Die Zulässigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen [1 ed.] 9783428549191, 9783428149193

Unter dem Ordnungsbegriff der finanziellen Einheimischenprivilegierung beschäftigt sich Tobias Langeloh mit der verfassu

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German Pages 310 Year 2016

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Die Zulässigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen [1 ed.]
 9783428549191, 9783428149193

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1320

Die Zulässigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen

Von Tobias Langeloh

Duncker & Humblot · Berlin

TOBIAS LANGELOH

Die Zulässigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1320

Die Zulässigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen

Von Tobias Langeloh

Duncker & Humblot · Berlin

Die Fakultät für Rechtswissenschaften der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Sommersemester 2015 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: CPI buchbücher.de, Birkach Printed in Germany

ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-14919-3 (Print) ISBN 978-3-428-54919-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-84919-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für meine Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2015 von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung konnten Rechtsprechung und Literatur bis einschließlich Dezember 2015 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt meinem verstorbenen Doktorvater Herrn Prof. Dr. Arndt Schmehl für seine Unterstützung bei der Konzeption der Arbeit sowie seine konstruktive Begleitung der Bearbeitung. Äußerst dankbar bin ich auch Herrn Prof. Dr. Ulrich Hufeld, welcher sich nach der schweren Erkrankung von Herrn Prof. Dr. Arndt Schmehl bereit erklärt hat, das Erstgutachten für die zu diesem Zeitpunkt bereits fertiggestellte Arbeit zu erstellen. Darüber hinaus hat auch die lehrreiche Zeit, welche ich als Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl an der Helmut-Schmidt-Universität/ Universität der Bundeswehr in Hamburg verbringen durfte, zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Weiterhin danke ich Herrn Jun.-Prof. Dr. Lars Hummel für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Meiner Frau Birgit bin ich nicht nur für das unermüdliche Korrekturlesen, sondern insbesondere auch für ihre liebevolle Unterstützung unendlich dankbar. Ein Dank gebührt auch meiner Schwester Annika sowie meinen Großeltern für ihre Hilfestellungen, welche mir das Schreiben dieser Arbeit erleichtert haben. Mein größter Dank gilt meinen Eltern, Anke und Joachim Möller, für ihren stetigen Rückhalt und ihre vorbehaltlose Unterstützung während des Studiums und der Promotionszeit. Ihnen ist die vorliegende Arbeit gewidmet. Hamburg, im April 2016

Tobias Langeloh

Inhaltsübersicht 1. Kapitel Einleitung

27

A. Problemstellung und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Finanzielle Einheimischenprivilegierungen als Ordnungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 D. Untersuchungsrelevante Fallgestaltungen von finanziellen Einheimischenprivilegierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

2. Kapitel Die Rechtfertigung von finanziellen Einheimschenprivilegierungen in den USA

38

A. Die USA als vergleichbarer Bundesstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 B. Verfassungsmäßigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen in den USA . 40 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

3. Kapitel Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen

55

A. Schutz der Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 B. Das allgemeine Freizügigkeitsrecht nach Art. 11 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 C. Die staatsbürgerliche Gleichheit nach Art. 33 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 D. Der besondere Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

10

Inhaltsübersicht 4. Kapitel Unionsrechtliche Zulässigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen

216

A. Die Vorgaben des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 C. Staatsangehörigkeitsabhängige Einheimischenprivilegierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 5. Kapitel Zusammenfassung

277

A. Die Rechtfertigungsmaßstäbe von finanziellen Einheimischenprivilegierungen . . . . . 277 B. Die Rechtfertigungsfähigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen . . . . . . 278 C. Die verfassungs- und unionsrechtliche Rechtfertigung von finanziellen Einheimischenprivilegierungen auf den unterschiedlichen Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 D. Die verfassungs- und unionsrechtliche Rechtfertigung von staatsangehörigkeitsabhängigen Einheimischenprivilegierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 E. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitung

27

A. Problemstellung und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Finanzielle Einheimischenprivilegierungen als Ordnungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 D. Untersuchungsrelevante Fallgestaltungen von finanziellen Einheimischenprivilegierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Ausschluss von staatlichen (Sozial-)Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Landesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Studiengebühren für Nichtlandeskinder und ausländische Studierende . . . . . . . 33 2. Freiwillige Landesleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 III. Kommunalebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Einheimischentarife: Einheimischenabschlag und Auswärtigenzuschlag . . . . . 35 2. Fremdenabgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3. Einheimischenmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

2. Kapitel Die Rechtfertigung von finanziellen Einheimschenprivilegierungen in den USA

38

A. Die USA als vergleichbarer Bundesstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 B. Verfassungsmäßigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen in den USA

40

I. Der Gleichheitsschutz der US-Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Föderale Gleichheitsgarantien: Privileges and Immunities of Citizenship . . . . . 40 a) The Fourteenth Amendment Privileges or Immunities Clause . . . . . . . . . . . 41 b) The Article IV Privileges and Immunities Clause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Equal Protection – Klausel des 14. Zusatzartikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

12

Inhaltsverzeichnis II. Rechtfertigungsanforderungen der Equal Protection Clause . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Intensitätsabhängige Rechtfertigungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Rational Basis Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Strict Scrutiny Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 c) Intermediate Level of Scrutiny . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Bestimmung des Prüfungsmaßstabs: rational basis test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. Rechtfertigungsgründe für wohnortabhängige Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Keine Beteiligung an der Staatsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Sicherstellung der Einheimischenversorgung und Verhinderung von extern begründeter Überlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4. Rechtfertigungsgründe für die mindestwohnzeitabhängige Klassifizierung . . . 50 a) Sicherstellung eines gerechten Lastenausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b) Lohnenswerte Bildungsinvestition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 c) Unerreichbarkeit des Einheimischenstatus als Klassifizierungsgrenze . . . . . 52

C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

3. Kapitel Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen

55

A. Schutz der Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 I. Begrenzung der sozialen Grundsicherungsleistungen auf deutsche Staatsangehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 B. Das allgemeine Freizügigkeitsrecht nach Art. 11 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I. Eingriff in das Freizügigkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 a) Der Schutzbereich der Freizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 aa) Schutz der positiven Freizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 bb) Schutz der negativen Freizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 b) Eingriffe in die Freizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 aa) Mittelbare Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 bb) Erhöhte Anforderungen an mittelbare Eingriffe durch Abgaben . . . . . . 60 2. Kommunalebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Einheimischentarife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Fremdenabgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 c) Einheimischenmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 aa) Kein Grundstücksverkauf an Auswärtige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 bb) Eingriff in die mobilitätsbezogene Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Inhaltsverzeichnis

13

cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Landesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Wohnsitzabhängige Studiengebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) (Mindestwohnzeitabhängige) Freiwillige Landesleistungen . . . . . . . . . . . . . 64 4. Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 C. Die staatsbürgerliche Gleichheit nach Art. 33 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 I. Einheimischenprivilegierungen als staatsbürgerliche Ungleichbehandlungen . . . . 66 1. Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Staatsbürgerliche Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 bb) Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 cc) Teleologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 dd) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Grundrechtsverpflichtete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 c) Verbotene Ungleichbehandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 aa) Kein allgemeines Differenzierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 bb) Anknüpfung an die formelle Landesstaatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . 74 cc) Anknüpfung an materielle Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Bundes- und Kommunalebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3. Landesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) Wohnsitzabhängige Studiengebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Freiwillige Landesleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 D. Der besondere Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 I. Vorliegen einer Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 a) Rechtfertigungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . 82 b) Festlegung des Rechtfertigungsmaßstabs für finanzielle Einheimischenprivilegierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa) Anwendung auf die Differenzierungskriterien der finanziellen Einheimischenprivilegierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (1) Wohnsitz als Differenzierungsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

14

Inhaltsverzeichnis (2) Staatsangehörigkeit als Differenzierungsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . 86 bb) Konkrete Rechtfertigungsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (1) Legitimer sachlicher Rechtfertigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (2) Orientierung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . 87 (a) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (c) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen . . . . . . . . . . . . . 89 a) Finanzielle Einheimischenprivilegierungen auf Kommunalebene . . . . . . . . . 89 aa) Einheimischentarife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (1) Die Rechtfertigung von Auswärtigenzuschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (a) Rechtfertigung einer über die Kostendeckung hinausgehenden Gebührenhöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (aa) Bedeutung und Vereinbarkeit mit den gebührenrechtlichen Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Kostenüberschreitungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) Äquivalenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (bb) Verhältnismäßigkeit der Gebührenhöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Legitime Gebührenzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 aa) Gesamtkostendeckung durch eine umverteilende Gebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 bb) Vorteilsausgleich durch eine marktwertorientierte Gebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 cc) Lenkungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 dd) Soziale Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) Geeignetheit und Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (b) Rechtfertigung für die Benachteiligung der Auswärtigen . . . . . . 98 (aa) Rechtfertigungsgründe für einen Auswärtigenzuschlag . . . . 98 a) Fehlende Beteiligung an den Gemeinlasten . . . . . . . . . . 99 b) Ausgleich des Kostenrisikos der Kommune . . . . . . . . . . 99 c) Standortwettbewerb: Umzug in die Gemeinde als Lenkungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 d) Sicherstellung der Einheimischenversorgung . . . . . . . . . 103 e) Veranlassung der Nachbarkommunen zum Abschluss von Kostenbeteiligungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . 104 (bb) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Ausgleich des Kostenrisikos der Kommune . . . . . . . . . . 105 b) Standortwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

Inhaltsverzeichnis

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c) Begrenzte Verhaltenssteuerung von Auswärtigen . . . . . . 107 d) Veranlassung der Nachbarkommunen zum Abschluss von Kostenbeteiligungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . 108 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (cc) Rechtfertigungsausschließende Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . 109 a) Zugehörigkeit zu Organisations- und Kooperationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 aa) Zugehörigkeit zu Gemeindeverbänden . . . . . . . . . . . 110 bb) Zugehörigkeit zu kommunalen Verwaltungsorganisationseinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 cc) Zweckverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 dd) Zweckvereinbarung/öffentlich-rechtliche Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 ee) (Kreisfreie) Städte im Stadt-Umland-Verband . . . . . 115 b) Sonstige Finanzzuweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 aa) Einmalige Investitionshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 bb) Laufende Zuweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 c) Kommunaler Finanzausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Grundsätzliche Solidaritätspflicht . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Horizontale Zahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 cc) Bedarfszuweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 dd) Zusätzliche Zuweisungen für „zentrale Orte“ . . . . . 120 ee) Einwohnerveredelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 ff) Zweckzuweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 d) Einwirkung grundrechtlicher Rechtspositionen . . . . . . . 126 aa) Verfassungsrechtlicher Benutzungsanspruch der Auswärtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Auswirkungen eines verfassungsrechtlichen Benutzungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (2) Die Rechtfertigung von Einheimischenabschlägen . . . . . . . . . . . . . . 131 (a) (Gebührenrechtliche) Rechtfertigung einer nicht kostendeckenden Gebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (aa) Vereinbarkeit mit dem Kostendeckungsgebot . . . . . . . . . . . . 131 (bb) Äquivalenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (cc) Vereinbarkeit mit dem staatlichen Schenkungsverbot . . . . . . 133 (b) Rechtfertigungsgründe für die Einwohnerprivilegierung . . . . . . 134 (aa) Berücksichtigung der allgemeinen Lastentragung der Einwohner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

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Inhaltsverzeichnis (bb) Instrument im Standortwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (cc) Sicherstellung einer sozialverträglichen Benutzbarkeit . . . . . 137 (c) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (aa) Berücksichtigung der allgemeinen Lastentragung . . . . . . . . . 137 (bb) Standortwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (d) Ausnahmen bei Finanzierungsverflechtungen . . . . . . . . . . . . . . . 139 (e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Rechtfertigung von Einheimischenmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (1) Rechtfertigung des vergünstigten Gründstückserwerbs . . . . . . . . . . . 140 (a) Schutz der Einwohner vor Verdrängung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (b) Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung in Feriengebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (2) Rechtfertigung einer Mindestwohnzeit als Zusatzkriterium . . . . . . . 142 (3) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (a) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (c) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 cc) Die Rechtfertigung von Kurabgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (1) Besucherspezifische Kur- und Erholungseinrichtungen . . . . . . . . . . 146 (2) Berücksichtigung der allgemeinen Lastentragung . . . . . . . . . . . . . . . 147 (3) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Finanzielle Einheimischenprivilegierungen auf Landesebene . . . . . . . . . . . . 149 aa) Rechtfertigung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren . . . . . . . . . . . 149 (1) Gebührenrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (2) Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . 150 (a) Berücksichtigung der allgemeinen Lastentragung der Einwohner 150 (b) Ausgleich der finanziellen Mehrbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (aa) Mehrbelastung durch auswärtige Studierende . . . . . . . . . . . . 152 (bb) Das Kriterium des hinreichenden Sachzusammenhangs . . . . 152 (cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (c) Lenkungsmittel im föderalen Standortwettbewerb . . . . . . . . . . . 154 (3) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (a) Ausgleich der Mehrbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (b) Lenkungsmittel im Standortwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (4) Ausnahmefähige Einwirkungen auf die Rechtfertigungsgründe . . . . 158 (a) Einwirkungen von Teilhaberechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (aa) Zulassungsbeschränkende Wirkung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

Inhaltsverzeichnis

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(bb) Erhöhte Rechtfertigungsanforderungen der „Numerus clausus“-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Länderübergreifendes System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Keine Grundrechtsentwertung bei flächendeckender Einheimischenprivilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (cc) Berücksichtigung sozialstaatlicher Teilhabeinstrumente . . . . 163 (dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (b) Ausgleichszahlungen im Länderfinanzausgleich . . . . . . . . . . . . . 164 (aa) Rechtfertigungsausschließende Solidaritätspflicht durch die Umverteilung im Länderfinanzausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (bb) Stadtstaatliche Einwohnerveredelung als Mehrbelastungsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (c) Solidaritätspflicht durch Bundeszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (d) Vereinbarkeit mit dem Bundesstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (aa) Spannungsverhältnis zwischen Bundestreue und Wettbewerb 170 (bb) Wohnsitzabhängige Studiengebühren als unlauteres Mittel im Wettbewerbsföderalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (cc) Wettbewerbsbeschränkende Wirkung der konkurrierenden Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (5) Möglichkeiten der Verschärfung des Wohnsitzkriteriums . . . . . . . . . 174 (a) Rechtfertigungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (aa) Berücksichtigung familiärer Vorleistungen . . . . . . . . . . . . . . 174 (bb) Kapazitätssicherung zur Einheimischenversorgung . . . . . . . . 175 (cc) Vereinbarkeit mit der „Numerus clausus“-Entscheidung . . . 175 (b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (6) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Rechtfertigung eines wohnsitz- und mindestwohnzeitabhängigen Erziehungsgeldes als freiwillige Landesleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (1) Keine rechtliche Ungleichbehandlung durch Wohnortanknüpfung 177 (2) Rechtfertigung einer zusätzlichen Vorwohndauer . . . . . . . . . . . . . . . 177 (a) Verhinderung von Mitnahmeeffekten und Leistungstourismus 177 (b) Gezielte Förderung von dauerhaften Landeseinwohnern . . . . . . 179 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Finanzielle Einheimischenprivilegierungen auf Bundesebene . . . . . . . . . . . . 179 aa) Rechtfertigung einer zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (1) Herstellung eines Lastenausgleichs und einer gerechten Finanzierungsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (a) (Kein) Unmittelbarer Zusammenhang von Kraftfahrzeugsteuer und Autobahnfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

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Inhaltsverzeichnis (b) Reformmöglichkeiten zur Rechtfertigung einer zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (2) Gleichheitsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . 183 bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Staatsangehörigkeitsabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen . . . 186 a) Kommunalebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Landesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 aa) Rechtfertigung von Studiengebühren für ausländische Studierende . . . . 187 (1) Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . 187 (a) (Keine) Besondere Verantwortung für deutsche Staatsangehörige 188 (b) Funktionsfähigkeit des Hochschulsystems zur Eigenversorgung 188 (c) Gezielte Förderung von dauerhaft bleibenden Personen . . . . . . . 189 (aa) Förderung deutscher Studierender zur Sicherstellung des Akademikerbedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (bb) Anforderungen an eine legislative Prognoseentscheidung zur Bestimmung der Bleibeperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (cc) Zusätzliche Kriterien neben der Staatsangehörigkeit . . . . . . 193 (dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (d) Völkerrechtliches Gegenseitigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (2) Verhältnismäßigkeit der Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (a) Vermeintlich mildere Alternativmaßnahme: Mindestaufenthalt nach dem Hochschulabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (b) Gebührenhöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (aa) Gebührenrechtliche Bemessungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . 196 (bb) Angemessenheit von kostendeckenden Studiengebühren . . . 198 (3) Mögliche Einwirkungen auf die Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . 198 (a) Teilhaberechte von Studierenden aus dem (EU-)Ausland . . . . . . 199 (b) Vereinbarkeit mit dem Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (c) Völkerrechtliche (Gegenseitigkeits-)Abkommen . . . . . . . . . . . . . 201 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 bb) Rechtfertigung einer Vorenthaltung von Erziehungsgeld als freiwillige Landesleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (1) Gezielte Förderung von Landeskindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (2) Haushaltsmittelkonzentration auf deutsche Staatsangehörige . . . . . . 204 (3) Völkerrechtliches Gegenseitigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 c) Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) Begrenzung von freiwilligen Staatsleistungen auf deutsche Staatsangehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (1) Rechtfertigungsgründe für die Leistungsvorenthaltung . . . . . . . . . . . 205 (a) (Keine) Besondere Verantwortung für deutsche Staatsangehörige 205

Inhaltsverzeichnis

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(b) Gezielte Förderung von dauerhaft bleibenden Personen . . . . . . . 206 (c) Vermeidung von migrationspolitischen Fehlanreizen . . . . . . . . . 207 (d) Völkerrechtliches Gegenseitigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (2) Verhältnismäßigkeit der (zeitlichen) Leistungsvorenthaltung . . . . . . 209 (3) Völkerrechtlich begründete Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (a) Die verfassungsrechtliche Wirkung von völkerrechtlichen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (b) Multilaterale Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (aa) UN-Sozialpakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (bb) Europäische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (cc) Europäische Sozialcharta und Europäisches Fürsorgeabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (c) Bilaterale Gegenseitigkeitsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

4. Kapitel Unionsrechtliche Zulässigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen

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A. Die Vorgaben des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 I. Die europäischen Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 1. Die Schutzbereiche der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 2. Die Grundfreiheiten als Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot . . . . . . . 219 3. Die Rechtfertigungsdogmatik der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 a) Offene Diskriminierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 b) Versteckte Diskriminierungen und Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 aa) Inhaltliche Bestimmung der „zwingenden Erfordernisse des Allgemeininteresses“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 c) Rechtfertigungsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 II. Das allgemeine Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 III. Das freizügigkeitsrechtliche Inländergleichbehandlungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . 225 IV. Beihilferecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 V. Sekundärrechtliche Gleichbehandlungsgebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Verordnung Nr. 492/2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

20

Inhaltsverzeichnis

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 I. Kommunalebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Einheimischentarife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) Einheimischenabschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 aa) Passive Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (1) Schutzbereichseröffnung für Einheimischenabschläge . . . . . . . . . . . 232 (a) Einbeziehung von öffentlichen Dienstleistungen in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (b) Geschützter Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (2) Wohnsitzerfordernis als Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (3) Rechtfertigung aus zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (a) Kommunale Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (b) Kohärenz des kommunalen Finanzsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (aa) Die Kohärenz als allgemeiner Rechtfertigungsgedanke im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (bb) Der Lastenausgleich als Bestandteil der Kohärenz . . . . . . . . 240 (cc) Einheimischenabschläge zum Schutz der Kohärenz des kommunalen Finanzsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (c) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 bb) Freizügigkeitsrechtliches Inländergleichbehandlungsgebot . . . . . . . . . . 243 cc) Gleichbehandlung nach Maßgabe der Verordnung Nr. 492/2011 . . . . . . 244 dd) Beihilferecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) Auswärtigenzuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2. Kurabgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 3. Einheimischenmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 a) Unionsrechtliche Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 aa) Eröffnung des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 bb) Beeinträchtigungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 cc) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 (1) Sicherung von Wohnraum für finanzschwache Einwohner . . . . . . . . 251 (2) Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . 252 (3) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (a) Erforderlichkeit von Zusatzkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (b) Angemessenheit im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 b) Beihilferecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

Inhaltsverzeichnis

21

II. Landesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 1. Wohnsitzabhängige Studiengebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 a) Passive Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 b) Freizügigkeitsrechtliches Inländergleichbehandlungsgebot . . . . . . . . . . . . . . 256 aa) Kein Schutz durch die Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG . . . . . . . . . . 256 bb) Rechtfertigung am Maßstab des Inländergleichbehandlungsgebots . . . . 257 (1) Vermeidung einer übermäßigen Finanzierungsbelastung . . . . . . . . . 257 (2) Erhöhung des Ausbildungsniveaus der ansässigen Bevölkerung . . . 258 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 c) Ausnahmen nach Maßgabe der Verordnung Nr. 492/2011 . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 III. Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 1. Zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 a) Kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 110 AEUV . . . . . 262 b) Unionsrechtlicher Schutz des Individualverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 aa) Die Beeinträchtigung der unionsrechtlichen Freiheiten durch zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 bb) Rechtfertigung zum Schutz der Kohärenz der Autobahnfinanzierung . . 264 cc) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 c) Vereinbarkeit mit der Stillhalteverpflichtung des Art. 92 AEUV . . . . . . . . . 267 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 C. Staatsangehörigkeitsabhängige Einheimischenprivilegierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 I. Freiwillige Sozialleistungen und Studiengebühren im Anwendungsbereich des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 II. Das Gegenseitigkeitsprinzip als Rechtfertigungsgrund für offene Diskriminierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 III. Rechtfertigung von staatsangehörigkeitsunabhängigen Mindestaufenthaltszeiten 271 1. Freiwillige Sozialleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 2. Studiengebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 a) Erhöhung des Ausbildungsniveaus der ansässigen Bevölkerung . . . . . . . . . . 273 b) Vermeidung einer übermäßigen Finanzierungsbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . 274 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

5. Kapitel Zusammenfassung

277

A. Die Rechtfertigungsmaßstäbe von finanziellen Einheimischenprivilegierungen . . . . . 277 I. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 II. Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

22

Inhaltsverzeichnis

B. Die Rechtfertigungsfähigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen . . . . . . 278 I. Die Rechtfertigung von wohnsitzabhängigen finanziellen Einheimischenprivilegierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 1. Finanzielle Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 2. Standortbezogene Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 II. Die Rechtfertigung von staatsangehörigkeitsabhängigen finanziellen Einheimischenprivilegierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 III. Ausnahmen von der Rechtfertigungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 C. Die verfassungs- und unionsrechtliche Rechtfertigung von finanziellen Einheimischenprivilegierungen auf den unterschiedlichen Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 I. Kommunalebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 II. Landesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 III. Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 D. Die verfassungs- und unionsrechtliche Rechtfertigung von staatsangehörigkeitsabhängigen Einheimischenprivilegierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 I. Kommunalebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 II. Landesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 III. Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 E. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309

Abkürzungsverzeichnis ABl. EU Abs. AEUV AO AöR Art. Aufl. Az. BAnz. BauGB BayVBl. BayVerfGH BayVGH BB Bd. BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ Brem.GBl. BremStKG BSGE bspw. BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerfGK BVerwG BVerwGE bzw. ca. Cal. App. CDU CSU Der Staat ders. DM DÖV

Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Auflage Aktenzeichen Bundesanzeiger Baugesetzbuch Bayerische Verwaltungsblätter Bayrischer Verfassungsgerichtshof Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München Betriebs-Berater Band Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bremisches Gesetzblatt Bremisches Studienkontengesetz Entscheidungen des Bundessozialgerichts beispielsweise Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise circa California Court of Appeal Christlich Demokratische Union Deutschlands Christlich Soziale Union in Bayern Zeitschrift für Staatslehre, öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte derselbe Deutsche Mark Die Öffentliche Verwaltung

24 DStR DVBl. ebd. EFG EGMR EL ELF EMRK ErbStG EStG EU EuG EuGH EuGRZ EuR EUV EuZW f. F. FAG FAZ FDP FestG ff. FG FR FS F. Supp. G GA gem. GG GO GS GVBl. Hdb. HdkWP HessVGH HGR Hrsg. HStR InfAusR IStR i.S.v. i.V.m. JA JöR Jura

Abkürzungsverzeichnis Deutsches Steuerrecht Deutsches Verwaltungsblatt ebenda Entscheidungen der Finanzgerichte Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Ergänzungslieferung The European Legal Forum Europäische Menschenrechtskonvention Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Einkommensteuergesetz Europäische Union Gericht der Europäischen Union Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht folgende Federal Reporter Finanzausgleichsgesetz Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Demokratische Partei Festgabe fortfolgende Finanzgericht Finanz-Rundschau Festschrift Federal Supplement Gesetz Generalanwalt gemäß Grundgesetz Gemeindeordnung Gedächtnisschrift Gesetz- und Verordnungsblatt Handbuch Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis Hessischer Verwaltungsgerichtshof (Sitz: Kassel) Handbuch der Grundrechte Herausgeber Handbuch des Staatsrechts Informationsbrief Ausländerrecht Internationales Steuerrecht im Sinne von in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch des öffentlichen Rechts Juristische Ausbildung

Abkürzungsverzeichnis JuS JZ KAG Kap. Kfz KommJur KPD KStZ L. Ed. Lfg. LHG LKV LT-Drs. Mio. Mrd. M-V m.w.N. NJW NJW-RR NordÖR Nr. NRW NVwZ NVwZ-RR OECD OLG OVG P. ParlRat PKW PrOVG RdJB RIW RL Rn. Rs. Rz. S. S. Ct. S-H Sog. SPD St. Rspr. StuW SVR SZ UN UPR

Juristische Schulung Juristenzeitung Kommunalabgabengesetz Kapitel Kraftfahrzeug(e) Kommunaljurist Kommunistische Partei Deutschlands Kommunale Steuer-Zeitung Lawyer‘s Edition Lieferung Landeshochschulgesetz Landes- und Kommunalverwaltung Landtagsdrucksache Millionen Milliarden Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport Organisation for Economic Co-Operation and Development Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Pacific Reporter Parlamentarischer Rat Personenkraftwagen Preußisches Oberverwaltungsgericht Recht der Jugend und des Bildungswesens Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer Rechtssache Randzeichen Seite(n), Satz Supreme Court Reporter Schleswig-Holstein So genannte(n) Sozialdemokratische Partei Deutschlands Ständige Rechtsprechung Steuer und Wirtschaft Straßenverkehrsrecht Süddeutsche Zeitung United Nations Umwelt- und Planungsrecht

25

26 U.S. v. VBlBW verb. VerwArch. VG VGH VGH BW VO Vorb. VR VSSR VVDStRL WissR WRP WRV ZAR z. B. ZESAR ZG ZHR Zif. ZKF

Abkürzungsverzeichnis United States Reports, United States von, vom/versus Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg verbunden(e) Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Sitz: Mannheim) Verordnung Vorbemerkung Verwaltungsrundschau Vierteljahresschrift für Sozialrecht Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschaftsförderung Wettbewerb in Recht und Praxis Weimarer Reichsverfassung Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik zum Beispiel Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Kommunalfinanzen

1. Kapitel

Einleitung A. Problemstellung und Ziel der Untersuchung Der Begriff der finanziellen Einheimischenprivilegierung beschreibt sowohl die finanzielle Bevorteilung der Einwohner1 einer Gebietskörperschaft gegenüber gebietsfremden Personen als auch die finanzielle Privilegierung der deutschen Staatsangehörigen gegenüber ausländischen Staatsangehörigen. Während finanzielle Einheimischenprivilegierungen auf kommunaler Ebene kaum Aufmerksamkeit erregen, führen schon einzelne Vorschläge zur Einführung von derartigen Regelungen auf Bundes- oder Landesebene zu einem gewissen Aufruhr in der Öffentlichkeit: Als Beispiel seien insoweit die öffentlichen Debatten über Autobahnbenutzungsgebühren für im Ausland zugelassene Kraftfahrzeuge sowie die Einführung von Studiengebühren für auswärtige oder ausländische Studierende genannt.2 Im Hinblick auf wohnsitzabhängige Einheimischenprivilegierungen erscheint die Vorstellung, dass alle deutschen Gebietskörperschaften – der Bund, 16 Länder und 11.854 Kommunen3– ihre Einwohner finanziell privilegieren, auf den ersten Blick als befremdlich anmutende Kleinstaaterei. Das Gefühl einer föderalen Fehlentwicklung basiert wohl auch auf einer fast 150 jährigen Tradition der verfassungsrechtlichen Verhütung von innerstaatlichen Differenzierungen in deutschen Bundesstaaten: Erstmals in der gescheiterten Paulskirchenverfassung4, sodann in der Verfassung des Deutschen Reichs5 und in der Weimarer Reichsverfassung6 finden sich Bestimmungen, die auf eine bundesstaatliche Gleichheit aller Deutschen abzielen.7 1 Im Folgenden wird aus Gründen der Lesefreundlichkeit nur die männliche Wortform verwendet. Es sind jedoch stets Personen männlichen und weiblichen Geschlechts gleichermaßen gemeint. 2 Birnbaum, „Seehofer pocht auf PKW-Maut“, Tagesspiegel v. 11. 08. 2013; Müller, „Horst und die Maut“, FAZ v. 02. 09. 2013; Stölb, „Schutzzoll für die Unis“, Die ZEIT v. 02. 11. 2006; Balzter/Volk, „Gebührenpflicht für Gäste“, FAZ v. 08. 06. 2010; Gillmann, „Ausländische Studenten sollen zahlen – Grüne brechen ein Tabu“, Handelsblatt v.16. 08. 2013. 3 Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2011, S. 36: die Kommunen gliedern sich in 11.442 Gemeinden, 301 Landkreise und 111 kreisfreie Städte. 4 Siehe § 134 der Paulskirchenverfassung vom 28. 03. 1849: „Kein deutscher Staat darf zwischen seinen Angehörigen und andern Deutschen einen Unterschied im bürgerlichen, peinlichen und Prozeß-Rechte machen, welcher die letzteren als Ausländer zurücksetzt.“ 5 Artikel 3 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. 04. 1871: „Für ganz Deutschland besteht ein gemeinsames Indigenat mit der Wirkung, daß der Angehörige (Unterthan, Staats-

28

1. Kap.: Einleitung

Eine heute noch geltende Verfassung aus dieser Zeit – die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika vom 17. September 1787, welcher sowohl bei den Beratungen zur Paulskirchenverfassung8 als auch bei denen zum Grundgesetz eine Vorbildwirkung zugeschrieben wird,9 erlaubt hingegen den US-Bundesstaaten die Differenzierung zwischen Einheimischen und Auswärtigen: Schon 1967 stellte Theodor Maunz verwundert fest, dass die USA „ohne Zögern eine bunte Fülle föderaler Differenzierungen auch bei den Rechtspositionen ihrer Bürger aus verschiedenen Gliedstaaten“ zulassen, während solche Differenzierungen in Deutschland „angeprangert, wenn nicht gar der Lächerlichkeit preisgegeben“ würden.10 Dieser Befund gilt nicht nur für wohnsitzabhängige Einheimischenprivilegierungen, sondern auch für staatsangehörigkeitsabhängige Privilegierungen, denn Regelungen zur finanziellen Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen werden in der – auch juristischen11– Öffentlichkeit äußerst konträr diskutiert und können in der Bundesrepublik Deutschland durchaus als Reizthema angesehen werden.12 Sowohl wohnsitzabhängige als auch staatsangehörigkeitsabhängige Einheimischenprivilegierungen dürften mit den verfassungs- und unionsrechtlichen Gleichheitsrechten in Konflikt geraten, so dass die Frage nach den Rechtfertigungsmöglichkeiten solcher Regelungen in den Mittelpunkt des rechtswissenschaftlichen Interesses rückt. In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass finanzielle Einheimischenprivilegierungen nicht nur zu finanziellen Ungleichbehandlungen führen, sondern überwiegend auch auf finanziellen Rechtfertigungserwägungen beruhen: Als Begründung für die Bevorteilung der eigenen Einwohner werden beispielsweise bürger) eines jeden Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaat als Inländer zu behandeln und demgemäß zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetriebe, zu öffentlichen Aemtern, zur Erwerbung von Grundstücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechtes und zum Genuss aller sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen wie der Einheimische zuzulassen […] ist.“ 6 Art. 110 Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung vom 11. 08. 1919: „Jeder Deutscher hat in jedem Lande des Reichs die gleichen Rechte und Pflichten wie die Angehörigen des Landes selbst.“ 7 Sachs, AöR 108 (1983), 68 (80); Maunz, GS Peters, S. 558 f. 8 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 48 f. 9 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 50 ff. 10 Maunz, GS Peters, S. 558 (562). 11 Im sozialrechtlichen Schrifttum wird beispielsweise der Vorschlag zur Einführung einer staatsangehörigkeitsabhängigen Gewährung von Sozialleistungen als „Anregung aus einem unzeitgemäßen und seit 1945 überwundenen Nationalismus“ sowie als „internationalrechtlich anstößig“ abgelehnt: Eichenhofer/Abig, Zugang zu steuerfinanzierten Sozialleistungen nach dem Staatsangehörigkeitsprinzip?, S. 63. 12 Beispielsweise reagierte die SPD als Koalitionspartner der Grünen in Baden-Württemberg auf deren Vorschlag zur Einführung einer Studiengebühr für ausländische Studierende mit starker Ablehnung, siehe Gillmann, „Ausländische Studenten sollen zahlen – Grüne brechen ein Tabu“, Handelsblatt v.16. 08. 2013.

B. Gang der Untersuchung

29

deren – als Teil der jeweiligen Gemeinschaft – schon erbrachten finanziellen Leistungen,13 ihre geldwerte Wirkung für die Gebietskörperschaft in den Finanzausgleichssystemen14 oder die ausschließliche Zuständigkeit für die soziale Sicherung der eigenen Einwohner15 angeführt. Das Bundesverfassungsgericht begegnet finanziellen Rechtfertigungserwägungen eher skeptisch und vertritt zu deren Zulässigkeit eine wenig aussagekräftige „Regel-Ausnahme-Regel“16 : „Es ist zwar richtig, daß auch finanzielle Erwägungen sachgerecht und geeignet sein können, den Vorwurf der Willkür zu entkräften. In aller Regel sind jedoch […] finanzielle Erwägungen und fiskalische Bemühen, Ausgaben zu sparen, für sich genommen nicht als sachgerechte Gründe anzusehen, die eine differenzierende Behandlung verschiedener Personengruppen rechtfertigen könnten.“17 Im Hinblick auf die Rechtfertigungsfähigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen lässt sich somit feststellen, dass in der Bundesrepublik Deutschland sowohl wohnsitz- und staatsangehörigkeitsabhängige Differenzierungen als auch finanzielle Rechtfertigungserwägungen wenig akzeptiert sind. Das Ziel dieser Untersuchung ist es daher, die verfassungs- und unionsrechtlichen Rechtfertigungsmöglichkeiten von finanziellen Einheimischenprivilegierungen auf der Bundes-, Landes- und Kommunalebene zu durchleuchten, um die Frage nach der Zulässigkeit von derartigen Regelungen zu beantworten. In Anbetracht des weiten Regelungsbereichs kann die Rechtfertigungsfähigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen nicht abstrakt und losgelöst von konkreten Beispielen behandelt werden, sondern erfordert eine regelungsbezogene Untersuchung der existierenden sowie der öffentlich diskutierten Einheimischenprivilegierungen.

B. Gang der Untersuchung Ausgangspunkt der Untersuchung ist die inhaltliche Bestimmung der finanziellen Einheimischenprivilegierungen als Ordnungsbegriff sowie die Darstellung der existierenden und denkbaren Ausformungen von derartigen Regelungen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene. Diese Regelungsbeispiele bilden die Grundlage für die Untersuchung der Rechtfertigungsmöglichkeiten von finanziellen Einheimischenprivilegierungen, so dass im Folgenden nicht mehr zwischen existierenden, 13

Argumentation der Gemeinde im „Musikschulen-Fall“, NVwZ 1997, 620 (621). Mitteilung des Bremischen Senats vom 15. 09. 2005, Drs. 16/758, http://www.bremischebuergerschaft.de/drucksachen/127/2694_1.pdf (abgerufen am 23. 04. 2015). 15 Argumentation der Bundesregierung vor dem EuGH im Fall „Gerritse“, C-234/01, Rn. 36. 16 Osterloh/Nußberger verwenden die Begrifflichkeit eines „Einerseits – Andererseits“, in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 97. 17 BVerfGE 19, 76 (84); ähnlich: E 75, 40 (72). 14

30

1. Kap.: Einleitung

geplanten oder rein fiktiven Regelungsfällen unterschieden wird. In Anbetracht der in der Bundesrepublik Deutschland vorherrschenden Skepsis gegenüber interföderalen Differenzierungen und finanziellen Rechtfertigungsgründen beginnt die Untersuchung mit einer Analyse der Rechtfertigungsgründe für finanzielle Einheimischenprivilegierungen in den USA, denn in den US-Bundesstaaten ist die wohnsitzund mindestwohnzeitabhängige Erhebung von höheren Auswärtigenstudiengebühren an den staatlichen Hochschulen allgemein anerkannt.18 Eine Analyse der Rechtfertigungsgründe für diese Ungleichbehandlung kann daher neue Perspektiven für die „deutschen“ Rechtfertigungsüberlegungen eröffnen. Der Hauptteil besteht dann in der verfassungs- und unionsrechtlichen Untersuchung der Rechtfertigungsmöglichkeiten für die Beispielsfälle von finanziellen Einheimischenprivilegierungen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene. Im Hinblick auf den unterschiedlichen Diskriminierungscharakter ist dabei eine getrennte Untersuchung von wohnsitz- und staatsangehörigkeitsabhängigen Einheimischenprivilegierungen erforderlich. Zur Herstellung einer Vergleichbarkeit der Rechtfertigungserwägungen erfolgt eine parallele Untersuchung der einzelnen Einheimischenprivilegierungen anhand der einschlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes sowie des Unionsrechts.

C. Finanzielle Einheimischenprivilegierungen als Ordnungsbegriff In der deutschen Rechtswissenschaft wurde der Begriff der Einheimischen-privilegierung bisher nur im Zusammenhang mit der Bevorzugung von Einwohnern in kommunalen Sachverhalten verwendet.19 Soweit ersichtlich, stammt der Begriff von Martin Burgi, welcher Einheimischenprivilegierungen als „Leistungen im weitesten Sinne, die auf der Ebene des Gemeindegebiets den Ortsansässigen mit dem Ziel von deren Besserstellung gegenüber auswärtigen Personen gewährt werden“20 definiert hat. Es handelt sich bei dem Begriff der „Einheimischenprivilegierung“ jedoch nicht um einen feststehenden Rechtsbegriff, welcher nur kommunale Sachverhalte erfasst. Im Allgemeinen dienen Rechtsbegriffe der Darstellung einer rechtlichen Sollensanordnung und werden daher typischerweise in Normen verwendet,21 wohingegen 18 Allgemein zu nonresident-tuitions: Kern/Klingt, American College and University Law, S. 104 ff.; Hendrickson/Jones, 2 (1973) Journal of Law & Education, 443 ff.; Chandler, 6 (1972 – 1973) Indiana Law Review, 282 ff. 19 Burgi, JZ 1999, 873; Oebbecke, ZHR 164 (2000), 375 (381); Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht. 20 Burgi, JZ 1999, 873 (874). 21 Arloth/Tilch, Deutsches Rechts-Lexikon Bd. 3, S. 3459; Schmalz, Methodenlehre für das juristische Studium, Rn. 155.

D. Fallgestaltungen von finanziellen Einheimischenprivilegierungen

31

der Begriff der Einheimischenprivilegierung einen Lebenssachverhalt – nämlich die Bevorzugung von Einheimischen gegenüber auswärtigen Personen – beschreibt, welcher noch keine rechtliche Relevanz besitzt.22 Dementsprechend kann der Begriff der finanziellen Einheimischenprivilegierung als Ordnungsbegriff für ein offenes Feld von Sachverhalten verwendet werden,23 so dass darunter auch die finanziellen Privilegierungen von Einheimischen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene gefasst werden können. In dieser Untersuchung werden unter den Begriff der finanziellen Einheimischenprivilegierungen in erster Linie die wohnsitzabhängigen Regelungen von Gebietskörperschaften gefasst, welche eine direkte finanzielle Bevorteilung der Einwohner gegenüber gebietsfremden Personen herbeiführen. Darüber hinaus soll der gewählte Untersuchungsbegriff auch staatsangehörigkeitsabhängige Regelungen erfassen, welche zu einer finanziellen Privilegierung der deutschen Staatsangehörigen gegenüber den ausländischen Staatsangehörigen führen.

D. Untersuchungsrelevante Fallgestaltungen von finanziellen Einheimischenprivilegierungen I. Bundesebene Auf Bundesebene lässt sich eine finanzielle Einheimischenprivilegierung auf vielerlei Wegen realisieren: Beispielsweise könnte der Bund ausländische Staatsangehörige von der Gewährung staatlicher Sozialleistungen ausschließen oder Personen ohne einen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland mit Abgaben für die Benutzung der öffentlichen Infrastruktur belasten. Nicht unter den Begriff der finanziellen Einheimischenprivilegierungen sollen hingegen die Regelungen zur Besteuerung von beschränkt Steuerpflichtigen gefasst werden, auch wenn mit ihnen eine finanzielle Benachteiligung von Auswärtigen einhergeht. Dies betrifft insbesondere die Nichtberücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der beschränkt Steuerpflichtigen – beispielsweise durch die Nichtabziehbarkeit eines Grundfreibetrags, der Sonderausgaben und außergewöhnlicher Belastungen,24 aber auch geringere Freibeträge bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer.25 Derartige Regelungen dienen nicht der Einheimischenprivilegierung, sondern sind Ausdruck von internationalen Besteuerungsgrundsätzen: Es handelt sich

22

Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 30; Begriffe ohne rechtliche Relevanz können keine Rechtsbegriffe sein: Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, S. 5; Faber, Europarechtliche Grenzen kommunaler Wirtschaftsförderung, S. 3. 23 So auch: Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 30. 24 Siehe § 50 Abs. 1 EStG. 25 Siehe § 16 ErbStG.

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1. Kap.: Einleitung

um einen von der OECD26 und der deutschen27 sowie europäischen28 Rechtsprechung anerkannten Grundsatz, dass die steuerliche Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen eine primäre Aufgabe des Wohnsitzstaates darstellt. 1. Ausschluss von staatlichen (Sozial-)Leistungen Die direkteste Form der Einheimischenprivilegierung dürfte der Ausschluss ausländischer Staatsangehöriger von der Gewährung staatlicher Leistungen sein. In Betracht kommen dabei Leistungen zur existenziellen Grundsicherung sowie auch bei darüber hinausgehenden Staatsleistungen. 2. Zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühren Während die Bundesrepublik Deutschland ihr Autobahnnetz, abgesehen von der LKW-Maut, bisher überwiegend aus Steuern finanziert, greifen andere europäische Staaten vergleichsweise stärker auf zeit- oder streckenabhängige Straßenbenutzungsgebühren zurück, um die Kosten der Straßenfinanzierung den Verkehrsteilnehmern aufzuerlegen.29 Im Jahr 2013 fand – auf Betreiben der CSU30– das Projekt einer „PKW-Maut für Ausländer“ seinen Eingang in den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und der SPD.31 Konkret einigte sich die genannte Regierungskoalition auf die Einführung einer „europarechtskonformen PKW-Maut“, mit der die „Halter von nicht in Deutschland zugelassenen PKW an der Finanzierung zusätzlicher Ausgaben für das Autobahnnetz“ beteiligt werden sollen, „ohne im Inland zugelassene Fahrzeuge höher als heute zu belasten“.32 Zur Vermeidung dieser zusätzlichen Belastung der inländischen Kraftfahrzeughalter plant die Bundesregierung eine Verrechnung der Autobahnabgabe mit der 26

Siehe die Wohnsitzanknüpfung in Art. 15 OECD-Musterabkommen 2010. BVerfGE 43, 1 (10); IStR 2010, 327 (328); BFHE 154, 38 (46); Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rn. 115. 28 EuGH, Rs. C-279/93, Rz. 31 ff., Schumacker; Rs. C-391/97, Rz. 5 f., 23 f., Gschwind; Rs. C-234/01, Rz. 44, Gerritse; Rs. C-169/03, Rz. 16, Wallentin. 29 Ein Überblick über die Straßenbenutzungsgebühren in europäischen Staaten (u. a. Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Portugal, Spanien, Österreich, Slowakei, Tschechien) findet sich bei: Hering, SVR 2012, 329 ff.; siehe auch die Mitteilung der Kommission über die Erhebung nationaler Straßenbenutzungsgebühren auf leichte Privatfahrzeuge vom 14. 05. 2012, COM (2012) 199 final, S.13 f. 30 Gaugele/Issig/Kamann, „Seehofer erklärt PKW-Maut zur Koalitionsfrage“, Die Welt v. 26. 7. 2014. 31 Siehe den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode, S. 9. 32 Siehe den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode, S. 9. 27

D. Fallgestaltungen von finanziellen Einheimischenprivilegierungen

33

Kraftfahrzeugsteuer: Ausweislich der verfügbaren Gesetzentwürfe soll eine Infrastrukturabgabe eingeführt werden, welche von in- und ausländischen Fahrzeughaltern für die Benutzung des Bundesfernstraßennetzes mit PKW gezahlt werden muss.33 Die Halter von im Ausland zugelassenen Fahrzeugen müssen die Infrastrukturabgabe nur für die Benutzung von Bundesautobahnen entrichten, wobei sie benutzungszeitabhängige Vignetten für zehn Tage, zwei Monate oder ein Jahr erwerben können.34 Gleichzeitig wird die Kraftfahrzeugsteuer für jeden Fahrzeugtyp um einen Steuerentlastungsbetrag gemindert, welcher der Infrastrukturabgabe für das jeweilige Fahrzeug entspricht und diese damit kompensiert.35 Letztendlich bewirkt diese Kompensationslösung eine faktische Schlechterstellung von Autobahnbenutzern mit im Ausland zugelassenen und daher in der Bundesrepublik Deutschland nicht kraftfahrzeugsteuerpflichtigen Personenkraftwagen.36 Eine solche Umweg-Gestaltung ist daher nur vor dem Hintergrund der Grundsatzfrage zu verstehen und einzuordnen, ob eine zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühr gerechtfertigt werden kann. Bis zum Abschluss des Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland, welches die EU-Kommission nach dem Beschluss des Bundestages über die Einführung der Infrastrukturabgabe eröffnet hat, soll von einer Erhebung der Infrastrukturabgabegesetzes abgesehen werden.37

II. Landesebene 1. Studiengebühren für Nichtlandeskinder und ausländische Studierende Wohnsitzabhängige Studiengebührenmodelle wurden in den letzten Jahren von mehreren Ländern eingeführt und wieder abgeschafft.38 Exemplarisch sei dabei das ehemalige Bremische Studienkontengesetz39 genannt, wonach nicht in Bremen wohnhafte Studierende nach zwei kostenlosen Freisemestern eine Studiengebühr in 33

Siehe § 1 Abs. 1 des Entwurfs zum Infrastrukturabgabengesetz, BT-Drs. 18/3990, S. 7. Siehe § 1 Abs. 2 des Entwurfs zum Infrastrukturabgabengesetz (ebenda). 35 Siehe § 9 Abs. 6 – 8 im Entwurf für das neue Kraftfahrzeugsteuergesetz (Zweites Verkehrsteueränderungsgesetz, BT-Drs. 18/3991, S. 8. 36 Siehe auch: Fehling, ZG 2014, 305 (311). 37 Stabenow, „Mautirritationen – der Ton wird schärfer“, FAZ v. 18. 6. 2015. 38 Rheinland-Pfalz plante im Jahr 2006 ein Studienkontenmodell, welches nach einem Freisemester eine Studiengebührenpflicht für auswärtige Studierende vorsah: siehe den Gesetzentwurf zu § 70 Abs. 2 Hochschulgesetz vom 31. 10. 2006, Landtag Rheinland-Pfalz, Drs. 15/400, S. 1 ff.; die Freie und Hansestadt Hamburg führte im Jahr 2003 eine Metropolgebühr ein, welche Studierende zahlen mussten, die nicht in einem bestimmten Umkreis um Hamburg ihren Wohnsitz hatten, siehe die Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 05. 11. 2002, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 17/1661, S. 1, 4 f. 39 In der Fassung bis zum 30. 06. 2010. 34

34

1. Kap.: Einleitung

Höhe von 500 Euro zahlen mussten, während den einheimischen Studierenden ein Studienguthaben von vierzehn Freisemestern gewährt wurde, so dass nur die Landeskinder in den Genuss eines gebührenfreien Hochschulstudiums kamen.40 Im Anschluss an verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, welche die Verfassungsmäßigkeit von derartigen Landeskinderregelungen bezweifelten,41 schaffte das Land Bremen das Studiengebührenmodell ab. Im Jahr 2013 wurde die Einschätzung des Verwaltungsgerichts Bremen zudem durch eine mit 6:2 Stimmen ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt.42 In jüngster Vergangenheit wurde zudem die Forderung nach einer finanziellen Beteiligung der ausländischen Studierenden an der Studienplatzfinanzierung verstärkt in die Öffentlichkeit getragen: Beispielsweise fordern die Grünen als Regierungspartei in Baden-Württemberg eine Studiengebühr für Studierende aus NichtEU-Staaten.43 Diese Forderung wurde zudem von Horst Hippler als Präsident der Hochschulrektorenkonferenz mit den Worten „Da wir als Deutsche im Ausland außerhalb der EU Gebühren zahlen, wäre das auch umgekehrt in Ordnung“44 unterstützt. Zudem hat die Leipziger „Hochschule für Musik und Theater“ zum Sommersemester 2013 eine Semesterstudiengebühr in Höhe von 1.800 E für solche Studierende eingeführt, die nicht Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sind.45 2. Freiwillige Landesleistungen Einige Länder gewähren nicht berufstätigen Eltern ein Erziehungsgeld als freiwillige Landesleistung.46 Dabei grenzen die Länder den Kreis der Anspruchsbe40 41

949. 42

Siehe §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 Bremisches Studienkontengesetz. VG Bremen, Beschluss v. 17. 09. 2007, Az. 6 K 1577/06; OVG Hamburg, NVwZ 2006,

BVerfGE 134, 1. Schmoll, „Und wieder wird über Studiengebühren nachgedacht“, FAS v. 18. 08. 2013; siehe auch die Forderung des damaligen nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministers Andreas Pinkwart und des früheren Berliner Bildungssenators Jürgen Zöllner: Wiarda, „Alle mal herkommen“, Die Zeit v. 25. 02. 2010; weitere öffentliche Forderungen nach Studiengebühren für (Nicht-EU)-Ausländer: Spiewak, „Geld im Gepäck – Studenten aus Nicht-EUStaaten sollten in Deutschland zahlen“, Die Zeit v. 02. 08. 2012; Balzter/Volk, „Gebührenpflicht für Gäste“, FAZ v. 08. 06. 2010. 44 Gillmann, „Ausländische Studenten sollen zahlen – Grüne brechen ein Tabu“, Handelsblatt v.16. 08. 2013. 45 Siehe § 5 Abs. 2 der Gebühren und Entgeltordnung der HMT Leispzig (http://www.hmtleipzig.de/home/bewerber/gebuehren/info_item_363884/o_ao_gebuehrenordnung_130220_13 0904.pdf, abgerufen am 23. 04. 2015); Horstkotte, „Wer in Deutschland studieren will, soll zahlen“, Die ZEIT v. 16. 04. 2013. 46 Siehe § 1 Sächsisches LandeserziehungsgeldG (GVBl. 2008, S. 60); Art. 1 Bayerisches LandeserziehungsgeldG (GVBl. 2007, S. 442); § 1 Thüringisches ErziehungsgeldG (GVBl. 2006, S. 46). 43

D. Fallgestaltungen von finanziellen Einheimischenprivilegierungen

35

rechtigten nicht nur nach dem Wohnsitz, sondern auch mit dem Kriterium einer Mindestaufenthaltsdauer weiter ein.47 Das Kriterium der Staatsangehörigkeit wurde hingegen nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wieder abgeschafft.48

III. Kommunalebene Finanzielle Einheimischenprivilegierungen auf kommunaler Ebene betreffen die Privilegierungsinstrumente von Gemeinden (Kommunen) in Gestalt von Einheimischentarifen, Fremdenabgaben und Einheimischenmodellen. 1. Einheimischentarife: Einheimischenabschlag und Auswärtigenzuschlag Unter den Oberbegriff der Einheimischentarife soll die Erhebung höherer Gebühren von Nichtgemeindeeinwohnern für die Benutzung von öffentlichen Einrichtungen gefasst werden.49 Innerhalb der Einheimischentarife muss zwischen Einheimischenabschlägen und Auswärtigenzuschlägen unterschieden werden: Beim Einheimischenabschlag bezuschusst eine Gemeinde die Benutzungsgebühren ihrer Einwohner, während die auswärtigen Benutzer eine kostendeckende und gegenwertorientierte Gebühr zahlen müssen.50 Beim Auswärtigenzuschlag werden hingegen die Benutzungsgebühren der Auswärtigen mit einem zusätzlichen Aufschlag erhöht, so dass die Nichtgemeindemitglieder eine über den Wert der Gegenleistung hinausgehende Gebühr für die Benutzung der öffentlichen Einrichtung entrichten müssen.51 In der kommunalen Praxis erfreuen sich insbesondere die auch als „Strafzuschläge“52 bezeichneten Auswärtigenzuschläge einer gewissen Beliebtheit.53 Der Anwendungsbereich von kommunalen Einheimischentarifen ist das Benutzungsverhältnis von öffentlichen Einrichtungen. Im Allgemeinen wird unter den 47

Siehe Art. 1 Abs. 1 Nr. 1, 6 Bayerisches LandeserziehungsgeldG. BVerfGE 130, 240. 49 Der Begriff stammt von Leidenmühler/Dirisamer/Obermayr, ELF 2005, II-2. 50 Gern, VBlBW 1996, 201 (202). 51 Gern, VBlBW 1996, 201 (202). 52 Gern, VBlBW 1996, 201 (202). 53 Eine Stichwortsuche mit gängigen Internetsuchmaschinen führt zu tausenden Ergebnissen, von denen einige hier als Beispiele genannt werden sollen: die Gemeinde Erkenbrechtsweiler erhebt auf ihrem Friedhof einen Auswärtigenzuschlag in Höhe von 100 % (Friedhofssatzung vom 26. 7. 2004, http://www.erkenbrechtsweiler.de/seite204.htm); die Stadt Rauenberg hat eine eigene Gebührensatzung für die Benutzung ihrer Musikschule durch Auswärtige, in der jährliche Zuschläge in Höhe von 48 bis 228 Euro geregelt sind (http:// www.musikschule-rauenberg.de/index.php/Geb%C3 %BChren.html). 48

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1. Kap.: Einleitung

Begriff der öffentlichen Einrichtung jede (organisatorische) Zusammenfassung von Personen und Sachmitteln gefasst, die von der Gemeinde zu Zwecken der Daseinsvorsorge im öffentlichen Interesse unterhalten wird und durch Widmung der allgemeinen Benutzung durch die Gemeindeeinwohner offensteht.54 Unter diesen weiten Begriff fallen beispielsweise Schwimmbäder, Musikschulen, Volkshochschulen, Museen, Bibliotheken oder auch Friedhöfe.55 Die Wahl der Organisationsform der öffentlichen Einrichtung und die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses unterliegen grundsätzlich der Entscheidungsfreiheit der Betreiberkommune.56 Eine privatrechtliche Ausgestaltung von Organisationsform und Benutzungsverhältnis bewirkt, dass zivilrechtliche Vertragsentgelte für die Benutzung der öffentlichen Einrichtung erhoben werden.57 Im Übrigen bleibt die öffentliche Einrichtung gem. Art. 1 Abs. 3 GG an das Verwaltungsprivatrecht in Form der Grundrechte und der öffentlich-rechtlichen Grundsätze gebunden.58 Im Rahmen der Untersuchung wird vom Leitbild einer öffentlichen Einrichtung mit einer öffentlichrechtlichen Organisationsform und einem öffentlich-rechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnis ausgegangen. 2. Fremdenabgaben Unter den Begriff der Fremdenabgaben fallen die Kurabgabe und Kurtaxe, welche von auswärtigen Besuchern regelmäßig entrichtet werden müssen, wenn sie sich in einer als Kur- oder Erholungsort ausgewiesenen Gemeinde aufhalten,59 während die Benutzung der jeweiligen Kur- und Erholungseinrichtungen für die Einwohner kostenlos ist.60 Die vom Bundesverwaltungsgericht auch als „Bagatellabgabe“61 bezeichneten Fremdenabgaben stoßen in der Bevölkerung zumeist auf wenig Gegenliebe,62 werden jedoch in der kommunalrechtlichen Literatur als „ein alles in allem gerechtes Recht“63 angesehen. 54 Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 528; Burgi, Kommunalrecht, § 16, Rn. 5; Geis, Kommunalrecht, § 10, Rn. 12; Mann, in: Mann/Püttner, HdkWP I, § 17, Rn. 19. 55 Geis, Kommunalrecht, § 10, Rn. 13; Mann, in: Mann/Püttner, HdkWP I, § 17, Rn. 19. 56 Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 532, 535; Burgi, Kommunalrecht, § 16, Rn. 12 f., 52; Geis, Kommunalrecht, § 10, Rn. 21, 29. 57 Burgi, Kommunalrecht, § 16, Rn. 57. 58 BVerwG, NVwZ 1991, 59; Burgi, Kommunalrecht, § 16, Rn. 50; Geis, Kommunalrecht, § 10, Rn. 31; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17, Rn. 1. 59 Bayer/Elmenhorst, KStZ 1995, 141 (142); Schneider-Bienert, Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgabe, S. 5; Hamm, Kurverwaltung und Kurtaxen in der Bundesrepublik Deutschland, S. 69; in sog. Staatsbädern wird die Kurabgabe hingegen von den Ländern erhoben: Schneider-Bienert, Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgabe, S. 5. 60 Siehe beispielsweise § 43 Abs. 2 KAG Baden-Württemberg. 61 BVerwG, NVwZ 2001, 689 (691). 62 Siehe Rodrian, „Der ewige Kurtaxen-Ärger an Deutschlands Urlaubsorten geht weiter“, WAZ v. 03. 03. 2012. 63 Bayer/Elmenhorst, KStZ 1995, 141 (144).

D. Fallgestaltungen von finanziellen Einheimischenprivilegierungen

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3. Einheimischenmodelle Einheimischenmodelle sollen zumeist die Einwohner von solchen Gemeinden schützen, die in Feriengebieten oder in Großstadtnähe gelegen sind und deren Immobilienpreise aufgrund der starken Nachfrage von finanzstarken Auswärtigen massiv angestiegen sind, so dass die Einwohner den Erwerb einer Immobilie nicht mehr finanzieren können und letztendlich aus ihrer Heimatgemeinde verdrängt werden.64 Mithilfe von Einheimischenmodellen können Gemeinden, die unter einem derartigen Anstieg der Grundstückspreise leiden, ihren Einwohnern den Erwerb von Bauland zu deutlich günstigeren Preisen ermöglichen.65 Dabei beinhalten Einheimischenmodelle eine doppelte Ungleichbehandlung, da sie neben einem aktuellen Wohnsitz regelmäßig auch eine Mindestwohnzeit verlangen,66 so dass nicht nur Auswärtige, sondern auch Teile der Einwohnerschaft ausgeschlossen werden. Sinn und Zweck dieser Modelle ist es, die eigenen Gemeindeeinwohner vor dem Verdrängungswettbewerb auf dem Immobilienmarkt zu schützen und insbesondere jungen Familien eine Existenzgründung in ihrer Heimatgemeinde zu ermöglichen.67 Rechtlich untergliedern sich die Einheimischenmodelle in verschiedene Untermodelle in Form der Verkauf-, Vertrags- und Zwischenerwerbsmodelle.68 Letztendlich führen alle Modelle zu einer finanziellen Privilegierung der einheimischen Bevölkerung in Form von vergünstigten Grundstückspreisen, so dass lediglich die Grundsatzfrage nach der verfassungs- und unionsrechtlichen Zulässigkeit der verbilligten Grundstücksabgabe – nicht jedoch die Details der einzelnen Modelle – Gegenstand der Untersuchung sein soll.

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Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 15. Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 15. 66 Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 15; siehe die Vergaberichtlinie der Gemeinde Eiselfing (http://www.eiselfing.de/ERiLI.pdf (abgerufen am 23. 04. 2015)). 67 Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 107 f.; Beck, Einheimischenmodelle in Bayern, S. 1 ff. 68 Siehe Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 15. 65

2. Kapitel

Die Rechtfertigung von finanziellen Einheimschenprivilegierungen in den USA In der US-Rechtsprechung und Rechtswissenschaft werden interföderale Differenzierungen und finanzielle Einheimischenprivilegierungen schon seit Ende des 19. Jahrhunderts thematisiert.1 Eine in der US-amerikanischen Lebenswirklichkeit sehr präsente Einheimischenprivilegierung ist die wohnsitz- und mindestwohnzeitabhängige Erhebung von höheren Auswärtigenstudiengebühren an den staatlichen Hochschulen der US-Gliedstaaten.2 Während die einheimischen Studierenden nur eine reduzierte in state-Studiengebühr zahlen müssen, werden auswärtige und neuhinzugezogene Studierende mit erheblich höheren out of state-Gebühren belastet, so dass es zu Gebührenunterschieden in Höhe von mehreren tausend USDollar kommen kann.3 Zwar werden diese Regelungen immer wieder von den Studierenden kritisiert und als Verfassungsverstoß qualifiziert,4 gleichwohl wurde die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit der Auswärtigenstudiengebühren seitens der Rechtsprechung stets bejaht.5 Angesichts der in Deutschland vorherrschenden Zurückhaltung im Bereich der finanziellen Einheimischenprivilegierungen besteht ein besonderes Interesse an den Rechtfertigungsgründen für eine derartige Ungleichbehandlung. Die Analyse der Rechtfertigungsgründe soll einer juristischen Horizonterweiterung im Bereich der finanziellen Einheimischenprivilegierungen in der Bundesrepublik Deutschland dienen und den Blickwinkel für neue Rechtfertigungsüberlegungen öffnen. Rechtsvergleichende Rückschlüsse können aus den amerikanischen Rechtfertigungsgründen nur unter Berücksichtigung der staatsrechtlichen Struktur der USA und der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigungsan1

Blake v. McClung, 172 U.S. 239, 256 (1898); Bryan v. Regents of California, 188 Cal. 559, 205P., 1071 f. (1922); Spencer, 6 (1926 – 1927) Oregon Law Review 331. 2 Allgemein zur nonresident-tuition: Kern/Klingt, American College and University Law, S. 104 ff. 3 Beispielsweise betrug die Gebührendifferenz zwischen Einheimischen und Auswärtigen im Jahr 2004/2005 an der University of Michigan ca. 18.000 US-Dollar, siehe Chartier, Michigan Law Review 104 (2005), 573 (574). 4 Beispielsweise: Anderson, 85 (2007) Nebraska Law Review 1058 (1059 ff.); Chartier, Michigan Law Review 104 (2005), 573; Schiller, 1992 University of Chicago Legal Forum 539 ff. 5 Starns v. Malkerson, 326 F.Supp 234 (1970), bestätigt durch 401 U.S. 985 (1971); Kirk v. Regents, 273 Cal. App. 2d, 430 (1969); Johns v. Redeker, 406 F.2d 878 (1969).

A. Die USA als vergleichbarer Bundesstaat

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forderungen im US-Verfassungsrecht gezogen werden, so dass zunächst eine Darstellung des US-Staatsaufbaus und der verfassungsrechtlichen Gleichheitsgarantien erfolgt.

A. Die USA als vergleichbarer Bundesstaat Die Verfassung von 1787 verleiht den USA einen föderalistischen Staatsaufbau und regelt das Verhältnis des Bundes und der 50 Gliedstaaten. Die verfassungsrechtliche Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Gliedstaaten erinnert an Art. 70 Abs. 1 GG,6 denn auch die Constitution of the United States verfolgt in Amendment 107 das Prinzip einer grundsätzlichen Gliedstaatenkompetenz, sofern die Verfassung nicht dem Bund die Zuständigkeit zuweist.8 Diese Regelung und der kurze Katalog der Bundeskompetenzen in Art. I § 8 führen jedoch nicht zu einem legislativen Übergewicht der Gliedstaaten, denn der Bund kann seine Gesetzgebungskompetenz durch die interstate commerce clause9 – und die necessary and proper clause10 – Generalklauseln auf über den Kompetenzkatalog hinausgehende Sachgebiete ausdehnen.11 Sofern eine Bundeskompetenz besteht,12 regelt Art. VI Cl. 2 einen Vorrang des Bundesrechts gegenüber dem Gliedstaatenrecht.13 Im Vergleich mit den beschränkten Mitwirkungsrechten des Bundesrates bei der ausschließlichen Bundesgesetzgebungsbefugnis sind die Gliedstaaten der USA jedoch in weitaus stärkeren Maße an der Bundesgesetzgebung beteiligt, denn alle Bundesgesetze bedürfen laut Art. I § 7 Cl. 2 der Zustimmung des Senats, indem die Gliedstaaten gem. Art. I § 3 Cl. 1 mit jeweils zwei Senatoren vertreten sind.14

6

„Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.“ 7 „The powers not delegated to the United States by the Constitution, nor prohibited by it to the States, are reserved to the States respectively, or to the people.“ 8 Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 29. 9 Danach besteht eine Bundeskompetenz bei zwischenstaatlichen Verflechtungen mit wirtschaftlichen Aspekten, die an die deutsche Bundesgesetzgebungsbefugnis zur bundeseinheitlichen Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit in Art. 72 Abs. 2 GG erinnert. 10 Diese Kompetenz findet ihre Entsprechung im deutschen Verfassungsrecht in der ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenz „kraft Natur der Sache“, dazu: Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70, Rn. 31 ff. 11 Hay, US-Amerikanisches Recht, Rn. 48 f.; Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 29 ff. 12 Siehe die Kompetenzaufzählung in Art. I, § 8. 13 Siehe die grundgesetzliche Version dieser Bestimmung in Art. 31 GG: „Bundesrecht bricht Landesrecht.“ 14 Brugger, in: Isensee/Kirchhof, HStR IX, 32011, § 186, Rn. 23 f.

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2. Kap.: Finanzielle Einheimschenprivilegierungen in den USA

Festzuhalten bleibt, dass die föderalistische Struktur der US-Verfassung und der Föderalismus des Grundgesetzes eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen,15 welche auf die Vorbildwirkung der US-Verfassung bei der Erstellung des Grundgesetzes zurückzuführen ist.16

B. Verfassungsmäßigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen in den USA Bereits im Jahr 1898 hat der US-Supreme Court dem Institut der gliedstaatlichen Einheimischenprivilegierung seine grundsätzliche Legitimation erteilt, indem das Gericht feststellte, dass die Gliedstaaten nicht dazu verpflichtet seien, die ihren Einwohnern eingeräumten Privilegien auch Auswärtigen zu gewähren.17 Die allgemeine Zulässigkeit von interföderalen Differenzierungen befreit die Gliedstaaten jedoch nicht von den Anforderungen der verfassungsrechtlichen Gleichheitsgarantien, deren Rechtfertigungsanforderungen eine wohnort- und mindestwohnzeitabhängige Studiengebührenerhebung genügen muss.

I. Der Gleichheitsschutz der US-Verfassung Die US-Verfassung enthält mit den privileges and immunities-Klauseln und der equal protection-Klausel unterschiedliche Gleichheitsgarantien, deren Wirkung auf das Institut der Auswärtigenstudiengebühr im Folgenden untersucht wird. 1. Föderale Gleichheitsgarantien: Privileges and Immunities of Citizenship Die in Art. IV § 2 Cl. 218 und in der Sektion 1 des 14. Zusatzartikels19 enthaltenen privileges and immunities-Klauseln weisen einen fast identischen Wortlaut auf, entfalten hinsichtlich einer föderale Gleichheit jedoch unterschiedliche Wirkungen.

15

Brugger, in: Isensee/Kirchhof, HStR IX, 32011, § 186, Rn. 22. Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 50; Pieroth, NJW 1989, 1333 (1337). 17 Blake v. McClung, 172 U.S. 239, 256 (1898). 18 „The Citizens of each State shall be entitled to all Privileges and Immunities of Citizens in the several States.“ 19 „No state shall make or enforce any law which shall abridge the privileges or immunities of citizens of the United States […].“ 16

B. Verfassungsmäßigkeit

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a) The Fourteenth Amendment Privileges or Immunities Clause Der Supreme Court legt die Privilegien und Immunitäten des 14. Zusatzartikels restriktiv aus und fasst darunter nur bundesstaatlich begründete Rechte.20 Die privileges or immunities clause entfaltet daher keine Wirkung auf gliedstaatliche Rechte und steht einer Ungleichbehandlung von US-Bürgern auf dieser Rechtsebene nicht entgegen.21 Die Klausel schützt lediglich uniquely federal rights22 – wie beispielsweise das Petitionsrecht beim Kongress, das Wahlrecht bei Bundeswahlen oder das Freizügigkeitsrecht.23 Einem zur Öffnung des Schutzbereichs auf Auswärtigenstudiengebühren notwendigen „bundesstaatlichen Bildungs- und Hochschulzugangsrecht“ fehlt es an einer staatsbürgerlichen Komponente, wodurch es in der Reihe der aufgezählten (staatsbürgerlichen) Rechte als Fremdkörper erscheint. Der US-Supreme Court hat ein föderales Bildungsrecht zwar nicht explizit, wohl aber durch Nichtbeachtung aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen: Das Gericht hat bei der Beurteilung einer mindestwohnzeitabhängigen Auswärtigenstudiengebühr die privileges and immunites clause des 14. Zusatzartikels nicht angewendet und damit stillschweigend entschieden, dass Bildungsrechte nicht in den Schutzbereich der Klausel fallen.24 b) The Article IV Privileges and Immunities Clause Der als comity clause25 bezeichnete Art. IV Sec. 2 richtet sich an die Gliedstaaten und verlangt eine Gleichbehandlung aller US-Staatsbürger: The Citizens of each State shall be entitled to all Privileges and Immunities of Citizens in the several States. Dabei werden die Privilegien und Immunitäten in Art. IVextensiver ausgelegt als im 14. Zusatzartikel, so dass die comity-Klausel auch gliedstaatliche Rechte erfasst.26 Allerdings behindern zwei Einschränkungen die Qualifikation des Art. IV Sec. 2 als „echte“ bundesstaatliche Gleichheitsgarantie: Zum einen erfordert die comity clause einen grenzüberschreitenden Bezug und schützt nur die sich nicht in ihrem jeweiligen Wohnortstaat aufhaltenden nonresidents vor Benachteiligungen in anderen Gliedstaaten.27 Der Artikel IV ist damit bei einer rein wohnortabhängigen Einheimschenprivilegierung anwendbar, entfaltet jedoch keine Schutzwirkung zu20 Slaughterhouse-Cases, 83 U.S. 36 (1873); Brugger beschreibt diese Rechte als solche, „die ihre Existenz der Bundesregierung, dem nationalen Aufbau des Landes, seiner Verfassung oder seinen Gesetzen verdanken“, in: Grundrechte und Verfassungsgerichtsbarkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika, S.47. 21 Slaughterhouse-Cases, 83 U.S. 36 (1873); Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S. 371. 22 Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S. 371. 23 Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S. 371; Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 104. 24 Vlandis v. Kline, 412 U.S. 441 (1973). 25 Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S. 371. 26 Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S. 357 ff., 371. 27 Toomer v. Witsell, 334 U.S. 385, 395 (1948).

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2. Kap.: Finanzielle Einheimschenprivilegierungen in den USA

gunsten von neuen Einwohnern bei mindestwohnzeitabhängigen Regelungen.28 Zum anderen schränkt der US-Supreme Court den Anwendungsbereich des Art. IV Sec. 2 ein, indem er unter den Begriff der privileges and immunities nur solche Rechte fasst, die eine fundamentale Bedeutung für das interföderale Zusammenleben im Bundesstaat haben.29 Dabei orientiert sich das Gericht an der fast 200 Jahre alten Artikelinterpretation des späteren Supreme Court-Richters Washington,30 wonach die comity clause nur diejenigen Rechte schützt, „which are in their nature fundamental; which belong, of right, to the citizens of all free government; and which have, at all times, been enjoyed by the citizens of the several states which compose this Union“31. In seiner neueren Rechtsprechung stellt das Gericht bei der Fundamentalitätsbestimmung auf die Bedeutung des Rechts für die USA als Gesamtgebilde ab: „those „privileges“ and „immunities“ bearing upon the vitality of the Nation as a single entity“32. Hinzukommt die ungeschriebene Voraussetzung eines wirtschaftlichen Bezugs des Rechts, welchen der Supreme Court mit der Entstehungsgeschichte des Artikels – „intended to create a national economic union“33– begründet. Die Anwendbarkeit der comity clause wurde unter diesen Voraussetzungen bejaht bei kommerziellen Fischerei- und Jagdrechten34, gerichtlichem Rechtsschutz35 oder Rechtsanwaltstätigkeiten36. Ob auch ein Recht auf Bildung im Allgemeinen und insbesondere ein Recht auf gleiche Studienkosten unter die privileges and immunities des Art. IV Sec. 2 fallen, wurde hingegen vom Supreme Court noch nicht eindeutig entschieden. Angesichts der Bedeutsamkeit von Hochschulbildung für eine funktionierende Volkswirtschaft, erscheint die Annahme eines wirtschaftlichen Bezugs denkbar. In Anlehnung an die „Numerus clausus“-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,37 könnte man der Frage nachgehen, ob Hochschulbildung auch in den USA auf einem gliedstaatübergreifenden System beruht und dementsprechend ein gesamtstaatliches Recht darstellt. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass von Teilen der Literatur eine Ausweitung des Art. IV Sec. 2 auf die Hochschulbildung seit langem gefordert 28

Unbekannt, 55 (1970 – 1971) Minnesota Law Review, 1139 (1143). Baldwin v. Montana Fish and Game Commission, 436 U.S. 371, 383 (1978); Nowak/ Rotunda, Constitutional Law, S. 358. 30 Fisch, in: Clark/Ansay , Introduction to the Law of the United States, S. 74. 31 Corfield v. Coryell, 6 F. Cas. 546, 551 (1823); zitiert u. a. in: Baldwin v. Montana Fish and Game Commission, 436 U.S. 371, 384 (1978); Austin v. New Hampshire, 420 U.S. 656, 661 (1975). 32 Baldwin v. Montana Fish and Game Commission, 436 U.S. 371, 383 (1978). 33 Supreme Court of New Hampshire v.Piper, 470 U.S. 274 (1985). 34 Toomer v. Witsell, 334 U.S. 385 (1948); nicht aber beim „unkommerziellen“ Jagen als Freizeitsport: Baldwin v. Montana Fish and Game Commission, 436 U.S. 371 (1978). 35 Canadian Northern R. Co. v. Eggen, 252 U.S. 553 (1920). 36 Supreme Court of New Hampshire v.Piper, 470 U.S. 274 (1985). 37 BVerfGE 72, 303. 29

B. Verfassungsmäßigkeit

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wird.38 Nichtsdestotrotz muss jedoch konstatiert werden, dass derartige Überlegungen in der US-Rechtsprechungspraxis nicht existieren: Selbst wenn sich Kläger explizit auf Art. IV Sec. 2 berufen haben, wurde die comity clause bei der Überprüfung von in state-Studiengebührenregelungen von den Gerichten völlig ignoriert39 – oder ohne Begründung ausgeschlossen40. Diese Nichtanwendung des Art. IV Sec. 2 hat der US-Supreme Court zumindest stillschweigend akzeptiert, indem er in der Sache „Johns v. Redeker“ eine certiorari-Überprüfung verweigert hat.41 Beim writ of certiorari handelt es sich um ein Rechtsmittel gegen bundesgerichtliche Urteile, dessen Besonderheit in dem Umstand begründet ist, dass die Annahme des Verfahrens im richterlichen Ermessen des US-Supreme Courts liegt.42 Das certiorariVerfahren dient nicht der Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit und dem Schutz von Parteiinteressen, sondern soll – als „Grundsatzrechtsbehelf“43 – im öffentlichen Interesse eine schnelle Sachentscheidung des US-Supreme-Courts zu einer viele Menschen betreffenden Rechtsfrage ermöglichen.44 Kriterien für die Annahme und Überprüfung von certiorari-Verfahren hat der US-Supreme Court in seinen rules45 aufgestellt.46 Darin legt das Gericht fest, dass es kein subjektives Recht auf eine certiorari-Überprüfung gebe und ein Fall nur beim Vorliegen von zwingenden Gründen angenommen werde.47 In der Rechtsprechungspraxis nimmt das Gericht certiorari-Verfahren insbesondere in zwei Fallkonstellationen zur Überprüfung an: Zum einen bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, sofern das Gericht über die damit verbundene Rechtsfrage noch nicht entschieden hat und zum anderen zur Herstellung der Rechtseinheit bei kollidierenden Urteilen verschiedener Gerichte zum selben Thema.48 Die Ablehnung einer certiorari-Entscheidung bedarf keiner Begründung und enthält streng genommen nur die Aussagen, dass weniger als

38 Beispielsweise Simson, 128 (1979 – 1980) University of Pennsylvania Law Review, 379 ff. 39 Johns v. Redeker, 406 F.2d 878 (1969). 40 American Commuters Association v. Levitt, 279 F. Supp. 40, 47 (1967). 41 Clarke v. Redeker, 396 U.S. 862, 90 S.Ct. 135, 24 L.Ed.2d 115 (1969). 42 Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S.28 ff.; Kau, United States Supreme Court und das Bundesverfassungsgericht, S. 423 ff.; Currie, in: Bogs, Urteilsverfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht, S. 39 ff.; Graßhof, in: Maunz, BVerfGG, § 93a, Rn. 24 ff. 43 Posser, Die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, S. 471. 44 Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S. 30; Vitzthum, JöR 53 (2005), 319 (321 f.). 45 http://www.supremecourt.gov/ctrules/2010RulesoftheCourt.pdf (abgerufen am 23. 04. 2015). 46 Es handelt sich dabei um vom Gericht selbst gesetzte und nach außen unverbindliche Verfahrensregeln, siehe Kau, United States Supreme Court und das Bundesverfassungsgericht, S. 431; Bezeichnung als „Geschäftsordnung“ bei Currie, in: Bogs, Urteilsverfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht, S. 39 (41). 47 Rule 10, http://www.supremecourt.gov/ctrules/2010RulesoftheCourt.pdf (abgerufen am 23. 04. 2015). 48 Graßhof, in: Maunz, BVerfGG, § 93a, Rn. 25.

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2. Kap.: Finanzielle Einheimschenprivilegierungen in den USA

vier Richter für den Überprüfungsantrag gestimmt haben.49 Dabei betont der US Supreme Court, dass eine Zurückweisung keine Entscheidung in der Sache darstellt und nicht als Bestätigung des vorgelegten Urteils zu deuten ist.50 Überprüft man eine Annahmeverweigerung jedoch anhand der vom US-Supreme Courts aufgestellten rules, ergibt sich aus der Ablehnung einer certiorari-Entscheidung zumindest eine Indizwirkung51: Geht man davon aus, dass Auswärtigenstudiengebühren eine Vielzahl von Studierenden erfassen und die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen in Bezug auf einen Verstoß gegen die comity clause eine wichtige Rechtsfrage im Sinne von rule 10 darstellt, dann lässt die Ablehnung des certiorari-Verfahren in Johns v. Redeker vermuten, dass der US-Supreme Court die Nichtanwendung des Art. IV Sec. 2 auf Bildungsrechte und Auswärtigenstudiengebühren nicht als mögliche Verfassungsverletzung angesehen haben dürfte. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass sich die Schutzwirkung der privileges and immunities clause des Art. IV Sec. 2 weder auf mindestwohnzeit- noch auf wohnortabhängige Studiengebührenprivilegierungen erstreckt.52 2. Equal Protection – Klausel des 14. Zusatzartikels Rein textlich enthält die equal protection-Klausel nur eine Rechtsanwendungsgleichheit – „no State shall deny any person within its jurisdiction the equal protection of the laws“, die vom Supreme Court jedoch zu einem allgemeinen Gleichheitsgebot ausgeformt wurde53 und somit auch eine Rechtsetzungsgleichheit garantiert.54 Die Klausel bindet alle öffentlichen Gewalten der Gliedstaaten und verlangt die prinzipielle Gleichbehandlung von Personen.55 Die wohnort- oder mindestwohndauerabhängige Benachteiligung von „fremden“ Gliedstaatsangehörigen stellt damit eine Ungleichbehandlung im Sinne dieser Klausel dar. Allerdings 49

Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S. 30. Singleton v. Commissioner, 439 U.S. 940, 942 (1978); Maryland v. Balitmore Radio Show, 338 U.S. 912, 917 f. (1950); Kau, United States Supreme Court und das Bundesverfassungsgericht, S. 432 f.; Currie, in: Bogs, Urteilsverfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht, S. 39 (42); Wieland, Der Staat 29 (1990), 333 (346). 51 Ähnlich Vitzthum, der darauf hinweist, dass Anwaltschaft, Instanzgerichte und Rechtswissenschaft eine certiorari-Ablehnung in der Rechtspraxis vor allem als Bestätigung des jeweiligen Urteils ansehen, JöR 53 (2005), 319 (324). 52 Selbst wenn man den Hochschulzugang als fundamentales Recht unter den Art. IV Sec. 2 subsumieren würde, würde eine gliedstaatliche Ungleichbehandlung nicht zwingend zur Verfassungswidrigkeit der Regelung führen, sondern könnte aus sachlichen Gründen – „substantial state interest in the differing treatment of nonresidents“ – gerechtfertigt werden: Toomer vs. Witsell, 334 U.S. 385, 396 (1948); Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S. 358. 53 Brown v. Board of Education, 347 U.S. 483, 490 (1954). 54 Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 130 f. 55 Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 131; Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S.631; Heun, EuGRZ 2002,319 (320). 50

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statuiert die equal protection – Regelung keinen absoluten Gleichheitszwang, denn Ungleichbehandlungen können aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein.56 3. Ergebnis Gliedstaatliche Studiengebührenregelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich der privileges and immunities-Klauseln, so dass die föderalen Gleichheitsgarantien einer derartigen Einheimischenprivilegierung nicht entgegenstehen. Allerdings stellen wohnort- und mindestwohndauerabhängige Studiengebührenprivilegierungen eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung im Sinne der equal protection-Klausel des 14. Zusatzartikels dar.

II. Rechtfertigungsanforderungen der Equal Protection Clause Die Rechtfertigungsprüfung der equal protection-Klause basiert auf intensitätsabhängigen Prüfungsmaßstäben und ähnelt somit der deutschen Gleichheitsdogmatik.57 Einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Rechtfertigungsgründen für die wohnort- und mindestwohnzeitabhängige Klassifizierungen von Studierenden soll zunächst eine abstrakte Darstellung der Rechtfertigungsdogmatik der equal protection-Klausel und eine Einordnung des Instituts der Auswärtigenstudiengebühr in die unterschiedlichen Rechtfertigungsmaßstäbe vorangestellt werden. 1. Intensitätsabhängige Rechtfertigungsmaßstäbe Der US-Supreme Court hat mit dem rational basis test, dem intermediate scrutiny test und dem strict scrutiny test unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe entwickelt, deren Anwendung sich nach der Intensität der Ungleichbehandlung richtet.58 Die Intensitätsbestimmung erfolgt in erster Linie anhand der Differenzierungskriterien, welche vom Gesetzgeber zur Klassifizierung der Personengruppen genutzt werden.59 Daneben verschärft sich der Prüfungsmaßstab, sofern es durch die Ungleichbehandlung zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung von fundamentalen Interessen und Rechten kommt.60 Eine Fundamentalität bejaht der US-Supreme-Court bei nicht explizit in der Verfassung verankerten Rechten, denen aufgrund der überragenden 56 Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 131 ff.; Heun, EuGRZ 2002, 319 (320 ff.). 57 Heun, EuGRZ 2002, 319 (320). 58 Darstellung der Rechtsprechungsentwicklung: Kommers/Niehaus, in: Wolfrum, Gleichheit und Nichtdiskriminierung, S. 25 ff. 59 Brugger, Grundrechte und Verfassungsgerichtsbarkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika, S.163. 60 Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S. 638 ff., 643; Heun, EuGRZ 2002, 319 (322).

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2. Kap.: Finanzielle Einheimschenprivilegierungen in den USA

Bedeutung der dahinterstehenden Interessen eine grundrechtsgleiche Wirkung eingeräumt wird, da ohne diese Rechte die Inanspruchnahme anderer Grundrechte gefährdet wäre.61 a) Rational Basis Test Grundsätzlich – sofern die staatliche Maßnahme „keine verdächtige oder quasiverdächtige Klassifizierung“ enthält und keine fundamentalen Rechte berührt62– müssen staatliche Differenzierungsentscheidungen lediglich den Anforderungen des rational basis test genügen, dessen weiter Prüfungsmaßstab im Wesentlichen der deutschen Willkürformel entspricht.63 Die Rechtfertigungsanforderungen sind schon erfüllt, wenn die Klassifizierung in einer rationalen Beziehung zu einem legitimen Gesetzeszweck steht.64 In der amerikanischen Verfassungsrechtspraxis scheitert kaum ein Gesetz am rational basis test,65 da eine Ungleichbehandlung bereits als gerechtfertigt angesehen wird, sofern der Gesetzeszweck nicht unzulässig und die Differenzierung im Hinblick auf diesen Zweck nicht irrelevant ist.66 b) Strict Scrutiny Test Wenn die Differenzierung auf einer suspect classification beruht oder fundamentale Rechte beeinträchtigt, muss die Rechtfertigungsprüfung den strict scrutiny test-Anforderungen genügen.67 Eine verdächtige Klassifizierung liegt vor, wenn das Differenzierungskriterium auf rassistischen Merkmalen oder der nationalen Herkunft beruht.68 Der strict scrutiny test geht weit über die Anforderungen des rational basis test hinaus und verlangt einerseits die Verfolgung eines überragenden Gemeinwohlinteresses und andererseits einen engen Bezug der Differenzierung zum 61 Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 150 f.; ders., Grundrechte und Verfassungsgerichtsbarkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika, S.75 f.; Kommers/Niehaus, in: Wolfrum, Gleichheit und Nichtdiskriminierung, S. 25 (40 ff.). 62 New Orleans v. Dukes, 427 U.S. 297, 303 (1976); Brugger, Grundrechte und Verfassungsgerichtsbarkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika, S.164. 63 Heun, EuGRZ 2002, 319 (320). 64 Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S. 639; Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 133; Heun, EuGRZ 2002, 319 (320). 65 Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 133; Heun, EuGRZ 2002, 319 (321). 66 Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 133; Heun, EuGRZ 2002, 319 (321); eine typische Formulierung des US-Supreme Courts zu den Prüfungsanforderungen lautet: „The constitutional safguard is offended only if the classification rests on grounds wholly irrelevant tot he achievement oft he State‘s objective. […] A statutory discrimination will not be set aside if any state of facts reasonably may be conceived to justify it.“, New Orleans v. Dukes, 427 U.S. 297, 303 (1976). 67 Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S.639 f.; Heun, EuGRZ 2002, 319 (321). 68 Heun, EuGRZ 2002, 319 (321).

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verfolgten Zweck.69 Der strict scrutiny test stellt als Prüfungsmaßstab eine „strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung“70 dar: Eine Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt, wenn die Differenzierung zur Verwirklichung eines überragend wichtigen Gemeinschaftszwecks geeignet und erforderlich ist.71 Damit ähnelt der strict scrutiny test der „neuesten Formel“72 in der deutschen Gleichheitssatzdogmatik, welche bei der Annäherung der zur Ungleichbehandlung von Personengruppen genutzten Differenzierungskriterien an die in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmale ebenfalls eine strenge Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse bei der Rechtsfertigungsprüfung fordert.73 c) Intermediate Level of Scrutiny Zwischen den bereits genannten und sich in den Rechtfertigungsanforderungen stark unterscheidenden Prüfungsmaßstäben hat der US-Supreme-Court einen mittleren Maßstab für quasi-verdächtige Klassifizierungen eingeführt.74 Sofern die Differenzierungskriterien auf das Geschlecht, eine eheliche Abstammung oder einen bestimmten (illegalen) Ausländerstatus abstellen,75 muss die Klassifizierung einem intermediate level of scrutiny genügen: Der verfolgte Zweck muss bedeutsam sein und von der Differenzierung tatsächlich gefördert werden, wobei kein optimales Zweck-Mittel-Verhältnis erforderlich ist.76 2. Bestimmung des Prüfungsmaßstabs: rational basis test Eine Differenzierung nach Wohnort oder Mindestwohnzeit knüpft nicht an unverrückbare Personenmerkmale an und stellt keine verdächtige Klassifizierung dar,77 so dass die Ungleichbehandlung vom Grundsatz her lediglich dem rational basis test als Prüfungsmaßstab genügen muss. Diskutabel erscheint jedoch eine Verschärfung der Rechtfertigungsanforderungen auf ein strict scrutiny-Niveau im Hinblick auf 69

(321). 70

Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 133; Heun, EuGRZ 2002, 319

Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 133. Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 133. 72 Dieser Begriff wird für die Verschärfung der neuen Formel verwendet: Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3, Rn. 28. 73 3. Kap., E., II., 1., a). 74 Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S. 641 ff.; Heun, EuGRZ 2002, 319 (323); Kommers/Niehaus, in: Wolfrum, Gleichheit und Nichtdiskriminierung, S. 25 (31 ff.). 75 Siehe die Übersicht über weitere möglicherweise verdächtige Klassifizierungen bei Brugger, Grundrechte und Verfassungsgerichtsbarkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika, S. 188 ff. 76 Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 134. 77 Martinez v. Bynum, 461 U.S. 321, 333 (1983); Starns v. Malkerson, 326 F.Supp. 234, 239 (1970); bestätigt durch: 401 U.S. 985 (1971). 71

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2. Kap.: Finanzielle Einheimschenprivilegierungen in den USA

eine mögliche Beeinträchtigung von Bildung und Freizügigkeit als fundamentale Rechte i.S.d. der equal protection-Klausel: Der US-Supreme Court betont zwar die Bedeutung der Bildung für die demokratische Gesellschaft,78 qualifiziert die (Schul-) Bildung jedoch nicht als fundamentales Recht innerhalb der equal protectionKlausel.79 Im Lichte dieser Rechtsprechung kann der Zugang zu höherer (Hochschul-)Bildung ebenfalls nicht als fundamentales Recht bewertet werden, so dass sich mit den „Bildungsrechten“ der Studierenden keine Verschärfung des Prüfungsmaßstabs bei Auswärtigenstudiengebühren begründen lässt.80 Bei der Freizügigkeit steht nicht die Qualifikation als ein fundamentales Recht im Sinne der equal protection-Klausel in Frage,81 sondern die tatsächliche Beeinträchtigung des right to travel interstate durch wohnort- und mindestwohnzeitabhängige Studiengebühren: Von besonderem Interesse ist dabei die Supreme CourtEntscheidung „Shapiro v. Thompson“, in welcher das Gericht eine mindestwohnzeitabhängige Sozialhilfegewährung als Beeinträchtigung der Freizügigkeit gewertet hatte und dementsprechend eine verschärfte Rechtfertigungsprüfung durchführte.82 Auf Grundlage dieser Entscheidung wurde in der Literatur die Forderung erhoben, die Aussagen der Shapiro-Entscheidung auf die Auswärtigenstudiengebühren zu übertragen und die mindestwohnortabhängige Gewährung von günstigeren in-state-Gebühren als Eingriff in das Freizügigkeitsrecht zu bewerten.83 Die Rechtsprechung ist diesen Weg zum Prüfungsmaßstab des strict scrutiny test jedoch nicht mitgegangen, sondern hat eine Beeinträchtigung der bundesstaatlichen Freizügigkeit durch höhere Auswärtigenstudiengebühren abgelehnt.84 Mangels einer verdächtigen Klassifizierung und der Betroffenheit eines fundamentalen Rechts, müssen die wohnort- und mindestwohnzeitabhängigen Auswärtigenstudiengebühren lediglich den Rechtfertigungsanforderungen des rational basis test genügen.

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Brown v. Board of Education, 347 U.S. 483, 493 (1954). San Antonio Independent School District v. Rodriguez, 411 U.S. 1, 35 f. (1973); Plyer v. Doe, 457, U.S. 202, 221 (1982); Sturgis v. Washington, 368 F.Supp. 38, 41; Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S. 1016 ff. 80 Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S. 1017; Strickman, 29 (1976 – 1977) University of Florida Law Review, 595 (603). 81 Shapiro v. Thompson, 394 U.S. 618 (1969). 82 Shapiro v. Thompson, 394 U.S. 618, 638 (1969). 83 Unbekannt, 55 (1970 – 1971) Minnesota Law Review, 1139 (1150); Masters, 38 (1969 – 1970) University Missouri Kansas City Law Review, 341 (343 ff.). 84 Starns v. Malkerson, 326 F.Supp. 234, 237 f. (1970); bestätigt durch: 401 U.S. 985 (1971); Kirk v. Board of Regents, 273 Cal. App. 2d 430, 240 ff. (1969); Berufung abgelehnt: 396 U.S. 554, 90 S.Ct. 754, 24 L.Ed.2d 747 (1970); zustimmend: Hollenbach, 19 (1970) Journal of Public Law, 139 (144 ff.). 79

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3. Rechtfertigungsgründe für wohnortabhängige Klassifizierung Zu Beginn der juristischen Auseinandersetzung über die Rechtfertigung von Auswärtigenstudiengebühren beließ es die Rechtsprechung teilweise noch bei der begründungslosen Feststellung, dass die wohnortabhängige Differenzierung not arbitrary or unreasonable sei.85 Erst im Laufe der 1960er Jahre haben sich mit der „fehlenden Beteiligung an der Staatsfinanzierung“ und der „Sicherstellung der Einheimischenversorgung“ allgemein akzeptierte Rechtfertigungsgründe herausgebildet. a) Keine Beteiligung an der Staatsfinanzierung Die wohnortabhängige Gebührendifferenzierung wird hauptsächlich mit der unterschiedlichen Beteiligung an der Finanzierung des Gliedstaates begründet: Die einheimischen Studierenden und deren Familien seien mit ihren (langjährigen) Steuerzahlungen an der Finanzierung des Staatshaushalts und somit indirekt auch der staatlichen Hochschulen beteiligt, wohingegen die – das Hochschulstudium als staatliche Leistung in Anspruch nehmenden – Auswärtigen keine vergleichbare Finanzierungsbeteiligung geleistet hätten.86 Aufgrund der unterschiedlichen Finanzierungsleistungen haben die mit in-state tuitions befassten Gerichte einen hinreichenden Sachzusammenhang zwischen der wohnortabhängigen Studiengebührenbemessung und der Finanzierung des staatlichen Hochschulsystems bejaht.87 Die Differenz zwischen Einheimischen- und Auswärtigengebühr wird dabei als Ausdruck eines Lastenausgleichs angesehen: Während die vorleistungslosen Auswärtigen mit ihren höheren Gebühren die staatlichen Kosten der Studienplatzfinanzierung ausgleichen sollten,88 erhielten die Einheimischen für die Beteiligung an der Finanzierung des Staates eine belohnende cost equalization in Form von nicht kostendeckenden in state-Studiengebühren.89 Die Rechtsprechung verzichtet auf die Nachprüfung einer möglichen Kostenüberschreitung der Auswärtigengebühren90 – 85

Landwehr v. Regents, 396 P.2d 451, 453 (1964). Starns v. Malkerson, 326 F.Supp 234, 240 (1970), bestätigt durch 401 U.S. 985 (1971); Kirk v. Regents, 273 Cal. App. 2d, 430, 444 (1969); Johns v. Redeker, 406 F.2d 878, 883 (1969). 87 Starns v. Malkerson, 326 F.Supp 234, 241 (1970), bestätigt durch 401 U.S. 985 (1971); Kirk v. Regents, 273 Cal. App. 2d, 430, 444 (1969); Clarke v. Redeker, 259 F.Supp. 117, 123 (1966). 88 Starns v. Malkerson, 326 F.Supp 234, 240 (1970), bestätigt durch 401 U.S. 985 (1971); Kirk v. Regents, 273 Cal. App. 2d, 430, 444; Johns v. Redeker, 406 F.2d 878, 883 (1969); Clarke v. Redeker, 259 F.Supp. 117, 123 (1966). 89 Starns v. Malkerson, 326 F.Supp 234, 240 (1970), bestätigt durch 401 U.S. 985 (1971); Kirk v. Regents, 273 Cal. App. 2d, 430, 444 (1969); Johns v. Redeker, 406 F.2d 878, 883 (1969); Clarke v. Redeker, 259 F.Supp. 117, 123 (1966). 90 Starns v. Malkerson, 326 F.Supp 234, 240 (1970), bestätigt durch 401 U.S. 985 (1971); Kirk v. Regents, 273 Cal. App. 2d, 430, 444 (1969); Clarke v. Redeker, 259 F.Supp. 117, 123 (1966). 86

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2. Kap.: Finanzielle Einheimschenprivilegierungen in den USA

und belässt es bei der Feststellung, dass die fehlende Finanzierungsbeteiligung der Auswärtigen die gebührenmäßige Benachteiligung rechtfertigt.91 b) Sicherstellung der Einheimischenversorgung und Verhinderung von extern begründeter Überlastung Mit Blick auf die begrenzten Hochschulkapazitäten wird die nonresident-tuition auch als abschreckende Präventivmaßnahme gegen eine übermäßige und kapazitätsübersteigende Hochschulnutzung durch auswärtige Studierende begründet.92 Aus Sicht des US-Supreme Courts stellt die Sicherstellung von genügend Hochschulkapazitäten für die einheimische Bevölkerung ein legitimes Interesse dar: „a state has a legitimate interest in protecting and preserving the quality of its colleges and universities and the right of its own bona fide residents to attend such institutions on a preferential tuition basis“93. Im Lichte dieser Rechtsprechung lässt sich eine Auswärtigenstudiengebühr folglich auch zur Sicherstellung von ausreichenden Hochschulkapazitäten für die einheimische Bevölkerung rechtfertigen.94 4. Rechtfertigungsgründe für die mindestwohnzeitabhängige Klassifizierung Im Zentrum der gerichtlichen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen über Auswärtigenstudiengebühren steht die Klassifizierung anhand von Mindestwohnzeiten.95 Grundsätzlich können die Gliedstaaten sachbereichsabhängig regeln, welche Personen sie als Einwohner anerkennen und als solche behandeln.96 Aus diesem Grunde wird die Mindestwohnzeit nicht als Kriterium der Einwohnerdifferenzierung, sondern als Detailfrage der Einheimischen-Auswärtigen-Unterscheidung angesehen.97 Die Rechtfertigung dieser noch intensiveren Ungleichbehandlung basieren wiederum auf der (bisherigen und zukünftigen) Beteiligung an der Finanzierung des Gliedstaates. 91 Starns v. Malkerson, 326 F.Supp 234, 240 (1970), bestätigt durch 401 U.S. 985 (1971); Sturgis v. Washington, 368 F.Supp. 38, 41 (1973); Kirk v. Regents, 273 Cal. App. 2d, 430, 444 (1969); Johns v. Redeker, 406 F.2d 878, 883 (1969); Clarke v. Redeker, 259 F.Supp. 117, 123 (1966). 92 Diese Argumentation deutet sich bereits im Jahr 1922 an: Bryan v.Regents of California, 188 Cal. 559, 205P., 1071 f. (1922); konkretisiert bei: Unbekannt, 55 (1970 – 1971) Minnesota Law Review,1139 (1148 f.); kritisch: Masters, 38 (1969 – 1970) University Missouri Kansas City Law Review, 341 (345 f.). 93 Vlandis v. Kline, 412 U.S. 441, 453 (1973). 94 Unbekannt, 55 (1970 – 1971) Minnesota Law Review,1139, (1148 f.). 95 Siehe Anderson, 85 (2007) Nebraska Law Review 1058 (1083); Unbekannt, 55 (1970 – 1971) Minnesota Law Review,1139 (1153). 96 Lister v. Hoover, 655 F.2d 123, 128 (1981). 97 Kern/Klint, American College and University Law, S.106.

