,000 prisonniers, et à se joindre avec la grande armée par la vallée de la Drave. Par ce moyen, toute l’armée est réunie.“ Abgesehen von der einen oder anderen Ausnahme – bei Joseph François Michaud u. Louis Gabriel Michaud, Biographie universelle ancienne et moderne, Nouvelle Edition, Bd. 32, Paris 1870, 299f, ist das Gefecht bei Spinges in Zusammenhang mit dem Freiherrn Andreas Alois di Pauli von Treuheim erwähnt: „En 1796 et 1797, comme référendaire du comité de Bolzano, il dirigea en personne les travaux de fortification du pays et contribua au succès de la bataille de Spinges, dont l’issue heureuse pour les Autrichiens influa beaucoup sur les préliminaires du traité de Leoben. Cette affaire lui valut des titres de noblesse au nom de Treuheim.“ Der Autor dieser Biographie, die in einem französischen Werk veröffentlich ist, heißt Rumelin und war vielleicht Deutscher oder Österreicher. Zu di Pauli von Treuheim (1761–1839) siehe Landesbibliothek Digitales Zeitungsarchiv „Dr. Friedrich Teßmann“, Zeitdokumente, http://1809.tessmann.it/portal1809/eintrag/katalog/ lexikon/di-pauli-auch-dipauli-von-treuheim-andreas-alois (letzter Zugriff: 28.7.2020).
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Armee zu vereinen, als man ihn und seine Truppeneinheit bereits ohne Wiederkehr verloren sah.“22 Die entsprechenden Passagen klingen in zahlreichen Werken sehr ähnlich; die Quelle, auf die sich die Autoren direkt oder indirekt bezogen, dürfte vielfach dieselbe gewesen sein. Das Gefecht von Spinges scheint üblicherweise nicht auf, selbst in Publikationen mit sehr detaillierten Darstellungen des Krieges nicht.23 Auch im Buch von Victor Bernard Derrécagaix, dessen Schwerpunkt auf den französischen Feldzügen in Tirol liegt, sind die Schilderungen rund um den 2. April 1797 von den Truppenbewegungen Richtung Kärnten dominiert. Derrécagaix nennt Spinges immerhin, wenngleich nur in einem Nebensatz, auf Joubert bezogen, der einen Angriff Kerpens zurückgeschlagen habe: „Après avoir repoussé une attaque de Kerpen à Spinges, près de Muhlbach, le 13 germinal (3 avril) [...]“.24 22
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Alphonse de Beauchamp, Joubert, in: Biographie des jeunes gens, Paris 18182, 116f: „Lors de la première campagne de Buonaparte en Italie, Joubert fut un de ses généraux le plus dévoués et les plus habiles. Millésimo, Ceva, Montebello, Rivoli, contribuèrent à son illustration; mais ce qui y mit le comble, ce fut sa campagne du Tirol. Triomphant de l’aspérité des lieux et du courage d’ennemies aguerris, Joubert, contre toute probabilité, parvint à se frayer un chemin au milieu de mille dangers, et à rejoindre le gros de l’armée, quand on croyait lui et sa division perdus et sans retour.“ Siehe beispielsweise Abel Hugo, France militaire, histoire des armées françaises de terre et de mer de 1792 à 1837, ouvrage rédigé par une société de militaires et de gens de lettres, Bd. 2, Paris 1838, 151f; Charles Théodore Beauvais de Préau, Victoires, conquêtes, désastres, revers et guerre civiles de Français depuis 1792, Nouvelle édition, Bd. 4, Paris 1855, 349–355 (Auflage 1854–1867, 13 Bde., erste Auflage 1817–1825, 30 Bde.); Guerres des Français en Italie depuis 1794 jusqu’à 1814, tome premier 1791–1799, Paris 1859, 273–278. Auch ein sehr detailliertes Werk wie jenes von Antoine-Henri de Jomini, Histoire critique et militaire des guerres de la Révolution, nouvelle édition, Bd. 10: Campagnes de 1797 et de 1798, Paris 1822 [1816], 53–59, erwähnt das Gefecht von Spinges nicht, obwohl es sich – zumindest in diesem thematischen Zusammenhang – kritischer gibt als andere Werke, indem es die Schwierigkeiten Jouberts und nicht nur seine Erfolge akribisch beschreibt. Jomini war Schweizer und General der Napoleonischen Armee, verließ diese aber 1813 und trat in den Dienst des russischen Zaren. Als Historiker schrieb er wichtige Werke. Die französischen Publikationen über die Ereignisse dieser Zeit sind extrem zahlreich. Neben jenen, die in anderen Fußnoten erwähnt werden, haben wir die folgenden einschlägigen Werke gesichtet: Général [Maximilien] Lamarque, Armée de terre, in: Journal des sciences militaires des armées de terre et de mer 3 (1826), 209–246, 233; Louis-Pierre Anquetil u. Léonard Gallois, Histoire de France depuis les Gaulois jusqu’à la mort de Louis XVI, Bd. 12, Paris 18293 [1817], 187; Adolphe Thiers, Histoire de la Révolution Française, Bd. 9, Neuvième édition, Paris 1839 [1823–1827], 71–72; Antoine-Clair Thibaudeau, Histoire de la campagne d’Italie sous le Règne de Napoléon le Grand, Nouvelle édition ornée de gravures, Bd. 2, Paris 1839 [1827–1828], 275–277; Alexandre Dumas, Mes Mémoires, Bd. 1, Paris 1863, 101–123; Victor Ernest Marie de Saint-Just, Historique du 5e Régiment de Dragons, Paris 1891, 161. [Victor Bernard] Derrécagaix, Nos Campagnes au Tyrol. 1797 – 1799 – 1805 – 1809, Paris 1910, 47– 53, 52: „Nachdem er am 13. Germinal (3. April) einen Angriff von Kerpen in Spinges, in der Nähe
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In einigen Werken, in denen Spinges nicht dezidiert erwähnt wird, sind jedoch heftige Gefechte in der Nähe beziehungsweise auf dem Berg von Mühlbach – wo sich Spinges befindet – beschrieben.25 In manchen Publikationen wird angenommen, dass der Ausgang des Kampfes phasenweise für die Tiroler günstig ausgesehen habe. Am Ende ist allerdings immer die französische Seite als Sieger dargestellt: „Sur la montagne de Muhlbach, une masse de paysans avait culbuté la 85e; une lutte corps à corps s’étant ensuite engagée et la victoire penchant en faveur des paysans, Joubert envoya au secours de cette demi-brigade un bataillon de la 4e et vint bientôt après avec un autre, aider à refouler ces forcenés vers la cime de la montagne. La division se rallia, passa l’Eisack à gué par échelons et acheva de mettre en déroute les Autrichiens.“26 Obwohl die Datumsangaben nicht übereinstimmen, bezieht sich der Kommandant der 11. demi-brigade in seinem an Napoleon gesandten Bericht wahrscheinlich auf dieselbe Episode. Er schreibt darin, dass seine Einheit den Befehl bekommen habe, die AvantGarde, die von den Tiroler Bauern zwischen Brixen und Mühlbach angegriffen und zurückgeschlagen worden sei, zu unterstützen: „Der Kampf war schrecklich, die Bauern
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von Mühlbach, zurückgeschlagen hatte [...].“ Spinges taucht jedoch in einigen auf Französisch verfassten Reiseführern auf, die entweder aus dem österreichischen Umfeld stammen oder von französischen Autoren verfasst wurden, die sich sehr wahrscheinlich auf österreichische Quellen stützten, so etwa: Histoire abrégée et description de la ville d’Innsbruck et de ses environs, Innsbruck 1842, 17f, Kursivsetzung der Autorinnen: „Les armées françaises ayant pénétré jusque dans nos vallées, déjà dès 1796 la ville d’Innsbruck était menacée par l’ennemi, qui envahissait le pays de tous côtés. [...] L’irruption énnemie n’eut pas de suite fâcheuse cette année, mais au printemps suivant elle se renouvela, et les Français l’étant déjà avancés jusqu’à Botzen et à Spinges, la levée en masse fut decrétée et les corps organisés. Les Tyroliens ayant remporté une première victoire, l’ennemi fut contraint de se retirer dans la Carinthie.“ Frédéric Bourgeois de Mercey, Le Tyrol et le Nord de l’Italie: journal d’une excursion dans ces contrées en 1830, Ouvrage accompagné de quinze sujets de paysage dessinés d’après nature, et gravés à l’eau forte par l’auteur du Journal, Seconde édition entièrement revue et corrigée, Bd. 2, Paris 1845, 87: „Nous laissons sur notre gauche le village de Spinges près de Mülbach où se livra en 1797 un des plus rudes et des premiers combats entre les Tyroliens et les Français.“ Es gab auch in einem anderen Mühlbach – Mühlbach bei Villach – ein Gefecht; so ist nicht immer klar, insbesondere in Texten, die nicht sehr detailliert sind, von welchem Mühlbach die Rede ist. Jean Baptiste Frédéric Koch, Mémoires de Massena rédigés d’après les documents qu’il a laissés et sur ceux du dépôt de la guerre et du dépôt des fortifications, Bd. 2, Paris 1848, 366: „Auf dem Berg von Mühlbach hatte eine Masse von Bauern die 85. [Truppeneinheit] überrannt; ein Nahkampf hatte sich daraufhin entsponnen, und der Sieg neigte sich zugunsten der Bauern; Joubert sandte dieser Halbbrigade ein Bataillon der 4. Truppeneinheit zur Unterstützung und kam bald darauf mit einem weiteren [Bataillon], um zu helfen, diese Blindwütigen auf den Gipfel des Berges zurückzudrängen. Die Truppeneinheit sammelte sich wieder, durchquerte staffelweise den Eisack und vermochte, die Österreicher in die Flucht zu schlagen.“
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kämpften mit letzter Verzweiflung [...], sie erwarteten uns mit einer außerordentlichen Standhaftigkeit, mit Äxten, Dreizacken und auf der Spitze von langen Stangen festgebundenen Stiletten bewaffnet, von starkem Schnaps betrunken [...]; sie kämpften wie Löwen und ließen von ihrem Einsatz nur ab, wenn sie starben. So entging keiner von ihnen der Rache unserer Tapferen, die etliche ihrer Kameraden unter den Schlägen dieser Blindwütigen fallen gesehen hatten. Sie wurden alle vernichtet und starben als eifrige Verteidiger der Sache ihrer Tyrannen.“27 Sehr unterschiedliche französische Texte wie persönliche und offizielle Korrespondenz, militärische Berichte und historische Werke präsentieren nuanciert, aber doch einstimmig den Marsch Jouberts von Brixen nach Villach durch das Pustertal als ein kluges Manöver und als die Durchführung eines Plans beziehungsweise eines expliziten Befehls von Napoleon, nie als einen Rückzug nach einer erlittenen Niederlage – geschweige denn als eine von den Ereignissen in Spinges ausgelöste Flucht. Dem Bericht des beteiligten Offiziers Maubert zufolge hatte Joubert den Auftrag, Bozen und Brixen möglichst schnell einzunehmen. Doch sei er unsicher gewesen, ob er beide Städte im Fall weiterer Angriffe würde halten können. Daher habe er es vorgezogen, Tirol zu verlassen. Sich südwärts in Richtung Trient zu bewegen, wäre einem Rückzug gleichgekommen. Das Eintreffen von 300 Kriegsgefangenen habe hingegen Kriegserfolge in Kärnten signalisiert, sodass er den Weg durch das Pustertal eingeschlagen habe. Denn er vermutete, dass die französischen Truppen Unterstützung bräuchten.28 Soweit Informationen über Napoleons Pläne vorliegen, bestätigen 27
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Gabriel Fabry, Rapports historiques des régiments l’Armée d’Italie pendant la campagne de 1796– 1797, Paris 1905, 345–358, 356f: „[L]e combat fut terrible, les paysans se battirent en désespérés [...] ils nous attendirent avec une fermeté peu ordinaire armés de haches, de tridents et de stylets liés au bout de longues perches, ivres de liqueur forte [...]; ils se battaient comme des lions et ne cessaient leurs efforts qu’en cessant de vivre. Aussi aucun d’eux n’échappa à la vengeance de nos braves qui avaient vu tomber sous les coups de ces forcenés plusieurs de leurs camarades. Ils furent tous extermines et moururent en zélés défenseurs de la cause de leurs tyrans.“ In der Beschreibung ist das Gefecht allerdings auf den 9. germinal, also den 29. März, datiert. Doch sind die Datumsangaben in diesem Text insgesamt etwas widersprüchlich und es ist relativ wahrscheinlich, dass auch der hier angeführte Tag nicht korrekt ist (der Bericht wurde erst am 26. prairial – also am 14. Juni – geschrieben). Ministère de la Défense et des Anciens Combattants, Secrétariat général pour l’administration, Direction de la mémoire, du patrimoine et des archives, Service historique de la Défense, Département de l’armée de terre, Pôle des archives, Bureau des archives historiques, Mémoire sur la dernière expédition du Tyrol commandée par le Général Joubert et faite en Gérminal an 5, signé Maubert chef de bataillon du Génie Commandant son arme à l’expedition. In dem Bericht wird Spinges nicht explizit erwähnt; einige Hinweise finden sich jedoch: Dass die Tiroler fähig waren, sich auf Bergen mit unglaublicher Geschwindigkeit zu bewegen, die von den Franzosen als unpassierbar erachtet wurden, sei insbesondere am 2. April klar geworden, als diese von unerwarteten Seiten kamen: „C’est ce qu’ils ont bien prouvé dans la journée du 13. ils arriverent par tous les
1 Divergierende Wahrnehmungen
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diese die Absicht Bonapartes, seine gesamte Armee im Drautal zu vereinen. Am 3. April hatte er an Joubert geschrieben, dass er wahrscheinlich bald den Befehl bekommen würde, sich in Bewegung zu setzen, und er sandte ihm Boten mit dem Auftrag, zu ihm zu stoßen.29 Derrécagaix zufolge habe die österreichische Regierung den Tirolern den Abzug der französischen Truppen als Folge des „Masse-Aufstands“ und des österreichischen Angriffs in Mühlbach präsentiert. Daher würden die Tiroler glauben, dass sie die Franzosen in die Flucht geschlagen hätten, dass also zwischen der Erhebung des Landsturms, den Gefechten bei Mühlbach und dem französischen Abzug aus Tirol ein ursächlicher Zusammenhang bestünde.30 So haben beide Einschätzungen von Jouberts Abzug – die französische und die österreichische – ihre Begründung:31 Sofern bekannt war, dass das Ziel der Napoleonischen Armee die Durchquerung und nicht die Eroberung Tirols war, konnte oder sollte der Abzug als Erfolg bewertet werden; gleichzeitig konnte dieser ohne Weiteres als eine Flucht in den Augen jener erscheinen, die diese Pläne nicht kannten. Die Tatsache, dass der Vorfrieden von Leoben vom 18. April 1797 und der Frieden von Campoformio vom 17. Oktober 1797 die Zugehörigkeit Tirols zu Österreich bestätigten, mochte diese Überzeugung bestärkt haben.
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points que l’on avait jugé impraticable“ (ebd., 341) – der erwähnte „13.“ war der 13. germinal, das heißt der 2. April. Des Weiteren ist die Rede vom Angriff an jenem Tag: „l’attaque que l’ennemi fit (le 13)“ (ebd., 348), als Jourbert – unter anderem – die Hänge um Mühlbach erobern wollte: „revenons maintenant au recit des évenemens de la journée du 13 [...] [Joubert] retourna sur ses pas pour diriger l’attaque par la quelle il voulut reprendre les hauteurs de Millbach“ (ebd., 348). Wie auch andere Franzosen bestätigte Maubert die Tapferkeit der Tiroler, besonders jener, die Mühlbach angriffen: „[Les paysans] furent terribles dans celle [attaque] qu’ils dirigèrent contre Millback, armés de toutes sortes d’instrumens ils braverent le feu et les bayonettes des nos troupes avec un courage, tenant de la férocité, ayant obtenu le premier avantage ce fut toujours vainement que celles qu’ils avaient chassés, les rattaquerent.“ Siehe auch Schennach, Revolte in der Region, 102f. Siehe folgende Briefe von Napoleon an Joubert: Nr. 1582, Quartier général, Sacile, 25 ventôse 1797 (15 mars 1797) und Nr. 1681, Quartier général, Friesach, 14 germinal an V (3 avril 1797), in: Vaillant, Correspondance de Napoléon, Bd. 2, 387–388, 449–451. Napoleon sandte Joubert seinen Adjutanten Lavalette (laut dessen Mémoires), der erfolglos versuchte, sich mit dem General von Lienz aus in Verbindung zu setzen; ein anderer Bote erreichte Joubert dann schließlich von Trient aus, und der General setzte sich eilig in Bewegung. Siehe [Antoine-Marie Chamans La Valette (Comte de)], Mémoires et souvenirs du comte Lavallette, Bd. 1, Paris 1831, 200–217. Nahezu sämtliche gesichteten französischen Texte geben an, dass Joubert Brixen am 5. April verlassen habe. Derrécagaix, Nos Campagnes, 53: „On sut plus tard que le gouvernement autrichien avait présenté notre départ aux Tyroliens comme la conséquence de leur soulèvement et des attaques de Kerpen à Muhlbach. Il en résulta que, pour les gens de pays, d’étaient eux qui nous avaient repoussés en nous forçant à quitter leurs montagnes.“ Lanzinger/Sarti, Katharina Lanz, combattente tirolese, 268; Schennach, Revolte in der Region, 102f.
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Die widersprüchlichen Bewertungen des Gefechts bei Spinges sind vor dem Hintergrund der überlieferten, weitgehend übereinstimmenden Beschreibungen zunächst überraschend. Denn Augenzeugen beziehungsweise Teilnehmer des Kampfes beider Seiten äußerten sich einstimmig darüber, dass die Tiroler beherzt gekämpft hatten: „[S]e bat taient comme des lions“, kommentierte der zuvor erwähnte Kommandant der 11. französischen demi-brigade;32 „die Bauern fochten wie die Löwen“, betonte der auch Hauptmann des Tiroler Landsturms Philipp von Wörndle.33 Darüber hinaus wird die Dynamik des Gefechts in Berichten beider Seiten ziemlich ähnlich beschrieben, obwohl dieses in den französischen nur kurz erwähnt ist. Als Vergleich zu den zitierten französischen Darstellungen folgt hier die Schilderung Philipp von Wörndles: „[...] ich wendete mich auf dem Grade des Gebürgs gegen Aicha hin, und sah, daß die Strasse von Brixen über Vahrn und die Brixner-Klause gegen die Ladritscher Brücke, und jenseits über Neustift und Schabbs gegen Mühlbach ganz mit Franzosen besäet war.“ Mit der erwarteten Unterstützung war also nicht mehr zu rechnen. „Ich durfte bey dieser Lage nicht daran denken, Aicha zu nemmen, sondern mußte mich nur vertheidigend halten; ja ich vermuthete vielmehr, und zwar nicht ohne Grund, von Seite dieses Dorfes her einen neuen feindlichen Angriff. Es war 3 ½ Uhr Nachmittags, als ich Befehl gab, das Dorf Spinges zu verlassen. [...] Ich zog die Masse schief über den Bergrücken in den Wald hinauf. Da rückte schon eine feindliche Colonne von ungefähr 800 Mann bey den sogenannten Leitenhöfen heran, die uns in den Rücken gekommen wäre, wenn wir in Spinges länger uns gehalten hätten.“ Von Wörndle beschreibt weitere Zusammenstöße im Wald und fährt fort: „Jetzt führte der Feind auf einer Anhöhe bey dem Birkenwäldchen 2 Kanonen auf, beschoss uns mit einem Kartatschen Hagel, und es rückte feindliche Kavallerie an. An einen Sukkurs war nicht mehr zu denken, es war bereits 5 Uhr abends, die Nacht brach herein, und wäre auch ein Sukkurs gekommen, so hätte man ihn nicht mehr benützen können. Ich ließ die Escorte der Verwundeten vorausgehen, um nöthigen Falls ihren Rückzug zu decken; aber der Feind hielt sich in der Ferne. Er hätte uns damals aufreiben können, schien aber nach so vielen mislungenen Angriffen den Muth verlohren zu haben, sich noch einmal in ein Handgemenge einzulassen, er raumte das ganze Schlachtfeld, und wir zohen etwa 200 Mann stark von demselben mit langsamen Schritten ab.“34 Die kargen Informationen von französischer Seite und der Bericht von Wörndles als der wichtigste auf Tiroler Seite stimmen darin überein, dass sich die Tiroler am Ende des Ge32 33
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Fabry, Rapports historiques des régiments l’Armée d’Italie, 357. TLF, Abschrift der vom H[err]n Philipp von Wörndle verfaßten Geschichte, fol. 7’. Auch Derrécagaix ist der kriegerische Furor der Tiroler, der „ardeur belliqueuse“, nachdrücklich in Erinnerung geblieben. Siehe Derrécagaix, Nos Campagnes, 60. TLF, Abschrift der vom H[err]n Philipp von Wörndle verfaßten Geschichte, fol. 8–8‘.
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fechts auf den Berg zurückzogen, während die französische Einheit in Spinges blieb. Fabry, der Kommandant der französischen Halbbrigade vermerkte, dass seine Soldaten dort, wo sie die erste Gruppe von Bauern vernichtet hatten, ihr Lager aufschlugen, bis sie wieder nach Brixen zurückkehrten.35 Von Wörndle berichtet, dass er abends vom Berg aus „am Gewölke eine starke Röthe“ erblickt und später erfahren habe, „daß die Franzosen unweit Spinges den sogenannten Erschbaumer Hof nebst mehreren Scheunen angezündet hatten, um ihre dahin geschleppten Todten zu verbrennen“.36 Ähnlich beschrieb dies auch der Spingeser Kurat und bestätigte, dass die französischen Soldaten nach dem Gefecht noch länger in Spinges geblieben seien: Über Nacht hätten sie das Dorf geplündert und am Tag danach sei „von Schabs her noch eine Menge“ napoleonischer Soldaten nach Spinges gekommen, „deren Zug“ habe „eine Stund lang“ gedauert; und er kommentiert: „[G]anz Spinges war voll von Franzosen.“37
2 Unterschiedliche Erinnerungspolitiken
Ungeachtet der Übereinstimmung der Berichte beider Seiten sollte das Gefecht bei Spinges im Gedächtnis der Franzosen und der Tiroler eine völlig unterschiedliche Geschichte haben: Erstere widmeten ihm keinerlei Aufmerksamkeit, sodass es nahezu völlig in Vergessenheit geriet, während sich das Gefecht bei den Tirolern als „der ewig merkwürdige zweyte April 1797“ – merk-würdig im eigentlichen Wortsinn –, wie von Wörndle den 35
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Fabry, Rapports historiques des régiments l’Armée d’Italie, 357: „Après avoir poursuivi l’ennemi dans les montagnes, nous revìnmes prendre position où nous avions exterminé le premier rassemblement de paysans et nous y bivouaquâmes jusqu’au lendemain, que nous y fûmes relevés; nous en partìmes le 10, pour nous rendre à Brixen“ (bezüglich der Datumsangaben in diesem Bericht siehe Anm. 27). TLF, Abschrift der vom H[err]n Philipp von Wörndle verfaßten Geschichte, fol. 12’–13. TLF, Bericht über den feindlichen Einfall der Franzosen in Spings, fol. 1–3, fol. 2–2’ (Zitate: 2’). Vom Rückzug ist auch auf einem undatierten Notizzettel von Michael Pfurtscheller die Rede, der als Mann des Stubaier Landsturms am Spingser Gefecht möglicherweise teilgenommen hat und im Jahr 1834 seitens des Landgerichtes Mieders aufgefordert wurde, einen Bericht über die kriegerischen Ereignisse der Jahre 1796 und 1797 vorzulegen. Im Zusammenhang mit der Errichtung des Andreas-Hofer-Denkmals in der Innsbrucker Hofkirche sollten einige Landgerichte Gefallenenlisten erstellen. Auf dem Notizzettel sind die Ereignisse vom 1. und 2. April nur in kryptischen Stichworten beschrieben; die Wörter „reterird“ und „retteriert“ sind aber relativ klar: „Am 1 April bis Ritsail [Ritzail] – Am 2ten Nach der Messe & Nach Mitternacht wurde über das Joh [Joch] nach den kl [kleinen] Ort Fals [Vals] – bis Weile [Weiler] Spings Reterird nach Ochssenboden Verfolg & bis Ober Milbach [Mühlbach] Abends 6 Uhr Retteriert.“ Zit. nach Span, Ein Bürger unter Bauern, 71f.
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I Eine umstrittene Schlacht und eine geheimnisvolle Heldin
Tag bezeichnete,38 tief einschreiben sollte. Wie konnte es dazu kommen? Die heroische Version wurde über die Jahrzehnte offensichtlich zur ‚offiziellen‘ österreichischen Version der Geschichte, wie die 1843 in einer Broschüre veröffentlichte Sicht von Alois Roeggl dokumentiert: „Die Folgen dieses denkwürdigen Kampfes sind bekannt. Erschreckt durch die schauderhaften Auftritte von Spinges, und von den auf allen Seiten nun vorrückenden Truppen [...] gedrängt und verfolgt, eilte der Feind dem allein noch ihm offengelassenen Pusterthale zu, und machte erst Halt, nachdem er die Grenze des Landes erreicht hatte.“39 Die Verschiebung der Sichtweise auf das Ereignis spiegelt sich nicht zuletzt in den variierenden Begriffen: War zu Beginn bisweilen von einer „Affaire“, häufig auch von einem „Treffen“ die Rede, verschwanden diese Bezeichnung bald und wurden durch „Gefecht“ und „Schlacht“ ersetzt.40 Einen wesentlichen Anteil an der Propagierung eines Sieges auf Tiroler Seite hatten zweifelsohne die obersten österreichischen Behörden: Philipp von Wörndle berichtet, dass er am 6. April 1797 Oberstleutnant Luck getroffen habe, „der eben vom F[eld] M[arschall] L[ieutenant] v[on] Kerpen die offizielle Nachricht an des H[errn] Hofministers Grafen 38 39
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TLF, Abschrift der vom H[err]n Philipp von Wörndle verfaßten Geschichte, fol. 13. Alois Roeggl, Die Veteranen von Innsbruck und dessen Umgebung: eine vaterländische Denkschrift bei Gelegenheit der feierlichen Enthüllung des in der Hofkirche zu Innsbruck von den Ständen Tirols allen im Kampfe gefallenen Landesvertheidigern errichteten Ehrendenkmales, Innsbruck 1843, 31f. Das Österreichische Biographische Lexikon führt ihn als „Abt und Historiker“; https://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_R/Roeggl_Alois_1782_1851.xml (letzter Zugriff: 28.7.2020). Schennach, Revolte in der Region, 140. In der Wahl des Begriffes „Schlacht“ für dieses und andere Kriegsereignisse – ähnlich stellt es sich auch bezüglich der „Schlacht“ am Bergisel dar – in Tirol in jenen Jahren attestiert er der älteren Historiographie einen „Überschwang patriotischen Hochgefühls“. Die Benennung „Affaire“ wird z. B., neben anderen Bezeichnungen, von Jakob L. S. Bartholdy, Der Krieg der Tiroler Landleute im Jahre 1809, Berlin 1814, 66, und von Franz von Sartori, Pantheon denkwürdiger Wunderthaten volksthümlicher Heroen und furchtbarer Empörer des österreichischen Gesammt-Reiches, Bd. 1, Wien 1816, 94, benutzt. Siehe auch Franz Xaver von Kaler, Was ist als Heute geschehen? oder, Wann war das?: Tägliche Unterhaltung in Erinnerungen an merkwürdige Tagsbegebenheiten und Naturereignisse vergangener Jahre, vorzüglich seit dem Ausbruch der französischen Revolution im Jahre 1789 bis zum Jahre 1834, begleitet mit Biographien denkwürdiger Personen, Beschreibungen von Schlachten und anderen ausserordentlichen Welt- und Naturereignissen, Bd. 1, [Innsbruck 1834], Monat April, 6. Unten den Autoren, die (auch) von einem „Treffen“ sprechen, siehe z. B. Friedrich Christoph Förster, Beiträge zur neueren Kriegsgeschichte, Bd. 1, Berlin 1816, 169, 185; Friedrich August Schmidt u. Bernhard Friedrich Voigt, Neuer Nekrolog der Deutschen, 17 (1839), Weimar 1841, Nr. 82; Andreas Alois di Pauli Freiherr von Treuheim, in: Neuer Nekrolog der Deutschen 17 (1839), Teil 1, Weimar 1841, 241−251, 244; [Joseph von Hormayr], Das Land Tyrol und der Tyrolerkrieg von 1809, Bd. 1, Zweite, durchaus umgearbeitete und sehr vermehrte Auflage, Leipzig 1845, 83.
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v[on] Lehrbach Excellenz überbrachte, daß der Feind am 2ten April bey der Aktion zu Spinges 3 Bataillons eingebüsset habe, und nun durch das Pusterthal in eiliger Flucht begriffen sey“.41 Die bereits zitierte Lobeshymne General Laudons an die Tiroler transportierte das Bild des fliehenden Feindes und der siegreichen Tiroler noch im April 1797 mit Hilfe der Zeitungen des Landes. Aus staatspolitischer Perspektive lag das Interesse an der Verbreitung einer solchen Interpretation nahe: Nach den großen Belastungen dieser Jahre für die Tiroler Aufgebote und die Zivilbevölkerung lieferte diese Art der „patriotische[n] ‚Stimmungsmache‘“ einerseits eine Rechtfertigung für deren Einsatz, andererseits diente sie zur Sicherung der als weiterhin notwendig erachteten Verteidigungsbereitschaft.42 Von Erzherzog Johann ist ein „Zuruf“ vom 13. April 1809 überliefert, in dem er das Gefecht von Spinges, hier allerdings noch neben anderen Ortschaften genannt, zum erfolgreichen Vorbild stilisierte: „Dieser Zuruf ergeht an euch eben in den unvergeßlichen Gedächtnißtagen, an welchen vor zwölf Jahren bey Spinges, Jenesien und Botzen die feindliche Übermacht unter Joubert, durch euern Muth und Blut, binnen fünf Tagen in stürmischer, schimpflicher Eile aus dem ganzen Lande zu weichen gezwungen ward.“ Die Tiroler sollten diesem Beispiel nun auch im Jahr 1809, in der Situation eines neuen „Freiheitskampfes“, folgen.43 In ausgewogeneren deutschsprachigen landeshistorischen Darstellungen wird das Gefecht bei Spinges zwar nicht als das entscheidende Ereignis interpretiert, aber doch als ein wichtiger Faktor für den französischen Abzug erachtet. Der Tiroler Historiker Josef Egger schrieb im ausgehenden 19. Jahrhundert: „Die wütenden Angriffe der Bauern bei Spinges hatten die französischen Soldaten mit panischem Schrecken erfüllt.“ Und an anderer Stelle: „Noch viel wichtiger war es aber, daß die Tapferkeit der Spingeser Kämpfer den französischen Soldaten mit Furcht und Schrecken vor dem Landsturm erfüllt und sein Mißbehagen über den Aufenthalt in Tirol gesteigert hatte. [...] Doch würden darum die französischen Generale noch nicht zum Abzuge sich haben bewegen lassen.“44 Hundert Jahre später hob Meinrad Pizzinini den psychologischen Effekt von Spinges auf die französischen Soldaten hervor: „General Joubert hatte die demoralisierende Wirkung von Spinges auf seine Truppen nicht übersehen, ließ sich auf keinen Kampf mehr ein und zog am 41 42 43
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TLF, Abschrift der vom H[err]n Philipp von Wörndle verfaßten Geschichte, fol. 14. Schennach, Revolte in der Region, 104. Interessante Beyträge zu einer Geschichte der Ereignisse in Tyrol vom 10. April 1809 bis zum 20. Februar 1810, o. O. 1810, 10. Dieser Zuruf wurde in verschiedenen Büchern veröffentlicht, z. B. bei Edouard Gachot, Histoire militaire de Masséna: 1809, Napoléon en Allemagne, Paris 1912, 323; Erzherzog Johann Gedächtnisausstellung, Johanneum Graz, Graz 1959, 191. Josef Egger, Geschichte Tirols von den ältesten Zeiten bis in die Neuzeit, Bd. 3, Innsbruck 1880, 205f, 207f.
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6. April von Brixen ab, das Pustertal als Fluchtweg benützend.“45 Georg Mühlberger stellte die schweren Verluste in Rechnung, die „die Lage der Franzosen im Lande immer schwieriger“ gemacht hätten. „Gegenüber dem Versagen der militärischen Macht und Führung trat der Erfolg des Tiroler Landsturms umso auffälliger als Leistung des Volkes und seiner Verteidigungsbereitschaft hervor.“46 Anders klingende Stimmen gab es bereits im 19. Jahrhundert, die allerdings nur selten rezipiert wurden: Der Historiker und Politiker Clemens von Brandis sah den „Glanzpunkt“ nicht in der Schlacht, sondern in der Tapferkeit der Tiroler.47 Er berief sich auf Augenzeugen, Veröffentlichungen und Akten.48 Betrachte man den Hergang „mit dem ruhigen Blicke des Geschichtsforschers“, „entkleidet des poetischen Schmuckes, so sieht man nur einen mißlungenen Angriff, bei dem 5-600 unserer Landsleute allerdings mit heldenmüthiger Tapferkeit, die ein Glanzpunkt in der Geschichte ist, gegen einen vielleicht zehnmal stärkern Feind kämpften, entgegen aber mehr als 3000 andere Tiroler, die bei dem Anblicke des Feindes umkehrten, und ihre Brüder im Stiche ließen, eine für das Land wehmüthige Erinnerung!“49 Der als Historiker umstrittene Joseph Hormayr sah die „Schlacht bei Spinges“ in seinem anonym veröffentlichen Buch „Das Land Tyrol und der Tyrolerkrieg von 1809“ hingegen und nicht ohne Polemik nur als eine folgenlose „Rauferei“. Trotzdem habe es „keineswegs an athletischem Kampfesrasen, an Beispielen heroischer Todesverachtung und Aufopferung“ gefehlt.50 Eine ruhmlose Version der Spingeser Ereignisse erschien 1837 sogar in der „Österreichischen Militärischen Zeitschrift“.51 45
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Meinrad Pizzinini, Tirol in den Franzosenkriegen 1796–1814, in: Die Tirolische Nation 1790–1820, Landesausstellung im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck, 6. Juni bis 14. Oktober 1984, Innsbruck 19842, 191–217, 198. Mühlberger, Absolutismus, 481–483. Franz Graf Clemens von Brandis (1798–1864) war Historiker, Mitglied des Herrenhauses, Oberstkämmerer von Kaiser Ferdinand I. und in den Jahren 1841 bis 1848 Gouverneur von Tirol. Siehe Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL), Bd. 1 (Lfg. 2, 1954), 107. Das Lexikon ist online zugänglich unter: www.biographien.ac.at (letzter Zugriff – auch im Folgenden: 28.7.2021). Clemens Brandis, Joh[ann] Nep[omuk] Graf von Welsperg. Ein Beitrag z[ur] vaterl[ändischen] Geschichte in den letzten Jahren des vorigen und den ersten des gegenwärtigen Jahrhunderts, Innsbruck 1854, 56. Er hielt diesbezüglich fest: „Das vielbesprochene Gefecht bei Spinges wurde zuerst im Tiroler Almanach von 1802 ohne Angabe der Quelle dargestellt, und seither immer nach dieser Erzählung nachgeschrieben, ich folge der Relation des Schützenmajors v. Wörndle (Bibl. Tir. Band 1091) und einem mit dem Gerichtsanwalte und den Ausschüssen von Spinges am 30. Juni 1798 aufgenommenen Protokoll.“ Brandis, Joh[ann] Nep[omuk] Graf von Welsperg, 62. [Hormayr], Das Land Tyrol, 77, 82, 80f. Joh[ann] Bapt[ist] Schels, Der Feldzug 1797 in Italien, Inneröstreich und Tirol. Nach östreichischen Originalquellen. Schluß des zweiten Abschnittes, in: Österreichische Militärische Zeitschrift
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Helden – und in diesem Fall auch eine Heldin – gehören fast unweigerlich zu einem solchen Ereignis. Neben dem Mädchen von Spinges werden der Kommandant Philipp von Wörndle und Mitkämpfer wie Anton Reinisch, ein Sensenschmied aus Volders, und Georg Fagschlunger aus Axams, auch unter „Priska“ bekannt, in den unterschiedlichen Darstellungen am öftesten erwähnt. Da Spinges in der französischen Historiographie kaum aufscheint, ist es wenig verwunderlich, dass auch das Mädchen von Spinges, soweit wir das überprüfen konnten, dort nicht vorkommt. Bemerkenswert ist, dass die Konstruktion dieses Mädchens als Heldin von Beginn an auch unter der Titulierung als „Tiroler Jeanne d’Arc“ lief, die ihr Vaterland vom Angriff der Nation der ‚echten‘ Jeanne d’Arc rettete.52
3 Kein Mädchen von Spinges?
Die Spurensuche machte schnell deutlich, dass auch so manche Tiroler Quelle zum Ereignis das Mädchen von Spinges nicht nennt beziehungsweise seine Existenz bisweilen negiert wurde. Eine gewichtige Stimme in dieser Hinsicht war jene von Franz Pfaundler,53 der als Student an den Kämpfen teilgenommen hatte. Philipp von Wörndle bezeichnete ihn als einen „getreuen“ Gefährten.54 Von Pfaundler gibt es einen Brief, in dem er das Gefecht schildert. Das Mädchen von Spinges erwähnt er nicht, obwohl er die Szene auf dem Friedhof – zumindest einer späteren Abschrift gemäß – detaillierter als von Wörndle beschrieb: „Wir hatten keine Zeit zu zögern, die Gefahr näherte sich gänzlich. Wir erhoben also auch, so wie die Feinde, ein fürchterliches Geschrei, liefen alle auf den Friedhof, der um die Kirche im Dorfe gebaut und mit einer hohen Mauer, in welche solche Öffnungen nach Art der Schußscharten angebracht waren, umgeben war, hinein. Dieser Platz war für
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8 (1837), 138–198, 174: „Die erste auf dem Ritzeil versammelte Kolonne des Landsturms rückte indeß über das Valser Iöchl gegen Mühlbach, wohin sie die bei Spings ihr entgegen gestandene feindliche Truppe zurückschlug. Sie verfolgte jedoch den Feind in so großer Unordnung, daß sie von dem bei Mühlbach aufgestellten französischen Rückhalt mit Verlust zurückgeworfen wurde. Der größte Theil dieser 5000 Mann zerstreute sich, und am Abend fanden sich kaum 500 derselben auf den Höhen, woher sie gekommen, zusammen.“ Schels (1780–1847) war Offizier und Historiker. ÖBL, Bd. 10 (Lfg. 46, 1990), 73f. Tiroler Almanach auf das Jahr 1802, in: Annalen der Österreichischen Literatur 38, 18 (März 1802), Sp. 139–142, Sp. 140; Preu, Historische, topographische und statistische Nachrichten, 18, 33f. Franz Pfaundler, geboren 1776 in Reutte, war 1797 als Student an den Kämpfen beteiligt. Er wurde Priester und war seit 1825 als solcher in Dietenheim bei Bruneck tätig; er starb 1859. Schematismus der Geistlichkeit der Diözese Brixen für das Jahr 1840, Brixen 1840, 26; Ferdinand Lentner, Kriegspolitische Denkwürdigkeiten aus Tirols Befreiungskämpfen. Das Jahr 1797, Innsbruck 1899, 80, Anm. 1. TLF, Abschrift der vom H[err]n Philipp von Wörndle verfaßten Geschichte, fol. 10.
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dießmal unser Glück, denn er diente uns wie eine Festung und von hier aus konnten wir das ganze Feld übersehen und mit unsern Stutzen bestreihen. Auf diesem für uns so günstigen und für die Franzosen so nachtheiligen Posten hielten wir uns über eine Stunde, wir konnten hinter der Mauer gut laden und sicher feuern, die Feinde schossen alle zu hoch, sie haben in der Kirche fast alle Fenster zerfetzet und das Dach beschädiget.“ Im weiteren Verlauf der Darstellung geht es um die Verwundeten, den allmählichen Rückzug der französischen Truppen und um neuerliche Konfrontationen.55 Berichten zufolge bestritt Pfaundler explizit die Existenz der Heldin auf spätere Nachfrage hin. Ludwig Steub, ein liberal gesinnter Advokat aus München,56 stellte im Herbst 1875 eigene Recherchen in Spinges an. Er schrieb, dass sich der dortige Kurat Joseph Stecher, seit über dreißig Jahren Geistlicher im Ort und mit seinen 77 Jahren „noch sehr rüstig“ und „gesprächig“, bereits viel Mühe gegeben habe, „um der Sache auf den Grund zu kommen“. Er sei auch in persönlichem Kontakt zu Franz Pfaundler gestanden, der als Kurat in Dietenheim bei Bruneck tätig gewesen war. Dieser habe ihm jedoch versichert, „so oft“ er es habe hören wollen, „er sei als Student und Landesschütze damals an der nächsten Zinne gestanden und hätte das Mädchen, wenn es vorhanden gewesen, unter allen Umständen wahrnehmen müssen, habe aber nichts davon gesehen“.57 55
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Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 117, Bericht des H[er]rn Franz Pfaundler, Studenten des 2. filosof[ischen] Kurses in Innsbruck, über seine Kampferlebnisse am 2. April 1797 in Spinges. Hierbei handelt es sich um eine Abschrift von Jakob Stubenruß, Kurat in Spinges, aus den 1930er oder 1940er Jahren. Er gibt an, dass das Original in Innsbruck liege und an „Prof. Dr. Pfaundler“, einen Verwandten von Franz Pfaundler, adressiert sei. Seine Abschrift stützt sich auf jene des Kanonikus Franz Hirn, die im Kassianeum in Brixen hinterlegt sei. Ferdinand Lentner nennt eine Abschrift des Bibliotheksdirektors und Regierungsrats von Hörmann, der ebenfalls mit dem Briefschreiber verwandt gewesen sei. Siehe Lentner, Denkwürdigkeiten, 80. Von Wörndle beschrieb die Friedhofsszene folgendermaßen: „Das Gefecht begann nun auf allen Punkten, vergebens setzten die feindlichen Soldaten ihre Bajonete entgegen, […] es folgte Schlag auf Schlag, ein klägliches Heulen der Feinde, die unter den fürchterlichen Streichen fielen, unterbrach jetzt das Stillschweigen des Musketenfeuers. [...] Das ärgste Gemetzel entstund bey dem Dorfe Spinges, wo sich eine durch das Gefecht bereits ermattete Truppe von Bauern in den Freithof warf; mein Ordonance Corporal Türk sprengte hier die Thür zum Thurm auf, und zog die Sturmglocke; die Feinde konnten hier der Masse nichts abgewinnen; die Mauer diente ihr zur Brustwehre, und die Scharfschützen hatten hier Gelegenheit, Viele derselben zu erschüssen; die Feinde stürmten öfter, wurden aber eben so oft zurückgeschlagen; man sah hier unter anderen eine Bauersmagd aus Spinges [...]“ etc. TLF, Abschrift der vom H[err]n Philipp von Wörndle verfaßten Geschichte, fol. 6’ u. 7’. Ludwig Steub (1812–1888) war auch Sprachforscher und Schriftsteller, der zahlreiche (Reise-)Schilderungen und Erzählungen über den Alpenraum, darunter auch über Tirol, verfasst hat, z. B. „Drei Sommer in Tirol“ (1846). Siehe Thomas Götz, Bürgertum und Liberalismus in Tirol 1840– 1873. Zwischen Stadt und ‚Region‘, Staat und Nation, Köln 2001, 75, Anm. 170. Ludwig Steub, Das Mädchen von Spinges, in: ders., Lyrische Reisen, Stuttgart 1878, 255–260, 258.
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Von Lorenz Rangger, einem „Bauersmann und Patrioten“ aus Völs, sind Aufzeichnungen seiner Kriegserlebnisse einschließlich des Gefechts von Spinges, ediert. Über den 2. April schreibt auch er nur über das Kampfgeschehen: „Gegen 8 Uhr Morgens nam das Gefecht den Anfang. Von beiden Seiten wurde ununterprochen Feuer geben. Obwol der Feind an Macht uns weit Überlegen, kan man doch auf keine Weiße sagen, das die Franzosen Gesiegt hättn. Wir hattn das Dörfl Schpinges genomen, in welchem uns besonders die Mauern um den Gottes-Acker als Schanzen dientn. Man raufte sich um jeden Gartn und Hofraum, wobey merere durch Bajonettgefecht und Säbelhieb Tod oder Verwund worden. Wir zählten bey 80 Todte; und noch merere Verwundte. Feindesseite aber weil bey uns guhte Schützen, wurden 3, 4mal mer tot und Blessiert [verwundet]. Das Gefecht dauerte von 8 Uhr Morgens bis 4 Uhr Abents, weshalben wir uns wegen herannahender Nacht; und Mangel an Brofant [Proviant] zurückziehen mussten und über Berg an die nächst gelegene Ortschaft begeben.“58 Ein Hinweis auf die Frauengestalt mit der Heugabel fehlt – wie auch in dem zuvor zitierten Bericht von Simon Laichartinger.59 Thomas Leimgruber, der in der fraglichen Zeit Kurat von Spinges war, trug im Totenbuch der Pfarre einen kurzen lateinischen Kommentar zum 2. April 1797 in der Rubrik, in der ansonsten die Namen der Verstorbenen vermerkt sind, unter der Überschrift „Fremde Schüzen“ ein. Seine Wahrnehmung des Gefechtes weicht, wie bereits erwähnt, von der ‚offiziellen‘ Darstellung deutlich ab: An diesem Tag habe sich auf dem Spingeser Berg ein Kampf60 zwischen Tirolern aus Innsbruck und Umgebung und den feindlichen Franzosen zugetragen. Letztere seien von den Tirolern, die oben vom Berg herunterkamen, dreimal abgewehrt worden. Doch bald, verstärkt durch Truppen, die von allen Seiten zu ihrer Unterstützung herbeigeströmt seien, hätten die Franzosen die Tiroler, die ihrerseits von den Pustertalern allein gelassen wurden, in die Flucht geschlagen. Außer einigen, die an verschiedenen Plätzen verscharrt worden seien, hätten die Franzosen 46 Tiroler getötet, die er, der Kurat, im Spingeser Friedhof beerdigt habe. Die Feinde aber hätten ihre Gefallenen entweder in das Feuer des brennenden Erschbaumer Hofes geworfen oder anderswo vergraben. Am 6. April dann, als alle Häuser geplündert waren und die Franzosen von der Ankunft des kaiserlichen Generals Laudon hörten, seien sie erschrocken nach Lienz abgezogen. Vorher hätten sie zahlreiche Brücken durch Brand zerstört, sodass die 58
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Ferdinand von Scala (Hg.), Kriegserlebnisse des Bauersmannes und Patrioten Lorenz Rangger genannt Stubacher von Völs bei Innsbruck, in den Jahren 1796 bis 1814. Nach dem Originalmanuskript im Pfarrarchiv von Völs, Innsbruck 1902, 13f. TLF, Laichartinger, Beschreibung des Landsturmes. Im Original heißt es proelium, ein Begriff, der in der Übersetzung alle Nuancen zulässt: Kampf, Schlacht, Treffen und Gefecht.
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Verfolger aufgehalten wurden. Aus Leimgrubers kurzer Darstellung spricht keine Siegespose und ein Heldenmädchen fehlt.61 Ausführlicher schildert Leimgruber die Ereignisse in einem an den Brixner Bischof gerichteten Bericht. Der das Kampfgeschehen betreffende Duktus ist dem Eintrag im Totenbuch sehr ähnlich: „Den 2ten April am besagten schwarzen Sonntag kamen von den Landsturm äußere Schützen vom Joche herab […].“62 Von einem Mädchen findet sich auch hier keine Spur. Dieser Bericht scheint in den Brixner Hofratsprotokollen von 1797 zwar nicht auf,63 doch unter dem 18. Juli des Jahres finden sich Hinweise auf die Ereignisse in Spinges, und zwar in Zusammenhang mit dem in Brand gesetzten Erschbaumerhof: Johann Michaeler, dessen Inhaber, ersuchte um den Erlass des Grundzinses und um eine „reichliche Brandsteuer“ von Seiten der „tyrolischen Landschaft“. Die Franzosen hätten, „um die eigentliche Zahl ihrer Toden zuverhellen, die plesierte [Verwundeten] und Todte in des Bittstellers neu erbauten Stadel zusammen geworffen, rings her Feuer angeleget, somit Hauß, Stadel, Stallung, Vieh, Getreid, gesamte Fahrniß im Feuer abgebrant“. Der Schaden wurde mit 3.000 Gulden beziffert.64 Einige Seiten später findet sich ein knapper Hinweis auf eine Schadenserhebung in Spinges: „Der Herr Hofrichter produciret das Zeugnis des Gerichtsschreibers Keilling, was zu Spings in betref des feindlichen Überfalls zuerheben gewessen.“65 Ludwig Steub schreibt, dass eine fürstbischöfliche Kommission wenige Wochen nach dem Kampf bei Spinges ins Dorf gekommen sei, „um den Schaden zu schätzen, den die französischen Verwüstungen angestiftet“ haben. Die Kommission habe „fünf Ducaten mitgebracht, um sie im Auftrage des Fürstbischofs und Landesherrn dem tapferen Mädchen, das sie ausfindig machen sollte, zu verehren – allein die Heldin sei trotz aller Nachfragen nicht zum Vorschein gekommen“.66 Im Hofratsprotokoll steht allerdings nichts von dieser Nachforschung und Verehrung. Dennoch hat sich diese Episode durch populäre Veröffentlichungen in der Erinnerungskultur verfestigt, so dass mache Versionen von der Belohnung des Mädchens schreiben. Die Szene wurde schließlich auch bildlich dargestellt (Abb. 8). Das Gemälde ist allerdings erst Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden, es stammt von Jan, auch Johann Batista Rudiferia (1870–1925).67 61 62 63 64 65 66 67
Pfarrarchiv Spinges, Liber Mortuorum, fol. 16; siehe Anm. 10 in diesem Kapitel. TLF, Bericht über den feindlichen Einfall der Franzosen in Spings, fol. 1–3, fol. 1’–2. Der Bericht liegt in einer Abschrift vor. Ein solcher Bericht ist abgedruckt bei Steinmair, Heiliggrab-Denkmäler, 588f. Diözesanarchiv (DIÖA) Brixen, Hofrathsprotokoll 1797, fol. 189–189‘. DIÖA Brixen, Hofrathsprotokoll 1797, fol. 217. Steub, Das Mädchen, 258. Das Bild „Catarina Lanz vёn premiada“ befindet sich in Privatbesitz. Abgedruckt ist es beispielsweise bei Lois Trebo (Hg.), Mareo dé fora en gaujiun dai duiciont agn che Catarina Lanz è na-
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Abb. 8: Jan Batista Rudiferia (1870–1925), „Katharina Lanz wird belohnt“. Einer überlieferten Geschichte zufolge wurde das Mädchen von Spinges von einer fürstbischöflichen Kommission belohnt. Diese Episode lässt sich nicht nachweisen und hat keine Spuren in den Quellen hinterlassen, doch wurde sie immer wieder beschrieben und auch abgebildet.
Erwin Adalbert Steinmair bezieht sich in seiner Publikation auf einen Anhang zum Bericht des Spingeser Kuraten Thomas Leimgruber, in dem dieser von einem Wunder berichte, die Existenz des Mädchens von Spinges aber dementiere: Drei Tage lang habe in der Kirche das Ewige Licht gebrannt, ohne menschliches Zutun, und weiter: Das Erscheinen „dieses Mädchens“ gehöre aber „wohl zu den Fabeln“. Er führt einen gewissen Leyherr, „der als Trompeter und Anführer von 60 Mann aus Igls und Vill“ dabei gewesen sei, als Gewährsmann an: Weder dieser noch „15 Mann von den Seinigen“, die noch auf dem Friedhof standen, als er schon unterwegs war, um Unterstützung zu holen, haben sciüda, Fanes 1971; in zwei Versionen in Craffonara/Dorsch, Catarina Lanz, 110–110. Eine Version in Schwarzweiß findet sich in Rudolf Granichstaedten-Czerva, Andreas Hofers alte Garde, Innsbruck 1932, 423f.
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I Eine umstrittene Schlacht und eine geheimnisvolle Heldin
eine Magd gesehen.68 Auch in den Aufzeichnungen des Prälaten von Neustift Leopold Erlacher (1790–1832) kommt kein tapferes Mädchen vor. Tatsächlich floh Erlacher bereits am 24. März aus Neustift, in der Nähe von Spinges, und kehrte erst am 22. April zurück. Trotzdem steht in seinen Aufzeichnungen, die er dem Herausgeber Ammann Hartmann zufolge „meist gegen Ende jedes Jahres oder beim Beginn des nächsten“ verfasst haben soll, eine Beschreibung der Spingeser Ereignisse – auch hier ohne Mädchen von Spinges.69 Schließlich findet sich auch in diversen publizierten Darstellungen der Ereignisse von Spinges im April 1797 keine Spur des heldenhaften Mädchens. Carl von Eibergs Buch „Tyrols Vertheidigung gegen die Franzosen in den Jahren 1796 und 1797“ erschien bereits 1798 in Innsbruck. Darin heißt es zum Beispiel: „Baron von Kerpen […] fiel die Feinde in der Flanke an und lieferte denselben bey Spinges unweit Mühlbach ein höchst blutiges Treffen, das von 9 Uhr Morgens bis 5 Uhr Abends dauerte, wo mehrere hundert Feinde größtentheils durch die kraftvollen Kolbenstreiche der tapfern Tyroler erlegt, und die Republikaner in Furcht und Schrecken dergestalt versetzet wurden, daß sie noch in der Nacht durch einen mächtigen Verbau sich verschanzten, und zum Abzuge anschickten.“70 Das mutige Mädchen ist auch in dem von August Lewald 1835 in München erschienenen Buch „Tyrol, vom Glockner zum Orteles, und vom Garda- zum Bodensee“ nicht genannt. Bei ihm standen die im Gefecht von Spinges verwundeten Brüder Peter und Pankraz Haider im Zentrum, über deren weiteres Geschick er mehrere Seiten schrieb.71 68 69
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Steinmair, Heiliggrab-Denkmäler, 567. Hartmann Ammann, Die Aufzeichnungen des Prälaten von Neustift Leopold Erlacher über die Jahre 1790–1816, in: Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs, hg. durch die Direktion des k. k. Statthalterei-Archives in Innsbruck, Innsbruck 1904, 120–161, 121. Zu den Ereignissen Ende März, Anfang April 1797 kommentierte Erlacher: „Und diese Gäste hatte man von dem 24. März bis auf den 5. April. Der 5. April war der Tag, wo der Major Laudon, nachdem er schon Bozen und die ganze Gegend von dem Feind gereiniget, in Brixen eintraf. Militär hatte er fast keines, sondern bei 10.000 Bauern, und der Feind floh wie der Blitz, brennte die Brücke in der Oberau, in Aicha die s[o] g[enannte] Latritscher Brücke und die unserige samt dem Turm ab. Kerpen, obschon er viel näher war, kam später nach Brixen. Die Feind nahmen ihre Flucht durch das Pustertal [...].“ Ebd., 139. Carl von Eiberg, Tyrols Vertheidigung gegen die Franzosen in den Jahren 1796 und 1797 nach ihren Haupt-Epochen und Grundzügen aus Urkunden, Innsbruck 1798. Darin sind mehrere Dokumente abgedruckt. Der Bericht über das Gefecht ist dem Hauptteil des Buches entnommen: Relation der beyden ständischen Landesschutz-Deputationen erstattet am 25ten Julius 1797 an den zu Innsbruck versammelten landschäftlichen engern Ausschuß-Congreß über die Haupt-Epochen der Landes-Vertheidigung gegen die Franzosen in den Jahren 1796, und 1797, 1–96, 79. Eiberg war Generalreferent des Landtagsausschusses. Siehe Schennach, Revolte in der Region, 102. August Lewald, Tyrol, vom Glockner zum Orteles, und vom Garda- zum Bodensee 1833–34, München 1835, 42–45. Dasselbe gilt auch für das Buch von Ferdinand Petrossi, Rückblick auf Tirols Kämpfe von 1363 bis zum heutigen Tage. Eine Festgabe zu den Jubeltagen 1863, Wien 1863, 31.
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Im später immer wieder erwähnten „Spingeser Schlachtlied“, einem Siegeslied, das mit der Flucht der französischen Truppen endet und als eines der populärsten Lieder dieses Genres in jener Zeit gilt, und das (im Unterschied zu den meisten anderen Kriegsliedern) weitertradiert wurde,72 ist von einer Heldin – einmal mehr – keine Rede.73
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Gegenüber den im Lauf der Jahrzehnte immer wieder geäußerten Zweifeln an einem Heldenmädchen von Spinges überwogen die Stimmen und die Aktivitäten jener, die dessen Existenz als gesichert erachteten. Den Bericht von Philipp von Wörndle, der im Gefecht bei Spinges als Kommandant eingesetzt war, haben wir bereits erwähnt. Durch diesen, aber auch durch bildliche Darstellungen der Szene, kam die Heldinnengeschichte ins Rollen. Soweit es sich überblicken lässt, gibt es mindestens drei zeitgenössische Berichte zu den Ereignissen des 2. April 1797 in Spinges, in denen die Heldin erwähnt ist. Alle drei dürften in einem gewissen Zusammenhang zueinander stehen. Als wichtigste Referenz gilt der insgesamt 27 Blätter umfassende Bericht Philipp von Wörndles. Er ist auf den 18. Januar 1798 datiert, entstand also ein dreiviertel Jahr nach dem Ereignis selbst. Allerdings ist er im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck nur in einer Abschrift erhalten. Heinrich von Wörndle merkte in seinem 1894 veröffentlichten „Lebensbild“ seines Vorfahren an, dass jener diesen Bericht für die „Tirolensien-Sammlung des Freiherrn v[on] Dipauli 72
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Silvia Maria Erber u. Sandra Hupfauf, Lieder der „Freiheit“ – Betrachtungen politischer Lieder der Tiroler Geschichte (1796–1848), in: Marco Bellabarba u. a. (Hg.), Eliten in Tirol zwischen Ancien Régime und Vormärz/Le élite in Tirolo tra Antico Regime e Vormärz. Akten der internationalen Tagung vom 15. bis 18. Oktober 2008 an der Freien Universität Bozen, Innsbruck u. a. 2010, 487– 513, 490, 493. Zur „Befreiungslyrik“ als einem publizistischen Medium siehe Hagemann, Heran, heran, zu Sieg oder Tod. Abgedruckt ist das „Spingeser Schlachtlied“ beispielsweise in dem Band von Norbert Stock, Der Tag bei Spinges (2. April 1797), Brixen 18912, 63–65, als Auftakt zu einem Abschnitt über den Tag bei Spinges „im Kranze vaterländischer Dichtung“ mit weiteren Gedichten. Das Werk ist übrigens im Verlag des Erzherzog Karl Ludwig-Veteranenvereins erschienen. In leichter Abwandlung abgedruckt ist es auch bei Josef Feder, Ueber die tirolischen Kriegslieder der Jahre 1796 und 1797, in: Programm des K. K. (vereinigten) Staats-Gymnasiums in Teschen für das Schuljahr 1881/82, Teschen 1882, 1–48, 29f. Er nennt es „das herrlichste aller tirolischen Kriegslieder“, ebd., 26. Der Verfasser des „Spingeser Schlachtliedes“ („Kriegslied eines Tyrolers im Landsturm“, 1797) war Franz Karl Zoller (Klagenfurt, 1748 – Innsbruck, 1829), Mundartdichter, Topograph, Graphiker, Regierungsbaudirektor in Innsbruck und Verfasser anderer Kampflieder während des Tiroler Freiheitskampfes gegen die Franzosen und Bayern; siehe Zoller, Franz Karl, in: aeiou. Österreich Lexikon, www.aeiou.at/aeiou.encyclop.z/z740585.htm (letzter Zugriff: 23.9.2020).
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im Winter 1798“74 geschrieben habe, „also noch in frischer Erinnerung an die Ereignisse des 2. April 1797“.75 Was das Mädchen von Spinges betrifft, heißt es darin, wie eingangs bereits zitiert: „[M]an sah hier unter anderen eine Bauersmagd aus Spinges, welche mit zusammgegürteten Unterkleide und fliegenden Haaren auf der Freithofmauer stund, und die stürmenden Feinde mit einer Gabel hinunter stieß.“76 Von Wörndles Bericht ist als „Relation über den Landsturm im Monat März und April 1797“ gekürzt in der Schrift von Alois Roeggl „Die Veteranen von Innsbruck und dessen Umgebung“ aus dem Jahr 1843 abgedruckt.77 In dieser Fassung heißt es zum Schluss, dass das Mädchen von Spinges die Feinde „mit ihrer kräftig geführten Heugabel hinunterstieß“.78 In einer Fußnote ist vermerkt, man habe dieses „schätzbare Aktenstück“ vom „k. k. jublirten Normalschullehrer“ Anton Hörtenberger aus Innsbruck erhalten, in dessen Besitz es aus dem Nachlass des verstorbenen Normalschullehrers Ignaz Schmid gelangt sei.79 Das lässt darauf schließen, dass der Bericht zirkulierte und vielleicht auch in mehreren Abschriften im Umlauf war. Ein zweiter Bericht hat Eingang in die Innsbrucker Chronik von Johann und Gottfried Pusch gefunden. Karl Schadelbauer nimmt in seinem Artikel aus dem Jahr 1938 an, dass dieser „möglicherweise noch vor dem Berichte Wörndles, vielleicht sogar schon bald nach der Schlacht“ entstanden sein könnte.80 Doch lässt sich dies nicht mehr feststellen. Schadelbauer schreibt: Er sei zwar auf den 6. April datiert – ein früheres Datum, der 5. April, sei überschrieben worden –, doch handle es sich um zwei Einzelblätter als Beilage 74
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Andreas Freiherr Di Pauli von Treuheim (1761–1839) war ein aus Aldein gebürtiger Jurist, Magistratsrat und Bürger von Bozen, der sich im Ersten Koalitionskrieg an der Tiroler Landesverteidigung beteiligt hatte und 1798 geadelt wurde. Im Jahr 1803 an das Appellationsgericht Innsbruck berufen, war er ab 1816 Hofrat bei der Obersten Justizstelle in Wien, in der Folge Landrechtspräsident der Steiermark und Präsident des Innsbrucker Appellationsgerichts. Di Pauli war an der Errichtung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum beteiligt und vermachte diesem seine Handschriftensammlung, die sogenannten „Dipauliana“. ÖBL, Bd. 1 (Lfg. 2, 1954), 186; Wolfgang Meighörner, Das Tagebuch des Appellationsrates Andreas Alois Baron di Pauli von Treuheim, in: Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 1 (2008), 205–329, 205f. Wörndle, Dr. Philipp von Wörndle, 39, Anm. 1. TLF, Abschrift der vom H[err]n Philipp von Wörndle verfaßten Geschichte, fol. 7’–8. Roeggl, Die Veteranen, 19–31. Roeggl, Die Veteranen, 29. Roeggl, Die Veteranen, 19, Anm. 6. Karl Schadelbauer, Die erste Erwähnung des „Mädchens von Spinges“, in: Amtsblatt der Gauhauptstadt Innsbruck 4, 9 (15.9.1938), 5–6, 5. Karl Schadelbauer (1902–1972) war Arzt und im städtischen Gesundheitsamt in Innsbruck tätig. Halbtags betreute er ab 1937 gleichzeitig das Innsbrucker Stadtarchiv, dessen Leiter er bis 1967 war. Siehe Gertraud Pfaundler-Spat, Tirol Lexikon. Ein Nachschlagewerk über Menschen und Orte des Bundeslandes Tirol, Innsbruck/Wien/Bozen 2005, 511.
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zur Chronik, also nicht um einen fortlaufenden Eintrag. Denkbar wäre nach Schadelbauer auch, dass die Informationen von Wörndle selbst stammten – denn Pusch scheine „manchmal fast einen Auszug der Wörndlischen Darstellung zu geben“.81 Karl Schadelbauer hatte als Stadtarchivar von Innsbruck die Chronik im Original zur Hand. Sie war im 19. Jahrhundert von der Stadt Innsbruck angekauft, durch die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg allerdings stark beschädigt und zum Teil zerstört worden. Vorhanden sind noch die Bände für die Zeiträume von 1765 bis 1781 und von 1806 bis 1817. Der Band zum Jahr 1797 existiert nur mehr als Abschrift.82 Dabei handelt es sich um einen fortlaufenden Text, in den die ursprünglich nur eingelegten Blätter nahtlos integriert sind. Zudem wurden nicht nur orthographische, sondern auch sprachliche und stilistische Anpassungen vorgenommen. Auch dieser Bericht ist im Original also nicht mehr zugänglich. Die Passage zum Mädchen von Spinges lautet in der Abschrift der Chronik: „Die vorderste ermattete Truppe der Bauern hatte sich in den dortigen Kirchhof gewendet. Am heftigsten wüthete jetzt da die wechselseitige Erbitterung. Von den Mauern des erwähnten Freithofes wurden die Franzosen mit Sensen, Gewehrkolben und Heugabeln zurückherabgestossen. Die Bewohner von Spinges labten die Landstürmer u[nd] fochten an ihrer Seite. Ein Bauermädchen zeichnete sich hier als Heldin aus, sie stieß drei stürmende Feinde mit einer Heugabel von der bereits erklimmten Mauer herab.“83 Im Vergleich zum Bericht von Wörndles fehlen einige Details: das zusammengegürtete Unterkleid und die fliegenden Haare. Das Mädchen von Spinges wird hier im Unterschied zu von Wörndles Darstellung als „Heldin“ bezeichnet und die Anzahl von drei bezwungenen Feinden eingeführt.84 Im Pfarrarchiv Spinges befindet sich ein dritter undatierter Bericht mit dem Titel „Kurze Üebersicht des französischen Einfalls in Tyrol im Jahre 1797 als ein Beytrag zur vaterländischen Geschichte, worunter erstlich die Affarire von Spinges besonders erwähnt zu werden verdient“ (Abb. 9).85 Auf Seite fünf steht folgende Passage: „Das ärgste Gemetzel entstand bey dem Dorfe Spinges, wo sich eine durch das Gefecht bereits ermattete Bauerntruppe in den Gottsacker warf. Die Feinde konnten hier der Masse nichts abgewinnen; 81 82 83 84 85
Schadelbauer, Die erste Erwähnung, 6. Für diese Informationen danken wir Roland Kubanda vom Stadtarchiv Innsbruck. TLF, Chronik von und für Innsbruck von Johann Pusch, k. k. Hofportier, vom Jahre 1781 bis Ende 1806 (Signatur FB 1223), fol. 40’–41. Die Dreizahl scheint in diversen kolportierten Berichten und Gerüchten über Helden- und Heldinnentaten auf. Siehe Schennach, Revolte in der Region, 510. Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 117, Kurze Üebersicht des französischen Einfalls in Tyrol im Jahre 1797 als ein Beytrag zur vaterländischen Geschichte, worunter erstlich die Affarire von Spinges besonders erwähnt zu werden verdient, ohne Datum. Das Dokument umfasst 9 ¼ Seiten. Abgedruckt ist es unter dem Titel: Die Spingeser Schlacht, in: Andreas Hofer 3, 48 (25.11.1880), 383–385 und 49 (3.12.1880), 390–391.
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Abb. 9: Der undatierte Bericht „Kurze Üebersicht des französischen Einfalls in Tyrol im Jahre 1797 als ein Beytrag zur vaterländischen Geschichte, worunter erstlich die Affarire von Spinges besonders erwähnt zu werden verdient“ aus dem Pfarrarchiv Spinges enthält eine frühe Version des Auftritts der Heldin.
die Mauer diente zur Brustwere, die Feinde stirmten oft, wurden aber eben so oft zuruck geschlagen. Man sah unter andern eine Bauersmag[d] aus Spinges, welche mit zusammgegürtetem Unterkleide und fliegenden Haaren auf der Mauer stund, und die stürmenden Feinde mit einer Gabel hinunter stieß.“ Dieser Passus klingt jenem aus dem Bericht von Wörndle sehr ähnlich. Welcher von beiden früher zu datieren ist, ob diese „Üebersicht“ zeitnah verfasst wurde,86 lässt sich nicht mehr klären. Ziemlich sicher dürfte sein, dass diese wenigen Zeilen mit leichten Abweichungen am Beginn der Wirkungsgeschichte des Mädchens von Spinges stehen. Die Szenerie dieser Momentaufnahme kehrt in der Folge in unzähligen Variationen wieder. Wesentlichen Anteil an der weiteren Verbreitung der Heldinnenfigur hatte ein Artikel, der im „Tiroler Almanach“ des Jahres 1802, also fünf Jahre nach dem Gefecht, in Wien gedruckt wurde. Anklänge an die zuvor zitierten Berichte sind unverkennbar, aber 86
Anselm Sparber, Wer war das Heldenmädchen von Spinges?, in: Der Schlern 22, 5 (1948), 181–188, 182, Anm. 4.
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Abb. 10: Carl Robert Schindelmayer, „Das Mädchen von Spinges auf der Kirchhofmauer“. Diese Abbildung wurde 1802 im „Tiroler Almanach“ veröffentlicht, der mit seiner Darstellung des „Masse-Aufstand[s] der Tiroler gegen die Franzosen“ wesentlichen Anteil an der Verbreitung der Heldinnenfigur hatte. Der zusammengegürtete Rock nimmt die Gestalt einer Pluderhose an.
es gibt auch Unterschiede. Die Beschreibung des Mädchens von Spinges – hier, wie in der Pusch-Chronik, ein Bauernmädchen, keine Magd –, ist um die „jungfräuliche Schamhaftigkeit“ erweitert: „Ein Bauernmädchen, um ihren ermatteten Landsleuten beyzustehen, sprang hier auf die Kirchhofmauer, heftete sich mit jungfräulicher Schamhaftigkeit den Rock unten zusammen, und stieß drey stürmende Franzosen mit einer Heugabel von der bereits erklimmten Mauer hinab.“87 Verwiesen wird des Weiteren auf „das Titelkupfer“ des Almanachs zu eben diesem Thema: „Das Mädchen von Spinges auf der Kirchhofmauer“, eine Radierung von Carl Robert Schindelmayer (Abb. 10). Die Haare fliegen im Almanach nicht – weder im Text noch auf dem Bild. Doch versucht der Kupferstich das Zusammengürten beziehungsweise Zusammenheften des Rockes abzubilden. Die Darstellung gleicht mehr einer knöchellangen Pluderhose als einem Kleid. Diese Charakteristika kommen noch klarer auf einem Aquarell zum Ausdruck, das laut Roberto Pancheri als Vorbild für den Kupferstich von Schindelmayer gedient haben soll.88 87 88
Der Masse-Aufstand der Tiroler gegen die Franzosen im Jahre 1797. Aus Urkunden, in: Tiroler Almanach auf das Jahr 1802, 9–40, 31. Roberto Pancheri, La vergine di Spinga guida la rivolta contro i francesi, in: ders., Silvano Groff
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I Eine umstrittene Schlacht und eine geheimnisvolle Heldin
Auf dem Aquarell trägt das Mädchen ein Kopftuch, was einer Bauernmagd durchaus entsprechen würde. Der Rock indessen hat sich hier eindeutig in eine Pluderhose verwandelt. Diese Pluderhose und das Tuch, das einem Turban ähnlich ist, verleihen dem abgebildeten Mädchen ein fast orientalisches und vermännlichtes Aussehen. Dies könnte der Grund dafür gewesen sein, dass die Darstellung auf dem Kupferstich im Vergleich zum Aquarell ein wenig abgeändert wurde: Das Tuch ist verschwunden, und das Unterkleid, zwar auch hier einer Hose ähnlich, kann im Unterschied zur Vorlage, wenn man nicht genau hinsieht, für einen Rock gehalten werden. Wann das Aquarell entstanden ist, ließ sich bislang nicht feststellen, sehr wahrscheinlich zwischen 1797 und 1802. Möglicherweise wurde es kurz vor der Veröffentlichung des Tiroler Almanachs gemalt. Vielleicht war dem Maler die breit überlieferte Geschichte der neapolitanischen Revolutionärin Eleonora Fonseca Pimentel bekannt. Das könnte dazu beigetragen haben, dass er die Figur auf diese Art und Weise dargestellt hat. Eleonora Fonseca Pimentel war im August 1799, als nach wenigen Monaten der „Parthenopäischen Republik“ die bourbonische Monarchie wieder zurückkehrte, in Neapel hingerichtet worden. Sie war 1752 in Rom geboren, eine hoch gebildete Frau und Schriftstellerin. Wegen jakobinischer Aktivitäten im Oktober 1798 verhaftet, kam sie Anfang des Jahres 1799 frei, nachdem der König vor den herannahenden französischen Truppen geflüchtet war.89 Sie war eine Protagonistin der daraufhin errichteten neapolitanischen Republik. Sie gab eine Zeitung heraus, den revolutionären „Monitore napoletano“, in dem sie für Freiheit und gegen die Tyrannei der Bourbonen eintrat. Doch war die „Parthenopäische Republik“ nur von kurzer Dauer und damit wendete sich das Blatt wieder. Am 17. August 1799 wurde sie – von Zeitgenossen als „donna virile“, vermännlicht, gezeichnet – wegen ihres republikanischen Einsatzes zum Tode verurteilt und mit ihr in diesen Sommerwochen mehr als hundert ihrer Gesinnungsgenossen. Die Hinrichtung erfolgte auf der Piazza del Mercato in Neapel. Sie hatte mittels einer Supplik und mit Rekurs auf ihre adelige Herkunft ersucht, nicht durch den Strick sterben zu müssen. Als Adelige hatte sie zwar ein Recht darauf, enthauptet zu werden, dieses wurde ihr jedoch verweigert. Die letzte Sorge für die eigene Person, schreibt Maria Rosaria Pelizzari, galt so ihrem Kleid, das sie am Saum umgürten wollte, um ihren am Galgen pen-
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u. Rodolfo Taiani (Hg.), Trento Anno Domini 1803. Le invasioni napoleoniche e la caduta del principato vescovile. Mostra storico-documentaria organizzata in occasione del bicentenario della fine del Principato vescovile di Trento, Trento, 11 ottobre−30 novembre 2003, Palazzo Geremia – Biblioteca comunale, Trento 2003, 128−129, Katalognr. 130. Maria Rosaria Pelizzari, Eleonora de Fonseca Pimentel: morire per la rivoluzione, in: Storia delle donne, 4 (2008), 103–121.
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delnden Körper nicht dem Blick und Hohn der Massen auszusetzen.90 Unterschiedlichen Darstellungen zufolge habe sie, nachdem ihr eine Unterhose versagt worden sei, ebenfalls vergebens noch unter dem Galgen um einen Gürtel zum Zusammenbinden der Beine gebeten.91 In einer anderen Fassung ist die Szene so beschrieben, dass sie „braun gekleidet, den Rock eng um die Beine gelegt“ zur Hinrichtung geschritten sei: „ella era vestita a bruno, colla gonna stretta alle gambe“.92 Ihren Leichnam habe man den ganzen Tag als Zielscheibe für jedermanns Spott am Galgen pendeln lassen.93 Ein direkter Zusammenhang mit der bildlichen Darstellung des Mädchens von Spinges lässt sich nicht belegen. Jedenfalls stellte das Motiv der Schamhaftigkeit in beiden Fällen einen überaus relevanten Aspekt dar. Aufmerksamkeit dürften die Vorgänge des Jahres 1799 über Neapel hinaus und vornehmlich in Wien nicht zuletzt deshalb erlangt haben, weil König Ferdinand IV. mit Maria Karolina von Österreich, einer Tochter Kaiserin Maria Theresias, verheiratet war. Vor der Revolution war Maria Karolina mit Eleonora Fonseca Pimentel, die sie zu ihrer Bibliothekarin ernannt hatte, sogar freundschaftlich verbunden gewesen. Später jedoch spielte die Königin eine wesentliche Rolle bei der Verfolgung der neapolitanischen Revolutionäre und Revolutionärinnen, obwohl sie selbst in der fraglichen Zeit nach Sizilien geflohen war. Von der Enthauptung der französischen Königin, ihrer geliebten Schwester Marie-Antoinette, im Jahr 1793 war sie besonders getroffen und schockiert.94 Da sich Maria Karo90 91
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Pelizzari, Eleonora de Fonseca Pimentel, 116f. Mariano d’Ayala, Eleonora Fonseca Pimentel, in: ders., Vite degl’italiani benemeriti della libertà e della patria, uccisi dal carnefice, Roma 1883, 285–296; Maria Antonietta Macciocchi, Cara Eleonora. Passione e morte della Fonseca Pimentel nella rivoluzione napoletana, Milano 1993, 375, 377, 383 (hierbei handelt es sich um eine romantisierende Biographie); Elena Urgnani, La vicenda letteraria e politica di Eleonora de Fonseca Pimentel, Napoli 1998, 34; Pelizzari, Eleonora de Fonseca Pimentel, 116f. Carlo de Nicola, Diario Napoletano, 1798–1825, Bd. 1, Napoli 1906, 287; siehe auch Annarita Buttafuoco, Eleonora Fonseca Pimentel: una donna nella Rivoluzione, in: nuova dwf. donnawomanfemme 3 (1977), 51–92, 92; Cinzia Cassani, Fonseca Pimentel, Eleonora de, in: Dizionario Biografico degli Italiani, https://www.treccani.it/enciclopedia/fonseca-pimentel-eleonora-de_(Dizionario-Biografico)/ (letzter Zugriff: 20.9.2020); Antonietta Orefice, Eleonora Fonseca Pimentel – la dignità negata, in: Monitore Napoletano (11.2.2011), http://www.monitorenapoletano.it/sito/ atti-e-documenti-della-repubblica-partenopea/eleonora-de-fonseca-pimentel/104-eleonora-defonseca-pimentel-la-dignita-negata.html (letzter Zugriff: 20.9.2020). Siehe Antonietta Orefice, Eleonora de Fonseca Pimentel. Il Palazzo del Monitore Napolitano... l’ultima dimora, in Monitore Napoletano (20.5.2011), http://www.monitorenapoletano.it/sito/ eleonora-de-fonseca-pimentel.html (letzter Zugriff: 20.9.2020). Benedetto Croce, Il „ripurgo“ ossia l’epurazione attuata dalla regina Carolina in Napoli nel 1799, Bari 1945; Macciocchi, Cara Eleonora, 224, 229; Urgnani, La vicenda letteraria, 19, 34; Pelizzari, Eleonora de Fonseca Pimentel, 108; Linda L. Clark, Women and Achievement in Nineteenth-Century Europe, Cambridge 2008, 34.
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I Eine umstrittene Schlacht und eine geheimnisvolle Heldin
Abb. 11: Francesco Casanova (1727–1803), „Das Mädchen von Spinges“. Dies ist möglicherweise die früheste Darstellung des Mädchens von Spinges. Die Figur hat hier ein fast orientalisches und vermännlichtes Aussehen: Das Kopftuch gleicht einem Turban, der Rock wird zur Pluderhose.
lina im Jahr 1800 nach Wien begab und dort bis 1802 blieb, war zu jener Zeit, in der das Aquarell möglicherweise entstand, die – reale oder romanhafte – Geschichte von Eleonora Fonseca Pimentel in Wien sehr wahrscheinlich bekannt.95 Außerdem stand der Urheber des Aquarells nachweislich in Beziehung zum neapolitanischen Hof: Im Jahr 1797 hatte er zwei große Jagdbilder für König Ferdinand IV. angefertigt.96 Das Aquarell oder besser gesagt, die mit Bleistift und grauer Aquarellfarbe gearbeitete Darstellung, um dies hier geht, ist ein kleines Bild auf Papier, das sich seit 1929 im Museo
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Z. B. Joseph Alexander Freiherr von Helfert, Königin Karolina von Neapel und Sicilien im Kampfe gegen die französische Weltherrschaft 1790–1814 mit Benützung von Schriftstücken des k. k. Haus-, Hof- und Staats-Archives, Wien 1878, 45f. Zu Person und Werken siehe weiter unten.
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Storico di Trento befindet.97 Dessen Titel, der Name des Künstlers und einige biographische Angaben sind in späterer Zeit am Rand des Bildes mit Bleistift auf Deutsch hinzugefügt worden. „Fr. Casanova“ steht unter dem Bild und etwas versetzt: „Francesco Casanova/ geb. London 1727 gest. Brühl bei Wien 1805/ Bruder des Memoirenschreibers/ Das Mädchen von Spinges“ (Abb. 11). Obwohl die Angaben nicht ganz richtig sind – Francesco Casanova starb 1803, nicht 1805 –, kann die Zuordnung zu seiner Person aus stilistischen, inhaltlichen und historischen Gründen als gesichert gelten.98 Dass die vermutlich erste bekannte Darstellung der schamhaften Tiroler Heldin von Spinges aus der Hand des Bruders des bekannten italienischen, eigentlich kosmopolitischen Abenteurers und Verführers Giacomo Casanova stammt, mag überraschen. Und auch Francesco selbst, präziser Francesco Giuseppe, hatte ein abenteuerliches Leben, das ihn in mehrere Länder führte.99 Er wurde im Jahr 1727 in London geboren; seine Eltern 97
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Das Bild ist 169 x 218 mm groß. Das Museum erhielt das Aquarell laut Inventar (Nr. 2.209) am 12. April 1929 im Tausch um eine topographische Karte von Trient und eine Karte des „Dipartimento dell’Alto Adige“ des Jahres 1810 von der Sovrintendenza alle Belle Arti in Trient. Wir danken Patrizia Marchesoni vom Museo Storico di Trento (Historisches Museum in Trient) für diese Auskunft. In den Registern der Sovrintendenza findet sich laut Renato Scarpezzini, der dies für uns geprüft hat und bei dem wir uns dafür sehr bedanken, leider keine Spur von diesem Tausch. Giuseppe de Manincor, Il Museo trentino del Risorgimento. Castello del Buonconsiglio, Trento 19342 [1927], 85; Simone Weber, Artisti trentini e artisti che operarono nel Trentino, Trento 19772 [1933], 87, 395. Casanovas Todesjahr wird meist mit 1802, aber auch mit 1803 angegeben. „Francesco Casanova, der ähnlich seinem Bruder Giacomo etwas Abenteuerliches und Geselliges an sich hatte“, schrieb etwa Jiří Kroupa, Fürst Wenzel Anton Kaunitz-Rietberg. Ein Kunstmäzen und Curieux der Aufklärung, in: Grete Klingenstein u. Franz A. J. Szabo (Hg.), Staatskanzler Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg, 1711–1794: Neue Perspektiven zu Politik und Kultur der europäischen Aufklärung, Graz 1996, 360–382, 376. Zu Kaunitz siehe auch Franz A. J. Szabo, Between Privilege and Professionalism. The Career of Wenzel Anton Kaunitz, in: Harald Heppner, Peter Urbanitsch u. Renate Zedinger (Hg.), Social Change in the Habsburg Monarchy. Les transformations de la société dans la monarchie des Habsbourg: l’époche des Lumières, Bochum 2011, 137–152. Zu Casanovas Biographie siehe Brigitte Kuhn, Der Landschafts- und Schlachtenmaler Francesco Casanova (1727–1803), in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 37 (1984), 89–118; Brigitte Kuhn-Forte, Der Maler Francesco Casanova, in: Max Kunze (Hg.), Die Casanovas: Beiträge zu Giacomo, Francesco und Giovanni Battista Casanova sowie Silvio della Valle di Casanova, Stendal/Tübingen 2000, 115–128; Heinz Schöny, Casanova, Francesco, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 21, Roma 1978, 151–153, siehe auch http://www.treccani.it/enciclopedia/francescocasanova_res-2bb79228-87ea-11dc-8e9d-0016357eee51_(Dizionario-Biografico)/ (letzter Zugriff: 20.9.2020); Roland Kanz, Casanova, Francesco (Francesco Giuseppe Cecco), in: Günter Meißner (Hg.), Saur Allgemeines Künstler-Lexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, Bd. 17, München/Leipzig 1997, 59–60; Cornelius Ver Heyden de Lancey, François J. Casanova. Peintre du Roi 1727–1803, Paris [1934]; Claude-Gérard Marcus, Francesco Casanova. Peintre Européen, tirage à part d’articles parus dans „Art et Curiosité“, Paris o. J.; Augustin Jal, Dictionnaire
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I Eine umstrittene Schlacht und eine geheimnisvolle Heldin
waren italienische Schauspieler. Er wuchs in Venedig auf, lebte später in Paris (1751–1752) und Dresden (1752–1757), dann wieder in Paris (1757–1783) und schließlich in Wien (1783–1803). Eine gewisse Instabilität kennzeichnete auch seine Vermögenslage und ebenso seinen Erfolg: Zeiten des Reichtums wechselten mit schwerer Verschuldung; als Maler erfuhr er gleichermaßen Spott wie großen Zuspruch. Dank der guten Vernetzung seines Bruders Giacomo hatte er in den 1760er Jahren Zutritt zu renommierten Kulturkreisen in Paris. Er debattierte mit Denis Diderot, wurde als „agrée“ in die königliche Malerakademie aufgenommen und als „Peintre du Roi“ bezeichnet. Sein Lebensstil war elegant und prunkvoll. Wegen seiner Schulden musste er 1783 aus Paris fliehen. Er zog nach Wien beziehungsweise auf seinen Landsitz in Hinterbrühl, wo er – einige Phasen der Abwesenheit ausgenommen – bis zu seinem Tod lebte. An seinem Lebensende war er ein weiteres Mal hoch verschuldet.100 Auf den ersten Blick mag es paradox erscheinen, dass ein so weltbürgerlicher und leichtlebiger Künstler die wahrscheinlich erste bekannte und einflussreiche Darstellung des Mädchens von Spinges, das zum Symbol des Deutschtiroler Patriotismus und Nationalismus werden sollte, gemalt hat und ebenso, wie er es dargestellt hat: als schamhafte und fromme Heldin mit einem zusammengebundenen Rock, der einer türkischen Pluderhose sehr ähnlich ist. Wenn man Casanovas Biographie näher betrachtet, dann erweist sich zumindest Letzteres als nicht so überraschend. Denn zum einen hat er sich mit orientalistischen Themen beschäftigt101 und zum anderen war und ist er vornehmlich als Spezialist für Schlachtenmalerei berühmt. So ist auch in der kleinen Darstellung des Gefechts von Spinges seine Vorliebe für dynamische pyramidale Kompositionen mit kämpfenden Menschen, Verwundeten, Toten, Säbeln, Gewehren usw. erkennbar.102 Zudem erlangte Casanova, gleich nachdem er nach Wien gezogen war, die Gunst des Fürsten und Staatskanzlers Wenzel Anton von Kaunitz, eines wichtigen österreichischen Staatsmannes. Laut Theodor von Frimmel hatte er Kaunitz bereits in Paris kennengelernt, als dieser dort critique de biographie et d’histoire: errata et supplément pour tous les dictionnaires historiques d’après de documents authentiques inédits, Paris 1867, 328–330. 100 Eine Anzeige über die Eröffnung des Konkurses der „Cassanovaschen Gläubiger [...] über das gesammte im Lande Niederösterreich unter der Ens befindliche bewegliche Vermögen des Franz Cassanova, akademischen Malers,“ erschien in: Wiener Zeitung (26.7.1800), 2424f. Sein post mortem Inventar, das nur aus zwei Seiten besteht, zeigt, dass bei seinem Tod weder Bargeld noch „Praetiosen“ vorhanden waren; auch Bilder scheinen nicht auf. Niederösterreichisches Landesarchiv (NÖLA) St. Pölten, Archiv Wien 556/086, Herrschaft Mödling, Feste Liechtenstein: Gerichts-Gedenkbuch C (1710–1807), fol. 303r–303v. Wir danken Gertrude Langer-Ostrawsky für die entsprechenden Recherchen und Informationen. 101 Caroline Juler, Les orientalistes de l’école italienne, Paris 1994, 50–55, insbes. 51. 102 Kuhn-Forte, Der Maler Francesco Casanova, 118.
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österreichischer Botschafter war.103 Aufgrund dessen sei Casanova nach Wien gezogen, als er Paris verlassen musste.104 Seit 1784 stand er, zeitgenössischen Quellen zufolge, mit Kaunitz im täglichen Umgang.105 Im Jahr 1786 malte er ein Porträt, das den Fürsten zu Pferd zeigt und auf dem er selbst im Hintergrund als palefrenier, als Reitknecht, verewigt ist.106 Wie die Geschichte des Mädchens von Spinges nach Wien und zu Casanova gelangt sein könnte, darüber lassen sich nur Vermutungen anstellen. Eine mögliche und plausible Spur führt über Jakob Plazidus Altmutter, der 1801 aus Innsbruck nach Wien kam, um bei Francesco Casanova an der Akademie der Bildenden Künste zu studieren. Er sollte später selbst das Mädchen und die Schlacht von Spinges malen.107 Aber auch andere Beziehungen zu Akteuren der Verbreitung der Geschichte sind denkbar. Denn die Spurensuche führte uns immer wieder nach Wien und in die Kreise hoher österreichischer Funktionsträger. Dass Wien eine wichtige Drehscheibe der Geschichte war, dafür spricht nicht zuletzt, dass der Almanach mit dem Bericht über das Gefecht bei Spinges und den Auftritt der kämpfenden Bauernmagd in Wien verlegt wurde, obzwar es ein „Tiroler Almanach“ war.108 Carl Robert Schindelmayer, der Urheber des darin abgebildeten Kupferstichs, war ein renommierter Künstler und Verleger in Wien. Hinter dem „Tiroler Almanach“, der nur in wenigen Ausgaben zwischen 1802 und 1805 erschien, stand Josef Freiherr von Hormayr zu Hortenburg (1781–1848).109 In Innsbruck 103
Theodor von Frimmel, Der Landsitz des Malers Francesco Casanova in der Mödlinger Brühl, in: Monatsblatt des Altertums-Vereines zu Wien 11 (1915), 123–129. 104 Ver Heyden de Lancey, François J. Casanova, 29. 105 Kuhn, Der Landschafts- und Schlachtenmaler Francesco Casanova, 110; Kuhn-Forte, Der Maler Francesco Casanova, 123; Kroupa, Fürst Wenzel Anton Kaunitz-Rietberg, 376. 106 Siehe den Brief von Francesco Casanova an seinen Bruder Giacomo vom 5. Mai 1786, in: Ver Heyden de Lancey, François J. Casanova, 28–35, 33; siehe auch Kuhn, Der Landschafts- und Schlachtenmaler Francesco Casanova, 112, 234. Die Autorin gibt an, dass sich das Reiterbildnis in den Sammlungen des Regierenden Fürsten von Liechtenstein im Schloss Vaduz befindet. 107 Heinz von Mackowitz, Altmutter, Jakob Placidus, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 1, Berlin 1953, 227f, http://www.deutsche-biographie.de/pnd135708583.html (letzter Zugriff: 20.9.2020). 108 Verlegt wurden die ersten Jahrgänge des „Tiroler Almanach“ in Wien bei Andreas Gassler, 1763 in Telfs in Tirol geboren. Der letzte Band kam bei einem anderen Wiener Verleger, Joseph Vincenz Degen, dem „deutschen Bodoni“, heraus. Peter R. Frank u. Johannes Frimmel, Buchwesen in Wien 1750–1850: kommentiertes Verzeichnis der Buchdrucker, Buchhändler und Verleger, Wien 2008, 49, 34. Giambattista Bodoni (1740–1830) war ein sehr renommierter Graveur, Buchdrucker und Verleger, der zahlreiche neue Schriftarten entwickelte. 109 ÖBL, Bd. 2 (Lfg. 10, 1959), 419–421; Kurt Adel, Einleitung, in: ders. (Hg.), Joseph Freiherr von Hormayr und die vaterländische Romantik in Österreich. Auswahl aus dem Werk, Wien 1969, 9–41, sowie an neueren Arbeiten: Barbara Gant, Joseph Freiherr von Hormayr zu Hortenburg. Eine (politische) Biographie, Dissertation Innsbruck 2003; Helmut Reinalter u. Dušan Uhliř (Hg.), Joseph Freiherr von Hormayr zu Hortenburg. Politisch-historische Schriften, Briefe und
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geboren, war er der Spross einer Tiroler Beamtenfamilie und hatte Rechtswissenschaft studiert. Bereits mit 16 Jahren war er als Praktikant beim Innsbrucker Stadtgericht tätig, zwei Jahre später beim dortigen Gubernium und Fiskalamt. Im Jahr 1801 nach Wien gekommen, wurde er k. k. Hofkonzipist in der Staatskanzlei, stieg nach kurzer Zeit zum Hofsekretär, dann zunächst zum provisorischen und bald darauf zum definitiven Leiter des Haus-, Hof- und Staatsarchivs sowie zum Hofrat auf. Seine außerordentliche Karriere verdankte er Erzherzog Johann und dem mit diesem gut befreundeten und in seiner Zeit berühmten Schweizer Historiker Johann Müller. Müller, den Hormayr 1801 kennengelernt hatte, hatte ihm den Rat gegeben, nach Wien zu gehen und Erzherzog Johann empfohlen, den jungen Tiroler einzustellen.110 Müllers hohe Meinung von Hormayr zeigt sich auch in seiner Rezension des „Tiroler Almanachs“, 1805 in der „Jenaischen allgemeinen Literaturzeitung“ veröffentlicht: „Der Herausgeber dieser Almanache“ – so Müller – „und sein vornehmster Verfasser ist der Freiherr Josef von Hormayr, dessen Gelehrsamkeit wir aus seinen Beiträgen zu der tirolischen Geschichte kennen, der aber auch in dem Landsturm die Waffen und als Hofsecretär bei der Staatskanzlei in Wien für andere Sachen die Feder mit gleichem Geschick und Eifer geführt hat, ein, der größten Auszeichnung und Ermunterung würdiger, noch junger Mann.“111 Tatsächlich hatte Hormayr beim Tiroler Landsturm Dienst geleistet, und zwar im Jahr 1800 zunächst als Oberleutnant und Adjutant beim Oberkommando, ab Juni als Hauptmann der Schützen der Gerichte Hörtenburg und Schoßberg.112 In dieser Funktion lernte er Erzherzog Johann kennen, der beauftragt worden war, Gebirgspässe und Verschanzungen zu besichtigen113 und die militärische Organisation abzuschließen.114 „Mon voyage en
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Akten, Frankfurt a. M. 2003; Walter Landi, Joseph von Hormayr zu Hortenburg (1781–1848). Romantische Historiographie im Zeitalter der Restauration zwischen patriotischer Loyalität und liberalen Unruhen, in: Bellabarba u. a. (Hg.), Eliten in Tirol/Le élite in Tirolo, 385–405. ÖBL, Bd. 2 (Lfg. 10, 1959), 419; Hans Magenschab, Erzherzog Johann. Habsburgs grüner Rebell, Graz/Wien/Köln 1982, 125 sowie 101f, über die Freundschaft zwischen Erzherzog Johann und Johann Müller. Dieser war 1793 von Kaiser Franz in den Staatsdienst übernommen worden und bis 1804 als Hofrat bei der Geheimen Hof- und Staatskanzlei als Experte für die Schweiz tätig. Anschließend fungierte er als Historiograph des Hauses Hohenzollern. Er starb 1809 als Generaldirektor des Unterrichtswesens im napoleonischen Westfalen. Johannes von Müller, Sämmtliche Werke. Eilfter Theil, Historische Kritik, hg. von Johann Georg Müller, Tübingen 1811, 221f, 221. Gant, Joseph Freiherr von Hormayr, 15. Werner Telesko, Kulturraum Österreich: Die Identität der Regionen in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts, Wien 2008, 294. „Pour ma personne, je fus le premier à quitter Vienne pour me rendre en Tyrol, où je devois achever l’organisation des milices.“ Acht und vierzig Briefe Sr. Kaiserlichen Hoheit des Herrn Erzherzog Johann von Österreich an Johann von Müller, Schaffhausen 1848, 94 (Brief datiert „Schönbrunn, le 10. Juillet 1806“); siehe auch Magenschab, Erzherzog Johann, 125.
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Tyrol m’a infiniment satisfait“, schrieb Erzherzog Johann damals an den Historiker Müller. „J’ai trouvé un pays entouré de hautes montagnes, contenant de larges et belles vallées et de superbes Alpes, des glaciers considérables et, pour ainsi dire, des Alpenhirten comme on les décrit en Suisse. Le peuple excellent, les états tout de même [...]. J’ai quitté après 17 jours de voyage avec grand regret un pays, où je serois resté volontiers plusieurs et que je souhaite vraiment encore voir à mon aise.“115 Seine große „Liebe“ zu Tirol fing damals an, wie der Erzherzog in seinen „Denkwürdigkeiten“ erklärte: „Es war das Beginnen jener unveränderlichen und unerschütterlichen Liebe, welche ich diesem Lande erwiesen und die von demselben treu erwidert wurde.“116 Eine gewisse Sympathie für Hormayr und auch eine besondere Affinität dürfte Erzherzog Johann verspürt haben. Eine Rolle mag dabei gespielt haben, dass er glaubte, sie seien am selben Tag, und zwar am 20. Januar 1782, geboren.117 Tatsächlich war Hormayr genau ein Jahr älter; doch hatte er sein Geburtsjahr geändert, damit es mit jenem Erzherzog Johanns übereinstimmte.118 Im Jahr 1801 war Letzterer zum Generaldirektor des Genieund Fortifikationswesens in Österreich ernannt worden und reiste deshalb viel, insbesondere in die Alpen.119 Bereits im Sommer jenes Jahres unternahm er eine Inspektionsreise und entwickelte die Idee einer Alpenfestung weiter, über die er schon während seiner ersten Reise nachzudenken begonnen hatte120 und deren Umsetzung er in den nächsten Jahren anstrebte. Die lokale Bevölkerung sollte seines Erachtens bei der Errichtung von Befestigungsanlagen eingesetzt und zur Verteidigung des Landes an solchen Festungen herangezogen werden.121 Die spezifische militärische Organisation Tirols mit dem Volksaufgebot, mit der Miliz, den Schützen und dem Landsturm, die er während seiner Reisen 115
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Acht und vierzig Briefe, 41 (Brief datiert 1800, ohne weitere Angabe): „Meine Reise nach Tirol hat mich unermesslich zufriedengestellt. Ich habe ein Land gefunden, das von hohen Bergen umgeben ist mit weiten und schönen Tälern, und großartigen Alpen, mit bemerkenswerten Gletschern und so zu sagen Alpenhirten, wie man sie in der Schweiz nennen würde. Das Volk [ist] ausgezeichnet, die Stände ebenso [...]. Nach einer 17-tägigen Reise habe ich mit großem Bedauern ein Land verlassen, in dem ich gerne noch länger geblieben wäre und das ich, wenn es nach meinem Willen geht, wirklich nochmals zu besuchen wünsche.“ Zit. nach Hans Kramer, Erzherzog Johann und Tirol 1790 bis 1814, in: ders., Oswald Gschließer u. Georg Mutschlechner, Erzherzog Johann und Tirol, Innsbruck 1959, 9–71, 10. Magenschab, Erzherzog Johann, 125. Gant, Joseph Freiherr von Hormayr, 11, Anm. 5. Franz Josef Adolph Schneidawind, Das Leben des Erzherzogs Johann von Oesterreich. Mit besonderer Berücksichtigung der Feldzüge dieses Prinzen in den Jahren 1800, 1806, 1809 und 1815, Schaffhausen 1849, 3; Kramer, Erzherzog Johann und Tirol, 48. Schneidawind, Das Leben des Erzherzogs Johann von Oesterreich, 49. Magenschab, Erzherzog Johann, 122, 125.
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kennengelernt hatte, faszinierte ihn in besonderem Maße und inspirierte ihn bei seinen Vorhaben.122 Seine Vorliebe für die Alpen, deren Bewohner und Bewohnerinnen, für ihre Geschichte und Natur, aber auch die Ideen, Planungen und Entscheidungen des Erzherzogs wurden von Müller und Hormayr stark geprägt. „Einen vorzüglichen Einfluß gewann und übte nun auf die Geistesentwickelung und Bildung des Alles gewinnenden und herzlichen Fürstenjünglings [...] Johannes v. Müller aus Schaffhausen,“ hielt Franz Josef Adolph Schneidawind diesbezüglich fest. „Der Prinz suchte diesen Mann eifrigst und berief ihn, wo möglich jeden Abend, zu einer Unterhaltungsstunde, die den Geschicken der Vorzeit oder den schweren Fragen der Gegenwart gewidmet war, oder beschickte ihn mit lernbegierigen Briefen.“123 Müller war damals „ein Anwalt der Volksbewaffnung und des Volkskrieges“.124 Schon im September 1800 habe Hormayr, der den Erzherzog auch später beraten und stark beeinflussen sollte,125 zusammen mit General Marquis Chasteler bei seinem ersten Treffen mit dem über Tirol entzückten Prinzen „ihre umfassenden, ganz neuen Ansichten und Arbeiten über Geographie, Geschichte, Volksbewaffnung und über die grandiosen Mittel und Möglichkeiten dieses Landes“ vorgelegt und Johann sehr beeindruckt. Damit sollte die Bedeutung Tirols „als ausspringende Bastion und Citadelle, als Schlüssel Oberitaliens, der Schweiz und des deutschen Südens“ hervorgehoben werden, wovon man in Wien damals keineswegs überzeugt war. Die teils umstrittenen Ansichten von Erzherzog Johann sollten immerhin einen Wendepunkt in der Positionierung Tirols im österreichischen Verteidigungssystem darstellen. Bereits Anfang 1802 lagen „Pläne über eine organische Volksbewaffnung Tirols, über Anlegung einer Hauptfestung auf dem mächtigen Pivot ob Brixen und an den Sperrpunkten auf der Wasserscheide de[r] Rienz und des Eisack, des Jnn und der Etsch“ vor.126 Die Veröffentlichung des „Tiroler Almanachs“, der die Geschichte des tapferen Mädchens von Spinges erzählt und bildlich darstellt, ist also in diesem historisch-politischen Kontext zu sehen. Vor diesem Hintergrund macht es auch Sinn, dass dieser Band, der insgesamt den Ereignissen und Kämpfen des Jahres 1797 gewidmet ist, gerade im Jahr 1802 und eben in Wien erschienen ist. Denn von dort aus galt es, die Aufmerksamkeit auf Tirol zu lenken.127 Der Hauptzweck des Almanachs, wie Müller in seiner Rezension schrei122 123 124 125 126 127
Kramer, Erzherzog Johann und Tirol, 10, 19. Schneidawind, Das Leben des Erzherzogs Johann von Oesterreich, 3. Kramer, Erzherzog Johann und Tirol, 14f. Kramer, Erzherzog Johann und Tirol, 12, 18; Magenschab, Erzherzog Johann, 125. Schneidawind, Das Leben des Erzherzogs Johann von Oesterreich, 49. Im Tiroler Almanach von 1803, der eine bunte Mischung aus Texten zu Tirol vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts bietet, ist am Schluss ein Heldinnengedicht abgedruckt: „Die Retterin von Bregenz im Jahre 1408“, 275–279. Heldinnenstoff lag damals offensichtlich in der Luft.
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ben sollte, lag nämlich in der „Unterhaltung des Gemeingeistes in einem dafür bekannten Lande, welches die eigentliche Vormauer Oesterreichs ist“.128 Diese „Vormauer“ aber verlor Österreich noch im selben Jahr, als Müllers Rezension erschien: Nachdem Napoleon das vereinigte russisch-englisch-österreichische Heer in der Schlacht bei Austerlitz am 2. Dezember 1805 besiegt hatte, setzte der Preßburger Friede vom 26. Dezember 1805 fest, dass Österreich Tirol an Bayern abtreten musste, was 1806 geschah.129 „Das Haus Österreich“ habe, so klagte Erzherzog Johann in einem Brief an Müller vom 10. Juli 1806, mit Tirol „die treueste seiner Provinzen“ verloren, „eines der alten Erinnerungsstücke des Hauses Habsburg“. Was ihn „am schmerzlichsten berührte“, sei „der Verlust von Tyrol“, er könne „gar nicht daran denken, ohne die größte Gemütsbewegung“ zu verspüren. „Es scheint, als ob das Schicksal beschlossen hätte, alles was uns an unsere Ahnen, an ihre Tugenden, an ihren Patriotismus, und an ihre Stärke in einer Zeit des allumfassenden Unheils erinnern lässt, aus unserem Gedächtnis zu löschen.“ Und weiter: „Ich werde dieses Land nie vergessen.“130 Getragen von solchen Gefühlen und Überzeugungen, sollte Erzherzog Johann in den folgenden Jahren zusammen mit Hormayr und Andreas Hofer, den er 1804 kennengelernt hatte, zunächst über die Möglichkeit des Tiroler Widerstandes gegen Bayern beraten und später, im Jahr 1809, den Tiroler Aufstand gegen Bayern und die alliierten Franzosen organisieren.131 In diesem Kontext ist der an anderer Stelle zitierte Zuruf Erzherzog Johanns an die Tiroler, dem zufolge die „Schlacht von Spinges“ als beispielgebend für den neuen Aufstand gelten sollte, zu verorten.132 Nicht einmal das Scheitern des Tiroler Aufstandes, die Gefangennahme des Anführers Andreas Hofer und dessen Erschießung in Mantua am 20. Februar 1810 setzten Erzherzog Johanns und Hormayrs Versuchen, in Tirol eine Wiederstandbewegung zu mobilisieren, ein Ende. Als Metternich als Außenminister von Kaiser Franz I. im Jahr 1813 jedoch vom sogenannten Alpenbund er128 129 130
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Müller, Sämmtliche Werke. Eilfter Theil, 222, Hervorhebung der Autorinnen. Für einen Überblick über die Ereignisse jener Jahre siehe beispielsweise Erbe, Revolutionäre Erschütterung, 317–342; Connelly, The Wars of the French Revolution. Acht und vierzig Briefe, 103: „La maison d’Autriche perdit la plus fidèle de ses provinces (le Tyrol), un des anciens souvenirs de la maison de Habsbourg [...]. Ce qui m’affecte le plus, c’est la perte du Tyrol, et je ne puis y penser sans la plus grande émotion: j’y ai perdu le plus. Il paroît, comme si le sort avoit résolu d’effacer de notre mémoire tout ce qui pourroit nous faire souvenir de nos ancêtres, de leurs vertus, de leur patriotisme, et de leur fermeté dans les moments de calamité universelle [...]. Pour moi, je n’oublierai jamais ce pays [...] les malheurs de nos jours ne font que m’affermir dans ma manière de penser.“ Z. B. Meinrad Pizzinini, Andreas Hofer: seine Zeit, sein Leben, sein Mythos, Innsbruck/Wien/ Bozen 20082, 121f. Interessante Beyträge, 10.
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fuhr,133 jener Bewegung, die eine neue Erhebung ausgehend von Tirol als Kernland im Kampf gegen Napoleon plante, wurde Hormayr verhaftet und Erzherzog Johann daran gehindert, Tirol zu betreten. Metternich hatte am 14. März 1812 einen Bündnisvertrag mit Frankreich unterschrieben, das kurz danach Russland angreifen sollte. Im Frühjahr 1813 war ihm daher aus diplomatischen und militärischen Gründen sehr daran gelegen, eine vorsichtige Politik zu betreiben. Österreich trat erst am 11. August 1813 in den Krieg gegen Frankreich ein.134 Metternich sei „der Aufruf an die Kräfte des deutschen Nationalismus, wie ihn der Alpenbund plante, fremd“ gewesen.135 Nach der Rückeroberung von Tirol im Jahr 1813 hoffte Erzherzog Johann, dort Gouverneur zu werden. Metternich sprach sich jedoch dagegen aus. Noch dazu galt für den Erzherzog weiterhin das Verbot des Kaisers, Tirol zu betreten, das bis 1832 aufrecht blieb.136 Zwischen 1833 und 1838 wurde allerdings die mächtige Franzensfeste, die Erzherzog Johann geplant hatte, erbaut. Diese Festung befindet sich ganz in der Nähe von Spinges. Doch stellte sie letztlich nur einen Teil „der frueher geplanten Grossfestung um Brixen herum“ dar.137 Hormayr hingegen spielte jahrelang eine wesentliche Rolle auf der politischen Bühne und in der Forcierung von Tirol als einem wichtigen Land für die österreichische Monarchie und deren Verteidigungssystem, das gewissermaßen als Zündschnur im Kampf gegen Napoleon fungieren sollte. Während der Erhebung des Jahres 1809 war er als österreichischer Intendant in Tirol für die Zivilverwaltung zuständig gewesen. In dieser Funktion ernannte er Philipp von Wörndle – den Schützenkommandanten des Gefechts von Spinges – zum Unterintendanten für das Pustertal.138 Bereits 1796, als sich Tirol auf die Verteidigung gegen die Franzosen vorbereitete, habe der 15-jährige Hormayr versucht, „gleich unter die erste ausrückende Schützenkompagnie des Hauptmannes, nachhin Oberkommandanten Philipp von Wörndle zu treten“. Nur mit Mühe hätten seine Eltern dies zu verhindern vermocht. Das Scheitern dieses Vorhabens dürfte dazu beigetragen haben, dass Hormayr später das Gefecht bei Spinges und dessen Kämpfer pries – allen voran von Wörndle und auch das Mädchen auf der Friedhofsmauer.139 Mit von Wörndle und Hor133 134
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Siehe z. B. Alpenbund, AEIOU, in: Austria-Forum, das Wissensnetz, https://austria-forum.org/af/ AEIOU/Alpenbund, 25.3.2016 (letzter Zugriff: 20.9.2020). Z. B. Volker Sellin, Die geraubte Revolution: der Sturz Napoleons und die Restauration in Europa, Göttingen 2001, 66–71; Michael V. Leggiere, The Fall of Napoleon: The Allied Invasion of France, 1813–1814, Cambridge 2007. Kramer, Erzherzog Johann und Tirol, 54. Kramer, Erzherzog Johann und Tirol, 66. Kramer, Erzherzog Johann und Tirol, 18. Lentner, Denkwürdigkeiten, 124. Joseph von Hormayr, Biographische Züge aus dem Leben deutscher Männer, Bd. 1, Leipzig 1815, 32: „Diesen Lieblingsvorsatz [in jener Abtey die Gelübde abzulegen, sobald er den philosophischen
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mayr begegnen gleich zu Beginn der Geschichte des Mädchens von Spinges zwei auch für das weitere Geschehen einerseits sehr wichtige, anderseits sehr typische Promotoren der Heldin: Ende des 18., zu Beginn des 19. Jahrhunderts gehörten beide der k. k. Beamtenschaft an140 und agierten kaisertreu. Sie griffen auf, was nach Ruhmreichem und Heldenhaftem aussah und trugen zu dessen Verbreitung bei. Hormayr kommt dabei sicher eine besondere Rolle zu. Werner Telesko nennt ihn den „prominenteste[n] Vertreter der engen Verflechtung zwischen Historiographie, dynastischer Propaganda und den patriotisch-nationalen Kunstbestrebungen im 19. Jahrhundert“.141 Dass aus seiner Sicht überaus treue Untertanen wegen ihrer Heimatliebe unnachsichtig verfolgt wurden, wie dies in Zusammenhang mit dem Alpenbund geschah, konnte Hormayr nicht verstehen. Damals sei eine „ganze Deportationsliste“ eingereicht worden, „auf der man, mit Entsetzen, Männer erblickte, die 1809 unerschrocken, unverdrossen, Gut und Blut für Österreich gewagt hatten, wie Philipp von Wörndle, Anführer der Tyroler bei Spinges im April 1797 und 1809 Intendant des Pusterthales […].“142 So sollte die Zerschlagung des Alpenbundes von Wörndles und Hormayrs Schicksal in eine gewisse Nähe rücken. Die strengen Strafen, die Hormayr damals angedroht wurden, erbitterten ihn sehr und ließen seine Begeisterung für das Haus Habsburg abkühlen: Er war im ungarischen Munkács in Festungshaft, wurde dann auf den Spielberg überstellt und interniert, woran ein Zwangsaufenthalt in Brünn anschloss. Gerichtliches Verfahren gab es keines.143 Nicht einmal die im Jahr 1816 erfolgte Ernennung zum „Reichshistoriographen“ verCurs vollendet haben würde] änderte nun das im Mai 1796 plötzlich und seit einem halben Jahrhunderte wieder zum ersten Male Tirols friedliche Marken röthende Kriegesfeuer. Von dem an weihte Hormayr täglich einige Stunden dem Studium dessen, was Feldverschanzungen, Jäger und leichte Truppen, Gebirgs- und Postenkrieg betraf. Er sprach durch eine Ode mit dem Horazischen Motto: Devota morti pectora liberae! an seine Landsleute, und nur mit Mühe wehrten die Aeltern (denen aus zehn Söhnen dieser 15jährige noch allein übrig war) den Vorsatz, gleich unter die erste ausrückende Schützenkompagnie des Hauptmannes, nachhin Oberkommandanten Philipp von Wörndle zu treten, der 1809 unter und mit Hormayr durch rühmlichen Patriotismus voranleuchtete.“ 140 Waltraud Heindl reiht Hormayr unter die zahlreichen „österreichischen Dichter und Schriftsteller in der Periode zwischen 1780 und 1848“ ein, die „Beamte waren“. Waltraud Heindl, Gehorsame Rebellen. Bürokratie und Beamte in Österreich 1780 bis 1848, Wien 1991, 291. 141 Werner Telesko, Geschichtsraum Österreich. Die Habsburger und ihre Geschichte in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts, Wien/Köln/Weimar 2006, 314–320, 314. 142 Joseph Hormayr zu Hortenburg, Lebensbilder aus dem Befreiungskriege, Ernst Friedrich Herbert Graf von Münster. Zweite Abtheilung (Urkundenbuch), Jena 1841, 448 („Nachträgliche Geschichtserzählung zum voranstehenden Briefe des Freiherrn von Hormayr an Seine Keiserliche Hoheit den Erzherzog Johann von Österreich“). 143 ÖBL, Bd. 2 (Lfg. 10, 1959), 420; Gant, Joseph von Hormayr, 17.
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mochte ihn gänzlich zu rehabilitieren und seine frühere Schwärmerei für Österreich neu zu entfachen.144 Trotz dieser Position konnte er die Leitung des Haus-, Hof- und Staatsarchivs nicht wieder übernehmen. Zudem sei die Veröffentlichung seiner Werke dadurch erschwert worden, dass er aus dem Archiv, das er nicht mehr betreten durfte, nur Abschriften von Dokumenten erhielt. Als ihm Ludwig von Bayern, der seine historischen Werke schätzte, vorschlug, in seine Dienste zu treten, nahm er dieses Angebot an und zog im Jahr 1828 in das ihm einst verhasste Bayern, wo ihn Ludwig als Geheimen Rat und Ministerialrat aufnahm.145 Diese Entscheidung habe er „ohne Vortheil in utili oder honorifico [des Nutzens und der Ehre], bloß aus Verehrung für diesen, seit lange geliebten Fürsten – und um vor einer unausgesetzten, funfzehnjährigen, selbst seine schriftstellerische Laufbahn vergiftenden Neckerei und Verfolgung Ruhe zu finden“, getroffen, erklärte er.146 Hormayr verfasste in dieser Zeit zahlreiche Kampfschriften gegen Österreich. Dabei war er „ebenso maßlos in seinem Haß wie früher in seinem Lob“, und auch in seinen historischen Schriften habe er späteren Einschätzungen zufolge Parteilichkeit gezeigt,147 obwohl er Mitglied zahlreicher gelehrter Gesellschaften und Akademien war.148 Aus dieser Perspektive scheint es nicht überraschend, dass er 1845 in seinem Buch „Das Land Tyrol und der Tyrolerkrieg von 1809“ die „Schlacht bei Spinges“ nur als eine folgenlose „Rauferei“ beschrieben hat149 – eine völlig andere Darstellung als jene, die im „Tiroler Almanach“ zu lesen ist. Die Zeilen zum Mädchen von Spinges veränderte er auf sehr blumige Art. Die Rockszene blieb jedoch erhalten und das Mädchen eine tapfere Kämpferin: „Ein Trupp Bauern, vertheidigte sich im gemauerten Kirchhof zu Spinges gegen dreimaligen Sturmesanlauf eines französischen Bataillons glücklich. Eine junge Bauerndirne, die den bedrängten Landsleuten ein Branntweinfäßchen zur Labung verschafft hatte, sprang, nachdem sie sich vorher ihren faltigen Rock unten zusammengebunden, auf die Kirchhofmauer und stieß drei Franzosen, die selbe eben erklimmten, den Dreizack ihrer Mistgabel in den Wanst.“150 144
Siehe z. B. dazu den Brief, den er an Erzherzog Johann am 5. September 1816 adressierte, Hormayr, Lebensbilder aus dem Befreiungskriege, 419−426. 145 ÖBL, Bd. 2 (Lfg. 10, 1959), 420; Hans Wagner, Hormayr, Josef Freiherr von, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 9, Berlin 1972, 625–626, http://www.deutsche-biographie.de/pnd118707078.html (letzter Zugriff: 20.9.2020). 146 Hormayr, Lebensbilder aus dem Befreiungskriege, 448; dazu auch ders., Anemonen aus dem Tagebuch eines alten Pilgermannes, Bd. 2, Jena 1845, 57. 147 Wagner, Hormayr. 148 Gant, Joseph von Hormayr, 20–23. 149 [Hormayr], Das Land Tyrol, 81. Anonym veröffentlicht hat er u. a. auch das Buch: Geschichte Andreas Hofers, Leipzig 1817. Siehe dazu Cole, „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, 242. 150 [Hormayr], Das Land Tyrol, 81.
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Zwar nennt der Bericht im „Tiroler Almanach“ von 1802 keinen Autor, doch ist es sehr wahrscheinlich, dass Hormayr diesen selbst verfasst hat,151 nicht zuletzt deshalb, weil eine ganze Reihe seiner Schriften, darunter auch das oben erwähnte Buch „Das Land Tyrol und der Tyrolerkrieg von 1809“, anonym erschienen sind.152 Die Schriftstellerin, Kritikerin und durch ihre literarischen Salons bekannte Caroline Pichler kritisierte später in einem Brief Hormayrs Stil und bezog sich dabei auf den „Almanach“, was die Annahme seiner Autorschaft weiter bestärkt: „Hormayr schreibt überhaupt bombastisch, und vernachlässigt den Ausdruck, weil er zu viel auf die Sache sieht. Diese Vernachlässigung wird sich aber rächen, und er wird nie unter die classischen Schriftsteller gezählt werden.“153 Von anderer Seite erhielt er überschwängliches Lob – nicht nur vom Schweizer Historiker Johann von Müller. Auch der deutsche Historiker, Dichter und Schriftsteller Friedrich Christoph Förster äußerte sich über die Darstellung des Gefechts in „Hormayrs Tyroler Almanach für 1802“ sehr anerkennend: Dies sei, schrieb er, „der einzig wahre Bericht über das Treffen bei Spinges am 2. April 1797“.154 Der Bericht aus dem „Tiroler Almanach“ kursierte: Wortwörtlich wiedergegeben ist er in dem Band von Franz Sartori „Pantheon denkwürdiger Wunderthaten volksthümlicher Heroen“ aus dem Jahr 1816, und zwar integriert in die Geschichte eines Helden namens Jacob Sieberer. Eingeleitet wird der eingebaute Textteil folgendermaßen: „Doch, wir wollen, ehe wir zur Erzählung der Thaten Sieberers übergehen, zuvor einige Blicke auf den ,Masse-Aufstand‘ der Tyroler gegen die Franzosen im Jahre 1797 werfen.“155 Eine vollständige Abschrift findet sich auch im Sterbebuch der Pfarre Spinges.156 Der Signierung zufolge stammt sie vom 151 152 153 154 155
156
Dass Hormayr der Autor des Berichts war, vermutete z. B. auch Steub, Das Mädchen, 258. Seine zahlreichen Veröffentlichungen sind aufgelistet in Adel, Joseph Freiherr von Hormayr, 205– 234. Brigitte Leuschner (Hg.), Schriftstellerinnen und Schwesternseelen. Der Briefwechsel zwischen Therese Huber (1764–1829) und Caroline Pichler (1769–1843), Marburg 1995, 51. Förster, Beiträge zur neueren Kriegsgeschichte, Bd. 1, 169. Sartori, Jacob Sieberer, 249. Der aus dem „Tiroler Almanach“ ohne Kennzeichnung abgeschriebene Text reicht von Seite 249 bis 279! Nahtlos geht es dann weiter mit dem eigentlichen Thema: „Zwey Mahl schon war Sieberer zur Deckung der Gränzen, als Oberjäger der Schützen-Compagnie des Landgerichtes Kufstein, ausgerückt [...].“ Franz Sartori (1782–1832) stammte aus der Steiermark; er war Arzt, Schriftsteller und Redakteur bei verschiedenen Medien, unter anderem fungierte er von 1807 bis 1810 als Herausgeber der „Annalen der Österreichischen Literatur und Kunst“. ÖBL, Bd. 9 (Lfg. 45, 1988), 427–428. Dass er an die „tausend Sätze“ aus Werken anderer – darunter auch von Hormayr – abgeschrieben habe, wurde bereits im 19. Jahrhundert konstatiert. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreichs, Bd. 28, Wien 1874, 252–254, 254. Pfarrarchiv Spinges, Liber Mortuorum, fol. 24–31: Der Masse-Aufstand der Tiroler gegen die Franzosen im Jahre 1797. Die Passage über das „Bauernmädchen“ mit der „Heugabel“ findet sich auf fol. 29.
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Kuraten Joseph Stecher, der sich in der Sache Mädchen von Spinges, wie bei Ludwig Steub erwähnt, sehr engagiert hat. Sein Amt in Spinges hatte er Ende des Jahres 1841 angetreten.157 Offen bleibt, wann Joseph Stecher den Text aus dem „Tiroler Almanach“ in das Sterbebuch übertragen hat. Eventuell könnte dies im zeitlichen Umfeld des Abdrucks von Fortsetzungsteilen auf Grundlage dieses Berichts im Innsbrucker „Intelligenzblatt“ im Oktober 1852 gewesen sein. Der Zeitungsausschnitt dieses Artikels, erschienen im Feuilleton unter dem Titel „Beiträge zur Geschichte des tirolischen Defensionswesens“, ist im Spingeser Pfarrarchiv aufbewahrt. Versehen ist er unter anderem mit dem Vermerk: „herausgeschnitten von Kurat Stecher“. Wortgetreu ist die Wiedergabe darin nicht: „Ein Bauernmädchen, um ihren ermatteten Landsleuten beizustehen, sprang auf die Kirchhofmauer und stieß drei stürmende Franzosen mit einer Heugabel von der bereits erklimmten Mauer hinunter.“ Eine in Stil und Wortwahl stark vereinfachte sowie gekürzte Version des Textes war 1849 bereits in der „Tiroler Schützen-Zeitung“ veröffentlicht worden. Der Autor gab nach einer längeren Einleitung an: „Möglichst gedrängt will ich nun Zug für Zug der urkundlichen Darstellung des MasseAufstandes der Tiroler im Jahre 1797 (in dem Tiroler Almanach vom Jahre 1802) folgend nacherzählen [...].“ Entsprechend kurz und bündig fallen auch die Zeilen zum Mädchen von Spinges aus: „Da war es, wo ein Bauernmädchen auf die Kirchhofmauer sprang, und drei Franzosen mit einer Heugabel von derselben hinunter stieß.“158 Nicht weniger wesentlich für die Verbreitung der Heldinnengeschichte als das Fortleben des Beitrags über die „Schlacht von Spinges“ im regionalen Kontext Tirols war zweifelsohne eine Besprechung eben dieser Ausgabe des „Tiroler Almanachs“ von 1802, die noch im selben Jahr in den „Annalen der Österreichischen Literatur“ erschien. Die damals neu gegründete Rezensionszeitschrift richtete sich an ein bildungsbürgerliches Publikum und erreichte – breiter als der „Tiroler Almanach“ selbst – die entsprechenden Kreise in Wien und darüber hinaus. Die von Josef August Schultes getragene Initiative wollte unter anderem dem Missstand begegnen, „daß die besten österreichischen Werke in der Jenaer, der Oberdeutschen Literaturzeitung usw. öfters erst nach mehreren Jahren angezeigt“ würden.159 Der Autor der Rezension lobt den Herausgeber des „Tiroler Alma157
158
159
Dem Diözesanschematismus von 1840 zufolge residierte in Spinges seit 1825 Johannes Haidacher als Kurat (geboren 1768). Schematismus der Geistlichkeit 1840, 23. Ab Dezember 1841 war Joseph Stecher im Amt (geboren 1798). Schematismus der Geistlichkeit der Diözese Brixen für das Jahr 1870, Brixen 1870, 20. Siehe auch Spinger Heimatbuch, Brixen 1997, 56. Dort sind die Seelsorger von Spinges aufgelistet. Stecher war demzufolge bis 1877 dort Kurat. J. A. Pacher, Die Landesvertheidigung Tirols im Jahre 1797 als Vorbild den jetzigen Schützen erzählt, in: Tiroler Schützen-Zeitung 4, 23 (7.6.1849), 177–181, 178 (erstes Zitat), und ebd., 24 (14.6.1849), 185–189, 187 (zweites Zitat). Siehe Annalen der österreichischen Literatur, http://www.haraldfischerverlag.de/hfv/reihen/wiener/annalen.php (letzter Zugriff: 28.7.2020).
