125 45 69MB
German Pages 304 Year 2018
2
3
Daniel Rosenberg Anthony Grafton
Die Zeit in Karten Eine Bilderreise durch die Geschichte Aus dem Englischen von Cornelius Hartz
TH__3785-6_Rosenberg_S001-004_2018_03_26.indd 1
26.03.18 16:24
Impressum
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Das Werk erschien auf Englisch zuerst bei Princeton Architectural Press: First published in the United States by Princeton Architectural Press © 2010 Princeton Architectural Press Der wbgTheiss-Verlag ist ein Imprint der WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft). Copyright der deutschsprachigen Ausgabe: © 2015 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Übersetzung: Dr. Cornelius Hartz Lektorat: Lektorat Hellmayr & Boyxen Korrektorat: Ulrike Melzow Satz: schreiberVIS, Bickenbach Einbandabbildung: Complete Ecclesiastical Chart from the Earliest Records, Sacred and Profane, Down to the Present Day, 1833. Mit freundlicher Genehmigung der Burke Library, Union Theological Seminary und Wallis’ New Game of Universal History and Chronology von 1840. Mit freundlicher Genehmigung der Princeton University Library. Einbandgestaltung: Harald Braun, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-3785-6 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8062-3815-0 eBook (epub): 978-3-8062-3816-7
TH__3785-6_Rosenberg_S001-004_2018_03_26.indd 2
26.03.18 16:24
Inhalt
Inhalt Kapitel 1
Kapitel 6
Gedruckte Zeit
Von Tüftlern und Künstlern
10
200
Kapitel 2
Kapitel 7
Tafeln der Zeit
Außen und Innen
30
236
Kapitel 3
Kapitel 8
Grafische Lösungen
Big Time
84
266
Kapitel 4
Grafik im Wandel
Anhang
110
278
Kapitel 5
Grenzlinien 168
Anmerkungen 279 Ausgewählte Literatur 289 Abbildungsnachweis 290 Register 293
7
Die Zeit in Karten
Danksagungen
Mein tiefempfundener Dank gilt Sina Najafi, Sasha Archibald,
vak, Frédérique Pressmann, Elena Filipovic, Pip Day, Nato
Brian McMullen und Tal Schori, die mit mir an der in Ausgabe
Thompson, Dror Wahrman, Michel Chaouli, Martin Jay,
13 des Cabinet: A Quarterly of Art and Culture erschienenen Time-
Randolph Starn, Eviatar Zerubavel, John Gillis, Harold Mah,
line of Timelines gearbeitet haben. Dieses Buch wäre ohne sie
Joel Smith, Sheila Schwartz, Neil de Grasse Tyson, Maya Lin,
niemals zustande gekommen. Gleiches gilt für Susan Harding,
Christoph Fink, Katie Lewis, Jacqui Glanz, Anne Glanz, As-
Marco Harding, Joseph Masco und alle, die an Histories of the
trit Schmidt-Burkhardt, Jim Shaw, Steven Shankman, Barba-
Future mitgearbeitet haben.
ra Altmann, Julia Heydon, Georgia Barnhill, Michael Paulus,
Ich begann, Zeitleisten zu sammeln, als ich an einem Se-
Roy Goodman, Vicki Cutting, James Fox, Lesli Larson und Eliz
minar von Susan Harding am Humanities Research Institute
Breakstone sowie den aktuellen und früheren Teilnehmern der
der University of California teilnahm. Einige Jahre sind seit-
Early Modern Studies Groups der University of Oregon, u. a.
dem vergangen, und in dieser Zeit habe ich von vielen Seiten
Andrew Schulz, David Castillo, Fabienne Moore, Diane Dugaw,
Unterstützung erfahren – so vom Center for Critical Analysis
Amanda Powell, James Harper, Lisa Freinkel, Leah Middle-
of Contemporary Culture an der Rutgers University, von der
brook und Nathalie Hester. Der umsichtige Lektor Mark John-
Huntington Library, der Clark Library an der University of Cali-
son gab den ersten Anstoß zu diesem Projekt. Jeff Ravel hat
fornia, Los Angeles, dem Clark Art Institute, MASS MoCA, Ar-
meinen Artikel Joseph Priestley and the Graphic Invention of Mo-
gos, der Slought Foundation, dem Museo Rufino Tamayo, dem
dern Time für die Studies in Eighteenth-Century Culture mit brillan-
Center for Eighteenth-Century Studies an der Indiana Univer-
ten Ideen bereichert. Ich danke meinen Kolleginnen und Kol-
sity, dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in
legen am Robert D. Clark Honors College, insbesondere Joseph
Berlin, der National Endowment for the Humanities und dem
Fracchia, David Frank und Richard Kraus, und am Department
Oregon Humanities Center. Mein Dank gilt nicht zuletzt den
of History an der University of Oregon, u. a. Jeff Ostler, Martin
wunderbaren Bibliothekarinnen und Bibliothekaren dieser Ins-
Summers, John McCole, George Sheridan, Randall McGowen
titutionen, die mir viel geholfen haben, vor allem in der Knight
und David Luebke sowie Carla Hesse, mit der mich eine lang-
Library an der University of Oregon, der Library Company of
jährige Zusammenarbeit verbindet. Ich danke außerdem der
Philadelphia und dem Department of Rare Books and Special
Andrew W. Mellon Foundation und der University of Oregon,
Collections an der Princeton University, wo der Löwenanteil
die es mir ermöglichten, an die Princeton University zu gehen,
der Forschung für dieses Projekt stattfand. Genannt seien hier
um dort an diesem Buch mitzuarbeiten; des Weiteren danke
vor allem Stephen Ferguson, Donald Skemer, AnnaLee Pauls,
ich dem Princeton University Humanities Council und Carol
Andrea Immel, John Blazejewski und Charlene Peacock.
Rigolot, Cass Garner und Lin DeTitta, Barbara Leavey und dem
Daneben danke ich Alletta Brenner, Theresa Champ, Mike
Center for Collaborative History sowie dem Department of His-
Witmore, Daniel Selcer, Jonathan Sheehan, Arielle Saiber,
tory. Und nicht zuletzt Anthony Grafton – die Zusammenarbeit
Sophia Rosenfeld, Miryam Sas, Pamela Jackson, Ken Wisso-
mit ihm, seine Weitsicht und sein Rat haben mir neue Pers-
ker, Amy Greenstadt, Steven Stern, Jamer Hunt, Justin No-
pektiven eröffnet.
8
Danksagungen
Mein ganz persönlicher Dank gilt Harry Rosenberg, Barbara Filner, Joshua Rosenberg, Gwendolen Gross, Jacob Rosen-
Zusammenarbeit zu danken. Ihre Effizienz und herzliche Gastfreundschaft sind ohne Gleichen.
berg, Carina Rosenberg, Jack Paris, Judy Cheng Paris, Su-Lin
Das Department of Rare Books and Special Collections in
Nichols, Bill Nichols, Charlie Nichols, Will Nichols und vor al-
Princeton verfügt über bemerkenswerte Bestände zum Thema
lem meiner Partnerin Mai-Lin Cheng, deren Verdienste an die-
Chronologie. Ohne die Intelligenz, den Einfallsreichtum und
sem Projekt ich nicht aufzuzählen vermag. Ich widme dieses
die Großzügigkeit des hervorragenden Personals – Ben Primer,
Buch dem Gedenken an Amy Jean Kuntz.
Stephen Ferguson, Paul Needham, Donald Skemer und AnnaDaniel Rosenberg
Lee Pauls – wäre ein Großteil unserer Forschung nicht möglich gewesen; außerdem haben sie zahlreiche ausgezeichnete Fotografien für dieses Buch angefertigt. Unser Freund Robert Darnton, der ehemalige Direktor des
Zahlreiche Unterstützer, Freunde, Kolleginnen und Kollegen
Center for the Study of Books and Media in Princeton, ermög-
haben die Arbeit an Die Zeit in Karten nicht nur äußerst ange-
lichte es uns, eine frühe Version unserer Ergebnisse auf der
nehm, sondern überhaupt erst möglich gemacht. Mein herz-
Sondersitzung des works-in-progress Seminars zu präsentie-
licher Dank gilt der Andrew W. Mellon Foundation – und hier
ren. Die Anwesenden waren begeistert, steuerten zu dem ers-
vor allem Harriet Zuckerman, Joseph Meisel und William Bo-
ten Entwurf unseres Buches aber auch viel konstruktive Kri-
wen – für die weitsichtige und großzügige finanzielle Unter-
tik bei – die Chronologen, die im Folgenden vorgestellt werden
stützung. Die Mittel der Mellon Foundation und des Berliner
sollen, hätten diese Begebenheit sicherlich in Großbuchstaben
Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte schufen die
und mit roter Tinte festgehalten.
finanzielle Voraussetzung für einen Chronologie-Workshop in
Schlussendlich gilt mein Dank mehreren Forschern in al-
Berlin – die Initialzündung für dieses Projekt. Lorraine Daston,
ler Welt, die sich für die Kreativität und Eigenheiten der früh-
eine der Sponsorinnen und Organisatorin des Workshops, dan-
neuzeitlichen Gelehrten interessieren und deren Rat, kritischer
ke ich ganz herzlich für ihre Gastfreundschaft, für zahlreiche
Blick und wissenschaftliches Vorbild von entscheidender Be-
weitere Freundschaftsdienste im Laufe der Jahre und nicht zu-
deutung waren: Daniel Rosenberg (als primus inter pares, des-
letzt für ihre gelehrten und gründlichen Ratschläge. Eine wei-
sen Neugier, Leidenschaft und Wissbegier dafür sorgten, dass
tere finanzielle Unterstützung durch die Mellon Foundation er-
unsere gemeinsame Arbeit eine reine Freude war), Ann Blair,
möglichte es Daniel Rosenberg, das akademische Jahr 2006/07
Jed Buchwald, Max Engammare, Mordechai Feingold, Peter
in Princeton zu verbringen, und mir, einen Großteil jenes Jah-
Miller, Philipp Nothaft, Nick Popper, Ingrid Rowland, Wilhelm
res mit ihm zusammenzuarbeiten. Carol Rigolot, Cass Garner
Schmidt-Biggemann, Jeff Schwegman, Nancy Siraisi, Benja-
und Lin DeTitta vom Council of the Humanities sowie Barbara
min Steiner, Walter Stephens, Noel Swerdlow und dem kürz-
Leavey und Judy Hanson vom Department of History habe ich
lich verstorbenen Joseph Levine.
für das nicht ganz einfache praktische Arrangement unserer
Anthony Grafton
9
Kapitel 1:
Gedruckte Zeit
10
1. Gedruckte Zeit
[1] Kalender 1932 – 1970: Saul Steinberg, Untitled, 1970. Tusche, Collage und Farbsti auf Papier, 14½ × 23 Zoll, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University © The Saul Steinberg Foundation/Artists Rights Society (ARS), New York.
Wie sieht Geschichte aus?
es für gewöhnlich annimmt. Diesen Aspekt des Buches wer-
Kann man Zeit malen oder zeichnen?
den die Historiker unter uns sicherlich sofort zu schätzen wissen – schließlich benutzen wir alle in unseren Klassenzimmern
W
ährend historische Texte schon seit Langem Gegen-
und Seminarräumen ständig einfache Liniendiagramme, die wir
stand kritischer Analysen sind, hat man die formellen
in der Regel „Zeitleisten“ nennen. Und das funktioniert gut: Wir
und historischen Probleme der grafischen Darstellung von Zeit
selbst verstehen sie ebenso wie unsere Studenten, und mittels
weitgehend ignoriert. Das mag zunächst eher wenig bedeu-
Zeitleisten kann man ganz wunderbar einen analytischen Ge-
tend erschienen, ist es aber durchaus: Grafische Darstellungen
schichtswälzer in spannende Erzählungen verwandeln. Aber so
gehören schließlich zu unseren wichtigsten Werkzeugen, um
einfach und naheliegend das Konzept der Zeitleiste auch scheint,
Informationen zu organisieren [Abb.
1].1
Und doch wurde bis-
besitzt es eine ganz eigene Geschichte. Es ist nämlich mitnichten
lang nur wenig über Tabellen und Diagramme geschrieben, die
so, dass es die Zeitleisten schon immer gab und dass sie schon
historische Abläufe darstellen. Trotz der vielen hervorragen-
immer die Form hatten, mit der sie uns heute helfen, Vorträge
den Arbeiten, die in letzter Zeit zur Geschichte und Theorie
zu illustrieren – auch wenn uns diese Form geradezu intuitiv er-
der Kartografie veröffentlicht wurden, gibt es im Bereich der
scheint. Sie sind ein so vertrauter Bestandteil unseres geistigen
Zeitkarten (wie Eviatar Zerubavel sie genannt hat) kaum Ver-
Mobiliars, dass es uns mitunter schwerfällt, uns daran zu erin-
gleichbares.2
nern, dass sie überhaupt erst einmal entwickelt werden muss-
Dieses Buch soll dazu beitragen, diese Lücke nun
endlich zu schließen.
ten. Aber das wurden sie. Wie das geschah, ist eine Geschichte,
In vielerlei Hinsicht ist dieses Werk eine Reflexion über Li-
die es wert ist, erzählt zu werden. Denn sie hilft uns zu verste-
nien – gerade und gebogene, sich verzweigende und einander
hen, woher unsere heutigen Vorstellungen von Historizität rüh-
kreuzende, einfache und verschnörkelte, technische und künst-
ren, wie sie funktionieren und vor allem, wie sehr sie auf dem
lerische Linien. Sie sind die grundlegenden Elemente eines His-
Visuellen aufbauen. Auch in anderer Hinsicht ist diese Geschich-
torien-Diagramms. Wir behaupten allerdings, dass die Linie eine
te lohnenswert: Sie steckt voll unerwarteter Wendungen und
sehr viel komplexere und mannigfaltigere Form ist, als man
bemerkenswerter Figuren, die wir bald kennenlernen werden.
11
Die Zeit in Karten
Ein weiterer Grund für die Lücke in unserem historischen
die Chronologie mehr ist als eine rudimentäre Form der Ge-
und theoretischen Wissen rund um die Zeitleiste ist der rela-
schichtsschreibung, und das trotz ihrer ganz offensichtlichen
tiv niedrige Stellenwert, den wir der Chronologie innerhalb
kulturellen Bedeutung. Die traditionelle Darstellung der Ent-
der Wissenschaften in der Regel zusprechen. Zwar verwen-
stehung des modernen historischen Denkens beginnt bei den
den wir ständig Chronologien und könnten gar nicht ohne sie
Annalen, der bloßen Aufzählung von Fakten ohne nähere Be-
auskommen, doch zumeist sehen wir sie lediglich als eine Art
schreibung in mittelalterlichen Datumslisten, geht über die so-
Destillation komplexer historischer Begebenheiten und Kon-
genannten Chroniken, die bereits ausführlicher waren, aber
zepte. Chronologien funktionieren eben – das reicht den meis-
noch keine narrative Struktur aufwiesen, und endet bei den
ten Menschen. Wie wir in diesem Buch zeigen wollen, war das
komplett narrativen Formen der Geschichtsschreibung, die mit
jedoch beileibe nicht immer so: Von der klassischen Antike bis
der Moderne aufkamen.3 Demnach kann sich etwas nicht al-
zur Renaissance gehörte die Chronologie sogar zu den prestige-
lein deshalb als Geschichtsschreibung qualifizieren, wenn es
trächtigsten akademischen Disziplinen. In mancherlei Hinsicht
„sich mit tatsächlichen statt erfundenen Ereignissen beschäf-
zog man sie sogar dem Studium der Historie vor – die Historiker
tigt; und es reicht auch nicht aus, dass [dabei] Ereignisse in
beschäftigten sich mit Geschichten, die Chronologen mit Fak-
einem diskursiven Rahmen gemäß der zeitlichen Reihenfol-
ten. Darüber hinaus hatten die Fakten der Chronologie erheb-
ge [abgebildet werden], in der sie ursprünglich stattfanden.
liche Auswirkungen auf das Leben auch außerhalb des akade-
Man muss bei den Ereignissen aufzeigen, dass sie … über eine
mischen Geschehens. Für Christen war eine korrekte Chrono-
Struktur verfügen und sich nach ihrer Bedeutsamkeit ordnen
logie der Schlüssel zu Antworten auf zahlreiche Fragen – ganz
lassen; dass sie also mehr beinhalten als eine bloße zeitliche
praktische (wann feiern wir Ostern?), aber auch existenzielle
Abfolge.“4
(wann wird die Welt untergehen?).
Da man Chronologien innerhalb der Geschichtswissen-
Und doch ist es heute, so der Geschichtswissenschaft-
schaft lange Zeit lediglich als Darstellung solcher „bloßer zeit-
ler Hayden White, schwierig geworden, die Geschichtswis-
lichen Abfolgen“ betrachtete, beschäftigte man sich zumeist
senschaftler der westlichen Welt davon zu überzeugen, dass
nicht weiter mit ihnen. Doch wie White ganz richtig sagt, ist
12
1. Gedruckte Zeit
[2 – 3] Annalen von St. Gallen, Kloster St. Gallen, Schweiz, Mitte 11. Jahrhundert.
das Aufstellen einer kohärenten Chronologie samt visuel-
709. Harter Winter. Herzog Gottfried starb.
ler Darstellung alles andere als ein Kinderspiel. Wie ihre mo-
710. Schwieriges Jahr, Getreidemangel.
dernen Nachfolger auch waren die traditionellen Formen der
711.
Chronologie das Ergebnis sowohl historischer Routinearbeiten
712. Überall Flut.
als auch einer umfangreichen konzeptionellen Straffung. Die
713.
Chronologen sammelten und selektierten zahlreiche kleintei-
714 Hausmeier Pippin starb.
lige historische Informationen und organisierten sie in Form
715.
von Listen, die sie mit Daten versahen. Daher verraten uns die
716.
Chronologien einer bestimmten Epoche mitunter genauso viel
717.
über ihren Blick auf Vergangenheit und Zukunft wie ihre his-
718. Karl besiegte die Sachsen und brachte große Zerstörung.
torischen Erzählungen.
719.
Als Beispiel führt White die Annalen von St. Gallen an, eine
720. Karl kämpe gegen die Sachsen.
berühmte mittelalterliche Handschrift, die in chronologischer
721. Theudo vertrieb die Sarazenen aus Aquitanien.
Reihenfolge auflistet, was im 8., 9. und 10. Jahrhundert in den
722. Sehr gute Ernte.
fränkischen Königreichen geschah. Dabei steht in der linken
723.
Spalte die Jahreszahl, in der rechten die jeweiligen Ereignis-
724.
se [Abb. 2 – 3]. Dem modernen Betrachter erschienen Annalen
725. Die Sarazenen kamen zum ersten Mal.
wie diese hier zumeist fremd und altertümlich. Sie fangen ein-
730.
fach irgendwo an, hören scheinbar grundlos wieder auf und
731. Der gesegnete Bede, der Presbyter, starb.
werfen planlos die Kategorien durcheinander (genau wie die
732. Karl kämpe am Samstag in Poitiers gegen die
berühmte „chinesische Enzyklopädie“, die Jorge Luis Borges
Sarazenen.
einmal zusammengestellt hat). Hier als Beispiel der Abschnitt
733.
über die Jahre 709 – 734:
734.5
13
Die Zeit in Karten
Aus Sicht des Historiografen scheint hier eine ganze Menge
nicht etwa bestimmte Dinge tun, sondern in der den Menschen
Text zu fehlen. Zwar sind rudimentäre Elemente des Narrati-
diese Dinge widerfahren“.6 Insofern spiegelt die hier verwendete
ven vorhanden (der Text ist referentiell und bildet Temporalität
Form der Annalen ziemlich genau die Interessen und Visionen
ab), doch wir finden wenige bis gar keine Eigenschaften einer
ihrer Benutzer wider.
Geschichte vor, geschweige denn einer Geschichtsschreibung.
Ganz ähnliche Beobachtungen haben Forscher angestellt,
Diese Annalen unterscheiden nicht zwischen Naturereignissen
die sich mit der Geschichtsschreibung anderer Kulturen als der
und menschlichen Handlungen; sie bieten keinerlei Hinweise
westlichen Zivilisation beschäftigen. Hier ist vor allem der be-
auf Ursache und Wirkung; keiner der Einträge scheint wichti-
deutende indische Historiker Romila Thapar zu nennen. Tha-
ger zu sein als die anderen. Was die zeitliche Definition unter-
par betont seit Langem, dass Genealogien und Chroniken kei-
halb der Jahresschritte angeht, so sind die Verweise geradezu
neswegs primitive Vorformen der Historiografie darstellen, son-
kryptisch: Im Jahr 732 zum Beispiel kämpfte Karl, so erfahren
dern leistungsfähige und grafisch verdichtete Beschreibungen
wir, „am Samstag“ gegen die Sarazenen. Wir erfahren jedoch
und Interpretationen der Vergangenheit.7 Und seit ein paar
keinesfalls, an welchem Samstag. Und es gibt auch keine, den
Jahren legen Forscher, die sich mit dem vormodernen Europa
Jahren übergeordnete Definition irgendwelcher Zeiträume; die
beschäftigen, wie Roberto Bizzocchi, Christiane Klapisch-Zu-
Listen beginnen und enden so, wie die namenlosen Chronis-
ber und Rosamond McKitterick, ein verstärktes Augenmerk
ten es eben wollten. Das sollte uns indes nicht zu der Annahme
darauf, wie sich anspruchsvolle genealogische Grafiken – vor
verleiten, die St. Galler Handschriften besäßen keine sinnvolle
allem der Stammbaum – entwickelt haben und wie sie in der
Struktur: Das Gegenteil ist der Fall, wie White darlegt. Seiner
Geschichtsschreibung der vormodernen und modernen west-
Ansicht nach sind diese Annalen durch und durch vom Geist
lichen Welt eingesetzt wurden.8
des Mittelalters geprägt. Die Annalen von St. Gallen, so White,
Wenn man sich mit Chronologie (vor allem mit visueller
bieten ein anschauliches Bild einer von Mangel und Gewalt
Chronologie) beschäftigt, dann führt einen der Weg zunächst
geprägten Welt – einer Welt, in der die „Kräfte des Chaos“ im
zurück zur Linie – wir müssen zuallererst die Allgegenwart, Fle-
Zentrum aller Aufmerksamkeit stehen, „in der die Menschen
xibilität und Kraft der Linie verstehen lernen. Dort, wo es um
14
1. Gedruckte Zeit
Zeit geht, finden wir Linien praktisch überall, in Texten, Bildern
res Kontinuum … Kontinuität und Sequenzialität sind räumli-
und in Geräten. Manchmal fällt einem die Präsenz der Linie ge-
che Bilder, die sich stark am Schema der durchgezogenen Linie
radezu ins Auge, so in den Zeitleisten unserer Geschichtslehr-
oder Oberfläche orientieren; die Erfahrung von Gleichzeitigkeit
bücher. Es geht aber auch subtiler, so auf dem Ziffernblatt ei-
oder Diskontinuität wird durch das kontinuierlich aufeinander-
ner Uhr: Hier ziehen die Zeiger Linien durch den Raum – auch
folgende Erleben von Zeit kurzerhand in verschiedene räum-
wenn diese Linien rund sind, so sind es dennoch Linien. Der
liche Bilder verpackt.“11 Es kann durchaus sein, dass Mitchell
Linguist George Lakoff und der Philosoph Mark Johnson ha-
damit Recht hat. Aber diese Erkenntnis ist für uns erst der An-
ben darauf hingewiesen, dass die Metapher der Linie sogar bei
fang. Die Linie an sich ist so flexibel und auf so vielfältige Wei-
einer Digitaluhr funktioniert. Auch wenn man dort eigentlich
se konfigurierbar, dass sie bei der Darstellung von Zeit überall
keine Linien findet, so bilden die Linien dennoch eine „mittel-
auftauchen kann.
bare Metapher“: Um die Bedeutung der Zahlen zu verstehen,
In der Literatur- und in der Kunstgeschichte gibt es zahl-
stellt der Betrachter sie sich unwillkürlich als Punkte auf einer
reiche Beispiele für die komplexen Verflechtungen von Kon-
Linie vor.
9
zepten und Darstellungen der Zeit. Und wie im Falle der Di-
Unsere Vorstellung von Zeit ist kaum von der Metapher
gitaluhr tauchen dabei immer wieder Metaphern auf, die ihre
der Linie zu trennen. Glaubt man dem Literaturkritiker Wil-
Bedeutung aus einer anderen Quelle zu speisen scheinen, in
liam J. T. Mitchell, dann ist es „eine Tatsache, dass das Räum-
Wirklichkeit aber implizit auf die Linie verweisen. So bei einer
liche die Basis unserer Wahrnehmung von Zeit darstellt; wir
berühmten Shakespeare-Passage, in der Macbeth die Zeit mit
können ohne räumliche Begriffe einfach nicht über Zeit spre-
der Sprache vergleicht, die lediglich eine Aneinanderreihung
chen“.10
von eigentlich bedeutungslosen Elementen ist:
Mitchell behauptet, alle Begrifflichkeiten, die sich
auf die Zeit bezögen, seien „verunreinigt“ vom Räumlichen: „Wir sprechen von ‚langer‘ und ‚kurzer‘ Zeit, von ‚Intervallen‘
Morgen, und morgen, und dann wieder morgen,
(wörtlich: ‚Zwischenräumen‘), von ‚vor‘ und ‚nach‘ – all diese
Kriecht so mit kleinem Schritt von Tag zu Tag,
Metaphern implizieren eine Vorstellung der Zeit als ein linea-
Zur letzten Silb’ auf unserm Lebensblatt;
15
Die Zeit in Karten
[4] Die Parische Chronik ist die älteste erhaltene griechische Zeittafel; die-
(natürlich die Deukalische Flut, nicht die von Noah), für die Einführung der
ser Teil der auch Marmor Parium genannten Marmortafel befindet sich seit
Landwirtscha durch Demeter, für den Untergang von Troja und viele wei-
Ende des 17. Jahrhunderts in Oxford. Ein nicht weiter bekannter Autor hielt
tere Ereignisse, die nicht ganz so lange zurückliegen. Tabellen wie diese, die
darauf 264/63 v. Chr. die wichtigsten historischen Ereignisse seit der Inthro-
einen ähnlichen Zeitraum und ähnliche Themen behandelten, gehörten zu
nisierung des mythischen Königs Kekrops in Athen fest (laut Tafel im Jahr
den wichtigsten Quellen für Eusebius’ Darstellung der Geschichte des alten
1581/80 v. Chr.). Die Parische Chronik kennt die genauen Daten für die Sintflut
Griechenland.
Und alle unsre Gestern führten Narr’n
bildenden Kunst: Von den ältesten bildlichen Darstellungen
Den Pfad des stäub’gen Tods. – Aus! kleines Licht! –
bis hin zur zeitgenössischen Kunst dient die Linie als wichtigs-
Leben ist nur ein wandelnd Schattenbild;
tes Mittel zum Abbilden von Zeit. Und die Metapher der Linie
Ein armer Komödiant, der spreizt und knirscht
begegnet uns auch in ganz alltäglichen visuellen Darstellun-
Sein Stündchen auf der Bühn’, und dann nicht mehr
gen von Zeit, in Kalendern, Diagrammen und Grafiken aller
Vernommen wird: ein Märchen ist’s, erzählt
Art – nicht zuletzt in Stammbäumen, die die „Abstammungs-
Von einem Dummkopf, voller Klang und Wut,
linien“ einerseits visuell, andererseits als verbale Metapher
Das nichts bedeutet.
12
aufgreifen, um zeitliche Beziehungen abzubilden.14 Diese und ähnliche Beobachtungen können wir immer wieder anstellen,
Hierzu schreibt der Literaturkritiker J. Hillis Miller: „Für Mac-
wenn es um die verschiedenen Möglichkeiten geht, Geschich-
beth ist die Zeit nichts als eine Abfolge von Tagen, eine Linie,
te abzubilden.
die sich bis zum Tod erstreckt, so wie mehrere Silben hinter-
Die Zeitleiste scheint zu den Metaphern zu gehören, an de-
einander einen Satz bilden oder mehrere Sätze beispielsweise
nen wir einfach nicht vorbeikommen. Und doch ist sie in ih-
den Monolog eines Schauspielers auf der Bühne. Zeit existiert
rer aktuellen Form – mit einer Achse und in regelmäßigen Ab-
für Macbeth nur in der Form, wie sie aufgezeichnet wird. Es
ständen darauf eingezeichneten Daten – eine relativ neue Er-
ist eine verrückte, eine unsinnige Geschichte, eine inkohärente
findung. In diesem engeren Sinne verstanden, ist die Zeitleiste
Erzählung. Eine Erzählung, die aus zusammenhanglosen Ein-
nicht einmal 250 Jahre alt. Doch wie kann das sein? Welche
zelteilen besteht, wie eine Reihe von Silben, die nicht zusam-
Alternativen existierten vorher, und welche anderen Möglich-
menhängen, um Worte und Sätze zu
bilden.“13
Doch selbst für
Macbeth, für den Vergangenheit und Zukunft jegliche Bedeu-
keiten gibt es, eine historische Chronologie abzubilden? Darum soll es in diesem Buch gehen.
tung verloren haben, verläuft die Zeit linear, und jedes Men-
Von vorneherein sollten wir eines klarstellen: Es lag nicht
schenleben bildet einen genau messbaren Abschnitt dieser Zeit,
an irgendwelchen technischen Bedingungen, dass vorher nie-
quasi ein „Stündchen auf der Bühn“. Das Gleiche gilt in der
mand darauf kam, eine solche Zeitleiste zu entwickeln. Auch
16
1. Gedruckte Zeit
wenn technologische Fragen in unseren Ausführungen immer
chen ihre Olympischen Spiele, die Römer ihre Konsuln usw.
wieder auftauchen, so spielen sie doch nie die entscheidende
Die älteste erhaltene griechische Zeittafel ist eine Liste von
Rolle. Die grundsätzlichen Probleme hier sind vielmehr kon-
Herrschern, Ereignissen und Erfindungen, die 264/3 v. Chr. in
zeptioneller Natur. Ende des 18. Jahrhunderts, als die Zeitleiste
Marmor gehauen wurde [Abb. 4]; die aufwendigste römische
in Europa in Mode kam, verwendeten Drucker und Graveure
Zeittafel wurde zur Zeit von Augustus angefertigt und bestand
längst äußerst fortschrittliche Technologien; insbesondere die
aus Listen der Konsuln und Triumphe, zu bewundern auf dem
Methoden der geometrischen Darstellung und Projektion wa-
Forum Romanum. Lakoff und Johnson haben darauf hinge-
ren viel weiter entwickelt, als es für ein so simples Diagramm
wiesen, dass auch dort wieder überall die Linie auftaucht – als
notwendig gewesen wäre. Außerdem hatte man die visuelle
Gestaltungselement, aber auch als verbale Metapher. Und doch
Darstellung chronologischer Informationen im 18. Jahrhundert
hat die einfache Zeitleiste, die uns heute so selbstverständlich
längst als Problem identifiziert.
erscheint, in keiner dieser Kulturen mit all ihren verschiede-
Von der Antike bis zur Moderne hat jede Kultur ihre eige-
nen Darstellungsformen eine Rolle gespielt. Als Norm, als eine
nen Praktiken dafür entwickelt, die Ereignisse, die ihr beson-
Art idealer Standard dessen, wie wir uns vorstellen, dass Ge-
ders wichtig erschienen, herauszupicken und in Listen zu fas-
schichte aussieht, taucht die Zeitleiste tatsächlich erst in der Mo-
sen. Die Juden und Perser listeten ihre Könige auf, die Grie-
derne auf.
17
Die Zeit in Karten
[5 – 6] Diese Kopie der von Hieronymus adaptierten und ins Lateinische über-
bius die darin enthaltenen Chronologien in parallelen Spalten;
setzten Chronik des Eusebius gehört dem Merton College der University of
den Ausgangspunkt bildeten dabei der Patriarch Abraham und
Oxford; sie wurde Mitte des 5. Jahrhunderts in Italien in roter, grüner und
die Gründung von Assyrien. Eusebius’ Leser wurden so Seite
schwarzer Tinte transkribiert und umfasst 156 Blätter. Sie teilt sich einen Einband mit der Chronik des Marcellinus Comes.
um Seite Zeugen des Aufstiegs und Niedergangs von Imperien und Königreichen, bis sie alle – selbst das Königreich der Juden – unter die Herrschaft Roms gerieten, gerade rechtzeitig, dass die frohe Botschaft des Erlösers die gesamte Menschheit
Die Historiker des Altertums und des Mittelalters verwen-
erreichen konnte. Beim Vergleich der einzelnen Geschichten
deten ihre ganz eigenen Techniken, chronologische Informati-
und ihrer immer wiederkehrenden Muster konnte der Leser
onen festzuhalten [Abb. 5 – 6]. Ab dem 4. Jahrhundert war dies
erkennen, dass hier die Vorsehung am Werk war.
in Europa in den meisten Fällen die Tabelle. Auch wenn man
Als Eusebius seine übersichtlich gestaltete Chronik entwi-
in alten Chronologien viele verschiedene Darstellungsformen
ckelte, kam unter den Christen gerade der Kodex auf, das ge-
findet, so besaß die Tabelle unter den Gelehrten der damaligen
bundene Buch, und ersetzte die althergebrachte Schriftrolle.
Zeit in etwa die gleiche normative Kraft wie heute die Zeitleis-
Wie andere christliche Innovationen im Buchwesen spiegelten
te. Zum Teil geht die große Bedeutung, die der Tabelle ab dem
auch die parallelen Tabellen und die übersichtliche Ordnung
4. Jahrhundert zukam, auf den christlichen Gelehrten Eusebius
der in Jahre und Jahrzehnte eingeteilten Chronik den Wunsch
aus Rom zurück. Eusebius hatte bereits im 4. Jahrhundert eine
der frühen christlichen Gelehrten wider, die Bibel und ihre
recht fortschrittliche Tabellenstruktur entwickelt, die es ihm
wichtigsten Quellen zugänglicher zu machen; man brauchte
erlaubte, verschiedene Chronologien aus historischen Quellen
vor allem Referenzwerke, die sich zum schnellen Nachschlagen
aus allen Teilen der bekannten Welt zu organisieren und mit-
eigneten. Die Chronik wurde im Mittelalter oft gelesen, kopiert
einander in Einklang zu bringen. Um die Beziehungen zwi-
und vielfach nachgeahmt. Sie erfüllte ein Bedürfnis nach Präzi-
schen der jüdischen, heidnischen und christlichen Geschichts-
sion, das andere beliebte Darstellungsformen (wie der Stamm-
schreibung klar und deutlich darzustellen, verzeichnete Euse-
baum) einfach nicht befriedigen konnten.
18
1. Gedruckte Zeit
[7] Der Fall Trojas, Chronik des Eusebius, 15. Jahrhundert.
Eusebius’ chronografische Tabellen erwiesen sich als er-
In der Renaissance entwickelten Gelehrte neue Methoden
staunlich langlebig, und als sich die Humanisten des 15. und
der visuellen Organisation und passten althergebrachte For-
16. Jahrhunderts wieder dafür zu interessieren begannen,
men, die mitunter beinahe in Vergessenheit geraten waren, an
chronologische Intervalle festzulegen, gerieten diese Tabellen
das Format des gedruckten Buches an. Dennoch blieb Eusebi-
erneut ins Zentrum des allgemeinen Interesses [Abb. 7]. Moder-
us’ Chronik bis Mitte des 18. Jahrhunderts das maßgebliche Vor-
ne Eusebius-Ausgaben gehörten zu den ersten gedruckten Bü-
bild: eine ganz einfache Matrix mit den Namen der Königrei-
chern überhaupt, und man fand die Chronik damals im Bücher-
che am oberen Rand und Spalten mit Jahreszahlen links oder
regal aller ernstzunehmenden humanistischen
Gelehrten.15
Ves-
rechts. Diese visuelle Struktur eignete sich besonders gut für
pasiano da Bisticci, ein Buchhändler im Florenz des 15. Jahrhun-
die Belange der Renaissance-Gelehrten. Sie erleichterte das Or-
derts und zugleich ein brillanter Impresario der Buchprodukti-
ganisieren und Koordinieren chronologischer Daten aus ver-
on, brachte eine überarbeitete Fassung von Eusebius’ Werk auf
schiedenen Quellen. Man konnte nahezu jede Art von Daten in
den Markt, das unter Wissenschaftlern und auch ganz norma-
ihr unterbringen und sich dabei zugleich mit den Schwierigkei-
len Lesern zum Bestseller wurde. Humanisten wie Petrarca fas-
ten auseinandersetzen, die unvermeidlich auftraten, wenn man
zinierte die historische und kulturelle Distanz zu den von ihnen
die Historien verschiedener Kulturen, die ganz unterschiedli-
bewunderten antiken Autoren – und zu ihrer eigenen Nachwelt.
che Konzepte von Zeit besaßen, miteinander vereinigen wollte.
Petrarca verfasste Briefe an Cicero und Vergil, aber auch an sei-
Eine solche Struktur ließ sich leicht herstellen und korrigieren,
ne zukünftigen Leser. Dabei gab er stets das genaue Datum an
und sie erlaubte einen schnellen Zugriff auf ihre unterschied-
und wies darauf hin, wie viel Zeit ihn von seinen Adressaten
lichen Daten – ein Aspekt, den vor allem die Drucker noch er-
trennte: „Verfasst im Land der Lebenden; am rechten Ufer der
weiterten, indem sie Hilfsmittel wie alphabetische Indizes hin-
Etsch, in Verona, einer Stadt im transpadanischen Italien; am 16.
zufügten. Darüber hinaus diente sie weiterhin als detailliertes
Juni im Jahr jenes Gottes, den du nie kanntest, 1345.“ Bei der
Diagramm der „Zeit der Vorsehung“. Aus grafischer Sicht glich
Darstellung dieser chronologischen Distanzen orientierte er sich
sie einer chronologischen Wunderkammer, die die christliche
am antiken Vorbild Eusebius.16
Weltgeschichte in vielen kleinen Schubladen präsentierte.
19
Die Zeit in Karten
Abgesehen davon gab es auch zahlreiche Experimente. Ei-
nischen Fortschritte in der Erstellung von Karten hatten auch
nige waren grafischer Natur, so etwa der Versuch, alle wich-
große Auswirkungen auf Wissenschaft und Politik: Spätestens
tigen historischen Ereignisse nicht mehr in einer chronologi-
im 17. Jahrhundert wurde die Landkarte zum Schlüsselsym-
schen Liste zu verzeichnen, die von der Schöpfung oder von
bol nicht nur für die Macht der Monarchen, sondern für die
Abraham bis in die Gegenwart verlief, sondern in einem Kalen-
Macht des Wissens überhaupt. Die Kartografie war ein Sinn-
der, der vom 1. Januar bis zum 31. Dezember reichte und dabei
bild für die neuen angewandten Wissenschaften – komplex und
jeweils auflistete, was an einem bestimmten Tag früher einmal
präzise zugleich, vermittelte sie zudem einen ganz unmittelba-
geschehen war. Daneben gab es auch technische Experimente.
ren Realismus.
In der Antike und im Mittelalter akzeptierten die Chronologen
Mit der Chronologie verhielt es sich, was die Detailtreue
die alten Listen mit ihren Herrschern und Ereignissen so, wie
angeht, ganz ähnlich. Zu jener Zeit begannen Astronomen und
sie waren, und sie taten ihr Bestes, sie in ein großes Ganzes zu
Historiker wie Gerhard Mercator (den man heute wiederum
integrieren. In der Renaissance hingegen wurden die Histori-
vor allem als Kartografen kennt), datierte Aufzeichnungen an-
ker ehrgeiziger und auch kritischer. Lehrer und Theoretiker
tiker und mittelalterlicher Historiker über Himmelsereignisse
behaupteten immer wieder, dass Chronologie und Geografie
zu sammeln. Man verzeichnete Ereignisse fortan nicht mehr
die zwei „Augen der Geschichte“ seien: Quellen präziser, un-
nur danach, in welchem Jahr sie stattgefunden hatten, sondern
bestreitbarer Informationen, die Ordnung in das offensichtli-
orientierte sich nun auch an Mond- und Sonnenfinsternissen,
che Chaos der historischen Ereignisse zu bringen vermochten.
die man auf den Tag und die Stunde genau datieren konnte.
Gerade in der Geografie passte die visuelle Metapher ganz
So wurden die Chronologien zunehmend exakt und in einem
wunderbar. Mithilfe neuer Erkenntnisse über das Aussehen
neuen Sinne überprüfbar. Die neue Leidenschaft für Präzisi-
der Erdoberfläche brachten die Kartografen der Renaissance
on kam dabei auch in den Bemühungen zum Ausdruck, die
die antiken Karten des Ptolemaios aus dem 2. Jahrhundert auf
Zeit auf neue Art und Weise darzustellen. So erlebte die frühe
den neuesten Stand – vollständig mit Nord- und Südamerika,
Neuzeit ein paar bemerkenswerte, wenngleich oft nur kurzle-
dem Indischen Ozean und vielen anderen Details. Die tech-
bige Versuche, eine „grafische Geschichte“ zu entwerfen – von
20
1. Gedruckte Zeit
den lebhaften Darstellungen von Kriegen, Massakern und Auf-
mit diversen neuen Formen sahen Darstellungen der Zeit ir-
ständen, die Unternehmer und Künstler in Genf 1569/70 als
gendwie immer noch so aus wie die chronografischen Tabellen
eine zusammenhängende Reihe schufen, bis hin zu ausführ-
des vergangenen Jahrtausends.
lich illustrierten Geschichtsbänden und Reiseberichten, wie sie das Verlagshaus Theodor de Bry in Frankfurt
produzierte.17
Erst Mitte des 18. Jahrhunderts entstand eine neue ge-
Für
meinsame Bildsprache für chronografische Diagramme, und
viele Autoren jener Zeit, wie Walter Raleigh, war die zeitliche
dieses neue lineare Format war so schnell überall akzeptiert,
Dimension der Geschichte von großer Bedeutung. Alexander
dass man sich binnen Jahrzehnten kaum noch daran erin-
Ross formulierte dies 1652 in seiner Fortsetzung von Raleighs
nern konnte, dass man jemals etwas anderes verwendet hatte.
History of the World folgendermaßen: „Zwar ist die Geschichte
Wie sich herausstellte, bestand die große Herausforderung der
der Körper, doch die Chronologie ist die Seele des historischen
Chronografie nämlich gerade nicht darin, immer komplexere
Wissens; denn Geschichte ohne Chronologie, also ohne Bezie-
visuelle Schemata zu entwickeln – das hatten die zahlreichen
hung zur Vergangenheit, ohne Erwähnung der Zeit, in der sie
Möchtegern-Innovatoren des 17. Jahrhunderts zu Genüge aus-
sich ereignet hat, ist wie eine unförmige Masse oder ein Em-
probiert. Vielmehr ging es darum, die Dinge zu vereinfachen
bryo ohne Ausdruck, wie ein Kadaver ohne
Leben.“18
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts brachten technologische Fortschritte im Druckwesen weitere Innovationen auf den
und ein simples visuelles Schema zu schaffen, das dennoch die Gleichförmigkeit und Unumkehrbarkeit der historischen Zeit unmissverständlich und klar zu kommunizieren vermochte.
Weg, und neue Techniken in der Gravur ermöglichten noch
Zu den wichtigsten Ereignissen jener Zeit gehörte die Veröf-
größere und detailliertere Buchillustrationen. Manche Chro-
fentlichung des Chart of Biography von dem englischen Wissen-
nologen bedienten sich in einzelnen Details bei den Kartogra-
schaftler und Theologen Joseph Priestley im Jahr 1765 [Abb. 8].
fen, was zu schönen Ergebnissen führte. Letztendlich blieb die
Was die grundlegende Technik betrifft, bot Priestleys Diagramm
direkte Anwendung der geografischen Metapher auf das Ge-
wenig Neues. Es handelte sich um ein einfaches Feld mit Jah-
biet der Chronologie aber unbefriedigend. Trotz enormer Fort-
reszahlen am oberen und unteren Rand. Die einzelnen Jahr-
schritte bei den Forschungsmethoden und vieler Experimente
zehnte waren mit Punkten markiert, ein wenig wie auf einem
21
Die Zeit in Karten
22
1. Gedruckte Zeit
[8] Dieses kleine Diagramm, nach dem Vorbild seines bahnbrechenden Chart of Biography (1765) gestaltet, erschien in Joseph Priestleys The History and Present State of Discoveries Relating to Vision, Light, and Colours (1772). Der Leser sieht auf einen Blick, wann welcher Wissenschaler lebte, und erhält einen Überblick über die Forschung auf dem Gebiet der Optik seit dem Jahr 1000.
Lineal. In der Mitte des Diagramms zeigten horizontale Linien
gelmäßige Weise und bildet Handlungen, die wiederum ihre
die Lebenszeit berühmter historischer Persönlichkeiten an: Le-
eigenen Nebenhandlungen haben. Die Matrix hatte den Vor-
ben und Tod einer Person waren durch Anfang und Ende der
teil gehabt, dass sie es dem Betrachter erleichterte, die vielen
jeweiligen Markierung definiert. Dieses Chart of Biography war
Kreuzwege und Schnittpunkte der Geschichte nachzuvollzie-
auffallend einfach gehalten, sollte sich aber dennoch (bzw. ge-
hen. Die neue Form der Zeitleiste hingegen betonte vor allem
rade deshalb) als Wendepunkt in der Geschichte der Chrono-
die übergreifenden Muster und das big picture. In mancherlei
logie
erweisen.19
Hinsicht erwies sich dies durchaus als Vorteil, aber eben nicht
Nach den unzähligen Experimenten der vergangenen Jahr-
in jeder. Und Priestley gestand sich das als Erster ein. Für ihn
hunderte war es das erste chronografische Diagramm, dem
war die Zeitleiste eine „ausgezeichnete mechanische Hilfe, um
eine vollständige eigene Bildsprache mit einer durchdachten
Kenntnis von der Geschichte zu erlangen“ – ein Abbild der Ge-
Theorie zugrunde lag. Und es war das erste, das erfolgreich
schichte an sich war sie nicht.20
mit der herkömmlichen, regelmäßigen Chronologie konkur-
Priestley war nicht der einzige Schriftsteller des 18. Jahr-
rieren konnte. Außerdem passte es perfekt in die Zeit: Priest-
hunderts, der sich über die Einschränkungen Gedanken mach-
leys Diagramm bot nicht nur eine wirksame Darstellung von
te, die die Linien-Metapher mit sich brachte. Im selben Jahr
Daten, sondern auch ein intuitives visuelles Analogon zu neu-
wie Priestleys Chart of Biography und dessen Fortsetzung, A New
en Konzepten des geschichtlichen Fortschritts, die im Laufe des
Chart of History, erschien eine bemerkenswerte Satire auf das li-
18. Jahrhunderts immer beliebter geworden waren. In Priest-
neare Erzählen: The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentle-
leys Diagramm kommunizierten historisches Denken und eine
man des Romanciers Laurence Sterne war vollgepackt mit Dia-
neue Form des grafischen Ausdrucks miteinander, und beide
grammen, die Tristram Shandys Lebensgeschichte kartierten
hatten einander eine ganze Menge zu bieten. Doch Priestley
[Abb. 9]. Wie Priestley verstand auch Sterne die lineare Dar-
sah darin auch ein Problem: Geschichte ist nämlich nicht line-
stellung der Zeit als ebenso komplexe wie künstliche Konstruk-
ar. Sie bewegt sich vor und zurück, lässt einen Vergleiche an-
tion. Laurence Sterne jedoch war der Ansicht, dass dabei die
stellen und Kontraste erkennen; sie verzweigt sich auf unre-
Probleme schwerer wogen als die Vorteile. Er schreibt:
23
Die Zeit in Karten
[9] Laurence Sterne veröffentlichte seinen berühmten satirischen Roman The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman in neun Bänden in den 1760er Jahren – im selben Jahrzehnt erschienen auch Joseph Priestleys große historische Zeitleisten. Eigentlich soll der Roman die Autobiografie seiner Hauptfigur, Tristram Shandy, sein, doch diesem gelingt es einfach nicht, seine Geschichte zu erzählen, ohne abzuschweifen. Wie Priestley interessierte sich auch Sterne für die grafische Darstellung von Zeit: Innerhalb des Romans bietet Tristram dem Leser eine ganze Reihe Diagramme, die die narrativen Muster der ersten vier Bände seiner Geschichte abbilden.
Möglichkeit dar, Geschichte zu visualisieren. Ebenso veränderte sie grundlegend die Art und Weise, wie man über Geschichte sprach. Dennoch starben andere visuelle und verbale Metaphern und Darstellungsmechanismen nicht etwa aus: Während Wenn ein Geschichtsschreiber seine Geschichte so vorwärts trei-
die Zeitleiste im 19. Jahrhundert zahlreiche neue Anwendungs-
ben könnte, wie ein Maulthiertreiber sein Maulthier – näm-
bereiche fand, kam es gleichzeitig zu einer Renaissance anderer
lich in gerader Richtung – zum Beispiel von Rom gerade nach
chronografischer Formen, die mit der linearen Bildsprache seit
Loretto, ohne einmal den Kopf zur Seite zu drehen, weder zur
Jahrhunderten interagiert und auch konkurriert hatten. Wäh-
Rechten noch zur Linken –, so könnte er es allerdings wagen,
rend des Mittelalters und der frühen Neuzeit hatte beispiels-
Ihnen bis auf die Stunde hin vorauszusagen, wann er mit
weise das Standbild, von dem Nebukadnezar im 2. Buch Dani-
seiner Reise zu Ende kommen werde – aber das ist, moralisch
el träumt und von dem Daniel erklärt, es stelle die vier großen
gesprochen, unmöglich; denn wenn er auch noch so wenig
Reiche dar, die nacheinander die Welt regieren würden, im-
Geist besitzt, wird er mit dieser oder jener Gesellschaft fünfzig
mer wieder als Vorlage für die Darstellung der Weltgeschichte
Abstecher von der geraden Linie machen, die er durchaus nicht
gedient. Im Zuge der religiösen Revival-Bewegungen des 18.
vermeiden kann. Es werden sich ihm beständig Anblicke und
und 19. Jahrhunderts wurden Abbildungen von Nebukadne-
Ausblicke bieten, die sein Auge in Anspruch nehmen, so daß
zars Standbild schließlich wieder sehr populär. Und doch hat-
er es nicht wird vermeiden können, stille zu stehen, und sie zu
te sich dabei etwas geändert: Um ihre Allegorien zu verdeutli-
betrachten.
21
chen und ihnen Präzision zu verleihen, verwendeten die Visionäre des 19. Jahrhunderts nunmehr Zeitleisten. Sie wurden zu
Trotz all ihrer Unterschiede verweist Sternes Werk genau wie
Experten im Verschieben der visuellen Codes, übertrugen die
das von Priestley auf den technischen Einfallsreichtum und
schmucklosen Linien von Priestley und seinen Nachahmern
den immensen Arbeitsaufwand, den es brauchte, die Theo-
auf die lebhafteren bildlichen Darstellungen der apokalypti-
rie der linearen Zeit zu stützen. Die Zeitleiste stellte eine neue
schen Traditionen – und umgekehrt.
24
1. Gedruckte Zeit
Mitte des 19. Jahrhunderts entstand auch in der Chronografie eine stark positivistische Tendenz, insbesondere in Bereichen, in denen man neue technische Geräte verwendete, um bedeutende historische Ereignisse zu erfassen und zu dokumentieren. Mit der Entwicklung von Fotografie, Film und anderen bildgebenden Verfahren im 19. und 20. Jahrhundert wurde es möglich, die zeitliche Sequenz bestimmter Phänomene festzuhalten. Immer präzisere Instrumente und Methoden kamen auf, mit denen man besonders schnell, aber auch besonders langsam ablaufende Ereignisse verzeichnen konnte – den einen Pol bildeten u. a. die chronofotografischen Apparate von Étienne-Jules Marey und Eadweard Muybridge, den anderen die von Andrew Ellicott Douglass entwickelte Jahresringanalyse [Abb. 10]. Dadurch entstanden neue Möglichkeiten, sich mit der Vergangenheit zu befassen, und man war von der Möglichkeit überzeugt, historische Ereignisse nicht nur
[10] Querschnitt eines riesigen Mammutbaums im American Museum of Na-
aufzeichnen, sondern tatsächlich auf objektive Weise abbilden
tural History in New York City, fotografiert in den 1950er Jahren. Als der Baum
zu können.
1891 in Kalifornien gefällt wurde, war er knapp 100 Meter hoch, sein Umfang
Doch während die Zeitleiste immer mehr zur Konvention wurde, warf ihre Weiterentwicklung auch neue Fragen auf. Bisweilen wurde eine ideale Zeitleiste mit so vielen Details an-
betrug 27 Meter. Dieser Querschnitt zeigt 1342 Jahresringe, was den Baum auf Mitte des 6. Jahrhunderts datiert. Heute hat man die Ringe in 100-Jahres-Abständen markiert und bemerkenswerte historische Ereignisse darauf gekennzeichnet, u. a. die Erfindung des Linsenfernrohrs durch Galileo (1600), die
gereichert, dass das Ergebnis nahezu absurd war. Jacques Bar-
Gründung des Yale College (1700) und die Machtergreifung Napoleons in Frank-
beu-Dubourgs Chronologie universelle von 1753 war eine über
reich (1800).
25
Die Zeit in Karten
[11] In den 1860er Jahren entwickelte der französische Ingenieur Charles
und Verluste der Armeen von Hannibal bei der Überquerung der Alpen im
Joseph Minard eine Reihe neuer und einflussreicher Infografik-Techniken. Zu
Zweiten Punischen Krieg und von Napoleon bei seinem Russlandfeldzug.
seinen bekanntesten Schaubildern aus dieser Zeit gehört die Carte figurative
Das rötliche Band in den Diagrammen zeigt die Stärke der Armee – in beiden
des pertes successives en hommes de l‘armée française dans la campagne de
Diagrammen steht ein Millimeter für 10 000 Soldaten. Die Grafik zu Napoleon
Russie 1812 – 1813 comparées à celle d‘Hannibal durant la 2ème Guerre Punique
zeigt zudem die jeweilige Temperatur an.
von 1869. Diese zwei zusammen veröffentlichten Diagramme zeigen Größe
26
1. Gedruckte Zeit
16 Meter lange Schriftrolle, die komplett mit Aufbewahrungs-
[12] In Charles Renouviers Diagramm von 1876 stehen die Großbuchstaben
box ausgeliefert wurde. Spätere Versuche, die Zeitleiste wei-
für tatsächliche, die Kleinbuchstaben für hypothetische historische Ereignisse.
ter zuentwickeln, wie Charles Joseph Minards berühmtes Diagramm Carte figurative des pertes successives en hommes de l’armée française dans la campagne de Russie 1812 – 1813 („Bildliche Karte
[Utopie in der Geschichte]: Ein Überblick über die Entwicklung
der fortlaufenden Verluste an Soldaten der Französischen Ar-
der europäischen Zivilisation, nicht, wie sie war, sondern wie
mee im Russlandfeldzug 1812 – 1813“) von 1869, resultierten
sie hätte sein können“) von 1876 mit seinen Verzweigungen,
oftmals in einem Ergebnis, das zwar hübsch anzuschauen war,
die nicht nur den tatsächlichen Verlauf der Geschichte, son-
aber das Konzept der geraden Linie letztlich ad absurdum führ-
dern auch davon abweichende Alternativen darstellen: Was,
te [Abb. 11]. Die optische Klarheit von Minards Diagramm ist
wenn andere historische Entscheidungen gefällt, andere Maß-
geradezu paradigmatisch – genau wie die pathosgeladene sym-
nahmen ergriffen worden wären [Abb. 12]? Andere Philoso-
bolische Darstellung der Armee, die sich durch den russischen
phen nahmen eine noch kritischere Position ein – gegen Ende
Winter kämpft. Gleichzeitig markiert Minards Diagramm an-
des 19. Jahrhunderts beklagte der französische Philosoph Henri
hand von Farbe, Winkeln und Form die zentrale Bedeutung
Bergson sogar die Metapher der Zeitleiste an sich als ein trüge-
des Konzepts der Umkehr im Denken und Erzählen von Ge-
risches Götzenbild.22
schichte. Minards Diagramm ist vielleicht ein wenig akkura-
Das Nachdenken über besonders lange Zeiträume führte
ter als Priestleys – nicht etwa weil es mehr oder bessere his-
mitunter zu besonders kuriosen Ausprägungen, wie im Fal-
torische Daten aufarbeitet, sondern weil es uns die komplexe
le des britischen Philosophen und Science-Fiction-Autors Olaf
und mitunter paradoxe Art und Weise zu vermitteln vermag,
Stapledon, der seiner metahistorischen Parabel Last and First
in der Geschichte nun einmal funktioniert. Das Gleiche gilt für
Men von 1930 eine Chronologie der Zukunft zugrunde legte,
Charles Renouviers Diagramm in Uchronie (l’utopie dans l’histoi-
die mehrere Milliarden Jahre umfasst [Abb. 13].23 Stapledon
re): Esquisse historique apocryphe du développement de la civilisation
wusste, wie schwer es ist, sich die menschliche Geschichte über
européenne tel qu’il n’a pas été, tel qu’il aurait pu être („Uchronie
Milliarden Jahre vorzustellen; er wusste aber auch, dass seine
27
Die Zeit in Karten
[13] Zeitleiste im Manuskript des klassischen Science-Fiction-Romans Last and First Men: A Story of the Near and Far Future von Olaf Stapledon (1930). Stapledons Buch beschreibt die evolutionäre Geschichte der Menschheit über mehr als zwei Milliarden Jahre, mit 18 großen biologischen und kulturellen Revolutionen. Im veröffentlichten Roman findet sich eine ganze Reihe historisch-kosmologischer Zeitleisten in unterschiedlichen Maßstäben. Sie funktionieren so wie diese hier, die aus seinem Manuskript stammt: Die vertikalen schwarzen Linien stellen die Zeit dar; ganz links entspricht ein Zoll 400 Jahren, auf der zweiten Linie sind es 4000 Jahre – jede neue Linie umfasst die zehnfache Zahl an Jahren wie die vorherige, und die farbigen diagonalen Linien projizieren die eine Skala jeweils auf die nächste. Vertikale violette Streifen stehen für Epochen ohne menschliche Kultur, vertikale grüne Streifen kennzeichnen aufeinanderfolgende Menschenrassen. Special Collections and Archives, University of Liverpool Library. Mit freundlicher Genehmigung von John Stapledon.
[14] The Long Now Foundation, vergleichende Zeitskalen des Konzepts des long now, 1999.
Vision beinahe glaubhaft aussehen würde, wenn er sie auf eine Zeitleiste projizieren würde. So verwendete Stapledon die intuitive Form der Zeitleiste, um all das infrage zu stellen, was seine Leser als Maßstab historischen Erzählens als selbstverständlich anzusehen gewohnt waren. In den letzten Jahren haben sich vor allem Umweltschutzgruppen wie die Long Now Foundation auf effektive Weise ganz ähnlicher Kunstgriffe bedient [Abb. 14]. Auch die bildenden Künstler der vergangenen zwei Jahrhunderte – von Francis Picabia über On Kawara und J. J. Grandville bis hin zu Saul Steinberg – haben sich mit der grafischen Darstellung historischer Zeit und mit dem, was wir dort hineinlesen, beschäftigt (und sich manchmal auch darüber lustig gemacht). Ihre Werke deuten auf das hin, was sich im Bereich der chronografischen Darstellung verändert, aber auch
28
1. Gedruckte Zeit
auf das, was immer gleich bleibt – auf die Langlebigkeit der von Eusebius und Priestley entwickelten Formen und auf die konzeptionellen Schwierigkeiten, die sie uns bis heute bereiten. In Die Zeit in Karten wollen wir in aller gebotenen Kürze darlegen, wie die modernen Formen der visuellen Darstellung von Zeit entstanden sind und wie sie Einzug in unseren modernen Erfahrungsschatz gehalten haben. Daneben wollen wir uns ein wenig damit beschäftigen, wie die westliche Zivilisation Geschichte wahrnimmt; wir möchten die komplexen Wechselbeziehungen zwischen Konzepten und Darstellungsmodi beleuchten und die Leser in die grafische Darstellung historischer Zusammenhänge einführen.
29
Kapitel 2:
Tafeln der Zeit
30
2. Tafeln der Zeit
[1] Dieser Eintrag in der Chronik des Eusebius steht ganz im Zeichen des Untergangs von Troja.
D
ie Geschichte der Zeitleiste beginnt in der Antike. Griechi-
die sie von den griechischsprachigen Juden Alexandrias über-
sche und römische Gelehrte erstellten Listen von Pries-
nommen hatten, von der hebräischen Bibel der Juden in Pa-
tern, Olympiasiegern und Magistraten; einige dieser Listen
lästina abwich.
wurden in Stein gemeißelt, andere in Büchern registriert. Doch
Die Hexapla war ebenso berühmt wie umfangreich – sie füll-
erst der christliche Theologe Eusebius von Caesarea konzipierte
te 20 komplette Manuskriptbände. Hier zeigte sich das große
im 4. Jahrhundert mit seiner Chronik das Modell, an dem sich
Potenzial von Zeilen und Spalten; die früheren Schriftrollen
alle Zeitleisten der kommenden Jahrhunderte orientieren soll-
waren dafür viel weniger geeignet gewesen als die Kodizes, die
ten [Abb. 1]. Eusebius hatte sich vorgenommen, das Christen-
von den Christen favorisiert wurden. Das Kodex-Format bot
tum in der Weltgeschichte, wie sie in jüdischen und christli-
Eusebius wie seinerzeit Origenes die Möglichkeit, komplexe
chen Schriften überliefert war, zu verorten. Zugleich wollte er
Informationen auf ganz neue und einfache Weise zu verarbei-
es in einen zeitlichen Zusammenhang mit der Historie mehre-
ten. Und so konnte man nun in 19 parallelen Spalten Aufstieg
rer anderer Nationen bringen, die in der Geschichte des alten
und Niedergang der alten Assyrer, Ägypter oder Perser mitver-
Israel und der modernen Kirche einen wichtigen Platz einnah-
folgen – aber auch den der Griechen und Römer, die noch im-
men und die alle ihre eigenen Aufzeichnungen und chronolo-
mer die Welt regierten.
gischen Konventionen besaßen.
Eusebius koordinierte die Historien dieser Völker und zeigte
Eusebius las die Bibel auf Griechisch. Er kannte und be-
beispielsweise auf, dass der griechische Philosoph Thales und der
nutzte die Hexapla, eine sechsspaltige mehrsprachige Ausga-
hebräische Prophet Jeremia nahezu Zeitgenossen gewesen wa-
be des Alten Testaments, die der christliche Gelehrte Origenes
ren.1 Wenn sich der Leser von oben nach unten und von links
im 3. Jahrhundert kompiliert hatte. Neben dem hebräischen
nach rechts durch die Tabellen arbeitete, konnte er genau fest-
Original bot diese Bibel in den anderen Spalten eine griechi-
stellen, welche Ereignisse aus der Bibel mit bestimmten Ereig-
sche Transliteration sowie vier verschiedene griechische Über-
nissen der griechischen und ägyptischen Antike zusammenfie-
setzungen, die sich alle Wort für Wort vergleichen ließen. So
len. Die Leser der Spätantike, die mit illustrierten Texten aller
konnten Origenes’ Leser feststellen, wo ihre griechische Bibel,
Art – vom Heldenepos bis hin zum mathematischen Kompendi-
31
Die Zeit in Karten
[2] Jerusalem fällt, und Rom vereint die Welt. Von dieser Seite der Chronik an gibt es nur noch ein Reich.
als lediglich eine gut lesbare Übersicht geschichtlicher Daten: Sie war eine dynamische Hieroglyphe der Geschichte der Vorsehung. Im 5. Jahrhundert wurde die Chronik von Hieronymus ins Lateinische übersetzt und überarbeitet. Sie wurde in der Spätantike und im Mittelalter vielfach kopiert und erfuhr zahlreiche Fortsetzungen und Nachahmungen [Abb. 2]. Immer wieder brachten Gelehrte den Inhalt der Chronik auf den neuesten Stand, während die Schreiber ihr Format anpassten. Den Floum – vertraut waren, erkannten schnell, dass Eusebius’ Tabel-
rentiner Humanisten Matteo Palmieri aus dem 15. Jahrhundert
le etwas ganz Neues und Einzigartiges war. Im 6. Jahrhundert
kennt man heute vor allem aufgrund seiner Abhandlung über
beschrieb der römische Gelehrte Cassiodor die Chronik als „Ab-
die Pflichten der Bürger. Zu seinen Lebzeiten jedoch machte
bild der Geschichte“, als Genre, das Form und Inhalt, Gestal-
er sich mit Ergänzungen zur Chronik einen Namen. Der be-
tung und Wissensvermittlung auf ganz neue Weise miteinander
rühmte Buchhändler Vespasiano da Bisticci erinnerte sich: „Er
kombinierte.2
nahm dort die Arbeit auf, wo Hieronymus und Prosper sie be-
Die wichtigste Lehre, die der Betrachter aus Eusebius’ Dar-
endet hatten, und ergänzte de temporibus des Eusebius, indem
stellung der Geschichte ziehen konnte, lautete: Im Laufe der
er auf Latein Ereignisse aus mehr als tausend Jahren hinzufüg-
Zeit waren die vielen verschiedenen Reiche, die die einzelnen
te. Ganz offensichtlich bereitete es ihm bei seinen Forschungen
Teile der Welt regiert hatten, verschwunden, und die Histori-
große Mühe, wiederzugeben, was in jenen Epochen geschah,
en dieser Völker waren schließlich allesamt in der römischen
deren Schriftsteller uns heute unbekannt sind. Sowohl er als
Geschichte aufgegangen – Rom hatte die Welt geeint, und zwar
auch sein Werk wurden berühmt. Er ließ zahlreiche Kopien
gerade rechtzeitig, dass sich der Messias mit seiner Botschaft
davon anfertigen, so dass es in allen Teilen der Welt zu finden
an alle Völker wenden konnte. Die Chronik war mithin mehr
war.“3
32
2. Tafeln der Zeit
[3 – 5] Drei verschiedene Versionen von Eusebius’ Chronik: Jean de Mouveaux, der die zweite im Jahr 1512 herausgab, schlachtete das Register der ersten aus; dessen anonymen Schöpfer rächte später Mouveaux’ Verleger, Estienne, als er das ursprüngliche Register in einer Ausgabe von 1518 wieder mit abdruckte, dafür aber das Gedicht fortließ, in dem Mouveaux es als seine eigene Innovation ausgegeben hatte.
Im 15. und 16. Jahrhundert sorgten die Drucker für eini-
Einträge des Ratdoltschen Registers in alphabetische Reihen-
ge zusätzliche Besonderheiten, die die früheren Handschriften
folge und verfasste seinerseits ein Gedicht, um die Nachwelt
hatten vermissen lassen. In der Titelei der ersten gedruckten
wissen zu lassen, dass diese Innovation auf ihn zurückging. Das
Ausgabe von Eusebius’ Werk prahlte der Mailänder Verleger
klappte indes nur bedingt: Sechs Jahre später, als Estienne die
Boninus Mombritius, kein Schreiber könne ein solch kom-
Ausgabe mit Mouveaux’ Register nachdruckte, sparte er dessen
plexes und umfangreiches Werk per Hand so exakt kopieren,
Namen kurzerhand aus. So große Datenbanken wie die Chronik
dass tatsächlich alle Tabellen stimmten und sich alle Könige
riefen immer wieder Menschen wie Mouveaux auf den Plan,
an ihrem jeweiligen Platz befänden. Erhard Ratdolt, der seine
die wir heute vielleicht Content Provider nennen würden – ano-
Ausgabe in Venedig im Jahr 1483 druckte, verwendete eine
nyme oder doch zumindest kaum bekannte Personen, die den-
bahnbrechende Neuheit: ein Register. Erst die einheitliche Pa-
noch bei der Neustrukturierung und Erweiterung solcher Texte
ginierung der gedruckten Bücher machte es möglich, ein sol-
eine wichtige Rolle spielten.
ches Register zu erstellen. Um es mit den Worten eines Ge-
Mouveaux stellte sich außerdem in die Tradition der mittel-
dichtes zu sagen, das der Korrektor verfasste, der dieses Re-
alterlichen Chronisten und Schriftgelehrten, die die Chronik je-
gister erstellte:
weils auf den neuesten Stand gebracht hatten, und fügte einen gedruckten Anhang hinzu, der beispielsweise Neuigkeiten wie
Damit du nicht hilflos dies Buch durchstreifst
die Entdeckung der Neuen Welt beinhaltete [Abb. 3 – 5]. Doch
Auf der Suche nach einem bestimmten Ereignis,
genau wie seine Vorgänger machte er sich nicht die Mühe, in seinem neuen Material die vielen Staatengebilde, die in den
Haben wir ein Register erstellt. Schau dort einfach nach, Damit die Seite, die du suchst, dir nicht verborgen bleibe.
4
Jahrhunderten zuvor entstanden waren, adäquat abzubilden. Anstatt mit neuen parallelen Spalten zu beginnen, fasste er
Im Jahr 1512 beauftragte der Pariser Verleger Robert Estienne
die Geschichte der modernen Königreiche und Städte in einer
einen seiner Korrektoren, Jehan de Mouveaux, mit einer noch
einzigen Sequenz zusammen und baute diese dann auch noch
ansprechender gestalteten Neuauflage. Mouveaux brachte die
in die frühere Geschichte des Römischen Reiches ein. Um die
33
Die Zeit in Karten
[6 – 7] Das Ende von Matteo Palmieris (15. Jahrhundert) und der Anfang von Jean de Mouveaux’ Ergänzungsband (1512) zu Eusebius’ Werk: Beide gehen (wie Eusebius) davon aus, dass die Römer die Welt in einem einzigen Reich vereint haben – und das, obwohl Palmieri in der Toskana lebte, einer Region, die zwischen verschiedenen mittelalterlichen Stadtstaaten aufgeteilt war, und Mouveaux im stolzen, unabhängigen Königreich Frankreich.
Schreiber konnten Herrscherlisten und Beschreibungen von Ereignissen auf einer Seite ganz frei anordnen – die Drucker dramatischen Ereignisse darzustellen, die er hinzufügte – vom
hingegen waren gezwungen, horizontale und vertikale Lini-
Tod einzelner Gelehrter über den Aufstieg und Fall von Pro-
en zu verwenden, die jede Seite in kleine Kästchen aufteilten.
pheten bis hin zu Kriegen und Invasionen –, verwendete Mou-
Das half wenig, die Zusammenhänge zwischen bestimmten Er-
veaux keine der visuellen Konventionen der Chronik. Lediglich
eignissen aufzuzeigen – im Gegenteil, die Informationen wur-
neu hinzugekommene Päpste und Kaiser wurden in roter Far-
den auseinandergerissen und zerstückelt. So viele verschiedene
be gedruckt.
Ausgaben der Chronik es auch gab: Ihre späteren Redakteure
Nicht alle Neuerungen funktionierten gleich gut [Abb.
trugen kaum dazu bei, sie visuell interessanter oder benutzer-
6 – 10]. Zeit auf Papier abzubilden stellte nach wie vor in vie-
freundlicher zu machen. Doch ganz ohne Verdienst waren sie
lerlei Hinsicht eine Herausforderung dar – für die Drucker nicht
nicht: Immerhin machten sie zahlreiche Leser mit dem Format
weniger als für die Schriftgelehrten, die für Eusebius gearbeitet
der parallelen Spalten vertraut.
hatten. Und nicht immer fanden sie kreative Lösungen für die
Weitaus vielschichtigere und lebendigere Bilder der Vergan-
anstehenden Probleme. Natürlich hatte die Chronik durch den
genheit fand man inzwischen in Chroniken, die nach der Erfin-
Druck gewonnen, aber sie sah auch mechanischer aus und war
dung des Buchdrucks konzipiert wurden; zu nennen sind hier
schwerer zu lesen als ihre handgeschriebenen Vorgänger. Die
vor allem der Bestseller Fasciculus temporum („Bündelchen von
34
2. Tafeln der Zeit
[8 – 10] Jean de Mouveaux’ Addendum enthielt zahlreiche, ganz unterschiedliche Berichte: Da ist von Kreuzen die Rede, die vom Himmel herunter und auf die Kleidungsstücke der Leute fallen, von der Ankun von Menschen auf der „neuen Insel“ jenseits des Atlantiks, von der Invasion der Franzosen in Italien 1494 und von Savonarolas Hinrichtung in Florenz vier Jahre später.
Daten“) des Kartäusermönchs Werner Rolevinck von 1474 und die reich illustrierte Schedelsche Weltchronik, die der Nürnberger Humanist Hartmann Schedel 1493 auf den Markt brachte. Wie bereits Eusebius’ Leser wussten auch Schedel und Rolevinck, dass „Universalgeschichten von Anfang an ein visuelles Unterfangen darstellten“.5 Sie verwendeten diverse grafische Hilfsmittel, alte wie neue, um dem Lauf der Geschichte ein Gesicht zu geben. Das Fasciculus temporum ist eine 50 Seiten lange lineare Tabelle, die von der Schöpfung bis zur Gegenwart reichte und dem Leser so einen Überblick über die gesamte Weltgeschichte bot: eine übersichtliche Form der visuellen Präsentation, die einerseits zur Wahrung der Erinnerung und andererseits als Anlass für religiöse Überlegungen dienen konnte [Abb. 11]. Rolevinck verwendete ein System koordinierter Kreise, um biblische, antike und moderne Herrscher und Autoren im Verlauf der Geschichte zu verorten – das System war dermaßen kom-
35
Die Zeit in Karten
pliziert, dass der erste Drucker, der sich damit auseinanderset-
nis durchaus beeindruckend: Eine hübsch gestaltete, kraftvol-
zen musste, so überfordert war, dass er einen komplett unver-
le horizontale Zeitleiste von der Schöpfung bis zur Gegenwart
ständlichen Text produzierte; spätere Drucker fühlten sich ge-
zieht sich durch das Werk. Um sie herum finden sich übersicht-
nötigt, eigens die Anmerkung hinzuzufügen, sie hätten sich an
liche, aufeinander abgestimmte Kreise mit Namen und Auszü-
das Manuskript des Autors gehalten. Dennoch war das Ergeb-
gen aus historischen Texten, die das Ganze mit Leben füllen.6
36
2. Tafeln der Zeit
[11] Werner Rolevincks Fasciculus temporum aus dem 15. Jahrhundert.
Ganz anders Schedel: Er porträtierte seine vielen hundert
und sogar nett anzusehende, Comicstrip-artige Bilder von wü-
Akteure buchstäblich als Früchte zahlreicher aufwändiger
tenden Kannibalen und wilden Männern mit Hundsköpfen,
Stammbäume [Abb. 12 – 13]. Zur Illustration seines Werkes ver-
über die man seit der Antike berichtete, es gäbe sie in Indien.
wendete er eine ptolemäische Weltkarte, zudem ganz erstaun-
Auch wenn sein Buch hinsichtlich Übersichtlichkeit und Ge-
liche perspektivische Darstellungen alter und moderner Städte
nauigkeit nicht an das von Rolevinck heranreichte, bot es doch
37
Die Zeit in Karten
38
2. Tafeln der Zeit
[12 – 13] Die zentrale visuelle Metapher in den frühen Abschnitten der Schedelschen Weltchronik war ein Baum, an dem Hartmann Schedel Bilder der jüdischen Patriarchen, der Herrscher von Griechenland und Rom und vieler weiterer Potentaten anbrachte. Diese Seite zeigt die Nachkommen von Noahs Sohn Japhet. Schedel lebte in einer Welt, in der es von Berichten über seltsame, sogar monströse Völker im Osten nur so wimmelte – viele davon gingen auf altgriechische Quellen zurück. Auch für diese Völker fand er Platz, jedoch nicht an dem Teil des Baums, der auf Adam zurückging, da die Bibel ihnen in ihrer Genealogie keinen Platz einräumte.