B. Verfassungsmäßigkeit

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a) Sicherstellung eines gerechten Lastenausgleichs Nach Ansicht der Rechtsprechung garantiere das Kriterium der Mindestwohnzeit, dass die geförderten Personen in der vorgegebenen Zeitspanne im Gliedstaat gelebt, gearbeitet, am Wirtschaftsleben teilgenommen und womöglich auch Steuern bezahlt haben.98 Folglich wird mit einer mindestwohnzeitabhängige Einheimischenprivilegierung berücksichtigt, dass nicht nur zwischen Auswärtigen und Einwohnern ein Unterschied hinsichtlich der finanziellen Beteiligung besteht, sondern auch zwischen neuen und langjährigen Einwohnern. Im Hinblick auf die fehlende Beteiligung an der Staatsfinanzierung erscheint ein Ausschluss der Neueinwohner vom Einheimischenprivileg einer reduzierten Studiengebühr daher nur folgerichtig, da diese Personengruppe in der kurzen Aufenthaltszeit noch keinen vergleichbaren Beitrag zur Staatsfinanzierung geleistet haben kann und somit auch keinen Lastenausgleich in Form von reduzierten Studiengebühren verdient hat.99 Dementsprechend wird die mindestwohnzeitabhängige Differenzierung zwischen Alt- und Neueinwohnern bei der Studiengebührenerhebung als Akt der cost equalization gerechtfertigt.100 b) Lohnenswerte Bildungsinvestition Die Klassifizierung anhand der Mindestwohnzeit wird zudem mit der Überlegung gerechtfertigt, dass der Staat bei langjährigen Einwohnern von einer festen Verankerung und einem über den Studienabschluss hinausgehenden Verbleib im Gliedstaat ausgehen könne, so dass sich die reduzierten Gebühren aufgrund der zukünftigen Steuerzahlungen der geförderten Hochschulabsolventen als rentable Investition darstellten.101 Umgekehrt kann ein Gliedstaat verständlicherweise kein Interesse an einer Gebührenreduzierung zugunsten von neu hinzugezogenen Studierenden haben, wenn sich deren Aufenthaltszweck und -dauer in der Absolvierung des Hochschulstudiums erschöpft, so dass mit einem finanziellen Ausgleich der empfangenen Privilegien durch spätere Steuerzahlungen nicht gerechnet werden kann.102 Dementsprechend wird von Seiten der Rechtsprechung die Begrenzung einer Gebüh98

Kirk v. Regents, 273 Cal. App. 2d, 430, 444 (1969). Der United States District Court führt dazu in „Starns v. Malkerson“ aus: „We believe that the State of Minnesota has the right to say that those new residents of the State shall make some contribution, tangible or intangible, towards the State’s welfare for a period of twelve months before becoming entitled to enjoy the same privileges as long-term residents possess to attend the university at a reduced resident’s fee.“, 326 F.Supp. 234, 240 (1970), bestätigt durch 401 U.S. 985 (1971); Masters lehnt diese Argumentation als „buy the right to the benefits“ ab: 38 (1969 – 1970) University Missouri Kansas City Law Review, 341 (347). 100 Starns v. Malkerson, 326 F.Supp 234, 240 (1970), bestätigt durch 401 U.S. 985 (1971); Sturgis v. Washington, 368 F.Supp. 38, 41 (1973); Kirk v. Regents, 273 Cal. App. 2d, 430, 444 (1969). 101 Starns v. Malkerson, 326 F.Supp 234, 241 (1970), bestätigt durch 401 U.S. 985 (1971); Kirk v. Regents, 273 Cal. App. 2d, 430, 444 (1969); Unbekannt, 55 (1970 – 1971) Minnesota Law Review,1139 (1148 f.). 102 Unbekannt, 55 (1970 – 1971) Minnesota Law Review,1139 (1157 f.). 99

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2. Kap.: Finanzielle Einheimschenprivilegierungen in den USA

renreduzierung auf bona fide103-Einheimische als legitimes Gliedstaateninteresse anerkannt.104 Trotz der in der Literatur geäußerten Kritik an der Geeignetheit einer Mindestwohnzeit als Kriterium zur Bestimmung eines bona fide-Bleibevorsatzes,105 geht die Rechtsprechung ohne weitere Nachprüfung davon aus, dass eine einjährige Residenzzeit einen geeigneten Nachweis für einen dauerhaften Aufenthalt(svorsatz) im Gliedstaat darstellt.106 c) Unerreichbarkeit des Einheimischenstatus als Klassifizierungsgrenze Die verfassungsrechtliche Grenze der mindestwohnzeitabhängigen Einheimischenprivilegierung stellt die irrebuttable presumption dar: Staatliche Klassifizierungen dürfen nicht auf unwiderlegbaren Vermutungen beruhen.107 Der US-Supreme Court hat unter Heranziehung der due process108-Freiheitsklausel des 14. Zusatzartikels eine gliedstaatliche Studiengebührenregelung für verfassungswidrig erklärt,109 welche bei der Einheimischenbestimmung auf den Wohnort im Zeitpunkt des Zulassungsantrags abstellte und die nicht im Gliedstaat wohnhaften Personen auf unabänderliche Weise als Auswärtige qualifizierte, so dass dieser Personenkreis endgültig vom Privileg der in state tuition ausgeschlossen wurde.110 Der Gliedstaat versuchte die für eine mindestwohnzeitenabhängige Auswärtigenstudiengebühr anerkannten Rechtfertigungsgründe auf einen unabänderlichen Auswärtigenausschluss auszudehnen: Ein echter Lastenausgleich zwischen Einheimischen und Auswärtigen sei aufgrund der langjährigen Steuerzahlungen der Einwohner nur durch einen dauerhaften Ausschluss der Auswärtigen von der Ein103 Unter dem Begriff „bona fide“ werden diejenigen Einwohnern gefasst, deren Vorsatz auf einen dauerhaften Aufenthalt im Gliedstaat gerichtet ist; siehe Kern/Klint, American College and University Law, S. 106. 104 Vlandis v. Kline, 412 U.S. 441, 452 f. (1973); Peck v. University Residence Committee of Kansas State University, 248 Kan. 450, 807 P.2d 652, 666 (1991); Kirk v. Regents, 273 Cal. App. 2d, 430, 444 (1969). 105 Unbekannt, 55 (1970 – 1971) Minnesota Law Review,1139 (1158).; Masters, 38 U. Mo. Kan. City L. Rev. 341, 346 (1969 – 1970); Spencer, 6 (1926 – 1927) Oregon Law Review 331 (334). 106 Starns v. Malkerson, 326 F.Supp. 234, 240 f. (1970), bestätigt durch 401 U.S. 985 (1971); Kirk v. Regents, 273 Cal. App. 2d, 430, 444 (1969); Bryan v. Regents of California, 188 Cal. 559, 205P., 1071 f. (1922). 107 Zu dieser Rechtsfigur im US-Verfassungsrecht: Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S. 580 ff. 108 Die due-process-Klausel („nor shall any State deprive any person of life, liberty, or property, without due process of law“) verlangt bei staatlichen Eingriffen in die Freiheit eine Rechtfertigung: Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 114 ff. 109 Nowak/Rotunda wenden dagegen auf die Fälle der „irrebuttable presumptions“ nur die Equal Protection-Klausel an: Nowak/Rotunda, Constitutional Law, S. 580. 110 Vlandis v. Kline, 412 U.S. 441 (1973).

C. Ergebnis

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heimischenprivilegierung möglich.111 Zudem berief sich der Gliedstaat auf geringeren Verwaltungsaufwand im Fall bei einer unwiderlegbaren Auswärtigenqualifizierung im Vergleich zur aufwendigen Nachprüfung eines bona fide-Vorsatzes.112 Der US-Supreme Court folgte dieser Argumentation nicht und bewertete die unabänderliche Verwehrung des Einheimischenstatus als Verstoß gegen die due process-Klausel.113 Aus diesem Urteil lässt sich für die Bestimmung einer maximalen Mindestwohnzeitdauer ableiten, dass die hinzugezogenen Studierenden nicht für die gesamte Studienzeit von den Vorteilen der in state tuitions ausgeschlossen werden dürfen, so dass die Mindestwohnzeit kürzer bemessen sein muss als die gewöhnliche Studiendauer. Offen ist hingegen, ob und wie weit die Gliedstaaten bei der Bestimmung einer Mindestwohnzeit über die mittlerweile übliche Dauer von einem Jahr hinausgehen dürfen.

C. Ergebnis Im Bereich der Auswärtigenstudiengebühren zeigen Rechtswissenschaft und Rechtsprechung in den USA eine größere Bereitschaft zur Differenzierung zwischen Einwohnern, Neueinwohnern und Auswärtigen und verfolgen dabei einen pragmatischen Ansatz bei der Rechtfertigung der damit verbundenen Ungleichbehandlungen. Die Privilegierung einheimischer Studierender mit reduzierten Studiengebühren wird hauptsächlich mit deren bisheriger und zukünftiger Beteiligung an der Staatsfinanzierung in Form von Steuerzahlungen gerechtfertigt. Die unterschiedliche Gebührenbelastung für die gleiche Leistung „Studienplatz“ wird dabei als gerechter Lastenausgleich zwischen vorleistungslosen Auswärtigen und den steuerzahlenden Einheimischen angesehen. Daneben ist auch eine Rechtfertigung als Abschreckungsgebühr möglich, um eine extern begründete Kapazitätsauslastung zu verhindern und die Versorgung der Einheimischen sicherzustellen. Während das Bundesverfassungsgericht der Frage nach Differenzierungen aus finanziellen Gründen mit einer großen Skepsis begegnet,114 herrscht in der USRechtsprechung somit eine größere Offenheit bezüglich der Rechtfertigung von finanziellen Ungleichbehandlungen aus finanziellen Gründen. 111

Argumentation wiedergegeben in: Vlandis v. Kline, 412 U.S. 441, 448 (1973). Argumentation wiedergegeben in: Vlandis v. Kline, 412 U.S. 441, 449 (1973). 113 Vlandis v. Kline, 412 U.S. 441 (1973): „The Due Process Clause of the Fourteenth Amendment does not permit Connecticut to deny an individual the opportunity to present evidence that he is a bona fide resident entitled to in-state rates, on the basis of a permanent and irrebuttable presumption of nonresidence […].“ 114 Siehe BVerfGE 19, 76 (84); ähnlich: E 75, 40 (72): „In aller Regel sind jedoch […] finanzielle Erwägungen und fiskalische Bemühen, Ausgaben zu sparen, für sich genommen nicht als sachgerechte Gründe anzusehen, die eine differenzierende Behandlung verschiedener Personengruppen rechtfertigen könnten.“ 112

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2. Kap.: Finanzielle Einheimschenprivilegierungen in den USA

Die Untersuchung von finanziellen Einheimischenprivilegierungen anhand der Maßstäbe des Grundgesetzes soll deshalb unter dem Eindruck der in den USA akzeptierten Rechtfertigungsüberlegungen und der amerikanischen Unbefangenheit im Umgang mit finanziellen Rechtfertigungsüberlegungen stattfinden.

3. Kapitel

Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen Für die Verfassungsmäßigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen kommt es neben der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen unter den Voraussetzungen des allgemeinen und der besonderen Gleichheitssätze auch auf die Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Freizügigkeitsrecht sowie der Menschenwürde an.

A. Schutz der Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 GG Grundsätzlich bewirken finanzielle Einheimischenprivilegierungen eine Ungleichbehandlung von Menschen, wobei sich aus finanziellen Benachteiligungen noch keine Beeinträchtigungen der Menschenwürde ergeben. Ein Konflikt mit dem „obersten Verfassungswert“1 droht jedoch, wenn finanzielle Einheimischenprivilegierungen den sozialen Wert- und Achtungsanspruch, der dem Menschen wegen seines Menschseins zukommt, berühren und den Menschen zum Objekt im Staat machen.2 Von den vorgestellten Einheimischenprivilegierungen erscheint eine derartige Wirkung nur bei der Begrenzung der sozialen Grundsicherung auf deutsche Staatsangehörige vorstellbar.

I. Begrenzung der sozialen Grundsicherungsleistungen auf deutsche Staatsangehörige Eine Begrenzung der sozialen Grundsicherungsleistungen auf deutsche Staatsangehörige scheitert an dem sich aus Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums,3 welches als Menschenrecht auch den auslän1

BVerfGE 109, 279 (311). BVerfGE 27, 1 (6); 50, 166 (175); 87, 209 (228); 115, 118 (153); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 1, Rn. 6; Kunig, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 1, Rn. 22 f. 3 St. Rspr.: BVerfGE 40, 121 (133); 45, 187 (228); 82, 60 (85); 113, 88 (108 f.); 123, 267 (363); 125, 175 (222); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 1, Rn. 15; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1, Rn. 30 ff. 2

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

dischen Staatsangehörigen zusteht.4 Das Recht auf eine menschenwürdige Existenz ist unabdingbar und kann auch nicht von weiteren Voraussetzungen – beispielsweise der Erfüllung einer Mindestaufenthaltsdauer – abhängig gemacht werden.5 Im Bereich der Sozialleistungen sind finanzielle Einheimischenprivilegierungen somit nur jenseits des durch die Menschenwürde abgesicherten Bereichs möglich.6

II. Ergebnis Eine Begrenzung der sozialen Grundsicherung auf deutsche Staatsangehörige ist mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar und somit als finanzielle Einheimischenprivilegierung ausgeschlossen.

B. Das allgemeine Freizügigkeitsrecht nach Art. 11 Abs. 1 GG Die vom Freizügigkeitsrecht geschützte Mobilität als Ausdruck „individueller Selbstbestimmung für den eigenen Lebenskreis“7 steht im Kontrast zu der von wohnsitzabhängigen Einheimischenprivilegierungen belohnten Immobilität, so dass sich die Frage stellt, ob finanzielle Einheimischenprivilegierungen gegen Art. 11 Abs. 1 GG verstoßen.

I. Eingriff in das Freizügigkeitsrecht Zu untersuchen ist, ob die Wohnsitzanknüpfungen der finanziellen Einheimischenprivilegierungen einen Eingriff in den Schutzbereich des Freizügigkeitsrechts bewirken. 1. Allgemeine Voraussetzungen Vor einer Überprüfung der einzelnen Privilegierungsformen sind zunächst der Umfang des Schutzbereichs sowie die Anforderungen an einen Eingriff in Art. 11 Abs. 1 GG zu erörtern.

4 5 6 7

BVerfGE 51, 1 (27); 132, 134. BVerfGE 132, 134 (172); Rothkegel, ZAR 2010, 373 (374). Kokott, in: Hailbronner, Die allgemeinen Regeln des Fremdenrechts, S. 27 (38). Kunig, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 11, Rn. 1.

B. Das allgemeine Freizügigkeitsrecht nach Art. 11 Abs. 1 GG

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a) Der Schutzbereich der Freizügigkeit Der Schutzbereich von Art. 11 Abs. 1 GG umfasst sowohl die positive als auch die negative Freizügigkeit. aa) Schutz der positiven Freizügigkeit Art. 11 Abs. 1 GG schützt die Freizügigkeit aller deutschen Staatsangehörigen – also die Möglichkeit, „ungehindert durch staatliche Gewalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen“8. Der Wohnsitz wird dabei – unter Rückgriff auf § 7 BGB – als die ständige Niederlassung an einem Ort definiert.9 Der Aufenthalt erfasst dagegen nur das „tatsächliche Verweilen an einem bestimmten Ort“10, wobei die genaue Bestimmung dieser Zeitdauer in der Literatur umstritten ist.11 Ganz überwiegend wird eine gewisse Verweildauer – beispielsweise eine Übernachtung12– verlangt, um eine Ausuferung des Schutzbereichs zu verhindern.13 bb) Schutz der negativen Freizügigkeit Finanzielle Einheimischenprivilegierungen können auch darauf abzielen, die Auswärtigen zu einem Umzug in die Gebietskörperschaft zu bewegen. Art. 11 Abs. 1 GG kann in diesen Fällen nur zur Anwendung kommen, wenn auch die Freiheit, den bisherigen Wohnsitz zu behalten oder am bisherigen Aufenthaltsort zu bleiben, in den Schutzbereich fällt. Zum Teil wird die Figur der negativen Freizügigkeit abgelehnt14 : Überwiegend beruht dies auf der Unterstellung, die negative Freizügigkeit beruhe auf dem „actus contrarius“-Gedanken und der Annahme, dieser sei mit der Grundrechtsdogmatik nicht vereinbar.15 Der Schutz einer negativen Freizügigkeit würde deshalb zu systemfremden Ergebnissen führen.16 Sowohl der Verweis auf den „actus contrarius“Gedanken als auch die These von dessen Unvereinbarkeit mit den Grundrechten 8 BVerfGE 2, 266, 273; 80, 137, 150; 110, 177, 190 f.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 11, Rn. 2; Sodan, in: Sodan, GG, Art. 11, Rn. 2; Pagenkopf, in: Sachs, GG, Art. 11, Rn. 14. 9 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 11, Rn. 2. 10 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 11, Rn. 2. 11 Darstellung der unterschiedlichen Abgrenzungsmerkmale bei Durner, in: Maunz/Dürig, GGK II, Art. 11, Rn. 79 ff. 12 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 11, Rn. 2. 13 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 11, Rn. 2; Pagenkopf, in: Sachs, GG, Art. 11, Rn. 16; Baldus in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 11, Rn. 3. 14 Durner, in: Maunz/Dürig, GGK II, Art. 11, Rn. 88 f. 15 Durner, in: Maunz/Dürig, GGK II, Art. 11, Rn. 89 mit Verweis auf Bleckmann, JuS 1988, 174 (176). 16 Durner, in: Maunz/Dürig, GGK II, Art. 11, Rn. 89.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

können inhaltlich nicht überzeugen: Die negative Freizügigkeit basiert nicht auf dem „actus contrarius“-Grundsatz – vielmehr lässt sich schon aus dem Grundrecht selbst das Recht ableiten, an dem gewählten Ort auch zu bleiben.17 Das Recht auf freie Wohnsitz- und Aufenthaltsortswahl wäre für den Grundrechtsberechtigten wertlos, wenn Art. 11 Abs. 1 GG nicht auch ein Bleiberecht enthalten würde.18 Andernfalls wäre auch die Ausformung der Freizügigkeitsdefinition mit der Wohnsitzwahl nicht nachvollziehbar, denn ein Wohnsitz setzt zwangsläufig eine ständige Niederlassung voraus, so dass auch der Wille des Grundrechtsberechtigten, an dem gewählten Ort zu bleiben, geschützt werden muss. Der Schutz der Freizügigkeit wäre folglich unvollständig, wenn dazu nicht auch die Freiheit, einen Ortswechsel nicht vorzunehmen und am Ort der Wahl zu bleiben, gehören würde.19 Die negative Freizügigkeit entstammt somit keinem Umkehrschluss, sondern einer teleologischen Auslegung des Art. 11 Abs. 1 GG.20 Zumindest im Ergebnis teilt diese Sichtweise wohl auch die Gegenauffassung, welche die Schutzbereichslücken durch eine normzweckorientierte Auslegung des Art. 11 Abs. 1 GG schließt und damit letztendlich auch zu der Erkenntnis gelangt, dass das Bleiberecht ebenfalls in den Schutzbereich von Art. 11 Abs. 1 fällt.21 Somit bleibt festzuhalten, dass auch die negative Freizügigkeit in den Schutzbereich von Art. 11 Abs. 1 GG fällt.22 b) Eingriffe in die Freizügigkeit Wie jedes Freiheitsrecht schützt Art. 11 Abs. 1 GG vor unmittelbaren Eingriffen durch die öffentliche Gewalt.23 Finanzielle Einheimischenprivilegierungen entfalten jedoch keine direkten Einwirkungen auf die Freizügigkeit des Grundrechtsträgers, 17 Hailbronner, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 32009, § 152, Rn. 46; Merten, in: Merten/ Papier, HGR II, § 42, Rn. 161; Baldus, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 11, Rn. 4; Gusy, in: MKS, GG I, Art. 11, Rn. 34; Randelzhofer, in: BK, Art. 11 (43. Lieferung 1981), Rn. 55 ff.; Hellermann, Die so genannte negative Seite der Freiheitsrechte, S. 176; Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 480; Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 41 f. 18 Baldus, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 11, Rn. 4; Hailbronner spricht deshalb von einer„Betätigungsform der Freizügigkeit“, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 32009, § 152, Rn. 46; Ziekow sieht das Bleiberecht als „integralen Bestandteil“ der Freizügigkeit an: Über Freizügigkeit und Aufenthalt, S. 480. 19 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 867. 20 Selbst wenn man in der negativen Freizügigkeit das Ergebnis eines „actus contrarius“ erblickte, so spräche dies im Übrigen nicht gegen dessen Einbeziehung in den Schutzbereich von Art. 11 Abs. 1 GG: Nach der von Durner zitierten Quelle (Bleckmann, JuS 1988, 174 (176)) verbietet sich zwar eine Anwendung des „actus contrarius“-Grundsatzes aus den Grundrechten zugunsten des Staates, aber hier wird der Grundsatz in die andere Richtung – zugunsten der Grundrechtsberechtigten – angewendet. 21 Durner, in: Maunz/Dürig, GGK II, Art. 11, Rn. 90 f. 22 So auch: Merten, in: Merten/Papier,HGR II, § 42, Rn. 166; Hailbronner in: Isensee/ Kirchhof, HStR VII, 32009, § 152, Rn. 46; Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/1, S.1141; Kunig, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 11, Rn. 18; Pieroth, JuS 1985, 81 (84 f.). 23 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 11, Rn. 7.

B. Das allgemeine Freizügigkeitsrecht nach Art. 11 Abs. 1 GG

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sondern erschweren durch finanzielle Lasten die Grundrechtsausübung auf indirektem Wege. Art. 11 Abs. 1 GG bietet in diesen Fällen also nur dann Schutz, wenn auch mittelbare Grundrechtseingriffe erfasst werden. aa) Mittelbare Eingriffe Ausgangspunkt für die Berücksichtigung solcher Beeinträchtigungen ist der moderne Eingriffsbegriff: „Eingriff ist jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten oder den Genuss eines Rechtsguts, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht, gleichgültig ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbal oder mittelbar, rechtlich oder tatsächlich, mit oder ohne Befehl und Zwang eintritt.“24. Durch diese Aufweichung der Kriterien des „alten“ klassischen Eingriffsbegriffs werden auch mittelbare Eingriffe einbezogen.25 Ein mittelbarer Eingriff liegt vor, wenn eine staatliche Handlung lediglich das Umfeld der Grundrechtsausübung trifft, aber in ihrer Zielsetzung und Wirkung einem unmittelbaren Eingriff gleichkommt.26 Die Frage, ob Art. 11 Abs. 1 GG auch gegen mittelbare Eingriffe schützt, erscheint angesichts der vielen Faktoren, welche die Wohnsitznahme sowie den Aufenthaltsort beeinflussen können und der damit drohenden Uferlosigkeit des Art. 11 Abs. 1 GG nicht ganz unproblematisch. Aufgrund dieser Bedenken wurde von einer – mittlerweile überholten – restriktiven Ansicht vertreten, dass mittelbare und faktische Eingriffe nicht von Art. 11 Abs. 1 GG erfasst seien.27 Die befürchtete Uferlosigkeit der Freizügigkeit erscheint jedoch unbegründet, denn durch die Kriterien der Finalität und Intensität werden auch für mittelbare Eingriffe klare Grenzen gezogen.28 Eine Nichtanwendung des modernen Eingriffsbegriffs lässt sich nicht rechtfertigen, weshalb mittlerweile Einigkeit besteht,29 dass auch mittelbare Beeinträchtigungen als Eingriff in den Schutzbereich von Art. 11 Abs. 1 GG gewertet werden müssen.30

24

Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 253; ausführlich zu mittelbaren Grundrechtseingriffen: Bethge, in: Merten/Papier, HGR III, § 58. 25 Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313. 26 BVerfGE 105, 252 (273); 113, 63 (76 f.). 27 BVerwGE 64, 153 (159); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 11, Rn. 7; Kunig, in: Münch/Kunig , GGK I, Art. 11, Rn. 19. 28 Durner, in: Maunz/Dürig, GGK II, Art. 11, Rn. 113 f. 29 Nun auch mittelbare Eingriffe einbeziehend: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 11, Rn. 8; Kunig will weiterhin grundsätzlich nur unmittelbare Eingriffe einbeziehen, macht aber eine Ausnahme für solche Eingriffe, die „bei wertender Betrachtung dem unmittelbaren Eingriff gleich zu erachten“ sind: Münch/Kunig, GGK I, Art. 11, Rn. 19. 30 BVerfGE 110, 177 (191); NVwZ 2010, 1022 (1025); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 11, Rn. 8; Gnatzy, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 11, Rn. 17; Baldus, in: Epping/ Hillgruber, GG, Art. 11, Rn. 14; Pagenkopf, in: Sachs, GG, Art. 11, Rn. 20; Durner, in: Maunz/ Dürig, GGK II, Art. 11, Rn. 112; Gusy, in: MKS, GG I, Art. 11, Rn. 14.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

bb) Erhöhte Anforderungen an mittelbare Eingriffe durch Abgaben Während Abgaben, die unmittelbar an die Veränderung von Wohnsitz oder Aufenthalt anknüpfen, unmittelbare Eingriffe in die Freizügigkeit darstellen,31 werden bei mittelbar-faktisch wirkenden Abgaben seitens der Rechtsprechung besondere Maßstäbe angelegt: „Für den Bereich der Festsetzung von Abgaben ist regelmäßig die Qualität eines Eingriffs zu verneinen, solange diese Abgaben nicht eine ähnliche Wirkung wie ein striktes Verbot des Nehmens von Aufenthalt oder Wohnsitz haben.“32 Diese Sichtweise steht im Einklang mit der allgemeinen Schutzbereichsbestimmung des Grundrechts, wonach das Freizügigkeitsrecht keinen Anspruch begründet, „dass der Aufenthalt an einem bestimmten Ort aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mit Konsequenzen verbunden ist, die zu dem Entschluss veranlassen können, von einem Aufenthalt abzusehen“33. 2. Kommunalebene a) Einheimischentarife Die Annahme eines Eingriffs in das Freizügigkeitsrecht durch höhere Benutzungsgebühren für eine öffentliche Einrichtung erscheint zweifelhaft. Die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung in einer anderen Gemeinde begründet noch keinen Aufenthalt, so dass die positive Freizügigkeit nicht betroffen sein kann. In Anbetracht des Umstandes, dass Einheimischentarife auch als Anreiz für einen Wohnortwechsel in eine Kommune dienen können, erscheint ein Eingriff in die negative Freizügigkeit denkbar. Allerdings fehlt es bei kommunalen Benutzungsgebühren an der für einen Abgabeneingriff notwendigen verbotsähnlichen Wirkung hinsichtlich der Beibehaltung des bisherigen Wohnsitzes, denn aufgrund der begrenzten Überhöhungsmöglichkeiten und der fehlenden Benutzungspflicht für Auswärtige können die finanziellen Nachteile infolge erhöhter Benutzungsgebühren keine verbotsähnliche Wirkung hinsichtlich der Wohnsitzbeibehaltung in anderen Kommunen entfalten.34 Festzuhalten bleibt also, dass Einheimischentarife nicht als mittelbarer Eingriff in Art. 11 Abs. 1 GG zu qualifizieren sind.35

31 BVerwGE 44, 202, 211; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 11, Rn. 8; Hailbronner in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 32009, § 152, Rn. 56, 64; Durner, in: Maunz/Dürig, GGK II, Art. 11, Rn. 119. 32 BVerfG, NVwZ 2010, 1022 (1025); BVerwG, Beschluss vom 9. 4. 2009, Az. 6 B 80/80, Rn. 5 (juris). 33 BVerfG, NVwZ 2010, 1022 (1025). 34 Zur maximalen Gebührenüberhöhung, siehe 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (1), (a). 35 Ebenso: Burgi, JZ 1999, 873 (878).

B. Das allgemeine Freizügigkeitsrecht nach Art. 11 Abs. 1 GG

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b) Fremdenabgaben Grundsätzlich knüpfen Fremdenabgaben an den Aufenthalt in einer Kommune an und stellen somit einen direkten Eingriff in den Schutzbereich der Freizügigkeit in Form der freien Aufenthaltsnahme dar. Ein Eingriff lässt sich auch nicht mit dem Hinweis auf die im Gegenzug eingeräumten Nutzungsmöglichkeiten abstreiten.36 Letztendlich rechtfertigen jedoch die Nutzungsmöglichkeiten an den Kur- und Fremdenverkehrseinrichtungen den Eingriff in das Freizügigkeitsrecht.37 c) Einheimischenmodelle Einheimischenmodelle können für auswärtige Kaufinteressenten den Grundstückskauf in einer Gemeinde erschweren und beeinträchtigen damit die „interkommunale Freizügigkeit“.38 Allerdings ergeben sich aus der Freizügigkeit keine Leistungsrechte und damit auch kein Recht auf Vergünstigungen beim Grundstückkauf.39 Der Ausschluss auswärtiger Personen vom günstigeren Grundstücksverkauf in bestimmten Baugebieten stellt damit keinen Eingriff in Art. 11 Abs. 1 GG dar.40 aa) Kein Grundstücksverkauf an Auswärtige Die Bejahung eines Eingriffs erscheint möglich, wenn eine Kommune die Grundstücke in einem Neubaugebiet nur an Einheimische vergibt, denn der Ausschluss Auswärtiger von der Grundstücksvergabe wirkt wie ein Wohnsitznahmeverbot für diesen Teil des Gemeindegebiets. Ein mittelbarer Eingriff in die Freizügigkeit wird hingegen nur angenommen, wenn Auswärtigen die Wohnsitznahme in der Gemeinde unmöglich gemacht wird.41 Daran fehlt es bei einem derartigen Einheimischenmodell, denn Auswärtige werden nicht am Grundstückskauf im restlichen Gemeindegebiet gehindert.42 Darüber hinaus muss beachtet werden, dass die Möglichkeit zur Anmietung von Wohnraum durch Einheimischenmodelle nicht ausgeschlossen wird. Der von Art. 11 Abs. 1 GG geschützte Akt der Wohnsitznahme ist unabhängig von der rechtlichen 36 Siehe die insoweit nicht überzeugende Argumentation von Schneider-Bienert, Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgabe, S. 18. 37 BVerwG, Buchholz 401.63 Kurabgaben Nr. 5; HessVGH, NVwZ 1987, 160; Ziekow, in: Friauf/Höfling, BKGG I, Art. 11, Rn. 95. 38 Hailbronner, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 32009, § 152, Rn. 44. 39 Ziekow, in: Friauf/Höfling, BKGG I, Art. 11, Rn. 95; Kahl/Röder, JuS 2001, 24 (25). 40 BVerwGE 92, 56 (64); BayVGH, NVwZ 1990, 979 (981); Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 29; Kahl/Röder, JuS 2001, 24 (25); Burgi, JZ 1999, 873 (878). 41 BayVGH, NVwZ 1990, 979 (981); Ziekow, in: Friauf/Höfling, BKGG I, Art. 11, Rn. 95; Pagenkopf, in Sachs, GG, Art. 11, Rn. 22. 42 Beck, Die Einheimischenmodelle in Bayern, S.69.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Eigenschaft der bewohnten Immobilie als Eigentums- oder Mietobjekt.43 Dazu führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass das Freizügigkeitsrecht „nicht eine bestimmte Art und Weise der Wohnsitznahme gewährleistet“ und „die Inanspruchnahme der Freizügigkeit nicht von der Frage abhängig ist, ob und wie Eigentum an Grund und Boden erworben werden kann“44. Entscheidend für das Freizügigkeitsrecht ist nicht die Möglichkeit des Grundstückserwerbs, sondern die der Wohnsitznahme im Allgemeinen, welche durch die beschriebenen Beschränkungen bei Neubaugebieten nicht ausgeschlossen wird. Der Ausschluss des Eigentumserwerbs stellt somit keinen Eingriff in die Freizügigkeit dar.45 bb) Eingriff in die mobilitätsbezogene Gleichheit Zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen Freizügigkeit wird vorgeschlagen, ein Gleichbehandlungsrecht beim Grunderwerb in den Schutzbereich des Freizügigkeitsrechts zu integrieren.46 Die Annahme eines Gleichbehandlungsgebots beim Grundstückskauf basiert auf der Theorie der wirtschaftlichen Freizügigkeit, welche den Zuziehenden einen Schutz vor Ungleichbehandlungen bei der wirtschaftlichen Niederlassung bieten soll.47 Inwiefern diese „mobilitätsbezogene Gleichheit“48 tatsächlich aus historischen Gründen zum Schutzbereich des Art. 11 Abs. 1 GG gehören muss49 und warum Art. 3 Abs. 1 GG als Schutznorm nicht genügt,50 hat jedoch für die Untersuchung dieser Einheimischenprivilegierung keine Bedeutung: Einheimischenmodelle dienen nicht der Gewerbeansiedlung oder Wirtschaftsförderung, sondern der Schaffung von Wohnraum für die Gemeindeeinwohner.51 Ein Eingriff in den Schutzbereich der wirtschaftlichen Freizügigkeit liegt daher nicht vor.

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Durner, in: Maunz/Dürig, GGK II, Art. 11, Rn. 30. BVerwGE 92, 56 (64). 45 Die ebenfalls naheliegende Frage, ob es für einen Eingriff ausreicht, wenn Auswärtige nur in einem bestimmten Bereich des Gemeindegebiets vom Eigentumserwerb ausgeschlossen sind, hat somit keine Bedeutung. 46 Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 64, 69, 72; Kunig, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 11, Rn. 17; Gusy, in: MKS, GGK I, Art. 11, Rn. 11; Pernice, in: Dreier , GGK I, 2. Aufl. 2006, Art. 11, Rn. 17. 47 Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 70 ff. 48 Durner, in: Maunz/Dürig, GGK II, Art. 11, Rn. 87. 49 Dies bejahend: Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 65 ff.; Randelzhofer, in: BK, Art. 11, Rn. 52. 50 Die Rechtsprechung prüft in Ungleichbehandlungen in der Freizügigkeit anhand von Art. 3 Abs. 1 GG: BVerfGE 19, 101 (116 f.); 21, 160 (168 ff.); BayVGH, NVwZ 1990, 979 (981); dies befürwortend: Durner, in: Maunz/Dürig, GGK II, Art. 11, Rn. 87. 51 Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 15; Burgi, JZ 1999, 873 (874). 44

B. Das allgemeine Freizügigkeitsrecht nach Art. 11 Abs. 1 GG

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cc) Ergebnis Einheimischenmodelle stellen keinen Eingriff in das von Art. 11 Abs. 1 GG geschützte Freizügigkeitsrecht dar. 3. Landesebene a) Wohnsitzabhängige Studiengebühren Eine wohnsitzabhängige Studiengebühr betrifft das negative Freizügigkeitsrecht der Studierenden und eröffnet den Schutzbereich von Art. 11 Abs. 1 GG, da ihr Regelungszweck auf einen Wohnsitzwechsel gerichtet ist und daher von einem mittelbaren – weil intendierten – Eingriff auszugehen ist: Laut der bremischen Gesetzesbegründung wurde mit der Studiengebühr insbesondere das Ziel verfolgt, „die Studierenden anzuhalten […] durch Wohnsitznahme im Land Bremen“52 zur Hochschulfinanzierung durch die „Steigerung der Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich beizutragen“53. Zweifelhaft erscheint jedoch die für mittelbare Eingriffe durch Abgaben erforderliche Eingriffsqualität in Form einer verbotsähnlichen Wirkung hinsichtlich der Aufenthalts- und Wohnsitznahme.54 Bezogen auf eine wohnsitzabhängige Studiengebühr ist dies erst dann der Fall, wenn die Studiengebühr eine verbotsähnliche Wirkung hinsichtlich des Haltens eines Wohnsitzes außerhalb des Landes entfaltet. Im Hinblick auf die von der Hansestadt Bremen angesetzte Studiengebührenhöhe von 500 Euro55 pro Semester erscheint die Annahme einer verbotsähnlichen Wirkung eher fernliegend. Gleichwohl hat das zuständige Verwaltungsgericht die wohnsitzabhängige Studiengebühr in dieser Höhe als „wirtschaftlich spürbaren Nachteil“ angesehen und als mittelbaren Eingriff in Art. 11 Abs. 1 GG qualifiziert.56 Auch das Bundesverfassungsgericht hat das Kriterium des „wirtschaftlich spürbaren Nachteils“ im „Spätaussiedler-Urteil“ zur Bestimmung eines mittelbaren Eingriffs in die Freizügigkeit verwendet.57 Zu beachten ist jedoch, dass es sich bei dem im Spätaussiedler-Urteil zugrundeliegenden Fall um die Streichung der Sozialhilfe für arbeitslose Spätaussiedler bei einem Wohnortwechsel gehandelt hat.58 Eine Übertragung dieses Kriteriums auf die Auferlegung von Abgaben überzeugt angesichts der unterschiedlichen Eingriffskonstellationen nicht, denn die Entziehung einer existenzsichernden Staatsleistung kann nicht mit der 52 Gesetzesbegründung zum Bremischen Studienkontengesetz, siehe Bremische Bürgerschaft, Drs. 16/758, S. 5. 53 Gesetzesbegründung zum Bremischen Studienkontengesetz, siehe Bremische Bürgerschaft, Drs. 16/758, S. 6. 54 BVerfG, NVwZ 2010, 1022 (1025). 55 Siehe § 6 des damaligen BremStKG. 56 VG Bremen, Beschluss vom 17. 09. 2007, Az. 6 K 1577/06, S. 21. 57 BVerfGE 110, 177 (191). 58 BVerfGE 110, 177.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Auferlegung einer Gebühr für eine staatliche Leistung verglichen werden. Die wohnsitzabhängige Studiengebühr knüpft nicht – wie die Streichung der Sozialhilfe – als Sanktion an eine beliebige Wohnsitzverlegung an, sondern stellt lediglich eine wohnsitzabhängige Abgabe dar. Entscheidend ist, ob der „wirtschaftlich spürbare Nachteil“ einer Studiengebühr von 1000 Euro pro Jahr eine verbotsähnliche Wirkung hinsichtlich des Haltens eines Wohnsitzes außerhalb des Landes hat. Eine Studiengebührenbelastung von 1000 Euro pro Jahr stellt für den durchschnittlichen Studierenden sicherlich einen nicht unerheblichen Betrag dar. Die auf einen Wohnsitzwechsel gerichtete Intention des Gesetzgebers kann jedoch nicht als Beweis für die hohe Eingriffsintensität der Gebührenhöhe dienen59: Eine Semesterstudiengebühr in Höhe von 500 Euro – auf den Monat umgerechnet 83,30 Euro – erscheint als finanzielle Belastung nicht derart schwerwiegend, dass eine Wohnsitznahme außerhalb des Landes finanziell unmöglich ist. In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass das Bundesverfassungsgericht einer Semesterstudiengebühr in dieser Höhe – im Vergleich zu den Lebenserhaltungskosten – nur eine nachrangige Bedeutung bei der Studienortwahl eingeräumt hat.60 Dementsprechend kann eine Studiengebühr auch nur eine nachrangige Bedeutung für die Wohnortwahl entfalten. Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass eine wohnsitzabhängige Studiengebühr keinen mittelbaren Eingriff in Art. 11 Abs. 1 GG darstellt.61 b) (Mindestwohnzeitabhängige) Freiwillige Landesleistungen Die Anknüpfung an die Erfüllung einer bestimmten Vorwohndauer bei der Gewährung von freiwilligen staatlichen Zusatzleistungen könnte das Freizügigkeitsrecht zumindest mittelbar beeinträchtigen: Beispielsweise erklärt das Bayerische Landeserziehungsgeldgesetz in § 1 Abs. 1 Nr. 1 nur solche Personen für anspruchsberechtigt, die seit mindestens 12 Monaten ihren Hauptwohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Freistaat Bayern haben. Nach allgemeiner Auffassung begründet Art. 11 Abs. 1 GG als Freiheitsrecht jedoch kein Leistungsrecht und damit auch keinen Anspruch auf finanzielle Leistungen am gewählten Wohnort.62 Selbst wenn man in Art. 11 Abs. 1 GG ein Leistungsrecht sehen würde, läge schon kein mittelbarer Eingriff vor: Für die Annahme eines mittelbaren Eingriffs fehlt es schon an einer die Freizügigkeit betreffenden Zielsetzung, denn durch die 12 Monatsfrist sollen junge Familien nicht vom Umzug nach Bayern abgehalten werden, 59

VG Bremen, Beschluss vom 17. 09. 2007, Az. 6 K 1577/06, S. 21. BVerfGE 112, 226 (245). 61 Dies gilt für eine „übliche“ Studiengebühr von 500 Euro. Ab welcher Höhe eine wohnsitzabhängige Studiengebühr verbotsähnlich wirkt, ist eine finanzpolitische Frage, die an dieser Stelle nicht erörtert werden soll. Grundsätzlich kann eine hohe Gebühr natürlich eine verbotsähnliche Wirkung haben, dazu: Caspar, RdJB 2003, 48 (57). 62 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 11, Rn. 9; Durner, in: Maunz/Dürig, GGK II, Art. 11, Rn. 117; Gusy, in: MKS, GGK I, Art. 11, Rn. 33; Pagenkopf, in: Sachs, GG, Art. 11, Rn. 22. 60

B. Das allgemeine Freizügigkeitsrecht nach Art. 11 Abs. 1 GG

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sondern es soll ein „Leistungstourismus aus anderen Bundesländern und dem Ausland“63 verhindert werden. Schließlich fehlt es auch an der Intensität des Eingriffs, da durch die zwölfmonatige Leistungsvorenthaltung ein Wohnsitzwechsel nicht faktisch unmöglich gemacht wird.64 Die Anspruchsvoraussetzung einer einjährigen Mindestaufenthaltsdauer stellt bei der Gewährung von freiwilligen Leistungen somit keinen Eingriff in Art. 11 Abs. 1 GG dar. 4. Bundesebene a) Zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühren Das Deutschengrundrecht der Freizügigkeit kommt als Schutzrecht von vornherein nur für deutsche Staatsangehörige mit im Ausland zugelassenen PKW und somit nur einen kleinen Teil der von einer zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühr belasteten Autofahrer in Betracht. Doch auch diesen Grundrechtsberechtigten verschafft Art. 11 Abs. 1 GG keinen Schutz, denn das Freizügigkeitsrecht schützt nicht die Modalitäten der Fortbewegung,65 so dass die Belastung mit einer Autobahnmaut keinen Eingriff in den Schutzbereich darstellt. Daher fällt das Befahren einer mautpflichtigen Autobahn lediglich in den Schutzbereich der „Fortbewegungsfreiheit“66 als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs.1 GG, wobei der Eingriff durch eine Benutzungsgebühr bei Einhaltung der gebührenrechtlichen Prinzipien gerechtfertigt ist.67 b) Ergebnis Eine zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühr begründet keinen Eingriff in das allgemeine Freizügigkeitsrecht.

II. Ergebnis Finanzielle Einheimischenprivilegierungen greifen nicht in den Schutzbereich der Freizügigkeit ein und sind somit mit Art. 11 Abs. 1 GG vereinbar.

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Bayerischer Landtag, 14. Wahlperiode, Drs. 14/4679 vom 26. 10. 2000, S. 13. Unerheblich ist dabei auch die Ungleichbehandlung mit Einheimischen: Pagenkopf, in: Sachs, GG, Art. 11, Rn. 22. 65 BVerfGE 80, 137 (150); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 11, Rn. 2. 66 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 32. 67 Siehe 3. Kap., E., II., 2., c), bb). 64

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

C. Die staatsbürgerliche Gleichheit nach Art. 33 Abs. 1 GG Art. 33 Abs. 1 GG erscheint mit seinem Schutzgut der „staatsbürgerlichen Gleichheit“68 als hohe Hürde für die Verfassungsmäßigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen.

I. Einheimischenprivilegierungen als staatsbürgerliche Ungleichbehandlungen Art. 33 Abs. 1 GG statuiert gleiche staatsbürgerliche Rechte für deutsche Staatsangehörige in jedem Land. Zu untersuchen ist zunächst, ob und inwiefern die von Einheimischenprivilegierungen beeinträchtigten Rechtspositionen in den Anwendungsbereich der staatsbürgerlichen Rechte fallen. 1. Allgemeine Voraussetzungen Bevor eine Überprüfung der finanziellen Einheimischenprivilegierung erfolgen kann, sind der Schutzbereich der staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten, der Umfang des Differenzierungsverbots und die von Art. 33 Abs. 1 GG verpflichteten Gebietskörperschaften zu erörtern. a) Staatsbürgerliche Rechte und Pflichten Entscheidend für die Anwendbarkeit des Art. 33 Abs. 1 GG auf die finanziellen Einheimischenprivilegierungen ist die Frage, ob die jeweiligen Regelungen dem Schutzbereich der staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten unterfallen. Der Umfang der staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten wird unterschiedlich beurteilt: Die in der Literatur überwiegende Ansicht vertritt eine weite Auslegung und bezieht sämtliche öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse des Einzelnen zum Staat ein.69 Eine Untersuchung des Begriffs der „staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“ anhand der gängigen Auslegungsmethoden spricht hingegen für eine

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Maunz, GS Peters, S. 558. Maunz, in: Maunz/Dürig, GGK, Art. 33 (8. Lfg. 1966), Rn. 6; Pieper, in: SchmidtBleibtreu/Klein, GG, Art. 33, Rn. 6; Höfling, in: BK, Art. 33, Rn. 27 f.; Jachmann, in: MKS, GGK II, Art. 33, Rn. 5; Badura, in: Maunz/Dürig, GGK IV, Art. 33, Rn. 6, 9; Kunig, in: Münch/ Kunig, GGK I, Art. 33, Rn. 10 ff.; Trute, in: AK-GG II, Art. 33, Rn. 7; Grigoleit, in: Stern/ Becker , GG, Art. 33, Rn. 19; Gallwas, FestG Maunz, S. 102 (106 ff.); Bethge, AöR 110 (1985), 169 (210); Sachs, in: Sachs, Staatsrecht IV/2, S. 1792 f. 69

C. Die staatsbürgerliche Gleichheit nach Art. 33 Abs. 1 GG

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restriktive Auslegung und einen auf die „status activus“-Rechte begrenzten Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 1 GG.70 aa) Wortlaut Bei einer strengen Wortlautlösung können unter den Begriff der staatsbürgerlichen Rechte nur solche Rechte fallen, die exklusiv den deutschen Staatsangehörigen und nicht auch ausländischen Staatsangehörigen zustehen.71 Diese Unterscheidung macht die extensive Ansicht nicht, wenn sie auch solche Rechte einbezieht, „die dem Bürger gegenüber dem Träger unmittelbarer oder mittelbarer Landesstaatsgewalt zustehen“72. Während Pfütze als Vertreterin der extensiven Ansicht einräumt, dass der Wortlaut gegen ihre Auslegung spricht,73 tut Badura die ausdrückliche Nennung der „Staatsbürgerlichkeit“ als bloße „Betonung des bundesstaatsrechtlichen Grundgedankens der Vorschrift“ ab.74 Diese von der extensiven Ansicht vorgenommene Auslegung stellt eine mit dem Wortlaut „kaum zu vereinbarende Begriffserweiterung“75 dar und leidet unter dem schweren Mangel, dass sie den Staatsbürger zum „einfachen“ Bürger degradiert und somit den prägenden Begriffsteil ignoriert. bb) Historie Auch wenn mit der Historie im Allgemeinen ein entgegenstehender Wortlaut nicht überwunden werden kann,76 stützt sich die extensive Ansicht hauptsächlich auf die Entstehungsgeschichte des Art. 33 Abs. 1 GG: Der Artikel beruhe auf Art. 110 Abs. 2 WRV,77 welcher sich auf alle öffentlichen Rechte bezogen habe.78 Nichts anderes gelte deshalb für die „staatsbürgerlichen Rechte“, da bei der Ausarbeitung 70 BayVerfGH, BayVBl. 1971, 102 (103); Masing, in: Dreier, GGK II, Art. 33, Rn. 30 ff.; Dollinger/Umbach, in: Umbach/Clemens, GG I, Art. 33, Rn. 26; Herdegen, in: Isensee/ Kirchhof, HStR IV, 21999, § 97, Rn. 8; Ridder, in AK-GG I, 2. Aufl., Art. 33, Rn. 13; LübbeWolff, in: Dreier, GGK II, 1. Aufl., Art. 33, Rn. 27 ff.; Sachs, AöR 108 (1983), 68 (76). 71 Lübbe-Wolff, in: Dreier, GGK II, 1. Aufl., Art. 33, Rn. 27; ähnlich wohl auch: BayVerfGH, BayVBl 1971, 102 (103). 72 Gallwas, FestG Maunz, S. 102 (107). 73 Pfütze, Die Verfassungsmäßigkeit von Landeskinderklauseln, S. 65; ähnlich: Sachs, AöR 108 (1983), 68 (81). 74 Badura, in: Maunz/Dürig, GGK IV, Art. 33, Rn. 9. 75 Sachs, AöR 108 (1983), 68 (81). 76 BVerfGE 6, 389 (431); 41, 291 (309); 45, 187 (227); 61, 1 (45). 77 „Jeder Deutsche hat in jedem Lande des Reiches die gleichen Rechte und Pflichten wie die Angehörigen des Landes selbst.“ 78 Maunz, in: Maunz/Dürig, GGK, Art. 33 (8. Lfg. 1966), Rn. 6; Gallwas, in: FestG Maunz, S. 102 (107 f.); Engels, Chancengleichheit und Bundesstaatsprinzip, S. 174; Kugler, Allgemeine Studiengebühren, S. 174; Pfütze, Die Verfassungsmäßigkeit von Landeskinderklauseln, S. 57.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

des Art. 33 Abs. 1 GG im Parlamentarischen Rat keine inhaltliche Änderung angestrebt worden sei.79 Richtig ist, dass bei den Beratungen im Grundsatzausschuss der alte Art. 110 Abs. 2 WRV als Ausgangspunkt für eine „Bestimmung zur Landes- und Bundeszugehörigkeit“ herangezogen wurde.80 Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Feststellung, dass Art. 110 Abs. 2 WRV in der Weimarer Republik auf alle Verhältnisse des öffentlichen Rechts angewendet worden ist.81 Nichtsdestotrotz spricht aber der Inhalt der im Parlamentarischen Rat geführten Diskussion gegen die bloße Übernahme und inhaltliche Weiterführung von Art. 110 Abs. 2 WRV: Schon in der Einleitung führt der Vorsitzende von Mangoldt aus, dass es „jetzt über zu dem status activus, nämlich zu der öffentlich-rechtlichen Stellung gehe“.82 Damit setzte von Mangoldt die öffentlich-rechtliche Stellung im Art. 110 Abs. 2 WRV mit dem status activus gleich: Dieser – auf Jellinek zurückgehende83– Begriff beschreibt den notwendigen Zustand, damit der Einzelne seine Freiheit im und für den Staat durch Mitgestaltung und Teilnahme umsetzen kann.84 Die staatsbürgerlichen Rechte stellen die „Ausformung und Sicherung des status activus“ dar.85 Bei der weiteren Diskussion über den Artikel ging es sowohl im Ausschuss für Grundsatzfragen als auch im Hauptausschuss um das Wahlrecht86 und die Landesangehörigkeit87. Die Erörterung von Wahlrechtsfragen spricht für eine enge Auslegung der öffentlichen Rechte in der zu diesem Zeitpunkt zu beratenden Fassung.88 Trotz der signifikanten Wortlautänderung gehen die Vertreter der extensiven Ansicht weiterhin von einer inhaltlichen Deckungsgleichheit mit Art. 110 Abs. 2 WRV aus.89 Diese These beruht im Wesentlichen darauf, dass die Änderung der 79 Höfling, in: BK, Art. 33, Rn. 25 f.; Jachmann, in: MKS, GGK II, Art. 33, Rn. 1; Kunig, in: Münch/Kunig, GGK II, Art. 33, Rn. 11; Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 1792; Engels, Chancengleichheit und Bundesstaatsprinzip, S. 174; Kugler, Allgemeine Studiengebühren, S. 174; Pfütze, Die Verfassungsmäßigkeit von Landeskinderklauseln, S. 54 ff., 66 ff. 80 6. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 05. 10. 1948, in: ParlRat V/1, S. 130. 81 Siehe Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, S. 538 m.w.N. 82 von Mangoldt, in: 6. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 05. 10. 1948, in: ParlRat V/1, S. 130. 83 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 87, 94 ff. 84 Starck, in: Merten/Papier, HGR II, § 41, Rn. 8 f.; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 83 ff. 85 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 83, 85. 86 6. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 05. 10. 1948, in: ParlRat V/1, S. 131; 8. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 07. 10. 1948, in: ParlRat V/1, S. 196. 87 8. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 07. 10. 1948, in: ParlRat V/1, S. 193 ff.; 25. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 24. 11. 1948, in: ParlRat V/2, S. 704 f. 88 Dies räumt auch Kugler ein: Allgemeine Studiengebühren, S. 173. 89 Maunz, in: Maunz/Dürig, GGK, Art. 33 (8. Lfg. 1966), Rn. 6; Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 1792.

C. Die staatsbürgerliche Gleichheit nach Art. 33 Abs. 1 GG

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Vorschrift nicht auf einer konkreten Debatte und einer protokollarisch nachprüfbaren Abstimmung im Grundsatzausschuss beruht habe, woraus geschlossen wird, dass keine inhaltliche Änderung gewollt gewesen sei.90 Der Parlamentarische Rat beschäftigte sich fast ein Jahr lang mit der stark an Art. 110 Abs. 2 WRV angelehnten Fassung, wobei in der Diskussion der normative Anwendungsbereich – im Vergleich zur Weimarer Fassung – schon ersichtlich verengt war. Der Begriff der „staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“ tauchte bei der 25. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen in einem Änderungsantrag der KPD auf, welcher der heutigen Fassung schon recht nahe kam: „Alle deutschen Staatsangehörigen haben in jedem Land die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“91 Allerdings ist unklar, inwiefern dieser Änderungsantrag im Grundsatzausschuss überhaupt Beachtung gefunden hat, denn in den nächsten Sitzungen wurde der Antrag nicht thematisiert. Der tatsächliche Eingang in das Grundgesetz beruht auf einem Vorschlag des „Fünfer-Ausschusses“92 vom 28. 02. 1949,93 welcher am 02. 05. 1949 durch den Allgemeinen Redaktionsausschuss94 übernommen wurde.95 Da weder der FünferAusschuss noch der Allgemeine Redaktionsausschuss die Änderung des Artikels begründet haben, kann über die tatsächlichen Änderungsmotive nur spekuliert werden: Angesichts der zuvor im Grundsatzausschuss geführten Debatten, welche für eine alleinige Erfassung der Rechte des status activus sprechen,96 liegt es somit nahe, die Änderung als textliche Umsetzung der Ausschussgespräche anzusehen. Der vermeintliche demokratische Mangel, welchen die Vertreter der extensiven Ansicht aufgrund der fehlenden Abstimmung im Grundsatzausschuss ausmachen, wird spätestens dadurch behoben, dass die Fassung des Redaktionsausschusses von der Plenumsmehrheit des Parlamentarischen Rates angenommen wurde.97 In diesem Zusammenhang muss auch die Annahme ohne Änderungsanträge betont werden,

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Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 1787. 25. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 24. 11. 1948, in: ParlRat V/2, S. 705 f. 92 Der Fünfer-Ausschuss bestand aus je 2 Abgeordneten von CDU/CSU und SPD sowie einem Abgeordneten der FDP. Aufgabe des Ausschusses war es, in interfraktionellen Besprechungen die noch bestehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den Fraktionen auszuräumen: ParlRat VII, S. IX. 93 Vorschläge des Fünfer-Ausschuss vom 28. 02. 1949, in: ParlRat VII, S. 446. 94 Aufgabe des Redaktionsausschusses war es, die Arbeit der Fachausschüsse zu sichten und die Artikel-Entwürfe redaktionell zu bearbeiten: ParlRat VII, S. VIII. 95 Vorschläge des Allgemeinen Redaktionsausschusses zur Fassung der dritten Lesung des Hauptausschusses unter Einarbeitung der aufrechterhaltenen Beschlüsse des Fünfer-Ausschusses, des Siebener Ausschusses und der Beschlüsse der interfraktionellen Besprechungen vom 02.-05. 05. 1949, in: ParlRat VII, S. 505. 96 Pfütze vermutet von Mangoldt, der Mitglied beider Ausschüsse war, als treibende Kraft im Redaktionsausschuss, siehe: Die Verfassungsmäßigkeit von Landeskinderklauseln, S. 55, 66 f. 97 9. Sitzung des Plenums am 06. 05. 1949, in: ParlRat IX, S. 464. 91

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

welche auch das Einverständnis der zum Plenum gehörenden Mitglieder des Grundsatzausschusses verdeutlicht.98 Die These, dass mit der Textänderung keine Inhaltsänderung angestrebt worden sei, ist auch aufgrund der vorherigen Verwendung des Begriffs der „staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“ im Parlamentarischen Rat nicht überzeugend: In Absatz 2 des hier untersuchten Artikels hieß es in der vorläufigen Fassung der ersten Lesung: „Niemand darf in mehr als einem Land die staatsbürgerlichen Rechte ausüben und zu den staatsbürgerlichen Pflichten herangezogen werden.“99 Dabei wurden die staatsbürgerlichen Rechte als die „politischen Rechte“ des Bürgers angesehen.100 Dieser Absatz sollte sicherstellen, dass die Bürger nur dort das aktive und passive Wahlrecht genießen, wo sie ihren Wohnsitz haben.101 Die Verwendung der „staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“ zu diesem Zeitpunkt zeigt, dass dieser Begriff dem Parlamentarischen Rat zum einen nicht fremd war und er ihn zum anderen als ein Synonym für die politischen Kernrechte des Bürgers in der Demokratie ansah. Letztendlich wurde dieser Absatz zwar gestrichen, aber die „staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“ fanden Eingang in den Absatz 1, wo diesem Begriff nun keine andere Bedeutung beigemessen werden kann, als zuvor im zweiten Absatz. Die historische Auslegung spricht somit gerade nicht für ein weites Verständnis der staatsbürgerlichen Rechte, denn die von der extensiven Ansicht vertretene These, dass im Parlamentarischen Rat keine inhaltliche Änderung zu Art. 110 WRV angestrebt worden sei, lässt sich nicht halten: Die Auswertung der Sitzungsprotokolle ergibt, dass die Norm von Anfang im Zeichen der demokratischen Mitwirkungsrechte und der Landesstaatsangehörigkeit stand und somit eine von der Weimarer Fassung abweichende Bedeutung beigemessen worden ist. Zudem zeigt die vorherige Verwendung des Begriffs bei den Beratungen, dass der Parlamentarische Rat eine inhaltliche Vorstellung von den „staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten“ hatte und diesen Terminus nicht wahllos einfügte. cc) Teleologie Die Funktion des Art. 33 Abs. 1 GG hat Maunz einst prägnant mit der Verhinderung eines „Bürgers minderen Rechts“ beschrieben und damit die extensive 98

9. Sitzung des Plenums am 06. 05. 1949, in: ParlRat IX, S. 464. 8. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 07. 10. 1948, in: ParlRat V/1, S. 196; dieser Satz war als Art. 13, Abs. 2 in der 1. Lesung noch Bestandteil des Artikels, in: 1. Lesung vom Ausschuss für Grundsatzfragen am 18. 10. 1948, in: ParlRat V/1, S. 337; die Streichung erfolgte auf Anraten des Redaktionsausschusses, welcher zu den staatsbürgerlichen Pflichten die Steuerpflicht rechnete und deshalb in dem Absatz die Gefahr einer ausgeschlossenen Doppelbesteuerung bei mehreren Wohnsitzen sah, in: ParlRat VII, S. 224 f. 100 8. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 07. 10. 1948, in: ParlRat V/1, S. 196. 101 8. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 07. 10. 1948, in: ParlRat V/1, S. 196. 99

C. Die staatsbürgerliche Gleichheit nach Art. 33 Abs. 1 GG

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Sichtweise der staatsbürgerlichen Rechte entscheidend geprägt.102 Eine teleologische Analyse spricht jedoch eher dafür, die Verhinderung eines „Staatsbürgers minderen Rechts“ als die Funktion der Norm anzusehen: Die weite Auslegung der staatsbürgerlichen Rechte würde dazu führen, dass unter das Gleichbehandlungsgebot des Art. 33 Abs. 1 GG auch subjektive öffentliche Rechte fallen, die anderen – keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzenden – Bürgern ebenfalls zustehen. Insbesondere bliebe dann unklar, warum deutsche Staatsangehörige für diese „einfachen“ Rechte über Art. 33 Abs. 1 GG einen speziellen gleichheitsrechtlichen Grundrechtsschutz erhalten und nicht nur von Art. 3 Abs. 1 GG geschützt werden sollten. Bereits der allgemeine Gleichheitssatz verhindert, dass es bei Ausklammerung der sonstigen subjektiven öffentlichen Rechte aus dem Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 1 GG zum Schreckgespenst eines „Bürgers minderen Rechts“ käme, da diese Ungleichbehandlungen von Art. 3 Abs. 1 GG erfasst werden würden.103 Nach einigen Vertretern der extensiven Ansicht stellt Art. 33 Abs. 1 GG hingegen – im Gegensatz zu Art. 3 Abs. 1 GG – ein absolutes Gleichbehandlungsgebot dar, welches nicht einmal durch sachgerechte Erwägungen durchbrochen werden dürfte.104 Die Befürchtung von Maunz, dass der Art. 3 Abs. 1 GG den Schutzzweck nicht erfüllen könne, weil eine Differenzierung nach der Landeszugehörigkeit für viele Bereiche „sicher nicht als eklatant sachwidrig“ erscheine,105 deutet auf eine Überschätzung der Wertigkeit aller sonstigen subjektiven öffentlichen Rechte im Verhältnis zu den staatsbürgerlichen Kernrechten hin. Vielmehr spricht insbesondere die Annahme eines „strikten Gleichbehandlungsgebots“106 für eine enge Auslegung der staatsbürgerlichen Rechte: Im Gegensatz zum gesamten Rechtsverhältnis des Bürgers zum Staat erscheinen die staatsbürgerlichen Kernrechte des status activus als konstitutive und deshalb einen absoluten Schutz verdienende Elemente des demokratischen Rechtsstaats. Diesen Weg hat anscheinend auch das Bundesverfassungsgericht eingeschlagen, denn landesrechtliche Ungleichbehandlungen bei der Gewährung von subjektiven öffentlichen Rechten wurden bislang ausschließlich an Art. 3 Abs. 1 GG gemessen.107 Sogar bei der Prüfung eines Landesgesetzes, welches die landeseigenen Bewerber bei der Verteilung der Studienplätze privilegierte, überging das Bundesverfassungsgericht kommentarlos den Art. 33 Abs. 1 GG.108 Auch wenn das Gericht sich noch nie explizit zum Begriff der staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten ge102 Maunz, in: Maunz/Dürig, GGK, Art. 33 (8.Lfg. 1966), Rn. 5; dies aufnehmend: Jachmann, in: MKS, GGK II, Art. 33, Rn. 5; Höfling, in: BK, Art. 33, Rn. 27. 103 Masing, in: Dreier, GGK II, Art. 33, Rn. 32. 104 Maunz, GS Peters, 558 (560, 568); Badura, in: Maunz/Dürig, GGK IV, Art. 33, Rn. 11; Masing, in: Dreier, GGK II, Art. 33, Rn. 31; Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV/2, S. 1786. 105 Maunz, in: Maunz/Dürig, GGK, Art. 33 (8. Lfg. 1966), Rn. 6. 106 Badura, in: Maunz/Dürig, GGK IV, Art. 33, Rn. 11. 107 BVerfGE 33, 303; 112, 74; 134, 1. 108 BVerfGE 33, 303.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

äußert hat, zeigt die Nichtberücksichtigung der Norm, dass auch das Bundesverfassungsgericht von einer engen Auslegung im Sinne der staatsbürgerlichen Exklusivrechte ausgeht.109 dd) Systematik Die Bedeutung des Merkmals der Staatsbürgerlichkeit zeigt sich zudem anhand eines systematischen Vergleichs mit Art. 33 Abs. 3 GG, welcher zwischen bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechten trennt. Diese Unterscheidung im gleichen Artikel wäre überflüssig, wenn – wie von der extensiven Ansicht behauptet – alle subjektiven öffentlichen Rechte schon unter den Begriff der staatsbürgerlichen Rechte fallen würden.110 Die systematische Analyse des Art. 33 GG spricht somit für eine enge Auslegung der staatsbürgerlichen Rechte. ee) Ergebnis Der Schutzbereich der staatsbürgerlichen Rechte muss restriktiv ausgelegt werden und umfasst daher ausschließlich die Kernrechte des status activus. b) Grundrechtsverpflichtete Art. 33 Abs. 1 GG nennt als Grundrechtsverpflichtete die Länder, welche jedem Deutschen die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten einräumen müssen. Trotz dieses eindeutigen Wortlauts weitet Sachs den Kreis der verpflichteten Gebietskörperschaften auch auf die Kommunen aus: Über Art. 1 Abs. 3 GG binde der Artikel die gesamte Staatsgewalt und damit auch „landesunmittelbare Körperschaften, insbesondere die Kommunen eines Landes“.111 Dieser Gedanke ist insoweit richtig, dass Art. 33 Abs. 1 GG überall gelten muss, wo landesstaatliche Hoheitsgewalt ausgeführt wird. Dies ist zu bejahen bei landesunmittelbaren Körperschaften und ausnahmsweise auch bei Kommunen, wenn diese im Wege der Auftragsverwaltung oder der Organleihe für das Land handeln.112 Abzulehnen ist jedoch die Einordnung der Kommunen als „landesunmittelbare Körperschaften“: Die Kommunen sind selbstverwaltende Gebietskörperschaften,113 die zwar in staatsrechtlicher Hinsicht als Bestandteile der Länder anzusehen sind,114 aber gem. Art. 28 Abs. 2 109 Andere Gerichte prüfen den Art. 33 Abs. 1 GG zumindest an, stellen dann aber auf Art. 3 Abs. 1 GG ab: BVerwG, NVwZ 1983, 223 (224); OVG Hamburg, NVwZ 2006, 949 (950). 110 Dollinger/Umbach, in: Umbach/Clemens , GG I, Art. 33, Rn. 26. 111 Sachs, in: Stern/Sachs/Dietlein, Staatsrecht IV/2, S. 1794. 112 Burgi, Kommunalrecht, § 8, Rn. 1 ff., 10 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 14 ff.; ähnlich: Höfling, in: BK, Art. 33, Rn. 32; Kunig, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 33, Rn. 9. 113 Burgi, Kommunalrecht, § 5, Rn. 2. 114 BVerfGE 107, 1 (11); Geis, Kommunalrecht, § 6, Rn. 1.

C. Die staatsbürgerliche Gleichheit nach Art. 33 Abs. 1 GG

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GG die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft als eigene Aufgaben ausführen.115 Angesichts des eindeutigen Wortlauts und der Stellung des Art. 33 Abs. 1 GG im 2. Abschnitt „Der Bund und die Länder“ im Grundgesetz können nur die Länder die Adressaten des Artikels sein.116 c) Verbotene Ungleichbehandlungen Art. 33 Abs. 1 GG statuiert eine staatsbürgerliche Gleichheit aller Deutschen in jedem Land, ohne dass Ausnahmen von diesem interföderalen Gleichheitsgebot zugelassen werden. aa) Kein allgemeines Differenzierungsverbot Vordergründig ordnet Art. 33 Abs. 1 GG eine staatsbürgerliche Universalgleichheit in allen Ländern an und verbietet jede Art von Differenzierungen zwischen deutschen Staatsangehörigen. Ein absolutes Differenzierungsverbot würde jedoch zu der „abstrusen Konstruktion“117 führen, dass die staatsbürgerlichen Rechte in allen Ländern gleichzeitig ausgeübt und die Pflichten von allen Ländern zeitgleich abgefordert werden könnten.118 Diese völlige Einebnung der staatsbürgerlichen Landesrechte würde jedoch die föderale Staatsstruktur der Bundesrepublik Deutschland aushöhlen. Alleine schon aufgrund der räumlich begrenzten Hoheitsgewalt der Länder erscheint eine an das eigene Hoheitsgebiet anknüpfende Differenzierung als notwendige Anpassung der staatsbürgerlichen Rechte an die Reichweite der eigenen Landesstaatsgewalt.119 Auch der Wortlaut scheint gewisse Differenzierungen zuzulassen, wenn nicht gar vorzugeben: Die Formulierung „in jedem Lande“ lässt sich auch als Hinweis verstehen, dass eine gewisse räumliche Zuordnung zu einem Land notwendig ist, um gleiche staatsbürgerliche Rechte wie die Landesangehörigen einfordern zu können oder zu staatbürgerlichen Pflichten herangezogen zu werden.120 115

Geis, Kommunalrecht, § 6, Rn. 2 ff. Kunig, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 33, Rn. 9; Höfling, in: BK, Art. 33, Rn. 32; Jachmann, in: MKS, GGK II, Art. 33, Rn. 2, 4; Masing, in: Dreier, GGK II, Art. 33, Rn. 29; Hense, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 33, Rn. 5; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 33, Rn. 8; Pfütze, Die Verfassungsmäßigkeit von Landeskinderklauseln, S. 131, 140; Bethge, AöR 110 (1985), 169 (211); Burgi, JZ 1999, 873 (878). 117 Sachs, AöR 108 (1983), 68 (77). 118 Beispielsweise könnte ein Bürger in zwei Ländern wählen und damit indirekt ein doppeltes Stimmgewicht im Bundesrat haben. Dies wäre ein eklatanter Verstoß gegen das Demokratieprinzip in Form der Wahlgleichheit: Ridder, in: AK-GG I, 2. Aufl. 1989, Art. 33, Rn. 12. 119 Jachmann, in: MKS, GGK II, Art. 33, Rn. 8; Höfling, in: BK, Art. 33, Rn. 39; Kunig, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 33, Rn. 13; Maunz, in: Maunz/Dürig, GGK, Art. 33 (8.Lfg. 1966), Rn. 7; Fastenrath, JZ 1987, 170 (173). 120 Sachs, AöR 108 (1983), 68 (83). 116

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Ein allgemeines Differenzierungsverbot entspricht zudem nicht der Entstehungsgeschichte des Artikels, denn bei den Beratungen im Parlamentarischen Rat stand das Kriterium der Ansässigkeit von Anfang an als Voraussetzung für die Gewährung von staatsbürgerlichen Rechten fest.121 Die gleichzeitige Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte in mehreren Ländern sollte anfangs sogar – in Anlehnung an die Schweizer Verfassung122– in einem eigenen Absatz ausgeschlossen werden: „Niemand darf in mehr als einem Lande die staatsbürgerlichen Rechte ausüben und zu den staatsbürgerlichen Pflichten herangezogen werden.“123 Der Absatz wurde auf Anraten des allgemeinen Redaktionsausschusses gestrichen, da ein „doppelter Wohnsitz“ mit Doppelbesteuerung und doppeltem Wahlrecht nicht ausgeschlossen sein sollte.124 Die Streichung hat jedoch keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit des Wohnorts als Differenzierungskriterium, sondern zeigt vielmehr, dass der Redaktionsausschuss den Wohnsitz ganz selbstverständlich als maßgebliches Kriterium für die Einräumung der staatsbürgerlichen Rechte ansah. Die entstehungsgeschichtliche Bezugnahme auf den Wohnsitz macht deutlich, dass die Vorschrift nicht auf eine Universalgleichheit im Bundesstaat gerichtet ist, sondern auf die Gleichstellung in einem konkreten Land zielt.125 Den Ländern muss das Recht zugestanden werden, anhand von abstrakten Kriterien zu bestimmen, welchen deutschen Staatsbürgern sie auf Landesebene die staatsbürgerlichen Rechte einräumen und von wem sie die staatsbürgerlichen Pflichten einfordern können. bb) Anknüpfung an die formelle Landesstaatsangehörigkeit Art. 33 Abs. 1 GG verbietet es den Ländern, die Gewährung von staatsbürgerlichen Rechten und die Auferlegung staatsbürgerlicher Pflichten von einer Landesstaatsangehörigkeit abhängig zu machen.126 Dieses Ergebnis ergibt sich nicht aus dem Wortlaut, sondern der Entstehungsgeschichte des Art. 33 Abs. 1 GG: Die Vorgängerbestimmung des Art. 110 Abs. 2 WRV war auf die Vermeidung landesstaatsangehörigkeitsrechtlicher Differenzierungen gerichtet.127 Der Parlamentari121

Von Mangoldt: „Ein Landesangehöriger erwirbt das Wahlrecht in einer Gemeinde nach den Wahlgesetzen erst, wenn er so und so lange in der Gemeinde ansässig ist. Infolgedessen gilt dieser Satz in gleicher Weise für den Deutschen, der nicht landeszugehörig ist.“, 6. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 06. 10. 1948, in: ParlRat V/1, S. 131. 122 Art. 39 Satz 3 der Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft lautet „Niemand darf die politischen Rechte in mehr als einem Kanton ausüben“. 123 8. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 07. 10. 1948, in: ParlRat V/1, S. 196. 124 Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses vom 25. 01. 1949, in: ParlRat VII, S. 224 f.; 48. Sitzung des Hauptausschusses am 09. 02. 1949, in: ParlRat XIV/2, S. 1514. 125 Fastenrath, JZ 1987, 170 (174); Bethge, AöR 110 (1985), 169 (211); Sachs, AöR 108 (1983), 68 (82); Maunz, GS Peters, S. 558 (559). 126 Allgemeine Ansicht: Höfling, in: BK, Art. 33, Rn. 35; Masing, in: Dreier, GGK II, Art. 33, Rn. 30; Trute, in: AK-GG II, Art. 33, Rn. 8; Grigoleit, in: Stern/Becker, GG, Art. 33, Rn. 18; Kisker, FS Bachhof, S. 47 (52); Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, S. 293. 127 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, S. 537.

C. Die staatsbürgerliche Gleichheit nach Art. 33 Abs. 1 GG

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sche Rat ging bei den Beratungen von der Existenz einer Landesstaatsangehörigkeit in der Bundesrepublik Deutschland aus.128 Bei den Beratungen herrschte insoweit Einigkeit, dass die staatsbürgerlichen Rechte nicht an das Innehaben einer Landesstaatsangehörigkeit geknüpft werden dürften.129 Letztendlich hat nur der Freistaat Bayern in Art. 6 seiner Landesverfassung die Voraussetzungen für die Einführung eine Landesstaatsangehörigkeit geschaffen,130 während die restlichen 15 Länder bisher auf die Regelung dieses Instituts verzichtet haben.131 Die Quasi-Nichtexistenz von Landesstaatsangehörigkeiten ändert jedoch nichts an dem Verwendungsverbot dieses Kriteriums hinsichtlich der Gewährung der von Art. 33 Abs. 1 GG geschützten Rechtspositionen. Entscheidend ist insoweit nicht das gegenwärtige Fehlen des Instituts der Landesstaatsangehörigkeit, sondern die jederzeitige Möglichkeit der Einführung: Die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung einer Landesstaatsangehörigkeit fällt – seit Streichung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 8 aus der konkurrierenden Gesetzgebung132 – gem. Art. 70 Abs. 1 GG in die Kompetenz der Länder,133 so dass die Einführung einer Landesstaatsangehörigkeit jederzeit geregelt werden kann.134 Sollte eine Landesstaatsangehörigkeit tatsächlich eingeführt werden, verhindert Art. 33 Abs. 1 GG die Verwendung dieses Kriterium im Hinblick auf die Einräumung der staatsbürgerlichen Rechte in den Ländern. cc) Anknüpfung an materielle Kriterien Eine Beschränkung der erfassten Ungleichbehandlungen auf das Differenzierungskriterium einer formellen Landesstaatsangehörigkeit würde gegenwärtig dazu führen, dass Art. 33 Abs. 1 GG mangels Existenz dieses Instituts keinen praktischen Anwendungsbereich hätte.135 128 8. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 07. 10. 1948, in: ParlRat V/1, S. 193 ff.; 25. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 24. 11. 1948, in: ParlRat V/2, S. 704 f. 129 8. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 07. 10. 1948, in: ParlRat V/1, S. 196. 130 Allerdings hat die bayerische Landesstaatsangehörigkeit keine praktische Bedeutung, da der Gesetzgeber den Gesetzgebungsauftrag in Art. 6 Abs. 3 der Bayerischen Verfassung nicht umgesetzt hat. 131 Rheinland-Pfalz hat eine „aufenthaltsabhängige“ Landesstaatsangehörigkeit: Das Land erklärt in Art. 75 Abs. 2 der Landesverfassung alle im Land ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt habenden Deutschen zu Landesstaatsbürgern. 132 42. Änderungsgesetz zum Grundgesetz vom 27. 10. 1994, BGBl. I, S. 3164; ausführliche Darstellung landesrechtlichen Regelungsbefugnis nach der alten Rechtslage bei Thedieck, Deutsche Staatsangehörigkeit im Bund und in den Ländern, S. 140 ff., 155 f. 133 Höfling, in: BK, Art. 33, Rn. 36. 134 Dies für nicht ausgeschlossen haltend: Masing, in: Dreier, GGK II, Art. 33, Rn. 31. 135 Für eine alleinige Erfassung der formellen Landesstaatsangehörigkeit als verbotenes Differenzierungskriterium: Grigoleit, in: Stern/Becker, GG, Art. 33, Rn. 18; Masing, in: Dreier, GGK II, Art. 33, Rn. 30 ff.; Lübbe-Wolff, in: Dreier, GGK II, 1. Aufl. 1998, Art. 33, Rn. 27 ff.; Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, S. 290 ff.

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Die Vertreter dieser restriktiven Auslegung räumen der Norm deshalb nur eine „Reservefunktion“136 für den theoretischen Fall der Einführung einer Landesstaatsangehörigkeit ein.137 Von der überwiegenden Ansicht wird das von Art. 33 Abs. 1 GG verbotene Differenzierungskriterium dagegen weit ausgelegt, so dass auch materielle Kriterien erfasst werden, die prägend für eine fremde Landesstaatsangehörigkeit sind.138 Beispielsweise könnten die Abstammung von Landeseinwohnern, der Geburtsort oder ein langjähriger Hauptwohnsitz „zur inhaltlichen Umschreibung einer formellen Landesstaatsangehörigkeit“139 dienen. Die Einbeziehung einer „materiellen Landesstaatsangehörigkeit“ in das von Art. 33 Abs. 1 GG verbotene Differenzierungskriterium ist aus teleologischen Gründen überzeugend und sowohl mit dem Wortlaut als auch der Historie der Vorschrift vereinbar. Ohne eine Erfassung dieser materiellen Kriterien könnte Art. 33 Abs. 1 GG seinen Schutzzweck nicht erfüllen, da eine Umgehung des verbotenen Kriteriums der Landesstaatsangehörigkeit durch eine Anknüpfung an nur von „echten“ Landesangehörigen erfüllbare materielle Faktoren möglich wäre.140 Beispielsweise könnte ein Land bei der Gewährung der staatsbürgerlichen Rechte auf den Geburtsort des Bürgers abstellen und damit alle „hinzugezogenen Fremdbürger“ von einer Landtagswahl ausschließen. Ähnlich wie bei der Figur der versteckten Diskriminierung im Unionsrecht,141 muss Art. 33 Abs. 1 GG über das Kriterium einer formellen Landesstaatsangehörigkeit hinaus auch solche Differenzierungskriterien erfassen, die typischerweise zum Ausschluss „fremder Landesangehöriger“ führen. Der Wortlaut spricht weder für eine Beschränkung auf die formelle Landesstaatsangehörigkeit, noch gegen die Einbeziehung von materiellen Kriterien: Art. 33 Abs. 1 GG enthält keinen Hinweis darauf, dass nur Differenzierungen anhand der formellen Landesstaatsangehörigkeit erfasst und Anknüpfungen an materielle Kriterien nicht erfasst sein sollen.142 Insbesondere kann aus Art. 33 Abs. 1 GG nicht herausgelesen werden, dass die „aufschiebende Bedingung“ für die Anwendung der Norm die Einführung einer formellen Landesstaatsangehörigkeit ist.143 Wie bereits dargestellt, wird das Kriterium der Landesstaatsangehörigkeit mit der Entste136

Grigoleit, in: Stern/Becker, GG, Art. 33, Rn. 17. Masing, in: Dreier, GGK II, Art. 33, Rn. 31. 138 Höfling, in: BK, Art. 33, Rn. 37; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 33, Rn. 3; Hense, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 33, Rn. 2; Jachmann, in: MKS, GGK II, Art. 33, Rn. 2, 6 f.; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 33, Rn. 9; Kunig, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 33, Rn. 7; Sachs, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 22000, § 126, Rn. 111; Gärditz, WissR 2005, 157 (161); Kisker, FS Bachhof, S. 47 (52); Bethge, AöR 110 (1985), 169 (211); Gallwas, FestG Maunz, S. 103 (110); Maunz, GS Peters, S. 558. 139 Höfling, in: BK, Art. 33, Rn. 37. 140 Sachs, in: Stern/Sachs/Dietlein, Staatsrecht IV/2, S. 1788. 141 Siehe 4. Kap., A., I., 3., b). 142 Kunig, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 33, Rn. 7. 143 Kunig, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 33, Rn. 7. 137

C. Die staatsbürgerliche Gleichheit nach Art. 33 Abs. 1 GG

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hungsgeschichte der Norm begründet. Die Historie bietet jedoch keinen Anhaltspunkt, dass der Parlamentarische Rat den Art. 33 Abs. 1 GG auf das Kriterium einer formellen Landesstaatsangehörigkeit beschränken und nicht auch auf Differenzierungen anhand von materiellen Faktoren anwenden wollte.144 Gegen die These, wonach „nur das Kriterium der Landesstaatsangehörigkeit im historischen Blickfeld des Verfassungsgebers lag“,145 sprechen die Beratungen im Hauptausschuss über die Dauer des Wohnsitzes bei der Gewährung des Wahlrechts bei Landtagswahlen.146 Aus der generellen Ablehnung einer Vorwohnzeit zur Erlangung des Wahlrechts kann geschlossen werden,147 dass der Parlamentarische Rat einen langjährigen Wohnsitz als Voraussetzung für die Einräumung von staatsbürgerlichen Rechten als Verstoß gegen Art. 33 Abs. 1 GG gewertet hätte. Mit der Historie des Art. 33 Abs. 1 GG lässt sich deshalb kein Ausschluss von materiellen Kriterien begründen. Das Hauptargument der Vertreter einer restriktiven Auslegung ist der angeblich unzuverlässige Differenzierungsmaßstab, welcher infolge der Einbeziehung materieller Kriterien eintreten würde.148 Während die formelle Landesstaatsangehörigkeit einen „konsistent handhabbaren Maßstab für die Zulässigkeit von Differenzierungen“ darstelle,149 existiere die materielle Landesstaatsangehörigkeit als Status nicht und könne deshalb keinen verbindlichen Anknüpfungspunkt liefern.150 Allerdings können Eingrenzungsschwierigkeiten bei der Bestimmung einer materiellen Landeszugehörigkeit nicht zum Anlass genommen werden, den Art. 33 Abs. 1 GG nicht schutzzweckgemäß auszulegen und an materielle Kriterien anknüpfende interföderale Ungleichbehandlungen in den Anwendungsbereich des allgemeinen Gleichheitssatzes abzuschieben.151 Insbesondere die verlockende Aussicht einer Lösung mit Hilfe der dogmatisch ausdifferenzierten Rechtfertigungsebene des Art. 3 Abs. 1 GG kann nicht als Argument für eine enge Auslegung des von Art. 33 Abs. 1 GG erfassten Differenzierungskriteriums dienen.152 Vielmehr ist es notwendig, die 144 Diesen Schluss ziehen: Grigoleit, in: Stern/Becker, GG, Art. 33, Rn. 18; Masing, in: Dreier, GGK II, Art. 33, Rn. 30. 145 Grigoleit, in: Stern/Becker, GG, Art. 33, Rn. 18. 146 8. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 07. 10. 1948, in: ParlRat V/1, S. 196 f. 147 Von Mangoldt in der 8. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 07. 10. 1948, in: ParlRat V/1, S. 196. 148 Lübbe-Wolff, in: Dreier, GGK II, 1. Aufl. 1998, Art. 33, Rn. 28; darauf Bezug nehmend: Masing, in: Dreier, GGK II, Art. 33, Rn. 32; Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, S. 290 ff. 149 Lübbe-Wolff, in: Dreier, GGK II, 1. Aufl. 1998, Art. 33, Rn. 28. 150 Lübbe-Wolff, in: Dreier, GGK II, 1. Aufl. 1998, Art. 33, Rn. 28; darauf Bezug nehmend: Masing, in: Dreier, GGK II, Art. 33, Rn. 32; Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, S. 290 ff. 151 Lösung der restriktiven Ansicht, siehe Lübbe-Wolff, in: Dreier, GGK II, 1. Aufl. 1998, Art. 33, Rn. 28; Masing, in: Dreier, GGK II, Art. 33, Rn. 32; Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, S. 290 ff. 152 Darüber hinaus ist Art. 3 Abs. 1 GG („Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“) vom Wortlaut her genauso unnachgiebig wie Art. 33 Abs. 1 GG, so dass es normsystematisch nicht einleuchtet, warum eine Lösung über Art. 3 Abs. 1 GG als vorzugswürdig anzusehen wäre.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

materiellen Kriterien stärker zu konturieren. Deshalb werden nur solche materiellen Kriterien von Art. 33 Abs. 1 GG erfasst, die typischerweise konstitutiv für den Erwerb einer Staatsangehörigkeit sind153 : der Geburtsort, die Abstammung und – im Falle einer Einbürgerung – die Mindestaufenthaltsdauer.154 Durch diese Anknüpfung hat Art. 33 Abs. 1 GG einen handhabbaren Maßstab, der inhaltlich überzeugt und mit Wortlaut, Teleologie und Historie vereinbar ist. dd) Zwischenergebnis Aufgrund des Schutzzwecks kann sich das von Art. 33 Abs. 1 GG verbotene Differenzierungskriterium nicht in dem Institut einer formellen Landesstaatsangehörigkeit erschöpfen. Die Vorschrift muss auch Ungleichbehandlungen anhand von solchen materiellen Kriterien erfassen, die konstitutiv für die Begründung einer Staatsbürgerschaft sind. 2. Bundes- und Kommunalebene Der Bund und die Kommunen sind nicht die Grundrechtsverpflichteten des Art. 33 Abs. 1 GG und darüber hinaus knüpfen ihre finanziellen Einheimischenprivilegierungen nicht an eine materielle Landesstaatsangehörigkeit an, so dass ein Eingriff in den Schutzbereich der staatsbürgerlichen Gleichheit abzulehnen ist. 3. Landesebene Ausgangspunkt für die Überprüfung der finanziellen Einheimischenprivilegierung auf Landesebene ist die Frage, ob die betroffenen Rechte auch von den staatsbürgerlichen Rechten umfasst sind. a) Wohnsitzabhängige Studiengebühren Der Zugang zum Hochschulstudium erscheint nicht als staatsbürgerliches Kernrecht. Eine Schutzbereichseröffnung erscheint nur möglich, wenn man den Zugang zu akademischer Bildung als Grundvoraussetzung für die demokratische Teilnahme des Staatsbürgers am Staat ansieht. Rechtlich von Bedeutung erscheint insoweit der Zusammenhang zwischen der deutschen Staatsbürgerschaft und dem Deutschengrundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG als Anspruchsgrundlage für den Zugang Vielmehr erscheint es diskutabel, die Rechtfertigungsdogmatik des allgemeinen Gleichheitssatzes auf Art. 33 Abs. 1 GG zu übertragen: siehe Caspar, RdJB 2003, 48 (52 ff.). 153 Kunig, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 33, Rn. 7; Kisker, FS Bachhof, S. 47 (52); Bethge, AöR 110 (1985), 169 (211); Sachs, in: Stern/Sachs/Dietlein, Staatsrecht IV/2, S. 1788. 154 Siehe die Aufzählung in § 3 Abs. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz; Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, S. 31 f.

C. Die staatsbürgerliche Gleichheit nach Art. 33 Abs. 1 GG

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zum Studium. Die Qualifizierung des Hochschulzugangs als staatsbürgerliches Recht wäre jedoch nur die Überwindung der ersten Hürde,155 denn der verfassungsrechtliche Zulassungsanspruch umfasst nicht die Kostenfreiheit des Studiums.156 Aus diesem Grunde können wohnsitzabhängige Studiengebühren nicht in das Recht auf gleichen Zugang zum Hochschulstudium eingreifen,157 sondern stellen lediglich eine finanzielle Ungleichbehandlung in Form einer einseitigen Gebührenbelastung der Nichtlandeskinder dar. Entscheidend für die Anwendung des Art. 33 Abs. 1 GG ist jedoch, ob das Recht auf ein gebührenfreies Hochschulstudium unter die staatsbürgerlichen Rechte subsumiert werden kann. Aus dem Umstand, dass die Kostenfreiheit des Studiums nicht vom verfassungsrechtlichen Teilhaberecht umfasst ist, folgt zwingend,158 dass diese Rechtsposition auch nicht zu den staatsbürgerlichen Rechten zählen kann.159 Das Recht auf ein gebührenfreies Studium fällt somit nicht in den Schutzbereich des Art. 33 Abs. 1 GG. b) Freiwillige Landesleistungen Freiwillige Staatsleistungen wie ein Landeserziehungsgeld weisen keinen Bezug zur Staatsbürgerschaft auf und können somit nicht zum Katalog der staatsbürgerlichen Rechte gezählt werden, so dass der Art. 33 Abs. 1 GG keine Anwendung findet.

II. Ergebnis Die staatsbürgerlichen Rechte des Art. 33 Abs. 1 GG schützen nur die status activus-Rechte der deutschen Staatsangehörigen in den Ländern. Finanzielle Einheimischenprivilegierungen betreffen keine staatsbürgerlichen Rechte, so dass der Art. 33 Abs. 1 GG nicht anwendbar ist.

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Ebenfalls für eine Einordnung des Hochschulzugangs in die staatsbürgerlichen Rechte: Pieroth, WissR 2007, 229 (240); Bethge, AöR 110 (1985), 169 (209); Maunz, GS Peters, S. 558 (560). 156 Kugler, Allgemeine Studiengebühren, S. 203; Pieroth, WissR 2007, 229 (232, 240). 157 Die Hansestadt Bremen gewährte auswärtigen Studierenden ein Studienguthaben mit zwei kostenlosen Semester als Übergangsfrist zur Ummeldung, um Studieninteressenten nicht den Zugang zur Hochschule zu verwehren (Bremische Bürgerschaft, Drs. 16/758). 158 BVerfG, VR 2006, 287; BVerwGE 102, 142 (146 f.); 134, 1 (7 f.); Kugler, Allgemeine Studiengebühren, S. 203; Pieroth, WissR 2007, 229 (232, 240); Maunz, GS Peters, S. 558 (560). 159 Dies übersehen das OVG Hamburg, NVwZ 2006, 949 (950) und Teile der Literatur: Höfling, in: BK, Art. 33, Rn. 46; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 33, Rn. 9; Kugler, Allgemeine Studiengebühren, S. 175; Gärditz, WissR 2005, 157 (161).

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

D. Der besondere Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 3 GG Obgleich eine Verwendung der Differenzierungskriterien „Wohnort“ und „Staatsangehörigkeit“ die Frage nach einem Verstoß gegen die von Art. 3 Abs. 3 GG verbotenen Anknüpfungsmerkmale aufwirft, beinhalten weder das Wohnort- noch das Staatsangehörigkeitskriterium eine Anknüpfung an die Abstammung – als die „natürliche biologische Beziehung eines Menschen zu seinen Vorfahren“160, die Heimat – als die „örtliche Herkunft nach Geburt und Ansässigkeit“161, noch an die Herkunft – als die „ständisch soziale Abstammung und Verwurzelung“162. Der Wohnort wird nach allgemeiner Ansicht nicht von Art. 3 Abs. 3 GG erfasst, denn er ist als Anknüpfungspunkt unabhängig von Heimat und Herkunft.163 Im Gegensatz zu diesen Merkmalen kann der Wohnort auch gewechselt werden und passt qualitativ nicht in die Reihe der unabänderlichen Kriterien des Art. 3 Abs. 3 GG. Die Staatsangehörigkeit stellt nach allgemeiner – aber nicht unbestrittener164– Ansicht ebenfalls nicht ein von Art. 3 Abs. 3 GG verbotenes Differenzierungskriterium dar.165 Es existieren zwar gewisse Überschneidungen zwischen den Merkmalen „Heimat und Abstammung“ sowie den Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsangehörigkeit nach dem Geburtsorts- und dem Abstammungsprinzip,166 allerdings wird bei dieser Sichtweise die prinzipielle Veränderbarkeit der Staatsangehörigkeit verkannt.167 Durch die erleichterten Einbürgerungsmöglichkeiten in Zusammenhang mit der Aufweichung des Abstammungsgrundsatzes besteht keine unverrückbare Beziehung mehr zwischen der Staatsangehörigkeit und den Merkmalen Geburtsort, soziale Verwurzelung oder Abstammung.168 Aufgrund der feh160

BVerfGE 9, 124 (128). BVerfGE 5, 17 (22); 17, 199 (203); 23, 258 (262). 162 BVerfGE 5, 17 (22); 48, 281 (287 f.). 163 BVerfGE 38, 128 (135); 48, 281 (287); 92, 26 (50); BVerwG, NVwZ 1983, 223 (224); Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 296; Heun, in: Dreier, GGK I, Art. 3, Rn. 131; Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3, Rn. 205; Eckertz-Höfer, in: AK-GG I, Art. 3 Abs. 2, 3, Rn. 119; Pieroth, WissR 2007, 229 (242). 164 Gubelt, in: Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl., Art. 3, Rn. 99; Zuleeg, DÖV 1973, 361 (363 f.); ders., DVBl. 1974, 341 (346). 165 BVerfGE 51, 1 (30); 90, 27 (37); BVerwGE 22, 66 (70); Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 297; Heun, in: Dreier, GGK I, Art. 3, Rn. 131; Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3, Rn. 205; Starck, in: MKS, GGK I, Art. 3, Rn. 395; Sachs, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, 32010, § 182, Rn. 53; Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49 (75). 166 Gubelt, in: Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl., Art. 3, Rn. 99; Zuleeg, DÖV 1973, 361 (363). 167 Heun, in: Dreier, GGK I, Art. 3, Rn. 131. 168 Zum reformierten deutschen Staatsangehörigkeitsrecht: Mertens, Das neue deutsche Staatsangehörigkeitsrecht, S. 113 – 150. 161

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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lenden Unabänderlichkeit fällt die Staatsangehörigkeit nicht unter die von Art. 3 Abs. 3 GG verbotenen Differenzierungskriterien.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG Der allgemeine Gleichheitssatz statuiert eine rechtliche Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und beinhaltet damit die höchste verfassungsrechtliche Hürde für finanzielle Einheimischenprivilegierungen.

I. Vorliegen einer Ungleichbehandlung Während es im Hinblick auf Art. 11 Abs. 1 GG und Art. 33 Abs. 1 GG schon an einem Eingriff in den Schutzbereich fehlt, ist die rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung bei finanziellen Einheimischenprivilegierungen evident: Finanzielle Einheimischenprivilegierungen beinhalten eine wohnsitz- oder staatsangehörigkeitsabhängige Benachteiligung von Menschen und führen zur Ungleichbehandlung der Personengruppen der „Einheimischen“ und „Auswärtigen“.

II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Wohnsitzabhängige und staatsangehörigkeitsabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen haben aufgrund des unterschiedlichen Differenzierungskriteriums eine Inkonsistenz der Gruppen der Privilegierten und der Diskriminierten zur Folge: Während die wohnsitzabhängigen Regelungen alle Menschen benachteiligen, die – unabhängig von der Staatsangehörigkeit – ihren Hauptwohnsitz nicht in der jeweiligen Gebietskörperschaft haben, können staatsangehörigkeitsabhängige Regelungen zur Folge haben, dass auch in der Gebietskörperschaft ansässige Personen als Auswärtige qualifiziert und finanziell benachteiligt werden. Dieser Umstand erfordert eine nach dem Differenzierungskriterium getrennte Untersuchung. 1. Allgemeine Voraussetzungen Zwar mangelt(e) es seitens der Wissenschaft nicht an eigenen Rechtfertigungskonzepten für Art. 3 Abs. 1 GG169 – praktisch relevant und allgemein akzeptiert ist letztendlich nur die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Rechtfertigungs169 Beispielsweise: Stein, in: AK-GG I, Art. 3, Rn. 35 ff.; Gubelt, in: Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl., Art. 3, Rn. 15; Huster, JZ 1994, 541 (547 ff.).