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nachs“. Seines Erachtens sei es „der Mühe werth“ gewesen, „der Vaterlandsliebe und dem erprobten Muthe der Tiroler ein kleines Opfer zubringen; das Andenken an die Thaten der Vaterlandsvertheidiger zu erneuern; und Materialien zu einer künftigen Geschichte Tirols während der unglücklichen lezten Hälfte des lezten Iahrzehends nicht sowohl in den Staub der Archive, als in die Herzen aller Tiroler zu legen“. Betont werden der Patriotismus und die Tapferkeit der Tiroler: „Bekanntlich haben, unter allen übrigen Unterthanen der Österreichischen Monarchie, die Tiroler während des vorlezten und lezten Frankenkrieges am meisten Gelegenheit gehabt, ihren Patriotismus und ihre Tapferkeit geltend zu machen.“ In der Besprechung der einzelnen Beiträge des Almanachs bezieht sich die Passage über den „Maße-Aufstand der Tiroler gegen die Franzosen im Jahre 1797 aus Urkunden“ ganz zentral und mit dem vollständigen Zitat auf das „Bauernmädchen“. Der Rezensent kommentiert: „Ein mit sehr viel Kenntniß des Terreins geschriebener Aufsatz, der aber durch historische Darstellungskunst der wichtigsten Auftritte bey den merkwürdigsten Gefechten des Landsturmes auch für den Ausländer Interesse hat. Vorzügliches Interesse hat das Gefecht bey Spinges. Die Bauern zogen sich in den gemauerten Kirchhof dieses Dörfchens zurück. ‚Ein Bauermädchen‘ (das auf dem Titelkupfer abgebildet ist) ‚sprang hier, um ihren ermatteten Landsleuten beyzustehen, auf die Kirchhofmauer, heftete sich mit jungfräulicher Schamhaftigkeit den Rock unten zusammen und stieß drei stürmende Franzosen mit einer Heugabel von der bereits erglimmten Mauer herab.‘ Schade, daß wir weder den Namen noch die übrige Geschichte diese tirolischen Jeanne d’Arc erfahren.“160 Davon ausgehend ließe sich die These formulieren, dass die Heldinnenszene durch ihre Darstellung in einer solchen Art von Medium zu einer literarischen Vorlage geworden ist. Präsent sind hier bereits zwei Motive, die die Wirkungsgeschichte dieser Figur weiterhin begleiten werden: die Klage darüber, dass die Frau unbekannt sei, und die Verknüpfung ihrer Geschichte mit jener von Jeanne d’Arc. Die Tiroler Heldin in Zusammenhang mit der berühmtesten Heldin der ‚Feinde‘ zu bringen, sollte, wie hier, noch lange eine vornehmlich von ‚Außen‘ herangetragene Perspektive bleiben. Die „Annalen der Österreichischen Literatur“ wurden sogar explizit für ihre frankophile Grundhaltung kritisiert, dafür, dass sie „die Kunst der Franzosen anbeteten“, dass „das Blatt allem, was aus Frankreich kam, nahe“ gestanden sei.161
160 161
Annalen der Österreichischen Literatur 38, 18 (März 1802), Sp. 139−140, Sp. 139f. Alois Meißnitzer, Die Annalen der Österreichischen Literatur. Eine Monographie, Dissertation Wien 1935, 14. Die „Annalen“ erschienen zehn Jahre lang, zwischen 1802 und 1812 unter wechselndem Namen. Siehe ebd., 28. Die Rezensenten blieben – wie auch in „andere[n] kritische[n] Journale[n]“ jener Zeit – anonym. Ebd., 32f.
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Die ersten sieben Jahrzehnte nach 1797 sind bezüglich der Wirkungsgeschichte des Mädchens von Spinges mit Fragezeichen zu überschreiben: Wie verbreitet war diese Figur als Teil historischer, nationaler, religiöser Erinnerungskultur und Erinnerungspolitik? Wo tauchte sie auf? Die verschiedenen, bereits erwähnten publizierten Fassungen der Berichte von Wörndles beziehungsweise aus dem „Tiroler Almanach“ von 1802 und jene, die die „Kurze Üebersicht“ aus dem Pfarrarchiv Spinges wiedergaben, wurden in diesen Jahren gedruckt und abgeschrieben. Sie kursierten offensichtlich unter historisch Interessierten. Das Buch von Joseph von Hormayr „Das Land Tyrol und der Tyrolerkrieg von 1809“ erschien 1845 in Leipzig und kann als ein weiterer Mosaikstein der überregionalen Verbreitung der Geschichte gesehen werden. Darüber hinaus finden sich Hinweise in verschiedensten Genres: in Zeitungsartikeln, historischen Abhandlungen, Reiseberichten, Gedichten und auf Spielkarten, die die Erinnerung an die Unbekannte weitertrugen. Diverse Spuren ließen sich eruieren, wie der folgende Abschnitt dokumentiert. Sie dienen als Grundlage für das Ausloten von ersten Interpretationen und Verbreitungsradien und nicht zuletzt, um die verschiedenen Phasen der Rezeption und Legendenbildung zu konturieren. Spielkarten stellen ein effizientes Medium zur Verbreitung von heroischem Stoff dar. Nach Entwürfen des bereits erwähnten Malers Jakob Plazidus Altmutter (1780–1819)162 entstand ein „Tiroler Tarock“, das um 1815 bei Johann Albrecht in Innsbruck gedruckt wurde.163 Die Trumpfkarte VII stellt der Bilderklärung zufolge die „Schlacht bey Spinges und Millbach“ dar und zeigt die anstürmenden Franzosen vor der Friedhofsmauer. Die Tiroler schießen und schlagen zurück, eine Frau steht mit einer Heugabel auf der Friedhofsmauer. Eine andere Frau setzt zum Wurf eines großen Steines an (Abb. 12). Die Ähnlichkeit dieser Darstellung mit jenen Casanovas und Schindelmayers fällt auf. Dies überrascht auf den zweiten Blick nicht: Als Sohn des von Wien nach Tirol gezogenen Malers Franz Altmutter (1745–1817), ging der 1780 in Innsbruck geborene Jakob Plazidus 1801 nach Wien, um bei dem berühmten Schlachtenmaler Casanova zu arbeiten. Zwischen 1801 und 1803 studierte er an der Akademie der bildenden Künste und kehrte dann nach Tirol 162 Die Tirolische Nation 1790–1820, Landesausstellung im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck, 6. Juni bis 14. Oktober 1984, Innsbruck 19842, 453. 163 Meinrad Pizzinini, Tiroler Tarock, Innsbruck 1985, 20; Claudia Sporer-Heis, Von Bierflaschen, Spielkarten und dem Sparefroh, in: Ferdinandea neu 3 (Februar 2008), 10; dies., Aufs Spiel gesetzt. Spielzeug in den historischen Sammlungen des Ferdinandeums, in: Ferdinandea 20 (Mai–Juli 2012), 10. Die anderen Kartenmotive zeigen ebenfalls den Tiroler Landsturm und verschiedene Schauplätze des Kampfes gegen die Franzosen. Ein Original der Erstausgabe befindet sich im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck. Die Wiener Spielkartenfabrik Ferd. Piatnik & Söhne produzierte das Spiel 1985 und 1993 als Faksimile-Nachdruck.
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Abb. 12: „Schlacht bey Spinges und Millbach“, Spielkarte aus dem „Tiroler Tarock“, entstanden um 1815 nach Entwürfen des Malers Jakob Plazidus Altmutter (1780–1819). Auf der Trumpfkarte VII ist eine Frau mit einer Heugabel auf der Friedhofsmauer dargestellt.
zurück.164 Die Lokalisierung zwischen Tirol und Wien charakterisiert die Geschichte der ersten Darstellungen des Mädchens von Spinges. Jakob Plazidus Altmutter war selbst ein Schlachtenmaler, und die Gemälde zum Thema des Kampfes gegen die französische Besatzung – wie „Schlacht am Berg Isel“, „Angriff auf die Innbrücke“, „Niederlage der Franzosen bei der Mühlbacher Klause“ und auch „Schlacht bei Spinges“ – gehören zu seinen gelungensten Werken. Anerkennung als „Zeichner und Aquarellist“ erhielt er mit der Darstellung des Kampfes bei Spinges.165 Die 164 165
Die Tirolische Nation, 453. Sybille-Karin Moser-Ernst, Die Bild-Legende Anno Neun, in: Brigitte Mazohl u. Bernhard Mertelseder (Hg.), Abschied vom Freiheitskampf? Tirol und „1809“ zwischen politischer Realität und
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Abb. 13: Jakob Plazidus Altmutter (1780–1819), „Gefecht bei Spinges am 2. April 1797“. Anders als sonst stellt dieses nicht die Szene an der Kirchhofmauer dar. Altmutter war 1801 nach Wien gegangen, um bei dem berühmten Schlachtenmaler Francesco Casanova zu arbeiten. Bekannt wurde er sowohl als Schlachtenmaler als auch für seine Szenen aus dem Alltagsleben.
Szene stellt den Kampf auf dem Berg dar (Abb. 13); die Kirche ist nur entfernt im Hintergrund zu sehen. Bekannt geworden ist Altmutter insbesondere durch sein am 4. September 1809 improvisiertes Porträt von Andreas Hofer.166 Im Jahr 1815, also zur selben Zeit, auf die das „Tiroler Tarock“ datiert wird, hatte er mit seinem Vater und Lehrer Franz AltVerklärung, Innsbruck 2009, 371–392, 380; siehe auch Gateano Sessa, 1809: Andreas Hofer: in cartolina – auf Ansichtskarten, Lavis 2008, 179 (das Datum des Gefechtes ist hier auf den 2. April 1809 verschoben); Alessandra Zendron u. Christoph Hartung von Hartungen, La lotta dei tirolesi nel nome di „Dio Patria Imperatore“. Contro le riforme o contro l’invasore?, in: StoriaE: Rivista quadrimestrale della Sovrintendenza scolastica di Bolzano 6, 1–3 (2008), 14–23, Abb. 10. Abbildungen des Aquarells mit der „Schlacht bei Spinges“ von Altmutter und des Kupferstichs „So ziehet Edelmann, Bürger und Bauer in Thirol fürs Vatersland zu Felde, unserer Patriotischen Erz-Herzogin Elisabet gewidmet A[nno] 1796 von einem Tiroler Schützen“ sowie eine Radierung mit einer Nahkampfszene finden sich in Erich Egg u. Wolfgang Pfaundler, Das große Tiroler Schützenbuch, Wien/München/Zürich 1976, 66f, 72. 166 Mackowitz, Altmutter; Benedetto Schimenti, 20 Jahrhunderte Kunst in Südtirol. Das 19. Jahrhundert. Malerei, http://www.suedtirol-altoadige.it/geschichte_kunst/kunst/19_jahrhundert3.php (letzter Zugriff: 20.9.2020).
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mutter den Auftrag erhalten, ein Zimmer in der Innsbrucker Hofburg mit Szenen aus dem Tiroler Freiheitskampf sowie aus dem „Volksleben“, auszumalen.167 Eigentümlichkeiten fehlen in seiner Darstellung der Schlacht bei Spinges auf der Trumpfkarte VII nicht: Im Hintergrund kann man andeutungsweise eine Kirche sehen, doch fehlen die Kruzifixe. Aus dem Mann, der in Casanovas und Schindelmayers Gemälden zum Wurf eines großen Steines ansetzt, ist bei Altmutter eine Frau geworden. Der Rock des Mädchens mit der Heugabel wirkt nicht wie eine Pluderhose und zwei Haarsträhnen fliegen im Wind. Obwohl sie viel kleiner und nicht sehr fein ausgearbeitet ist, scheint die Szene auf der Spielkarte insgesamt ‚realistischer‘ als die beiden anderen Darstellungen. Zudem kommt der skizzenhafte Hintergrund dem Friedhof und der Kirche von Spinges168 näher als dies in den Abbildungen von Casanova und Schindelmayer der Fall ist. Nicht unwahrscheinlich ist, dass Altmutter selbst in Spinges war, zumal bekannt ist, dass er „alle erreichbaren Volksfeste und Viehmärkte“ besuchte und „stundenlang neben Soldatenkolonnen“ marschierte.169 Neben Kampfszenen zeichnete und malte er auch Alltagsszenen, beispielsweise einen „Tanz in der Wirtsstube“ (1806), „Eine lagernde Karnerfamilie trifft einen Tiroler Wanderhändler“ (1809), einen „Almabtrieb“ (1812), „Bauerntheater“ (1819) oder auch „Abschied eines Landesverteidigers“ (1809/15).170 Seine Darstellungen des bäuerlichen Lebens sowie „die scharfe Beobachtungsgabe bei der Wiedergabe von Kleidung und Tracht, seine Tierzeichnungen und die Schilderung bäuerlichen Brauchtums machten ihn zum Begründer des alpinen Sittenbildes in Tirol“.171 Jakob Plazidus Altmutters Rolle in der Tiroler Erinnerungskultur wurde zuletzt aufgewertet.172 Nicht nur Bilder, sondern auch verschiedenste Textsorten trugen in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts dazu bei, den Ruhm des Spingeser Mädchens zu verbreiten. In dem viele Seiten langen Gedicht „Die Schützenbraut“ des späteren liberalen Bozner 167
Gert Ammann, Carl Kraus u. Claudia Sporer-Heis, Heldenromantik: Tiroler Geschichtsbilder im 19. Jahrhundert von Koch bis Defregger, Innsbruck 1996, 23; Telesko, Kulturraum Österreich, 294. 168 Z. B. Spinger Heimatbuch, 26. 169 Mackowitz, Altmutter. 170 Diese und noch weitere Gemälde sind im Ausstellungskatalog abgebildet beziehungsweise ohne Abbildung angeführt, unter anderem „Bauernmarkt“ oder „Holzknechte bei der Arbeit“. Siehe Die Tirolische Nation 30, 107, 110, 112, 135, 171 und 294. 171 Mackowitz, Altmutter. 172 Aus der Sicht von Sybille-Karin Moser-Ernst, die „die Bild-Legende Anno Neun“ erforscht hat, waren Pater Benitius Mayr und Jakob Plazidus Altmutter „die ersten, die Zeichnungen der – in ihren Augen – wesentlichsten Ereignisse anfertigten“. Aufgrund der zeitlichen Nähe zu den Ereignissen schreibt sie deren Bildern und Zeichnungen einen gleichsam dokumentarischen Wert zu: „Sie werden mit demselben Respekt vor dem angenommenen ‚objektiven Bericht‘ behandelt, welcher wenig später der Fotografie zukam, welcher man die Aufzeichnung der Spuren ‚wie es wirklich war‘, zutraute“. Moser-Ernst, Die Bild-Legende Anno Neun, 371.
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Bürgermeisters und Kritikers des Andreas Hofer-Kults Joseph Streiter aus der Zeit um 1830, in dem er die Erhebung von 1809 feiert, wurde die Heldin neben anderen kämpfenden Frauen – wenngleich nur in einer Fußnote – erwähnt: „Dergleichen muthvolle Thaten, auch vom weiblichen Geschlechte verübt, sind in Tirol nichts Seltenes. Schon im Jahre 1797 mischte sich in der Schlacht bei Spinges ein Mädchen unter die Kämpfenden, und trug nicht wenig zum Siege bei.“173 In seiner historisch-topographisch-statistischen Darstellung bezog sich Ignaz Theodor von Preu 1832 im Abschnitt über das „mörderische Gefecht“ bei Spinges, ebenfalls in einer Fußnote, auf das Titelkupfer des „Tiroler Almanach“ von 1802, das „eine von der Kirchhofmauer fechtende Bauermagd dar[stelle], deren Tapferkeit von den Franzosen selbst sehr gerühmt wurde, obwohl man weder ihren Namen, noch ihre Heimath kennet“.174 Im selben Jahr verfasste Anton von Petzer175 ein Gedicht mit insgesamt 14 Strophen unter dem Titel „Das Gefecht von Spinges“, welches er Kaiser Franz überreichte, als dieser am 25. Juni 1832 das unweit von Spinges gelegene Gelände besichtigte, auf dem später die Wehranlage Franzensfeste erbaut werden sollte. In der neunten Strophe wird das „muthige Mädchen von Sping’s“ eingeführt: Doch hoch auf der Mauer, umgeben rings Von tapfern Männer-Schaaren, Erscheint jetzt das muthige Mädchen von Sping’s Zu theilen des Kampfes Gefahren. Und dreimal nun treibt der gestähltere Muth Die Feinde zurück, benetzet mit Blut.176 173 Josef Streiter, Die Schützenbraut, in: Alpenblumen aus Tirol. Ein Taschenbuch für das Jahr 1830, 3 (1830), 114–151, 134. Siehe dazu auch Josef Feichtinger, Tirol 1809 in der Literatur: eine Textsammlung, Bozen 1984, 81. Als Herausgeber firmiert an erster Stelle neben anderen ein I. P. Altmutter – um Jakob Plazidus Altmutter kann es sich dabei nicht handeln, da dieser bereits 1820 verstorben war. Genannt sind in der Fußnote des Weiteren eine „Bauerndirne“, die 1809 bei Sterzing einen Heuwagen in die feindliche Front hineinmanövriert hatte, sowie Josephine (Giuseppina) Negrelli aus Primiero, die in Männerkleidern mit den Schützen auszog, und Frauen aus dem Oberinntal. Zu Giuseppina Negrelli siehe Cecilia Nubola, Giuseppina Negrelli zieht in den Krieg. Das Jahr 1809 für ein Mädchen aus Primiero, in: Clementi, Zwischen Teilnahme und Ausgrenzung, 71–98. 174 Preu, Historische, topographische und statistische Nachrichten, 33f, Anm. 23. 175 Anton von Petzer war Jurist und soll sich an den Kämpfen von 1809 beteiligt haben. Im Jahr 1866 scheint er als pensionierter Oberlandesgerichtsrat und Magistratsrat in Innsbruck auf. Götz, Bürgertum und Liberalismus, 370, Anm. 265. 176 Das Gedicht ist anonym erschienen, einer historischen Abhandlung nicht unähnlich, mit 18 Fußnoten versehen: [Anton Petzer], Das Gefecht von Spinges am 2. April 1797, in: Bothe von und für Tirol und Vorarlberg 60 (26.7.1832), 240. Die Strophe ist auch zitiert bei Karl Klaar, Das „Mäd-
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In einer Fußnote erklärt der Dichter, dass ein „dreimaliger Anlauf gegen den Kirchhof größtentheils im Handgemenge zurückgetrieben worden“ sei, „wobei ein Bauernmädchen drei stürmende Franzosen mit einer Heugabel von der bereits erklimmten Mauer herabgestoßen haben soll“. Der Satz klingt vertraut – doch steht er hier im Konjunktiv. Explizit zum Ausdruck kommt, im Unterschied zu zahlreichen späteren Darstellungen, dass Blut geflossen sei – ein, wie es scheint, mit Heldinnen, im Unterschied zu Helden, nicht so leicht vereinbares Bild. Erwähnt ist das Mädchen von Spinges in Beda Webers populärem „Handbuch für Reisende in Tirol“177 von 1842 und ebenso in der Auflage von 1853, und zwar im Kapitel über die „Umgegend von Brixen“ und in Zusammenhang mit den historischen Ereignissen von 1797: „Ein Mädchen zeichnete sich kämpfend auf dem Friedhofe aus, aber sein Name ist spurlos aus der Geschichte verschwunden, es lebt als ‚Mädchen von Spinges‘ fort im Andenken des Landes.“178 Den Aspekt der unbekannten Identität thematisierten auch die in München erscheinenden konservativen „Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland“. Im Jahr 1851 brachten sie im Abschnitt „Stimmen und Bilder aus dem Volksleben“ eine Passage zum Mädchen von Spinges: „Und dieser fromme, gläubige Sinn, der über die Güter und Schätze der Erde hinaus das Auge der Ewigkeit zukehrt und heiter durch das Leben und heiter in den Tod geht, er hat in entscheidenden Tagen nicht nur die Männer der Berge, sondern auch die Frauen und Jungfrauen im Pulverdampf und Kugelregen, im Gewühl der Schlacht mit fröhlichem Heldenmuth erfüllt. So bewahrt die Geschichte noch immer das Andenken des tapferen Mädchens von Spinges eben aus jenem Jahre 1797; da Joubert mit seinen dreißig tausend Mann sich eine Gasse in’s Herz von Tirol hauen wollte, da, als der heißeste Kampf auf dem Friedhof von Spinges wüthete, stand das Mädchen fechtend unter den Bauern und verschwand, keinen Ruhm suchend, namenlos nach dem Sieg.“179 Die „Historisch-Politischen Blätter“ wurden von den Juristen chen von Spinges“. Eine historische Untersuchung, in: Tiroler Heimat 9/10 (1936–37), 160–192, 160f. Das gesamte Gedicht ist abgedruckt bei Norbert Stock: Anton Petzer, Das Gefecht bei Spinges, in: Stock, Der Tag bei Spinges, 67–69. 177 Beda Weber sah sein „Handbuch für Reisende“ als nicht bloß zu deren Nutzen, sondern hoffte – seinem Vorwort zufolge –, dass „insbesondere die vaterländische Jugend nach dem Büchlein greifen wird, da es ziemlich alles enthält, was zur ersten Begründung vaterländischer Landeskenntnisse nothwendig ist, und als Einhülfe ins Heiligthum der verwickelten Landesgeschichte durchaus nicht entbehrt werden kann.“ Beda Weber, Handbuch für Reisende in Tirol. In einem Bande. Nach dem größeren Werke: „Das Land Tirol“, vielfach verbessert und berichtiget, Innsbruck 18532 [1842]. Er war Benediktiner und konservativer Abgeordneter im Frankfurter Parlament von 1848. Huber, Grenzkatholizismen, 169–176. 178 Weber, Handbuch für Reisende, 240. Die hier zitierte Passage findet sich identisch auch in der ersten Ausgabe von 1842, 231, Hervorhebung im Original gesperrt. 179 Hinzugefügt wurde noch: „Und sie war nicht die Einzige: auch die Mädchen und Frauen der
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Karl Ernst Jarcke und Georg P. Phillips 1838 gegründet. Sie erschienen vierzehntägig in München und fungierten als „Sprachrohr des Görreskreises“. Die „Blätter“ werden dem politischen Katholizismus180 zugerechnet und waren großdeutsch ausgerichtet. Sie gelten „als bedeutendstes Organ der gebildeten deutschen Katholiken im 19. und frühen 20. Jahrhundert“.181 Die Geschichte des Mädchens von Spinges kursierte demnach in einem größeren geographischen Raum, wenn als Figur auch nur vage gezeichnet als „fechtend unter den Bauern“. Als „fröhlich“ wird der „Heldenmuth“ hier gesehen – ganz anders in späteren religiös unterlegten Darstellungen. Als paradigmatisch für die Ambivalenz und das Umkämpft-Sein von Vorstellungen einer kriegerischen Heldin kann die Auswahl von acht Strophen aus einem längeren Gedicht über „Die Heldin von Spinges“ aufgefasst werden, veröffentlicht 1862 in den katholisch ausgerichteten „Tiroler Stimmen“.182 Es beginnt mit der Nacht vor der Schlacht und dem Ansturm der „Franken“ und weiter heißt es darin: Wohl fühlt heut der Tiroler es geht um seinen Herd, um Alles, was auf Erden ihm theuer, lieb und werth, – es gilt der Väter Sitte, es gilt das höchste Gut, – für’s Land und für den Glauben spart er ja nie sein Blut. Und standhaft unverdrossen, hält auch die Dirne aus; wohl mag ihr seltsam dünken das schreckliche Gebraus, Lazfonser und Velthurnser stellten sich in weißlodenen Mänteln den Hereindringenden entgegen, und warfen mit den Männern die Franzosen Sturm auf Sturm zurück.“ Stimmen und Bilder aus dem Volksleben. Von allerlei Schätzen und Schatzgräbern, in: Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland, 27, 1 (1851), 498–528, 527, Hervorhebung im Original gesperrt. 180 Siehe allgemein dazu Gisela Fleckenstein u. Joachim Schmiedl (Hg.), Ultramontanismus. Tendenzen der Forschung, Paderborn 2005. Die zentrale Position des Görreskreises wird aus einem Schaubild ersichtlich in Nicole Priesching, Grundzüge ultramontaner Frömmigkeit am Beispiel der „stigmatisierten Jungfrau“ Maria von Mörl, in: ebd., 77–92, 79. 181 Dieter J. Weiß, Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland (11.9.2006), http:// www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44727 (letzter Zugriff: 20.9.2020). 182 Die „Tiroler Stimmen“ waren das Nachfolgeorgan des „Innsbrucker Tagblattes“ und sind erstmals Ende März 1861 erschienen. Das Motto lautete: „In Freud und Leid zu Österreich und Tirol zu stehen, aber auch die Eigenart und Eigenberechtigung Tirols nicht aufzugeben. Gegenüber der zentralistischen Regierung in Wien sollten die Landesrechte Tirols verteidigt werden. Katholische Haltung und festhalten an der Glaubenseinheit des Landes waren selbstverständlich.“ Gedruckt wurde die Zeitung in der Marianischen Vereinsdruckerei in Innsbruck und galt als deren „Wahrzeichen“. Siehe dazu Karl Klaar, Gründung und Fortschritt der Firma Mar[ianische] Vereinsbuchhandlung und Buchdruckerei A. G. Innsbruck. Die Jahre 1856–1936. Rückschau, Innsbruck 1936, 35f.
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und wenn auch manche Kugel an ihr vorüberpfeift, seht nur, es hat ihr keine auch nur den Arm gestreift.
An dieser Stelle ist erklärend eingefügt, dass man hier nun gleich zur Schlussstrophe übergehe, die folgendermaßen lautet: Kein Maler ist gekommen, der uns ihr Bild gemahlt, kein Dichter, der in Liedern mit Glorien sie umstrahlt, um ihren niedern Hügel wird sich kein Lorbeer zieh’n, – Tirol und die Geschichte sind ihre Schuldnerin.183
Auf das in der letzten Strophe anklingende drohende Vergessen folgt die Anmerkung, dass einige Gedichte über das Mädchen von Spinges wohl schon gedruckt worden seien. In Anbetracht dieser bruchstückhaften Auszüge schien es lohnend, die ursprüngliche Fassung des Gedichts zu recherchieren. Diesbezüglich ist vermerkt, dass dieses der in Braunau erscheinenden „Warte am Inn“ entnommen und über die Redaktion in Salzburg weitergeleitet worden sei. Das Gedicht stammt von Moriz Schleifer.184 Im Original umfasst es 32 Strophen. Für die „Tiroler Stimmen“ wurden die Strophen 8 bis 10, 19 bis 22 sowie die letzte ausgewählt – in einem gewissermaßen ‚manipulativen‘ Akt. Denn Moriz Schleifer zeichnete ein ganz anderes Bild der Heldin als es der Auszug in den „Tiroler Stimmen“ vermittelt. Er zeigt eine schießende Heldin, was offensichtlich ‚zensuriert‘ wurde. Man kann einwenden, dass ein solches Bild im Widerspruch zur historischen Überlieferung steht. Doch dürfte dieses Ausblenden nicht allein dem Drang nach ‚Wahrheit‘ geschuldet gewesen sein, sondern könnte mit grundsätzlichen Vorbehalten gegenüber einer schießenden Heldinnenfigur zusammenhängen. Geschlechterbezogene Ambivalenz kommt auch im Gedicht selbst zum Ausdruck, etwa in Form wechselnder Titulierungen der Heldin als Hexe und Jeanne d’Arc sowie in der Beschreibung als munter und wacker und zugleich bescheiden. Damit wird ein Spektrum aufgemacht, das zwischen nahezu konträren Zuschreibungen – einmal an die Heldin, einmal an die Frauenfigur – changiert: und auch die munt’re Dirn lädt’ ihre Büchse wohl, – die Tasche ihrer Schürze ist ja von Kugeln voll. 183 184
Die Heldin von Spinges, in: Tiroler Stimmen (1862), 281. Moriz Schleifer, Aus meinen Wanderungen in Tirol, 2. Die Heldin von Spinges, in: Die Warte am Inn. Wochenblatt für Unterhaltung und Belehrung 5, 6 (10.2.1862), 41f. Moriz Schleifer (1817– 1877) stammte aus Oberösterreich, war Jurist und Schriftsteller; er verfasste Lyrik und Dramen. ÖBL, Bd. 10 (Lfg. 47, 1991), 181f.
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Gebt acht, jetzt wird sie schießen, – sie zielt, – es kracht schon, paff! ei seht doch, wie die Hexe so gut die Gegner traf! Vom hohen Roß kopfüber stürzt er aufs blut’ge Feld, – ich wette, daß er’s Niemand zu Hause mehr erzählt.
Und weiter unten: Glück auf, du wackres Mädel, tirolerische Jeanne d’Arc, wie strahlst du vor den Andern weitaus durch Kraft und Mark! Nur immer frisch geladen, an Pulver fehlts dir nicht, sieh, wie nach jedem Schusse ein Feind zusammenbricht! [...] und wie sich der Franzose zum Rückzug hat gewandt, hat ihm die letzte Kugel die Dirne nachgesandt. In Nacht und Nebel schwindet der Feind im Eisacktal; die Bauernmagd zog heimwärts, umrauscht von Siegesschall. Zu Haus hat sie den Stutzen bescheiden weggelegt, und allsogleich im Stalle, wie sonst das Vieh gepflegt.
In den folgenden und letzten fünf Strophen geht es darum, dass sie unbekannt geblieben sei: Niemand kenne ihren Namen, sie habe niemals mit ihrer Tat geprahlt, „sie kehrte ruhig wieder in ihre kleine Welt/ und hat auf Feld und Alpe ihr Tagewerk bestellt“. Der Dichter fragt sich, ob sie wohl „einmal den Brautkranz um ihre Heldenstirn“ gewunden habe, als ehrsame Magd gealtert sei, oder ob sie vielleicht sogar noch lebe. „Im Dunkeln, wie er anfieng, entschwand ihr Lebenslauf.“ Ein einziges Mal habe „sie die Schranken des Geschlechts“ durchbrochen im „Blitze des Gefechts“. Zwar hätten die Nachbarn noch lange von ihr gesprochen, doch habe man sie schließlich vergessen und Schleifer endet wie bereits zitiert: „Kein Maler ist gekommen“ usw. Das Bild des schießenden Mädchens von Spinges bleibt in der Wirkungsgeschichte eine seltene Ausnahme. Es kann als extreme Ausprägung des Motivs der kriegerisch-kämpferischen Heldin interpretiert werden. Aber selbst diese Figur wird über den Topos der Bescheidenheit wiederum in einen weiblichen Kosmos re-integriert.185 185
Zum selben Schluss kommt Hanna Hacker in Hinblick auf Soldatinnen: Auf den Akt der Gewalthandlung folgte die Refeminisierung. Hanna Hacker, Gewalt ist: keine Frau. Der Akteurin oder eine Geschichte der Transgressionen, Königstein/Taunus 1998, 148; siehe auch Heidrun Zettelbauer, Das fragile Geschlecht der Kriegsheldin. Diskursivierungen weiblicher Heilungs- und Verletzungsmacht im Ersten Weltkrieg, in: Rolshoven/Krause/Winkler, Heroes, 91–126, 96.
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Das von dem aus Wien stammenden Johann Georg Seidl (1804–1875)186 verfasste Gedicht „Das Mädchen von Spinges“ ist ebenfalls in einem kämpferischen Ton gehalten – wiederum verknüpft mit einem auf die Kampfszene folgenden Bescheidenheitsgestus. Es besteht aus elf Fünfzeilern. Die Beteiligung von Frauen in einer Kriegssituation wird in der zweiten Strophe gerechtfertigt. Seidl führt auch ein Sujet ein, das später vereinzelt aufgegriffen wurde: dass ihr Liebster, ihr „Bub“, auf dem Kirchhof im Grab liege und sie für ihn „fechte“. Die vorletzte Strophe zeichnet ein heroisches Bild des Grauens, die letzte Strophe thematisiert einmal mehr die Namenlosigkeit der Heldin: Dem Feinde gilt mein Säbel scharf, Dem Feinde gilt mein Blei; Und wenn der Mann dort fechten darf, so darf ’s das Weib nicht minder; Die Lieb’ ist mir nicht neu! [...] Und über Leichen steht die Maid Gar schrecklich schön zu schau’n, Es hat der Himmel sie gefei’t; Die bärt’gen Schützen stehen Vor ihr mit heil’gem Graue’n! Wie heißt die Heldin von dem Tag? Sie dreht sich zürnend um: „Und heiß’ ich wie ich heißen mag; Ich hab’ geschützt mein Liebstes, Brauch’ keinen andern Ruhm!“187
Keine Fortsetzung in der Rezeption fand der Ausgang der Geschichte, wie sie Johann Georg Mayr188 in seinem 1851 in Innsbruck herausgekommen Buch „Der Mann von Rinn“ 186 187
188
Johann Georg Seidl war Archäologe, Lyriker und Erzähler, er war der Textdichter der österreichischen Kaiserhymne und arbeitete unter anderem auch als Kustos am Wiener Münz- und Antikenkabinett. J[ohann] G[eorg] Seidl, Das Mädchen von Spinges, in: C[onrad] Fischnaler, Das Eisackthal in Lied und Sage. Erinnerungsblätter, Innsbruck 1883, 48–50. Entstanden ist es vor 1862, da es – wie erwähnt – im Nachsatz des in jenem Jahr in den Tiroler Stimmen publizierten Gedichts von Anton Petzer, Die Heldin von Spinges, genannt ist. Johann Georg Mayr (1800–1864) war Kupferstecher und arbeitete an topographischen Atlanten im bayerischen Generalstab in München. Daneben war er auch historisch interessiert. M[ichael] F[ritz], Mayr, Johann Georg, in: Geschichte Tirol, http://www.geschichte-tirol.com/biographien/ wissenschaft/738-mayr-johann-georg.html (letzter Zugriff: 20.09.2020).
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darstellte. Er setzte die „weibliche Heldin“ mit einer Erscheinung gleich, die zum Kampf anfeuerte, beschloss die Episode aber mit deren Tod im Gefecht: „Jene heldenmüthige Jungfrau, welche bei diesem mysteriösen – jedenfalls wunderbaren – Kampf allein drei Franzosen mit einer Feldgabel erstach, bezahlte aber – von vier Bajonettstichen durchbohrt – mit dem Leben die kühne That, welche in der Tiroler-Geschichte fortleben wird, obwohl sie selbst namenlos geblieben, und nur als die Heldin von Spings bekannt wurde.“189 Im Unterschied dazu erfuhr das Motiv einer quasi übernatürlichen Erscheinung spätere Fortsetzungen. In der Schrift „Heiliger Tyroler Ehrenglanz“ von 1851, die Georg Stocker, den berühmtesten Kuraten von Spinges, porträtiert, wird die Heldin in einen Konnex zur „Gottesmutter“ gesetzt. „Auch schreiben die Bewohner des Berges vorzüglich seiner [Stockers] Fürbitte die Abwendung mehreren Unglücks in jener verhängnisvollen Zeit, ja selbst das Erscheinen des gegen die Feinde kämpfenden Mädchens auf der Gottesackermauer zu Spings, zu, in welchem der fromme Sinn so gern die Gottesmutter erkennen möchte, die Georg so innig verehrt hat.“190 Zwei Interpretationsstränge lassen sich in diesen ‚namenlosen‘ Jahrzehnten ausmachen: die kämpferisch-kriegerische Figur, die in dieser Zeit deutlich hervortritt, aber durch den zumeist nachfolgenden Rekurs auf die Bescheidenheit relativiert wird, und die religiös überhöhte Figur, die erstmals anklingt. Offensichtlich vermochte das Mädchen von Spinges Dichter auch außerhalb Tirols zu inspirieren.191 Die Interpretationen verselbstständigten sich dabei in kreativer Aneignung. Städtisch-bürgerliche Zuschreibung von „Authentizität, Tracht und Tradition“ an den ländlich-alpinen Raum dürfte diesen Prozess zusätzlich vorangetrieben haben.192 189 190
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Joh[ann] G[eor]g Mayr, Der Mann von Rinn (Joseph Speckbacher) und Kriegsereignisse in Tirol 1809. Nach historischen Quellen bearbeitet, Innsbruck 1851, 12. Heiliger Tyroler Ehrenglanz oder Lebensgeschichten heiliger, seliger, gottseliger, frommer und ausgezeichneter Tyroler. Gesammelt und neu bearbeitet zur Erbauung und Belehrung für Jedermann, Heft 5–6, Innsbruck 1845, 138f. So hatte beispielsweise auch der „Tiroler Freiheitskampf“ von 1809 und hatten dessen Helden, vor allem Andreas Hofer, zunächst die norddeutschen und britischen Intellektuellen der Romantik fasziniert und waren von diesen verklärt worden. Laurence Cole, „Ein Held für wen?“ Andreas Hofer-Denkmäler in Tirol im 19. Jahrhundert, in: Stefan Riesenfellner (Hg.), Steinernes Bewußtsein, Bd. 1: Die öffentliche Repräsentation staatlicher und nationaler Identität Österreichs in seinen Denkmälern, Wien/Köln/Weimar 1998, 31–61, 35. Siehe dazu, wenn auch mit einem zeitlich späteren Schwerpunkt Reinhard Johler, Tradition, Moderne und Volkskultur: Eine (österreichische) Geschichte im (europäischen) Vergleich, in: Antje Senarclens de Grancy u. Heidemarie Uhl (Hg.), Moderne als Konstruktion. Debatten, Diskurse, Positionen um 1900, Wien 2001, 87–107, 88; siehe auch Wolfgang Brückner, Moderne Trachtenforschung einer konstruktivistischen Volkskunde, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 57, 106 (2003), 263–302, 289f.
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Spezifisch für diese Phase ist, dass die Heldin als „Bauernmädchen“, „Bauernmagd“ oder „Bauerndirne“ sowie als „Mädchen von Spinges“ firmiert. Ihre Namenlosigkeit wurde immer wieder thematisiert. Augustin Scherer, ein Benediktiner, bringt es in seiner 1852 in Innsbruck erschienenen „Geographie und Geschichte von Tirol. Ein Lesebuch für die vaterländische Jugend“ nochmals auf den Punkt: „Hier sah man unter den tapferen Vertheidigern auch ein Mädchen auf der Kirchhofmauer stehen, das todesmutig mit einer Heugabel gegen die stürmenden Franzosen kämpfte. Der Name dieser Heldin ist nie bekannt geworden; in allen Berichten über diese Schlacht wird sie nur ‚das Mädchen von Spinges‘ genannt.“193 Eine Heldin ohne Namen und damit in gewisser Weise ohne eigene Identität erlaubt eine gewisse Interpretationsfreiheit, ist medial jedoch wenig ausbaufähig. Das reicht für einige Zeilen Text, für Gedichtstrophen und die Abbildung der Schlachtszene an der Friedhofsmauer. Es gibt jedoch kein konkretes Vorher und Nachher – nur den Nachmittag jenes 2. April 1797. Um eine Geschichte daraus zu entspinnen, müssten sich das historische Ereignis und die Person in einen weiteren „Handlungs- und Sinnzusammenhang“ stellen lassen. Hayden White spricht diesbezüglich von einem „emplotment“.194 Ohne ein solches Einbetten in eine Handlung bleibt eine Figur schemenhaft und flüchtig. Vielleicht wäre sie tatsächlich in Vergessenheit geraten, wenn sie nicht doch noch – nach über siebzig Jahren anonymer Heldinnenexistenz – einen Namen erhalten hätte.
193
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P[ater] A[ugustin] Scherer, Geographie und Geschichte von Tirol, ein Lesebuch für die vaterländische Jugend, Innsbruck 18602 [1852], 186. Dieses Buch erscheint in weiteren Auflagen und in einer Neubearbeitung von Alois Menghin, z. B. die sechste Auflage 1903, 413–416, 415 (Zitat). Der Abschnitt heißt dort nicht mehr „Das Mädchen von Spinges“, sondern „Das Treffen bei Spinges“ und handelt vom Landsturm, von Wörndle, den Inntaler Kompanien und von der Schlacht. Die Heldinnenszene lautet in Fusion verschiedener Versatzstücke: „Hier war es, wo das fünfundzwanzigjährige Bauernmädchen Katharina Lanz aus St. Vigil in Enneberg, die in Spinges bedienstet war, die anstürmenden Feinde mit einer Heugabel von der Kirchenthür abwehrte. Der Name dieses Heldenmädchens ist erst in neuester Zeit bekannt geworden.“ Stephanie Himmel, Von der „bonne Lorraine“ zum globalen „magic girl“. Die mediale Inszenierung des Jeanne d’Arc-Mythos in populären Erinnerungskulturen, Göttingen 2007, 63.
II Katharina Lanz: Heldin in vielfältigen Perspektivierungen
Das Mädchen von Spinges war nicht die einzige Frau, von der in Zusammenhang mit kriegerischen Handlungen berichtet wurde: Kämpfende Frauen gab es in der Amerikanischen und Französischen Revolution, in den antinapoleonischen Kriegen in Spanien, Preußen und Tirol sowie in jenen des italienischen Risorgimento, in den Revolutionen von 1848 und ebenso in früheren Jahrhunderten. Im zeitlichen und räumlichen Umfeld der Schlacht von Spinges scheinen weitere Frauen auf, die am Kampfgeschehen beteiligt waren, wie auch im „Tiroler Almanach“ zu lesen ist: „Haufenweise strömte das Volk, Jünglinge und Greise, Männer und Weiber, den in der Gegend von Sterzing sowohl, als in Vinschgau postirten K. K. Truppen zu [...]. Allenthalben war nur Eine Stimme: Für Glauben, Kaiser und Vaterland zu siegen, oder zu sterben! Allenthalben wurde nur Ein Geist und Ein Wille bemerkbar, und diese ruhmwürdige Einigkeit entschied die Vaterlandsrettung.“1 Dutzende ganz unterschiedlicher Autoren betonten in der Folgezeit die Teilnahme von Mädchen und Frauen an den Kämpfen in ähnlich euphorischen Worten.2 Zu bedenken ist, dass Helden- und Heldinnenstoff maßgeblich von Gerüchten lebt, sich in enger Verflechtung damit aufbaut. Ein Topos, der den heranrückenden französi1 2
Der Masse-Aufstand der Tiroler, 18. Unter den Autoren, die die Teilnahme von Frauen erwähnten, z. B. Streiter, Die Schützenbraut, 134; Carlo Botta, Storia d’Italia: dal 1789 al 1814, Bd. 2, Paris 1824, 179: „Chiamava Laudon i Tirolesi all’armi, gli chiamava Kerpen: secondava con ardenti esortazioni l’opera loro il conte di Lerback [...]. I bellicosi abitatori di quelle montagne al suono di voci tanto gradite correvano all’armi bramosamente contro i conculcatori della patria loro; nè il sesso, nè l’età si rimanevano, perchè furono veduti e vecchi, e donne, e fanciulli, dato di mano alle armi, che il caso, od il furore parava loro davanti, mettersi in piè per difendere le antiche, ed amate sedi loro.“ „Laudon rief die Tiroler zu den Waffen, wie auch Kerpen: Der Graf von Lerback [sic] trug zu deren Werk mit glühenden Aufrufen bei […]. Die kampflustigen Bewohner dieser Berge griffen beim Klang dieser willkommenen Stimmen eifrig zu den Waffen gegen die Unterdrücker ihrer Heimat; weder Geschlecht noch Alter hielten sie davon ab. Denn man sah Alte und Frauen und Kinder mit Waffen, die ihnen der Zufall oder der Zorn in die Hände gab, und sie erhoben sich, um ihre alten und geliebten Orte zu verteidigen.“ Der Historiker und Politiker Carlo Botta (1766–1837) nahm an den revolutionären Ereignissen auf Seiten der Franzosen teil. Cesare Laugier de Bellecour, Offizier im Napoleonischen Heer und später General bei den Streitkräften des Großherzogtums Toskana, schrieb denselben Satz. Cesare Laugier de Bellecour, Fasti militari, ossia guerre dei popoli europei dal 1792 al 1815. Incremento a civilizzazione e concordia europea, Bd. 2, Firenze 1844, 323.
II Katharina Lanz: Heldin in vielfältigen Perspektivierungen
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schen Truppen vorausging, war Kirchenraub und Kirchenschändung durch die als „gottlos“ charakterisierten Feinde. Dabei ging es weniger um materielle Verluste als vielmehr um die Ungeheuerlichkeit des Sakrilegs: Sie machten nicht Halt vor dem Allerheiligsten, dem Tabernakel, den Hostien. Dies ist auch Inhalt des „Spingeser Schlachtliedes“. In der dritten Strophe heißt es, die Franzosen hätten „ja gar“ die Kirche nicht geschont, das Hostiengefäß herausgerissen und die Hostien herumgeworfen.3 Das Motiv der Schändung kehrt in den literarischen und populärhistorischen Darstellungen vielfach wieder und sollte auch ein zentraler Kontext für die Konstruktion der Heldin Katharina Lanz werden. Wie Ute Planert in ihrer Untersuchung zu den kriegerischen Geschehen im südwestdeutschen Raum in jenen Jahren schreibt, sei „kaum anzunehmen, daß die französischen Soldaten all die blasphemischen Handlungen tatsächlich unternahmen, die ihnen unterstellt“ wurden. Entscheidend für die Wahrnehmung sei gewesen, dass man ihnen diese zugetraut habe, was sich in entsprechenden perhorreszierenden Geschichten niederschlug.4 Nicht zu unterschätzen ist der mögliche Propagandaeffekt von kampfbereiten, aktiv an Gefechten beteiligten Heldinnenfiguren: Einmal konnten sie dazu dienen, „die Kampfbereitschaft der Männer zu erhöhen“, diese zum Weitermachen, zur neuerlichen Erhebung zu motivieren, wie Martin Schennach in seinem Buch über das Jahr 1809 argumentiert,5 in dem schießende Frauen (medial) präsenter waren als 1797.6 Die dahinter stehende Logik war: Wenn sich sogar die Frauen, die es traditionalen Geschlechterbildern zufolge eigentlich zu beschützen galt, selbst im Kampf einsetzten, dann müssten sich die Männer umso mehr dazu verpflichtet sehen, zu den Waffen zu greifen und das Land zu verteidigen. So dürfte mitunter selbst namentlich genannten Heldinnen, deren Taten und Namen sich über Gerüchte verbreiteten, in Texte einflossen und immer wieder ungeprüft fortgeschrieben wurden, ein nur fiktiver Charakter zukommen.7 In den sogenannten Laufzetteln, die von Hand zu Hand gingen, Informationen weitergaben und zum Kampf aufriefen, fanden sich in dieser Zeit wiederholt dichotome Geschlechterbilder, beispielsweise: „Seyd auf Brüder! Sterben tun wir ohnedem nur einmal, und es ist besser wir sterben als Män3 4 5 6
7
Stock, Der Tag bei Spinges, 63f. Planert, Der Mythos, 139–148, (Zitat) 140. Schennach, Revolte in der Region, 504–506. Besonders zu erwähnen sind Giuseppina Negrelli und Therese von Sternbach. Nubola, Giuseppina Negrelli zieht in den Krieg; Maria Heidegger, „Dass sie Schafe und Böcke zu hüten hatte, kann ja auch umgangen werden.“ Biographische Annäherung an Therese von Sternbach (1775–1829), in: Clementi (Hg.), Zwischen Teilnahme und Ausgrenzung, 135–170. Schennach, Revolte in der Region, 509f. Die Langlebigkeit von nicht weiter überprüften Geschichten und Phantasien über aufständische Frauen thematisiert auch Sabine Allweier, Canaillen, Weiber, Amazonen. Frauenwirklichkeiten in Aufständen Südwestdeutschlands 1688 bis 1777, Münster u. a. 2001.
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II Katharina Lanz: Heldin in vielfältigen Perspektivierungen
Abb. 14: Joseph Leopold Strickner, „Gräuelszenen aus Tyrol“. Im Kontext der Tiroler Erhebung von 1809 stellten bayerische Flugblätter und Kupferstiche auch Gräueltaten dar, darunter auch von Frauen begangene. Damit verfolgten sie propagandistische Ziele: den Feind zu entmenschlichen und die eigene Kampfbereitschaft zu stärken.
ner, als wenn wir wie Weiber zugrunde gehen.“8 Karen Hagemann hat diese Form der Geschlechterkonstruktion im Sinne der „Geschlechtscharaktere“ als typisch für die antifranzösische Kriegspropaganda aus der Zeit der sogenannten „Befreiungskriege“ gewertet. Über die Abgrenzung vom ‚Weiblichen‘ wurde die „patriotische Männlichkeit entworfen“ als Grundlage männlicher „Wehrhaftigkeit“ und Verteidigungsbereitschaft bis in den Tod, die einherging mit einer Codierung von „Nation“ als „männlich-militärischer Raum“.9 Blutrünstige und grausame Darstellungen der Frauen der gegnerischen Seite konnten dazu dienen, die eigene Kampfentschlossenheit und größtmögliche Einsatzbereitschaft 8 9
Schreiben des Unterinntaler Kommandanten Anton Aschbacher an mehrere Gemeinden im Stubaital im November 1809, zit. nach Schennach, Revolte in der Region, 505. Hagemann, Heran, heran, zu Sieg oder Tod, 51f; dies., Der „Bürger“ als „Nationalkrieger“. Entwürfe von Militär, Nation und Männlichkeit in der Zeit der Freiheitskriege, in: dies. u. Ralf Pröve (Hg.), Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel, Frankfurt a. M./New York 1998 74–102, 92–95; dies., Mannlicher Muth, 236–242; Ute Frevert, Soldaten, Staatsbürger. Überlegungen zur historischen Konstruktion von Männlichkeit, in: Thomas Kühne (Hg.), Männergeschichte – Geschlechtergeschichte. Männlichkeit im Wandel der Moderne, Frankfurt a. M./New York 1996, 69–87, 81–85.
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zu mobilisieren. Aus dem Kontext von 1809 ist dokumentiert, dass auf bayerischer Seite Flugblätter und Kupferstiche kursierten, die bewaffnete Tiroler Frauen und von diesen begangene Gräueltaten darstellten (Abb. 14).10 Dies sollte für die Adressaten „die völlige Entmenschlichung der Kämpfe in Tirol und speziell die Blutrünstigkeit der Tiroler Bevölkerung illustrieren [...], die schiere Unfassbarkeit der Tiroler Kriegsführung vor Augen führen“.11 Zugleich waren auf diese Art evozierte Bilder nützlich, um die unübersichtliche Kampfsituation, die sich damit für die bayerischen Soldaten stellte, zu verdeutlichen und die Schwierigkeiten, dieses Aufstands Herr zu werden, zu rechtfertigen.12 Was das Mädchen von Spinges betrifft, fehlen Hinweise auf einen zeitlich unmittelbaren propagandistischen Zusammenhang. Dieser war nicht zuletzt infolge des raschen Abzugs der französischen Truppen wenige Tage nach jenem 2. April 1797 kaum herstellbar.
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Ein Ereignis, das zum festen Repertoire an Heldinnentaten zählt, ist der Auftritt der „Frauen von Latzfons“. Berichtet wird, sie seien am 3. April 1797 angeführt vom „Thinner Gretele“ in weiße Mäntel gehüllt, wie sie auch von der österreichischen Artillerie getragen wurden, um den Bühel von Pardell in geschlossenen Reihen herumgezogen. Sie seien „bald von der einen, bald von der anderen Seite heran[gekommen]“ und wieder verschwunden, sie hätten Böllersalven krachen lassen, sodass die Franzosen glaubten, dass die österreichische Artillerie „im Aufmarsch begriffen sei“. Die in den Häusern verschanzten Bauern hätten indessen einen „gräßlichen Stein- und Kugelregen aus den Hausfenstern und von den Dächern auf die schon siegessicheren Feinde niederprasseln“ lassen, woraufhin diese durch die Weinberge hinunter bis zum Kloster Säben die Flucht ergriffen. Der Pfarrer Otto Michaeler, der diese Episode 1947 auf diese Weise schildert, nennt dazu auch die den Kirchenbüchern entnommenen Lebensdaten von Margareta Rautner, „Thinner Gretele“ genannt. Bald nach diesem Ereignis, nämlich im Juni 1797, heiratete sie und brachte in den folgenden Jahren sechs Kinder zur Welt. Im Trauungsbuch sei sie als „virgo heroica“, als heldenhafte Jungfrau, und im Sterbebuch als „mulier heroica“, als heldenhafte Frau, bezeichnet. Als Grundlage seiner Ausführungen bezieht sich der Geistliche auf einen Akt im 10
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Siehe dazu auch Ellinor Forster, Wahrnehmung, Beteiligung und Erinnerung: Frauen in der Tiroler Erhebung von 1809, in: Siglinde Clementi (Hg.), Die Marketenderin – Frauen in Traditionsvereinen, Innsbruck 2013, 173–211, 197. Schennach, Revolte in der Region, 506. Schennach, Revolte in der Region, 511; Forster, Wahrnehmung, Beteiligung und Erinnerung, 195– 197.
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Abb. 15: Belobigungsdekret für „die Weiber und Mädchen der Gemeinde Latzfons“
Schularchiv in Verdings und zitiert des Weiteren ein „Belobigungsdekret“ vom September 1804 aus dem Pfarrarchiv Latzfons, ausgestellt vom Gubernialrat Johann Graf Brandis am 15. September 1804, in dem „die Weiber und Mädchen der Gemeinde Latzfons“ für ihren „thätigen Beystand“ gelobt wurden, den sie den Männern im April 1797 geleistet hatten (Abb. 15). Das Dekret vermerkt tatsächlich, dass „die Weiber und Mädchen der Gemeinde Latzfonds, wo es dem französischen Feinde gelang, über Brixen vorzudringen“, „in weißen Mannsmantels gekleidet sich dem Feinde zur größten Bewunderung desselben entgegen gestellt“ haben. Ihr Einsatz sei „durch glaubwürdigste Augenzeugen erhoben und bestättiget worden“.13 13
Otto Michaeler, Die tapferen Weiber und Mädchen von Latzfons und Verdings, in: Der Schlern 21, 4 (1947), 100–101; siehe auch Köfler/Forcher, Die Frau, 149–151; Christoph Hartung von Hartungen u. Alessandra Zendron, Donne nella sollevazione, in: Storia E. Rivista quadrimestrale della Sovrintendenza Scolastica di Bolzano 6, 1–3 (2008), 37–46, 39. Wir danken dem inzwischen verstorbenen Lehrer Johann Schrott (1932–2020) aus Latzfons, der auch als Archivar tätig war, wie auch seiner Frau Barbara und seinem Sohn Franz, dass sie uns das Belobigungsdekret gezeigt und als Abbildung zur Verfügung gestellt haben. Siehe dazu auch Johann Schrott, Der Pardeller Krieg, in: Die Latzfonser Schützen. Ein Streifzug durch zwei Jahrhunderte, 1796–2019, hg. von
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Von einer von den Frauen aus dem nahe gelegenen Villanders im April 1797 abgehaltenen „Weiberwacht“ ist ebenfalls öfters zu lesen – so bei Ferdinand Lentner: „Die Weiber liessen nicht nur ganze Steinladungen den Abhang hinunterkollern, sondern erwiesen sich auch als Meisterinnen im Feuergefechte. Die Burschen luden die Gewehre, die Mädchen schossen sie ab. Fast jeder Schuss war ein Treffer. Abermals musste der Feind sein Vorhaben aufgeben und sich zurückziehen. Nunmehr versuchte er es mit einem gütlichen Vorschlag dahin gehend, dass kein Franzose auf die Höhe kommen, noch auch sonst Beunruhigung verursachen werde, wenn die mit Männern vermengte Weiberschar Vernunft annehme und sich friedfertig verhalte. Aber mit den Weibern, die jetzt auch ein Wort mitzureden hatten, giengen die Verhandlungen nicht so glattweg von statten, wie es drüben in Pardell und Säben mit den Männern der Fall gewesen. Die Villanderer wollten von Waffenruhe nichts wissen, sondern weiterkämpfen, bis der Succurs käme.“14 Andere Ereignisse dieser Art sind in älteren historischen und populärhistorischen Darstellungen sowie in Zeitungsartikeln immer wieder erwähnt und sie sind ungebrochen in zahlreiche neuere Publikationen eingeflossen. Namen und Episoden wurden so vielfach fortgeschrieben; fundierte Quellennachweise fehlen jedoch zumeist. Manche Geschichten werden explizit der Sagenwelt zugeordnet – wie jene der „drei heiligen Jungfrauen“ von Meransen, das ganz in der Nähe von Spinges liegt. Deren Hilfe, so die Sage, werde in Kriegszeiten erbeten. Ihrem Schutz sei es zu verdanken gewesen, dass französische Soldaten 1797 und 1809 „kein einziges mal nach Meransen“ vorgedrungen seien. Nur bis zur „Junfernrast“ oder „zur Linde“ seien sie bei ihrem Aufstieg auf den Meranser Berg gekommen, zu jenen Plätzen, an denen die drei
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der Schützenkompanie Latzfons, Brixen 2019, 16–24. Einigen Zeitungsartikeln zufolge soll den Mädchen und Frauen von Feldthurns, ein Ort in der Nähe von Latzfons, ein ähnliches Belobungsdekret ausgestellt worden sein. Staats- und gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten: mit allergnädigster Kayserlicher Freyheit 201 (18.12.1804), o. S.; Kaiserlich- und Kurpfalzbairisch privilegirte allgemeine Zeitung, 363 (28.12.1804), 1452. Ferdinand Lentner, Die Weiberwacht zu Villanders, 3. April 1797, in: Lentner, Kriegspolitische Denkwürdigkeiten, 33–41; insbesondere 34f: „In der schönen, altertümlichen Kirche zu Villanders [...] waren um diese Zeit viele Andächtige zur Vesperandacht versammelt, Greise und bresthafte Männer, dann eine grosse Zahl Weiber und Mädchen. Als diese vernahmen, dass ihre Männer, Söhne und Brüder in grösster Bedrängnis seien, waren sie auch schon eines Sinnes, die Waffen gegen die französische Colonne zu ergreifen. Kaum war das übliche Kriegsgebetlein zu Ende, welches in diesen gefährlichen Zeiten bei jedem Gottesdienste verrichtet wurde, eilte das Weibervolk nach Hause, um sich mit Küchen- und Stallgewehr, Steinschleudern, Vortüchern und Körben zum Zutragen der Steine zu versehen. Binnen kurzer Zeit war die weibliche Mannschaft vor dem Dorfwirtshause aufgestellt und zog unter Eggers [des Pfarrmessners Benedict Eggers] Führung zum Kampfplatz. Wohl lachten die Franzosen über diesen Aufzug der Weiberwacht bei Rabenstein und Partegg; aber bald wurden sie inne, dass mit diesen geharnischten Weibspersonen noch schwerer Krieg zu führen sei, wie mit den Männern.“ Daran schließt die im Text zitierte Passage an.
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Jungfrauen einst gerastet hätten. Einer Version zufolge traten den französischen Grenadieren dort „drei seltsame Jungfrauen in den Weg und ließen sie nicht weiter vorwärts“.15 Deutlich mehr Geschichten und Gerüchte über tapfere und kämpfende Frauen kursierten in Zusammenhang mit den kriegerischen Handlungen des Jahres 1809. Als besonders zweifelhaft nennt Martin Schennach die Existenz der „Frauen im Sterzinger Moos“, Elisabeth Gogl, Anna Zoderer und Maria Hofer, die durch das Vorbeiziehen von Heuwägen den Tiroler Schützen am 11. April 1809 Deckung und damit einen entscheidenden Kampfvorteil verschafft haben sollen. In den einzelnen Darstellungen variieren sowohl die Namen der Frauen als auch deren Anzahl. Trotz dieser Widersprüchlichkeiten sei diese Episode „weitgehend als Faktum akzeptiert und in nahezu jeder Darstellung der Ereignisse ausführlich wiedergegeben“.16 Rudolf Granichstaedten-Czerva nannte die drei Frauen 1932 „die drei Amazonen“ von Sterzing.17 Zweifel an den diversen Frauenaufgeboten, über die im Zusammenhang der Ereignisse von 1809 berichtet wurde, scheinen angebracht. Im Tauferer Tal sollen 1809 vier Frauenkompanien zur Bewachung von kriegsgefangenen Sachsen eingesetzt gewesen sein. Anderen Schilderungen zufolge sollen sie unter der Führung von Margareta Hofer auch mitgekämpft haben.18 Im Paznauntal soll sich eine Kompanie von 120 Frauen gebildet und Ende November 1809 unter der Führung von Juliane Krismer, Schwester des dortigen Pfarrers, „Häuserin“ und „Jungfrau“, bayerische Soldaten in die Flucht geschlagen haben.19 Eine Vielzahl an Berichten von bayerischen Kommandanten liege vor, doch enthielten sie, laut Martin Schennach, keinen einzigen „Hinweis auf weibliche Beteiligung“, womit dieser „Kampfeinsatz eines Frauenaufgebotes im Paznaun wohl definitiv ins Reich der Legende“ zu verweisen sei.20 15 16
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Die heiligen Jungfrauen helfen in Kriegsnoth, in: Johann Adolf Heyl (Hg.), Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, 127–128. Schennach, Revolte in der Region, 503, 507f; dazu auch Köfler/Forcher, Die Frau, 151; Harwick W. Arch, Die Frauen im Sterzinger Moos, in: Tiroler Heimatblätter 75, 3 (2000), 159–163. Arch nennt Maria Porer, geborene Hofer, Anna Zoder und Maria Pichler. Anna Zorn sei in den Taufund Sterbebüchern jedoch nicht aufzufinden. Von den anderen nimmt er aber offensichtlich an, dass sie die ihnen zugeschriebene Heldinnentat ausgeführt haben. Er gibt aus einem Bericht eine Belegstelle für die Heuwägen an, die aber keine Frauen nennt. Ebd., 161. Granichstaedten-Czerva, Andreas Hofers alte Garde, 431–433; ders., Berühmte Tiroler Heldinnen (1797–1917), in: Tiroler Anzeiger 295 (24.12.1927), 15f; Hartungen/Zendron, Donne nella sollevazione, 40. Siehe auch Die drei Amazonen von Sterzing, in: Wolfgang Morscher (Hg.), Sagen.at, http://www.sagen.at/doku/Andreas_Hofer/Sterzing_Amazonen.html (letzter Zugriff: 5.8.2020). Josef Innerhofer, Taufers, Ahrn, Prettau. Die Geschichte eines Tales, Bozen 19822, 340f; Granichstaedten-Czerva, Andreas Hofers alte Garde, 419–422. Köfler/Forcher, Die Frau, 153; Granichstaedten-Czerva, Andreas Hofers alte Garde, 422. Schennach, Revolte in der Region, 509.
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Als mutige Frau ist die Kronenwirtin Rosina Straub aus Hall, porträtiert.21 Anna Rott soll der Haller Chronik zufolge „den Stutzen wie ein Mann“ geführt haben.22 Dies wird auch über Anna Jäger, „Lebzelter Mariann“ genannt, aus Schwaz berichtet. Sie sei ein „ausgesprochenes Mannweib“ gewesen, „die nicht nur mit der Flinte bestens umgehen konnte, sondern auch das Handgemenge nicht scheute“. Am Bergisel soll sie „mehrere Feinde selbst erlegt“ haben und immer „nüchtern, gehorsam und tätig“ gewesen sein.23 Von ihr existieren auch Abbildungen,24 dennoch ist auch sie Schennach zufolge in Quellen nicht nachweisbar und scheint in den Schwazer Kirchenbüchern nicht auf.25 In den Texten über mutige Frauen jener Jahre ist die Geschichte von zwei Chorfrauen des Klosters Säben immer wieder angeführt: Benedicta Senoner soll sich aus Angst vor der französischen Besatzung 1809 über die Mauern in die felsige Tiefe und in den Tod gestürzt haben. Magdalena Told tritt gleich in mehreren Zusammenhängen auf. In ihrem Nachruf vom 16. Februar 1841 in der Chronik des Klosters Säben ist Folgendes vermerkt: „Sie allein verharrte bey den Soldaten im Kloster, bediente sie mit Heldenmuth und suchte das Kloster und was möglich war, der Blünderung und Zerstörung zu entreißen.“26 Tradiert wurde jedoch auch, dass sie als Soldat verkleidet aus dem Kloster geschlichen sei und in Bozen beim französischen Kommandanten Baraguey d’Hilliers den Abzug der einquartierten Soldaten vom Kloster habe erreichen können.27 Ein Gemälde, das eine Frau darstellt, 21 22 23
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Anna Maria Achenrainer, Frauenbildnisse aus Tirol, Innsbruck 1965, 60–64, dies., Tiroler Frauen im Freiheitskampf, in: Dolomiten 36, 184 (14.8.1959), 11–12, 12. Achenrainer, Frauenbildnisse aus Tirol, 60; dies., Tiroler Frauen im Freiheitskampf, 12; Granichstaedten-Czerva, Andreas Hofers alte Garde, 425f. Köfler/Forcher, Die Frau, 151f. Die letzte Aussage schreiben sie Anton Aschbacher, Schützenkommandant in der vierten Bergiselschlacht, zu. Siehe auch Granichstaedten-Czerva, Andreas Hofers alte Garde, 417–419. Am häufigsten ist jenes abgedruckt, das sie in einer Reihe mit Andreas Hofer, Joseph Speckbacher und einem „lokalen Kriegshelden“ zeigt – in einem langen Trachtenrock, mit Hut und mit einem Ellbogen auf das Gewehr gestützt. Siehe beispielsweise Köfler/Forcher, Die Frau, 152; Granichstaedten-Czerva, Andreas Hofers alte Garde, 417–419. In der handgeschriebenen Beschreibung ist Anna als „Heldin v. 1809“ genannt. Diese und eine weitere Abbildung von Anna Jäger auf Postkarte finden sich abgebildet bei Sessa, 1809. Andreas Hofer in cartolina, 187f. Schennach, Revolte in der Region, 510. Chronik des Klosters Säben, Eintrag vom 16.2.1841, 523. Für diese Information und für die im Text beschriebene Abbildung danken wir Ingrid Facchinelli sehr herzlich. Siehe auch Carl Toldt, Geschichte der Familie Toldt, Innsbruck 1940, 114–120. Das Gemälde ist hier als „Votivbild“ bezeichnet. Ildefonsa Frick, Der Sieg des Säbner Soldaten von 1809. Nach zeitgenössischen Aufzeichnungen, in: Der Schlern 13, 12 (1932), 529–532; Eine tapfere Tiroler Klosterfrau, in: Deutsche Welt 10, 5 (1933), 314–319 (Erscheinungsort dieser Zeitschrift war Dresden); Achenrainer, Tiroler Frauen im Freiheitskampf, 12; Hartungen/Zendron, Donne nella sollevazione, 39f; Ingrid Facchinelli, Alltag
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Abb. 16: Magdalena Told als Soldat verkleidet, Votivbild aus dem Kloster Säben
die wie ein römischer Legionär gekleidet beziehungsweise verkleidet ist, deren Nonnentracht daneben am Boden liegt und die sich an ein Marienbildnis wendet, repräsentiert diese Aktion (Abb. 16). Anna Ladurner, Andreas Hofers Ehefrau, ist in Büchern und Artikeln über ihren Mann in der Regel erwähnt. Sie wird stets als treue Hausfrau gezeichnet, die die häusliche Ökonomie bestritten habe, während ihr Mann Krieg führte. Sie war bei ihm, als er fliehen musste und als er verhaftet wurde. Als eigenständige historische Persönlichkeit bleibt sie jedoch meistens im Hintergrund. Dennoch ist auch Anna Ladurner manchmal mit einem Gewehr in der Hand dargestellt (Abb. 17). Im Jahr 2009 wurde ihr Leben Gegenstand eines Romans.28
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und Ordnung in den Quellen des Klosters Säben, in: Brigitte Mazohl u. Ellinor Forster (Hg.), Frauenklöster im Alpenraum, Innsbruck 2012, 91–108, 93f. Jeannine Meighörner, Starkmut. Das Leben der Anna Hofer, Innsbruck 2009; siehe auch Achen-
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Abb. 17: „Der Tyroler Hauptmann Hofer, Sandwirt, nebst seiner Familie“. Bemerkenswert an dieser Darstellung ist, dass alle drei, Andreas Hofer, Anna Ladurner und ein Sohn, mit einem Gewehr dargestellt sind, die Wehrhaftigkeit auf die Familie übertragen wurde. Das Paar hatte einen Sohn und sechs Töchter, von denen zwei als Kleinkinder starben.
Im Fall der Giuseppina Negrelli aus dem Primiero-Tal im Trentino – damals Welschtirol – sind Existenz wie auch ihr Einsatz im Kampf gesichert. Giuseppina Negrelli war im Jahr 1809 in dem von Andreas Hofer geführten Tiroler und Trentiner Aufstand gegen französisch-italienische Streitkräfte und deren bayerische Alliierte als 19-Jährige in einer Soldatenuniform in den Krieg gezogen. Ihr Vater Angelo Michele Negrelli, ein Holzhändler, vermerkte dazu in seiner Autobiographie: „Sie war fanatische Anhängerin der Österreicher, und ganz und gar gegen die Franzosen, die sie am liebsten allesamt ausgerottet hätte.“29 Diverse Geschichten sind überliefert, die zur Verbreitung des Ruhmes dieses Mädchens im Tal und darüber hinaus beigetragen haben. Bereits am 15. Juni 1809 berichtete der Unterintendant von Menz an den Intendanten Baron Hormayr, dass der Feind Rovereto verlassen habe und dass in Primiero „eine gewisse Josephine Negrelli, 18 Jahr alt, […] in Mannskleidern mit den Schützen ausgezogen“ sei und dass „die Weiber […] selbst eine Position“
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rainer, Frauenbildnisse aus Tirol, 65–74; dies., Tiroler Frauen im Freiheitskampf, 11; Granichstaedten-Czerva, Andreas Hofers alte Garde, 433f. Zit. nach Nubola, Giuseppina Negrelli zieht in den Krieg, 71.
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eingenommen hätten, „um Steine auf den Feind herabzurollen“.30 Giuseppina Negrelli wurde 1814 in Innsbruck mit einer Anerkennung, und einer Medaille ausgezeichnet. Darüber hinaus wurde ihr eine jährliche Vergütung von 250 Gulden zugesprochen. Im Jahr 1816 heiratete sie – und „verschwindet“, wie Cecilia Nubola schreibt, damit „endgültig von der öffentlichen Bühne“. Sie starb 1842; im Nachruf ist 1809 mit keiner Silbe erwähnt.31 Giuseppina Negrelli wurde gelegentlich als „zweites Mädchen von Spinges“ bezeichnet.32 Die Ausgangsposition von Katharina Lanz und Giuseppina Negrelli für eine potenzielle ‚Heldinnenkarriere‘ scheint vergleichbar. Jene Negrellis war theoretisch sogar eine bessere, denn über ihre Existenz bestanden keine Zweifel und sie hatte tatsächlich gekämpft und eine Uniform getragen, sie war mit einem Schießgewehr bewaffnet gewesen. Dennoch ist ihre Wirkungsgeschichte als Symbolfigur konträr zu jener von Katharina Lanz verlaufen. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts und im beginnenden 20. Jahrhundert war sie als Symbolfigur höchst ungeeignet – denn die politische Arena im Trentino dominierte die Forderung nach einer Autonomie innerhalb der Habsburgermonarchie und dem Anschluss des gesamten zum Großteil italienischsprachigen Gebiets an das 1861 neu gegründete Königreich Italien. Eine Heldin, die auf österreichischer Seite gekämpft hatte, repräsentierte in diesem Zusammenhang eine Patriotin der ‚falschen‘ Seite. Als Heldin funktionierte sie nur noch für monarchieorientierte Trentiner*innen. Während im Fall von Katharina Lanz der regionale politische Kontext, in dem ihr Auftritt verortet ist, im Prinzip fast derselbe geblieben ist, hat er sich im Fall von Giuseppina Negrelli mit den Trentiner Autonomiebestrebungen und zuvor bereits durch die italienische Einigungsbewegung ganz massiv verändert. Mehr als deutlich zeigt dieser unterschiedliche Verlauf, dass es geeigneter Anknüpfungspunkte von der jeweiligen Gegenwart aus zur Vergangenheit bedarf, damit Heldinnen oder Helden ‚funktionieren‘, damit sie konstruiert und zelebriert werden. Ebenfalls gesichert sind Existenz und Kampfeinsatz der Frauen von Pardell, Verdings und Latzfons. Wie erwähnt hatten sie im Jahr 1797 „ihren zur Vertheidigung des Vatterlandes ausgezogenen Männern und Vättern thätigen Beystand“ geleistet. Anders als Giuseppina Negrelli standen sie auf der ‚richtigen‘ Seite und hätten damit die Voraussetzung erfüllt, als Heldinnen fortzuleben. Tatsächlich wurden auch erste Schritte gesetzt: Die als „Thinner Gretele“ bezeichnete Mitstreiterin wurde, wie zuvor erwähnt, im Trauungsbuch als „virgo heroica“ und im Sterbebuch als „mulier heroica“ geehrt. Das „Belobungsde30
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Für den Text des Berichts siehe Josef Adolf Schneidawind, Der Krieg Oesterreichs gegen Frankreich, dessen Alliirte und den Rheinbund in Jahre 1809. Urkunden Briefe und Actenstücke, Augsburg 1850, 528; dazu auch Nubola, Giuseppina Negrelli zieht in den Krieg, 82. Nubola, Giuseppina Negrelli zieht in den Krieg. Michael Mayr, Welschtirol in seiner geschichtlichen Entwicklung, in: Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins 38 (1907), 63–92, 82.
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Abb. 18: Gedenktafel „Zur Erinnerung an das Gefecht in Pardell am 3. April 1797“
kret“ von 1804 – „zum bleibenden Denkmal für ihre Nachkommenschaft ausgefertiget“ – zeigt, dass die Behörden ihren Mut sowie ihre „Anhänglichkeit gegen Religion, Fürsten und Vatterland“ anerkannten und honorierten.33 Dem deutschen Alpinisten, Geographen und Schriftsteller Adolph Schaubach, ehedem Professor in Meiningen, zufolge sei es sogar ihrem Vorgehen zu verdanken gewesen, dass Joubert Tirol verließ. „Die Bewohner dieses ganzen Gebirges [von Latzfons] zeichneten sich im Kriege gegen die Franzosen durch heldenmüthige Tapferkeit aus; Weiber und Mädchen, in weisslodene Mäntel gekleidet, nahmen gleich thätigen Antheil an diesem Kampfe und schlugen 1797 alle Stürme und Angriffe des Generals Joubert zurück, sodass er sich von Weibern geschlagen schnell durchs Pusterthal zurückziehen musste“, hielt er in seinem Buch „Die deutschen Alpen für Einheimische und Freunde geschildert“ fest.34 33 34
Michaeler, Die tapferen Weiber und Mädchen von Latzfons und Verdings, 100f. Adolph Schaubach, Die deutschen Alpen für Einheimische und Freunde geschildert, Bd. 4: Das mittlere und südliche Tirol für Einheimische und Fremde, Jena 18672 (erste Auflage des gesamten Werkes 1845–1847), 220.
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Trotz der offiziellen Belobigung und der Anerkennung ihres Mutes wurden die Latzfonser Frauen nicht längerfristig als Heldinnen zelebriert. Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich das Spingeser Gefecht erinnerungspolitisch so tief eingeschrieben, dass „Pardell bei Latzfons und Verdings“ auf der an der Muttergotteskapelle in Pardell anlässlich der „Säkularfeier“ von 1897 angebrachten Gedenktafel als ein „kleines Spings“ firmierte: „Pardell bei Latzfons und Verdings,/ Fürwahr, du bist ein kleines Spings,/ Die Stutzenkugel sang ihr Lied,/ Die Jungfrau stand in Reih und Glied,/ Es floh der Feind zum Tal hinaus./ Gott schirmte unser Felsenhaus.“ (Abb. 18) Das Gefecht in Spinges diente als Folie und wurde eindeutig als wichtiger erachtet als jenes in Pardell. Wurde das Mädchen von Spinges, im Unterschied zum „Thinner Gretele“, allein deshalb eine langlebige Heldin? Die Rekonstruktion ihrer Geschichte als Heldin und der tiefen Verankerung als Mythos in der Deutschtiroler Memoria soll mögliche Antworten auf diese Frage liefern. Die tapferen Frauen von Pardell sind indes nicht gänzlich in Vergessenheit geraten: Im „Tiroler Gedenkjahr 2009“ wurden Gedenktafeln mit dem Titel „Der Pardeller Krieg/La guerra di Pardell“ angebracht. Während die Tafel in Pardell die Rolle der Frauen nur kurz erwähnt, zeichnet jene in Verdings die oben beschriebenen Ereignisse detailliert nach.35 Das Spektrum der im Tiroler Kontext von 1797 und 1809 beschriebenen Heldinnentaten – seien es facts oder fiction – ist breit: Es reicht vom mutigen Auftreten über das Bewachen von Feinden und das Ausführen einer kriegstaktischen List bis zum Einsatz im Kampf. Einige Taten wurden kollektiv von mehreren Frauen gemeinsam, andere individuell gesetzt. Manche Taten und deren Protagonistinnen sind gesichert und dokumentiert, andere zweifelhaft und bislang nicht durch Quellen belegt. Keine von ihnen hat jedenfalls auch nur annähernd eine dem Mädchen von Spinges vergleichbare Erfolgsgeschichte als Symbolfigur mit entsprechender medialer Präsenz und öffentlicher Ehrung durchlaufen. Allein das wäre schon Motivation genug, die historische Spurensuche nach den Konstruktionselementen dieser Heldinnenfigur aufzunehmen. Warum das unbekannte Mädchen von Spinges nachhaltig berühmt wurde und andere an Kämpfen beteiligte Frauen nicht, ist keine leicht zu beantwortende Frage. Doch lassen sich mögliche Gründe für die Erfolgsgeschichte ausmachen. Zweifelsohne war das Mädchen von Spinges – dem konservativ-katholischen Milieu, das diese Figur zelebrierte, entsprechend – keine revolutionäre Heldin, die für ein freieres und sozial gerechteres Leben und gegen ein repressives System kämpfte. Denn wie alle anderen erwähnten Frauen kämpfte sie gegen die Franzosen und damit für die Verteidigung traditioneller Werte und einer ebensolchen Ordnung. Unter die möglichen Gründe ihres Erfolges fällt, dass einige 35
Die Gedenktafeln von 2009 wurden von der Provinz Bozen (von den Abteilungen für Deutsche Kultur und für Familie), dem Kulturgüterverein Klausen und der Schützenkompanie Latzfons errichtet.
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der anderen Frauen durch das Tragen von Waffen und Männerkleidern die Geschlechtergrenzen und entsprechende Rollenbilder in der zeitgenössischen Wahrnehmung überschritten. Das mutige, aber zugleich schamhafte Spingeser Mädchen hingegen war, den meisten Überlieferungen zufolge, mit zusammengeheftetem Rock und mit einer Mistgabel aufgetreten und hatte ohne eigentliche Waffe gekämpft und diese Grenzen daher weit weniger übertreten. Hinzu kommt, dass jene Frauen, die kollektiv agiert haben, eine größere Gefahr für die Geschlechterordnung dargestellt haben mochten als ein Mädchen, das allein auftrat. Und eine Heldinnenkarriere ist für eine einzelne Figur eher möglich als für eine Gruppe. Denn das gängige Bild einer Heldin, eines Helden setzt eine außergewöhnliche Persönlichkeit voraus. Wenngleich das Fehlen biographischer Informationen, wie im Fall des tapferen Mädchens von Spinges, die Chancen einer erfolgreichen Heldinnenkarriere auf Dauer vielleicht gemindert hätte, brachte diese Leerstelle möglicherweise auch Vorteile mit sich: Jene Frauen, deren Identität bekannt war und die nach ihrem tapferen Auftreten in ein ‚normales‘ Leben zurückkehrten, heirateten und Kinder hatten, konnten den Heldinnennimbus leicht verlieren: Vielleicht waren sie aber auch geschwätzig oder tranken zu viel, vielleicht stritten sie mit ihren Männern oder mit den Nachbarinnen oder sie hatten uneheliche Kinder – und eigneten sich nicht länger, als Heldinnen gefeiert zu werden. Die alltägliche Präsenz von heldenhaften Protagonistinnen aus Fleisch und Blut ließ außerdem der Phantasie kaum Raum. Im Fall des unbekannten und rasch nach dem heldenhaften Auftreten verschwundenen Mädchens von Spinges waren hingegen Re-Funktionalisierungen und Manipulationen besonders einfach. Deshalb kann ihre Geschichte auch als ein leerer Rahmen gesehen werden, den die verschiedenen Autoren und Akteure auf der Bühne der Erinnerungspolitik mit jenen Inhalten und Bedeutungen füllen konnten, die sich in ihr jeweiliges Konzept einfügten. Das gilt vor allem für die erste Phase der Etablierung der Heldinnengeschichte. Auf längere Sicht konnte das Fehlen eines Namens und einer Biographie die Verbreitung des Ruhms der Heldin einschränken oder sogar verhindern. Wohl nicht zufällig bekam das Mädchen von Spinges schließlich und schlagartig doch einen Namen und damit auch eine Lebensgeschichte.
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In der Nummer 190 der „Neuen Tiroler Stimmen. Für Gott, Kaiser und Vaterland“ vom 23. August 1870 erschien ein Artikel unter dem Titel „Das ‚Mädchen von Spinges‘“. Gleich mit den ersten Worten führt er einen Namen ein: „Katharina Lanz, das war der Name des Mädchens, geboren am 20. September 1771 zu Enneberg. Ihr Vater, der allgemein als ein recht-
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schaffener Mann angesehen wurde, war damals Verwalter des Hofes zu Rost, der zu jener Zeit den Sonnenburger-Klosterfrauen gehörte.“ Die Familie sei verarmt. „Dadurch geschah es, daß der Vater seine Kinder in fremde Dienste thun mußte und so kam unsere Kleine frühzeitig aus dem elterlichen Hause. Ihr Vater brachte sie nach Lüsen zu ihrem Bruder; nach einigen Jahren treffen wir sie zu Stephansdorf bei St. Lorenzen und endlich finden wir sie im Jahre 1796 in Spinges, wo sie bei einem Bauer die Dienste einer Viehwärterin (Beseherin) versah.“ Ihr Fleiß, ihre Treue und Verlässlichkeit werden gelobt. Sie lese deutsch und italienisch „ganz gut“ und spreche „ihre ladinische Muttersprache“. Und: „Es kommt das Jahr 97.“36 Der Umstand, dass das Mädchen von Spinges zu Katharina Lanz wurde, stellt einen Wendepunkt in der Wirkungsgeschichte dar. Autor*innen, die sich mit der Heldin auseinandersetzten, machten diesen bislang an dem Zeitungsartikel von 1870 fest – wie auch wir in unseren vorangegangenen Veröffentlichungen.37 „In der Öffentlichkeit wurde ihr Name erst um 1870 bekannt“, „hauptsächlich durch einen Artikel in den ‚Neuen Tiroler Stimmen‘ vom 23. August 1870“, meinte etwa Anselm Sparber im Jahr 1948.38 „Konkrete biografische Notizen in der Tiroler Presse finden wir nach bisherigen Erkenntnissen erstmals am 23. August 1870 in den ‚Neuen Tiroler Stimmen‘“, schrieb auch Lois Craffonara im Jahr 2015.39 Inzwischen ist jedoch ein früherer Artikel aus dem Jahr 1869 aufgetaucht, und zwar im Beiblatt zu dem in Bozen erscheinenden „Tiroler Volksblatt“ vom 18. September des Jahres.40 Er enthält bereits den Namen Katharina Lanz und verortet sie ebenfalls in Enneberg. Übertitelt ist der Text mit „Spingsermädchen“. Der vermutlich im katholischkonservativen Umfeld zu verortende Verfasser41 vertritt die Identifizierung des Mädchens von Spinges mit Katharina Lanz, „Wirtschäfterin“ des Geistlichen Johann Maneschg, als seine „feste Überzeugung“. Er bezeichnet sie als „Krautwälsche“ – was umgangssprachlich für Ladinerin steht, in anderen Zusammenhängen auch abwertend gemeint sein kann – und betont zugleich, dass „ihr Geschlecht vom deutschen Tirol“ stamme. Damit betritt 36 37 38 39 40 41
Das „Mädchen von Spinges“ in: Neue Tiroler Stimmen 190 (23.8.1870), o. S. Lanzinger/Sarti, Wie das „Mädchen von Spinges“ zu Katharina Lanz wurde; dies., Das „Mädchen von Spinges“; dies., Katharina Lanz combattente Tirolese. Sparber, Wer war das Heldenmädchen, 182. Craffonara, Catarina Lanz, 211. Das Spingsermädchen, in: Tiroler Volksblatt 75 (18.9.1869), Beiblatt, o. S. Dafür spricht die eindeutige Ausrichtung der seit März 1862 erscheinenden Zeitung, die in Konkurrenz zur liberalen „Bozner Zeitung“ gegründet und unter anderem von dem christlich-konservativen Reichsrats-Abgeordneten Ignaz von Giovanelli unterstützt wurde. Siehe Bernhard Orgler, Das Tiroler Volksblatt (1862–1900). Die Geschichte einer katholisch-konservativen Wochenzeitung. Mit einem Vergleich zum Nordböhmischen Volksblatt, Diplomarbeit Innsbruck 2015, 18f, 22–27, sowie Kap. 5 zu den Redakteuren; siehe auch den Artikel Zum 50jährigen Bestande des „Tiroler Volksblattes“, in: Tiroler Volksblatt 51, 29 (10.4.1912), 1.
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er ein Spannungsfeld, das an der Wende zum 20. Jahrhundert immer mehr Bedeutung erhalten sollte. Beschrieben ist sie als „fromme, muntere und arbeitsame Person“, die die Geschichte über ihre Beteiligung an der Schlacht selbst erzählt habe. So folgt der Duktus des Artikels zum Teil der Wiedergabe einer Erzählung. Bemerkenswert ist, dass in dem Artikel – wie auch in dem Beitrag in den „Neuen Tiroler Stimmen“ von 1870 – Szenen zu jenem 2. April 1797 geschildert werden, die keinen Eingang in die dominanten Heldinnennarrative finden sollten. Der Plot weicht von den bis dahin gezeichneten und weiterhin verbreiteten Bildern in mehrfacher Hinsicht ab: Sie sei mit der Heugabel vor der Kirchentür gestanden – also nicht auf die Friedhofsmauer gesprungen. Getötet habe sie „in der Wirklichkeit“, wie sie „offen“ gestanden habe, niemanden. Sie habe sich der Verfolgung der fliehenden Franzosen angeschlossen, sei aber von ihrem „Dienstgeber, der für das kecke Weibsbild fürchtete,“ an ihrem Kleid erfasst und zurückgehalten worden. Sie habe dann bei der Bestattung der Gefallenen mitgeholfen. Da die Heldin in dieser Version nicht auf der Friedhofsmauer stand, war, wie der Verfasser 1869 anmerkte, der Widerspruch zu den Aussagen von Franz Pfaundler, der ihre Präsenz auf dem Kirchhof stets bestritten hatte, aus dem Weg geräumt. Das Mädchen erwähnt haben soll als erster „der feindliche Anführer“, der sich verwundet „beim Elefanten in Brixen“ aufgehalten habe – damit ist Joubert angesprochen und dieser Faden der Genese der Geschichte aufgenommen. Seine Wahrnehmung lasse sich daraus erklären, dass „er bei den verschiedenen Stürmen vielleicht ihrer ansichtig wurde, und aus ihrer Position und ihren Aufmunterungen auf den Gedanken kam, sie habe die Tiroler kommandirt“, weshalb er ihr auch „die ganze Schlappe“ zugeschrieben habe. „Die Wahrheit ihrer Aussage“ bestätige „ihre Erzählung“ anderer Umstände, wie „der Verbrennung eines Hofes mit den feindlichen Gefallenen von Seite der Franzosen“, die „genau so in der vom Hochw[ürden] H[er]rn Kuraten in Spings geschriebenen Beschreibung dieser Schlacht enthalten sind“. Dass „die Tiroler Landesvertheidiger […] keine nähere Auskunft wußten“ über sie, wird unter anderem damit in Zusammenhang gebracht, dass an der Schlacht „vorzüglich Unterinnthaler sich betheiligten“. Zudem habe ihr der Dekan Anton Trebo, ein „Vetter“, bei dem das „Spingsermädchen“ als Wirtschafterin bis zu dessen Tod im Jahr 1808 gearbeitet habe, davon abgeraten, sich huldigen zu lassen. „Und so kam Katharina persönlich um ihren Ruhm und um ihre Belohnung.“ Der Artikel erwähnt abschließend all die anderen Frauen, die in Zusammenhang mit den „Kämpfen Tirols“ in jenen Jahren immer wieder und in diesem Kapitel eingangs genannt wurden. In den „Neuen Tiroler Stimmern“ wird diese Erzählung pathetisch ausgestaltet und damit für das Repertoire an Zuschreibungen weiterer Stoff aufbereitet.42 Einige Zitate daraus 42
Im Detail ließen sich aus historischer Perspektive Einwände gegen diverse Aussagen anführen. Darauf geht Karl Klaar in den Debatten der 1930er Jahre ausführlich ein.
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sollen deren Zielrichtung verdeutlichen: „Vieles hatte sie gehört von der Gier der Franzosen, insbesondere, daß sie nicht zufrieden mit dem, was sie bei armen Leuten finden, sich auch an Kirchensachen vergreifen, ja sogar an das Allerheiligste selbst Hand anlegen.43 Das erfüllte des frommen Mädchens zarte Seele mit unendlichem Schmerz, weshalb sie den heldenmüthigen Entschluß faßte, selbst ihr Leben einzusetzen, falls die wilden Krieger sich solches erlauben würden. Es geschah am 20. März, als am 4. Sonntag vor Ostern, daß die Feinde nach Spinges kamen. Dem gefaßten Entschluß treu, stellt sich Katharina Lanz vor der Kirchthüre auf um die Feinde abzuhalten; doch es nahte sich ihr keiner. Als die Feinde fliehen mußten, setzte sie selben mitten unter den Sturmmännern nach, wurde jedoch von ihrem Dienstherrn von weiterem Vordringen abgehalten. – Die Franzosen hatten, bevor sie abzogen, eine Scheune in Flammen gesetzt, in die sie viele Leichen der Ihrigen hineinwarfen, um die Zahl ihrer Gefallenen zu verheimlichen; die der Tiroler aber ließen sie liegen. Das Mädchen, dem die Beerdigung der Todten sehr am Herzen lag, ging nun mit einem Schlitten in den Wald und zog die Gefallenen zum Dorfe, wo sie von einigen Bauernknechten beerdigt wurden. – Was das fernere Leben des ‚Mädchens von Spinges‘ betrifft, so kehrte es etwa mit Ende 1797 oder Anfangs 1798 nach Enneberg zurück und zwar in die Pfarre, wo der geistliche Vetter der Katharina Lanz, nämlich Anton Trebo, Dekan war. Bei ihm blieb sie in der Eigenschaft einer Magd bis zu seinem Tode. Nach dem Ableben ihres Herrn Vetters kam sie nach Buchenstein, wo sie als geistliche Häuserin im Jahre 1854 im 83. Lebensjahre starb.“44 An die Skizze der Biographie und der Ereignisse schloss eine eindringliche Betonung: Es bestehe kein Zweifel, „daß Katharina Lanz das vielgepriesene ‚Mädchen von Spinges‘ gewesen“ sei. Darauf folgte eine Art Beweisführung: Man habe nie von einer anderen gehört, die diese Rolle für sich beansprucht habe. Sie habe nicht nur „beim Volke“ als solches gegolten, sondern sei etwa zwanzig Jahre nach der Schlacht bei Spinges „von der Behörde (wahrscheinlich vom Kreisgerichte Bruneck)“ aufgefordert worden, sich öffentlich zu erklären – doch habe der Dekan sie davon abgehalten. Und schließlich habe auch „der verstorbenen Herr Kanonikus Hirn“,45 damals noch Student, als er bei Spinges kämpfte, „sie wirklich für das gepriesene Mädchen“ gehalten. Die Passage über die ‚Beweise‘ ist in der gebundenen Ausgabe der Zeitung der Bibliothek Ferdinandeum in Innsbruck teilweise unterstrichen und am Rand mit einem Ausrufezeichen und einem dicken Strich markiert. 43 44 45
Insbesondere das Motiv der Schändung des Allerheiligsten kehrt in literarisch-poetischen Darstellungen vielfach wieder. Das „Mädchen von Spinges“ in: Neue Tiroler Stimmen 190 (23.8.1870), o. S. Franz Hirn, der Kanonikus in Brixen war, ist hier gemeint. Er kommt später nochmals in Zusammenhang mit der Errichtung eines Grabsteins für die gefallenen Inntaler an der Kirchenmauer in Spinges vor.
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Am Schluss pochte der Verfasser auf seine Definitionsmacht: „Von ihren Thaten sind nur die oben angeführten wahr. Das bezeugte sie in ihrem Leben, das bezeugt der Herr, bei dem sie in den letzten Jahren ihres Lebens in Diensten gestanden, so oft man will. Blut vergoß sie in Wahrheit keines. Es dürften diese Thatsachen ob des Widerspruches mit jenen, die man zu lesen bekommt, auf den Gedanken bringen, daß sie nicht dieselbe Person sein könne mit jener, von der man liest und erzählt. Doch selbe lassen sich heben, wenn man weiß, daß sie allein unter ihrem Geschlechte am Friedhofe in Spinges gestanden. Hervorheben will ich noch, daß sie immer sehr zurückhältig war und von einer gewissen Traurigkeit und Schwermuth befallen wurde, so oft man sie wegen dieser Geschichte anließ. Der Grund ist unbekannt, doch wird man nicht ganz irre gehen, wenn man annimt, daß ein ihr theurer Sohn des Vaterlandes von ihr zu Grabe geführt wurde.“46 Die beiden Artikel führten eine konkrete Person ein und versuchten, deren Bild in ein neues Licht zu rücken: Die drei Franzosen, die die Heldin Berichten zufolge von der Mauer gestoßen und getötet haben soll, kommen nicht vor: Blut habe sie keines vergossen, wird auch in den „Tiroler Stimmen“ betont. Stattdessen steht ihre religiöse Haltung im Zentrum: Sie habe sich schützend vor die Kirchentür gestellt und das allein genügte offensichtlich, denn „es nahte sich ihr keiner“.47 Sie habe sich um das Beerdigen der Toten gekümmert. Dazu wird in den „Tiroler Stimmen“ am Schluss eine tragische Liebesgeschichte angedeutet – wie sie bereits im Gedicht von Johann Georg Seidl begegnet ist. Die Artikel zielen darauf ab, eine Geschichte der Heldin festzuschreiben und zu kanonisieren, was allerdings nicht gelingt. Diverse Erzählstränge und Motive entwickeln vielmehr ihre eigenen Dynamiken. Mit der Identifizierung als konkrete Person Katharina Lanz und als ledige Pfarrersköchin bekam sie ein Geschlechterrollen kaum noch überschreitendes Agieren zugeschrieben. Der Autor des Artikels im „Tiroler Volksblatt“ rekurriert auf die Erzählung der Katharina Lanz und vermittelt dadurch den Eindruck einer persönlichen Bekanntschaft. Der Autor in den „Tiroler Stimmen“ zeigt sich mit den familialen Verhältnissen und der Person von Katharina Lanz vertraut. Wer waren die Verfasser? Namentlich sind sie nicht ausgewiesen. Der unterschiedliche Schreibstil spräche für zwei Personen. Nahe liegend wäre es, auf einen Geistlichen zu tippen, vor allem im Artikel in den „Neuen Tiroler Stimmen“. Dies würde zum einen zu dem von religiösen Elementen durchzogenen Bild der zwar mutigen, aber weibliche Handlungsräume nicht wirklich überschreitenden frommen Heldin passen, obgleich sie mehrfach von Anderen in ihrem Tun gebremst worden war: von ihrem „Dienstgeber“ oder „Dienstherren“ und vom Dekan. Zum anderen würde sich ein geistlicher Autor auch gut in das in den Folgejahren noch detaillierter aufgerollte Leben der Katharina Lanz als Pfarrersköchin einfügen. 46 47
Das „Mädchen von Spinges“ in: Neue Tiroler Stimmen 190 (23.8.1870), o. S. Das „Mädchen von Spinges“ in: Neue Tiroler Stimmen 190 (23.8.1870), o. S.
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Zentrale Figuren im Umfeld der historischen Person Katharina Lanz waren die Brüder Maneschg. Sie verbrachte die letzten Lebensjahre in Andraz, im Haus des mit ihr verwandten Kuraten Giovanni beziehungsweise Johann Maneschg. Dessen Bruder Carlo oder Karl Maneschg, damals Student und später Priester, habe sie bei seinen Besuchen über das Jahr 1797 in Spinges befragt. Die Brüder Maneschg wären prädestiniert als Verfasser des zitierten Artikels in den „Neuen Tiroler Stimmen“ – auf diese haben einige mit Katharina Lanz befasste Personen auch getippt. Der spätere Spingeser Kurat Jakob Stubenruß etwa sah in ihnen die Autoren und wandte sich vehement gegen die Ausschmückung der Geschichte. Er schrieb: „Brüder Maneschg, woher habt ihr diese bis dahin nie gehörten u[nd] höchst unwahrscheinlich klingenden Histörchen?“48 Eine Bestätigung ihrer Autorenschaft gibt es jedoch nicht. Als Hauptargument gegen die Autorschaft der Brüder wurde angeführt, dass im Artikel der Ostertermin falsch angegeben sei. Ein solcher Fehler würde Geistlichen nicht unterlaufen.49 Die Franzosen kamen dem Artikel zufolge „am 20 März“, „am 4. Sonntag vor Ostern“ nach Spinges. Ostern war in dem Jahr am 16. April,50 vier Sonntage zurückgerechnet, kommt man auf den 19. März, der 20. war ein Montag. Der kirchliche 48 49
50
Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 117, Jakob Stubenruß, Wer war das Mädchen von Spinges? (Manuskript), 9. Klaar, Das „Mädchen von Spinges“. Eine historische Untersuchung, 163, 165. Anzumerken ist, dass Karl Klaar den Artikel der „Neuen Tiroler Stimmen“ in seiner Auseinandersetzung mit dem Mädchen von Spinges in vollständiger Abschrift wiedergibt – allerdings schreibt er irrtümlich „am 4. Sonntag nach Ostern“ statt „vor Ostern“, Hervorhebung der Verfasserinnen: „‚Es geschah am 20. März, also am 4. Sonntag nach Ostern, daß die Feinde nach Spinges kamen.‘ Das ist ein ganz unmögliches Datum! Jeder, der von der christlichen Zeitrechnung etwas versteht, weiß, daß das früheste Osterdatum auf den 22. März fällt, das späteste auf den 18. bzw. 25. April. Wie kann also der vierte Sonntag nach Ostern auf den 20. März fallen? Aber es wendet jemand ein: Das ist eın Druckfehler oder ein Versehen. Es soll heißen: am 4. Sonntag vor Ostern. Aber auch dieses Datum stimmt nicht. Denn der vierte Sonntag in der Fastenzeit (der wohl gemeint sein dürfte), der Sonntag Laetare, fiel im Jahre 1797 auf den 26. März. Die Franzosen aber kamen, wie der damalige Kurat Thomas Laimgruber in seiner Darstellung der damaligen Vorfälle bei und in Spinges an den Brixner Fürstbischof Karl Graf Lodron berichtet hat, an demselben 26. März, dem Sonntag nach Mariä Verkündigung, zum ersten Male nach Spinges.“ Sparber, Wer war das Heldenmädchen, 182, Anm. 5 merkt an: „Wegen der Verstöße gegen den Kirchenkalender glauben wir nicht, dass er von den Brüdern Maneschg, die Geistliche waren, stammt, aber sie standen ihm nahe.“ In unseren beiden früheren Aufsätzen sind wir fälschlicherweise davon ausgegangen, dass sich das in den „Tiroler Stimmen“ angeführte Datum auf das Gefecht vom 2. April bezieht, wie Craffonara, Catarina Lanz, 220, Anm. 35, zurecht bemerkt hat. Lanzinger/Sarti, Wie das „Mädchen von Spinges“ zu Katharina Lanz wurde, 371, Anm. 41; dies., Das „Mädchen von Spinges“, 32, Anm. 52. Hermann Grotefend, Zeitrechnung des Deutschen Mittelalters und der Neuzeit, 2 Bde., Hannover 1891–1898 (ediert von Horst Ruth, Münster 2004), http://www.manuscripta-mediaevalia.de/ gaeste/grotefend/grotefend.htm (letzter Zugriff: 23.9.2020).
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Kalender wäre also fast zurechtgerückt gegenüber Klaars Fehlinterpretation. Der Spingeser Kurat Thomas Leimgruber datierte die Ankunft der Feinde in seinem Bericht allerdings auf den 26. März: An jenem „Sonntag nach Maria Verkündigung kamen die Franzosen um 2 Uhr Nachmittag von Schabs und Mühlbach herauf bey 3000 Mann“.51 Auf jeden Fall stimmt das in den „Neuen Tiroler Stimmen“ angegebene Datum mit dem von dem Kuraten erwähnten nicht überein und die Autorschaft bleibt ungeklärt. Vielleicht fungierte Karl Maneschg (1829–1897) als Informant? Er war im Jahr 1870 Provisor in der Kuratie St. Kassian im Dekanat Enneberg, 1875 scheint er dort als Kurat auf, anschließend ab 30. Juli 1875 als Kaplan der Gebär- und Findelanstalt in Innsbruck.52 In der fraglichen Zeit hielt er sich demnach in Enneberg auf. Eine andere mögliche Verbindungslinie könnte über Friedrich Graf von Gaderthurn (1835–1921) aus St. Martin in Thurn, ebenfalls im Gadertal, führen, ein späterer Jurist und Politiker, der während seiner Studienzeit in den Jahren zwischen 1861 und 1870 Redakteur der in Innsbruck erscheinenden „Tiroler Stimmen“ war.53 Ferdinand Lentner schreibt über Mitteilungen von Karl Maneschg an Friedrich von Gaderthurn54 – allerdings ohne nähere Angaben zum Zeitpunkt. Dies könnte eine mögliche Spur sein. Zum Verfasser des Artikels in dem in Bozen erscheinenden „Tiroler Volksblatt“ von 1869 ließ sich bislang kein Hinweis finden. Die Gemeinsamkeiten der Narrative sprechen dafür, dass die beiden Artikel in einem Zusammenhang stehen. Prägend für das geistig-politische Klima diese Zeit war der sogenannte Kulturkampf, der in Österreich im Jahr 1861 mit der Februarverfassung in eine neue Phase getreten war. Insbesondere das darin festgeschriebene Recht der freien Religionsausübung stieß bei den Tiroler Konservativen auf vehementen Widerstand. Sie pochten auf die Berücksichtigung der „Landeseigentümlichkeiten“, wozu die Glaubenseinheit als zentrales Element zählte.55 51 52
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TLF, Bericht Leimgruber, fol. 1. Siehe dazu auch Craffonara, Catarina Lanz, 220f, der Karl oder Carlo Maneschg höchstwahrscheinlich für den Verfasser des Artikels hält. Schematismus der Geistlichkeit 1870, 38; Schematismus der Geistlichkeit der Diöcese Brixen für das Jahr 1875, Brixen 1875, 41; Schematismus der Secular- und Regular-Geistlichkeit der Diözese Brixen 1886, Brixen 1886, 52. Recherchen rund um Katharina Lanz dürfte vor allem Karl oder Carlo Maneschg durchgeführt haben. Sein Bruder war gesundheitlich angeschlagen. Vom Fuße des Beutlers. 11. April (Nekrolog), in: Tiroler Stimmen 18, 87 (16.4.1878), o. S. ÖBL, Bd. 2 (Lfg. 6, 1957), 45; Perathoner, Die Dolomitenladiner, 149–159. Von ihm sind im „Südtiroler Volksblatt“ und in Form von „Extra-Abdrücken“ im Umfang von 36 Seiten auch bei der Wohlgemuth’schen Buchdruckerei in Bozen 1867 „Tirolische Gedanken“ erschienen, in denen er sich vehement gegen ein liberales und für ein katholisch regiertes Österreich ausspricht. Lentner, Denkwürdigkeiten, 112. Josef Fontana, Der Kulturkampf in Tirol, 1861–1892, Bozen 1978, 43–58; siehe auch Nina Kogler, Die katholische Kirche im Kulturkampf Tirols. Akteur_innen und Aktionsraum im Konfessionalisierungsprozess, in: Gustav Pfeifer u. Josef Nössing (Hg.), Kulturkampf in Tirol und in den
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Bereits auf die Ankündigung dieser Neuerung hin sprach der Brixner Fürstbischof Vinzenz Gasser von einem „Kampf um Christentum und Kirche“, und die Stimmung in den klerikalen Kreisen heizte sich merklich auf.56 Die vehementen Reaktionen wie auch andere Konflikte jener Zeit im Kontext des Kulturkampfes konzentrierten sich vornehmlich auf Deutschtirol. Anlässlich der Behandlung von Anträgen zur Glaubenseinheit im Innsbrucker Landtag am 17. April 1861 brachte der Konservative Johann Haßlwanter als Sprecher des damit befassten Komitees – er war später Landeshauptmann von Tirol (1867–1869) – die „wehr- und landespolitischen“ Implikationen der Glaubenseinheit zum Ausdruck: „Die Religion [...] ist der vorzügliche Träger des Volksgeistes in Tirol und namentlich der Katholizismus in unserem Lande die geistige Heimat unserer deutschen und italienischen Volksstämme. Die schönsten Blätter unserer vaterländischen Geschichte diktierte der religiöse Geist unseres Volkes.“57 Propagandaaktionen der Klerikalen, Prozesse und Proteste folgten. Kanonikus Franz Hirn, ein Veteran des Jahres 1797, forderte in einem Schreiben an den Landtag die Erneuerung des Herz-Jesu-Bündnisses; Prozessionen und Wallfahrten wurden organisiert. 9.000 Gläubige sollen an Gebeten vor einem Muttergottesbild in Bozen teilgenommen haben.58 Das Beharren auf einem konfessionellen Ausnahmegesetz blieb aufrecht: Die drei Landesbischöfe brachten im Jahr 1863 Anträge zur Erhaltung der Glaubenseinheit ein, die Klerikalen wiederholten gegenüber der neuen Regierung in Wien unter dem Konservativen Richard Belcredi 1865 diese Forderung und sie reisten in diesem Anliegen auch nach Rom, wo sie Pius IX. in einer Privataudienz empfing.59 Die Regierung Belcredi machte Zugeständnisse und sanktionierte ein Gesetz, das den „Gütererwerb und die Ansässigmachung“ von Nichtkatholiken in Tirol verhindern sollte.60 Ab Mitte der 1860er Jahre erzielten die Liberalen in der Habsburger Monarchie große Erfolge. In der nur bis 1879 andauernden „liberalen Ära“61 stand das Verhältnis zwischen
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Nachbarländern. Akten des Internationalen Kolloquiums des Tiroler Geschichtsvereins (Sektion Bozen) im Kolpinghaus Bozen, 9. November 2012, Innsbruck 2013, 11–30; Laurence Cole, Der Kulturkampf in der österreichischen Reichshälfte der Habsburgermonarchie, in: ebd., 105–123. Zur vorhergehenden Zeit Huber, Grenzkatholizismen. Fontana, Der Kulturkampf, 44. Stenographische Berichte, Landtagsakten, 7. Sitzung vom 17.4.1861, 1. Per., 1. Sess., 95–132, zit. nach Fontana, Der Kulturkampf, 46. Laurence Cole, Nationale Identität eines „auserwählten Volkes“: zur Bedeutung des Herz JesuKultes unter der deutschsprachigen Bevölkerung Tirols 1859–1896, in: Heinz-Gerhard Haupt u. Dieter Langewiesche (Hg.), Nation und Religion in der deutschen Geschichte, Frankfurt a. M./ New York 2001, 480–515, 491. Fontana, Der Kulturkampf, 71, 95f. Fontana, Der Kulturkampf, 98–102. Alfred Ableitinger, Die historische Entwicklung des Liberalismus in Österreich im 19. und be-
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den Konfessionen sowie zwischen Kirche und Staat im Zuge der Ausarbeitung der Dezemberverfassung von 1867 und der Maigesetze von 1868 neuerlich zur Debatte. Unter anderem ging es dabei um die Schulaufsicht, die bis dahin eine kirchliche Domäne gewesen war und nun dem Staat übertragen werden sollte, um Einschnitte in die kirchliche Zuständigkeit in Ehegerichtssachen und um die sogenannte „Notzivilehe“. Albert Jäger, der Jahre später in die Vorbereitungen zur Setzung des ersten Gedenksteins zu Ehren von Katarina Lanz involviert sein sollte, war in diesem Zusammenhang eine der besonders lautstarken Stimmen, die kirchliche Interessen vertraten.62 Die liberalen Gesetze traten dennoch in Kraft. Die klerikale Bewegung organisierte den Widerstand vornehmlich über ein dichtes Netz des Katholischen Vereins für Tirol und Vorarlberg.63 Insbesondere Monsignore Josef Greuter – „Weltpriester und Gymnasiallehrer“64 – tat sich dabei hervor. Er habe sich, „kaum von Wien zurückgekehrt [...] mit Feuereifer ans Werk“ gemacht, „um System in die Sache zu bringen“. Er zog „landauf, landab, um Reden zu halten, Zweigvereine zu gründen und Ovationen und Ehrenbürgerdiplome entgegenzunehmen. Jedes Dorf, in dem Greuter Einkehr gehalten habe, sei für die klerikale Bewegung gewonnen worden.65 Dem konnten, so Josef Fontana, die Liberalen nichts Vergleichbares entgegensetzen. Nicht zuletzt ging es auf das Konto der regionalen Presse, dass sich die politischen Gegensätze in dieser Phase verschärften. In zahlreichen Orten war es im Zuge der staatlichen Schulinspektion in den Jahren 1869 und 1870 zu offenem Widerstand und sogar zu tätlichen Auseinandersetzungen gekommen, in die auch Frauen involviert waren.66 Die Tiroler Konservativen – Albert Jäger, Josef Greuter und Ignaz Giovanelli – zogen Anfang 1870 nach einer Wortmeldung des Wiener Abgeordneten Karl Wilhelm Freiherr von Tinti, Geheimer Kämmerer von Pius IX., aus dem Reichsrat aus. Drei weitere Abgeordnete legten daraufhin ihr Mandat nieder. Tinti hatte sich gegen die Beschimpfung des Reichsrats und die Schmähung von Abgeordneten durch die Klerikalen im Innsbrucker Landtag gewandt und Greuter vorgeworfen, dass er kein Deutscher sei: „Sie und Ihresgleichen sind es nicht. Sie sind auch kein Öster-
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ginnenden 20. Jahrhundert, in: Helmut Reinalter u. Harm Klueting (Hg.), Der deutsche und österreichische Liberalismus. Geschichts- und politikwissenschaftliche Perspektiven im Vergleich, Innsbruck 2010, 121–147, 141–167; Helmut Reinalter, Liberalismus und Kirche in Österreich im 19. Jahrhundert, in: ebd., 149–160, 158 – 160; Karl Vocelka, Verfassung oder Konkordat? Der publizistische und politische Kampf der österreichischen Liberalen um die Religionsgesetze des Jahres 1868, Wien 1978. Fontana, Der Kulturkampf, 109–116. Zu dessen Aktivitäten in dieser Zeit siehe Fontana, Der Kulturkampf, 134–139. Cole, Nationale Identität, 487. Fontana, Der Kulturkampf, 117. Fontana, Der Kulturkampf, 150–159.
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reicher, denn Ihre Heimat ist Rom, Ihr Vaterland ist die Kirche, Ihr Kaiser ist der Papst (Bravo! links). Sie wollen kaiserlicher sein als S[ein]e Majestät der Kaiser und verweigern Ihre Anerkennung Gesetzen, denen Seine Majestät die Unterschrift beigefügt hat.“67 Da die „Kampfkatholiken“ – wie Josef Fontana sie nennt – weiterhin auf dem Konkordat von 1855 beharrten, das durch die Dezember- und Maigesetze von 1867 und 1868 jedoch ausgehöhlt, wenngleich nicht aufgehoben worden war, bot das Vatikanische Konzil von 1870 eine Gelegenheit, die Verhältnisse zu klären und das Konkordat aufzulösen:68 Indem das Konzil den Primat des Papstes und seine Unfehlbarkeit ex catedra zum Dogma erklärte, änderte sich „die Rechtsnatur des Vertragspartners“, was die formelle Auflösung des Konkordats im Juli 1870 nach sich zog.69 Bedeutete dies für die Katholisch-Konservativen auch eine Niederlage, so gab es im Jahr 1870 für sie und die „klerikale Agitation“ dennoch Höhepunkte. Ein Großereignis stellte die Erneuerung des Herz-Jesu-Bündnisses am 24. Juni 1870 in Bozen dar.70 Diese Feier stand primär „im Zeichen einer intensivierten Landespolitik“. Am Festzug nahmen etwa 12.000 Männer teil – Frauen durften sich nicht einreihen.71 Die Gesamtzahl der Teilnehmer und Teilnehmerinnen an den sich über drei Tage erstreckenden Feierlichkeiten wurde von den Konservativen auf 15.000 bis 17.000 geschätzt. Zugleich war dies das erste organisierte Treffen der „Katholisch-Konservativen Volksvereine von Bozen und Umgebung“.72 In den „Neuen Tiroler Stimmen“ zog der Redakteur „einen direkten Vergleich zwischen dem Kampf der ‚deutsch-österreichischen‘ Katholiken ‚gegen den neuen Napoleon: den Liberalismus‘ und den Ereignissen der 1790er Jahre in Tirol“.73 Die Instrumentalisierung des Herz-Jesu-Kultes schlägt eine Brücke zurück in die Zeit der Koalitionskriege, der Schließung des Bundes am 1. Juni des Jahres 1796 in Anbetracht der im Süden herannahenden französischen Armee und des Gefechts von Spinges. Dieses erste Bündnis, das Thomas Götz als „theatralischen religiösen Solidarisierungsakt der Tiro67 68
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Zit. nach Fontana, Der Kulturkampf, 147. Fontana, Der Kulturkampf, 175–177; allgemein dazu Erika Weinzierl-Fischer, Die österreichischen Konkordate von 1855 und 1933, Wien 1960, insbes. 102–122 (über die Zeit nach 1867 und zur Auflösung des Konkordats). Friedrich Engel-Janosi nennt den 20. und 21. Juli als Tage der kaiserlichen Beschlussfassung. Friedrich Engel-Janosi, Österreich und der Vatikan 1846–1918, Graz/Wien/Köln 1958, 172; dazu auch Brigitte Mazohl, Die Habsburgermonarchie 1848–1918, in: Thomas Winkelbauer (Hg.), Geschichte Österreichs, Stuttgart 2015, 391–476, 413; Michaela Vocelka u. Karl Vocelka, Franz Joseph I.: Kaiser von Österreich und König von Ungarn 1830–1916. Eine Biographie, München 2015, 217. Zu dessen Instrumentalisierung im Kontext des politischen Katholizismus siehe Cole, Für Gott, Kaiser und Vaterland, Kap. 3. Fontana, Der Kulturkampf, 177. Cole, Nationale Identität, 499; ders., Für Gott, Kaiser und Vaterland, 159. Cole, Nationale Identität, 500.
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ler Stände“ – einschließlich der Bauern – bezeichnet hat,74 markiert den Beginn des politischen Katholizismus.75 Laurence Cole schließt: „Durch die damalige patriotische Mobilisierung erhielt die nationale Identität der Deutschtiroler einen vorrangig religiösen Anklang.“76 Dieser sollte weiterhin bestimmend sein. Der Herz-Jesu-Kult verfestigte sich vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, indem der Bund immer wieder aufs Neue beschworen wurde: vor dem Hintergrund der 1848er Revolution, der Risorgimento-Kriege in Italien, der Niederlagen Österreichs 1859 gegen Piemont-Sardinien und 1866 in Königgrätz sowie des darauffolgenden Ausschlusses Österreichs aus dem Deutschen Bund,77 der Frage einer italienischen Autonomie innerhalb der Habsburgermonarchie und nicht zuletzt in Zusammenhang mit dem Kulturkampf.78 Der Kult wurde aus gesellschaftlicher und politischer Sicht damit zu einer „Gruppenphantasie“ und Herrschaftstechnik, die die „Fiktion einer Identität zwischen Herrschenden und Beherrschten“ konstruierte und aufrecht erhielt,79 zur Grundlage der Vorstellung eines auserwählten Volkes80 und mutierte zu einem Symbol für den Kampf gegen die liberale Regierung in Wien.81 Die ultramontane Ausrichtung und Politisierung der Kirche war ein wesentlicher Teil der katholisch-konservativen Positionierung weiter Teile Deutschtirols. Thomas Nipperdey sah im Ultramontanismus eine für die hier skizzierte Situation plausibel klingende „Selbstbehauptung des Katholizismus in einer als durchweg feindlich erfahrenen Zeit und Welt“, in der die Kirche geprägt war „vom dauernden Abwehrkampf gegen ihre Feinde: den modernen Staat und die moderne Gesellschaft, Liberalismus und Zeitgeist“.82 74
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Thomas Götz, Gratwanderung – liberale Katholiken deutscher und italienischer Nationalität im ultramontanen Tirol zwischen Restauration und liberaler Konstitution (1830–1880), in: HeinzGerhard Haupt u. Dieter Langewiesche (Hg.), Nation und Religion in der deutschen Geschichte, Frankfurt a. M./New York 2001, 446–479, 452. Für einen Überblick siehe Karl-Egon Lönne, Politischer Katholizismus im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1986. Cole, Nationale Identität, 483f. Dies sei über viele deutsche Katholiken „wie eine Katastrophe“ hereingebrochen, da Österreich als „Vormacht des Katholizismus“ gegolten und insbesondere den süddeutschen Territorien „kulturellen und machtpolitischen Rückhalt“ gegenüber Preußen geboten hatte. Lönne, Politischer Katholizismus, 129. Cole, Nationale Identität, 485f. Günther Pallaver, Im Schmollwinkel der Säkularisierung. Politische Instrumentalisierung religiöser Symbolik am Beispiel des Tiroler Herz-Jesu-Kultes, in: Karl Kaser u. Karl Stocker (Hg.), Clios Rache. Neue Aspekte strukturgeschichtlicher und theoriegeleiteter Geschichtsforschung in Österreich, Wien 1992, 151–172, 151. Cole, Nationale Identität, 484. Cole, Nationale Identität, 502. Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 19853, 410. Zum Phänomen des Ultramontanismus siehe auch Gisela Fleckenstein u. Joachim
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II Katharina Lanz: Heldin in vielfältigen Perspektivierungen
Am 19. Juli, kurz nachdem der Redakteur der „Neuen Tiroler Stimmen“ den Kampf der deutsch-österreichischen Katholiken „gegen den neuen Napoleon: den Liberalismus“ mit den Ereignissen der 1790er Jahre in Tirol verglichen hatte,83 griff ein anderer Napoleon, nämlich Napoleon III., Deutschland an. Dies trug ebenfalls dazu bei, Erinnerungen an die 1790er Jahre zu wecken. In den Jahren zuvor hatten die Deutschtiroler Katholiken ihren Hauptfeind nicht in Frankreich, sondern zunächst vor allem im Königreich Sardinien beziehungsweise ab 1861 im Königreich Italien und in Preußen gesehen. Das Jahr 1866, in dem Österreich an beiden Fronten Krieg führte, war entscheidend:84 Im Krieg gegen Italien büßte Österreich Venedig mit ganz Venezien ein, nachdem es 1859, nur einige Jahre zuvor, bereits die Lombardei an Italien verloren hatte. Infolge dieser territorialpolitischen Veränderungen lag Tirol nun direkt an der Grenze zu Italien. Frankreich hingegen verteidigte zu jener Zeit den Papst gegen die italienischen Pläne, Rom zu erobern und zur Hauptstadt Italiens zu machen. Allerdings hatte Frankreich seine Truppen Anfang August 1870 von Rom, in der Hoffnung auf die Unterstützung Italiens im Krieg gegen Preußen, abgezogen.85 Das könnte eine Erklärung dafür sein, dass der Zusammenstoß des mit einem Dreizack bewaffneten Mädchens mit den französischen Soldaten – die Klimax in den bis dahin tradierten Überlieferungen und Darstellungen der Spingeser Ereignisse – in den Artikeln von 1869 und 1870 keine Erwähnung fand, nachdem Frankreich nun als Schutzmacht des Kirchenstaates firmierte. Vielmehr wurde das Gegenteil behauptet: „Getötet hat sie aber in der Wirklichkeit […] Niemand“ und „Blut vergoß sie in Wahrheit keines.“86 Doch schien den Tiroler Katholiken auch das liberale Wien bedrohlich. Dementsprechend engagierte sich die konservative Partei mit großem Einsatz im Vorfeld der Ende Juni, Anfang Juli 1870 stattfindenden Landtagswahlen und konnte einen Erfolg verbuchen, auch in Abtei im Gadertal. Berichten vom 2. Juli aus Enneberg zufolge, veröffentlicht in den „Neuen Tiroler Stimmen“, habe dort am Tag zuvor „unter der Leitung des Wahlkommissärs Fontana die Wahl der 4 Wahlmänner in bester Ordnung“ stattgefunden. „Trotz vielfacher Bemühung von zwei Liberalen durch ihr vermeintliches Ansehen die Köpfe zu verrücken und für ihre Sachen Propaganda zu machen“, sei die Wahl „auf
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Schmiedl, Ultramontanismus in der Diskussion. Zur Neupositionierung eines Forschungsbegriffs, in: dies. (Hg.), Ultramontanismus, 7–19. Cole, Nationale Identität, 500. Cole, Nationale Identität, 493–494. Giorgio Candeloro, Storia dell’Italia moderna, Bd. 5: La costruzione dello Stato unitario 1860–1871, Milano 1978, 370–373; Gilles Pécout, Il lungo Risorgimento. La nascita dell’Italia contemporanea (1770–1922), Milano 2008, 149–188 [1999; Orig. Naissance de l’Italie contemporaine (1770–1922), Paris 1997]. Das Spingsermädchen, in: Tiroler Volksblatt 75 (18.9.1869), Beiblatt, o. S.; Das „Mädchen von Spinges“ in: Neue Tiroler Stimmen 190 (23.8.1870), o. S.
2 Der Name der Heldin und das europäische Jahr 1870
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vier patriotische Männer“ gefallen. Erwähnt wurde darin auch, dass der Kommissär „dem hochw[ürdigen] Herrn Karl Maneschg“ – möglicherweise einer der Autoren des Ende August 1870 über Katharina Lanz erschienenen Artikels und offensichtlich ein patriotischer Mann – das Wahlrecht entzogen habe, „weil er nicht Kurat, sondern blos Provisor sei“.87 Friedrich Graf, damals Chefredakteur der „Neuen Tiroler Stimmen“ und noch nicht Ritter von Gaderthurn – er wurde erst in 1883 in den Ritterstand erhoben –, nahm ebenfalls an den Wahlen teil und wurde im September des Jahres, also kurz nach der Veröffentlichung des Artikels über die Identität des Mädchens von Spinges in ‚seiner‘ Zeitung, als Abgeordneter nicht nur in den Tiroler Landtag, sondern zugleich auch in den Landesausschuss, das Exekutivorgan der Landesverwaltung, gewählt.88 Wie Josef Fontana konstatiert, waren „[a]lle 22 neugewählten Abgeordneten der Landgemeinden Deutschtirols [...] Ultramontane. Die Zahl der Liberalen im Landtag sank von 21 auf 16 herab.“89 Doch schlossen aus katholischer Sicht schmerzliche Ereignisse an: In den ersten Septembertagen 1870 erlitt Frankreich eine katastrophale Niederlage in der Schlacht bei Sedan. Der Kapitulation der französischen Truppen und der Gefangennahme Napoleons III. folgte das Ende des Zweiten Kaiserreichs und am 4. September die Ausrufung der Dritten Republik. Diese radikale Veränderung des internationalen Gleichgewichts ermöglichte es Italien, seine Ziele zu erreichen. Bereits am 12. September überschritten italienische Truppen die Grenzen des Kirchenstaates, am 20. September wurde Rom angegriffen und erobert.90 Am 22. September, einen Monat nach der Veröffentlichung des Artikels über Katharina Lanz, stand auf der ersten Seite der „Neuen Tiroler Stimmen“ zu lesen: „Rom, die heilige Stadt des Statthalters Christi, ist, nach dem offiziellen telegraphischen Bericht aus der Hauptstadt des italienischen Raubstaates, in den Händen der Feinde. Das Ereigniß ist zu bedeutsam, als daß es die Welt und vor Allem den seiner Kirche treuen Katholiken gleichgiltig lassen könnte.“ Der Artikel rief zum Protest der Katholiken und patriotischen Österreicher auf und zum Gebet „für die Erhaltung der weltlichen Herrschaft des Papstes“ und damit auch „für die Erhaltung der österreichischen Monarchie“. Die Liebe zur Monarchie und zum Kaiser wurde beschworen, und der Artikel endete nahezu agitatorisch: „Weil die Wälschen in Rom sind, ist’s nicht fertig mit Rom. Jetzt müssen wir erst recht auftreten. 87 88 89 90
Abtei, in: Neue Tiroler Stimmen 151 (7.7.1870), o. S. Siehe Friedrich Graf, Ritter von Gaderthurn, in: Österreichischer Cartellverband, https://www. oecv.at/Biolex/Detail/10403304 (letzter Zugriff: 24.9.2020). Fontana, Der Kulturkampf, 177f. Candeloro, Storia dell’Italia moderna, Bd. 5, 379; Pécout, Il lungo Risorgimento, 186–188; Pierre Milza, L’année terrible, la guerre franco-prussienne, septembre 1870 – mars 1871, Paris 2009. Diese Ereignisse finden sich in jeder Abhandlung zum Thema.