39
Die Zeit in Karten
[14 – 18] Peter von Poitiers’ beeindruckende Schrirolle vom Ende des 12. Jahrhunderts zeigt die Genealogie des Heilands, den man ganz oben über einem großen siebenarmigen Leuchter sehen kann, flankiert von erläuternden Texten.
weitaus detailliertere Darstellungen der Vergangenheit – in Bild und Text. Zwar konzipierten Rolevinck und Schedel ihre Werke bereits im Hinblick darauf, dass sie gedruckt werden würden, doch bedienten sich beide immer noch der gestalterischen Elemente der mittelalterlichen Handschriften [Abb. 14 – 18]. Seit Eusebius hatten Wissenschaftler und Schriftgelehrte zahlreiche neue Hilfsmittel entwickelt. Ende des 12. Jahrhunderts hatte der Pariser Pädagoge Peter von Poitiers für seine Schüler eine lebhaft kolorierte visuelle Geschichte des Alten Testaments kreiert, bei der ein System aus Linien und Kreisen die zeitlichen und genealogischen Beziehungen zwischen den hebräischen Patriarchen und Königen verdeutlichten. Peter von Poitiers ließ seine Kopien nicht als normale Kodizes anfertigen, sondern als stattliche Pergamentrollen, die teilweise mehr als drei Meter lang waren und sich besonders zur Verwendung in Klassenzimmern eigneten.7 Mit seinen Illustrationen der Arche Noah, des Turms zu Babel oder der Stadt Ninive knüpfte der Fasciculus temporum zwar an die früheren Weltchroniken und Bibelkommentare an [Abb. 19], doch zugleich verschmolz Rolevinck diese Form mit Peter von Poitiers’ System: Er drehte das Hochformat um 90 Grad und teilte die zuvor durchlaufende Linie in einzelne Stücke, wie sie
2. Tafeln der Zeit
[19] Dieses Bild von den ersten Seiten des Fasciculus temporum mit der Arche Noah samt Regenbogen zeigt sehr schön, wie elegant Werner Rolevincks Layout ist.
41
Die Zeit in Karten
42
2. Tafeln der Zeit
[20 – 21] Ganz anders als Peter von Poitiers’ Werk ist das Manuskript Princeton MS 57 (Mitte des 13. Jahrhunderts) komplett weltlich: ein visuell eher sparsam umgesetztes, aber dennoch elegantes Verzeichnis der englischen Geschichte von Alfred dem Großen (871 – 899) bis Heinrich III. (1216 – 1272). Darin finden sich 23 Kreise mit Porträts englischer Könige nebst einer Reihe von Texten. Die Nähte zeigen, dass man für eine solche Schrirolle mehrere Tierhäute benötigte (in diesem Fall drei). Während Peter von Poitiers seine Arbeit als Unterrichtshilfe konzipierte, könnte diese Rolle im Saal eines Adligen gehangen haben.
dem normalen Seitenumbruch eines Kodex entsprachen. Dann
ren, und so wurde aus dem Stammbaum ein Skelett der aris-
fügte er, in Anlehnung an Eusebius, Textbausteine hinzu – so
tokratischen Gesellschaft, das mannigfaltige Stränge enthüllte,
konnten seine Leser einzelne Passagen aus der Bibel und den
die einander wieder und wieder kreuzten und den regionalen
Geschichtsschreibern, die bislang in einer Art chronologischem
Adel zu immer stärker integrierten Konglomeraten familiärer
Vakuum geschwebt hatten, ganz direkt zeitlich verorten.
Beziehungen machten.“9 Immerhin gibt es aber auch ein paar
Im Mittelalter waren ganz unterschiedliche Versionen der biblischen Genealogie aufgekommen; besonders hervorzuhe-
Schriftrollen mit Stammbäumen, die durchaus übersichtlich und hübsch anzuschauen sind.
ben sind hier Darstellungen der sogenannten Wurzel Jesse,
Schedel griff das Konzept des Stammbaums auf, auch wenn
des Stammbaums von Jesus in Anlehnung an Jesaja 11: 1 – 3
er seine „Bäume“ in unregelmäßige Segmente zerhacken muss-
[Abb. 20 – 21]. Zur selben Zeit begannen Adelsfamilien damit,
te, um sie seinem Seitenformat anzupassen. Dadurch gelang es
ihre eigene Familiengeschichte in Form vertikaler „Abstam-
ihm aber, die Geschichte anhand der einzelnen Generationen
mungslinien“ zu strukturieren und sich dadurch selbst der
von Patriarchen und Königen darzustellen, statt mit einer ein-
Reinheit ihrer Blutsabstammung zu vergewissern. Diese Kon-
fachen Zeitleiste [Abb. 22 – 29]. Daneben griff Schedel sogar noch
vention wurde schon bald von Gelehrten übernommen, die
weiter zurückliegende biblische und chronologische Konventio-
diese Konstrukte in ihren Schriftrollen aufzeichneten. In An-
nen auf, die er ins Format seiner Genealogie mit einfließen ließ.
lehnung an die biblischen Darstellungen verwendeten sie da-
In seiner Weltchronik illustrierte er die Schöpfungsgeschichte mit
bei oft das Bild des Baums, an dessen Zweigen die einzelnen
sieben markanten Tafeln. Bereits die mittelalterlichen Pariser
Generationen einer Familie hingen, eben wie Früchte an ei-
Buchmaler hatten die sieben Tage der Schöpfung mit eleganten
nem echten
Baum.8
Diese Gebilde wurden schnell sehr kom-
Miniaturen illustriert; Schedel vereinfachte, vergrößerte und
plex, teilweise sogar geradezu chaotisch: „Im 12. Jahrhundert
dramatisierte diese Bilder auf eine Art und Weise, in der sich
wurden die Genealogien immer umfangreicher, wurden in alle
sein Verständnis der Ästhetik gedruckter Bücher widerspiegelte.
Richtungen erweitert, immer mehr Details kamen hinzu, im-
Sowohl Rolevinck als auch Schedel entwickelten für Pro-
mer neue Söhne, Töchter und bislang nicht erwähnte Vorfah-
bleme, mit denen sich Chronologen seit Jahrhunderten kon-
43
Die Zeit in Karten
[22 – 28] Hartmann Schedel, die Tage der Schöpfung aus der Schedelschen Weltchronik von 1493.
44
2. Tafeln der Zeit
45
Die Zeit in Karten
[29] Das bebilderte Band, das in dieser Pariser Bibel aus dem 12. Jahrhundert den Anfang des 1. Buchs Mose schmückt, zeigt den zeitlichen Ablauf der Schöpfung – detaillierter, aber weniger dramatisch als bei Schedel.
[30] Die Zerstörung von Sodom und Gomorra, aus Rolevincks Fasciculus temporum („Bündelchen von Daten“). Ein Leser hat Kommentare auf diesen Seiten hinterlassen – offenbar wollte er Rolevincks Daten neu berechnen. Die Zerstörung der beiden biblischen Städte ließ er indes unkommentiert.
46
2. Tafeln der Zeit
[31] Rolevinck war nicht der einzige Chronologe, der versuchte, eine Weltchronik in Form eines genealogischen Kodexes zu erstellen. Die anonyme Chronicarum et historiarum epitome („Auszug aus Chroniken und Geschichten“) von 1475 hatte nahezu dasselbe Ziel. Bei Rolevinck laufen horizontale Streifen nahtlos von Seite zu Seite; der Urheber der Chronicarum et historiarum epitome verwendete stattdessen vertikale Zeitleisten und fügte Buchstaben hinzu, anhand derer der Leser beim Blättern die Übersicht behalten und die zusammengehörigen genealogischen Ketten identifizieren konnte.
rüber und darunter“ – eine Doppelachse.10 Dann berechnete er die Daten, die die Abstände dieser Achse kennzeichneten und hielt sie in zwei linearen Reihen fest: Die obere zählte von der Schöpfung aus vorwärts (traditionell bezeichnet als AM, „Jahre der Welt“), die untere Zeile zählte rückwärts ab der Geburt Christi (heute würden wir sagen: die Jahre v. Chr.). Kritische Leser könnten, wie Rolevinck erklärte, das zweite, das neuere System verwenden, um die verschiedenen alten Chronologien miteinander zu vergleichen. Viele folgten seinem Rat und notierten ihre Berechnungen beim Lesen im Text. Sein Werk sei frontiert sahen, ausgeklügelte grafische Lösungen [Abb. 30 – 31].
so übersichtlich, wie Rolevinck erklärte, dass es ein jedermann
Schon Eusebius hatte gewusst, dass sich die hebräische und die
zugängliches „Bild der Geschichte“ biete – eines, das noch be-
griechische Fassung der Bibel in einem wichtigen Punkt grund-
nutzerfreundlicher sei als die Chronik: „Die Methode ist sehr
legend voneinander unterschieden, nämlich was den zeitlichen
einfach und selbst dem rohen bäuerlichen Geist gegenüber so
Abstand zwischen Schöpfung und Sintflut betraf – die eine gab
wohlgesonnen, dass man sie an eine Wand zeichnen könnte.“11
dafür 1656 Jahre an, die andere 2256 Jahre. Seine ganz prag-
Schedel lebte in Nürnberg, damals eine bedeutende Han-
matische Lösung war, die früheste Periode der Geschichte, von
delsstadt und einer der wichtigsten europäischen Knoten-
der das 1. Buch Mose berichtet, in seiner Chronik kurzerhand
punkte. Er wusste, dass seine Leser Geschichte inzwischen auf
wegzulassen. Rolevinck borgte sich von den Weltchroniken des
ganz neue Art und Weise und mithilfe neuer Medien erlebten
13. Jahrhunderts eine etwas elegantere Methode, um dem Di-
[Abb. 32 – 35]. Die Schedelsche Weltchronik war ein textlastiger
lemma zu begegnen: In der horizontalen Mitte einer jeden Sei-
Wälzer mit unzähligen kurzen Beschreibungen von Ereig-
te platzierte er, so seine eigenen Worte, „Kreise mit den richti-
nissen, die jeweils mit einer Illustration versehen waren. In
gen Namen der Personen für jedes Datum und zwei Linien da-
Aussehen und Inhalt imitierten seine Vignetten die populä-
47
Die Zeit in Karten
[32 – 35] Diese Bilder weiter hinten in der Schedelschen Weltchronik dramatisieren die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit so, wie es die Leser von den Flugblättern her gewohnt waren, mit denen man in der frühen Neuzeit Nachrichten von einer Stadt in die andere brachte. Hier zeigen Schedel und seine Illustratoren eine nackte Hexe, die sich mit dem Teufel ein Pferd teilt (es ist die älteste Abbildung dieser Art, die wir kennen); gottlose Männer und Frauen, die in einem Fluss ertrinken; die Tötung eines christlichen Jungen in Trient im Jahr 1474 – angeblich durch Juden, die man später so lange folterte, bis sie die Tat gestanden; sowie die Sekte des Paukers von Niklashausen im Jahr 1476, zu diesem Zeitpunkt noch ein beliebter Prophet. So tritt bereits in Schedels Zeitleiste das schreckliche Potenzial moderner Medien zutage, mittels Bildern Hass und Abscheu zu schüren.
ren Flugblätter, durch die Schedels Leser – wie auch Schedel
Eusebius war sich bewusst darüber, dass die Kopisten ihre
selbst – mit aktuellen Nachrichten versorgt wurden, sei es über
Mühe haben würden, seine Chronik abzuschreiben; er fügte di-
die Eroberung Konstantinopels, über die Sichtung eines Kome-
verse Anweisungen ein, in der Hoffnung, dass die Schreiber zu-
Monstren.12 (Schedel
mindest versuchen würden, ihr Bestes zu geben [Abb. 36 – 38].
betonte diese Ähnlichkeit noch, indem er nach der Chronik er-
Chronologen wie Rolevinck und Schedel erwarteten von de-
ten oder über die Geburt irgendwelcher
13)
schienene Flugblätter in sein eigenes Buch einfügte.
Während die früheren Teile der Schedelschen Weltchronik
nen, die ihre Bücher reproduzierten, ungleich mehr, wie Rolevinck selbst bekannte:
noch dem gemessenen Tempo traditioneller Weltgeschichten folgten, stellen die späteren Teile, die mit packenden Darstel-
Es kostete mich viel harte Arbeit, den Verlauf der assyrischen
lungen versehen waren (von einer nackten umherfliegenden
und römischen Geschichte den verschiedenen Quellen zu ent-
Hexe über Juden, die ein christliches Kind ermorden, bis hin
nehmen. Daher bitte ich jeden, der dieses Werk vervielfältigt,
zu den grausigen Ereignissen, die das biblische Buch der Offen-
genau auf die Räume zu achten und auf die Zahlen, die sich
barung ankündigt), die Geschichte als unförmige kaleidosko-
auf jene beziehen, und sie nicht größer oder kleiner zu machen
pische Masse aus Orten und Ereignissen dar, die auf ihr Ende
als im Vorbild. Ansonsten ist seine Arbeit unnütz.14
zurast. Schedel dachte sogar daran, seinen Lesern zwischen ihrer eigenen Zeit und der Apokalypse ein paar leere Seiten zu
Schedel ergriff noch stärkere Vorsichtsmaßnahmen. Er erstellte
gönnen, die sie selbst füllen konnten – was viele auch taten. So
Seite für Seite und Bild für Bild ein Musterlayout seiner Welt-
wurde aber zugleich deutlich, dass er davon ausging, der Welt-
chronik, und der Vertrag mit seinem Verleger, Anton Kober-
untergang lasse nicht mehr allzu lange auf sich warten. Euse-
ger, sah strikte Bedingungen für eine Zusammenarbeit vor: So
bius hatte seine Leser noch gewarnt, der Mensch könne nicht
mussten alle an der Produktion Beteiligten in ein und demsel-
wissen, wann die Zeit begonnen habe und wann sie enden
ben Raum von Kobergers Druckerei arbeiten.15
würde. Schedel wies in seinem Werk beidem, dem Anfang und dem Ende der Zeit, einen festen Platz zu.
48
Chronologen mussten die miteinander konkurrierenden Ansprüche wissenschaftlicher Redlichkeit gegeneinander ab-
2. Tafeln der Zeit
49
Die Zeit in Karten
[36 – 38] Gerade einmal drei leere Blätter gewährte Schedel seinen Lesern, um dort eigenhändig alles einzutragen, was sich zwischen der Veröffentlichung der Chronik 1493 und dem Jüngsten Gericht ereignen würde. Darauf folgten Holzschnitte, die die Offenbarung des Johannes illustrierten und dem Betrachter vor Augen führten, was ihnen bevorstand. Diese Visionen bilden den dramatischen Höhepunkt der rasant-anschaulichen letzten Abschnitte der Schedelschen Weltchronik.
wägen, und so sah sich auch Rolevinck gezwungen zuzugeben,
nigen Rolevinck-Ausgaben geradezu blass erscheinen. Für ein
dass er nicht in der Lage war, eine einzige, absolute und gültige
paar Probleme fand man indes noch keine Lösung: zum Bei-
Chronologie der Weltgeschichte zu definieren, die die biblische
spiel wie man Städte abbilden konnte, von denen keine Zeich-
Geschichte beinhaltete und eine kontinuierliche Zeitleiste von
nungen oder Holzschnitte vorlagen – neben den detaillierten
der Schöpfung bis zur Gegenwart bot. Sie standen vor der Auf-
und aktuellen Ansichten einiger Städte verwendeten Role-
gabe, ein Seitendesign zu entwickeln, das zugleich kleinteilige
vinck und Schedel daher für zahlreiche andere Städte kurzer-
Listen beispielsweise mit Namen und Daten von Herrschern
hand Standardbilder. Und weder Rolevinck noch Schedel fan-
enthielt sowie große Blöcke erzählender Texte. Sie hofften au-
den eine Möglichkeit, Genealogien, in denen die Zeit aus einer
ßerdem, ihre Informationen besser zugänglich zu machen, als
unregelmäßigen Abfolge menschlicher Generationen zu beste-
es den früheren Schriftgelehrten gelungen war. Mit einigen ih-
hen scheint, auf befriedigende Weise mit der Chronologie zu
rer Neuerungen, wie dem Register, gelang ihnen das, mit ande-
kombinieren, in der sich die Zeit regelmäßig und einheitlich
ren, wie dem typografischen Raster, das den Eusebius schwerer
anhand simpler Zahlen darstellen lässt. Insofern blieb noch viel
lesbar machte, wiederum nicht.
Raum für neue Ideen und Formen.
Vor allem aber ging es den Chronologen darum, ein ver-
Im 16. und 17. Jahrhundert wurde die Ausarbeitung solcher
nünftiges Maß an Präzision zu erreichen und zugleich die Ver-
Zeittafeln immer komplizierter – Eusebius und selbst Rolevinck
gangenheit so lebendig wie möglich zu machen. Technische
hätten sich kaum träumen lassen, wie anspruchsvoll diese Auf-
Neuerungen wie Paginierung und Register halfen dem Leser
gabe einmal werden würde. In den 1540er Jahren verfügten
dabei, sich in der Flut detaillierter Informationen zurechtzu-
die europäischen Gelehrten über ein nie gekanntes Volumen
finden. Die Zusammenarbeit zwischen Autoren, Künstlern und
an neuen Informationen aus Bereichen wie der Geschichts-
Druckern löste weitere Probleme und führte dazu, dass sich bei
schreibung, Paläografie, Numismatik, Astronomie und vielen
Schedel ausgezeichnete ganzseitige Ansichten von Städten wie
anderen mehr. Und diese Informationen blieben mitnichten
Köln, Venedig, Rom oder Nürnberg finden, neben denen die
auf die europäisch-christlichen Traditionen beschränkt: In der
lebhaften, im Vergleich aber eher winzigen Stadtbilder in ei-
zweiten Hälfte des 16. und den ersten Jahren des 17. Jahrhun-
50
2. Tafeln der Zeit
51
Die Zeit in Karten
derts tauchten Herrscherlisten aus fernen Ländern wie Ägyp-
gen war das Studium der Chronologie nämlich vor allem vom
ten, Persien, Amerika und China auf. Einige dieser Listen ver-
Wunsch bestimmt, das genaue Datum der Apokalypse zu be-
zeichneten Dynastien aus einer Zeit, die vor dem in der Bibel
rechnen (solche Leute gibt es heute noch). Andere hielten es
genannten Datum der Schöpfung lag – eine Tatsache, die Intel-
mit dem auferstandenen Jesus, der zu seinen Jüngern sprach:
lektuelle wie den englischen Dramatiker Christopher Marlowe
„Es gebührt euch nicht, zu wissen Zeit oder Stunde, welche der
und den italienischen Philosophen Giordano Bruno dazu ver-
Vater seiner Macht vorbehalten hat“ (Apostelgeschichte 1: 7).
anlasste, sich komplett von der biblischen Chronologie abzu-
Für sie war das Ende aller Zeiten keine kollektive, schreckliche
wenden. Weniger radikale Chronologen grübelten endlos da-
Erfahrung, sondern etwas, das jedem Menschen in seinem Le-
rüber, wie sie die neuen Erkenntnisse mit dem vereinbaren
ben einmal begegnete.
könnten, was im 1. Buch Mose geschrieben
stand.16
Annius von Viterbo, seines Zeichens nicht nur dominikani-
Um so unterschiedliche Quellen miteinander in Einklang zu
scher Theologe und Gelehrter, sondern zugleich auch ein Be-
bringen, musste man zugleich über ein breites Wissen verfü-
trüger, veröffentlichte im Jahr 1498 eine Reihe von 24 anti-
gen und ein geschickter Erfinder sein. In der Theorie bemüh-
ken Texten, die er mit umfangreichen Kommentaren versehen
ten sich die Chronologen wie eh und je um einen historischen
hatte [Abb. 39]. Zwar waren nicht alle Einträge seiner durch-
Rahmen, innerhalb dessen jede aufgezeichnete menschliche
aus originellen Chronologie frei erfunden, wohl aber die meis-
Tat und Leistung ihren Platz hatte. Die Chronologen der frü-
ten der Werke, von denen er behauptete, es handele sich um
hen Neuzeit versprachen ihren Lesern (wie bereits Eusebius)
die antiken Texte aus Ägypten, Chaldäa und Persien, die Eu-
eine Art historischen Stein von Rosetta – ein Werkzeug, das Lis-
sebius und andere antike Autoren zitiert hatten. Annius ver-
ten von Namen und Daten aus vielen verschiedenen Quellen
sah sein Buch mit strengen horizontal ausgerichteten genealo-
und Sprachen zu einer einzigen, kohärenten Version der Ver-
gischen Tabellen – ihrerseits ebenfalls eine reizvolle Mischung
gangenheit zusammenfügte.
aus Historie und Fantasie –, mithilfe derer seine Gönner, Papst
Wie dringend jemand ein solches Werk benötigte, hing
Alexander VI. aus der Familie Borgia und die katholischen Kö-
stark von der eschatologischen Haltung des Lesers ab – bei eini-
nige von Spanien, ihre Abstammung bis hin zu Isis und Osiris
52
2. Tafeln der Zeit
[39] Diese Genealogie verfolgt die Vorfahren der Europäer des 15. Jahrhunderts bis zurück zu Japhet, einem der drei Söhne Noahs. Annius von Viterbo erfand mythische Gründer der modernen Nationen und gab ihnen Namen, die sich an dem Namen des jeweiligen Volkes orientierten; so stammten die modernen Langobarden laut Annius von Longo und Bardus ab. Mit Hilfe solcher Methoden dichtete er den Herrschern seiner Zeit – nicht zuletzt seinen eigenen Gönnern, Papst Alexander VI. aus der Familie Borgia und den katholischen Königen von Spanien – ganz erstaunliche Stammbäume an (so stellte sich heraus, dass Papst Alexander von niemand Geringerem abstammte als vom ägyptischen Gott Osiris).
zurückverfolgen konnten. Auch die Vorfahren der Langobar-
Frankreich und Großbritannien abbildete. Wie Rolevinck fand
den, der Franzosen und der Briten fanden in seiner Vor- und
auch Phrygio, dass es im Querformat einfacher war, zwischen
Frühgeschichte
Platz.17
die Reihen mit den Namen der Herrscher Texte unterschiedli-
Eine Generation später sah sich der deutsche Gelehrte Si-
cher Länge unterzubringen. Anders als viele seiner Vorgänger
mon Grynaeus der Herausforderung gegenüber, eine kleine
und Nachfolger hatte die Wahl des Formats bei ihm aber auch
„Tabelle“ zu kompilieren, in der „Ursprünge, Wachstum und
eine programmatische Funktion: Er wollte damit klarstellen,
Ende aller Staaten“ nach Olympiaden organisiert waren. Da er
dass Rom die Welt nicht mehr regierte. Frankreich ist bei ihm
damit überfordert war, bat er einen Kollegen, den Pfarrer und
beispielsweise nicht etwa eine bloße Provinz des Römischen
Hebraisten Paulus Constantinus Phrygio, diese Aufgabe für ihn
Reiches, sondern ein unabhängiges Königreich mit eigener
zu übernehmen [Abb.
40 – 42].18
Phrygio willigte nicht nur ein,
Herrscherlinie. Phrygios Werk ist elegant, voller Energie und
sondern wandelte die Tabelle auch in ein komplettes Buch um.
beweist seine Bereitschaft, von der Konvention abzuweichen.
Phrygios Chronicum war ordentlicher und abstrakter als Role-
Leider wurden die übersichtliche Optik und Logik des Bu-
vincks oder Schedels Werk und präsentierte die Geschichte von
ches etwas von seinen inhaltlichen Fehlern gestört. Phrygio
der Sintflut bis zur Gegenwart in mehreren parallelen Herr-
erwarb sich das Vertrauen seiner Leser, indem er die Auto-
scherlinien. Wie bei Rolevinck und Annius verlief seine Zeit-
ren nannte, denen er seine Informationen verdankte – bei vie-
leiste horizontal und nicht vertikal; jeden Herrscher und jedes
len der betreffenden Texte handelte es sich jedoch um Annius’
Ereignis versah er außerdem mit einer Zahl, die die Jahre seit
Fälschungen. Obendrein machte seine Entscheidung, an der
der Sintflut angab. Wie Annius hob Phrygio dabei Ähnlichkei-
Zeitachse am oberen Rand der Seiten die Jahre ab der Schöp-
ten und Verbindungen zwischen Antike und Gegenwart her-
fung zu nennen, sein Werk für all diejenigen nutzlos, die sich
vor, doch er fand eine Möglichkeit, darin weitaus mehr Infor-
am griechischen Text des Alten Testaments orientierten; dabei
mationen zu integrieren. Weiter hinten fügte er neue Spalten
hatte Rolevinck längst vorgemacht, wie sich dieses Problem lö-
hinzu, mit denen er die Entstehung und Entwicklung des Hei-
sen ließ. Immerhin zeigt der Fall Phrygio, welche ausgeklügel-
ligen Römischen Reiches, des Papsttums und der Königreiche
ten visuellen Neuerungen sich Autoren und Drucker einfallen
53
Die Zeit in Karten
[40 – 42] Dieses äußerst ansprechend gestaltete Buch von 1534 stammt von
vorzubringen, die so alt wurden, dass sie selbst Kinder zeugen
Paulus Constantinus Phrygio, der darin die Geschichte der Menschheit anhand
konnten, musste die schlichte Aufrechterhaltung einer Erbfol-
einer horizontalen Linie darstellt. Obwohl Phrygios Werk sehr schön die Vor-
ge als arcanum imperii, als Schlüssel zum politischen und fa-
wärtsbewegung der Geschichte darstellt, macht die relativ schwache Achse am oberen Rand der Seite, die die Jahre angibt, es dem Leser schwer, die tatsächlichen Daten der Ereignisse nachzuvollziehen. Selbst Wendepunkte wie die Kreuzigung und der Fall von Jerusalem, im ersten Bild zu sehen, sind nur
miliären Erfolg, gelten. Jede Dynastie legte Wert darauf, ihre Abstammung zur Schau zu stellen, von den Habsburgern bis zu den sächsischen Herrschern. Die Drucker verwendeten eine
schwerlich zu verorten. Gestaltungsfehler wie dieser könnten erklären, warum
ganze Reihe von Bildern – vom inzwischen traditionellen Baum
Phrygios Werk nicht nachgedruckt wurde; doch auch der Inhalt mag eine Rolle
bis hin zur lange Zeit als Gedächtnisstütze verwendeten offe-
gespielt haben: Seine Listen früher Dynastien hat er den frei erfundenen Tex-
nen Handfläche –, um es den Lesern zu erleichtern, diese für
ten von Annius von Viterbo entnommen, so dass besser informierte Gelehrte
die Nachfolgeplanung der Familien so lebenswichtigen Listen
seinem Buch mit berechtigter Skepsis begegneten.
zu lesen. Eines der bemerkenswertesten Exemplare war ein wandgroßer mehrteiliger Druck eines Triumphbogens, den Albrecht Dürer um 1516 für Maximilian I. entwarf. Er war gar
ließen, in der Hoffnung, die Chronologie der Weltgeschichte
nicht dafür gedacht, tatsächlich gebaut zu werden, doch auf
in einem einzigen, einprägsamen Format zusammenzufassen.
Papier bot er eine spektakuläre virtuelle Reise durch die Fami-
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erfüllte die Ge-
liengeschichte der Habsburger [Abb. 43 – 44].
nealogie auch andere Funktionen. Einige standen Annius in
Wie andere Fürsten der Renaissance pflegten auch die
ihrer fantasievollen Ausgestaltung in nichts nach – selbst an-
Habsburger voller Stolz das Studium ihres Stammbaums. Ei-
gesehene Gelehrte ließen sich dafür bezahlen, Edelleuten wis-
nige ganz zentrale Namen in ihren Abstammungslinien wa-
senschaftlich aussehende Stammbäume zu verkaufen, mit de-
ren derart umstritten, dass Maximilian seine gelehrten Höf-
nen diese ihre Vorfahren bis ins alte Rom oder nach Ägypten
linge Konrad Peutinger und Johannes Stabius alle Quellen
zurückverfolgen konnten.19 Im Heiligen Römischen Reich, wo
durchforsten ließ, die sie ausfindig machen konnten. Es galt
viele Fürsten Probleme damit hatten, männliche Erben her-
um jeden Preis zu beweisen, dass die Habsburger einer genauso
54
2. Tafeln der Zeit
55
Die Zeit in Karten
[43 – 44] Albrecht Dürers Stich eines Triumphbogens für Maximilian I. Lebhae Drucke wie diesen verwendete Maximilian mit Vorliebe, um die Genealogie seines Hauses und seinen Anspruch auf den Kaiserthron zu untermauern, stand beides in Wirklichkeit doch auf eher tönernen Füßen.
56
2. Tafeln der Zeit
57
Die Zeit in Karten
[45 – 47] Diese Genealogien – von Jesus und von den Herrschern Sachsens – sind Lorenz Fausts Anatomia statuae Danielis („Anatomie der Statue Daniels“) entnommen. Sie zeigen eindrucksvoll, dass viele mittelalterliche Konventionen auch im Zeitalter des Buchdrucks fortbestanden.
ehrwürdigen unabhängigen Linie abstammten wie die Könige Frankreichs oder die römischen Kaiser. Und das gelang ihnen auch: Sie verfolgten die Familiengeschichte der Habsburger zurück bis zum Frankenkönig Chlodwig und diejenige Chlodwigs wiederum zurück bis zu Hektor, dem Helden von Troja. Daneben tauchten eindeutige genealogische Verbindungen zwischen Maximilians Familie und den biblischen Patriarchen (vor allem Noah) auf, zu den griechischen Göttern Kronos und Zeus und – ganz im Sinne der Ägyptomanie, die damals groß in Mode war – dem Gott Osiris. Als Maximilian erfuhr, dass seine Gelehrten seinen Stammbaum bis zu Japhet rekonstruiert hatten, jenem Sohn Noahs, der dessen Genitalien entblößt hatte,
58
2. Tafeln der Zeit
gab er sich schockiert.20 Dennoch war ihr Vorgehen damals üb-
baum und eine Auflistung der wichtigsten sächsischen Herr-
lich und wurde als effektive Verwendung historischer Quellen
scher, deren Namen ganz übersichtlich auf den Fingern einer
aufgefasst. Der Triumphbogen zeigte jedem, der ihn betrachte-
Hand standen [Abb. 45 – 47].
te, dass Maximilian nicht nur ein großer Mann war, sondern
In den Händen anderer entwickelte sich die Genealogie
den (vorläufigen) Höhepunkt der Weltgeschichte verkörperte.
zu einer exakten, intensiv betriebenen Wissenschaft. Reiner
Viele Schriftsteller verwendeten Genealogien aber auch auf
Reineck, der in Helmstedt und andernorts Geschichte lehrte,
traditionellere Art und Weise. Seit Eusebius und Peter von Poi-
behauptete, die Genealogie „erleuchtet alle anderen Teile der
tiers hatten Chronologien und Stammbäume mindestens zwei
Geschichte, und ohne sie können jene im Grunde gar keine
Funktionen erfüllt: Sie versammelten wertvolle Informationen
Früchte tragen“. Denn, so Reineck: „Jeder kann erkennen, dass
und stellten sie in Form einprägsamer Grafiken zur Schau. Der
sich die Geschichte vor allem mit den Menschen beschäftigt, die
sächsische Gelehrte Lorenz Faust bot seinen Lesern die tradi-
etwas getan haben, und dass diese nach Familien getrennt be-
tionelle Wurzel Jesse, einen prachtvollen sächsischen Stamm-
trachtet werden müssen.“ Genau wie einzelne Staaten, so sei-
59
Die Zeit in Karten
[48] Für Reiner Reineck war die Genealogie der Schlüssel zum Verständnis der Vergangenheit. In seinem äußerst umfangreichen Werk Syntagma (Basel 1572 – 1574) stellte er die Weltgeschichte als lange Reihe von Stammbäumen dar – hier im Bild: der Stammbaum der Temeniden, der Gründer des Makedonischen Reiches.
ne Überzeugung, existierten alle Familien für eine gewisse Zeit,
ser Augustus verfasst worden war und von vielen Lesern der
während der sie von ganz bescheidenen Anfängen zu mäch-
Renaissance, von Petrarca bis Machiavelli, sehr geschätzt wur-
tigen Gebilden anwuchsen, nur um irgendwann wieder dem
de. Livius hatte für seine historische Datierung natürlich ledig-
Niedergang anheimzufallen und zu
verschwinden.21
Reinecks
lich die römische Zeitrechnung verwendet, was es den moder-
Chronologie enthielt Dutzende genealogische Grundgerüste
nen Lesern bislang erschwerte, seine Geschichte mit anderen
[Abb. 48]. In seiner Darstellung wurden diese tatsächlich zum
Berichten oder mit der Bibel in Einklang zu bringen. Glareanus
eigentlichen Kern der Geschichte. Dabei verzichtete er jedoch
jedoch machte deutlich, dass Rom fast zur gleichen Zeit gegrün-
auf die Baumgrafik, die Schedels Präsentation so ansprechend
det worden war, wie Salmanassar in Assyrien geherrscht hatte,
gemacht hatte und ihr eine gewisse visuelle Dramatik verlie-
und er zeigte, welche Ereignisse zur Zeit der Punischen Kriege
hen hatte. Für Reineck stand die Genealogie im Vordergrund,
ansonsten noch rund um das Mittelmeer stattgefunden hatten.
und diese brauchte keine Verzierung. Wieder andere, wie Eli-
Nachdem er sein Werk für spätere Ausgaben weiter ausgearbei-
as Reusner, Geschichtsprofessor an der Universität Jena, setz-
tet hatte, steckte es schließlich so voller Informationen, dass er
ten die Genealogie als polemische Waffe ein [Abb. 49]. Indem er
es unabhängig von Livius als tabellarische Chronologie Roms
die familiären Bande von Heinrich III., dem katholischen König
herausbrachte. Im Gegensatz dazu wandte der britische Mathe-
von Frankreich, und Heinrich von Navarra, dessen protestan-
matiker und Historiker Henry Savile das Eusebische Format an,
tischem Erben, als Äste ein- und desselben Baumstamms zeig-
um eine Epoche darzustellen, mit der sich bis dahin kein großer
te, machte er klar, dass diese gemeinsam ein Bollwerk bildeten,
Schriftsteller beschäftigt hatte: das frühe Mittelalter [Abb. 51].
das jedem denkbaren Angriff standhalten würde – sogar dem
Grafische Innovationen, aber auch wiederentdeckte ältere
des bösartigen katholischen Herzogs von Guise. Es gab auch
Hilfsmittel waren vor allem dort verbreitet, wo es um die Re-
Gelehrte, wie den Schweizer Heinrich Glareanus, die die ver-
ligion ging. Dem Pariser Priester und Hebräischprofessor Jean
gleichende Tabelle auf ganz neue Themenbereiche anwende-
Boulaese gelang es, eine einheitliche, umfassende Tabelle zu
ten [Abb. 50]. Glareanus entwickelte Chronologien für einzel-
konzipieren, wie sie für Grynaeus einfach noch zu komplex ge-
ne Texte – zunächst für Livius’ Geschichtswerk, das unter Kai-
wesen war [Abb. 52]. In den 1570er Jahren entwickelte er für
60
2. Tafeln der Zeit
[49] Elias Reusner,
[50] Für seine Ausgabe von
Genealogie als Chro-
Livius’ Geschichte Roms entwi-
nologie, Frankfurt
ckelte der Historiker und Musik-
1589.
theoretiker Heinrich Glareanus 1540 ein detailliertes Koordinatensystem nach dem Vorbild des Eusebius, das es den Lesern erlaubte, den Ereignissen anhand ihrer Daten zu folgen, ohne durcheinanderzukommen. Solche Chronologien entstanden für viele Autoren, u. a. für den Epiker Vergil.
[51] Für die Ausgabe seiner Sammlung mittelalterlicher Historiker Britanniens von 1601 erstellte der Gelehrte Henry Savile mit den technischen Mitteln der Weltchronologie eine Übersicht über die frühmittelalterlichen britischen Herrscher und Bischöfe.
61
Die Zeit in Karten
62
2. Tafeln der Zeit
[52] Diese geradezu überfüllte Tabelle wurde für Studenten der Universität von Paris gedruckt – die gleiche Zielgruppe, für die man 400 Jahre zuvor die Tabelle des Peter von Poitiers noch per Hand angefertigt hatte. Ende des 16. Jahrhunderts war die Masse an Völkern und Ereignissen, die eine Weltgeschichte abdecken musste, enorm angewachsen. Der katholische Polemiker Jean Boulaese, der dieses chronologische Diagramm für seine Studenten konzipierte, versuchte ein wenig Klarheit in die Datenfülle zu bringen, indem er die Geschichte der Kirche und die der weltlichen Königreiche parallel in zwei getrennten Feldern darstellte.
seine Studenten an der Universität von Paris eine Wandkarte,
sich die Geschichte, in der Nebukadnezar, dem König von Ba-
auf der die mit der Schöpfung beginnende biblische Geschich-
bylon, im Traum das Bild einer Statue erscheint. Der König be-
te von der weltlichen, mit der Sintflut als Ausgangspunkt, ge-
fiehlt Daniel, sie zu beschreiben und seinen Traum (und damit
trennt war. Die weltliche Geschichte unterteilte er in vier Epo-
die Statue) zu deuten:
chen und versöhnte sie so mit den Worten des biblischen Propheten Daniel, der vorausgesagt hatte, vier Reiche würden die
Des Bildes Haupt war von feinem Golde, seine Brust und Arme
Welt nacheinander regieren. Auch viele Protestanten glaubten
waren von Silber, sein Bauch und seine Lenden waren von Erz,
an dieses Schema des Katholiken Boulaese, gemäß dem sie im
seine Schenkel waren Eisen, seine Füße waren eines Teils Eisen
vierten (dem Römischen) Reich lebten, das bald enden werde
und eines Teils Ton. Solches sahst du, bis daß ein Stein herab-
(Boulaese war nicht nur Chronologe sondern auch Exorzist,
gerissen ward ohne Hände; der schlug das Bild an seine Füße,
und er erlebte zahlreiche Vorfälle, die ihm zu beweisen schie-
die Eisen und Ton waren, und zermalmte sie. Da wurden mit-
nen, dass das Ende
nahte22).
Dennoch erschwerten es die zahl-
einander zermalmt das Eisen, Ton, Erz, Silber und Gold und
losen Namen und Daten, die Boulaeses Bild bevölkerten, dem
wurden wie eine Spreu auf der Sommertenne, und der Wind
Betrachter, das Ganze als Abbild der Vorsehung wahrzuneh-
verwehte sie, daß man sie nirgends mehr finden konnte. Der
men. So suchten sich Protestanten, die diesen Lehren anhin-
Stein aber, der das Bild zerschlug, ward ein großer Berg, daß
gen, viel innovativere Vorbilder.
er die ganze Welt füllte.23
Wie viele prophetische Texte des 2. und 1. Jahrhunderts v. Chr. sollte der Text Daniels, der die baldige Zerstörung der
In dieser Vision vereinigten sich sehr schön zwei einander er-
heidnischen Reiche und das Ende der Knechtschaft der Juden
gänzende Schemata: die aus Persien stammende Sicht der Ge-
ankündigte, ursprünglich zuallererst eine Trostschrift für die
schichte als langwieriger Kampf zwischen Gut und Böse, der
Juden sein. Der biblische Text interpretierte die Vergangenheit
einst in einer großen Schlacht münden würde, und die von den
und sagte die Zukunft voraus, indem er beides als unmittelba-
alten Griechen herrührende Überzeugung, dass die Menschen
ren Ausdruck von Gottes Willen behandelte. Darunter findet
früher stärker und tugendhafter gewesen waren als ihre Nach-
63
Die Zeit in Karten
64
2. Tafeln der Zeit
[53] Der unbekannte Künstler, der 1585 Lorenz Fausts Anatomia statuae Danielis („Anatomie der Statue Daniels“) illustrierte, leistete ausgezeichnete Arbeit, als er die Herrscher der vier großen Weltreiche auf die passenden Teile der Rüstung der Statue verteilte. Dadurch gelangen ihm zugleich eine lebendige Darstellung der Vision des Daniel und eine ausgezeichnete Gedächtnisstütze für seine Studenten. Im Begleittext benennt der Autor alle im Bild aufgeführten Herrscher und erklärt, warum sich wo welcher Name befindet.
kommen und die Qualität der Menschen mit jeder neuen Ge-
1585 veröffentlichten Anatomia statuae Danielis („Anatomie der
neration (bzw. jedem neuen Reich, um beim Bild zu bleiben)
Statue Daniels“) [Abb. 53]. Ein unbekannter Künstler steuerte
weiter
abnahm.24
Während die parallelen Spalten des Eusebius
seinem Buch einen ausklappbaren Holzschnitt einer Statue bei,
gezeigt hatten, welche göttliche Ordnung in der Vergangenheit
die die Züge Augusts I. von Sachsen trägt. In den Ecken des Bil-
steckte, vereinte die den Niedergang der Welt ankündigende
des sind vier Tiere dargestellt, die in Anlehnung an einen ande-
Statue die Vergangenheit mit der Zukunft – und beides mit einer
ren Teil von Daniels Text für die Abfolge der vier Reiche stehen.
Vision dessen, was Gott für die Menschheit vorgesehen hatte.
Auf Helm, Rüstung und Beinen der Statue finden sich die Na-
Eusebius hatte die Meinung zurückgewiesen, Chronologen
men der Herrscher der vier Reiche. Im Begleittext führt Faust
sollten die Zukunft (und vor allem das Ende der Welt) voraus-
die anatomische Metapher eingehend aus, um deutlich zu ma-
sagen. Doch schon zu seiner Zeit und auch später waren viele
chen, welcher Teil und welches Organ des Körpers der Statue
ganz anderer Ansicht. Wie gezeigt, baute Schedel in seine Welt-
welcher Person bzw. welchem historischen Ereignis entspricht:
chronik eine grobe Schätzung ein, wie lange die Geschichte der Menschheit noch dauern werde. Und Rolevinck erklärte, eine
Anatomie bedeutet Dissektion der Glieder eines menschlichen
wirklich gründliche Zeitleiste sei zugleich eine prophetische und
Körpers, wie sie Anatomen und Ärzte vornehmen, wenn sie einen
eine pädagogische Ressource – eine Messlatte, anhand der ein
Leichnam sezieren und alle inneren Organe, Gefäße und Gelen-
gläubiger Christ nicht nur feststellen könne, wie viel Zeit bis-
ke untersuchen. Dies dient ihnen dazu, bessere Entscheidungen
her vergangen sei, sondern auch, wie lange der Welt noch blei-
zu treffen und bessere Ratschläge hinsichtlich bestimmter Krank-
be: „Das menschliche Streben, das über dieser Arbeit auf den
heiten zu geben. Dieses Büchlein nennt sich „Anatomie der Statue
Schwingen innerer Kontemplation schwebt, misst nicht nur
Daniels“, denn dem König von Babel widerfuhr eine Offen-
Vergangenheit und Gegenwart, sondern auch die
Zukunft.“25
Doch weder Rolevinck noch Boulaese kamen auf die Idee,
barung in Form einer großen Statue eines Menschen, die die vier irdischen Reiche darstellten. Alle Glieder des Bildes werden so
ein Schema der Zeit zu entwickeln, das die Dramatik der Dani-
untersucht und behandelt, dass der Leser den Zustand und die
elschen Schilderung aufgriff. Das tat erst Lorenz Faust in seiner
Lage eines jeden erfassen und kennenlernen kann.26
65
Die Zeit in Karten
[54 – 55] Diese beeindruckenden Bilder von Anhängern des kalabrischen Abts Joachim von Fiore aus dem 12. Jahrhundert verweben die biblische Vergangenheit, die christliche Gegenwart und eine transformierte Zukun miteinander und machen daraus eine einzige, komplexe Vision. Auf dem Stamm des Baums in der Abbildung rechts steht „XXX“ jeweils für eine Generation von 30 Jahren. Die Abbildung links zeigt die drei einander überschneidenden Zeitalter der Weltgeschichte.
Seine Zuordnung von Organen und Herrschern war dabei
deuten, dass tugendhafte Könige die Ankunft der Herrschaft
durchaus genau: Dareios von Persien beispielsweise befand sich
Christi auf Erden beschleunigen. Mit anderen Worten: Faust be-
bei der Lunge, denn unter seiner Herrschaft konnten die Juden
diente sich aller erdenklichen Hilfsmittel, um dem Leser zu hel-
endlich einmal frei atmen; Elagabal, dessen Leiche in einem
fen, sich in der Vergangenheit zurechtzufinden, und versetzte
Abwasserkanal entsorgt worden war, ordnete er dem „Ausgang
ihn dadurch zugleich in die Lage, die Zukunft vorauszusehen.
von hinten“ zu. Faust verwendete eine Reihe grafischer Kunst-
Viele Schriftsteller und Künstler ließen sich von Faust ins-
griffe, um ein möglichst umfassendes Ergebnis zu erreichen. Im
pirieren. Auf der Academia norica Altdorfina, der Universität Alt-
Jahr 1566 hatte Jean Bodin, ein einflussreicher französischer
dorf, dienten Bilder von Daniels Statue der Jugend von Nürn-
Theoretiker der Universalgeschichte, verkündet, Daniels vier
berg als Lehrmittel. Ihre markanten Visionen der Vergangen-
Reiche könne man nicht auf die moderne Weltgeschichte über-
heit und der Zukunft vermittelten den jungen Leuten Details
tragen, da das eigentliche Römische Reich längst nicht mehr
der Weltgeschichte und gaben ihnen zugleich ein Gefühl dafür,
existiere, während das Osmanische Reich – das in Daniels Visi-
welch dramatisches Ende der Menschheit in nicht allzu ferner
on gar nicht vorkam – größer und mächtiger sei als das Heilige
Zukunft drohte. So wie die heutigen Leser des Rapture Index auf
Römische Reich der Habsburger. Faust gelang es, Bodins These
RaptureReady.com lernten die Studenten und Fürsten der frühen
visuell zu widerlegen. So zeigt das rechte Bein der Statue, wie
Neuzeit, aus solchen Tafeln, Bildern und Objekten die Vergan-
das Oströmische Reich in das Osmanische übergeht; zugleich
genheit zu verstehen und die Zukunft vorauszusagen.
zerquetscht der Fuß an diesem Bein eine finster dreinblicken-
Mehrere einfallsreiche Chronologen verwendeten zur Dar-
de Schlange, die den türkischen Sultan darstellen soll. So weist
stellung der Vergangenheit Gestaltungsformen, die sie au-
dieses zwar unlogische, aber nichtsdestoweniger markante Bild
ßerhalb der biblischen Texte und Bilder gefunden hatten
dem Osmanischen Reich einerseits einen Platz in Daniels Kon-
[Abb. 54 – 55]. Im 12. Jahrhundert ließ sich der kalabrische Abt
zept zu, zeigt andererseits aber dessen Unterlegenheit gegen-
Joachim von Fiore von prophetischen Visionen inspirieren. Er
über dem Römischen Reich. Dass Faust der Statue das Gesicht
war geradezu von der Überzeugung besessen, dass numerische
seines eigenen Herrschers gab, kann man als Hinweis darauf
Symmetrien den Schlüssel zum Verständnis des Alten und
66
2. Tafeln der Zeit
67
Die Zeit in Karten
[56] Ein Ausschnitt aus dem komplexen Referenzsystem, mit dem Michael Eytzinger die großen Abstammungslinien der Geschichte in Tabellen anordnete, versehen mit Buchstaben und Zahlen, anhand derer man sie nachvollziehen und wiederfinden konnte: Dies ist eine von fünf Klappkarten aus Eytzingers Pentaplus regnorum mundi von 1579, die die gesamte Geschichte der Menschheit darstellen.
Neuen Testaments bildeten. Fasziniert von den Prophezeiun-
sche Ableitung aus der Heiligen Schrift hier weniger interessie-
gen und Schrecken der Offenbarung, kam Joachim zur Über-
ren als vielmehr die prägnanten Formen, mit denen er die Zeit
zeugung, dass Geschichte in drei etates („Staaten“) zerfällt – in
abbildete: ineinander verschlungene Ringe und große Bäume,
einen alttestamentlichen Gottesstaat des Vaters, einen neutes-
immer im Abstand von 30 Jahre dauernder Generationen, in
tamentlichen Gottesstaat des Sohnes und einen dritten Staat,
denen er die einheitliche, am Ablauf der einzelnen Jahre orien-
in dem der Heilige Geist über alles und jeden herrschen wer-
tierte Darstellung der Weltchroniken mit der unregelmäßige-
de. Uns sollen die Einzelheiten seines Systems und ihre spezifi-
ren Auffassung von Zeit vereinte, wie man sie aus der Genea-
68
2. Tafeln der Zeit
[57] Wie die jüdische Mythologie erzählt, schuf der Patriarch Seth mehrere Säulen aus Ziegeln und Stein, in die er das gesamte Wissen einmeißelte, das Gott den ersten Menschen gewährt hatte. In Eytzingers Version beinhalten sie den Schlüssel zu den Geheimnissen der Zeit.
logie kannte. Joachims Bilder wiesen ebenso viele Bezüge zur Vergangenheit wie zur Zukunft auf. Seine Darstellungen überzeugten zahlreiche Leser davon, dass die „neuen Männer“ der Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner im 13. Jahrhundert die Kirche reformieren würden. Dieser Interpretation seiner „Bäume“ hätte Joachim zwar kaum zugestimmt, doch beweist sein Einfluss die Radikalität und die synoptische Kraft seiner Diagramme.27 Im Zeitalter der Drucktechnik nahm die Zahl solcher Visio-
solcher Symmetrien [Abb. 56]. Er komprimierte alle alten und
nen – in der Regel biblischen Ursprungs, aber in ihrer Form ek-
neuen Dynastien auf fünf ausklappbare Tafeln, die es dem Le-
lektisch – stark zu. Der Historiker, Kartograf und Zeitungsautor
ser erlaubten, ganz einfach nachzuschlagen, zu welcher Zeit
Michael Eytzinger illustrierte seine Geschichte der Religionskrie-
bestimmte Könige und Würdenträger geherrscht hatten, und
ge des 16. Jahrhunderts in Flandern mit einem zyklischen Bild,
ihre Lebensdaten miteinander zu vergleichen.
das die Welt als Schauplatz rein menschlicher und materieller
Hinter diesen vielfältigen Informationen verbarg sich indes
Ursachen und Wirkungen zeigt. Figuren, die sich im Kreis be-
eine tiefere Ordnung: Der Schlüssel zu Eytzingers historischer
wegten und aussahen wie Menschen beim Ringelpiez, veran-
Vision war eine Illustration, die zwei mit Buchstaben beschrif-
schaulichten seine Theorie: Der Wohlstand führte zu übermä-
tete Säulen zeigte [Abb. 57]. Diese wiederum standen für die-
ßiger Gier und diese wiederum zu Krieg und Zerstörung, wo-
jenigen beiden Säulen, auf denen Seth, der Sohn Adams, vor
durch die Menschen gezwungen waren, Frieden zu schließen,
der Sintflut alles Wissen der Menschheit eingemeißelt und es
was wiederum größeren Wohlstand nach sich zog. In seinem
so vor der Zerstörung bewahrt haben soll, wie der jüdische
Pentaplus regnorum mundi („fünffache Tafel der Weltgeschichte“)
Historiker Josephus berichtet.28 Die Buchstaben waren die An-
von 1579 ahmte Eytzinger jedoch Joachim nach – er suchte nach
fangsbuchstaben der Namen der jüdischen Patriarchen; wenn
historischen Symmetrien und originellen, starken Abbildungen
man sie jedoch in eine andere Reihenfolge brachte, ergaben
69
Die Zeit in Karten
[58] Václav Budovec z Budova, ein böhmischer Gelehrter des frühen 17. Jahrhunderts, scheint der Erste gewesen zu sein, der die Geschichte als Zifferblatt einer Uhr darstellte, in seinem Kreis der Mond- und Sonnenuhr aus dem Jahr 1616.
Testaments darstellten [Abb. 58]. Die „Monduhr“ stand für das Alte Testament; da die Menschheit nur indirekten Zugang zum Wissen vor der Menschwerdung Gottes besaß, war diese Uhr klein und dunkel. Die „Sonnenuhr“ hingegen war hell und licht, genau wie die Offenbarungen des Heilands. Ihr unfehlbarer Zeiger stand auf fünf Minuten vor zwölf – ein eindrucksvolles Symbol für das nahende Ende der Zeit. (Dies war ein Symbol, das noch viele Jahrhunderte später nachhallen sollte: in sie den Namen von Eytzingers Mäzen, dem Kaiser des Heiligen
der tickenden Uhr, die das Cover des Bulletin of the Atomic Scien-
Römischen Reiches Maximilian II. Dies war für ihn ein unwi-
tists ziert, seit die Zeitschrift in den unruhigen Tagen nach dem
derlegbarer Beweis dafür, dass es Maximilian sei, der herrschen
Zweiten Weltkrieg zum ersten Mal erschien.) Im Jahr 1620
würde, wenn das Jüngste Gericht über die Welt hereinbrach.
konnte Budovec sich bestätigt fühlen: Die Schlacht am Wei-
Als Eytzinger und seine Zeitgenossen den Kaiser jedoch über-
ßen Berg zerstörte zwar nicht die gesamte, doch immerhin sei-
lebten, baute er eilends dessen Nachfolger, Rudolf II., in sein
ne eigene Welt; er selbst geriet in Gefangenschaft und wurde
Werk ein.
hingerichtet.
Als noch cleverer und weitaus moderner, was seine vi-
Nicht alle beriefen sich bei ihren Bemühungen, bestimm-
suellen Metaphern betrifft, erwies sich der böhmische Adeli-
te Ereignisse mit tieferen kosmischen Ursachen in Einklang zu
ge Václav Budovec z Budova. Seine Wirkungsstätte war un-
bringen, auf die Bibel [Abb. 59]. Im alten Mesopotamien hatten
ter Kaiser Rudolf II. ein regelrechter locus classicus der Mystik:
Astrologen ihre Kunst dazu verwendet, das Schicksal ganzer
Prag. Budovec ersetzte Joachims organische, wenngleich selt-
Königreiche vorauszusagen, bevor sie sich an Einzelpersonen
sam symmetrische Bäume durch modernere mechanische Bil-
wandten; viele Jahrhunderte lang waren die griechischen, rö-
der: 1616 veröffentlichte er eine Chronologie, in der die Zif-
mischen, persischen und muslimischen Astrologen ihrem Bei-
ferblätter großer Uhren die Geschichte des Alten und Neuen
spiel gefolgt. Jeder (zumindest jeder Intellektuelle) wusste, dass
70
2. Tafeln der Zeit
es alle 20 Jahre zu einem Zusammentreffen von Saturn und
[59] Die sogenannten Großen Konjunktionen in Johann Heinrich Alsteds
Jupiter kommt, den beiden Planeten, die am weitesten von der
Thesaurus chronologiae von 1628.
Erde entfernt liegen. Astrologen und Chronologen des Mittelalters und der Renaissance erstellten Tabellen, in denen sie be-
fische Diagramm war inzwischen so mächtig, dass es eine ge-
deutende Ereignisse wie Jesu Geburt und die Inthronisierung
samte Gesellschaft verändern konnte. In den 1530er Jahren
Karls des Großen dieser sogenannten Großen Konjunktion zu-
hielten neue astronomische Instrumente und die entsprechen-
ordneten.29
Johann Heinrich Alsted, seines Zeichens einfluss-
de Expertise in der Chronologie Einzug, und diese sorgten auch
reicher Professor an der calvinistischen Universität Herborn
für neue Formen grafischer Darstellungen der Vergangenheit
und Autor mehrerer umfassender Lexika, errechnete auf Ba-
[Abb. 60 – 62]. Die Astronomen erkannten, dass sie – im Gegen-
sis der Konjunktionen von Jupiter und Saturn, dass die Welt
satz zu den Historikern, die lediglich mit Texten arbeiteten – in
zwischen 1603 und 1642 eine ziemlich unruhige Zeit erleben
der Lage waren, für einige wichtige historische Ereignisse ab-
würde.
solute Daten zu ermitteln. Im Jahr 1540 veröffentlichte der
Gerade in England hatte Alsted viele Leser – mag sein, dass
Gelehrte, Astronom und Drucker Petrus Apianus sein Astrono-
seine Prophezeiungen sie dazu inspirierten, in den 1640er und
micum Caesareum, einen prächtigen analogen Rechner in Buch-
1650er Jahren erst König Karl I. zu stürzen und dann einen
form, der funktionierende Modelle für die Bewegungen der
puritanischen Staat zu errichten. Man sieht: Das chronogra-
Planeten, des Mondes und der Sonne abbildete und erläuter-
71
Die Zeit in Karten
[60 – 62] Petrus Apianus schuf eine Art astronomischen Rechner mit umlaufen-
verfinstert hatte. In der Nachfolge Daniels hatten zahlreiche Autoren die Welt-
den Modellen aus Papier, anhand derer man die Positionen der Planeten fest-
geschichte ab der Sintflut in vier aufeinanderfolgende Reiche aufgeteilt:
stellen konnte. Er zeigte auch, wie man anhand von Sonnen- und Mondfinster-
Assyrien, Persien, Griechenland und Rom. In Gaugamela ging die Macht vom
nissen Daten der Vergangenheit errechnen kann (in diesem Fall ist es die Mond-
zweiten auf das dritte Reich über. Apianus war der erste von vielen Gelehrten,
finsternis, die Alexanders Sieg über Dareios bei Gaugamela begleitete). Anhand
die versuchten, den Zeitpunkt jener Schlacht, die sozusagen die „Halbzeit“ der
seiner Diagramme stellte er dar, wie weit sich die Sonne oder der Mond jeweils
Geschichte markierte, zu berechnen.
72
2. Tafeln der Zeit
73
Die Zeit in Karten
[64 – 66] Diese ansehnliche Chronologie von Giovanni Maria Tolosani erschien
und dass die assyrischen Könige zur selben Zeit Jerusalem zerstörten. Leider
im Jahr 1537 und bot jede Menge astronomische Informationen. Er ordnete
war das Werk dermaßen reich an Fakten und Daten, dass es ziemlich schwer
sein Material präzise an und machte beispielsweise deutlich, wie die Gründung
zu lesen war; selbst der Übergang vom Judentum zum Christentum verschwin-
Roms in die Zeitrechnung der Griechen passte, die nach Olympiaden rechneten,
det quasi hinter den Daten in den ordentlich gedruckten Spalten.
[63] Diese Tabelle ist
te. Er wusste, dass es vor der Schlacht von Gaugamela (331
Teil einer Liste von
v. Chr.), bei der Alexander der Große durch seinen Sieg über
Sonnen- und Mond-
den persischen Herrscher Dareios zum mächtigsten Herrscher
finsternissen, um
des Mittelmeeres aufgestiegen war, eine Mondfinsternis gege-
die herum Gerhard Mercator seine Chronologie von 1569 bau-
ben hatte. In diesem und ähnlichen Fällen könne es dank der Astronomie gelingen, so Apianus, fehlerhafte Daten zu korri-
te – eine der ersten,
gieren, die sich in die historischen Aufzeichnungen eingeschli-
die auf einer astrono-
chen hätten. Apianus gab nicht nur für die Mondfinsternis von
mischen Grundlage
Gaugamela und einige ähnliche Ereignisse genaue Daten an
aufbaute.
(bei denen er sich zugegebenermaßen um ein paar Jahre vertat), er erstellte auch Diagramme, die diese Ereignisse in schematischer Form rekonstruierten und ihr gesamtes Ausmaß verdeutlichten. Die Verwendung astronomischer Daten revolutionierte die Arbeitsweise der Chronologen [Abb. 63]. Seit der Antike hatten sich alle Astronomen, deren Werke man im Westen kannte – Griechen und Chaldäer, Lateiner und Araber – bei ihren Ta-
74
2. Tafeln der Zeit
[67 – 68] Genau wie der Katholik Tolosani verwendete auch der protestan-
klassischen Altertums zu verbinden. Dabei orientierte sich Funcks Chronik
tische Gelehrte Johann Funck, der 1545 seine Chronologia herausbrachte,
in ihrer Auflistung der Ereignisse noch stärker als Tolosanis Werk am Vorbild
astronomische Daten, um die biblischen Ereignisse mit der Geschichte des
Eusebius.
bellen und Berechnungen am selben Fixpunkt orientiert: dem
noch zeigte Tolosanis Verbindung aus Astronomie und Bibel
Moment, als ein ansonsten unbekannter König namens Nabo-
durchaus Wirkung: Astronomen und Chronologen waren sich
nassar am 26. Februar des Jahres 747 v. Chr den Thron von Ba-
nunmehr über die Möglichkeit bewusst, ganz unterschiedliche
bylon bestiegen hatte (zu jener Zeit begann man in Mesopota-
Chronologien viel genauer zusammenführen zu können, als
mien mit systematischen astronomischen Beobachtungen; das
es Eusebius vermocht hatte, und zwar ab der Zeit des Nabo-
bezeugen auch Keilschrifttexte, die man im 19. und 20. Jahr-
nassar auf den Tag und sogar auf die Stunde genau. Drei Jahre
hundert entdeckt hat). Im Jahr 1537 brachte Giovanni Maria
nach Apianus’ Forderung, geschichtliche mithilfe astronomi-
Tolosani, ein Dominikaner mit einem schrägen Sinn für Hu-
scher Daten zu korrigieren, nahm Kopernikus die Identifizie-
mor (er tat so, als sei er ein Franzose namens Johannes Luci-
rung von Nabonassar mit Salmanassar in sein epochales Werk
dus Samotheus, „Johannes der Erleuchtete“, der von Samothes
De revolutionibus orbium coelestium („Über die Umschwünge der
abstammte, dem von Annius von Viterbo erfundenen Stamm-
himmlischen Kreise“) auf. Wir haben keine Kenntnis darüber,
vater der Gallier), eine Serie übersichtlicher Zeittafeln heraus,
ob er Tolosani, der das heliozentrische Weltbild des Kopernikus
die er mit astronomischen Beweisen versah [Abb. 64 – 66]. To-
verabscheute und heftig attackierte, gelesen hatte; gleichwohl
losani vertrat die Meinung, Nabonassar sei lediglich ein ande-
wissen wir, dass Tolosanis und Kopernikus’ gemeinsame These
rer Name für Salmanassar, einen in der Bibel erwähnten assy-
der Chronologie zu einer neuen Grundlage verhalf.
rischen König. Er verwandelte Eusebius’ Chronik in ein anspre-
Andere Chronologen folgten Tolosanis Beispiel [Abb. 67 –
chend gestaltetes gedrucktes Buch und fügte neben den Herr-
68]. Einer der ersten war ein ebenso überzeugter Protestant,
scherlisten Informationen aus der christlichen Kalenderlitera-
wie Tolosani ein überzeugter Katholik war: Johann Funck, des-
tur des Mittelalters ein.
sen Schwiegervater, Andreas Osiander, das Vorwort für Ko-
Tolosanis Format war aufgrund seiner größeren Komple-
pernikus’ Buch geschrieben hatte. Funck erstellte eine ver-
xität weniger geeignet als Eusebius’ Original, wenn es darum
gleichende Chronik nach Eusebius’ Vorbild, dessen Ausgangs-
ging, die entscheidenden Momente der Geschichte, wie die
punkt, genau wie bei Tolosani, die Inthronisierung von Nabo-
Kreuzigung oder den Fall Jerusalems, zu dramatisieren. Den-
nassar war. Und genau wie Tolosanis Werk war auch Funcks
75
Die Zeit in Karten
[69 – 70] Hinsichtlich der visuellen Gestaltung stellte der große Geograf Gerhard Mercator alle seine Konkurrenten in den Schatten. Seine Zeitleiste verlief, wie viele andere, von der Schöpfung bis zur Gegenwart; im Gegensatz zu anderen Chronologen variierte Mercator aber das Tempo, in welchem die Zeit voranschritt: Bei der Sintflut und verschiedenen späteren Schlachten verlangsamte er seine Zeitleiste, um genauere Einzelheiten aufzeichnen zu können. Wo immer ihm dies möglich war, ordnete Mercator zudem bestimmte Ereignisse nicht in eine Liste von Jahren ein, sondern in eine Liste von Tierkreiszeichen, die den täglichen Lauf der Sonne über den Himmel abbilden (hier verwendet er beispielsweise datierbare Sonnen- und Mondfinsternisse, um eine Chronologie der griechischen Geschichte zu entwickeln). Sobald ihm keine genaueren astronomischen Informationen mehr zur Verfügung standen, wechselte er wieder zur normalen Darstellung einzelner Jahre.
[71] Mercator war ein neugieriger Geist – stets bereit, neue Wege zu beschreiten. So fügte er seiner Chronik einen Abschnitt hinzu, in dem er die Frage aufwarf, ob das alte Ägypten existiert haben könnte, bevor die Welt durch eine große Flut zerstört wurde, wie es schon ein Bericht Platons anzudeuten schien.
76
2. Tafeln der Zeit
[72] Diese außerordentlich strenge dreieckige Tabelle des Astronomen Paul Crusius (in dieser Version mit Tinte ausgearbeitet) reduziert die Geschichte auf festgelegte Intervalle.
Chronologia von 1545 in vielerlei Hinsicht äußerst traditionell,
nomischen Ereignissen begleitet waren, verlangsamte er das
mit großen leeren Seiten für die ersten Jahrhunderte der Welt-
Tempo – ein beinahe filmischer Effekt. Für einen Zeitraum von
geschichte sowie einer stattlichen Liste erfundener fränkischer
ein oder zwei Jahren konnte man dann Monat für Monat be-
Könige, die er dem Geschichtswerk des Johannes Trithemius
obachten, wie die Sonne jedes Zeichen des Tierkreises durch-
entnahm.
lief; dazu hatte Mercator Datum und Zeit einer jeden Finsternis
Eine Generation später erarbeitete Gerhard Mercator – des-
und anderer Himmelserscheinungen exakt notiert. Mercators
sen Hauptinteressen der äußerst visuellen Kunst der Kartogra-
Buch bietet einen eindrucksvollen Beweis für die bemerkens-
fie galten – eine neue Karte der Zeit [Abb. 69 – 71]. Ausgangs-
werte Genauigkeit, die die historische Chronologie inzwischen
punkt dieser Karte war die Astronomie, in Form diverser Son-
erreicht hatte.
nen- und Mondfinsternisse, die er mit ihren jeweiligen Da-
Ein Jahrzehnt später entwarf der Astronom Paul Crusius
ten in der Einleitung seines Werkes auflistete. Daneben erwies
die bis dato gründlichste historische Tafel: Die im Dreieck an-
er sich, mehr noch als seine Konkurrenten, als ein innovati-
geordneten Daten für Epochen und Ereignisse ließen sich in
ver Grafiker: Mit seiner Zeitleiste gelang es ihm tatsächlich,
zwei Richtungen lesen und beschränkten sich auf jene Punk-
die neue Präzision der astronomischen Datierung abzubilden.
te, für die sich genaue Intervalle von Monaten und Tagen be-
Der größte Teil der weltgeschichtlichen Tabelle in Mercators
rechnen ließen [Abb. 72]. Hier hatte ein Chronologe zum ersten
Chronologie bewegte sich in ganz gleichmäßigem Tempo von
Mal buchstäblich eine „Zeit-Karte“ entwickelt, die eine lichte
Jahr zu Jahr. Aber überall dort, wo ihm detailliertere Infor-
Schneise aus datierbarer Geschichte in das gewaltige Dunkel der
mationen zur Verfügung standen, so bei der biblischen Sint-
Vergangenheit schlug. Es handelte sich um eine Art ÖPNV-Plan
flut und vielen späteren Ereignissen, die von datierbaren astro-
der Historie: zugleich äußerst präzise und schematisiert; die
77
Die Zeit in Karten
78
2. Tafeln der Zeit
[73] Joseph Scaliger war der erste moderne Chronologe, der Listen antiker Herrscher veröffentlichte, wie die Liste der Könige von Babylon und Persien, die Ptolemaios in Umlauf gebracht hatte (hier im Bild), und die Listen der ägyptischen Dynastien des Priesters Manetho. Zu Recht ging Scaliger von der Echtheit dieser Dokumente aus, und bis heute nehmen sie in der Chronologie einen wichtigen Platz ein. Schon bevor Scaliger dieses Material entdeckte, war es ihm gelungen zu beweisen, dass es sich bei Nabonassar nicht etwa um den assyrischen König Salmanassar handelte, wie frühere Chronologen geglaubt hatten, sondern um einen unabhängigen Herrscher von Babylon.
historische Zeit – zumindest ab dem 1. Jahrtausend v. Chr. –
frühe Epoche der Geschichte relevant gewesen wären. Die meis-
war somit komplett kartiert. Crusius’ streng-konsequente Be-
ten Chronologen waren jedoch nach wie vor zuversichtlich, ir-
handlung der Zeit fand zwar kaum Leser, einer von ihnen aber
gendwann die Geschichte der Welt bis zu ihren Anfängen zu-
war Joseph Scaliger, der auf der Grundlage von Crusius’ akri-
rückverfolgen zu können und Tag und Stunde der Schöpfung zu
bischer Vorarbeit seine eigene Chronologie erstellte [Abb. 73].
ermitteln. In diesem Sinne begann der anglikanische Erzbischof
Als Scaligers beeindruckendes Handbuch Thesaurus temporum
James Ussher seine Chronologie mit der legendären Behaup-
(„Schatzkammer der Daten“) 1606 erschien, erkannten die
tung, die Schöpfung habe am Abend vor Sonntag, dem 23. Okto-
meisten Leser sofort, dass die seltsam klingenden Namen seiner
ber 4004 v. Chr., stattgefunden [Abb. 74 – 75]. Seine Behauptung
Liste babylonischer und persischer Könige echt waren und nicht
unterschied sich nur marginal von denen seiner damaligen (vor
etwa der Fantasie eines weiteren Annius entsprangen.
allem protestantischen) Mitstreiter, deren Zahl in die Dutzende
Die ihnen zugeordneten Jahreszahlen fügten sich genau-
ging.30 Doch es gab keine zwei Chronologen, die hier genau ei-
so exakt in die von Mercator, Crusius und anderen entwickelte
ner Meinung gewesen wären. Eine gewisse Unsicherheit kam
chronologische Struktur ein, wie ein Schlüssel in ein präzise ge-
auf, was die Prinzipien der Chronologie anging, während man
fertigtes Schweizer Schloss passt. Trotzdem stellte Scaligers Buch
sich gleichzeitig vermehrt auf die Astronomie stützte, um Ergeb-
die Chronologen vor ein ganz anderes Problem, das schwer zu
nisse abzusichern.
knacken schien: Er entdeckte und veröffentlichte eine Liste
Der jesuitische Astronom Giambattista Riccioli, der viele
der Pharaonen, die ein altägyptischer Priester namens Mane-
Jahre in Bologna lehrte, kompilierte mit seinem Almagestum
tho aufgeschrieben hatte. Die älteste dort verzeichnete Dynastie
novum von 1651 ein Handbuch der antiken und modernen As-
begann, wie Scaliger ganz richtig anmerkte, nicht nur vor der
tronomie, das so genau und technisch aufschlussreich war, dass
Sintflut, sondern sogar vor der Schöpfung! Dennoch bestand er
es Isaac Newton bei dessen Arbeit als Standard-Nachschlage-
auf der Echtheit dieser Liste und sorgte damit für heiße Diskus-
werk diente. Im Jahr 1669 veröffentlichte Riccioli eine Chrono-
sionen. Auch die Astronomie konnte hier nicht weiterhelfen,
logia mit über 1000 Folioseiten [Abb. 76]. Seine Titelseite zeigt
denn man kannte keine Himmelsbeobachtungen, die für diese
eindrucksvoll, wie die Entwickler von Zeitleisten ihr Handwerk
79
Die Zeit in Karten
80
2. Tafeln der Zeit
[75] Nach Ussher, Datierungen am Rand in einer autorisierten Bibel, London 1701.
[74] In seinen Annals of the Old Testament aus dem Jahr 1650 gab James Uss-
schäftige kleine Bienen im intellektuellen Dienst ihres Finan-
her, ein gelehrter Erzbischof des 17. Jahrhunderts, für die Schöpfung und für
ziers, der Familie Farnese, umherschwirren.
den Rest der Geschichte der Bibel und des Altertums exakte Daten an. Jeweils am Rand nannte er das Jahr ab Schöpfung der Welt, das Julianische Datum und das Jahr vor Christi Geburt – dies war zu seiner Zeit bereits die übliche Form der Chronologie. Seine Arbeit wurde berühmt (und er zugleich berüchtigt für seine Leichtgläubigkeit), als Drucker in England ab den 1680er Jahren Bibelausgaben
Der Chronologie ist der Mieder verrutscht, man sieht ihre Brüste. Dies ist weder Zufall, noch soll hier ein eher trockenes Sujet erotisch aufgepeppt werden. Vielmehr entblößt das heruntergerutschte Kleid der Chronologie die Sonne und den Mond
mit Usshers Zeitleiste ausstatteten. Leser, denen die Traditionen der Chronolo-
(und damit die Astronomie, die sich mit ihren Bewegungen be-
gie nicht bekannt waren oder die sie gar komisch fanden, erkannten nicht, dass
schäftigt) als naturgegebene Quelle ihrer überlegenen wissen-
Ussher mit der Vergangenheit in der gleichen Art und Weise umging, wie seine
schaftlichen Kraft. Man kann sich kaum ein deutlicheres Sym-
Zeitgenossen es taten.
bol für die Wertschätzung vorstellen, die man der Chronologie im barocken Italien entgegenbrachte – außer vielleicht die schieren Dimensionen von Ricciolis Buch, das zu einer Zeit gedruckt
sahen. An den Rändern des Bildes tauchen die personifizierte
wurde, als es bereits ziemlich schwierig geworden war, die Her-
Chronologie und die personifizierte Geschichte auf: Klio, die
stellung solcher massiver wissenschaftlicher Folianten zu finan-
Muse der Geschichtsschreibung, steht mit beiden Füßen auf
zieren. Trotz allem musste auch Riccioli zugeben, dass es ihm
ihrem Podest und hält in der einen Hand eine Fanfare, in der
nicht gelungen war, eine durchgehende chronologische Linie
anderen eine schwach brennende Kerze; sie schaut ein wenig
von der Schöpfung bis zur Gegenwart zu ziehen. Wie sich bereits
freudlos drein. Die Chronologie hingegen tritt kühn auf den
die einzelnen Bibelversionen unterschieden, vermochte auch die
Schädel eines Toten; sie hält eine Fackel, deren Lichtschein sich
Astronomie die Differenzen nicht ausgleichen. So konnte Riccio-
in einem bogenförmigen Strahl in den Hintergrund auf einen
lis Text dem vollmundigen Versprechen seiner Titelei schließlich
prächtigen Strauß Lilien ausbreitet, während Jesuiten als ge-
doch nicht gerecht werden.
81
Die Zeit in Karten
82
2. Tafeln der Zeit
[76] In diesem barocken Bild aus Giambattista Ricciolis Chronologia von 1669 stellt die strahlende personifizierte Chronologie die eher blasse Gestalt der Klio, der Muse der Geschichtsschreiber, deutlich in den Schatten.