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

dogmatik, an der sich die Überprüfung der finanziellen Rechtfertigungsgründe orientieren soll.170 a) Rechtfertigungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Ursprünglich stellte das Bundesverfassungsgericht bei der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen alleine auf die Willkürformel ab171: Danach liegt eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt – kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss“172. Die von der Literatur bemängelte (gleichheitsrechtliche) Ineffektivität dieses Prüfungsmaßstabs zeigt sich darin, dass eine Verletzung des Willkürverbots erst bejaht wird, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung im Einzelfall evident ist.173 Trotz anhaltender Kritik seitens der Literatur,174 hielt das Bundesverfassungsgericht fast 30 Jahre lang an der Willkürformel fest und ergänzte diesen Maßstab erst 1980 mit der sog. „neuen Formel“: Danach ist der Gleichheitssatz vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.175 Eine Rechtfertigung ist demnach nur möglich, wenn Ungleichbehandlung und Rechtfertigungsgrund „in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen“176. Dies wird allgemein als Übertragung des (modifizierten) Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf die Gleichheitsrechte angesehen.177 Dabei wird eine strengere 170

Siehe Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 3, Rn. 29 ff.; Englisch, in: Stern/ Becker, GG, Art. 3, Rn. 10 ff.; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 470 ff.; Hesse, FS Lerche, S. 121 (128). 171 St. Rspr.: BVerfGE 1, 14 (52); 49, 260 (271); 61, 138 (147); 68, 237 (250). 172 BVerfGE 1, 14 (52). 173 BVerfGE 52, 277 (280 f.); 68, 237 (250) dazu Wendt, NVwZ 1988, 778 (780). 174 Böckenförde, Der allgemeine Gleichheitssatz und die Aufgabe des Richters, S. 49 ff.; Zacher, AöR 93 (1968), 341 (344 ff.); Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, S. 54 ff.; siehe auch die Kritik „innerhalb“ des BVerfG in Form der sich gegen die Willkürformel gerichteten Sondervoten: Rupp-v. Brünneck, BVerfGE 36, 247 ff.; Geiger, BVerfGE 42, 79 ff. 175 BVerfGE 55, 72 (88); seitdem st. Rspr. des Ersten Senats, ab 1985 auch st. Rspr. des Zweiten Senats: BVerfGE 71, 39 (58 f.); seitdem st. Rspr. des BVerfG: E 81, 156 (205); 82, 60 (86); 83, 395 (401); 84, 348 (359); 87, 1 (36); 88, 87 (96 f.); 92, 365 (407); 99, 129 (139); 102, 41 (54); 120, 125 (144); 124, 199 (219 f.). 176 BVerfGE 82, 126 (146); ab E 88, 87 (96) konkretisiert das BVerfG diese Bedingung mit der „Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse“: E 92, 365 (407); 110, 274 (291); 117, 1 (30); 120, 125 (144); 124, 199 (219). 177 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 18; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 14; Hesse, FS Lerche, S. 121 (123); diese stärkere Orientierung am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stellt jedoch keine radikale Abkehr von der Willkürformel dar, sondern ist vielmehr als eine konkretisierende Ergänzung bei der Rechtfertigung von personenbezogenen

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Prüfung bei personellen Ungleichbehandlungen mit dem personalen Schutzzweck des allgemeinen Gleichheitssatzes begründet.178 Gleiches gilt zudem, wenn sich die Ungleichbehandlung von Personen nachteilig auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann.179 Die bei personenbezogenen Ungleichbehandlungen einschlägige „neue Formel“ wurde zudem noch mit einer – von Teilen der Literatur auch als „neueste Formel“ titulierten180 – strengeren Verhältnismäßigkeitsprüfung ergänzt, die zur Anwendung kommt, „je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art 3 Abs. 3 GG genannten annähern und je größer deshalb die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt“181. Mittlerweile verwendet das Bundesverfassungsgericht einen stufen- und formellosen Rechtsfertigungsmaßstab: „Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die stufenlos von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen reichen können.“182 b) Festlegung des Rechtfertigungsmaßstabs für finanzielle Einheimischenprivilegierungen Die neue „Stufenlos-Formel“183 des Bundesverfassungsgerichts kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die materielle Rechtfertigungsprüfung einer Ungleichbehandlung weiterhin an den Anforderungen der jeweiligen Prüfungsformel vollzieht.184 Willkürverbot und neue Formel fungieren als „Endpunkte einer Differenzierungen anzusehen: Die Verhältnismäßigkeit war nämlich von Anfang an in der Willkürformel angelegt, denn auch sie verlangte stets einen einleuchtenden Grund. Wann ein Grund einleuchtet, beurteilt sich jedoch anhand der dadurch auftretenden Benachteiligung, so dass auch bei einer Willkürprüfung schon eine gewisse Abwägung notwendig ist, siehe Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3, Rn. 29; Wendt, NVwZ 1988, 778 (780); zum Teil wird jedoch eine Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abgelehnt: Heun, in: Dreier, GGK I, Art. 3, Rn. 30 f. 178 BVerfGE 88, 87 (96 f.);1 03, 310 (318 f.). 179 BVerfGE 60, 123 (134); 82, 126 (146); 88, 87 (96 f.); 95, 267 (316 f.); 105, 73; (110 f.); 110, 141 (167); 122, 210 (230). 180 Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3, Rn. 28; Paehlke-Gärtner, in: Umbach/ Clemens, GG I, Art. 3, Rn. 65. 181 BVerfGE 88, 87 (96 f.). 182 Siehe die Entscheidungen des Ersten Senats: BVerfGE 129, 49 (68); 132, 79 (188); 137, 1 (20); zum Teil verwendet nun auch der Zweite Senat den stufenlosen Rechtfertigungsmaßstab: siehe die Nichtannahmebeschlüsse vom 30. September 2015, 2 BvR 1961/10 bzw. 2 BvR 1066/10. 183 Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3, Rn. 28. 184 So wohl auch: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 20 ff.; Boysen, in: Münch/ Kunig, GGK I, Art. 3, Rn. 103.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Skala“185, welche die Rechtfertigungsanforderungen anhand der Intensität der Ungleichbehandlung festlegt. Die Intensität bemisst sich anhand der Personenbezogenheit der Differenzierung und wird folglich schwächer, wenn es sich lediglich um eine sachbezogene Ungleichbehandlung handelt.186 Die sachbezogene Ungleichbehandlung ohne Personenbezug hat nur eine geringe Intensität und muss nur den Erfordernissen der Willkürformel als erster Stufe genügen. Die „neue Formel“ bildet die zweite Stufe und gibt den Rechtfertigungsmaßstab vor, wenn Ungleichbehandlungen zwischen Personengruppen vorliegen, die an personenbezogene Merkmale anknüpfen und damit von größerer Intensität sind. Gleiches gilt zudem, wenn sich die Ungleichbehandlung von Personen nachteilig auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten ausüben kann.187 Auf der dritten Stufe kommt die „neueste Formel“188 als strengste Rechtfertigungsprüfung für Ungleichbehandlungen mit der größten Intensität zum Einsatz: Eine diese Stufe eröffnende Ungleichbehandlungsintensität liegt vor, wenn sich die personenbezogenen Differenzierungskriterien bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen an die von Art. 3 Abs. 3 GG verbotenen Anknüpfungspunkte annähern.189 aa) Anwendung auf die Differenzierungskriterien der finanziellen Einheimischenprivilegierungen Die Intensitätsbemessung der Ungleichbehandlung anhand der Sach- oder Personenbezogenheit der Differenzierung(skriterien) ermöglicht eine abstrakte Einordnung der wohnsitz- und staatsangehörigkeitsabhängigen Einheimischenprivilegierungen in das dargestellte Stufensystem. (1) Wohnsitz als Differenzierungsmerkmal Obwohl das Bundesverfassungsgericht den Wohnsitz ohne nähere Begründung als personenbezogenes Merkmal qualifiziert hat,190 erscheint diese Einordnung nicht zwingend. Ebenso könnte man argumentieren, dass das Wohnen an einem Ort nur ein Sachverhalt ist. Zweifel ergeben sich insbesondere aus der vorhandenen Möglichkeit, sich durch einen Wohnsitzwechsel der Ungleichbehandlung zu entziehen, was für die Personenunabhängigkeit dieses Kriteriums spricht.191 Die Relevanz der Beeinflussbarkeit des Kriteriums für die Unterscheidung von personen- oder sachverhaltsbezogenen Merkmalen liegt bereits in der Natur der 185

Boysen, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 3, Rn. 103. Englisch, in: Stern/Becker, GG, Art. 3, Rn. 14 ff. 187 BVerfGE 95, 267 (316 f.); 105, 73 (110 f.); 110, 141 (167); 122, 210 (230). 188 Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3, Rn. 28; Paehlke-Gärtner, in: Umbach/ Clemens, GG I, Art. 3, Rn. 65. 189 BVerfGE 88, 87 (96 f.). 190 BVerfGE 92, 26 (52). 191 Stein, in: AK-GG I, Art. 3 Abs. 1, Rn. 35; Pieroth, WissR 2007, 229 (244). 186

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Sache: Wenn ein Merkmal (leicht) abänderbar ist, spricht dies eher für die Qualifizierung als Sachverhalt oder Verhalten und nicht für die Annahme eines besonders schützenswerten persönlichen Merkmals. In der Literatur wird schon die bloße Möglichkeit einer Beeinflussbarkeit der Rechtsfolgen durch eigenes Verhalten als Grund für die Annahme einer sachbezogenen Ungleichbehandlung angesehen.192 Grundsätzlich berücksichtigt die Rechtsprechung diesen Aspekt zumindest bei verhaltensbezogenen Ungleichbehandlungen.193 Bei personenbezogenen Merkmalen hat das Bundesverfassungsgericht bisher nur in einem Fall – und zwar ausgerechnet in Zusammenhang mit dem Wohnsitz als personenbezogenes Differenzierungskriterium – gefordert, dass das Merkmal praktisch nur schwer änderbar sein müsse.194 Letztendlich gestaltet sich die abstrakte Beurteilung der Beeinflussbarkeit des Differenzierungskriteriums „Wohnort“ durch Wohnsitzverlegung als schwierig, da es sich um eine einzelfallbezogene Entscheidung handelt, welche von den Eigenschaften der Adressaten und dem von der jeweiligen Regelung „verlangten“ Wohnort abhängig ist. Im Einzelfall können auch Freiheitsrechte betroffen sein und den Prüfungsmaßstab verschärfen.195 Im Endeffekt kann die Frage nach der abstrakten Möglichkeit eines Wohnortwechsels dahinstehen, denn selbst wenn man die Beeinflussbarkeit bejahen und den Wohnort als sachbezogenes Kriterium qualifizieren würde, käme man über den „Umweg“ der mittelbaren Ungleichbehandlung zur Anwendung der „neuen Formel“ als Rechtfertigungsmaßstab. Die Figur der mittelbaren Ungleichbehandlung erfasst nämlich auch die Ungleichbehandlung von solchen Sachverhalten, die mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirken.196 Auf diese Weise behebt die Figur der mittelbaren Ungleichbehandlung den Geburtsfehler der Unterscheidung nach Differenzierungskriterien: Jede personenbezogene Regelung lässt sich sachverhaltsbezogen formulieren, indem auf Merkmale abgestellt wird, die nur eine bestimmte Personengruppe erfüllt,197 so dass das Unterscheidungsmerkmal der Sachoder Personenbezogenheit in diesen Fällen an seine Grenzen stößt.198 Sofern man also zu dem Ergebnis käme, dass der Wohnort aufgrund seiner Beeinflussbarkeit ein sachverhaltsbezogenes Kriterium sei, würde diese Sachverhaltsungleichbehandlung eine Benachteiligung der dahinterstehenden Personengruppe der „Auswärtigen“ bewirken, so dass eine mittelbare Ungleichbehandlung von Personen vorläge. 192

Stein, in: AK-GG I, Art. 3 Abs. 1, Rn. 35; Pieroth, WissR 2007, 229 (244). BVerfGE 95, 267 (316); 99, 367 (388). 194 BVerfGE 92, 26 (52). 195 BVerfGE 105, 73 (110 f.); 110, 141 (167); 122, 210 (230); Jarass, in; Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 22; Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3, Rn. 99. 196 St. Rspr.: BVerfGE 88, 87 (96); 95, 267 (316); 101, 54 (101); 103, 310 (319); 118, 1 (26); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 20. 197 Hesse, FS Lerche, S. 121 (128 f.); Sachs, JuS 1997, 124 (128 f.); Brünning, JZ 2001, 669; Albers, JuS 2008, 945 (946). 198 Hesse, FS Lerche, S. 121 (128 f.). 193

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Die Unterscheidung zwischen personen- und sachverhaltsbezogenen Differenzierungskriterien stellt jedoch keine unumstößliche Regel dar, sondern bietet lediglich eine Hilfestellung bei der Bestimmung des Rechtfertigungsmaßstabs. Über alldem steht der personale Schutzzweck des Art. 3 Abs. 1 GG und die daraus folgende Erkenntnis, dass die Ungleichbehandlung von Personen strengere Rechtfertigungsvoraussetzungen erfordert als die Ungleichbehandlung von Sachverhalten. Dies muss auch gelten, „wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt“199. Dieser „Ausweg“ des Bundesverfassungsgerichts überzeugt, denn unter Intensitätsgesichtspunkten sind mittelbare und personenbezogene Ungleichbehandlungen durchaus vergleichbar. Der Wohnort ist somit ein Differenzierungskriterium, welches grundsätzlich zu einer mittelbaren Ungleichbehandlung von Personengruppen führt und deshalb am Rechtfertigungsmaßstab der „neuen Formel“ gemessen werden muss. (2) Staatsangehörigkeit als Differenzierungsmerkmal Die Staatsangehörigkeit eines Menschen ist ein personenbezogenes Merkmal und eine daran anknüpfende Ungleichbehandlung stellt folglich eine Personenungleichbehandlung dar.200 Der Rechtfertigungsmaßstab muss aufgrund der Vorgegebenheit und der beschwerlichen Abänderbarkeit der Staatsangehörigkeit mit den zusätzlichen Anforderungen der „neuesten Formel“ verschärft werden201: „Die Staatsangehörigkeit einer Person hängt grundsätzlich von der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern oder dem Ort ihrer Geburt und damit von Umständen ab, die sie nicht beeinflussen kann. Eine Änderung der Staatsangehörigkeit ist nur unter Voraussetzungen möglich, die wiederum nicht allein im Belieben des Betroffenen stehen.“202 bb) Konkrete Rechtfertigungsanforderungen Die für die Untersuchung relevanten Rechtfertigungsmaßstäbe der neuen und der neuesten Formel erfordern eine gegenüber den Freiheitsgrundrechten leicht modifizierte Verhältnismäßigkeitsprüfung in Bezug auf den Rechtfertigungsgrund. Während die Prüfungsabfolge identisch ist, bestehen Unterschiede in der Intensität der Prüfung, welche bei der neuesten Formel „noch strenger“ ist. Das Unterscheidungsmerkmal der „besonders genauen Prüfung“ ist aufgrund seiner Unbestimmt199

St. Rspr.: BVerfGE 88, 87 (96); 95, 267 (316); 101, 54 (101); 103, 310 (319); 118, 1 (26). Allgemeine Ansicht: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 21; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 297; Kannengießer, in: Schmidt/Bleibtreu/Klein, GG, Art. 3, Rn. 17; Heintzen, in: Merten/Papier, HGR II, § 50, Rn. 61. 201 BVerfGE 111, 160 (169 f.); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 21; Osterloh/ Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 257c; Kannengießer, in: Schmidt/Bleibtreu/Klein, GG, Art. 3, Rn. 17; Heintzen, in: Merten/Papier, HGR II, § 50, Rn. 61. 202 BVerfGE 130, 240 (155); unabhängig von Eheschließung und Adoption besteht ein Einbürgerungsanspruch gem. § 10 I StaatsangehörigkeitsG erst nach 8 Jahren. 200

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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heit nicht sehr praktikabel. Soweit es abstrakt möglich ist, sollen deshalb die Anforderungen der neuesten Formel bei den einzelnen Prüfungspunkten konkretisiert werden. (1) Legitimer sachlicher Rechtfertigungsgrund Ausgangspunkt für die Rechtfertigung nach der neuen Formel stellt – wie auch bei der Willkürformel – das Vorliegen eines sachlichen Rechtfertigungsgrundes dar.203 Der Rechtfertigungsgrund und das Differenzierungsziel müssen einem legitimen Zweck dienen.204 (2) Orientierung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Bei der Ausgestaltung der Verhältnismäßigkeitsprüfung lässt das Bundesverfassungsgericht eine Hintertür für Interpretationen offen, indem es „nur“ einen „am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab“ vorgibt, welcher sich „nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen“ bestimmen lässt.205 Diese vorsichtige Formulierung ist dem Umstand geschuldet, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für Eingriffe in Freiheitsrechte konzipiert ist206 und nur „in sinnentsprechender Weise“207 auf die gleichheitsrechtliche Prüfung übertragen werden kann.208 Die Modifikation kommt darin zum Ausdruck, dass sich die Verhältnismäßigkeit nicht auf einen Eingriff, sondern auf die Ungleichbehandlung bezieht.209 Der Versuch der Umqualifizierung (oder Umbenennung) dieser Prüfung in eine „Entsprechungsprüfung“210, widerspricht deshalb der vom Bundesverfassungsgericht verwendeten Terminologie211 und hat im Ergebnis keine praktischen 203 Englisch, in: Stern/Becker, GG; Art. 3, Rn. 22; Heun, in: Dreier, GGK I, Art. 3, Rn. 26; Rüfner, in: BK, Art. 3, Rn. 26 f. 204 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 290, 473. 205 BVerfGE 75, 108 (157); 101, 275 (291); 126, 400 (416). 206 Zum Ursprung und zur Übertragung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: Huster, JZ 1994, 541 (542 ff.); Brüning, JZ 2001, 669 (670 ff.). 207 Sodan, in: Sodan, GG, Art. 3, Rn. 14. 208 Teilweise wird in der Literatur eine Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mit dem Argument abgelehnt, dass dieser nur für Eingriffe in Freiheitsrechte konzipiert sei und nicht auf Gleichheitsrechte übertragen werden könne, siehe Heun, in: Dreier, GGK I, Art. 3, Rn. 28 ff.; Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 258 ff.; Der Verweis auf den freiheitsrechtlichen Ursprung der Verhältnismäßigkeitsprüfung verbietet jedoch nicht eine modifizierte Übertragung dieses Gedankens auf die Gleichheitsrechte, siehe Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 797, 799; Albers, JuS 2008, 945 (947). 209 Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 797, 799. 210 Huster, Rechte und Ziele, S. 142 ff.; ders., in: Friauf/Höfling, BKGG I, Art. 3, Rn. 75 ff.; 87 ff.; Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3, Rn. 37; Sachs, JuS 1997, 124 (129). 211 „Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse“: BVerfGE 88, 87 (96); 92, 365 (407); 110, 274 (291); 117, 1 (30); in E 121, 108 (119); 126, 400 (416) nun „Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung“.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Auswirkungen.212 Letztendlich ist der „am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Prüfungsmaßstab“ nichts anderes als eine auf den Gleichheitssatz bezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung.213 Diese beurteilt sich anhand der Kriterien der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit.214 (a) Geeignetheit Die Differenzierung muss geeignet sein, das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen.215 Dieses – auch in der Willkürprüfung enthaltene216– Gebot der Eignung enthält jedoch nur eine „Mindestanforderung an Zweckrationalität und damit Begründungsrationalität jedes staatlichen Handelns“217, wobei schon die Möglichkeit der Zweckerreichung ausreicht.218 (b) Erforderlichkeit Das Gebot der Erforderlichkeit verlangt, dass der verfolgte Zweck nicht durch ein gleich wirksames, aber weniger belastendes Mittel erreichbar ist.219 Vereinzelt wird die Anwendung dieses Kriterium beim Gleichheitssatz abgelehnt, da Art. 3 Abs. 1 GG nicht vor „weniger differenzierenden“ Maßnahmen schütze und es zu einer Einschränkung des Gesetzgebers führe.220 Tatsächlich darf die Erforderlichkeit nicht dahingehend verstanden werden, dass jede Gleichbehandlung ein milderes Mittel als eine Differenzierung darstellt. Es muss seitens der Rechtswissenschaft als Ausdruck des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums respektiert werden, wenn zu Lasten einer Gruppe differenziert werden soll, statt pauschal die Allgemeinheit zu belasten.221 Eine Ungleichbehandlung kann deshalb schon erforderlich sein, wenn zur Zielerreichung keine weniger belastende Differenzierung zur Verfügung steht.222 212 Huster will abwägen, ob die Ungleichbehandlung durch entsprechende sachliche Gründe aufgewogen wird: Rechte und Ziele, S. 142 ff.; ders., in: Friauf/Höfling, BKGG I, Art. 3, Rn. 75 ff.; 87 ff.; Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3, Rn. 37; ebenfalls keine praktischen Auswirkung sehend: Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 24. 213 Schulmäßig prüft das BVerfG den stufigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in: E 113, 167 (231 ff.); die „klassische“ Verhältnismäßigkeitsprüfung wird auch vom überwiegenden Teil der Rechtswissenschaft angewendet: Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 18 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 18 f.; Sodan, in: Sodan, GG, Art. 3, Rn. 14; Manssen, Staatsrecht II, Rn. 821. 214 Dazu: Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 289 ff. 215 BVerfGE 113, 167 (234 f.). 216 Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 801. 217 Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 19. 218 BVerfGE 96, 10 (23); 117, 163 (188 f.); 121, 317 (354). 219 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 295. 220 Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 802; Gubelt, in: Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl., Art. 3, Rn. 29. 221 BVerfGE 113, 167 (252). 222 BVerfGE 113, 167 (252 ff.); Brüning, JZ 2001, 669 (672).

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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(c) Angemessenheit Der Rechtfertigungsgrund muss „in einem angemessenen Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung“223 stehen und einen „sachlich vertretbaren Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht“ darstellen.224 Dies erfordert eine Abwägung zwischen der Bedeutung der Ungleichbehandlung und dem mit der Differenzierung verfolgten Ziel.225 Zu kurz greift jedoch die alleinige Abwägung von Differenzierungsziel und Differenzierungskriterium,226 welche das Abwägungsergebnis verfälschen würde.227 Vielmehr sind im Wege eine Gesamtabwägung auch die Wirkungen und Beeinträchtigungen der Ungleichbehandlung bei der betroffenen Personengruppe zu berücksichtigen.228 Sofern allerdings die Differenzierungskriterien den Diskriminierungsverboten des Art. 3 Abs. 3 GG ähneln, überwiegt nach der neuesten Formel die Ungleichbehandlung.229 2. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen Zu untersuchen ist, ob sachliche Gründe bestehen, die eine gleichheitsrechtliche Rechtfertigung von wohnsitzabhängigen finanziellen Einheimischenprivilegierungen ermöglichen. a) Finanzielle Einheimischenprivilegierungen auf Kommunalebene aa) Einheimischentarife Grundsätzlich handelt es sich bei Einheimischentarifen um Benutzungsgebühren für die öffentlich-rechtlich ausgestaltete Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung, wobei zwischen den unterschiedlichen Ausformungen von Einheimischentarifen differenziert werden muss: Während beim Einheimischenabschlag die Privilegierung der Einheimischen in Form eines Abschlags von einer kostendeckenden Gebühr im Vordergrund steht, überwiegt beim Auswärtigenzuschlag die Benachteiligung der Auswärtigen infolge einer über die Kostendeckungsgrenze hinausgehenden Gebühr.

223

BVerfGE 99, 165 (178); 102, 68 (87). BVerfGE 88, 87 (97); 93, 386 (401); 124, 199 (220). 225 BVerfGE 89, 365 (377 f.); Sodan, in: Sodan, GG, Art. 3, Rn. 14. 226 Dieses Konzept beruht auf Stein, in: AK-GG I, Art. 3, Rn. 25 ff.; 38 ff. m.w.N. 227 Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3, Rn. 35, 36. 228 Osterloh/Nußberger, in: Sachs, Art. 3, Rn. 22; Sodan, in: Sodan, GG, Art. 3, Rn. 14; Albers, JuS 2008, 945 (947). 229 BVerfGE 124, 199 (220); Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 32. 224

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

(1) Die Rechtfertigung von Auswärtigenzuschlägen Die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung des Auswärtigenzuschlags kann nur gelingen, wenn zunächst einmal eine über die Kostendeckungsgrenze hinausgehende Benutzungsgebühr zulässig ist und es darüber hinaus rechtfertigungsfähig ist, dass diese überhöhte Benutzungsgebühr nur von Auswärtigen entrichtet werden muss. (a) Rechtfertigung einer über die Kostendeckung hinausgehenden Gebührenhöhe Die Finanzverfassung erlaubt keine beliebig hohen Gebühren, sondern verlangt eine besondere Legitimation in Form einer sachlichen Rechtfertigung der Gebühr und ihrer Höhe.230 Die Grundsatzfrage nach der Zulässigkeit einer über die Kostendeckungsgrenze hinausgehenden Gebührenhöhe muss deshalb anhand der verfassungsrechtlich vorgegebenen Bemessungskriterien für die Gebührenhöhe beantwortet werden. (aa) Bedeutung und Vereinbarkeit mit den gebührenrechtlichen Prinzipien Unter den gebührenrechtlichen Prinzipien werden im Allgemeinen das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip verstanden. Weder das Kostendeckungsprinzip231, noch das Äquivalenzprinzip232 sind „Grundsätze mit verfassungsrechtlichem Rang“233 und stellen deshalb auch keine unüberwindbaren Vorgaben an die 230

BVerfGE 93, 319 (342 ff.); 108, 1 (16). Die herrschende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur lehnt eine verfassungsrechtliche Geltung des Kostendeckungsprinzips ab: BVerfGE 50, 217 (226); 97, 333 (345); BVerwGE 12, 162 (166 ff.); Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, S. 111, 116; Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (249); Birk/Eckhoff, in: Sackofsky/Wieland, Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 54 (64); Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 1003; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 328; Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 355 f.; F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 100; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3, Rn. 172 ; Winterhoff, DÖV 2007, 321 (322); die Gegenansicht leitet das Kostendeckungsprinzip aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit ab und räumt ihm über die Verhältnismäßigkeit hinaus eine verfassungsrechtliche Geltung ein: Schulte/Wiesemann, in: Driehaus, KAG, § 6, Rn. 24; Heun, in: Dreier, GGK III, Art. 105, Rn. 21; Rogosch, Verfassungsrechtliche Bindungen des Staates bei der Erhebung von Benutzungsgebühren und privatrechtlichen Entgelten, S. 103 ff.; ders., KStZ 1988, 1 (3); Zimmermann, DVBl. 1989, 901 (904 f.). 232 Eine verfassungsrechtliche Verankerung des Äquivalenzprinzips wird überwiegend abgelehnt: BVerfGE 83, 363 (392); 97, 332 (345); Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, S. 111, 113, 116; Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 362 f.; Winterhoff, DÖV 2007, 321 (322); F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 81; Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (252); die Gegenansicht möchte das Äquivalenzprinzip entweder aus dem Gebührenbegriff oder dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ableiten: BVerwGE 80, 36 (39); 109, 272 (274); 115, 32 (44); 118, 123 (125); Brüning, in: Driehaus, KAG, § 6, Rn. 49b; Heun, in: Dreier, GGK I, Art. 3, Rn. 81; Siegel, JuS 2008, 1071 (1073); Wegge, KStZ 1999, 41 (42). 233 BVerfGE 97, 332 (345). 231

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Gebührenhöhe und -maßstäbe dar.234 Gleichwohl entfalten die Gebührenprinzipien durch ihre einfachgesetzliche Verankerung eine allgemeine Bedeutung für die Gebührenbemessung.235 a) Kostenüberschreitungsverbot Das Kostenüberschreitungsverbot ergibt sich aus dem Kostendeckungsprinzip, welches besagt, dass mit den für die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung erhobenen Gebühren die Kosten gedeckt werden sollen.236 Aus dem Grundsatz der Kostendeckung wird zudem das Verbot der Kostenüberschreitung abgeleitet, wonach das Gebührenaufkommen nicht die Kosten, welche für den Betrieb der öffentlichen Einrichtung notwendig sind, übersteigen darf.237 Das Kostendeckungsprinzip – und damit auch das Kostenüberschreitungsverbot – wird als globaler Grundsatz angesehen, so dass auf die Gesamtsumme der Kosten der Einrichtung im Verhältnis zur Gesamtsumme des Gebührenaufkommens abgestellt werden muss.238 Aufgrund seiner globalen Ausrichtung schützt das Kostenüberschreitungsverbot den einzelnen Gebührenschuldner also nicht vor der Zahlung einer über den Betrag der eigenen Kostenverursachung hinausgehenden Gebühr.239 Der Auswärtigenzuschlag nach dem hier untersuchten Modell basiert auf einer Gesamtkostendeckung, indem mit den höheren Gebühren der Auswärtigen die reduzierten Gebühren der Einheimischen subventioniert werden. Ein über die Finanzierung der öffentlichen Einrichtung hinausgehender Gebührenüberschuss ist jedoch nicht beabsichtigt, so dass der Auswärtigenzuschlag mit dem Kostenüberschreitungsverbot vereinbar ist. b) Äquivalenzprinzip Das (gebührenrechtliche) Äquivalenzprinzip besagt, dass zwischen dem Wert von Leistung und Gegenleistung ein ausgewogenes Verhältnis bestehen muss.240 Negativ 234

Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, S. 111. Beispielsweise in: § 6 Abs. 2 u. 4 KAG Schleswig-Holstein; § 8 Abs. 2 u. 3 KAG Nordrhein-Westfalen; § 8 Abs. 2 u. 3 KAG Hessen; § 6 Abs. 1 u. 3 KAG Mecklenburg-Vorpommern; § 14 Abs. 1 KAG Baden-Württemberg; § 6 Abs. 1, 4 KAG Brandenburg; Art. 8 Abs. 2 u. 4 KAG Bayern. 236 Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 352; meist ist das Kostenüberschreitungsverbot ausdrücklich in den KAG geregelt, z. B. § 6 Abs. 1 KAG Nordrhein-Westfalen: „Das veranschlagte Gebührenaufkommen soll die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung oder Anlage nicht übersteigen“. 237 Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 419. 238 Zwar ist auch individuelles Kostenüberschreitungsverbot denkbar, allerdings ist es in der Praxis fast unmöglich, die Kosten der Einzelbenutzung genau zu berechnen: Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 420 f.; Zimmermann, DVBl. 1989, 901 (904). 239 Kaufmann, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 15, Rn. 42; Schulte/Wiesmann, in: Driehaus, KAG, § 6, Rn. 26; Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 421. 240 Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, S. 6; aus finanzwissenschaftlicher Sicht: Zimmermann/Henke, Finanzwissenschaft, S. 113 ff. 235

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formuliert: Die Gebühr darf nicht in einem Missverhältnis zu der vom Staat erbrachten Leistung stehen,241 wobei eine Verletzung des Äquivalenzprinzips erst angenommen wird, wenn ein grobes Missverhältnis vorliegt.242 Auswärtigenzuschläge sind damit grundsätzlich mit dem einfachgesetzlichen Äquivalenzprinzip zu vereinbaren, solange sie nicht in einem groben Missverhältnis zum Wert der staatlichen Gegenleistung stehen. c) Ergebnis Eine über die Kostendeckungsgrenze hinausgehende Gebühr verstößt nicht gegen die einfachgesetzlichen Gebührenprinzipien, solange die Gebührenhöhe in keinem groben Missverhältnis zum Wert der staatlichen Gegenleistung steht und das Gebührenaufkommen nicht erheblich über den Gesamtkosten für die öffentliche Einrichtung liegt. (bb) Verhältnismäßigkeit der Gebührenhöhe Die Gebührenhöhe muss dem – aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleiteten und deshalb verfassungsrechtlich geltenden243 – Maßstab der Verhältnismäßigkeit genügen.244 a) Legitime Gebührenzwecke Für die Rechtfertigung der Gebührenhöhe können die vier von der Rechtsprechung anerkannten Gebührenzwecke der Kostendeckung, des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung und der sozialen Zweckverfolgung herangezogen werden.245 Zu untersuchen ist, ob und inwiefern diese Zwecke eine über die Kostendeckung hinausgehende Gebührenhöhe rechtfertigen können. aa) Gesamtkostendeckung durch eine umverteilende Gebühr Eine überhöhte Gebühr geht über die Erfordernisse und damit auch das Ziel der Kostendeckung hinaus. Eine Kompatibilität lässt sich jedoch erreichen, wenn man das Kostendeckungsprinzip nicht individuell auf die konkrete Beziehung zwischen Leistung und Gegenleistung anwendet, sondern im Wege einer Gesamtbetrachtung auf die Parameter „gesamtes Gebührenaufkommen“ und „Kosten der öffentlichen Einrichtung“ bezieht: Die über den Wert der Gegenleistung hinausgehende Gebühr dient beim Auswärtigenzuschlag nämlich nicht einem kommunalen Gewinnstreben, sondern der Gesamtkostendeckung der jeweiligen öffentlichen Einrichtung. Der 241

BVerfGE 20, 257 (270); 83, 363 (392); BVerwGE 80, 36 (39); 26, 305 (308 f.). BVerwGE 118, 123 (125); 115, 32 (44); Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 358. 243 Voßkuhle, JuS 2007, 429. 244 Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, S. 113 ff.; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 301 ff. 245 BVerfGE 50, 217 (226); 97, 332 (345); 108, 1 (18). 242

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gebührenrechtliche Zweck der Kostendeckung ist auch dann erfüllt, wenn sich die Kostendeckung nicht auf die konkrete Gegenleistung, sondern auf die Finanzierung der gesamten öffentlichen Einrichtung durch alle Benutzer bezieht.246 Im Regelfall ist dieser Wert identisch mit dem Gegenleistungswert, welcher sich aus dem Verhältnis der Gesamtkosten zur Anzahl der Nutzungen ergibt. Anders ist es jedoch beim Auswärtigenzuschlag, dem der Gedanke der Umverteilung zugrundeliegt: Die Auswärtigen finanzieren mit ihrer überhöhten Gebühr mittelbar die reduzierte Gebühr der Einheimischen, so dass das Gesamtaufkommen der Gebühren die Kosten der Kommune für die öffentliche Einrichtung abdeckt. Unabhängig von der Gebührenhöhe stellt sich dabei die Grundsatzfrage, ob die Figur einer umverteilenden Gebühr verfassungsrechtlich zulässig ist. Mitunter wird ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG angenommen, da die umverteilende Gebühr als Eigentumseingriff nicht dem Wohl der Allgemeinheit diene.247 Aufgrund der Freiwilligkeit der Nutzung von öffentlichen Einrichtungen muss aber bereits ein Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG abgelehnt werden.248 Im Übrigen wäre ein solcher Eingriff auch gerechtfertigt, da die Gebührenerhebung in Form der Gesamtkostendeckung einer öffentlichen Einrichtung durchaus als ein dem Allgemeinwohl genügender Gebührenzweck qualifiziert werden kann. Des Weiteren wird das Modell der „umverteilenden Gebühr“ teilweise für unvereinbar mit dem Wesen der Gebühr als Abgabe an den Staat zur Finanzierung einer konkreten Leistung angesehen, da es zu einer Umlenkung des Geldstroms zwischen Privaten komme.249 Dabei wird jedoch verkannt, dass der Entgeltcharakter der Gebühr kein verfassungsrechtliches Prinzip darstellt und sich somit nicht als Argument gegen eine gebührenrechtliche Umverteilung in Stellung bringen lässt.250 Ebenso wenig ist erkennbar, dass das Grundgesetz eine Umverteilung von Finanzmitteln exklusiv nur für Steuern und Sozialbeiträge vorgesehen hat.251 In Abgrenzung zur gegenleistungsunabhängigen Steuer stellt nicht der Entgeltcharakter, sondern die Gegenleistungsabhängigkeit der Gebühr das entscheidende Abgrenzungskriterium – quasi das Wesen der Gebühr – dar.252 Die Gegenleistungsabhängigkeit einer Gebühr kann als Abgrenzungsmerkmal zur Steuer auch bei einer Umverteilung gewahrt bleiben, solange ein hinreichender Bezug zwischen Gebührenhöhe und Gegenleistung besteht. Die Umverteilung lässt 246

BVerwGE 135, 352 (354 f.); OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ 2006, 356 (357); die Frage nach dem Verhältnis der vom einzelnen Gebührenschuldner zu entrichtenden Gebühr im Verhältnis zu den Gesamtkosten der öffentlichen Einrichtung ist keine Frage des Gebührenzwecks, sondern der im nächsten Schritt zu untersuchenden Verhältnismäßigkeit. 247 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 148. 248 BVerfGE 28, 66 (87). 249 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 147; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, 3 2009, § 119, Rn. 25. 250 Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 318. 251 Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, S. 188. 252 BVerfGE 93, 319 (343 f.); 108, 1 (17); Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, S. 92 f.

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sich auch mit dem Zweck der Gesamtkostendeckung in Einklang bringen, denn die überhöhten Gebühren werden im Wege der Umverteilung nur zur Finanzierung der jeweiligen öffentlichen Einrichtung genutzt. Eine umverteilende Gebühr ist folglich grundsätzlich zulässig, solange ein sachgerechtes Verhältnis zwischen Gebührenhöhe und Gegenleistung besteht.253 Der Gebührenzweck der Gesamtkostendeckung im Wege einer Umverteilung ist somit ein legitimer Zweck. bb) Vorteilsausgleich durch eine marktwertorientierte Gebühr Der Auswärtigenzuschlag könnte als absolute Zahl deutlich höher sein, wenn die ihm zugrundeliegende Gebühr nicht an der Kostendeckungsgrenze bemessen wäre, sondern sich an dem vom Gebührenschuldner empfangenen Nutzen im Sinne des dafür üblichen Marktpreises orientieren würde. Eine solche Bemessung könnte anhand der Nutzentheorie vorgenommen werden, wonach der Nutzen der öffentlichen Leistung für den Leistungsempfänger als Maßstab für die Gebührenhöhe fungiert.254 Diese auf eine marktwertabhängige Gebührenhöhe hinauslaufende Nutzenorientierung entspricht grundsätzlich der gebührenrechtlichen Ausgleichsfunktion255 : Legt man den gebührenrechtlichen Leitgedanke des Vorteilsausgleichs – vom Bundesverfassungsgericht als Abschöpfung der durch die öffentliche Leistung gewährten Vorteile definiert256– zugrunde, erscheint eine nutzenorientierte Gebührenkalkulation zulässig. Das zur Bestimmung des Vorteilsausgleichs herangezogene Äquivalenzprinzip erlaubt eine Verwendung des Nutzenbegriffs als Bemessungsmaßstab, sofern der Nutzen der gebührenpflichtigen Leistung nach objektiven Kriterien messbar ist.257 Die theoretische Zulässigkeit einer nutzenorientierten Gebührenbemessung ist damit von der faktischen Schwierigkeit der Bestimmbarkeit des Vorteils – des wertmäßigen Nutzens – abhängig. An diese Schwierigkeiten anknüpfend wird gegen die Verwendung eines Nutzenmaßstabs eingewendet, dass öffentliche Leistungen aufgrund ihrer fehlenden Marktgängigkeit nicht objektivierbar seien und nicht den gleichen Nutzen beim Gebührenschuldner stifteten.258 Oftmals bliebe der Nutzwert sogar hinter den dafür aufgewendeten Kosten zurück.259 Die pauschale Ablehnung der Marktgängigkeit öffentlicher Leistungen ist jedoch genauso ungenau wie deren 253

Helbig, in: Sacksofsky/Wieland, Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 85 (91 ff.). BVerwGE 12, 162 (167); 13, 214 (222); F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 89; Hansmeyer/Fürst, Die Gebühren, S. 50; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 272; Zimmermann, DVBl. 1989, 901 (906). 255 BVerfGE 93, 319 (344). 256 BVerfGE 93, 319 (344). 257 Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, S. 14; F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts, Rn. 237; ders., Die Höhe der Gebühr, S. 93. 258 Hansmeyer/Fürst, Die Gebühren, S. 50 f.; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 200; Ehle, DÖV 1962, 45 (46). 259 Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 200 mit Verweis auf Gerichtsgebühren und die darüber hinausgehenden staatlichen Kosten. 254

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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grundsätzliche Annahme. Stattdessen erfordert diese Frage eine einzelfallbezogene Beurteilung der von den kommunalen Einrichtungen angebotenen Leistungen. Dabei erscheinen gerade kommunale Benutzungsgebühren für eine nutzenorientierte Bemessung besonders geeignet, da sich ihr „Nutzwert“ überwiegend anhand von privatwirtschaftlichen Vergleichsangeboten bestimmen lässt: Eine Vielzahl öffentlicher Einrichtungen – beispielsweise Schwimmbäder, Volkshochschulen, Kindertagesstätten oder Musikschulen – erbringen Leistungen, die auch auf dem freien Markt angeboten werden und deren Gebühren sich folglich mit „Marktpreisen“ vergleichen lassen. Die Annahme eines unterschiedlichen individuellen Nutzens durch die gleiche öffentliche Leistung lässt sich nicht mehr aufrechterhalten, wenn für die Leistung ein wertbestimmender Marktpreis besteht. Eine nutzenorientierte Gebührenbemessung begründet auch keine Gefahr der Kostenunterdeckung, denn in der Regel beinhaltet der Marktpreis – zumindest bei den Privatanbietern – einen Gewinnaufschlag und liegt damit (deutlich) über der Kostendeckungsgrenze. Eine nutzenorientierte Gebührenbemessung ist somit verfassungsrechtlich zulässig, wenn die öffentliche Leistung nicht nur vom Staat angeboten wird, so dass sich der Nutzen anhand eines Marktpreises bestimmen lässt. cc) Lenkungszwecke Aus Lenkungszwecken muss die Festsetzung einer über den Gegenwert der Leistung hinausgehenden Gebührenhöhe möglich sein.260 Gerade bei Gebühren kann die zur Verhaltenslenkung notwendige finanzielle Belastung nur erreicht werden, wenn die Gebührenhöhe aus Sicht des Benutzers der öffentlichen Einrichtung ein spürbarer Nachteil ist.261 Ein echter Nachteil ergibt sich für den Gebührenschuldner jedoch erst, wenn hinter der Gebührenhöhe keine gleichwertige Leistung steht. dd) Soziale Zwecke Eine soziale Zweckverfolgung erlaubt als Ausdruck des Sozialstaatsprinzips die Staffelung der Gebührenhöhe nach dem Einkommen der Gebührenschuldner.262 Bezogen auf die Gebührenhöhe gilt dies jedenfalls, solange die höchste Gebühr noch dem Wert der Gegenleistung entspricht.263 Unklar ist hingegen, ob soziale Zwecke auch eine überhöhte Gebühr rechtfertigen können, welche sodann zur Subventionierung finanzschwacher Gebührenschuldner genutzt wird. In Anbetracht der offenkundigen Untauglichkeit einer sozialen Zweckverfolgung durch Einheimischenprivilegierungen erübrigt sich jedoch eine Untersuchung dieser Fragestellung: Die dem Auswärtigenzuschlag innewohnenden Unterscheidung zwischen Einheimischen und Auswärtigen lässt keine Schlüsse auf die soziale Stellung beider 260

BVerfGE 50, 217 (226 f.); P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, 32009 , § 119, Rn. 50; Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (255 f.); Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 65 ff. 261 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 132. 262 BVerfGE 97, 332 (344 ff.); Helbig, in: Sacksofsky/Wieland, Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 85 ff. 263 BVerfGE 97, 332 (346).

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Gruppen zu, so dass eine Gebührenüberhöhung aus sozialen Gründen als Gebührenzweck ausscheidet. b) Geeignetheit und Erforderlichkeit Eine überhöhte Gebühr ist geeignet, durch Umverteilung eine Gesamtkostendeckung sicherzustellen. Daneben kann eine überhöhte Gebühr die Gebührenschuldner zur Kostenersparnis in Form einer geringeren Nutzungsfrequenz veranlassen und ist deshalb auch zur Verhaltenslenkung geeignet. Schwieriger erscheint hingegen eine Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Erforderlichkeit, welcher für Benutzungsgebühren verlangt, dass nur diejenigen Kosten einbezogen werden, die zur Erfüllung des verfolgten Zwecks erforderlich sind.264 Die Gebührenhöhe wird vom Erforderlichkeitsgrundsatz folglich auf die zur Erreichung des angestrebten Zwecks notwendige Höhe begrenzt.265 Dabei besteht für die Kommunen jedoch ein weiter Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Erforderlichkeit der Gebührenhöhe für den einzelnen Benutzer.266 Für den Zweck der Verhaltenslenkung ist eine Überhöhung in einem Ausmaß notwendig, welches den Gebührenschuldner tatsächlich zu einem bestimmten Verhalten bewegt. Bezogen auf die Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit einer über die Kostendeckungsgrenze hinausgehenden und zugleich zugunsten anderer Benutzer umverteilenden Gebühr macht der verfolgte Zweck der Gesamtkostendeckung mit unterschiedlich hohen Gebühren es notwendig, dass die Gebühr für einige Nutzer über die zur Kostendeckung notwendige Höhe hinausgeht, um damit auf der anderen Seite die reduzierte Gebührenhöhe für die anderen Benutzer auszugleichen. Eine überhöhte Gebühr ist in einem solchen System somit erforderlich, um eine Gesamtkostendeckung herbeizuführen. c) Angemessenheit Die gebührenrechtliche Angemessenheit verlangt zwei Abwägungen: Ein angemessenes Verhältnis muss zum einen zwischen Gebührenhöhe und Gegenleistung,267 und zum anderen zwischen Gebührenhöhe und Gebührenzweck bestehen.268 Ausgangspunkt für eine Abwägung muss das Verhältnis zwischen Gebührenhöhe und Gegenleistung sein, da sich daraus direkte Auswirkung auf das Verhältnis zwischen Gebührenhöhe und Gebührenzweck ergeben: Umso mehr die Gebührenhöhe über den Wert der Gegenleistung hinausgeht, desto bedeutender müssen die eine Überhöhung legitimierenden Gebührenzwecke sein. Eine abstrakte Abwägung 264

Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 373; Lichtenfeld, in: Driehaus, KAG, § 6, Rn. 740. 265 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 57. 266 Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 374; Lichtenfeld, in: Driehaus, KAG, § 6, Rn. 740. 267 BVerfGE 83, 363 (392); BVerwGE 118, 123 (125). 268 BVerfGE 108, 1 (18).

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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zwischen dem Gebührenzweck und der Gebührenhöhe ist jedoch nicht möglich, da die Wertigkeit eines Zweckes nur einzelfallbezogen bestimmt werden kann. Deshalb soll die grundsätzliche Angemessenheit einer überhöhten Gebühr nur anhand des Verhältnisses zwischen der Gebührenhöhe und dem Wert der Gegenleistung bestimmt werden. Der Gegenleistungswert ist dabei abhängig vom einfachgesetzlich geregelten kosten- oder nutzenorientierten Gebührenmaßstab: Im Regelfall wird die Gebührenhöhe von der Kommune anhand der zu deckenden Kosten bemessen,269 welche dann als Gegenwert für die öffentliche Leistung zu qualifizieren sind.270 Daneben ist bei kommunalen Benutzungsgebühren für marktgängige Leistungen auch eine am Marktwert ausgerichtete, nutzenorientierte Gebühren- und damit auch Gegenwertbestimmung möglich271: In diesen Fällen stellt der Marktwert der Leistung den abzuwägenden Gegenwert dar. Das von der Rechtsprechung verlangte sachgerechte Verhältnis zwischen der Gebührenhöhe und dem Wert der Gegenleistung ist gewahrt,272 wenn die Gebührenhöhe „nicht außer Verhältnis“273 zu einer „in etwa angemessenen Gegenleistung“274 steht. Umgekehrt ist eine Unangemessenheit – in Anlehnung an das Äquivalenzprinzip – jedenfalls dann zu bejahen, wenn ein Missverhältnis zwischen Gebührenhöhe und der gebotenen Leistung besteht.275 Unzulässig ist es hingegen, die Hürde für eine unangemessene Gebührenhöhe auf das für eine Verletzung des Äquivalenzprinzips von der Rechtsprechung entwickelte Maß eines „groben Missverhältnisses“ hochzusetzen. Es ist verfassungsrechtlich nicht begründbar, warum der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei Gebühren nur vor einem „groben Missverhältnis“ schützen und keine „echte“ Angemessenheit der staatlichen Belastung verlangen soll. In diesem Zusammenhang darf die Angemessenheit nicht in ein Kostenüberschreitungsverbot umgedeutet werden, denn eine strikte Wertgleichheit wird nicht verlangt. Eine von Gebührenzwecken isolierte Betrachtungsweise von Gebührenhöhe und Gegenleistung lässt die Gebührenhöhe zumindest solange in einem „noch sachgerechten Missverhältnis“ erscheinen, wie eine nachvollziehbare Anbindung an den Wert der Gegenleistung besteht. Wie groß der Überschreitungsspielraum dieser Grenze tatsächlich ist, kann nur grob und anhand der Rechtsprechungspraxis beurteilt werden: Eine Überhöhung von 12 % wurde vom Bundesverwaltungsgericht als geringfügig bewertet und als keine gröbliche Störung des Ausgleichsverhältnisses angesehen.276 Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hielt eine Überbelastung in 269 270 271 272

(125). 273 274 275 276

Kaufmann, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 15, Rn. 41. F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 92 f. 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (1), (a), (bb), a), bb). BVerfGE 85, 337 (346); 83, 363 (392); 97, 332 (345); BVerwGE 80, 36 (39); 118, 123 BVerfGE 50, 217 (227); 85, 337 (346). BVerfGE 79, 1 (28). BVerfGE 83, 363 (392). BVerwG, KStZ 1985, 129.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Höhe von 25 % für gerechtfertigt.277 Diese Urteile sind jedoch nur eine Orientierungshilfe, denn eine Bestimmung der „Überhöhungsangemessenheit“ in Form einer Prozentzahl ist unabhängig von der absoluten Gebührenhöhe nicht möglich: Auch ein hochprozentiger Zuschlag wirkt noch verhältnismäßig, wenn sich die Überhöhung in absoluten Zahlen in einem niedrigen Bereich bewegt. Beispielsweise befand das Oberverwaltungsgericht Bremen einen Zuschlag von 100 % für noch verhältnismäßig, da sich die Erhöhung in ihrer absoluten Höhe – zu entscheiden war über eine Gebührenverdopplung durch einen einmaligen Zuschlag von 200 DM und einen laufenden Zuschlag von 27 DM – „immer noch in einem hinnehmbaren Rahmen“ bewegt habe.278 (cc) Ergebnis Im Hinblick auf die dargestellten Rechtsprechungsbeispiele dürfte eine am Nutzwert oder der Kostendeckungsgrenze orientierte Überhöhung von etwa 30 % noch als angemessen zu qualifizieren sein. Bei einer niedrigen absoluten Gebührenhöhe können auch Zuschläge von bis zu 100 % noch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. (b) Rechtfertigung für die Benachteiligung der Auswärtigen Nachdem die Zulässigkeit von überhöhten Gebühren – gewissermaßen als Vorfrage für die Zulässigkeit des Auswärtigenzuschlags – unter bestimmten Bedingungen bejaht worden ist, sind nun die Rechtfertigungsmöglichkeiten für die Benachteiligung der Auswärtigen mit einer überhöhten Gebühr zu untersuchen. (aa) Rechtfertigungsgründe für einen Auswärtigenzuschlag Sachliche Gründe für die Belastung der Auswärtigen mit einer höheren Gebühr ergeben sich aus dem Gedanken der Kostenbeteiligung und der Verfolgung von Lenkungszwecken im Interesse der Kommune. Eine Lenkung lässt sich dabei in zwei Richtungen begründen: Die überhöhte Gebühr kann zum einen dazu dienen, Auswärtige von einer regelmäßigen Benutzung der öffentlichen Einrichtung abzuhalten. Mit der finanziellen Benachteiligung kann zum anderen aber auch der Zweck verfolgt werden, Auswärtige zu einem Wohnortwechsel in die Kommune zu motivieren, um in den Genuss der reduzierten Einheimischentarife zu kommen. Der Gedanke der Kostenbeteiligung basiert demgegenüber auf dem Umstand, dass die kommunalen Einrichtungen in der Regel keine für eine autarke Finanzierung ausreichende Kostendeckungsgrade aufweisen und deshalb auf Zuschüsse der Betreiberkommune angewiesen sind.279 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die fehlende Beteiligung der Auswärtigen an den Gemeinlasten und das infolge der 277

BayVGH, NVwZ-RR 1995, 603; NVwZ-RR 2002, 380. OVG Bremen, NVwZ 1995, 804 (807). 279 Eine Gesamtkostendeckung wird lediglich bei Abwassergebühren erreicht, siehe den Gemeindefinanzbericht 2011: Anton/Diemert/Winkler, Der Städtetag 2011, 11 (21). 278

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Öffnung einer Einrichtung für Auswärtige auftretende Kostenrisiko die Benachteiligung der Auswärtigen mit einer überhöhten Gebühr rechtfertigen. a) Fehlende Beteiligung an den Gemeinlasten Während die Einwohner der Kommune über ihre Steuern und Abgaben den Gemeindehaushalt finanzieren, sind Auswärtige an den Gemeinlasten der Gemeinde nicht beteiligt. In diesem Zusammenhang gilt es die Abhängigkeit öffentlicher Einrichtungen von kommunalen Zuschüssen zu beachten: Laut dem Deutschen Städtetag werden die Kosten kommunaler Einrichtungen ganz überwiegend nicht durch das Gebührenaufkommen ausgeglichen – beispielsweise belief sich im Jahr 2009 der Kostendeckungsgrad von Büchereien, Sportanlagen und Kindergärten auf nur ca. 10 %, von Friedhöfen auf knapp 80 % und von Volkshochschulen auf ca. 30 %.280 Die Subventionierung der öffentlichen Einrichtungen aus dem Gemeindehaushalt liefert zwar Argumente für eine ermäßigte Einheimischengebühr, bietet jedoch keine argumentative Grundlage für eine Gebührenüberhöhung zu Lasten von auswärtigen Benutzern. Auch wenn Auswärtige an der Finanzierung des Gemeindehaushalts nicht beteiligt sind, leisten sie mit einer kostendeckenden Gebühr einen vollumfänglichen Ausgleich für die Benutzung der Einrichtung. Aus der Subventionierung einer Einrichtung lässt sich deshalb keine Begründung für einen Auswärtigenzuschlag herleiten. In diesem Zusammenhang kann auch aus einem unzureichenden Kostendeckungsgrad kein sachlicher Grund für einen Auswärtigenzuschlag hergeleitet werden: Ungeachtet der Tatsache, dass sich mit einem Auswärtigenzuschlag der Kostendeckungsgrad erhöhen lässt, kann die Sicherstellung der Finanzierung nicht als Argument für die Benachteiligung der Auswärtigen mit einer überhöhten Gebühr dienen, wenn der kostendeckende Betrieb einer öffentlichen Einrichtung schon an einer strukturell fehlerhaften Finanzplanung scheitert.281 In der Benutzung durch Auswärtige kann insoweit nicht der Grund für die chronische Kostenunterdeckung einer öffentlichen Einrichtung liegen, so dass mangels eines hinreichenden Zusammenhangs zwischen dem Kostendefizit und den (eine kostendeckende Gebühren zahlenden) Auswärtigen keine argumentative Grundlage für einen Auswärtigenzuschlag besteht. Die fehlende Beteiligung der Auswärtigen an den Gemeinlasten der Gemeinde stellt jedenfalls keinen sachlichen Rechtfertigungsgrund für den benachteiligenden Auswärtigenzuschlag dar. b) Ausgleich des Kostenrisikos der Kommune Das aus den niedrigen Kostendeckungsgraden einhergehende Zuschussdilemma offenbart das mit dem Betrieb einer öffentlichen Einrichtung verbundene Kosten280 281

Anton/Diemert/Winkler, Gemeindefinanzbericht 2011, Der Städtetag 2011, 11 (21). VG Augsburg, Urteil v. 21. 07. 2010, Az. 6 K 09.1718, Rn. 29 m.w.N. (juris).

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

risiko für die Kommune, welches durch eine Öffnung der Einrichtung für auswärtige Benutzer noch verstärkt werden kann. Grundsätzlich werden öffentliche Einrichtungen von einer Kommune nur für den Bedarf ihrer Einwohner errichtet und betrieben.282 Da nur den Einwohnern ein einfachgesetzlicher Benutzungsanspruch zusteht,283 ist umgekehrt ein genereller Ausschluss Auswärtiger von der Benutzung zulässig.284 Mitunter wird schon aus der freiwilligen Öffnung einer Einrichtung zugunsten Auswärtiger ein Recht der Kommune zur Erhebung höherer Gebühren hergeleitet.285 Im Falle einer Zulassung von Auswärtigen kann die Kommune die Gebührenbemessung jedoch nicht unabhängig von den Grundrechten vornehmen, denn die Gebietskörperschaften sind über Art. 1 Abs. 3 GG stets an die Grundrechte gebunden, so dass die Einführung eines Auswärtigenzuschlags einer gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Während die freiwillige Zulassung von Auswärtigen noch keinen sachlichen Grund für eine Benachteiligung darstellt, könnte das mit einer höheren Kapazität der Einrichtung einhergehende Kostenrisiko als Rechtfertigungsgrund dienen: Wenn eine Kommune ihre öffentliche Einrichtung auch Auswärtigen zur Verfügung stellt, benötigt sie unter Umständen eine Überkapazität, um eine gleichzeitige Benutzung durch Einheimische und Auswärtige sicherstellen zu können. Wenn diese Überkapazitäten nun nicht genutzt werden – zum Beispiel bleiben in einem verregneten Sommer die Besucher im gemeindeeigenen Freibad aus –, muss die Gemeinde den dadurch entstandenen Verlust mit Mitteln aus dem Gemeindehaushalt ausgleichen. Die Gemeinde als Solidargemeinschaft der Einwohner trägt also das Kostenrisiko, wenn die öffentliche Einrichtung auch für Auswärtige geöffnet und dementsprechend ausgestattet ist. Der Auswärtigenzuschlag ist dabei nicht als Wagniszuschlag zu qualifizieren,286 denn es handelt sich bei einem – auch unvorhergesehenen – Ausbleiben der Benutzer nicht um ein dafür notwendiges „außergewöhnliches Ereignis“287. Stattdessen trägt ein zu diesem Zweck erhobener Auswärtigenzuschlag dem Umstand Rechnung, dass eine nachträgliche Beteiligung der Auswärtigen an dem Verlust einer öffentlichen Einrichtung faktisch nicht möglich ist, so dass nur eine präventive Abgabe in Be282

Dahmen, KStZ 1978, 228 (229). Beispielsweise: § 8 Abs. 2 GO Nordrhein-Westfalen; Art. 21 Abs. 1 GO Bayern; § 18 Abs. 1 GO Schleswig-Holstein. 284 Pappermann, VR 1981, 84 (88); Schmid, ZKF 1980, 21 (22); Dahmen, KStZ 1978, 228 (229); Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (295); H.-J. Schmidt, DÖV 1963, 217. 285 H.-J. Schmidt, DÖV 1963, 217 (218). 286 Mit Wagniszuschlägen können Schäden durch außergewöhnliche Ereignisse wie z. B. Naturkatastrophen oder kriminelle Anschläge in der Gebührenkalkulation berücksichtigt werden: Böttcher, Kalkulatorische Kosten in der Gebührenberechnung kommunaler Einrichtungen, S. 181 ff.; Brüning, in: Driehaus, KAG, § 6, Rn. 173 ff.; Kaufmann, in: Henneke/ Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 15, Rn. 96. 287 Böttcher, Kalkulatorische Kosten in der Gebührenberechnung kommunaler Einrichtungen, S. 194 f. 283

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tracht kommt, um eine nachträgliche Belastung des Gemeindehaushalts zu vermeiden oder möglichst gering zu halten. Mit den Mehreinnahmen aus dem Auswärtigenzuschlag kann die Kommune insoweit Rücklagen für unterauslastungsbedingte Verluste bilden. Mit einem solchen Überschuss könnte die Gebühr der Einheimischen reduziert werden, denn wenn die Einheimischen auf diese Weise von einer Benutzung durch die Auswärtigen profitieren, ist es auch folgerichtig, dass sie den Verlust der öffentlichen Einrichtung anschließend alleine tragen. Es muss zudem sichergestellt werden, dass nicht Verluste infolge einer offensichtlichen Fehlkalkulation auf die Auswärtigen abgewälzt werden.288 Dafür muss die Kommune den Auswärtigenzuschlag mit nachprüfbaren Kalkulationen unterlegen, welche einer gerichtlichen Überprüfung standhalten können289 : Der Nachweis einer für Auswärtige geschaffenen Überkapazität erfordert von der Kommune einerseits eine nachvollziehbare Berechnung der Aufnahmekapazität der betreffenden Einrichtung und andererseits eine realistische Kalkulation des Einwohnerbedarfs.290 Die Berücksichtigung des Kostenrisikos ist als ein sachlicher Rechtfertigungsgrund zu qualifizieren, denn auf diese Weise kann die Gemeinde die infolge von Nichtbenutzung auftretenden Verluste der Überkapazität ausgleichen. c) Standortwettbewerb: Umzug in die Gemeinde als Lenkungsziel Der Auswärtigenzuschlag lässt sich auch als Lenkungsmittel zur Einwohneranwerbung im kommunalen Standortwettbewerb einsetzen: Laut der „11. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung“ des Statistischen Bundesamtes wird die Zahl der erwerbsfähigen Personen in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahr 2050 um 22 % bis 29 % zurückgehen.291 Schon bis zum Jahr 2020 werden 60 % der Kommunen weniger Einwohner haben als noch 2003.292 Diese Bevölkerungsentwicklung zwingt eine vorerst gleichbleibende Anzahl von Kommunen zum Standortwettbewerb um eine abnehmende Zahl von Menschen,293 288 Das Kostenrisiko einer (bewussten) Überkapazität für die Benutzung durch Auswärtige ist abzugrenzen vom Problem der sog. „Leerkosten“, welche auf Fehlkalkulationen beruhen und deren Berücksichtigung bei der Gebührenkalkulation umstritten ist, siehe Brüning, in: Driehaus, KAG, § 6, Rn. 73 ff.; Giesen, KStZ 1998, 188 (189). 289 Zur Überprüfung der Kapazitätsberechnung kommt es in der Praxis häufig bei Studienplatzklagen in NC-Fächern, weshalb bspw. die Universität Hamburg eigens eine Kapazitätsverordnung über die Ermittlung der Studienplatzanzahl erlassen hat: HmbGVBl. 1994, 35. 290 Die prognostizierte Nutzung ist anhand von geeigneten Maßstäben wie der tatsächlichen Inanspruchnahme der Einrichtung (Wirklichkeitsmaßstab) oder der wahrscheinlichen Inanspruchnahme (Wahrscheinlichkeitsmaßstab) zu kalkulieren, siehe Brüning, in: Driehaus, KAG, § 6, Rn. 202 ff. 291 Statistisches Bundesamt, Bevölkerung Deutschlands bis 2050, S. 21. 292 Bertelsmann Stiftung, Wegweiser Demographischer Wandel 2020, S. 13 (16). 293 Hauser, Wer will schon nach Hannover?, FAZ v. 01. 06. 2013.

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denn weniger Einwohner führen regelmäßig zu weniger Einnahmen im Gemeindehaushalt: Gem. Art. 106 Abs. 5 GG erhalten die Gemeinden einen Anteil der Einkommensteuer „auf Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner“, welcher einfachgesetzlich im Gemeindefinanzreformgesetz auf 15 % festgelegt worden ist.294 Im Gegensatz zu der vom wirtschaftlichen Erfolg der lokalen Unternehmen abhängigen Gewerbesteuer stellt die Einkommensteuer aufgrund ihrer Konstanz die kommunalpolitisch wichtigste Einnahmequelle dar.295 Zudem ist die Einwohnerzahl auch der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die Höhe der Zuwendungen im kommunalen Finanzausgleich.296 Die Einnahmeausfälle im Gemeindehaushalt betreffen unmittelbar auch die Finanzierung der kommunalen Infrastruktur, welche für eine höhere Einwohnerzahl ausgelegt ist und dementsprechend höhere Kosten verursacht, die in Zukunft von immer weniger Einwohnern getragen werden müssen.297 Um eine finanzielle Überlastung sowie eine Abwanderung der eigenen Einwohner zu vermeiden, müssten die Kommunen in Zukunft die Kapazitäten ihrer öffentlichen Einrichtungen reduzieren und freiwillige Einrichtungen wie Sportanlagen, Musikschulen oder soziale Angebote abschaffen. Damit begeben sich die Kommunen jedoch in eine Abwärtsspirale, denn durch die Reduzierung der Infrastruktur wird die jeweilige Kommune sowohl für die eigenen Einwohner als auch für potenzielle Neueinwohner zunehmend unattraktiv, so dass die Gefahr besteht, dass die Einwohnerzahl zukünftig noch weiter zurückgeht.298 In Zeiten des demographischen Wandels können die Kommunen ihr bisheriges Leistungsspektrum somit nur aufrechterhalten, wenn es ihnen gelingt, die Einwohnerzahl als Kreis der Steuer- und Abgabenzahler konstant zu halten.299

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§ 1 des Gesetz zur Neuordnung der Gemeindefinanzen (Gemeindefinanzreformgesetz) v. 8. 9. 1969, in der Fassung der Bekanntmachung v. 10. 3. 2009 (BGBl. I S. 502) lautet: „Die Gemeinden erhalten 15 Prozent des Aufkommens an Lohnsteuer und an veranlagter Einkommensteuer sowie 12 Prozent des Aufkommens an Kapitalertragsteuer nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6, 7 und 8 bis 12 sowie Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (Gemeindeanteil an der Einkommensteuer).“; weiterführende Erläuterungen bei Geis, Kommunalrecht, § 12, Rn. 26; Bundesministerium der Finanzen, Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer in der Gemeindefinanzreform, S. 5. 295 Während die Einnahmen aus der Gewerbesteuer im Zeitraum 2002 – 2011 zwischen 17,28 – 25,99 Mrd. Euro schwankten, blieben die Einnahmen aus der Einkommensteuer mit 19,36 – 21,36 Mrd. Euro vergleichsweise konstant: Anton/Diemert/Winkler, Gemeindefinanzbericht 2011, Der Städtetag 2011, 11 (82). 296 VG Braunschweig, NVwZ-RR 2009, 934 (935); Henneke, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 25, Rn. 25. 297 Anton/Diemert/Winkler, Gemeindefinanzbericht 2011, Der Städtetag 2011, 11 (52); Bednarz, Demographischer Wandel und kommunale Selbstverwaltung, S. 82; Gans/SchmitzVeltin, Demographische Trends in Deutschland, S. 11 ff. 298 Bednarz, Demographischer Wandel und kommunale Selbstverwaltung, S. 37. 299 Bednarz, Demographischer Wandel und kommunale Selbstverwaltung, S. 36 f.; zu den Alternativen der Schrumpfung und Kooperation: Bertelsmann Stiftung, Wegweiser Demographischer Wandel 2020, S. 97 ff.

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Abgesehen von einer guten Infrastruktur können auch finanzielle Anreize ein Entscheidungskriterium für die Wohnortwahl sein. Dazu zählen neben einer niedrigen Abgabenquote auch reduzierte Gebührensätze für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen. Im kommunalen Standortwettbewerb erscheint jedoch nicht nur eine Gebührenermäßigung für Einheimische, sondern auch eine Gebührenerhöhung für Auswärtige als geeignetes Werbemittel zur Einwohnergewinnung: Mit einer überhöhten Gebühr können Auswärtige zur Wohnsitznahme in der Kommune motiviert werden, um auf diese Weise dem Auswärtigenzuschlag zu entgehen und für die Benutzung der öffentlichen Einrichtung fortan nur noch den Einheimischentarif zahlen zu müssen. Der Auswärtigenzuschlag übernimmt bei einer solchen Ausgestaltung die Funktion einer Lenkungsabgabe mit dem Ziel des Wohnortwechsels. Die Verfolgung von Lenkungszielen mit dem Instrument der Gebühr ist verfassungsrechtlich anerkannt.300 Auch der Zweck der Wohnsitzverlagerung muss als legitimes – weil notwendiges – Anliegen im kommunalen Wettbewerb um Einwohner angesehen werden. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Standortwettbewerb – bei Ausgestaltung des Auswärtigenzuschlags als Lenkungsgebühr – einen sachlichen Rechtfertigungsgrund darstellt. d) Sicherstellung der Einheimischenversorgung In den USA rechtfertigen die Sicherstellung der Einheimischenversorgung und die Verhinderung von extern begründeter Überlastung die finanzielle Schlechterstellung von Auswärtigen bei der Studiengebührenerhebung.301 Eine Übertragung dieses Rechtfertigungsgrundes auf die kommunale Ebene erscheint möglich, denn auch öffentliche Einrichtungen haben nur begrenzte Kapazitäten, welche unter Umständen eine gleichzeitige Nutzung von Einheimischen und Auswärtigen nicht zulassen. Die Gefahr einer Überlastung von öffentlichen Einrichtungen ist insbesondere gegeben, wenn die Einrichtungen einer Kommune besser ausgestattet sind oder günstigere Gebührentarife haben als vergleichbare Einrichtungen in den Nachbarkommunen.302 Die Überlastung einer Einrichtung durch Auswärtige ist für eine Kommune problematisch, da für die eigenen Einwohner in den einfachgesetzlichen Gemeindeordnungen nicht nur die Pflicht zur Lastentragung, sondern auch ein Benutzungsanspruch statuiert ist.303 Durch diese Einwohnerbenutzungsgarantie sind die Kommunen dazu verpflichtet, den Einwohnern die Benutzung der öffentlichen Einrichtungen zu garantieren.304 Auswärtige haben demgegenüber re300 BVerfGE 50, 217 (226 f.); Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 65 ff., 75; F. Kirchhof, Grundriß des Steuer- und Abgabenrechts, S. 113. 301 2. Kap., B., II., 3., b). 302 OVG Bremen, NVwZ 1995, 804 (806); Schmid, ZKF 1980, 21 (24); Dahmen, KStZ 1978, 228 (229). 303 Beispielsweise: § 8 Abs. 2 GO Nordrhein-Westfalen; Art. 21 Abs. 1 GO Bayern; § 18 Abs. 1 GO Schleswig-Holstein; Mann, in: Mann/Püttner, HdkWP I, § 17, Rn. 17; Becker/ Siechert, JuS 2000, 348 (349). 304 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 138.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

gelmäßig keinen Benutzungsanspruch, so dass es im Ermessen der Gemeinde steht, ob und inwieweit sie ein Zugangsrecht ausgestaltet.305 In Anbetracht der schon aufgezeigten Möglichkeit, Auswärtige von der Benutzung der öffentlichen Einrichtung auszuschließen, erscheint ein Auswärtigenzuschlag als eine geeignete Alternativlösung, um Auswärtige von einer übermäßigen Benutzung abzuhalten und somit den Einheimischen die jederzeitige Nutzungsmöglichkeit zu sichern.306 Der Lenkungszweck des Auswärtigenzuschlags ist dabei nicht zwingend auf einen völligen Benutzungsverzicht gerichtet, sondern kann auch eine quantitative Benutzungsreduzierung zum Ziel haben: Die überhöhte Gebühr gleicht bestehende Gebührengefälle aus und führt zu einem spürbaren finanziellen Nachteil, welcher die Auswärtigen von einer zu häufigen Frequentierung der Einrichtung abhalten und insoweit für freie Kapazitäten für die Einheimischen sorgen kann.307 Die Sicherstellung der Benutzungsmöglichkeiten für Einheimische ist nicht nur ein legitimes Ziel, sondern auch die Pflicht der die öffentliche Einrichtung betreibenden Kommune. Sofern eine öffentliche Einrichtung regelmäßig ausgelastet ist, stellt die Sicherung des Benutzungsvorrechts der Einwohner einen sachlichen Rechtfertigungsgrund für die Benachteiligung der Auswärtigen mit einer überhöhten Gebühr dar. e) Veranlassung der Nachbarkommunen zum Abschluss von Kostenbeteiligungsvereinbarungen Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage aufgeworfen, ob die gebührenmäßige Benachteiligung auswärtiger Benutzer in kommunalen Einrichtungen mit dem Lenkungszweck, „die Umlandsgemeinden zum Abschluss von Kostenbeteiligungsvereinbarungen zu veranlassen“308, gerechtfertigt werden kann. Diese Rechtfertigungsüberlegung weist gewisse Ähnlichkeiten mit dem völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzip auf: Danach ist eine Vorenthaltung von Leistungen zulasten fremder Staatsangehöriger zulässig, wenn auch der fremde Staat den eigenen Staatsangehörigen diese Leistungen nicht gewährt.309 Hinter dieser gezielten Benachteiligung steht das Ziel, den anderen Staat zum Abschluss eines Abkommens zur Gleichstellung der eigenen Staatsangehörigen zu bewegen.310 305 VG Aachen, KStZ 1971, 62 (63); VG Trier, KStZ 1979, 50; Mann, in: Mann/Püttner, HdkWP I, § 17, Rn. 23; Pappermann, VR 1981, 84 (88); Schmid, ZKF 1980, 21 (22). 306 VG Trier, KStZ 1979, 50; F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 138; Schmid, ZKF 1980, 21 (24). 307 Diese begrenzte Verhaltenssteuerung als tragfähige Begründung für einen Gebührenzuschlag ansehend: OVG Bremen, NVwZ 1995, 804 (806). 308 BVerwGE 104, 60 (64). 309 BVerfGE 30, 409 (413); zum völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzip als Rechtfertigungsgrund, siehe 3. Kap., E., II., 3., b), aa), (1), (d). 310 BVerfGE 30, 409 (414).

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Im Gegensatz dazu haben die einen Auswärtigenzuschlag erhebenden Kommunen jedoch kein vorrangiges Interesse an einer Gleichstellung ihrer Einwohner in den Nachbarkommunen. Stattdessen zielt die vorliegende Rechtfertigungsüberlegung auf eine finanzielle Beteiligung der Nachbarkommunen an der Finanzierung der öffentlichen Einrichtung. Die dabei beabsichtigte Verhaltenssteuerung soll bewirken, dass die Auswärtigen bei ihren Wohnortkommunen eine Unterstützungshandlung in Form einer interkommunalen Vereinbarung zur Abschaffung des Auswärtigenzuschlags einfordern. In sachlicher Hinsicht ist der auf eine Kostenbeteiligung der Nachbarkommunen gerichtete Lenkungszweck als legitimer Rechtfertigungsgrund zu qualifizieren. (bb) Verhältnismäßigkeit Auswärtigenzuschläge sind aus den genannten Rechtfertigungsgründen nur dann gerechtfertigt, wenn die Verfolgung der ihnen jeweils zugrundeliegenden Zwecke hinsichtlich der finanziellen Benachteiligung der Auswärtigen verhältnismäßig ist. a) Ausgleich des Kostenrisikos der Kommune Grundsätzlich ist der Auswärtigenzuschlag ein geeignetes Mittel, um die Verluste infolge nicht genutzter Überkapazitäten auszugleichen oder dafür Rücklagen zu schaffen. Anders als bei der Ausgestaltung als Lenkungsgebühr im Standortwettbewerb wird die Zuschlagshöhe nicht nur vom Kriterium der Angemessenheit begrenzt, sondern schon durch die Geeignetheit: Die Geeignetheit erlaubt nur eine moderate Überhöhung, um nicht zu einem Abschreckungsinstrument zu werden, welches die Auswärtigen von einer Benutzung der öffentlichen Einrichtungen abhalten würde. Ein Ausbleiben der Auswärtigen würde das abstrakte Kostenrisiko einer Überkapazität in einen sicheren Verlust umwandeln und damit das erstrebte Ziel einer Gesamtkostendeckung unmöglich machen. Der Auswärtigenzuschlag ist damit zur Zweckerreichung geeignet, solange die Zuschlagshöhe (noch) keine Abschreckungswirkung hat. Hinsichtlich der Erforderlichkeit bestehen dagegen keine Zweifel, denn der zur Beseitigung des Kostenrisikos erhobene Auswärtigenzuschlag ist das mildeste Mittel zur Zweckerreichung. Die Alternative wäre eine Kapazitätsverringerung der öffentlichen Einrichtung auf ein zur Versorgung der eigenen Einwohner notwendiges Maß und ein Ausschluss der Auswärtigen von der Benutzung, um eine Überlastung der Einrichtung zu vermeiden. Der Auswärtigenzuschlag verschont die Einwohner der Nachbargemeinden von einem Benutzungsverbot und mildert das Kostenrisiko der Betreiberkommune. Demgegenüber wiegt die finanzielle Benachteiligung nicht schwer, denn der verfolgte Zweck erlaubt nur einen geringen und keine abschreckende Wirkung erreichenden Aufschlag. Ein nicht den Grenzbereich der Gebührenüberhöhung ausreizender Auswärtigenaufschlag erscheint als angemessenes Mittel zur Minderung des Kostenrisikos, welches zudem von einem starken Gerechtigkeitsgedanken getragen

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

wird: Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Ausschließung der Auswärtigen von der Benutzung kann die Öffnung einer öffentlichen Einrichtung für Einwohner der Nachbargemeinden als ein Akt von Freiwilligkeit und Selbstlosigkeit angesehen werden. Wenn eine Kommune ihre Einrichtungen „teilt“, dann erscheint es ungerecht, wenn ihr daraus finanzielle Nachteile erwachsen würden. Vielmehr ist es sachgerecht, die Auswärtigen an den Verlusten infolge der nicht genutzten Überkapazität der öffentlichen Einrichtung zu beteiligen. Falls es aufgrund eines unkalkulierbaren Benutzerrückgangs tatsächlich zu einem Verlust kommen würde, wäre eine nachträgliche Heranziehung der auswärtigen Benutzer zum Ausgleich dieser Kosten nämlich nicht mehr möglich. Die einzige Möglichkeit zur Beteiligung der Auswärtigen am Verlustrisiko ist deshalb eine präventive Ausgleichsabgabe in Form des Auswärtigenzuschlags. Bei einer angemessenen Überhöhung ist die Benachteiligung durch den Auswärtigenzuschlag verhältnismäßig und eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung. b) Standortwettbewerb Die Verhältnismäßigkeit verlangt von einer auf eine Wohnsitzverlegung in die Kommune gerichteten Lenkungsgebühr einen Spagat zwischen Geeignetheit und Angemessenheit: Einerseits würde ein zu niedrig bemessener Zuschlag keinen Auswärtigen zu einem Wohnortwechsel anregen, andererseits wäre ein zu hoher Auswärtigenzuschlag unangemessen. Die Geeignetheit – notwendig ist zumindest die Möglichkeit der Zweckerreichung311– verlangt vom Auswärtigenzuschlag also einen derart spürbaren Aufschlag, dass sich für einen regelmäßigen Benutzer ernsthaft die Wohnortfrage stellt. In Anbetracht der regelmäßig eher niedrigen kommunalen Benutzungsgebühren erscheint es jedoch nahezu unmöglich, mit einem (noch) angemessenen Auswärtigenzuschlag eine finanzielle Anreizwirkung zu kreieren, die für Auswärtige – insbesondere unter Einbeziehung der Umzugskosten – einen Wohnortwechsel lukrativ erscheinen lässt. Über die finanzielle Potenz von Auswärtigen lässt sich zwar kein allgemeines Urteil fällen, aber ein Auswärtigenaufschlag von ca. 30 % würde bei „typischen Benutzungsgebühren“312 einen Wohnortwechsel auch bei regelmäßiger Nutzung der öffentlichen Einrichtung nicht zur ernsthaften Option werden lassen. Dies wäre bei den üblichen Benutzungsgebühren erst mit Aufschlägen von mehreren hundert Prozent möglich – eine derartige Gebührenüberhöhung wäre aber in jedem Fall unangemessen.

311

Siehe 3. Kap., E., II., 1., b), bb), (2), (a). In der Musikschule der Gemeinde Haßloch beträgt die monatliche Unterrichtsgebühr für einheimische Jugendliche 25 Euro und für Auswärtige 30 Euro (http://musikschule.hassloch.de/ artikel/0206062653/0206064343, abgerufen am 6. 5. 2015); die Stadt Reutlingen erhebt in eine pauschalen Auswärtigenzuschlag von 10,25 Euro pro Monat unabhängig von der konkreten Gebührenhöhe (http://www.musikschule-reutlingen.de/index.php?id=39, abgerufen am 6. 5. 2015). 312

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Eine verhältnismäßige – insbesondere geeignete und angemessene – Ausgestaltung eines Auswärtigenzuschlags mit dem hier untersuchten Lenkungszweck erscheint allenfalls bei Benutzungsgebühren von mindestens vier- bis fünfstelliger Höhe denkbar, denn in diesem Bereich würde ein Auswärtigenzuschlag von 30 % einen Umzug in die jeweilige Kommune lohnenswert machen. Allerdings existieren derart hohe Benutzungsgebühren in Einrichtungen ohne Benutzungszwang gegenwärtig nicht und sind auch in Zukunft schwer vorstellbar. Ein Auswärtigenzuschlag lässt sich deshalb nicht als eine auf Wohnortwechsel gerichtete Lenkungsgebühr im Standortwettbewerb rechtfertigen, da sich eine geeignete und doch angemessene Ausgestaltung in der Regel ausschließen. c) Begrenzte Verhaltenssteuerung von Auswärtigen Ein Auswärtigenzuschlag ist ein geeignetes Instrument, um Auswärtige mithilfe einer finanziellen Mehrbelastung von der ausufernden Benutzung einer öffentlichen Einrichtung abzuhalten, so dass eine ständige Verfügbarkeit der angebotenen Leistungen für die Einheimischen sichergestellt wird. Die Prognose eines Rückgangs der auswärtigen Benutzer im Falle von steigenden Gebühren wird insoweit von der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative gedeckt. Anders als beim Kostenrisiko begrenzt die Geeignetheit den Aufschlag nicht der Höhe nach, sondern verlangt vielmehr eine Mindestüberhöhung. Nur mit einer deutlichen Überhöhung ist der Auswärtigenzuschlag dazu geeignet, eine finanzielle Abschreckungswirkung zu entfalten, welche Auswärtige von einer Benutzung der Einrichtung abhalten kann. Eine Alternativlösung zur Sicherstellung des Nutzungsanspruchs der Einwohner wäre es, Auswärtige generell von der Einrichtungsbenutzung auszuschließen. Demgegenüber ist ein Auswärtigenzuschlag das mildere und damit das erforderliche Mittel, denn der Zuschlag erhöht zwar den „Preis“ für die Leistung, versperrt aber nicht den Zugang zur Einrichtung. Eine weitere Lösungsmöglichkeit wäre es, Nichteinwohnern erst nach Zulassung aller Einwohner die Nutzung zu erlauben.313 Dieses Modell erscheint zwar gerecht, würde aber infolge der damit verbundenen Zugangsregulierung sowohl eine spürbare Einschränkung des Benutzungsrechts der Einheimischen als auch der Auswärtigen darstellen: Das Benutzungsrecht könnte nur noch bis zu einem bestimmten Zeitpunkt garantiert werden,314 was bei häufig ausgelasteten Einrichtungen zu einer indirekten Nutzungsbeschränkung führen könnte, wenn eine Benutzung außerhalb dieser Zeiten infolge einer Kapazitätsauslastung nicht mehr möglich wäre. Im Übrigen würden die zeitlichen Zugangsbeschränkungen, die für ein solches Verfahren notwendig wären, einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 313

T. Schmidt, DÖV 2002, 696 (700). Beispielsweise bestimmte Eintrittszeiten in einer Freizeiteinrichtung oder Buchungsfristen bei kulturellen Veranstaltungen. 314

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

GG darstellen. Die Eingriffsschwere hinge dabei vom gewählten Zeitfenster für die Auswärtigenbenutzung ab und könnte im Einzelfall zur völligen Entziehung der Nutzungsmöglichkeit führen. Im Vergleich zu dem Modell einer jederzeitigen Nutzungsmöglichkeit in Verbindung mit einem Auswärtigenzuschlag wäre die zeitliche Zugangsbeschränkung für Auswärtige nicht zweifelsfrei das mildere Mittel. Aufgrund der Einzelfallabhängigkeit dieser Frage ist eine abstrakte Beantwortung dieser Frage angesichts der Unterschiedlichkeit der öffentlichen Einrichtungen und Benutzergruppen kaum möglich. Es ist jedoch keine Maßnahme ersichtlich, die milder und doch genauso wirksam ist wie eine Kombination aus Zugangsbeschränkung und Auswärtigenzuschlag: Während der für Einheimische reservierten Zeiten könnten Auswärtige die Einrichtung benutzen, wenn sie einen Auswärtigenzuschlag zahlen. Außerhalb dieser Zeiten müssten sie hingegen nur die „normale“ Gebühr zahlen. Dieses Modell erfüllt die Voraussetzungen der Erforderlichkeit, denn es würde die Rechte der Einheimischen nicht beschränken und den Auswärtigen eine Auswahlmöglichkeit zwischen einer finanziellen Mehrbelastung und beschränkten Nutzungszeiten geben. Während die Geeignetheit eine zur Abschreckung notwendige Gebührenüberhöhung verlangt, reduziert die Angemessenheit diese Vorgabe auf die maximale Ausreizung der Überhöhungsgrenze. Diese finanzielle Benachteiligung erscheint angesichts der weiterhin bestehenden Nutzungsmöglichkeit angemessen, um die Zugangsmöglichkeit der Einheimischen zu sichern und eine Überlastung der Einrichtungen durch Auswärtige zu verhindern. Die Ungleichbehandlung infolge des Auswärtigenzuschlags ist verhältnismäßig und damit gerechtfertigt. d) Veranlassung der Nachbarkommunen zum Abschluss von Kostenbeteiligungsvereinbarungen Für diese Rechtfertigungsidee des Bundesverwaltungsgerichts erscheint schon die niedrige Schwelle der Geeignetheit – ausreichend ist schon die Förderlichkeit zur Zielerreichung – eine schwierige Hürde zu sein: Es ist zwar theoretisch möglich, dass die benachteiligten Auswärtigen in ihren Kommunen die verantwortlichen Organe kontaktieren oder gar unter öffentlichen Druck setzen, um eine interkommunale Kostenvereinbarung und eine Abschaffung des Auswärtigenzuschlags zu erreichen. Allerdings befindet sich der letzte Schritt – der Akt der interkommunalen Vereinbarung – nicht mehr im Machtbereich des vom Lenkungsaufschlag betroffenen Gebührenschuldners. Selbst wenn die Auswärtigen sich in der beabsichtigten Weise verhalten, können sie den Aufschlag womöglich weder mittel- noch langfristig vermeiden. Die von der Gebühr bezweckte Verhaltenssteuerung ist auf einen vom Bürger in letzter Konsequenz nicht selber herbeiführbaren Erfolg gerichtet – mit der Folge, dass der Gebührenschuldner die Auferlegung des Auswärtigenzuschlags durch eigenes Verhalten nicht beeinflussen kann. Dieses Lenkungsziel dürfte auch dann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erreichbar sein, wenn sich die Gebührenschuldner entsprechend der gewollten Zielsetzung verhalten, so dass der Lenkungsaufschlag nicht die Anforderungen des Verhältnismäßigkeits-

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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grundsatzes erfüllt315: Die Lenkungsgebühr ist nicht geeignet, den mit der Verhaltenssteuerung bezweckten Erfolg einer Kostenvereinbarung zwischen den Kommunen herbeizuführen. Darüber hinaus ist auch die Erforderlichkeit zu verneinen: Ein milderes Mittel wäre die direkte Kontaktaufnahme zwischen den Kommunen ohne den Umweg über einen Auswärtigenzuschlag. Angesichts des Umstands, dass die Kostenvereinbarung nur von den Kommunen als Vertragspartner geschlossen werden kann, wäre die direkte Kontaktaufnahme auch das wirksamere Mittel. Das vom Bundesverwaltungsgericht angedachte Lenkungsziel einer durch bürgerlichen Druck veranlassten kommunalen Kostenvereinbarung stellt mangels Geeignetheit und Erforderlichkeit keinen tragfähigen Rechtfertigungsgrund dar. e) Ergebnis Die finanzielle Ungleichbehandlung durch Auswärtigenzuschläge ist gerechtfertigt, sofern deren Zweck in der Sicherstellung der Benutzungsmöglichkeit für die Einheimischen als „Abschreckungsgebühr“ oder dem Ausgleich des Kostenrisikos der Kommune dienen. (cc) Rechtfertigungsausschließende Ausnahmen Die Rechtfertigungsfähigkeit von Auswärtigenzuschlägen beruht auf der Grundannahme einer eigenständigen und unabhängigen Finanzierung der öffentlichen Einrichtung durch die Kommune. Zweifel an der sachlichen Grundlage der einschlägigen Rechtfertigungsgründe kommen jedoch auf, wenn eine kommunale Einrichtung mithilfe von externen Finanzmitteln betrieben wird. Es ist daher zu untersuchen, ob die sachliche Grundlage der bejahten Rechtfertigungsgründe fortbesteht, wenn die Kommune in einer Organisations- oder Kooperationsform eingebettet ist, Finanzmittel aus dem kommunalen Finanzausgleich erhält oder mit sonstigen Zahlungen unterstützt wird. a) Zugehörigkeit zu Organisations- und Kooperationsformen Sofern die Kommune und der Betrieb der Einrichtung in einer kommunalen Organisations- und Kooperationsform eingebettet sind, erscheint die Rechtfertigung von Auswärtigenzuschlägen zum Nachteil der Einwohner von ebenfalls beteiligten Kommunen fragwürdig.316 Es ist zu untersuchen, ob und inwieweit der Betrieb von öffentlichen Einrichtungen in den Organisations- und Kooperationsformen finanziell unterstützt oder gar „vergemeinschaftet“ wird.

315

Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 143 f.; Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (268). Keine Ausnahme vom Grundsatzergebnis ergibt sich hingegen für den Fall, dass die jeweilige Organisations- oder Kooperationsform einen Auswärtigenzuschlag zulasten von Einwohnern nicht beteiligter Kommunen erhebt. 316

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

aa) Zugehörigkeit zu Gemeindeverbänden Unter den Begriff der Gemeindeverbände, die von Art. 28 Abs. 2 S. 2 GG mit einer aufgabenbezogenen Selbstverwaltungsgarantie ausgestattet sind, fallen aus kommunalen Zusammenschlüssen gebildete Gebietskörperschaften, die überörtliche Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen.317 „Prototyp“318 des Gemeindeverbands ist der (Land-)Kreis – darüber hinaus wird auch eine Einbeziehung der Verbandsgemeinden319, Samtgemeinden320 und der sog. Ämter321 erwogen.322 Aus der Verankerung einer Gemeinde in der Organisationsform des Gemeindeverbands folgt noch kein verfassungsrechtliches Gebot, die Einwohner der ebenfalls zum Landkreis gehörenden Gemeinden mit den eigenen Einwohnern gleichzusetzen. Solange eine Gemeinde in diesem Gebilde eine öffentliche Einrichtung eigenständig und ohne fremde Hilfe betreibt, ergibt sich keine Ausnahme von der grundsätzlichen Rechtfertigungsfähigkeit eines Auswärtigenzuschlags. Diese Grundsatzaussage gerät jedoch ins Wanken, wenn eine Gemeinde von den anderen Landkreisgemeinden Ausgleichszahlungen für den Betrieb der öffentlichen Einrichtung erhalten würde. Ein solches Finanzgeflecht kann insbesondere durch Ausgleichszahlungen des Landkreises an die betreffende Gemeinde entstehen: direkte Finanzhilfen des Gemeindeverbandes stellen nämlich indirekte Zahlungen der anderen Gemeinden dar, welche über die sog. Kreisumlage wiederum den Gemeindeverband finanzieren.323 Die auf Art. 106 Abs. 6 S. 6 GG gestützte Kreisumlage stellt eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kreise dar und wird von den

317

BVerfGE 52, 95 (109); Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 28, Rn. 140; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 95. 318 Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 28, Rn. 140. 319 Eine Qualifikation als Gemeindeverband findet sich bei Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 958; überwiegend wird die Verbandgemeinde jedoch unter den Gemeindebegriff gefasst: Kluth, in: Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 96, Rn. 93; Vogelsang/Lübking/Ulbrich, Kommunale Selbstverwaltung, S. 301. 320 Gern sieht die Samtgemeinde als Gemeindeverband an, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 959; dagegen für eine Qualifikation unter den Gemeindebegriff: Kluth, in: Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 96, Rn. 93; Vogelsang/Lübking/Ulbrich, Kommunale Selbstverwaltung, S. 301. 321 Gern sieht auch die „Ämter“ als Gemeindeverband an, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 960; dies ablehnend: BVerfGE 52, 95 (109); dagegen für eine Einordnung als Verwaltungsgemeinschaft: Vogelsang/Lübking/Ulbrich, Kommunale Selbstverwaltung, S. 303. 322 Richtigerweise ist eine Qualifikation als Gemeindeverband abzulehnen: Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 28, Rn. 143; Kluth, in: Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 96, Rn. 92 f.; Meyer, in: Mann/Püttner, HdkWP I, § 25, Rn. 11 f.; stattdessen fallen Samt- und Verbandsgemeinden trotz ihres mehrstufigen Aufbaus unter den Gemeindebegriff: Kluth, in: Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 96, Rn. 93; Bovenschulte, Gemeindeverbände als Organisationsform kommunaler Selbstverwaltung, S. 442 ff. 323 Geis, Kommunalrecht, § 16, Rn. 7 f.; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 912; Ehlers, DVBl. 1997, 225 (229).

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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zugehörigen Gemeinden erhoben.324 Für die Rechtfertigung von Auswärtigenzuschlägen erlangt die Kreisumlage dann Relevanz, wenn die damit gewonnenen Finanzmittel nicht für die kreiseigenen Selbstverwaltungsaufgaben genutzt werden, sondern an bestimmte Gemeinden zurückfließen: Im Rahmen ihrer landesgesetzlich verankerten „Ausgleichsaufgabe“325 leisten die Kreise an finanzschwache Gemeinden Zuschüsse, die eine Erledigung bestimmter Gemeindeaufgaben ermöglichen sollen.326 Auf diese Weise stellt der Landkreis sicher, dass „die Bürger innerhalb des Kreises […] im wesentlichen gleichwertige Lebensverhältnisse vorfinden“327. Um dabei nicht den kommunalen Finanzausgleich mit der Verteilung allgemeiner Finanzmittel durch einen „Kreisfinanzausgleichs“ zu unterlaufen, sind nur zweckgebundene Zuschüsse für bestimmte gemeindliche Aufgaben zulässig.328 Die Verfassungsmäßigkeit dieses allgemein anerkannten Unterstützungsmodells steht außer Frage,329 nicht aber die Rechtfertigungsfähigkeit von Auswärtigenzuschlägen bei derart bezuschussten kommunalen Leistungen: Durch die Zweckzuweisungen des Kreises kommt es zu einer mittelbaren Beteiligung der auswärtigen Landkreiseinwohner an der Finanzierung der öffentlichen Einrichtungen, welche die geförderten Leistungen erbringen. Der Rechtfertigung eines Auswärtigenzuschlags zur Berücksichtigung des Kostenrisikos wird durch eine derartige Bezuschussung die sachliche Grundlage entzogen. Auch ein auf Abschreckung gerichteter Auswärtigenzuschlag lässt sich bei einer Zweckzuweisung nicht mehr rechtfertigen, denn die Bezuschussung seitens des Kreises begründet geradezu eine Solidaritätspflicht hinsichtlich der Einrichtungsöffnung und Gleichbehandlung aller Kreiseinwohner. Der zweckgemäße Einsatz der Zuschüsse verlangt deshalb den Verzicht auf einen Auswärtigenzuschlag, da es nicht nachvollziehbar wäre, wenn die schon über die Kreisumlage indirekt an dem Zuschuss und damit der Finanzierung der Einrichtung 324 Laut Gern betrug 2003 der Anteil der Kreisumlage 45 % der Gesamteinnahmen, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 912; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 28, Rn. 146. 325 Die landesgesetzliche Zuweisung von „Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben“ an den Landkreis verstößt nicht gegen die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie: BVerwGE 101, 99 (102 ff.); NVwZ 1998, 63; die Erledigung von Ausgleichsaufgaben ist bis auf wenige Aufnahmen (Bayern, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Thüringen) in allen Bundesländern gesetzlich verankert, siehe Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 868 f.; sowie bspw. § 1 Abs. 1 Landkreisordnung Baden-Württemberg; § 2 Abs. 1 Landkreisordnung Niedersachsen; § 20 Kreisordnung Schleswig-Holstein. 326 Geis, Kommunalrecht, § 16, Rn. 2; Henneke, Der Landkreis 2006, 382 (390); Kluth, in: Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 96, Rn. 88. 327 BVerwGE 101, 99 (106). 328 BVerwGE 101, 99 (110); Henneke, Der Landkreis 2006, 382 (390); Beutling, Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben der Kreise, S. 153 ff., 170. 329 BVerfGE 58, 177 (196); 79, 127 (152); BVerwGE 101, 99 (108 f.); NVwZ 1998, 63 (64); Beutling, Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben der Kreise, S. 125 ff., 170; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 868; Henneke, Der Landkreis 2006, 382 (390); ders., NVwZ 1996, 1181 (1182); Ehlers, DVBl. 1997, 225 (226 f.); ablehnend: Wimmer, NVwZ 1998, 28 (30); Schwarz, NVwZ 1996, 1182 (1185).

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

beteiligten Kreiseinwohner mit einem Zuschlag von der Benutzung abgehalten werden dürften. Dies gilt insbesondere, wenn die Gemeinde den Zuschuss für die Ausführung einer Aufgabe mit überörtlicher Bedeutung – beispielsweise eine Kultur- oder Freizeiteinrichtung – erhalten hat.330 Im Ergebnis ist festzuhalten, dass eine Kommune durch die Zugehörigkeit zu einem Gemeindeverband grundsätzlich nicht an der Erhebung eines Auswärtigenzuschlags von den Einwohnern der übrigen Mitgliedsgemeinden gehindert wird. Eine Ausnahme besteht jedoch im Falle der zweckgebundenen und direkten Bezuschussung der öffentlichen Einrichtung durch den Gemeindeverband, wodurch die Rechtfertigungsgründe ihre sachliche Grundlage verlieren. bb) Zugehörigkeit zu kommunalen Verwaltungsorganisationseinheiten Im Mittelpunkt der kommunalen Organisationseinheiten steht die Verwaltungsgemeinschaft als Grundform der gemeindlichen Verwaltungszusammenarbeit: Ihre Funktion besteht in der „institutionalisierten Zusammenarbeit von Gemeinden bei der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben durch einen gemeinsamen Verwaltungsapparat“331. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung in den Ländern – als Körperschaft des öffentlichen Rechts oder als öffentlich-rechtliche Vereinbarung – lassen sich unter dem (Sammel-)Begriff der Verwaltungsgemeinschaft mehrere kommunale Organisationsmodelle subsumieren: die Gemeindeverwaltungsverbände332, die Ämter333 und die vereinbarte Verwaltungsgemeinschaften334. Während bei Letzteren eine Gemeinde die Verwaltungsaufgaben für die anderen gemeindlichen Vertragspartner miterfüllt, werden die Aufgaben beim Gemeindeverwaltungsverband und beim Amt von einer dafür gegründeten Körperschaft des öffentlichen Rechts übernommen.335 Außerhalb dieser „vergemeinschaftlichten“ Aufgabenbereiche können die einzelnen Kommunen jedoch eigene öffentliche Einrichtungen betreiben. Im Gegensatz zu den Gemeindeverbänden finden sich in den Verwaltungsgemeinschaften keine finanzausgleichsähnlichen Institute, so dass die Gemeinden grundsätzlich nicht durch Ausgleichszahlungen an der Erhebung eines Auswärtigenzuschlags gehindert werden. 330 Henneke sieht Zuschüsse für derartige Aufgaben als den Hauptanwendungsfall für Ausgleichszahlungen an: Der Landkreis 2006, 382 (390). 331 Kluth, in: Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 98, Rn. 88. 332 Kluth, in: Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 98, Rn. 91; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 949, 955, 956: in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Hessen können Gemeinden einen solchen Verband bilden. 333 Kluth, in: Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 98, Rn. 99. 334 Kluth, in: Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 98, Rn. 92; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 949, 952, 953: in Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Schleswig-Holstein können die Gemeinden anstatt der Verbandsgründung auch eine solche Vereinbarung treffen. 335 Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 949; Kluth, in: Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 98, Rn. 99; Bogner, in: Mann/Püttner, HdkWP I, § 13, Rn. 16.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Eine Ausnahme ergibt sich bei der vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft in Erfüllungsform, wenn eine Gemeinde sich zur Mitversorgung von Auswärtigen verpflichtet und dafür einen entsprechenden finanziellen Ausgleich von der Verwaltungsgemeinschaft erhält.336 Abgesehen von dem Umstand, dass die Erhebung eines Auswärtigenzuschlags im Einzelfall schon gegen die gemeindliche Vereinbarung über die Verwaltungsgemeinschaft verstoßen dürfte, schließen die geleisteten Ausgleichszahlungen eine Rechtfertigung aus. Im Ergebnis steht die interkommunale Zusammenarbeit im Rahmen einer Verwaltungsgemeinschaft der Erhebung eines Auswärtigenzuschlags nicht grundsätzlich entgegen. Entscheidendes Kriterium ist die Unabhängigkeit der Gemeinde beim Betrieb der öffentlichen Einrichtung. Sobald eine öffentliche Einrichtung von oder mithilfe der Verwaltungsgemeinschaft betrieben wird, ist ein Auswärtigenzuschlag zulasten der Einwohner von eingebundenen Gemeinden nicht rechtfertigungsfähig. cc) Zweckverband Das landesgesetzlich verankerte Institut des Zweckverbands erlaubt Gemeinden und Landkreisen ein Zusammenschluss in Form einer Verbandskörperschaft, um gemeinsam bestimmte (Verwaltungs-)Aufgaben zu erfüllen.337 Der Zweckverband erledigt die ihm übertragenen Aufgaben als eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts.338 Üblicherweise handelt es sich dabei um solche Aufgaben, mit deren Erledigung eine einzelne Gemeinde überfordert wäre, da sie die dafür notwendigen Einrichtungen alleine nicht finanzieren könnte339: Beispielsweise der Betrieb von (Ab-)Wasseranlagen, Kultureinrichtungen, Freibädern oder Schulbussen.340 Die aufgabenerfüllenden Einrichtungen werden direkt vom Zweckverband betrieben, welcher auch die Gebühren und Beiträge erhebt.341 Daneben finanziert sich der Zweckverband aus Zahlungen der beteiligten Kommunen in Form der

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Ausgleichszahlungen werden regelmäßig in den Verwaltungsgemeinschaftsvereinbarungen geregelt: Bogner, in: Mann/Püttner, HdkWP I, § 13, Rn. 78; Trommer, LKV 2008, 6 (7, 12). 337 Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 934; Kluth, in: Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 98, Rn. 44; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 28; Beispiele für landesrechtliche Grundlagen für die Gründung von Zweckverbänden: §§ 2 ff. GkZ (Gesetz über kommunale Zusammenarbeit in Schleswig-Holstein, GVOBl. 2003, 122); §§ 7 ff. NKomZG (Niedersächsiches Gesetz über kommunale Zusammenarbeit, Nds. GVBl. 2011, 493); §§ 4 ff. GKG (Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit in Nordrhein-Westfalen, GVBl. NRW. 1979, 621). 338 Geis, Kommunalrecht, § 21, Rn. 26; Vogelsang/Lübking/Ulbrich, Kommunale Selbstverwaltung, S. 307; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 934. 339 Geis, Kommunalrecht, § 21, Rn. 26. 340 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 28; Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 206; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 935. 341 Geis, Kommunalrecht, § 21, Rn. 33.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Verbandsumlage, welche sich meist nach der Fläche, Einwohnerzahl oder Finanzkraft bemisst.342 In diesem Kooperationsmodell ist die Erhebung eines Zuschlags zu Lasten der Einwohner einer Mitgliedskommune grundsätzlich unzulässig: Selbst wenn es den Mitgliedsgemeinden durch die Satzung des Zweckverbandes gestattet sein sollte, die Einwohner einer zugehörigen Gemeinde mit einem Zuschlag zu belegen, wäre diese Ungleichbehandlung aufgrund der finanziellen Verflechtungen, welche mit der Verbandszusammenarbeit einhergehen, nicht zu rechtfertigen. Im Übrigen kann der Zweckverband jedoch – sofern die zulässigen Rechtfertigungsgründe greifen – die Einwohner der nicht dem Zweckverband angehörenden Kommunen mit einem Auswärtigenzuschlag belasten. Außerhalb des Zweckverbands – bei von den Kommunen eigenständig betriebenen öffentlichen Einrichtungen – lässt sich aus der Mitgliedschaft in einem solchen Verband jedoch keine Solidaritätspflicht herleiten, die eine Erhebung von Auswärtigenzuschlägen ausschließen würde, da es insoweit an finanziellen Verflechtungen zwischen den Kommunen fehlt. Die Mitgliedschaft in einem Zweckverband hat somit für die einen Auswärtigenzuschlag erhebende Kommune keine Auswirkung. Der Zweckverband hingegen muss bei der Einführung eines Auswärtigenzuschlags beachten, dass er nicht die Einwohner einer Mitgliedsgemeinde benachteiligt. dd) Zweckvereinbarung/öffentlich-rechtliche Vereinbarung Kommunen können durch eine Zweckvereinbarung die Erfüllung ihrer Aufgaben untereinander koordinieren: Im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags wird vereinbart, dass eine Gebietskörperschaft bestimmte Aufgaben auch für eine oder mehrere andere Gebietskörperschaften übernimmt.343 Ähnlich wie beim Zweckverband beziehen sich Zweckvereinbarungen typischerweise auf Aufgaben, für deren Erfüllung es kostenintensiver Einrichtungen bedarf, welche eine einzelne Kommune nicht alleine betreiben könnte.344 Im Unterschied zum Zweckverband kommt es jedoch nicht zur Gründung einer neuen Körperschaft, sondern nur zu einer Übertragung der Aufgabenerfüllung.345 Die daraus resultierende Mehrbelastung wird in der Regel durch eine Kostenerstattung der Vertragskommunen kompensiert.346 Die aufgabenerfüllende Kommune behält üblicherweise ihre Hoheitsrechte über die

342 Geis, Kommunalrecht, § 21, Rn. 33; Kluth, in: Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 98, Rn. 84 ff; Oebbecke, in: Mann/Püttner, HdkWP I, § 29, Rn. 53. 343 Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 945; Kluth, in: Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 98, Rn. 105. 344 Kluth, in: Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 98, Rn. 106. 345 Burgi, Kommunalrecht, § 19, Rn. 6; Kluth, in: Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, § 98, Rn. 105. 346 Oebbecke, in: Mann/Püttner, HdkWP I, § 29, Rn. 75.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Einrichtung und kann theoretisch in der Gebührensatzung einen Auswärtigenzuschlag verankern.347 Sofern die Belastung der Einwohner der Vertragskommunen mit einem Auswärtigenzuschlag nicht schon vertraglich in der Zweckvereinbarung ausgeschlossen ist, scheitert eine Rechtfertigung an den finanziellen Verflechtungen: Durch die Ausgleichszahlungen sind die Vertragskommunen mittelbar an dem Betrieb der öffentlichen Einrichtung beteiligt, so dass den einschlägigen Rechtfertigungsgründen – die Berücksichtigung des Kostenrisikos und die Sicherung des Benutzungsvorrangs für Einheimische – die sachliche Grundlage entzogen ist. Aufgrund der Ausgleichszahlungen werden die öffentlichen Einrichtungen gemeinsam finanziert und sind zudem auf die Versorgung aller Einwohner der beteiligten Kommunen ausgelegt. Rechtfertigungsfähig ist deshalb nur ein Auswärtigenzuschlag zu Lasten von nicht in den Vertragskommunen wohnhaften Benutzern. Bezüglich der eigenständig und unabhängig von der Zweckvereinbarung betriebenen öffentlichen Einrichtungen sind die Kommunen, die an einer Zweckvereinbarung beteiligt sind, nicht daran gehindert, einen Auswärtigenzuschlag von den Einwohnern der anderen Vertragskommunen zu erheben. ee) (Kreisfreie) Städte im Stadt-Umland-Verband Größere (kreisfreie) Städte haben oftmals eine Metropolfunktion in ihrer Region und erfüllen regelmäßig auch eine Versorgungsfunktion für die Einwohner des Umlands. Grundsätzlich ergibt sich aus der Kreisfreiheit einer Stadt oder deren Größe noch keine zentrale Versorgungspflicht, die den Rechtfertigungsgründen entgegenstünde.348 Zur Lösung der Versorgungsprobleme in städtischen Ballungsgebieten werden jedoch zunehmend „Stadt-Umland-Verbände“ gegründet349 : Dabei handelt es sich um einen Sammelbegriff für eine Zusammenarbeit zwischen größeren (kreisfreien) Städten und den umliegenden Kommunen.350 Dementsprechend allgemein ist die Definition von Schliesky als „eine irgendwie verfestigte Organisationsstruktur in Stadt-Umland-Verdichtungsräumen zur kooperativen Erledigung von Verwaltungsaufgaben unter Wahrung der rechtlichen Eigenständigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften“351. Je nachdem wie die Kooperation ausgestaltet ist – als Gemeinde- oder Zweckverband,352 kann hinsichtlich der Auswirkungen auf die 347

Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 947. Kreisfreie Städte nehmen auch die üblichen Landkreisaufgaben wahr und unterscheiden sich damit von vergleichbaren kreisangehörigen Städten: Thieme, in: Mann/Püttner, HdkWP I, § 9, Rn. 19. 349 Grundlegend zu den Kooperationsmöglichkeiten in Stadtregionen: Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 964; Kasper, DÖV 2006, 589 ff. 350 Schliesky, in: Mann/Püttner, HdkWP I, § 30, Rn. 9. 351 Schliesky, in: Mann/Püttner, HdkWP I, § 30, Rn. 9; dem folgend: Bednarz, Demographischer Wandel und kommunale Selbstverwaltung, S. 204. 352 Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 964; Schliesky, in: Mann/Püttner, HdkWP I, § 30, Rn. 9; Bednarz, Demographischer Wandel und kommunale Selbstverwaltung, S. 205. 348

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

untersuchten Rechtfertigungsgründe auf die Ergebnisse bezüglich der einzelnen Organisations- und Kooperationsformen verwiesen werden. b) Sonstige Finanzzuweisungen Grundsätzlich erlaubt die Finanzverfassung nur Finanzhilfen zwischen dem Bund und den Ländern, so dass direkte Bundeszuweisungen an die Kommunen ausgeschlossen sind.353 Es kann jedoch zu indirekten Bundeszuschüssen an die Kommunen in einem Dreiecksverhältnis kommen: Im Rahmen der Mischfinanzierungstatbestände der Art. 91a, 91b und 104b GG kann der Bund den Ländern bestimmte Finanzmittel gewähren, welche die Länder wiederum ganz oder teilweise an die Kommunen weiterleiten können.354 Eine echte Ausnahme bildet Art. 106 Abs. 8 GG, welcher unter bestimmten Voraussetzungen einen Sonderbelastungsausgleich für einzelne Kommunen durch den Bund erlaubt. Dafür ist erforderlich, dass der Bund eine „besondere Einrichtung“ in der Kommune veranlasst hat. Darunter fallen jedoch nicht die öffentlichen Einrichtungen der Kommunen, so dass diese Ausnahmevorschrift im Bereich der Auswärtigenzuschläge keine praktische Relevanz hat.355 Für die Rechtfertigungsfähigkeit von Auswärtigenzuschlägen ist jedoch weniger die Herkunft, sondern mehr die Zwecksetzung dieser Gelder entscheidend. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der Erhalt von Investitionszuweisungen oder laufenden Zuweisungen die sachliche Richtigkeit der Rechtfertigungsgründe in Zweifel zieht und die betreffende Kommune zum Verzicht auf Auswärtigenzuschläge zwingt.356 Dabei geht es nicht um die gebührenrechtlichen Auswirkungen von Drittmitteln bei der Gebührenbemessung,357 sondern um die Frage, ob diese Mittel nur zur Subventionierung der Einheimischen genutzt werden dürfen, während von den Auswärtigen zeitgleich ein Zuschlag erhoben wird.

353 Schmehl, in: Friauf/Höfling, BKGG IV, Art. 104b, Rn. 9; Henneke, in: SchmidtBleibtreu/Klein, GG, Art. 104b, Rn. 15; Häde, Finanzausgleich, S. 73. 354 BVerfGE 83, 363 (381); Schmehl, in: Friauf/Höfling, BKGG IV, Art. 104b, Rn. 9; das auf Art. 104b GG gestützte Gesetz zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder (Zukunftsinvestitionsgesetz, BGBl. I 2009, S. 416, 428) kreiert in § 1 Abs. 3 indirekte Bundeszuweisungen an die Kommunen: „Die Mittel sollen überwiegend für Investitionen der Kommunen eingesetzt werden. Die Länder sind aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass auch finanzschwache Kommunen Zugang zu den Finanzhilfen erhalten.“ 355 Bisher wurden mit Art. 106 Abs. 8 GG hauptsächlich Sonderlasten infolge von Militärbasen und der Hauptstadtverlust von Bonn ausgeglichen: Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 106, Rn. 48 (Fn. 162). 356 Beispielsweise leistet der Bund im Rahmen von Art. 104b GG zum Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen einerseits Investitionshilfen i.H.v. ca. 3,8 Milliarden Euro, andererseits ab 2014 auch laufende Zuweisungen i.H.v. 770 Millionen Euro: Bundesminiterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dossier: Ausbau der Kinderbetreuung, S. 28 ff. 357 Dazu: Brüning, in: Driehaus, KAG, § 6, Rn. 162 ff.; Böttcher, Kalkulatorische Kosten in der Gebührenberechung kommunaler Einrichtungen, S. 153 ff.

