Die Wohnung im Recht: Unter besonderer Berücksichtigung des Wohnungsbegriffs in § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB [1 ed.] 9783428512621, 9783428112623

Zur Verbesserung des strafrechtlichen Wohnungsschutzes hat der Gesetzgeber des 6. StrRG den Wohnungseinbruchsdiebstahl v

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German Pages 345 Year 2004

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Die Wohnung im Recht: Unter besonderer Berücksichtigung des Wohnungsbegriffs in § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB [1 ed.]
 9783428512621, 9783428112623

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Schriften zum Strafrecht Heft 149

Die Wohnung im Recht Unter besonderer Berücksichtigung des Wohnungsbegriffs in § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB

Von

Markus Krumme

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MARKUS KRUMME

Die Wohnung im Recht

Schriften zum Strafrecht Heft 149

Die Wohnung im Recht Unter besonderer Berücksichtigung des Wohnungsbegriffs in § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB

Von

Markus Krumme

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 3-428-11262-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Anne und meine Eltern

Vorwort Die Arbeit ist von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg im April 2003 als Dissertation angenommen worden. Rechtsprechung und Literatur konnten bis zur Fertigstellung des Manuskripts im September 2002 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Thomas Hillenkamp, der diese Arbeit angeregt und ihre Entstehung stets motivierend begleitet hat. Für die Zweitbegutachtung möchte ich Herrn Prof. Dr. Wilfried Küper herzlich danken. Meinen Eltern bin ich für ihre vielfältige Hilfe und Unterstützung sehr dankbar. Ohne die tatkräftige Mithilfe und die wertvolle Kritik meiner Frau, Anne Krumme, hätte die Arbeit in der vorliegenden Form nicht entstehen können. Ihr bin ich zu größtem Dank verpflichtet. Lüneburg, im Juli 2003

Markus Krumme

Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Erstes Kapitel Zur sozialwissenschaftlichen Bedeutung der Wohnung

22

I. Entstehung des Idealtypus „Modernes Wohnen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

1. Die Trennung von Wohnen und Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

2. Die Ausgrenzung von Personen aus der Wohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

3. Auseinandertreten von Öffentlichkeit und Privatheit sowie die Entstehung der Intimität im Wohnbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

4. Die Entstehung des Wohnungsmarktes: Wohnung als Ware . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

II. Die Bedeutung der Wohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

1. Soziologischer Erklärungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

a) Individuelle Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

b) Öffentlich- staatliche Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

aa) Wohnungsknappheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

bb) Wohnverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

2. Philosophisch- anthropologischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

III. Wohnungsverständnis außerhalb der Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

1. Grammatische Bedeutung des Wohnungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

2. Wohnungssoziologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

3. Technisches Wohnungsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

Zweites Kapitel Die bewohnte Sphäre als Gegenstand geschichtlicher Rechtsinstitute

35

A. Römisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

I. Wohnungsmiete – locare habitationem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

II. Die Regelungen über die Haussuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

10

Inhalt III. Schutz der Wohnung durch das Privatstrafrecht und das öffentliche Strafrecht . .

39

1. Das delictum der iniuria und vi domum introire, ein Tatbestand der lex Cornelia de iniuriis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

a) Schutz des „Hausfriedens“ oder des „Hausrechts“ durch das delictum der iniuria? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

b) Schutz des „Hausrechts“ durch die lex Cornelia de iniuriis? . . . . . . . . . . . . .

43

c) Die Reichweite des Begriffs „domus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

2. Die lex Iulia de vi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

3. Die weitere Entwicklung in spät- und nachklassischer Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

B. Germanische und mittelalterliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

I. Der Hausfrieden – Rechtsidee zum Schutz der bewohnten Sphäre? . . . . . . . . . . . . .

50

1. Überkommene Erklärungen zur Entstehung des Hausfriedens . . . . . . . . . . . . . . .

51

2. Hausfrieden als „verdinglichter Familienfrieden“ mit kultischen Elementen

52

3. Hausfriede als besonders nachdrücklich geschützter allgemeiner Personenfriede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

4. Konsequenz: Das Wohnen als konstitutiver Bestandteil des Hausfriedens . . . .

56

II. Die rechtliche Ausgestaltung des Hausfriedensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

1. Das Territorium des Hausfriedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

2. Wirkungsweisen des Hausfriedens zum Schutz der bewohnten Sphäre . . . . . . .

57

a) Einzelne Straf- und Bußbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

aa) Heimsuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

bb) Sonstige strafwürdige Hausfriedensverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

b) Das mittelalterliche Hausrecht: Selbsthilferecht zur Verteidigung des Hausfriedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

c) Asylrecht und Schutz vor Haussuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

C. Rezeption und Partikulargesetzgebung der späten Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

II. Einbruchsdiebstahl und Hausfriedensbruch zur Zeit der Rezeption und des frühen gemeinen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

1. Einbruchsdiebstahl gem. Art. 159 CCC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

2. Einbruchsdiebstahl in der Doktrin des gemeinen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

3. Hausfriedensbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

III. Einbruchsdiebstahl und Hausfriedensbruch im 18. und 19. Jahrhundert . . . . . . . . .

70

1. Einbruchsdiebstahl in der späten Doktrin des gemeinen Rechts . . . . . . . . . . . . .

71

Inhalt

11

2. Der Einbruchsdiebstahl in ausgewählten partikularrechtlichen Kodifikationen

73

a) Preußisches Allgemeines Landrecht von 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

b) Bayerisches StGB von 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

c) § 218 Preußisches StGB von 1851 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

3. Hausfriedensbruch in der späten Doktrin des gemeinen Rechts . . . . . . . . . . . . . .

75

4. Der Hausfriedensbruch in ausgewählten partikularrechtlichen Kodifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

5. Verständnis des Wohnungsbegriffs im 18. und 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . .

79

IV. Teilergebnis Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

V. Überblick über die historische Entwicklung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

VI. Allgemeine Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

Drittes Kapitel Wichtige Wohnungsbegriffe und Grundnormen des Wohnungsschutzes im öffentlichen Recht

84

A. Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht sowie in völker- und gemeinschaftsrechtlichen Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

I. Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung in Art. 13 GG . . . . . . . . . . . . .

85

1. Die herrschende Auffassung – „Widmungstheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

a) Grundlegende Eigenschaften der räumlichen Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . .

86

b) Formalisierung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . .

87

c) Der Wohnungsbegriff nach der „Widmungstheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

aa) Wohnung „im engeren Sinne“ und andere Reservate privater Lebensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

bb) Betriebs- und Geschäftsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

2. Berkemanns Ansatz – Theorie der sozialen Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

3. Kritische Stellungnahme und Konkretisierung der „Widmungstheorie“ . . . . . .

97

a) „Widmungstheorie“ als im Grundsatz vorzuziehender Erklärungsansatz

97

b) Konkretisierung der Widmungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

4. Geschützter Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 5. Die von Art. 13 GG ausgefüllten Grundrechtsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 6. Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Bedeutsame Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Durchsuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

12

Inhalt c) Heimliche Überwachung mit technischen Mitteln; Lausch- und Späheingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 aa) Die Regelungen in Art. 13 Abs. 3 bis 6 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (1) Technische Wohnraumüberwachung zu repressiven Zwecken . . 108 (2) Technische Wohnraumüberwachung zu präventiven Zwecken . . 108 (3) Technische Wohnraumüberwachung zum Schutz von in Wohnungen eingesetzten Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Zur Verfassungsmäßigkeit der Grundgesetzänderung von 1998 . . . . . 110 d) Sonstige Eingriffe und Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Das Wohnungswesen in Art. 75 Abs. 1 Nr. 18 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 III. Schutz und Begriff der Wohnung in der EMRK und im Europäischen Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Art. 8 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Geschützte Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Wohnungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 c) Betriebs- und Geschäftsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 d) Keine Gewährung eines Leistungs- oder Teilhaberechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 e) Eingriffe und Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Europäisches Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Geschützte Interessen und Wohnungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 b) Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 IV. Grundrechtliche und grundrechtsähnliche Leistungsrechte auf Wohnung im nationalen und internationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Landesverfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. § 7 SGB I – Soziales Recht auf Zuschuß für Aufwendungen für die Wohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Art. 31 der Revidierten Europäischen Sozialcharta (RESC) . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Die Revidierte Europäische Sozialcharta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Art. 31 RESC als die Signatarstaaten bindende Politikzielbestimmung . . 128 4. Art. 34 Abs. 3 der Europäischen Grundrechtecharta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 5. Wohnungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

C. Die Wohnung in einfachgesetzlichen Normen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . 131 I. Zum Eingriff in Art. 13 GG befugende Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Strafprozeßrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Durchsuchungen gem. §§ 102, 104 StPO – Reichweite des Wohnungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

Inhalt

13

b) Technische Überwachung gem. §§ 100c Abs. 1 Nr. 3 und 100d StPO – Widerspruch zur Konzeption des Art. 13 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 aa) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Ermächtigungsgrundlage zur akustischen Wohnraumüberwachung in § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 bb) Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Regelung der Benachrichtigungspflicht in § 100c Abs. 1 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 cc) Die besondere Bedeutung des § 100d Abs. 3 Satz 2 StPO . . . . . . . . . . . 137 dd) Der Wohnungsbegriff in § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Betreten einer Wohnung durch verdeckte Ermittler, § 110c i.V.m. § 110b Abs. 2 Nr. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 aa) Das Betreten der Wohnung durch den verdeckten Ermittler mit Einverständnis des Berechtigten – ein Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG? . . 139 (1) Die Auffassung, nach der kein Eingriff vorliegt . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (2) Kritische Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Das Problem der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . 144 (1) Das Betreten der Wohnung durch den verdeckten Ermittler als Durchsuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (2) Analoge Anwendung des Art. 13 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (3) Das Betreten aufgrund täuschungsbedingter Zutrittserlaubnis als sonstiger Eingriff im Sinne von Art. 13 Abs. 7 GG . . . . . . . . . 145 (4) Analoge Anwendung von Art. 13 Abs. 3 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (5) Art. 13 Abs. 4 und 5 GG analog – Eingriffsermächtigung aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 cc) Der Wohnungsbegriff in §§ 110c und 110b Abs. 2 Nr. 2 StPO . . . . . . 147 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Recht der Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) „Allgemeine“ Gefahrenabwehr – Normen des allgemeinen Polizeirechts

148

aa) Divergierende Ermächtigungen zur Vornahme verdeckter Ton- und Bildaufzeichnungen im Bundesrecht und innerhalb des Rechts der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (1) Technische Wohnraumüberwachung zur Abwehr von Gefahren für Gesundheit und Freiheit einer Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (2) Technische Überwachungen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 bb) Betreten der Wohnung durch verdeckte Ermittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Spezielles Gefahrenabwehrrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

14

Inhalt II. Typischerweise nicht in Art. 13 GG eingreifende Normen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Öffentliches Baurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Wohnungsbezogene Bestimmungen des Bauplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . 153 aa) Planungsleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 bb) Möglichkeiten zur Umsetzung der wohnungsbezogenen Planungsleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 cc) Die Zwecke der wohnungsbezogenen Normen des Bauplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 dd) Wohnungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (1) Unbestrittene Merkmale des Wohnungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (2) Die Freiwilligkeit des Aufenthalts als Merkmal des bauplanungsrechtlichen Wohnungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (3) Zusammenfassung und Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 ee) Wohnbedürfnisse, die durch das Bauplanungsrecht befriedigt werden können und dazu dienende subjektive Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Bauordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 aa) Polizeiliche Zweckbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 bb) Wohnungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 cc) Wohnbedürfnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Wohnungsbauförderungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Normzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Der öffentlich geförderte soziale Wohnungsbau als Mittel zur Verbesserung der Wohnungsversorgung in Gebieten mit erhöhtem Bedarf und zugunsten privilegierter Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb) Der steuerbegünstigte Wohnungsbau als Mittel zur breiten Streuung von Wohneigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 cc) Die Zwecke des Wohnungsbindungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Wohnungsbegriff des Wohnungsbauförderungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 aa) Bestimmung des Wohnungsbegriffs durch die Rechtsprechung zu § 42 II. Berechnungsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 bb) Dauernde, selbständige Haushaltsführung oder Begründung des Lebensmittelpunkts als konstitutives Merkmal der Wohnnutzung . . . 165 c) Befriedigung von Wohnbedürfnissen durch Normen der Wohnbauförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3. Wohngeldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 a) Die Zwecke des Wohngeldrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 b) Wohnraumbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 aa) Die Rechtsprechung des BVerwG, die zur Einführung des § 4a WoGG geführt hat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Inhalt

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bb) Objektive Eignung zur Wohnnutzung beinhaltet auch nach wohngeldrechtlichem Verständnis die eigenständige Gestaltung des häuslichen Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 cc) Die subjektive Bestimmung zu Wohnzwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 c) Wohnbedürfnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4. Steuerrecht – § 75 Abs. 5 und 6 BewG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zweck des § 75 Abs. 5 und 6 BewG – Bewertung von Grundstücken . . . . b) Der bewertungsrechtliche Wohnungsbegriff nach der Rechtsprechung des BFH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

172 172 173 174

Viertes Kapitel Zivilrecht – Rechtsformen der Wohnnutzung und private Abwehrrechte

177

I. Dingliche Rechtsformen der Wohnnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Wohnungseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3. Erbbaurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 4. Sonstige beschränkte dingliche Wohnnutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dauerwohnrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wohnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

182 182 182 183

5. Besitzschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 II. Schuldrechtlich begründetes Benutzungsverhältnis – die Wohnraummiete . . . . . . 184 1. Soziales Wohnraummietrecht – Bestandsschutz und Mietpreisbestandsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Der Wohnraumbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Bestandsschutzrechtliche Dimension des Sukzessionsschutzes . . . . . . . . . . . . . . 187 4. Absolute Ausschlußrechte des Wohnraummieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 5. Fazit Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 III. Zusammenfassung Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Fünftes Kapitel Versuch einer Systematisierung der nicht-strafrechtlichen Wohnungsbegriffe

191

I. Wohnungsbegriffe zum Schutz der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Wohnungsbegriffe in Normen, deren Hauptziel der Schutz der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

16

Inhalt 2. Wohnungsbegriffe in Normen, die die territoriumsbezogene Persönlichkeitsentfaltung als gegenläufiges Nebenziel verfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Begriffsmerkmalsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . 194 II. Wohnungsbegriffe in Allgemeininteressen verfolgenden Normen der Daseinsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Gemeinsame Normzweckstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 a) Wohnungsbegriffe in öffentlich- rechtlichen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Wohnungsbegriffe in zivilrechtlichen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Begriffsmerkmalsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Objektive oder subjektive Merkmalsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 b) Festzustellender Begriffsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 III. Wohnungsbegriffe in Individualinteressen schützenden, sozialrechtlichen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 1. Gemeinsame Normzweckstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Begriffsmerkmalsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . 200 IV. Der steuerrechtliche Wohnungsbegriff des Bewertungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Normzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Merkmalsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 V. Weitere Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Das Verhältnis von subjektiver Bestimmung und objektiver Eignung . . . . . . . . 203 2. Zur Begriffsmethodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3. Bestätigung der teleologischen Begriffsfindungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

Sechstes Kapitel Zusammenhang zwischen den Wohnbedürfnissen des modernen Wohnens und den untersuchten nichtstrafrechtlichen Normen

206

I. Das Bedürfnis, Dritte vom Ort des modernen Wohnens auszuschließen . . . . . . . . . 207 1. Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Privatrechtliche Ausschlußbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 II. Bedürfnis nach exklusivem Wohnen im Verbund der Kleinfamilie . . . . . . . . . . . . . . 209 III. Das Bedürfnis nach räumlicher Trennung von Wohnen und Arbeiten über den Innenbereich der Wohnung hinaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 IV. Das Bedürfnis, sich auf dem Wohnungsmarkt mit dem Wirtschaftsgut Wohnraum versorgen zu können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 V. Sonstige Bedürfnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

Inhalt

17

Siebtes Kapitel Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung – Wohnungsbegriff und Schutz der Wohnung

212

A. Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 B. Hausfriedensbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 I. Anknüpfung an die Geschichte des Hausfriedensbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 II. Die widersprüchliche Auslegung des Wohnungsbegriffs durch die h.M. . . . . . . . . 214 1. Ausdehnung des Wohnungsbegriffs auf Nebenräume der Wohnung . . . . . . . . . 215 2. Ausdehnung des Wohnungsbegriffs auf offene Zubehörflächen . . . . . . . . . . . . . 216 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 III. Das durch § 123 geschützte Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 1. Die überkommenen Deutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die öffentliche Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Hausfrieden: Zustand ungestörter Willensgeltung oder Privatsphäre .

217 217 218 219

2. Das Hausrecht: Ein persönliches Rechtsgut eigener Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Hausrecht als Möglichkeit zum „freien Schalten und Walten“ . . . . . . . b) Das Hausrecht als „Anspruch auf räumliche Distanz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Freiheit als das hinter dem Hausrecht stehende, geschützte Interesse

220 220 221 223

3. Differenzierende Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritische Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Modifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mittelbarer, formalisierter Schutz der differenzierten Rechtsgüter (Rudolphi) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Verkörperung objektivierter, personaler Interessen in den Tatobjekten des § 123 (Kargl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

224 224 228 230 231 233

(1) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (2) Kritische Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4. Physisch gesicherter Territorialbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Physisch gesicherte Territorialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritische Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kritikpunkt physische Territorialität ist identisch mit dem Rechtsgut „persönliche Freiheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kritikpunkt Verstoß gegen den materiellen Rechtsgutsbegriff . . . . . . . cc) „Einfacher“ Besitz als Rechtsgut des § 123 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

237 237 239 239 240 242 243

5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2 Krumme

18

Inhalt IV. Auswirkungen auf den Wohnungsbegriff des § 123 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Bestimmung des Wohnungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Wortlaut und systematische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 b) Objektiv-teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Anwendung auf die Problemfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) Vorübergehend genutzter Wohnraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 b) Hotelzimmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 c) Nebenräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 d) Offene Zubehörflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 V. Der Wohnungsbegriff des § 123 und das zu den nicht-strafrechtlichen Wohnungsbegriffen erarbeitete Systematisierungsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

C. Schwere Brandstiftung an Räumlichkeiten, die der Wohnung von Menschen dienen, § 306a Abs. 1 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 I. Wesentliche Veränderungen durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26. 01. 1998 (6. StrRG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 II. Begriffsbestimmender Normzweck des § 306a Abs. 1 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 1. Das durch § 306a Abs. 1 Nr. 1 geschützte Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 2. Der Strafgrund des § 306a Abs. 1 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 III. Der Begriff der zur Wohnung von Menschen dienenden Räumlichkeit . . . . . . . . . . 260 1. Mindestgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 2. Tatsächliche Wohnnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 3. Die Behandlung von nur zeitweise tatsächlich genutzten Wohnräumen . . . . . . 263 4. Das Ende der Wohnnutzung und das Problem der Entwidmung . . . . . . . . . . . . . 265 5. Das Problem der Mischnutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

Achtes Kapitel Der Wohnungsbegriff im Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls, § 244 Abs. 1 Nr. 3

270

A. Die Reform des Wohnungseinbruchsdiebstahls durch das 6. StrRG . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 I. Gesetzgeberische Änderungen und sanktionsrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . 270 II. Die Motive des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 B. Der Wohnungsbegriff des Wohnungseinbruchsdiebstahls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 I. Der Wohnungsbegriff in § 243 Abs. 1 Nr. 1 a.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

Inhalt

19

II. Identität des in § 244 Abs. 1 Nr. 3 verwendeten Wohnungsbegriffs mit dem des § 123 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 1. Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Kritische Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 a) Argumente für die Einheitlichkeit der Wohnungsbegriffe in § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 b) Außerachtlassung der Relativität der Rechtsbegriffe im gleichen Rechtsgebiet – offensichtliche teleologische Auslegungsmängel . . . . . . . . . . . . . . . 276 c) Die unzutreffende Prämisse der herrschenden Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 d) Offensichtliche gesetzessystematische Mängel der h.A. . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 e) Rechtsgeschichtliche Argumente gegen die Identität der Wohnungsbegriffe in § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 III. Übertragung des Wohnungsverständnisses zu § 123, aber teleologische Reduktion des § 244 Abs. 1 Nr. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 IV. Teleologisch restringierte Auslegung des Wohnungsbegriffs in § 244 Abs. 1 Nr. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 1. Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 2. Kritische Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 V. Einheitlicher, aber enger Wohnungsbegriff in § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 (Behm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 1. Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 2. Kritische Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 C. Die durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 I. Häusliche Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 1. Bestimmung des Rechtsguts „Privatsphäre“ als Ganzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 2. „Räumliche Privatsphäre“ im Sinne des Art. 13 GG als durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschütztes Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 3. Bestimmung des durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Ausschnitts der Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 a) Die Persönlichkeitsentfaltungsprozesse des modernen Wohnens . . . . . . . . . 296 b) Gebotenheit der sektoralen Rechtsgutsbestimmung im Bereich des strafrechtlichen Privatsphärenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 c) Schutz einer Geheimnissphäre, des Sicherheitsvertrauens und der territorialen Herrschaftsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 2*

20

Inhalt 4. Schutz der häuslichen Privatsphäre nur durch ein abstraktes Gefährdungsdelikt erreichbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 a) Der Wortlaut des § 244 Abs. 1 Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Psychologische Vermittlung der Rechtsgutsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutz der häuslichen Privatsphäre vor abstrakter Gefährdung . . . . . . . . . . . 5. Ausreichende Legitimationskraft des Rechtsguts häusliche Privatsphäre . . . .

300 300 301 303

II. Körperliche Unversehrtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 1. Die Unberechenbarkeit der Aufenthaltssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 2. Die Gefährlichkeit der direkten Täter-Opfer-Konfrontation in der Wohnung 307 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 III. Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 D. Der Strafgrund des § 244 Abs. 1 Nr. 3 und untergeordnete Normziele . . . . . . . . . . . . . . . 310 E. Überprüfung des Strafgrunds des § 244 Abs. 1 anhand systematischer Aspekte . . . . . 311 I. Strafrechtliche Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 II. Tatbestandsinterne Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 F. Versuch einer teleologischen Neubestimmung des Wohnungsbegriffs in § 244 Abs. 1 Nr. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 I. Hotelzimmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 II. Weitere nur vorübergehend als Unterkunft genutzte Raumeinheiten . . . . . . . . . . . . 319 III. Nebenräume und Zubehörflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 IV. Innerhalb des abgeschlossenen Wohnbereichs liegende Arbeits- oder Geschäftsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 V. Der Wohnungsbegriff in § 244 Abs. 1 Nr. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 VI. Systematische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

Ergebnisse zu den strafrechtlichen Wohnungsbegriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

Einleitung Die vorliegende Arbeit soll klären, wie der Begriff der Wohnung in den verschiedensten Bereichen der Rechtsordnung verstanden wird, welche Schutzinteressen auf dieses Verständnis wesentlich eingewirkt haben und ob sich die verschiedenen Wohnungsbegriffe hiernach systematisieren lassen. Um annäherungsweise ein Gesamtbild des Wohnungsschutzes und seines Stellenwertes in der Rechtsordnung zeichnen zu können, sollen zudem die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Wohnungsschutzes und das soziologische Wohn- und Wohnungsverständnis berücksichtigt werden. Anlaß für dieses Vorhaben bildet die Neufassung des Wohnungseinbruchsdiebstahls in § 244 StGB1 durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26. 01. 1998 (6. StrRG). Angesichts der hohen Strafdrohung und der strikten Pflicht zur Anwendung dieses Qualifikationstatbestandes wurden verschiedentlich Forderungen zur Einschränkung seines Anwendungsbereichs auf dem Wege eines im Verhältnis zum Wohnungsbegriff des § 123 engeren Wohnungsbegriffs laut.2 Die hier vorgelegte Untersuchung soll daher auch dem Hauptziel der Arbeit dienen, einen neuen, im Verhältnis zu dem überkommenen des Hausfriedensbruchs engeren Wohnungsbegriff für den Wohnungseinbruchsdiebstahl zu entwickeln. Neben dem systematischen Ansatz verfolgt die Arbeit auch einen teleologischen. Der Wohnungsbegriff in § 244 Abs. 1 Nr. 3 soll strikt aus dem oder den durch ihn geschützten Rechtsgütern und seinen sonstigen Normzwecken entwikkelt werden. Hierzu war eine Bestimmung der durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsgüter erforderlich.

§§ ohne Gesetzesangabe sind solche des StGB. Wessels-Hillenkamp, RN 267; OLG Schleswig NStZ 2000, 479, 480; Hellmich, NStZ 2001, 511 ff.; Rengier, BT I, § 4, RN 42a; LK-Laufhütte / Kuschel, § 244, RN 11 und Behm, GA 2002, 154 ff. 1 2

Erstes Kapitel

Zur sozialwissenschaftlichen Bedeutung der Wohnung Die Normen, die den Begriff der Wohnung verwenden, können den unterschiedlichsten Rechtsgebieten zugeordnet werden. Der Wohnungsbegriff wird im Verfassungsrecht, im materiellen Strafrecht und Strafverfahrensrecht, im allgemeinen Zivilrecht, im öffentlichen Baurecht, im Steuerrecht und im Sozialrecht verwendet. Dies ist nicht nur ein deutliches Indiz für die Vielfältigkeit der Zwecke, die mit diesen Normen verfolgt werden. Es ist zugleich auch ein Hinweis auf die erhebliche, wenn nicht gar existenzielle Bedeutung, die der Wohnung in der heutigen Gesellschaftsform zukommt.1 Um bei der folgenden Untersuchung auf einen Überblick zurückgreifen zu können, der das Verständnis einzelner Normzwecke erleichtert, soll zunächst zu erklären versucht werden, was „Wohnen“ eigentlich ist und welche Bedeutung der Wohnung aus sozialwissenschaftlicher Sicht tatsächlich beizumessen ist. Spezifische Zusammenhänge mit einzelnen Rechtsnormen werden dabei zunächst bewußt nicht hergestellt. Dies würde der sich anschließenden Untersuchung vorgreifen.

I. Entstehung des Idealtypus „Modernes Wohnen“ Bevor die Bedeutung der Wohnung in der aktuellen Gesellschaftsform erörtert wird, muß zunächst geklärt werden, was die heutige Wohnweise ausmacht und wie sie sich entwickelt hat. Die typischen Merkmale der heutigen Wohnform treten besonders deutlich hervor, wenn man sie dem historischen Wohntypus gegenüberstellt, aus dem sie hervorgegangen ist. Es bietet sich daher an, idealtypisch zwischen der Wohnform des mittelalterlichen „ganzen Hauses“ und der Wohnform des heutigen „modernen Wohnens“ zu unterscheiden.2 In einem weiteren Schritt sind dann grundlinienartig die gesellschaftlichen Veränderungen heraus zu arbeiten, welche die Entwicklung des heutigen Wohntypus‘ bestimmt haben. Wohnformen, die heute neben der des modernen Wohnens bestehen, können aufgrund dieser methodischen Vorgehensweise nicht berücksichtigt werden. Mit dem Idealtypus des modernen Wohnens wird nur die heute vorherrschende Wohnform dargestellt, die wohl auch den meisten rechtlichen Regelungen zugrunde liegen dürfte. Um überhaupt zu verwertbaren Aussagen gelangen zu können, die Rück1 2

Häußermann / Siebel, S. 12. Diesen Ansatz verfolgen Häußermann / Siebel, S. 13 ff.

1. Kapitel: Zur sozialwissenschaftlichen Bedeutung der Wohnung

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schlüsse auf die soziale Bedeutung der Wohnung zulassen, ist es jedoch im Hinblick auf die nachfolgende juristische Auseinandersetzung zweckmäßig, sich dieser Vorgehensweise zu bedienen. Die mit Hilfe dieser Methode erlangten Ergebnisse sind allerdings mit der Einschränkung zu lesen, daß sie zwar den häufig vorkommenden Normalfall, nicht aber den allein existenten Sachverhalt beschreiben.3 Das „ganze Haus“ wird als Selbstversorgungseinheit beschrieben, welche alle Bereiche des menschlichen Lebens (Arbeit, Erholung, Essen, Schlafen, Beten, Gesinde, etc.) unter einem Dach vereinte.4 Die Erwerbsarbeit war selbstverständlicher Teil der in ihm zu besorgenden Verrichtungen. Das „ganze Haus“ schloß personell auch entferntere Verwandte der Großfamilie, das Gesinde und andere Abhängige ein. Dies schlug sich auch im Sprachgebrauch der damaligen Zeit nieder. So wurde mit „Haus“ sowohl die Behausung selbst als auch die Gesamtheit der in einem Haushalt zusammenlebenden Menschen bezeichnet.5 Die Entstehung des Phänomens „ganzes Haus“ läßt sich vor allem auf zwei soziale Faktoren zurückführen: Zum einen auf die nahezu ausschließlich vorhandenen agrarischen Verhältnisse6 in der frühmittelalterlichen Zeit und zum anderen auf das mittelalterliche Rechtsleben, das durch Eigenmacht und Selbsthilfe geprägt war.7 Hier bot das unter dem rechtlich besonders geschützten „Hausfrieden“ stehende Haus, in dem der Hausherr u.U. sogar als Inhaber unmittelbarer Personengewalt die Seinen schützte und für sie haftete, eine Oase der Sicherheit.8 Das Gegenbild, der Idealtypus des „modernen Wohnens“, läßt sich anhand von vier Grundeigenschaften beschreiben.9 Die Wohnung stellt erstens den Ort der Nichtarbeit und damit das Gegenüber zur betrieblich organisierten Erwerbsarbeit dar. Zweitens ist sie der Ort der (Klein)Familie, welche die „soziale Einheit“ des Wohnens bildet. Drittens bietet die Wohnung Raum für die Entfaltung von Emotionalität und Körperlichkeit, was sie zum Ort der Privatsphäre und Intimität macht. Viertens ist die Wohnung für den einzelnen nur auf dem Markt verfügbar. Die so3 Ein Idealtypus ist die abstrahierende Verdichtung von für eine bestimmte Epoche typischen Einzelerscheinungen zu einseitig hervorgehobenen Gesichtspunkten, die ihrerseits zu einem einheitlichen Gedankengebilde gefügt werden, vgl. Max Weber, Gesammelte Aufsätze zur Wirtschaftslehre, S. 191. Die vergleichende Gegenüberstellung der auf diese Weise gewonnenen Typen soll eine verbesserte Analyse der sozialen Wirklichkeit ermöglichen, vgl. Rehbinder, Rechtssoziologie, RN 68. Dabei sind die Grundmerkmale nur vorherrschende, nicht aber allein vorhandene, also eben typische und nicht statistische Elemente. Ein Idealtypus ist mithin weder ein statistisches noch ein normativ-ethisches, sondern ein rein methodisches Konstrukt der Soziologie. 4 Brunner, S. 108, 109. 5 Bader, S. 218. Diese Bezeichnung wird auch heute noch insbesondere für Adelsfamilien verwendet („Haus Habsburg“). 6 Brunner, S. 108, 109; Terlinden, S. 19. 7 Rüping, Grundriß, Rn. 75; Schmidt, § 34; His I, S. 263 f. 8 Brunner, S. 108, 109; zur Bedeutung des Hausfriedens in mittelalterlichen Rechten vgl. auch unten, 2. Kapitel und Osenbrüggen, S. 18 ff. 9 Häußermann / Siebel, S. 24 ff.

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1. Kapitel: Zur sozialwissenschaftlichen Bedeutung der Wohnung

zialgeschichtlichen Bedingungen, unter denen sich der Idealtypus des „modernen Wohnens“ aus dem des „ganzen Hauses“ entwickelt hat, lassen sich durch Anknüpfung an die soeben geschilderten Grundeigenschaften erarbeiten.10 Auf diese Weise können vier verschiedene Grundströmungen im Wandel der Wohnweisen unterschieden werden: (1) Die Trennung von Wohnen und Arbeiten. (2) Die Ausgrenzung von Personen aus der Wohnung. (3) Das Auseinandertreten von Öffentlichkeit und Privatheit. (4) Die Entstehung des Wohnungsmarktes: Wohnung als Ware.

1. Die Trennung von Wohnen und Arbeiten Die wirtschaftliche Organisation des „ganzen Hauses“ zeichnete sich im wesentlichen durch zwei Elemente aus: Innerhalb der Wirtschaftseinheit eines „ganzen Hauses“ herrschte weitgehende Arbeitsteilung vor. Andererseits fehlte eine Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Wirtschaftseinheiten (zwischen verschiedenen „ganzen Häusern“) nahezu vollständig.11 Insgesamt lassen sich drei Grundtypen des „ganzen Hauses“ unterscheiden, die einander abgelöst, über gewisse Zeiten aber auch nebeneinander existiert haben dürften.12 Sie werden nach der Art der Produktion sowie nach dem Verhältnis der Produktion, die für den Eigengebrauch, und der Produktion, die für einen Markt bestimmt war, unterschieden.13 An diesen Typen läßt sich eindrücklich die Entwicklung ablesen, die später zur endgültigen Auslagerung der Erwerbsarbeit aus der Wohnung geführt hat: Am Beginn steht der feudal-ländliche Typus des frühen Mittelalters. Landwirtschaftliche Produktion für den direkten Eigengebrauch ist hier bestimmend.14 Neben diesen tritt vom 13. Jahrhundert an ein städtisch-ständischer Typus, der den feudal-ländlichen aber erst im 19. Jahrhundert endgültig verdrängt hat. Produktion für den Tausch gegen andere Waren und Dienstleistungen auf dem Markt und Produktion für den Eigengebrauch standen hier in einem relativen Gleichgewicht. Als Beispiel sei ein städtischer Handwerker- oder Kleinhändlerhaushalt angeführt, in dem zur Eigenversorgung neben dem handwerklichen oder kaufmännischen Geschäft in begrenztem Maße auch Landwirtschaft betrieben wurde.15 Als dritter Typus wird schließlich der Heimarbeiterhaushalt in der Phase 10 11 12 13 14 15

Häußermann / Siebel S. 25 ff. Henning, S. 39. Terlinden, S. 19 f. Terlinden, S. 19 f.; Häußermann / Siebel, S. 26. Terlinden, S. 19 f. Terlinden, S. 19 f.

1. Kapitel: Zur sozialwissenschaftlichen Bedeutung der Wohnung

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der Protoindustrialisierung (18. bis 19. Jahrhundert) genannt. Symptomatisch war hier die Verrichtung von Arbeit gegen einen Geldlohn in den eigenen vier Wänden, wobei weder Zeit noch Raum für die zum Eigenverbrauch bestimmte Produktion verblieb.16 Bei der verlagsförmigen, für den Markt bestimmten Heimarbeit wurde die Zulieferung der Arbeitsmaterialien und der Absatz der Produkte bereits von Großkaufleuten zentral organisiert. Die Erwerbsarbeit begann sich schon zu dieser Zeit aus dem räumlichen Bereich des Wohnhauses zu lösen.17 Die Trennung der vormals einheitlichen Lebensbereiche Erwerbsarbeit und Wohnen vollzog sich erst vollständig, als auch die Produktionsabläufe selbst zentral in Manufakturen und später in Fabriken organisiert wurden. Mit der Industrialisierung und der Schaffung entsprechender Produktionsgroßanlagen setzte sich diese zuerst nur vereinzelt zu beobachtende Entwicklung dann allgemein durch.18 Die außerhäusliche Lohnarbeit entstand. Hierdurch wurde die Lebensform des „ganzen Hauses“ ihrer sozialen Grundvoraussetzung beraubt; die Arbeits- und Wohngemeinschaft wird durch die arbeitsteilige, zentral organisierte Produktion „zerrissen“.19 Damit geht die Entwicklung vom Selbstversorgungs- zum Vergabe- oder Konsumentenhaushalt einher. Die Arbeitsteilung und die Organisation von Massenproduktion in Betrieben bringt es mit sich, daß produktive Funktionen der Selbstversorgung, die im „ganzen Haus“ noch selbstverständlich waren, an den Markt in Form von spezialisierten Betrieben und Infrastruktureinrichtungen abgegeben wurden.20 Kleidung, Nahrungsmittel und Möbel werden nicht mehr in Eigenarbeit hergestellt, sondern auf dem Markt gegen Geld erworben. Insbesondere Einrichtungen der Ver- und Entsorgungsinfrastruktur (z. B.: Gas, Wasser, Müllabfuhr, Schulen, Kindergärten) werden von der öffentlichen Verwaltung geschaffen und unterhalten; die „Daseinsvorsorge“ wird als neue Aufgabe der öffentlichen Verwaltung entdeckt.21 Auch dieser Prozeß trägt dazu bei, daß die Wohnung sich zu einem von Erwerbsarbeit befreiten Ort entwickelt, der in der Regel ausschließlich der Freizeit gewidmet ist. Die Trennung von Wohnen und Erwerbsarbeit setzte sich damit endgültig durch.