Tatsächlich wiesen die Grundlagen der Chronologie zu die-
er daher kaum überrascht, dass jene weiter zurückreichten, als
ser Zeit bereits ein paar tiefe Risse auf. Im Jahr 1655 hatte der
es die Chronologie des 1. Buchs Mose eigentlich zuließ. Und
französische Protestant Isaac de La Peyrère im Alleingang die
anders als die Europäer besaßen die Chinesen Aufzeichnungen
Chronologie und die Theologie in eine tiefe Krise gestürzt. In
über Sonnen- und Mondfinsternisse, die die Angaben zu ihrer
einer überzeugend argumentierten lateinischen Abhandlung
Frühgeschichte bestätigten.
stellte er fest, dass das 1. Buch Mose eigentlich zwei Geschich-
Eine vollständige, kohärente Zeitleiste schien damit wie-
ten erzählte: die Geschichte der gesamten Menschheit und die
der in weite Ferne zu rücken. Ricciolis kühne visuelle Darstel-
(weitaus kürzere) Geschichte der Juden. Er wies darauf hin,
lung der überlegenen Chronologie mit ihrer leuchtenden Fa-
dass die Kulturen der Chinesen, der Ägypter und einiger an-
ckel war nichts weiter als ein verzweifelter Versuch, ein Gebäu-
derer Völker viel älter waren als die der Juden. Darüber hinaus
de zu stützen, dessen Fundament bereits zu bröckeln begann.
vertrat er die Meinung, die Sintflut sei keine universelle Katastrophe gewesen, sondern ein lokal begrenztes Ereignis. La Peyrère wurde unter Hausarrest gestellt, und man zwang ihn, zum Katholizismus zu konvertieren; Dutzende orthodoxer Gelehrter, Katholiken wie Protestanten, wetteiferten darum, seine Thesen zu widerlegen.31 Doch nur wenige Jahre später konnte der Jesuit Martino Martini der erstaunten europäischen Öffentlichkeit verkünden, dass die chinesische Geschichte tatsächlich vor der Sintflut begonnen hatte. Martini hatte in Rom zusammen mit Athanasius Kircher studiert, der insgeheim der Überzeugung des Calvinisten Scaliger anhing, dass auch Ägypten bereits vor der Sintflut existiert hatte. Als er nach China kam und sich mit den Annalen des Königreiches beschäftigte, war
83
Die Zeit in Karten
Kapitel 3:
Grafische Lösungen
84
3. Grafische Lösungen
[1] Lorenz Codomann, Chronographia: A Description of time, from the beginning of the world, unto the yeare of our Lord, 137. Divided into six periodes. Wherein the several histories, both of the Old and the new Testament are briefly comprised, and placed in their due order of yeares, London 1596. Diese ansehnlich gestaltete und optisch intuitive Grafik lässt den Leser das Leben aller biblischen Patriarchen nachverfolgen. Die Daten sind hier so angeordnet, dass man sofort erkennen kann, wie alt eine bestimmte biblische Figur war, als eine andere zur Welt kam oder starb. Für diese Informationen mussten mühsam die Erzählungen des 1. Buch Mose durchforstet werden – einer der traditionellen einachsigen Chronologien konnte man die Angaben nicht so leicht entnehmen.
Im Rückblick scheint es beinahe unausweichlich, dass die Ge-
1]. Seine im Jahr 1596 gedruckte Tabelle führte die Namen der
dankengebäude, die von Chronologen im 16. Jahrhundert auf-
Patriarchen zweimal auf, einmal horizontal am oberen Rand
gestellt worden waren, im 17. Jahrhundert wieder in sich zu-
der Seite und einmal vertikal am rechten Rand. Dort, wo die
sammenfielen: Die Unterschiede zwischen den verschiedenen
Zeile des einen Namens die Spalte eines anderen schnitt, fand
historischen Überlieferungen waren einfach zu groß, als dass
der Leser sofort das Alter der einen biblischen Figur bei Geburt
man sie hätte überbrücken können. Ebenso konnte die Ast-
oder Tod der anderen. Auch wenn Codomanns Werk noch
ronomie leider nicht annähernd so viele strittige Punkte klä-
immer eine Tabelle ist, tendiert ihre Gestaltung doch bereits
ren, wie Apianus oder Scaliger gehofft hatten. Dennoch blie-
in Richtung einer komplett grafischen Darstellungsform und
ben die meisten Wissenschaftler optimistisch und versuchten
macht die Chronologie der Patriarchen klarer nachvollzieh-
weiterhin, die eine, allgemeingültige Chronologie zu konzipie-
bar, als es eine herkömmliche Tabelle vermochte. Da er die
ren, die für die Historie das sein würde, was für die Geogra-
Felder seiner Tabelle dort, wo keine Informationen hineinka-
fie die moderne Weltkarte war. Auch wenn einzelne Probleme
men, freiließ, entstand nebenbei eine Art Balkendiagramm:
nicht zu lösen waren, verfolgten sie ihr Ziel doch insgesamt mit
Die Spalten mit den Daten sind nur so lang wie das Leben
großer Energie. Die Innovationen hörten nicht auf. Bereits im
der Personen, für die sie stehen. Somit waren diese Spalten
16. Jahrhundert hatten Chronologen mit neuen tabellarischen
nicht nur ein Hilfsmittel zur Berechnung des Alters und der
Formaten und Anwendungen experimentiert. Einige versuch-
Lebensdaten der Patriarchen, sondern gewährten zugleich ei-
ten dabei, ihre chronologischen Daten möglichst grafisch um-
nen Überblick über die gesamte ungebrochene Überlieferung,
zusetzen, mit Tabellen, die nicht nur wertvolle Informationen
mittels der (so glaubte man) das geschichtliche Wissen an Mo-
enthielten, sondern diese auch so aufbereiteten, dass der Leser
ses weitergegeben worden war.
sie leichter verstehen konnte. Der lutherische Theologe Lorenz
Auch der französische Chronologe Jean Temporal probier-
Codomann beispielsweise synchronisierte die Leben der bib-
te mittels grafischer Darstellungen, ein Problem zu lösen, dem
lischen Patriarchen in tabellarischer Form in einer ähnlicher
alle begegneten, die die Geschichte der Welt aus der Bibel abzu-
Weise, wie man sie heute aus dem Straßenatlas kennt [Abb.
leiten versuchten [Abb. 2 – 3]. Dem 1. Buch Mose zufolge über-
85
Die Zeit in Karten
[2 – 3] Im Jahr 1596 demonstrierte der innovative Chronologe Jean Temporal in seinen Beweisen für die Chronologie anhand einer Art Balkendiagramm, wie schnell in biblischer Zeit die Bevölkerung wuchs.
86
3. Grafische Lösungen
[4] Johann Funcks historischer Kalender, der auf einem früheren Kalender von Christian Massaeus basierte, nannte seinen Lesern die kalendarischen Daten bedeutender Ereignisse des Alten und Neuen Testaments.
lebten lediglich Noah und seine Familie die Flut. Dennoch gelang es ihnen und ihren Nachkommen, binnen weniger Generationen die Welt neu zu bevölkern, und zwar so erfolgreich, dass die Menschen versuchten, „eine Stadt und einen Turm [zu] bauen, des Spitze bis an den Himmel reiche“.1 War ein dermaßen explosives Bevölkerungswachstum überhaupt mög-
aus radikale Ansichten: Er verwarf die traditionelle Geschichte
lich? In Europa, das regelmäßig von der Pest und Hungers-
von der Gründung Roms durch Romulus und ihre traditionelle
nöten heimgesucht wurde, fand man das zumeist nicht sehr
Datierung als bloßen Mythos, den man sich erst mehrere Jahr-
plausibel. Ganz anders Temporal: An der Oberkante seines Dia-
hunderte später ausgedacht hatte. Trotz allem fand er für sei-
gramms stellt eine horizontale Achse die Zeit nach der Sintflut
ne höchst innovativen Ideen über die historische Zeit einfach
dar, in 20-jährige Intervalle unterteilt. Links sind vertikal No-
keine adäquate grafische Form.2 Es dauerte länger, als man
ahs Nachkommen nach Generationen aufgelistet. So zeigt die
es vielleicht erwartet hätte, bis den Chronologen der nächste
Tabelle horizontal und vertikal, wie die Bevölkerung von Ge-
Schritt gelang: von Tabellen, in denen Informationen enthalten
neration zu Generation gewachsen ist. In ähnlicher Weise hin-
waren (wie bei Eusebius, Codomann oder Mercator), hin zu
terfragte man, ob sich die Juden während ihres Aufenthalts in
Diagrammen, die Informationen grafisch darstellten.
Ägypten tatsächlich so schnell vermehren konnten, wie es in
Doch bei allen Problemen, die keiner der Chronologen zu
der Bibel stand. Temporal hatte hier ebenso eine entsprechende
lösen vermochte: Ihre Zeitleisten fanden stets äußerst aktive
Grafik parat. Auch wenn Temporal mit Formen experimentier-
Leser. Das Genre der Chronografie versuchte, die ganze Welt
te, die dem modernen Balkendiagramm ähnelten, verwendete
abzubilden, doch das gelang ihr nie. Trotzdem (oder gerade
er sie lediglich für zählbare Individuen. Er stellte den chrono-
deshalb) sorgte es für eine eifrige Interaktion zwischen den
logischen Daten lineare grafische Formen gegenüber, allerdings
Büchern und ihren Lesern. Viele Besitzer ergänzten ihre ge-
versuchte er nicht, die Zeit selbst grafisch darzustellen. Was
druckten Chronologien um weitere Informationen und ver-
die Substanz der Chronologie betraf, vertrat Temporal durch-
wandelten sie so in Palimpseste – Hybride aus gedrucktem Buch
87
Die Zeit in Karten
[5 – 6] Diese zwei Ausgaben des Calendarium historicum („historischer Kalen-
chenmännern bezüglich des Osterdatums. Weil der Wert, den
der“) des Wittenberger Hebraisten Paul Eber zeigen einerseits Ebers charakte-
man für die Länge des Sonnenjahres verwendete, etwas zu
ristische Listen bedeutender Ereignisse, die sich an einem bestimmten Tag
groß war, verschob sich der Kalender im Laufe der Zeit immer
zwischen Schöpfung und Gegenwart ereignet hatten, andererseits die Informationen, die die Besitzer der Bücher hinzufügten. Im ersten Fall hat der Besitzer die Geburt seines Sohnes festgehalten. Das zweite Buch zeigt den 15. März,
mehr; im 15. Jahrhundert war er schließlich komplett durcheinander und bedurfte dringend einer Reform. Vor allem ärgerte
hier identifiziert als zweiter Tag des jüdischen Purimfestes, als Festtag der
man sich aber, dass die Juden genau wussten, wann sie Pes-
römischen Göttin Anna Perenna, als Tag der Ermordung Julius Caesars und als
sach feiern mussten, und dass sie die Christen verlachten, die
Geburtstag Friedrichs von Sachsen im Jahr 1504; der Besitzer dieser Ausgabe
ihr wichtigstes Fest am falschen Tag feierten.3
hat auf der zusätzlichen leeren Seite vermerkt, an diesem Tag habe Moses die Juden aus Ägypten geführt und es sei der Todestag Attilas des Hunnen.
Im 16. Jahrhundert wurde der Kalender dann endlich reformiert. Maßgeblich dafür waren einerseits die neuen Möglichkeiten der Astronomen zur Berechnung der historischen Zeit und andererseits die protestantische Reformation. Das gesamte Mittelalter hindurch war das religiöse Jahr ein Zyk-
und Manuskript. Ein Bereich, in dem sich diese Wechselwir-
lus aus „Festen und Fasten“ gewesen. Jeder kannte sich damit
kung als besonders lebhaft erwies, war der Kalender. Seit Jahr-
aus, nichts veränderte sich. Geburtstage und Martyrien der re-
hunderten hatten christliche Gelehrte sich bemüht, die Tech-
alen wie auch der erfundenen Heiligen verstopften den Ka-
niken der Berechnung von Daten zu verbessern, die man zu-
lender – mehr als die Hälfte der Tage im Jahr hatten irgendei-
sammengefasst als „Computus“ bezeichnete. Dabei zählte man
ne religiöse Bedeutung. Damit räumte die Reformation gründ-
an den Fingern ab, auf welche Tage eines bestimmten Jahres
lich auf. Sie schaffte die meisten Heiligen und alle ihre Feste
die beweglichen Feiertage wie Ostern fallen; das funktionier-
ab und nahm sich vor, dem Jahr einen ganz neuen religiösen
te für viele Jahre im Voraus. Dennoch war der Computus um-
Charakter zu geben. In protestantischen Städten arbeiteten die
stritten. Im frühen Mittelalter gab es heftige Auseinanderset-
Reformatoren eng mit Astronomen und anderen Gelehrten zu-
zungen zwischen kontinentaleuropäischen und britischen Kir-
sammen, um herauszufinden, wann die großen Ereignisse des
88
3. Grafische Lösungen
[7 – 8] Paul Zillinger, ein Regensburger Bürger des späten 16. Jahrhunderts, machte aus einer Ausgabe von Ebers Calendarium historicum sein eigenes Geschichtswerk: Er verfasste einen langen Text, in dem er die Details einer großen Prozession niederschrieb, die zu Ehren Rudolfs II. stattgefunden hatte, als der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches die Stadt besucht hatte.
Alten und Neuen Testaments tatsächlich stattgefunden hatten.
noch mehr Informationen hinzufügen zu können. So wurde
Sie konzipierten Kalender, in denen jeder Tag seine Bedeutung
aus dem Kalender, der traditionell nur das aktuelle Jahr be-
einer anderen Quelle verdankte.
schrieb, nun zugleich eine Karte der Vergangenheit. Zudem
Im Jahr 1550 veröffentlichte der Wittenberger Hebräisch-
zeigte er, wie sich die Zeit im Zyklus des 365 Tage dauern-
professor und Prediger Paul Eber ein Calendarium historicum
den Sonnenjahres bewegte, anstatt eine gerade Linie von der
(„historischer Kalender“) [Abb. 4 – 8]. Eber nannte darin kei-
Schöpfung bis zur Apokalypse zu beschreiben.4
ne Heiligen; stattdessen hielt er fest, an welchen Tagen im Jahr
Auch die Standardchronologien nach dem Vorbild des Eu-
die großen Ereignisse der jüdischen, heidnischen und christli-
sebius wurden vielfach handschriftlich ergänzt [Abb. 9 – 10]. Der
chen Geschichte stattgefunden hatten. Auch wenn er auf vie-
Historiker Glareanus machte sich Notizen zu bestimmten Pas-
len Seiten Raum für Notizen gelassen hatte, ließen sich einige
sagen in seiner Livius-Chronologie, bei denen er Korrekturbe-
Besitzer dieses Kalenders zusätzliche Leerseiten einziehen, um
darf sah. Einige dieser Notizen diktierte oder zeigte er Gabriel
89
Die Zeit in Karten
[9] Kommentierte Ausgabe der Livius-Chronik von Heinrich Glareanus, Basel 1540.
[10] Durch Gabriel Harvey kommentierte Ausgabe der LiviusChronik von Glareanus, handschriliche Notizen aus den 1580er Jahren; das Buch wurde 1555 in Basel gedruckt.
90
3. Grafische Lösungen
[11] Ubbo Emmius, der an der friesischen Universität Groningen Geschichte und Chronologie unterrichtete, stellte mit seiner Zeitleiste gewagte grafische Experimente an. Er zeigte, dass man Geschichte auf ganz wenigen Seiten darstellen konnte, wenn man die entsprechenden Intervalle wählte – und dass vertikale Zeitleisten nicht nur gut aussahen, sondern durchaus lesbar sein konnten.
Hummelberg, einem Studenten, der Ende der 1540er Jahre in
Kontexten, so in einer englischen Konfuzius-Übersetzung von
Freiburg mit Glareanus zusammenarbeitete. Hummelbergs (in
1687, die ebenfalls Eusebius’ Tabelle in kaum veränderter Form
mehrerer Hinsicht) erschöpfende, aber immerhin lesbare Noti-
übernahm.
zen geben einen guten Eindruck von Glareanus’ Arbeitsweise:
Experimente fanden vielfach im Kleinen statt: So beschloss
Er sammelte neue Fakten, sobald sie irgendwo die Drucker-
der friesische Chronologe Ubbo Emmius sein gewaltiges Opus
presse verließen, und verwendete sie für erweiterte Neuaus-
chronologicum novum („neues Werk über Chronologie“) mit Ta-
gaben seines Werkes. Der Rhetorik- und Griechischprofessor
bellen zur Weltgeschichte, die sich mit unterschiedlicher Ge-
Gabriel Harvey aus Cambridge wiederum verwandelte seine
schwindigkeit bewegten [Abb. 11]. In seinen ansonsten ganz
Ausgabe von Glareanus’ Werk in einen Bericht über seine Ge-
konventionell gestalteten Tabellen konnte der Leser die ge-
spräche über Chronologie mit dem bedeutenden Juristen Jean
samte Weltgeschichte je nach Vorliebe entweder auf ein paar
Bodin, von dem er erfuhr, welchen Chronologien er vertrau-
Seiten komprimiert oder in großer Detailfülle betrachten. Das
en konnte. Die Zeitdiagramme der Renaissance wirken auf uns
Ganze ist so übersichtlich und elegant gestaltet, dass es – zumal
heute eher fremd und äußerst technisch; zur Zeit ihrer Entste-
bei den ereignisarmen frühen Jahren – beinahe modernistisch
hung jedoch gaben sie führenden Intellektuellen Anlass zu leb-
anmutet.
haften Gesprächen.
Im 17. Jahrhundert lief indes eine allgemeine Chronolo-
Im 17. Jahrhundert fanden ältere visuelle Konventionen
gie allen anderen den Rang ab: das Theatrum historicum („Ge-
in vielerlei Zusammenhängen weiterhin ihre Anwendung.
schichtstheater“) des Gießener Gelehrten Christoph Helwig,
Die intuitiv verständliche Tabelle nach Vorbild des Eusebius
das erstmals 1609 auf den Markt kam. Es wurde als „neues
war ebenso weit verbreitet wie die Sitte, diese aktuell zu hal-
System“ vorgestellt, das dem Leser dank seiner deutlichen und
ten und die neuesten zeitgeschichtlichen Ereignisse hineinzu-
gut lesbaren Unterteilungen einen Überblick über den gesam-
bauen. Nach wie vor versahen die Herausgeber antiker Ge-
ten Kosmos der Weltgeschichte ermögliche, von der Schöpfung
schichtstexte ihre Ausgaben mit Tabellen nach Eusebius’ Ent-
bis zur Gegenwart [Abb. 12 – 13]. Helwig sparte nicht mit Meta-
wurf. Mitunter erschienen diese aber auch in ganz anderen
phern und versprach seinen Lesern, seine Arbeit werde die Er-
91
Die Zeit in Karten
[12] In seinem Theatrum historicum („historisches Theater“) vertrat Christoph Helwig einige wenig populäre Standpunkte, beispielsweise hielt er Scaligers Liste der ägyptischen Dynastien für echt. Dabei scheint es vor allem die Gestaltung seiner mehrspaltigen Chronologie gewesen zu sein, die sein Werk so beliebt machte, dass es ihm die Leser geradezu aus der Hand rissen – dabei war es im Prinzip das übliche Schachbrettmuster, das Eusebius bereits über 1000 Jahre vor ihm verwendet hatte. Helwigs Buch war mit dermaßen vielen Informationen vollgestop, die keine frühere Chronologie enthalten hatte (beispielsweise Listen mit der Abfolge von Rabbinern), dass es schwierig war, ein bestimmtes Detail wiederzufinden.
eignisse wie die Glieder einer Kette miteinander verbinden und
Samuel Quiccheberg, einer der Mitbegründer der Münch-
ihnen im Labyrinth der Zeit als Ariadnefaden dienen. Was er
ner Kunstkammer, verfasste die erste Abhandlung über diese
seinen Lesern tatsächlich bot, war im Großen und Ganzen die
Wunderkammern und erklärte, dass sein „Theater“ sowohl rea-
Chronik des Eusebius in parallelen Spalten – zugegebenermaßen
le „wundersame und seltene Tiere, beispielsweise seltene Vögel,
mit wesentlich mehr Details als Eusebius’ Werk und auch op-
Insekten, Fische, Muscheln und dergleichen“ zeigen sollte, da-
tisch ansprechender, denn er teilte seine Chronologie in gleiche
neben aber auch „künstlich hergestellte Tiere aus Metall, Gips,
Zeitabschnitte ein, zunächst in Fünfzig-, dann in Hundert-Jah-
Ton und anderen künstlichen Materialien, so dass die Kunst sie
res-Schritten. Es war tatsächlich so, dass für viele Leser des
lebendig erscheinen lässt“.5 Daneben war er an kleinen Model-
16. und des frühen 17. Jahrhunderts die Zeit wie eine Tabelle
len von Maschinen zur Wasserentnahme, zum Holzsägen oder
aussah – vorzugsweise eine, die mittels horizontaler Achsen in
zum Ziehen von Schiffen interessiert, so dass „Beispiele dieser
Quadrate unterteilt war. Und das galt für ein Menschenleben
kleinen Maschinen oder Konstruktionen es ermöglichten, nach
genauso wie für die gesamte Menschheitsgeschichte.
ihrem Vorbild andere, größere zu bauen und nach und nach
Gleichzeitig jedoch waren andere Leute bereits dabei, ein
bessere zu erfinden“.6 Den Initiatoren dieser Wunderkammern
ganz neues, dynamischeres Bild der Zeit zu entwerfen: die An-
wie Quiccheberg ging es um die Geschichte der Natur – um eine
tiquare. Im 17. Jahrhundert richteten Sammler wie der däni-
Geschichte, die zeigte, wie der Mensch durch sein Zutun die ur-
sche Wissenschaftler und Archäologe Ole Worm Räume ein,
sprüngliche Ordnung der Dinge verändert, ja verbessert hatte.
die sie als „Wunderkammern“ oder „Kunstkammern“ bezeich-
Trotz oder gerade wegen ihrer überfüllten Vitrinen boten die
neten. Die Besucher dort staunten über Donnersteine und
Wunderkammern ihren Besuchern eine unverwechselbare, gut
Krebspanzer, über Alligatoren und Seesterne, über faszinieren-
lesbare Karte von Zeit und Wandel.
de kunsthandwerkliche Objekte, über Statuen und Automaten,
Schon die ganz frühen Chronologen – nicht nur Eusebius,
die für den Betrachter die Grenze zwischen Leben und Kunst
sondern auch dessen noch ältere Quellen, deren Texte leider
auszuloten schienen, über Waffen und Werkzeuge, mit denen
nicht überliefert sind – widmeten der Datierung und Dokumen-
sich der Mensch die Natur Untertan machte.
tation menschlicher Erfindungen viel Raum. In der Renaissance
92
3. Grafische Lösungen
machten Historiker wie Jean Bodin oder der griechische Gelehr-
Solche und ähnliche Gedanken hielten im frühen 17. Jahr-
te Loys Le Roy solche Berichte zu Meilensteinen ihrer Zeitdia-
hundert Einzug in die technischen Untersuchungen zur Chro-
gramme. Diese Männer waren der (natürlich eurozentristischen)
nologie. Der große Astronom Johannes Kepler beispielswei-
Überzeugung, dass man Schießpulver, Kompass und Buchdruck
se schrieb beinahe so viel über Chronologie wie über Plane-
nicht im Altertum erfunden hatte, sondern in der Moderne,
ten. Die Tabulae Rudolphinae („Rudolphinische Tabellen“), in
und zwar trotz der verbreiteten Annahme, dass die Menschen
denen er die Ergebnisse seiner lebenslangen Beschäftigung
der Antike – vor allem in Ägypten und Babylon – einen Grad der
mit den Bewegungen der Planeten niederschrieb, enthalten so
Weisheit erlangt hatten, den sie nie wieder erreichen sollten. Sie
auch mehrere Zeittafeln, die die wichtigsten Ergebnisse seiner
und ihre Leser, vor allem Propheten der Moderne wie Francis
Forschungen auf dem Gebiet der antiken Kalender und Datie-
Bacon, hofften beweisen zu können, dass sich die europäische
rungen darstellten. Für die Titelseite dieses großartigen Buches
Moderne als letztes Zeitalter der Geschichte auf ganz besondere
entwarf Kepler ein Bild, das die historische Entwicklung der
Weise legitimieren würde, denn der moderne Mensch hatte (zu-
Astronomie symbolisierte [Abb. 14].
mindest in gewisser Hinsicht) mehr gesehen und übte eine grö-
Generationen um Generationen hatten die meisten Gelehr-
ßere Macht über die Natur und über andere Menschen aus, als es
ten geglaubt, dass Gott Adam und den anderen Patriarchen das
selbst den weisesten alten Griechen und Römern gelungen war.7
wahre Wissen über alles, was in der Natur vor sich ging – selbst
93
Die Zeit in Karten
94
3. Grafische Lösungen
[13] Christopher Helwigs Chronologie folgte dem Vorbild des Eusebius. Zugleich aber machte er deutlich, wie viele wichtige Personen und Institutionen in neuerer Zeit aufgetaucht waren und passte sein Modell entsprechend an. Auf der linken Seite listete er die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches auf, wobei er Karl V., den Renaissance-Kaiser, der versucht hatte, die Kirche gegen Martin Luther zu verteidigen, durch besonders große Lettern hervorhob – so stellte er zwar klar, welch große Bedeutung das Heilige Römische Reich hatte, brachte aber ebenso zum Ausdruck, dass es nicht, wie die traditionelle Geschichtsschreibung behauptete, die Welt beherrschte. Solche Werke wurden gerne im Geschichtsunterricht an Schulen und Universitäten eingesetzt.
95
Die Zeit in Karten
[14] Johannes Keplers fantasievolles Gebäude und die Astronomen, die es bevölkern, sind ein deutliches Statement über Wissen und Zeit. Der älteste Astronom – ein Babylonier, der bei einer Säule steht, die fast noch ein Baum ist – steht eindeutig für eine primitive Welt ohne exakte Ergebnisse. Während sich die Astronomen Keplers Gegenwart nähern, wird ihre Arbeitsweise aufwendiger und die Säulen entsprechend kunstvoller und klassischer. Den Höhepunkt dieser architektonischen Zeitleiste der Astronomie stellen Kopernikus und Tycho Brahe dar – und natürlich Kepler selbst.
tronomen der Griechen, Ptolemaios, waren weit weniger präzise als die der modernen Meister dieses Faches: Kopernikus, Tycho Brahe und Kepler. Der elegante Pavillon auf Keplers Titelbild symbolisierte seine eigenen Leistungen und war zugleich so etwas wie eine virtuelle Wunderkammer. Auch wenn das Gebäude einen kreisförmigen Grundriss besitzt, erzählt es doch eine ganz lineare Geschichte: die der Fortschritte in der Astronomie im Laufe der Jahrhunderte. Im Hintergrund sichtet ein babylonischer Astronom den Himmel, indem er durch seine Finger schaut. Die Säule neben ihm steht für die rudimentärste Form der Architektur: Es ist ein Baumstamm, von dem man die Äste abgeschnitten hat. An den beiden Seiten sieht man die bedeutendsüber die Planetenbahnen – offenbart hatte. Die Sünden der
ten Astronomen der Antike, Hipparchos und Ptolemaios, deren
Menschen hatten zur Sintflut geführt und dieses Wissen teil-
Arbeitsweise bereits ein wenig anspruchsvoller ist: Hipparchos
weise oder vollständig ausgelöscht; doch durch die genaue Lek-
zeigt ein paar Tafeln vor, Ptolemaios sitzt an einem Tisch und
türe der erhalten gebliebenen Texte war es gelungen, zumin-
schreibt etwas auf. Flankiert werden die beiden von schmuck-
dest Teile dieses Wissens zu retten. Die Astronomen jedoch
losen Säulen aus einfachem Backstein, kaum schöner anzu-
wussten, dass sich ihre Wissenschaft erst relativ spät entwickelt
sehen als der Baumstamm ihres Vorgängers. Im Vordergrund
hatte: Offenbar hatten selbst die legendären Sterndeuter Ägyp-
schließlich debattieren Kopernikus und Tycho die Geheimnisse
tens und Babyloniens vor der Thronbesteigung Nabonassars im
der Astronomie. Neben ihnen: glatte Steinsäulen, die mit dori-
Jahr 747 v. Chr. keine datierbaren Himmelserscheinungen auf-
schen und korinthischen Kapitellen gekrönt sind – ein architek-
gezeichnet. Und selbst die Daten und Modelle des größten As-
tonisches Symbol für Fortschritt und höchste Eleganz.
96
3. Grafische Lösungen
Die kanonische Ordnung der antiken Baukunst in Keplers
en aus Ägypten, China, und der Neuen Welt einen größeren
Bild verweist auf die Errungenschaften des modernen Men-
Zeitraum umfassten, als ihn die Bibel für die Zeitspanne zwi-
schen. Alles in allem erzählen der Pavillon und die Personen
schen Schöpfung und Geburt Jesu eigentlich zuließ, und es
die Geschichte davon, wie der Mensch aus eigener Kraft nicht
gab kaum Grund zur Annahme, diese anzuzweifeln. Der Papst
den Weltraum erobert, so doch zumindest die mathematischen
gestattete den Jesuiten in China sogar, die griechische Bibel zu
Regeln aufgestellt hatte, die die Bewegungen der Gestirne be-
verwenden, da man deren längere Chronologie dort plausib-
stimmten. Im Übrigen beschränkten sich Keplers Überlegungen
ler und respektabler fand als die weitaus kürzere der hebräi-
nicht auf die kulturelle Entwicklung der Astronomie. Er ver-
schen Bibel. Unterdessen begann die Wissenschaft, sich immer
wies darauf, dass es immer wieder kurze Zeiträume gegeben
mehr für erdgeschichtliche Entwicklungen zu interessieren; die
hatte, in denen verschiedene Künste und Wissenschaften ge-
so gewonnenen Erkenntnisse deuteten darauf hin, dass man
meinsam floriert hatten; seiner Theorie nach waren dafür aber
die biblische Schöpfungsgeschichte vielleicht doch nicht allzu
nicht etwa Konjunktionen bestimmter Planeten, sondern die
wörtlich nehmen sollte.
neuen Entwicklungen in der Kommunikation – vor allem der Buchdruck – verantwortlich.8
Kein Wunder, dass sich ein weiterer Jesuit bemühte, eine neue Grundlage für das Erstellen einer Chronologie zu finden:
Im Laufe des 17. Jahrhunderts erkannten einige Astro-
Francesco Bianchini war Experte für Astronomie, und wie
nomen, dass man mithilfe ihrer Kunst zwar die Geschichte
schon andere Jesuiten vor ihm half er, Kirchengebäude mit
des 1. Jahrtausends v. Chr. teilweise sehr genau rekonstruie-
Öffnungen und Messskalen auszustatten. Dadurch wurden die
ren konnte, dass sie für Ereignisse früherer Epochen wie die
Gotteshäuser in regelrechte Observatorien verwandelt, in de-
Sintflut oder den Turmbau zu Babel aber nicht viel weiterhalf,
nen man nach kopernikanischen Prinzipien den Lauf der Son-
denn hier lagen keine Daten über Sonnenfinsternisse oder
ne beobachtete.9 Doch je mehr er sich in der Astronomie aus-
Konjunktionen vor. Überhaupt bezweifelte man inzwischen
kannte, desto klarer wurde ihm, dass es mithilfe dieser Diszi-
die Bedeutung der Bibel als maßgebliche Quelle für die Ge-
plin nicht gelingen würde, die Probleme einer zeitlichen Rekon-
schichte der Welt. Chronologen stellten fest, dass Chronologi-
struktion der ersten Jahrhunderte der Menschheitsgeschichte
97
Die Zeit in Karten
[15] In seiner Universalgeschichte verwendete Francesco Bianchini eklektische Bilder sowohl als Quellen für die frühen Phasen der Menschheit als auch zur Illustration dieser Frühgeschichte. Für ihn galten antike Statuen, Reliefs und Artefakte, wie sie hier auf seiner Titelseite abgebildet sind, als zuverlässigere Quellen als die Kalenderzyklen, die bei früheren Chronologen so beliebt waren (einer dieser Kalender ist hier zu sehen, beinahe begraben unter anderen Objekten).
zu lösen, wie Apianus, Mercator, Scaliger oder Ussher gehofft
der Antike stammten – boten ein weitaus fundierteres Wissen
hatten. Es gab einfach nicht genügend eindeutige Zusammen-
als astronomische Tabellen: „Im Urteil unserer Zeit erscheinen
hänge zwischen historischen Ereignissen und astronomischen
die Rituale, die Individuen und die Epochen, die sie in Metall
Beobachtungen, um die Frühgeschichte von ihren vielen Wi-
und Stein darstellten, als maßgebliche Zeugen der Ereignisse,
dersprüchen und Ungereimtheiten zu befreien: Wenn es um
von denen sie berichten.“11 Eine Chronologie, die sich auf die-
die älteste Epoche der Menschheit ging, blieb die Astronomie
se Überreste der Vergangenheit berief, würde zwar weniger ge-
am Ende zwangsläufig ungenau. „Die Vermutungen eines His-
naue Daten liefern als die traditionellen Zeitleisten; dafür aber
torikers“, so Bianchini, „sind nicht dasselbe wie das Dekret
weist sie ästhetische und informative Qualitäten auf.
10
Ganz folgerichtig wandte er sich Ende des
Bianchinis neue Geschichte der Welt war ein fantasievol-
17. Jahrhunderts einer ganz anderen Art von Expertenwissen
les Mosaik aus Altertümern, bei deren Interpretation er sich
zu: derjenigen der Antiquare.
große Freiheiten einräumte [Abb. 15 – 17]. Bei Bianchini wurde
eines Richters.“
Bianchini trieb sich in den archäologischen Stätten in und
aus dem Flachrelief eines antiken Circus eine „Figuren-Chro-
um Rom herum und kam bald zu der Überzeugung, dass sich
nologie“ antiker Überzeugungen über die Schöpfung des Men-
anhand der bescheidenen Überreste, die er und andere dort
schen: Wenn die Römer Abbilder ihrer Götter durch den Circus
fanden, eine weitaus solidere Chronologie entwickeln ließ als
trugen, dann demonstrierten sie damit immerhin, dass Gott das
anhand astronomischer Daten, die keinerlei Verbindung zu
Universum geschaffen hatte. Eine weitere Bildergruppe diente
historischen oder biblischen Ereignissen aufwiesen. Die Men-
ihm als Hinweis auf den Ursprung der Landwirtschaft in Ägyp-
schen des Altertums, so argumentierte er, „versuchten, dem
ten: Die Figur des Merkur oder Thoth mit einem Hermesstab
Konzept der Geschichte etwas Wahrhaftes und Solides zu ver-
in der Hand bewies ihm, dass Gott der Menschheit die Küns-
leihen, und so beschlossen sie, diese mithilfe von Figuren dar-
te und das Handwerk offenbart hatte, und zwar zuallererst in
zustellen, die sie nicht etwa zum ästhetischen Genuss schufen,
Ägypten.
sondern um Tatsachen zu beweisen.“ Die Ergebnisse ihrer Ar-
Das spannendste – und dramatischste – Relikt aber war
beit – im elementarsten Sinn Primärquellen, da sie direkt aus
eine zerbrochene Vase, auf der neben zahlreichen Figuren von
98
3. Grafische Lösungen
99
Die Zeit in Karten
100
3. Grafische Lösungen
[16 – 17] Für seine Illustrationen warf Bianchini regelmäßig Menschen und Objekte von ganz unterschiedlichen Reliefs und Gefäßen in einen Topf. Diese seien zwar chronologisch nicht allzu präzise, dennoch, so argumentierte er, handele es sich um wahre Aufzeichnungen menschlicher Geschichte. Im Gegensatz zu Schedel oder Rolevinck sah Bianchini die Bilder, die seine Zeitleiste begleiteten, nicht als Dekoration oder Gedächtnisstütze, sondern als äußerst wichtige Quellen.
Menschen und Tieren auch ein kleiner Holzkasten abgebildet
Bibliografien und Notizbücher zu überfluten drohten, indem
war [Abb. 18]. In diesem meinte Bianchini eine hydraulische
sie ein neues Forschungsgebiet ins Leben riefen: die Literatur-
Vorrichtung zu erkennen, die beim jährlichen Fest zum Ge-
geschichte.13 Literaturhistoriker wie Daniel Georg Morhof be-
denken der Sintflut – die weder die Griechen noch die Juden je
mühten sich, für jeden Bereich menschlicher Aktivität primäre
vergessen hatten – eine Rolle gespielt habe. Die kleinen Figu-
und sekundäre Quellen zu sammeln. Sie erstellten außerdem
ren, von denen einige mit den Händen ihr Gesicht bedecken,
Handbücher, in denen sie weniger umtriebigen Lesern ver-
stellten ganz eindeutig Menschen dar, die versuchten, sich vor
rieten, wie sie ohne große Mühe auf dem Laufenden bleiben
der Sintflut zu retten. Dass die Priester das Kästchen im Inne-
konnten – sozusagen als frühneuzeitliche Vorläufer von Pierre
ren des Gefäßes an der Wasseroberfläche treiben lassen konn-
Bayards berühmtem Essay Comment parler des livres que l’on n’a
ten, beeindruckte die Menschen und flößte ihnen Ehrfurcht
pas lus? („Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen
ein – die passende Stimmung zur Erinnerung an ein Ereignis,
hat“).14 An deutschen Hochschulen hielten Professoren sogar
das die Menschheit beinahe ausgelöscht hätte.12 Seit mehr als
Seminare zu diesem Thema ab, lasen lange Listen von Titeln
100 Jahren gab es bereits die Wunderkammern, die dem stau-
aus großen Bibliotheken vor und kommentierten deren Auto-
nenden Besucher mit visuellen Mitteln die Geschichte ihrer
ren und Inhalte.
Kultur nahebrachten. Nun machte sich Bianchini daran, auch
Mitte des 17. Jahrhunderts nahm auch die Literaturge-
die Chronologie in eine virtuelle Wunderkammer zu verwan-
schichte eine visuelle Form an. Johann Heinrich Alsted arbei-
deln. Statt den Sternen musste man die Objekte studieren,
tete eine faszinierende (wenngleich optisch eher unscheinbare)
wollte man aussagekräftige Angaben über die Vergangenheit
kulturelle Chronologie aus, die das Datum der ersten Pyramide
machen – die Chronologie sollte sich nicht mit bloßen Daten,
nannte, des ersten Obelisken, des ersten Labyrinths, des ersten
sondern vielmehr mit der Entwicklung der Kultur befassen.
Musikinstruments und vieler weiterer Premieren. Der protes-
Und das fanden nicht nur die Antiquare [Abb. 19 – 21]. Zahl-
tantische Gelehrte Peter Lambeck aus Hamburg, der zum Ka-
reiche Gelehrte reagierten auf die regelrechte Flut gedruckter
tholizismus konvertierte und Bibliothekar der Wiener Samm-
antiker und moderner Informationen, die ihre Bibliotheken,
lungen des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches wurde, er-
101
Die Zeit in Karten
[18] Hier nutzt Bianchini seine Kunst, um einen bescheidenen archäologischen
kundete zahlreiche bedeutende Bibliotheken in ganz Europa.
Fund antiker Menschen- und Tierfiguren in ein spektakuläres virtuelles Muse-
Er wusste, wie riesig sie waren und wie schwer es den Gelehr-
um zu verwandeln. Er interpretierte das Ganze als eine Art Protokoll antiker
ten fiel, sich in ihnen zurechtzufinden und das, was sie dort
Religion, bei der die Sintflut eine Rolle spielte. Die alten Priester hatten ein hydraulisches Gerät verwendet, um ein kleines Kästchen schwimmen zu lassen – im Gedenken an die Arche – und so die einfachen Leute zur Frömmigkeit
entdeckten, zu bewerten – das galt vor allem für Hochschullehrer, die ihren Studenten in aller gebotenen Kürze über die
anzuhalten, während sie ihre jährlichen Rituale zur Erinnerung an die Sintflut
dortigen Werke berichten wollten. So schuf Lambeck die erste
abhielten.
formale Literaturgeschichte überhaupt. Was die Form betraf, war er ein Traditionalist – er versah sein Buch mit aufwendigen Tabellen, die die Entwicklung aller Arten des Schreibens aufzeigten, von der Schöpfung bis zur Gegenwart. Als im 18. Jahrhundert Schriftsteller wie Voltaire und Joseph Priestley begannen, bebilderte Kulturgeschichten zu verfassen, führten sie die Fäden zusammen, die Bianchini, Lambeck und andere gesponnen hatten – ohne diese Gelehrten wä-
102
3. Grafische Lösungen
[19] In seiner Chronologie von 1628 bot Johann Heinrich Alsted seinen Lesern u. a. so etwas wie eine Chronologie der Kultur: eine lange Liste von Erfindern und Erfindungen. Sie umfasste alles, von literarischen Genres bis hin zu ganzen Epochen. Anders als Kepler ging es ihm jedoch nicht darum, wie einzelne Erfindungen mit bestimmten Zeiten oder Gesellschaen korrelierten. Diese Liste ist nichts weiter als eine Liste.
ren ihre Ergebnisse nicht halb so eindrucksvoll gewesen. Dabei
zu verknüpfen und dadurch besonders einprägsam zu gestal-
hatten sich die frühen Protagonisten dieser Disziplin ernsthaf-
ten. Johannes Buno, der in Lüneburg lehrte, widmete sich ein
ten Problemen gegenübergesehen. Lambeck zum Beispiel be-
halbes Jahrhundert lang der Ausarbeitung von Lehrbüchern,
hielt die einheitliche Spaltenform der Chronologie nach Eu-
in denen markante Bilder mit kurzen Texten die üblichen lang-
sebius’ Vorbild bei, gewährte aber den letzten Jahrhunderten
atmigen Erzählungen antiker und mittelalterlicher Geschichte
vor der Menschwerdung mehr Platz als denjenigen, die unmit-
ergänzten. Geschichte, erklärte er, sei ein weiter Ozean, und
telbar auf die Schöpfung folgten. Doch er war zu konservativ,
der Schüler brauche die richtige Ausrüstung, um hindurch zu
um die ersten Jahrhunderte radikal zu kürzen – am Ende hat-
navigieren und dabei nicht zu kentern. Im Idealfall, so Buno,
te er lauter leere Spalten. In den Epochen danach hingegen
könne sich der Schüler „die gesamte Ordnung der Zeit mer-
quetschte er so viele Autoren aus so vielen Bereichen auf so
ken, wenn sie auf einen einzigen Körper reduziert und in be-
engen Raum, dass man den literarischen Entwicklungen, die
stimmte Epochen oder Segmente aufgeteilt ist. Dann wäre er
er ja eigentlich hatte aufzeigen wollen, überhaupt nicht mehr
immer, wenn wichtige Ereignisse genannt würden, sofort in
folgen konnte. Trotz all seiner Bemühungen, der Geschichte
der Lage zu wissen, welcher Epoche oder welchem Segment
der Kultur mit grafischen Mitteln Ausdruck zu verleihen, füll-
sie angehören“.15
te er am Ende doch wieder nur, wie so viele vor ihm, Informationen in Tabellen.
Dafür besaß Buno die richtigen grafischen Werkzeuge [Abb. 22 – 24]. Für die vier Jahrtausende zwischen der Schöp-
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts schwand immer
fung (4004 v. Chr.) und der Geburt Jesu fand er vier Bilder
mehr die Hoffnung, dass man die Schöpfung, die Sintflut und
– einen Adler, ein paar Bretter, ein Kamel und einen Drachen –,
die Gründung Roms doch noch konkreten Jahren zuordnen
die je einen wichtigen Aspekt des jeweiligen Jahrtausends auf-
könnte, und so verwandten manche Chronologen ihre Ener-
griffen (so bezogen sich die Bretter auf die Arche Noah, das Ka-
gie und ihren Einfallsreichtum ganz auf den pädagogischen As-
mel auf den Auszug der Juden aus Ägypten). Zugleich lieferte
pekt ihres Unternehmens: die bekannten geschichtlichen Da-
jedes dieser Bilder einen lebendigen, unvergesslichen Hinter-
ten, die man in der Schule lehrte, mit eindrucksvollen Bildern
grund für Darstellungen bedeutender Männer und Frauen, die
103
Die Zeit in Karten
[20 – 21] Peter Lambeck verfolgte die Entwicklung einer einzigen Kulturform, der Literatur, von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. In den ersten Jahrhunderten gibt es relativ wenige Einträge, die man Adam und anderen Patriarchen zuschrieb, was Lambeck aber als Fälschung entlarvte. Spätere Epochen wimmelten hingegen von Einträgen – bestimmte Zeiten und Orte (wie das spätrepublikanische und kaiserzeitliche Rom) erwiesen sich als Höhepunkt menschlicher Kreativität.
104
3. Grafische Lösungen
[22 – 23] Johannes Buno illustrierte die 17 Jahrhunderte seit Christi Geburt jeweils durch ein einzelnes Bild, beispielsweise einen Bären oder ein Ölgefäß. Darüber hinaus verwendete er einprägsame Figuren, kuriose Details sowie Bilderrätsel und schuf so eine Chronografie, die auch als eine Art „virtuelles Theater der Erinnerung“ fungieren konnte: als praktisches System zum Memorieren von Namen und Daten. In jedem seiner Bilder kann man den Zahlen folgen und dadurch die porträtierten Personen genau in der Historie verorten.
105
Die Zeit in Karten
106
3. Grafische Lösungen
[24] In Johannes Bunos Weltgeschichte von 1672 wird jedes der vier Jahrtausende von der Schöpfung bis zu Christi Geburt von einem großen allegorischen Bild begleitet – der hier abgebildete Drache steht für das 4. Jahrtausend.
107
Die Zeit in Karten
Buno immer ihre wichtigste Tätigkeit ausführen ließ: Seth hält
auf, für die sie standen, „sondern sind völlig willkürlich“. Am
zwei Säulen, der Astronom Ptolemaios betrachtet den Himmel.
meisten aber störte ihn, dass Buno von der linearen Struktur
Manche Namen waren auch als Bilderrätsel dargestellt – neben
abwich: „In jedem Bild sind die verschiedenen Figuren nicht in
Alexander dem Großen zum Beispiel konnten die Schüler zwei
chronologischer Reihenfolge zu sehen, sondern sie werden, um
einander verschlingende Aale entdecken, die sie an den Namen
Platz zu gewinnen, vollkommen durcheinandergeworfen. Doch
des Feldherrn erinnern sollten („die Ahle essen
’nander“).16
die chronologische Reihenfolge ist das wichtigste Ziel bei die-
Bunos Werk verbreitete sich vom pietistischen Waisenhaus
ser Art der Darstellung, erst sie offenbart die Zusammenhänge
in Halle bis zum Heidelberger Hof, doch es fand auch scharfe
zwischen den Ereignissen.“17 Leibniz war der Ansicht, dass die
Kritiker. Gottfried Wilhelm Leibniz, der nicht nur ein bedeu-
Chronologie durch die zahlreichen neuen Fakten und visuel-
tender Philosoph und Wissenschaftler war, sondern auch ein
len Modelle nicht etwa verbessert, sondern geschwächt wur-
hoch gebildeter Historiker, lehnte Bunos Methode rundher-
de. Viele Lehrer stimmten ihm da zu und wiesen ihre Schüler
aus ab. Einige seiner Bilder, so Leibniz, wiesen „überhaupt kei-
an, Bunos Fakten auswendig zu lernen und seine übrigen Aus-
ne natürliche Verbindung“ mit den Menschen und Ereignissen
schmückungen zu ignorieren.
108
3. Grafische Lösungen
[25 – 26] Der hellsichtige neapolitanische Gelehrte Giambattista Vico, der hoffte, aus der Geschichte eine „neue Wissenscha“ zu machen, griff in seiner Darstellung der Weltgeschichte die traditionelle Zeittafel des Eusebius auf. Im Begleittext jedoch verwarf er seine eigene Tabelle als voll von Fehlern, die von den heidnischen Völkern überliefert seien. Er argumentierte, die Historiker sollten sich philosophischer statt chronologischer Mittel bedienen, um die Entwicklung der menschlichen Gesellscha nachzuempfinden.
Ende des 17. Jahrhunderts waren Historiker wie der neapo-
die Philosophie könne man die Vergangenheit ordnen und in
litanische Jurist Giambattista Vico bereits dabei, die bestehen-
ihre tatsächlichen Epochen einteilen; und zwar nicht indem
den Strukturen zu dekonstruieren, um eine sinnvollere Chro-
man mit Daten jonglierte, die irgendwelche dahergelaufenen
nografie der Kultur zu entwickeln. Zwar enthielt Vicos Scienza
Heiden überliefert hätten, sondern indem man deren Mythen
nuova („neue Wissenschaft“), die mit der Ausgabe von 1744
interpretierte [Abb. 25 – 26]. Der Zauberstab auf dem Altar weist
ihre endgültige Form erreichte, für die Jahre von der Sintflut
darauf hin, dass die heidnische Religion ihren Ursprung in der
bis zum Zweiten Punischen Krieg eine ganz traditionelle Ta-
Weissagung hatte, die Fackel zeigt an, dass die Ehe die erste
belle nach Eusebius’ Vorbild. Doch er gab zu, dass „diese Leute
Institution war, und der Pflug soll bedeuten, dass „die Urväter
und Ereignisse nicht zu den Zeiten und an den Orten lebten,
der frühen heidnischen Völker die ersten Muskelmänner der
die man ihnen in der Regel zuweist – wenn sie überhaupt je-
Geschichte waren“.19 Die Aufgabe des Chronografen sei nicht
mals existierten.“18 Seiner Ansicht nach hatten die alten Ägyp-
etwa, so Vico, die genauen Zeiträume zu bestimmen, in denen
ter und Perser so gut wie gar keine Kenntnisse von der Früh-
angeblich irgendwelche Könige regiert hatten, sondern die ein-
geschichte gehabt. Ihre ältesten Vorfahren waren Barbaren, die
zelnen Phasen der Entwicklung der menschliche Kultur aus-
sich vor den Blitzen und dem Donner fürchteten, die auf die
zumachen – und dadurch zu verdeutlichen, dass die Menschen
Sintflut folgten. Da sie über jene Zeit keinerlei Aufzeichnun-
(entgegen der gängigen Ansicht) im Laufe der Zeit klüger ge-
gen besaßen, erfanden sie ihre Vorfahren einfach kurzerhand
worden waren. Seiner Auffassung nach war Homer nicht der
und ließen ihre Geschichte so weit zurückreichen, wie es ihre
anspruchsvolle, philosophische Dichter, als den die Allegoris-
Eitelkeit gebot. Das bildete das fragile Fundament, auf dem die
ten ihn sahen, sondern ein primitiver Barde, der für Griechen
traditionelle Chronologie von Eusebius bis zur Gegenwart auf-
schrieb, die noch halbe Barbaren waren. Die Chronografie hat-
baute. Kein Wunder, dass Vico seiner eigenen Tabelle dieselbe
te ihre ursprüngliche Funktion als Schlüssel zum Verständnis
Geringschätzung entgegenbrachte wie denen anderer Autoren.
der Bibel eingebüßt, dabei aber eine neue Funktion gewonnen:
Wie das vielschichtige barocke Bild, das seinem Buch als
als Medium zur Aufzeichnung der Kultur und ihres Wandels.
Frontispiz diente, andeutet, war Vico der Ansicht, allein durch
109
Die Zeit in Karten
Kapitel 4:
Grafik im Wandel
110
4. Grafik im Wandel
Trotz aller Fortschritte in der chronologischen Forschung, die
Die Geographie ist eine angenehme und erfreuliche Beschäfti-
man in der frühen Neuzeit beobachten konnte, waren dennoch
gung. Sie bietet uns ein Bild der ganzen Welt, das wir schnell
viele Chronologen mit den grafischen Mitteln, die ihnen zur
durchqueren und uns immer wieder mit Vergnügen ansehen
Verfügung standen, alles andere als zufrieden. Immer wieder
können. Die Welt darin ist uns wohlbekannt: Wir erkennen
bläuten einem die Lehrbücher ein, Chronologie und Geogra-
ihre Völker wieder, wir messen Distanzen mit einem Blick oder
fie seien die „zwei Augen der Geschichte“. Wenn dem wirk-
mit dem Kompass in der Hand, wir nehmen die Konturen der
lich so war, dann mussten alle, die sich zu jener Zeit intensiv
Karte so tief in unser Bewusstsein auf, dass wir sie nie wieder
mit Geschichte beschäftigten, ein echtes Problem mit ihrer Tie-
vollständig vergessen werden. Gleiches kann man indes für die
fenwahrnehmung haben. Im 15. und 16. Jahrhundert wurden
Chronologie nicht behaupten: Sie ist ein so trockenes, so schwie-
Landkarten immer detaillierter und präziser, nachdem die Kar-
riges und undankbares Feld, dass sie dem Geist kaum mehr
tografen die altehrwürdige Form der ptolemäischen Karte end-
bietet als eine Vielzahl hässlicher Daten, die die Erinnerung
lich zugunsten neuer Konventionen aufgegeben hatten und
überfordern und frustrieren und die man daher leicht wieder
riesige Mengen neuer Informationen hinzugekommen waren.
vergisst.1
Wie die Kartografie befand sich auch die Chronologie zu jener Zeit in einem steten Wandel. Die Chronologen der frühen
Und das aus der Feder eines Mannes mit einer großen Leiden-
Neuzeit verwendeten neue Techniken, die sie der Astronomie
schaft für historische Daten!
und der Numismatik entliehen; unermüdlich arbeiteten sie da-
Schon vor der Erfindung des Buchdrucks war die Chrono-
ran, neue Daten aus aller Welt in ihre Entwürfe einzubinden.
logie eine ziemlich buchlastige Kunst, schließlich mussten un-
Dennoch erfuhr die Chronologie erst im 18. Jahrhundert auch
endlich viele Informationen zusammengetragen werden, und
eine visuelle Revolution, die mit derjenigen auf dem Gebiet der
diese waren mitunter ziemlich weit verstreut. Die Technologie
Geografie vergleichbar war. Der Kontrast war so auffällig, dass
des Drucks machte es möglich, Informationen in vielerlei Form
der französische Arzt und Amateurchronologe Jacques Bar-
zu speichern, zu vervielfältigen und zu verbreiten. Für die Be-
beu-Dubourg noch im Jahr 1753 schrieb:
dürfnisse der Chronologen war sie daher von großem Nut-
111
Die Zeit in Karten
112
4. Grafik im Wandel
[1] 1672 erschien der erste Band von Jean Rous elegant gravierten Tables historiques, chronologiques, & généalogiques, der sich der Geschichte des Altertums widmete. In Paris wurde sein Werk zunächst positiv aufgenommen, doch als 1675 seine Tabellen zur Geschichte der Neuzeit auf den Markt kamen, verbot man seine Schrien, da man in ihnen protestantische Inhalte erkannte. Bereits 1682 beklagte sich der Philosoph Pierre Bayle, Rous Tables seien kaum noch irgendwo aufzutreiben.
113
Die Zeit in Karten
zen, denn jene waren auf exakte Reproduktionen angewiesen
sofern fand Jean Boulaese, der versucht hatte, einen Großteil
und benötigten eine Fülle von Daten. Schon deshalb genossen
von Eusebius’ Chronik in einem einzigen Diagramm unterzu-
große, umfassende Referenzbücher auch und vor allem unter
bringen, vor allem in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts
Chronologen eine hohe Nachfrage. Im 15. und 16. Jahrhundert
zahlreiche Nachahmer.
tauchten neue Datierungsmethoden auf, die für wesentliche
Zu den einflussreichsten synoptischen Werken des späten
Fortschritte sorgten – Apianus beispielsweise versuchte sicher-
17. Jahrhunderts gehörten die Tables historiques, chronologiques,
zustellen, dass die Daten seiner Chronologie stimmten, indem
& généalogiques („historische, chronologische und genealogi-
er astronomische Berechnungen und historische Berichte mit-
sche Tafeln“), die der protestantische Anwalt Jean Rou in den
einander abglich. Doch einige der bemerkenswertesten Fort-
1670er Jahren in zwei Bänden veröffentlichte [Abb. 1].2 Sie be-
schritte jener Epoche vollzogen sich im Bereich der Organisati-
standen aus einer Reihe gestochener Tabellen, die auf mehre-
on von Informationen. Und im Laufe der folgenden zwei Jahr-
ren übergroßen Seiten riesige Mengen an komprimierten his-
hunderte zeigten diese Innovationen immer mehr Wirkung. Im
torischen und genealogischen Informationen enthielten. So
Gegensatz zu den Chronologiebüchern des 15. und 16. Jahr-
einflussreich sie später auch werden sollten, Rous Diagramme
hunderts mit ihren großen, einprägsamen Lettern verwende-
wurden in Frankreich nicht sofort nachgeahmt. Zwar war sein
ten diejenigen des 17. Jahrhunderts feine Gravuren, wodurch
erster Band, der die Geschichte des Altertums abhandelte, ein
sich viel mehr Daten auf kleinerem Raum unterbringen ließen.
großer Erfolg, doch der zweite, in dem es um die Neuzeit ging
Daraus resultierte eine Verbindung von Bild und Text, die viel
und der die Epoche der Reformation beinhaltete, war so um-
organischer wirkte und zudem nahezu unbegrenzte Variatio-
stritten, dass er sogar verboten wurde; Rou selbst floh in die
nen zuließ, was Schrift, Layout und Proportionen anging. In-
Niederlande.3
114
4. Grafik im Wandel
[2] In A View of Universal History von 1685 griff der nonkonformistische britische Pfarrer und Lehrer Francis Tallents Jean Rous Bildsprache aus dem vorigen Jahrzehnt wieder auf. Tallents’ Tabellen waren etwas kleiner, stellten aber genau wie die von Rou hinsichtlich der Komprimierung von Daten eine bemerkenswerte Leistung dar. Die Daten in diesen Tabellen haben keine regelmäßigen Abstände: Vor allem in den ersten Epochen der Weltgeschichte scheint sich die historische Zeit nach den Rhythmen von Generationen und bedeutenden Ereignissen auszudehnen und zusammenzuziehen.
sicht, es sei an der Zeit, die Grenzen der synoptischen Darstellung vollständig auszuloten. Anfang des 18. Jahrhunderts hatte der Buchmarkt zu geschichtlichen Themen bereits eine stattliche Größe erreicht und hörte dennoch nicht auf zu wachsen: In Frankreich dauerte es mehrere Jahrzehnte, bis man Rous
Nach Lenglet du Fresnoys Schätzung gab es im Bereich der His-
Ansatz wieder aufgriff und nachzuahmen begann. Die Engländer
toriografie bereits mehr als 30 000 verschiedene Bände. Er selbst
waren da schneller: Unmittelbar nach Erscheinen der Tables his-
war ein äußerst schneller und ausdauernder Leser (mitunter las
toriques schuf der nonkonformistische Pfarrer und Lehrer Fran-
er 14 Stunden am Tag); dennoch, so berechnete er, würde ein
cis Tallents aus Shrewsbury in den West Midlands seinen View of
noch so fleißiger Student nie in der Lage sein, mehr als 1800
Universal History [Abb. 2]. Durch dieses Buch erreichte Rous For-
Geschichtswerke zu lesen, wenn er das Gelesene noch ver-
mat äußerste Popularität, insbesondere in den britischen Dissen-
stehen und im Gedächtnis behalten wollte. Er selbst empfahl,
ting Academies, wo man seit dem Ende des 17. Jahrhunderts Stu-
nicht mehr als 1200 solcher Werke in seinem Leben zu konsu-
denten aufnahm, die in Oxford und Cambridge aus religiösen
mieren – bei dieser Anzahl könne man noch „ein wenig über
Gründen exmatrikuliert worden waren. (An einer solchen Aka-
das nachdenken, was man liest“.6 Lenglet du Fresnoy gehörte
demie lernte auch der berühmte Wissenschaftler und Theologe
im 18. Jahrhundert zu den wichtigsten Förderern der Chrono-
Joseph Priestley, der die Chronologie in den 1760er Jahren revo-
logie, dennoch können wir in seinem Werk durchaus erkennen,
lutionieren sollte, Rous bzw. Tallents’ Werk
kennen.4)
dass das Ansehen der Disziplin bereits gelitten hatte. Lenglet du
Erst im Jahr 1729 veröffentlichte der Abt Nicolas Lenglet du
Fresnoy selbst betonte zwar die Bedeutung der Chronologie,
Fresnoy, Autor zahlreicher pädagogischer Abhandlungen wie
beklagte aber zugleich, wie wenig man sie im Vergleich zu dem
der beliebten Méthode pour étudier l’histoire („Methode des Stu-
prestigeträchtigeren Fach Geschichte wertschätze.7
diums der Geschichte“) in Frankreich ein ähnliches Werk: die
Ende des 17. Jahrhunderts nahmen einige Chronografien in
Tables chronologiques de l’histoire universelle („Zeittafeln der Welt-
ihrem Umfang stark zu, andere hingegen schrumpften. Dank
geschichte“) [Abb. 3 – 4].5 Lenglet du Fresnoy vertrat die An-
neuer Feingravur-Techniken konnte man geradezu winzige
115
Die Zeit in Karten
[3 – 4] Nicolas Lenglet du Fresnoy, Umschlag und Innenseiten der Tables chro-
se lasen [Abb. 5 – 7]. Für seine erste Ausgabe von 1689 bestellte
nologiques de l’histoire universelle, Paris, 1729.
er beim Graveur John Sturt 43 Platten; er vereinfachte Marcels komplexes Layout und Symbolschema und verkleinerte es noch ein wenig. Genau wie Parsons es vorausgesagt hatte, entwickel-
Schriften verwenden, und so schuf der französische Schrift-
te sich sein neues Format zu einem großen kommerziellen Er-
steller Guillaume Marcel bereits in den 1680er Jahren politi-
folg. Zahlreiche Auflagen folgten, und im Laufe von zehn Jah-
sche und kirchliche Chronologien im Taschenformat. In ganz
ren verkaufte er 4000 Exemplare.8 Obwohl Parsons ein großer
Europa fand Marcel Nachahmer: In England witterte William
Freund der Miniaturisierung war, wurde ihm klar, dass er bei
Parsons, ein ehemaliger Offizier der Invasionsarmee des Prin-
seinem winzigen Buch zugunsten der Größe einiges an Funk-
zen von Oranien, der inzwischen Geschäftsmann war, in einem
tionalität geopfert hatte: Das Papier der ersten Auflage war so
solchen tragbaren gelehrten Büchlein eine regelrechte Gold-
dünn, dass man nur ganz vorsichtig darauf schreiben konnte;
grube. Parsons glaubte, dass das populäre Studium der Ge-
ohnehin gab es wenig Platz für eigene Notizen. So wählte er
schichte aufgrund der vielfältigen Themen so unübersichtlich
für die zweite Auflage ein dickeres Papier von höherer Qua-
war, dass jedermann bei der Lektüre einen kleinen „Spickzet-
lität, das nur einseitig bedruckt wurde; die Rückseite blieb für
tel“ in Form einer Chronologie begrüßen würde. Die früheren
Anmerkungen frei.
schweren Wälzer waren schön und gut, aber was nützten sie dem normalen Leser?
Die große Bedeutung neuer Druck- und Gravurtechniken für die Chronografien des ausgehenden 17. Jahrhunderts zeigt
Ganz folgerichtig stimmte Parsons seine Chronografie darauf
sich auch in so aufwendigen Produktionen wie den Diagram-
ab, welche Bücher seine Zeitgenossen lasen – und wie sie die-
men des Lumen historiae sacrae & novi testamenti per tabulas chro-
116
4. Grafik im Wandel
[5 – 6] William Parsons, Chronological tables of Europe, from the Nativity of our Saviour to the Year 1703: Engraven on 46 copper-plates, and contriv’d in a small compass for the pocket: Being of great use for the reading of history, and a ready help to discourse, London 1707. Parsons’ Buch enthielt im Umschlag eine ausklappbare Legende, mithilfe derer der Benutzer die komprimierten Darstellungen im Inneren leichter verstehen konnte; die Seite hier zeigt das 16. Jahrhundert.
[7] William Parsons’ Chronological tables im Taschenformat (1707) auf einer Ausgabe des riesigen Atlas historicus von Johann Georg Hagelgans (1718).
117
Die Zeit in Karten
[8] Das Lumen historiae sacrae veteris & novi testamenti per tabulas chronologicas des dänischen Antiquars Jens Bircherod von 1687 beginnt mit mehreren Zeittafeln, die jeweils unterschiedlich organisiert sind. Bircherods Diagramme sind zwar kleiner als die von Rou und Tallents, doch sie waren äußerst fein graviert und kombinierten sehr schön große Mengen an Daten mit zahlreichen dekorativen Elementen.
[9] Traditionelle Spalten und elegante Obelisken verbinden sich in Bircherods Chronologie der römischen Geschichte zu einer Art riesigem Denkmal.
nologicas („klare Darstellung der heiligen Geschichte und des
Tabelle nach Art des Eusebius, mit Spalten für die Daten und
Neuen Testaments durch chronologische Tafeln“) des däni-
Zeilen für die einzelnen Nationen – nur dass hier die Spalten
schen Antiquars Jens Bircherod; er kombinierte darin figura-
vom Mittelpunkt des Kreises nach außen verlaufen und die
tive und allegorische Elemente mit ganzen Bergen von Daten
Zeilen konzentrische Bänder sind. Für alle, die hier Notizen
[Abb.
8 – 9].9
In einem Diagramm präsentierte Bircherod den
unterbringen wollten, stellte die kreisförmige Gestaltung eine
Stammbaum Jesu als Inschrift auf einem neoklassischen Denk-
ziemliche Herausforderung dar. Bei der klassischen Tabelle gab
mal, das mit Bändern, Früchten und Blumen geschmückt war.
es meist genügend Platz, um selbst etwas zu ergänzen, oft auch
Einmal baute er in eine nach dem Vorbild des Eusebius gestal-
leere Zwischenblätter oder ein paar Extraseiten am Ende. Wei-
tete Tabelle den Umriss eines Kirchengebäudes ein, eine ande-
gels Kreis war eine geschlossene Form, die nur wenig Platz zur
re Tabelle zierten Illustrationen der Schöpfung. Bircherod be-
eigenen Entfaltung bot. Wer auch immer das Exemplar besaß,
nutzte für seine Tabellen unterschiedliche Zeitskalen, doch jede
das sich heute in Princeton befindet, er quetschte seine Anmer-
einzelne ist aufwendig gezeichnet und offenbart einen feinen
kungen zu aktuellen Ereignissen in alle erdenklichen Freiflä-
Sinn für Ästhetik und für die praktischen Anforderungen der
chen. An einer Stelle führte das zu einem echten Anachronis-
Darstellung von Informationen.
mus: Hier reichte der Platz in der Spalte des 18. Jahrhunderts
Selbst als die Chronografien optisch klarer wurden und ihre Linien feiner, hörten die Leser nicht auf, sie mit ihren eigenen
nicht mehr aus, und der Besitzer schrieb so lange, bis er bereits wieder im 1. Jahrhundert n. Chr. angelangt war.
Anmerkungen zu bekritzeln. Ein besonders bemerkenswertes
Andere Gelehrte und Graveure des 18. Jahrhunderts schlu-
Beispiel hierfür ist eine Ausgabe des Discus chronologicus („chro-
gen bei ihren grafischen Darstellungen noch abenteuerlichere
nologische Scheibe“) des äußerst produktiven deutschen Kup-
Wege ein. Im Jahr 1718 veröffentlichte der deutsche Kupfer-
ferstechers Christoph Weigel von 1723, die heute in der Prince-
stecher Johann Georg Hagelgans einen politisch-militärischen
ton University aufbewahrt wird [Abb. 10]. Wie der Name schon
Atlas historicus („Geschichtsatlas“), der das von Eusebius über-
sagt, handelt es sich dabei um eine kreisförmige Scheibe, die
nommene Format auf sehr fantasievolle Art und Weise umdeu-
im Grunde genommen nichts weiter ist als eine herkömmliche
tete [Abb. 11]. Wie Lenglet du Fresnoy verwendete Hagelgans
118
4. Grafik im Wandel
119
Die Zeit in Karten
120
4. Grafik im Wandel
[10] Diesen passend benannten Discus chronologicus veröffentlichte der deu-
die Keile die Jahrhunderte. Auf dem beweglichen Arm stehen die Namen der
tsche Kupferstecher Christoph Weigel Anfang der 1720er Jahre. Es handelt
Königreiche. Auf dieser Ausgabe, die sich im Besitz der Princeton University
sich um eine Volvelle, ein papiernes Diagramm mit einem mittig angebrach-
befindet, hat ein Leser auf dem entsprechenden Keil Ereignisse des 18. Jahr-
ten rotierenden Arm. Die Daten sind im Prinzip wie bei Eusebius geordnet,
hunderts festgehalten – so viele, dass seine Notizen bis ins angrenzende
nur dass das Layout rund ist – die Ringe geben die einzelnen Königreiche an,
1. Jahrhundert reichen.
Blätter in Übergröße.10 Innerhalb des herkömmlichen Zeilen-
[Abb. 12 – 14]. Zwar nannte er diese Diagramme selbst „Karten“,
und Spaltenformats zeichnete er dann tausende winziger Bil-
doch waren Martignonis Arbeiten keinesfalls historische Land-
der von Soldaten, Staatsmännern und Politikern, von der bib-
karten im Sinne geografischer Momentaufnahmen verschiede-
lischen Zeit bis zur Gegenwart. Hagelgans’ Tabellen waren ge-
ner Zeitpunkte in der Geschichte: Es handelte sich bei ihnen
füllt von überraschenden visuellen Wendungen. Die Gitterli-
vielmehr um Zeittafeln, die sich Grundsätzen der Kartografie
nien bilden die Rahmen der perspektivischen Bilder biblischer
bedienten. So entpuppt sich das, was auf den ersten Blick aus-
und historischer Szenen, und immer wieder zeigen Öffnun-
sieht wie eine kreisförmige Landmasse mit einem See in der
gen in Trompe-l’œil-Manier, dass sich unter der Oberfläche
Mitte, von dem aus Flüsse nach außen verlaufen, bei näherem
des Diagramms weitere detaillierte Tableaus verstecken. Trotz
Hinsehen als Illustration zeitlicher Metaphern: Die „Flüsse“ in
seines großen Maßstabes versucht Hagelgans’ Werk, visuell so
der oberen Hälfte repräsentieren dabei die Nationen, die das
effizient wie möglich zu sein. Sein Atlas historicus beinhaltete
Römische Reich erobert hat, diejenigen in der unteren Hälfte
eine Liste von 80 Symbolen, die bestimmte Details bezeichne-
die Nationen, die sich daraus entwickelt haben; der „See“ in
ten, beispielsweise dass ein König gestorben war oder dass je-
der Mitte stellt das römische Imperium selbst dar.
mand an die Macht gelangt war. So konnte er fast vollständig
Wie Hagelgans versuchte auch Martignoni, in seinem Dia-
auf Text verzichten und sich dennoch der alten von Eusebius
gramm weitestgehend ohne Texte auszukommen und dem Le-
entwickelten Matrix bedienen – und ihr sogar eine ganz neue
ser alle nötigen Informationen bildlich zu vermitteln. Und ge-
Facette hinzufügen.
nau wie bei Hagelgans ist das Ergebnis bestenfalls durchwach-
Andere, wie der italienische Dichter und Gelehrte Girolamo
sen: Martignonis Karten kommen allzu symbolisch daher, vor
Andrea Martignoni, verzichteten sogar komplett auf das alte
allem, wenn noch unterschiedlich codierte Symbole miteinan-
Tabellenformat.11
1721 veröffentlichte Martignoni seine Carte
der kombiniert werden. Wenn beispielsweise ein König stirbt,
istorice („historische Karten“), mehrere kleinteilig gravierte Dia-
während er noch regiert, dann ist dies mit einem kleinen To-
gramme, die auf markante Weise eine visuelle Analogie zwi-
tenschädel gekennzeichnet; wenn zwei Länder durch Heirat
schen geografischem Raum und historischer Zeit anstrebten
miteinander verbunden sind, wird dies durch einen Ring an-
121
Die Zeit in Karten
122
4. Grafik im Wandel
[11] Chronologische Tabelle der Schöpfung und der ersten Epoche der Weltgeschichte aus dem Atlas historicus des Frankfurter Kupferstechers Johann Georg Hagelgans aus dem Jahr 1718. Hagelgans lotete die Grenzen dessen aus, was man in dem klassischen Tabellenformat von Eusebius anstellen konnte: Er behielt die bekannte historische Matrix im Hintergrund bei, durchbrach sie aber immer wieder mit Bildern, Karten und Daten.
123
Die Zeit in Karten
124
4. Grafik im Wandel
[12] Girolamo Andrea Martignoni, Karte aus Spiegazione della carta istorica dell’Italia, („Erklärung der historischen Karte von Italien“), Rom 1721.
gezeigt; wenn nun aber ein König stirbt und ihm eine Königin
man an Informationen auf einem einzelnen Blatt unterbringen
auf den Thron folgt, erscheint ein Schädel neben einem Ring,
konnte. Trotz der vielen visuellen Widersprüche ließen seine
was fast ein wenig unheimlich wirkt. Aber die eigentlichen
Arbeiten erahnen, was alles möglich wäre, wenn es jemandem
Schwierigkeiten von Martignonis Diagramm lagen ganz wo-
gelänge, eine komplett einheitliche Karte der Zeit zu zeichnen.
anders. Schließlich gehorcht der geografische Raum, was Kon-
Den Rest des 18. Jahrhunderts über setzten sich die Urhe-
tiguität und Kontinuität betrifft, ganz anderen Regeln als die
ber neuer Chronografien vor allem mit Problemen der Regu-
historische Zeit. Eroberungen ferner Länder, komplizierte dy-
larisierung und entsprechenden Messinstrumenten auseinan-
nastische Bündnisse, Hochzeiten, Wiederverheiratungen – für
der [Abb. 15 – 17]. Nicht alle waren gleichermaßen erfolgreich.
solche Ereignisse findet man schwerlich geeignete geografische
Zu den ambitioniertesten Werken jener Zeit gehörte die linea-
Metaphern. Obendrein scheinen auf Martignonis Karte die Ge-
re Chronographie universelle („universelle Chronographie“) von
setze der Schwerkraft und der Strömungsmechanik außer Kraft
1753. Ihr Autor, Jacques Barbeu-Dubourg, war mit Benjamin
gesetzt: Da gibt es Flüsse, die über andere hinwegfließen, an-
Franklin befreundet und gehörte dem Kreis der Enzyklopä-
dere wiederum laufen rückwärts. Auch die Formen der Land-
disten an. Er erweiterte den tabellarischen Ansatz des Eusebi-
massen wiederholen sich hier und da.
us auf die grafischen Sphären der Kupferstecher des 18. Jahr-
Immerhin schuf Martignoni eine der ersten systematischen
hunderts.12 Der Logik der Kartografie folgend, benutzte Bar-
Illustrationen der Metapher vom „Strom der Zeit“, und es sollte
beu-Dubourg für sein Diagramm konsequent eine einheitli-
nicht die letzte sein. Doch die meisten von Martignonis Nach-
che Skala, die er durch lineare Segmente markierte, die Mess-
folgern machten es sich wesentlich einfacher: Sie verwendeten
latten nachempfunden waren. Eine solche visuelle Regelmä-
das Bild des Flusses für die größeren historischen Bewegungen,
ßigkeit war an sich nichts Neues, und einige Werke des 16.
nicht für die vielen feinen Details, mit deren Darstellung Mar-
und 17. Jahrhunderts, wie die von Gerhard Mercator und
tignoni sich selbst keinen Gefallen getan hatte. Dennoch soll-
Ubbo Emmius, hatten sich bereits in Richtung dieses „Messlat-
te man ihm nicht seine Bedeutung absprechen: Wie Hagelgans
ten-Prinzips“ vorgewagt. Beide Werke waren in typografischer
ging es Martignoni darum, die Grenzen dessen auszuloten, was
Hinsicht ebenso attraktiv wie simpel; und beide zeigten seiten-
125
Die Zeit in Karten
[13 – 14] Die 1721 veröffentlichten geschichtlichen Diagramme des italienischen Gelehrten und Dichters Girolamo Andrea Martignoni imitierten die Kartografie. Was auf den ersten Blick wie Weltkarten aussieht, sind in Wirklichkeit Hybridkarten, die geografische und chronografische Informationen kombinieren. Die großen Flüsse darauf sind Flüsse der Zeit. Martignoni wurde zwar nicht o kopiert, veranschaulicht aber gut die Suche nach einer neuen chronografischen Bildsprache im 18. Jahrhundert.