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aa) Einmalige Investitionshilfen Grundsätzlich wird eine Kommune durch die Annahme einer zweckgebundenen Investitionshilfe zum Auf- oder Ausbau einer öffentlichen Einrichtung nicht zur gebührenrechtlichen Gleichbehandlung von Einheimischen und Auswärtigen verpflichtet. Der Betrieb der Einrichtung und die Gebührenbemessung fallen nämlich auch nach der bezuschussten Errichtung einer öffentlichen Einrichtung uneingeschränkt in die kommunale Selbstverwaltungshoheit.358 Die Kommune trägt weiterhin das Kostenrisiko und muss den Benutzungsanspruch der Einheimischen sicherstellen, so dass sich keine Auswirkungen auf die sachliche Richtigkeit der Rechtfertigungsgründe ergeben. Eine Ausnahme erscheint jedoch möglich, wenn die Kommune den Investitionszuschuss bekommen hat, um mit der geförderten Einrichtung einen über die Einheimischen hinausgehenden Personenkreis zu versorgen. Sofern die Kommune jedoch die zusätzlichen Betriebskosten der Einrichtung alleine tragen muss, kommt das Kostenrisiko als Rechtfertigungsgrund wiederum zum Tragen, so dass auch in diesem Falle ein Auswärtigenzuschlag zulässig wäre. bb) Laufende Zuweisungen Laufende Zuweisungen für den Betrieb öffentlicher Einrichtungen führen nicht zu einer Unzulässigkeit der Rechtfertigungsgründe „Kostenrisiko“ und „Benutzungssicherung“, denn derartige Finanzmittel verpflichten die Kommune weder zur Versorgung Auswärtiger, noch sind sie als Ausgleich für die damit verbundenen Kostenrisiken gedacht. Stattdessen muss wiederum anhand der Zwecksetzung der Zuweisungen differenziert werden. Es bestehen keine Auswirkungen auf die Rechtfertigungsgründe, wenn die laufenden Zuweisungen alleine zur Unterstützung der Kommune gewährt werden und kein darüber hinausgehendes Ziel verfolgt wird. Eine Rechtfertigung aus den genannten Gründen scheidet dagegen aus, sofern die Finanzmittel zur überörtlichen Versorgung gewährt werden. cc) Ergebnis Der Erhalt von einmaligen Investitionsmitteln oder laufenden Zuweisungen führt nicht zur sachlichen Unrichtigkeit der Rechtfertigungsgründe und damit auch nicht zur Verfassungswidrigkeit von Auswärtigenzuschlägen. Eine Ausnahme besteht lediglich, wenn die Kommune die laufenden Finanzhilfen für den Betrieb einer Einrichtung mit überörtlicher Funktion zur Versorgung eines über die eigenen Einwohner hinausgehenden Personenkreises erhält.

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Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 28, Rn. 103.

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c) Kommunaler Finanzausgleich Im Jahr 2011 stammten mit 69 Milliarden Euro etwa 40 % der Kommunaleinnahmen aus Zuweisungen der Länder und des Bundes.359 Diese Finanzmittel werden größtenteils über die kommunalen Finanzausgleichssysteme verteilt.360 Der kommunale Finanzausgleich ist damit „das finanzielle Lebenselixier der Kommunen“361. Die Einbettung der Kommunen in dieses finanzielle Absicherungsnetz lässt einen Auswärtigenzuschlag als Fremdkörper in einem solidarischen Ausgleichssystem erscheinen. Zu untersuchen ist daher, ob das System des kommunalen Finanzausgleichs eine allgemeine Solidaritätspflicht gegenüber den umliegenden Kommunen und deren Einwohnern begründet, welche die Rechtfertigung von Auswärtigenzuschlägen ausschließt.362 Sofern diese Grundsatzfrage verneint wird, müssen auch die Auswirkungen der einzelnen Instrumentarien des kommunalen Finanzausgleichs – horizontale Ausgleichszahlungen zwischen den Kommunen sowie vertikale Zentralitäts-, Bedarfsund Zweckzuweisungen – auf die einschlägigen Rechtfertigungsgründe überprüft werden. aa) Grundsätzliche Solidaritätspflicht Der auf Art. 106 Abs. 7 GG beruhende und im Übrigen landesrechtlich ausgestaltete kommunale Finanzausgleich verfolgt in erster Linie das Ziel, die Gemeinden mit den zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Finanzmitteln auszustatten.363 Daneben hat der kommunale Finanzausgleich auch die Funktion, die finanziellen Unterschiede zwischen den Kommunen zu verringern.364 Der Landesgesetzgeber kann hierfür auf zwei Ausgleichsinstrumente zurückgreifen: Im Rahmen des vertikalen Finanzausleichs werden die Einnahmen zwischen dem Land und den zugehörigen Kommunen aufgeteilt und ergänzt, während in horizontaler Richtung ein Ausgleich zwischen den Kommunen geregelt werden kann.365 Allerdings existieren horizontale Ausgleichszahlungen zwischen den Kommunen nur in wenigen kom359

Anton/Diemert/Winkler, Gemeindefinanzbericht 2011, Der Städtetag 2011, 11; darin sind auch Bundesmittel enthalten, welche dem zweistufigen Bundesstaatsaufbau entsprechend von den Ländern an die Kommunen weitergeleitet werden; in Landesmitteln sind auch die Mittel aus den EU-Strukturfonds enthalten: Busse, DÖV 2004, 93; Kolb, LKV 2001, 196 (201). 360 F. Kirchhof, in: Kirchhof/Meyer, Kommunaler Finanzausgleich im Flächenbundesland, S. 25 (28). 361 T. Schmidt, DÖV 2012, 8 (15). 362 Den kommunalen Finanzausgleich als Ausdruck der kommunalen Solidarität ansehend: F. Kirchhof, in: Kirchhof/Meyer, Kommunaler Finanzausgleich im Flächenbundesland, S. 25. 363 Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 671; Henneke, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 25, Rn. 5, 8. 364 Henneke, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 25, Rn. 8; Geis, Kommunalrecht, § 12, Rn. 51. 365 Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 671; Geis, Kommunalrecht, § 12, Rn. 51; Henneke, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 25, Rn. 5 f.

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munalen Finanzausgleichssystemen und haben somit eine deutlich geringere Bedeutung als im Länderfinanzausgleich.366 Stattdessen basiert der kommunale Finanzausgleich hauptsächlich auf der vertikalen Verteilung von Finanzmitteln: Das „Herzstück“367 ist die Verteilung der Finanzausgleichsmasse im Wege der Gewährung „allgemeiner Schlüsselzuweisungen“ an die Kommunen. Die als vertikale Zahlungen zu qualifizierenden Schlüsselzuweisungen dienen der Sicherung einer finanziellen Mindestausstattung der Kommunen.368 Mit der Ergänzung der kommunalen Einnahmen (aus Steuern und Abgaben) zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs verkörpern sie die Grundfunktion des Finanzausgleichs.369 Aus der Sicherstellung einer finanziellen Mindestausstattung lässt sich jedoch keine allgemeine Solidaritätspflicht gegenüber den anderen Kommunen und deren Einwohnern herleiten. Die vom Land vorgenommene Verteilung der Finanzausgleichsmasse auf die zugehörigen Kommunen berührt deren interkommunales Verhältnis nicht und hat keine Auswirkung auf die sachliche Grundlage der einschlägigen Rechtfertigungsgründe. Der kommunale Finanzausgleich begründet folglich keine die finanzielle Gleichbehandlung von Auswärtigen erfordernde Solidaritätspflicht. Problematisch erscheinen dagegen einzelne Finanzausgleichsinstrumente, deren Auswirkungen auf die Rechtfertigungsgründe im Folgenden zu untersuchen sind. bb) Horizontale Zahlungen Einige Länder haben den kommunalen Finanzausgleich mit horizontalen Ausgleichsinstrumenten ausgestattet, wodurch finanzstarke Gemeinden dazu gezwungen werden, einen Teil ihrer überdurchschnittlichen Finanzausstattung als sog. Finanzausgleichsumlage an das Land zahlen, welches diese Mittel an die finanzschwachen Gemeinden verteilt.370 In diesem System der horizontalen Umverteilung von Finanzmitteln erscheint es unsolidarisch, wenn eine Empfängergemeinde von den Einwohnern einer Ausgleichszahlungen leistenden Nachbargemeinde einen Auswärtigenzuschlag erhebt. Allerdings ergibt sich aus der Finanzausgleichsumlage keine Solidaritätspflicht der Empfängergemeinden, welche die Rechtfertigung von Auswärtigenzuschlägen ausschließt: Bei den sich aus den Finanzausgleichsumlagen ergebenden Landeszuweisungen an die finanzschwachen Gemeinden handelt es sich nicht um zweckgebundene Zahlungen für bestimmte kommunale Aufgaben.371 366

Henneke, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 25, Rn. 8. Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 672. 368 Henneke, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 25, Rn. 20. 369 Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 671; Henneke, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 25, Rn. 13. 370 Henneke, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 25, Rn. 8; Finanzausgleichsumlagen zu Lasten finanzstarker Gemeinden gibt es nur in wenigen Bundesländern, siehe bspw. § 16 FAG Niedersachsen, § 8 FAG Mecklenburg-Vorpommern, § 1a FAG Baden-Württemberg oder § 7 FAG Brandenburg. 371 Katz, in: Püttner, HdkWP VI, § 118, Rn. 312 f. 367

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Stattdessen sollen diese Mittel den allgemeinen Finanzbedarf sichern und unterliegen der Haushaltshoheit der Kommunen.372 Insbesondere lässt sich aus der Zugehörigkeit zu einer die Finanzausgleichsumlage leistenden Gemeinde noch keine Beteiligung an der Finanzierung der öffentlichen Einrichtungen in einer Empfängergemeinde herleiten. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die sachliche Grundlage der Rechtfertigungsgründe nicht durch horizontale Finanzzuweisungen beeinträchtigt wird. Der Erhalt von horizontalen Ausgleichszahlungen im kommunalen Finanzausgleich hat dementsprechend keinen Einfluss auf die Rechtfertigungsfähigkeit von Auswärtigenzuschlägen. cc) Bedarfszuweisungen Im Fall einer unabwendbaren Haushaltsnotlage können hilfsbedürftigen Kommunen auf Antrag auch Bedarfszuweisungen gewährt werden.373 Die empfangenen Mittel sollen den allgemeinen Finanzbedarf sicherstellen, so dass die Kommune über deren Verwendung frei entscheiden kann.374 Ähnlich wie bei den horizontalen Ausgleichszahlungen lässt sich aufgrund der fehlenden Zweckbindung keine Beteiligung der Nachbargemeindeeinwohner an der Finanzierung einer öffentlichen Einrichtung begründen. Der Empfang von Bedarfszuweisungen kann deshalb keinen Einfluss auf die Rechtfertigungsfähigkeit von Auswärtigenzuschlägen haben. dd) Zusätzliche Zuweisungen für „zentrale Orte“ Einige Länder375 verfolgen im kommunalen Finanzausgleich ein „Konzept der Zentralen Orte“376, welches auf der landesplanerischen Vorstellung basiert, dass einige Kommunen eine zentrale Funktion haben und deshalb öffentliche Einrichtungen von überörtlicher Bedeutung finanzieren (müssen), welche auch von den Einwohnern der Umlandskommunen genutzt werden.377 Die zentralörtliche Funktion führt bei der jeweiligen Kommune zu überdurchschnittlichen Belastungen: Größtenteils müssen Zentralkommunen ihre öffentlichen Einrichtungen mit einer über ihren eigentlichen Bedarf hinausgehenden Kapazität ausstatten und haben damit zusätzliche Kostenbelastungen. Gleichzeitig tragen sie als „Versorgungs372

Henneke, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 25, Rn. 13. Henneke, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 25, Rn. 14; T. Schmidt, DÖV 2012, 8 (15). 374 T. Schmidt, DÖV 2012, 8 (15). 375 Spezielle Zuweisungen für zentrale Orte gibt es in § 15 FAG Schleswig-Holstein und § 15 FAG Mecklenburg-Vorpommern. Andere Länder berücksichtigen die zentralörtliche Funktion mit einer Einwohnerveredelung, siehe § 11 Abs. 4, Nr. 2 FAG Rheinland-Pfalz, § 10 Abs. 1 u. 2 FAG Hessen Hessen und § 12 Abs. 4 Nr. 6 FAG Saarland. 376 Katz, in: Püttner, HdkWP VI, S. 327. 377 Katz, in: Püttner, HdkWP VI, S. 327; Hansmeyer, in: Pohmer, Probleme des Finanzausgleichs II, S. 83 (91 ff.); Erbguth, in: Kirchhof/Meyer , Kommunaler Finanzausgleich im Flächenbundesland, S. 62 (64 f.); ders., DÖV 1996, 906 (907 f.). 373

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kommunen“ das Kostenrisiko der Nichtbenutzung, wodurch die von der Überkapazität hervorgerufenen Sonderkosten als Verlust vom eigenen Haushalt aufgefangen werden müssen. Ziel des „Konzepts der zentralen Orte“ ist der Ausgleich der zusätzlichen Kosten für die Umlandsversorgung – des negativen „Spillover-Effektes“378 – mit Hilfe besonderer Zuweisungen für Kommunen mit zentralörtlicher Funktion.379 Für diese zentralörtlichen Zuweisungen stellt beispielsweise das Land Schleswig-Holstein 11, 41 % seiner Finanzausgleichsmasse – im Jahr 2010 entsprach dies ca. 109 Millionen Euro – zur Verfügung.380 Das Land Mecklenburg-Vorpommern verteilte im Jahr 2010 gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 b FAG sogar 137 Millionen Euro im Finanzausgleich für übergemeindliche Aufgabenerledigung.381 Diese „landesplanerischen Funktionszuweisungen“382 stellen keine zweckgebundene Mittel für bestimmte Aufgaben dar, sondern sind als zusätzliche Zuweisungen zur Abgeltung der Belastungen infolge der überörtlichen Versorgungsfunktion zu qualifizieren.383 378 Erbguth, in: Kirchhof/Meyer , Kommunaler Finanzausgleich im Flächenbundesland, S. 62 (64 f.). 379 Beispielhaft sei das Konzept der zentralörtlichen Zuweisungen in Schleswig-Holstein genannt: Das Land verwendet gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 FAG Schleswig-Holstein 11,41 % der Finanzausgleichsmasse für zentralörtliche Zuweisungen. § 15 Abs. 2 FAG Schleswig-Holstein teil diese Mittel zwischen Oberzentren (45 %) und zentralen Orten (55 %) auf. Die Oberzentren werden in § 15 Abs. 3 FAG Schleswig-Holstein benannt und mit festen Zuweisungsanteilen ausgestattet. In § 15 Abs. 5 FAG Schleswig-Holstein werden die Anteile für Mittelzentren ausgewiesen, wobei die Qualifikation der jeweiligen Kommune als Mittelzentrum in einer Verordnung geregelt ist. 380 Davon wurden 2010 ca. 49 Millionen Euro auf die Oberzentren (Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster) und knapp 60 Millionen Euro auf die Mittel-/Unterzentren verteilt: Anlage 5 der 41. Ausführungsanweisung zum FAG, Amtsblatt S-H 2010, S. 1095. 381 GVOBl. M-V 2009, S. 606; eine Besonderheit stellte daneben die am 23. 02. 2012 vom Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern für verfassungswidrig erklärte „StadtUmland-Umlage“ gem. § 24 FAG Mecklenburg-Vorpommern a.F. dar: Ausweislich des Gesetzeswortlauts wurde „von den kreisangehörigen Gemeinden, die nach dem Landesraumentwicklungsprogramm dem Stadt-Umland Raum der Städte Rostock, Schwerin, Neubrandenburg, Stralsund, Greifswald und Wismar (Kernstädte) entweder als direkte Nachbargemeinde oder als sonstige benachbarte Gemeinde, die vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2001 ein Bevölkerungswachstum von mehr als 30 Prozent hatte und am 30. Juni 2000 einen Anteil an Auspendlern von mehr als 40 Prozent in die jeweilige Kernstadt aufwies, zugeordnet werden […]“ eine Umlage erhoben. Das Landersverfassungsgericht sah in dieser Umlage grundsätzlich keinen Verfassungsverstoß, sondern hielt die Berechnung der Umlagehöhe für verfassungswidrig (Urteil v. 23. 02. 2012, Az. 37/10, Rn. 100 ff.). Laut der Gesetzesbegründung sollten mit diesem Instrument die mit den zentralörtlichen Zuweisungen noch nicht hinreichend berücksichtigten erhöhten Belastungen der genannten kreisfreien Städte ausgeglichen werden (LT-Drs. 5/2685, S. 65). Sollte das Land sich diese Umlage mit neuen Berechnungsmethoden wiedereinführen, sind die davon profitierenden „Kernstädte“ hinsichtlich der Rechtfertigungsfähigkeit von Auswärtigenzuschlägen wie die Empfänger von zentralörtlichen Zuweisungen zu behandeln. 382 Katz, in: Püttner, HdkWP VI, S. 327. 383 Thiem/Böttcher, KAG S-H, § 6, Rn. 119.

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Angesichts der auf den Ausgleich der Kosten für die überörtliche Aufgabenerledigung gerichteten Zielsetzung der zentralörtlichen Funktionszuweisungen, erscheint die „Berücksichtigung des Kostenrisikos“ nicht mehr als inhaltlich tragfähiger Rechtfertigungsgrund: Selbst wenn die zentralörtlichen Funktionszuweisungen keiner Zweckbindung unterliegen, darf bei der Rechtfertigungsbegründung nicht ausgeblendet werden, dass es sich nach dem landesgesetzgeberischen Willen um Zuweisungen zum Ausgleich für die Mehrkosten der zentralörtlichen Funktion handelt.384 Zu bedenken ist, dass das Kostenrisiko als Rechtfertigungsgrund gerade auf dem (drohenden) finanziellen Verlust einer öffentlichen Einrichtung infolge einer nicht genutzten Überkapazität basiert. Diese finanziellen Belastungen einer überörtlichen Versorgung werden jedoch schon mit den zentralörtlichen Zuweisungen ausgeglichen. Durch den Empfang von zentralörtlichen Funktionszuweisungen ist diesem Rechtfertigungsgrund somit die sachliche Grundlage entzogen, so dass die Rechtfertigung eines Auswärtigenzuschlags zur Berücksichtigung des Kostenrisikos ausscheidet. Darüber hinaus erscheint ein Auswärtigenzuschlag auch als Abschreckungsmittel zur Sicherung der Benutzungsmöglichkeiten der Einheimischen als ein systemwidriger Fremdkörper im zentralörtlichen Konzept: Eine Abschreckung von auswärtigen Benutzern ist unzulässig, wenn die Kommune gleichzeitig zentralörtliche Zuweisungen für den Betrieb der Einrichtung bekommt. Stattdessen muss der „zentrale Ort“ seine öffentlichen Einrichtungen der landesplanerischen Funktion entsprechend ausstatten. Die Gewährung von zentralörtlichen Funktionszuweisungen im kommunalen Finanzausgleich gleicht die finanziellen Belastungen infolge der Versorgung von Umlandsbewohnern aus und steht einer Rechtfertigung von Auswärtigenzuschlägen in den zentralörtlichen Kommunen entgegen. ee) Einwohnerveredelung Bei der Verteilung der allgemeinen Schlüsselzuweisungen im kommunalen Finanzausgleich greifen die Länder überwiegend auf das Instrument der Einwohnerveredelung zurück385 : Dabei wird der für die Höhe der Zuweisungen maßgebliche Bedarfsindikator der Einwohnerzahl mit einem im Verhältnis zur Einwohnerzahl steigenden Faktor erhöht, so dass die bevölkerungsstarken Kommunen aufgrund der

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Thiem/Böttcher, KAG S-H, § 6, Rn. 119. Überwiegend orientiert sich die Veredelung der Bedarfsmesszahl an der Einwohnerzahl: § 5 FAG Niedersachsen, § 7 FAG Baden-Württemberg, § 10 Abs. 1 FAG Thüringen, § 8 Abs. 3 i.V.m. Anlage 2 Gemeindefinanzierungsgesetz Nordrhein-Westfalen, Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 FAG Bayern.Einen Sonderfall bilden Rheinland-Pfalz (§ 11 Abs. 4 Nr. 2 FAG), Hessen (§ 10 Abs. 1, 2, FAG) und das Saarland (§ 12 Abs. 4 Nr. 6 FAG), welche eine Einwohnerveredelung für die zentralörtliche Funktion einer Kommune gewähren. 385

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insoweit veredelten Einwohnerzahl überproportional höhere Zuweisungen vom Land erhalten.386 Einige Länder benutzen das Instrument der Einwohnerveredelung, um der zentralörtlichen Funktion bestimmter Kommunen bei der vertikalen Finanzmittelverteilung gerecht zu werden: Die Einwohnerveredelung wird in diesen Ländern nicht (nur) nach der Einwohnerzahl, sondern auch anhand der Qualifikation als zentraler Ort vorgenommen.387 Derlei Einwohnerveredelungen sind als Alternative zu den zentralörtlichen Funktionszuweisungen zu bewerten und stellen ebenfalls einen Ausschlussgrund für die Rechtfertigungsfähigkeit von Auswärtigenzuschlägen dar. Die Mehrzahl der auf das Instrument der Einwohnerveredelung zurückgreifenden Länder verzichtet auf zentralörtliche Ansätze bei der Finanzmittelverteilung, sondern stellt alleine auf die Einwohnerzahl und Einwohnerveredelung ab.388 Daher wird – trotz eines fehlenden Konzepts im Finanzausgleichsgesetz – vorgeschlagen, die Kosten für die zentralörtliche Versorgung von „veredelten“ Kommunen als ausgeglichen anzusehen.389 Dieser Schluss kann jedoch nur gezogen werden, wenn mit der nur an bestimmte Einwohnerzahlen anknüpfenden Veredelung auch die mit einer zentralörtlichen Funktion einhergehenden Belastungen der Umlandsversorgung berücksichtigt und abgegolten werden. Grundsätzlich beruht das System der Einwohnerveredelung auf dem „Popitz’schen/Brecht’schen Gesetz“ aus dem Jahr 1932 über die mit zunehmender Siedlungsdichte überproportional ansteigenden pro-Kopf-Kosten für die Versorgung der Einwohner.390 Diese mittlerweile 80 Jahre alte Prämisse wird von der heutigen Wissenschaft überwiegend abgelehnt und ist auch beim Bundesverfassungsgericht auf Kritik gestoßen.391 386 Henneke, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 25, Rn. 25; Diedrich, Das Prinzip der Einwohnerveredelung in den Finanzausgleichssystemen der Bundesrepublik Deutschland, S. 9. 387 Eine Einwohnerveredelung für zentrale Orte findet sich in Rheinland-Pfalz (§ 11 Abs. 4 Nr. 2 FAG), Hessen (§ 10 Abs. 1, 2, FAG) und im Saarland (§ 12 Abs. 4 Nr. 6 FAG). 388 Die Länder Niedersachsen (§ 5 FAG), Baden-Württemberg (§ 7 FAG), Thüringen (§10 Abs. 1 FAG), Nordrhein-Westfalen (§ 8 Abs. 3 i.V.m. Anlage 2 Gemeindefinanzierungsgesetz) und Bayern (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 FAG) verteilen die allgemeinen Schlüsselzuweisungen ausschließlich anhand der Einwohnerzahlen, welche bei der Überschreitung bestimmter Mindestzahlen veredelt werden. 389 Diese Schlussfolgerung ziehend: Erbguth, in: Kirchhof/Meyer, Kommunaler Finanzausgleich im Flächenbundesland, S. 62 (67); Bednarz, Demographischer Wandel und kommunale Selbstverwaltung, S. 240 f.; Dietrich, Das Prinzip der Einwohnerveredelung in den Finanzausgleichssystemen der Bundesrepublik Deutschland, S. 136 ff., 148 ff.; T. Schmidt, DÖV 2002, 696. 390 Poptiz, Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden, S. 262 ff.; Brecht, Internationaler Vergleich der öffentlichen Ausgaben, S. 6. ff.; dazu: Henneke, in: Kirchhof/Meyer, Kommunaler Finanzausgleich im Flächenbundesland, S. 71 (74 ff.). 391 BVerfGE 86, 148 (234 ff.); Henneke, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 25, Rn. 27 ff.; ders., in: Kirchhof/Meyer , Kommunaler Finanzausgleich im

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Für die Rechtfertigungsfähigkeit von Auswärtigenzuschlägen kommt es hingegen nicht auf die empirische Richtigkeit der Popitz‘schen These an. Stattdessen ist für die Überprüfung der Rechtfertigungsgründe entscheidend, ob durch die Einwohnerveredelung auch die Kostenbelastungen einer zentralörtlichen Funktion ausglichen werden, so dass die Rechtfertigung von Auswärtigenzuschlägen ebenso abzulehnen wäre wie bei den zentralörtlichen Funktionszuweisungen. Das Institut der Einwohnerveredelung erscheint in den Finanzausgleichsgesetzen als bloßes Recheninstrument zur Bestimmung des Gemeindebedarfs. Diejenigen Länder, deren vertikale Finanzverteilung im Wesentlichen auf diesem Institut basiert, stellen lediglich auf den „Bedarf“ ab und lassen offen, ob darunter nur die Versorgung der eigenen Einwohner fällt oder auch die Kosten einer Zentralfunktion einbezogen sind.392 Legt man die Popitz‘sche These als argumentativen Ausgangspunkt zugrunde, dürfte im Wege der Veredelung nur der erhöhte Bedarf für die Versorgung der eigenen Einwohner berücksichtigt werden. Allerdings legt der Zusammenhang zwischen der Einwohnerzahl und einer zentralörtlichen Funktion auch eine darüber hinausgehende Einbeziehung der „spillover“-Kosten nahe: Im Allgemeinen haben einwohnerstarke Kommunen schon aufgrund ihrer Größe und dem damit einhergehenden Angebot an öffentlichen Einrichtungen eine zentralörtliche Versorgungsfunktion für die Einwohner der umliegenden Kommunen.393 Dies spricht dafür, die Einwohnerveredelung im kommunalen Finanzausgleich (auch) als Ausgleichsinstrument für die Kosten der zentralörtlichen Umlandsversorgung zu qualifizieren.394 Im Ergebnis kann eine derartige Argumentation jedoch nicht überzeugen, denn demnach wäre jede durch eine Einwohnerveredelung privilegierte Kommune im Umkehrschluss auch ein zentraler Ort. Aus dem Umstand, dass viele der durch kommunale Ausgleichssysteme veredelten Kommunen eine zentralörtliche Funktion haben, kann aber nicht die allgemeingültige Schlussfolgerung abgeleitet werden, dass jede einwohnerveredelte Kommune diese überörtliche Funktion hat.395 Vielmehr spricht die konkrete Ausgestaltung der Einwohnerveredelung in den angeFlächenbundesland, S. 71 (74 ff.); F. Kirchhof, in: Kirchhof/Meyer , Kommunaler Finanzausgleich im Flächenbundesland, S. 126 (158 f.); von Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung und Verfassungsrecht, S.124 ff.; P. Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich als Ergänzung fehlender und als Garant vorhandener Finanzautonomie, S. 115 f. 392 Siehe die entsprechenden Regelungen in Niedersachsen (§5 FAG), Baden-Württemberg (§ 7 FAG), Thüringen (§10 Abs. 1 FAG), Nordrhein-Westfalen (§ 8 Abs. 3 i.V.m. Anlage 2 Gemeindefinanzierungsgesetz), Bayern (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 FAG). 393 Erbguth, in: Kirchhof/Meyer, Kommunaler Finanzausgleich im Flächenbundesland, S. 62 (67); Bednarz, Demographischer Wandel und kommunale Selbstverwaltung, S. 240. 394 Erbguth, in: Kirchhof/Meyer, Kommunaler Finanzausgleich im Flächenbundesland, S. 62 (67); Bednarz, Demographischer Wandel und kommunale Selbstverwaltung, S. 240 f.; Dietrich, Das Prinzip der Einwohnerveredelung in den Finanzausgleichssystemen der Bundesrepublik Deutschland, S.136 ff., 148 ff. 395 Henneke, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 25, Rn. 29; Hansmeyer, in: Pohmer, Probleme des Finanzausgleichs II, S. 125.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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sprochenen Ländern gegen die Einbeziehung der zentralörtlichen Versorgungskosten, denn der Veredelungsfaktor steigt mit der Überschreitung bestimmter Einwohnerzahlen und beachtet nicht die Funktion der Kommune in der landesrechtlichen Raumplanung.396 Beispielsweise können mehrere einwohnerstarke Kommunen trotz einer Einwohnerveredelung keine Zentralfunktion haben, wenn sie sich „umlandslos“ in direkter Nachbarschaft zueinander befinden – umgekehrt können aber „unveredelte“ Kommunen mit weniger als 10.000 Einwohnern in einer dünn besiedelten Region eine zentralörtliche Funktion innehaben und nicht in den Genuss einer Einwohnerveredelung kommen.397 Eine einwohnerzahlabhängige Bewertung kann auch nicht fehlerfrei zwischen den unterschiedlichen Zentralitätsstufen differenzieren: Anknüpfend an das eben genannte Beispiel kann eine „leicht veredelte“ Kommune mit 20.000 Einwohnern in einer dünn besiedelten Region eine stärkere Zentralfunktion haben als eine „stark veredelte“ Kommune mit 40.000 in einem Ballungsgebiet. Das Instrument der Einwohnerveredelung leidet somit an einer fehlenden Beachtung der zentralörtlichen Funktion der Kommunen. Diese Erkenntnis haben auch mehrere Länder in ihren kommunalen Finanzausgleich einfließen lassen und das System der Einwohnerveredelung mit zusätzlichen Bewertungen für die Einwohner von zentralen Orten erweitert.398 Diese spezielle Veredelung von zentralen Orten zeigt, dass die gewöhnliche Einwohnerveredelung die Belastungen der zentralörtlichen Funktion noch nicht erfasst, sondern nur den kommunalen Bedarf zur Versorgung der eigenen Einwohner sicherstellen soll. Die von Teilen der Literatur vertretene Ausdehnung der Veredelungswirkung auf die „spillover-Kosten“ ist deshalb nicht mehr als eine Vermutung, welche jedoch nicht dazu ausreicht, die kommunale Selbstverwaltungshoheit zur Erhebung von Auswärtigenzuschlägen einzuschränken. Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass mit einer Einwohnerveredelung noch keine zentralörtliche Funktion begründet oder deren Kosten abgegolten werden. Die Veredelung der Einwohner im kommunalen Finanzausgleich hindert die jeweilige Kommune daher nicht an der Erhebung von Auswärtigenzuschlägen.399 ff) Zweckzuweisungen Vertikale Zweckzuweisungen beziehen sich nicht auf den allgemeinen Finanzbedarf einer Kommune, sondern werden für die Erledigung von bestimmten Auf396

Beispielsweise orientiert sich die Einwohnerveredelung in Niedersachsen (§ 5 FAG) und Bayern (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 FAG) nur an der Einwohnerzahl. 397 Einen ähnlichen Fall bilden auch von Mutius/Henneke, Kommunale Finanzausstattung als Verfassungsproblem, S. 124 f. 398 Siehe die Auflistung der einen zentralörtlichen Ansatz bei der Einwohnerveredelung verfolgenden Länder in Fn. 598; dazu auch: Dietrich, Das Prinzip der Einwohnerveredelung in den Finanzausgleichssystemen der Bundesrepublik Deutschland, S. 130. 399 Dies gilt nicht für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland, deren zentralörtliche Funktionszuweisungen mit Einwohnerveredelungen abgegolten werden.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

gaben getätigt. Dabei kann es sich sowohl um einmalige Investitionshilfen für einzelne Projekte als auch um laufende Zahlungen für die dauerhafte Erledigung von bestimmten Aufgaben handeln.400 Mit derartigen Zuweisungen werden in der Regel gestaltungspolitische Ziele des Landes verfolgt.401 Diese vom Landesgesetzgeber vorgegebene Zweckbindung und die von der Exekutive kontrollierte Verwendung der Zuweisungen verleihen den bezuschussten Einrichtungen eine überörtliche Bedeutung und Versorgungsfunktion. Bezüglich der Auswirkungen auf die Rechtfertigung von Auswärtigenzuschlägen muss beim Institut der Zweckzuweisung zwischen Investitionshilfen und laufenden Zahlungen differenziert werden. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Rechtfertigungsfähigkeit von Auswärtigenzuschlägen kann sich kein anderes Ergebnis ergeben als für die zweckgebundenen Zuweisungen außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs: Sofern die öffentliche Einrichtung eine überörtliche Funktion hat, stellen laufende Zweckzuweisungen einen hinreichenden Ausgleich für die Nutzung durch Auswärtige dar, so dass den Rechtfertigungsgründen die sachliche Grundlage entzogen ist. Wenn sich die Zweckzuweisung jedoch nur auf eine einmalige Investitionshilfe bezieht und die Kommune die laufenden Kosten alleine zu tragen hat, können Auswärtigenzuschläge mit den einschlägigen Gründen gerechtfertigt werden. d) Einwirkung grundrechtlicher Rechtspositionen Die Rechtfertigungsanforderungen würden sich erhöhen, wenn Auswärtige einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf die Benutzung der kommunalen Einrichtung hätten. Im Folgenden wird untersucht, ob Nichteinwohnern ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf die Benutzung von kommunalen Einrichtungen zusteht und welche Auswirkungen ein solches Recht auf die Rechtfertigungsfähigkeit von Auswärtigenzuschlägen entfaltet. aa) Verfassungsrechtlicher Benutzungsanspruch der Auswärtigen Der Anspruch der Nichteinwohner auf die Benutzung von kommunalen Einrichtungen kann sich aus den Grundrechten in ihrer Funktion als Teilhaberechte ergeben: Der verfassungsrechtliche Umfang der Freiheitsrechte erschöpft sich nicht in deren Abwehrfunktion, sondern erstreckt sich in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz auch auf ein Teilhaberecht an staatlichen Leistungen.402 Aus dem grundrechtlichen Teilhaberecht kann sich auch bei kommunalen Einrichtungen ein Benutzungsanspruch ergeben403 – insbesondere, wenn der Staat „ein faktisches, nicht 400

Waechter, Kommunalrecht, Rn. 245. Beispielhaft genannt seien die Zweckzuweisungen im Abschnitt IV des FAG SchleswigHolstein: Zweckzuweisungen werden danach für Theater und Orchester (§ 21 FAG) oder das Büchereiwesen (§ 24 FAG) vergeben. 402 BVerfGE 33, 303 (330 ff.); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. Vor Art. 1, Rn. 8; Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 22000, § 112, Rn. 21 ff., 66 ff.; Stern, in: Stern/Sachs, Staatsrecht III/1, S. 700 ff. 403 Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 22000, § 112, Rn. 75. 401

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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beliebig aufgebbares Monopol für sich in Anspruch genommen hat“404. Die rechtliche Grundlage eines Teilhaberechts ist abhängig vom Leistungsangebot der kommunalen Einrichtung: Je nach Einrichtungsart kommen auf kommunaler Ebene die Art. 5 GG, Art. 12 GG und Art. 2 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht. Ein Benutzungsanspruch Auswärtiger lässt sich aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 GG für Bibliotheken als Informationsquellen,405 aus Art. 12 Abs. 1 GG für berufsbildende Einrichtungen,406 sowie aus Art. 2 Abs. 1 GG für Kultur- und Freizeiteinrichtungen herleiten.407 Im Hinblick auf die Annahme einer Monopolstellung ergeben sich bei kommunalen Einrichtungen jedoch gewisse Bedenken: Im Zusammenhang mit einer nutzenorientierten Gebührenbemessung wurde bereits aufgezeigt, dass kommunale Einrichtungen oftmals mit ihrem Leistungsangebot in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten.408 Sofern kommunale Einrichtungen marktgängige Leistungen – wie beispielsweise Volks- oder Musikschulen – anbieten, kann im Allgemeinen nicht von einer Monopolstellung ausgegangen werden. Darüber hinaus sind bei der Beurteilung einer Monopolstellung auch die Einrichtungen der umliegenden Kommunen einzubeziehen. Monopolcharakter kann eine kommunale Einrichtung nur haben, wenn eine vergleichbare kommunale Leistung in einem gewissen Umkreis nicht angeboten wird. Damit scheiden solche Einrichtungen aus, die üblicherweise – wie beispielsweise Büchereien und Kindergärten – in einer Durchschnittskommune vorhanden sind. Das Zusammentreffen von Teilhaberechten und einer Monopolstellung kann bei kommunalen Einrichtungen in der Regel nur im Bereich der kulturellen Einrichtungen bejaht werden: Derartige Einrichtungen müssen sich üblicherweise keiner Konkurrenz von Privaten erwehren und sind nur in zumeist größeren Kommunen vorhanden. Die Teilhaberechte der Nichteinwohner führen bei solchen Monopoleinrichtungen zu einem verfassungsrechtlichen Benutzungsanspruch. Die grundsätzliche Bejahung eines Teilhaberechts steht jedoch unter dem Vorbehalt einer möglichen Einschränkbarkeit, denn auch Beschränkungen des Teilhaberechts sind zulässig, sofern eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung gegeben ist.409 Es stellt sich daher die Frage, ob die Begrenzung des Benutzungsrechts auf Einheimische als Beschränkung des Teilhaberechts der Auswärtigen gerechtfertigt ist.

404

BVerfGE 33, 303 (331 f.). T. Schmidt, DÖV 2002, 696 (697). 406 Darunter fallen auch berufsbildende Kurse anbietende Volkshochschulen: Manssen, in: MKS, GGK I, Art. 12, Rn. 63; T. Schmidt, DÖV 2002, 696 (697). 407 Kunig, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 2, Rn. 18. 408 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (1), (a), (bb), a), bb). 409 Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 22000, § 112, Rn. 75. 405

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Vielfach wird ein Ausschluss Auswärtiger für zulässig erachtet, da nur Einwohner einen gesetzlichen Nutzungsanspruch hätten.410 Der gesetzlich geregelte Einwohneranspruch stellt jedoch noch keinen sachlichen Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung Auswärtiger dar und rechtfertigt folglich auch nicht eine Beschränkung des Teilhaberechts der Nichteinwohner. Das zentrale Argument für die gesetzliche Statuierung des Nutzungsanspruchs der Einwohner, nämlich deren Beteiligung an den Lasten der die öffentliche Einrichtung tragenden Kommune,411 lässt sich jedoch auch als Rechtfertigungsgrund für den Ausschluss Auswärtiger in Stellung bringen: Bei den regelmäßig nicht kostendeckend betriebenen öffentlichen Einrichtungen tragen die Einwohner größere Finanzierungslasten als Nichteinwohner, denn sie finanzieren die Einrichtung sowohl unmittelbar mit den Benutzungsgebühren als auch mittelbar über ihre sonstigen Steuer- und Abgabenzahlungen in den Gemeindehaushalt, welcher das Defizit der öffentlichen Einrichtungen ausgleicht.412 Nach verbreiteter Ansicht rechtfertigt diese über die Benutzungsgebühr hinausgehende Lastentragung der Einwohner die Beschränkung des Teilhaberechts der Auswärtigen.413 Diese Argumentation erscheint bei chronisch defizitären Einrichtungen überzeugend,414 verliert jedoch ihre Plausibilität, sofern die Auswärtigen eine kostendeckende Gebühr entrichten.415 Die fehlende Beteiligung der Auswärtigen an den Gemeindelasten ist deshalb kein grundsätzlich einschlägiger Rechtfertigungsgrund für einen Ausschluss von Auswärtigen. Ein allgemeingültigeres Argument als die finanzielle Lastentragung ergibt sich aus dem Wesen der kommunalen Einrichtung als Instrument der Selbstversorgung: Kommunen betreiben ihre Einrichtungen grundsätzlich nur zur Versorgung der eigenen Einwohner.416 Die öffentliche Einrichtung wird damit zum Teil der „kommunalen Identität“417, welche von der Kommune für die Einwohner betrieben und von den Einwohner als Solidargemeinschaft getragen wird. Dieses abgeschlossene Versorgungssystem rechtfertigt es, die Teilhabe an den Leistungen der kommunalen Gemeinschaft auf deren Mitglieder – die Einwohner – zu beschränken. Der Ausschluss Auswärtiger von der Benutzung einer kommunalen Einrichtung ist somit eine gerechtfertigte Beschränkung des Teilhaberechts der Nichteinwohner. Dies gilt jedoch nur solange die Einrichtung nicht über die Selbstverwaltung hinaus eine überregionale Versorgungsfunktion innehat. Sofern die Kommune eine zentrale 410

Pappermann, VR 1981, 84 (88); Schmid, ZKF 1980, 21 (22); Dahmen, KStZ 1978, 228 (229); Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (295); H.-J. Schmidt, DÖV 1963, 217. 411 Burgi, Kommunalrecht, § 16, Rn. 22; Wellkamp, Der Städtetag 2000, 27 (28). 412 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (1), (b), (aa), b). 413 Mann, in: Mann/Püttner, HdkWP I, § 17, Rn. 21 f.; Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, S. 132; Püttner/Lingemann, JA 1984, 121 (123); Schmid, ZKF 1980, 21 (22); Dahmen, KStZ 1978, 228 (229); H.-J. Schmidt, DÖV 1963, 217. 414 Mann, in: Mann/Püttner, HdkWP I, § 17, Rn. 23. 415 T. Schmidt, DÖV 2002, 696 (698); Axer, NVwZ 1996, 114 (115). 416 Püttner/Lingemann, JA 1984, 121 (123); Dahmen, KStZ 1978, 228 (229). 417 Burgi, Kommunalrecht, § 16, Rn. 22.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Funktion übernimmt und entsprechende (Ausgleichs-)Zahlungen erhält, ergibt sich daraus eine überörtliche Widmung ihrer Einrichtungen, so dass das Teilhaberecht der Auswärtigen nicht mehr aufgrund deren Eigenschaft als Nichteinwohner beschränkbar ist.418 Eine überörtliche Versorgungsfunktion kann sich sowohl aus der Einbindung in kommunale Organisations- und Kooperationsformen als auch aus der Qualifizierung als „zentraler Ort“ im kommunalen Finanzausgleich ergeben. Üblicherweise werden Einrichtungen mit einer zentralen Versorgungsfunktion auch eine Monopolstellung in ihrem Versorgungsgebiet haben. In diesen Fällen besteht ausnahmsweise ein verfassungsrechtlicher Teilhabeanspruch der Auswärtigen auf Nutzung der kommunalen Einrichtungen. bb) Auswirkungen eines verfassungsrechtlichen Benutzungsanspruchs Zu untersuchen sind die Auswirkungen des ausnahmsweise bestehenden Teilhaberechts der Auswärtigen auf die Rechtfertigung von Auswärtigenzuschlägen. Ein aufgrund der überörtlichen Funktion bestehendes Teilhaberecht geht üblicherweise einher mit finanziellen Umlandsverflechtungen, deren Existenz schon zu einer sachlichen Unrichtigkeit der auf die „Kostenrisikoberücksichtigung“ und „Abschreckung“ gerichteten Rechtfertigungsgründe führt.419 Daneben stellt sich jedoch die Grundsatzfrage nach der generellen Auswirkung des verfassungsrechtlichen Teilhaberechts auf die eben genannten Gründe für die Rechtfertigung von Auswärtigenzuschlägen. Grundsätzlich ergibt sich aus einem Teilhaberecht kein Anspruch auf eine kostenlose öffentliche Leistung,420 so dass eine Gebührenerhebung mit dem Nutzungsanspruch der Auswärtigen kompatibel ist. Darüber hinaus stehen Teilhaberechte auch nicht einer Benachteiligung in Form eines Auswärtigenzuschlags entgegen, denn sie führen nicht zur sachlichen Unrichtigkeit der zulässigen Rechtfertigungsgründe: Im Hinblick auf das Kostenrisiko bleibt festzuhalten, dass ein Teilhaberecht ohne finanzielle Umlandsverflechtungen das Kostenrisiko der öffentlichen Einrichtungen nicht ausgleicht, sondern es bei der Kommune belässt, so dass dieser Rechtfertigungsgrund fortbesteht. Im Gegensatz dazu scheinen das Teilhaberecht der Auswärtigen und der Rechtfertigungsgrund einer Abschreckung der Auswärtigen sich gegenseitig auszuschließen. In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass das Teilhaberecht der Auswärtigen nicht den vorrangigen Nutzungsanspruch der Einwohner zurückdrängt. Die Kommunen bleiben primär dazu verpflichtet, ihren Einwohnern eine Benutzung

418

Bartels, Die rechtliche Ordnung der Benutzung öffentlicher Einrichtungen, S. 173 ff.; T Schmidt, DÖV 2002, 696 (698); Axer, NVwZ 1996, 114 (115); Schmid, ZKF 1980, 21 (22); Ossenbühl, DVBl. 1973, 289 (296). 419 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (1), (b), (cc), a) und c). 420 BVerwGE 134, 1 (8); 102, 142 (146 f.); 115, 32 (37 ff.).

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

der örtlichen Einrichtungen zu ermöglichen.421 Der Abschreckungsaufschlag ist insoweit ein zulässiges Mittel, um eine dauerhafte Kapazitätsüberlastung durch auswärtige Benutzer zu verhindern.422 Bestehende Teilhaberechte führen somit nicht zur sachlichen Unrichtigkeit dieses Rechtfertigungsgrunds, vielmehr rechtfertigt die Kapazitätssicherung auch die Belastung des Teilhaberechts mit einem Auswärtigenzuschlag. Teilhaberechte berühren somit nicht die sachliche Richtigkeit der Rechtfertigungsgründe und stehen der Erhebung eines Auswärtigenzuschlags folglich nicht entgegen. Allerdings begrenzen Teilhaberechte die Höhe des Auswärtigenaufschlags: Nach der Rechtsprechung ist ein Teilhaberecht verletzt, wenn eine Gebühr eine unüberwindbare Hürde für die Benutzung der öffentlichen Einrichtung darstellt.423 Diese Vorgabe wird bereits durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinreichend berücksichtigt. cc) Ergebnis Nichteinwohnern steht ein verfassungsrechtliches Teilhaberecht nur bei kommunalen Einrichtungen mit überörtlicher Funktion zu. Die Rechtfertigungsfähigkeit von Auswärtigenzuschlägen wird durch Teilhaberechte jedoch nicht grundsätzlich beeinträchtigt. Auswirkungen haben die Teilhaberechte nur auf die Höhe des Aufschlags, welcher keine unüberwindbare Hürde für die Benutzung der öffentlichen Einrichtung darstellen darf. Die praktische Bedeutung der Teilhaberechte im Hinblick auf die Rechtfertigungsfähigkeit von Auswärtigenzuschlägen ist als gering einzuschätzen, da die überörtliche Versorgungsfunktion einer Kommune bzw. deren Einrichtungen regelmäßig mit finanziellen Verflechtungen in Form von Ausgleichzahlungen und speziellen Zuweisungen einhergeht, welche bereits die Rechtfertigung von Auswärtigenzuschlägen ausschließen. (c) Ergebnis Auswärtigenzuschläge sind ein zum Ausgleich des kommunalen Kostenrisikos oder zur Sicherung der Benutzungsmöglichkeiten der Einheimischen rechtfertigungsfähiges und damit grundsätzlich verfassungsmäßiges Instrument der Einheimischenprivilegierung. Die Zuschlagshöhe kann bis zu 100 % der am Nutzwert oder anhand der Kostendeckung bemessenen Gebührenhöhe betragen. Ausnahmen ergeben sich jedoch, wenn die erhebende Kommune mit ihrer öffentlichen Einrichtung eine überörtliche Funktion ausübt und dafür einen finanziellen Ausgleich erhält: Derartige Finanzverflechtungen können sich aus der Zugehörigkeit zu bestimmten Organisations- und Kooperationsformen, der überörtlichen Förderung einer öffentlichen Einrichtung mit laufenden Zuweisungen oder dem Erhalt von speziellen 421 Bartels, Die rechtliche Ordnung der Benutzung öffentlicher Einrichtungen, S. 172; Roth, Die kommunalen öffentlichen Einrichtungen, S. 133. 422 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (1), (b), (aa), d). 423 BVerwGE 134, 1 (8).

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Zuweisungen für eine zentralörtliche Funktion im kommunalen Finanzausgleich ergeben. Diese Ausnahmefälle dürften für größere Kommunen den Regelfall darstellen, denn umso einwohnerstärker eine Kommune ist, desto eher wird sie eine überörtliche Versorgungsfunktion haben und die eine Rechtfertigung von Auswärtigenzuschlägen ausschließenden Ausgleichszahlungen erhalten. In der Praxis können somit insbesondere die kleineren Kommunen auf das Instrument des Auswärtigenzuschlags zurückgreifen. (2) Die Rechtfertigung von Einheimischenabschlägen Beim Einheimischenabschlag subventionieren Kommunen die Gebühren ihrer Einwohner für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen, während die Auswärtigen kostendeckende Benutzungsgebühren zahlen müssen, so dass der Schwerpunkt der Ungleichbehandlung auf der Bevorteilung der Einwohner liegt. Zu untersuchen ist, ob die Erhebung von kostenunterdeckenden Gebühren zulässig ist und inwieweit die in der einseitigen Subventionierung der Einheimischen liegende Ungleichbehandlung zu rechtfertigen ist. (a) (Gebührenrechtliche) Rechtfertigung einer nicht kostendeckenden Gebühr Die Erhebung von nicht kostendeckenden Gebühren erfordert einen Ausgleich des daraus resultierenden Fehlbetrags mit allgemeinen Haushaltsmitteln der Kommune. Im Hinblick auf eine derart geplante Finanzierungslücke beim Betrieb einer öffentlichen Einrichtung stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit einer solchen Gebührengestaltung mit den gebührenrechtlichen Prinzipien der Kostendeckung sowie der Äquivalenz. (aa) Vereinbarkeit mit dem Kostendeckungsgebot Das Kostendeckungsprinzip verbietet nicht nur kostenüberschreitende Gebühren, sondern statuiert auch eine Untergrenze, indem es die Erhebung von kostendeckenden Gebühren gebietet.424 Im Hinblick auf die fehlende Verankerung des Kostendeckungsprinzips im Grundgesetz entfaltet auch das Gebot der Kostendeckung keine verfassungsrechtliche Wirkung.425 In den Kommunalabgabegesetzen einiger Länder finden sich jedoch einfachgesetzliche Kostendeckungsgebote, wonach Gebühren derart zu erheben sind, dass das Aufkommen die voraussichtlichen Kosten deckt.426 Allerdings entfalten diese „soll“- oder „in der Regel“-Vorschriften 424 Schulte/Wiesemann, in: Driehaus, KAG, § 6, Rn. 22, die das Kostendeckungsgebot als „zweite Alternative“ des Kostendeckungsprinzips bezeichnen; Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, S. 165; Schmid, ZKF 2003, 26 (27). 425 BVerfGE 50, 217 (226); Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, S. 111; weitere Nachweise unter: 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (1), (a), (aa), a). 426 Siehe beispielsweise: 10 Abs. 2 S. 2 KAG Hessen, § 11 Abs. 2, S. 1 KAG Thürigen; § 6 Abs. 1, S. 2 KAG Brandenburg, § 6 Abs. 1, S. 2 KAG Mecklenburg-Vorpommern.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

nur eine begrenzte Wirkung, welche zudem noch durch Abweichungsmöglichkeiten aus „öffentlichen Interesse“427 oder auch nur aus „sachlichen Anlass“428 geschmälert wird. Daher verpflichten weder das Kostendeckungsgebot als Prinzip noch seine gesetzlichen Ausgestaltungen zur Erhebung einer kostendeckenden Mindestgebühr.429 Ein gesetzlicher Zwang zur kostendeckenden Gebührenerhebung wäre auch nicht mit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, welche gem. Art. 28 Abs. 2 GG die Entscheidungsfreiheit der Kommunen als Trägerinnen der öffentlichen Einrichtungen schützt, zu vereinbaren: Im Gegensatz zum Kostenüberschreitungsverbot schützt das Deckungsgebot nicht die Gebührenschuldner vor überhöhten Gebühren, sondern die Gebührengläubiger vor einer Kostenunterdeckung der öffentlichen Einrichtungen.430 Die Kommunen müssen jedoch nicht „vor sich selbst“ geschützt werden. Vielmehr würde eine solche Interpretation der Kostendeckungsgebote unverhältnismäßig in die kommunale Selbstverwaltungshoheit eingreifen. Es gehört zum politischen Gestaltungsspielraum einer demokratisch legitimierten Kommunalvertretung, ob und inwiefern sie für die Benutzung bestimmter Einrichtungen keine kostendeckenden Gebühren erheben und einen Ausgleich mit allgemeinen Haushaltsmitteln vornehmen möchte. Im Einzelfall können auch die Grundrechte der Einwohner und das Sozialstaatsprinzip eine kostenunterdeckende Gebührenerhebung erfordern.431 Im Ergebnis bleibt somit festzustellen, dass die Erhebung von kostenunterdeckenden Gebühren mit dem gebührenrechtlichen Kostendeckungsprinzip vereinbar ist. (bb) Äquivalenzprinzip Das in den Kommunalabgabegesetzen verankerte Äquivalenzprinzip orientiert sich an einem angemessenen Verhältnis zwischen der Gebührenhöhe und dem Wert der Leistung, wobei eine Verletzung erst beim Vorliegen eines groben Missverhältnisses angenommen wird.432 Während die von den Auswärtigen zu zahlende kosten- oder wertorientierte „Normalgebühr“ dem Äquivalenzprinzip entspricht, wird die Einheimischengebühr von der Kommune subventioniert, so dass der Wert der öffentlichen Leistung höher ist als die tatsächlich zu entrichtende Gebühr. Aufgrund des beim Einheimischenabschlag regelmäßig vorliegenden Missverhältnisses zwischen der reduzierten Gebühr und der öffentlichen Gegenleistung stellt sich in Bezug auf das Äquivalenzprinzip die Frage, ob das ihm innewohnende 427 Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 425; siehe beispielsweise 10 Abs. 4 KAG Hessen. 428 Schulte/Westermann, in: Driehaus, KAG, § 6, Rn. 23. 429 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 99; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 293. 430 Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 419. 431 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 99; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof , HStR VIII, 3 2009, § 119, Rn. 23; Friedl, KStZ 2001, 41. 432 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (1), (a), (aa), b).

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Verhältnismäßigkeitsgebot eine Mindestgebührenhöhe erfordert. Die Zubilligung dieser Wirkung würde jedoch zur systemwidrigen Gleichsetzung von Äquivalenzprinzip und Kostendeckungsgebot führen. Im Unterschied zum Kostendeckungsgebot entfaltet das Äquivalenzprinzip nur eine den Gebührengläubiger schützende Wirkung gegen Gebührenüberhöhungen, während wertunterschreitende Gebühren grundsätzlich mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar sind.433 Das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip schützt den Bürger somit vor der Auferlegung zu hoher Gebühren,434 legt jedoch keine „Untergrenze für die Abgabenhöhe“435 im Sinne einer zu erhebenden Mindestgebühr fest. Die Erhebung einer unter dem Gegenleistungswert liegenden Gebühr beim Einheimischenabschlag verstößt somit nicht gegen das Äquivalenzprinzip. (cc) Vereinbarkeit mit dem staatlichen Schenkungsverbot Bei der Frage nach der rechtfertigungsfähigen Abschlagshöhe ist von besonderem Interesse, ob beim Einheimischenabschlag auch der staatliche Verzicht auf eine Gebührenerhebung verfassungsrechtlich zulässig wäre. Aus dem Grundgesetz lässt sich ein absolut geltendes Schenkungsverbot, welches einer unentgeltlichen Gewährung von öffentlichen Leistungen entgegenstehen würde, nicht herleiten.436 Zum Teil wird jedoch aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ein „relatives Schenkungsverbot“437 abgeleitet, wonach dem Staat die unentgeltliche Gewährung von Staatsleistungen an Private verwehrt sei, sofern nicht legitime öffentliche Aufgaben und Ziele verfolgt würden.438 Aufgrund dieser Anknüpfung an öffentliche Aufgaben entfaltet die Theorie vom relativen Schenkungsverbot im Bereich der öffentlichen Leistungen praktisch keine Wirkung, da sich Leistungen an die Allgemeinheit regelmäßig mit Allgemeinwohlzielen begründen lassen.439 Auch wenn aus staatspolitischer Sicht ein Verbot von unsinnigen Staatsleistungen wünschenswert erscheint, lässt sich aus dem Grundgesetz kein Prinzip entnehmen, „wonach öffentliche Leistungen grundsätzlich gebührenpflichtig zu sein hätten und Gebührenfreiheit nur ausnahmsweise gewährt 433

BVerfGE 97, 332 (346); BVerwGE 104, 60; VGH BW, NVwZ-RR 1997, 620 (621); Helbig, in: Sacksofsky/Wieland, Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 85. (91); Gern, VBlBW 1996, 201 (202); Rüttgers, KStZ 1979, 125 (127). 434 Kloepfer, AöR 97 (1972), 233 (253). 435 Gern, VBlBW 1996, 201 (202). 436 BVerwG 13, 214 (221); Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 157; Hansmeyer/ Fürst, Die Gebühren, S. 43; F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 57; P. Kirchhof, in: Isensee/ Kirchhof , HStR V, 32007, § 119, Rn. 51. 437 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 59. 438 BGHZ 47, 30 (31, 39 f.); DVBl. 1979, 778 (779); Fromm, BB 1971, 99 (100). 439 Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 156; ähnlich: F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 59 f.; das BVerfG (E 12, 354 (364) sieht bei der Veräußerung von öffentlichem Vermögen eine „aus dem Dienst am Gemeinwohl folgende selbstverständliche Verpflichtung, […] einen angemessenen Preis zu erstreben“, erlaubt aber bei der Verfolgung von besonderen Zielen eine Abweichung vom Marktpreis.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

werden würde“440. Vielmehr schützt das Demokratieprinzip den weiten Gestaltungsspielraum des demokratisch legitimierten Gebührenregelungsgebers und damit auch die (politische) Entscheidung, ob und inwiefern die Kosten für eine öffentliche Leistung durch Gebühren oder allgemeine Haushaltsmittel finanziert werden.441 Eine besondere Rechtfertigungspflicht ergibt sich dabei nur aus dem allgemeinen Gleichheitssatz, wenn die unentgeltliche Leistung nicht der Allgemeinheit, sondern nur einer bestimmten Personengruppe gewährt wird.442 Ein „Einheimischenabschlag auf null“ ist folglich möglich, sofern ein sachlicher Rechtfertigungsgrund für die Gewährung der unentgeltlichen Leistung an die Einwohner vorliegt. (b) Rechtfertigungsgründe für die Einwohnerprivilegierung Beim Einheimischenabschlag kommen als Rechtfertigungsgründe für die Einwohnersubventionierung die kommunalen Anliegen eines gerechten Lastenausgleichs, die Sicherstellung einer sozialverträglichen Benutzbarkeit sowie der Einwohnerbindung und -gewinnung im Standortwettbewerb in Betracht. (aa) Berücksichtigung der allgemeinen Lastentragung der Einwohner In den USA wird die finanzielle Benachteiligung von Auswärtigen mit deren fehlender Beteiligung an der Staatsfinanzierung gerechtfertigt.443 Übertragen auf den Einheimischenabschlag stellt sich daher die Frage, ob eine mit allgemeinen Haushaltsmitteln subventionierte Gebührenermäßigung für Einheimische auch mit deren Beteiligung an der Finanzierung des Gemeindehaushalts – und damit indirekt der kommunalen Einrichtungen –gerechtfertigt werden kann. Eine spezielle Lastentragungspflicht der Einwohner kann sich bereits aus den Gemeindeordnungen ergeben.444 Beispielhaft dafür ist § 18 Abs. 1 der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein: „Alle Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde sind im Rahmen der bestehenden Vorschriften berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen. Sie sind verpflichtet, die Lasten zu tragen, die sich aus ihrer Zugehörigkeit zu der Gemeinde ergeben.“

440

Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 155. BVerwG 13, 214 (221); Hansmeyer/Fürst, Die Gebühren, S. 43. 442 P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof , HStR V, 32007, § 119, Rn. 51; auch wenn Realleistungen an natürliche Personen wohl nicht unter den allgemeinen Subventionsbegriff fallen (Frotscher/Kramer, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 302) bestehen insoweit Parallelen zu den Anforderungen an die Verwaltung bei der Subventionsvergabe (Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 308). 443 2. Kap., B., II., 3., a). 444 Siehe auch: § 20 Abs. 1 GO Hessen, Art. 21 Abs. 1 GO Bayern. 441

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Im Allgemeinen finanzieren die Einwohner mit ihren Steuern – 15 % der Einkommensteuer fließen an die Wohnsitzkommune445– unmittelbar den Gemeindehaushalt und damit mittelbar den daraus gewährten Zuschuss an die öffentliche Einrichtung. Der Einkommensteueranteil stellt die „ertragreichste und damit eine zentrale Stütze des gemeindlichen primären Finanzausgleichssystems“446 dar und soll die Beziehung zwischen den „Steuerpflichtigen und „ihrer“ Gemeinde“447 stärken. Auswärtige sind hingegen nur mit ihren Benutzungsgebühren an der Finanzierung der öffentlichen Einrichtung beteiligt. Die Gegenleistungslosigkeit der Steuer ändert nichts an dem Umstand, dass die Einwohner mit ihren Steuerzahlungen den allgemeinen Kommunalhaushalt und damit auch die öffentlichen Einrichtungen finanzieren.448 Die alleinige Subventionierung der Einheimischengebühren ist deshalb Ausdruck einer gerechten Lastentragung zwischen Einheimischen und Auswärtigen.449 Die Beschränkung der Subventionierung auf Einheimische bewegt sich zudem im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, denn der Betrieb einer öffentlichen Einrichtung fällt als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG.450 Die Entscheidung der Kommune, Subventionierungen aus Haushaltsmitteln auf die Einwohner zu beschränken, ist dabei Ausdruck der kommunalen Finanzhoheit, welche sich aus der Selbstverwaltungsgarantie ergibt.451 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Finanzierungsleistungen der Einwohner einen sachlichen Rechtfertigungsgrund für die ungleiche Subventionierung beim Einheimischenabschlag darstellen.452 (bb) Instrument im Standortwettbewerb Ähnlich wie der Auswärtigenzuschlag lässt sich auch der Einheimischenabschlag als Lenkungsmittel zur Einwohnergewinnung im interkommunalen Standortwettbewerb begründen. Die Einwohnerzahl ist von entscheidender Bedeutung für die Einnahmen der kommunalen Haushalte und führt in Zeiten des demographischen Wandels zu einem verstärkten Wettbewerb der Kommunen um neue Einwohner.453 445 § 1 Gemeindefinanzreformreformgesetz; Bundesministerium der Finanzen, Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer in der Gemeindefinanzreform, S. 5. 446 Hidien, in: BK, Art. 106, Rn. 1019. 447 Heintzen, in: Münch/Kunig, GGK II, Art. 106, Rn. 46. 448 Dies verkennt Trzaskalik, in: FS Selmer, S. 947 (949). 449 Teilweise wird übersehen, dass es sich um die Rechtfertigung einer Subventionierung handelt. Stattdessen wird die Rechtfertigung einer höheren Auswärtigengebühr untersucht und mangels Sachnähe zwischen der Beteiligung an den Gemeinlasten und der gebührenmäßigen Benachteiligung abgelehnt: VGH BW, NVwZ 1997, 620 (621 f.); Behr, LKV 2005, 104 (105). 450 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 28, Rn. 13. 451 BVerwGE 104, 60 (66); Löwer, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 28, Rn. 107; Gern, VBlBW 1996, 996; Rüttgers, KStZ 1979, 125 (128). 452 In diesem Sinne auch: BVerwGE 104, 60 (66); VG Braunschweig, NVwZ-RR 2009, 934 (935); VG Trier, KStZ 1979, 50 (51); Kellermann, BayVBl. 2003, 712 (714); Rüttgers, KStZ 1979, 125 (126, 128); Dahmen, KStZ 1978, 228 (229); Ossenbühl, DVBl 1973, 289 (295). 453 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (1), (a), (aa), c).

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Die Ausführungen zum Standortwettbewerb als Rechtfertigungsgrund für einen Auswärtigenzuschlag sind insoweit auf den Einheimischenabschlag übertragbar, da eine Kommune ihre Attraktivität auch durch Vergünstigungen für die eigenen Einwohner steigern kann, so dass auch Gebührenabschläge als ein geeignetes Mittel im Wettbewerb um neue Einwohner zu qualifizieren sind. Allerdings könnte die in diesem Rechtfertigungsgrund enthaltene Gefahr einer Unterbietungsspirale bei der Gebührenermäßigung – ein gebührenrechtliches „race to the bottom“ – auf ein unzulässiges Mittel im Standortwettbewerb hindeuten. In Anbetracht des Umstands, dass auf kommunaler Ebene keinerlei Regelungen oder Vereinbarungen über die Zulässigkeit von Maßnahmen im Standortwettbewerb um Einwohner bestehen, kann zur Orientierung nur auf die internationalen Verhaltensregeln abgestellt werden, welche sich die Mitgliedstaaten der EU und der OECD zur Vermeidung eines schädlichen Steuersenkungswettbewerbs um die Ansiedlung von Unternehmen auferlegt haben: Bereits 1997 hat der Rat der Europäischen Union einen an die Mitgliedstaaten gerichteten Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung entwickelt.454 Ein Jahr später veröffentlichte die OECD ihre Studie „Harmful Tax Competition“, in der die Elemente und Instrumente eines schädlichen Steuerwettbewerbs dargestellt werden.455 Natürlich entfalten weder die Analyse der OECD noch der Verhaltenskodex der EU eine rechtliche Wirkung auf die kommunale Selbstverwaltungshoheit. Allerdings lassen sich diese internationalen Verhaltensregeln als Leitgedanken für die Bewertung des Einheimischenabschlags als Instrument im kommunalen Standortwettbewerb heranziehen.456 Grundsätzlich kann es auch beim Einheimischenabschlag zu einem „race to the bottom“ in Form einer „Gebührenermäßigungsspirale“ kommen. Nach Ansicht von OECD und EU stellt aber lediglich die Privilegierung von Auswärtigen ein schädliches Mittel im Steuerwettbewerb dar.457 Einheimischenabschläge entfalten jedoch keine auf Auswärtige oder zeitnah hinzugezogene Neueinwohner beschränkte Wirkung. Vielmehr privilegieren Einheimischenabschläge sämtliche Einwohner und stellen nach Maßgabe der allgemeinen Verhaltensgrundsätze im internationalen Steuerwettbewerb kein unlauteres Wettbewerbsmittel dar. Selbst ein Einheimischenabschlag „auf null“ wäre ein zulässiges Mittel im Sinne des „code of conducts“. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass Einheimischenabschläge auch als Lenkungsmittel im Standortwettbewerb gerechtfertigt werden können.

454

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 01. 12. 1997, 98/C 2/01; dazu: Gerken/Märkt/Schick, Internationaler Steuerwettbewerb, S. 197 ff. 455 OECD, Harmful Tax Competition – An Emerging Global Issue; Gerken/Märkt/Schick, Internationaler Steuerwettbewerb, S. 200 ff. 456 Dies für den Steuerwettbewerb zwischen deutschen Ländern annehmend: Waldhoff, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 32007, § 116, Rn. 171; Hey, FS Solms, S. 35 (39). 457 Siehe B. 1. des Verhaltenskodex der EU, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 01. 12. 1997, 98/C 2/01; OECD, „Harmful Tax Competition – An Emerging Global Issue“, S. 28.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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(cc) Sicherstellung einer sozialverträglichen Benutzbarkeit Die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung kann auf Seiten der Einwohner zu hohen Kosten führen, denn auch kostendeckende Gebühren dürften bei häufiger Benutzung zu einer erheblichen Belastung führen, welche finanzschwache Gemeindeeinwohner von einer regelmäßigen Benutzung abgehalten könnte. Es stellt sich daher die Frage, ob Einheimischenabschläge auch zur Sicherung einer sozialverträglichen Benutzbarkeit gerechtfertigt werden können. Im Allgemeinen bestehen bei einer sozial motivierten Gebührenermäßigung keine gleichheitsrechtlichen Bedenken.458 Zwingende Voraussetzung für die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung einer sozialen Gebührenermäßigung ist jedoch die finanzielle Schwäche des privilegierten Personenkreises.459 Die Einwohner einer Gemeinde können aber nicht pauschal als mittellose und sozial schwache Personengruppe bewertet werden. Eine Rechtfertigung aus sozialen Gründen scheint aber auch unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Einwohner möglich, wenn sich die sozialen Erwägungen auf die hohen finanzielle Belastungen beziehen, welche durch die regelmäßige Einrichtungsbenutzung entstehen können. Dieser Rechtfertigungsgrund basiert jedoch auf der Prämisse einer regelmäßigen Benutzung und liefert keine sachliche Grundlage für Ungleichbehandlungen bei einzelnen Nutzungen. Einheimischenabschläge benachteiligen die Auswärtigen jedoch nicht nur bei einer regelmäßigen, sondern bereits bei der einmaligen Benutzung einer Einrichtung in der Gemeinde. Aus diesem Grunde lassen sich mit der Sicherstellung einer sozialverträglichen Benutzbarkeit nur langfristige Vergünstigungen – beispielsweise Saisonkarten für ein Freibad oder einen Skilift – rechtfertigen. Für die Rechtfertigung von Einheimischenabschlägen bietet die Sozialverträglichkeit hingegen keine sachliche Grundlage. (c) Verhältnismäßigkeit Einheimischenabschläge sind aus Gründen der Lastentragung und des Standortwettbewerbs nur dann gerechtfertigt, wenn diese Rechtfertigungserwägungen in einem angemessenen Verhältnis zur finanziellen Ungleichbehandlung der Auswärtigen stehen. (aa) Berücksichtigung der allgemeinen Lastentragung Einheimischenabschläge sind ein geeignetes Instrument, um die finanziellen Vorbelastungen der Einwohner infolge der Steuerzahlungen an die Kommune abzumildern. Eine finanzielle Ungleichbehandlung ließe sich dabei nur verhindern, wenn auch die Gebühren für die Auswärtigen reduziert werden würden. Eine Erforderlichkeitsprüfung darf jedoch das von der gemeindlichen Gestaltungs- und 458 459

F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 146. F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 146.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Entscheidungsfreiheit getragene Konzept einer für die allgemeine Beteiligung an den Gemeinlasten gewährten Einheimischensubventionierung nicht übergehen und die unterschiedlichen Gebührentarife zu einer Einheitsgebühr umwandeln.460 Unter Beachtung des auf eine gerechte Lastenverteilung gerichteten Gestaltungswillens der Kommune ist ein milderes Mittel als eine Bezuschussung der Einwohner nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist der Ungleichbehandlung zwischen Einwohnern und Auswärtigen keine hohe Intensität beizumessen, denn die Auswärtigengebühr entspricht einer kostendeckenden „Normalgebühr“ und stellt damit keine schwerwiegende Benachteiligung dar. Die Begrenzung dieser Gebührensubventionierung auf Einheimische erscheint zur Herbeiführung einer gerechten Lastentragung nachvollziehbar und angemessen. Hinsichtlich der Abschlagshöhe ist der weite Gestaltungsspielraum der Kommunen zu beachten, welcher nur durch deren finanzielle Leistungsfähigkeit begrenzt wird: Eine Kommune mit unterdurchschnittlichen Einnahmen wird regelmäßig nicht zur Finanzierung von hohen Einheimischenabschlägen in der Lage sein. Im Gegensatz dazu kann eine wohlhabende Kommune, deren Finanzkraft sich aus den hohen Steuerzahlungen ihrer Einwohner ergibt, auch höhere Einheimischenabschläge zur Herbeiführung eines angemessenen Lastenausgleichs gewähren. Einheimischenabschläge können somit zur Herstellung einer gerechten Lastenverteilung gerechtfertigt werden. (bb) Standortwettbewerb Während die Rechtfertigung von Auswärtigenzuschlägen als Instrument im Standortwettbewerb an den begrenzten und insoweit für einen Wohnortwechsel nicht ausreichenden finanziellen Vorteilen für die Einheimischen scheiterte, bietet der Einheimischenabschlag den Kommunen einen weiteren Gestaltungsspielraum, um Auswärtigen durch günstigere Gebührentarife einen wirtschaftlichen Anreiz für den Umzug in die Kommune zu bieten. Insbesondere die Möglichkeit einer „Gebührenreduzierung auf null“ in Form der für Einheimische unentgeltlichen Benutzung öffentlicher Einrichtungen ist dazu geeignet, einen Wohnortwechsel in die jeweilige Kommune attraktiv erscheinen zu lassen. Ein alternatives Werbeinstrument wäre ein kommunales Begrüßungsgeld, welches Zugezogene bei ihrer Ummeldung ausgezahlt bekommen.461 Allerdings kann ein einmaliges Begrüßungsgeld in der üblichen Höhe von 100 – 150 Euro keine mit einem dauerhaften Einheimischenabschlag vergleichbare Anreizwirkung entfalten.462 Im Hinblick auf die geringe Intensität der Benachteiligung und die steigende Bedeutung der Einwohneranwerbung erscheint diese Ungleichbehandlung in Form einer verwehrten Subventionierung zudem angemessen.

460

Ähnlich: BVerwGE 104, 60 (66). Zum Konzept von Begrüßungsgeldern: Groth, NordÖR 2003, 398. 462 Zweifel bestehen zudem an der Rechtmäßigkeit von Begrüßungsgeldern: Groth, NordÖR 2003, 398 f. 461

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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(d) Ausnahmen bei Finanzierungsverflechtungen Wie beim Auswärtigenzuschlag stellt sich auch beim Einheimischenabschlag die Frage nach den Auswirkungen von interkommunalen Finanzverflechtungen auf die Rechtfertigungsgründe. Die Untersuchungsergebnisse zu den Auswärtigenzuschlägen können insoweit übertragen werden, als dass die einem Auswärtigenzuschlag nicht entgegenstehende Beteiligung an Kooperations- und Organisationsformen sowie die verfassungsrechtlichen Teilhaberechte von Auswärtigen auch auf die Rechtfertigung von Einheimischenabschlägen keine Auswirkungen haben können.463 Zu untersuchen bleibt, ob und inwieweit die Privilegierung mit einem Einheimischenabschlag ausgeschlossen ist, wenn die betreffende Kommune zugleich Ausgleichszahlungen für zentralörtliche Versorgungsfunktionen erhält.464 Das Wesen des Einheimischenabschlags als kommunale Einwohnersubventionierung ist insoweit weniger ausnahmeanfällig als der belastungsintensivere Auswärtigenzuschlag: Grundsätzlich haben Ausgleichszahlungen für eine überörtliche Versorgungsfunktion keine Auswirkungen auf die sachlichen Gründe für eine Subventionierung der Einwohner. Unabdingbare Voraussetzung ist jedoch, dass der Einheimischenabschlag aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanziert wird und nicht den Ausgleichszahlungen für eine überörtliche Versorgung entnommen wird. Die Finanzierung eines Einheimischenabschlags aus derartigen Fremdmitteln wäre nicht mit der sachlichen Grundlage der Rechtfertigungsgründe in Einklang zu bringen: Ein Gebührenabschlag könnte nicht mit der erhöhten Lastentragung der Einwohner begründet werden, wenn die Subventionsmittel aus den Zahlungen anderer Kommunen stammen würden. Zudem würde auch der Standortwettbewerb als Rechtfertigungsgrund ad absurdum geführt, sofern die umliegenden Kommunen den Einheimischenabschlag einer Nachbarkommune – als deren Standortvorteil – mit ihren Ausgleichszahlungen finanzierten. Ein auf interkommunalen Ausgleichszahlungen basierender Einheimischenabschlag würde ein wettbewerbswidriges und deshalb unzulässiges Mittel im Standortwettbewerb darstellen. Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass der Erhalt von Ausgleichszahlungen für eine überörtliche Versorgung der Rechtfertigungsfähigkeit von Einheimischenabschlägen nicht entgegensteht, solange die Subventionszahlungen nicht aus diesen Mitteln stammen.

463 Auch die vom BVerwG (E 104, 60 (67)) angedachten Ausnahmegründe einer indirekten Subventionierung der Einheimischen durch die Auswärtigen sowie einer kostendeckend oder gewinnbringend betriebenen öffentlichen Einrichtung können beim Einheimischenabschlag nicht einschlägig sein. Das auf einer kostendeckenden Auswärtigengebühr und einem Gebührenabschlag für Einheimische beruhende Konzept schließt eine Quersubventionierung ebenso aus wie eine Kostendeckung aus dem Gebührenaufkommen. 464 Zur Wirkung derartiger Zahlungen bei Auswärtigenzuschlägen: 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (1), (a), (cc).

140

3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

(e) Ergebnis Einheimischenabschläge bis zu einer Höhe von 100 % sind aus Gründen der gerechten Lastentragung und als Instrument im kommunalen Standortwettbewerb rechtfertigungsfähig. Dies gilt jedoch unter der Bedingung, dass die Bezuschussung der Einwohner aus allgemeinen Haushaltsmitteln erfolgen muss und nicht aus Ausgleichszahlungen für überörtliche Versorgungsleistungen stammen darf. bb) Rechtfertigung von Einheimischenmodellen Die Rechtfertigung von Einheimischenmodellen beinhaltet sowohl die Frage nach der Rechtfertigung einer wohnsitzabhängigen als auch einer mindestaufenthaltszeitabhängigen Ungleichbehandlung. (1) Rechtfertigung des vergünstigten Gründstückserwerbs Mit Einheimischenmodellen ermöglichen Kommunen ihren Einwohnern den Erwerb von Grundstücken zu bezahlbaren Konditionen. Ziel derartiger Einheimischenmodelle ist grundsätzlich der Schutz der finanzschwachen Einwohner vor einer Verdrängung aus der Gemeinde. Sofern es sich um eine Gemeinde in einer Fremdenverkehrsregion handelt, können Einheimischenmodelle auch einem kommunalen Selbstschutz gegen den Verlust einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung dienen. (a) Schutz der Einwohner vor Verdrängung Die starke Baulandnachfrage durch auswärtige Interessenten kann die Grundstückspreise in attraktiv gelegenen Kommunen auf ein für die einheimische Bevölkerung nicht mehr bezahlbares Preisniveau heben. Diese Entwicklung trifft insbesondere die junge Gemeindebevölkerung, die im familiengründungsfähigen Alter typischerweise nach Eigenheimen strebt und aufgrund des Preisanstiegs in Orte mit bezahlbaren Bauland verdrängt wird.465 Die unter einem äußeren Siedlungsdruck leidenden Gemeinden verlieren damit nicht nur den jüngeren Teil ihrer Einwohner, sondern auch deren Engagement für die Gemeinschaftsinstitutionen wie beispielsweise die Feuerwehr. Bei einer derartigen Verdrängungsgefahr stellt sich die Frage, ob die finanzielle Förderung von einkommensschwachen Einwohnern zur Erlangung von Wohneigentum ein legitimes Ziel darstellt. In der Bauleitplanung sind nach § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB „die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung“ zu berücksichtigen. Die Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung ist gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB zudem ein zulässiger Gegenstand von städtebaulichen Verträgen.466 Darüber hinaus fällt die Sicherung von Wohnraum für fi465 466

BVerwGE 92, 56 (60). BGHZ 153, 93 (96).

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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nanzschwache Einwohner unter den Schutz der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie und des Sozialstaatsprinzips: Die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gem. Art. 28 Abs. 2, S. 1 GG umfassen auch den Schutz der einkommensschwachen Einwohner vor einer Verdrängung aus der Gemeinde.467 Maßnahmen gegen eine Verdrängung von finanzschwachen Einwohnern lassen sich zudem auf das Sozialstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 1 GG stützen, welches die Gemeinden zur Unterstützung der einkommensschwachen Einwohner anhält.468 Im Ergebnis stellt der Schutz der finanzschwachen Einwohner vor einer Verdrängung aus der Gemeinde einen Rechtfertigungsgrund für Einheimischenmodelle dar.469 (b) Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung in Feriengebieten Auch Gemeinden in Fremdenverkehrsregionen leiden unter steigenden Immobilienpreisen infolge einer hohen Nachfrage von Auswärtigen, welche dort ein Ferien- oder Wochenendquartier erwerben wollen. Im Gegensatz zu den stadtnahen Gemeinden hat der Preisdruck auf dem Immobilienmarkt nicht nur eine Verdrängung der finanzschwachen Einwohner zur Folge. Vielmehr bewirkt der Wandel einer Gemeinde zur Wochenend- oder Ferienhaussiedlung auch den Verlust einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung. Damit geht auch ein Verlust der örtlichen Sozialstruktur und des Gemeinschaftswesens einher: Die kommunale Infrastruktur, welche auf eine bestimmte Einwohnerzahl ausgerichtet ist, kann bei einer sinkenden Zahl von dauerhaft ansässigen Einwohnern nicht aufrechterhalten werden.470 Zudem fehlt es an dem ehrenamtlichen Engagement, welches Einwohner regelmäßig in das Gemeinwesen einbringen. Beispielsweise konnte die Gemeinde List auf der (Ferien-)Insel Sylt, deren Immobilienbestand zu großen Teilen aus Zweitwohnsitz-Ferienimmobilien besteht, die Funktionsfähigkeit der örtlichen Feuerwehr nur durch einen Zwangsdienst sicherstellen.471 Bei Gemeinden in Fremdenverkehrsgebieten lassen sich Einheimischenmodelle somit auch zur Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung rechtfertigen.472

467 468 469 470 471 472

(879).

BVerwGE 92, 56 (63). Portz, KommJur 2010, 366 (368). So auch: BVerwGE 92, 56 (63 f.); BayVGH, BayVBl. 1991,47 (50). Burgi, JZ 1999, 873 (879). Schrep, „Zwang zum Löschen“, Der Spiegel 22/2008 vom 26. 05. 2008. Ähnlich: Beck, Die Einheimischenmodelle in Bayern, S. 74, 178 ff.; Burgi, JZ 1999, 873

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

(2) Rechtfertigung einer Mindestwohnzeit als Zusatzkriterium Das Wohnsitzkriterium wird in der Praxis regelmäßig verschärft,473 indem nur solche Einwohner von den Vorteilen eines Einheimischenmodells profitieren können, die schon eine gewisse Zeit – mitunter 15 Jahre474– in der Gemeinde gewohnt haben. Das Erfordernis einer Mindestwohnzeit führt nicht nur zu einer Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Einwohner, sondern verstärkt auch die Benachteiligung der Auswärtigen, deren Möglichkeit zur zukünftigen Partizipation an einem Einheimischenmodell noch weiter erschwert wird. Derartige Mindestwohnzeitklauseln werden teilweise aufgrund eines fehlenden Bezugs zur örtlichen Sozialstruktur abgelehnt, da „sich mit dem Hinzukommen neuer Gemeindeeinwohner nur die personelle Zusammensetzung, nicht aber die Struktur als solche“ ändern würde.475 Mit Hinweis auf das schon nach drei Monaten bestehende Wahlrecht wird zudem eine Gleichbehandlung aller in der Gemeinde wohnhaften Bürger als Einheimische gefordert.476 Diese Kritik basiert jedoch auf der Annahme, dass Einheimischenmodelle bereits zum Schutz der örtlichen Sozialstruktur gerechtfertigt seien.477 Nach einer solchen Sichtweise wären Einheimischenmodelle jedoch kein Schutz-, sondern ein Verteidigungsinstrument gegen neue Einwohner mit dem Ziel der Besitzstandswahrung. Einheimischenmodelle lassen sich jedoch nicht mit „Überfremdung“478 und dem Wunsch der Einwohner nach günstigem Bauland rechtfertigen.479 Auch wenn der Schutz der örtlichen Sozialstruktur gewisse Bezüge zu den einschlägigen Rechtfertigungsgründen aufweist, ergibt sich die Rechtfertigung der Einheimischenmodelle nur zum Schutz der finanzschwachen Einwohner vor einer Verdrängung und/ oder zur Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung. Im Hinblick auf diese Rechtfertigungsgründe ist auch eine Mindestwohnzeit als Zusatzkriterium gerechtfertigt: Eine Verdrängung setzt naturgemäß voraus, dass ein Einwohner schon längere Zeit in der Gemeinde gewohnt hat und nun infolge der gestiegenen Immobilienpreise keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden kann. Im Gegensatz dazu sind die hinzugezogenen Neueinwohner weniger schutzwürdig, denn diese Personengruppe hat sich im Bewusstsein der hohen Preise für eine Wohnsitzverlegung in die Gemeinde entschieden. Eine Verdrängung kann somit nur 473 Mindestwohnzeiten sind übliche Vergabekriterien, siehe die Vergaberichtlinie der Gemeinde Eiselfing (http://www.eiselfing.de/ERiLI.pdf (abgerufen am 23. 04. 2015)). 474 Vergabekriterium der Gemeinde Wackersberg, http://www.merkur-online.de/lokales/ landkreis-bad-toelz/einheimischenmodelle-angeblich-diskriminierend-muessen-gegen-wehren878929.html (abgerufen am 23. 04. 2015); Huber/Wollenschläger halten einen Zeitraum von 15 Jahren für gerechtfertigt, in: Einheimischenmodelle, S. 41. 475 Burgi, JZ 1999, 873 (879); dem folgend: Kahl/Röder, JuS 2001, 24 (26). 476 Burgi, JZ 1999, 873 (879). 477 Burgi, JZ 1999, 873 (879). 478 Argumentation der klägerischen Gemeinde in: BVerwGE 92, 56 (60). 479 Burgi, JZ 1999, 873 (879); Kahl/Röder, JuS 2001, 24 (26).

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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vorliegen, wenn Einwohner erst durch den eingetretenen Preisanstieg keinen Wohnraum mehr in der Gemeinde erhalten können. Die Regelung einer Mindestwohnzeit ist folglich ein notwendiges Kriterium zur Eingrenzung dieser Personengruppe. Im Hinblick auf die Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung rechtfertigt sich eine Mindestwohnzeit als Indiz für einen langfristigen Verbleib in der Gemeinde. Die finanzielle Unterstützung beim Grunderwerb ist für eine Gemeinde mit hohen Ausgaben verbunden, so dass es ein legitimes Ziel darstellt, wenn die Gemeinde nur solche Personen fördert, bei denen sie von einem langfristigen Verbleib ausgehen kann. Bei dieser Prognoseentscheidung bietet ein langjähriger Wohnsitz in der Gemeinde ein starkes Indiz dafür, dass diese Person auch zukünftig in der Gemeinde wohnen bleiben wird.480 Bezüglich der Erhaltung der kommunalen Infrastruktur ist zudem zu berücksichtigen, dass von langjährigen Einwohnern ein größerer Beitrag für ein funktionierendes Gemeinwesen erwartet werden kann, da diese Personen in der Regel stärker als Neueinwohner in die gemeindliche Sozialstruktur integriert sind.481 Festzuhalten bleibt, dass Mindestwohnzeiten ein zulässiges Differenzierungskriterium darstellen, welches im Hinblick auf die Zielsetzung von Einheimischenmodellen gerechtfertigt ist.482 (3) Verhältnismäßigkeit Die Benachteiligung von Auswärtigen darf im Hinblick auf den Schutz der Einwohner vor Verdrängung oder die Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung sein. (a) Geeignetheit Die Reduzierung der Grundstückspreise ermöglicht den Einwohnern den Erwerb von Bauland zu bezahlbaren Konditionen, so dass mit Einheimischenmodellen sowohl eine Verdrängung der finanzschwachen Einwohner verhindert als auch der Erhalt einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung gefördert werden kann. (b) Erforderlichkeit Grundsätzlich ist eine finanzielle Unterstützung beim Grunderwerb nicht erforderlich, wenn ein Einwohner über er ein hinreichendes Einkommen oder sonstiges Vermögen verfügt, um die hohen Grundstückspreise auf dem freien Immobilienmarkt bezahlen zu können. Aus diesem Grund muss die Anwendung von Einhei-

480 Zur Problematik von gesetzgeberischen Prognoseentscheidungen, siehe 3. Kap., E., II., 3., b), aa), (1), (c), (bb). 481 Portz, KommJur 2010, 366 (369). 482 So auch: Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 42.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

mischenmodellen an das Kriterium der „soziale Förderungswürdigkeit“483 geknüpft werden. Dabei kann auf das zu versteuernde Einkommen und weiteren Grundbesitz abgestellt werden.484 Im Hinblick auf eine Senkung der Grundstückspreise stellt sich die Frage, ob eine massive Ausweisung von neuen Flächen für Wohnbebauung eine mildere Alternative darstellen würde. Dies ist zu verneinen, denn die unter einem hohen äußeren Siedlungsdruck stehenden Kommunen könnten unmöglich genügend Bauland freigeben, um eine spürbare Senkung der Grundstückspreise herbeizuführen. Darüber hinaus würde hierdurch die organische Ortsentwicklung stark beeinträchtigt werden. Im Hinblick auf Fremdenverkehrsgemeinden stellt sich zudem die Frage, ob die Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung auch durch ein Verbot von Zweitwohnungen erreicht werden könnte. Ein faktisches Zweitwohnungsverbot könnte durch einen Genehmigungsvorbehalt nach § 22 BauGB geregelt werden.485 Auf diese Weise wäre ein Immobilienerwerb nur noch für solche Personen interessant, die ihren Erstwohnsitz in die Gemeinde verlegen wollen, so dass der Bestand einer echten Wohnbevölkerung gesichert wäre. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob die Privilegierung der Einheimischen im Vergleich zu einem Ausschluss der breiten Masse der Kaufinteressenten durch ein Zweitwohnungsverbot tatsächlich eine mildere Maßnahme zum Erhalt einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung darstellen würde. Zudem ergeben sich Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit eines Zweitwohnungsverbotes, da es in der Regel ältere Menschen sein dürften, die ihren (Alters-)Wohnsitz in eine Fremdenverkehrsgemeinde verlegen.486 Die Überalterung der Einwohner hat für kommunale Einrichtungen wie Schulen oder Kindergärten jedoch die gleiche Wirkung wie der Verlust einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung. Deshalb dürfte es für den Fortbestand der Gemeinde und ihrer Infrastruktur wirkungsvoller sein, wenn den jungen Einwohnern durch vergünstigte Grundstücke ein Verbleib im Ort ermöglicht wird.487 Weder ein milderes, noch ein wirksameres Mittel wäre im Übrigen die Grundstücksvergabe anhand einer Zukunftsvereinbarung, in der die geförderten Personen garantieren, dass sie langfristig in der Gemeinde bleiben.488 Eine derartige Bleibepflicht würde das allgemeine Freizügigkeitsrecht stark beeinträchtigen und kann deshalb nicht als milderes Instrument angesehen werden. Bei langjährigen Einwohnern besteht hingegen eine gewisse Verwurzelung in der örtlichen Sozialstruktur, 483

Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 48. VG München, Beschluss v. 27. 12. 2006, Az. M 9 E 06.4069, Rn. 44 ff. (juris); Huber/ Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 48 f.; Portz, KommJur 2010, 366 (369). 485 Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 356 f. 486 Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 358. 487 Ähnlich: Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 358. 488 Vorschlag der EU-Kommission in der Stellungnahme zum Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2006/4271, zitiert nach Portz, KommJur 2010, 366 (369). 484

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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so dass eine Gemeinde bei diesen Personen von einem langfristigen Verbleib ausgehen dürfte. (c) Angemessenheit Grundsätzlich erscheint die finanzielle Förderung und Privilegierung der Einwohner im Hinblick auf die Rechtfertigungsziele als angemessen, solange Einheimischenmodelle die Auswärtigen nicht vom Grundstücks- und Immobilienmarkt der Gemeinde ausschließen.489 In der Regel beziehen sich Einheimischenmodelle jedoch nur auf bestimmte Flächen, so dass ein Immobilienerwerb im restlichen Gemeindegebiet weiterhin möglich ist.490 Im Übrigen bemisst sich die Angemessenheit der finanziellen Ungleichbehandlung zwischen langjährigen Einwohnern, neuen Einwohnern und Auswärtigen anhand der weiteren Zusatzkriterien sowie der Abschlagshöhe der Einheimischenmodelle. Eine angemessene Mindestvorwohndauer muss sich an den verfolgten Schutzgütern und dem Recht der benachteiligten Neuansässigen auf Zugang zu den Vergünstigungen im Einheimischenmodell orientieren. Eine Vorwohnzeit von 15 Jahren dürfte in diesem Zusammenhang die maximale Zeitdauer für eine Mindestvorwohndauer darstellen.491 Im Hinblick auf die finanzielle Vergünstigung wird seitens der Rechtsprechung eine Reduzierung der Grundstückspreise in Höhe von 30 % gegenüber dem Verkehrswert für angemessen gehalten.492 Diese Bewertung erscheint angesichts der wichtigen Ziele, welche mit Einheimischenmodellen verfolgt werden, nachvollziehbar. Im Übrigen droht bei einer derartigen Abschlagshöhe auch noch kein Verstoß gegen das haushaltsrechtliche Schenkungsverbot,493 wonach Vermögensgegenstände nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden dürfen.494 Beim haushaltsrechtlichen Schenkungsverbot handelt es sich nur um „in der Regel“-Vorschriften in einfachen Gesetzen, welche Abweichungen im öffentlichen Interesse und zur Erfüllung kommunaler Aufgaben zulassen.495 Der Schutz der ortsansässigen Bevölkerung vor Verdrängung und die Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Be-

489

BVerwGE 92, 56 (63); BayVGH, BayVBl. 1991, 47 (49). Portz, KommJur 2010, 366 (369). 491 Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 41. 492 BayVGH, BayVBl. 1991, 47 (50); dem folgend: BGH, NJW-RR 2006, 298 (300); OLG München, NJW 1998, 1962 (1963). 493 Kommunale Schenkungsverbote sind in den Gemeindeordnungen verankert, siehe beispielsweise § 92 Abs. 1 GO Baden-Württemberg, § 109 Abs. 1 GO Hessen; Art. 75 Abs. 1 GO Bayern. 494 Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 24. 495 Siehe § 92 Abs. 3 GO BadenWürttemberg; § 109 Abs. 3 GO Hessen; Art. 75 Abs. 3 GO Bayern. 490

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

völkerung rechtfertigen eine Veräußerung von Bauland unterhalb des Marktpreises und eine Abweichung von dem Veräußerungsgebot.496 (4) Ergebnis Einheimischenmodelle sind zum Schutz der ortsansässigen Bevölkerung vor Verdrängung und zur Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung gerechtfertigt. Bei der Förderung muss durch Zusatzkriterien sichergestellt werden, dass eine soziale Förderungsbedürftigkeit besteht. Eine Mindestwohndauer darf als zusätzliches Vergabekriterium einen Zeitraum von 15 Jahren nicht überschreiten. Bei der weiteren Ausgestaltung darf der Abschlag nicht über 30 % des Marktpreises hinausgehen. cc) Die Rechtfertigung von Kurabgaben Fremdenabgaben rechtfertigen sich noch nicht aufgrund ihrer „Althergebrachtheit und starken Verbreitung“497, so dass der Frage nachgegangen werden muss, ob es sich auch nach Maßgabe des allgemeinen Gleichheitssatzes um „ein alles in allem gerechtes Recht“498 handelt. (1) Besucherspezifische Kur- und Erholungseinrichtungen Nach vereinzelter Ansicht ergibt sich ein Rechtfertigungsgrund aus dem Umstand, dass die Kur- und Erholungseinrichtungen „in besonderer Weise gerade für Gemeindebesucher und den Fremdenverkehr“ geschaffen und unterhalten werden würden.499 Diese These basiert auf einem engen und mittlerweile überholten Verständnis der „Kureinrichtung“: Anfangs wurde die Kurtaxe tatsächlich nur für echte Kureinrichtungen erhoben, „die in ihrer Beschaffenheit und Funktionsfähigkeit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der therapeutischen Heilbehandlung“500 standen. Heutzutage wird die Kurtaxe jedoch auch für nur mittelbar dem Kurzweck dienende Einrichtungen501 oder für bloße Erholungseinrichtungen eingefordert.502 Die Kurtaxe hat sich zu einem Finanzierungsinstrument für eine Vielzahl von Freizeiteinrichtungen – beispielsweise Sport- und Parkanlagen, Schwimmbäder, 496 BayVerfGH, BayVBl. 2008, 237; Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 24; Beck, Die Einheimischenmodelle in Bayern, S. 172 ff. 497 Argumentation von Bayer/Elmenhorst, KStZ 1995, 141 (144). 498 Bayer/Elmenhorst, KStZ 1995, 141 (144). 499 HessVGH, KStZ 1986, 134 (135); Lichtenfeld, in: Driehaus, KAG, § 11, Rn. 22; Thiem/ Böttcher, KAG S-H, § 10, Rn. 33. 500 Schneider-Bienert, Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgabe, S. 55 mit Verweis auf das Preußische OVG, PrOVGE 103, 81 (84). 501 Schneider-Bienert, Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgabe, S. 55 f. 502 Schneider-Bienert, Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgabe, S. 56 f., 61; Thiem/Böttcher, KAG S-H, § 10, Rn. 4, 52.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Spielplätze oder Konzertveranstaltungen503– gewandelt. Davon profitieren auch die Einheimischen, welche diese Einrichtungen in ihrer Freizeit ebenfalls nutzen können.504 Aus diesem Grunde qualifiziert beispielsweise das Schweizer Bundesgericht die dortige Kurtaxe nicht als Vorzugslast, sondern als Steuer mit Zweckbindung.505 Festzuhalten bleibt, dass die Kurtaxe in ihrer heutigen Form nicht mehr auf die Finanzierung von besucherspezifischen Einrichtungen beschränkt ist. Die einseitige Erhebung bei Auswärtigen kann folglich nicht mit dem besucherspezifischen Wesen der Kur- und Erholungseinrichtungen gerechtfertigt werden. (2) Berücksichtigung der allgemeinen Lastentragung Ähnlich wie beim Einheimischenabschlag wird auch bei der Kurtaxe der Gedanke einer gerechten Lastenverteilung als Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung der Auswärtigen herangezogen: Die Befreiung der Einwohner soll sich aus deren Beteiligung an der Finanzierung des Gemeindehaushalts in Form der gezahlten Einkommensteuer und sonstigen Abgaben rechtfertigen.506 Die Plausibilität dieser Argumentation wurde bereits beim Einheimischenabschlag nachgewiesen,507 so dass diese Ausführungen auch auf die Rechtfertigung der Kurtaxe als „Einheimischenabschlag auf null“ für die Benutzung von Kur- und Erholungseinrichtungen übertragbar sind: Der Betrieb von Kur- und Erholungseinrichtungen ist regelmäßig nicht kostendeckend, so dass die anfallenden Verluste aus dem allgemeinen Gemeindehaushalt ausgeglichen werden müssen.508 Im Ausnahmefall einer kostendeckend betriebenen Kureinrichtung kann eine Rechtfertigung aus Gründen der gerechten Lastentragung dagegen nur gelingen, wenn die Gemeinde die Kurtaxe auch für die Auswärtigen um einen Eigenanteil mindert, welcher den Nutzungsvorteil für die Einwohner berücksichtigt.509 Sofern die Gemeinde entweder die Verluste der Kur- und Erholungseinrichtungen ausgleicht oder mit einem Eigenanteil die Mitbenutzung der Einwohner bezuschusst, stellt der gerechte Lastenausgleich hingegen einen sachlichen Rechtfertigungsgrund für die alleinige Erhebung der Kurtaxe von den auswärtigen Besuchern dar. 503

Schneider-Bienert, Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgabe, S. 55 ff. Davon geht auch der HessVGH aus, KStZ 1986, 134 (135); Trzaskalik, in: FS Selmer, S. 947 (949). 505 Zitiert nach Trzaskalik, in: FS Selmer, S.947 (950). 506 BVerwG, KStZ 1976, 171 (172); HessVGH aus, KStZ 1986, 134 (135); P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 32007, § 119, Rn. 22; Lichtenfeld, in: Driehaus, KAG, § 11, Rn. 22; Thiem/Böttcher, KAG S-H, § 10, Rn. 33; Schneider-Bienert, Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgabe, S. 74. 507 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (2), (b), (aa). 508 Siehe die Umfrage des Fremdenverkehrsverbandes Schleswig-Holstein für die Jahre 1985 und 1989, bei: Thiem/Böttcher, KAG S-H, § 10, Rn. 6. 509 OVG Lüneburg, Urteil v. 13. 09. 1990, Az. 14 L 259/89, Rn. 47 (juris); Lichtenfeld, in: Driehaus, KAG, § 11, Rn. 14. 504

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

(3) Verhältnismäßigkeit Aufgrund der regelmäßig geringen Höhe der Kurtaxe kann ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ausgeschlossen werden.510 Des Weiteren dürfen die Einnahmen aus der Kurtaxe den Aufwand für die Finanzierung der Kur- und Erholungseinrichtungen nicht überschreiten: Der Normzweck der Kurtaxeregelungen erlaubt nur eine Erhebung zur „Schaffung, Erweiterung und Unterhaltung“511 der Kur- und Erholungseinrichtungen und beschränkt die Kurtaxe damit auf den dafür getätigten Aufwand.512 Darüber hinaus statuiert der allgemeine Gleichheitssatz ein Kostenüberschreitungsverbot für die Kurtaxe als Abgabe eigener Art: Die Ungleichbehandlung der Auswärtigen kann nur dann als angemessen bewertet und noch aus Gründen der gerechten Lastenverteilung gerechtfertigt werden, wenn die Höhe der Kurtaxe nicht die Finanzierungskosten für die Kur- und Erholungseinrichtungen übersteigt.513 Erhöhte Anforderungen an die Höhe der Kurtaxe stellt dabei das sich aus dem Kostenüberschreitungsverbot ergebende Doppelfinanzierungsverbot, wonach sämtliche Einnahmen zur Finanzierung der Einrichtungen in die Bemessung der Kurtaxe einbezogen werden müssen514 : Bei der Berechnung des kurabgabefähigen Aufwandes müssen deshalb die entsprechenden Einnahmen aus Benutzungsgebühren, Fremdenverkehrsabgaben, speziellen Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich515 und gegebenenfalls ein angemessener Eigenanteil516 gegengerechnet werden.517 Die Ungleichbehandlung der Auswärtigen aus Gründen der gerechten Lastenverteilung ist als verhältnismäßig zu bewerten, sofern die Gemeinde an der Finanzierung der Kur- und Erholungseinrichtungen in Form eines Verlustausgleichs oder einer Bezuschussung für die Mitbenutzung der Einheimischen beteiligt ist.

510 HessVGH, KStZ 1986, 134 (135); Schneider-Bienert, Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgabe, S. 23. 511 Siehe beispielsweise § 10 Abs. 1 KAG Hessen, § 11 Abs. 1 Nr. 1 KAG MecklenburgVorpommern, § 10 Abs. 1 KAG Niedersachsen, § 10 Abs. 1 KAG Schleswig-Holstein. 512 Schneider-Bienert, Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgabe, S. 9; Hamm, Kurverwaltung und Kurtaxen, S. 103; Übersicht der gesetzlichen Regelungen bei Bayer/Elmenhorst, KStZ 1995, 141 (149 f.). 513 Schneider-Bienert, Kurtaxe und Fremdenverkehrsabgabe, S. 20, 22. 514 Thiem/Böttcher, KAG S-H, § 10, Rn. 72. 515 In Baden-Württemberg erhalten Fremdenverkehrsgemeinden im kommunalen Finanzausgleich gem. § 20 FAG derartige Zuweisungen, die folgerichtigerweise als gegenzurechnende Einnahmen in die Bemessung der Kurtaxe einbezogen werden müssen. 516 Im Falle eines kostendeckenden Betriebs: Lichtenfeld, in: Driehaus, KAG, § 11, Rn. 14. 517 Lichtenfeld, in: Driehaus, KAG, § 11, Rn. 13; Thiem/Böttcher, KAG S-H, § 10, Rn. 72 f.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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(4) Ergebnis Die Kurtaxe ist aus Gründen der gerechten Lastentragung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, sofern die Bemessung der Kurtaxe einem strengen Kostenüberschreitungsverbot genügt. b) Finanzielle Einheimischenprivilegierungen auf Landesebene Auf Landesebene stellt sich die Frage nach der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung, wenn auswärtige Studierende mit wohnsitzabhängigen Studiengebühren benachteiligt und Einheimische mit mindestvorwohnzeitabhängigen Erziehungsgeldern bevorzugt werden. aa) Rechtfertigung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren Die Rechtfertigungsprüfung orientiert sich an dem „rheinland-pfälzisch-bremischen“ Regelungskonzept einer allgemeinen Studiengebührenpflicht in Verbindung mit der Gewährung eines Studienguthabens für Studierende mit einem Hauptwohnsitz im Land.518 (1) Gebührenrechtliche Zulässigkeit Im Hinblick auf eine wohnsitzabhängige Studiengebühr in Höhe von 500 Euro pro Semester bestehen aus gebührenrechtlicher Sicht keine Bedenken: Ein universitärer Studienplatz verursacht in Deutschland durchschnittlich Kosten in Höhe von 8.510 Euro im Jahr,519 so dass es sich bei einer Gebührenbelastung von 1.000 Euro im Jahr noch immer eine staatliche Leistung zugunsten der Studierenden handelt. Eine wohnsitzabhängige Studiengebühr in Höhe von 500 Euro übersteigt auch nicht die Kosten der weniger ausgabenintensiven Bücherfächer,520 sondern deckt auch hier nur einen Bruchteil der tatsächlichen Studienplatzkosten ab, so dass keine Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem gebührenrechtlichen Kostenüberschreitungsverbot und dem Äquivalenzprinzip bestehen.521

518 Siehe § 70 Hochschulgesetz des Landes Rheinland-Pfalz in der Fassung bis zum 20. 03. 2008 und §§ 2, 3, 6 Bremisches Studienkontengesetz in der Fassung bis zum 30. 06. 2010. 519 Statistisches Bundesamt, Hochschulen auf einen Blick 2013, S. 36. 520 Haug, in: Fehling/Kämmerer/Schmidt, Hochschulen zwischen Gleichheitsidee und Elitestreben, S. 87 (91); Im Jahr 2008 betrugen die Studienplatzkosten im Bereich der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften jährlich 3.060 Euro: HIS, Ausstattungs- Kosten und Leistungsvergleich der Universitäten 2008, S. 14. 521 BVerwGE 134, 1 (6, 9); Selmer, in: Fehling/Kämmerer/Schmidt, Hochschulen zwischen Gleichheitsidee und Elitestreben, S. 123 (131); Haug, in: ebd., S. 87 (91); ders., WissR 2000, 1 (10 ff.); Waldhoff, JuS 2005, 391 (394).