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II Katharina Lanz: Heldin in vielfältigen Perspektivierungen
[…] Beten wir, sprechen wir, und unterstützen wir den h[ei]l[igen] Vater mit unserer, wenn auch geringen Gabe. Der Triumph des Papstkönigs ist auch unser Triumph. Hoch der unbesiegbare Pius IX.! Es lebe der Papst-König!“91 Die „Wälschen“, die Italiener, sind in diesem Zusammenhang eindeutig als Feindbild gezeichnet.92 Das Adjektiv war jedoch nicht notwendigerweise negativ konnotiert. „Welschtirol“ war der Name des südlichen Tirol, des späteren Trentino, eine Region mit überwiegend italienischsprachiger Bevölkerung; „an den welschen Konfinen“ bezeichnete ein Grenzgebiet. „Welsch“ oder „walsch“ konnte also je nach Kontext eine neutrale, negative, abwertende und/oder feindliche Nuancierung haben. In den zunehmend national eingefärbten letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts nahm die abwertende und feindliche Konnotierung, etwa in literarischen Quellen zu Katharina Lanz, eindeutig zu. In diesen Kontext fügt sich die im September 1869 und – aufgrund der vielfältigen Ausschmückungen – mehr noch die im August 1870 lancierte Geschichte der frommen Katharina Lanz, die sich im Kampf für die Verteidigung des Allesheiligsten eingesetzt hatte, bestens ein, enthielt sie doch alle nötigen Ingredienzien, um die Rolle dieser Heldin im kulturell-politischen Panorama Deutschtirols jener Zeit zu aktualisieren und zu verstärken.93 Den Bewahrern, die mit der viel zitierten „felsenfesten Treue“ Gott, Kaiser und Vaterland verehrten, bot die Geschichte einer solchen Heldin den Grundstoff, der – in immer wieder neuen Bearbeitungen – besonders gut mit ihren Zielen und Zwecken in Einklang gebracht werden konnte. Ebenso lässt sich das in beiden Artikeln gezeichnete Heldinnenbild in ein weiteres Phänomen einpassen: in die Feminisierung der ultramontanen Frömmigkeit. Kennzeichnend für den Ultramontanismus war unter anderem ein enormer Aufschwung von Frauenkongregationen und Ordensgründungen von Frauen, der Kult um Frauen – wie die Seherin Louise Beck, Therese Neumann von Konnersreuth, Anna Katharina Emmerick oder die „stigmatisierte Jungfrau“ Maria von Mörl94 – und nicht zuletzt die durch Erscheinungen 91 92
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Rom, in: Neue Tiroler Stimmen 216 (22.9.1870), o. S. (Titelseite). Das Adjektiv „walsch“ oder „welsch“ bezeichnete „zunächst die Kelten, dann die nach der Eroberung durch die Römer entstehende romanische Bevölkerung in Gallien sowie die Bewohner Italiens. Welsch steht daher für ‚romanisch‘, und zwar speziell für ‚italienisch‘ […], für ‚französisch‘ […], seltener für ‚spanisch‘ oder ‚rätoromanisch‘.“ Welsch, in: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, https://www.dwds.de/wb/etymwb/welsch (letzter Zugriff: 2.6.2021). Werner Pescosta spricht in diesem Zusammenhang von der „ladinischen Frage“, die nun „eine öffentliche Dimension in den nationalen Auseinandersetzungen bekam. Die Deutschtiroler versuchten das Nationalbewusstsein der Ladiner zu stärken, indem sie deren Andersartigkeit hervorhoben und das nicht-italienische Element an ihnen betonten.“ Werner Pescosta, Geschichte der Dolomitenladiner, San Martin de Tor 2013, 259. Irmtraud Götz von Olenhusen (Hg.), Wunderbare Erscheinungen. Frauen und katholische Fröm-
3 Katharina Lanz im Kontext des ladinischen Schul- und Sprachenstreits
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wie jene in Lourdes 1858 zunehmende Marienverehrung.95 Und auch im größeren europäischen Kontext wird eine Allianz zwischen Frauen und Kirche als charakteristisch für die Zeit nach der Französischen Revolution erachtet,96 was Frauen zu bevorzugten Adressatinnen und Akteurinnen von Frömmigkeit gemacht hat. Dies war nicht auf katholische Räume beschränkt, denn „die Feminisierung von Religion“ wird allgemein als Element des sich im 19. Jahrhundert durchsetzenden bürgerlichen Weiblichkeits- und Familienideals interpretiert, das Frömmigkeit einschloss und an Tendenzen der „Separierung weiblichreligiöser und männlich-säkularer Lebenswelten“ festgemacht werden kann.97
3 Katharina Lanz im Kontext des ladinischen Schul- und Sprachenstreits
„Es ist aber meine feste Ueberzeugung, daß dieses Spingsermädchen Niemand anders war, als Katharina Lanz von St. Vigil zu Rost im Dekanate Enneberg, also eine Krautwälsche, obwohl ihr Geschlecht vom deutschen Tirol herstammt.“98 Die ladinische Identität des Spingeser Mädchens wurde hier, im ersten Text, in dem es einen Namen bekam, im Artikel des „Tiroler Volksblatts“ vom 18. September 1869, mit dem Wort „Krautwälsche“ ausgedrückt. Doch stamme – so der unbekannte Verfasser – „ihr Geschlecht vom deutschen Tirol“. Damit stellte er eine Verbindung zwischen Deutschtiroler und ladinischen Bezügen zur Heldin her. Am 23. August 1870 gab der Artikel „Das Mädchen von Spinges“ in den „Neuen Tiroler Stimmen. Für Gott, Kaiser und Vaterland“ genauere Auskunft darüber. Die Heldin wurde der multiethnischen und mehrsprachigen Habsburger Monarchie entsprechend beschrieben: Sie spreche „ihre ladinische Muttersprache“, lese Deutsch und Italienisch „ganz gut“.99 Sie beherrschte also alle drei Sprachen des Gebietes, in dem sie lebte. Gerade in diesen Jahren stand nun aber das Ladinische als Sprache im sogenannten Schulstreit zur Debatte.
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migkeit im 19. und 20. Jahrhundert, Paderborn 1995; Priesching, Grundzüge ultramontaner Frömmigkeit, 77–92; dies., Maria von Mörl (1812–1868) – Leben und Bedeutung einer „stigmatisierten Jungfrau“ aus Tirol im Kontext ultramontaner Frömmigkeit, Brixen 2004. Fleckenstein/Schmiedl, Ultramontanismus in der Diskussion, 14f. Vincent Viaene, Katholisches Reveil und ultramontane Pietät in Belgien (1815–1860), in: Fleckenstein/Schmiedl (Hg.), Ultramontanismus, 116. Manuel Borutta, Antikatholizismus. Deutschland und Italien im Zeitalter der europäischen Kulturkämpfe, Göttingen 2010, 281; Michael B. Gross, The War against Catholicism. Liberalism and the Anti-Catholic Imagination in Nineteenth Germany, Michigan 2004, 187. Das Spingsermädchen, in: Tiroler Volksblatt 75 (18.9.1869), Beiblatt, o. S. Das „Mädchen von Spinges“ in: Neue Tiroler Stimmen 190 (23.8.1870), o. S.
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II Katharina Lanz: Heldin in vielfältigen Perspektivierungen
Einige Monate vor der Veröffentlichung des Artikels hatten die Behörden die Nummer 112 der „Neuen Tiroler Stimmen“ vom 18. Mai 1870 konfisziert.100 Der Priester August Petter, Redakteur und Herausgeber der Zeitung, wurde wegen zwei Beiträgen dieser Ausgabe – der eine zum Thema „Ein Jahr Schulstreit in Tirol“ und der andere mit dem Titel „Ein Aktenstück“ – verurteilt.101 Die Journalisten der seit 1861 erscheinenden katholischkonservativen „Tiroler Stimmen“ hatten auch zuvor schon Probleme mit den Behörden gehabt, sodass sie von Samstag, 9. Mai, auf Montag, 11. Mai, einen Relaunch vornahmen: Die Zeitung erschien nun unter dem Titel „Neue Tiroler Stimmen“. Doch kam es weiterhin zu Prozessen gegen die Redakteure der vom Klerus maßgeblich mitgetragenen Zeitung, Arrest- und Geldstrafen wurden verhängt. Das behördliche Eingreifen war eine Reaktion auf die konservative Opposition gegen die liberale Politik in Wien, in der die Zuständigkeit für die Schulen und die Frage der Schulsprache eine zentrale Rolle spielten: Die Gesetze vom 25. Mai 1868 entzogen der Kirche unter anderem die Aufsicht über die Schulen und übertrugen sie dem Staat (RGBl. Nr. 48, 1868). Das implizierte das Einsetzen von staatlichen Schulinspektoren und deren Visitationen in den Volksschulen. Das Reichsvolksschulgesetz vom 14. Mai 1869 führte acht Jahre Pflichtschule ein und reformierte die Lehrerausbildung (RGBl. Nr. 62, 1869).102 „In Tirol war man über diese Entwicklung bestürzt. Die klerikal-konservative Bewegung sah in den neuen Gesetzen den Triumph der Barrikaden und des Atheismus. [...] Der Tiroler Landtag weigerte sich ein dem Reichsvolksschulgesetz entsprechendes Landesgesetz anzunehmen […].“103 Die Träger der „Tiroler Stimmen“ sprachen sich ebenfalls klar gegen die geplante Schulreform und die damit verbundene Trennung von Kirche und Staat aus. Sie bezogen aber auch in Hinblick auf die in Tirol gesprochenen Sprachen Position, vor allem, was das Ladinische betraf. So beklagte ein Artikel am 1. August 1868 „aus der Gader“ die „Verdeutschungsversuche“, mit denen die Ladiner konfrontiert seien: „Nach Anordnung der Statthalterei erging dahier eine Anfrage an die Gemeinden, ob und wie es möglich wäre, daß in den Schulen Ladiniens die deutsche Sprache als Unterrichtssprache eingeführt werde. 100 Neue Tiroler Stimmen 113 (19.5.1870), o. S.; Der Bote für Tirol und Vorarlberg 113 (19.5.1870), o. S.; Constitutionelle Bozner Zeitung 114 (20.5.1870), o. S. 101 Der Bote für Tirol und Vorarlberg 286, Amtsblatt zum Tiroler Boten 252 (16.12.1870), o. S.; Neue Tiroler Stimmen 289 (19.12.1870), o. S. 102 Fontana, Der Kulturkampf in Tirol, 216–217; Paul Videsott, Der Deutschunterricht in Ladinien im 19. Jahrhundert, in: Helmut Glück (Hg.), Die Sprache des Nachbarn. Die Fremdsprache Deutsch bei Italienern und Ladinern vom Mittelalter bis 1918, Bamberg 2018, 221–244; allgemein: Pieter M. Judson, The Habsburg Empire. A New History, Cambridge, Mass./London 2016, Kap. 6; zeitgenössisch: Josef Mösmer, Ansichten über das Verhältniß von Staat und Kirche zur Volksschule, Innsbruck 18622. 103 Josef Fontana, Der Enneberger Schulstreit, in: Ladinia 2 (1978), 75–88, 75.
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Diesbezügliche Versuche wurden bereits unter Maria Theresia gemacht, welche so weit gingen, dass klassisch ladinische Namen verdeutscht wurden. Die allgemeine Meinung, die über diese Verdeutschungsversuche der Schule hierorts herrscht, ist die, dass diese Versuche nur dann glücken, wenn die Eltern ihre Kinder zuerst in deutsche Orte schicken um deutsch zu lernen, damit sie dann die Schulsprache verstehen!! Aber wozu das? Warum soll die ladinische Sprache getödtet werden?“104 Im Jahr 1870 gab es vor der Veröffentlichung des Artikels über die Identität des Mädchens von Spinges in den „Neuen Tiroler Stimmen“ weitere Beiträge, die die ladinische Sprache und Kultur verteidigten. Am 18. Januar 1870 erklärte ein Berichterstatter „Von der Gader“ bezogen auf „Unsere Schulfrage“, dass „im Bezirke Enneberg die ladinische Sprache, ein alter romanischer Dialekt, von dem der Deutsche kein Wort versteht, gesprochen“ werde. Seine Klage war, dass Schulinspektoren, die nur Deutsch sprechen, nicht im Stande seien, die Schüler korrekt zu bewerten: „Vor einigen Tagen visitirte die ladinischen Schulen ein Schulinspektor, der kein ladinisches und kein italienisches Wort versteht. Wenn die Kinder in den Schulen ladinisch aufsagen, und der Herr Inspektor kein Sterbenswörtlein davon versteht, so wird er schwerlich umhin können, ganz eigenthümliche Betrachtungen, etwa über die Sprachverwirrung anzustellen, und werden sich die ladinischen Kleinen in Folge der deutschen Ansprache von Seite des neuen Herrn Schulinspektors recht gerührt und aufgemuntert fühlen können?“ Eine solche Situation könne keinesfalls „zur Hebung der Schule“ beitragen. „Ob dem angedeuteten Uebelstande abzuhelfen ist, ohne gegen den Geist der neuen Aera zu verstoßen,“ – hieß es am Schluss – „das allerdings ist eine andere Frage, die für uns aber gleichfalls durchaus keine offene mehr ist“. Aus der Perspektive des Verfassers dieses Artikels konnte die „Verdeutschung“ der Ladiner keine Lösung und kein gangbarer Weg sein.105 Zehn Tage später enthielt die Nummer 22 vom 28. Januar eine „Deutung der ladinischen Ortsnamen“ im Bezirk Sterzing: Der Verfasser lieferte ein langes Verzeichnis von Bergen, Tälern, Gewässern und Ortschaften, deren Namen ladinisch seien oder seiner Meinung nach aus dem Ladinischen stammten, was die Präsenz und den Einfluss des Ladinischen auch über das Gader- und Grödental hinaus verdeutlichen sollte.106 Die Debatte wurde über die Veröffentlichung von polemischen Artikeln auf beiden Seiten fortgesetzt. Die Gegenposition zu den „Neuen Tiroler Stimmen“ vertrat insbesondere der „Bote für Tirol und Vorarlberg“, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts als behördliches Amtsblatt fun-
104 Von der Gader (Verdeutschungsversuche), in: Neue Tiroler Stimmen 68 (1.8.1868), o. S. 105 Von der Gader (Unsere Schulfrage), in: Neue Tiroler Stimmen 13 (18.1.1870), o. S. 106 Sterzing, (Deutung der ladinischen Ortsnamen in diesem Bezirke), in: Neue Tiroler Stimmen 22 (28.1.1870), o. S.
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gierte.107 In der Nummer 20 der „Neuen Tiroler Stimmen“ vom 25. Januar 1871 prangerte ein Beitrag „von der Rienz“ die „Germanisirungsgelüste“ gegenüber den Ladinern an: „Es geht hier das Gerede, daß man die Ladiner germanisiren will. Um den Leuten die Sprache zu nehmen, soll, so heißt es, das Ladinische aus den Schulen verbannt werden. Fremde deutsche Lehrer würden an Stelle der ladinischen angestellt. Diese Germanisirungsgelüste hörte ich mit allerlei wohlklingenden Phrasen sogar rechtfertigen. Hier zu Land läßt man sich von derlei Blendwerk nicht täuschen.“ Dem Verfasser zufolge trauten die Ladiner „dem Wohlwollen der Germanisirungslustigen ganz und gar nicht“.108 In dem Vorhaben, „einem Volke die eigene Sprache nehmen“, um ihm „angebliche Vortheile zu sichern“, sah er vielmehr einen „Gewaltakt“. Die Ladiner würden „sich ihre Sprache nicht rauben lassen“.109 Bereits am 1. Februar veröffentlichte der „Bote für Tirol und Vorarlberg“ eine Replik, unterzeichnet mit: „Ein Enneberger“. Sie begann damit, dass man hoffe, dass der „Korrespondent von der Rienz“, der den zuvor zitierten Artikel in den „Tiroler Stimmen“ verfasst hatte, „wohl kein Ladiner“ sei, denn sonst hätte er nicht nur von den Nachteilen gesprochen. Er sei „überzeugt, daß es den Ennebergern schwer genug kommt, eine Sprache zu sprechen, welche nirgends verstanden wird, und die so arm an Formen und Worten ist, daß man sich derselben nicht einmal zu einem Vortrage bedienen kann“. Das würden „die Gegner der Germanisirung“, die Geistlichen selbst, beweisen, indem sie sich in ihren Predigten meistens der italienischen Sprache bedienten. Die Enneberger Bauern, deren Handel auf Deutschtirol beziehungsweise das Pustertal, beschränkt war, könnten nur mit Mühe die Pustertaler verstehen und von ihnen verstanden werden. Die Schwierigkeiten seien seines Erachtens noch größer vor Gericht, wo deutsche Beamte tätig waren. Jeder Familienvater sei „genöthigt seine Söhne und Töchter, nachdem diese ihre Schuljahre vollendet haben, nach Pusterthal zu schicken, damit sie dort wenigstens einigermaßen die deutsche Sprache erlernen“: Die Kinder der wohlhabenden Bauern würden in Bruneck oder Brixen für einige Jahre die Schule besuchen; jene der Armen müssten „vorlieb nehmen, bei dem nächstbesten Bauer in Dienst zu treten, anstatt in der Heimat ihren Eltern behilflich zu sein“. Die Einführung der deutschen oder italienischen Sprache in der Schule 107
Siehe die Mitteilung unter Schule/Kultur vom 11.3.2010, „Bote von Tirol und Vorarlberg“ im Digitalen Zeitungsarchiv der Landesbibliothek Dr. Friedrich Teßmann, Schule/Kultur (11.3.2010), in: Autonome Provinz Bozen – Südtirol News Presseamt, http://www.provinz.bz.it/news/de/news. asp?news_action=4&news_article_id=324217 (letzter Zugriff: 25.4.2021). 108 Bei der ‚Germanisierungs‘-Frage ging es auch um das Fassatal, das zum „Streitfall zwischen den nationalen deutschen und italienischen Gruppierungen“ wurde. Pescosta, Geschichte der Dolomitenladiner, 260. 109 Von der Rienz (Germanisirungsgelüste), in: Neue Tiroler Stimmen 20 (25.1.1871), o. S., Hervorhebung im Original gesperrt.
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sei notwendig, wenn die Enneberger beabsichtigten, „zu einem höheren Grad von Kultur“ zu gelangen. Deshalb habe die Gemeinde Enneberg schon lange „den Wunsch, daß deutsche Schulen eingeführt werden“. Im Gegenzug fänden manche Geistliche „darin ihr Interesse, daß das Volk auf einer möglichst niederen Kulturstufe verbleibe, um es nach Belieben beherrschen zu können“. Der Verfasser hoffte abschließend, dass die Regierung die „biedern Ennebergern“ beim Erreichen ihres Wunsches unterstützen möge. Es werde sich zeigen, dass „die Einführung deutscher Schulen zum Wohle des Volkes, der Gemeinde und des Einzelnen“ sein werde.110 Die Antwort ließ sich nicht lange auf sich warten. Bereits am 18. Februar 1871 erschien in den „Neuen Tiroler Stimmen“ ein Artikel, dessen Verfasser die Behauptungen des vorhin zitierten „Ennebergers“ aus dem „Boten für Tirol und Vorarlberg“ bestritt.111 „Man möchte gerne die Ladiner mit deutschen Schulen beglücken“, prangerte der Verfasser an. „Nun wäre es aber doch gar zu barbarisch, einfach mit dem Polizeistock dreinzuschlagen und die Kinder durch Gensdarmen und Amtsdiener in die Schule zu zwingen. Das würde nicht nur die Ladiner, sondern jeden billig denkenden Menschen gar zu sehr empören.“ Ein Ladiner, der „die Nothwendigkeit und Nützlichkeit der deutschen Schulen in Ladinien predige und solche Schulen als sehnlichsten Wunsch des Volkes hinstelle“, sei sicher um das „theure Geld gedungen“ worden. Jeder, der die ladinischen Zustände kenne, würde solche Behauptungen zumindest „lächerlich“ und die Art, wie „der Enneberger […] Wünsche des Volkes fabrizirt, geradezu empörend finden“. Die Behauptung, dass die ladinische Sprache arm an Worten sei, stellte aus Sicht des Verfassers keinen Grund für die Einführung deutscher Schulen dar, denn dann könne man „mit dem gleichen Rechte jede Volkssprache ausrotten“. Auch sei es keineswegs der Fall, dass man in ladinischer Sprache keinen Vortrag halten könne. Der ausführliche Artikel widersprach auch den anderen Argumenten für die Einführung der deutschen Sprache in den ladinischen Schule. Falsch sei auch, dass die Geistlichen auf Italienisch predigten: Mindestens 12 der 27 Priester der Pfarre Enneberg würden normalerweisen auf Ladinisch predigen. Die Ladiner seien sehr wohl in der Lage, Vorträge in italienischer Umgangssprache zu verstehen. Vor Gericht könne es tatsächlich Schwierigkeiten geben, doch spielte er die Frage an den „Boten“ zurück: Zu fragen sei, „ob die Beamten des Volkes wegen da sind, oder umgekehrt“. Der „Enneberger“ kenne die Situation offensichtlich nicht, denn der Handel beschränke sich nicht nur auf das Pustertal, sondern insbesondere Oberladinien stehe in regem Verkehr mit den italienischen Nachbarn. Übrigens seien die Enneberger Bauern durchaus imstande, Deutsch zu sprechen. Dass die Kinder in das Pustertal geschickt werden, um Deutsch zu lernen, sei nicht ein Problem, sondern ein Vorteil: „Glücklicher Weise 110 111
Einführung deutscher Schulen in Enneberg, in: Bote für Tirol und Vorarlberg 20 (1.2.1871), 177. Von der Gader (Ladinisches), in: Neue Tiroler Stimmen 40 (18.2.1871), o. S.
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hat aber der Enneberger Familienvater noch so viel praktischen Sinn, daß er einsieht, von welchen Vortheilen gerade jener Umstand für seine Kinder ist. Denn die Erlernung einer Sprache ist für jeden eher bildend, wenn es auch nicht auf einer hohen Schule, sondern auf dem Felde und auf der Tenne geschieht. Daraus erwächst noch der weitere Vortheil, daß die Enneberger Bauern dadurch in die Lage kommen, in Handel und Verkehr mit Leichtigkeit zweier Hauptsprachen sich bedienen zu können.“ Des Weiteren habe der Umstand, dass ärmere Kinder einen Dienst antraten, anstatt ihren Eltern zu helfen, nichts mit Sprache und Schule zu tun. Das sei auch anderswo der Fall. In Hinblick auf den angeblich niederen Stand der Kultur und den Einfluss der Kirche, „können wir ihm nur rathen, sich ein besseres Lexikon der liberalen Phraseologie anzuschaffen; denn seine Witze sind nicht nach der neuesten Mode“. Wenn der Gemeindevorsteher gegenüber dem k. k. Bezirkshauptmann den Wunsch nach Einführung deutscher Schulen geäußert habe, so sei dies sicher „in Folge eines unliebsamen Druckes von oben geschehen“. „Das ladinische Volk“ – so der Autor in den „Neuen Tiroler Stimmen“ – habe „ganz andere Wünsche“, denn „der Wiedersinn des ladinischen Volkes“ sei „noch ein zu harter Boden für das Gedeihen des Liberalismus; daher möchte man gerne die Schulen in die Hand bekommen und da anfangen“.112 Politischer Konservativismus und die Verteidigung der ladinischen Sprache gingen also einher, wie bereits Tage zuvor ein Artikel im „Boten“ geklagt hatte. Der Schwerpunkt lag in diesem Fall auf den Schulkommissaren, die besondere Erfahrung und Fachwissen aufweisen sollten. Jedoch – so der Verfasser – „Herr Dr. Friedrich Graf stand bisher jeder Volks- wie Mittelschule ferne und es fehlt ihm deshalb jene Bedingung, die seine Gesinnungsgenossen sonst von einem Schulinspektor fordern. Doch keine Regel ohne Ausnahme, und wir müssen dem inspirirten, vom hl. Vater gesegneten Bozner Organe der Patrioten Glauben schenken. Herr Graf dürfte bestens empfohlen werden, die Aufsicht der Schulen in Enneberg zu übernehmen, um der so schrecklichen Germanisirung dieser Lehranstalten einen Damm zu setzen und das altehrwürdige ladinische Idiom der dortigen Gegend zu retten.“113 Mitten in dieser vehementen Debatte, die noch jahrelang andauern sollte,114 gründete eine Gruppe von ladinischen Theologiestudenten des Priesterseminars in Brixen, darunter auch der 2003 heiliggesprochene Josef Freinademetz, den Verein Naziun Ladina – ladi-
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Von der Gader (Ladinisches), in: Neue Tiroler Stimmen 40 (18.2.1871), o. S. Von der Sill (Der Schleier ist gefallen), in: Bote für Tirol und Vorarlberg 29 (6.2.1871), 198. Fontana, Der Enneberger Schulstreit; Jasmin Annette Dorigo, „Deutsche und italienische Sprechund Sprachübungen nach Dolinars Metodo pratico für die Schulen des ladinischen Sprachgebietes“ (1906–1907). Il primo libro scolastico per le scuole ladine: inquadramento storico e descrizione didattica, in: Rivista di Storia dell’Educazione 7 (2020), 41–57.
3 Katharina Lanz im Kontext des ladinischen Schul- und Sprachenstreits
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nische Nation – zum Schutz der ladinischen Sprache und Kultur.115 Und mitten in dieser vehementen Debatte, bekam das Mädchen von Spinges – ausgehend von den Artikeln im „Tiroler Volksblatt“ und in den „Neuen Tiroler Stimmen“ – erstmals offiziell eine Identität, und zwar eine ladinische Identität, zugeschrieben. Das tapfere Mädchen von Spinges, das Gott, Kaiser und Vaterland vor den eindringenden ‚gottlosen‘ und heimatfeindlichen republikanischen Franzosen gerettet haben soll, gehörte der ladinischen Sprachminderheit an, die ihre Kinder zum Deutschlernen ins Pustertal schickte und sich in dieser Zeit sprachlich und kulturell bedroht sah. Was wäre passiert, wenn Katharina Lanz eine deutsche Schule besucht hätte und ihre Familie sie nicht nach Spinges in den Dienst geschickt hätte? Dass die Heldin gerade in einer Zeit solch hitziger Kontroversen über die ladinische Sprache und Kultur als jene in Enneberg geborene Katharina Lanz, die drei Sprachen beherrschte, identifiziert wurde, könnte in einem Zusammenhang stehen. Der Artikel im „Tiroler Volksblatt“ von 1869 verweist explizit darauf. Der Verfasser erinnert an die vielen Frauen, die sich „in den Kämpfen Tirols“ ausgezeichnet haben, und schließt seine Ausführungen mit der Feststellung, dass „auch heutzutage in den geistigen Kämpfen z. B. bezüglich der Schule, […] sich im allgemeinen das weibliche Geschlecht würdig dem männlichen an die Seite [stellt], ja übertrifft oftmal sogar manche Männer an Verständniß der Sachlage“.116 War sein Zweck nur jener, die Heldin mit der Ladinerin Katharina Lanz zu identifizieren? Oder verfolgte er auch andere Ziele? Ging es auch darum, die Bedeutung einer einzelnen hervorgehobenen Frau, zum Teil zumindest, einzuschränken zugunsten der Betonung des Gewichts kollektiven Agierens gewöhnlicher Frauen, mit dem Anliegen um deren Unterstützung im Kampf gegen die Schulreform zu werben? Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die bis 1854 lebende Katharina Lanz über Jahrzehnte nicht in die sich verbreitende Geschichte des tapferen Mädchens von Spinges involviert war. Warum? Weil das Mädchen von Spinges ein Mythos war? Weil Katharina Lanz aus Enneberg eine andere Frau war, als jene die in Spinges gekämpft hat? Wenn die Ladinerin jedoch das mutige Mädchen war, dann gleicht ihre Erfahrung jener von anderen tapferen Frauen, die ein ganz normales Leben geführt haben, ohne als Heldinnen verehrt zu werden. Erst nach ihrem Tod unterschied sich die Geschichte der Katharina Lanz wesentlich von der Geschichte anderer kämpfender Frauen. In dem Moment, in dem die anonyme Heldin mit einer realen Frau identifiziert wurde, änderte sich das Narrativ. Das Überschreiten von Geschlechterrollen wurde deutlich reduziert; das Bild der kämpferischen und der kämpfenden Heldin war nicht kompatibel mit der Person der Katharina Lanz, der Pfarrersköchin aus Enneberg. 115 116
Pescosta, Geschichte der Dolomitenladiner, 309. Das Spingsermädchen, Hervorhebung der Verfasserinnen.
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II Katharina Lanz: Heldin in vielfältigen Perspektivierungen
Die Gleichsetzung der Heldin mit Katharina Lanz erfolgte in diesen Jahren nicht nur an zwei, sondern an drei verschiedenen Orten: erstens von Seiten des „Tiroler Volksblatts“, einer katholisch-konservativen Wochenzeitung (1862–1923), zugleich eine der frühesten Vertreterinnen des politischen Katholizismus in Tirol, zweitens in den „Neuen Tiroler Stimmen“, die eng mit dem „Tiroler Volksblatt“ zusammenarbeiteten und deren Chefredakteur in der fraglichen Zeit der bereits erwähnte, aus dem ladinischen Gadertal stammende, Friedrich Graf war,117 und drittens in einem Artikel, dessen Autorin dem Vatikan sehr nahe stand, wie sich gleich zeigen wird.
4 Internationale Vernetzungen – zwischen Oxford und dem Vatikan
Es war eine Überraschung, als wir gegen Ende unserer Recherchen nicht nur den Artikel von 1869 in der Beilage zum „Tiroler Volksblatt“ fanden, sondern auch eine weitere und bislang unbekannte Quelle, in der das Mädchen von Spinges bereits einige Monate vor dem August 1870 als Katharina Lanz firmiert. „A decisive battle was fought at Spinges, a hamlet near Sterzing, where a village girl fought so bravely, and urged the men on to the defence of their country so generously, that though her name is lost, her courage won her a local reputation as lasting as that of the ‚Maid of Zaragoza‘ under the title of Das Mädchen von Spinges,“118 liest man in einem Artikel zum Thema „Traditions of Tirol“ in der englischen Zeitschrift „The Monthly Packet of Readings for Members of the English Church“ im April 1870. Wie in zahlreichen anderen Texten wird das tapfere Mädchen als namenlos dargestellt und – wie später in einem Band des „Biographischen Lexikons des Kaisertums Österreich“ – mit der spanischen Heldin Augustina von Saragossa verglichen. Eine Fußnote enthält jedoch weitere Informationen: „Since witing [sic] the above, I have been assured by one who has frequently conversed with her, that the concealment of her name arose from her own modesty; it was Katharina Lanz. To avoid public notice, she went to live at a distance, and up to the time of her death in 1854, bore an exemplary character, living as housekeeper to the priest serving the mountain Church of S. Vigilius, near Rost, the highest inhabited point of the Enneberg. When induced to speak of her exploits, she always made a point of observing that, though she brandished her hay-fork, she neither actually killed or wounded anyone. She had heard that the French soldiers were nothing loth to desecrate sacred places, and she stationed herself in the church porch determined to prevent their 117 118
Siehe Orgler, Das Tiroler Volksblatt, 32, 49–52. R. H. B., Traditions of Tirol, XII (continued) in: The Monthly Packet of Evening Readings for Members of the English Church 9, XLIX–LIV (April 1870), 391–400, 393.
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entrance; the churchyard had become the citadel of the villagers; from her post of observation she saw with dismay her people were giving way. It was then she rushed out and rallied them; in her impetuosity she was very near running her hay-fork through a French soldier, but she was saved from the deed by her landlord, who, encouraged by her ardour, struck him down, pushing her aside. The success of her sally and her subsequent disappearance cast a halo of mystery round her story, and many were inclined to believe the whole affair was a heavenly apparition.“119 Vom Plot und Duktus her gesehen klingt dieser Text sehr ähnlich wie die beiden bereits kommentierten Artikel von 1869 und 1870, wenngleich er im Detail nicht identisch ist. Die Angaben zum Ort, an dem Katharina Lanz bis zu ihrem Tod gearbeitet haben soll, weichen ab. Das Detail, dass sie einen Franzosen mit dem Dreizack fast getötet hätte, wenn ihr Dienstherr nicht eingeschritten wäre, kommt im „Tiroler Volksblatt“ in einer sehr abgemilderten Form vor,120 nicht aber in den „Neuen Tiroler Stimmen. Die „heavenly apparition“ – wörtlich „eine himmlische Erscheinung“ – ist auch im „Tiroler Volksblatt“ eingangs erwähnt, allerdings als „Sage“ etikettiert, der der Verfasser mit Katharina Lanz eine reale Person entgegenstellen wollte. Ob der Artikel im „Volksblatt“ den beiden späteren Texten als Vorlage gedient hat, ließ sich nicht klären. Die drei Artikel sind jedenfalls nicht identisch. Dieser Umstand mag darauf verweisen, dass die Gleichsetzung der Heldin von Spinges mit der ladinischen Catarina/Katharina Lanz in den Jahren um 1869 und 1870 von mehreren, die sich für ihre Geschichte interessiert haben, geteilt wurde. Die englische Artikelserie ist insgesamt bemerkenswert: Die Ausgabe vom April 1870 bot eine Zusammenfassung der Geschichte Tirols, die von der Regierungszeit Kaiser Leopold II. ab 1790 bis ins Jahr 1870 führt. Mut und Tapferkeit, Religiosität und Heimatliebe sowie die Kaisertreue der Tiroler, ungebrochen vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur damaligen Gegenwart, werden hervorgehoben und positiv bewertet. Kommentare zu den zeitnahen politischen Ereignissen sind ebenfalls enthalten: „Meantime the anti-Catholic policy of Count Beust121 is creating the greatest dissatisfaction and uneasiness in Tirol.“ Andere Gebiete des Reiches würden aufgrund der nachlässigen Haltung und der Gleich119 120
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R. H. B., Traditions, 392, Anm. (mit Sternchen). Das Spingsermädchen: „Als sie zu weichen begannen, verließ auch Katharina ihren Posten an der Kirchthüre, und betheiligte sich an der Verfolgung der Feinde, ja sie war eben im Begriffe über einen Zaun zu springen und einem feindlichen Soldaten mit ihrer Waffe auf den Leib zu rücken, als sie von ihrem Dienstgeber, der für das kecke Weibsbild fürchtete, beim Kleide erfaßt und zurückgejagt wurde.“ Der aus Dresden stammende Friedrich Ferdinand Graf Beust (1809–1886) fungierte ab 1866 als österreichischer Außenminister und ab 1867 auch als Ministerpräsident beziehungsweise ab 1868 als Reichskanzler und zeichnete unter anderem für den Ausgleich mit Ungarn verantwortlich. ÖBL, Bd. 1 (Lfg. 1, 1954), 79f.
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II Katharina Lanz: Heldin in vielfältigen Perspektivierungen
gültigkeit gegenüber der Religion auf den unweigerlichen Niedergang zusteuern – „the detritus, which the flood of the French revolution scattered more or less thickly over the whole face of Europe“. In Tirol sei dies jedoch nicht der Fall: „But the valleys of Tirol had closed their passes to the inroads of this flood, and laws not having religion for their basis are just as obnoxious in the nineteenth, as they would have been in any former century.“122 So führten die Tiroler eine loyale Opposition gegen die Einführung solcher Reformen. In der Sitzung vom 9. Oktober 1868 habe der Tiroler Landtag erklärt, dass die sogenannten Konfessionsgesetze vom 2. Mai 1868 die von den Tirolern so geschätzte Glaubenseinheit unterminieren und für die religiöse Erziehung gefährlich seien. Doch habe der Landtag eine Änderung des Gesetzes vorgeschlagen, die keine Kollision mit der Regierung verursachen sollte. Der Vorschlag sei jedoch abgelehnt worden, was, dem Artikel zufolge, gegen das im Reichsgesetz vom 25. Mai 1868 enthaltene Prinzip der Selbstbestimmung verstoße. Außerdem „the Austrian Cabinet determined to force the conscience of Tirol, closed the Diet of Innsbruck, and by an arbitrary ministerial rescript of the 10th of February, 1869, forced its measure on the country in spite of its legitimately expressed wishes“.123 Man ergriff offensichtlich Partei für das katholisch-konservative Tirol, kritisierte auch in folgenden Abschnitten die Wiener Politik, sprach unter anderem von der Zensur der katholischen Presse und der Verfolgung von katholischen Verlegern.124 Die katholische Bevölkerung Tirols sei nicht passiv, ganz im Gegenteil: Die Eltern würden ihre Kinder aus den Schulen nehmen, sobald die Inspektoren auftauchten. Trotz der Verfolgung würden überall Versammlungen der katholischen Vereine stattfinden – wegen des Verbotes, sich im Freien zu treffen, oft in Kirchen. Zwar gäbe es auch in Tirol Liberale, doch sei die große Mehrheit der Deutschtiroler aufs Engste mit ihrer katholischen Tradition verbunden und ihre Treue zum Kaiserreich sei trotz der Maßnahmen der Regierung weiterhin sehr stark. Anders gestalte sich die Lage in Welschtirol: Dort sei das Volk an der Propaganda der italienischen Nationalisten durchaus nicht uninteressiert. Sogar der Klerus gehe bereits davon aus, dass die Verfolgung des Katholizismus in Italien nicht schlimmer sein könne als in Österreich.125 Wegen der Religionspolitik des Reichsrats und des Vorwurfs, sie seien dem 122 123 124
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R. H. B., Traditions, 398. R. H. B., Traditions, 398. Das skizzierte Szenario ist entsprechend düster: „the government patronage, a powerful lever with the continental press, is given entirely to Liberal newspapers, which pour themselves out daily in an anti-religious propagandism, while an arbitrary censorship is established over the Catholic prints, the most captious objection being taken to every expression of opinion on political matters; and scarcely a month passes without fines, confiscations, and imprisonment of their editors“. R. H. B., Traditions, 398. R. H. B., Traditions, 400: „But in Wälsch, or Italian, Tirol it is far otherwise [...] as long as its people have been left undisturbed in their usages and traditions, they have submitted cheerfully
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Papst treuer als dem Kaiser, seien alle katholisch-konservativen Abgeordneten Deutschtirols ausgetreten. Die Abhandlung endet mit den Worten des Abgeordneten Giovanelli: „We leave this House because, as Tirolese, and as men of honour, whose hearts beat true to our Sovereign (für die Monarchie) it is impossible that we should remain here longer; and we leave it with the consciousness that we have kept our honour unsullied. My last cry within these walls is the motto of Tirol, ‚Für Gott, Kaiser, und Vaterland‘.“126 Solches Verhalten finde die volle Zustimmung der Tiroler und sie würden die Abgeordneten von Welschtirol auffordern, es ihnen gleichzutun.127 Das heißt, etwa sieben Monate nach der Veröffentlichung des Beitrags im „Tiroler Volksblatt“ und bereits vier Monaten vor jenem in den „Neuen Tiroler Stimmen“, in dem zahlreichen Autoren zufolge der (angebliche) Name des Mädchens von Spinges enthüllt wurde, schien der Name Katharina Lanz in einer in London publizierten Zeitschrift auf. Der betreffende Artikel ging auf die Kriege gegen Napoleon und detailliert auf die neuesten politischen Ereignisse in Österreich ein. Überraschend ist, dass eine Zeitschrift mit dem Titel „Monthly Packet of Evening Readings for Members of the English Church“ so eindeutig den Katholizismus verteidigte. Die Positionierung der „Monthly Packet“ gegenüber dem Katholizismus war kompliziert. Die Zeitschrift war 1851 von der Schriftstellerin Charlotte Mary Yonge gegründet worden, die sie etwa vierzig lang Jahre herausgab.128 Yonge war eine fromme Anglikanerin und zugleich Freundin und Schülerin von John Keble, einem der Gründer der Traktarianer129 im Rahmen der Oxfordbewegung. enough to Austria, and have been as resolute as any in defending its borders against all but Italian adversaries. But the tie of a common tongue and origin is strong, and it is undeniable that the people have been not indisposed to coquet, to say the least, with the propagandists of Italian nationality; and now, even the clergy, who in better times might have been found the most useful supporters of the established order, begin to ask – ‚After all, what do we gain by being tied to Austria?‘ religion could scarcely be more discouraged and persecuted, even under the regime of Victor Emmanuel.“ 126 R. H. B., Traditions, 400. 127 R. H. B., Traditions, 400. 128 Den Herausgebern der online-Version zufolge wurde die Zeitschrift von 1890 bis 1899 von der Schriftstellerin Charlotte Mary Yonge gemeinsam mit Christabel Rose Coleridge herausgegeben. The Monthly Packet, https://community.dur.ac.uk/c.e.schultze/works/monthly_packet.html#about (letzter Zugriff: 27.9.2020). Laut Kristine Moruzi waren von 1895 bis 1899 Christabel Rose Coleridge und Arthur D. Innes die Herausgeber. Kristine Moruzi, Monthly Packet, in: Dictionary of nineteenth-century journalism, London 2008, http://dro.deakin.edu.au/eserv/DU:30062270/ moruzi-monthlypacket-post-2008.pdf (letzter Zugriff: 27.9.2020). 129 Zum Tractarian Movement siehe June Sturrock, Establishing Identity: Editorial Correspondence from the Early Years of „The Monthly Packet“, in: Victorian Periodicals Review 39, 3 (2006), 266–279.
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Das Oxford Movement entstand um 1830 an der Universität Oxford und zielte auf eine Erneuerung „katholischer“ Gedanken und Praktiken innerhalb des Anglikanismus als Gegenbewegung zu den protestantischen Tendenzen der Kirche ab. Ein Grund für dessen Entstehung war die Veränderung der Beziehungen zwischen dem Staat und der Anglikanischen Kirche in den Jahren zwischen 1828 und 1832. Für eine kurze Zeit schien es nicht unwahrscheinlich, dass die Kirche von England ihre Dotierung verlieren könnte. Infolgedessen behaupteten viele treue Anglikaner, dass die Kirche von England nicht vom Staat abhängig sei: Ihre Autorität gehe von der Lehre der christlichen Wahrheit und von der Tatsache aus, dass ihre Bischöfe apostolische Nachfolger seien. Ausschlaggebend in diesem Zusammenhang war die Predigt „National Apostasy“, die John Keble 1833 gehalten hatte. Zu den wichtigsten Mitgliedern der Bewegung zählten darüber hinaus John Henry Newman, Edward Bouverie Pusey, Richard Hurrell Froude und Frederick William Faber. Von den von Newman zwischen 1833 und 1841 herausgegebenen „Tracts for the Time“ erhielten die Mitglieder der Bewegung – mit deren Einverständnis – den Namen „Trak tarianer“. Newman konvertierte 1845 zum Katholizismus, und andere Mitglieder folgten ihm nach, was Kontroversen über die Traktarianer auslöste. Trotzdem vermochte die Bewegung, ihren Einfluss in der Anglikanischen Kirche zu vergrößern, was unter anderem neue Zeremonien, die Einführung von anglikanischen Klostergemeinschaften für Männer und Frauen und eine bessere Ausbildung der Kleriker, die sich verstärkt der Seelsorge widmeten, zur Folge hatte.130 Aus einer Geschlechterperspektive ist die „Monthly Packet“ sehr interessant. Wie erwähnt, war sie von einer Schriftstellerin gegründet und herausgegeben worden. Beiträge von Autorinnen wurden gefördert und das Zielpublikum waren, insbesondere zu Beginn, anglikanische Mädchen der Mittel- und Oberschicht. So hieß die Zeitschrift in den ersten Jahren ihres Erscheinens „The Monthly Packet of Evening Readings for Younger Members of the English Church“. Inhaltlich, vor allem in Bezug auf Geschlechterrollen und Familienhierarchien, war die Zeitschrift allerdings sehr konservativ, wie June Sturrock konstatiert: „Both the magazine and the editorial persona of its editor were insistently and conscientiously feminine in tone, emphasizing the nurturing and the domestic. At the same time, both had a peculiarly Tractarian brand of femininity, insisting not only on tradition but also on the energy, the accuracy, and the knowledge with which the movement, the ‚Oxford Movement‘, after all – is associated.“131 Diese Positionierung könnte eine Erklärung für die Betonung der Religiosität und für die wenig kämpferisch dargestellte Tapferkeit des Mädchens von Spinges liefern. 130 131
Als Einführung siehe Oxford movement in: Encyclopedia Britannica (2011), https://www.britannica.com/event/Oxford-movement (letzter Zugriff: 27.9.2020). Sturrock, Establishing Identity, 275.
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Im Jahr 1851, als die „Monthly Packet“ erstmals erschien, erreichten die Kontroversen um die Konversionen der Traktarianer zum Katholizismus ihren Höhepunkt und die Herausgeberin Charlotte Mary Yonge sah sich genötigt, sich implizit und explizit vom römischen Katholizismus zu distanzieren.132 Jahre später änderte sich die Haltung wiederum: Beiträge von anglokatholischen Verfasser*innen wurden in der Zeitschrift abgedruckt; sie zeigte sich insgesamt toleranter gegenüber dem römischen Katholizismus. Das erklärt, warum im April 1870 der Artikel über Tirol erscheinen konnte.133 Die Verfasserin des Artikels war selbst zum Katholizismus konvertiert. Ihre Identität versteckte sie hinter der Abkürzung „R. H. B.“, doch die Initialen sind nicht schwierig aufzulösen: Es handelt sich um Rachel Harriette Busk, eine 1831 in London geborene Schriftstellerin und Folkloristin, die bereits in jungen Jahren lange Zeit im Ausland verbracht hatte und als ausgezeichnete Linguistin galt. Als Protestantin erzogen, konvertierte sie 1858 zum Katholizismus und hielt sich ab 1862 oft in Rom auf, wo sie einen großen Freundeskreis hatte. Dazu zählte auch Kardinal Giaocchino Pecci, der 1878 Papst Leo XIII. werden sollte. In den Jahren 1867 und 1868 veröffentlichte sie Briefe über die römische Politik und Gesellschaft in der „Westminster Gazette“, einer wöchentlich erscheinenden römisch-katholischen Zeitschrift, die 1870 in Teilen als Band mit dem Titel „Contemporary Annals of Rome, Notes Political, Archaeological and Social, with a Preface by Monsignor Capel“ veröffentlicht wurde. In Rom, aber auch in Sizilien – beeinflusst vom italienischen Folk loristen Giuseppe Pitré –, in Spanien und Österreich erforschte Rachel Harriette Busk auf ihren ausgedehnten Reisen die Volkkultur. Sie sammelte Tausende Volksmärchen und Lieder, die sie in Gesprächen mit Leuten in Erfahrung gebracht hatte. Anonym veröffent lichte sie Erzählungen und Sagen: „Patrañas or Spanish Stories“ (1870), „Household Stories from the Land of Hofer, or Popular Myths of Tirol” (1871) und „Sagas from the Far East: Kalmouk and Mongol Tales“ (1873). Unter ihrem Namen erschienen „The Folklore of Rome“ (1874), „The Valleys of Tirol“(1874) und „The Folk-Songs of Italy“ (1887). Sie starb in Westminster im Jahr 1907. Busk war eine leidenschaftliche Verteidigerin des Katholizismus und des Kirchenstaates. Nach Rom kam sie mit ihrer Schwester Frances Rosalie, der geschiedenen Frau von Charles Vansittart, einem Mitglied des Oxford Movement, und deren Kindern. Sie waren alle zum Katholizismus konvertiert und aktive Gegner der italienischen Einigung. Arthur, einer der Vansittart-Söhne, wurde ein päpstlicher Zuave – eine Art ‚Fremdenlegionär‘ im päpstlichen Regiment, das für den Kampf gegen die italienische Einigung aufgestellt wurde. Im Jahr 1867 kämpfte er in Mentana gegen Garibaldi, als jener versuchte, Rom zu 132 133
Sturrock, Establishing Identity, 271f. Amy de Gruchy, About The Monthly Packet, https://community.dur.ac.uk/c.e.schultze/works/ monthly_packet.html (letzter Zugriff: 21.3.2022).
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erobern. Ein anderer Sohn, Cyrill, war Kammerherr von Pius IX. Nach der Eroberung Roms durch das Königreich Italien 1870, waren die Busks und Vansittarts in mehrere Zusammenstöße mit der italienischen Polizei und dem Militär verwickelt. Wie es scheint, versuchten sie einen internationalen Zwischenfall zu verursachen, um Italien zu diskreditieren. Ihre Versuche blieben jedoch erfolglos.134 Insbesondere aufgrund ihrer Bücher über Tirol ist Rachel Harriette Busk unter Forscher*innen, die sich für die Geschichte und Volkskunde dieses Landes interessieren, bekannt. Laurence Cole zufolge gehörte sie zu jenen Autoren und Autorinnen, die für eine frühe und positive Rezeption des Tiroler Aufstandes von 1809 stehen: „Im Unterschied zu Tirol“, so Cole, „wo sich eine Popularisierung des Hofer-Mythos erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts durchsetzte, entstand jedoch in Großbritannien eine Heroisierung Hofers gleich mit dem Aufstand, um in den folgenden Jahrzehnten richtig aufzublühen und das ganze 19. Jahrhundert hindurch – und noch darüber hinaus – anzuhalten. Die britische Hofer-Rezeption lässt sich daher als Teil eines wichtigen zeitgenössischen Phänomens verstehen, jenes einer transnationalen Erinnerungskultur der napoleonischen Kriege.“ Dies brachte Busk in den 1870er Jahren, ausgehend von der Ersten Bergiselschlacht im April 1809, entsprechend zum Ausdruck: „This was the first great act of the Befreiungskämpfe, which have made the year nine memorable in the annals of Tirol, and, I may say of Europe, for it was one of the noblest struggles of determined patriotism those annals have to boast.“135 Tirol war damit seit Andreas Hofer in den Blickpunkt einer breiteren englischen Öffentlichkeit gelangt. Nicht nur Werke zu Hofers Lebensgeschichte und Übersetzungen historischer Darstellungen erschienen auf Englisch,136 sondern in zunehmendem Maß auch Reiseberichte und Reiseführer über Tirol – zunächst mit Schwerpunkt auf den Hauptdurchzugsrouten. Joshiah Gilbert und George C. Churchill bereisten mit ihren Frauen 134
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Elizabeth Lee, Busk, Rachel Harriette, in: Leslie Stephen, Christine Stephanie Nicholls u. Sidney Lee (Hg.), Dictionary of National Biography. Second Supplement, London 1901–1911, Bd. 1, Teil 1, 276; Linda J. Lee, Busk, Rachel Harriette, in: Donald Haase (Hg.), The Greenwood Encyclopedia of Folktales and Fairy Tales, Bd. 1, Westport 2008, 149–150; Busk, Rachel Harriette, in: Wikipedia, https://en.wikipedia.org/wiki/Rachel_Harriette_Busk (letzter Zugriff: 27.9.2020); David Hopkin, Imagine I am the Creatura: Biography of Rachel Busk, a British Folklorist in Europe, in: Bérose – Encyclopédie internationale des histoires de l’anthropologie, Paris 2018, http://www.berose.fr/article1473.html?lang=fr (letzter Zugriff: 23.9.2020). Laurence Cole zitiert sie als Reiseschriftstellerin. Cole, Für Gott, Kaiser und Vaterland, 387–388, 393f. Laurence Cole, Die Rezeption des Tiroler Aufstandes in Großbritannien von 1809 bis zirka 1870, in: Helmut Reinalter, Florian Schallhart u. Eva Lavric (Hg.), Außenperspektiven: 1809 Andreas Hofer und die Erhebung Tirols, Innsbruck 2014, 78–93, 91. Laurence Cole, Echos von 1809: Der Tiroler Aufstand in der britischen Erinnerungskultur des 19. Jahrhunderts, in: Mazohl/Mertelseder, Abschied vom Freiheitskampf?, 295–323; Claudia Messelodi, L’eroe tirolese Andreas Hofer nella letteratura inglese del primo ’800, o.O. 2020.
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Anfang der 1860er Jahre das Pustertal, die Täler der Dolomiten auch abseits ausgeschilderter Straßen und Wege.137 Englische Alpinisten und Alpinistinnen kamen – vermehrt ab Mitte der 1860er Jahre – in das heutige Südtirol.138 In gleicher Weise war Rachel Harriette Busk auch wichtig für die positive Rezeption der Geschichte des Mädchens von Spinges in Großbritannien. In einem 1874 veröffentlichten Buch, das die in der „Monthly Packet“ erschienenen Beiträge – teils bearbeitet – versammelte, wird das Mädchen von Spinges nicht nur mit Augustina von Saragossa verglichen, sondern auch und sogar mit Jeanne d’Arc.139 Obwohl sich bislang keine Spuren für nähere Kontakte zwischen Busk und Tiroler Patrioten finden ließen, könnte sie aufgrund ihrer vatikanischen Vernetzungen vielleicht sogar eine Rolle bei der Verbreitung des Mythos der Katharina Lanz auf der regionalen Ebene Tirols gespielt haben. Die Ähnlichkeiten zwischen ihrer Version der Geschichte und jener des Artikels in den „Neuen Stimmen“ würden dafür sprechen. Wenn, wie im ersten Kapitel ausgeführt, einem in England geborenen Italiener, nämlich Francesco Casanova, möglicherweise die erste Darstellung des Mädchens von Spinges zu verdanken ist, scheint eine der ersten Erwähnungen des angeblichen Namens der Heldin – Katharina Lanz – von einer in Italien verankerten Engländerin zu stammen. Das sind spannende internationale Vernetzungen einer (nicht nur) regionalen Geschichte. In einigem zeitlichen Abstand tauchte Katharina Lanz in englischsprachigen Veröffentlichungen verschiedentlich auf: Edgar Sanderson (1838–1907), ein englischer Priester, Lehrer und Historiker, etwa schrieb: „It was in this struggle that a young woman of twentytwo years, Katharina Lanz, who survived until 1854, headed the defenders of the little church and churchyard in the hamlet of Spinges. With skirts tucked up, and hair floating in the breeze, this patriotic Tyrolese used a pitchfork in a style that was too efficient for the French bayonets. In the end Joubert [...] had to make his escape down the Pusterthal.“140 Bei A. J. Butler, wahrscheinlich Arthur John Butler, englischer Gelehrter, Verleger, Über137
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Josiah Gilbert u. George C. Churchill, The Dolomite Mountains. Excursions through Tyrol, Carinthia, Carniola and Friuli in 1861, 1862 and 1863, London 1864; siehe dazu auch Anton Holzer, Die Bewaffnung des Auges. Die Drei Zinnen oder Eine kleine Geschichte vom Blick auf das Gebirge, Wien 1996, 46–49. Anton Pirkhofer, England – Tyrol. Vom Bild Tirols im englischen Schrifttum. Ein 500-jähriger Spiegel der tirolisch-englischen Beziehungen, Innsbruck 1950, 42–107. Rachel Harriette Busk, The Valleys of Tirol: Their Traditions and Customs, and How to Visit Them, London 1874, 297 (Book-on-Demand, Outlook Verlag, Frankfurt a. M. 2020, 194). Alles andere ist identisch wie im Artikel in der Monthly Packet: „A decisive battle was fought at Spinges, a hamlet near Sterzing, where a village girl fought so braverly, and urged the men on to the defence of their country so generously, that though her name is lost, her courage won her a local reputation as lasting as that Joan of Arc or the ‚Maid of Zaragoza‘, under the title of Das Mädchen von Spinges.“ Auch im Buch ist der Name des Mädchens nur in einer Fußnote angegeben. Edgar Sanderson, Hero Patriots of the Nineteenth Century, New York 1901, 34.
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setzer unter anderem von Dante und Professor für italienische Sprache und Literatur am University College in London, auch Bergsteiger, lautete die Passage: „In these mountain villages the church and churchyard often form a natural citadel. Time after time did the French storm that of Spinges. A girl of twenty-two, Katharina Lanz, who lived to relate her exploit till 1854, led the defenders. With her hair floating in the wind and her skirts well tucked up, she plied a pitchfork with a goodwill and efficiency that was too much for the French bayonets. Meanwhile the road back to Italy was blocked by an Austrian force, and General Joubert had to make the best of his way down the Pusterthal. By April 13th the enemy was out of the country.“141 Charles James Hankinson (1866–1959), ein englischer Schriftsteller, der Romane und Abenteuererzählungen sowie Bücher über Japan, Belgien, Tirol und andere Länder schrieb, veröffentlichte unter dem Pseudonym Clive Holland.142 Er verbuchte den Sieg in der Schlacht von Spinges auf Tiroler Seite: „A fierce and bloody engagement was fought at Spinges which resulted in the triumph of the peasant forces and the utter rout of the invaders, who were compelled to evacuate the country.“143 Den Hergang schildert er folgendermaßen: „From Brixen to Sterzing one traverses the widening, narrowing, and again widening valley of the Eisack. Past Spinges, with its memories of the fierce battle in 1797, when General Joubert was marching through the Puster Thal to make a junction with Napoleon. His advance was not, however, permitted unchecked. The inhabitants of Spinges might not be many, but they were Tyrolese. It happened, too, that a few companies of the Landsturm were in the neighbourhood [sic], and so these and the men of Spinges marched out to meet Joubert’s immensely superior force. The French troops were armed with bayonets as well as guns, and the barrier they made was found unpiercable by the brave but badly armed patriots. But the opportunity or need produced the man [...]. In this case it was one Anton Reinisch, of Volders, who ‚played the man,‘ and heroically leapt, scythe in hand, amongst the French bayonets, a score of which pierced his body, and thus, hewing right and left ere he fell carved a way for his comrades, and enabled them to break up the French lines. But Spinges will be celebrated still more in romance, as it has been in history, by the act of that anonymous maiden ‚the Maid of Spinges,‘ who, during the fight around the church of the village, mounted in company with the men the wall of the 141
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A. J. Butler, The Liberation of Tyrol and Three Captures of Innsbruck April–August 1809, in: Archibald Forbes, G. A. Henty u. Arthur Griffiths (Hg.), Battles of the Nineteenth Century, Bd. 2, London u. a. 1901, 553–564, 554. Siehe Holland, Clive, in: SFE. The Encyclopedia of Science Fiction (11.8.2018), http://www.sfencyclopedia.com/entry/holland_clive; Creator: Holland, Clive, 1866–1959, in: Internet Archive, https://archive.org/search.php?query=creator%3A%22Holland%2C+Clive%2C+1866-1959%22 (letzter Zugriff: 27.9.2020). Clive Holland, Tyrol and its People, London 1909, 36.
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churchyard, and, armed with a hay fork, helped, by her strong arms as well as her example, to successfully repel three fierce attacks of the French soldiery. Unknown by name, yet the fame of her courageous act, typical as it was of those of many others of her sex during the long and fierce struggle waged by the Tyrolese against the invaders of their beloved land, has descended through generations.“144 Nur in der dazugehörigen Fußnote ist der Name der Heldin genannt – ein gewisser Zweifel klingt durch: „Some authorities assert that her name was Katherina Lanz, and that from about 1820 till her death in 1854 she lived as housekeeper to the priest at St. Virglius near Rost, high up in the Enneberg Valley.“ Ellinor Lucy Broadbent, die einige Reiseführer über die italienischen Alpen und über Verona veröffentlicht hat, behandelt 1925 in einem Abschnitt „Spinges – heroic resistance of the Maid of Spinges during the Napoleonic Wars“ und beschreibt die Szene mit Verweis auf eine Statue und auf den Sieg des Landsturms: „A few miles to the north on a mountain terrace near Mühlbach is the village of Spinges, famous for the heroic conduct of Cathe rine Lanz, in the days of the Napoleonic wars. There is a bronze statue […]. The story tells how, by word and example, she encouraged the men of Spinges to repeal three fierce attacks by French soldiers. This was in 1797 when General Joubert, marching down the Val Pusteria to join Napoleon, was opposed by the men of Spinges, who were aided by the Landsturm; the battle resulted in the victory of the peasant forces.“145 Manche Autoren sprachen jedoch weiterhin von einer anonymen Heldin. So William Denison McCrackan (1864–1923), amerikanischer Journalist, Schriftsteller und Wissenschaftler, der jahrelang in Europa lebte und reiste. Er galt als ‚progressiv‘, konvertierte 1900 zur Kirche Christi. Er veröffentlichte Artikel und Bücher über Andreas Hofer, Tirol, die Schweiz, die italienischen Seen, Palästina und die Kirche Christi. In seiner Version ist „Doctor Steub“ erwähnt – und das Mädchen von Spinges: „That same day there was fighting also around the churchyard of Spinges. A certain ‚Maid of Spinges‘ distinguished herself in defeating the assaults of the French. They attacked three times in vain, for this girl stood among the men on the wall, performing prodigies with a hay-fork. It is not known who she was. She has been praised in song as ‚The Maid of Spinges‘, and in popular imagination her very anonymity has helped to make her the representative of the many women who fought and suffered in the Tyrol during the years of foreign invasion.“146 Anonym bleibt das Mädchen auch in einem Buch über Tirol, „The Land in the Mountains“, von William Adolph Baillie-Grohman (1851–1921), einem anglo-österreichischen Autor, Sportler, Bergsteiger und Jäger, der über Sport und Jagd publizierte. Er reiste in 144 145 146
Holland, Tyrol and its People, 228f. Ellinor Lucy Broadbent, Under the Italian Alps, with a Geographical Essay by Marion I. Newbigin, London/New York 1925, 189f. William Denison McCrackan, The Fair Land Tyrol, Boston 1905, 99.
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II Katharina Lanz: Heldin in vielfältigen Perspektivierungen
den amerikanischen Westen und lebte viele Jahre im kanadischen British Columbia. Seine Erzählung lautet so: „Quickly following up his success at Lodi, the youthful Bonaparte in the first weeks of the year 1797 defeated the Austrians at Rivoli. The retreat of the Austrian army towards Carinthia left the routes into Tyrol so ill defended that again the Landsturm had to be called out. Again they showed their superior foe, fresh from their great victories under Marshal Joubert, that the Tyrolese ‚rough-coats,‘ whose valour Maximilian had already discovered and honoured, were enemies with whom even Napoleon’s picked troops, led by tried strategians, would vainly battle, and the heroic bravery shown at Spinges resulted in a glorious victory of the peasantry [...] the Peace of Campo Formio, following the negotiations of Leoben, terminated for the time being hostilities in which out of a population of some 800,000 souls, more than 100,000 fighters had taken part, not a few women being amongst them.” In der dazugehörigen Fußnote kann man Folgendes lesen: „The famous prodigies performed by the ‚Maiden of Spinges‘ with a hayfork form but one of many instances.“147 Auf diese Weise hat sich im Lauf unserer Forschung eine unerwartete internationale Präsenz der Geschichte des Mädchens von Spinges gezeigt: Eine Geschichte, die bislang üblicherweise auf der lokalen und regionalen Ebene verortet wurde, war tatsächlich in viel weiteren Kreisen nicht nur bekannt, sondern auch mit verschiedenen politischen, sozialen und kulturellen Kontexten vernetzt. So haben auch angelsächsische Autorinnen und Autoren, insbesondere Rachel Harriette Busk, zum making der Heldin im Kontext komplexer europäischer Konflikte beigetragen.
5 Oder doch nur „eine im Pulverdampf entstandene Mähr“?
Verschiedentlich fanden weiterhin Zweifel an der Existenz eines Mädchens von Spinges medialen Niederschlag. Wie verbreitet und wirkmächtig diese waren, ist schwierig einzuschätzen. Einer, der darüber schrieb und wohl auch von einem breiteren Publikum gelesen wurde, war Ludwig Steub. Wie im ersten Kapitel erwähnt, widmete der liberale Münchner Advokat in seinen 1878 veröffentlichen „Lyrischen Reisen“ einen Abschnitt dem Mädchen von Spinges, wo er von Zweifeln an dessen Existenz berichtete.148 Steub hatte sich für das Mädchen von Spinges schon dreißig Jahre früher interessiert. In seinem 1846 erschienenen Buch „Drei Sommer in Tirol“149 schilderte er ein „lebensgroßes Oelbild“, das er beim Hin147 148 149
William Adolph Baillie-Grohman, The Land in the Mountains, being an Account of the Past and Present of Tyrol, its People and its Castles, London 1907, 99f. Steub, Das Mädchen, 257. Steub, Drei Sommer.
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aufsteigen in den Turm von Schloss Bruneck in der Wohnung des Gerichtsdieners gesehen habe. Dieses bilde eine „Bauersfrau“ ab, die „zu ihrer Zeit im Pusterthale einen großen Namen hatte. Es ist ein rüstiges, tiefgebräuntes, kerlhaftes Weibsbild mit der Büchse auf der Schulter und dem Bandelier, an welchem die Pulverfäßchen hängen von der Achsel zur Hüfte, also eine Kriegerin. Nach Aussage der Umstehenden soll dieselbe in den neunziger Jahren mit dem Tauferer Landsturm gegen die Franzosen gezogen seyn.“ Diese Zeitangabe schien Steub nicht realistisch: „Kleidung, Bewaffnung und Malerei“ seien „ein gutes Jahrhundert alt“. Er hielt es für wahrscheinlicher, dass „die wilde Männin“ am „Bayerischen Rummel“ des Jahres 1703 teilgenommen habe.150 Der Anblick dieses Bildes veranlasste ihn zu Reflexionen über die Heldin von Spinges: „Wie dem auch sey, ihr Bildnis scheint dafür zu bürgen, daß sie einmal lebte, und so ist ihr Gedächtnis wohl fester gesichert als das ihrer jüngern Landsmännin, des heldenmüthigen Mädchens von Spinges über Mühlbach, das im Jahre 1797, als die Franzosen dieses Bergdorf stürmten, mitten unter den kämpfenden Landleuten auf der Kirchhofmauer gestanden und mit einer Heugabel Wunder der Tapferkeit verübt haben soll. So ist wenigstens lange Zeit hindurch erzählt und geschrieben worden, jetzt aber, da gar keine Nachforschungen herausbrachten, wer das Mädchen gewesen, wie sie geheißen, wo sie her, wo sie hin gekommen, jetzt sind die Meisten der Ansicht, daß die ganze Geschichte lediglich eine im Pulverdampf entstandene Mähr, das Madel von Spinges ein schöner Mythus sey.“151 Dass Nachforschungen die Identität des „Madels“ nicht klären konnten, galt Steub als entscheidender Faktor, um dieses dem Reich des Fiktionalen zuzuordnen. In den folgenden Jahrzehnten sahen sich Autoren immer wieder aufgerufen, gegen Steubs Sichtweise zu argumentieren. Geschichtsschreibung und ‚Wahrheit‘ wurden dabei in eins gesetzt. Norbert Stock etwa meinte: Wäre der Bericht von Wörndles „unrichtig oder zweifelhaft“ gewesen, hätte ihn der „Tiroler Almanach“, „der streng geschichtlich gehalten und nach Quellen bearbeitet ist, später nicht gedruckt“.152 Ähnlich Joseph Maurer, in Anlehnung an Stock: „Da auch der tiroler Almanach vom Jahre 1802 dieses Heldenmädchen erwähnt, so ist dieses selbstverständlich keine Mythe, so sehr sich auch Sage und 150
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Dieser bezeichnet die Invasion Tirols durch den bayerischen Kurfürsten Max Emanuel II. im Sommer 1703 im Kontext des Spanischen Erbfolgekriegs, in dem Bayern mit Unterstützung Frankreichs versuchte, das im Mittelalter verlorene Tirol zurückzuerobern. Siehe dazu Martin P. Schennach u. Richard Schober (Hg.), 1703. Der „Bayerische Rummel“ in Tirol. Akten des Symposiums des Tiroler Landesarchivs Innsbruck, 28.–29. November 2003, Innsbruck 2005. Steub, Drei Sommer, 602f. Stock, Der Tag bei Spinges, 32. Die Berichte sind nicht identisch; jener im „Tiroler Almanach“ holt weiter aus, während der Bericht von Wörndles auf die Schlacht von Spinges fokussiert. Letzterer kann als Vorlage gedient haben.
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Dichtung und Sage desselben bemächtigt haben.“153 Das Vertrauen in Geschichtsdarstellungen, selbst wenn darin keinerlei Quellen angegeben sind, war demnach groß. Das Bild der von Steub geschilderten Tauferer Bäuerin ist jedenfalls von Interesse für die Frage, wie Heldinnen konstruiert werden können. Es zeigt einen anderen Typus, jenen einer Amazone, der in Zusammenhang mit Katharina Lanz kaum vorkommt und der sich gegen die primär religiöse Deutung nicht durchgesetzt hat. Auch dort, wo sie kämpferisch-kriegerisch präsentiert wird, überschreitet sie zwar weibliche Rollenmodelle mit ihrem Handeln, bleibt aber bis auf ganz wenige Ausnahmen das Mädchen, die Magd. Die Tauferer Bäuerin stellt hingegen offenbar eine vermännlichte Heldin dar: kerlhaft, mit Büchse und Pulver bewaffnet, eine Kriegerin, eine „wilde Männin“. Trotz des lebensgroßen Gemäldes hat sich „ihr Gedächtnis“ jedoch nicht bewahrt, während das Mädchen von Spinges zu einem fixen Bestandteil der regionalen Memoria wurde. Recherchen nach dem Bild verliefen zunächst ergebnislos. Ein Zufall brachte uns – sehr wahrscheinlich – auf dessen Spur: In einem Bestand über Erhebungen zur Infrastruktur der Tiroler Schützen vom Anfang des 20. Jahrhunderts fand sich unter dem vom Oberschützenmeister der Gemeinde Innichen eingesandten Material ein Foto „des im hiesigen Schießstandgebäude aufbewahrten werthvollen Bildes, welches Katharina Lanz ‚das Mädchen von Spinges‘ genannt, in Lebensgröße vorstellt“ (Abb. 19), hieß es im Schreiben.154 Die Darstellungsart, die Erscheinungsweise der abgebildeten Frau und das vermutliche Alter des Bildes weisen keinerlei Ähnlichkeit mit den Abbildungen von Katharina Lanz auf, sondern entsprechen vielmehr Steubs Beschreibung der „wilden Männin“. Jahrzehnte nach der Veröffentlichung seines Buches „Drei Sommer in Tirol“ von 1846 – eventuell veranlasst durch den Artikel in den „Tiroler Stimmen“ von 1870 – machte sich Ludwig Steub selbst auf die Spurensuche nach dem Mädchen von Spinges. Er berichtet in seinen 1878 erschienen „Lyrischen Reisen“, wie erwähnt, von einem Besuch beim Kuraten Joseph Stecher in Spinges, um Erkundigungen einzuholen.155 Das Kapitel, das er dem Mädchen von Spinges widmete, ist auf den Herbst 1875 datiert.156 Auf eine Beschreibung des Ortes folgt ein kurzer Abriss zu den Ereignissen von 1797 und weiter schreibt Steub – 153 154
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Joseph Maurer, Tiroler Helden, Münster [1894], 106. Tiroler Landesarchiv Innsbruck, Landesverteidigungsoberbehörde, Fasz. 29, Sonderfaszikel 1908, Nr. 606-ex 1908. Für den Hinweis darauf danken wir ganz herzlich Ellinor Forster. Eine Rechercheanfrage nach dem von Steub genannten Bild auf Schloss Bruneck, das im Besitz des Brixner Bistums war, in den Beständen des Diözesanmuseums Brixen verlief ergebnislos. Sparber, Wer war das Heldenmädchen, 187. Sparber meinte in Bezug auf Steubs Ausführungen in einer Fußnote: „Seine Angaben sind zwar nicht immer verläßlich, aber in diesem Falle lauten sie so bestimmt betr[effend] Ort, Zeit und Person, daß an ihrer Richtigkeit nicht zu zweifeln ist.“ Steub, Das Mädchen, 255.
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Abb. 19: Die „wilde Männin“, wie Steub sie beschreibt, als „rüstiges, tiefgebräuntes, kerlhaftes Weibsbild mit der Büchse auf der Schulter und dem Bandelier, an welchem die Pulverfäßchen hängen von der Achsel zur Hüfte, also eine Kriegerin“?
dieses Mal in Anlehnung an den „Almanach“: „Unter die Vertheidiger hatte sich aber auch ein Mädchen gestellt, das mit einer Heugabel drei stürmende Franzosen von der bereits erklommenen Mauer herunterstürzte. Das ist das Mädchen von Spinges. Die heutigen Tiroler suchen sich aber, unähnlich den Schweizern, aller Celebritäten, die nicht urkundlich zu documentiren sind, mit besten Kräften zu entledigen. Das Mädchen von Spinges steht nun leider auch in dieser Categorie, und die tirolischen Zweifler erklären es daher ziemlich einstimmig für eine schöne Fabel.“157 Er nimmt hier eine Zwischenposition ein, denn einerseits scheint er es zu bedauern, dass die Existenz der Heldin nicht gesichert war, andererseits klingt eine Kritik an den Schweizern an, die ihre Helden aus seiner Sicht vorbehaltlos rühmten. 157
Steub, Das Mädchen, 257.
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Des Weiteren schildert Steub in dem Kapitel die Unterredung mit dem Spingeser Kuraten und dessen vergebliche Mühe, „der Sache auf den Grund zu kommen“. Es folgt ein Passus, in dem Steub einen möglichen Urheber der „schönen Fabel“ beziehungsweise der „Sage“ festmacht: „Es gehe übrigens eine alte Sage, daß der Urheber der Geschichte der französische General Joubert selber sei, denn dieser soll am nächsten Mittag nach jenem blutigen Abend im rühmlichst bekannten Gasthof zum Elephanten zu Brixen158 seinen Tischgenossen allerlei Anekdoten über die Gefechte auf dem Spingeser Berge vorgetragen und dabei erzählt haben, tapfer vor allen habe sich auf dem Kirchhofe ein junges, schönes Mädchen mit einer Heugabel geschlagen. Woher dem General diese Eingebung gekommen, sei aber nicht mehr zu constatiren, dagegen sehr wahrscheinlich, daß seine Kriegshauptleute zuerst die Geschichte im Lande verbreitet“ hätten.159 Anselm Sparber konnte sich nicht erklären, dass im Jahr 1875 noch eine solche Ansicht vertreten wurde. Er ging davon aus, „daß weder Steub noch dem Kuraten von Spinges der [...] Artikel der ‚Neuen Tiroler Stimmen‘ vom 23. August 1870 betreffend die Kath[arina] Lanz von Enneberg bekannt“ gewesen sei.160 Dem war jedoch keineswegs so. Denn Steub bezieht sich, wenn auch nur marginal, darauf. Doch stellt er diese Geschichte auf dieselbe Ebene mit Jouberts Fabel, indem er sie als „eine andere Sage“, die umginge, bezeichnet und die Heldin weiterhin namenlos belässt: „Gleichwohl geht noch eine andere Sage um, welche das Mädchen von Spinges mit seiner Heldenthat festhält und sogar wissen will, es habe noch lange hernach gelebt und sei als alte Köchin hinten in Enneberg gestorben.161 Gegen Ende des Kapitels rückt er die Relationen zurecht – von einem „Wunder der Tapferkeit“, wovon er in den „Drei Sommern in Tirol“ geschrieben hat, ist hier nicht mehr die Rede. Zwar sei „das Mädchen in viele Geschichts- und Reisebücher ein[gedrungen]“, auch sei es „in neuerer Zeit wohl schon mehrmal gemalt und besungen worden“, doch gäbe es daneben „ganz unbestrittene“ Heldentaten: jene „des Georg Fagschlunger von Axams, welcher von elf Bayonnetstichen durchbohrt, zwischen sieben erschlagenen Feinden gefunden wurde, und des Anton Reinisch von Volders, des Sensenschmieds, der eine zweischneidige Sense an einem langen Stiel als Waffe führte, mit dieser, wie einst Arnold von Winkelried, um eine Bahn zu brechen, mitten in den feindlichen Haufen stürzte und endlich, nachdem er fünfzehn Franzosen niedergemäht, an seinen Wunden zusammen158
159 160 161
Die Besetzung Brixens dauerte vom 23. März bis zum 7. April 1797, auch eine Typhusepidemie grassierte. Was den „Elephanten“ betrifft, schreibt Hans Heiss, dass das Haus zwar „einige Requisitionsschäden“ genommen habe, dass „aber die im Haus einquartierten Offiziere“ zugleich „für seine Sicherheit“ gesorgt hätten. Hans Heiss, Der Weg des „Elephanten“. Geschichte eines großen Gasthofs seit 1551, Bozen/Wien 2002, 34. Steub, Das Mädchen, 257f. Sparber, Wer war das Heldenmädchen, 87, Anm. 25. Steub, Das Mädchen, 258.
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brach“.162 In Zahlen wird hier also aufgerechnet: der eine sieben, der andere fünfzehn, während auf Seiten des Mädchens von Spinges höchstens drei besiegte Feinde zu verzeichnen sind. Mit seinen explizit geäußerten Zweifeln und dem Versuch, die Heldentat des Mädchens von Spinges zu relativieren, steht Ludwig Steub in dieser Zeit jedoch ziemlich allein da. Umso bemerkenswerter ist das Faktum, dass sich eine der Version von Steub sehr ähnliche Darstellung im „Biographischen Lexikon des Kaiserthums Österreich“ findet, das Constant von Wurzbach zwischen 1856 und 1891 in sechzig Bänden als Standardwerk für die Habsburger Monarchie verfasst hat. In Band 14 („Laichingen bis Lenzi“) sucht man vergeblich nach „Lanz“, er ist bereits im Jahr 1865 erschienen – also zu früh in Anbetracht dessen, dass die erste namentliche Nennung vermutlich 1869 erfolgt ist. Man findet die Heldin jedoch in Band 36 aus dem Jahr 1878 unter dem Lemma „Spinges, das Mädchen“.163 Der Autor ist nicht ausgewiesen. Unverkennbar ist jedoch, dass Steubs Kapitel aus den „Lyrischen Reisen“ die Vorlage geliefert hat, es wird auch explizit Bezug darauf genommen. In zwei Spalten wird zunächst der historische Kontext abgehandelt und der Kampf bei Spinges beschrieben. Dann erst geht es um die Protagonistin: „Hier war es auch, wo das Heldenmädchen von Spinges, wie erzählt wird, mit unter den Reihen der Kämpfer an der Kirchhofmauer stand, und mit einer Heugabel die anstürmenden Franzosen abwehrte. Mit ihrer primitiven Waffe hatte sie drei Franzosen, welche bereits die Kirchhofmauer erklommen hatten, angespießt und herunter gestürzt. Daß es Heldenmädchen zu allen Zeiten und an verschiedenen Orten gegeben, ist eine Thatsache, nur das Verhalten der Bevölkerung gegen ein solches ist verschieden. Während die Schweizer z. B. um jeden Preis ihre Celebritäten zu conserviren suchen, sind die Tiroler bemüht, sich aller derjenigen, die nicht urkundlich zu documentiren sind, zu entledigen. Das Mädchen von Spinges steht, wie Ludwig Steub, der in Tirol viel gewandert und viel gesehen und gehört hat, leider nicht unter den urkundlich documentirenden Persönlichkeiten, und die tirolischen Zweifler erklären daher, das Heldenmädchen von Spinges ziemlich einstimmig für eine schöne Fabel. Der jetzige Kurat zu Spinges Joseph Stecher aus Graun im Vinschgau gebürtig und schon länger als 30 Jahre in dem Dörflein als Priester wohnhaft, ein Mann von 75 Jahren, hat sich, wie Ludwig Steub berichtet, alle Mühe gegeben, um der Sache auf den Grund zu kommen, aber keine Bestätigung gefunden. Wie eine alte Sage geht, wäre der französische General Joubert, eben derselbe, der von Napoleon mit dem Zuge nach Tirol beauftragt gewesen, der Urheber dieser Geschichte. Joubert hätte nämlich am nächsten 162 163
Steub, Das Mädchen, 259. Spinges, das Mädchen, in: Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 36, Wien 1878, 171–173.
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II Katharina Lanz: Heldin in vielfältigen Perspektivierungen
Mittag, nach jenem blutigen Abend, in dem bekannten Gasthofe ‚zum Elephanten‘ zu Brixen seinen Tischgenossen allerlei Anekdoten über die Gefechte auf dem Spingeserberge vorgetragen, und dabei erzählt, daß vor Allen tapfer sich auf dem Kirchhofe ein junges schönes Mädchen mit einer Heugabel geschlagen habe. Warum der General diese im Ganzen weder unglaubwürdige noch unwahrscheinliche Geschichte geradezu erfunden haben solle, ist nicht recht erklärbar. Daß sie aber durch seine Tischgesellschaft leicht die Verbreitung in weitere Kreise gefunden, ist ganz gut anzunehmen.“164 Es folgt der Passus über Pfaundler und wie auch in Steubs „Lyrischen Reisen“ wird verwiesen, dass die Geschichte erstmals im „Tiroler Almanach“ gedruckt worden sei, zusammen mit einem „Titelkupfer“. Und weiter heißt es: „Das Mädchen von Spinges fand sich nun natürlich in den Geschichts- und Reisebüchern, ist auch wiederholt gemalt und besungen worden.“ Zitiert ist die Schlussstrophe des Gedichts von Johann Georg Seidl, das er als „eines der schönsten Gedichte“ bezeichnet, als eine „im echten Volkston gehaltene Romanze“, in der die Namenlosigkeit poetisch gewendet sei. Übrigens stehe „das Heldenmädchen von Spinges nicht vereinzelt da“. Kurz angeführt wird die Geschichte des „berühmten Mädchens von Saragossa“ namens Augustina, die sich im Zuge der Belagerung der Stadt zwischen Dezember 1808 und Februar 1809 durch „seinen Heldenmuth ausgezeichnet“ habe.165 Mit diesem Verweis endet der Artikel. Als Literaturangabe ist lediglich der zweite Band von Stafflers Topographie angegeben.166 John Lawrence Tone sieht in Augustina die berühmteste Kämpferin in diesem Krieg; zugleich sei sie „the most famous example of a larger phenomenon“ gewesen.167 Sie repräsentiere eine Heldinnenfigur, die in der Rezeption aufgrund der ihr zugeschriebenen Militanz vermännlicht und als gefährliche Amazone dargestellt werde. Doch auch das Motiv, dass sie durch den Tod ihres gefallenen Verlobten zum Kampf angetrieben worden sei, fehlt nicht, und dieses hero pattern erwies sich in der Folge als das passfähigere Frauen- und Heldinnenbild.168 Auffällig ist, dass der Lexikoneintrag auf Steubs „Lyrische Reisen“ ausgiebig Bezug nimmt und, ebenso wie Steub, zwischen dem Anschein eines redlichen Bemühens, die 164 165
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Spinges, das Mädchen, 172. John Lawrence Tone schreibt: „Spanish women resisted the occupation in ways that shocked and confounded the French and inspired admiration among other European struggling under French rule.“ John Lawrence Tone, A Dangerous Amazon: Agustina Zaragoza and the Spanish Revolutionary War, 1808–1814, in: European History Quarterly 37, 4 (2007), 548–561, 549. Johann Jakob Staffler, Tirol und Vorarlberg statistisch und topographisch mit geschichtlichen Bemerkungen in zwei Theilen, Bd. 2, Innsbruck 1844, 149–153 (Schlachtszene), 152: Hier ist „ein heldenmühtiges Mädchen von Spinges“ erwähnt. Tone, A Dangerous Amazon, 549. Tone, A Dangerous Amazon, 557, 559.
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Heldin für die Tiroler doch zu ‚retten‘ und den sich aufdrängenden Zweifeln changiert. Die These, dass alles eine Erfindung des französischen Generals Joubert sei, wird relativ ausführlich dargelegt, jener Passus von Steub aber, in dem angedeutet ist, es könne sich um die später in Enneberg als Köchin verstorbene Frau gehandelt haben, fehlt. Die Namenlosigkeit wird damit fortgeschrieben und der einzige Satz aus Steub, der ein auf die historische Person der Katharina Lanz hinweisendes biographisches Element enthält, weggelassen – eine für ein biographisches Lexikon bemerkenswerte Auswahlstrategie. Eine Position wie diese blieb allerdings die Ausnahme. Denn die erinnerungspolitischen Aktivitäten begannen sich in dieser Zeit zu verdichten – ohne gröberen Sand im Getriebe.
6 Ein Denkmal für die Heldin: ein „schönes patriotisches Unternehmen“
Im Frühjahr 1882 wurde in St. Vigil in Enneberg ein Gedenkstein für Katharina Lanz errichtet und auch eine Gedenktafel an dem vermuteten Geburtshaus angebracht.169 Zu den Recherchen im Vorfeld und zu dieser Initiative sind einige Briefe und Dokumente überliefert, die wichtige Elemente und Kontexte der Konstruktion der Heldinnenfigur Katharina Lanz sichtbar machen. Das Profil der Hauptakteure ist in gewissem Sinn symptomatisch: Kaspar Ruepp, Bezirksrichter in St. Vigil in Enneberg,170 hatte sich dieser Sache angenommen, und zwar gemeinsam mit Ferdinand Hechenberger, einem Notar in Innsbruck.171 Sie eruierten die genauen Lebensdaten von Katharina Lanz und zogen weitere Erkundigungen ein. Sie tauschten sich über eine geeignete Inschrift aus, beauftragten den ausführenden Steinmetz und den Maurer. Sie sammelten Geld zur Errichtung des Gedenksteines und organisierten dessen feierliche Enthüllung. 169 Siehe dazu auch eine kurze Notiz im „Local- und Provinzial-Chronik“-Teil mit Bezug auf die „Bozner Zeitung“, in: Bote für Tirol und Vorarlberg 68, 154 (8.7.1882), 1296. 170 Später war er Bezirksrichter in Sand in Taufers. 171 Ferdinand Hechenberger war zunächst k. k. Notar in Brixen und später in Innsbruck; er amtierte auch als Vorstand des Alpenvereins Sektion Brixen. Sparber, Wer war das Heldenmädchen, 183; Hans Heiss u. Hermann Gummerer (Hg.), Brixen 1867–1882. Die Aufzeichnungen des Färbermeisters Franz Schwaighofer, Bozen/Wien 1994, 197, 203. Hechenberger trat in dieser Funktion im April 1880 zurück, nachdem es bei der Generalversammlung Unstimmigkeiten gegeben hatte, ob 3 Gulden 50 Kreuzer „als Entlohnung für seine Magd für Austragen der spärlichen Vereinszeitschriften an die wenigen Mitglieder“ gerechtfertigt seien. Heiss/Gummerer, Brixen 1867–1882, 264. In einem der Schreiben gibt er an, zu einer Versammlung der „Notare Deutschtirols“ zwecks der Wahl der Kammermitglieder nach Bozen fahren zu wollen. TLF, Einige Briefe und Dokumente bezüglich auf Katharina Lanz. Correspondenzen anläßlich der Sammlungen für einen Denkstein an das „Mädchen von Spinges“, Nr. 9.
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II Katharina Lanz: Heldin in vielfältigen Perspektivierungen
Ein erster Rechercheauftrag ging an den Pfarrer und Dekan in Enneberg Matthäus beziehungsweise Matî Declara.172 Dieser gab in seinem Antwortschreiben vom 7. Februar 1881 an,173 dass er leider dem Wunsch nach Informationen „bezüglich der Jungfer Catharina Lanz v[on] Enneberg nur sehr spärlich entsprechen“ könne. In den Taufbüchern habe er nur eine Person dieses Namens, die am 21. September 1771 geborene „Catharina fil[i] a leg[iti]ma Matthaei Lonz et Mariae de Trebo“ finden können.174 „Aus dem Leben der Kath[arina] Lanz kann ich sonst sehr weniges anführen, obschon ich sie durch 5 Jahre als Wirthschäferin des H[errn] Kuraten Ant[on] Dethono in Colle S. Lucia, der damals Dtor Dellandreasche Benefiziat war, sehr gut kannt [sic], während welcher Zeit ich in Colle als Kooperator fungirte. Damals hatte ich keine Ahnung, daß sie die Heldin von Spinges sei und sie ließ nie etwas davon verlauten. Übrigens war sie, obschon in den 70ger Jahren, groß und stark gewachsen und immer eines eminent guten Humors, und allgemein unter dem Namen ‚La meda‘ sehr beliebt. Sie hatte sich einige Kreuzer dadurch gesammelt, daß sie den armen Collesern kleine Kalbinnen kaufte, ihnen dieselben solange als Kühe ließ, als die Besitzer von den Kälbern dieselben ernährt hatten, dann gehörte die Kuh der Kath[arina] Lanz. [...] Später kam sie gegen 1850 als Wirthschäfterin zum damaligen Benefiziaten Giovanni Maneschg in Andraz und starb dort selbst nach etwa 3 Jahren; also in der Pfarre Buchenstein begraben. Dieser G[iovanni] Maneschg erfuhr es von der Lanz, seiner Base, daß sie die Heldin v[on] Spinges sei. Es ist vor etwas Jahren von dieser Kath[arina] Lanz Heldin von Spinges ein gedruckter Artikel erschienen, leider kann ich mich nicht mehr erinnern, ob in den Tiroler Stimmen, kathol[ischen] Blättern, oder welchem Blatt und auch nicht in welchem Jahre.“ Er verweist auch auf Carlo beziehungsweise Karl Maneschg, den Bruder des inzwischen verstorbenen Giovanni Maneschg, der in der Gebäranstalt in Innsbruck tätig sei, und über seine „Baase Kath[arina] Lanz“ sicher Auskunft geben könne ebenso über einen „Artikel“. Dieser habe wahrscheinlich auch im Jahr zuvor „eine Verlautbarung“ in der Wochenzeitung „Andreas Hofer“ „veranlaßt“.175 Kaspar Ruepp hatte die zu Katharina Lanz erhaltenen 172 Schematismus der Geistlichkeit 1875, 40; siehe auch Jan Matî Declara, 1815–1884. Priester und Kulturförderer, in: Nadia Chiocchetti (Hg.), Nosta Jent. Persones y personalités dla Ladinia. Personalità ladine. Ladinische Persönlichkeiten, Urtijëi 2005, 193. 173 TLF, Einige Briefe, Nr. 2. 174 Ein Stammbaum zu Katharina Lanz aus St. Vigil ab dem 17. Jahrhundert findet sich bei Steinmair, Heiliggrab-Denkmäler, 595f. Lois Craffonara merkt an, dass viele Autor*nnen das Geburtsdatum falsch angeben, den 21. statt den 20. September. Er zitiert die Angabe aus dem Taufbuch, der zufolge Catarina zwar am 21. September getauft wurde; geboren wurde sie jedoch um 11 Uhr in der Nacht, also am 20. September. Craffonara, Catarina Lanz, 32, Anm. 62. 175 Dabei könnte es sich um folgenden Artikel handeln: Die Spingeser Schlacht, in: Andreas Hofer 3, 48 (25.11.1880), 383–385, und 49 (3.12.1880), 390–391, der die „Kurze Üebersicht“ aus dem Pfarr-
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Informationen an Ferdinand Hechenberger in Innsbruck weitergeleitet, der ihm dafür in einem Schreiben vom 21. Februar 1881 dankte und ankündigte, für den „Tiroler Boten“ darüber zu schreiben.176 „Solltest du noch etwas weiteres über das Leben derselben in Erfahrung bringen, so bist du von mir um freundliche Mitteilung gebeten.“ Für den geplanten Text ortete er ein „allgemeines Interesse“, da wichtige Werke der Zeit das Mädchen von Spinges nicht nennen würden. Er plante, den Priester Karl Maneschg, der sich ebenfalls in Innsbruck aufhielt, „nächstens“ zu besuchen, um „ganz sicher zu gehen und vielleicht noch nähere einzelne Daten zu erhalten“. Der von Ferdinand Hechenberger angekündigte Artikel erschien im Juni 1881 im „Tiroler Boten“.177 Den im Ferdinandeum befindlichen Dokumenten ist er beigelegt, rot umrandet:178 Er beginnt mit den Lücken in der Geschichtsschreibung, dem Erstaunen, dass die Heldin – wiewohl der betreffende Band im Jahr 1880 erschienen sei – noch immer keinen Namen habe: Als der Autor „jüngst die sehr unterhaltsame Geschichte Tirols“ von Josef Egger zur Hand genommen habe, um „die Schilderung der weltberühmten Kämpfe des Jahres 1809“ und der vorangegangenen Jahre zu lesen, habe es ihn „Wunder“ genommen, „in der ausführlichen Beschreibung des Gefechtes von Spinges am 2. April 1797 den Namen des ‚Mädchens von Spinges‘ nicht erwähnt zu finden“.179 Auch in Stafflers Topographie180 vermisste er ihren Namen. Diese war allerdings bereits in den 1840er Jahren erschienen. So sah Hechenberger sich veranlasst, „folgende Daten zu veröffentlichen“: Angeführt sind ihr Todestag am 8. Juli 1854, ihr Alter und ihre Funktion als Wirtschafterin. „Da schon bei ihren Lebzeiten dort und in der Umgebung bekannt geworden war, daß sie die Heldin von Spinges sei, wurde dieselbe mit militärischen Ehren, nämlich unter Beglei-
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archiv Spinges wiedergibt, die hier eingangs im Abschnitt zu den drei zeitgenössischen Berichten genannt wurde. Eingeleitet ist dies mit zeittypischem Pathos: „Von Freundeshand erhielten wir eine alte Chronik über die kriegerischen Ereignisse des Jahres 1797“. TLF, Einige Briefe, Nr. 6. Laurence Cole bezeichnet den „Tiroler Boten“ als „halbamtliche Zeitschrift des Landes“. Er wurde von Johannes Schuler herausgegeben, der „in Kontakt mit prominenten bayerischen Liberalen, wie etwa dem Schriftsteller Ludwig Steub und dem Maler und Dichter Friedrich Lentner, stand“. Cole, Für Gott, Kaiser und Vaterland, 244. F[erdinand] H[echenberger], Das Mädchen von Spinges, in: Bote für Tirol und Vorarlberg 67, 141 (24.6.1881), 1247–1248. Auch als Beilage der Dokumente im TLF, Einige Briefe, Nr. 5. Egger, Geschichte Tirols, 204. Hier findet sich lediglich der übliche Passus: „Hier sah man unter andern eine Bauernmagd aus Spinges mit zusammengegürtetem Unterkleide und fliegenden Haaren die stürmenden Feinde mit einer Gabel von der Friedhofmauer hinabstoßen.“ Er bezieht sich vermutlich auf Staffler, Das deutsche Tirol und Vorarlberg, Bd. 2, 149–153. Darin steht: „Auch ein heldenmüthiges Mädchen von Spinges, wie erzählt wird, stand keck unter den Reihen der Kämpfer an der Kirchhof-Mauer, und wehrte mit einer Heugabel die anstürmenden Franzosen ab.“ Ebd., 152.
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tung der Schützen von Buchenstein, welche die üblichen Salven über das Grab feuerten, zur geweihten Erde bestattet. Auch sämmtliche Honoratioren von Buchenstein waren erschienen, ‚dem Mädchen von Spinges‘ die letzte Ehre zu erweisen.“– Dieser Punkt wird in den folgenden Jahrzehnten oft erwähnt. Woher die Information stammt, bleibt jedoch im Dunkeln. Das Sterbebuch von Livinallongo enthält keinerlei Hinweis darauf.181 Weiter ging es im Artikel mit ihren Geburtsdaten und dem Elternhaus sowie ihrer Tätigkeit als Bauernmagd und später als Wirtschafterin. „Wegen ihres stillen, bescheidenen Wesens sprach sie sonst nie davon, daß sie die Heldin von Spinges sei, und nur der eben genannte Herr Johann Maneschg, ein entfernter Verwandter, brachte es von ihr in Erfahrung. An Ort und Stelle, nämlich in Spinges selbst, konnte ich bei wiederholtem Aufenthalte nichts Anderes erfragen als daß ‚das Mädchen von Spinges‘ keine Bauerntochter von dort, sondern aus Enneberg und damals in Spinges nur im Dienste gewesen, später aber wieder nach Enneberg zurückgekehrt sei.“182 Bei dem in Spinges in Erfahrung Gebrachten handelte es sich vermutlich um die aus dem Zeitungsbericht von 1870 beziehungsweise davon abgeleiteten Artikeln dieser Jahre gewonnenen Informationen. Dass sich medial Vermitteltes an die Stelle der von Forschern und Forscherinnen vor Ort gesuchten und erwarteten Einblicke in die Praxis schieben kann, die Zirkularität von offizialisierten Wissensbeständen ist ein in der Ethnographie bekanntes Problem. Eine an der Kirche in Spinges angebrachte Marmor-Gedenktafel mit einer lateinischen Inschrift wird noch genannt. Die Initiative dazu sei von dem „sehr patriotisch gesinnten Herrn Canonicus Hirn aus Brixen“ ausgegangen. Die Tafel ist jedoch den am 2. April gefallenen Inntalern als Dank und Erinnerung gewidmet; 181
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Im Sterbebuch ist der Todestag angegeben, ihr Name, der ihrer Eltern, das Alter von 83 Jahren, dass sie eine Köchin gewesen und in St. Vigil geboren sei: „Cuoca, nata in Marebbe”. Archivio Parrocchiale di Livinallongo, Libro Morti 1782–1855, fol. 436. Daneben gibt es ein Buch – allerdings frühestens in den 1920er Jahren verfasst –, das ein Verzeichnis der Benefiziaten enthält. Bei Johann Maneschg ist angefügt: „Er hatte die berühmte Cattarina Lanz als Köchin, welche in Andraz auch gestorben ist.“ Archivio Parrocchiale di Livinallongo, Libro Cronistorico del decanato di Livinallongo, o. S. In dem aus der Zeitung ausgeschnittenen Artikel in der Dokumentensammlung des Museums Ferdinandeum stehen am Rand der Passage über die Beerdigung mit militärischen Ehren drei blaue Fragezeichen. Siehe auch Klaar, Das „Mädchen von Spinges“. Eine historische Untersuchung, 184. Auch Lois Craffonara, Catarina Lanz, 209, schreibt dass, „kein zeitgenössischer Hinweis“ der Bestattung mit militärischen Ehren gefunden werden konnte. Er meint jedoch, dass sich niemand hätte erlauben können, „eine erlogene Geschichte zu verbreiten“. „Um die Jahrhundertwende“ seien „Zeugen vom Begräbnis“ noch am Leben gewesen. Der Pfarrer von Buchenstein hätte eine solche „Pressemeldung niemals kommentarlos hinnehmen dürfen, wäre sie haltlos gewesen“. Allerdings taucht die Erwähnung militärischer Ehren erst vergleichsweise spät auf. H[echenberger], Das Mädchen von Spinges, 1247.
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niemand wird namentlich erwähnt, auch nicht das tapfere Mädchen.183 Der Autor des Artikels schließt: „und durch mancherlei poetische Zuthat verklärt, lebt im Volksmunde in Tirol auch noch fort und fort die Erinnerung an das heldenmüthige Mädchen von Spinges“. Als nächsten Schritt ging es darum, eine Inschrift für die Gedenktafel zu finden. Ferdinand Hechenberger berichtete in seinem Schreiben vom 20. März 1882,184 dass er in dieser „Angelegenheit“ seinen Onkel Al[ois] Zimmeter185 „zu Rathe gezogen“ habe, der seinerseits mit dem „gut bekannten Professor“, dem „Geschichtsschreiber“ Albert Jäger186 – Begründer und von 1854 bis 1869 erster Direktor des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung in Wien – Rücksprache gehalten habe. Kaspar Ruepp hatte ihm einen ersten Entwurf geschickt, den er nun in zwei modifizierten Versionen – jener des Onkels und jener des Professors – zurücksandte. Ruepp hatte offensichtlich ein Schiller-Zitat gewählt, das den anderen nicht so geeignet erschien: „Das von dir beigesetzte Motto von Schiller ist sehr schön u[nd] würde unter anderen Umständen sehr gut gewählt sein, paßt jedoch nicht auf das Mädchen von Spinges, welches von Ruhmbegierde weit entfernt war, ja sogar ihre Heldenthat geheim zu halten suchte.“ Das Motto von Jäger sei zu lang, die Wahl 183
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Laut Heimatbuch ließ Franz Hirn 1848 einen Grabstein mit einer lateinischen Inschrift setzen. Sie ist dort abgedruckt und übersetzt, der Grabstein ist abgebildet. Spinger Heimatbuch, 11: „Ad piam gratamque Memoriam Centum et Trium Tirolensium ex Oeni valle ...“. TLF, Einige Briefe, Nr. 7. Dabei dürfte es sich um den Vorstand des Kronprinz Rudolf-Veteranenvereins handeln, den Ritter Alois von Zimmeter. Stock, Der Tag von Spinges, 5, bezeichnet ihn als „hochverdienten und unermüdlichen Patrioten“. Ebd., 36, scheint er als „Landesbuchhalter“ auf. Siehe auch Klaar, Das „Mädchen von Spinges“. Eine historische Untersuchung, 183. Thomas Götz merkt an, dass der Historiker Albert Jäger in Zusammenhang mit der Revolution von 1848 zunächst einem „liberal-konstitutionellen Flügel in der Professorenschaft“ an der Universität Innsbruck angehört habe, im Lauf der Revolution jedoch zunehmend zu einem „partikularistischen Konservativen“ geworden sei. Er war nicht nur Historiker, sondern auch Benediktinerpater, im Vormärz zwar „ein profilierter Jesuitenkritiker“, später dann ein Kritiker jener Akademiker, die eine Abneigung gegen Religion und die Geistlichkeit hegten, von ihm als „Aufklärer“ tituliert. Jäger trat für die Beibehaltung der ständischen Verfassung in Tirol ein und verfasste im Jahr 1848 eine Schrift darüber. „Die ständische Verfassung Tirols“ bezeichnet Thomas Götz als das „grundlegende ‚Manifest‘“ eines „genuin altständischen Konservativismus“ Tirols. Jäger vertrat die Auffassung, „eine Volksvertretung im modernen Sinne paßt für uns nicht“ und habe „in der Verfassungsdebatte besonders prononciert Stellung bezogen“. Der 1848 gegründete „Katholisch-Konstitutionelle Verein“, der für die allein den Katholiken zustehende öffentliche Religionsausübung in Tirol eintrat, wurde vom Volksblatt für Tirol und Vorarlberg unterstützt, das maßgeblich von Albert Jäger bestimmt wurde“. Götz, Bürgertum und Liberalismus, 135, Anm. 75, 142–146, Anm. 115, Anm. 122, 174, Anm. 278; siehe auch ÖBL, Bd. 3 (Lfg. 11, 1961), 53–54, 53; Gerhard Oberkofler u. Peter Goller, Geschichte der Universität Innsbruck (1669–1945), Frankfurt a. M. u. a. 19962, 114.
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fiel also auf jenes von Hechenbergers Onkel. In „möglichst großen und tiefeingeschnittenen resp[ektive] ausgemeißelten Buchstaben“, damit sie möglichst lange leserlich bleibt, sollte die Inschrift angebracht werden. Sie lautete: „Das Mädchen von Spinges“ Katharina Lanz, geboren zu St. Vigil am 21. September 1771 kämpfte heldenmüthig in Spinges am 2. April 1797 und starb am 8. Juli 1854 zu Andraz (u[nd] hiezu noch das Motto meines Onkels) Fromm u. friedlich – Eine Löwin im Kampf für das Heiligste187
Über die „Aufstellung des eigentlichen Denkmals“ hatte sich Hechenberger mit Kaplan Maneschg und seinem Onkel abgesprochen. Es sollte auf dem „freien Platz vor der Kirche in S[ankt] Vigil aufgestellt“ werden. Sie würden jedoch auch „wünschen“, dass das Geburtshaus „des Mädchens von Spinges“ mit „voller Bestimmtheit ausgeforscht“188 werde und dort „ober dem Hauseingange“ eine Marmortafel mit einer „einfachen Inschrift“ angebracht werde. Kaplan Maneschg sei der Meinung, dass sich das Geburtshaus in Rost befinde, aber er würde raten, sich „durch Einsicht des Taufbuches Gewißheit zu verschaffen“. Außerdem „werde von den meisten Seelsorgern noch ein sogenanntes Familienbuch geführt“. Aus dem einen oder anderen sollte das Geburtshaus der Katharina Lanz hervorgehen. Mit dem Schreiben schickte er auch sechs Gulden als Kostendeckungsbeitrag für den Gedenkstein mit, gespendet von ihm, seinem Schwager Eichler und von Kaplan Maneschg. Professor Jäger habe „aus freien Stücken“ nichts dafür hergegeben. Hechenbergers Onkel rät für den Fall, dass die Geldmittel nicht ausreichen sollten, dass sich Ruepp „mit einem kleinen Gesuche, allenfalls unter Anschluß einer Zeichnung der Gedenksäule,189 an die Vorstehung des Kronprinz-Rudolf-Veteranenvereins“ in Innsbruck wenden könne. 187
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Die kursiv gesetzten Passagen sind im Original unterstrichen und sollten „in Goldlettern resp[ektive] vergoldeten großen Buchstaben geschrieben sein“. Diese Verbindung von Frommheit und Kühnheit scheint auch in einem Gedicht von Beda Weber auf als Kennzeichen Tirols. Das Gedicht heißt „An mein Vaterland!“: „Bist löwenkühn und fromm dabei.“ Abgedruckt ist es in Stock, Der Tag bei Spinges, 82. Hervorhebung im Original unterstrichen. Dieser Einschub wurde unter einem Auslassungszeichen nachträglich hinzugefügt.
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Die Anregung, das Geburtshaus von Katharina Lanz auszuforschen, nahm Kaspar Ruepp auf und wandte sich neuerlich an den Pfarrer und Dekan in Enneberg. In einem kurzen Antwortschreiben schickte Matî Declara Ende März 1882 Auszüge aus dem Tauf- und Trauungsbuch betreffend Katharina Lanz und ihre Eltern und berichtete, dass das Geburts- und Wohnhaus der Katharina Lanz aus diesen Pfarrbüchern nicht hervorgehe. Das Familienbuch enthalte „die Nachkommenschaften bloß von diesem Jahrhundert“.190 Auch bestätigte er nochmals, dass in der fraglichen Zeit nur eine Person dieses Namens geboren worden sei und er schloss: „Es wird mich freuen, wenn der guten Katharina, die ich für 5 Jahre 1841–1846 gut kannte, das Andenken bewahrt wird.“191 Im Postskriptum nannte er eine in Saalen verheiratete Schwester von Katharina Lanz, die über das Haus Bescheid wissen sollte. Auch ein Brief von einer Frau namens Catarina Agreiter liegt den Dokumenten bei. Möglicherweise waren sie miteinander verwandt: Katharina Lanz habe dies gesagt, schreibt Agreiter, ihre Mutter habe jedoch nichts davon gewusst. Sie habe Katharina Lanz jedes Jahr besucht.192 Katharina Lanz habe „Don Giovani“ auch gesagt, dass sie seine „meda“, seine Base, sei, weswegen er sie aufnahm.193 Des Weitere habe sie erzählt, dass sie sich mit einer Heugabel vor die Kirche gestellt habe, als die Franzosen kamen, die beim Anblick dieser mutigen Frau vorbeigezogen und sie in Ruhe gelassen hätten: „ha tolto una forcha da fien e la e stato avanti la chiesa cuando che le venuto i francesi avedere cuesta dona cosi coragiosa e caminadi ei la lasciata in paze“.194 Dieses Schreiben auf einer Art Postkarte, datiert „Someda li 26. marzo”, „Someda, den 26. März“, ohne Jahresangabe, sollte später als Beweis für die 190 191 192
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Hervorhebung im Original unterstrichen. TLF, Einige Briefe, Nr. 3. Lois Craffonara übersetzt die Worte „andavi ogni ano atrovarla“ mit „man besuchte sie jedes Jahr“, in dem Sinn, dass Catarina Agreiter und ihre Mutter Maria Catarina Lanz jedes Jahr besuchten. Dies stellt seiner Meinung nach einen Beweis dafür dar, dass Cataraina Lanz „von ihrer Teilnahme in Spinges noch zu Lebzeiten der Maria Agreiter“, also vor 1845, als sie noch nicht im hohen Alter war, erzählt habe. Craffonara, Catarina Lanz, 226, Anm. 54, 233. Agreiters Brief stammt von einer wenig schreibkundigen Frau und ist in einem vom Ladinischen und von Trentiner Dialekt beeinflussten Italienisch und in einer schwer leserlichen Handschrift verfasst. Jedoch scheint uns, dass „andavi“, einigen norditalienischen Dialekten folgend, wahrscheinlich als „ich ging“ übersetzt werden sollte, also nur auf Catarina Agreiter bezogen, nicht auch auf ihre Mutter. Craffonara ist noch einer anderen Spur nachgegangen. Laut Ferdinand Lenter vertraute Katharina Lanz nicht nur Catarina Agreiter an, sondern auch „ihrer intimsten Freundin Maria Foschka“, „dass sie die Kirche in Schutz genommen habe“. Lentner, Denkwürdigkeiten, 108. Craffonara identifiziert jene Foschka mit Fosca Riz, 1780 geboren und 1834 gestorben, was seines Erachtens beweisen würde, dass „einige Coleser“ schon vor 1834 über das Mädchen von Spinges Bescheid wussten. Craffonara, Catarina Lanz, 166–168. Die Quelle ist in diesen Erörterungen immer Katharina Lanz selbst. H[echenberger], Das Mädchen von Spinges, 1247. TLF, Einige Briefe, Nr. 4.
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ladinische Katharina Lanz ins Treffen geführt werden.195 So konnten Ruepp und Hechenberger eine Bestätigung für die Selbstdarstellung von Katharina Lanz als das tapfere Mädchen von Spinges finden. Kaspar Ruepp dankte Hechenberger in seinem Brief vom 19. April 1882 für die sechs Gulden.196 Die beiden Steine würden Mitte oder spätestens Ende Mai fertig sein, die erforderliche Summe von dreißig Gulden habe er. Der Steinmetz aus St. Lorenzen sei „eigens“ nach St. Vigil gekommen, um mit ihm „in Betreff der Inschrift [...] Rücksprache zu pflegen“.197 Sie sollte nun lauten: Die Jungfrau KATHARINA LANZ Mädchen von Spinges, geboren zu St. Vigil 21. September 1771 kämpfte heldenmüthig in der Schlacht um Spinges 2. April 1797 u[nd] starb zu Andraz 8. Juli 1854 Fröhlich, fromm u. friedlich Eine Löwin im Kampfe für das Heiligste198
Ruepp merkte an, dass er „dem passenden Wahlspruch“ von Hechenbergers Onkel „noch das Wörtchen ‚fröhlich‘ vorgesetzt“ habe. Er bezog sich dabei auf die zuvor zitierte Aussage des Dekans Declara, „welcher sie persönlich kannte“ und der sie als „immer eines eminent guten Humors“ beschrieben hatte. „Durch den vorbezeichneten Wahlspruch dürfte sie daher ganz genau charakterisiert sein.“ Die veränderte Anfangszeile – an die Stelle des „Mädchens von Spinges“ war die „Jungfrau“ getreten – kommentiert er nicht. Ein kleines Blatt liegt der Dokumentensammlung noch bei mit dem Vorschlag das „am“ vor dem 2. April wegzulassen – hier sind nun alle Daten ohne „am“. In dieser Version fehlt die erste Zeile überhaupt, die Inschrift beginnt mit „Katharina Lanz“, Spinges taucht erst in der dritten Zeile auf.199 195
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Lois Craffonara ist diesen Personen weiter nachgegangen. Die Mutter von Catarina Agreiter, Maria Agreiter Maneschg, wurde 1781 in der Pfarre Enneberg geboren und ist 1845 gestorben. Catarina Agreiter war ihr fünftes Kind, 1814 geboren. Sie ging in Someda bei Moena im Fasstal in den Dienst, blieb ledig und starb 1897 dort. Craffonara, Catarina Lanz, 232. TLF, Einige Briefe, Nr. 8. Es liegt eine Quittung vom Steinmetz Johann Sagmeister vom 29. Mai 1882 bei, der bestätigt, dreißig Gulden „für 2 Gedenktafel machen nach St. Vigil von Herrn Kaspar Ruepp k. k. Bezirksrichter dort selbst richtig empfangen zu haben“. TLF, Einige Briefe, Nr. 14. Hervorhebung im Original unterstrichen. TLF, Einige Briefe, Nr. 11.
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Wo die Gedenksäule stehen sollte, war inzwischen klar: „Sie kommt an die Mitte des Platzes vor der Friedhofmauer zu setzen, von einer Esche, welche schon halb gewachsen ist, beschattet, im gothischen Stile, vorne mit einer Sitzbank und einem Zäunchen.“ Für das Errichten dieser Säule wäre ihm ein Beitrag von Seiten des Kronprinz Rudolf Veteranen-Vereins200 sehr willkommen. Mörtel und Steine bekomme er umsonst, der Maurer war jedoch zu bezahlen.201 Die 30 Gulden dürfte Kaspar Ruepp über eine Spendenaktion in St. Vigil gesammelt haben. Überliefert ist ein „Verzeichnis über die Beiträge zu einer Gedenktafel für Katharina Lanz = Heldin von Spinges“.202 Darin sind Namen und Angaben zu den Spendern und Spenderinnen sowie die Höhe der Beiträge aufgelistet. Ein breites Spektrum an Tätigkeitsbereichen ist vertreten: Maurer, Mesner, Schuster, Tischler, Waldaufseher, Wirt, Theologe, Metzger („Struzer“), Amtsdiener und Jäger, 43 Personen insgesamt, die zusammen zehn Gulden gespendet haben. Diesen Teil der Liste hatte Jakob Huber, Wirt in St. Vigil, geführt und am 25. Oktober 1881 zusammen mit dem genannten Betrag übergeben, was Kaspar Ruepp bestätigte. Weitere Beiträge kamen hinzu, mit verschiedenen Schriften verzeichnet, darunter auch eine Spende von Maria von Grebmer, einer „Steuereinnehmerstochter“, oder der Erlös einer „kleinen Lotterie“, die immerhin 10 Gulden und 92 Kreuzer einbrachte – im Vergleich zu den üblichen Spendenbeträgen von 10, 20 oder 50 Kreuzern, maximal einem Gulden, ein hoher Betrag. Der Bezirksrichter Ruepp legte am Schluss selbst noch einen Gulden drauf. Auch aus Enneberg und von Kaplan Maneschg kam noch etwas hinzu, sodass am Ende 31 Gulden und 62 Kreuzer gesammelt waren. Die Spendenaktion war offensichtlich breit angelegt: zum Teil über den Wirt als Schaltstelle von Kommunikation und Information in einer lokalen Gesellschaft organisiert, zum Teil vermutlich über das Kontaktnetz von Kaspar Ruepp wie Amtskollegen und deren Angehörige. Das Vorhaben, einen Gedenkstein mit einer Inschrift zu errichten, war damit allgemeiner bekannt und stieß offensichtlich auf Zustimmung. Die Überschrift der Spendenliste nennt beide: das Mädchen von Spinges und Katharina Lanz. Schließlich galt es, den Zeitpunkt für „die Enthüllungsfeier resp[ektive] die Feier der Aufstellung u[nd] Übergabe des in Rede stehenden Denkmals an die Gemeinde“ festzulegen (Abb. 20). Hechenberger sprach sich dafür aus, einen Termin zu wählen, an dem auch 200 Nach Stock, Der Tag von Spinges, 37, wurde der Verein am 10. August 1873 in Innsbruck gegründet. Vereinsakten dazu gibt es im Innsbrucker Stadtarchiv keine. Für diese Information danken wir Roland Kubanda. 201 TLF, Einige Briefe, Nr. 8. Auch diese Quittung liegt bei. Der Maurer Anton Agreiter „bekennt“ darin, am 8. Juli 1882 einen Betrag von zwölf Gulden „für Aufführung des Denkmales der Heldin Katharina Lanz heute vom k. k. Bezirksrichter K. Ruepp richtig erhalten zu haben“. Ebd., Nr. 15. 202 TLF, Einige Briefe, Nr. 13.
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Abb. 20: Gedenkstein für Katharina Lanz in St. Vigil in Enneberg, 1882 errichtet auf Initiative von Kaspar Ruepp, Bezirksrichter in St. Vigil in Enneberg, und Ferdinand Hechenberger, Notar in Innsbruck, als ein „schönes patriotisches Unternehmen“
Kaplan Maneschg teilnehmen könne, „wenn [er] auch nur ein entfernter Verwandter des Mädchens von Spinges“ sei.203 Kaspar Ruepp und Ferdinand Hechenberger repräsentieren als historisch-kulturell interessierte Juristen paradigmatisch Angehörige des Bildungsbürgertums und der regionalen Elite dieser Zeit. Sie kannten sich offensichtlich schon seit Schultagen. Denn Ferdinand Hechenberger berichtete über Bewerbungen um eine Bezirksrichterstelle in Steinach, bei der „unser Mitschüler Ernst von Riccabona sehr günstige Aussichten haben soll“.204 Hechenberger zeigte sich dem Neuen gegenüber aufgeschlossen: Er wollte die Gelegenheit eines Aufenthaltes in Bozen „zu einem Abstecher auch die neue Eisenbahn Bozen-Meran benützen“. Beide kultivierten den bildungsbürgerlichen Habitus in ihrer Korrespondenz, indem sie sich über ihre Lektüren von Vergil und Dante austauschten, die nicht zuletzt dazu dienten, Italienisch zu üben: „Ich muß wieder meine italienischen Sprachkenntnisse auffrischen und beschäftige mich nun mit Dante,“ schrieb Hechenberger an Ruepp.205 In einer Zeit des in der Habs203 TLF, Einige Briefe, Nr. 9. Bei diesem Brief fehlt der Anfang. 204 TLF, Einige Briefe, Nr. 6. 205 TLF, Einige Briefe, Nr. 9.
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burger Monarchie wachsenden Nationalismus verachteten diese beiden deutschsprachigen patriotisch gesinnten Männer die italienische Sprache also nicht. Sie kooperierten als Agenten der Erinnerungskultur in der Promotion von Katharina Lanz als einem – wie Hechenberger es nennt – „schönen patriotischen Unternehmen“.206 Kaspar Ruepp, zuletzt Notariatsbeamter im Ruhestand in Innsbruck, starb im November 1899 und wurde „unter zahlreicher Betheiligung, auch der Veteranen mit Fahne“, beerdigt. In einem Nachruf wird er als „äußerst gemüthvoller und schlichter Charakter von unerschütterlicher altösterreichischer Gesinnung“ beschrieben. Unter diversen Verdiensten sind vor allem seine Aktivitäten in Sachen Katharina Lanz hervorgehoben: „Seinen und seines langjährigen Freundes Dr. Ferd[inand] Hechenberger Bemühungen ist es hauptsächlich zu verdanken, daß wir nunmehr ein zutreffendes Bild des inneren und äußeren Lebens des Mädchens von Spinges besitzen und daß die Erinnerung an diese tirolische Patriotin, die sich in dem entscheidenden Spingeser Treffen einen Namen gemacht hat, durch ein sinnreiches Denkmal auf dem Friedhofe zu St. Vigil in Enneberg und eine Gedenktafel an ihrem Geburtshause daselbst verewigt ist.“207 Aus geschlechtergeschichtlicher Sicht ist insbesondere die Charakterisierung der Heldin in diesem ersten Prozess der Verewigung in Form von Gedenktafeln und Inschriften von Interesse. Die Figur der Heldin, die Ruepp und Hechenberger zeichnen, ist nicht die passive Magd, die sich ‚nur‘ vor die Kirchentür gestellt hat. Sie ist zwar „fromm und friedlich“, zugleich aber auch eine „Löwin im Kampfe für das Heiligste“. Das Kämpferische und Heldenmütige wird legitimiert durch den Einsatz für das ‚Höhere‘, für Religion und Kirche. Diese geschlechterspezifische Zuordnung wird noch deutlicher in einem anderen Spruch, welcher der Dokumentensammlung zum Gedenkstein auf einem eigenen Blatt beiliegt, als „Entwurf II“ bezeichnet. Offensichtlich handelt es sich dabei um den wegen seiner Länge nicht aufgegriffenen Vorschlag von Albert Jäger. Von dem dreifachen Wahlspruche Tirols (für Gott, Kaiser und Vaterland) wählte das heldenmüthige Mädchen von Spinges den ersten und schützte mit Löwenmuth Kirche und Allerheiligstes vor Schändung. – – – – – – – – während die Heldenschaar der Männer für Kaiser und Vaterland bluteten und siegten208 206 TLF, Einige Briefe, Nr. 7. 207 Innsbrucker Nachrichten 272 (27.11.1899), 2. 208 TLF, Einige Briefe, Nr. 12. Die Klammern sowie die Korrekturen in der letzten Zeile sind im Original mit Bleistift eingefügt.
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II Katharina Lanz: Heldin in vielfältigen Perspektivierungen
Eine klare ‚Arbeitsteilung‘ wird hier vorgenommen: Die Heldin ist für Gott, Kirche und Allerheiligstes zuständig, die „Heldenschaar der Männer“ hingegen „für Kaiser und Vaterland“. Dieses Sujet kann in Analogie zu einer sich im Laufe des 19. Jahrhunderts verstärkende Konzeption der Geschlechter gesehen werden, der zufolge Männern und Frauen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben wurden. Ein gendering, in dessen Rahmen Staat und Kirche in Analogie zum „Geschlechterdualismus der bürgerlichen Gesellschaft [...] konträre Geschlechtscharaktere zugeschrieben“, Staat männlich und Kirche weiblich konnotiert wurden, konstatiert Mario Borutta in seiner Studie, und zwar als ein „Konfessionen und Nationen, zum Teil auch Klassen übergreifendes Phänomen“.209 In anderen Worten tauchen diese geschlechterspezifischen Zuschreibungen teilweise auch auf einer Gedenktafel an der Kirche in Spinges auf, gewidmet im Jahr 1897 von der Gemeinde. Sie zeigt ein Relief, das einen Tiroler Adler abbildet, darunter gekreuzt eine Herz-Jesu-Fahne und eine zweizackige Gabel, darüber schlingt sich ein Zweig mit Eichenlaub (Abb. 21). Eichenlaub gilt seit der Romantik als Symbol der Treue und gehört zum festen Bildinventar diverser Verdienstorden. Zugleich war es im 19. Jahrhundert und insbesondere seit der Einigung des Deutschen Reiches 1871 Symbol der nationalen Einheit. Darunter steht folgende Inschrift: Hier kämpfte am 2. April 1797 Für Gott, Kaiser u. Vaterland u. für dies Kirchlein Die Heldenjungfrau Katharina Lanz Männer, kämpfet für die Freiheit, Lasst das Vaterland nicht knechten! Für dies Kirchlein, für die Unschuld Will ich arme Jungfrau fechten.
Im ersten Teil gilt der Kampf des tapferen Mädchens auch Gott, Kaiser und Vaterland, während im zweiten Teil eine klare geschlechtsspezifische Rollenzuschreibung vorgenommen wird. Der Spruch stammt, leicht abgewandelt, aus einem Gedicht von Norbert Stock,210 das im Jahr 1881 im „Andreas Hofer“ veröffentlicht worden war.211 209 Borutta, Antikatholizismus, 287, 372. 210 Stock, Der Tag bei Spinges, 71. 211 Eine kurze Anzeige über das Anbringen dieser Marmortafel aus „der Werkstätte des Th. Thaler in Brixen“ steht in den Tiroler Stimmen 82, 37 (12.4.1897), 3. Zugleich wurde zur Erinnerung an das Gefecht in Pardell auch von der südlich von Brixen gelegenen Gemeinde Latzfons eine Tafel gewidmet.
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Abb. 21: Gedenktafel für Katharina Lanz an der Spingeser Kirche, 1897, anlässlich 100 Jahre Schlacht von Spinges. Politisch-religiöse Bildsymbolik verbindet sich hier mit Zuschreibungen, die an die Geschlechtscharaktere erinnern.
Abb. 22: Gedenktafel am Widnerhof in Spinges aus dem Jahr 1971 anlässlich des 200. Geburtstages von Katharina Lanz
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II Katharina Lanz: Heldin in vielfältigen Perspektivierungen
Vergleicht man die Inschriften des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit jenen nicht ganz hundert Jahre später, zeigt sich eine gewisse Verschiebung: Die Schützenkompanie Spinges widmete Katarina Lanz zu deren 200. Geburtstag im Jahr 1971 eine Gedenktafel, die keine religiösen Bezüge aufweist. Angebracht ist sie an der Mauer des Widnerhofes neben der Kirche (Abb. 22): „Hier arbeitete als Magd Katherina Lanz, das Mädchen von Spinges. Sie wagte das Leben im Kampf für ihre Heimat am 2. April 1797.“ Im Gegenzug wurde das religiöse Element auf Seiten der Männer betont, so in dem vom Bezirksschützenmajor Josef Kaser verfassten Kapitel „Das Denkmal“ im „Spinger Heimatbuch“, wenn er schreibt: „Für Gott, Kaiser und Vaterland zogen die Tiroler in den Kampf, angetrieben, ja beseelt von einer tiefreligiösen Überzeugung.“212
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Josef Kaser, Das Denkmal, in: Spinger Heimatbuch, 15–19, 15. Siehe auch Eine Gedenktafel für das Mädchen von Spinges. Vor 200 Jahren wurde das Heldenmädchen geboren – 20 Schützenkompanien in Mühlbach, in: Tiroler Tageszeitung 170 (26.7.1971), 4; Große Gedenktafel in Spinges. Schützen begingen 200. Geburtstag des „Mädchens von Spinges“, in: Dolomiten. Tagblatt der Südtiroler 48, 169 (28.7.1971), 11.
III Heldinnenstoffe: Plots und transnationale Verflechtungen
Was in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts an Aktivitäten rund um Katharina Lanz passiert ist, hat entscheidend zur Verstetigung der Erinnerung an die Heldinnenfigur beigetragen. Kennzeichnend für diese Zeit sind eine inhaltliche und formale Vervielfältigung sowie eine sich zusehends verstärkende Einbindung in religiöse und patriotische, in nationale und transnationale Kontexte. Laurence Cole sieht in seinem Buch „Für Gott, Kaiser und Vaterland“ das Phänomen eines zunehmend breitenwirksamen Kults um Andreas Hofer, den prominentesten Tiroler „Freiheitshelden“, in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts vorwiegend als Ergebnis der Deutschtiroler Identitätsbildung im Zuge der sozio-politischen und ideologischen Auseinandersetzungen des Kulturkampfs.1 Der Kulturkampf, die permanente kirchlich-religiöse Selbstvergewisserung jener Zeit und die zunehmend schärfer gezogenen nationalen Abgrenzungen waren der Hintergrund der Publikumswirksamkeit der Katharina Lanz. Für den ‚Erfolg‘ beider Held*innenfiguren bildete das zeitgenössische, national und religiös geprägte Klima die soziokulturelle Textur. Doch ‚funktionieren‘ Helden und Heldinnen nicht nach denselben Mustern. Sie boten und bieten unterschiedliche Projektionsflächen für die Zuordnungen und das Stiften von Zugehörigkeiten. Sowohl die Kontexte des Auftritts des Mädchens von Spinges und Andreas Hofers als auch deren Geschlecht bestimmten den erinnerungskulturellen Tenor mit: Für eine nichtrevolutionäre Heldin war dieser unter den Vorzeichen der „Polarisierung der Geschlechtscharaktere“, die Karin Hausen als typisches Geschlechterrollenmodell für das 19. Jahrhun-
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Cole, Für Gott, Kaiser und Vaterland, 126f, sowie Kap. 4 insgesamt. Aus der Fülle an Literatur zu Andreas Hofer, 1809 und deren Wirkungsgeschichte siehe z. B. Forcher, Anno neun; Mazohl/Mertelseder, Tirol und ‚1809‘; Bernhard Mertelseder, Brigitte Mazohl u. Johannes Weber, 1809 – und danach? Über die Allgegenwart der Vergangenheit in Tirol, Bozen/Innsbruck/Wien 2009; Andreas Oberhofer, Der andere Hofer. Der Mensch hinter dem Mythos, Innsbruck 2009; ders., Weltbild eines „Helden“. Andreas Hofers schriftliche Hinterlassenschaft, Innsbruck 2008; Paul Rösch u. Konrad Köstlin (Hg.), Andreas Hofer. Ein Tourismusheld?! – Un’eroe del turismo?!, Innsbruck/ Wien/Bozen 2009; Schennach, Revolte in der Region; Ekkehard Schönwiese, Schluss mit dem Hofertheater! Ein Streifzug durch 200 Jahre Heldenmythos, Innsbruck/Wien 2009; Siegfried Steinlechner, Des Hofers neue Kleider. Über die staatstragende Funktion von Mythen, Innsbruck/ Wien/München 2000.