126
4. Grafik im Wandel
127
Die Zeit in Karten
[15 – 16] Dieses noch immer funktionierende Exemplar von Jacques Barbeu-Dubourgs 16 Meter langer Chronographie universelle gehört der Princeton University. Die Schrirolle ist auf Kurbeln montiert und in ein Gehäuse eingebaut. Hier kann man sich durch die ganze Weltgeschichte kurbeln – von der Schöpfung bis zu Barbeu-Dubourgs Gegenwart.
128
4. Grafik im Wandel
[17] Chronologische Messlatte, die zusammen mit der 1838er Ausgabe der Chronographie universelle von Jacques Barbeu-Dubourg ausgeliefert wurde.
lang nichts als eine einheitliche Zeitskala mit wenigen bis gar
völlig frei durch weite Strecken der Weltgeschichte navigieren,
keinen Informationen. Doch es gab zwischen ihren Arbeiten
vorwärts wie rückwärts. Zwar führte Barbeu-Dubourgs Apparat
und derjenigen von Barbeu-Dubourg einen wichtigen Unter-
zu keinem kommerziellen Erfolg, aber dennoch wurde ihm ei-
schied: Auch wenn die früheren Chronografien einen linearen
ner der höchsten Auszeichnungen der damaligen Zeit zuteil: ein
grafischen Raum definierten, unterlagen sie dabei doch stets
eigener Eintrag in der Encyclopédie von Diderot und d’Alembert.
den Bedingungen der eher grobschlächtigen Typografie. Bar-
In den 1750er Jahren erschienen noch weitere wichtige
beu-Dubourgs fein gestochene Tabelle hingegen ermöglichte es
Chronografien. In etwa zur selben Zeit, als Barbeu-Dubourgs
dem Leser, die Zeit äußerst präzise zu messen – die zweite Auf-
Apparat auf den Markt kam, brachte der Kartograf Thomas
lage seines Werkes 1838 war eigens dazu mit einem kleinen
Jefferys A Chart of Universal History heraus; ein Werk, das die
Messingwerkzeug
ausgestattet.13
Probleme, die der kartografische Ansatz mit sich brachte, auf
Barbeu-Dubourgs Diagramm hielt seinen enzyklopädisti-
ganz neue Weise zu lösen versuchte.14 Wie die Chronographie
schen Grundsatz (sprich: die regelmäßige Skaleneinteilung)
universelle ging Jefferys’ Chart of Universal History von einer ganz
von Anfang bis Ende durch. Die Folge: Das Diagramm war rie-
herkömmlichen Prämisse aus: Wie in den Tabellen des Eusebi-
sig! Mit über 16 Metern Länge war es ziemlich schwierig, es im
us stehen bei Jefferys in der obersten Zeile die Namen der ein-
Ganzen zu betrachten. Aber Barbeu-Dubourg machte aus der
zelnen Nationen, in den Spalten rechts und links finden sich
Not eine Tugend. Anstatt seine Chronographie universelle etwa als
die Jahreszahlen; wie gewohnt kann man bestimmte Ereig-
Ziehharmonika-Buch auf den Markt zu bringen, ließ er es als
nisse so in Raum und Zeit verorten. Aber an dieser Stelle en-
Rolle drucken, die man sich Abschnitt für Abschnitt ansehen
den auch schon die Gemeinsamkeiten [Abb. 18]. Erst einmal
konnte. Zu diesem Zweck ließ sie sich in eine Vorrichtung ein-
ist Jefferys’ Diagramm nämlich synoptisch aufgebaut: Es zeigt
spannen, die Barbeu-Dubourg als „chronografischen Apparat“
alle Daten auf einmal, in einer einzigen, durchgehenden Karte.
bezeichnete. Dabei handelte es sich um einen eigens angefer-
Natürlich könnte man das auch mit Eusebius’ Tabellen hinbe-
tigten Kasten mit metallenen Rollen und Kurbeln und einem
kommen, und das war Jean Boulaese ja auch bereits in gewis-
Scharnier in der Mitte. Wenn man es aufklappte, konnte man
ser Weise gelungen, indem er Eusebius’ Werk in eine dichtere
129
Die Zeit in Karten
130
4. Grafik im Wandel
131
Die Zeit in Karten
[18] Das Chart of Universal History, 1753 von dem produktiven Kartografen und Graveur Thomas Jefferys veröffentlicht, hatte offenbar ein französisches Vorbild. Die Grafik beeinflusste Joseph Priestley, auch wenn sich dieser an manchen Details stieß, beispielsweise an der fehlenden Einheitlichkeit in der Skala. 1760 wurde Jefferys zum persönlichen Geografen Georgs III. ernannt, ein Posten, den er bis zu seinem Tod im Jahr 1771 ausfüllte. Zu seinen größten Leistungen zählt die General Topography of North America von 1768.
Form brachte und zum Querformat umarbeitete. Alle bisheri-
sie in einem ganz intuitiven Format. Geografisch riesige, aber
gen solchen Bemühungen hatten jedoch (abgesehen von der
kurzlebige Reiche wie das Alexanders des Großen sehen aus
Kürzung) keine echten funktionellen Vorteile gegenüber dem
wie Pfannkuchen, niedrig und breit. Andere, die geografisch
Kodex-Format mit sich gebracht.
eher kompakt waren, aber umso länger Bestand hatten, wie
Im Gegensatz zu Boulaese, Helvicus und anderen, die Chro-
das Byzantinische Reich, wirken wie hohe, schmale Röhren.
niken als Kodizes mit einheitlichen Seiten publiziert hatten,
Diejenigen Imperien, die zugleich groß und von langer Dauer
bot Jefferys seine Daten nicht in einzelnen indexierten Zellen
waren – so das Römische und das Osmanische Reich –, erschei-
dar, sondern gestaltete den gesamten Raum seines Diagramms
nen als große farbige Blöcke.
als ein zusammenhängendes Feld. Die Form seiner Übersicht
Verstreute Fragmente von gleicher Farbe zeigen an, dass die
erinnerte zwar noch immer an die herkömmlichen Tabellen,
entsprechenden Regionen zu einem bestimmten Reich gehö-
doch kehrt sich bei ihm die Kraft der Darstellung quasi um: Wo
ren. Gleichwohl ist Jefferys’ Diagramm keine Landkarte, und
die älteren Formate den Blick stets auf die historischen Inhalte
so kann einen die relative Platzierung mitunter in die Irre lei-
einer bestimmten Epoche bzw. Region gelenkt hatten, richte-
ten: So sind Frankreich und Deutschland durch Italien vonei-
te Jefferys’ neuer Ansatz den Fokus auf die zeitlichen Grenzen
nander getrennt, und Ägypten findet sich eingekeilt zwischen
historischer Personen und Ereignisse.
China und Südamerika. Auch die Größe trügt mitunter: Jef-
Sicherlich opferte Jefferys seinem Vorgehen einige Vorzüge,
ferys räumt Italien denselben Platz ein wie Indien; Spanien
die Eusebius’ Format gehabt hatte. Weil sein Diagramm nicht
sieht größer aus als Nord- und Südamerika zusammen. Die
auf der Zellenstruktur beharrt, sondern viele fließende Über-
Grafik ist ganz klar romanozentrisch – das Römische Reich ist
gänge bildet, lässt es sich nicht unterteilen und etwa als gebun-
hier das historische und geografische Zentrum der Welt. Den-
denes Buch veröffentlichen, auch wenn es als Grafik wunder-
noch demonstriert das Diagramm auf effektvolle Weise, dass
bar funktioniert. Gleichzeitig hat Jefferys’ Ansatz aber ein paar
selbst die größten Imperien nicht von Dauer waren. Dem
deutliche Vorteile: Im Gegensatz zu den vielen Tabellen nach
Aufbau der Tabelle nach haben nur die geografischen Nati-
Eusebius’ Vorbild nennt Jefferys nicht nur Daten, sondern zeigt
onen im Laufe der Geschichte Bestand, doch jedes einzelne
132
4. Grafik im Wandel
Reich – selbst das imposante Römische Reich – ist lediglich eine
Bestseller wurden, beispielsweise seine Lectures on History and
Insel (oder Inselgruppe) im Ozean der Zeit.
General Policy von 1788. Zu seinen einflussreichsten Werken
So bemerkenswert es auch war, das Chart of Universal History
zählten aber auch zwei chronografische Diagramme im Dop-
verschwand genauso schnell, wie es aufgetaucht war; eine ein-
pelfolio-Format: A Chart of Biography von 1765 und A New Chart
zige Kopie gibt es heute noch, in der British Library. Die größte
of History von 1769 [Abb. 19 – 20].
Wirkung des Diagramms war nämlich eine mittelbare: Es be-
Wer Jefferys’ Diagramme kannte, dem kamen diejenigen
einflusste den Wissenschaftler und Theologen Joseph Priestley,
von Priestley zunächst einmal ziemlich bekannt vor – Priestley
einen der bekanntesten Schriftsteller seiner Zeit. Als Jefferys’
übernahm Jefferys’ Layoutprinzipien und auch einige seiner
Diagramm erschien, war Priestley 20 Jahre alt und stand noch
visuellen Konzepte. Aber er führte zugleich einige entscheiden-
ganz am Beginn seiner Karriere. Er hatte auch noch nicht mit
de Neuerungen ein: Jefferys war sein chronografisches Projekt
seinen Forschungen begonnen, die 1774 zur Entdeckung der
mit der künstlerischen Vision eines Kupferstechers angegangen
„dephlogistierten Luft“ führen und in einer Auseinanderset-
und hatte dabei demonstriert, wie viele Informationen man
zung mit dem französischen Wissenschaftler Antoine Laurent
auf einer einzelnen Seite unterbringen konnte. Priestley hin-
de Lavoisier münden sollten, der für Priestleys Entdeckung
gegen blieb bei seinem Konzept ganz und gar Wissenschaftler:
eine eigene Erklärung hatte und dafür den Begriff Oxygenium
Er war der Erste, der seine chronografischen Diagramme nach
(„Sauerstoff“) verwendete. Priestley war Dozent an einer Dis-
den Prinzipien der wissenschaftlichen Illustration entwarf, und
senting Academy in der Provinz, wo er zahlreiche Fächer unter-
er war der Erste, der Grundsätze für die Übersetzung histori-
richtete, u. a. Geschichte. Im Zuge dessen las er viele historio-
scher Daten in visuelle Medien formulierte.
grafische Werke und konsultierte alle Nachschlagewerke, derer
Priestleys Diagramme waren so elegant, wie sie groß wa-
er habhaft werden konnte, darunter die von Thomas Jefferys,
ren – mehr als ein Meter breit und 60 Zentimeter hoch. Das
Nicolas Lenglet du Fresnoy und Francis Tallents. In seinen Jah-
Chart of Biography bot dem Leben von sage und schreibe 2000
ren als Dozent veröffentlichte Priestley bedeutende Werke über
berühmten historischen Persönlichkeiten Platz (fast ausschließ-
Geschichte, Politik und Bildung, von denen einige regelrechte
lich Männer), die sich auf 3000 Jahre verteilten. Denselben
133
Die Zeit in Karten
4. Grafik im Wandel
[19] Joseph Priestleys Chart of Biography von 1765 war die einflussreichste Zeitleiste des 18. Jahrhunderts. Die Datenskala am oberen und unteren Rand verläu regelmäßig. Mehr als 2000 winzige Linien stehen für das Leben berühmter Männer. Das Ganze ist in sechs Kategorien unterteilt, die als horizontale Bänder angeordnet sind: Das erste zeigt Historiker, Antiquare und Rechtsanwälte, dann folgen Redner und Kritiker, dann Künstler und Dichter, Mathematiker und Ärzte, Theologen und Metaphysiker und ganz unten Staatsmänner und Kriegshelden. Am unteren Rand des Diagramms findet sich eine Liste mit wichtigen Königen, von Saulus bis hin zu Georg III. Mit freundlicher Genehmigung der Library Company of Philadelphia.
135
Die Zeit in Karten
[20] Im Jahr 1769 veröffentlichte Joseph Priestley A New Chart of History, das sich ziemlich eng an Thomas Jefferys’ Vorbild orientiert. Priestley jedoch sorgte für regelmäßige zeitliche Abstände und für eine horizontale Darstellung, die den kontinuierlichen Strom historischer Zeit betonen sollte. Beide Diagramme von Priestley besaßen den gleichen Maßstab, sodass man die Daten des einen direkt auf das andere übertragen konnte. Mit freundlicher Genehmigung der Library Company of Philadelphia.
136
4. Grafik im Wandel
Die Zeit in Karten
Zeitraum umfasste das New Chart of History; es enthielt das Schicksal von 78 Imperien und
Königreichen.15
unteren Rand sind durch vertikale Rasterlinien miteinander
Beide Werke
verbunden, was die Lesbarkeit des Diagramms erleichtert. Das
waren als Plakate erhältlich oder als aufgewickelte Schriftrol-
Chart of Biography ist obendrein in sechs horizontale Bänder un-
len, und Priestleys Londoner Verlag sorgte für eine aggressive
terteilt, die einzelne Tätigkeitsbereiche markieren: Ganz oben
Marketingkampagne.
sind die Historiker, Antiquare und Rechtsanwälte angesiedelt,
Priestley konzipierte seine Diagramme als Freizeitbeschäf-
darunter folgen die Redner und Kritiker, dann Künstler und
tigung für neugierige Leser, aber zugleich wandte er sich mit
Dichter, Mathematiker und Ärzte, Theologen und Metaphysi-
ihnen auch an die Wissenschaft – er war der Auffassung, man
ker und schließlich, am unteren Ende des Diagramms, Staats-
könne mit ein und demselben Ansatz durchaus beiden Ziel-
männer und Kriegshelden.
gruppen gerecht werden. Im Hinblick auf seine Diagramme
Im Inneren ist das Chart of Biography mit etwa 2000 klei-
sagte Priestley einmal, jedes Kind könne die Fehler der „ge-
nen schwarzen horizontalen Linien versehen, die die Lebens-
schmacklosen Chronologen“ erkennen, denen es durch akri-
spanne berühmter Personen angeben. Dort, wo Priestley über
bische Berechnungen gelungen sei, die Liebenden Dido und
sichere Kenntnisse hinsichtlich des Geburts- und Todesjahres
16
Eine einfache
verfügte, ist die Linie durchgezogen, bei unsicheren Daten ist
visuelle Demonstration sollte genügen, so Priestley, um einer
sie entweder komplett oder am Anfang bzw. am Ende gepunk-
Kontroverse, die Vergil-Kommentatoren seit Petrarca Kopfzer-
tet. Selbst dabei gab sich Priestley große Mühe: „Wenn es heißt,
brechen bereitet hatte, endlich ein Ende zu setzen.
ein Schriftsteller habe zu einem bestimmten oder ungefähren
Aeneas um mehr als 300 Jahre zu trennen.
Priestleys Diagramme sind Meisterwerke visueller Ökono-
Zeitpunkt in seiner Blüte gestanden, so ist etwa zwei Drittel
mie. Sowohl das Chart of Biography als auch das New Chart of
vor und ein Drittel nach diesem Zeitpunkt eine durchgehende
History unterliegen strengen grafischen Konventionen. Entlang
Linie eingetragen, mit drei Punkten davor und zwei danach;
ihres oberen und unteren Randes sind Abstände von jeweils
denn in der Regel ist der Zeitpunkt, von dem man bei einer
100 Jahren markiert, zwischen diesen Markierungen zeigen
Person sagt, sie habe in ihrer Blüte gestanden, dem Tod näher
kleine Punkte die Jahrzehnte an. Die Daten am oberen und
als der Geburt.“17
138
4. Grafik im Wandel
Das biografische Diagramm hat eine auffallend einfache
Wie mit dem Chart of Biography wollte Priestley auch mit
Form. Priestley, so heißt es, sah es als „optische Demonstrati-
dem New Chart of History den Geist des Betrachters über dessen
on“ der mathematischen Prinzipien, die Isaac Newton in seinen
Sinne ansprechen. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Chro-
eigenen (posthum veröffentlichten) chronologischen Schrif-
nologien in Buchform, die ein gehöriges Maß an geistiger Mit-
ten
anwendete.18
Darin argumentiert Newton, es könnten vie-
arbeit erforderten, konzipierte er das New Chart of History dazu,
le chronologische Kontroversen beigelegt werden, wenn man
dem Betrachter das Gefühl zu vermitteln, er erlebe „Geschichte
den Abstand zwischen einzelnen Generationen anhand mathe-
in Aktion“. Priestley schreibt:
matischer Durchschnittswerte errechnete. Einer seiner Schüler, John Craig, versuchte sogar Regeln über die Geschwindig-
Wenn der Leser seinen Blick vertikal streifen lässt, so erfährt
keit aufzustellen, mit der historische Quellen über Zeit ihre
er den Zustand aller Imperien der Welt zu einem bestimmten
Beweiskraft verlören. In Priestleys Diagramm finden sich diese
Zeitpunkt. Er kann ihren Aufstieg nachvollziehen, ihre Blüte
Durchschnittswerte überall, genau „wie die Gleichmäßigkeit
und ihren Niedergang beobachten. Schaut er ein wenig rechts
des Laufs der Natur es
erfordert“.19
Das New Chart of History ist in Größe und Umfang mit dem Chart of Biography identisch; es umfasst den gleichen Zeitraum,
und links der vertikalen Linie, sieht er, welche Reiche vor Kurzem von der Bühne der Geschichte abgetreten waren und welche bald an ihre Stelle treten sollten.22
und entlang der Unterkante findet sich die gleiche Liste von Herrschern, die von den Hebräern bis zum aktuellen König von England
reicht.20
Priestley betonte, all das gelänge ganz ohne zu lesen. Gegenüber
Priestley hoffte, die Gleichförmigkeit der Skala
den natürlichen Grenzen der einfachen linearen Grafik mach-
würde eine gemeinsame Benutzung beider Diagramme erleich-
te er lediglich ein – wenn auch durchaus bedeutsames – Zuge-
tern. Natürlich brachte es nichts, sie buchstäblich übereinander-
ständnis: Wie Jefferys kolorierte er sein New Chart of History;
zulegen, doch wenn man sie nebeneinander betrachtete, konn-
diese Innovation ermöglichte es ihm, die Einheit von Imperien
te man, wie Priestley anmerkte, die Informationen des einen
zu verdeutlichen, die „nicht mittels eines durchgehenden Fel-
Diagramms sehr schön mit denen des anderen vergleichen.21
des dargestellt werden können“.23
139
Die Zeit in Karten
[21] Harry wird durch einen Kaleidoskopverkäufer abgelenkt, aus Jefferys Taylor, Harry’s Holiday, or the Doings of One Who Had Nothing to Do, London 1818.
Beide Diagramme stellten eine beachtliche Leistung dar,
sie in die Bibliothek eines jeden Gentleman, und sowohl die
was die Komprimierung von Informationen betrifft. Das geht
Schriftstellerin Maria Edgeworth als auch der Arzt Erasmus
so weit, dass es ziemlich schwierig ist, sie zu reproduzieren.
Darwin (Charles Darwins Großvater) empfahlen sie als schuli-
Wenn man sich Priestleys Charts aber nur Stück für Stück an-
sches Hilfsmittel für Frauen.26 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts
sieht, wie es heute zumeist der Fall ist (in elektronischen Me-
bildeten Priestleys Diagramme mit ihrem hohen Wiedererken-
dien, im Film oder abgedruckt), dann geht dabei leider der Ge-
nungswert einen festen Bestandteil der Druckkultur. In einem
samteffekt dieser Arbeiten verloren. Laut Priestley war ja gera-
1818 erschienenen Kinderbuch, das vor den Gefahren der Ab-
de das Besondere an ihnen, dass man darauf die vielen chrono-
lenkung warnte und den Titel Harry’s Holiday trug, versucht
logische Wechselbeziehungen „auf einen Blick“ nachvollziehen
ein Junge, eines von Priestleys Diagrammen per Hand zu ko-
konnte.24
Auf diese Weise brachten seine Arbeiten nicht nur
pieren – natürlich scheitert er, was ihm eine Standpauke seines
das große Potenzial zum Ausdruck, das dem Medium der Gra-
Vaters einbringt, der seinerseits die Vorzüge der mechanischen
fik innewohnte, sie demonstrierten zugleich auch, was die his-
Reproduktion preist [Abb. 21].27
torische Wissenschaft überhaupt zu leisten vermochte. Priest-
Dabei war der fiktive Harry bei Weitem nicht der Einzi-
ley schrieb dazu, in seinen Diagrammen habe man, wie in der
ge, der so etwas versuchte: In vielen Bibliotheken und Ar-
Geschichte auch, „das große Ganze vor sich. Wir sehen Men-
chiven befinden sich noch heute handgefertigte Kopien ge-
schen und Dinge in ihrer ganzen Größe, so könnte man sagen;
schichtlicher Diagramme aus dem 18. Jahrhundert. Einige wa-
und wir sehen sie, wiederum ganz allgemein, durch ein Me-
ren Übungsarbeiten von Studenten, andere, wie Harrys Ab-
dium, das weniger einseitig ist als das Medium der menschli-
schrift, das Werk eigener Initiative. Ein um 1800 entstande-
chen
Erfahrung“.25
nes Manuskript eines Diagramms in der Art von Priestleys New
Priestleys Diagramme wurden mehrere Jahrzehnte lang
Chart of History fand sich beispielsweise in den Papieren von
vielfach genutzt, und in der pädagogischen Literatur des aus-
John Dickinson, dem ersten Gouverneur des Staates Delaware.
gehenden 18. und des frühen 19. Jahrhunderts werden sie im-
Und eine im 18. Jahrhundert angefertigte Kopie von Priestleys
mer wieder erwähnt. Nach dem Cambridge Magazine gehörten
Diagramm zur hebräischen Chronologie ist in einem Priest-
140
4. Grafik im Wandel
[22] Anonymes historisches Diagramm für John Dickinson, um 1800. Mit freundlicher Genehmigung der Library Company of Philadelphia.
[23] W. H. Barkers Abschri von Joseph Priestleys Zeitleiste der Chronologie der Hebräer in A Description of a Chart of Biography, London 1767. Mit freundlicher Genehmigung der Library Company of Philadelphia.
ley-Band in der Library Company of Philadelphia aufgetaucht, einer von Benjamin Franklin 1731 gegründeten Leihbücherei [Abb. 22 – 23]. Priestley beabsichtigte in seinen chronografischen Werken vor allem, dem Betrachter einen umfassenden Überblick über die Geschichte zu bieten. Er selbst kommentierte, von fern betrachtet sollten die Linien auf seinem Chart of Biography aussehen wie „viele kleine Strohhalme, die auf der Oberfläche [eines] riesigen Flusses schwimmen“ und die aneinanderstoßen
141
Die Zeit in Karten
und wieder auseinanderdriften, wenn der Strom der Geschich-
derer er zu seinen Lebzeiten Zeuge wurde.30 Zu seinem Chart
te seine Geschwindigkeit ändert.28 Am dichtesten ist das Dia-
of Biography schrieb Priestley: „Welch eine Gestalt die Wissen-
gramm auf der rechten Seite, also in der jüngsten Geschichte.
schaft haben muss!“31 Und tatsächlich nimmt etwas, das man
Das ist durchaus kein Zufall, denn, so Priestley,
Wissenschaft nennen könnte, in Priestleys Diagramm buchstäblich Gestalt an – vielleicht zum ersten Mal überhaupt.
dieser besonders prachtvolle Anblick … entsteht durch eine
Priestleys Werk erfasst die großen Epochen der Geschich-
Anhäufung von Namen in den Bereichen der Künste und der
te auf quantitative Weise; so weist die Renaissance bei ihm
Wissenschaften der letzten zwei Jahrhunderte. Hier ist alles
mehr bedeutende Wissenschaftler auf als das Mittelalter und
voll mit ruhmreichen und, wie ich hinzufügen möchte, ver-
die Aufklärung wiederum mehr als die Renaissance. Doch wie
dienstvollen Personen, und ich hätte noch hundertmal so viele
Priestley feststellt, ist diese Entwicklung nicht in jeder Katego-
hinzufügen können, die ihren Vorgängern hinsichtlich ihrer
rie zu beobachten. Zwar zeigen seine Grafiken deutlich die Blü-
Errungenschaften und ihres Wissens gleichen. Diese Aussicht
tezeiten von Wissenschaft und Kunst, doch zugleich wird sicht-
gibt uns eine gewisse Sicherheit, was die kontinuierliche Ver-
bar, dass in jeder Epoche Krieg geführt wurde. Nach Priestleys
breitung und Erweiterung des Wissens betrifft; in Zukunft wird
Ansicht birgt das Ganze eine gewisse Moral:
keine weitere solche Ansammlung großer Geister jenen Teil des Diagramms entstellen, den ich noch nicht zeichnen kann
Mehrere Lücken zwischen … den Gruppen bedeutender Männer
und von dem ich nicht mehr erleben werde, dass er gezeichnet
vermitteln uns eine klare Vorstellung von den großen Revolu-
wird.
29
tionen in jeder Art von Wissenschaft, von Beginn an; insofern sind die weniger bevölkerten Stellen in der Übersicht genauso
Mit anderen Worten: Priestley war der Ansicht, dass die An-
aufschlussreich wie die besonders vollen, denn sie zeigen uns
häufung von Strichen rechts in seinem Diagramm ein echtes
die großen Unterbrechungen in der Wissenschaft und die Inter-
historisches Phänomen darstellte, nämlich die beispiellose Zu-
valle ihrer Blüte … Wir finden indes keine leeren Räume im
nahme der Leistungen in den Künsten und Wissenschaften,
Bereich der Staatsmänner, Helden und Politiker. Der Welt hat
142
4. Grafik im Wandel
es an Konkurrenten um die Macht nie gemangelt, schon gar
Zeitgenossen ab. Seine Linie beginnt und endet genau wie die
nicht in Zeiten, als Wissenschaften und Künste darnieder-
aller anderen. Obgleich das Chart of Biography präzise Informa-
lagen.
32
tionen über die Lebenszeit der einzelnen Personen bot, war es doch die Wirkung des Diagramms als Ganzes, die Priestley be-
Priestley war durchaus auch an einzelnen Biografien interes-
sonders bemerkenswert fand, und die Möglichkeit, Sachverhal-
siert, aber das Chart of Biography sollte dem Betrachter einen
te mit rein grafischen Mitteln zu kommunizieren, ganz ohne
möglichst breiten Überblick über die Geschichte geben und so
Worte. Dazu Priestley:
demonstrieren, dass man jedes Leben, selbst das der außergewöhnlichsten Menschen, in Relation zur Zeit betrachten muss, in der jemand gelebt hat (siehe
S. 22).33
Dazu hielt Priestley
Wie jeder weiß, kann ein Blatt Papier, das man in gleich große Felder aufteilt, die Jahrhunderte oder andere Zeiträume anzeigen, vortrefflich zur Darstellung eines bestimmten Abschnitts
fest, dass
der Weltgeschichte dienen; und wenn man Geburts- und Todeses eine besondere Freude ist, die uns der Anblick einer solchen
zeitpunkt einer bestimmten Person kennt und beide Punkte in
Grafik bereitet, in der ein großer Mann wie Sir Isaac Newton
ein Diagramm einträgt und miteinander verbindet, dann er-
sozusagen im Kreis seiner Freunde und berühmten Zeitgenos-
gibt dies eine Linie, die dieses Leben, und zwar jeden Teil da-
sen sitzt. Wir erkennen sofort, mit wem er in der Lage war,
von, in der Weltgeschichte verortet, und sie zeigt den Anteil
Gespräche zu führen, und (nach ihrem jeweiligen Alter zu
dieses Lebens innerhalb des gesamten Zeitraums, den das Dia-
urteilen) wie diese Gespräche vielleicht ausgesehen haben.
34
gramm umfasst … Es sind diese Linien, … die auf die Ideen verweisen; und das tun sie unmittelbar und ohne Worte:
Priestley hegte eine grenzenlose Bewunderung für Newton.
Und was Worte ohnehin nicht hinreichend könnten und wozu
In anderen Werken schreibt er ausführlich über die Leistun-
man derer sehr viele bräuchte, das gelingt dieser Methode auf
gen „dieses großen Vaters der wahren Philosophie“.35 Auf dem
ganz vollkommene Weise, und zwar beinahe auf einen einzigen
Chart of Biography indes hebt sich Newton nicht von seinen
Blick.36
143
Die Zeit in Karten
[24 – 25] Viele Verlage brachten auf Grundlage von Las Cases’ System eigene Atlanten heraus. Hier zu sehen: die charakteristischen Tabellen des New genealogical, historical, and chronological atlas von C. V. Lavoisne, erschienen 1807.
Zwar muss Priestley zugeben, dass auf dem Diagramm Namen
Vorbild, um die visuelle Sprache der Kartografie auf eine ganz
stehen müssen, doch dienen diese lediglich zur Beschriftung
neue Art und Weise zu nutzen.
der einzelnen Striche. Das Diagramm selbst würde als grafi-
Die Kartografen der frühen Neuzeit waren durchaus an Ge-
sche Darstellung der Weltgeschichte auch ohne einen einzigen
schichte interessiert gewesen und hatten auch vielfach mit der
Namen funktionieren. Dazu Priestley: „Der Betrachter soll sei-
grafischen Darstellung von Historie mittels Karten experimen-
ne Aufmerksamkeit auf die schwarze Linie unter jedem Namen
tiert.38 1570 erschien das Grundlagenwerk Theatrum orbis ter-
lenken. Die Namen stehen nur dabei, weil es keine andere Me-
rarum („Theater der Welt“) des Kartografen Abraham Orteli-
steht.“37
us. Darin griff er den alten Spruch auf, nach dem Chronologie
Priestleys Diagramme markieren einen entscheidenden
und Geografie die zwei Augen der Geschichte seien. Für Orte-
Wendepunkt in der Geschichte der Chronografie. Nach ihrem
lius war die Geografie nämlich das einzige Auge der Geschich-
Erscheinen nahm man die Analogie von historischer Zeit und
te: „Alle [Geschichtsliebhaber] werden ohne zu zögern bestäti-
grafischem Raum als selbstverständlich hin, und das veränder-
gen, dass man für [ein vollständiges] Verständnis der Geschich-
te grundlegend den chronografischen Diskurs. Die Frage war
te die verschiedenen Regionen und Provinzen, die Meere, die
nun nicht mehr, ob und wie man diese Analogie rechtfertigen
Lage von Bergen, Tälern, Städten, den Lauf von Flüssen usw.
konnte, sondern wie man sie am besten umsetzte. Priestley
kennen muss. Dies ist es, was die Griechen als ‚Geographie‘ be-
hatte bewiesen, dass man sich bei der grafischen Umsetzung
zeichneten und was bestimmte gelehrte Personen (zu Recht)
von Zeit nicht an der herkömmlichen Landkarte orientieren
das ‚Auge der Geschichte‘ nennen.“39 Ortelius bot den Histo-
musste, wie es Martignoni und andere versucht hatten. Die
rikern mit seinem Theatrum Karten der Regionen, die in ihren
modernen Chronologen nahmen sich Priestleys Werke zum
historischen Texten vorkamen.
thode gab, kenntlich zu machen, für wen welche Linie
144
4. Grafik im Wandel
Im Laufe des 17. Jahrhunderts produzierten die Kartogra-
nach einem Pseudonym von Las Cases) war nicht chronolo-
fen in Variationen von Ortelius’ Werk zahlreiche Sammlun-
gisch, sondern geografisch geordnet. Dennoch fanden sich auf
gen geografisch, thematisch und seltener auch chronologisch
jeder Seite geschichtliche Informationen, Stammbäume und
geordneter Karten (ein Beispiel für Letzteres ist La Terra Sainte
historische Schemata.42
von Philippe De La Ruë aus dem Jahr 1651).40 Mitunter boten
Im ausgehenden 18. Jahrhundert, vor allem nach dem
die Bände, wie Zacharias Châtelains berühmter zwischen 1705
Erscheinen von Johann Matthias Hases Atlas historicus („Ge-
und 1720 in Amsterdam veröffentlichter Atlas historique („Ge-
schichtsatlas“) im Jahr 1750, wurde es zunehmend üblich,
schichtsatlas“), auf der den Karten gegenüberliegenden Seiten
Sammlungen historischer Karten chronologisch zu ordnen,
entsprechende Geschichtstexte, Datumslisten und Stammbäu-
doch die Darstellung historischer Zeit in regelmäßigen Abstän-
me.41
Der gleichen Logik folgte der überaus erfolgreiche At-
den begann erst im 19. Jahrhundert mit Kartografen wie Chris-
las Lesage, der in erster Auflage 1801 erschien. Sein Urheber
tian Kruse. In Hases Atlas finden sich (genau wie in zahlrei-
war der französische Aristokrat Emmanuel-Augustin-Dieu-
chen anderen solchen Atlanten) diverse Karten bedeutender
donné-Joseph de Las Cases, eine schillernde Figur – später be-
historischer Ereignisse wie große Schlachten oder Eroberun-
gleitete er Napoleon ins Exil nach St. Helena, wo er dessen Me-
gen; der Fluss der Zeit ist dabei eher willkürlich. Ganz anders
moiren aufschrieb [Abb. 24 – 25]. Der Atlas Lesage (so benannt
Kruses Atlas zur Übersicht der Geschichte aller europäischen Staaten
145
Die Zeit in Karten
[26 – 28] Ein schönes Beispiel für das Konzept des historischen Atlas als Sammlung von Landkarten, die die Welt zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Geschichte zeigen, erschienen 1828: Edward Quins An Historical Atlas. Quins Karten zeigen die politische Einteilung der Welt zu verschiedenen Zeitpunkten in der Geschichte; im selben Maße, wie der Westen den Rest der Welt entdeckte, verziehen sich die schwarzen Wolken immer mehr.
von 1802 – 1810: Hier gibt es für jedes Jahrhundert eine Kar-
tionen über Ägypten, Persien, Indien und China, weitaus we-
te, ganz unabhängig davon, wie ereignisreich jenes Jahrhun-
niger dagegen über Europa, Afrika oder Amerika. In der nar-
dert
war.43
rativen Geschichtsschreibung stellte so etwas überhaupt kein
Somit zeigen beide, Hase und Kruse, die Geschichte als eine
Problem dar: Der Historiker schrieb eben einfach über die The-
Reihe von Momentaufnahmen, genau wie die meisten histori-
men, zu denen er etwas beizutragen hatte. Im quasi-geografi-
schen Atlanten nach ihnen. Nur wenige Kartografen bemühten
schen Format des historischen Diagramms ließen sich solche
sich, ein Gefühl für zeitliche Abläufe zu vermitteln. Hier wäre
Lücken im historischen Wissen kaum verbergen. Priestleys New
zum Beispiel Edward Quin zu nennen. [Abb. 26 – 28]. Quins
Chart of History beispielweise präsentiert die Chronologie aller
1830 erschienener Historical Atlas folgt allgemein dem Beispiel
Nationen von 1200 v. Chr. bis zum Jahr 1800, ganz egal, seit
Hases, aber seine Karten führen mit einem genialen Kunstgriff
wann diese Nationen überhaupt bestanden oder ob er etwas
das immer weiter wachsende historische Wissen vor Augen:
über sie wusste. Die dadurch entstehenden großen Lücken füll-
Das Gesamtbild wird durch dunkle Wolken getrübt, die sich
te Priestley kurzerhand mit dem Titel seiner Arbeit, der Wid-
von Karte zu Karte weiter auflösen. In Quins Historical Atlas ist
mung usw. Anstelle der Geschichte Großbritanniens in vor-
zunächst alles bis auf den Garten Eden in Dunkelheit gehüllt.
christlicher Zeit – über die es nun einmal keinerlei Erkenntnis-
Nach und nach verziehen sich die Wolken und zeigen immer
se gab – fand sich beispielsweise eine verschnörkelte Widmung
mehr von der Welt. Blättert man schnell durch die Seiten des
an Benjamin Franklin. Nicht, dass Priestley hier irgendetwas
Atlas, hat das Ganze ein wenig von einem Daumenkino, bei
hätte verschleiern wollen – die britische Frühgeschichte kommt
dem sich die Dunkelheit im selben Maße verflüchtigt, wie die
auch in seinen erzählenden Texten kaum vor. Vielmehr ging es
Europäer die Welt kennenlernen.
Priestley darum, auf dem Blatt für eine gewisse visuelle Ausge-
Eine ähnliche „enthüllende“ Dynamik ist bei vielen chronografischen Diagrammen zu beobachten, oftmals mit durchaus
wogenheit zu sorgen und sein New Chart of History so einheitlicher und ordentlicher aussehen zu lassen.
überraschendem Effekt. Was das Altertum betrifft, so boten die
Ein solches Vorgehen war nicht ungewöhnlich, zumal in
Diagramme des 18. und 19. Jahrhunderts eine Menge Informa-
Werken, die sich Priestley zum Vorbild nahmen. Hier wäre zum
146
4. Grafik im Wandel
147
Die Zeit in Karten
[29] Die zweite Ausgabe der Encyclopædia Britannica enthielt ein ausklapp-
ohne Einträge am oberen Rand. Auch wenn er das chronografische Format
bares handkoloriertes Diagramm, das Adam Fergusons Artikel zur Kultur- und
verwendete, fand Ferguson, dass einzelne Daten in der Geschichte in gewisser
Kirchengeschichte illustrierte. Es war die erste Zeitleiste überhaupt in der En-
Weise weniger zählten als Epochen. Er entnahm die meisten Daten für sein
cyclopædia Britannica. Fergusons Diagramm ähnelt in vielerlei Hinsicht Joseph
Diagramm einem Standardwerk und trug so wenig wie möglich ein, damit der
Priestleys New Chart of History, aber im Gegensatz zu Priestley opfert es die
Leser es nach Belieben selbst vervollständigen konnte. Das hier abgebilde-
Einheitlichkeit der Skala zugunsten der Vollständigkeit und komprimiert ei-
te Diagramm entstammt der dritten Ausgabe, die in Edinburgh im Jahr 1797
nen Großteil der „offenbarten Geschichte“ zu einem schmalen leeren Feld fast
veröffentlicht wurde.
Beispiel der schottische Philosoph Adam Ferguson zu nennen,
aber auch großen Einfluss auf andere Bereiche: In seinem Com-
der für die zweite Auflage der Encyclopædia Britannica ein gro-
mercial and Political Atlas von 1786 (der gemeinhin als grund-
ßes ausklappbares Diagramm anfertigte [Abb. 29]. Für Fergu-
legendes Werk für das Gebiet der statistischen Grafik gilt) be-
son war die Herausforderung sogar noch größer als für Priest-
zeichnete William Playfair die Historien-Diagramme von Priest-
ley, denn anders als in Priestleys Diagramm, das in der klassi-
ley als direktes Vorbild für seine eigene Linien- und Balken-
schen Antike beginnt, ist Fergusons Ausgangspunkt die Schöp-
diagramme.44 Zwar wurde er nicht müde, darauf hinzuweisen,
fung. Dadurch betritt er nicht nur einen durchaus kontrover-
wie viel Originalität in seinem eigenen Werk steckte, doch in
sen chronologischen Bereich, sein Diagramm umfasst auch ei-
der dritten Auflage des Commercial and Political Atlas, die im Jahr
nen viel größeren Zeitraum, nämlich an die 6000 Jahre. Damit
1801 erschien, bestätigt Playfair noch einmal ausdrücklich den
das Ganze nicht so auseinandergezogen wirkte, schummelte
Einfluss der Chronografie auf die Entwicklung seines eigenen
Ferguson mit der Skala: Die früheste Epoche der Menschheits-
Konzepts. Er schreibt:
geschichte fasst er in einer einzigen Zeile zusammen. Für einen Überblick im Rahmen einer umfassenden Enzyklopädie mag
Es ist nun 16 Jahre her, seit ich auf die Idee kam, Finanzthe-
dies durchaus praktisch gewesen sein, aber davon abgesehen
men mit Linien darzustellen … Als diese Erfindung aufkam,
erscheint es – schon rein konzeptionell – eher unbeholfen, denn
fand sie in England viel Beifall … Ich muss gestehen, ich be-
der Rest von Fergusons Übersicht folgt der üblichen Einteilung
mühte mich lange Zeit herauszufinden, ob ich tatsächlich der
in regelmäßige Intervalle.
Erste war, der die Prinzipien der Geometrie auf Fragen des
Innerhalb weniger Jahre erschienen überall Varianten von
Finanzwesens anwendete, denn in der Chronologie tat man
Priestleys Diagrammen. Dort, wo man seine Arbeiten nicht ein-
das ja schon längst, und zwar mit großem Erfolg. Nach langer
fach schamlos kopierte, wurden Elemente daraus übernom-
Suche bin ich heute zu der Überzeugung gelangt: Ich war tat-
men und neu interpretiert [Abb. 30 – 33]. So war es im Laufe des
sächlich der Erste; in 15 Jahren ist es mir nicht gelungen, etwas
19. Jahrhunderts schließlich völlig normal, sich Geschichte in
Ähnliches zu finden, das früher bereits veröffentlicht worden
Form einer Zeitleiste vorzustellen. Priestleys Diagramme hatten
wäre.45
148
4. Grafik im Wandel
149
Die Zeit in Karten
[30] Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts tauchten zahllose Kopien und Interpretationen von Joseph Priestleys Diagrammen auf. Diese Doppelseite aus Anthony Finleys 1818 erschienenem Werk Atlas classica verbindet Elemente beider Diagramme Joseph Priestleys und zitiert ihn sogar.
150
4. Grafik im Wandel
151
Die Zeit in Karten
[31] 1869, als Stephen Hawes’ Synchronology of the principal events in sacred and profane history: from the creation of man, to the present time erschien, waren Priestleys grafische Innovationen bereits so alltäglich, dass man ihn überhaupt nicht mehr erwähnte.
[32] In A System of Chronology (Edinburgh 1784) kombinierte der begnadete Schotte James Playfair die chronografischen Stile von Eusebius und Priestley und zeigte so, dass sich Priestleys Linien in Tabellen mit unterschiedlichen Datierungssystemen integrieren ließen. Mit freundlicher Genehmigung der Library Company of Philadelphia.
[33] Im Jahr 1808 veröffentlichte der presbyterianische Pfarrer Samuel Whelpley, Leiter einer Akademie in Morristown, New Jersey, ein beliebtes Geschichtsbuch mit dem Titel A compend of history, from earliest times. Darin enthalten war eine biografische Übersicht nach Vorbild von Priestley. Bis 1853 erfuhr Whelpleys Buch mehrere Auflagen; hier zu sehen: die imperial and biographical chart aus einer Ausgabe von 1825.
152
4. Grafik im Wandel
153
Die Zeit in Karten
[34] William Playfairs Liniendiagramme entwickelten die Logik des chronografischen Diagramms in neue Richtungen weiter – dieses hier, aus der dritten Auflage seines Commercial and Political Atlas, zeigt die Jahresumsätze von Frankreich und England. Playfairs statistische Grafiken enthalten o geschichtliche Zeitleisten, so auch in diesem Fall.
Als Wissenschaft der Daten hatte die Chronologie schon im-
[35] Dieses Stereogramm von Luigi Perozzo aus dem Jahr 1879 bildet die
mer eine gewisse quantitative Dimension, aber erst ab Mitte
Ergebnisse der Volkszählungen der Jahre 1750 bis 1875 in Schweden ab und
des 18. Jahrhunderts wurde die einheitliche Skala zu einem
zeigt neben der Anzahl männlicher Geburten, wie lange die Menschen lebten.
üblichen Merkmal chronografischer Darstellungen. Doch sobald man diese Einheitlichkeit erreicht hatte, hielten schnell auch andere quantitative Daten Einzug in den chronografi-
1870er Jahren experimentierten Demografen wie der Italie-
schen Raum. In seinem Statistical Breviary von 1801 beschrieb
ner Luigi Perozzo mit dreidimensionalen statistischen Grafiken
Playfair genau, wie die Chronografen des 18. Jahrhunderts der
[Abb. 35].47 Nach Playfair entstanden mehr und mehr statisti-
statistischen Grafik den Weg ebneten:
sche Darstellungen historischer Phänomene, zunächst in Bereichen wie der Wirtschaft, wo es ohnehin bereits von quanti-
Das Studium der Chronologie wurde dadurch erleichtert, dass
tativen Daten wimmelte, und dann, mit dem Aufkommen der
es gelang, Zeit räumlich darzustellen und das Leben eines
Sozialstatistik, so gut wie überall [Abb. 36 – 37].
Menschen mittels einer Linie von proportionaler Länge und an
Mitte des 19. Jahrhunderts füllte bereits ein breites Spektrum
geeigneter Stelle abzubilden, wodurch uns die herausragenden
innovativer (und zum Teil überaus technischer) Diagramme die
Männer vergangener Epochen innerhalb der korrekten Zeit
Zeitungen und Bücher. Dazu gehörten Florence Nightingales
und am rechten Ort erscheinen.
46
„Rosen-“ und „Batwing-“Diagramme aus den 1850er Jahren, die den Wandel der Ursachen für den Tod der Menschen im Ver-
Im Laufe der folgenden 50 Jahre entwickelte sich Playfairs Li-
lauf des Krimkrieges darstellten, die Karten zu verschiedenen
niendiagramm mit seinen zwei quantitativen Achsen (eine für
Themen, die der französische Ingenieur Charles Joseph Minard
die Zeit und eine für wirtschaftliche Messwerte wie Exporte,
in den 1860er Jahren entwickelte, darunter sein berühmtes
Importe oder Schulden) zu einer der bekanntesten chrono-
Diagramm der Truppenverluste Napoleons beim Russlandfeld-
grafischen Formen überhaupt [Abb. 34]. Später gaben sich die
zug (siehe S. 26) und die großartigen Grafiken zur Volkszäh-
Statistiker nicht mit nur zwei Dimensionen zufrieden: In den
lung in den USA im Jahr 1870 von Francis A. Walker, seines
154
4. Grafik im Wandel
155
Die Zeit in Karten
[36] Florence Nightingale, Diagramme aus Mortality of the British Army: At Home, and Abroad, and During the Russian War, as Compared with the Mortality of the Civil Population in England, London 1858. Nightingales Diagramme bilden die chronologische Zeit als Kreis ab; diese hier zeigen, dass während des Krimkrieges mehr Briten an Infektionen und Krankheiten starben als durch Kugeln und Bajonette der Feinde.
Zeichens Superintendent der Volkszählung und späterer Präsi-
wahrnahm und je mehr man in der Einteilung in Epochen
dent der American Statistical Association, der American Eco-
kein externes, sondern ein internes Element historischer Ab-
nomic Association und des Massachusetts Institute of Techno-
läufe erkannte, desto mehr veränderte sich die Wahrnehmung
logy.48
Was alle diese Grafiken gemein hatten, war die Linie.
und die Bedeutung der Chronologie. Aus demselben Grund
Ob sie nun gerade war, Kurven beschrieb oder verzweigte – die
gehorchten die neuen Chronologien des 18. und 19. Jahrhun-
Linie war und blieb bei der Konzeption historischer Chronolo-
derts auch neuen Regeln. Beispielsweise war es nicht mehr
gien die wichtigste visuelle Metapher.
so wichtig wie zuvor, den exakten annus mundi zu berechnen,
Ironischerweise bedeutete der Aufstieg der modernen Form der Zeitleiste zugleich den Niedergang der wissenschaftlichen
also das „Weltjahr“, das angab, wie viel Zeit seit der Schöpfung vergangen war.
Chronologie. Im 18. Jahrhundert wurde andauernd über Chro-
In dieser Hinsicht war Priestley ein typischer Vertreter sei-
nologie diskutiert, aber die Rolle des Chronologen, dessen Spe-
nes Faches: Ihm genügte für die Darstellung der Weltgeschich-
zialgebiet die Untersuchung von Daten war, verlor gegenüber
te jedes Datierungssystem, solange es allgemein anerkannt war
der Rolle des Historikers stark an Bedeutung. Derweil zersplit-
und konsequent angewendet wurde. An sich war dieser Ansatz
terte die angestammte Domäne des Chronologen immer mehr:
nicht neu, aber inzwischen führte er nicht mehr zu grundle-
Man trennte die Astronomie von der Astrologie, die Philologie
genden methodologischen Kontroversen. Als Priestley in sei-
vom biblischen Kommentar, die empirische Wissenschaft von
nen Diagrammen der Weltgeschichte die Frage der Schöpfung
der „offenbarten“ Wissenschaft usw. So blieb von der Chro-
einfach ausklammerte, regte sich kaum mehr jemand darüber
nologie, von der man einst behauptet hatte, sie sei die „See-
auf. Im Gegenteil, viele Leser waren überrascht über die Logik
le des historischen Wissens“, wenig mehr übrig als das bloße
dieses Ansatzes und darüber, wie seltsam es war, dass man die-
Skelett.49
sen nicht zuvor schon längst angewendet hatte.
Das soll nicht etwa bedeuten, dass das Thema Chronolo-
Die meisten Leser fanden Priestleys Erfindungen eben-
gie an Bedeutung verlor. Je mehr man die Weltgeschichte als
so nützlich wie intuitiv verständlich. Zudem spiegelten diese
Ergebnis innerer Ursachen, Beziehungen und Auswirkungen
die lineare Sicht der Geschichte wider, die den Philosophen
156
4. Grafik im Wandel
der Aufklärung zu eigen war. Man kann kaum ermessen, wie
[37] Francis A. Walker, Fiscal Chart of the United States Showing the Public Debt
wichtig diese grafische Darstellung der „homogenen, leeren
by Years 1789 to 1870 … Receipts from Each Principal Source of Revenue … and
Zeit“ war (um Walter Benjamin, den großen Philosophen und
Expenditures from Each Principal Department, aus Statistical Atlas of the United
Kritiker des 20. Jahrhunderts zu zitieren).50 Gleichzeitig muss man sie jedoch auch in ihrem Kontext betrachten. Für Priestley
States Based on the Results of the Ninth Census, 1870, New York 1874. Mit freundlicher Genehmigung der Library Company of Philadelphia.
selbst war die leere Zeitleiste lediglich ein heuristisches Hilfsmittel; sie diente mitnichten dazu, Gott aus der Geschichte zu streichen, im Gegenteil: Priestley glaubte durch die Enthüllung komplexer sozialer Phänomene, die in Einklang mit der Vor-
Ausflüge in die Welt der historischen Chronologie gründe-
sehung standen, den Plan Gottes besonders strahlend leuch-
ten im Millenarismus des 17. Jahrhunderts. Eine eigene grafi-
ten zu lassen.
sche Komponente konzipierte Newton dabei zwar nicht, doch
So beliebt Priestleys Erfindung im 19. Jahrhundert auch
die Theorie der Zeit, die er in seiner Physik darlegte, erinnerte
war, sein philosophischer Experimentalismus fand weniger
stark an die Uniformität, die Priestleys Diagramme wiederga-
Anklang. Vielen Lesern erschienen Priestleys Diagramme als
ben. Sie sollten keine exakte Wissenschaft darstellen, sondern
Abbild der Zeit, und im Zusammenhang mit der Newtonschen
waren vielmehr quantitativer und statistischer Natur und schu-
Revolution ergab dies auch durchaus Sinn. Newtons eigene
fen, wie das Werk von William Playfair ganz klar beweist, ei-
157
Die Zeit in Karten
[38] Eine Notizseite aus den Unterlagen von Jean-Antoine-Nicolas de Caritat, Marquis de Condorcet, für ein niemals vollendetes System zur chronologischen Klassifizierung, das die Entwicklung der menschlichen Gesellscha und Kultur abbilden sollte. Oben links hat Condorcet die zehn „wichtigsten Epochen“ der Weltgeschichte aufgelistet, wie er sie in seinem Sketch for a historical picture of the progress of the human mind beschrieb – das bei seinem Tod im Jahr 1794 leider ebenfalls unvollendet blieb. Oben rechts stehen thematische Kategorien, mittels derer bestimmte Fakten beispielsweise als kulturelle, soziale, intellektuelle oder wissenschaliche Gegebenheiten definiert werden. Darunter folgen Unterkategorien, die auf eine oder mehrere thematische Kategorien zutreffen.
nen analytischen Rahmen, der sich auf viele andere Bereiche
darin, einzelne Fakten festzuhalten, sondern allgemeine ge-
übertragen ließ.
schichtliche Muster nachzuvollziehen. Wie viele Historiker der
Obwohl es sich schnell ausbreitete, konnte Priestleys Sys-
Aufklärung glaubte Condorcet, dass alle Gesellschaften eine
tem in Frankreich nicht ganz so schnell Fuß fassen wie in
Reihe vergleichbarer, wenn nicht sogar identischer Entwick-
Großbritannien und im restlichen Europa. In den 1790er Jah-
lungen durchliefen. Und um diese Prämisse herum entwickelte
ren versuchte sich dort Jean-Antoine-Nicolas de Caritat, Mar-
er auch sein System. Während die Grafiken von Eusebius und
quis de Condorcet, einer der Begründer der Sozialstatistik, an
Priestley zumeist eine schnelle Identifizierung zeitlicher Syn-
einer ganz anderen Darstellungsform. Wie Priestley glaubte
chronismen erlaubten, ging Condorcet anders vor: Er zeigte
auch Condorcet, dass man soziale Phänomene besser verste-
nicht, was zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten geschah,
hen könne, wenn man dabei das große Ganze im Blick behielt.
sondern wie verschiedene Nationen und Kulturen die gleichen
Er glaubte, dass die Beziehungen zwischen Ursache und Wir-
Phasen gesellschaftlicher Entwicklung durchliefen.51
kung in der Geschichte intrinsisch motiviert waren und nicht
In seinem Entwurf für ein neues System zur Darstellung
extrinsisch. Seine Ansicht, dass die gesamte Weltgeschichte ei-
historischer Daten schuf Condorcet eine Chronologie mit ei-
nem im Grunde gänzlich linearen Pfad folgte, brachte er in sei-
ner drei Dimensionen umfassenden Klassifizierung sowie zwei
ner 1793 posthum veröffentlichten Esquisse d‘un tableau histo-
ziemlich heterogenen thematischen Kategorien [Abb. 38]. In
rique des progrès de l‘esprit humain („Entwurf für ein historisches
diesem Schema wird jeder Eintrag einer von zehn histori-
Tableau über den Fortschritt des menschlichen Geistes“) zum
schen Epochen (vom Jäger und Sammler bis hin zum moder-
Ausdruck.
nen Menschen), einem eher allgemeinen Themenbereich (z. B.
Kennt man von Condorcet nichts außer seinen zehn Pha-
Fortschritt der Gesellschaft) und außerdem noch einem be-
sen der Geschichte, könnte man auf die Idee kommen, er sei
stimmten Thema zugeordnet (z. B. Gesetzgebung oder Verwal-
ein großer Befürworter von Priestleys linearen Diagrammen
tung). Die entsprechenden Einträge waren relativ kompliziert,
gewesen. Doch Condorcets Darstellung der Weltgeschichte war
nicht zuletzt deshalb, weil die dritte Kategorie teilweise von
eher strukturell als deskriptiv; sein Hauptinteresse lag nicht
der zweiten abhing (beispielsweise gibt es im Themenbereich
158
4. Grafik im Wandel
[39] Die von Pierre-Nicolas Chantreau angefertigte Tabelle mit der Darstellung der wichtigsten Epochen der Menschheitsgeschichte in Science de l’historie von 1803 wurde von der Mehrheit der Historiker zur Bestimmung der Reihenfolge von Ereignissen übernommen. Das hierarchische System entlehnte Chantreau dabei der Encyclopédie von Denis Diderot und Jean le Rond d’Alembert.
„Politik“ eine Kategorie „Verwaltung“, nicht aber im Themen-
bleibt, sind Listen mit historischen Ereignissen, die mit Koordi-
bereich „Kunst und Wissenschaft“). Dennoch bot eine solche
naten zur dreidimensionalen Klassifizierung codiert sind.
Klassifizierung historischer Ereignisse in mehreren Dimensi-
Das soll aber nicht heißen, dass Priestleys Ansatz in Frank-
onen – so Condorcet – einige entscheidende Vorteile. Dadurch
reich keine Befürworter hatte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts
entstand nämlich eine Datenbank geschichtlicher Informati-
beispielsweise nahm Pierre-Nicolas Chantreau Priestleys bio-
onen mit umfangreichen Querverweisen, die für diverse his-
grafische Diagrammlinien in seine theoretischen Abhandlun-
torische Beispiele eine konsequente Analyse von Ursache und
gen über das Studium der Geschichte mit auf [Abb. 39]. Doch
Wirkung ermöglichte.
auch die Möglichkeiten, die das Baum-Schema bot, das der
Man hätte Condorcets System durchaus anhand einer Ta-
französische Humanist Petrus Ramus im 16. Jahrhundert ent-
belle ähnlich der des Eusebius darstellen können, und Condor-
wickelt hatte und das im 18. Jahrhundert durch die Enzyklo-
cet scheint diese Möglichkeit auch erwogen zu
haben.52
Den-
pädie von Diderot und d’Alembert große Verbreitung erfah-
noch eigneten sich die drei Dimensionen von Condorcet we-
ren hatte, faszinierten Chantreau und viele andere französische
niger für eine grafische Umsetzung als die zwei Dimensionen
Schriftsteller. Er selbst verwendete dieses Schema mehrmals in
von Priestley und Eusebius. Vielleicht hätte Condorcet die gra-
den Abschnitten seiner 1803 erschienenen Science de l’histoi-
fische Komponente seines Projektes weiter verfolgt, hätten ihm
re („Geschichtswissenschaft“), die erklären, wie die historische
bereits die Werkzeuge zur Verfügung gestanden, mithilfe derer
Wissenschaft unterteilt ist, um biografische Kategorien zu orga-
man im ausgehenden 19. Jahrhundert dreidimensionale Pro-
nisieren und wiederum zu unterteilen; es taucht bei ihm sogar
jektionen entwickelte – ganz zu schweigen von der elektroni-
innerhalb chronologischer Tabellen auf.53
schen Technologie von heute, die einen die Daten immer wie-
Für Chantreaus grafisches Vorgehen gab es jedoch Vorläu-
der neu ordnen und verschiedenste Projektionsschemata aus-
fer. Schon in Tubus Historicus: An Historicall Perspective; Discovering
probieren lässt. Zu Condorcets Zeit war die Technik natürlich
all the Empires and Kingdomes of the World, as they flourisht respecti-
längst nicht so weit, und so gelang ihm nie eine erfolgreiche
vely under the foure Imperiall Monarchies, einem 1636 erschiene-
grafische Umsetzung seines Entwurfes. Was von seiner Arbeit
nen Werk, das fälschlicherweise Walter Raleigh zugeschrieben
159
Die Zeit in Karten
[40 – 41] Autor unbekannt, Tubus Historicus: An Historicall Perspective, Discovering all the Empires and Kingdomes of the World as they flourisht respectively under the foure Imperiall Monarchies, London 1636.
wurde, hatte der unbekannte Autor die verschiedenen Königrei-
erten, Nummer zwei und drei je 35 000 Jahre [Abb. 42]. Der
che der Vergangenheit mittels Akkoladen – geschweiften Klam-
erste und letzte Abschnitt, so Fourier, seien von Unglück ge-
mern – geordnet [Abb. 40 – 41]. Aber in einem Werk wie diesem,
prägt, die anderen beiden von Freude. In der Welt von 1808
das eine eschatologische Struktur beleuchten sollte, funktionier-
gab es seiner Meinung nach zwar jede Menge Probleme, doch
te die Grafik anders: Hier lag die Betonung nicht auf der ge-
die langfristige Prognose war gut: Laut seinem Schema befand
nauen Datierung einzelner Ereignisse, sondern auf der Eintei-
sich die Menschheit gerade am Ende des ersten Abschnitts ih-
lung einer begrenzten Anzahl aufeinanderfolgender Epochen.
rer Geschichte. Nach 5000 Jahren beinahe allgegenwärtigen
Das mochte für die Eschatologie ganz gut funktionieren, für
Elends konnte es nun endlich losgehen mit der ersten Epo-
das profane Datieren von Ereignissen war das Format des enzy-
che allgemeiner Glückseligkeit. Und sie würde all die Nöte
klopädischen Baumes hingegen denkbar ungeeignet. Dennoch
der Gegenwart, so hoffte er, relativieren. „Wir können unser
fand die Baumstruktur in Frankreich immer wieder Befürwor-
unermessliches Leiden nur dann richtig beurteilen“, schrieb
ter; zuletzt verwendete es der französische Utopist und Sozia-
Fourier, „wenn wir verstehen, welch unermessliches Glück
list Charles Fourier 1808 in seiner Théorie des quatre mouvements
uns schon bald widerfahren wird.“54 Dieser neue Zustand des
(„Theorie der vier Bewegungen“), einem vierstufigen Schema
Glücks, so Fourier, werde für soziale und sexuelle Harmonie
der Geschichte. Indem er für seine chronografischen Grafiken
sorgen – und zu einer Betriebsamkeit der Menschen, die buch-
das Baum-Format benutzte, wollte Fourier offenbar an das Pres-
stäblich die Polkappen schmelzen lassen würde. Lange müss-
tige des enzyklopädischen Modells anknüpfen. Zudem tat er da-
ten wir nicht mehr warten, schrieb Fourier, bevor das Klima in
bei das, was er am besten konnte: Er stellte soziale Systeme her.
St. Petersburg dem auf Sizilien ähneln würde. Leider ist es von
Fourier behauptete, dass die Geschichte der Menschheit
all den Vorhersagen Fouriers (Meere voll mit Limonade, Zeb-
von ihren unklaren prähistorischen Anfängen bis zu ihrem
ra-Taxis) ausgerechnet diese, die derzeit Wirklichkeit zu wer-
Ende insgesamt etwa 80 000 Jahre dauern würde, und dabei
den droht.
durchliefe sie vier große Abschnitte oder „Bewegungen“ – wo-
Im Jahr 1849 erdachte der positivistische Philosoph Au-
bei Bewegung Nummer eins und vier jeweils 5000 Jahre dau-
guste Comte noch ein weiteres ausgefallenes Schema zur Dar-
160
4. Grafik im Wandel
[42] Charles Fourier, Diagramm der vier „Bewegungen“ oder Phasen der Geschichte, aus seiner Théorie des quatre mouvements et des destinées générales: prospectus et annonce de la découverte, Lyon 1808.
[43 – 44] Auguste Comte, Calendrier positiviste, aus Catéchisme positiviste, Paris 1852.
stellung von Geschichte. Comtes 13 Monate umfassender Ca-
la mit Skepsis. Im Jahr 1804 zum Beispiel veröffentlichte der
lendrier positiviste („positivistischer Kalender“) war nicht in ers-
Chronologe Friedrich Straß eine einflussreiche Grafik, die er
ter Linie als Grafik gedacht [Abb. 43 – 44]. Er war vielmehr ge-
Der Strom der Zeiten nannte und die ins Englische, ins Russische
nau das, als was er bezeichnet wurde: ein Kalender. Und als
und einige andere Sprachen übersetzt wurde [Abb. 45]. Zahl-
solcher sollte er dazu dienen, geschichtliche Überlegungen und
reiche Geschichtswerke verwiesen auf die Grafik. Wie Priest-
Erinnerungen zu organisieren – und den bisherigen religiösen
ley vertrat auch Straß die Meinung, dass die grafische gegen-
Kalender zu ersetzen. Für Comte entsprach der Positivismus
über der textlichen Darstellung der Geschichte diverse Vortei-
tatsächlich so etwas wie einer Religion. Doch während Comtes
le barg: Ohne dass man sich etwas merken oder umständliche
Kalender genau wie der katholische und protestantische Ka-
Berechnungen anstellen musste, zeigte sie auf einen Blick die
lender, die er ersetzen wollte, eine Reihe jährlich wiederkeh-
Reihenfolge, Skalierung und Gleichzeitigkeit historischer Vor-
render Anlässe beschrieb, folgte er zugleich der linearen Ord-
gänge. Allerdings war die Einheitlichkeit geschichtlicher Pro-
nung der Geschichte.
zesse, die die „äquisäkulare“ bzw. strikt geometrische Organi-
Der erste der 13 Monate des positivistischen Kalenders war
sation der Ereignisse in Priestleys Diagrammen suggerierte, laut
nach Moses benannt und erinnerte an die ganz alten Helden
Straß’ englischem Übersetzer William Bell schlicht und einfach
des Positivismus wie Lykurg, Zarathustra und Konfuzius; der
irreführend.55 Für Straß drückte sich Ordnung nicht kurzer-
13. Monat, benannt nach dem französischen Anatom Xavier
hand in einer einheitlichen Skala aus – eine Ansicht, die er mit
Bichat, setzte den Helden der Neuzeit wie Kopernikus, Newton
der Geschichtsschreibung der Romantik teilte. Wie William Bell
und Priestley ein Denkmal. Wie Fouriers System zeigt auch das
es formulierte:
von Comte, wie unterschiedlich die chronografischen Visionen in der Moderne aussahen und wie die traditionellen Zeitstruk-
So selbstverständlich es einem vorkommen mag, sich die ab-
turen ebenso im Zeitalter des Fortschritts weiter fortbestanden.
strakte Zeit als Linie vorzustellen, … so erstaunlich ist es zu-
Auch in Deutschland und Österreich begegnete man Priestleys Beharren auf einer regelmäßigen chronologischen Ska-
gleich, dass … dabei noch niemand auf das Bild des Stroms gekommen ist … Immerhin verwenden wir, wenn es um Zeit
161
4. Grafik im Wandel
[45] William Bell, englische Übersetzung von Friedrich Straß’ 1804 erschienenem Strom der Zeiten, London 1849.
geht, nicht nur die Begriffe „kurz“ und „lang“, sondern auch
in Form verschiedener Flüsse, die sich verzweigen und wieder
das Bild des Dahinfließens und die Metapher des reißenden
vereinigen, mit Ebbe und Flut, Mäandern und Stromschnellen.
Flusses und der Stromschnelle. Und es erfordert auch keine
Mercator wäre fasziniert gewesen, hätte er noch miterlebt, wie
besonders ausgeprägte Fantasie, … den Aufstieg und Nieder-
jemand seine bescheidenen Bemühungen, den Lauf der Zeit
gang eines Imperiums mit der Quelle eines Flusses und seiner
ein wenig flexibler darzustellen, in so eine großartige, anpas-
mit dem Gefälle zunehmenden Geschwindigkeit in Richtung
sungsfähige visuelle Metapher verwandelte.
Ozean zu vergleichen. Im Gegenteil, diese Metapher … verleiht
Straß fand zahlreiche Nachahmer: Im 19. Jahrhundert
Ideen und Konzepten eine größere Lebendigkeit und beein-
tauchten überall ähnliche Grafiken auf, sei es absteigend, in
druckt den Geist weitaus mehr als die steife Regelmäßigkeit der
Form eines Stroms, oder aufsteigend, in Form eines Baums
Linie. Die Vorstellung des Flusses, der sich verzweigt, oder des
[Abb. 46 – 47]. Nur ein paar Jahre nach der Erstveröffentlichung
Stroms, der durch Zufluss verschiedener Nebenflüsse immer
des Stroms der Zeiten erstellten zwei bemerkenswerte Erfinder
größer wird und schließlich in einem riesigen Ozean der Macht
aus New Jersey, die Brüder Daniel und Stephen Dod, ein sol-
mündet, … ist weitaus attraktiver, aufgrund ihrer Einfachheit
ches Diagramm, nur eben als Baum. Amerikanische Diagram-
besser verständlich und aufgrund ihrer größeren Realtitätsnähe
me wie das der Dods waren meist kurzlebiger als die ihrer eu-
konsequenter.
56
ropäischen Kollegen. Und sie waren meist auch nicht ganz so sorgfältig ausgearbeitet. Das Dodsche Diagramm ist an sich eine
Für Straß und Bell bestand Geschichte im Wissen um die Ver-
wunderbare Arbeit, doch blieb es wohl vor allem in Erinne-
gangenheit und nicht nur in der bloßen Aufzeichnung irgend-
rung, weil seine Schöpfer so bekannt waren. Stephen und Da-
welcher Geschehnisse. Dementsprechend sieht Straß’ Darstel-
niel Dod waren die Söhne des amerikanischen Uhrmachers
lung der Geschichte vollkommen anders aus als die Diagramme
Lebbeus Dod, der im Unabhängigkeitskrieg seine Fähigkeiten
von Jefferys und Priestley, auch wenn sie deren Grundstruk-
der Rüstungsindustrie zur Verfügung gestellt hatte. Stephen
tur aufgreift: Sein Strom der Zeiten entspringt den dunklen Wol-
war ein bekannter Landvermesser und nebenbei Bürgermeis-
ken am oberen Bildrand, und ab hier verläuft die Geschichte
ter von Newark. Daniel entwarf und baute die Dampfmaschine
163
Die Zeit in Karten
[46] A Chronological, Historical, and Biographical Chart von Stephen und Daniel Dod (1807) erinnert an Friedrich Straß’ Strom der Zeiten; statt des Bildes des hinabfließenden Flusses entschieden sich die Brüder jedoch für einen emporwachsenden Baum. Auf einem biografischen Zweig oben rechts findet sich auch Priestleys Name.
164
4. Grafik im Wandel
[47] Bei vielen chronografischen Diagrammen ist es schwer, den genauen Urheber zu ermitteln. Üblicherweise waren sie das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Autor, Graveur und Verlag, und neue Diagramme bedienten sich o und gerne bei älteren. 1812 produzierte der innovative Drucker Isaac Eddy die erste im Staat Vermont gedruckte Bibel. Im darauffolgenden Jahr veröffentlichte er dann in Kooperation mit dem Globusmacher James Wilson ein Diagramm mit dem Titel Chronology Delineated to Illustrate the History of Monarchical Revolutions. Das Vermonter Diagramm ähnelt sehr demjenigen von Stephen und Daniel Dod, auch wenn sich Inhalt, Rahmen und Illustrationen unterscheiden.
165
Die Zeit in Karten
[48] Die visuelle Metapher des Flusses wurde mitunter auch innerhalb größerer Tabellen verwendet, wie hier in der Epitome of Ecclesiastical History (1806) von David Rowland, einem kongregationalistischen Pfarrer der First Church of Windsor, Connecticut. In Rowlands Diagramm verdüstert sich der Strom des Christentums im „finsteren“ Mittelalter – nur eine dünne helle Linie abweichender Meinungen läu hindurch. Während der Reformation verzweigt sich dann der Strom, um am Ende wieder in einem vereinten Christentum aufzugehen.
[49] Der britische Abolitionist Thomas Clarkson baute in seine History of the Rise, Progress, and Accomplishment of the Abolition of the African Slave-Trade by the British Parliament von 1808 ebenfalls ein Strom-Diagramm ein. Die ersten Anhänger der Abschaffung der Sklaverei bilden hier die „Quellen und Bächlein“, aus denen in England und in den USA jeweils eine große politische Strömung entstand. Dieses Bild stammt aus einer 1836 in New York erschie-
für die Savannah, den ersten amerikanischen Dampfer, der den Atlantik überquerte. Doch auch das Diagramm der Dods hatte zumindest in den USA einen gewissen Einfluss, und 1813 wurde es vom bekannten Vermonter Drucker und Kupferstecher Isaac Eddy und vom Globusmacher James Wilson adaptiert. Das Strom-Diagramm erfreute sich das gesamte 19. Jahrhundert über großer Beliebtheit [Abb. 48 – 50]. In Connecticut im Jahr 1806 entschied sich der kongregationalistische Pfarrer David Rowland für seine Epitome of Ecclesiastical History für die Fluss-Metapher anstatt des herkömmlichen Formats nach Eusebius. Thomas Clarksons 1808 erschienene History of the Rise, Progress, and Accomplishment of the Abolition of the African Slave-Trade by the British Parliament verwendete ebenfalls Grafiken mit Strom-Metapher, genau wie eine Ethnografie der Weltreligionen von 1883 aus der Feder von James George Roche Forlong (ei-
166
nenen Ausgabe.
4. Grafik im Wandel
[50] Im Jahr 1883 veröffentlichte der britische Generalmajor James George Roche Forlong nach 40 Jahren Militärdienst in Indien ein umfangreiches dreibändiges Werk zur Entwicklung der Weltreligionen mit dem Titel Rivers of Life, or, Sources and Streams of the Faiths of Man in All Lands; Showing the Evolution of Faiths from the Rudest Symbolisms to the Latest Spiritual Developments. Mitgeliefert wurde ein fünf Meter langes farbiges Diagramm der faith streams, das seine Vision von der Vernetzung der Weltreligionen zeigt.
nem überaus passenden Namen für einen Chronologen, gleich nach Jean Temporal) mit dem Titel Rivers of Life, or, Sources and Streams of the Faiths of Man in All Lands; Showing the Evolution of Faiths from the Rudest Symbolisms to the Latest Spiritual Developments. Mit der Zeit jedoch näherten sich die Konventionen des Strom-Diagramms und der linearen Chronologie einander an. Trotz der Einwände William Bells wurde es im 19. Jahrhundert üblich, dass solche Diagramme in dieser oder jener Form das „äquisäkulare“ Format, das Priestley populär gemacht hatte, verwendeten. Auch wenn die inneren Konventionen andere waren, wies der äußere Rahmen doch immer mehr Ähnlichkeit mit dem regulären, gleichmäßigen Format der Zeitleiste auf, wie es bereits wenige Jahrzehnte nach ihrem ersten Erscheinen überall verbreitet war.
167
Die Zeit in Karten
Kapitel 5:
Grenzlinien
168
5. Grenzlinien
[1] Chart of the seasonal availability of produce in the vegetable market of Washington, D. C. during the years 1801 – 08, Autor unbekannt, in den Papieren von Thomas Jefferson entdeckt.
I
m 18. und 19. Jahrhundert erwiesen sich vor allem die USA
Diagrammformen. In Jeffersons Unterlagen fand man ein Dia-
als fruchtbarer Nährboden für chronografische Diagramme;
gramm, in dem er nach Vorlage des Chart of Biography eingetra-
sie erschienen dort in großer Zahl und zu den unterschiedlichs-
gen hatte, wann man in Washington D. C. bestimmte Produkte
ten Themen. Manche übernahm man aus Europa, aber vie-
auf dem Markt kaufen konnte; bei ihm stehen die waagerech-
le waren eigene Entwürfe, die spezifische amerikanische Ver-
ten Striche nicht für die Lebenszeit von Newton, Huygens oder
hältnisse abbildeten und implizit oder explizit behaupteten, die
Galileo, sondern für die Erntezeit von Petersilie, Endivien und
amerikanische Geschichte und die Geschichte Europas seien
Wassermelonen [Abb. 1].
gleichbedeutend. Andere beschäftigten sich verstärkt mit wis-
Eine ganze Generation von Revolutionären, die wild ent-
senschaftlichen Innovationen, Erfindungen sowie allgemein
schlossen waren, sich einen Platz in den Geschichtsbüchern
mit dem Fortschritt, und manche nutzten dazu die apokalypti-
zu erkämpfen, scheint in Priestleys Diagrammen tatsächlich
schen Bildwelten der Erweckungsbewegungen.
so etwas wie einen Glücksbringer oder ein Maskottchen ge-
Genau wie in Europa revolutionierten Priestleys chrono-
funden zu haben. Im Jahr 1811 veröffentlichte David Ramsay,
grafische Diagramme auch in Amerika den Bereich der Histo-
von Beruf Arzt und Mitglied des Kontinentalkongresses, sein
rien-Grafik. Das ist auch kaum verwunderlich: In den USA ver-
Buch Universal History Americanised, welches das beeindrucken-
folgte man Priestleys Karriere mit großem Interesse, und vie-
de Historical and Biographical Chart of the United States enthielt,
le seiner Werke hatten dort großen Einfluss. Priestley sah sich
eine „kurzgefasste Art der Wissensvermittlung durch Symbo-
in England politisch und religiös verfolgt und floh 1794 nach
le“.1 Ramsay wies darin explizit auf Priestley hin; er modifizier-
Pennsylvania. Doch bereits in den 1760er Jahren pflegte er
te dessen Diagramme, passte sie dem amerikanischen Kontext
enge Freundschaften mit amerikanischen Intellektuellen, nicht
an und bat darum, sich sein Werk zum Vorbild zu nehmen und
zuletzt mit Benjamin Franklin, der ihn für sein Chart of Biogra-
zu kopieren. Ganz nebenbei hatte Ramsay mit seinem Historical
phy im Jahr 1766 für die Royal Society of London nominier-
and Biographical Chart eines der ersten Diagramme geschaffen,
te. Thomas Jefferson war ebenfalls ein Bewunderer Priestleys,
das die Logik von Priestleys historischem und biografischem
und genau wie Franklin interessierte er sich sehr für dessen
Diagramm auf einem Blatt miteinander kombinierte [Abb. 2].