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

(2) Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung Soweit eine Rechtfertigung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren schon abgelehnt wird, weil keine unterschiedliche Inanspruchnahme der Hochschule vorliege und die Gebührendifferenzierung keinen unmittelbaren Bezug zum Benutzungsverhältnis habe,522 wird diesbezüglich das Konzept von wohnsitzabhängigen Studiengebühren verkannt: Das Bremische Studienkontenmodell gewährte den Studierenden ein Studienguthaben in Form von Freisemestern und erst nach dessen Verbrauch war eine Studiengebühr in Höhe von 500 Euro zu entrichten.523 Während die auswärtigen Studierenden nur zwei Freisemester erhielten, räumte das Land den einheimischen Studierenden vierzehn Freisemester ein, so dass bei einem regulären Studienverlauf nur die Landeseinwohner ein gebührenfreies Studium absolvieren konnten. In Anbetracht des aufgezeigten Umstands, dass eine Studiengebühr in Höhe von 500 Euro weder die Kosten noch den Wert eines Studienplatzes übersteigt und den Auswärtigen zudem noch zwei Freisemester gewährt worden sind, liegt der Schwerpunkt der Ungleichbehandlung – wie auch beim Einheimischenabschlag524– in der umfangreicheren Subventionierungen der im Land wohnhaften Studierenden.525 In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass eine Konzentration der vorhandenen Haushaltsmittel auf die Versorgung der eigenen Einwohner im Allgemeinen ein legitimes Unterfangen darstellt.526 Es stellt sich daher die Frage, ob sachliche Rechtfertigungsgründe für eine derartige Finanzmittelkonzentration auf Studierende mit Wohnsitz im Land bestehen. (a) Berücksichtigung der allgemeinen Lastentragung der Einwohner Da das im kommunalen Einheimischenabschlag enthaltene Konzept einer Einheimischensubventionierung auch wohnsitzabhängigen Studiengebühren zugrundeliegt, stellt sich die Frage, ob die allgemeine Lastentragung der Einwohner auch auf Landesebene als Rechtfertigungsgrund zur Anwendung kommen kann. Das Konzept einer wohnsitzabhängigen Studiengebühr beinhaltet in erster Linie eine Privilegierung der im Land wohnhaften Studierenden mit einem gebührenfreien Studienplatz, während sich die auswärtigen Studierenden mit einer Studiengebühr an der Studienplatzfinanzierung beteiligen müssen. Im Ergebnis handelt es sich aber auch bei gebührenpflichtigen Studienplätzen noch um eine staatliche Vorteilsgewährung, da die Studienplatzkosten von jährlich 8.510 Euro deutlich über die Jah522

BVerfGE 134, 1 (22 f.); zuvor schon: VG Bremen, Beschluss v. 17. 09. 2007, Az. 6 K 1577/06, S. 35; OVG Hamburg, NVwZ 2006, 949 (950): Kugler, Allgemeine Studiengebühren, S. 194. 523 Siehe §§ 2, 3, 6 BremStKG vom 18. 10. 2005 (Brem.GBl. S. 550). 524 Siehe BVerwGE 104, 60 (65). 525 Pieroth, WissR 2007, 229 (247). 526 BVerfGE 112, 74 (87); Pieroth, WissR 2007, 229 (247).

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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resgebührenhöhe von 1000 Euro hinausgehen.527 Die Ungleichbehandlung zwischen den innerhalb sowie den außerhalb der Landesgrenzen wohnhaften Studierenden liegt somit im unterschiedlichen Umfang der Studienplatzsubventionierung. Die Einwohnerprivilegierung mit gebührenfreien Studienplätzen lässt sich insoweit nur rechtfertigen, wenn den Landeseinwohnern eine besondere Finanzierungsverantwortung für den Landeshaushalt obliegt. Grundsätzlich sind die Landeseinwohner mit ihren Landessteuern i.S.v. Art. 106 Abs. 2 GG,528 einem Anteil von 42, 5 % ihrer Einkommensteuer529 und indirekt durch die einwohnerzahlabhängige Bewertung im horizontalen Finanzausgleich an der Finanzierung des Landeshaushalts beteiligt. Bei der Beteiligung an den Finanzierungslasten einer Gebietskörperschaft besteht insoweit kein Unterschied zwischen den Einwohnern einer Kommune und den Einwohnern eines Landes.530 Im Hinblick auf die Gruppe der Studierenden erscheint jedoch die Annahme einer besonderen Finanzierungsbelastung zweifelhaft, da nur 65 % der Studierenden einer Erwerbstätigkeit nachgehen und dabei im Durchschnitt nur Einkünfte in Höhe von 327 Euro erzielen.531 In der Regel erzielen Studierende somit keine steuerpflichtigen Einkünfte und sind folglich nicht durch die Zahlung von Einkommensteuer an der Finanzierung des Landeshaushalts beteiligt. Damit bleibt festzuhalten, dass bei im Land wohnhaften Studierenden weder allgemein noch im Vergleich zu den auswärtigen Studierenden eine besondere Finanzierungsleistung bejaht werden kann, welche eine Privilegierung bei der Erhebung von Studiengebühren rechtfertigen könnte. (b) Ausgleich der finanziellen Mehrbelastung Das Land Bremen verfolgte bei der Einführung einer Studiengebühr für Auswärtige das Ziel einer gleichmäßigen Beteiligung von auswärtigen und einheimischen Studierenden an der Studienplatzfinanzierung – nämlich „direkt durch die Zahlung von Studiengebühren oder indirekt durch die Einwohnerbewertung im Länderfinanzausgleich“532. Das Land Rheinland-Pfalz bewertete die Mehrbelastung durch auswärtige Studierende sogar als Bedrohung für die Funktionsfähigkeit und Finanzierbarkeit des eigenen Hochschulsystems, deren Erhalt mit wohnsitzabhän-

527

Statistisches Bundesamt, Hochschulen auf einen Blick 2013, S. 36. Im Jahr 2010 betrug das Aufkommen aus Ländersteuern 12,46 Mrd. Euro: Bundesministerium der Finanzen, Finanzbericht 2012, S. 288. 529 Im Jahr 2010 betrug der Länderanteil an der Einkommensteuer 67,61 Mrd. Euro: Bundesministerium der Finanzen, Finanzbericht 2012, S. 297. 530 Pieroth, WissR 2007, 229 (246). 531 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2009, S. 193 f. 532 Mitteilung des Senats vom 27. 09. 2005, Bremische Bürgerschaft, Drs. 16/758, S. 1, 5. 528

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

gigen Studiengebühren und zusätzlichen Mitteln aus dem Finanzausgleich sichergestellt werden sollte.533 Die Gesetzesbegründungen der Länder werfen die Frage auf, ob die Studienplatzfinanzierung bei auswärtigen Studierende im Vergleich zu den Kosten für die im Land wohnhaften Studierenden für das Land tatsächlich eine finanzielle Mehrbelastung darstellt. (aa) Mehrbelastung durch auswärtige Studierende Eine Mehrbelastung kann sich nicht aus dem Benutzungsverhältnis zwischen Hochschule und Studierenden ergeben, denn „auswärtige Studierende verursachen weder höhere Kosten noch ziehen sie einen größeren Vorteil aus den von einer Hochschule angebotenen Leistungen“534. Die finanzielle Mehrbelastung ergibt sich jedoch aus einer vergleichenden Gesamtschau der Landeseinnahmen und -ausgaben für Studierende mit Wohnsitz innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen: Der primäre horizontale Finanzausgleich verlangt in Art. 107 Abs. 2 S. 4 GG eine einwohnerzahlabhängige Verteilung des Umsatzsteueraufkommens sowie deren Ergänzungsanteile. Im Rahmen des als Länderfinanzausgleich bekannten sekundären horizontalen Finanzausgleichs wird der entscheidende Parameter der Finanzkraft in der einfachgesetzlichen Ausgestaltung ebenfalls anhand der Einwohnerzahl bemessen.535 Diese Verteilung der Finanzmittel anhand der Einwohnerzahl bewirkt, dass eine Mittelzuweisung nur für die Studierenden mit Hauptwohnsitz im Land erfolgt. Erhält ein Land für auswärtige Studierende jedoch keine Einnahmen aus dem Finanzausgleichssystem, belastet die Studienplatzfinanzierung bei dieser Personengruppe den Haushalt stärker als bei der Vergleichsgruppe der im Land wohnhaften Studierenden, deren Finanzierungskosten durch die Einnahmen aus dem Finanzausgleich gemindert werden.536 Im Ergebnis kann daher festgestellt werden, dass auswärtige Studierende eine finanzielle Mehrbelastung für das die Hochschule finanzierende Land darstellen. (bb) Das Kriterium des hinreichenden Sachzusammenhangs Unverständlicherweise verneint das Bundesverfassungsgericht einen „hinreichenden Sachzusammenhang zwischen Finanzausgleichsmitteln als allgemeine Einnahmen des Landeshaushalts, der Verwendungsentscheidung des Landeshaus-

533

400.

Gesetzesentwurf der Landesregierung von Rheinland-Pfalz vom 31. 10. 2006, Drs. 15/

534 BVerfGE 134, 1 (22 f.); zuvor schon: VG Bremen, Beschluss v. 17. 09. 2007, Az. 6 K 1577/06, S. 35; VG Hamburg, Beschluss v. 31. 01. 2005, Az. 6 E 4707/04, Rn. 49 (juris); dem folgend: Kugler, Allgemeine Studiengebühren, S. 194. 535 Vgl. § 8 Abs. 1 Maßstäbegesetz; § 6 Abs. 2 FAG; zur Verfassungsgemäßheit dieser Bemessung: BVerfGE 72, 330 (400 f.); 101, 158 (223). 536 Pieroth, WissR 2007, 229 (245).

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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haltsgesetzgebers und der Studiengebühr für Auswärtige“537. Der Sachzusammenhang zwischen den Ausgleichszuweisungen des Finanzausgleichs und der Hochschulfinanzierung sei gelöst, da der Landesgesetzgeber eigenverantwortlich über die Verwendung der Finanzmittel entscheiden könne.538 Weder könnten den Studierenden mit Wohnsitz im Land bestimmte Finanzmittel, noch den auswärtigen Studierenden ein Fehlbetrag zugeordnet werden.539 In Anbetracht der dargestellten Mehrbelastung, welche die Studienplatzfinanzierung bei auswärtigen Studierenden für den Landeshaushalt bedeutet, erscheint es nicht nachvollziehbar, dass das Bundesverfassungsgericht keinen hinreichenden Sachzusammenhang zwischen den Zuweisungen aus dem Finanzausgleichssystem und der Hochschulfinanzierung zu erkennen vermag.540 Soweit das Bundesverfassungsgericht seine Ablehnung insbesondere auf die freie Verwendbarkeit der Zuweisungen aus dem Finanzausgleich stützt, vermag es nicht zu überzeugen, dass das Gericht einen Sachzusammenhang auch bei einer gesetzlichen Verbindung zwischen den Zuweisungen aus dem Finanzausgleich und den Landeszuweisungen an die Hochschulen ablehnt.541 Wenn sich der demokratisch legitimierte Gesetzgeber haushaltsrechtlich verpflichtet, die anteilig auf die Studierenden entfallenden Finanzmittel an die Hochschulen weiterzuleiten,542 besteht ein gesetzlicher Zusammenhang, welcher auch von der Judikative anerkannt werden muss. Angesichts des Umstands, dass die Finanzmittelverteilung anhand der Einwohnerzahl erfolgt, können die Zuweisungen aus dem Finanzausgleich auch den im Land wohnhaften Studierenden zugerechnet werden, denn die Zuweisungshöhe pro Einwohner kann jedes Land rechnerisch bestimmen. Insoweit geht auch die in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geäußerte Kritik in Leere, wonach kein Sachzusammenhang bestehen könne, da der Finanzausgleich nicht auf den Studierenden-, sondern nur auf den Einwohnerstatus abstelle.543 Die faktische Mehrbelastung basiert nämlich nicht auf einer speziellen Bewertung der Studierenden im Länderfinanzausgleich, sondern auf der Nichtbewertung von auswärtigen Studierenden aufgrund des fehlenden Wohnsitzes im Land.

537

BVerfGE 134, 1 (23 f.). BVerfGE 134, 1 (23 f.). 539 BVerfGE 134, 1 (23 f.). 540 Siehe auch Pieroth, WissR 2007, 229 (245): „Dass zwischen der Inanspruchnahme eines Studienplatzes durch auswärtige Studierende und dem Finanzausgleich ein Zusammenhang besteht, lässt sich jedoch nicht bestreiten.“ 541 BVerfGE 134, 1 (22). 542 Das Land Bremen regelte in § 106 Abs. 2 S. 3 Hochschulgesetz (Fassung vom 27. 02. 2007, BremGBl. S. 157), dass die Hochschulen von des Einnahmen des Landes jährlich 1.000 Euro für diejenigen Studierenden, die als Einheimische ein Studienguthaben in Anspruch nehmen, erhalten. 543 OVG Hamburg, NVwZ 2006, 949 (951); VG Bremen, Beschluss v. 17. 09. 2007, Az. 6 K 1577/06, S. 37. 538

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Mit der Ablehnung des Zusammenhangs zwischen der Mittelzuweisung im Finanzausgleich und der Finanzierung von Studienplätzen für auswärtige Studierende folgt das Bundesverfassungsgericht der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, welche die aufgezeigte Mehrbelastung als „Problem des innerstaatlichen Finanzausgleichs“544 abzuqualifizieren versucht. Im Übrigen könnte das Bundesverfassungsgericht die bewusste Nichtbeachtung eines gesetzlich hergestellten Sachzusammenhanges auch nicht auf einen vermeintlichen Vorrang des Gesamtdeckungsund Non-Affektationsprinzip stützen, denn einen Verfassungrang der genannten Prinzipien, welche für die Zweckungebundenheit der allgemeinen Haushaltsmittel einstehen, hat das Bundesverfassungsgericht – entgegen den Forderungen seitens der Literatur –545 bisher abgelehnt.546 Im Ergebnis bleibt jedoch festzuhalten, dass ein hinreichender Sachzusammenhang zwischen den Ausgleichszuweisungen des Finanzausgleichs und der Hochschulfinanzierung vorliegt. (cc) Ergebnis Der Ausgleich der finanziellen Mehrbelastung durch die Finanzierung von Studienplätzen für auswärtige Studierende stellt einen sachlichen Rechtfertigungsgrund dar. (c) Lenkungsmittel im föderalen Standortwettbewerb Die Länder Hamburg und Bremen haben wohnsitzabhängige Studiengebühren als Lenkungsmittel für eine Wohnsitzverlegung eingeführt, um die finanzielle Mehrbelastung zu mindern, welche mit der Finanzierung von Studienplätzen für Studierende mit Wohnsitz außerhalb des Landes einhergeht.547 Hintergrund sind die fehlenden Einnahmen für diese Personengruppe im System des Finanzausgleichs: Beispielsweise entgingen Hamburg im Jahr 2002 Einnahmen in Höhe von ca. 30 Millionen Euo aus dem Finanzausgleich, da etwa ein Drittel der Studierenden ihren Hauptwohnsitz nicht im Landesgebiet hatten.548 Im Allgemeinen stellt die Erhöhung der Einwohnerzahl ein zulässiges Lenkungsziel im föderalen Standortwettbewerb dar.549 Auch nach Ansicht des Bun544

VG Hamburg, Beschluss v. 31. 01. 2005, Az. 6 E 4707/04, Rn. 40 (juris); VG Bremen, Beschluss v. 17. 09. 2007, Az. 6 K 1577/06, S. 39. 545 Heintzen, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 32007, § 120, Rn. 47; Waldhoff, in: Isensee/ Kirchhof, HStR V, 32007, § 116, Rn. 140. 546 BVerfGE 110, 274 (294); NVwZ 2003, 467 (470). 547 Siehe die Gesetzesbegründung der Freien und Hansestadt Hamburg, Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 05. 11. 2002, Drs. 17/1661, S. 4; Gesetzesbegründung der Hansestadt Bremen, Mitteilung des Senats vom 27. 09. 2005, Drs. 16/758, S. 5. 548 Kugler, Allgemeine Studiengebühren, S. 198. 549 Isensee, in Isensee/Kirchhof, HStR VI, 32008, § 126, Rn. 330 f.; zum Begriff des Wettbewerbsföderalismus: Erpenbach, Grenzen des Wettbewerbsföderalismus, S. 10 ff.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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desverfassungsgerichts sind die Länder „grundsätzlich nicht gehindert, Personen, die ihre Einrichtungen nutzen wollen, durch finanzielle Anreize oder finanziellen Druck zu veranlassen, auch ihren (Haupt-)Wohnsitz in das eigene Gebiet zu verlegen“550. Diesen Grundsatz schränkt das Bundesverfassungsgericht jedoch für die Erhebung von Studiengebühren ein, da es „an dem im Bereich des Hochschulwesens erforderlichen Sachzusammenhang“ fehle.551 Im Unklaren bleibt dabei, inwiefern sich der Hochschulbereich von anderen Einrichtungsarten unterscheidet und inwieweit sich daraus Auswirkungen auf die Anforderungen an das Kriterium des Sachzusammenhangs ergeben.552 Im Übrigen wurde bereits dargelegt, dass zwischen dem Wohnort der Studierenden, der Hochschulfinanzierung und den Zuweisungen aus dem Finanzausgleich ein hinreichender Zusammenhang besteht.553 Dieser Zusammenhang zeigt sich auch bei einer erfolgreichen Verhaltenssteuerung in Form einer Wohnsitzverlagerung in das Hochschulland, denn in diesem Fall erhält das Land zusätzliche Mittel im Finanzausgleich, welche die Belastungen der Studienplatzfinanzierung mindern.554 Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass der föderale Standortwettbewerb um Einwohner einen sachgerechten Grund für eine Rechtfertigung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren als Lenkungsmittel darstellt. (3) Verhältnismäßigkeit Die Ungleichbehandlung zwischen auswärtigen und einheimischen Studierenden muss in einem angemessenen Verhältnis zu den Rechtfertigungsgründen stehen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es sich bei der Ungleichbehandlung der auswärtigen Studierenden lediglich um eine Benachteiligung in Form einer weniger weitreichenden Subventionierung handelt.555 Angesichts der hohen Studienplatzkosten von durchschnittlich 8.510 Euro556 bestehen aus gebührenrechtlicher Sicht keine Zweifel an der Angemessenheit einer Studiengebühr in Höhe von 500 Euro.557

550

BVerfGE 134, 1 (23). BVerfGE 134, 1 (23). 552 Bei der Überprüfung der sog. Metropolgebühr verlangte das OVG Hamburg sogar einen unmittelbaren Sachzusammenhang zwischen dem Benutzungsverhältnis und dem Finanzausgleich (NVwZ 2006, 949 (951)). Dabei berief sich das OVG auf das sog. Musikschulen-Urteil des VGH BW (NVwZ 1997, 620 (622)), welches jedoch vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben worden ist (E 104, 60). Dabei hat das BVerwG die Voraussetzung des unmittelbaren Zusammenhangs zum Benutzungsverhältnis nicht mehr herangezogen, siehe Pieroth, WissR 2007, 229 (246). 553 3. Kap., E., II., 2., b), aa), (2), (b). 554 Pieroth, WissR 2007, 229 (245 f.). 555 3. Kap., E., II., 2., b), aa), (1). 556 Statistisches Bundesamt, Hochschulen auf einen Blick 2013, S. 36. 557 BVerfGE 134, 1 (16 ff.); BVerwGE 134, 1 (6, 9); Selmer, in: Fehling/Kämmerer/ Schmidt, Hochschulen zwischen Gleichheitsidee und Elitestreben, S. 123 (131). 551

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

(a) Ausgleich der Mehrbelastung Grundsätzlich ist eine wohnsitzabhängige Studiengebühr dazu geeignet, die fehlenden Einnahmen des Landes aus dem Finanzausgleich auszugleichen. Die Geeignetheit scheitert insbesondere nicht an dem Umstand, dass Studiengebühren unmittelbar den Hochschulen zugehen, während die Mittel aus dem Finanzausgleich zweckungebunden in den allgemeinen Länderhaushalt fließen558 : Die Finanzierung der Hochschulen erfolgt – abgesehen von Bundesförderungen gem. Art. 91b GG und Drittmitteleinnahmen – vor allem aus den Länderhaushalten,559 so dass es letztendlich keinen Unterschied macht, ob die Mehrbelastung durch Zahlungen an die Hochschule oder durch zusätzliche Mittel für den Landeshaushalt ausgeglichen wird. Darüber hinaus lässt sich ein direkter Zusammenhang zwischen den Zuweisungen aus dem Finanzausgleich und der Hochschulfinanzierung einfachgesetzlich kreieren, indem geregelt wird, dass die Hochschulen für jeden im Land wohnhaften Studierenden einen den Studiengebühren entsprechenden Betrag erhalten.560 Eine denkbare Alternative zum Ausgleich der Mehrbelastung infolge der fehlenden Bewertung im Finanzausgleich wäre eine Wohnsitzpflicht im Land als Zugangsvoraussetzung für das Hochschulstudium. Demgegenüber weist eine wohnsitzabhängige Studiengebühr eine geringere Eingriffsintensität auf und stellt daher ein milderes Mittel dar, so dass die Erforderlichkeit bejaht werden kann. Solange die wohnsitzabhängige Studiengebühr nicht als Zulassungssperre wirkt und ihre Höhe nicht über die Pro-Kopf-Einnahmen im Finanzausgleich hinausgeht, ist die Ungleichbehandlung auswärtiger Studierender zum Ausgleich der mit dieser Gruppe verbundenen Mehrbelastungen auch als angemessen zu bewerten. Ersteres erfordert die Einräumung einer Schonfrist von mindestens einem Semester, in der sich auswärtige Studierende einen Wohnsitz im Land zulegen können.561 Letzteres zwingt zur Begrenzung der Studiengebührenhöhe auf die tatsächliche Mehrbelastungshöhe. Die Studiengebühr darf deshalb nicht die Höhe der Mittelzuweisungen 558 Das VG Bremen sieht das mit der Studiengebühr verfolgte Ziel einer Wohnsitzverlegung aus diesem Grund als ungeeignetes Mittel an: Beschluss v. 17. 09. 2007, Az. 6 K 1577/06, S. 38. 559 Selmer, in: Fehling/Kämmerer/Schmidt, Hochschulen zwischen Gleichheitsidee und Elitestreben, S. 123; die Finanzierungsverantwortung der Länder ergibt sich aus Art. 104a Abs. 1 i.V.m. den Art. 30, 70 GG. 560 Siehe die damalige Regelung der Hansestadt Bremen in § 106 Abs. 2 S. 3 Bremisches Hochschulgesetz (in der Fassung bis zum 30. 06. 2010): „Die Hochschulen erhalten von den Einnahmen, die die Freie Hansestadt Bremen aus den Steuereinnahmen nach Länderfinanzausgleich erzielt, für jeden immatrikulierten Studierenden mit einer Wohnung oder, soweit mehrere Wohnungen bestehen, mit Hauptwohnung in der Freien Hansestadt Bremen, soweit der Studierende mindestens im 3. und höchstens im 14. Semester in einem Studienangebot studiert, für das ein Studienguthaben nach § 2 des Bremischen Studienkontengesetzes gewährt wird, 1.000 Euro jährlich.“ 561 Die Länder Bremen und Rheinland-Pfalz gewährten den auswärtigen Studierenden eine angemessene Schonfrist, welche in Rheinland-Pfalz gem. § 70 Abs. 2 Hochschulgesetz (in der Fassung bis zum 20. 03. 2008) ein Semester und in Bremen gem. § 3 Abs. 1 Studienkontengesetz (in der Fassung bis zum 30. 06. 2010) sogar zwei Semester betrug.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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pro Einwohner im Finanzausgleich im Allgemeinen und im Länderfinanzausgleich im Besonderen überschreiten: Bei einer Jahresgebührenhöhe von 1.000 Euro besteht gegenwärtig keine Überschreitungsgefahr, da die durchschnittliche Finanzkraft pro Einwohner nach dem Finanzausgleich mit 2.870 Euro deutlich über diese Grenze hinausgeht.562 Eine Rechtfertigung zum Ausgleich der Mehrbelastungen verlangt vom Landesgesetzgeber jedoch die regelmäßige Überprüfung der Zuweisungshöhe pro Einwohner im Finanzausgleich und eine folgerichtige Angleichung der Studiengebührenhöhe. (b) Lenkungsmittel im Standortwettbewerb Die Einführung einer wohnsitzabhängigen Studiengebühr unterstützt die bezweckte Verhaltenssteuerung, denn ein kostenloser Studienplatz dürfte für die breite Masse der Studierenden als hinreichender Anreiz für einen Wohnsitzwechsel in das jeweilige Land zu qualifizieren sein. Geht man davon aus, dass Studierende im Durchschnitt über 812 Euro im Monat verfügen, führt die Vermeidung einer Semesterstudiengebühr in Höhe von 500 Euro zu einer jährlichen Ersparnis in Höhe von 1.000 Euro und damit von ungefähr 10 % des durchschnittlichen Jahresbudgets von Studierenden,563 so dass sich eine hinreichende Anreizwirkung nicht abstreiten lässt.564 Ein milderes und daher die Erforderlichkeit in Frage stellendes Lenkungsmittel wäre ein Begrüßungsgeld, welches Studierende bei einer Wohnsitznahme im Land erhalten.565 Allerdings handelt es sich dabei um ein kostenintensives Mittel, dessen Wirksamkeit umstritten ist.566 Im Vergleich zu einer Studiengebühr von 1.000 Euro pro Jahr kann einem einmaligen Begrüßungsgeld von 50 – 150 Euro keine gleich562 Diese Zahl ergibt sich für das Jahr 2010 aus der gesamten Finanzkraftmesszahl aller Länder in Höhe von 234.417.054.000 Euro im Verhältnis zur gesamten Einwohnerzahl in Höhe von 81.751.602; vgl. die Daten zur Ausgleichsmesszahl bei: BR, Drs. 551/11, Anlage 1; siehe zur Einwohnerzahl für das Jahr 2010: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2012, S. 31. 563 Laut der 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks hatten Studierende im Jahr 2009 durchschnittlich monatliche Einnahmen in Höhe von 812 Euro: Bundesministerium für Bildung und Forschung, Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2009, S. 13. 564 Es kann daher nicht überzeugen, wenn das Bundesverfassungsgericht ohne Rücksicht auf die finanzielle Situation von Studierenden einer Studiengebühr von 500 Euro pro Semester nur eine nachrangige Bedeutung beimisst: E 112, 226 (245). Das Bundesverwaltungsgericht geht dagegen richtigerweise von einer „spürbaren finanziellen Zusatzbelastung“ aus: E 134, 1 (10). 565 Zum Konzept von Begrüßungsgeldern: Groth, NordÖR 2003, 398. 566 Zehn Jahre nach der Einführung hat das Land Berlin das Begrüßungsgeld für Studierende aufgrund dessen Wirkungslosigkeit im Jahr 2012 wieder abgeschafft: Warnecke, „Kein Begrüßungsgeld mehr für Studierende“, Tagesspiegel v. 29. 03. 2012. Nachdem die Volkszählung „Zensus“ ergeben hat, dass Berlin 180.000 Einwohner weniger als bisher angenommen hat, wird nun wiederum die Einführung eines Begrüßungsgeldes i.H.v. 300 Euro diskutiert: Schäfers, „300 Euro für jeden Studenten?“, FAZ v. 24. 06. 2013.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

wertige Anreizwirkung zugesprochen werden.567 Darüber hinaus muss bei der Frage nach milderen Alternativmaßnahmen die gesetzgeberische Grundentscheidung zugunsten einer grundsätzlichen Studiengebührenpflicht im sog. Studienkontenmodell als Ausdruck der landesgesetzgeberischen Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit akzeptieren werden. Die Suche nach milderen Alternativen darf nicht dazu führen, dass dem Land kostspieligere Alternativen – wie beispielsweise eine Einheimischenprivilegierung in Form eines skandinavischen Studierendengehalts568– aufgezwungen werden.569 Im Übrigen steht hinter dem Ziel der Wohnsitzverlagerung wiederum das Motiv einer Einnahmeerhöhung im Finanzausgleich, so dass die beim Rechtfertigungsgrund des Mehrbelastungsausgleichs aufgestellten Bedingungen auch hier gelten: Die Höhe der Studiengebühr muss auf die maximale Mittelzuweisungshöhe von derzeit 2.870 Euro pro Einwohner aus dem Finanzausgleich begrenzt sein. Zudem muss den auswärtigen Studierenden eine angemessene Übergangsfrist zur Organisation eines Wohnsitzwechsels eingeräumt werden, um den Zugang zum Hochschulstudium nicht zu behindern.570 (4) Ausnahmefähige Einwirkungen auf die Rechtfertigungsgründe Die sachliche Grundlage der Rechtfertigungsgründe könnte im Einzelfall durch besondere Mittelzuweisungen im Finanzausgleich oder seitens des Bundes entfallen. Darüber hinaus ist zu untersuchen, ob sich aus dem Bundesstaatsprinzip und den Teilhaberechten der Studierenden womöglich Auswirkungen auf die grundsätzliche Rechtfertigungsfähigkeit von wohnsitzabhängigen Studiengebühren ergeben. (a) Einwirkungen von Teilhaberechten Die Erhebung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren berührt das grundrechtliche Teilhaberecht der Studierenden: Aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip ergibt sich für deutsche Staatsangehörige, welche die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, ein Teilhaberecht auf Zulassung zu den vom Staat bereitgestellten Hochschulen.571 567

Im Übrigen bestehen auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Begrüßungsgeldern: siehe Groth, NordÖR 2003, 398 f. 568 Hermann, „Der Staat zahlt“, SZ v. 17. 05. 2010. 569 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (2), (c), (bb). 570 Die wohnsitzabhängigen Studiengebührenregelungen des Landes Bremen enthielt aus diesem Grund ein gem. § 3 Abs.1 Studienkontengesetz (in der Fassung bis zum 30. 06. 2010) ein „Studienguthaben“ von 2 Semestern für Auswärtige, welches sich bei Wohnsitznahme im Land auf 14 Semester erhöhte. Ebenfalls angemessen erscheint aber auch der von Rheinland-Pfalz gem. § 70 Abs. 2 Hochschulgesetz (in der Fassung bis zum 20. 03. 2008) eingeräumte Zeitraum von einem Semester. 571 St. Rspr.: BVerfGE 33, 303 (331 f.); 37, 104 (113); 39, 258 (269 f.); 85, 36 (53 f.); Mann, in: Sachs, GG, Art. 12, Rn. 18, 160 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12, Rn. 99, 109 ff.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Es stellt sich daher die Frage nach den Auswirkungen der Teilhaberechte auf wohnsitzabhängige Studiengebühren. (aa) Zulassungsbeschränkende Wirkung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren Aus dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht folgt kein Anspruch auf ein kostenfreies Hochschulstudium,572 so dass das Teilhaberecht auch wohnsitzabhängigen Studiengebühren nicht grundsätzlich entgegensteht.573 Aus dem Teilhaberecht ergibt sich jedoch auch ein Recht auf „freien und gleichen Hochschulzugang in einem bundesweit zusammenhängenden System“574. In Anbetracht der gebührenfreien Anfangssemester, welche die einschlägigen Regelungen der Länder vorsahen,575 erscheint es zweifelhaft, dass auswärtige Hochschulbewerber oder Studierende durch wohnsitzabhängige Studiengebühren am Hochschulzugang gehindert werden könnten. In diesem Zusammenhang muss jedoch berücksichtigt werden, dass auch die Perspektive einer zukünftigen und mitten im Studium eintretenden Gebührenpflicht schon eine Abschreckungswirkung entfalten könnte. Aus Sicht der auswärtigen Studierenden dürfte der Zugang zur Hochschule von Anfang an mit erheblichen Nachteilen verbunden sein, welche das gleiche Zugangsrecht beschränken oder sogar faktisch entwerten können.576 Im Ergebnis müssen wohnsitzabhängige Studiengebühren auch in Verbindung mit anfänglichen Freisemestern als mittelbare Beeinträchtigung des Rechts auf gleichen Hochschulzugang bewertet werden. (bb) Erhöhte Rechtfertigungsanforderungen der „Numerus clausus“-Entscheidung Das verfassungsrechtliche Teilhaberecht führt zu einem strengeren Rechtfertigungsmaßstab: Im Rahmen des „Numerus clausus“-Urteils im Jahr 1972 sah das Bundesverfassungsgericht das Hochschulwesen als einen landesgrenzüberschreitenden Sachverhalt an,577 in dem Differenzierungen anhand der Landeszugehörigkeit nicht gerechtfertigt werden könnten, wenn die Bevorzugung der Landeseinwohner zu einer Entwertung von Grundrechten führe, sobald andere Länder ebenso verfahren 572

BVerfGE 134, 1 (14); BVerwGE 102, 142 (146 f.); 115, 32 (36 f.); Mann, in: Sachs, GG, Art. 12, Rn. 164. 573 Pieroth, WissR 2007, 229 (233). 574 BVerfGE 134, 1 (19 f.); siehe auch: E 33, 303 (328); 37, 104 (113); 43, 291 (313 f.). 575 Die wohnsitzabhängigen Studiengebührenregelungen des Landes Bremen enthielt gem. § 3 Abs.1 Studienkontengesetz (in der Fassung bis zum 30. 06. 2010) ein Studienguthaben von zwei Semestern für Auswärtige, welches sich bei einer Wohnsitznahme im Land auf vierzehn Semester erhöhte. Rheinland-Pfalz gewährte den Auswärtigen dagegen nach § 70 Abs. 2 Hochschulgesetz (in der Fassung bis zum 20. 03. 2008) nur ein Freisemester. 576 VG Bremen, Beschluss v. 17. 09. 2007, Az. 6 K 1577/06, S. 32. 577 BVerfGE 33, 303 (352).

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

würden.578 Es stellt sich daher die Frage, ob es sich beim Hochschulwesen noch immer um einen landesgrenzüberschreitenden Sachverhalt handelt und ob die flächendeckende Einführung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren zu einer Entwertung von Grundrechten führen würde. a) Länderübergreifendes System Im Jahr 1972 wurde das Hochschulwesen vom Bundesverfassungsgericht als ein länderübergreifendes System angesehen, „in dem einerseits nicht alle Studiengänge überall angeboten werden können und das andererseits eine Nutzung der Ausbildungskapazitäten über die Ländergrenzen hinweg erfordert“579. 2005 schränkte das Gericht diese Aussage dahingehend ein, dass das Hochschulwesen hinsichtlich der Erhebung von Studiengebühren nicht als ein zusammenhängendes System anzusehen sei.580 Diese Feststellung bezog sich allerdings nicht auf die Auswirkungen einer „Nichtlandeskindergebühr“ auf die Hochschulzulassung, sondern betraf die Frage nach einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes für ein Verbot von Studiengebühren zur Herstellung gleicher Lebensverhältnisse.581 Im Jahr 2013 qualifizierte das Bundesverfassungsgericht ohne nähere Ausführungen das Hochschulwesen als bundesweit zusammenhängendes System.582 In Anbetracht der Veränderungen, welche sich in den letzten vierzig Jahren im Hochschulwesen ergeben haben, bestehen jedoch gewisse Zweifel, ob die vom Bundesverfassungsgericht vor über 40 Jahren getätigte Feststellung eines länderübergreifenden Hochschulsystems noch Gültigkeit besitzt. Im „Numerus clausus“-Urteil begründete das Bundesverfassungsgericht die Annahme eines zusammenhängenden Systems noch mit dem damaligen Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 GG, welcher den Aus- und Neubau von Hochschulen als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern auswies.583 Im Zuge der Föderalismusreform ist dieser Artikel entfallen,584 so dass der Hochschulbau nun in die alleinige Kompetenz der Länder fällt. Eine Mitfinanzierung des Bundes ist nur noch bei wissenschaftlichen Vorhaben und Forschungsbauten im Wege von Vereinbarungen gem. Art. 91b Abs. 1 Nr. 2 oder 3 GG möglich, wenn diesen Projekten eine überregionale Bedeutung zukommt. Dieser Hinweis auf die notwendige Überregionalität der Förderungsvorhaben könnte darauf hindeuten, dass dem Hochschulsystem prinzipiell keine derartige Bedeutung eingeräumt wird. Im Übrigen ist auch das Gesetzgebungsrecht über das Hochschulwesen in die alleinige Kompetenz der Länder gem. Art. 70 Abs. 1 GG gefallen. 578 579 580 581 582 583 584

BVerfGE 33, 303 (353). BVerfGE 33, 303 (352). BVerfGE 112, 226 (247). BVerfGE 112, 226 (247). BVerfGE 134, 1 (19 f.). BVerfGE 33, 303 (352). Siehe das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. 08. 2006, BGBl. I, S. 2034.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Selbst die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG im Bereich der Hochschulzulassung und der Hochschulabschlüsse, welche für ein zusammenhängendes System spricht, kann von den Ländern gem. Art. 72 Abs. 3 GG durch eigene Regelungen verändert werden. Insgesamt haben die Grundgesetzänderungen der Föderalismusreform die Länderkompetenzen deutlich erweitert, so dass die Gesetzgebungskompetenzen im Hochschulbereich gegen die Annahme eines zusammenhängenden Hochschulsystems sprechen. In erster Linie stützte das Bundesverfassungsgericht die Annahme eines zusammenhängenden Systems auf die Indikatoren eines „flächendeckenden Studienangebots“ und der „Erforderlichkeit einer grenzüberschreitenden Kapazitätsnutzung“.585 Eine beide Indikatoren betreffende Ausprägung des zusammenhängenden Hochschulwesens war lange Zeit die zentrale Vergabe von Studienplätzen durch die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen.586 Mittlerweile verteilt die – in „Stiftung für Hochschulzulassung“587 umbenannte – Zentralstelle jedoch nur noch Studienplätze für die medizinischen Studiengänge, so dass sich die Studienplatzinteressenten im Allgemeinen direkt bei den Universitäten bewerben müssen. Die Annahme eines einheitlichen Hochschulsystems wird daneben auch durch die den Hochschulen landesgesetzlich eingeräumte Befugnis zur Durchführung von Auswahl- und Eignungstests im Zulassungsverfahren zusehends infrage gestellt,588 da es auf diese Weise zu einer Individualisierung der Zulassungsvoraussetzungen kommen kann.589 Der veränderte Bewerbungs- und Zulassungsmodus kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die entscheidenden Bedingungen für die Annahme eines zusammenhängenden Hochschulsystems – nämlich das fehlende flächendeckende Angebot aller Studiengänge und die Notwendigkeit von grenzüberschreitenden Kapazitätsnutzungen – weiterhin gegeben sind: Obwohl die Zahl der Universitäten und Fachhochschulen seit 1970 von 125 auf 421 stark gestiegen ist,590 gilt auch im Jahr 2012, dass in keinem Land alle Studiengänge angeboten werden: Aufgrund der regionalen Prägung einiger Studienfächer, wie beispielsweise Nautik oder Schiffs-

585

BVerfGE 33, 303 (352). Gefordert vom Bundesverfassungsgericht, in: E 33, 303 (357); Kugler, Allgemeine Studiengebühren, S. 149; Staatsvertrag der Länder vom 20. 10. 1972. 587 Staatsvertrag der Länder über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung vom 05. 05. 2008. 588 Beispielsweise: § 19 LHG Mecklenburg-Vorpommern, § 58 Abs. 5 LHG BadenWürttemberg. 589 Steinberg/Müller, NVwZ 2006, 1113 (1115). 590 Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1972, S. 71; Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2012, S. 90. 586

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

bau, aber auch aufgrund der zunehmenden Spezialisierung vieler Studiengänge,591 bietet keines der Länder alle Studiengänge an.592 Die Bereitstellung aller Studiengänge ist somit nur in einem alle Länder einbeziehenden Hochschulsystem möglich. Zudem besteht insbesondere bei den zulassungsbeschränkten Fächern die Erforderlichkeit einer grenzüberschreitenden Kapazitätsnutzung. Im Übrigen zeigt sich die Notwendigkeit einer gesamtdeutschen Kapazitätsnutzung am gegenwärtigen Anstieg der Studierendenzahlen infolge der doppelten Abiturjahrgänge, wodurch es zu einer vollen Auslastung der bis dahin am Bevölkerungsrückgang leidenden ostdeutschen Hochschulen gekommen ist.593 In Anbetracht des Umstands, dass die Länder ein allumfassendes Studiengangangebot nur in einem gemeinsamen System sicherstellen können und die Zahl der Studienplatzbewerber eine Nutzung von Studienplatzkapazitäten über die Ländergrenzen hinweg verlangt, muss das deutsche Hochschulwesen weiterhin als zusammenhängendes System angesehen werden. b) Keine Grundrechtsentwertung bei flächendeckender Einheimischenprivilegierung Eine Entwertung von Grundrechten – in Betracht kommt neben dem Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG auch das negative Freizügigkeitsrecht aus Art. 11 Abs. 1 GG – erscheint bei einer flächendeckenden Einführung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren unwahrscheinlich: Die Erhebung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren in allen Ländern würde die Studierenden dazu anhalten, ihren Wohnsitz in das jeweilige Hochschulland zu verlegen. Wenig überzeugend wirkt insoweit die Einschätzung des Verwaltungsgerichts Bremen, wonach eine flächendeckende Regelung die Studierenden dazu zwinge, „möglichst im Wohnsitzland zu studieren und nicht dort, wo noch freie Kapazitäten bestehen“594. Bei der Annahme eines Bleibezwangs wird verkannt, dass die wohnsitzabhängigen Studiengebührenregelungen keinen langjährigen Wohnsitz verlangen, sondern auswärtige Studierende zum Wohnsitzwechsel in das jeweilige Land anregen sollen. Aus diesem Grund enthielten die bisherigen Regelungen auch gebührenfreie Anfangssemester, um Auswärtige nicht abzuschrecken und ihnen genügend Zeit zum Wohnsitzwechsel einzuräumen. Eine flächendeckende Einführung würden die studienberechtigten Landeseinwohner somit nicht zum Studium im „Heimatland“ zwingen, sondern lediglich zum Umzug in ihren Hochschulort bzw. das jeweilige Land anregen. Auf diese Weise werden weder die freie Wahl des Hochschulortes, noch das gleiche Zulassungsrecht als Ausprägungen des Teilhaberechts entwertet. Im Übrigen begründet das Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. 591 Alleine zwischen den Jahren 2000 und 2005 stieg die Zahl der Studienfächer von 123 auf 1.253 an: HIS, Bachelor-Studiengänge aus der Sicht studienberechtigter SchulabgängerInnen, S. 14. 592 Beispielsweise bietet das Land Schleswig-Holstein an seinen Universitäten keine ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge an. 593 Schlicht, „(K)Ein Platz im Osten“, Tagesspiegel v. 28. 09. 2011. 594 VG Bremen, Beschluss v. 17. 09. 2007, Az. 6 K 1577/06, S. 30.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Art. 3 Abs. 1 GG kein Recht auf ein gebührenfreies Studium oder auf einen Wohnsitz außerhalb des Hochschullandes. Zu weitgehend erscheint auch die vom Verwaltungsgericht Bremen bejahte Entwertung des Freizügigkeitsrechts: Wenn das Verwaltungsgericht eine Entwertung schon darin sieht, dass ein gebührenfreies Erststudium von einem Umzug in das jeweilige Land abhängig sei,595 dann werden dabei die eingriffsspezifischen Besonderheiten des Art. 11 Abs. 1 GG hinsichtlich mittelbarer Beeinträchtigungen ausgeblendet. Eine Qualifikation von wohnsitzabhängigen Studiengebühren als mittelbarer Eingriff in Art. 11 Abs. 1 GG verlangt die Entfaltung einer verbotsähnlichen Wirkung hinsichtlich des Haltens eines Wohnsitzes außerhalb des Landes. Ein solcher Effekt tritt bei einer üblichen Studiengebührenhöhe von 500 Euro jedoch noch nicht ein, so dass es bereits an einem Eingriff in das Freizügigkeitsrecht fehlt.596 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine flächendeckende Regelung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren nicht zu einer Entwertung der Grundrechte von Studierenden und Studienplatzbewerbern führen würde. (cc) Berücksichtigung sozialstaatlicher Teilhabeinstrumente Das verfassungsrechtliche Teilhaberecht und das Sozialstaatsprinzip verlangen vom Gesetzgeber, dass die Studiengebühren für die wirtschaftlich schwachen Studierenden keine „unüberwindliche soziale Barriere“597 darstellen.598 Auch wenn sich aus der Kombination von Teilhaberecht und Sozialstaatsprinzip keine konkrete Verpflichtung des Gesetzgebers zur Regelung von bestimmten Ausbildungsförderungen herleiten lässt,599 erfordert das Sozialstaatsprinzip zumindest die Sicherstellung von Zugangsmöglichkeiten für mittellose Studierende.600 Aus diesem Grunde muss der Gesetzgeber die Studiengebührenregelungen mit sozialen Teilhabeinstrumenten ergänzen.601 Unter Berücksichtigung seines legislativen Gestaltungsspielraumes erfüllt der Studiengebührengesetzgeber diese verfassungsrechtlichen Vorgaben, wenn finanzschwachen Studierenden der Hochschulzugang durch

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VG Bremen, Beschluss v. 17. 09. 2007, Az. 6 K 1577/06, S. 30. 3. Kap., B., I., 3., a). 597 BVerwGE 102, 142 (147). 598 BVerwGE 102, 142 (147); 115, 32 (37); Selmer, in: Fehling/Kämmerer/Schmidt, Hochschulen zwischen Gleichheitsidee und Elitestreben, S. 123 (132); Pieroth, WissR 2007, 229 (233). 599 BVerfGE 18, 257 (273), 29, 221 (235); 69, 272 (314); 94, 241 (263); 110, 412 (445); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 112; Maurer, Staatsrecht I, § 8, Rn. 72. 600 BVerwGE 102, 142 (147); 115, 32 (37); Selmer, in: Fehling/Kämmerer/Schmidt, Hochschulen zwischen Gleichheitsidee und Elitestreben, S. 123 (132); Pieroth, WissR 2007, 229 (233). 601 BVerwGE 102, 142 (147); 115, 32 (37); Selmer, in: Fehling/Kämmerer/Schmidt, Hochschulen zwischen Gleichheitsidee und Elitestreben, S. 123 (132); Pieroth, WissR 2007, 229 (233). 596

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

die Einräumung von Härtefallklauseln in Form von Darlehensmodellen, Stipendien oder anderen Maßnahmen ermöglicht wird. (dd) Ergebnis Das verfassungsrechtliche Teilhaberecht der Studierenden steht einer Rechtfertigung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren nicht entgegen. Die Rechtfertigung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren verstößt nicht gegen die Bedingungen, welche das Bundesverfassungsgericht im „Numerus clausus“-Urteil aufgestellt hat, denn auch die flächendeckende Regelung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren würde nicht zu einer Entwertung von Grundrechten führen. Aus diesem Grunde kann die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welches ohne nähere Begründung einen Verstoß gegen das Teilhaberecht annimmt,602 nicht überzeugen. (b) Ausgleichszahlungen im Länderfinanzausgleich Der in Art. 107 Abs. 2 GG angeordnete und gesetzlich ausgestaltete Länderfinanzausgleich soll die nach der primären Steuerertragsverteilung bestehenden Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern angemessen ausgleichen.603 Der maßgebliche Vergleichsgegenstand der Länderfinanzkraft ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen den Finanzmitteln des Landes und der Einwohnerzahl, welche als abstrakter Bedarfsindikator herangezogen wird.604 Ähnlich wie im kommunalen Finanzausgleich,605 wird auch im Länderfinanzausgleich eine Einwohnerveredelung vorgenommen, die insbesondere bei den Stadtstaaten stark ins Gewicht fällt.606 Die im Zentrum des Länderfinanzausgleichs stehende Umverteilung verlangt von den leistungsstarken Ländern die Zahlung von eigenen Finanzmitteln an die leistungsschwachen Länder. Diese Ausgleichspflicht ist Ausdruck des „bündischen Prinzips des Einstehens füreinander“607 und verkörpert damit die dem Bundesstaatsprinzip innewohnende Spannungslage zwischen der Eigenständigkeit der Länder sowie der bündischen Solidarität.608 Um die Balance zwischen Eigenständigkeit und Solidarität zu wahren, darf der Länderfinanzausgleich nicht zur Nivellierung der Finanzkraft-

602

BVerfGE 134, 1 (19 f.). BVerfGE 72, 330 (386 f., 396 ff.); 86, 148 (214 f.); 101, 158 (221 f.); Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 107, Rn. 6. 604 BVerfGE 72, 330 (400 f.); 86, 148 (238 f.); 101, 158 (222 f.). 605 Siehe 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (1), (b), (cc), b). 606 Gem. § 9 Abs. 2 FAG werden die Einwohner der Stadtstaaten mit dem Faktor 1,35 gewertet. Daneben wird gem. § 9 Abs. 3 FAG auch die Einwohnerzahl von besonders dünn besiedelter Flächenstaaten geringfügig veredelt. Beide Einwohnerveredelungen basieren auf § 8 Abs. 3 Maßstäbegesetz. 607 BVerfGE 72, 330 (397). 608 BVerfGE 72, 330 (398). 603

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

165

unterschiede oder zur Verkehrung der Finanzkraftreihenfolge unter den Ländern führen.609 Laut dem Bundesverfassungsgericht würde die Verknüpfung zwischen den Finanzausgleichzuweisungen und den Studienplatzkosten für auswärtige Studierende „den berechtigten Einwand hervorrufen“, dass „letztlich aus einer Zuwendung von außen eine Studiengebühr für auswärtige Studierende zu legitimieren“ versucht wird.610 Daher ist zu untersuchen, ob eine Rechtfertigung von finanziellen Ungleichbehandlungen zulasten fremder Landeseinwohner durch die Umverteilung von Finanzmitteln im Länderfinanzausgleich ausgeschlossen ist. Denkbar erscheint darüber hinaus, dass die als Rechtfertigungsgrund einschlägige Mehrbelastung durch auswärtige Studierende schon durch das Instrument der Einwohnerveredelung ausgeglichen wird – mit der Folge, dass sich Stadtstaaten nicht auf diesen Rechtfertigungsgrund berufen könnten. (aa) Rechtfertigungsausschließende Solidaritätspflicht durch die Umverteilung im Länderfinanzausgleich Die in Art. 107 Abs. 2 GG angeordnete finanzielle Solidarität beschert den Nehmerländern einen milliardenschweren Vorteil zulasten der Geberländer611: Der im Länderfinanzausgleich verkörperte Solidaritätsgedanke und das Umverteilungsvolumen von knapp 7 Milliarden Euro sprechen dafür,612 die finanzielle Benachteiligung von Auswärtigen als finanzverfassungsrechtlichen Systemverstoß zu qualifizieren. Als systemwidrige Unbilligkeit erscheint insbesondere die Vorstellung, dass ein mit Ausgleichszahlungen bedachtes Nehmerland die Einwohner des benachbarten Geberlandes finanziell benachteiligt. Eine derartige Begrenzung des landesgesetzgeberischen Gestaltungsspielraums würde dem Institut des Länderfinanzausgleichs jedoch die Wirkung eines verfassungsrechtlichen Grundprinzips verleihen. Der Länderfinanzausgleich ist zwar Ausdruck des „bündischen Prinzip des Einstehens füreinander“613, statuiert jedoch keine allgemeine Solidaritätspflicht, welche einer finanziellen Ungleichbehandlung von Nichtlandeseinwohnern entgegenstehen könnte. Der solidargemeinschaftliche Aspekt bezieht sich vielmehr auf die Gesamtaufgabe des Finanzausgleichs, welche darin besteht, „Bund und Länder finanziell in die Lage zu versetzen, die ihnen 609

BVerfGE 72, 330 (398); 86, 148 (250); 101, 158 (222). BVerfGE 134, 1 (23 f.). 611 Laut dem Bund/Länder-Finanzbericht 2011 sind die größten Nutznießer des LFA die Länder Berlin (2,9 Mrd. Euro), Sachsen (854 Mio. Euro) und Sachsen-Anhalt (497 Mio. Euro), während Bayern (3,5 Mrd. Euro), Hessen und Baden-Württemberg (je 1,7 Mrd. Euro) die größten Geberländer sind: Bundesministerium der Finanzen, Bund/Länder-Finanzbeziehungen auf Grundlage der Finanzverfassung 2011, S. 60. 612 Umverteilungsvolumen des Länderfinanzausgleichs im Jahr 2010, sieh: Bundesministerium der Finanzen, Bund/Länder-Finanzbeziehungen auf Grundlage der Finanzverfassung 2011, S. 60. 613 BVerfGE 72, 330 (397). 610

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben wahrzunehmen“614. Es würde daher dem vom Länderfinanzausgleich verfolgten Ziel, die Eigenstaatlichkeit der Länder sicherzustellen, fundamental widersprechen, wenn mit der Umverteilung auch eine Pflicht zur Schaffung von gleichen Regelungen und interföderaler Gleichbehandlung einherginge. Insbesondere die Möglichkeit, innerhalb der Landeskompetenzen unterschiedliche Regelungen zu schaffen, ist als prägendes Element für die Eigenstaatlichkeit der Länder anzusehen.615 Aus diesem Grund steht das Institut des Länderfinanzausgleichs auch der Rechtfertigung einer wohnsitzabhängigen Gewährung von gebührenfreien Studienplätzen nicht entgegen. (bb) Stadtstaatliche Einwohnerveredelung als Mehrbelastungsausgleich Zu untersuchen ist, ob die Einwohnerveredelung im Länderfinanzausgleich die finanziellen Mehrbelastungen durch auswärtige Studierende ausgleicht, wodurch sich zumindest die Stadtstaaten nicht mehr auf die einschlägigen Rechtfertigungsgründe, welche auf die fehlenden Zuweisungen im Finanzausgleich und die daraus folgende Mehrbelastung abstellen, berufen könnten. Hinter dem Begriff der Einwohnerveredelung steht eine fiktive Einwohnerzahlerhöhung im Länderfinanzausgleich, welche die finanzielle Ausstattung der Stadtstaaten in einer Größenordnung von bis zu 500 Millionen Euro verbessert.616 Dabei werden die Einwohner der Stadtstaaten bei der Berechnung der Finanzkraftmesszahl gem. § 9 Abs. 2 FAG mit 135 % bewertet, so dass die Finanzkraft – als das über eine Ausgleichsberechtigung oder -verpflichtung im Länderfinanzausgleich entscheidende Kriterium – abgesenkt wird.617 Dies führt zu der Frage, ob die Mehrbelastungen durch die Studienplatzfinanzierung für auswärtige Studierende bei Stadtstaaten bereits durch die Einwohnerveredelung ausgeglichen werden. Die Einwohnerveredelung beruht auf § 8 Abs. 3 Maßstäbegesetz und soll den abstrakten Mehrbedarf der Stadtstaaten berücksichtigen. Zu untersuchen ist, ob sich dieser abstrakte Mehrbedarf nur auf die Versorgung der eigenen Einwohner bezieht oder ob darüber hinaus auch die in der Umlandsversorgung begründeten Kosten erfasst werden. 614

BVerfGE 86, 148 (213). BVerfGE 33, 199 (231); 33, 303 (352); BVerwG, Beschluss v. 20. 05. 1998, Az. 6 B 50/ 98; Dürig/Scholz, in: Maunz/Dürig, GGK I, Art. 3, Rn. 234 ff.; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 60. 616 Nach der Berechnung des ifo-Gutachtens beliefen sich die Vorteile im Jahr 1985 für Hamburg auf 972 Mio. DM und für Bremen auf 357 Mio. DM, siehe Hummel/Leibfritz, Die Stadtstaaten im Länderfinanzausgleich, S.V; im Jahr 1999 erhielten Berlin, Hamburg und Bremen eine um 4 Mrd. DM, 1,67 Mrd. DM und 0,66 Mrd. DM höhere Finanzausstattung: Vesper, DIW-Wochenbericht 28/2000, 395 (401); die Auswirkungen auf die Ausgleichspflicht Hamburgs im Finanzausgleich aufzeigend: Carl, Bund-Länder-Finanzausgleich im Verfassungsstaat, S. 62 ff. 617 Korioth, Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 589; Hidien, Handbuch Länderfinanzausgleich, S. 388. 615

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

167

Laut der Popitzschen/Brechtschen These, welche von mit der Siedlungsdichte überproportional ansteigenden Versorgungskosten ausgeht,618 gleicht die Einwohnerveredelung nur den – intern begründeten – abstrakten Mehrbedarf der Stadtstaaten aus.619 Allerdings wird der abstrakte Mehrbedarf der Stadtstaaten in den einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht mit der Popitzschen/Brechtschen-These, sondern mit der „strukturellen Eigenart“ dieser Länder begründet.620 Diese „Andersartigkeit der Stadtstaaten“621 macht das Gericht ausschließlich an externen Faktoren fest: Stadtstaaten seien umlandlose Hauptstädte, denen die Möglichkeit eines landesinternen Finanzausgleichs fehle und deren Pendlerproblematik nicht ausgeblendet werden dürfe.622 Insbesondere der fehlende landesinterne Finanzausgleich sei eine „Folge stadtstaatspezifischer Eigenart“, welche eine besondere Bewertung im Länderfinanzausgleich rechtfertige.623 Tatsächlich können die Stadtstaaten ihre zentralörtliche Funktion nicht mit einem eigenen (kommunalen) Finanzausgleich ausgleichen.624 Auch die Stadtstaaten sehen ihren Mehrbedarf hauptsächlich durch externe Einwirkungen begründet.625 Beispielsweise hat die Freie und Hansestadt Hamburg ihre wohnsitzabhängige Studiengebühr dementsprechend als „Metropolgebühr“ ausgestaltet und die in den umliegenden Landkreisen wohnhaften Studierenden von der Gebührenpflicht ausgenommen, da sie diese Mehrbelastungen schon durch die Einwohnerveredelung als ausgeglichen angesehen hatte.626 Unter den der Einwohnerveredelung zugrunde liegenden Begriff des abstrakten Mehrbedarfs fallen somit insbesondere die extern begründeten Kosten. Stadtstaaten können sich deshalb nicht auf den Rechtfertigungsgrund der finanziellen Mehrbelastungen durch auswärtige Studierende berufen, da diese Kosten bereits durch die

618 Dietrich, Einwohnerveredelung und Finanzausgleich, S. 137 ff.; zur Popitzschen/ Brechtschen These: 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (1), (b), (cc), b), ee). 619 In diese Richtung argumentiert Selmer, der eine Einbeziehung sog. „externer Effekte“ ablehnt und die Einwohnergewichtung als eine „rein stadtstaatenspezifische“ ansieht, in: Fehling/Kämmerer/Schmidt, Hochschulen zwischen Gleichheitsidee und Elitestreben, S. 123 (134); ders., VVDStRL 52, 10 (46, Fn. 172). 620 BVerfGE 72, 330 (415); 86, 148 (238); Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 589. 621 BVerfGE 72, 330 (415). 622 BVerfGE 72, 330 (416); 86, 148 (240). 623 BVerfGE 86, 148 (240). 624 Schuppert/Dahrendorf, Verfassungsrechtliche und finanzwissenschaftliche Aspekte des Länderfinanzausgleichs, S. 62. 625 Begründungen der Länder Hamburg und Bremen in BVerfGE 72, 330 (372). 626 Siehe die Mitteilung des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg: „Die Nutzung der Hochschulen durch Bürger der Metropolregion wird bereits jetzt durch die Einwohnergewichtung im Verfahren des Finanzausgleichs unter den Ländern berücksichtigt.“, in: Drs. 17/ 1661, S. 4; die Metropolgebühr wurde wieder abgeschafft, nachdem das OVG Hamburg ernstliche Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit äußerte: NVwZ 2006, 949.

168

3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Einwohnerveredelung ausgeglichen werden.627 Im Übrigen können sich die Stadtstaaten aus dem gleichen Grund auch nicht gegenüber im Umland wohnhaften Studierenden auf den Rechtfertigungsgrund des Standortwettbewerbs berufen. (cc) Ergebnis Die Ausgleichszahlungen im Länderfinanzausgleich begründen keine Solidaritätspflicht, welche die Rechtfertigung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren ausschließt. Eine Ausnahme gilt jedoch für die Stadtstaaten, welche sich weder auf den Rechtfertigungsgrund des Mehrbelastungsausgleichs noch gegenüber den im Umland wohnhaften Studierenden auf den Standortwettbewerb als Rechtfertigungsgrund stützen können, da die Mehrbelastung durch auswärtige Studierende bereits durch die Einwohnerveredelung ausgeglichen werden. (c) Solidaritätspflicht durch Bundeszahlungen Grundsätzlich sind die Länder für die Hochschulfinanzierung zuständig,628 so dass dem Bund die Möglichkeit zur finanziellen Mitwirkung an dieser Aufgabe durch das in Art. 104a Abs.1 GG verankerte Konnexitätsprinzip verwehrt wird.629 Eine Ausnahme bildet ein Zusammenwirken von Bund und Ländern durch Vereinbarungen gem. Art. 91b Abs. 1 Nr. 2 GG, wodurch der Bund „Vorhaben der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen“ fördern kann.630 Im Rahmen des Art. 91b Abs. 1 Nr. 2 GG wurden im Hochschulbereich unter anderem der „Hochschulpakt 2020“631, das „Programm für bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der Lehre“632 sowie die „Exzellenzinitiative“633 beschlossen.634

627 Diesem Ausgleichseffekt kann sich der Landesgesetzgeber auch nicht durch die Ausgestaltung einer wohnsitzabhängigen Studiengebühr als Metropolgebühr entziehen: Die der Einwohnerveredelung zugrunde liegende strukturelle Eigenart der Stadtstaaten betrifft „nicht nur deren Nachbarländer, sondern alle Glieder des Bundes“ (BVerfGE 72, 330 (415). Die Einwohnerveredelung zugunsten der Stadtstaaten stellt folglich keinen regionalen Sonderfinanzausgleich dar, dessen Wirkung sich auf ein bestimmtes Metropolgebiet begrenzen lässt. 628 Selmer, in: Fehling/Kämmerer/Schmidt, Hochschulen zwischen Gleichheitsidee und Elitestreben, S. 123; die Finanzierungsverantwortung der Länder ergibt sich aus Art. 104a Abs. 1 i.V.m. den Art. 30, 70 GG. 629 BVerfGE 9, 305 (328 f.); 26, 338 (390); 86, 148 (215); Schmehl, in: Friauf/Höfling, BK, Art. 104a, Rn. 15, 25; Hellermann, in: MKS, GGK III, Art. 104a, Rn. 40 ff.; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 104a, Rn. 3; Kube, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 104a, Rn. 5; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 104a, Rn. 2, 12. 630 Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91b, Rn. 5 ff.; Kluth, RdJB 2008, 257. 631 BAnz Nr. 171 v. 12. 09. 2007, S. 7480. 632 BAnz Nr. 177 v. 23. 11. 2010, S. 3911. 633 Exzellenzvereinbarung I vom 18. 7. 2005, BAnz, S. 13347 ; Exzellenzvereinbarung II vom 4. 6. 2009, BAnz Nr. 103 v. 16. 7. 2009, S. 2416. 634 Ausführlich: Volkmann, in: MKS, GGK III, Art. 91b, Rn. 13; Siekmann, in: Sachs, Art. 91b, Rn. 6.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Eine wohnsitzabhängige Studiengebühren ausschließende Solidaritätspflicht oder einen die Mehrbelastung durch auswärtige Studierende ausgleichenden Effekt können diese Vereinbarungen allerdings nur haben, wenn dadurch die Studienplatzfinanzierung in den Ländern maßgeblich beeinflusst wird. In finanzieller Hinsicht kann sich eine derartige Wirkung lediglich aus der Vereinbarung des Hochschulpaktes 2020 ergeben635 : Als Reaktion auf die steigende Zahl von Studienplatzberechtigten beteiligt sich der Bund in den Jahren 2011 bis 2015 mit 3,63 Milliarden Euro an der Finanzierung von zusätzlichen Studienplätzen.636 Die veranschlagten Kosten in Höhe von 26.000 Euro für jeden zusätzlichen Studienplatz werden dabei zwischen dem Bund und dem jeweiligen Land hälftig geteilt.637 Allerdings bezieht sich die finanzielle Förderung des Bundes nur auf die zusätzlichen Studienplätze und hat damit keine grundsätzliche Auswirkung auf die Studienplatzfinanzierung. Eine Gesamtschau der absoluten Zahlen – konkret eine Bundesförderung in Höhe von 2,6 Mrd. Euro im Vergleich mit der von den Ländern getragenen Grundfinanzierung in Höhe von 20,1 Mrd. Euro638– zeigt, dass den Zahlungen des Bundes keine die Hochschulfinanzierungslasten der Länder ausgleichende Wirkung zugestanden werden kann. Folglich bewirken diese Bundeszahlungen keine wohnsitzabhängige Studiengebühren ausschließende Solidaritätspflicht der Länder und stellen insbesondere keinen Ausgleich für die Mehrkosten durch auswärtige Studierende dar. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Bundesförderungen im Hochschulbereich keine Auswirkungen auf die Rechtfertigungsfähigkeit von wohnsitzabhängigen Studiengebühren entfalten. (d) Vereinbarkeit mit dem Bundesstaatsprinzip Wenn das „bündischen Prinzip des Einstehens füreinander“639 die Länder im Länderfinanzausgleich zu einer Abgabe von Finanzmitteln zugunsten anderer Länder zwingen kann, dann drängt sich die Frage auf, ob sich aus dem Bundesstaatsprinzip auch ein Verbot der finanziellen Ungleichbehandlung von fremden Landeseinwohnern ergeben kann.

635

Das „Programm für bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der Lehre“ fördert gem. § 2 der Vereinbarung direkt die Hochschulen. Die Förderung bezieht sich nicht auf die Studienplatzfinanzierung, sondern zielt auf die Verbesserung der Personalausstattung, der Weiterqualifizierung des Personals und auf Maßnahmen zur Optimierung der Studienbedingungen, siehe BAnz Nr. 177 v. 23. 11. 2010, S. 3911; Die Exzellenzinitiative fördert ebenfalls direkt die Hochschulen und bezieht sich nicht auf die Lehre, sondern soll nur die Forschung fördern, siehe die Präambel und § 1 der Vereinbarung, siehe BAnz Nr. 103 v. 16. 7. 2009, S. 2416. 636 BAnz Nr. 171 v. 12. 09. 2007, S. 7480. 637 BAnz Nr. 171 v. 12. 09. 2007, S. 7480. 638 Zahlen aus dem Jahr 2009: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2012, S. 261. 639 BVerfGE 72, 330 (397).

170

3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

(aa) Spannungsverhältnis zwischen Bundestreue und Wettbewerb Die Bundestreue wird aus dem in Art. 20 Abs. 1 GG verankerten Bundesstaatsprinzip hergeleitet640 und gilt als dessen „wichtigste Emanation“641. Die – auch als Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens bezeichnete642– Bundestreue erfasst sowohl das Verhältnis des Bundes zu den Ländern als auch die Beziehungen der Länder untereinander.643 Der Wirkungsbereich der Bundestreue erstreckt sich mittlerweile auf eine Vielzahl von Handlungs- und Unterlassungspflichten,644 deren „Kerngehalt“645 als Rücksichtnahmepflicht der Rechtfertigung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren entgegenstehen könnte: Danach ist jedes Land dazu verpflichtet, „bei der Inanspruchnahme seiner Rechte die gebotene Rücksicht auf die Interessen der anderen Länder […] zu nehmen und nicht auf Durchsetzung rechtlich eingeräumter Positionen zu dringen, die elementare Interessen eines anderen Landes schwerwiegend beeinträchtigen“646. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes nicht nur solidarische Elemente enthält, sondern auch wettbewerbliche Aspekte aufweist.647 Aus diesem Grunde darf der Grundsatz der Bundestreue nicht als prinzipielles Verbot von gegenläufigen Regelungsinhalten gewertet werden, da ein solches Verständnis den föderalen Wettbewerbsgedanken vollständig verdrängen würde.648 Für die Qualifikation als „bundesunfreundliches 640 BVerfGE 1, 299 (315); 34, 9 (20); 43, 291 (348); Herzog/Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GGK II, Art. 20 IV, Rn. 121; Sommermann, in: MKS, GGK II, Art. 20, Rn. 37; Badura, Staatsrecht, D 86; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 32008, § 126, Rn. 162; Stern, Staatsrecht I, S. 701; Buscher, Der Bundesstaat in Zeiten der Finanzkrise, S. 63 f.; Hey, FS Solms, S. 35 (38); Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2010, 873 (875); teilweise wird die Bundestreue auch mit dem Rechtsstaatsprinzip (Kowalsky, Die Rechtsgrundlagen der Bundestreue, S. 151 f., 245), dem Grundsatz von Treu und Glauben (Bauer, Die Bundestreue, S. 243 ff.), dem Art. 72 Abs. 2 GG (Bleckmann, JZ 1991, 900 (901 ff.)) oder mit Verfassungsgewohnheitsrecht (Ossenbühl, in: Ossenbühl, Föderalismus und Regionalismus in Europa, S. 117 (136)) begründet. 641 Bauer, in: Dreier, GGK II, Art. 20, Rn. 38. 642 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 20; Wittreck, in: Härtel,Hdb. Föderalismus I, § 18, Rn. 1. 643 BVerfGE 12, 205 (254); 81, 310 (337); 92, 203 (230); 106, 1 (27); Sommermann, in: MKS, GGK II, Art. 20, Rn. 37; Isensee, in: Isensee/Kirchhof , HStR VI, 32008, § 126, Rn. 163; Wittreck, in: Härtel ,Hdb. Föderalismus I, § 18, Rn. 25; Bauer, Die Bundestreue, S. 310. 644 Siehe die Übersicht bei Wittreck, in: Härtel ,Hdb. Föderalismus I, § 18, Rn. 26 ff. 645 Bleckmann, JZ 1991, 900. 646 BVerfGE 34, 216 (232). 647 Siehe die Gesetzesbegründung zur Föderalismusreform 2006, deren Ziel es war, „die föderalen Elemente der Solidarität und der Kooperation einerseits und des Wettbewerbs andererseits neu ausbalancieren“, in: BT-Drs.16/813, S. 7; ausführliche Abhandlungen über den Wettbewerbsföderalismus bei: Erpenbach, Grenzen des Wettbewerbsföderalismus, S. 106 ff.; Hohler, Kompetition statt Kooperation, S. 273 ff.; Zenthöfer, Wettbewerbsföderalismus, S. 106 ff. 648 Engels, Chancengleichheit und Bundesstaatsprinzip, S. 157; Erpenbach, Grenzen des Wettbewerbsföderalismus, S. 80.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Verhalten“ ist damit von entscheidender Bedeutung, wie weit der landesgesetzgeberische Spielraum zur finanziellen Ungleichbehandlung von Nichtlandeseinwohnern im Spannungsfeld zwischen Bundestreue und Wettbewerbsföderalismus bemessen werden kann. Dafür muss zunächst das Verhältnis von kooperativen und kompetitiven Elementen hinsichtlich der Länderbeziehungen im deutschen Bundesstaat bestimmt werden. Dabei kann die Bundesrepublik Deutschland weder als rein kooperativer, noch als ausschließlich kompetitiver Bundesstaat bezeichnet werden, denn beide Elemente sind in den bundesstaatlichen Beziehungen der Länder enthalten: Das Grundgesetz regelt an mehreren Stellen eine Kooperationspflicht der Länder und kreiert damit ein kooperatives Länderverhältnis.649 Beispielhaft zu nennen sind die Amtshilfe gem. Art. 35 GG, die Polizeihilfe gem. Art. 91 GG oder der Länderfinanzausgleich gem. Art. 107 Abs. 2 GG. Demgegenüber betont der kompetitive Föderalismus die Bedeutung der eigenen Gestaltungs- und Finanzierungsspielräume der Länder als Funktionsbedingung für einen leistungssteigernden Wettbewerb im Bundesstaat.650 Das Grundgesetz fordert diesen Länderwettbewerb nicht ausdrücklich, schafft jedoch die notwendigen Voraussetzungen in Form von Wettbewerbsanreizen und Wettbewerbsinstrumenten: Den Wettbewerb fördert das Grundgesetz, indem es eine einwohnerabhängige Finanzmittelverteilung im Finanzausgleich erlaubt und die Länder damit zum Wettbewerb um (steuern- und abgabenzahlende) Einwohner anhält.651 Die Abhängigkeit der Landeseinnahmen von der Einwohnerzahl führt die Länder in einen permanenten Standortwettbewerb. „Grundnorm eines kompetitiven Föderalismus“652 ist dabei der Art. 30 GG, welcher den Ländern die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben zuweist. Ein echter Standortwettbewerb kann sich jedoch nur in den Bereichen entfalten, in denen die Länder die Gesetzgebungszuständigkeit und die Finanzierungsverantwortung innehaben.653 In diesen Kompetenzbereichen sind die Länder miteinander vergleichbar, so dass ein Wettbewerbsföderalismus dort vom Grundgesetz vorgegeben wird.654 Insbesondere im Hochschulbereich stehen die Länder im direkten Wettbewerb um die mobilen Studierenden als Landeseinwohner.655 Wenn die Landeshochschulen verstärkt von Studierenden ohne Wohnsitz im Land in Anspruch 649

Sommermann, in: MKS, GGK II, Art. 20, Rn. 41, 45. Isensee, in: Isensee/Kirchhof , HStR VI, 32008, § 126, Rn. 330 ff.; Sommermann, in: MKS, GGK II, Art. 20, Rn. 55; Nettesheim, FS Badura, S. 363 ff.; Klatt, in: Meier-Walser/ Hirscher, Krise und Reform des Föderalismus, S. 64 ff.; Schmidt-Jortzig, DÖV 1998, 746 ff.; Calliess, DÖV 1997, 889 (891 ff.); grundlegend: Erpenbach, Grenzen des Wettbewerbsföderalismus, S. 27 ff. 651 3. Kap., E., II., 2., b), aa), (2), (c). 652 Robbers, in: BK, Art. 20 I, Rn. 1068. 653 Robbers, in: BK, Art. 20 I, Rn. 1068. 654 Dies verkennen Broß/Mayer, welche jeglichen Wettbewerb als „Föderal-Darwinismus“ verbannen wollen, in: Münch/Kunig, GGK II, Vorb Art. 83 – 87, Rn. 13 ff. 655 Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 32008, § 126, Rn. 330. 650

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

genommen werden, kommt es jedoch zu der wettbewerbswidrigen Situation, dass die Attraktivität eines Landes im Allgemeinen und seiner Hochschulen im Besonderen zu einem finanziellen Nachteil für das Land führt. Dem föderalen Wettbewerb um die besten Hochschulen wäre somit die Grundlage entzogen, wenn finanzielle Anreize zur Wohnsitzverlagerung nicht auch vom Wettbewerbsföderalismus umfasst werden würden. Im Ergebnis sind wohnsitzabhängige Studiengebühren daher als Ausdruck des bundesstaatlichen Wettbewerbs zu qualifizieren und stellen keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Bundestreue dar. (bb) Wohnsitzabhängige Studiengebühren als unlauteres Mittel im Wettbewerbsföderalismus Ein Überwiegen des Grundsatzes der Bundestreue ließe sich allenfalls annehmen, wenn wohnsitzabhängige Studiengebühren ein unlauteres Mittel im Wettbewerbsföderalismus darstellen würden. Dabei können – wie schon auf Kommunalebene656– die von der Bundesrepublik Deutschland anerkannten Verhaltensgrundsätze der OECD657 und EU658 zum internationalen Steuerwettbewerb als Orientierungshilfe herangezogen werden.659 Als unfaires Wettbewerbsmittel gilt danach insbesondere die ausschließliche Vorteilseinräumung zugunsten von Gebietsfremden.660 Wohnsitzabhängige Studiengebühren verstoßen jedoch nicht gegen diese Vorgabe, denn sie wirken in entgegengesetzter Richtung und privilegieren die Einwohner gegenüber den auswärtigen Studierenden. Als Wettbewerbsinstrument kommen sie auch nicht mit dem Grundgedanken des zu verhütenden Unterbietungswettbewerbs in Konflikt,661 da es durch wohnsitzabhängige Studiengebühren nicht zu einem schädlichen „race to the bottom“ kommen kann. Die mögliche Folge einer flächendeckenden Einführung solcher Landeskinderregelungen könnte die Länder zwar indirekt in ihrem politischen Gestaltungsspielraum beschränken, würde allerdings nicht zu finanziellen Nachteilen führen, da jedes Land entweder von den Studiengebühren oder von der Einwohnerbewertung im Finanzausgleich profitieren könnte. Nach Maßgabe der internationalen Verhaltensgrundsätze sind wohnsitzabhängige Studiengebühren als ein zulässiges Wettbewerbsinstrument zu qualifizieren.

656 657 658 659

(39). 660

3. Kap., E., II., 2., a), aa), (2), (b), (bb). OECD, Harmful Tax Competition – An Emerging Global Issue. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 01. 12. 1997, 98/C 2/01. Waldhoff, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 32007, § 116, Rn. 171; Hey, FS Solms, S. 35

Siehe B.1. des Verhaltenskodex der EU, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 01. 12. 1997, 98/C 2/01; siehe zudem: OECD, Harmful Tax Competition – An Emerging Global Issue, S. 28. 661 OECD, Harmful Tax Competition – An Emerging Global Issue, S. 13 ff.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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(cc) Wettbewerbsbeschränkende Wirkung der konkurrierenden Gesetzgebung Das Grundgesetz begrenzt den durch die Gesetzgebungskompetenzverteilung eröffneten Wettbewerb zwischen den Ländern in einigen Regelungsgebieten, in dem es dem Bund gestattet, diese Bereiche durch bundesgesetzliche Regelungen zu vereinheitlichen. Auf diese Weise kann der Bund die zur konkurrierenden Gesetzgebung gehörenden Regelungsbereiche dem Länderwettbewerb entziehen. Erhöhte Anforderungen ergeben sich bei den in Art. 72 Abs. 2 GG genannten Bereichen, bei denen eine bundesgesetzliche Regelung an die Bedingung der Erforderlichkeit einer im gesamtstaatlichen Interesse liegenden Herstellung von gleichwertigen Lebensverhältnissen oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit geknüpft wird. Dem bundesgesetzgeberischen Einfluss weitestgehend entzogen sind dagegen die in Art. 72 Abs. 3 GG genannten Bereiche, in denen die Länder trotz bestehenden Bundesrechts noch abweichende Regelungen treffen können. Während der Bund vor der Föderalismusreform noch ein an die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG geknüpftes Rahmengesetzgebungsrecht gem. Art. 75 Abs. 1 GG a.F. für das Hochschulwesen hatte,662 ist diese Materie – und damit auch die mögliche Kompetenz zur Studiengebührenregelung663– nun in das Gesetzgebungsrecht der Länder gem. Art. 70 Abs. 1 GG gefallen.664 Teilweise wird nun versucht, die Erhebung von Studiengebühren unter das Regelungsgebiet der Hochschulzulassung gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG zu fassen.665 Die Einordnung von Studiengebühren in den Bereich der Hochschulzulassung kann jedoch nicht überzeugen, da es sich um eine den Grundsatz des Hochschulwesens betreffende Finanzierungsfrage, die den Grundsatz des Hochschulwesens betrifft, handelt,666 die weit über den Bereich der Zulassung hinausgeht.667 Darüber hinaus könnte der Bund auf Grundlage des Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG auch kein ultimatives Verbot von wohnsitzabhängigen Studiengebühren erlassen, da die Länder in diesem Bereich gem. Art. 72 Abs. 3 Nr. 6 GG abweichende und auch völlig gegenläufige Regelungen treffen können.668 662 Mangels einer Erforderlichkeit i.S.v. Art. 72 Abs. 2 GG scheiterte der Bund im Jahr 2005 mit der Statuierung eines Studiengebührenverbots im Hochschulrahmengesetz: BVerfGE 112, 226; Waldhoff, JuS 2005, 391 ff. 663 Die Regelung von Studiengebühren gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Hochschulwesens: BVerfGE 112, 226 (243); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74, Rn. 129. 664 Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74, Rn. 129; siehe auch die Gesetzesbegründung zur Föderalismusreform: BT-Drs. 16/813, S. 16. 665 Nolte, DVBl. 2010, 84 (89). 666 BVerfGE 112, 226 (243). 667 Nach allgemeiner Ansicht fällt die Regelung von Studiengebühren nicht in die konkurrierende Gesetzgebung: siehe die Gesetzesbegründung zur Föderalismusreform, BTDrs. 16/813, S. 14; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74, Rn. 129; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 74, Rn. 84; Rengeling, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 32008, § 135, Rn. 317; Hansalek, NVwZ 2006, 668 (669). 668 Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 72, Rn. 40 ff.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 72, Rn. 30.

174

3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Der Bund kann ein allgemeines Verbot von wohnsitzabhängigen Studiengebühren auch nicht als Regelung zur „Forschungsförderung“ i.S.v. Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG erlassen, da diese Bestimmung keine allgemeine Hochschulkompetenz begründet.669 Zudem bestünde keine Erforderlichkeit im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG: Die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2005, wonach die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sowie die Wahrung der Wirtschafts- und Rechtsordnung kein bundesgesetzliches Studiengebührenverbot erfordere,670 lässt sich auch auf ein Verbot von wohnsitzabhängigen Studiengebühren übertragen. Der Bund hat demnach keine legislative Möglichkeit, die Länder an der Einführung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren zu hindern. (dd) Ergebnis Wohnsitzabhängige Studiengebühren verstoßen nicht gegen das Bundesstaatsprinzip, sondern stellen ein zulässiges Instrument im Wettbewerbsföderalismus dar. (5) Möglichkeiten der Verschärfung des Wohnsitzkriteriums Angesichts der grundsätzlichen Rechtfertigungsfähigkeit von wohnsitzabhängigen Studiengebühren stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Länder das Wohnsitzkriterium verschärfen können, um den Kreis der gebührenpflichtigen Studierenden zu erweitern. Als zusätzliche Anknüpfungspunkte kommen eine Mindestvorwohndauer, der elterliche Wohnsitz oder der Ort der Erlangung der Hochschulzugangsberechtigung in Betracht.671 (a) Rechtfertigungsmöglichkeiten In Anlehnung an die ebenfalls über eine Wohnsitzanknüpfung hinausgehenden out of state-tuitions in den USA stellt sich die Frage,672 ob die Verschärfung der Ungleichbehandlung mit den genannten Kriterien noch rechtfertigungsfähig ist. Als Rechtfertigungsgründe kommen die Sicherung der Hochschulkapazitäten für Einheimische sowie die Berücksichtigung von familiären Vorleistungen in Betracht. (aa) Berücksichtigung familiärer Vorleistungen Bei der Rechtfertigung von mindestwohndauerabhängigen Studiengebühren wird in den USA auf die finanziellen Vorleistungen, welche die Familien der einheimischen Studierenden durch erbrachte Steuerzahlungen geleistet hätten, verwiesen.673 Eine die familiären Vorleistungen belohnende Einheimischenprivilegierung mutet zunächst sonderbar an, ist aber auch dem deutschen Recht nicht gänzlich 669 670 671 672 673

Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74, Rn. 62. BVerfGE 112, 226; Waldhoff, JuS 2005, 391 ff. Ähnlich: Gärditz, WissR 2005, 157 (163). 2. Kap., B., II., 4. 2. Kap., B., II., 3., a).

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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unbekannt: Bei der mittlerweile ausgesetzten Wehrpflicht entfiel die Pflicht nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 Wehrpflichtgesetz, wenn zuvor schon zwei Brüder den Wehr- oder Ersatzdienst geleistet hatten. Diese Privilegierung, welche von der Rechtsprechung als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen wurde,674 stellt allerdings eine sozialpolitisch begründete Ausnahmeregelung für kinderreiche Familien dar,675 so dass es verfehlt wäre, die „3 Söhne-Regel“ als Indiz für die generelle Zulässigkeit von Anknüpfungen an familiäre Vorleistungen anzusehen. Letztendlich kommt es auf die Zulässigkeit derartiger Rechtfertigungsüberlegungen aber auch nicht an, da die finanziellen Vorleistungen der Familien schon keinen sachlichen Grund für eine Privilegierung der einheimischen Studierenden darstellen. Die Steuerzahlungen der Eltern in den Vorjahren weisen nämlichen keinen hinreichenden Bezug zur aktuellen Hochschulfinanzierung auf, welcher mit einer gegenwärtigen Beteiligung an der Finanzierung des Landeshaushalts vergleichbar wäre. Familiäre Vorleistungen stellen demnach keinen sachlichen Rechtfertigungsgrund für eine finanzielle Einheimischenprivilegierung dar. (bb) Kapazitätssicherung zur Einheimischenversorgung In den USA werden Studiengebühren für Auswärtige auch zur Sicherstellung der Einheimischenversorgung mit Hochschulbildung und zur Verhinderung von extern begründeter Überlastungen der Hochschulen gerechtfertigt.676 Eine derartige „Abschreckungsstudiengebühr“ könnte Auswärtige von einem Studium im jeweiligen Land abhalten, eine Überlastung der Landeshochschulen durch auswärtige Studierende vermeiden und somit sicherstellen, dass genügend Studienplätze für langjährige Landeseinwohner zur Verfügung stehen. (cc) Vereinbarkeit mit der „Numerus clausus“-Entscheidung Während die Sicherstellung der Benutzungskapazitäten für eigene Einwohner in öffentlichen Einrichtungen auf der Kommunalebene ein legitimes Ziel darstellt,677 muss sich eine kapazitätssichernde Abschottung auf Landesebene im Allgemeinen und insbesondere im Hochschulwesen an den verfassungsrechtlichen Teilhaberechten der Auswärtigen und den erhöhten Rechtfertigungsanforderungen der „Numerus clausus“-Entscheidung messen lassen: Danach darf die Bevorzugung der eigenen Landeseinwohner bei länderübergreifenden Sachverhalten nicht zur Entwertung von Grundrechten führen, wenn alle Länder eine derartige Regelung einführen würden.678 Diese vom Bundesverfassungsgericht gezogene Rechtfertigungsgrenze wird sowohl durch die Anknüpfung an eine Mindestvorwohndauer, an den elterlichen Wohnsitz als auch an den Ort der Hochschulzugangsberechtigung 674 675 676 677 678

BVerwG, NZWehrR 1997, 261. Steinlechner/Walz, Wehrpflichtgesetz, § 11, Rn. 48. 2. Kap., B., II., 3., b). 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (1), (b), (aa), d). BVerfGE 33, 303 (352 f.).

176

3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

überschritten: Finanzschwache Studienplatzbewerber könnten einer Studiengebührenbelastung nur durch ein Studium in ihrem „Heimatland“ entgehen. Im zusammenhängenden Hochschulsystem werden jedoch nicht alle Studiengänge in den einzelnen Ländern angeboten,679 so dass derartige Studiengebühren nicht nur das Recht auf freie Hochschulwahl, sondern auch die freie Studienfachwahl entwerten könnten. Im Endeffekt würden diese Regelungen bei finanzschwachen Studierenden einen Bleibezwang im Wohnsitzland statuieren. Anders als bei einer rein wohnsitzabhängigen Anknüpfung wäre es den Studierenden nämlich verwehrt, sich durch einen Wohnsitzwechsel in ein anderes Land der Studiengebührenpflicht zu entziehen. Aus diesem Grunde würde die Anknüpfung an eine Mindestwohndauer, den elterlichen Wohnsitz oder den Ort der Erlangung der Hochschulzugangsberechtigung bei finanzschwachen Studierenden zur Entwertung des einschlägigen Teilhaberechts führen, da sowohl die freie Wahl des Hochschulortes als auch des Studienfaches ausgehöhlt würden. (b) Ergebnis Der Kreis der privilegierten Einheimischen kann nicht mit einer Anknüpfung an eine Mindestwohnzeit, den elterlichen Wohnsitz oder den Ort der Hochschulzulassung verengt werden, da eine solche Ungleichbehandlung nicht mit den erhöhten Rechtfertigungsanforderungen der „Numerus clausus“-Entscheidung zu vereinbaren ist. (6) Ergebnis Wohnsitzabhängige Studiengebühren stellen eine verfassungskonforme Einheimischenprivilegierung dar. Die Ungleichbehandlung auswärtiger Studierender kann grundsätzlich aus Gründen des Mehrbelastungsausgleichs sowie als Lenkungsmittel im Standortwettbewerb gerechtfertigt werden. Wohnsitzabhängige Studiengebühren sind jedoch auf die Höhe der Mittelzuweisungen pro Einwohner im Finanzausgleich begrenzt. Im Übrigen können sich die Stadtstaaten weder auf den Rechtfertigungsgrund des Mehrbelastungsausgleichs noch gegenüber den im Umland wohnhaften Studierenden auf den Standortwettbewerb berufen, da die zusätzlichen Kosten durch auswärtige Studierende bereits durch die Einwohnerveredelung ausgeglichen werden. Eine Verschärfung des Wohnsitzkriteriums mit einer Mindestvorwohnzeit, einem Abstellen auf den elterlichen Wohnsitz oder den Ort der Hochschulzugangsberechtigung ist dagegen als verfassungswidrige Ungleichbehandlung zu qualifizieren.

679

3. Kap., E., II., 2., b), aa), (4), (a), (bb), a).

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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bb) Rechtfertigung eines wohnsitz- und mindestwohnzeitabhängigen Erziehungsgeldes als freiwillige Landesleistung Bei der Gewährung von Erziehungsgeld als freiwillige Staatsleistung muss zwischen einer Anknüpfung an den Wohnort und dem zusätzlichen Kriterium einer Mindestvorwohnzeit differenziert werden. (1) Keine rechtliche Ungleichbehandlung durch Wohnortanknüpfung In der Bundesrepublik Deutschland können die Länder innerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche eigene und voneinander abweichende Regelungen für ihr Territorium und das darin lebende Staatsvolk treffen.680 Die ausschließliche Zuständigkeit für das eigene Hoheitsgebiet führt bei nicht ländergrenzüberschreitenden Sachverhalten dazu,681 dass der eigene Verantwortungsbereich nur die eigenen Landeseinwohner umfasst: Der Landesgesetzgeber ist nur innerhalb dieser Gruppe zur Gleichbehandlung verpflichtet.682 Mangels Zugehörigkeit zur Vergleichsgruppe der Landeseinwohner, stellt die Nichtgewährung von freiwilligen Leistungen für Auswärtige folglich schon keine „rechtliche“683 Ungleichbehandlung dar.684 Die Wohnsitzanknüpfung und die einseitige Gewährung einer freiwilligen Zusatzleistung an Landeseinwohner verstoßen somit nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. (2) Rechtfertigung einer zusätzlichen Vorwohndauer Eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung von vergleichbaren Sachverhalten liegt hingegen vor, wenn ein Land die Gewährung der freiwilligen Zusatzleistungen von der Erfüllung einer Vorwohndauer abhängig macht und damit innerhalb der Gruppe der Landeseinwohner differenziert. (a) Verhinderung von Mitnahmeeffekten und Leistungstourismus Das Erfordernis der Vorwohndauer wird als Anknüpfungspunkt bei der Gewährung von freiwilligen Landesleistungen zur Verhinderung von „Mitnahmeeffek-

680

St. Rspr.: BVerfGE 10, 354 (371); 32, 346 (360); 52, 42 (58); Dürig/Scholz, in: Maunz/ Dürig, GGK I, Art. 3, Rn. 234 ff.; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 60; Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, S. 102; Engels, Chancengleichheit und Bundesstaatsprinzip, S. 80. 681 Andernfalls wären eventuell entgegenstehende Teilhaberechte von fremden Landeseinwohnern zu beachten, siehe BVerfGE 33, 303 (352 f.). 682 BVerfGE 93, 319 (351). 683 Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, S. 103. 684 St. Rspr.: BVerfGE 33, 224 (231); 52, 42 (57); 93, 319 (351); 106, 225 (241); 114, 371 (383); Osterloh/Nußberger, in: Sachs, Art. 3, Rn. 81; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 9; Boysen, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 3, Rn. 71; Heun, in: Dreier, GGK I, Art. 3, Rn. 49; Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, S. 102 f.; Engels, Chancengleichheit und Bundesstaatsprinzip, S. 82.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

ten“685 und zur Vermeidung von „Leistungstourismus aus anderen Bundesländern und dem Ausland“686 begründet. Die Vermeidung eines missbräuchlichen Leistungstourismus dürfte eine tragfähige Begründung für die Anknüpfung an eine Vorwohndauer sein und die damit einhergehende Ungleichbehandlung rechtfertigen. Im Hinblick auf den Rechtfertigungsmaßstab müsste eigentlich geprüft werden,687 ob mit einer lang bemessenen Vorwohndauer nicht indirekt an den Geburtsort und damit an das von Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Merkmal „Heimat“688 angeknüpft wird.689 Allerdings kommt es auf die Erfüllung von erhöhten Rechtfertigungsanforderungen bei der „Verhinderung von Leistungstourismus“ nicht an, denn es fehlt im Bereich der freiwilligen Zusatzleistungen auf Landesebene schon an einer hinreichenden Missbrauchsgefahr und damit an der sachlichen Grundlage für die Rechtfertigung einer Vorwohnzeit: In Anbetracht der mit einem Wohnortwechsel verbundenen Belastungen – beispielsweise ein Arbeitsplatzwechsel, ein Umzug sowie der drohende Verlust des sozialen Umfelds – erscheint ein Leistungstourismus nur bei sehr großen Anreizen möglich. Aufgrund ihrer überschaubaren Höhe – das Bayerische Erziehungsgeld beträgt beispielsweise 150 Euro für das erste Kind690– können freiwillige Landesleistungen jedoch eine derartige Wirkung nicht entfalten, so dass eine Mindestaufenthaltsdauer nicht mit der Verhütung von Leistungstourismus gerechtfertigt werden kann. Darüber hinaus entspricht es auch dem Gebot der Folgerichtigkeit,691 dass Hinzugezogene ab dem Zeitpunkt der Ummeldung nicht nur alle mit der Wohnsitznahme einhergehenden Pflichten auferlegt werden dürfen, sondern ihnen auch die an den Status als Landeseinwohner anknüpfenden Privilegierungen gewährt werden müssen. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine Vorwohnzeit als Zusatzkriterium nicht zur Verhinderung von Leistungstourismus gerechtfertigt werden kann.