16 Terlinden, S. 19 f.; vgl. hierzu auch Corbin, S. 129 ff., der das Alltagsleben einer Heimarbeiterfamilie zur Zeit der Protoindustrialisierung schildert. 17 Corbin, S. 134 ff. 18 Ploetz / Niedhart, S. 205 f.; Häußermann / Siebel S. 29 ff.; Wörterbuch der Soziologie, S. 948. 19 Häußermann / Siebel, S. 24. 20 Terlinden, S. 105 ff. spricht insoweit von einer Reduzierung der Selbstversorgungsökonomik zur „Hausarbeit“; Häußermann / Siebel, S. 28. 21 Forsthoff, S. 368 f.; Maurer, AVwR, § 2, RN 6.

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1. Kapitel: Zur sozialwissenschaftlichen Bedeutung der Wohnung

2. Die Ausgrenzung von Personen aus der Wohnung Insbesondere die Manifestation der Wohnung als Ort, an dem die arbeitsfreie Zeit verbracht wird, und die Errichtung einer marktförmigen oder staatlichen Ver- und Entsorgungsinfrastruktur führten zu signifikanten Veränderungen des Kreises der Haushaltsmitglieder. Das „ganze Haus“ wurde neben dem Hausherren, seiner Ehefrau und ihren Kindern meist von einer Vielzahl anderer Personen bewohnt. Bei ihnen handelte es sich vor allem um entferntere Verwandte der Großfamilie und familienfremde Beschäftigte, wie Mägde, Knechte, Gesellen, Lehrlinge oder auch Tagelöhner und andere Abhängige. Die Organisation der Erwerbsarbeit an Orten außerhalb der Wohnung bewirkte zunächst den Auszug derjenigen familienfremden Beschäftigten, die der Hausherr vormals zur Produktion der für den Tauschmarkt bestimmten Waren und Dienstleistungen benötigte.22 Diese wurden freigesetzt und konnten, sofern sie über die erforderlichen materiellen Mittel verfügten, selbst einen Hausstand gründen, der dann in der Regel nur aus den Eltern und ihren Kindern bestand.23 Auch das mit der Hausarbeit im engeren Sinne befaßte Personal wurde mit Zunahme der wohnspezifischen Infrastruktur und der durch die Mechanismen der Industrialisierung herbeigeführten Verteuerung personenbezogener Dienstleistungen („Dienstmädchenproblem“) aus dem Haus ausgegliedert.24 Hierdurch wurde wiederum der Bedarf an wohnspezifischer Infrastruktur verstärkt. Diese Entwicklung wird auch zum Auszug der entfernteren Verwandten aus dem Haushalt beigetragen haben. Dies ermöglichte die seit dem 19. Jahrhundert zunehmende Stilisierung der Wohnung als Ort von Freizeit und Familie und des den spezifischen Zwängen der Außen- und Arbeitswelt enthobenen Heims (Biedermeyer).25 Darin dürfte auch die Hauptursache für die nun einsetzende emotionale Entdeckung der (Klein-)Familie und ihrer zunehmenden Intimisierung liegen. Bezeichnenderweise wurde diese erst im 18. und 19. Jahrhundert Gegenstand vielfältiger wissenschaftlicher Betrachtung.26 Schließlich verblieben die Eltern mit ihren Kindern in der Wohnung, die seitdem die „soziale Einheit“ des Wohnens bilden.27

3. Auseinandertreten von Öffentlichkeit und Privatheit sowie die Entstehung der Intimität im Wohnbereich Die heute selbstverständliche Trennung der Sphären des Öffentlichen und des Privaten war bis in das 18. Jahrhundert hinein praktisch nicht existent. Gerade das Häußermann / Siebel, S. 30. Perrot, S. 325. 24 Häußermann / Siebel, S. 30. 25 Vgl. Perrot, S. 313 ff.; Häußermann / Siebel, S. 31. 26 Vgl. nur Hegel, Grundlinien, S. 250, 255 und 261; Edelman, S. 27, 31; zum Ganzen: Perrot, Triumph, S. 99 ff. 27 Häußermann / Siebel, S. 30. 22 23

1. Kapitel: Zur sozialwissenschaftlichen Bedeutung der Wohnung

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Haus bot für den einzelnen kaum je Gelegenheit zum Alleinsein. Es bestand häufig nur aus einem Raum, in dem sich folglich eine Vielzahl von Personen bis hin zum Gesinde tummelten und sich sämtliche Lebens- und Arbeitsvorgänge vollzogen.28 Die Einheit von öffentlichem und privatem Leben wird am Beispiel des absolutistischen Fürsten- und Königshofes noch plastischer: Der Herrscher als Personifizierung des Staates konnte und wollte sich in seinem aus einer schier endlosen Kette von Durchgangszimmern bestehenden Schloß nicht zurückziehen. Selbst bei den alltäglichsten Verrichtungen wie der Körperpflege bediente er sich der Hilfe seines Hofstaates und baute diese Dinge zu einem System der Machtausübung und Machtbewahrung aus.29 Die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse, die man heute im Zentrum der Intimsphäre ansiedeln würde, wurde dadurch Gegenstand politischer Machtausübung, einem aus heutiger Sicht per definitionem öffentlichen Geschehen. Solange die Produktion in den Haushalt integriert war und damit auch entfernt Verwandte und gänzlich familienfremde Personen unter einem Dach lebten, war für die Kultivierung der Intimität und damit die Entfaltung einer bürgerlichen Privatsphäre buchstäblich kein Raum vorhanden. Erst mit dem Auszug dieser Personen und der Auslagerung der produktiven Funktionen aus dem Haushalt in Markt, Staat und das System der betrieblich organisierten Lohnarbeit entstanden die Rahmenbedingungen für eine immer deutlichere Trennung von öffentlicher und privater Sphäre. Diese Polarisierung vollzog sich langsam und allmählich in einem stets anwachsenden Kodex von Verhaltensweisen (vor allem auf dem Gebiet der Körperlichkeit und der Emotionen), die das Individuum vor den Blicken der öffentlichen Allgemeinheit verbergen wollte. Die geheimzuhaltenden Verhaltensweisen konnten erstmals überhaupt einem abgrenzbaren Bereich des Privaten und Intimen zugeordnet werden.30 Typischerweise ging diese Entwicklung vor allem von der städtischen Lebensweise aus.31 Die durch die Konzentration wachsender Menschenmassen hervorgebrachten sozialen, technischen und hygienischen Probleme dichten Zusammenlebens und die industriell organisierte Arbeit erforderten immer stärkere Selbstkontrolle und führten zur zunehmenden Verinnerlichung von Zwängen.32 Diejenigen Bedürfnisse und Affekte, an deren Ausleben sich der Mensch im öffentlichen Raum gehindert sieht, werden in die eigenen vier Wände, die jetzt Schutz vor der Kenntnisnahme Dritter bieten, verlegt, gleichsam „verhäuslicht“.33 Die Wohnung ist daher nicht nur die von Erwerbsarbeit befreite Zone. Sie ist auch der Ort, an dem sich die Intimität entfalten kann. Vorbedingung von Intimität ist nämlich eine räumliche Rückzugsmöglichkeit, 28 Ariès, S. 547, beschreibt diesen Zustand, indem er formulierte, bis zum Ende des 17. Jahrhunderts sei niemand überhaupt je allein gewesen. 29 Dibie, S. 139 f. 30 Häußermann / Siebel, S. 32. 31 Bahrdt, S. 60. 32 Häußermann / Siebel, S. 39. 33 Gleichmann, S. 319 ff.; Perrot, S. 315.

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1. Kapitel: Zur sozialwissenschaftlichen Bedeutung der Wohnung

mit deren Hilfe die Außenwelt von der Wahrnehmung dessen, was im Innern stattfindet, ausgeschlossen werden kann.34 Der Prozeß der Intimisierung und Individualisierung vertiefte sich mit der zunehmenden Verinnerlichung von Selbstzwang und Selbstkontrolle. Diese Entwicklung drückt sich auch in einer zusätzlichen „Binnendifferenzierung“ innerhalb des nunmehr privaten, d.h. von der öffentlichen Sphäre getrennten, Wohnbereichs aus.35 Diese „Binnendifferenzierung“ läßt sich auf zwei Ebenen beobachten: Zum einen werden physische Arrangements erforderlich, um die – nicht mehr wie einst mit gottgegebener Unveränderlichkeit bestehende – soziale Distanz zu sichern. Die Dienstboten wurden aus dem sich intimisierenden Familienleben immer weiter zurückgedrängt. Andererseits – und hier zeigt sich eine gewisse Ambivalenz – wurde aber zunehmend auch innerhalb der Familie Selbstkontrolle verlangt und es wurden Peinlichkeitsschwellen errichtet, die das Bedürfnis nach einem Rückzugsraum innerhalb der Wohnung, dem eigenen Zimmer, entstehen lassen, in welchem die individuelle Intimität ausgelebt werden kann.36

4. Die Entstehung des Wohnungsmarktes: Wohnung als Ware Vor der industriellen Revolution erlangte man eine Wohnung vor allem durch Vererbung, durch das Eingehen eines Dienstverhältnisses, mit dem in der Regel die Aufnahme in das „Haus“ des Dienstherren verbunden war, oder indem man sie sich selbst baute. Einen Wohnungsmarkt im heute geläufigen Sinne gab es hingegen nicht. Dieser wurde erst zum bestimmenden Faktor der Wohnungsversorgung, als durch übermäßiges Bevölkerungswachstum und massive Verstädterung der Bedarf an Wohnungen nahezu explodierte.37 In der Folge wurde insbesondere der Mietwohnungsmarkt Gegenstand einer Vielzahl von in der Regel sozialpolitisch motivierten rechtlichen Regelungen. Wohnungspolitik und Eigentumsförderung mit den Mitteln des Steuerrechts sind ebenfalls Beispiele dafür, daß der Wohnungsmarkt und die Wohnverhältnisse sich nunmehr eines erheblichen gesellschaftlichen Interesses erfreuen.

Ähnlich: de Swaan, S. 332. Häußermann / Siebel, S. 33; de Swaan, S. 330; Perrot spricht von Sehnsucht nach Intimität, S. 325. 36 de Swaan, S. 330; Perrot, S. 325. 37 Häußermann / Siebel, S. 41 f. 34 35

1. Kapitel: Zur sozialwissenschaftlichen Bedeutung der Wohnung

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II. Die Bedeutung der Wohnung 1. Soziologischer Erklärungsansatz Die soziologische Bedeutung der Wohnung läßt sich aus der Perspektive des Individuums und aus einer öffentlich-staatlichen Perspektive begreifen. a) Individuelle Perspektive Die Bedeutung, die der Wohnung für den einzelnen zukommt, manifestiert sich in den Funktionen, die sie für ihn erfüllt. Das abgeschlossene, Sicherheit gewährende Heim, aus dem die öffentliche Sphäre ausgeschlossen ist, stellt einen vor der unkontrollierbaren Wahrnehmung anderer geschützten Rückzugsraum dar, in dem der einzelne persönliche Eigenheiten, die er geheimhalten möchte, ausleben oder wahlweise ausgewählten Mitmenschen offenbaren kann.38 In diesem Freiraum kann der Mensch seine Individualität ausleben, ohne soziale Sanktionen fürchten zu müssen. Auf diese Weise wird die Wohnung notwendige Voraussetzung dafür, daß das Individuum dem in der Außenwelt vorherrschenden Konformitätsdruck entfliehen und sich von diesem entlastet erholen kann.39 Es kann diese von der Wahrnehmung anderer ausgeschlossene Eigensphäre zudem nutzen, um zu der Form der Selbstdarstellung zu finden, die in der Außenwelt von ihm erwartet wird, oder die es von sich selbst erwartet.40 Dadurch wird wiederum zweierlei möglich: Zum einen erhält das Individuum den notwendigen Freiraum zur Ausbildung einer konsistenten Persönlichkeit.41 Zum anderen kann es so exklusive Beziehungen, insbesondere im Rahmen der Kleinfamilie, aber auch zu außenstehenden Dritten aufbauen, die zu seiner Sozialisation und seiner Persönlichkeitsbildung ebenfalls einen unverzichtbaren Beitrag leisten.42 Dadurch wird die Wohnung auch zum Zentrum der Kindererziehung und der vertraulichen Kommunikation.43 Die Wohnung bietet jedoch nicht nur Raum zur Vorbereitung der Selbstdarstellung, sondern kann auch selbst zu ihrem Mittel werden. Die äußere und innere Gestaltung der Wohnung, insbesondere der zu Repräsentationszwecken bestimmten Räume wird häufig zur Inszenierung der Individualität und der eigenen Persönlichkeit. Durch sie hat man die Möglichkeit, sich von der Masse abzuheben und die Zugehörigkeit zu einem bestimmtem sozialen Milieu zu demonstrieren, dem man sich zugehörig fühlt. So wird auch und gerade die Wohnung zum Mittel der Repräsentation und der „sozialen Distinktion“.44 38 39 40 41 42 43

Ähnlich: de Swaan, S. 332. Schall, S. 103 ff. Schall, S. 106 ff. Schall, S. 105 f. de Swaan, S. 332. Vgl. Häußermann / Siebel, S. 29 ff.; de Swaan, S. 328 f.

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1. Kapitel: Zur sozialwissenschaftlichen Bedeutung der Wohnung

b) Öffentlich-staatliche Perspektive Staatliche Institutionen waren durch das Auftreten der „Wohnungsfrage“ am Ende des 19. Jahrhunderts erstmals gezwungen, sich eingehender mit der Wohnungsversorgung und den Wohnverhältnissen zu befassen. Die Frühphase der Industrialisierung war durch explosives Bevölkerungswachstum, eine rasant zunehmende Verstädterung und einen Arbeitsmarkt gekennzeichnet, der den Arbeitnehmern ein Höchstmaß an Flexibilität abverlangte.45 Diese Umstände führten zu einer dramatischen Wohnungsknappheit und zu Wohnbedingungen, für die eine extrem hohe Wohndichte (Überbelegung), eine hohe Wohnmobilität und niedrigste Ausstattungsstandards symptomatisch waren.46 Betroffen waren vor allem die unteren und untersten Schichten der Arbeiter und Tagelöhner, die wirtschaftlich nicht in der Lage waren, auf dem freien Wohnungsmarkt zu bestehen. Die „Wohnungsfrage“ des ausgehenden 19. Jahrhunderts stellte deshalb einen Teilaspekt der in dieser Zeit erstmals akut werdenden „sozialen Frage“ dar.47 Die staatlichen Institutionen mußten Strategien entwickeln, die zur Linderung des sich in Wohnungsknappheit und katastrophalen Wohnverhältnissen manifestierenden Wohnungselends geeignet waren. Aus dem Blickwinkel öffentlicher Interessen erlangte die Wohnung also vor allem in den Fragen der Wohnungsversorgung und der Wohnverhältnisse entscheidende Bedeutung. Wenn sich auch Ursachen und Ausprägung von Wohnungsknappheit und unterschiedlichem Niveau der Wohnverhältnisse im Laufe der Zeit verändert haben, sind sie trotzdem bis heute problematisch und Gegenstand des allgemeinen sozialstaatlichen Interesses. aa) Wohnungsknappheit So mußte die Wohnungspolitik in der frühen Bundesrepublik48 die durch die kriegsbedingte Zerstörung von Wohnraum hervorgerufene und durch Zuwanderung einer Vielzahl von Wohnungssuchenden noch forcierte, bedrohliche Wohnungsknappheit der Nachkriegszeit bekämpfen. Doch auch nach der Bewältigung dieser wirklichen, durch den Krieg vermittelten Wohnungsnot war die „Wohnungsfrage“ wegen der durch den Wohnungsmarkt bedingten, periodisch auftretenden Wohnungsverknappungen auch in der Folgezeit bis heute immer einer der wichtigsten Aspekte des staatlichen Interesses an Wohnungsfragen. Häußermann / Siebel, S. 44 und 49. Nipperdey, S. 141 f. und 301. 46 Nipperdey, S. 142; zur Frage der Wohnverhältnisse zur Zeit der Industrialisierung vgl. insbesondere Häußermann / Siebel, S. 59 – 84, m.w.N. 47 Nipperdey, S. 335 ff. 48 Die Wohnungspolitik der DDR hatte in dieser Zeit mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Sie orientierte sich bei deren Lösung hingegen streng an der sozialistischen Ideologie. Die Wohnungspolitik sollte als Instrument zum Aufbau einer realsozialistischen Gesellschaftsform benutzt werden, vgl. hierzu Häußermann / Siebel, S. 167 ff. 44 45

1. Kapitel: Zur sozialwissenschaftlichen Bedeutung der Wohnung

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bb) Wohnverhältnisse Die Maßnahmen, die in der frühen Nachkriegszeit in der Bundesrepublik zur Bekämpfung von Wohnungsknappheit getroffen wurden, lassen deutlich erkennen, daß mit Hilfe der Wohnungspolitik auch auf die Wohnverhältnisse Einfluß genommen werden sollte. Nach einer relativ kurzen Periode der Wohnungszwangswirtschaft in der frühen Nachkriegszeit und der oft als halbherzig verurteilten Fortsetzung des sozialen Wohnungsbaus, dessen „Blütezeit“ seit dem Ende der Weimarer Republik vorbei war,49 waren dies vor allem die Unterstützung von schwächeren Marktteilnehmern durch die Einführung des Wohngeldes und die Förderung der individuellen (Wohn-)Eigentumsbildung, der von Anfang an Priorität eingeräumt wurde.50 Durch die verstärkte Förderung von Eigenheimen sollten vor allem in den fünfziger Jahren auch gesellschaftspolitische Zielvorstellungen umgesetzt werden. Die intimisierte Kleinfamilie, für deren Entstehung und Zusammenhalt das Wohnen in der Mietwohnung als nicht zuträglich galt, sollte als vorherrschende Lebensform etabliert werden.51 Dieser familienpolitische Impetus der Eigenheimförderung spielte zwar aufgrund der wachsenden, gesellschaftlichen Pluralisierung und der Akzeptanz andersartiger Wohn- und Lebensformen später keine entscheidende Rolle mehr, die Schwerpunkte in der Wohnungspolitik wurden aber trotzdem nicht zugunsten des sozialen Wohnungsbaus verschoben. Die Bevorzugung der Wohneigentumsförderung wird auch heute noch mit der Notwendigkeit eines staatlichen Beitrags zur privaten Vermögensbildung und der „Filtering Theorie“ des Wohnungsmarktes begründet. Danach wird die Wohnungsversorgung der schwächeren Haushalte dadurch verbessert, daß man die Eigentumsbildung der einkommensstarken Haushalte fördert, die dann die günstigeren Mietwohnungen für die einkommenschwächeren Haushalte freimachen würden.52 Die Stichhaltigkeit dieser Argumente ist jedoch im sozialwissenschaftlichen Schrifttum umstritten.53 Die Frage, wie man zu wohnen habe, bleibt also ein bedeutsames Thema der Wohnungspolitik, zumindest soweit die juristische Form des Erwerbs und der Nutzung der Wohnung betroffen ist. Aber auch in anderen Bereichen als der eigentlichen Wohnungspolitik hat das Bestreben, einen gewissen Standard der Wohnverhältnisse zu erreichen, zu erheblicher staatlicher Aktivität geführt. Insbesondere in den Vorschriften des Bauordnungsrechts sind zum Teil detaillierte Bestimmungen über die innere und äußere Gestaltung von zum Wohnen bestimmten Gebäuden getroffen worden.54 Häußermann / Siebel, S. 125 ff. Häußermann / Siebel, S. 146. 51 So war Wohnungsbauminister Paul Lücke (CDU) noch 1956 der Ansicht, familiengerecht sei allein das freistehende Einfamilienhaus mit Garten, während die Miet(Etagen)wohnung den Willen zum Kind töte und zur Empfängnisverhütung, Abtreibung und Entsittlichung und damit zum biologischen Volkstod zwinge“, zitiert nach Günther Schulz, S. 418. 52 Häußermann / Siebel, S. 148 ff. 53 Vgl. Westphal, S. 554; Ipsen, S. 271. 49 50

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1. Kapitel: Zur sozialwissenschaftlichen Bedeutung der Wohnung

2. Philosophisch-anthropologischer Ansatz Die Bedeutung der Wohnung bzw. des Wohnens ist auch Gegenstand philosophisch-anthropologischer Untersuchung. Beispielhaft soll hier in der gebotenen Kürze Bollnows Philosophie des Wohnens dargestellt werden.55 Danach bildet das Haus des Menschen „die Mitte“, d.h. den zentralen Bezugspunkt des einzelnen Menschen, der ihm in der unübersichtlichen räumlichen Weite der Welt den einzig verläßlichen Halt bieten kann.56 Bollnow erklärt es zur „entscheidenden menschlichen Aufgabe“, sich diesen Halt durch Errichten und Bewohnen eines Hauses zu schaffen. Das richtige Wohnen wird auf diese Weise zu einem anthropologisch begründeten, ethischen Imperativ. Nur durch richtiges Wohnen, den Aufbau eines „inneren Verhältnisses“ zwischen Mensch und Wohnung, könne der Mensch der steten Gefahr der Entwurzelung, deren Verwirklichung zwangsläufig zu moralisch zu verurteilenden Verhaltensdefiziten führen würde, entrinnen. Die Wohnung diene dem Menschen als Raum der Geborgenheit und des Friedens und werde damit zur notwendigen räumlichen Voraussetzung für die „Selbstwerdung“ des Menschen, der sich in der Außenwelt behaupten und seine Aufgaben erfüllen muß.57 Der Mensch benötige einen Geborgenheit spendenden Rückzugsraum, um sich entspannen zu können und zu sich selbst zu kommen, also sich seiner Identität zu versichern, nachdem er sich „im Kampf mit der Außenwelt aufgerieben“ habe. Soweit die vornehmlich auf das Individuum bezogene Bedeutung der Wohnung betroffen ist, stimmen der soziologische und der anthropologische Ansatz zum Teil überein. So wird die Wohnung von beiden als Voraussetzung für die Persönlichkeitsbildung und Selbstdarstellung in der Außenwelt gesehen. Der anthropologische Ansatz übersieht jedoch, daß Wohnen erst im Zuge der Industrialisierung und Verstädterung überhaupt zu einer eigenständigen Kategorie geworden ist.58 Es liegt mithin die Vermutung nahe, daß auch Bollnow bei der Beschreibung der vorgeblich anthropologischen Funktion des Hauses stillschweigend von den sozialen Verhältnissen ausgeht, die zur Entwicklung des „modernen Wohnens“ geführt haben. Damit verabsolutiert er nur typische Elemente dieser vom Vorliegen bestimmter sozialer Verhältnisse abhängigen Wohnform in unzulässiger Weise zu einer anthropologischen Funktion.

Vgl. nur §§ 35 und 36 LBO Baden-Württemberg. Bollnow hat die philosophische Deutung des Wohnens – soweit ersichtlich – am weitesten ausgearbeitet und konkretisiert. Zwar widmete sich auch Heidegger in seinem Aufsatz „Bauen, Wohnen, Denken“ der Frage, was Wohnen sei, vgl. Heidegger, S. 145 ff. In einer besser verwertbaren Weise zugespitzt werden die dort geäußerten Gedanken jedoch von Bollnow, S. 123 ff. 56 Bollnow, S. 123 f. 57 Bollnow, S. 123 f. 58 Wörterbuch der Soziologie, S. 948. 54 55

1. Kapitel: Zur sozialwissenschaftlichen Bedeutung der Wohnung

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III. Wohnungsverständnis außerhalb der Rechtswissenschaft 1. Grammatische Bedeutung des Wohnungsbegriffs Die Bedeutung des Begriffs „Wohnung“ ist nicht eindeutig. So wird das Wort „Wohnung“ einmal als ein „meist aus mehreren Räumen bestehender nach außen abgeschlossener Bereich in einem Wohnhaus“ erklärt, „der einem einzelnen oder mehreren Personen als ständiger Aufenthalt“ dient.59 Nach allgemeinem Sprachverständnis wird also zumeist zwischen der in einem größeren Haus befindlichen Wohnung und dem kleineren (Einfamilien-)Haus unterschieden. Es wird aber auch die Bedeutung der schlichten „Unterkunft“ genannt. In diesem Sinne meint Wohnung also nicht primär den Ort, an dem sich ein Mensch ständig aufhält und der ein gewisses Mindestmaß an technischen Voraussetzungen aufweist, sondern einen, an dem der Mensch wohl zumeist vorübergehend Beherbergung findet. Diese Bedeutung liegt beispielsweise in der Wendung „freie Wohnung haben“ oder an einem bestimmten Ort „Wohnung nehmen“.60 Sprachgeschichtlich bildet das Substantiv „Wohnung“ eine Ableitung des Verbs „wohnen“, welches wiederum auf dieselbe Wurzel zurückgeführt werden kann, wie „gewinnen“ und „Wonne“. Danach entwickelte sich aus dem ursprünglichen „nach etwas trachten, gern haben“ oder auch „lieben, schätzen“ die Bedeutung „Gefallen finden, zufrieden sein, sich gewöhnen“. Hieraus entstand dann die heutige Bedeutung „wohnen, sich aufhalten“61.

2. Wohnungssoziologie Ein Wohnungsbegriff oder ein bestimmtes Wohnungsverständnis läßt sich aus der Soziologie des Wohnens kaum herleiten. Sie hat auch kein vorrangiges Interesse daran, einen abgegrenzten Wohnungsbegriff zu entwickeln, da sie ihre Aufgabe darin sieht, konkrete, gesellschaftlich vermittelte Wohnformen zu beschreiben. Wohnen wird daher als eine gesellschaftlich vermittelte, kulturell überformte Form der Existenzbewältigung des Menschen bezeichnet. 62 Hieraus läßt sich nur der Schluß ziehen, daß jedenfalls die Räume, in denen Menschen sich auf die Art und Weise verhalten, die als Wohnen beschrieben werden kann, eine Wohnung bilden. Die spezifischen Merkmale dieser Verhaltensweisen sind oben unter II. 1. a) beschrieben worden.

59 60 61 62

Duden, S. 4548, 1. Sp. Duden, S. 4548, 1. Sp. Duden Etymologie, S. 817, re. Sp.; Kluge, S. 896, li. Sp.; Trübner, Bd. VIII, S. 242, li. Sp. Wörterbuch der Soziologie, S. 947 f.

3 Krumme

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1. Kapitel: Zur sozialwissenschaftlichen Bedeutung der Wohnung

3. Technisches Wohnungsverständnis Das statistische Bundesamt hat für die Erhebungen über Bautätigkeit und Wohnen eine Definition der Wohnung entwickelt. Danach ist eine Wohnung „die Summe aller Räume, die die Führung eines Haushalts ermöglichen, darunter ist stets eine Küche oder ein Raum mit Kochgelegenheit. Eine Wohnung hat grundsätzlich einen eigenen abschließbaren Zugang unmittelbar vom Freien, einem Treppenhaus oder einem Vorraum, ferner Wasserversorgung, Ausguß und Toilette, die auch außerhalb des Wohnungsabschlusses liegen können“.63 Diese Beschreibung – von einer Begriffsdefinition im wissenschaftlichen Sinne wird man kaum sprechen können – stellt wesentlich auf die Abgeschlossenheit der Räume nach außen und die Möglichkeit zur Haushaltsführung ab. Sie macht das Vorliegen einer Wohnung im übrigen vom Vorhandensein technischer Ausrüstungsgegebenheiten abhängig.

4. Zusammenfassung Aus den geschilderten Arten, den Wohnungsbegriff zu verstehen, lassen sich zwei Merkmale herausarbeiten, die übereinstimmend gefordert werden, damit man einen Raum oder eine Gesamtheit von mehreren Räumen als Wohnung ansehen kann. Zunächst ist ein gewisses Maß an Abgeschlossenheit nach außen durch Wände und Türen erforderlich. Dies gilt auch für das soziologische Wohnungsverständnis. Denn zumindest die überwiegend vorhandene Wohnform des „modernen Wohnens“ setzt ebenfalls einen nach außen abgeschlossenen Bereich voraus. Zweitens muß noch ein Merkmal hinzutreten, in dem sich die besondere Funktion ausdrückt, die diese Räume für den Menschen erfüllen. Auch insoweit stimmen die dargestellten Ansätze noch überein. Worin diese besondere Funktion jedoch bestehen soll und wie sie sich ausdrückt, wird unterschiedlich beantwortet. Es wird insoweit beispielsweise auf die Möglichkeit abgestellt, in den abgeschlossenen Räumen einen Haushalt zu führen, darauf, daß die Räume einem Menschen zum ständigen Aufenthalt dienen oder darauf, daß sie ihm Geborgenheit vermitteln.

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Statistisches Bundesamt, S. 5.

Zweites Kapitel

Die bewohnte Sphäre als Gegenstand geschichtlicher Rechtsinstitute Um ein möglichst vollständiges Bild von Schutz und Begriff der Wohnung zeichnen zu können, darf auf die Darstellung einschlägiger historischer Rechtsinstitute nicht verzichtet werden. Vornehmlich wird zu klären sein, warum die Wohnung Gegenstand rechtlicher Schutzbestimmungen geworden ist und welche Merkmale der Begriff der Wohnung jeweils aufwies. Insbesondere in den frühen Quellen wird nicht der Begriff der Wohnung sondern statt dessen der des Hauses verwendet, um die bewohnte Sphäre zu bezeichnen. In diesen Fällen wird dieser Begriff als Anknüpfungspunkt für die Untersuchung gewählt.

A. Römisches Recht Auf der Grundlage des römischen Rechts entwickelte die italienische Lehre – ausgehend von den Glossatoren und Kommentatoren – eine auf der Rationalität des Rechts beruhende Lehre und Rechtskultur, die im Zuge der seit dem 15. Jahrhundert beginnenden Rezeption nicht nur in das Privat-, sondern auch in das Strafrecht der deutschen Länder Eingang gefunden hat.1 Die Constitutio Criminalis Carolina als insoweit wirkungsmächtigste Sammlung des gemeinen Strafrechts gibt hierfür ein eindrucksvolles Beispiel.2 Neben den bedeutenden Fortschritten, die die Rezeption vor allem im Bereich der allgemeinen Lehren3 und der Tatbestandstechnik4 brachte, hatte sie auch zur Folge, daß häufig nur diejenigen Verhaltensweisen in den Katalog der Straftatbestände aufgenommen wurden, die aufgrund der römisch-italienischen Lehre als strafwürdig galten.5 Da die Rezeption auch noch in den strafrechtlichen Kodifikationen der mittleren und späten Neuzeit nachwirkte,6 ist es nicht ausgeschlossen, daß auch die heute vorhandenen wohRüping, RN 109; von Hippel, Bd. 1, S. 55; Schmidt, § 86; Kaser, RömRG, S. 273 ff. Rüping, RN 124 f.; von Hippel, Bd. 1, S. 221; Schmidt, § 87. 3 Eine auf schuldhaftes Verhalten gegründete strafrechtliche Verantwortung löst die früher vorherrschende Erfolgshaftung ab, Rüping, RN 128; Schmidt, § 96. 4 Bei der Formulierung der Tatbestände wurden nur noch zum Teil Beispiele verwendet. Eine abstrahierende Tatbestandstechnik begann sich durchzusetzen, vgl. Rüping, RN 130; und die Beispiele bei Schmidt, § 94. 5 Kaser, RömRG, S. 122; für Delikte, die den Hausfrieden verletzen: Osenbrüggen, S. 89 ff. 6 Schmidt, §§ 124 ff. 1 2

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2. Kapitel: Die Wohnung als Gegenstand geschichtlicher Rechtsinstitute

nungsschützenden Normen des Strafrechts auf eine „römisch-rechtliche Wurzel“ zurückgeführt werden können. Da Ähnliches noch in viel stärkerem Maße für das Privatrecht gilt,7 entspricht es nicht nur dem allgemeinen historischen Interesse, wenn man fragt, inwieweit sich das klassische römische Recht dem Schutz und dem Begriff der Wohnung insgesamt angenommen hat.