169
Die Zeit in Karten
170
5. Grenzlinien
[2] Im Jahr 1811 veröffentlichte der Arzt, Historiker und Politiker David Ramsay aus South Carolina das markante Historical and Biographical Chart of the United States als Begleitmaterial zu seiner Universal History Americanised. Ramsay kombiniert eine Karte der ehemaligen britischen Kolonien mit Diagrammen, die sich an den Vorbildern Joseph Priestley und William Playfair orientieren.
171
Die Zeit in Karten
[3] Diese restaurierte Katholische Leiter von 1840 ist das älteste noch erhalte-
Reihen mit Punkten geben einzelne Jahre an: Die erste steht für die Lebens-
ne Exemplar. Konzipiert wurde sie im Jahr 1839 von einem Franko-Kanadier,
jahre Jesu Christi, die zweite für die Jahre seit 1800. Die zwei vertikalen Striche
dem katholischen Priester Norbert François Blanchet. Das Gerät kombinierte
am oberen linken Rand des Ganzen stellen Blanchet und seinen Kollegen
chronografische und symbolische Elemente, um dem Betrachter die Grund-
Modeste Demers dar, die ersten katholischen Missionare, die sich in Oregon
begriffe des Christentums näherzubringen; Blanchet selbst bezeichnete sein
niederließen. Der Zweig in der Mitte direkt über den drei vertikalen Strichen,
Werk als „visuellen Katechismus“. Unten sind Bildsymbole für die Schöpfung
die für Luther, Calvin und Heinrich VIII. stehen, symbolisiert die protestanti-
und das Universum zu sehen – Sonne, Sterne und die Erde. Weiter oben be-
sche Reformation. Dieser Zweig war im Oregon der 1840er Jahre (und auch
finden sich Symbole für den Turmbau zu Babel, die Arche Noah, das Alte und
noch später) Gegenstand hitziger Kontroversen. Protestantische Missionare
Neue Testament, die katholische Kirche und andere wichtige christliche Be-
wie Henry Harmon Spalding sahen darin eine persönliche Beleidigung und
grifflichkeiten. Vertikale Striche deuten wichtige Persönlichkeiten (wie Johan-
glaubten, Blanchet habe damit unter den Ureinwohnern Misstrauen und Hass
nes den Täufer) und Konzepte (wie die sieben Sakramente) an. Die mittlere
gegenüber den protestantischen Missionaren schüren wollen.
Säule horizontaler Striche steht für die Jahrhunderte seit der Schöpfung. Zwei
Mit den Europäern kam auch die Chronografie zuneh-
Der Sahale-Stock (ein Ausdruck aus der Sprache der Chinook
mend in den Westen Nordamerikas. Oftmals diente sie da-
für „Geister-Stock“) war ein Holzstab, der in bestimmten Ab-
bei als Werkzeug für die Verbreitung politischer und religiöser
ständen mit Kerben versehen war; dabei zeigten Schrägstriche
Ansichten zur Geschichte. Ein Paradebeispiel hierfür sind die
die Jahre an, größere Rillen markierten die wichtigen Ereignis-
Arbeiten von François Norbert Blanchet, dem ersten katho-
se der Christenheit. Mithilfe dieses Stocks lehrte Blanchet die
lischen Erzbischof von Oregon. Nachdem er 1819 in Quebec
Ureinwohner zugleich Katechismus und Geschichte. Und falls
zum Priester geweiht worden war, schickte man Blanchet auf
man seinem Bericht glauben darf, gelang ihm dies tatsächlich:
die Gaspésie-Halbinsel in Nova Scotia, wo er bei den Akadiern
Bereits innerhalb der ersten Monate, die er den Sahale-Stock
als Pastor diente – und beim Volk der Mi’kmaq, einem im Os-
im Willamette Valley verwendete, empfing Blanchet Besucher
ten angesiedelten Stamm der Algonquin, mit dem die dortige
aus dem gesamten Nordwestterritorium, die ihn um Kopien
katholische Kirche bereits seit 200 Jahren zusammenarbeitete.
des Geräts baten. Nach zwei Jahren hatte er auf Basis des Saha-
Im Jahr 1838 schickten die Kirchenvertreter Blanchet auf eine
le-Stocks eine aufwendige Schriftrolle erstellt, die er Katholi-
neue Mission: Unter der Schirmherrschaft der Hudson’s Bay
sche Leiter taufte [Abb. 3 – 4]. Die Nachfrage danach war so groß,
Company sollte er ins Territorium von Oregon reisen und sich
dass Blanchet schon bald ein paar Nonnen nach Oregon beor-
dort um die voyageurs kümmern, franko-kanadische Grenzbe-
derte, die ihn als Kopistinnen unterstützten. Ein halbes Jahr-
wohner, die im Nordwestterritorium den Pelzhandel kontrol-
hundert lang blieb die Katholische Leiter anhaltend erfolgreich,
lierten. Blanchet kannte sich mit den Sprachen und der Kul-
rief zahlreiche Nachahmer auf den Plan, und innerhalb we-
tur der dortigen Stämme überhaupt nicht aus, trotzdem setzte
niger Jahrzehnte erschienen gedruckte Versionen in Quebec,
er alles daran, sie zu missionieren und ihnen die Geschichte
Paris, Brüssel, New York, im chilenischen Valparaíso und auch
des Christentums näherzubringen. Dazu benutzte er seine ei-
in Oregon selbst.2
genen Hände und Füße, diverse Dolmetscher und den Saha-
In Oregon kam es in den 1840er Jahren zu Spannungen
le-Stock, ein kurioses chronologisches Werkzeug, das er selbst
zwischen Protestanten und Katholiken, und beide fühlten sich
entwickelte.
berufen, sich um die Seelen der Ureinwohner zu kümmern.
172
5. Grenzlinien
Die Zeit in Karten
[4] Nicolas Point, Un chef Pied noirs aprés avoir vu l’echelle catholique que lui
ganz eigenen Pläne.3 Während Henry predigte und sich um
explique Ambroise („Häuptling der Schwarzfuß-Indianer, nachdem Ambroise
die Druckerei und die Farm der Mission kümmerte, war Eli-
ihm die Katholische Leiter erklärt hat“), St. Louis, ca. 1841 – 1847.
za an der Lapwai-Mission in der Nähe des heutigen Lewiston, Idaho, als Lehrerin tätig und benutzte dabei ihre eigenen visuellen Hilfsmittel – am bekanntesten wurde ihre Protestantische
Schon deshalb hatte Blanchet auch Gegner. Am lautesten un-
Leiter, ein direktes Konkurrenzprodukt zu Blanchets Erfindung
ter ihnen tönte Henry Harmon Spalding, ein presbyterianischer
[Abb. 5 – 7].4
Missionar, den das American Board of Commissioners for For-
Für die Spaldings stellte die Katholische Leiter, die die Ge-
eign Missions 1836 von New York State nach Oregon geschickt
schichte der Reformation als abweichenden Zweig vom zent-
hatte, zusammen mit seiner Frau, Eliza Hart Spalding, und ei-
ralen Stamm des Christentums zeigte, einen direkten Angriff
nem weiteren Ehepaar, Marcus und Narcissa Whitman, deren
auf ihren Glauben dar. Sie warfen den katholischen Priestern
gewaltsamer Tod, das sogenannte Whitman Massacre, lange
in Oregon vor, die Katholische Leiter dafür zu missbrauchen, die
Zeit ein zentraler Bestandteil der US-Mythologie war.
Protestanten zu dämonisieren, und das Gerücht in die Welt
Fast 30 Jahre lang machte Spalding in der Presse Stim-
zu setzen, die protestantischen Missionare brächten absichtlich
mung gegen Blanchet und stellte ihn als Intriganten hin, der
ansteckende Krankheiten mit, um die Ureinwohner zu dezi-
die Ureinwohner gegen protestantische Missionare aufwie-
mieren. „Meine Aufmerksamkeit“, schrieb Henry Spalding im
gelte. Spaldings Frau Eliza hingegen hatte schon vorher ihre
Oregon American, „wurde plötzlich durch das Geschrei und die
174
5. Grenzlinien
[5] Diese lebendige Protestantische Leiter malte die presbyterianische Missionarin Eliza Hart Spalding um 1845. Sie war in der Lapwai-Mission in Oregon tätig, nahe dem heutigen Lewiston, Idaho. Im Gegensatz zur Katholischen Leiter, die sich auf die katholische Kirche beschränkt, betont Spaldings Protestantische Leiter die Unterschiede zwischen den evangelischen und den katholischen Christen. Genau wie in Blanchets Vorbild ist Spaldings Protestantische Leiter um eine zentrale Chronologie herum strukturiert. Vertikale Striche am unteren Rand des Diagramms zeigen im Stil Priestleys die Lebenszeit biblischer Figuren an, von Adam bis Christus.
[6] Der Papst fällt von Eliza Hart Spaldings Protestantischer Leiter, Oregon, ca. 1845.
[7] Eliza Hart Spalding, biografische Linien auf der Protestantischen Leiter, Oregon, ca. 1845.
175
Die Zeit in Karten
[8] Lakota-Winterzählung für die Jahre 1801 – 1872 (abgebildet in Garrick Mallery, Picture-Writing of the American Indians, Washington D. C. 1893). Diese Lithografie wurde 1876 nach einem bemalten Mantel aus Büffelfell angefertigt, der Einsamer Hund vom Stamme der Yanktonai gehörte. Dargestellt ist eine Reihe von Symbolen, die sich von einem zentralen Punkt aus spiralförmig ausbreitet, wobei jedes Symbol für ein Jahr steht – bzw. für etwas, das sich in dem betreffenden Jahr ereignete. Mallery spekuliert, diese Periodisierung spiegle die westliche Praxis der Zählung von Jahrhunderten wider. Das früheste Symbol auf dem Mantel steht für die Tötung einer großen Zahl von Lakota durch die Hand ihrer Feinde. Weitere Ereignisse sind eine Pocken-Epidemie und das Einfangen wilder Pferde.
Wehklagen eines ganzen Lagers [amerikanischer Ureinwohner] geweckt, das auftrat, weil jemand mit einer neuen Erklärung der Katholischen Leiter eingetroffen war und dazu verkündete: ‚Die Amerikaner sind schuld, dass wir sterben!‘“5 Und mit Eliza Spaldings Protestantischer Leiter wurde der symbolische Einsatz beträchtlich erhöht: Sie zeigte das Martyrium der Protestanten
viele den Höhepunkt der Geschichte überhaupt sahen) hatte
in primitiven, aber dennoch höchst lebendigen Tableaus, wäh-
die Zeitleiste bereits ihren Platz gefunden.
rend der Papst als Antichrist dargestellt war, der in der Hölle
Überall dort, wohin die Europäer im 19. Jahrhundert ge-
schmorte. Ironischerweise wurden hier, im Rahmen einer pro-
langten, folgten ihnen chronologische Projekte, als Projektio-
testantischen Chronografie, zahlreiche alte Bildtechniken zu
nen imperialer Macht, eschatologischer Erwartungen oder eth-
neuem Leben erweckt.
nografischer Neugier. Aber nicht alle berühmten amerikani-
Weder die Katholische noch die Protestantische Leiter waren als
schen Chronografien des 19. Jahrhunderts waren europäischen
wissenschaftliche Chronologie gedacht. Es handelte sich bei ih-
Ursprungs. In der Region der Großen Seen und in den Dako-
nen um religiöse Lehrmittel, und als solche erfüllten sie vieler-
tas beispielsweise vermischten sich die visuelle und die forma-
lei Funktionen – Blanchet nannte seines einen „visuellen Kate-
lisierte Sprache von Indianern und Europäern auf eindring-
chismus“. Diese Tatsache macht es umso erstaunlicher, wie sie
liche Weise, wie in den bildhaften Chronologien der Lakota,
ganz selbstverständlich die grafischen Konventionen der Chro-
den „Winterzählungen“.6 Sammler schätzten die Winterzählun-
nologen aufgriffen. Eliza Spaldings Protestantische Leiter bein-
gen wegen ihrer Schönheit und ihres historischen Inhalts, und
haltete sogar biografische Linien biblischer Gestalten im klas-
sie dienten Garrick Mallery als Aufhänger für seine ausladen-
sischen Priestley-Stil. In späteren Jahren wurde hin und wie-
den ethnografischen Berichte über indianische „Bilderschrift“,
der diskutiert, ob nun Blanchet oder Spalding die „Leiter“ er-
die in den 1870er und 1880er Jahren erschienen [Abb. 8].7 Als
funden hatte. Am Ergebnis änderte das nichts: Hier, auf dem
Armeegeneral hatte Mallery in den 1870er Jahren in Dakota
Höhepunkt des nordamerikanischen Expansionismus (in dem
und später in Washington im Bureau of Ethnology gedient. Er
176
5. Grenzlinien
[9] Porträt des Winnebago-Häuptlings Tshi-zun-hau-kau, der einen Kalender-Stock mit Mondzyklen in der Hand hält (1827), nach James Otto Lewis, aus Thomas Loraine McKenney, History of the Indian Tribes of North America, Philadelphia 1836 – 1838.
entdeckte schon lange bestehende Systeme, mithilfe derer die
war komplex.9 Joachims Bäume beispielsweise zeigten nicht
Ureinwohner die Zeit aufzeichneten. Manche davon waren pik-
nur Geschichte, sondern ließen den Betrachter auch nachrech-
tografische Systeme, so die Winterzählungen, andere verwen-
nen, wann etwas geschehen war – auf den Säulen, die von der
deten lediglich Kerben und Linien. Letztere blieben auch dem
Schöpfung bis zur Apokalypse reichten, standen jeweils drei X
amerikanischen Porträtmaler James Otto Lewis nicht verbor-
für eine Generation à 30 Jahre.
gen, der ganze zehn Jahre, bevor Blanchet seinen Sahale-Stock
Die Anzahl neuer apokalyptischer Diagramme schwankte
vorstellte, den Häuptling der Winnebago-Indianer, Tshi-zun-
während des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit im-
hau-kau, malte; dieser hält einen Kalender-Stock in der Hand,
mer wieder, je nachdem, wie begeistert man die Wiederkunft
der dem von Blanchet ganz ähnlich sieht [Abb.
9].8
Jesu Christi erwartete. Joachim wurde oft kopiert, und belieb-
In Amerika kamen einige der innovativsten Chronogra-
te Bilder wie die Statue Daniels tauchten regelmäßig in neuen
fen des 19. Jahrhunderts aus dem Lager der Millenaristen. Vie-
Formen auf – auch wenn das Ende der Zeiten, das sie verspra-
le ihrer Grafiken, nicht zuletzt diejenigen von Eliza Spalding,
chen, immer wieder von Neuem verschoben werden musste.
erinnerten an mittelalterliche und frühneuzeitliche Diagram-
Und jedes Mal, wenn man sich aufs Neue auf die Apokalypse
me wie die des italienischen Mystikers Joachim von Fiore aus
vorbereitete, beflügelten die aufflammenden religiösen Kontro-
dem 12. Jahrhundert oder die des britischen Gelehrten Joseph
versen die künstlerischen Innovationen, da Wissenschaftler
Mede aus dem 17. Jahrhundert. Wie ihre Vorgänger fanden
und Polemiker des gesamten religiösen Spektrums nach im-
die Millenaristen für die Ausgestaltung figurativer und techni-
mer besseren grafischen Hilfsmitteln suchten, ihre komplexen
scher Elemente ganz neuartige Möglichkeiten. Dabei hing die
Konzepte auszudrücken. Ein hervorragendes Beispiel für die
Latte ziemlich hoch: Schon im 13. Jahrhundert schufen An-
neuen grafischen Experimente, die die religiösen Strömungen
hänger von Joachim von Fiore dutzende markanter Darstel-
des 16. und 17. Jahrhunderts hervorbrachten, ist das einfluss-
lungen eschatologischer Chronologie, in Form von Bäumen,
reiche Diagramm Clavis apocalyptica („Schlüssel zur Offenba-
zusammenhängenden Ringen und vielen anderen lebhaften
rung“), in dem das Öffnen der sieben Siegel der Apokalypse
Symbolen. Die Logik hinter diesen figürlichen Darstellungen
dargestellt wird [Abb. 10]. Es erschien 1627 und stammt aus
177
Die Zeit in Karten
178
5. Grenzlinien
[10] Joseph Medes apokalyptisches Diagramm aus der zweiten lateinischen Ausgabe der Clavis apocalyptica ex innatis et insitis visionum characteribus eruta et demonstrata („Schlüssel zur Offenbarung, erforscht und dargestellt aus den Zeichen, die den Erscheinungen zu eigen sind“) von 1632 stellt schematisch die Reihenfolge der Ereignisse am Ende der Zeiten dar, wie sie in der Bibel beschrieben sind. Auch wenn Mede weniger den chronologischen als vielmehr den spirituellen Charakter der Apokalypse hervorhebt, gaben seine Werke Anlass zu zahlreichen spezifisch chronologischen Interpretationen. Die wichtige Rolle seiner Clavis apocalyptica im Englischen Bürgerkrieg lässt sich daran ermessen, dass sie im Jahr 1641 im Aurag des Parlaments ins Englische übersetzt wurde.
der Feder des bekannten Hebraisten Joseph Mede aus Cam-
nahme stützten.10 Die Millenaristen sorgten einmal mehr für
bridge, der John Milton und Henry Moore unterrichtete. Auch
heftige Kontroversen, und inzwischen war Druckerschwärze
wenn Mede darin für die Wiederkunft Christi kein konkretes
so billig geworden, dass das Ganze mit einer wahren Explosion
Datum angibt, beeinflussten seine apokalyptische Vision die
entsprechender Grafiken einherging.
politischen und sozialen Zukunftsvorstellungen, die sich im
Einige der religiösen Revival-Bewegungen im Amerika je-
Englischen Bürgerkrieg niederschlugen, und auf Geheiß des
ner Zeit zeitigten besonders innovative Grafiken [Abb. 11 – 13].
Parlaments übersetzte man seine Arbeit 1641 ins Englische.
So begannen zum Beispiel die Adventisten, Anhänger des Pfar-
Noch in den 1720er Jahren führte kein Geringerer als Isaac
rers William Miller aus New England, in den 1830er Jahren
Newton Mede als wichtige Referenz an. Wie in vielen joachi-
eindringliche Bücher, Flugblätter, Broschüren und Zeitungen
mitischen Diagrammen verbanden sich bei Mede Kreise und
zu produzieren, die verkündeten, dass die Apokalypse bevor-
Linien auf neue, überraschende Weise und unterstrichen, wie
stünde – Miller prognostizierte sie für 1843. Und sie organisier-
sich die Zeichen Gottes im Laufe der Geschichte immer wieder
ten beliebte Versammlungen, bei denen sie viele entsprechen-
offenbart hatten – gleichzeitig kündigte sich hierin das unab-
de Grafiken zur Schau stellten und unter die Leute brachten.
wendbare Ende an, das durch das Jüngste Gericht drohte und
Im Zentrum all dieser Aktivitäten stand jeweils ein chronogra-
das Mede mit einem fett gedruckten „Finis“ unterstrich.
fisches Diagramm. Die Diagramme der Adventisten nahmen
In der neuen amerikanischen Republik behaupteten Pam-
viele Formen an – einige bedienten sich der inzwischen allge-
phletisten und Politiker, eine neue Phase der Weltgeschichte
mein üblichen Bildsprache der Zeitleiste, die gut zum nüchter-
würde eingeläutet. Das versprach sogar die neue Währung, die
nen Tonfall passte, in dem Miller seine chronologischen und
ein apokalyptisches Zitat aus Vergils vierter Ekloge zierte: novus
philologischen Methoden darzulegen pflegte.11 Andere enthiel-
ordo seclorum („eine neue Ordnung der Zeitalter“). Viele sahen
ten mehrschichtige Berechnungen, die zugleich argumentati-
das neue amerikanische Zeitalter als letzten Akt der Geschich-
ven Charakter hatten und zur Ausschmückung dienten. Wie-
te und ordneten die einzelnen Elemente des wohlbekannten
derum andere kombinierten lebhafte symbolische Bilder mit
Repertoires apokalyptischer Muster so an, dass sie diese An-
numerischen Berechnungen. Die spektakulärsten Diagramme
179
Die Zeit in Karten
[11] Das Historical and Astronomical Diagram von J. Pearson aus dem Jahr 1846
war, mit Brust und Armen aus Silber, einem Bauch aus Messing
ist für die Zeit von 31 v. Chr. bis 37 n. Chr. in regelmäßige Einjahresabstände
und Beinen aus Eisen auf tönernen Füßen – der Traum des Ne-
eingeteilt. Pearson wollte die apokalyptischen Berechnungen William Millers
bukadnezar. Das andere zeigte Bilder aus der Offenbarung des
korrigieren, indem er die genauen Daten des Lebens Christi auf Basis historischer Daten über Sonnenfinsternisse neu berechnete. Laut Pearson deutete alles darauf hin, dass die Wiederkun Christi für den Herbst des Jahres 1846
Johannes – wilde Tiere, Drachen, die scharlachrote Frau, die dem Seher von Patmos erschien, orientalische Figuren und mystische Symbole, all das in die Realitäten der Yankees über-
bevorstünde: „Leser, bist du bereit?“
tragen und dargestellt wie die Tiere eines Wanderzirkus. Ein besonders schreckliches Bild, mit scheußlichen Köpfen und der Adventisten wurden auf riesige Stoffbanner gedruckt und an den Zelten aufgehängt, in denen Miller
predigte.12
Die Wirkung von Millers Versammlungen war ungeheuer,
schuppigem Schwanz, erinnerte mich an eine Zeile bei Milton, in der er genau diesen bösen Drachen beschreibt, der ‚mit schuppigem Schrecken seinen faltigen Schwanz schwingt‘.“13
genau wie die Wirkung der dazugehörigen Diagramme, wie John Greenleaf Whittier in seinem Essay The World’s End be-
Das adventistische Repertoire beinhaltete ganz unterschiedliche
obachtet:
Symbole, und einige gingen direkt auf jahrhundertealte Traditionen zurück. Diese Diagramme besaßen wie ihre mittelal-
Vor drei oder vier Jahren, ich befand mich gerade auf dem Weg
terlichen und frühneuzeitlichen Vorbilder eine inhärente chro-
gen Osten, da verbrachte ich eine oder zwei Stunden an einer
nologische Struktur, doch nun rückten die chronografischen
Lagerstätte der Zweiten Adventisten in East Kingston. Der Ort
Elemente in den Vordergrund, und die Darstellung historischer
war gut gewählt: Hoch aufragende Kiefern und Tannen warfen
Zeit wurde von lebhaften apokalyptischen Bildern begleitet.
ihre melancholischen Schatten auf die Menschenmenge, die auf
180
In den adventistischen Diagrammen war selbst der Rah-
groben Holzplatten und Baumstämmen saß … Vorne vor der
men symbolisch aufgeladen. Dass Priestleys Diagramme um
schmucklosen Kanzel hingen zwei große Leinentücher – eines
1200 v. Chr. begannen und im Jahr 1800 endeten, hatte kei-
davon zierte das Bildnis eines Mannes, dessen Kopf aus Gold
ne tiefergehende Bedeutung: 1800 war ein rundes Datum der
5. Grenzlinien
[12] Adventistische Diagramme wie A Chronological Chart of the Visions of Daniel and John, 1842 von Joshua Himes gedruckt, vereinigten die visuelle Logik der Zeitleiste, chronologische Berechnungen und apokalyptische Symbolik zu einem einzigen System. Das letzte Datum in der linken Spalte, 1843, zeigt den nahenden Weltuntergang.
181
Die Zeit in Karten
[13] Das adventistische Diagram of Prophetic Times, According to the Chronology of Wm. Miller erschien 1843 als gefaltete Einlage in Apollos Hales Second Advent Manual. Es besteht aus einer vertikalen Strichliste für die Jahrhunderte seit dem hypothetischen Zeitpunkt der Schöpfung im Jahr 4157 v. Chr. Die mittlere Spalte listet wichtige biblische Ereignisse auf und gibt ihre Daten in Jahren seit der Schöpfung (1 bis 6000), in Jahren vor und nach Christi Geburt (4157 v. Chr. bis 1843) und relativ zu den Epochen der Patriarchen an. Die Spalten links und rechts davon beschreiben in der Bibel genannte Ereignisse, auf der einen Seite ganz konkrete wie die Sintflut, auf der anderen Seite symbolische wie die 2300 Tage Daniels. Ereignisse, die in der Heiligen Schri lediglich prophezeit werden, unterscheiden sich dabei von denen, die als historisch geschildert sind.
ten Millers Prophezeiungen radikal überarbeitet werden – und damit auch die entsprechenden Diagramme. Während der folgenden zehn Jahre gab es viele Versuche, das entstandene theologische – und grafische – Durcheinander zu bereinigen. Natürlich erwartete die neuen Konzepte das gleiche Schicksal wie ihre Vorgänger, denn irgendwann kam immer der Punkt, an dem sich die Prophezeiung des Weltuntergangs als nichtig erwies. So erging es dem ebenso hübsch anzusehenden wie kuriosen Prophetic Chart des adventistischen Pfarrers Jonathan Cummings, das ankündigte, dass im Jahr 1854 Jesus Christus auf die Erde zurückkehren werde [Abb. 14]. In den folgenden Jahrzehnten dachten sich die zahlreichen nahen Zukunft gewesen, und 1200 v. Chr. lag 3000 Jahre zu-
Fraktionen, die aus der gescheiterten Bewegung von Miller
rück. Ganz anders die dunkel eingefärbten Ränder des adven-
hervorgegangen waren, immer neue Daten für die bevorste-
tistischen Chronological Chart of the Visions of Daniel and John von
hende Apokalypse aus. Ihr Interesse an Chronologie und Zeit-
1842 – sie waren von höchster Bedeutung und markierten den
tafeln blieb indes bestehen [Abb. 15 – 17]. Im Jahr 1866 bei-
Beginn und das Ende der Geschichte. In solchen Diagrammen
spielsweise fertigte der presbyterianische Prediger Richard Cun-
bildete die Zeit eine klar abgegrenzte Linie, nicht nur in gra-
ningham Shimeall aus New York für sein Buch The Political Eco-
fischer, sondern auch in konzeptioneller Hinsicht: Das Ende
nomy of Prophecy ein geschichtliches Diagramm an, das praktisch
war gewiss, man wusste darum, und es stand unmittelbar be-
mit dem von Priestley identisch war.14 Bereits mehrere Jahr-
vor. Aber als das Jahr 1843 kam und ohne große Zwischenfälle
zehnte zuvor, in den 1830er Jahren, hatte der Tausendsassa
wieder vorüberging und dann auch 1844 nichts passierte (was
Shimeall eine umfassende Genealogie biblischer Gestalten an-
man fortan als die „Große Enttäuschung“ bezeichnete), muss-
gefertigt, sowie ein kreisförmiges Diagramm der Geschichte,
182
5. Grenzlinien
[14] Im Jahr 1853 veröffentlichte Jonathan Cummings, einer der Gründer der Advent Christian Association, sein eindrucksvolles Prophetic Chart. Darin berechnet er den bevorstehenden Weltuntergang neu, auf 1854. Genau wie die adventistischen Diagramme des vorigen Jahrzehnts verbindet Cummings Wörter, Zahlen und Symbole miteinander. Auf eine regelmäßige chronologische Skala verzichtet er dabei jedoch.
[15] A Chart Illustrating the Course of Empire from the Earliest Records, Sacred and Profane, Down to the Present Time, aus einem Buch des presbyterianischen Pfarrers Richard Cunningham Shimeall von 1866, das den provozierenden Titel Political Economy of Prophecy trägt. Zur Darstellung der Beziehungen zwischen den Königreichen der biblischen Prophezeiungen und denen der Geschichte verwendet Shimeall eine säkulare Bildsprache.
183
Die Zeit in Karten
184
5. Grenzlinien
[17] Im Jahr 1832 veröffentlichte Richard Cunningham Shimeall diese dicht beschriebene, farbenfrohe Grafik der ersten Zeitalter der Welt und kombinierte darin Genealogien, Karten, Illustrationen und chronologische Listen – der programmatische Titel lautet: A Complete Historical Chronological Geographical & Genealogical Chart of the Sacred Scriptures from Adam to Christ.
[16] Richard Cunningham Shimealls Complete Ecclesiastical Chart from the Earliest Records, Sacred and Profane, Down to the Present Day von 1833 ist ein Kreis, dessen radiale Spalten alle Jahrhunderte von der Schöpfung bis zur Apokalypse darstellen.
185
Die Zeit in Karten
[18] Im Laufe des 20. Jahrhunderts führten Bibelexegeten vieler Glaubensrichtungen die Tradition der apokalyptischen Grafik konsequent fort. Zu den Grafiken, die am häufigsten nachgedruckt wurden, zählen die Diagramme aus dem 1918 erschienenen Buch Dispensational Truth des Baptistenpfarrers Clarence Larkin aus Pennsylvania, eines ehemaligen Grafikers.
[19] Victor Houteffs Zech. 6: 1 – 8: The Church to, and Back From the Wilderness: Her Prophetic History by Unmistakable Symbols von 1933 zeigt die vier von Sacharja beschriebenen Kutschen, die Houteff mit Etappen in der Geschichte des Christentums gleichsetzt. Den Höhepunkt bilden dabei die Prophezeiungen von William Miller im Jahr 1798 und die Gründung der Siebenten-Tags-Adventisten nach dem Ausbleiben der Apokalypse in den Jahren 1843 und 1844, das allenthalben für große Enttäuschung sorgte. Houteffs Illustrationen gruppieren symbolische Darstellungen um ein chronologisches Schema herum.
186
5. Grenzlinien
[20] An Elementary Chart being a model or exemplification of Henry Bostwick’s Improvement called A New Method of representing by lines consistent with a Scale of Time the Kindred, Genealogy, Chronology, and Succession of Persons distinguished in History & Fable, in Bostwicks A Historical and Classical Atlas, New York 1826.
das an Christoph Weigels Discus chronologicus aus dem 18. Jahr-
seinem imperial biographical chart, das Priestleys Chart of Biogra-
hundert erinnert und auf dem die Spalten „Die Schöpfung“ und
phy zum Vorbild hatte, die Outlines of Chronology von Samuel
„Die Goldene Ära des letzten Kampfs“ aneinanderstoßen – so
Goodrich (1825) und die Elements of History, Ancient and Mo-
schließt sich buchstäblich der Kreis am Ende der Zeiten.
dern von Joseph Emerson Worcester (1833), die ein Diagramm
Im Laufe der nächsten 100 Jahre verfolgten dutzende Visi-
enthielten, das Priestleys New Chart of History ähnelte.15 Buch-
onäre ganz ähnliche Projekte [Abb. 18 – 19]. Zu den Urhebern
kataloge sowie pädagogische, theologische und historische
dieser Arbeiten gehörten alle möglichen künstlerischen Au-
Jahrbücher bewarben regelmäßig die neuesten Zeittafeln, und
ßenseiter, beispielsweise der äußerst produktive Diagramm-
sogar die Tagespresse besprach sie, so geschehen am 16. Juli
zeichner Clarence Larkin, ein Dispensationalist aus Pennsylva-
1842, als der New York Observer and Chronicle das heute längst in
nia, der zur Kirche kam, nachdem er seine Karriere als Zeich-
Vergessenheit geratene Werk Historical Expositor, or Chronological
ner und Maschinenbauingenieur an den Nagel gehängt hatte.
and Historical Charts lobte, das, so die Zeitung, „für einen win-
Oder der bulgarisch-amerikanische Adventist Victor Houteff,
zigen Betrag“ erhältlich sei und aus der Feder eines „würdigen
Gründer der Davidianer-Sekte, die sich diverser symbolischer
jungen Gentleman“ stamme, der „mit dem Theologischen Se-
Register, Karten und Zeitleisten bediente und daraus eine gan-
minar der Stadt verbunden“ sei. Die Diagramme, merkte der
ze Reihe chronologischer Tableaus zimmerte.
Observer an, böten „einen genial und übersichtlich dargestellten
Im 19. Jahrhundert erschienen in den Vereinigten Staaten
Überblick über die Weltgeschichte … So entsteht eine Serie, die
und in Europa zahlreiche Zeitleisten, die pädagogischen Zwe-
von großem Wert sein wird, wenn man sie im Studierzimmer
cken dienten – in Atlanten und Lehrbücher eingebunden, aber
oder an anderer Stelle an die Wand hängt, als leicht zugäng-
auch als einzelne Lehrmittel [Abb. 20 – 21]. Eine Untersuchung
liches Referenzwerk zum Lernen von Tatsachen, nach denen
der amerikanischen Lehrpläne im Fach Geschichte hat erge-
man sonst eine Stunde lang suchen müsste“. Werke aus jener
ben, dass dort Mitte des 19. Jahrhunderts eine breite Palette
Zeit, wie der Historical and Classical Atlas von Henry Bostwick
von Chronografien eingesetzt wurde. Zu nennen sind hier das
(1828) mit seinen stilisierten genealogischen Vermerken, zeu-
Compend of General History von Samuel Whelpley (1806) mit
gen von der zeitgenössischen Vorliebe für visuelle Neuerungen.
187
Die Zeit in Karten
188
5. Grenzlinien
[21] Henry Bostwick versuchte sich in seinem Historical, Chronological, and Genealogical Chart, comprising a Map of Ancient Countries, and exhibiting a Scale of Time the Origin and Revolutions of States, and the principal Persons known in Sacred and Profane History for 4000 years from the Creation to the Birth of Jesus Christ and a representation of the Degrees of Kindred by a New Method consistent with the scale of time an einer Kombination verschiedener Formen von Zeitleisten, Genealogien und historischen Karten. Dazu entwickelte Bostwick ein neues System genealogischer Notation und erstellte auf dieser Grundlage ein historisches Diagramm, das über die Farbgebung mit einer Landkarte verbunden war. Zugegebenermaßen ist Bostwicks System nicht ganz einfach zu lesen, aber es hat den Vorzug, dass es die Unterschiede zwischen ehelichen und elterlichen Beziehungen betont und den multilinearen Charakter der Genealogie hervorhebt.
Aber während praktisch jeder Verleger die Innovationen sei-
benutzen können. Generell bediente es sich beim visuellen Vo-
ner eigenen chronografischen Produkte anpries, fehlte es doch
kabular von Barbeu-Dubourg, allerdings wurde es in viel größe-
vielen in Wirklichkeit an Originalität. Hübsch anzusehen, das
rem Maßstab gedruckt, was der Lesbarkeit zugutekam. Ein be-
schon, aber dennoch – die Diagramme in Robert Mayos View of
geisterter Kritiker pries gerade das als Vorzug an: „Der Betrach-
Ancient Geography and Ancient History (1813), in John Luffmans
ter kann [die Namen und Daten auf Lymans Diagramm] aus ei-
Elements of Universal History (1814), in William Henry Irelands
ner Entfernung von 10 bis 15 Fuß lesen, mitunter sogar aus 30
Universal Chronologist (1826) oder auch in George Palmer Put-
Fuß Entfernung. In Wahrheit können wir uns kaum eine an-
nams Bestseller Chronology (1833) waren allesamt kaum mehr
genehmere Beschäftigung vorstellen, als sich in die Mitte eines
als Variationen der Grafiken Priestleys.
Raumes zu setzen und um sich herum die ganz Welt aufzuhän-
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts erschienen zahlreiche
gen, von ihrem Anfang bis zum heutigen Tag, und den Aufstieg
neue chronografische Formate [Abb. 22 – 23]. Eines der belieb-
und Niedergang ihrer Nationen sowie alle wichtigen Ereignisse
testen US-amerikanischen Diagramme entstand 1844 in Cin-
in ihrer exakten Reihenfolge auf einen Blick betrachten zu kön-
cinnati; Urheber war der umtriebige Erfinder Azel S. Lyman,
nen – das ist ein Anblick, den man nie wieder vergisst.“16
der u. a. Kühlschränke, Pumpen, Motoren, Federn für Füll-
Wenn das Motto lautet: „Je größer, je besser“, dann war
federhalter, Milch-Konzentratoren und Pökelautomaten für
Lymans Diagramm sicherlich ganz vorne mit dabei. In anderer
Fleisch zum Patent anmeldete. Nicht zu vergessen: Lyman-Has-
Hinsicht war es weniger erfolgreich als die Werke vieler seiner
kells Mehrkammergeschütz, eine riesige Kanone, die in den
Zeitgenossen. Dennoch versuchte Lyman nach vorne zu schau-
1880er Jahren für die US-Armee produziert wurde und die
en, und sein allegorisches Frontispiz illustriert diesen Anspruch
zwar im Feld versagte, doch immerhin bewies, dass ein Ge-
sehr schön: Dort sitzt „Vater Zeit“ in nachdenklicher Pose mit
schoss in einem sehr langen Geschützlauf von mehreren auf-
einer Schriftrolle in der Hand; hinter ihm sieht man eine Py-
einanderfolgenden Explosionen beschleunigt werden konnte.
ramide, eine griechische Ruine und, in der Ferne, eine Loko-
Lymans Diagramm war insgesamt zwölf Meter lang, genau
motive unter Dampf, die jedoch noch ein wenig braucht, bis
wie seine Kanone – viel zu groß, als dass man es tatsächlich hätte
sie ihr Ziel erreicht.
189
Die Zeit in Karten
190
5. Grenzlinien
[22 – 23] Azel S. Lyman veröffentlichte sein Buch Historical Chart erstmals 1844 in Cincinnati; bis 1875 erschienen mehrere Auflagen. Das Diagramm ist ganz einfach aufgebaut; es liest sich von links nach rechts, die handkolorierten horizontalen Streifen stehen für verschiedene Nationen, und unterschiedliche Schritypen zeigen an, welche Begriffe besonders wichtig bzw. miteinander verwandt sind. Lymans Diagramm fand sich mitunter auch in Lehrbüchern wieder, doch das Diagramm konnte ebenso für sich genommen als eine Art Lehrbuch verwendet werden – dazu erschien mit jeder Ausgabe eine Studienanleitung mit Fragen und einer entsprechenden Legende. Nach dem Untergang des Römischen Reiches im Jahr 476 teilt sich Lymans Diagramm in zahlreiche Felder mit unterschiedlichen Farben auf.
191
Die Zeit in Karten
[24] Miniaturausgabe des Comprehensive Chart of American History von Marcius Willson aus dessen History of the United States von 1845. Es zeigt, wie aus der obskuren Vorzeit (so von vielen damaligen Historikern betrachtet) die amerikanische Nation entstand.
Ein weiteres eindrucksvolles Beispiel amerikanischer Chro-
ihrer früheren politischen Herren unterschied, brachte Will-
nografie und zudem eines, dessen ideologischer Anspruch be-
son den Expansionsdrang der amerikanischen Republik des
sonders gut zur Geltung kommt, war das Comprehensive Chart
19. Jahrhunderts zum Ausdruck. In Willsons Diagramm stan-
of American History, das fast gleichzeitig mit Lymans Diagramm
den die Spalten für die einzelnen amerikanischen Staaten, und
auf den Markt kam. Sein Autor, der Pädagoge Marcius Will-
sie erheben sich aus dem Dunkel der vorkolonialen Vergangen-
son, hatte bereits mehrere Lehrbücher für Schulen verfasst;
heit einer strahlend hellen Moderne entgegen.
hier wollte er vor allem die Auswirkungen eines Ereignisses il-
1874 veröffentlichte Robert Henlopen Labberton, Profes-
lustrieren, das für Willson das „wichtigste Ereignis“ war, „das
sor für Geschichte am Barnard College und Spezialist für die
jemals aus der Betriebsamkeit eines einzelnen Geistes heraus
griechische Antike, einen historischen Atlas mit einer lebhaf-
entstand“: die Entdeckung Amerikas durch Christoph Colum-
ten großformatigen Grafik mit dem Titel History Taught by the
bus.17
In seinen Schulbüchern für amerikanische Geschichte
Eye [Abb. 25]. Labbertons Diagramm zeigte auf drei Metern 43
präsentierte Willson eine praktische Miniaturausgabe seines
Jahrhunderte.18 Wie viele, die im 19. Jahrhundert solche Dia-
Diagramms; es gab aber auch eine Version in voller Größe, die
gramme konzipierten, betonte auch Labberton den neutralen
man im Klassenzimmer an die Wand hängen konnte [Abb. 24].
und „wissenschaftlichen“ Charakter seiner Arbeit.19 Im Gegen-
Willsons Diagramm war nicht so lang wie Lymans, aber da-
satz zu den traditionellen Geschichtsbüchern, so verkündete er,
für viel breiter; dadurch war sie nicht nur unhandlich, sondern
böten seine Diagramme eine „Einheit, die sich der Aufmerk-
auch ziemlich unübersichtlich. Zudem war die Schrift sehr
samkeit bemächtigt und die die Wechselfälle von Jahrhunder-
klein gedruckt. Immerhin hatte er auf dem großen Diagramm
ten als großes, kontinuierliches, harmonisches Ganzes präsentiert“.
genug Platz, die Größe seiner immer weiter wachsenden Nati-
Insofern könnten sie auch, fügte er hinzu, den Spitzfindigkei-
on zu projizieren. Wo Ramsays Diagramm den USA zur Zeit des
ten der „klugen Journalisten, ‚brillanten‘ Dozenten und listigen
Unabhängigkeitskrieges eine Geschichte gab, die sich von der
Politiker“ etwas entgegensetzen.20
192
5. Grenzlinien
[25] Robert Henlopen Labberton veröffentlichte mehrere Abrisse der Geschichte. Dieses verwinkelte Diagramm aus Historical Chart, or History Taught by the Eye von 1874 zeigt, welche Nationen wann die Bühne der Geschichte betraten und wieder verließen.
[26] Das Diagramm des Pfarrers Sebastian C. Adams aus Salem, Oregon, war ein ebenso farbenfrohes wie detailreiches Konglomerat aus Texten, Illustrationen und Karten auf Basis einer regelmäßigen horizontalen Zeitleiste. Adams’ Diagramm fand begeisterte Kritiker und war auch beim Publikum beliebt. Es erschien zumeist als Ziehharmonika-Buch, war aber auch in aufgerollter Form erhältlich, um es an der Wand aufzuhängen (hier zu sehen: die dritte Auflage von 1878).
Jedes dieser amerikanischen Diagramme des 19. Jahrhunderts beeindruckte auf irgendeine Weise, doch eines von ihnen stellte alle übrigen hinsichtlich Komplexität und synthetischer Kraft in den Schatten: das Synchronological Chart des Pfarrers Sebastian C. Adams aus Oregon, die erstmals 1871 veröffentlicht wurde und später dann in vielen Auflagen unter fast ebenso vielen verschiedenen Titeln erschien [Abb. 26 – 27]. Adams, der seine frühen Jahre ganz am Rande des US-Territoriums zuge-
193
Die Zeit in Karten
5. Grenzlinien
bracht hatte, war Lehrer und gründete eine der ersten Bibel-
auf dem Diagramm der prophetischen Entwicklungen veror-
schulen in Oregon. Er wurde 1825 in Ohio geboren und hatte
ten lassen“.
Anfang der 1840er Jahre das damals brandneue Knox College
chronological Chart erreichen. Genau wie die Diagramme von
in Galesburg, Illinois, besucht, eines der Zentren des Abolitio-
Lyman und Willson war Adams’ Synchronological Chart ziemlich
nismus. Adams war ein geradezu unersättlicher Leser, ein klu-
groß – über fünf Meter in der Länge und 60 Zentimeter in der
ger Kopf und ein unermüdlicher Weltverbesserer. Sein Synchro-
Breite. Aber in optischer Hinsicht war es interessanter als die
nological Chart ist eine großartige Leistung abseits der üblichen
Werke seiner Zeitgenossen. Adams entwickelte sein Konzept in
Denkmuster und ein wunderbares Lehrmittel für Autodidak-
Salem, Oregon, doch um sein Diagramm anfertigen zu lassen,
ten; es versucht, mehr zu sein als ein bloßer geschichtlicher
reiste er weit nach Osten, nach Cincinnati zu den begabten Li-
Abriss, und stattdessen ein Bild von der Geschichte zu zeich-
thografen von Strobridge & Co., einem Unternehmen, das Prä-
nen, das detailliert genug ist, ein ganzes Lehrbuch zu ersetzen.
zisionslandkarten, detaillierte Gravuren von Bürgerkriegssze-
Auch wenn er sich in späteren Jahren von der organisierten
nen, Reiseberichte und bunte Werbeblätter für Geschäftskun-
Religion abwandte, hatte Sebastian Adams’ Interesse an Chro-
den wie Theater- und Zirkusbetriebe produzierte. Als Adams’
nologie zunächst nicht nur wissenschaftliche, sondern auch
Chronologie fertig war, steckte irgendwie von all diesem ein
theologische Gründe. Alexander Campbell, der die Kirche der
wenig mit drin: Sie war riesig und detailliert, vollgepackt mit
Disciples of Christ gründete und Adams schon früh spirituell
Informationen, vielfältig und farbenfroh.
21
Und genau das wollte Adams mit seinem Syn-
inspirierte, hatte geschrieben, wir könnten die „Zeichen der
Was sein grundlegendes Konzept angeht, so erinnert das
Zeit“ nur dann interpretieren, wenn wir wissen, „wo sie sich
Synchronological Chart an die Tradition des „Stroms der Zeit“,
196
5. Grenzlinien
[27] Sebastian C. Adams, A Chronological Chart of Ancient, Modern, and Biblical History, dritte Auflage, Cincinnati 1878.
und in gewisser Weise war es bereits zum Zeitpunkt, als es er-
liam Deacon & Co. in London hergestellt. Deacons Version des
schien, ein wenig anachronistisch. Dass er Erzbischof Usshers
Diagramms relativierte den allzu deutlichen Hang des Originals
kanonisches Datum der Schöpfung – 4004 v. Chr. – verwendet,
zum Amerikanismus ein wenig; man entfernte ein paar Por-
dass die biblische nahtlos in die weltliche Geschichte übergeht
träts der Jubiläumsfeierlichkeiten der USA und veränderte
und auch die verschiedenen Verweise auf das Ende der Zei-
auch einige andere Details. Deacon & Co. ließen zudem die
ten – so eine Abbildung eines apokalyptischen Monsters –, all
meisten bibliografischen Hinweise fort, die Adams’ Werk mit
das scheint doch eher rückwärtsgewandt als progressiv. Ande-
der Tradition der akademischen Chronologie verknüpften, und
rerseits unterstrich Adams’ Grafik hervorragend die Bedeutung
am Ende tilgte man sogar Adams’ Namen: Als man dem Dia-
der regelmäßigen einachsigen Zeitleiste und der visuellen Hilfs-
gramm eine Übersicht geologischer Schichten hinzufügte, das
mittel im Bildungswesen.
der irische Wissenschaftler Edward Hull beigesteuert hatte, las
Zunächst produzierte Adams sein Diagramm in Eigenregie,
sich der neue Titel wie folgt: Deacon’s Synchronological Chart, Pic-
indem er sein eigenes Geld investierte und Abonnements ver-
torial and Descriptive, of Universal History: With Maps of the Wor-
kaufte. Nach der Ausgabe von 1871 jedoch übernahmen zahl-
ld’s Great Empires and a Complete Geological Diagram of the Earth,
reiche Druckereien die Vervielfältigung, nicht nur in Nordame-
by Professor Edward Hull – diese mehrdeutige Formulierung hat
rika, sondern auch in England. Auch heute noch kann man
die Leser wie auch die Bibliografen lange Zeit dazu verleitet,
prachtvolle Faksimile-Ausgaben des Synchronological Chart er-
Adams’ Diagramm eben jenem Edward Hull zuzuschreiben.
stehen. Eine der beliebtesten und am längsten erhältlichen
Ende des 19. Jahrhunderts hatten Diagramme wie jene von
Ausgaben wurde um die Jahrhundertwende von Charles Wil-
Lyman und Adams einen festen Platz in der amerikanischen
197
Die Zeit in Karten
und europäischen Geschichtswissenschaft. Wie wirkungsmäch-
der römischen Republik, als jeder Mann Anrecht auf sein ei-
tig diese Entwicklung war, zeigt sich nicht nur in den Grafi-
genes Stück Land hatte, als man einen Mann wie Cincinna-
ken des 19. Jahrhunderts, sondern auch im Vokabular, mit dem
tus mit sieben Hektar Land zufriedenstellen konnte, dass die
man geschichtliche Themen diskutierte. Bereits 1825 empfahl
Menschen dort wohlhabend, voll Würde, glücklich und weise
das in New Haven, Connecticut, ansässige Churchman’s Maga-
waren. Aber als der Grundbesitz in die Hände weniger über-
zine allen Geistlichen, „ihr Auge auf das Schaubild der Histo-
ging und die Masse davon ausgeschlossen wurde, gewannen
rie“ zu werfen, wollten sie „den gegenwärtigen Zustand der
Laster und Luxus die Überhand.“23 Lang und breit vergleicht
menschlichen Gesellschaft“ verstehen.22 Und ein Artikel im
Devyr daraufhin den New Yorker Geldadel mit den Patriziern
New Yorker Workingman’s Advocate aus dem Jahr 1844 berich-
des alten Rom und verweist darauf, dass das moderne Amerika
tet von einer umstrittenen Rede des in Irland geborenen Zei-
genau wie damals Rom eine Phase der Degeneration und der
tungsredakteurs Thomas Ainge Devyr, selbst Autor verschie-
Gewalt gegen die arbeitende Bevölkerung durchlaufe: „Hätte
dener Diagramme, der seine Zuhörer dazu aufrief: „Betrach-
Columbus eine entsprechende Karte gehabt, dann hätte er die
ten Sie die Geschichte wie ein Matrose seine Seekarte!“ Devyr
Neue Welt ganz einfach gefunden. Wir sind nicht wie Colum-
argumentierte: „Wenn wir uns mit Geschichte beschäftigen,
bus: Unsere Karte der Geschichte zeigt uns die Riffe, die Untie-
stellen wir fest, dass die Menschen in der griechischen und in
fen und Sandbänke auf, die wir vermeiden sollten.“24
198
5. Grenzlinien
[28] Das chronografische Diagramm in John Warner Barbers 1832 erschienenem Account of the most important and interesting religious events which have transpired from the commencement of the Christian era to the present zeigt die relative quantitative Verbreitung von Christentum, Islam und „Heidentum“ auf der Welt. Der Graveur aus Connecticut war für seine historischen und geografischen Darstellungen bekannt. Hier hält er sich strikt an eine demografische Perspektive: Das Diagramm zeigt, grob geschätzt, die jeweiligen Anteile an der Weltbevölkerung und nicht etwa eine subjektiv wahrgenommene historische Bedeutung einzelner Nationen.
Im Jahr 1863 erschien in der Zeitschrift New Englander ein
eine Hemisphäre, die nächste einen Kontinent, die nächste eine
Artikel mit dem Titel Wozu der Prediger die Geschichte braucht.
Nation; einen Staat, einen Regierungsbezirk, eine Gemeinde. So
Darin wurde argumentiert, dass das „Diagramm der Geschich-
reduziert sich der Fokus, der zunächst auf der ganzen Welt lag,
te“ – womit sowohl das tatsächliche Diagramm als auch sein
immer mehr, bis wir eine Stadt im Blick haben oder auch nur
metaphorisches Konzept gemeint war – „die Christen auf die-
ein einziges Haus in dieser Stadt.26
selbe Weise anspricht, wie die Karte an die heiligen Instinkte des [baptistischen Missionars William] Carey appellierte. Sie
Im 18. Jahrhundert hatte Jacques Barbeu-Dubourg beklagt,
offenbarte ihm ganze Kontinente unsterblicher Wesen, die in
dem chronografischen Diagramm fehle es an der Raffinesse
Dunkel geboren werden, in der Dämmerung lebten und im
und intuitiven Qualität, die eine Landkarte böte, und Georg
Zwielicht verschwinden. Ihn entsetzt die offensichtliche Hilf-
Hagelgans hatte seine Leser sogar gewarnt, man könne sei-
losigkeit der Menschen, die Gott nicht kennen und nichts vom
ne Geschichtstabelle nicht mit Gewinn benutzen, zöge man
Leben nach dem Tode
wissen.“25 [Abb.
28]
nicht zugleich ein Geschichtsbuch zurate. Die Chronografen
In der säkularen Geschichtsschreibung waren überall die
des 19. Jahrhunderts legten keine solch apologetische Haltung
gleichen Konventionen am Werk, aber hier ging es nicht um
mehr an den Tag. Das Diagramm war inzwischen zum Symbol
die Vorsehung, sondern um den Fortschritt. In einem Bericht
geschichtlicher Erkenntnis per se geworden.
für die American Historical Association im Jahr 1892 bezeichnete der Historiker James Schoulder die moderne Geschichte in ihrer Gesamtheit als „Diagramm des Fortschritts der Welt“. Er schreibt: Unser Diagramm der Geschichte öffnet sich wie ein Atlas. Es präsentiert sich Seite für Seite, und diese Seiten haben stets die gleiche Größe, nur der Maßstab verändert sich: Eine Seite zeigt
199
Die Zeit in Karten
Kapitel 6:
Von Tüftlern und Künstlern
200
6. Von Tüftlern und Künstlern
D
ie letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts waren für die
„kunstvoll eingefassten Standuhr …, deren Bau viele Jahre
westliche Welt eine Zeit des Wandels. Die Konzepte und
brauchte“ und die „dazu gemacht ist, ihre Arbeit gewissenhaft
die Erfahrungen der Menschen änderten sich schneller, als
und treu zu verrichten“.2 Andere waren eher skeptisch, vor al-
man es jemals erlebt hatte. Binnen kurzer Zeit erfuhr die Ge-
lem in jenen Jahrzehnten, als es schon Uhren gab, diese aber
sellschaft tiefgreifende Entwicklungen wie die Industrialisie-
selten die genaue Zeit anzeigten. Ein beliebtes Diktum der frü-
rung, die Urbanisierung und die Verbreitung neuer Transport-
hen Neuzeit lautete: „Chronologen und Uhren stimmen nie-
und Kommunikationsmittel wie Eisenbahn und Telegraf. Na-
mals überein.“3
türlich ging dieser Wandel auch an den Konventionen der Zeit-
Im 18. Jahrhundert erreichte die Zeitmessung dann dank
messung nicht spurlos vorbei. Der Alltag der Menschen richtete
neuer chronografischer Technologien endlich eine größe-
sich immer mehr nach der Uhrzeit aus; wie spät es war, wurde
re – und bald schon geradezu eindrucksvolle – Präzision. Ein
nicht mehr durch lokale Konventionen geregelt. Weit entfern-
schönes Beispiel dafür ist der Marinechronometer, den John
te Orte waren durch Zeitzonen miteinander verbunden, die ein
Harrison 1761 beim Longitude Prize der britischen Regierung
weltweit vernetztes System regulierten.
einreichte. Mit Harrisons H4-Chronometer war es nicht mehr
Natürlich kamen diese Veränderungen nicht aus heiterem
nur theoretisch, sondern auch ganz praktisch möglich, dass
Himmel. Seit der Renaissance spielte die Uhr im europäischen
man sich überall auf der Welt nach einer bestimmten Zeit rich-
Kulturdiskurs eine immer größere Rolle. Bereits Mitte des
tete. Zugleich erhielten immer mehr Leute aus der einfachen
17. Jahrhunderts konnten es sich manche Menschen, wie der
Bürgerschaft Zugang zu Uhren und integrierten sie in ihren
britische Tagebuchschreiber Samuel Pepys, kaum noch vorstel-
routinemäßigen Tagesablauf, auch wenn dies manchmal noch
len, das Haus ohne ihre Taschenuhr zu
verlassen.1
Eine 1597 in
auf erheblichen Widerstand stieß. In Fabriken verwendete man
England veröffentlichte theologische Abhandlung zog eine Pa-
Uhren, um die Arbeiter zur Disziplin zu erziehen.4 Im 19. Jahr-
rallele zwischen dem Studium der Chronologie und dem Beo-
hundert hatten sich die Fabrikarbeiter an ihre Zeitpläne zu hal-
bachten einer riesigen historischen Sanduhr; ein anderer Au-
ten, die Eisenbahnen an die Fahrpläne, und per Telegraf konn-
tor, der 80 Jahre später schrieb, fand eher, sie gleiche einer
te man über weite Strecken miteinander kommunizieren – so
201
Die Zeit in Karten
[1] Für uns im 21. Jahrhundert ist es vollkommen selbstverständlich, uns eine Zeitleiste als Ansammlung von Jahrhunderten vorzustellen, die sich problemlos in Jahre umrechnen lässt, diese wiederum in Monate und Tage, in Minuten und Sekunden. Das war für die Menschen früherer Zeiten ganz anders. Bevor im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts nationale und internationale Standards für die Zeitmessung festgelegt wurden, brauchte man komplexe Korrespondenzkarten wie Alvin Jewett Johnsons Diagram Exhibiting the difference of time between the places shown & Washington, aus Johnson’s New Illustrated Family Atlas of the World von 1873, um zu bestimmen, wann es wo auf der Welt wie spät war.
ging das Konzept eines einheitlichen und einförmigen Gewebes der Zeit Europäern und Amerikanern schließlich in Fleisch und Blut über. Um die Jahrhundertwende war es keine Frage des Prestiges mehr, ob man wusste, wie spät es war – für immer mehr Menschen war es eine bloße Notwendigkeit.
einander entfernten Punkten der Erde in einem Diagramm und
Die Zeitmessung hielt in zunehmend weiteren Bereichen des
schuf so ein virtuelles Bild von der Welt, das die globale Ver-
kulturellen Lebens Einzug, und dasselbe gilt für ihre grafische
flechtung von Wettersystemen und Windmustern illustrierte.5
Darstellung [Abb. 1 – 2]. Dank der Koordination zeitlicher Rah-
Galtons Diagramme sind zwar nicht im Priestleyschen Sinne
men (durch neue Technologien wie den Marinechronometer
chronologisch, doch die Prinzipien beider liegen ziemlich eng
und Konventionen wie die internationalen Zeitzonen) erschloss
beisammen: Galtons synchrone Diagramme sind beinahe so et-
sich auch die Chronografie viele neue Gebiete. Immer noch ist
was wie vertikale Schnitte durch ein Priestley-Diagramm – sie
häufig die Rede davon, welch umwälzende Wirkung die ers-
vermitteln dem Betrachter, was zu einem bestimmten Zeitpunkt
ten Fotos vom Erdball hatten, die man in den 1960er Jahren
an verschiedenen Orten der Welt geschah, und zeigen dadurch
aufnahm, und dass uns diese Bilder die Erde zum erste Mal als
bestimmte Muster und Synchronismen auf.
vernetzte Einheit zeigten. Dabei gab es bereits im 19. Jahrhun-
Die Erfindung neuer Technologien in der Fernkommuni-
dert „synchrone Diagramme“ mit Daten, die zur gleichen Zeit an
kation – Telegraf und Telefon – machte aus der Koordinierung
verschiedenen geografischen Standorten erhoben wurden – vom
zeitlicher Rahmen, die sich bislang hauptsächlich auf den wis-
Konzept her ist das gar nicht so weit davon entfernt. Da war
senschaftlichen Bereich beschränkt hatte, schließlich eine ganz
zum Beispiel der viktorianische Universalgelehrte Francis Gal-
praktische Angelegenheit. Und im Zuge dessen entwickelten
ton, der nicht nur als einer der großen Neuerer grafischer Kon-
sich auch die grafischen Mittel weiter. Als die Titanic am 10. Ap-
ventionen gilt, sondern sich als Pionier auch in Bereichen wie
ril 1912 zu ihrer ersten und letzten Fahrt aufbrach, wurde ihre
Eugenik, Psychometrie, Forensik und Meteorologie hervortat.
Reise gleich zweifach kartiert: von der White Star Line, der
Er vereinigte zeitkodierte meteorologische Daten von weit von-
das Schiff gehörte, und von der Marconi Telegraph Company,
202
6. Von Tüftlern und Künstlern
[2] Francis Galton leistete gleichermaßen in der Meteorologie und in der Kartografie echte Pionierarbeit. In Meteorographica, or Methods of Mapping the Weather von 1863 präsentierte Galton eine Vielzahl meteorologischer Diagramme, darunter auch „Synchron-Diagramme“ wie das hier abgebildete. Sie gaben jeweils an, welche Wetterbedingungen, welcher Ludruck und welche Windrichtung zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt in Europa herrschten.
die den Telegrafisten für die Titanic stellte [Abb. 3]. Während
das Funkgerät bereits um 23:30 Uhr abgeschaltet. Die Carpathia
die Reederei die Route des Schiffes auf traditionellen Seekar-
erhielt den Notruf um 0:15 Uhr, befand sich aber noch 58 See-
ten verzeichnete, benutzte die Marconi Telegraph Company
meilen von der Titanic entfernt – sie erreichte den Ort der Ka-
ein moderneres Darstellungssystem, das in den 1840er Jahren
tastrophe erst zwei Stunden später. Zu diesem Zeitpunkt war
für die französische Eisenbahn entwickelt worden
war.6
Das
Nordatlantik-Kommunikationsdiagramm von Marconi notierte
die Nachricht bereits in New York eingetroffen und verbreitete sich dort wie ein Lauffeuer.
nicht etwa die geografische Lage der Titanic, sondern zeigte, wie
Als man in den Tagen danach die Grafik veröffentlichte,
weit sie zu einem bestimmten Zeitpunkt von anderen Schif-
zeigte sich langsam die tragische Bedeutung des Ganzen – meh-
fen entfernt war, auf denen ebenfalls Telegrafisten von Mar-
rere Schiffe hatten den Notruf gehört, ohne aber darauf zu re-
coni mitfuhren. Mithilfe dieses Diagramms konnten die Tele-
agieren.7 Dieses Gefühl herrschte noch zwei Jahre später vor,
grafisten ihre Telegrafenrelais so planen, dass sich Nachrichten
als das Scientific American Reference Book auf einer Seite zwei
auch auf hoher See und über sehr große Entfernungen hinweg
Nordatlantik-Kommunikationsdiagramme von Marconi veröf-
übertragen ließen.
fentlichte, eines vom Dezember 1904 und das andere vom De-
Der Untergang der Titanic war eines der ersten großen Me-
zember 1911 (vier Monate vor dem Untergang der Titanic), um
dienereignisse, die man auf der ganzen Welt praktisch in Echt-
zu zeigen, wie sicher der Nordatlantik durch die telegrafische
zeit miterlebte, und auch das Marconi-Diagramm vom April
Vernetzung geworden war – zumindest theoretisch [Abb. 4].
1912 wurde zur Legende, als man es nach dem Untergang ab-
Es ist schon auffällig, dass in den Bildunterschriften mit keiner
druckte. Wie das Diagramm zeigt, befanden sich am 14. April
Silbe auf die Ereignisse vom 14. April 1912 Bezug genommen
1912 um 23:40 Uhr, als die Titanic mit dem Eisberg kollidierte,
wird. Dort heißt es einfach: „Sieben Jahre später zeigen die
zehn Schiffe mit Marconi-Telegrafisten an Bord in Funkreich-
einander überlagernden Linien die mögliche Kommunikation
weite, darunter die Olav, die Niagara, die Mount Temple, die Car-
zwischen den Schiffen; diese hat das Meer zahlreicher seiner
pathia und die Californian. Die Distanz zur Californian betrug so-
Schrecken beraubt. Ein phänomenaler Anstieg des Funkver-
gar nur 19 Seemeilen, doch leider hatte man ausgerechnet dort
kehrs.“8 Die Diagramme konnten die Titanic nicht retten, aber
203
Die Zeit in Karten
[3] Um die Kommunikationsverbindungen zwischen Schiffen festzuhalten, auf denen ihre Telegrafisten mitfuhren, verwendete die Marconi Telegraph Company ein System, das bereits Jahrzehnte früher für die französische Eisenbahn entwickelt worden war. Auf den Marconi Telegraph Communication Charts steht jede Linie für die Route eines bestimmten Schiffes; die Zahlen an der oberen und unteren Kante zeigen den Tag der Abfahrt und Ankun an. Die Schnittpunkte der Linien stellen den frühesten Zeitpunkt dar, an dem zwei Schiffe mit jeweils durchschnittlicher Geschwindigkeit denselben Längengrad passieren. Zusammen illustrieren die zahlreichen Linien eindrucksvoll, wie dicht das drahtlose Kommunikationsnetz war, das den Nordatlantik überzog. In der Spalte THU. 11 findet sich die Titanic.
204
6. Von Tüftlern und Künstlern
[4] Das Scientific American Reference Book für das Jahr 1914 blendet die Tragödie der Titanic in der Darstellung zweier Marconi-Diagramme von 1904 und 1911 komplett aus. Dabei war die Ironie in den Bildunterschrien vielleicht sogar ungewollt.
205
Die Zeit in Karten
[5 – 10] Einige von Étienne-Jules Mareys Erfindungen aus seinem 1894 veröffentlichten Buch Le mouvement („die Bewegung“): der „chronofotografische Revolver“, mit dem man in Intervallen von 1/12 Sekunde Bilder schießen konnte, der „Hodograf“, der den Hufschlag eines galoppierenden Pferdes aufzeichnen sollte – und viele andere Verfahren zur optischen Wiedergabe von Bewegungen. Marey berief sich ausdrücklich auf die grafischen Experimente der Chronografen des 18. Jahrhunderts, wollte aber deren manuelle Arbeitsweise automatisieren bzw. mechanisieren. Marey betont, in der experimentellen Wissenscha gäbe es wichtige Analogien zu den visuellen Ergebnissen, die Priestley und Playfair bereits im 18. Jahrhundert erzielt hatten.
immerhin offenbarten sie auf prägnante Weise, wie der Tele-
ley und Playfair dar, was er auch ganz explizit anmerkte. Doch
graf die Welt räumlich und zeitlich vernetzte.
während Priestley und Playfair Systeme entwickelt hatten, die
Ende des 19. Jahrhunderts wurden auch immer mehr Tech-
zeitliche Phänomene darstellten, ging es Marey in erster Linie
niken entwickelt, die die Aufnahme von Bildsequenzen in
darum, sie aufzuzeichnen. Marey wollte den Menschen und seine
Echtzeit ermöglichten. Einige der bedeutendsten Erfindungen
Sprache aus dem Darstellungsprozess eliminieren; er sah darin
in diesem Bereich stammten von dem französischen Arzt Éti-
den möglichen Höhepunkt der Chronografie als wissenschaft-
enne-Jules Marey, einem Pionier auf dem Gebiet der Chrono-
licher Technik. So würde man gleichzeitig einen Schritt weiter
fotografie [Abb. 5 – 10]. Marey war Experimentator und Theo-
gehen als Priestley und Playfair (und andere Wissenschaftler
retiker zugleich, und er kannte sich gut mit den Traditionen
des 18. Jahrhunderts wie Antoine-Francois Vincent und Geor-
chronografischer Darstellung aus. Im Gegensatz zu seinem be-
ges Claude Goiffon, deren Chronografien noch auf der Tran-
rühmten amerikanischen Zeitgenossen Eadweard Muybridge
skription von Daten basierten) und sie zugleich rechtfertigen.10
reichten Mareys Interessen jedoch weit über die Fotografie hi-
Hierzu schreibt Marey:
naus – diese war für ihn lediglich eines von vielen Instrumenten im großen und immer weiter wachsenden Werkzeugkof-
Bei Experimenten zum Beispiel, die sich mit Zeitmessung be-
fer der Chronografie. In der Physiologie zum Beispiel, einem
fassen, ist es von immenser Bedeutung, dass die grafische Auf-
Gebiet, auf dem er über besonders herausragende Kenntnisse
zeichnung automatisch stattfindet, ja dass das Phänomen seine
verfügte, verwies Marey auf einige ganz neue chronografische
Dauer und den Zeitpunkt, an dem es sich ereignet, selbst auf
Erfindungen mit so schillernden Namen wie Sphygmograf, Hä-
Papier festhält. Dieses Verfahren ist in den Fällen, in denen es
modromograf, Kardiograf und Myograf – die ersten drei dienten
angewendet werden kann, beinahe perfekt. In anderen Fällen
dazu, die Aktivität des Herzens abzubilden, der letztere machte
hilft die Fotografie und bietet präzise Messungen zeitlicher Er-
Aufnahmen vom neurophysiologischen System.9
eignisse, die sich dem bloßen Auge entziehen. Der Prozess, der da-
Für Marey stellten diese neuen Geräte eine direkte Weiterentwicklung der chronografischen Traditionen von Priest-
206
zu dient, die Dauer und Abfolge von Ereignissen aufzuzeichnen, stellt eine Methode dar, die wir als „Chronographie“ bezeichnen.11
6. Von Tüftlern und Künstlern
207
Die Zeit in Karten
208
6. Von Tüftlern und Künstlern
Durch Mareys Text wird klar, dass das Konzept der Echtzeit-Da-
zugehörigen Grafiken zu veröffentlichen. Nicht nur Priestley,
tenaufzeichnung Ende des 19. Jahrhunderts bereits seit einiger
Playfair und ihre zahlreichen Nachfolger waren dafür verant-
Zeit existierte; das breite Interesse an entsprechenden Techno-
wortlich, dass die statistische Grafik so populär wurde, auch die
logien, das Marey zu seiner Zeit erlebte, betrachte er jedoch als
Erfinder von Aufnahmegeräten in der Tradition von Wren und
deutlich jüngere Erscheinung. Die moderne Forschung hat die-
Watt waren daran beteiligt. Für zahlreiche Gebiete wurden im
se Annahme bestätigt. Mitte des 17. Jahrhunderts entwarf der
19. Jahrhundert neue chronografische Instrumente entwickelt.
britische Universalgelehrte Christopher Wren eine „Wetteruhr“,
Das erste bekannte Gerät zur Aufzeichnung von Ton, der „Phon-
mit der es möglich sein sollte, auf einer beweglichen Karte au-
autograph“, den sich der französische Typograf Édouard-Léon
tomatisch Windrichtung, Niederschlag und Temperatur aufzu-
Scott de Martinville im Jahr 1857 patentieren ließ, tat wenig
zeichnen. Doch rein konzeptuell war Wrens Instrument ledig-
mehr, als ein paar gezackte Linien in mit Lampenruß beschich-
lich ein Gerät zur Dokumentation von Rohdaten; er hatte nie
tetes Papier zu ritzen.14 Als Emile Berliner und Thomas Edi-
die Absicht, die Platte, auf der die meteorologischen Daten auf-
son in den 1870er Jahren ein ähnliches Aufnahmegerät mit ei-
veröffentlichen.12
Im Laufe des 18. Jahr-
nem Mechanismus zur Klangwiedergabe koppelten, beschwer-
hunderts wurden diverse Aufnahmegeräte entwickelt, die ei-
te sich Scott de Martinville nicht nur darüber, dass man seine
nem ähnlichen Prinzip folgten. Genau wie Wrens Wetteruhr
Idee gestohlen hatte: Seiner Ansicht nach hatte man sie auch
war auch James Watts Gerät zur Aufzeichnung von Druck und
geradezu pervertiert. Er argumentierte, „Phonautograph“ be-
Volumen von Dampfmaschinen primär dazu gedacht, Informa-
deute, Töne in grafischer Form aufzuzeichnen, um sie messen
tionen zu erfassen, nicht, sie öffentlich zur Schau zu stellen. Die
und analysieren zu können – nicht, um sie zur Unterhaltung
Nützlichkeit der Muster, die der „Watt-Indikator“ aufzeichnete,
der Leute zu reproduzieren.15
gezeichnet wurden, zu
blieb einem jungen Mann namens William Playfair, der in Watts Werkstatt arbeitete, nicht verborgen.13
Ganz unabhängig davon, wozu man sie verwenden wollte, besaßen alle frühen Geräte zur Tonaufzeichnung auch eine
Im 19. Jahrhundert wurde es in vielen wissenschaftlichen
chronografische Komponente: Sie sollten nachzeichnen, wie
und technischen Bereichen üblich, Tabellen zusammen mit da-
sich Geräusche in einer bestimmten Zeit veränderten. Ganz an-
209
Die Zeit in Karten
[11] In den 1870er Jahren verkaue der Chicagoer Fotograf Charles D. Mosher, der sich selbst als „historischer National-Fotograf zum Segen der Nachwelt“ bezeichnete, eine Zukunsvision. Wer sich von ihm porträtieren ließ (gegen klingende Münze selbstverständlich), konnte sein Bild in einem „Erinnerungsraum“ aufbewahren lassen, das im Jahr 1876 anlässlich der Hundertjahrfeier der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten versiegelt wurde und erst 1976, zur Zweihundertjahrfeier, wieder geöffnet werden sollte. Damit schuf Mosher eine der ersten Zeitkapseln mit spezifischem Datum. Das anvisierte Jahrhundert überlebte sie indes nicht: Als man das alte Chicagoer Rathaus abriss, wurde der Raum zerstört. Immerhin wurden die Fotos gerettet. ICHI–52.049. Charles D. Mosher Papers. Chicago Historical Society.
Sein Plan war, den Raum nach dem Ende der Weltausstellung in Chicago versiegeln und erst zur Zweihundertjahrfeier der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1976 wieder öffnen zu lassen. Am Ende war Moshers Projekt nur ein Teilerfolg beschieden: Chicagos altes Rathaus wurde 1908 abgerissen, der „Erinnerungsraum“ wurde zerstört. Aber Moshers Fotografien blieben erhalten und wurden 1976 ausgestellt. Mit ein wenig Glück bekommt man sie 2076 wieder zu sehen. Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Entwicklung grafischer Technologien an Fahrt auf. Auch wenn die Fotografie in ihrer Frühzeit faszinierende zeitliche Effekte produzierte, wie ders die Fotografie: Sie wurde dazu entwickelt, einzelne Mo-
verwischte und verschwindende Objekte und Personen (ei-
mente zu erfassen. Doch gerade dadurch wurde auch die Foto-
nige dieser Effekte wurden von Künstlern wie dem Futuris-
grafie zu einer Art „Zeitmaschine“, und das blieb Wissenschaft-
ten Anton Bragaglia verwendet), so erschloss sich doch nicht
lern genau so wenig verborgen wie findigen Unternehmern. Im
unmittelbar, inwiefern sich die Technologie für die Messung
Jahr 1876, demselben Jahr, in dem Sebastian Adams die zwei-
von Zeit eignete.17 Aber mit der Entwicklung schnellerer Me-
te Auflage seines Chronological Chart of Ancient, Modern, and Bi-
chanismen wurden die Fotoapparate auch für die Chronogra-
blical History veröffentlichte, gelang es dem Fotografen Charles
fie interessant. Geräte wie der revolver photographique, den der
D. Mosher, im Rathaus von Chicago einen „Erinnerungs-
französische Astronom Pierre Jules César Janssen 1873 vor-
raum“ einzurichten, der Fotos der prominenten und weniger
stellte, machten bemerkenswerte Bilder [Abb. 12]. Janssens re-
prominenten Chicagoer Bürger enthielt (Letztere mussten al-
volver konnte im Abstand von etwas mehr als einer Sekunde
lerdings dafür zahlen, um dort aufgenommen zu werden).16
48 aufeinanderfolgende Fotos schießen. Einen ähnlichen Ap-
Moshers Raum war eine der ersten Zeitkapseln [Abb. 11].
parat, den revolver astronomique, verwendete Janssen, um am
210
6. Von Tüftlern und Künstlern
[12] Illustration der fotografischen Platte, mit der Pierre Jules César Janssen die Laufbahn der Venus fotografierte. Aus Étienne-Jules Marey, Le mouvement, 1895.