685

Gesetzesbegründung der Staatsregierung vom 11. 04. 1989, Bayerischer Landtag, Drs. 11/11033, S. 5. 686 Gesetzesbegründung der Staatsregierung vom 26. 10. 2000, Bayerischer Landtag, Drs. 14/4679, S. 12. 687 Zu den erhöhten Rechtfertigungsanforderungen der „neuesten Formel“ bei einer indirekten Anknüpfung an den Geburtsort: 3. Kap., E., II., 1., b), aa), (2). 688 Nach st. Rspr. umfasst die Heimat die örtliche Herkunft und somit auch eine Anknüpfung an den Geburtsort: BVerfGE 5, 17 (22); 17, 199 (203); 102, 41 (53); 48, 281 (287); BVerwGE 136, 231 (256). 689 Teilweise wird schon die 12 – 15 monatige Vorwohnzeit beim Bayerischen Erziehungsgeld als Anknüpfung an den Geburtsort angesehen: Kingreen, Soziale Rechte und Migration, S. 77; Graser, VSSR 2003, 77 (86). 690 Siehe Art. 5 Abs. 1 Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz. 691 Zum Folgerichtigkeitsgebot: P.Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII,32010, § 181, Rn. 209 ff.; Payandeh, AöR 136 (2011), 579 ff.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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(b) Gezielte Förderung von dauerhaften Landeseinwohnern Anknüpfend an die Rechtfertigung von Mindestwohnzeiten in den USA stellt sich die Frage, ob dieses Zusatzkriterium auch mit dem Ziel einer Förderung von dauerhaft im Land bleibenden Personen gerechtfertigt werden kann. Grundsätzlich kann der Leistungsausschluss von Personen mit einem nicht auf Dauer angelegten Aufenthalt gerechtfertigt sein.692 Dies gilt insbesondere für freiwillige Staatsleistungen, mit denen der Gesetzgeber regelmäßig auch perspektivische Ziele verfolgen dürfte: Auch das bayerische Landeserziehungsgeld verfolgt eine langfristige Zielsetzung, denn es soll eine „stabile Persönlichkeit“ des Kleinkindes als „Zukunftsinvestition“ für Staat und Gesellschaft sicherstellen.693 Allerdings besteht zwischen der Entwicklung der Kindespersönlichkeit und der Vorwohndauer der Eltern im Land keinerlei Zusammenhang. Selbst wenn der Gesetzgeber mit dem Erziehungsgeld nur solche Kinder fördern wollte, die dauerhaft im Land blieben, ergäbe sich aus der Vorwohndauer der Eltern noch kein Indiz hinsichtlich der Verwurzelung und des späteren Wohnortes des geförderten Kleinkindes. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass das Zusatzkriterium einer Vorwohnzeit bei der Gewährung von Erziehungsgeld auch nicht zur gezielten Förderung von dauerhaft bleibenden Personen gerechtfertigt werden kann. (3) Ergebnis Die Beschränkung von freiwilligen Staatsleistungen auf Landeseinwohner verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Im Übrigen lässt sich jedoch eine Mindestaufenthaltsdauer als Zusatzkriterium und zusätzliche Ungleichbehandlung innerhalb der Personengruppe der Landeseinwohner nicht rechtfertigen und stellt eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar. c) Finanzielle Einheimischenprivilegierungen auf Bundesebene Zu untersuchen sind die Rechtfertigungsmöglichkeiten für eine zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühr. aa) Rechtfertigung einer zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühr Das Grundgesetz verleiht dem Bund in Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 die Gesetzgebungskompetenz zur „Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen“, so dass der Einführung einer allgemeinen Benutzungsgebühr für Bundesautobahnen keine formellen Hindernisse 692

BVerfGE 111, 176 (185); 116, 229 (239). Gesetzesbegründung der Staatsregierung vom 11. 04. 1989, Bayerischer Landtag, Drs. 11/11033, S. 4. 693

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

entgegenstehen.694 Darüber hinaus muss die gezielte Belastung von ausländischen Autofahrern mit einer zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühr jedoch auch den Rechtfertigungsanforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes genügen. (1) Herstellung eines Lastenausgleichs und einer gerechten Finanzierungsbeteiligung Im Gesetzesentwurf wird die Einführung der Infrastrukturabgabe mit der unterschiedliche Beteiligungen der Halter von im In- und Ausland zugelassenen Fahrzeugen an der Straßenfinanzierung begründet: „Während Halter von in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Fahrzeugen bereits über die Zahlung der in den Gesamthaushalt fließenden Kraftfahrzeugsteuer indirekt zur Finanzierung der Verkehrswege beitragen, sind Halter von nicht in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Fahrzeugen, die das deutsche Bundesfernstraßennetz nutzen, bislang nicht an der Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus des Netzes beteiligt.“695 Zu untersuchen ist, ob sich die Rechtfertigung für eine zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühr aus der Erwägung ergeben kann, dass die inländischen Kraftfahrzeughalter bereits mit ihrer Kraftfahrzeugsteuer einen ausgleichenden Beitrag zur Straßenfinanzierung leisten würden. (a) (Kein) Unmittelbarer Zusammenhang von Kraftfahrzeugsteuer und Autobahnfinanzierung Grundsätzlich löst in der Bundesrepublik Deutschland bereits das Halten von zugelassenen Kraftfahrzeugen die Pflicht zur Zahlung der Kraftfahrzeugsteuer aus.696 Dabei erfasst das Kraftfahrzeugsteuergesetz in § 1 Abs. 1 Nr. 2 zwar auch im Ausland zugelassene Kraftfahrzeuge, enthält in § 3 aber umfangreiche Befreiungen für solche Fahrzeuge, die nur zum vorübergehenden Aufenthalt in das Inland gelangen oder die das Inland nur auf kurzen Strecken durchqueren.697 Verallgemeinernd lässt sich somit feststellen, dass die Kraftfahrzeugsteuer nur inländische Fahrzeughalter belastet. Das jährliche Aufkommen der Kraftfahrzeugsteuer beträgt etwa acht Milliarden Euro und fällt gem. Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG in die Ertragshoheit des Bundes.698 Zumindest aus historischer Sicht besteht dabei eine inhaltliche Verbindung zur 694 Uerpmann-Wittzack, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 32006, § 89, Rn. 16; Oeter, in: MKS, GGK II, Art. 74, Rn. 157; Selmer/Brodersen, Rechtliche Probleme der Einführung von Straßenbenutzungsgebühren, S. 17 ff.; P.Kirchhof, in: Bartelsperger/Blüml/Schroeter, Ein Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 225 (231 f.). 695 Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen, BT-Drs. 18/3990, S. 1. 696 Siehe § 1 Abs. 1 Nr. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz. 697 Siehe § 3 Nr. 13 und 15 Kraftfahrzeugsteuergesetz. 698 Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2012, S. 269.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Straßenfinanzierung, denn die Kraftfahrzeugsteuer wurde 1922 im Deutschen Reich eingeführt, um den Straßenbau zu finanzieren und wird daher auch als „Zwecksteuer par excellence“699 bewertet.700 Zum Teil wird die Kraftfahrzeugsteuer zudem in der Finanz- und Verkehrswissenschaft mit dem Gedanken der Wegekostenanlastung gerechtfertigt und als Äquivalenzsteuer bezeichnet.701 In ihrer heutigen Form kann der Kraftfahrzeugsteuer jedoch nicht mehr als ein „besonders enger Bezug zum Verkehr“702 attestiert werden, denn als Steuereinnahme dient das Aufkommen der Kraftfahrzeugsteuer nur der allgemeinen Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs.703 Im Bundeshaushalt besteht keine haushaltsgesetzliche Verbindung zwischen den Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer und den Ausgaben für die Straßeninfrastruktur, so dass zwischen beiden Posten kein unmittelbarer Zusammenhang angenommen werden kann. Der Annahme einer inhaltlichen Verbindung steht insbesondere auch das gesetzgeberische Konzept der gegenwärtigen Kraftfahrzeugsteuerbemessung entgegen, welches keinen Bezug zur Straßenbe- und abnutzung durch das Fahrzeug(gewicht) aufweist, sondern die Steuer nach den Umweltauswirkungen des Fahrzeugbetriebes in Form der Hubraumgröße und des Kohlendioxidausstoßes bemisst.704 Vereinzelt wird die Kraftfahrzeugsteuer auch als „zeitbezogene Benutzungsgebühr“705 qualifiziert, da die Steuerzahlung zur Benutzung der Verkehrswege innerhalb eines bestimmten Zeitraums berechtige.706 Dabei wird jedoch übersehen, dass nicht die Entrichtung der Kraftfahrzeugsteuer, sondern die Zulassung des Kraftfahrzeugs nach § 3 der „Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen im Straßenverkehr“707 zur Fahrzeug- und Straßenbenutzung berechtigt. Ein legislativer Zusammenhang besteht zwar insoweit, dass das Kraftfahrzeugsteuergesetz in § 14 die Entziehung der Zulassung anordnet, wenn die Steuer nicht gezahlt worden ist – allerdings lässt sich daraus noch kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Steuerzahlung und der Straßenfinanzierung herleiten. Festzuhalten bleibt, dass die Kraftfahrzeugsteuer in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang zur Autobahnfinanzierung steht. Aus diesem Grunde lässt sich aus der entrichteten Kraftfahrzeugsteuer keine Finanzierungsbeteiligung der inländischen Kraftfahrzeughalter herleiten, so dass eine zulassungsortabhängige 699

Friauf, in: Bartelsperger/Blümel/Schroeter, Ein Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 209 (219). 700 Basedow, JZ 1992, 870 (872). 701 Nachweise bei Selmer/Brodersen/Nicolaysen, Straßenbenutzungsabgaben für den Schwerverkehr, S. 98. 702 Uerpmann-Wittzack, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 32006, § 89, Rn. 17. 703 BVerfGE 115, 97 (115); Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO, Rn. 18. 704 Siehe § 8 Nr. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz; zur Reform des Kraftfahrzeugsteuerbemessung im Jahr 2009, siehe Welz, UVR 2009, 186 ff. 705 Hof, Straßenverkehrsabgaben und Europarecht, S. 146. 706 Hof, Straßenverkehrsabgaben und Europarecht, S. 146. 707 BGBl I 2011, S. 139.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Autobahnbenutzungsgebühr nicht zur Herstellung eines Lastenausgleichs zwischen den Haltern von im In- und Ausland zugelassenen Fahrzeugen gerechtfertigt werden kann. (b) Reformmöglichkeiten zur Rechtfertigung einer zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühr Der fehlende Zusammenhang zwischen der Kraftfahrzeugsteuer und der Autobahnfinanzierung ließe sich durch eine Reform der Kraftfahrzeugsteuer hergestellen: Der Bundesgesetzgeber könnte einen unmittelbaren Zusammenhang herbeiführen, indem das Aufkommen der Kraftfahrzeugsteuer einer gesetzlichen – statt bloß einer politischen – Zweckbindung unterworfen werden würde und dieses infolgedessen zur Autobahnfinanzierung verwendet werden müsste.708 Das Grundgesetz lässt die gesetzliche Zweckbindung von bestimmten Steuereinnahmen in gewissem Umfang zu,709 so dass der Gesetzgeber einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Kraftfahrzeugsteuer und Autobahnfinanzierung durch eine gesetzliche Regelung schaffen könnte.710 Insbesondere steht das Non-Affektationsprinzip, wonach alle Einnahmen als Deckungsmittel für alle Ausgaben dienen, der Einführung von zweckgebundenen Steuern nicht als unüberwindbare Hürde entgegen.711 Mit einem Aufkommen von etwa acht Milliarden Euro kommt der Kraftfahrzeugsteuer nur eine untergeordnete Bedeutung für den Gesamthaushalt des Bundes zu, so dass eine Zweckbindung dieser Steuer nicht zu einer übermäßigen Einengung der Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers führen würde und daher eine verfassungskonforme Verknüpfung zwischen dem Steueraufkommen und der Autobahnfinanzierung darstellen dürfte.712 Darüber hinaus könnte der Gesetzgeber die Kraftfahrzeugsteuer auch durch eine Kraftfahrzeug-Sonderabgabe ersetzen, welche zur Benutzung der Autobahnen berechtigen würde und deren Aufkommen zur Finanzierung der Autobahnen verwendet werden müsste. Als Sonderabgabe mit Finanzierungszweck dürfte eine derartige Kraftfahrzeug-Sonderabgabe den strengen Anforderungen des Bundesverfassungs708

Uerpmann-Wittzack, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 32006, § 89, Rn. 17. BVerfGE 7, 244 (254); 49, 343 (353); 110, 274 (294); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 105, Rn. 6; Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a, Rn. 84 f.; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 3 AO, Rn. 18 f.; L. Hummel, Verfassungsrechtsfragen der Verwendung staatlicher Einnahmen, S. 378 ff.; Waldhoff, StuW 2002, 285 ff. 710 Siehe auch die wortgleichen Bestimmungen in § 7 S. 2 des Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder sowie in § 8 S. 2 der Bundeshaushaltsordnung: „Auf die Verwendung für bestimmte Zwecke dürfen Einnahmen beschränkt werden, soweit dies durch Gesetz vorgeschrieben oder im Haushaltsplan zugelassen ist.“ 711 Musil, DVBl. 2007, 1526 (1526, 1529 ff.). 712 Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen einer Zweckbindung von Steuern, siehe BVerfGE 93, 319 (348); 110, 274 (294 f.); Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, S. 227 ff.; L. Hummel, Verfassungsrechtsfragen der Verwendung staatlicher Einnahmen, S. 388. 709

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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gerichts genügen713 : Der Bund dürfte mit einer Sonderabgabe den Sachzweck der Autobahnfinanzierung verfolgen, denn er verfügt nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG über die Sachgesetzgebungskompetenz über das Kraftfahrwesen sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen. Die Sonderabgabe würde mit den Kraftfahrzeughaltern zudem eine homogene Gruppe belasten, die als (potenzielle) Benutzer des Autobahnnetzes auch eine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit und Gruppenverantwortung für die Autobahnfinanzierung tragen. Unter Zugrundelegung einer derartigen Beteiligung der Kraftfahrzeughalter an der Autobahnfinanzierung könnte eine zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühr aus Gründen des Lastenausgleichs gerechtfertigt werden.714 Im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz würde es dann nämlich keinen Unterschied mehr machen, ob die inländischen Kraftfahrzeughalter über eine jährliche Autobahnbenutzungsgebühr oder über eine jährliche Kraftfahrzeugabgabe an der Finanzierung der Straßeninfrastruktur beteiligt wären, solange sich beide Finanzierungsinstrumente für den jeweiligen Benutzungszeitraum in ihrer Höhe entsprächen. Eine Rechtfertigung aus Gründen des Lastenausgleichs könnte insoweit gelingen, wenn die Autobahngebühr als zeitabhängige Benutzungsgebühr ausgestaltet werden würde, wobei die Gebührenhöhe für den jeweiligen Benutzungszeitraum nicht über die für diesen Zeitraum anteilige Höhe der inländischen Kraftfahrzeugabgabe hinausgehen dürfte. Die für eine Rechtfertigung notwendige Einhaltung dieses zeitlichen Vergleichsmaßstabs würde den Gesetzgeber letztendlich zwingen, die zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühr nicht als entfernungsabhängige Maut, sondern als zeitabhängige Benutzungsgebühr auszugestalten. Im Wege eines benutzungszeitabhängigen Vignettensystems könnten diese Rechtfertigungsanforderungen erfüllt werden.715 (2) Gleichheitsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung Die Verhältnismäßigkeit wäre bei einer zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühr zum Ausgleich der unterschiedlichen Finanzierungsleistungen von in- und ausländischen Kraftfahrzeughaltern gewahrt, wenn die Gebührenbelastung einen finanziellen Ausgleich schaffen würde, ohne dass sie über die zweckgebundenen Kraftfahrzeugsteuerzahlungen der Inländer und den gewährten Vorteil der Autobahnbenutzung hinausginge. Der Zulassungsort des Kraftfahrzeugs wäre ein geeignetes Kriterium für die Beteiligung des Kraftfahrzeughalters an der Autobahnfinanzierung, da die refor713

BVerfGE 81, 156 (186 f.); 82, 159 (179 ff.). Siehe bereits Langeloh, DÖV 2014, 365 (370); zustimmend: Korte/Gurreck, EuR 2014, 420 (423). 715 Eine Vignettensystem für Privatfahrzeuge haben Österreich, Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Slowakei, Slowenien und Rumänien, siehe Mitteilung der Kommission über die Erhebung nationaler Straßenbenutzungsgebühren auf leichte Privatfahrzeuge vom 14. 05. 2012, COM (2012) 199 final, S.4, 13 f. 714

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

mierte Kraftfahrzeugsteuer oder Sonderabgabe nur im Inland zugelassene Fahrzeuge belasten würde. Für die Gruppe der Verkehrsteilnehmer mit im Ausland zugelassenen Personenkraftwagen ergibt sich zudem keine vergleichbare Finanzierungsbeteiligung aus einer gegebenenfalls im Zusammenhang mit der Betankung des Personenkraftwagens stehenden Belastung mit der Energiesteuer: Soweit sich beispielsweise der ADAC darauf beruft, dass ausländische Fahrzeuge durch die Energiesteuer „bereits umfassend an den Infrastrukturkosten“ beteiligt seien, da sie dem Staat „fast das Doppelte an Einnahmen“ im Verhältnis zu den verursachten Kosten brächten,716 wird dabei der fehlende Zusammenhang zwischen der Energiesteuer und der Autobahnfinanzierung übersehen: Zum einen erfasst die Energiesteuer nicht nur Kraftstoffe für Personenkraftwagen, sondern eine Vielzahl von Energieträgern, so dass sich keine Verbindung zwischen dem Steueraufkommen und der Benutzung der Verkehrsinfrastruktur herstellen lässt.717 Von entscheidender Bedeutung für den fehlenden Zusammenhang ist die Auflösung der einfachgesetzlichen Zweckbindung der damaligen Mineralölsteuer für die Straßenfinanzierung,718 indem die Verwendung des Steueraufkommens durch haushaltsrechtliche Regelungen auch auf sonstige verkehrspolitische Zwecke ausgeweitet worden ist.719 Im Übrigen ist der vermeintliche „Benutzungsgebühreneffekt“ der Energiesteuer auch von der unsicheren Bedingung einer Betankung des im Ausland zugelassenen Personenkraftwagens an einer in Deutschland belegenen Tankstelle abhängig.720 Eine zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühr müsste zudem als Teil eines vom gesetzgeberischen Gestaltungs- und Entscheidungsspielraums getragenen Finanzierungskonzepts akzeptiert werden und dürfte nicht unter dem Deckmantel der Erforderlichkeitsprüfung in die vermeintlich mildere Alternativmaßnahme einer allgemeinen Autobahnbenutzungsgebühr in Verbindung mit einer Abschaffung der Kfz-Steuer umgewandelt werden.721 Im Übrigen könnte ein derartiges Modell zu massiven Einnahmeausfällen zum Nachteil des Staates und seiner zu unterhaltenden Infrastruktur führen, wenn ein gewisser Anteil der Inländer fortan das Autobahnnetz meiden und die eingesparte Kraftfahrzeugsteuer nicht in eine Jahresvignette zur Autobahnbenutzung reinvestieren würde. 716 Siehe die „Faktenübersicht“ des ADAC unter http://www.adac.de/_mmm/pdf/ fi_pkw_maut_fakten_thesen_fi_0114_119993.pdf (abgerufen am 23. 04. 2015). 717 Siehe bereits Langeloh, DÖV 2014, 365 (368); zustimmend: Hillgruber, Rechtsgutachten für das BMVI, S. 49; Korte/Gurreck, EuR 2014, 420 (438); dagegen nahmen Selmer/ Brodersen noch einen „mittelbaren, allerdings eher doch entfernten Zusammenhang zwischen der Belastung durch Mineralölsteuerung und der Straßennutzung“ an, siehe Rechtliche Probleme der Einführung von Straßenbenutzungsgebühren, S. 99. 718 Siehe Art. 1 Straßenfinanzierungsgesetz in der Fassung vom 20. 12. 1988; für eine Erhöhung der Mineralölsteuer als Alternative zu Benutzungsgebühren: Brauns/Riedel, RIW 1991, 224 (227). 719 Siehe § 6 Abs. 8 des Haushaltsgesetzes vom 20. 01. 2013, BGBl. I, S. 2757. 720 Brauns/Riedel, RIW 1991, 224 (227). 721 Ähnlich: BVerwGE 104, 60 (66).

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Bei der Frage nach einer angemessenen Gebührenhöhe müsste zudem das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip beachtet werden,722 wonach kein grobes Missverhältnis zwischen der Gebühr und dem Wert der Autobahnbenutzung bestehen darf.723 Keine Bedenken ergäben sich in diesem Zusammenhang an der Zulässigkeit einer Gebührenbemessung anhand der Benutzungszeit als Hilfsmaßstab für die Autobahnbenutzung.724 Zur Wertbestimmung könnten insoweit die zeitabhängigen Straßengebühren in anderen Mitgliedstaaten der EU als Vergleichsmaßstab herangezogen werden: In Anbetracht der Tatsache, dass kleinere Staaten wie Slowenien und Ungarn mit kürzeren Autobahnnetzen für Jahresvignetten schon zwischen 95 Euro und 148,90 Euro verlangen,725 erscheint die im Entwurf zur Infrastrukturabgabe angedachte Jahresgebührenhöhe von 103,04 Euro für Benzin- und 112,35 Euro für Dieselfahrzeuge als angemessener Vorteilsausgleich.726 Neben einer Jahresvignette müsste es auch Vignetten für kürzere Benutzungszeiträume geben: Bereits die Ausgestaltung als Benutzungsgebühr bedingt eine grundsätzliche Anknüpfung an die tatsächliche Inanspruchnahme,727 so dass sich unterschiedliche Benutzungszeiträume auch in der Gebührenhöhe niederschlagen müssten.728 Insbesondere verlangt aber der Rechtfertigungsgrund des Lastenausgleichs, dass die Höhe der Autobahnbenutzungsgebühr für den jeweiligen Benutzungszeitraum der für diesen Zeitraum anteiligen Höhe der inländischen Kraftfahrzeugabgabe entspricht. Dementsprechend lässt sich ein verhältnismäßiger Lastenausgleich nur sicherstellen, wenn es auch Vignetten für sehr kurze Benutzungszeiträume gibt: Die im Infrastrukturabgabengesetz geregelten „Kurzzeit“-Vignetten für Zeiträume von zehn Tagen oder zwei Monaten genügen diesen Anforderungen nicht und führen daher zu einer unangemessenen Benachteiligung von Kurzzeitbenutzern.729 Vielmehr verlangt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei einer Rechtfertigung aus Gründen des Lastenausgleichs auch die Bereitstellung von Tagesvignetten, deren Höhe nicht über den Betrag der für das jeweilige Fahrzeug tagesanteiligen Kraftfahrzeugsteuer hinausgehen dürfte. Unter diesen Voraussetzungen würde eine zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühr den Vorgaben der gleichheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung genügen. 722 P.Kirchhof, in: Bartelsperger/Blümel/Schroeter, Ein Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 225 (234). 723 BVerfGE 20, 257 (270); 83, 363 (392); BVerwGE 80, 36 (39); 26, 305 (308 f.). 724 Selmer/Brodersen/Nicolaysen, Straßenbenutzungsabgaben für den Schwerverkehr, S. 102. 725 Mitteilung der Kommission über die Erhebung nationaler Straßenbenutzungsgebühren auf leichte Privatfahrzeuge vom 14. 05. 2012, COM (2012) 199 final, S. 13 f. 726 Anlage zu § 7 im Entwurf zum Infrastrukturabgabengesetz, BT-Drs. 18/3990, S. 30. 727 Selmer/Brodersen/Nicolaysen, Straßenbenutzungsabgaben für den Schwerverkehr, S. 102. 728 Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 217. 729 Siehe § 6 Abs. 2 im Entwurf zum Infrastrukturabgabengesetz, BT-Drs. 18/3990, S. 11.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

bb) Ergebnis Die gegenwärtige Ausgestaltung der Kraftfahrzeugsteuer erlaubt keine Rechtfertigung einer zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühr aus Gründen des Lastenausgleichs. Grundsätzlich wäre eine Rechtfertigung jedoch möglich, wenn die inländischen Kraftfahrzeughalter bereits mit der Zahlung einer zweckgebundenen Kraftfahrzeugsteuer oder einer Sonderabgabe an der Autobahnfinanzierung beteiligt wären. Der Rechtfertigungsgrund des Lastenausgleichs verlangt zudem eine zeitabhängige Gebührenbemessung, wobei die Benutzungsgebühr der für den jeweiligen Zeitraum anteiligen Höhe der inländischen Kraftfahrzeugabgabe entsprechen müsste. Diese Vorgaben lassen sich am Besten mit einem zeitraumgestaffelten Vignettensystem umsetzen. 3. Staatsangehörigkeitsabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen Die Staatsangehörigkeit gehört nicht zu den verbotenen Differenzierungskriterien des Art. 3 Abs. 3 GG, aber ihre Wirkung als Differenzierungskriterium kann eine ähnliche Auswirkungen auf die Betroffnen entfalten, so dass staatsangehörigkeitsabhängige Differenzierungen den hohen Rechtfertigungsanforderungen der „neuesten Formel“ genügen müssen.730 a) Kommunalebene Auf kommunaler Ebene sind sachgerechte Rechtfertigungsgründe für eine finanzielle Benachteiligung von inner- oder außerhalb der Kommune wohnhaften Personen anhand des Differenzierungskriteriums einer ausländischen Staatsangehörigkeit nicht ersichtlich: Ausländische Staatsangehörige mit Hauptwohnsitz im Gemeindegebiet sind Einwohner der Kommune, so dass die Rechtfertigungsgründe für wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen nicht auf diese Personengruppe übertragbar sind, da die Rechtfertigungsgründe auf dem Wohnsitz und den damit verbundenen finanziellen Auswirkungen beruhen. Im Hinblick auf die von Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG vorgegebene Verantwortung für die „örtliche Gemeinschaft“ erscheint zudem der Ausschluss von ausländischen Gemeindeeinwohnern aus dieser Versorgungsgemeinschaft unzulässig und nicht rechtfertigungsfähig. Im Gegensatz zum Bund und den Ländern können die Kommunen eine finanzielle Ungleichbehandlung von ausländischen Staatsangehörigen auch nicht mit „gesamtstaatlichen Erwägungen und Zielen“731 rechtfertigen, da Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG 730

BVerfGE 130, 240 (255); siehe auch 3. Kap., E., II., 1., b), aa), (2). Beispielsweise könnte eine Kommune die Gewährung von kommunalen Leistungen zur gezielten Förderung von dauerhaft bleibenden Personen auf deutsche Staatsangehörige beschränken. Aus dem Merkmal der Staatsangehörigkeit kann jedoch nicht auf die Aufenthaltsdauer geschlossen werden (siehe BVerfGE 130, 240 (257)), so dass höchstens ein dau731

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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ihren Kompetenzbereich auf örtliche Angelegenheiten begrenzt732 : Kommunen sind „von Rechts wegen darauf beschränkt, sich mit Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises zu befassen. Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises sind nur solche Aufgaben, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf die örtliche Gemeinschaft einen spezifischen Bezug haben und selbstständig bewältigt werden können.“733. Diese verfassungsrechtliche Begrenzung der kommunalen Kompetenzen auf örtliche Angelegenheiten wirkt sich auch auf die Rechtfertigungsmöglichkeiten aus und verhindert eine Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen aus überörtlichen Gründen. Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass finanzielle Privilegierungen anhand der Staatsangehörigkeit auf kommunaler Ebene nicht zu rechtfertigen sind und somit eine verfassungswidrige Benachteiligung ausländischer Staatsangehöriger darstellen. b) Landesebene Zu untersuchen ist, ob die staatsangehörigkeitsabhängige Gewährung von kostenlosen Studienplätzen sowie von Erziehungsgeldern auf Landesebene gerechtfertigt werden kann. aa) Rechtfertigung von Studiengebühren für ausländische Studierende Grundsätzlich haben weder deutsche noch ausländische Staatsangehörige einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf die Gewährung eines gebührenfreien Hochschulstudiums. Die Notwendigkeit einer gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung ergibt sich erst aus der Ungleichbehandlung der ausländischen gegenüber den – gebührenfrei oder zu günstigeren Konditionen studierenden – deutschen Staatsangehörigen. (1) Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung Grundsätzlich ist es unschädlich, dass für die Rechtfertigung einer staatsangehörigkeitsabhängigen Studiengebührenerhebung nur gesamtstaatliche Erwägungen in Betracht kommen, denn die Länder sind in ihrem Handeln nicht auf ihr jeweiliges Landesinteresse beschränkt, sondern werden vom Bundesstaatsprinzip auch zur Verfolgung von gesamtstaatlichen Zielen angehalten, denn „jeder Bundesstaat ist auf erhafter Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und damit eine überörtliche Zielsetzung als Rechtfertigungsgrund in Betracht kommt. Auch für eine Rechtfertigung aufgrund des völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzips müsste eine Kommune auf gesamtstaatliche Ziele abstellen. 732 BVerfGE 8, 122 (134); 50, 195 (201); 52, 95 (120); 79, 127 (151 f.); Tettinger/Schwarz, in: MKS, GGK II, Art. 28, Rn. 173; Burgi, Kommunalrecht, § 6, Rn. 13. 733 BVerfGE 8, 122 (134).

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

ein Zusammenwirken aller Beteiligten im Sinne des Allgemeininteresses angelegt […]“734. Insbesondere der Hochschulbereich als länderübergreifender Lebenssachverhalt steht einer bundesstaatlichen Zielverfolgung seitens der Länder offen gegenüber,735 so dass landesrechtliche Rechtfertigungsgründe bei der Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen auf gesamtstaatlichen Erwägungen beruhen können. (a) (Keine) Besondere Verantwortung für deutsche Staatsangehörige Das Länderhandeln im gesamtstaatlichen Interesse begründet noch keine – zumindest als Rechtfertigungsgrund ausreichende – Verbindung zwischen dem Land und den deutschen Staatsangehörigen: Während zwischen den deutschen Staatsangehörigen und der Bundesrepublik Deutschland ein lebenslanges Abhängigkeitsverhältnis besteht,736 kann der Beziehung zu den Ländern keine vergleichbare Bindungswirkung eingeräumt werden, da das allgemeine Freizügigkeitsrecht allen Deutschen den Wohnsitzwechsel innerhalb des Bundesgebiets garantiert.737 Deutsche Staatsangehörige können somit jederzeit in andere Länder übersiedeln und die dortigen Leistungen in Anspruch nehmen, so dass mangels des „Rechtsschicksals der Unentrinnbarkeit“738 keine besondere und damit vergleichbare Verantwortung der Länder für die Staatsangehörigen besteht. Die Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen kann somit nicht mit der besonderen Landesverantwortung für Deutsche gerechtfertigt werden, da auch deutsche Staatsangehörige nicht unentrinnbar auf ein einzelnes Land angewiesen sind. (b) Funktionsfähigkeit des Hochschulsystems zur Eigenversorgung In Anbetracht der zunehmend grenzüberschreitenden Hochschulnutzung kann eine Rechtfertigung auf Abwehrüberlegungen hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des deutschen Hochschulsystems zur Versorgung der eigenen Bevölkerung basieren. Durch die Vereinheitlichung der „Bachelor/Master“-Hochschulabschlüsse und die steigende Mobilität der Studierenden sehen sich insbesondere die entwickelten Industriestaaten mit ihren hochwertigen und teilweise gebührenfreien Hochschulsystemen einer zunehmenden Nachfrage von ausländischen Studierenden ausgesetzt.739 Mehrere Staaten haben auf die Gefahr einer Kapazitätsüberlastung mit der Einführung von Ausländerstudiengebühren reagiert: Als Reaktion auf die Studienge734

Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 68 m.w.N. BVerfGE 33, 303 (352); 3. Kap., E., II., 2., b), aa), (4), (a), (bb), a). 736 Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49 (59). 737 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 11, Rn. 3. 738 Isensee, VDStRL 32 (1974), 49 (48). 739 Die Zahl der auslandsmobilen Studierenden ist alleine im Zeitraum von 2005 bis 2008 von 2,7 Mio. auf 3,3 Mio. gestiegen. Deutschland stellt dabei nach den USA und Großbritannien das drittgrößte Aufnahmeland dar: Bundesministerium für Bildung und Forschung, Internationalisierung des Studiums – Ausländische Studierende in Deutschland – Deutsche Studierende im Ausland, S. 9 f. 735

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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bührenerhöhung in England hat beispielsweise Schottland seinen Universitäten die Erhebung von Studiengebühren zum Nachteil von englischen Studierenden erlaubt, um die eigenen Hochschulen vor einem Ansturm von „Gebührenflüchtlingen“ aus England zu schützen.740 Auch die unter einer starken Nachfrage deutscher Studierender und einem allgemein hohen ausländischen Studierendenanteil von ca. 20 % „leidende“ Schweiz gestattet ihren Hochschulen die Erhebung von speziellen Studiengebühren für ausländische Studierende.741 Mit seinem größtenteils gebührenfreien Hochschulsystem stellt die Bundesrepublik Deutschland das weltweit drittgrößte Aufnahmeland von ausländischen Studierenden dar: Im Jahr 2006 manifestierte sich diese Attraktivität anhand von fast 250.000 ausländischen Studierenden an deutschen Hochschulen,742 wobei diese Gruppe nur einem Anteil von knapp 12 % an der Gesamtzahl der Studierenden743 entspricht, so dass eine Kapazitätsüberlastung des deutschen Hochschulsystems zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht angenommen werden kann. Im Hinblick auf den demografischen Wandel erscheint es sogar wahrscheinlicher, dass die Bundesrepublik Deutschland in Zukunft um ausländische Studierende wirbt, um den Mangel an einheimischen Arbeitskräften aufzufangen. Im Übrigen wäre eine Abschreckungsgebühr auch kaum mit dem Grundsatz der Erforderlichkeit vereinbar, denn eine Überlastung der deutschen Hochschulen dürfte sich auch mit festen Zulassungsquoten für ausländische Studierende als milderes Mittel vermeiden lassen.744 Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass die Erhebung von Ausländerstudiengebühren nicht mit der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Hochschulsystems zur Einheimischenversorgung gerechtfertigt werden kann. (c) Gezielte Förderung von dauerhaft bleibenden Personen Die Begrenzung von staatlichen Förderleistungen auf dauerhaft im Staat bleibende Personen wird vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich als Rechtfertigungsgrund akzeptiert.745 „In bestimmten Konstellationen“ kann der voraussichtlich 740

Störkel, „Wenn der Kunde zugleich Produkt ist“, FAZ v. 08. 11. 2011. Hofer, „Studiengebühren für Ausländer: Die Eidgenossen bitten zur Kasse“, Der Spiegel-Online/Unispiegel v. 08. 07. 2011. 742 Die Gesamtzahl setzt sich zusammen aus 181.000 echten „Bildungsausländern“, welche ihre Hochschulzugangsberechtigung nicht in Deutschland erlangt haben und 64.000 ausländischen Studierenden mit deutscher Hochschulzugangsberechtigung als „Bildungsinländer“: Bundesministerium für Bildung und Forschung, Internationalisierung des Studiums – Ausländische Studierende in Deutschland – Deutsche Studierende im Ausland, S. 5, 10 ff. 743 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Internationalisierung des Studiums – Ausländische Studierende in Deutschland – Deutsche Studierende im Ausland, S. 5, 10 f. 744 In Österreich werden 75 % der Studienplätze im Fach Medizin nur an Einheimische vergeben. Zudem wird eine Ausweitung dieser Quotenregelung auf andere Fächer erwogen, siehe Warnecke, „Österreich will gegen deutsche Studenten vorgehen“, Der Tagesspiegel v. 28. 05. 2013. 745 BVerfGE 111, 176 (185); 116, 229 (239); 132, 72 (83). 741

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

nicht auf Dauer angelegte Aufenthalt von ausländischen Staatsangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland eine Ungleichbehandlung rechtfertigen.746 Von der Richterin am BVerfG Gabriele Britz wird eine Anwendbarkeit dieser Rechtfertigungsüberlegung bejaht, wenn von der fehlenden deutschen Staatsangehörigkeit auch auf eine fehlende Bleibeperspektive geschlossen werden könne und wenn zwischen dem Zweck der Staatsleistung und dem dauerhaften Aufenthalt ein spezifischer Sachzusammenhang bestehe.747 Anknüpfend an die genannte Rechtsprechung soll daher der Frage nachgegangen werden, ob die Begrenzung der staatlichen Leistung eines gebührenfreien Studiums auf deutsche Staatsangehörige als gezielte Förderung von dauerhaft bleibenden Personen gerechtfertigt werden kann. (aa) Förderung deutscher Studierender zur Sicherstellung des Akademikerbedarfs Der sachspezifische Zusammenhang zwischen der Gewährung eines gebührenfreien Hochschulstudiums und dem dauerhaften Aufenthalt der dadurch geförderten Personen ergibt sich aus den hohen Kosten dieser Staatsleistung sowie den damit verbundenen Zielen. Zunächst stellt ein gebührenfreies Hochschulstudium angesichts von Gesamtkosten in Höhe von bis zu 250.000 Euro eine der wertvollsten Staatsleistungen zugunsten einzelner Personen dar.748 Darüber hinaus lässt sich eine derartige Begrenzung der staatlicher Förderung auf dauerhaft im Hoheitsgebiet lebende Personen mit staatspolitischen Zielen untermauern749: In einem entwickelten Industrieland wie der Bundesrepublik Deutschland benötigen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in jedem Jahr eine gewisse Anzahl an Hochschulabsolventen, um die in den Ruhestand getretenen Arbeitskräfte zu ersetzen. Die staatliche Studienplatzsubventionierung basiert – neben Gerechtigkeitserwägungen – deshalb insbesondere auf der Überlegung, dass der Abbau von finanziellen Hürden möglichst vielen jungen Menschen den Hochschulzugang eröffnen soll.750 Auf diese Weise soll erreicht werden, dass der Akademikerbedarf von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft durch eine ausreichende Anzahl an Hochschulabsolventen sichergestellt werden kann. In diesem Zusammenhang wird die Gewährung eines gebührenfreien Hochschulstudiums in gewisser Weise auch an die ungeschriebene Auflage geknüpft, dass die geförderten Personen

746

BVerfGE 130, 240 (257). Britz, ZAR 2014, 56 (59). 748 Die Gesamtkosten für ein universitären Maschinenbaustudium betragen ca. 250.000 Euro pro Absolvent: HIS, Werkstattbericht zu einem Vergleich der Ergebnisse von Universitäten und Fachhochschulen, S. 11. 749 Allgemein zur legitimen Leistungsbegrenzung auf sich dauerhaft in Deutschland aufhaltende Personen: BVerfGE 111, 176 (185); 116, 229 (239). 750 Exemplarisch für die politische Argumentation gegen Studiengebühren: Aktionsbündnis gegen Studiengebühren, Argumente gegen Studiengebühren – Eine Widerlegung von Behauptungen. 747

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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in Deutschland bleiben, ihre fachspezifischen Kenntnisse in den volkswirtschaftlichen Kreislauf einbringen und den Staat durch Steuerzahlungen mitfinanzieren. Im Allgemeinen kann der Gesetzgeber bei deutschen Studierenden von einer gewissen Verwurzelung und einem über das Studium hinausgehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ausgehen. Im Gegensatz dazu dürfte die Bundesrepublik für ausländische Studierende eher eine (Bildungs-)Durchgangsstation sein: Beispielsweise verlassen 75 bis 87 % der aus Nicht-EU-Staaten stammenden „Bildungsausländer“751 nach dem Studienabschluss wieder die Bundesrepublik Deutschland.752 In Anbetracht der durch das Auslandsstudium nachgewiesenen Mobilität und der geringeren Verwurzelung in Deutschland erscheint bei der Gruppe der ausländischen Studierenden ein dauerhafter oder erwerbslebenslanger Aufenthalt in Deutschland eher unwahrscheinlich.753 Ausgehend von einer üblicherweise auf die Studienzeit beschränkten Aufenthaltszeit der ausländischen Studierenden stellt die Gewährung von gebührenfreien Studienplätzen aus der Sicht des Staates als „Humankapital-Investor“ eine Fehlinvestition dar: In der Regel werden ausländische Studierende eine wertvolle Staatsleistung in Anspruch nehmen, ohne dass sie eine die Studienplatzkosten ausgleichende oder auch nur eine annähernd mit den Leistungen der Einheimischen vergleichbare finanzielle Beteiligung an den Gemeinlasten leisten. Im Gegensatz dazu kann der Staat bei den einheimischen Studierenden davon ausgehen, dass die breite Mehrheit auch nach dem Studium in Deutschland bleiben und sich – im Idealfall bis zum altersbedingten Austritt aus dem Berufsleben – mit Steuerzahlungen an der Finanzierung der öffentlichen Haushalte beteiligen wird. In Anbetracht der unterdurchschnittlichen Akademikerarbeitslosigkeit und der überdurchschnittlichen Gehälter sind die Steuerzahlungen dieser Personengruppe eine wichtige Säule im Staatshaushalt.754 Abgesehen von der grundsätzlichen Bedeutung der Akademikerausbildung für einen funktionsfähigen Staat, erweist sich die Gewährung eines ge-

751 Als Bildungsausländer werden in den amtlichen Statistiken diejenigen ausländischen Studierende ausgewiesen, die keine deutsche Hochschulzugangsberechtigung haben: Bundesministerium für Bildung und Forschung, Internationalisierung des Studiums – Ausländische Studierende in Deutschland – Deutsche Studierende im Ausland, S. 10. 752 Die OECD geht von ca. 75 % aus: International Migration Outlook 2011, S. 67. Diese Zahl steht aber im Widerspruch zu den Angaben des Bundesministeriums des Inneren, wonach im Jahr 2010 nur 3.769 von insgesamt 28.208 ausländischen Hochschulabsolventen aus NichtEU-Staaten eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt haben, was einem Anteil von 13 % entspricht: Bundesministerium des Inneren, Migrationsbericht 2010, S. 61. 753 Davon geht stillschweigend auch Quaritsch aus, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 21992, § 120, Rn. 129. 754 Die Arbeitslosenquote bei Akademikern betrug im Jahr 2011 lediglich 2,5 % und ist somit weit unterdurchschnittlich: Astheimer, „In Deutschland sind Akademiker vollbeschäftigt“, FAZ v. 04. 03. 2011; Akademiker verdienen durchschnittlich 57 % mehr als Fachkräfte: OECD, Bildung auf einen Blick 2011, S. 178.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

bührenfreien Hochschulstudiums bei dieser Personengruppe somit auch in finanzieller Hinsicht als eine sinnvolle Staatsinvestition.755 In Anbetracht der unterschiedlichen Partizipation an der Finanzierung der öffentlichen Haushalte ist es daher gerechtfertigt, wenn nur deutschen Studierenden als den zukünftigen Trägern der Gemeinlasten ein gebührenfreies Hochschulstudium gewährt wird. (bb) Anforderungen an eine legislative Prognoseentscheidung zur Bestimmung der Bleibeperspektive Der dargestellte Rechtfertigungsgrund beruht auf der (legislativen) Prognoseentscheidung, dass ausländische Studierende nach dem Hochschulabschluss nicht dauerhaft in Deutschland bleiben, sondern überwiegend wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. Grundsätzlich ist der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungs- und Einschätzungsprärogative auch zu legislativen Prognoseentscheidungen berechtigt.756 Die legislative Prognose darf jedoch keine „scheinrationale Besserwisserei“757 darstellen, sondern muss auf einer Gesamtbetrachtung empirischer Daten und verlässlicher Erfahrungswerte beruhen.758 Bei dem Sonderfall einer legislativen Prognose ist es daher im Interesse einer verfassungskonformen Gesetzesausgestaltung notwendig, den Gesetzgeber, der vom Grundsatz her nichts als das Gesetz schuldet,759 zu einer qualifizierten Gesetzesbegründung anzuhalten. Im Hinblick auf eine verfassungsrechtliche Überprüfung schuldet der Gesetzgeber jedoch keine vollumfängliche Richtigkeit: Sofern sich eine legislative Prognose über einen nicht über das Studium hinausgehenden Aufenthalt von ausländischen Studierenden empirisch nachweisen lässt, würde diese Prognoseentscheidung auch durch vereinzelte „Ausnahmefälle“ von dauerhaft bleibenden ausländischen Hochschulabsolventen nicht ihre Legitimationsgrundlage verlieren.760 Die Abhängigkeit des gestaltenden Gesetzgebers von Prognosen geht einher mit einem „Recht zum Irrtum über den Verlauf der künftigen Entwicklung“761. Innerhalb dieses 755

Bezogen auf das gesamte Erwerbsleben eines Hochschulabsolventen erzielt Deutschland ein staatlicher Nutzen von mehr als 190.000 US-Dollar: OECD, Bildung auf einen Blick 2011, S. 198, 209 f. 756 St. Rspr.: BVerfGE 18, 315 (332); 30, 250 (263); 39, 210 (226); 65, 1 (55); 83, 130 (141 f.); 94, 115 (143 f.); 95, 267 (314); 103, 293 (307); 113, 167 (252); Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 87 ff.; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 150 f.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 320; Stern, in: Stern/Sachs, Staatsrecht III/2, S. 777 f.; Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 964 ff.; Breuer, Der Staat 16 (1977), 21 ff. 757 Breuer, Der Staat 16 (1977), 21 (40). 758 BVerfGE 106, 62 (151); Breuer, Der Staat 16 (1977), 21 (40). 759 Isensee, Gemeinwohl und öffentliches Amt, S. 54; Waldhoff, in: Depenheuer/Heintzen/ Jestaedt/Axer, FS Isensee, S. 325 (327 f.). 760 Breuer, Der Staat 16 (1977), 21 (53 f.). 761 Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 967.

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Einschätzungsspielraums reduziert sich die gerichtliche Kontrolle, so dass dem Gesetzgeber seitens des Bundesverfassungsgerichts „innerhalb gewisser Grenzen“ auch Fehlprognosen zugestanden werden,762 da einzelne Fehlentwicklungen „selbst bei größter Prognosesorgfalt letztlich nicht auszuschließen“ sind.763 Der Gesetzgeber muss folglich anhand von empirischen Daten belegen, dass bei ausländischen Studierenden nicht von einem über die Studienzeit hinausgehenden und letztendlich dauerhaften Aufenthalt in Deutschland ausgegangen werden kann. Konkret muss nachgewiesen werden, dass die ganz überwiegende Mehrheit der bisherigen ausländischen Hochschulabsolventen nicht mehr in Deutschland lebt. Ein derartiger Nachweis erscheint angesichts der bisherigen Datenlage keinesfalls abwegig: In Anbetracht der Tatsache, dass im Jahr 2010 nur 13 % der Hochschulabsolventen aus Nicht-EU-Staaten eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt haben,764 dürfte eine längerfristige Untersuchung zu dem Ergebnis gelangen, dass sich dieser Personenkreis im Laufe der Jahre noch weiter verringert. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass nur eine empirisch abgesicherte Prognose des Gesetzgebers dem Rechtfertigungsgrund eine sachliche Grundlage verleihen kann. (cc) Zusätzliche Kriterien neben der Staatsangehörigkeit Grundsätzlich erscheint die Staatsangehörigkeit als alleiniges Prognosekriterium für einen dauerhaften Aufenthalt nicht vollends geeignet, denn es fehlt an einer Unterscheidung zwischen den schon vor dem Hochschulstudium dauerhaft in Deutschland lebenden Ausländern und den nur für das Studium nach Deutschland kommenden Ausländern. Wenn ein dauerhaft in Deutschland lebender Ausländer ein Hochschulstudium beginnt, erscheint eine anschließende Emigration nicht wahrscheinlicher als bei deutschen Studierenden, da der dauerhafte Aufenthalt sowie das Aufwachsen in Deutschland eine vergleichbare Verwurzelung begründen. Der Einheimischenstatus zeigt sich auch an dem Umstand, dass dauerhaft in Deutschland lebende und eine deutsche Hochschulzugangsberechtigung innehabende ausländische Studierende in der amtlichen Statistik als „Bildungsinländer“ geführt und nicht als „international mobile Studierende“ angesehen werden.765 Der Anknüpfungspunkt „Staatsangehörigkeit“ muss deshalb mit weiteren Kriterien ergänzt werden, um die Gruppe der emigrierenden Bildungsausländer innerhalb der ausländischen Studierenden ein- und von der Gruppe der bleibenden ausländischen Bildungsinländer abzugrenzen. Als geeignete Kriterien erscheinen eine Mindestwohnzeit und der Ort der Hochschulzugangsberechtigung, welche beide auf einen dauerhaften Aufenthalt und eine feste Verankerung in Deutschland schließen lassen: Während eine Mindestwohnzeit direkt auf die zeitliche Verankerungskomponente abstellt, basiert die 762

BVerfGE 106, 62 (151 f.). BVerfGE 106, 62 (151); Breuer, Der Staat 16 (1977), 21 (25 ff.). 764 Bundesministerium des Inneren, Migrationsbericht 2010, S. 61. 765 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Internationalisierung des Studiums – Ausländische Studierende in Deutschland – Deutsche Studierende im Ausland, S. 10. 763

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Anknüpfung an eine in Deutschland erworbene Hochschulzugangsberechtigung auf der dafür zu erfüllenden Schulzeit und dem damit einhergehenden dauerhaften Aufenthalt. Die Gruppe der ausländischen Studierenden, die lediglich für das Hochschulstudium nach Deutschland kommen und danach wieder in ihre Heimat zurückkehren, kann somit mit dem Kriterium der Staatsangehörigkeit in Verbindung mit einer Mindestwohnzeit und/oder den Ort der Hochschulzugangsberechtigung eingegrenzt werden. (dd) Ergebnis Die gezielte Förderung von dauerhaft bleibenden Personen zur Sicherstellung des deutschen Akademikerbedarfs ist ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund für die einseitige Studiengebührenbelastung von ausländischen Studierenden. Der Rechtfertigungsgrund basiert auf einer legislativen Prognoseentscheidung hinsichtlich eines nicht dauerhaften Aufenthalts der ausländischen Hochschulabsolventen in Deutschland, deren Richtigkeit der Gesetzgeber anhand von empirischen Daten nachweisen muss. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass insbesondere Bildungsausländer die Bundesrepublik Deutschland nach dem Hochschulabschluss wieder verlassen, so dass die Studiengebührenpflicht von ausländischen Staatsangehörigen an die zusätzlichen Kriterien einer nicht erfüllten Mindestwohnzeit und/oder einer ausländischen Hochschulzugangsberechtigung geknüpft werden sollte. (d) Völkerrechtliches Gegenseitigkeitsprinzip Internationale Studierende müssen in vielen Staaten – unter anderem Neuseeland, Australien, Schweiz, USA oder Südafrika – höhere Studiengebühren als die Einheimischen zahlen.766 Im Gegenzug könnten nach Maßgabe des völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzips auch Studierende aus diesen Staaten zu Studiengebühren in Deutschland herangezogen werden. In diese Richtung argumentierte im Jahr 2013 auch Horst Hippler als Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, welcher ebenfalls auf die fehlende Gegenseitigkeit hinwies und daher eine Studiengebührenbelastung von ausländischen Studierenden begrüßte.767 Während der Schutz der eigenen Staatsangehörigen außerhalb des Bundesgebiets als legitimes Anliegen des Bundes angesehen wird,768 erscheint die Annahme einer derartigen Zielverfolgung durch die Länder eher fernliegend: Bereits das Fehlen einer formellen Landesstaatsangehörigkeit führt dazu,769 dass Landeseinwohner lediglich als Bundes- und nicht als Landesbürger im Ausland auftreten können. 766

OECD, Bildung auf einen Blick 2011, S. 313, 402. „Da wir als Deutsche im Ausland außerhalb der EU Gebühren zahlen, wäre das auch umgekehrt in Ordnung“, siehe Gillmann, „Ausländische Studenten sollen zahlen“, Handelsblatt v. 16. 08. 2013. 768 BVerfGE 30, 409 (414). 769 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 33, Rn. 3. 767

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Zudem fallen der Schutz und die Betreuung von deutschen Staatsangehörigen nicht in die Zuständigkeit der Länder, sondern gehört zu den „auswärtigen Angelegenheiten“770, welche das Grundgesetz in Art. 32 Abs. 1 i.V.m. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG dem Bund zugewiesen hat. Darüber hinaus erlaubt das GG in Gestalt von Art. 32 Abs. 3 GG den Ländern nicht den Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen ohne die Zustimmung des Bundes. Diese Zustimmung liegt im außenpolitischen Ermessen des Bundes und soll sicherstellen, dass die Länder keine gegenläufige Außenpolitik betreiben.771 Internationale Gegenseitigkeitsabkommen auf Länderebene stellen insoweit eine vom Grundgesetz nicht gewollte „Nebenaußenpolitik“772 der Länder dar: Der Abschluss eines Gegenseitigkeitsabkommens, welches nur die Rechte der jeweiligen Landeseinwohner in einem ausländischen Staat erhöhte, würde zu einer kaum praktikablen Zersplitterung der Bundesaußenpolitik führen. Im Verbund bliebe den Ländern jedoch die Möglichkeit einer auf den Abschluss von Gegenseitigkeitsabkommen gerichteten Zusammenarbeit mit dem Bund: Die Länder könnten sich mit dem Bund auf den Abschluss derartiger Abkommen mit anderen Staaten einigen, wobei das bestehende Lindauer Abkommen über den Abschluss völkerrechtlicher Verträge in Bereichen der ausschließlichen Länderzuständigkeiten insoweit als Vorbild dienen könnte.773 Angesichts der ideologischen Spannungslage beim Thema Studiengebühren und der politisch ebenfalls brisanten Benachteiligung von ausländischen Studierenden dürfte eine Konsensbildung zwischen den Länder einerseits sowie dem Bund und den Ländern andererseits jedoch nur schwer zu erzielen sein. Sollte es jemals zu einer politischen Einigung zwischen den Ländern und dem Bund über die Erhebung von Studiengebühren zulasten von Studierenden aus bestimmten Staaten kommen, könnte als Rechtfertigungsgrund auf das Gegenseitigkeitsprinzip abgestellt werden. (2) Verhältnismäßigkeit der Ungleichbehandlung Im Wege der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind zum einen mildere Alternativmaßnahmen zu erörtern und zum anderen der Frage nach der Bestimmung einer angemessenen Studiengebührenhöhe nachzugehen.

770

Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 73, Rn. 3. Rojahn, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 32, Rn. 39; Kempen, in: MKS, GGK II, Art. 32, Rn. 90. 772 Kempen, in: MKS, GGK II, Art. 32, Rn. 89; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32, Rn. 53. 773 Siehe Ziff. 3 des Lindauer Abkommens, abgedruckt bei: Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 128. 771

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

(a) Vermeintlich mildere Alternativmaßnahme: Mindestaufenthalt nach dem Hochschulabschluss Wenn die sachliche Grundlage eines Rechtfertigungsgrundes auf der Prognose eines nicht dauerhaften Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland basiert, stellt sich im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung die Frage, ob die Regelung einer Mindestaufenthaltsdauer nach dem Hochschulabschluss eine mildere Alternativmaßnahme darstellen würde. Im Zusammenhang mit der Gewährung von Studienbeihilfen hat der Europäische Gerichtshof es im Vergleich zum generellen Leistungsausschluss als milderes Mittel angesehen, dass die erhaltenen Finanzmittel von den geförderten Personen nach dem Studienabschluss zurückzahlt werden, wenn die Studierenden nach dem Studium nicht in dem jeweiligen Staat wohnen und arbeiten.774 Übertragen auf Studiengebühren ließe sich das gesetzgeberische Ziel einer einheimischenähnlichen Beteiligung an den Gemeinlasten allerdings nur mit der Statuierung einer langjährigen Mindestaufenthaltszeit erreichen. Ein derartiges „Emigrationsverbot“ wäre jedoch ein unangemessener Eingriff in die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Handlungsfreiheit der ausländischen Hochschulabsolventen und kann daher nicht als mildere Alternativmaßnahme bewertet werden. Darüber hinaus würden den Ländern auch die rechtlichen Instrumente zur Durchsetzung des Mindestaufenthalts sowie zur Sanktionierung einer vorzeitigen Emigration fehlen.775 Eine nachträgliche Mindestaufenthaltszeit stellt somit weder ein milderes, noch ein zur Zielerreichung gleich wirksames Instrument dar. (b) Gebührenhöhe Im Vergleich zu den hohen Studiengebühren in den meisten Industriestaaten776 erscheint die Bundesrepublik Deutschland fast schon als „Bildungsdiscounter“777. Es stellt sich daher die Frage nach der Zulässigkeit einer sich an den hohen Kosten der Studienplatzfinanzierung und dem Wert der akademischen Ausbildung orientierenden Gebühr für ausländische Studierende. (aa) Gebührenrechtliche Bemessungsprinzipien Eine Studiengebühr für ausländische Studierende muss nach Maßgabe der gebührenrechtlichen Prinzipien bemessen werden: Dabei kann die Gebührenhöhe sowohl nach dem Äquivalenzprinzip anhand des marktgängigen Nutzwerts, als auch 774

EuGH, Rs. C-20/12, Rz. 79, Giersch. Theoretisch könnten ausländische Hochschulabsolventen mit einem Ausreiseverbot gem. § 46 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz belegt werden, wenn sie sich dadurch ihrer finanziellen Verpflichtungen entziehen würden. Die dauerhafte Anwendung dieses Instruments zur Verhinderung von finanziellen Schäden wäre aber in jedem Falle unverhältnismäßig: Winkelmann, in: Renner, Ausländerrecht, § 46 AufenthG, Rn. 10 ff., 19. 776 Siehe die Übersicht der OECD, Bildung auf einen Blick 2011, S. 312. 777 Spiegel Online/Unispiegel v. 19. 08. 2013, „Studienkosten weltweit: Deutschland, du bist billig“, (http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/wo-das-studium-fuer-auslaendischestudenten-am-teuersten-ist-a-917328.html, abgerufen 23. 04. 2015). 775

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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nach dem Kostendeckungsgebot anhand des finanziellen Aufwands festgelegt werden.778 Eine nutzenorientierte Gebührenbemessung ist von einem Marktwert abhängig und deshalb nur im Bereich der „markt- und wettbewerbsunterworfenen Staatsleistungen“779 möglich, während eine kostenorientierte Bemessung auch bei fehlender Marktgängigkeit der Staatsleistung durchgeführt werden kann.780 Im Zusammenhang mit einer nutzwertorientierten Gebührenbemessung stellt sich die Frage nach der Marktgängigkeit eines Hochschulstudiums. In Deutschland besteht ein Wettbewerb zwischen dem Staat und privaten Hochschulen um Studierende nur im Bereich der Betriebswirtschaftslehre, in dem ungefähr 340 private Studiengänge angeboten werden.781 Bei den übrigen Studienfächern bliebe nur eine Marktpreisbestimmung anhand der Studiengebühren in anderen Staaten als Vergleichswert. Im Allgemeinen stehen die Staaten im Bereich der staatlichen Leistungen jedoch nicht in Konkurrenz zueinander, da die nationalen Bevölkerungen in der Regel nicht zwischen den unterschiedlichen Leistungsangeboten der Staaten wählen können. Eine Gebührenbemessung anhand einer internationalen Durchschnittsgebühr für eine bestimmte Staatsleistung ist daher prinzipiell unzulässig. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz erscheint jedoch im Hochschulbereich überlegenswert, da das Hochschulangebot der Industriestaaten durch die Einführung der Bachelor-/Master-Abschlüsse vereinheitlicht wurde, so dass aus Sicht der mobilen Studierenden ein internationaler Hochschulmarkt besteht. Die Existenz eines grenzüberschreitenden Hochschulraumes manifestiert sich an der steigenden Zahl der internationalen Studierenden,782 während sich die Wettbewerbskomponente an der Existenz von internationalen Hochschulrankings zeigt.783 Angesichts der beträchtlichen Unterschiede in der Studiengebührenhöhe kann jedoch kein internationaler Marktpreis für ein Hochschulstudium festgelegt werden: Die Höhe der durchschnittlichen Jahresstudiengebühren variiert innerhalb der Gruppe der OECDStaaten zwischen mehr als 6.000 US-Dollar (USA), 3.000 bis 5.000 US-Dollar (Großbritannien, Kanada, Australien), 1.000 bis 2.000 US-Dollar (Niederlande, Portugal, Italien) und dem marktpreiszerstörenden Angebot eines kostenlosen Hochschulstudiums (Tschechien, Irland sowie die skandinavischen Länder).784 Die große Spanne an unterschiedlichen Gebührenhöhen macht deutlich, dass die Höhe von Studiengebühren in der Regel auf politischen Entscheidungen beruhen, die unabhängig von internationalen Vergleichswerten und somit auch marktunabhängig 778

3. Kap., E., II., 2., a), aa), (1), (a), (bb), a). F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 93. 780 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 92 f., 96. 781 Siehe http://www.privathochschulen.net/studiengaenge/bwl-und-business-administration (abgerufen am 23. 04. 2015). 782 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Internationalisierung des Studiums – Ausländische Studierende in Deutschland – Deutsche Studierende im Ausland, S. 9 f. 783 Siehe das Times Higher Education World University Ranking: http://www.timeshighereducation.co.uk/world-university-rankings (abgerufen am 23. 04. 2015). 784 OECD, Bildung auf einen Blick 2011, S. 312. 779

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

getroffen werden. Auch wenn aus Sicht der Studierenden ein internationaler Hochschulmarkt bestehen mag, wird dieser von den Staaten als Leistungsanbieter bei der Gebührenbemessung ignoriert. Anhand von wettbewerbsunabhängig festgelegten Gebühren kann jedoch kein Marktpreis für ein Hochschulstudium gebildet werden, so dass eine Ausreizung des Äquivalenzprinzips zur Gebührenbemessung ausscheidet. Aus diesem Grunde muss die Bemessung der Studiengebühren für ausländische Studierende nach Maßgabe des Kostendeckungsgebots erfolgen: Die Finanzierungskosten eines Studienplatzes lassen sich studienfachspezifisch errechnen, so dass die Gebührenerhebung auf einer sicheren Bemessungsgrundlage beruht. Mit einer studienfachabhängigen Gebührenbestimmung lässt sich zudem berücksichtigen, dass sich das Interesse der ausländischen Studierenden in Deutschland insbesondere auf die kostenintensiven „MINT-Fächer“ bezieht.785 Auf diese Weise können die Gesamtfinanzierungskosten von 60.000–80.000 Euro für ein in der Regelzeit absolviertes Hochschulstudium ausgeglichen werden.786 (bb) Angemessenheit von kostendeckenden Studiengebühren Die Erhebung einer kostendeckenden Studiengebühr von ausländischen Studierenden ist sowohl hinsichtlich der finanziellen Belastung als auch der Benachteiligung gegenüber den subventionierten deutschen Studierenden angemessen: In einer kostendeckenden und somit nur die Finanzierungslasten des Staates ausgleichenden Ausländerstudiengebühr kann auch keine unangemessene Belastung der ausländischen Studierenden erblickt werden.787 Angesichts der (finanziellen) Vorteile einer Hochschulausbildung für das gesamte Erwerbsleben erscheint die Aufnahme eines Hochschulstudiums für ausländische Studierende trotz einer Gesamtstudiengebühr im fünfstelligen Bereich noch als wirtschaftlich sinnvolle Investition.788 Im Hinblick auf die genannten Rechtfertigungsgründe genügt die Erhebung einer kostendeckenden Ausländerstudiengebühr folglich den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. (3) Mögliche Einwirkungen auf die Rechtfertigungsgründe Zu untersuchen ist, ob verfassungsrechtliche Teilhaberechte, das Sozialstaatsprinzip oder völkerrechtliche Gegenseitigkeitsabkommen der Rechtfertigungsfähigkeit einer kostenorientierten Studiengebühr für ausländische Studierende entgegenstehen. 785 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Internationalisierung des Studiums – Ausländische Studierende in Deutschland – Deutsche Studierende im Ausland, S. 16. 786 HIS, Werkstattbericht zu einem Vergleich der Ergebnisse von Universitäten und Fachhochschulen 2003, S. 9. 787 Allgemein für kostendeckende Studiengebühren: Kramer/Mai, WissR 2005, 313 (333). 788 Akademiker verdienen durchschnittlich 57 % mehr als Fachkräfte: OECD, Bildung auf einen Blick 2011, S. 178.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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(a) Teilhaberechte von Studierenden aus dem (EU-)Ausland In Anbetracht der Beschaffenheit des Art. 12 Abs. 1 GG als Deutschengrundrecht steht ein derivatives Teilhaberecht auf Zulassung zum Hochschulstudium nur deutschen Studienplatzbewerbern zu.789 Vereinzelte Versuche der Schutzbereichserweiterung auf ausländische Staatsangehörige leiden nicht nur an der unzutreffenden Qualifikation der Staatsangehörigkeit als verbotenes Differenzierungskriterium i.S.v. Art. 3 Abs. 3 GG,790 sondern unterlaufen auch den Wortlaut des Grundgesetzes.791 Eine Schutzbereichsausdehnung auf die Staatsangehörigen der anderen EUMitgliedstaaten wird einerseits mit Hinweis auf das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV gefordert,792 andererseits mit Verweis auf den eindeutigen Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 GG abgelehnt.793 Zudem wird vorgeschlagen, dass ausländische Unionsbürger in den Genuss des Schutzniveaus von Art. 12 GG gelangen, indem die allgemeine Handlungsfreiheit auf den genannten Personenkreis entsprechend angewendet wird.794 Für derartige Umweg-Konstruktion besteht jedoch keine Notwendigkeit, da eine Europäisierung von grundgesetzlichen Bestimmungen im Wege von Art. 23 Abs. 1 GG möglich ist795: In Anbetracht der wortlautübersteigenden Anwendungserweiterung des Art. 19 Abs. 3 GG auf juristische Personen mit Sitz in der Europäischen Union muss aus denselben Gründen – nämlich zur Erfüllung der „durch die europäischen Verträge übernommenen vertraglichen Verpflichtungen“796– eine Anwendungserweiterung des Art. 12 Abs. 1 GG auf die Staatsangehörigen der anderen EUMitgliedstaaten erfolgen.797 Die unionsrechtlichen Grundfreiheiten und das allgemeine Diskriminierungsverbot führen insoweit zu einer Schutzbereichserweiterung auf Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der EU.798 Aus dem Teilhaberecht folgt für die Studierenden aus den anderen Mitgliedstaaten der EU jedoch kein Anspruch auf 789

BVerwG, NJW 1990, 2899 (2900); OVG Hamburg, InfAusR 2007, 397 (398); OVG Münster, WissR 2010, 85 (86); BayVGH, InfAuslR 2010, 400 f. 790 So aber: Breinersdorfer/Zimmerling, JZ 1986, 431. 791 BVerfGE 78, 179 (196 f.). 792 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12, Rn. 12; Ruffert, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 12, Rn. 37; Breuer, in: Isensee/Kirchhof, HStR VIII, 32010, § 170, Rn. 43. 793 Mann, in: Sachs, GG, Art. 12, Rn. 33 ff.; Manssen, in: MKS, GGK I, Art. 12, Rn. 266; Wieland, in: Dreier , GGK I, Art. 12, Rn. 58; Kämmerer, in: Münch/Kunig, GGK I, Art. 12, Rn. 10; Lücke, EuR 2001, 112 (113 f.); Bauer/Kahl, JZ 1995, 1077 (1081). 794 Exemplarisch: Manssen, in: MKS, GGK I, Art. 12, Rn. 267 m.w.N. 795 BVerfGE 129, 78 (96 f.). 796 BVerfGE 129, 78 (97). 797 Zu der Frage, ob aus einer solchen „Verfassungsänderung ohne Textänderung“ eine Verpflichtung des Verfassungsgesetzgebers zur deklaratorischen Anpassung des Grundgesetzes folgt: Hufeld, in: Isensee/Kirchhof, HStR XII, 32014, § 259, Rn. 26 ff. 798 BVerfGE 129, 78 (97).

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

ein gebührenfreies Hochschulstudium,799 sondern nur für den Gesetzgeber die Pflicht zur Regelung von sozialverträglichen Zugangsmöglichkeiten für finanzschwache Studierende.800 Im Gegensatz dazu können sich ausländische Staatsangehörigen aus nicht zur EU gehörenden Staaten nur auf die allgemeine Handlungsfreiheit berufen801: Art. 2 Abs. 1 GG vermittelt jedoch keinen teilhaberechtähnlichen Rechtsanspruch auf eine Hochschulzulassung im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten,802 sondern gebietet nur eine Vereinbarkeit der Zugangsregelungen mit der „verfassungsmäßigen Ordnung“.803 Für die Rechtfertigung eines Eingriffs durch kostenorientierte Studiengebühren verlangt die Schranke der allgemeinen Handlungsfreiheit somit nur eine Vereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht: In Anbetracht des Umstands, dass verfassungsrechtliche Zweifel weder an der Studiengebührenerhebung,804 noch an der kostenorientierten Gebührenbemessung bestehen, sind die Rechtfertigungsanforderungen des Art. 2 Abs. 1 GG erfüllt. Eine kostenausgleichende Studiengebühr verletzt ausländische Studierende somit nicht in deren Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. (b) Vereinbarkeit mit dem Sozialstaatsprinzip Eine kostenorientierte Gebührenbemessung kann bei kostenintensiven Studienfächern zu Studiengebühren in fünfstelliger Gesamthöhe führen. Bei derartigen Beträgen stellt sich die Frage nach einer Gebührenbegrenzung durch das in den Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip. Als Staatszielbestimmung richtet sich das Sozialstaatsprinzip an die öffentlichen Gewalten und

799 BVerwGE 102, 142 (146 f.); 115, 32 (36 f.); Mann, in: Sachs, GG, Art. 12, Rn. 164; Pieroth, WissR 2007, 229 (232). 800 3. Kap., E., II., 2., b), aa), (4), (a), (cc). 801 Dabei erstreckt sich der Geltungsbereich und die Schutzwirkung der Grundrechte nur auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, so dass der Schutzbereich nur für solche Personen eröffnet sein kann, die sich auch in der Bundesrepublik aufhalten: Quaritsch, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 21992, § 120, Rn. 76; Heintzen, in: Merten/Papier, HGR II, § 50, Rn. 33. 802 BVerwG, NJW 1990, 2899 (2900); OVG Hamburg, InfAusR 2007, 397 (398); OVG Münster, WissR 2010, 85 (86); BayVGH, InfAuslR 2010, 400 f.; ein solcher Anspruch lässt sich auch nicht aus den zum Teil weiten Bestimmungen in einigen Landesverfassungen ableiten: Die zulassungsrechtliche Gleichstellung von ausländischen Staatsangehörigen würde den Kreis der Anspruchsinhaber erweitern und damit das Teilhaberecht der deutschen Studienplatzbewerber beeinträchtigen. Aus diesem Grunde erfordert Art. 12 Abs. 1 GG eine enge Auslegung und auf deutsche Staatsangehörige beschränkte Auslegung derartiger Bestimmung oder eine Aufhebung des Landesrechts gem. Art. 31 GG: HessVGH, NVwZ 1988, 855; Schulz, ZAR 1987, 72 (73 ff.). 803 BVerfGE 78, 179 (197). 804 BVerwGE 134, 1; NVwZ 2011, 1272; Selmer, JuS 2012, 269 f.

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verpflichtet sie zur Hinwirkung auf eine gerechte Sozialordnung.805 Seine inhaltliche Weite und Unbestimmtheit verhindern zwar eine Ableitung von konkreten Leistungspflichten,806 garantieren aber auch eine Prinzipienanwendung in allen staatlichen Handlungsbereichen.807 Die schützende Wirkung des Sozialstaatsprinzips bezieht sich dabei in erster Linie auf deutsche Staatsangehörige, erstreckt sich aber auch auf die im deutschen Hoheitsgebiet lebenden ausländischen Staatsangehörigen.808 Aus diesem Grund müssen bei der Regelung einer Studiengebühr für ausländische Staatsangehörige die verfassungsrechtlichen Leitlinien des Sozialstaatsprinzips beachtet werden. Auswirkungen auf die Gebührenhöhe können sich jedoch nur ergeben, wenn den finanzschwachen Studierenden die Möglichkeit eines Hochschulstudiums verwehrt wird.809 In diesem Zusammenhang greift das Sozialstaatsprinzip allerdings nicht als allgemeines Bemessungsprinzip zur Gebührensenkung ein,810 sondern verpflichtet den Gesetzgeber nur zur Regelung von Zugangsmöglichkeiten für finanzschwache Studierende.811 Die Wahl der zur Zielerreichung notwendigen Mittel obliegt dabei der Legislative,812 welche die Anforderungen erfüllt, wenn sie auf die beschriebene Gefahr mit der Regelung von sozialen Zugangsinstrumenten – beispielsweise durch die Einräumung von Stipendien, Darlehensmodellen oder Gebührenerlassen für Studierende aus Entwicklungsländern – reagiert.813 (c) Völkerrechtliche (Gegenseitigkeits-)Abkommen Das allgemeine Völkerrecht steht der Nichtgewährung eines gebührenfreien Hochschulstudiums und der staatsangehörigkeitsabhängigen Differenzierung bei der Studiengebührenerhebung nicht entgegen. Auch aus dem UN-Sozialpakt lässt sich kein Recht auf ein unentgeltliches Studium ableiten,814 so dass das abkommens-

805 BVerfGE 36, 237 (248); 123, 267 (362); Sommermann, in: MKS, GGK II, Art. 20, Rn. 98; 103 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 113; Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 601; Maurer, Staatsrecht I, Rn. 59, 69 ff. 806 St. Rspr.: BVerfGE 18, 257 (273), 29, 221 (235); 69, 272 (314); 94, 241 (263); 110, 412 (445); Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 50; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 112; Maurer, Staatsrecht I, § 8, Rn. 72; Felix, in: Fehling/Kämmerer/Schmidt, Hochschulen zwischen Gleichheitsidee und Elitestreben, S. 107 (109). 807 Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 46 ff.; Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 601 ff.; Maurer, Staatsrecht I, § 8, Rn. 69 ff. 808 BVerfGE 51, 1 (27). 809 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 53. 810 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 53. 811 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 53. 812 St. Rspr.: BVerfGE 1, 97 (105); 100, 271 (284); Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 48. 813 Zur Regelung von Härtefällen: Kramer/Mai, WissR 2005, 313 (333 f.); siehe auch: 3. Kap., E., II., 2., b), aa), (4), (a), (cc). 814 BVerwGE 134, 1 (19 ff.).

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rechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 2 Abs. 2 IPwskR keine Auswirkungen auf eine staatsangehörigkeitsabhängige Studiengebühr entfaltet. Eine Ausnahme ergibt sich jedoch zugunsten bestimmter Staatsangehöriger beim Abschluss von Gegenseitigkeitsabkommen: Im Rahmen von völkerrechtlichen Verträgen können sich die Bundesrepublik Deutschland und andere Staaten zur gegenseitigen Gleichbehandlung der jeweils anderen Staatsangehörigen bei der Studiengebührenerhebung verpflichten.815 Die Gefahr einer Übergehung der Länder durch die Annahme einer völkerrechtlichen Abschlusskompetenz des Bundes in den Bereichen der Ländergesetzgebungszuständigkeiten,816 welche sich insoweit aus der „ungeklärten Verfassungslage“817 ergeben könnte, wird in der Staatspraxis durch das „Lindauer Abkommen“818 begegnet: Danach verpflichtet sich der Bund beim Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen im Bereich der ausschließlichen Länderzuständigkeit nur mit Einverständnis der Länder zu handeln.819 Unabhängig von der umstrittenen Folgefrage, ob derartige Völkerrechtsverträge vom Bund oder von den Ländern in das deutsche Recht transformiert werden müssen,820 zwingt der Grundsatz der Bundestreue die Länder zur Ausführung der aus dem Völkerrechtsvertrag herrührenden Verpflichtungen, wenn sie dem Vertragsschluss zuvor zugestimmt haben.821 Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass der Abschluss von Gegenseitigkeitsabkommen die Erhebung von Studiengebühren zu Lasten der betreffenden Staatsangehörigen ausschließt. (4) Ergebnis Eine kostendeckende Ausländerstudiengebühr kann mit dem völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzip gegenüber solchen Studierenden verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden, deren Heimatstaaten mit der Bundesrepublik Deutschland kein Gegenseitigkeitsabkommen über den Verzicht auf eine Studiengebührenerhebung abgeschlossen haben. Mit dem gesetzgeberischen Ziel der Förderung von dauerhaft bleibenden Personen lässt sich zudem ein Ausschluss von ausländischen Staatsangehörigen bei der Gewährung von kostenlosen Studienplätzen rechtfertigen, wenn die Studierenden keine deutsche Hochschulzugangsberechtigung besitzen oder keine integrative Mindestaufenthaltszeit in der Bundesrepublik Deutschland vor815

Siehe das deutsch-neuseeländische Abkommen: Pasch, „Auf ans andere Ende der Welt“, Der Spiegel-Online/Unispiegel v. 28. 09. 2004; darüber hinaus hindert der von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierte „Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ (IPwskR) die Länder nicht an der Erhebung von allgemeinen Studiengebühren: BVerwGE 134, 1 (19 ff.). 816 Zum Streit: Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 127. 817 Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 128. 818 Lindauer Abkommen vom 14. 11. 1957, abgedruckt bei: Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 128. 819 Ziff. 3 des Lindauer Abkommens; siehe auch: Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 128. 820 Zum Streit: Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 451 ff. 821 Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 460.

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weisen können. Im Übrigen verpflichtet sowohl das Teilhabrecht als auch Sozialstaatsprinzip den Gesetzgeber zur Regelung von sozialen Härtefallklauseln für finanzschwache Studierende. bb) Rechtfertigung einer Vorenthaltung von Erziehungsgeld als freiwillige Landesleistung Die Vorenthaltung eines Erziehungsgeldes als freiwillige Staatsleistung stellt keine besonders intensive Ungleichbehandlung mit strengen Rechtfertigungsanforderungen dar.822 Zu weitgehend wäre es jedoch, die Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen bei verfassungsrechtlich nicht gebotenen Leistungen auch ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund generell für zulässig zu halten.823 Vielmehr ist zu untersuchen, ob Rechtfertigungsmöglichkeiten für den Ausschluss ausländischer Staatsangehöriger von freiwilligen Staatsleistungen bestehen. (1) Gezielte Förderung von Landeskindern Das gesetzgeberische Ziel der gezielten Landeskinderförderung wird von der Rechtsprechung als tragfähiger Rechtfertigungsgrund angesehen.824 In Anbetracht des Fehlens einer formell geregelten Landesstaatsangehörigkeit stellt das Merkmal „Staatsangehörigkeit“ jedoch ein ungeeignetes Differenzierungskriterium dar, um eine Leistungsbegrenzung auf die „Landeskinder“ herbeizuführen.825 Im Übrigen lässt sich der Leistungsausschluss von ausländischen Staatsangehörigen auch nicht mit der gezielten Förderung von dauerhaft im Land bleibenden Einwohnern rechtfertigen: Anders als im speziellen Fall der ausländischen Studierenden, die als „Bildungsausländer“ einen überschaubaren Lebensabschnitt in Deutschland verbringen und danach wieder in ihr Heimatland zurückkehren,826 könnte bei ausländischen Landeseinwohnern (ohne speziellen und zeitlich begrenzten Aufenthaltszweck) keine derartige Wanderbewegung prognostiziert werden. Die Staatsangehörigkeit stellt somit ein ungeeignetes Differenzierungskriterium zur Bestimmung des dauerhaft im Land bleibenden Personenkreises dar, so dass sich mit dieser Überlegung nicht die generelle Benachteiligung ausländischer Staatsangehöriger bei der Gewährung von Landeserziehungsgeld rechtfertigen lässt.

822

BVerfGE 130, 240 (255); NJW 2012, 214 (215). So aber Rüfner, in: BK, Art. 3 Abs. 1 (67. Lfg. 1992), Rn. 137. 824 BayVerfGH, BayVBl. 2008, 18 (19) mit Verweis auf die Gesetzesbegründung der Bayerischen Staatsregierung vom 11. 04. 1989, Bayerischer Landtag, Drs. 11/11033, S. 5. 825 BVerfGE 130, 240 (257 f.). 826 3. Kap., E., II., 3., b), aa), (1), (c). 823

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

(2) Haushaltsmittelkonzentration auf deutsche Staatsangehörige Im Bereich der freiwilligen Staatsleistungen wird mitunter die haushaltsrechtliche Gestaltungsfreiheit des Landes hinsichtlich der Bestimmung des Kreises der Begünstigten als derart weit eingeschätzt, dass bereits fiskalische Interessen den Ausschluss von ausländischen Staatsangehörigen rechtfertigen können sollen.827 Finanzpolitische Erwägungen zur Ausgabenverringerung sind zwar ein legitimer Zweck, stellen alleine aber noch keinen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung von ausländischen Staatsangehörigen dar.828 Andernfalls würde das allgemeine Gleichbehandlungsgebot bei staatlichen Leistungen leerlaufen, da sich der Staat stets auf fiskalisch motivierte Ausgabenreduzierungen berufen könnte.829 (3) Völkerrechtliches Gegenseitigkeitsprinzip Im Allgemeinen kann sich die Rechtfertigung für eine finanzielle Benachteiligung von ausländischer Staatsangehörigen aus dem völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzips ergeben.830 In Anbetracht des bereits dargestellten Umstandes, dass den Ländern die Kompetenz zum Abschluss von völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsabkommen fehlt,831 bedürfte es insoweit einer Zusammenarbeit zwischen den Ländern und dem Bund. Eine dafür notwendige Einigung der Länder auf eine einheitliche Gewährung von Erziehungsgeldern erscheint jedoch ausgeschlossen: Beim Erziehungsgeld handelt es sich um ein gesellschaftspolitisch umstrittenes Institut, so dass ein Länderkonsens in dieser Frage unwahrscheinlich erscheint. Darüber hinaus dürfte eine Zustimmung der finanzschwachen Länder schon aus fiskalischen Gründen ausgeschlossen sein. Aus diesen Gründen lässt sich die Vorenthaltung von Erziehungsgeld vor ausländischen Staatsangehörigen nicht mit dem völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzip rechtfertigen. (4) Ergebnis Der Ausschluss von ausländischen Staatsangehörigen bei der Gewährung von Landeserziehungsgeld stellt eine ungerechtfertigte und somit verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar. c) Bundesebene Während ein Ausschluss von existenzsichernden Sozialleistungen bereits gegen die Menschenwürde verstößt,832 dürften für eine Begrenzung von freiwilligen So827 828 829 830 831 832

BVerwGE 91, 327 (329); BayVerfGH, BayVBl. 2008, 18 (19). BVerfGE 130, 240 (258 f.). BVerfGE 130, 240 (258 f.); 121, 241 (258). BVerfGE 30, 409 (413); 51, 1 (24); 81, 208 (224). 3. Kap., E., II., 3., b), aa), (1), (d). 3. Kap., A. I.; Frenz, NJW 2013, 1210 (1211 f.).

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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zialleistungen auf deutsche Staatsangehörige durchaus Rechtfertigungsansätze bestehen. aa) Begrenzung von freiwilligen Staatsleistungen auf deutsche Staatsangehörige Das aus Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip folgende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verhindert zwar die Vorenthaltung einer sozialen Grundsicherung, steht jedoch einer Beschränkung der darüber hinausgehenden und insoweit freiwilligen (Sozial-)Staatsleistungen auf deutsche Staatsangehörige nicht entgegen.833 Unter freiwilligen Staatsleistungen sollen finanzielle Leistungen des Staates gefasst werden, die über die Existenzsicherung hinausgehen und nicht von verfassungsrechtlichen Ansprüchen umfasst sind.834 Im Folgenden wird untersucht, ob und inwiefern der allgemeine Gleichheitssatz bei der Gewährung von freiwilligen Staatsleistungen den Ausschluss von ausländischen Staatsangehörigen zulässt. (1) Rechtfertigungsgründe für die Leistungsvorenthaltung Grundsätzlich müssen Ungleichbehandlungen im Bereich der freiwilligen Staatsleistungen nur reduzierten Rechtfertigungsanforderungen genügen.835 Allerdings verstärkt sich dieser Rechtfertigungsmaßstab aufgrund der Anwendung des Differenzierungskriteriums „Staatsangehörigkeit“, welches eine Rechtfertigungsprüfung nach Maßgabe der „neuesten Formel“ erfordert.836 (a) (Keine) Besondere Verantwortung für deutsche Staatsangehörige Mitunter wird schon aus dem Institut der Staatsbürgerschaft eine besondere Verantwortung des Staates für die eigenen Staatsangehörigen gefolgert, welche eine Privilegierung im Bereich der freiwilligen Leistungen rechtfertigen könne.837 Die Staatsangehörigkeit begründet zwar ein „wechselseitig zu Schutz und Treue verpflichtendes, völker- und staatsrechtlich maßgebendes Rechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger“838, beinhaltet aber noch keinen hinreichenden Sachgrund für eine Ungleichbehandlung, denn ansonsten wäre eine Benachteiligung durch den 833

Kokott, in: Hailbronner, Die allgemeinen Regeln des Fremdenrechts, S. 27 (38). Darunter lassen sich beispielsweise das Elterngeld, Fördermaßnahmen für Arbeitssuchende, Studienbeihilfen (Bafög) oder ein über die Grundsicherung hinausgehendes „bedingungsloses Grundeinkommen“ fassen. 835 BVerfGE 99, 165 (178); 106, 166 (175 f.); 111, 176 (184). 836 3. Kap., E., II., 1., a). 837 Kokott, in: Hailbronner, Die allgemeinen Regeln des Fremdenrechts, S.27 (38). 838 Hillgruber, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 116, Rn. 2. 834

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

„Generalrechtfertigungsgrund der besonderen Verantwortung“ stets gerechtfertigt und der allgemeine Gleichheitssatz hinsichtlich staatsangehörigkeitsabhängiger Privilegierungen praktisch außer Kraft gesetzt. Im Übrigen lässt sich auch aus dem „Rechtsschicksal der Unentrinnbarkeit“839, welches die deutschen Staatsangehörigen tragen, kein sachlicher Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung bei der Gewährung von freiwilligen Leistungen herleiten: Während die Beziehung zwischen den Staatsangehörigen zur Bundesrepublik auf Lebenszeit angelegt ist,840 haben Ausländer nur einen „status temporarius“841, welchen sie durch eine Rückkehr in ihr Heimatland jederzeit lösen können.842 Allerdings haben sich mit der Weiterentwicklung der Europäischen Union auch die Möglichkeiten der Unionsbürger erweitert, so dass deutsche Staatsangehörige im Wege ihres unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts aus Art. 21 AEUV den Ort ihres dauerhaften Aufenthalts frei wählen können. Eine echte „Unentrinnbarkeit“ besteht somit nur noch hinsichtlich des Innehabens der Staatsangehörigkeit, denn nach § 18 Staatsangehörigkeitsgesetz wird ein deutscher Staatsangehöriger nur dann aus seiner Staatsangehörigkeit entlassen, wenn er die Verleihung einer anderen Staatsangehörigkeit nachweisen kann. Im Übrigen erwachsen aus der deutschen Staatsangehörigkeit auch keine finanziellen Nachteile, wie beispielweise eine staatsangehörigkeitsabhängige Einkommensteuerpflicht nach Vorbild der USA,843 welche eine lastenausgleichende Privilegierung der eigenen Staatsangehörigen mit freiwilligen Sozialleistungen rechtfertigen könnten. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die besondere Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für ihre Staatsangehörigen keine sachgerechte Rechtfertigung für den Ausschluss von ausländischen Staatsangehörigen bei der Gewährung von freiwilligen Sozialleistungen darstellt. (b) Gezielte Förderung von dauerhaft bleibenden Personen Die gezielte Förderung von dauerhaft bleibenden Personen kommt als Rechtfertigungsgrund nur bei solchen Staatsleistungen in Betracht, mit denen der Staat eine langfristige Zielsetzung verfolgt. Derartige Zukunftsinvestitionen können beispielsweise Studien- und Ausbildungsförderungen sein, welche sich aus staatlicher 839

Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49 (78). Grawert, Staat und Staatsangehörigkeit, S. 232 ff.; schon „den lebenslangen Bezug zum Solidarverband Bundesrepublik Deutschland“ als Rechtfertigungsgrund für die Besserstellung der deutschen Staatsangehörigen ansehend: Berger, Die Sozialhilfeansprüche von AusländerInnen in der BRD, S. 61. 841 Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49 (59). 842 Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49 (59). 843 Wagner/Anger, IStR 2011, 379; Im deutschen Steuerrecht finden sich zwar auch Regelungen, die bei deutschen Staatsangehörigen die unbeschränkte Steuerpflicht erweitern, bspw. in § 1 Abs. 2 EStG sowie § 2 Abs. 1 Buchst. b) und c) ErbStG, aber die genannten Vorschriften begründen gleichwohl keine allgemeine Steuerpflicht, die an die Staatsangehörigkeit anknüpft. 840

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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Sicht nur rentieren, wenn die geförderten Personen nach dem Abschluss ihrer Ausbildung in Deutschland bleiben844. Das Kriterium der Staatsangehörigkeit ermöglicht jedoch noch keine verlässliche Prognoseentscheidung hinsichtlich eines dauerhaften Aufenthalts einer Person in Deutschland,845 so dass weitere Zusatzkriterien für eine gesellschaftliche Verankerung hinzugezogen werden müssen. Im Ergebnis kann daher mit der gezielten Förderung von dauerhaft bleibenden Personen nur eine Mindestaufenthaltszeit als Zusatzkriterium für ausländische Staatsangehörige gerechtfertigt werden.846 (c) Vermeidung von migrationspolitischen Fehlanreizen Die Vermeidung von migrationspolitischen Fehlanreizen basiert als Rechtfertigungsüberlegung auf der Welfare Magnets Thesis847: Danach wirken reiche Staaten als „Wohlfahrtsmagneten“848 und sind das Zielobjekt von Einwanderung aus ärmeren Teilen der Welt, wobei die Migrationsmotivation im Erhalt von staatlichen Leistungen liegt.849 Im internationalen Vergleich bietet die Bundesrepublik Deutschland ein (Sozial-) System mit einem relativ hohen Leistungsniveau,850 welches für ausländische Staatsangehörige aus ärmeren Staaten als Anreiz für eine Immigration nach Deutschland wirken könnte.851 In Anbetracht der kritischen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welches es im Jahr 2004 für „weder belegt noch nachvollziehbar“ ansah, dass die „Frage des Kindergeldes […] Einfluss auf das Zuwanderungsverhalten“852 haben würden, obliegt es dem Gesetzgeber eine derart motivierte Einwanderung in die Bundesrepublik Deutschland nachzuweisen.853 844

Beispielsweise die Finanzierung eines Hochschulstudiums: 3. Kap., E., II., 3., b), aa), (1), (c). 845 BVerfGE 130, 240 (257). 846 Siehe 3. Kap., E., II., 3., b), aa), (1), (c). 847 Graser, Dezentrale Wohlfahrtstaatlichkeit im föderalen Binnenmarkt?, S. 27 ff.; Kingreen, Soziale Rechte und Migration, S. 55; Eichenhofer/Albig, Zugang zu steuerfinanzierten Sozialleistungen nach dem Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 13. 848 Eichenhofer/Albig, Zugang zu steuerfinanzierten Sozialleistungen nach dem Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 13. 849 Eichenhofer/Albig, Zugang zu steuerfinanzierten Sozialleistungen nach dem Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 13. 850 Institut der deutschen Wirtschaft, Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft 2011, Ausgabe Nr. 2 vom 12. 01. 2011. 851 Kokott, in: Hailbronner, Die allgemeinen Regeln des Fremdenrechts, S.27 (36); Sodan, JZ 2002, 53; zweifelnd äußert sich Kingreen, der jedoch eine derartiges Szenario zumindest für Zuwanderer aus nicht-europäischen Staaten für möglich hält: Kingreen, Soziale Rechte und Migration, S. 56. 852 BVerfGE 111, 160 (175). 853 Dies halten Eichenhofer/Albig für kaum möglich, da die Wanderungsmotive nur schwer nachweisbar seien: Zugang zu steuerfinanzierten Sozialleistungen nach dem Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 13.

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3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Angesichts der gegenwärtigen Armutseinwanderung aus Südosteuropa lässt sich jedoch nur schwer bestreiten,854 dass der Bezug von staatlichen Leistungen für Menschen aus wirtschaftsschwachen und verarmten Regionen durchaus ein Motiv für eine Einwanderung in die Bundesrepublik Deutschland sein dürfte. Grundsätzlich dürfte davon auszugehen sein, dass eine derartige Einwanderung zu höheren Staatsausgaben führt und dementsprechend nicht im staatlichen Interesse liegt. Die Begrenzung der staatlichen Sicherung von Ausländern „auf das zum Lebensunterhalt Unterlässliche“ wird in der Rechtsprechung „gerade um keine Einreiseanreize zu schaffen“ als legitimes Anliegen angesehen.855 Die Vermeidung von migrationspolitischen Fehlanreizen verkörpert somit ein legitimes Anliegen und stellt damit auch einen Rechtfertigungsgrund für einen Leistungsausschluss von ausländischen Staatsangehörigen dar.856 Aus der Staatsangehörigkeit eines Menschen ergibt sich jedoch noch kein Hinweis auf die Migrationsmotive, so dass ein dauerhafter Leistungsausschluss nicht gerechtfertigt werden kann. Stattdessen lässt sich mit der Vermeidung von migrationspolitischen Fehlanreizen nur ein zeitlich begrenzter Leistungsausschluss in Form einer Mindestaufenthaltsdauer als Zusatzvoraussetzung für ausländische Staatsangehörige rechtfertigen. (d) Völkerrechtliches Gegenseitigkeitsprinzip Das völkerrechtliche Gegenseitigkeitsprinzip ist als Rechtfertigungsgrund für eine Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen anerkannt.857 Dieser Rechtfertigungsgrund beruht auf der Überlegung, den „Angehörigen anderer Staaten im Inland keine Rechte einzuräumen, die ein Deutscher in ihrem Heimatstaat nicht genießt, um die Rechtsstellung deutscher Staatsangehöriger im Ausland zu verbessern oder zu festigen“858. Mit der Benachteiligung ausländischer Staatsangehö854 Deutscher Städtetag, Städtetag aktuell 2/2013, S. 4 f.; Soldt, „Städtetag beunruhigt über Armutseinwanderung“, FAZ v. 14. 02. 2013; Burger/Soldt, Armutseinwanderung – Gefahr für den sozialen Frieden, in: FAZ v. 19. 02. 2013; Busse, „Schärferes Vorgehen gegen Armutseinwanderung gefordert“, FAZ v. 24. 04. 2013; In der Zeit vom 2008 bis 2012 ist die Zuwanderung aus Bulgarien/Rumänien um 295 % und der Anteil der Hartz IV-Empfänger aus diesen Ländern um 212 % gestiegen, siehe Ankenbrand, „Alarm im Ghetto Dortmund Nord“, FAZ v. 12. 10. 2013. 855 BSGE 102, 60 (68); ähnlich auch das BVerwG: „Abgesehen davon, daß nicht ersichtlich ist, weshalb gesetzgeberische Ziele, Kosten zu sparen und Asylmißbrauch begünstigende wirtschaftliche Anreiz zu mindern, verfassungsrechtlich bedenklich sein sollten, ist unter dem Gesichtspunkt der Möglichkeit, ein menschenwürdiges Leben zu führen (Art. 1, Abs. 1, Art. 20 GG) entscheidend, daß die hierfür erforderlichen Hilfeleistungen ausreichend bemessen sind.“, NVwZ-RR 1999, 669. 856 Kokott, in: Hailbronner, Die allgemeinen Regeln des Fremdenrechts, S.27 (37). 857 BVerfGE 30, 409 (413); 51, 1 (24); 81, 208 (224); NVwZ 1991, 661; EuGRZ 1982, 508; BSGE 78, 51 (54); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 76; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 264. 858 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 14. 03. 2001, 1 BvR 1931/96, Rn. 25.

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riger sollen die jeweiligen Staaten zum Abschluss von Gegenseitigkeitsabkommen bewegt werden, in denen die Vertragsstaaten „den jeweiligen Ausländern innergleiche Rechte verschaffen“859. Aus diesem Grunde ist ein Ausschluss von freiwilligen Sozialleistungen bei solchen Ausländern gerechtfertigt, deren Heimatländer im umgekehrten Fall auch keine vergleichbaren Leistungen an deutsche Staatsangehörige, welche sich dort dauerhaft aufhalten, vergeben. Bedenklich erscheint dabei der Umstand, dass die ausländischen Staatsangehörigen als Druckmittel in völkerrechtlichen Verhandlungen eingesetzt und insoweit zum Objekt staatlichen Handelns reduziert werden.860 Ein Verstoß gegen die Menschenwürde ist darin jedoch nicht zu erblicken, denn nicht die Person, sondern die einzelnen Rechtsposition sind Gegenstand der völkerrechtlichen Verhandlungen.861 Eine Verletzung der Menschenwürde wäre zudem selbst dann abzulehnen, wenn man den einzelnen Mensch als Verhandlungsgegenstand ansehen würde, da es an einer Erniedrigung, Ächtung oder Missachtung der betroffenen Menschen fehlt.862 (2) Verhältnismäßigkeit der (zeitlichen) Leistungsvorenthaltung Es liegt in der Natur der Sache von freiwilligen Staatsleistungen, dass keine verfassungsrechtlichen Ansprüche auf ihre Gewährung bestehen. Dementsprechend dürfte der Leistungsausschluss ausländischer Staatsangehöriger aus Gründen der Gegenseitigkeit auch den Anforderungen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung genügen. Die Verhältnismäßigkeit einer Mindestaufenthaltsdauer richtet sich nach dem jeweiligen Rechtfertigungsgrund: Im Hinblick auf die Vermeidung von immigrationspolitischen Fehlanreizen ist eine Mindestaufenthaltsdauer verhältnismäßig, wenn sie eine zur Erlangung von Sozialleistungen motivierte Einwanderung verhindert und die Personengruppe der Migranten nicht übermäßig benachteiligt. In Anbetracht der Sperrzeiten in anderen Industriestaaten dürfte eine Mindestaufenthaltszeit von zwei Jahren geeignet und angemessen sein.863 In Bezug auf den Rechtfertigungsgrund einer gezielten Förderung von dauerhaft bleibenden Personen gilt es zu beachten, dass die Aufenthaltszeit der gesetzgeberischen Prognose dient, wonach die geförderten Personen mit hoher Wahrschein859

BVerfGE 30, 409 (414). Janda, Migranten im Sozialstaat, S. 127; Eichenhofer, ZAR 1987, 108 (114). 861 Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49 (78, Fn. 70b). 862 Kokott, in: Hailbronner, Die allgemeinen Regeln des Fremdenrechts, S.27 (43); Doehring, VVDStRL 32 (1974), 7 (19). 863 Australien verlangt von Einwanderern eine „Assurance of Support“ für einen Zeitraum von 2 – 10 Jahren, in denen die Migranten keine Sozialleistungen erhalten: http://www.human services.gov.au/customer/services/centrelink/assurance-of-support (abgerufen am 23. 04. 2015; In den USA werden Migranten durch den „Work Responsibility and Work Opportunity Reconcilation Act“ größtenteils von Sozialleistungen ausgeschlossen: http://www.gpo.gov/fdsys/ pkg/PLAW-104publ193/html/PLAW-104publ193.htm (abgerufen am 23. 04. 2015). 860

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lichkeit ihren dauerhaften Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik Deutschland haben.864 Zur Sicherstellung einer ausreichenden Verwurzelung erscheint daher auch ein länger bemessener Zeitraum noch als verhältnismäßig. (3) Völkerrechtlich begründete Ausnahmen Das über Art. 25 GG geltende allgemeine Völkerrecht steht einer Leistungsbeschränkung auf deutsche Staatsangehörige nicht entgegen, denn es enthält weder ein grundsätzliches Verbot von staatsangehörigkeitsabhängigen Differenzierungen,865 noch ein Recht auf über die Existenzsicherung hinausgehende Staatsleistungen für fremde Staatsangehörige.866 Darüber hinaus muss die Bundesrepublik Deutschland aber auch ihre vertraglich begründeten Völkerrechtsverpflichtungen aus bilateralen Verträgen, UN- und Europäischen Abkommen erfüllen, deren Vereinbarkeit mit der staatsangehörigkeitsabhängigen Gewährung von freiwilligen Leistungen zu untersuchen ist. (a) Die verfassungsrechtliche Wirkung von völkerrechtlichen Verträgen Unabhängig von der Frage, ob man in dem Vertragsgesetz einen Vollzugs- oder einen Umsetzungsakt sieht,867 erhalten völkerrechtliche Verträge den innerstaatlichen Rang eines Bundesgesetzes.868 Ausgehend vom „lex posterior-Grundsatz“ würden die neugeregelten Staatsangehörigkeitsprivilegierungen als nachfolgende Gesetze die entgegenstehenden Völkerrechtsverträge verdrängen.869 Ein solches „Treaty Overriding“ entspricht der langjährigen – von der Rechtsprechung und dem Großteil der Wissenschaft bislang akzeptierten870– Staatspraxis der Bundesrepublik Deutschland.871 Die Kritik an diesem gesetzgeberischen „Wortbruch im Verfassungsstaat“872 hat in jüngster Vergangenheit – anknüpfend an die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts873– zugenommen und deutet auf ein neues Verständnis der verfassungsrechtlichen Vertragstreue hin: Einigkeit herrscht seit

864

3. Kap., E., II., 3., b), aa), (1), (c), (cc). Doehring, Völkerrecht, Rn. 856; Kokott, in: Hailbronner, Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts, S. 30. 866 Doehring, Völkerrecht, Rn. 861. 867 Zum Streit zwischen monistischer und dualistischer Ansicht: Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 155 ff.; Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 25 ff. 868 BVerfGE 74, 358 (370); 111, 307 (317). 869 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 160. 870 BVerfGE 6, 309 (362 f.); BFHE 175, 351 (352 f.); 178, 59 (62); sinnbildlich für die überwiegende Auffassung im Schrifttum: Hahn, IStR 2011, 863 ff.; Bron, IStR 2007, 431(434); Frotscher, FS Schaumburg, S. 687 ff. 871 Gosch spricht sogar von einer „Treaty Override – Welle“, in: IStR 2008, 413 (414 f.). 872 Vogel, JZ 1997, 161. 873 BVerfGE 111, 307 (316 ff.); Vogel, IStR 2005, 29 ff.; Gosch, IStR 2008, 413 ff. 865

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jeher, dass der „pacta sunt servanda“-Grundsatz874 des allgemeinen Völkerrechts zwar über Art. 25 GG eine unmittelbare und den Gesetzen vorgehende Wirkung entfaltet, aber für sich genommen dem Völkervertragsrecht keinen Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht verschafft und keine Auswirkung auf die innerstaatliche Gültigkeit von vertragswidrigen Gesetzen haben kann.875 Geändert hat sich jedoch das Verständnis von der in den Art. 23 bis 26 angelegten Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes: Während das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1954 noch konstatierte, „dass das Grundgesetz in seiner Völkerrechtsfreundlichkeit nicht soweit geht, die Einhaltung bestehender Verträge durch eine Bindung des Gesetzgebers an das ihnen entsprechende Recht zu sichern“876, gelangt das Gericht 50 Jahre später zur Erkenntnis, dass es nicht dem Ziel der Völkerrechtsfreundlichkeit widerspreche, „wenn der Gesetzgeber ausnahmsweise Völkervertragsrecht nicht beachtet, sofern nur auf diese Weise ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung abzuwenden ist“877. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers zur Beachtung des Völkervertragsrechts.878 In diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis erhöht sich die Regelbedeutung der Völkerrechtsfreundlichkeit insbesondere durch die Anforderungen der Nichtbeachtungsausnahme, die nur beim Schutz von tragenden Verfassungsgrundsätzen zur Anwendung kommen kann. Ein solches Verständnis der grundgesetzlichen Völkerrechtsfreundlichkeit bewirkt jedoch keine unmittelbare Geltung von Völkervertragsrecht und verändert auch nicht die Rangfolge von Zustimmungs- und Nachfolgegesetzen. Der Konflikt zwischen der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes sowie dem ebenfalls zur Beachtung der bestehenden Vertragsgesetze anhaltenden Rechtsstaatsprinzip auf der einen Seite und der vom Demokratieprinzip geschützten Rechtssetzungsbefugnis des Gesetzgebers auf der anderen Seite muss somit im Wege einer praktischen Konkordanz dahingehend gelöst werden, dass ein einfachgesetzlicher Vertragsbruch nur zum Schutz von tragenden Verfassungsgrundsätzen erlaubt ist.879 Im Ergebnis wirkt die Völkerrechtsfreundlichkeit somit als „materiell-rechtliche Sperre“ für den Gesetzgeber gegen völkerrechtswidriges Handeln.880 Selbst wenn man der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes keine derartige Bedeutung einräumte und den völkerrechtlichen Vertragsbruch damit faktisch

874 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 86 mit Hinweis auf die Art. 26, 27 der „Wiener Übereinkunft über das Recht der Verträge“ vom 23. 05. 1969 (BGBl. II 1985, 927). 875 BVerfGE 6, 309 (362 f.); BFHE 157, 39 (43); Doehring, Völkerrecht, Rn. 741; Gosch, IStR 2008, 413 (418); Vogel, JZ 1997, 161 (165). 876 BVerfGE 6, 309 (362 f.). 877 BVerfGE 112, 307 (319). 878 BFH, IStR 2012, 426 (428); Vogel, IStR 2005, 29 (30); Gosch, IStR 2008, 413 (419 f.). 879 BFH, IStR 2012, 426 (428). 880 BFH, IStR 2012, 426 (428).

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als Regel- statt Ausnahmefall ansähe,881 käme man nicht um das Eingeständnis umhin, dass die deutschen Staatsorgane zumindest dazu verpflichtet sind, „die die Bundesrepublik Deutschland bindenden Völkerrechtsnormen zu befolgen und Verletzungen nach Möglichkeit zu unterlassen“882. Letztendlich kann die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes jedoch nur dann eine Wirkung entfalten, wenn diesem Grundsatz die Rolle als Zünglein an der Waage im Wettstreit zwischen Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip zugestanden wird: Vorzugswürdig ist deshalb die nun auch vom Bundesfinanzhof vertretene Ansicht, wonach eine Ausnahme von der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Beachtung von Völkervertragsrecht möglich ist, wenn nur durch einen Vertragsbruch ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung abgewendet werden kann.883 Im Hinblick auf eine mögliche Kollision zwischen den neuen Regelungen einer staatsangehörigkeitsabhängigen Leistungsgewährung und bestehenden Völkerrechtsverträgen ergäbe sich daraus die verfassungsrechtliche Verpflichtung, die betreffenden Abkommen erst zu kündigen oder die deutschen Gesetze mit entsprechenden Ausnahmeklauseln für die jeweiligen Staatsangehörigen zu versehen. (b) Multilaterale Abkommen Es stellt sich die Frage, ob die bestehenden Völkerrechtsverpflichtungen einer staatsangehörigkeitsabhängigen Leistungsgewährung entgegenstehen und damit den Gesetzgeber zur Anwendung der oben genannten Handlungsalternativen anhalten. Als multilaterale Abkommen, welcher einer Rechtfertigung entgegenstehen können, kommen der UN-Sozialpakt sowie die Europäische Menschenrechtskonvention, Sozialcharta und das Fürsorgeabkommen in Betracht. (aa) UN-Sozialpakt Der in Deutschland geltende „Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“884 statuiert in Art. 9 ein Recht auf soziale Sicherheit, welches laut Art. 2 Abs. 2 unabhängig von der nationalen Herkunft gewährt werden muss. Aus Art. 9 IPwskR lässt sich zwar ein Recht auf eine existenzsichernde Grundsicherung herleiten, aber die „soziale Sicherheit“ kann nicht auf darüber hinausgehende Staatsleistungen ausgeweitet werden. Die hier untersuchten Leistungen fallen somit nicht in den Anwendungsbereich des Sozialpaktes, so dass auch das darauf begrenzte Diskriminierungsverbot keine Wirkung entfaltet.885 881 Musil, FR 2012, 149 (151); Schwenke, FR 2012, 443(447); Hahn, IStR 2011, 863 (866 ff.); Frotscher, FS Schaumburg, S. 687 (698 ff.). 882 BVerfGE 112, 1 (26). 883 BFH, IStR 2012, 426 (428); Gosch, IStR 2008, 413 (419); Weigell, IStR 2009, 636 (638); Rust/Reimer, IStR 2005, 843 (847 ff.); Vogel, IStR 2005, 29 (30). 884 BGBl. II 1976, 428. 885 Im Übrigen wäre die Ungleichbehandlung von ausländischen Staatsangehörigen gerechtfertigt: Berger, Die Sozialhilfeansprüche von AusländerInnen, S. 61.

E. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG

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(bb) Europäische Menschenrechtskonvention Die bundesgesetzlich verankerte EMRK verpflichtet nicht zur Gewährung von freiwilligen Leistungen, so dass das auf die Konventionsrechte bezogene Diskriminierungsverbot des Art. 14 keine Anwendung finden kann. Aus dem Umstand, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine grundsichernde Staatsleistung, welche sich aus Beiträgen und Steuern finanzierte, unter den Schutzbereich der Eigentumsgarantie subsumiert und am Diskriminierungsverbot gemessen hat,886 lassen sich keine Rückschlüsse auf freiwillige und rein steuerfinanzierte Staatsleistungen ziehen.887 Inhaltlich anwendbar wäre hingegen das erst im Jahr 2005 durch Art. 1 des 12. Zusatzprotokolls eingefügte allgemeine Diskriminierungsverbot, welches den „Genuss eines jeden auf Gesetz beruhenden Rechtes“ umfasst, aber von der Bundesrepublik Deutschland nicht ratifiziert worden ist und somit keine Rechtswirkung entfaltet.888 Im Übrigen ist auch kein Grund ersichtlich, warum die im deutschen Verfassungsrecht einschlägigen Rechtfertigungsgründe nicht auch den Rechtfertigungsanforderungen der EMRK, welche eine objektive und vernünftige Rechtfertigung verlangen, genügen sollten.889 (cc) Europäische Sozialcharta und Europäisches Fürsorgeabkommen Die Europäische Sozialcharta verpflichtet in den Art. 12 und 13 die Bundesrepublik Deutschland zur Gleichbehandlung der Staatsangehörigen der anderen Vertragsparteien hinsichtlich der Rechte auf Gewährung von sozialer Sicherheit und Fürsorge.890 Das Abkommen ist jedoch nur auf die Einräumung einer sozialen Grundsicherung als „ausreichende Unterstützung“ gerichtet und kann nicht auf darüber hinausgehende Staatsleistungen ausgedehnt werden. Genauso verhält es sich bei den Verbürgungen aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen,891 welches in Art. 1 i.V.m. Art. 2 auch nur eine inländergleiche Fürsorgegewährleistung für 886 EGMR, 16. 9. 1996 – Nr. 39/1995/545/631 Gaygusuz ./. Österreich, JZ 1997, 405 ; dazu: Hailbronner, JZ 1997, 397 ff. 887 Im Übrigen läge kein Verstoß gegen Art. 14 EMRK vor, weil der Ungleichbehandlung mit der besonderen Verantwortung für deutsche Staatsangehörige eine „objektive und vernünftige Rechtfertigung“ (EGMR, JZ 1997, 405) zugrunde liegt. 888 Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention, § 34, Rn. 1; laut der Bundesregierung wurde die Ratifizierung des Protokolls vorerst zurückgestellt, „um den weiteren Fortgang der Ratifizierung durch andere Staaten und die Entwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach dem Inkrafttreten des Protokolls zu beobachten. Hierdurch soll eine klarere Einschätzung darüber erlangt werden, wie sich eine Ratifikation des 12. Protokolls auf die innerdeutsche Rechtsordnung auswirken würde“: Bericht der Bundesregierung über den Stand der Unterzeichnung und Ratifikation europäischer Abkommen und Konventionen durch die Bundesrepublik Deutschland für den Zeitraum Juni 2007 bis März 2009, BT-Drs. 16/12272, S. 2. 889 Zur Rechtfertigungsdogmatik der EMRK-Diskriminierungsverbote: Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention, § 33, Rn. 21, § 34, Rn. 14. 890 BGBl. II 1964, S. 1282. 891 BGBl. II 1956, S. 563.