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dert herausgearbeitet hat,2 primär religiös gefärbt. Mit Bezug auf Religion ließ sich ihre Heldinnentat in das Spektrum der akzeptierten und propagierten ‚weiblichen‘ Tugenden einfügen. Die Symbolfigur Andreas Hofer hingegen war eine primär politisch konnotierte. Beide reüssierten zugleich im jeweils anderen Feld: Katharina Lanz wurde in der Frage nach der Positionierung der Ladiner im Nationalitätenkonflikt der Habsburgermonarchie in den Jahren vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs zu einem Politikum, und Andreas Hofer ist zugleich untrennbar über seine religiöse Haltung definiert. Sie repräsentieren damit die vor allem für die Ausprägung des Deutschtiroler Selbstbilds im 19. Jahrhundert kennzeichnende enge Verklammerung zwischen der dominant konservativ-patriotisch ausgerichteten politischen Linie einerseits, Kirche und Religion andererseits, die ihren Ausdruck in einem gesellschaftlich wirkmächtigen politischen Katholizismus fanden. Die Figur der Katharina Lanz schillerte dabei in einer Vielzahl von Facetten, die – unserer These zufolge – eine wesentliche Voraussetzung für deren zunehmende öffentliche Präsenz war. Einerseits verweisen deren geschlechtsspezifische Codierungen auf breitere gesellschaftliche Prozesse im europäischen Kontext. Andererseits macht die ladinische Verortung der Heldin das Bild auf regionaler Ebene, aber auch in Referenz zur Habsburgermonarchie komplexer. In den über die Heldin verfassten Texten werden verschiedene Aspekte der Geschichte miteinander verschmolzen. Das Bild der noch namenlosen Heldin aus den ersten Jahren und Jahrzehnten nach 1797, gezeichnet vielfach unverkennbar in Anlehnung an die zeitgenössischen Berichte und den Artikel im „Tiroler Almanach“, verbindet sich nun mit dem Namen und biographischen Angaben. So etwa in einem Beitrag aus dem Jahr 1883: „Unten an der Kirche [...] die Kirchhofmauer, am Schlachttage hatte sich eine durch das Gefecht ermattete Truppe von Bauern in den Kirchhof geworfen, wo sie geschützt durch die Brustwehre die angreifenden Franzosen immer wieder zurück schlug; die Landesschützen fanden da Gelegenheit viele Franzosen zu erschießen. Hier war es auch, wo eine Bauernmagd, das ‚Mädchen von Spinges‘ die stürmenden Feinde mit einer Gabel von der Friedhofmauer hinabstieß. Dieses heldenmüthige Mädchen hieß Katharina Lang [sic], sie ward im Jahre 1771 zu Rost bei St. Vigil in Enneberg geboren, war somit zur Zeit des Gefechtes 24 Jahre alt und Dirne in Spinges. Im Jahre 1854 starb sie als geistliche Häuserin im Alter von 81 Jahren zu Andraz in Buchenstein und ward mit militärischen Ehren begraben.“3 Einen Namen zu haben, mit einer Person und deren Lebensgeschichte identifiziert zu werden, das heißt auch, mit Personen – einer Familie und Verwandten – sowie mit einem Herkunftsort verbunden zu sein. Dies sind nicht unwesentliche Elemente für ein breiteres 2 3
Hausen, Geschlechtscharaktere. Das Denkmal von Spinges, in: Volks- und Landwirtschafts-Kalender, Innsbruck 1883, o. S.
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Kultivieren von Erinnerung. „Das Mädchen von Spinges“ war nur mit dem Dorf, in dem die Kampfhandlungen stattgefunden hatten, in Beziehung gestanden. Das Zeitfenster war auf einen Tag, den 2. April 1797, oder überhaupt auf wenige Momente dieses Tages reduziert. Die Repräsentation der Figur war zu einem einzigen Bild geronnen – ein Mädchen mit einer Heugabel auf der Friedhofsmauer stehend. Durch das Konkretisieren der anonymen Heldin in einer Person mit einem Namen dehnte sich der Wahrnehmungshorizont beträchtlich aus: räumlich, zeitlich und sozial. Nun konnten sich Geschichten entspinnen, die als Trägermedium einer fortgesetzten Präsenz fungierten und in verschiedenen Genres darstellbar waren. Die Palette an Reminiszenzen erweiterte sich und verbreitete sich über verschiedene Medien: In dieser Zeit entstanden unter anderem Tiroler Spielkarten mit historischen Motiven. Edmund von Wörndle (1827–1906), ein Enkel des aus der Schlacht von 1797 bekannten Philipp von Wörndle, entwarf sie nach einem Bildkonzept des bekannten Schriftstellers Karl Domanig (1851–1913)4 im Jahr 1878. Edmund von Wörndle, in Wien geboren, war 1859 nach Innsbruck gezogen und hatte dort seine Cousine Sophie von Attlmayr geheiratet. Zwischen den beiden Familien bestanden bereits mehrfache Verbindungen, die im sozio-politischen Kontext der Erinnerungskultur durchaus relevant sind: Johann Attlmayr war 1797 am Gefecht von Spinges als Hauptmann der Scharfschützenkompanie Innsbruck beteiligt gewesen. Er ist in von Wörndles Bericht genannt und wurde gemeinsam mit diesem und anderen offiziell geehrt. Eine Tochter Philipp von Wörndles, Maria Josepha, war mit dem k. k. Landrat Joseph von Attlmayr verheiratet; das Paar hatte die Wörndle’sche Weiherburg in Innsbruck übernommen.5 Die Tiroler Spielkarten repräsentierten also sowohl historische als – für Edmund von Wörndle – auch familiäre Bezüge. Auf der Schell-Acht ist „das Mädchen von Spinges“ als zentrale Figur zu sehen mit gesenkter Heugabel und hoch erhobener Fahne in der Hand, auf der „Spinges 1797“ steht. Anders als im Tiroler Tarock ist sie in Tracht abgebildet (Abb. 23). Herausgegeben wurden die Spielkarten vom Innsbrucker Kronprinz Rudolf VeteranenVerein. Karl Domanig verwies auf einem Beiblatt zu den Spielkarten auf deren Ziel und Zweck: Damit sollte „das historische Bewusstsein unseres Volkes, diese starke Gewähr seiner glücklichen Zukunft, geweckt, vertieft und immer lebendig erhalten“ werden. In seinem „Literarischen Selbstporträt“ gab er an, dass ihn Albert Jäger, der hier bereits 4
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Karl Domanig, 1851 in Sterzing geboren, war Numismatiker und Dichter, außerdem Lehrer für Literatur und Kunst im österreichischen Kaiserhaus, seit 1884 zuerst Adjunkt und später Direktor des k. k. Münz- und Antikenkabinetts im Kunsthistorischen Museum in Wien sowie Regierungsrat. Domanig veröffentlichte Erzählungen, Versepen und die mehrfach preisgekrönte Trilogie „Der Tyroler Freiheitskampf“. ÖBL, Bd. 1 (Lfg. 3, 1956), 193. Wörndle, Dr. Philipp von Wörndle, 39, 57f, 171f, Anm. 2, 188.
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Abb. 23: Edmund von Wörndle, Schell-Acht „das Mädchen von Spinges“, aus einer Serie von Tiroler Spielkarten mit historischen Motiven. Diese hatten zum Ziel, „das historische Bewusstsein“ des „Volkes“ zu stärken. Die Heldin von Spinges gehört dabei zum fixen Repertoire.
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in Zusammenhang mit der Inschrift für den Gedenkstein in St. Vigil begegnet ist, als Historiker dabei beraten habe. Durch dieses „historische Kartenspiel“ sollten „dem Volk recht eigentlich spielend alle Hauptmomente seiner Geschichte, angefangen von Rudolf von Habsburg bis herauf zum Kriege gegen die Garibaldiner, vor Augen geführt und ins Gedächtnis geprägt werden“.6 Bis 1910 zählt das Innsbrucker Museum Ferdinandeum mindestens sieben Ausgaben bei verschiedenen Verlagen, wobei man zwischen einer „gewöhnlichen“, einer „mittelfeinen“ und einer „feinen“ wählen konnte.7 So ist anzunehmen, dass die Karten und damit auch die Darstellungsweise des Mädchens von Spinges, weite Verbreitung fanden. Die ‚Vertrachtung‘ der Figur setzte sich im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert als dominantes Erscheinungsbild durch.8 Ein Altersporträt zeigt Katharina Lanz in Gadertaler Tracht mit dem charakteristischen spitzen Hut (Abb. 24). Das Gemälde befindet sich in den Sammlungen des Stadtmuseums Meran, erworben im Jahr 1912 von Anna Wiedemayr aus Innichen um achtzig Gulden.9
Karl Domanig, Literarisches Selbstporträt, in: ders., Gesammelte Werke, Kempten/München 1914, 1–20, 6. In: Andreas Hofer (10.10.1878), 30, zit. nach Claudia Sporer-Heis, Tiroler Spielkarten, 1878, in: Sammellust. 196 Jahre Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, https://sammellust.ferdinandeum. at/page/objekte/1878b (letzter Zugriff: 27.9.2020). Auch das Zitat von Domanig ist hier abgedruckt. Joseph Maurer beispielsweise schrieb über die Aufführung von tableaux vivantes mit Katharina Lanz in einer wichtigen Rolle im August 1885 in Innsbruck: „Unter ihnen war in schöner alter Tracht auch das Mädchen von Spinges vertreten.“ Maurer, Tiroler Helden, 112. Auch auf den Abbildungen, die aus der Zeit rund um 1909 stammen, ist sie in der Tracht dargestellt (Abb. 29 z.B.). Für diese Informationen danken wir dem Direktor des Meraner Stadtmuseums Elmar Gobbi. Den Hinweis auf den Verbleib des Porträts gab der Abbildungsnachweis bei Achenrainer, Frauenbildnisse aus Tirol, 200. Katharina Lanz ist darin präsentiert auf S. 54–59, mit einer Abbildung im
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Angefertigt hat es der aus einer Malerfamilie in Castalta/Abtei im Gadertal stammende Jan Batista Rudiferia (1870–1925), der um die Jahrhundertwende als Kirchenmaler tätig war: unter anderem in Antholz, Buchenstein, Uttenheim, Campill, Enneberg und St. Lorenzen.10 Als Vorlage dürfte ihm, laut Lois Craffonara, eine verloren gegangene Abbildung gedient haben, die er Ciprian Pescosta zuschreibt. Dieser war in den Jahren 1842 bis 1844 als Kooperator in La Pliè da Fodom, in Pieve in Buchenstein tätig und hat auch gemalt, zum Beispiel seine Mutter.11 Bemerkenswert erscheint, dass sich damit das ikonographische Repertoire der Heldin erweiterte und wandelte: Der Blick verschob sich vom Mädchen von Spinges, das bislang auf ein Alter zwischen 20 und 25 Jahren geschätzt worden war, auf eine Frau im hohen Alter. Das ist insofern relevant, als die mediale Verbreitung des Altersporträts, das in Zeitungen und Publikationen abgebildet und auch als Postkarte12 gedruckt wurde, mit einer Verschiebung des Fokus in der Interpretation
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Bildteil S. V. Anita Moser, Anna Maria Achenrainer (1909–1972). „Wir müssen in dieser (...) raschbewegten und gefährlichen Zeit die Bewahrenden bleiben.“, in: Horst Schreiber, Ingrid Tschugg u. Alexandra Weiss (Hg.), Frauen in Tirol. Pionierinnen in Politik, Wirtschaft, Literatur, Musik, Kunst und Wissenschaft, Innsbruck u. a. 2003, 122–127, 126; siehe auch Anna Maria Achenrainer, in: Lexikon Literatur in Tirol, https://orawww.uibk.ac.at/apex/uprod/f?p=20090202:2:0::NO::P2_ ID,P2_TYP_ID:3 (letzter Zugriff: 27.9.2020). Anna Wiedemayr war die Schwester des im Kollegiatstift Innichen tätigen Kanonikus Leonhard Wiedemayr und dessen Haushälterin. Dieser verstarb unerwartet im Juli 1912. Für diesen Hinweis danken wir Egon Kühebacher. Das Bild könnte aus seinem Nachlass stammen. Wiedemayr war zuvor als Religionslehrer an der k. k. Lehrerinnenbildungsanstalt in Innsbruck und als Katechet publizistisch tätig gewesen, indem er Erbauungs- und Lehrbücher – für Kinder, aber auch für „Bräute, Ehefrauen und Witwen“ – veröffentlichte. Er war zudem historisch und naturwissenschaftlich interessiert: 1908 und 1910 veröffentlichte er zwei kleine Bände über „Die Hofmark Innichen“ und hatte eine Schneckensammlung, die Teil der naturhistorischen Sammlung des Vinzentinums in Brixen ist. Jan Batista Rudiferia, in: Chiocchetti, Nosta Jent, 258–259. Für diesen Hinweis danken wir Erika Pitscheider vom ladinischen Kulturinstitut Institut Ladin Micurà de Rü in St. Martin in Thurn. Craffonara, Catarina Lanz, 181–190. Das Porträt ist durch ein schwarz-weiß-Foto mit der Bildunterschrift „Katharina Lanz in alten Tagen“ aus dem Buch von Alois Vittur, Enneberg in Geschichte und Sage, Meran 1912, 135, bekannt, der dieses „dem Kunstmaler Rudiferia aus Abtei“ zuschreibt. Craffonara schließt aus der Signatur am unteren rechten Bildrand, die er als PC interpretiert, jedoch auf den Maler Ciprian Pescosta (1815–1889) aus Corvara. Sollte diese Zuordnung stimmen, so wäre das Sujet deutlich älter. Als Kooperator in La Pliè da Fodom könnte er Katharina Lanz gekannt haben, als sie etwa 70 Jahre alt war – jenes Alter, das auf Rudiferias Porträt geschrieben steht, während das Pescosta zugeordnete Porträt außer den Initialen keine Beschriftung trägt. Auf einer undatierten Postkarte, die das Porträt abbildet, ist handschriftlich vermerkt, dass Rudiferia dieses „nach Angaben der ältesten Leute von Buchenstein“ gemalt habe, die Katharina Lanz gekannt haben. Craffonara, Catarina Lanz, 183, 186; zu einem weiteren Porträt von Rudiferia im Museum in Livinallongo, ebd. 250f. Abgebildet in Sessa, 1809 Andreas Hofer in cartolina, 162. Die Postkarte ist schwarz-weiß, hergestellt hat sie Ermengildo Della Torre in Pieve di Livinallongo.
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Abb. 24: Jan Batista Rudiferia (1870– 1925), Altersporträt von Katharina Lanz. Aus dem Mädchen von Spinges mit der Heugabel in der Hand wird eine 70-jährige Frau in Gadertaler Tracht. Seit die Heldin einen Namen hat, ist ihr Schweigen erklärungsbedürftig, so tritt im ausgehenden 19. Jahrhundert neben die Tapferkeit die Bescheidenheit als Charakterisierung.
der Heldin im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert zeitlich koinzidiert. Ihren Ausgang nahm die veränderte Sichtweise von der Frage, warum Katharina Lanz über ihren Auftritt als Mädchen von Spinges und ihre Identität als Heldin so lange geschwiegen habe. Diese Frage wendeten einige Autoren, darunter federführend Norbert Stock und Hans Heiden-Herrdegen, schließlich in eine neue Richtung, indem sie das angeblich bis kurz vor ihrem Tod währende Schweigen und ihre lebenslange Bescheidenheit zur eigentlichen Heldentat erklärten. Damit lenkten sie vom Gefecht an der Friedhofsmauer und von der kämpfenden Heldin ab und rückten ihren weiteren Lebensverlauf sowie klassische weibliche Tugenden ins Zentrum. Parallel zu diesen und anderen Festschreibungen der literarischen Figur erweiterte sich einmal mehr der Raum ihrer Präsenz, indem sie auch in England und in den USA als Titelheldin in erzählerischen Genres aufschien. Einen weiteren Schritt bedeutet es, wenn zusätzlich zu historisch-literarischen und bildlichen Reminiszenzen auch Erinnerungsobjekte im öffentlichen Raum installiert werden: Gedenksteine, Inschriften und Denkmäler. Wann welchen Ereignisses oder welcher Person auf eine solche Weise gedacht wird, hat vor allem mit der Gegenwart einer Gesellschaft
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zu tun, nur sekundär mit dem erinnerten Ereignis oder der erinnerten Person selbst. Der Impetus, Denkmäler mit Bezug zu den Tiroler Freiheitskämpfen rund um die Jahre 1797 und 1809 zu errichten, scheint ab Anfang der 1880er Jahre bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs ein verbreitetes Phänomen gewesen zu sein – in einer sich zunehmend national definierenden Gesellschaft.
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Das Zelebrieren von Erinnerung an die heldenhaften Taten ‚der Alten‘ in Form von Gedenkfeiern und Heldenehrungen erfüllte den Zweck des Transfers von Haltungen, Tugenden und Taten, die als vorbildhaft galten, an die nächsten Generationen. Die Instrumentalisierung der Vergangenheit für die Programmatik der Gegenwart gilt als ein charakteristischer Bestandteil nationalisierter Geschichtsbilder. Denn dabei ging es nicht nur und nicht so sehr um das Bewahren von Wissen über historische Ereignisse der eigenen Geschichte, sondern vielmehr um die konkrete Erwartung, dass die Kampfbereitschaft und Wehrhaftigkeit fortbestehen mögen. Ein von dem Dichter und Germanisten Ignaz Vinzenz von Zingerle (1825–1892) „Zur Einweihung des Spingeser Denkmals“ im Mai 1882 verfasstes Gedicht bringt dies im konkreten Kontext deutlich zum Ausdruck.13 Und daß der Alten Thaten Man feierlich begeht, Das heiß’ ich frische Saaten Ins junge Geschlecht gesä’t. Du frische Jugend, scharf und klar, Blick’ auf und folg’ dem rothen Aar! Und wenn der Feinde Mächte Einst nah’n von Ost und West, Die Wehr’ in deine Rechte! Todmuthig, eisenfest! Steh’ ein und wirf der Feinde Schar, Wie es dereinst bei Spinges war!
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I[ganz] V[inzenz] von Zingerle, Zur Einweihung des Spingeser Denkmals, in: Stock, Der Tag bei Spinges, 78f. Eine Strophe ist darin dem „Mädchen wunderbar“ gewidmet: „Und an des Freithofs Grenze/ Focht grimmig die blühende Magd,/ Sie flocht manch blutige Kränze/ Den Fremden, unverzagt./ Ruhm dir, du Mädchen wunderbar,/ Es jubelt der rothe Tiroleraar!“
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Ein solches Programm ruft geradezu dazu auf, nationale Denkmäler zu setzen, die ihrerseits wiederum die patriotische Haltung fördern: sei es im Vorfeld, bei der Planung und Finanzierung, sei es bei pompösen Einweihungsfeiern, sei es später durch Kranzniederlegungen und andere Zeremonien. Karen Hagemann spricht in Zusammenhang mit Gedenkfeiern und Heldenehrungen von einem „zentrale[n] nationale[n] Bindungsmittel“, durch das die Nation „kulturell imaginiert und konstruiert“ wurde.14 „Das Fest dient – neben vielen anderen Funktionen – auch der Vergegenwärtigung fundierender Vergangenheit.“15 „Erinnerungsorte“ – ein Konzept, das seit Mitte der 1980er Jahre von Frankreich ausgehend fester Bestandteil der einschlägigen Forschungsdiskussion ist16 – kamen dabei ebenso zentral ins Spiel wie die Frage der Mythenbildung und des kulturellen Gedächtnisses, das konzeptuell von den Arbeiten von Maurice Halbwachs und vor allem von Aleida Assmann und Jan Assmann geprägt ist.17 Als wesentlich gilt in diesen Zusammenhängen die Unterscheidung zwischen Geschichte und Gedächtnis, Geschichte und Mythos, zwischen Analyse und Identitätsstiftung.18 Dass sich das kulturelle Gedächtnis „auf Fixpunkte in der Vergangenheit“ richtet, „faktische Geschichte“ im kulturellen Gedächtnis „in erinnerte und damit in Mythos transformiert wird“, nur erinnerte, nicht faktische Geschichte zählt,19 ist nicht zuletzt durch die Wandelbarkeit von Mythen und Symbolfiguren dokumentiert. Aus der Perspektive des Mädchens von Spinges erscheint als spannendste Frage jene nach dem Verhältnis zwischen dem „Fixpunkt in der Vergangenheit“ und den Kontexten wie auch Formen der Aktualisierung des Mythos sowie dessen eigene Transformation und Ausdifferenzierung in unterschiedliche, zum Teil zeitlich parallel kursierende Plots und Bilder. Wie bereits erwähnt, hatte der Brixner Kanonikus Franz Hirn im Jahr 1848 an der Kirchenmauer in Spinges über dem Grabmal zu Ehren der im Gefecht von 1797 gefallenen 14
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Hagemann, Mannlicher Muth, 497. Zu den Mustern nationaler Feierkultur siehe den Abschnitt „Heldenehrung und Heldengedenken“ und mit weiterführender Literatur, ebd., 497–506; zu Frankreich Lynn Hunt, Symbole der Macht. Macht der Symbole. Die Französische Revolution und der Entwurf einer politischen Kultur, Frankfurt a. M. 1989, insbes. Kap. 1; allgemeiner Benedict Anderson, Imagined Communities: Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, London/New York 1991 [1983]. Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 20055, 53. Pierre Nora (Hg.), Les lieux de mémoire, 3 Bde., Paris 1984–1992. Für Resüme und Reflexion siehe ders., La notion de „lieu de mémoire“ est-elle exportable?, in: Pim den Boer u. Willem Frijhoff (Hg.), Lieux de mémoire et identités nationales, Amsterdam 1993, 3–10. Maurice Halbwachs, Das kollektive Gedächtnis, Frankfurt a. M. 1967; Aleida Assmann, Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, München 2006; Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Pierre Nora, Zwischen Geschichte und Gedächtnis, Berlin 1990, 12f. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 52.
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Abb. 25: Das Spingeser Kreuz, 1881 zu Ehren der Helden und der „für Gott, Kaiser und Vaterland“ Gefallenen von 1797 auf Initiative des Erzherzog Karl Ludwig Veteranen-Vereins in Brixen errichtet
und im dortigen Friedhof begrabenen Inntaler eine Gedenktafel anbringen lassen.20 Dieses Erinnerungszeichen mochte zu unscheinbar gewesen sein, denn drei Jahrzehnte später, stand ein größeres und weithin sichtbares in Planung: das Spingeser Kreuz. „Die Helden bei Spinges zu ehren und den 103 Gefallenen auf dieser Stätte des Ruhmes einen würdigen Grabstein zu setzen, wurde schon im Jahre 1881 der Gedanke angeregt, diesen heldenmüthigen Kampf unserer Vorfahren durch ein einfaches Denkmal zu verewigen“,21 hieß es diesbezüglich im „Volks- und Landwirtschaftskalender“. Der Erzherzog Karl Ludwig Veteranen-Verein in Brixen stand hinter dem Vorhaben, das in Form eines großen Granitkreuzes auf einem hohen Sockel vor dem Dorfeingang in Spinges auf einem Hügel realisiert wurde (Abb. 25). Der Verein finanzierte dessen Errichtung durch Spenden, allerdings und anders als die Spendenliste zugunsten des Gedenksteins für Katharina Lanz in 20 21
Spinger Heimatbuch, 11. Das Denkmal von Spinges.
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St. Vigil zeigt, ist nur von „Spenden patriotischer Männer“ die Rede, und zwar aus dem „ganzen Lande“. Neben den Namen der damals Gefallenen und den Eckdaten zum Denkmal fehlte auch der zwar immer wieder als „tirolisch“ bezeichnete, grundsätzlich aber für die gesamte Monarchie geltende Wahlspruch „Für Gott, Kaiser und Vaterland!“ nicht. Die Einweihung des Spingeser Kreuzes erfolgte am 1. Mai 1882 durch den Brixner Bischof Johannes von Leiß zu Laimburg (Abb. 26), dessen Ansprache mit dem emphatischen Betonen der ungebrochenen Treue Tirols zum „Glauben der Väter“ schloss.22 Zu diesem Anlass wurden wiederum Gedichte verfasst.23 Am Festzug der Einweihungsfeier nahmen laut Programm24 in dieser Reihenfolge teil: eine Abteilung der Feuerwehr, die Musikkapelle, die Schulkinder von Spinges mit Fahne, umliegende Gemeinden, die Lehranstalten von Brixen, die Schießstand-Vorstehungen, der Turnverein von Brixen mit Fahne, die Feuerwehren von Brixen und Mühlbach, der Veteranen-Verein von Innsbruck mit der Spingeser-Fahne, andere auswärtige VeteranenVereine, die Kranzjungfrauen, die Gemeinde-Vorstehung von Spinges, die Kranzträger, die Liedertafel aus Innsbruck und andere sich meldende Gesangsvereine, der Männergesang-Verein von Brixen mit Feldmusik, die Vertreter der Civil- und Militär-Behörden und andere Ehrengäste, der Bischof von Brixen mit dem Klerus, der Erzherzog Karl Ludwig-Veteranen-Verein von Brixen mit Fahne und schließlich die Schützen-Compagnie. „Eine von Pater Norbert Stock, Kapuziner und Ausschußmitglied des Vereines, verfaßte Urkunde wurde von sämtlichen Vertretern unterzeichnet und an Ort und Stelle vermauert,“ berichtete der Brixner Färbermeister Franz Schwaighofer.25 Die Einweihung war ein Großereignis, zeittypische Männervereine, die an der Erinnerungs- und Denkmalkultur einen nicht unwesentlichen Anteil hatten, waren stark vertreten. Auch die Verbindung zu Vereinen in Innsbruck bildeten sich ab.26 Kolportiert wird die beachtliche Zahl von 5.000 Teilnehmenden.27 22 23
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Das Denkmal von Spinges. Ein sehr langes Mundartgedicht „Zur Erinnerung an die Einweihung des Denkmales von Spinges“ stammt von Michael Stolz. Gewidmet ist es „den Veteranen Tirols“. Er nennt das Mädchen von Spinges in zwei Zeilen: „Dö tapf ’re Diern thuet a no mit“ und später „Du Heldenjungfrau, tapf ’re Diern, und Priska seid gegrießt!“ Michael Stolz, Zur Erinnerung an die Einweihung des Denkmales von Spinges am 1. Mai 1882. Den Veteranen Tirols gewidmet vom Verfasser, in: Stock, Der Tag bei Spinges, 79–83. Mit Priska ist Georg Fagschlunger von Axams gemeint. Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 117, Einladung zu der am 1. Mai 1882 stattfindenden Festfeier der Einweihung des Monumentes in Spinges; dazu auch Stock, Der Tag bei Spinges, 39–54. Heiss/Gummerer, Brixen 1867–1882, 310. Ein beiliegendes Informationsblatt „Anmerkungen“ gibt unter anderem den Hinweis, dass die k. k. private Südbahn-Gesellschaft jenen, die zweiter oder dritter Klasse anreisen, auf den Strecken zwischen Kufstein und Ala, sowie zwischen Lienz und Mühlbach 50 Prozent Ermäßigung gewährt. Stock, Der Tag bei Spinges, 43.
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Abb. 26: Einladung zur Einweihung des Spingeser Kreuzes oder wie es hier bezeichnet ist, „des Monumentes von Spinges“ am 1. Mai 1882, begleitet von einem großen Festzug
Das Denkmal in Spinges interessierte im Vorfeld zwar weite Kreise, die Begeisterung hielt sich aber wohl in Grenzen, sobald es ums Geld ging. Der Brixner Erzherzog Karl Ludwig Veteranen-Verein unter dem Vorsitz von Karl Waitz28 hatte „diese patriotische Angelegenheit in die Hand genommen“ und für die Finanzierung im Juli 1881 einen Aufruf lanciert. Der Brixner Bischof habe bereits hundert Gulden gespendet und nun seien die „Patrioten Tirols“ aufgerufen, „die nöthige Beisteuer zur Herstellung dieses so wichtigen Denkmals zu leisten. Schon sind an andern Orten des Landes historisch denkwürdige Punkte, welche von Spings an Bedeutung weit übertroffen werden, vom patriotischen Eifer mit schönen und sinnigen Denkmälern geziert“. Man rechne „zuversichtlich auf die 28
Karl, auch Carl, Waitz war Kaufmann in Brixen und Vorstand des Veteranenvereins, in den 1860er Jahren Mitglied des Bürgerausschusses, bis in die 1880er Jahre Magistratsrat. Seine Frau Juli Gasser, eine Nichte des Fürstbischofs Vinzenz Gasser, war im patriotischen Frauen-Hilfsverein aktiv. Heiss/Gummerer, Brixen 1867–1882, 459, 268.
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oft bewährte tirolische Vaterlandsliebe“.29 Dabei hatte man sich offensichtlich verrechnet. Der bürgerlich Liberale Brixner Färbermeister Franz Schwaighofer notierte im Februar 1882, dass sich der Vorstand des Brixner Veteranenvereins Karl Waitz „neuerdings“ veranlasst gesehen habe, einen Spendenaufruf zu erlassen, denn „es seien von auswärts so viele und reichliche Spenden eingelaufen, daß man sich hier in der Nähe des berühmten Schlachtfeldes schämen müsse, so wenig bis jetzt gegeben zu haben“. Schwaighofer kommentierte zwischen Klammern lapidar: „Wir aber sind der Meinung, daß wenn es andere zahlen, er uns in Ruhe lassen soll.“30 Der „Aufruf zur Errichtung eines Denkmals auf dem Schlachtfelde von Spinges“ ortet hingegen „lobwürdige[n] Eifer“ im Lande, „jene Stätten, wo unsere Väter für die Freiheit des lieben Vaterlandes gestritten, mit ehrenden Denksteinen zu schmücken. Und in der That, wenn der fromme Sinn des Volkes schon die Stelle, wo ein Holzhauer verunglückt ist, nicht ohne Denkzeichen läßt, um wie viel billiger muß es erscheinen, daß an jenen Orten, wo unsere Väter mit ihrem Blute des Landes Freiheit gerettet haben, ehrende Denkmäler sich erheben.“ In diesem Jahr fand eine weitere Denkmalenthüllung statt, und zwar Anfang September 1882 zu Ehren eines der Helden aus der Schlacht bei Spinges, des Sensenschmieds Anton Reinisch.31 Wie in St. Vigil zu Ehren von Katharina Lanz im Frühjahr 1882, wurden in Volders im Unterinntal Erinnerungstafeln in der dortigen Kirche und über dem Eingang seines Geburts- und Wohnhauses angebracht. Zwischen den beiden Aktivitäten lässt sich eine Verbindung herstellen, denn für dieses „patriotische Werk“ zeichnete unter anderem der Kronprinz Rudolf Veteranen-Verein verantwortlich,32 mit dem auch Kaspar Ruepp über Ferdinand Hechenberger beziehungsweise dessen Onkel Alois Zimmeter in Kontakt stand. Dem Verein war das Unternehmen in St. Vigil demnach bekannt. Es könnte Anregung und Anlass gegeben haben, auch an Anton Reinisch öffentlich sichtbar zu erinnern – ein Dominoeffekt des Gedenkens? Kurz darauf, im Herbst 1884, wurde in der Innsbrucker Hofkirche eine Tafel angebracht „zum Gedächtnis der tapfersten der Landesvertheidiger“ aus der Schlacht von Spinges. Vier Namen waren angegeben, jeweils mit kurzen biographischen Informationen: Philipp von Wörndle, Anton Reinisch, Georg Fagschlunger, auch als „Priska“ bekannt, und: „Katharina 29 30 31
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Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 117, Aufruf zur Errichtung eines Denkmals auf dem Schlachtfelde von Spinges. Hierbei handelt es sich um ein knapp zweiseitiges Dokument. Heiss/Gummerer, Brixen 1867–1882, 304. Der Bericht über ihn lautet: „Er fand als Sturmhauptmann des Gerichtes Rettenberg in der Schlacht bei Spinges am 2. April 1797, nachdem er mit der Sense und Keule die feindlichen Kolonnen durchbrochen hatte, durchbohrt von 11 Bajonnetstichen [sic] im 35. Altersjahre den ruhmvollen Tod für Gott, Kaiser und Vaterland.“ Das Denkmal von Spinges. Als mitwirkend wird des Weiteren der „Erzherzog Heinrich Veteranen Verein“ in Hall genannt. Siehe Das Denkmal von Spinges.
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Lanz aus St. Vigil in Enneberg, das Mädchen von Spinges genannt, geb. am 2. April 1771, gestorben zu Andraz am 8. Juli 1854“. Es folgte ein Spruch in Anlehnung an eine Bibelstelle (1 Makk 2, 51): „Gedenket der Thaten der Väter, die sie gethan in ihren Zeiten und ihr werdet großen Ruhm erlangen und einen ewigen Namen.“ Als Initiator und Financier ist Dr. Alois Fischer genannt, ehemaliger Statthalter von Oberösterreich (1848–1851), der auch die Inschrift ausgewählt hatte. Die Umsetzung seiner Idee erlebte er nicht mehr. „Der edle Patriot hat mit diesem seinen letzten Werke nicht blos den Helden von Spinges, sondern auch sich selbst ein ehrendes Denkmal seines Patriotismus gesetzt.“33 Die Gedenktafel befand sich neben dem 1838 gestifteten Denkmal für die Helden von 1809. Im Jahr 1955 ließ man die Tafel im Zuge einer Renovierung der Hofkirche entfernen und ersetzte sie durch eine gemeinsame Gedenktafel für die Helden und die Heldin von 1797, die Helden von 1805 und 1809 (Abb. 2). Die Memoria braucht eine Lobby und engagierte Personen, welche die Gedenkwürdigkeit von Ereignissen und Persönlichkeiten vertreten und entsprechende Aktionen setzen. Patriotische Vereine und ebenso gesinnte Männer zählten im untersuchten zeitlich-regionalen Raum und Erinnerungskontext zu den wichtigsten Akteuren, doch mussten sie zugleich, wie bereits mehrfach deutlich wurde, auf ein interessiertes Umfeld zählen können. In der geschichtswissenschaftlichen Diskussion wurde das Errichten von Denkmälern in dieser Zeit vielfach in Zusammenhang mit der Ausbildung eines bürgerlichen und oft politisch liberalen Selbstverständnisses gebracht. Im Fall von Tirol waren jedoch Vertreter aus politisch konservativen Kreisen federführend.34 Das 19. Jahrhundert war die Zeit nationaler Denkmäler, das Entdecken oder Wiederentdecken nationaler Helden ein verbreitetes Phänomen.35 Das Setzen von Denkmälern kann als Ergebnis einer mobilisierten Erinnerungskultur und Erinnerungspolitik gesehen werden und wirkte gleichzeitig als deren Motor: Erinnerungswürdiges wird öffentlich sichtbar gemacht. Denkmäler dienen dazu, wie Stefan Riesenfellner konstatiert, „bewußt Erinnerung zu stimulieren und im kollektiven Gedächtnis zu verankern; ihr symbolischer Gehalt ist demnach keineswegs im Verweis auf die Vergangenheit beschränkt. Denkmäler sagen dagegen wohl viel mehr über die Absichten der Denkmalstifter und über die Zeit der Denkmalsetzung aus, als über die historischen Ereignisse und Personen, auf die sie verweisen; mit dieser symbolischen Rekonstruktion der Vergangenheit repräsentieren sie durchaus ideologisch geformte Sichtweisen vergangener Wirklichkeit“.36 Das mag umso 33 34 35 36
Neue Gedenktafel in der Hofkirche, in: Tiroler Stimmen 24, 266 (18.11.1884), 3. Cole, Ein Held für wen, 32. Cole, Ein Held für wen, 31. Stefan Riesenfellner, Vorwort, in: ders., Steinernes Bewußtsein I. Die öffentliche Repräsentation staatlicher und nationaler Identität Österreichs in seinen Denkmälern, Wien/Köln/Weimar 1998, 9–11, 9.
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mehr gelten, wenn das erinnerte Ereignis und/oder die involvierten historischen Personen einer bereits fernen Vergangenheit angehörten und später – wiederentdeckt, uminterpretiert oder mit Bedeutung neu aufgeladen – auf einen Sockel gestellt wurden. Im Vergleich zu Deutschland und Frankreich setzte in Österreich das Errichten von Denkmälern, die an Kriegsereignisse erinnerten, insgesamt mit deutlicher Verzögerung erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein. Betka Matsche-von Wicht spricht in diesem Zusammenhang von „einem halben Jahrhundert Verspätung“.37 Ausnahmen zeigt sie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einerseits für Böhmen und Mähren, andererseits für Tirol auf. Die Autorin nennt das Grabmal von Andreas Hofer in der Innsbrucker Hofkirche, errichtet im Auftrag von Kaiser Franz I. anlässlich der Überführung der Gebeine Hofers aus Mantua im Jahr 1823, eingeweiht 1834, sowie das ebenfalls in der Hofkirche befindliche Denkmal, gewidmet den 1809 „in den Befreiungskämpfen gefallenen Söhnen“ vom „dankbare[n] Vaterland“, wie es in der Sockelinschrift heißt. Gestiftet wurde es 1838 anlässlich der letzten Tiroler Erbhuldigung unter Ferdinand I.38 Die Autorin kommentiert: „Zu einem derartigen Monument ließ sich die Regierung aber nur im Fall Tirols hinreißen, das sich vom Kaiser besonders schlecht behandelt hatte fühlen müssen, so daß man sich zu einer Geste der Wiedergutmachung verpflichtet sah ...“39 Die Welle an Gedenkstein-, Gedenktafel- und Denkmalsetzungen im Kontext des Gefechts von Spinges und des Mädchens von Spinges begann – abgesehen von der Gedenktafel für die im Spingeser Friedhof begrabenen Gefallenen von 1848 – in den 1880er Jahren, 85 Jahre und mehr nach dem betreffenden Ereignis. Mit Ausnahme dieser Gedenktafel und des Spingeser Kreuzes handelte es sich dabei auch nicht um Kriegsdenkmäler im engeren Sinn, denn weder Philipp von Wörndle noch das Mädchen von Spinges waren – im Unterschied zu Anton Reinisch und Georg Fagschlunger – im Gefecht gewaltsam umgekommen. Zentral ist, dass im einen wie im anderen Fall die Initiative von lokal und regional verankerten Personen oder Vereinen ausgegangen ist. Das verändert ihren Charakter gegenüber den von ‚oben‘ beauftragten Denkmälern grundlegend. Denn aus ihnen spricht ein starker Rückbezug auf regionale Sinnstiftungen und Verortungen und damit auf eine spezifische politische Kultur. Das schließt jedoch keineswegs – wie sich in Zusammenhang mit dem Denkmal für Katharina Lanz von 1912 zeigen wird – damit verbundene Interessen von staatlicher Seite aus. 37
38 39
Betka Matsche-von Wicht, Zum Problem des Kriegerdenkmals in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Reinhart Koselleck u. Michael Jeismann (Hg.), Der politische Totenkult. Kriegerdenkmäler in der Moderne, München 1994, 51–90, 51. Matsche-von Wicht, Zum Problem des Kriegerdenkmals, 72f. Matsche-von Wicht, Zum Problem des Kriegerdenkmals, 74; zu den Hofer-Denkmälern siehe auch Cole, Ein Held für wen.
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Im Fall Tirols hatte die Welle der Denkmäler verschiedene Phasen und Facetten. „Zu jeder Zeit und in jeder Nation wurden Tempel und Statuen und andere Denkmäler für auserkorene Männer für ihre herausragenden Werke errichtet; doch blieb es unserer Zeit vorbehalten, ganze Nationen aufzurufen, zur Ehre jener Männer beizutragen, deren Vortrefflichkeit nicht nur im engeren Wirkungskreis als nutzbringende Tätigkeit glänzt, sondern als nahezu universell sozusagen anerkannt wird. Und die erste unter den Nationen, die das Beispiel eines solchen Beitrages gegeben hat, war die deutsche, die mit ihren Feiern anlässlich des Jahrestages der Geburt ihres großen tragischen Dichters Schiller vor kurzem in bewundernswerter Übereinstimmung in jedem Teil des angrenzenden Deutschland gezeigt hat, dass die Idee der germanischen Einheit, die weit davon entfernt ist, sich auf der Karte Europas verwirklicht zu finden, im Geiste dieser gelehrten und zivilisierten Nation jedoch vorherrscht. Italien, wie wir am florentinischen Vorhaben des Denkmals für Dante sehen, schlägt den gleichen Weg ein.“ Mit diesen Worten, die Deutschland als beispielgebend hinstellten, schlug Giovanni a Prato am 3. Dezember 1863 dem Gemeinderat von Trient – der Hauptstadt von Welschtirol oder Trentino – vor, mit einem Betrag von 500 italienischen Lire an der Spendenaktion zur Errichtung eines Denkmals in Florenz anlässlich des 600. Geburtstages des großen Dichters Dante Alighieri, 1265 geboren, teilzunehmen. Zudem sollte damit eine Marmorbüste von Dante finanziert und im Frühjahr 1865 in Trient enthüllt werden. Beide Vorschläge wurden angenommen.40 40
Giovanni Prato, Dal Municipio della città di Trento ai 3 dic. 1863, in: Il Messaggiere di Rovereto (9.12.1863), zit. nach Fabrizio Rasera, Politica dei monumenti in Trentino. Dal centenario dantesco alla Grande Guerra, in: Studi Trentini. Storia 92 (2013), 323–356, 323: „In ogni tempo e presso ogni nazione furono innalzati e templii e statue ed altri monumenti ad uomini distinti per opere eccellenti; ma era riserbato al nostro tempo chiamare le nazioni intere a concorrere alla onoranza di quegli uomini la cui eccellenza brillasse non solo nel circolo ristretto di una sfera di utile attività, ma che fosse riconosciuta direm quasi come universale. E la prima tra le nazioni a dare l’esempio di una simile concorrenza fu la tedesca, la quale celebrando or non a molto con mirabile concordia in ogni parte della confinante Germania, l’anniversario secolare della nascita del suo grande poeta tragico Schiller, mostrò che l’idea di quella unità germanica, la quale è ben lungi dal trovarsi realizzata sulla carta d’Europa, domina però nelle menti di quella dotta e civile nazione. L’Italia, come vediamo dal progetto fiorentino del monumento a Dante, si è messa sulla medesima via.“ Giovanni a Prato (Trient, 1812–1883) studierte an den Priesterseminaren in Trient und Brixen und wurde 1835 zum Priester geweiht. Ab 1836 studierte er Theologie in Wien. Im Jahr 1842 wurde er Religionslehrer am Gymnasium in Trient und Mitglied der Accademia degli Agiati; 1848 begann er seine journalistische Laufbahn. Er sprach sich für die Abtrennung von Trient und Rovereto von Tirol aus. In den Jahren 1848 und 1849 vertrat er diese Forderung sowie jene nach der Trennung von Kirche und Staat als Abgeordneter bei der Nationalversammlung in Frankfurt sowie im Reichstag in Wien und in Kremsier (Kroměříž). 1849, nunmehr am Gymnasium in Rovereto tätig, wurde er verhaftet und wegen seiner politischen Aktivitäten seines Postens enthoben. In der Folge arbeitete er als Hauslehrer. Als Journalist war er Mitarbeiter der Zeitung „Il Messaggiere Tirolese“; er grün-
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In den darauffolgenden Tagen entschieden auch die Gemeinden Rovereto, Riva und Ala, sich an der Beschaffung von Mitteln zu beteiligen. Riva beschloss, dem Dichter eine eigene Büste zu widmen, und die Accademia degli Agiati, eine der wichtigsten kulturellen Institutionen der Stadt Rovereto, plante, eine Gedenktafel auf den Ruinen von Schloss Lizzana, wo sich Dante als Gast aufgehalten haben soll, anzubringen. Die Initiative von Riva scheiterte, die Gedenktafel in Schloss Lizzana sollte erst 1897 errichtet werden. Im Gegensatz dazu wurde die Büste in Trient planmäßig am 14. Mai 1865, am selben Tag wie das Dante-Denkmal in Florenz, enthüllt. Der Dante-Kult war, laut der Entweihungsrede von Giovanni a Prato, Ausdruck des italienischen nationalen Einheitsbewusstseins, das jedoch im Fall des Trentino eine einheitliche politische und gesetzliche Wirklichkeit vermissen lasse. Außerdem stellte der Festredner Dante implizit als Symbol einer Politik der Trennung zwischen Kirche und Staat dar.41 Während a Prato also auf der einen Seite auf Deutschland als Vorbild Bezug nahm, leitete er auf der anderen Seite mit der Initiative zur Errichtung der Dante-Denkmäler eine Phase von patriotischen Denkmälern ein, die die Italianität der Trentiner zum Ausdruck bringen sollten und die dazu beitrugen, die Spannungen mit den Deutschtirolern sowie mit den österreichischen Behörden zu verstärken.42 In diesen Jahrzehnten entstanden in Deutschtirol Denkmäler mit dem Ziel, dessen deutschen Charakter zu betonen. Dies zog die Errichtung von neuen Statuen und Gedenktafeln nach sich, die die Italianität des Trentino hervorhoben. Das Denkmals für Walther von der Vogelweide in Bozen sollte die Grenzmarke „deutscher Kultur im Süden verdeutlichen – gleichsam die Funktion als ‚Bollwerk‘ gegen die italienische ‚Irredenta‘ erfüllen“, wie Werner Telesko schreibt.43 Das Denkmal wurde 1874 in liberalen Kreisen entworfen: Walther von der Vogelweide eignete sich als Repräsentant ihrer Werte und als antiklerikales Symbol der Einheit aller Deutschen. Um die Realisierung des Projekts zu gewährleisten, bemühten sich die Promotoren um die Unterstützung von Erzherzog Rainer
41 42 43
dete „Il Giornale del Trentino“ (1850–1851), „Il Trentino“ (1868–1869) und „Il nuovo Giornale del Trentino“ (1873–1874). In den Jahren 1862 und 1863 sowie 1870 und 1871 fungierte er als Landtagsabgeordneter. 1872 scheint er als Mitbegründer der „Società nazionale liberale“ auf, die er als Vertreter Trients im Reichsrat zwischen 1873 und 1875 repräsentierte. Von der bischöflichen Behörde mit der sospensione a divinis, einer kirchlichen Disziplinarstrafe, bedroht, zog er seine Zustimmung zu den konfessionellen Gesetzen zugunsten der Säkularisierung zurück. Dies resultierte im Bruch mit seinen liberalen Parteigenossen, weshalb er als Abgeordneter demissionierte. Vielfach auf ihn Bezug genommen wird in Götz, Bürgertum und Liberalismus. Rasera, Politica dei monumenti, 324–327. Rasera, Politica dei monumenti, 324–327. Telesko, Kulturraum, 344. Für eine detaillierte Rekonstuktion der Geschichte des Walther-Denkmals in Bozen siehe Christoph H. von Hartungen, Monumenti e miti del Tirolo storico tra lealtà dinastica e tentazione nazionalista, in: Maria Garbari u. Bruno Passamani (Hg.), Simboli e miti nazionali tra ’800 e ’900, Trento 1998, 223–261.
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und von einigen liberal gesinnten Geistlichen, wie Christoph Hartung von Hartungen in seinem detaillierten Beitrag aufzeigt. Als das Denkmal 1889 nach vielen Wechselfällen endlich eingeweiht wurde, stand allerdings nicht mehr der Liberalismus, sondern der Nationalismus in Vordergrund:44 „Ihr Männer von Tirol gelobet heute am Standbild Walthers von der Vogelweide, daß diese Berge und diese Thäler deutsch bleiben sollen, und ihr Frauen stimmt mit ein, denn ihr seid die Hüterinnen des deutschen Hauses“, deklamierte der Philologieprofessor Karl Weinhold aus Berlin in seiner Rede bei der Enthüllung und nahm dabei einmal mehr männliche und weibliche Rollenzuschreibungen vor.45 Auf die Errichtung des Walther-Denkmals in Bozen folgte 1896 eine neue Dante-Statue in Trient.46 Im Trentino sowie in Deutschtirol brachte das liberale Bürgertum in einer ersten Phase in Denkmälern seine Ideen und Selbstdarstellungen – die oft national gefärbt waren – zum Ausdruck. Die Behörden an der Spitze der Habsburger Monarchie verstanden, dass die wachsenden Nationalismen eine Bedrohung für Österreich-Ungern darstellten. Sie reagierten, indem sie den dynastischen Patriotismus förderten, der supranational war oder sein sollte. Zu diesem Zweck wurden die Veteranenvereine und die Schützen unterstützt, die für „Gott, Kaiser und Vaterland“ gekämpft hatten. Andreas Hofer wurde zum Helden eines solchen institutionellen Patriotismus, der auch den Zuspruch der Katholisch-Konservativen gewann. Als 1893 das Hofer-Denkmal am Berg Isel enthüllt wurde, hob man die Teilnahme der Welschtiroler an den Feiern besonders hervor. Am Tag darauf empfing der Kaiser eine Delegation der Gemeinden des Trentino, die die Autonomie für Welschtirol forderten. So wurde Hofers Kampf von liberaler Seite erst spät nicht länger als obskurantistischer Aufstand betrachtet, sondern als Auftakt des „germanischen antinapoleonischen Aufstandes“ von 1813 und – aus einer solchen Perspektive – als Beginn der deutschen Einigungsbewegung der Liberalen, die sich zunehmend national orientierten. Zur Zeit der Festlichkeiten anlässlich des einhundertjährigen Jubiläums von 1809 war dieser Prozess 44 45
46
Hartungen, Monumenti e miti, 238–245. Karl Weinhold, Rede bei Enthüllung des Denkmals Walthers von der Vogelweide in Bozen am 15. September 1889 gehalten von Karl Weinhold. Als Handschrift des Verfassers gedruckt, Reichenbach i. Schl. 1889, o. S. Telesko, Kulturraum, 344; Rasera, Politica dei monumenti, 333. Der von Maria Garbari und Bruno Passamani herausgegebene Band Simboli e miti nazionali tra ’800 e ’900 versammelt die Beiträge einer Tagung, die in Trient anlässlich des hundertsten Jubiläums der Errichtung des Dante-Denkmals stattgefunden hat. Zum Thema siehe auch Mario Isnenghi, L’Italia in piazza. I luoghi della vita pubblica dal 1848 ai giorni nostri, Bologna 2004 [Milano 1994], 121–123; Bruno Tobia, La statuaria dantesca nell’Italia liberale: tradizione, identità e culto nazionale, in: Mélanges de l’Ecole française de Rome. Italie et Méditerranée 109 (1997), 75–87; Davide Bagnaresi, Editoria turistica e irredentismo. La statua di Dante a Trento tra rappresentazioni e gite patriottiche (1896–1927), in: Storia e Futuro 23 (2010), o. S.
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an einem Punkt angelangt, dass verschiedene Gruppen gemeinsam feierten, obwohl sie divergierende Ansichten vertraten.47 Die Monumente, die in Verehrung des Mädchens von Spinges errichtet wurden, müssen also vor dem Hintergrund dieses „Denkmalkriegs“ verstanden werden.48 Wenn betont wurde, dass die ladinische Katharina Lanz in einem deutschsprachigen Dorf wie Spinges für Gott, Kaiser und Vaterland gekämpft hatte, galt sie in einer katholisch-, dynastisch- und supranational-konservativen Wahrnehmung als Heldin. Dies war jedoch nicht die einzig mögliche Perspektive, wie spätere Diskussionen über ihre Identität und Herkunft noch zeigen werden. Die Erinnerungskultur mag ein ‚Schlachtfeld‘ sein, auf dem sich verschieden orientierte Gruppen auseinandersetzen. Jedenfalls erfordert sie eine gewisse Beständigkeit der Präsenz und muss sich diese immer wieder neu verschaffen. Steinerne Denkmäler erleichtern diesen Prozess, denn sie sind – solange sie nicht gestürzt und geschliffen werden – einmal errichtet, sichtbar vorhanden. Insofern ist der Schritt von Geschichten und Gedichten zu Denkmälern nicht nur ein Schritt in eine größere Öffentlichkeit, sondern zugleich ein Schritt in Richtung einer Verstetigung der Memoria. Ein Denkmal fungiert zumindest potenziell als langfristig erinnerungsbewahrend. Denn Vergessen kann zu jedem Zeitpunkt einsetzen. Wie Fabrizio Rasera festgestellt hat, werden Statuen bisweilen zu „unbekanntem Marmor oder zu Bronzegespenstern“, die den öffentlichen Raum bevölkern.49 Das „steinerne Bewusstsein“ transportiert daher immer nur einen Teil der Geschichte; um es lebendig zu halten, bedarf es auch der Kommentierung durch – sich verändernde und mitunter widerstreitende – textuelle Interpretationen und Akte der Performanz. In groben Zügen lassen sich für die bislang behandelte Zeitspanne in Hinblick auf die religiöse Einfärbung des Mädchens von Spinges zwei Erzählstränge ausmachen: ein erster, der vor allem in kirchlichen Kontexten – den Zeitungsartikeln von 1869 und 1870 folgend – fortgeführt wurde, in dem kein Blut floss, und ein zweiter, der weiterhin von den zeitgenössischen Berichten aus der Zeit um 1797 ausging und die Heldin kämpferisch zeichnete. Der auf Initiative des Enneberger Bezirksrichters Kaspar Ruepp gesetzte Gedenkstein und das damit verbundene mediale Echo dürften die öffentliche Präsenz der zweiten Version befördert haben. Beide Plots wurden wiederholt auch fusioniert, was zu einer gewissen Widersprüchlichkeit der Geschichten führte. Der Stoff wurde öfters neu- und um-modelliert, auch von ein und demselben Autor, wie etwa von dem Pater Norbert Stock. Dieser war ebenso umtriebig wie breitenwirksam. Er verkörperte die Verbindung von Religion 47 48
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Hartungen, Monumenti e miti, 249–257. Joachim Albrecht, Limesfiguren. Denkmalkriege in Südtirol, in: Werner K. Blessing, Stefan Kestler u. Ulrich Wirz (Hg.), Region-Nation-Vision. Festschrift für Karl Möckl, Bamberg 2005, 151–161, 155–159. Rasera, Politica dei monumenti, 352.
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und Patriotismus idealtypisch und war ein wichtiger Teil der Erinnerungsmaschinerie des späten 19. Jahrhunderts.
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Besonders deutlich dokumentiert der Band „Der Tag in Spinges“ von Pater Norbert Stock (1840–1907), einem Geistlichen, der zugleich Publizist und Ausschussmitglied des Brixner Veteranenvereins war, das Ineinanderfließen verschiedener Bezugsquellen und das Hinzukommen neuer Facetten in der Geschichte des Mädchens von Spinges (Abb. 27). Die Schrift ist in zwei Auflagen im Abstand von zehn Jahren erschienen. In der zweiten Auflage von 1891 zitiert Stock den Katharina Lanz betreffenden Passus aus der ersten Auflage von 1881, sodass sich die Veränderungen des Heldinnenbildes in einem Zeitraum der sich verdichtenden Erinnerungskultur nachzeichnen lassen. Dabei handelt es sich um ein Referenzwerk, auf das sich spätere Verfasser und Verfasserinnen von (populär-)historischen, literarischen und publizistischen Darstellungen implizit oder explizit beziehen und Motive daraus weiterspinnen.50 Stock orientierte sich an der Wendung des Heldinnenstoffes hin zur Wundergeschichte. Diese Version steht im Kontrast zu den Bildern in seinen Gedichten, denen ebenfalls eine gewisse Breitenwirkung zugesprochen werden kann. Die Figur des Mädchens von Spinges, von manchen „bloß als Volksdichtung betrachtet, von anderen höchsten in das Reich der unsicheren Sage verwiesen“, repräsentierte für Stock auch in der ersten Auflage unzweifelhaft „eine geschichtliche Person“.51 Philipp von Wörndle habe von einem Bauernmädchen auf der Friedhofsmauer berichtet. „Welchem Zeugen über die Vorgänge bei Spinges soll man noch glauben können, wenn nicht diesem?“ Stock beginnt mit den Lebensdaten und fügt hinter den Geburtsort St. Vigil in Enneberg zwischen Klammern ein: „Die ‚kleine‘ Nation kann stolz auf sie sein!“ Beschrieben wird „das Mädchen von Spinges“ als „ungewöhnlich groß und stark“. Eine Maskulinisierung der Figur findet sich hier ansatzweise. Eine konkrete Schilderung ihrer „Heldentat“ fehlt. Es steht nur, dass es sie, „mit einer Heugabel bewaffnet, hinausgetrieben“ habe, um „die Kirche und das Allerheiligste vor Schändung zu bewahren“. Alle Häuser seien ausgeraubt worden, die Kirche aber sei verschont geblieben. So liege der Gedanke nahe, „[d]er liebe Gott habe den Opfermuth der heldenmüthigen Jungfrau belohnen und durch Beschirmung des Kirchleins krönen wollen“. 50 51
Unverkennbar als Vorlage diente die Version von Norbert Stock beispielsweise für Maurer, Tiroler Helden, insbes. 106–110. Stock, Der Tag bei Spinges, 32f. Hervorhebung im Original gesperrt.
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III Heldinnenstoffe: Plots und transnationale Verflechtungen
Abb. 27: Pater Norbert Stock, „Der Tag in Spinges“, Cover dieser sowohl für das Heldinnenbild als auch für dessen Verbreitung in katholisch-patriotischen Kreisen im ausgehenden 19. Jahrhundert wirkmächtigen Schrift
Stock fügt dem noch eine weitere und legendenhafte Sicht hinzu: Johann Haidacher, der Kurat von Spinges, habe erzählt,52 „die Franzosen seien durch die Erscheinung des Mädchens gewaltig in Schrecken gesetzt worden, indem sie in abergläubischer Furcht eine außernatürliche Erscheinung und Macht gegen sich zu haben wähnten“. Und Stock schließt: „Obwohl dies immerhin möglich ist, dürfte hier der Herr Curat doch lediglich aus der Volksdichtung geschöpft haben.“ Das Kapitel endet mit dem Tod von Katharina Lanz im hohen Alter in Andraz und mit dem obligaten Hinweis auf ihre Beerdigung mit militärischen Ehren. Sein Fazit: „Das Mädchen von Spinges ist ein schöner Typus Tirols: fromm, friedlich und harmlos – werden aber seine höchsten und heiligsten Güter von frechen Feinden gefährdet, eine Löwin im Kampfe unter den schirmenden Fittigen des göttlichen Schutzes.“ Diese Einschätzung klingt bekannt: „fromm und friedlich, eine Lö52
Johann Haidacher war zwischen 1825 und 1842 Kurat in Spinges – also lange nach dem bewussten Ereignis. Siehe Spinger Heimatbuch, 56.
2 Modellierungen zwischen facts und fiction
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win im Kampfe“ – diese Charakterisierung begegnete bereits in Zusammenhang mit der Inschrift für die Gedenktafel in St. Vigil: von Ferdinand Hechenbergers Onkel Alois Zimmeter vorgeschlagen und umgesetzt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie von Norbert Stocks Text inspiriert war. „Der Tag bei Spinges“ von 1881 kursierte in den betreffenden Kreisen, denn Stock hatte den Band zum Einwerben von Spendengeldern für das Spingeser Kreuz verkauft: „Das Büchlein hatte neben seiner allgemeinen patriotischen Aufgabe auch noch die besondere Bestimmung, zur Deckung der bedeutenden Kosten eines würdigen Denkmals ein Scherflein zu erzielen.“53 In diesem Zusammenhang nennt er auch den Kronprinz Rudolf-Veteranenvereins in Innsbruck, in dessen Umfeld Hechenberger und vor allem Zimmeter anzusiedeln sind. Die Beschreibung der Heldin als „harmlos“ wurde von Zimmeter und Hechenberger allerdings nicht aufgegriffen. Was ändert sich in der zweiten Fassung zehn Jahre später? Katharina Lanz wird „in einem armen Häuschen, das ganz nahe bei der Kirche liegt, geboren“. Beschrieben ist sie als „rüstige, bildschöne, heitere und fröhliche Jungfrau, dabei kernhaft fromm“ – nunmehr ohne männliche Züge. Die Schilderung geht dann sogleich zum weiteren Lebensverlauf nach jenem 2. April 1797 über, nachdem sie „in ihr Heimatsthal“ zurückgekehrt war.54 Im Fokus liegen die Gründe ihres langen Schweigens. Colle Santa Lucia sei damals schon von vielen Fremden besucht worden, die – in Ermangelung eines Gasthauses – beim Kuraten eingekehrt seien. „Da war nun viel die Rede von den letzten Kriegsgeschichten, von dem Kampfe bei Spinges und von der räthselhaften, ja schon sagenhaften Jungfrau mit der Heugabel oder der Fahne.“ Eines Tages habe Katharina Lanz dem Kuraten gesagt, dass sie „das gesuchte Spingeser Mädchen sei“. Aus Sorge, dass das Widum, wenn dies bekannt würde, „unausbleiblich [...] ein Stelldichein neugieriger, ungebetener Gäste“ werde, habe er sie ersucht, darüber zu schweigen – und sie habe geschwiegen „bis ins hohe Greisenalter“. Einem stereotypen Geschlechterbild folgend wird dies zur Heldentat stilisiert: „Ist dies Schweigen, namentlich seitens einer weiblichen Zunge, nicht auch eine Heldenthat“, fragt Stock und erklärt: „So wird es begreiflich, daß man so lange Zeit nicht zu entdecken vermochte, wo das Mädchen von Spinges hingekommen.“55 Auf Grundlage ihrer Erinnerungen wisse man auch, dass sie die ermüdeten Kämpfer mit dem in den Häusern noch vorgefundenen Essen und Trinken versorgt habe. „Von ihrem eigenen Kampfe auf der Friedhofsmauer schwieg sie auch jetzt.“ Dieser stünde aber aufgrund des Berichts von Wörndles „unleugbar fest“. Sie habe erzählt, dass sie, als die Schützen den Friedhof räumen mussten, allein dort zurückgeblieben sei. „Sie stellte sich vor die Kirchenthür und streckte den vorbeidefilierenden Franzosen ihre Heugabel entgegen. 53 54 55
Stock, Der Tag bei Spinges, 5. Stock, Der Tag bei Spinges, 34. Stock, Der Tag bei Spinges, 34.
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III Heldinnenstoffe: Plots und transnationale Verflechtungen
Die Feinde blickten sie nur verwundert an und zogen, ohne ihr ein Leid zuzufügen, vorüber.“56 Stock schließt: Für all diese von Kaspar Ruepp „festgestellten Thatsachen sind die authentischen Documente, wie gesagt, im Ferdinandeum zu Innsbruck hinterlegt“. Gegen einen anderen Erzählstrang verwehrt sich Stock abschließend und beschwert sich, dass „die deutsche Dichterei,“ die sich auch „unserer Heldin bemächtigt“ habe, dieser die Rolle als Verteidigerin des Grabes ihres Liebhabers zuteile. „Nein! ihr Herren Poeten! Katharinas Allerliebster lag nicht im Grabe, sondern wohnte im Tabernakel.“57 Interessanterweise verweist Norbert Stock auf den Bezirksrichter Kaspar Ruepp als Gewährsmann, mit dem er inzwischen „über Katharina Lanz umfassende Erhebungen gepflogen“ und die entsprechenden Dokumente im Innsbrucker Ferdinandeum hinterlegt habe. Damit sei „endlich die geschichtliche Wahrheit über die Spingeser Jungfrau gerettet und festgenagelt für immer“. Kaspar Ruepp, nunmehr Bezirksrichter in Sand in Taufers, habe ihm „mit großer Bereitwilligkeit und Freundlichkeit die Ergebnisse seiner eifrigen Forschungen mitgetheilt“. Dies stelle nun die Grundlage seiner, gegenüber der ersten Auflage überarbeiteten Ausführungen dar. Der Verweis auf die „festgestellten Thatsachen“ und „authentischen Documente“ soll die Historizität der Darstellung untermauern. Die angesprochene Dokumentsammlung im Ferdinandeum enthält im Wesentlichen das, was in Zusammenhang mit der Errichtung der Gedenktafeln in St. Vigil bereits ausgeführt wurde. Gesichert ist, dass es weitere Nachforschungen gab. Das letzte noch nicht erwähnte unter den Dokumenten, die Kaspar Ruepp dem Ferdinandeum überlassen hat, stammt nämlich aus dem Jahr 1897. Es war ein Auftrag an Johann Maneschg – nicht an den Geistlichen und Verwandten von Katharina Lanz, sondern an den gleichnamigen Kanzlisten im Bezirksgericht Enneberg.58 Er sollte in den Gerichtsbüchern die Besitzsituation von Katharina Lanz’ Eltern und Vorfahren klären, vermutlich um ihre Herkunft besser absichern zu können. Erhalten ist das Antwortschreiben,59 in dem Johann Maneschg angibt, „nichts Sachdienliches“ gefunden zu haben, auch deshalb, weil „die Besitztitel in manchen Urkunden fehlten“. Er berichtet über die Abhandlung nach dem Tod des Großvaters von Katharina Lanz 1757, der ein Bestandsmann, ein Pächter, gewesen sei und acht Kinder hinterlassen habe. Der Kanzlist berichtet, der Geistliche Karl Maneschg habe sich zwei Jahre zuvor, damals Kaplan in Ehrenburg, in St. Vigil aufgehalten „eigens auf die Abkunft der Kath[arina] Lanz Erhebungen zu pflegen“. Wem er „diese Erhebungen dann mitgetheilt“ habe, wisse er nicht. Dessen Bruder, der sich als Benefiziat in Andraz aufhielt, habe Katharina Lanz 56 57 58 59
Stock, Der Tag bei Spinges, 35, Hervorhebung im Original gesperrt. Stock, Der Tag bei Spinges, 36. Sparber, Wer war das Heldenmädchen, 183. TLF, Einige Briefe, Nr. 10.
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öfter veranlasst, von der Schlacht bei Spinges zu erzählen. Sie habe jedoch nicht gerne darüber gesprochen, da es ihr Gewissensbisse verursachte, „Leute erschlagen zu haben“. Er wisse sicher am meisten darüber zu berichten, doch sei er den ganzen Winter über krank und bettlägerig gewesen und immer noch sehr schwach. Der Adressat – vermutlich Kaspar Ruepp – habe übrigens „die richtigsten Erhebungen gepflogen“, als er in St. Vigil war. „Ich habe auch ältere Leute dahier geeignet befragt; manche sagen, daß sie die Katharina Lanz gekannt haben, wissen von derselben aber nichts Weiteres, da dieselbe sehr jung von St. Vigil fortgekommen ist.“60 Das Motiv der Gewissensbelastung der Heldin ist hier erstmals greifbar – es wird, literarisch verpackt, noch öfter auftauchen. In Gedichten von Norbert Stock verschmilzt die kämpferische Heldin mit jener, die das Allerheiligste schützte. Im Jahr 1881 veröffentlichte die Wochenzeitschrift „Andreas Hofer“ das aus 23 Strophen bestehende und in drei Bilder unterteilte Gedicht „Das Mädchen von Spinges“ von „Bruder Norbert“.61 Zu einer Bricolage verwoben wurde darin vieles von dem, was bis dahin in Umlauf war, Neues kam hinzu, während anderes fehlt.62 Die Hauptperson wird in den beiden ersten Strophen des Gedichts eingeführt mit Begriffen wie hold, jugendfrisch, still, licht, rein, Unschuld, rosig. Es folgt das Bild der schreckensbleichen Mutter, die am „Firmament“ den Feind sieht und sich die bevorstehenden Gräuel ausmalt. Die Feind-Stereotypen, die eingesetzt werden, sind ebenso klassisch wie drastisch: „Sie schonen das Kind nicht im Mutterleib, [...] sie schänden die Jungfrau, schänden das Weib“;63 auch die Bedrohung der Kirche kehrt wieder: „Und reißen vom Tabernakel heraus den Heiland im Sakrament!“ Ein gellendes „Daß Gott erbarm!“ der „Jungfrau“ folgt. „Und eine schreckensbleiche Lilie hält die Mutter im bebenden Arm“ – die Lilie als Symbol der Reinheit. Die zweite Szene zeigt die „Jungfrau“ in der Nacht kniend und weinend in der Kirche, wie sie den Entschluss fasst, den Tabernakel zu verteidigen und ihre Opferbereitschaft bekundet: „Frohlockend geb’ ich mein junges Blut, O Bräutigam, für dich preis!“ Die Anrufung des „Bräutigams“ macht sie zur Braut Christi – ein Status, den 60
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Das Schreiben schließt mit Grüßen an die Familie, auch im Namen seiner Frau und Tochter. Sie kannten einander offensichtlich näher. „Besonders herzlich gegrüßt ist Ihre verehrte Frau seitens meiner Frau u[nd] die Frl. Paula von unserer Maria. Die Paula ist höflichst eingeladen in die Sommerfrische zu uns zu kommen, wenn sie will.“ Bruder Norbert [Stock], Das Mädchen von Spinges, in: Andreas Hofer. Wochenblatt für das Tyroler Volk 4, 28 (14.7.1881), 251–252. [Stock], Das Mädchen von Spinges. Das Gedicht steht im Chronikteil zwischen der Rubrik „Thierkrankheiten“ und Leserbriefen. Vergewaltigungen sind vor allem in Zusammenhang mit dem Einmarsch der französischen Revolutionsarmee 1796 in deutschen Territorien dokumentiert. Planert, Der Mythos, 182–192. Im Kontext von 1809 sind kaum Fälle von Vergewaltigungen überliefert, was jedoch nicht ausschließt, dass solche Gewalttaten stattgefunden haben. Schennach, Revolte in der Region, 514.
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Nonnen innehaben, der zugleich die Verbindung zu Tugend und Keuschheit ausdrückt. Die dritte Szene handelt von der Schlacht. „Am Thor des Kirchleins hält sie Wacht, die Waffe in kräftiger Hand.“ Sie hört den nahenden Feind. Die Szene auf der Friedhofsmauer wird nicht ausgespart – im Gegenteil: Das Mädchen von Spinges gibt sich furios: Es naht, gehüllt in Pulverdampf, Der Feinde gedehnte Front. Hieher! – Dem Kirchlein gilt der Kampf, Das hoch am Hügel thront. Hui! – Auf der Friedhofsmau’r im Schwung Wie fliegend das Mädchen erscheint, Und hat schon mit der Gabel Schwung Begrüßt den ersten Feind. Und Stoß auf Stoß und Streich auf Streich! Tief gähnt des Todes Schlund; Bei jedem Stoß sinkt alsogleich Ein Franzmann in den Grund. Hoch steht und kämpft sie im flatternden Kleid, Von Todesgeschossen umsaust, Vom Segen des Sacraments gefeit – Den feindlichen Scharen graust. Es fliehen entsetzt wie vor Gottes Gericht, Und Keiner schaut mehr um – Das Mädchen kniet beim ewigen Licht Im einsamen Heiligthum.
Im gesamten Gedicht kommt der Name Katharina Lanz nicht vor. Es wird auch an keiner Stelle Bezug genommen auf die seit 1869 und 1870 kursierenden biographischen Elemente. Dafür tritt am Beginn des Gedichts ihre Mutter auf, die sonst nie vorkommt. Möglicherweise ist das Gedicht bereits vor 1881 entstanden, eventuell auch vor 1869 und der Verbreitung des Artikels über Katharina Lanz als spätere Pfarrersköchin. Sehr kämpferisch ist sie dargestellt. „Und Stoß auf Stoß und Streich auf Streich!“, klingt nach viel mehr Toten als den ansonsten üblichen drei Franzosen. Ergänzende Angaben zu Katharina Lanz folgen als Notabene auf das Gedicht. „Sie hatte von den entsetzlichen Gräueln vernommen, deren die Franzosen sich in Kirchen selbst gegen das Allerheiligste erfrecht. Das bewog sie am 2. April 1797 beim Kirchlein in Spinges, mit einer Heugabel bewaffnet, Wache zu stehen. In der That entspann sich gerade
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um den Friedhof, der das Kirchlein umgibt, ein äußerst hitziges Gefecht, an welchem sie sehr lebhaften Antheil nahm, und schon durch ihre Erscheinung die Feinde in Schrecken setzte.“64 Ein anderes Gedicht von Norbert Stock „Der Kampf bei Spinges“, 28 Strophen lang, diente vier Jahre später, am 12. August 1885, als Textgrundlage einer Aufführung in fünf Bildern im Innsbrucker Nationaltheater, wie das Landestheater damals hieß. Stocks Gedicht wurde „von einer Baronesse von Buol“ als Prolog zu den einzelnen Bildern vorgetragen.65 Die Aufführung veranstaltete der Patriotische Landeshilfsverein für Tirol unter der Leitung von Michael Stolz und unter Mitwirkung der Liedertafel anlässlich des zweiten österreichischen Bundesschießens. Daran nahmen Schützen aus dem österreichischen und deutschen Raum teil. In dessen Rahmen fand auch eine Sitzung des Gesamtausschusses des österreichischen Schützenbundes im Innsbrucker Landhaus statt. Teilnehmer aus Wien waren zahlreich vertreten, aber auch Festredner aus Frankfurt, Stuttgart und Gotha sind in den Berichten erwähnt. Selbst der Kaiser hielt sich in jenen Tagen in Innsbruck auf.66 Aus der Sicht Norbert Stocks handelte es sich um eine „Aufführung großartiger lebender Bilder, bezüglich auf die Schlacht bei Spinges“. In der Zeitung gab es Lob und im Theater Applaus: „Das im Parterre zahlreich, in den Logen spärlich versammelte Publikum nahm die Prologe, wie die Bilder insbesondere die letzten mit stürmischem Beifalle auf.“67 Doch fand der Kommentator zugleich, dass im Falle weiterer Aufführungen „eine etwas raschere Abwicklung wünschenswerth wäre“.68 Laut Ankündigung zog im ersten Bild Philipp von Wörndle vom Valserjoch nach Spinges herab, im zweiten war der Kampf bereits im Gange und Georg Fagschlunger trat auf. Das dritte Bild zeigte den Kampf bei der Friedhofsmauer und „das Mädchen von Spinges, Katharina Lanz aus St. Vigil in Enneberg“. Anton Reinisch war das vierte Bild gewidmet und dem Spingeser Kreuz das fünfte. 64 65
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[Stock], Das Mädchen von Spinges, 252. Stock, Der Tag bei Spinges, 69f, Anm. 2 (Erklärung). In der Besprechung der Aufführung Zum zweiten österreichischen Bundesschießen, in: Innsbrucker Nachrichten 183 (13.8.1885), 7–11, 9, ist ihr Vorname genannt, sie hieß Ida von Buol. In mehreren Nummern der Innsbrucker Nachrichten finden sich ausführliche Berichte darüber, inklusive der „Trinksprüche“. Zum zweiten österreichischen Bundesschießen, in: Innsbrucker Nachrichten 181 (11.8.1885), 5–10; 182 (12.8.1885), 5–12; 183 (13.8.1885), 7–11. Die Ausgabe vom 12. August kündigt die Aufführung an (S. 9) und am folgenden Tag wird sie kommentiert (S. 9). Norbert Stock firmiert hier als „bekannte[r] vaterländische[r] Dichter“. Joseph Maurer schreibt am Schluss seines Kapitels über Katharina Lanz: „Natürlich fehlte es auch nicht an den üblichen geistlichen und weltlichen Feierlichkeiten, bei denen namentlich die lebenden Bilder: ‚Darstellungen aus der Schlacht bei Spinges‘ gefielen.“ Maurer, Tiroler Helden, 112. Zum zweiten österreichischen Bundesschießen (13.8.1885), 9.
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III Heldinnenstoffe: Plots und transnationale Verflechtungen
Der dritte Abschnitt zum Mädchen von Spinges besteht aus fünf Strophen und ist im Gedicht übertitelt mit „Das Mädchen, noch allein auf dem Friedhof“. Der Heldin von Spinges wurde darin einmal mehr die Zuständigkeit für Religiöses zugeschrieben. Der Abschnitt beginnt mit der Ruhe in den trauten heimatlichen Bergen, in die der Feind nun eingedrungen sei. Das bereits bekannte Feindmotiv kehrt hier wieder. Wollen uns’re Unschuld morden Und mit fluchbedeckten Händen Uns’re Kirchen und Capellen, Uns’re Tabernakel schänden! Männer! Kämpft ihr für die Freiheit! Lasst das Vaterland nicht knechten! Für die Unschuld, für dies Kirchlein Will ich schwache Jungfrau fechten! Keines frechen Fremdlings Fußtritt Soll das Heiligthum beflecken, Will Altar und Tabernakel Noch mit meiner Leiche decken!69
Der folgende vierte Abschnitt zum tobenden Kampf nennt Bauern, Tirolerhelden und namentlich den Sturmhauptmann Anton Reinisch – nicht jedoch Katharina Lanz. Die ihr gewidmeten Passagen dieses Gedichts haben eine weitere Wirkungsgeschichte. Die zweite der hier zitierten Strophen ist an anderer Stelle bereits aufgetaucht, als Spruch der im Jahr 1897 von der Gemeinde gewidmeten Inschrift, die an der Spingeser Kirche angebracht wurde (Abb. 21). Dort heißt es rhythmisch flüssiger „Männer, kämpfet für die Freiheit“ und das Kirchlein und die Unschuld sind in der Reihenfolge vertauscht. Das Adjektiv, das die „Jungfrau“ charakterisiert, durchläuft eine Wandlung: In dieser ersten Fassung ist es – nicht untypisch für das Einpassen der Geschichte in ein Konzept, demzufolge sie nun nicht mehr, wie Stock früher geschrieben hat, „ungewöhnlich groß und stark“ dargestellt sein soll – die „schwache Jungfrau“. In den in Zusammenhang mit der Anbringung der Erinnerungstafel im April 1897 erscheinenden kurzen Meldungen im Chronikteil diverser Zeitungen ist es die „fromme Jungfrau“70 und in der künstlerisch-technischen Ausführung vor Ort, auf der Tafel selbst, steht schließlich: die „arme Jungfrau“. Diese Palette an schmückenden Beiworten – schwach, fromm und arm – spricht für sich selbst und 69 70
Stock, Der Tag bei Spinges, 70f. Erinnerungs-Tafeln, in: Tiroler Stimmen 82, 37 (12.4.1897), 3; Brixen, 8. April (Verschiedenes), in: Bote für Tirol und Vorarlberg 83, 81 (10.4.1897), 642.
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konstituiert ein geschlechtsspezifisches Repertoire. Die dritte der hier zitierten Strophen wird 1909 nochmals Verwendung finden. Das Jahr 1897 war – hundert Jahre nach Spinges – prädestiniert für das Zelebrieren von Erinnerung an die Schlacht von Spinges und deren Helden und Heldin. Dem unmittelbar voraus ging die Herz-Jesu-Landesfeier von 1896, anlässlich der ebenfalls verstrichenen ersten hundert Jahre, seitdem das Herz-Jesu-Bündnis in Bozen geschlossen worden war – eine katholisch-konservative Beschwörung des heiligen Landes Tirol.71 Neue Gedenktafeln wurden enthüllt, Zeitungsartikel und ein Buch über 1797 erschienen. Der Jurist Ferdinand Lentner (1840–1919), Professor für Straf- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck, daneben auch Kultur- und Literaturhistoriker, Schriftsteller und Musikliebhaber, verfasste neben Romanzen und Balladen, einem Buch über Mozart und einem Grundriss des Völkerrechts auch ein Werk mit dem Titel „Kriegspolitische Denkwürdigkeiten aus Tirols Befreiungskämpfen. Das Jahr 1797“.72 Im Kapitel „Der Entscheidungskampf zu Spinges. 2. April 1797“73 kehrt die obligate Heldinnenszene in neuer Abwandlung wieder: „Man sah hier auch eine Magd, den Faltenkittel zusammengebunden, die Haare zerzaust, in der vordersten Reihe stehen und mit der Heugabel die Feinde von der Mauer hinabstossen.“74 Er zitiert auch aus dem Bericht des damaligen Kuraten in Spinges Thomas Leimgruber an den Fürstbischof in Brixen, „über den Einfall der Franzosen“ und die entstandenen Schäden. Nach der Schlacht hätten die Feinde das Widum ausgeraubt und auch die Kirchenschlüssel gefordert „und da sie dieselben nicht bekamen, auch beim Messner nicht fanden, hauten sie mit der Axt an der Mauer der Kirchenthüre bis zum Schlusshaken und o Wunder! da giengen sie ohne die Kirchenthüre zu eröffnen, unverrichteter Sache wieder fort“.75 Eine Wundergeschichte wird hier erzählt. Lentner baut diese in seiner Schrift in einem späteren Kapitel „Die Heldenjungfrau von Spinges“ noch weiter aus. Zwar sei das Auftreten dieser „beherzten Waffengenossin“ nichts Besonderes angesichts „der mithelfenden treuen Assistenz, welche in diesen Kriegen die Weiber Tirols dem Mannsvolke leisteten“, doch mache „der Eifer, wel71
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Cole, Für Gott, Kaiser und Vaterland, 165–177. Als Quelle dazu siehe Sigmund Waitz (Hg.), Tirol im Jubeljahre seines Bundes mit dem göttlichen Herzen Jesu. Gedenkbuch der Säcularfeier im Jahre 1896, Brixen 1897. Abgedruckt ist darin auch der Titelkupfer aus dem „Tiroler Almanach“ von 1802 „Das Mädchen von Spinges“, ebd., 121. Lentner, Denkwürdigkeiten. In der „Vorbemerkung“ stellt er so auch die Bedeutung von Geschichte für das Völkerrecht heraus. Für die biographischen Angaben siehe ÖBL, Bd. 5 (Lfg. 22, 1970), 138. Neben den üblichen Quellen nennt er den Bericht von Simon Laichardinger, einem Unterjäger aus Wilten. Lentner, Denkwürdigkeiten, 67. Lentner, Denkwürdigkeiten, 75. Lentner, Denkwürdigkeiten, 67, 84.
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III Heldinnenstoffe: Plots und transnationale Verflechtungen
chen diese an Gestalt und Körperkraft ansehnliche Frauensperson in der Beschützung des Gotteshauses zeigte [...], die fromme Meinung begreiflich, dass sie ein auserwähltes Werkzeug in der Hand Gottes gewesen sei“.76 Es folgt eine ausgeschmückte und pathetische Lebensgeschichte der Katharina Lanz, teleologisch auf ihre religiös motivierte Heldentat hin orientiert: „Während sich andere Mädchen nach Feierabend scherzend und tändelnd auf der Strasse ergiengen, zog sich Katharina in die Stille des Gotteshauses zurück, wo man sie oft vor den Bildern des Gekreuzigten und der heiligen Jungfrau inbrünstig beten sah.“77 Mit den Initialen F. L. erschien im selben Jahr im „Boten für Tirol und Vorarlberg“ der Artikel „Der Tag von Spinges“. Sehr wahrscheinlich handelt es sich beim Verfasser um Ferdinand Lentner.78 Die Passage zum Geschehen auf der Friedhofsmauer lautet: „Eine Bauernmagd von Spinges half bei der verzweifelten Gegenwehr mit und stieß, im Kugelregen standhaft ausharrend, mit der Gabel viele der Stürmer hinab in die Tiefe.“79 Am Ende des Textes folgt auf die Kampfschilderung zum 2. April ein eigener Abschnitt über „das Mädchen von Spinges“. Der Autor merkte an, „das Mädchen von Spinges“ sei in den Schilderungen „nur mit wenigen Worten äußerst discret erwähnt“. Erst 1882, „als der Bezirksrichter Kaspar Ruepp, damals in Enneberg, mit Dr. Hechenberger in Innsbruck in einem Kreise vaterländischer Geschichtsfreunde eine Sammlung zur Errichtung einer Gedenktafel für die Heldin von Spinges einleiteten, wurde der Wunsch rege, eine möglichst getreue Lebensbeschreibung dieser tirolischen Glaubensheldin zu besitzen“. Daran schließen die üblichen biographischen Daten zu Katharina Lanz an. Unter anderem heißt es hier: Beim „Grundbesitzer Mayr in Spinges“ sei sie „wegen ihrer Arbeitsamkeit und Munterkeit sehr beliebt“ gewesen und „wie eine Haustochter gehalten“ worden. Verstorben sei sie „tief betrauert vom Landvolke“.80 Motive und Erzählstränge vervielfältigten sich und tauchten in den Renarrationen und Reaktualisierungen in unterschiedlichen Zusammenhängen und Formen auf, relativ unbekümmert hinsichtlich etwaiger Widersprüche. Geprägt sind die Plots zum Teil hagiographisch – bei Lentner ist „das Mädchen von Spinges“ eine „Glaubensheldin“ –, zum Teil kämpferisch, national und patriotisch. Stephanie Himmel sieht ausgehend von der medialen Inszenierung des Jeanne-d’Arc-Mythos in der Ambivalenz der Deutungsangebote das Erfolgsgeheimnis des Heldinnenstoffes. Dabei handelt es sich um verschiedene, ihrer Struktur nach aus anderen Geschichten bekannte und daher anschlussfähige „hero 76 77 78 79 80
Lentner, Denkwürdigkeiten, 101. Lentner, Denkwürdigkeiten, 103. F[erdinand] L[entner], Der Tag bei Spinges, in: Bote für Tirol und Vorarlberg 83, 74 (2.4.1897), 586–587. L[entner], Der Tag bei Spinges, 587. L[entner], Der Tag bei Spinges.
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patterns“, die rekonfiguriert werden.81 Die Transmedialität, also das Transferieren des Stoffes von einem Medium in ein anderes, spielte dabei eine zentrale Rolle. Zum Teil auf Stock und Lentner aufbauend setzten sich in den Plots, die in Theaterstücken und Erzählungen über Katharina Lanz begegnen, vor allem die stark religiös gefärbten Interpretationen und Vereinnahmungen weiter fort.
3 Katharina Lanz als literarische Figur …
Das ausgehende 19. und beginnende 20. Jahrhundert verewigte Helden und Heldinnen nicht nur in Form von steinernen Denkmälern, sondern vermehrt auch in literarischen Bearbeitungen für ein breiteres Publikum. Das gilt für den Andreas-Hofer-Stoff, der in dieser Zeit einen „großen Boom“ erlebte,82 wie für Katharina Lanz, die in einer Reihe von Theaterstücken und Erzählungen die Hauptrolle oder zumindest eine tragende Rolle spielte. Dieser Zeitraum kann als Höhepunkt der Präsenz der Figur in den genannten Genres gewertet werden. Typisch für das narrative Modell eines solchen populären Stoffes ist der Rekurs auf „Erzählmuster wie Märchen, Exempelliteratur oder Heiligenviten“, die „aus den symbolischen Ressourcen des kollektiven Gedächtnisses schöpfen“ und daraus – mit viel Pathos – ihren Wirkungs- und Unterhaltungseffekt erzielen.83 Je nachdem, welches narrative Ziel die Autoren und Autorinnen verfolgt haben, sind die Motivkomplexe und Erzählstränge in den literarischen Bearbeitungen unterschiedlich ausgewählt, organisiert und verknüpft. Anhand sechs solcher Darstellungen soll dies im Folgenden skizziert und kommentiert werden. Wie der Stoff konkret be- und verarbeitet wurde, erlaubt Einblicke in die Textur dieser religiös und national konturierten Zeit wie auch in zeitgenössisch kursierende Geschlechterbilder und -normen. Zugleich verdeutlichen die Werke den Gebrauch und die Indienstnahme von Geschichte. 81 82
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Himmel, Von der „bonne Lorraine“, 96f. Cole, Für Gott, Kaiser und Vaterland, 240. Zwar ist in Bezug auf Andreas Hofer zu berücksichtigen, dass in Österreich vor 1848 die strenge Zensur „eine allgegenwärtige Bedrohung“ darstellte und massiv eingriff: „Lieder über Hofer waren in der Ära Metternich grundsätzlich verboten.“ Hier spielten noch andere Faktoren eine Rolle, die auf Katharina Lanz so nicht zutreffen: „Erstens vollzog sich ein Wandel in der Einstellung des Wiener Hofes, der den Hoferkult mehr und mehr unterstützte; zweitens ermöglichte die Lockerung der Zensur nach 1860/61 die vermehrte Produktion von Werken über Hofer, unter anderem von Zeitzeugenberichten, die es konservativen Autoren ermöglichten, der einflußreichen Anti-Hofer-Geschichte Hormayr entgegenzutreten; drittens spielte der Kulturkampf zwischen den Katholisch-Konservativen und den Liberalen die entscheidende Rolle in diesem Prozeß.“ Ebd., 247. Himmel, Von der „bonne Lorraine“, 63.
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III Heldinnenstoffe: Plots und transnationale Verflechtungen
„Kathi“ mit der Herz Jesu-Fahne von Joseph Seeber
Von Joseph Seeber erscheinen 1896 in Bozen, in Mundart verfasst, „Szenen aus dem Befreiungskampfe Tirols 1796/97“ unter dem Titel „Spinges“. Dies sei – so der Verfasser – „kein Drama im strengsten Sinn des Wortes, sondern mehr oder minder lose aneinander gereihte Skizzen der historischen Vorgänge“. Katharina Lanz wird in den Vorbemerkungen zwar eine zentrale Rolle zugewiesen, nämlich jene als „Symbol“ des „Tiroler Volkes“, jedoch könne das Mädchen von Spinges „der Natur der Sache nach nicht als die leitende und treibende Kraft so hervortreten, wie das historische Drama es verlangt“.84 Das Mädchen von Spinges, in der Liste der handelnden Personen unter dem Namen Kathi Lanz zu finden, ist aus Seebers Sicht demnach keine dramafähige Figur. Der in Bruneck geborene Joseph Seeber (1856–1919) war Schriftsteller und – in dem Stück unverkennbar – Geistlicher, einige Jahre auch Lehrer im Vinzentinum in Brixen, Vertreter einer „Alttiroler konservativ-klerikalen Position“.85 Er war vor allem in Sachen „Herz-Jesu“ aktiv, hat den „Festgruß zur Säcularfeier des Bundes Tirols mit dem göttlichen Herzen Jesu“ herausgegeben und auch das Herz-Jesu-Bundeslied „Auf zum Schwur Tiroler Land“ getextet. Als „Quellenmaterial“ für seine Spingeser „Szenen“ nennt er als erstes Norbert Stocks Schrift „Der Tag bei Spinges“. Das Stück beginnt 1796 und damit im Jahr des Herz-JesuBündnisses. Kathi wird gleich in der ersten Szene, die in Bozen spielt, eingeführt und als sehr religiös gezeichnet. Der zweite Akt bringt die französischen Militärs beim strategischen Planen und in Wirtshausgesprächen auf die Bühne. Der dritte Akt handelt vom Tag der Schlacht. Kathi fordert, nicht auf den Landsturm, sondern auf das Herz-Jesu zu vertrauen im Kampf gegen die „wälschen Lumpen“.86 In der Schlachtszene bringt Kathi den Männern Wasser, versorgt Verwundete und als der Kampf schon aussichtslos ist, erscheint sie – in einem zweiten großen Auftritt – mit der Herz-Jesu-Fahne in der Hand, „steigt auf die Mauer und ruft den Franzosen zu: ‚Zurück! Kennt ihr den da?‘“ 87 Und die Feinde fliehen schließlich. In der Rolle der versorgenden, zwar mutigen, aber kein Blut vergießenden Katharina Lanz sind die Bezüge zur Geschichte bei Norbert Stock deutlich. An die Stelle der Heugabel tritt hier die Herz-Jesu-Fahne. Der insgesamt starke Herz-Jesu-Bezug dürfte dem Erscheinungsjahr 1896 geschuldet sein. Wiederholt tauchen in dem Stück die Begriffe „wälsch“, der „Wälsche“ oder „die Wälchen“ als Bezeichnung für die Franzosen auf. In den früheren Texten lauteten die abschätzigen Titulierungen des Feindes anders: Man nannte 84 85 86 87
J[oseph] Seeber, Spinges. Szenen aus dem Befreiungskampfe Tirols 1796/97, Bozen 1896, 3. ÖBL, Bd. 12 (Lfg. 55, 2001), 96. Seeber, Spinges, 58f. Seeber, Spinges, 69.
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sie „Franken“ oder „Franzmänner“. Hinter den veränderten Begriffen, die in der Folgezeit öfter noch aufscheinen, kann eine Parallelisierung von Feindbildern und damit zugleich eine Aktualisierung des antifranzösischen Kampfes angenommen werden. Denn als „welsch“ wurden vornehmlich die Italiener bezeichnet. Mit der italienischen Nationalbewegung und insbesondere mit den Autonomiebestrebungen im Trentino, damals „Welsch tirol“, hatte sich deren Position zu einem Szenario verändert, in dem in deutschsprachigen Kontexten feindliche Konnotationen gegenüber Italien dominierten. Umso bemerkenswerter ist einerseits die Vereinnahmung der Ladiner, einer romanische Sprachgruppe, durch die Deutschtiroler und andererseits auch deren Selbstpositionierung als kaisertreue Habsburger, was in der Folgezeit von Seiten prohabsburgischer Autor*innen aus propagandistischen Gründen stark betont werden sollte, vor allem im Fall der Katharina Lanz.
Trindl, die „merkwüridge Tirolerin“ von Otto von Schaching
Der aus Bayern stammende Schriftsteller und Redakteur Otto von Schaching beziehungsweise Viktor Martin Otto Denk (1853–1918)88 veröffentlichte 1896 in Regensburg die Erzählung „Das Mädchen von Spinges. Eine Tiroler Geschichte“. Der auf fast hundert Seiten elf Kapitel umfassende Text89 ist durchzogen von Klischees über das „gewöhnliche Landvolk“. Die Geschichte beginnt damit, dass Katharina Lanz – hier „Trindl“ genannt – zum Kuraten in Spinges kommt und um Papier bittet, weil sie ihr Erspartes vor den heranrückenden französischen Truppen verstecken will. Auf dem Zettel soll stehen, dass sie die Hälfte der Kirche von Spinges vermache, die andere Hälfte ihrer Mutter. Beim Gedanken an die Franzosen zeigt sie sich kämpferisch „Katharinas Augen strahlten wie in männlichem Mute.“90 In den folgenden acht Kapiteln entspinnt sich eine unglückliche Liebes88
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(Viktor Martin) Otto Denk – Künstlername Otto von Schaching – war Volksschullehrer in Vilshofen und wurde während des Kulturkampfs entlassen. Ab 1872 fungierte er als Schriftleiter der „Katholischen Schulzeitung“, später war er Lehrer am österreichischen Hospiz Santa Maria dell’Anima in Rom. Anschließend studierte er in Breslau und München Philologie und Geschichte. Nach einer Gefängnisstrafe wegen seiner Redakteurstätigkeit für ein politisches Blatt ging er als Lehrer nach England. Ab 1888 unterrichtete er wieder in Bayern und war Schriftleiter diverser Zeitschriften, darunter der Familienzeitschrift „Deutscher Hausschatz“. Im Jahr 1910 gründete er die katholische Monatsschrift „Der Aar“. Er wurde zum königlichen bayerischen Rat ernannt. „Er verfaßte Unterhaltungsliteratur mit volkstümlichen und historischen Themen […] sowie patriotische und historische Schriften.“ Hans Michael Körner u. Bruno Jahn, Große bayerische biographische Enzyklopädie, München 2005, 346. Otto von Schaching, Das Mädchen von Spinges. Eine Tiroler Geschichte, in: ders., Geschichten aus dem Volke, Regensburg 1896, 183–278. Schaching, Das Mädchen, 189.
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geschichte, sodass die Heldin beschließt, sich einen neuen Dienst zu suchen, „weit weg von Spinges“.91 Im Gefecht ist Katharina Lanz an mehreren Schauplätzen und in unterschiedlichen Rollen präsent: Sie bringt den kämpfenden Männern Essen und Trinken, dann folgt die ausgeschmückte Szene auf der Friedhofsmauer: „Katharina überflog mit leuchtendem Blicke das Gewühl. Jetzt zuckte es in ihren Augen auf, ihr schönes Gesicht strahlte wie von höherem Mute übergossen. Im Nu raffte sie eine Heugabel, welche neben einem getöteten Manne aus der Rettenberger Gegend lag, schürzte ihre Kleider hoch und eilte nach der Mauer, wo sie sich sofort unter die Sturmmänner mischte. Gleich darauf bot sich Freund wie Feind ein überraschender Anblick: auf der Mauer erschien eine weibliche Gestalt, deren reiches Haar losgelöst um ihren Nacken flatterte. Mit kraftvollem Arme führte sie eine scharfe Heugabel und stieß jeden Franzmann, der den Versuch machte, den Wall zu erklimmen, zurück. Das Beispiel der Heldenjungfrau entflammte die Tiroler zur äußersten Tapferkeit. Sie schien unverletzbar zu sein; denn kein Schuß, kein Stich macht sie unschädlich. Katharina Lanz – denn sie war die Heldin – glich jetzt einem von übernatürlichen Mächten geleiteten Wesen, einer Jungfrau von Orleans; kaum erkannte man sie wieder. Aus ihren Augen loderten Blitze, auf ihrer Stirn thronte fast sichtbar die Verachtung des Todes, der ihr drohte; ihre Gestalt schon von einem Zauber umhüllt. Begeistert jubelten ihre Landsleute ihr zu.“92 Sie rettet zudem ihrem Dienstgeber das Leben und zweimal – nach der Schlacht und am folgenden Tag beim Abzug der französischen Truppen – tritt sie als „Abwehr“ und „Schutzwache“ vor der Kirchentür mit der Heugabel in der Hand auf: „Vor der Kirchthüre aber stand eine hoch aufgerichtete Mädchengestalt in entschlossener Haltung mit einer zur Abwehr vorgestreckten Heugabel. Es war die Heldin Katharina Lanz. Sie allein wollte nicht von der Kampfesstätte weichen, denn ihre Aufgabe war noch nicht zu Ende geführt. Das fromme Mädchen wollte die Schutzwache des göttlichen Heiligtums sein, um es vor Schändung und Frevel zu hüten [...]. Schar um Schar der Feinde zog an der Kirche von Spinges vorüber. Und keiner der wilden Gesellen wagte sich der Jungfrau zu nähern.“93 In dieser Erzählung ist nahezu die gesamte Palette an Motiven präsent: Die Heldin, charakterisiert über „männlichen Mut“, den „kraftvollen Arm“ und Todesverachtung, einerseits tapfer kämpfend und lebensrettend, andererseits allein durch ihre Präsenz die Feinde abschreckend, mit der Jungfrau von Orleans verglichen, zugleich in der karitativpflegenden Rolle dargestellt und dazu noch in eine unglückliche Liebesgeschichte verstrickt. Religiöse Bezüge tauchen auf, inklusive des Wundermotivs. Mögliche Ambivalen91 92 93
Schaching, Das Mädchen, 254. Schaching, Das Mädchen, 261f. Schaching, Das Mädchen, 263f.
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zen und Transgressionen der Heldin löste der Autor gleich zu Beginn und auch im Verlauf der Erzählung, indem der Kurat sie als „merkwürdig“ und „ganz anders“ als die anderen beschreibt.94 Wie auch schon die frühe Rezeption des Mädchens von Spinges und seiner Heldentat über die Grenzen der Habsburgermonarchie hinaus, vornehmlich im süddeutschen Raum, zeigt sich auch in dieser späteren, vom politischen Katholizismus geprägten Phase eine transnationale Verständigung im deutschsprachigen katholisch-konservativen Milieu, das in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in Deutschland vom Kulturkampf getragen war, aus dem Kirche und Katholizismus, so das Fazit von Karl-Egon Lönne, letztlich gestärkt hervorgingen.95
„Eine Verborgene“ von Marie Buol
Von Marie Buol (1861–1943) ist in zwei Auflagen – 1903 und in einer überarbeiteten Fassung 1910 – der Band „Das Geheimnis der Mutter“ erschienen. Darin handelt eine Erzählung unter dem Titel „Eine Verborgene“ von Katharina Lanz.96 Marie Buol war eine in Innsbruck geborene und ab ihrem sechsten Lebensjahr in Kaltern lebende Dichterin und Dramatikerin. Ihr Vater war der Generalreferent der österreichischen Landschaft Franz Buol (1823–1875).97 Ihre väterliche Großmutter war Marianna Freiin Giovanelli, ihre Mutter war die Tochter des Joseph Freiherr Di Pauli von Treuheim – Namen, die in den katholischenpatriotischen und politischen Netzwerken immer wieder auftauchen. Dem Eintrag in der „Deutschen Biographie“ zufolge genoss sie „häuslichen Unterricht und die Freundschaft verschiedener konservativer Adliger Südtirols“.98 Sie gilt als katholische „Volkserzählerin“. Die Erzählung zeigt Katharina Lanz als Pfarrersköchin im Alter, seit vierzig Jahren in Diensten im Haus des Kuraten von Colle Santa Lucia, Antonio Alton. Charakterisiert 94 95
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Schaching, Das Mädchen, 192. Zum politischen Katholizismus in Deutschland zwischen 1870 und 1918 sowie zur spezifischen Positionierung Bayerns beziehungsweise Süddeutschlands siehe Lönne, Politischer Katholizismus, 151–192, 170. M[arie] Buol, Eine Verborgene, in: dies., Das Geheimnis der Mutter und andere Erzählungen, Bozen 1903, 211–237 (Bozen 19102, 201–226). Vgl. ÖBL, Bd. 1 (Lfg. 2, 1954), 126–127, 126. Marie Buol verfasste 1909 das Drama „Des Mahrwirts Weib“ – Peter, Mayr, der Mahrwirt, war ein Held in den Freiheitskämpfen von 1809. Ein Vierteljahrhundert nach der Geschichte über Katharina Lanz erschien im Jahr 1927 ihre Biographie zu Maria von Mörl „Ein Herrgottskind. Lebensbild der ekstatischen Jungfrau Maria von Mörl aus dem dritten Orden des heiligen Franziskus“. Siehe dazu Priesching, Maria von Mörl. Anton Dörrer, Maria Anna Freiin Buol von Berenberg, in: Deutsche Biographie, Bd. 3, Berlin 1957, 22.
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wird sie über ihren „frohen Sinn und ihre unverwüstliche Arbeitskraft“, als „stattliche, anziehende Erscheinung mit den schneeweißen Haarflechten [...], rosigen Wangen“ und „fröhlichen blauen Augen“.99 Sie sei „im ganzen Tale, besonders aber in den Weilern, deren Gesamtheit die Gemeinde Colle Santa Lucia ausmachte, eine bekannte und beliebte Persönlichkeit“ gewesen und habe stets kranken Tieren und Menschen geholfen.100 Rahmen der Erzählung ist das Tischdecken, Servieren und Einnehmen des Mittagessens, zu dem Giovanni Maneschg später hinzukommt. Die zentrale Aussage ist, dass sich die Pfarrersköchin im Zuge dieses Mittagessens und der dabei geführten Gespräche veranlasst sieht, sich als „das Mädchen von Spinges“ zu erkennen zu geben. Daran schließt die Bitte des Kuraten an, weiterhin darüber zu schweigen. Daneben läuft ein zweites Motiv mit, in dem es um die Positionierung der Ladiner im deutsch-italienischen Nationalitätenkonflikt Anfang des 20. Jahrhunderts geht. Aussagekräftig sind in Hinblick darauf vor allem die Änderungen am Text in der zweiten Auflage gegenüber der ersten. Auf diese zweite Erzählebene wird in einem späteren Abschnitt gesondert eingegangen. Die ‚Entdeckung‘ der Identität der Heldin wird ausgelöst durch die Begeisterung von Giovanni Maneschg für die Ereignisse von Spinges und die scharfe Reaktion des Kuraten Alton, der „das Mädchen von Spinges“ in die Kategorie der „Mannweiber“ einreiht und die Sündhaftigkeit seines Tuns betont. Dem liegt die Frage der Vereinbarkeit der im Krieg „entfesselten Leidenschaften“, die auch auf Frauen überspringen konnten, der Figur einer kriegerisch-kämpferischen Heldin einerseits mit dem katholischen Weltbild beziehungsweise dem über das „hausmütterliche Walten“ geprägten Frauenbild andererseits zugrunde. Über die Ereignisse von Spinges 1797 spricht Franz Pfaundler als Pfarrer. Sein Bericht endet in der Ausgabe von 1903 mit dem „Rasen und Toben des Kampfes um die Kirchhofmauer …“. In der Ausgabe von 1910 folgt anstelle der drei Punkte der Halbsatz: „wo plötzlich die geheimnisvolle Heldenjungfrau mitten unter den Landstürmern erschienen ist“.101 Ausgerechnet Franz Pfaundler, der die Existenz der Heldin stets bestritten hat, wird diese Aussage hier in den Mund gelegt. Maneschg, dessen Hang zum Musischen bereits zuvor in der Erzählung mehrfach angedeutet ist, dichtet daraufhin spontan ein „Epos“. Er stemmt eine Faust auf den Tisch und deklamiert ziemlich blutrünstige Verse:102 99
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Buol, Eine Verborgene, 1903, 214. In der Ausgabe von 1910 ist sie beschrieben als „noch immer rüstig zur Arbeit und stramm und stattlich von Gestalt“, mit „edlen, etwas scharfen Zügen“ und „dunklen Augen, die bald wehmütig bald schalkhaft blicken konnten“. Buol, Eine Verborgene, 1910, 204. Buol, Eine Verborgene, 1903, 215. In der Ausgabe von 1910 fehlt das „beliebt“ und statt Colle Santa Lucia steht Buchenstein. Ebd., 1910, 205. Buol, Eine Verborgene, 1903, 223; ebd., 1910, 213. Buol, Eine Verborgene, 1903, 223f; ebd., 1910, 213.
3 Katharina Lanz als literarische Figur …
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Wild um die Kirchhofsmauer braust Der blut’ge Kampf: mit eh’rner Faust, Ein Mägdlein steht, ein tapfres Kind, Die dunkle Locke fliegt im Wind, Die Wange färbt des Zornes Rot,103 Die hochgeschwungne Waffe droht. Das ist kein Weib von schwachem Mut, Sie scheut nicht Leichen, scheut nicht Blut, Und wer nicht eilends rückwärts weicht, Den hat ihr starker Arm erreicht.104 Es flieht der Feind, und wie ein Held Steht hoch die Jungfrau auf dem Feld105 Und hebt empor die blut’ge Hand – Gerettet ist das Vaterland!106
Die beiden geistlichen Herren diskutieren über das Gedicht, über kämpfende Frauen und über das Mädchen von Spinges, die dabei als „Genius des Vaterlandes“ und als „Muttergottes selbst“ firmiert. Damit ist ein Maximum an Überhöhung der Figur erreicht. In der späteren Fassung lautet dieser Passus: „Andere sagen, die Himmelskönigin selber habe an jenem Tage mit den Tirolern gekämpft.“107 Katharina verwehrt sich gegen diese Sichtweise. Als der Kurat Frauen, die eine „andere Waffe führen, als die des Gebetes“ kritisiert und die Tötung der Feinde im Gefecht als „Schuld“ deklariert, von der er „jene Person in keiner Weise freisprechen“ könne,108 gesteht Katharina – der Ohnmacht nahe –, dass sie dieses Mädchen gewesen sei. Der Kurat kann es nicht fassen: „Seine Katharina …! Die Hand, die seit Jahren für ihn sorgte, die in Küche und Wäscheschrank so hausmütterlich waltete und ihm, wenn er krank war, die Arznei reichte, diese nämliche Hand hatte einst eine totbringende Waffe geschwungen!“ Darauf folgt ihre Version der Ereignisse mit dem Fazit: Dass dies eine Sünde gewesen sei, hätte sie sich nie gedacht. „Diese weinende Greisin mit dem tiefgesenkten, weißen Haupte, das war also die vielbesprochene, die vielbesungene, die fast zur Mythe gewordene Heldin von 1797! Der Schleier des Geheimnisses war zerrissen – die 103 104 105 106 107 108
In der Fassung von 1910: „Es glüht vom Zorn die Wange rot“. In der Fassung von 1910: „Den hat ihr kühner Arm erreicht.“ In der Fassung von 1910: „Die Jungfrau steht am Todesfeld“. In der Fassung von 1910: „Gerettet ist mein Vaterland!“ Buol, Eine Verborgene, 1903, 225; ebd., 1910, 214f. Buol, Eine Verborgene, 1903, 226f; ebd., 1910, 216f. Das Mädchen ist hier nicht „keck“, sondern „unbescheiden“. Insgesamt ist es etwas anders formuliert.
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III Heldinnenstoffe: Plots und transnationale Verflechtungen
Gestalt aber nicht kleiner geworden.“ Der Kurat erteilt ihr schließlich die Absolution und bittet sie weiterhin darüber zu schweigen.109 Im Schlusspassus über „ein militärisches Begräbnis“ für die Heldin wird dieses dreifach konnotiert: „Für Katharina Lanz, für die Ehre Ladiniens, für das Mädchen von Spinges.“110 Zentrales Motiv dieser ausgeschmückten Geschichte des ‚Enttarnens‘ und Identifizierens der Heldin sind Frauenrollen und die Legitimität oder Nicht-Legitimität, diese Rollen zu überschreiten, die rhetorisch in Argumenten und Gegenargumenten von zwei unterschiedlich ranghohen Geistlichen definiert werden. Die Erzählung wirbt gleichzeitig um Verständnis für die Tat der Heldin wie für die theologisch-kirchliche Sichtweise – als zunächst gegensätzliche Positionen, die am Schluss miteinander versöhnt werden. Der Text arbeitet mit Polarisierungen und Ambivalenzen: So werden Mannweiber und Hausmütterchen, Gebet und Waffen, die mythische Heldin und die weinende Greisin einander gegenübergestellt. Das religiöse Überhöhen der Figur bis hin zum Vergleich mit der „Gottesmutter“ bringt den Wendepunkt in dieser Erzählung, indem sich Katharina gegen eine solche Sicht verwehrt. Doch ist gerade dieser Aspekt integrativer Teil der Heldinnenkonstruktion.
„Kathl“ und ihr Geheimnis von Hans Heiden-Herrdegen
Von Hans Heiden-Herrdegen erschien 1909 in Wien „Katharina Lanz. Das Mädchen von Spinges. Drei Bilder aus der Heldengeschichte Tirols“.111 Ein Kritiker bezeichnet ihn in einer Besprechung des Stücks als „vielversprechenden Poet aus Jungösterreich“.112 Als seine Absicht deklariert der Verfassers im Vorwort zum Drama, „bei treuem Festhalten an den historischen Tatsachen und ohne Zugabe theatralischer Effekte drei dramatische Bilder“ schaffen zu wollen, „die als Ganzes genommen eine ruhmeswerte Episode aus der Heldengeschichte der Tiroler Freiheitskämpfe darstellen“. In dieser, im Lauf des Jahrhunderts von Sagen umwobenen Gestalt, „die in der Volksseele fast wie eine Heilige verehrt wird“, sieht 109 110 111 112
Buol, Eine Verborgene, 1903, 235; ebd., 1910, 224. Buol, Eine Verborgene, 1903, 237; ebd., 1910, 226. Hans Heiden-Herrdegen, Katharina Lanz, das Mädchen von Spinges. Drei Bilder aus der Heldengeschichte Tirols, Wien 1909. S. Sch., „Katharina Lanz, das Mädchen von Spinges“ – Drei Bilder aus der Heldengeschichte Tirols. Von Hans Heiden-Herrdegen-Wien 1909/K. Konegen Vlg., in: Österreichische Illustrierte Zeitung 46 (15.8.1909), zit. nach Steinmair, Heilig-Grab-Denkmäler, 569f. Der Autor behandle mit „stellenweise zündender dramatischer Wucht eine Reihe von Episoden aus jener kraftvollen Empörung der Tiroler Heimatliebe und Glaubensstärke gegen die französische Invasion 1797 und 1809“.
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er „eine rührende Schlichtheit und unbewußtes Heldentum“. Die ihr vielfach angedichtete „Pose des Heldentums“ gäbe „ihrer wahren Größe etwas Oberflächliches“ und würde „sie mit anderen weiblichen Helden in eine Schablone“ pressen. Seiner Ansicht nach liege „ihr wahres Heldentum [...] in etwas ganz anderem, als wessen man sie verehrt“. Sie habe, wie viele andere Frauen, für die Freiheit ihres Volkes mitgekämpft. „Was ihr eine Sonderstellung in der Geschichte verleiht, ist das Geheimnis, mit dem durch Jahrzehnte ihre Gestalt umgeben war und das sie selbst [...] bis kurz vor ihrem Tode bei sich bewahrte.“113 An anderer Stelle wiederholt er nochmals, dass ihr „wahres Heldentum“ in dem von „religiöser Einfalt“ angetriebenen Schweigen liege, dem er mit seinen Bildern nun einen „Denkstein“ setzen möchte.114 Im Vorwort heißt die Heldin zwischendurch auch „Kathl“, im Personenverzeichnis zum ersten Bild zwar „Katharine Lanz, Magd am Jochenhof“, im Stück wieder durchgängig „Kathl“. Die als von Wörndle-Zitat ausgewiesene Belegstelle entspricht dem Original nicht einmal annähernd: „An der Friedhofsmauer soll auch eine Magd von Spinges tapfer gekämpft haben.“ Spinges liegt hier irgendwo im Tal, nicht auf einer Anhöhe; die Mundartvariante trifft das Lokalkolorit nicht so ganz. Das erste Bild ist im Vorfeld der Schlacht von Spinges angesiedelt. Katharina zeigt sich primär kämpferisch. Mehrfach betont sie, dass es um den Glauben und um das Land gehe. Alle, einschließlich der Frauen, sollten zusammenhelfen, die Franzosen zu vertreiben, „dö Bluathund, dö Antichristen, alle sollt ma z’amm’helf ’n – alle, a mir Weiber“.115 Vorbeikommenden Schützen gibt sie Milch zur Stärkung. Sobald der Schlachtlärm lauter wird, begibt sie sich – unter der Regieanweisung: „Ekstase bis zum Schluß des Aktes“ – ‚hinunter‘ nach Spinges, denn sie fühle sich stark, „wia a Mannsbild“.116 Die Grenzen und Überschreitungen des Geschlechts sind hier immer wieder explizit Thema. Das zweite Bild spielt bei der Spingeser Friedhofsmauer. Katharina versorgt zunächst Verwundete, greift dann aber zur Mistgabel „und erscheint auf der Mauer“.117 Das dritte Bild ist nach Andraz verlagert, es ist der 8. Juli 1854, der Todestag von Katharina Lanz. Beim Kuraten in der Stube sind Gespräche über die Ereignisse 1797 in Spinges und über die Heldin im Gange: „Da – kam sie – Gottes Hilfe, in Gestalt einer Bauernmagd, die sich plötzlich in die Reihen und an die Spitze der Kämpfer stellte und den unsrigen zum Siege verhalf.“118 Als Mutmaßungen über ihre Identität das Gespräch beherrschen, wird Katharina zusehends unruhig und schließlich von einer Schwäche befallen und ohn113 114 115 116 117 118
Heiden-Herrdegen, Katharina Lanz, IIIf. Heiden-Herrdegen, Katharina Lanz, V. Heiden-Herrdegen, Katharina Lanz, 11. Heiden-Herrdegen, Katharina Lanz, 24. Heiden-Herrdegen, Katharina Lanz, 47f. Heiden-Herrdegen, Katharina Lanz, 62.
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III Heldinnenstoffe: Plots und transnationale Verflechtungen
Abb. 28: Hans Heiden-Herrdegen, „Katharina Lanz“, 1909 erschienen, Zensurexemplar. Das Stück wurde 1910 von der Exl-Bühne in Wien aufgeführt und musste vorher der Zensurbehörde vorgelegt werden.
mächtig. Als sie zu sich kommt, fragt der Kurat, ob sie es gewesen sei, was sie schluchzend bejaht. Der Kurat tröstet sie, sie stirbt kurz darauf. Ähnlich wie in die Erzählung von Otto von Schaching ist in dieses Stück die gesamte Bandbreite an Motiven hineingepackt: die versorgende, die auf der Friedhofsmauer kämpfende, die vor der Kirchentür stehende und die Franzosen allein dadurch abschreckende Katharina Lanz. Das letzte Bild erinnert stark an die Erzählung von Marie Buol „Die Verborgene“. Es ist anzunehmen, dass diese beiden Texte Heiden-Herrdegen bekannt waren. Neu ist die Klage der Heldin über ihr Geschlecht: Warum Gott sie eine Frau habe werden lassen. Das Blut, das sie vergossen habe, quäle sie im Alter. Sie wisse nicht, wie das damals gekommen sei, „daß i Menschen um’bracht hab“.119 Wie schon bei Stock wird auch bei Heiden-Herrdegen ihre Heldentat im Bewahren des Geheimnisses gesehen. Beim Theater119
Heiden-Herrdegen, Katharina Lanz, 72.
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kritiker ist diese zentrale Botschaft angekommen: Ein „seltsam eigenartiges menschliches Schicksal“, schreibt er, sei im Stück geschildert, „dessen wahres, wenn auch undramatisches Heldentum im Schweigen und Entsagen liegt, im Verzicht auf weibliches Erdenglück und irdischen Ruhm“. Sie werde in „der Tiroler Volksseele [...] fast einer Heiligen gleich verehrt“. Und er hebt die „unsagbare Keuschheit der Gesinnung“ hervor, „mit welcher sie jeder Berührung durch den lüsternen Tagesruhm“ ausgewichen sei, was ihr „ein so viel edleres menschliches und weibliches Relief“ gebe als anderen an Kämpfen beteiligten Tirolerinnen.120 Die 1902 gegründete Tiroler Exl-Bühne führte das Stück am 1. Juni 1910 am JohannStrauss-Theater in Wien auf. In diesem Zusammenhang wurde es zensurpolizeilich geprüft (Abb. 28). Der Zensor sah „ein anschauliches Stimmungsbild der damaligen grossen Zeit und des heldenmütigen Patriotismus der Tiroler“ und ein durch und durch „von Begeisterung für Tirols grosse Zeit und deren Helden“ getragenes Bühnenstück.121 Kleinere Beanstandungen gab es dennoch: Zwei Passagen sind markiert, welche die Tiroler Beamten und ansatzweise auch die Geistlichen in ein schlechtes Licht stellten: Sie hätten die Bauern davon abhalten wollen, gegen die vordringenden Franzosen zu kämpfen. Diese sollten unbehelligt durch das Pustertal abziehen können. Die Erklärung dafür war, dass die Beamten von den Franzosen bestochen worden seien; sie werden auch als „Verräter“ bezeichnet.122 Das musste abgeändert werden.
Kathi, das „schwache und demütige Mädchen“ als „Cherub“ von Felix Nabor
„Das Mädchen von Spinges“, eine „Geschichtliche Erzählung“ in zehn Kapiteln von Felix Nabor, wurde in Fortsetzungen im „Steyler Missionsboten“ ab November 1913 abgedruckt und erschien auch als kleiner Band unter dem Titel „Das Mädchen von Spinges“ zusammen mit zwei anderen Erzählungen in der Missionsdruckerei Steyl.123 Diese Erzählung 120 121 122
123
Sch., Katharina Lanz, Hervorhebungen im Original gesperrt. NÖLA, Zensurakten 1910, Zahl 1697. Für den Hinweis auf die Zensurakten danken wir Gertrude Langer-Ostrawsky. Heiden-Herrdegen, Katharina Lanz, 42–44. Die entsprechenden Passagen lauten: Reinisch: „Dös kann ja nit sein. Und von dö Beamten war dös a saudumm’s Red’n.“ Auer: „Dumm net, aber schlecht. Gottsverdammt, miserabel schlecht! Au’hängen sollt’ ma’s dafür!“ An anderer Stelle: „Freili wird’s wahr sein, aber nacha is nix anders d’Ursach’, als daß sie si’ haben zahl’n lassen von dö Franzosen“ und ein paar Zeilen weiter schließlich: Schmidl: „Dö Bauern nit, aber die Beamten, dö Verräter, und die Geistlichen!“ Reinisch: „Schmidl, du red’st wieder z’viel, dös laßt unser Herrgott nit zua, daß seine Diener dem Land a solche Schmach antoan.“ Felix Nabor, Das Mädchen von Spinges. Geschichtliche Erzählung, in: ders., Das Mädchen von
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III Heldinnenstoffe: Plots und transnationale Verflechtungen
steht demnach eindeutig in einem katholischen Kontext und ist von Ambivalenzen in Hinblick auf Frauen- und Heldinnenbilder durchzogen. Kathi heißt die Hauptperson hier ein weiteres Mal. Sie ist beim Mesner, dem Meier-Bauern, in Spinges im Dienst. Eingeführt wird sie gleich in der ersten Szene als „braves Dirndl“, als sehr arbeitsam und zugleich „bescheiden, brav und fromm“.124 Manieriert und hochtrabend klingt die Erzählung an zahlreichen Stellen. Wie bei Buol taucht das Motiv von Judith und Holofernes auf – Katharina sinniert: „Zur Ehre Gottes und zum Schutze der Heimat könnte wohl auch ich das Schwert führen wie die fromme und tapfere Judith. Aber es wird nicht vonnöten sein, da dies Sache der Männer ist. Der Frauen Waffen wider den Feind sind Gebet, Starkmut und Keuschheit, darin ist Judith ein Beispiel.“125 Als Samariterin, die kranken Menschen und Tieren mit „Wunderkräutern“ zu Hilfe eilt, ist Katharina in mehreren Szenen porträtiert. Den Heiratsantrag eines Jungbauern lehnt sie wiederholt ab. Das Jungfräulichkeitsthema wird in der Erzählung mehrfach aufgegriffen. Während der Schlacht hilft Katharina, die Verwundete zu versorgen. Als das Kampfgeschehen näher rückt, sind alle aufgerufen, in den Kirchhof zu flüchten und die Feinde mit Steinen abzuwehren, was nicht von Erfolg gekrönt ist. Als „Erleuchtung“ ist es dargestellt, dass Katharina die Fahne ergreift und sie hinaus auf den Kirchhof trägt, „wo der Kampf am heißesten tobte“. Denn: „Der Anblick der Fahne mit dem Bilde des Heilandes wirkte wie ein Wunder auf die frommen, tapferen Kämpfer; ihr Mut belebte sich, und im Vertrauen auf Gottes Beistand setzten sie den Kampf mit einer solchen Hartnäckigkeit fort, daß der Feind nicht den kleinesten Vorteil errang.“126 Sie versetzt dann auch noch drei Franzosen einen tödlichen Stoß und schwingt sich auf die Mauer und droht allen, die sich nähern. „Einem Cherub gleich“ sei sie mitten in der Kampfschar gestanden und habe „Wunder der Tapferkeit“ verrichtet. „In ihrem wehenden Haar, das der Wind gelöst hatte, mit ihren blitzenden Augen und geröteten Wangen gleicht sie an Schönheit und Kraft einem kämpfenden Engel, den der Himmel geadelt hatte!“127 Dementsprechend fällt das Resümee aus: Tirol verdanke seine Freiheit „nicht zuletzt dem Heldenmut und Gottvertrauen einer armen Magd, die Blut und Leben für die Heimat eingesetzt hatte. Ein wundersames Sagen ging von dieser Heldenjungfrau durchs ganze Land. Ein Engel mit dem Schwerte – so ging die Mähr – habe auf den Höhen von
124 125 126 127
Spinges, Post Kaldenkirchen o. J., 5–100. Erwähnenswert ist, dass der Autor auch ein Buch über Jeanne d’Arc geschrieben hat. Ders., Johanna, die Jungfrau von Orleans. Eine historische Erzählung, Klagenfurt 1909. Nabor, Das Mädchen von Spinges, 6. Nabor, Das Mädchen von Spinges, 19. Nabor, Das Mädchen von Spinges, 93f. Nabor, Das Mädchen von Spinges, 96.
4 … und als transnationale Heldin: „The Maid of Spinges“
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Spinges gekämpft und die Mächte der Hölle in den Abgrund geschleudert.“ Sie habe jedoch weiterhin als Magd gearbeitet und von „Lob und Lohn nichts wissen“ wollen. Die Bewunderung hätte „die arme, demutsvolle Magd“, die als ein „schlichtes Kind des Volkes“ gezeichnet wurde, schier erdrückt. So habe sie den Ort ihrer Heldentat verlassen. In ihrem Abschied betont sie noch einmal, dass sie ihr Gelübde halten und „eine schlichte Jungfrau, eine reine Magd des Herrn“ bleiben werde „und sie war für immer verschwunden, die kühne, fromme Maid, die Heldenjungfrau von Spinges!“128
4 … und als transnationale Heldin: „The Maid of Spinges“
Im Jahr 1913 erschien nicht nur Nabors Geschichte der Katharina Lanz, sondern auch „The Maid of Spinges. A Tale of Napoleon’s Invasion of the Tyrol in 1797“ von Mrs. Edward Wayne.129 Ganz unterschiedliche angelsächsische Autoren und Autorinnen – aus England, Amerika und anderen Ländern – gelehrte Frauen und Männer, Journalist*innen, Übersetzer*innen, Alpinist*innen, Märchensammler*innen, Jugendbuchautor*innen und andere, katholisch und nichtkatholisch Ausgerichtete; Konservative und eher Progressive – haben in Jahrzehnten zuvor und auch danach das Gefecht von Spinges in Büchern und Zeitschriften erwähnt oder beschrieben.130 Dabei wurde das Mädchen von Spinges oft genannt, manchmal nur in einer Fußnote. Die in London gedruckte katholische Zeitschrift „The Month“ veröffentlichte zum Beispiel 1897 einen Bericht über ein im Nordtiroler Dorf 128 129 130
Nabor, Das Mädchen von Spinges, 99f. Mrs. Edward Wayne, The Maid of Spinges. A Tale of Napoleon’s Invasion of the Tyrol in 1797, London 1913. In Ergänzung zu den bereits in Kapitel zwei genannten siehe z. B. John Ball, A Guide to the East ern Alps, London 1868, 227: „Mühlbach [...] From this important strategic position, held in 1797 by General Joubert, with a corps of 30,000 men, the Tyrolese peasantry drove the French foe after two days desperate fighting.“ Ball (1818–1889) war Politiker, Naturalist und Alpinist und der erste Präsident des Englischen Alpine Club, der im Jahr 1857 gegründet worden war. Linda Villari, Carl Wolf ’s „Tales from Tirol“, in: Cosmopolis. An International Review 24 (1897), 679–690, 687: „On April 2, 1797, was fought that bloody fight at Spinges, where the Tirolese held the ground for hours against tenfold their number of French.“ Linda White Mazini Villari (1836–1915) war Schriftstellerin und Übersetzerin, verfasste unter anderem ein Buch über Oswald von Wolkenstein und übersetzte die Werke ihres zweiten Mannes, des Italienischen Historikers und Politikers Pasquale Villari (1827–1917), vom Italienischen ins Englische. Dieser arbeitete bei dem von Ettore Tolomei gegründeten „Archivio per l’Alto Adige“ mit. White Mazini Villari schrieb auch einen Roman „In Change Unchanged“, der in den Dolomiten im oberen Pustertal situiert ist. Siehe auch Wolfgang Strobl, Zu Gast in Schluderbach. Georg Ploner, die Fremdenstation und die Anfänge des Alpintourismus, Innsbruck 2017, 270–273.