8. Dezember 1874 mit einem Bild pro 70 Sekunden die Bahn
Schriftrolle ein Symbol für das Kosmische – ja für die Welt
der Venus am Himmel aufzunehmen. Janssen verkündete, die
überhaupt – sein konnte: „Und der Himmel entwich wie ein
fotografische Platte sei die „neue Netzhaut“ des Wissenschaft-
zusammengerolltes Buch.“19 Nach drei Jahrhunderten, in de-
lers.18 Und ebenso die des Chronografen, hätte er noch hinzu-
nen Chronografien als gedruckte Bücher und Einzelblätter er-
fügen können.
schienen waren, tauchte nun erstmals wieder die Schriftrol-
Auch wenn es bei Marey, Janssen und ihren Zeitgenossen
le auf: als mechanische Vorrichtung für die Zeitleiste und zu-
im ausgehenden 19. Jahrhundert besonders deutlich wird, so
gleich als Symbol für das Fortschreiten der Zeit. Barbeu-Du-
war die Chronografie doch bereits von Anfang an eine aus-
bourgs Chronographie universelle verwendete einen Abroll-Me-
gesprochene Domäne der Tüftler. Als Eusebius seine Chronik
chanismus, genau wie das kleine Pocket Tablet of Chronology von
schuf, war der Kodex noch eine ganz neue Erfindung; glei-
William Darton aus dem Jahr 1815. Und auch Blanchets 1839
ches gilt für Rolevincks Fasciculus temporum (15. Jahrhundert)
veröffentlichte Katholische Leiter und Adams’ Chronological Chart
und die Druckmaschine mit beweglichen Lettern. Im 18. Jahr-
of Ancient, Modern, and Biblical History von 1871 erschienen als
hundert war Barbeu-Dubourgs Konzept für einen chronogra-
Schriftrollen. Das Frontispiz des 1846 erschienenen Buches
fischen Apparat aufsehenerregend genug, um in Diderots En-
Horae Apocalypticae, or, A Commentary on the Apocalypse, Critical
cyclopédie gepriesen zu werden, und Adams’ Chronological Chart
and Historical des britischen Millenaristen und Wissenschaftlers
of Ancient, Modern, and Biblical History zählt zu den herausragen-
Edward Bishop Elliott sah zwar nur aus wie eine Schriftrolle,
den Exemplaren der Chromolithografie des 19. Jahrhunderts.
aber allein die Verwendung dieses Bildes beweist, wie leben-
Seit es existiert, hat das chronografische Diagramm die Gren-
dig die Metapher der Schriftrolle als Symbol für die Zeit noch
zen der grafischen Medien ausgelotet, die seinem Schöpfer je-
war [Abb. 13]. Natürlich unterschieden sich diese modernen
weils zu Verfügung standen.
Schriftrollen von den genealogischen Pergamenten des Mittel-
Doch auch die innovativsten Chronografen des 18. und
alters. Sie waren Massenprodukte und als solche relativ preis-
19. Jahrhunderts besaßen einen Blick für die Vergangenheit.
wert, und sie enthielten Zeitleisten mit regelmäßiger Skala, wie
Jeder Kenner der Offenbarung des Johannes wusste, dass die
sie sich seit dem 18. Jahrhundert überall durchgesetzt hatten.
211
Die Zeit in Karten
212
6. Von Tüftlern und Künstlern
[13] Diagramm in Form einer Schrirolle, aus Edward Bishop Elliotts mehrbändigem Werk Horae Apocalypticae, or, A Commentary on the Apocalypse, Critical and Historical, Erstveröffentlichung in London 1844.
213
Die Zeit in Karten
[14 – 15] Mit nur fünf Zentimetern Höhe gehört Darton’s Pocket Tablet of Chronology: From the Creation of the World to the Year 1815 zu den kleinsten jemals veröffentlichten chronografischen Schrirollen.
Im Gegensatz zur antiken Schriftrolle (dem Vorläufer des Ko-
te; so bewegte man sich vom Inneren der Spirale nach außen
dex und der mittelalterlichen Schriftrolle) waren die modernen
(oder umgekehrt). Die Felder enthielten dann entweder Daten
Exemplare speziell dazu konzipiert, die Grenzen des Mediums
oder bemerkenswerte Ereignisse wie Krönungen, Schlachten
Buch für die Chronografie aufzuzeigen [Abb. 14 – 17]. Dennoch
und Vertragsabschlüsse. Wer als Erster am Ende des Spielfel-
brachte die Schriftrolle auch einige Einschränkungen mit sich
des angelangt war, gewann. Gesellschaftsspiele wie diese gab
auf: trotz der visuellen Kontinuität (ein wichtiges Element bei
es zu allen möglichen Themen, und die chronologische Struk-
der grafischen Darstellung chronologischer Vorgänge) ließ sie
tur eignete sich dafür ausgesprochen gut: Das lineare Grund-
sich alles andere als einfach bedienen (was für ein Nachschla-
prinzip solcher Spiele erklärte sich von selbst, und ihre Faszi-
gewerk ebenso wichtig ist).
nation lag u. a. darin begründet, dass man gefährliche oder be-
Die Chronografen des 19. Jahrhunderts schufen nicht nur
sonders spannende Ereignisse einfach „überspringen“ konn-
Nachschlagewerke, sie experimentierten mit allen Formaten,
te – wie der Zeitreisende in Louis-Sébastien Merciers L’An 2440,
derer sie habhaft werden konnten – von komplizierten Mecha-
rêve s’il en fut jamais („das Jahr 2440 – ein Traum aller Träume“)
nismen bis hin zu Spielzeug. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts
von 1769.21
erfreuten sich zum Beispiel chronologische Brettspiele, bei de-
Um einen weiteren interessanten Zeitvertreib, der im 18. Jahr-
nen man mit der Spielfigur von einem historischen Ereignis
hundert aufkam, handelte es sich bei dem chronografischen
zum nächsten hüpfte, großer Beliebtheit [Abb. 18 – 19]. Und im
Puzzle. Hier war der Unterhaltungswert ein wenig anders ge-
darauffolgenden Jahrhundert, als die Drucktechniken billiger
lagert: Wie bei den meisten Puzzles ging es darum, ein Bild, das
wurden, die Absatzmärkte wuchsen und das Bewusstsein für
aus vielen Einzelteilen bestand, zusammenzusetzen, doch der
den Wert visueller Bildung zunahm, gewannen sie an noch
besondere Kniff war, dass man dabei historische Fragmente in
mehr
Popularität.20
die richtige Reihenfolge bringen musste.
Die meisten dieser chronologischen Spiele waren ganz ein-
Daneben gab es noch viele weitere Spiele, die etwas mit
fach aufgebaut: Das Layout war in der Regel spiralförmig, und
Chronologie zu tun hatten: Leiterspiele, Karten- und Dame-
man würfelte, wie viele Felder man sich weiterbewegen durf-
spiele, Gedächtnistrainer und viele andere, manche mit ziem-
214
6. Von Tüftlern und Künstlern
[16 – 17] Stream of Time: Intended for Young Persons. To Be Filled Up During a Course of Historical Reading, London 1844. Dieses abrollbare Diagramm bringt es auf annähernd zehn Meter Länge. Es ist auf eine Rolle aufgewickelt, die in einem dekorativen Kasten befestigt ist. Ganz oben weist die Schrirolle einen breiten blau eingefärbten Bereich auf, der die Schöpfung im Jahr 4004 v. Chr. darstellt. Die linke Spalte des Diagramms zeigt die „allgemeine Geschichte: Antike und Moderne“, die rechte die „Geschichte der Heiligen Schri“; Letztere wird später ersetzt durch die „britische Geschichte“. Der erste Eintrag in dieser Ausgabe, die sich im Besitz der Princeton University befindet, ist die Geburt des Seth, der letzte die „Great Exhibition“ 1831 in London.
215
Die Zeit in Karten
[18] Dieses nach 1715 in Paris veröffentlichte Brettspiel mit dem Namen Tableau cronologique de l’histoire universelle en forme de jeu („Zeitleiste der Weltgeschichte in Form eines Spiels“) beginnt im „Weltjahr“ 1 mit Adam und endet am 1. September 1715 mit der Krönung Ludwigs XV. Brettspiele dieser Art erfreuten sich im Europa des 19. Jahrhunderts wachsender Beliebtheit. Die Spielanleitung ist auf dem Brett mit abgedruckt, weitere Anweisungen finden sich auf den einzelnen Feldern. Wenn ein Spieler beispielsweise das Pech hat, auf dem vorletzten Jahr zu landen, 1714, muss er ins Jahr 1191 zurückgehen.
[19] Das auf Leinen aufgezogene handkolorierte Spielfeld von Wallis’ New Game of Universal History and Chronology von 1840 zeigt auf den einzelnen Feldern historische Ereignisse wie die erste Verwendung von Papier in England, die Erfindung des Kupferstichs und die Lösung des „Längengradproblems“.
216
6. Von Tüftlern und Künstlern
217
Die Zeit in Karten
[20 – 22] Die amerikanischen Erfinder des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahr-
te. Man spielte nach den üblichen Dame-Regeln, hatte dabei
hunderts reichten unzählige Spiele und Instrumente zum Patent ein, die sich
aber ständig Fakten im Blick, die es zu lernen galt. Der Lern-
mit der Chronologie beschäigten. Hier zu sehen: ein Damebrett einschließ-
prozess erfolgte dann, so Larimore, ganz vergnüglich und ohne
lich Schachbrett von James W. Larimore (1883), ein Diagrammsystem von John A. Cole (1891) und Spielkarten von Walter A. Hammett (1910). Coles System orientierte sich an Joseph Priestleys Konzept aus dem 18. Jahrhundert; er jedoch
großen Aufwand. In seiner Illustration (die zeigt, dass ihm die Kategorie vollkommen gleichgültig war) gibt Larimore zwei
wollte einzelne Karten verschiedener Länge herstellen, die bestimmte Ent-
Sätze als Beispiel für die Informationen, die man dabei ver-
wicklungen und Ereignisse zeigten und die man dann ganz variabel an einer
wenden konnte: „Adam bis Christus: 4004 Jahre“ und „Luft ist
Halterung aus Blech anbringen konnte. Hammetts Patent war ein Satz von 48
ein Gemisch aus Sauerstoff und Stickstoff“.
Spielkarten, die vier Jahre umfassten, also einen Monat pro Karte.
Auch der amerikanische Schriftsteller Samuel L. Clemens (besser bekannt unter seinem Pseudonym Mark Twain) war von den neuen Technologien des 19. Jahrhunderts fasziniert.
lich komplexen Regeln und sogar Spielgeld [Abb. 20 – 25]. Viele
Berühmt ist die Geschichte, wie er sein Vermögen in eine von
dieser Spiele ließen sich auf verschiedene Weise einsetzen. Das
James W. Paige entwickelte automatische Setzmaschine inves-
modifizierte Damebrett des presbyterianischen Pfarrers und
tierte, die sich als Flop erwies. Doch er hatte auch drei eigene
Hochschullehrers James W. Larimore aus Chicago, das 1883
Patente, und die waren erfolgreicher: ein Sammelalbum mit
zum Patent angemeldet wurde, ist ein gutes Beispiel: Larimores
selbstklebenden Seiten, eine verstellbare Schlaufe für Klei-
Spielbrett ließ sich in allen Bereichen, wo es darum ging, etwas
dung – und ein Chronologie-Spiel, das er im Jahr 1885 paten-
auswendig zu lernen, als Lehrmittel verwenden. Für ihn wie
tieren ließ.
für viele seiner Zeitgenossen stellte die Chronologie das Gebiet
Das Konzept von Twains Spiel war simpel: Wenn ein Spie-
dar, in dem es mehr als in allen anderen um das Gedächtnis
ler das Datum eines bedeutenden historischen Ereignisses nen-
ging. Larimores Spiel war so einfach, dass man es eigentlich
nen konnte, durfte er eine Stecknadel in ein nummeriertes
kaum als neue Erfindung bezeichnen kann – eine einfache Ma-
Feld stecken [Abb. 26 – 28]. Auf Anfrage des United States Patent
trix, in die man nach Belieben Informationen eintragen konn-
Office musste Twain erklären, wie sich sein Spiel von ande-
218
6. Von Tüftlern und Künstlern
[23] History of France Chronologically arranged from the Reign of Pharamond first King to that of Louis the Sixteenth, London 1792. Dieses Puzzlespiel mit 76 Teilen war offenbar als Ergänzung zu Reverend Coopers History of France von 1786 gedacht. Jedes der sorgfältig ausgesägten Holzpuzzleteile trägt das Porträt eines Königs oder einer Königin mit einem Text darunter, der die wichtigsten Ereignisse beschreibt, die sich während seiner oder ihrer Herrscha ereignet haben.
[24 – 25] Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts kamen Dutzende Historien-Kartenspiele auf den Markt. Wie bei den Brettspielen beschäigten sich viele nur ganz allgemein mit Geschichte. Einige aber, wie Uncle Sam’s Game of American History von 1851 und Historical Amusement: A New and Entertaining Game on the History of England, 1853 in Albany, New York veröffentlicht, erforderten detaillierte Kenntnisse der historischen Chronologie. Bei diesen Spielen versucht man, Ereignisse zu nennen, die auf den Karten der Gegner stehen.
219
Die Zeit in Karten
[26 – 27] Mark Twain, Mark Twain’s Memory-Builder: A Game for Acquiring and Retaining All Sorts of Facts and Dates, Hartford, Connecticut 1885.
220
6. Von Tüftlern und Künstlern
221
Die Zeit in Karten
[28] Als Mark Twain seinen Memory-Builder zum Patent anmelden wollte, war die erste Reaktion des United States Patent Office, Twain möge doch bitte erklären, was sein Spiel von anderen, bereits patentierten Chronologie-Spielen unterschied, namentlich von Victor Klobassas Centenary Game von 1875. Twain antwortete, es gebe gar keine Gemeinsamkeiten: Seines sei ein Wissensspiel, Klobassas ein Glücksspiel.
ren, ähnlichen Spielen unterschied, die bereits patentiert wa-
vertraut ist, während Shakespeares Zeit in ganz unterschied-
ren; vor allem Victor Klobassas Centenary Game sah dem Spiel
lichen Ecken der Erde lebten.“24 Twain war davon überzeugt,
von Twain, so der Patentinspektor, verdächtig ähnlich. Doch
dass es seinen eigenen Wert hatte, möglichst viele Daten aus-
Twain gelang es, das Patentamt davon zu überzeugen, dass die
wendig zu lernen. Das bloße Sammeln von Fakten war für ihn
einzige Gemeinsamkeit darin bestand, dass beide Spiele etwas
aber nur Mittel zum Zweck: Es diente lediglich als Grundlage
mit historischen Daten zu tun hatten. Klobossas Patent schütz-
für das eigentliche Wissen.
te ein Glücksspiel mit runder Spielfläche, dessen einziger Be-
Für Twain glich die Geschichte einer Schatzkammer denk-
zug zur Chronologie war, dass darauf ein paar Jahreszahlen
würdiger Geschichten, und er glaubte, sein Spiel könne dem
eingetragen waren; Twain bezeichnete es als „Glücksspiel-Vor-
Spieler diese Geschichten durch Suggestion entlocken. „Die
richtung“.
22
zufällige Erwähnung von Waterloo“ durch einen Spieler, so
Twains Spiel hingegen setzte „eine gründliche Kenntnis der Geschichte“
voraus.23
schreibt er, könne bei einem anderen „die Erinnerung an vie-
Sein Spielfeld enthält keinerlei histori-
le weitere Ereignisse der französischen Geschichte hervorru-
sche Informationen, sondern nur bloße Jahreszahlen, die sich
fen. Erwähnt man ein auffälliges Ereignis in der Geschichte ir-
in nichts voneinander unterscheiden. In dieser Hinsicht ist es
gendeiner Nation, dann denkt man nicht zuerst an irgendwel-
ein wirklich modernes Chronologie-Spiel. Genau wie Priestley
che Gegner, sondern an die kleinen Details der geschichtlichen
faszinierten Twain Synchronismen: „Man weiß oft eine Menge
Landschaft, die sich von diesem Punkt aus erstreckt“.25
Kleinkram über Dinge, die in einer bestimmten Zeit geschehen
Twains Spiel war ebenso einfach wie vielfältig einsetzbar.
sind, aber in weit voneinander entfernten Regionen; und da
In der Basisversion versuchten zwei Spieler, jeweils als Ers-
sie nicht in Verbindung miteinander stehen, bemerkt man gar
ter die Löcher im Spielfeld zu füllen, indem sie Ereignisse und
nicht, dass sie zur selben Zeit passiert sind. Es bleibt einem je-
Jahreszahlen nannten. Man spielte entweder, bis das Spielfeld
doch nicht verborgen, wenn man in diesem Spiel solche Ereig-
voll war oder bis man all seine historischen Kenntnisse ausge-
nisse gruppiert. Zum Beispiel wird man überrascht sein festzu-
schöpft hatte; außerdem konnte man sich ein zeitliches Limit
stellen, welche historischen Persönlichkeiten, mit denen man
setzen oder spielte bis zum Erreichen einer bestimmten Punkt-
222
6. Von Tüftlern und Künstlern
zahl. Wenn man wusste, in welchem Jahr ein König gekrönt
ganz kleinen. Und alle eigneten sich, wie sich anhand seines
worden war, erhielt man zehn Punkte, eine Schlacht brach-
Romans A Connecticut Yankee in King Arthur’s Court sehr schön
te fünf Punkte und alle anderen historischen Ereignisse einen
feststellen lässt, um sie auf ironische Weise neu zu deuten und
Punkt. Weitere Punkte konnte man erzielen, wenn man darü-
einander gegenüberzustellen.
ber hinaus etwas zu berichten wusste, das nicht notwendiger-
Ende des 19. Jahrhunderts lag der Geist chronografischer
weise etwas mit der Chronologie zu tun hatte, aber auf ande-
Innovationen geradezu in der Luft. Einige Erfinder nahmen
re Weise interessant oder wissenswert war. Auch wenn Twain
den Faden dort wieder auf, wo Christoph Weigel, der Erfinder
für unterschiedliche Arten von Fakten verschiedene Punkt-
des kreisförmigen Discus chronologicus, und einige andere frühe
zahlen ansetzte, wollte er dadurch mitnichten zum Ausdruck
Graveure ihn hatten abreißen lassen. Im Jahr 1885 zum Bei-
bringen, dass es wichtiger war zu wissen, wann jemand den
spiel patentierte und veröffentlichte der Pfarrer James M. Lud-
Thron bestiegen hatte, als das Jahr einer bestimmten Schlacht
low aus Brooklyn beim noch jungen Verlag Funk & Wagnalls
nennen zu können; es ging ihm lediglich darum, dass manche
ein Concentric Chart of History. Wie Weigels Diagramm orientierte
Ereignisse bedeutende Punkte in der chronologischen Land-
sich auch Ludlow an einem ganz einfachen Format nach dem
schaft markierten. Und er konzipierte sein Spiel so, dass man
Vorbild des Eusebius. Aber anstatt sich für ein rechteckiges ge-
es auch gewinnen konnte, wenn man nicht die ganz großen,
bundenes Buch oder ein kreisförmiges Plakat zu entscheiden,
dafür aber viele „kleine“ Ereignisse kannte. In dem hypothe-
wählte Ludlow für sein Diagramm die Form eines Fächers mit
tischen Szenario, das er in der Spielanleitung wiedergibt, ge-
Blättern, die die Form von Tortenstücken hatten [Abb. 29]. Die
lingt es auch einem Spieler, der viele solcher kleineren Fakten
einzelnen Keile sind übereinandergestapelt und an ihrer Spit-
kennt, das Spiel für sich zu entscheiden. Sein Fazit: „Die klei-
ze befestigt; man kann sie auffächern und entweder einzeln
nen Ereignisse der Geschichte sind durchaus wertvoll, auch
oder nebeneinander betrachten. Das Konzept ähnelt dem der
26
Twains
Volvelle, einem kreisförmigen Diagramm mit einem rotieren-
Ansicht nach konnte allen Ereignissen der Geschichte eine ge-
den Zeiger; hier sind es jedoch die einzelnen Elemente des Dia-
wisse Dramatik innewohnen, den allergrößten wie auch den
gramms selbst, die sich bewegen lassen. Ludlow glaubte, so
wenn diese nicht immer so sehr ins Auge fallen.“
223
Die Zeit in Karten
[29] James M. Ludlows Concentric Chart of History von 1885 war ein „radial
Geschichte in immer rasanterem Tempo vorwärtsbewegte
klappbares synchrones Diagramm“, das es dem Benutzer erlaubte, historische
[Abb. 30 – 32]. Anstatt mehrerer konzentrischer Kreise wie bei
Ereignisse aus beliebigen Teilen der Erde nebeneinander zu betrachten. Die
Weigel und Ludlow hatte sein Chronological Skeleton Chart die
Verleger, Isaac Funk und Adam Wagnalls, brachten auch eine leere Version des Concentric Chart auf den Markt, das man nach Belieben füllen konnte.
Form einer Spirale. Bloch hatte bemerkt, dass die Zeittafeln, die im Geschichtsunterricht verwendet wurden, oft nur teilweise ausgefüllt waren. Die Abschnitte, in denen es um die
die Vorteile des Buches (Kapazität, freier Zugriff auf alle Sei-
Geschichte der Neuzeit ging, waren vollgepackt mit Informati-
ten) mit den Vorteilen des Diagramms (synoptische Darstel-
onen, während Epochen, die weiter zurücklagen, weniger Da-
lung, intuitive Nutzung des visuellen Raumes) bestmöglich zu
ten enthielten oder sogar komplett leer waren. Als Alternative
kombinieren.
zum üblichen geradlinigen Format konzipierte Bloch ein Dia-
Im Jahr 1897 patentierte der Rabbi Jacob Bloch aus Oregon
gramm mit einer konischen Spirale. Indem er das Ausgangsda-
eine Grafik, die auf geradezu brillante Weise das Gefühl der
tum einer Chronologie im Zentrum der immer breiter werden-
Menschen Ende des 19. Jahrhunderts einfing, dass sich die
den Spirale platzierte, eliminierte Bloch das Problem der leeren
224
6. Von Tüftlern und Künstlern
Flächen, die Priestley mit diversen Wappen, Widmungen und
[30] In der Patentanmeldung seines Chronological Skeleton Chart von 1897
Erklärungen ausgefüllt hatte. Für ihn war sein Diagramm eine
schreibt Jacob Bloch: „Je weiter ein Ereignis zurückliegt, desto unbedeutender
geometrische Analogie zu dem, was er unter „historischem Ge-
scheint es; also müssen jüngere Ereignisse ausführlicher dargestellt werden.
dächtnis“ verstand. Das historische Gedächtnis war seiner Ansicht nach immer stärker, wenn es um die jüngsten Ereignisse
Im vorliegenden Arrangement steht uns die Gegenwart prominent vor Augen, während die Vergangenheit allmählich aus dem Blickfeld schwindet, bis zu einem bloßen Punkt, der sich im Zentrum der Zeitleiste verliert.“
ging, und schwächer für die weiter zurückliegende Vergangenheit – es verengte sich sozusagen schrittweise, genau wie sein Diagramm. In gewisser Hinsicht ist das sicherlich auch richtig.
auswendig lernen wollen, was sie da an Daten auf ihren Dia-
Dagegen spricht jedoch die große kulturelle Bedeutung vieler
grammen präsentierten. Priestley sagte mit aller Deutlichkeit,
historischer Ereignisse, die schon sehr lange zurückliegen. Im
ein solcher Ansatz würde dem Sinn und Zweck seiner Zeit-
Nachhinein erscheint es einem ziemlich seltsam, dass ausge-
leiste zuwiderlaufen. Seiner Ansicht nach sollte die Zeitleiste
rechnet ein Rabbiner, der sich ja ständig mit uralten Geschich-
den Betrachter ja gerade entlasten und ihm das lästige Auswen-
ten beschäftigt, dies übersehen konnte – aber anscheinend er-
diglernen ersparen. Dennoch konnte man im Fach Geschich-
gab eine solche Sicht der Dinge für einen Rabbi im hintersten
te nicht vermeiden, bestimmte Dinge zu memorieren, ob man
Winkel Amerikas im 19. Jahrhundert zumindest ansatzweise
nun wollte oder nicht. Denn trotz aller Einwände, die man im
Sinn.
18. Jahrhundert und auch danach noch gegen die abstumpfen-
Die Vielzahl der verschiedenen chronografischen Innovati-
de Wirkung des Auswendiglernens ins Feld führte: In der Pra-
onen, die im ausgehenden 19. Jahrhundert zum Patent ange-
xis blieb es eines der Hauptziele des Geschichtsunterrichts an
meldet wurden, änderte nichts an der Tatsache, dass irgend-
Schulen und Universitäten, sich bestimmte Informationen zu
jemand diese Dinge auch benutzen musste. Enzyklopädische
merken. Und das empfand auch nicht jeder als negativ – man
Historiendiagramme dienten der Referenz und der Visuali-
denke nur an das Spiel von Mark Twain.
sierung; doch kaum einer der Autoren wird geglaubt haben,
Im Gegenteil: Die Pädagogen des 19. Jahrhunderts entwi-
dass jemand, der Interesse an Geschichte hatte, all das würde
ckelten eine ebenso große Faszination für Mnemotechniken
225
Die Zeit in Karten
[31] Eli Nash Moyer, Chart Drawing Instrument, Patent von 1900. Moyer war ein Unternehmer, der in Toronto Schulmaterialien herstellte und verkaue. Sein Gerät zum Zeichnen chronografischer Diagramme funktionierte wie ein geometrischer Kompass. Es ließ sich in vielen Bereichen anwenden, dennoch bewarb er es speziell zur Herstellung von Zeittafeln.
und Eselsbrücken wie für Referenzwerke. Manche hauchten viel älteren mnemonischen Formaten neues Leben ein – so beispielsweise die progressive Pädagogin Emma Willard, die mehrere Schulen für Mädchen gründete und Lehrwerke zu Geschichte, Geografie und Biologie schrieb. In ihrem Temple of Time von 1846, schön gestaltet und mit leuchtenden Farben auf pechschwarzem Hintergrund gedruckt, verlegte Willard den Strom der Geschichte in die Räumlichkeiten eines „Gedächtnistheaters“ aus der Renaissance. Strukturell befand sie sich vollständig im Einklang mit dem Genre, das Johann Straß
[32] Walter Lyon Sinton, Portable Blackboard, Patent von 1897. Sinton war ein Mitarbeiter des Arztes Nelson Loverin aus Montreal, der auf der Weltausstellung in Philadelphia im Jahr 1876 ein beliebtes Diagrammsystem vorgestellt hatte, und einer der Direktoren der Canadian Comparative Synoptical Chart Company. Er entwarf eine tragbare Tafel, die man zusammen mit Scaifes synoptischem System verwenden konnte.
226
6. Von Tüftlern und Künstlern
[33] Die dreidimensionale chronografische Projektion Temple of Time von
die Daten und Fakten, die auf der Fassade standen, Säule für
1846 stammt von der progressiven Pädagogin und Gründerin des Troy Female
Säule und Nische für Nische.27
Seminary, Emma Willard. Innerhalb des „Tempels“ stellen die Säulen Jahrhunderte dar: Die Säulen tragen Namen historischer Persönlichkeiten, rechts aus der Alten Welt, links aus der Neuen Welt. Den Boden bedeckt ein geschichtliches Strom-Diagramm. Die Decke ist nach dem Vorbild des Chart of Biography
Andere mnemonische Techniken des 19. Jahrhunderts versuchten, so gut es ging, die Überbleibsel der Antike zu beseitigen, und in manchen dieser grafischen Ansätze zeichnet sich
gestaltet. Willards farbenfrohe Grafik wurde auch in kleinerem Maßstab in
bereits der Beginn des Modernismus ab. Am deutlichsten zeigt
ihrem Lehrbuch Universal History in Perspective von 1850 abgedruckt.
sich das in der ziemlich abstrakten „Polnisch-mnemonischen Lehrmethode“, einem mnemonischen Diagramm, das aus ei-
zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit seinem Strom der Zeiten be-
nem Raster mit 10 × 10 Feldern, einfachen Farben und Linien . bestand und in den 1820er Jahren von Antoni Jazwinski ´ ent-
gründet hatte [Abb. 33]. Aus praktischen und symbolischen
wickelt wurde. Populär machte es aber erst der polnische Ge-
Gründen griff Willard jedoch zugleich auf eine viel ältere Tra-
neral und Nationalheld Józef Bem in den 1830er und 1840er
dition zurück, die man sich in der Renaissance von der Antike
Jahren.
geborgt hatte und in der das Auswendiglernen an sich als wert-
Für einen Außenstehenden sieht die Polnisch-mnemoni-
volle geistige Leistung galt. Wie in den Gedächtnistheatern der
sche Lehrmethode mit ihren Zeittafeln ohne Daten, Wörtern
Renaissance begann man beim Temple of Time damit, sich die
oder Bildern zunächst einmal recht rätselhaft aus [Abb. 34].
aufwendige Fassade einzuprägen, und dann betrachtete man
Aber wenn man erst einmal weiß, wie man sie benutzt, ist sie
227
Die Zeit in Karten
[34] Leeres Raster, das ein Jahrhundert darstellt, aus Elizabeth Palmer Peabody, The Polish-American System of Chronology, Reproduced, with Some Modifications, from General Bem’s Franco-Polish Method, Boston und New York 1850.
gar nicht so kompliziert. Zunächst muss man sich mit dem Ras-
mal das große Raster für das 18. Jahrhundert auswählen. Nun
ter vertraut machen, denn es stehen ja keinerlei Daten im Dia-
zählte er das 76. Jahr dieses Jahrhunderts ab (also Zeile sie-
gramm. Um ein Ereignis einzutragen, zählte man die Kästchen
ben, Spalte sechs), und dann malte er mit der korrekten Farbe
ab (ein Feld konnte ein Jahr, ein Jahrzehnt oder Jahrhundert
für die britischen Kolonien in Nordamerika das Quadrat in der
bedeuten, je nach dem verwendeten Maßstab); wer mit dem
Mitte der unteren Reihe (das „Befehlsverweigerung“ bedeute-
System vertraut war, musste schließlich kaum noch nachzäh-
te) komplett aus. Falls es 1776 nur einen Aufstand und keine
len, sondern erkannte ein Datum innerhalb des Diagramms
ganze Revolution gegeben hätte, so hätte der Schüler ein Drei-
ganz automatisch anhand der Position eines Quadrats im Ras-
eck hineingemalt, bei einer Verschwörung ein X [Abb. 35 – 37].
ter. Als Nächstes musste man verinnerlichen, was die 3 × 3 Fel-
Auch wenn sich heute kaum noch jemand daran erinnert:
der innerhalb der Quadrate bedeuteten – sie standen für die Art
Die Polnisch-mnemonische Lehrmethode war damals in ganz
des Ereignisses (Schlacht, Vertrag, Hochzeit usw.). Des Weite-
Europa und Nordamerika verbreitet. In den 1830er Jahren
ren gab es drei einfache Symbole, die das Ereignis noch weiter
wurde sie für den Einsatz im gesamten französischen Bildungs-
definierten (Quadrat, Dreieck und X), und schließlich verwen-
system zugelassen, und in den Jahrzehnten, die folgten, erfuhr
dete man für diese Zeichen auch noch unterschiedliche Farben,
sie dort zahlreiche offizielle Revisionen. Ebenso unerwarteten
die einzelnen Ländern zugeordnet waren. Die Bedeutungen
wie überzeugenden Zuspruch für diese Methode gab es in den
der Farben und die speziellen Unterteilungen konnten je nach
1850er Jahren seitens der Amerikanerin Elizabeth Palmer Pea-
Anwendung unterschiedlich ausfallen, aber das Grundprinzip
body, ihres Zeichens Bildungsreformerin, Pionierin der Kin-
blieb immer das gleiche: Die Platzierung auf dem größeren Ras-
dergartenbewegung sowie Schwägerin von Horace Mann und
ter gab das Datum an, das kleinere Raster das Ereignis und die
Nathaniel Hawthorne. In den 1870er Jahren kamen schließ-
Farbe die beteiligte Nation.
lich in Kanada und in den Vereinigten Staaten neue Versionen
Falls ein Schüler oder Student mit Nelson Loverins Versi-
auf den Markt.28
on dieses Systems arbeitete und darstellen wollte, dass 1776 in
Die Erfinder dieses Systems waren der Ansicht, dass frü-
Amerika eine Revolution stattfand, so musste er zunächst ein-
here Chronografen den richtigen Ansatz gewählt hatten, eine
228
6. Von Tüftlern und Künstlern
[35 – 37] Nelson Loverin, Diagramm-Apparat in Loverin’s Historical Centograph and Slate, Montreal 1876.
229
Die Zeit in Karten
Verbindung zwischen der Landkarte und der Zeit-Karte her-
rung bleibt, weil sie als eine der Ersten auf die Bedeutung des
zustellen: Genau wie die Geografie ließ sich auch die Chrono-
Spielens für die Entwicklung des Kindes hinwies. Oberfläch-
logie grafisch darstellen – das machte es einfacher, sie zu ler-
lich betrachtet scheint es fast ein wenig seltsam, dass sie von
nen, und man behielt Daten und Fakten leichter im Gedächt. nis. Dennoch sahen Jazwinski ´ und Bem in der Analogie zwi-
der rigiden Polnisch-mnemonischen Methode so angetan war.
schen der chronografischen und der geografischen Darstellung
reichen Versionen ihres Polish-American System. Sie gab sogar
auch eine Ablenkung: Schließlich lag hier der Fokus auf den
einen speziell angefertigten Satz Farbstifte in Auftrag, mit de-
Informationen, die man sich merken sollte, und nicht darauf,
nen man die Diagramme ausfüllen konnte. Die folgenden zehn
das Gedächtnis zu trainieren. Beide lehnten das Konzept eines
Jahre reiste sie unermüdlich durch das Land und verkaufte da-
visuellen geschichtlichen Terrains ab und bevorzugten statt-
bei ihre Produkte.
Aber das war sie. 1850 veröffentlichte sie die erste von zahl-
dessen ein sichtbares, aber gesichtsloses mnemonisches Feld.
Peabodys Erklärung der Polnisch-mnemonischen Lehrme-
Der Schritt in die Abstraktion hinein war natürlich nichts ganz
thode ist ebenso einfühlsam wie aufschlussreich: Sie eröffnet
Neues; im Grunde genommen hatte er bereits bei Priestley be-
eine ganz neue Perspektive auf das Zeitdiagramm, ganz abseits
gonnen. Aber Priestleys Diagramme funktionierten noch eher
von Fragen der Referentialität und der Erinnerung. Für Pea-
wie Landkarten: Die fortlaufende Zeit war als fortlaufender . grafischer Raum gestaltet. Nicht so bei Jazwinski, ´ wo die Jahre
body diente das chronologische Diagramm als ein Schema zur
durch einfache Koordinaten in einer Matrix dargestellt waren.
des rein mechanischen Lernens gewesen. Kein Kind, sagte sie,
In Frankreich lobte man das Polnisch-mnemonische System
sollte man dazu zwingen, etwas zu lesen, das nicht das Werk
dafür, dass sich Schüler damit große Mengen an Informationen
eines Genies sei. Sie wetterte dagegen, dass die Schüler im Fach
merken konnten. In den USA hingegen war man vielerorts
Geschichte bloß noch Auszüge und Überblicke zu lesen be-
ganz anderer Ansicht. Die größte Fürsprecherin des Systems
kämen – ihrer Ansicht nach würde dadurch von vorneherein
war die Pädagogin Elizabeth Palmer Peabody, die einem Kreis
verhindert, dass man der Historie mit Interesse und einer ge-
von Transzendentalisten angehörte und bis heute in Erinne-
wissen Leidenschaft begegnete; stattdessen würde daraus eine
230
Organisation kreativer Ideen. Peabody war stets eine Gegnerin
6. Von Tüftlern und Künstlern
[38 – 39] Im Jahr 1850 veröffentlichte die amerikanische Transzendentalistin Elizabeth Palmer Peabody ihr Polish-American System of Chronology, Reproduced with Some Modifications, from General Bem’s Franco-Polish Method. Peabody reiste quer durch die USA und verkaue ihr Buch, leere Diagramme sowie einen speziellen Satz Farben, mit denen man die Diagramme ausfüllen konnte. Sie schrieb, falls eine Schule „absolut nicht in der Lage“ sei, sich solche Farben zu besorgen, könne man stattdessen auch Zahlen verwenden; das bedeute jedoch, dass man „einen gewaltigen Vorteil“ aufgebe. Viele noch existierende Ausgaben von Peabodys Büchern legen Zeugnis ab vom Einfallsreichtum ihrer früheren Eigentümer.
langweilige Pflichtübung, bei der man nur wiederkäute, was
perintendenten der Schulen von Michigan, bietet hierzu eine
einem vorgegeben wurde. Allerdings musste sie auch zugeben,
ganz explizite Analogie. Obwohl seine „Karte“, ein Raster mit
dass das Studium herausragender Geschichtsschreiber wie Livius, Müller oder Niebuhr nicht ganz einfach war. Und da kam
5 × 5 Feldern, kaum mehr als eine vereinfachte Version von . Jazwinskis ´ Werk war, hielt er es als Grundlage für visuelle As-
die Polnisch-mnemonische Lehrmethode ins Spiel – nicht etwa
soziationen für nicht weniger intuitiv als eine Landkarte: „Das
als eine Art Spickzettel, sondern als Arbeitsblätter, die einem
Jahrhundert liegt groß und breit vor einem, wie ein Staat, und
halfen, seine Gedanken zu ordnen. „Jede wahre Erziehung im
die Jahrzehnte und Jahre sind darin deutlich gekennzeichnet
Fach Geschichte“, schreibt Peabody, „ist eine gemeinsame Be-
und leicht voneinander zu unterscheiden, wie einzelne Land-
trachtung von Ereignissen der Vergangenheit.“ Und sie fährt
kreise und Gemeinden. Insofern handelt es sich hierbei also
fort: „An Bems Erfindung schätze ich besonders, dass sie nicht
tatsächlich um eine Karte der Zeit. Und wenn man sie richtig
vorgibt zu sein, was ein historischer Überblick niemals sein
einsetzt, wird man feststellen, dass sie beim Studium der Ge-
kann: ein perfekter Rahmen zur Darstellung von Geschich-
schichte genauso hilft wie eine Landkarte beim Studium der
te.“29
Geografie.“30
Die entsprechenden Ergebnisse aus ihrem Unterricht sind
ebenso schön anzuschauen wie überraschend: Die Exempla-
Die Pädagogin Ida P. Whitcomb, die ebenfalls Ende des
re dieser Diagramme, die sich noch heute in Bibliotheken fin-
19. Jahrhunderts lebte, äußerte sich in ähnlicher Weise. Chro-
den, sehen alle unterschiedlich aus. Jedes trägt den Stempel
nografische Diagramme waren ihrer Ansicht nach genauso
der Fantasie eines einzelnen Schülers [Abb. 38 – 39]. . Diagrammsysteme wie das von Jazwinski ´ und Bem sollten
wichtig wie jede andere Art visueller Bildung, und das schloss
aus Schülern und Studenten so etwas wie Kartografen der Zeit
„[Thomas Babington] Macaulays Vergleich von Historiografie
machen, auch wenn das Terrain, das sie in ihre Karten ein-
und historischem Roman lässt sich auch auf den Geschichts-
zeichnen sollten, so abstrakt und leer war wie die Seekarte
unterricht anwenden. Er sagt: ‚Von den beiden Arten von Tex-
in Lewis Carrolls The Hunting of the Snark [Abb. 40]. Die Map
ten, in die man die Darstellung von Geschichte einteilt, kann
of Time (1866) von John Milton Gregory, dem damaligen Su-
man die eine mit einer Landkarte, die andere mit einem Land-
sogar das Studium historischer Bilder mit ein. Sie schreibt:
231
Die Zeit in Karten
[40] Den Ausrufer, den lobten alle zum Himmel, Eine Anmut, so hell und so licht! Eine weise Gelassenheit, die sah man gleich, Schaute man ihm ins Gesicht. Er hatte eine große Karte dabei, Die zeigte nur Meer und kein Land. Die Mannscha, die freute sich: Endlich! Eine Karte, die jeder verstand! „Was nützen uns Mercators Pol und Äquator, Meridiane und Tropische Zonen?“ So der Ausrufer, und die Crew gab zurück: „Das sind doch bloß Konventionen! Die Karten mit Ländern, mit Inseln und Riffen, Die brauchen wir doch jetzt nicht mehr. Seien wir froh, dass der Käpt’n uns damit verschont: Diese Karte ist einfach nur leer!“ Ozean-Diagramm und Auszug aus Lewis Carroll, The Hunting of the Snark, London, 1876.
schaftsgemälde vergleichen. Auch wenn uns das Gemälde ein
her selbst hatte, sich Dinge zu merken, vor allem Jahreszah-
bestimmtes Land präsentiert, so erhalten wir doch keinerlei In-
len. Im Laufe der Jahre, so Twain, habe er sich dann diverse
formationen zu Größenverhältnissen, Distanzen und Winkeln;
Hilfsmittel gebastelt. Einmal hatte er besonders große Proble-
die Landkarte gibt uns genaue Informationen über die Lage
me, sich eine Rede zu merken, die er halten sollte; so kam er
verschiedener Orte und ist daher für den Reisenden ein weit-
auf die Idee, sich Notizen auf die Fingerspitzen zu schreiben,
aus nützlicherer Begleiter als das Landschaftsgemälde.‘“ Whit-
die er dann zurate ziehen wollte, während er sprach. Doch das
combs eigenes Students’ Topical History Chart von 1878 wollte
ging nach hinten los. Zwar hielt er fehlerlos seine Rede, doch
dem Schüler nicht nur geschichtliche Informationen an die
das Publikum war irritiert und konnte nicht verstehen, warum
Hand geben, sondern behauptete, sie seinem Geist gleichsam
der geschätzte Redner die ganze Zeit so eitel auf seine Finger-
„einzubrennen“.31
nägel zu starren schien.
Obwohl sich Mark Twain bereits mit seinem Gesellschafts-
Twains Lösung – im Prinzip eine uralte mnemonische Tech-
spiel dem Problem der Chronografie gewidmet hatte, tüftelte
nik, die er wiederentdeckte – bestand darin, sich ein gut funkti-
er in den 1880er und 1890er Jahren immer noch weiter in die-
onierendes System visueller Assoziationen zuzulegen und sich
se Richtung. Im Jahr 1899, 14 Jahre nach der Erstveröffentli-
statt der Fakten die Assoziationen zu merken. Zunächst verwen-
chung von Mark Twain’s Memory-Builder, schrieb Twain einen
dete er diese Technik für seine Reden. Er zeichnete kleine Bil-
Zeitschriftenartikel zu diesem Thema. „Wie man sich histori-
der, die ihn auf ein bestimmtes Thema bringen sollten, mitun-
sche Daten merkt“ ist voll mit Twains charakteristischem Hu-
ter auf ganz schräge humorvolle Art und Weise. Zum Beispiel
mor.32 Darin klagt er darüber, welche Schwierigkeiten er frü-
malte er Blitze, wenn er über San Francisco sprechen wollte,
232
6. Von Tüftlern und Künstlern
denn dort, so Twain, gebe es keine Blitze. Im Folgenden be-
[41 – 42] Seinen Artikel How to Make History Dates Stick von 1899 illustrierte
schrieb er, wie er dieselbe Methode auch auf das weitaus kom-
Mark Twain mit einer ganzen Reihe Piktogramme, die ihm halfen, sich die
pliziertere Thema Chronologie anwendete [Abb. 41 – 42]. Twain
Chronologie der britischen Monarchen einzuprägen. Zumeist sind es sprach-
schrieb, der Schlüssel zu allem sei, es selbst zu machen. Es reiche nicht, das System von jemand anderem zu übernehmen.
liche Assoziationen – eine Henne stand für Heinrich, ein Wal für Wilhelm, ein Stier für Stephan usw. Diese platzierte er auf einer Zeitleiste, die bei jedem Herrschaswechsel die Richtung änderte. Twain schlug vor, man solle für je-
Sicherlich könne das hilfreich sein, doch wenn man sich wirk-
des Regierungsjahr des jeweiligen Königs ein identisches Bildchen zeichnen.
lich etwas merken wolle, dann müsse man sein eigenes Sys-
So würde man sich die Illustration unwillkürlich einprägen.
tem erfinden: Daten sind schwer zu lernen, und wenn man sie gelernt hat, ist es schwierig, sie im Gedächtnis zu behalten. Dennoch sind sie
Heinrichs sind Hühner, die Stephans sind Stiere, die Wilhelms
von großem Wert. Sie sind wie die Viehställe einer Ranch – man
sind Wale und die Eduards sind Redakteure (editors) – Füße
schließt dort diverse Arten historischer Rinder ein, jede mit
auf dem Stuhl, Stift in der Hand und Bosheit in den Augen
ihrem eigenen Zaun, und muss aufpassen, dass man sie nicht
[Abb. 43 – 45].
durcheinanderbringt. Daten sind schwer zu merken, weil sie
Twains Bilder waren sehr skizzenhaft, aber das störte ihn
aus Zahlen bestehen; Zahlen sehen monoton aus, sie lassen im
nicht. Es ging ihm lediglich darum, Erinnerungen hervorzuru-
Kopf keine Bilder entstehen, und so kann auch das Auge nicht
fen. So ist Edward III. bei Twain ein Literaturkritiker, der „das
helfen. Das funktioniert nur bei Bildern.
33
Tranchiermesser und den Tomahawk gezückt hat und einem Buch nachrennt, das er zum Frühstück verspeisen wird“.34
Twains Artikel ist mit mehreren seiner Eselsbrücken illust-
Diese Illustrationen sollten einen jedoch nicht zu der An-
riert – lustige Kombinationen verbaler und visueller Spielerei-
nahme verleiten, dass Twain das Konzept der Zeitleiste verwor-
en. Um sich die Chronologie der englischen Könige zu mer-
fen hatte. Im Gegenteil: Bei Twains System beginnt man damit,
ken, schuf er Piktogramme auf Basis von Alliterationen: die
Bilder zu entwickeln; anschließend hängt man diese in chro-
233
Die Zeit in Karten
[43 – 45] Diese Zeichnungen von Eduard I., Eduard II. und Eduard III. aus How
. hen Phase seines chronologischen Systems hatte bereits Jaz
to Make History Dates Stick von 1899 waren als Gedächtnisstütze gedacht.
winski ´ darauf hingewiesen, dass seine farbenfrohen Raster ei-
Twain schreibt: „Eduard I. ist ein Redakteur. Er versucht, an ein bestimmtes
nen wunderbaren Grundriss für einen Garten abgeben wür-
Wort zu denken. Er hat seine Füße auf einem Stuhl abgelegt, wie ein Redakteur das eben tut; dann kann er besser denken. Den hier mag ich nicht so sehr; seine Ohren sehen unterschiedlich aus; dennoch: ‚Redakteur‘ (editor) klingt wie ‚Eduard‘, und das reicht mir. Ich hätte ihn besser hinbekommen können, wenn ich ein tatsächliches Vorbild gehabt hätte, den hier habe ich
den. Und falls man keine Zeit für den Gartenbau habe, könne man einen Rasen mit Bändern abstecken, um Eroberungen, Krönungen und andere wichtige Ereignisse zu kennzeichnen. Keine von Twains Erfindungen sollte Kunst darstellen, und
aus dem Gedächtnis gezeichnet. Aber das ist gar nicht so wichtig, sie sehen
Twain selbst machte Scherze darüber, was für ein schlechter
ohnehin alle gleich aus. Sie sind eingebildet und machen nur Ärger, und sie
Zeichner er war. Wenn ihm das gelänge, so Twain, könne es
zahlen zu wenig. Eduard war der erste tatsächlich englische König auf dem Thron. Es kann gut sein, dass der Redakteur hier im Bild aussieht wie damals Eduard, als er das erfuhr. Seine ganze Haltung drückt Befriedigung und Stolz aus, gepaart mit verblüfftem Erstaunen.“
wirklich jeder. Er wollte Geschichte sichtbar, greifbar, sogar begehbar machen, damit seine Kinder sehen könnten, was sie sonst nur lasen. Dennoch findet sich bei Twain genau wie bei . Jazwinski, ´ Bem und Peabody ein überraschender Hang zur bildenden Kunst [Abb. 47]: Nicht hohe Kunst, nicht Ästhetik, aber
nologischer Reihenfolge an der Wand auf, wie Könige, die in einer Prozession
marschieren.35
Bei gutem Wetter ließe sich das
Ganze in ähnlicher Weise auch draußen umsetzen, wie Twain anregte. Er brachte seinen Töchtern bei, eine Straße oder einen Weg in gleich lange Abschnitte aufzuteilen; diese kennzeichneten sie dann als Jahre und stellten für wichtige Momente der Geschichte an den entsprechenden Stellen Pfosten auf [Abb. 46]. Twain war nicht der Einzige, der seine Kinder zu „chronologischen“ Spielen im Freien überredete. In einer frü-
234
eine Art Kunst der Tüftler, kleine kunstvolle Kritzeleien am Rand der Geschichte.
6. Von Tüftlern und Künstlern
[46] Mark Twain, Abbildung der Einfahrt zu seinem Haus, aus How to Make History Dates Stick in Harpers, 1899. Twain schlug vor, man könne eine Straße oder einen Weg in gleich lange Abschnitte aueilen, diese Abschnitte könne man dann als Jahre bezeichnen und für die wichtigen Momente der Geschichte Pfosten aufstellen. Zusammen mit seinen Töchtern hatte er das schon getan. So gelang es ihm nicht nur, sie für historische Chronologie zu begeistern, auch Twain selbst schaffte es auf diese Weise, sich die Daten dauerha einzuprägen. Er schreibt: „Wenn ich an das Commonwealth denke, dann sehe ich sofort die Gruppe kleiner Bäumchen vor mir, die wir den ‚Eichensalon‘ tauen; denke ich an Georg III., dann sehe ich ihn vor mir, wie er sich einen Hügel hinauf erstreckt, einen Teil von ihm bildet eine steinerne Treppe … Victorias Herrscha reichte auf ihrem ersten Höhepunkt fast bis zur Tür meines Arbeitszimmers. Inzwischen muss man noch fünf Meter dazuzählen; damit müsste sie bis zu einer großen Tanne reichen, in die eines Sommers ein Blitz einschlug, der eigentlich mich hatte treffen wollen.“
[47] Antoni Jażwiński, Tableau muet servant aux Exercices Chronologiques et autres de la Méthode dite Polonaise, Paris 1834.
235
Die Zeit in Karten
Kapitel 7:
Außen und Innen
236
7. Außen und Innen
[1 – 2] In Maya Lins Werk The Women’s Table von 1993, das in New Haven, Connecticut, steht, zeigt eine Spirale von Zahlen an, wie viele Frauen in jedem einzelnen Jahr seit ihrer Gründung an der Yale University eingeschrieben waren. Die Spirale beginnt mit einer ganzen Reihe von Nullen, bis die Zahlen ab den 1870er Jahren langsam wachsen. Die Spiralform soll die stetige Zunahme über die Jahre hinweg andeuten.
Die meisten Bilder sind keine Kunst … Wenn man zufällig ir-
zu den Gates of Time auf dem ehemaligen Gelände des Murrah
gendein Bild auswählt, dann ist es viel wahrscheinlicher, dass
Federal Building in Oklahoma City – Denkmäler und öffentli-
es sich dabei um ein Piktogramm, ein prähistorisches Felsbild
che Installationen bestätigen einmal mehr, welch zentrale Rol-
oder eine Börsengrafik handelt als um ein Gemälde von Degas
le Daten und Jahreszahlen in unserem kollektiven Gedächtnis
oder Rembrandt, genau wie es mehr Bakterien und Insekten
spielen.
als Löwen oder Menschen gibt … Die Vielzahl von Bildern, die
Chronologische Themen und Strukturen tauchen aber auch
als Informationsträger dienen, und ihre universelle Dispersion
in weniger konventionellen Zusammenhängen auf. Da wären
im Gegensatz zur äußerst begrenzten Sphäre der Kunst sollte
die Date Paintings des japanischen Künstlers On Kawara zu nen-
uns zu denken geben. Zumindest kann sie bedeuten, dass Aus-
nen, die mit Stift und Papier nachempfundenen Reiserouten
druckskraft, Eloquenz und Komplexität im visuellen Bereich
des belgischen Künstlers Christoph Fink, die abstrakten soma-
keine proprietären Eigenschaften der bildenden Kunst sind …
tischen Tagebücher der Künstlerin Katie Lewis aus San Fran-
James Elkins
I
cisco, die ironischen Zeitleisten der niederländischen Konzeptualistin Marjolijn Dijkman und die apokalyptischen Karten
n der Kunst scheint man heute fast überall Spuren der Chro-
des chinesischen Künstlers Huang Yong Ping [Abb. 1 – 10]. Viele
nografie zu finden. Vor allem an Denkmälern und Mahn-
solcher zeitgenössischen Werke erforschen unsere Bildsprache
malen, wo die Erinnerung an bestimme historische Fixpunk-
der Zeit und nehmen sie kritisch unter die Lupe.
te ihre ganz eigene Funktion erfüllt, sind chronologische Spu-
Natürlich gab es immer schon besonders künstlerische
ren sichtbar. Von den Werken amerikanischer Künstlerinnen
Chronografien. Von Eusebius bis Priestley und von Priestley
und Künstler wie Sheila Levrant de Brettevilles historischem
bis heute haben Wissenschaftler zahllose schöne chronografi-
„Palimpsest“ auf den Bürgersteigen von Little Tokyo in L. A.
sche Artefakte produziert. Nur wenige waren jedoch überhaupt
oder Maya Lins Serie chronologischer Monumente (zu denen
als Kunstwerke gedacht. In dieser Hinsicht teilt das chronogra-
Mahnmale für Vietnamveteranen und den Amerikanischen
fische Diagramm den Status derjenigen Bilder, die der ame-
Bürgerkrieg gehören) über die Arbeit von Designbüros bis hin
rikanische Kunsthistoriker James Elkins als „informationell“
237
Die Zeit in Karten
[3] In den vergangenen Jahren wurde die Verwendung von Chronologien in der monumentalen Kunst immer präziser. Das Oklahoma City National Memorial and Museum, das vom Architekturbüro Butzer zum Gedenken an die 168 Opfer des Bombenanschlags auf das Alfred P. Murrah Federal Building 1995 entworfen wurde, wird von zwei „Zeittoren“ eingerahmt: „Das Osttor stellt 9:01 Uhr am 19. April dar – die unversehrte Stadt vor dem Angriff. Das Westtor stellt 9:03 Uhr dar – den Moment, der unser aller Leben für immer veränderte. Aber auch die Hoffnung, die in den Momenten und Tagen nach dem Anschlag aus dem Schrecken erwuchs.“
[4 – 5] In Little Tokyo in Los Angeles hat die Künstlerin Sheila Levrant de Bretteville im Bürgersteig Chronologien angelegt. Ihr Werk Omoide no Shotokyo („Gedenken an das alte Klein-Tokio“) von 1996 zeigt an den Eingängen von Geschäen und Wohnungen an der Hauptstraße des alten japanisch-amerikanischen Viertels Listen mit Daten, Ereignissen und Bewohnern, wie ein Palimpsest.
238
7. Außen und Innen
oder „utilitaristisch“ bezeichnet – Graphen, Diagramme, Land-
[6] Durch Arbeiten wie den Atlas of Movements von 2001 – eine Art mit Bleisti,
karten, geometrische Figuren, Notenblätter, Grundrisse, tech-
Papier und Schere angefertigtes Flussdiagramm – gibt der belgische Künstler
nische Zeichnungen, Schemata usw.1 Bis vor Kurzem war die Chronografie im Wesentlichen eine Domäne des Gelehrten, des Technikers, des Amateurs und des Visionärs – des Historikers, der kein Künstler war, des Designers,
Christoph Fink der Landschaskunst eine neue Richtung. Finks grafische Improvisationen – von Papierkarten über Keramikskulpturen bis hin zu Drahtgestellen – sind Projektionen seiner minutiös aufgezeichneten Reisen rund um die Welt. Seine geografischen Darstellungen sind ebenso präzise wie flüchtig: In seinem Universum existiert kein Ort außerhalb der Zeit.
der kein Historiker war, oder auch des Propheten, der nichts von dem war, sich aber trotzdem dieses grafischen Werkzeugs bediente, zu welchem Zweck auch immer. Aus diesen Konstellationen heraus sind bis zum 20. Jahrhundert die meisten visuell besonders interessanten Chronografien entstanden: Lorenz Fausts Statue Daniels, Christoph Weigels Discus chronologicus, das historische Diagramm für John Dickinson, Eliza Spaldings Protestantische Leiter oder auch die mit hübschen bunten Pixeln versehenen Raster von Elizabeth Palmer Peabody.
239
Die Zeit in Karten
[7 – 8] Das Kunstwerk 201 Days der Amerikanerin Katie Lewis von 2007 repräsentiert verschiedene Lagen von Empfindungen. Es zeigt eine abstrakte Karte des menschlichen Körpers; die datierten Nadelstiche stellen bestimmte aufgetretene Empfindungen dar; Synchronismen sind mit roten Schnüren verbunden. Von oben gesehen ist das Ergebnis ein Protokoll räumlicher Dichte, von der Seite eine Stratigrafie einzelner Momente.
240
7. Außen und Innen
241
Die Zeit in Karten
242
7. Außen und Innen
[9] Marjolijn Dijkmans Wandering through the Future von 2007 erschien zugleich als Video und als Zeitleiste filmischer Zukunsvisionen. Die genannten Filme sind nicht in der Reihenfolge ihrer Produktion festgehalten, sondern nach dem zukünigen Jahr ihres gedachten Settings.
243
Die Zeit in Karten
[10] Die Themen Zeit, Zufall und Schicksal tauchen in den Arbeiten des chine-
cken mit der Eisenbahn zurücklegen musste, hatte er stets ein
sischen Künstlers Huang Yong Ping immer wieder auf. Seine Carte du Monde
Geschichtsbuch und einen leeren Notizblock dabei; während
(2000 – 2007) zeigt eine Chronologie datierter Katastrophen der Zukun auf
seiner Dienstreisen füllte er dann seinen Block mit Namen und
einem auseinandergenommenen Globus.
Daten. Wenn er heimkehrte, schnitt er seine Notizen in Streifen und klebte sie auf ein riesiges Diagramm, das er zunächst jedoch lediglich als Übersicht für sich selbst anfertigte.3
Tatsächlich stammen viele besonders interessant gestalte-
Als man ihn später bat zu erklären, warum er diesen Auf-
te Zeittafeln von Amateuren, die weder in der Wissenschaft
wand betreibe, nannte Sparks die Philosophen Alfred North
der Chronologie geschult noch ausgebildete Künstler waren
Whitehead und Herbert Spencer als maßgeblichen Einfluss. 4
[Abb. 11 – 12]. Da gibt es beispielsweise die wunderschöne His-
Von Whitehead habe er gelernt, dass sich grafische Methoden
tomap, die der Verlag Rand McNally 1931 herausbrachte und
besonders gut zur Integration von quantitativen und qualitati-
die über 50 Jahre lang ein Bestseller
blieb.2
Dabei war ihr Ur-
ven Studien eigneten, und von Spencer übernahm er das Cre-
heber John Sparks alles andere als ein Historiker: In der Zeit
do, dass das moderne Leben den Menschen immer größere
zwischen den Weltkriegen leitete er den amerikanischen Zweig
Anstrengungen abverlange, seine Informationen zu ordnen.
des Schweizer Nestlé-Konzerns. Aber er interessierte sich sehr
„Wenn das Wissen eines Menschen keine Ordnung hat“, so
für Geschichte. Da er wegen seiner Arbeit häufig weite Stre-
Spencer, „verwirren sich seine Gedanken immer mehr, je mehr
244
7. Außen und Innen
Wissen er anhäuft.“5 Die Vorstellung, dass überhaupt jemand
nur ein einziges Blatt aus Browns gewaltiger Serie jemals ver-
außer ihm Interesse an seinem hausgemachten Diagramm ha-
öffentlicht worden zu sein, die Nummer 9, die das 19. Jahrhun-
ben könnte, überraschte niemanden mehr als ihn selbst – und
dert umfasste. Zumindest ist dies das einzige Diagramm, das
Gleiches gilt für die überwältigende visuelle Wirkung der Fas-
sich heute noch in einer US-amerikanischen Bibliothek findet
sung, die er schließlich veröffentlichen ließ. Als Sparks auf den
[Abb. 13]. Bei Brown kommt alles zusammen: wissenschaftliche
Geschmack gekommen war, bastelte er Zeit seines Lebens im-
Ambition, amateurhafte Betätigung, innovative, von einem
mer wieder neue Diagramme zu anderen Themen. Zwei davon
Nicht-Grafiker entwickelte Grafiken und eine große (wenn
kamen ebenfalls in den Handel: eine Histomap of Religion und
auch nicht vollständig in die Tat umgesetzte) Faszination für
eine besonders ehrgeizige Histomap of Evolution: Earth, Life and
das Enzyklopädische. Das Zeitdiagramm fand seinen Ahab, sei-
Mankind for Ten Thousand Million
Years.6
nen Eiffel und seinen Ogden Nash – alle in einer Person.
In den 1930er Jahren erfasste der Diagramm-Virus auch
In den 1930er Jahren eroberte die Chronologie langsam
den selbsternannten „hervorragenden Historiker“ Carle-
aber sicher das Territorium der bildenden Kunst. Im Jahr 1936
ton Brown. Unter der Schirmherrschaft des History Institute
veröffentlichte Alfred H. Barr Jr., der Gründungsdirektor des
of America (das damals gerade einen aufwendigen farbigen
New Yorker Museum of Modern Art (MoMA), sein einflussrei-
Nachdruck des 1840 erschienenen Buches Birds of America des
ches Buch Cubism and Abstract Art, das Begleitbuch zur gleich-
Naturforschers John James Audubon herausbrachte) begann
namigen Ausstellung [Abb. 14].7 Die Ausstellung war in vie-
Brown eine Serie geradezu gigantischen Ausmaßes: eine zu-
lerlei Hinsicht außergewöhnlich: Zum ersten Mal wurden vie-
sammenhängende Reihe chronografischer Diagramme, die die
le bahnbrechende Werke der modernen Kunst in den USA
gesamte Weltgeschichte darstellen sollten und den Titel History
ausgestellt; die Ausstellung zeigte die wichtige Rolle, die der
on Parade trugen. Die komplette Serie sollte über 30 Meter lang
Kubismus in der Entwicklung der modernen Kunst spielte;
und eineinhalb Meter hoch werden. Wäre sie tatsächlich voll-
und sie ebnete den Weg für eine ganze Reihe weiterer Aus-
endet worden, hätte sie selbst Jacques Barbeu-Dubourgs Chro-
stellungen über verschiedene Aspekte der modernen Kunst,
nographie universelle in den Schatten gestellt. Tatsächlich scheint
die entscheidend für die konzeptionelle Richtung waren, die
245
Die Zeit in Karten
[11 – 12] John Sparks, The
das MoMA einschlagen sollte. Darüber hinaus war es die ers-
Histomap, New York 1931.
te US-amerikanische Ausstellung überhaupt, die einen umfassenden Überblick über die europäische Moderne in einem bewusst historischen Kontext bot. Sie stellte einen echten Wendepunkt dar – nicht nur in der Geschichte der bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts, sondern auch in der Historiografie. Dies wird nirgends deutlicher als in einem Diagramm, das mit sparsamen und stilisierten grafischen Mitteln die Vernetzung der modernen Kunstrichtungen darstellte, die die Ausstellung präsentierte. Später zierte es auch den Umschlag von Barrs Buch. Auf dem Diagramm nimmt der Kubismus in der Umbruchphase der Kunstgeschichte einen zentralen Platz ein. Darüber finden sich die Namen wichtiger Künstler des 19. Jahrhunderts wie Redon, van Gogh, Gauguin, Cézanne, Seurat und Rousseau, deren Werke nach Barrs Dafürhalten den Kubismus und die ihm zugeordneten Bewegungen am meisten beeinflusst hatten. Barrs Liniennetz ist nicht ganz einfach zu überblicken – überall findet sich eine Spannung zwischen geometrischen und organischen Tendenzen, wie sie für die Moderne geradezu konstitutiv ist. Auf jeden Fall unterstreicht seine Grafik die Wichtigkeit einer historischen Interpretation der modernen Kunst und insbesondere eines chronologischen Verständnisses ihrer einzelnen Phasen.
7. Außen und Innen
247
Die Zeit in Karten
[13] Carleton Brown, Diagramm und Gedicht aus History on Parade, Blatt 9, New York 1936. Manchmal übersteigen die Ambitionen eines Chronografen die Zweckmäßigkeit seiner Arbeit. Wäre er in der Lage gewesen, sein Werk fertigzustellen, hätte Carleton Browns History on Parade selbst die über 16 Meter lange Chronographie universelle von Jacques Barbeu-Dubourg in den Schatten gestellt. Auf der Rückseite des einzigen erhaltenen Blattes der Serie findet sich ein Gedicht, das zugleich den Ehrgeiz als auch die Torheit dieses von der Chronografie besessenen Mannes zum Ausdruck bringt.
248
7. Außen und Innen
Gelassen sah ich, was Menschen taten,
Kein Kritiker stehe mir dabei im Weg
Die berühmten Männer und das, was sie taten?
Damals, zur See und zu Land;
Mit Maulen und Wortklauberei,
Hier steht alles so, wie es war.
Mit farbigen Graphen zeichne ich nun die
Dagegen ist mein Werk wahrlich gefeit,
Betrachte nun diese „Geschichtsparade“
Geschichte nach, von Rand zu Rand.
Ich verachte der Kritiker Schrei.
Und erfahre, was wann geschah.
Ich folge dabei keinem Vorurteil,
Sechs Jahre an Arbeit stecken darin,
Nur Tatsachen stelle ich dar;
Viel Forschung und Querverweise.
Sti und Pinsel dienen mir dabei
Mein Freund, ich saß o bis spät in die Nacht
Für Kontraste, dort wo ich sie sah.
Bis zum Ende meiner großen Reise.
249
Die Zeit in Karten
[14] Das von Alfred H. Barr Jr. gestaltete Deckblatt des Begleitbands zur Ausstellung Cubism and Abstract Art, New York, The Museum of Modern Art, 1936. Offsetdruck in Farbe, 7 ¾ × 10 ¼ Zoll. Alfred H. Barr, Jr. Papers, 3.c.4. The Museum of Modern Art Archives, New York (MA208). Standort: The Museum of Modern Art, New York, NY, USA. Foto: digitales Bild © The Museum of Modern Art/lizenziert durch SCALA/Art Resource, NY. Bildnummer: ART164117.
Barr befasste sich auch in anderen Arbeiten mit den Beziehungen zwischen visuellen Formen in Kunst und Geschichte. In den 1930er und 1940er Jahren verwendete er in internen Memos, in denen es um die Strategie des Museums beim Ankauf von Kunstwerken ging, eine neue Art von Zeitdiagramm.
Kunst. Indem er in seinem Diagramm genealogische und chro-
Dabei stellte er die Sammlung des MoMA als Torpedo dar, der
nologische Elemente miteinander kombinierte, verwies Barr
sich durch die Zeit bewegt (komplett mit Propeller) [Abb. 15].
obendrein auf die Spannung zwischen den organischen und
Barr war der Ansicht, dass sich die Grenzen moderner Kunst in
den geometrischen Aspekten der Kunst, die im Zentrum der
Zukunft allmählich erweitern würden; diverse Kunstwerke, die
Kubismus-Ausstellung standen.
in ihrem Kielwasser entstanden und dem Metropolitan Muse-
Schon vor Barr hatten mehrere Künstler versucht, das
um of Art gestiftet würden, könnten dann einen Platz in einer
künstlerische Potenzial kunstgeschichtlicher Diagramme aus-
umfassenden Geschichte der Kunst finden. So skizzenhaft sie
zuloten. In den 1910er Jahren experimentierte der franzö-
auch aussehen mögen, sind die „Torpedo-Diagramme“ doch
sisch-kubanische Künstler Francis Picabia, der damals Heraus-
nicht weniger stilisiert als der Umschlag für Cubism and Abstract
geber der dadaistischen Zeitschrift 391 war und sich schon bald
Art und auch nicht weniger aussagekräftig, was die kohärente
dem Surrealismus zuwenden sollte, mit der Bildsprache techni-
und zielgerichtete Entwicklung der modernen Kunst betrifft.
scher Diagramme. Hier und da übernahm Picabia Elemente di-
In gewissem Sinne unterschieden sich Barrs Diagramme gar
rekt aus technischen Illustrationen in Zeitschriften und Hand-
nicht so sehr von denen, die er in den 1920er Jahren in sei-
büchern. Mitunter fertigte er aber auch seine eigenen spieleri-
nen Kunstgeschichtsseminaren in Princeton und Harvard ange-
schen Zeichnungen an, wie eine im Jahr 1919 in der Zeitschrift
fertigt hatte. Dennoch glich die Übertragung dieser vertrauten
Dada veröffentlichte Übersicht zur modernen Kunst [Abb. 16].
Techniken auf das MoMA einer Provokation: Indem er bereits
Diese Arbeit ist kein exaktes chronografisches Diagramm: Sie
die Zeitleiste als eine Art modernistisches Artefakt präsentier-
zeigt thematische und assoziative Beziehungen, verzichtet da-
te, schlug Barr eine neue Brücke zwischen Wissenschaft und
bei aber auf eine regelmäßige Skalierung. Dennoch bedient
250
7. Außen und Innen
[16] Francis Picabia, Diagramm aus Dada, 1919, ohne Titel.
[15] Alfred Barr Jr., „Torpedo-Diagramme“ der idealen ständigen Sammlung des Museum of Modern Art, im Jahr 1933 (oben) und im Jahr 1941 (unten), 1941 erstellt für den Advisory Committee Report on Museum Collections. Alfred H. Barr, Jr. Papers, 9a.15. The Museum of Modern Art Archives, New York (MA70). Standort: The Museum of Modern Art, New York, NY, USA. Foto: digitales Bild © The Museum of Modern Art/ lizenziert durch SCALA/Art Resource, NY. Bildnummer: ART166227.
251
Die Zeit in Karten
[17] Paul Ligeti, Wellendiagramm der Kunstgeschichte aus Der Weg aus dem Chaos. Eine Deutung des Weltgeschehens aus dem Rhythmus der Kunstentwicklung, München 1931.
sich Picabia bei seiner Auswahl grafischer Elemente und der
die Dadaisten leidenschaftlich diskutiert hatten. In der Kunst-
Anordnung der Namen ganz selbstbewusst der gewohnten
szene der 1930er und 1940er Jahre tauchten chronografische
chronografischen Bildsprache. Die dargestellten Zusammen-
Diagramme in zahlreichen populären und wissenschaftlichen
hänge sind durchaus chronologisch: Ganz unten steht die frü-
Zusammenhängen auf [Abb. 17 – 19]. In seinem 1931 erschiene-
heste Gruppe, zu der Ingres, Corot, Cézanne und Rodin gehö-
nen Buch Der Weg aus dem Chaos: Eine Deutung des Weltgeschehens
ren, und ganz oben die neuesten Künstler wie Braque, Arp,
aus dem Rhythmus der Kunstentwicklung illustrierte der deutsche
Duchamp und Tzara; Letztere sind kreisförmig um ein Ziffer-
Kunsthistoriker Paul Ligeti seine zyklische Theorie der Kunst-
blatt herum angeordnet und wirken dadurch wie Komponen-
geschichte in Form einer Serie von Wellendiagrammen.8 Eric
ten eines Weckers oder einer Zeitbombe. Das Bild setzt voraus,
Newtons kleines Taschenbuch European Painting and Sculp-
dass der Betrachter die impliziten Beziehungen der Künstler
ture, das 1941 bei Penguin erschien und während des Zweiten
zueinander erkennt und so selbst eine Chronografie in die Gra-
Weltkrieges an die amerikanischen Streitkräfte verteilt wurde,
fik projiziert. Insofern steht in Picabias Bild die chronologische
enthielt einen wunderschön gezeichneten stilisierten Stamm-
Geste noch ziemlich im Hintergrund – es sollte noch mehrere
baum im Stil der Infografiken von Charles Joseph Minard.9
Jahrzehnte dauern, bis Künstler die Chronologie verstärkt zum
Künstlerische Bedeutung zeigte Newton dabei durch die Grö-
Thema ihrer Werke machten.
ße der einzelnen Elemente an: Wichtige Künstler sind als gro-
Zurück zu Barr: Seine Grafik von 1936 war ebenso einfluss-
ße Kreise dargestellt, weniger wichtige Künstler als kleine. Im
reich wie symptomatisch; sie brachte die wachsende Bedeu-
Katalog einer Ausstellung abstrakter geometrischer Kunst mit
tung der Kunstgeschichte und der kuratorischen Praxis für das
dem Titel Réalités Nouvelles, die 1948 in Frankreich stattfand,
Selbstverständnis der modernen Kunst zum Ausdruck. Indirekt
wurde ebenfalls ein Zeitdiagramm dargestellt – eine Art Hom-
verwies sie auf die Beziehung zwischen Kunst und grafischem
mage an Barr, aber im Stil der Kunstrichtung gezeichnet, deren
Design, die für das Projekt MoMA von zentraler Bedeutung
Geschichte die Ausstellung präsentierte.10
war. Und sie warf einmal mehr die Frage auf, wo die Grenze
Chronografische Diagramme nahmen in der Kunstwelt der
zwischen Kunst und Nicht-Kunst lag – eine Frage, die vor allem
1940er Jahre einen so hohen Stellenwert ein, dass sie auch vie-
252
7. Außen und Innen
[18] Eric Newton, Diagramm der Kunstgeschichte aus European Painting and Sculpture, Harmondsworth 1941.
[19] Namenloses Diagramm der Evolution der abstrakten Kunst, in Réalités Nouvelles (Paris) Nr. 2, 1948, hrsg. von A. Frédo Sidès.
253
Die Zeit in Karten
[20] Isidore Isou, L’ evolution de la sensibilite technique dans la poesie („die Evolution der technischen Sensibilität in der Dichtung“) aus Introduction à une nouvelle poésie et à une nouvelle musique, Paris 1947.
[21] Die sechste Folge der Cartoon-Serie How to Look des abstrakt-expressionistischen Malers Ad Reinhardt, die 1946/47 in der Zeitung PM erschien. Viele von Reinhardts Cartoons enthielten Persiflagen von Infografiken, ein Beispiel ist die Genealogie in How to Look at Modern Art. In seiner Serie verwendete er viele lineare Zeitleisten, wie hier in Reinhardts Darstellung der Geschichte von Realismus und Abstraktion. © 2008 Nachlass Ad Reinhardt/Artists Rights Society (ARS), New York. Bild mit freundlicher Genehmigung der Ad Reinhardt Foundation.
le subversive Künstler und Satiriker anregte [Abb. 20 – 21]. Das
kanntestes Diagramm zeigt einen „Baum der Kunst“ mit Barrs
berühmteste Exponat dieser Richtung ist die Cartoon-Serie How
Namen und Kategorien darauf, der unter dem Eigengewicht
to Look at Modern Art, die der abstrakt-expressionistische Maler
schlechter Ideen und unfähiger Mäzene seine Blätter und Zwei-
Ad Reinhardt 1946 und 1947 herausbrachte. In seinen Cartoons
ge verliert. Auch wenn bislang wenig darauf hingewiesen wur-
gelang es Reinhardt, Barrs Genealogie moderner Kunst zugleich
de, sind lineare Zeitleisten in der ganzen Serie allgegenwärtig, so
zu bestätigen und sie der Lächerlichkeit preiszugeben. Sein be-
auch in einem Cartoon Reinhardts von 1946, der einfach How
254
7. Außen und Innen
[22] Raymond Loewy, Evolutionsdiagramme, ca. 1933. Loewys Diagramme
[23] Marcel Breuer, Ein Bauhaus-Film: Fünf Jahre lang, Bauhaus, 1926.
zeigen historische Entwicklungen in vielen verschiedenen Bereichen des Industrie-Designs auf – beim Telefon, Auto, Kleid, Haus, Schiff oder Schuh, bei der Uhr, beim Weinglas und beim Stuhl sowie erstaunlicherweise auch beim weiblichen Körper, der in seiner Darstellung zunächst vollschlank ist und dann immer dünner wird, bis er irgendwann komplett verschwindet.