I. Wohnungsmiete – locare habitationem Den Römern waren Wohnungsnot,8 Massenwohnungsbau und Mietwohnungswesen sowie die daraus resultierenden sozialen Probleme keineswegs fremd. Das ständige Anwachsen der unteren, vorwiegend proletarischen Bevölkerungsschichten machte insbesondere in der Stadt Rom selbst schon vor der Prinzipatszeit den Bau großer Wohnhäuser mit vielen Mietwohnungen, den sogenannten insulae, erforderlich.9 Die Vermutung, auch die römische Rechtsordnung hätte die Position des Wohnungsmieters gegenüber dem Vermieter und Eigentümer als dem in der Regel wirtschaftlich und gesellschaftlich stärkeren Vertragsteil durch die Schaffung eines „sozialen“ Mietrechts gestärkt, scheint daher zumindest nicht völlig abwegig zu sein. Die Miete war Teil eines einheitlichen Vertragsgebildes, der locatio conductio, welches heute in Miete, Pacht, Dienst- und Werkvertrag aufgegliedert ist.10 Trotz der Einheitlichkeit des römischen Vertragstypus haben die Römer die Unterschiedlichkeit der Regelungsgegenstände nicht verkannt.11 Waren sich die Vertragsparteien einig, daß eine Wohnung gegen ein Entgelt zur Nutzung überlassen sein sollte (fruenda locata), kam ein Mietvertrag zustande.12 Regelungen, die dem heutigen Kündigungsschutzrecht vergleichbar wären, gab es nicht. Eine Kündigung als Rechtsgeschäft war genauso unbekannt, wie von gesetzeswegen einzuhaltende Kündigungsfristen.13 Der Mietvertrag konnte grundsätzlich jederzeit ohne besonderen Grund durch faktische Vorgänge, wie Zurückweisen des Mieters durch den Vermieter oder durch das Ausziehen des Mieters, beendet werden.14 War die BeenKaser, RömRG, S. 121 und S. 278; Wieacker, S. 676. Um beispielsweise demobilisierten Legionären den versprochenen Landbesitz zu verschaffen, enteignete Octavian die Bewohnerschaft ganzer Landstriche und Städte, ohne für diese Ersatzwohnraum bereitgestellt zu haben, vgl. Bleicken, S. 150 f. 9 Kleiner Pauly-Groß, Bd. 2, Sp. 1418. 10 Gaius 3, 142 – 147; Dig. 19, 2; Inst. 3, 24; Kaser, § 132.2. I 1. 11 Kaser, § 132.2. I 2; Honsell / Mayer-Maly / Selb, § 118 I. 12 Vgl. Kaser, § 132.2. III 1. Die locatio conductio gehörte zu den Konsensualkontrakten, die allein durch formfrei erklärte Willensübereinstimmung zustande kamen, Paulus, Dig. 19, 2, 1; Kaser, RömPR, § 38 II 1 d; Honnsell / Mayer-Maly / Selb § 98 III 4. 13 Kaser, § 132.2. III 5; Honsell / Mayer-Maly / Selb § 119 IV. 14 Expellere oder repellere des Vermieters und relinquere, migrare, discedere oder deserere des Mieters, Kaser, § 132.2. II 5; Heumann / Seckel, S. 139, 150, 342, 503, 507. 7 8

A. Römisches Recht

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digung des Mietvertrages ungerechtfertigt, mußte der schuldige Vertragsteil dem anderen lediglich den dadurch entstandenen Schaden ersetzen.15 Die ungünstige soziale Stellung des Wohnungsmieters (inquilinus)16 resultierte jedoch nicht nur aus dem mangelnden Schutz vor unberechtigter Vertragsbeendigung durch den Vermieter. Der Mieter hatte zudem keine Rechtsmacht, um sich gegenüber Dritten im Besitz der Wohnung zu erhalten.17 Wurde dem Mieter die gemietete Wohnung durch verbotene Eigenmacht eines Dritten entzogen, so konnte er selbst keine Besitzschutzrechte geltend machen, um sich den Besitz der Wohnung möglichst schnell wieder zu verschaffen. Die römisch-rechtlichen Besitzschutzrechte, die sogenannten Interdiktenklagen, konnten nur vom Eigenbesitzer sowie von einigen wenigen, privilegierten Fremdbesitzern geltend gemacht werden, zu denen der Mieter nicht gehörte.18 Als bloßer Detentor mußte er sich aus dem Mietvertrag an den Vermieter halten, damit dieser für ihn die entsprechende Interdiktenklage beim Prätor einreichte.19 Noch mißlicher stellte sich die Situation für den Mieter dar, wenn der Vermieter die Wohnung einem Dritten übereignet oder ein dingliches Besitzrecht eingeräumt hatte.20 Verlangte der Dritte dann von dem Mieter die Herausgabe der Wohnung, so mußte dieser weichen.21 Dem Mieter blieb lediglich ein Ersatzanspruch aus dem fortbestehenden Mietvertrag gegen den vertragsbrüchigen Vermieter.22 Hieraus wurde – auf fälschliche Weise verkürzt – die gemeinrechtliche Regel „Kauf bricht Miete“ abgeleitet.23 Auch wenn die Situation für den Mieter in der Praxis dadurch entschärft wurde, daß der Vermieter sich vom Käufer der Wohnung in der Regel zusichern ließ, daß er den Mieter bis zum Ende der vereinbarten Mietzeit im Besitz der Wohnung lassen würde,24 wird die vergleichsweise ungünstige Rechtsstellung des Mieters anhand dieses Beispiels sehr deutlich. Diese dürfte, wie Kaser zurecht vermutet,25 vor allem Ausdruck des wirtschaftlichen und politischen Übergewichts der Nobilität und der Ritterschaft gewesen sein. Diesen Schichten entstammten in der Regel auch die Juristen, die den Charakter der römiKaser, RömPR, § 42 II 5. Vgl. Labeo Dig. 19, 2, 58, pr.; Marcian Dig. 20, 2, 2; auch: Kaser, RömPR, § 42 II 1; Heumann / Seckel, S. 271. 17 Kaser, § 132.2. III 4; Honsell / Mayer-Maly / Selb, § 119 V. 18 Privilegierte Fremdbesitzer waren: Der Erbpächter, der Prekarist („Bittleiher“), der Pfandgläubiger und der Sequester (ein Verwahrer von streitbefangenen Sachen während des Prozesses), vgl. Honsell / Mayer-Maly / Selb, § 55 IV; Kaser, RömPR, § 19 IV. 19 Kaser, RömPR, § 19 V; Honsell / Mayer-Maly / Selb, § 119 V. 20 Derartige dingliche Besitzrechte waren insbesondere ususfructus (römisch-rechtliche Form des Nießbrauchs) und Pfandrecht, vgl. Kaser, § 132.2 III 4. 21 Kaser, § 132.2 III 4; Honsell / Mayer-Maly / Selb, § 119 V. 22 Kaser, § 132.2 III 4; Honsell / Mayer-Maly / Selb, § 119 V. 23 Zum einen kommt es nicht auf den Verkauf sondern auf das dingliche Veräußerungsgeschäft an, zum anderen besteht das Mietverhältnis fort, wenn auch nur so, daß der Mieter vom Vermieter einen Ersatz verlangen kann, vgl. Kaser, § 132.2 III 4. 24 Kaser, § 132.2 III 4. 25 Kaser, § 132.2 I 1. 15 16

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2. Kapitel: Die Wohnung als Gegenstand geschichtlicher Rechtsinstitute

schen Rechtsordnung in der späten Republik und der Prinzipatszeit wesentlich bestimmt haben.26 Die ohnehin schon ungünstige soziale Stellung des inquilinus wurde entgegen der oben geäußerten Vermutung durch die rechtlichen Regelungen also noch verstärkt. Ein Schutz, wie ihn heute die Regelungen des sozialen Wohnraummietrechts im Hinblick auf Art. 13 GG und die Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) vor allem durch Bestandsschutz und Mietpreisstabilität gewährleisten, war überhaupt nicht vorhanden.27 II. Die Regelungen über die Haussuchung Ansätze eines selbständigen Schutzes der Dispositionsbefugnis über die Zugänglichkeit des Hauses als räumlicher Eigensphäre, also zu dem, was heute überwiegend als das Hausrecht bezeichnet wird,28 waren auch in der römischen Rechtsordnung vorhanden. Hiervon zeugen insbesondere die Regelungen über die Haussuchung. Die altertümliche, feierliche Haussuchung der 12 Tafel-Zeit war nur bei Einhaltung bestimmter Formelemente zulässig.29 Der Suchende durfte Gaius zufolge das Haus eines des Diebstahls Verdächtigen nur mit einem Schurzfell bekleidet und eine Schüssel in der Hand haltend betreten (daher: quaestio lance et licio).30 Wurden diese Formen eingehalten, so mußte der Hausherr das „Eindringen“ des Suchenden dulden.31 Die verschiedenen Deutungsversuche dieses Rituals verweisen häufig auf religiöse Vorstellungen.32 So könnte vor allem die Schale zur Darreichung einer Opfergabe für die durch das Eindringen des Fremden ohne Gastrecht verletzten Hausgötter gedient haben.33 Angesichts der Vielzahl der möglichen Deutungen ist dies jedoch letztlich reine Spekulation, da schon die Römer zur Zeit der späten Republik den Sinn dieser Formelemente nicht mehr gekannt haben.34 Kunkel, S. 272 ff. BVerfGE 89, 1; vgl. Bub / Treier I RN 71; MüKo-Voelskow, Vor § 535, RN 57; Palandt / Putzo, Einf. Vor § 535, RN 96 ff. 28 Vgl. OLG Köln NJW 1982, 2740; Tröndle / Fischer, § 123, RN 1; Sch / Sch / Lenckner, § 123, RN 1; Wessels / Hettinger, RN 573. 29 Eine entsprechende Regelung befand sich wahrscheinlich auf der 8. Tafel, 15. Fragment, vgl. FIRA, S. 59. 30 Gaius 3, 192 – 194. Die Voraussetzung des Diebstahlsverdachts wird bei Gaius zwar nicht explizit gefordert, ergibt sich aber doch aus dem Zusammenhang der Quelle. Kaser hält es sogar für wahrscheinlich, daß die Zulässigkeit dieser Haussuchung an die Verfolgung des Täters auf frischer Spur gebunden war, vgl. Kaser, § 41 III 2. 31 Gaius 3, 192 – 194. 32 Vgl. die Übersicht bei Kaser, § 41 III 2, FN 30; Honsell / Mayer-Maly / Selb, § 129 II. 33 Kaser, Das altrömische ius, S. 340 und ihm folgend: Trabandt, S. 31. 34 Gaius bereits bezeichnete die Prozedur als „ridicula“, 3, 193; Honsell / Mayer-Maly / Selb, § 129 II. 26 27

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Praktisch wirkten sich die Formvorschriften jedoch zumindest als minimaler Schutz der Dispositionsbefugnis des Hausherrn über die ihm zugeordneten Räume aus. Er konnte unrechtmäßiges Eindringen anhand äußerlicher Merkmale (Fehlen von Schüssel und Schurzfellbekleidung) leicht erkennen, wußte also, wann er den Suchenden mittels Selbsthilfe wieder vertreiben durfte.35 Zudem mußte der Hausinhaber im Verdacht stehen, den Suchenden bestohlen zu haben.36 Insofern findet also bereits hier das Sachverfolgungsinteresse des Suchenden seine Grenze in der Dispositionsbefugnis des Hausherrn, als zumindest rein willkürliche Durchsuchungen ausgeschlossen waren. Eine Art Hausrecht wird insoweit durchaus anerkannt, selbst wenn es nur geschah, um eine Eskalation des Konflikts im Wege der immer wechselseitigen Selbsthilfe zu vermeiden. Im Laufe der Zeit entwickelte sich neben dieser förmlichen Haussuchung eine nicht förmliche, die allerdings in der Gegenwart von Zeugen zu erfolgen hatte.37 Zudem gewährte der Prätor ab einem gewissen Zeitpunkt eine spezielle Klage, mit deren Hilfe der Suchende Druck auf den Hausinhaber ausüben konnte, ihm die Haussuchung zu gestatten. Erlaubte der Verdächtige diese nicht, so wurde er zur Zahlung des vierfachen Wertes der gesuchten Sache verurteilt.38 Diese Regelungen deuten sogar noch auf eine Stärkung der Dispositionsbefugnis des Hausinhabers im Vergleich zu dem durch die quaestio lance et licio gewährten Standard hin. So schien die einfache Haussuchung grundsätzlich von der Gestattung des Hausinhabers abhängig zu sein. Durch das Erfordernis der Anwesenheit von Zeugen wurde der Hausherr zusätzlich noch wirksamer vor unberechtigten oder willkürlichen Eindringlingen geschützt.39

III. Schutz der Wohnung durch das Privatstrafrecht und das öffentliche Strafrecht Fraglich ist, ob die bei der Haussuchung geschützte Dispositionsbefugnis des Hausinhabers, die dem Hausrecht nach heutigem Verständnis sehr ähnlich ist, auch in materiellen privatdelikts- und / oder strafrechtlichen Regelungen besonders berücksichtigt wurde. Zur Zeit des klassischen römischen Rechts wurde nur eine relativ kleine Gruppe von Unrechtshandlungen als Straftaten öffentlich verfolgt40. Zu diesen sogenannten crimina gehörten Handlungen, die sich gegen die Gesamtheit, vor allem den Ähnlich: Trabandt, S. 32. Ähnlich: Trabandt, S. 32. 37 Kaser, RömPR, § 51 I 2. 38 Gaius 3, 192. 39 Ähnlich, aber von einer Stärkung des „Hausrechts“ ausgehend: Trabandt, S. 33. 40 Kaser, RömRG, S. 122; Mommsen, S. 5, der gleichwohl von der Einheitlichkeit des römischen Strafrechts ausgeht. 35 36

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Staat richteten, außerdem schwere sakrale Verstöße sowie vermutlich auch schwere nicht sakrale Straftaten wie das parricidium (Mord).41 Die meisten Unrechtstaten wurden noch zur Zeit der späten Republik nicht als strafwürdige Verletzung oder Gefährdung des Gemeinwesens, sondern als Verletzung des einzelnen angesehen. Dieser konnte vom Täter im Zivilprozeß eine Geldbuße (poena) als Sühne für das erlittene Unrecht erstreiten.42 Die privatrechtlich verfolgbaren Unrechtstaten, durch die der einzelne selbst oder an seinen Rechtsgütern verletzt wurde, bezeichnet man als delictum.43 Man bezeichnet das sie betreffende Rechtsgebiet auch als Privatstrafrecht. Hierdurch wird klargestellt, daß mit diesen Klagen nicht ein den reinen Vermögensschaden ausgleichender Ersatz, sondern in der Regel eine unabhängig vom konkret eingetretenen Vermögensschaden errechnete Bußzahlung erstritten werden konnte.44

1. Das delictum der iniuria und vi domum introire, ein Tatbestand der lex Cornelia de iniuriis Ein deutlicher Hinweis darauf, daß Wohnräume durch das Instrumentarium des römischen Privatstrafrechts bzw. des öffentlichen römischen Strafrechts geschützt wurden, findet sich bei Ulpian in Dig. 47, 10, 5. Der Jurist behandelt in diesem Fragment die drei Fälle der lex Cornelia de iniuriis, eines Gesetzes, welches auf Antrag des Diktators Lucius Cornelius Sulla als Reaktion auf die seit der Gracchenzeit (also ca. seit 133 vor Chr.) wütenden Unruhen und Bürgerkriege erlassen worden war.45 Die lex Cornelia de iniuriis entzog dem Zivilprozeß bestimmte Tatbestände, die dem privatstrafrechtlichen delictum der iniuria unterfielen. Das Opfer mußte die Injurienklage in den von der lex Cornelia genannten Fällen seitdem vor einem in öffentlichen Angelegenheiten tätigen Gericht (iudicium publicum) einer neu geschaffenen ordentlichen Strafgerichtsbarkeit (quaestiones perpetuae) erheben.46 Die lex Cornelia kann daher als eine Art Mischform aus Privatklagedelikt und öffentlich verfolgtem crimen verstanden werden, bei dem der Verletzte die Rolle des Anklägers übernehmen mußte. Als Strafe sah die lex Cornelia wahrscheinlich ebenfalls eine Geldstrafe vor.47 Die lex Cornelia umfaßte unter anderem den Tatbestand des gewaltsamen Eindringens in ein fremdes Haus: „Lex Cornelia Kaser, RömRG, S. 122 ff. Kaser, RömRG, S. 122. 43 Kaser, RömPR, § 50 I 1 a. 44 Vgl. z. B. Mommsen, S. 784. 45 Vgl. Ploetz / Martin, S. 59. 46 RE, Sp. 1556; Kaser, RömRG, S. 125; a.A. Mommsen, S. 803 f.; Pugliese, Studi sull’ iniuria, S. 117 ff. und ihnen folgend Trabandt, S. 17: Der Prätor hätte die Sache je nach ihrer Schwere an die Rekuperatoren oder an die quaestio verweisen können. 47 Mommsen, S. 802; Trabandt meint, die Strafen der lex Cornelia seien umstritten gewesen, S. 16. 41 42

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de iniuriis competit ei, qui iniuriarum agere ob eam rem, quod se pulsatum verberatumve domuve suam vi introitam esse dicat“.48 a) Schutz des „Hausfriedens“ oder des „Hausrechts“ durch das delictum der iniuria? Die iniuria war ursprünglich als Bestandteil des Zwölftafelgesetzes – wahrscheinlich also um 450 vor Chr. – eingeführt worden.49 Als Grundtatbestand der römisch-rechtlichen Personenverletzung umfaßte sie drei fest umgrenzte Tatbestände, die zunächst sämtlich auf direkte Angriffe gegen den Körper beschränkt waren.50 Dem Opfer der dort beschriebenen Körperverletzungen wurde gegen den Täter eine privatrechtliche Klage eingeräumt, die im schwersten Fall auf Vornahme von Talion durch das Opfer am Täter, sonst auf Zahlung im Gesetz bestimmter, fester Bußsätze gerichtet war.51 Durch die 12 Tafeln wurden Wohnräume also noch nicht vor dem unbefugten Betreten Dritter geschützt;52 es sei denn, daß das unbefugte Betreten mit einer Personenverletzung, die zu dieser Zeit mit der Körperverletzung identisch war, zusammenfiel. Dann griff die iniuria aber eben nur aufgrund der Personenverletzung ein.53 Das in den 12 Tafeln geregelte delictum der iniuria wurde später im prätorischen Edikt dergestalt fortentwickelt, daß jedem, der Opfer einer Mißachtung seiner Person geworden war, eine zivilprozessuale Klage auf Zahlung einer der Sühne dienenden Geldbuße gewährt wurde (actio iniuriarum aestimatoria).54 Die Höhe der Buße wurde vom Tatrichter (iudex) nach billigem Ermessen bestimmt. Diese wesentlich flexiblere Regelung ersetzte fortan die der 12 Tafeln.55 Die Personenmißachtung konnte sich in körperlicher Mißhandlung, Ehrverletzung oder sonst einer Ulpian, Dig. 47, 10, 5, pr. Kaser, RömPR, § 51 III; Honsell / Mayer-Maly / Selb, § 131 I; Trabandt, S. 3; zur zeitlichen Einordnung vgl. auch Ploetz / Martin, S. 51. 50 Nämlich die Verstümmelung eines Körpergliedes, Knochenbruch mit Hand oder Knüppel oder andere „Injurien“, zu denen zur Zeit der zwölf Tafeln nur Angriffe auf den Körper gezählt haben dürften, („mebrum rupsit“, „manu fustive os fregit“ und „iniuriam alteri faxsit“), vgl. 12 Tafeln 8, 2 – 4 (FIRA, S. 53 f.); Kaser, RömPR, § 51 III; Trabandt, S. 7. 51 Verstümmelung: Talion; Knochenbruch: 300 As für Verletzung eines Freien und 150 As für die Verletzung eines Sklaven; andere Injurien: 25 As, 12 Tafeln, 8, 2 – 4 (FIRA, S. 53 f.). 52 Vgl. Trabandt, S. 7; a.A. wohl Armknecht, S. 49, der aber verkennt, daß der generalklauselartige Tatbestand der iniuria in den 12 Tafeln erst im prätorischen Edikt auf die bewußte Mißachtung der Persönlichkeit erweitert wurde. 53 Der Schutz des „Interesse des einzelnen am Gesichertsein in seiner Behausung“ als solches wird daher weder zu Zwölftafelzeit noch zu späterer Zeit beabsichtigt gewesen sein, a.A. Weber, S. 90. 54 Damit dürfte die iniuria der griechischen jâñéò nach ihrem ursprˇnglichen Wortsinn entsprochen haben, Gaius 3, 220 -- 222; Kaser, R˛mPR, ‰ 51 III. 55 Die Regelung der 12 Tafeln konnte wegen ihrer festen Bußsätze insbesondere aufgrund der einsetzenden Geldentwertung keinen wirksamen Schutz mehr gewährleisten. 48 49

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verachtenswerten Überhebung über die Person des anderen ausdrücken.56 Das Edikt enthielt neben mehreren ausformulierten Einzeltatbeständen der iniuria eine Art Generalklausel (Generaledikt), in welchem die actio iniuriarum aestimatoria für alle weiteren Fälle der Personenmißachtung verheißen wurde.57 Daß diese prätorische Injurienklage auch erteilt wurde, wenn jemand nur unberechtigt ohne Anwendung von Personengewalt in das Haus eines anderen eingedrungen war, kann für die Zeit vor dem Erlaß der lex Cornelia de iniuriis im Jahre 82 vor Chr. durch Quellen nicht belegt werden. Ein entsprechender Spezialtatbestand ist im Edikt nicht enthalten. Für eine Berücksichtigung derartiger Handlungen im Rahmen des Generaledikts bestehen ebenfalls keine Anhaltspunkte. Auch als Erschwerungsgrund, der zur Gewaltanwendung gegen die Person hinzutritt, wird das unbefugte Eindringen in das Haus eines anderen in der Zeit vor dem Erlaß der lex Cornelia in den Quellen nicht erwähnt. Daher liegt die Vermutung nahe, daß das Betreten eines Hauses gegen den Willen des Hausherren ohne Anwendung von Personengewalt vor Erlaß der lex Cornelia ebenfalls nicht zur Gewährung der prätorischen Injurienklage (actio iniuriarum aestimatoria) geführt hat.58 Den Römern war das germanisch-deutsche Rechtsinstitut des Hausfriedens unbekannt.59 Ansätze zur Ausbildung eines Instituts, welches das Haus als heiligen Bezirk aus sakralen und rechtlichen Gründen besonders schützt, könnten bei der förmlichen Haussuchung (Besänftigung der durch den Eindringling erzürnten Hausgötter mittels Darreichung eines Opfers) in altertümlicher Zeit zwar vorhanden gewesen sein. Sie gerieten aber im Lauf der Zeit wieder in Vergessenheit. Denn bereits zu Zeiten der ausgehenden Republik konnten sich die Römer selbst die Bedeutung der Formelemente der quaestio lance licioque nicht mehr erklären.60 Daß sie vor oder nach Erlaß der lex Cornelia gar Eingang in andere privatoder strafrechtliche Regelungen wie die iniuria gefunden hätten, ist daher nahezu ausgeschlossen. Schutzgut der prätorischen iniuria mit der actio iniuriarum aestimatoria kann also vor Erlaß der lex Cornelia nur die Person, nicht etwa auch die Dispositionsbefugnis über einen ihr zugeordneten Verfügungsraum oder diese Eigensphäre selbst gewesen sein. Wenn jemand im Zusammenhang mit der Anwendung von Personengewalt in das Haus eines Dritten eingedrungen war, wird der Prätor also auch vor dem Erlaß der lex Cornelia allein wegen der Verletzung der Person, ganz unabhängig von dem widerrechtlichen Eindringen immer die Injurienklage erteilt haben.

56 Gaius 3, 220 – 222; Mommsen, S. 787; Kaser, RömPR, § 51 III 2; Honsell / MayerMaly / Selb, § 131 III 4. 57 Ulpian, Dig. 47, 10, 15, 26; Kaser, § 145 I 1. 58 So auch Trabandt, S. 11. 59 Trabandt, S. 37; Bodendorf, S. 2; Armknecht, S. 49; Weber, S. 90. 60 Vgl. Gaius 3, 193, der so etwas wie den Hausfrieden, der dem Haus einen vor Fremden besonders geschützten Sonderstatus verschafft, überhaupt nicht mehr in Erwägung zieht.

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Dasselbe muß auch für die Klage aus den 12 Tafeln gelten. Das durch die Regelungen über die Haussuchung in Ansätzen geschützte „Hausrecht“ kann nach der Vorstellung der Römer im Rahmen der iniuria zunächst überhaupt keine Rolle gespielt haben. Insofern ist die Formulierung, die Verletzung „des Hausrechts“ wäre bei der iniuria der 12 Tafeln oder der prätorischen durch die Personenverletzung überdeckt worden, ebenfalls mißverständlich.61 Die Verletzung des Hausrechts war für die Verwirklichung der Tatbestände der iniuria in den 12 Tafeln nicht konstitutiv. Das zu bestrafende Unrecht drückte sich gerade in der 12 Tafel-Zeit allein in der Körperverletzung aus.62 Für sich genommen löste die Verletzung des Hausrechts keine Klage aus. Da sie mithin – soweit die Deliktsobligationen betroffen waren – vor Erlaß der lex Cornelia vollkommen irrelevant war, konnte sie auch nicht durch die Körperverletzung überdeckt werden. Weil der Grund für die Gewährung der prätorischen Injurienklage demnach allein in der Personenverletzung gelegen hat, ist es auch kaum verwunderlich, daß Fälle, in denen das Eindringen in ein Haus mit der Personengewalt zusammenfiel, in den Quellen vor Erlaß der lex Cornelia nicht besonders erwähnt wurden. Vom juristischdogmatischen Standpunkt war eine Beschäftigung mit diesem Aspekt vor Einführung des Tatbestandes des vi domum introire einfach nicht erforderlich. Bedeutung erlangte das unbefugte Betreten eines fremden Hauses im Rahmen der iniuria also offenbar überhaupt erst durch die Einführung dieses Tatbestands der lex Cornelia. b) Schutz des „Hausrechts“ durch die lex Cornelia de iniuriis? Trabandt ist der Ansicht, der Prätor habe unter dem Einfluß der lex Cornelia die Klage aus der iniuria wegen „Hausfriedensbruchs“ in den Fällen gewährt, in denen beim unbefugten Betreten des Hauses physische Gewalt gegen eine Person verübt wurde. Danach wäre die Anwendung von Gewalt gegen eine Person Voraussetzung eines „römisch-rechtlichen Hausfriedensbruchs“ gewesen. Die fragliche Regelung der lex Cornelia könnte jedoch nur als „römisch-rechtlicher Hausfriedensbruch“ angesehen werden, wenn eine dem heutigen Hausrecht ähnliche Dispositionsbefugnis über eine räumlich begrenzte Eigensphäre oder die Eigensphäre selbst geschützt werden sollte.63 Da oben bereits gezeigt wurde, daß den Römern die Vorstellung eines Hausfriedens fremd war, kann letzteres jedoch bereits an dieser Stelle ausgeschlossen werden. Zur Bekämpfung der gesellschaftlichen Verrohung durch Unruhen und Bürgerkrieg wollte Sulla einzelne, in besonderem Maße gemeinschaftsschädigende Unrechtshandlungen zwingend öffentlich verfolgt wissen. 61 So aber Trabandt, S. 7. Auch der Vergleich zwischen den Verhältnissen von Verletzung des Hausrechts und Personenverletzung (iniuria) einerseits und Diebstahl (furtum) und Raub (rapina) andererseits hinkt. Mit furtum und rapina standen zwei ausgefeilte römisch-rechtliche Rechtsinstitute nebeneinander, was bei Hausrechtsverletzung und Personenverletzung gerade nicht der Fall war. 62 Vgl. FN 48. 63 Vgl. unten 7. Kap. B. III.

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Die mit gewaltsamem Eindringen in ein fremdes Haus verbundene Personenverletzung wurde von ihm offenbar als in besonderer Weise gemeinschädlich angesehen. Allein die Bekämpfung dieser das allgemeine Sicherheitsempfinden besonders stark beeinträchtigenden und daher gemeingefährlichen Körperverletzung bildete den Grund für die Aufnahme des Tatbestandes „vi domum introire“ in die lex Cornelia. Daß dabei ein neues crimen oder delictum des Hausfriedensbruchs geschaffen werden sollte, in dem das Haus ausschließlich als Verfügungsraum oder Sicherheitszone des Hausherrn selbständig geschützt wird, ist auch angesichts des systematischen Zusammenhangs mit den anderen Tatbeständen der lex Cornelia de iniuriis (pulsare und verberare) höchst unwahrscheinlich. Diese Tatbestände stellten unzweifelhaft Personenverletzungen dar, bei denen im Gegensatz zur bloß ehrenrührigen Personenmißachtung massive körperliche Gewalt eingesetzt werden mußte. Im übrigen war die iniiuria schon in den 12 Tafeln immer auf Fälle der Personenverletzung beschränkt.64 In der lex Cornelia wird der Schutz des Hauses also nicht soweit verselbständigt, daß man von einer Injurienklage wegen Verletzung des Hausrechts sprechen könnte.65 Der Tatbestand des vi domum introire ist gerade nicht auf den selbständigen Schutz der Dispositionsbefugnis des Hausinhabers zugeschnitten. Er ist vielmehr als ein besonders gemeinschädlicher Fall der Körperverletzung zu verstehen, durch den auch das, was wir heute das Hausrecht nennen, in einem Teilbereich gleichsam als nicht intendierter Annex (gewaltsames Hinwegsetzen über die Dispositionsbefugnis des Hausrechtsinhabers) mit geschützt wird. Vertretbar erscheint daher allenfalls die Annahme, die lex Cornelia habe das durch staatliche Gewalt garantierte Gesichertsein des einzelnen innerhalb von zu Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten als Teil der öffentlichen Ordnung bewirkt.66 Daß sich in späterer Zeit hieraus die Ansicht entwickelt hat, in dem Betreten eines Hauses liege auch schon dann eine als iniuria einzuordnende Personenverletzung, wenn sie nur gegen den Willen des Hausherrn und Eigentümers (invito domino) erfolge, ohne daß dieser Wille mit dem Einsatz von Gewalt gegen die Person gebrochen werden müßte,67 steht obigem nicht entgegen.68 Auch hierdurch wurde Vgl. oben 2. Kap. A. III. 1. a). Obwohl auch Armknecht, S. 50 f. dieser Ansicht ist, spricht er – wie die meisten Vertreter des Schrifttums – mißverständlicherweise vom Hausfriedensbruch; vgl. Mommsen, S. 793; Kaser, RömRG, S. 125. 66 Ähnlich: Weber, S. 90. 67 Vgl. Paulus, Dig. 47, 10, 23, der berichtet, Ofilius (ein Zeitgenosse Caesars) habe diese Ansicht erstmals vertreten. 68 Ähnlich: Pugliese, Studi sull „Iniuria“ S. 155, FN 2; Armknecht, S. 50 f. A.A. Weber, S. 84 f., die unter Berufung auf Ofilius annimmt, Schutzgut der prätorischen Iniurienklage bei Hausfriedensbrüchen sei das (dingliche) Verfügungsrecht des Hauseigentümers. Dabei wird jedoch übersehen, daß Ofilius, als Zeitgenosse Caesars, diese Aussage erst lange nach Erlaß der lex Cornelia äußern konnte. Zum anderen läge hierin ein Verstoß gegen grundlegende dogmatische Prinzipien des römischen Rechts, weil der Eigentumsschutz nie durch die allein dem Personenschutz dienende actio iniuria gewährt worden wäre. Insoweit wäre es zu erwarten gewesen, daß die Klage aus der lex Aquilia Platz greift. 64 65

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kein selbständiges, mit dem Hausfriedensbruch vergleichbares, strafrechtliches Rechtsinstitut geschaffen. Durch diese Quelle wird nur belegt, daß widerrechtliches Eindringen zumindest in Einzelfällen zur Erteilung der zivilrechtlichen actio iniuriarum aestimatoria aufgrund des Generaledikts geführt hat. Es bleibt auch insoweit bei der Anbindung an die Personenmißachtung, die in diesen Fällen eben in der ehrenrührigen Überhebung über den Willen des Hausherren bestand.

c) Die Reichweite des Begriffs „domus“ Dem vorstehend umrissenen Schutzzweckgefüge würde es entsprechen, wenn die römischen Juristen das Bewohntsein zur Voraussetzung für das Vorliegen des Tatbestandes „vi domum introire“ gemacht hätten. Antworten hierauf finden sich in den Erläuterungen des Ulpian zu diesem Tatbestand, insbesondere zum Begriff domus.69 Danach sollte mit dem Begriff „Haus“ in der Tat nicht die Eigentümerposition in Bezug genommen werden. Mit dem Haus war vielmehr der Wohnsitz gemeint.70 Übereinstimmend waren die römischen Juristen der Auffassung, daß auch der Rechtsgrund, auf dem das Bewohnen beruhte, keine Rolle spielen sollte. Es war gleichgültig, ob das Haus Wohnsitz eines Pächters oder Mieters war, oder ob es jemandem gratis oder aufgrund von Gastfreundschaft als Wohnung zur Verfügung gestellt worden war.71 Ob auch unberechtigtes Wohnen unter den Tatbestand fällt, bleibt unklar, ist jedoch unwahrscheinlich. Der durch den Begriff Haus bezeichnete räumliche Bereich mußte zudem nicht durch Wände oder Decken räumlich abgeschlossen sein. Auch Gärten waren insoweit geschützt, wenn sie nur von jemandem bewohnt waren.72 Haus war danach also der räumlich zumindest irgendwie sichtbar abgegrenzte Bereich, in dem jemand seinen Wohnsitz genommen hatte, gleichgültig aus welchem Rechtsgrund er dies ableitete. Ulpian beantwortet in dem bereits mehrmals zitierten Fragment auch die Frage, wann man vom Vorliegen eines Wohnsitzes ausgehen kann. In dieser Frage bestand Uneinigkeit zwischen ihm und Labeo.73 Sie entzündete sich an folgendem Fall: In jemandes Eigentum standen mehrere Landgüter. Der Eigentümer hielt sich vorübergehend auf einem seiner Landgüter auf, welches er nicht verpachtet hatte, sondern selbst (durch Sklaven) bewirtschaftete. Er wohnte jedoch eigentlich auf einem anderen Gut. Während seines Aufenthalts Ulpian, Dig. 47, 10, 5, 2 ff. „Domum accipere debemus non proprietatem domus, sed domicilium“, Ulpian, Dig. 47, 10, 5, 2. Mit dem hier vertretenen Verständnis übereinstimmend: Armknecht, S. 51; Trabandt, S. 15. 71 „. . . sive in conducto vel gratis sive hospitio receptus, haec lex [Cornelia de iniuriis] locum habebit“, Ulpian Dig. 47, 10, 5, 2. 72 Ulpian, Dig. 47, 10, 5, 3: „Quid si quis . . . in hortis [habitet]? idem erit probandum“, nämlich, daß die lex Cornelia Platz greift. 73 Ulpian, Dig. 47, 10, 5, 5. 69 70

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auf dem ersten Landgut dringt jemand in letzteres unter Anwendung von Personengewalt ein.74 Die Klage aus der lex Cornelia de iniuriis steht dem Eigentümer nach obigem nur zu, wenn auch das Landgut seines vorübergehenden Aufenthalts als sein Wohnsitz (domicilium) bezeichnet werden kann. Labeo meint, daß dies nicht möglich sei, weil der Eigentümer ja schließlich nicht überall seinen Wohnsitz haben könne.75 Ulpian ist dagegen der Auffassung, daß das Cornelische Gesetz bei gewaltsamem Eindringen in jede Wohnung (habitatio), in der der pater familias – wenn auch nur vorübergehend – wohne, zur Anwendung kommen müsse.76 Indem Labeo also den Anwendungsbereich der Lex Cornelia auf den ständigen Hauptwohnsitz beschränkt wissen will und hierfür das Argument ins Feld führt, ein Mensch könne gar nicht mehr als einen Wohnsitz haben, bleibt er streng im Rahmen der Wortbedeutung von domicilium. Allerdings muß er dann auch eine entsprechende Einschränkung des durch die lex Cornelia gewährten Schutzes in Kauf nehmen, die in Konflikt mit ihrem Zweck geraten könnte, gewalttätige Überfälle auf Wohnhäuser als gemeingefährlich zu brandmarken und vor ein Strafgericht zu bringen. Ulpian trägt diesem Zweck eher Rechnung, indem er für eine extensive Anwendung der lex Cornelia eintritt. Er muß allerdings dafür das Merkmal domicilium im Sinne von ständigem Wohnsitz strenggenommen aufgeben und stellt allein darauf ab, ob sich jemand an einem bestimmten Ort auch nur vorübergehend aufhält (habitare). Zur Begründung führt er das Beispiel eines Mannes an, der sich studienhalber ausnahmsweise auf einem seiner Güter in Rom aufhält, obwohl er eigentlich an einem anderen Ort dauerhaften Wohnsitz genommen hat. Hierdurch macht er deutlich, daß er es angesichts des Zwecks der lex Cornelia für nicht sachgerecht hält, sie in diesem, dem Normalfall so ähnlichen Fall, nicht anzuwenden. Für Ulpian reichte es aus, daß der Aufenthalt länger als einen Moment anhielt.77 Beispielsweise könne man hiervon bei Aufenthalt in nur für kurze Zeit vermieteten Zimmern (meritoria) und Ställen (stabula) nicht reden.78 Ulpian erweiterte so den durch den Begriff des Hauses geschützten Bereich auf solche zumindest sichtbar abgegrenzten räumlichen Bereiche, die einem römischen Bürger für eine nicht unwesentliche Zeitdauer, aber eben auch nicht ständig, als Aufenthaltsort dienten. Mit einer einheitlichen Neubestimmung des Begriffs domicilium tat er sich allerdings schwer, was dadurch zum Ausdruck kommt, daß er einmal auf die Zeitdauer des Aufenthalts (meritoria) abstellt und ein anderes Mal auf die Art der Unterkunft (stabula).79