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Brixlegg aufgeführtes Volkschauspiel, in dem auch die Schlacht bei Spinges vorkam – wenngleich dem Bericht zufolge in einer ganz ungewöhnlichen Variante: Das tapfere Mädchen stellte sich einigen fliehenden Männern des Landsturms in den Weg, führte sie wieder zum Gefecht zurück und starb heroisch im Kampf: „The runaways have been met by a maiden, who stops them, constitutes herself their leader, and marches them back again to the rest. The scene closes with the tableaux representing the battle from the Tyrolese side, the female costume standing out boldly in the front, giving the final touch to the picture. ‚Follow me,‘ cries the girl; ‚I will lead you to battle and to victory.‘ The change of scene shows the field after the battle. The body of the maiden of Spinges, pierced through the heart, is held up as the central figure, while the peasants gather round and kneel in prayer for the soul of their heroine.“131 Mrs. Edward Wayne erzählt in ihrem Buch „The Maid of Spinges“ ebenfalls eine ungewöhnliche Geschichte, obwohl sie im Vorwort festhält, dass die Heldin, von deren Taten die Rede sein wird, kein fiktiver Charakter sei: „the heroine of this tale is no fictitious character, as the inscription on her memorial tablet given at the end of the concluding chapter will show“.132 Am Ende des letzten Kapitels ist tatsächlich eine englische Übersetzung der Gedenktafel von St. Vigil in Enneberg abgedruckt.133 Der Name der Heldin ist jedoch, wie durch den ganzen Band hindurch, falsch geschrieben: Katharina Lang statt Lanz. Insgesamt stimmen die Ereignisse kaum mit den üblichen Erzählsträngen überein: Katherina ist in dieser Version zwar in St. Vigil geboren, aber bereits als sie acht Jahre alt war, mit ihrer Familie nach Spinges gezogen. Mrs. Edward Wayne führt den Zwillingsbruder Anton ein. 131
132 133
The Folkschauspiel at Brixlegg, in: The Month 90 (1897), 71–77, 74. Einige Jahre später verfasste Charlotte Coursen einen Bericht über die Feier des tausendjährigen Stadtjubiläums von Brixen 1901, der ebenfalls in einer katholischen, in New York gedruckten, Zeitschrift veröffentlicht wurde. Sie schreibt, dass eine Prozession die wichtigsten Ereignisse aus der Geschichte Brixens in Form von tableaux vivants dargestellt hat. Die letzte dieser historischen Darstellungen war der Vereinigung des Fürstbistums Brixen mit Tirol und Österreich im Jahr 1814 gewidmet. In dieser Szenerie trat das Mädchen von Spinges zusammen mit Peter Mayr, Joachim Haspinger und anderen „Patrioten“ auf: „The last tableau gave the final and complete union of Brixen with Tyrol and Austria in 1814. Represented as three women, Brixen, Austria, and Tyrol were borne along in a richly decked car, surrounded by children in the old Brixen costume, and preceded by Peter Mayr, Haspinger the Monk, the Maiden of Spinges, and other patriots of the vicinity.“ Charlotte H. Coursen, The Ancient Tyrolean Bishopric, Brixen, and its Millennial Festival, in: The Catholic World. A Monthly Magazine of General Literature and Science published by the Paulist Fathers 75 (1902), 767–774, 774. Coursen veröffentliche verschiedene Artikel über Kunst, Geschichte, Theater und Traditionen in Tirol sowie Reiseführer über Innsbruck und Umgebung. Sie verfasste auch Lyrik, übersetze Gedichte, Lieder und Opern aus dem Deutschen, Italienischen und Französischen ins Englische. Edward Wayne, The Maid of Spinges, VII. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 222.
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Beide Geschwister haben dunkle Haare, hellbraune Augen, hellfahle Haut und würden deshalb „einen anderen Typ“ verkörpern als die Einwohner von Spinges. Kurz nachdem die Familie nach Spinges übersiedelt ist, hat Anton einen Unfall, der zu einer Lähmung führt, sein ganzes Leben kann er nur über kurze Strecken und mit Krücken gehen. Die Mutter der Zwillinge stirbt wenige Monaten später; eine Schwester ihres Vaters, Tante Johanna, kommt, um den Haushalt zu führen und lebt auch nach dessen Tod, der einige Jahren später erfolgt, bei den Geschwistern. Katharina ist als groß, stark und lebhaft beschrieben. Sie habe ihren Bruder, der schwach und oft traurig war, umsorgt. Letzterer wird ein ausgezeichneter Holzschnitzer.134 Als der Krieg gegen die Franzosen näher rückt, fühlt sich Anton besonders eingeschränkt und überzeugt seine Schwester, an seiner Stelle in den Kampf zu ziehen und seine Rolle als Verteidiger von Gott, Kaiser und Heimat zu übernehmen. Anton verlangt, dass sie schießen lernt, was sie auch tut.135 Zudem soll Katharina einen Franzosen gefangen nehmen, damit er ihn zur wahren Religion bekehren könne.136 Der Ambivalenz von Frauen im Krieg wird hier die nicht erfüllte militärische Männlichkeit zur Seite gestellt und die körperlich nicht leistbare Verteidigung auch gleich kompensiert. Umfangreiche Teile des Romans sind einem Freund Antons, Hans Lordschneider, gewidmet, einem Holzschnitzer, der als Bote im militärischen Auftrag unterwegs ist und später Kunstwerke, darunter Gemälde von Benvenuto Cellini, Bernardino Luini und vielleicht von Leonardo da Vinci, an einen sicheren Ort bringen soll, wobei er auch eine Reihe wichtiger Männer trifft und seinen Wunsch erfüllt, zur Verteidigung der Heimat gegen die einfallenden Franzosen beizutragen. In der Zwischenzeit erreichen die Franzosen Spinges, wo die tapferen Tiroler Widerstand leisten. Bei der Beschreibung der Abenteuer von Hans hat Mrs. Edward Wayne das heldenhafte Auftreten der Frauen von Latzfons und Velthurns erwähnt.137 Nun unterstreicht sie, dass in Spinges nicht nur Männer, sondern auch viele Frauen auf dem Schlachtfeld seien.138 Andere versammeln sich in der Kirche, zusammen mit den Kindern 134 135 136 137
138
Edward Wayne, The Maid of Spinges, 1–12, 186: „she belongs to a different type“. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 2, 59. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 66–69. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 112: „[O]n the 4th of April came the news of the severe fight in the narrow defile by Klausen, and of the heroic behaviour of the women of Latzfons and Velthurns – two villages built on the heights above – who not only aided the defenders in hurling down stones and rocks on the French, but had actually taken part in the combat, disguised in men’s cloaks.“ Edward Wayne, The Maid of Spinges, 117: „All the able-bodied men had rifles, but some of the farm servants armed themselves with scythes and huge staves. Thus equipped, they established themselves on the brow of the hill, in front of the village, several women following them.“
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und den alten Männern. Darunter befindet sich auch der behinderte Anton, der nun bedauert, seiner Schwester vorgeschlagen zu haben, an seiner Stelle zu kämpfen. Katharina jedoch ist fest entschlossen, das Dorf zu verteidigen. Eine Weile hält sie sich im Hintergrund. Als aber die Feinde das Dorf stürmen, läuft Katharina mit dem Gewehr in Hand zusammen mit anderen Tirolern den Franzosen entgegen. Eine Kugel trifft ihre Kopfbedeckung, sie achtet aber nicht darauf und läuft mit fliegenden Haaren weiter. Neben ihr wird der Fahnenträger erschossen, sie erschießt darauf einen Franzosen, der schon dabei war, die Fahne zu ergreifen. Sie entreißt ihm das Schwert und hebt die Fahne hoch. „Für Gott, Kaiser und Vaterland!“, schreit sie, die Fahne schwingend. Die erstaunten Franzosen hören kurz auf zu kämpfen: Ist eine neue Jeanne d’Arc erstanden, diesmal nicht für, sondern gegen Frankreich? Das Gefecht geht dann heftig weiter; Katharinas Stimme und ihre Präsenz mit der Fahne unterstützen die Tiroler. Ein reitender Bote erreicht die Franzosen und die Feinde ziehen sich plötzlich zurück: Er hat einen Rückzugsbefehl gebracht!139 Mrs. Edward Wayne hat bereits am Anfang des Kapitels angemerkt, dass Joubert nicht beabsichtigt habe, Tirol zu erobern, sondern das Pustertal nur zu durchqueren, um seine Truppen mit Napoleons Armee in Klagenfurt zu vereinigen.140 Nun schreibt sie, dass sich Joubert den Weg in Mühlbach freigeschlagen habe und sein Heer im Begriff sei, durch das Pustertal weiter zu marschieren.141 Nach dem Gefecht geht Katharina, noch mit fliegenden Haaren und mit der Fahne in der Hand, mit anderen Kämpfern in die Kirche, wo sie ihren Bruder trifft. Sie beten und danken Gott. Dann wird Katharina als Heldin gerühmt: Die Anwesenden schreien „Hoch! Hoch!“ und tragen sie auf den Schultern nach Hause.142 In den nächsten zwei Tagen kommen Leute, um sie zu loben, sie aber antwortet, dass sie nichts Besonders gemacht habe. In der Tat hätte sie am Kampf nahezu unbewusst und wie im Traum teilgenommen.143 Da sich Katharinas Patin große Sorgen um sie macht, geht Katharina nach Mühlbach, um ihr zu zeigen, dass sie unverletzt ist.144 Als sie nach Hause zurückkommt, ist ihr Bruder tot – erschossen. Einen Tag nach Antons Beerdigung wird ein verletzter Franzose in einer Sägegrube im Wald bei Spinges gefunden. Katharina beschließt, ihn ins Haus aufzunehmen und gemeinsam mit der Tante Johanna für ihn – einen französischen Gefangenen – zu sorgen, so wie Anton es gewünscht hat. Die Tante spricht Italienisch und kann sich mit 139 140 141 142 143 144
Edward Wayne, The Maid of Spinges, 114–124. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 117. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 124, 129. Selbst Katharina berichtet im Roman, dass die Franzosen Spinges verlassen haben, um Napoleon in Klagenfurt zu treffen, ebd., 134. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 125–127. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 129f. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 131–135.
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ihm grob verständigen. Jean Gautier – so heißt der Franzose – ist ein armer Mann. Seine Mutter starb, als er noch ein Kind war. Er erhielt keine religiöse Bildung, da er während der Revolution aufwuchs. Er war feige und ist aus Angst von dem Schlachtfeld geflohen. Er versteckte sich einige Tage im Wald, wo er in die Sägegrube fiel. Nun ist er schwer verletzt und wird zusehends schwächer.145 Eines Tages gesteht er dem Pfarrer, dass er Anton erschossen hat, als er Geld und Kleidung stehlen wollte, um nicht erkannt zu werden. Er bittet Vater Aloysius, Katharina darüber zu informieren. Da Anton seine Schwester gebeten hat, den Schuldigen zu verzeihen, falls er im Laufe des Gefechts verletzt oder getötet würde, vergibt Katharina schließlich dem Mörder. Kurz darauf stirbt der Franzose nach seiner ersten und letzten Kommunion.146 In weiteren Episoden geht es um Hans und seine Heimkehr und um andere Einwohner des Dorfes, um den Bischof von Brixen, der nach Spinges kommt, und um Katharina als „modern Joan d’Arc“.147 Dann schildert die Autorin kurz die Folgen des Pressburger Friedens von 1805, schreibt über Andreas Hofers Aufstand und die englische Unterstützung für die Tiroler.148 Nicht nur der Bischof, sondern auch der Hauptmann von Sonnenberg kommt nach Spinges und will Katharina kennenlernen. Zufällig trifft er Hans, den er einst als Boten zum Kommandanten geschickt hat, als er in St. Ulrich verletzt angekommen war. Dem tapferen Burschen wird viel Aufmerksamkeit zuteil, Katharinas Ruhm jedoch nicht vernachlässigt. Erzählt wird, dass die Ehefrau des Hauptmanns von Sonnenberg der Heldin von Spinges einen Brief geschrieben habe.149 Die Dinge verwickeln sich noch weiter: Im Jahre 1846 reist der englische General Pendarves, der gegen Napoleon, unter anderem in Waterloo, gekämpft hat, mit seinem Neffe Edward in die Dolomiten. In Cortina organisiert der Gastwirt Ghedina ein Treffen zwischen den Engländern und Katharina Lanz in Andraz. Er bittet einen seiner Freunde, der mit ihr verwandt war, die beiden Touristen und ihren Diener zu ihr zu führen. Dieser Führer war wiederum Hans Lordschneider. Katharina hat, Mrs. Edward Waynes Version zufolge, bis 1806 in Spinges gelebt und ist dann nach dem Tod ihrer Tante Johanna nach St. Vigil gezogen. Dort lebt sie zunächst bei einem alten Verwandten, seit fünfzehn Jahren jedoch in Andraz mit der Tochter von Hans und deren Mann, dem Sohn eines Vetters der Heldin. Hans wird von General Pendarvers über seinen Einsatz 1809 befragt und ist begeistert, Pendarves kennenzulernen. Katharina erachtet es ebenfalls als eine Ehre, den englischen General zu treffen. Pendarves spricht davon, dem General Wellington von ihrer 145 146 147 148 149
Edward Wayne, The Maid of Spinges, 142–158. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 158–175. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 176–189, Zitat: 185. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 189–191. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 192–201.
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Heldentat berichten zu wollen und sie gibt ihm als Zeichen der Tiroler Dankbarkeit für Napoleons Niederlage die schönste Holzschnitzerei ihres seit langem verstorbenen Bruders Anton für Wellington mit: die Kopie einer Statue des Kaiser-Maximilian-Denkmals in der Hofkirche in Innsbruck, die den englischen King Arthur darstellt. Einige Monate später langt ein Brief von Pendarves ein, in dem er berichtet, dass er die Holzschnitzerei, wie verspochen, Wellington übergeben habe. Dem Schreiben liegt ein Brief für Katharina von Wellington selbst bei. Katharina hütet diesen Brief, den sie an die Wand hängt, wie einen wertvollen Schatz. Sie stirbt im Jahr 1854, woran die Gedenktafel in St. Vigil erinnert.150 Mrs. Edward Waynes Erzählung bietet den Lesern und Leserinnen eine Reihe neuer Aspekte: Katharina ist keine Magd und sie ist auch nicht allein in Spinges: Sie hat eine Familie, sie sorgt mütterlich für ihren behinderten Bruder und gelobt, ledig zu bleiben.151 Gleichzeitig tritt sie als Ersatzfigur für einen Mann auf, der die ihm geschlechterspezifisch zugedachte Rolle nicht übernehmen kann: „You must lern to shoot,“ fordert ihr Bruder. „You will then be ready, if need be, to fight in my stead.“152 Der Umstand, dass der Kampf selbst für das Mädchen fast irreal ist, wie ein schlechter Traum, den es vergessen möchte, lässt sich mit der Ambivalenz kämpfender Frauen in Verbindung bringen: „in the actual fighting, she remembered taking, but little part; in fact, the day of the battle was to her but a terrible dream – a phantasmagoria of strange scenes, the very idea of which had never risen her mental vision. To her it had actually been ‚like a dream when one awaketh‘, and she desired above all things not to recall it.“153 Zugleich nimmt der junge und tapfere Hans einen wichtigen Part in der Erzählung ein: Als ein gesunder, kräftiger und mutiger Mann, der die ihm zugedachte geschlechterspezifische Rolle – im Unterschied zu seinem behinderten Freund Anton – perfekt wahrnimmt. Trotzdem wird auch die Tapferkeit von Frauen positiv hervorgehoben, wobei diese freilich mit Notfällen und Ausnahmesituationen, wie dem französischen Angriff, in Zusammenhang gebracht wird. So sind „the heroic women“ von Latzfons im Roman erwähnt,154 und Katharinas Geschichte erreicht in der Person Wellingtons die Spitze der antinapoleonischen Front. Damit transportiert der Roman das Bild einer internationalen Vernetzung von Gutgesinnten, die vereint – Männer und Frauen, Adelige, Geistliche und einfache Leute – gegen die irreligiösen und umstürzlerischen Franzosen erfolgreich gekämpft haben. 150 151 152 153 154
Edward Wayne, The Maid of Spinges, 202–222. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 31. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 2, 118: Anton „reproached himself bitterly that he had ever proposed that his sister should take the place he was debarred to occupying“. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 129f. Edward Wayne, The Maid of Spinges, 112.
4 … und als transnationale Heldin: „The Maid of Spinges“
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Das Buch erschien bei R. & T. Washbourne, einem Verlag mit Sitz in London, Manchester, Birmingham und Glasgow, der katholische Autoren und Autorinnen und theologische Werke veröffentlichte und, einigen Rezensionen zufolge,155 auch bei den Benziger Brothers in New York. Dieser Verlag war als Zweigstelle eines katholischen Schweizer Verlages gegründet worden und hatte 1867 den Titel „Verleger des Heiligen Stuhls“ erhalten.156 Verschiedene katholische Zeitschriften in den Vereinigten Staaten157 und auch in Australien158 veröffentlichten sehr positive Rezensionen des Buches. Dass die Geschichte dabei einmal auch in die Schweiz verlagert wurde,159 ist vermutlich im Kontext der Rezeption der „Alpenhelden“ zu sehen, die mit dem aufklärerischen Alpendiskurs ab den 1770er Jahren einsetzte. Wilhelm Tell und Andreas Hofer standen in diesen Interpretationen für Freiheit und Republik – was hundert Jahre später nur mehr auf die Schweiz zutraf. Die Alpen wa155 156
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Die weiter unten erwähnten Rezensionen geben alle Benziger als Verlag an. Wir konnten bislang jedoch kein Exemplar der amerikanischen Ausgabe eruieren. Der Benziger Verlag in New York wurde 1853 als Filiale zum Muttergeschäft in Einsiedeln im Kanton Schwyz gegründet. Zunächst beschäftigte sich die amerikanische Filiale mit dem Import von Gebetbüchern sowie Andachtsbildern für deutschsprachige katholische Immigranten. 1897 wurden die amerikanischen Filialen unabhängig. Siehe dazu Heinz Nauer, Fromme Industrie. Der Benziger Verlag Einsiedeln 1750–1970, Baden 2017. Siehe z. B.: The Catholic World 98, 585 (Dezember 1913), 396: „The heroine of this tale, Katharina Lang, is no fictitious character. She fought heroically at the battle of Spinges against the French invaders of 1797, and the grateful Tyrolese have erected a memorial tablet to her in the churchyard of St. Vigil. We do not know whether the story of her forgiveness of her brother’s murderer be fact or fiction, but at any rate it is true to the perfect Catholic tradition of the devout people of the Tyrol. The boy Hans is very well drawn, and his adventures are most thrilling. The author lacks the dramatic instinct, and her English might be greatly improved. But the children to whom her book will appeal will not be critical.“ The Catholic World, 1865 gegründet, war die erste katholische Zeitschrift in den Vereinigten Staaten. A Batch of Story-Books, in: Ave Maria 79, 13 (26.9.1914), 406: „Another historical novel that many readers will be pleased with is ‚The Maid of Spinges,‘ in which Mrs. Edward Wayne tells the story of a real heroine of other days, Katharina Lang, who, on the occasion of Napoleon’s first invasion of the Tyrol in 1797, played successfully for one day the role of a veritable Joan of Arc; and was thereafter, throughout a lengthy life, honored and revered by her appreciative countrymen. It is a charming tale, well told, utterly Catholic in atmosphere, and leaving none but elevating pictures on the sensitive canvas of the imagination. Both of these books are published by the Benzigers.“ A Tyrolese Heroine, in: Freeman’s Journal 26 (14.8.1913), 26, https://trove.nla.gov.au/newspaper/ page/12253075 (letzter Zugriff: 27.10.2020). Diese Zeitschrift erschien in Sydney von 1850 bis 1932. S. J. James Press, The Maid of Spinges, by Mrs. Edward Wayne, in: The Fortnightly Review 21, 5 (1914), 158: „The Maid of Spinges, by Mrs. Edward Wayne, (Benziger), the contents of which are indicated in the subtitle „A Tale of Napoleon’s Invasion of the Tyrol in 1797,“ is a quint and simple story of Swiss [sic] life, interspersed with interesting war incidents. While the style is ordinary, and at times a bit involved and artificial the tale as a whole is entertaining and refreshing.“
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III Heldinnenstoffe: Plots und transnationale Verflechtungen
ren im ausgehenden 19. Jahrhundert nunmehr stärker mit Religion und Tradition konnotiert sowie national und monarchisch imprägniert. Gekrönte Häupter aus England reisten – neben jenen aus Italien – bevorzugt in die Schweizer Berge, was zahllose Alpentouristen nachzog.160 In der englischen Bearbeitung von Gioachino Rossinis Oper „Guillaume Tell“ von 1830 waren beide Alpenhelden – der Tiroler und der Schweizer – im Titel vereint: „Hofer, the Tell of the Tyrol“. Als einen der Gründe dafür führen Jon Mathieu, Eva Bachmann und Ursula Butz in ihrem Buch „Majestätische Berge“ an, dass „die Verbindung Tell-Hofer im Vereinigten Königreich mit seiner dezidiert antinapoleonischen Haltung näher“ gelegen habe „als anderswo“.161 Mrs. Edward Wayne verfügte über Deutschkenntnisse, denn in etlichen Texten ist ihre Übersetzung des Buches „Das goldene ABC des heiligen Bonaventura“ der deutschen Jugend- und Volksschriftstellerin Emilia Giehrl (1837–1915), auch als Emmy Giehrl oder Tante Emmy bekannt, ins Englische erwähnt.162 Zudem scheint Mrs. Edward Wayne als Verfasserin eines 1913 und nochmals 1930 im selben Verlag (H. R. Allenson) wie Giehrls Übersetzung veröffentlichten Buches für Mütter mit dem Titel „Readings for Mothers“ auf.163 Relativ sicher handelt es sich bei der Autorin um Mary S. Harnage, die italienische 160 161 162
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Jon Mathieu, Eva Bachmann u. Ursula Butz, Majestätische Berge. Die Monarchie auf dem Weg in die Alpen 1760–1910, Baden 2018. Mathieu/Bachmann/Butz, Majestätische Berge, 34. So z. B. „Bonaventura, The Golden Alphabet of Saint Bonaventura [...] These precious little max ims of the ‚Seraphic Doctor‘ have been freshly translated by Mrs Edward Wayne and are now presented in the handy form of this popular series“, in: Catalogue of Publications and Impor tations of H. R. Allenson, Limited, Racquet Court, Fleet Street London, e. c., 3. Dieses Verzeichnis befindet sich beispielsweise am Ende des Buches von Frederick William Robertson, Lectures on the Influence of Poetry and Wordsworth, London 1906; „Franciscan Books in English [...] I. Devotional [...] The Golden Alphabet of St. Bonaventure, translated from the German by MRS. Edward Wayne, London Allenson, 1912“, in: Father Hilarion Duerk, O. F. M. (Hg.), First Nation al Third Order Convention U. S. A., Chicago 1922, 668–669. Die Bodleian Library besitzt z. B. das Buch „The Golden Alphabet of S. Bonaventura, from the Germ[an] of E. Giehrl, tr[anslated] by mrs. E. Wayne. Bonaventura st, card. | Giehrl, Emmy; Wayne, M L [1912]“. Zu Emilia Giehrl siehe Sophie Pataky (Hg.), Lexikon deutscher Frauen der Feder: Vollständiger Neusatz beider Bände in einem Buch, hg. von Karl-Maria Guth, Berlin 2014 [1898], 198, http://www.literature. at/viewer.alo?objid=19248&page=270&viewmode=fullscreen&rotate=&scale=2 (letzter Zugriff: 27.10.2020). Übersetzt wurde Emilia Giehrl, Das goldene ABC des heiligen Bonaventura, hg. von Johann Ludwig Jacob, Limburg/Alt-Thann 1893. Im Katalog der British Library ist die Autorin des Buches „The Maid of Spinges“ als M. L. angegeben. Als einzige weitere Werke dieser Autorin finden sich dort die beiden Editionen: M. L. Wayne, Readings for Mothers, with Preface by Miss Wordsworth, London 1913 und 1930. Der Verleger ist H. R. Allenson. Elizabeth Wordsworth (1840–1932) war eine englische anglikanische Schriftstellerin und Dichterin, Großnichte von William Wordsworth, die unter anderem für Frauenbildung
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Vorfahren hatte und eine Zeitlang in Rom lebte. Sie heiratete den anglikanischen Priester Edward Wayne, der einen persönlichen Dank von Papst Pius IX., aber auch vom italienischen Parlament und eine Auszeichnung des italienischen König Viktor Emanuel für den Dienst an den Verwundeten nach der Schlacht von Mentana von 1868 erhielt. Mary S. Harnage hoffte, dass der Papst ihre Ehe segnen würde.164
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Mrs. Edward Wayne ist vermutlich die einzige Autorin im angelsächsischen Raum, die der Heldin von Spinges ein ganzes Buch gewidmet hat. Doch schrieben auch zahlreiche andere über sie und nahmen immer wieder Einpassungen vor; Geschlecht firmiert dabei als eine zentrale Kategorie. Im Jahr 1912, kurz vor „The Maid of Spinges“, erschien zum Beispiel ein Reiseführer „The Brenner Pass“ von Constance Leigh Clare. Die Autorin schreibt darin über das Museum am Bergisel, in dem das Modell einer geplanten Statue ausgestellt war. Es zeigt Josef Speckbacher, der sich nach Andreas Hofer umdreht, einen knieenden Schützen mit einem Gewehr und ein Mädchen mit einer Mistgabel. Dabei handle es sich – so die Autorin – um eine Darstellung der berühmten „Maid of Spinges, Katherine Lanz“, die 1797 mit ihrer „einfachen Waffe“ die Franzosen in Schach gehalten habe und die, aus ihrer Sicht, alle anderen tapferen Frauen Tirols symbolisiere. Im Unterschied zu anderen, die zumeist nur erwähnt haben, dass das Mädchen von Spinges nicht die einzige Frau war, die gegen die Franzosen gekämpft hat, wird hier die breite Teilnahme von Frauen an der Verteidigung des Landes und der Religion besonders hervorgehoben und auch skizziert: „She represents the celebrated Maid of Spinges, Katharine Lanz, who,
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kämpfte. Siehe z. B. Elizabeth Wordsworth Dame, in: Poetry Foundation, https://www.poetryfoundation.org/poets/elizabeth-wordsworth (letzter Zugriff: 27.10.2018). Sie war seit ihrer Jugend mit Mary S. Harnage (später Mrs. Edward Wayne) befreundet. Elizabeth Wordsworth, Glimpses of the Past, London [1912], 45f; Georgina Battiscombe, Reluctant Pioneer: a Life of Elizabeth Wordsworth, London 1978, 274–279. Algernon Graves, F. S. A., William Vine Cronin, A History of the Works of Sir Joshua Reynolds, P. R. A., Bd. 1, London 1899, 264; James Deboo (Red. unter Mitarbeit von Andrew Caine u. Karen Backhouse),The Bishops’ Wordsworth Collection Catalogue, Radcliffe Library, Liverpool Cathedral, Lancaster/Liverpool 2002–2017, 90, https://www.hope.ac.uk/media/lifeathope/library/ documents/Christopher%20Wordsworth%20Collection%20Catalogue_2017.pdf (letzter Zugriff: 2.6.2021); The New Collection Catalogue Irish College Rome, Part Three, Kirby Series (1872–1895 and undated), Appendices, Bibliography, Archives Pontifical Irish College, Rome o. J., 703, http:// www.irishcollege.org/wp-content/uploads/2011/02/New-Collection-Catalogue-Part-Three.pdf (letzter Zugriff: 2.6.2021); Marlborough College Register from 1843 to 1904 Inclusive: With Alphabetical Index, Oxford 19055, 82f.
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in 1797, kept the French soldiers, in their attempt to storm the village Church, at bay with her homely weapon. And surely she no less symbolises the heroic devotion of the women of Tirol, throughout those long, weary years of battle. Not only did they minister to the wounded and carry refreshment under fire to the combatants, but they gave material assistance to their men in the construction of defences, they helped to hurl down avalanches of stones and trees upon the enemy when massed below in the narrow defiles of Pusterthal, Eisackthal, and the Vintschgau, they furnished cover to the Tirolese sharpshooters by the high-laden hay waggons, which, as on the plain of Sterzing, they fearlessly pushed before them till within range of the foe, and more than one played, like the Maid of Spinges, an Amazon’s part in the defence of their Holiest.“165 Eine kuriose Bearbeitung und Interpretation des Heldinnenstoffes erschien 1914 in der „Franciscan Herald“. Darin wird die Wehrverfassung der Tiroler 1809 – das Gefecht von Spinges ist fälschlich auf dieses Jahr datiert – mit der Organisationsform der Franziskaner verglichen. Da wie dort sei der Kampf breit und soziale Unterschiede überbrückend mitgetragen worden: „Francis was chosen to begin a great campaign, and to lead men of every rank and every nation into the heat of contest. The three Orders were the legions of the Saint. More closely considered, they resemble a well-ordered battle array, peculiarly adapted to strike terror into the foe. In the year 1809, the Tyrolese aroused universal admiration by their heroic stand for independence. Three classes or, more appropriately, three divisions, obtained amongst those who took part directly or indirectly in the struggle.“166 Dabei spielten Frauen eine wichtige Rolle. Auf dem Schlachtfeld sind den Frauen die klassischen Tätigkeiten der Marketenderinnen zugeordnet, etwa die Versorgung der Verwundeten,167 zugleich feuern sie die Kämpfenden an und übernehmen vereinzelt sogar eine Führungsposition – wie das Mädchen von Spinges. „Above all, there were the fearless marksmen who, undaunted by the hostile bullets, marched valiantly to the fray. Amidst the ranks, we behold heroic maidens, spurring on the combatants, attending to the wounded, – yes, even taking up the role of leader, as for instance the maid of Spinges. There were amongst them fighters of such daring mettle, that even then they braved the danger when rugged marksmen wavered, for example on the battle-field near Sterzing.“ Doch ist auch der häusliche Bereich einbezogen, die ‚Heimatfront‘ sozusagen, indem die Bedeutung der Arbeit der Mütter betont wird: das Bereitstellen von Proviant, die Pflege 165 166 167
Constance Leigh Clare, The Brenner Pass: Tirol from Kufstein to Riva, London 1912, 105f. Das Buch wurde vielfach besprochen. Glories of the Third Order of St. Francis (For Franciscan Herald, from the German of P. Camillus Broell, O. M. Cap.), 12. The Threefold Line of Battle, in: Francescan Herald 2, 1 (Januar 1914), 5–6. Siehe dazu auch Zettelbauer, Das fragile Geschlecht.
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von Verwundeten und die patriotische Erziehung der Kinder. „At home, their mothers worked, and thus indirectly had their share in the struggle. They provided rations, nursed the wounded, and sought to animate their children for the cause.“ Erklärung und Ziel der allseitigen Kampfbereitschaft ist die Freiheit, und zwar die Freiheit des Gewissens und die Freiheit der Religion. Die kämpfenden Männer werden dem ersten Orden zugerechnet, die „heroic virgins“ dem zweiten Orden – manche seien darunter, die die Einsamkeit des Klosters in solchen Zeiten verlassen hätten, um sich auf das Schlachtfeld zu begeben – und die Mütter zu Hause, „in the family circle“, schließlich dem dritten Orden.168 Insgesamt bekam das Englisch lesende Publikum eine relativ breite Palette von Versionen der Geschichte des Mädchens von Spinges serviert. Darunter stellt das Buch von Mrs. Edward Wayne aufgrund seines Umfangs und der phantasievollen Bearbeitung des Plots sicher eine Ausnahme dar. Wenngleich die Autorin angekündigt hat, eine wahre Geschichte zu erzählen, ist ihr Buch viel eher ein Abenteuerroman – gespickt mit moralischen Lehren. Im Grunde genommen sind all die skizzierten literarischen Bearbeitungen des Heldinnenstoffes, die englischen wie die deutschen, gleichsam Lehrstücke dafür, wie die über die Geschlechtercharaktere definierten Vorstellungen dessen, was Eigenschaften, Zuständigkeiten und Handlungsräume von Frauen und Männern sind, wirkmächtig wurden, mit welchen Instrumentarien und Logiken dabei gearbeitet wurde. Zugleich fügen sich die Theaterstücke und Erzählungen nahtlos in die Narrative und Motive ein, die in den anderen Genres kursierten. Aspekte wie die Jungfräulichkeit der Heldin, der Bezug auf das Herz-Jesu, die religiöse Überhöhung und die Romanisierung der Feinde prägten die Auseinandersetzung mit Katharina Lanz im deutschsprachigen Raum an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert dabei in besonderem Maße. Hingegen waren es einerseits antinapoleonische und andererseits spezifisch konfessionelle Kontexte, die die englische Rezeption und Bearbeitung des Stoffes sowohl beförderten als auch entscheidend formten. Wie sich an den unterschiedlichen Foren und Formen, Akteuren, Akteurinnen und Medien ablesen lässt, verdichteten sich die erinnerungspolitischen Aktivitäten in den letzten Jahrzehnten des 19. und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Die Chronologie führt dabei vom ersten Denkmal als „schönem patriotischem Unternehmen“ über die religiöse Prägung etwa durch Norbert Stock bis zur religiösen Überhöhung, die in einigen der skizzierten literarischen Bearbeitungen zum Ausdruck kommt, und zur weiteren Internationalisierung der Geschichte. Dabei kommt es nicht zu einer Kanonisierung eines bestimmten Plots. Vielmehr erfinden und verarbeiten Darstellungen gerade in diesen Jahren unterschiedliche Motive der Heldinnengeschichte und vereinen bisweilen die gesamte bis dahin dokumentierte Palette an Motiven. Sie divergieren hinsichtlich der Gewichtun168
Glories of the Third Order, 5.
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gen und Schwerpunktsetzungen, im Grunde bewegen sich aber fast alle innerhalb eines konservativ-christlichen beziehungsweise katholischen Kosmos. Bei Andreas Hofer war dies anders, er wurde in dieser Zeit kontrovers gesehen. Zwar symbolisierte er als „Freiheitsheld“ ebenfalls das „Schicksal“ eines glaubenstreuen, an überkommenem Recht und Brauch und an der alten – aus der lange politisch wie historiographisch dominanten Sicht gleichzusetzen mit guten – Ordnung festhaltenden Volkes, das jederzeit bereit war, sich gegen eine feindliche Übermacht, die diese Werte bedrohte, zur Wehr zu setzen. Doch konnte sich der antinapoleonische Kontext stark in den Vordergrund schieben. Der Stoff wurde zudem von liberal gesinnten Autoren bearbeitet, die Hofer als Marionette darstellten, als eine von religiösen Fanatikern in eine Rolle gedrängte, instrumentalisierte und im politisch-diplomatischen Machtspiel völlig überforderte Figur zeichneten.169 Die Figur der Katharina Lanz war anders positioniert. Zum einen war sie im Vergleich zu Hofer als Heldin, noch dazu mit ungesicherter Existenz, weniger unmittelbar politisch ‚verwertbar‘ und ließ sich auch leichter ignorieren. Zum anderen stand ihre Legitimität als weibliche Heldenfigur nie ganz außer Streit. Infolge dessen war die religiöse Verankerung hier zentral. Der Widerstreit, ob Frauen in Extremsituationen zu den Waffen greifen dürfen und die Vereinbarkeit dessen mit einem christlichen Weltbild, das Ausverhandeln geschlechterspezifisch geprägter Bilder und Zuschreibungen konstituierte gerade in den literarischen Bearbeitungen ein wichtiges Thema. Die Absolution dafür musste der Heldin jeweils erst erteilt werden. Autor*innen, die sich auf diese Geschlechterdebatte nicht einlassen wollten, wendeten die Geschichte so, dass die Figur als gar nicht dramafähig rhetorisch in den Hintergrund gestellt wurde oder, als „merkwürdig“ apostrophiert, ohnehin der Sphäre der Normalität und der dort geltenden Maßstäbe und Werte enthoben war. Eine weitere Variante rückt die Motive Bescheidenheit und Demut in den Vordergrund und erklärt sie zur eigentlichen Heldinnentat. Das kann so gelesen werden, dass der Heldinnenstatus in jedem Fall erklärungsbedürftig war. Sichtbar wird dabei zugleich das Bestreben, die Figur von Ambivalenzen und Widersprüchen, die sich am Überschreiten der Geschlechterrolle festmachen ließen, zu befreien und sie damit als Heldin zu ‚retten‘ – in einer Zeit, in der sie eine für konservativ-katholische Kreise Deutschtirols durchaus nütz169
Im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert war die ‚richtige‘ Sicht auf Andreas Hofer ein Zankapfel zwischen dem konservativen und liberalen Lager in Tirol. Der Streit erreichte seinen Höhepunkt mit der Aufführung von Franz Kranewitters Stück „Andre Hofer“ im Jahr 1903 und dem darauffolgenden Skandal. Heftigen Protest von kirchlich-konservativer Seite rief der Umstand hervor, dass Kranewitter den Mythos Hofer ins Gegenteil verkehrt und damit demontiert hatte. Er stellte Hofer nicht als Helden, sondern als naiven Bauern dar, der sich in einen sinnlosen Kampf hatte hineintreiben lassen, als Opfer politischer und kirchlicher Intoleranz. Eugen Thurnher, Kranewitter, Franz, in: Neue Deutsche Biographie 12 (1980), 671–673, https://www.deutschebiographie.de/pnd118813439.html#ndbcontent (letzer Zugriff: 10.9.2021).
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liche Heldinnenfigur repräsentierte. Wahrgenommen wurde sie aber auch darüber hinaus: in Wien, im süddeutschen wie im angelsächsischen Raum. In den literarischen Bearbeitungen schlägt sich zudem das Phänomen religiöser Phantasien nieder: wenn der Auftritt der Heldin mit dem Erscheinen der „Muttergottes“, der „Himmelskönigin“ oder eines Engels in eins gesetzt wird. Solches ist gerade in Form von marienähnlichen Wundererscheinungen aus Kriegszusammenhängen bekannt. Im Fall des Mädchens von Spinges sind zeitgenössische Deutungen in diese Richtung nicht überliefert. Sie bilden erst Jahrzehnte später eine Lesart der Geschichte. Den allgemeineren Kontext lieferten religiöse Erneuerung und Frömmigkeit, und zwar als Phänomene, die im Laufe des 19. Jahrhunderts in Tirol zusehends breit verankert waren. Als deren Ausdrucksformen nennt Nicole Priesching den Zulauf zu Bruderschaften und den intensivierten Herz-Jesu-Kult sowie den ebenfalls intensivierten Kult um die Unbefleckte Empfängnis und die Jungfräulichkeit sowie insgesamt „eine Sentimentalisierung und eine Verinnerlichung“ von Frömmigkeit.170 Dies wiederum gilt als Folge einer „Feminisierung der Religion“ – in der Kirche geblieben seien „Frauen und Priester“.171 Zumindest was die Autoren betrifft, die im ausgehenden 19. Jahrhundert über Katharina Lanz geschrieben haben, ist der Anteil der Geistlichen auffällig. Auch Frauen haben über sie geschrieben, wenngleich deutlich seltener. Nicht zuletzt aufgrund des facettenreichen möglichen Interpretationsspektrums war der Kreis der Promotoren und Promotorinnen der Heldinnenfigur und derer, die sich von ihr angesprochen fühlten, sehr breit gefächert. Denn sie hat neben religiösen auch patriotische Züge verkörpert und steht paradigmatisch für die Verklammerung dieser beiden Bereiche.
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Priesching, Maria von Mörl, 267. Edith Saurer, Frauen und Priester. Beichtgespräche im frühen 19. Jahrhundert, in: Richard van Dülmen (Hg.), Arbeit, Frömmigkeit und Eigensinn. Studien zur historischen Kulturforschung, Frankfurt a. M. 1990, 141–179, 145f.
IV Religiöse Überhöhungen und Nationalisierungen der Heldinnenfigur
Dramatische und literarische Produktionen haben vielfältige, zum Teil auch widersprüchliche Bilder der Heldin mitgeformt und standen in Wechselwirkung mit populären historischen und journalistischen Texten. Festzustellen ist im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert zunächst eine religiöse Überhöhung der Figur als „Muttergottes“, „Heilige“, „Engel“. Ebenso wie bei Felix Nabor erscheint die „junge Bauernmagd“ in der Geschichte Ennebergs von Alois oder Vijo Vittur aus dem Jahr 1912 beispielsweise als „ein Engel des Himmels, voll Gottesfurcht und Vertrauen, auf den Schirmherrn Tirols“ auf der Kirchhofmauer „mit einer bloßen Mistgabel bewaffnet“ und half „mit sicheren Hieben die spottenden Feinde zurück[zu]drängen“.1 Die Betonung der Jungfräulichkeit der Heldin war ein ebenso wichtiges Element dieses religiös-nationalen Deutungsmusters wie deren Verbindung zum Herz-Jesu-Kult. Zugleich wurde das Mädchen von Spinges immer öfter mit Jeanne d’Arc verglichen, was mit einer patriotisch-nationalen Sinnstiftung verflochten war. Auch die ‚Karriere‘ der ‚echten‘ Jeanne d’Arc als heilige und nationale Heldin nahm zwischen dem Ende des 19. und den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts einen beträchtlichen Aufschwung.2 Ein Höhepunkt des Erinnerungsspektakels um Katharina Lanz ist rund um das Jahr 1909 – anlässlich der Hundertjahrfeiern der Erhebung von 1809 – zu verzeichnen. Parallel dazu verstärkte sich das nationale Deutungsmuster in Verbindung mit den Trentiner Autonomiebestrebungen massiv,3 was sich auch an literarischen Bearbeitungen des Heldinnenstoffes ablesen lässt. Zum Politikum wurde vor allem die Errichtung eines Denkmals für Katharina Lanz in Livinallongo, die Kreise bis nach Wien und ins Kaiserhaus zog. Mit der Errichtung des Denkmals war der Höhepunkt der Wirkungsgeschichte der Symbolfigur Katharina Lanz und die Phase der größten Verdichtung an erinnerungskulturellen und erinnerungspolitischen Aktivitäten und Diskursen erreicht. In der Auseinandersetzung 1 2
3
Vittur, Enneberg in Geschichte und Sage, 136. Alois, auch Vijo Vittur (1882–1942) war Arzt und Publizist. Chiocchetti, Nosta Jent, 272f. Himmel, Von der „bonne Lorraine“. Auf die Verknüpfung von Heldinnentum und Heiligenattributen verweist auch Perry R. Willson, und zwar in Zusammenhang mit Frauen in der italienischen Resistenza: Perry R. Willson, Saints and Heroines: Re-Writing the History of Italian Women in the Resistance, in: Tim Kirk u. Anthony McElligott (Hg.), Opposing Fascism. Community, Authority and Resistance in Europe, Cambridge 1999, 180–236. Allgemein zum Kontext der Zeit siehe Judson, The Habsburg Empire.
1 Katharina Lanz als „Verteidigerin“, Jeanne d’Arc und „Hünenweib“
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um ihre ‚wahre‘ Herkunft und Identität, die in dieser Zeit begann, setzten sich die national getönten Perspektivierungen fort und sorgten für eine andauernde mediale Präsenz der Heldin.
1 Katharina Lanz als „Verteidigerin“, Jeanne d’Arc und „Hünenweib“
Das Jahr 1909 stand zwar primär im Zeichen des Gedenkens an Andreas Hofer und die Bergiselschlachten von 1809.4 Die Ereignisse des Jahres 1797, die Schlacht bei Spinges und damit auch die Heldentat des Mädchens von Spinges, liefen gewissermaßen als Ouvertüre mit. In einem zeitgenössischen Zeitungsartikel heißt es etwa:5 „Man hat Tirols Freiheitskämpfe passend verglichen mit einem mächtigen Baume: Das Jahr 1809 ist sein Stamm, die Siege auf dem Berge Isel sind seine Krone, – aber die Wurzeln dieses herrlichen Baumes mußt du in Spinges suchen. Da kann daher das Jahr 1809 nicht genannt werden, ohne in allen religiösen und patriotischen Tiroler Herzen dankbare Erinnerung zu wecken an das Jahr 1797. Darum kann auch die heurige Säkularfeier nicht gefeiert werden, ohne das Gedächtnis an 1797 neu aufzufrischen, das gilt besonders von uns ‚Spingern‘; wir dürfen das Jahr 09 nicht feiern, ohne das Jahr 97.“6 In diesem Zusammenhang ist der Einzug des Mädchens von Spinges in die lokale Pfarrkirche zu verorten. Abgebildet ist die Figur auf einem Fenster. Dieses fertigte 1909 die renommierte Tiroler Glasmalerei und MosaikAnstalt Neuhauser, Dr. Jele & Comp. aus Innsbruck im Auftrag des Spingeser Kuraten an. Zwei Fenster waren geplant. Zunächst stand nur das Motiv des ersten Fensters fest, welches das Mädchen von Spinges darstellen sollte. Der Auftragnehmer erkundigte sich daher: „Haben Herr Pfarrer das Thema für das zweite Fenster noch nicht bestimmt? Bei 4 5
6
Stefan Nicolini, Andreas Hofer im Tiroler Geschichtsbewußtsein des 20. Jahrhunderts, in: Zeitgeschichte 22, 11/12 (1995), 405–414, 408. Spings im Jahre der ersten Säkularfeier von 1809, in: Allgemeiner Tiroler Anzeiger 2, 185 (16.8.1909), 8–9. Der Autor des Artikels orientiert sich vermutlich am „Aufruf zur Errichtung eines Denkmals auf dem Schlachtfelde von Spinges“. Dort steht: „Der Sieg von Spinges war die Erstlingsfrucht vom Herz-Jesu-Bunde des Landes, geschlossen vom Ausschuß-Congreß der vier Stände zu Bozen am 1. Juni 1796. Der beinahe wunderbare Sieg entflammte ein unerschütterliches Vertrauen zum göttlichen Herzen des Bundesherrn, und rief eine religiöse Begeisterung wach, ohne welche das Jahr 1809 nicht erklärbar wäre.“ Und weiter: „Vergleichen wir Tirols weltberühmten Freiheitskampf mit einem gewaltigen Baume, so ist allerdings das Jahr 1809 sein Stamm, und die Siege auf dem Berg Isel bilden seine Krone: aber die Wurzel des herrlichen Baumes ist bei Spings zu suchen.“ Hervorhebung im Original fett. Spings im Jahre der ersten Säkularfeier von 1809, in: Allgemeiner Tiroler Anzeiger 2, 185 (16.8.1909), 8–9.
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IV Religiöse Überhöhungen und Nationalisierungen der Heldinnenfigur
der Composition des 1. Bildes sollte darauf schon Rücksicht genommen werden, um die notwendige Übereinstimmung zu erzielen.“7 Das Fenster mit dem Mädchen von Spinges zeigt dieses vor der Kirche bei der Friedhofsmauer mit der Heugabel in der Hand. Drei Franzosen sind abgebildet: einer im Angriff, einer nachrückend, der dritte bereits tot. Darunter steht der schon bekannte, bei Stock entlehnte Spruch: „Keines frechen Fremdlings Fußtritt/ Soll das Heiligtum beflecken/ Will Altar und Tabernakel/ Noch mit meiner Leiche decken“ (Abb. 29). Die Anwesenheit einer Figur, die nicht zu den Heiligen zählt, in einer Kirche, vor allem in einer derart kriegerischen Darstellungsform, wäre nicht denkbar ohne die religiöse Konnotierung dieser Heldinnenfigur. Ein prominenter Vorläufer war die Andreas Hofer-Statue, bereits 1834 in der Innsbrucker Hofkirche aufgestellt wurde, worin sich ebenfalls ein Akt der Sakralisierung manifestiert. Der damalige Kurat von Spinges Franz Walder schrieb 1909 in der Pfarrchronik: „Zum Andenken an Anno 1809 ließ ich von der Tiroler Glasmalerei in Innsbruck das Glasgemälde das Mädchen von Spinges als Verteidigerin des ‚Allerheiligsten‘ in die Kirche setzen.“8 Die Kosten beliefen sich auf 425 Kronen inklusive „Einsetzungsarbeit“ durch einen Monteur der Firma. Damit war der Kostenvorschlag um „einen kleinen Mehrbetrag“ überschritten. Die Glasmalerei rechtfertigte dies mit der Besonderheit der Darstellung: „Solche Bilder von ungewöhnlicher Art, wie in diesem Fenster, geben immer beträchtlich mehr Arbeit, als wie gebräuchliche Heiligenbilder, die schon wiederholt ausgeführt worden sind.“9 An übertriebenen Beschreibungen der Heldin auf dem Glasfenster mangelt es nicht: Hier sei, stand im „Tiroler Anzeiger“ zu lesen, „das Mädchen von Spinges in einer noch wenig gewürdigten und doch historisch wahren Bedeutung dargestellt […], „nämlich als Verteidigerin des Allerheiligsten. Denn ähnlich dem Cherub, der mit flammendem Schwert die Tür zum Paradiesgarten bewachte, so stand das Heldenmädchen als Verteidigerin, als Schildwache des Allerheiligsten vor der Kirchtür und wehrte die revolutionären Horden mit kräftiger Waffe vom gottesschänderischen Eintritte ab. So sehen wir auch im bezeichneten Glasgemälde das Mädchen von Spinges mit idealem, gottbegeisterten Ausdrucke hart vor der geschlossenen Kirchenpforte stehen, mit der Gabel drei Franzosen energisch vom Einbruch abhaltend, während diese voll Staunen und ohnmächtiger Wut das hehre 7
8 9
Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 96–116, Nr. 107, Figuralfenster, Antwortschreiben der Tiroler Glasmalerei-Anstalt vom 1.9.1908 auf die erste Anfrage vom 27.8.1908. Es enthält eine Reihe weiterer Fragen, vor allem bautechnischer Art. Pfarrarchiv Spinges, Chronik der Pfarre Spinges 1908–1920 (von Pfarrer Franz Walder), 5. Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 96–116, Nr. 107, Brief der Tiroler Glasmalerei und Mosaik-Anstalt Neuhauser, Dr. Jele & Comp. vom 20.1.1909 an den Pfarrer von Spinges zwecks „Begutachtung“ der „bestellten Fensterskizze“.
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Abb. 29: Katharina Lanz auf dem Fenster der Pfarrkirche Spinges, 1909. Das Glasmosaik zeigt sie in diesem sakralen Ort in kämpferischer Pose, ebenso klingt der Spruch: „Keines frechen Fremdlings Fußtritt/ Soll das Heiligtum beflecken/ Will Altar und Tabernakel/ Noch mit meiner Leiche decken!“
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Wesen anstarren. Die vorgestreckten Bajonette scheinen den Dienst zu versagen. In dieser wahren Auffassung ist das Mädchen von Spinges ein glänzendes Vorbild lebendigen Glaubens an Christi wahre Gegenwart im Sakramente. Ja, die Heldenjungfrau ist ein eucharistisches Mahn- und Wahrzeichen unseres Ortes und des ganzen Landes. Fremde, wie Einheimische können nun beim Anblicke dieses bescheidenen, würdigen Gedenkzeichens nicht nur patriotische, sondern auch religiöse Gefühle wecken.“10 In Verbindung zur Darstellung von Katharina Lanz in der Spingeser Pfarrkirche steht – ebenso auf patriotische und religiöse Gefühle abzielend – das zweite Kirchenfenster, welches das Herz-Jesu-Thema aufgreift. Zu sehen sind die vier jeweils durch eine Männerfigur repräsentierten Tiroler Stände: Adel, Geistlichkeit, Bürger und Bauern vor einer alpinen Landschaft sowie ein Fähnrich mit der gesenkten Tiroler Fahne – mit dem roten Adler. Bischof und Bauer sind kniend dargestellt, im Hintergrund ist ein Schlachtgetümmel zu sehen. Darüber öffnet sich der Blick in den Himmel, wo zwei Engel und das Herz Jesu schweben. Die Inschrift lautet: „Tirols Rettung unter dem Schutze des h[ei]l[ig[st]en Herzens Jesu durch die Schlacht am Spingeserberg, 2. April 1797“ (Abb. 30). In der Chronik der Pfarre Spinges wurde 1910 dazu vermerkt: „Als Seitenstücke zum Glasgemälde: das Mädchen von Spinges wurde zur patriotischen Erinnerung an Anno 97 u[nd] 1809 das Herz-Jesu-Bund-Fenster [...] eingesetzt, wieder von der Firma Neuhauser – Insbruck [sic]. Das Gemälde bringt in seiner Idee den Grund des Sieges auf dem Spingeser Berge u[nd] damit die Rettung Tirols zum gelungenen Ausdruck: ‚denn im Spingeser Sieg verehrt das Land der spätern Siege Unterpfand‘.“11 Laurence Cole kommt zum Schluss, dass der dem Herz-Jesu-Bund „zugesprochene Status und seine institutionelle Durchsetzung“ das Besondere an der Herz-Jesu-Verehrung in Tirol sei. „So war Tirol das einzige Gebiet Europas, in dem der Herz Jesu-Kult zur Landesandacht wurde. Verbunden mit der Verehrung und dem Diskurs um den Herz JesuKult war die Bestimmung der ‚Feinde der Kirche‘. Unter den Bedingungen des Krieges setzte die kirchliche Hierarchie diese mit den französischen Truppen gleich: Die ‚Vaterlandsfeinde‘ waren mithin auch Feinde der katholischen Kirche.“12 Hinzu kam Ende des 19. Jahrhunderts das Engagement der Christlichsozialen Partei in Wien in Sachen Tiroler Landeseinheit und dies bedeutete, so Cole weiter, einen „wesentlichen Nationalisierungsschub in der katholischen Politik“ in Tirol. Die Herz-Jesu-Feier von 1896 – zum hundertjährigen Jubiläum des Bundes – habe den Konservativen auch dazu gedient, „ihr nationa10 11 12
Spings im Jahre der ersten Säkularfeier von 1809, in: Allgemeiner Tiroler Anzeiger 2, 185 (16.8.1909), 8–9. Pfarrarchiv Spinges, Chronik 1908–1920, S. 7. Cole, Nationale Identität eines „auserwählten Volkes“, 485; siehe auch Kogler, Die katholische Kirche, 25–29.
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Abb. 30: Herz-Jesu-Darstellung auf dem Fenster der Pfarrkirche Spinges, 1909. Die beiden Kirchenfenster stehen in einem engen Zusammenhang. Das Herz-JesuBündnis, 1796, im Jahr vor der Schlacht von Spinges geschlossen, stellte Land Tirol unter den Schutz des Herzens Jesu.
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les Profil wieder ins rechte Licht zu rücken“.13 Über den Kult konnten aus Deutschtiroler Sicht diverse Feindbilder konstruiert und Identität gestiftet werden; „der institutionelle Apparat der Kirche [trug] zur Massenbasis der nationalen Identität in Deutschtirol bei: Geistliche spielten eine entscheidende Rolle nicht nur in der politischen Mobilisierung, sondern auch in der Definition nationaler Identitäten.“14 Franz Walder, der Kurat von Spinges, war äußerst umtriebig: Auch der Ort des Geschehens, die Friedhofsmauer von Spinges, sollte zum historischen Denkmal erhoben und damit zu einem lieu de memoire werden.15 Er plante 1909 eine Friedhofserweiterung und wandte sich in diesem Zusammenhang um eine finanzielle Unterstützung an die k. k. Zentral-Kommission zur Erhaltung für Kunst und historische Denkmale in Wien. Er argumentierte, dass „der Kirche eine immerwährende Last daraus“ erwachse, dass sie „jene Friedhofsmauer immer erhalten“ solle, „welche den Friedhofs-Zwecken nur hinderlich und einzig und allein aus historischer Rücksicht zu erhalten“ sei.16 Erzherzog Franz Ferdinand schaltete sich ein.17 In einem Schreiben vom Juni 1909 erklärte er, er habe „von der Absicht, den Friedhof in Spinges zu erweitern, Kenntnis erhalten. Höchstderselbe bringen der Erhaltung dieser historischen Stätte das größte Interesse entgegen und wünschen, daher, daß bei der Erweiterung des Friedhofes den Forderungen der k. k. Zentralkommission für Kunst und historische Denkmale vollends entsprochen werden.18 Von Wien aus wurde schließlich eine Subvention in der Höhe von 700 Kronen zugesagt. Der Verwaltungsablauf dürfte mühsam gewesen sein. Im Nachsatz eines Briefes wird der Kurat von dessen Schreiber getröstet: „Wegen der Subventionsgeschichte darfst Dirs nicht verdriessen lassen. Bei staatlichen Aktionen geht es immer langsam und zach.“19 Im Umfeld des Jubiläums wurde auch ein neues Massenmedium genutzt: die seit der Jahrhundertwende immer beliebteren farbigen Postkarten. Anlässlich der „Jahrhundertfeier Tirols“ erschienen Postkartenserien zum „Tiroler Freiheitskampf 1809“. Zum Bildinventar gehörte dabei auch das Gemälde Edmund von Wörndles „Bei Spinges“, welches das 13 14 15 16 17
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Cole, Nationale Identität eines „auserwählten Volkes“, 506. Cole, Nationale Identität eines „auserwählten Volkes“, 513f. Zu Konzept und Umsetzung siehe Nora, Les lieux de mémoire. Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 96–116, Nr. 108, Friedhofserweiterung. Konzept des Schreibens vom 15.10.1909, Punkt 4. Zu diesen seinen Aktivitäten siehe Theodor Brückler, Thronfolger Franz Ferdinand als Denkmalpfleger. Die „Kunstakten“ der Militärkanzlei im Österreichischen Staatsarchiv (Kriegsarchiv), Wien/Köln/Weimar 2009, 125. Die Subvention sei bewilligt worden „unter der Bedingung, dass die Arbeiten vom zuständigen Konservator für zufrieden stellend bezeichnet“ würden. Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 96–116, Nr. 108, Friedhofserweiterung, Schreiben vom 9.6.1909. Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 96–116, Nr. 108, Friedhofserweiterung, Schreiben vom 9.6.1909, Schreiben von Albin Egg vom 2.2.1910.
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Abb. 31: „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, Postkarte aus der Serie „Jubiläumskarte 1809–1909“. Die Frauenfigur, die gelegentlich auch als Giuseppina Ne grelli oder als Katharina Lanz bezeichnet wurde, verkörpert einen kämpferischen und für Heldinnendarstellungen gängigen Gestus.
Schlachtgetümmel etwas weiter entfernt von der Kirche darstellt (Abb. 7),20 eine Postkarte „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, die eine Frau in Tracht mit einer Tiroler Fahne in der einen Hand und einem rauchenden Gewehr in der anderen zeigt (Abb. 31), sowie „Das Mädchen von Spinges (Kath. Lanz)“ mit der Heugabel auf der Friedhofsmauer (Abb. 32).21 20 21
Diese Karte stellte der Verlag E. Lorenz (L. Neurauter’s Nachf.) Innsbruck her. Auf der Rückseite wird für eine Publikation des Verlags unter dem Titel „Am Berg Isel“ geworben. Die im Antiquariat gefundene Karte (Abb. 31) ist auf der Rückseite als „Jubiläumskarte 1809–1909“ bezeichnet und als „Original und Eigentum von Fritz Gratl“. Abb. 32 läuft unter „Tiroler Freiheitskampf 1809“. Das Mädchen von Spinges (Kath. Lanz)“ und ist als „Original und Eigentum von Fritz Gratl“ in Innsbruck ausgewiesen. Fritz Gratl ist in A. Zankl, Adress-Buch der Photographen Österreichs, Wien 1901, 31, genannt mit dem Standort Innsbruck, Margarethenplatz.
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Abb. 32: „Das Mädchen von Spinges“, Postkarte aus der Serie „Tiroler Freiheitskampf 1809“. Diese Zuordnung verdeutlicht einmal mehr die enge Verkoppelung der Schlacht von Spinges 1797 und ihrer Heldin mit der Tiroler Erhebung von 1809.
Reproduktionen dieser Abbildungen begegnen in der Folgezeit noch öfters. Ebenfalls 1909 ließ die Österreichische Gesellschaft zur Förderung der Medaillenkunst und Kleinplastik eine versilberte Bronzeplakette in 101 nummerierten Exemplaren herstellen, die das Mädchen von Spinges abbildet – wiederum auf der Friedhofsmauer mit der Heugabel in der Hand. Der Entwurf stammt vom Bildhauer Edmund Klotz,22 einem in Wien tätigen akademischen Bildhauer aus Inzing in Nordtirol (Abb. 33). Die auf der Ansichtskarte dargestellte junge blonde Frau in Tracht mit der Tiroler Fahne und dem Gewehr erinnert unweigerlich an „La Liberté guidant le peuple“ (1830) 22
Telesko, Kulturraum Österreich, 306.
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Abb. 33: „Das Mädchen von Spinges“, versilberte Bronzeplakette nach einem Entwurf von Edmund Klotz, ebenfalls aus dem Jahr 1909. Sie steht paradigmatisch für die ‚multimediale‘ Präsenz der Heldin in dieser Zeit verdichteter Reminiszenz.
von Eugène Delacroix (Abb. 48). Die Figur dürfte stellvertretend die namenlos gebliebenen an den Kriegsereignissen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts beteiligten Frauen repräsentieren. Zugleich kann sie auch als ein Zitat von Abbildungen des Mädchens von Spinges gesehen werden, das sich mit anderen Sujets vermischt – beispielsweise mit dem Bild des ebenfalls bewaffneten „Mädchens aus dem Zillertal im Tiroler Freiheitskampf von 1809“, das als Postkarte unter dem Titel „Cillerthalerin im Insurrektions-Kriege 1809“ in Umlauf war (Abb. 34).23 Rund um 2009 wurde das Bild (Abb. 31) auch als Darstellung von Giuseppina beziehungsweise Josephine Negrelli verwendet, obwohl die Figur Frauenkleider trägt, während Negrelli in Männerkleidern gekämpft hat.24 Das Mädchen 23 24
Abgebildet ist sie auf einem Stahlstich von Christoph Mahlknecht nach einer Zeichnung von Karl Mayer. So auf der Website des Bundes der Tiroler Schützenkompanien unter der Rubrik „Marketenderinnen“, die in der Zwischenzeit jedoch umgestaltet wurde; siehe die Website der Schützenkompanie „Giuseppina Negrelli“ von Primiero/Primör http://www.skgiuseppinanegrelli.com/deutsch/ pagine/giuseppina.htm (letzter Zugriff: 2.11.2020).
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Abb. 34: Christoph Mahlknecht, „Mädchen aus dem Zillertal im Tiroler Freiheitskampf 1809“
mit dem Gewehr, das abwechselnd als die Spingeser Heldin und als Giuseppina Negrelli identifiziert wurde, unterscheidet sich also von den üblichen Darstellungen beider Frauen, insofern die eine normalerweise mit dem Dreizack – und nicht dem Gewehr – dargestellt ist, und die andere mit Gewehr, nicht aber in Frauenkleidern. Der Einfluss der „Liberté“ von Delacroix und der damit verknüpfte ‚Idealtypus‘ der kämpfenden und ‚anführenden‘ Frau mögen die Verschiebungen in den Darstellungen erklären. Zwei Momente des Mythos der Spingeser Heldin dominieren: zum einen die bloße Anwesenheit des Mädchens, die auf wundersame Weise den Feind in Schrecken versetzt und zum Zurückweichen veranlasst hat. Dadurch rettete es das Allerheiligste vor der Zerstörung und Schändung. Zum anderen wird der Jungfräulichkeitsstatus der Heldin besonders betont. In diesem Zusammenhang wird Katharina Lanz immer öfter explizit mit Jeanne d’Arc in Verbindung gebracht, und zwar so, als ob der angebliche Sieg über die
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Franzosen im Jahr 1797 – spiegelbildlich zum Eingreifen der Jeanne d’Arc während des Hundertjährigen Krieges – durch das Auftreten einer lokalen Jeanne d’Arc, nämlich des Mädchens von Spinges, erreicht worden sei. Wohl wurde das Mädchen von Spinges bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Tiroler Jeanne d’Arc bezeichnet,25 doch tauchen Bezugnahmen auf „Jeanne d’Arc“ oder „die Jungfrau von Orleans“ mehrheitlich in Texten auf, die nicht aus dem Tiroler Umfeld stammen: Die Tiroler Jeanne d’Arc hat ihr Vaterland vor dem Angriff der Nation der ‚echten‘ Jeanne d’Arc gerettet. Dass diese als Referenz um die Mitte der 1890er Jahre besonders präsent war, könnte mit dem Beschluss des Vatikans von 1894 zusammenhängen, eine Kommission einzusetzen, die die Heiligsprechung der Jungfrau von Orléans auf den Weg bringen sollte. In dieser Phase wurde Jeanne d’Arc „nachdrücklich politisiert“,26 obwohl die Mythen und Antimythen schon zu Lebzeiten der pucelle virulent waren. Im Jahr 1431 hatte man sie als Ketzerin verbrannt und 24 Jahre später, 1465, rehabilitiert. Konflikte um die Deutung ihrer Person hat es jahrhundertlang gegeben. Um 1900 war Jeanne d’Arc für manche Franzosen „die Ehrwürdige, die Heilige des Vaterlandes; für die anderen war sie die nationale Heldin, von ihrem König verraten und von der Kirche verbrannt“.27 Was die Kirche betrifft, wurde Jeanne d’Arc 1909 selig-, 1920 heiliggesprochen und im Jahr 1922 zur zweiten Schutzpatronin Frankreichs erhoben.28 25 26
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Tiroler Almanach auf das Jahr 1802, in: Annalen der Österreichischen Literatur 38, 18 (März 1802), Sp. 139–142, Sp. 140. Philippe Contamine, Jeanne d’Arc im Gedächtnis der französischen Rechten, in: Hedwig Röckelein, Charlotte Schoell-Glass u. Maria E. Müller (Hg.), Jeanne d’Arc oder Wie Geschichte eine Figur konstruiert, Freiburg u. a. 1996, 170–221, 171. Die Literatur zu Jeanne d’Arc und ihren Darstellungen ist enorm. Siehe nur z. B. Colette Beaune, Jeanne d’Arc, Paris 2004; Jean Maurice u. Daniel Couty (Hg.), Images de Jeanne d’Arc: actes du colloque de Rouen, 25–26–27 mai 1999, Paris 2000; Jean-Patrice Boudet u. Xavier Hélary (Hg.), Jeanne d’Arc: histoire et mythes, Rennes 2014. „Sait-on encore aujourd’hui que ‚la bataille Jeanne d’Arc‘ fut, vers 1900, après l’Affaire Dreyfus, le litige qui séparait le plus les Français? Dans le culte de la Pucelle, le nationalisme de gauche et le nationalisme de droite s’affrontèrent d’une façon irréconciliable. Pour les uns, Jeanne fut la Vénérable, la Sainte de la Patrie; pour les autres, elle fut l’héroïne nationale, trahie par son roi et brûlée par l’Église“, erklärt Gerd Krumeich in seiner Einführung zur Tagung „Jeanne d’Arc: histoire et mythes“ im Mai 2012, zit. nach Jean-Patrice Boudet u. Xavier Hélar, Introduction, in: dies. (Hg.), Jeanne d’Arc: histoire et mythes, 9–12, 9. Gerd Krumeich rollt auch die Debatten um den Jeanned’Arc-Kult in Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg auf. Er betont unter anderem, dass Jeanne d’Arc seit 1871 „im patriotischen Unterricht [...] stets hervorgehoben worden sei“ und so auch am „Marne-Wunder“ ihren Anteil habe. Gerd Krumeich, Jeanne d’Arc in der Geschichte. Historiographie – Politik – Kultur, Sigmaringen 1989, 121–123. Zur Seligsprechung siehe Pius PP. X., Venerabilis Ioanna De „Arc“ Virgo, Aurelianensis Puella Nuncupata, Renunciatur Beata, 11.4.1909, in: Acta Apostolicae Sedis, Commentarium Officiale, Annus I, Volumen I, 390–394; zur Heiligsprechung siehe Benedictus Episcopus Servus Servorum
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Im Schreiben über das Mädchen von Spinges bot sich der Rekurs auf Jeanne d’Arc besonders dann an, wenn eine starke Betonung auf der Jungfräulichkeit der Heldin von Spinges lag. Diese stellte auch ein Leitmotiv im Prozess gegen Jeanne d’Arc dar, denn davon wurden übernatürliche Fähigkeiten abgeleitet. Und solche wurden vermehrt auch Katharina Lanz zugeschrieben. Jungfräulichkeit sei ein „ambivalenter Stand“, konstatiert Katharina Simon-Muscheid: Jungfrauen seien „auch schon als das ‚dritte‘ Geschlecht bezeichnet“ worden. Bis zu einem gewissen Grad würden sie „über besondere, übernatürliche Fähigkeiten“ verfügen und für Frauen verbotene „Grenzen überschreiten“ können, „denn für Jungfrauen und Frauen gelten nicht dieselben Normen“.29 Wie Katharina Lanz mit Jeanne d’Arc in Beziehung gesetzt wurde, variierte. Sie konnte sich auf die bloße Bezeichnung beschränken wie bei Joseph Maurer, oder als Vergleich dienen wie bei Otto von Schaching. Dazwischen wandten sich kritische Stimmen auch gegen das Verknüpfen der Tiroler Heldin mit einer quasi überirdischen Erscheinung.30 Auch Joseph Maurers Schrift „Tiroler Helden“, erschienen 1894, enthält ein Kapitel „Katharina Lanz, das Heldenmädchen von Spinges, die tirolische ‚Jungfrau von Orleans‘“.31 Joseph Maurer (1853–1894) hatte in Wien Theologie studiert, war als Seelsorger in Wien und Niederösterreich tätig, zuletzt in Deutsch Altenburg. Daneben war er auch Schriftsteller und Lokalhistoriker, verfasste biographische, kunst- und lokalhistorische Arbeiten sowie topographische Studien.32 Unverkennbar stark geistlich geprägt ist seine Perspektive auf Ereignisse und die Figur der Heldin: „Religiöse Begeisterung und Vaterlandsliebe waren es, die den Tirolern die Waffen in die Hand drückten.“ Er berichtet über den 1796 geschlossenen Herz-Jesu-Bund und zitiert die zwei Strophen aus dem Spingeser Schlachtlied über die Hostienschändung, mit dem Fazit: „Die Tiroler kämpften also für
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Dei Ad Perpetuam Rei Memoria Litterae Decretales Divina Disponente Beata Ioanna De Arc, Virgo, In Sanctorum Caelitum Album Refertur, 16.5.1920, in: Acta Apostolicae Sedis, Volumen XII, Romae, 1920, 514–529. Für die Erhebung zur Schutzpatronin siehe den apostolischen Brief von Papst Pius XI. vom 2.3.1922, Beata Maria virgo in caelum assumpta in gallicae nationis patronam praecipuam sanctaque Ioanna Arcensis in minus principalem patronam rite electae declarantur et confirmantur, 2.3.1922, in: Acta Apostolicae Sedis, Commentarium Officiale, Annus XIV, Volumen XIV, Romae 1922, 185–187; die Hl. Maria wurde zur ersten Schutzpatronin proklamiert. Acta Apostolicae Sedis, Commentarium Officiale, Annus XIV, Volumen XIV, Romae 1922, 185–187. Katharina Simon-Muscheid, „Gekleidet, beritten und bewaffnet wie ein Mann“. Annäherungsversuche an die historische Jeanne d’Arc, in: Röckelein/Schoell-Glass/Müller, Jeanne d’Arc, 28–54, 32. Mitte der 1950er Jahre brach sogar eine kleine medial ausgetragene Kontroverse um das Verhältnis des Mädchens von Spinges zur Jungfrau von Orleans aus – dazu später. Maurer, Tiroler Helden, 103–112. ÖBL, Bd. 6 (Lfg. 27, 1974), 157–158.
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ihre höchsten Güter: für Religion und Vaterland, da die Franzosen nicht bloß eroberten, sondern überall so wie zu Hause die alte christliche Ordnung zu zerstören suchten.“33 In seinem Porträt von Katharina Lanz folgt er weitgehend dem Text Norbert Stocks aus dem Band „Der Tag bei Spinges“ in der zweiten Auflage. Der Passus, der hier von Interesse ist, beginnt folgendermaßen: „Sie stellt sich vor die Kirchenthür und streckte den vorbeimarschierenden Franzosen ihre Heugabel entgegen. Die Feinde blicken sie nur verwundert an und zogen vorüber, ohne ihr ein Leid zuzufügen.“ Etwas weiter im Text wird eine Wundergeschichte ausgebaut: „Es ist nun wirklich eine auffallende Thatsache, daß die Franzosen sich vier Tage in und bei Spinges aufhielten, plünderten, raubten und zahllose Grausamkeiten verübten, die Kirche aber nicht nur nicht beraubten, sondern sie nicht einmal betraten. Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, Gott habe den Opfermut der heldenmüthigen Jungfrau krönen und durch Beschützung der Kirche belohnen wollen.“ Verbunden wird die Erzählung mit Rekursen auf Szenerien des Gefechts: „Der Kurat von Spinges, Johannes Haidacher, erzählt, die Franzosen seien durch die Erscheinung des Mädchens gewaltig in Schrecken versetzt worden, indem sie in abergläubischer Furcht sich einbildeten, sie hätten eine übernatürliche Erscheinung und Macht gegen sich im Kampfe.“34 Am darauffolgenden Tag hätten die Franzosen Spinges neuerlich besetzt und „unmenschlich“ gewütet. „Nur das Gotteshaus blieb merkwürdigerweise wieder verschont.“ Das Wunder war also in dieser Erzählung einmal mehr auf die Verteidigung der Kirche bezogen und umfasste nicht auch den Sieg gegen die Franzosen, was der frühen Version des Spingeser Mythos klar widersprach. Die Verbindung dieser Motive zur Geschichte der „Jungfrau von Orleans“ ist im Untertitel des Kapitels und im Schlusssatz hergestellt, wo der Autor diese Bezeichnung ein weiteres Mal dem Mädchen von Spinges hinzufügt, ohne darauf explizit einzugehen.35 Kurat Haidacher, auf den die Interpretation als „übernatürliche Erscheinung“ zurückgeführt wurde, war von 1825 bis 1842 in Spinges tätig.36 Ihm wird folgende Version des 33 34
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Maurer, Tiroler Helden, 102. Maurer, Tiroler Helden, 109. In der eingangs unter den zeitgenössischen Berichten angeführten „Kurzen Üebersicht“ findet sich ebenfalls das Wundermotiv: „das Gotteshaus allein wurde verschont, welches einem Wunder ähnlich ist“. Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 117, Kurze Üebersicht, 9. Maurer, Tiroler Helden, 112. Spinger Heimatbuch, 56. Er verfasste im Jahr 1834 eine „Skizze zu einer Topographie von Spinges“. Diese soll sich laut Sparber, Wer war das Heldenmädchen, 187, im Pfarrarchiv Spinges befinden. Bei unserer Recherche dort sind wir nicht darauf gestoßen. Steinmair, Heiliggrab-Denkmäler, 598, gibt als Quelle für diese Szene eine Abschrift des Originals aus dem Pfarrarchiv Natz an unter dem Titel „Plan zu verfassender kirchlicher Topographie und Statistik der Diözese Brixen“. Ignaz Mader bringt sie in Zusammenhang mit einem „Entwurf zur Antwort auf den Fragebogen
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Wunders zugeschrieben:37 „Diesen gähligen [baldigen] Abzug [der Franzosen] soll, wie es heißt, veranlaßt haben eine weibliche Figur auf der Friedhofmauer stehend mit fliegenden Haaren, langem umgürteten Kleide und einer drohenden Waffe in der Hand, welche in manchen Beschreibungen das Spingeser-Mädl genannt wird, wovon die Spingeser selbst nichts wissen, weil sie nur von den Franzosen allein sei gesehen worden und als eine Böse ausgerufen wurde: ‚O, das böse Weibsbild!‘“38 Dieser Plot erinnert an die weniger ausgeschmückte Schilderung bei Ferdinand Lentner39 auf Grundlage des Berichtes von Thomas Leimgruber, Kurat in Spinges von 1788 bis 1800.40 In der im Ferdinandeum in Innsbruck erhaltenen Abschrift heißt es bezüglich der Ereignisse nach dem Ende der Schlacht: „Aber da fielen die Feinde wüthend und rasend über die Häuser in Spings her, und raubten gewaltig, setzten auch vielen das Gewehr auf die Brust, drohten mit bloßen Säbel.“ Und weiter: „Was mußte nur ich in Widum leiden da ich als Seelsorger mit meiner Schwester, und Häuserin allein geblieben, da alle andern geflohen? Der Widum war der erste Anstoß, wo nach der Schlacht eine Truppe rasender Räuber nach der andern kam. Durch die Fenster, so gleich eingeschlagen worden, wurde ihnen fast aller Wein, auch Geld ihre Wuth zu besänftigen, hinausgegeben, aber umsonst, sie brauchten auch Gewalt in den Widum zu kommen, und da war der erste Raub in den Zimmern. Man forderte auch von mir die Kirchenschlüssel, da sie aber diese nicht bekamen, und bey dem Meßner nicht fanden, haueten sie mit der Hacke an der Mauer der Kirchthüre bis zum Schußhacken, und o Wunder! da giengen sie ohne die Kirchthüre zu eröffnen unverrichteter Sachen davon.“41
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des Georg Tinkhauser“. Ignaz Mader, Ortsnamen und Siedlungsgeschichte von Aicha, Spinges, Vals, Meransen (Südtirol), Innsbruck 1950, 31. Der Kontext dieser Erhebung dürfte die Arbeit von Georg Tinkhauser, Topographisch-historisch-statistische Beschreibung der Diöcese Brixen mit besonderer Berücksichtigung der Culturgeschichte und der noch vorhandenen Kunst- und Baudenkmale aus der Vorzeit, sein, die in Brixen ab 1855 in mehreren Bänden erschienen ist. Der erste Band behandelt u. a. das Dekanat Brixen, zu dem die Kuratie Spinges gehört. Dort steht nur, dass „das kleine Dorf Spinges [...] durch die gewaltigen Kämpfe der Tiroler gegen die Franzosen im J[ahr] 1797 berühmt geworden“ sei. Ebd., 288. Dies war nicht die einzige Wundergeschichte aus dieser Zeit: Im Januar 1797 sah, der Überlieferung zufolge, ein Bauernmädchen in Absam ein Bild der Madonna auf einer Fensterscheibe ihres Zimmers – eine Erscheinung, die für ein Wunder gehalten wurde. Das Fensterglas brachte man in die lokale Kirche, und Absam wurde „zu einem der beliebtesten Wallfahrtsorte Tirols“. Mühlberger, Absolutismus, 471; siehe auch Wolfgang Menzel, Geschichte der Deutschen bis auf die neuesten Tage, Bd. 4, Stuttgart/Augsburg 1855, 298, Anm. 1. Zit. nach Mader, Ortsnamen und Siedlungsgeschichte, 31; siehe auch Sparber, Wer war das Heldenmädchen, 187; Steinmair, Heiliggrab-Denkmäler, 565. Lentner, Denkwürdigkeiten, 67, 84. Spinger Heimatbuch, 56. TLF, Bericht Leimgruber, fol. 2 f., Kursivierung der Autorinnen. Eine Abschrift findet sich auch im Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 117, Jakob Stubenruß, Abschrift: Bericht, welcher über den
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In der skizzierten Erzählung von Otto von Schaching aus dem Jahr 1896, in Regensburg erschienen, findet sich die Konnotation mit der Jungfrau von Orleans in Zusammenhang mit der Szene auf der Friedhofsmauer. „Sie schien unverletzbar zu sein; denn kein Schuß, kein Stich macht sie unschädlich. Katharina Lanz – denn sie war die Heldin – glich jetzt einem von übernatürlichen Mächten geleiteten Wesen, einer Jungfrau von Orleans; kaum erkannte man sie wieder. Aus ihren Augen loderten Blitze, auf ihrer Stirn thronte fast sichtbar die Verachtung des Todes, der ihr drohte; ihre Gestalt schon von einem Zauber umhüllt. Begeistert jubelten ihre Landsleute ihr zu.“42 Parallel zur Verbreitung solcher Wundergeschichten äußerten sich andere Stimmen kritisch. „Mangelhafte Kenntnis dessen, was auf Katharina Lanz Bezug hat“, möge die Ursache dafür sein, wandte Ferdinand Lentner in seinen „Kriegspolitischen Denkwürdigkeiten“ 1899 ein, „dass es vielen Leuten in den Sinn kam, das Mädchen von Spinges mit dem Mädchen von Domremy, Johanna d’Arc zu vergleichen“. Die bäuerliche Herkunft, Frömmigkeit, Herzensgüte und Willensstärke seien ihnen zwar gemeinsam, ansonsten entbehre ein Vergleich aber „der geschichtlichen Berechtigung“. Denn: „Der Jungfrau von Orleans, Johanna d’Arc, wohnten Eigenschaften inne, für welche der sublimste Massstab kaum zureicht: Der Adlerblick des Genies, eine Gemüthstiefe sondergleichen, ein divinatorisches Ahnungsvermögen, eine bezaubernde Hoheit ihres ganzen Wesens.“43 Dagegen sei das Mädchen von Spinges, laut Lentner, „weder berufen noch befähigt“ gewesen als „eine zweite Jeanne d’Arc ihrem Volke die Oriflamme [die Reichs- und Kriegsflamme der französischen Könige] im Sturme voranzutragen“.44 Seine Bedenken verhallten wirkungslos. Das „Tiroler Tagblatt“ übernahm Anfang 1904 einen Artikel aus der „Wiener Abendpost“,45 der städtische Sommergäste nach Spinges führte, die Aussicht von dort oben pries – ein „blaues Wunder“ – und dann zum Mädchen von Spinges überleitete. Aufhänger war das in Buchenstein geplante Denkmal zu dessen Ehren. Der Verfasser kannte die „Relation“ Philipp von Wörndles und die „schöne“ Darstellung Norbert Stocks in „Der Tag bei Spinges“. Er war auch über Kaspar Ruepps Aktivitäten informiert. „Die Dichtung“ habe „den Tag von Spinges vielfach verherrlicht. Daß hiebei unsere Jeanne d’Arc, das Mädchen von Spinges, nicht vergessen wurde,“ bedürfe „keiner Erwähnung“.46 In einem Zeitungs-
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feindlichen Einfall der Franzosen in Spings und der erfolgten Schlacht daselbst im Jahre 1797 an S.e Hochfürstlichen Gnaden zu Brixen von dem Herrn Curat zu Spinges Thomas Leimgruber erstattet worden, S. 1–3. Schaching, Das Mädchen, 261f. Lentner, Denkwürdigkeiten, 106. Lentner, Denkwürdigkeiten, 107. Das Mädchen von Spinges, in: Tiroler Tagblatt 39, 24 (30.1.1904), 4–6. Hervorhebung der Verfasserinnen.
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artikel von Hermann Franz Steinbacher aus Innichen tauchen verschiedene Motive auf, darunter explizit auch die Konnotation mit der Jungfrau von Orleans: „Tatsächlich übte ihre an ein überirdisches Wesen gemahnende Erscheinung, wie sie mit fliegenden Haaren in Kämpferstellung auf der Friedhofsmauer stand, auf die heranstürmenden feindlichen Soldaten eine solche Wirkung, daß selbst die nach dem Kampfe vorbeiziehenden Krieger das seltsame Bild der kampfbereiten Jungfrau, die schließlich fast allein den Eingang zur Kirche verteidigte, für eine übernatürliche Erscheinung hielten, und ohne ihr ein Leid zuzufügen, wieder abzogen.“ Die „Heldenjungfrau“ sei „nicht nur ein schöner Typus unseres Heldenvolkes, sondern die nunmehr auch historisch vollkommen beglaubigte Person der Katharina Lanz“. Die ihr zu Ehren errichteten Gedenktafeln seien „sichtbare Zeichen [...] zur pietätvollen Erinnerung an die ‚tirolische Jungfrau von Orleans‘“.47 Gesamt gesehen überwogen Ende des 19. Jahrhunderts religiös gefärbte Darstellungen von Katharina Lanz, inspiriert durch wunderähnliche Geschichten. Nur vereinzelt mischten sich abweichende Töne darunter. Ein völlig anderes Heldinnenkonzept liegt dem Gedicht „Das Mädchen von Spinges“ des Lyrikers Albrecht Graf Wickenburg (1839–1911) zugrunde. Abgedruckt ist es in seinem Gedichtband „Tiroler Helden“ aus dem Jahr 1893 mit einer zweiten Auflage 1907.48 Der Buchtitel lautet ebenso wie jener von Joseph Maurer, beide Bände sind fast zeitgleich erschienen. Das Bild des Mädchens von Spinges, das sie zeichnen, könnte unterschiedlicher nicht sein. Wickenburgs Gedicht besteht aus 15 Zweizeilern; die das Mädchen von Spinges betreffenden lauten: Und die Maid auf der Mauer? ... Ei, sag’ nur, Freund Hein, Soll heute das Mädel Dir Brautjungfer sein? Ein Hünenweib steht sie in wetterndem Graus Und liefert Dir Todte um Todte in’s Haus! Wohl hat sie kein Schwert und sie hat kein Gewehr, Die Heugabel schwingt sie als zackigen Speer. Und zückt sie die Gabel mit wuchtiger Macht, Ist Einer vom Leben zum Tode gebracht.
Im Folgenden geht es um das Schlachtgetümmel allgemeiner, das Blutvergießen und den toten „Senseler“ und weiter:
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Hermann Franz Steinbacher, Das Mädchen von Spinges, in: Tiroler Anzeiger 5, 140 (21.6.1912), 1–3, 2f. Abrecht Graf Wickenburg, Tiroler Helden. Gedichte, Innsbruck 1893, 3–4, und 1907 in einer erweiterten zweiten Auflage, 5–7.
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Nur die Maid auf der Mauer steht immer noch hier, Ein Engel des Todes im Todtenrevier. Und „Sieg“! schallt es endlich – der Feind ist verjagt – Da suchen die Augen die herrliche Magd. Man sucht sie, man ruft sie mit jubelndem Laut – Da ist sie verschwunden, von Keinem geschaut. Sie trutzte dem Feind um dem Tod auf der Freit’ Und sie trutzt auch dem Lobe, die trutzige Maid! Wer sie war, wie sie hieß – die so trutzig hier schied? Das Mädchen von Spinges nur nennt sie das Lied.
Die Identität der Heldin bleibt hier offen; der Verfasser nennt nur das namenlose „Mädchen von Spinges“.49 Religiöse Bezüge werden in diesem Gedicht keine hergestellt; auch explizite patriotische Anklänge fehlen. Der Tod ist die zweite Hauptfigur neben der Heldin. Am Beginn des Gedichtes heißt es etwa: „Im Freithof zu Spinges gibt’s blutigen Streit,/ So scharf war hier niemals der Tod auf der Freit’/ Franzos und Tiroler – heut’ hat er die Wahl/ Und er übt sie an Beiden – sie macht ihm nicht Qual.“ Die „Maid auf der Mauer“ firmiert als „Hünenweib“, „herrlich“ und „trutzig“. Sie „liefert“ dem Tod Tote um Tote ins Haus und repräsentiert so damit das Gegenteil zu den zeitgleich dominierenden Bildern und kursierenden Charakterisierungen als friedlich, fromm, harmlos, zart beseelt etc. Ernst Froh stellte das „Spingesermadl“ in einem Gedicht, das 1913 im „Tiroler Anzeiger“ veröffentlicht wurde, nicht mit einer Heugabel dar, sondern als gewehrladende Heldin. Ungefähr in der Mitte des Gedichts wird sie eingeführt: „Wia das so zuageht, drunt und üb’ranand,/ Druckt si’ a’ Madl um die Friedhofswand,/ Derlangt an Stutzen, den ’s am Boden find’t/ Und lad’t ’n, wie a Raubschütz schußrecht g’schwindt.“ Sie lädt auch noch einen zweiten „Stutzen“ „und hat si’ vor koan Schiaß’n bangt“. Selbst schießt sie offensichtlich nicht, das vielfach wiederholte Motto des Gedichts lautet nämlich: „ Schiaßt’s, Mander, schiaßt’s!“ Der Schluss verweist unbekümmert und siegessicher auf künftige Kämpfe. Die Heldin von Spinges steht auch hier stellvertretend für die an den Kämpfen in Tirol beteiligten Frauen: „Mir, Mander, schiaß’n! Und das wiss’n mir woll:/ Die Sping’sermadln gibt’s in ganz Tirol!“.50 49 50
In seinem 1874 erschienenen Gedichtband „Eigenes und Fremdes“ findet sich das Gedicht nicht, doch ist nicht auszuschließen, dass es schon vor den 1890er Jahren verfasst wurde. Ernst Froh, ’s Spingesermadl, in: Allgemeiner Tiroler Anzeiger 6, 192 (22.8.1913), 3. Ernst Froh ist das Pseudonym von Alois Jahn (1866–1949), aus Achenwald in Tirol gebürtig. Er hatte Rechts- und Staatswissenschaften studiert, war zunächst bei der k. u. k. Finanzdirektion in Prag tätig, ab 1897
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Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, wenn ein anderer Dichter, nämlich Gustav Adolf Jahnel, sich veranlasst sah, sein Unbehagen gegenüber einem „Mäg[d]lein“, das „im Kampf und Streite [...] kühn eine Waffe schwingt“, rhetorisch zum Ausdruck zu bringen. Er schrieb in seinem 32 Strophen langen, in der Bibliothek Ferdinandeum in Innsbruck in handschriftlicher Fassung archivierten Gedicht einleitend: „Der Barde leicht verspüret,/ Trotz aller Sangesfreud,/ Ein ängstliches Bedenken/ vor solchem Hochgesang./ Drum fleht er, Gott mög’ schenken/ den Worten rechten Klang.“ Er macht Katharina Lanz sogar zur Führerin der „Bauernschar“: „mit aufgeschürztem Kleide/ Und aufgelöstem Haar,/ Wie aus der Erd’ entsprossen,/ Den Dreizack in der Hand,/ Im Hagel von Geschossen/ Die Führerin erstand.“ Gleich darauf folgt jedoch die Wendung ins Religiöse, formuliert als Frage, ob sie ein „Gottesbote in höchster, letzter Not“ sei, ein „Engel, der dem Tode sein donnernd Halt gebot“ oder „die ewig-reine hochheil’ge Magd des Herrn, umstrahlt vom Glorienschein“.51 Motivstränge verbinden sich auch hier wiederum.
2 Nationale Positionierungen: Katharina Lanz als Ladinerin
Einen Einblick in die Ethnisierung – und im Kontext der Zeit zugleich Nationalisierung – der Heldinnenfigur kann die Überarbeitung der Erzählung „Eine Verborgene“ von Marie Buol eindrücklich vermitteln.52 Deren politische Dimension steht symptomatisch für einen veränderten Kontext der Wahrnehmung von Katharina Lanz. Ihrer ladinischen Herkunft, bereits in den namengebenden Artikeln von 1869 und 1870 relevant, kam nunmehr ein besonderes Gewicht zu. In der Erzählung wird eine Linie gezogen zwischen der Abwehr der Franzosen 1797 und den Risorgimento-Kriegen in Italien im Zuge des Einigungsprozesses seit dem Ende der 1840er Jahre und zwischen diesen Ereignissen und der Gegenwart der Autorin Anfang des 20. Jahrhunderts. Dabei werden die Ladiner und das Ladinische gegen die Italiener und das Italienische positioniert. Der Deutschtiroler Patriotismus trifft in dieser Gemengelage über die Figur der Katharina Lanz mit der ladinischen ‚Nationswerdung‘ zusammen. Insofern spiegelt sich in dieser Erzählung die an den Rändern der Habsburgermonarchie spezifische Situation und deren zunehmende Verschärfung. Die zweite Auflage von 1910 bringt die nationalen Aspekte deutlicher zum Ausdruck als die erste von 1903. Damit dokumentiert diese Version der Erzählung ein bewusstes
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im Finanzministerium in Wien, zuletzt als Sektionschef. Daneben war er auch Mundartdichter. ÖBL, Bd. 3 (Lfg. 11, 1961), 60. TLF, Gustav Adolf Jahnel, Katharina Lanz. Eine Erinnerung an 1797, o. O. o. J., Hervorhebung im Original unterstrichen. Buol, Eine Verborgene, 1903 und 1910.
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Herausarbeiten und Verstärken dieses Aspekts, der insbesondere in den Anfangspassagen deutlich präsent ist. Das Vorwort des Verlags kündigt die beiden Ausgaben unterschiedlich an, in einem national-religiösen und eugenisch inspirierten Ton: Von „neuen Goldkörnern echter Tiroler Volksgeschichten“ ist in der ersten Ausgabe die Rede, von der Erwartung, dass „jeder Patriot, dem die Liebe zum Tiroler Volke und seinen traditionellen Grundsätzen heilige Pflicht“ sei, das Unternehmen begrüße und unterstütze, damit diese „markigen, kerngesunden Erzählungen [...] zum Gemeingut des Tiroler Volkes werden“.53 Die Ausgabe von 1910 nimmt Bezug auf die Jahrhundertfeiern von 1909. Das Vorwort postuliert Kontinuität: „Wie die Gedächtnistage der Tiroler Freiheitskämpfe dargetan haben, ist der gute Kern des Tiroler Volkes seit seiner Heldenzeit der gleiche geblieben. Diesen kostbaren und unersetzlichen Schatz Tirols an religiösem und patriotischem Geiste“ gelte es weiterhin „zu wahren und zu mehren“. Der „Weizen einer gesunden Volkslektüre“ müsse „gepflegt und gefördert werden“.54 Relativ am Anfang, bevor Giovanni Maneschg zum Mittagessen hinzukommt, bringt die Erzählung, die Ende der 1840er Jahre situiert ist,55 ein Gespräch zwischen dem Kuraten Alton und seiner Haushälterin Katharina Lanz. Der Kurat zeigt sich besorgt über die „Gährung“ in friulanischen Städten, von denen ein nach Hause zurückgekehrter Buchensteiner erzählt habe: „In Tavernen und Kaffeehäusern höre man offen gegen das österreichische Regiment schimpfen.“ Dies seien nicht nur ein „paar Schreier“. Dahinter stünde „ein ganzes irregeführtes Volk, das die Trennung von Österreich [...] um jeden Preis“ anstrebe. Katharina beschwichtigt: Der „Herrgott“ sei ihnen – und damit könnte Tirol insgesamt oder vor allem die Ladiner gemeint sein – in den 1790er Jahren beigestanden, so werde er sie in den 1840er Jahren „nicht auf einmal im Stiche lassen“.56 Der Kurat entgegnet, die Carbonari57 würden durch „das ganze welsche Land“ ihr Unwesen treiben, 53 54 55
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Vorwort der Verlagshandlung, in: Buol, Das Geheimis der Mutter, 1903, o. S. Vorwort der Verlagshandlung, in: Buol, Das Geheimnis der Mutter, 1910, o. S. Werner Perscosta schreibt, dass sich die Ladiner angesichts des nationalen Aufbruchs im italienischen Tirol damals „zwischen den Blöcken des italienischen Risorgimento und dem deutschfreundlichen Tirolertum eingekeilt [fanden]“. Pescosta, Geschichte der Dolomitenladiner, 238. Buol, Eine Verborgene, 217. In der Ausgabe von 1910 ist auch von der „Gärung“ in Friaul die Rede, es geht dann aber damit weiter, dass „einige kecke Schreier schon davon sprächen, die Tiroler Grenze zu überschreiten“. Ebd., 1910, 206. Carbonari bezeichnet die Mitglieder eines Geheimbundes der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Carboneria entstand in Süditalien während der Herrschaft von Gioacchino Murat (1808– 1815). Nach 1815 verbreitete sie sich in Mittel- und Norditalien, in Frankreich und Spanien. Die Carbonari organisierten Aufstände in Neapel (1820), Piemont (1821), Modena (1830–1831) und im Kirchenstaat (1831). Sie widersetzen sich absolutistischen Regierungen und kämpften für die Einführung einer Verfassung; später wurden sie Republikaner mit einem vagen sozialen Programm.
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das seien „unchristliche Leute, die’s nicht nur auf die weltlichen Regierungen abgesehen haben, sondern auch auf den Papst. Wenn die ins Land hereinkommen, wirst sehen, dann gibt’s eine Christenverfolgung!“58 Die Konstruktion dieses Feindbildes läuft parallel zum französischen Feindbild der Napoleonischen Zeit. In der Ausgabe von 1910 werden die Carbonari noch negativer gezeichnet: „das sind ganz unchristliche, ganz gottlose Leute, die’s nicht nur auf die weltlichen Regierungen abgesehen haben, sondern gar auf den Heiligen Vater selbst.“59 Als Giovanni Maneschg auftritt – Katharina ist nun in der Küche –, dreht sich das Gespräch zunächst um das Seelsorgeamt. Alton meint, man lobe die Predigten von Maneschg. Der Angesprochene zeigt sich – in der ersten Ausgabe – darüber erfreut und reflektiert im Anschluss über das Ladinische als Sprache: Es solle eine Schriftsprache und eine poetische Sprache werden „unser rauhes, kräftiges Idiom“. In der zweiten Ausgabe führt dieser Dialog nicht über zu einem sprachpolitischen Ziel, sondern hebt das Ladinische gegenüber dem Italienischen als Sprache der Predigt hervor. Er erwidert: „Ich höre, meine Vorgänger haben immer nur italienisch gepredigt; ich predige ladinisch.“ Beide Versionen schließen mit dem Bekenntnis, stolz auf die ladinische Sprache zu sein, und mit dem Slogan: „In Österreich bin ich Tiroler, in Tirol – Ladiner!“60 Auch Katharina Lanz wird eingangs über die Sprache verortet. „Ihre Muttersprache wie die ihres geistlichen Herrn war das Ladinische, aber gleich vielen ihrer Landsleute, war sie dreier Sprachen mächtig. In der Kirche sah man sie bald in einem deutschen, bald in einem italienischen Gebetbuche lesen, und wenn Gäste da waren [...] dann unterhielt sie sich mit jedem in seiner Sprache, je nachdem ob er ein Deutscher, ein Italiener oder ein Ladiner war.“ Dazu gibt es in Ausgabe von 1903 eine erklärende Fußnote: „Die Ladiner gehören zu den kernhaftesten Volkstypen Tirols. Ihre Heimat ist bekanntlich Enneberg, das Tal der Gader, eines Nebenflusses der Rienz; doch zählen auch manche das gegen das Friaul zu gelegene Buchenstein (Tal der Cordevole) zum ladinischen Gebiete.“61 In der Version von 1910 wird das gleichberechtigte Nebeneinander aller drei Sprachen nicht mehr vermittelt, sondern die deutsche Sprache – als aktiv benützte – stärker betont: „Aber in der Kirche las sie aus einem italienischen Gebetbuche, und wenn deutsche Gäste im Widum
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Sie forderten unter anderem die nationale Einheit Italiens. Papst Pius VII. exkommunizierte sie am 13. September 1821 und auch Papst Gregor XVI. ging gegen sie vor. Siehe „Carboneria“ in: Dizionario di Storia Treccani (2010), https://www.treccani.it/enciclopedia/carboneria_(Dizionario-di-Storia)/ (letzter Zugriff: 26.3.2022); Alberto Mario Banti, Il Risorgimento Italiano, Roma/ Bari 2008, 51–61. Buol, Eine Verborgene, 1903, 218. Buol, Eine Verborgene, 1910, 207. Buol, Eine Verborgene, 1903, 221; ebd., 1910, 209f. Buol, Eine Verborgene, 1903, 215.
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Abb. 35: Denkmal für Katharina Lanz in Pieve di Livinallongo/Buchenstein. Dieses wurde 1912 mit großen Festlichkeiten – nach langen Jahren, die vom Streit unter Tiroler Bildhauern, Finanzierungsschwierigkeiten und Kontroversen um die „wahre Herkunft und Identität“ der Katharina Lanz geprägt waren, eingeweiht.
von Colle einkehrten, sprach sie fließend ein kräftiges Tiroler Deutsch.“ Die erklärende Fußnote fehlt hier: Die Existenz einer größeren ladinischen Gemeinschaft, die sich über die Grenze des Reichs erstreckte und die Tiroler Ladiner potenziell von ihrer Kaisertreue hätte abbringen können, ist nicht mehr erwähnt.62 Was sich in der zweiten Auflage in Form nationaler Positionierungen – Deutschtiroler und Ladiner gegen die italienische Nationalbewegung – und in den daraus abgeleiteten Konfrontationen literarisch abbildet, geschah auch im politisierten Alltag, besonders deutlich in Zusammenhang mit der Errichtung eines neuen Denkmals. Das Errichten eines Denkmals zu Ehren von Katharina Lanz in Pieve di Livinallongo/ Buchenstein, zog sich über Jahre hin. Bereits im Jahr 1900 angedacht,63 wurde es erst im 62 63
Buol, Eine Verborgene, 1910, 204f. Errichtung eines Denkmales für das Mädchen von Spinges, in: Brixener Chronik 14, 4 (8.1.1901), 3. Dort wird berichtet, dass die Standschützengesellschaft in Buchenstein bereits am 27. Mai 1900
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Juni 1912 enthüllt (Abb. 35). Bei den Gedenktafeln in St. Vigil Anfang der 1880er Jahre war es um die Würdigung einer Heldin aus dem Tiroler Freiheitskampf auf Initiative zweier bildungsbürgerlich patriotisch gesinnter Männer aus dem näheren lokalen Umfeld gegangen: Der Bezirksrichter Kaspar Ruepp hielt sich aufgrund seiner Tätigkeit als Richter in Enneberg auf, seine Kontakte in Zusammenhang mit der Inschrift und der Finanzierung führten nach Innsbruck. Der Steinmetz Johann Sagmeister kam aus St. Lorenzen, der Maurer Anton Agreiter aus St. Vigil.64 Die Kosten des Unternehmens hielten sich in Grenzen. Die Situation zwanzig Jahre später war eine deutlich andere. Die patriotische Komponente war nicht mehr nur oder nicht primär auf Tirol bezogen, sondern erhielt im Kontext der sich verschärfenden Nationalitätenfrage in der Habsburger Monarchie eine erweiterte politische Dimension. Infolge der Autonomiebestrebungen der Trentiner65 war die nationale Frage auch innerhalb Tirols zunehmend präsent. Es gab aber nicht nur „Deutschtiroler“ und „Welschtiroler“, sondern auch die Ladiner, die sich in ihrem Selbstverständnis ebenfalls als „Nation“ begriffen.66 Am Priesterseminar in Brixen war im Jahr 1870 von einigen angehenden ladinischen Theologen die Vereinigung Naziun Ladina gegründet worden, „mit der Absicht, ihre Sprache, Gebräuche und Identität zu fördern“. Im Jahr 1905 erfolgte in Innsbruck die Gründung der ersten gesamtladinischen Vereinigung Tirols mit dem Namen Union Ladina.67 In den österreichischen Volkszählungen wurden sie jedoch den Italienern zugerechnet. Schätzungen zufolge belief sich der Anteil der Ladiner und Ladinerinnen in Tirol 1865 auf circa 14.500.68 Zudem waren die
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beschlossen habe, zur Errichtung dieses geplanten Denkmals „nach Kräften beizutragen“. Aus damaliger Sicht sollte es im Herbst 1901 fertig sein. Man hoffe, „im kommenden Herbste 1901 das Monument feierlich einweihen zu können“. Zum Thema insgesamt siehe Eugen Trapp, Das Denkmal für Katharina Lanz in Fodom/Buchenstein, in: Ladinia. Sföi culturâl dai Ladins dles Dolomites 14 (1990), 57–72. Die entsprechenden Quittungen in: TLF, Einige Briefe, Nr. 14 und Nr. 15. Mauro Nequirito, La questione dell’autonomia trentina entro la Monarchia asburgica: aspirazioni inattuabili e occasioni mancate, in: Maria Garbari u. Andrea Leonardi (Hg.), La storia del Trentino, Bd. 5: L’età contemporanea 1803–1918, Bologna 2003, 165–192. Zur älteren, stärker auf die Ablösungsbestebungen, den Irredentismus, konzentrierten Sichtweise siehe Maria Garbari, L’irredentismo nel Trentino, in: Rudolf Lill u. Franco Valsecchi (Hg.), Il nazionalismo in Italia e in Germania fino alla prima guerra mondiale, Bologna 1983, 307–346, dies., Il circolo trentino di Milano: l’irredentismo trentino nel Regno, Trento 1979. Perathoner, Die Dolomitenladiner, 41f. Marco Forni, Ladinische Einblicke. Erzählte Vergangenheit, erlebte Gegenwart in den ladinischen Dolomiten, Bozen 2005, 29–32. Norbert Stock hatte in „Der Tag bei Spinges“ in der ersten Fassung bezüglich Katharina Lanz in Bezug auf die Ladiner gemeint: „Die ‚kleine‘ Nation kann stolz auf sie sein!“ Stock, Der Tag bei Spinges, 32 (an dieser Stelle zitiert er die Fassung der ersten Auflage von 1881). Umberto Corsini, Problemi di un territorio di confine. Trentino e Alto Adige dalla sovranità au striaca all’accordo Degasperi-Gruber, Trento 1994, 19; zur Frage der Volkszählungen und zu weiteren Schätzungen siehe auch Perathoner, Die Dolomitenladiner, 29–40.
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ladinischen Täler auf Grundlage der österreichischen Verwaltung zwischen dem heutigen Südtirol und Trentino geteilt und das bedeutete unter anderem, dass sich die Amts- und Gerichtssprache unterschied: Während diese im Gröden- und Gadertal Deutsch war, war sie in Ampezzo und Buchenstein Italienisch.69 Im konfrontativen Verhältnis zwischen Deutsch- und Welschtirol war die Frage, zu welcher Seite die Ladiner gehörten, vor allem jene in den entlang von Sprachen gezogenen Grenzgebieten, ein ständiges Konfliktthema. Im Jahr 1899 war geplant, die dem deutschen Landesteil zugehörigen Bezirke Ampezzo und Buchenstein vom Kreisgericht Bozen zu trennen und jenem von Trient zuzuordnen, wogegen die Gemeinden protestierten.70 In den letztlich gescheiterten Verhandlungen der Jahre 1901 und 1902 über eine Autonomie der Trentiner von Innsbruck hatte ein vom katholisch-konservativen Landtagsabgeordneten Theodor Kathrein und dem Liberalen Karl von Grabmayr ausgearbeiteter Vorschlag vorgesehen, Ampezzo und Buchenstein-Livinallongo – neben Fassa, den deutschen Gemeinden am Nonsberg und einigen anderen – zum neutralen Gebiet zu erklären und direkt der gemeinsamen Regionalverwaltung zu unterstellen.71 Einen Höhepunkt erreichte der deutsch-italienische Konflikt in dem bereits länger andauernden Streit um die Eröffnung einer italienischen Rechtsfakultät an der Universität Innsbruck – als Kompensation für die den italienischen Tirolern nicht zugestandenen eigenen Universität –, der im November 1904 in den Fatti di Innsbruck – Ereignissen von Innsbruck – gewaltsam eskalierte.72 Livinallongo zählte also zu den umstrittenen Gebieten. Die Positionierung der Ladiner im konfrontativen Kontext des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts hat in der Historiographie bislang noch wenig Beachtung gefunden. Wohin die „kleine Nation“ in dem sich national polarisierenden Klima tendieren würde, dessen war man sich in Wien offensichtlich nicht sicher. In dieser Situation kam der Plan, dort ein Denkmal für eine Heldin aus den „Tiroler Freiheitskämpfen“, geführt unter anderem für „Kaiser und Vaterland“, zu errichten, einem Statement gleich und kann als Zeichen der nationalen Orientierung und Ausrichtung verstanden werden. Das Denkmal wurde als Zeichen der ungebrochenen Treue der Ladiner gegenüber Österreich und dem Kaiserhaus gewertet,73 69 70 71
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Gottfried Solderer (Hg.), Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 1: 1900–1919 Abschied vom Vaterland, Bozen 1999, 233. Perathoner, Die Dolomitenladiner, 93. Luciana Palla, La communitá ladina di Fassa, in: Garbari/Leonardi, La storia del Trentino, Bd. 5, 265–274, 266; Richard Schober, La lotta sul progetto d’autonomia per il Trentino degli anni 1900– 1902, secondo le fonti austriache/Der Kampf um das Autonomieprojekt von 1900–1902 für das Trentino, aus der Sicht österreichischer Quellen, Trento 1978, 231f. Günther Pallaver u. Michael Gehler (Hg.), Universität und Nationalismus. Innsbruck 1904 und der Sturm auf die italienische Rechtsfakultät, Trient 2013 [ital. Orig. 2010]. Siehe dazu auch Craffonara, Catarina Lanz, 258–289. Auch andere Aktivitäten, die die Habsburgtreue
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jedenfalls von Wien aus. Die Gedenkschrift, die über die Feierlichkeiten anlässlich der Erneuerung des Herz-Jesu-Bundes im Jahr 1896 berichtete, nahm bereits Bezug auf die Frage der Positionierung der Ladiner: „Ehevor wir in das obere Pusterthal ziehen, sei ein Abstecher nach Enneberg gemacht, wo das ‚Mädchen von Spinges‘ seine Heimat hatte. Der Bericht von dort ist umso wertvoller, weil er zeigt, dass die dortige Bevölkerung eines Sinnes mit der deutschen Bevölkerung war.“74 Im Unterschied zu 1882 war es beim neuen Denkmalprojekt nicht ein zugezogener, vor Ort amtierender Akademiker und Amtsträger, der in Aktion trat, sondern die Buchensteiner Standschützen firmierten – zunächst zumindest – als Initiatoren. Der Untersuchung von Laurence Cole zufolge, gaben die Buchensteiner in einer Umfrage von 1908 an, keine immatrikulierte Schützenkompanie zu haben, wohl aber eine Paradekompanie – das heißt, eine, „die zu festlichen Anlässen oder religiösen Feierlichkeiten zusammentrat“. Die Bildung einer Kompanie sei erst im Mai 1908 anlässlich der Jahresversammlung beschlossen worden.75 Jedenfalls wurde ein lokales Denkmalkomitee installiert. Doch mischten wohl sehr bald auch deutsch-nationale Vereinigungen, der Schutzverein und später der Tiroler Volksbund, mit. Im gesichteten Pressematerial ist der Schutzverein Anfang des Jahres 1904 erstmals erwähnt.76 Dabei könnte es sich um den Deutschen Schulverein gehandelt haben, der bereits 1880 gegründet worden war. Zahlreiche Schutzvereine dieser Art entstanden im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in vielen Gebieten der Habsburgermonarchie. Sie dienten den verschiedenen nationalen Gruppierungen zur Durchsetzung nationaler Politik, insbesondere in Form von Kultur- und Schulvereinen.77 Als ladinischer Ort mit italienischer Amtssprache zählte Livinallongo zu jenen Gebieten, auf die sich der propa-
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der Ladiner unterstreichen sollten, sind für diese Zeit dokumentiert. In St. Ulrich im Grödental wurde 1912 beispielsweise eine Kaiser Franz Joseph-Büste enthüllt. Siehe Solderer, Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 1, 233. Siehe auch die Studie zur Denkmalpolitik in Böhmen im 19. Jahrhundert von Nancy M. Wingfield, Flag Wars and Stone Saints. How the Bohamian Lands Became Czech, Harvard 2007. Waitz, Tirol im Jubeljahre, 122. Der Autor zeigte sich so auch beruhigt darüber, dass „das Herz Jesu-Fest in feierlichster Weise begangen“ wurde, „das ganze Dorf [...] im Festschmucke [prangte]“ und „sechs mächtige Flaggen in päpstlicher, in Landes-, Reichs- und Schützenfarbe [...] den Kirchplatz [umgaben]“. Cole, Für Gott, Kaiser und Vaterland, 447, 473. Ein Denkmal für das Mädchen von Spinges, in: Tiroler Tagblatt 39, 12 (16.1.1904), 3. Der Tiroler Volksbund als nationaler Schutzverein wurde erst im Mai 1905 gegründet. Siehe zu diesem Thema Davide Zaffi, Die deutschen nationalen Schutzvereine in Tirol und im Küstenland, in: Angelo Ara u. Eberhard Kolb (Hg.), Grenzregionen im Zeitalter der Nationalismen. Elsaß-Lothringen/TrientTriest, 1870–1914, Berlin 1998, 257–284; Sergio Masarei, Caterina Lanz. L’eroina di Spinges, Fodom 1997, 22, schreibt, dass der Dekan Corradini einer der Promotoren des Denkmals gewesen sei. Heidrun Zettelbauer, „Die Liebe sei Euer Heldentum“. Geschlecht und Nation in völkischen Vereinen der Habsburgermonarchie, Frankfurt a. M./New York 2005, 121f.
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gandistische Fokus von deutscher Seite insbesondere richtete. Unklar ist, ob der Schutzverein von Anfang an, also auch schon beim Zustandekommen des Denkmalvorhabens, die Hand im Spiel hatte oder sich erst später einschaltete. Die Berichterstattung betonte die lokale Initiative der Schützen. Über diese sei der Kontakt nach Wien zum dortigen „Ersten Andreas Hofer-Verein“ hergestellt worden.78 Aus dessen Kreis sollte der ausführende Bildhauer mittels Wettbewerbs ausgewählt werden. Gegenüber der Perspektive des Artikels in der „Brixener Chronik“ von 1901 ist der Radius nun schon deutlich ausgedehnt. Dort war noch angekündigt, dass bis zur Einweihung des Denkmals die neue Straße nach Buchenstein fertig gestellt sein würde, „wodurch eine allgemeine Theilnahme am Feste erleichtert wird, so dass es nicht nur ein locales, sondern ein Landesfest werden kann“.79 Der politische Kontext spricht mehr als deutlich aus der Ankündigung des geplanten Denkmals, die Anfang September 1903 im „Tiroler Tagblatt“ erschien: „Trotzdem bereits auch im Dolomitengebiet die antipatriotische, irredentistische Agitation Eingang gefunden und in einzelnen Orten des Ampezzaner-Gebietes leider schon auf größere oder kleinere Erfolge hinzuweisen hat, haben sich die Buchensteiner von der irredentistischen Fäulnis nicht anfressen lassen. Wie vor hundert Jahren, wo auch sie, ebenso wie die anderen ladinischen Nachbarn, gegen die Franzosen ihren Mann stellten und von einer Angliederung Ladiniens an Italien nichts wissen wollten, so sind sie auch jetzt durch und durch patriotisch, wie ihr Entschluß, dem Mädchen von Spinges ein Standbild zu errichten, zeigt. Dieses Denkmal werden die Buchensteiner Standschützen im Hauptort des Tales, in Pieve di Livinalongo, auf dem Platze errichten. Bekanntlich ist die Heldin von Spinges aus dem Kriegsjahr 1797, Katharina Lanz, in Pieve geboren. Mit der Ausführung der Statue wird ein Wiener Künstler, ein Mitglied des 1. Tiroler Andreas-Hofer-Vereines, der sich für das Zustandekommen des Werkes in warmer Weise annimmt, betraut.“80 78
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Einer Selbstdarstellung vom „Tirolerbund in Wien“ zufolge, lässt sich ein organisiertes Zusammentreffen der Tiroler in Wien erst in Zusammenhang mit der Etablierung einer Erinnerungsmesse an die Gefallenen von 1809 festmachen. Ab den 1860er Jahren sind verschiedene Vereinsgründungen und -umbildungen dokumentiert: Auf einen Tiroler Verein, gegründet 1863, folgte 1869 der Verein der Tiroler in Wien, der sich in den 1880er Jahren in drei verschiedene Vereine verzweigte, darunter in den 1885 gegründeten Verein der Tiroler und Vorarlberger in Wien. Eine Fremdenverkehrsausstellung führte 1896 zu dessen finanziellem Ruin und Auflösung. Einige Mitglieder fanden sich 1897 im Ersten Andreas Hofer Verein in Wien zusammen. Die Vereinsakten aus dieser Zeit fehlen leider. Obmann des Vereins war Karl Costenoble. Siehe Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger nebst Handels- und Gewerbe-Adreßbuch für die k. k. Reichs-Haupt- und Residenzstadt Wien 49, 1 (1907), 242. Der Verein ist hier als „Tiroler Andreas Hofer-Verein, Erster“ verzeichnet mit Sitz im ersten Bezirk, Schauflergasse 6. Auf Initiative dieses Vereins war in der Wiener Innenstadt, in der Wollzeile, ein Andreas-Hofer-Denkmal geplant. Josef Parschalk sollte es ausführen. Errichtung eines Denkmales. Denkmal für das Mädchen von Spinges, in: Tiroler Tagblatt 38, 209 (2.9.1903), 3, Hervorhebungen
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IV Religiöse Überhöhungen und Nationalisierungen der Heldinnenfigur
Einen Monat später brachte der „Bote für Tirol und Vorarlberg“ einen Spendenaufruf für das Errichten des Denkmals zur Würdigung der Heldentat „dieses Tiroler Mädchens“: „Die Standschützen von Pieve di Livinallongo-Buchenstein haben beschlossen, dem tapferen Mädchen von Spinges, Kath[arina] Lanz, welche am 2. April 1797 mit wahrhaft heroischer Todesverachtung, mit einer Heugabel bewaffnet, die Kirche von Spinges vor dem anstürmenden Feinde heldenmüthig verteidigte und deren Name nicht minder wert ist, der Vergessenheit entrissen zu werden, wie jener der Helden im Tiroler Befreiungskampfe: Hofer, Peter Mayr, Sigwart,81 der Tarerwirt und Speckbacher, ein Denkmal zu errichten.“ Der Vorstand der Standschützen habe ein Komitee gebildet und erlasse „diesen Aufruf an alle für Vaterlandsliebe begeisterte Menschen“ mit der Bitte um finanzielle Beteiligung „zu einem würdigen Denkmal [...], um die heldenmüthige Tat dieses Tiroler Mädchens dem Andenken der Nachwelt zu überliefern“.82 Eugen Finazzer, der Obmann des Denkmalkomitees, betonte bei dessen Enthüllung in seiner Dankesrede, dass „aus allen Teilen des Landes und Reiches reichliche Spenden eingelaufen seien“. Namentlich dankte er dem Kaiser und den „Mitgliedern des Kaiserhauses“, dem Unterrichtsministerium, dem Landtag, dem Wiener Gemeinderat und anderen Städten und Gemeinden, dem Landeshauptmann, den k. u. k. Militärkasinos, den k. k. Schießständen des Landes, den Schützen- und Veteranenkorporationen und nicht zuletzt Privaten und der Presse in Tirol.83 Als Kosten wurden für die 2,20 Meter hohe und 530 Kilogramm schwere Statue eine Summe von 12.000 Kronen kolportiert. Das Kaiserhaus soll einen beträchtlichen Anteil davon übernommen haben.84 Das Denkmal zog also Kreise – weit über Buchenstein-Livinallongo hinaus.
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im Original gesperrt. Auf die politische Bedeutung des Denkmals in Zusammenhang mit dem italienischen Irredentismus verweist auch Masarei, Caterina Lanz, 21: „È in questo contesto che nasce l’idea di un monumento anche a Livinallongo sul confine estremo dell’Impero affinchè le nuove tendenze di ‚irredentismo‘ non abbiano a penetrare.“ „In diesem Zusammenhang ist auch in Buchenstein, an der äußersten Grenze des Reichs, die Idee eines Denkmals entstanden, damit die neuen Tendenzen des ‚Irredentismus‘ nicht eindringen können.“ Siehe auch Eugen Trapp, Kunstdenkmäler Ladiniens. Gadertal, Gröden, Fassatal, Buchenstein, Ampezzo, Bozen 2003, 209. Müsste Siegmair heißen. Buchenstein, 29. September, in: Bote für Tirol und Vorarlberg 89, 224 (2.10.1903), 2142, Hervorhebung der Verfasserinnen. Die Denkmalsenthüllung in Pieve (Nachtrag), in: Allgemeiner Tiroler Anzeiger 5, 145 (27.6.1912), 1–3, 2f. Trebo, Mareo, 17; Masarei, Caterina Lanz, 26.
3 Zwischen Wien und Tirol: ein Denkmal für die Kaisertreue
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3 Zwischen Wien und Tirol: ein Denkmal für die Kaisertreue
Bereits im Vorfeld war angekündigt worden, dass mit der Umsetzung des Denkmals ein „Wiener Künstler“ betraut werden sollte, organisiert allerdings über den Ersten Andreas Hofer-Verein und damit in engem Konnex zu Tirol und Tirolern. Vom Ablauf der Suche nach dem geeigneten Entwurf beziehungsweise Künstler berichtet die Beilage zu den „Neuen Tiroler Stimmen“ Mitte Januar 1904. Eine „Konkurrenz“, ein Wettbewerb, unter den Tiroler Künstlern in Wien und zugleich Mitgliedern des Vereins sei veranstaltet worden: „Der I. Andreas Hofer-Verein in Wien arrangierte über Ersuchen dieses Vereines [gemeint ist der Schutzverein] unter den in Wien lebenden Tiroler Bildhauern, welche demselben als Mitglieder angehören – das sind die Herren Bildhauer: Edmund Klotz, Emanuel Bendel [eigentlich Pendl], Franz Erler, Josef Parschalk – eine Konkurrenz.“ Die Entwürfe waren im Wiener Künstlerhaus eine Woche lang, vom 10. bis zum 17. Januar 1904, ausgestellt.85 Der Jury gehörten „die Herren akademischen Bildhauer Vorstand des Vereins Karl Costenoble, Maler Egger-Lienz und Hanns Angeli“ an. Sie empfahlen den Entwurf von Edmund Klotz: „[D]ieser Entwurf stellt das Mädchen von Spinges auf der Friedhofmauer stehend dar, wie sie auslugt nach den heranrückenden Feinden;86 die Auffassung des 85
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Als Veranstalter der Ausstellung fungierte der Erste Andreas Hofer-Verein, exponiert waren die Entwürfe im heutigen Ranftzimmer im ersten Stock des Künstlerhauses. Für diese Information danken wir Wladimir Aichelburg vom Künstlerhausarchiv. Der 1855 in Inzing (Tirol) geborene und 1929 in Wien verstorbene Bildhauer Edmund Klotz stammte aus einer Bildhauerfamilie. Von Edmund Klotz ist unter anderem ein „Projekt für ein monumentales Speckbacher-Denkmal“ bekannt. ÖBL, Bd. 3 (Lfg. 15, 1965), 421f. Ein nach dem Feind Ausschau haltendes Mädchen von Spinges zeigt auch ein Entwurf, der Hermann Klotz (1850–1932) zugeschrieben wird, gedacht für eine „Gruppe zur Erweiterung des Hoferdenkmals am Berg Isel“ in Innsbruck. Hier sind – historisch anachronistisch – zwei Figuren auf einem Sockel vereint: „Speckbacher und das Mädchen von Spinges“, abgedruckt in dem Band von Hans Schmölzer, Andreas Hofer und seine Kampfgenossen, Innsbruck 19052, 283 [1900, 212]. Das Andreas-Hofer-Denkmal auf dem Bergisel stammt vom Bildhauer und Schriftsteller Heinrich Natter, 1844 in Graun im Vinschgau geboren, 1892 in Wien verstorben. Es wurde 1892 eingeweiht; zur geplanten Erweiterung kam es nicht, obwohl diese mehr als einmal zur Debatte stand. Der Entwurf von Klotz stieß auf heftige Kritik, von einem Protest der Tiroler Bildhauer wird berichtet. Siehe beispielsweise Zur Jahrhundertfeier im Jahr 1909, in: Brixener Chronik 17, 19 (11.2.1904), 5. Gezeichnet ist der Artikel mit „Ein Tiroler im Namen mehrerer Landsleute“. Unter anderem heißt es darin: „Ist es schon eine kranke Idee, ein bestehendes Denkmal zu ergänzen, so scheint es uns auch nicht passend, einen Speckbacher als Staffage für das Nattersche Hofer-Denkmal hinzustellen.“ Er verdiene vielmehr ein eigenes Denkmal. Natter schuf Denkmäler auch in Leipzig, Zürich, Bozen und Wien, die bekanntesten sind ein Haydn-Denkmal, Skulpturen für das Burgtheater in Wien, das Zwingli-Denkmal an der Wasserkirche in Zürich, das Denkmal für Walther von der Vogelweide in Bozen. ÖBL, Bd. 7 (Lfg. 31, 1976), 39.
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IV Religiöse Überhöhungen und Nationalisierungen der Heldinnenfigur
Künstlers muss als eine sehr gelungene bezeichnet werden. Der Unterbau des Denkmals wurde durch Tuffstein felsenartig dargestellt, von welchem eine Quelle niederrieselt, in ein kleines Bassein. In den Spalten und Kluften werden Alpenblumen versetzt werden. Die Ausführung der Figur erfolgt in Laaser Marmor.“87 Josef Parschalk habe noch vor der Entscheidung seine Teilnahme zurückgezogen, heißt es im zitierten Artikel weiter. Hinter dem nur kurz erwähnten Rücktritt Parschalks stand ein Skandal, sogar von einem Prozess wurde berichtet. Dem „Österreichischen Biographischen Lexikon“ zufolge seien die „akademischen Künstler gegen den Autodidakten“ Josef Parschalk vorgegangen.88 Die Redaktion der „Brixener Chronik“, im Jahr 1888 von Aemilius Schöpfer, dem Hofkaplan des damaligen Bischofs gegründet,89 wollte von „Machinationen“ gehört haben, „angeblich weil er nicht akademischer Bildhauer sei“.90 Josef Parschalk selbst verfasste in dieser Situation eine Gegendarstellung zu den Berichten in der Presse, die den Eindruck erweckten, er sei freiwillig zurückgetreten und den Schluss nahe legten, dies sei im Bewusstsein seiner „ungenügenden Leistung“ erfolgt. Vielmehr hätten sich „die anderen Herren Konkurrenten“ gegen seine Teilnahme gewendet zu einem Zeitpunkt, als sein Entwurf bereits fertig im Atelier stand, und zwar „mit der Begründung, ich sei kein akademischer Bildhauer und kein selbstschaffender Künstler“. Er führte noch weitere Vorwürfe an, darunter auch jenen, dass „einzelne Notizen in Blättern standen, ich sei gar kein Tiroler, obwohl schon meine Urgroßeltern in Seis am Schlern ansässig waren, wohin ich heute zuständig bin“.91 Letztendlich wurde der Entwurf von Josef Parschalk (1864–1932) realisiert. Die Jury in Wien hatte zwar eine Empfehlung für Edmund Klotz ausgesprochen, die Entscheidung lag aber beim Denkmalkomitee in Buchenstein. Das Komitee war über die „unliebsamen Vorgänge“ informiert und auch darüber, dass Parschalks Vorschlag „von verschiedensten Seiten als der preiswürdigste befunden worden sei“.92 Laaser Marmor wurde es nicht, sondern ein in Meran in Erz gegossenes Denkmal.