Grenzen, die hätten verschwimmen können [Abb. 22 – 23]. Im Jahr 1936 veröffentlichte der einflussreiche amerikanische Industriedesigner Raymond Loewy die erste seiner zahlreichen Darstellungen der Evolution des Designs. Wie Isou porträtierte Loewy die einzelnen Entwicklungen stets als Bewegung, in
to Look heißt und sich mit der Geschichte des Realismus und der
der alles auf seinen eigenen Stil hinauslief – den stromlinienför-
Abstraktion beschäftigt. Im Jahr 1947 veröffentlichte der Dich-
migen Art-déco-Look, wie man ihn in vielen seiner Produkte
ter Isidore Isou, der Begründer des Lettrismus, seine Introduction
findet, sei es in dem Kühlschrank Sears Coldspot (1935), der
à une nouvelle poésie et à une nouvelle musique („Einführung in eine
Dampflok S1 (1939) oder der Limousine Studebaker Champion
neue Lyrik und eine neue Musik“), die mehrere chronografische
(1947). Viele seiner Diagramme waren zwar nicht ganz ernst
Diagramme zur Geschichte der modernen Lyrik
enthielt.11
Im
gemeint, dennoch gelang es Loewy, die Bedeutung seines ei-
Gegensatz zum eher nüchternen Historismus so vieler Chrono-
genen designerischen Werkes zu demonstrieren. Die Diagram-
grafien waren Isous Diagramme nicht weniger als Manifeste: Sie
me zeigten nicht nur seine Entwürfe, sondern verkörperten sie
stellten eine ganz spezielle Lesart der historischen Entwicklung
geradezu. Diese spezielle Art des Selbstbewusstseins fand man
der Dichtung dar, in der alles in Isous eigener Buchstabendich-
nicht nur im populären Industriedesign: Bereits 1926 hatte der
tung mündete und sich erst nach ihm wieder verzweigte.
Bauhaus-Architekt Marcel Breuer eine Chronologie der Desig-
Picabia, Isou und Reinhardt sorgten dafür, dass die Grenzen
ngeschichte veröffentlicht, die eine ganz ähnliche Pointe hat-
zwischen Diagramm und Kunst verschwommen. Für die Gra-
te: In einer Illustration, die in der allerersten Ausgabe der Zeit-
fikdesigner der damaligen Zeit indes gab es da ohnehin keine
schrift bauhaus erschien, präsentierte Breuer die Entwicklung
255
Die Zeit in Karten
[24] Taschenuhr von Kengo Nikawa, die zum Zeitpunkt der Atomexplosion über Hiroshima am 6. August 1945 um 8.15 Uhr stehen blieb.
[25] Die Atomkriegsuhr auf den Titelseiten des Bulletin of the Atomic Scientists, 1947 – 2007.
256
7. Außen und Innen
des Bauhaus-Designs über fünf Jahre als Reihe datierter Bilder,
ein neues Interesse an bestimmten Visionen der Zeit, wie der
auf denen die Form des abgebildeten Stuhls immer einfacher
berühmten Atomkriegsuhr des Bulletin of the Atomic Scientists:
wird, bis es sich jemand im letzten Bild an einer unsichtbaren
Hier wurde ein uraltes apokalyptisches Symbol wieder zum Le-
Rückenlehne bequem macht.
ben erweckt. Doch diesmal fand es seinen ganz realen Wider-
Überhaupt fand im kulturellen Bereich in den 1940er und
hall in Uhren, die durch die Explosion von Atombomben ste-
1950er Jahren ein wahrer Boom der Zeittafeln statt. Wie in
hengeblieben waren [Abb. 24 – 25]. Aber nicht überall ging es
den Jahrhunderten zuvor inspirierte die Verbindung aus tech-
um Angst und Zerstörung. Für Technologie-Utopisten wie R.
nologischer Entwicklung und Angst vor dem Weltuntergang
Buckminster Fuller hatte das chronografische Diagramm einen
257
Die Zeit in Karten
[26] R. Buckminster Fuller, Profile of the Industrial Revolution as Exposed by the Chronological Rate of Acquisition of the Basic Inventory of Cosmic Absolutes, 1943.
[27] R. Buckminster Fuller, Shrinking of our Planet by Man’s Increased Travel and Communication Speeds Around the Globe, 1963.
258
7. Außen und Innen
[28] Gordon Moore, Integrierte Schaltkreise beinhalten immer mehr Komponenten, in Electronics, 1965.
[29] Ray Kurzweil, Countdown zur Singularität, in Logarithmic, 2007.
ikonischen Charakter und wurde zum attraktiven technischen
Im ausgehenden 20. Jahrhundert änderte sich der visuelle
Ausdrucksmittel für den Fortschritt [Abb. 26 – 27]. 1943 veröf-
Kontext. Nun konnte selbst ein rein technisches Diagramm zur
fentlichte Fuller ein besonders schönes Exemplar, in dem er
Ikone zu werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist eine im April
klassische Gestaltungselemente von Joseph Priestley und Wil-
1965 von Gordon Moore, dem Gründer der Intel Corporation,
liam Playfair aufgriff, um zu zeigen, dass sich die Welt am Ran-
im Magazin Electronics veröffentlichte Grafik [Abb. 28]. Eigent-
de einer technologischen Revolution befand, die Armut und
lich ist es ein relativ unauffälliges Liniendiagramm, das die ex-
Kriegen ein Ende setzen würde. In dem Diagramm, das den Ti-
ponentielle Prozessorengeschwindigkeit von Computern für die
tel Profile of the Industrial Revolution as Exposed by the Chronological
nähere Zukunft prognostiziert. Auch wenn er sie später noch ein
Rate of Acquisition of the Basic Inventory of Cosmic Absolutes – The 92
wenig modifizierte, erwies sich Moores Vorhersage als so zutref-
Elements trug, versuchte Fuller wissenschaftliche Entdeckungen
fend, dass man sie zu diesem Zeitpunkt bereits als „Mooresches
mit sozialem Wandel zu korrelieren. Fuller beobachtete, dass
Gesetz“ bezeichnete.12 Moores Erfolg inspirierte weitere ähnli-
sich Wissenschaft und Technologie immer schneller veränder-
che Grafiken, wie Ray Kurzweils Diagramme der anstehenden
ten, und er postulierte, dass dies ein sich selbst verstärkender
„Singularität“, einem technologischen Quantensprung, der „so
Prozess sei. Außerdem war er der festen Überzeugung, dass der
schnell und tiefgreifend ist, dass er einen Bruch in der Struk-
technische Fortschritt auch soziale Umwälzungen möglich ma-
tur der menschlichen Geschichte darstellt“ [Abb. 29].13 Was die
chen würde. Nach Fullers ursprünglichem Entwurf würde es
Richtigkeit ihrer Prognosen angeht, so lag Fuller (zumindest bis-
in Wissenschaft und Gesellschaft eine historische Schwelle ge-
lang) leider falsch; Moore hatte bisher vollkommen recht, und
ben: einen Punkt, an dem die „Kraft des Lebens“ die „Kraft der
bei Kurzweil lässt das Endergebnis noch auf sich warten. Was
Waffen“ übertreffen würde. Das sollte um 1970 der Fall sein.
ihre grafischen Darstellungen angeht, haben alle drei Bemer-
In den 1960er Jahren jedoch sah sich Fuller gezwungen, diese
kenswertes geleistet. Jedes ihrer Diagramme zeigt die Kraft der
Schwelle auf das Jahr 2000 zu verschieben – eine Geste, die an
exponentiellen Kurve zur Abbildung historischen Wandels und
die Millenaristen früherer Jahrhunderte erinnert. Man kann
ist für sich genommen eine ausdrucksstarke Weiterentwicklung
nur spekulieren, wo er sie heute ansetzen würde.
der intuitiven Grafiken von Priestley und Playfair.
259
Die Zeit in Karten
[31] George Maciunas, Diagramm der russischen Geschichte (Manuskript), Anfang der 1950er Jahre. Mit freundlicher Genehmigung der Gilbert und Lila Silverman Fluxus Collection, Detroit. Foto: Herman Seidl/Salzburg in Zusammenarbeit mit Astrit Schmidt-Burkhardt.
[30] George Maciunas, Fluxus (Its Historical Development and Relationship to Avant Garde Movements), ca. 1966. Mit freundlicher Genehmigung der Gilbert und Lila Silverman Fluxus Collection, Detroit. Foto: Herman Seidl/Salzburg in Zusammenarbeit mit Astrit Schmidt-Burkhardt.
260
7. Außen und Innen
[32] Arthus C. Caspari verliest George Maciunas’ Manifest, während Nam June Paik Maciunas Diagramm entfaltet, Wuppertal 1962. Mit freundlicher Genehmigung der Gilbert und Lila Silverman Fluxus Collection, Detroit. Foto: Rolf Jahrling.
Mitte der 1960er Jahre, mit den Arbeiten des Fluxus-Künstlers George Maciunas hielt das Zeitdiagramm endgültig Einzug in die bildende
Kunst.14
und seinen Zeitgenossen stellte das Diagramm für Maciunas eine ganz eigene künstlerische Disziplin dar.
Maciunas war vieles – Theoretiker,
Maciunas veröffentlichte das erste dieser chronografischen
Provokateur, Performancekünstler, Impresario. Und eine sei-
Diagramme, Fluxus (Its Historical Development and Relationship to
ner großen Leidenschaften war das Anfertigen von Diagram-
Avant Garde Movements), 1966 in einer tschechischen Kunst-
men [Abb. 30 – 32]. Dabei bereitete er sich, was die historischen
zeitschrift.15 Es folgten rund ein Dutzend verschiedener Dia-
Hintergründe betraf, minutiös vor. Genau wie Barr fertigte er
gramme, die in Zeitschriften publiziert, per Hand verteilt und
seine ersten Chronografien im Geschichtsunterricht an. Die-
als Einzelblätter verkauft wurden; vor allem aber waren sie
se frühen mit Stift und Papier angefertigten Collagen dienten
in „Fluxkits“ enthalten – Maciunas Päckchen mit Sammlungen
ihm nicht nur als Lernhilfe, sie eröffneten Maciunas auch ganz
gefundener und angefertigter Objekte.16 Natürlich ist das Gan-
neue Sichtweisen. Im Laufe der Zeit heftete er so immer mehr
ze voll von Ironie. Fluxus bewarb sich selbst als Nicht-Bewe-
Notizen zusammen.
gung, bei der die Grenze zwischen Kunst und realem Leben
Anfang der 1960er Jahre begann Maciunas, das Konzept
verschwamm. Dennoch verwendete Maciunas in seinen Dia-
auszuformulieren, das hinter Fluxus steckte; dazu kehrte er
grammen konsequent Barrs Prinzipien der Unterscheidung und
zum Diagramm zurück. 1962 fertigte er ein beeindruckendes
Abgrenzung. In diesem Zusammenhang argumentierte Maci-
Analysediagramm der Zeit- und Raum-basierten Kunst an, das
unas, gerade weil Fluxus eine Nicht-Bewegung zwischen Kunst
sein Künstlerkollege Nam June Paik auf spektakuläre Weise
und Nicht-Kunst sei, sei es besonders wichtig, sich klarzuma-
enthüllte, während Maciunas’ neodadaistisches Manifest ver-
chen, wo die Grenze liege. Die Fluxus-Diagramme waren ein
lesen wurde. Die Grundstruktur der Zeittafeln, die Maciunas
gutes Beispiel für die kuriosen (Nicht-)Kunstobjekte, die die
in den folgenden Jahren produzierte, ist altbekannt. Auf Basis
Fluxus-Künstler produzierten. Gleichzeitig aber veranschau-
einer chronologischen Matrix zeigen sie die einander kreuzen-
lichten sie – genau wie parallel entstehende Werke von Grafi-
den Strömungen und die wechselseitigen Einflüsse zwischen
kern wie Stefan Themerson und Gruppen wie Ant Farm – den
Künstlern und Kunstrichtungen. Aber im Gegensatz zu Barr
bemerkenswerten neuen grafischen Kontext, innerhalb dessen
261
Die Zeit in Karten
[33] John Cage, Notenblatt für Imaginary Landscape, No. 5, 1952. Music Division, The New York Public Library for the Performing Arts; Stiungen Astor, Lenox und Tilden. Mit freundlicher Genehmigung der Henmar Press.
[34] Seite 4 und 5 von Kurt Schwitters auf einer Zeittafel von Stefan Themerson, zuerst veröffentlicht in Typographica, Nr. 16, 1967.
262
7. Außen und Innen
[35] In Shapolsky et al., Manhattan Real Estate Holdings, a Real Time Social System, as of May 1, 1971 stellte der Künstler Hans Haacke mithilfe von Illustrationen, Texten und Diagrammen die komplexen rechtlichen und finanziellen Transaktionen einer großen Immobiliengesellscha aus Manhattan und ihrer vielen Unterfirmen dar. Die Installation war eigentlich für eine Ausstellung im Guggenheim Museum in New York im Jahr 1971 gedacht, wurde aber im Zuge der Kontroverse über ihren politischen Inhalt wieder abgesagt. © 2008 Artists Rights Society (ARS), New York/VG Bild-Kunst, Bonn.
man nun endlich die Werke eines Eusebius oder Priestley in äs-
notieren: Bei Imaginary Landscape, No. 5 spielt jemand genau
thetischer Hinsicht zu verstehen lernte.
festgelegte kurze Ausschnitte aus 42 verschiedenen Schallplat-
Sowohl die konzeptionelle als auch die zeitbasierte Kunst
ten-Aufnahmen ab, das Schema dazu ist genauso aufgebaut
besaßen ein enormes chronografisches Potenzial, und in den
wie Joseph Priestleys Chart of Biography.17 Im gesamten musika-
1950er und 1960er Jahren versuchten Künstler wie der Kom-
lischen Oeuvre von John Cage finden sich Anklänge an Priest-
ponist John Cage, dieses Potenzial von ganz verschiedenen Sei-
ley – immer dort, wo es um Längen, Synchronitäten, Muster
ten aus zu beleuchten [Abb. 33 – 34]. Ein Großteil von Cages
und Zufälle geht.
Arbeit aus dieser Zeit befasst sich direkt mit Fragen der Zeit.
Im Laufe der folgenden 20 Jahre verwendeten viele poli-
Seine berühmte Komposition mit dem Titel 4’33” von 1952 be-
tisch engagierte Künstler Zeitdiagramme nach Art der Histo-
stand darin, dass die Musiker für einen Zeitraum von vier Mi-
riker und Soziologen, so zum Beispiel in einer Serie von Dia-
nuten und 33 Sekunden ihre Instrumente nicht spielten. Die
grammen von Hans Haacke, die unter dem Titel Shapolsky et
Partitur für 4’33” besteht lediglich aus schriftlichen Anweisun-
al., Manhattan Real Estate Holdings, a Real Time Social System, as
gen. Andere Partituren von Cage hatten in grafischer Hinsicht
of May 1, 1971 fragwürdige Immobilientransaktionen in den
mehr zu bieten. Noch im selben Jahr griff er ein traditionelles
Slums von New York City zeigen [Abb. 35]. In grafischer Hin-
chronografisches Format auf, um eine weitere Komposition zu
sicht sind Haackes Diagramme sehr einfach aufgebaut: Datierte
263
Die Zeit in Karten
[36] On Kawara, One Thousand Days One Million Years, Installation im Dia Center for the Arts, 1. Januar bis 31. Dezember 1993. Foto: Cathy Carver. Mit freundlicher Genehmigung der Dia Art Foundation.
Linien markieren scheinbar unabhängige Vorgänge, bei denen
Echtzeit – also Film oder Chronofotografie – stellt, gleichsam ad
Immobilien von einem Unternehmen zum anderen transferiert
absurdum zu führen. Im Gegensatz zur hohen Geschwindig-
werden. Zusammen betrachtet ergeben diese Linien ein gera-
keit beispielsweise des Films, die eine Annäherung an die ei-
dezu kunstvoll miteinander verwobenes Gitter einer einzigen
gene Wahrnehmung mit sich bringt, verlangsamt Kawara den
großen Finanzgesellschaft, die sich möglichst viele Grundstü-
Prozess und nähert sich stattdessen dem Rhythmus gedruckter
cke in Manhattan einverleiben will. Haackes Projekt sollte aus
Medien an, zum Beispiel des Kalenders oder der Tageszeitung.
dem Museum ein Forum für politische Aktivisten machen. Es
Kawaras Arbeit bestätigt dadurch nicht nur den zeitlichen Cha-
war eine Provokation, sowohl was die politischen Implikatio-
rakter der Malerei, sondern unterstreicht zugleich, wie wichtig
nen betraf, als auch seine Form: Seine Ausstellung im Guggenheim-Museum wurde abgesagt, was wiederum zu zahlreichen Diskussionen und Protesten führte. Der japanische Künstler On Kawara suchte einen ganz anderen Ansatz zur Chronografie: Er schaffte „Echtzeit-Gemälde“ [Abb. 36 – 37]. Seit 1966 hatte Kawara an jedem einzelnen Tag das aktuelle Datum gemalt. Jedes seiner Date Paintings beginnt und vollendet er an dem Tag, den es darstellt, und es ist auf den Bildern nichts weiter zu sehen als das Datum. Seine Date Paintings sind Kunstwerke, die sozusagen in Echtzeit entstehen, und mit ihnen gelingt es Kawara, die Erwartung, wie man sie an herkömmliche Verfahren zur Aufzeichnung von Bildern in
264
7. Außen und Innen
chronografische Darstellungen für uns sind, um diese Zeitlich-
[37] On Kawara, 100 Years Calendar (24,698 Days), 6. August 2000.
keit überhaupt verstehen zu können [Abb. 38]. Die Daten, auf
Sammlung von On Kawara. Mit freundlicher Genehmigung von On Kawara.
die sich seine Arbeiten beziehen, sind reale, sichtbare kulturelle Artefakte, die sich alle voneinander unterscheiden. Letztendlich gleichen die Date Paintings einer riesigen makroskopischen Linse, die auf eine Priestleysche Grafik gerichtet wird und auf diese Weise die ebenso schöne wie beunruhigende Materialität unserer Repräsentationen von Zeit enthüllt.
[38] Verirrter biografischer Punkt auf Joseph Priestleys Chart of Biography. Mit freundlicher Genehmigung der American Philosophical Society.
265
Die Zeit in Karten
Kapitel 8:
Big Time
266
8. Big Time
[1 – 3] Harriet and Robert Heilbrunn Cosmic Pathway, Rose Center for Earth and Space, American Museum of Natural History, New York 2000.
I
m Jahr 2000 wurden in New York City direkt gegenüber
de verbindet die beiden Großprojekte auch eine Menge. Ge-
voneinander, nur durch den Central Park getrennt, zwei gro-
nau wie es sicherlich kaum einen Besucher gibt, der das Me-
ße Zeitleisten vorgestellt: der Harriet and Robert Heilbrunn Cos-
tropolitan Museum of Art oder das American Museum of Na-
mic Pathway im American Museum of Natural History und die
tural History nicht als Museum erkennen würde, so würde
Timeline of Art History im Metropolitan Museum of Art. Beide
auch kaum jemand daran zweifeln, dass es sich bei beiden
Projekte waren ganz unabhängig und ohne Bezug zueinander
Projekten um Zeitleisten handelt. Beide sind regelmäßige, vi-
geplant worden, und doch war es kein Zufall, dass sie fast zeit-
suelle Darstellungen einer Chronologie; bei beiden steht die
gleich der Öffentlichkeit präsentiert wurden: Beide konnten
Bedeutung von Maßstab, Abfolge und Synchronitäten im Vor-
durch Spenden der Familie Heilbrunn in den 1990er Jahren re-
dergrund; beide verbinden eine große Menge von Daten in
alisiert werden, und welcher Zeitpunkt eignete sich wohl bes-
einer einzigen, einheitlichen Struktur; beiden bemühen sich
ser dafür, ein großes Projekt zu enthüllen, bei dem es um Zeit
um Objektivität, Neutralität und Einfachheit. Sowohl der Cos-
ging, als die Jahrtausendwende?
mic Pathway als auch die Timeline of Art History umfassen eine
Die zwei Zeitleisten stehen in einem eindrucksvollen Kontrast
immense Zeitspanne: Die Geschichte des Universums reicht
zueinander: Der Cosmic Pathway zeichnet die Geschichte des
13 Milliarden Jahre zurück, die Kunstgeschichte immerhin
Universums nach, vom Urknall bis zur Gegenwart; die Timeline
25 000 Jahre – das ist genau die Art von umfassender Synthe-
of Art History bildet die Evolution der Kunst seit den Höhlenma-
se, die man von einer großen Zeitleiste in einem großen Mu-
lereien von Lascaux ab. Erstere ist ein gigantischer Bau: eine
seum erwarten darf. Aber während der Cosmic Pathway und
Fußgängerrampe von 110 Metern Länge, die sich innerhalb des
die Timeline of Art History viele Merkmale der klassischen Zeit-
Naturkundemuseums erhebt; Letztere ist ein virtueller Raum
leiste verkörpern, sind sie doch beide wiederum ziemlich un-
mit über 25 000 Seiten voller Informationen, auf den man über
typisch [Abb. 1 – 3]. Zunächst einmal sind sie riesig – viel grö-
das Internet von überall in der Welt aus zugreifen kann.
ßer als selbst die umfangreichsten und größten Exemplare des
Die Unterschiede könnten kaum größer sein – hier Stahl
19. Jahrhunderts. Beim Cosmic Pathway geht es natürlich auch
und Glas, dort Bytes und Pixel. Doch trotz dieser Unterschie-
genau darum: Gleich zu Beginn überwältigt einen die schiere
267
Die Zeit in Karten
Größe des Fußwegs und der massiven Metallkugel, die zwei
thway noch mit einer Überraschung auf: einem straff gespann-
Stockwerke über dem Boden angebracht ist und um die her-
ten menschlichen Haar, dessen Breite (!) für die letzten 30 000
um sich der Cosmic Pathway emporwindet, das Hayden Planeta-
Jahre steht – der Zeit ab der frühesten bekannten Höhlenmale-
rium; das Ganze befindet sich wiederum innerhalb einer noch
rei in Europa bis zur Einweihung des Cosmic Pathway.
größeren Glasstruktur.
Ganz anders liegen die Dinge auf der gegenüberliegen-
Der Cosmic Pathway ist so konzipiert, dass der Besucher
den Seite des Central Park, im Metropolitan Museum of Art
das Gefühl hat, die Unendlichkeit der Geschichte gleichzeitig
[Abb. 4 – 5]. Dort stellt sich die Frage gar nicht erst, wie viel
zu fühlen und zu sehen. Zu Beginn misst der Besucher sei-
physischen Raum man einem Zeitraum oder einer Epoche gibt.
ne Schritte nicht in Zentimetern, sondern in Zeit: Der durch-
Die Timeline of Art History mit ihren über zwei Millionen wert-
schnittliche Erwachsene legt zu Anfang mit jedem Schritt etwa
vollen Artefakten aus der ganzen Welt ist komplett elektro-
6 Millionen Jahre zurück. Aber da die Schritte jedes Menschen
nisch. Auch wenn die Mitarbeiter des Museums, die sich um
unterschiedlich lang sind, bewegt sich auch jeder Museums-
die Zeitleiste kümmern, ein eigenes Büro haben, das sich ir-
besucher in einem eigenen geschichtlichen Tempo durch die
gendwo in den Winkeln des gigantischen Baus verbirgt, ist die
Jahrtausende. Inmitten all der digitalen Attraktionen des Mu-
Zeitleiste selbst zugleich überall und nirgends. Wer durch die
seums ist dieser Spaziergang durch die Geschichte des Univer-
zehntausenden Bilder und Seiten mit Informationen navigiert,
sums erfrischend analog. Wenn es nicht allzu voll ist und das
dem stehen dazu dutzende verschiedener Optionen zur Ver-
Wetter mitspielt, kann sich der Besucher dabei wunderbar Zeit
fügung. Die Idee, dass man in seinem eigenen Tempo die Ge-
lassen, die Informationen auf den Tafeln lesen und im Glasku-
schichte durchquert, nimmt hier eine ganz andere Bedeutung
bus, der das Planetarium umgibt, die Sonne genießen.
an. Wie dem Cosmic Pathway liegt auch der Benutzerschnittstel-
Auf dem Cosmic Pathway gibt es eine Menge zu lernen:
le des Metropolitan Museum of Art eine historische Chronolo-
Überall identifizieren Infotafeln bestimmte Momente in der
gie zugrunde. Dennoch ist die Zeit nur einer unter mehreren
kosmischen Geschichte, von vor 13 Milliarden Jahren bis in
Parametern, anhand derer man sich dabei der Kunstgeschichte
die Gegenwart. Unter der letzten Tafel wartet der Cosmic Pa-
nähern kann. Der Benutzer kann auf die Timeline of Art History
268
8. Big Time
[4 – 5] Metropolitan Museum of Art, Timeline of Art History, im Jahr 2000 gestartete Website.
[6] Sara Fanelli, Tate Artist Timeline bei der Installation, London 2006.
auch über geografische Karten zugreifen oder direkt nach Na-
sischen Kunst im Nationalen Palastmuseum in Taipeh einfach
men und Themenschwerpunkten suchen.
nachzuvollziehen und zu verstehen. Dasselbe gilt für die spie-
Eigentlich ist diese Webseite des Metropolitan Museum of
lerische Chronologie moderner Kunst, die Sara Fanelli für die
Art nur dann eine Zeitleiste, wenn man sie aus einer ganz be-
Tate Gallery of Modern Art in London konzipiert hat [Abb. 6].
stimmten Perspektive betrachtet. Im Grunde genommen han-
Fanellis Zeitleiste ist auch als gefälliges, braun und rosa ge-
delt es sich (wie ihre Gestalter gerne betonen) um eine Infor-
staltetes Ziehharmonika-Buch erhältlich; so kann der neugie-
mationsdatenbank. Sie wird auch in Zukunft weiter wachsen,
rige Besucher ein wenig vom Stil der Tate Modern und zu-
und es werden sicherlich auch weitere Suchfunktionen und
gleich eine Menge chronologisches Wissen mit nach Hause
Visualisierungssysteme hinzukommen. Als die Timeline of Art
nehmen.1 Selbst hier, im Epizentrum der Postmoderne, hat die
History ins Leben gerufen wurde, betrachteten sie manche Ku-
grafische Zeitleiste nicht nur überlebt: Es ging ihr nie besser,
ratoren des Museums durchaus mit Argwohn. Es war nicht
möchte man meinen. Und es liegt auch eine gewisse Ironie
einfach, alle Abteilungen davon zu überzeugen, von nun an
darin (wie sie für das Genre ja gar nicht unüblich ist), dass so-
über einen einzigen Informationskanal zu kommunizieren.
gar die altmodische Zeitleiste, die lediglich nackte historische
Aber das, was am Ende dabei herauskam, erwies sich als eben-
Fakten wiedergibt, noch immer existiert: Es gibt heute kaum
so nützlich wie lehrreich. Und manch einem wurde klar, dass
noch einen Museumsshop, in dem man nicht den „histori-
das Museum die Metapher der Zeitleiste ohnehin bereits ver-
schen Zollstock“ mit dem Namen Geschichte am laufenden Meter
körperte, und zwar auf eine so integrale Weise, dass keiner so
erstehen kann – eine komplette historische Zeitleiste, wie frü-
recht verstand, warum bislang noch niemand explizit darauf
her, nur eben klugerweise auf einen ausklappbaren Zollstock
hingewiesen hatte.
gedruckt [Abb. 7]. Und wie bei Fanellis Buch ist der Mehrwert
Dabei sind überdimensionierte Zeitleisten nicht nur in traditionellen Museen populär – und nicht nur in der westlichen
enorm; die Menschen möchten solche Grafiken nicht nur im Museum bestaunen, sondern mit nach Hause nehmen.
Zivilisation: Auch für Besucher ohne Hintergrundwissen über
Natürlich geht etwas verloren – oder verändert sich zumin-
die Kunst und die Geschichte Chinas ist die Zeitleiste der chine-
dest –, wenn man riesige Zeitleisten ins Taschenformat bringt.
269
Die Zeit in Karten
[7] Geschichte am laufenden Meter. Der historische Zollstock. © MeterMorphosen 2000, .
Bei Zeitleisten ist die visuelle Umsetzung das A und O. Kyber-
Ausmaße, die die Öffentlichkeit beeindrucken sollten. Be-
netik-Theoretiker sagen gerne: „Mehr ist anders.“ Bei der Zeit-
reits 18/17 v. Chr. ließ Augustus auf einem Bogen am östli-
leiste gilt: Groß ist anders. Das Ziel der Zeitleiste ist stets, dass
chen Ende des Forum Romanum eine Liste aller bisherigen rö-
der Betrachter so viel wie möglich auf einen Blick zu sehen be-
mischen Konsuln einmeißeln, die fasti consulares. Wie so viele
kommt – umso mehr kann er mit ihr anfangen. Deshalb kann
seiner Maßnahmen stilisierte Augustus die Kanonisierung der
man die für den Hausgebrach gedachten Versionen der großen
frühen Geschichte Roms als Wiederherstellung von Tradition.
Installationen zumeist daheim im Wohnzimmer auseinander-
In den letzten Jahrhunderten der römischen Republik hatten
falten oder ausrollen und so zumindest ein wenig von der Wir-
die öffentlichen Konsullisten einerseits als Kalender mit all-
kung erzielen, die der größere Maßstab einem bot. Genau diese
jährlich wiederkehrenden Festen und Markttagen gedient, an-
Argumentation brachte Manly M. Gillam, ein Geschäftsmann
dererseits hatten sie aber auch die gesamte Geschichte Roms
von der Madison Avenue, Ende des 19. Jahrhunderts gegenüber
dargestellt: Traditionell datierten die Römer Ereignisse der His-
dem Patentamt vor, das seinen Antrag abgelehnt hatte: Das Amt
torie oder auch Erinnerungen an ihre Jugend anhand der in
sei nicht in der Lage gewesen, den intuitiven Wert seines Zeit-
einem bestimmten Jahr regierenden Konsuln.
leistensystems zu erkennen, weil die geltenden Vorschriften ihm
Augustus führte nun aber eine wichtige Neuerung ein: Er
lediglich erlaubt hätten, eine miniaturisierte Darstellung seines
verknüpfte die über die Konsuln definierten Jahre mit der Ge-
Werkes einzureichen. Seine Beschwerde hatte Erfolg, und am
schichte Roms ab Gründung der Stadt und änderte so die öf-
21. Februar 1893 wurde seine Arbeit, eine Art Vorläufer von
fentliche Wahrnehmung der Zeit; zugleich gab er damit zu er-
Barrs Torpedo-Grafiken, dann doch als Patent
angenommen.2
kennen, die „römische Zeit“ habe begonnen, als man die Mo-
Diese so unterschiedlichen Projekte sind natürlich nur ei-
narchie abschaffte und durch die Republik ersetzte. Augustus
nige aktuelle Beispiele für besonders große Zeitleisten. Schon
selbst tauchte in der Liste so oft auf, dass den Konsuln nicht
die ganz frühen Vorläufer der modernen Zeitleiste – die Königs-
verborgen blieb, wie sich ihr Status – genau wie ihr Bezug zur
und Konsullisten der Antike und die genealogischen Schrift-
Zeit – verändert hatte.3 Die Kupferstiche, die Giovanni Battis-
rollen des Mittelalters – besaßen oftmals ebenfalls gigantische
ta Piranesi im 18. Jahrhundert von den Überbleibseln dieses
270
8. Big Time
Artefakts anfertigte, verweisen eindringlich auf die Vergäng-
ab Julius Caesar sowie Maximilians eigene Vorfahren und die
lichkeit menschlichen Schaffens und zugleich auf die kultu-
seiner Frau, darunter vor allem Prominente wie Richard Lö-
relle Macht überdimensionierter Chronografien. Wie Piranesis
wenherz. Der Privatheilige der Habsburger, Leopold, nimmt
Darstellung der zerstörten fasti consulares beweist, war das Fo-
auf einer der Säulen einen herausragenden Platz ein; ziemlich
rum Romanum unter anderem eben auch ein chronografischer
weit oben stehen in Tabernakeln die vier Habsburger, die vor
Raum [Abb. 8].
Maximilians Zeit König oder Kaiser von Deutschland gewesen
Die Strategien der monumentalen Darstellung lebten fort.
waren. Er selbst saß oben in der Mitte, in vollem Ornat und
Um 1516 fertigte Albrecht Dürer für Kaiser Maximilian I. einen
umgeben von Tieren und anderen Symbolen – rekonstruierten
aufwendigen Entwurf an: eine Ehrenpforte, die den Stamm-
ägyptischen Hieroglyphen zum Lob des Herrschers. Das ganze
baum der Habsburger sowie deren politische Leistungen zeigte
Werk bot einen beeindruckenden Blick auf die Geschichte. Wie
[Abb. 9]. Sie war zwar nicht dazu gedacht, tatsächlich gebaut
ihre modernen Pendants war die Ehrenpforte das Ergebnis einer
zu werden, aber das mindert in keiner Weise ihre Monumen-
intensiven Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Wissen-
talität, weder in konzeptueller noch in faktischer Hinsicht. Die
schaftlern, und sie lud ihre Betrachter zu einem Spaziergang
Ehrenpforte bestand aus 45 einzelnen Kupferstichen, die zusam-
durch die Geschichte ein, der eine gewisse Demut lehrte: Nicht,
men eine ganze Wand bedeckten. Maximilian sah diesen Eh-
weil der Spaziergang so lang dauerte, sondern weil er so dicht
renbogen als visuelles Gegenstück zu denen, die er und seine
mit bedeutenden Männern und Frauen gepflastert war. Und
Frau, Margarete von Österreich, ganz real erlebt hatten, als sie
über allem thronte der Kaiser.4
auf Antrittsbesuch in die von ihr regierten Städte der Nieder-
Natürlich waren solche Chronologien früher nicht immer
lande gereist waren. Dürer und seine Mitarbeiter präsentier-
so gigantisch. Mitunter waren sie auch (zur Freude der Benut-
ten die Geschichte der Habsburger, angeordnet um drei kleine
zer) besonders klein, wie im Falle einiger Schmuckstücke, die
Portale (die Porten des Lobs, die Porten der Eren und Macht und
der Spanier Francisco Assensio im Jahr 1720 für den franzö-
die Porten des Adels). Diese Familiengeschichte reichte von Tro-
sischen König Ludwig XVI. entwarf [Abb. 10]. In der frühen
ja bis in die Gegenwart. Sie enthielt alle römischen Herrscher
Neuzeit nahmen diese heterogenen chronografischen Formen
271
Die Zeit in Karten
[8] Giovanni Battista Piranesi, Fasti Consulares Romanorum a Romulo rege usque ad Tiberium Caesarem („Römische konsularische fasti von König Romulus bis Kaiser Tiberius“), Rom 1761.
272
8. Big Time
273
Die Zeit in Karten
274
8. Big Time
[9] Albrecht Dürer, Ehrenpforte, ca. 1516.
eine ebenso zentrale Rolle in der Kultur ein wie die Zeitleiste
entfernt. In historischer Hinsicht ist das jedoch grundfalsch:
in der Moderne.
Die Zeitleiste existierte durchaus nicht vor allen anderen Arten
Seit dem 18. Jahrhundert ist die Verwendung von Zeitleis-
der Darstellung historischer Zeit, und sie hat auch mitnichten
ten in der Darstellung historischer Beziehungen so alltäglich
jemals die reine Wertneutralität besessen, die man ihr so ger-
geworden, dass man sie kaum noch als besonderes Gestal-
ne zuschreibt. Sie entstand als neues Ausdrucksmittel zur ver-
tungsmittel wahrnimmt – ganz ähnlich wie die Listen und Ge-
gleichenden Darstellung chronologischer Beziehungen. Und sie
nealogien zu Augustus’ und Maximilians Zeit. Das heißt aber
wurde genau deshalb so beliebt, weil sie im Moment ihrer Ent-
nicht, dass die Zeitleiste diese oder andere chronografische For-
stehung den aktuellen historischen Geist verkörperte.
mate verdrängt hätte. Im Gegenteil: Unsere Umwelt ist gefüllt
Wahrscheinlich war die Zeitleiste noch nie so wichtig und
mit Tabellen und Stammbäumen, die unsere Vorfahren in der
so allgegenwärtig wie heute. Wenngleich sie bereits auf Papier
frühen Neuzeit sofort verstanden hätten. Das Bemerkenswerte
sehr populär war, findet man sie jetzt in den interaktiven Me-
an der Zeitleiste ist, dass sie sich heute so nahtlos in den gra-
dien buchstäblich überall. Neben der Liste und dem Link ist
fischen Hintergrund einblendet und uns hilft, andere Formen
die Zeitleiste eine der wichtigsten Organisationsstrukturen un-
grafischer Darstellung zu organisieren und zu strukturieren, als
serer Benutzerschnittstellen.5 Die Gründe dafür liegen auf der
wäre sie gar nicht da.
Hand: Die schiere Menge an Informationen, die einem heute
Wenn wir uns Geschichte vorstellen, spielt die Zeitleis-
ganz unmittelbar in elektronischer Form zur Verfügung ste-
te dabei eine ganz besondere Rolle: Sie dient uns dazu, ge-
hen, schafft einen großen Bedarf an Indexierungssystemen,
schichtliche Abläufe sozusagen automatisch in einzelne grafi-
und die Verfügbarkeit dynamischer, animierter Präsentations-
sche Schritte einzuteilen. Eigentlich fällt uns das nur auf, wenn
formate rückt die Zeit als Organisationsparameter in den Mit-
jemand wie J. J. Grandville oder Saul Steinberg das Konzept
telpunkt. Was die Zeitleiste innerhalb der stetig wachsenden
aufgreift und verfremdet [Abb. 11 – 12]. Wir nehmen Zeitleisten
Menge an Informationen so beliebt macht, ist die Stabilität,
nicht als technische Leistung eines Grafikdesigners wahr, son-
die sie uns bietet. Mag sein, dass die Welt immer kleiner wird
dern als Rest, der übrigbleibt, wenn man alles Überschüssige
und Informationen immer kurzlebiger, doch auch und gerade
275
Die Zeit in Karten
[10] Francisco Assensio, Chronologie des rois de France, et ans de leur mort selon le calendrier royal de Paris, de l’an 1790. Facsimile et copie en grand de l’inscription d’une bague dédiée à Louis XVI („Chronologie der Könige Frankreichs und der Jahre ihres Todes gemäß dem königlichen Kalender von Paris, im Jahr 1790. Faksimile und vergrößerte Kopie der Inschri eines Ludwig XVI. gewidmeten Rings“), ca. 1790.
rück. Im Gegenteil: Mithilfe von Webseiten nach dem Prinzip von Wikipedia, die von jedermann bearbeitet werden können, und Daten aus einer Software, die wiederum Daten aus anderen Programmen sammelt, können auch Amateure Zeitleisten anfertigen, die viel umfangreicher sind, als es früher möglich im Reich der Zeitcodes braucht man etwas Reales, an das man
war – damals, als man noch genau wusste, welcher Autor oder
sich halten kann.
Künstler eine bestimmte Chronografie geschaffen hatte.
Nirgendwo wird das deutlicher als in den Sphären des gera-
Doch auch wenn die Zeitleisten dieser neuen Generati-
dezu explodierenden Web 2.0 und der Open-Source-Program-
on einen nie gekannten Überfluss an chronologischen Daten
me. Die Balken- und Liniendiagramme der eher einfach ge-
versprechen, ist indes nicht ganz klar, ob darin überhaupt ein
stalteten Anwendungen wie Google News und Google Finan-
Fortschritt zu sehen ist. Denn wenn wir an die Anfänge des
ce sind ohnehin bereits allgegenwärtig, und ständig entstehen
chronografischen Diagramms zurückdenken, so bestand seine
neue Grafikprogramme. In den vergangenen Jahren haben In-
größte Herausforderung ja nicht darin, möglichst viele Daten
ternet-Startups wie Miomi, Simile, Mnemograph, Dipity und
aufzunehmen, sondern ein möglichst klares Bild der Geschich-
der Longviewer der Long Now Foundation neue Wege gefun-
te zu vermitteln. Es sollte eine Form aufweisen, die intuitiv
den, chronologische Daten aus vielen verschiedenen Quellen
und einprägsam ist und gleichzeitig ein schnelles Nachschla-
zu sammeln und zu integrieren. Solche Programme und Web-
gen von Informationen ermöglicht. Ob die Web-2.0-Versionen
seiten verwischen die Grenze zwischen der politischen und per-
der Zeitleiste das irgendwann auch bieten können, bleibt ab-
sönlichen Chronologie: Die Benutzer posten Erlebnisse aus ih-
zuwarten. Wir können aber mit Sicherheit sagen, dass sie uns
rem Privatleben direkt neben aktuellen Nachrichten und Daten
eine formale Umsetzung bestimmter Aspekte der Zeittafel an
aus Geschichtsbüchern. Was die eigentliche Zielsetzung betrifft,
die Hand geben, die früher eine Frage rein künstlerischen Er-
stehen solche Zeitleisten von der „Basis“ im Prinzip gar nicht
messens waren. Dabei unterstreichen sie, wie lebendig dieses
hinter den oben beschriebenen Exemplaren im Museum zu-
bemerkenswerte Kulturformat auch heute noch ist.
276
8. Big Time
[11] Saul Steinberg, ohne Titel, 1965. Saul Steinberg Foundation, New York. © The Saul Steinberg Foundation/Artist Rights Society (ARS), New York.
[12] Rad der Mode aus J. J. Grandville, Un autre monde; transformations, visions, incarnations … et autres choses („eine andere Welt; Transformationen, Visionen, Inkarnationen … und andere Dinge“), Paris 1844.
277
Die Zeit in Karten
Anhang
278
Anmerkungen Kapitel 1 1
12
Bänden. Bd. 4. Berlin: Aufbau, 1975: 677 – 678.
Interdisziplinäre Untersuchungen zur grafischen Darstellung, Epistemologie und Ästhetik finden sich bei Tue 2001; Tue 2006; Lynch und
13
J. Hillis Miller, „Time in Literature“. In: Daedalus, Frühjahr 2003: 88.
Woolgar 1990; Brian S. Baigrie (Hrsg.), Picturing Knowledge: Historical
14
Zur Genealogie und Form des Stammbaums siehe insbes. Mary Bou-
and Philosophical Problems Concerning the Use of Art in Science. Toronto:
quet, „Family Trees and Their Affinities: The Visual Imperative of the
University of Toronto Press, 1996; Elkins 1999; Barbara Maria Stafford,
Genealogical Diagram“. In: Journal of the Royal Anthropological Institute
Artful Science: Enlightenment Entertainment and the Eclipse of Visual
2, Nr. 1, 1996: 43 – 66; Robert J. O’Hara, „Trees of History in Systematics
Education. Cambridge, MA: MIT Press, 1994; Caroline A. Jones und Peter
and Philology“. In: Memorie della Società Italiana di Scienze Naturali e del
Galison (Hrsg.), Picturing Science, Producing Art. New York: Routledge,
Museo Civico di Storia Naturale di Milano 27, Nr. 1, 1996: 81 – 88; O’Hara,
1998; Lorraine Daston, Things that Talk: Object Lessons from Art and
„Systematic Generalization, Historical Fate and the Species Problem“.
Science. New York: Zone Books, 2004. Standardwerke in diesem Bereich
In: Systematic Biology 42, Nr. 3, 1993: 231 – 46; Carlo Ginzburg, „Family
sind Marey 1885 und Funkhouser 1937: 269 – 404. Siehe auch Stephen
Resemblances and Family Trees: Two Cognitive Metaphors“. In: Critical
Ferguson, „System and Schema: Tabulae of the Fieenth to Eighteenth
Inquiry 30, Nr. 3, Frühjahr 2004: 537 – 54.
Centuries Recently Acquired by the Princeton University Library“. In:
15
3
Zerubavel 2003. Zur Zeit in der Kartografie siehe Goffart 2003; Black
16
Petrarcas Notizen hat Giuseppe Billanovich aus erhaltenen Kopien
1997; Robinson 1982; Scafi 2006; J. B. Harley und David Woodward, The
rekonstruiert, in Un nuovo esempio delle scoperte e delle letture del Pet-
History of Cartography, 3 Bde. Chicago: University of Chicago Press, 1987.
rarca L’ „Eusebio-Girolamo-PseudoProspero“. Schrien und Vorträge des Petrarca-Instituts Köln 3. Krefeld: Scherpe, 1954.
Ein modernes Beispiel bietet Harry Elmer Barnes, A History of Historical Writing, 2. Auflage. New York: Dover, 1963; auch zitiert in Hayden White,
4
Anthony Graon, Joseph Scaliger: A Study in the History of Classical Scholarship. 2 Bde. Oxford: Clarendon, 1983 – 93.
Princeton University Library Chronicle 49, Nr. 1, Herbst 1987: 9 – 30. 2
William Shakespeare, Macbeth 5.5.18 – 28, in Sämtliche Werke in vier
17
Siehe die hervorragende Untersuchung von Benedict 2007. Zum Haus
„The Value of Narrativity in the Representation of Reality“. In: White
von de Bry siehe Susanna Burghartz (Hrsg.), Inszenierte Welten: Die
1987: 1 – 25.
west-und ostindischen Reisen der Verleger de Bry, 1590 – 1630. Basel:
Hayden White, „The Value of Narrativity in the Representation of Reali-
Schwabe, 2004; Thomas Hariot, A briefe and true report of the new found
ty“. In: White 1987: 4 – 5.
land of Virginia, hrsg. von Susanna Berg, Karen Kupperman und Peter
5
Ebd. 6 – 7.
Stallybrass. Charlottesville: University Press of Virginia, 2007 sowie
6
Ebd. 6.
Michiel van Groesen, The Representations of the Overseas World in the De
7
Thapar 2000.
Bry Collection of Voyages (1590 – 1634). Leiden und Boston: Brill, 2008.
8
Bizzocchi 1995; Klapisch-Zuber 2003; Rosamond McKitterick, History
18
and Memory in the Carolingian World. Cambridge: Cambridge University
being a continuation of the famous History of Sir Walter Raleigh … begin-
Press, 2004; McKitterick 2006. Siehe auch Anthony Graon, What Was
ning where he le … at the end of the Macedonian kingdom. London: J. Saywell, 1652, Vorwort.
History? The Art of History in Early Modern Europe. Cambridge: Cambridge University Press, 2007: Kap. 3. 9 10
19
Daniel Rosenberg, „Joseph Priestley and the Graphic Invention of Mo-
Lakoff und Johnson 1999: 155.
dern Time“. In: Studies in Eighteenth-Century Culture 36, Frühjahr 2007:
William J. T. Mitchell, „Spatial Form in Literature: Toward a General
55 – 104.
Theory“. In: Mitchell (Hrsg.). 1980: 274. 11
Alexander Ross, The history of the world; the second part in six books,
Ebd.
20
Joseph Priestley, Description of a New Chart of History (1769). In: John Towill Rutt (Hrsg.). The Theological and Miscellaneous Works of Joseph
279
Die Zeit in Karten
21
22
Priestley. 24. Bd. London: G. Smallfield, 1817: 479 – 80.
11
Ebd.
Laurence Sterne, Leben und Meinungen des Herrn Tristram Shandy, übers.
12
Siehe zum Beispiel das Standardwerk von Robert Scribner, For the Sake
von Adolf Seubert. Leipzig: Reclam 1880: Kap. 14.
of Simple Folk: Popular Propaganda for the German Reformation. 2. Aufla-
Henri Bergson, Matter and Memory, übers. von Nancy M. Paul und W.
ge. Oxford: Clarendon Press, 1994.
Scott Palmer. New York: Zone Books, 1988: 207. 23
13
Olaf Stapledon, Last and First Men: A Story of the Near and Far Future.
Adrian Wilson, The Making of the Nuremberg Chronicle. Amsterdam: Nico Israel, 1978.
London: Methuen, 1930.
14
Kapitel 2
15
Werner Rolevinck, Fasciculus temporum. Venedig: Georg Walch, 1479, 1 verso.
1
Eine ausführlichere Fassung dieser Geschichte gibt es in Graon und Williams 2006.
2
3
4
5
7
Israel, 1978. 16
genealogisch einzuordnen, siehe Giuliano Gliozzi, Adamo e il nuovo
nal of Philology 103, 1982: 195 – 200.
mondo: La nascita dell’antropologia come ideologia coloniale: dalle genea-
Vespasiano da Bisticci, The Vespasiano Memoirs: Lives of Illustrious Men of
logie bibliche alle teorie razziali (1500 – 1700). Florenz: La Nuova Italia,
the XVth Century, übers. von William George und Emily Waters. Toronto
1977; zur chinesischen Chronologie siehe Edwin J. Van Kley, „Europe’s
und Buffalo: University of Toronto Press und Renaissance Society of
‘Discovery’ of China and the Writing of World History“. In: American
America, 1997: 417.
Historical Review 76, 1971: 358 – 85, und zur ägyptischen Chronologie
Eusebius, Chronicum, übers. von Jerome. Venedig: Ratdolt, 1483: ohne
und ihren Beziehungen zur chinesischen siehe Anthony Graon,
Seitenzahlen; der Text hier folgt der Übersetzung von Rosenberg und
„Kircher’s Chronology“. In: Paula Findlen (Hrsg.). Athanasius Kircher: The
Graon (wie alle anderen modernen Übersetzungen, außer wo eigens
Last Man Who Knew Everything. New York, Routledge, 2004: 171 – 87. Die
angegeben).
umfassendste Untersuchung zur Erweiterung der Chronologie, die in-
Kathleen Biddick, The Typological Imaginary: Circumcision, Technology,
zwischen allerdings einer gründlichen Überarbeitung bedarf, ist noch
History. Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2003: 46. Weite-
immer Adalbert Klempt, Die Säkularisierung der universalhistorischen
re allgemeine Informationen über die von mittelalterlichen Chronisten
Auffassung; zum Wandel des Geschichtsdenkens im 16. und 17. Jahrhundert.
verwendeten Formen bietet Gert Melville, „Geschichte in graphischer
Göttingen: Musterschmidt, 1960. 17
of the Text. Cambridge, MA: Harvard University Press, 1991: Kap. 3;
sein im späten Mittelalter. Sigmaringen: Thorbecke, 1987: 57 – 156.
Walter Stephens, Giants in Those Days: Folklore, Ancient History, and
Siehe die kürzlich publizierte Einschätzung in Albrecht Classen, „Wer-
Nationalism. Lincoln: University of Nebraska Press, 1989; Ingrid
ner Rolevink’s Fasciculus Temporum: The History of a Late Medieval Best
Rowland, The Culture of the High Renaissance: Ancients and Moderns in
Seller, or, the First Hypertext“. In: Gutenberg-Jahrbuch 2006: 225 – 30.
Sixteenth-Century Rome. Cambridge: Cambridge University Press, 1998;
Siehe Genealogia Christi. Barcelona: Moleiro, 2000; einen Essayband, der
Rowland, The Scarith of Scornello: A Tale of Renaissance Forgery. Chicago:
die Faksimile-Ausgabe der Genealogia Christi. Rom, Biblioteca Casana-
University of Chicago Press, 2004. 18
Christi by Peter of Poitiers“. In: Genealogia Christi, 15 – 27.
9
10
Zu Annius und seiner Arbeit siehe insbes. Anthony Graon, Defenders
se“. In: Hans Patze (Hrsg.). Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusst-
tense, MS 4254 begleitet; siehe insbes. Miguel Vivancos, „The Genealogia
8
Zu den Bemühungen der Chronologen, die Völker der Neuen Welt
Brian Croke, „The Originality of Eusebius’ Chronicle“. In: American Jour-
Gestalt: Beobachtungen zu einer spätmittelalterlichen Darstellungswei-
6
Adrian Wilson, The Making of the Nuremberg Chronicle. Amsterdam: Nico
so. Eine umfassendere Analyse dieser und anderer hier untersuchter
Klapisch-Zuber 2003. Gabrielle Spiegel, „Genealogy: Form and Function in Medieval Histori-
Paulus Constantinus Phrygio, Chronicum. Basel: Herwagen, 1534: 1 ver-
Tabellenwerke findet sich bei Steiner 2008. 19
Bizzocchi 1995; Larry Silver, Marketing Maximilian: The Visual Ideology
cal Narrative“. In: History and Theory 22, 1983: 47.
of a Holy Roman Emperor. Princeton: Princeton University Press, 2008:
Werner Rolevinck, Fasciculus temporum. Venedig: Georg Walch, 1479, 1
41 – 77.
verso.
280
20
Reiner Reineck, Oratio de historia. Frankfurt: Wechel, 1580: 25.
Anmerkungen
21
Ebd. 24.
1984; Eric Jorink, Het ‘boeck der natuere’: nederlandse geleerden en de
22
Siehe Daniel P. Walker, Unclean Spirits: Possession and Exorcism in France
wonderen van Gods Schepping, 1575 – 1715. Leiden: Primavera Pers, 2006;
and England in the Late Sixteenth and Early Seventeenth Centuries. Phila-
Thijs Weststeijn, „Spinoza sinicus: An Asian Paragraph in the History of
delphia: University of Pennsylvania Press, 1981.
the Radical Enlightenment“. In: Journal of the History of Ideas 68, 2007:
23
Daniel 2: 32 – 35 (Übersetzung: Luther 1912).
537 – 61.
24
Siehe Arnaldo Momigliano, Essays on Ancient and Modern Judaism, hrsg.
Kapitel 3
von Silvia Berti, übers. von Maura Masella-Gayley. Chicago: University of Chicago Press, 1994: Kap. 3.
1
1. Mose 11:4 (Übersetzung: Luther 1912).
25
Rolevinck, Fasciculus temporum: 1 recto.
2
Zu Temporal über Rom siehe H. J. Erasmus, The Origins of Rome in Histo-
26
Lorenz Faust, Anatomia statuae Danielis. Leipzig: Steinmann, 1585: 40. Siehe die erste umfassende Untersuchung von Thomas Rahn, „Ge-
Modern Computer. Cambridge: Polity, 1993 sowie George V. Coyne, Micha-
nach der Weltreiche-Prophetie des 2. Buches Daniel“. In: Jorg Jochen
el A. Hoskin und Olaf Pedersen (Hrsg.), Gregorian Reform of the Calendar.
Berns und Wolfgang Neuber (Hrsg.). Seelenmaschinen. Wien: Böhlau,
Vatikanstadt: Pontifica Academia Scientiarum, Specola Vaticana, 1983. 4
Calabrian Abbot: Joachim of Fiore in the History of Western Thought. New
29
2004. 5
Berg, 1565: fol. B ij recto; eine moderne Ausgabe mit lateinischem Text
Siehe Nicholas Popper, „‚Abraham, Planter of Mathematics‘: Histories of
und deutscher Übersetzung ist Harriet Roth, Der Anfang der Museums-
Mathematics and Astrology in Early Modern Europe“. In: Journal of the
lehre in Deutschland: Das Traktat „Inscriptiones vel Tituli Theatri Amplissi-
History of Ideas 67, 2006: 87 – 106.
mi“ von Samuel Quiccheberg. Berlin: Akademie Verlag, 2000: 54 – 57; der
Zur Theorie der Großen Konjunktionen und der Weltgeschichte siehe
Text hier folgt der Übersetzung von Rosenberg und Graon (wie alle
of Pierre d’Ailly, 1350 – 1420. Princeton: Princeton University Press, 1994.
anderen modernen Übersetzungen, außer wo eigens angegeben). 6
Quiccheberg, Inscriptiones, fol. A iij vo; Harriet Roth, Der Anfang der
Robin Barnes führt dies für das 16. Jahrhundert weiter aus, in Prophecy
Museumslehre in Deutschland: Das Traktat „Inscriptiones vel Tituli Theatri
and Gnosis: Apocalypticism in the Wake of the Lutheran Reformation.
Amplissimi“ von Samuel Quiccheberg. Berlin: Akademie Verlag, 2000:
Stanford: Stanford University Press, 1988; ebenso Claudia Brosseder, Im
46 – 47.
Bann der Sterne: Caspar Peucer, Philipp Melanchthon und andere Witten-
31
Samuel Quiccheberg, Inscriptiones vel tituli theatri amplissimi. München:
York: Macmillan, 1985.
Laura Smoller, History, Prophecy, and the Stars: The Christian Astrology
30
Zum Modetrend dieser historischen Kalender siehe Max Engammare, L’ordre du temps: l’invention de la ponctualité au XVIe siècle. Genf: Droz,
Majorie Reeves und Beatrice Hirsch-Reich, The Figurae of Joachim of Fiore. Oxford: Clarendon Press, 1972; Reeves 1976; Bernard McGinn, The
28
Siehe Arno Borst, The Ordering of Time: From the Ancient Computus to the
schichtsgedächtnis am Körper: Fürstliche Merk- und Meditationsbilder
2000: 521 – 61. 27
riography from Petrarch to Perizonius. Assen: Van Gorcum, 1962. 3
7
Siehe z. B. Anthony Graon, „Renaissance Histories of Art and Nature“.
berger Astrologen. Berlin: Akademie Verlag, 2004.
In: Bernadette Bensaude-Vincent and William R. Newman (Hrsg.). The
Siehe James Barr, „Why the World Was Created in 4004 B.C. Archbishop
Artificial and the Natural: An Evolving Polarity. Cambridge, MA: MIT Press,
Ussher and Biblical Chronology“. In: Bulletin of the John Rylands Univer-
2007: 185 – 210 sowie Graon, What Was History? The Art of History in Early
sity Library of Manchester 67, 1984 – 85: 575 – 608.
Modern Europe. Cambridge: Cambridge University Press, 2007: Kap. 3.
Don Cameron Allen, The Legend of Noah: Renaissance Rationalism in
8
Nicholas Jardine, The Birth of History and Philosophy of Science: Kepler’s A
Art, Science, and Letters. Urbana: University of Illinois Press, 1949;
Defence of Tycho against Ursus, with Essays on its Provenance and Signifi-
Nachdruck 1963; Adalbert Klempt, Die Säkularisierung der universal-
cance. Cambridge: Cambridge University Press, 1984; Anthony Graon,
historischen Auffassung; zum Wandel des Geschichtsdenkens im 16. und
Defenders of the Text. Cambridge, MA: Harvard University Press, 1981:
17. Jahrhundert. Göttingen: Musterschmidt, 1960; Paolo Rossi, The Dark Abyss of Time: The History of the Earth & the History of Nations from Hooke to Vico, übers. von Lydia Cochrane. Chicago: University of Chicago Press,
Kap. 7. 9
John Heilbron, The Sun in the Church: Cathedrals as Solar Observatories. Cambridge, MA: Harvard University Press, 1999.
281
Die Zeit in Karten
10
Zitiert in John Heilbron, „Bianchini as an Astronomer“. In: Valentin
18
guin, 2001: 39.
Kockel und Brigitte Solch (Hrsg.). Francesco Bianchini (1662 – 1729) und die europäische gelehrte Welt um 1700. Berlin: Akademie Verlag, 2005: 66. 11
12
13
Giambattista Vico, New Science, übers. von David Marsh. London: Pen-
19
Ebd. 9. Zu Vicos Kulturgeschichte siehe Arnaldo Momigliano, „Vico’s Scien-
Francesco Bianchini, La istoria universale provata con monumenti e figu-
za nuova: Roman ,Bestioni‘ and Roman ,Eroi‘“. In: History and Theory
rata con simboli degli antichi. 2. Auflage. Rom: Antonio de Rossi, 1747: 21.
5, 1966: 3 – 23; Gianfranco Cantelli, Vico e Bayle: Premesse per un confronto.
Tamara Griggs, „Universal History from Counter-Reformation to En-
Neapel: Guida editori, 1971; Sergio Landucci, I filosofi e i selvaggi. 1580 –
lightenment“. In: Modern Intellectual History 4, 2007, 221 – 28.
1780. Bari: Laterza, 1972; Paolo Rossi, The Dark Abyss of Time: The History
Siehe Daniel Rosenberg, „Early Modern Information Overload“. In:
of the Earth and the History of Nations from Hooke to Vico, übers. von Lydia
Journal of the History of Ideas 64, Nr. 1, 2003: 1 – 9, sowie in derselben
G. Cochrane. Chicago: University of Chicago Press, 1984; Cantelli, Mente
Ausgabe die Artikel von Ann Blair, Brian Ogilvie, Jonathan Sheehan
corpo linguaggio: Saggio sull’interpretazione vichiana del mito. Florenz: La
und Richard Yeo; Noel Malcolm, „Thomas Harrison and his ‚Ark of Stu-
Nuova Italia, 1986; Harold Stone, Vico’s Cultural History: the Production and
dies‘: An Episode in the History of the Organization of Knowledge“. In:
Transmission of Ideas in Naples, 1685 – 1750. New York: E. J. Brill, 1997.
The Seventeenth Century 19, 2004: 196 – 232. 14
Kapitel 4
Wilhelm Schmidt-Biggemann, Topica universalis: Eine Modellgeschichte humanistischer und barocker Wissenscha. Hamburg: Meiners, 1983;
1
Donald Kelley, „Writing Cultural History in Early Modern Europe: Chris-
contenant toute la suite des souverains de l’univers & des principaux évé-
tophe Milieu and His Project“. In: Renaissance Quarterly 52, Nr. 2, Sum-
nemens de chaque siécle depuis la création du monde jusqu’à présent; en
mer 1999: 342 – 65; Martin Gierl, Pietismus und Aufklärung: Theologische
trente-cinq planches gravées en taille-douce & réunies en une machine d’un
Polemik und die Kommunikationsreform der Wissenscha am Ende des
usage facile & commode. Paris: chez l’auteur, 1753: 5.
17. Jahrhunderts. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1997; Francoise
2
chez l’auteur, 1672 – 75.
Georg Morhof. Wiesbaden: Harrassowitz, 2000; Martin Mulsow, „Practices of Unmasking: Polyhistors, Correspondence, and the Birth of Dictiona-
3
Paris: Agence centrale de la Societe pour l’histoire du protestantisme
the History of Ideas 67, 2006: 219 – 50; Michael Carhart, „Historia Literaria
francais, 1857. 4
Francis Tallents, A view of universal history: from the creation, to the des-
Momigliano and Antiquarianism: Foundations of the Modern Cultural
truction of Jerusalem by Adrian, in the year of the world 4084, and of Christ
Sciences. Buffalo: University of Toronto Press, 2007: 184 – 206.
135. London: Littlebury u. a., 1685. Zu Tallents siehe J. W. Ashley Smith,
Johannes Buno, Universae historiae cum sacrae tum profanae idea. Frank-
„Modern History as Subject Matter for Higher Education: The Contribution of Francis Tallents“. In: Paedagogica Historica 15, 1975: 1 – 15.
furt und Leipzig: Apud viduam Reinhardi Waechtleri, typis Christoph. Balth. Lampii, 1689: 11 – 12.
17
Siehe Jean Rou, Mémoires inédits et opuscules, hrsg. von F. Waddington.
ries of Pseudonymity in Seventeenth-Century Germany“. In: Journal of
and Cultural History from Mylaeus to Eichhorn“. In: Peter Miller (Hrsg.).
16
Jean Rou, Tables historiques, chronologiques, & généalogiques: contenant ce qui s’est passé de plus mémorable depuis la création du monde. Paris:
Waquet (Hrsg.), Mapping the World of Learning: the Polyhistor of Daniel
15
Jacques Barbeu-Dubourg, Chronographie, ou, Description des tems:
5
Nicolas Lenglet du Fresnoy, Chronological tables of universal history,
Siehe Jan Chiapusso, „Bach’s Attitude Towards History“. In: Musical Quar-
sacred and profane, ecclesiastical and civil; from the creation of the world,
terly 39, 1953: 396 – 414.
to the year one thousand seven hundred and forty-three. With a prelimi-
Siehe Gerhard Strasser, „Johannes Bunos Mnemotechnische Verfahren“.
nary discourse on the short method of studying history; and a catalogue
In: Jorg Jochen Berns und Wolfgang Neuber (Hrsg.), Seelenmaschinen:
of books necessary for that purpose; with some remarks on them … 2 Bde. London: A. Millar, 1762: Bd. 1, i.
Gattungstraditionen, Funktionen und Leistungsgrenzen der Mnemotechniken vom späten Mittelalter bis zum Beginn der Moderne. Wien: Böhlau,
6
Nicolas Lenglet du Fresnoy, New method of studying history: recommen-
2000; Gottfried Leibniz, Schrien und Briefe zur Geschichte, hrsg. von
ding more easy and complete instructions for improvements in that science
Malte-Ludolf Babin und Gerd van der Heuvel. Hannover: Hahn, 2004:
than any hitherto extant: with the whole apparatus necessary to form a
565 – 67.
perfect historian. London: W. Burton, 1728. Erstausgabe: 1713 in Paris.
282
Anmerkungen
7
Ebd., i.
Männer. Pierre-Nicolas Chantreaus Science de l’histoire: contenant le
8
Zum Erfolg des Buches siehe auch die Widmung von Parsons’ Über-
systême général des connoissances à acquérir avant d’étudier l’histoire, et
setzung in André Félibien, The Tent of Darius Explain’d, or, The Queens
la méthode à suivre quand on se livre à ce genre d’étude, développée par
of Persia at the Feet of Alexander. London: William Redmayne für den
tableaux synoptiques. 3 Bde. Paris: Goujon fils, 1803 – 1806 führt bereits
Autor, 1703.
ein paar mehr Frauen auf.
9
Jens Bircherod, Lumen historiae sacrae veteris & novi testamenti per
22
Theological and Miscellaneous Works of Joseph Priestley, hrsg. von John
tabulas chronologicas. Kopenhagen: Johannis Philippi Bockenhoffer und
Towill Rutt, 25 Bde. London: G. Smallfield, 1817: Bd. 24, 480.
Johann Liebe, 1687. 10
11
12
Walter A. Goffart, „The Front Matter of J. G. Hagelgans’s 1718 Atlas
23
Ebd. Bd. 24, 481.
historicus at the Princeton University Library and the Eran Laor Carto-
24
Joseph Priestley, „Lectures on History and General Policy (1788)“. In: The
graphic Collection, Jerusalem“. In: Princeton University Library Chronicle
Theological and Miscellaneous Works of Joseph Priestley, hrsg. von John
64, Nr. 1, 2002: 141 – 62.
Towill Rutt. 25 Bde. London: G. Smallfield, 1817: Bd. 24, 133.
Girolamo Andrea Martignoni, Spiegazione della carta istorica dell’Italia,
25
Ebd. Bd. 24, 30.
e di una parte della Germania dalla nascita di Gesú Cristo fino all’anno
26
Erasmus Darwin, A Plan for the Conduct of Female Education. Derby: J.
MDCC. Rom: Antonio de’ Rossi, 1721; Martignoni, Explication de la carte
Drewry, 1797: 23, 121; Robert Steele, „A Catalogue of Books“. In: Cambrid-
historique de la France et de l’Angleterre depuis la naissance de Jesus-Christ
ge Magazine: or, Universal Repository of Arts, Sciences, and the Belles Let-
jusqu’à l’an MDCC. Rom: Antonio de’ Rossi, 1721.
ters, Nr. IX. London, September 1769: 368; Hester Chapone, Letters on the
Jacques Barbeu-Dubourg, Chronographie universelle. Paris: Barbeu-Du-
Improvement of the Mind, Addressed to a Young Lady. London: J. Walter
bourg, Lamote, Fleury, 1753; Stephen Ferguson, „The 1753 Carte Chrono-
und C. Dilly, 1786: 207; Maria Edgeworth und Richard Lovell Edgeworth,
graphique of Jacques Barbeu-Dubourg“. In: Princeton University Library
Practical Education. 2 Bde. London: J. Johnson, 1798: Bd. 2, 419 – 22.
Journal 52, Nr. 2, 1991: 190 – 230. 13
15
16
27
Jefferys Taylor, Harry’s Holiday, or the Doings of One Who Had Nothing to Do. London: Rest Fenner, 1818.
Jacques Barbeu-Dubourg, Chronographie, ou Description des temps, contenant toute la suite des souverains des divers peuples, des principaux
14
Joseph Priestley, „Description of a New Chart of History (1769)“. In: The
28
Joseph Priestley, „Description of a Chart of Biography (1765)“. In: The
événements de chaque siècle, et des grands hommes qui ont vécu depuis la
Theological and Miscellaneous Works of Joseph Priestley, hrsg. von John
création du monde, jusqu’à la fin du dixhuitième siècle. Paris: Paulin, 1838.
Towill Rutt, 25 Bde. London: G. Smallfield, 1817: Bd. 24, 476.
Thomas Jefferys, A Chart of Universal History. London: Thomas Jefferys,
29
Ebd. Bd. 24, 475 – 76.
ohne Datum, ca. 1750. Jefferys’ Werk basiert auf Jean-Louis Barbeau de
30
Zu Priestleys Theorien zum Fortschritt und zur Jahrtausendwende
la Bruyeres Mappe-Monde historique, ou carte chronologique von 1750.
siehe insbes. Jack Fruchtman, The Apocalyptic Politics of Richard Price
Joseph Priestley, „Description of a Chart of Biography (1765)“. In: The
and Joseph Priestley: A Study in Late Eighteenth Century English Republi-
Theological and Miscellaneous Works of Joseph Priestley, hrsg. von John
can Millennialism. Philadelphia: American Philosophical Society, 1983
Towill Rutt. 25 Bde. London: G. Smallfield, 1817: Bd. 24, 467.
sowie Clarke Garrett, „Joseph Priestley, the Millennium, and the French Revolution“. In: Journal of the History of Ideas 34, Nr. 1, 1973: 51 – 66.
Ebd. Bd. 24, 470. 31
Joseph Priestley, „Description of a Chart of Biography (1765)“. In: The
17
Ebd. Bd. 24, 468.
18
Ebd. Bd. 24, 470.
Theological and Miscellaneous Works of Joseph Priestley, hrsg. von John
19
Ebd.
Towill Rutt, 25 Bde. London: G. Smallfield, 1817: Bd. 24, 475.
20
Joseph Priestley, „Lectures on History and General Policy (1788)“. In: The
32
Ebd. Bd. 24, 475.
Theological and Miscellaneous Works of Joseph Priestley, hrsg. von John
33
Ebd. Bd. 24, 264.
Towill Rutt. 25 Bde. London: G. Smallfield, 1817: Bd. 24, 134.
34
Ebd. Bd. 24, 475.
Ebd. Bd. 24, 136. Mit ein paar wenigen Ausnahmen – so der antiken
35
Ebd. Bd. 24, 464.
Dichterin Sappho – , befanden sich auf Priestleys Karte ausschließlich
36
Ebd. Bd. 24, 467.
21
283
Die Zeit in Karten
37
Ebd.
38
Goffart 2003; Black 1997; David Rumsey und Edith M. Punt, Cartogra-
Statistician“. In: Quarterly Publications of the American Statistical Associ-
phica Extraordinaire: The Historical Map Transformed. Redlands, CA: ESRI
ation 15 (Dezember 1916): 388 – 404; Howard Wainer, Visual Revelations:
Press, 2004.
Graphical Tales of Fate and Deception from Napoleon Bonaparte to Ross
Abraham Ortelius, Theatrum orbis terrarum. Paris: 1572: 1; zitiert in
Perot. Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum, 2000: sec. 3. Zu Minard siehe
Goffart 2003: 1. Siehe auch Catherine Hoffman, „La genese de l’atlas
insbes. Arthur H. Robinson, „The Thematic Maps of Charles Minard“. In:
historique en France (1630 – 1800): Pouvoirs et limites de la carte com-
Imago Mundi 21, 1967: 95 – 108; Tue 2001. Zu Walker siehe Funkhouser
39
48
1937: 339 – 40.
me ,oeil de l’histoire‘“. In: Bibliothèque de l’École des chartes 158, 2000: 97 – 128.
Zu Nightingale siehe insbes. Edwin W. Kopf, „Florence Nightingale as
49
Alexander Ross, The history of the world: the second part, in six books,
40
Goffart 2003: 100, 105 – 11.
being a continuation of the famous history of Sir Walter Raleigh. London:
41
Ebd. 132 – 33.
John Saywell, 1652: Vorwort.
42
Ebd. 303 – 14.
43
Ebd. 314 – 23.
44
William Playfair, The Commercial and Political Atlas, Representing, by
50
tions, hrsg. von Hannah Arendt, übers. von Harry Zohn. New York: Schocken, 1969: 262.
Means of Stained Copper-Plate Charts, the Exports, Imports, and General
51
Siehe Koselleck 2002: 166.
Trade of England: The National Debt, and Other Public Accounts. London: J.
52
Nicolas Rieucau und Pierre Crepel, „Condorcet’s Social Mathematic,
Debrett, 1786. Siehe auch Wainer 2005: 9 – 38; Albert Biderman, „The Play-
A Few Tables“. In: Social Choice and Welfare, 25, 2005: 243 – 85; Nicolas
fair Enigma“. In: Information Design Journal 6, Nr. 1, 1990: 3 – 26; Patricia
Rieucau, „Condorcet et l’art de former des tableaux historiques“. In:
Costigan-Eaves, „Some Observations on the Design of William Playfair’s
Mathematics and Social Sciences 176, Nr. 4, 2006: 89 – 117.
Line Graphics“. In: Information Design Journal 6, Nr. 1, 1990: 27 – 44; Erica
53
général des connoissances à acquérir avant d’étudier l’histoire, et la métho-
on the History of the Graphical Presentation of Data“. In: Biometrika 43,
de à suivre quand on se livre à ce genre d’étude, développée par tableaux
and His Charts“. In: Economic History 3, Nr. 10, 1935: 103 – 109.
46 47
Pierre-Nicolas Chantreau, Science de l’histoire: contenant le systême
Royston, „Studies in the History of Probability and Statistics III: A Note
Nr. 3/4, 1956: 241 – 47; H. Gray Funkhouser und Helen M. Walker, „Playfair
45
Walter Benjamin, „Theses on the Philosophy of History“. In: Illumina-
synoptiques, 3 Bde. Paris: Goujon fils, 1803 – 1806. 54
Charles Fourier, The Theory of the Four Movements. Hrsg. von Gareth Ste-
William Playfair, The Commercial and Political Atlas. 3. Auflage. London:
dman Jones und Ian Patterson. New York: Cambridge University Press,
J. Wallis, 1801: viii–ix. Auch zitiert in Patricia Costigan-Eaves und
1996: 41. Ursprünglich veröffentlicht als Charles Fourier, Théorie des
Michael Macdonald-Ross, „William Playfair (1759 – 1823)“. In. Statistical
quatre mouvemens et des destinées générales (Leipzig: n.p., 1808); obwohl
Science 5, Nr. 3, 1990: 325.
das Original behauptet, in Leipzig ohne Verleger veröffentlicht worden
William Playfair, The Statistical Breviary. London: T. Bensley, 1801: 15. Zur Geschichte statistischer Grafiken zusätzlich zu den Werken Edward
zu sein, wurde es tatsächlich in Lyon von Pelzin verlegt. 55
William Bell, Descriptive Guide to „The Stream of Time“, or, General Outline
Tues (siehe Kap. 1, Nr. 1) und Howard Wainers siehe Headrick 2000;
of Universal History, Chronology, and Biography, at One View. Hull: Joseph
Thomas L. Hankins, „Blood, Dirt, and Nomograms: A Particular History
Simmons, 1812: 7.
of Graphs“. In: Isis 90, 1999: 50 – 80; James R. Beniger und Dorothy L. Ro-
56
Ebd. 8 – 10.
byn, „Quantitative Graphics in Statistics: A Brief History“. In: American
Kapitel 5
Statistician 32, Nr. 1, 1978: 1 – 11; Laura Tilling, „Early Experimental Graphs“. In: British Journal for the History of Science 8, Nr. 30, 1975: 193 – 213;
1
David Ramsay, Historical and Biographical Chart of the United States.