Ulpian, Dig. 47, 10, 5, 5. Ulpian, Dig. 47, 10, 5, 5: „. . . , quia non possit ubique domicilium habere, . . .“. 76 Ulpian, Dig. 47, 10, 5, 5: „Ego puto ad omnem habitationem, in qua pater familias habitat . . .“. 77 Ulpian, Dig. 47, 10, 5, 5: „. . . , qui inhabitant non momenti causa, licet ibi domicilium non habeant.“ 78 Ulpian, Dig. 47, 10, 5, 5. 79 Ulpian, Dig. 47, 10, 5, 5. 74 75

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2. Die lex Iulia de vi Mit der lex Iulia de vi, einem vielleicht schon unter Caesar, spätestens aber unter Augustus erlassenen Gesetz, wurde ein ordentliches Strafgericht für Gewaltverbrechen aller Art, die quaestio de vi, errichtet.80 Damit verbunden war auch die Schaffung neuer Spezialtatbestände, die vor dieser quaestio de vi abzuurteilen waren, und einer neuen Prozeßordnung.81 Das Gesetz unterschied insbesondere bezüglich der Strafen zwischen vis privata und vis publica.82 Während sich der vis privata im wesentlichen jeder schuldig machte, der gemeinschaftlich mit anderen an einer Privatperson Gewalt verübte,83 wurde wegen vis publica bestraft, wer ebenfalls mit anderen zusammenwirkend durch die Anwendung von Gewalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar bedrohte.84 Durch Quellenbelege ist gesichert, daß nach den Regelungen der lex Iulia auch bestraft wurde, wer gemeinschaftlich mit anderen bewaffneten Menschen Haus oder Grundstück eines anderen auf kriegerisch-gewaltsame Art belagerte oder sogar einnahm und die Bewohner vertrieb.85 Die lex Iulia de vi betrifft folglich gewaltsame Bandendelikte, deren besondere Gefährlichkeit sich häufig noch durch das Verwenden oder Beisichführen von Waffen steigerte.86 Dies und die äußeren Umstände, unter denen sie erlassen wurde, zeigen deutlich, daß sie ebenso wie die lex Cornelia de iniuris ein Jahrhundert zuvor dem Schutz bzw. der Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen sollte. Diese waren durch die erneuten Bürgerkriege, die seit der Errichtung des ersten Triumvirats bis zur Etablierung des Prinzipats durch Augustus andauerten, weitgehend zerstört worden.87 Grundlage und Vorbild für die Ausgestaltung der Tatbestände könnte die lex Cornelia gewesen sein. Zumindest liegt aufgrund der Wortwahl von Ulpian in Dig. 48, 6, 10, 2 die Vermutung nahe, daß Kaser, RömRG, S. 125; Mommsen, S. 128 f.; Armknecht, S. 51. Mommsen, S. 128 f.; Trabandt, S. 18 ff. 82 Als Strafen werden die Vermögenskonfiskation verbunden mit dem Verbot zur Bekleidung von wichtigen Ehrenämtern (bei vis privata, vgl. Marcian, Dig. 48, 7, 1, pr.) bzw. die Verbannung (bei vis publica, vgl. Ulpian, Dig. 48, 6, 10, 2) genannt. 83 Scaevola, Dig. 48, 7, 2, „Hac lege tenetur, qui convocatis hominibus vim fecerit, quo quis verberetur pulseretur neque homo occisus erit.“ 84 Paulus, Sent. 5, 26, 1; vgl. auch die eindeutigen Beispiele bei Marcian, Dig. 48, 6, 3. Die Bewaffnung der gemeinschaftlichen Gewaltverbrecher scheint ein wesentliches Kriterium für die Gemeingefährlichkeit gewesen zu sein. Weiterhin: Mommsen, S. 658; ihm folgend: Trabandt, S. 19 und Armknecht, S. 52. 85 Paulus, Sent. 5, 26, 3: „Lege Iulia de vi privata tenetur qui quem armatis hominibus possesione domo villa agrove deiecerit expugnaverit obsederit clauserit, idve ut fieret homines commodaverit locaverit . . .“ 86 Ähnlich Trabandt, S. 20, der aber der Ansicht ist, daß das Beisichführen von Waffen immer erforderlich gewesen sei, wogegen jedoch die Quellen von Ulpian, Dig. 48, 6, 10, 2 und Scaevola, Dig. 48, 7, 2 sprechen. 87 Ploetz / Martin, S. 61 ff.; Kleiner Pauly-Hanslik, Bd. 1, Sp. 746 ff. 80 81

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die Tatbestände des verberare und pulsare der lex Cornelia in der lex Iulia de vi lediglich als Bandendelikt ausgestaltet worden waren.88 Von daher könnte auch in der Bestimmung, die die Belagerung eines Hauses oder Grundstücks betrifft, die bandenmäßige Entsprechung zum vi domum introire der lex Cornelia gesehen werden. Auch durch die lex Iulia de vi erlangt der Schutz einer Dispositonsbefugnis über eine Eigensphäre oder gar des Hausrechts oder Hausfriedens also keine selbständige Bedeutung. Im Gegenteil steht auch hier der Schutz der öffentlichen Sicherheit stark im Vordergrund. Da die lex Iulia de vi, indem sie auf der lex Cornelia aufbaut, vermutlich auch auf die Regelungen der iniuria zurückgeführt werden kann, dürfte insoweit zudem eine Verbindung mit dem Personenschutz bestehen. Der kriminalrechtliche Schutz des Hauses und anderer Wohnbezirke wird durch die lex Iulia de vi auch nicht erweitert, sondern in Fällen bandenmäßiger und gewalttätiger Angriffe auf den Hausinhaber mit einer härteren Strafe sanktioniert und einem neuen Verfahren unterworfen. Die Bedeutung der lex Iulia de vi lag vor allem auf dem Gebiet des Prozeßrechts.89 Man könnte den materiellen Teil der lex Iulia de vi insofern als Qualifikation des vi domum introire verstehen. Hätten die Römer das Institut des Hausfriedens gekannt, hätte man in der lex Iulia de vi insoweit auch den römisch-rechtlichen Fall eines „schweren Hausfriedensbruchs“ sehen können, der ja auch im geltenden Recht (§ 124 StGB) unter anderem die öffentliche Sicherheit und Ordnung schützt.90 Daß die Begriffe domus, villa und agrum wesentlich anders als im Rahmen der lex Cornelia verstanden wurden, ist aus den angeführten Quellen nicht ersichtlich.

3. Die weitere Entwicklung in spät- und nachklassischer Zeit In spät- und nachklassischer Zeit lockerte sich das Erfordernis der Gewaltanwendung im Rahmen des vi domum introire der lex Cornelia de iniuriis. Nach Paulus sollte die lex Cornelia auch in den Fällen greifen, in denen der Täter mit Diebstahlsvorsatz in Räume eines anderen eindrang.91 Indem Paulus hier auf die Nennung des Gewalterfordernisses (vi) verzichtete und dabei das Schlagen (pulsare) und das Eindringen mit Diebstahlsvorsatz gleichberechtigt nebeneinander stellte, machte er deutlich, daß beim Eindringen in ein Haus mit Diebstahlsvorsatz (furando animo) die Klage aus der lex Cornelia auch dann greift, wenn Personenge88 Dort heißt es: „Hac lege tenetur et qui convocatis hominibus vim fecerit, quo quis verberetur et pulsetur, . . .“ 89 Mommsen, S. 655; Trabandt, S. 18. 90 Wessels / Hettinger, RN 603. 91 Paulus, Sent. 5, 4, 8: „. . . actio iniuriarum ex lege Cornelia constituitur, quotiens quis pulsatur, vel cuius domus introitur ab his, qui vulgo directarii appelantur.“ Derectarii werden definiert als „. . . hi, qui in aliena cenacula se dirigunt furando animo.“, vgl. Ulpian Dig. 47, 11, 7.

A. Römisches Recht

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walt nicht eingesetzt wurde. Zweck dieser unsystematischen erweiterten Anwendung der lex Cornelia dürfte jedoch kaum die Verbesserung des Schutzes der Person oder des Hauses vor dem Betreten Dritter gewesen sein, als vielmehr allein das Bedürfnis, Fälle des versuchten Einbruchdiebstahls zu bestrafen, mithin das Eigentum des Hausbewohners zu schützen.92 Dies war im Rahmen des furtum, einem Privatdelikt, nicht möglich.93 Denn das furtum erfaßte nur vollendete Diebstähle. Zudem ermöglichte es die lex Cornelia, diese Fälle vor einem iudicium publicum abzuurteilen. Der Gedanke, sie unter die lex Cornelia zu fassen, war für die spätoder nachklassischen Juristen vielleicht auch deshalb naheliegend, weil allein das unbefugte Betreten des Hauses spätestens seit Ofilius als Personenmißachtung verstanden wurde und zur prätorischen Injurienklage berechtigte. Die Verbindung von ehrenrühriger Personenmißachtung und Diebstahlsvorsatz könnte ebenfalls als ein die öffentliche Sicherheit gefährdender Umstand empfunden worden sein. Für diese Fälle stand dann – zumindest assoziativ – kaum eine naheliegendere Regelung als die lex Cornelia de iniuriis zur Verfügung. Daß die römischen Juristen bei der Einordnung des Diebstahlsversuchs als iniuria eher assoziativ als dogmatischsystematisch vorgingen, könnte ebenfalls auf die nachklassische Periode hinweisen, in der auch das Niveau der Rechtsfindung allgemein hinter dem der klassischen Zeit zurückblieb.94

IV. Zusammenfassung Das klassische römische Strafrecht kannte den Tatbestand eines dem Hausfriedensbruch ähnlichen Delikts nicht.95 Heutige Rechtsgüter, wie der persönliche Lebens- und Geheimbereich oder das Hausrecht und die Privatsphäre, haben in der römischen Doktrin ebensowenig eine Rolle gespielt wie der mittelalterliche Hausfrieden. Die bewohnte Sphäre war nur vor Eindringlingen, die körperliche Gewalt anwendeten oder in dem Haus einen Diebstahl begehen wollten, geschützt. Seit Ofilius mußte man für das Eindringen in ein Haus gegen den Willen des Hausherrn auch ohne die Anwendung von Personengewalt privatrechtlich aus iniuria haften.96 Der Schutz des Hauses vor unbefugtem Betreten Dritter war im römischen Recht stets mit dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit bzw. der öffentlichen Sicherheit und sogar dem Eigentum gekoppelt. Die in den Regelungen über die Haussuchung zum Ausdruck kommenden Ansätze zur Ausbildung von Rechtsinstituten wie Hausfrieden oder Hausrecht haben auf die Bereiche des Deliktsrechts und des Strafrechts keinen Einfluß ausgeübt. Ähnlich: Armknecht, S. 50, FN 85; Rein, S. 310, 318; Mommsen, S. 793. Kaser, RömPR, § 51 I; Armknecht, a. a. O. 94 Vgl. nur Kaser, RömRG, S. 217 ff. 95 Weber, S. 90. 96 Zit. bei Paulus, Dig. 47, 10, 23: „Qui in domo alienam invito domino introiret, . . . actionem iniuriarum in eum competere. . .“. 92 93

4 Krumme

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2. Kapitel: Die Wohnung als Gegenstand geschichtlicher Rechtsinstitute

Die als Haus geschützten Räumlichkeiten wurden wesentlich durch das Kriterium des Bewohntseins bestimmt, wobei die römischen Juristen entweder über rein formelle Kriterien zur Bestimmung dessen, was dies Wohnen sei, nicht hinaus kamen oder den Begriff nur nebulös und keineswegs wirklich abstrakt bestimmen konnten. Insbesondere vom Blickwinkel des deutschen Strafrechts muß dabei beachtet werden, daß mangelnde dogmatisch-systematische Durchdringung des Problems des strafrechtlichen Wohnungsschutzes und schwammige Begriffsbildung ihre Ursache zum großen Teil auch im Fallrechtscharakter 97 des römischen Rechts hatten.

B. Germanische und mittelalterliche Rechte In der germanischen und in der (deutsch-) mittelalterlichen Rechtssprache taucht der Begriff „Wohnung“ nicht als Anknüpfungspunkt rechtlicher Regelungen auf. Hieraus den Schluß zu ziehen, die von Menschen bewohnte Sphäre sei in dieser Zeit rechtlich nicht geschützt worden, wäre allerdings voreilig. Die germanischen und mittelalterlichen Quellen sowie die in der rechtsgeschichtlichen Literatur vertretenen Auffassungen lassen vielmehr vermuten, daß der Ort, an dem das mittelalterliche Wohnen stattfand – also das „ganze Haus“ – durch die Rechtsidee des Hausfriedens umfassend gesichert wurde. Zunächst ist also zu überprüfen, ob der Hausfrieden eine Rechtsidee zum Schutz und zur Verteidigung der bewohnten Sphäre war und wenn ja, auf welche Weise dieser Schutz verwirklicht wurde.

I. Der Hausfrieden – Rechtsidee zum Schutz der bewohnten Sphäre? „Des haben sich dy borgere von erst voreynt, das ein ixlich borger sal haben frede in syneme husz“, bestimmen die Statuten von Nordhausen im 15. Jahrhundert.98 Die „Idee des Hausfriedens“ wird darin sogar zur „Grundlage der Bürgerfreiheit“99 („von erst voreynt“) erhoben, ohne dabei allerdings auf konkrete Rechtsfolgen seiner Verletzung einzugehen.100 Die Statuten von Nordhausen bezeugen die herausragende, eigenständige Bedeutung des Hausfriedens, die auch in der bildhaften Sprache einiger österreichischer Weistümer zum Ausdruck kommt. Danach soll jedes Haus unabhängig von seiner physischen Wehrhaftigkeit dem Hausfrieden unterstehen und sei es auch nur „von einem Zwirnfaden umfangen“.101 Vgl. hierzu Kaser, RömPR, § 2 II 1. I. § 1 der Statuten Nordhausen, zitiert bei Osenbrüggen, S. 5. 99 RWB-Kroeschell, Sp. 2023. 100 Osenbrüggen, S. 4 f. 101 Zitiert bei Osenbrüggen, S. 4. 97 98

B. Germanische und mittelalterliche Rechte

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Was verstand man unter „Hausfrieden“? Der in germanischen und mittelalterlichen Rechten zentrale Begriff des Friedens bezeichnete in erster Linie den Zustand eines (rechtlich) geordneten menschlichen Zusammenlebens.102 Er ist, jedenfalls soweit die germanische Frühzeit betroffen ist, weniger als rechtlicher, denn als kultischer Begriff zu verstehen. Denn durch ihn wurde auch der Status der Beziehungen der Menschen zu den Göttern beschrieben,103 die durch die „Missetat“ eines Mitglieds der Kult- und Rechtsgemeinschaft genauso verletzt wurden, wie die Ordnung innerhalb der dem Frieden unterliegenden menschlichen Gemeinschaft. In der Frühzeit verfiel der Missetäter daher unter Verlust seiner „Mannheiligkeit“ regelmäßig der Fehde bzw. der Rache des Verletzten oder seiner Sippe. Das Racherecht des Verletzten konnte nur unter bestimmten Umständen durch eine gerichtlich festgesetzte Bußleistung an den Verletzten oder seine Sippe zur Wiederherstellung der Sippenehre abgelöst werden.104 Aus dem Begriff des Hausfriedens läßt sich daher zunächst nur entnehmen, daß im Haus oder im Verhältnis der Außenstehenden zum Haus ein besonderer Rechtszustand herrschte. Dabei meint Haus einmal die Sache Haus im Sinne von Behausung des Wohnenden aber auch einen engen familiären Personenverband.105 Bei dem Hausfrieden handelt es sich also zumindest um eine rechtliche Ordnung, die, wie es in den Nordhäuser Statuten anklingt, nicht nur aufgrund ihrer engen örtlichen und personellen Begrenztheit gegenüber den übergeordneten oder gar allgemeinen Friedensordnungen des hohen und späten Mittelalters (Dorffriede, Stadtfriede, Gottesfriede, Landfriede) eine besondere Stellung einnimmt. Wer in den Genuß der durch Hausfrieden vermittelten Rechtssicherheit kam, wurde zudem auch gegenüber den Außenstehenden privilegiert. Der Hausfrieden wird daher häufig als (örtlicher) Sonderfrieden oder besonderer Friede bezeichnet.106 Präzise Aussagen über den Zusammenhang zwischen Wohnen und Hausfrieden lassen sich auf dieser Basis sicherlich noch nicht treffen. Nachfolgend sind daher die Entstehungsgründe des Hausfriedens zu beleuchten.

1. Überkommene Erklärungen zur Entstehung des Hausfriedens Die Entstehung des Hausfriedens im Sinne eines „örtlichen Sonderfriedens“ ist zumeist mit der Siedlungsweise der germanischen Stämme sowie mit religiösen Vorstellungen erklärt worden. Das Herdfeuer bildete den kultischen Mittelpunkt des Hauses, und die vier Pfähle, die seine Grenzen absteckten, erschienen als BeRWB-Kaufmann, Sp. 1275; Schmidt, § 3; Wilda, S. 225. Schmidt, § 3; zur „sakralen Aufassung“ vom Strafrecht vgl. auch v. Hippel Bd. 1, S. 43; ähnlich, aber noch von einem einer Rechtsordnung gleichzusetzenden, ursprünglichen Volksfrieden ausgehend Wilda, S. 224 ff. 104 v. Hippel, Bd. 1, S. 42; Schmidt, § 4; ähnlich Rüping, RN 16 f. 105 Bader, S. 217; Schmidt, § 3. 106 His I, S. 218; RWB-Kroeschell, Sp. 2022; a.A. Trabandt, S. 107 und S. 123. 102 103

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2. Kapitel: Die Wohnung als Gegenstand geschichtlicher Rechtsinstitute

zugspunkte göttlicher Schutzkraft.107 Die Germanen hätten ihre Häuser und Höfe nicht in geschlossenen Städten oder Dörfern errichtet, sondern einzeln, „weit zerstreut über Wald und Flur“, was schon Tacitus berichtet habe.108 Aus dem „Fürsichsein“ der vor Witterung und Feinden schützenden Wohnhäuser habe sich in Verbindung mit den religiösen Vorstellungen dann die Idee des Hausfriedens entwickelt, die zusätzlich durch das rauhe Klima, dem der Germane in seinem Lebensraum ausgesetzt war, begünstigt worden sei.109

2. Hausfrieden als „verdinglichter Familienfrieden“ mit kultischen Elementen Einer genaueren Untersuchung wurde die Entstehung des Hausfriedens durch Bader unterzogen. Nach seiner Auffassung konnten verbindliche Friedensordnungen in der (germanischen) Frühzeit nur in und aus engsten Verbänden mit familienund personenrechtlicher Bindung entstehen.110 Rechtlich abgesicherte Formen des Zusammenlebens hätten ursprünglich nur zwischen den Mitgliedern dieser Verbände, also im Bereich des Hauses im Sinne von Familie bestanden.111 Die innerhalb des Verbandes bestehende Ordnung, der Familienfrieden, sei zunächst auf die zum Haus gehörende Personenmehrheit oder -vielzahl gerichtet gewesen, was sich vor allem in dem innerhalb des Hauses (im Sinne von Familienverband) herrschenden Fehdeverbot niedergeschlagen habe. Nach außen hin sei das Haus dagegen als Fehdeverband in Erscheinung getreten.112 Der innerhalb der Gruppe bestehende Friede, der das einzelne Familienmitglied zugleich gegen Angriffe von außerhalb des Fehdeverbandes schützte, sei gedanklich dann auf den durch seine Begrenzungen ebenfalls Schutz gewährenden Wohnort der Familie übertragen worden und habe sich somit in dem Wohnhaus „verdinglicht“.113 Innerhalb des Hauses habe Friede geherrscht, weil er auch zwischen den Bewohnern herrschte. Der Hausfriede ginge danach ursprünglich also nicht von dem Haus als unbeweglicher Sache, sondern von den Personen aus, die als Familienverband in dem Haus wohnten.114 Allerdings treten auch nach Bader noch weitere, nicht „zweckrational“ erklärbare, sakrale und kultische Elemente hinzu, weshalb der Hausfrieden eben nicht nur „verdinglichter Familienfrieden“ sei.115 Dies werde an der besonderen Schutzwirkung deutlich, die dem Herd innerhalb des Hauses zugekommen sei. In die Idee 107 108 109 110 111 112 113 114 115

Osenbrüggen, S. 1 ff.; Armknecht, S. 39 f.; Bodendorf, S. 3. Tacitus, Germania, 16 (1). Osenbrüggen, S. 3. Bader, S. 217. Bader, S. 217; ähnlich Kramer, S. 17. Brunner, S. 30; Bader, S. 218 f. Bader, S. 219. Ähnlich: Osenbrüggen, S. 6 ff. Bader, S. 219 f.

B. Germanische und mittelalterliche Rechte

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des Hausfriedens sind danach also rational erklärbare und irrationale Vorstellungen gleichermaßen eingeflossen. Wesentlicher Entstehungsgrund des Hausfriedens ist nach dieser Erklärung die Übertragung der innerhalb einer Personengruppe bestehenden (Rechts-)Ordnung auf das Haus, den Wohnort dieser Personengruppe. Das Bewohnen des Hauses bildet danach das für die Entstehung des Hausfriedens notwendige Bindeglied zwischen personenbezogenen und sachbezogenen Elementen.116 Neben der überzeugenden – historische Gegebenheiten berücksichtigenden – Argumentation sprechen weitere Gesichtspunkte für die Stimmigkeit dieses Erklärungsansatzes. Er wird zum einen durch das bestätigt, was wir über die mittelalterliche Wirtschaftsweise wissen.117 Noch zur Zeit des frühen Mittelalters mußte das „ganze Haus“ als Selbstversorgungseinheit zum Zwecke der Versorgung kaum Außenkontakte pflegen und war zugleich auf einen funktionierenden, d.h. weitgehend konfliktfreien Produktionsablauf im Innern angewiesen. Dies könnte sich auf den engen Zusammenhalt der Familienverbände förderlich ausgewirkt und zugleich die Abgrenzung nach außen verstärkt haben. Für die Verwobenheit von personalen und dinglichen Elementen im Hausfrieden spricht auch, daß die Verletzung des Hausfriedens vielfach mit einer Verletzung der „Hausehre“ gleichbedeutend war.118 Die im Ausgangspunkt persönliche Ehre der Bewohner des Hauses, in der Regel also die Familienehre, erfährt so ebenfalls eine Verdinglichung in der Sache Haus, gleichwohl kann – vermittelt durch die Idee der Hausehre – schon im Hausfriedensbruch eine persönliche Ehrverletzung der Bewohner liegen. Vor diesem Hintergrund kann der Charakterisierung des Hausfriedens als örtlicher Sonderfrieden strenggenommen nur aus der Perspektive bereits existierender allgemeiner Friedensordnungen gefolgt werden. Solche Friedensordnungen existierten wohl schon zur Zeit der fränkischen Volksgesetze, spätestens aber seit dem Beginn der Gottes- und Landfriedensbewegungen im 11. Jahrhundert. Ab dann bringt die Bezeichnung „örtlicher Sonderfrieden“ in zutreffender Weise die Besonderheit des Hausfriedens gegenüber anderen Friedensordnungen zum Ausdruck und stellt klar, daß der Hausfrieden trotz seiner personellen Elemente örtlich an das Haus gebunden ist.

3. Hausfriede als besonders nachdrücklich geschützter allgemeiner Personenfriede Trabandt stellt dagegen die These auf, die Bezeichnung örtlicher Sonderfrieden sei nach Lage der germanischen und mittelalterlichen Quellen zur Charakterisierung des Hausfriedens vollkommen ungeeignet. Bei diesem handele es sich viel116 117 118

Ähnlich: Weber, S. 39 ff. Vgl. oben, 1. Kap. I. Osenbrüggen, S. 16 f., m.w.N.

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2. Kapitel: Die Wohnung als Gegenstand geschichtlicher Rechtsinstitute

mehr allein um den „während des Aufenthalts im Hause besonders nachdrücklich geschützten allgemeinen Frieden der Person“.119 Eine Übertragung dieses „Personenfriedens“ auf den Aufenthaltsort als solchen zieht Trabandt nicht in Betracht. Nach seiner Auffassung handelt es sich bei dem Hausfrieden entstehungsgeschichtlich nicht um eine Idee zum Schutze der bewohnten Sphäre als solcher, sondern – ähnlich wie im römischen Recht – um eine Idee zum Schutz von Personen. Diese Ansicht entwickelte Trabandt für die germanische Periode vor allem in Abgrenzung zu der Auffassung, der Hausfrieden sei ein eher sachenrechtliches Schutzinstitut, welches allein das Haus als unbewegliche Sache und nicht um des persönlichen Schutzes seiner Bewohner willen in Bezug nehme.120 Unklar bleibt, was mit dem allgemeinen Frieden der Person gemeint ist. Offenbar identifiziert Trabandt diesen mit der „Mannheiligkeit“, die im Haus „erhöht“ sei.121 Mannheiligkeit bezeichnet den Status der Beziehung des einzelnen Germanen zu jedem anderen einzelnen freien Germanen, nicht dagegen diejenige zu einem Volksganzen oder gar einem „Staat“.122 Deshalb durfte ursprünglich nur der in seiner Mannheiligkeit Verletzte persönlich oder durch seine Sippe vertreten gegen den Täter Rache üben, um die vor den Göttern gestörte Beziehung zu dem anderen wieder zu berichtigen. Ein vom Volksganzen berufenes Organ war hierfür nicht zuständig.123 Eine verbindliche Friedensordnung kann in der Frühzeit infolge mangelnder Staatlichkeit überdies nur für die engsten persönlichen Verbände (Familie, Sippe) erwartet werden.124 Ein allgemein verbindlicher Frieden der Person, im Sinne ihres rechtlichen Gesichertseins, was ja rechtlich nur aus einem Volksfrieden herrühren konnte, kommt also als Grundlage des „erhöhten Friedens der Person“ bzw. der „erhöhten Mannheiligkeit“ nicht in Betracht. Mit erhöhter Mannheiligkeit im Sinne Trabandts kann also nur gemeint sein, daß die von den Göttern überwachte Beziehung zwischen einem außerhalb des Hauses stehenden Germanen und einem sich im Haus befindlichen Bewohner zugunsten des Bewohners strengeren Beschränkungen unterworfen ist als die Beziehung zwischen zwei sich außerhalb des Hauses Aufhaltenden. Dieser Aussage kommt nur ein sehr geringer Erkenntniswert zu. Sie stellt zwar das personelle Element des Hausfriedens heraus, erschöpft sich aber ansonsten in einer Beschreibung seiner Wirkungsweise. Trabandt, S. 106. Diese Ansicht schreibt Trabandt Wilda und nahezu allen auf diesen folgenden Autoren zu, Trabandt, S. 99 ff.; zumindest ausdrücklich äußert Wilda dies bei der Behandlung des „Heimfriedens“ jedoch nicht, vgl. Wilda, S. 241 ff. 121 Trabandt, S. 106. 122 Schmidt, § 4; ähnlich auch Rüping, RN 16, der von der Teilhabe an einem natürlichen Frieden spricht; anders die überkommene Auffassung von Wilda, S. 224 ff., der die Friedensordnung auch eher mit einer staatlich gewährleisteten Rechtsordnung gleichsetzte, vgl. insbesondere S. 225. 123 Schmidt, § 4. 124 Schmidt, § 3; Bader, S. 216 und S. 218. 119 120

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Indem Trabandt allein den persönlichen Elementen Beachtung schenkt, übersieht er überdies die mittelalterliche Tendenz zur Verdinglichung von rein gedanklichen Konstrukten.125 Eine rationale Trennung von Person und Sache, die für das klassische römische Recht so selbstverständlich ist wie für heutige Denkformen, war im Rechtsdenken der Germanen und des Mittelalters weitestgehend unbekannt.126 Der Gedanke einer Materialisierung des Familienfriedens im Wohnhaus ist eben nicht gleichbedeutend mit dem eines „sachenrechtlich verknüpften Sonderschutzes“ der Sache Haus oder gar des Grundstücks, auf dem es sich befindet.127 Er veranschaulicht nur das spezifische Zusammenspiel von personalen und dinglichen Aspekten des Hausfriedens, von dem schon Osenbrüggen nie behauptete, daß er an sachenrechtliche Zuordnungen anknüpfe.128 Sieht man im Hausfrieden ausschließlich einen gesteigerten Personenfrieden, so kann man überdies nicht plausibel erklären, warum seine spezifischen Schutzwirkungen gerade auf den Bereich des Hauses beschränkt waren und nicht auch auf Personen ruhte, die sich in abgrenzbaren, mit dem Haus nicht in Zusammenhang stehenden Bereichen befanden, wie z.B. Gärten oder Feldern.129 Der tiefere Grund für die Privilegierung der sich im Haus aufhaltenden Personen bleibt hier daher im Dunkeln. Trabandt versucht sie zwar mit der besonderen Schutzbedürftigkeit des in seinem Hause unbewaffneten und somit hilflosen Menschen und dem „rechtspolitischen Zweck“130 des Zurückdrängens von Fehde und Rache zu erklären. Daß der Mensch im Haus zu jeder Zeit vor Angriffen Dritter durch Mauern und Türen faktisch eher geschützt war als außerhalb, wird durch das altenglische Sprichwort „my house is my castle“,131 welches in angepaßter Form auch in deutschen Quellen zu finden ist,132 belegt. Auch hierdurch wird jedoch eher die Wirkungsweise des Hausfriedensbruchs beschrieben als seine Entstehung. Die Unterstellung, bereits die Germanen hätten sich bei der Gestaltung ihrer Rechtsinstitute von rechtspolitischen Erwägungen leiten lassen, wird den irrationalen und von kultischen Vorstellungen, die das Rechtsdenken zur Zeit der Germanen und des frühen Mittelalters dominierten, nicht gerecht. Die vorgebrachte Kritik gilt sinngemäß, soweit Trabandt für das Mittelalter an seiner Konstruktion eines erhöhten, allgemeinen persönlichen Friedens festhält.133 Denn auch insoweit erklärt er nicht, worin ein solcher verankert sei. Als geschütz125 Vgl. Hübner, S. 10 f.; v. Gierke, S. 325 ff., 358 ff., zu Form- und Bestärkungsritualen von Schuldverträgen. 126 Bader, S. 219. 127 Dies verkennt Trabandt, S. 107. 128 Im Gegenteil legt auch Osenbrüggen besonderes Gewicht darauf, daß sich der Schutz des Hausfriedens immer auch auf die Bewohner des Hauses bezog, vgl. Osenbrüggen S. 6 ff. 129 Osenbrüggen, S. 13 f. 130 Trabandt, S. 108. 131 Vgl. Osenbrüggen, S. 3 f. 132 So im Stadtrecht von Ens, § 19: Volumus quoque ut unicuique civium domus sua sit pro munitione,. . . , Osenbrüggen, S. 4. 133 Trabandt, S. 113.

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2. Kapitel: Die Wohnung als Gegenstand geschichtlicher Rechtsinstitute

tes Rechtsgut mittelalterlicher Rechtsinstitute oder fränkischer Volksrechte die Privatsphäre anzusehen,134 wird den tatsächlichen historischen Gegebenheiten ebenfalls nicht gerecht. Es wurde bereits dargelegt, daß der Lebensbereich, den wir heute als Privatsphäre bezeichnen, zur Zeit des Mittelalters nicht existiert hat.135

4. Konsequenz: Das Wohnen als konstitutiver Bestandteil des Hausfriedens Nach der hier vertretenen Auffassung hängt die historische Entstehung wie auch das Vorhandensein des Hausfriedens im Einzelfall elementar vom Bewohntsein des Hauses durch den Familienverband ab.136 Nur in einem von ihm bewohnten Haus konnte sich der zwischen den Bewohnern bestehende Familienfrieden verdinglichen. Dem entspricht es, daß auch die Schutzwirkungen des Hausfriedens, die unten im einzelnen dargestellt werden sollen, diesen Bewohnern zugute kommen und in Bezug auf ein unbewohntes Haus nicht zur Anwendung kamen. Schon Osenbrüggen stellte fest, daß „der Hausfrieden auf dem bewohntem Hause“ ruht,137 was sich auch anhand einer Vielzahl von Quellen belegen läßt: So entfaltet der Hausfrieden nach schweizerischen Rechtsquellen seine Wirkungen nur unter dem rußenden Rafen, also in einem Haus, dessen verrußter Dachsparren sein Bewohntsein für jedermann deutlich erkennbar hervortreten ließ.138 Das Hamburger Stadtrecht von 1270 stellt zwar den Gastwirt und seine Familie als Bewohner des Hauses, welches auch dem Gastbetrieb dient, unter den Schutz des Hausfriedens. Es verweigerte ihnen diesen Schutz aber, wenn der Angriff eines Gastes sich nicht gegen die Gastwirtsfamilie, also die Bewohner des Hauses, sondern gegen andere Gäste richtete.139 Auch hier wird das Haus nicht als bloße Sache sondern immer als Behausung seiner Bewohner geschützt. Dementsprechend wurde der kostenlos Wohnende grundsätzlich ebenso geschützt wie der Mieter oder Eigentümer, der Hausherr als das Familienoberhaupt genauso wie seine Familie.140 Der Hausfrieden wirkte damit in der Tat primär zum Schutz und zur Verteidigung der bewohnten Sphäre. Er bezog sich seinem personalen Element entsprechend auf die Bewohner des Hauses, war aber durch den Gedanken der Verdinglichung und aufgrund kultischer Vorstellungen immer untrennbar mit der „Sache“ Haus verbunden und insofern auch auf dieses bezogen. Trabandt, S. 80, 111, 114. Vgl. oben, 1. Kap. I.; Weber, S. 73. 136 So auch Weber, S. 44 f. und 73. 137 Grimm, Weisthümer I, 16, § 61; Schauberg I, 1.11. 72. 77.179; Zug S. 9, sämtlich zitiert bei Osenbrüggen, S. 7. 138 Osenbrüggen, S. 7. 139 Hamburg 1270 XI, 1; zitiert bei Osenbrüggen, S. 8. 140 Osenbrüggen, S. 9 f.; und ihm folgend: Armknecht, S. 40 und 44; Bodendorf, S. 4. 134 135

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Folglich ist die Annahme, zur Entstehung des Hausfriedens sei ein Formalakt, wie die Verleihung einer besonderen Hausfriedensweihe, erforderlich gewesen, abzulehnen.141 Der Formalakt des „Friedewirkens“ durch den Richter verlieh der Übertragung eines Rechts an einem Grundstück eine gewisse Weihe. Diese Weihe bezog sich aber allein auf die Sache, bzw. das an ihr bestehende und zu übertragende Recht und sollte diese(s) vor Eingriffen Dritter schützen.142

II. Die rechtliche Ausgestaltung des Hausfriedensschutzes 1. Das Territorium des Hausfriedens Wie der durch den Hausfrieden geschützte, bewohnte Bereich räumlich begrenzt war, läßt sich aufgrund der unübersichtlichen Quellenlage kaum allgemeingültig festhalten. Zwar dürfte sich dieser Bereich in konsequenter Weiterführung der oben geäußerten Ansicht immer auf das Wohnhaus erstreckt haben.143 Ob jedoch auch noch der Hof oder gar der außerhalb des eigentlichen Hofbereichs liegende Garten vom Hausfrieden umfaßt war, läßt sich jeweils nur für Einzelfälle mit Quellen belegen.144 Bemühungen, den Begriff des Hauses selbst zu bestimmen, sind aus den Quellen nicht ersichtlich.