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Ein Denkmal für das Mädchen von Spinges, in: Neue Tiroler Stimmen 44, 12 (16.1.1904), Beilage Nr. 12, unter „Vermischtes“, Hervorhebung im Text gesperrt. Ein nahezu identischer Artikel erschien in: Bote für Tirol und Vorarlberg 90, 12 (16.1.1904), 96. ÖBL, Bd. 7 (Lfg. 34, 1977), 327f. Hans Heiss, Das „lange“ 19. Jahrhundert. Brixen 1803–1918, in: ders., Barbara Fuchs, Carlo Milesi u. Gustav Pfeifer (Hg.), Brixen, Bd. 1: Die Geschichte, Bozen 2004, 201–236, 221. Der Untertitel lautete „Ein konservatives Wochenblatt“; de facto wurde die Zeitung bald zum „Kampfblatt der Christlichsozialen“. Ebd. Ein Denkmal für das Mädchen von Spinges, in: Brixener Chronik 17, 9 (19.1.1904), 5–6. Josef Parschalk, Zum Denkmal für das Mädchen von Spinges, in: Brixener Chronik 17, 12 (26.1.1904), 6. Das Denkmal für das Mädchen von Spinges, in: Brixener Chronik 17, 45 (12.4.1904), 3.
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Das „Tiroler Tagblatt“ übernahm zwei Wochen später, Ende Januar 1904, einen Artikel aus der „Wiener Abendpost“.93 Mit der Schilderung der Aussicht, insbesondere von jenem Ort aus, an dem das Spingeser Kreuz steht, ist der Text im Einleitungsteil zunächst an „Sommergäste“ und „den Städter“ adressiert. Dann leitet der Verfasser zum aktuellen Denkmalvorhaben über: „Nun wird man neuerlich an das Dörflein gemahnt, denn ‚das Mädchen von Spinges‘, das damals so wacker und kampflustig mitgetan, soll sein Denkmal erhalten. Der Schützenverein in Pieve di Livinallongo hat beschlossen, der tapferen Jungfrau Katharina Lanz ein Monument zu errichten.“ Es gebe bereits einen Entwurf „des Bildhauers Professors Edmund Klotz“, der „zur Ausführung empfohlen“ worden sei. Dieser stelle „das heldenhafte Mädchen dar, wie es, mit der Heugabel bewaffnet, auf der Friedhofmauer nach den anrückenden Franzosen auslugt“. Des Weiteren wird unter anderem ausführlich über die Schlacht berichtet auf Grundlage von Norbert Stocks Schrift „Der Tag bei Spinges“, ein „Gemetzel“, ein „mörderischer Kampf von Mann zu Mann“ sowie über die Nachforschungen von Kaspar Ruepp. Das „Mädchen von Spinges“ füge sich „stimmungsvoll in das Ganze dieses geschichtlichen Tages“ ein. Diese national-politisch relativ neutral gehaltene Darstellung ist eine Ausnahme in dieser Zeit. Zugleich zeigt sie, dass das Denkmalprojekt über die Grenzen Tirols hinaus wahrgenommen wurde. Nicht nur der Wettbewerb um den ausführenden Künstler erfolgte in Wien, die Vorgänge in den ladinischen Tälern Tirols standen insgesamt unter ‚allerhöchster‘ Beobachtung. Dies dokumentieren Texte, die in Wiener Printmedien rund um das geplante Denkmal erschienen und von der regionalen Presse in Tirol übernommen wurden. Wie auch im bereits zitierten Beitrag über den Künstlerwettbewerb, wurde auch hier wiederum eine Verbindung zu Staatsinteressen hergestellt. Dort heißt es am Schluss: „Die Idee der Errichtung dieses Denkmals ist ein neuer Beweis, wie treu und anhänglich das Volk der Ladiner dem Lande Tirol und dem österreichischen Kaiserhause ist. Möge es der patriotisch gesinnten Bevölkerung an der italienischen Grenze gelingen, die nötigen Mittel für das Denkmal aufzubringen.“ Die Ladiner als „Volk“ von treuen Patrioten an der „italienischen Grenze“ – dieses Motiv wird öfters noch begegnen. Denn die Wahrnehmung wurde zunehmend auf die Grenze gelenkt. Pieter Judson sieht in solchen Grenzräumen, die vor allem über Sprache konstruiert wurden und zu deren Konstruktionen Statistiker, Romanciers und Poeten beigetragen haben, eine wirkmächtige Trope, über die nationale Konflikte ab den 1880er Jahren verankert wurden.94 Da das ladinische Buchenstein/Fodom/Livinallongo an der staatlichen Außengrenze lag, kamen sicherheitspolitische Aspekte mit ins Spiel, die für Wien erste Priorität hatten. 93 94
Das Mädchen von Spinges, in: Tiroler Tagblatt 39, 24 (30.1.1904), 4–6. Pieter M. Judson, Guardians of the Nation. Activists on the Language Frontiers of Imperial Aus tria, Cambridge 2006, 20.
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In diesem Zusammenhang ist auch die „patriotische Mobilisierung“ in Tirol zu sehen. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts erhöhte sich in Tirol die Anzahl der eingeschriebenen Schützen merklich, ebenso jene der Schießstände und der abgehaltenen Schießübungen. Diese Expansion des Schützenwesens und dessen Reorganisation sei, wie Laurence Cole ausführt, „vor dem Hintergrund intensivierter militärischer Bereitschaft in ganz Europa nach 1870“ sowie als „Teil einer allgemeinen Förderung der Schützenaktivitäten“ zu sehen.95 Zudem integrierte eine neue Wehrverfassung Tirols eigenständige Landesverteidigung schrittweise in den Gesamtstaat.96 Im April des Jahres 1904 war das Modell des Denkmals bereits zu besichtigen. „Bekanntlich“ werde „dem Heldenmädchen von Spinges Katharina Lanz in Buchenstein an der italienischen Grenze, wo sie im hohen Alter gestorben ist, auch daselbst begraben liegt, ein würdiges Denkmal errichtet“. Josef Parschalk habe nun die Figur in der Originalgröße von 2,5 Metern modelliert und in seinem Atelier in der Liechtensteinstraße 46 im neunten Wiener Gemeindebezirk „für geladene Gäste zur Besichtigung ausgestellt“. Die Besucher waren hochkarätig: Am Karsamstag habe „S[ein]e k. und k. Hoheit der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand das Denkmal in Augenschein genommen und sich mit hoher Befriedigung über das Werk geäußert“. Dieser habe auch „das Protektorat“ über das Denkmalkomitee übernommen.97 Am 25. April hatte der Künstler die Ehre, das Denkmals „S[eine]r Majestät dem Kaiser [...] zeigen zu dürfen“, der sich „sehr befriedigend über den patriotischen Sinn der ladinischen Bevölkerung“ geäußert habe, „sowie über die Art und Weise der Ausführung des Denkmals“ (Abb. 36).98 Der Kommentator hob hervor, dass dieser Besuch „umsomehr Aufsehen gemacht“ habe, „als Atelierbesuche S[eine]r Majestät des Kaisers zum Zwecke der Besichtigung künstlerischer Arbeiten immerhin zu den Seltenheiten“ gehörten. Am darauffolgenden Tag kam schließlich „S[ein]e k. u. k. Hoheit Erzherzog Eugen“ in das Atelier und auch er habe dem Künstler „wiederholt seine höchste Zufriedenheit über Auffassung und Darstellung des Spingeser Heldenmädchens“ ausgesprochen.99 Die „Besichtigung künstlerischer Arbeiten“ war aber wohl nicht primär 95 96 97
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Cole, Für Gott, Kaiser und Vaterland, 433. Josef Fontana, Vom Neubau bis zum Untergang der Habsburgermonarchie (1848–1918). Geschichte des Landes Tirol, Bd. 3, Bozen/Innsbruck/Wien 1987, 213–220. Allgemein zu dessen Funktion als „Protektor“ siehe das Buch von Brückler, Thronfolger Franz Ferdinand. Zu politisch-ideologischen Überschneidungen zwischen den Christlichsozialen und der großösterreichischen Bewegung um Erzherzog Franz Ferdinand siehe Jörg Kirchhoff, Die Deutschen in der österreichisch-ungarischen Monarchie. Ihr Verhältnis zum Staat, zur deutschen Nation und ihr kollektives Selbstverständnis (1866/67–1918), Berlin 2001, 132–139. Auszeichnung eines Tiroler Künstlers, in: Neue Tiroler Stimmen 45, 97 (28.4.1905), 2. Die Neue Freie Presse, Abendblatt (11.5.1905), 1, berichtet vom Besuch des Erzherzogs Rainer in Parschalks Atelier: „Das kraftvolle Denkmal regte den Erzherzog zu Erinnerungen an frühere Tage
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Abb. 36: Kaiser Franz Joseph im Jahr 1905 zu Besuch im Atelier von Josef Parschalk, der das Denkmal für Katharina Lanz anfertigte, in der Liechtensteinstraße in Wien. Dieser und andere hohe Besuche können als Indiz für die politische Bedeutung der in diesem Denkmal zum Ausdruck kommenden Kaisertreue der Ladiner gelesen werden.
der Anlass der als „Auszeichnung eines Tiroler Künstlers“ gewerteten hohen Besuche, als vielmehr das dahinter stehende nationale Interesse. Die Meldung ging von Vorarlberg bis Wien durch zahlreiche Zeitungen. Die „Oesterreichische Kronenzeitung“ übertitelte die kurze Notiz mit „Der Kaiser beim Bildhauer“.100 Einige Tage später wurde in den „Neuen Tiroler Stimmen“ nochmals auf den Wettbewerb der Künstler, die Entscheidung des Denkmalkomitees und auf die kaiserliche „Ehrenerweisung“ Bezug genommen, auf die nicht nur der bislang „noch wenig bekannte
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an. Er erzählte, daß er den Speckbacher noch gekannt habe, daß er in seiner Jugend auf dem Schlern und auf der Seiseralm gewesen sei und die Gegend noch von damals kenne. Dem Denkmal zollte der Erzherzog wärmste Worte des Lobes.“ Siehe auch: Das Denkmal für das Mädchen von Spinges in Buchenstein, in: Andreas Hofer. Wochenblatt für das Tyroler Volk 28, 18 (4.5.1905), Beilage, 183. Hier wird dem Denkmal prophezeit, dass es zum „tirolischen Wahrzeichen“ werde. Der Kaiser beim Bildhauer, in: Oesterreichische Kronenzeitung 1910 (6.4.1905), 7.
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Meister, sondern auch das Land Tirol stolz sein“ könne.101 Es folgt eine detaillierte Beschreibung: „Katharina Lanz ist auf dem Denkmal dargestellt, wie sie sich anschickt, in den Kampf zu treten, ein kräftiges, wohlgestaltetes Bauernmädchen in grobem Kittel, Mieder und Hemdärmeln; der Kopf ist unbedeckt, die Haare sind geflochten um den Kopf gelegt. Das Mädchen steht auf einem erhöhten Platze; der Wind hat ihre Schürze zur Seite geweht. Aus den scharf geschnittenen Gesichtszügen blickt Entschlossenheit, die Augen scheinen zu blitzen. Von den Füßen, die in derben Schuhen stecken, ist der linke vorgesetzt; die rechte Hand hält die Heugabel. Noch ist sie gesenkt, gleichsam verborgen den Blicken des Feindes; aber die Bewegung des linke Armes, die Faust die hier vor der Brust sich langsam zu ballen scheint, zeigt an, daß im nächsten Augenblicke der bereits gefaßte Entschluß zur Tat werden wird, daß die jugendliche Kämpferin die Waffe erheben wird zum Schutze des Heiligtums, das von Feinden bedroht ist.“ Aufgestellt werde es „in Buchenstein, hart an der italienischen Grenze“, in Erz gegossen, auf einem Fundament aus Tuffstein, „ringsum dunkelgrünes Nadelgehölz, seitwärts eine frisch sprudelnde Quelle“. Das Monument würde „zum tirolischen Wahrzeichen werden, in der der Gestalt des Heldenmädchens von Spinges wird Tirol verkörpert sein, das treue und mutige, das zum Kampfe bereit ist, wenn man an sein Heiligstes zu rühren wagt“. Es folgen Informationen zu Josef Parschalk.102 Der Beitrag schließt mit einer Gratulation und Wünschen, und der Verfasser konstatiert: „Das Werk wird den Meister loben und Zier und Ehre sein fürs Vaterland.“ Entsprechend aufwendig wurde die Enthüllung des Denkmals inszeniert und entsprechend groß war das mediale Echo. Der feierlichen Enthüllung des Denkmals gingen am Vorabend „eine prächtige Illumination“ und ein „gelungenes Konzert“ voraus. Die Wiener „Neue Zeitung“ berichtete von einer „staatlichen [sic] Anzahl von Vertretern der Zivil- und Militärbehörden“, die sich 101
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Das Denkmal für das Mädchen von Spinges in Buchenstein (Wiener Brief ), in: Neue Tiroler Stimmen 45, 100 (2.5.1905), 3. Derselbe Text erschien auch in der Beilage Nr. 18 zu: Andreas Hofer 28, 18 (4.5.1905), o. S. Er sei zwar „speziell in Tirol [...] so gut wie unbekannt. Und doch ist er ein Tiroler Kind, aus Seis am Fuße des Schlern gebürtig. Am Schlern lernte er auch seine Frau, eine gebürtige Kaltererin, kennen, die jetzt den Besucher des Ateliers im Hofraume davor, wo ihre drei Kinderchen munter herumspringen, mit den Lauten der Heimat freundlich begrüßt. Parschalk ist anfangs der Sechziger Jahre geboren. Er hat sich ohne Akademie selbst emporgearbeitet. Das Schnitzen lernte er in Gröden. Dann war er in verschiedenen Bildhauerwerkstätten in Innsbruck und Wien tätig. Jetzt ist er selbständig. Das Holzschnitzen mußte er so ziemlich aufgeben, weil zu wenig Aufträge dafür sind. Doch hat er gerade jetzt das Modell einer Herz Jesu-Statue vollendet, die er in Holz für die Hauskapelle des Wiener Weihbischofs auszuführen hat. In den letzten Jahren arbeitete er viel für das Stift Heiligenkreuz, nahm Restaurierungen in der Kirche und im Kreuzgang vor und vollendete unlängst eine größere figurale Portalkrönung in Marmor für den dem Stifte gehörigen Schwarzspanierhof in Wien.“ Das Denkmal (Wiener Brief ).
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Abb. 37: Feier der Denkmalsenthüllung 1912 in Livinallongo, historische Fotografie
in Pieve dazu eingefunden hatten, „das wie ein Kastell in einem abschüssigen Vorsprung des Col de Lana klebt“. Die Feierlichkeiten am 23. Juni selbst wurden „mit einem fröhlichen Volksfeste“ bei „prächtigem Wetter“ beendet (Abb. 37).103 Die „Neue Freie Presse“ in Wien vermerkte, dass Erzherzog Franz Ferdinand und Erzherzog Eugen „ihr Fernbleiben entschuldigt“ hätten.104 Die im Artikel mitgelieferte Schilderung der Heldentat folgt im Wesentlichen dem Duktus des längeren Berichtes darüber in der „Brixener Chronik“.105 Dort heißt es, in einer deutlich von den mittlerweile in Umlauf befindlichen Wundergeschichten beeinflussten Variante: „Auf den Höhen von Spinges nun war es, als [...] das schlichte Bauernmädchen, mit einer Heugabel bewaffnet, mit wahrer Todesverachtung die Friedhofmauer von Spinges gegen die heranstürmenden Feinde verteidigte und die Kirche und das Allerheiligste vor Raub und Schändung bewahrte. Ihm war es zu danken, daß die feindlichen Krieger, denen der Weg zum Kirchlein über die Leichen der gefallenen Tiroler freigegeben war, unverrichteter Dinge wieder abzogen, denn sie sahen in der Heldin, die nur mehr allein als Gegner ihnen gegenüberstand, nicht ein schwaches Mädchen, sie hielten sie für eine übernatürliche Erscheinung. Katharina war unverletzt geblieben.“ Ähnlich klingt auch der Bericht im „Allgemeinen Tiroler Anzeiger“, der noch vor der Denkmalenthüllung erschienen war.106 „Um den Namen dieser größten Tiroler Heldin aus den Befreiungskriegen der Vergessenheit zu entreißen und ihre wackere Tat dem Anden103 104 105 106
Denkmal für das Mädchen von Spinges, in: Die Neue Zeitung (1.7.1912), 4 (mit einer Skizze des Denkmals). Denkmalsenthüllung, in: Neue Freie Presse (24.6.1912), 9. Ein Denkmal für das Mädchen von Spinges, in: Brixener Chronik 25, 75 (25.6.1912), 5–6; siehe auch Denkmalsenthüllung in Buchenstein, in: Innsbrucker Nachrichten 143 (25.6.1912), 9. Denkmal-Enthüllung in Buchenstein, in: Allgemeiner Tiroler Anzeiger 5, 132 (12.6.1912), 5.
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ken der Nachwelt zu überliefen,“ hätten die Buchensteiner Standschützen unter dem Protektorat des Erzherzogs Franz Ferdinand den Entschluss zu diesem Denkmal gefasst. Zur Enthüllung lud der Artikel deshalb „alle liebwerten Schützenbrüder, Schützenfreunde und Patrioten“ ein. „Auf nach Buchenstein sei die Losung!“ Das Festprogramm ist abgedruckt: Platzmusik, Dorf- und Bergbeleuchtung mit Feuerwerk am Vorabend, am Sonntag sah es eine Begrüßungsansprache, eine Festmesse und anschließend Festreden vor, die Übergabe des Denkmals an die Gemeinde, ein Defilee der Schützen- und Veteranen-Korporationen auf dem Festplatz und den „Abmarsch zum k. k. Bezirksschießstande“. Am Nachmittag sollte es ein großes Volksfest geben „mit einem reich ausgestatteten Glückstopfe“, mit Spielen und Platzkonzert. Beim Festschießen waren verschiedene Zielscheiben aufgestellt, darunter die Festscheibe „Lanz“. Als Nachtrag brachte der „Tiroler Anzeiger“ noch nähere Details:107 Die Ansprache des Oberschützenmeisters und Obmanns des Denkmalkomitees Eugen Finazzer, „in der er darauf hinwies, daß die patriotische Begeisterung, die 1909 anläßlich der Jahrhundertfeier in Innsbruck so schön und kräftig zum Ausdruck gekommen“ sei, auch in dem abgelegenen Tale einen starken Widerhall gefunden habe. „Die Buchensteiner wollten ihren Kindern und Kindeskindern ein sichtbares Zeichen ihrer Vaterlandsliebe und Kaisertreue hinterlassen, wollten ihnen zeigen, daß auch sie von denselben Gefühlen durchdrungen seien, die ihre Ahnen vor hundert Jahren zu so herrlichen Heldentaten getriebn haben. Es sei nichts näher gelegen, als dem heldenhaften Mädchen von Spinges, das dann durch 50 Jahre unter ihnen lebend durch sein stilles Wirken im Dienste der Nächstenliebe bei ihnen sozusagen das Ehrenbürgerrecht erworben und das auch auf dem Friedhof von Pieve seine letzte Ruhestätte gefunden habe, ein würdiges Denkmal zu setzen.“ Nach dem Gottesdienst trug Emma Lezuo, die Tochter des k. k. Bezirksschulinspektors, ein Gedicht von Otmar Sulzenbacher vor, das auf Katharina Lanz Bezug nahm und mit einem Schwur endete: „Wie die Alten, so die Jungen! Glaubensstark und kaisertreu!“ Es folgte eine Festrede über die Heldentaten der Tiroler, die Denkmäler die im ganzen Lande geschaffen worden waren und über die Heldentat des Mädchens von Spinges. Mitten im Schlachtenlärm sei „wie eine Sendbotin des Himmels hoch auf der Friedhofsmauer ein Mädchen, den groben Faltenkittel eng zusammengegürtet“ erschienen. „Mit fliegenden Haaren steht es in der vordersten Reihe, umsaust von den schwirrenden Geschossen der Feinde, und stößt, mit einer Heugabel bewaffnet, die anstürmenden Franzosen der Reihe nach von der Mauer hinab.“ Das Heldenmädchen sei allein auf dem Friedhof vor der Kirchentür zurückgeblieben und habe den vorbeiziehenden Feindscharen ihre Heugabel entgegengestreckt, um sie von einem Angriff auf die Kirche und das Allerheiligste 107
Die Denkmalenthüllung in Pieve (Nachtrag), in: Tiroler Anzeiger 5, 145 (27.6.1912), 1–3.
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abzuhalten. „Die Feinde blickten sie nur verwundert an und zogen vorüber, ohne ihr ein Leid anzutun.“ Der Redner habe des Weiteren den Lebenslauf der Katharina Lanz geschildert. Die Funktion des Denkmals wurde erneut beschworen, auch als Ehrerweisung gegenüber den anderen kämpfenden Frauen und als Mahnung an die Jugend – wiederum mit Verweis auf die Grenzlage: „Nun sollte das Denkmal hier an der Landes- und Reichsgrenze jedem Fremden, der das Land betritt, ein Wahrzeichen jener Tugenden sein, die das Tiroler Volk jederzeit so sorgsam gepflegt hat: Glaubensstärke und Kaisertreue, und es soll auch ein Denkmal zugleich für all jene Frauen und Mädchen sein, die damals ebenso tapfer mitgekämpft haben, deren Namen aber unbekannt geblieben sind. Es soll ein Ehrenzeichen für Tirols Frauentugend und Frauenmut sein.“ Der Redner habe schließlich „unter den Klängen der Volkshymne ein dreifaches Hoch auf den Kaiser“ ausgebracht, „das begeistert Widerhall fand“. Aus der Sicht des Bezirkshauptmanns von Ampezzo Friedrich von Unterrichter sollte das „Denkmal für Tirols größte Heldin hier an der Grenze unseres Vaterlandes“ in die Zukunft weisen: als „Wahrzeichen jener Tugend […], die das Tiroler Volk in den Befreiungskriegen in so glänzender Weise gezeigt hat“, und als Zeichen dessen, „daß die Bevölkerung dieser Täler stets ein treues Glied unseres österreichischen Vaterlandes sein und bleiben wird“. Eugen Finazzer schloss seine Rede ebenfalls mit einer Beschwörung in diesem Sinne: „Wir wollen sein eine verläßliche Dolomitenwacht hier an der Landes- und Reichsgrenze nach dem bewährten Grundsatze unserer Väter: Für Gott, Kaiser und Vaterland!“ Das Denkmalkomitee hatte „Huldigungstelegramme“ an den Kaiser und die Erzherzöge gesandt, die ein weiteres Mal „die felsenfeste Treue und unentwegte Liebe und Anhänglichkeit an Kaiser und Reich“ zum Ausdruck brachten – und die mit „aufrichtigster Befriedigung“ und „wärmstem Dank“ tags darauf beantwortet wurden.108 Ein langer Bericht, ähnlich jenem im Tiroler Anzeiger, erschien 1913 im Calënder ladín. Laut dem Verfasser A. Lezuo waren vorher nie so viele fremde Leute in Fodom (Buchenstein). Die Ladiner („I Fodomi“) hätten beschlossen, die Statue zu errichten, um ihren Patriotismus in ihrem eigenen Land zu zeigen und der Nachwelt eine Erinnerung zu hinterlassen. In seiner Rede habe Prof. Dr. Tone de Sisti betont, dass die Frauen jedes Mal, wenn sie vor dem Denkmal vorbeigingen, daran denken sollen, ihren Kindern zusammen mit der Religion auch die Heimatliebe, die Liebe zu Tirol und zum guten Kaiser beizubringen. Die Ladiner, vom ersten bis zum letzten, seien bereit, so wie vor hundert Jahren, ihren Besitz, ihr Geld und ihr Leben für Gott, Kaiser und Vaterland aufzugeben.109 Eine weitere 108 109
Die Denkmalenthüllung in Pieve (Nachtrag), in: Tiroler Anzeiger 5, 145 (27.6.1912), 1–3, 3. A. Lezuo, La festa fatta alla Plie de Fodom, cánche le ste descurì ’l monument a Cattarina Lanz, ai 23 de šugn 1912 (Das Fest in Buchenstein, als am 23. Juni 1912 das Denkmal für Catarina Lanz enthüllt wurde), in: Calënder ladín per l’an 1913, 36–40.
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Steigerungsstufe war in der Berichterstattung rund um die Denkmalenthüllung erreicht, Superlative tauchten auf: Das Heldenmädchen galt nun als „größte Heldin“ oder als eine der „volkstümlichsten Gestalten“. Die sich mehrfach wiederholenden und dadurch bekräftigten Schlagworte lauteten: Landes- und Reichsgrenze, Dolomitenwacht, Vaterland, Kaiser und Treue. Von ladinischer Seite ausgesprochen und mit Katharina Lanz als Symbolfigur – sowohl der „Befreiungskriege“ als auch des hier deutsch-ladinisch konnotierten „Tiroler Volkes“ – kam ihnen wie den Feierlichkeiten insgesamt ein staatstragender Charakter zu. Die Deutschtiroler und Ladinern verband dabei die katholisch-konservative Schiene.110 Im Gegensatz zu den einschlägigen Medien erschienen in der liberal ausgerichteten „Bozner Zeitung“ insgesamt wenige Berichte über die Errichtung des Denkmals. Dessen Enthüllung diente als Aufhänger für die Mitteilung, dass man von den bei der Feier anwesenden Abgeordneten erfahren habe, dass nach 25 Jahren des Wartens die Arbeiten an der Straße zwischen Andraz und Colle St. Lucia acht Tage zuvor begonnen hätten.111 Ein Jahr später, am 4. Oktober 1913, dem Namenstag des Kaisers, wurde ein Grabdenkmal für das Mädchen von Spinges in Buchenstein enthüllt und mit Festreden und Böllerschüssen zelebriert. Initiator war der Obmann des Denkmalkomitees Eugen Finazzer. Huldigungsdepeschen gingen an den Kaiser und den Thronfolger.112 Einmal mehr wurde der Heldin ein Gedicht gewidmet, und zwar von Arthur von Wallpach.113 Der Duktus folgt der bekannten Mischung von kriegerisch einerseits und schwach, religiös und bescheiden andererseits: „Ein Mädchen, fliegenden Gewands./ Das streut der Wunden rote Rosen/ Blitzschnell im Knäul des Feindesschwarms,/ die Stürmenden, die Atemlosen,/ Stürzen dem [sic] Stoß des Mädchenarms. […] Doch forscht umsonst man nach der Magd./ Sie wollte keinen Ruhm erwerben,/ Vor Schmach nur wahren den Altar/ Und hielts verschwiegen bis zum Sterben,/ Wer Gottes glorreich Werkzeug war.“114 Als Postscriptum bleibt noch, auf die Odyssee dieser Statue zu verweisen: Das mit großem Brimborium 1912 eingeweihte Denkmal stand nur kurze Zeit an dem dafür vorgesehenen Platz. Nach dem Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg im Mai 1915 wurden 110 111 112
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Perathoner, Die Dolomitenladiner, 80. Aus Colle Santa Lucia wird geschrieben, in: Bozner Zeitung 150 (4.7.1912), 5. Ein Grabstein für das Mädchen von Spinges, in: Innsbrucker Nachrichten 60, 207 (10.9.1913), 5; Enthüllung des Grabdenkmales für das Mädchen von Spinges, in: Innsbrucker Nachrichten 60, 232 (9.10.1913), 4. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass das Krankenhaus in Buchenstein „Kaiser Franz Joseph I. Jubiläums-Spital und Versorgungshaus“ hieß. Siehe Cole, Für Gott, Kaiser und Vaterland, 356. Arthur von Wallpach zu Schwanenfeld (1866–1946), in Vintl geboren, war Samenhändler und Lyriker. Sein Nachlass befindet sich im Brenner-Archiv. Siehe http://www.uibk.ac.at/brenner-archiv/ archiv/wallpach.html (letzter Zugriff: 10.12.2020). Arthur von Wallpach, Katharina Lanz. Das Mädchen von Spinges, 1797, in: Innsbrucker Nachrichten 60, 228 (4.10.1913), 17.
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Cortina d’Ampezzo und Livinallongo noch im selben Sommer von italienischer Seite besetzt.115 Ende Juni 1915 brachten die Schützen das Denkmal wegen des nahen Frontverlaufs in Corvara im Gadertal in Sicherheit. Von dort wurde es unter den Vorzeichen des Faschismus und der Italianisierungspolitik in Südtirol, so wurde kolportiert, 1923 in einer Nacht- und Nebelaktion in das Museo Storico di Guerra in Rovereto überführt und dort zusammen mit anderen „opere d’arte tedesche“ – deutschen Kunstwerken – aufgestellt.116 Der faschistische Bürgermeister (podestà) von Livinallongo habe es 1931 zurückverlangt, um es einzuschmelzen und ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs aus dem Material machen zu lassen. Die Museumsleitung habe die Rückgabe jedoch verweigert. Im Jahr 1954 ersuchte die Gemeinde anlässlich des 100. Todestages von Katharina Lanz „timidamente“ – schüchtern – neuerlich um dessen Rückgabe. Erst 1964 wurde die Statue auf Weisung des Regierungskommissars schließlich zurückgegeben und nahe an jenem Platz aufgestellt, wo sie vor dem Ersten Weltkrieg stand.117 Jedoch hatte sich der Kontext 115 116
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Sergio Benvenuti, Il Trentino durante la guerra 1814–1818, in: Garbari/Leonardi, La storia del Trentino, Bd. 5, 193–223, 210. Das Denkmal von Katharina Lanz stand hier neben Kanonen und einer mit Nägeln bedeckten Statue, die einen Kaiserjäger symbolisieren sollte. Dieses Ensemble mit der „stolzen schönen Statue von Caterina Lanz […] gibt uns den Sinn unseres Sieges“, urteilte der Verfasser eines in der Zeitschrift „Trentino“ veröffentlichen Artikels über das Museum in Rovereto. Das Denkmal, das sich im Graben des Museums befand, zeige die Fruchtlosigkeit der Anstrengungen des starken Feindes, die Rechtfertigung seiner Herrschaft im Bewusstsein der unterdrückten Bevölkerungen zu verankern. Bezeichnenderweise gab es Initiativen österreichischer und nach dem ‚Anschluss‘ auch deutscher Behörden, die Statue von Katharina Lanz und andere Objekte, die das Nationalgefühl Österreichs verletzten, zu entfernen und damit vor den Augen der Besucher zu verbergen. Il Museo storico della guerra di Rovereto, in: Trentino. Rivista fondata dalla Legione Trentina, 1933, 236–237; Gazette des Beaux-Arts (Nov. 1958), 1078, Supplément, Autriche, 4; Fabrizio Rasera u. Camillo Zadra, Memorie in conflitto. La Grande Guerra nelle esposizioni del Museo della Guerra di Rovereto, in: Massimo Baioni u. Claudio Fogu (Hg.), La Grande Guerra in vetrina: Mostre e musei in Europa negli anni Venti e Trenta, Themenheft von Memoria e Ricerca 7 (2001), 15–38; Massimo Baioni, Risorgimento in camicia nera. Studi, istituzioni, musei nell’Italia fascista, Roma 2006, 241f. Über den Abtransport des Denkmals nach Corvara berichtet Heinrich Unterhauser in einer „Kriegserinnerung“. Heinrich Unterhauser, Das Heldenmädchen von Spinges zwischen zwei Fronten (1915), in: Südtiroler Heimat 12, 6 (30.6.1958), 4–5. Zur Geschichte der Statue siehe auch Masarei, Caterina Lanz, 27f (Zitat: 27); Katharina-Lanz-Denkmal kehrt nach Buchenstein zurück, in: Dolomiten 41, 217 (21.9.1964), 8; Ein Denkmal kehrt heim. Statue der Katharina Lanz, Mädchen von Spinges, nach Buchenstein, in: Tiroler Nachrichten 19, 224 (28.9.1964), 4; Rasera/Zadra, Memorie in conflitto. La Grande Guerra nelle esposizioni del Museo della Guerra di Rovereto, in: Baioni u. Fogu, La Grande Guerra, 15–38; sl, L monument a Caterina Lanz: n toch de storia de Fodom, in: Le nuove del Pais (Juli/Sept. 2012), 14; Lorenzo Soratroi, Caterina Lanz, il monumento è centenario, in: Corriere delle Alpi (19.7.2012). Im Jahr 1964 wurden die Diözesangrenzen zwischen Trient und Brixen neu gezogen. Buchenstein kam zur Diözese Trient.
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inzwischen radikal geändert: Livinallongo gehörte nicht mehr zur Habsburger Monarchie, sondern zur italienischen Provinz Belluno. In diesem neuen Kontext war die Bedeutung des Denkmals eine ganz andere. Die Statue jenes tapferen Mädchens, das dem gängigen Narrativ zufolge Tirol von der französischen Eroberung geschützt und errettet hatte, war Anfang des 20. Jahrhunderts zum Wachposten an der habsburgischen Grenze gegen die italienischen Feinde geworden. Nun diente sie als verspätete und nur sehr beschränkt wirksame Rekonstruktion einer vom Ersten Weltkrieg aufgehobenen Ordnung. Das Denkmal in Livinallongo blieb nicht das letzte. Im Jahr 1971 wurde aus Anlass des 200. Geburtstages von Katharina Lanz in St. Vigil in Enneberg ein weiteres Monument in ikonographischer Anlehnung an jenes von 1912 errichtet, gestaltet von Otto Irsara (Abb. 41).118 Gesamt gesehen nahm die Geschichte der Heldin mit der Deutung und Instrumentalisierung von Katharina Lanz als Symbol für die ladinische Kaisertreue eine neue Wendung.
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Zeitungsartikel, literarische Bearbeitungen, Inschriften, Passagen in Büchern, Gedichte, Abbildungen stehen offensichtlich in Beziehung zueinander. Motive und Plots wurden aufgegriffen, abgewandelt, ausgeschmückt und neu zusammengefügt und lassen auf Intertextualität schließen. Bezugnahmen auf die wenigen Zeilen, die Philipp von Wörndle über die Heldin geschrieben hat, finden sich in unzähligen Variationen auch noch nach hundert Jahren und darüber hinaus. Zugleich standen diverse Protagonisten in Sachen Mädchen von Spinges und Katharina Lanz in Kontakt und waren vernetzt. Wie deutlich geworden ist, handelte es sich bei den in der regionalen Öffentlichkeit präsenten Stimmen zu einem guten Teil um Männer aus dem katholisch-konservativen, mehr oder weniger nationalpatriotisch gesinnten Lager in Deutschtiroler und damit sympathisierenden Kreisen, die die Figur Katharina Lanz für sich vereinnahmten. Die national-konservativ-katholischen Netzwerke formierten sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in erster Linie über Vereine und Vereinigungen. Diese waren erinnerungspolitisch als Initiatoren und Ausführende, als Mitträger, Berater oder Financiers aktiv: Veteranenvereine und Schützenvereine, der Erste Andreas Hofer-Verein, der Tiroler Volksbund und andere mehr. Sie rekrutierten und orientierten sich zum Teil überregional. Zwischen Tirol und Wien, Tirol und München bestanden vielerlei Verbindungen.119 118 119
Trapp, Kunstdenkmäler Ladiniens, 42f (mit Abbildung). Federführend bei der Gründung des Tiroler Volksbundes, „Vater des Gedankens“, war Wilhelm Rohmeder, aus Mittelfranken stammend, Doktor med. und Doktor phil., Studienrat in München,
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Eine Schnittstelle bildete der Verein für Kirchenkunst und Gewerbe in Tirol und Vorarlberg, der die in Innsbruck erscheinende Zeitschrift „Der Kunstfreund“ herausgab.120 Wirft man einen Blick in einen der Jahrgänge rund um die Projektierung des KatharinaLanz-Denkmals, so scheinen bekannte Namen auf: Redigiert wurde die Zeitschrift von Heinrich von Wörndle; unter Mitgliedern sind im Januar 1904 unter anderen genannt: der Bildhauer Edmund Klotz, Albin Egger-Lienz, Edmund von Wörndle, der Enkel des Kommandanten von Spinges, von dem die 1878 entworfenen „Tiroler Spielkarten“ stammen, und auch die Tiroler Glasmalerei- und Mosaik-Anstalt. Unter seinen Subventionsgebern war der Tiroler Zweigverein der österreichischen Leo-Gesellschaft angeführt.121 Diese kirchlich-konservative Gesellschaft war 1892 von Joseph Alexander von Helfert (1820–1910)122 in Wien gegründet worden als Verein von Gelehrten und Künstlern, die sich „auf dem Boden des Christenthums“ verorteten und zum Ziel hatten, katholisches Wissen zu fördern.123 Ihr Name bedeutete eine Hommage an Papst Leo XIII. (1878–1903). Sie war nach Disziplinen wie Theologie, Philosophie, Geschichte, Naturwissenschaften etc. in 13 Sektionen unterteilt und umfasste rund 1.800 Mitglieder. Die Gesellschaft gab ein Jahrbuch heraus. Für Tirol und Vorarlberg bestand ein eigener Zweigverein.124 In der Person Helferts, zwischen 1848 und 1860 Unterstaatssekretär im Unterrichtsministerium, schließt sich ein weiterer Kreis: Er trat vehement für die Ausbildung eines gesamtösterreichischen „Nationalbewußtseins“ ein und schrieb der Geschichte – Hormayr vergleichbar – „eine eminent bewußtseinsbildende Funktion (‚großösterreichisches Bewußtsein‘) als das gesamte Kaiserreich umfassende integrative Aufgabe zu, die zugleich
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publizistisch und als Herausgeber tätig. Auf sein Betreiben war bereits 1881 in München der Verein zum Schutze des Deutschtums im Auslande gegründet worden. Horand Ingo Maier, Tiroler Volksbund – Evakuierungen, Internierungen und Konfinierungen. Zur Geschichte des Trentino 1905–1917, Diplomarbeit Innsbruck 2000, 44. Gedruckt wurde die Zeitschrift in der Marianischen Vereinsbuchhandlung und Buchdruckerei in Innsbruck, Gründung des Weltgeistlichen Bartholomäus Kometer (1812–1874), der sie auch leitete. Der Verlag druckte u. a. die katholisch-konservativ ausgerichteten „Tiroler Stimmen“. ÖBL, Bd. 4 (Lfg. 17, 1967), 101; Peter Wolf, Die Zeitungen von Tirol und Vorarlberg 1814–1860, Dissertation Innsbruck 1957, 314f. Verein für Kirchen-Kunst und Gewerbe in Tirol und Vorarlberg. Extra-Beilage zum „Kunstfreund“ Nr. 1, in: Der Kunstfreund 20, 1 (1904), o. S. Zu seiner Person siehe Erika Weinzierl, Helfert, Joseph Freiherr von, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 8, Berlin 1969, 469–470, https://www.deutsche-biographie.de/gnd11877381X. html#ndbcontent (letzter Zugriff: 4.5.2021). Zu Person und Geschichtsbild siehe Telesko, Geschichtsraum Österreich, 322f. Siehe dazu auch den Rückblick auf die Aktivitäten der ersten zehn Jahre von Franz M. Schindler, Die Leo-Gesellschaft: 1891–1901, Wien 1901, 401–407 (Sonderdruck aus: Die Kultur 2, 6/7 [1901]), 401 [Zitat]).
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verhindern sollte, daß die Partialgeschichte einzelner habsburgischer Länder in den Dienst ‚zentrifugaler‘ nationalistischer Tendenzen gestellt werden konnte.125 Die Berufung des Tiroler Benediktiners Albert Jäger nach Wien, um eine „Schule zur Bearbeitung der österreichischen Geschichte“ aufzubauen, und die Gründung des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, dessen Vorstand Jäger zwischen 1854 und 1869 war, standen in engem Zusammenhang mit Helferts Anliegen, die „Pflege der Nationalgeschichte“ zu fördern und auf diesem Wege das „allgemeine Nationalgefühl“ zu heben.126 Der in der Redaktion der Zeitschrift „Kunstfreund“ aktive Heinrich von Wörndle ist vermutlich identisch mit jenem Heinrich von Wörndle, der in den 1890er Jahren das Buch „Dr. Philipp von Wörndle zu Adelsfried und Weierburg, Tiroler Schützenmajor und Landsturmhauptmann. Ein Lebensbild aus der Kriegsgeschichte Tirols“ verfasst hat. Im Untertitel heißt es dort: „Zumeist nach urkundlichen Quellen bearbeitet und mit Unterstützung der Leo-Gesellschaft herausgegeben.“127 Karl Domanig, der das Konzept der von Edmund von Wörndle gestalteten Tiroler Spielkarten entworfen hatte und im Umfeld des Innsbrucker Kronprinz Rudolf Veteranen-Vereins aktiv war, war im katholisch-konservativen Milieu ebenfalls bestens vernetzt. Er gehörte dem engeren Gralkreis um den Schriftsteller und Kulturphilosophen Richard Kralik von Meyrswalden (1852–1934) an, der ein romantisches und nationales katholisches Kulturprogramm vertrat und unter anderem mit der Leo-Gesellschaft in Verbindung stand. Domanig begründete die katholische Schriftstellervereinigung Gralbund, deren Zeitschrift „Der Gral“ zwischen 1906 und 1937 erschien. Domanig selbst veröffentlichte Erzählungen, Versepen und die mehrfach preisgekrönte Trilogie „Der Tyroler Freiheitskampf“. Zeitgenössisch wurde er als „echter Volkspoet im höheren Sinne“, als „ein Patriot als Poet, ein Poet als Patriot“, „ein echter Tiroler, ein echter Katholik“ charakterisiert.128 Er sei auch in „nahezu sohnlicher Liebe“ mit dem früheren Statthalter von Oberöster125 126 127
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Telesko, Geschichtsraum Österreich, 322. Telesko, Geschichtsraum Österreich, 323. Im Vorwort schreibt er: „Tirol hat 1797 und 1809 den Schwur der Treue gegen sein Kaiserhaus aufs glänzendste gehalten; das kleine Felsenland gab das Vorspiel zu den Befreiungskämpfen des deutschen Volkes, und darum bleiben jene Jahre denkwürdig für alle Zeiten. In diesen Rahmen fällt auch dieses Lebensbild. [...] Andere haben es verstanden, durch rechtzeitiges Sichgeltendmachen einen oft nicht so verdienten Platz in der vaterländischen Geschichte einzunehmen. Wörndles Bescheidenheit ist es zuzuschreiben, daß auch sein Bild, wie die so mancher anderer treupatriotischer Männer, im Laufe der Jahre verblasst ist.“ Wörndle, Dr. Philipp von Wörndle, Vorwort, o. S. E[lisabeth] M[argarethe] Hamann, Karl Domanig. Studie, Ravensburg 1909, 19f. Er schrieb auch einen programmatischen Text, in dem er katholisch geprägte Literatur gegen die „vielgepriesenen Modernen“ verteidigt: Der Katholizismus in der Literatur, in: Karl Domanigs Gesammelte Werke, Kempten/München 1914, erschienen ist dieser auch in: Der Gral 10 (1907).
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reich und Salzburg Alois Fischer verbunden gewesen. Letzterer hatte 1884 in der Hofkirche einen Gedenkstein für die Helden und die Heldin von Spinges errichten lassen. In Wien habe Domanig freundliche Aufnahme gefunden unter anderem bei Baron Helfert und im Hause Führich-Wörndle129 – wiederum Namen, die hier bereits gefallen sind. Diese und andere Verbindungen, weitläufige Netzwerke fallen schnell ins Auge, auch wenn wir in diesem Rahmen keine systematischen Recherchen zu den Vereinen und Vereinigungen oder zu den einzelnen Personen auf Grundlage von Biographien, Briefwechseln etc. angestellt haben. Aber bereits die zusammengetragenen Puzzlesteine machen den überregionalen Charakter der Netzwerke von konservativ-katholisch geprägten Eliten deutlich und deren Dichte lässt Definitionsmacht und Gewicht der politischen Implikationen erahnen. Doch stand die Positionierung der Ladiner auch auf italienischer Seite zur Diskussion. An dieser beteiligten sich unter anderen Benito Mussolini und Ettore Tolomei, beide in die nationalen Auseinandersetzungen zwischen Deutsch- und Welschtirol involviert: Mussolini als Mitstreiter von Cesare Battisti in Trient und Tolomei, der dabei war, die Italianität Deutschtirols zu ‚konstruieren‘. Angriffsfläche war der deutsch-nationalistische Tiroler Volksbund, der sich unter anderem zur Aufgabe gemacht hatte, die Zugehörigkeit der Ladiner zur Deutschtiroler Seite zu verteidigen und zu forcieren beziehungsweise zu verhindern, dass sie sich der Trentiner Seite zuwendeten.130 Dabei ging es auch um das Katharina-Lanz-Denkmal in Livinallongo. In seinem 1911 erschienenen Buch „Il Trentino veduto da un socialista“ – Das Trentino aus Sicht eines Sozialisten – kritisierte Mussolini den Volksbund, dessen Zweck es sei, „sich sprachlich wie ökonomisch und politisch der Italianität des Trentino entgegen zu stellen und mit allen Mitteln den unaufhaltsamen Vormarsch des italienischen Elements in den ladinischen Tälern zu behindern“.131 Mussolini war zu dieser Zeit Mitstreiter des Sozialisten Cesare Battisti, Protagonist der Trentiner Freiheitsbewegung. Zwischen Februar und September 1909 hielt sich Mussolini in Trient auf und arbeitete bei der sozialistischen Zeitschrift „L’Avvenire del Lavoratore“.132 129
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E[lisabeth] M[argarethe] Hamann, Ein Lebens- und Persönlichkeitsbild, in: Karl Domanigs Gesammelte Werke, I–LIX, XXVII. August von Wörndle war ein Bruder von Edmund von Wörndle und ebenfalls ein Maler, seit 1872 mit Anna von Führich verheiratet. Ihr Vater Josef Ritter von Führich (1800–1876) war auf religiöse Malerei spezialisiert und ein wichtiger Vertreter der Nazarener in Wien. ÖBL Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), 308f; Bd. 1 (Lfg. 4, 1956), 380f. Perathoner, Die Dolomitenladiner, 174–176. Benito Mussolini, Il Trentino veduto da un socialista. Note e notizie, Firenze 1911, 24 („di opporsi all’italianità sia linguistica che economica e politica del Trentino e di ostacolare con ogni mezzo l’irresistibile avanzata dell’elemento italiano nelle valli ladine“). Stefano Biguzzi, A Revolutionary in Trentino, in: Emilio Gentile u. Spencer M. Di Scala (Hg.), Mussolini 1883–1915. Triumph and Transformation of a Revolutionary Socialist, London 2016, 97–130 [ital. Orig. Roma/Bari 2015]. Solderer, Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 1, 231, 247.
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Abb. 38a: Antiitalienische Feldpostkarte des Tiroler Volksbundes von 1915. Mit deutschsprachigen Ortsbezeichnungen wird Anspruch auf Gebiete bis zur Berner Klause, bis Verona also, markiert, während italienische Gebietsansprüche – verkörpert durch die „Irredenta“ – zerlumpt auftreten und vom Nagelschuh des Tiroler Volksbundes aus dem Bild befördert werden.
Abb. 38b: Propagandapostkarte der Akademischen Ortsgruppe Wien des Tiroler Volksbundes mit der in düstere Symbolik gefassten Forderung „Tirol den Tirolern“
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Ab 1903 hatten die nationalen Rivalitäten zwischen Trentinern und Deutschtirolern zu skurrilen „Argonautenzügen“ geführt: Fahrten oder Wanderungen – als Provokation und zu Propagandazwecken – von beiden Seiten in jene Gebiete, „deren nationaler Charakter als bedroht angesehen wurde“. Dabei kam es auch zu Handgreiflichkeiten, die im einen oder andern Fall Gerichtsverfahren nach sich zogen.133 Die agitatorische Tätigkeit des Volksbundes konzentrierte sich insbesondere auf die Jahre zwischen 1906 und 1911. Alois Thaler stellte fest, dass er in „dieser aggressiven Haltung [...] zumeist die Zustimmung der führenden deutschen Parteien des Landes“ genossen habe.134 Organisiert waren diese Aktivitäten unter anderem über nationale (Schutz-)Vereine, deren Gangart sich zunehmend verschärfte. Neue Organisationen entstanden. Am 7. Mai 1905 wurde in Sterzing der Tiroler Volksbund gegründet, „eine parteiübergreifende, stramm nationale Organisation Deutschtiroler Sonderbewußtseins“. Das Motto des Volksbundes war „Tirol den Tirolern, ungeteilt von Kufstein bis zur Berner Klause“,135 womit die Etsch-Klause nordwestlich von Verona gemeint war. Programm war, gegen die „Verwelschung Deutsch- und LadinischSüdtirols“ anzutreten; die Positionen waren radikal und aggressiv. Unter den knapp siebzig Mitgliedern des „vorbereitenden Ausschusses“, die im „Volksbund-Kalender“ namentlich genannt sind, finden sich auch zwei aus Livinallongo: der Gemeindevorsteher Joseph Delmoneggo und der Lehrer und Gemeinderat Alexius Lezuo. Der Mobilisierungsgrad des Tiroler Volksbundes war hoch: Bis zum Sommer 1907 gab es flächendeckend Bundesgruppen in ganz Tirol, daneben auch im niederösterreichischen Baden, in Bruck bei München und gleich drei in Wien, eine allgemeine und zwei akademische (Abb. 38a und 38b).136 Mussolini hatte offensichtlich den „Volksbund Calender“ studiert: Im „almanacco“ von 1908 sei zu lesen, merkt er in seinem Buch an, dass der Volksbund in unzähligen Reden und Zeitungsartikeln die Idee verbreitet habe, dass die Ladiner keine Italiener seien“.137 Der Volksbund habe seine Aktivitäten auf die ladinischen Täler konzentriert und alle erdenk133 134 135 136
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Solderer, Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 1, 235f; auch Maier, Tiroler Volksbund, 68–70. Alois Thaler, Der Tiroler Volksbund. Wollen und Wirken, Dissertation Innsbruck 1962, 7, zu den agitatorischen Aktivitäten insbes. 226–257. Solderer, Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 1, 235. Die Gründung des Tiroler Volksbundes, in: Tiroler Volksbund-Kalender 1908, o. S.; siehe auch Zaffi, Die deutschen nationalen Schutzvereine, 274–276; Reinhard Stauber, Von der „welschen Volkskultur“ zum „deutschen Kulturprinzip“. Christian Schneller und die Anfänge deutschnationaler Schutzarbeit im Süden der Habsburgermonarchie 1860/70, in: Geschichte und Region / Storia e regione 5 (1996), 143–162. Aus dem Tiroler Volksbund ging nach dem Ersten Weltkrieg der Andreas-Hofer-Bund Tirol hervor, der während des Faschismus in Südtirol aktiv war, unter anderem in Zusammenhang mit der Finanzierung der Katakombenschulen, in denen Kinder offiziell verbotenen Deutschunterreicht erhielten. Mussolini, Il Trentino, 25: „con centinaia di discorsi e di articoli di giornali ha diffuso la giusta idea che i ladini non sono italiani“.
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IV Religiöse Überhöhungen und Nationalisierungen der Heldinnenfigur
lichen Mittel eingesetzt – friedliche wie gewaltsame –, um zu zeigen, dass die Ladiner ihre Interessen besser wahren würden, wenn sie sich mit den Deutschen vereinten.138 Er zählt einiges auf, womit die Ladiner vom Volksbund – in Einklang mit anderen pangermanischen Vereinigungen – für die deutsche Seite gewonnen worden seien: Sie hätten Ladiner, die von Unglücksfällen betroffen waren, unterstützt, Weihnachtsbäume verteilt, den Veteranen-Verein subventioniert, Schulbücher und Geld für die Ausstattung der Schulen geschickt – und nicht zuletzt: sie hätten für das Denkmal von „Caterina Lanz in Livinallongo“ gespendet.139 Ähnlich ist der Duktus bei Ettore Tolomei. Im Jahr 1865 in Rovereto geboren, ließ er sich 1906 in Glen oberhalb von Montan, etwa 15 Kilometer südlich von Bozen, nieder und betrieb dort sein toponomastisches Übersetzungsunterfangen, die Italianisierung der Südtiroler Ortsnamen, im Zeichen der „Eroberung des Brenners“ („conquista del Brennero“). Im Nachgang der Besteigung des Glockenkarkopfs im Jahr 1904, den er „Vetta d’Italia“, Italiens Spitze, nannte, gründete er die Zeitschrift „Archivio per l’Alto Adige“ mit der Spezifikation „con Ampezzo e Livinallongo“ – mit Ampezzo und Livinallongo – ( 1906).140 Auch er referierte über Volksbund-Aktivitäten, sinnierte über die Neigung der Ladiner zur „Latinität“ oder „Italianität“ – „latinità“ oder „italianità“ – eher als zum „Germanismus“, „germanesimo“, und kommentierte das Denkmal für Katharina Lanz: als ein politisches Monument, als ein Zeichen von „Einmischung“, als Ergebnis „fremder Inspiration“ und als „Tiroler Angeberei“ an der Grenze zum Veneto: „D’inframmettenze e d’ispirazioni forestiere nelle nostre valli mostre ne abbiamo, in altro campo, un bell’esempio recente. In Pieve di Livinallongo è stato inaugurato un monumento alla Fanciulla di Spinghes. Un 138 139
Mussolini, Il Trentino, 25: „unendosi coi tedeschi fanno meglio il loro interesse“. Mussolini, Il Trentino, 25. Im Volksbund-Kalender von 1809 lautet die entsprechende Passage: „Auch sonst suchte der Bund hin und hin durch die Tat zu beweisen, daß die Ladiner im Anschlusse an die Deutschen am besten ihr eigenes Wohl besorgen. Im Verein mit anderen deutschen Schutzvereinen (der Südmark, dem allgemeinen deutschen und dem österreichischen Schulverein) unterhielten wir eine Zeichen- und eine Fachschule mit eigenen Lehrern; [...] haben den Ladinern bei allen Elementarunglücksfällen wiederholte und reichliche Hilfe entweder selber gespendet oder für sie gesammelt, haben einzelnen verdienten Persönlichkeiten, die ins Unglück gerieten, ausgeholfen, haben für Christbaumbescherung gesorgt, Veteranenvereine unterstützt, für das Lanzdenkmal in Buchenstein gespendet, Schulbücher und Geld zur Anschaffung von Schulgegenständen gesendet u. dgl. m.“ Die Gründung des Tiroler Volksbundes, o. S. 140 Archivio per l’Alto Adige con Ampezzo e Livinallongo, http://digitale.bnc.roma.sbn.it/tecadigitale/giornali/TO00013586 (letzter Zugriff: 6.6.2021); Gisela Framke, Im Kampf um Südtirol. Ettore Tolomei (1865–1952) und das „Archivio per l’Alto Adige”, Tübingen 1987, 58–60; zur Person Tolomeis, ebd., 41–50; Solderer, Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 1, 248; Maurizio Ferrandi, Ettore Tolomei: l’uomo che inventò l’Alto Adige, Trento 1986 (neue Fassung mit dem Titel Il nazionalista. Tolomei: l’uomo che inventò l’Alto Adige, Merano 2020); Sergio Benvenuti u. Christoph H. von Hartungen (Hg.), Ettore Tolomei (1865–1952): un nazionalista di confine/Die Grenzen des Nationalismus, Themenheft von Archivio Trentino 1 (1998).
4 Politische Vereinnahmungen: von der Leo-Gesellschaft bis zu Mussolini und Tolomei
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monumento politico, evidentemente: una piccola vanteria tirolese davanti al confine veneto.“141 Die Grenze firmiert auch hier als Referenzpunkt. Tolomei beschreibt kurz den historischen Kontext, den Auftritt der Heldin in der Schlacht von Spinges, ihr Kampf auf der Mauer, mit dem Dreizack bewaffnet, gegen die Angreifer. Lange sei diese Heldin ohne Namen gewesen, habe in den Jahren des napoleonischen Regno Italico und darüber hinaus im Verborgenen als Magd und Pfarrersköchin gelebt und sei mit 83 Jahren in Andaz gestorben. Sie sei laut einigen Aussagen in Colle Santa Lucia geboren, laut anderen in St. Vigil in Enneberg und er schließt: „Das kämpferische Mädchen war also Italienerin“ und als armes Mädchen aus dem Volke allein von ihrem Heldenmut angetrieben. Alle anderen Motive seien nur Rhetorik von Innsbrucker Apologeten.142 Es folgt eine Passage über ihre Identität und über das Denkmal. Wer dieses befördert habe, wisse man nicht genau. Die Schützen würden sich als Initiatoren sehen unter dem Protektorat eines Erzherzogs. Tolomei geht auf die Einweihungsfeier ein, die aus seiner Sicht allzu Tirolerisch geprägt gewesen sei und kritisiert, dass einige Festredner nur auf Deutsch gesprochen hätten und dass die Inschrift des Denkmals deutsch sei. Zwar stoße ein Fest in entlegenen Tälern immer auf großen Zuspruch – in Wirklichkeit aber lägen der lokalen Bevölkerung die Schlacht von 1797 und die modernen politischen Tendenzen der Proponenten fern, sie stünden diesen gleichgültig gegenüber. Womöglich entspreche das Denkmal gar nicht der Stimmungslage im Dorf.143 Dennoch kam Tolomeis Zeitschrift zum Schluss, dass Catarina Lanz wahrscheinlich und trotz fehlender Quellen das Mädchen von Spinges gewesen sei, da Leute, die sie kennengelernt hatten, dies dachten. Auch wurde berichtet, dass ältere Leute aus Spinges „dem welschen Mädl“ manchmal einen Gruß zukommen ließen. Umgekehrt behauptete der Artikel, der 1923 anlässlich des Abtransports der Statue erschien, dass die Legende gar keine Grundlage habe. Der Gadertaler Priester Isidoro Vallazza habe erzählt, dass seine Mutter Catarina gekannt und sie wiederholt gefragt habe, was sie gemacht habe, als die Franzosen kamen: „Ich bin geflohen wie alle anderen“, sei stets Catarinas Antwort gewesen – „Io, rispose tutte le volte la Caterina, feci quello che fecero tutti gli altri: fuggii.“144 141
Notiziario dell’Alto Adige. Movimento nazionale, in: Archivio per l’Alto Adige 7 (1912), 325–346, 326–328, 342–346; Hervorhebung im Original gesperrt. 142 Notiziario dell’Alto Adige. Movimento nazionale, 343: „Era dunque italiana la fanciulla che fece l’atto ardimentoso, davanti all’assalto francese e alla tedesca difesa. E s’intuisce ch’ella lo fece semplicemente, povera figliuola del popolo, spinta soltanto dalla sua bravura, essendosi trovata a caso in quel villaggio non suo.“ 143 Notiziario dell’Alto Adige. Movimento nazionale, 345f: „Chi sono stati i promotori non si sa bene“; „Ma in realtà ai paesani le gesta del 1797 e le moderne tendenze politiche dei promotori erano e sono ben lontane e ben indifferenti“. 144 Notiziario dell’Alto Adige. Movimento nazionale, 344; La vergine di Spinga, in: Archivio per l’Alto Adige 18 (1923), 898–899.
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IV Religiöse Überhöhungen und Nationalisierungen der Heldinnenfigur
Positionierungen kommen hier zum Ausdruck, die das national aufgeladene Klima der Zeit mehr als deutlich abbilden. Dieses war von Propaganda und Polemik ebenso geprägt wie von politischer Instrumentalisierung auf beiden Seiten. Das Mädchen von Spinges geriet in dieser Gemengelage immer tiefer in die Mühlen nationaler Vereinnahmungen: Tirolerin, Ladinerin oder gar Italienerin?
5 Der Streit um den „wahren Geburtsort“: St. Vigil oder Natz?
Im März 1908, als die Memorialkultur in verschiedensten Genres und vielfältigen Formen in vollem Gange war, erschien im „Allgemeinen Tiroler Anzeiger“ eine kurze Notiz: Da schon öfter die Behauptung aufgestellt worden sei, dass das Mädchen von Spinges nicht aus St. Vigil in Enneberg stamme, sondern aus Natz bei Brixen, würden hier auf Ersuchen des Dekans Peter Pallua in Enneberg die „vor kurzem entnommenen Daten“ aus dem Taufbuch veröffentlicht werden.145 Damit stand dem ladinischen Geburtsort nun ein in Deutschtirol gelegener gegenüber und so kam eine Gegenthese zur ladinischen Katharina Lanz in Umlauf. Ladinische und Deutschtiroler Erinnerungsorte gerieten damit unweigerlich in Konkurrenz. Als Urheber der Zweifel und der darauf folgenden Auseinandersetzung gilt der Wegmacher beziehungsweise „k. k. Straßeneinräumer“ Johann Mayr (Meier), Grunerbauer in Neustift bei Brixen, ein Nachfahre des Widnerbauern in Spinges von 1797. Das war jener Hof gleich neben der Kirche, bei dem das Mädchen von Spinges im Dienst gestanden haben soll. Grundlage seines umtriebigen Engagements in dieser Angelegenheit war ein Heiratsvertrag aus dem Jahr 1797, dem zufolge der verwitwete Widnerbauer nach dem Tod seiner ersten Frau eine zweite Ehe einging, und zwar mit einer gewissen Katharina Lanz, die im Dokument mehrfach auch „Helena Lanz“ genannt wird. Sie stammte aus Natz und soll als Magd beziehungsweise Wirtschafterin am Widnerhof tätig gewesen sein. Dieses Dokument und die Abhandlung nach dem Tod der ersten Frau ließ Johann Mayr im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck auf deren Echtheit prüfen und wandte sich daraufhin an das Pfarramt Natz. Kooperator dort war Anselm Sparber, der die ‚Natzer-These‘ jedoch nicht unterstützte. In der Folge setzte sich eine Debatte in Gang, die in großen Zeitabständen in landesgeschichtlichen Zeitschriften ausgetragen wurde und sich bis Ende der 1940er Jahre hinzog. 145
Matriken des Mädchens von Spinges, in: Allgemeiner Tiroler Anzeiger 1, 60 (11.3.1908), 7. Die Lebensdaten sind ebenfalls – hier allerdings ohne expliziten Verweis auf die Zweifel an der Herkunft der Heldin – abgedruckt unter: Das Mädchen von Spinges, in: Innsbrucker Nachrichten 59 (11.3.1908), 5.
5 Der Streit um den „wahren Geburtsort“: St. Vigil oder Natz?
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Die Natzer ‚Gegenthese‘ kam zu einem Zeitpunkt an die Öffentlichkeit, als Katharina Lanz zunehmend stärker ladinisch verortet und sogar von italienischer Seite für sich reklamiert wurde und damit als Deutschtiroler Identifikationsfigur abhanden zu kommen drohte. Die Rolle des Johann Mayr in dieser Sache bleibt unklar. Es gibt Vermutungen, dass er in seiner Initiative von Dritten bestärkt und unterstützt wurde. So frappant der Zufall einer ausgerechnet in der fraglichen Zeit in den Spingeser Widnerhof einheiratenden Frau mit dem Familiennamen Lanz auch scheinen mag, die vor der Heirat dort Magd gewesen sein soll, ist diese These dennoch nicht zu halten. Ein logischer Fehler, der in den Debatten kaum Erwähnung findet, liegt ihr zugrunde. Wie das Aufrollen des Übergangs vom Mädchen von Spinges zu Katharina Lanz gezeigt hat, konkretisierte sich die Heldin Jahrzehnte nach dem betreffenden Ereignis in einer bestimmten Person. Mit eben jener Person, die sich als das Mädchen von Spinges bezeichnet haben soll, kam der Namen Katharina Lanz erst ins Spiel und ist daher untrennbar mit dieser Person verbunden. Ohne die historische Person Katharina Lanz aus St. Vigil in Enneberg hätte die Heldin keinen Namen. Wenn diese nicht das Mädchen von Spinges war, dann kennen wir, sofern die Heldin existiert hat, ihren Namen nicht. Die Auseinandersetzung um die ‚richtige‘ Katharina Lanz ist Teil der Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte. Sie hat so manches Gemüt erhitzt und die Erinnerung an die Heldin wach gehalten. Diverse Erinnerungsfragmente tauchten im Zuge dessen auf. Dokumentiert ist eine „Zeitungsfehde“, die zwischen November 1911 und Juni 1912 in der „Brixener Chronik“ ausgetragen wurde.146 Als Quelle angegeben ist nur „wie man uns schreibt“147 oder „Hiezu wird uns geschrieben“.148 Verfolgt man diese im Detail, so wurden Dokumente erwähnt, in deren Besitz sich der besagte „Johann Maier“ – hier in dieser Schreibweise – aus Neustift befinde,149 „welche zu beweisen scheinen, daß die wahre Heimat der Katharina Lanz viel näher liegt“ als in Enneberg, „in Natz nämlich“. In der die Enneberger These favorisierenden Replik wurden die Orte – Natz und Enneberg – gegeneinander ausgespielt und die Autorität der Geistlichen ins Treffen geführt: Dekan Declara zufolge habe der Pfarrer Detono in Andraz, wo Katharina Lanz verstorben ist, sie als „Heldin im Freiheitskampf“ betrachtet und darin habe „er sich doch nicht täuschen“ können.150 146 147
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Darauf verweist Klaar, Das „Mädchen von Spinges“, 192. Die wahre Heimat des „Mädchens von Spinges“, in: Brixener Chronik 24, 132 (4.11.1911), 5. Derselbe Artikel dürfte auch im „Tiroler Anzeiger“ erschienen sein; siehe Klaar, Das „Mädchen von Spinges“, 173. Die wahre Heimat des „Mädchens von Spinges“, in: Brixener Chronik 24, 135 (11.11.1911), 5. Ein ähnlicher Artikel erscheint unter demselben Titel in: Tiroler Anzeiger 4, 258 (10.11.1911), 4. Dabei handelt es sich um den bereits erwähnten Heiratsvertrag vom September 1797 und um die Abhandlung nach dem Tod der ersten Frau vom Juni 1797. Siehe Klaar, Das „Mädchen von Spinges“, 173. Die wahre Heimat des „Mädchens von Spinges“, in: Brixener Chronik 24, 132 (11.11.1911), 5: „Wei-
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Sie habe sehr wohl vom Kampf in Spinges erzählt, behauptet eine weitere Zeitungsnotiz.151 Sie sei in Enneberg jedenfalls „gut bekannt“ gewesen.152 Repliken auf die Verteidigung der Enneberger These folgten 1912 im Vorfeld der bereits angekündigten Enthüllung des Denkmals zu Ehren von Katharina Lanz in Livinallongo/ Buchenstein, die für den 23. Juni vorgesehen war.153 Darauf wurde Bezug genommen: Mit dem Denkmal wollten „die Buchensteiner offenbar dieses berühmte Mädchen öffentlich und feierlich als ihre Landsmännin erklären“ – so sicher sei „die Sache doch nicht“. In Natz habe es mehrere Frauen mit Namen Katharina Lanz gegeben. Für Buchenstein würde jedoch sprechen, dass sie als Pfarrersköchin dort war. Denn ohne die ladinische Sprache zu beherrschen, hätte sie „diese Stelle wohl kaum ausfüllen können“.154 Um Details wurde gefeilscht und die Heldin für Deutschtirol reklamiert. Auf diese Serie von Notizen folgte schließlich ein mit großen Lettern übertitelter Artikel: „Die Herkunft des Mädchens von Spinges“.155 Darin nahm der Autor die über ihre Herkunft aufgetauchten Zweifel zum Ausgangspunkt und wies auf die zuvor erwähnte Verknüpfung von Namen und Person hin. „Sobald man daher bezweifeln will, daß diese ladinische Katharina Lanz das Mädchen von Spinges gewesen sei, steht man bezüglich der Person oder Herkunft derselben in vollständigem Dunkel.“ Über Namensgleichheit sei die Identität der bislang für die Heldin gehaltenen Katharina Lanz nicht zu bestreiten, „somit mögen die Buchensteiner sich getrost ihres Denkmals freuen“, denn es sei „dem echten Mädchen von Spinges errichtet“.156 Drei Tage vor der Enthüllung des Monuments folgte eine weitere beschwichtigende Meldung, die die Enneberger These im Schlusssatz bekräftigte: „Die Spingeser, die Enneberger, das Land Tirol und das Landesgubernium haben von jeher die Ennebergerin als das Heldenmädchen anerkannt und gefeiert und da soll jetzt kein Unberufener Zweifel streuen.“157 Noch am Tag vor der Enthüllung des Denkmals griff ein Artikel die Frage der Herkunft der Heldin auf. Als Argument gegen die Natzer These führte der Schreiber die im Ort
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ters wäre es sehr merkwürdig, wenn sie aus Natz gebürtig wäre, daß sie sich zu den Ennebergern hingezogen fühlte, um als Widumshäuserin in Andraz ihre letzten Tage zu beschließen.“ Noch etwas vom Spingeser Mädchen, in: Brixener Chronik 24, 137 (16.11.1911), 4; für denselben Artikel siehe auch Tiroler Anzeiger, 4, 263 (16.11.1911), 5. Vom Spingeser Mädchen, in: Brixener Chronik 24, 139 (21.11.1911), 4; siehe auch Tiroler Anzeiger 4, 267 (21.11.1911), 6. Natz, 11. Juni. (Zum Geburtsort des „Mädchens von Spinges“), in: Brixener Chronik 25, 70 (13.6.1912), 2. Karl Klaar nennt als Autor dieser Meldung den Pfarrer von Natz Ignaz Kaltenegger, an anderer Stelle, beim Artikel vom 22. Juni, dessen Kooperator, der einige Seiten weiter auch einen Namen bekommt, nämlich: Anselm Sparber. Klaar, Das „Mädchen von Spinges“, 174f, 177. M. B., Die Herkunft des Mädchens von Spinges, in: Brixener Chronik 25, 71 (15.6.1912), 5–6. Hervorhebungen im Original gesperrt. Das Mädchen von Spinges, in: Brixener Chronik 25, 73 (20.6.1912), 6.
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selbst fehlende „Tradition“ an. Ziel der vorgebrachten Zweifel sei vielmehr das Sammeln der „schriftlichen und mündlichen Beweise“ für die ladinische Herkunft der Heldin gewesen, um eben diese endgültig zerstreuen zu können.158 Die Zeitungsberichte, die anschließend rund um die Enthüllung des Denkmals erschienen, vermittelten in der Tat in erster Linie Feierstimmung – von Zweifeln kaum eine Spur. Hermann Franz Steinbachers Beitrag im Feuilleton des „Tiroler Anzeigers“ – zwei Tage vor dem 23. Juni 1912, versetzte die Streitigkeiten in ein fernes „Seinerzeit“: „Diese am Fuße der herrlichen Marmolata und angesichts der mächtigen Sellagruppe nahe unserer südlichen Reichsgrenze sich abspielende patriotische Feier zur Erinnerung an eine der volkstümlichsten, aber seinerzeit besonders von den Historikern viel umstrittenen Gestalten unserer vaterländischen Geschichte läßt es wohl wünschenswert erscheinen, einiges über das von Sagen und Dichtung gleich verklärte Heldenmädchen zu berichten.“159 In Anbetracht des großen Rummels rund um die Enthüllung des Denkmals verwundert es aufs erste, dass es in der Folgezeit sehr ruhig darum geworden ist. Das dürfte eng mit dem primär an der Monarchie orientierten politischen und propagandistischen Hintergrund seiner Errichtung zusammenhängen, ein Kontext, der mit dem Ende und Ausgang des Ersten Weltkriegs weggebrochen ist. Das Echo des Denkmals verhallte nach 1918 und es drohte 1931 sogar dessen Einschmelzung. Trotzdem die Zweifel über die Herkunft und Identität von Katharina Lanz zunächst ausgeräumt schienen, verstummten sie nicht. Der Wegmacher Johann Mayr fand in Karl Klaar (1865–1952), Historiker, Archivdirektor und Hofrat, der 1923 in den Ruhestand getreten war,160 einen Verbündeten, der sich in einem ersten Artikel des Jahres 1937 der Sache annahm. Seiner Auseinandersetzung mit dem „wahren Geburtsort“ sollten weitere folgen – dazu im nächsten Kapitel.
158 159 160
Die Herkunft des Mädchens von Spinges, in: Brixener Chronik 25, 74 (22.6.1912), 4. Steinbacher, Das Mädchen von Spinges, Hervorhebung der Autorinnen. Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 117, Mitteilung von Oswald Gschließer. Klaar hat auch ein Buch über die Marianische Vereinsbuchhandlung geschrieben, 1936 erschienen: Klaar, Gründung und Fortschritt.
V Nachhall: Ambivalente Heldinnengeschichten und Erinnerungskontexte
Indem Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg auf Grundlage des Vertrags von Saint-Germain zu Italien gekommen war, hatte sich der politische und territoriale Kontext der Heldin grundlegend verändert.1 Livinallongo gehört seitdem zur Provinz Belluno, das Gadertal blieb bei Südtirol, und die Ladiner standen nicht mehr im Vordergrund der deutsch-italienischen Konfrontationen, wenngleich es da und dort einen Nachhall des Streits um Zugehörigkeiten und Orientierungen gab. Die im Gefolge von Benito Mussolinis „Marsch auf Rom“ im Oktober 1922 beginnende Zeit des Faschismus in Italien bedeutete für Südtirol Maßnahmen der sukzessiven Entnationalisierung – Südtirol hieß nun Alto Adige. Die Italienisierung betraf das öffentliche und politische Leben, die Verwaltungsstrukturen, die Ortsnamen – vorbereitet durch Ettore Tolomei –, die Familiennamen, die Amts- und Unterrichtssprache.2 „Schüler des Jahrgangs 1914 erlebten ab 1923 die Italianisierung ihrer Schulen, mit Lehrerinnen und Lehrern, die kaum jemals ihre Erfahrungswelt noch Sprache teilten.“3 Das vielfach folkloristisch ausgerichtete Vereinswesen bestand zunächst weiter fort, da Regionalismus und lokales Brauchtum aus faschistischer Sicht förderungswürdig waren. Ab den 1930er Jahren veränderte sich jedoch die Haltung gegenüber Trachten und lokalen Gebräuchen, die nun als anti-italienischer Ausdruck des Deutschtums gewer1 2
3
Oswald Überegger, Im Schatten des Krieges. Geschichte Tirols 1918–1920, Paderborn u. a. 2019. Z. B. Rolf Steininger, Südtirol im 20. Jahrhundert. Vom Leben und Überleben einer Minderheit, Innsbruck 1997; Gottfried Solderer (Hg.), Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 2: 1920–1939 Faschistenbeil und Hakenkreuz, Bozen 2000; ders. (Hg.), Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 3: 1940–1959 Totaler Krieg und schwerer Neubeginn, Bozen 2001; ders. (Hg.), Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 4: 1960–1979 Autonomie und Aufbruch, Bozen 2002; Horst Schreiber, Nationalsozialismus und Faschismus in Tirol und Südtirol. Opfer, Täter, Gegner, Innsbruck u. a. 2008; Andrea Di Michele, Die unvollkommene Italianisierung. Politik und Verwaltung in Südtirol 1918– 1943, Innsbruck 2008 (L’italianizzazione imperfetta. L’amministrazione pubblica dell’Alto Adige tra Italia liberale e fascismo, Alessandria 2003), sowie die Themenhefte von Geschichte und Region / Storia e regione: Giorgio Mezzalira u. Hannes Obermair (Hg.), Faschismus an den Grenzen/ Il fascismo di confine, 20, 1 (2011); Gerald Steinacher u. Aram Mattioli (Hg.), Faschismus und Architektur/Architettura del fascismo, 17, 1 (2008); Andrea Di Michele u. Gerald Steinacher (Hg.), Faschismus im Gedächtnis/La memoria dei fascismi, 13, 2 (2004). Hans Heiss, Einleitung: Zwischen den Kriegen, in: Solderer, Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 2, 7–11, 7; Solderer, Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 2, 72–91.
V Nachhall: Ambivalente Heldinnengeschichten und Erinnerungskontexte
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tet wurden. Bis Mitte der 1930er Jahre waren noch deutschsprachige Theateraufführungen und Auftritte von Gastensembles aus Deutschland und Österreich möglich.4 Trotz allem gab es, mit einer Unterbrechung, weiterhin deutschsprachige Medien in Südtirol: 1923 erfolgte die Gründung einer Tageszeitung, die sich in die Tradition der seit dem Jahr 1900 unter dem Titel „Der Tiroler“ erscheinenden Zeitung stellte, die einen im Wochenrhythmus seit 1882 erscheinenden Vorläufer unter dem Namen „Der Tiroler Sonntagsbote“ hatte. Der Name war jedoch, wie auch alles andere, wo „Tirol“ enthalten war, während des Faschismus verboten. So wurde die nationalkonservativ und katholisch ausgerichtete Zeitung in „Der Landsmann. Tagblatt der Deutschen südlich des Brenners“ umbenannt wie auch das Verlagshaus Tyrolia:5 zunächst in Walther von der Vogelweide und dann in Athesia. Ab 26. Oktober 1925 waren alle deutschsprachigen Printmedien in Südtirol verboten. Kanonikus Michael Gamper,6 eine zentrale Persönlichkeit der Zwischen- und Nachkriegszeit in Südtirol, konnte jedoch erreichen, dass der „Landmann“ – nunmehr in „Dolomiten“7 umbenannt – wieder erscheinen durfte, wenngleich streng zensuriert. Ab September 1926 erschien die Zeitung nur einmal wöchentlich, ab 1927 mit drei Ausgaben in der Woche.8 Im Jahr 1926 wurde zudem die „Alpenzeitung. 4 5
6 7
8
Solderer, Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 2, 66. Die Anfänge des Verlagshauses Tyrolia gehen darauf zurück, dass „ein Kreis von politisch und religiös interessierten Männern in Brixen, darunter der Brixener Theologieprofessor Dr. Aemilian Schoepfer“, 1888 beschlossen, eine Wochenzeitung – die „Brixener Chronik“ – zu begründen und aus ökonomischen Erwägungen auch eine eigene Druckerei zu gründen. Umgesetzt wurden diese Unternehmungen über den Katholisch-Politischen Preßverein in Brixen. Aus den Zusammenschlüssen mit dem „Tiroler Volksboten“ und dem „Tiroler“ entstand im Jahr 1907 in Brixen – nach dem Sieg der Christlichsozialen Partei in Tirol bei den ersten Reichstagswahlen – die Verlagsanstalt Tyrolia. Siehe dazu Murray G. Hall, Österreichische Verlagsgeschichte 1918–1938, Bd. 2: Belle tristische Verlage der Ersten Republik, Graz/Wien 1985, Kap. Verlagsanstalt Tyrolia (InnsbruckWien-München-Bozen), http://verlagsgeschichte.murrayhall.com/?page_id=631 (letzter Zugriff: 21.4.2021). Als Selbstdarstellung siehe Hans Humer (Red.), Tyrolia – Athesia. 100 Jahre erlebt, erlitten, gestaltet. Ein Tiroler Verlagshaus im Dienste des Wortes, Innsbruck/Bozen 1989. Siehe dazu Rolf Steininger, Ein Leben für Südtirol. Kanonikus Michael Gamper und seine Zeit, Bozen 2017. Die „Dolomiten“ gab es bereits seit 4. September 1923, zunächst mit dem Untertitel „Zeitbilder & Sport“, ab April 1924 „Illustriertes Familienblatt“, mit Sitz in Bozen, gedacht als Informationsmedium über Ereignisse in Südtirol. Auch Romane sollten abgedruckt werden und „allerlei Schönes und Nützliches für unsere Frauenwelt“, Geleitwort, in: Dolomiten. Zeitbilder & Sport 1 (4. September 1923), 2. Siehe https://digital.tessmann.it/tessmannDigital/Zeitungsarchiv/Details/ Zeitung/4/DOL (letzter Zugriff: 21.04.2021). Zur Südtiroler Medienlandschaft vgl. https://digital.tessmann.it/tessmannDigital/Zeitungsarchiv/ Details/Zeitung/5/TIR; Günther Pallaver, Die Funktion von Medien in ethnisch fragmentierten Gesellschaften, in: Andreas Kriwak u. ders. (Hg.), Medien und Minderheiten, Innsbruck 2012, 59–
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V Nachhall: Ambivalente Heldinnengeschichten und Erinnerungskontexte
Politisches Tagblatt der Provinz Bolzano“ als regimekonforme Zeitung gegründet.9 Die Weltwirtschaftskrise sowie die „Machtübernahme Hitlers in Deutschland 1933, der Angriff Italiens auf Abessinien 193510 veränderten Europa […] in grundlegender Weise“11 und wirkten auch auf die Lebenswelten in Südtiroler markant ein. Dasselbe gilt für die Option im Jahr 1939, die von den deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler*innen die Entscheidung erzwang, im Land und damit bei Italien zu bleiben oder ins Deutsche Reich auszuwandern. Beides stellte sich – nicht zuletzt aufgrund massiver Propaganda – als Option mit ungewisser Zukunft dar, die in der Folge zu einem tiefen Riss durch die Südtiroler Gesellschaft zwischen „Optanten“ und „Dableibern“ führte.12 Auf das Ende von Benito Mussolini und des Faschismus folgten nach dem Waffenstillstand Italiens mit den Alliierten am 8. September 194313 in Südtirol zwanzig Monate unter national
9 10
11 12
13
83, https://doi.org/10.25969/mediarep/1815; ders., Demokratie und Medien in ethnisch fragmentierten Gesellschaften. Theoretische Überlegungen zur Überwindung kommunikativer Schranken, in: ders. (Hg.), Die ethnisch halbierte Wirklichkeit. Medien, Öffentlichkeit und politische Legitimation in ethnisch fragmentierten Gesellschaften. Theoretische Überlegungen und Fallbeispiele aus Südtirol, Innsbruck/Wien/Bozen 2006, 9–39; Judith Klein, Südtirols Medienlandschaft, in: Medienimpulse 53, 1 (2015), 1–19, https://doi.org/10.21243/mi-01-15-14 (letzter Zugriff: 21.04.2021). Siehe dazu: https://digital.tessmann.it/tessmannDigital/Zeitungsarchiv/Details/Zeitung/26/AZ (letzter Zugriff: 21.04.2021). Zu diesem erst spät aufgearbeiteten Kapitel der Südtiroler Geschichte siehe Andrea Di Michele (Hg.), Kriege und Erinnerung/Dall’Abissinia alla Spagna: guerre e memoria, 1935–1939, Geschichte und Region / Storia e regione 25, 1 (2016), mit Beiträgen von Andrea Di Michele, Sebastian De Pretto und Markus Wurzer zu Abessinien; Roberta Pergher, Mussolini’s Nation-Empire: Sover eignty and Settlement in Italy’s Borderlands, 1922–1943, Cambridge 2018. Heiss, Einleitung: Zwischen den Kriegen, 7. Z. B. Klaus Eisterer u. Rolf Steininger (Hg.), Die Option. Südtirol zwischen Faschismus und Nationalsozialismus, Innsbruck 1989; Benedikt Erhard (Hg.), Option, Heimat, opzioni. Eine Geschichte Südtirols vom Gehen und vom Bleiben, Wien 1989; Helmut Alexander, Stefan Lechner u. Adolf Leidlmair, Heimatlos. Die Umsiedlung der Südtiroler, Wien 1993; Sabine Schweitzer, Fortgehen. Nationale Optionen und privates Leben von Südtiroler Umsiedlerinnen, in: Reinhard Sieder (Hg.), Brüchiges Leben. Biographien in sozialen Systemen, Wien 1999, 102–148; Solderer, Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 2, 282–295; Bd. 3, 12–27; Günther Pallaver u. Leopold Steurer (Hg.), Deutsche, Hitler verkauft euch! Das Erbe von Option und Weltkrieg in Südtirol, Bozen 2011; Eva Pfanzelter (Hg.), Option und Gedächtnis. Erinnerungsorte der Südtiroler Umsiedlung 1939, Bozen 2013; dies. (Hg.), Option und Erinnerung/La memoria delle opzioni, Geschichte und Region / Storia e regione 22, 2 (2013); Ulrike Kindl (Hg.), Opzioni rilette/Die mitgelesenen Briefe, Bozen 2014; Pergher, Mussolini’s Nation-Empire, Kap. 5; zuletzt: Elisabeth Malleier, Günther Pallaver u. Margareth Lanzinger (Hg.), Erbgesund und kinderreich. Südtiroler Umsiedlerfamilien im „Reichsgau Sudetenland“, Bozen 2021. Siehe dazu Andrea Di Michele (Hg.), 8.9.1943 an der Grenze/L’8 settembre ai confini, Geschichte und Region / Storia e regione 18, 1 (2009); Elena Aga Rossi, A Nation Collapses: The Italian Surrender of September 1943, Cambridge 2000 (ital. Orig. 1993).
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sozialistischer Herrschaft in der aus den Provinzen Bozen, Trient und Belluno bestehenden „Operationszone Alpenvorland“, die am 10. September 1943 eingerichtet wurde und dem Gauleiter von Tirol und Vorarlberg Franz Hofer in Innsbruck als Oberstem Kommissar unterstand.14 In die Zwischenkriegszeit fiel die Fortsetzung der Kontroverse um die ‚wahre‘ Herkunft der Katharina Lanz, die vom ehemaligen Innsbrucker Archivdirektor Karl Klaar mit einem 1937 veröffentlichten sehr ausführlichen Beitrag angestoßen wurde. Die Replik des Südtiroler Klerikers Anselm Sparber erfolgte mehr als zehn Jahre später. Der in Spinges tätige Pfarrer Jakob Stubenruß beschäftigte sich in seiner Schreibstube intensiv mit der Schlacht und mit dem Mädchen von Spinges, doch die Heldin und ihre Geschichte fanden in dieser Zeit wenig öffentliche Beachtung in Südtirol. Nahezu symbolisch dafür steht die kurze Notiz im September 1923 im „Landsmann“, der umbenannten Südtiroler Tageszeitung, dass das in Livinallongo/Buchenstein 1912 errichtete und im Zuge des Ersten Weltkriegs nach Corvara in Sicherheit gebrachte Denkmal der Heldin nun „mittelst Automobil“ in das Museum nach Rovereto verbracht werde. Die Übersiedlung der Statue bot dem „Archivio per l’Alto Adige“ die Gelegenheit, sich gegen das Denkmal zu äußern. Als Symbol des legendären Germanismus, „simbolo di germanesimo leggendario“, würde es besser in das ruhige Museum passen als auf den Friedhof in Corvara.15 Außerhalb des Landes wurde 14
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Siehe dazu als Auswahl Solderer, Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 3, 48–59; Michael Wedekind, Nationalsozialistische Besatzungs- und Annexionspolitik in Norditalien 1943 bis 1945. Die Operationszonen Alpenvorland und Adriatisches Küstenland, Berlin/München/Boston 2003; Margareth Lun, NS-Herrschaft in Südtirol. Die Operationszone Alpenvorland 1943–1945, Innsbruck u. a. 2004; Andrea Di Michele u. Rodolfo Taiani (Hg.), Die Operationszone Alpenvorland im Zweiten Weltkrieg, Bozen 2009. Das Mädchen von Spinges kommt – ins Museum!, in: Der Landsmann. Tagblatt der Deutschen südlich des Brenners 24, 206 (10.9.1923), 1. In der Ausgabe vom 13. September wurde über das Ende der „Fremdensaison“ berichtet, datiert auf Fassa, 8. September. Die Schlusspassage des Kurztextes nahm nochmals Bezug auf den Abtransport des Denkmals, der „Durchreise einer weitum bekannten Persönlichkeit“: „Es war dies eben die seinerzeit weit über ihre engere Heimat Ladinien hinaus bestbekannte Katharina Lanz, das Mädchen von Spinges, die sich im Auto auf dem Wege in das Museum von Rovereto befand. Ob sich das heldenmütige Bauernmädchen von 1797 wohl träumen ließ, daß es auch einmal aus dem Heimatstale ausgewiesen werden würde??? Wir teilen die Trauer der Buchensteiner Landsleute der ‚Ausgewiesenen‘.“ Ladinien, in: Der Landsmann. Tagblatt der Deutschen südlich des Brenners 24, 209 (13.9.1923), 4. Die Nachricht findet sich auch im Artikel Allerlei aus dem Pustertale, in: Pustertaler Bote 37 (14.9.1923), 148. Der „Volksbote“ verwies in diesem Zusammenhang auf eine Notiz in der „Voce della Sella“, in der die Entfernung des Denkmals als zu beseitigender Überstand tituliert worden sei –„inconvenienza da togliere“, da dieses Anlass für unangebrachte Handlungen der Bevölkerung geben könne. Ladinien, in: Der Volksbote 5, 17 (26.4.1923), 7–8; La vergine di Spinga, 898.
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der Stoff weiterhin in erzählerischer Form und für das Theater bearbeitet.16 Die Plots wurden der Zeit angepasst, verselbstständigten sich zum Teil drastisch und blieben auch nicht unberührt von nationalsozialistischen Einfärbungen. Die vermittelten Geschlechterbilder waren weiterhin durch Ambivalenz gekennzeichnet und integrierten zeitspezifische Ideale. Germanisierende Zuschreibungen finden sich vor allem in Besprechungen. Die ersten Nachkriegsjahrzehnte waren in Südtirol, nachdem klar war, dass es „keine Rückkehr nach Österreich“ geben würde,17 von der für die deutschsprachige Bevölkerung unbefriedigenden Situation geprägt mit immer wieder neuen Höhepunkten: Das in Paris unterzeichnete Gruber-De Gasperi-Abkommen vom 5. September 194618 schuf zwar die Grundlage für den langen Weg der Umsetzung der Grundrechte für die deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler*innen, brachte aber, indem das Autonomiegebiet auf die Provinz Trient ausdehnbar war und de facto ausgedehnt wurde, keine eigene Autonomie für Südtirol, sondern nur eine „Scheinautonomie“.19 Nach Abschluss des Staatsvertrages im Mai 1955 setzte die Führung der Südtiroler Volkspartei (SVP) auf die Unterstützung Österreichs. Mit dem Beitritt Österreichs zum Europarat 1956 kann der Beginn der Europäisierung der Südtirolfrage angesetzt werden. In die Jahre 1956 und 1957 fielen die ersten Sprengstoffanschläge „auf Denkmäler, Gebäude, militärische Einrichtungen, elektrische Leitungen und Bahnkörper“.20 Eine Vielzahl an Italianisierungsmaßnahmen und Missständen ließ die Forderung „Los von Trient!“, die der SVP-Obmann und spätere Landeshauptmann Silvius Magnago bei der Kundgebung auf Schloss Sigmundskron am 17. November 1957 verkündete, immer lauter werden.21 Im Jahr 1959 überschlugen sich die Ereignisse: Anlässlich des Andreas-Hofer-Gedenkens – 150 Jahre nach 1809 – wurde bei einem großen Festumzug am 13. September in Innsbruck eine Dornenkrone, die die Teilung des Landes symbolisierte, mitgetragen. Die Andreas-Hofer-Feiern wurden „zu einer politi16
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Anlässlich des 120. Todestages von Andreas Hofer – er wurde am 20. Februar 1810 hingerichtet – versuchte ein in dem in Innsbruck zweimal im Monat erscheinenden „Südtiroler“ abgedrucktes Gedicht Kampfgeist zu wecken: „Noch ist der Hofergeist nicht tot/ im Dolomitenland […]“. Die wichtigen Namen werden genannt, darunter auch: „Auf, Katharina Lanz!/ Heran, heran, was fechten kann! Zum letzten Aufgebot! […] in welche Hände gab man freien, deutschen Herd! […] Wir schwören treu bis in den Tod dem deutschen Hoferland!“ Zum 20. Feber 1809–1929, in: Der Südtiroler. Mitteilungen für Freunde Südtirols 4 (15.2.1929), 4. Steininger, Südtirol im 20. Jahrhundert, 215–254. Siehe Rolf Steininger, Los von Rom? Die Südtirolfrage 1945/46 und das Gruber-De Gasperi Abkommen, Innsbruck 1987; Walter Obwexer u. Eva Pfanzelter (Hg.), 70 Jahre Pariser Vertrag, Wien 2017; Rolf Steininger, Südtirol zwischen Diplomatie und Terror 1947–1969, Bd. 1: 1947–1959, Bozen 1999. Steininger, Südtirol zwischen Diplomatie und Terror, Bd. 1, Kap. 1. Solderer, Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 3, 124. Steininger, Südtirol zwischen Diplomatie und Terror, Bd. 1, Kap. 3.
5 Der Streit um den „wahren Geburtsort“: St. Vigil oder Natz?
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schen Demonstration von Geschlossenheit, Macht und Härte gegenüber der als fremd und feindselig empfundenen italienischen Staatsmacht“. Hofer war bereits zu einer „Leitfigur“ der Sprengstoffattentäter geworden.22 Bruno Kreisky brachte in seiner Funktion als österreichischer Außenminister das Problem der unzureichenden Selbstbestimmung in Südtirol am 21. September 1959 in New York vor die UNO.23 Bereits Anfang des Jahres hatte sich der Befreiungs-Ausschuss Südtirol formiert.24 Ab dem Jahr 1961, in das mit der sogenannten „Feuernacht“ vom 11. auf den 12. Juni ein erster Höhepunkt fiel, begann die zweite Phase der Attentate, die bis 1969 andauerte. Die Anschläge wurden im Nachhinein gemeinhin „als Anstoß für die Änderung der italienischen Südtirolpolitik“ gesehen.25 Eine aus 19 Mitgliedern – darunter acht Südtiroler – bestehende Kommission wurde eingesetzt, die ein Autonomiestatut ausarbeitete, das Anfang 1972 in Kraft trat. Die Ausarbeitung der konkreten Durchführungsbestimmungen zog sich über viele Jahre hin. Am 30. Januar 1992 erklärte Ministerpräsident Giulio Andreotti das Paket schließlich für abgeschlossen; dem folgte die Streitbeilegungserklärung von Seiten Österreichs.26 Die Ladiner gründeten kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die „Zent Ladina Dolomites“, eine Bewegung, die eine Verwaltungsautonomie aller ladinischen Täler, auch jener in den Provinzen Belluno und Trient, unter der Ägyde der Provinz Bozen forderten. In diesem Zusammenhang gab es auch Beschwerden wegen der Entfernung der Statue von Katharina Lanz.27 Die Zeit unmittelbar nach dem Ende von Faschismus und Nationalsozialismus war keine Zeit für Heldinnen, sondern vielmehr von Ernüchterung geprägt. Jakob Stubenruß in Spinges verzweifelte sichtlich an dieser Situation, als er 1947 – 150 Jahre nach dem Gefecht von Spinges – versuchte, Aktivitäten und Festivitäten zum Gedenken daran auf die Beine zu stellen. Anlässlich der Winterolympiade 1956 in Cortina d’Ampezzo, nun ebenfalls zur Provinz Belluno gehörig, flammte einmal noch eine medial ausgetragene Kontroverse unter Beteiligung der „Alpenzeitung“ auf, die im südtirolpolitischen Kontext zu verorten ist. Eine dem ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert vergleichbare Dichte und Transnationalität der stark politisch gefärbten erinnerungskulturellen Remi22 23
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Nicolini, Andreas Hofer im Tiroler Geschichtsbewußtsein, 410–412, 411 (Zitat). Gustav Pfeifer u. Maria Steiner (Hg.), Bruno Kreisky und die Südtirolfrage. Akten des Internationalen Kolloquiums aus Anlass seines 25-jährigen Todestages, Bozen, 12. Juni 2015/Bruno Kreisky e la questione dell’Alto Adige. Atti della giornata di studi internazionale in occasione dei 25 anni dalla sua scomparsa, Bolzano, 12 giugno 2015, Bozen 2017; Steininger, Südtirol im 20. Jahrhundert, Kap. 15. Solderer, Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 3, 129. Steininger, Südtirol im 20. Jahrhundert, 491. Solderer, Das 20. Jahrhundert in Südtirol, Bd. 4; Siglinde Clementi u. Jens Woelk (Hg.), 1992: Ende eines Streits. Zehn Jahre Streitbeilegung im Südtirolkonflikt zwischen Italien und Österreich, Baden-Baden 2003. Eugenio Finazzer, L’eroica de Spinges „Katarina Lanz“, in: Zent Ladina Dolomites 1, 5 (31.8.1946), 4.
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niszenzen gab es nicht mehr. Nach 1945 reduzierte sich der Radius der Präsenz von Katharina Lanz tendenziell auf den (Süd-)Tiroler Raum. Neben dem Gedenkjahr von Spinges 1997 waren es vor allem die Lebensdaten der historischen Person Katharina Lanz, die Anlass für das Zelebrieren der Heldin, für das Enthüllen weiterer Statuen und Gedenktafeln gaben. Sie ist bis heute Teil der regionalen Memoria mit einer Vielfalt von identifikationsstiftenden – mehr oder wenig politisch mitgeprägten – Kennzeichen präsent. Schützenkompanien sowie Straßen und Schulen sind nach ihr benannt, auch Alpinismus, Sport und der zunehmende Tourismus haben zu ihrer fortdauernden Präsenz beigetragen. Die Geschichte des tapferen Mädchens von Spinges ist in das touristische Angebot eingebettet: Reiseführer erzählen seine Geschichte und beschreiben die ihm gewidmeten Denkmäler, Wanderwege tragen seinen Namen (Abb. 4a, 4b, 42). Zahllose Tourist*innen lernen so die Heldin und Erzählfragmente über sie kennen und begeistern sich bisweilen dafür, wie einige Briefe im Gemeindearchiv von Livinallongo bezeugen.28 Tourist*innen könnten so auch zur Verbreitung, Konstruktion und Aktualisierung des Mythos beitragen. Zugleich finden sehr unterschiedliche rechtsorientierte politische Gruppen in Katharina Lanz eine Referenzfigur. Doch gibt es auch linksorientierte Interpretationen der Ereignisse. Und noch mehr Romane, Theaterstücke und Darstellungen in verschiedenen Medien. Punktuelle Schlaglichter sollen diesen Prozess der verstärkten Regionalisierung der Heldin, aber auch der neuerlichen Vereinnahmung dokumentieren.
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Nach den vielfachen Beschwörungen des Tiroler Verteidigungswillens und Freiheitsideals in Zusammenhang mit heldischer Denkmals- und Erinnerungskultur im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ist es wenig überraschend, dass im Kontext der beiden Weltkriege auf die heldenhafte Zeit rund um die antinapoleonischen Kriege rekurriert wurde. Auch Katharina Lanz kam dabei verschiedentlich zum Einsatz. Doch wirken diese Aktualisierungen weit hergeholt und zumeist ambivalent. Im September 1915 erschien in der „Österreichischen Rundschau“ ein Beitrag von W. A. Hammer „Das Heldenmädchen von Spinges. Mit Benützung neuentdeckter Quellen“.29 Einleitend wird der „Opfermut“ 28 29
Archivio Comunale di Livinallongo del Col di Lana, Cartella Caterina Lanz. W. A. Hammer, Das Heldenmädchen von Spinges. Mit Benützung neuentdeckter Quellen, in: Österreichische Rundschau 44, 5 (1.9.1915), 232–235. Ein weiterer Artikel, dessen einziger neuer Inhalt die Information ist, dass sich Franz Defregger – vermutlich der Maler – unweit von Spinges „ein idyllisches Landhaus“ gebaut habe, erscheint vom selben Autor am 7. November 1924 in der
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des Tiroler Volkes für „Kaiser und Vaterland“ und dessen „Liebe zum angestammten Herrscherhause“ betont. Die bereits in der Vorkriegszeit häufige Gleichsetzung der Franzosen mit den Italienern äußert sich mit dem Kriegseintritt Italiens im Mai 1915 auf Seiten der Alliierten nun ganz unverhohlen: „Am grimmigsten aber lohten die Flammen der Kampfbegeisterung im heiligen Landl stets dann auf, wenn es galt, dem Erbfeinde, den ‚Welschen‘, streitbar zu begegnen, unter denen der Sohn der Tiroler Berge ebenso die Italiener wie die Franzosen versteht.“ Doch nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen würden „von jeher kampfesmutig an den Geschicken Anteil“ nehmen. So wolle er, schreibt Hammer, „gerade in diesen Tagen, wo die Berghänge im blutroten Schmuck des Almrausch prangten und ein vielgehaßter Feind Österreichs an den Grenzen Tirols erschien“, an Katharina Lanz als „eine Tiroler Heldin“ erinnern: „ein schlichtes, aber tapferes Mädchen“.30 Beschrieben ist sie als „Bauerndirn, stark und sehnig wie ein Mann, aber doch im Auge den Ausdruck eines weiblichen Herzens“. Rahmengeschichte und die Interpretation ihres Verschwindens weichen von den bisherigen Plots ab. In Hammers Deutung hat sie Spinges verlassen, um „der Verhöhnung ihrer Geschlechtsgenossinnen zu entgehen“. Zudem sei der Bauer, bei dem sie im Dienst war, erbost darüber gewesen, dass sie dessen schwangere Frau im Stich gelassen habe. Schließlich habe sie die Rache der Feinde gefürchtet, was Hammer als plausibelster Grund erschien. Einem ladinischen Greis sei die „Aufklärung“ über ihre Person zu verdanken. Nachdem sie sich zu erkennen gegeben habe, seien Landsleute und Fremde in Scharen gekommen, „um sie, die Heldenjungfrau zu sehen“.31 Beim Verfasser dürfte es sich um den Wiener Dichter und Schriftsteller sowie Mittelschullehrer für deutsche und französische Sprache Wilhelm Arthur Hammer (1871–1941) handeln, einen Vertreter der „christlich-nationalen Romantik“.32 Von Interesse ist hier insbesondere die Verbindung zwischen „stark und sehnig wie ein Mann“ mit dem „weiblichen Herzen“. Diese scheint ein gewisses zeitgenössisches Muster zu repräsentieren. Androgyn ist die Heldin beispielsweise auf einer Postkarte von Erich Heermann aus dem beginnenden 20. Jahrhundert gezeichnet (Abb. 39). Er wurde 1880 in Liegnitz im damaligen Schlesien, Legnica in Polen, geboren und hat unter anderem in Innsbruck studiert. Sein Bezug zu Tirol war allerdings umfassender. Im Rahmen einer Fragebogenerhebung des
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„Reichspost“ in Wien auf den ersten beiden Seiten unter dem hochtrabenden Titel „Die Tiroler Jeanne d’Arc. Neues über das Heldenmädchen von Spinges nach bisher unbekannten Quellen“. Hammer, Das Heldenmädchen, 232. Derselbe Artikel erscheint, ohne das Erste-Weltkriegs-Intro, in der Nummer 25 der „Brixener Chronik“ von 1924; der betreffende Zeitungsausschnitt liegt im Pfarrarchiv Spinges. Auf diese Darstellung der Geschichte stützen sich auch die Ausführungen zu Katharina Lanz im Spinger Heimatbuch. ÖBL, Bd. 2 (Lfg. 7, 1958), 165.
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Abb. 39: Erich Heermann, „Katharina Lanz Mädchen von Spinges“, Radierung. Diese Postkarte stellt die Heldin androgyn dar mit der Fahne in der klassischen Pose.
Tiroler Vereins für Heimatschutz in Innsbruck, die die Grundlage für ein Tiroler Künstlerlexikon schaffen sollte, schrieb er diesbezüglich im Juni 1926 aus Berlin-Charlottenburg, dass er zwar kein gebürtiger Tiroler sei, „da ich aber meine ganze Entwicklung in Tirol begonnen habe, und meine Eltern Jahrzehnte in Tirol ständig gelebt haben, und mein ganzes Gewesensein und Werden der Schönheit und Kultur Tirols verdanke, fühle ich mich seit meiner Kindheit zu Tirol gehörig […].“ Sein Vater war von 1892 bis 1919 kaufmännischer Leiter im Messingwerk Achenrain in Kramsach in Nordtirol. Er selbst hatte die Gewerbeschule in Innsbruck, die Kunstgewerbeschule und die Akademie in München und anschließend die Akademie in Berlin besucht. Zum Zeitpunkt der Erhebung war er „hauptsächlich als Portrait-Radirer in Berlin tätig“. Er porträtierte unter anderem Militärs wie Franz Conrad von Hötzendorff, Erich Ludendorff, Paul von Hindenburg und Helmuth von Moltke, aber auch Künstler wie Adolph von Menzel und Max Liebermann.
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1926 arbeitete er seit zwei Jahren an den Porträts der Präsidialmitglieder des Reichsverbandes der deutschen Industrie.33 Die ambivalente geschlechtliche Codierung kehrt auch in der literarischen Bearbeitung des Heldinnenstoffes von Helene Raff wieder. Im Jahr 1927 veröffentlichte sie ein Buch über „Das Mädchen von Spinges“ mit einem Umfang von über 180 Seiten.34 Im Vorwort kündigt die Autorin an, dass ihr in Ermangelung von Tagebüchern und Briefen, die es ihr ermöglicht hätten, auf das „Innenleben“ der Heldin „und ihr in der Stille sich abspielendes Dasein“ zu schließen, „nichts anderes übrig geblieben sei, „als der Einbildungskraft Raum zu geben“. Das „Schöne an dieser Gestalt“ sah sie in deren „Wesen, in dem ausgesprochenste weibliche Tugenden sich mit ein paar männlichen zu seltener menschlicher Harmonie verbanden“.35 Einmal mehr ist die Figur hier als fromme Bauernmagd gezeichnet. Vielfältig ausgeschmückt mit eingeflochtenen historischen Berichten und Details wird die Geschichte entwickelt. Das Changieren zwischen weiblichen und männlichen Zuschreibungen setzt sich in der Erzählung fort, etwa in der Art, wie ihre Kleidung und ihre Gestalt beschrieben werden: „Einmal – die Kathrein war just beschäftigt, den Stall zu säubern und hatte der schmutzigen Arbeit wegen ein paar weite Beinkleider über ihren faltigen Kittel (Rock) gezogen – kamen ein paar Rothosige daher, das Gewehr über der Schulter, die dreifarbige Kokarde an der Mütze. Von der Stalltür aus sah sie die Magd um den Gottesacker herumschlendern, sah einen das Gittertürlein öffnen, sich der Kirche nähern. Mit einem Satz war sie draußen bei ihm. ‚Hast was verloren da?‘ fragte sie scharf. Der Soldat starrte verwundert die seltsame Erscheinung an – die jünglingshafte Gestalt, auf der ein Mädchenhaupt saß. Aber es lächelte nicht: so hart funkelten die Augen in dem schönen Gesichte ihn an.“36 Die Geschlechterbilder des 19. Jahrhunderts, die (Waffen-) Gewalt männlich konnotierten und mit einer positiv besetzten Frauenfigur als unvereinbar erachteten, setzten sich hier fort. Heidrun Zettelbauer spricht für die Zwischenkriegszeit von einer „Remaskulinisierung und Remilitarisierung“: „Der ‚Kriegsheld‘ scheint unabdingbar männlich“.37 Der Part der Frauen umfasste die klassischen fürsorglichen und versorgenden Tätigkeiten im Kontext von Krieg: So hatte Katharina im Vorfeld des Gefechts alles, was „an eß- und trinkbaren Dingen“ zur Hand war, bereitgestellt, „um die Landstürmer zu la33
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Erich Heermann, in: Ellen Habasta (Hg.), Tirols Künstler 1927, Innsbruck 2002, 134–136; auch 02297 Erich Heermann, in: Akademie der Bildenden Künste München, Matrikelbücher, http:// matrikel.adbk.de/05ordner/mb_1884-1920/jahr_1901/matrikel-02297 (letzter Zugriff: 16.4.2021). Helene Raff, Das Mädchen von Spinges. Eine Erzählung aus den Kämpfen Tirols, Stuttgart 1927. Raff, Das Mädchen von Spinges, 4. Raff, Das Mädchen von Spinges, 48. Zettelbauer, Das fragile Geschlecht, 92.
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ben“, ebenso Verbandzeug für die Verwundeten.38 Als der Kampf dann tobte, beobachtete sie dessen Verlauf durch das Fenster des Mesnerhauses, betete und flehte zu Engeln und Heiligen um Hilfe – bis zu ihrem Einsatz in der Friedhofszene: „Niemand hat das Emporschwingen eines schlanken Leibes auf die Kirchhofsmauer geschaut. Aber nun sehen sie alle die jungfräuliche Weibsgestalt, die blaß und starck oben steht, die Waffe in der erhobenen Rechten schwingt. Welche Waffe? Keiner kennt es genau – ist’s eine Heugabel? – Aber schon trifft der seltsame Speer einen Feind, der sich zu nahe herangewagt, so hart zwischen Kopf und Nacken, daß er aufstöhnt und stürzt. Und ein zweiter – ein dritter – nie vergeblich stößt das Wesen da droben zu.“ Keine Spur mehr von Ermüdung, jeder habe „eine neue, geheimnisvolle Kraft, die ihm Sieg verheißt“ verspürt. „Inmitten von Streit und Tod steht sie unversehrt, wie gefeit. Ein Unerhörtes. Ein nie Dagewesenes.“39 Bekannte Versatzstücke des Kampfgeschehens kehren in neuen und pathetischen Formulierungen wieder.40 Die Haare lösten sich in dieser Version beim Sichhinaufschwingen auf die Friedhofsmauer, nachdem die Protagonistin gleich auf der ersten Textseite mit dem „streng in Zöpfe gezwängt[en]“ Haar eingeführt worden war.41 Nach dem Ende des Gefechts stellte sie sich vor die Kirchentür „gleich dem Wächter am Paradiesestor“. Ihre Furchtlosigkeit wird betont – auch gegenüber begehrlichen Blicken.42 Das Motiv eines möglichen Übergriffs oder einer Verbindung der Heldin mit dem Feind ist hier zum ersten Mal angedeutet. Diese Wendung der Geschichte sollte 15 Jahre später, in einem 1942 uraufgeführten Theaterstück von Max Tribus, zu einem zentralen Motiv werden. Weitere neue Elemente flossen in Raffs Darstellung ein: Eine Art Counterpart hat die Figur des Tonio inne – Sohn einer Ennebergerin und eines Welschtirolers, in Kindertagen Katharinas Spielkamerad. Er sympathisiert später mit den Franzosen und verteidigt deren Kampf für Freiheit und Recht.43 In der Figur des Tonio finden die zwischen dem Italienischen und Französischen verschwimmenden und sich überlappenden nationalen Abspaltungen eine Fortsetzung und dem wird auch das Ladinische – über Tonios Eltern – zugeordnet. Ähnlich den Geschlechterbildern setzen sich bei Raff damit auch Ethnisierungen fort.
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Raff, Das Mädchen von Spinges, 53. Raff, Das Mädchen von Spinges, 57f. Insgesamt werden diverse Helden- und Heldinnengeschichten erzählt. Der Umstand, dass Katharina unter Fremden gekämpft hatte, liefert die Erklärung für ihr Schweigen, denn „ihre Waffengefährten, die Unterinntaler, hatte sie nie zuvor gesehen“. Raff, Das Mädchen von Spinges, 71. Die zweite Hälfte der Erzählung beschreibt ihr Leben als Pfarrersköchin, vielfältig ausgeschmückt mit allerlei Geschichten. Raff, Das Mädchen von Spinges, 5. Raff, Das Mädchen von Spinges, 59. Raff, Das Mädchen von Spinges, 15f, 24f.
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Eine Rezension von Helene Raffs Erzählung in den „Münchner Neuesten Nachrichten“ attestiert der Autorin, sie habe „ein faszinierendes Frauenbild geschaffen“.44 In ihrem literarischen Werk sei insgesamt „ein erstrebenswertes Idealbild der deutschen Frau aufgestellt – gläubig, tüchtig, opferfreudig und liebevoll“. Da ihre Werke der „weiblichen Jugend“ zugedacht seien, so fände sich darin „[s]tolzes und aufrechtes Frauentum […] begreiflicherweise sehr häufig gestaltet“.45 Hier wird die Heldinnengeschichte in den deutschen Referenzraum eingepasst. Die auf diese Weise idealisierte Heldinnenfigur repräsentiert den Gegenpol zum Bild der „Neuen Frau“ der 1920er Jahre, die rauchend dargestellt, freizügig gedacht, mit Bubikopf und mit Großstadt assoziiert wurde.46 Helene Raff (1865–1942) war eine Schriftstellerin und Sammlerin von Sagen; sie wird auch als Mädchenbuchautorin geführt.47 Sie war die einzige Tochter des Komponisten Joachim Raff und der Schauspielerin Dorothea Raff und ist in Wiesbaden geboren. Im Vorwort ihrer 1938 erschienenen Autobiographie verortet sie sich in der „Geistigkeit“ des ausgehenden 19. Jahrhunderts, geprägt von „Heimatstolz“ und „Heimattreue“ und sieht sich – im September 1937 – in „einer neuen reichen Zeit“.48 Sie sympathisierte durchaus mit der Frauenbewegung, wenn es um den Zugang zum Hochschulstudium oder um das Schaffen von Erwerbsmöglichkeiten für Frauen ging. Sie pries das 1895 erschienene Buch „Aus guter Familie. Leidensgeschichte eines Mädchens“ von Gabriele Reuter, ein Erfolgsroman über die Situation ‚höherer Töchter‘ in der Wilhelminischen Zeit,49 und hatte in der Folge auch die Gelegenheit, sich mit der Autorin anzufreunden. Sie verwahrte sich aber gegen radikale Reden, „Wertentgleisungen“ und die „Sackähnlichkeit“ der Reformkleider.50 Die Autobiographie ist im Verlag Knorr & Hirth in München erschienen, der 44 45 46
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„Das Mädchen von Spinges“, in: Münchner Neueste Nachrichten 336 (10.12.1927), 15. Zita Wagner, Das literarische Schaffen Helene Raffs, Dissertation Wien 1938, 27. Gesa Kessemeier, Sportlich, sachlich, männlich. Das Bild der ‚Neuen Frau‘ in den Zwanziger Jahren. Zur Konstruktion geschlechtsspezifischer Körperbilder in der Mode der Jahre 1920 bis 1929, Dortmund 2000. Gisela Wilkending, Mädchenliteratur der Kaiserzeit. Zwischen weiblicher Identifizierung und Grenzüberschreitung, Stuttgart 2003, 13, 310. Helene Raff, Blätter vom Lebensbaum, München 1938, Vorwort. Gabriele Reuter, Aus guter Familie. Leidensgeschichte eines Mädchens, Berlin 1895. Bis 1931 erschienen 28 Auflagen. Nikola Roßbach sieht in ihrer Rezension 2006 anlässlich einer Neuauflage des Buches in der gescheiterten Protagonistin, der „Bürgerstochter Agathe“, eine Antiheldin, „die an der aufgezwungenen gesellschaftlichen Rolle zerbricht“. Ihr Charakter changiere „zwischen Liebessehnsucht und sexuellen Wünschen einerseits, Handlungsunfähigkeit und Feigheit andererseits“. Nikola Roßbach, „Ein Buch von so fürchterlicher, aufrüttelnder Wahrheit“. Gabriele Reuters Aus guter Familie (1896) in einer Neuedition, in: querelles-net, https://www.querelles-net. de/index.php/qn/article/view/536/544 (letzter Zugriff: 17.4.2021). Raff, Blätter vom Lebensbaum, 213–218.
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1935 vom nationalsozialistischen Eher-Konzern übernommen worden war.51 Die Autorin kannte allerdings die vorherigen Inhaber Thomas Knorr und Georg Hirth persönlich.52 Von Katharina Lanz dürfte sie im Zuge der Aufenthalte in Südtirol, das Bayern als Sommerfrischedestination ihrer Familie abgelöst hatte, erfahren haben. „Durch zwanzig Jahre sind wir dann regelmäßig nach Tirol gereist.“ Fast zwei Drittel des Landes hätten sie Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts kennengelernt; zu „Heimstätten“ geworden seien ihnen vor allem Gossensaß, Bozen und Meran-Obermais „mit ihrer reichen weiteren Umgebung“. Sie berichtet, dass ein Andreas-Hofer-Stück, das die Burggräfler im Rahmen der Meraner Volksschauspiele aufgeführt haben, ihr einen „tiefen Eindruck“ hinterlassen habe und mehr noch die Feier anlässlich des hundertjährigen Jubiläums des Herz-Jesu-Bundes 1896 in Bozen. Sie besuchte auch das Sandwirtshaus im Passeiertal.53 Die Autobiographie reicht bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. So finden sich darin keinerlei Hinweise auf ihre Auseinandersetzung mit Katharina Lanz. 1929 veröffentlichte sie den schmalen historisch angelegten Band „Verlorenes deutsches Land Südtirol“, in dem nur kurz Bezug auf das Mädchen von Spinges genommen wird.54 In unmittelbarerem Tiroler Zusammenhang entstand mitten im Zweiten Weltkrieg das Stück „Das Mädchen von Spinges“, ein Schauspiel in drei Akten des Nordtiroler Dramatikers Max Tribus. Die Premiere fand in einer Inszenierung der Exl-Bühne am 8. Juli 1942 im Innsbrucker Landestheater statt,55 das zu dieser Zeit unter dem kulturpolitischen Einfluss der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei stand. In „Reichsgautheater Innsbruck“ wurde es einige Monate später, im September 1942, mit Beginn der neuen Spielzeit umbenannt.56 Einer Theaterkritik in den „Innsbrucker Nachrichten“, damals „Parteiamtliches Organ der NSDAP“, zufolge befand sich Franz Hofer, der nationalsozialistische Gauleiter für Tirol und Vorarlberg, „mit einer Anzahl seiner Mitarbeiter“ im Publikum der Uraufführung. Stürmischen Applaus habe es gegeben.57 51 52 53 54 55
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Siehe Paul Hoser, Knorr & Hirt, in: Historisches Lexikon Bayerns, https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Knorr_%26_Hirth (letzter Zugriff: 16.4.2021). Raff, Blätter vom Lebensbaum, 133f. Raff, Blätter vom Lebensbaum, 156–159. Helene Raff, Verlorenes deutsches Land Südtirol, Essen 1929, 42f. Max Tribus (1900–1983), aus Fügen im Zillertal gebürtig, verfasste u. a. populäre Freilichtspiele und Volksstücke; er lebte als Beamter in Innsbruck. Austria-Forum, AEIOU, https://austria-forum.org/af/AEIOU/Tribus%2C_Max (letzter Zugriff: 28.7.2021). Dort ist als Erscheinungsjahr des Stückes „Das Mädchen von Spinges“ fälschlicherweise 1950 angegeben. Siehe Manfred Schneider, Zusammenfassung 1942: Tiroler Landestheater Innsbruck Reichsgautheater Innsbruck, in: Arbeitsgemeinschaft Tiroler Komponisten: NS-Zeit, https://arge-ns-zeit. musikland-tirol.at/content/mosaik-des-kulturlebens-im-ueberblick/zusammenfassung-1942/ (letzter Zugriff: 15.4.2021). Karl Paulin, „Das Mädchen von Spinges“. Schauspiel in drei Akten von Max Tribus – Urauf-
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Bereits zwei Jahre zuvor war das Mädchen von Spinges auf den Seiten der „Innsbrucker Nachrichten“ aufgetaucht, und zwar an jenem Tag, an dem die Zeitung den Waffenstillstand mit Frankreich und, in Hitlers Worten, „den glorreichsten Sieg aller Zeiten“ ankündigte.58 Aus diesem Anlass widmete Theodor Mühlich einen Artikel einem anderen – vermeintlichen – Sieg gegen die Franzosen: dem Sieg in der Schlacht von Spinges. Dabei ging es auch um das tapfere Mädchen: „Unter den tapferen Verteidigern gewahrte man auch ein junges Mädchen, das mit zusammengegürteten Kleidern und mit fliegenden Haaren mitten auf der Friedhofmauer stehend, die anrennenden Feinde mit einer Heugabel zurückstieß. Bei dem Mädchen von Spinges handelt es sich nicht um eine Gestalt der Volksdichtung, sie ist nicht eine sagenhafte Figur, sondern eine geschichtliche Persönlichkeit, wie durch Augenzeugenberichte und historische Urkunden einwandfrei belegt ist. Sie hieß Katharina Lanz und diente während der Kämpfe als Bauernmagd in Spinges. Es muß ein ungemein starkes und großes Mädchen gewesen sein, das sich bei ihren Bekannten wegen ihres sonnigen Humors und freundlichen Wesens großer Beliebtheit erfreute. Sie suchte ihr damaliges tapferes Verhalten möglichst geheim zu halten, als sie jedoch am 8. Juli 1854 im Alter von 83 Jahren zu Andraz starb, war ihr streng gehütetes Geheimnis doch entdeckt worden, und sie wurde mit allen militärischen Ehren zur letzten Ruhe gebettet“.59 Im Unterschied zum Narrativ des Artikels, ist die Handlung ziemlich fern von den Ereignissen von 1797 und von den bislang skizzierten Erzählsträngen gestaltet. Als vertraute Konstellationen begegnet einzig, dass die Figur der Katharina Lanz, im Stück Kathl genannt, als Magd am Widnerhof in Spinges tätig war und mit einer Mistgabel bewaffnet Feinde abwehrte. Ansonsten geht es um Geld, Intrigen und Liebe. Katharina verliebt sich noch dazu in einen feindlichen bayerischen Soldaten. Bayern unterstützte die napoleonischen Kriegsaktivitäten allerdings erst ab 1805 mit der Gründung des Rheinbundes. Warum es in dieser Rolle kein Franzose sein konnte, wird aus dem im Folgenden kurz skizzierten Plot klar. Das Stück ist historisierend angelegt, greift mit dem Thema des Verrats durch Frauen jedoch einen Aspekt auf, der sich nur schwer von der Gegenwart des Krieges trennen lässt. Das Stück beginnt mit dem Tod des alten Widnerbauern, der Jungbauer Martl befindet sich am Valser Joch bei den Männern des Landsturms und trifft den Vater nur mehr tot an. Während Martl voller Unmut über die Vorbereitungen ist, die zur Verteidigung gegen die
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führung im Landestheater am 8. Juli, in: Innsbrucker Nachrichten. Parteiamtliches Organ der NSDAP. Gau Tirol-Vorarlberg 89, 160 (10.7.1942), 4. Seit heute schweigen die Waffen. Der Führer an das deutsche Volk, in: Innsbrucker Nachrichten 87, 148 (25.6.1940), 1. Theodor Mühlich, Heiß war der Tag bei Spinges. Eine Aufsatzreihe aus der Geschichte unseres Gaues – Mit Dreschflegeln und Sensen gegen die Franzosen, in: Innsbrucker Nachrichten 87, 148 (25.6.1940), 5; Hervorhebung im Original gesperrt.
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Franzosen in Spinges getroffen werden, zeigt sich Katharina kämpferisch: „Ist Gesetz und Gebot für jeden Tiroler – zu kämpfen!“60 Mit Sabina wird ihr in dem Stück eine negativ gezeichnete Figur entgegengesetzt – die „falsche Katz“, die „Franzosenhur“, die „ungeniert“ mit französischen Offizieren „anbandelt“ –,61 die in der Verteidigung nur ein „patriotische[s] Getue“ sieht.62 Katharina ruft zu den Waffen und stürzt selbst mit der Mistgabel allen voran zur Kirche, als der Vorhang fällt. Der dritte Akt setzt nach dem Gefecht ein. Kathl hat Verwundete versorgt, auch einen feindlichen „bayrischen G’sellen“. Darum entspinnen sich divergierende Motive: Sie wird als „Verräterin“ bezeichnet. Der Martl sei verblutet, während sie sich „mit dem bayrischen Buam“ getröstet habe.63 Der Knecht vom Widnerhof hingegen hebt Katharinas Tapferkeit hervor, sie habe agiert „wie a rechtschaff’ner Held!“ Die Protagonistin selbst schwächt ab: Sie habe nur helfen wollen und sei mitten hinein geraten. Dabei habe sie den bayerischen Soldaten verletzt. Sie beklagen die „traurige Schickung“ dieser Feindkonstellation: „Deutsche gegen Deutsche“. Dann kippt die Szene: Ihr wird unterstellt, dass sie verliebt sei „in den eigenen Feind“, was sie nicht entkräften kann,64 sodass sie erneut für eine Verräterin gehalten und sogar kurzzeitig verhaftet wird.65 Einige Aspekte sind auffällig in diesem Stück: Eine negative Zeichnung des Kommandanten von Wörndle als Advokat mit akademischer Bildung findet sich an mehreren Stellen. Anspielungen auf soziale Unterschiede und Spannungen zwischen größeren Bauern und Kleinhäuslern werden gemacht, nicht zuletzt in Hinblick auf den Verteidigungswillen. Im Zentrum stehen die beiden Frauenfiguren Sabina und Kathl, einerseits als Gegenparts in der Art, wie ihre Charaktere gezeichnet sind: geldgierig und liederlich die eine, treu und aufrecht die andere. Andererseits haben sie auch etwas gemeinsam: Beide lassen sich mit ‚dem Feind‘ ein, der jedoch sehr unterschiedlich konnotiert ist: Sabina wird mit mehreren Franzosen in Verbindung gebracht: Mit einigen hat sie bereits in Brixen angebandelt, mit einem „Blauhösler“ wurde sie in den Büschen gesichtet. Ihr wird eine aktive Rolle zugeschrieben, während Kathl sich in einen Bayern verliebt, der anders konnotiert ist als Franzosen oder Italiener. Sie hat auch nicht ein Abenteuer gesucht, sondern es ist mir ihr geschehen. Eigentlich sollte es diese Feindschaft gar nicht geben: einen Kampf „Deutsche gegen Deutsche“, der hier als „Schand“ apostrophiert ist. 60
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Max Tribus, Das Mädchen von Spinges, Schauspiel in drei Akten (Manuskript), 32. Wir danken dem Thomas Sessler Verlag in Wien für die Überlassung des Manuskripts. Auf dem Deckblatt ist der Vermerk angebracht: „Uraufgeführt von der Exlbühne am Innsbrucker Landestheater 8. Juli 1942“. Tribus, Das Mädchen von Spinges, 24. Tribus, Das Mädchen von Spinges, 33, 36. Tribus, Das Mädchen von Spinges, 47. Tribus, Das Mädchen von Spinges, 50. Tribus, Das Mädchen von Spinges, 52f.