214

3. Kap.: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

„Personen ohne ausreichende Mittel“ regelt. Das Europäische Fürsorgeabkommen verlangt somit ebenfalls keine gleichmäßige Gewährung von freiwilligen Staatsleistungen an ausländische Staatsangehörige. (c) Bilaterale Gegenseitigkeitsabkommen Das völkerrechtliche Gegenseitigkeitsprinzip kann nicht nur eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, sondern auch eine Gleichbehandlung erzwingen: Im Rahmen von völkerrechtlichen Verträgen können sich die Bundesrepublik Deutschland und andere Staaten zur gegenseitigen Gleichbehandlung der jeweils anderen Staatsangehörigen bei der Gewährung bestimmter Staatsleistungen verpflichten. In Anbetracht des Umstandes, dass staatsangehörigkeitsabhängige Privilegierungen nicht der Verhütung von Verstößen gegen „tragende Grundsätze der Verfassung“892 dienen, kann ein gesetzlicher Vertragsbruch nicht gerechtfertigt werden, so dass entgegenstehende Völkerrechtsverträge zuerst beendet oder Ausnahmen für die jeweiligen Staatsangehörigen in das nationale Recht implementiert werden müssen. bb) Ergebnis Grundsätzlich ist das Gegenseitigkeitsprinzip als Rechtfertigungsgrund für die staatsangehörigkeitsabhängige Gewährung von freiwilligen Staatsleistungen zu qualifizieren. Demgegenüber kann mit der gezielten Förderung von dauerhaft bleibenden Personen und mit der Vermeidung von migrationspolitischen Fehlanreizen kein genereller Leistungsausschluss, sondern nur die Regelung von Mindestaufenthaltszeiten als zusätzliche Voraussetzungen für die Leistungsgewährung an ausländische Staatsangehörige gerechtfertigt werden. Eine Ausnahme von den aufgezeigten Rechtfertigungsmöglichkeiten ergibt sich im Falle von entgegenstehenden Gegenseitigkeitsabkommen, welche die Bundesrepublik Deutschland zur Gleichbehandlung der anderen Staatsangehörigen bei der Gewährung von freiwilligen Staatsleistungen verpflichten. Sofern die Bundesrepublik diese Völkerrechtsverträge nicht beendet, muss der Gesetzgeber die Leistungsgewährung auf die betreffenden Staatsangehörigen ausdehnen.

F. Ergebnis Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen bemisst sich im Wesentlichen anhand der Rechtfertigungsmaßstäbe des allgemeinen Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Gesamtschau der Rechtfertigungsgründe für die untersuchten wohnsitzabhängigen Einheimischenprivilegierungen zeigt, dass eine finanzielle Privilegierung der Einwohner aus finanziellen sowie aus standortbezogenen Gründen gerechtfertigt werden kann. Die Gruppe der 892

BVerfGE 111, 307 (319).

F. Ergebnis

215

finanziellen Rechtfertigungsgründe beinhaltet die allgemeine Lastentragung der Einwohner, die Mittelzuweisung für die Einwohner in den Finanzausgleichssystemen und die daraus folgende Mehrbelastung bei der Benutzung von öffentlichen Einrichtungen durch auswärtige Personen sowie das Kostenrisiko einer Gebietskörperschaft im Zusammenhang mit der Versorgung von Auswärtigen. Eine Rechtfertigung aus standortbezogenen Gründen erfasst hingegen den Einsatz von finanziellen Einheimischenprivilegierungen als Lenkungsmittel zur Wohnsitzverlagerung im Standortwettbewerb der Gebietskörperschaften sowie als Abwehrinstrument gegen die Überlastung der öffentlichen Einrichtungen oder des Wohnraumangebots einer Kommune durch Auswärtige. Eine Rechtfertigung von finanziellen Einheimischenprivilegierungen im Zusammenhang mit der Benutzung von öffentlichen Einrichtungen ist hingegen ausgeschlossen, wenn die betreffende Einrichtung von der Gebietskörperschaft mit externen Geldern finanziert wird. Derartige Finanzierungsverflechtungen können sich aus den Finanzausgleichssystemen sowie aus der Mitgliedschaft in überörtlichen Kooperations- und Organisationsformen ergeben. Im Hinblick auf staatsangehörigkeitsabhängige Einheimischenprivilegierungen sind die inhaltlichen Rechtfertigungsmöglichkeiten hingegen begrenzt, so dass sich finanzielle Einheimischenprivilegierungen im Wesentlichen nur aus drei staatspolitischen Erwägungen rechtfertigen lassen: Im Zusammenhang mit der Gewährung von auf die zukünftige Entwicklung der geförderten Personen und der Gesellschaft gerichteten Staatsleistungen kann eine Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen mit dem Ziel einer ausschließlichen Förderung von dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland bleibenden Personen gerechtfertigt werden. Bei Staatsleistungen, die nicht auf die Sicherung des Existenzminimums gerichtetet sind, kann hingegen ein zeitlich begrenzter Leistungsausschluss von ausländischen Staatsangehörigen mit der Vermeidung von migrationspolitischen Fehlanreizen gerechtfertigt werden. Im Übrigen ermöglicht das völkerrechtliche Gegenseitigkeitsprinzip die Benachteiligungen von bestimmten Staatsangehörigen, um die jeweiligen Staaten zum Abschluss von Gegenseitigkeitsabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland zu bewegen.

4. Kapitel

Unionsrechtliche Zulässigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen In diesem Kapitel wird untersucht, ob die für verfassungskonform befundenen Einheimischenprivilegierungen mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar sind. Die unionsrechtliche Zulässigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen entscheidet sich im Wesentlichen anhand der Frage, ob und inwieweit die im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Untersuchung entwickelten Rechtfertigungsgründe auch den Rechtfertigungsanforderungen des Unionrechts genügen. Dem Unionsrecht kommt im Verhältnis zum nationalen Recht ein Anwendungsvorrang zu, welcher vom Europäischen Gerichtshof in der Entscheidung „Costa/E.N.E.L.“1 entwickelt wurde. In der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich der Anwendungsvorrang des Unionsrechts aus dem Rechtsanwendungsbefehl des Art. 23 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Zustimmungsgesetzen zu den Verträgen über die Europäische Union.2 Art. 23 Abs. 1 GG enthält zudem die „Verwirklichung des vereinten Europas“ als Staatszielbestimmung, so dass alle Träger von staatlicher Hoheitsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland zur Beachtung des Unionsrechts verpflichtet sind.3 Unmittelbar anwendbares Unionsrecht bindet damit über Art. 20 Abs. 3 GG den Bund, die Länder und die Kommunen sowie auch sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts und solche des Privatrechts in öffentlicher Hand.4 Im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand bewirken die umfassende Bindungswirkung und der Anwendungsvorrang des Unionsrechts, dass Einheimischenprivilegierungen als einfachgesetzliche Regelungen im Konfliktfall nicht zur Anwendung kommen würden.5

1

EuGH, Rs. 6/64, Costa/E.N.E.L. BVerfGE 123, 267 (402); Hufeld, in: Isensee/Kirchhof, HStR X, 32012, § 215, Rn. 5 ff.; Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 266; Polzin, JuS 2012, 1 (2). 3 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 23, Rn. 10 f. 4 Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 107 m.w.N. 5 Hufeld, in: Isensee/Kirchhof, HStR X, 32012, § 215, Rn. 11 ff.; Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 266. 2

A. Die Vorgaben des Unionsrechts

217

A. Die Vorgaben des Unionsrechts Das Unionsrecht enthält mit den Grundfreiheiten, dem allgemeinen Diskriminierungsverbot, dem allgemeinen Freizügigkeitsrecht, dem Beihilfenrecht sowie sekundärrechtlichen Verordnungen und Richtlinien eine Vielzahl von Regelungen, die einer finanziellen Privilegierung von Einheimischen entgegenstehen können. Die inhaltliche Ausformung dieser Regelungen wird maßgeblich vom EuGH geprägt, welcher gem. Art. 19 Abs. 1 S. 1 EUV über „die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge“ entscheidet. Grundsätzlich bindet eine Vorabentscheidung des EuGH über die Auslegung von Unionsrecht unmittelbar nur das vorlegende Gericht sowie diejenigen Gerichte, die in der gleichen Rechtssache zu entscheiden haben.6 Darüber hinaus ergibt sich für letztinstanzliche Gerichte eine mittelbare Bindung, indem der EuGH eine Befreiung von der Vorlagepflicht gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV nur zulässt, wenn die Gerichte den bisherigen Auslegungsentscheidungen des EuGH folgen.7 Demgegenüber sind die unterinstanzlichen Gerichte bei der Anwendung von Unionsrecht nicht an die Auslegungsentscheidung des EuGH gebunden.8 Im Endeffekt können sich aber auch unterinstanzliche Gerichte nicht der unmittelbaren Anwendbarkeit und dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts entziehen, da sich schon aus dem Grundsatz der Prozessökonomie der faktische Zwang ergibt, die Auslegungsentscheidungen des EuGH als Präjudiz zu befolgen, wenn die Urteile nicht spätestens in der letzten Instanz aufgehoben werden sollen.9 Auf diese Weise kommt den Auslegungsurteilen des EuGH eine „de facto erga-omnes-Wirkung“10 zu.11 Aufgrund dieser Bedeutung soll die Rechtsprechung des EuGH zu den unionsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen als Grundlage für die unionsrechtliche Untersuchung der finanziellen Einheimischenprivilegierungen dienen.

I. Die europäischen Grundfreiheiten Die Grundfreiheiten sind „prägende Komponenten der gemeinschaftsrechtlichen Wirtschaftsverfassung“12 und dienen nach Art. 25 Abs. 2 AEUV der Gewährleistung 6

Borchardt, in: Lenz/Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 267 AEUV, Rn. 55; Karpenstein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU I, Art. 267 AEUV, Rn. 99. 7 EuGH, Rs. C-283/82, Rz. 4, C.I.L.F.I.T.; Karpenstein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU I, Art. 267 AEUV, Rn. 105. 8 Borchardt, in: Lenz/Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 267 AEUV, Rn. 60. 9 Karpenstein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU I, Art. 267 AEUV, Rn. 105. 10 Borchardt, in: Lenz/Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 267 AEUV, Rn. 59. 11 Schwarze, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 267 AEUV, Rn. 71. 12 Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 13.

218

4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

eines europäischen Binnenmarktes.13 Hinsichtlich der Prüfungsstruktur sind die Grundfreiheiten mit den deutschen Grundrechten vergleichbar und können in einem ebenfalls dreistufigen Schema – Schutzbereich, Beeinträchtigung, Rechtfertigung – geprüft werden.14 1. Die Schutzbereiche der Grundfreiheiten Der Schutzbereich der Grundfreiheiten umfasst alle Unionsbürger i.S.v. Art. 20 AEUV im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten. Als subjektive Rechte entfalten die Grundfreiheiten eine unmittelbare Wirkung im innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten.15 Zu beachten ist, dass eine Anwendung der Grundfreiheiten immer einen hinreichenden Unionsbezug in Form eines grenzüberschreitenden oder damit in Verbindung stehenden Sachverhalts voraussetzt.16 Dies führt dazu, dass Inländerdiskriminierungen nicht in den Schutzbereich der Grundfreiheiten fallen und sich die Unionsbürger in reinen Inlandssachverhalten gegenüber „ihrem“ Mitgliedstaat nicht auf die Grundfreiheiten berufen können.17 Aufgrund ihrer Ausrichtung als Marktfreiheiten ist zudem ein Bezug zu einer wirtschaftlichen Betätigung für die Eröffnung des sachlichen Schutzbereiches der Grundfreiheiten erforderlich.18 Im Übrigen sind die Grundfreiheiten nicht in Bereichen anwendbar, die durch Sekundärrecht vollständig harmonisiert worden sind und deren Beeinträchtigungen insoweit ausschließlich am einschlägigen Sekundärrecht geprüft werden.19 Die Grundfreiheiten umfassen den freien Warenverkehr, den freien Personenverkehr, den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Kapitalverkehr: @ Die in den Art. 28 bis 37 AEUV geregelte Warenverkehrsfreiheit schützt den grenzüberschreitenden Warenaustausch, wobei unter den Warenbegriff alle körperlichen Gegenstände fallen, die einen Handelswert haben und Gegenstand von Handelsgeschäften sein können.20

13 Ausführlich zur Bedeutung der Grundfreiheiten: Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 3 ff. 14 Frenz, Europarecht, Rn. 212 f. 15 EuGH, Rs. 6/64, Costa/E.N.E.L. 16 EuGH, Rs. C-332/90, Steen I; Rs. C-132/93, Rz. 9, Steen II; Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 273. 17 EuGH, Rs. 180/83, Rz. 14 f., Moser; Rs. 175/78, Rz. 12, Saunders; Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 273. 18 Zum wirtschaftsbezogenen Gehalt der Grundfreiheiten: Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 3 ff. 19 EuGH, Rs. C-37/92, Rz. 6 ff., Vanacker und Leseage; Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 382 ff.; Gleichwohl kommen die Grundfreiheiten auch hier indirekt zur Anwendung, da auch Sekundärrechtsakte primärrechtskonform ausgestaltet sein und damit auch den Anforderungen der Grundfreiheiten genügen müssen. 20 EuGH, Rs. 7/68, Kunstschätze; Rs. C-2/90, Rn. 26, Abfalltransport.

A. Die Vorgaben des Unionsrechts

219

@ Bei den Grundfreiheiten des Personenverkehrs muss zwischen der Arbeitnehmerund der Niederlassungsfreiheit unterschieden werden: Die in den Art. 46 ff. AEUV geregelte Arbeitnehmerfreizügigkeit schützt die grenzüberschreitende Arbeitstätigkeit von unselbstständig Tätigen, während die Niederlassungsfreiheit in Art. 49 ff. AEUV die Freizügigkeit von Unternehmen und Selbstständigen schützt. @ Die Dienstleistungsfreiheit schützt gem. Art. 57 AEUV die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen. Unter den Dienstleistungsbegriff fallen alle Tätigkeiten, die Bestandteil des Wirtschaftslebens sind.21 Dieser weite Anwendungsbereich wird durch Art. 57 Abs. 1 AEUV dahingehend eingegrenzt, dass die Leistungen in der Regel gegen Entgelt erbracht werden. Der EuGH definiert das Entgelt als „die wirtschaftliche Gegenleistung für die betreffende Leistung“22. Zudem wurde diese Grundfreiheit von der Rechtsprechung um eine passive Komponente erweitert und schützt auch die grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Dienstleistungen.23 Dabei ist zu beachten, dass die Dienstleistungsfreiheit nicht anwendbar ist, wenn sich der Dienstleistungsempfänger dauerhaft in dem Land der Dienstleistungserbringung niedergelassen hat.24 @ Die in den Art. 63 ff. AEUV geregelte Kapitalverkehrsfreiheit schützt den grenzüberschreitenden Transfer von Geld- und Sachkapital.

2. Die Grundfreiheiten als Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot Die primärrechtlichen Grundfreiheiten verbieten sowohl offene und versteckte Diskriminierungen als auch Beschränkungen der geschützten Freiheiten. Ausgangspunkt des unionsrechtlichen Diskriminierungsbegriffs ist das Vorliegen einer Ungleichbehandlung.25 Nach der Definition des EuGH ist eine Ungleichbehandlung gegeben, wenn unterschiedliche Vorschriften auf gleichartige oder zumindest vergleichbare Situationen angewendet werden oder dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewendet wird.26

21

EuGH, Rs. C-36/74, Rz. 4, 10, Walrave und Koch; Rs. C-275/92, Rz. 33 ff., Schindler. EuGH, Rs. C-263/86, Rz. 17, Humbel und Edel. 23 EuGH, verb. Rs. C-286/82 und 26/83, Luisi und Carbone; zustimmend: Randelzhofer/ Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU I, Art. 50 EGV (40. EL 2009), Rn. 51. 24 EuGH, Rs. C-70/95, Rz. 38, Sodemare; Rs. C-41/90, Rz. 37, Höfner und Elser; Rs. 52/79, Rz. 9, Dabauve. 25 Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 488. 26 EuGH, Rs. C-279/93, Rz. 30, Schumacker. 22

220

4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Eine Ungleichbehandlung wird dabei als offene Diskriminierung klassifiziert,27 wenn die Differenzierung anhand der Staatsangehörigkeit vorgenommen wird.28 Demgegenüber knüpfen versteckte Diskriminierungen nicht offen an die Staatsangehörigkeit an,29 sondern stellen auf scheinbar neutrale Kriterien ab, die „tatsächlich jedoch zum selben Ergebnis“30 wie eine Ungleichbehandlung anhand der Staatsangehörigkeit führen. Entscheidend ist, ob durch eine Regelung „hauptsächlich“31 oder „im wesentlichen“32 fremde Staatsangehörige benachteiligt werden. Dabei reicht es für das Vorliegen einer versteckten Diskriminierung aus, dass ein Differenzierungskriterium zur Benachteiligung von anderen Staatsangehörigen zumindest geeignet ist.33 Im Übrigen muss ein Differenzierungskriterium auch nicht bewirken, „dass alle Inländer begünstigt werden oder dass unter Ausschluss der Inländer nur die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten benachteiligt werden“34. Darüber hinaus versteht der EuGH die Grundfreiheiten auch als allgemeines Beschränkungsverbot gegen nichtdiskriminierende Regelungen, die für In- und Ausländer zwar gleichermaßen gelten, aber die Ausübung der grundfreiheitlichen Tätigkeiten weniger attraktiv machen oder behindern können.35 3. Die Rechtfertigungsdogmatik der Grundfreiheiten Die Rechtfertigungsanforderungen bemessen sich anhand der Art der Beeinträchtigung, so dass die Unterscheidung zwischen offener und versteckter Diskriminierung sowie allgemeiner Beschränkung erst auf der Rechtfertigungsebene zur Geltung kommt.

27 Offene Diskriminierungen werden auch als unmittelbare, formale oder rechtliche Diskriminierungen betitelt, siehe Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 489 m.w.N. 28 EuGH, Rs. C-114/97, Rz. 48, Kommission/Spanien. 29 Versteckte Diskriminierungen werden mitunter als mittelbare, materielle oder faktische Diskriminierungen bezeichnet, siehe Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 489 m.w.N. 30 EuGH, Rs. 152/73, Rn. 11, Sotgiu. 31 EuGH, Rs. C-388/01, Rz. 14, Kommission/Italien. 32 EuGH, Rs. C-33/88, Rz. 12, Allué. 33 EuGH, Rs. C-237/94, Rz. 21, O’Flynn. 34 EuGH, Rs. C-388/01, Rz. 14, Kommission /Italien. 35 EuGH, Rs. C-171/08, Rz. 50, 67, Kommission/Portugal; Rs. C-55/94, Rn. 37, Gebhard.

A. Die Vorgaben des Unionsrechts

221

a) Offene Diskriminierungen Offene Diskriminierungen können nur durch die geschriebenen Rechtfertigungsgründe der jeweiligen Grundfreiheit gerechtfertigt werden.36 Geschriebene Rechtfertigungsgründe enthalten die einzelnen Grundfreiheiten in den Art. 36, 45 Abs. 3, 52 i.V.m. 62 und 65 AEUV. Beispielsweise erlaubt Art. 36 AEUV verschiedene Beeinträchtigungen der Warenverkehrsfreiheit, sofern diese „aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind“. b) Versteckte Diskriminierungen und Beschränkungen Versteckte Diskriminierungen und allgemeine Beschränkungen können dagegen sowohl durch die geschriebenen Rechtfertigungsgründe als auch durch „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“37 als ungeschriebene Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt werden.38 Eine Anwendung der ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe ist nur möglich, wenn es sich um „unterschiedslos“ anwendbare Maßnahmen handelt, welche für inund ausländische Staatsangehörige gleichermaßen gelten.39 Problematisch erscheint der Begriff der unterschiedslosen Anwendbarkeit im Hinblick auf die Rechtfertigung von versteckten Diskriminierungen: Eine mittelbare Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit und eine offene Diskriminierung können eine vergleichbare Wirkung entfalten, weshalb teilweise gefordert wird, dass versteckte Diskriminierungen nicht aus ungeschriebenen Gründen gerechtfertigt werden dürften.40 Der EuGH verwendet hingegen das Kriterium der unterschiedslosen Anwendung eher als Gegenbegriff zu einer offenen Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit und wendet die ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe dementsprechend auch auf versteckte Diskriminierungen an.41 Im Übrigen kann bei der Rechtfertigungsprüfung auch der Verhält-

36 EuGH, Rs. C-388/01, Rn. 19, Kommission/Italien; Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 520. 37 EuGH, Rs. C-55/94, Rn. 37, Gebhard. 38 EuGH, Rs. 120/78, Rn. 8, Cassis de Dijon; Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 545; Herdegen, Europarecht, § 14, Rn. 5. 39 EuGH, Rs. 788/79, Rz. 6, Gilli & Andres. 40 Emmert, Europarecht, S. 330, 336; Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 51, 72. 41 EuGH, Rs. C-55/98, Rz. 21 ff., Vestergaard; Rs. C-388/01, Rz. 21 ff., Kommission/Italien; zustimmend: Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 551; Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7, Rn. 119; Gundel, Jura 2001, 79 (82 ff.).

222

4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

nismäßigkeitsgrundsatz als Korrektiv gegen den missbräuchlichen Einsatz von versteckten Diskriminierungen eingesetzt werden.42 aa) Inhaltliche Bestimmung der „zwingenden Erfordernisse des Allgemeininteresses“ Bei den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses handelt es sich um einen offenen Begriff, welcher neuen Rechtsfertigungserwägungen offensteht.43 Eine genauere Bestimmung der zwingenden Erfordernisse des Allgemeininteresses leidet jedoch an dem Umstand, dass der EuGH es bislang unterlassen hat, inhaltliche Anforderungen an den von ihm geschaffenen Begriff zu formulieren.44 Ausgehend vom Wortlaut fallen unter das Allgemeininteresse solche Gründe, „die nicht dem Schutz einzelner Individualinteressen“45 dienen. Dabei hat der EuGH zumindest in negativer Hinsicht eine Eingrenzung vorgenommen und rein wirtschaftliche Interessen ausgeschlossen.46 Schwieriger als die Bestimmung eines Allgemeininteresses erscheint jedoch dessen Zusatzqualifikation als zwingendes Erfordernis. In diesem Zusammenhang hat der EuGH schon ein breites Spektrum an Rechtfertigungsgründen als zwingende Gründe des Allgemeininteresses klassifiziert: beispielsweise die wirksame steuerliche Kontrolle, der Schutz der öffentlichen Gesundheit, die Lauterbarkeit des Handelsverkehrs, der Verbraucherschutz, die Medienvielfalt und die Verhinderung einer Gefährdung des Systems sozialer Sicherheit.47 Im Hinblick auf die Entwicklung neuer Rechtsfertigungsgründe stellt sich hierbei die Frage nach der rechtlichen Herkunft der zwingenden Erfordernisse des Allgemeinwohls. In der einschlägigen Rechtsprechung deuten Formulierungen wie „ein gemeinschaftsrechtlich gerechtfertigtes Ziel“48 oder den „im allgemeinen Interesse liegenden Zielen des Vertrages“49 darauf hin, dass der EuGH die zwingenden Erfordernisse des Allgemeinwohls vorrangig aus dem Unionsrecht entnimmt.50 Darüber hinaus leitet der EuGH die ungeschriebenen Rechtsfertigungsgründe auch aus 42 Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 550; Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7, Rn. 119. 43 Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 559; Leible/T. Streinz, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU I, Art. 34 AEUV, Rn. 112; Ahlfeld, Zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung, S. 266; siehe zudem Langeloh, DÖV 2014, 365 (370); zustimmend: Hillgruber, Rechtsgutachten für das BMVI, S. 51. 44 Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 330. 45 Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 559. 46 EuGH, Rs. C-120/95, Rz. 39, Decker; C-158/96, Rz. 45, Kohll. 47 Siehe Frenz, Europarecht, Rn. 242 m.w.N. 48 EuGH, Rs. C-169/91, Rz. 15, B & Q. 49 EuGH, Rs. C-145/88, Rz. 13, B & Q. 50 Ahlfeld, Zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung, S. 249, 251 ff.

A. Die Vorgaben des Unionsrechts

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den Rechtsordnungen und allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten her.51 Hierbei kann es sich auch um ungeschriebene Grundsätze handeln, so dass eine normative Verankerung keine zwingende Voraussetzung darstellt.52 Voraussetzung für eine derartige Herleitung ist, dass das jeweilige Allgemeininteresse einerseits in den meisten Mitgliedstaaten grundsätzlich anerkannt ist und andererseits mit den Zielen des Unionsrechts vereinbar ist.53 bb) Ergebnis Zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses können alle nicht wirtschaftlichen Interessen der Allgemeinheit sein, die im Unionsrecht angelegt sind oder sich aus den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ergeben und mit den Zielen des Unionsrechts vereinbar sind. c) Rechtfertigungsschranken Als Rechtfertigungsgrenzen für die Beeinträchtigung der Grundfreiheiten kommen das Primärrecht und dabei insbesondere die Unionsgrundrechte sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zur Anwendung.54 Sofern die Beeinträchtigung einer Grundfreiheit auch zu einer Verletzung der Unionsgrundrechte oder des sonstigen Primärrechts führt,55 scheidet damit auch die Möglichkeit einer Rechtfertigung aus.56 Im Übrigen muss bei der Beeinträchtigung einer Grundfreiheit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts gewahrt sein.57 Der EuGH prüft den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz anhand der Legitimität, 51 EuGH, Rs. C-6/81, Rz. 9, Industrie Diensten Groep; Rs. C-60/84, Rz. 19 ff., Cinéthéque; Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 559; Ahlfeld, Zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung, S. 258 ff.; Roeßing, Einheimischenprivilegierung und EG-Recht, S. 326 f. 52 Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 560 mit Hinweis auf EuGH, Rs. C-120/78, Rz. 8, Rewe Zentral. 53 EuGH, Rs. C-11/70, Rz. 4, Internationale Handelsgesellschaft; Rs. C-6/81, Rz. 9, Industrie Diensten Groep; Rs. C-374/87, Rz. 29, Orkem/Kommission; Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 328. 54 Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7, Rn. 122. 55 Sofern die Beeinträchtigung einer Grundfreiheit in einem Bereich erfolgt, der durch sekundäres Unionsrecht vollständig harmonisiert worden ist, sind die Grundfreiheiten aufgrund der Spezialität des Sekundärrechts nicht anwendbar: Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7, Rn. 124. 56 EuGH Rs. C-260/89, Rz. 43, ERT; Rs. C-368/95, Rz. 24, Familiapress; Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7, Rn. 123. 57 Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7, Rn. 129; Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 587.

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit.58 In der EuGH-Rechtsprechung liegt der Prüfungsschwerpunkt regelmäßig auf der Erforderlichkeit,59 während eine gesonderte Prüfung der Angemessenheit oftmals unterbleibt.60 Im Übrigen tragen die Mitgliedstaaten im Rahmen der Geeignetheit und Erforderlichkeit die Darlegungsund Untersuchungslast für das Vorliegen der jeweiligen Rechtfertigungsgründe.61 Konkret muss ein Mitgliedstaat „genaue Angaben zur Stützung seines Vorbringens“62 machen sowie „konkrete Anhaltspunkte“63 für die Unabdingbarkeit der beschränkenden Maßnahme liefern.

II. Das allgemeine Diskriminierungsverbot Das Unionsrecht enthält in Art. 18 Abs. 1 AEUV ein allgemeines Verbot von Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit. Darunter werden sowohl offene als auch versteckte Diskriminierungen gefasst,64 wohingegen die Schlechterstellung der eigenen Staatsangehörigen nicht erfasst wird.65 Der Anwendungsbereich des allgemeinen Diskriminierungsverbots erstreckt sich auf sämtliche vom Gemeinschaftsrecht erfasste Sachverhalte.66 Dabei muss es sich nach der Rechtsprechung des EuGH um eine „gemeinschaftsrechtlich geregelte Situation“67 handeln, wobei auch schon „Berührungspunkte mit irgendeinem der Sachverhalte“68 ausreichen. Eine Einschränkung erfährt das Diskriminierungsverbot jedoch durch die mit der Formulierung „unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge“ angeordnete Nachrangigkeit gegenüber spezielleren Regelungen.69 Infolge dieser Verdrängung darf das allgemeine Diskriminierungsverbot „autonom nur 58

3. Kap., E., II., 1., b), bb), (2). Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7, Rn. 132 f.; Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 587 mit einer Vielzahl von Beispielen aus der Rspr: EuGH, Rs. C-108/96, Rz. 26, Mac Quen; C-55/94, Rz. 37, Gebhard. 60 Bspw.: EuGH, Rs. C-167/01, Rz. 133, Inspire Art; Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 598. 61 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 792. 62 EuGH, Rs. C-147/03, Rz. 63, Kommission/Österreich. 63 EuGH, Rs. C-8/02, Rz. 46, Leichtle. 64 EuGH, Rs. C-22/80, Rz.9, Boussac; Rs. C-388/01, Rz. 15, Kommission/Italien; Kingreen, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 13, Rn. 19; Epiney, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV, Rn. 12; Holoubek, in: Schwarze, Art. 18 AEUV, Rn. 7. 65 EuGH, Rs. C-, Rz. 56, Hurd; Kingreen, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 13, Rn. 15. 66 von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU I, Art. 18 AEUV, Rn. 34. 67 EuGH, Rs. C-186/87, Rz. 10, Cowan. 68 EuGH, Rs. C-35/82, Rz. 16, Morson. 69 Kingreen, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 13, Rn. 2. 59

A. Die Vorgaben des Unionsrechts

225

in durch das Gemeinschaftsrecht geregelten Fällen angewendet werden, für die der Vertrag keine besondere Regelung der Nichtdiskriminierung vorsieht“70. Das allgemeine Diskriminierungsverbot wird vom EuGH als rechtfertigungsfähiges und insoweit nur relatives Verbot interpretiert: Während in Teilen der Literatur bei offenen Diskriminierungen ein absolutes Verbot angenommen und eine Rechtfertigung abgelehnt wird,71 prüft der EuGH auch bei offenen Diskriminierungen die Rechtfertigungsmöglichkeiten.72 Für eine Rechtfertigung werden dabei „objektive, von der Staatsangehörigkeit unabhängige Erwägungen, die in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimen Zweck stehen“73 verlangt. Versteckte Diskriminierungen können durch „objektive Umstände“74 gerechtfertigt werden.75 In der Rechtsprechung wurden beispielsweise die Sicherstellung der Vollstreckung und Vermeidung höherer Verwaltungskosten76 sowie der Schutz einer ethnisch-kulturellen Minderheit als objektive Umstände zur Rechtfertigung anerkannt.77 Im Übrigen müssen die Rechtfertigungsgründe den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen.78

III. Das freizügigkeitsrechtliche Inländergleichbehandlungsgebot Das allgemeine Freizügigkeitsrecht schützt in Art. 21 Abs. 1 AEUV das Recht aller Unionsbürger sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Anwendungsvoraussetzung ist wie bei den Grundfreiheiten ein grenzüberschreitender Sachverhalt, so dass reine Inländerdiskriminierungen ohne hinreichenden Unionsbezug nicht erfasst werden.79 Das Freizügigkeitsrecht knüpft 70

EuGH, Rs. C-193/94, Rz. 20, Skanavi. Bspw.: Holoubek, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 18 AEUV, Rn. 22 ff.; Reitmaier, Inländerdiskriminierung nach dem EWG-Vertrag, S. 39. 72 EuGH, Rs. C-323/95, Rz. 24 f., Hayes; Rs. C-122/96, Rz. 26 ff., Saldanha; zustimmend: Kingreen, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 13, Rn. 25; Epiney, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV, Rn. 39; von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Das Recht der EU I, Art. 18 AEUV, Rn. 22 f.; Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 3994. 73 EuGH, Rs. C-164/07, Rz. 13, Wood; ähnlich: Rs. C-123/08, Rz. 64 ff., Wolzenburg; Rs. C-524/06, Rz. 75, Huber. 74 EuGH, Rs. C-398/92, Rz. 17, Mund & Fester. 75 EuGH, Rs. C-398/92, Rz. 17, Mund & Fester; Rs. C-29/95, Rz. 19, Pastoors; Kingreen, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 13, Rn. 24; Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV, Rn. 61. 76 EuGH, Rs. 29/95, Rz. 21 f., Pastoors. 77 EuGH, Rs. C-274/96, Rz. 29, Bickel und Franz. 78 EuGH, Rs. C-29/95, Rz. 24, Pastoors; Rs. C-274/96, Rz. 27, Bickel und Franz; Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV, Rn. 61. 79 Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 4040. 71

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

nicht an eine wirtschaftliche Tätigkeit an,80 sondern verleiht allen Unionsbürgern i.S.v. Art. 20 AEUV ein unmittelbar geltendes subjektives Recht,81 welches auch als das „zentrale Recht der Unionsbürgerschaft“82 bezeichnet wird. Der weite Schutzbereich des Art. 21 AEUV erfasst nicht nur unmittelbare Beeinträchtigungen des Bewegungs- und Aufenthaltsrechts,83 sondern eröffnet auch den Anwendungsbereich des allgemeinen Diskriminierungsverbots.84 Aus dieser Verbindung von Freizügigkeitsrecht und Diskriminierungsverbot hat der EuGH – teilweise auch unter Heranziehung des Instituts der Unionsbürgerschaft in Verbindung mit einem rechtmäßigen Aufenthalt85– ein freizügigkeitsrechtliches Gleichbehandlungsgebot mit den Staatsangehörigen in den aufnehmenden Mitgliedstaaten entwickelt.86 Darüber hinaus wirkt das allgemeine Freizügigkeitsrecht als umfassendes Beschränkungsverbot: Eine Beschränkung liegt bereits vor, wenn die Ausübung des Freizügigkeitsrechts mit Belastungen verbunden wird, welche dazu geeignet sind, die Unionsbürger von der Ausübung des Freizügigkeitsrechts abzuhalten.87 Dies umfasst alle Regelungen sowohl im Herkunft- als auch im Aufnahmestaat, welche die Unionsbürger alleine deshalb benachteiligen, weil sie Gebrauch von ihrem Freizügigkeitsrecht machen oder gemacht haben.88 Auf diese Weise können sich die Unionsbürger auch im Verhältnis zum eigenen Heimatstaat auf die „Garantie von der gleichen rechtlichen Behandlung bei der Ausübung der Freizügigkeit“89 berufen. Das allgemeine Freizügigkeitsrecht enthält in Art. 21 AEUV keine geschriebenen Rechtfertigungsgründe, sondern verweist auf die Beschränkungen und Bedingungen des Vertrages und seiner Durchführungsbestimmungen. Darunter fallen die ge80

Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 21 AEUV, Rn. 9. EuGH, Rs. C-413/99, Rz. 84, Baumbast; Rs. C.456/02, Rz. 31, Trojani; Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 21 AEUV, Rn. 7; Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 4033; Kadelbach, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 26, Rn. 38 ff.; Kubicki, EuR 2006, 489 ff. 82 Kaufmann-Bühler, in: Lenz/Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 21 AEUV, Rn. 4. 83 Bspw. bei Verweigerung und Entziehung einer Aufenthaltserlaubnis (EuGH, Rs. C-413/ 99, Rz. 76 ff., Baumbast), Ausweisungen (EuGH, verb. Rs. C-482/01 und 493/01, Rz. 32 ff., 53 ff., Orfanopoulos) oder auch Ein- und Ausreiseverweigerungen (EuGH, Rs. C-33/07, Rz. 15 ff., Jipa). 84 EuGH, Rs. C-209/03, Rz. 32 f., Bidar; Rs. C-274/96, Rz. 15 f., Bickel und Franz. 85 EuGH, Rs. C-456/02, Rz. 39 ff., Trojani; Rs. C-85/96, Rz. 60 ff., Martinez Sala; Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 21 AEUV, Rn. 12. 86 EuGH, Rs. C-209/03, Rz. 31, Bidar; Rs. C-184/99, Rz. 31, Gryzelczyk; Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 21, Rn. 15; Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 21 AEUV, Rn. 11 f. 87 EuGH, Rs. C-499/06, Rz. 31, Nerkowska; verb. Rs. C-11/06 und 12/06, Rz. 26, Morgan; Rs. C-224/02, Rz. 19, Pusa. 88 EuGH, Rs. C-499/06, Rz. 31, Nerkowska; verb. Rs. C-11/06 und 12/06, Rz. 26, Morgan; Rs. C-406/04, Rz. 39, De Cuyper; Rs. C-224/98, Rz. 30 ff., D’Hoop. 89 EuGH, Rs. C-224/02, Rz. 20, Pusa; Rs. C-224/08, Rz. 34 f., D’Hoop. 81

A. Die Vorgaben des Unionsrechts

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schriebenen Rechtfertigungsgründe des Primärrechts sowie des einschlägigen Sekundärrechts, welche eine Rechtfertigung von unmittelbaren Beeinträchtigungen des Bewegungs- und Aufenthaltsrechts sowie offenen Diskriminierungen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, Ordnung und Gesundheit zulassen.90 Hinsichtlich der Rechtfertigung von versteckten Diskriminierungen sowie Beschränkungen stellt der EuGH auf ungeschriebene Rechtfertigungsgründe ab und verlangt „objektive Erwägungen“91 oder auch „objektive Erwägungen des Allgemeininteresses“92, welche unabhängig von der Staatsangehörigkeit sind und den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entsprechen.93 Unklar ist, ob und inwiefern zwischen beiden Rechtfertigungsanforderungen ein qualitativer Unterschied besteht. Aufgrund der Offenheit beider Begriffe werden diesbezüglich Zweifel geäußert.94 Zum Teil wird auch vertreten, dass sich die „objektiven Erwägungen“ auf Ungleichbehandlungen und die „objektiven Erwägungen des Allgemeininteresses“ auf Beschränkungen bezögen.95 Eine derartige Einteilung lässt sich aus den einschlägigen Urteilen jedoch nicht entnehmen, denn der EuGH sieht auch Ungleichbehandlungen im Ergebnis als Beschränkungen der Freizügigkeit an und vermischt damit beide Begriffe.96 Soweit von Teilen der Literatur eine Übertragung der Rechtfertigungsdogmatik der Grundfreiheiten gefordert wird,97 kann dies nicht überzeugen, denn die grundfreiheitliche Rechtfertigung erfordert „zwingende Erfordernisse des Allgemeinwohls“ und geht damit über das vom EuGH beim Freizügigkeitsrecht geforderte Rechtfertigungsniveau hinaus.98 Der EuGH hat die Freizügigkeit zwar mehrfach in Verbindung mit den Grundfreiheiten genannt, aber dabei nicht die grundfreiheitlichen Rechtfertigungsanforderungen auf die Freizügigkeit angewendet.99 Im Hinblick auf die Entwicklung des Freizügigkeitsrechts zu einem umfassenden Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot 90 Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 21 AEUV, Rn. 19 ff.; Kaufmann-Bühler, in: Lenz/ Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 21, Rn. 6; Kadelbach, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 26, Rn. 46; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 733 ff.; zum einschlägigen Sekundärrecht in Form der Freizügigkeitsrichtlinie, siehe 4. Kap., A., V., 2. 91 EuGH, Rs. C-76/05, Rz. 94, Schwarz und Gootjes-Schwarz; Rs. C-520/04, Rz. 32, Turpeinen; Rs. C-224/02, Rz. 20, Pusa. 92 EuGH, verb. Rs. C-11/06 und C-12/06, Rz. 33, Morgan; Rs. C-192/05, Rz. 33, TasHagen-Tas; Rs. C-406/04, Rz.40, De Cuyper. 93 4. Kap., A., I., 3., c). 94 Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 4156 ff. 95 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 743; Domröse/Kubicki, EuR 2008, 873 (885). 96 EuGH, Rs. C-192/05, Rz. 31, 33, Tas-Hagen-Tas. 97 Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 4160; Kadelbach, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 26, Rn. 45. 98 4. Kap., A., I., 3., b), aa). 99 Siehe bspw.: EuGH, Rs. C-224/02, Rz.17, 20, Pusa; Rs. C-520/04, Rz. 19 f., 32, Turpeinen.

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

erscheint es vielmehr erforderlich, dass für geringfüge Beeinträchtigungen auch geringere Rechtfertigungsanforderungen bestehen. Letztendlich verliert die Frage nach dem Allgemeininteresse als vermeintliches Zusatzkriterium ihre Bedeutung durch die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als Rechtsfertigungsschranke, welcher auch im Zusammenhang mit „objektiven Erwägungen“ die Verfolgung eines legitimes Zweckes verlangt und damit in jedem Fall einen hinreichenden Bezug zum Allgemeininteresse sicherstellt. Als „objektive Erwägungen“ hat der EuGH beispielsweise die Verhinderung einer übermäßigen Belastung eines finanziellen Fördersystems100, die Volkssolidarität101 oder die Wirksamkeit von Kontrollen102 anerkannt.

IV. Beihilferecht Finanzielle Einheimischenprivilegierungen können in Konflikt mit dem unionsrechtlichen Beihilfeverbot geraten, sofern sie auf Finanzierungsmodellen beruhen, in denen Gebietskörperschaften ihnen zugehörige Einrichtungen oder Unternehmen mit Finanzmitteln aus dem allgemeinen Haushalt bezuschussen, um auf diese Weise eine Tarif- oder Gebührenreduzierung für die Inanspruchnahme durch die Einheimischen zu finanzieren. Art. 107 Abs. 1 AEUV statuiert eine Unvereinbarkeit von staatlichen Beihilfen an bestimmte Unternehmen mit dem Binnenmarkt, wenn dadurch der Wettbewerb verfälscht zu werden droht und der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird. Das Beihilfeverbot bindet Bund, Länder und Kommunen.103 Nach Maßgabe des Art. 106 Abs. 1 AEUV erstreckt sich das Beihilfeverbot auch auf öffentliche Unternehmen. Sekundärrechtlich wird der Begriff des öffentlichen Unternehmens definiert als „jedes Unternehmen, auf das die öffentliche Hand aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann“104. Ebenfalls erfasst werden öffentlich-rechtliche Organisationsformen, sofern eine unternehmerische Tätigkeit zugrunde liegt.105 Das grundlegende Merkmal einer Beihilfe ist das Vorliegen einer Begünstigung: Darunter werden sämtliche geldwerten Unterstützungsmaßnahmen des Staates gefasst, welche der Beihilfeempfänger ohne die Erbringung einer angemessenen 100

EuGH, Rs. C-209/03, Rz. 56 f., Bidar. EuGH, Rs. C-192/05, Rz. 35, Tas-Hagen-Tas. 102 EuGH, Rs. C-499/06, Rz. 37, Nerkowska. 103 EuGH, Rs. C-428/06, Rz. 46 ff., UGT-Rioja; Rs. 248/84, Rz. 17, Kommission/ Deutschland; Kühling/Koenig/Paul, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV, Rn. 56. 104 Art. 2, RL 80/723/EWG (Transparenzrichtlinie); Art. 2, RL 17/2004/EG (Sektorenrichtlinie). 105 Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. III, Beihilfe- und VergabeR, Rn. 608. 101

A. Die Vorgaben des Unionsrechts

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marktüblichen Gegenleistung erlangt.106 In seiner Rechtsprechung legt der EuGH die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels weit aus, so dass „jede auf dem Gemeinschaftsmarkt tätigen Unternehmer gewährte Beihilfe Verfälschungen des Wettbewerbs hervorrufen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen“107 kann.108 Insbesondere schließt ein rein lokaler Tätigkeitsbereich des Beihilfeempfängers eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels nicht aus.109 Ausnahmen sind jedoch bei solchen Beihilfeempfängern möglich, deren Tätigkeitsbereich in keinem grenzüberschreitenden Wettbewerb steht und deren Leistungen nur von einem lokalen Nutzerkreis in Anspruch genommen werden.110 Sofern eine Beihilfe nicht den primär- und sekundärrechtlichen Vorgaben entspricht,111 wird sie von der EU-Kommission nicht genehmigt oder gegebenenfalls untersagt.112 Ein Verstoß gegen das unionsrechtliche Beihilfeverbot würde dazu führen, dass die finanziellen Einheimischenprivilegierungen nicht durch Zuschüsse an öffentliche Einrichtungen oder Unternehmen finanziert werden dürften.

V. Sekundärrechtliche Gleichbehandlungsgebote Finanzielle Einheimischenprivilegierungen können auch in Konflikt mit den sekundärrechtlichen Gleichheitsbestimmungen der Verordnung VO Nr. 492/2011 sowie der Richtlinie RL 2004/38/EG geraten. 1. Verordnung Nr. 492/2011 Die Verordnung Nr. 492/2011 enthält Regelungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union.113 Eine Verordnung gilt gem. Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. 106 Kleinel/Sühnel, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, 1. Kap., Rn. 89; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 1134. 107 EuG, Rs. T-189/03, Rz. 68, ASM. 108 Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, 1. Kap., Rn. 240. 109 EuGH, Rs. C-71/04, Rz. 40, Xunta de Galica; Rs. C-172/03, Rn. 33, Heiser; Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, 1. Kap., Rn. 266 f. 110 Mitteilung der Kommission v. 18. 07. 2002 zur Beihilfe N 376/01, ABl 2002/C 172/2, Rn. 18 ff.; Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, 1. Kap., Rn. 266 ff. 111 Im Übrigen enthalten die Vorschriften der Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV noch rechtfertigende Ausnahmetatbestände, wonach die Gewährung von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Einklang stehen kann. 112 Dazu: Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn. 1160 ff. 113 Abl. EU v. 27. 05. 2011, Nr. L-141/1.

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Der persönliche Schutzbereich umfasst sowohl in einem Aufnahmemitgliedstaat wohnende Wanderarbeitnehmer als auch Grenzarbeitnehmer, welche eine unselbstständige Erwerbstätigkeit in diesem Mitgliedstaat ausüben, aber in einem anderen Staat wohnhaft sind.114 Darüber hinaus werden auch die unterhaltspflichtigen Familienangehörigen in den Schutzbereich einbezogen.115 In Art. 7 Abs. 2 bestimmt die Verordnung, dass Arbeitnehmer mit Unionsbürgerschaft die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen genießen wie die inländischen Arbeitnehmer. Unter den Begriff der sozialen Vergünstigungen fallen nach der weiten Auslegung des EuGH „alle Vergünstigungen, die – ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht – den inländischen Arbeitnehmern hauptsächlich wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnorts im Inland gewährt werden und deren Ausdehnung auf die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, deshalb als geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der Gemeinschaft zu erleichtern“116. Abweichungen von dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 7 Abs. 2 erlaubt der EuGH in ständiger Rechtsprechung zumindest bei versteckten Diskriminierungen, wenn die Rechtfertigungsanforderungen des allgemeinen Diskriminierungsverbots erfüllt sind.117 Sofern wohnsitzabhängige Einheimischenprivilegierungen als soziale Vergünstigungen zu qualifizieren sind, müssen sie aus objektiven Erwägungen gerechtfertigt sein und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen.118 2. Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG Die Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG beinhaltet Regelungen über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.119 Richtlinien wenden sich gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV an die Mitgliedstaaten, welche den Richtlinieninhalt in innerstaatliches Recht transformieren müssen. Die Bundesrepublik Deutschland hat die Freizügigkeitsrichtlinie durch das „Gesetz über die Freizügigkeit von Unionsbürgern“ umgesetzt.120 Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie wiederholt das Gleichbehandlungsgebot mit den Staatsangehörigen des aufnehmenden Mitgliedstaates, welches sich daneben jedoch 114

EuGH, Rs. C-542/09, Rz. 33, Kommission/Niederlande; Rs. C-20/12, Rz. 37, Giersch. EuGH, Rs. C-542/09, Rz. , Kommission/Niederlande; Rs. C-20/12, Rz. 40, Giersch. 116 EuGH, Rs. C-85/96, Martinez Sala. 117 EuGH, Rs. C-237/94, Rz. 17 ff., O’Flynn; Rs. C-57/96, Rz. 44 f., Meints; Rs. C-213/05, Rz. 18 f., Geven. 118 EuGH, Rs. C-237/94, Rz. 19, O’Flynn; Rs. C-57/96, Rz. 45, Meints ; Rs. C-213/05, Rz. 19, Geven. 119 Abl. EU v. 30. 04. 2004, Nr. L-158/77. 120 Freizügigkeitsgesetz v. 30. 07. 2004, BGBl. I, S. 1950. 115

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

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bereits aus dem Primärrecht in Form des allgemeinen Freizügigkeitsrechts in Verbindung mit dem Diskriminierungsverbot ergibt.121 Soweit Art. 24 Abs. 1 allen Unionsbürgern, die sich aufgrund der Richtlinie in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten, im Anwendungsbereich des Vertrags die Gleichbehandlung mit den jeweiligen Staatsangehörigen garantiert, schränkt Art. 24 Abs. 2 diese Schutzwirkung dergestalt ein, dass in den ersten drei Monaten des Aufenthalts kein Anspruch auf Sozialhilfe und vor dem Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts keine Ansprüche auf Studienbeihilfen, Stipendien oder Studiendarlehen bestehen. Ein Recht auf Daueraufenthalt setzt gem. Art. 16 Abs. 1 voraus, dass sich ein Unionsbürger mindestens fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmestaat aufgehalten hat. In der Rechtspraxis prüft der EuGH nur das freizügigkeitsrechtliche Inländergleichbehandlungsgebot aus Art. 21 AEUV i.V.m. Art. 18 AEUV, während der inhaltsgleiche Artikel 24 der Freizügigkeitsrichtlinie nur zur Unterstreichung des Umstandes herangezogen wird, dass die Ausübung der Freizügigkeit den Anwendungsbereich des allgemeinen Diskriminierungsverbotes eröffnet.122 Aus diesem Grund beschränkt sich die unionsrechtliche Untersuchung hinsichtlich der Inländergleichbehandlung auf das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 21 AEUV i.V.m. Art. 18 AEUV.

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen Zu untersuchen ist, ob die wohnsitzabhängige Gewährung von finanziellen Privilegien mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

I. Kommunalebene Im Allgemeinen dürfte es sich bei den Auswärtigen, die durch kommunale Einheimischenprivilegierungen benachteiligt werden, um deutsche Staatsangehörige handeln. Gleichwohl überprüft die EU-Kommission auch Regelungen auf kommunaler Ebene – wie das Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen kommunalen Einheimischenmodellen zeigt.123

121

A., III. 122 123

Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 4250; siehe dazu 4. Kap., EuGH, Rs. C-209/03, Rz. 43, Bidar. Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2006/4271 gegen die Bundesrepublik Deutschland.

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

1. Einheimischentarife Die unterschiedlichen Einheimischentarife unterscheiden sich in ihrem Ungleichbehandlungscharakter und basieren auf verschiedenen Rechtfertigungserwägungen, so dass auch im Unionsrecht eine getrennte Untersuchung notwendig ist. a) Einheimischenabschlag Im Hinblick auf das Unionsrecht stellt sich beim Einheimischenabschlag die Frage, ob eine Einheimischenprivilegierung mit reduzierten Gebühren für die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung gegen die passive Dienstleistungsfreiheit oder das allgemeine Freizügigkeitsrecht verstößt. Darüber hinaus ist auch ein Verstoß gegen das Beihilferecht denkbar, sofern die Finanzierung der reduzierten Einheimischentarife durch Zuschüsse aus dem Gemeindehaushalt an die jeweilige Einrichtung erfolgt. aa) Passive Dienstleistungsfreiheit Grundsätzlich schützt die Dienstleistungsfreiheit auch die grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Dienstleistungen,124 so dass sich die Frage stellt, ob eine finanzielle Privilegierung der Einheimischen bei der Benutzung von öffentlichen Einrichtungen mit dieser Grundfreiheit vereinbar ist. (1) Schutzbereichseröffnung für Einheimischenabschläge Zu untersuchen ist, ob die Benutzung von öffentlichen Einrichtungen in den Schutzbereich der passiven Dienstleistungsfreiheit fällt und welcher Personenkreis von der Schutzwirkung umfasst ist. (a) Einbeziehung von öffentlichen Dienstleistungen in den Schutzbereich Grundsätzlich erfasst die Dienstleistungsfreiheit auch Leistungen von öffentlichen Einrichtungen, sofern es sich um eine entgeltliche Leistungserbringung im Wirtschaftsleben handelt.125 Im Allgemeinen wird darauf abgestellt, ob der Staat unternehmerähnlich am Wirtschaftsleben teilnimmt.126 Es ist dabei nicht notwendig, dass eine Einrichtung mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird,127 wohingegen

124

EuGH, verb. Rs. C-286/82 und 26/83, Luisi und Carbone. Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 102 f. 126 Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 57 AEUV, Rn. 14; Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 103. 127 EuGH, Rs. 281/06, Rz. 33, Jundt. 125

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

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das Ziel der Kostendeckung nicht völlig ausgeblendet werden darf.128 Nicht in den Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit fallen deshalb solche Einrichtungen, die hauptsächlich aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, mit denen der Staat aber keine wirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen will und welche vielmehr der staatlichen Aufgabenwahrnehmung in den Bereichen Soziales, Kultur und Bildung dienen.129 Dieser „Ausnahmetatbestand“ wird jedoch restriktiv ausgelegt: Beispielsweise hat der EuGH die passive Dienstleistungsfreiheit auf ein staatliches Museum als Kultureinrichtung angewendet, ohne auf die genannten Ausnahmen einzugehen.130 Im Hinblick auf Musik- und Volkshochschulen als kommunale Bildungseinrichtungen, in welchen Einheimischenabschläge erhoben werden können, ist der Schutzbereich der passiven Dienstleistungsfreiheit somit eröffnet, da sich derartige Einrichtungen auch aus Benutzungsgebühren und nicht ausschließlich aus öffentlichen Mitteln finanzieren. Das Konzept des Einheimischenabschlags beinhaltet zudem die Erhebung von gegenwertorientierten Gebühren von den auswärtigen Benutzern,131 so dass die Voraussetzung der Entgeltlichkeit erfüllt ist. Darüber hinaus werden öffentliche Einrichtungen in der Regel nicht mit einer Verlusterzielungsabsicht, sondern nach dem Grundsatz der Kostendeckung betrieben. Es bleibt daher festzuhalten, dass die gebührenpflichtige Benutzung von öffentlichen Einrichtungen in den Schutzbereich der passiven Dienstleistungsfreiheit fällt. (b) Geschützter Personenkreis Die passive Dienstleistungsfreiheit schützt alle Unionsbürger, die sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben und dort Dienstleistungen empfangen wollen.132 Eine Anwendung der passiven Dienstleistungsfreiheit ist jedoch ausgeschlossen, wenn sich ein Unionsbürger dauerhaft in dem Mitgliedstaat niedergelassen hat, in welchem die Dienstleistung erbracht wird.133 Im Hinblick auf ausländische Unionsbürger mit Hauptwohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland erscheint eine Anwendung der passiven Dienstleistungsfreiheit nur möglich, wenn die Inanspruchnahme einer bestimmten Dienstleistung den Aufenthaltszweck und die Aufenthaltsdauer bestimmt: Sofern die zeitliche Dauer der Dienstleistung und damit auch des Aufent-

128 Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 3041; Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 103 f. 129 EuGH, Rs. C-109/92, Rz. 15, Wirth; Rs. C-76/05, Rz. 39, Schwarz und GootjesSchwarz. 130 EuGH, Rs. C-45/93, Kommission/Spanien; Rs. C-388/01, Rz. 12 ff., Kommission/Italien. 131 1. Kap., D., III., 1. 132 EuGH, Rs. C-274/96, Rz. 15, Bickel und Franz. 133 EuGH, Rs. 52/79, Rz. 9, Dabauve; Rs. 196/87, Rz. 17, Steymann; Rs. C-41/90, Rz. 37, Höfner und Elser; Rs. C-70/95, Rz. 38, Sodemare.

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

halts absehbar sind, ist das Kriterium der Dauerhaftigkeit nicht erfüllt.134 Derartige „vorübergehende Ortswechsel“135 – beispielsweise zur Absolvierung eines Studiums136– können deshalb in den Schutzbereich der passiven Dienstleistungsfreiheit fallen. Im Übrigen werden ausländische Unionsbürger, die in der Bundesrepublik Deutschland ihren Wohnsitz haben, nicht vom Schutzbereich der passiven Dienstleistungsfreiheit umfasst. (2) Wohnsitzerfordernis als Beeinträchtigung Wenn die Gewährung von finanziellen Privilegien an einen Wohnsitz im Inland geknüpft wird, besteht nach ständiger EuGH-Rechtsprechung die Gefahr, dass es hauptsächlich zu einer Benachteiligung von fremden Staatsangehörigen komme, da Gebietsfremde in der Regel Ausländer seien.137 Im Hinblick auf die Regelung von Einheimischentarifen erscheint es jedoch zweifelhaft, ob es durch die Anknüpfung an einen Wohnsitz in der Gemeinde ebenfalls zu einer derartigen Benachteiligung von fremden Staatsangehörigen kommen kann. Ein kommunales Wohnsitzerfordernis privilegiert nämlich nur die Gemeindeeinwohner, so dass nicht nur fremde Staatsangehörige aus den anderen Mitgliedstaaten, sondern auch die übrigen Einwohner sowie Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland benachteiligt werden. Allerdings misst der EuGH dem Umstand, dass eine Regelung sowohl fremde Staatsangehörige als auch in anderen Landesteilen wohnhafte eigene Staatsangehörige erfasst, bei der Beurteilung einer versteckten Diskriminierung keine Bedeutung zu.138 Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es für die Annahme einer Diskriminierung nicht erforderlich, „dass alle Inländer begünstigt werden oder dass unter Ausschluss der Inländer nur die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten benachteiligt werden“139. Vielmehr kommt es darauf an, dass es sich bei der privilegierten Personengruppe im Wesentlichen um inländische Staatsangehörige handelt.140 Diese Voraussetzung wird durch die Anknüpfung an einen Wohnsitz in einer Gemeinde erfüllt, denn in Deutschland und insbesondere in den ländlichen Kommunen wohnen überwiegend deutsche Staatsangehörige.141

134

EuGH, Rs. C-70/95, Rz. 38, Sodemare; Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 126 ff. 135 Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 3076. 136 Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 3077. 137 EuGH, Rs. C-279/93, Rz. 28, Schumacker; Rs. C-350/96, Rz. 29, Clean Car; Rs. C-224/ 97, Rz. 14, Ciola. 138 EuGH, Rs. C-388/01, Rz. 14, Kommission/Italien. 139 EuGH, Rs. C-388/01, Rz. 14, Kommission/Italien. 140 EuGH, Rs. C-18/93, Rz. 34, Corsica Ferries; Rs. C-281/98, Rz. 40, Angonese. 141 Siehe die Übersicht des Statistischen Bundesamts, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit – Ausländische Bevölkerung 2011, S. 12.

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

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Problematisch erscheint jedoch, dass die kommunalen Einrichtungen in der Regel nur von den Einheimischen und den Einwohnern der umliegenden Gemeinden benutzt werden, so dass die Erhebung von Einheimischentarifen wohl ganz überwiegend nur eigene Staatsangehörige benachteiligt. Aufgrund dieser überwiegenden Inländerbenachteiligung wird das Vorliegen einer versteckten Diskriminierung bei einer Anknüpfung an ein kommunales Wohnsitzerfordernis von Teilen der Literatur abgelehnt.142 Soweit der EuGH bei der Prüfung von versteckten Diskriminierungen darauf abstellt, ob es „im wesentlichen“143 oder „hauptsächlich“144 zu einer Benachteiligung von fremden Staatsangehörigen kommt, lassen sich derartige Begriffe tatsächlich dahingehend verstehen, dass es bei der Beurteilung von versteckten Diskriminierungen auf einen quantitativen Maßstab ankommen könnte. Allerdings nimmt der EuGH in der Regel keine quantitative Prüfung vor,145 sondern stellt nur darauf ab, ob eine Regelung dazu geeignet ist, einen wesentlich größeren Anteil an fremden Staatsangehörigen zu benachteiligen.146 Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs muss dem Wohnsitzerfordernis eine diskriminierende Wirkung zugesprochen werden, denn bezogen auf alle Unionsbürger in der Europäischen Union führt die Anknüpfung an einen Wohnsitz in der Gemeinde dazu, dass theoretisch mehr fremde als eigene Staatsangehörige benachteiligt werden können. In Anbetracht der bisherigen Rechtsprechung des EuGH,147 ist die Anknüpfung an einen Wohnsitz in einer Gemeinde als versteckte Diskriminierung zu bewerten.148 (3) Rechtfertigung aus zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses Im deutschen Verfassungsrecht lassen sich Einheimischenabschläge als Instrument im kommunalen Standortwettbewerb sowie zur Herstellung eines Lastenausgleichs rechtfertigen.149 Eine Ausweitung des kommunalen Standortwettbewerbs als Rechtfertigungsgrund auf die europäische Ebene erscheint inhaltlich sehr fragwürdig, da es sich dabei vom Grundfall her um keinen europäischen Wettbewerb handelt, sondern um 142

Kahl/Röder, JuS 2001, 24 (28). EuGH, Rs. C-33/88, Rz. 12, Allué I. 144 EuGH, Rs. C-388/01, Rz. 14, Kommission /Italien. 145 Der EuGH begründet eine versteckte Diskriminierung auch mit Statistiken, wenn ihm solche Daten vorliegen: Rs. C-33/81, Rz. 12, Allué I; Rs. C-259/91, Rz. 12, Allué II. 146 EuGH, Rs. C-237/94, Rz. 21, O’Flynn. 147 In der Entscheidung Kommission/Italien (Rs. C-388/01) hat der EuGH eine Anknüpfung an einen Wohnsitz im Gebiet von „Einrichtungen“ als versteckte Diskriminierung angesehen. Bei den vom EuGH als „Einrichtungen“ betitelten Stellen handelte es sich um die italienischen Städte Treviso, Padua und Florenz, welche von der Kommission im Verfahren als Kommunen bezeichnet wurden (Rz. 5, 10 des Urteils). 148 So auch: Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 180 ff.; Huber/ Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 36. 149 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (2), (e). 143

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

eine Konkurrenz zwischen den inländischen Kommunen in einer bestimmten Region. Der Sonderfall eines Standortwettbewerbs zwischen deutschen und ausländischen Kommunen in Grenzgebieten kann darüber hinaus dahinstehen, denn der kommunale Standortwettbewerb kann eine diskriminierende Beeinträchtigung der passiven Dienstleistungsfreiheit schon dem Grunde nach nicht rechtfertigen, denn das Konzept einer Einheimischenprivilegierung als Anreiz für einen Wohnortwechsel ist mit dem Grundgedanken einer grenzüberschreitenden Inanspruchnahme von Dienstleistungen nicht in Einklang zu bringen. Erfolgsversprechender erscheinen dagegen die Überlegungen zum Lastenausgleich, welche eine inhaltliche Beziehung zum ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des Steuersystems aufweisen. Es soll daher der Frage nachgegangen werden, ob sich das Kohärenzgebot auch auf den kommunalen Lastenausgleich übertragen lässt und ob diese Kohärenz des kommunalen Finanzsystems als ungeschriebener Rechtfertigungsgrund angewendet werden kann. Darüber hinaus soll der Vorschlag, die kommunale Selbstverwaltung als ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund für Einheimischenprivilegierungen anzuerkennen,150 überprüft werden. Zunächst ist zu untersuchen, ob die genannten Rechtfertigungsüberlegungen als zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses eingeordnet werden können. Bei den zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses handelt es sich um einen offenen Begriff,151 so dass sowohl eine Einordnung der kommunalen Selbstverwaltung als neue Rechtfertigungserwägung als auch eine Weiterentwicklung des Kohärenzgedankens auf andere Regelungsgebiete möglich erscheint. Für eine Qualifikation als „zwingendes Erfordernis“ ist es jedoch erforderlich, dass es sich dabei um ein Allgemeininteresse handelt, welches im Unionsrecht oder in den nationalen Rechtsordnungen anerkannt ist.152 (a) Kommunale Selbstverwaltung Im deutschen Verfassungsrecht fällt der Einheimischenabschlag als Privilegierung der Gemeindeeinwohner durch subventionierte Benutzungsgebühren auch unter den Schutz der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gem. Art. 28 Abs. 2 GG.153 Aus diesem Grunde wird gefordert, die kommunale Selbstverwaltung als ein zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses zu qualifizieren.154 Mit dem Vertrag von Lissabon hat die „regionale und lokale Selbstverwaltung“ ihren Weg in das europäische Primärrecht gefunden,155 wo Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV 150 151 152 153 154 155

Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 400 ff. Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 559. Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 559 m.w.N. BVerwGE 104, 60 (66). Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 400 ff. Blanke, DVBl. 2010, 1333 ff.

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

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die Union zur Achtung dieser Strukturen als Teil der mitgliedstaatlichen Struktur verpflichtet. Zum Teil wird jedoch eine Einbeziehung der deutschen Kommunen abgelehnt, da die kommunale Selbstverwaltung nicht von der Ewigkeitsgarantie des GG geschützt sei und daher nicht zur nationalen Identität gehören könne.156 Allerdings verlangt der Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV keine verfassungsrechtliche Unabänderlichkeit, sondern nur die Zugehörigkeit zur verfassungsmäßigen Struktur, so dass die Verankerung der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 GG ausreichend ist. Darüber bezieht der Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV die regionale und lokale Selbstverwaltung ausdrücklich in den Schutzbereich des Achtungsgebots ein.157 Dieser Schutz der lokalen und regionalen Selbstverwaltung erstreckt sich auch auf die deutschen Kommunen und ihre verfassungsrechtlich verankerte Selbstverwaltungsgarantie.158 Im Hinblick auf die Ausgangsfrage nach der Rechtfertigung der vorliegenden Beeinträchtigung der passiven Dienstleistungsfreiheit erscheint es hingegen zweifelhaft, ob die kommunale Selbstverwaltung auch als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses zu qualifizieren ist. Zum Teil wurde die kommunale Selbstverwaltung schon im alten Recht der Europäischen Gemeinschaft – also schon ohne primärrechtliche Verankerung – als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses anerkannt und eine Eignung als ungeschriebener Rechtfertigungsgrund bejaht.159 Angesichts des Achtungsgebots in Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV genießt die Schutzbedürftigkeit der kommunalen Selbstverwaltung mittlerweile eine primärrechtliche Absicherung. Allerdings befreit das Achtungsgebot der lokalen Selbstverwaltung die Kommunen nicht von den Anforderungen des Unionsrechts und beinhaltet auch keinen generellen Rechtfertigungsgrund für eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten.160 Die kommunale Selbstverwaltung ist vielmehr Ausdruck eines organisatorischen „Staatsaufbauprinzips“161, welches als Bestandteil der mitgliedstaatlichen Binnenstruktur grundsätzlich nicht zur Rechtfertigung von Grundfreiheitsbeeinträchtigungen herangezogen werden kann.162 Im Übrigen überzeugt die kommunale Selbstverwaltung auch inhaltlich nicht als Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung von auswärtigen Unionsbürgern, denn Einheimischenabschläge dienen nicht dem Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, sondern verfolgen das Ziel eines Lastenausgleichs zugunsten der steuerund abgabenzahlenden Einwohner. 156

Puttler, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 4 EUV, Rn. 19 f. Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 4 EUV, Rn. 14. 158 von Bogdandy/Schill, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU I, Art. 4 EUV, Rn. 17; Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV-Kommentar, Art. 4 EUV, Rn. 16. 159 Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 400 ff., 459 ff., 477 f. 160 Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 253 ff.; ders., WRP 2008, 73 (85); Geuer, BayVBl. 2011,752 (755); Blanke, DVBl. 1993, 817 (824 f.). 161 Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28, Rn. 34. 162 EuGH, Rs. C-388/01, Rz. 27, Kommission/Italien; Rs. C-33/90, Rz. 24, Kommission/ Italien; Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 253. 157

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Es bleibt festzuhalten, dass die kommunale Selbstverwaltung kein zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses zur Rechtfertigung von Grundfreiheitsbeeinträchtigungen darstellt. (b) Kohärenz des kommunalen Finanzsystems Beim Einheimischenabschlag subventioniert eine Kommune mit allgemeinen Haushaltsmitteln eine öffentliche Einrichtung, so dass die Einwohner nur eine reduzierte Benutzungsgebühr zahlen, während auswärtige Benutzer eine wertäquivalente Normalgebühr entrichten müssen. Im deutschen Verfassungsrecht rechtfertigt sich diese finanzielle Einheimischenprivilegierung aus dem Gedanken des Lastenausgleichs: Die Einheimischen finanzieren mit ihren Steuern und Abgaben den Gemeindehaushalt, so dass es gerechtfertigt ist, wenn die Kommune als Ausgleich ihren Einwohnern günstigere Konditionen für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen einräumt, indem sie die Einwohnertarife durch Zuschüsse aus dem allgemeinen Haushalt subventioniert.163 Diese Rechtfertigungsüberlegung weist eine gewisse Ähnlichkeit zum Schutz der Kohärenz des Steuersystems auf, welche vom EuGH als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses angesehen und als Rechtfertigungsgrund angewendet wird.164 Die Kohärenz des Steuersystems rechtfertigt die Versagung von bestimmten Steuervorteilen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, wenn die Gewährung des Steuervorteils in einem unmittelbaren Zusammenhang zu einer steuerlichen Belastung der Steuerinländer steht.165 Einen unmittelbaren Zusammenhang bejaht der EuGH, wenn zwischen der be- und entlastenden Regelung eine strenge Wechselbeziehung besteht und die Wirkungen ein und denselben Steuerpflichtigen treffen,166 wobei die Unmittelbarkeit des Zusammenhangs anhand der Zieles der jeweiligen Maßnahme beurteilt werden soll.167 Es stellt sich daher die Frage, ob die Kohärenz generell ein zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses und damit auch einen allgemeingültigen Rechtfertigungsgrund darstellt, welcher auch außerhalb des Steuerrechts auf andere Regelungssysteme angewendet werden kann. Zudem muss untersucht werden, ob der Kohärenzgedanke auch einen finanziellen Lastenausgleich beinhaltet. 163

3. Kap., E., II., 2., a), aa), (2), (e). EuGH, Rs. C-204/90, Rz. 21, Bachmann; Rs. C-80/94, Rz. 24, Wielockx; Rs. C-107/94, Rz. 56, Asscher; Rs. C-35/98, Rz. 57, Verkooijen ; Rs. C-251/98, Rz. 37, Baars; Rs. 157/07, Rz. 42, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee. 165 EuGH, Rs. C-204/90, Rz. 21, Bachmann; Rs. C-300/90, Rz. 20 f.; Rs. C-107/94, Rz. 56, Asscher; Rs. C-251/98, Rz. 37, Baars; EuGH, Rs. 157/07, Rz. 42, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee; dazu ausführlich: Cordewender, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 441 ff.; zur neueren Entwicklung der Kohärenz des Steuersystems in der EuGHRechtsprechung: Kokott/Ost, EuZW 2011, 496 (500 ff.). 166 EuGH, Rs. C-80/94, Rz. 24, Wielockx; Rs. C-35/98, Rz. 57, Verkooijen. 167 EuGH, Rs. C-375/12, Rn. 69, Bouanich; Rs. C-386/14, Rz. 31, Grupe Steria. 164

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

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(aa) Die Kohärenz als allgemeiner Rechtfertigungsgedanke im Unionsrecht In der Rechtsprechung des EuGH deuten Formulierungen wie „ein gemeinschaftsrechtlich gerechtfertigtes Ziel“168 oder den „im allgemeinen Interesse liegenden Zielen des Vertrages“169 darauf hin, dass der EuGH die zwingenden Erfordernisse des Allgemeinwohls vorrangig dem Unionsrecht entnimmt.170 Darüber hinaus leitet der EuGH die ungeschriebenen Rechtsfertigungsgründe auch aus den Rechtsordnungen und allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten her.171 Beim Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des Steuerrechts handelt es sich insoweit um einen Sonderfall, denn der EuGH hat die Kohärenz ganz allgemein als „Notwendigkeit“172 des nationalen Steuerrechts anerkannt. Aus dieser Rechtsprechung lässt sich folgern, dass das Unionsrecht die Bewahrung von Funktions- und Gerechtigkeitszusammenhängen in nationalen Regelungssystemen als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses anerkennt.173 Für eine Allgemeingültigkeit dieser Rechtfertigungsüberlegung spricht zudem, dass auch im Primärrecht ein Kohärenzgebot als Grundsatzgedanke existiert: Das in Art. 7 AEUV verankerte Kohärenzprinzip weist zunächst keinen Bezug zum Rechtfertigungsgrund der steuerlichen Kohärenz auf, denn es zielt auf ein konsistentes Handeln der Unionsorgane sowie der Mitgliedstaaten in unionsrechtlichen Angelegenheiten.174 Gleichwohl lässt sich bereits die Existenz des institutionellen Kohärenzprinzips für die hier vertretene These eines allgemeinen Rechtfertigungsgrundes der Kohärenz fruchtbar machen: Das institutionelle Kohärenzprinzip verlangt die Herstellung von „sinnbildenden Zusammenhängen“175 zwischen Einzelakten und enthält damit ebenfalls Elemente der Widerspruchsfreiheit und Folgerichtigkeit.176 Aus der primärrechtlichen Verankerung des Kohärenzgedankens lässt sich deshalb folgern, dass das Unionsrecht die beschriebenen Handlungsziele als Allgemeininteresse anerkennt. Aus diesem Grunde ist der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz nicht auf einen

168

EuGH, Rs. C-169/91, Rz. 15, B & Q. EuGH, Rs. C-145/88, Rz. 13, B & Q. 170 Ahlfeld, Zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung, S. 249, 251 ff. 171 EuGH, Rs. C-6/81, Rz. 9, Industrie Diensten Groep; Rs. C-60/84, Rz. 19 ff., Cinéthéque; Frenz, Fn. 52, Rn. 559; Ahlfeld, Zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung, S. 258 ff.; Roeßing, Einheimischenprivilegierung und EG-Recht, 2008, S. 326 f. 172 EuGH, Rs. C-300/90, Rz. 21, Kommission/Belgien. 173 Cordewender, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 961; ähnlich: Roeßing, Einheimischenprivilegierung und EG-Recht, S. 384. 174 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 7 AEUV, Rn. 2 ff.; Frenz, EuR 2012, 344 ff. 175 Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU I, Art. 7 AEUV, Rn. 11. 176 Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU I, Art. 7 AEUV, Rn. 8, 11; ähnlich: Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 7 AEUV, Rn. 4. 169

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

bestimmten Sach- oder Regelungsbereich beschränkt, sondern kann auf sämtliche Regelungssysteme angewendet werden.177 (bb) Der Lastenausgleich als Bestandteil der Kohärenz Der „Grundgedanke der „Kohärenz-Rechtsprechung“178 basiert auf der Bewahrung von Lastengleichheit und Systemgerechtigkeit in nationalen Regelungssystemen.179 In diese Zielvorstellungen lässt sich auch der Rechtfertigungsgedanke des Lastenausgleichs einordnen, denn der finanziellen Privilegierung von Personen zum Ausgleich von steuerlichen Belastungen liegt ebenfalls der Gedanke des Lastenausgleichs zugrunde. Aus diesem Grunde muss der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz auch die Herstellung eines Lastenausgleichs erlauben, sofern ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Belastung und der lastenausgleichenden Bevorteilung besteht. Im Hinblick auf die Beschaffenheit des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Be- und Entlastung können die strengen Vorgaben der steuerlichen Kohärenz nur bedingt herangezogen werden, denn die dort geforderte Wechselbeziehung zwischen be- und entlastenden Regelungen erscheint als steuerrechtsspezifische Bedingung.180 Zu bedenken ist, dass eine gezielte Verknüpfung von be- und entlastenden Vorschriften nur im Steuerrecht gelingen kann, denn nur in diesem Regelungssystem lässt sich eine direkte Verbindung zwischen gesetzgeberischen Be- und Entlastungsentscheidungen herstellen. In den übrigen Regelungssystemen bedarf die Verknüpfung von Be- und Entlastung hingegen noch mindestens eines legislativen oder exekutiven Zwischenschrittes, so dass es weniger auf die Wechselbeziehung von einzelnen Regelungen, sondern vielmehr auf den Zusammenhang von Lebenssachverhalten ankommen muss. Aus diesem Grunde kann die Bestimmung der Unmittelbarkeit des Zusammenhangs nur im Hinblick auf das jeweilige Regelungssystem erfolgen.181 (cc) Einheimischenabschläge zum Schutz der Kohärenz des kommunalen Finanzsystems Eine unionsrechtliche Rechtfertigung von Einheimischenabschlägen zum Schutz der Kohärenz des kommunalen Finanzsystems hängt davon ab, ob zwischen den reduzierten Benutzungsgebühren und der finanziellen Beteiligung an den Gemein177

Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 961; Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 384; siehe zudem bereits Langeloh, DÖV 2014, 365 (370 f.), dem zustimmend: Hillgruber, Rechtsgutachten für das BMVI, S. 53; Fehling, ZG 2014, 305 (312). 178 Cordewender, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 980. 179 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 961, 980; Sedemund, IStR 2001, 190 (192); Weber-Grellet, DStR 2009, 1229 (1231). 180 Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 384. 181 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 958 f.; so wohl auch: Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 384.

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

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lasten der Gemeinde ein unmittelbarer Zusammenhang in einem Regelungssystem besteht. Das Verhältnis zwischen den Einwohnern, der Finanzierung der Kommune und den öffentlichen Einrichtungen wird durch die einschlägigen Regelungen in den Gemeindeordnungen zu einem Regelungssystem zusammengefügt. Beispielhaft dafür ist § 18 Abs. 1 der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein: „Alle Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde sind im Rahmen der bestehenden Vorschriften berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen. Sie sind verpflichtet, die Lasten zu tragen, die sich aus ihrer Zugehörigkeit zu der Gemeinde ergeben“.182 Zudem erlauben die Kommunalabgabengesetze den Gemeinden die Erhebung und Bemessung von Gebühren für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen.183 In diesem kommunalen Finanzsystem ist es zulässig, dass eine Kommune den Betrieb ihrer öffentlichen Einrichtungen mit allgemeinen Finanzmitteln aus dem Gemeindehaushalt unterstützt.184 Beim Einheimischenabschlag subventioniert eine Kommune nur die Benutzungsgebühren der Einwohner, da dieser Personenkreis durch Steuer- und Abgabenzahlungen an der Finanzierung des Gemeindehaushalts und damit auch der öffentlichen Einrichtung beteiligt ist.185 Aus diesem Grunde besteht beim Einheimischenabschlag eine direkte Verbindung zwischen der wohnsitzabhängigen Steuer- und Abgabenpflicht der Einwohner in der Kommune und der Einräumung von reduzierten Benutzungsgebühren in den öffentlichen Einrichtungen der Kommune. Bezogen auf die tatsächlichen Finanzmittel handelt es sich jedoch nur um einen mittelbaren Zusammenhang, da die Steuer- und Abgabenzahlungen der Einwohner erst über den Umweg des Gemeindehaushalts zur Subventionierung der Benutzungsgebühren eingesetzt werden können.186 Die Rechtsprechung des EuGH deutet jedoch darauf hin, dass bei Einheimischenabschlägen bereits ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Besteuerung der Einwohner und der Gewährung der reduzierten Benutzungsgebühren ausreichend ist: Im Rahmen der Beurteilung von wohnsitzabhängigen Vorzugstarifen in italienischen Museen prüfte der EuGH bei der Frage nach einer Rechtfertigung aus Gründen der Kohärenz, ob ein „unmittelbarer Zusammenhang zwischen irgendeiner Besteuerung und der Anwendung der Vorzugstarife“187 bestünde. Demnach ist ein unmittelbarer Zusammenhang bei Einheimischenabschlägen schon gegeben, wenn ein Einwohner in seiner Wohnsitzgemeinde steuer- und abgabenpflichtig ist, die Gemeinde die öffentliche Einrichtung mit eigenen Finanzmitteln bezuschusst und die Gewährung der reduzierten Benut182

Siehe auch: § 20 Abs. 1 GO Hessen; Art. 21 Abs. 1 GO Bayern. Siehe § 6 KAG Schleswig-Holstein; § 10 KAG Hessen. 184 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (2), (e). 185 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (2), (e). 186 Aus diesem Grund eine Rechtfertigung aus Gründen der Kohärenz ablehnend: Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 390 f. 187 EuGH, Rs. C-388/01, Rz. 24, Kommission/Italien. 183

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

zungsgebühren nur zugunsten der Einwohner erfolgt.188 In der benannten Rechtssache berief sich die italienische Regierung jedoch nicht nur auf die Steuerzahlungen der Gebietsansässigen, sondern bezog auch alle übrigen italienischen Staatsangehörigen in den Lastenausgleich ein.189 Richtigerweise lehnte der EuGH aus diesem Grunde einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Steuer- und Abgabenzahlungen der Gebietsansässigen und der Gewährung der Vorzugstarife ab.190 Im Gegensatz dazu sind kommunale Einheimischenabschläge auf die Gemeindeeinwohner begrenzt, so dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den geleisteten Steuer- und Abgabenzahlungen und der Reduzierung der Benutzungsgebühren bejaht werden kann. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass bei Einheimischenabschlägen die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung zum Schutz der Kohärenz des kommunalen Finanzsystems erfüllt sind. (c) Verhältnismäßigkeit Im Rahmen der Kohärenzprüfung wird die Erforderlichkeit einer Ungleichbehandlung vom EuGH nur bejaht, wenn die jeweilige Vorschrift bei einer Gleichbehandlung der Vergleichspaare ihre Funktionsfähigkeit zur Zielerreichung verlieren würde.191 Bezogen auf Einheimischenabschläge stellt sich somit die Frage, ob bei einer Ausweitung der Gebührenreduzierung auf auswärtige Unionsbürger noch das Ziel eines Lastenausgleichs erreicht werden kann. Ein Lastenausgleich setzt grundsätzlich voraus, dass überhaupt ausgleichsfähige Lasten bestehen und getragen werden. An dieser zwingenden Voraussetzung fehlt es jedoch bei den Auswärtigen, welche nicht an der Finanzierung des Gemeindehaushalts beteiligt sind, so dass bei diesem Personenkreis gar keine ausgleichsfähigen Lasten bestehen und ein Lastenausgleich nicht erreicht werden kann. Im Übrigen würde das Konzept einer lastenausgleichenden Reduzierung der Benutzungsgebühren bei einer Einbeziehung von Auswärtigen zu einer erheblichen Mehrbelastung des Gemeindehaushalts führen. Die Finanzierung einer allgemeinen Tarifsubventionierung ließe sich nur durch eine Verringerung des Gebührenabschlags oder durch eine Erhöhung der Gemeindeeinnahmen erreichen. Beide Maßnahmen würden jedoch bei den Einwohnern zu einer finanziellen Mehrbelastung führen und liefen damit der Zielsetzung eines Lastenausgleichs zuwider. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Erhebung von Einheimischenabschlägen zum Schutz der Kohärenz des kommunalen Finanzsystems zu einer unangemessenen Beeinträchtigung der passiven Dienstleistungsfreiheit im europäi188

In diesem Sinne auch: Behr, LKV 2005, 104 (106); dies zumindest für prüfungsrelevant haltend: Streinz, JuS 2003, 604 (605). 189 EuGH, Rs. C-388/01, Rz. 18, Kommission/Italien. 190 EuGH, Rs. C-388/01, Rz. 24, Kommission/Italien. 191 EuGH, Rs. C-315/02, Rz. 37 f., Lenz; Rs. C-319/02, Rz. 43, Manninen; Kokott/Ost, EuZW 2011, 496 (501).

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

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schen Binnenmarkt führen würde. Wenn der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz die kommunalen Gebietskörperschaften in die Lage versetzen würde, ihre Einwohner als Steuer- und Abgabenzahler bei der Benutzung von öffentlichen Einrichtungen zu entlasten, könnte die flächendeckende Regelung von Einheimischenabschlägen zu einer unionsweiten Beeinträchtigung der passiven Dienstleistungsfreiheit führen. Allerdings würde es sich dabei nur um eine Beeinträchtigung von geringer Intensität handeln, da die auswärtigen Benutzer lediglich von einer Vergünstigung ausgeschlossen werden und im Übrigen eine angemessene Leistung der kommunalen Einrichtung für ihre gegenwertorientierten Benutzungsgebühren erhalten würden.192 Darüber hinaus dürfte den Dienstleistungen von kommunalen Einrichtungen nur eine geringfügige Bedeutung für den gemeinsamen Binnenmarkt einzuräumen sein. Im Hinblick auf den Schutz der Kohärenz des kommunalen Finanzsystems muss diese geringe Benachteiligung der auswärtigen Unionsbürger als angemessen bewertet werden. Im Ergebnis genügt die Rechtfertigung von Einheimischenabschlägen zum Schutz der Kohärenz des kommunalen Finanzsystems den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, sofern auswärtige Unionsbürger keine über den Gegenleistungswert hinausgehende Benutzungsgebühr entrichten müssen. (4) Ergebnis Die Beeinträchtigung der passiven Dienstleistungsfreiheit in Form einer versteckten Diskriminierung ist zum Schutz der Kohärenz des kommunalen Finanzsystems gerechtfertigt. bb) Freizügigkeitsrechtliches Inländergleichbehandlungsgebot Einheimischenabschläge können mit dem allgemeinen Freizügigkeitsrecht sowie dem allgemeinen Diskriminierungsverbot in ihrer Ausprägung als freizügigkeitsrechtliches Inländergleichbehandlungsgebot in Konflikt geraten. Sofern sich in anderen Mitgliedstaaten ansässige Unionsbürger in eine deutsche Gemeinde begeben und eine dortige Einrichtung nutzen wollen, stellt die wohnsitzabhängige Reduzierung der Benutzungsgebühren eine versteckte Diskriminierung dar.193 Aufgrund der in Art. 18 Abs. 1 AEUV angeordneten Subsidiarität findet das Inländergleichbehandlungsgebot jedoch nur Berücksichtigung, wenn die passive Dienstleistungsfreiheit nicht anwendbar ist.194 Ein möglicher Anwendungsbereich ergibt sich für das Inländergleichbehandlungsgebot damit lediglich für die nicht unter die passive Dienstleistungsfreiheit fallenden Einrichtungen, die hauptsächlich aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, mit denen der Staat aber keine wirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen will und welche vielmehr der staatlichen Aufgabenwahrneh192 193 194

So auch: Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 475. 4. Kap., B., I., 1., a), aa), (2). EuGH, Rs. C-76/05, Rz. 34 f., Schwarz und Gootjes-Schwarz.

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

mung in den Bereichen Soziales, Kultur und Bildung dienen.195 Da der EuGH diesen Ausnahmetatbestand sehr eng auslegt und nicht einmal staatliche Museen darunter subsumiert,196 dürften Einrichtungen, die ein Benutzungsgebühr erheben, grundsätzlich unter die passive Dienstleistungsfreiheit fallen. Sofern es im Ausnahmefall doch zu einer Anwendung des Inländergleichbehandlungsgebots käme, würde der Schutz der Kohärenz des kommunalen Finanzsystems als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses auch die niedrigeren Rechtfertigungsanforderungen des Inländergleichbehandlungsgebots, welches lediglich eine objektive Erwägung des Allgemeininteresses als Rechtfertigungsgrund verlangt,197 erfüllen. Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass kommunale Einheimischenabschläge nicht gegen das freizügigkeitsrechtliche Inländergleichbehandlungsgebot verstoßen. cc) Gleichbehandlung nach Maßgabe der Verordnung Nr. 492/2011 Bei ortsfremden Wander- und Grenzarbeitnehmern und deren unterhaltspflichtigen Familienangehörigen müssen Einheimischenabschläge auch am Gleichbehandlungsgebot des Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 492/2011 gemessen werden. Unter den weiten Begriff der sozialen Vergünstigung werden vom EuGH sämtliche Begünstigungen gefasst, deren Gewährung sich nach dem Wohnsitz richtet198, so dass auch wohnsitzabhängige Einheimischenabschläge in den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 492/2011 fallen199. Es stellt sich daher die Frage, ob der Schutz der Kohärenz des kommunalen Finanzsystems auch die Benachteiligung von ortfremden Wander- und Grenzarbeitnehmern und deren unterhaltspflichtigen Familienangehörigen rechtfertigen kann. In Anbetracht des Umstands, dass Wander- und Grenzarbeitnehmer im Aufnahmestaat einer Erwerbstätigkeit nachgehen und Steuerzahlungen leisten, nimmt der EuGH eine hinreichende Integration in die jeweilige Gesellschaft an und folgert daraus eine Gleichbehandlungspflicht für den Aufnahmestaat.200 Im Hinblick auf die Kommunen erscheint diese Integrationsrechtsprechung hingegen äußerst fraglich, denn die vom EuGH betonten Steuerzahlungen im Tätigkeitsstaat führen bei Kommunen nicht zu einer Finanzierungsbeteiligung an den Gemeinlasten, denn die Kommunen erhalten nur anteilige Einkommensteuerzahlungen ihrer Einwohner.201 Die Einkommensteuerzahlungen von im Ausland 195 EuGH, Rs. C-109/92, Rz. 15, Wirth; Rs. C-76/05, Rz. 39, Schwarz und GootjesSchwarz. 196 EuGH, Rs. C-388/01, Kommission/Italien. 197 EuGH, Rs. C-209/03, Rz. 54, Bidar. 198 EuGH, Rs. C-207/78, Rz. 23 f., Even und ONTPS; Rs. C-315/94, Rz. 21 f., de Vos. 199 Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 223. 200 EuGH, Rs. C-20/12, Rz. 63, Giersch. 201 § 1 Gemeindefinanzreformgesetz; Bundesministerium der Finanzen, Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer in der Gemeindefinanzreform, S. 5.

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

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wohnhaften Grenzarbeitnehmern fließen nach Art. 106 Abs. 3 S. 1 GG ausschließlich dem Bund und dem jeweiligen Land gemeinsam zu, da der Gemeindeanteil gem. Art. 106 Abs. 5 GG nicht weitergeleitet werden kann, wenn der Steuerpflichtige über keinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland verfügt. Bei der Gruppe der Wanderarbeitnehmer besteht hingegen eine finanzielle Verbundenheit i.S.v. Art. 106 Abs. 5 GG mit der jeweiligen Wohnortkommune. In diesem Zusammenhang gilt es jedoch zu beachten, dass sich die finanzielle Verbundenheit nur auf die Wohnortkommune erstreckt und dass es im Falle einer Benachteiligung durch andere Kommunen an einem hinreichenden Unionsbezug fehlt, da es sich bei interkommunalen Differenzierungen nicht um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt.202 Im Hinblick auf Grenzarbeitnehmer ist zu beachten, dass der EuGH eine Differenzierung „nach dem Grad der Integration in die Gesellschaft dieses Mitgliedstaats“ zulässt.203 Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass neben der Erwerbstätigkeit auch der Wohnsitz ein wesentliches Integrationskriterium darstellt. In Anbetracht des aufgezeigten Umstands, dass der Einwohnerstatus in einer Kommune das entscheidende Kriterium für die finanzielle Integration in diese Gemeinschaft ist, müssen wohnortabhängige Differenzierungsmöglichkeiten auch auf kommunaler Ebene zur Bestimmung des Integrationsgrads erlaubt sein. Aufgrund des fehlenden Einkommensteueranteils ergibt sich bei ortsfremden Wander- und Grenzarbeitnehmern keine mit den Einwohnern vergleichbare Beteiligung an der Finanzierung der Gemeinlasten und somit keine ausreichende Integration für eine Gleichbehandlung. Die Benachteiligung von auswärtigen Wanderund Grenzarbeitnehmern ist deshalb zum Schutz der Kohärenz des kommunalen Finanzsystems gerechtfertigt. dd) Beihilferecht Die Finanzierung von Einheimischenabschlägen basiert darauf, dass Kommunen die ihnen zugehörigen Einrichtungen oder Unternehmen mit Finanzmitteln aus dem allgemeinen Haushalt unterstützen, um das Defizit infolge der Tarif- oder Gebührenreduzierung für die Einheimischen auszugleichen. In Anbetracht der Einbeziehung von öffentlichen Unternehmen und unternehmerisch tätigen Kommunaleinrichtungen in den Unternehmensbegriff des Art. 107 Abs.1 AEUV stellt sich bei derartigen Zahlungen von Gebietskörperschaften die Frage nach einer Vereinbarkeit mit dem unionsrechtlichen Beihilfeverbot.204 Auch wenn mit diesen Zahlungen nur eine Privilegierung der Einwohner als natürliche Personen bezweckt ist, führt die Einbeziehung von Unternehmen in die Finanzierung 202 EuGH, Rs. C-70/95, Rz. 38, Sodemare; Rs. C-41/90, Rz. 37, Höfner und Elser; Rs. 52/ 79, Rz. 9, Dabauve. 203 EuGH, Rs. C- 20/12, Rz. 64, Giersch. 204 4. Kap., A., IV.

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

zu der Frage, ob durch ein solches Finanzierungsmodell der Wettbewerb verfälscht und der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird.205 Nach Ansicht des EuGH reicht für eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels schon eine Stärkung der Unternehmensstellung im lokalen Markt aus, wodurch die Chancen für auswärtige Unternehmen auf einen Markteintritt verringert würden.206 Andererseits sind Ausnahmen bei solchen Unternehmen möglich, deren Tätigkeitsbereich in keinem grenzüberschreitenden Wettbewerb steht und deren Leistungen nur von einem lokalen Nutzerkreis in Anspruch genommen werden.207 Dabei wird von Seiten der EU-Kommission auf die Einzigartigkeit einer Einrichtung und ihr Einzugsgebiet abgestellt: Beispielsweise wurden Zahlungen der Stadt Dorsten an das örtliche Freizeitbad von der EU-Kommission nicht als Beihilfe qualifiziert, da dem Freizeitbad aufgrund seiner fehlenden Einzigartigkeit und seines geringen Einzugsgebietes keine Bedeutung für den zwischenstaatlichen Handel beigemessen wurde.208 In der Regel dürfte die breite Masse der kommunalen Einrichtungen und Unternehmen unter die genannte Ausnahme für lokale Tätigkeiten fallen. Letztendlich kann die Frage nach der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels jedoch nur einzelfallabhängig beantwortet werden. Eine weitergehende Auseinandersetzung mit dieser Thematik kann jedoch unterbleiben, denn es fehlt bei der Finanzierung von Einheimischenabschlägen an einer Begünstigung der kommunalen Einrichtungen oder Unternehmen. Zu beachten ist nämlich, dass die Zahlung aus dem Gemeindehaushalt nur den finanziellen Nachteil ausgleichen soll, welchen die kommunalen Einrichtungen dadurch erleiden, dass die Einwohner keine kostendeckenden Benutzungsgebühren zahlen. Nach der insoweit einschlägigen Altmark-Rechtsprechung des EuGH fallen staatliche Zahlungen nicht unter den Beihilfebegriff, wenn sie lediglich als Ausgleich für die Erbringung von gemeinwohlbezogenen Gegenleistungen gezahlt werden und nicht bewirken, dass das jeweilige Unternehmen in eine günstigere Wettbewerbsstellung gelangt.209 Darüber hinaus verlangt der EuGH die Erfüllung von vier weiteren Voraussetzungen, welche bei der Finanzierung von Einheimischenabschlägen eingehalten werden müssen, um eine Qualifikation als Beihilfe zu vermeiden:

205

Zu kurz greifen daher die Ausführungen von Roeßing, welche auf eine Begünstigung der Einwohner als natürliche Personen abstellt und keine weitere Prüfung des Beihilferechts unternimmt: Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 224. 206 EuGH, verb. Rs. C-197/11 und C-203/11, Rz. 78, Libert; Rs. C-148/04, Rz. 58, Unicredito Italiano. 207 Mitteilung der Kommission v. 18. 07. 2002 zur Beihilfe N 376/01, ABl 2002/C 172/2, Rn. 18 ff.; Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, 1. Kap., Rn. 266 ff. 208 Entscheidung der Kommission v. 12. 01. 2001 zur Beihilfe N 258/00. 209 EuGH, Rs. C-290/00, Rz. 87, Altmark Trans.

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

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Zunächst muss das Unternehmen mit der Erfüllung einer klar definierten Gemeinwohlverpflichtung betraut sein.210 Die konkrete Bestimmung der gemeinwohlbezogenen Dienstleistungen unterliegt dabei dem Ermessen der Mitgliedstaaten.211 Bei der Finanzierung von Einheimischenabschlägen dürfte das Kriterium des Gemeinwohlbezugs regelmäßig erfüllt sein, denn kommunale Einrichtungen und Unternehmen üben im Allgemeinen eine Versorgungsfunktion im Sinne der Daseinsvorsorge aus, so dass die Erbringung von Dienstleistungen im allgemeinen Interesse zu bejahen ist.212 Die übrigen drei Voraussetzungen sollen im Wesentlichen sicherstellen, dass die Ausgleichszahlungen nicht über den notwendigen Kostenausgleich hinausgehen: Die Ausgleichsparameter müssen schon im Vorfeld objektiv und transparent festgelegt werden, der Ausgleich darf nicht über das zur Erfüllung der Gemeinwohlverpflichtung notwendige Maß hinausgehen und der Kostenausgleich muss nach Maßgabe eines durchschnittlich geführten Unternehmens erfolgen.213 Bei der Konzeption von Einheimischenabschlägen muss die Abschlagshöhe somit vorher verbindlich festgelegt und der Zuschuss dementsprechend bemessen werden. Im Allgemeinen droht keine Überzahlung durch Ausgleichszahlungen, wenn die Kommune ihre Einrichtungen nach Maßgabe des Kostendeckungsprinzips führt sowie in regelmäßigen Abständen die Differenz zwischen den Benutzungskosten und den gezahlten Benutzungsgebühren der Einwohner ausgleicht. Bei der Berechnung der Zuschusshöhe muss zudem der Art. 2 der „De-minimis“Verordnung Nr. 1998/2006 beachtet werden, wonach Zahlungen unterhalb von 200.000 Euro in einem Zeitraum von drei Jahren nicht unter die beihilferechtliche Anmeldepflicht fallen.214 In der Praxis dürften derartige Beträge bei der Subventionierung von Benutzungsgebühren nur in großen Kommunen erforderlich sein, so dass das unionsrechtliche Beihilfeverbot für die Konzeption von Einheimischenabschlägen in kleineren Kommunen von vornherein keine praktischen Auswirkungen entfalten dürfte.215 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Finanzierung von Einheimischenabschlägen mit dem unionsrechtlichen Beihilferecht vereinbar ist, sofern die geschilderten Vorgaben von den Kommunen einhalten werden. 210

EuGH, Rs. C-290/00, Rz. 89, Altmark Trans. Entscheidung 2005/842/EG der Kommission v. 28. 11. 2005, ABl. 2005 L 312/67, Zif. 7; Boysen/Neukirchen, Europäisches Beihilferecht und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 148 m.w.N. 212 Boysen/Neukirchen, Europäisches Beihilferecht und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 19 ff.; 148. 213 EuGH, Rs. C-290/00, Rz. 90 ff., Altmark Trans; ausführlich zu den Vorgaben des Altmark-Urteils: Boysen/Neukirchen, Europäisches Beihilferecht und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 145 ff. 214 Verordung Nr. 1998/2006/EG v. 15. 12. 2006, ABl. L 379, S.5. 215 Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 224. 211

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

ee) Ergebnis Kommunale Einheimischenabschläge verstoßen nicht gegen das Unionsrecht. b) Auswärtigenzuschlag Die Erhebung von Auswärtigenzuschlägen bei der Benutzung öffentlicher Einrichtungen stellt eine versteckte Diskriminierung im Anwendungsbereich der passiven Dienstleistungsfreiheit und unter Umständen auch des freizügigkeitsrechtlichen Inländergleichbehandlungsgebots dar. Im Vergleich mit Einheimischenabschlägen führen Auswärtigenzuschläge zu einer intensiveren Ungleichbehandlung, denn sie benachteiligen auswärtige Unionsbürger durch die Erhebung von über den Wert der Leistung hinausgehenden Gebühren. Im deutschen Verfassungsrecht können Auswärtigenzuschläge zum Ausgleich des kommunalen Kostenrisikos und als Abschreckungsinstrument zur Sicherstellung der Einheimischenversorgung gerechtfertigt sein.216 Während es sich beim Ausgleich des Kostenrisikos um eine rein wirtschaftliche Erwägung handelt, welche die Beeinträchtigung von Grundfreiheiten grundsätzlich nicht rechtfertigen kann,217 könnte die Sicherstellung der Einheimischenversorgung ein zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses darstellen. Hinter diesem Rechtfertigungsgrund steht die Überlegung, dass ein Auswärtigenzuschlag eine dauerhafte Überlastung von kommunalen Einrichtungen durch auswärtige Benutzer verhindern kann.218 Die Gefahr einer externen Kapazitätsüberlastung kann nur bei einer dauerhaft hohen Nachfrage bejaht werden, welche in der Regel nur von Einwohnern aus der jeweiligen Region erzeugt werden kann. Dagegen erscheint bei kommunalen Einrichtungen die Gefahr einer dauerhaften Kapazitätsüberlastung durch auswärtige Unionsbürger äußerst unrealistisch. Auf die Eigenschaft des Rechtfertigungsgrundes als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses kommt es somit nicht an, da das vermeintliche Schutzgut der Einheimischenversorgung nicht durch eine grenzüberschreitende Inanspruchnahme von kommunalen Einrichtungen gefährdet wird. Es fehlt bei dieser Rechtfertigungserwägung deshalb schon an einer sachlichen Grundlage für eine Einschränkung der passiven Dienstleistungsfreiheit oder des freizügigkeitsrechtlichen Inländergleichbehandlungsgebots.

216 217 218

3. Kap., E., II., 2., a), aa), (1), (c). EuGH, Rs. C-120/95, Rz. 39, Decker; C-158/96, Rz. 45, Kohll. 3. Kap., E., II., 2., a), aa), (1), (b), (aa), d).

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

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2. Kurabgaben Kurabgaben werden von ortsfremden Personen für die „Möglichkeit der Inanspruchnahme gemeindlicher Leistungen“219 erhoben, so dass die entgeltabhängige Benutzung von kommunalen Kur- und Erholungseinrichtungen in den Schutzbereich der passiven Dienstleistungsfreiheit fällt. Auch wenn Kurabgaben hauptsächlich oder zumindest gleichermaßen die deutschen Besucher treffen, liegt in der Befreiung der Gemeindeeinwohner eine versteckte Diskriminierung.220 Wie beim Einheimischenabschlag basiert die Befreiung der Einheimischen auf dem Gedanken des Lastenausgleichs, da die Einwohner bereits mit ihren Steuer- und Abgabenzahlungen einen Beitrag zur Finanzierung der Kureinrichtungen leisten.221 Aus diesem Grunde können Kurabgaben als Beeinträchtigungen der passiven Dienstleistungsfreiheit ebenfalls mit dem ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des kommunalen Finanzsystems gerechtfertigt werden. 3. Einheimischenmodelle Die kommunalen Einheimischenmodelle sind bereits Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland.222 a) Unionsrechtliche Grundfreiheiten Zu untersuchen ist, ob und inwieweit die Grundfreiheiten und sonstige Unionsrechte durch kommunale Einheimischenmodelle beeinträchtigt werden und ob eine unionsrechtliche Rechtfertigung besteht. aa) Eröffnung des Schutzbereichs Die Anwendbarkeit der einzelnen Grundfreiheiten richtet sich nach der Tätigkeit und dem Aufenthaltszweck der geschützten Personen, so dass die Schutzbereiche von mehreren Grundfreiheiten eröffnet sein können: Der grenzüberschreitende Erwerb von Immobilien fällt zunächst unter die Kapitalverkehrsfreiheit.223 Der Schutzbereich umfasst den „Erwerb eines Grundstücks 219 § 2 der Satzung über die Erhebung der Kurabgabe in der Gemeinde Sankt Peter-Ording (http://downloads.st.peter-ording-nordsee.de/verordnungen/kurabgabesatzung1.pdf, abgerufen am 23. 4. 2014). 220 4. Kap., B., I., 1., a), aa), (2). 221 3. Kap., E., II., 2., a), cc), (2). 222 Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2006/4271. 223 EuGH, verb. Rs. C-197/11 und C-203/11, Rz. 44, Libert; Rs. C-567/07, Rz. 21, Woningstichting Sint Servatius.