Funkhouser 1937: 269 – 404; Michael Friendly und Daniel J. Denis, „Mi-
Charleston, SC: John Hobb, 1811: 7. Zu Ramsay siehe Robert L. Brun-
lestones in the History of Thematic Cartography, Statistical Graphics,
housek, „David Ramsay, 1749 – 1815: Selections from His Writings“. In:
and Data Visualization“. Department of Mathematics and Statistics, York
Transactions of the American Philosophical Society, New Series 55, Nr. 4,
University, http://www.math.yorku.ca/SCS/Gallery/ milestone.
1965: 1 – 250.
284
Anmerkungen
2
Philip M. Hanley, History of the Catholic Ladder. Fairfield, WA: Ye Galleon
Report of the Bureau of Ethnology, 1888 – 89. Washington, D. C.: Smith-
Press, 1993; Kris A. White und Janice St. Laurent, „Mysterious Journey: The Catholic Ladder of 1840“. In: Oregon Historical Quarterly 97, Nr. 1,
3
sonian Institution, 1893: 266 – 328. 8
Frühjahr 1996: 70 – 88; Francois Norbert Blanchet, The Key to the Catholic
2 Bde. Philadelphia: E. C. Biddle, 1836 – 38; Alexander Marshack, „A Lun-
Ladder. New York: T. W. Strong, 1859. Sowohl die Oregon Historical
ar-Solar Calendar Stick from North America“. In: American Antiquity 50,
Society in Portland als auch die Mount Angel Abbey in Mount Angel,
Nr. 1, 1985: 27 – 51; Marshack, „North American Indian Calendar Sticks:
Oregon, verfügen über ausgezeichnete Sammlungen der Leitern des
The Evidence for a Widely Distributed Tradition“. In: A. F. Aveni (Hrsg.).
19. Jahrhunderts.
World Archaeoastronomy. New York: Cambridge University Press, 1988:
Die erste umfassende Beschreibung der religiösen Konflikte erschien in
308 – 24; Robert H. Merrill, The Calendar Stick of Tshi-Zun-Hau-Kau. Bulle-
Hubert Howe Bancro, History of Oregon. 2 Bde. San Francisco: History
tin of the Cranbrook Institute of Science 24. Bloomfield Hills, Michigan:
Co., 1886 – 88: Bd. 1. Clifford Merrill Drury, Henry Harmon Spalding.
Cranbrook Press, 1945: 1 – 6; Paul Radin, The Winnebago Tribe. Lincoln:
Caldwell, ID: Caxton Printers, 1936; Drury (Hrsg.). The Diaries and Letters
University of Nebraska Press, 1970.
of Henry H. Spalding and Asa Bowen Smith relating to the Nez Perce Mis-
9
Women Over the Rockies; Diaries, Letters, and Biographical Sketches of
10
schen Gedankengut und ihren Grundlagen siehe das Standardwerk
1836 and 1838. Glendale, CA: A. H. Clark Co., 1963 – 1966. Spalding führte
von Ernest Lee Tuveson, Millennium and Utopia: A Study in the Backg-
seinen Krieg der Worte bis zu seinem Tod im Jahre 1874; seine Anschul-
round of the Idea of Progress. Berkeley: University of California Press,
digungen überlebten ihn um einige Zeit. Im Jahr 1903 veröffentlichte
1949 sowie Paul Boyer, When Time Shall Be No More: Prophecy Belief in
der US-Kongress eine Sammlung von Zeugnissen, die Spaldings
Modern American Culture. Cambridge, MA: Harvard University Press,
Anschuldigungen gegen Blanchet stützten, in Letter from the Secretary
1992. Zu den politischen und kulturellen Problemen im Zusammenhang
of the Interior, communicating … the Early Labors of the Missionaries … in
mit der Datierung der Jahrtausendwende, wenn auch nur mit Bezug
Oregon … commencing in 1836. Washington, D. C.: Government Printing
zum Mittelalter, siehe den ausgezeichneten Artikel (mit Zeitleiste) von
Office, 1903.
Richard Landes, „Lest the Millennium Be Fulfilled, Apocalyptic Expecta-
Hubert Howe Bancro, History of Oregon. 2 Bde. San Francisco: History
tions and the Pattern of Western Chronography, 100 – 800 C. E.“. In: W. D.
Co., 1886 – 88: Bd. 1, 125 – 26. Zur pädagogischen Dimension der Leitern
F. Verbeke, D. Verhelst und A. Welkenhysen (Hrsg.). The Use and Abuse of
siehe Charles D. Schreibeis, Pioneer Education in the Pacific Northwest
Eschatology in the Middle Ages. Leuven, Belgium: Leuven University Press,
Bringing Indians to the Book. Seattle: University of Washington Press,
1988: 137 – 211. 11
from manuscripts of William Miller, with a Memoir of his Life by Joshua V.
Henry Spalding, zitiert in Hubert Howe Bancro, History of Oregon. 2
Himes. Boston: Joshua V. Himes, 1842. 12
Morgan 1999; Morgan, Visual Piety: A History and Theory of Popular
Russell Thornton, „A Rosebud Reservation Winter Count, circa
Religious Images. Berkeley: University of California Press, 1998; Ronald L.
1751 – 1752 to 1886 – 1887“. In: Ethnohistory 49, Nr. 4, Herbst 2002:
Numbers und Jonathan M. Butler, The Disappointed: Millerism and Millena-
723 – 42; Thornton, „A Report of a New Mandan Calendric Chart“. In:
rianism in the Nineteenth Century. Bloomington: Indiana University Press,
Ethnohistory 50, Nr. 4, Herbst 2003: 697 – 705. 7
William Miller, Views of the Prophecies and Prophetic Chronology, Selected
2005.
Bde. San Francisco: History Co., 1886 – 88: Bd. 1, 656. 6
Zur Beziehung zwischen Eschatologie und Fortschritt im amerikani-
the Six Women of the Oregon Mission Who Made the Overland Journey in
(1789 – 1847). Portland, OR: Metropolitan Press, 1937; Albert Furtwangler,
5
Reeves 1976. Siehe auch Marjorie Reeves und Beatrice Hirsch-Reich, The Figurae of Joachim of Fiore. Oxford: Clarendon Press, 1972.
sion 1838 – 1842. Glendale, CA: Arthur H. Clark, 1958; Drury, First White
4
Thomas Loraine McKenney, History of the Indian Tribes of North America.
Garrick Mallery, „The Dakota Winter Counts“. In: Pictographs of the North
1987. 13
American Indians. Fourth Annual Report of the Bureau of American Ethnology, 1882 – 1883. Washington, D. C.: Smithsonian Institution, 1887: 89 – 14; Mallery, Picture-Writing of the American Indians. Tenth Annual
John Greenleaf Whittier, „The World’s End“. In: The Prose Works. Bd. 1. New York: Houghton Mifflin, 1880: 425 – 26.
14
Richard Cunningham Shimeall, The Political Economy of Prophecy. New York: John F. Trow & Co., 1866.
285
Die Zeit in Karten
15
16
17
Edith W. Osgood, „The Development of Historical Study in the United
6
States (Concluded)“. In: School Review 22, Nr. 8, Oktober 1914: 511 – 26.
Funkhouser 1937: 308. Siehe auch Étienne-Jules Marey, Du mouvement
Review of the Historical Chart, Philanthropist, August 30, 1843; siehe auch
dans les fonctions de la vie. Paris: Germer Bailliere, 1868; Marey, Mo-
Christian Advocate and Journal, November 27, 1844: 62.
vement, übers. von Eric Pritchard. London: W. Heinemann, 1895: 37.
Marcius Willson, The History of the United States for the Use of Schools.
7
19
Stephen Kern, The Culture of Space and Time: 1880 – 1918. Cambridge, MA: Harvard University Press: 65 – 66.
Cincinnati: William Moore, 1847: 1. 18
Zum System, das die Marconi Telegraph Company verwendete, siehe
Robert Henlopen Labberton, An Historical Atlas Containing a Chronolo-
8
Scientific American Reference Book. 2 Bde. New York: Munn, 1914: Bd. 1, 310.
gical Series of One Hundred Maps, at Sucessive Periods, from the Dawn of
9
Marey 1885; Marey, Movement, übers. von Eric Pritchard. London: W.
History to the Present Day. Philadelphia: Claxton, Remson & Haffelfinger,
Heinemann, 1895; Francois Dagognet, Étienne-Jules Marey: A Passion for
1874; Labberton, Historical Chart, or, History Taught by the Eye. Philadel-
the Trace, übers. von Robert Galeta. New York: Zone Books, 1992; Mary
phia: Claxton, Remson, & Haffelfinger, 1874.
Ann Doane, The Emergence of Cinematic Time: Modernity, Contingency, the
Robert Henlopen Labberton, Outlines of History; with Original Tables,
Archive. Cambridge, MA: Harvard University Press, 2002.
Chronological, Genealogical and Literary. Philadelphia: Claxton, Remsen
10
Antoine-Francois Vincent und Georges Claude Goiffon, Mémoire artifi-
& Haffelfinger, 1872: 3.
cielle des principes relatifs à la fidelle représentation des animaux, tant en
20
Ebd. 3 – 4.
peinture qu’en sculpture. Première partie concernant le cheval … Ouvrage
21
Alexander Campbell, zitiert in Robert Frederick West, Alexander Camp-
également intéressant pour les personnes qui se destinent à l’art de monter
bell and Natural Religion. New Haven: Yale University Press, 1948: 161.
à cheval. Paris: Vve. Valat-La-Chapelle, 1779.
22
„Science the Handmaid of Religion“. In: Churchman’s Magazine 4, Nr. 7,
11
Heinemann, 1895: 2 – 3.
Oktober 1825: 193. 23
„Sketches of the Speeches at the Last Working Men’s Meeting“. In: Wor-
Étienne-Jules Marey, Movement, übers. von Eric Pritchard. London: W.
12
Laura Tilling, „Early Experimental Graphs“. In: British Journal for the
kingman’s Advocate 1, Nr. 9, 25. Mai 1844: 1.
History of Science 8, Nr. 30, 1975: 195 – 96; James A. Bennett, The Mathe-
24
Ebd.
matical Science of Christopher Wren. New York: Cambridge University
25
„The Uses of History to the Preacher“. In: New Englander 22, Nr. 84, New
Press, 1983; siehe auch Hebbel E. Goff, Leslie A. Geddes und Roger
Haven, Juli 1863: 7.
Guillemin, „The Anemograph of Ons-en-Bray: An Early Self-Registering
James Schoulder, „The Spirit of Historical Research“. In: National Magazine:
Predecessor to the Kymograph“. In: Journal of the History of Medicine 12,
A Monthly Journal of American History 15, Nr. 3, New York, Januar 1892: 3.
Nr. 4, Oktober 1957: 424 – 48.
26
13
Kapitel 6 1
Stuart Sherman, Telling Time: Clocks, Diaries, and English Diurnal Form,
tion Design Journal 6, Nr. 1, 1990: 3 – 26. 14
3
Thomas Pie, An Houreglasse Contayning a Computation from the Begin-
5
15
Heute kann man mithilfe von Computern auch Phonautographen
ning of Time to Christ by X Articles. London: John Wolfe, 1597: 1; Robert
abspielen; siehe Thomas L. Hankins und Robert J. Silverman, Instru-
Cary, Palaeologia Chronica: A Chronological Account of Ancient Time.
ments and the Imagination. Princeton: Princeton University Press, 1995:
London: J. Darby, 1677: 1.
133 – 37; Jonathan Sterne, The Audible Past: Cultural Origins of Sound Reproduction. Durham, NC: Duke University Press, 2002: 35 – 51.
Anthony Graon, Joseph Scaliger: A Study in the History of Classical Scholarship. 2 Bde. Oxford: Clarendon Press, 1983 – 93: Bd. 2, 16.
4
Jody Rosen, „Researchers Play Tune Recorded Before Edison“. In: New York Times, 27. März 2008.
1660 – 1785. Chicago: University of Chicago Press, 1996: 78. 2
Wainer 2005: 9 – 38; Albert Biderman, „The Playfair Enigma“. In: Informa-
16
Larry A. Viskochil, „Chicago’s Bicentennial Photographer: Charles D.
Edward P. Thompson, „Time, Work-Discipline, and Industrial Capita-
Mosher“. In: Chicago History 5, Nr. 2, Summer 1976: 95 – 104; Heinz K. He-
lism“. In: Past and Present, Nr. 38, 1967: 56 – 97.
nisch und Bridget A. Henisch, The Photographic Experience, 1839 – 1914:
Zu Galtons Karten siehe Funkhouser 1937: 345. Zu Edmund Halleys Kar-
Images and Attitudes. University Park, PA: Pennsylvania State Universi-
te von 1686 zu den Passatwinden siehe Robinson 1982: 46 – 47, 70 – 71.
ty Press, 1994: 187 – 194.
286
Anmerkungen
17
Stephen Kern, The Culture of Space and Time: 1880 – 1918. Cambridge, MA:
son Loverin, Loverin’s Historical Centograph and Slate: also, a Description
Harvard University Press: 21. 18
Ann Thomas, „Capturing Light: Photographing the Universe“. In: Ann
of the Chart of Time with Key. Montreal: D. Bentley, 1876. 29
Elizabeth Palmer Peabody, „A Method of Laying the Foundation of
Thomas (Hrsg.). Beauty of Another Order: Photography in Science. New
History“. In: District School Journal of the State of New York 12, Nr. 11, März
Haven, CT: Yale University Press, 1998: 192 – 93.
1852: 171 – 72. Siehe auch Peabody, Letters of Elizabeth Palmer Peabody,
19
Offenbarung 6: 14 (Übersetzung: Luther 1912).
American Renaissance Woman. Hrsg. von Bruce A. Ronda. Middletown,
20
Zur visuellen Erziehung des 18. und 19. Jahrhunderts und den entspre-
CT: Wesleyan University Press, 1984: 290 – 94. Siehe auch Bruce A. Ron-
chenden Unterrichtsgeräten siehe insbes. Barbara Stafford, Artful Science:
da, Elizabeth Palmer Peabody: A Reformer on Her Own Terms. Cambridge,
Enlightenment Entertainment and the Eclipse of Visual Education. Cambrid-
MA: Harvard University Press, 1999: 226 – 41; Nina Baym, „The Ann Sis-
ge, MA: MIT Press, 1996; Barbara Stafford und Frances Terpak, Devices of
ters: Elizabeth Peabody’s Millennial Historicism“. In: American Literary History 3, Nr. 1, Frühjahr 1991: 27 – 45.
Wonder: From the World in a Box to Images on a Screen. Los Angeles: Getty Publications, 2001; Jonathan Crary, Techniques of the Observer: On Vision
30
to Accompany the Map of Time. Chicago: Adams, Blackmer & Lyon, 1867: vii.
and Modernity in the Nineteenth Century. Cambridge, MA: MIT Press, 1990. Zum Einsatz solcher Geräte in amerikanischen Schulen siehe Deborah
31
Education in Antebellum America“. In: Annals of Science 45, 1988: 387 – 97.
22
Ida P. Whitcomb, Students’ Topical History Chart from the Creation to the Present Time. New York: A. S. Barnes, 1878: Vorwort, ohne Seitenangabe.
Jean Warner, „Commodities in the Classroom: Apparatus for Science and
21
John Milton Gregory, The Hand-Book of History and Chronology … Adapted
32
Daniel Rosenberg, „An Eighteenth Century Time Machine: The Ency-
Mark Twain, „How to Make History Dates Stick“. In: Harper’s Monthly Magazine 130:775, Dezember 1914: 3 – 15.
clopedia of Diderot“. In: Daniel Gordon (Hrsg.). Postmodernism and the
33
Ebd. 3.
Enlightenment: New Perspectives in Eighteenth-Century French Intellectual
34
Ebd. 11.
History. New York: Routledge, 2001: 45 – 66.
35
Ebd. 7.
Samuel L. Clemens to United States Patent Office, 9. Oktober 1884, United States National Archives.
Kapitel 7
23
Ebd.
Eingangszitat James Elkins, „Art History and Images that Are Not Art“.
24
Mark Twain, Mark Twain’s Memory-Builder, Rückseite.
In: Art Bulletin 77, Nr. 4, Dezember 1995: 553.
Ebd.
1
26
Ebd.
2
27
Emma Willard, Guide to the Temple of Time; and Universal History for
Power of Contemporary States, Nations, and Empires. Chicago: Histomap,
Schools. New York: A. S. Barnes, 1850 sowie Willard, Universal History in
Inc. und Rand McNally, 1931.
25
Perspective. New York: A. S. Barnes, 1857. Zu Willard siehe auch Susan
3
History“. In: Journal of Historical Geography 33, Nr. 3, Juli 2007: 542 – 64.
4
5
Alfred North Whitehead, „The Aims of Education“. In: The Aims of Educa-
Herbert Spencer, The Study of Sociology. New York: D. Appleton & Co., 1904: 242.
nique polonaise perfectionnée à Paris. Paris: Librairie Polonaise, 1838; Elizabeth Palmer Peabody, The Polish-American System of Chronology,
Anne Sparks Glanz und Jacqui Glanz (Tochter und Enkelin von John
tion & Other Essays. New York: Macmillan, 1929: 1 – 23.
Antoni Jażwiński, Méthode polonaise appliquée à la chronologie, l’histoire, la géographie … Lyon: J.-M. Boursy, 1832; Józef Bem, Méthode mnémo-
John Sparks, The Histomap: Four Thousand Years of World History, Relative
Sparks), Gespräch mit dem Autor, 20. März 2008.
Schulten, „Emma Willard and the Graphic Foundations of American
28
Elkins 1999.
6
John Sparks, Histomap of Religion: The Story of Man’s Search for Spiritual
Reproduced, with Some Modifications, from General Bem’s Franco-Polish
Unity. Chicago: Rand McNally, 1943; Sparks, Histomap of Evolution: Earth,
Method. Boston: G. P. Putnam, 1850; Peabody, Chronological History of the
Life and Mankind for Ten Thousand Million Years. Chicago: Histomap, Inc., 1932.
United States, Arranged with Plates on Bem’s Principle. New York: Sheldon, Blakeman, 1856; Napoleon Feliks Zaba, La méthode de N. F. de Zaba pour faciliter l’étude de l’histoire universelle … Montreal: M. Magnus, 1874; Nel-
7
Alfred H. Barr Jr., Cubism and Abstract Art. New York: Museum of Modern Art, 1936.
287
Die Zeit in Karten
8
9 10
Paul Ligeti, Der Weg aus dem Chaos: Eine Deutung des Weltgeschehens
16
Seitdem wurde die chronografische Geste von Künstlern wie
aus dem Rhythmus der Kunstentwicklung. München: Georg D. W. Callwey,
David Diao, Peter Davies und Manuel Ocampo weiterentwickelt.
1931.
Schmidt-Burkhardt 2005.
Eric Newton, European Painting and Sculpture. New York: Penguin, 1942.
17
John Cage, Imaginary Landscape No. 5, for Any 42 Phonograph Records. New York: Henmar Press, 1961.
A. Fredo Sides, Diagramm der Entwicklung nicht-figürlicher Kunst, ohne Titel, in Réalités Nouvelles. Paris: ohne Verlag, 1948.
11
Kapitel 8
Isidore Isou, Introduction à une nouvelle poésie et à une nouvelle musique. Paris: Gallimard, 1947: 43. Siehe auch David W. Seaman, „French Lett-
1
Sara Fanelli, Tate Artist Timeline. London: Tate Modern, 2006.
risme – Discontinuity and the Nature of the Avant-Garde“. In: Freeman
2
Manly M. Gillam, Brief an das United States Patent Office, 8. Juni 1892, United States National Archives.
G. Henry (Hrsg.). Discontinuity and Fragmentation. Amsterdam: Rodopi, 1994: 159 – 70. 12
3
Calendar: Ancient Time and the Beginnings of History. Berkeley und Los
Gordon Moore, „Cramming More Components onto Integrated Circuits“.
Angeles: University of California Press, 2007.
In: Electronics 38, Nr. 8, April 19, 1965: 114 – 17. 13
Ray Kurzweil, „The Law of Accelerating Returns“. In: KurzweilAI.net,
4
15
Astrit Schmidt-Burkhardt, Maciunas’ Learning Machines: From Art History
Larry Silver, Marketing Maximilian: The Visual Ideology of a Holy Roman Emperor. Princeton: Princeton University Press, 2008.
http://www.kurzweilai.net/articles/art0134.html 14
Siehe die umfangreiche Beschreibung in Denis Feeney, Caesar’s
5
Alex Soojung-Kim Pang, „Old Wine for New Bottles: Making the Britan-
to a Chronology of Fluxus. Detroit: Gilbert und Lila Silverman Fluxus
nica CD Multimedia Times“. In: Human IT: Tidskrify för studier av IT ur ett
Collection und Vice Versa, 2003.
humanvetenskapligt perspektiv (1999), http://www.hb.se/bhs/ ith/1-99/
Ebd. 18.
askp.htm. Siehe auch Daniel Rosenberg, „Electronic Memory“. In: Rosenberg und Harding (Hrsg.). 2005: 123 – 52.
288
Ausgewählte Literatur Benedict, Philip. 2007. Graphic History: The Wars, Massacres and Troubles of Tortorel and Perrissin. Genf: Droz. Bizzocchi, Roberto. 1995. Genealogie incredibili: Scritti di storia nell’Europa moderna. Bologna: Il Mulino. Black, Jeremy. 1997. Maps and History: Constructing Images of the Past. New Haven: Yale University Press.
McKitterick, Rosamond. 2006. Perceptions of the Past in the Early Middle Ages. Notre Dame: University of Notre Dame Press. Mitchell, W. J. T. (Hrsg.). 1980. The Language of Images. Chicago: University of Chicago Press. Morgan, David. 1999. Protestants and Pictures: Religion, Visual Culture, and the Age of American Mass Production. New York: Oxford University Press.
Daston, Lorraine und Peter Galison. 2007. Objectivity. New York: Zone Books. Reeves, Marjorie. 1976. Joachim of Fiore and the Prophetic Future. London: Elkins, James. 1999. The Domain of Images. Ithaca: Cornell University Press. Funkhouser, H. Gray. 1937. „Historical Development of the Graphical Representation of Statistical Data“. In: Osiris 3: 269 – 404.
SPCK. Robinson, Arthur Howard. 1982. Early Thematic Mapping in the History of Cartography. Chicago: University of Chicago Press. Rosenberg, Daniel und Susan Harding (Hrsg.). 2005. Histories of the Future.
Goffart, Walter A. 2003. Historical Atlases: The First Three Hundred Years,
Durham: Duke University Press.
1570 – 1870. Chicago: University of Chicago Press. Graon, Anthony und Megan Williams. 2006. Christianity and the Transformation of the Book: Origen, Eusebius and the Library of Caesarea. Cambridge, MA: Harvard University Press.
Scafi, Alessandro. 2006. Mapping Paradise: A History of Heaven on Earth. Chicago: University of Chicago Press. Schmidt-Burkhardt, Astrit. 2005. Stammbäume der Kunst: zur Genealogie der Avantgarde. Berlin: Akademie Verlag.
Headrick, Daniel. 2000. When Information Came of Age: Technologies of Knowledge in the Age of Reason and Revolution, 1700 – 1850. New York:
Steiner, Benjamin. 2008. Die Ordnung der Geschichte: Historische Tabellenwerke in der Frühen Neuzeit. Köln: Böhlau.
Oxford University Press. Thapar, Romila. 2000. History and Beyond. New York: Oxford University Klapisch-Zuber, Christiane. 2003. L’arbre des familles. Paris: Editions de la Martiniere. Koselleck, Reinhart. 2002. The Practice of Conceptual History: Timing History, Spacing Concepts. Translated by Todd Samuel Presner. Stanford: Stan-
Press. Tue, Edward. 2006. Beautiful Evidence. Cheshire, CT: Graphics Press. Tue, Edward. 2001. The Visual Display of Quantitative Information. Cheshire, CT: Graphics Press.
ford University Press. Wainer, Howard. 2005. Graphic Discovery: A Trout in the Milk and Other VisuLakoff, George und Mark Johnson. 1999. Philosophy in the Flesh: The Embodied Mind and its Challenge to Western Thought. New York: Basic Books. Lynch, Michael und Steve Woolgar (Hrsg.). 1990. Representation in Scientific
al Adventures. Princeton: Princeton University Press. White, Hayden. 1987. The Content of the Form: Narrative Discourse and Historical Representation. Baltimore: John Hopkins University Press.
Practice. Cambridge, MA: MIT Press. Zerubavel, Eviatar. 2003. Time Maps: Collective Memory and the Social Shape Marey, Étienne-Jules. 1885. La Méthode graphique dans les sciences expéri-
of the Past. Chicago: University of Chicago Press.
mentales. Paris: G. Masson.
289
Die Zeit in Karten
Abbildungsnachweis Alle Bilder stammen vom Autor, außer dort, wo angegeben.
Abb. 45 – 47: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library.
Frontispiz Mit freundlicher Genehmigung der Burke Library, Union Theological
Abb. 50 – 53: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library.
Seminary.
Abb. 54: Oxford MS. 255a, Corpus Christi College, f. 7v. Mit Erlaubnis des
Kapitel 1
Abb. 55: Oxford MS. 255a, Corpus Christi College, f. 11r. Mit Erlaubnis des
Präsidenten und der Mitglieder des Corpus Christi College, Oxford.
Abb. 2 – 3: Annals of St. Gall. Ms. 915, S. 196, S. 197. Stisbibliothek St. Gallen. Mit freundlicher Genehmigung der Stisbibliothek St. Gallen. Abb. 4: Marmor Parium (264/3 B.C.E.). Mit freundlicher Genehmigung des Ashmolean Museum, Oxford. Abb. 5 – 6: Eusebius, Chronicle. Codex Oxon. Merton 315, f61v, f62r. Mit freundlicher Genehmigung des Warden und der Fellows des Merton College Oxford. Abb. 7 – 9: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 10: Mit freundlicher Genehmigung des American Museum of Natural
Präsidenten und der Mitglieder des Corpus Christi College, Oxford. Abb. 56 – 63: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 67 – 68: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 72: Mit freundlicher Genehmigung der Abteilung für alte Drucke, Zentralbibliothek Zürich. Abb. 73 – 74: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 75: Mit freundlicher Genehmigung der Penrose Library, Whitman College.
History. Abb. 11: Mit freundlicher Genehmigung der Bibliotheque nationale de France. Abb. 12: Charles Renouvier, Uchronie (Paris: Bureau de la Critique Philosophique, 1876). Abb. 14: Mit freundlicher Genehmigung der Long Now Foundation.
Kapitel 3 Abb. 1: Mit Erlaubnis von The Huntington Library, San Marino, California. Abb. 5 – 6: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 9 – 19: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library.
Kapitel 2 Abb. 1 – 13: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 14 – 18: Mit freundlicher Genehmigung der Houghton Library, Harvard
Abb. 22 – 24: Mit freundlicher Genehmigung der Cotsen Children’s Library, Princeton University Library. Abb. 25 – 26: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library.
Abb. 19 – 30: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 31: Mit freundlicher Genehmigung der Burke Library, Union Theological Seminary. Abb. 32 – 38: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 43 – 44: Mit freundlicher Genehmigung der Marquand Library, Princeton University.
290
Kapitel 4 Abb. 1: Mit freundlicher Genehmigung der Winterthur Library, Printed Book and Periodical Collection. Abb. 2: Mit freundlicher Genehmigung der Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University. Abb. 3 – 7: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library.
Abbildungsnachweis
Abb. 8 – 9: Mit freundlicher Genehmigung der Huntington Library, San Marino, Kalifornien. Abb. 10 – 17: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 18: Mit freundlicher Genehmigung der British Library. Abb. 21: Mit freundlicher Genehmigung der Cotsen Children’s Collection, Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 24 – 28: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 29: Mit freundlicher Genehmigung der University of Oregon Library Abb. 30 – 31: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 33 – 36: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 38: Mit freundlicher Genehmigung der Bibliotheque nationale de
Abb. 11 – 13: Mit freundlicher Genehmigung der American Antiquarian Society. Abb. 14 – 15: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 16: Mit freundlicher Genehmigung der Burke Library, Union Theological Seminary. Abb. 17: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 18: Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Rev. Clarence Larkin Estate, P. O. Box 334, Glenside, PA 19038, U.S.A., 215-576-5590. Abb. 20 – 24: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 25: Van Pelt-Dietrich Library, University of Pennsylvania Libraries. Abb. 26: Mit freundlicher Genehmigung der American Antiquarian Society. Abb. 27 – 28: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library.
France. Abb. 39 – 44: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 45: Mit freundlicher Genehmigung der Cotsen Children’s Collection, Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 46: Mit freundlicher Genehmigung der American Philosophical Society. Abb. 47: Mit freundlicher Genehmigung der American Antiquarian Society. Abb. 48 – 50: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library.
Kapitel 6 Abb. 1: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 2: Francis Galton, Meteorographica, or Methods of Mapping the Weather. London: Macmillan, 1863. Abb. 3: Reproduktion aus John Booth und Sean Coughlan, Titanic – Signals of Disaster. Westbury: White Star Publications, 1993. Abb. 4 – 10: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 12 – 14: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library.
Kapitel 5 Abb. 1: Thomas Jefferson Papers. Series I. General Correspondence. 1651 – 1827. Mit freundlicher Genehmigung der Library of Congress. Abb. 2: Mit freundlicher Genehmigung der American Philosophical Society. Abb. 3: OrHi 89315. Mit freundlicher Genehmigung der Oregon Historical Society. Abb. 4: De Smetiana Collection, Jesuit Missouri Province Archives, St. Louis IX-C9-67. Mit freundlicher Genehmigung der Midwest Jesuit Archives. Abb. 5: OrHi 87847. Mit freundlicher Genehmigung der Oregon Historical Society. Abb. 8 – 10: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library.
Abb. 15: Mit freundlicher Genehmigung der Burke Library, Union Theological Seminary. Abb. 16 – 17: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 18 – 19: Mit freundlicher Genehmigung der Cotsen Children’s Library, Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 20 – 22: Mit freundlicher Genehmigung der National Archives Abb. 23: Mit freundlicher Genehmigung der Cotsen Children’s Library, Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 24 – 25: Mit freundlicher Genehmigung der American Antiquarian Society.
291
Die Zeit in Karten
Abb. 26 – 27: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 28: Mit freundlicher Genehmigung der National Archives.
Abb. 18: Karte der Kunstgeschichte aus European Painting and Sculpture von Eric Newton (Penguin Books 1941). © Estate of Eric Newton, 1941. Reproduktion mit Erlaubnis von Penguin Books Ltd.
Abb. 29: Mit freundlicher Genehmigung der American Antiquarian Society.
Abb. 19: Archives du Salon des Réalités Nouvelles.
Abb. 30 – 32: Mit freundlicher Genehmigung der National Archives.
Abb. 20: Mit freundlicher Genehmigung von Editions Gallimard.
Abb. 33: General Research Division, The New York Public Library, Astor,
Abb. 22: Mit freundlicher Genehmigung von Raymond Loewy Design LLC.
Lenox and Tilden Foundations. Abb. 34: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 38: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 39: Van Pelt-Dietrich Library, University of Pennsylvania Libraries. Abb. 40 – 46: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 47: Mit freundlicher Genehmigung der Bibliotheque nationale de France.
Raymond Loewy™ ist eine Schutzmarke von Loewy Design LLC. www.RaymondL292oewy.com Abb. 23: Mit freundlicher Genehmigung des Bauhaus-Archivs, Berlin. Abb. 24: Pocket watch owned by Kengo Nikawa. Donated by Kazuo Nikawa. Mit freundlicher Genehmigung des Hiroshima Peace Memorial. Abb. 25: Mit freundlicher Genehmigung des Bulletin of the Atomic Scientists www.thebulletin.org Abb. 26 – 27: Mit freundlicher Genehmigung des Estate of R. Buckminster Fuller. Abb. 28: Mit freundlicher Genehmigung der Intel Corporation. Abb. 29: Mit freundlicher Genehmigung von Ray Kurzweil.
Kapitel 7
Abb. 34: Reproduktion mit Erlaubnis des Themerson Archive.
Abb. 1 – 2: Foto: Norman McGrath. Mit freundlicher Genehmigung von Maya Lin Studio. Abb. 3: Gates of Time at the Oklahoma City National Memorial. 1997. Foto: Ann Clark. Oklahoma City National Memorial Museum, Oklahoma City, OK. Abb. 4 – 5: Photo Jim Simmons, Annette del Zoppo Studio. Mit freundlicher Genehmigung von Sheila Levrant de Bretteville und Jim Simmons. Abb. 6: Mit freundlicher Genehmigung von Christoph Fink. Abb. 7 – 8: Mit freundlicher Genehmigung von Katie Lewis und Mina Dresden Gallery, San Francisco. Abb. 9: Mit freundlicher Genehmigung von Marjolijn Dijkman. Abb. 10: Huang Yong Ping. Carte du monde. 2000 – 2007. Karte auf Holz, Globus. 600 × 100 × 300 cm. Hier zu sehen bei der Ausstellung Huang Yong Ping, Ping Pong, Astrup Fearnley Museum, Oslo, 2008. © Huang Yong Ping. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der Gladstone Gallery.
Kapitel 8 Abb. 1 – 3: Mit freundlicher Genehmigung des American Museum of Natural History. Abb. 4 – 5: Mit freundlicher Genehmigung des Metropolitan Museum of Art. Abb. 6: © Tate, London, 2009. Abb. 8: Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library. Abb. 9: Maximilian’s Triumphal Arch: Woodcuts by Albrecht Dürer and Others. New York: Dover Publications, 1972. Mit freundlicher Genehmigung von Dover Publications. Abb. 10: Mit freundlicher Genehmigung der Bibliotheque nationale de France. Abb. 12: Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library.
Abb. 11 – 12: Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University. Mit freundlicher Genehmigung des Glanz Family Trust. Abb. 13: Mit freundlicher Genehmigung der Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University. Abb. 16: Mit freundlicher Genehmigung der Marquand Library, Princeton University. Abb. 17: Mit freundlicher Genehmigung des Callwey-Verlags.
292
Anhang Chart of Ancient, Modern, and Biblical History, 1878. Mit freundlicher Genehmigung des Department of Rare Books and Special Collections, Princeton University Library.
Register 100 Years Calendar (24,698 Days) (Kawara) 264 – 65
Annius von Viterbo 52 – 54, 75
Bardus 52 – 53
4’33“ (Cage) 263
Ant Farm 261
Barker, W. H. 141
Apianus, Petrus 71 – 75, 85, 98, 114
Barr, Alfred H., Jr. 245 – 46, 250 – 52, 254, 261, 270
A
Apostelgeschichte. Siehe Bibel
„Batwing“-Diagramme. Siehe Diagramme
Abraham. Siehe Bibel
Archäologie 92, 98, 102
Bauhaus 255, 257
Account of the most important and interesting
Arche 40 – 41, 102 – 3, 172 – 73
Baumringe. Siehe Chronologie
religious events which have transpired from
Architektur 96
Bayard, Pierre 101
the commencement of the Christian era to the
Ariadnefaden 92
Bayle, Pierre 112 – 13
present (Barber) 198 – 199
Arp 252
Bell, William 161 – 63, 167
Adam 39, 69, 93, 104, 175, 216
Assensio, Francisco 271, 276
Bem, Józef 227, 230 – 31, 234
Adams, Sebastian C. 193 – 97, 210 – 11
Assyrien 18, 31, 72
Benjamin, Walter 157
Adventisten 179 – 83, 186 – 87
Astrologie 70 – 71, 156
Bergson, Henri 27
astrologische Vorhersagen. Siehe Chronologie
Berliner, Emile 209
Astronomicum Caesareum (Apianus) 71
bewegliche Lettern. Siehe Drucken
Ahab 245
Astronomie. Siehe Chronologie
Beweise für die Chronologie (Temporal) 86
Akadier 172
Atlas classica (Finley) 150 – 51
Bianchini, Francesco 97 – 102
Alexander der Große 72, 74, 108, 132
Atlas historicus (Hagelgans) 117 – 18, 121 – 23
Bibel 18, 31, 39, 43, 46 – 47, 52, 60, 70, 75, 80 – 81,
Alexander VI., Papst 52 – 53
Atlas historicus (Hase) 145
85, 87, 97, 109, 165, 178 – 79, 182
Alexandria 31
Atlas historique (Châtelain) 145
Abraham 18, 20
Alfred der Große 42 – 43
Atlas Lesage (Las Cases) 145
Altes Testament 31, 40, 55, 66, 68, 70, 87, 89,
Algonquin 172
Atlas of Movements (Fink) 239
Almagestum novum (Riccioli) 79
Atlas zur Übersicht der Geschichte aller
Ägypten 52, 54, 76, 83, 87 – 88, 93, 96 – 98, 103, 132, 146
Alsted, Johann Heinrich 71, 101, 103
europäischen Staaten (Kruse) 145
172 – 73 Apokalypse 48, 88 – 89 (siehe auch Weltuntergang)
Altes Testament. Siehe Bibel
Atomkriegsuhr 70, 256 – 57
Apostelgeschichte 52
American Board of Commissioners for Foreign
Attila der Hunne 88
Auszug 103
Audubon, John James 245
Daniel 24, 63, 65 – 66, 72, 177, 182
American Economic Association 156
August I., König von Sachsen 65
Garten Eden 146
American Historical Association 199
Augustus 17, 60, 270, 275
Hexapla 31
Missions 174
Jeremia 31
American Museum of Natural History 25, 267 American Statistical Association 156
B
Jesaja 43
Amerika 20, 52, 132, 146, 169, 172, 177, 179, 192,
Babylon 75, 78 – 79, 93, 96
Kodex 40
Bacon, Francis 93
Moses 85, 88
Anatomia statuae Danielis (Faust) 58, 64 – 66, 239
Balkendiagramme. Siehe Diagramme
Neues Testament 68, 70, 87, 89, 118, 172 – 73
Annalen. Siehe Chronologie
Barber, John Warner 198 – 99
Noah 16, 39, 40 – 41, 52 – 53, 57 – 58, 87, 103,
Annalen von St. Gallen 13 – 14
Barbeu-Dubourg, Jacques 25, 111, 125, 128 – 29,
197 – 98, 225, 228
Annals of the Old Testament (Ussher) 80 – 81
189, 199, 211, 245, 248
172 – 73 Schöpfung 20, 35 – 36, 43 – 47, 50, 52 – 53, 63,
293
Die Zeit in Karten
Chronographie universelle (Barbeu-Dubourg) 125,
76, 79, 81, 88 – 89, 91, 97 – 98, 102 – 3, 106 – 7,
Carey, William 199
118, 122 – 23, 128, 148, 156, 172 – 73, 177, 182,
Carpathia (Schiff) 203
184 – 185, 187, 197, 215
Carroll, Lewis 231 – 32
Chronologia (Funck) 75, 77
Schöpfungsgeschichte 43, 97
Carte du Monde (Huang) 244
Chronologia (Riccioli) 79, 82 – 83
Sintflut 16, 47, 53, 63, 69, 72, 76 – 77, 79, 83, 87,
Carte figurative des pertes successives en hommes
Chronological Chart of Ancient, Modern, and
96, 97, 101 – 3, 109, 182 Sodom und Gomorra 46 Wurzel Jesse 43, 59
de l‘armée française dans la campagne de Russie 1812 – 1813 (Minard) 26 Cartoons. Siehe Kunst
128 – 29, 211, 245, 248 – 49
Biblical History, A (Adams) 193 – 97, 210 – 11 Chronological Chart of the Visions of Daniel and John, A (Miller) 181 – 82
Bichat, Mari FranÇois Xavier 161
Caspari, Arthus C. 261
Chronological Skeleton Chart (Bloch) 224 – 25
Bildsprache. Siehe Chronologie
Cassiodor 32
Chronological tables of Europe: from the Nativity
Bircherod, Jens 118 – 19
Centenary Game (Klobassa) 222
Birds of America (Audubon) 245
Central Park 267 – 68
Bisticci, Vespasiano da 19, 32
Cézanne 246, 252
Bizzocchi, Roberto 14
Chaldaa 52
Blanchet, FranÇois Norbert 172 – 77, 211
Chantreau, Pierre-Nicolas 159
50, 52, 54, 59 – 61, 70 – 71, 74 – 77, 79, 81, 83,
Bloch, Jacob 224 – 25
Charles William Deacon and Company 197
85 – 87, 89, 91 – 93, 95, 97 – 98, 101, 103, 108 – 9,
Bodin, Jean 66, 91, 93
Chart Drawing Instrument (Moyer) 226
111, 114 – 116, 118, 139 – 41, 144, 146, 148, 154,
Borges, Jorge Luis 13
Chart Illustrating the Course of Empire from the
156 – 58, 167, 175 – 77, 182, 196 – 97, 201, 214,
of Our Saviour to the Year 1703 (Parsons) 117 Chronological, Historical, and Biographical Chart, A (Dod und Dod) 164 Chronologie 9, 12 – 14, 16, 18, 20 – 21, 23, 27, 47,
Bostwick, Henry 187 – 89
Earliest Records, Sacred and Profane, Down to
218 – 19, 222 – 24, 230, 233, 235, 238, 244 – 45,
Boulaese, Jean 60, 62 – 63, 65, 114, 129, 132
the Present Time, A (Shimeall) 183
252, 255, 267 – 69, 271, 276
Brahe, Tycho 96 Braque 252
Chart of Biography, A (Priestley) 21, 23, 133 – 35, 138 – 39, 141 – 43, 169, 187, 227, 263, 265
Annalen 12 astrologische Vorhersagen 69 – 75 Astronomie 70 – 75, 178 – 80
Breuer, Marcel 255
Chart of the seasonal availability of produce in
British Library 133
the vegetable market of Washington, D. C.
Auge der Geschichte 20, 111, 144
Brown, Carleton 245, 248 – 49
(anonym) 169
Baumringe 25
Bruno, Giordano 52 Buchdruck. Siehe Drucken
Chart of Universal History, A (Jefferys) 129 – 33
biblische. Siehe Bibel Bildsprache 21, 23 – 24, 126, 179, 183, 237, 250, 252
Bry, Theodor de 21
Châtelain, Zacharias 145
Budovec z Budova, Václav 70
China 52, 83, 97, 132, 146, 269
Chroniken 14
Bulletin of the Atomic Scientists 70, 256 – 57
Chinook 172
Denkmäler 237
Buno, Johannes 103, 105 – 8
Chlodwig, König der Franken 58
Geografie 20, 85, 111, 144, 226, 230 – 31
Bureau of Ethnology 176
Christentum 31, 74, 166, 172, 174, 186, 198 – 99
Geschichtsschreibung 12, 14, 18, 50, 81,
Chronicarum et historiarum epitome (anonym)
C
47
96 – 95, 146, 161, 199 Internet 267, 276
Cage, John 262 – 63
Chronicum (Phrygio) 53
Klio 81 – 83
Calendarium historicum (Eber) 88 – 89
Chronik (Comes) 18
Koordinationssysteme 61
Calendrier positiviste (Comte) 161
Chronik (Eusebius) 18 – 19, 31 – 34, 48, 75, 92, 114,
Palimpseste 237 – 38
Californian (Schiff) 203
211
Rätsel 105, 108
Cambridge Magazine 140
Chroniken. Siehe Chronologie
Schachbrettformat 77
Cambridge University 91, 115, 179
Chronographia (Codomann) 85
Spiele 214, 216 – 23, 230, 234
294
Register
Uhren 70, 201, 257 Zeitleiste 11, 12, 16 – 18, 23 – 25, 27 – 28, 31, 36,
Connecticut Yankee in King Arthur’s Court, A (Twain) 223
nordamerikanisches Format 163 – 77 Priestley. Siehe Priestley
43, 48, 50, 53, 65, 76 – 77, 81, 83, 91, 96, 101,
Countdown zur Singularitat (Kurzweil) 259
„Rosen“ 154
134, 141, 148, 156 – 57, 167, 176, 179, 181,
Craig, John 139
Schrirolle 211 – 13
193, 197, 202, 211, 216, 225, 233, 243, 250,
Crusius, Paul 77, 79
Statistik 154 – 56
267 – 70, 275 – 76
Cubism and Abstract Art (Barr) 245, 250
Strom 163 – 67
Chronologie des rois de France (Assensio) 276
Cummings, Jonathan 182 – 83
Dickinson, John 140 – 41, 239 Diderot, Denis 129, 159, 211
Chronologie universell (Barbeu-Dubourg) 25 Chronology (Putnam) 189
D
Dijkman, Marjolijn 237, 242 – 43
Chronology Delineated to Illustrate the History of
d’Alembert, Jean le Rond 129, 159
Dipity 276
Dada 250 – 52, 261
Discus chronologicus (Weigel) 118, 120 – 21, 187,
Monarchical Revolutions (Wilson) 165
223, 239
Chronometer 201 – 2
Daniel. Siehe Bibel
Churchman’s Magazine 198
Dareios, König von Persien 66, 72, 74
Dispensational Truth (Larkin) 186
Cicero 19
Darton, William 211, 214
Dispensationalisten 187
Clarkson, Thomas 166
Darwin, Charles 140
Dod, Daniel und Stephen163 – 66
Clavis apocalyptica (Mede) 177 – 79
Darwin, Erasmus 140
Douglass, Andrew Ellicott 25
Clemens, Samuel L. Siehe Twain, Mark
Date Paintings (Kawara) 237, 264 – 65
Drucken 19
Codomann, Lorenz 85, 87
Davidianer 187
bewegliche Lettern 211
Cole, John A. 218
De la Ruë, Philippe 145
Buchdruck 9, 34, 93, 111
Columbus, Christoph 192, 198
Deacon’s Synchronological Chart (Hull) 197
Druckerpresse 91
Comes, Marcellinus 18
Demers, Modeste 172 – 73
Comment parler des livres que l’on n’a pas lus?
Demeter 16 – 17
Drucker (Person) 17, 33, 34, 36, 50, 54, 71, 81, 165 – 66
Description of a Chart of Biography, A (Barker) 141
Druckerpresse. Siehe Drucken
Commercial and Political Atlas (Playfair) 148, 154
Deukalische Flut 16
Duchamp 252
Compend of General History (Whelpley) 187
Devyr, Thomas Ainge 198
Dürer, Albrecht 54, 56 – 57, 271, 274 – 75
Compend of history, from earliest times, A (Whel-
Diagram Exhibiting the difference of time between
(Bayard) 101
pley) 152 – 53 Complete Ecclesiastical Chart from the Earliest Records, Sacred and Profane, Down to the Present Day (Shimeall) 184 – 85
the places shown & Washington, A (Johnson) 202 Diagram of Prophetic Times, According to the Chronology of Wm. Miller (Miller) 182 Diagramme
E Eber, Paul 88 – 89 Eddy, Isaac 165 – 66 Edgeworth, Maria 140
Adventisten. Siehe Weltuntergang
Edison, Thomas 209
& Genealogical Chart of the Sacred Scriptures
Atomkriegsuhr. Siehe Atomkriegsuhr
Ehrenpforte (Dürer) 271, 274 – 75
from Adam, A (Shimeall) 185
Balken 85 – 87, 148, 276
Einsamer Hund 176
„Batwing“ 154, 156
Elements of History, Ancient and Modern
Complete Historical Chronological Geographical
Comprehensive Chart of American History (Willson) 192
Cartoons. Siehe Kunst
(Worcester) 187
Computus 88
detaillierte Gravuren 114 – 15
Elements of Universal History (Luffman) 189
Comte, August 160 – 61
Evolution 254 – 55
Elkins, James 237
Concentric Chart of History (Ludlow) 223 – 24
Kunst 236 – 65
Elliott, Edward Bishop 211 – 13
Condorcet, Jean-Antoine-Nicolas Carritat, Mar-
Marconi 202 – 5
Emmius, Ubbo 91, 125
neue Formate im 19. Jahrhundert 189, 192 – 93
Encyclopædia Britannica (Ferguson) 148 – 49
quis de Corot 158 – 59
295
Die Zeit in Karten
Encyclopédie (Diderot und d’Alembert) 129, 159, 211
Fuller, R. Buckminster 257 – 59
Harrison, John 201
Funck, Johann 75, 87
Harry’s Holiday (Taylor) 140 Harvey, Gabriel 90 – 91
Epitome of Ecclesiastical History (Rowland) 166
G
Hase, Johann Matthias 145 – 46
Galileo 25, 169
Hawes, Stephen 152 – 53
Galton, Francis 202 – 3
Hawthorne, Nathaniel 228
156 – 157, 169, 174, 202, 206, 211, 216 – 18, 231,
Garten Eden. Siehe Bibel
Hayden Planetarium 268
234
Gaspesie-Halbinsel 172
Heilbrunn (Familie) 267
Estienne, Robert 33
Gates of Time 237
Heiliges Römisches Reich 53 – 54, 66, 70, 89,
European Painting and Sculpture (Newton)
Gauguin 246
Erfinder (Siehe auch Technologien) 52, 103, 163, 189, 209, 218, 223, 228 Erfindungen 16 – 17, 25, 34, 92, 103, 111, 148,
252 – 53 Eusebius 29, 35, 40, 43, 47, 50, 52, 59, 61, 65, 87,
General Topography of North America (Jefferys) 132 – 33
94 – 95, 101 Heinrich III. 42 – 43, 60 Heinrich VIII. 172 – 73
89, 91, 95, 103, 109, 118, 121, 123, 125, 129, 132,
Genf 21
Heinrich von Navarra 60
152, 158 – 59, 166, 223, 237, 263
Geografie 20, 85, 111, 144, 226, 230 – 31
Hektor (Troja) 58
Evolutionsdiagramme. Siehe Diagramme
Georg III. 130 – 32, 134 – 35, 234 – 35
Helmstedt 59
Eytzinger, Michael 68 – 70
Geschichtsschreibung. Siehe Chronologie
Helvicus 132
Geschichte am laufenden Meter 269 – 70
Helwig, Christopher 91 – 95
F
Gillam, Manly M. 270
Hermesstab 98
Fanelli, Sara 269
Glareanus, Heinrich 60 – 61, 89 – 91
Herzog von Guise 60
Fasciculus temporum (Rolevinck) 34 – 37, 40 – 41,
Globusmacher 165 – 66
Hexapla. Siehe Bibel
Goiffon, Georges Claude 206
Himes, Joshua 181
Fasti Consulares (Piranesi) 272 – 75
Goodrich, Samuel 187
Hipparchos 96
Faust, Lorenz 58 – 59, 64 – 66, 239
Google News und Google Finance 276
Histomap (Sparks) 244, 246 – 47
Ferguson, Adam 148 – 49
Grafiken 14, 16, 26, 59, 60, 85, 87, 130, 132, 139 –
Historical Amusement: A New and Entertaining
Film 25, 140, 242 – 43, 264
40, 142 – 43, 148, 154, 156, 158, 160 – 61, 163,
Fink, Christoph 8, 237, 239
166, 169, 177, 179, 185 – 86, 189, 192, 197 – 98,
Finley, Anthony 150 – 51
203, 209, 224, 227, 236 – 65, 269 – 70
46, 211
Game on the History of England 219 Historical and Astronomical Diagram (Pearson) 180
Finsternisse 20, 72, 74, 76 – 77, 83, 97, 180
Grandville, J. J. 28, 275, 277
Fiscal Chart of the United States (Walker) 157
Gravur 21, 112 – 16, 196
Fluxus (Its Historical Development and Relation-
Gregory, John Milton 231
Historical and Classical Atlas, A (Bostwick) 187
Grynaeus, Simon 53, 60
Historical Atlas, An (Quin) 146
ship to Avant Garde Movements) (Maciunas) 260 – 61
States (Ramsay) 169 – 71
Historical Expositor, or Chronological and
Fluxus 260 – 61
H
Forlong, James George Roche 166 – 67
Haacke, Hans 263 – 64
Forum Romanum 17, 270 – 71
Habsburger 54, 58, 66, 270
Fotografie 9, 25, 206, 210, 264
Hagelgans, Johann Georg 117 – 18, 121 – 23, 125,
Fourier, Charles 160 – 61
Historical and Biographical Chart of the United
199
Historical Charts 187 Historical, Chronological, and Genealogical Chard, A (Bostwick)188 – 89 Historisches Diagramm (anonym) 141 History and Present State of Discoveries Relating
Franklin, Benjamin 125, 141, 146, 169
Hammett, Walter A. 218
to Vision, Light, and Colours, The (Priestley)
Franko-Kanadier 172
Hannibal 26
22 – 23
Friedrich von Sachsen 88
Harriet and Robert Heilbrunn Cosmic Pathway 267
296
History Institute of America 245
Register
History of the Indian Tribes of North America
Jażwiński, Antoni 227, 230 – 31, 235
Kawara, On 28, 237, 264 – 65
Jefferson, Thomas 169
Kekrops I. 16 – 17
Jefferys, Thomas 129 – 33, 139, 163
Kepler, Johannes 93, 96 – 97, 103
of the Abolition of the African Slave-Trade by
Jeremia. Siehe Bibel
Kircher, Athanasius 83
the British Parliament, The (Clarkson) 166
Jerusalem 32, 54, 74 – 75
Klapisch-Zuber, Christiane 14
History of the World (Raleigh) 21
Jesaja. Siehe Bibel
Klappkarte. Siehe Karten
History on Parade (Brown) 245, 248 – 49
Jesuiten 79, 81, 83, 97
Klio. Siehe Chronologie
History Taught by the Eye (Labberton) 192 – 93
Joachim von Fiore 66, 68 – 70, 177
Klobassa, Victor 222
Homer 109
Johannes der Täufer 172
Kodex 18, 31, 43, 47, 132, 211, 214
Horae Apocalypticae (Elliott) 211 – 13
Johnson, Alvin Jewett 202
Konfuzius 91, 161
Houteff, Victor 186 – 87
Johnson, Mark 15, 17
Konstantinopel 48
How to Look at Modern Art (Reinhardt) 254
Johnson’s New Illustrated Family Atlas of the
Konsullisten 17, 270
(McKenney) 177 History of the Rise, Progress, and Accomplishment
How to Make History Dates Stick (Twain) 233 – 35
World (Johnsons) 202
Kontinentalkongress 169
Huang Yong Ping 237, 244
Josephus 69
Kopernikus 75, 96, 161
Hudson’s Bay Company 172
Juden 17 – 18, 31, 48, 63, 66, 74, 83, 87 – 88, 101, 103
Kopisten 48, 172
Hull, Edward 197
Julius Caesar 88, 271
Korrespondenzkarte. Siehe Karten
Humanismus 19, 32, 35, 159
Jupiter (Planet) 71
Kreis der Mond- und Sonnenuhr (Budovec z Budova) 70
Hummelberg, Gabriel 91 Huygens 169
K
Kreuzigung 54, 75
Kalender 20
Krimkrieg 154, 156
I
13. Monat 161
Kruse, Christian 145 – 46
Imaginary Landscape (Cage) 262 – 63
Funck 87
Kubismus 245 – 46, 250
Indien 37, 132, 146, 167
Katholischer 160 – 61
Kunst- und Wunderkammer 92, 101
Indischer Ozean 20
Protestantischer 20, 160 – 61
Kunst, geometrische 252
Indizes 19, 132
Römischer 270
Kunst. Siehe Bauhaus; Cartoons; Dada; Fluxus;
Industrialisierung 201
Schöpfung 20, 88 – 89
Ingres 252
Kalender-Stock 177
Integrierte Schaltkreise beinhalten immer mehr
Kanada 228
Kubismus; Kunst, geometrische; Modernismus Kurzweil, Ray 259
Karl I. 71
L
Intel Corporation 259
Karl V. 94 – 95
L’ evolution de la sensibilite technique dans la
Introduction a une nouvell poesie et a une
Karten 20, 89, 92, 132, 145, 154
Komponenten (Moore) 259
nouvelle musique (Isou) 254 – 55 Ireland, William Henry 189 Isis 52 Islam 198 – 99 Isou, Isidore 254 – 55
Zeitkarten 11, 77, 121, 125 – 26, 129, 145 – 46, 230 Landkarte 20, 111, 132, 144, 146, 196, 198 – 99, 230 – 32
poesie (Isou) 254 L’ An 2440, rêve s’il en fut jamais (Mercier) 214 Labberton, Robert Henlopen 192 – 93 Lakoff, George 15, 17 Lakota-Winterzählung 176 – 77
Wandkarte 63
Lambeck, Peter 101 – 4
Klappkarte 68
Landkarten. Siehe Karten
J
Korrespondenzkarte 202
Langobarden 52 – 53
Janssen, Pierre Jules César 210 – 11
Weltkarte 20, 37, 85, 111, 125 – 26
Lapwai-Mission 174 – 75
Japhet 39, 52 – 53, 58
Katholische Leiter (Blanchet) 172 – 76, 211
Larimore, James W. 218
297
Die Zeit in Karten
Larkin, Clarence 186 – 87
Makedonien 60
Miller, J. Hills 16,
Las Cases, Emmanuel-Augustin-Dieudonne-
Mallery, Garrick 176
Miller, William 179 – 80, 182, 186
Manetho 78 – 79
Milton, John 179 – 80, 231
Last and First Men (Stapledon) 27 – 28
Mann, Horace 228
Minard, Charles Joseph 26 – 27, 154, 252
Lavoisne, C. V. 144
Map of Time (Gregory) 231
Miniaturisierung 116
Le Roy, Loys 93
Marcel, Guillaume 116
Miomi 276
Lectures on History and General Policy
Marconi Telegraph Company 202 – 4
Missionare 172, 174 – 75, 199
Marconi’s Nordatlantik-Kommunikationsdia-
Mitchell, W. J. T. 15
Leibniz, Gottfried Wilhelm 108
gramm / Marconi Telegraph Communication
Mnemograph 276
Lenglet du Fresnoy, Nicolas 115 – 16, 118, 133
Charts 203 – 4
Modernismus 227, 245 – 46, 250, 252, 254
Joseph, Graf von 144 – 45
(Priestley) 133
Leopold 271
Marey, Étienne-Jules 25, 206 – 9, 211
Mombritius, Boninus 33
Levrant de Bretteville, Sheila 237 – 38
Margarete von Österreich 271
Moore, Gordon 259
Lewis, James Otto 177
Mark Twain’s Memory-Builder: A Game for
Moore, Henry 179
Lewis, Katie 8, 237, 240 – 241
Acquiring and Retaining All Sorts of Facts
Mooresches Gesetz 259
Library Company of Philadelphia 8, 141
and Dates (Twain) 220 – 22, 232
Mortality of the British Army (Nachtigall) 156
Marlowe, Christopher 52
Moses. Siehe Bibel
Marmor Parium 16 – 17
Mosher, Charles D. 210
Ligeti, Paul 252
Martignoni, Girolamo Andrea 121, 124 – 27, 144
Mount Temple (Schiff) 203
Lin, Maya 8, 237
Martini, Martino 83
Mouveaux, Jehan de 33 – 35
Little Tokyo 237 – 38
Massachusetts Institute of Technology 156
Mouvement, Le (Marey) 206 – 7, 211
Livius 60 – 61
Massaeus, Christian 87
Moyer, Eli Nash 226
Loewy, Raymond 255
Maximilian I. 54, 56 – 59, 271, 275
Münchner Kunstkammer 92
Long Now Foundation 28, 276
Maximilian II. 70
Murrah Federal Building 237 – 38
Longitude Prize 201
Mayo, Robert 189
Museum of Modern Art (MoMA) 245 – 46, 250 – 52
Longviewer 276
McKenney, Thomas Loraine 177
Muslime 70
Loverin, Nelson 226, 228 – 29
McKitterick, Rosamond 14
Muybridge, Eadweard 25, 206
Ludlow, James M. 223 – 24
Mede, Joseph 177 – 79
Ludwig XVI. 271, 276
Mercator, Gerhard 20, 74, 76 – 77, 79, 87, 98, 125,
Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentlemen, The (Sterne) 23 – 24
Luffman, John 189
163
N Nabonassar 75, 78 – 79, 96
Mercier, Louis-Sébastien 214
Napoleon 25 – 26, 145, 154
Merkur 98
Nash, Ogden 245
Luther, Martin 94 – 95, 172 – 73
Merton College 18
Nationales Palastmuseum 269
Lykurg 161
Mesopotamien 70, 75
Nebukadnezar, König von Babylon 24, 63, 180
Lyman, Azel S. 189 – 92, 196 – 97
Meteorographica, or Methods of Mapping the
Neue Welt 33, 97, 198, 227
Lumen historiae sacrae veteris & novi testamenti per tabulas (Bicherod) 118
Lyman-Haskells Mehrkammergeschütz 189
Weather (Galton) 203 Meteorologie 202 – 3
M Macbeth 15 – 16
Méthode pour étudier l’histoire (Lenglet du Fresnoy) 115
Machiavelli 60
Metropolitan Museum of Art 250, 267 – 69
Maciunas, George 260 – 61
Mi’kmaq 172
298
Neues Testament. Siehe Bibel New Chart of History, A (Priestley) 23, 133, 136 – 40, 146, 148 – 49, 187 New Englander (Zeitschri) 199 New geneaological, historical, and chronological atlas, A (Lavoisne) 144
Register
New York City 25, 263, 267
Pentaplus regnorum mundi (Eytzinger) 68 – 69
Ptolemaios 20, 78 – 79, 96, 108
New York Observer and Chronicle 187
Pepys, Samuel 201
Puritaner 71
Newton, Eric 252 – 53
Perenna, Anna 88
Putnam, George Palmer 189
Newton, Isaac 79, 139, 143, 157, 161, 169, 179
Pergament 40, 211
Puzzles 214, 219 – 20
Niagara (Schiff) 203
Perozzo, Luigi 154
Pyramiden 101, 189
Nicolas Point, S. J. 174
Persien 52, 63, 66, 72, 78 – 79, 146
Niederlande 114, 271
Peter von Poitiers 40, 42 – 43, 59, 62 – 63
Q
Nightingale, Florence 154, 156
Petrarca 19, 60, 138
Quebec 172
Nikawa, Kengo 256
Peutinger, Konrad 54
Quiccheberg, Samuel 92
Ninive 40
Phonautograph 209
Quin, Edward 146, 172
Noah. Siehe Bibel
Phrygios, Paulus Constantinus 53 – 54
Nova Scotia 172
Picabia, Francis 28, 250 – 52, 255
R
Picture-Writing of the American Indians (Mallery)
Rad der Mode (Grandville) 277
O
176
Raleigh, Walter 21, 159
Olav (Schiff) 203
Pietisten 108
Ramsay, David 169 – 71, 192
Olympische Spiele der Antike 17
Piranesi, Giovanni Battista 270 – 75
Rand McNally 244
Omiode no Shotokyo (Levrant de Bretteville) 238
Platon 76
Rapture Index 66
One Thousand Days One Million Years (Kawara) 264
Playfair, James 152
Raster 50, 138, 227 – 28, 231, 234, 239
Opus Chronologicum novum (Emmius) 91
Playfair, William 148, 154, 157, 170 – 71, 206 – 7,
Ratdolt, Erhard 33
Oregon 172, 174 – 75, 193, 196, 224
209, 259
Rätsel. Siehe Chronologie
Oregon American (Zeitschri) 174
Pocket Tablet of Chronology (Darton) 211, 214
Réalités Nouvelles (Katalog) 252 – 53
Origenes 31
Polish-American System of Chronology (Peabody)
Redon 246
Ortelius, Abraham 144 – 45
228, 230 – 31
Reformation 88, 114, 166, 172 – 74
Osiris 52 – 53, 58
Political Economy of Prophecy (Shimeall) 182 – 83
Reineck, Reiner 59 – 60
Osmanisches Reich 66, 132
Polnisch-mnemonische Lehrmethode 227 – 28,
Reinhardt, Ad 254 – 55
Ostern 12, 88 Outlines of Chronology (Goodrich) 187
P
230 – 31 Positivismus 161
Renaissance 12, 19 – 20, 24, 54, 60, 71, 91 – 92, 94 – 95, 142, 201, 226 – 27
Priesterlisten 31, 78 – 79
Renouvier, Charles 27
Priestley, Joseph 8, 21, 22 – 24, 27, 29, 102, 115,
Reusner, Elias 60 – 61
Paik, Nam June 261
130 – 31, 133 – 36, 138 – 44, 146, 148, 150 – 52,
Palästina 31
156 – 59, 161, 163 – 64, 167, 169, 171, 175 – 76,
Palimpsest. Siehe Chronologie
180, 182, 187, 189, 202, 206, 209, 218, 222, 225,
revolver photographique 210
Palmieri, Matteo 32, 34
230, 237, 259, 263 – 65
Riccioli, Giambattista 79, 81 – 83
revolutionibus orbium coelestium, De (Kopernikus) 75
Parische Chronik 16 – 17
Princeton MS 42 – 43
Richard Löwenherz 271
Parsons, William 116 – 17
Princeton University 8 – 9, 118, 121, 128, 215
Rivers of Life (Forlong) 167
Pauker von Niklashausen 48
Prinz von Oranien 116
Rodin 252
Payrère, Isaac la 83
Profile of the Industrial Revolution (Fuller) 258 – 59
Rolevinck, Werner 35 – 37, 40 – 41, 43, 46 – 48, 50,
Peabody, Elizabeth Palmer 228, 230 – 31, 234, 239
Prophetic Chart (Cummings) 182 – 83
Pearson, J. 180
Prosper 32
Romantik 161
Pelzhandel 172
Protestantische Leiter (Spalding) 174 – 76, 239
„Rosen“-Diagramm. Siehe Diagramme
53, 65, 101, 211
299
Die Zeit in Karten
Ross, Alexander 21
Shimeall, Richard Cunningham 182 – 85
Tallents, Francis 114 – 15, 118, 133
Rou, Jean 112 – 15, 118
Shrinking of our Planet (Fuller) 258
Tate Artist Timeline (Fanelli) 269
Rousseau 246
Simile 276
Tate Gallery of Modern Art 269
Rowland, David 166
Sintflut. Siehe Bibel
Taylor, Jefferys 140
Royal Society of London 169
Sinton, Walter Lyon 226
Technologien 17, 21, 111, 159, 201 – 2, 209 – 10,
Rudolf II. 70, 89
Sketch for a historical picture of the progress of the human mind (Caritat) 158
218, 257, 259 Telegraf 201 – 4, 206
S
Sodom und Gomorra. Siehe Bibel
Temeniden 60
Sahale-Stock 172, 177
Spalding, Eliza Hart 174 – 77, 239
Temple of Time (Willard) 226 – 27
Salmanassar, König von Assyrien 60, 75, 79
Spalding, Henry Harmon 172 – 74
Temporal, Jean 85 – 87, 167
Samotheus, Johannes Lucidus 75
Spanien 52 – 53, 132
temporibus, de (Eusebius) 32
Sanduhr 201
Sparks, John 244 – 47
Terra Sainte, La (De la Ruë) 145
Saturn (Planet) 71
Spiegazione della carta istorica dell’Italia
Thales 31
Saulus 134 – 35
(Martignoni) 124 – 25
Thapar, Romila 14
Savannah (Schiff) 166
Spiele. Siehe Chronologie
The Hunting of the Snark (Carroll) 231 – 32
Savile, Henry 60 – 61
Stabius, Johannes 54
Theatrum historicum (Helwig) 91 – 93
Savonarola 35
Stapledon, Olaf 27 – 28
Theatrum orbis terrarum (Ortelius) 144
Scaliger, Joseph 78 – 79, 83, 85, 92 – 93, 98
Statistical Breviary (Playfair) 154
Themerson, Stefan 261 – 62
Schachbrettformat. Siehe Chronologie
Steinberg, Saul 11, 28, 275, 277
Théorie des quatre mouvements et des destinées
Schedel, Hartmann 35, 37 – 39, 40, 43 – 50, 53, 60,
Stereogramm 154 – 55
générales (Fourier) 160 – 61
Sterne, Laurence 23 – 24
Thesaurus chronologiae (Alsted) 71
Straß, Friedrich 161 – 64, 226
Thoth 98
Stream of Time (Scroll-Grafik) 215
Timeline of Art History 267 – 69
Schlacht am Weißen Berg 70
Strobridge & Co. 196
Titanic (Schiff) 202 – 5
Schlacht von Gaugamela 72, 74
Strom der Zeiten (Straß) 161 – 64
Tolosani, Giovanni Maria 74 – 75
Schöpfung. Siehe Bibel
Strom-Diagramme. Siehe Diagramme
Trient 48
Schöpfungsgeschichte. Siehe Bibel
Students’ Topical History Chart (Whitcomb) 232
Triumphbogen 54, 56, 59
Schoulder, James 199
Sturt, John 116
Troja 16, 19, 31, 58, 271
Schreiber 32 – 34, 48
Synchronological Chart (Adams) 193 – 97
Tshi-zun-hau-kau 177
Schrigelehrte 33 – 34, 40, 50
Synchronology of the principal events in sacred
Tubus Historicus (anonym) 159 – 60
65, 101 Schedelsche Weltchronik (Schedel) 35, 38 – 39, 44 – 45, 47 – 50
Schrirollen. Siehe Chronologie
and profane history (Hawes) 152 – 53
Turm von Babel 40, 97, 172 – 73
Science de l’historie (Chantreau) 159
Syntagma (Reineck) 60
Twain, Mark 218, 220 – 23, 225, 232 – 35
Scientific American Reference Book 203, 205
System of Chronology, A (Playfair)152
Tzara 252
Seth 69, 108, 215
T
U
Seurat 246
Table historiques, chronologiques, & généalogiques
Uchronie (l’utopie dans l’histoire): Esquisse
Scott de Martinville, Edouard-Leon 209
Shakespeare 15, 222 Shapolsky et al., Manhattan Real Estate Holdings, a Real Time Social System, as of May (Haacke) 263
300
(Rou) 112 – 14 Tables chronologiques de l’histoire universelle (Lenglet du Fresnoy) 115 – 16 Tabulae Rudolphinae (Kepler) 93
historique apocrypha de développement de la civilisation européenne tel qu’il n’a pas ête, tel qu’il aurait pu étre (Renouvier) 27 Uhren. Siehe Chronologie
Register
Un chef Pied noirs aprés avoir vu l’echelle catholi-
Weltuntergang (Apokalypse) 12, 47 – 48, 50 – 51, 63, 89, 177 – 82, 197
que que lui explique Ambroise (Point) 174 Unabhängigkeitskrieg 163, 192
Whelpley, Samuel 152 – 53, 187
Uncle Sam’s Game of American History 219
Whitcomb, Ida P. 231 – 32
Universal Chronologist (Ireland) 189
White Star Line 202
Universal History Americanised (Ramsay) 169 – 71
White, Hayden 12 – 14
Universität Groningen 91
Whitman Massacre 174
Universität Herborn 71
Whittier, John Greenleaf 180
Universität Jena 60
Willamette Valley 172
Universität Paris 62 – 63
Willard, Emma 226 – 27
Ussher, James 79 – 81, 98, 197
Willson, Marcius 192, 196
Utilitarismus 239
Wilson, James 165 – 166 Winnebago-Indianer 177
V
Winterzählungen. Siehe Lakota-Winterzählung
van Gogh 246
Women’s Table, The (Lin) 237
Venus (Planet) 211
Worcester, Joseph Emerson 187
Vergil 19, 61, 138, 179
Workingman’s Advocate (Zeitschri) 198
Vermont-Bibel 165
World’s End, The (Whittier) 180
Vico, Giambattista 108 – 9
Worm, Ole 92
View of Ancient Geography and Ancient History
Wren, Christopher 209
(Mayo) 189
Wurzel Jesse. Siehe Bibel
View of Universal History, A (Tallents) 114 – 15 Vignetten 47
Y
Vincent, Antoine-Francois 206
Yale College 25
Voltaire 102 voyageurs 172
Z Zarathustra 161
W Walker, Francis A. 154, 157 Wallis’ New Game of Universal History and Chronology 216 – 17 Wandering through the Future (Dijkman) 242 – 43
Zech. 6: 1 – 8: The Church to, and Back From the Wilderness (Houteff) 186 Zeitkarten. Siehe Karten Zeitleiste der chinesischen Kunst 269 Zeitleiste. Siehe Chronologie Zerubavel, Evitar 8, 11
Wandkarte. Siehe Karten
Ziehharmonika-Buch 128 – 29, 193, 269
Watt, James 209
Zillinger, Paul 89
Weg aus dem Chaos, Der (Ligeti) 252 Weigel, Christoph 118, 120 – 21, 187, 223 – 24, 239 Weltausstellung in Chicago 210, 226 Weltkarten. Siehe Karten
301
Über den Autoren Daniel Rosenberg ist Professor für Geschichte an der Universität von Oregon / USA. Sein Interesse liegt in der Geschichtsdarstellung und reicht weit in die Bereiche der Literatur-, Kunst-und Technikgeschichte bis zur Visualisierung von Datensystemen. Anthony Grafton ist Professor für Geschichte an der Princeton Universität / USA mit dem Schwerpunkt auf der europäischen Renaissance und der Wissenschaftsgeschichte. Für seine herausragenden Leistungen wurde er mit dem höchsten deutschen Kulturorden geehrt.
Über den Inhalt Wussten Sie, dass der Zeitstrahl keine 250 Jahre alt ist? Und dass die Menschen in Altertum und Mittelalter ganz andere Darstellun¬gen gewohnt waren, um zeitlichen Ereignissen eine Gestalt zu geben, wie prächtige Tafeln, Tabellen oder Bäume? Für diesen großen Bildband öffne¬ten Archive berühmter Bibliothe¬ken den Zugang und ermöglichen ein in der Breite bisher einmaliges Bildmaterial: mit Abbildungen aus alten Annalen der Kirchenväter aus St. Gallen, Tafelwerken Albrecht Dürers bis zu wandgroßen Kunst¬werken wie dem ›Strom der Ge¬schichte‹. Tauchen Sie ein in einen von Wis¬senschaft und Kunst gleichermaßen gefeierten Bildband, der fachlich erstklassig kommentiert wird von zwei der größten Koryphäen für Wissenschaftsgeschichte, Daniel Rosenberg und dem Inhaber des höchsten deutschen Kulturordens: Anthony Grafton.
ROSENBERG • GRAF TON
Prachtvolle Bilder und eine meisterhafte Beschreibung »Außergewöhnlich … wunderschön aufbereitet … ein Grundlagenwerk« Times Higher Education Supplement »Für alle unheilbaren Bücherwürmer« Fine Books Daniel Rosenberg ist Professor für Geschichte an der Universität von Oregon / USA. Sein Interesse liegt in der Geschichtsdarstellung und reicht weit in die Bereiche der Literatur-, Kunstund Technikgeschichte bis zur Visualisierung von Datensystemen.
ROSENBERG • GRAF TON
Wie stellen wir uns die Zeit vor? Welches Bild machen wir uns von der Geschichte? Dieser Prachtband breitet ein Panorama der Geschichtsdarstellung vor uns aus. Annalen der Kirchenväter sind dort genauso zu bestaunen wie die revolutionäre Einführung der Zeitleiste in der Renaissance. Die zweite große Entdeckung dieses Buches ist sein meisterhafter Text, geschrieben von zwei der prominentesten Experten der Wissenschaftsgeschichte, Daniel Rosenberg und Anthony Grafton.
Die Zeit in Karten
Gedruckte Zeit
Die Zeit in Karten Eine Bilderreise durch die Geschichte
Anthony Grafton ist Professor für Geschichte an der Princeton Universität / USA mit dem Schwerpunkt auf der europäischen Renaissance und der Wissenschaftsgeschichte. Für seine herausragenden Leistungen wurde er mit dem höchsten deutschen Kulturorden geehrt. Das Spiel der Universalgeschichte und Chronologie von John Walis (1840). Mehr dazu auf Seite 217.
www.theiss.de ISBN 978-3-8062-3785-6
9 783806 237856
PR030968_Rosenberg_Karten_HC_RZneu.indd 1
24.04.18 16:20