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Frauen, die sich mit dem Feind einlassen, sind ein (männliches) Trauma in Kriegen. Anfeindungen, Gewaltausbrüche, das Abrasieren der Kopfhaare – zum Teil als öffentlich inszenierte Bestrafungsaktionen – sind vor allem für den Zweiten Weltkrieg seit den 1980er Jahren in diesem Zusammenhang historisch aufgearbeitet worden.66 Mitten in diesem Krieg wird ein solches Stück uraufgeführt. Nation und Geschlecht verbinden sich, machen solche Beziehungen zum Verrat und die Frauen zu Prostituierten. Doch wird nur Sabina als „Franzosenhur“ tituliert. Sie begeht zusätzlich Verrat, indem sie den Feinden einen Weg weist, woraufhin diese den eigenen Leuten in den Rücken fallen können. Sie spricht abschätzig von Katharinas „patriotischem Getue“ und will Martl überreden, nicht mitzukämpfen, macht also kein Hehl daraus, dass sie von Heldenmut nichts hält. Eine solche Figur konnte in einem politisch affirmativen Stück, das während des Krieges aufgeführt wurde, nur negativ besetzt sein.67 Die Figur der „Kathl“ aber musste – um als historische Reminiszenz verwendbar zu sein – letztlich eine positive Heldin verkörpern, was jedoch ein vergleichsweise blasses Bild abgibt. Zwar will der Schützenhauptmann Lenz sie als Heilige sehen, doch insgesamt finden sich im Stück kaum religiöse Anklänge.68 Im Herbst 1944 wird der antinapoleonische Landsturm sogar in Analogie zum letzten Aufgebot im Zweiten Weltkrieg in einem Artikel in den „Innsbrucker Nachrichten“ gesetzt. Den Beitrag verfasste Karl Paulin (1888–1960), zwischen 1919 und 1945 Schriftführer 66
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Martina Gugglberger, Den Feind lieben. Geschorene Frauen in Frankreich 1944–1945, in: Ingrid Bauer, Christa Hämmerle u. Gabriella Hauch (Hg.), Liebe und Widerstand. Ambivalenzen historischer Geschlechterbeziehungen, Wien/Köln/Weimar 2005, 362–375; Ingrid Bauer, Die „AmiBraut“. Platzhalterin für das Abgespaltene. Zur (De-)Konstruktion eines Stereotyps der österreichischen Nachkriegsgeschichte 1945–1955, in: L’Homme. Z. F. G. 7, 1 (1996), 107–121. Die potenzielle Untreue von Frauen in Kriegskontexten brachte Thomas Hürlimann in einem ganz anderen Setting auf die Bühne, zuerst in der Schweiz, dann im Rahmen der Tiroler Volksschauspiele. Nach einer Vorlage des Ordensklerikers Gall Morel aus Einsiedeln, der 1824 den Schwank „De Franzos im Ybrig“ verfasst hatte, ließ er unter dem Titel „Da Franzos in Ötz“ den französischen Landschafts- und Schlachtenmaler Foulon nach Ötz im Tiroler Ötztal geraten – das Dorf war zu diesem Zeitpunkt ausschließlich von Frauen bewohnt. Deren Männer hatten sich in die Berge zurückgezogen, um die Napoleonische Armee abzuwehren. So dauerte es in diesem Stück nicht lange, bis sich die Frauen herausputzten und den Maler umgarnten. Siehe die Broschüre: Tiroler Volksschauspiele 1994, Telfs, o. S. Für diesen Hinweis danken wir Nikola Langreiter. Siehe auch Estrich-Theater 2002, https://www.estrich-theater.ch/produktion-2020-21/der-franzos-imybrig/ (letzter Zugriff: 16.4.2021). Dieses Stück wurde im Jahr 1984 mehrmals aufgeführt: La möta da Spinges, San Martin de Tor 1984, von Lydia Zingerle ins Ladinische übersetzt. Siehe auch die Theaterkritiken: Lydia Zingerle, L’teàter „Catarina Lanz“ a La Val. Tignun alt ći ch’un arpè: religiosité, usanzes, nosta ladinité, in: Dolomiten 61, 199 (28.8.1984), 6; Schönes Theaterstück in Wengen. Die Heldin Catarina Lanz, ein Beispiel für die Ladiner, ebd.; sowie Teater Val Badia a La Val: Catarina Lanz, in: La Usc di Ladins 13, 8 (1.8.1984), 19–21.
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der Zeitung, die von 1938 bis 1945 als Parteiorgan der NSDAP fungierte. Von ihm stammt auch die zuvor zitierte Theaterkritik zum Stück von Max Tribus. Paulin gab zwischen 1939 und 1944 die „Alpenheimat“, einen „Familienkalender für Stadt und Land“ heraus.69 Er schrieb im Vokabular und Ungeist jener Zeit und war ein Mitläufer des NS-Regimes: „Das Aufgebot des Deutschen Volkssturms weckt die Erinnerung an die ruhmvolle kämpferische Vergangenheit unserer Heimat, in der zu allen Zeiten der heldenkühne Einsatz des Einzelkämpfers der in dem Bewußtsein, den angestammten Boden zu verteidigen, seine Kräfte vervielfachte, eine maßgebliche Rolle spielte. Geschichte und volkstümliche Ueberlieferung berichten uns zahlreiche Episoden, die den unüberwindlichen Kampfesgeist unserer Väter bezeugen. Vor allem ist es da das glorreiche Jahr 1809, dessen Ruhm nicht nur über die ganze damalige Welt strahlte, sondern das auch zum aufrüttelnden Fanal zur Befreiung Deutschlands im Jahre 1813 wurde.“ Der Autor leitet über zu 1809 und „dessen Vorkampf im Jahre 1797“ und stellt eine Verbindung zur Gegenwart her, „da gerade unsere Zeit, in der aufs neue der letzte Kampf um den Bestand der Heimat bevorsteht, dafür gewiß aufgeschlossener ist als jede andere“.70 Unter die „Spingeser Helden“ reiht er Philipp von Wörndle, Anton Reinisch und nicht zuletzt: „Am gleichen Tag wand sich ein einfaches Bauernmädchen, Katharina Lanz, den Lorbeer des Ruhms um die blanke Stirn. Als der Kampf im Zentrum hin und her wogte und um den Friedhof besonders heiß entbrannte, schwang sich das Mädchen auf die Friedhofmauer und stieß mit gezückter dreizinkiger Heugabl die anstürmenden Franzosen zurück. Seither erglänzt der Name des ‚Mädchens von Spinges‘ in der heimatlichen Heldengeschichte.“ Weiter geht es mit den „Sterzinger Mädchen im Gefecht“. Diese Reminiszenzen wirken mehr als anachronistisch. Vergleichbar ist dieser Rekurs mit der Instrumentalisierung der preußischen Königin Luise als Paradigma deutscher Pflichterfüllung, des eisernen Willens und edlen Opfergeistes.71 69
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Karl Paulin stammte aus Brixen, war zunächst Buchhändler, später Schriftsteller und Heimatkundler, unter anderem Theaterkritiker der „Innsbrucker Nachrichten“ und verfasste Biographien verschiedener Tiroler, auch ein Buch über „Das Leben Andreas Hofers“. Pfaundler-Spat, Tirol-Lexikon, 412; siehe auch Karl Paulin, in: Literatur Tirol, Lexikon, https://literaturtirol.at/lexikon/583 (letzter Zugriff: 15.4.2021): Er war in Bozen, aber auch in Aachen und Wien als Buchhändler sowie ab 1919 im Verlag Wagner in Innsbruck tätig. Zwischen 1919 und 1945 war er Schriftleiter der „Innsbrucker Nachrichten“, von 1938 bis 1943 auch der Monatsschrift „Bergland“ neben den bereits im Text genannten Veröffentlichungen. Zahlreiche seiner Publikationen stammen aus der Zeit des Nationalsozialismus; nach 1945 leitete er den Wagner Verlag in Innsbruck. 1951 wurde er Ehrenmitglied, 1957 Professor h. c. der Universität Innsbruck. Karl Paulin, Siegreicher Kampf gegen die Uebermacht. Heroische Einzelkämpfer im Tiroler Freiheitsringen, in: Innsbrucker Nachrichten. Parteiamtliches Organ der NSDAP. Gau Tirol-Vorarlberg 91, 255 (28.10.1944), 3; Hervorhebung im Original gesperrt. Demandt, Luisenkult, 443–448.
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Licht in die Kontroverse um Herkunft und Identität von Katharina Lanz zu bringen, versuchte Karl Klaar, ehemaliger Archivdirektor in Innsbruck. Er publizierte im Jahr 1937 eine ausführliche „historische Untersuchung“ in der von Hermann Wopfner begründeten und in Innsbruck erscheinenden landesgeschichtlichen Zeitschrift „Tiroler Heimat“. In einer Nachschrift nennt er den Herbst 1930 als Zeitpunkt, an dem er sich entschlossen habe, „die Frage nach dem ‚Mädchen von Spinges‘ wieder aufzurollen. Sein erster Schritt sei das Überprüfen einer Abschrift der Urkunden von Johann Mayr auf Grundlage der Verfachbücher, der Protokollbücher zu Liegenschaftstransaktionen, des Gerichtes Rodeneck gewesen. Er habe Mayr versprochen, seine Untersuchung nach Abschluss „sofort drucken zu lassen“, habe ihn dann aber „vertrösten“ müssen.72 Angesichts der erzielten Ergebnisse wollte er Rücksicht nehmen, denn sein „lieber Freund, Hofrat Dr. Alois Maneschg in Innsbruck“, der fest davon überzeugt gewesen sei, „daß die Ennebergerin Katharina Lanz, seine Verwandte, das ‚Mädchen von Spinges‘ sei“, sei schwer erkrankt. So habe er seine Arbeit erst nach dessen Ableben und immer noch „mit gemischten Gefühlen“ in den Druck gegeben.73 Klaar schreibt gegen die „Enneberger Hypothese“ auf Grundlage einer systematischen Zusammenstellung des damaligen Wissensstandes an. Dazu listet er alle ihm bekannten Werke auf, in denen das Mädchen von Spinges vorkommt, sowie die Schilderungen des Gefechts, in denen es nicht erwähnt ist. Der Artikel aus den „Tiroler Stimmen“ von 1870, in dem der Name „Katharina Lanz“ in seiner Wahrnehmung erstmals aufschien – der Text von 1869 fehlt –, ist zur Gänze in Klaars Beitrag abgedruckt. Er kommentiert ihn mit den Worten: „Das sind ganz neue Nachrichten!“ Da dessen Verfasser ungenannt blieb, sieht er sein Misstrauen gegenüber diesen „ganz neuen“ Behauptungen und sein Unterfangen, „sie unter die Lupe historischer Kritik“ zu nehmen, gerechtfertigt.74 Eine Reihe sachlicher Einwände zu Details führt er in acht Punkten aus, zum Teil in einem süffisanten Tonfall.75 Über Seiten hinweg bewertet er Artikel und Publikationen über das Mädchen von 72
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Johann Mayr wandte sich offensichtlich an weitere Personen: Ein gewisser Peter Pichler schrieb aus Bozen im November 1939 an den Kuraten Stubenruß in Spinges, dass er Besuch von diesem erhalten habe. Er sei „mit neuen Beweismitteln“ gekommen und habe ihn unbedingt davon überzeugen wollen, dass seine These die richtige sei. Er konstatierte bei ihm „trotziges Beharren einer gewonnenen Einstellung“, er sei für „keinerlei Gegenargumentation zugänglich“. Seine Nichten würden „immer noch mit dem Gedanken liebäugeln ‚vielleicht doch‘ von unserer Heldin abzustammen“. Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 117, Schreiben von Peter Pichler vom 7.11.1939. Klaar, Das „Mädchen von Spinges“, 192. Klaar, Das „Mädchen von Spinges“, 164. So schrieb er etwa im letzten Punkt in Bezug auf den Kanonikus Franz Hirn und dessen Überzeugung, dass die im Artikel in den „Tiroler Stimmen“ genannte Katharina Lanz das Mädchen von
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Spinges beziehungsweise Katharina Lanz. Bezogen auf die Schrift von Norbert Stock hebt er beispielsweise das „religiöse Motiv“ hervor, das „den Dichter und wohl noch mehr den Priester in den Bann gezogen“ haben dürfte. Um 1910 sei dann „ein gefährlicher und hartnäckiger Gegner“ der „Enneberger Hypothese“ auf den Plan getreten: der Wegmacher und Grunerbauer Johann Mayr, ein Urenkel des Widnerbauers von 1797, bei dem das Mädchen von Spinges Katharina Lanz bedienstet gewesen sei.76 Er referiert des Weiteren die in der „Brixener Chronik“ und im „Tiroler Anzeiger“ ausgetragene Kontroverse der Jahre 1911 und 1912 und kommt zum Schluss, „daß trotz der Einwände Ludwig Steubs, trotz gelegentlicher privater Bedenken weder die kirchlichen noch die staatlichen und landschaftlichen Behörden, noch auch Historiker, noch die freisinnigen Kreise, soweit sie an der Existenz des ‚Mädchens von Spinges‘ überhaupt festhielten, an der Enneberger Hypothese zu rütteln gewagt“ hätten. Die Einwände des Natzer Pfarrers seien „wirkungslos verhallt“.77 Auf der als „Hauptbeweis für die Enneberger Hypothese“ gehandelten Karte von Catarina Agreiter in der Dokumentensammlung im Ferdinandeum fehle das Jahr. Klaar stellt fest, dass die darauf klebende Briefmarke erst ab 1867 in Umlauf gewesen sei, also viel später – und damit sei der „Hauptbeweis [...] in leeres Nichts zerfallen“.78 Zu der vielfach erwähnten Beerdigung mit militärischen Ehren finde sich im Totenbuch keinerlei Hinweis.79 Auch die Behauptung Ferdinand Lentners, in ihrem Todesjahr seien „in Tiroler Blättern einige biographische Notizen über das Mädchen von Spinges“ erschienen, weist er nach dem Durchforsten der infrage kommenden Zeitungen zurück.80 Nach knapp 25 Seiten Demontage der „Enneberger Hypothese“ setzt Klaar zur Kon struktion der „Natzer Hypothese“ an. Mit der Suche nach dem Mädchen von Spinges habe
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Spinges gewesen sei: „Merkwürdig! Derselbe Kanonikus Franz Hirn, der in seiner patriotischen Begeisterung im Jahre 1848 den im Spingeser Treffen gefallenen Tirolern auf dem Friedhofe zu Spinges ein steinernes Denkmal errichtet hat mit einer neunzeiligen Inschrift, hat es damals unglückseligerweise vergessen, sein Wissen über diese so berühmte Mitkämpferin, wenn auch nur ganz kurz, auf diesem Gedenkstein der Nachwelt zu überliefern oder es absichtlich unterlassen, das letzter wahrscheinlich deswegen, weil das Volk und die Behörde das ohnehin schon gewußt haben.“ Klaar, Das „Mädchen von Spinges“, 166. Klaar, Das „Mädchen von Spinges“, 172f. Klaar, Das „Mädchen von Spinges“, 177. Klaar, Das „Mädchen von Spinges“, 180; in Gegenposition dazu Craffonara, Catarina Lanz, 295–318. „Wenn die Ennerbergerin Katharina Lanz schon zu Lebzeiten als Mädchen von Spinges gegolten und unter Theilnahme sämtlicher Honoratioren und der Schützen von Buchenstein mit militärischen Ehren begraben worden“ sei, wie erkläre sich dann, dass im Totenbuch „von diesen schönen, ehrenvollen Dingen auch nicht das leiseste erwähnt“ sei? Klaar, Das „Mädchen von Spinges“, 184. Klaar, Das „Mädchen von Spinges“, 185. Ebenso wie Klaar, ging auch Helga Dorsch Lentners Behauptung nach, ohne etwas zu finden. Siehe Craffonara, Catarina Lanz, 211. Auch unsere diesbezüglichen Recherchen waren erfolglos.
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sich, ohne dass Klaar etwas davon gewusst habe, auch sein „ehemaliger Vorstand, der spätere Bundeskanzler Hofrat Dr. Michael Mayr“ beschäftigt, Literatur gesichtet und Notizen gemacht, auf die er 1922 im Zuge des Aufarbeitens von dessen wissenschaftlichem Nachlass gestoßen sei. Nunmehr – seit Jahren im Ruhestand – scheine es ihm an der Zeit, diese Frage neu aufzurollen.81 Es folgt eine Transkription des Ehevertrags der gleichnamigen Natzerin und ein Versuch, eine Erklärung dafür zu finden, dass darin abwechselnd der Name Katharina Lanzin und Helena Lanzin verwendet wird.82 Er schließt mit einem pathetischen Plädoyer: „Im Interesse der Geschichte unseres Landes Tirol, die nur auf dem Fundament der Wahrheit bestehen kann, mußte doch einmal die Wahrheit über das ‚Mädchen von Spinges‘ dargelegt werden und es war eine Forderung der Gerechtigkeit, daß der Ruhmeskranz, den eine andere durch mehr als 60 Jahre hindurch – wenn auch ohne ihr Zutun, aber doch zu Unrecht – getragen hat, von ihr genommen und dem wirklichen ‚Mädchen von Spinges‘ Katharina (Hellena) Lanz von Naz bei Brixen auf das heldenhafte Haupt gesetzt werde.“83 Nach diesem 1937 veröffentlichten Artikel geschah lange nichts. Erst im Jahr 1948 publizierte Anselm Sparber eine Replik,84 denn Schweigen, meinte er, könne als Einverständnis interpretiert werden. Er erkennt zahlreiche von Klaars Kritikpunkten an: die als haltlos erachteten phantastischen Ausschmückungen von Literaten und auch des einen oder anderen Historikers sowie die Widersprüche in den diversen Darstellungen. Er führt nochmals die wichtigsten Punkte in chronologischer Reihenfolge an und verwehrt sich dagegen, „die einfache Widumsmagd“ als „Schwindlerin und Hochstaplerin“ dargestellt und ihre Teilnahme am Gefecht „als eine Erfindung“ etikettiert zu sehen.85 Als „Hauptbeweis“ gilt ihm das Schreiben des damaligen Kanzlisten im Bezirksgericht Enneberg, Johann Maneschg, von 1897, das letzte Dokument der Sammlung im Ferdinandeum.86 Er schließt mit der Überzeugung, dass durch Klaars Ausführungen die „Tradition“ der Katharina Lanz aus St. Vigil als Mädchen von Spinges nicht erschüttert werde. Dessen Artikel sei aber „durchaus nicht nutzlos“, sondern habe „viel Aufklärung und Licht in die ganze Frage“ gebracht.87 Im selben Jahr noch reagierte Hofrat Karl Klaar in der „Tiroler Heimat“ „auf die Arbeit des Theolo81 82 83 84 85 86
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Klaar, Das „Mädchen von Spinges“, 185. Klaar, Das „Mädchen von Spinges“, 187. Klaar, Das „Mädchen von Spinges“, 191. Sparber, Wer war das Heldenmädchen, 181–188. Sparber, Wer war das Heldenmädchen, 184. Sparber, Wer war das Heldenmädchen, 185–188. TLF, Einige Briefe, Nr. 10: „Herr Karl Maneschg sagte, daß er, als sein Bruder sich in Andraz Benefiziat befand [sic], während der Wakanzzeit [sic] meinstens [sic] in Andraz sich aufhielt, die Katharina Lanz, welche damals dort Wirthschäfterin war, öfter veranlaßte von der Schlacht bei Spinges zu erzählen, aber, daß sie nicht gerne davon erzählte, da sie sich Gewissen machte, Leute erschlagen zu haben.“ Sparber, Wer war das Heldenmädchen, 188.
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gie-Professors Dr. Anselm Sparber“.88 Das von Sparber als Beweis ins Treffen geführte Dokument ist darin zitiert. Wie könne dieses jedoch als Beweis gelten, wenn es aus den Jahren zwischen 1892 und 1897 stamme?89 Er entkräftet dessen Einwände und Argumente und bezeichnet Sparber als „Entdecker des wirklichen Mädchens von Spinges, Helena Lanz von Natz bei Brixen“, denn dieser habe den „Urenkel des Widnerbauers vom Jahre 1797“ wie auch ihn selbst auf deren Spur gebracht.90 Damit war das letzte Wort noch nicht gefallen. Anselm Sparber entgegnete 1949 seinerseits in den „Schlern-Mitteilungen“. Er trete „weiterhin für die Wahrheit und die Ehre der ennebergischen Katharina Lanz ein“. Ein schriftliches Zeugnis für deren Beteiligung am Kampf auf der Friedhofsmauer gäbe es nicht, aber ebenso wenig für die Katharina Lanz aus Natz. Als Wirtschafterin in Andraz habe Katharina Lanz öfters von ihrer Teilnahme am Gefecht erzählt, „z. B. Geistlichen Herren und Studenten, die in diesem Widum verkehrten“. Er führte neue Gewährsleute an. Der Stadtpfarrer und Konsistorialrat Johann Corradini in Sterzing habe ihn „ermächtigt“, jene Namen zu nennen, aus deren Munde er die betreffenden Informationen vernommen habe: Alois Alfreider, damals Benefiziat in Larzonei, in nächster Nachbarschaft von Andraz, und Alfons Quellacasa, der aus Larzonei stammte, haben ausgesagt, „daß sie damals als Heldin von Spinges allgemein beim Volke bekannt“ gewesen sei. Er schloss mit einem Abschnitt über die Brüder Maneschg und Kaspar Ruepp, die „von der Richtigkeit der Angaben der Heldin vollständig überzeugt gewesen“ seien und unterstrich im letzten Satz nochmals, dass die wahre Heldin Katharina Lanz von St. Vigil sei.91 Die Natzer These konnte sich in der Folgezeit zwar nicht gegen die Enneberger These durchsetzen, sie blieb jedoch weiterhin im Gespräch. Das „Österreichische Biographische Lexikon“ begegnete diesem Dilemma mit der Nennung der beiden möglichen Herkunftsorte. Der Eintrag stellt zunächst Katharina Lanz aus St. Vigil unter der Bezeichnung „Freiheitskämpferin“ vor. Und fährt vorsichtig fort, dass es sich dabei „vermutlich“ um das Mädchen handle, das Philipp von Wörndle in seinem Bericht erwähnt habe. Der Zeitungsbericht von 1870, die Gedenktafeln und die Bronzefigur in Pieve sind genannt. Der Artikel schließt: „Nach einer anderen Version soll das ‚Mädchen von Spinges‘ Helene Lanz“ gewesen sein, 1771 in Natz geboren und mit dem Widnerbauern Andreas Mayr verheiratet.92 88 89 90 91 92
Karl Klaar, Das Mädchen von Spinges. Helena Lanz von Natz bei Brixen, in: Tiroler Heimat 12 (1948), 155–157. Karl Klaar, Das Mädchen von Spinges. Helena Lanz, 155. Karl Klaar, Das Mädchen von Spinges. Helena Lanz, 157. Anselm Sparber, Nochmals das Heldenmädchen von Spinges, in: Der Schlern 23 (1949), 505–507. Lanz Katharina, Freiheitskämpferin, in: ÖBL, Bd. 5 (Lfg. 21, 1970), 21. Christoph Hartung von Hartungen stellte 1997 die ladinische Herkunft von Katharina Lanz in der Südtiroler Wochenzeitung FF nochmals in Frage. Christoph von Hartungen, Katharina die Ungewisse, in: FF 15 (5.4.1997), 34–35. Der vor einigen Jahren entstandene Kurzfilm über Katharina Lanz – im Unter-
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In Zusammenhang mit dieser Kontroverse entstanden zugleich neue Hypothesen, vor allem zum Umfang der Überlieferung, die weiter fortgesponnen wurden: Anselm Sparber gab an, dass Karl Maneschg „eine Lebensbeschreibung Katharinas verfassen“ wollte, „was durch seine Krankheit verhindert“ worden sei.93 Dabei bezog er sich auf Lentners „Kriegspolitische Denkwürdigkeiten“. Dort steht diesbezüglich: „Er beschäftigte sich mit dem Gedanken, die Tradition über Jungfer Katharina festzuhalten.“ Maneschg habe sich mehrmals nach St. Vigil begeben, „um für eine wahrheitsgetreue Lebensbeschreibung des Mädchens von Spinges Sorge zu tragen“. Eine schwere Krankheit habe die Aufzeichnung dessen, „was bejahrte Leute über Katharina Lanz zu berichten wussten“, verhindert.94 Darauf baute später die Annahme einer schriftlichen Überlieferung auf. So schreibt etwa Merch Graffonara 1995, dass Karl Maneschg beim Besuch seines Bruders manches über das Jahr 1797 in Spinges aus Katharina Lanz herausgelockt und aufgeschrieben habe, sodass es von Anselm Sparber zur Verteidigung der Ladinität von Catharina Lonz verwendet werden konnte.95
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Die Figur der Heldin lieferte stets neu bespielbare Projektionsflächen. Die Anzahl derer, die sich mit dem Mädchen von Spinges und/oder mit Katharina Lanz in der einen oder anderen Weise auseinandergesetzt haben, ist beachtlich und zog auch in der Zwischenkriegszeit noch Kreise über Tirol hinaus. Zugleich ist in dieser Zeit eine deutlichere Regionalisierung der Beschäftigung mit der Heldin feststellbar. Vor Ort übernahmen die Kuraten von Spinges einen wichtigen Part. Sie beteiligten sich an Recherchen zur Person des Mädchens von Spinges und traten im Lauf der Jahrzehnte immer wieder als Auskunftsper-
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titel „Wahrheit oder Legende?“ – aus der Reihe „Personen, Persönlichkeiten, Porträts“ hinterfragt ebenfalls die verschiedenen Thesen. Der Film von Hubert Schönegger, Karl Mittermaier und Michael Wachtler wurde im RAI Sender Bozen am 5.7.2004 ausgestrahlt. Wir danken Michael Wachtler für eine Kopie des Films. Sparber, Wer war das Heldenmädchen, 183, Anm. 11. Lentner, Denkwürdigkeiten, 111f. Graffonara, Catharina Lonz, 301. Lois Trebo griff dies ebenfalls auf: „Der Student Carlo Maneschg, jüngerer Bruder des Kuraten, verbrachte einige Wochen der Sommerferien bei seinem Bruder in Andrac, und diesem neugierigen Studenten ist es zu verdanken, daß wir heute genau wissen, daß Catarina Lanz aus Al Plan/St. Vigil das Mädchen von Spinges war. Catarina Lanz hatte diesem Studenten den Verlauf des Gefechts bei Spinges erzählt, und der junge Mann war so geistreich gewesen, diese Geschichten aufzuschreiben, die heute im Ferdinandeum angesehen werden können.“ Leider ist dem nicht so. Lois Trebo, Das Mädchen von Spinges – Catarina Lanz (1771–1854), in: Tiroler Chronist 67 (Juli 1997), 10–12, 11f.
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sonen sowie als Verfasser von Berichten und Zeitungsartikeln in Erscheinung. Besonders aktiv war Jakob Stubenruß, der von 1936 bis 1951 in Spinges als Kurat amtierte.96 Von ihm sind seitenweise handschriftliche Kommentare zu den diversen Berichten und Darstellungen des Gefechts von Spinges sowie Abschriften von einschlägigem Quellenmaterial im Pfarrarchiv Spinges erhalten. Er publizierte auch zum Thema.97 In einem Manuskript diskutiert er die Thesen der Herkunft des Heldenmädchens, ausgehend von Anselm Sparbers Beitrag, der 1948 im „Schlern“ erschienen ist, und den er vor der Veröffentlichung vom Autor zugesandt bekommen hatte.98 Auch Karl Klaar hatte ihm einen Sonderdruck seines ausführlichen Artikels von 1936/37 mit Widmung übermittelt. Diese Spuren machen sichtbar, dass die Passion für Historisches und wohl auch eine gewisse erinnerungskulturelle Mission weiterhin Vernetzungen zwischen bildungsbürgerlichen Männern schuf. Er, schrieb Stubenruß, breche für die Natzer These „keine Lanze“, zugleich kämpfe er gegen die „Enneberger Hypothese“ an, wenngleich keiner von ihnen – weder Sparber noch Klaar noch er selbst – „zwingende Beweise […] vorbringen“ könnten. Er stellte „für die Ladinerin die Hypothese der Selbsteinbildung“ auf99 und stützte sich in der Annahme, „Fantastisches u[nd] Wahres“ habe sich in Katharina Lanz‘ Gedächtnis vermischt,100 auf ein ‚Gutachten‘ von Ignaz Mader, ehemaliger Stadtarzt von Brixen, der seinerseits landesgeschichtliche Forschung betrieb.101 Maders Schreiben ist im Original erhalten, eine Karte gesendet aus Lermoos in Nordtirol vom 20. September 1948. Er deutet die Geschichte psychologisch, wenn er von „Autosuggestion der Widumhäuserin“ schreibt und zieht den Schluss: „Man sagt: jede Frau ist ein Rätsel, wir Mediziner müssen diesen Spruch oft bestätigen, aber er gilt scheinbar auch für den Geschichtsforscher und in diesem Falle ganz besonders!“ Von Ignaz Mader war im August 1948 ein Beitrag in den „Dolomiten“ unter dem Titel „Die Heldin von Spinges. Nach dem heutigen Stand der geschichtlichen Forschungen“ 96 97
Spinger Heimatbuch, 56. Z. B. Stubenruß, Um die Höhen von Spinges. Er bezieht sich darin hauptsächlich auf die Berichte von Thomas Leimgruber und Philipp von Wörndle. 98 Das Manuskript von Stubenruß umfasst 34 handgeschriebene Seiten mit Ergänzungen auf zusätzlichen Blättern und einem mehrseitigen Anhang. Er schreibt: Mit Anselm Sparber habe er sich öfters mündlich über die Frage, wer das Heldenmädchen von Spinges sei, ausgetauscht. Er gehe zwar davon aus, dass das Mädchen von Spinges „eine geschichtliche Person“ sei. „Freilich, je mehr wir uns an Zeit von ihm entfernen, desto mehr droht seine Gestalt im Nebel der Sage zu versinken.“ Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 117, Stubenruß, Wer war das Heldenmädchen, 2. 99 Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 117, Stubenruß, Wer war das Heldenmädchen, 1. 100 Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 117, Stubenruß, Wer war das Heldenmädchen, 13f. 101 In der Reihe der Schlern-Schriften erschien das Buch: Mader, Ortsnamen und Siedlungsgeschichte.
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erschienen.102 Dabei handelt es sich um eine Bricolage, die mit Joubert und von Wörndle beginnt, die Enneberger und Natzer These sowie die Auseinandersetzung zwischen Sparber und Klaar skizziert. Der Autor legte sich in diesem Streit nicht fest und enthielt sich auch einer psychologischen Deutung. Vielmehr müsse es „vom Standpunkte der Heimatforschung begrüßt werden“, schrieb er, „daß diese Frage wieder angeschnitten wurde. Beide literarisch bedeutsamen Arbeiten bringen wieder Beiträge zur Landesgeschichte; die zeugen von der Urkraft des Volkes und dessen unbeugsamem Freiheitswillen, welcher auch vor dem sogenannten ‚zarten Geschlechte‘ nicht halt macht. In diesem Sinne wäre unsere Heldin von Spinges ein Abbild, wenn auch nur ein ganz schwaches, von der berühmten Jungfrau von Orleans.“ Die Beschäftigung mit der Heldin gilt ihm – nach Faschismus und Krieg – offensichtlich als sichtbares Lebenszeichen der Heimatforschung und Landesgeschichte. Interpretiert man die „Jungfrau von Orléans“ in diesem Zusammenhang als Symbol der geistigen und politischen Einheit Frankreichs, dann ließe sich die Bezugnahme darauf als eine Anspielung auf die Südtirolfrage lesen. Erinnerungspolitische Aktivitäten kulminieren rund um Jahrestage. Ein solcher wäre rein rechnerisch auch 1947 – 150 Jahre nach Spinges – angesagt gewesen. Doch zwei verheerende Weltkriege und die Zeit des Faschismus und Nationalsozialismus liegen zwischen den patriotischen Feiern des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts und diesem Jahr. Die Stimmung scheint primär von Ernüchterung geprägt gewesen zu sein. Denn für Jakob Stubenruß gestaltete es sich sehr schwierig, Ressourcen zu mobilisieren, breitere Beteiligung zu erreichen oder gar Begeisterung für dieses Jubiläum zu wecken. Die historischen Ereignisse von 1797 und damit auch deren Helden und Heldinnen waren 1947 offenbar in weite Ferne gerückt. Für den rührigen Geistlichen war dieses Desinteresse allerdings nicht nachvollziehbar. Der Kurat hatte sich bereits im Vorfeld, im Herbst 1946, um finanzielle Mittel zur Restaurierung des während Faschismus und Krieg in Mitleidenschaft gezogenen Spingeser Kreuzes bemüht.103 Dies war ihm ein vordringliches Anliegen. „Weil es sich um ein religiöses Denkmal handelt“, wollte sich das „Katholische Sonntagsblatt“ an einem Spendenaufruf beteiligen. Ein zuvor in der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ geschalteter Spendenaufruf hatte zu Stubenruß’ Enttäuschung keinerlei Spendeneingänge erbracht. Nach der Restaurierung des Kreuzes schwebte ihm im April oder Mai ein Gedenktag des 2. April 1797 „mit großer Feierlichkeit u[nd] mit Beteiligung der öffentl[ichen] Kreise“ vor. Und er war in einem Schreiben auch angefragt worden, ob „zum Jubiläum des 102 I[ganz] M[ader], Die Heldin von Spinges. Nach dem heutigen Stand der geschichtlichen Forschungen, in: Dolomiten 25, 190 (19.8.1948), 4. 103 Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 96–116. Auch Korrespondenzen in dieser Angelegenheit mit der Soprintendenza ai monumenti ed alle gallerie della Venezia Tridentina in Trient und mit Luigi Marangoni von der Basilica di San Marco in Venedig sind erhalten.
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Mädchens von Spinges irgendeine Feier geplant“ sei „und wann“.104 Doch musste er konstatieren: „O dummer Idealist! Du kennst die heutige Zeit nicht! [...] Was soll man sich gar so für Längstvergangenes begeistern?!“ Auf mehr als sporadisches Interesse war er mit seinen Bemühungen nicht gestoßen: Vom Obmann des Andreas Hofer-Bundes habe er gar keine Antwort erhalten; von der Leitung der Südtiroler Volkspartei sei er an das Bezirkssekretariat verwiesen worden. Geschehen sei nichts, außer „daß letzteres zum 2. April einen schönen Kranz mit Widmungsschleife zu senden versprach und dann den schönen Kranz unsern Vorsteher aus Fraktionsmitteln kaufen ließ“. Und er schloss: „So war am 2. April über allen Wipfeln Ruh’ sowohl im Lande als auch beim Spingeser Kreuz! Jedoch wenigstens die auf den Tag treffende kirchliche Feier des 100. (od[er] 99.?) gestifteten Jahrtags für die Helden wollten wir festlich halten, obwohl es Mittwoch in der Karwoche war.“105 Der Kurat unternahm noch einiges im Gedenken an das Gefecht von Spinges, obwohl, wie er in der Spingeser Chronik im Nachhinein verzeichnet, „das Interesse für jene Heldenzeit [...] auch im eigenen Ort nicht groß“ gewesen sei. So hielt er „am Weißsonntag“106 nach der Messe „beim Gasser“ einen Vortrag mit einer ausführlichen „Schilderung des Kampftages“. „Die Zuhörer waren 1 ½ Dutzend von der Männerwelt u[nd] ein Schwarm Kinder.“ Er versuchte, Interesse für das „Spingeser Schlachtlied“ zu wecken, indem er eine „Singstunde“ organisierte. Ein „Dutzend Burschen“ habe er dazu eingeladen – gekommen seien nur vier, die aber großen Eifer beim Einstudieren gezeigt hätten.107 Von Anselm Sparber erschien 1947 ein Artikel in den „Dolomiten“, der hauptsächlich auf dem Bericht von Wörndles basierte.108 Jakob Stubenruß verfasste einen Artikel für das „Katholische Sonntagsblatt“.109 Seine Sorge, dass die Ereignisse von 1797 in Vergessenheit geraten könnten, spricht gleich aus dem ersten Satz: „Das Andenken an die Kämpfe von Spinges vor 150 Jahren soll in unserem Volke nicht so rasch verschwinden.“ Anonym erscheint am „Weißen Sonntag“ im „Katholischen Sonntagsblatt“ eine kurze Notiz datiert auf den 2. April: „Den Helden von anno 1797 zum 150. Jahrestag“. Sie könnte von Jakob Stubenruß stammen und beginnt mit den Worten: „Heute feierte unser Bergdörflein in zeitgemäß einfacher 104 105
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Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 96–116, Schreiben von Johann Tschurtschenthaler vom 21.2.1947. Pfarrarchiv Spinges, Chronik der Pfarre Spinges 1936–1948 (von Pfarrer Jakob Stubenruß), 263– 266, Hervorhebung im Original unterstrichen. In der Titelinnenseite ist „Pfarrchronik II.“ durchgestrichen und darunter steht: „Persönliche Erlebnisse, Gedanken u[nd] Beobachtungen während der Seelsorgertätigkeit in Spinges (geschrieben von Pf[arre]r Jakob Stubenruß 1936 – Ende 1948)“. Am Rand ist vermerkt „Bleibt Eigentum des Schreibers“. Das ist der erste Sonntag nach Ostern, 1947 fiel er auf den 13. April. Pfarrarchiv Spinges, Chronik 1936–1948, 282f. Anselm Sparber, Vor 150 Jahren Heldentag von Spinges. Zur Erinnerung an den 2. April 1797, in: Dolomiten 24, 74 (30.3.1947), 3–4. Jakob Stubenruß, Um die Höhen von Spinges, in: Katholisches Sonntagsblatt 25 (22.6.1947), 2–4.
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Abb. 40: Katharina Lanz, Postkarte nach 1945. Hut und Tracht erinnern an die Darstellung von Erich Heermann. In Haltung und Ausdruck wirkt die Figur eher für den Kirchenbesuch herausgeputzt denn als Heldin eines Gefechts.
Weise, aber würdig, ja erbaulich den 150. Jahrestag jenes schicksalsschweren ‚Schwarzsonntags‘, der den Namen Spinges weltbekannt gemacht hat, den Jahrtag der Spingeser Schlacht. Wenn er nach der Art früherer Zeiten begangen worden wäre, dann hätten Behörden, Reservistenkolonnen und Musikkapellen ausrücken müssen, dies fehlte aber diesmal ganz, dafür war es ein Beitrag für unser Land und für die Gefallenen, soweit sie des Gebetes noch bedürfen.“110 Der Text endet mit einem Appell an potenzielle „Wohltäter“, das Jubiläum zum Anlass zu nehmen, das im Krieg zerstörte Spingeser Kreuz wieder aufzurichten. Paradoxerweise – oder gerade deshalb wurde Spinges mit dem Attribut „weltbekannt“ versehen, als sich das Aktualisierungspotenzial von heldenhafter Erinnerung an 1797 auf einem Tiefpunkt befand. Das im Pfarrarchiv Spinges verwahrte Material verweist in Spuren auf die eine oder andere Initiative in dieser Zeit. So stellte Jakob Stubenruß im Frühjahr 1947 im Auftrag 110
Den Helden von anno 1797 zum 150. Jahrestag, in: Katholisches Sonntagsblatt 15 (13.4.1947), 7.
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des fürstbischöflichen Ordinariats für den Mailänder Advokaten Carlo Sarteschi Material zu Spinges zusammen. Als Vermittler fungierte Wolfgang Heiss vom Hotel Elephanten in Brixen, der mit Sarteschi befreundet war.111 Wolfgang Heiss und Jakob Stubenruß hatten sich im Vorfeld brieflich in dieser Angelegenheit ausgetauscht. Heiss sandte eine Ansichtskarte an Stubenruß, die er als „eine volkstümliche Darstellung der lieben Katherina“ in altladinischer Tracht beschrieb.112 Die Abbildung zeigt die Heldin in ungewohnter Pose (Abb. 40): fast modisch herausgeputzt, nicht in der schweren Tracht des Altersporträts, vielmehr mit einem Hut und mit der Heugabel lässig über die Schulter gelegt. Ohne jeden kämpferischen oder androgynen Anklang repräsentiert das Bild eine dem Kontext eines Kampfes entrückte Figur. Ab Mitte der 1950er Jahre liest man in den Zeitungen wieder mehr über Katharina Lanz. Im Jahr 1954 wird in St. Vigil eine Gedenkfeier zum hundertsten Todestag begangen. Die Gedenktafel wurde in diesem Rahmen neu enthüllt, nachdem sie während des Faschismus entfernt werden musste. Der spätere Südtiroler Landeshauptmann Silvius Magnago hielt eine Rede. Zahlreiche Berichte erschienen rund um diese Aktivitäten, die bereits Bekanntes zusammenfassten und referierten. Anselm Sparber, „der sich um den Nachweis des Geburtsortes der Katharina Lanz besondere Dienste erworben“ habe, hielt die Feldmesse.113 In einer Kontroverse, ausgetragen im zeitlichen Umfeld der Winterolympiade in 111
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Sarteschi, so teilte Heiss Stuberuß mit, wolle über das Mädchen von Spinges schreiben. Ein Jahr später folgte die ernüchternde Meldung von Wolfgang Heiss: „Ich meine, dass der gute Dr. Sartes chi über die Katl nichts publiziert hat. Molto fumo e poco arrosto! [Viel Rauch und wenig Braten] Immerhin glaubte ich im Interesse unseres lieben Landl gehandelt zu haben, wenn ich mich für diese Sache interessierte. So reut mich die Arbeit nicht, wenngleich sie scheinbar vergebens gewesen ist. Schade!“ Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 96–116, Schreiben von Wolfgang Heiss vom 28.2.1948; ebd., Karton Nr. 96–116, Schreiben vom Fürstbischöflichen Ordinariat vom 28.2.1947. Pfarrarchiv Spinges, Karton Nr. 117, Karte von Wolfgang Heiss vom 25.3.1947. Die „Jeanne d’Arc“ von Tirol. Gedenkfeier für Katharina Lanz, in: Alpenpost 4, 40 (2.10.1954), 6; siehe auch E. Sch., Der 100. Todestag des Mädchens von Spinges, in: Tiroler Tageszeitung 10, 154 (10.7.1954), 14; Anselm Sparber, Katharina Lanz, die Heldin von Spinges. Zu ihrem 100. Geburtstag, in: Katholisches Sonntagsblatt 25, 28 (11.7.1854), 2–5; Iwo Vogl, Denkmale des Mädchens von Spinges, in: Tiroler Tageszeitung 10, 160 (15.7.1954), 4; St. Vigil in Enneberg. Gedenkfeier zu Ehren des Heldenmädchens von Spinges, in: Katholisches Sonntagsblatt 25, 39 (26.9.1954), 8; Karl Böhm, Das Heldenmädchen von Spinges. Zum hundertsten Todestag am 9. [sic] Juli 1954, in: Tiroler Nachrichten 12, 150 (3.7.1954), Beilage Samstagzeitung 27, 1; ders., Das Heldenmädchen von Spinges. Zur hundertsten Wiederkehr des Todestages (8. Juli 1854), in: Dolomiten 31, 154 (8.7.1954), 3 (passend dazu am Rand das Gedicht von Bruder Norbert von 1896 „Herz-Jesu-Braut“), außerdem kleinere Notizen zur Gedenkfeier in den Nr. 217 und 220 bis 222 sowie ein ausführlicherer Beitrag: Die Enneberger ehrten ihre Freiheitsheldin. Wiederenthüllung der Gedenktafel für Katharina Lanz, das Heldenmädchen von Spinges, in: ebd., 223 (28.9.1954), 9. Bei Trebo, Mareo, 91, ist eine Schützenscheibe
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Cortina d’Ampezzo, erfuhr die Figur von Katharina Lanz einmal noch eine mediale Politisierung.
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Im Jahr 1956 fand die Winterolympiade in Cortina d’Ampezzo, Provinz Belluno, statt. Das ländliche, überwiegend deutsch- und ladinischsprachige Südtirol war in dieser Zeit noch stark landwirtschaftlich geprägt. Die auf die Städte und hauptsächlich auf Bozen konzentrierte Industrie bot in erster Linie der italienischsprachigen Bevölkerung Arbeitsplätze. Die Umstrukturierung der Landwirtschaft und der wirtschaftliche Aufschwung traten im Vergleich mit benachbarten Regionen und Ländern hier zeitverzögert ein.114 Ab Mitte der 1950er Jahre stieg die Zahl der Südtiroler und Südtirolerinnen, die abwanderten deutlich an. Vorrangige Ziele dieser Arbeitsmigration waren die Schweiz, Deutschland und Österreich. Bis Mitte der 1960er Jahre spricht Sabine Falch diesbezüglich von einem „Massenphänomen“.115 Ab den frühen 1960er Jahren setzte ein Tourismusboom ein, der Arbeitsplätze auch in Baugewerbe und Handwerk und in Zulieferbranchen schuf.116 Die Olympiade in Cortina fiel aus Südtiroler Sicht damit in eine Frühphase des Tourismus der Nachkriegszeit, insbesondere des Wintertourismus, der sich erst im Gefolge der Skiweltmeisterschaft 1970 in Gröden professionalisierte. Anlässlich der Eröffnung der siebten Winterolympiade in Cortina d’Ampezzo im Januar 1956 druckten die „Dolomiten“ einen Artikel „Das Heldenmädchen von Spinges“. Darin ist dieses – einem „Zeitgenossen“ folgend – als „hochgewachsenes, rüstiges, bildschönes, heiteres und fröhliches Mädchen“ geschildert. Ansonsten wird hinlänglich Bekanntes wiederholt, darunter auch die von Kurat Haidacher erwähnte „überirdische Erscheinung“.117 Die Schlagzeile auf der Titelseite der konservativ-katholischen Südtiroler Tageszeitung lautet: „Grüß Gott! der VII. Winter-Olympiade in Cortina in Tirol“. Das „Dolomitenstädtchen“ gehörte allerdings seit Jahrzehnten schon nicht mehr zu Tirol. Einmal mehr, wenngleich in den Repliken kontrovers gesehen, firmierte das Mädchen von
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aus dem Jahr 1954 zu Ehren von Katharina Lanz anlässlich des hundertsten Todestages abgebildet. Zu den Spezifika der Südtiroler Sozial- und Wirtschaftsstruktur nach 1945 infolge von Option und Umsiedlung, insgesamt der Situation in der Zwischenkriegszeit und während des Krieges siehe Solderer, Das 20. Jahrhundert in Südtirol. Bd. 3, 158–183. Sabine Falch, Heimatfern. Die Südtiroler Arbeitsmigration der 1950er und 1960er Jahre, Innsbruck 2002, 32. Siehe dazu Solderer, Das 20. Jahrhundert in Südtirol. Bd. 4, 256–269. Das Heldenmädchen von Spinges, in: Dolomiten 33, 21 (26.1.1956), 9.
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Spinges als patriotisch-religiös konnotierte Figur. Hinweise auf eine kommerzielle oder touristische Vermarktung fanden sich – wie auch für die Folgezeit – nicht. Ein namentlich nicht genannter „Südtiroler Historiker“ erachtete den Anlass der Olympiade in Cortina als „nicht glücklich“ gewählt für eine Reminiszenz an die Heldin und schrieb einen Gegenartikel in der „Alpenpost“, der „Illustrierten Südtiroler Wochenzeitung“. Dieser beginnt auf der Titelseite und heißt „Die Jungfrau von Orleans und das ‚Mädchen von Spinges‘. Betrachtungen eines Südtiroler Historikers“. Zwar sei es „Pflicht der Nachwelt“ die „Erinnerung wachzuhalten“, doch gäbe es „wie für alles [...] auch für die pietätvolle Verehrung ehrwürdiger Gestalten aus unserer Heimatgeschichte ein vernünftiges Mass“. Diese Grenze werde überschritten, „wenn man das Mädchen von Spinges als die ‚tirolische Jeanne d’Arc‘“ bezeichne. Eine solche Bezeichnung findet sich zwar nicht im zuvor erwähnten „Dolomiten“-Beitrag, jedoch im Leitartikel derselben Ausgabe. Denn die beiden Heldinnen seien, abgesehen von ihrer bäuerlichen Herkunft, „wesenhaft“ verschieden: in Hinblick auf die äußeren Umstände, die Tragweite ihres Agierens, die Motive ihres Handelns, ihre Persönlichkeit und „ihr menschliches Format“. Dies wird über mehrere Spalten im Detail ausgeführt. Der bloß punktuelle Auftritt des Mädchens von Spinges ist ein zentrales Argument der Kritik. Zwar sei dieser von „einem plötzlich aufwallenden Impuls der Vaterlandsliebe und des Glaubenseifers“ getragen gewesen, jedoch nicht dem Fall der Jungfrau von Orléans vergleichbar, die „einer Sendung, die sie durch Vermittlung der Heiligen unmittelbar von Gott erhalten“, gehorcht habe.118 Einen Monat später folgte in den „Dolomiten“ eine Replik, und zwar „von einem Tiroler Historiker“ – gezeichnet mit Dr. F. K.,119 der den Anlass des Artikels in den „Dolomiten“ als passend verteidigte, da Katharina Lanz, das Mädchen von Spinges, eine Ladinerin gewesen sei und man sie „mit Recht als Nationalheldin dieses kleinen Tiroler Volkes“ bezeichnen könne. Ebenso seien „die bodenständigen Menschen von Cortina ja Ladiner, weshalb auch sie das ‚Mädchen von Spinges‘ als eine der Ihren betrachten“ würden. Wenn man „die Ladiner von den Tirolern abspalten“ wolle, gingen „solche Erinnerungen natürlich gegen das Konzept“. Im Weiteren rückte der Verfasser Heldinnentat und Heldinnenruhm zurecht und schrieb dem Beitrag in der „Alpenpost“ die Absicht zu, „an leuchtenden Gestalten und Ereignissen der Tiroler Geschichte herumzumäkeln, den Ladinern ihre Katharina Lanz ein 118
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Die Jungfrau von Orleans und das Mädchen von Spinges. Betrachtungen eines Südtiroler Historikers, in: Alpenpost. Illustrierte Südtiroler Wochenzeitung 6, 3 (4.2.1956), 1–2, 2. Der Artikel füllt neben einer Spalte auf der Titelseite die gesamte zweite Seite – mit Ausnahme eines Fotos, das Toni Sailer und ihm zujubelnd entgegengestreckte Hände zeigt. F. K., Das Mädchen von Spinges und die Jungfrau von Orleans, in: Dolomiten 33, 47 (25.2.1856), 3. Denkbar wäre, dass es sich beim Verfasser um Franz Kolb (1886–1959) handelt, dessen Hauptwerk „Das Tiroler Volk in seinem Freiheitskampf 1796/97“ im Jahr 1957 erschienen ist. Pfaundler-Spat, Tirol-Lexikon, 281–282, 282.
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bißchen zu verleiden und allen Tirolern, wissenschaftlich vollständig unbegründet, ein paar ‚hantige‘ [bittere] Tropfen auf die goldenen Blätter ihrer Geschichte zu schütten.“ Was auf den ersten Blick als ein Geplänkel zwischen zwei Historikern erscheint, die unterschiedliche Meinungen bezüglich der Legitimität der religiösen Überhöhung einer Heldinnenfigur und der historischen Bedeutung des betreffenden Kampfes vertraten, war vielmehr ein politisches Gefecht. Spätestens der Schlusssatz der Replik in den „Dolomiten“ führt auf diese Spur, wenn es heißt: „Hinter dem Ganzen steckt also eine recht magere Geschichtswissenschaft, daher aber umso mehr politische Zweckabsichten im Sinn der ‚Alpenpost‘.“120 Die „Dolomiten“ konnten sich in der Nachkriegszeit als katholisch-konservatives, der Südtiroler Volkspartei nahestehendes Medium relativ rasch das Monopol auf dem deutschsprachigen Sektor der Tagespresse sichern und über Jahrzehnte mehr oder weniger unangefochten halten. Was aber war die „Alpenpost“? Offensichtlich ein ‚rotes Tuch‘ im konservativen Lager. Wie bereits die gescheiterten Vorläufer – die auf ein städtisch-liberales, gebildetes Publikum ausgerichtete „Bozner Zeitung“ und der „Standpunkt“ – sollte die „Alpenpost“ gezielt für „einen italienfreundlichen Ton in der Südtiroler Zeitungslandschaft“ sorgen, in Rom „als Zeichen des guten Willens“ wahrgenommen werden, in diesem Fall als Form eines anspruchslosen unterhaltsamen Wochenblattes. Die Eigentümer dieser Zeitung waren „einige im Fruchtverband zusammengeschlossene Obst- und Weinhändler“, die „sich gegenüber der Regierung infolge der bestehenden Kontingentierung der Ausfuhrmengen von Agrarprodukten in einer Position unmittelbarer Abhängigkeit“ befanden.121 Als Direktor fungierte der angesehene Schriftsteller und Maler Hubert Mumelter. Unter den Mitarbeiter*innen fanden sich, vor allem unter den Vorzeichen der sich damals zuspitzenden Südtirolfrage, Leute, die eine Ausnahmeposition vertraten, indem sie mit ihren Tätigkeiten Brücken zwischen der italienischen und deutschen Kultur zu schlagen versuchten: wie die deutsche Journalistin und Schriftstellerin Toni Kienlechner,122 die die Wochenzeitung ab 1955 auch leitete und italienische Literatur übersetzte – darunter Werke von Carlo Emilio Gadda, Oriana Fallaci, Pier Paolo Pasolini und Federico Fellini –, oder der Kulturjournalist und Literaturvermittler Kosmas Ziegler, der Giuseppe Ungaretti, Umberto Saba, Salvatore Quasimodo oder Antonio Manfredi, Schriftsteller in Meran, und andere übersetzte und in diversen Tätigkeitsfeldern italienische Literatur und 120 121
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F. K., Das Mädchen von Spinges und die Jungfrau von Orleans. Leo Hillebrand, Getrennte Wege. Die Entwicklung des ethnischen Mediensystems in Südtirol, in: Günther Pallaver (Hg.), Die ethnisch halbierte Wirklichkeit. Medien, Öffentlichkeit und politische Legitimation in ethnisch fragmentierten Gesellschaften. Theoretische Überlegungen und Fallbeispiele aus Südtirol, Innsbruck u. a. 2006, 41–66, 45f. Toni Kienlechner, in: Munzinger Archiv GmbH, http://www.munzinger.de/search/portrait/Toni+Kienlechner/0/16366.html (letzter Zugriff: 4.5.2021).
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Kunst im Südtirol der 1950er und 1960er Jahre vermittelte. Die Zeitung bestand von 1951 bis 1957. Das Unternehmen „Alpenpost“ konnte letztlich nur zum Scheitern verurteilt und mit negativen Folgen für die Beteiligten und ihre Sache verbunden sein. Die auf ‚Restauration‘ ausgerichteten 1950er Jahre waren an sich keine gute Zeit für die wenigen liberaleren Geister im Lande. Sich in der südtirolpolitisch sehr schwierigen Situation in der vom italienischen Staat nicht nur indirekt, sondern auch direkt mitfinanzierten „Alpenpost“ zu engagieren, auch wenn diese eine Art „Oppositionspresse“ dargestellt haben mag und das friedliche Zusammenleben der Volksgruppen zum Ziel hatte, lieferte unweigerlich Angriffsflächen.123 Der Zuschnitt des Gegenartikels in der „Alpenpost“ mit dem auf die Jungfrau von Orléans gelegten Fokus war jedenfalls höchst ungeschickt gewählt und in der Ausführung ein seltsamer Mix: Zum einen schloss er im Tenor an frühere religiös geprägte Diskurse an und Wunderglauben aus. Zum anderen wagte er die Bewertung des Gefechts als „militärisch belanglos“, was vor dem Hintergrund des überlieferten glorreichen Narrativs als Affront wirken musste. Noch einmal meldete sich die „Alpenpost“ – wiederum mit einem nicht namentlich gezeichneten Artikel – zu Wort.124 Dieser zweite Beitrag bezieht sich überwiegend auf die kriegsstrategischen Aspekte, indem die Perspektive auf den „Gesamtfeldzug zwischen Oesterreich und der französischen Republik“ gelegt wird. Der Verfasser verwehrt sich am Schluss gegen die unterstellte „feindselige Gesinnung gegen die Ladiner“125 und verteidigt sich mit entsprechendem Pathos: „Ich stehe dem Heldenmädchen von Spinges seit meiner Kindheit mit gefühlsmässiger Verehrung und den Ladinern mit wärmster Sympathie gegenüber.“ Missfallen habe ihm einzig, dass die Eröffnung der Olympischen Spiele der Anlass von dessen Würdigung gewesen sei. Denn bei einer Olympiade handle es sich um einen „durch allseits anerkannte Gesetze geregelten, friedlichen Wettbewerb“, bei dem es „keinen Streit um Ideologien, Weltanschauungen, politische Ziele wirtschaftliche Vormachtsbestrebungen und alle die anderen Probleme“ gebe. Deshalb sei dies „der unpassendste Anlass, die Erinnerung an kriegerische Taten des Gastvolkes heraufzubeschwören und von blutigen Waffentaten rühmend zu erzählen“.126 In die123 124
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Hillebrand, Getrennte Wege, 47. Zudem war der Faschismus noch sehr nah. Leo Hillebrand schreibt, dass die Redakteure in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre Artikel nur mehr mit Kürzeln oder gar nicht zeichneten – „aus Angst vor gesellschaftlicher Anfeindung“. Wer bekannt war, wie die Chefredakteure, musste auch damit rechnen, „offen als ‚Verräter‘ angepöbelt zu werden“. Hillebrand, Getrennte Wege, 47. Noch einmal das Mädchen von Spinges, in: Alpenpost 6, 9 (3.3.1956), 6. Noch einmal das Mädchen von Spinges, Hervorhebung im Original gesperrt. In der Ausgabe vom 14. März folgt ein weiterer, relativ langer Artikel, wiederum gezeichnet mit F. K., So war es in der Zeit des Mädchens von Spinges, in: Dolomiten 33, 62 (14.3.1956), 4. Der Verfasser nimmt Bezug auf den Artikel in der „Alpenpost“ und schildert vor allem den historischen und kriegstechnischen
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ser Kontroverse traten in erster Linie – vermittelt über divergierende Einschätzungen der Heldinnenfigur und des Gefechts von Spinges – politisch-ideologische Bruchlinien zutage: zwischen einem ‚alttiroler‘ Selbstverständnis, das scheinbar nahtlos auf dem historischen Tirol und dessen glorreichen Narrativen gründete, und Künstlern und Intellektuellen, die in ein neues und in der Realisierung von Brückenschlägen zwischen den Sprachgruppen lange noch utopisches Südtirol aufbrachen. Ausgangspunkt der Kritik in der „Alpenpost“ war die religiöse Überhöhung der Heldinnenfigur. Diese begegnet auch im Stück „Das Mädchen von Spinges“ des Brixner Volkskundlers Hans Fink (1913–2003). Die Uraufführung, inszeniert von der Heimatbühne Brixen, fand 1959 – 150 Jahre nach 1809 – im Beisein geistlicher und weltlicher Würdenträger statt: Bischof Joseph Gargitter und Silvius Magnago, damals Regionalratspräsident, waren anwesend. Den Theaterabend eröffnete der Bürgermeister Valerius Dejaco mit einer Rede.127 Beschrieben wird das Stück in der Theaterkritik als „blut- und leidvoll, aber auch ergreifend und beispielhaft für das Heute und Morgen“. Inhaltlich folgt es dem klassischen Stoff und zeigt die fechtende Katharina Lanz auf der Kirchhofmauer von Spinges, um „das heiligste Herz Jesu vor Verunehrung und gottesräuberischem Frevel zu bewahren“. „Religiöse Beweggründe“ seien vom Verfasser als treibendes Motiv „klar herausgestellt“ worden, so der Kritiker, doch ließe sich dies heute „vielleicht nicht mehr so recht erfassen“. Die „Uebebetonung des Religiösen“ schien selbst im Südtirol der ausgehenden 1950er Jahre nicht mehr zeitgemäß. Eine Woche nach dieser Aufführung schrieb Hans Fink im „Katholischen Sonntagsblatt“ über die Kirchengeschichte von Spinges, das Gefecht und die Heldin. „Wild flogen ihre gelösten Haare und es flatterte ihre Schürze im frischen Aprilwind.“128 Im Theaterstück von Julius Kiener (1898–1973) mit dem Titel „Katharina Lanz“, ein Schauspiel in fünf Aufzügen von 1958, wurden diverse Versatzstücke neu und bunt gemischt, wiederum mit einem religiösen Fokus.129 Der Verfasser stammte aus Rattenberg im Unterinntal und war als Schriftsteller und Publizist tätig.130 Katharina Lanz tritt hier gemeinsam mit Andreas Hofer auf. Hans Bator sprach in seinem Interview mit Julius Kiener Kontext in Abschnitten wie „Nicht Kriegslust, Notwehr!“, „Des Geschehens äußerer Rahmen“, „Jouberts Lage und Verhalten“ usw., eingangs mit einer „Hinweisung auf Ladinien“ und abschließend mit „Noch ein Irrtum des ‚Südtiroler Historikers‘“. 127 R. C., Ein gesellschaftliches Ereignis für Brixen. Die Uraufführung des „Mädchens von Spinges“, in: Dolomiten 36, 84 (13.4.1959), 3. 128 Hans Fink, „Das Mädchen von Spinges“. Katharina Lanz – die Heldin vom 2. April 1797, in: Katholisches Sonntagsblatt 29, 16 (19.4.1959), 6–7. 129 Archiviert wird es als Typoskript im Umfang von 45 Seiten im Brenner-Archiv in Innsbruck. Karl Stuefer, Julius Kiener. Versuch einer Monographie, Dissertation Innsbruck 1982, 344. 130 Julius Kiener, in: Brenner-Archiv, Lexikon Literatur in Tirol, https://orawww.uibk.ac.at/apex/ uprod/f?p=20090202:2:0::NO::P2_ID,P2_TYP_ID:338 (letzter Zugriff: 4.5.2021).
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von einem „literarisch wertvollen Volksschauspiel“ und einer „wesentlichen Bereicherung der tirolischen Dramatik“; es sei zu wünschen, dass es „im Jubiläumsjahr im Tiroler Landestheater zur Uraufführung käme“.131 Kiener gibt an, sich an die historischen Tatsachen gehalten zu haben, „was alle übrigen Personen außer der Lanz“ anginge. Er habe versucht, „ein Bild von jener Gestalt auf die Bühne zu bringen, wie sich dieses in der Fantasie unseres Volkes gebildet hat“.132 Er habe sich „nicht auf Spekulationen über Namen und Herkunft eingelassen“, wichtig sei ihm, dass „diese ladinische Bauernmagd ebenso wie die Jungfrau von Orleans in der Stunde der Gefahr den himmlischen Beistand gehabt“ habe. Die Figur und deren „Los“ sollte hinter den „himmlischen Auftrag“ zurücktreten. Die ihr zugeschriebene Rolle sei die eines „Komödienengels“, daher könne sie „nur in einem übertragenen Sinn von Nutzen sein“. So firmierte das Stück als „ein Bekenntnis zu Glaube und Heimat“.133 Die umstrittene Herkunft und Identität der Heldin war als Thema demnach weiterhin präsent und die Figur nach Bedarf modelliert. Karl Stuefer streicht in seiner Dissertation über Julius Kiener dessen katholische Prägung in Kindheit und Jugend hervor. Er attestiert dem Dramatiker neben „tiefreligiöser Gläubigkeit“ eine nationale und „alttirolische Gesinnung“.134 Als 17-Jähriger hatte er sich freiwillig zum Ersten Weltkrieg gemeldet und war im Sextental an der Dolomitenfront im Einsatz gewesen, was aus der Sicht Stuefers „die schon in jungen Jahren tiefverwurzelte Verbundenheit mit Tirol, seine echt empfundene nationale Gesinnung erkennen“ lasse. Kommandant von Kieners Einheit war der Dichter Arthur von Wallpach. Dieser ist als Verfasser eines Katharina-Lanz-Gedichtes anlässlich der Denkmalseinweihung in Buchenstein begegnet. Die religiös-nationale Haltung habe bei Kiener stofflich nachgewirkt, so etwa „in der Beschäftigung mit Dramen der Tiroler Freiheitskriege“ wie im Stück „Katharina Lanz“, das „die legendenumwobene, mit Gottes Hilfe streitende Freiheitskämpferin und Dirnmagd“ zeige.135 Historischer Kontext für die Entstehung des Stückes waren wiederum die 150-Jahrfeiern 1959 im Gedenken an 1809. Für Kiener sei Katharina Lanz „eine der einzigartigsten Gestalten aus den Tiroler Freiheitskriegen“ gewesen. Als Figur ist sie bei ihm mit „hellseherischen Gaben ausgestattet“, ihr Einsatz in Spinges als religiös motiviert dargestellt. Zugleich steht sie Andreas Hofer „in seinen Entscheidungen“ und bis zu seiner Hinrichtung bei.136 Die „freie“ Gestaltung der Heldin und der Narration erklärte Stuefer damit, dass deren Be131 132 133 134 135 136
Hans Bator, Julius Kiener’s neues Volksschauspiel „Katharina Lanz“, in: Tiroler Nachrichten 175 (1.8.1958), 11. Bator, Julius Kiener’s neues Volksschauspiel. Bator, Julius Kiener’s neues Volksschauspiel. Stuefer, Julius Kiener, 196–199, 246. Stuefer, Julius Kiener, 201. Stuefer, Julius Kiener, 245.
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arbeitung nach „streng historischen Maßstäben“ nicht möglich gewesen sei, da sie bereits „vorher zu einer Heldin hochstilisiert worden war und ihre historische Existenz teilweise auch bestritten wurde“.137 Kiener habe sich als „Restaurator“ ihres Denkmals gesehen.138 Ungeachtet der vornehmlich konservativen Prägung der Süd- und Nordtiroler Gesellschaft der 1950er Jahre, ist die Kontinuität der Präsenz des Gespanns „alttirolisch“ und „tiefreligiös“ als Positionierung des Verfassers und als Metanarrativ des Stückes bemerkenswert.139 1959 fanden auch in St. Vigil in Enneberg Feierlichkeiten statt und in diesem Rahmen unter anderem eine Kunstaustellung. Eines der ausgestellten Werke, ein Ölgemälde des Abteier Künstlers Lois Irsara, stellte Katharina Lanz dar. Des Weiteren wurde am 20. September, dem Geburtstag von Katharina Lanz, ein Scheibenschießen veranstaltet und von der lokalen Musikkapelle eröffnet. Mit drei Jahren Verspätung feierte Spinges 1960 den 160. Jahrestag der Spingeser Schlacht. Die Feier organisierte die lokale, ein Jahr zuvor wiedergegründete, Schützenkompanie. Ernst Leitner, der Bürgermeister von Mühlbach, verknüpfte bei diesem Anlass Geschichte mit Gegenwart und vertrat die Ansicht, dass der Kampf für Glaube und Heimat, wenngleich mit friedlichen Mitteln, weiterhin aktuell sei.140 Ein Ereignis, das größere mediale Aufmerksamkeit erlangt hat, fand 1971 statt. Aus Anlass des 200. Geburtstages von Katharina Lanz wurde in St. Vigil in Enneberg ein Denkmal errichtet und im September des Jahres eingeweiht (Abb. 41). Eine ganze Reihe von Zeitungsartikeln erschien dazu.141 Darin wird von den Klängen eines neu komponierten Katharina-Lanz-Marsches berichtet, andere schreiben von einem Katharina-Lanz-Lied. Ein alljährlich im September stattfindendes Scheibenschießen in St. Vigil sei auf „Katha137 138
139 140 141
Stuefer, Julius Kiener, 246. Stuefer, Julius Kiener, 246. Stuefer zitiert auch einen Brief des Lyrikers Friedrich Punt an Kiener aus dem Jahr 1960, in dem er die Titulierung des Stücks als Fehler bezeichnet, es handle sich vielmehr um ein Andreas-Hofer-Stück, in dem „Hofers Gewissen, sein Vorbewußsein Gestalt in der Visionärin gefunden“ habe. Ebd., 247. Aufgeführt wurde es vermutlich nicht, zumindest nicht bis 1982, bei Karl Stuefer ist keine Uraufführung genannt. Stuefer, Julius Kiener, 344. Al Plan de Mareo, in: Nos Ladins 16, 15.8.1959, 8; Al Plan de Mareo, in: Nos Ladins 19, 1.10.1959, 11; Craffonara, Catarina Lanz, 330f. Katharina-Lanz-Jubiläum, in: Dolomiten 48, 210 (15.9.1971), 9; Ganz Tirol feiert Katharina Lanz. Gedenkstätte für „Mädchen von Spinges“ und Gefallene in St. Vigil i. E. eingeweiht, in: Dolomiten 48, 214 (20.9.1971) 9; Denkmal für das Mädchen von Spinges, in: Tiroler Nachrichten 26, 218 (21.9.1971), 2; Katharina-Lanz-Jubiläum in St. Vigil, Enneberg. Ein überwältigendes Bekenntnis der Ladiner zu ihrem „Mädchen von Spinges“ und mithin zu Tirol – 600 Schützen aus ganz Tirol in Enneberg, in: ebd., 26, 219 (22.9.1971), 4; Lanz-Denkmal in St. Vigil enthüllt, in: Tiroler Tageszeitung 220 (22.9.1971), 4; Ganz Tirol feiert Katharina Lanz, in: Katholisches Sonntagsblatt 41, 39 (3.10.1971), 12; siehe auch Elsbeth Elsler-Senn, Gedenkblatt für Katharina Lanz (mit einem Text von Lois Trebo), in: Südtirol in Wort und Bild 15, 4 (1971), 33–35.
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rina-Lanz-Schießen“ getauft worden und ein großes Aufgebot an Schützen zu den Feierlichkeiten angereist. Die Nordtiroler Presse, namentlich die „Tiroler Nachrichten“, wollte darin – wie schon 1912 – ein „überwältigendes Bekenntnis der Ladiner [...] zu Tirol“ sehen. Der so untertitelte Artikel – im Text ist auch vom „Bekenntnis zur Tiroler Schicksalsgemeinschaft“ die Rede – vom 22. September 1971 erweiterte die Repräsentation der Heldin um „das Mütterliche“: In ihrer Gestalt sei „das Weibliche, das Mütterliche, die Heimat selbst an die Seite der kämpfenden Männer“ getreten. Und in die Gegenwart gewendet: Damit werde sie zum „Sinnbild der Heimatliebe und der Treue zur Muttersprache und angestammten Lebensart“. Die Feierlichkeiten boten ein Forum, das in der immer noch angespannten Lage Südtirols aktualitätspolitisch genutzt und benutzt wurde. Das Südtiroler Autonomiestatut sollte einige Monate später, im Januar 1972, in Kraft treten. Aus der Festrede des Landeshauptmanns Silvius Magnago wird in einem Zeitungsbericht zitiert: Die Statue erinnere in nichts an einen Kampf, sie bringe etwas ganz anderes zum Ausdruck, das „Zeitlose“, nämlich die Bereitschaft zum Einsatz für die Gemeinschaft. Grüße aus Wien wurden überbracht. In einem Artikel in den „Dolomiten“ ist von einer Störung der Rahmenveranstaltungen durch „unliebsame Zwischenfälle“ die Rede, ohne Angabe, worum es sich dabei konkret handelte.142 Im Jahr 1971 gab es in Spinges „ein großes Fest anlässlich des 200. Geburtstages des Heldenmädchens“, und am Wiednerhof wurde eine Gedenktafel angebracht (Abb. 22). Seit 1971 nennt sich die Spingeser Schützenkompanie nach Katharina Lanz. Weitere Feierlichkeiten fanden in Spinges 1977, 180 Jahre nach der Schlacht, und 1982, 100 Jahre nach der Errichtung des Heldendenkmals, sowie 1997, 200 Jahre nach dem Gefecht, statt.143 Im Jahr 1997 erschienen, zumeist in der lokalen Presse, verschiedene Artikel und Texte über Katharina Lanz. Sie berichteten vornehmlich über Gedenkfeiern und reproduzierten Altbekanntes unter neuen Überschriften.144 142 Denkmal für die Heldin von Enneberg. Katharina-Lanz-Jubiläumsfeier in St. Vigil – Dorfbildungswoche – Kulturheft, in: Dolomiten 48, 219 (25./26.9.1971), 9. Dem von Lois Trebo auf Ladinisch gehaltenen und daher ihm nicht verständlichen Festvortrag begegnete der Verfasser des Artikels mit Achtung vor der „klangvollen Schönheit“ und dem „unmittelbaren Mutterwitz“, den diese „Tiroler Sprache“ ausdrücke. 143 Spinger Heimatbuch, 71–75; Die Schlacht bei Spinges 1797. 200 Jahrfeier am 20./21./22. Juni 1997 in Spinges. 10. Bezirksschützenfest. o. O., o. D. 144 „Ohne Frauen gibt es keine Siege“. Rund 200 Schützen bei der Feier in Buchenstein / Kränze an Denkmal und Grab, in: Dolomiten 74, 245 (23.10.1997), 33; Das Heldenmädchen von Spinges. Die Ennebergerin Katharina Lanz kämpfte gegen Napoleon / Gedenkblatt zum April 1797, in: ebd., 74, 79 (5./6.4.1997), 19–20; Eine Häuserin schrieb Tiroler Geschichte. Die Schlacht von Spinges vor 200 Jahren und die Heldin Katharina Lanz, in: Katholisches Sonntagsblatt 67, 15 (13.4.1997), 9; Heinz Wieser, Sie wollte keine Heldin sein. Vor 200 Jahren verteidigte das Mädchen von Spinges unsere Heimat, in: Tiroler Almanach 27 (1997/98), 121–124; Giorgio De Felip, Catharina Lanz (1771–1854), La ,Pulzella delle Dolomiti‘. Ritratto di una eroina ladina, in: Dolomiti (Juni 1998), 59–62.
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Abb. 41: Das Denkmal der Katharina Lanz, 1971 anlässlich ihres 200. Geburtstages in St. Vigil in Enneberg errichtet , steht seit 2014 auf einer anderen Seite der Friedhofsmauer als ursprünglich.
Eine Ausnahme war der bereits erwähnte kritische Beitrag von Christoph Hartung von Hartungen in der Wochenzeitschrift „FF“, dessen Untertitel lautet: „Hat es das Mädchen von Spinges überhaupt gegeben?“145 Während von Hartungen die Existenz der Heldin diskutiert, hat ein Artikel mit dem emphatischen Titel „Historische Prominenz“ einige Wochen vorher in derselben Wochenzeitschrift angekündigt, dass „J. Keith Wikeley von der Universität Alberta in Kanada“ Katharina Lanz „für so wichtig einschätzt, dass er sie unter die großen Frauen gereiht hat, die sich weltweit militärisch ausgezeichnet haben“. Obwohl diese Angaben nicht ganz korrekt sind, wurde tatsächlich eine von Wikeley verfasste Biographie von Katharina Lanz in „Amazons to Fighter Pilots: A Biographical Dictionary of Military Women“ veröffentlicht.146 Weitere Gelegenheiten, Festlichkeiten 145 Hartungen, Katharina die Ungewisse. 146 Historische Prominenz, in: FF 8 (15.2.1997), 28–29; J. Keith Wikeley, Art. Lanz Katharina, in:
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im Gadertal und in Pieve di Livinallongo zu organisieren,147 boten diverse Anlässe – neben dem auch am Ende des Schlusskapitels erwähnten hundertjährigen Jubiläum der Enthüllung des Buchensteiner Denkmals 2012148 und der Rückgabe der Gedenktafel an die Gemeinde seitens des Kriegsmuseums in Rovereto, wo sie verblieben war:149 2004 der 150. Todestag von Katharina Lanz,150 die Gründung von nach der Heldin benannten Schützenkompanien 2010 in St. Vigil in Enneberg und 2011 in Livinallongo151 sowie 2014 die Versetzung der 1971 in St. Vigil in Enneberg errichteten Statue.152 Veranstaltungen dieser Art, bei denen die Schützen und Frauen in Tracht eine zentrale Rolle spielen, tragen dazu bei, eine immer stabilere Version der Geschichte der Heldin zu vermitteln und eine mit traditionalen Werten verbundene Heimattreue zu äußern und zu verfestigen. Im Unterschied dazu problematisierte Georg Kaser die Geschichte der Heldin anlässlich der Aufführung des Theaterstücks „Katarina Lanz“ von Hans Heiden-Herrdegen in Mühlbach im Jahr 2009.153 Das Bicentenaire 1809–2009 gab Gelegenheit für neue historische Forschungen, die auch das Mädchen von Spinges miteinbezogen, wie auch dieses Buch zeigt.
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Der Name der Akteurin, der Historiker*innen wie der Faden der Ariadne durch das Labyrinth der Archive zu immer neuem Material führen soll und eine Person von der anderen unterscheidbar macht,154 hat im Fall der Katharina Lanz nicht ausgereicht. Mit dem Auf-
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Reina Pennington u. Robin Higham (Hg.), Amazons to Fighter Pilots: A Biographical Dictionary of Military Women, Bd. 1, Westport 2003, IV, 253. Craffonara, Caterina Lanz, 363–381. sl, L Monument; sl, I 100 agn del monument a Caterina Lánz, in: La Usc di Ladins (13.7.2012), 12; Soratroi, Caterina Lanz, il monumento. Lorenzo Soratroi, La targa della Lanz torna sotto la sua statua, in: Corriere delle Alpi (1.7.2014); Fr. De., Fodom e Rovereto, coordinamento tra musei, in: L’Amico del Popolo, 27 (3.7.2014); Tournada ndrio la targa original del Muliment a Caterina Lanz, in: La Usc di Ladins, 26 (4.7.2014), 16; Fajon n itinerar dediché a Caterina Lanz. La proposta del dotor Victor von Strobel, in: ebd. ir, Renascimënt de storia y de valurs, in: Usc de Ladins, 30 (7.8.2004), 1, 3. Craffonara, Catarina Lanz, 365f. pablo, Plü respet por Catarina Lanz, in: La Usc di Ladins, 46 (21.11.2014). Georg Kaser, Regie für Freilichttheater „Katharina Lanz – Das Mädchen von Spinges“, nach Hans Heiden Herdegen [sic], Produktion: Heimatbühne Mühlbach, https://www.georg-kaser.it/regie_ de.html (Letzter Zugriff: 4.4.2022); Craffonara, Catarina Lanz, 365, erachtet solche Annäherungen als „banale Witzeleien“. Carlo Ginzburg u. Carlo Poni, The Name and the Game. Unequal Exchange and the Historiogra-
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tauchen eines Namens für das Mädchen von Spinges mehr als siebzig Jahre nach dessen angeblichem Auftritt auf der Spingeser Friedhofsmauer ließen sich bei Weitem nicht alle Fragen klären. Die Präsenz eines Mädchens in Spinges bleibt umstritten. Versuche, die Heldin mit einer Frau aus Natz in der Nähe von Brixen zu identifizieren, sind methodologisch unhaltbar; ihre Identifizierung mit Katharina/Catarina Lanz aus Enneberg ist nicht so problematisch, jedoch nicht sicher: Obwohl es Leute gab, die sie kennengelernt hatten und sie für das tapfere Mädchen hielten, verweisen die bis jetzt mageren Quellenbefunde nur auf Berichte über angebliche Erzählungen von Catarina selbst. Existenz und Identität der Tiroler Heldin und Symbolfigur müssen so mit einem Fragezeichen versehen bleiben. Mit manchem „Vielleicht“ und „Möglicherweise“ mussten wir uns behelfen, wenn sich Spuren nicht weiter verfolgen, überprüfen und historisch absichern ließen.155 Sicher ist: Revolutionäre Heldin war sie keine – im Gegenteil. In dem Fall hätte sie sich gegen die Gesellschaft auflehnen müssen, die sie verteidigt hat. So ist es nicht verwunderlich, wenn sie als Symbolfigur in patriotischen, nationalen, religiösen und konservativen Zusammenhängen präsent war und ist, immer wieder uminterpretiert und vereinnahmt wurde – je nach den jeweiligen politischen und soziokulturellen Kontexten. Viele Persönlichkeiten nahmen das Mädchen von Spinges wahr, kommentierten, interpretierten, beforschten, beschrieben, besungen, debattierten, benutzten, bewunderten, überhöhten, gestalteten es phantasiereich aus, be- und verarbeiteten es. Die Rekonstruktion dieser Heldinnenfigur führt so über zahlreiche historisch und politisch relevante Stationen der Geschichte vom ausgehenden 18. bis weit ins 20. Jahrhundert, in verschiedene Länder und bis auf höchste politische Ebenen. Nationalistische Kontexte sind ebenso Teil dieser Geschichte wie die spezifische Deutschtiroler Ausprägung des politischen Katholizismus im 19. Jahrhundert, die Ausbildung einer nationalen ladinischen Identität, die Entnationalisierung während des Faschismus und die ethnisch fragmentierte Gesellschaft in Südtirol nach dem Zweiten Weltkrieg. Dass das Mädchen von Spinges nahezu ungebrochen eine Heldinnenfigur repräsentiert, hängt sicher auch mit der Bedeutung von Befreiungsnarrativen und der stark ausgeprägten Deutschtiroler und ladinischen Identifikation zusammen. Diese war, bis weit ins 19. Jahrhundert hinein zelebriert und abgestützt durch diverse und vehement verteidigte Sonderrechte innerhalb der Monarchie, auch im 20. Jahrhundert diesseits und jenseits des Brenners ein Faktor.156 Ebenso unerwartet wie erstaunlich war
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phic Marketplace, in: Edward Muir u. Guido Ruggiero (Hg.), Microhistory and the Lost Peoples of Europe, Baltimore/London 1991 [ital. in: Quaderni storici 40 (1979), 181-190], 1–10, 5. Siehe auch das Vorwort von Natalie Zemon Davis, Die wahrhaftige Geschichte von der Wiederkehr des Martin Guerre, Berlin 2004 [engl. Orig. 1983]. In Südtirol hängt dies im 20. Jahrhundert auch mit der gebrochenen nationalen Identität zusammen. Für Nordtirol ergab eine 1987 durchgeführte Untersuchung zum Österreichbewusstsein
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für uns die Breite, Kontinuität und beharrliche Präsenz der medialen, literarischen, historiographischen oder steinernen Spuren dieser Heldinnenfigur, in immer wieder anderen Farben schillernd, über einen Zeitraum von mehr als 200 Jahren hinweg. Die Vielfalt und Variabilität der möglichen Interpretationsfolien und Projektionsflächen, die diese wenig vorgeprägte und daher modellierbare Figur bot, genügen nicht, um den nachhaltigen Erfolg dieser Heldinnenfigur zu erklären. Am Beginn stand eine gewisse Faszination, die nicht zuletzt von der Namenlosigkeit ausging, sie wurde von Anfang an – insbesondere im „Tiroler Almanach“ – medial erfolgreich platziert und über den lokalen und regionalen Raum hinaus wahrgenommen. Eine Heldin mit einem schamhaft zusammengegürteten Kleid, einem Arbeitsgerät als Waffe und mit der Hauptmotivation, das Allerheiligste zu verteidigen, ließ sich ohne größere Probleme in einen konservativ-religiösen Wertekanon, der Tirol mit zahlreichen und weiträumig gestreuten Orten der Rezeption verband, einfügen. Damit war eine Symbolfigur begründet. Widersprüche rund um die Frage, ob sie eine kämpferische Heldin gewesen sei und Blut vergossen habe oder nur demütig und defensiv, gab es immer wieder und auch innerhalb ein und desselben Textes, daneben aber nur wenige deutlich abweichende Bilder, die letztlich ohne nachhaltige Wirkung blieben. Trotz der großen Bandbreite an Ausgestaltungen ihrer Figur kehrten vielmehr das Religiöse und das Nationale als die wesentlichen Parameter ziemlich konstant wieder. Lange Zeit reichte der Radius der Wahrnehmung des Mädchens von Spinges und der Katharina Lanz weit über Tirol hinaus – unter anderem bis nach England und in die USA. Zugleich konnte sie in Tirol und vor allem in Südtirol auf Dauer als Heldin ‚funktionieren‘, wohl deshalb, weil ihre Geschichte konzeptuell mit der dort vorherrschenden katholisch-nationalkonservativen Mehrheitsgesellschaft bestens und bruchlos kompatibel war und ist.157 Einen wesentlichen Faktor hierfür stellte auch der Umstand dar, dass sich die Mehrheit der Ladiner*innen nicht gegen die deutschsprachigen Südtiroler*innen und auf Seiten der Italiener*innen positioniert haben – nicht vor dem Ersten Weltkrieg, aber auch nicht nach 1945. Die Heldinnenfigur profitierte auch von der engen Verzahnung politisch konservativer und katholisch geprägter Milieus; aus deren Kreisen stammte das Gros ihrer öffentlichkeits-
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den österreichweit höchsten Prozentsatz der emotionalen Verbundenheit mit dem Bundesland (58 Prozent). Die anderen Rubriken, die zur Auswahl standen, waren: Heimatort, Österreicher, Deutscher, (Mittel-)Europäer, Weltbürger und anderes. Ernst Bruckmüller, Nation Österreich. Kulturelles Bewußtsein und gesellschaftlich-politische Prozesse, Wien/Köln/Graz 19962, 67. Jeanne d’Arc stellt demgegenüber ein Beispiel für die Instrumentalisierung durch unterschiedliche politische Strömungen dar. Heindl/Ulbrich, Editorial, 235; siehe auch die wechselvolle Rezeptionsgeschichte bezüglich Ferdinand von Schill: Veit Veltzke (Hg.), Für die Freiheit – gegen Napoleon. Ferdinand von Schill, Preußen und die deutsche Nation, Köln/Weimar/Wien 2009, oder von Vasil Levski, aufgerollt in Todorova, Bones of Contention.
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Abb. 42: Katharina Lanz Trail/Percorso Katharina Lanz in Spinges. Die touristische Vermarktung der Heldin hält sich sehr in Grenzen, in die Landschaft ist sie hier eingeschrieben.
wirksamen Promotoren und Promotorinnen, die die Erfindung von ‚Traditionen‘ förderten.158 Deren personelle Vernetzungen reichten vielfach nach Wien, aber auch weit darüber hinaus. In den letzten Jahrzehnten waren unter anderen Lehrer*innen und Geistliche sowie die Schützen aktiv, die Erinnerung an die Heldin wach zu halten. Entscheidend ist, dass über diverse Systemwechsel hinweg die erinnerungspolitisch maßgeblichen konservativ-katholischen Allianzen und Identifikationen bestehen blieben. Für die Re-Aktualisierung von heldenhaftem Stoff, einer Heldin, eines Helden bedarf es aber auch der Mobilisierung eines Publikums. Das Abfeiern von Jahrestagen allein wäre über diesen langen Zeitraum hinweg sicher zu wenig gewesen, eine reine Wiederholung. Es braucht Anlässe, die dem Rückbezug auf einen Helden oder eine Heldin in der jeweiligen Gegenwart einen Sinn und Rahmen geben. Das Mädchen von Spinges stand vom ersten Augenblick an, in dem über dessen Erscheinen auf der Friedhofsmauer geschrieben wurde, für ein doppeltes Aktionsmuster: sich verteidigen, abwehren nach außen und anspornen nach innen. Dadurch war sie ein passendes Sinnbild nicht nur in Zusammenhang mit den nationalen Spannungen und Konflikten im ausgehenden 158
Eric Hobsbawm u. Terence Ranger (Hg.), The Invention of Tradition, Cambridge 1992.
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19. und beginnenden 20. Jahrhundert, sondern auch im Kontext der Spannungen und Konflikte im Südtirol der Nachkriegszeit. Der erinnerungspolitische Einsatz von Helden und Heldinnen funktioniert am besten, wenn dabei zugleich für den eigenen ‚Kampf‘ geworben und mobilisiert wird, denn dies verleiht ihnen neue Aktualität und damit zugleich Persistenz. Die ideologische Instrumentalisierung in neuen Re-Narrationen könnte am Ende angelangt sein. Gesellschaftliche, politische und kulturelle Veränderungen in Richtung einer offeneren Gesellschaft fanden auch in Südtirol statt und leiteten einen Prozess der Musealisierung der Figur ein. Schon die beiden Stücke, die Ende der 1950er Jahre über Katharina Lanz geschrieben wurden, konnten selbst in konservativen Kreisen nicht mehr wirklich überzeugen. Seither hat sich das politische Klima in Südtirol weiter entspannt. Der Name der Heldin indes bleibt weiterhin in „linguistic landescapes“,159 in lokale Mikrotoponomastiken, eingeschrieben (Abb. 42); zu den üblichen Anlässen, wie dies auch 2009 der Fall war, wird ihrer vermutlich weiterhin gedacht werden. In den ladinischen Museen in St. Martin in Thurn und in Livinallongo ist die Heldin Katharina Lanz fixer Bestandteil der Ausstellungen. Dennoch bietet die Geschichte der Heldin weiterhin Überraschungen, die mit politischen Entwicklungen in der italienischen politischen Landschaft seit den 1970er Jahren zusammenhängen. Ende der 1970er Jahre waren in Italien regionale, autonomistische, tendenziell rechtsorientierte Bewegungen und Parteien wie die Liga Veneta und die Lega Lombarda entstanden, die sich zwischen 1989 und 1991 zur Partei Lega Nord vereinten. Die Lega Nord trat für eine größere regionale Autonomie und für die Föderalisierung des Staates ein. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wurde jedoch die Abspaltung und die politische Unabhängigkeit der Padania, des wohlhabenden Nordens Italiens, zu ihrem politischen Ziel. In den darauffolgenden Jahren kehrte die Lega wieder zu föderalistischen Positionen zurück. Ab 2017 wurde Nord aus dem Namen der Lega gestrichen, als Versuch, Konsens und Wähler*innen auch in Mittel- und Süditalien, insbesondere durch eine zuwanderungsfeindliche Politik, zu gewinnen, was tatsächlich gelang.160 Einige Gruppierungen der Lega Nord interessierten sich für die Geschichte des Mädchens von Spinges, das heißt, italienische tendenziell rechts Orientierte bezogen sich auf eine deutschtirolisch und ladinisch, jedenfalls anti-italienisch konnotierte Heldin. So 159
Z. B. Durk Gorter (Hg.), Linguistic Landscape: A New Approach to Multilingualism, Clevedon 2006, 1–6. 160 Ilvo Diamanti, Il male del Nord. Lega, localismo, secessione, Roma 1996; Roberto Biorcio, La rivincita del Nord: la Lega dalla contestazione al governo, Roma/Bari 2010; für einen kurzen Überblick siehe Lega Nord, in: Enciclopedia Treccani, https://www.treccani.it/enciclopedia/lega-nord/ (letzter Zugriff: 23.6.2021).
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wurde ein Bericht über die Rede, die Lois Craffonara 2004 anlässlich des 150. Todestages von Katharina Lanz im Museum Ladin Ćiastel de Tor in St. Martin in Thurn hielt, auf der Website der Associazione Culturale Internet Padano des Movimento Giovani Padani in ladinischer Sprache veröffentlicht.161 Die Präsenz von Katharina Lanz in einem solchen politischen Zusammenhang lässt sich als Fokussierung auf die Heldin als Kämpferin gegen einen fremden Angriff interpretieren. Was zählt, ist ihre regionale Verankerung. In einer solchen Ausschnitthaftigkeit scheint die Geschichte der Heldin durchaus kompatibel mit der damaligen politischen Orientierung der Lega Nord, die sich für lokale Identitäten stark machte. Das Mädchens von Spinges taucht jedoch auch in einem Blog der Online-Zeitung „Voce di Megaride“, „foglio meridionalista“, „meridioalistisches Blatt“, das für die Rechte des italienischen Südens kämpft, auf.162 Patty Ghera, Pseudonym von Patrizia Socci,163 erwähnt Catarina Lanz in einem Post über „Napoletani e Tiro...lesi“, „Neapolitaner und Tiroler“. Der Autorin zufolge seien Religiosität, Glauben und Zugehörigkeitsgefühl bei den Neapolitanern ähnlich ausgeprägt wir bei den Tirolern; ebenso würden sie das Schicksal der Unterdrückung teilen, das Erstere nach der Einigung Italiens, Letztere nach den beiden Weltkriegen erfahren hätten.164 Sie klagt darüber, dass die Schulbücher nur sehr 161
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Zu sehen im September 2009 auf http://www.padaniacity.org/articoli.asp?ID=1370, inzwischen nur noch im Internet-Archiv zu finden: https://web.archive.org/web/20160423172410/http://www. padaniacity.org/articoli.asp?ID=1370 (letzter Zugriff: 11.7.2021). Dabei handelt sich um eine „von einem Journalisten gemachte Zusammenfassung in ladin dolomitan“ der Rede, die Lois Craffonara auf Italienisch gehalten hat. Craffonara, Catarina Lanz, 379. La voce di Megaride. Rotocalco on-line diretto da Marina Salvadore, http://www.vocedimegaride. it/ (letzter Zugriff: 23.6.2021). Patrizia Socci [Patty Ghera], „Terronia Felix“, in: Pontelandolfo News (17.1.2021), https://www. pontelandolfonews.com/in-libreria/patrizia-socci-terronia-felix/ (letzter Zugriff: 23.6.2021). Patty Ghera, Napolitani e Tiro...LESI, Post n° 842, in: La voce di Megaride (16.10.2008), https:// blog.libero.it/lavocedimegaride/view.php?id=lavocedimegaride&pag=51&gg=0&mm=0. Sie stellt bei dieser Parallelisierung auch biographische Bezüge her: Ihr Mann sei zur Hälfte Österreicher, ihre Schwiegermutter 1914 geboren – in der Zeit der „Austria felix“ unter „Cecco Beppe“ und Sissi [sic] –, und zwar in jenen Grenzgebieten, „die infolge der beiden Weltkriege eine lange und unglückliche Geschichte erlebten. Die Machthaber am Tischchen zogen eine Grenzlinie und die Familie meiner Schwiegermutter wurde von einem Tag auf den anderen zu einer italienischen, gezwungen eine unbekannte Sprache zu sprechen, den Familiennamen ändern zu müssen. Ein wenig wie dies euch im Nachgang der italienischen Einigung widerfahren ist.“ – „[…] che, in seguito ai due conflitti mondiali, hanno avuto una storia lunga e sfortunata. I potenti a tavolino, tracciarono una riga di confine, e la famiglia di mia suocera si ritrovò, dall‘oggi al domani, ad essere italiana, a dover parlare una lingua sconosciuta, a vedersi cambiare il cognome di famiglia. Un po’ come successe a voi all’indomani dell’Unità d’Italia.“ Der Titel des Artikels steht in einem gewissen Widerspruch zu dessen Inhalt. „Tiro-LESI“ bezeichnet Tiroler in einem bekannten Witz als impotent.
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lückenhaft über die „insorgenze“, die Volksaufstände gegen Napoleon und die Jakobiner, berichteten, die nicht nur in Tirol, sondern auf der gesamten italienischen Halbinsel ausgebrochen seien. Dazu zählt sie auch, „um wieder auf Tirol zurückzukommen“, den „berühmten Fall der Caterina Lanz, die Bäuerin von Spinges, die sich im Jahr 1797 mit einer Heugabel vor der Kirchentür des Dorfes den schändenden Franzosen entgegenstellte und den Widerstand ihrer Landsleute gegen die Invasoren entfachte. Noch heute“, erklärt Ghera weiter, „stellen die Kirchenfenster ihre heroische Tat dar“.165 Sie bezieht sich weiters auf Andreas Hofer, für den der katholische Glaube und die Heimatliebe ebenfalls kennzeichnend seien, er sei ein Mythos in ganz Tirol, ein respektabler und bewunderungswürdiger Held, der für die Freiheit gekämpft habe und auch von Papst Johannes Paul I. erwähnt worden sei, als dieser Patriarch von Venedig war. Im Gegensatz zum dämonischen, jedoch allseits bewunderten Napoleon, sollte aus ihrer Sicht Hofer gepriesen werden. Wenn sie nach Innsbruck fahre, erklärt die Autorin, gehe sie gerne in die Hofkirche, zu Hofers Grab: ein Grabmal mit der Inschrift „Für Gott, Kaiser und Vaterland“. Das Stichwort der „insorgenze“, der Volksaufstände, führt weiter auf die Spur katholisch-konservativer Perspektiven in Bezug auf Tirol und dessen politischer Bedeutung in der italienischen Geschichtsschreibung.166 Im Jahr 1979 veröffentlichte Francesco Maria Agnoli ein Buch mit dem Titel „Andreas Hofer: eroe cristiano“ – „Andreas Hofer, christlicher Held“ –, mit einem Vorwort des Mediävisten Marco Tangheroni.167 Agnoli und Tan gheroni waren an den katholischen, antinapoleonischen „insorgenze“ ausgehend von einer Vielleicht stammt der Titel nicht von der Autorin oder wurde gewählt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. 165 Ghera, Napolitani, Zitat Im Original: „per tornare in Tirolo, al celebre episodio di Caterina Lanz, la contadina di Spinga, che nel 1797 si oppose con il forcone dinanzi alla porta della chiesa del paese ai francesi profanatori e fu l’animatrice della resistenza dei suoi compaesani all’invasore. Ancora oggi le vetrate della chiesa rappresentano il suo gesto eroico.“ 166 Anna Maria Rao, Folle controrivoluzionarie: le insorgenze popolari nell’Italia giacobina e napoleonica, Roma 1999; dies. u. Massimo Cattaneo, L’Italia e la Rivoluzione Francese 1789–1799, in: Bibliografia dell’Età del Risorgimento 1970–2001, Bd. 1, Firenze 2003, 135–262, 237–241, und aus einer anderen Perspektive Massimo Viglione, Le insorgenze controrivoluzionarie nella storiografia italiana. Dibattito scientifico e scontro ideologico (1799–2012), Firenze 2013. 167 Francesco Maria Agnoli, Andreas Hofer: eroe cristiano, Milano 1979. Der Historiker Umberto Corsini sieht in dem Buch eine „heroisierende Hagiographie, aber keine Historiographie“, „agiografia eroicizzante, non storiografia“. Umberto Corsini, Andreas Hofer e la guerra di liberazione tirolese del 1809 nella storiografia e nella pubblicistica italiana, in: Rassegna Storica del Risogimento 71, 3 (1984), 387–418, 404f. Agnoli definierte sein Buch, von der Einleitung abgesehen, als eine „historische Erzählung“, „un racconto storico“ – seines Erachtens die beste Art der Geschichtsschreibung. Siehe Francesco Maria Agnoli, Andreas Hofer. Eroe cristiano, in: Andreas Hofer: eroe della fede. Atti del Convegno Andreas Hofer eroe della fede. Un popolo in movimento, Bolzano, Castel Mareccio, 8 marzo 1997, hg. vom Centro Culturale Romano Guardini – Bolzano, Rimini 1998, 83–90, 83.
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traditionellen und katholischen Weltanschauung interessiert. Beide waren mit der Alleanza Cattolica, einer katholisch-konservativen Gruppe, vernetzt.168 Francesco Maria Agnoli, 1934 geboren, war als Richter und Historiker tätig und hat Bücher und Artikel über die antinapoleonischen und antirevolutionären Bewegungen sowie über die Geschichte des italienischen Risorgimento aus einer kritischen und revisionistischen Perspektive veröffentlicht.169 Tangheroni (1946–2004), ein Gründer der Alleanza Cattolica, als echter „miles Christi“, als Soldat Christi und damit Streiter für das Christentum, beschrieben, war Dozent in Ca gliari, in Barcelona und an den Universitäten von Sassari und Pisa, Mitarbeiter verschiedener Zeitungen, in seiner Jugend Mitglied des rechtsorientierten Fronte Universitario di Azione Nazionale (FUAN) und später Bürgermeisterkandidat in Pisa, unterstützt von den (mitte-)rechts orientierten Parteien Forza Italia, Alleanza Nazionale und Centro Cristiano Democratico; 1994 und 1995 wurde er als Vertreter in den Gemeinderat gewählt.170 Ausgehend von einem politischen und historiographischen Interesse an konterrevolutionären Positionen sowie an antijakobinischen und antinapoleonischen Aufständen fand im März 1997 eine Tagung auf Schloss Maretsch in Bozen zu Andreas Hofer als katholischem Helden statt. Laut Marco Andreolli, der als Vertreter des nach dem Geistlichen benannten Centro Culturale Romano Guardini in Bozen ein Geleitwort zum Tagungsband verfasste, war das Treffen unter anderem einer der ersten Versuche seitens der „Tiroler italienischer Sprache“, „Tirolesi di lingua italiana“, historische Ereignisse, die auch Teil ihres geistigen Kulturguts seien, zu erforschen.171 Begleitend zur Tagung wurde eine Ausstellung „I popoli contro l’utopia. A 200 anni dalle insorgenze antigiacobine italiane“, „Völker gegen die Utopie. 200 Jahre nach den italienischen antijakobinischen Aufständen“, gezeigt.172 In Verbindung mit der Ausstellung fand eine katholisch-konservativ ausgerichtete Veranstaltung in Rimini statt.173 Obwohl die Texte der Ausstellung im Tagungsband auf Italienisch und Deutsch veröffentlicht wurden, fehlt in der deutschen Version der Untertitel, in 168
Siehe Alleanza Cattolica, https://alleanzacattolica.org/; Istituto per la storia delle Insorgenze, Nota informativa 7 (1997), http://users.libero.it/oscar.sanguinetti/boll7.htm; Storia & Identità. Annali Italiani online, hg. vom Istituto Storico dell’insorgenza e per l’Identità Nazionale, Nota informativa 5 (1997), http://www.identitanazionale.it/boll_m005.php (letzter Zugriff: 19.6.2021). 169 Francesco Maria Agnoli, https://www.edizionisolfanelli.it/agnolifm.htm (letzter Zugriff: 19.6. 2021). 170 Marco Tangheroni (1946–2004), in: Alleanza Cattolica (25.2.2004), https://alleanzacattolica.org/ marco-tangheroni-1946-2004/ (letzter Zugriff: 19.6.2021). 171 Marco Andreolli, Presentazione, in: Andreas Hofer: eroe della fede. Atti del Convegno Andreas Hofer eroe della fede. Un popolo in movimento, Bolzano, Castel Mareccio, 8 marzo 1997, hg. vom Centro Culturale Romano Guardini – Bolzano, Rimini 1998, 5–8, 6. 172 Andreas Hofer: eroe della fede, 113–163. 173 I popoli contro l’utopia. Le insorgenze popolari antigiacobine in Italia (1796–1815), https://www. meetingrimini.org/wp-content/uploads/docs/eventi/567_3.htm (letzter Zugriff: 28.7.2021).
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dem auf Italien Bezug genommen wird. In beiden Versionen gibt es jedoch einen Absatz über die Aufstände in Tirol, die damit in einen italienischen Kontext eingeordnet wurden. Auch Katharina Lanz taucht in der Dokumentation der Tagung auf: Bereits auf Seite 7 stellt Andreolli das Mädchen von Spinges als Tirols Jeanne d’Arc vor und beschreibt sie als eine Person, die ihren Glauben mit Waffen verteidigt habe, anders als die angeblichen Intellektuellen der Gegenwart, die nur geschwätzig seien.174 Adolfo Morganti, Psychologe, Schriftsteller und Eigentümer des Verlags Il Cerchio, bei dem der Tagungsband veröffentlicht wurde, beginnt seinen Beitrag mit der Geschichte des Spingeser Mädchens, da die Tagung am 8. März – also am Frauentag – stattgefunden hat. Der 8. März wird jedoch als „festa fasulla“, als falsches, betrügerisches Fest, dargestellt. Seiner Meinung nach ist Katharina Lanz eines der echtesten Symbole des europäischen antijakobinischen Aufstandes. Morganti präsentiert sie als ungebildete Bäuerin – obwohl sie Darstellungen zufolge lesen konnte –, den intellektuellen Zirkeln der Aufklärung ganz fremd. Genau deswegen sei sie seines Erachtens Teil der Geschichte der europäischen Völker. Das Mädchen von Spinges sei dem französischen Bauern Paul Barillon ähnlich: Im Jahr 1791 soll jener einer jakobinischen Patrouille, die ein großes Kreuz in seinem Dorf zerstört hatte, Widerstand geleistet haben und von den Soldaten erschossen worden sein. Tirol gilt Morganti als Vendée – als Sinnbild für den bewaffnete Kampf der königs- oder kaisertreu gesinnten Landbevölkerung –, eine der vielen Vendées Europas.175 In einer ähnlichen Weise taucht das Mädchen von Spinges im Werk eines anderen katholischen, rechts orientierten Historikers auf: bei Massimo Viglione, einem Spezialisten für antirevolutionäre „insorgenze“, der die Erschießung Andreas Hofers in Mantua im Februar 1810 für den „symbolischen letzten Akt des Phänomens des gegenrevolutionären Aufstandes in Italien insgesamt“ hält.176 Hofer und Katharina Lanz werden hier als Held*innen des katholischen Glaubens dargestellt.177 174 175 176
Andreolli, Presentazione, 7. Adolfo Morganti, Radici e attualità dell’insorgenza, in: Andreas Hofer: eroe della fede, 43–65, 44f. Viglione, Le insorgenze controrivoluzionarie, VII: „[L]a fucilazione a Mantova il 20 febbraio 1810 di Andreas Hofer può essere assunta come simbolico atto conclusivo dell’intero fenomeno dell’Insorgenza controrivoluzionaria in Italia.“ 177 Massimo Viglione, Le insorgenze: rivoluzione & controrivoluzione in Italia 1792–1815, Milano 1999, 38: „[…] è da ricordare in particolare il celebre episodio di Catarina Lanz, la contadina che fermò dei soldati francesi che stavano profanando una chiesa“ – „besonders erinnerungswürdig ist die berühmte Episode von Katharina Lanz, jener Bäuerin, die einigen französischen Soldaten, die dabei waren, eine Kirche zu schänden, Einhalt gebot“; ders., Rivolte dimenticate. Le insorgenze degli italiani dalle orgini al 1815, Roma 1999, 118: „Ma in questa prima grande rivolta tirolese l’episodio più celebre rimane sicuramente il coraggioso comportamento di Catarina Lanz, la contadina di Spinga, vicino Bressanone, che si oppose con il forcone, dinanzi alla porta della chiesa del paese, ai francesi che volevano profanarla, divenendo l’animatrice della vittoriosa resistenza dei suoi compaesani“ – „Die bekannteste Episode in diesem ersten großen Tiroler Aufstand bleibt
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Im Namen seines Kampfes zur Verteidigung der Kirche und der ‚traditionellen‘ Gesellschaft gegen die von den Franzosen vertretenen Neuerungen wird das Mädchen von Spinges in Werken von italienischen rechts orientierten und tendenziell nationalistischen Autor*innen zu einer positiven Figur, auch wenn sie zugleich als Symbol des Kampfs der Tiroler gegen alle Eroberungen – auch jene durch Italien – firmiert. Interessanterweise nahmen nicht nur italienische katholische, rechts orientierte Historiker, wie Franco Cardini oder der bereits genannte Francesco Maria Agnoli, an der Bozner Tagung von 1997 über Andreas Hofer teil, sondern auch deutschsprachige Südtiroler, Historiker und Politiker*innen waren anwesend, darunter Eva Klotz, die Tochter von Georg Klotz (1919–1976), der in den 1960er Jahren zum Befreiungsausschuss Südtirol gehört hatte und an Bombenangriffen beteiligt war, die auf die Loslösung Südtirols von Italien abzielten. Auch Eva Klotz lehnt die Zugehörigkeit Südtirols zu Italien ab. Sie kämpfte für die Selbstbestimmung Südtirols als Mitglied des Bozner Gemeinderats (1980–1983) und als Abgeordnete des Südtiroler Landtages (1983–2014), wo sie für den Südtiroler Heimatbund (1983–1989), die Union für Südtirol (1989–2007) und die Süd-Tiroler Freiheit – Freies Bündnis für Tirol saß.178 Durch Hinweise von Marco Tangheroni und über den Kontakt mit Eva Klotz stieß ein damals junger Mann aus Pisa, Giacomo Mannocci, auf die Geschichte der Spingeser Heldin.179 In Pisa übertrug sich die Faszination für das Spingeser Mädchen, für seine Heimatliebe und seinen katholischen Glauben auf eine Gruppe von jungen militanten rechts Orientierten, die 2002 sogar beschlossen, einen Kreis der Azione Giovani, der Jugendorganisation der Alleanza Nazionale, namens „Caterina Lanz“ zu gründen. Der Kreis sollte zunächst ein weiblicher sein und hatte als erste Präsidentin eine Jurastudentin, Simona Luperini. Ab 2006 fungierte Giacomo Mannocci als Präsident, der zugleich Vorstand (dirigente nazionale) der Azione Giovani auf nationaler Ebene war. Der Kreis organisierte 2002 eine Tagung über „Caterina Lanz“; 2004 eine Tagung mit Angela Pellicciari180 über die italienischen Unabhängigkeitskriege und die Einigungsbewegung aus einer revisionistischen Perspektive – „Risorgimento da riscrivere“ – und 2007 eine dritte Konferenz über die theoaber sicherlich das mutige Auftreten von Katharina Lanz, jener Bäuerin aus Spinges, nahe Brixen, die sich den Franzosen, die die Kirche schänden wollten, vor der Kirchentür mit einer Heugabel widersetzte und ihre Landsleute damit zum siegreichen Widerstand anfeuerte.“ 178 Südtiroler Landtag (Hg.), Frauen und Politik, Bozen 2003, 71, http://www.landtag-bz.org/de/ datenbanken-sammlungen/broschueren.asp?somepubl_action=300&somepubl_image_id=108133; Klotz, Eva, in: https://www.landtag-bz.org/download/klotz_de.pdf (letzter Zugriff: 20.6.2021). 179 Wir danken Giacomo Mannocci für diese Auskunft und die Genehmigung, sie hier zu verwenden. 180 Angela Pellicciari, Risorgimento da riscrivere: liberali & massoni contro la Chiesa, Milano 1999, https://angelapellicciari.com/ (letzer Zugriff: 21.6.2021).
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logische Relevanz der Messe des heiliggesprochenen Papstes Pius V. (1566–1572).181 Im Jahr 2009 beschloss die Alleanza Nazionale, sich aufzulösen. Kurz danach fusionierte sie mit Silvio Berlusconis Forza Italia und anderen Gruppierungen im Popolo della Libertà zu einer Mitte-rechts Sammelpartei. Jedoch verließen 2012 einige Abgeordnete den Popolo della Libertà, um die rechtsnationale bis extrem rechts orientierte Partei Fratelli d’Italia zu gründen. Mannocci und Luperini waren in der Folgezeit unter deren militanten Mitgliedern zu finden.182 Mannocci war mehrfach Protagonist und Opfer scharfer politischen Auseinandersetzungen, darunter auch eines Angriffs auf seine Person,183 und in Polemiken über Faschismusapologie involviert.184 Die Alleanza Nazionale, in deren Rahmen der „Caterina 181 182
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Auf diese Gruppe gestoßen sind wird durch von Hartungen/Zendron, Donne nella sollevazione, 38. David Allegranti, No al libro sui giovani di Salò: il giornalista scrive a Veltroni, in: Corrierefiorentino.it (letzter Zugriff: 16.7.2008); Presentazione del libro „Gli orfani di Salò“ di Antonio Carioti, Dibattito – San Giuliano Terme, a cura di Aduc e Valentina Pietrosanti, Organizzatori: Casa Editrice Mursia, in: Radio Radicale (19.7.2008), https://www.radioradicale.it/scheda/258846/presentazione-del-libro-gli-orfani-di-salo-di-antonio-carioti; Partito della Rifondazione Comunista, Gruppo Consiliare – Coordinamento Comunale San Giuliano Terme, Gruppo Consiliare Regione Toscana, Non per colpa di un libro Rifondazione Comunista è uscita dalla Giunta, https://www.rifondazionepisa.it/documenti/nonpercolpadiunlibro.pdf; Elezioni comunali a San Giuliano Terme, il candidato Mannocci: „Prima i San Giulianesi, prima la famiglia“, in: Pisa Today (12.5.2014); Giacomo Mannocci 2014, L’alternativa c’è, in: http://giacomomannocci.blogspot.com/; Fratelli d’Italia-An: congresso provinciale di Pisa e elezione dei Delegati al Congresso Nazionale di Trieste, in: Pisa Today (7.11.2017) (letzter Zugriff auf sämtliche: 21.6.2021). Maurizio Bologni, Attentato contro consigliere di An, in: La Repubblica (1.10.2003); Luciano Luongo, Fiamme in casa di un consigliere di An a Pisa, in: L’Unità (1.10.2003), 10. Z. B. Eleonora Mancini, L’ultimo bavaglio rosso: certificato di antifascismo per scendere in piazza, in: il Giornale.it (11.11.2017), https://www.ilgiornale.it/news/politica/lultimo-bavaglio-rosso-certificato-antifascismo-scendere-1462067.html; Post in: Una città in comune. @unacittaincomunepisa. Organizzazione politica (9.9.2019), https://www.facebook.com/unacittaincomunepisa/posts/giacomo-mannocci-ex-consigliere-comunale-di-fratelli-ditalia-a-san-giuliano-attu/3031610663531998/ (letzter Zugriff auf sämtliche: 21.6.2021) „Giacomo Mannocci, ex consigliere comunale di Fratelli d’Italia a San Giuliano, attualmente responsabile dell’avvocatura civica di Cascina, rivendica pubblicamente la marcia su Roma del 28 agosto 1922 ed esalta apertamente il ventennio fascista. Mannocci è in odore di ‚essere promosso‘ a breve responsabile dell’avvocatura civica del Comune di Pisa. Lo diciamo chiaramente: si tratta di affermazioni inaccettabili da parte di chiunque e ancora più vergognose perché vengono da parte di chi ricopre incarichi di responsabilità pubblica. L’apologia del fascismo in Italia è reato, anche se l’avvocato Mannocci sembra essersene dimenticato.“ „Giacomo Mannocci, ehemaliger Stadtrat der Fratelli d’Italia in San Giuliano, derzeit verantwortlich für die avvocatura civica von Cascina, bekennt sich öffentlich zum Marsch auf Rom am 28. August [eigentlich Oktober] 1922 und verherrlicht offen die faschistische Ära. Mannocci steht kurz davor zum Verantwortlichen der avvocatura civica der Gemeinde Pisa ‚befördert‘ zu werden. Wir sagen es deutlich: Hierbei handelt es sich in jedem Fall um inakzeptable Äußerungen, die umso beschämender sind, da sie von Seiten einer Person stammen, die verantwortungsvolle öffentliche
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Lanz“-Kreis gegründet wurde, war aus dem Movimento Sociale Italiano hervorgegangen, anders gesagt: Eine rechte italienische Gruppe, die ein nicht immer ganz klares Verhältnis gegenüber der in Italien gesetzlich aufgelösten und mit dem Verbot der Reorganisation belegten Faschistischen Partei aufwies, benannte sich nach „Caterina Lanz“, das heißt, nach einer Heldin, die unter anderem auch zum Symbol des Widerstands der (Süd-)Tiroler*innen gegen alle ‚welschen‘ – französischen wie italienischen – ‚Eindringlinge‘ in (Süd-)Tirol geworden ist. Zwar stehen einander aus lokaler und regionaler Südtiroler Perspektive italienische und deutschsprachige nationalistische Gruppen tendenziell konfrontativ gegenüber, doch gibt es fraglos ideologische Gemeinsamkeiten über die ethnischen Grenzen hinweg. Aktiv war diese Gruppe „Caterina Lanz“ in Pisa. Die rechts orientierte Jugend der Azione Giovani hatte Katharina Lanz als katholische gegenrevolutionäre Kämpferin „für Gott, Kaiser und Vaterland“ kennengelernt und aufgrund dessen als Symbolfigur gewählt. Wenn diese Wahl einerseits angesichts der ‚antiwelschen‘ oder ‚antiwalschen‘ und antifaschistischen Aspekte der Symbolfigur des Spingser Mädchens als Widerspruch erscheinen mag, so sind andererseits Elemente vorhanden – ihrer Treue zur Kirche, ihr politischer Konservativismus und ihre Verteidigung der Heimat –, die in diesem Fall gepriesen und geteilt werden können. Zugleich kann der Rekurs auf „Caterina Lanz“ auch so gesehen werden, dass politische (Volks-)Bewegungen mit einer stark emotionalen Note die Einbeziehung von Frauen brauchen oder zumindest davon profitieren können.185 Diese Vernetzungen, die für uns relativ unerwartet waren, können mit Debatten über die Positionierung der Europäischen Union in einen Zusammenhang gebracht werden. Ab den 1980er Jahren betonte Papst Johannes Paul II. die „christlichen Wurzeln“ Europas: Seines Erachtens lasse sich die europäische Identität ohne das Christentum nicht verstehen, denn genau darin lägen „die gemeinsamen Wurzeln, aus denen die Zivilisation des alten Kontinents hervorgegangen“ sei, „dessen Kultur, dessen Dynamik, dessen Geschäfigkeit und dessen Fähigkeit der konstruktiven Expansion auf die anderen Kontinente, mit einem Wort, alles, was dessen Glorie ausmacht“.186 Bereits zuvor hatte Joseph Ratzinger,
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Funktionen ausübt. Die Verherrlichung des Faschismus ist in Italien eine Straftat, auch wenn der Anwalt Mannocci dies vergessen zu haben scheint.“ Dies am Beispiel deutschnationaler-völkischer Vereine bei Zettelbauer, Die Liebe sei Euer Heldentum. Giovanni Paolo II, Atto europeistico a Santiago de Compostela. Discorso di Giovanni Paolo II, Martedì, 9 novembre 1982, Città del Vaticano 1982, https://www.vatican.va/content/john-paul-ii/ it/speeches/1982/november/documents/hf_jp-ii_spe_19821109_atto-europeistico.html (letzter Zugriff: 22.07.2021): „[S]i deve ancora affermare che l’identità europea è incomprensibile senza il Cristianesimo, e che proprio in esso si ritrovano quelle radici comuni dalle quali è maturata la civiltà del vecchio continente, la sua cultura, il suo dinamismo, la sua operosità, la sua capacità di espansione costruttiva anche negli altri continenti; in una parola, tutto ciò che costituisce la sua
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der spätere Papst Benedikt XVI., dieses Thema aufgegriffen, während seines Pontifikats sollte es eine zentrale Rolle spielen.187 In der Phase der Vorbereitung einer europäischen Verfassung, die jedoch nie in Kraft trat,188 waren „die christlichen Wurzeln Europas“ ein sensibles Thema, denn es gab politische Forderungen, diese in der europäischen Verfassung zumindest zu erwähnen. Dazu kam es jedoch nicht. Diese zentrale Positionierung des christlichen Europa scheint auch bei der Bozner Tagung über Andreas Hofer klar durch. In seiner Einleitung zum Tagungsband konstatiert der Historiker Franco Cardini, dass das Europa der Gegenwart von der Französischen Revolution herrühre. Die europäischen Nationen seien jedoch auch ein Kind der Gegenrevolution, und die Gegenrevolution sei eine der Wurzeln des christlichen Europa. In den 1990er Jahren schickte sich die Europäische Gemeinschaft an, entscheidende Schritte in Richtung einer politischen Einigung zu unternehmen. In Anbetracht dessen schien es Cardini notwendig und dringend, über Europas Wurzeln und Identität nachzudenken. Er prangerte in diesem Zusammenhang die Tendenz an, einseitige Schuldbekenntnisse von der katholischen Kirche zu verlangen und klagte darüber, dass jene Süditaliener*innen, die zuerst gegen die Franzosen und später gegen die „befreienden einigenden“ Italiener gekämpft hatten, einfach als Banditen (briganti) bezeichnet würden, ohne ihren Wunsch nach Freiheit und Gerechtigkeit zu berücksichtigen. Desgleichen würden die Protagonisten der gegenrevolutionären Aufstände für Fanatiker, wenn nicht gar für Kriminelle gehalten. Doch hätten diese, ganz im Gegenteil, die Traditionen, die Freiheit, die Gefühle der Völker und deren Glauben gegen die doktrinäre Tyrannei der Philosophie verteidigt und damit zugleich die lokalen Freiheiten gegen die sogenannte „Freiheit“, die ihnen die fremden Franzosen aufdrängten. Wie es auch von der Vendée gesagt wurde, stünden sie mit beiden Beinen auf dem Boden ihrer Heimat, während die Jakobiner die patrie, ihre Vaterländer, nur im Kopf hatten. Die Franzosen seien Fremde gewesen, weil sie den Pakt des corpus christianorum, der christlichen Gemeinschaft, gebrochen haben. In der durch die kaiserliche Autorität garantierten katholischen Gesellschaft gäbe es tausende von kleinen Gemeinschaften, die eine Heimat darstellten; jene, die nicht dazugloria.“ Die Rede steht auf der Webseite des Vatikans auf Italienisch, Spanisch und Portugiesisch zur Verfügung. 187 Joseph Ratzinger u. Marcello Pera, Ohne Wurzeln. Der Relativismus und die Krise der europäischen Kultur, Augsburg 2005 (Orig. Senza radici. Europa, relativismo, cristianesimo, islam, Milano 2004); Josef Clemens, Le radici cristiane dell’Europa nel pensiero di Joseph Ratzinger, Beitrag auf der Tagung „Le radici cristiane dell’Europa nel pensiero di Joseph Ratzinger“, Varigotti, Finale Ligure (Savona), 19.9.2008, https://www.vatican.va/content/john-paul-ii/it/speeches/1982/ november/documents/hf_jp-ii_spe_19821109_atto-europeistico.html (letzter Zugriff: 22.7.2021). Clemens war Sekretär im Päpstlichen Laienrat. 188 Der Vertrag über eine Verfassung für Europa wurde nur von 18 Staaten ratifiziert.
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gehörten, seien Ausländer, jedoch nicht Fremde, sofern sie die Kirche und das Kaiserreich anerkannten. Der spätere Nationalismus – auch der deutsche – sei, so Cardini, nicht daraus hervorgegangen, sondern aus dem Konzept von Nation der Französischen Revolution. Andreas Hofer sei in einem Kontext situiert, in dem deutsche und italienische Gemeinschaften in Frieden zusammenlebten und das Land gemeinsam dem Heiligsten Herzen Jesu zum Schutz gegen die Franzosen anvertraut hätten. Ihn für einen Vertreter des Nationalismus zu halten, sei eine anachronistische Interpretation. Sein Vorschlag lautet, zur christlichen Tradition zurückzukehren, um ein neues Europa der Völker aufzubauen. In einer solchen Sichtweise sei Andreas Hofer ein europäischer Held für alle.189 Eine solche Perspektive, die die zahllosen und gewaltsamen religiösen Konflikte der vergangenen Jahrhunderte herunterspielt und die Verantwortung für die Gräuel des Nationalismus der Französischen Revolution zuschreibt, fordert nun neue Allianzen zwischen heimatbegeisterten Gruppen, die sich traditionell feindlich gegenüberstanden – was auch bei den italienisch- und den deutschsprachigen rechtsorientierten Gruppierungen in Südtirol der Fall war. Die Andreas-Hofer-Tagung in Bozen und die Gründung des Caterina Lanz-Kreises in Pisa dokumentieren Versuche, solche neuen Verbindungen zu schaffen. Die rechts-orientierten ideologischen Gemeinsamkeiten werden dabei in den Vordergrund gerückt und die nationalistischen Konfliktlinien im Rekurs auf die gemeinsamen christlichen Werte überschrieben und beseitigt – als ein auf Europa insgesamt anwendbares Paradigma der gemeinsamen christlichen Zugehörigkeit. Die Heldin von Spinges scheint in weiteren italienischen Zusammenhängen der Auseinandersetzung mit Südtirol auf, die jedoch in ganz andere Richtungen weisen – so bei dem in Genua geborenen Schriftsteller Sebastiano Vassalli (1941–2015), der in den 1980er Jahren eine Zeit lang in Bozen gelebt hat. Er analysiert die Beziehungen zwischen der deutschsprachigen und der italienischsprachigen Bevölkerung beziehungsweise prangert diese an.190 In seinem 1985 erschienenen Buch „Sangue e suolo“, „Blut und Boden“,191 vertritt er die Ansicht, dass die Lage der Provinz Bozen nach dem Zweiten Autonomiestatut von 1972, dem sogenannten „Südtirol-Paket“, einem Apartheid-Regime nahe komme, in dem die Italiener marginalisiert – wenn nicht sogar unsichtbar – seien. Im Gegensatz dazu 189
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Franco Cardini, Introduzione, in: Andreas Hofer eroe della fede, 9–13. Im Jahr 1997 veröffentliche Franco Cardini im selben Verlag, der den Andreas-Hofer-Tagungsband herausgebracht hatte, ein Buch über die christlichen Wurzeln Europas: Franco Cardini, Le radici cristiane dell’Europa: mito, storia, prospettive, Rimini 1997. Francesca R. Scicchitano, Sebastiano Vassalli, in: Enciclopedia Italiana, Bd. IX Appendice (2015), https://www.treccani.it/enciclopedia/sebastiano-vassalli_%28Enciclopedia-Italiana%29/ (letzter Zugriff: 21.6.2021); Giancarlo Riccio, Vassalli, il Sudtirolo difficile, Merano 2016. Sebastiano Vassalli, Sangue e suolo. Viaggio tra gli italiani trasparenti, Torino 1985 (Die Unsichtbaren. Eine Reportage aus dem Herzen Europas, Weingarten 1986).