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

in einem Mitgliedstaat durch einen Gebietsfremden, aus welchen Gründen auch immer er erfolgt“224 und damit auch den Erwerb von Baugrundstücken zu eigenen Wohnzwecken.225 Bei grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmern schützt Art. 45 AEUV i.V.m. Art. 9 der VO Nr. 492/2011 auch das gleiche Recht auf die Erlangung von Eigentum an Wohnungen und damit einhergehende Vergünstigungen.226 Sofern ein selbstständig tätiger Unionsbürger in Deutschland eine geschäftliche Niederlassung betreibt, fällt der Erwerb von Wohnraum auch in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit.227 Im Hinblick auf die Vermittlung der jeweiligen Grundstücke kann zudem der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit eröffnet sein.228 Darüber hinaus fällt der grenzüberschreitende Erwerb von Wohnraum auch unter das freizügigkeitsrechtliche Inländergleichbehandlungsgebot aus Art. 21 i.V.m. Art. 18 AEUV sowie die Art. 22 und 24 der Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38.229 bb) Beeinträchtigungsformen Einheimischenmodelle können mit ihren langjährigen Wohnsitzanforderungen sowohl versteckte Diskriminierungen als auch Beschränkungen darstellen: Im Hinblick auf ausländische Unionsbürger führt das Erfordernis eines langjährigen Wohnsitzes in der Gemeinde zu einer versteckten Diskriminierung im Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit, der Arbeitnehmerfreizügigkeit und Niederlassungsfreiheit sowie des freizügigkeitsrechtlichen Inländergleichbehandlungsgebots.230 Hinsichtlich der Dienstleistungsfreiheit liegt hingegen nur eine Beschränkung vor, denn in- und ausländische Immobilienunternehmen sind gleichermaßen betroffen, indem sie die von Einheimischenmodellen erfassten Grundstücke nicht an jeden Unionsbürger in der Europäischen Union vermitteln können.231 Darüber hinaus können Einheimischenmodelle auch die Gemeindeeinwohner als Inländer davon abhalten, die Gemeinde zu verlassen und sich in einem anderen 224

EuGH, Rs. C-423/98, Rz. 14, Albore. EuGH, Rs. C-302/97, Rz. 22, Konle; Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 35; Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 140 ff. 226 Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 33. 227 EuGH, Rs. C-63/86, Rz. 14, Kommission/Italien; Rs. C-305/87, Rz. 21 f., Kommission/ Griechenland; Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 33 f.; Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 133 ff. 228 EuGH, verb. Rs. C-197/11 und C-203/11, Rz. 44, Libert. 229 EuGH, verb. Rs. C-197/11 und C-203/11, Rz. 38, Libert; Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 34; Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 156. 230 So auch: Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 36 ff., 43 f.; Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 176 ff., 183; siehe 4. Kap., B., I, 1., a), aa), (2). 231 EuGH, verb. Rs. C-197/11 und C-203/11, Rz. 42, Libert. 225

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

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Mitgliedstaat aufzuhalten oder dort eine Berufstätigkeit auszuüben, so dass insoweit eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der Niederlassungsfreiheit und des Freizügigkeitsrechts vorliegt.232 cc) Rechtfertigung Im deutschen Verfassungsrecht sind Einheimischenmodelle zum Schutz der finanzschwachen Einwohner vor einer Verdrängung aus der Gemeinde und zur Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung gerechtfertigt. Zu untersuchen ist, ob diese Erwägungen auch ein zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses darstellen und die versteckten Diskriminierungen sowie Beschränkungen der jeweiligen Grundfreiheiten rechtfertigen können. (1) Sicherung von Wohnraum für finanzschwache Einwohner Bei der Beurteilung von belgischen Einheimischenmodellen hat der EuGH den Schutz von finanzschwachen Gemeindeeinwohnern vor einer Verdrängung aus dem lokalen Immobilienmarkt als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses anerkannt.233 In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof die belgischen Einheimischenmodelle als Instrumente der Sozialwohnungspolitik eingeordnet, deren Ziel in der Sicherstellung eines ausreichenden Wohnangebots für einkommensschwache Einwohner liege.234 Deutsche Einheimischenmodelle sollen ebenfalls verhindern, dass finanzschwache Einwohner aufgrund der gestiegenen Immobilienpreise aus der Gemeinde verdrängt werden. Der Einordnung als soziale Wohnungspolitik steht dabei nicht entgegen, dass der Erwerb von Grundstücken, deren Kaufpreis durch ein Einheimischenmodell beispielsweise um 30 % gesenkt worden ist, weiterhin eine gewisse Finanzkraft der Einwohner erfordert. Die finanzielle Schwäche der Einwohner ergibt sich erst in Relation zu den gestiegenen Grundstückspreisen in der Gemeinde. Entscheidend ist vielmehr, dass die langjährigen Einwohner einen Grundstückskauf in ihrer Heimatgemeinde nicht mehr finanzieren können. Eine derartige Zielsetzung wird auch im Primärrecht anerkannt, denn Art. 3 Abs. 3 EUV verpflichtet die Europäische Union zur Förderung der sozialen Gerechtigkeit und des sozialen Schutzes. Festzuhalten bleibt, dass der Schutz der einkommensschwachen Einwohner als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses auch deutsche Einheimischenmodelle rechtfertigen kann.

232 EuGH, verb. Rs. C-197/11 und C-203/11, Rz. 38, Libert; Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 34. 233 EuGH, verb. Rs. C-197/11 und C-203/11, Rz. 52, Libert. 234 EuGH, verb. Rs. C-197/11 und C-203/11, Rz. 51 f., Libert.

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

(2) Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung Die Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung wird vom EuGH als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses angesehen.235 Unter diesen ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund lassen sich auch Einheimischenmodelle in Fremdenverkehrsgemeinden subsumieren,236 denn mit der Privilegierung von langjährigen Einwohnern beim Erwerb von Baugrundstücken soll verhindert werden, dass das Bauland andernfalls zu exorbitanten Preisen auf dem freien Immobilienmarkt gehandelt und letztendlich von finanzstarken Auswärtigen zur Errichtung von Ferienquartieren erworben wird. Auf diese Weise wollen die Fremdenverkehrsgemeinden vermeiden, dass sie mangels einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung ihr funktionsfähiges Gemeinwesen verlieren und zu reinen Wochenendoder Feriensiedlungen umgewandelt werden. Mit Einheimischenmodellen wird somit nicht nur erreicht, dass die Einwohner auf einem nachgefragten Immobilienmarkt noch bezahlbare Baugrundstücke erhalten können, sondern auch ein Fortbestehen des sozialen Lebens im Ort und die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens gesichert. Im Ergebnis lassen sich Einheimischenmodelle in Fremdenverkehrsgemeinden auch zur Erhaltung einer ansässigen Bevölkerung als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses rechtfertigen.237 (3) Verhältnismäßigkeit Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit ergibt sich größtenteils kein anderes Ergebnis als bei der „deutschen Verhältnismäßigkeitsprüfung“238, so dass insoweit auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann. Im Hinblick auf die Erforderlichkeit ist zu betonen, dass sich die Förderung nicht auch auf finanzstarke Personen erstrecken darf, welche keinen sozialen Schutz auf dem Immobilienmarkt benötigen.239 Diese Vorgabe, an welcher die belgischen Einheimischenmodelle scheiterten,240 lässt sich jedoch durch die Anknüpfung an die Einkommenshöhe oder den vorhandenen Immobilienbesitz der Einwohner erfüllen.241 Soweit der EuGH als milderes Mittel die Einführung von Kaufprämien vorschlägt,242 darf im Hinblick auf die Benachteiligung der auswärtigen Unionsbürger 235

EuGH, Rs. C-302/97, Rz. 40, Konle; Rs. C-515/99, Rz. 34, Reisch; Rs. C-567/07, Rz. 29, Woningstichting Sint Servatius. 236 Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 343 ff. 237 So auch: Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 45 f.; Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 343 ff.; Portz, KommJur 2010, 366 (368); ähnlich: von Wilmowsky, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 12, Rn. 35. 238 3. Kap., E., II., 2., a), bb), (3). 239 EuGH, verb. Rs. C-197/11 und C-203/11, Rz. 55, Libert. 240 EuGH, verb. Rs. C-197/11 und C-203/11, Rz. 55, Libert. 241 3. Kap., E., II., 2., a), bb), (3), (b); Portz, KommJur 2010, 366 (369). 242 EuGH, verb. Rs. C-197/11 und C-203/11, Rz. 56, Libert.

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

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bezweifelt werden, dass eine Kaufprämie für Einwohner zu einer geringeren Beeinträchtigung der Grundfreiheiten führen würde. Im Ergebnis erzielen beide Privilegierungsformen eine ähnliche Diskriminierungswirkung, nämlich den Ausschluss der Auswärtigen von einer Vergünstigung beim Grundstückserwerb, so dass Kaufprämien nicht als milderes Mittel angesehen werden können. In Anbetracht der EuGH-Rechtsprechung zu den belgischen Einheimischenmodellen ergeben sich jedoch Bedenken hinsichtlich der Erforderlichkeit von über den Wohnsitz hinausgehenden Kriterien wie einer Mindestwohnzeit oder ehrenamtlicher Arbeit. Darüber hinaus erfordert die Angemessenheit eine Abwägung zwischen den Schutzgütern und den beeinträchtigten Grundfreiheiten. (a) Erforderlichkeit von Zusatzkriterien Nach Ansicht des EuGH überschreiten Einheimischenmodelle das Maß der Erforderlichkeit, wenn die Anwendung von zusätzlichen Kriterien wie einer Mindestwohnzeit oder der Ausführung von ehrenamtlicher Arbeit abhängig gemacht wird.243 Dem EuGH ist insoweit zuzustimmen, als dass diese Kriterien in keinem unmittelbaren Zusammenhang zur sozialen Stellung der Einwohner stehen und auch keinen Bezug zur finanziellen Fähigkeit aufweisen, die örtlichen Immobilienpreise zahlen zu können.244 Die Sicherstellung einer finanziellen Bedürftigkeit lässt sich jedoch auch erreichen, indem die Anwendung von Einheimischenmodellen bei bestimmten Einkommenshöhen oder sonstigen Vermögenswerten ausgeschlossen wird.245 Die angesprochenen Zusatzkriterien sollen hingegen bewirken, dass nur solche Einwohner vergünstigtes Bauland erhalten, die in der Gemeinde und der örtlichen Sozialstruktur hinreichend verankert sind. Die Kritik des EuGH offenbart eine gewisse Widersprüchlichkeit, da es der Gerichtshof im Übrigen als gerechtfertigt ansieht, wenn finanzielle Hilfsleistungen nur solchen Personen gewährt werden, die sich hinreichend in die Gesellschaft einer Gebietskörperschaft integriert haben.246 In diesem Zusammenhang hat der EuGH die Aufenthaltszeit als Kriterium für einen gewissen Integrationsgrad anerkannt.247 Gleiches muss aber auch für die Leistung von ehrenamtlicher Arbeit als Alternativkriterium gelten, denn derartige Tätigkeiten belegen ebenfalls eine gesellschaftliche Integration in einer Gemeinde. In Anbetracht des finanziellen Vorteils, welchen ein Einwohner durch den vergünstigten Erwerb eines Baugrundstücks erlangt, muss es im Sinne der genannten Rechtsprechung auch gerechtfertigt sein, dass dieser finanzielle Vorteil nur langjährigen und somit in der Gemeinde besonders stark integrierten Einwohnern ge243 244 245 246 247

EuGH, verb. Rs. C-197/11 und C-203/11, Rz. 55, Libert. EuGH, verb. Rs. C-197/11 und C-203/11, Rz. 55, Libert. 3. Kap., E., II., 2., a), bb), (3), (b). EuGH, Rs. C-209/03, Rz.57, Bidar. EuGH, Rs. C-209/03, Rz.59, Bidar.

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

währt wird. Unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass der EuGH im Zusammenhang mit der Gewährung einer Unterhaltsbeihilfe für Studierende schon eine Mindestaufenthaltszeit von fünf Jahren für angemessen befunden hat,248 erscheint dieser Zeitraum, insbesondere im Hinblick auf die umfangreichere Förderleistung, auch in unionsrechtlicher Hinsicht noch als angemessene Mindestaufenthaltszeit. (b) Angemessenheit im Unionsrecht Einheimischenmodelle berühren zwar den Schutzbereich von mehreren Grundfreiheiten, führen jedoch nur zu sehr geringen Beeinträchtigungen.249 Demgegenüber erscheinen sowohl die Sicherung von Wohnraum für finanzschwache Einwohner als auch die Erhaltung einer ansässigen Bevölkerung als vorrangige Schutzgüter. Konkret liegt die Beeinträchtigung nämlich nur darin, dass auswärtige Unionsbürger keine Baugrundstücke zu reduzierten Preisen erwerben können. Einheimischenmodelle wirken hingegen nicht als Ansiedlungssperre oder als Verbot eines Immobilienerwerbs, denn die benachteiligten Unionsbürger können auf dem freien Markt auch Immobilien im restlichen Gemeindegebiet erwerben. Die Vorenthaltung einer solchen Subvention beeinträchtigt die einschlägigen Grundfreiheiten und den europäischen Binnenmarkt somit nur in sehr geringem Maße. Aus diesem Grunde liegt kein Missverhältnis zwischen dem beeinträchtigten Unionrecht und den verfolgten Schutzgütern vor. dd) Ergebnis Einheimischenmodelle können grundsätzlich zur Sicherung von Wohnraum für finanzschwache Einwohner gerechtfertigt werden. Darüber hinaus können Fremdenverkehrsgemeinden ihre Einheimischenmodelle auch zur Erhaltung einer ansässigen Bevölkerung rechtfertigen. Im Übrigen ist die unionsrechtliche Rechtfertigung von denselben Anforderungen abhängig, die sich bereits aus dem deutschen Verfassungsrecht ergeben.250 b) Beihilferecht Einheimischenmodelle zur Schaffung von Wohnraum verstoßen nicht gegen das unionsrechtliche Beihilfenverbot, denn die finanzielle Förderung der Einwohner beim privaten Grundstückserwerb führt zu keiner Begünstigung von bestimmten

248

EuGH, Rs. C-158/07, Rz. 54, Förster. Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 369; Portz, KommJur 2010, 366 (369). 250 Die soziale Schutzwürdigkeit muss durch Ausschlusskriterien wie ein Höchsteinkommen und vorhandenen Immobilienbesitz sichergestellt werden. Zudem darf die Mindestwohnzeit einen Zeitraum von fünf Jahren nicht überschreiten: 3. Kap., E., II., 2., a), bb), (4). 249

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

255

Unternehmen oder Produktionszweigen, so dass es sich nicht um Beihilfen i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt.251 4. Ergebnis Einheimischenabschläge, Kurabgaben und Einheimischenmodelle stellen unionsrechtskonforme Einheimischenprivilegierungen dar.

II. Landesebene Zu untersuchen ist, ob wohnsitzabhängige Studiengebühren mit den Anforderungen des Unionsrechts in Einklang stehen. 1. Wohnsitzabhängige Studiengebühren Die Frage nach der unionsrechtlichen Zulässigkeit von wohnsitzabhängigen Studiengebühren stellt sich nicht nur bei Unionsbürgern, die in angrenzenden Mitgliedstaaten wohnen und an deutschen Hochschulen studieren, sondern auch bei solchen Studierenden aus dem Unionsausland, die an einer Landeshochschule immatrikuliert sind, aber in einem anderen Land in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft sind. a) Passive Dienstleistungsfreiheit Das Studium an einer staatlichen Hochschule fällt nicht in den Schutzbereich der passiven Dienstleistungsfreiheit252 : Die Länder verfolgen mit der Bereitstellung von Studienplätzen keine gewinnbringende Tätigkeit, sondern erfüllen nur ihre bildungspolitischen Aufgaben gegenüber den Bürgern.253 An dieser Bewertung ändert auch die Erhebung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren nichts, denn selbst wenn die auswärtigen Studierenden die maximale Gebührenhöhe von 2.870 Euro im Jahr zahlen würden,254 müsste das Hochschulstudium noch überwiegend aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden.255 Eine kostendeckende Gebührenhöhe lässt sich 251 Huber/Wollenschläger, Einheimischenmodelle, S. 38 f.; zur beihilferechtlichen Zulässigkeit von gewerblichen Einheimischenmodellen: Roeßing, Einheimischenprivilegierungen und EG-Recht, S. 184 ff. 252 EuGH, Rs. C-109/92, Rz. 15 ff., Wirth; Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 57 AEUV, Rn. 14; Frenz, Hdb. EuropaR, Bd. I, Europäische Grundfreiheiten, Rn. 3046; Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 117 ff. 253 EuGH, Rs. 263/86, Rz. 18, Humbel und Edel; Rs. C-109/92, Rz. 15, Wirth. 254 3. Kap., E., II., 2., b), aa), (3), (a). 255 EuGH, Rs. 263/86, Rz. 19, Humbel und Edel; Rs. C-109/92, Rz. 15, Wirth.

256

4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

daher mit wohnsitzabhängigen Studiengebühren von maximal 2.870 Euro im Jahr nicht erreichen,256 so dass es an der notwendigen Entgeltlichkeit fehlt.257 b) Freizügigkeitsrechtliches Inländergleichbehandlungsgebot An deutschen Hochschulen immatrikulierte Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten fallen in den Anwendungsbereich des freizügigkeitsrechtlichen Inländergleichbehandlungsgebots sowie des Gleichbehandlungsrechts aus Art. 24 Abs. 1 der Freizügigkeitsrichtlinie.258 Unabhängig davon, ob man den Wohnsitz als Kriterium für die Gewährung eines gebührenfreien Studienplatzes oder als Tatbestandskriterium für eine Studiengebührenpflicht ansieht, stellt das Wohnsitzerfordernis im Land eine versteckte Diskriminierung der Staatsangehörigen aus den anderen Mitgliedstaaten dar.259 aa) Kein Schutz durch die Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG wird in Absatz 2 dahingehend eingeschränkt, dass der Aufnahmestaat vor dem Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts nicht zur Gewährung von Studienbeihilfen verpflichtet ist. Ein Recht auf Daueraufenthalt entsteht gem. Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EG erst, wenn ein Unionsbürger sich fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmestaat aufgehalten hat. Es stellt sich daher die Frage, ob wohnsitzabhängige Studiengebühren unter den Tatbestand der Studienbeihilfe fallen. Unter den Begriff der Studienbeihilfe fallen insbesondere auch Stipendien und Studiendarlehen. In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass wohnsitzabhängige Studiengebühren auch die Folge einer nicht gewährten Begünstigung in Form eines Gebührenerlasses sein können: Die bisherigen Regelungen von wohnsitzabhängigen Studiengebühren basierten auf der Einführung von allgemeinen Studiengebühren in Verbindung mit der Gewährung eines Studienguthabens für im Land wohnhafte Studierende.260 In einem solchen Modell erhalten die Auswärtigen keine Studienguthaben und müssen deshalb die allgemeinen Studiengebühren zahlen. Im Hinblick auf die Qualifikation als Studienbeihilfe kann es jedoch keinen Unterschied machen, ob ein Studienguthaben als Studienbeihilfe gewährt oder eine Studiengebühr erlassen wird.261 Aus diesem Grund muss auch die Gewährung eines Studienguthabens unter die Ausschlussklausel des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG

256 257 258 259 260 261

3. Kap., E., II., 2., b), aa), (1). EuGH, Rs. 263/86, Rz. 17 ff., Humbel und Edel; Rs. C-109/92, Rz. 15, Wirth. EuGH, Rs. C-209/03, Rz. 42, Bidar; Pieroth, WissR 2007, 229 (249). EuGH, Rs. C-20/12, Rz. 45, Giersch; 4. Kap., B., I., 1., a), aa), (2). 1. Kap., D., II., 1. Pieroth, WissR 2007, 229 (251).

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

257

fallen.262 Dies hat im Hinblick auf die Freizügigkeitsrichtlinie Nr. 2004/38/EG zur Folge, dass die Gewährung eines Studienguthabens an die Voraussetzung eines dauerhaften Aufenthalts und damit auch an einen Wohnsitz im Land geknüpft werden kann. bb) Rechtfertigung am Maßstab des Inländergleichbehandlungsgebots In Anbetracht der Zweifel, welche an der Primärrechtskonformität der Ausschlussklausel in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG geäußert werden,263 muss auch untersucht werden, ob wohnsitzabhängige Studiengebühren den Rechtfertigungsanforderungen des primärrechtlichen Gleichbehandlungsgebots aus Art. 21 i.V.m. Art. 18 AEUV genügen.264 Es stellt sich somit die Frage, ob die versteckte Diskriminierung aus objektiven Erwägungen, welche in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Zweck stehen müssen, gerechtfertigt werden kann. (1) Vermeidung einer übermäßigen Finanzierungsbelastung Im Hinblick auf die finanziellen Erwägungen, welche mit wohnsitzabhängigen Studiengebühren einhergehen, ist zu beachten, dass der EuGH – vor Inkrafttreten der RL 2004/38/EG – in einer Entscheidung über Studienbeihilfen auch finanzielle Erwägungen als Rechtfertigungsgrund zugelassen hat: Die Begrenzung von finanziellen Beihilfen sei gerechtfertigt, um eine übermäßige Belastung des Fördersystems zu verhindern.265 In Anbetracht der Tatsache, dass die Belastungswirkung von wohnsitzabhängigen Studiengebühren auch durch die wohnsitzabhängige Gewährung von Studienguthaben bei gleichzeitiger Einführung einer allgemeinen Studiengebührenpflicht erreicht werden kann,266 sind die Grundzüge dieser Rechtsprechung auch auf die vorliegende Fragestellung übertragbar267: Die Vermeidung von übermäßigen Belastungen bei der Hochschulfinanzierung rechtfertigt danach die Begrenzung von gebührenfreien Studienplätzen auf Studierende mit einem Wohnsitz im Land.268 Das Kriterium der Integration in die Gesellschaft wiegt bei der Gewährung eines gebührenfreien Hochschulstudiums sogar noch schwerer, denn eine gebührenfreie Hochschulausbildung beinhaltet für die Studierenden einen hohen 262

Pieroth, WissR 2007, 229 (251). Frenz, ZESAR 2011, 307 (310); Hailbronner, JZ 2005, 1138 (1143); Sander, DVBl. 2005, 1014 (1016). 264 In seiner Rechtsprechung zum alten EWG-Vertrag hat der EuGH finanzielle Förderungen zur Deckung von Studiengebühren ebenfalls am allgemeinen Diskriminierungsverbot gemessen: Rs. C-39/86, Rz. 14, Liar; Rs. C-357/89, Rz. 25, Raullin. 265 EuGH, Rs. C-209/03, Rz. 56 f., Bidar. 266 Siehe das Studienkontenmodell der Hansestadt Bremen: 1. Kap., D., II., 1. 267 Pieroth, WissR 2007, 229 (251). 268 Bode, Europarechtliche Gleichbehandlungsansprüche Gleichbehandlungsansprüche Studierender und ihre Auswirkungen in den Mitgliedstaaten, S. 335. 263

258

4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

persönlichen Nutzen, welcher von der Gesellschaft finanziert wird.269 Im Hinblick auf die Finanzierbarkeit eines gebührenfreien Studiums ist es deshalb ein legitimes Anliegen, dass ein Land nur solche Studierende fördert, „die nachgewiesen haben, dass sie sich zu einem gewissen Grad in die Gesellschaft dieses Staates integriert haben“270. Grundsätzlich kann ein Wohnsitz im Studienland als geeignetes Integrationskriterium angesehen werden.271 Eine wohnsitzabhängige Studiengebühr versperrt auch nicht den Zugang von ausländischen Unionsbürgern zum Hochschulstudium, denn eine Wohnsitzverlegung in den Hochschulort stellt eine zumutbare und für den persönlichen Studienerfolg auch sinnvolle Bedingung dar, um einen gebührenfreien Studienplatz zu erhalten. Im Übrigen übersteigt der Gegenwert eines Studienplatzes auch die wohnsitzabhängige Höchststudiengebühr von 2.870 Euro,272 so dass auch ein gebührenpflichtiger Studienplatz unter dem Strich noch eine vorteilhafte Staatsleistung für die ausländischen Unionsbürger darstellt. (2) Erhöhung des Ausbildungsniveaus der ansässigen Bevölkerung Im Zusammenhang mit einem Wohnsitzerfordernis bei der Gewährung einer Studienbeihilfe hat der EuGH auch das staatliche Ziel, den Anteil der Akademiker in der Bevölkerung zu erhöhen und damit die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern, als objektiven Rechtfertigungsgrund anerkannt.273 Wie bereits dargelegt, beinhalten wohnsitzabhängige Studiengebühren auch die Gewährung von kostenlosen Studienplätzen als Einwohnerstipendium,274 welche möglichst vielen Einwohnern eine Hochschulbildung ermöglichen sollen, so dass die genannten Rechtfertigungserwägungen auch auf derartige Studiengebührenmodelle übertragbar sind. Neben der – vom EuGH ausdrücklich anerkannten275– Bedeutung eines hohen Ausbildungsniveaus der Bevölkerung für die wirtschaftliche Entwicklung eines Mitgliedstaates muss auch berücksichtigt werden, dass sich ein gebührenfreier Studienplatz als finanzielle Investition nur rentiert, wenn die Studierenden nach ihrem Hochschulabschluss im Land bleiben und ihre Fähigkeiten in die Gesellschaft einbringen.276 Auch wenn ein Wohnsitz im Land noch keine Garantie für einen dauerhaften und über den Studienabschluss hinausgehenden Aufenthalt bietet, erscheint ein dauerhafter Verbleib bei im Land wohnhaften Studierenden wahr269 Bode, Europarechtliche Gleichbehandlungsansprüche Studierender und ihre Auswirkungen in den Mitgliedstaaten, S. 335. 270 EuGH, Rs. C-209/03, Rz. 57, Bidar. 271 EuGH, Rs. C-20/12, Rz. 68, Giersch; verb. Rs.C- 523/11 und C-585/11, Rz. 38, Prinz; Rs. C-138/02, Rz. 72, Collins; Pieroth, WissR 2007, 229 (249 f.). 272 3. Kap., E., II., 2., b), aa), (3), (a). 273 EuGH, Rs. C-20/12, Rz. 56, Giersch. 274 4. Kap., B., II., 1., b), bb), (1). 275 EuGH, Rs. C-20/12, Rz. 56, Giersch. 276 3. Kap., E., II., 3., b), aa), (1), (c).

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

259

scheinlicher, als dass die im Ausland wohnenden Studierenden ihren Wohnsitz nach der Beendigung des Studiums in das jeweilige Hochschulland verlegen.277 Im Hinblick auf die Erhöhung des Ausbildungsniveaus der ansässigen Bevölkerung geht eine wohnsitzabhängige Gewährung von kostenlosen Studienplätzen jedoch über das Maß hinaus, welches der EuGH zur Zielerreichung für erforderlich hält: Übertragen auf Studiengebühren schlägt der EuGH vor,278 die Gebühren für alle Studierenden mit einem Darlehen zu verrechnen, welches nur dann zurückgezahlt werden müsse, wenn die Studierenden nach dem Hochschulabschluss nicht eine gewisse Zeit im Mitgliedstaat bleiben und arbeiten würden.279 Im Ergebnis muss ein solches Finanzierungssystem ohne Benachteiligung von auswärtigen Unionsbürgern ausgestaltet sein,280 so dass sich aus dieser Rechtsprechung schlussfolgern lässt, dass wohnsitzabhängige Studiengebühren nicht zur Erhöhung des Akademikeranteils in der Bevölkerung gerechtfertigt werden können. (3) Ergebnis Die wohnsitzabhängige Erhebung von Studiengebühren kann zur Vermeidung einer übermäßigen Belastung der Hochschulfinanzierung gerechtfertigt werden und verstößt nicht gegen das freizügigkeitsrechtliche Inländergleichbehandlungsgebot.281 c) Ausnahmen nach Maßgabe der Verordnung Nr. 492/2011 Wanderarbeiternehmer und deren Familienangehörigen können sich zudem auf Art. 7 Abs. 2 der VO Nr. 492/2011 berufen, wonach ihnen die gleichen sozialen Vergünstigungen wie den Inländern zustehen. Unter den Begriff der sozialen Vergünstigungen fallen auch Förderungen für die Absolvierung eines Hochschulstudiums,282 so dass auch die Gewährung eines gebührenfreien Studienplatzes in den Anwendungsbereich dieses Gleichbehandlungsrechts fällt. Die wohnsitzabhängige Vorteilsgewährung stellt eine versteckte Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern und insbesondere von deren studierenden Kindern dar,283 welche „per definitionem in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beschäftigungsmitgliedstaat“284 wohnen. 277 GA Mengozzi, Rs. C-20/12, Rz. 60, Giersch; dem wohl folgend: EuGH, Rs. C-20/12, Rz. 67, Giersch. 278 Im Fall Giersch ging es um eine Stipendium für eine Auslandsstudium, siehe Rs. C-20/ 12, Rz. 5 ff., Giersch. 279 EuGH, Rs. C-20/12, Rz. 79, Giersch. 280 EuGH, Rs. C-20/12, Rz. 79, Giersch. 281 So auch: Pieroth, WissR 2007, 229 (252.); ähnlich: Bode, Europarechtliche Gleichbehandlungsansprüche Studierender und ihre Auswirkungen in den Mitgliedstaaten, S. 335 f. 282 EuGH, Rs.39/86, Rz. 24, Lair; Rs. 542/09, Rz. 34, Kommission/Niederlande; EuGH, Rs. C-20/12, Rz. 39, Giersch. 283 EuGH, Rs. C-20/12, Rz. 44 ff., Giersch.

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

In Anbetracht des Umstandes, dass für eine Rechtfertigung von versteckten Diskriminierungen im Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 der VO Nr. 492/2011 ebenfalls „nur“ objektive Erwägungen erforderlich sind,285 sollte das Wohnsitzerfordernis eigentlich aus denselben Erwägungen gerechtfertigt werden können, die auch beim freizügigkeitsrechtlichen Inländergleichbehandlungsgebot einschlägig sind. Bei Wander- und Grenzarbeitnehmern im Sinne der VO Nr. 492/2011 lehnt der EuGH jedoch eine Rechtfertigung aus Gründen der Vermeidung von übermäßigen Belastungen bei der Hochschulfinanzierung ab: Im Gegensatz zu solchen Unionsbürgern, die nicht wirtschaftlich tätig sind, könne bei Wander- und Grenzarbeitnehmern und deren Familienangehörigen kein Wohnsitz als Nachweis für eine hinreichende Integration in das Aufnahmeland verlangt werden.286 Dies begründet der EuGH damit, dass die Wander- und Grenzarbeitnehmer durch ihre Berufstätigkeit und die damit verbundenen Steuerzahlungen bereits eine hinreichende Verbundenheit mit der Gesellschaft nachgewiesen hätten.287 In Anbetracht des Umstandes, dass das Wohnsitzkriterium in erster Linie den Kreis der Begünstigen begrenzen soll, um eine Kostenausuferung bei der Finanzierung der gebührenfreien Studienplätze zu verhindern, überzeugt die Einbeziehung der von den Wanderarbeitern erbrachten Finanzierungsleistungen: Durch ihre Steuerzahlungen sind Wanderarbeitnehmer sogar stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligt als nicht erwerbstätige Studierende, die anlässlich des Studiums ihren Wohnsitz in das Land verlegt haben. Es entspricht somit dem Gedanken eines gerechten Lastenausgleichs, dass auch Wander- und Grenzarbeitnehmer sowie deren Kinder in den Anwendungsbereich der vorliegenden Einheimischenprivilegierung einbezogen werden. Hinsichtlich der Ausführungen des EuGH bleibt festzuhalten, dass sich eine gesellschaftliche Integration im Unionsrecht nicht nur nach dem Wohnsitz bemisst, sondern auch von einer finanziellen Beteiligung an den Gemeinlasten abhängig sein kann. Mit dieser Begründung zeigt der EuGH, dass der im nationalen Verfassungsrecht einschlägige Gedanke des Lastenausgleichs auch im Unionsrecht berücksichtigt werden kann. Bezüglich der Ausgangsfrage nach der Rechtfertigung einer wohnsitzabhängigen Gewährung von gebührenfreien Studienplätzen ist ferner zu beachten, dass der EuGH auch bei Grenzarbeitnehmern eine Differenzierung „nach dem Grad der Integration in die Gesellschaft dieses Mitgliedstaats“ zulässt.288 Bei Studiengebühren stellt sich die daher Frage, ob das Wohnsitzkriterium auch mit der Überlegung rechtfertigen lässt, dass im Land wohnhafte Studierende eine stärkere Verbundenheit 284 Siehe die Klageschrift der EU-Kommission, in: EuGH, Rs. 542/09, Rz. 18, Kommission/Niederlande. 285 4. Kap., A., V., 1. 286 EuGH, Rs. 542/09, Rz. 63, Kommission/Niederlande Rs. C-20/12, Rz. 63, Giersch. 287 EuGH, Rs. 542/09, Rz. 61 ff., Kommission/Niederlande Rs. C-20/12, Rz. 63, Giersch. 288 EuGH, Rs. C- 20/12, Rz. 64, Giersch.

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

261

mit dem Land aufweisen und deshalb nach ihrem Studienabschluss im Land bleiben, dem lokalen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und sich mit ihren Steuerzahlungen an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen. Im Zusammenhang mit der Erhöhung des Akademikeranteils in der Bevölkerung akzeptiert der EuGH auch die Vermutung, dass aus einem Wohnsitz im Land mit einiger Wahrscheinlichkeit auch auf einen späteren Verbleib im Land geschlossen werden könne.289 Letztendlich scheitert diese Rechtfertigungserwägung jedoch an dem Umstand, dass der EuGH bei den Kindern von Wanderarbeitern, welche in einem Nachbarstaat wohnhaft sind, keine geringere Wahrscheinlichkeit für eine spätere Berufstätigkeit im Studienland annimmt.290 Allerdings erlaubt eine Differenzierung nach dem Grad der Integration in die Gesellschaft, dass die Länder eine mit den Einwohnern vergleichbare Verbundenheit mit der Gesellschaft des Landes nur annehmen, wenn die Wander- oder Grenzarbeitnehmer ihre Erwerbstätigkeit auch im jeweiligen Hochschulland ausüben. Insbesondere im Vergleich zu den nicht erwerbstätigen Unionsbürgern wäre es nämlich nicht nachvollziehbar, wenn ein im Land A erwerbstätiger Wander- oder Grenzarbeitnehmer auch im Land B als hinreichend integriert angesehen werden würde und keine Studiengebühren zahlen müsste. Im Übrigen findet das Gleichbehandlungsgebot des Art. 7 Abs. 2 der VO Nr. 492/ 2011 keine Anwendung auf interföderalen Differenzierungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, welche als reine Inlandssachverhalte keinen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen,291 so dass Wanderarbeitnehmer und deren unterhaltspflichtigen Familienangehörigen nicht geschützt sind, wenn sie einen festen Wohnsitz in einem anderen Land als dem gewünschten Hochschulland in der Bundesrepublik Deutschland haben. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Ausschluss von Wander- und Grenzarbeitnehmern, die im Hochschulland einer Erwerbstätigkeit nachgehen und weder in diesem Land noch einem anderen Land in der Bundesrepublik Deutschland ihren Wohnsitz haben, bei der Gewährung von gebührenfreien Studienplätzen gegen Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 492/2011 verstößt.

289 EuGH, Rs. C-20/12, Rz. 67, Giersch; noch eindeutiger: GA Mengozzi, Rs. C-20/12, Rz. 60, Giersch. 290 EuGH, Rs. C-20/12, Rz. 78, Giersch. 291 Aufgrund der inhaltlichen Nähe zwischen der Inanspruchnahme eines gebührenfreien Studienplatzes und der Inanspruchnahme von staatlichen Dienstleistungen kann insoweit auf die einschlägige Rechtsprechung zur passiven Dienstleistungsfreiheit abgestellt werden: EuGH, Rs. C-70/95, Rz. 38, Sodemare; Rs. C-41/90, Rz. 37, Höfner und Elser; Rs. 52/79, Rz. 9, Dabauve.

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

2. Ergebnis Wohnsitzabhängige Studiengebühren sind mit dem Unionsrecht vereinbar, sofern ihnen ein Gebührenkonzept zugrundeliegt, welches auf einer allgemeinen Studiengebührenpflicht basiert und für im Land wohnhafte Studierende die Gewährung von kostenlosen Studienplätzen in Form eines Studienguthabens vorsieht. Im Falle einer derartigen Ausgestaltung handelt es sich bei der Benachteiligung von auswärtigen Unionsbürgern um eine vorenthaltene Begünstigung. Diese Ungleichbehandlung lässt sich zur Vermeidung einer finanziellen Überlastung bei der Hochschulfinanzierung rechtfertigen, denn das Land kann bei der Gewährung von Leistungen verlangen, dass die begünstigten Personen hinreichend in die Gesellschaft integriert sind und als Nachweis auf einen Wohnsitz im Land abstellen. Eine Ausnahme gilt jedoch für Personen, die sich auf Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 492/2011 berufen können, denn durch eine Berufstätigkeit im Hochschulland und die geleisteten Steuerzahlungen besteht eine hinreichende Verbundenheit mit der Gesellschaft.

III. Bundesebene Zu untersuchen ist, ob das im 3. Kapitel entwickelte Konzept einer zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühr mit dem Unionsrecht vereinbar ist. 1. Zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühr Im Hinblick auf eine gemeinsame Verkehrspolitik enthält das Unionsrecht lediglich Regelungen über den Sachbereich des Transportverkehrs von europäischen Verkehrsunternehmen. Im Bereich des Warenverkehrs ist zudem das Diskriminierungs- und Protektionsverbot des Art. 110 AEUV zu beachten. Daneben muss eine zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühr auch den Anforderungen der Grundfreiheiten genügen.292 a) Kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 110 AEUV Art. 110 AEUV verbietet die Erhebung von unmittelbaren oder mittelbaren höheren Abgaben auf die Waren aus anderen Mitgliedstaaten. Unabhängig von dem Umstand, dass grenzüberschreitende Warentransporte mit Personenkraftwagen einen absoluten Ausnahmefall im Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten darstellen dürften, stellt sich die Frage, ob eine zulassungsortabhängige Auto292 Konkreter Untersuchungsgegenstand ist dabei die zeitabhängige Autobahnbenutzungsgebühr in Form eines gestaffelten Vignettensystems, deren Verfassungskonformität unter der Bedingung einer zweckgebundenen Kraftfahrzeugsteuer oder einer Kraftfahrzeugsonderabgabe im 3. Kapitel nachgewiesen wurde: 3. Kap., E., II., 2., c), bb).

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

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bahnbenutzungsgebühr als mittelbare Abgabe auf Warentransporte zu qualifizieren ist und gegen Art. 110 AEUV verstößt. In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass der weite Abgabenbegriff der Vorschrift durch das Merkmal des Warenbezugs eingeschränkt wird.293 Im Jahr 1977 ordnete der EuGH beispielsweise die deutsche Straßengüterverkehrsteuer, welche nach dem Gewicht der beförderten Güter und der zurückgelegten Strecke berechnet wurde, als eine Abgabe im Sinne des heutigen Art. 110 AEUV ein.294 Im Gegensatz dazu knüpft eine zeitabhängige Autobahnbenutzungsgebühr jedoch nicht an transportierte Güter an und weist daher nicht den erforderlichen Warenbezug auf, so dass ein Verstoß gegen Art. 110 AEUV ausgeschlossen ist.295 Der fehlende Warenbezug lässt sich darüber hinaus auch an dem Umstand festmachen, dass ein ausländischer Warenimport mit einem im Inland zugelassenen Personenkraftwagen von einer zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühr nicht erfasst werden würde. Im Übrigen erscheint auch die Annahme einer die Wettbewerbsneutralität unterlaufenden Mehrbelastung zweifelhaft, da – nach dem hier vorgeschlagenen Konzept – die Autobahnbenutzungsgebühren der Höhe nach in den für diesen Zeitraum anteiligen Kraftfahrzeugabgaben der Inländer entsprächen, so dass importierte Waren nicht mit höheren Transportabgaben belegt werden würden. b) Unionsrechtlicher Schutz des Individualverkehrs Für den Bereich des Individualverkehrs mit Personenkraftwagen enthält das Unionsrecht keine speziellen Regelungen,296 so dass sich die Zulässigkeit einer zulassungsortabhängigen PKW-Autobahnbenutzungsgebühr anhand der unionsrechtlichen Freiheiten bemisst. aa) Die Beeinträchtigung der unionsrechtlichen Freiheiten durch zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühren Die private Benutzung von Autobahnen in anderen Mitgliedstaaten unterfällt dem allgemeinen Freizügigkeitsrecht und eröffnet damit den Anwendungsbereich des allgemeinen Diskriminierungsverbots,297 so dass sich zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühren am freizügigkeitsrechtlichen Inländergleichbehand-

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Seiler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU I, Art. 110, Rn. 22; Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 110 AEUV, Rn. 10. 294 EuGH, Rs. C-20/76, Schötte. 295 Siehe Langeloh, DÖV 2014, 365 (369); Korte/Gurreck, EuR 2014, 420 (435); Kainer/ Ponterlitschek, ZRP 2013, 198 (200). 296 Mitteilung der EU-Kommission v. 14. 05. 2012 (COM(2012) 199 final), S. 3. 297 EuGH, Rs. C-103/08, Rz. 23 f., Gottwald.

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

lungsgebot messen lassen müssen.298 Darüber hinaus können im Einzelfall auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Dienstleistungsfreiheit und die Warenverkehrsfreiheit einschlägig sein, wenn die grenzüberschreitende Autobahnbenutzung im Zusammenhang mit einer unselbstständigen Tätigkeit, einer Dienstleistungserbringung oder einem Warentransport steht. In Anbetracht des Umstandes, dass die Zulassung eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich im Wohnsitzstaat des Halters erfolgt, werden mit einer zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühr nur gebietsfremde Personen und somit in der Regel ausländische Staatsangehörige erfasst. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Belastung ausländischer Autofahrer durch die Benutzungsgebühr vielleicht niedriger sein könnte als die Belastung der Inländer durch die Kraftfahrzeugsteuer – entscheidend ist letztendlich, ob mit den Benutzungsgebühren hauptsächlich ausländische Autobahnbenutzer belastet werden.299 Damit stellt eine zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühr eine versteckte Diskriminierung von ausländischen Staatsangehörigen dar.300 Zu beachten ist, dass das freizügigkeitsrechtliche Inländergleichbehandlungsgebot und die einschlägigen Grundfreiheiten unterschiedliche Anforderungen an die Rechtfertigung einer versteckten Diskriminierung stellen: Während beim Inländergleichbehandlungsgebot schon objektive Erwägungen als Rechtfertigungsgrund genügen, verlangen die Grundfreiheiten eine Rechtfertigung aus zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses.301 bb) Rechtfertigung zum Schutz der Kohärenz der Autobahnfinanzierung Im deutschen Verfassungsrecht sind zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühren aus Gründen des Lastenausgleichs gerechtfertigt, da die Personen mit inländischem Wohnsitz bereits einen hinreichenden Beitrag zur Finanzierung der Straßeninfrastruktur leisten, wenn sie für ihre zugelassenen Kraftfahrzeuge eine zweckgebundene Kraftfahrzeugsteuer oder eine Kraftfahrzeugsonderabgabe bezahlen würden.302 Im Zusammenhang mit der Rechtfertigung von kommunalen Einheimischenabschlägen wurde bereits nachgewiesen, dass der Gedanke des Lastenausgleichs vom 298 Siehe Langeloh, DÖV 2014, 365 (370); zustimmend: Hillgruber, Rechtsgutachten für das BMVI, S. 38. 299 Siehe auch Fehling, ZG 2014, 305 (311); a.A. Hillgruber, der mit diesem Belastungsargument, welches auf der Rechtfertigungsebene zu verorten ist, bereits die Beeinträchtigung in Form einer versteckte Diskriminierung ablehnt, in: Rechtsgutachten für das BMVI, S. 49 f. 300 Siehe Langeloh, DÖV 2014, 365 (370); ebenso: Fehling, ZG 2014, 305 (311); Korte/ Gurreck, EuR 2014, 420 (433). 301 4. Kap., A., I., 3., b), aa). 302 3. Kap., E., II., 2., c), aa), (1), (b).

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

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ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund der Kohärenz umfasst ist.303 Die Kohärenz ist als Rechtfertigungsgrund auf sämtliche Regelungssysteme anwendbar,304 so dass sich die Frage stellt, ob auch der Schutz der Kohärenz der Autobahnfinanzierung eine zulassungsortabhängige Gebührenerhebung rechtfertigen kann.305 Grundsätzlich kann die Kombination von fiskalischen Instrumenten zur Autobahnfinanzierung als zusammenhängendes Regelungssystem angesehen werden. Auch die EU-Kommission erkennt die Erhebung von unterschiedlichen Steuern und Abgaben zur Finanzierung der Straßeninfrastruktur als „Konzepte“ der Mitgliedstaaten an.306 In diese Richtung geht auch die Rechtsprechung des EuGH, welcher einen Zusammenhang zwischen Kraftfahrzeugsteuer und Straßenbenutzungsgebühren angenommen hat, indem er die Frage bejahte, ob die Einführung einer allgemeinen Straßenbenutzungsgebühr für schwere Lastfahrzeuge in Verbindung mit der Senkung der Kraftfahrzeugsteuer zu einer Verschlechterung der Lage der ausländischen Verkehrsunternehmen führe.307 Diese „Gesamtbetrachtung“308 von Kraftfahrzeugsteuer und Straßenbenutzungsgebühren hat sich auch im Sekundärrecht niedergeschlagen, denn in der Richtlinie 1999/62/EG über „die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge“ wird in Art. 6 und im Anhang I eine Mindestkraftfahrzeugsteuer geregelt, um Wettbewerbsverzerrungen zwischen den europäischen Transportunternehmen zu verhindern.309 Damit erkennt auch das Unionsrecht die Kombination aus Kraftfahrzeugsteuer und Straßenbenutzungsgebühr als zusammenhängendes Regelungssystem an. Aus Gründen der Kohärenz kann die Herstellung einer Lastengleichheit jedoch nur gerechtfertigt werden, sofern ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der lastenausgleichenden Bevorteilung und der Benachteiligung besteht.310 Im Hinblick auf die Rechtfertigung von zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühren muss daher ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der gebührenfreien Autobahnbenutzung und der Zahlung von Kraftfahrzeugsteuer herbeigeführt werden. Ein solcher Zusammenhang ergibt sich noch nicht aus der unionsrechtlichen Sichtweise von Kraftfahrzeugsteuer und Straßenbenutzungsgebühren als Rege303

4. Kap., B., I., 1., a), aa), (3), (b). 4. Kap., B., I., 1., a), aa), (3), (b), (aa). 305 Bezüglich der unterschiedlichen Rechtfertigungsanforderungen des freizügigkeitsrechtlichen Inländergleichbehandlungsgebots und der Grundfreiheiten kann eine differenzierende Prüfung unterbleiben, da der Schutz der Kohärenz vom EuGH als zwingendes Erfordernis des Allgemeinwohls angesehen wird und somit beiden Rechtfertigungsmaßstäben gerecht wird: 4. Kap., B., I., 1., a), aa), (3), (b), (aa). 306 Mitteilung der EU-Kommission v. 14. 05. 2012 (COM(2012) 199 final), S. 4. 307 EuGH, C-195/90, Rz. 23, Kommission/Deutschland. 308 Basedow, JZ 1992, 870 (872). 309 Zu den Änderungen durch die RL 2011/76/EU: Hartman, EuZW 2012, 413 (415). 310 4. Kap., B., I., 1., a), aa), (3), (b). 304

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

lungssystem,311 da es für die Annahme eines unmittelbaren Zusammenhangs an einer hinreichenden Bindung der Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer an die Finanzierung der Autobahnen fehlt. Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsprüfung wurde bereits festgestellt, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Kraftfahrzeugsteuer und der Autobahnfinanzierung nur dann bestünde, wenn der Gesetzgeber das Kraftfahrzeugsteueraufkommen mit einer Zweckbindung versehen oder eine Kraftfahrzeugsonderabgabe einführen würde.312 In einem solchen Regelungssystem der staatlichen Autobahnfinanzierung würden die inländischen Kraftfahrzeughalter von den Autobahnbenutzungsgebühren befreit werden, da sie schon mit der zweckgebundenen Kraftfahrzeugsteuer oder -sonderabgabe an der Autobahnfinanzierung beteiligt wären, so dass auch im Hinblick auf die Kohärenz ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der gebührenfreien Autobahnbenutzung und der zweckgebundenen Kraftfahrzeugsteuer bestehen würde. Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass eine zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühr zum Schutz der Kohärenz der Autobahnfinanzierung gerechtfertigt werden kann. cc) Verhältnismäßigkeit Eine Kombination aus zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühren und zweckgebundenen Kraftfahrzeugabgaben ermöglicht eine gerechte Lastenverteilung bei der Autobahnfinanzierung. Im Hinblick auf die in Art. 17 EUV geregelten Aufgabe der EU-Kommission, die allgemeinen Interessen der Union zu fördern, erscheint es zudem auch beachtenswert, dass sich die Einführung einer Autobahnbenutzungsgebühr im Einklang mit der Verkehrspolitik der EU-Kommission befindet, welche als langfristiges Ziel die Einführung von Nutzerentgelten für das gesamte Straßennetz ausgegeben hat, um den Autofahrern die Instandhaltungskosten der Infrastruktur aufzuerlegen.313 Im Rahmen der Kohärenzprüfung wird die Erforderlichkeit einer Ungleichbehandlung vom EuGH nur bejaht, wenn die jeweilige Vorschrift bei einer Gleichbehandlung der Vergleichspaare ihre Funktionsfähigkeit zur Zielerreichung verlieren würde.314 Mit einer Ausweitung der gebührenfreien Benutzung ließe sich das Ziel einer Beteiligung der ausländischen Autobahnbenutzer an der Finanzierung nicht 311 So aber Hillgruber, Rechtsgutachten für das BMVI, S. 55; In der Kohärenz-Rechtsprechung findet sich keine Grundlage für die geringere Anforderung in Form des Negativmerkmals einer „sachwidrigen Koppelung“, welches Fehling ohne weitere Begründung ausreichen lässt: ZG 2014, 305 (312). 312 3. Kap., E., II., 2., c), aa), (1), (a). 313 Europäische Kommission, Weissbuch Verkehr „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ (KOM (2011) 144), S. 18. 314 EuGH, Rs. C-315/02, Rz. 37 f., Lenz; Rs. C-319/02, Rz. 43, Manninen; Kokott/Ost, EuZW 2011, 496 (501).

B. Wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen

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mehr erreichen. Die Alternative wäre die Einführung von allgemeinen Autobahngebühren und die Abschaffung der Kraftfahrzeugsteuer, um die Belastung der inländischen Kraftfahrzeughalter auszugleichen. Im Endeffekt macht es jedoch keinen Unterschied, ob nur die Autofahrer aus den anderen Mitgliedstaaten eine Benutzungsgebühr zahlen, während die inländischen Kraftfahrzeughalter eine spezielle Jahresabgabe entrichten oder ob alle Autobahnbenutzer eine Gebühr zahlen und die inländischen Autofahrer im Gegenzug keine Kraftfahrzeugsteuer mehr zahlen müssen.315 Im Grunde handelt es sich bei der Kombination aus einer zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühr und einer zweckgebundenen Kraftfahrzeugsteuer nur um unterschiedliche Arten der Finanzierungsbeteiligung. Eine echte Benachteiligung der Autofahrer aus anderen Mitgliedstaaten entsteht hingegen erst bei einer unverhältnismäßigen Gebührenbemessung. Die unionsrechtliche Verhältnismäßigkeit dürfte jedoch gewahrt sein, wenn der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Autobahnbenutzungsgebühren die verfassungsrechtlichen Vorgaben einhält316 : Die Höhe der Jahresbenutzungsgebühr darf weder die durchschnittliche Jahresabgabe der inländischen Kraftfahrzeughalter noch den Wert der Autobahnbenutzung überschreiten. Darüber hinaus müssen unterschiedliche Benutzungszeiträume mit proportional abgestuften Gebührenhöhen geregelt werden, um eine Benachteiligung von Kurzzeitnutzern wie beispielsweise Durchreisenden oder Touristen zu vermeiden.317 Die Anforderungen der Verhältnismäßigkeit sind erfüllt, wenn das Vignettensystem mit „drei oder mehr Vignettenarten“ in Form eines Tages-, Wochen-, Monats- und Jahreszeitraums ausgestaltet wird.318 c) Vereinbarkeit mit der Stillhalteverpflichtung des Art. 92 AEUV Art. 92 AEUV enthält eine an die Mitgliedstaaten gerichtete Stillhalteverpflichtung hinsichtlich der Regelung von Änderungsvorschriften, welche die Stellung von Verkehrsunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten im Vergleich zu den inländischen Verkehrsunternehmen verschlechtern. Eine grenzüberschreitende Tätigkeit von Verkehrsunternehmen mit Personenkraftwagen dürfte zwar eher den Ausnahmefall 315

Beispielsweise belasten Tschechien und Frankreich privat genutzte PKW nicht mit einer Kraftfahrzeugsteuer (Hering, SVR 2012, 329 ff.), sondern erheben Autobahnbenutzungsgebühren (Kalinowska/Kuhfeld/Kunert/Rülicke, Die Abgaben auf Kraftfahrzeuge in Europa im Jahr 2005, S. 22). 316 3. Kap., E., II., 2., c), bb). 317 In diese Richtung geht auch eine Entscheidung des EuGH, welcher die proportionale Bemessung einer Kraftfahrzeugabgabe für eine bestimmte Zulassungsdauer anhand der Jahresabgabe als verhältnismäßig angesehen hat: Rs-C-451/99, Rz. 69, Cura Anlagen. 318 Mitteilung der EU-Kommission v. 14. 05. 2012 (COM(2012) 199 final), S. 6; zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ebenfalls eine Tagesvignette fordernd: Fehling, ZG 2014, 305 (313).

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

darstellen, erscheint aber theoretisch in Form von Kurierdiensten oder Personenbeförderungen möglich, so dass bei der Einführung einer zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühr die Anforderungen des Art. 92 AEUV zu beachten sind.319 Insbesondere kann eine Benachteiligung dieses gewerblichen PKW-Verkehrs nicht als zulässiger „Kollateralschaden“ einer vom Gesetzgeber vorgenommenen Typisierung hingenommen werden,320 denn die normative Aussage des Art. 92 AEUV gilt unabhängig von der „Quantität“ des grenzüberschreitenden Verkehrs.321 Die Stillhalteverpflichtung des Art. 92 AEUV wird vom EuGH als Verschlechterungsverbot verstanden, welches einer nachteiligen Veränderung der Wettbewerbslage der ausländischen im Vergleich zu den inländischen Verkehrsunternehmen entgegenstehe.322 In diesem Zusammenhang hat der EuGH bereits im Jahr 1992 die von der Bundesrepublik Deutschland geplante Einführung einer allgemeinen Straßenbenutzungsgebühr für schwere Lastfahrzeuge in Verbindung mit einer Senkung der inländischen Kraftfahrzeugsteuer als einen Verstoß gegen die Stillhalteverpflichtung des Art. 92 AEUV angesehen.323 Im Gegensatz dieser Kombination aus der Einführung einer allgemeinen Gebührenpflicht und der Entlastung durch eine Senkung der Kraftfahrzeugsteuer würde es sich bei dem hier untersuchten Konzept um eine grundlegende Reform der Kraftfahrzeugbesteuerung und Autobahnfinanzierung handeln, welches nicht zwingend als Veränderung der Wettbewerbsverhältnisse angesehen werden müsste.324 Im Hinblick auf eine Bemessung der Autobahnbenutzungsgebühren anhand der anteiligen Kraftfahrzeugabgaben der Inländer würde die Autobahnbenutzung bei in- und ausländischen Verkehrsunternehmern zu vergleichbaren finanziellen Belastungen führen, so dass eine Verschlechterung der Wettbewerbsverhältnisse zulasten der ausländischen Verkehrsunternehmer abzulehnen wäre. Gegen eine solche Sichtweise spräche jedoch, dass die Einführung einer zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühr bei den ausländischen Verkehrsunternehmer zu finanziellen Mehrbelastungen führen würde, während das Belastungsniveau bei den inländischen Verkehrsunternehmen konstant bleiben würde. In Anbetracht der strengen Auslegung der Stillhalteverpflichtung in der Rechtsprechung des EuGH muss daher von einer Verletzung des Art. 92 AEUV ausgegangen werden.325 Eine Rechtfertigung aus Gründen der Kohärenz ist nicht möglich, da eine Rechtfertigung von Verstößen gegen Art. 92 AEUV bereits „dem Grunde nach“326

319 320 321 322 323 324 325 326

So auch: Kainer/Ponterlitschek, ZRP 2013, 198 (199). Vorschlag von Fehling, ZG 2014, 305 (309). Zabel, NVwZ 2015, 186 (187). EuGH, Rs. C-195/90, Rz. 30, Kommission/Deutschland. EuGH, Rs. C-195/90, Kommission/Deutschland; Basedow, JZ 1992, 870 ff. Schäfer, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 92 AEUV, Rn. 14. Siehe Langeloh, DÖV 2014, 365 (372 f.); Korte/Gurreck, EuR 2014, 420 (434 f.). Korte/Gurreck, EuR 2014, 420 (434).

C. Staatsangehörigkeitsabhängige Einheimischenprivilegierungen

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ausgeschlossen ist.327 Die Annahme, es handele sich bei Art. 92 AEUVum ein bloßes Diskriminierungsverbot mit Rechtfertigungsmöglichkeit,328 steht insbesondere der Wortlaut der Vorschrift entgegen, wonach der Rat einstimmig eine Ausnahmeregelung gewähren kann. Wenn Verstöße gegen Art. 92 AEUV rechtfertigungsfähig wären, hätte diese Bestimmung nun noch deklaratorische Wirkung.329 Aufgrund der fehlenden Rechtfertigungsmöglichkeiten lässt sich ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot des Art. 92 AEUV nur vermeiden, wenn die von inländischen Verkehrsunternehmern genutzten Personenkraftwagen sowohl der bisherigen Kraftfahrzeugsteuer als auch der Autobahnbenutzungsgebühr unterworfen werden würden, so dass keine Verschlechterung der Wettbewerbslage zulasten von ausländischen Verkehrsunternehmen eintreten würde. Eine mit staatlichen Einnahmeausfällen verbundene Alternativlösung wäre im Übrigen auch die Befreiung der ausländischen Verkehrsunternehmer von der Autobahnbenutzungsgebühr. 2. Ergebnis Der Schutz der Kohärenz der Autobahnfinanzierung ermöglicht eine unionsrechtliche Rechtfertigung von zulassungsortabhängigen Autobahnbenutzungsgebühren für im Individualverkehr genutzte Personenkraftwagen, wenn die inländischen Kraftfahrzeughalter bereits mit der Zahlung einer zweckgebundenen Kraftfahrzeugsteuer oder einer Sonderabgabe an der Autobahnfinanzierung beteiligt wären. Im Hinblick auf die Stillhalteverpflichtung des Art. 92 AEUV müssen jedoch auch die von inländischen Verkehrsunternehmers genutzten Personenkraftwagen einbezogen oder Ausnahmeregelungen für die von ausländischen Verkehrsunternehmen genutzten Personenkraftwagen geschaffen werden.

C. Staatsangehörigkeitsabhängige Einheimischenprivilegierungen Eine Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen erlaubt der grundgesetzliche Gleichheitssatz bei der Gewährung von freiwilligen Sozialleistungen und der Erhebung von Studiengebühren jeweils nur aus Gründen der Gegenseitigkeit.330 Darüber hinaus kann in beiden Regelungsbereichen nur eine Mindestwohnzeit als

327 Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUVArt. 92, Rn. 9; Korte/Gurreck, EuR 2014, 420 (434); Zabel, NVwZ 2015, 186 (189). 328 Siehe Fehling, ZG 2014, 305 (307 f.). 329 Zabel, NVwZ 2015, 186 (189). 330 3. Kap., E., II., 3., b), aa), (4).

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Zusatzkriterium gerechtfertigt werden.331 Zu untersuchen ist, ob das Gegenseitigkeitsprinzip auch offene Diskriminierungen im Anwendungsbereich des Unionsrechts rechtfertigen kann.

I. Freiwillige Sozialleistungen und Studiengebühren im Anwendungsbereich des Unionsrechts Ungleichbehandlungen bei der Gewährung von freiwilligen Sozialleistungen und bei der Erhebung von Studiengebühren fallen in den Anwendungsbereich des freizügigkeitsrechtlichen Inländergleichbehandlungsgebots gem. Art. 21 Abs. 1 AEUV i.V.m. Art. 18 AEUV und des sekundärrechtlichen Gleichbehandlungsanspruchs gem. Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG. Ungleichbehandlungen bei der Einräumung von freiwilligen Sozialleistungen332 sowie bei der Studiengebührenerhebung333 betreffen zudem den weiten Bereich der sozialen Vergünstigungen, so dass sich Wanderarbeiternehmer und deren Familienangehörigen auch auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 7 Abs. 2 der VO Nr. 492/2011 berufen können.

II. Das Gegenseitigkeitsprinzip als Rechtfertigungsgrund für offene Diskriminierungen Die Benachteiligung von Staatsangehörigen aus bestimmten Mitgliedstaaten, welche mit der Bundesrepublik Deutschland kein völkerrechtliches Gegenseitigkeitsabkommen für die Gewährung von freiwilligen Sozialleistungen und die Erhebung von Studiengebühren haben, stellt eine offene Diskriminierung dar. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH lässt sich eine Benachteiligung der Staatsangehörigen von anderen Mitgliedstaaten nicht mit dem Gegenseitigkeitsprinzip rechtfertigen,334 da „die Erfüllung der Verpflichtungen, die der Vertrag oder das abgeleitete Recht den Mitgliedstaaten auferlegen, nicht an die Bedingung der Gegenseitigkeit geknüpft werden kann“335. In der Tat wäre die Wirksamkeit des Unionsrechts gefährdet, wenn die Mitgliedstaaten die Einhaltung der unionsrechtlichen Vorschriften vom Handeln der anderen Mitgliedstaaten abhängig machen dürften.336 Stattdessen kann jeder Mitgliedstaat die Benachteiligung seiner Staats331

3. Kap., E., II., 3., b), aa), (4). EuGH, Rs. C-85/96, Rz. 25, Martinez Sala. 333 4. Kap., B., I., 1., a), cc). 334 EuGH, Rs. 1/72, Rz. 19, Frilli; Rs. 186/87, Rz. 20, Cowan; Rs. C-38/89, Rz. 7, Blanguernon; Rs. C-163/99, Rz. 22, Portugal/Kommission; Rs. C-405/01, Rz. 61, Colegio de Oficiales; Rs. C-142/01, Kommission/Italien; Rs. C-436/08, Rz. 127 f., Haribo. 335 EuGH, Rs. C-405/01, Rz. 61, Colegio de Oficiales. 336 EuGH, Rs. C-163/99, Rz. 22, Portugal/Kommission. 332

C. Staatsangehörigkeitsabhängige Einheimischenprivilegierungen

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angehörigen in anderen Mitgliedstaaten im Wege eines Vertragsverletzungsverfahrens gem. Art. 259 AEUV ausräumen.337 Die Gewährung von freiwilligen Sozialleistungen und die Erhebung von Studiengebühren anhand des Kriteriums der Staatsangehörigkeit verstoßen damit gegen das anwendbare Unionsrecht.

III. Rechtfertigung von staatsangehörigkeitsunabhängigen Mindestaufenthaltszeiten Wenn die Gewährung von freiwilligen Sozialleistungen und gebührenfreier Hochschulausbildung nicht von dem Kriterium der Staatsangehörigkeit abhängig gemacht werden kann, stellt sich die Frage, ob die Einräumung derartiger Staatsleistungen zugunsten von ausländischen Unionsbürgern zumindest von der Bedingung einer gewissen Mindestaufenhaltszeit abhängig gemacht werden dürfen. Grundsätzlich knüpft das Kriterium einer Mindestaufenthaltszeit nicht direkt an die Staatsangehörigkeit an, sondern führt erst indirekt zu einer Benachteiligung von ausländischen Unionsbürgern.338 Im Folgenden wird daher der Frage nachgegangen, ob sich die Gewährung von freiwilligen Sozialleistungen sowie gebührenfreier Hochschulausbildung anhand des Kriteriums einer Mindestaufenthaltszeit unionsrechtlich rechtfertigen lässt. 1. Freiwillige Sozialleistungen Grundsätzlich haben die Mitgliedstaaten „bei der Organisation und Anwendung ihres Sozialhilfesystems eine gewisse Solidarität mit den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten zu zeigen“339. Einschränkungen dieser Solidarität rechtfertigt der EuGH mit dem Schutz des staatlichen Leistungssystems vor übermäßigen Belastungen.340 Auch wenn der EuGH es nicht offen ausspricht, beinhaltet dieser Rechtfertigungsgrund auch den Schutz vor einer „übermäßigen Inanspruchnahme durch „Sozialtourismus“341. Sogar im Bereich der existenzsichernden Sozialhilfeleistungen erkennt der EuGH das in der Freizügigkeitsrichtlinie verankerte Anliegen der Mitgliedstaaten, eine unangemessene Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch Unionsbürger, welche nicht die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaates besitzen, zu verhindern,342 als Rechtfertigungsgrund für den Ausschluss von Sozialhilfeleistungen während eines Zeitraums von drei Monaten an.343 337 338 339 340 341 342

EuGH, Rs. C-163/99, Rz. 22, Portugal/Kommission. EuGH, Rs. C-523/11, Rz. 31 f., Prinz. EuGH, Rs. C-209/03, Rz. 56, Bidar; Rs. C-184/99, Rz. 44, Grzelczyk. EuGH, Rs. C-209/03, Rz. 56, Bidar; Rs. C-158/07, Rz. 48, Förster. Hofmann/Kummer, ZESAR 2013, 199 (204). Siehe Erwägungsgrund Nr. 10 in der RL 2004/38/EG.

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Im Bereich der freiwilligen Sozialleistungen wird den finanziellen Interessen der Mitgliedstaaten insoweit Rechnung getragen, dass die Gewährung von staatlichen Leistungen vom Integrationsgrad der Leistungsempfänger in die Gesellschaft des Mitgliedstaates abhängig gemacht werden darf.344 In diesem Zusammenhang stellt eine gewisse Aufenthaltszeit im Mitgliedstaat ein geeignetes Integrationskriterium dar.345 Im Bereich der Studien- und Berufsbeihilfen erlaubt das Sekundärrecht in Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EG einen Leistungsausschluss für die Dauer von fünf Jahren. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Freizügigkeitsrichtlinie hat der EuGH eine Mindestaufenthaltszeit von fünf Jahren als angemessenen Integrationsnachweis für die Gewährung von staatlichen Leistungen bewertet.346 Es sind jedoch Ausnahmefälle denkbar, in denen eine Mindestaufenthaltszeit als Integrationsnachweis nicht gerechtfertigt werden kann, weil eine andere Form der Verbundenheit mit der Gesellschaft besteht: Eine ausreichende Verbundenheit bejaht der EuGH beim Besitz der Staatsangehörigkeit des jeweiligen Mitgliedstaates.347 Darüber hinaus sieht der Gerichtshof auch andere Faktoren wie Familie, Beschäftigung und sonstige soziale oder wirtschaftliche Bindungen als geeignete Kriterien für eine hinreichende Integration an.348 Eine wirtschaftliche Bindung besteht insbesondere bei Wanderarbeitnehmern und deren unterhaltspflichtigen Familienangehörigen, welche durch die Berufstätigkeit und die Steuerzahlungen eine hinreichende Integration in die Gesellschaft nachgewiesen haben.349 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Gewährung von freiwilligen Sozialleistungen grundsätzlich von der Erfüllung einer Mindestaufenthaltszeit von fünf Jahren abhängig gemacht werden kann. Ausnahmen gelten für Wanderarbeitnehmer und deren unterhaltspflichtigen Familienangehörigen. In Anbetracht der neueren EuGH-Rechtsprechung erscheint zudem die Regelung einer Härtefallklausel, welche auf weitere Kriterien der gesellschaftlichen Verbundenheit abstellt, angebracht. 2. Studiengebühren Zur Rechtfertigung einer mindestwohnzeitabhängigen Gewährung von kostenlosen Studienplätzen kommen die verfassungs- und unionsrechtlichen Rechtfertigungserwägungen für wohnsitzabhängige Studiengebühren in Betracht.

343 344 345 346 347 348 349

EuGH, Rs. C-333/13, Rz. 71 ff., Dano. EuGH, Rs. C-209/03, Rz. 57, Bidar; Rs. C-158/07, Rz. 49, Förster. EuGH, Rs. C-209/03, Rz. 59, Bidar; Rs. C-158/07, Rz. 50, Förster. EuGH, Rs. C-158/07, Rz. 58, Förster. EuGH, verb. Rs. C-523/11 u. 585/11, Rz. 38, Prinz. EuGH, Rs. C-523/11 u. 585/11, Rz. 38, Prinz. EuGH, Rs. 542/09, Rz. 61 ff., Kommission/Niederlande; Rs. C-20/12, Rz. 63, Giersch.

C. Staatsangehörigkeitsabhängige Einheimischenprivilegierungen

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a) Erhöhung des Ausbildungsniveaus der ansässigen Bevölkerung Die Förderung von dauerhaft im Staat bleibenden Personen, welche das Kriterium der Mindestaufenthaltszeit bei der Gewährung von kostenlosen Studienplätzen im deutschen Verfassungsrecht rechtfertigt,350 wird unter leicht modifizierter Bezeichnung, nämlich der Gewährleistung eines hohen Ausbildungsniveaus in Verbindung mit der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung,351 auch im Unionsrecht als Rechtfertigungsgrund anerkannt. In diesem Zusammenhang wurde bereits ausgeführt, dass bei Studierenden, die im Mitgliedstaat wohnen, ein Verbleib im Mitgliedstaat nach Beendigung des Hochschulstudiums wahrscheinlicher sein dürfte als eine Wohnsitzverlegung der im Ausland wohnhaften Studierenden in den Mitgliedstaat nach dem Studienabschluss.352 Darüber hinaus dürfte sich die Wahrscheinlichkeit eines dauerhaften Verbleibs im Mitgliedstaat erhöhen, wenn die Studierenden schon vor dem Studienbeginn eine gewisse Zeit im Mitgliedstaat gelebt haben.353 In diesem Fall kann von einer festen Integration und einer staatsangehörigkeitsähnlichen Verbundenheit mit dem Mitgliedstaat ausgegangen werden.354 Letztendlich hält der EuGH eine Mindestwohnzeit als Kriterium für einen dauerhaften Verbleib im Mitgliedstaat für nicht erforderlich, um nach dem Hochschulabschluss einen Verbleib im Mitgliedstaat sicherzustellen: Übertragen auf Studiengebühren schlägt der EuGH vor,355 die Gebühren mit einem Darlehen zu verrechnen, welches nur zurückgezahlt werden müsste, wenn die Studierenden nach dem Hochschulabschluss nicht eine gewisse Zeit im Mitgliedstaat bleiben und arbeiten würden.356 Aus diesem Grunde kann eine mindestwohnzeitabhängige Studiengebühr nicht mit der Erhöhung des Ausbildungsniveaus der ansässigen Bevölkerung gerechtfertigt werden. Im Übrigen ließe sich das Rechtfertigungsziel aber auch mit dem vom EuGH vorgeschlagenen Finanzierungsmodell erreichen: Bei den eigenen Staatsangehörigen besteht wohl eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen dauerhaften Verbleib im Mitgliedstaat,357 so dass von der Rückzahlungspflicht in der Regel die ausländischen Hochschulabsolventen erfasst werden dürften. In diesem Zusammenhang ergeben sich jedoch auch Zweifel an der praktischen Umsetzbarkeit dieses Finanzierungsmodells, denn sowohl die Kontrolle des Lebensmittelpunktes der 350

3. Kap., E., II., 3., b), aa), (1), (c), (dd). EuGH, Rs. C-20/12, Rz. 56, Giersch. 352 GA Mengozzi, Rs. C-20/12, Rz. 60, Giersch; dem wohl folgend: EuGH, Rs. C-20/12, Rz. 67, Giersch; siehe zudem: 4. Kap., B., II., 1., b), bb), (2). 353 3. Kap., E., II., 3., b), aa), (1), (c), (cc). 354 3. Kap., E., II., 3., b), aa), (1), (c), (cc). 355 Im Fall Giersch ging es um eine Stipendium für ein Auslandsstudium, siehe Rs. C-20/12, Rz. 5 ff., Giersch. 356 EuGH, Rs. C-20/12, Rz. 79, Giersch. 357 3. Kap., E., II., 3., b), aa), (1), (c). 351

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4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

Hochschulabsolventen als auch die Eintreibung der offenen Darlehensforderungen dürften zu einem hohen Verwaltungsaufwand führen. b) Vermeidung einer übermäßigen Finanzierungsbelastung Die Gewährung von gebührenfreien Studienplätzen darf grundsätzlich vom Integrationsgrad des Studierenden in die Gesellschaft des Mitgliedstaates abhängig gemacht werden, um das staatliche System der Hochschulfinanzierung vor einer übermäßigen Überlastung zu schützen.358 Im Zusammenhang mit Studienbeihilfen hat der EuGH auch eine gewisse Aufenthaltszeit im Mitgliedstaat als ein geeignetes Integrationskriterium bewertet.359 In Anbetracht der hohen Kosten einer Hochschulausbildung und des hohen Nutzens für die Studierenden wird deshalb vertreten, dass auch die Regelung einer Mindestaufenthaltsdauer im Bereich der Studiengebühren gerechtfertigt sei.360 Für die Rechtfertigung einer Mindestaufenthaltszeit spricht zudem, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG nicht zur Gewährung von Studienbeihilfen, -stipendien und -darlehen an Unionsbürger ohne ein Daueraufenthaltsrecht, welches gem. Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EG erst nach einem fünfjährigen Aufenthalt entsteht, verpflichtet sind. Die Bedeutung dieser Regelung erstreckt sich auch auf mindestwohnzeitabhängige Studiengebühren, denn ein solches Finanzierungsmodell lässt sich auch dergestalt regeln, dass eine allgemeine Studiengebührenpflicht besteht und Studierende mit einer gewissen Aufenthaltszeit ein Stipendium in Form eines gebührenfreien Studienplatzes erhalten.361 In Anbetracht der kürzeren Studienzeiten im Bachelor-/Mastersystem dürfte eine fünfjährige Mindestaufenthaltszeit jedoch als Kriterium für die Gewährung von gebührenfreien Studienplätzen dazu führen, dass sich die Gebührenpflicht für die Studierenden aus anderen Mitgliedstaaten regelmäßig auf das gesamte Studium erstrecken würde. Im Hinblick auf die Zulässigkeit einer zusätzlichen Mindestaufenthaltszeit als Integrationskriterium muss insoweit beachtet werden, dass es sich bei der „Förderung der Mobilität von Lernenden“ gem. Art. 165 Abs. 2 AEUV um ein Ziel der Europäischen Union handelt. Auch in der Rechtsprechung des EuGH nimmt die grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Bildung eine bedeutende Stellung ein: „Insbesondere der Zugang zur Berufsausbildung ist geeignet, die Freizügigkeit innerhalb der gesamten Gemeinschaft zu fördern, indem er den Einzelnen die Möglichkeit gibt, eine Qualifikation in dem Mitgliedstaat zu erwerben, in dem sie ihre Berufstätigkeit ausüben wollen, sowie die Möglichkeit, in dem Mitgliedstaat,

358

4. Kap., B., II., 1., b), bb), (1). EuGH, Rs. C-209/03, Rz. 59, Bidar; Rs. C-158/07, Rz. 50, Förster. 360 Bode, Europarechtliche Gleichbehandlungsansprüche Studierender und ihre Auswirkungen in den Mitgliedstaaten, S. 335 f. 361 4. Kap., B., II., 1., b), bb), (1). 359

D. Ergebnis

275

dessen berufliches Bildungswesen die entsprechende Spezialisierung anbietet, ihre Ausbildung zu vervollständigen und ihre besonderen Fähigkeiten zu entwickeln.“362 Angesichts der unionsrechtlichen Bedeutung des grenzüberschreitenden Hochschulzugangs muss die Ausschlussklausel des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG deshalb primärrechtskonform dahingehend ausgelegt werden,363 dass die Zugangsrechte von ausländischen Unionsbürgern nicht dauerhaft beeinträchtigt werden dürfen. Insbesondere muss ausgeschlossen werden, dass Studienbewerber aus anderen Mitgliedstaaten durch eine mindestwohnzeitabhängige Studiengebühr von einem Hochschulstudium in Deutschland abgehalten werden. Im Hinblick auf eine mögliche Abschreckungswirkung erscheint ein Zeitraum von einem Jahr, wie er auch bei den „in state“-Studiengebühren der US-Bundesstaaten akzeptiert ist,364 als angemessene Aufenthaltsdauer für die Gewährung eines gebührenfreien Studienplatzes. Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass es zur Vermeidung einer übermäßigen Finanzierungsbelastung gerechtfertigt ist, die Gewährung von gebührenfreien Studienplätzen bei ausländischen Unionsbürgern von einer einjährigen Mindestaufenthaltszeit abhängig zu machen. Eine Ausnahme ergibt sich wiederum zugunsten von Wanderarbeitnehmern und deren unterhaltpflichtigen Familienangehörigen, welche durch ihre Berufstätigkeit sowie die geleisteten Steuerzahlungen hinreichend integriert sind und sich auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 492/2011 berufen können.365

D. Ergebnis Auf kommunaler Ebene verstoßen nur Auswärtigenzuschläge gegen das Unionsrecht. Einheimischenabschläge und Kurabgaben lassen sich hingegen zum Schutz der Kohärenz des kommunalen Finanzsystems rechtfertigen. Kommunale Einheimischenmodelle können zur Sicherung von Wohnraum für finanzschwache Einwohner oder in Fremdenverkehrsgemeinden auch zur Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung gerechtfertigt werden. Auf Landesebene lassen sich wohnabhängige Studiengebühren zur Vermeidung einer finanziellen Überlastung der staatlichen Hochschulfinanzierung rechtfertigen. Eine Ausnahme gilt jedoch für Personen, die sich auf Art. 7 Abs. 2 der VO Nr. 492/ 2011 berufen können, denn durch eine Berufstätigkeit im Hochschulland und die in 362

EuGH, Rs. C-293/83, Rz. 24, Gravier. Zweifel an der Primärrechtskonformität des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG äußern Frenz, ZESAR 2011, 307 (310); Hailbronner, JZ 2005, 1138 (1143); Sander, DVBl. 2005, 1014 (1016). 364 2. Kap., B., II., 4. 365 4. Kap., B., II., 1., c). 363

276

4. Kap.: Unionsrechtliche Zulässigkeit von Einheimischenprivilegierungen

diesem Zusammenhang geleisteten Steuerzahlungen besteht eine hinreichende Verbundenheit zu der Aufnahmegesellschaft. Auf Bundesebene könnte eine zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühr zum Schutz der Kohärenz der Autobahnfinanzierung gerechtfertigt werden, wenn die Kraftfahrzeugsteuer in eine zweckgebundene Steuer oder Sonderabgabe umgewandelt werden würde. Staatsangehörigkeitsabhängige Einheimischenprivilegierungen können nicht mit dem Gegenseitigkeitsprinzip gerechtfertigt werden und verstoßen daher gegen das Unionsrecht. Im Verhältnis zu den nicht in den Anwendungsbereich der Wanderarbeitnehmer-VO fallenden Unionsbürgern rechtfertigt die Vermeidung einer übermäßigen Finanzierungsbelastung eine Mindestaufenthaltszeit als Integrationsnachweis bei der Gewährung von freiwilligen Sozialleistungen in Höhe von fünf Jahren sowie bei gebührenfreien Studienplätzen für die Dauer von einem Jahr.

5. Kapitel

Zusammenfassung A. Die Rechtfertigungsmaßstäbe von finanziellen Einheimischenprivilegierungen I. Verfassungsrecht 1. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen beurteilt sich anhand der Rechtfertigungsmaßstäbe des allgemeinen Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 GG: Wohnsitzabhängige Einheimischenprivilegierungen müssen als personenbezogene Ungleichbehandlungen auf einem sachlichen Rechtfertigungsgrund beruhen und einem am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstab genügen. Bei staatsangehörigkeitsabhängigen Einheimischenprivilegierungen muss die Prüfungsintensität verschärft werden, da das Differenzierungskriterium der Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Vorgegebenheit und seiner beschwerlichen Abänderbarkeit zu einer besonders intensiven Ungleichbehandlung führt. 2. Finanzielle Einheimischenprivilegierungen entfalten keine verbotsähnliche Wirkung hinsichtlich der Aufenthalts- und Wohnsitznahme, so dass die Anforderungen für einen mittelbaren Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Freizügigkeitsrechts gem. Art. 11 Abs. 1 GG nicht erfüllt sind. 3. Das staatsbürgerliche Gleichheitsrecht steht finanziellen Einheimischenprivilegierungen nicht entgegen, denn Art. 33 Abs. 1 GG schützt lediglich die staatsbürgerlichen „status activus“-Kernrechte der deutschen Staatsangehörigen in den Ländern, welche von finanziellen Einheimischenprivilegierungen nicht beeinträchtigt werden. 4. Finanzielle Einheimischenprivilegierungen sind verfassungswidrig, sofern sie die Würde des Menschen berühren. Ein Konflikt mit Art. 1 Abs. 1 GG ist bei Regelungen im Bereich der sozialen Grundsicherung denkbar, denn ein Ausschluss von diesen Leistungen verstößt gegen das sich aus Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip ergebende Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.

278

5. Kap.: Zusammenfassung

II. Unionsrecht 1. Finanzielle Einheimischenprivilegierungen müssen den unionsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen der Grundfreiheiten, des freizügigkeitsrechtlichen Inländergleichbehandlungsgebots, des Beihilfenrechts und der Wanderarbeitnehmer-Verordnung Nr. 492/2011 genügen. 2. Wohnsitzabhängige Einheimischenprivilegierungen stellen eine versteckte Diskriminierung dar und sind an unterschiedlichen Rechtfertigungsanforderungen zu messen: Im Hinblick auf die Grundfreiheiten ist eine Rechtfertigung aus zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses möglich, während beim freizügigkeitsrechtlichen Inländergleichbehandlungsgebot und der VO Nr. 492/2011 schon objektive Erwägungen des Allgemeininteresses als Rechtfertigungsgrund ausreichen. Gemeinsam ist allen Rechtfertigungsmaßstäben, dass die Rechtfertigungsgründe nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpfen dürfen und im Hinblick auf die unionsrechtliche Beeinträchtigung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen müssen. 3. Staatsangehörigkeitsabhängige Einheimischenprivilegierungen sind als offene Diskriminierungen an höheren Rechtfertigungsanforderungen zu messen: Bezüglich der Grundfreiheiten enthält das Primärrecht insoweit geschriebene Rechtfertigungsgründe, welche zusammen mit den in Art. 21 Abs. 1 AEUV geregelten Beschränkungen und Bedingungen des Vertrages sowie seiner Durchführungsbestimmungen auch beim freizügigkeitsrechtlichen Inländergleichbehandlungsgebot gelten. Im Gegensatz dazu beinhaltet die Wanderarbeitnehmer-VO Nr. 492/2011 ein absolutes Verbot von offenen Diskriminierungen, so dass staatsangehörigkeitsabhängige Einheimischenprivilegierungen im Anwendungsbereich der Verordnung von vornherein ausgeschlossen sind.

B. Die Rechtfertigungsfähigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen In Anbetracht des Umstands, dass mit einem Wohnsitz auch eine Beteiligung an der Finanzierung der jeweiligen Gebietskörperschaft verbunden ist, sind die Rechtfertigungsmöglichkeiten für wohnsitzabhängige Einheimischenprivilegierungen deutlich umfangreicher als bei staatsangehörigkeitsabhängigen Einheimischenprivilegierungen.

B. Rechtfertigungsfähigkeit von finanziellen Einheimischenprivilegierungen

279

I. Die Rechtfertigung von wohnsitzabhängigen finanziellen Einheimischenprivilegierungen Die durchgeführte Untersuchung der Rechtfertigungsmöglichkeiten hat gezeigt, dass sich wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen in Abwehr-, Wettbewerbs- oder Ausgleichsinstrumente unterteilen lassen. Anhand dieser Kategorisierung lässt sich folgende Rechtfertigungsdogmatik entwickeln: In ihrer Funktion als Abwehr- oder Wettbewerbsinstrument ergibt sich eine Rechtfertigung aus standortbezogenen Gründen. Bei einer Ausgestaltung als Ausgleichsinstrument kommen hingegen finanzielle Rechtfertigungsgründe zur Anwendung. 1. Finanzielle Rechtfertigungsgründe a) Finanzielle Vergünstigungen für die Einwohner können aus Gründen des Lastenausgleichs gerechtfertigt sein, da die Einwohner mit ihren Steuern und Abgaben den allgemeinen Haushalt der jeweiligen Gebietskörperschaft finanzieren. Der Lastenausgleich kann im Unionsrecht zum Schutz der Kohärenz des jeweiligen Finanzierungssystems zur Anwendung kommen. b) Im Rahmen von Finanzausgleichssystemen erhalten Gebietskörperschaften nur Finanzmittel für ihre Einwohner, so dass die Erbringung von staatlichen Leistungen zugunsten von Auswärtigen zu einer finanziellen Mehrbelastung für die Gebietskörperschaft führt, welche im Zusammenhang mit der Benutzung von öffentlichen Einrichtungen eine geringere Subventionierung und eine höhere Kostenbeteiligung der Auswärtigen rechtfertigen können. Die auf dem Ausgleich einer finanziellen Mehrbelastung der Gebietskörperschaft basierenden Einheimischenprivilegierungen lassen sich im Unionsrecht zur Vermeidung einer übermäßigen Belastung des jeweiligen Finanzierungssystems rechtfertigen. c) Wenn eine Gebietskörperschaft ihre öffentlichen Einrichtungen mit einer Überkapazität zur Mitversorgung von Auswärtigen ausstattet, kann eine finanzielle Benachteiligung der Auswärtigen zum Ausgleich des Kostenrisikos gerechtfertigt werden, welches mit dem Betrieb von überbedarfsmäßigen Einrichtungen einhergeht. 2. Standortbezogene Rechtfertigungsgründe a) Der Ausschluss von finanziellen Vergünstigungen kann als Lenkungsmittel im Standortwettbewerb gerechtfertigt werden, um Auswärtige zu einer Wohnsitzverlegung in die Gebietskörperschaft zu bewegen. b) Eine finanzielle Benachteiligung, welche auf die Abschreckung einer zu häufigen Benutzung einer öffentlichen Einrichtung durch Auswärtige abzielt, kann zur Vermeidung einer Kapazitätsüberlastung gerechtfertigt werden, um eine hinreichende Freikapazität zur Einheimischenversorgung sicherzustellen.

280

5. Kap.: Zusammenfassung

c) Im Zusammenhang mit der Sicherung von Wohnraum kann eine finanzielle Privilegierung von Einheimischen zum Schutz der Einwohner vor einer Verdrängung aus der Gebietskörperschaft sowie zur Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung gerechtfertigt werden.

II. Die Rechtfertigung von staatsangehörigkeitsabhängigen finanziellen Einheimischenprivilegierungen 1. Bei der Gewährung von Staatsleistungen, die als Zukunftsinvestition zu qualifizieren sind, kann eine Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen mit dem Ziel einer ausschließlichen Förderung von dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland bleibenden Personen verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. 2. Mit der Vermeidung von migrationspolitischen Fehlanreizen kann ein zeitlich begrenzter Leistungsausschluss von ausländischen Staatsangehörigen verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden, soweit es sich nicht um Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums handelt. 3. Das völkerrechtliche Gegenseitigkeitsprinzip kann die Benachteiligung der Angehörigen bestimmter Staaten verfassungsrechtlich rechtfertigen, um die jeweiligen Staaten zum Abschluss von Gegenseitigkeitsabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland zu bewegen.

III. Ausnahmen von der Rechtfertigungsfähigkeit 1. Eine Rechtfertigung von finanziellen Einheimischenprivilegierungen bei der Benutzung von öffentlichen Einrichtungen ist ausgeschlossen, wenn die betreffende Einrichtung von der Gebietskörperschaft mit externen Geldern finanziert wird. Derartige Finanzierungsverflechtungen können sich aus den Finanzausgleichssystemen sowie aus der Mitgliedschaft in überörtlichen Kooperations- und Organisationsformen ergeben. 2. Die Rechtfertigung von staatsangehörigkeitsabhängigen Einheimischenprivilegierungen ist ausgeschlossen, wenn völkerrechtliche Gegenseitigkeitsabkommen eine Inländergleichbehandlung anordnen. 3. Verfassungsrechtliche Teilhaberechte stehen einer Rechtfertigung von finanziellen Einheimischenprivilegierungen nicht entgegen, sondern verhindern lediglich einen faktischen Ausschluss der Auswärtigen aus finanziellen Gründen und begrenzen insoweit nur den Umfang der finanziellen Benachteiligung.

C. Einheimischenprivilegierungen auf den unterschiedlichen Ebenen

281

C. Die verfassungs- und unionsrechtliche Rechtfertigung von finanziellen Einheimischenprivilegierungen auf den unterschiedlichen Ebenen I. Kommunalebene 1. Einheimischenabschläge in Höhe von bis zu 100 % sind aus Gründen der gerechten Lastentragung sowie als Lenkungsinstrument im Standortwettbewerb verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Subventionierung der reduzierten Benutzungsgebühren darf jedoch nicht aus Ausgleichszahlungen für überörtliche Versorgungsleistungen finanziert werden. In unionsrechtlicher Hinsicht ergibt sich eine Rechtfertigung zum Schutz der Kohärenz des kommunalen Finanzsystems. 2. Auswärtigenzuschläge in Höhe von bis zu 100 % sind zum Ausgleich des kommunalen Kostenrisikos und zur Sicherung der Benutzungsmöglichkeiten der Einwohner verfassungsrechtlich gerechtfertigt, sofern die Kommune mit ihrer öffentlichen Einrichtung keine überörtliche Funktion ausübt und dafür einen finanziellen Ausgleich erhält. Auswärtigenzuschläge verstoßen jedoch gegen die passive Dienstleistungsfreiheit und das freizügigkeitsrechtliche Inländergleichbehandlungsgebot, so dass eine Erhebung zum Nachteil von ausländischen Unionsbürgern ausgeschlossen ist. 3. Die Kurabgabeerhebung ist aus Gründen der gerechten Lastentragung verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Bei der Bemessung der Kurabgaben muss jedoch das Kostenüberschreitungsverbot eingehalten werden. Im Unionsrecht sind Kurabgaben zum Schutz der Kohärenz des kommunalen Finanzsystems gerechtfertigt. 4. Einheimischenmodelle sind zum Schutz der finanzschwachen Einwohner vor einer Verdrängung aus der Gemeinde oder zur Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung in Fremdenverkehrsregionen verfassungs- und unionsrechtlich gerechtfertigt. Bei der Förderung muss durch Zusatzkriterien sichergestellt werden, dass eine soziale Förderungsbedürftigkeit besteht. Eine Mindestwohndauer darf als zusätzliches Vergabekriterium nicht über einen Zeitraum von fünf Jahren hinausgehen und der Abschlag darf nicht höher als 30 % des Marktpreises bemessen sein.

II. Landesebene 1. Wohnsitzabhängige Studiengebühren können aus Gründen des finanziellen Mehrbelastungsausgleichs sowie als Lenkungsmittel im Standortwettbewerb verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. Beide Rechtfertigungsgründe basieren auf den fehlenden Mittelzuweisungen für auswärtige Studierende im Finanzausgleich, so dass die Studiengebühren auf die Höhe der Mittelzuweisungen pro Einwohner im Finanzausgleich begrenzt sind. Ferner ist zu beachten, dass sich die Stadtstaaten

282

5. Kap.: Zusammenfassung

weder auf den Rechtfertigungsgrund des Mehrbelastungsausgleichs noch gegenüber den im Umland wohnhaften Studierenden auf den Standortwettbewerb als Rechtfertigungsgrund stützen können, da die Mehrbelastungen bereits durch die Einwohnerveredelung ausgeglichen werden. Darüber hinaus sind wohnsitzabhängige Studiengebühren mit dem Unionsrecht vereinbar, denn die alleinige Begünstigung der im Land wohnhaften Studierenden lässt sich zur Vermeidung einer finanziellen Überlastung im Bereich der Hochschulfinanzierung rechtfertigen. Eine Ausnahme gilt jedoch für solche Studierende, die sich auf Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 492/2011 berufen können und denen die gleichen Vergünstigungen wie den Landeseinwohnern eingeräumt werden müssen. 2. Die Anknüpfung an einen Wohnsitz im Land stellt bei der Gewährung eines Erziehungsgeldes als freiwillige Staatsleistung keine Ungleichbehandlung dar. Soweit die Leistungsgewährung darüber hinaus an eine Mindestaufenthaltsdauer geknüpft wird, handelt es sich jedoch um eine ungerechtfertigte und somit verfassungswidrige Ungleichbehandlung derjenigen Einwohner, die innerhalb dieser Frist hinzugezogen sind.

III. Bundesebene Im Fall einer Reform der Kraftfahrzeugsteuer in eine zweckgebundene Steuer oder Sonderabgabe zur Autobahnfinanzierung könnte eine zulassungsortabhängige Autobahnbenutzungsgebühr aus Gründen der gerechten Lastentragung verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. Diese Rechtfertigungsüberlegung verlangt zudem eine benutzungszeitabhängige Gebührenbemessung, wobei die Jahresgebührenhöhe auf die durchschnittliche Kraftfahrzeugsteuerhöhe begrenzt werden müsste. Darüber hinaus müsste eine zulassungsortabhängige Autobahngebühr auch unterschiedliche Benutzungszeiträume mit entsprechenden Gebührentarifen enthalten, welche proportional zur Jahresgebührenhöhe zu bemessen wären. Aus unionsrechtlicher Sicht könnte ein derart ausgestaltetes Gebührensystem zum Schutz der Kohärenz der Autobahnfinanzierung gerechtfertigt werden. Ein Verstoß gegen Art. 92 AEUV ließe sich vermeiden, wenn die von inländischen Verkehrsunternehmern genutzten Personenkraftwagen sowohl der bisherigen Kraftfahrzeugsteuer als auch der Autobahnbenutzungsgebühr unterworfen werden würden, so dass keine Verschlechterung der Wettbewerbslage zulasten von ausländischen Verkehrsunternehmen eintreten würde. Eine – mit staatlichen Einnahmeausfällen verbundene – Alternativlösung wäre die Befreiung der ausländischen Verkehrsunternehmer von der Autobahnbenutzungsgebühr.

D. Rechtfertigung von Einheimischenprivilegierungen

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D. Die verfassungs- und unionsrechtliche Rechtfertigung von staatsangehörigkeitsabhängigen Einheimischenprivilegierungen I. Kommunalebene Eine Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit kann im Zusammenhang mit der Regelung von finanziellen Einheimischenprivilegierungen auf kommunaler Ebene nicht mit gesamtstaatlichen Erwägungen gerechtfertigt werden und stellt daher eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar.

II. Landesebene 1. Eine kostendeckende Studiengebühr kann mit dem völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzip gegenüber ausländischen Studierenden aus solchen Staaten verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden, welche mit der Bundesrepublik Deutschland kein Gegenseitigkeitsabkommen über den Verzicht auf eine Studiengebührenerhebung abgeschlossen haben. Mit dem gesetzgeberischen Ziel der Förderung von dauerhaft bleibenden Personen lässt sich zudem ein Ausschluss von ausländischen Staatsangehörigen bei der Gewährung von kostenlosen Studienplätzen rechtfertigen, wenn die Studierenden keine deutsche Hochschulzugangsberechtigung besitzen oder keine integrative Mindestaufenthaltszeit in der Bundesrepublik Deutschland vorweisen können. Im Unionsrecht scheidet das Gegenseitigkeitsprinzip als Rechtfertigungsgrund aus. Eine direkte Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit lässt sich nicht rechtfertigen. Zur Vermeidung einer übermäßigen Belastung der staatlichen Hochschulfinanzierung ist es jedoch unionsrechtlich gerechtfertigt, die Gewährung von kostenlosen Studienplätzen an die Erfüllung einer einjährigen Mindestaufenthaltszeit als Integrationskriterium zu knüpfen. Eine Ausnahme gilt insoweit für Wanderarbeitnehmer sowie für deren unterhaltspflichtigen Familienangehörigen, welche sich auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 492/2011 berufen können und durch ihre Berufstätigkeit als hinreichend integriert angesehen werden. 2. Der Ausschluss von ausländischen Staatsangehörigen bei der Gewährung von Erziehungsgeld als freiwillige Staatsleistung kann nicht mit der Förderung von Landeskindern gerechtfertigt werden und stellt eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar.

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5. Kap.: Zusammenfassung

III. Bundesebene Die staatsangehörigkeitsabhängige Gewährung von freiwilligen Staatsleistungen kann mit dem völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzip verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. Demgegenüber kann mit der gezielten Förderung von dauerhaft bleibenden Personen und mit der Vermeidung von migrationspolitischen Fehlanreizen kein genereller Leistungsausschluss, sondern nur die Regelung von Mindestaufenthaltszeiten als zusätzliche Voraussetzungen für die Leistungsgewährung an ausländische Staatsangehörige gerechtfertigt werden. Eine Ausnahme von den aufgezeigten Rechtfertigungsmöglichkeiten ergibt sich im Falle von entgegenstehenden Gegenseitigkeitsabkommen, welche die Bundesrepublik Deutschland zur Gleichbehandlung der jeweiligen Staatsangehörigen verpflichten. In unionsrechtlicher Hinsicht scheidet eine Rechtfertigung mit dem Gegenseitigkeitsprinzip aus. Zur Vermeidung einer übermäßigen Finanzierungsbelastung ist jedoch gerechtfertigt, die Gewährung von freiwilligen Staatsleistungen an das Integrationskriterium einer fünfjährigen Mindestaufenthaltszeit zu knüpfen. Eine Ausnahme gilt wiederum für Wanderarbeitnehmer und deren unterhaltspflichtigen Familienangehörigen im Sinne der VO Nr. 492/2011, welche durch ihre Berufstätigkeit und Steuerzahlungen eine hinreichende Integration in die Gesellschaft des Aufnahmestaates nachgewiesen haben.

E. Fazit und Ausblick Der am Anfang der Untersuchung vorgestellte Ausspruch des Bundesverfassungsgerichts, wonach finanzielle Erwägungen in der Regel nicht als sachgerechte Gründe für eine differenzierende Behandlung von Personengruppen anzusehen seien,1 lässt sich im Hinblick auf finanzielle Ungleichbehandlungen nicht aufrechterhalten, denn die überwiegende Anzahl der finanziellen Einheimischenprivilegierungen kann aus finanziellen Gründen gerechtfertigt werden. Es bleibt festzuhalten, dass insbesondere wohnsitzabhängige Einheimischenprivilegierungen als Ausdruck der unterschiedlichen Beteiligung von Einwohnern und Auswärtigen an der Finanzierung einer Gebietskörperschaft rechtfertigungsfähig sind. Die aufgezeigte Rechtfertigungsdogmatik aus den in dieser Untersuchung entwickelten Rechtfertigungsgründen zeigt, dass wohnsitzabhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen ein verfassungskonformes Instrument im Wettbewerbsföderalismus darstellen. Demgegenüber können staatsangehörigkeitsanhängige finanzielle Einheimischenprivilegierungen nur auf das völkerrechtliche Gegenseitigkeitsprinzip gestützt werden. Darüber hinaus lassen sich nur mindestaufenthaltszeitabhängige Benach1

BVerfGE 19, 76 (84); ähnlich: E 75, 40 (72).

E. Fazit und Ausblick

285

teiligungen rechtfertigten, welche jedoch an dem Unsicherheitsfaktor leiden, dass sich die einschlägigen Rechtfertigungsgründe nur auf gesetzgeberische Prognosen stützen lassen. Bezüglich der finanziellen Einheimischenprivilegierungen, deren verfassungsund unionsrechtskonforme Ausgestaltung möglich ist, bleibt es letztendlich der Legislative überlassen, ob und in welchem Maße sie zukünftig auf dieses Regelungsinstitut zurückgreifen möchte.

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Sachverzeichnis Allgemeines Freizügigkeitsrecht 56 ff. Äquivalenzprinzip 90 ff., 132 f. Auswärtigenzuschlag 35, 90 ff., 248 Autobahnbenutzungsgebühren 32, 65, 179 ff., 263 ff. Beschränkungsverbot 219 ff. Bundesstaatsprinzip 169 ff.

Kohärenz 238 ff. kommunale Selbstverwaltung 117, 125, 132, 136, 236 kommunaler Finanzausgleich 118 ff. Kostendeckungsprinzip 90 f., 131 f. Kostenrisiko 99 ff. Kraftfahrzeugsteuer 33, 180 ff. Kurabgaben/Kurtaxe 36, 146 ff., 249

Dienstleistungsfreiheit (passive) 232 ff. Diskriminierung – offene 221 – versteckte 221

Länderfinanzausgleich 151 f., 164 ff. Landesstaatsangehörigkeit 74 ff. Lastenausgleich 99 ff., 134 ff., 150, 180 ff., 240

Einheimischenabschlag 35, 61 ff., 140 ff. Einheimischenmodelle 37, 61 ff., 140 ff. Einheimischentarife 35 Equal Protection Clause 45 ff. Erziehungsgeld 64, 177 ff., 203 ff. Existenzsicherung 32, 55, 205 ff.

Mindestaufenthaltszeit 140 f., 196 ff., 209 f., 271 ff.

Freizügigkeitsrichtlinie 230 Funktionsfähigkeit des Hochschulsystems 188 Gebührenrechtliche Bemessungsprinzipien 90 ff., 196 Gegenseitigkeitsprinzip, völkerrechtliches 194, 201, 203, 208, 270 Gleichheitssatz – allgemeiner 81 ff. – besonderer 80 – staatsbürgerlicher 66 ff. Grundfreiheiten 217 ff.

Non-Affektationsprinzip 154, 182 Numerus Clausus 159 ff., 175 Öffentliche Einrichtung 36 Prognoseentscheidung, legislative 192 Staatsbürgerliche Gleichheit 66 ff. Standortwettbewerb 101, 106, 135 f. 154 Studiengebühren – ausländische Studierende 33, 187 ff., 272 ff. – Nichtlandeskinder 33, 63, 149 ff., 255 ff. Teilhaberecht 126 ff., 158 ff.

Haushaltsmittelkonzentration 150, 204

Wanderarbeiter 259 ff. Wettbewerbsföderalismus 172 f.

Inländergleichbehandlungsgebot 225 ff.

Zulassungsort 32, 179