2. Wirkungsweisen des Hausfriedens zum Schutz der bewohnten Sphäre Die mittelalterlichen Rechtsbücher und Stadtrechte enthalten vielfältige Bestimmungen, die sich auf den Hausfrieden als übergeordneten Leitgedanken, die „Idee des Hausfriedens“,145 zurückführen lassen. Aber auch die germanisch-frühmittelalterlichen Volksrechte, insbesondere die der Frankenzeit, kennen schon Regelungen zum Schutze des Hausfriedens.146 Wegen der Fülle der mittelalterlichen Quellen, die bereits mehrfach akribisch aufgearbeitet worden sind,147 soll die Darstellung der Einzelinstitute, in denen sich die rechtlichen Wirkungsweisen des durch Osenbrüggen, S. 16; a.A. Wilda, S. 241. Osenbrüggen, S. 14 f. 143 Osenbrüggen, S. 10 ff.; wohl ohne die Bedeutung des Wohnens erkannt zu haben, Wilda, S. 243. 144 Osenbrüggen, S. 13 f.; Wilda, S. 244; a.A. Weber, S. 73: Der Hausfrieden habe sich stets auf die Wohnstätte und damit in räumlichem Zusammenhang stehendes, umfriedetes Terrain erstreckt. 145 Osenbrüggen, S. 4. 146 So z.B. die lex Salica (um 510 n. Chr.) und der pactus sowie die lex Alamannorum, zitiert bei Trabandt, S. 77 und 81. 147 Vor allem von Osenbrüggen, Trabandt und Weber. 141 142

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2. Kapitel: Die Wohnung als Gegenstand geschichtlicher Rechtsinstitute

den Hausfrieden vermittelten Schutzes von bewohnten Sphären zeigen, auf das jeweils Typische und überwiegend Vorhandene beschränkt werden.

a) Einzelne Straf- und Bußbestimmungen Die folgenden Institute belegten Verletzungen des Hausfriedens teils mit einer Buße und teils mit einer peinlichen, d.h. an Leib oder Leben gehenden Strafe. Während die Buße in der Tradition des Rachegedankens steht, beginnt mit dem peinlichen Strafrecht eine Art sozialer Rechtsgüterschutz in den Vordergrund zu treten.148 Auf dem Gedanken des Hausfriedens fußende Bußbestimmungen finden sich vielfach in den germanischen Volksrechten,149 während Regelungen des peinlichen Strafrechts vor allem in den Rechtsbüchern (unverbindliche private Rechtsaufzeichnugen) und Stadtrechten (verbindliche, autonom gesetzte Rechtsordnungen der freien mittelalterlichen Städte), sowie den Gottes- und Landfrieden vorkommen.150 aa) Heimsuche Nach der lex Baiwariorum, einem fränkischen Volksrecht, lag Heimsuche vor, wenn jemand mit einem bewaffneten Gefolge das bewohnte Haus eines anderen angriff.151 Heimsuche könnte also vor allem im Rahmen kriegerischer Fehdeauseinandersetzungen vorgekommen sein. Allerdings ergeben sich hier schon für die Frankenzeit erste Unsicherheiten. Aus dieser Zeit stammende Quellen verzichten bereits auf die Voraussetzung des gemeinschaftlichen Angriffs oder auf die Voraussetzung der Bewaffnung der Heimsucher.152 Andere Quellen aus dieser Zeit sprechen von Heimsuche nur, wenn im Zusammenhang mit dem Angriff auf das Haus andere Missetaten, wie die Tötung oder Verletzung von Bewohnern oder Dritten begangen wurden.153 Gleichwohl dürfte es sich bei der Heimsuche – und den ihr ähnlichen, in manchen Quellen aber anders bezeichneten Missetaten154 – durchweg um schwerste Formen von Hausfriedensverletzungen gehandelt haben.155 Denn Heimsuche lag meist nur bei gewaltsamem Eindringen in das Wohnhaus vor, welches zugleich einen Angriff gegen die Hausbewohner oder ihr Schmidt, §§ 7 und 41. Nämlich in der lex Salica und dem pactus Alamannorum, vgl. Trabandt, S. 77 und 81. 150 Vgl. Rüping, RN 57 ff. und RN 76; Schmidt, § 41. 151 Lex Bai IV 24. 152 So reicht beispielsweise nach den leges Henrici (80, 11) das Hineinschießen oder Hineinwerfen von Pfeilen oder Steinen durch einen einzelnen aus. 153 Jütland 30, 1 – 4; Lex sax 27; Gutalagh 12, 2. 154 Z.B. Bestialio, lex Salica LXX § 1 und Norchlot, lex Salica LXX § 3; ferner: Hausbruch und Hausgewalt, vgl. His II, S. 333. 155 Armknecht, S. 41; vgl. auch His II, S. 342 f. 148 149

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Eigentum156 darstellen mußte. Daß es sich bei der Heimsuche durchweg um schwerste Hausfriedensverletzungen gehandelt hat, läßt sich auch an der Schwere der Sanktionen ablesen, mit denen sie belegt wurde. Die Heimsuche und ähnlich schwere Verletzungen des Hausfriedens galten vermutlich schon in germanischer Frühzeit häufig als todeswürdig oder zumindest unsühnbar.157 D.h., der verletzte Hauswirt durfte den Heimsucher in Ausübung seines Racherechts töten. Die dem Kompositionensystem verhafteten Volksrechte legten dann dementsprechend für die Ablösung des Tötungsrechts in der Regel eine vergleichsweise hohe Bußzahlung fest.158 Im deutschen Mittelalter verlor die Heimsuche die Eigenschaft des „Bandendelikts“.159 Auch die Bewaffnung des oder der Täter war keine zwingende Voraussetzung mehr. Erforderlich war den meisten Quellen zufolge nur das „frevenliche“ oder „geverliche“ Eindringen in den vom Hausfrieden geschützten Bezirk eines anderen.160 „Frevenlich“ oder „geverlich“ handelte oft schon, wer nur in feindlicher Absicht das Haus betrat, wobei letzteres, was für die mittelalterliche Rechtsfindung symptomatisch war, allein aus den äußeren Umständen gefolgert wurde.161 So wurde z.B. dem nächtlichen Eindringling die erforderliche feindliche Absicht ohne weiteres unterstellt.162 Die Sanktionen, die der Heimsucher im Mittelalter zu fürchten hatte, waren sehr unterschiedlich. Es lassen sich in den Quellen Strafen wie das Enthaupten, die Verstümmelung (z.B. Blendung oder Handverlust), die Verbannung und häufig die Geldstrafe finden.163 Im Verhältnis zu den für andere Verletzungen des Hausfriedens angedrohten Strafen waren diese vergleichsweise streng. Hierdurch wird die Annahme, die Heimsuche sei eine besonders schwere, wenn nicht sogar die schwerste Form der Verletzung des Hausfriedens gewesen, nochmals bestätigt. Durch die Heimsuche wurde die bewohnte Sphäre des Hauses folglich selbständig vor Angriffen Dritter geschützt. Ihr Schutz war nicht an den Schutz der Person oder anderer Schutzgüter gebunden. Da der Schutz gleichwohl nur bewohnten Häusern zugute kam, handelte es sich bei der Heimsuche eindeutig um eine auf die Bewohner bezogene, eigenständige Regelung zum Schutze des Hausfriedens. Die durch das Wohnhaus rein tatsächlich gewährte Sicherheit wird auf diese Weise rechtlich verstärkt. Die Bewahrung dieser faktischen und rechtlichen Sicherheitszone ist von den übrigen schützenswerten Interessen, wie Leben, Leib, Eigentum, im Unterschied zum klassischen römischen Recht abgelöst und verselbständigt. His II, S. 336; Armknecht, S. 41 und 45. Vgl. His II, S. 341; Wilda, S. 956 f. 158 Vgl. Trabandt, S. 122. 159 Ausdrücklich sieht dies der friesische Brokmerbrief vor: „En mon mei tha husfere dua“, zit. bei His II, S. 334. 160 His II, S. 336; Wilda, S. 955 f. 161 Wilda, S. 955 f.; Schmidt, § 58 f.; Rüping, RN 83. 162 Österreichische Weistümer 2, 168, 174; 3, 60. 163 Vgl. His II, S. 341 ff. 156 157

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2. Kapitel: Die Wohnung als Gegenstand geschichtlicher Rechtsinstitute

bb) Sonstige strafwürdige Hausfriedensverletzungen Als Verletzung des Hausfriedens wird, was in vielen Quellen durch den engen Zusammenhang mit der Heimsuche bezeugt wird,164 oftmals auch das „Ausheischen“ verstanden. Ausheischen ist die an den Hausherren gerichtete Aufforderung, das Haus zu verlassen und sich zum Kampf zu stellen.165 Dies geschah durch Tätlichkeiten, wie das Schlagen an die Tür, das Bewerfen des Hauses oder das Aufstoßen der Türen und Fenster. Nach anderen Quellen reichte das Herausfordern durch Worte aus.166 Vereinzelt wurde das Ausheischen sogar als eine besondere Form der Heimsuche verstanden und auch ebenso bestraft.167 Dies könnte auf den Versuch hindeuten, das Unrecht einer im Versuchsstadium stecken gebliebenen Heimsuche strafrechtlich zu erfassen. Zum Teil sah man in dem Ausheischen eher eine Ehrverletzung, denn eine Störung des Hausfriedens.168 So zahlten – nach einem österreichischen Weisthum – Frauen, die einen Mann ausheischten, das Doppelte der für einen Mann fälligen Brüche. Dies wird damit erklärt, daß es für einen Mann offenbar besonders ehrenrührig war, von einer Frau herausgefordert zu werden.169 Hieran könnte sich auch der enge Zusammenhang zwischen dem Hausfrieden und der persönlichen Ehre zeigen, der in dem oben erläuterten Begriff der Hausehre gipfelte. Das Beispiel des Ausheischens belegt, daß sich der durch den Hausfrieden gewährte Schutz der bewohnten Sphäre offenbar nicht nur auf die Verteidigung eines Sicherheit garantierenden Territoriums gegen Eindringlinge erstreckte. Geschützt wurde das bewohnte Haus auch vor Handlungen, die diese Sicherheit nur potentiell gefährden und unmittelbar nur die psychische Ruhe der Hausbewohner beeinträchtigen konnten. In manchen österreichischen Weistümern wird auch das Horchen an fremden Türen und Fenstern mit Strafe bedroht. Obwohl vergleichbare Ausforschungshandlungen heute größtenteils in den §§ 201 ff. StGB unter Strafe gestellt werden, die sich nach der Überschrift des 15. Abschnitts des StGB überwiegend gegen den persönlichen Lebens- und Geheimbereich richten sollen, ist fraglich, ob es sich beim mittelalterlichen Horchen wirklich um die „Vorläufer des modernen Indiskretionsschutzes“ handelt.170 Intimität und Privatsphäre wurden als schützenswerte Güter frühestens im 18., weitgehend erst im 19. Jahrhundert überhaupt erkannt.171 Plausibler ist es daher, das Lauschen an einem fremden Haus als Manifestation einer Vor allem in süddeutschen und thüringischen Quellen, vgl. His II, S. 344. His II, S. 343 f. 166 Vgl. His II, S. 344 f. 167 Zwickauer Rechtsbuch (14. Jh.) 2, 27, 1; Nürnberger Polizeiordnung S. 38; beide zitiert bei His II, S. 344. 168 Eembrugge (1363), § 6; Rechtsbuch des Niederstifts Utrecht 3, 159; beide zitiert bei His II, S. 344. 169 His II, S. 346. 170 Armknecht, S. 47; a.A. Weber, S. 73. 171 Vgl. oben, 1. Kap. I. 3. 164 165

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verbrecherischen Absicht zu begreifen, die auf eine sich anschließende Heimsuche oder einen (Einbruchs-)Diebstahl gerichtet war.172 Das Horchen wurde also offenbar zum Schutze des Eigentums und der bewohnten Sphäre (des Hausfriedens) unter Strafe gestellt.173 Der Schutz des Hausfriedens ist durch das Delikt des Horchens also sehr weit in die „Vorbereitungsphase“ der eigentlichen Hausfriedensverletzung ausgedehnt worden. Ähnliches galt für das Auflauern. Denn auch wer sich hinter einer Hauswand verbarg, wurde bestraft, weil man dahinter die Absicht vermutete, den das Haus Verlassenden überfallen zu wollen. Der Zusammenhang zum eigentlichen Schutz der bewohnten Sphäre durch den Hausfrieden ist hier kaum noch vorhanden. Zudem wirkte sich die Verletzung des Hausfriedens in Verbindung mit anderen Missetaten, wie z.B. Totschlag, Körperverletzung oder Diebstahl schon zur Zeit der Volksrechte häufig als Erschwerungsgrund aus.174 Dies ist ein weiterer, eindeutiger Hinweis darauf, daß der Hausfrieden das Wohnhaus zu einer besonderen, rechtlich gewährleisteten Sicherheitssphäre macht. Dagegen finden sich in germanischen und mittelalterlichen Rechtsaufzeichnungen kaum Quellen, mit deren Hilfe sich belegen ließe, daß auch das Betreten des Wohnhauses gegen den Willen des Hausherrn ohne die Anwendung von Gewalt oder ohne daß die frevenliche Absicht des Eindringlings in irgendeiner Weise offen zutage getreten wäre, unter Strafe gestellt oder mit einer Buße belegt worden ist. Man orientierte sich zur Beantwortung der Frage, wann eine ahndungswürdige Verletzung des Hausfriedens vorlag, offenbar nur am äußerlich sichtbaren Verhalten des Täters. Von diesem wurde auf seine (feindlichen) Absichten geschlossen. Die Dispositionsbefugnis des Hausbewohners darüber, wer sein Haus betreten darf, die nach heute h.M. mit dem Tatbestand des Hausfriedensbruchs in § 123 Abs. 1 StGB vorwiegend geschützt wird,175 war als Anknüpfungspunkt für den Schutz bewohnter Sphären zumindest noch nicht in den Vordergrund getreten. Dies dürfte seine Gründe zum einen darin haben, daß Fälle, in denen es nicht zum Einsatz von Gewalt (bei dem sich die frevenliche Absicht ja deutlich zeigte) zumindest gegen Sachen kam, nur sehr selten aufgetreten sein werden. Zum anderen war die mittelalterliche „Rechtslehre“ offenbar noch nicht soweit fortgeschritten, daß sie den wirklichen inneren Willen einer Person (hier zudem den des Opfers) als strafbarkeitsbegründenden Faktor berücksichtigen konnte.176

Vgl. His II, S. 347 f. Freilich ist damit noch nicht gezeigt, daß durch den Hausfriedensschutz auf diese Weise nicht auch ein gewisser Geheimnisschutz bewirkt wurde, vgl. unten III. 174 So wurde nach dem Recht der westfriesischen Insel Terschelling eine Tötung im Hause zwingend als Mord behandelt, His I, S. 220. 175 Vgl. nur Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 1 und unten, 7. Kap. B. III. 2. 176 Schmidt, § 58 f.; Rüping, RN 83. 172 173

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b) Das mittelalterliche Hausrecht: Selbsthilferecht zur Verteidigung des Hausfriedens Die besondere Nachdrücklichkeit, mit der der Hausfrieden das Wohnhaus zu einer rechtlich herausgehobenen Sicherheitssphäre für ihre Bewohner machte, zeigt sich auch in der in vielen Quellen auftauchenden Privilegierung des Hausherrn bei der Verteidigung seines Hauses gegen den Hausfriedensbrecher, insbesondere den Heimsucher. Illustrativ ist eine Glosse zum Sachsenspiegel, die sie mit folgender Begründung zuläßt: „denn wer seine vier pfele beschützet, der tut als wohl eine notwehr daran, als ob er seinen Leib rettete.“177 Teilweise werden dem Angegriffenen Verteidigungsbefugnisse eingeräumt, die so weitreichend sind, daß deren Ausübung die Grenzen des Notwehrrechts nach heutigem und auch damaligem Verständnis sprengt. So wird selbst in solchen Quellen, die ein allgemeines Notwehrrecht nicht kennen, die Tötung des Hausfriedensbrechers für straflos erklärt. Das im Hausfrieden wurzelnde Recht, sein Haus gegen jeglichen Angreifer auch außerhalb des nach heutigem Verständnis Erforderlichen und Gebotenen mit allen Mitteln verteidigen zu dürfen, unterscheidet sich damit wesentlich von der mittelalterlichen Notwehr178. Das „Hausrecht“ muß daher als ein selbständiges Selbsthilferecht zur Verteidigung des Hausfriedens verstanden werden.179 Mit dem Rechtsgut des heutigen Hausfriedensbruchstatbestandes ist das mittelalterliche Hausrecht somit keinesfalls identisch. In ihm lebte vermutlich der alte Gedanke des Racherechts fort. Denn vereinzelt rechtfertigte das Hausrecht sogar die Tötung einer der Obrigkeit dienenden Amtsperson, die ihre Befugnisse überschritt.180 Hieran zeigt sich, daß das Wohnhaus durch den mittelalterlichen Hausfrieden nicht nur eine passive Sicherheitssphäre generierte, sondern, daß der Hausfrieden dem einzelnen sogar außergewöhnliche Befugnisse zur aktiven Verteidigung verlieh und insofern freiheitserweiternde Wirkung hatte.

c) Asylrecht und Schutz vor Haussuchungen Schon die germanisch-fränkischen Volksrechte kannten das Haus als Freistätte, welche zumindest seinen Bewohner vor Rache- und Fehdehandlungen Dritter schützte181. Innerhalb des Hauses durfte die Rache nicht rechtmäßig vollzogen werden. Das aus dem Hausfrieden abgeleitete Asylrecht wirkte in der Frühzeit mit177 Osenbrüggen, S. 17; mit den „vier Pfählen“ wird unter Verwendung eines kultischen Gedankens der Bezirk des dem Hausfrieden unterliegenden Hauses bezeichnet, vgl. Osenbrüggen, S. 11. 178 Vgl. His I, S. 204 ff.; v. Hippel, Bd. 1, S. 147: Regelmäßig war ein Angriff auf Leib und Leben erforderlich, oft auch, daß der Bedrohte nicht ausweichen konnte. 179 Osenbrüggen, S. 22; ähnlich: v. Hippel, S. 147. 180 Grimm, Weisthümer I, 425, zitiert bei Osenbrüggen, S. 22. 181 Schmidt, § 55; RWB-Kroeschell, Sp. 2023.

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hin vorwiegend als Schranke gegen private Gewalt, Rache und Fehde.182 Innerhalb des Hauses, in dem sich der Familienfrieden verdinglicht hatte, war Fehde genauso undenkbar wie unter den einzelnen Familienmitgliedern selbst. In manchen mittelalterlichen Stadtrechten wurde in Fortsetzung dieses Gedankens und in „Überspannung“183 der Idee des Hausfriedens das Haus auch als gegenüber der obrigkeitlichen Gewalt wirkende Freistätte anerkannt.184 Allerdings wurde in diesen Fällen meist die Unwirksamkeit des Freistättenschutzes gegenüber dem richterlichen Urteil anerkannt.185 Eine ähnliche Entwicklung kann bei der Haussuchung beobachtet werden. Durch diese wurde der Hausfrieden ebenfalls verletzt. Schon in germanischer Zeit war sie daher häufig nur zulässig, wenn einer der Hausbewohner des Diebstahls offensichtlich verdächtig war.186 Der Bestohlene durfte das Haus in diesen Fällen nach dem gestohlenen Gut, bei dem es sich zumeist um Vieh gehandelt haben wird, durchsuchen. Da die Haussuchung lange Zeit nur im Zusammenhang mit dem Diebstahl behandelt wurde, wird sie nahezu ausschließlich der Verfolgung von abhandengekommenen beweglichen Sachen gedient haben.187 Als sich seit dem hohen Mittelalter vor allem in den Städten eine obrigkeitliche Gewalt zu etablieren begann, wurden die Befugnisse der zur Durchführung von Haussuchungen berufenen Gerichtspersonen zum Schutze des Hausfriedens durch bestimmte Verfahrensregelungen eingeschränkt.188 So war z.B. die Einholung der Erlaubnis des städtischen Rates erforderlich oder dem Hausherrn mußte eine Bedenkzeit zugestanden werden, ob er den bei ihm untergeschlüpften Missetäter ausliefern oder zur Flucht verhelfen wollte.189 Der Hausfrieden verlieh zumindest in manchen Rechten dem Hausherrn manchmal sogar gegenüber der Obrigkeit bestimmte Rechte zur Verteidigung des von ihm bewohnten Hauses. Damit tritt uns das Haus bereits im Mittelalter zumindest nicht nur als Sicherheitsterritorium im Verhältnis zu anderen Menschen, sondern auch als zumindest partiell vor dem Zugriff obrigkeitlicher Gewalt geschützte Freiheitssphäre vor Augen. Arrestfreiheit und Verfestung190 scheinen dagegen eher strafprozessuale Privilegien der „haushäbigen“ Stadtbevölkerung gewesen zu sein. Sie sind allenfalls mittelbar auf den Hausfrieden zurückzuführen. Osenbrüggen, S. 24; v. Hippel, Bd. 1, S. 141 f. Schmidt, § 55. 184 Holzminden (1245): „unusqisque profugus habebit pacem in domo, nisi iusto iudicio extractus.“ 185 Holzminden (1245); Orlamünde (14. Jh.); Osenbrüggen, S. 24. 186 RWB-Holzhauer, Sp. 2041 f. 187 RWB-Holzhauer, Sp. 2041 f. 188 RWB-Holzhauer, Sp. 2044 f. 189 Osenbrüggen, S. 29. 190 Diese werden von Osenbrüggen (S. 25 ff.) auch zu den rechtlichen Wirkungen des Hausfriedens gerechnet. Arrestfreiheit bedeutet: Wer ein Haus besitzt, darf wegen einer 182 183

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III. Zusammenfassung Schon in der germanischen Frühzeit stellt der Hausfrieden eine Rechtsidee zum Schutz und zur Verteidigung der bewohnten Sphäre dar. Vor allem die Quellen des Mittelalters belegen den umfassenden Einfluß der „Idee des Hausfriedens“ auf das Rechtsdenken. Nahezu alle Regelungen, die auf die bewohnte Sphäre bezogen sind, orientieren sich an ihren Vorgaben. Es dürfte daher kaum übertrieben sein, den Hausfrieden als universal wirkende Rechtsidee zum Schutz bewohnter Sphären zu bezeichnen. Die Ursache für die herausgehobene, umfassende Wirkungsweise dieses Schutzes der bewohnten Sphäre dürfte vor allem auch in der sakral-emotionalen Bedeutung des Hauses liegen, die angesichts ihrer Wurzeln (Fehdeverbot und bedingungsloser Zusammenhalt im familiären Kleinverband) einem Tabu nicht unähnlich ist. Der Feststellung, daß die Fokussierung des Hausfriedens auf den Bereich des Strafrechts eine Folge der neueren Rechtsentwicklung ist,191 kann daher durchaus beigetreten werden. Hierfür spricht im übrigen schon, daß das Strafrecht als selbständiges Rechtsgebiet überhaupt erst seit der Landfriedensbewegung in Erscheinung zu treten begann.192 Der Begriff des Hausfriedens wird heute nur noch in den Überschriften zu §§ 123 und 124 StGB verwendet. Der Schutz der bewohnten Sphäre läßt sich heute nicht mehr auf die Rechtsidee des Hausfriedens zurückführen.193 Betrachtet man die Wirkungsweise des Hausfriedens, so lassen sich nach der vorangegangenen Untersuchung im wesentlichen fünf verschiedene Schutzwirkungsrichtungen unterscheiden. Vor allem die Straf- bzw. Bußbestimmung der Heimsuche verstärkte den physischen Schutz des Wohnhauses für die Bewohner in rechtlicher Hinsicht, wodurch dieses zu einer aus eigenem Recht bewahrten Zone gesteigerter Sicherheit wird. Diese war unter den sozialen Rahmenbedingungen von Fehde, Rache und einer erst entstehenden Staatsmacht, die den Bürgern Sicherheit gewährleisten kann, sicherlich die wichtigste Schutzfunktion.194 Durch die rechtliche Gewährleistung von Schutz und Sicherheit innerhalb der bewohnten Sphäre wurde für die Bewohner ein Raum geschaffen, in dem sie sich frei von äußeren Gefahren bewegen und weitgehend autonom agieren können. Allein hierdurch wirkt der Hausfrieden also auch freiheitsfördernd; die Sicherheitssphäre war somit faktisch, nicht intentional gleichzeitig Ort gesteigerter Handlungsfreiheit. Die Institute des Ausheischens und der Hausehre bewirkten unter Bezugnahme auf Missetat vor der Verurteilung nicht verhaftet werden; Verfestung bedeutete, daß der Geächtete in seinem Haus vor Verfolgung sicher war. 191 RWB-Kroeschell, Sp. 2024. 192 Schmidt, §§ 41 ff.; noch zurückhaltender: v. Hippel, Bd. 1, S. 128. 193 Dies gilt beispielsweise für das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs in § 123, siehe C. III. 2. und 7. Kap. B. III. 194 Insoweit ähnlich: Amelung, Grundrechtstheoretische Aspekte, S. 299 und Weber, S. 44 und 61.

C. Rezeption und Partikulargesetzgebung der späten Neuzeit

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die persönliche Ehre einen durch die bewohnte Sphäre vermittelten Schutz der in ihr herrschenden Ungestörtheit und psychischen Ruhe. Ferner wurde aus dem Hausfrieden ein die Grenzen der Notwehr übersteigendes Selbsthilferecht (= Hausrecht) abgeleitet. Dem Hausbewohner kamen zur Verteidigung des Hausfriedens Befugnisse zu, die im Vergleich zu denjenigen, die ihm zur Verteidigung von nicht gegen das Haus gerichteten Angriffen zustanden, erheblich erweitert waren. Sie privilegierten gegenüber Außenstehenden. Schließlich entzieht der Hausfrieden das bewohnte Haus in manchen Fällen sogar dem Zugriff obrigkeitlicher Gewalt. Damit gewährleistet er die Anerkennung der in der bewohnten Sphäre verwirklichten Freiheit auch gegenüber der Obrigkeit. Durch die rechtliche Umsetzung der Idee des Hausfriedens erscheint uns spätestens das mittelalterliche Haus als eine Sphäre individueller Freiheit. Schon hier finden sich Ansätze dazu, das Haus als Eigensphäre und für die Persönlichkeitsbildung bedeutenden Rückzugsraum des Menschen anzuerkennen. Dies war in einer Zeit, als Intimität und Privatsphäre sowie hierauf bezogene Geheimnisschutzinteressen praktisch nicht existierten, eher Produkt als Intention des Hausfriedens. Insoweit von einem „persönlichen Anspruch auf Ungestörtheit“ zu sprechen, der sich aus den anfänglich allein gegen das Fehdewesen gerichteten, mittelalterlichen Regelungen zum Schutze des Hausfriedens ergäbe, ist daher wohl übertrieben. Er impliziert zudem eine absichtsvolle Schaffung dieses Anspruchs durch mittelalterliche Rechtssetzer.195 Dies ist anhand der Quellen jedoch nicht belegbar.196

C. Rezeption und Partikulargesetzgebung der späten Neuzeit I. Einführung Am Ausgang des Mittelalters war das Rechtsleben im Römischen Reich deutscher Nation durch Rechtszersplitterung erheblichen Ausmaßes und eine entsprechende Rechtsunsicherheit geprägt.197 Dies wurde unter dem zunehmenden Ein195 So aber Trabandt, S. 125 und weniger deutlich von Individualrechtsschutz sprechend auf S. 131. 196 Trabandt, S. 125, folgert dies „subjektive Recht auf Ungestörtheit“ aus einer Strafbestimmung des Ofener Stadtrechts von 1244. Dort wird dem Heimsucher dann eine höhere Strafe angedroht, wenn er jemanden im eigenen Haus verletzt oder beleidigt, als wenn er ihn in das Haus eines Dritten verfolgt. Plausibler als mit der Annahme eines Anspruchs auf Ungestörtheit kann die Strafschärfung wohl damit begründet werden, daß der Heimsucher im zweiten Fall neben dem Hausfrieden auch noch andere schützenswerte Interessen des Hausinhabers verletzt. 197 Vgl. Lehmann, § 2 I 1; Schmidt, § 91 bezeichnet diesen Zustand als Rechtszerrissenheit.

5 Krumme

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2. Kapitel: Die Wohnung als Gegenstand geschichtlicher Rechtsinstitute

fluß der Methoden und Inhalte der italienischen Rechtswissenschaft mehr und mehr als unhaltbarer Zustand und insbesondere im Bereich des peinlichen Rechts als Mangel an Gerechtigkeit empfunden.198 Durch Übernahme des römischen Rechts in der von den Glossatoren und Kommentatoren bearbeiteten Form – verbunden mit der teilweisen Adaption deutschrechtlicher Vorstellungen – sollte deshalb 1532 mit der Constitutio Criminalis Carolina (CCC) ein im gesamten Reich gültiges, materielles Strafsystem geschaffen werden, welches die Voraussetzungen peinlich zu bestrafender Taten einheitlich und klar gestalten sollte.199 Dieses anspruchsvolle Ziel wurde jedoch aufgrund des Erstarkens der politischen Macht der Territorialstaaten nur zum Teil erreicht.200 Gleichwohl prägte die CCC die Strafrechtspflege bis in das 18. und 19. Jahrhundert hinein. Die Errungenschaften der Rezeption wurden seit dem 17. Jahrhundert durch die Gedanken und Methoden der Naturrechtslehre und der Aufklärung weiterentwickelt.201 Seit dem 19. Jahrhundert und zur Zeit des Konstitutionalismus kam den strafrechtlichen Partikulargesetzen dann endgültig entscheidende Bedeutung zu. Die für diese Zeitabschnitte vorhandenen Rechtsquellen sind folglich äußerst zahlreich. Eine alle Bereiche der Rechtsordnung umfassende Untersuchung des Schutzes bewohnter Sphären und des Wohnungsbegriffs würde den Rahmen der Arbeit sprengen. Sie soll sich im Hinblick auf die strafrechtliche Zielsetzung auf die in diesen Epochen bedeutsamen Institute des Einbruchsdiebstahls und des Hausfriedensbruchs konzentrieren. Um allerdings auch für diesen Zeitabschnitt annähernd ein Bild von der Gesamtbedeutung des Wohnungsschutzes zeichnen zu können, wird auf eine Darstellung der sich entwickelnden verfassungsrechtlichen Dimension nicht verzichtet. Als Leitfäden der Untersuchung dienen nach wie vor die Fragen nach den sozialen Gründen, die zum Schutz der bewohnten Sphäre in den jeweiligen Rechtsinstituten geführt haben, und die Frage nach der begrifflichen Bestimmung der bewohnten Sphäre.

II. Einbruchsdiebstahl und Hausfriedensbruch zur Zeit der Rezeption und des frühen gemeinen Rechts Zunächst ist auf den wichtigsten Teil der Rezeptionsgesetzgebung, die CCC und auf die daran anknüpfende, vom Erstarken der territorialstaatlichen Macht geprägte Lehre des gemeinen Rechts einzugehen.

Schmidt, § 90 f. Schmidt, § 93 f.; Schwarzenberg verfolgte hierbei vor allem das Ziel eines gerechteren und dadurch der Obrigkeit nützlicheren peinlichen Rechts. Als Mittel hierzu diente dann die CCC, vgl. Schmidt, § 91. 200 Schmidt, § 115. 201 Rüping, RN 192 ff. 198 199

C. Rezeption und Partikulargesetzgebung der späten Neuzeit

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1. Einbruchsdiebstahl gem. Art. 159 CCC Die CCC war das bedeutendste Strafgesetz der frühen Rezeptionszeit. Sie basierte auf der im wesentlichen von Schwarzenberg (1465 – 1528) erarbeiteten Bambergischen Halsgerichtsordnung (CCB). Sie enthält nur eine Vorschrift, aus deren Wortlaut sich schließen ließe, sie hätte auch dem Schutz bewohnter Sphären gedient. So bestimmt Art. 159 CCC, daß derjenige mit dem Tode zu bestrafen ist, der zur Begehung des Diebstahls „. . . , in [jemandts] behausung oder behaltung bricht oder steigt, oder [ihn] mit Waffen, damit er jemandt der jm widerstand thun wolt, verletzten möcht, . . .“. Die besonders harte Strafe für den Fall des bewaffneten Diebstahls begründet Art. 159 CCC selbst mit der hierbei zu besorgenden Gefahr einer Vergewaltigung oder Verletzung.202 Diese Begründung legt nahe, daß auch der mit dem bewaffneten Diebstahl systematisch zusammenhängende Einbruchs- und der Einsteigediebstahl vor allem wegen der damit verbundenen besonderen Gefahr für Leib und Leben des Bestohlenen oder anderer sich in der Behausung oder Behaltung aufhaltender Personen mit der Todesstrafe belegt worden ist. Einfache Diebstähle wurden dagegen mit Geldbußen oder zumeist einfachen Leibesstrafen bedacht.203 Dies deutet darauf hin, daß mit dem Tatbestand des Einbruchsdiebstahls neben der körperlichen Unversehrtheit auch das Interesse an der durch die bewohnte Sphäre vermittelten physischen Sicherheit und damit die Behausung als besondere physische Sicherheit gewährende Sphäre selbst vor der spezifischen Angriffsform des Einbruchs zum Zwecke der Wegnahme geschützt werden sollte. Auf den Schutz dieses Interesses hatten auch die Regelungen zum Schutze des mittelalterlichen Hausfriedens abgezielt. So wurde Schwarzenberg vereinzelt auch unterstellt, er habe sich bei der Qualifizierung des Einbruchsdiebstahls in Art. 159 CCC bzw. Art 185 CCB ausschließlich an alten „im Volk lebenden, deutschrechtlichen Ansichten“ orientiert, nach denen die Verletzung des heiligen Hausfriedens die schärfste Bestrafung nach sich ziehen müsse.204 Dagegen spricht jedoch, daß weder die CCB noch die CCC Regelungen zum Schutz des Hausfriedens kannten.205 Wenn die Schöpfer der CCC dem Schutz des „heiligen“ Hausfriedens allein mittelalterlich-deutschrechtlichen Vorstellungen hätten Rechnung tragen wollen, wäre es zu erwarten gewesen, daß zumindest das nach vielen mittelalterlichen Rechten ebenfalls an Leib und Leben zu strafende Verbrechen der Heimsuche in den materiellen Teil der Carolina aufgenommen worden wäre. Desweiteren werden der Einbruchs- und Einsteigediebstahl wie auch der Diebstahl mit Waffen in Art. 159 CCC ohne Unterscheidung als gefährlicher

202 „So ist inn dem diebstall, der mit waffen geschicht, eyner vergewaltigung und verletzung zu besorgen.“, Art. 159 Satz 2 CCC. 203 Vgl. Artt. 157, 158 und 160 ff. CCC. 204 Mittermaier, Anm. 2 zu Feuerbach, § 334. 205 Weber, S. 99.