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genieße die deutschsprachige Bevölkerung sowohl Vorteile als Minderheit auf nationaler Ebene als auch als Mehrheit auf regionaler Ebene. Dreißig Jahre später schrieb er mit „Il confine“, „Die Grenze“ eine Geschichte Südtirols von 1919 bis 2015 aus einer ganz anderen Perspektive: als Einladung „die offenen Rechnungen mit der Geschichte abzuschließen und ein für alle Mal die Gegenwart von der Vergangenheit loszulösen, um nach Vorne schauen zu können“. Südtirol sei heute, so Vassalli im Jahr 2015, ein Tourismusparadies, wo Deutsch- und Italienischsprachige zusammenlebten, und eine Brücke zwischen zwei Welten, dazu bestimmt, sich gegenseitig zu ergänzen.192 Vassalli erwähnt auch das Mädchen von Spinges. In seinem historischen Roman „Marco e Mattio“ aus dem Jahr 1992 erzählt er die Geschichte eines historisch belegten Mannes. Mattio Lovat (1761–1806), im Zoldo-Tal in Belluno in den Dolomiten geboren, war ein Schuster, der zweimal versucht hatte, sich zu kreuzigen und in der psychiatrischen Anstalt von San Servolo in Venedig starb. Der Autor stellt dessen schweres Leben in den Kontext einer Zeit, die vom Niedergang der Republik Venedig und von der napoleonischen Invasion gekennzeichnet war. In Vassallis Narration erschien im April 1797 ein junger Tiroler Priester im Zoldo-Tal, „don Sep“ genannt, der venezianischen Dialekt sprach. Er zog umher, ging in Kirchen und Dörfer, „um die Gemüter des Bergvolkes zu entflammen und sie zum antifranzösischen Abwehrkampf aufzuhetzen“ und er „erzählte von den heldenhaften und erstaunlichen Taten des ‚Mädchens von Spinges‘“. In Spinges, so don Sepps Version, hatte weder das kaiserliche Heer noch das Aufgebot des Landsturms, sondern ein kleines Grüppchen einfacher Bauern und Hirten die Franzosen nach einer schrecklichen Schlacht zum Rückzug gezwungen. Angeführt wurden sie von einer Frau, oder besser gesagt, von einem Mädchen. Das österreichische Oberkommando habe auf einen Aufstand der Bergvölker gegen die Franzosen gehofft. Die Geschichte des Mädchens von Spinges, so der Erzähler, sei in einer Zeit „ohne Radio und Fernsehen und mit wenigen Zeitungen […] die Kriegspropaganda jener Epoche“ gewesen: „eine einfache und offensichtlich naive Propaganda, der es jedoch gelang, wahre Mythen zu schaffen, die dafür bestimmt waren, lange fortzudauern“. Man habe vom Spingeser Mädchen noch im darauffolgenden Jahrhundert und während des Ersten Weltkriegs gesprochen, als die bronzene Statue, die es als Kämpferin gegen die Franzosen darstellt, von Livinallongo/ Buchenstein nach Corvara im Gadertal verbracht wurde, damit sie nicht in die Hände der Feinde – in jenen Jahren die Italiener – falle.193 192
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Sebastiano Vassalli, Il confine. I cento anni del Sudtirolo in Italia, Milano 2015, 2 (Zitat), 4, 87: „a chiudere i conti con la storia e a separare una volta per tutte il passato dal presente, per guardare avanti“. Sebastiano Vassalli, Marco e Mattio, Torino 1992, Kindle 2015, 2865–2901: „[…] andava attorno per chiese e per villaggi a infiammare gli animi dei montanari e a incitarli alla guerriglia antifran-
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Wie so oft, gründete die „Propaganda“ auch in diesem Fall auf einem realen Ereignis: dem 2. April 1797, hier wiederum in einer neuen Version geschildert: Einige betrunkene Franzosen seien nach Spinges gekommen, worauf die Bewohner des Ortes in der Kirche und im Friedhof Zuflucht suchten. Als die französischen Soldaten den Friedhof betreten wollten, liefen sie wie die Hasen davon, da sie auf ein Mädchen mit zerzausten roten Haaren und angstgeweiteten Augen trafen, das sehr blass und sehr dünn und in Schwarz gekleidet war und eine Heugabel oder eine große Sense zu ihrer Verteidigung in der Hand hielt. Sie dachten, es sei ein Gespenst – ein schrecklicher Anblick, der auch noch die Hand des Autors zittern lasse. Doch war es Catarina Lanz, 1771 im Gadertal geboren, die seit zwölf Jahren als Magd in Bruneck und dessen Umgebung arbeitete und kurz zuvor ihren Dienst in Spinges angetreten hatte. Sofern ihr Patriotismus von der Art war, wie in der Legende beschrieben, schien dieser dem Autor für ein Mädchen in einem fremden Dorf ziemlich übertrieben. Zudem sei es genauso hässlich gewesen wie die Soldaten betrunken. So sei eine Legende entstanden, die auf öffentlichen Plätzen Trompeten ertönen, Fahnen wehen und Denkmäler errichten ließ. Mit einer tendenziell misogynen Erklärung tat Vassalli in seinem Narrativ die Legende vom tapferen Mädchen ab.194
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cese, raccontandogli i fatti eroici e prodigiosi della ‚ragazza di Spinghes‘. […] A sconfiggerli, però – e in ciò consisteva la novità dell’avvenimento – non era stato l’esercito dell’imperatore, e nemmeno un reparto della milizia, ma un gruppetto di contadini e di pastori guidati da una donna, anzi da una ragazza; quella stessa ragazza, di cui già in tutte le valli del Tirolo si celebravano le gesta: la ragazza di Spinghes! Gli alti comandi austriaci, evidentemente, speravano in un’insurrezione popolare dei montanari contro gli invasori francesi e la storia della ragazza di Spinghes era la propaganda di guerra di quell’epoca, senza radio né televisione e con pochi giornali; una propaganda semplice e apparentemente ingenua, che però riusciva a creare veri miti, destinati a durare nel tempo. Della ragazza di Spinghes si parlò ancora nel secolo successivo e negli anni della prima guerra mondiale: quando il monumento di bronzo che la rappresenta nell’atto di scagliarsi contro i francesi, eretto sulla piazza di Livinallongo, fu trasferito a Corvara in Val Badia, perché non cadesse in mano ai nuovi nemici, che in quegli anni erano gli italiani.“ Vassalli, Marco e Mattio, 2882–2902: „Come spesso capita in queste cose di propaganda, anche la leggenda dell’eroica Caterina si basava su un fatto reale, accaduto – dicono le cronache – il 2 aprile 1797 […]. Capitarono a Spinghes, verso le due del pomeriggio, alcuni soldati francesi avvinazzati e ladri di galline, sparando per aria numerosi colpi di fucile e cantando canzonacce. Gli abitanti del borgo, che li avevano visti e sentiti arrivare, corsero a rifugiarsi in chiesa o addirittura si nascosero tra le tombe del piccolo cimitero; ma i francesi, appena varcato il cancelletto del cimitero – è qui che nasce la leggenda! – scapparono come lepri, perché si trovarono di fronte una ragazza con i capelli rossi scarmigliati e gli occhi dilatati dalla paura, pallidissima, magrissima e vestita tutta di nero, che stringeva in mano un forcone, o una grande falce, come sua estrema difesa. […] il suo aspetto doveva essere tale, da tener lontani anche gli uomini sobrii e da far tremare la mano di uno scrittore […]. Caterina Lanz – pace all’anima sua – era tanto brutta, quanto i soldati che la incontrarono erano ubriachi; e così nacque, un giorno d’aprile di due
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In seinem Roman argumentiert Vassalli, dass die Versuche, die Bevölkerung des ZoldoTales 1797 zum antinapoleonischen Aufstand zu veranlassen, scheiterten, weil deren Feind nicht die Franzosen, sondern der Hunger gewesen sei.195 In Bezug auf den antinapoleonischen Widerstand der Tiroler schrieb ein anderer italienischer Autor, Sergio Salvi, dass der Widerstand, dessen Heldin Catarina Lanz war, nicht als „legitimistisch“ interpretiert werden sollte, denn die Tiroler kämpften zwar für Gott und Kaiser, aber auch für ihre Unabhängigkeit und um den kommunalen Besitz von Wäldern und Weiden als Allmenden zu bewahren.196 Die italienischen Autor*innen, die das Mädchen von Spinges als Heldin dargestellt haben, gehören verschieden Ausrichtungen an, die jedoch oft rechts orientiert, katholisch und kritisch gegenüber dem Risorgimento und der italienischen Einigung sind. Von einem eher linken Hintergrund aus kritisiert auch Salvi die Einigung Italiens.197 Er hat viel zur Verteidigung der ethnischen Minderheiten Westeuropas, die er als „verbotene Nationen“ bezeichnet, sowie im Interesse der italienischen Sprachminderheiten geschrieben. „Lingue tagliate“ lautet ein Buchtitel – ein Wortspiel, das sich nicht übersetzen lässt, das Gespalten- oder Zerschnitten-Sein bezieht sich darin zugleich auf Sprachen und auf Zungen. Aufgrund seiner Überzeugung, dass es eine Sprache der „Padania“ gäbe, geriet der Autor in eine ziemlich komplexe Beziehung zur Lega Nord.198 Sergio Salvi kritisiert vor allem, dass Italien den Ladinern nur in Südtirol Minderheitenrechte zuerkannt hat, sich aber für die Ladiner in anderen Regionen nicht interessiert.199 Doch genossen die Ladiner in Südtirol nicht die gleiche Rechte wie die deutsche und die italienische Sprachgruppe. Aus diesem Grund präsentierte Daniel Alfreider, der erste Südsecoli fa, una leggenda destinata a far squillare trombe, sventolare bandiere e sorgere monumenti sulle pubbliche piazze.“ 195 Vassalli, Marco e Mattio, 2902–2094: „Per un paio di settimane, don Sep e i suoi colleghi si prodigarono ai limiti delle loro forze nel tentativo di suscitare ardore d’emulazione tra i sudditi della Serenissima e d’infiammare gli animi contro i francesi, ma non ottennero risultati apprezzabili: perché i francesi, nelle valli laterali del Piave, ancora non s’erano visti, e perché su quest’altro versante delle Alpi la gente aveva ben altre cose a cui pensare, che a prendere le armi contro chicchessia. Il nemico vero e concreto, contro cui i montanari veneti combattevano da anni e che li stava annientando, era ... la fame!“ 196 Sergio Salvi, Le lingue tagliate: storia delle minoranze linguistiche in Italia, Milano 1975, 133: „L’eroina di questa resistenza (a torto considerata ‚legittimistica‘ dagli storici: i tirolesi combattevano sì per Dio e l’Imperatore, ma anche per conservare la loro autonomia e la proprietà comunale dei boschi e dei pascoli) fu Catarina Lanz.“ 197 Sergio Salvi, L’Italia non esiste, Firenze 1996. 198 Chi è Sergio Salvi, in: https://groups.google.com/g/it.politica.lega-nord; https://groups.google. com/g/it.politica.lega-nord/c/w3VKJ2TnzXo/m/eM1uPcePqXsJ (letzter Zugriff: 23.6.2021). 199 Salvi, L’Italia non esiste, 74.
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tiroler Abgeordnete ladinischer Muttersprache im Italienischen Parlament,200 2013 einen Verfassungsgesetzentwurf, um Diskriminierungen der Ladiner im Südtiroler Autonomiestatut zu beseitigen. Im Laufe der jahrelangen parlamentarischen Debatten zum Thema wurde „Catarina Lanz“ vom Abgeordneten der Cinque Stelle, Riccardo Fraccaro, erwähnt: „Im Laufe der Geschichte haben sich die Ladiner durch außerordentliche Widerstandkraft gegen Usurpatoren, gegen kulturellen Konformismus ausgezeichnet, und hier möchte ich die Geschichte der Ladinerin Catarina Lanz ins Gedächtnis rufen: Im Jahr 1797, als die bayerischen [sic] und napoleonischen Truppen in der Grafschaft Tirol einfielen, verteidigte die Ladinerin Lanz, mit einer Heugabel bewaffnet, unermüdlich die Pustertaler Seite vor dem Eindringen der Napoleonischen Armee und wurde sogleich zum lebendigen Symbol des Tiroler Freiheitskampfes.“201 So landete der Mythos des tapferen Mädchens von Spinges auch im italienischen Parlament und diente dazu, die Rechte der Ladiner zu wahren, allerdings nur jener in Südtirol. Nach einem langen Gesetzgebungsprozess wurde das Verfassungsgesetz 2017 verabschiedet.202 200 Daniel Alfreider, in: Camera dei Deputati, XVIII Legislatura, dal 15.03.2013–al 22.03.2018, https:// www.camera.it/leg17/29?shadow_deputato=305582&idpersona=305582&idLegislatura=17; Daniel Alfreider, in: Camera dei Deputati, Portale Storico, https://storia.camera.it/deputato/daniel-alfreider-19810404; Daniel Alfreider, in: openparlamento, https://parlamento17.openpolis.it/parlamentare/alfreider-daniel/508028; Daniel Alfreider, in: Autonome Provinz Bozen – Südtirol, Landesregierung, https://www.provinz.bz.it/land/landesregierung/alfreider-lebenslauf.asp; Daniel Alfreider, in: Südtiroler Landtag, https://www.landtag-bz.org/de/abgeordnete/alfreider.asp (letzter Zugriff: 23.6.2021). 201 Atti Parlamentari I, Camera dei Deputati, XVII Legislatura, Resoconto stenografico dell’Assemblea, Seduta n. 720 di lunedì 9 gennaio 2017, Discussione della proposta di legge costituzionale: Alfreider ed altri: Modifiche allo statuto speciale per il Trentino-Alto Adige in materia di tutela della minoranza linguistica ladina della provincia di Bolzano (A. C. 56-A), 23, Riccardo Fraccaro, https://www.camera.it/leg17/410?idSeduta=0720&tipo=stenografico (letzter Zugriff: 24.6.2021): „Storicamente i ladini si sono contraddistinti per l’eccezionale capacità di resistenza agli usurpatori, al conformismo culturale, e qui vorrei ricordare la vicenda della ladina Catarina Lanz: nel 1797 quando le truppe bavaresi e napoleoniche invasero la Contea del Tirolo, la ladina Lanz, armata di forcone, difese strenuamente il versante della Val Pusteria dall’incursione dell’esercito napoleonico, diventando, da subito, simbolo vivente della lotta per la libertà tirolese.“ Der Bezug auf die bayerischen Truppen ist historisch nicht korrekt. 202 Legge Costituzionale 4 dicembre 2017, n. 1, Modifiche allo statuto speciale per il Trentino-Alto Adige/Südtirol in materia di tutela della minoranza linguistica ladina (17G00194), GU Serie Generale n. 291 del 14.12.2017, https://www.gazzettaufficiale.it/atto/serie_generale/caricaDettaglioAtto/ originario?atto.dataPubblicazioneGazzetta=2017-12-14&atto.codiceRedazionale=17G00194; Verfassungsgesetz vom 4. Dezember 2017, Nr. 1, Änderungen zum Sonderstatut für Trentino-Südtirol in Sachen Schutz der ladinischen Sprachminderheit, http://lexbrowser.provinz.bz.it/doc/ de/212399/verfassungsgesetz_vom_4_dezember_2017_nr_1.aspx (letzter Zugriff jeweils: 24.6.2021).
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V Nachhall: Ambivalente Heldinnengeschichten und Erinnerungskontexte
Mit der Zeit haben sich also auch italienische Historiker*innen und Autor*innen den Mythos von Catarina Lanz angeeignet, und zwar aus verschiedenen Perspektiven: aus rechts orientierten, aus katholischen, aus kritischen Positionen gegenüber der Einigung Italiens, aus eher progressiven und am Minderheitenschutz orientierten Perspektiven, aber auch aus dezidierter links orientierten, wie im Fall des kurzen Theaterstücks „Catarina Lanz“ von Renato Giordano aus dem Jahr 2013 mit Nunzia Plastino in der Hauptrolle.203 Das Stück wurde als „libertärer“ Text, „testo ‚libertario‘“, und der Autor als „Analysator und Offenbarer von Fermenten, von Emanzipationskämpfen der Frauen“, „analizzatore e divulgatore di fermenti, lotte di emancipazione al femminile“, beschrieben.204 Jahre nach der Spingeser Schlacht bittet Catarina, Heldin der Ladiner, hier den Pfarrer, für den sie als Wirtschafterin arbeitet, um eine Beichte. Unter dem Schutz des Beichtgeheimnisses bekennt sie, an der Schlacht von Spinges teilgenommen und einen Feind getötet zu haben. Sie hat deshalb Gewissensbisse, ist zugleich aber stolz auf den Sieg und der Meinung, dass die Tiroler Traditionen bewahrt und verteidigt werden müssen. Der Pfarrer reagiert überrascht und empört: Sie, eine Frau, hat sich in die Schlacht eingemischt? Das soll sie niemandem erzählen, sonst wird sie noch für eine Hexe gehalten. Catarina folgt seiner Mahnung, jedoch – so die Schlussbemerkungen des Erzählers –, veröffentlichte am 23. August 1870 eine Innsbrucker Zeitung einen Artikel, in dem das Mädchen von Spinges als Catarina Lanz identifiziert wurde, und sein Mythos lebe bis heute fort.205 Das Theaterstück stellt so eine Frau dar, die beim Erzählen des Kampfes, die schüchterne Demut, die sie am Anfang zeigt, fallen lässt und im Laufe des Stückes immer mehr Energie und Entschlossenheit an den Tag legt. Ja, der Mythos der Heldin dauert bis heute an; er verändert sich jedoch ständig und passt sich sehr verschiedenen Kontexten an. Man kann daraus schließen, dass das Mädchen von Spinges ein Opfer ständiger Manipulierung ist, oder dass es im Stande ist, sehr viele und sehr verschiedene Leute zu faszinieren. Bei den aktuellen politischen Vereinnahmungen handelt es sich um neue Sichtweisen, die jedoch aus dem Fundus des bekannten Materials kreiert wurden. Sie unterstreichen die Wandlungsfähigkeit der Heldin abschließend nochmals. Dennoch darf nicht unterschätzt werden, dass Katharina Lanz daneben und unbeeindruckt von Demontagen in Südtirol auch ein Eigenleben als Heldinnenfigur führt, die positiv konnotiert war und ist. 203 Siehe Renato Giordanos Webseite, http://www.renatogiordano.it/ (letzter Zugriff: 24.6.2021). 204 Vincenzo Sanfilippo, Verità o leggenda? „Catarina Lanz“ di Renato Giordano.Teatro Tordinona, Roma, in: Scénario (14.2.2014), http://www.inscenaonlineteam.net/2014/02/14/vincenzo-sanfilippo-verita-o-leggenda-qcatarina-lanzq-di-renato-giordanoteatro-tordinonaroma/ (letzter Zugriff: 25.6.2021). 205 Das Theaterstück ist zugänglich unter http://www.e-performance.tv/2013/10/catarina.html (letzter Zugriff: 25.6.2021).
VI Schluss: Kämpfende Frauen im internationalen Kontext
Den Frauen in den antinapoleonischen Kämpfen in Preußen ist Karen Hagemann nachgegangen.1 Sie waren nicht an ihrem Wohnort von den Geschehnissen überrollt und situativ in diese involviert worden, sondern hatten sich als Männer verkleidet der Preußischen Armee angeschlossen. Sie liefen unter dem Label der „Heldenjungfrauen“, die Patriotismus und Tugend in sich vereinten, aber auch umstritten waren. Denn das Recht, Waffen zu tragen und das Vaterland zu verteidigen, blieb Männern vorbehalten.2 Marie Christiane Eleonore Prochaska wurde zur populärsten Heldenjungfrau Deutschlands (Abb. 43).3 Die Auszüge zweier ihrer Briefe aus dem Feld wurden – nach ihrem Tod – im Oktober 1813 in den „Berlinerischen Nachrichten“ publiziert. Darin reklamierte sie für sich das Recht, im Freiheitskrieg zu kämpfen und rechtfertigt ihren Griff zu den Waffen mit der Notwendigkeit, die nationale Ehre wiederherzustellen. In dem von Hagemann zitierten Ausschnitt nimmt Prochaska auch Bezug auf die Beteiligung von Frauen in Spanien und Tirol. Man ernannte sie zur deutschen Jeanne d’Arc, eine Titulierung, die sich schnell verbreitete.4 Über sie wurde mehr als über alle anderen Frauen geschrieben, deren Beteiligung an den antinapoleonischen Kriegen im deutschen Kontext dokumentiert ist. Hagemann führt insgesamt 22 Frauen an. Prochaska war jedoch die einzige, der Denkmäler errichtet wurden: eines im Jahr 1865, fünfzig Jahre nach dem Ende des Krieges, vom Preußischen Staat in der Nähe des Ortes, an dem sie tödlich verwundet worden war; ein zweites 1889 in Potsdam, woher sie stammte.5 Alle anderen Heldinnen wurden kaum gewürdigt und waren schnell vergessen. „They were no longer appropriate subjects for the German national myth that celebrated war and masculine prowess.“6 Jene, die überlebt hatten, integrierten sich mehr oder weniger 1
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Hagemann, Heroic Virgins, 507. Hier finden sich auch weitere Literaturangaben zu englischen, französischen und niederländischen Beispielen für Frauen, die als Männer verkleidet an Kämpfen teilgenommen haben. Hagemann, Heroic Virgins, 509. Hagemann, Heroic Virgins, 515. Hagemann, Heroic Virgins, 515. Verwiesen sei auch auf Gerd Krumeich, Jeanne d’Arc von Deutschland aus gesehen, in: Etienne François u. a. (Hg.), Nation und Emotion, Göttingen 1995, 133–146. Hagemann, Heroic Virgins, 516. Hagemann, Heroic Virgins, 516.
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VI Schluss: Kämpfende Frauen im internationalen Kontext
erfolgreich und unauffällig in die Nachkriegsgesellschaft und übernahmen die ihnen zugedachten Geschlechterrollen. Karen Hagemann stellt fest, dass sich deutsche Zeitungsartikel, Erzählungen, Biographien etc. nach 1815 sehr beflissen, die heroischen patriotischen Taten der Männer zu würdigen, über die Teilhabe von Frauen sei immer weniger geschrieben worden, insbesondere über die „Heldenjungfrauen“. Wenn man sie erwähnte, wurden sie negativ gezeichnet und angefeindet. Eine Ausnahme bildete die „Allgemeine Deutsche Frauen-Zeitung“, die zwischen 1816 und 1818 Artikelserien zum Thema „Weiblicher Heldensinn“, „Weiblicher Heldenmuth“ und Amazonen brachte.7 Dieses ‚Herausschreiben‘ aus der GeAbb. 43: Marie Christiane Eleonore Prochaska schichte betraf offensichtlich vor allem Helals Schütze August Renz, 1813. Sie ist die dinnenfiguren, die sich – im Unterschied zum bekannteste der „Heldenjungfrauen“ aus Mädchen von Spinges – im 19. und beginnenden antinapoleonischen Kriegen in Preußen 1813 und die einzige, der Denkmäler errichtet den 20. Jahrhundert weniger gut instrumenwurden. talisieren und in mehrheitsfähige Narrative integrieren ließen. Eine Ursache mag darin zu sehen sein, dass sie gängige Geschlechternormen überschritten: in Männerkleidern und/ oder mit Waffen auftraten oder die Forderung danach erhoben. Das Unsichtbarmachen war aber noch viel weitreichender und deutet auf eine grundsätzliche Unvereinbarkeit von Frauen(-bildern) und kämpferischen Heldinnen hin. Dies hatte zur Folge, dass das Wissen um ihre Existenz vielfach erst wieder im Kontext frauen- und geschlechtergeschichtlicher Forschungen ausgegraben wurde. Vor diesem Hintergrund vergleichen wir ‚unsere‘ Heldin zum Abschluss mit einigen anderen Settings im Sinne einer breiteren Perspektivierung der Präsenz und Wahrnehmung von kämpferischen Frauen und Heldinnenfiguren.
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Hagemann, Heroic Virgins, 519.
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1 In Männerkleidern und Waffen?
Kämpfende Frauen des 18. und 19. Jahrhunderts, aber auch anderer Epochen, waren oft als Männer verkleidet:8 beispielsweise Deborah Sampson, die als Robert Shirtliffe am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg teilgenommen hatte,9 oder Colomba Antonietti, die zusammen mit ihrem Mann während der Risorgimento-Kriege in Venedig und Rom kämpfte, wo sie 1849 starb.10 Einen solchen Fall finden wir auch in Tirol zur Zeit der antinapoleonischen Freiheitskriege: Laut Bericht des k. k. Unter-Intendanten von Metz vom 15. Juni 1809 an den k. k. Intendanten Baron von Hormayr über die Ereignisse in Rovereto und Welschtirol sei „eine gewisse Josephine Negrelli, 18 Jahre alt [...] in Mannskleidern mit den Schützen ausgezogen“. Giuseppina oder Josephine Negrelli wurde manchmal auch als „zweites Mädchen von Spinges“ bezeichnet.11 Die Verkleidung konnte zumindest für eine gewisse Zeit das Geschlecht verbergen, konnte – so Claudia Opitz – Geschlechtergrenzen verwischen.12 Die Identität kämpfender Frauen stellte sich oft erst heraus, wenn sie verwundet oder getötet wurden. Francesca Sca8
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Julie Wheelwright, Amazons and Military Maids: Women Who Dressed as Men in the Pursuit of Life, Liberty and Happiness, London 1989; siehe auch Rudolf Dekker u. Lotte van de Pol, Frauen in Männerkleidern. Weibliche Transvestiten und ihre Geschichte, Berlin 1990; Hacker, Gewalt ist: keine Frau; Dominique Godineau, De la guerrière à la citoyenne. Porter des armes pendant l’Ancien Régime et la Révolution française, in: Clio, Histoire, Femmes et Sociétés 20 (2004), 43–69; Sahra Lobina, Eine grosse Leichtsinnigkeit? Als Frau in Männerkleidern im Solddienst, in: Historische Anthropologie 25, 2 (2017), 151–167; zu literarischen Figuren siehe Helen Watanabe-O’Kelly, From Viragos to Valkyries: Transformations of the Heroic Warrior Woman in German Literature from the Seventeenth to the Nineteenth Century, in: Carolin Hauck, Monika Mommertz, An dreas Schlüter u. Thomas Seedorf (Hg.), Tracing the Heroic Through Gender, Baden-Baden 2018, 93–106. Siehe auch Barbara A. Wilson, Monuments and Memorials to Women Warriors, http:// userpages.aug.com/captbarb/monuments.html (letzter Zugriff: 30.4.2021). Elshtain, Donne e guerra. Laura Guidi, Patriottismo femminile e travestimenti sulla scena risorgimentale, in: Studi Storici 41, 2 (2000), 571–587, 573–574; Angelica Zazzeri, Donne in armi: immagini e rappresentazioni nell’Italia del 1848–1849, in: Genesis 5 (2006), 164–188, 171; Simonetta Soldani, Donne della nazione: presenze femminili nell’Italia del Quarantotto, in: Passato e presente 46 (1999), 75–102; dies., Il Risorgimento delle donne, in: Alberto Mario Banti u. Paul Ginsborg (Hg.), Storia d’Italia. Annali 22: Il Risorgimento, Torino 2007, 183–224, 222; Elena Doni, Rose bianche per un soldato. Colomba Antonietti, in: dies. u. a., Donne del Risorgimento, Bologna 2011, 25–33; Silvia Cavicchioli, Anita. Storia e mito di Anita Garibaldi, Torino 2017, 46–48. Mayr, Welschtirol in seiner geschichtlichen Entwicklung, 82; siehe auch Giuseppina Negrelli, http://www.skgiuseppinanegrelli.com/italiano/pagine/giuseppina.htm (letzter Zugriff: 5.5.2021); Nubola, Giuseppina Negrelli zieht in den Krieg. Claudia Opitz, Aufklärung der Geschlechter, Revolution der Geschlechterordnung. Studien zur Politik- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts, Münster u. a. 2002, 183.
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VI Schluss: Kämpfende Frauen im internationalen Kontext
nagatta hingegen quittierte nach sechs Jahren in Männerkleidern von sich aus den Dienst. Am 1. August 1776 in Mailand als Tochter des Senators Giuseppe Scanagatta geboren, absolvierte sie ab 1794 anstelle ihres Bruders Giacomo die Theresianische Militärakademie, leistete anschließend in mehreren Bataillons militärischen Dienst und wurde 1800 sogar zum Leutnant befördert.13 Auch Erminia Mannelli ersetzte ihren kranken Bruder, wenngleich nur für eine kurze Zeit. Als italienischer Korporal verkleidet, nahm sie 1866 an der Schlacht von Custoza teil, ohne dass jemand vermutete, dass sie eine Frau war. Sie kämpfte mutig, wurde schwer verletzt und starb kurz darauf.14 Frauen, die sich als Männer verkleideten, um zu kämpfen, konnten für ihren Mut und ihre „Virilität“ – jene Tugend, die erwachsene Männer haben sollten – gepriesen werden.15 Die Verkleidung als Mann konnte jedoch auch negative Folgen haben. In der Bibel wird das Tragen von Kleidung, die typisch für das andere Geschlecht ist, streng verurteilt (Deuteronomium 22, 5).16 Eine über Männerkleidung ausgedrückte Rollenumkehr wurde Frauen in der Frühen Neuzeit „als Unzucht ausgelegt“.17 Wie bei allen Regeln, gab es jedoch Ausnahmen – so auch im Fall der Catalina de Erauso (1585 oder 1592?–1650), „La monja de alférez“, die „Leutnantsnonne“ genannt, die ein sehr abenteuerliches Leben führte. Sie erhielt von Papst Urban VIII. 1626 persönlich die Erlaubnis, weiterhin Männerkleidung zu tragen.18 Regelungen gegen diese Form der Verkleidung waren in europäischen Ländern bis in die jüngste Zeit in Kraft, wenn sie auch nicht mehr beachtet wurden. In Frankreich zum Beispiel verbot eine Polizeiverordnung, règlement de police, ab 1800 Frauen 13
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Siehe Guidi, Patriottismo femminile, 572f; Klaus Reisinger, Frauen und Militär in der Neuzeit. Francesca Scanagatta: Die militärische Karriere einer Frau im ausgehenden 18. Jahrhundert, in: Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des achtzehnten Jahrhunderts 16 (2001), 59–73, 62. Reisinger nennt auch Johanna Sophia Kettner, die zwischen 1743 und 1748 als Mann verkleidet kämpfte und zum Korporal befördert wurde, sowie „Rittmeister Plarenzi“, die im Siebenjährigen Krieg mitgekämpft hatte, bis sie verwundet wurde. Die Dokumentation zu diesen beiden Frauen sei jedoch sehr lückenhaft. Ebd., 60f; siehe mit einigen Aktualisierungen auch ders., Frauen in Waffen: Zwischen Tabu und Akzeptanz. Der Fall Francesca Scanagatta. Militärische Karriere und gesellschaftliche Anerkennung einer Frau im ausgehenden 18. Jahrhundert im europäischen Kontext, in: Johannes Gießauf, Andrea Penz u. Peter Wiesflecker (Hg.), Tabu, Trauma und Triebbefriedigung, Graz 2014, 195–217. Guidi, Patriottismo femminile, 573. Guidi, Patriottismo femminile. „Non induetur mulier veste virili nec vir utetur veste feminea abominabilis enim apud Deum est qui facit haec.“ Deuteronomium 22, in: Roger Gryson u. Robert Weber (Hg.), Biblia Sacra Vulgata, Stuttgart 20075. Claudia Ulbrich, Unartige Weiber. Präsenz und Renitenz von Frauen im frühneuzeitlichen Deutschland, in: van Dülmen, Arbeit, Frömmigkeit und Eigensinn, 13–42, 24. Ernst, Non solo la conocchia e il fuso, 166f; Gabriel Andrés Renales, La monja alférez, famosa comedia atribuida a J. Pérez de Montalbán, ed. critica, Pesaro 2020.
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das Tragen von Männerkleidung. Noch im Jahr 1969 weigerte sich der Pariser préfet de police, diese aufzuheben.19 Für eine Frau, gab es viele mögliche Gründe, sich als Mann zu verkleiden: um eine männlich konnotierte Tätigkeit ausüben zu können, die Frauen nicht zugänglich war, Abenteuerlust, das Bedürfnis, sich frei oder geschützter bewegen zu können, um homosexuelle Beziehungen zu führen, besonderen Formen der Prostitution nachzugehen und anderes mehr.20 Als legitim erachtet wurde eine Verkleidung insbesondere, wenn es um den Schutz der als weiblich definierten Tugenden, vor allem der Jungfräulichkeit, ging.21 Als man entdeckte, dass Deborah Sampson eine Frau war, wurde ihr das Gehalt als Soldat nicht weiter bezahlt. Sie beschwerte sich darüber bei Gericht. Der General Court of Massachusetts entschied, dass sie ein Anrecht auf Besoldung habe, und zwar mit der Begründung, dass Deborah Sampson nicht nur den Pflichten eines guten Soldaten nachkomme, sondern auch ihre Keuschheit und die Tugenden ihres Geschlechts bewahre. Ähnliche Fälle ließen sich auch für das vor-revolutionäre Frankreich anführen.22 Dass die Verkleidung als Mann eine Option mit negativen Folgen sein konnte, zeigt sich unter anderem an der Geschichte der bereits erwähnten Revolutionärin Eleonora Fonseca Pimentel, die an der neapolitanischen Revolution von 1799 teilnahm, deswegen von den Bourbonen verurteilt wurde und deren Leichnam man – nur mit einem Rock bekleidet ohne Unterhosen – zum Spott am Galgen pendeln ließ. Sie hatte eine Gruppe von Frauen, viele davon in Männerkleidung angeführt, die an der Eroberung von Forte Sant’Elmo teilgenommen hatten.23 Die Stigmatisierung beziehungsweise Repression kam nicht nur von Seiten der Konservativen, wie der Fall der Citoyennes Républicaines Révolutionnaires zeigt. Ihren Club gründeten sie im Mai 1793, mit dem Ziel, eine Amazonenkompagnie zu organisieren, ein Vorhaben, das allerdings scheiterte. Die Citoyennes traten in Hosen und mit Waffen auf und setzten sich erfolgreich dafür ein, dass auch Frauen die Kokarde – das Symbol der Bürger19 20
21 22
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Christine Bard u. Nicole Pellegrin, Introduction, in: Clio. Histoire, Femmes et Sociétés 10 (1999), 1–9, 2, Themenheft zu „Femmes travesties: un ‚mauvais‘ genre“. Laura Mariani, Sarah Bernhardt, Colette e l’arte del travestimento, Bologna 1996; Bard/Pellegrin, Femmes travesties; Sylvie Steinberg, La confusion des sexes. Le travestissement de la Renaissance à la révolution, Paris 2001; Laura Schettini, Il gioco delle parti. Travestimenti e paure sociali tra Otto e Novecento, Firenze 2011; Marzio Barbagli, Storia di Caterina che per ott’anni vestì abiti da uomo, Bologna 2014; Clorinda Donato, The Life and Legend of Catterina Vizzani: Sexual Identity, Science and Sensationalism in Eighteenth-Century Italy and England, Oxford 2020. Zu Legitimierungsdiskursen siehe Steinberg, La confusion des sexes. Deborah Sampson. How She Served as a Soldier in the Revolution – Her Sex Unknown in the Army, in: The New York Times (8.10.1898), http://query.nytimes.com/gst/abstract. html?res=9402E3D71139E433A2575BC0A9669D94699ED7CF (letzter Zugriff: 5.5.2021). Urgnani, La vicenda letteraria, 39.
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schaft – verpflichtend tragen sollten. Sicher nicht nur deshalb, aber bestimmt auch deshalb wurde ihr Club geschlossen und Frauenvereinigungen Ende 1793 verboten sowie ab 1795 politische Aktivitäten von Frauen insgesamt.24 Lynn Hunt zieht eine Parallele zwischen dem Verbot des revolutionären Clubs und dem Umstand, dass die bewaffnete Liberté in dem für die Revolution entscheidenden Jahr 1793 von der Figur des Herkules verdrängt wurde, eine Koinzidenz in der geschlechtsspezifischen Zuordnung von Freiheit.25 Ein weiterer Ausdruck der Ambivalenz in Hinblick auf die Beteiligung an Befreiungskriegen, war die vehemente Satire mit der jenen italienischen Frauen begegnet wurde, die in den Jahren 1848 und 1849 – oft in Männerkleidern – gefordert hatten, am italienischen Einigungskampf teilnehmen und Waffen tragen zu dürfen.26 Gabriella Hauch hat ein Kapitel ihrer Auseinandersetzung mit der Partizipation von Frauen an der Revolution von 1848 in Wien mit dem Zitat „Nicht wie Männer könnt ihr streiten …“ übertitelt, denn auch hier wurde die „Sache der Nation“ zunächst als „Angelegenheit der Männer“ angesehen. Doch fertigten Frauen „Bänder, Schleifen, Fahnen zu Ehren ihrer ‚Helden‘“, gründeten sogar einen Verein dafür und trugen auch selbst schwarzrot-goldene Bänder.27 Im Mai 1848 schlossen sich nicht nur Arbeiterinnen, sondern auch „Frauen und Mädchen aus gebildeten Ständen“ und „in feinsten Kleidern“ dem Barrikadenbau an; sie stellten Verpflegung bereit, organisierten aber auch Waffen und Munition.28 Bilder gingen durch die Presse, die ein breites Spektrum umfassten: laszive Frauendarstellungen (Abb. 44) und solche der „leidenschaftlich sich hingebenden Barrikadengelieb24
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Godineau, De la guerrière à la citoyenne, 52–54; Gisela Bock, Frauen in der Europäischen Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 2000, 85–87; Joan B. Landes, Visualizing the Nation. Gender, Representation, and Revolution in Eighteenth-Century France, Ithaca u. a. 2001, 96; Banti, L’onore della nazione, 96. Lynn Hunt, Politics, Culture, and Class in the French Revolution. Twentieth Anniversary Edition, With a New Preface, Berkeley 2016, 103–114. Zazzeri, Donne in armi, 174–177. Gabriella Hauch, Frau Biedermeier auf den Barrikaden. Frauenleben in der Wiener Revolution von 1848, Wien 1990, 85, 88, 94. Als sich ein Demonstrationszug am 12. März durch die Wiener Innenstadt in die Herrengasse bewegte, wo die Landstände tagten, jubelten Frauen der höheren sozialen Kreise, deren Töchter und Hausmädchen und winkten den durch die Straßen ziehenden Studenten zu und gaben so „eine schmückende Kulisse“ ab. Sie warfen Blumen und Kränze, weiße Kokarden, Bänder und Fahnen und „im Überschwang der Emotionen“ auch das eine und andere wertvolle Schmuckstück aus dem Fenster. Ebd., 85f; siehe auch dies., Blumenkranz und Selbstbewaffnung – Frauenengagement in der Wiener Revolution 1848, in: Helga Grubitzsch, Hannelore Cyrus u. Elke Haarbusch (Hg.), Grenzgängerinnen. Revolutionäre Frauen im 18. und 19. Jahrhundert. Weibliche Wirklichkeit und männliche Phantasien, Düsseldorf 1985, 93–133, 96–98; dies., „Bewaffnete Weiber“. Kämpfende Frauen in den Kriegen der Revolution von 1848/49, in: Hagemann/Pröve, Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger, 223–246. Hauch, Blumenkranz und Selbstbewaffnung, 102f; dies., Frau Biedermeier, 122–125.
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Abb. 44: Johann Christian Schoeller, „Die Barricaden in Wien am 26. May 1848”. Der seit 1815 in Wien lebende Illustrator zeichnete neben Mode, Theater- und Alltagsszenen auch politische Karikaturen, darunter laszive Frauen und Biedermänner auf den Barrikaden der 1848er Revolution in Wien.
ten“, daneben Sujets wie die „jungfräuliche Barrikadenheldin“, die „Barrikadenbraut“ und „Barrikadenkönigin“.29 Die Bewaffnung der Wiener Frauen wurde in Zeitungsartikeln unter Begriffen wie „Xanthippen-Legion“ verhandelt.30 So viel bekannt ist, waren die Arbeiterinnen jedoch „unbewaffnet oder verwendeten ihre Arbeitswerkzeuge“ und nur sehr vereinzelt trugen sie Männerkleider31 – im Unterschied zu einigen namentlich bekannten Frauen, die 1848 und 1849 an 29 30 31
Hauch, Frau Biedermeier, 128–132. Hauch, Blumenkranz und Selbstbewaffnung, 105–107, 122; dies., Bewaffnete Weiber, 228. Hauch, Blumenkranz und Selbstbewaffnung, 124–127. Gabriella Hauch verweist auch auf einen Artikel, der unter dem Titel „Zur Geschichte der Amazonen“ im Frühsommer 1848 in der Zeitung „Der freie Wiener“ erschienen ist. Dies., Bewaffnete Weiber, 228. Die mit Phantasien aufgeladene Wiener Barrikadenkämpferin wurde als Mann verkleidet in der Romanfigur der „Caroline“ alias „Jäger Karl“ auch literarisiert. Ebd., 239f.
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anderen Orten in „bewaffneten Formationen“ auftraten: Emma Herwegh in Männerkleidern „gemeinsam mit ihrem Mann an der Spitze der ‚Deutschen Legion‘ der Pariser EmigrantInnen zur Unterstützung der Badischen Republik“, Mathilda Franziska Anneke, die in den badisch-pfälzischen Revolutionstruppen für Verpflegung zuständig war, oder Louise Aston, die sich in Schleswig-Holstein einem Freikorps anschloss.32 Als Männer verkleidet kämpften auch Frauen in der ungarischen Revolutionsarmee, die als „einzige institutionalisierte Revolutionsarmee der Jahre 1848/49 […] kämpfende Frauen aufgenommen“ hatte – unter ihnen: Maria Pfiffner und Maria Lebstück, „beide gebürtige Polinnen“, die über ihre Beteiligung an der Revolution in Wien nach Ungarn gekommen waren und dort im Unterschied zu den „Heldenjungfrauen“ der Befreiungskriege „sichtbar und akzeptiert“ mitgekämpft hatten, wie aus den Memoiren der Wilhelmine von Beck, einer Wiener Spionin im Dienste Lajos Kossuths, bekannt ist. Von beiden ist überliefert, dass sie überlebten, sich also nicht zur „Stilisierung als Märtyrerin der Revolution“ eigneten, da sie nach 1849 als Ehefrauen und Mütter „die bürgerliche Frauenrolle par excellence“ übernahmen – ein Setting, das Heldinnenruhm offensichtlich unmöglich machte und hier bereits mehrfach begegnet ist.33 Ein interessanter Aspekt ist, dass als Männer verkleidete und bewaffnete Frauen sowohl unter den revolutionären als auch unter den gegenrevolutionären Kämpferinnen zu finden sind. In diesem wie in vielen anderen Fällen, die mit Geschlechterrollen zu tun haben, kann man nicht davon ausgehen, dass die Revolutionäre offener gegenüber der Teilnahme von Frauen waren als die Konservativen. Im italienischen Risorgimento etwa finden sich unter jenen Frauen, die in Männerkleidung kämpften, nicht nur „Patriotinnen“ wie Ana Maria Ribeiro da Silva, besser bekannt als Anita, die im Jahr 1849 vor dem Angriff der Österreicher mit ihrem Mann, dem Helden Giuseppe Garibaldi, und den Republikanern als Mann verkleidet aus Rom floh,34 oder Antonia Masanello, die 1860 als Soldat verkleidet an Garibaldis Befreiungskampagne gegen die Bourbonische Armee teilnahm.35 Es gab auch brigantesse, die sich in den 1860er Jahren gegen die italienische Einigung und die neuen Behörden stellten, die diese als wilde und grausame Frauen beschrieben, wie Michelina De Cesare (Abb. 45), Maria Oliverio, Filomena Pennacchio, Maria Capitanio, Gioconda Marini, Carolina Casale, Rosa Cedrone und andere – wenngleich nicht alle in Männerkleidern auftraten.36 32 33 34
35 36
Hauch, Bewaffnete Weiber, 235. Hauch, Bewaffnete Weiber, 237f. Cavicchioli, Anita, 56–59. Es gibt ein Foto von Anita in Männerkleidung aus einer früheren Zeit (ebd., 193). Wikipedia, https://en.wikipedia.org/wiki/Anita_Garibaldi#/media/File:Anita_Garibaldi_Photo_BW.JPG (letzter Zugriff: 27.7.2021). Alberto Espen, Antonia Masanello da Montemerlo, in: Enciclopedia delle donne, http://www.enciclopediadelledonne.it/biografie/antonia-masanello-da-montemerlo/ (letzter Zugriff: 27.7.2021). Der Begriff brigantaggio bezeichnet den Widerstand von breiten Gruppen der süditalienischen
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Abb. 45: Die brigantessa Michelina De Cesare (1841–1868). Über die Geschichte dieser gegen die italienische Einigung gerichteten süditalienischen Kämpferinnen gibt es erst wenig historische Forschung.
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Das Thema der Verkleidung ist uferlos. Wichtig erscheint es uns vor allem, um den Unterschied zwischen dem Mädchen von Spinges und Frauen, die in Männerkleidern kämpften, hervorzuheben. Katharina Lanz war – und in diesem Punkt stimmen alle noch so unterschiedlichen Versionen ihrer Geschichte überein – nicht in Männerkleidern aus eigener Entscheidung mit dem Landsturm mitgezogen. Sie trat in den verschiedenen Narrationen einmal mehr, einmal weniger kämpferisch auf, aber immer in der Position der Verteidigerin. Echte Waffen trug sie, abgesehen von der einen oder anderen literarisch überformten Ausnahme, nicht: Sie hatte weder ein Gewehr noch ein Bajonett, ihre einzige Waffe war ein Arbeitsgerät. Die fliegenden Haare und die allerdings nur vereinzelt anzutreffende Bezeichnung als „Hexe“ taten der religiös überhöhten Verehrung als Heldin keinen Abbruch. Doch auch in der Geschichte des Mädchens von Spinges spielte die Kleidung in Bezug auf die sexuelle Ehre der Heldin eine Rolle. Verschiedene Autoren schreiben, dass sie das Un-
Gesellschaft gegen die nationale Einigung Italiens, woraus ein regelrechter Bürgerkrieg entstand. Siehe Carmine Pinto, La guerra per il Mezzogiorno. Italiani, borbonici e briganti 1860–1870, Roma/Bari 2019, 301. Es gibt relativ viel Literatur zum Thema der brigantesse, jedoch nur selten ist diese historisch-methodologisch solide, oft eher ideologisch ausgerichtet und/oder romanhaft gestaltet und aus einer männlichen Perspektive geschrieben, wie Oria Gargano bereits 1982 angemerkt und zuletzt auch Maria Pia Casalena betont hat. Oria Gargano, Storie di brigantesse, drude e manutengole, in: effe mensile femminista autogestito 3 (1982), https://efferivistafemminista.it/2014/12/storie-di-brigantesse-drude-e-manutengole/; Maria Pia Casalena, Donne del Risorgimento e Public History nel 150° dell’Unità nazionale: appunti su un’inclusione irrisolta, in: Storia delle donne 14 (2018), 67–81, 70–72. Siehe als Beispiel solcher Darstellungen Giordano Bruno Guerri, Il bosco nel cuore. Lotte e amori delle brigantesse che difesero il Sud, Milano 2011, bei Mondadori, einem Verlag, der ein breites Publikum adressiert, erschienen. Von zahlreichen brigantesse existieren sogar Fotos, die im Internet zugänglich sind.
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terkleid oder den Rock zusammengeheftet oder zusammengegürtet habe, als sie auf der Friedhofsmauer stand. Damit sollte das lesende Publikum versichert sein, dass während des Kampfes niemand unter ihren Rock sehen konnte. Dies wurde nicht zuletzt als Zeichen ihrer Schamhaftigkeit gewertet. Diese Geste bestätigte also nicht nur die weibliche Identität der Heldin, und zwar genau in dem Moment, in dem sie die Grenzen weiblicher Handlungsräume überschritt, sondern zeigte sie auch als ehrbares Mädchen. Diese Ehre war jedoch fragil und leicht zu gefährden. Angedeutet ist ein gender disorder im Aussehen des Mädchens von Spinges nur durch die fliegenden Haare, wie sie im Bericht von Philipp von Wörndle erwähnt sind und bisweilen in Beschreibungen und bildlichen Darstellungen aufgegriffen wurden. Eine Abbildung mit offenen Haaren findet sich in dem 1959 erschienenen Andreas-Hofer-Comic (Abb. 3).37 Mit offenen blonden Haaren tritt sie in dem Kurzfilm „Katharina Lanz – Wahrheit oder Legende?“ aus dem Jahr 2004 auf.38 Bei vielen anderen Frauen, die in Schatten getreten und in Vergessenheit geraten sind, war die Transgression durch ihre Verkleidung als Männer und/oder das Tragen von Waffen deutlicher sichtbar. In der Frühen Neuzeit wurden Waffen und Kriege ebenfalls Männern zugeschrieben. Allerdings war es eher akzeptiert als im 19. Jahrhundert, dass auch Frauen in gewissen Fällen kämpften, beispielsweise wenn eine Stadt belagert wurde. Für ein ungebrochenes Heldinnenbild steht etwa Margarete Renner (1475–1535), die „Schwarze Hofmännin“ genannt, aus dem Gebiet der heutigen Stadt Heilbronn, die in den Bauernkriegen mitgekämpft hat und für ihren Mut und ihre Grausamkeit berühmt wurde. Im Heilbronner Urkundenbuch findet sich unter anderem folgende Passage: „Nota: sie hat gesagt: es muß hie zu Heylpron kain stain auff dem andern pleyben, muß auch zu aim dorff werden wie Beckingen. Item sie hat sich hie gegen etlichen weybern berumpt [gerühmt], sie hab den grafen, den schelmen, herumb gewendet, mit irem messer in in [ihn] geschnitten, sey ain schmer [Fett] heraus gewust [geronnen], hab sie ir schuch mit geschmiert.“39 Literarische und künstlerische Bearbeitungen dieses Stoffes sind vornehmlich – und einmal mehr – aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert bekannt, darunter auch ein Bild von Käthe Kollwitz. Ein Denkmal wurde erst im Jahr 1986 für Margarete Renner errichtet.40 37
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Hans Seiwer (Text) u. Georg Trevisan (Zeichnungen), Andreas Hofes Leben und Sterben, hg. vom Südtiroler Kriegsopfer- und Frontkämpfer-Verband, Meran 1959, 24. Für diesen Hinweis danken wir Nikola Langreiter. Siehe Kap. V, Anm. 92. Moritz von Rauch (Hg.), Urkundenbuch der Stadt Heilbronn, Bd. 4: Von 1525 bis zum Nürnberger Religionsfrieden im Jahr 1532, Stuttgart 1922, 198f, Nr. 2961. Für diesen Hinweis und den Textauszug danken wir Silke Törpsch. Siehe dazu auch Die Schwarze Hofmännin – Margarete Renner, in: Heilbronn Stadtarchiv, Stadtgeschichte, https://stadtarchiv.heilbronn.de/stadtgeschichte/geschichte-a-z/s/schwarze-hofmaennin.html (letzter Zugriff: 29.4.2021).
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Doch galten nicht für alle Frauen dieselben sozialen Normen und Erwartungshaltungen: Von Adeligen erwartete man sogar, dass sie die Männer ihrer Familie ersetzen würden, falls diese abwesend, krank, verletzt oder verstorben waren, und zwar hauptsächlich, wenn es um die Verteidigung ihres Besitzes ging. Zudem waren die Heere in der Frühen Neuzeit kein ausschließlich männlicher Raum: Ehefrauen, Töchter, Schwestern und Geliebte von Soldaten machten ebenso wie Prostituierte und Marketenderinnen im Tross einen wichtigen Teil der Streitkräfte aus.41 Auch aus den Napoleonischen Kriegen sind Frauen dokumentiert, die mit der französischen Armee mitzogen und das, obwohl ein Dekret der französische Revolutionsregierung vom 30. April 1793 Frauen – mit Ausnahme von Marketenderinnen und Wäscherinnen – vom Militär ausgeschlossen hatte.42 Bekannt ist unter anderen Regula Engel, deren Lebenserinnerungen 1821 in Zürich veröffentlicht wurden. Sie hatte ihren Mann, den Obristen Florian Engel, auf den Kriegszügen begleitet, die sie durch Frankreich, in die Niederlanden, nach Italien, Spanien, Portugal, Österreich, Preußen, durch deutsche Territorien und sogar bis nach Ägypten führten. Autobiographische Aufzeichnungen fehlen zumeist jedoch, sodass sich Spuren von Frauen im Krieg und von Soldatinnen vielfach nur über Zeitungsberichte finden lassen.43 Daneben gab es Frauen, die oft aufgrund ihrer Armut und normalerweise als Männer verkleidet als Soldatinnen Dienst leisteten.
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Zu Frauen in frühneuzeitlichen Feldzügen siehe Christiane Andersson, Von „Metzen“ und „Dirnen“. Frauenbilder in Kriegsdarstellungen der Frühen Neuzeit, in: Hagemann/Pröve, Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger, 171–198; Beate Engelen, Soldatenfrauen in Preußen. Eine Strukturanalyse der Garnisonsgesellschaft im späten 17. und im 18. Jahrhundert, Münster 2005; Mary Lindeman, Die Jungfer Heinrich. Transvestitin, Bigamistin, Lesbierin, Diebin, Mörderin, in: Otto Ulbricht (Hg.), Von Huren und Rabenmüttern. Weibliche Kriminalität in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 1995, 259–279; allgemein dazu: Karen Hagemann, Venus und Mars. Reflexionen zu einer Geschlechtergeschichte von Militär und Krieg, in: dies./Pröve, Landsknechte, 13–48; John A. Lynn II, Women, Armies, and Warfare in Early Modern Europe, Cambridge 2008; zur Rolle der Marketenderinnen Clementi, Die Marketenderinnen. Archives Parlementaires de 1787 à 1860, Première Série (1787 à 1799), Tome LXIII, Paris 1903, 627–629, Décret pour congédier des armés les femmes inutiles, 30 avril 1793. Claudia Ulbrich, Deutungen von Krieg in den Lebenserinnerungen der Regula Engel, in: Ute Planert (Hg.), Krieg und Umbruch in Mitteleuropa um 1800. Erfahrungsgeschichte(n) auf dem Weg in eine neue Zeit, Paderborn u. a. 2009, 297–315, 301, 304. Siehe dazu sowie zu einer Reihe weiterer Fälle Marian Füssel, Frauen in der Schlacht? Weibliche Soldaten im 17. und 18. Jahrhundert zwischen Dissimulation und Sensation, in: Klaus Latzel, Franka Maubach u. Silke Satjukow (Hg.), Soldatinnen. Gewalt und Geschlecht im Krieg vom Mittelalter bis heute, Paderborn u. a. 2011, 159–178, 161.
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2 Bürger und Soldat – der Ausschluss der Frauen
Zur Zeit der Französischen Revolution nahm in Frankreich die Zahl der Soldatinnen sehr wahrscheinlich zu, viele wollten als Patriotinnen die Revolution mittragen. Im Lauf der Revolution veränderten sich die Streitkräfte jedoch, insbesondere mit der Einführung der Wehrpflicht für alle ledigen Männer. Infolgedessen wurde die französische Armee im 19. Jahrhundert zu einem nahezu exklusiv männlichen Raum. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich in der Folge in zahlreichen anderen europäischen Ländern ausmachen. Das könnte dazu beigetragen haben, dass der institutionalisierte Raum der Waffen und des Krieges von da an männlicher definiert wurde als in der Vergangenheit, obwohl viele Frauen – oft von patriotischen und/oder revolutionären Idealen begeistert – weiterhin an Revolutionen und Kämpfen teilnahmen oder teilnehmen wollten.44 Zu bedenken ist, dass der bewaffnete Dienst im zeitlichen Vorfeld der Französischen Revolution einen Weg darstellte, um zu Bürgerrechten zu gelangen.45 Diese Entwicklung fand in einem Kontext statt, in dem die Verteidigung der „Nation“ in der Garde Nationale – die von der Armee zu unterscheiden ist – als Recht und Pflicht der Bürger verstanden wurde und in dem die Bürger zugleich immer mehr als Soldaten wahrgenommen wurden. Der Konstitution von 1791 zufolge sollten die „aktiven“ Bürger in der Garde Nationale eingeschrieben sein. Das Dekret vom 24. Februar 1793 verpflichtete alle männlichen französischen Staatsbürger im Alter von 18 bis 40 Jahren, die unverheiratet oder verwitwet und kinderlos waren, zur permanenten Anforderungsbereitschaft, bis die Rekrutierung 44
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Als Einleitung zum Thema siehe Sabina Loriga, La prova militare, in: Giovanni Levi u. JeanClaude Schmitt (Hg.), Storia dei giovani, Bd. 2, Roma/Bari 1994, 15–50 [dt.: Die Militärerfahrung, in: Giovanni Levi u. Jean-Claude Schmitt (Hg.), Geschichte der Jugend, Bd. 2.: Von der Aufklärung bis zur Gegenwart, Frankfurt a. M. 1997, 20–55]. Archives Parlementaires de 1787 à 1860, Première Série (1787 à 1799), Tome XI, Paris 1880, 741–742, Décret du 28 février 1790 sur la constitution militaire, Article 7: „Tout militaire qui aura servi l’espace de seize ans sans interruption et sans reproche jouira de la plénitude des droits de citoyen actif, et est dispensé des conditions relatives à la propriété et à la contribution, sous la réserve exprimée dans l’article précédent, qu’il ne peut exercer son droit, s’il est en garnison dans le canton où est son domicile.“ „Jeder Soldat, der über einen Zeitraum von 16 Jahren ohne Unterbrechung und ohne Tadel Militärdienst geleistet hat, genießt die vollen Rechte eines Aktivbürgers und ist von den Voraussetzungen in Bezug auf Besitz und Steueraufkommen befreit, vorbehaltlich der Bestimmung im vorhergehenden Artikel, dass er sein Recht nicht ausüben kann, wenn er in Garnison in jenem Kanton ist, wo er seinen Wohnsitz hat.“; Constitution du 5 fructidor an III (22 août 1795). Article 9: „Sont citoyens, sans aucune condition de contribution, les Français qui auront fait une ou plusieurs campagnes pour l’établissement de la République.“ „Die Franzosen, die an einem oder mehreren Feldzügen zur Gründung der Republik teilgenommen haben, sind Bürger ohne jede Steuerpflicht.“
2 Bürger und Soldat – der Ausschluss der Frauen
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von 300.000 Männern erreicht war. Die Konstitution vom 24. Juni 1793 erklärte alle Franzosen zu Soldaten, und das Dekret vom 23. August 1793 etablierte die levée en masse, die sogenannte Massenaushebung. Die Einführung der Wehrpflicht löste zwar innere Unruhen aus, zugleich jedoch verstärkte sie die Identifikation von Bürger und Soldat. Obwohl die levée en masse auch den Frauen eine Rolle in der Verteidigung des Landes zuwies, hatte das Dekret vom 30. April 1793 bereits Monate zuvor alle „nutzlosen Frauen“ – „femmes inutiles“ – aus dem Militär praktisch ausgeschlossen. Allerdings wurde das Dekret nur teilweise und mit zeitlichen Verzögerungen umgesetzt; seine Tendenz war jedoch eindeutig.46 46
Constitution du 3 septembre 1791, Section II, Assemblées primaires. Nomination des électeurs, Article 2: „Pour être citoyen actif, il faut [...] [ê]tre inscrit dans la municipalité de son domicile au rôle des gardes nationales.“ „Um ein Aktivbürger zu sein, muss man […] in jener Gemeinde, in der man den Wohnsitz hat, in der Liste der Nationalgarde eingetragen sein.“; Archives Parlementaires de 1787 à 1860, Première Série (1787 à 1799), Tome LIX, Paris 1901, 24 février 1793, 141–145, Article 1: „Tous les citoyens français, depuis l’âge de 18 ans jusqu’à 40 ans accomplis, non mariés, ou veufs sans enfants, sont en état de réquisition permanente, jusqu’à l’époque du complément du recrutement effectif des 300 mille hommes de nouvelle levée décrétée ci-après.“ „Alle französischen Bürger im Alter zwischen 18 und 40 Jahren, die nicht verheiratet oder verwitwet und kinderlos sind, befinden sich in ständiger Anforderungsbereitschaft bis die tatsächliche Rekrutierung von 300.000 Mann mit einer neuen Einberufung, die im Folgenden dekretiert wird, abgeschlossen ist.“ Ebd., Tome LXIII, 627–629, Décret pour congédier des armés les femmes inutiles (vgl. Anm. 42 in diesem Kapitel); Constitution du 2 juin 1793, Article 109: „Tous les Français sont soldats; ils sont tous exercés au maniement des armes.“ „Alle Franzosen sind Soldaten; sie sind ausgebildet in der Handhabung von Waffen.“; Archives Parlementaires de 1787 à 1860, Première Série (1787 à 1799), Tome LXXII, Paris 1907, Décret 23 août 1793, 674–680, Article 1: „[D]ès ce moment jusqu’à celui où les ennemis auront été chassés du territoire de la République, tous les Français sont en réquisition permanente pour le service des armées. Les jeunes hommes iront au combat; les hommes mariés forgerons les armes et transporteront les subsistances; les femmes feront des tentes, des habits, et serviront dans les hôpitaux; les enfants mettront les vieux line en charpie, les vieillards se feront porter sur les places publiques pour exciter le courage des guerriers, prêcher la haine des rois et l’unité de la République.“ „Ab diesem Moment bis die Feinde aus dem Territorium der Republik vertrieben sind, befinden sich alle Franzosen in ständiger Anforderungsbereitschaft für den Dienst in den Armeen. Die jungen Männer werden in den Kampf ziehen; die verheirateten Männer werden die Waffen schmieden und Lebensmittel transportieren; die Frauen werden Zelte und Kleidung herstellen und in den Hospitälern ihren Dienst tun; die Kinder werden alte Wäsche in Fetzen reißen; die alten Männer lassen sich auf öffentliche Plätze tragen, um den Mut der Krieger anzuspornen, den Hass der Könige und die Einheit der Republik zu predigen.“; Article 8: „La levée sera générale; les citoyens non mariés, ou veufs sans enfants, de 18 à 25 ans, marcheront les premiers [...].“ „Die Einberufung wird allgemein sein; die unverheirateten Bürger und Witwer ohne Kinder zwischen 18 und 25 Jahren werden als erste marschieren […].“ Das Jourdan-Gesetz von 1798 verpflichtete die männliche Bevölkerung zum Militärdienst. Zur Geschichte der Armee siehe unter anderem Jean-Paul Bertaud, La Révolution armée: Les soldats-citoyens et la Révolution française, Paris 1979; Loriga, La prova militare, 18f; François Gresle, Le citoyen-soldat garant du
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Abb. 46: Jean-Baptiste Lesueur, Théroigne de Méricourt en habit d’amazone, im Amazonenkleid, aus der Zeit zwischen 1792 und 1795. Sie steht hier in einer Reihe mit Männern und Jungen verschiedener Ränge und Tätigkeitsbereiche in Sinne einer Repräsentation der Gleichstellung der Geschlechter.
Der wahre Bürger verteidigte sein Vaterland mit Waffen; die bewaffneten Männer, die ihr Vaterland verteidigten, erhielten Bürgerrechte. Auch einige Frauen versuchten, es ihnen gleich zu tun: Sie drückten ihre Liebe zur Nation und ihren Wunsch, in den Genuss der Bürgerrechte zu kommen, durch ihre Bereitschaft zur bewaffneten Verteidigung des Vaterlandes aus. Bereits ab 1791 gab es die Forderung, die Frauen in die Garde Nationale zu integrieren beziehungsweise eine eigene Nationalgarde für Frauen zu gründen. In Paris legte Pauline Léon am 6. März 1792 eine Petition mit mehr als 320 Unterschriften für die Erlaubnis, eine Nationalgarde der Frauen zu organisieren, vor: „Wir sind Bürgerinnen und das Schicksal des Vaterlandes kann uns nicht gleichgültig sein“, hieß es darin, und die Frauen fragten: „[W]ie sollten wir die Konstitution einhalten können, wenn wir keine Waffen haben, um sie vor den Angriffen der Feinde zu verteidigen?“47 Einige Tage
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pacte républicain: à propos des origines et de la persistance d’une idée reçue, in: L’Année sociologique 46, 1 (1996), 105–125; Thomas Hippler, Service militaire et intégration nationale pendant la révolution française, in: Annales historiques de la Révolution française 329 (2002), 1–16; Godineau, De la guerrière à la citoyenne, 60f. „Nous sommes Citoyennes, et la sort de la Patrie ne sauroit nous être indifférente“; „comment
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später, am 26. März 1792, hielt Théroigne de Méricourt eine lange Rede, in der sie Amazonenkompagnien propagierte, die sie dezidiert als Instrument der Gleichstellung der Geschlechter erachtete (Abb. 46). Sie ersuchte nicht die von Männern repräsentierten Behörden um Erlaubnis, sondern rief gleich zur Tat: „Bewaffnen wir uns; wir haben das Recht von Natur aus und auch von Gesetzes wegen; zeigen wir den Männern, dass wir ihnen nicht unterlegen sind, weder an Tugend noch an Mut. Zeigen wir Europa, dass die französischen Frauen ihre Rechte kennen, [...] sprengen wir unsere Fesseln; es ist endlich an der Zeit, dass die Frauen aus ihrer beschämenden Nichtigkeit, in der sie die Unwissenheit, der Stolz und die Ungerechtigkeit der Männer so lange schon versklavt hält, herauskommen. Gehen wir zurück zu der Zeit, als unsere Mütter, die Gallierinnen und die stolzen Germaninnen, die in öffentlichen Versammlungen berieten, gemeinsam mit ihren Ehemännern kämpften, um die Feinde der Freiheit abzuwehren.“48 Zwar sollen sich kurzzeitig einige Frauenkompanien gebildet haben, doch blieben diese Versuche – wie jener des Clubs der Citoyennes Républicaines Révolutionnaires49 – letztlich ohne Erfolg. Die Verkoppelung von Waffen und Bürgerrechten, die auch später in verschiedenen Kontexten auftauchte, verstärkte die Exklusion der Frauen, die weder Bürgerrechte genossen noch das Recht, in die Garde Nationale oder in die Armee aufgenommen zu werden.50 Zu überlegen ist dabei auch, ob und auf welche Weise, sich Helden- und Heldinnenbilder dadurch gewandelt haben. Wenn Nikolas Immer und Mareen van Marwyck konstatieren, dass „im Prozess der Verbürgerlichung […] die Bedeutung realer Helden […] in bewusster Abgrenzung von menschlicher ‚Barbarei‘ […] weitgehend geschwunden“ sei, so
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conserver ce dépôt [=la Constitution], si nous n’avons des pour le défendre des attaques des ennemies“, Adresse individuelle à l’Assemblée Nationale par des Citoyennes de Paris, Paris 1792, 2 (Zitat); Godineau, De la guerrière à la citoyenne, 51. „Armons-nous; nous en avons le droit par la nature et même par la loi; montrons aux hommes que nous ne leur sommes inférieures ni en vertus, ni en courage: montrons à l’Europe que les Françoises connoissent leurs droits; [...] brisons nos fers; il est temps enfin que les Femmes sortent de leur honteuse nullité, où l’ignorance, l’orgueil, et l’injustice des hommes les tiennent asservies depuis si longtemps; replaçons-nous, au temps où nos Mères, les Gauloises et les fières Germaines, délibéroient dans les Assemblées publiques, combattoient à côté de leurs Époux pour repousser les ennemis de la Liberté.“ Zit. nach Elisabeth Roudinesco, Théroigne de Méricourt: Une femme mélancolique sous la Révolution, Paris 1989, 109. Godineau, De la guerrière à la citoyenne, 52. Godineau, De la guerrière à la citoyenne, 44–49, 59–65, und das Themenheft von Clio. Femmes, Genre, Histoire 20 (2004) zum Schwerpunkt „Armée“, das Godineau herausgegeben hat; Gil Mihaely, L’effacement de la cantinière ou la virilisation de l’armée française au XIXe siècle, in: Revue d’histoire du XIXe siècle 30 (2005), 2–18; Vinzia Fiorino, Il genere della cittadinanza, Roma 2020, 62–73; siehe auch Susanna Burghartz u. Christa Hämmerle (Hg.), Soldaten, L’Homme Z .F. G 12, 1 (2001).
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ist damit eine langfristige Veränderung angesprochen. Denn auch sie sehen im „anti-napoleonischen Patriotismus“ einen Kontext, in dem „traditionelle heroische Vorstellungen“ eine Neubelebung erfahren haben51 – unter anderem in Gestalt der eingangs erwähnen „Heldenjungfrauen“. Auch hier formierte sich diese Verknüpfung zwischen militärischer Männlichkeit und dem Selbstverständnis als (Staats-)Bürger.52 Der deutsche Dichter und Freiheitskämpfer Theodor Körner (1791–1813) steht paradigmatisch für das „Heldenmodell“ dieser Zeit, für den Heroismus des „bürgerlichen Patrioten“. Er war 1813 als Freiwilliger des Lützowschen Freikorps gefallen und wurde kurz darauf „zum Idol der gebildeten Jugend“. Im Jahr 1814 kamen posthum seine Kriegsgedichte unter dem paradigmatischen Titel „Leyer und Schwerdt“ heraus, die zur „populärsten Kriegslyrik“ des 19. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum avancieren sollten.53
3 Heldinnenbilder: Einpassungen, Überschreitungen, Brüche
Das Bild der sich zwar vorwagenden, aber letztlich doch der ihr zugeschriebenen Geschlechterrolle entsprechenden Heldin fügte sich in zeitgenössische, vor allem bürgerliche Vorstellungen bestens ein. Die Polarisierung der Geschlechtscharaktere im 19. Jahrhundert, das Zementieren und in den Körper Einschreiben dessen, was weiblich und was männlich sei,54 könnte die Konfrontierung und den Umgang mit kriegerisch-kämpfenden Frauen umso schwieriger und vor allem erklärungsbedürftig gemacht haben. Fanny Blaschnigg Arndt bringt dies in ihrer Einleitung zu dem 1867 erschienen Buch „Die deutschen Frauen in den Befreiungskriegen“ zum Ausdruck, wenn sie über Krieg und die Rolle von Frauen schreibt: „Das ist nicht Zeit und Boden für weibliches Handeln. [...] [D]er Kriegsberuf gehört dem Manne. Zwar hat die Weltgeschichte ihre Heldinnen: aber sie stehen gleichsam als herabgestiegene Göttinnen im Helldunkel der Sage oder sie übernehmen die Aufgabe der Männer, wenn diese auf den Thronen oder in den Schlachten fehlten, oder wenn wie in Spanien, in Tyrol, im neuen Griechenland eine fremde Macht 51 52 53
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Immer/van Marwyck, Helden gestalten, 12, 16. Siehe dazu Ute Frevert, Citoyenneté, identités de genre et service militaire en Allemagne (XIXe– XXe siècle), in: Clio. Femmes, Genre, Histoire 20 (2004), 71–96. Rene Schilling, Die soziale Konstruktion heroischer Männlichkeit im 19. Jahrhundert. Das Beispiel Theodor Körner, in: Hagemann/Pröve, Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger, 121–144, 122f; siehe auch Hagemann, Der „Bürger“ als „Nationalkrieger“. Zur Heroismuskrise und zu Heldinnenentwürfen in der Literatur um 1800 siehe Anett Kollmann, Gepanzerte Empfindsamkeit. Helden in Frauengestalten um 1800, Heidelberg 2004; Mareen van Marwyck, Gewalt und Anmut. Weiblicher Heroismus in der Literatur und Ästhetik um 1800, Bielefeld 2010. Hausen, Die Polarisierung der „Geschlechtscharaktere“.
3 Heldinnenbilder: Einpassungen, Überschreitungen, Brüche
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Abb. 47: Carl de Vinck, Grand debandement de l’armée anticonstitutionelle, 1792. Die revolutionären Frauen, die ihre ‚Schamlosigkeit‘ im Kampf einsetzen, liefern ein Gegenbild zu den überhöhten, hehren und frommen Heldinnenfiguren.
das geschäftige Stillleben am häuslichen Herde versagte. Solche Heldengestalten stehen vereinzelt.“ Ihre „natürliche Stelle“ – für Friedenszeiten repräsentiert durch den verklärten häuslichen Herd – würde „die Frau“ auch „in solchen Ausnahmezuständen [...] mit der herrlichen Macht ihres Gemüthes“ finden.55 In zeitgenössischen Darstellungen stehen solchen hehren Vorstellungen und überhöhenden Überlieferungen jedoch auch ‚schamlose‘ kämpfende und revolutionäre Frauen gegenüber. Wenige Jahre vor der Spingeser Schlacht stellte zum Beispiel ein anonym erschienener Druck mit dem Titel „Grand débandement de l’armée anticonstitutionelle“ 55
Fanny Blaschnigg, Die deutschen Frauen in den Befreiungskriegen, Halle 1867, 1f. Den von Karen Hagemann, Heroic Virgins, näher behandelten Heldinnen ist in diesem Buch jeweils ein Kapitel gewidmet.
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(1792) die für Frauenrechte kämpfende Théroigne de Méricourt56 und weitere sechs Frauen dar: Eine der Frauen zeigte den Feinden ihre Scham, die anderen entblößten das Hinterteil (Abb. 47).57 Ähnliche Fälle soll es laut Victor Hugo auch im Jahr 1848 gegeben haben – vor allem mit Prostituierten als Protagonistinnen. Obwohl diese Frauen ganz anders als das Mädchen von Spinges agierten, gibt es eine gewisse Gemeinsamkeit im Szenario ihres Auftritts: „En ce moment une femme parut sur la crête de la barricade, une femme jeune, belle, échevelée, terrible.“ – „In diesem Moment erschien eine Frau oben auf der Barrikade, eine junge, schöne, zerzauste, schreckliche Frau.“ Weiter geht es dann allerdings ganz anders: „Diese Frau, die eine Prostituierte war, hob ihr Kleid bis zum Gürtel und schrie der Nationalgarde in jener schauderhaften Sprache des Freudenhauses zu, die man erst übersetzen muss: Feiglinge, schießt, wenn ihr euch traut, auf den Bauch einer Frau!“ Die Garde Nationale traute sich – und erschoss die Frau, und kurz darauf eine andere junge Frau, die in gleicher Weise vorgegangen war. Hugo beschreibt dieses Ereignis als „héroïsme de l’abjection“ – als Heroismus der Schmach.58 Als symptomatisch für die nicht zuletzt sozial definierten Grenzen ‚legitimer‘ Heldinnenbilder können die Reaktionen auf das weltberühmte Bild von Eugène Delacroix „La Liberté guidant le peuple“ aus dem Jahr 1830 erachtet werden (Abb. 48). Das Bild stellt eine Allegorie der Freiheit dar. Frauen, die allegorische Figuren verkörpern, oft mit Waffen und nackter Brust abgebildet, gehen als Bildmotiv auf die klassische Antike zurück. Zugleich könnte Delacroix auch von konkreten Ereignissen der 1830er Revolution inspiriert worden sein, etwa von folgender Episode: „Eine junge Frau, eine neue Jeanne d’Arc, kämpfte äußerst tüchtig auf der Place de la Bourse; sie bemächtigte sich, trotz des Kugel56
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Emma Adler (1858–1935) reihte sie in die insgesamt neun Porträts umfassende Serie ihres Buches mit dem Titel: Die berühmten Frauen der Französischen Revolution 1789–1795, Wien 1906 (Neuauflage hg. von Eva Geber, Wien 2014). Landes, Visualizing the Nation, 65; Vivian Cameron, Political Exposures: Sexuality and Caricature in the French Revolution, in: Lynn Hunt (Hg.), Eroticism and the Body Politic, Baltimore 1991, 90–107. Neben Théroigne de Méricourt (1762–1817) sind hier Marie Louise Sophie de Grouchy de Condorcet (1764–1822), Stéphanie-Félicité Du Crest comtesse de Genlis (1746–1830), Anne Henriette Calon (1753–1803?), Madame de Talmouse, Germaine de Staël-Holstein (1766–1817) abgebildet. Catalogue general, Bibliothèque nationale de France, https://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/ cb40249144q (letzter Zugriff: 30.4.2021). „Cette femme, qui était une fille publique, releva sa robe jusqu’à la ceinture et cria aux gardes nationaux dans cette affreuse langue de lupanar qu’on est toujours forcé de traduire: Lâches, tirez, si vous l’osez, sur le ventre d’une femme!“ Victor Hugo, Choses vues. Souvenirs, journaux, cahiers. 1830–1885, hg. von Hubert Juin, Paris 2002, 566; Banti, L’onore della nazione, 95f, 319f. Zum „gendering of political principles and processes“ sowie zu deren bildlichen Repräsentationen siehe Monica Juneja, Imaging the Revolution: Gender and Iconography in French Political Prints, in: Studies in History 12, 1 (1996), 1–65.
3 Heldinnenbilder: Einpassungen, Überschreitungen, Brüche
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Abb. 48: Eugène Delacroix, La Liberté guidant le peuple (le 28 juillet 1830). Das Gemälde ist eine politische Ikone, die fahnenschwingende Geste zugleich Sujet und Zitat, wie die zahlreichen Abbildungen kampfbereiter und kämpfender Frauen zeigen.
hagels, einer Kanone. Ihre Mitkämpfer, voller Bewunderung über ihr Vorgehen, trugen sie auf einem Sessel zum Stadthotel und setzen ihr einen Lorbeerkranz auf; am Abend des darauffolgenden 29. [Juli], wurde sie, auf einem mit Palmen, Lorbeer, Myrten, weißen Fahnen, der siegreichen Tricolore und mit Beutestücken der besiegten Armee geschmückten Triumphwagen platziert, durch ganz Paris gefahren.“59 59
„[U]ne jeune fille, nouvelle Jeanne d’Arc, combattit à la place de la Bourse avec une valeur extrême; elle s’y empara, malgré la grêle des balles, d’une pièce de canon. Ses compagnons de gloire, émerveillés de sa conduite, la portèrent sue un fauteuil à l’Hôtel de ville, et couronnée de lauriers; puis le 29 [juillet] au soir, placée sur un char triomphant qu’on orna de palmes, de lauriers, de myrtes, de drapeaux blancs renversés, d’étendards tricolores victorieux et de dépouilles de l’armée vaincue, on la promena dans tout Paris.“ P. C...sin, Les Barricades immortelles du Peuple de Paris, relations historiques, militaires et anecdotiques, Paris 1830, 385f, zit. nach Maurice Agulhon, Marianne au combat. L’imagerie et la symbolique républicaines de 1789 à 1880, Paris 1979, 58. Eine identische Beschreibung findet sich im
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Während man diese junge Frau zur lebenden Allegorie erhob und feierte, wurde die allegorische Figur von Delacroix heftig kritisiert. Ein wesentlicher Grund dafür war, dass die Darstellung der Liberté, der Freiheit, wie eine realistische Frau aussah. Die nackte Brust war für eine allegorische Figur nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich war jedoch, dass eine Allegorie in Bewegung, mit Haaren unter den Achseln, mit dunkler – sonnengebräunter oder einfach nur schmutziger – Haut verkörpert wurde: Elemente, die sie aus der Perspektive der Zeitgenossen und Zeitgenossinnen als ein „Weib aus dem Volk“ oder gar als eine „Hure“ erkennen ließ. Diese Frau erinnere „an die gemeinste Hure der schmutzigsten Pariser Straße“, schrieb beispielsweise „La Tribune“.60 Die Vehemenz der Kritik macht deutlich, dass die Grenze zwischen der Verehrung als Heldin und neuer Jeanne d’Arc und dem Risiko, als Hure angesehen und verachtet zu werden, für Frauen einen sehr schmalen Grat darstellte: Anerkennung und Bewunderung konnten sehr schnell ins Gegenteil umschlagen.61 Passfähig wäre eine solche Interpretation auch vor dem Hintergrund der These, dass konservative Bewusstwerdung im ausgehenden 18. Jahrhundert gerade im „Bündnis zwischen gegenrevolutionärer Kirche und traditionsverhafteter Landbevölkerung“ entstanden ist, woraus ein antimodernistisches Sozialmilieu hervorging, das von einem „Widerstands-Traditionalismus“ – als einer dynamisch, nicht statisch gefassten Kategorie – geprägt war. Claudia Ulbrich hat dieses Phänomen für Deutschlothringen herausgearbeitet.62 Vergleichbar damit lässt sich auch die Ausbildung eines Deutschtiroler nationalen Bewusstseins in Zusammenhang mit „dem religiös begründeten Widerstand gegenüber der Aufklärung“ sehen, der „aufs engste mit dem religiösen Kampf gegen die französischen Revolutionäre verknüpft“ war.63 Ein Synonym für die französischen Feinde war die
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Buch: Une semaine de l’histoire de Paris dédié aux Parisiens par M. le Baron de L*** L***, Stuttgart 1830, 243. Der Autor ist Étienne Léon de Lamothe-Langon; siehe dazu Joseph Marie Quérard, La France littéraire: ou Dictionnaire bibliographique des savants, Bd. 4, Paris 1830, 508. Monika Wagner, Freiheitswunsch und Frauenbild. Veränderung der „Liberté“ zwischen 1789 und 1830, in: Inge Stephan u. Siegrid Weigel (Hg.), Die Marseillaise der Weiber. Frauen, die Französische Revolution und ihre Rezeption, Hamburg 1989, 7–36, 8. Vgl. Banti, L’onore della nazione, 316f. Zu anderen und klassischen Darstellungen der „Freiheit“ vgl. Klaus Harding u. Rolf Reichardt, Die Bildpublizistik der Französischen Revolution, Frankfurt a. M. 1989, sowie die Kataloge Droits de l’Homme & Conquête des Libertés, 4 juillet – 5 octobre 86, hg. vom Musée de la Révolution Française, Vizille 1986; Philippe Bordes u. Alain Chevalier (Hg.), Catalogue des Peintures, Sculptures et Dessins, Vizille 1996, 32–40. Claudia Ulbrich, Die Jungfrau in der Flasche. Ländlicher Traditionalismus in Deutschlothringen während der Französischen Revolution, in: Historische Anthropologie 3, 1 (1995), 125–143, 126, 142f, 133–135. Sie bezieht sich mit ihrem Ansatz auf den Soziologen Georges Balandier. Laurence Cole, Religion und patriotische Aktion in Deutsch-Tirol (1790–1814), in: Otto Dann, Miroslav Hroch u. Johannes Koll (Hg.), Patriotismus und Nationsbildung am Ende des Heiligen Römischen Reiches, Köln 2003, 345–377, 346, 361; zur Spezifik des Deutschtiroler Nationsbegriffs ebd., 347.
3 Heldinnenbilder: Einpassungen, Überschreitungen, Brüche
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in einem Volksschauspiel 1797 auf die Bühne gebrachte verführerische Figur der „Madame Aufklärung“, der die „aufrechten“ Tiroler Schützen gegenüberstanden beziehungsweise widerstanden. Zur „Madame Aufklärung“ habe das „Mädchen von Spinges“, analysiert Laurence Cole, „das passende allegorische Gegenstück“ geliefert.64 Im Unterschied zu Deutschtirol war der Diskurs über die Identität der italienischen Tiroler zentral von aufklärerischen Kreisen mit Schwerpunkt in Rovereto, von Literaten und Politikern getragen.65 Sicher ging es bei der Kritik an der Liberté von Delacroix auch darum, dass die Vorstellung vorherrschte, eine allegorische Figur sollte abgehoben sein von einer ‚echten‘ Frau aus Fleisch und Blut. Im späten 18. und während des gesamten 19. Jahrhunderts drückte sich der wachsende Nationalismus unter anderem in sich häufenden Darstellungen der Nationen als Frauen aus, die einerseits an alte Vorbilder anknüpften, sich andererseits ständig erneuerten. Michelle Perrot hat für Frankreich eine regelrechte „Statuenmanie“ konstatiert; „überall“, so schreibt sie, sei man auf „Frauenfiguren“ getroffen: „sie lagen entweder zu Füßen großer Männer oder bekränzten deren Stirn“. Die Republikaner hielten ihre Beratungen „unter den Augen Mariannes“ ab. In dieser verstärkten Präsenz von Symbolwerten sieht sie eine „schwärmerische Verherrlichung der ‚Muse und Madonna‘ und zugleich ein Instrument, um die Trennung von öffentlichen und privaten Räumen zu forcieren66 – über rein metaphorische Bezüge. In dieser Zeit, als sich die Bilder und Denkmäler zu Ehren der Marianne, Britannia, Germania, Italia etc. vor allem in Frankreich und in deutschen Territorien mehrten,67 bleibt die Tyrolia als Personifikation von Tirol als ‚Nation‘ als allegorische Versinnbildlichung vergleichsweise blass. Darstellungen lassen sich zwar bereits im Barock 64 65
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Cole, Religion und patriotische Aktion, 357f. Reinhard Stauber, Der Diskurs über die kulturelle und politische Identität der italienischen Tiroler, in: Otto Dann, Miroslav Hroch u. Johannes Koll (Hg.), Patriotismus und Nationsbildung am Ende des Heiligen Römischen Reiches, Köln 2003, 379–407. Michelle Perrot, Rollen und Charaktere, in: dies. (Hg.), Geschichte des privaten Lebens, Bd. 4: Von der Revolution zum Großen Krieg, Frankfurt a. M. 1992, 127–193, 127. Maurice Agulhon, Marianne au pouvoir. L’imagerie et la symbolique républicaines de 1880 à 1914, Paris 1989, 3–32. Bismarck war entsetzt über das Niederwalddenkmal (1883), das eine 25 Meter hohe Statue der Germania von Johannes Schilling darstellte. Seiner Meinung nach war eine Frau mit Schwert in einer solch aggressiven Haltung völlig unnatürlich. Ebd., 3–5. Rebecca Ayako Bennette verortet die Germania im Zusammenhang des Kulturkampfs und der deutschen Einheit beziehungsweise Reichsgründung gewissermaßen als katholisch konnotiertes Gegenmodell zur vornehmlich protestantisch, militärisch und männlich gezeichneten Hermann-Figur. Rebecca Ayako Bennette, Gendering Germany: Feminine Imaginary in Catholic National Memory during the Kulturkampf, in: Paletschek/Schraut, The Gender of Memory, 61–90. Zur Ikonographie der Germania im Vergleich zur Italia siehe Isabel Skokan, Germania und Italia. Nationale Mythen und Heldengestalten in Gemälden des 19. Jahrhunderts, Berlin 2007, 40–87.
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Abb. 49: Mathias Schmid, „Tyrolia“, 1890. Diese Allegorie hat sich im Unterschied zum Mädchen von Spinges nicht in die öffentliche Memoria eingeschrieben.
nachweisen, doch sei, wie Werner Telesko konstatiert, die Ikonographie der Tyrolia „unmittelbar mit dem Kult um Andreas Hofer verbunden“.68 Eine Tyrolia-Statue steht auf dem Giebel des als „Nationalmuseum“ gegründeten Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum in Innsbruck, das 1845 eröffnet wurde. Die Figurengruppe mit der von Minverva und der Allegorie der Künste flankierten Tyrolia wurde allerdings erst in der ersten Hälfte der 1880er Jahre im Zuge der Aufstockung des Gebäudes errichtet.69 Ein kolorierter Holzschnitt der Tyrolia von Mathias Schmid, einem aus dem Paznauntal stammender Maler, aus dem Jahr 68 69
Telesko, Kulturraum Österreich, 289–291. Telesko, Kulturraum Österreich, 291.
3 Heldinnenbilder: Einpassungen, Überschreitungen, Brüche
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1890 erinnert sehr an Darstellungen der Figur des Mädchens von Spinges (Abb. 49).70 Doch hat die Tyrolia die Rolle als Symbolträgerin einer Deutschtiroler ‚nationalen‘ Identität offensichtlich – und im Unterschied zum Mädchen von Spinges – nicht übernommen. Repräsentationen des Mädchens von Spinges auf der Mauer des Friedhofes stehend, die Männer überragend, mit der Heugabel in den Händen könnten – zumindest in einigen Elementen und von der Haltung her – an das Bild von Delacroix erinnern, auch wenn die Tiroler Heldin kein Gewehr trägt und ihr Oberkörper bedeckt ist. Solche Darstellungen des Mädchens von Spinges zirkulierten allerdings bereits Jahrzehnte, bevor Delacroix seine Liberté malte. Insofern kann das Bild des französischen Malers nicht Vorlage für Abbildungen der Tiroler antifranzösischen Heldin gewesen sein – was einer gewissen Paradoxie nicht entbehrt hätte. Obwohl es uns nicht möglich war, konkrete Hinweise auf ein Vorbild zu finden, fehlt es nicht an punktuellen Übereinstimmungen mit Bildern von anderen kämpfenden Frauen, hauptsächlich mit solchen, die an Kämpfen teilnahmen, ohne sich als Männer zu verkleiden und/oder in eine Armee einzutreten. Besondere groß ist die Ähnlichkeit zu einer Abbildung der spanischen Heldin Maria Pita, die ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert stammt, obwohl Maria Pita einen Speer schwingt und – tatsächlich – fliegende Haare hat (Abb. 50).71 Als die Engländer im Jahr 1589 nach dem Sieg gegen die spanische Armada Invencible – die unbesiegbare Armada –, La Coruña belagerten, beteiligten sich auch Frauen an der Verteidigung der Stadt. Unter ihnen war Maria Pita, die den Speer oder, einer anderen Version zufolge, das Schwert ihres Mannes, der von einer Kugel tödlich getroffen worden war, ergriff und selbst zu kämpfen begann. Angespornt von der tapferen Frau, so die Überlieferung, hätten die Spanier die Engländer schließlich zurückgedrängt.72 Erst 1998 wurde für Maria Pita ein großes Denkmal auf der Praza Maria Pita in La Coruña errichtet – es zeigt sie in Bewegung mit einem Speer in der Hand.73 70
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72 73
Mathias Schmid hatte bereits 1863 – anlässlich 500 Jahre der Vereinigung von Tirol mit Österreich – ein Gemälde mit einer Austria und einer Tyrolia angefertigt, und zwar für das „deutsche Kaffeehaus“ in der Museumsstraße in Innsbruck im Auftrag von dessen Inhaber, J. B. Kraft (1831– 1879), der auch als Gemeinderat tätig war. Helmut Wenzel, Als zwei Frauen die Ehe Tirols mit Österreich verkündeten, in: Tiroler Tageszeitung (7.1.2013), https://www.tt.com/artikel/5933605/ als-zwei-frauen-die-ehe-tirols-mit-oesterreich-verkuendeten (letzter Zugriff: 26.9.2020). Relación histórica del sitio puesto por los Yngleses [sic] á la ciudad de La Coruña en 4 de Mayo de 1589, y el glorioso triunfo ... de la famosa María Fernández de la Cámara Pita, Coruña, Librería y litografía de Puga, 1850, in: Maria Pita. Defensa de la Coruña en 1589. Narración historica, Madrid 1898 (Faksimile: La Coruña 2000), 43–69, 45; siehe auch Esteban Iglesias, La leyenda de Maria Pita (Coruña), in: Turismo Enxebre, http://www.turismoenxebre.blogspot.com/2009/04/la-leyenda-de-maria-pita-coruna.html (letzter Zugriff: 5.5.2021). Maria Pita. Defensa, 35f; Relación histórica, 66. Im Jahr 2009 gab es eine heftige Debatte über das Denkmal, weil ein Architekt vorschlug, es vom
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VI Schluss: Kämpfende Frauen im internationalen Kontext
Abb. 50 Maria Pita. Defensa de la Coruña en 1589, Verteidigung von Coruña, Cover
Im Gegensatz dazu haben die Denkmäler von Katharina Lanz – verglichen mit den Abbildungen – einen deutlichen Verlust an Dynamik mit sich gebracht. Ihre Haltung in Stein und Erz ist eher der einer klassischen allegorischen Figur ähnlich. Man könnte dagegen einwenden, dass das Mädchen von Spinges nicht zu einer ‚wahren‘ Allegorie werden konnte, weil es – trotz der ungesicherten Existenz und Identität – nicht unwahrscheinlich ist, dass am 2. April 1797 eine Frau in Spinges mitgekämpft hat. Die reale Existenz verhinPlatz zu entfernen, siehe z. B. Javier Armesto, Yo también tiraria la estatua de Maria Pita a la basura, in: El Tiralineas (21.5.2009), https://blogeltiralineas.wordpress.com/2009/05/21/yo-tambien-tiraria-la-estatua-de-maria-pita-a-la-basura/ (letzter Zugriff: 6.5.2021); nicht mehr zugänglich: http:// www.lavozdegalicia.es/coruna/2009/05/20/0003_7729725.htm; http://blogs.lavozdegalicia.es/javierarmesto/2009/05/21/yo-tambien-tiraria-la-estatua-de-maria-pita-a-la-basura/; http://www.lao pinioncoruna.es/secciones/noticia.jsp?pRef=2009052400_5_289469_Opinion-Acabar-polemicaMaria-Pita (letzter Zugriff: Juli 2009).
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dert jedoch nicht die Stilisierung zur allegorischen Figur. Denn auch Jeanne d’Arc gilt in Frankreich neben der allegorischen Marianne, die zur Zeit der Französischen Revolution institutionalisiert wurde, als Symbol der nationalen Identität. Gleichzeitig verhinderte die Historizität von Jeanne d’Arc nicht, dass ihre Identität immer wieder neu interpretiert und ihre Figur in verschiedenen Kontexten instrumentalisiert und neu gedeutet wurde.74 Zwei Dinge werden aus dem Vergleich mit anderen Heldinnenfiguren deutlich: die breite mediale Präsenz des Mädchens von Spinges beziehungsweise der Katharina Lanz und die besondere Bedeutung von Religion als integrativem Moment der Memoria. Religion lieferte als legitimer Handlungsraum für Frauen im Fall der Katharina Lanz die Grundlage für das positive Image der Heldin, das aber eines entsprechenden Klimas bedurfte, um zu funktionieren. Ausgehend von religionssoziologischen Konzepten der Durkheim-Schule schreibt Stephan Moebius Sakralisierungsprozessen eine besondere Bedeutung zu, indem dadurch „auch die affektiv-emotionalen, religiösen und ambivalenten Dimensionen der Sozialfigur des Helden besser zum Vorschein“ kämen und identitätsstiftend werden können, sofern sie „die Ideale und Werte einer Gruppe“ repräsentierten.75 Dies war im vom politischen und ultramontanen Katholizismus sowie von Konservatismus geprägten Tirol dieser Zeit fraglos gegeben. Doch werden auch Bruchstellen sichtbar: Giuseppina Negrelli aus dem italienischen Tirol, die für die Habsburgermonarchie 1809 gegen die Franzosen in den Krieg gezogen war, konnte im Kontext der Trentiner Autonomiebestrebungen Ende des 19. Jahrhunderts und im beginnenden 20., also unter veränderten politischen Bedingungen, nicht als Heldinnenfigur funktionieren. Vergleichbares dürfte mit Katharina Lanz in Bezug auf Linvinallongo geschehen sein. Gemessen an der breiten Aufmerksamkeit und dem Trubel rund um die Errichtung und Einweihung des Denkmals wurde es nach dem Ende des Ersten Weltkriegs relativ ruhig um die Heldin. Im Gemeindearchiv in Livinallongo finden sich kaum Spuren und ein auf dem Archivkarton verzeichneter Faszikel unter ihrem Namen fehlt. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts taucht die Heldin wieder auf. Aktivitäten sind im Kontext und Nachgang des Gedenkjahres 1997 und anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Denkmals 2012 me74
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Sabine Wienker-Piepho, Warrior Women. Herologie und Topoi popularer Wahrnehmung, in: Latzel/Maubach/Satjukow, Soldatinnen, 51–63; Gerd Krumeich, Auf dem Weg zum Volkskrieg? Jeanne d’Arc als „chef de guerre“, in: ebd., 113–128. Zu unterschiedlichen Narrativen, die die Hebamme Hristina Hranova zur Heldin und zugleich zur „Mother of the heroes“ machten, siehe Milena Angelova u. Anastasija Pashova, „The Heroine from Shipka Who Took Part in Four Wars and Helped Thousends of People.“ The Russo-Ottoman War 1877–1778 as Symbolic Capital in the Female Biography, in: Balcanistic Forum 3 (2016), 109–118. Stephan Moebius, Die Sakralisierung des Individuums. Eine religions- und herrschaftssoziologische Konzeptualisierung der Sozialfigur des Helden, in: Rolshoven/Krause/Winkler, Heroes, 41–65, 43, 45.
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VI Schluss: Kämpfende Frauen im internationalen Kontext
dial greifbar und in Form von Zeitungsausschnitten im Archiv vor Ort dokumentiert – darunter auch die Versetzung des 1964 fast an seinen ursprünglichen Platz rückgeführten Denkmals und die Korrespondenz mit dem Museo Storico Italiano della Guerra in Rovereto zwecks Restituierung der zum Denkmal gehörigen Inschriftentafel aus den Jahren 2014 und 2015.76 Protagonisten der Erinnerung sind hier, wie auch im benachbarten Südtirol, die Schützen.77 Welches Potenzial zur Konstruktion einer Heldin oder eines Helden genutzt wurde, hing somit gleichermaßen vom Heldinnen- und Heldenstoff ab wie von dessen Kompatibilität mit dem Selbstverständnis gesellschaftlicher Gruppen, die die kultur- und erinnerungspolitische Definitionsmacht für sich in Anspruch nahmen, und nicht zuletzt von der Nützlichkeit der Figur einer Heldin oder eines Helden als Repräsentation im historischpolitischen Kontext der jeweiligen Gegenwart. Unsere Arbeit als Historikerinnen, die Geschichte des Mädchens von Spinges und ihres Mythos zu rekonstruieren, hat uns die Gelegenheit geboten, ganz unerwartete und überraschende Entdeckungen zu machen. Die Aufarbeitung der Rezeptionsgeschichte in ihrer Chronologie und kontextuellen Situierung und die immer wieder neuen Bezüge, die wir fanden, ermöglichten es, Funktionalisierungen und Refunktionalisierungen dieser Geschichte und dieser Figur seitens unterschiedlicher Akteure und Akteurinnen, die – zum Teil – diverse beziehungsweise auch widersprüchliche Ziele verfolgten, über mehr als zwei Jahrhunderte zu erforschen: angefangen mit den ersten Erzählungen vom namenlosen tapferen Mädchen, das eine maßgebliche Rolle im Kampf gegen die Napoleonische Armee und für die Rettung Tirols vom Angriff der Franzosen gespielt haben soll, zur internationalen Verbreitung ihres Mythos; vom Auftauchen ihres Namens und ihrer Biographie nach mehr als siebzig Jahren Anonymität zur Betonung ihrer ladinischen Herkunft und der damit verknüpften politisch-nationalen Instrumentalisierung; von religiösen Einpassungen und vom Streit über ihre Herkunft und ihre ladinische oder deutsche Muttersprache bis zur zeitgenössischen touristischen Nutzbarmachung ihres Mythos – und damit sind noch lange nicht alle Wendungen ihrer Geschichte erwähnt. So ist zu erwarten, dass auch in Zukunft weitere Darstellungen des Spingeser Mädchens und der Katharina Lanz auftauchen werden. Wenn wir im Schluss noch unsere eigene Präferenz für die Lesart von Katharinas Geschichte anbringen dürfen, die Lesart von zwei Historikerinnen, von denen die eine Deutsch und die andere Italienisch als Muttersprache hat, dann ist es jene einer jungen Frau, die drei Sprachen fließend gesprochen haben soll und damit für ein multilinguales und vernetztes Europa steht. 76 77
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Das „Mädchen von Spinges“, Hausfassade am Ortseingang von Spinges, © Margareth Lanzinger Abb. 2: „Helden der Tiroler Freiheitskämpfe 1797–1809“, Gedenktafel in der Hofkirche in Innsbruck, © Margareth Lanzinger Abb. 3: Das „Mädchen von Spinges“, in: Georg Trevisan u. Hans Seiwer, Das Leben und Sterben des Andreas Hofer, hg. vom Südtiroler Kriegsoper- und Frontkämpfer-Verband, Meran 1959, 24 Abb. 4a und 4b: Straßenschilder in Mühlbach und St. Vigil in Enneberg, © Raffaella Sarti Abb. 5: Karte: Spinges und Umgebung Abb. 6: Philipp Miller, „Übersicht von Spinges und Umgebung mit Referenz auf das Gefecht von 1797 und die Rettung Tirols“, zeitgenössische Radierung, Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Pk 2598, 109 Abb. 7: „Die Schlacht bei Spinges“, nach einem Gemälde von Edmund von Wörndle, Postkarte, 1909 Abb. 8: Jan Batista Rudiferia (1870–1925) „Katharina Lanz wird belohnt“, Gemälde, Museum Ladin Ciastel de Tor (Kopie) Abb. 9: „Kurze Üebersicht des französischen Einfalls in Tyrol im Jahre 1797“, Pfarrarchiv Spinges Abb. 10: Carl Robert Schindelmayer, „Das Mädchen von Spinges auf der Kirchhofmauer“, Radierung, in: Tiroler Almanach auf das Jahr 1802, Titelkupfer Abb. 11: Francesco Casanova (1727–1803), „Das Mädchen von Spinges“, Aquarell und Bleistift, © Museo Storico di Trento Abb. 12: „Schlacht bey Spinges und Millbach“, Spielkarte aus dem „Tiroler Tarock“, um 1815, Nachdruck Ferd. Piatnik & Söhne Abb. 13: Jakob Plazidus Altmutter (1780–1819), „Gefecht bei Spinges am 2. April 1797“, 1809, Federzeichnung, aquarelliert, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Graphische Sammlung, TBar 2081 Abb. 14: Joseph Leopold Strickner, „Gräuelszenen aus Tyrol“, Radierung, Nürnberg 1809, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, FB 6504/40 Abb. 15: Belobigungsdekret für „die Weiber und Mädchen der Gemeinde Latzfons“, © Franz Schrott Abb. 16: Magdalena Told als Soldat verkleidet, Votivbild, Kloster Säben, © FAIN Media Abb. 17: „Der Tyroler Hauptmann Hofer, Sandwirt, nebst seiner Familie“, Lithographische Kunstanstalt Franz Humer, München, Postkarte, Scherer Verlag, Innsbruck
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 18: Gedenktafel „Zur Erinnerung an das Gefecht in Pardell am 3. April 1797“, © Raffaella Sarti Abb. 19: Die „wilde Männin“(?), Tiroler Landesarchiv Innsbruck, Landesverteidigungsoberbehörde, Fasz. 29, Sonderfaszikel 1908, Nr. 606-ex 1908 Abb. 20: Gedenkstein für Katharina Lanz in St. Vigil in Enneberg, 1882, © Raffaella Sarti Abb. 21: Gedenktafel für Katharina Lanz an der Spingeser Kirche, 1897, © Raffaella Sarti Abb. 22: Gedenktafel am Widnerhof in Spinges, 1971, © Raffaella Sarti Abb. 23: Edmund von Wörndle, Schell-Acht „das Mädchen von Spinges“, Tiroler Spielkarten mit historischen Motiven, Haymon Verlag, Piatnik Edition Abb. 24: Jan Batista Rudiferia (1870–1925), Altersporträt von Katharina Lanz, Stadtmuseum Meran Abb. 25: Das Spingeser Kreuz, © Raffaella Sarti Abb. 26: Einladung zur Einweihung des Spingeser Kreuzes, Pfarrarchiv Spinges Abb. 27: Pater Norbert Stock, „Der Tag in Spinges“, Cover Abb. 28: Hans Heiden-Herrdegen, „Katharina Lanz“, Zensurexemplar, Niederösterreichisches Landesarchiv, Zensurakten 1910, Zahl 1697, © Niederösterreichisches Landesarchiv Abb. 29: Katharina Lanz auf dem Fenster der Pfarrkirche Spinges, 1909, © Raffaella Sarti Abb. 30: Herz-Jesu-Darstellung auf dem Fenster der Pfarrkirche Spinges, 1909, © Raffaella Sarti Abb. 31: „Für Gott, Kaiser und Vaterland“, Postkarte, Verlag Fritz Gratl, Innsbruck 1909 Abb. 32: „Das Mädchen von Spinges“, Postkarte, Verlag Fritz Gratl, Innsbruck 1909 Abb. 33: „Das Mädchen von Spinges“, versilberte Bronzeplakette nach einem Entwurf von Edmund Klotz, 1909 Abb. 34: Christoph Mahlknecht, „Mädchen aus dem Zillertal im Tiroler Freiheitskampf 1809“, Stahlstich nach einer Zeichnung von Karl Mayer, Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Pk 3.002, 106 Abb. 35: Denkmal für Katharina Lanz in Pieve di Livinallongo/Buchenstein, 1912, © Raffaella Sarti Abb. 36: Kaiser Franz Joseph im Atelier von Josef Parschalk, 1905, Dolomiten 56, 180 (7.8.1979), 5, © Dolomiten, Athesia Druck Abb. 37: Feier der Denkmalsenthüllung 1912 in Livinallongo, © Franco Deltedesco Abb. 38a: Antiitalienische Feldpostkarte des Tiroler Volksbundes, Wagner, Innsbruck 1915 Abb. 38b: Propagandapostkarte der Akademischen Ortsgruppe Wien des Tiroler Volksbundes, Guberner & Hierhammer, Wien Abb. 39: Erich Heermann, „Katharina Lanz Mädchen von Spinges“, Radierung, Postkarte, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, W 12.995 Abb. 40: Katharina Lanz, beschriebene Postkarte nach 1945, Pfarrarchiv Spinges Abb. 41: Denkmal der Katharina Lanz, 1971, St. Vigil in Enneberg, © Raffaella Sarti Abb. 42: Katharina Lanz Trail/Percorso Katharina Lanz in Spinges, © Margareth Lanzinger
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Abb. 43: Christiane Eleonore Prochaska als Schütze August Renz, 1813, Alamy BA7XDF Abb. 44: Johann Christian Schoeller, „Die Barricaden in Wien am 26. May 1848”, Aquarell 1848, Wien Museum Online Sammlung 48339, CCO Abb. 45: Die brigantessa Michelina De Cesare (1841–1868), gemeinfrei Abb. 46: Jean-Baptiste Lesueur, Théroigne de Méricourt en habit d’amazone – als Amazone gekleidet, zwischen 1792 und 1795, Musée Carnavalet, Histoire de Paris, D.9061, CCO Paris Musées Abb. 47: Carl de Vinck, Grand debandement de l’armée anticonstitutionelle, 1792, Bibliothèque nationale de France, Paris, 2964 Abb. 48: Eugène Delacroix, La Liberté guidant le peuple (le 28 juillet 1830), Ölgemälde, Louvre, Paris, CC BY-NC-SA (Europeana Collections) Abb. 49: Mathias Schmid, „Tyrolia“, kolorierter Holzschnitt; 1890, Faksimile Abb. 50: Maria Pita. Defensa de la Coruña en 1589. Narración histórica, facsímil de la edición de La Última Moda, Madrid 18983, Cover Trotz intensiver Bemühungen konnten nicht alle Inhaber von Urheberrechten ermittelt werden. Wir bitten Rechteinhaber, die nicht berücksichtigt wurden, sich an die Autorinnen zu wenden.
Personenregister A Agnoli, Francesco Maria 296, 297, 299 Agreiter, Anton 226 Agreiter, Catarina 143, 272 Agreiter Maneschg, Maria 143, 144 Albrecht, Johann 74 Alfreider, Alois 274 Alfreider, Daniel 306 Algazi, Gadi 28 Altmutter, Franz 74 Altmutter, Jakob Plazidus 63, 74, 75, 76, 77 Alton, Anton/Antonio 183, 184, 223, 224 Andreolli, Marco 297, 298 Andreotti, Giulio 259 Angeli, Hanns 231 Anneke, Mathilda Franziska 316 Antonietti, Colomba 311 Assmann, Aleida 158 Assmann, Jan 158 Aston, Louise 316 Attlmayr, Johann 153 Attlmayr, Joseph von 153 Attlmayr, Sophie von 153 Augustina von Saragossa 120, 127, 136
Beck, Louise 112 Beck, Wilhelmine von 316 Belcredi, Richard 106 Benedikt XVI., Papst 302 Berlusconi, Silvio 300 Beust, Friedrich Ferdinand Graf 121 Blaschnigg Arndt, Fanny 324 Bodoni, Giambattista 63 Borutta, Mario 148 Botta, Carlo 86 Bradamante 17 Brandis, Clemens von 46 Brandis, Johann Graf 90 Brecht, Bertold 5 Britannia 329 Broadbent, Ellinor Lucy 129 Brünhild 17 Buol, Ida Baronesse von 175 Buol, Franz 183 Buol, Marie 183, 188, 190, 222 Busk, Frances Rosalie 125 Busk, Rachel Harriette 125, 126, 127, 130 Butler, A[rthur] J[ohn] 127 Butz, Ursula 198
B Bachmann, Eva 198 Baillie-Grohman, William Adolph 129 Baraguey d’Hilliers, Louis 37, 93 Barillon, Paul 298 Barthes, Roland 29 Bator, Hans 285 Battisti, Cesare 245 Beauchamp, Alphonse de 37
C Camilla 17 Capel, Thomas John 125 Capitanio, Maria 316 Cardini, Franco 299, 302, 303 Casale, Carolina 316 Casanova, Francesco 60, 61, 62, 63, 74, 76, 77, 127 Casanova, Giacomo 61, 62
386 Cedrone, Rosa 316 Cellini, Benvenuto 193 Chasteler, Johann Gabriel von 66 Churchill, George C. 126 Clare, Constance Leigh 199 Clorinda 17 Cole, Laurence 109, 126, 151, 208, 228, 234, 329 Corradini, Johann 274 Craffonara, Lois 23, 100, 155, 295 D Dante Alighieri 128, 146, 165, 166, 167 De Cesare, Michelina 316, 317 Declara, Matthäus/Matî 138, 143, 144, 251 Dejaco, Valerius 285 Delacroix, Eugène 213, 214, 326, 327, 328, 329, 331 Delmas, Antoine Guillaume 37 Delmoneggo, Joseph 247 Derrécagaix, Victor Bernard 38, 41 Dethono (Detono), Anton 138, 251 Diderot, Denis 62 Di Pauli von Treuheim, Andreas Alois 37, 54 Di Pauli von Treuheim, Joseph 183 Domanig, Karl 153, 244, 245 Dorsch, Helga 23 E Egger, Josef 45, 139 Egger-Lienz, Albin 231, 243 Eiberg, Carl von 52 Eichler, Hermann? 142 Emmerick, Anna Katharina 112 Engel, Florian 319 Engel, Regula 319 Erauso, Catalina de 312
Personenregister
Erlacher, Leopold 52 Erler, Franz 231 Eugen, Erzherzog 234, 237 F Faber, Frederick William 124 Fabry, Gabriel 43 Fagschlunger, Georg 47, 134, 162, 164, 175 Falch, Sabine 281 Fallaci, Oriana 283 Fellini, Federico 283 Ferdinand IV., König von Neapel 59, 60 Finazzer, Eugen/Genio 230, 238, 239, 240 Fink, Hans 285 Fischer, Alois 163, 245 Fonseca Pimentel, Eleonora 58, 59, 60, 313 Fontana, Josef 107, 108, 111 Fontana, Wahlkommissär 110 Forcher, Michael 23 Förster, Friedrich Christoph 71 Fraccaro, Riccardo 307 Franz Ferdinand, Erzherzog 210, 234, 237, 238 Franz I., Kaiser 67, 78, 164 Franz Joseph, Kaiser 15, 167, 175, 230, 234, 235, 239, 240 Freinademetz, Josef 118 Friedrich Wilhelm II., König von Preußen 30 Frimmel, Theodor von 62 Froh, Ernst (Alois Jahn) 221 Froude, Richard Hurrell 124 Führich, Anna von 245 Führich, Josef Ritter von 245 G Gadda, Carlo Emilio 283 Galilei, Galileo 5
Personenregister
Gamper, Michael 255 Gargitter, Joseph 285 Garibaldi, Anita (Ana Maria Ribeiro da Silva) 316 Garibaldi, Giuseppe 125, 316 Gasser, Vinzenz 106 Germania 21, 329 Ghera, Patty (Patrizia Socci) 295, 296 Giehrl, Emilia/Emmy 198 Gilbert, Joshiah 126 Giordano, Renato 308 Giovanelli, Ignaz 107, 123 Giovanelli, Marianna Freiin 183 Gogl, Elisabeth 92 Götz, Thomas 108 Grabmayr, Karl von 227 Graf, Friedrich, Ritter von Gaderthurn 105, 111, 118, 120 Graffonara, Merch 275 Granichstaedten-Czerva, Rudolf 92 Grebmer, Maria von 145 Greuter, Josef 107 H Hagemann, Karen 26, 88, 158, 309, 310 Haidacher, Johann/Johannes 170, 217, 281 Haider, Pankraz 52 Haider, Peter 52 Halbwachs, Maurice 158 Hammer, Wilhelm Arthur 260, 261 Hankinson, Charles James (Clive Holland) 128 Harnage, Mary S. (Mrs. Edward Wayne) 198, 199 Hartmann, Ammann 52 Hartung von Hartungen, Christoph 167, 289
387 Haßlwanter, Johann 106 Hauch, Gabriella 314 Hausen, Karin 151 Hechenberger, Ferdinand 137, 139, 141, 142, 144, 145, 146, 147, 162, 171, 178 Heermann, Erich 261, 262, 279 Heiden-Herrdegen, Hans 156, 186, 188, 290 Heindl, Waltraud 27 Heiss, Wolfgang 280 Helfert, Joseph Alexander von 243, 244, 245 Herkules 314 Herwegh, Emma 316 Himmel, Stephanie 178 Hindenburg, Paul von 262 Hirn, Franz 102, 106, 140, 158 Hirth, Georg 266 Hitler, Adolf 256, 267 Hofer, Andreas 15, 67, 76, 78, 94, 95, 125, 126, 129, 151, 152, 164, 167, 179, 195, 197, 198, 199, 202, 205, 206, 230, 259, 285, 286, 296, 297, 298, 299, 302, 303, 330 Hofer, Franz 257, 266 Hofer, Margareta 92 Hofer, Maria 92 Holland, Clive (Charles James Hankinson) 128 Holofernes 190 Hormayr zu Hortenburg, Josef von 46, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 74, 95, 243, 311 Hörtenberger, Anton 54 Hötzendorff, Franz Conrad von 262 Huber, Jakob 145 Hugo, Victor 326 Hunt, Lynn 314
388 I Immer, Nikolas 323 Irsara, Lois 287 Irsara, Otto 242 Italia 329 J Jäger, Albert 107, 141, 142, 147, 153, 244 Jäger, Anna 93 Jahnel, Gustav Adolf 222 Jarcke, Karl Ernst 80 Jeanne d’Arc (Jungfrau von Orleans) 15, 19, 47, 73, 81, 82, 127, 178, 194, 195, 204, 214, 215, 216, 219, 282, 298, 309, 326, 328, 333 Johann, Erzherzog 45, 64, 65, 66, 67, 68 Johannes Paul I., Papst 296 Johannes Paul II., Papst 301 Joubert, Barthélemy-Catherine 23, 30, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 45, 79, 97, 101, 127, 128, 129, 130, 134, 135, 137, 194, 277 Judith 190 Judson, Pieter 233 Jungfrau von Orleans (Jeanne d’Arc) 182, 215, 216, 217, 219, 220, 277, 282, 284, 286 K Kaser, Georg 290 Kaser, Josef 150 Kathrein, Theodor 227 Kaunitz, Wenzel Anton von 62, 63 Keble, John 123, 124 Keilling, Gerichtsschreiber 50 Kerpen, Alexander Baron 30, 38, 44, 52 Kiener, Julius 285, 286, 287
Personenregister
Kienlechner, Toni 283 King Arthur (König Artus) 196 Klaar, Karl 105, 253, 257, 271, 272, 273, 274, 276, 277 Klotz, Edmund 212, 213, 231, 232, 233, 243 Klotz, Eva 299 Klotz, Georg 299 Klotz, Hermann 231 Knorr, Thomas 266 Köfler, Gretl 23 Kollwitz, Käthe 318 König Artus (King Arthur) 196 Körner, Theodor 324 Kossuth, Lajos 316 Kreisky, Bruno 259 L Ladurner, Anna 94, 95 Laichartinger, Simon 34, 49 Laudon, Gideon Ernst von 33, 36, 45, 49 Lebstück, Maria 316 Lehrbach, Ludwig Konrad von 45 Leimgruber, Thomas 32, 49, 50, 51, 105, 177, 218 Leiß zu Laimburg, Johannes von 160 Leitner Ernst 287 Lentner, Ferdinand 91, 105, 177, 178, 179, 218, 219, 272, 275 Leo XIII., Papst 125, 243 Leonardo da Vinci 193 Léon, Pauline 322 Leopold II., Kaiser 121 Lesueur, Jean-Baptiste 322 Lewald, August 52 Leyherr, Trompeter und Landsturmführer 51 Lezuo, A. 239
Personenregister
Lezuo, Alexius/Lessio 247 Lezuo, Emma 238 Liebermann, Max 262 Lönne, Karl-Egon 183 Lonz, Matthäus 138 Lovat, Mattio 304 Luck, Oberstleutnant 44 Ludendorff, Erich 262 Ludwig von Bayern 70 Luini, Bernardino 193 Luise, Königin von Preußen 21, 270 Luperini, Simona 299, 300 M Mader, Ignaz 276 Magnago, Silvius 258, 280, 285, 288 Mahlknecht, Christoph 214 Maneschg, Alois 271 Maneschg, Johann/Giovanni 100, 104, 138, 140, 184, 223, 224, 274 Maneschg, Johann, Kanzlist 172, 273 Maneschg, Karl/Carlo 104, 105, 111, 138, 139, 142, 143, 145, 146, 172, 274, 275 Manfredi, Antonio 283 Mannelli, Erminia 312 Mannocci, Giacomo 299, 300 Maria Karolina von Österreich 59, 60 Marianne 329, 333 Maria Pita 331, 332 Maria Theresia, Kaiserin 59, 115 Marie-Antoinette, Königin 59 Marini, Gioconda 316 Marwyck, Mareen van 323 Masanello, Antonia 316 Mathieu, Jon 198 Matsche-von Wicht, Betka 164 Maubert, chef de brigade du génie 40
389 Maultasch, Margarethe 23 Maurer, Joseph 131, 216, 220 Maximilian I., Kaiser 31, 130, 196 Mayr, Andreas 178, 274 Mayr, Johann Georg 83 Mayr (Meier), Johann 250, 251, 253, 271, 272 Mayr, Michael 273 Mayr, Peter 230 McCrackan, William Denison 129 Menzel, Adolph von 262 Menzel, Wolfgang 35 Méricourt, Théroigne de 322, 323, 326 Metternich, Klemens Wenzel Lothar von 67, 68 Metz, von, k. u. k. Unter-Intendant 311 Meyrswalden, Richard Kralik von 244 Michaeler, Johann 50 Michaeler, Otto 89 Miller, Philipp 33 Moebius, Stephan 333 Moltke, Helmuth von 262 Morganti, Adolfo 298 Mörl, Maria von 112 Mozart, Wolfgang Amadeus 177 Mühlberger, Georg 46 Mühlich, Theodor 267 Müller, Johann 64, 65, 66, 67, 71 Mumelter, Hubert 283 Mussolini, Benito 15, 245, 247, 254, 256 N Nabor, Felix 189, 191, 204 Napoleon Bonaparte 20, 21, 30, 35, 36, 37, 39, 40, 41, 67, 68, 108, 110, 123, 128, 129, 130, 135, 191, 194, 195, 196, 296 Napoleon III. 110, 111
390 Negrelli, Angelo Michele 95 Negrelli, Giuseppina/Josephine 95, 96, 211, 213, 214, 311, 333 Neumann von Konnersreuth, Therese 112 Newman, John Henry 124 Nipperdey, Thomas 109 Nubola, Cecilia 96 O Oliverio, Maria 316 Opitz, Claudia 311
P Paletschek, Sylvia 29 Pallua, Peter 250 Pancheri, Roberto 57 Parschalk, Josef 231, 232, 234, 235, 236 Pasolini, Pier Paolo 283 Paulin, Karl 269, 270 Pecci, Giaocchino 125 Pelizzari, Maria Rosaria 58 Pellicciari, Angela 299 Pendl (Bendel), Emanuel 231 Pennacchio, Filomena 316 Penthesilea 17 Perrot, Michelle 329 Pescosta, Ciprian 155 Petter, August 114 Petzer, Anton von 78 Pfaundler, Franz 47, 48, 101, 136, 184 Pfiffner, Maria 316 Phillips, Georg P. 80 Pichler, Caroline 71 Pitré, Giuseppe 125 Pius V., Papst 300 Pius IX., Papst 106, 107, 112, 126, 199
Personenregister
Pizzinini, Meinrad 45 Planert, Ute 87 Plastino, Nunzia 308 Prato, Giovanni a 165, 166 Preu, Ignaz Theodor von 78 Priesching, Nicole 203 Prochaska, Marie Christiane Eleonore 309, 310 Pusch, Gottfried 54, 55, 57 Pusch, Johann 54, 55, 57 Pusey, Edward Bouverie 124 Q Quasimodo, Salvatore 283 Quellacasa, Alfons 274 R Raff, Dorothea 265 Raff, Helene 263, 264, 265 Raff, Joachim 265 Rainer, Erzherzog 166 Rangger, Lorenz 49 Rasera, Fabrizio 168 Ratzinger, Joseph 301 Rautner, Margareta (Thinner Gretele) 89 Reinisch, Anton 47, 128, 134, 162, 164, 175, 176, 270 Renner, Margarete 318 Renz, August 310 Reuter, Gabriele 265 Ribeiro da Silva, Ana (Anita Garibaldi) 316 Riccabona, Ernst von 146 Riesenfellner, Stefan 163 Riz, Fosca (Maria Foschka?) 143 Roeggl, Alois 44, 54 Rohmeder, Wilhelm 242 Rossini, Gioachino 198
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Personenregister
Rudiferia, Jan/Johann Batista 50, 51, 155, 156 Rudolf von Habsburg 154 Ruepp, Kaspar 137, 138, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 162, 168, 172, 173, 178, 219, 226, 233, 274 S Saba, Umberto 283 Sagmeister, Johann 226 Salvi, Sergio 306 Sampson, Deborah (Robert Shirtliffe) 311, 313 Sanderson, Edgar 127 Sarteschi, Carlo 280 Sartori, Franz 71 Scanagatta, Francesca 312 Scanagatta, Giacomo 312 Scanagatta, Giuseppe 312 Schaching, Otto von (Viktor Martin Otto Denk) 181, 188, 216, 219 Schadelbauer, Karl 54, 55 Schaubach, Adolph 97 Schennach, Martin 87, 92, 93 Scherer, Augustin 85 Schiller, Friedrich 141, 165 Schindelmayer, Carl Robert 57, 63, 74, 77 Schleifer, Moriz 81, 82 Schmid, Ignaz 54 Schmid, Mathias 330 Schneidawind, Josef Adolph 66 Schoeller, Johann Christian 315 Schöpfer, Aemilius 232 Schraut, Sylvia 29 Schultes, Josef August 72 Schwaighofer, Franz 160, 162 Seeber, Joseph 180
Seidl, Johann Georg 83, 103, 136 Senoner, Benedicta 93 Shirtliffe, Robert (Deborah Sampson) 311 Sieberer, Jacob 71 Siegmayr, Peter 230 Simon-Muscheid, Katharina 216 Sisti, Tone de 239 Socci, Patrizia (Patty Ghera) 295 Sparber, Anselm 100, 134, 250, 257, 273, 274, 275, 276, 277, 278, 280 Speckbacher, Josef 199, 230 Staffler, Johann Jakob 136, 139 Stecher, Joseph 48, 72, 132, 135 Steinbacher, Hermann Franz 220, 253 Steinmair, Erwin Adalbert 51 Steub, Ludwig 48, 50, 72, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 272 Stocker, Georg 84 Stock, Norbert 131, 148, 156, 160, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 175, 176, 179, 180, 188, 201, 206, 217, 219, 233, 272 Stolz, Michael 175 Straub, Rosina 93 Streiter, Joseph 78 Strickner, Joseph Leopold 88 Stubenruß, Jakob 104, 257, 259, 276, 277, 278, 279, 280 Stuefer, Karl 286 Sturrock, June 124 Sulzenbacher, Otmar 238 T Tangheroni, Marco 296, 297, 299 Telesko, Werner 69, 166, 330 Thaler, Alois 247 Thinner Gretele (Margareta Rautner) 89, 96, 98
392 Tinti, Karl Wilhelm von 107 Told, Magdalena 93, 94 Tolomei, Ettore 15, 245, 248, 249, 254 Tone, John Lawrence 136 Trebo, Anton 101, 102 Trebo, Maria de 138 Tribus, Max 264, 266, 270 Tyrolia 329, 330, 331 U Ulbrich, Claudia 328 Ungaretti, Giuseppe 283 Unterrichter, Friedrich von 239 Urban VIII., Papst 312 V Vallazza, Isidoro 249 Vansittart, Arthur 125 Vansittart, Charles 125 Vansittart, Cyrill 126 Vassalli, Sebastiano 303, 304, 305, 306 Vergil 146 Viglione, Massimo 298 Viktor Emanuel, König 199 Vinck, Carl de 325 Vittur, Alois/Vijo 204 W Waitz, Karl/Carl 161, 162 Walder, Franz 206, 210 Wallpach, Arthur von 240, 286 Walther von der Vogelweide 166, 167 Wayne, Edward 199 Wayne, Mrs. Edward (Mary S. Harnage) 191, 192, 193, 194, 195, 196, 198, 199, 201 Weber, Beda 79
Personenregister
Weinhold, Karl 167 Wellington, Arthur Wellesley, 1st duke of 195, 196 Wickenburg, Albrecht Graf 220 Wiedemayr, Anna 154, 155 Wikeley, J. Keith 289 Wilhelm I., Kaiser 21 Wilhelm Tell 197, 198 Winkelried, Arnold von 134 Wopfner, Hermann 271 Wörndle, August von 245 Wörndle, Edmund von 35, 153, 154, 210, 243, 244 Wörndle, Heinrich von 53, 243, 244 Wörndle, Maria Josepha von 153 Wörndle, Philipp von 20, 31, 42, 43, 44, 47, 53, 54, 55, 56, 68, 69, 74, 131, 153, 162, 164, 169, 171, 175, 187, 219, 242, 243, 268, 270, 274, 277, 278, 318 Wurzbach, Constant von 135 Y Yonge, Charlotte Mary 123, 125 Z Zettelbauer, Heidrun 263 Ziegler, Kosmas 283 Zimmeter, Alois 141, 162, 171 Zingerle, Ignaz Vinzenz von 157 Zoderer, Anna 92 Zoller, Franz Karl 53