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2. Kapitel: Die Wohnung als Gegenstand geschichtlicher Rechtsinstitute

Diebstahl bezeichnet.206 Auch dies ist ein Indiz dafür, daß die qualifizierte Bestrafung allein im Interesse der unmittelbar durch den Einbruch gefährdeten körperlichen Unversehrtheit einer tatnahen Person lag. Deswegen und wegen der durch die Art der Diebstahlsbegehung dokumentierten besonders hohen kriminellen Energie des Täters wurde die vergleichsweise hohe Strafe angeordnet. Es ist zwar nicht völlig auszuschließen, daß Schwarzenberg zur Qualifizierung des Einbruchsdiebstahls ursprünglich auch durch die Idee des Hausfriedens motiviert worden war. Das römisch-rechtliche Dekretariat dürfte insoweit jedoch den wesentlichen Einfluß ausgeübt haben, da der Einbruchsdiebstahl im mittelalterlichen Recht neben der Heimsuche oder dem Hausfriedensbruchs kaum eigenständige Bedeutung hatte. Die Verteidigung der bewohnten Sphäre als individueller Sicherheitszone gegen das unbefugte Eindringen des Diebes dürfte mithin keinesfalls der tragende Grund für die in Art. 159 CCC vorgesehene, harte Bestrafung gewesen sein.

2. Einbruchsdiebstahl in der Doktrin des gemeinen Rechts Schon in der frühen Rechtslehre des gemeinen Strafrechts spielte die Verletzung der bewohnten Sphäre als Zone besonderer physischer Sicherheit auch als eventuelles „Beimotiv“ für die Qualifikation des Einbruchsdiebstahls keine tragende Rolle mehr. Bereits Carpzov (1595 – 1666) war der Ansicht, die durch den Einbruch oder das Einsteigen wie auch das Mitführen von Waffen verursachte Gefahr für Leib und Leben des Bewohners, des Bestohlenen oder eines Dritten sei der entscheidende Grund für die Bestrafung des Einbruchsdiebstahls.207 Daß der Schutz der bewohnten Sphäre als solcher nicht im Interesse des Einbruchsdiebstahls lag, zeigt sich daran, daß nach Carpzov zumindest beim Ersttäter der Einbruch in die Behausung allein zur Verwirkung der Todesstrafe nicht ausreichte. Er verlangte, daß noch andere Umstände, wie z.B. das Mitführen von Waffen hinzutreten müßten. Nur dann sei der Diebstahl wirklich so gefährlich bzw. die böse Absicht des Diebs (kriminelle Energie) so stark, daß die Verhängung der Todesstrafe gerechtfertigt sei.208 Die Bestimmungen des Einbruchs- bzw. Einstiegsdiebstahls konnten sich folglich lediglich faktisch zum Schutze der bewohnten Sphären auswirken. Die CCC bot nur einen partiellen, gegen die Angriffsform des Einbruchsdiebstahls gerichteten Schutz der an die bewohnte Sphäre geknüpften Interessen (Sicherheit und Geheimhaltung). Der mittelalterliche Hausfrieden hatte unter dem erheblichen Einfluß römischen Rechtsdenkens seinen Einfluß verloren und war zumindest für den Einbruchsdiebstahl als sinnstiftende Idee in Vergessenheit geraten. Der Begriff der Wohnung wurde zu dieser Zeit noch nicht verwendet. Wie die CCC bezeichnete auch die Rechtslehre die Objekte des Einbruchs bzw. des Ein206 „. . . , so ist doch der diebstall darzu, als obsteht, gebrochen oder gestiegen wirdt, eyn geflißner geu(v)erlicher diebstall.“, Art. 159 Satz 1 CCC a. E. 207 Carpzov, Pr. Rer. Crim., zit. bei Quistorp, § 352. 208 Carpzov, Pr. Rer. Crim., zit. bei Quistorp, § 352.

C. Rezeption und Partikulargesetzgebung der späten Neuzeit

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steigens als Behausung und Behaltung. Wie sich diese Begriffe voneinander abgrenzten, bleibt unklar. Unter Behausung verstand man wohl ein Gebäude, das einem Menschen Schutz oder Obdach bietet, also das bewohnte Haus oder eine auch nur zeitweise bewohnte, gebäudeartige Unterkunft. Auch Behaltung bezeichnete den Aufenthaltsort eines Menschen. Möglich wäre es, daß der Begriff der Behaltung zusätzlich klarstellt, daß nicht nur beim Eindringen in Gebäude die Strafe des gewaltsamen Diebstahls verwirkt wurde, sondern auch bei einem Einbruch in jede andere Art von abgrenzbarer Unterkunft, in der ein Mensch wohnt. Daß auch die Behaltung bewohnt sein mußte, folgte für zeitgenössische Rechtsgelehrte aus dem Zweck des Art. 159 CCC, Leib und Leben tatnaher Personen zu schützen.209 Dieser Zweck wurde durch die Bestrafung eines Einbruchs in nicht bewohnte Umgrenzungen, durch den in der Regel keine Gefahr für Leib und Leben anderer entstand, verfehlt. Auch die Wortbedeutung von Behaltung spricht dafür, daß es sich bei ihr um eine bewohnte Örtlichkeit handelte.210 Zudem wurde auch unter dem in der CCB verwendeten Begriff „behaltnuß“ der dauernde Aufenthaltsort eines Menschen verstanden,211 so daß es ausgeschlossen zu sein scheint, daß Behaltung lediglich irgend einen unbewohnten umschlossenen Raum bezeichnet hat.

3. Hausfriedensbruch Eine selbständige strafrechtliche Regelung zum Schutze des Hausfriedens mit Wirksamkeit für das ganze Reich war in der CCC nicht vorhanden. Sie kann daher nur in der gemeinrechtlichen Doktrin zu finden sein. Wie bereits ausgeführt, ging es der Rezeption im Bereich des materiellen Strafrechts vor allem darum, die Anwendung des peinlichen Strafsystems einheitlich zu gestalten.212 Zwar wurde dies durch die Aufnahme der sog. salvatorischen Klausel zumindest teilweise zugunsten der landesherrlichen Territorialgesetzgebungsmacht desavouiert.213 Die generalklauselartige Fassung des Art. 105 CCC, wonach die Richter über Fälle, die im materiellen Teil der CCC keine Regelung erfahren hatten, nach den überlieferten Quellen des römischen Rechts und dem Geist der Carolina urteilen sollten, ermöglichte gleichwohl die Entstehung eines einheitlichen, streng an den Vorgaben des römischen Rechts orientierten Gerichtsgebrauchs und einer ebensolchen Strafrechtslehre.214 Diese schuf abgrenzbare Voraussetzungen für die Böhmer, ad art. 159 CCC, § 4; Quistorp, § 349. Vgl. Frühneuhochdeutsches WB, Sp. 733, 735. 211 Vgl. Frühneuhochdeutsches WB, Sp. 728, 731; die Constitutio Criminalis Bambergensis gilt als Vorläuferin der CCC (mater Carolinae), vgl. Rüping, RN 127. 212 Schmidt, § 93. 213 „Doch wollen wir durch diese gnedige erinnerung Churfürsten Fürsten Stenden, an jren alten wohlherbrachten rechtmessigen unnd billichen gebreuchen nichts benommen haben.“; vgl. Schmidt, § 115. 209 210

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Bestrafung von Taten, die in der CCC nicht zu finden waren, und bestimmte auch das Strafmaß.215 Das widerrechtliche Eindringen in ein fremdes Haus wurde von der frühen Doktrin, wenn es unter der Anwendung von Gewalt (gegen Personen) geschah, als crimen vis bestraft.216 Das Strafmaß wurde dabei nach Billigkeit festgesetzt.217 Traf der Hausfriedensbruch mit anderen Delikten zusammen, so verschärfte er häufig die Strafe für das im Zusammenhang mit dem Hausfriedensbruch begangene Delikt.218 Eine eigenständige Regelung des Hausfriedensbruchs oder der Heimsuche kannten Rechtslehre und Gerichtsgebrauch in dieser Zeit jedoch nicht.219 Auch die mittelalterliche Idee des Hausfriedens und damit die Erkenntnis, daß dem bewohnten Bereich ein eigener durch das Recht zu schützender Wert als Sicherheits- und Schutzzone zukam, tauchte nicht auf.220 So wurde der römisch-rechtlichen Lehre der italienischen Strafrechtswissenschaft folgend der unter das crimen vis gefaßte „Hausfriedensbruch“ als gegen die öffentliche Ordnung gerichtetes Delikt gesehen.221 Es stand damit im engen systematischen Zusammenhang mit anderen Straftaten gegen die öffentliche Ordnung, die unter das crimen vis fielen, wie dem Landfriedensbruch, dem Stadtfriedensbruch und dem Eindringen in ein Haus mit bloßer Diebstahlsabsicht.222 Die Bedeutung der bewohnten Sphäre als Sicherheitszone gegen psychische und physische Übergriffe, als Ort gesteigerter Handlungsfreiheit oder gar Geheimnissphäre schlug sich in der strafrechtlichen Doktrin des 16 und 17. Jahrhunderts mithin nicht nieder. Ein strafrechtliches Institut, mit dem der Schutz dieser Interessen beabsichtigt war, existierte zu dieser Zeit nicht.223

III. Einbruchsdiebstahl und Hausfriedensbruch im 18. und 19. Jahrhundert Während des 18. und 19. Jahrhunderts haben die Gedanken der Aufklärung und des Vernunftrechts die Entwicklung des Strafrechts wesentlich beeinflußt. Zudem wurden erste Straftheorien, z.B. von Feuerbach, entwickelt, die wesentlich an die idealistischen Philosophien Kants und Hegels anknüpften. Schmidt, § 127; Rüping, RN 141. Schmidt, § 127; Rüping, RN 141. 216 Carpzov, Pr. Rer. Crim., I qu. 40 n. 11; vgl. auch Armknecht, S. 56; Trabandt, S. 135 ff.; Osenbrüggen, S. 89 ff. und oben, S. 30 f. 217 Carpzov, Pr. Rer. Crim. I qu. 40 n. 11; vgl. auch Armknecht, S. 57. 218 Carpzov, a. a. O. 13; vgl. auch Armknecht, a.a.O und Osenbrüggen, S. 92. 219 Armknecht, S. 56; Osenbrüggen, S. 89 ff. 220 Vgl. Osenbrüggen, S. 89 ff. 221 Vgl. oben, A. III. 2.; Weber, S. 118. 222 Vgl. Carpzov, Pr. Rer. Crim., I qu. 35 n. 31; Armknecht, S. 56 f. 223 Weber, S. 122. 214 215

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1. Einbruchsdiebstahl in der späten Doktrin des gemeinen Rechts Auch im 18. Jahrhundert war Art. 159 CCC noch Grundlage für die qualifizierte Bestrafung des Einbruchsdiebstahls. Als Strafgründe galten nach wie vor die Gefährlichkeit des Einbruchsdiebstahls für Leib und Leben tatnaher Personen und die besonders stark ausgeprägte böse Absicht des Täters. Sie sollte sich an der Bereitschaft des Täters zeigen, zur Erreichung seines Wegnahmeziels erhebliche Hindernisse zu überwinden.224 Zudem sollte jetzt auch der mit dem Einbruchsdiebstahl einhergehenden Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung Rechnung getragen werden.225 Die Todesstrafe, die nach dem Wortlaut des Art. 159 CCC für jeden Fall des Einbruchsdiebstahls in bewohnte Bezirke zu verhängen war, wurde jedoch oft als zu hart empfunden. So fand sich sogar die Auffassung, ein gefährlicher Diebstahl im Sinne des Art 159 CCC sei nur zu bejahen, wenn die drei Tatbestandsvarianten kumulativ vorlägen,226 wenn also der Einbruch in die Behausung oder Behaltung durch Einsteigen erfolgt war und der Dieb dabei gefährliche Werkzeuge mitgeführt hatte. Diese Ansicht wurde bezeichnenderweise ohne einen Hinweis auf die ebenfalls aus eigenem Wert zu schützende häusliche Sphäre oder den Hausfrieden, dessen Verletzung die hohe Strafe vielleicht hätte rechtfertigen können, abgelehnt, sondern allein aufgrund des Wortlauts des Art 159 CCC.227 Nach dem Gerichtsgebrauch war es gleichwohl erforderlich, daß der Dieb wenigstens beim Einbruchsdiebstahl Werkzeuge mit sich geführt haben müsse, die bei Einsatz gegen einen Menschen für diesen gefährlich sein könnten.228 Konsequenterweise nahmen die Vertreter dieser Auffassung die erforderliche Gefährlichkeit für Leib und Leben auch nur an, wenn in bewohnte Behausungen eingebrochen worden war.229 Auch die Rechtslehre des 19. Jahrhunderts erkannte die mit dem Einbruchsdiebstahl verbundene Verletzung der bewohnten Sphäre, welche bereits in der Mitte jenes Jahrhunderts auch als Ort von familiärer Intimität entdeckt wurde,230 nicht als tragenden Grund für die Strafschärfung an. Dies galt sowohl für das gemeine Strafrecht als auch die partikularrechtlichen Kodifikationen. Mittermaier meinte zwar, im mittelalterlichen Hausfrieden den ursprünglichen Anlaß für die Qualifikation erkannt zu haben.231 Er hielt sie aber gerade deshalb für antiquiert und dringend reformbedürftig.232 Der Schutz der bewohnten Sphäre

224 225 226 227 228 229 230 231 232

Boehmer, ad art. 159 CCC § 5; Quistorp, § 348. Quistorp, § 349. Vgl. Quistorp, § 352. Quistorp, § 350 spricht insoweit von den „dürren Worten des Gesetzes“. Quistorp, § 349. Quistorp, § 349. Vgl. Perrot, S. 313 ff. und oben 1. Kap. I. 3. Mittermaier, Anm. 2 zu Feuerbach, § 334. Mittermaier, Anm. 2 zu Feuerbach, § 334.

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zur Sicherung einer individuellen Sicherheits- und Freiheitszone reichte nach seiner Auffassung zur Rechtfertigung der erheblichen Strafen eben nicht aus. Feuerbach hingegen hielt allein die besondere „Größe und Festigkeit des bösen Willens“ des Einbrechers für den ausschlaggebenden Strafgrund, weil darin die allgemeine Gefährlichkeit und Staatsfeindlichkeit des Täters zum Ausdruck komme. Er rechtfertigte die Strafschärfung damit streng im Sinne seiner Straftheorie: Die Gefährdung individueller Rechte spielte insoweit keine tragende Rolle.233 Folglich war es seiner Ansicht nach auch gleichgültig, ob das Gebäude, in das der Täter eindrang, bewohnt war oder nicht.234 Auch Tittmann hielt die besondere „Fähigkeit und Neigung zu Rechtsverletzungen überhaupt“, die sich in der Überwindung von Hindernissen durch den Täter zeige, für bedeutsam, obwohl er sie nicht als Straf- oder Qualifikationsgrund anerkannte.235 Die in der Art der Diebstahlsausführung manifestierte, besondere kriminelle Energie weise vielmehr daraufhin, daß der Dieb auch für andere Interessen des Menschen als das Eigentum gefährlich sei, namentlich für seine körperliche Unversehrtheit.236 Tragender Qualifikationsgrund bleibt hier also die durch den Einbruchsdiebstahl entstehende Gefahr für Leib, Leben und andere persönliche Rechtsgüter. Tittmann reichte die Gemeingefährlichkeit der Einbruchshandlung als Qualifikationsgrund offenbar aus. Daß das Objekt des Einbruchs bewohnt sein müsse, verlangte er jedenfalls nicht.237 Hälschner versuchte, die Auffassungen des 18. Jahrhunderts mit der Feuerbachs zu vereinigen.238 Der Tatbestand des Einbruchsdiebstahls trage zum einen der „subjektiven“ Gefährlichkeit des Täters (dessen bösen Willen) Rechnung und berücksichtige zum anderen die „objektive“ Gefährlichkeit der Tat für Eigentum sowie Leib und Leben.239 Beide Aspekte sollten hier gleichberechtigt zur teleologischen Begründung der qualifizierten Strafe beitragen. Der bewohnten Sphäre selbst und den an sie angeknüpften Interessen kam im Rahmen des Einbruchsdiebstahls also auch nach Hälschner keinerlei Bedeutung zu. Dem scheint wiederum Abegg Gewicht beizumessen. Er meinte, der Tatbestand des Einbruchsdiebstahls solle nur den durch die Behausung oder Behaltung physisch verstärkten Eigentumsschutz in rechtlicher Hinsicht umsetzen.240 Diese Ansicht könnte die Anerkennung der Behausung als eine an sich schützenswerte 233 Feuerbach, § 334; auch Berner, § 162 (S. 319) scheint in der besonderen „Frechheit und Verwegenheit“, die in der Art des Diebstahls zum Ausdruck kommt, den Grund für die Strafschärfung zu erblicken. 234 Feuerbach, Fn. 4 zu § 335. 235 Tittmann, Hdb. des peinlichen Rechts, Bd. 3, § 499. 236 Tittmann, Hdb. des peinlichen Rechts, Bd. 3, § 498. 237 Tittmann, Hdb. des peinlichen Rechts, Bd. 3, § 499. 238 Hälschner, S. 465. 239 Hälschner, Fn. 1 auf S. 465. 240 Abegg, § 360.

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Sphäre besonderer Sicherheit – zumindest für das darin befindliche bewegliche Eigentum – voraussetzen. Diesen Zusammenhang mit dem Schutz bewohnter Sphären stellt Abegg jedoch nicht her. Nach seiner Auffassung ist es nicht erforderlich, daß das Gebäude, in das eingebrochen wurde, bewohnt ist. Andererseits sollten bewegliche Behältnisse nicht unter den Begriff der Behaltung fallen, weil ein Dieb, der jene wegtrüge, billiger davon käme als einer, der sie an Ort und Stelle aufbreche. Dies sei ungerecht.241 2. Der Einbruchsdiebstahl in ausgewählten partikularrechtlichen Kodifikationen a) Preußisches Allgemeines Landrecht von 1794 Unter Berücksichtigung der Kritik an Art. 159 CCC trennt das ALR zwischen gemeinem Diebstahl, gemeinem Diebstahl mit erschwerenden Umständen, gewaltsamem Diebstahl und gewaltsamem Diebstahl mit erschwerenden Umständen. Der Tatbestand des gewaltsamen Diebstahls wurde durch gefährliches Einsteigen oder Einbrechen verwirklicht und war gem. §§ 1163 ff. des 20. Titels mit Zuchthausstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren zu bestrafen. Die Objekte des Einsteigens und Einbrechens führte das ALR nicht positiv auf. Allerdings war der mittels Einbruchs oder Einsteigens in unbewohnte Gebäude begangene Diebstahl nicht als gewaltsamer, sondern nur als gemeiner Diebstahl unter erschwerenden Umständen zu bestrafen, § 1169 ALR. Aus dem Umkehrschluß zu dieser Vorschrift ergibt sich, daß zur Verwirklichung eines gewaltsamen Diebstahls in ein bewohntes Gebäude eingebrochen werden mußte. Als (einfacher) gewaltsamer Diebstahl galt auch der Diebstahl, der durch das Öffnen verschlossener Behältnisse mit Hilfe von Nachschlüsseln oder vergleichbaren Werkzeugen (§ 1165 ALR) oder durch Sich-Einschleichen oder Sich-Verschließen-Lassen (§ 1166 ALR) verübt wurde. Aber auch ein privilegierter Fall des Raubes, nämlich der Diebstahl, welcher durch das Abschneiden von Behältnissen begangen wurde, die Reisende auf öffentlicher Straße oder in Gasthöfen mit sich führten, wurde als gewaltsamer Diebstahl und nicht als Raub im Sinne der §§ 1187 ALR bestraft (§ 1178 ALR). Das Beisichführen von Gewehren oder anderen gefährlichen Werkzeugen bei der Begehung eines gewaltsamen Diebstahls wurde dagegen als gewaltsamer Diebstahl mit erschwerenden Umständen schärfer bestraft als der Einbruchsdiebstahl in bewohnte Gebäude (§ 1175 ALR). Die Höhe der durch einen gewaltsamen Diebstahl verwirkten Strafe bestimmte der Richter nach dem Maß der angewandten Gewalt, nach der Tatzeit und der Größe der Gefahr, welcher das „allgemeine Wesen oder einzelne Mitglieder desselben“ durch den gewaltsamen Diebstahl ausgesetzt waren sowie nach der Wichtigkeit der entwendeten Sache oder Summe (§ 1168 ALR). Mit dieser Aufzählung 241

Abegg, § 360.

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dürften zugleich grob die Schutzgüter des gewalttätigen Diebstahls umrissen worden sein, deren Verletzung eine verschärfte Bestrafung rechtfertigen sollte. Insbesondere durch die Möglichkeit, die Strafe je nach Bedeutung und Schwere des Einzelfalls festzusetzen, begegnete man offenbar dem gegen Art. 159 CCC erhobenen Vorwurf, diese Norm sehe für viele Fälle des Einbruchsdiebstahls eine zu starre und manchmal zu harte und ungerechte Strafe vor.242 Der polizeistaatlichen Zielsetzung des ALR entsprechend nahm die öffentliche Ordnung unter den geschützten Interessen die herausragende Stellung ein. Dies wird z.B. an der Bestrafung des oben geschilderten Diebstahls an Reisenden als gefährlicher Diebstahl deutlich, welcher sonst nur durch Einbruch in bewohnte Gebäude begangen werden konnte, vgl. § 1178 ALR. Hier ging es offensichtlich um die Sicherheit auf den öffentlichen Straßen. Daß der gewaltsame Diebstahl im Regelfall nur durch Einsteigen oder Einbrechen in bewohnte umschlossene Räume erfolgen konnte (§ 1169 ALR), war vermutlich weniger auf einen intendierten Schutz der bewohnten Sphäre als Zone besonderer physischer Sicherheit zurückzuführen. Vielmehr wurde beabsichtigt, den Schutz von Leib und Leben tatnaher Personen sowie vielleicht den des Eigentums zu gewährleisten, was sich aus der Aufzählung in § 1168 ALR entnehmen läßt. Mit dieser Mischung von geschützten Interessen (öffentliche Ruhe und Ordnung, Leib und Leben, Eigentum) vereinte das ALR die in der Doktrin des gemeinen Rechts angenommen Schutzgüter.

b) Bayerisches StGB von 1813 Art. 221 des bayerischen StGB von 1813 führte verschiedene Tatbestände auf, aufgrund derer ein Diebstahl wegen besonderer Geflissenheit und Gefährlichkeit qualifiziert, nämlich mit vier- bis achtjährigem Arbeitshaus,243 zu bestrafen war (Art. 223 BayStGB 1813). Drei dieser Tatbestände betrafen verschiedene Formen des Einbruchs- bzw. Nachschlüsseldiebstahls. Ihn beging, wer sich in diebischer Absicht in eine fremde Wohnung oder ein anderes Gebäude einschlich und dort den Diebstahl zur Nachtzeit verübte (Nr. 2). Auch der Dieb, der in ein Haus oder anderes Gebäude über eine Leiter einstieg oder sonst durch andere, als die gewöhnlichen Eingänge eindrang (Nr. 3), sowie derjenige, der um zu stehlen, Gebäude oder Behältnisse gewaltsam erbrach, sprengte oder mit falschen Schlüsseln öffnete, wurde danach bestraft. Ferner fielen der unter Verletzung obrigkeitlicher Siegel begangene Diebstahl, das Beisichführen von Waffen unter Verwendungsvorbehalt während des Diebstahls, sowie das Begehen des Diebstahls durch einen Täter, der sich hierzu mit einer oder mehreren anderen Personen verbunden hatte, unter Art. 221 BayStGB 1813. Zu den Schutzgütern dieses Tatbestands kann die bewohnte Sphäre als Ort familiärer Intimität kaum gerechnet werden. Man könnte vermuten, daß die Fälle des Art. 159 CCC hier so restriktiv präzisiert werden soll242 243

Quistorp, § 349. Arbeitshaus gem. Art. 15 BayStGB war eine leichtere Form der Zuchthausstrafe.

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ten, daß bei einem Einbruchsdiebstahl immer eine hinreichend konkrete, besondere Gefahr für Leib und Leben einer tatnahen Person bestand. So wurde nur ein zur Nachtzeit begangener Einbruch in ein bewohntes Gebäude als besonders gefährlich anerkannt. Denn dann war es sehr wahrscheinlich, daß die Bewohner sich tatsächlich in der Wohnung aufhielten. Die Tatbestände machen aber vor allem deutlich, daß vom Täter ein sehr starker rechtsuntreuer Wille verlangt wurde, der nach Feuerbach, auf den das bayerische StGB wesentlich zurückzuführen ist, den tragenden Grund für die Qualifikation bildete.

c) § 218 Preußisches StGB von 1851 Ähnliches gilt für die Tatbestände des schweren Diebstahls in § 218 Nr. 2 und Nr. 3 des preußischen StGB von 1851, die nach dem Vorbild des bayerischen StGB von 1813 konstruiert wurden. Danach wurde mit Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren bestraft, wer den Diebstahl in einem bewohnten Gebäude zur Nachtzeit oder ebendort gemeinschaftlich mit zwei oder mehreren Personen verübte (Nr. 2), oder wer in einen umschlossenen Raum, egal ob bewohnt oder unbewohnt, eindrang (Nr. 3). Der Schutz der bewohnten Sphäre an sich konnte mit § 218 Nr. 3 prStGB, der als Tatobjekt alle umschlossenen Räume angibt, nicht beabsichtigt gewesen sein. Vor allem die besondere kriminelle Energie des Täters und seine daraus zu folgernde Gemeingefährlichkeit waren die tragenden Gründe für die Einordnung des Einbruchsdiebstahls in unbewohnte Räume unter die Fälle des schweren Diebstahls. Die Beschränkung des § 218 Nr. 2 prStGB auf Diebstähle in bewohnten Gebäuden zur Nachtzeit und auf Diebstähle, die von mehreren gemeinschaftlich begangen wurden, deutet darauf hin, daß diese Form des Einbruchsdiebstahls wegen der dabei bestehenden Gefahr für Leib und Leben der Bewohner qualifiziert wurde. Die zeitliche Beschränkung des Tatbestandes auf die Nachtzeit wäre sonst unverständlich. Dafür, daß § 218 Nr. 2 prStGB vorrangig diesem Schutzzweck Rechnung trug, spricht auch, daß insoweit ein Einbrechen oder Einsteigen nicht erforderlich war. Die Begehung des Diebstahls in einem bewohnten Gebäude reichte aus.

3. Hausfriedensbruch in der späten Doktrin des gemeinen Rechts Noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts hatte der Hausfriedensbruch nicht den Status eines selbständigen Strafdelikts erhalten. Er wurde der gemeinrechtlichen Doktrin folgend weiterhin als Unterfall des crimen vis begriffen, sofern das Eindringen in die Behausung eines Dritten ohne das Verüben weiterer Straftaten überhaupt unter Strafe gestellt war.244 Das widerrechtliche Eindringen in fremde 244 Vgl. Boehmer, Sect. II, Cap. VII, § 99; Quistorp, § 191; Feuerbach, § 399, § 404,1; vgl. Weber, S. 124.

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Häuser allein wirkte sich nach dem Gerichtsgebrauch häufig nur als Erschwerungsgrund für andere Straftaten aus. Wegen des mit dem gewalttätigen Eindringen verwirklichten crimen vis allein wurde wohl nur selten eine Strafe verhängt, obwohl nach Quistorp hierfür in vielen Landes- und Statuarrechten die Möglichkeit einer arbiträren Strafe vorgesehen war.245 Ansonsten dürfte das Eindringen gegen den Willen des Bewohners höchstens zur zivilrechtlichen Injurienklage berechtigt haben.246 Unter dem Einfluß des ALR begann sich die Rechtslehre jedoch von der gemeinrechtlichen Auffassung zu lösen und den Hausfriedensbruch, also das widerrechtliche Eindringen in das Haus oder die Wohnung eines anderen, als selbständiges Strafdelikt zu begreifen.247 Dies dürfte seinen Grund jedoch kaum in der Wiederentdeckung mittelalterlicher, von Fehde und Rechtsunsicherheit geprägter Ideen gehabt haben. Vielmehr lag die Ursache hierfür in der absolutistisch-polizeistaatlichen Vorstellungswelt jener Zeit, die jedes Handeln der Bürger im Bezug zum Staat sah und so auch den Hausfriedensbruch als Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung klassifizierte, die insbesondere bei der eigenmächtigen Rechtsdurchsetzung zu befürchten war.248 Dieser Ansicht hingen einige zeitgenössische Rechtsgelehrte an.249 Obwohl auch Tittmann in dem Hausfriedensbruch eine Verletzung der öffentlichen Ordnung sah, erkannte er als einer der ersten Vertreter der gemeinrechtlichen Doktrin, daß sich das Eindringen in eine bewohnte Sphäre auch gegen die Freiheit des Individuums richtet. So bezeichnete Tittmann den Hausfriedensbruch als eine unrechtmäßige Störung der einem jeden in seiner Wohnung zukommenden Freiheit.250 Hier macht sich der Einfluß des aufklärerischen Besitzindividualismus’ bemerkbar. Er führte letztlich auch dazu, daß nicht nur ein dem Willen des Besitzers zuwiderlaufendes Eindringen in die Wohnung sondern auch in andere Areale als strafwürdige „Hausrechtsverletzung“ angesehen wurden.251 Mitte des 19. Jahrhunderts arbeitete die Strafrechtswissenschaft schließlich den Willen des Wohnungsinhabers, der dem Betreten oder Verweilen eines anderen in der geschützten Zone entgegenstand, als das entscheidende Kriterium für den Hausfriedensbruch heraus. Die Dispositionsbefugnis des Wohnungsinhabers über Vgl. Quistorp, a. a. O. Mittermaier zu Feuerbach, § 405; vgl. auch Tittmann, Hdb. des peinlichen Rechts, Bd. 3, § 546 a.E., nach dem der Hausfriedensbruch entweder zu einer peinlichen Bestrafung oder zu einer geschärften zivilrechtlichen Haftung aus iniuria führen kann. 247 Vgl. Trabandt, S. 141 ff. 248 Ähnlich Weber, S. 126 f. 249 Abegg, § 393; Tittmann, Hdb. des peinlichen Rechts, Bd. 3, § 546 und Hbd. der StrRWiss, § 540, ordnete den Hausfriedensbruch unter die Vergehen ein, „durch welche die Ruhe und Ordnung im Staate gestört wird“. 250 Tittmann, Hdb. des peinlichen Rechts, Bd. 3, § 546. 251 Vgl. §§ 525 ff. 2. Teil, 20. Titel ALR, die sogar das Eindringen in ein „auf freiem Feld“ befindliches Grundstück unter Strafe stellten. 245 246

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die Zugänglichkeit seiner Wohnung wurde damit zum wesentlichen Schutzgut des strafrechtlichen Hausfriedensbruchstatbestandes erklärt.252 Seit dieser Zeit werden Freiheits- und Sachherrschaftsinteressen als die wesentlichen durch den Hausfriedensbruch geschützten Interessen dargestellt.253 Ebenfalls Mitte des 19. Jahrhunderts lassen sich – wohl infolge der fortschreitenden Intimisierung der Kleinfamilie zur Zeit des Biedermeier – Ansätze erkennen, die den Hausfriedensbruch als Delikt gegen die in der Familienwohnung herrschende Intimität deuten. Als Schutzgut des Hausfriedensbruchs begriff z.B. Brauer das Recht auf häusliche Abgeschlossenheit, welches er mit dem Hausrecht gleichsetzte. 254 Dieses Recht bedürfe eines wirksameren Schutzes als die aus dem Eigentum abgeleitete Verfügungsgewalt ihm bieten könne. Denn der Eigentümer habe sein Wohnhaus und die zugehörigen „Pertinenzen“ abgeschlossen, „um daselbst ungestört von dem Getriebe der Außenwelt zu verweilen und sein Familienleben den Augen der Öffentlichkeit zu entziehen“.255 Durch die staatliche Gewährleistung dieses Rechts werde es zum „Hausfrieden“ erhoben. Obwohl das Hausrecht hier auf ungewöhnliche Weise aus dem Eigentum abgeleitet wird, sollte es sowohl dem Eigentümer als auch jedem Wohnungsbesitzer zustehen.256 Der Hausfriedensbruch wird also seit der Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem als ein dem Schutz individueller Interessen (Besitzerfreiheit / Initimität) verpflichteter, strafrechtlicher Tatbestand gesehen. Nur vereinzelt wird dabei der Bedeutung der bewohnten Sphäre als Ort familiärer Intimität und Zurückgezogenheit Rechnung getragen werden. Das Interesse an Sicherheit vor physischer Gewalt, welches im Mittelalter dominierte, wird ebensowenig erwähnt wie Geheimnisschutzinteressen. Ein weiteres Zeichen für den Bedeutungsverlust des Hausfriedens als umfassende Schutzidee bewohnter Areale ist die Verengung seines Begriffs auf das Strafrecht. Die umfassende Bedeutung, die er im Mittelalter hatte, ist im modernen Staat verloren gegangen.

252 Berner, § 169: „Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß schon das bloße Eindringen in die Wohnung eines Menschen wider dessen Willen eine Verletzung seiner Freiheit in dem Gebiete ihrer berechtigsten Bethätigung sei.“ Hälschner, § 34 (S. 192): „Im eignen Hause mit voller Freiheit sich zu bewegen und zu walten ist allzeit als ein wesentliches Recht der Person anerkannt worden, das durch jedes unbefugte Eindringen und Verweilen im Hause, auch abgesehen von jeder weiteren daraus sich ergebenden Rechtswidrigkeit verletzt wird.“ Damit wurden Forderungen der Naturrechtslehre auch strafrechtlich aufgegriffen, vgl. Fichte, S. 242 ff. 253 Vgl. unten, 7. Kap. B. III. 1. a). 254 Brauer, in v. Jagemann / Brauer, S. 413 f. 255 Brauer, in v. Jagemann / Brauer, S. 413 f. 256 Brauer, in v. Jagemann / Brauer, S. 413 f.

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4. Der Hausfriedensbruch in ausgewählten partikularrechtlichen Kodifikationen Der Hausfriedensbruch wurde von den meisten deutschen Partikulargesetzbüchern als selbständiges Delikt unter die Regelungen zum Schutz des öffentlichen Rechtsfriedens eingeordnet.257 Insoweit folgte man offenbar der gemeinrechtlichen und polizeistaatlichen Tradition. Das preußische StGB von 1851 verstand den Hausfriedensbruch dagegen – den Erkenntnissen der späten Rechtslehre folgend – als Übertretung bzw., wenn er von mehreren, zusammengerotteten Personen begangen wurde, als Straftat gegen die persönliche Freiheit.258 Nachdem zuerst das ALR259 und später der Entwurf für ein preußisches StGB von 1828 auch das Eindringen in vom Wohnbereich getrennte Grundstücke unter Strafe gestellt hatten, wurde der Tatbestand des Hausfriedensbruchs auch in anderen Kodifikationen auf das befriedete Besitztum, die öffentlichen Diensträume und Geschäftsräume erweitert.260 Der Schutz der Dispositionsfreiheit des Besitzers bestimmter, räumlich abgrenzbarer Territorien begann sich damit zunehmend zum Hauptzweck der Strafbestimmung über den Hausfriedensbruch zu entwikkeln. Der aufgeklärte, besitzindividualistische Ansatz des ALR hatte sich durchgesetzt261 und durch die Erweiterung des Hausfriedensbruchs auf öffentliche Dienst- und Verkehrsräume zudem zu einer „Vermengung“ des alten deutschrechtlichen Hausfriedensbruchs mit dem öffentlichen Interessen dienenden Delikt des „Burgfriedensbruchs“ geführt.262 Das Interesse an häuslicher Intimität, welches vereinzelt als durch den Hausfriedensbruch geschütztes Rechtsgut diskutiert worden war, trat im Zuge dieser Entwicklung erst einmal wieder in den Hintergrund.

257 Vgl. Art. 422 f. BayStGB (1813): „Diejenigen, welche um Rache zu üben, um behauptete Rechte eigenmächtig durchzusetzen, um den ruhigen Besitz unbeweglicher Sachen oder die Ausübung eines Rechts zu stören, oder zu entziehen, in fremde Häuser, Wohnungen und andere liegende Gründe. . .eigenmächtig eindringen. . .“; ähnlich: Art. 119 SächsStGB (1838); Art. 193 WürttStGB (1839); Art. 180 HannStGB (1840); Art. 117 ThürStGB (1850); vgl. Weber, S. 158 ff. 258 Vgl. § 346 (Übertretung) und § 214 prStGB; ebenso § 180 des Kriminalgesetzbuchs von Braunschweig (1840). Das prStGB von 1851 geht damit zurück auf den Entwurf zu einem preußischen StGB von 1830, vgl. Weber, S. 220 f. 259 ALR Teil 2, 20. Titel, §§ 525 ff. 260 Vgl. § 214 und § 346 prStGB 1851. Andere Strafgesetzbücher nannten hingegen nur die Wohnung oder die Wohnung und die dazugehörigen Räumlichkeiten oder Bezirke als Schutzobjekte des Hausfriedensbruchs, vgl. das Allgemeine Criminal Gesetzbuch für das Königreich Hannover von 1840 (Art. 180) sowie Art. 422, 423 bayStGB 1813; Art. 164, 165 hessStGB 1841; Art. 151 sächsStGB 1855. Zu dieser Entwicklung vgl. Weber, S. 221 ff. 261 Ähnlich: Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 370. 262 Hierauf verweist Schall, S. 41, der eine durch die Vermengung von Hausfrieden und Burgfrieden herbeigeführte Entfremdung der unterschiedlichen, geschützten Rechtsgüter beklagt.

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5. Verständnis des Wohnungsbegriffs im 18. und 19. Jahrhundert Der Begriff der Wohnung war im 18. und 19. Jahrhundert allenfalls in Tatbeständen des Hausfriedensbruchs enthalten. Er wurde häufig im Gegensatz zu dem des Hauses verstanden. Wohnung sollte jedes Behältnis sein, welches zum beständigen Aufenthalt von Menschen diente.263 Zuweilen wurde hierzu einschränkend auch der Begriff des bewohnten Gebäudes verwendet, womit dann vor allem die in der Zeit der Industrialisierung aufkommenden Mietwohnungen gemeint waren. Maßgeblich war in der Regel, daß die Räume wirklich bewohnt wurden. Sie verloren ihre Wohnungseigenschaft jedoch nicht dadurch, daß der Bewohner sich zur Tatzeit zufällig nicht in ihr aufhielt.264 Dies sollte nur der Fall sein, wenn sie zu anderen Zwecken verwendet wurden. Der umfriedete, unmittelbar mit der Wohnung zusammenhängende Raum galt als Bestandteil der Wohnung und sollte ebenfalls unter ihren Begriff fallen, beispielsweise Hofräume, Gärten oder Wirtschaftsgebäude.265 Ähnlich wurde der Begriff der Wohnung auch in einzelnen Strafgesetzbüchern definiert. IV. Teilergebnis Strafrecht Von der Carolina an bis zu den modernen strafrechtlichen Kodifikationen des 19. Jahrhunderts treten stets zwei Gründe für die qualifizierte Bestrafung des durch Einbruch in die bewohnte Sphäre begangenen Diebstahls deutlich hervor: Die durch den Einbruchsdiebstahl erzeugte Gefährdung für das Leben und die körperliche Unversehrtheit sowie die besonders „böse“ Absicht des Täters (heute als besondere kriminelle Energie bezeichnet). Vereinzelt wird auch die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit genannt. Die bewohnte Sphäre mit ihren vielfältigen, vom gesellschaftlichen Wandel abhängigen Funktionen hat weder in ihrer während des Mittelalters vorherrschenden Funktion als Zone gesteigerter physischer Sicherheit noch als geheimniswahrender Rückzugsraum für Individuum und Familie, in dem sich Intimität und Privatheit entfalten können, eine tragende Rolle gespielt. In Bezug auf die Teleologie des Hausfriedensbruchs kann hingegen eine Entwicklung beobachtet werden. Während der Rezeptionszeit verlor der Hausfriedensbruch die Bedeutung, die ihm als strafrechtliches Institut (auch als Heimsuche) zum Schutz der bewohnten Sphäre im Mittelalter zugekommen war. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, daß die Idee des mittelalterlichen Hausfriedens, die das bewohnte Haus als eine den Rechtspositionen des Individuum dienende Sicherheitssphäre etablierte und daraus weitgehende Selbsthilfebefugnisse ableitete, mit Einsetzen der Rezeption mehr und mehr in Vergessenheit geriet. Die sozialen Rahmenbedingungen, die zur Ausbildung des Hausfriedens geführt hatten, vor allem 263 264 265

v. Jagemann / Brauer, S. 696. v. Jagemann / Brauer, S. 696. v. Jagemann / Brauer, S. 696.

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2. Kapitel: Die Wohnung als Gegenstand geschichtlicher Rechtsinstitute

die Notwendigkeit, den Menschen vor Fehde oder Gewalt zu bewahren, fielen mit der von der Philosophie der Aufklärungszeit getragenen Entstehung des modernen Staates weg.266 Überdies war dem weitgehend rezipierten System des römischen Rechts die Idee des deutschen Hausfriedens fremd. Ohne die mittelalterliche Bedeutung des Hausfriedens zu berücksichtigen wurde der Straftatbestand des Hausfriedensbruchs daher zunächst als ein Unterfall der Gewalttätigkeit (crimen vis) verstanden, also als unselbständiges Delikt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Dies wurde sicherlich auch durch die absolutistische Lehre, die die Aufrechterhaltung eines funktionierenden Staatswesens als oberstes Ziel jeglichen Rechts ansah, gefördert.267 Die römisch-rechtlich dominierte Sichtweise der Rezeption wurde jedoch bald gänzlich durch den in aufklärerischem Gedankengut wurzelnden, besitzindividualistischen Ansatz abgelöst. Es begann sich die Ansicht durchzusetzen, daß der Hausfriedensbruch die persönliche Freiheit des Besitzers bestimmter Areale strafrechtlich schütze. Diese Ansicht fand zunächst im ALR und später im preußischen StGB von 1851 seinen Niederschlag und führte in beiden Kodifikationen folgerichtig zu einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Hausfriedensbruchs auf unbewohnte Territorien. Als durch den Hausfriedensbruch geschützte Interessen wurden daneben auch das an der Ungestörtheit des privaten und intimen Familienlebens diskutiert, während die Interessen, an besonderer physischer Sicherheit oder Geheimhaltung weitgehend außer Betracht blieb.

V. Überblick über die historische Entwicklung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung Das in Art. 13 GG garantierte, gegen den Staat gerichtete Abwehrrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung wurzelt wahrscheinlich in den bereits behandelten altertümlichen Regelungen, die den Hausinhaber vor willkürlichen Hausdurchsuchungen eines Bestohlenen schützten.268 Derartige Regelungen sahen zum Ausgleich des Interesses an der Ungestörtheit des Hausbewohners und des Sachverfolgungsinteresses des bestohlenen Eigentümers meist bestimmte, objektivierbare Verdachtsmomente und ein zwingendes Verfahren vor.269 Wie der mittelalterliche Hausfrieden trugen auch diese Regelungen vor allem dem Interesse des Hausbewohners an der Erhaltung der bewohnten Sphäre als Sicherheitszone, die primär Schutz vor Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit gewähren sollte, auch als Abwehrrecht gegen die sich formierende Obrigkeit Rechnung.270 Zur Wahrung des Ähnlich Trabandt, S. 140. Trabandt, S. 140; Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 407. 268 Gornig, in v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 4; BK-Herdegen, Art. 13, RN 4; Amelung, Grundrechtstheoretische Aspekte, S. 293 f.; vgl. oben, A. II. und B. II. 2. c). 269 AK-Berkemann, Art. 13, RN 1; Amelung, Grundrechtstheoretische Aspekte, S. 296. 270 Ähnlich Gornig, in v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 4; Amelung, Grundrechtstheoretische Aspekte, S. 299, der aber das Sicherheitsinteresse auf ein rein physisches reduziert sieht. 266 267

C. Rezeption und Partikulargesetzgebung der späten Neuzeit

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Interesses an physischer Sicherheit waren diese Regelungen mit Entstehung des modernen Staates jedoch kaum noch erforderlich, weil die Haussuchungen zunehmend nicht mehr von dem Verletzten selbst, sondern von neutralen Repräsentanten einer staatlichen Vollstreckungsgewalt vorgenommen wurden.271 Solange staatliche Instanzen neutral über Notwendigkeit und Durchführungsmodalitäten einer Haussuchung entschieden, bestand offenbar kein Bedürfnis an der Schaffung von positiven Normen, die den Staat in seinen diesbezüglichen Handlungsbefugnissen begrenzten. So gab es im prozessualen Teil der CCC keine Regelung, die sich auf Haussuchungen oder ähnliche „staatliche“ Wohnungseingriffe bezog. Auch die gemeinrechtliche Doktrin hielt es offenbar nicht für erforderlich, insoweit verläßliche Lösungen zu entwickeln.272 Während der Zeit des Absolutismus’ wird zwar die hausväterliche Gewalt gegen den Zugriff des Staates zu verteidigen gesucht. Diese war aber mit dem Interesse an der Geheimhaltung familiär-intimer Informationen nicht identisch, sondern eine Form der Dispositionsbefugnis über die bewohnte Sphäre als Herrschaftsterritorium. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Haus in der deutschen philosophischen und rechtswissenschaftlichen Literatur überwiegend als Geheimbereich bewertet, der den Ort familiärer Privatheit und biedermeierlicher Intimität bildete. Man erkannte auch die daraus resultierende Notwendigkeit an, es gegen den Zugriff des Staates zu schützen.273 Gleichwohl wurden in Deutschland erst zur Zeit des Vormärz und während der Revolution von 1848 Forderungen nach einem den Staat bindenden Wohnungsgrundrecht laut. Und zwar, nachdem staatliche Organe zur Unterdrückung oppositioneller Gruppen und ihrer Presseerzeugnisse umfangreiche Haussuchungen vorgenommen hatten, die auf Anordnungen gestützt wurden, die sich nicht etwa auf einzelne Häuser sondern auf ganze Stadtteile und Landstriche bezogen.274 Erstmals wurde die Unverletzlichkeit der Wohnung einfachgesetzlich im preußischen Gesetz zur Sicherung der persönlichen Freiheit von 1848 gewährleistet.275 Die erste deutsche Verfassung, die die Unverletzlichkeit der Wohnung gewährleistete, war die preußische von 1850. Eine ähnliche Bestimmung fand sich in der Weimarer Reichsverfassung von 1919 (WRV).276 Auch der Entwurf der „Paulskirchenverfassung“ von 1849 sah ein Wohnungsgrundrecht vor.277 Amelung, Grundrechtstheoretische Aspekte, S. 299. Amelung, Grundrechtstheoretische Aspekte, S. 314. 273 Fichte, S. 242 ff.; v.Jagemann / Breuer, s. o. 274 Amelung, Grundrechtstheoretische Aspekte, S. 316; AK-Berkemann, Art. 13, RN 2. 275 BK-Herdegen, Art. 13, RN 7; AK-Berkemann, a. a. O.; bereits in § 117 der Kurhessischen Verfassung von 1831 fand sich allerdings die Bestimmung, daß die Haussuchung nur auf Verfügung des zuständigen Gerichts oder der Orts-Obrigkeit in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen stattfinden dürfe, vgl. Gornig, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 5. 276 Art 115 WRV: „Die Wohnung jedes Deutschen ist für ihn Freistätte und unverletzlich. Ausnahmen sind nur aufgrund von Gesetzten zulässig.“ 277 § 140: “ (1) Die Wohnung ist unverletzlich. (2) Eine Haussuchung ist nur zulässig: 1. In Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls, welcher sofort oder innerhalb von 271 272

6 Krumme

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2. Kapitel: Die Wohnung als Gegenstand geschichtlicher Rechtsinstitute

Sie enthielt im Gegensatz zu der preußischen von 1850 und der WRV, die einen einfachen Gesetzesvorbehalt enthielten, detaillierte Einschränkungen zugunsten der Haussuchung. Das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung wurde zuerst im angelsächsischen Rechtskreis verfassungsrechtlich positiviert.278 Die Forderung, ein solches Recht in die Verfassung aufzunehmen, wurde auch hier im Zuge politischer Auseinandersetzungen formuliert, deren Verlauf der Staat durch weitreichende Wohnungseingriffe zu beeinflussen versucht hatte.279 Es ging dabei, wie die Untersuchung Amelungs gezeigt hat, vor allem um die Einquartierung eines stehenden Heeres in Bürgerhäuser, Haussuchungen zur Durchsetzung von Steuern und Zöllen und Wohnungseingriffe zur Unterdrückung von oppositionellen Gruppen und Presseerzeugnissen.280 In Frankreich wurde das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung erst in die Direktoratsverfassung von 1795 aufgenommen, nachdem der Staat unter Robbespierre ausgedehnte Haussuchungen zum Zweck der politischen Repression eingesetzt hatte.281 In der heute gültigen Verfassung der vierten Republik ist dieses Recht nicht enthalten. Es wird aus Art. 7 der Erklärung der Menschenrechte von 1789 abgeleitet. Amelung kommt nach der Betrachtung der historischen Zusammenhänge zu dem Schluß, daß die ursprüngliche Aufgabe des Grundrechts auf Wohnungsfreiheit darin bestand, die Auseinandersetzung um die Ausübung staatlicher Macht zu zivilisieren.282 Es bilde daher eine Grundlage zur Ermöglichung politischer Opposition.283 Dies scheint der heute gängigen Interpretation des Art. 13 GG zu widersprechen. Danach schützt das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung in erster Linie die Privatsphäre, indem es dem Staat Eingriffe in einen räumlich abgrenzbaren Bereich verwehrt, den der Mensch als Freiraum zur Persönlichkeitsentfaltung nutzen können müsse.284 Ein Widerspruch besteht jedoch insoweit schon deshalb nicht, weil die freie Entfaltung der Persönlichkeit eine Voraussetzung für die Bildung politischer Opposition ist. Im übrigen dürfte Amelungs Diagnose mehr 24 Stunden dem Betheiligten zugestellt werden soll, 2. Im Falle der Verfolgung auf frischer That, durch den gesetzlich berechtigten Beamten, 3. In den Fällen und Formen, in welchen das Gesetzt ausnahmsweise bestimmten Beamten auch ohne richterlichen Befehl dieselbe gestattet. (3) Die Haussuchung muß, wenn thunlich, mit Zuziehung von Hausgenossen erfolgen. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist kein Hindernis der Verhaftung eines gerichtlich Verfolgten. 278 Nämlich in Art. 10 der Verfassung von Virginia und später dann im 4. Zusatzartikel der Verfassung der Vereinigten Staaten. 279 Amelung, Grundrechtstheoretische Aspekte, S. 319. 280 Amelung, Grundrechtstheoretische Aspekte, S. 305 – 311. 281 Amelung, Grundrechtstheoretische Aspekte, S. 313. 282 Amelung, Grundrechtstheoretische Aspekte, S. 320. 283 Amelung, Grundrechtstheoretische Aspekte, S. 320. 284 Schmitt Glaeser in HbStR, § 129, RN 48; BK-Herdegen, Art. 13, RN 1.

C. Rezeption und Partikulargesetzgebung der späten Neuzeit

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oder weniger für jedes Freiheitsgrundrecht zutreffen. Richtig ist allerdings, daß auch das Wohnungsgrundrecht zur Zeit der „Verfassungserkämpfungen“ eher der Ermöglichung politischer Oppositon dienen sollte als der Bewahrung biedermeierlicher Zurückgezogenheit. Unter den Bedingungen der Industrialisierung, die eine Zweiteilung der menschlichen Lebensbereiche in Wohnen und Arbeiten zur Folge hatte, und unter der Abwesenheit revolutionärer politischer Auseinandersetzungen wurde der Schutz bewohnter Sphären gegen staatliche Eingriffe unter dem Teilaspekt der Privatsphäre in allen ihren denkbaren Dimensionen zunehmend wichtiger.285 Hierauf wird im nächsten Abschnitt einzugehen sein.

VI. Allgemeine Schlußfolgerungen Der Schutz der bewohnten Sphären insgesamt erfuhr in dem untersuchten Zeitabschnitt wesentliche strukturelle Änderungen. Das Rechtsinstitut des mittelalterlichen Hausfriedens, welches die bewohnte Sphäre umfassend schützte und auf kultische Wurzeln zurückgeführt werden konnte, ging unter. Damit war jedoch nur teilweise eine qualitative Verschlechterung verbunden. Der Schutz bewohnter Sphären differenzierte sich im Ergebnis lediglich in strafrechtliche Tatbestände, zivilrechtliche Besitzschutzrechte sowie verfassungsrechtliche Garantien aus. Er knüpfte nicht mehr vorwiegend an die bewohnte Sphäre als Zone gesteigerter physischer Sicherheit an, sondern an andere Funktionen und Erscheinungsformen, die unter den sozialen Rahmenbedingungen des 19. Jahrhunderts wichtiger erschienen. Interessanterweise war damit auch eine Ausdehnung auf Sphären verbunden, die zum Teil ähnliche oder identische Funktionen wie die bewohnten Sphären erfüllten, zum Teil aber auch – zumindest unter der soziologischen Betrachtungsweise – als deren genaues Gegenteil verstanden werden können. In der hier angesprochenen Einbeziehung von reinen Betriebs- und Geschäftsräumen schlug sich paradoxerweise die in der Einführung beschriebene Trennung von Wohnen und Arbeiten nieder.

285 Wenn auch gleichwohl, worauf Kühne, in Sachs, Art. 13, RN 12 hinweist, die politische Nutzbarkeit der Wohnung auch heute noch – zumindest potentiell – eine nicht unwesentliche Funktion des Wohnungsschutzes ist.

6*

Drittes Kapitel

Wichtige Wohnungsbegriffe und Grundnormen des Wohnungsschutzes im öffentlichen Recht A. Vorüberlegung Die folgende Untersuchung setzt voraus, daß der Inhalt eines jeden Rechtsbegriffs durch die Funktion der ihn verwendenden Regelung bestimmt wird. Es wird davon ausgegangen, daß die Bildung eines juristischen Begriffs durch die jeweils einschlägigen Normzwecke determiniert ist, mithin teleologisch erfolgt.1 Um Klarheit über den Inhalt der verschiedenen Wohnungsbegriffe zu erlangen, müssen daher die ihn bestimmenden Normzwecke benannt und zu der Definition des jeweiligen Wohnungsbegriffs in Beziehung gesetzt werden. Die Art der teleologischen Bildung der nicht-strafrechtlichen Wohnungsbegriffe soll dabei, so wie sie plausiblerweise in Rechtsprechung und Literatur erfolgt, kritisch nachvollzogen und nicht selbst vorgenommen werden. Geht man von dem methodischen Prinzip der teleologischen Begriffsbildung aus, so ist die Nichtexistenz eines einheitlichen Rechtsbegriffs der Wohnung in der gesamten Rechtsordnung streng genommen bereits präjudiziert. Denn jeder Rechtsbegriff ist anhand der konkreten, ihn determinierenden Normzwecke zu bilden. Wohnungsbegriffe in verschiedenen Normen müßten also, auch wenn sie einen identischen Begriffskern aufweisen, zumindest unterschiedliche, ihren jeweiligen Zwecken folgende Zusatzbedeutungen haben. Diese „Relativität der Rechtsbegriffe“ kann sich nicht nur in unterschiedlichen Rechtsgebieten, sondern auch innerhalb desselben Rechtsgebiets auswirken.2 Gleichwohl bleibt es möglich, daß die Wohnungsbegriffe verschiedener Normen ähnlichen oder identischen Normzweckgefügen dienen und daher auch ähnliche Begriffsmerkmalsstrukturen aufweisen. Im Anschluß an die folgende Untersuchung der einzelnen Wohnungsbegriffe soll daher der Versuch unternommen werden, die Wohnungsbegriffe nach Normzweckgefügen zu systematisieren. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse können eventuell für die Bestimmung des Wohnungsbegriffs in § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB hilfreich sein. 1 Interessen- und Wertungsjurisprudenz haben sich weitgehend durchgesetzt. Es ist daher mittlerweile anerkannt, daß jede juristische Begriffsbildung teleologisch zu erfolgen hat, vgl. hierzu im einzelnen Wank, S. 76 ff. und S. 110 m.w.N. 2 Wank, S. 111; Hill, Gesetzgebungslehre, S. 124 f.; Honsell, JuS 1981, 705, 709; Sack, BB 1984, 1195, 1199.

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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Es soll zudem zumindest ansatzweise beleuchtet werden, inwiefern Art. 13 GG und andere auf das Wohnen bezogene Normen geeignet sind, die für das moderne Wohnen typischen Bedürfnislagen in ihren Normzwecken zu befriedigen und umzusetzen.

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht sowie in völkerund gemeinschaftsrechtlichen Rechtsquellen I. Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung in Art. 13 GG „Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist ein Grundrecht, das dem Einzelnen im Hinblick auf seine Menschenwürde und seine freie Persönlichkeitsentfaltung einen elementaren Lebensbereich gewährleisten soll“.3 Ihm solle so das Recht, in seinen Wohnräumen „in Ruhe gelassen zu werden“, gesichert werden.4 Mit diesen Worten umreißt das BVerfG die Zweckbestimmung von Art. 13 Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht diene dem Schutz der Wohnung als „Mittelpunkt der menschlichen Existenz“5 sowie als „räumlicher Bereich individueller Persönlichkeitsentfaltung“.6 Dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung wird damit eine besondere Bedeutung im Kanon der grundrechtlichen Bestimmungen zuerkannt, auf denen der verfassungsrechtliche Schutz der Privatsphäre aufbaut.7 Der durch den Begriff der Wohnung umrissene Schutzbereich wird daher in Rechtsprechung und Literatur kurz als räumliche Privatsphäre umschrieben.8 Das Grundrecht zum Schutz der Wohnung sichert mithin einen räumlich zu bestimmenden Teilausschnitt der Privatsphäre.9 Die Erforderlichkeit des allgemeinen grundrechtlichen Privatsphärenschutzes vor staatlichen Übergriffen wird aus dem im Menschen verwirklichten Persönlichkeitswert abgeleitet, der durch die Grundrechte in Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG garantiert wird.10 Die Bestimmung BVerfG NJW 2001, 1121, 1122; BVerfG E 51, 97, 110; BVerfG E 42, 212, 219. BVerfG NJW 2001, 1121, 1222; BVerfG E 51, 97, 107; BVerfG E 32, 54, 75; BVerfG E 27, 1, 6. 5 BVerfG E 18, 121, 131 f. 6 BVerfG E 32, 54, 70. 7 Vgl. BVerfG E 32, 54, 68 ff.; zu den übrigen Grundrechten des Privatsphärenschutzes zählen: Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, Artt. 4, 10 GG. Auch die Artt. 5, 6, 8 und 9 GG sollen in gewisser Hinsicht Verbürgungen der Privatsphäre sein, vgl. Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 3. 8 BVerfG E 32, 54, 72; BVerfG E 65, 1, 40; BVerfG NJW 1993, 2035, 2037; BVerfG NJW 2001, 1121, 1122; Ruthig, JuS 1998, 509; BK-Herdegen, Art. 13, RN 1 ff.; Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 48; AK-Berkemann, Art. 13, RN 17 (räumlich-gegenständliche Privatheit); MD-Papier, Art. 13, RN 1; Gornig in v.Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 1; Leibholz / Rinck / Hesselberger, Art. 13, RN 13; Pieroth / Schlink (2000), RN 872; Guttenberg, NJW 1993, S. 567, 568; Raum / Palm, JZ 1994, 447, 450; Rohlf, S. 152. 9 Ähnlich Rohlf, S. 162. 3 4

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

des Wohnungsbegriffs in Art. 13 GG hängt also wesentlich davon ab, wie der schlagwortartig als räumliche Privatsphäre umrissene Schutzbereich des Art. 13 GG, der im Normtext durch den Begriff der Wohnung abgebildet wird, inhaltlich zu präzisieren ist. Die oben aufgeführten Formulierungen des BVerfG sind hierzu kaum geeignet. Sie bieten zunächst nur Anhaltspunkte.

1. Die herrschende Auffassung – „Widmungstheorie“ In Rechtsprechung und Literatur herrscht die Auffassung vor, der Schutz der räumlichen Privatsphäre ziele darauf ab, dem Individuum einen Raum der privaten Lebensgestaltung zu reservieren, der zur Außenwelt, zur Welt des „Öffentlichen“ hin abgegrenzt und durch räumliche Umgrenzungen in faktischer und durch Normen des Zivil- und Strafrechts in rechtlicher Hinsicht als solcher geschützt ist.11

a) Grundlegende Eigenschaften der räumlichen Privatsphäre In diesem Bereich könne der Mensch grundsätzlich tun und lassen, was er will, ohne daß der Staat davon Kenntnis nimmt. Er genießt in diesen Räumen mithin ein besonderes Maß an Verhaltensfreiheit:12 Der Mensch kann sich hier frei von gesellschaftlichen Zwängen und Konventionen entspannen und selbst entfalten.13 Die Zweckbestimmung dieser Räume erschöpft sich jedoch nicht in der Ermöglichung eines „Lebens in Einsamkeit“ ohne jegliche Kommunikation und sozialen Bezug.14 Der im Privatsphärenschutz enthaltene Aspekt der freien Persönlichkeitsentfaltung fordert vielmehr, daß zur geschützten räumlichen Privatsphäre auch Räume gehören, die der Pflege intimer Beziehungen, wie denen der Familienmitglieder untereinander und gezielter Fremdkontakte im Rahmen freundschaftlicher oder geschäftlicher Vertraulichkeit dienen.15 Da diese Funktionen der räumlichen Privatsphäre im Zeitalter des modernen Wohnens von elementarer Bedeutung für die individuelle Persönlichkeitsentfaltung sind, ist es unabdingbar, daß dem Einzelnen ein solcher Rückzugsbereich verbleibt. Abgegrenzte Räume können diese beiden 10 Vgl. Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 6; Gornig, in v. Mangoldt / Klein / Strack, Art. 13, RN 1. 11 Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 47; MD-Papier, Art. 13, RN, 1; BK-Herdegen, Art. 13, RN 1. 12 Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 48; Gornig, in v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 1; dies drücken auch andere aus, indem sie betonen, Art. 13 GG verbürge das Recht „in Ruhe gelassen zu werden“ und „Störungen vom privaten Leben fern zu halten“, vgl. MDPapier, Art. 13, RN 1; Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 1; Hermes, in Dreier, Art. 13, RN 9. 13 Rohlf, S. 152 und für den strafrechtlichen Wohnungsschutz grundlegend Schall, S. 105 f. und S. 109 f. 14 Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 48. 15 Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 48.

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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Aspekte („Recht auf Einsamkeit“ und Pflege ausgewählter Beziehungen) der besonderen Verhaltensfreiheit jedoch nur erfüllen und sichern, wenn sie einer weitgehend unbeschränkten Verfügungsgewalt des Grundrechtsträgers unterliegen, sich die räumliche Privatsphäre also als sein Herrschaftsbereich darstellt.16 Nur wenn sichergestellt ist, daß die Zutrittsberechtigung zu Räumen autonom verliehen oder versagt werden kann, ist das Entstehen von intimen oder vertraulichen Beziehungen in diesen Räumen und auch die tatsächliche Inanspruchnahme des Rechts auf Einsamkeit durch den damit bewirkten Ausschluß der öffentlicher Kenntnisnahme überhaupt möglich. Die Verfügungsbefugnis des Grundrechtsträgers über den räumlich abgegrenzten Bereich ist mithin keine Funktion oder Eigenschaft der räumlichen Privatsphäre, sondern deren Voraussetzung. Neben dem besonderen Maß an Verhaltensfreiheit des Bewohners über seine Wohnung ist der Geheimnisschutz von personenbezogenen Informationen über das Innere der Wohnung und die in ihr ablaufenden Vorgänge eine weitere wesentliche Eigenschaft der durch Art. 13 GG geschützten räumlichen Privatsphäre.17 Damit das Individuum den als räumliche Privatsphäre geschützten Bereich tatsächlich zur Verwirklichung seiner Persönlichkeit nutzen kann, muß es auf die Abwesenheit staatlicher Kenntnisnahmemittel in der Wohnung und auf die durch die Wohnung gewährte Sicherheit vor direkter physischer staatlicher Intervention auch vertrauen können. Die dritte prägende Eigenschaft der räumlichen Privatsphäre, das Vertrauen auf Abwesenheit des Staates, bildet sozusagen die subjektive Ergänzung, ohne die ein objektiv gewährleisteter Geheimnisschutz die unbeschwerte Persönlichkeitsentfaltung in der oben beschriebenen Weise nicht zulassen würde. Die beschränkte Zugänglichkeit zu einem räumlich abgegrenzten individuellen Herrschaftsbereich, die den Staat grundsätzlich ausschließt, stellt sich somit als wesentliches Kriterium für die Bestimmung des Normbereichs der räumlichen Privatsphäre dar.18 Denn vor allem diese wird nach außen hin sichtbar. Ob die fraglichen Räume tatsächlich in der beschriebenen Weise genutzt werden und daher die genannten drei Eigenschaften aufweisen, bleibt dem Außenstehenden dagegen naturgemäß häufig verborgen.

b) Formalisierung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre Diese Bestimmung der räumlichen Privatsphäre folgt im wesentlichen dem verräumlichenden Gedankenbild der „Sphärentheorie“, einer der Theorien, die in der Staatsrechtslehre zur Bestimmung des gesamten verfassungsrechtlichen NormSchmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 48. Gornig, in v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 2; Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 4, der den Privatsphärenschutz insgesamt als Informationenschutz charakterisiert. 18 Vgl. Rohlf, S. 155, der darauf hinweist, daß dies allgemein das bestimmende Kriterium zur Abgrenzung der Privatsphäre von der Öffentlichkeit nach einer „Spielart der Sphärentheorie“ sei. 16 17

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

bereichs der Privatsphäre entwickelt worden ist.19 Die Sphärentheorie sieht in der Privatsphäre einen in unterschiedlich schutzwürdige Geheimhaltungsbereiche aufgeteilten Verhaltensraum, der zu dem grundsätzlich nicht geschützten Verhaltensraum der Öffentlichkeit in einem dialektischen Verhältnis steht und von diesem streng zu trennen ist.20 Innerhalb der Privatsphäre bestimmt sich der Grad der Schutzwürdigkeit qualitativ unterschiedlicher Geheimhaltungsbereiche nach der Personennähe der in ihm jeweils vorhandenen Information.21 Die Wohnung im Sinne des Art. 13 GG stellt sich auf der Grundlage dieser Theorie als ein Verhaltensraum dar, in dem der Schutz personennaher Informationen durch die physischen Abgrenzungen der Wohnung gegenständlich formalisiert ist. D.h., der Verhaltensraum bleibt durch Art. 13 GG auch dann geschützt, wenn er tatsächlich gar nicht in der beschriebenen Weise zur von gesellschaftlich-staatlicher Überwachung befreiten Persönlichkeitsentfaltung genutzt wird. Die Wohnung wird als der Bereich geschützt, in dem sich die räumliche Privatsphäre typischerweise vollzieht.22 Daher ist es auch nicht erforderlich, daß die Wohnung in jedem konkreten Einzelfall die genannten drei Eigenschaften (Raum gesteigerter Verhaltensfreiheit, Geheimnisschutzsphäre und Bezugspunkt des Vertrauens auf staatliche Abwesenheit) tatsächlich erfüllt. Sie muß diese nur potentiell erfüllen können.

c) Der Wohnungsbegriff nach der „Widmungstheorie“ Der Wohnungsbegriff in Art. 13 Abs. 1 GG beschreibt den Schutzbereich der Norm und muß daher mit der räumlichen Privatsphäre identisch sein. Er wird zwar auch in unterverfassungsrechtlichen Bestimmungen verwendet, diese können aber den Schutzbereich des Art. 13 GG nicht definieren. Aus den oben unter a) und b) angeführten Grundgedanken der herrschenden Meinung ergibt sich zunächst zwingend, daß der Wohnungsbegriff des Art. 13 GG nicht mit dem des allgemeinen Sprachgebrauchs oder gar dem technischen Wohnungsbegriff identisch sein kann.23 Die Eigenschaften der räumlichen Privatsphäre können auch bei Räumen zutreffen, die die dort genannten technischen Ausstattungsstandards nicht erfüllen. Für den Wohnungsbegriff im Sinne von Art. 13 GG wird vielmehr wesentlich auf einen den Zugang zu physisch abgegrenzten Räumen beschränkenden, nach außen erkennbaren Willensakt des Individuums abzustellen sein, durch den der Raum der Öffentlichkeit entzogen und so der individuellen Persönlichkeitsentfaltung gewid19 Vgl. Rohlf, S. 24 ff.; Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 14. Als weitere diesem Zweck dienende Theorien werden genannt: die Rollentheorie, die Theorie der autonomen Selbstdarstellung und die Kommunikationstheorie, Rohlf, S. 23 f. 20 Rohlf, S. 25; Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 48. 21 Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 14. 22 Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 48; Rohlf, S. 156. 23 Vgl. hierzu oben 1. Kap. III.

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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met wird.24 Denn allein ein solcher Widmungsakt kann objektiv überprüft werden. Daß die angeführten Grundfunktionen und Eigenschaften der räumlichen Privatsphäre im Einzelfall tatsächlich in Anspruch genommen werden, ist aufgrund des räumlich formalisierten Schutzbereichs nicht erforderlich. Ein Raum wird jedoch dann nicht der privaten Lebensgestaltung dienen können, wenn es aufgrund seiner Beschaffenheit ausgeschlossen ist, daß er die Funktionen und Eigenschaften der räumlichen Privatsphäre aufweist. Als weiteres wesentliches Element sehen die Vertreter der herrschenden Ansicht in der Regel noch ein Korrektiv vor, damit nicht auch rechtswidrig entstandene räumliche Privatsphären unter den Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG fallen. Es wird daher zumeist noch die rechtliche Anerkennung der Widmung gefordert.25 Sowohl über die Weite des Wohnungsbegriffs als auch über seine drei Grundelemente herrscht unter den Vertretern der Widmungstheorie – bei aller Formulierungsbreite und Differenzen im Detail – doch Konsens:26 Die auf einem erkennbaren Willensakt beruhende Begrenzung der öffentlichen Zugänglichkeit und gleichzeitige Bestimmung dieses Bereiches als Ort der privaten Lebensgestaltung, ein Mindestmaß an räumlicher Abschottung, die physischen Schutz vor unbefugtem Betreten und unbefugter Einsichtnahme gewährleistet sowie die rechtliche Anerkennung der individuellen Disposition werden übereinstimmend als die wesentlichen Merkmale des Wohnungsbegriffs genannt. Dies führt im einzelnen zu den folgenden Ergebnissen: aa) Wohnung „im engeren Sinne“ und andere Reservate privater Lebensgestaltung Die Wohnung im engeren Sinne, also die Behausungen als der tatsächliche, räumliche Mittelpunkt des individuellen Lebensbereichs, der idealtypisch frei von 24 BK-Herdegen, Art. 13, RN 27; Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 2; MD-Papier, Art. 13, RN 11; v.Münch- Kunig, Art. 13, RN 10; Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 49; Ruthig, JuS 1998, 509; Hermes, in Dreier, Art. 13, RN 14; Kühne, in Sachs, Art. 13, RN 2; Gornig, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 14. 25 BK-Herdegen, Art. 13, RN 27; MD-Papier, Art. 13, RN 12. 26 Eher restriktive Formulierung bei Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 49: „Wohnung ist jeder Raum, den ein Mensch zur Stätte seines Aufenthalts und Wirkens macht“. Hinzutreten müßten äußere Zeichen der Nichtzugänglichkeit, Grundrechtsträger sei nur der Berechtigte, Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 52. Andere führen wie das BVerfG in E 32, 54, 72 und in E 65, 1, 40 lediglich an, Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG bedeute räumliche Privatsphäre und belassen es ansonsten bei dem Hinweis, daß damit dem einzelnen mit Blick auf die Menschenwürde sowie im Interesse der Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum verbürgt sei, vgl. BVerfG E 89, 12, BVerfG E 51, 97, 110 und somit das Interesse, eine bestimmte Wohnung zum Lebensmittelpunkt zu machen, geschützt sei, vgl. Leibholz / Rinck / Hesselberger, Art. 13, RN 13. Eine eher weite Formulierung findet sich bei Pieroth / Schlink (1995), RN 939: „Entscheidend für die räumliche Privatsphäre ist zum einen der nach außen erkennbare Wille des einzelnen zur bloß privaten Zugänglichkeit von Räumen und Örtlichkeiten und zum anderen die soziale Anerkennung dieser individuellen Bestimmung der räumlichen Privatsphäre.“ Ähnlich, Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 2; MD-Papier, Art. 13, RN 11.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

Erwerbsarbeit ist und zum ständigen Aufenthalt eines Menschen und seiner Familie dient, fällt unproblematisch in den Schutzbereich des Art. 13 GG.27 Das soll weiterhin auch für die sogenannten „Nebenräume“ der Wohnung im engeren Sinne gelten.28 Diese sind dem eigentlichen Wohnbereich funktional oder als „Annex“ zugeordnet.29 Sie werden von der Zutrittsbeschränkung sowie der Widmung zu Zwecken der Persönlichkeitsentfaltung unter Ausschluß der Öffentlichkeit aufgrund des engen Nutzungszusammenhangs mit der Wohnung im engeren Sinne erfaßt. Ihnen kann daher der formalisierte Schutz der räumlichen Privatsphäre nicht versagt werden. Gleiches gilt für abgegrenzte Besitztümer, die funktional mit dem eigentlichen Wohnbereich verbunden und als solche ebenfalls von der autonomen Zutrittsbeschränkung des Berechtigten umfaßt sind, wie beispielsweise Innenhöfe, abgegrenzte Gärten30 und sogar umfriedete Freiflächen in der Nähe von Wohnhäusern.31 Da es in erster Linie auf die autonome, nach außen erkennbare Widmung von Räumen zur privaten Lebensgestaltung und den offensichtlichen Willen ankommt, die Bereiche der Öffentlichkeit nicht frei zugänglich zu machen, umfaßt der Begriff Wohnung auch andere räumlich abgegrenzte Bereiche, wie Hotelzimmer, Schiffe und Schiffskabinen, Zelte, Campingwagen u.ä.32 Allerdings werden konsequenterweise diejenigen befriedeten Besitztümer nicht unter den Begriff der Wohnung in Art. 13 GG subsumiert, die zwar einer individuellen Verfügungsgewalt unterworfen sind, die aber aufgrund ihrer physischen Beschaffenheit und Zweckbestimmung nicht die typischen Funktionen und Eigenschaften der räumlichen Privatsphäre aufweisen können. Derartige Räume sind evidentermaßen nicht geeignet, der privaten Lebensgestaltung zu dienen.33 Eingezäunte Weiden, die sich in einiger Entfernung zur eigentlichen Wohnung befinden, fallen daher ebensowenig unter den Wohnungsbegriff wie Kraftfahrzeuge, Schlafwagenabteile und Reisebusse.34 Bei Sammelunterkünften wie Justizvollzugsanstalten Ähnlich aber unscharf auch: BK-Herdegen, Art. 13, RN 26, wonach sich der Schutzbereich des Art. 13 GG auf jeden nicht allgemein zugänglichen, privaten Raum, der Menschen als Aufenthaltsstätte dienen soll, erstrecke. 27 Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 2; MD-Papier, Art. 13, RN 10; Gornig, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 15; BK-Herdegen, Art. 13, RN 26. 28 Z.B. Keller, Speicher, Garagen, Treppenhäuser. 29 VGH Mannheim DVBl. 1993, 778, 779; BK-Herdegen, Art. 13, RN 26; Hermes in Dreier, Art. 13, RN 15; Gornig, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 16. 30 BGH NJW 1997, 2189 f.; Kühne, in Sachs, Art. 13, RN 3. 31 BK-Herdegen, Art. 13, RN 26; MD-Papier, Art. 13, RN 10 f.; Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 2; Gornig, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 15 ff. 32 MD-Papier, Art. 13. RN 10 f.; BK-Herdegen, Art. 13, RN 26. 33 BK-Herdegen, Art. 13, RN 26; MD-Papier, Art. 13, RN 11; BGH NJW 1997, 2189 f.; zweifelnd: Hermes, in Dreier, Art. 13, RN 16; Kühne („hochstreitig“), in Sachs, Art. 13, RN 5; a. A: Gentz, S. 30. 34 MD-Papier, Art. 13, RN 10; Gornig, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 19 f.; BK-Herdegen, Art. 13, RN 26; v.Münch-Kunig, Art. 13, RN 10.

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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oder Wohnungslosenasylen soll es an der Verfügungsgewalt der Bewohner über den ihnen zugewiesenen Lebensbereich fehlen. Das „Hausrecht“ der Anstaltsleitungen geht hier vor.35 bb) Betriebs- und Geschäftsräume Zwischen den Vertretern der h.A. ist jedoch umstritten, ob bzw. inwieweit Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume vom Schutzbereich der räumlichen Privatsphäre und damit vom Begriff der Wohnung umfaßt sind. Stellte man allein auf die grammatische Auslegungsmethode ab, müßte man diese Frage eindeutig verneinen. „Wohnung“ bezeichnet im allgemeinen, wie im sozialwissenschaftlichen und technischen Sprachgebrauch – zumal im Zeitalter des „modernen Wohnens“ – die von (betrieblich organisierter) Erwerbsarbeit befreite, private Lebenswelt.36 Gleichwohl subsumieren sowohl das BVerfG als auch die meisten Vertreter des Schrifttums, die den Bereich der räumlichen Privatsphäre aufgrund der Sphärentheorie bestimmen, die Betriebs- und Geschäftsräume unter den Begriff der Wohnung im Sinne von Art. 13 GG.37 Das BVerfG führt hierfür historische, aus der Rechtsvergleichung gewonnene und vor allem teleologische Argumente ins Feld, angesichts derer der Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 GG „nicht entscheidend sein könne“:38 Der Satz von der Unverletzlichkeit der Wohnung sei eine seit langem feststehende Formel, die seit dem Entwurf der Paulskirchenverfassung von 1848 / 49 in jeder wichtigen deutschen Verfassung verwendet worden sei. Seit der Geltungszeit der preußischen Verfassung von 1850 werde der Begriff der Wohnung weit ausgelegt und umfasse auch die Betriebs- und Geschäftsräume. Art. 13 Abs. 1 GG stehe in der Kontinuität dieser verfassungsrechtlichen Tradition.39 Auch in vielen ausländischen Verfassungen herrsche traditionell dieses weite Verständnis des Wohnungsbegriffs vor.40 Die Ausdehnung des Wohnungsbegriffs auf Betriebs- und Geschäftsräume entspreche daher einer allgemeinen Rechtsüberzeugung.41 Überdies sei die Berufsfreiheit ein wesentlicher Aspekt der durch Art. 13 GG geschützten freien Persönlichkeitsentfaltung. Daher müsse der räumlich abgegrenzte Bereich, in dem sich die Berufsarbeit bestimmungsgemäß vollziehe, als ein der individuellen Persönlichkeitsentfaltung gewidmeter Raum, also als Teil der räumlichen

Vgl. BVerfG NJW 1996, 2643; Ruthig, JuS 1998, 509. Vgl. oben, 1. Kap. I. 2. 37 Grundlegend: BVerfG E 32, 54; Jarass-Pieroth, Art. 13, RN 2; Gornig, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 21 ff.; MD-Papier, Art. 13, RN 13; v.Münch-Kunig, Art. 13, RN 11; Schmitt Glaeser, HbStR § 29, RN 50 f. 38 BVerfG E 32, 54, 72. 39 BVerfG E 32, 54, 69 f. 40 BVerfG E 32, 54, 70. Angeführt werden: Die Schweiz, Österreich, Italien und die Vereinigten Staaten. 41 BVerfG E 32, 54, 71. 35 36

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

Privatsphäre geschützt werden.42 Weiterhin werde nur die weite Auslegung dem Grundsatz der Optimierung der Wirkkraft von Grundrechtsnormen gerecht.43 Die Argumentation des BVerfG ist in der Staatsrechtslehre auf zum Teil berechtigte Kritik gestoßen.44 Der Schutz der räumlichen Privatsphäre wirkt sich bei Betriebs- und Geschäftsräumen allein zugunsten der freien Persönlichkeitsentfaltung des Betriebsinhabers aus. Denn nur diesem und nicht den am Unternehmen nicht beteiligten Mitarbeitern steht die rechtlich anerkannte Herrschaftsmacht zu, die Räume kraft Dispositionsaktes als Zentren ihrer Persönlichkeitsentfaltung und damit ihres „privaten“ Lebens zu widmen.45 Art. 12 GG gewährt hingegen die Berufsfreiheit, unabhängig von einer rechtlich anerkannten Dispositionsbefugnis, allen Mitarbeitern des Unternehmens, die sich gleichwohl nicht auf Art. 13 GG berufen können.46 Soweit das BVerfG zur Begründung des auf Betriebs- und Geschäftsräume ausgeweiteten Schutzbereichs auf Art. 12 GG zurückgreift, vermag dies somit tatsächlich kaum zu überzeugen. Weiterhin ist das Argument, der Schutzbereich müsse weit gefaßt werden, um dem Grundrecht die größtmögliche Wirkkraft zu verleihen, von nur geringem Wert, wenn es gerade um die Bestimmung des Schutzbereichs dieses Grundrechts geht.47 Dieses Prinzip kommt in der Tat vornehmlich zum Tragen, wenn einander widersprechende grundrechtlich geschützte Interessen verschiedener Grundrechtsträger in Einklang zu bringen sind.48 Gleichwohl ist der Einbeziehung der Betriebs- und Geschäftsräume in den Schutzbereich der räumlichen Privatsphäre im Ergebnis zuzustimmen.49 Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume, die innerhalb der Wohnung im engeren Sinne liegen, wie das Arbeitszimmer des Wissenschaftlers, sind eindeutig in die räumliche Privatsphäre integriert. Sie fallen als untrennbarer Bestandteil der Wohnung im engeren Sinne ohnehin in den Schutzbereich des Art. 13 GG.50 Reine Betriebs- und Geschäftsräume wie Fabrikhallen, Lagerhallen, Kaufhäuser und Gaststätten stehen der Öffentlichkeit dagegen in mehr oder weniger beschränkter Weise grundsätzlich offen. Sie dienen bestimmungsgemäß zur Aufnahme vielfältiger sozialer Kontakte, was bei einer Wohnung im engeren Sinne typischerweise eben nicht der Fall ist.51 Allein deshalb dürfen sie jedoch noch nicht dem Verhaltensraum der öffentlichen BVerfG E 32, 54, 71. BVerfG E 32, 54, 71. 44 Vgl. Hermes, in Dreier, Art. 13, RN 20 ff.; BK-Herdegen, Art. 13, RN 32; MD-Maunz (Vorbearbeitung), Art. 13, RN 4. 45 BK-Herdegen, Art. 13, RN 32; MD-Maunz (Vorbearbeitung), Art. 13, RN 4. 46 Hierauf weist vor allem BK-Herdegen, Art. 13, RN 32 hin. 47 BK-Herdegen, Art. 13, RN 32 48 „Praktische Konkordanz“, vgl. BVerfG E 7, 198, 208; Stern in HbStR, § 109, RN 82. 49 Vgl. MD-Papier, Art. 13, RN 13; v.Münch-Kunig, Art. 13, RN 11; Schmitt Glaeser, HbStR § 29, RN 51; Gornig, Art. 13, RN 21 ff. 50 BVerfG E 32, 54, 75; und dem folgend Rohlf, S. 154; Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 50; BK-Herdegen, Art. 13, RN 34. 51 BVerfG E 32, 54, 75; Schmitt Glaeser, HbStR § 129, RN 50. 42 43

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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Sphäre zugeschlagen und dem Schutzbereich des Art. 13 GG entzogen werden. Denn es ist zum einen unbedingt erforderlich, die Inhaber dieser Räume vor Eingriffen des Staates, namentlich vor Durchsuchungen, wirksam schützen zu können.52 Zum anderen ist auch der Zugang zu diesen Räumen häufig nur einem begrenzten Personenkreis, etwa dem der bei dem Betrieb angestellten Arbeitnehmer, gestattet. Sie sind mithin offener als die Wohnung im engeren Sinne, aber keineswegs öffentlich im eigentlichen Sinne. Man kann sie daher durchaus als „halböffentlich“ bezeichnen.53 Auch ein Unternehmer bedarf zur optimalen freien Entfaltung unternehmerischer Tätigkeit, durch die seine Persönlichkeit mitkonstituiert wird, aber eines vor staatlichem Zugriff geschützten Freiheitsraumes, der ihm als Geheimnisschutzsphäre dient und in dem er auf die Abwesenheit staatlicher Kenntnisnahmemittel vertrauen darf. Daneben können Betriebs- und Geschäftsräume unabhängig vom Schutzbereich des Art. 12 GG auch für die abhängig Beschäftigten als Räume gesteigerter Verhaltensfreiheit und vor allem als Geheimnissphären Bedeutung erlangen. Zur Verwirklichung ihrer beruflichen Persönlichkeit, sei es zur Entspannung während einer Pause oder zur Aufnahme vertraulicher Geschäftskontakte, müssen auch sie auf die Abwesenheit des Staates vertrauen können. Dies gilt insbesondere für Büroräume, Sozialräume, Kantinen u. ä., die auch innerbetrieblich einer gewissen Dispositionsbefugnis der sie jeweils nutzenden Mitarbeiter unterliegen können (Besitzdienerschaft, § 855 BGB). Für die weite Auslegung des Wohnungsgrundrechts spricht vor allem der durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) auf Geschäftsräume ausgeweitete Schutzbereich von Art. 8 EMRK.54 Dem unterschiedlichen Grad von räumlicher „Halb“-Privatheit innerhalb der so verstandenen Privatsphäre wird dann im Rahmen einer differenzierten, vom BVerfG an den Grundsätzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips ausgestalteten Schrankenregelung Rechnung getragen. Im Ergebnis ist der Grundrechtsschutz von Betriebs- und Geschäftsräumen, die partiell für eine beschränkte Öffentlichkeit zugänglich sind, daher weniger intensiv.55 Manche sind dagegen der Auffassung, der Geschäftsinhaber habe Geschäftsräume, die für die Öffentlichkeit typischerweise zugänglich sind, wie etwa Gastwirtschaften oder Kaufhäuser, seiner privaten Lebensgestaltung überhaupt nicht gewidmet. Dieser Wille hebe den Privatrechtscharakter „in gewisser Hinsicht“56 auf, weshalb diesen Räumen der Schutz des Art. 13 GG weitestgehend versagt bleiben müsse.57 Ein Betreten von Gaststätten sei hoheitlichen Organen daher ohne BK-Herdegen, Art. 13, RN 34. Vgl. Schall, S. 148 ff. für § 123. 54 EGMR, EuGRZ 1993, 65, 66 f. – Niemietz; BK-Herdegen, Art. 13, RN 34; Gornig, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 25. 55 BVerfG E 34, 54, 75; BK-Herdegen, Art. 13, RN 35; v.Münch-Kunig, Art. 13, RN 11; Schmitt Glaeser, HbStR § 129, RN 50. 56 MD-Papier, Art. 13, RN 14. 57 BK (Zweitbearbeitung)-Dagtoglou, Art. 13, RN 21; Amelung, Grundrechtstheoretische Aspekte, S. 291 ff. und wohl Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 2; MD-Papier, Art. 13, RN 14; 52 53

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

Einhaltung der nach Art. 13 Abs. 2 oder 7 GG erforderlichen Voraussetzungen möglich. Allerdings könnten die Räume durch eine vom Geschäftsinhaber ausgesprochene Zugangsbeschränkung jederzeit wieder zur räumlichen Privatsphäre umgewidmet werden.58 Gegen diesen zwischen verschiedenen Geschäftsräumen differenzierenden Lösungsversuch wird überzeugend eingewandt, daß innerhalb jeder Art von Geschäftsräumen private Inseln, wie abgetrennte Büros, Personalräume u.ä. existieren, denen man insbesondere den durch Art. 13 GG gewährleisteten Durchsuchungsschutz nicht versagen darf.59 Überdies bleibt der Geschäftsraum auch bei Öffnung für die Allgemeinheit ein Herrschaftsbereich des Geschäftsherrn, den dieser der Entfaltung seiner Persönlichkeit auf wirtschaftlichem Gebiet, also einem Teilbereich der privaten Lebensgestaltung, gewidmet hat. Es handelt sich daher bei der vorgeschlagenen Differenzierung eher um ein Problem des Grundrechtsverzichts als um eines der Schutzbereichsbestimmung. 60 Festzuhalten ist, daß die Ausdehnung des Schutzbereichs von Art. 13 GG auf Betriebs- und Geschäftsräume zur Vermeidung von Schutzlücken notwendig ist. Nur die Einbeziehung dieser Räumlichkeiten in den Wohnungsbegriff gewährleistet, daß ihnen grundrechtlicher Schutz in dem erforderlichen Maße zu Teil wird. Damit sprengt der Wohnungsbegriff des Art. 13 GG die Grenzen dessen, was aufgrund der soziologischen Voruntersuchung sprachlich unter Wohnen zu verstehen ist. Während nach soziologischem Verständnis die Wohnung den Mittelpunkt der von jeglicher Öffentlichkeit, sowohl von der des Staates als auch von der der Erwerbsarbeit, getrennten Lebenswelt bezeichnet, stellt sie sich verfassungsrechtlich als räumliche Eigensphäre dar, die lediglich die Gegenwelt zur öffentlich-staatlichen Sphäre, nicht aber zur Sphäre der betrieblichen Erwerbsarbeit bildet. Aufgrund der damit verbundenen Überschreitung der Wortlautgrenze mag es sich daher eher um eine Analogie als um Auslegung handeln. Im Interesse effektiven Grundrechtsschutzes muß diese methodische Unschärfe jedoch hingenommen werden. Sie wird überdies dadurch gemildert, daß der Begriff der Wohnung die Betriebs- und Geschäftsräume nach tradiertem verfassungsrechtlichen Sprachgebrauch seit jeher einschließt. Ruthig, JuS 1998, 510; ähnlich auch BGHSt 42, 372, 375 ff. Der BGH hielt hier die technische Überwachung eines Vereinsbüros deshalb nicht nach § 100c Abs. 1 Nr. 2 für zulässig, weil das Vereinsbüro nur als nicht allgemein zugänglicher Raum unter den Schutz von Art. 13 GG falle. 58 MD-Papier, Art. 13, RN 14; BK (Zweitbearbeitung)-Dagtoglou, Art. 13, RN 21. 59 Rohlf, S. 155; Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 51. 60 Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 51. Stein hält sogar die Einbeziehung der Betriebsund Geschäftsräume grundsätzlich für unzeitgemäß und ungerechtfertigt, vgl. Stein, StaatsR, § 34 II. Die Zeiten, in denen man das Unternehmen noch unbesehen der Privatsphäre des Unternehmers hätte zuordnen können, seien längst vorüber, vgl. Stein, StaatsR, § 34 II. Überdies verwirklichten heute vor allem die Arbeitnehmer ihr Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und nicht die Unternehmer, bei denen es sich häufig zudem noch um Kapitalgesellschaften handele. Diese durch Art. 13 Abs. 1 GG zu schützen, widerspreche zudem, daß das Grundgesetz den Schutz des Menschen in den Mittelpunkt stelle, vgl. Stein, StaatsR, § 34 II ; ähnlich: Hermes, in Dreier, Art. 13, RN 23.

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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2. Berkemanns Ansatz – Theorie der sozialen Anerkennung Berkemann greift zur Bestimmung des Schutzbereichs der räumlichen Privatsphäre nicht auf die Grundgedanken der Sphärentheorie zurück. Er bedient sich des Denkmusters der Rollentheorie, die – ebenso wie die Sphärentheorie – entwikkelt wurde, um den verfassungsrechtlichen Normbereich der Privatsphäre allgemein und nicht nur ihren räumlichen Aspekt, den Schutzbereich des Art. 13 GG, zu bestimmen. Nach Berkemann konstituiert sich Privatheit allgemein – also nicht nur räumliche Privatheit – in mehreren unterscheidbaren, privaten Handlungsfeldern, in denen und mit deren Hilfe sich die zu schützende Individualität organisiert.61 Die dialektische Aufteilung der Lebensbereiche in mehr oder weniger isoliert gedachte Verhaltensräume des öffentlichen und des privaten, in der jeweils alle Verhaltensweisen entweder öffentlich oder privat seien, bilde die realen Zustände dagegen nur unzureichend ab.62 Die privaten Handlungsfelder würden als solche vielmehr durch die Rollen konstituiert, die das Individuum im Familienleben, im Berufsleben, im Kultur- und Freizeitbereich in Übereinstimmung mit sozialen Normen übernimmt, bzw. die ihm in sozial anerkannter Weise zugewiesen werden.63 Art. 13 GG gewährleiste für die Entfaltung der Rollen, die das Individuum in den privaten Handlungsfeldern annimmt, einen unbedingt erforderlichen, räumlich-gegenständlichen Schutzbereich. Dieser komme dem Individuum bei der Ausfüllung der die privaten Handlungsfelder determinierenden Rollen flankierend zur Hilfe.64 Räumliche Privatheit entfaltet sich danach in einem räumlich-gegenständlichen Bereich, in dem sich die aufgrund von sozialer Anerkennung als privat zu bewertenden Handlungsfelder bzw. Rollen örtlich bevorzugt vollziehen. Damit ist die soziale Anerkennung auch für das Entstehen der räumlichen Privatheit selbst konstitutiv. Berkemann zufolge ist daher die Annahme räumlicher Privatheit zugleich die Anerkennung einer gegebenen Sozialisation, eines nicht kollektiven Guts, einer partiell autonomen Lebensführung und vor allem eines sozial normierten Machtbereichs.65 Die grundrechtliche Gewährleistung des Art. 13 GG erfasse mit der sozialen Anerkennung eines sozial normierten Machtbereichs folglich auch die „sozial anerkannte Definitionsmacht“ des Einzelnen über die Funktion eines räumlich-gegenständlichen Dispositionsspielraumes und seine funktionsbezogene Zugänglichkeit.66 Die Ausübung dieser Definitionsmacht, die dem einzelnen räumliche Ausgrenzungen ermögliche, sei eine Form der persönlichen Entfaltung gegenüber anderen. 61 62 63 64 65 66

AK-Berkemann, Art. 13, RN 34. Vgl. Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 15; Rohlf, S. 55 f. AK-Berkemann, Art. 13, RN 34 und RN 13 (2. Auflage). AK-Berkemann, Art. 13, RN 34 und RN 13 (2. Auflage). AK-Berkemann, Art. 13, RN 34 und RN 13 (2. Auflage). AK-Berkemann, Art. 13, RN 35.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

Die Anerkennung der Definitionsmacht und damit letztlich der sozial anerkannten Privatheit liege allerdings nicht fest, sondern sei dem sozialen Wandel unterworfen.67 Aufgrund ihrer offenen Struktur sei der Schutzbereich des Art. 13 GG ebenfalls vom sozialen Wandel abhängig. In einen definierbaren Begriff ließe er sich daher nicht fassen. Dies erschwere, wie Berkemann einräumt, die verfassungsrechtliche Beurteilung im Einzelfall.68 Zur Beantwortung der Frage, wann im Einzelfall von der Privatheit eines räumlich-gegenständlichen Bereichs auszugehen ist, sei daher in der Regel die Problematisierung der sozial wirksamen Auffassungen erforderlich.69 Von diesen Überlegungen ausgehend präzisiert Berkemann den Zweck des Schutzes der räumlichen Privatheit noch durch die Einbeziehung der sich aus den Schrankenbestimmungen des Art. 13 Abs. 2 und 7 GG (Abs. 2 und 3 a.F.) ergebenden „Hauptgefährdungslagen“. 70 Der durch Art. 13 GG gewährte Schutz vor Durchsuchungen (Abs. 2) solle dem Individuum die räumliche Privatheit als Mittel des „Informationsentzuges“ vor staatlicher Kenntnisnahme sichern.71 Die räumliche Privatheit sei ferner eine Erscheinungsform sozialer Differenzierung. Hierzu sei aus psychologischen Gründen der Ausschluß des als störend empfundenen Verhaltens anderer, die „fremdbestimmte Dissonanz“, unbedingt erforderlich. Art. 13 GG gewährleiste daher ein „Interventionsverbot“.72 Als Wohnung im Sinne von Art. 13 GG bestimmt Berkemann daher alle räumlich-gegenständlichen Ausgrenzungen, die mit den Mitteln räumlicher Gestaltung die Grundformen des Informationsentzuges oder des Interventionsverbotes gewährleisten wollen. Das soll den Ausschluß der allgemeinen Zugänglichkeit und Einsichtnahme durch beliebige Andere und die sozial zuerkannte Definitionsmacht über die soziale Funktion eines räumlich-gegenständlichen Dispositionsspielraumes voraussetzen.73 Berkemann stimmt also im Ergebnis mit der herrschenden Auffassung insoweit überein, als auch er die Elemente der räumlichen Abgeschlossenheit und der Zugangsbeschränkung für konstitutiv hält. Allerdings muß letztere nach Berkemann Folge einer sozialen Norm oder sozialer Anerkennung sein, was für jeden Einzelfall empirisch nachzuweisen ist. Es reicht nicht aus, daß diese Ausdruck einer individuellen Entscheidung ist. Gesteigerte Verhaltensfreiheit, Geheimnisschutz und das Vertrauen auf die Abwesenheit staatlicher Kontrolle bilden auch bei Berkemann typische Eigenschaften der durch das Verfassungsrecht zu schützenden Wohnung, wenn er diese auch mit den Begriffen Interventionsverbot und Informationsentzug beschreibt. AK-Berkemann, Art. 13, RN 36 und 14 (2. Auflage). AK-Berkemann, Art. 13, RN 36 und 14 (2. Auflage). 69 AK-Berkemann, Art. 13, RN 36. Wohl um den Unterschied seines Ansatzes zur Sphärentheorie deutlich zu machen, spricht Berkemann nicht von räumlicher Privatsphäre, sondern von räumlicher Privatheit. 70 AK-Berkemann, Art. 13, RN 17 ff. (2. Auflage). 71 AK-Berkemann, Art. 13, RN 54 ff. 72 AK-Berkemann, Art. 13, RN 54 ff. 73 AK-Berkemann, Art. 13, RN 20 (2. Auflage). 67 68

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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3. Kritische Stellungnahme und Konkretisierung der „Widmungstheorie“ a) „Widmungstheorie“ als im Grundsatz vorzuziehender Erklärungsansatz Daß der Schutzbereich der räumlichen Privatsphäre bzw. Privatheit grundsätzlich von sozialen Veränderungen abhängig ist, wird auch von Vertretern der herrschenden Meinung nicht bestritten.74 Für den Ansatz Berkemanns könnte daher sprechen, daß er die Anpassung des Schutzbereichs an die jeweils vorherrschenden sozialen Verhältnisse ermöglicht, ihn offen und flexibel gestaltet. Die unabwendbare Kehrseite hiervon ist jedoch die zurecht kritisierte und nicht hinnehmbare Konturlosigkeit dieses Ansatzes, die eine an Beliebigkeit grenzende Unbestimmtheit des Wohnungsbegriffs nach sich zieht.75 Die Beantwortung der Frage, ob ein Raum als räumlich-gegenständlicher Dispostionsspielraum sozial anerkannt ist, erforderte in der Praxis streng genommen in jedem Einzelfall eine soziologisch-empirische Analyse. Die damit verbundenen Unsicherheiten und der erforderliche Aufwand sind nicht akzeptabel, zumal noch andere, schwerwiegende Gründe gegen Berkemanns Ansatz sprechen: Berkemann nimmt bei seiner auf der Rollentheorie aufbauenden Schutzbereichsanalyse nicht zur Kenntnis, daß die Besonderheit des Art. 13 GG gerade in der räumlichen Formalisierung des Schutzes privater Informationen bzw. der Privatsphäre vor dem staatlichem Zugriff liegt.76 Die verräumlichende Denkweise der Sphärentheorie liegt zur Beschreibung des Schutzbereichs des Art. 13 GG daher viel näher als die segmentiv vorgehende Rollentheorie, die zumal einigen Argumentationsaufwand betreiben muß, um zu einem Schutz der als Definitionsmacht umschriebenen Verfügungsgewalt des Individuums über den Herrschaftsbereich Wohnung zu gelangen. Da es Art. 13 GG um einen räumlich formalisierten Schutz der Privatsphäre geht, kann sich Berkemann hier auch nicht auf das von anderen Vertretern der Rollentheorie vorgebrachte Argument berufen, daß mit der Sphärentheorie, die von einer strikten Trennung von privaten und öffentlichen Verhaltensräumen ausgeht, Privatsphärenschutz im öffentlichen Raum nicht gewährleistet werde. Letzteres ist gar nicht das Anliegen des Art. 13 GG, der eine räumliche Trennung dieser Räume gerade voraussetzt. Überdies vermag die von der herrschenden Meinung geforderte Ausübung der rechtlichen Verfügungsmacht zur willensautonomen Zugangsbeschränkung wesentlich präziser zum Ausdruck zu bringen, daß die räumliche Privatsphäre ein Herrschaftsbereich des Individuums ist, der ihm zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit dient. Insofern ist auch die Kritik Herdegens berechtigt, wonach der Grundrechtsschutz bei Berkemann zu sehr von der rechtlichen Verfügungsmacht 74 Schmitt Glaeser HbStR, § 129, RN 11: Privatsphäre als „entwicklungsbezogener Begriff“. 75 BK-Herdegen, Art. 13, RN 27. 76 Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 48.

7 Krumme

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

gelöst wird.77 Entscheidend ist aber, daß die herrschende Meinung die Ausübung der Verfügungsmacht durch widmende Zugangsbeschränkung verlangt, während Berkemann wesentlich nur auf eine soziale Zuerkennung der Definitionsmacht abstellt, die gerade nicht Ausdruck der persönlichen Entfaltung des Individuums ist. Daß Personen, die zur Verfügung über die fraglichen Räume nicht berechtigt sind, nicht unter den Schutz von Art. 13 GG fallen, wird man auch auf der Grundlage von Berkemanns Ansatz nicht leugnen können. Im Gegenteil: Die rechtliche Anerkennung einer Definitionsmacht wird in der Regel vielmehr ein eindeutiger Beleg für die soziale Anerkennung sein. Überdies gewährleistet auch die herrschende „Widmungstheorie“ die erforderliche Offenheit des Schutzbereichs, wie die auf ihrer Grundlage mögliche Einbeziehung der Betriebs- und Geschäftsräume zeigt. Trotz der sehr unterschiedlichen theoretischen Ausgangspunkte kommen beide Auffassungen bei Einzelfällen im wesentlichen zu übereinstimmenden Ergebnissen, weshalb die dargestellte Kontroverse praktisch von geringer Bedeutung sein dürfte. So fallen nach Berkemann neben den Räumen, die zur Wohnung im engeren Sinne gehören, auch Nebenräume, wie Keller, Speicher, Garage, Eingangsoder Hausflure unter den Wohnungsbegriff des Art. 13 Abs. 1 GG. Dies gilt nach seiner Auffassung auch für unmittelbar an den Wohnraum grenzende befriedete Besitztümer („Annexe“, wie Gärten u.ä.) und für die von Herdegen ebenfalls als sonstige Reservate privater Lebensführung bezeichneten Räume, wie Campingwagen, Hotelzimmer, Krankenhauszimmer.78 Allerdings will Berkemann im Gegensatz zur herrschenden Meinung den Wohnungsbegriff auch auf Telephonzellen und Strandkörbe ausdehnen.79 Insoweit dürfte es jedoch schon an der nach Berkemann erforderlichen sozial zuerkannten Definitionsmacht über diese Räume und damit auch an einer wirksamen Ausgrenzung fehlen. Daß das Gegenteil auf der Grundlage von Berkemanns Ansatz gleichwohl vertretbar sein wird, stellt erneut die Schwäche dieses soziologischen Ansatzes unter Beweis: Er birgt die erhebliche Gefahr, daß der Wohnungsbegriff konturlos wird und so der Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG ins Uferlose ausgeweitet wird.80 Hinsichtlich der Einbeziehung von Betriebs- und Geschäftsräumen in den Schutzbereich des Art. 13 GG stimmen die Ansätze Berkemanns und der herrschenden Meinung im Ergebnis ebenfalls weitgehend überein.81

77 78 79 80 81

BK-Herdegen, Art. 13, RN 27. AK-Berkemann, Art. 13, RN 41. AK-Berkemann, Art. 13, RN 54. BK-Herdegen, Art. 13, RN 29. Vgl. AK-Berkemann, Art. 13, RN 43 f.

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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b) Konkretisierung der „Widmungstheorie“ Bei der Entwicklung des Wohnungsbegriffs aus den Schutzzwecken der räumlichen Privatsphäre heraus kann folglich von den Grundlagen der Widmungstheorie ausgegangen werden. Zweck des verfassungsrechtlichen Wohnungsschutzes ist es danach, die Schaffung und Bewahrung eines gegenständlichen, weitestgehend allein der Herrschaftsmacht des Berechtigten unterworfenen Raums zu ermöglichen, den der einzelne zur Konstituierung und Entfaltung seiner Persönlichkeit benötigt. In der von den Vertretern der Widmungstheorie zumeist verwendeten Definition des Wohnungsbegriffs kommt dies unter anderem dadurch zum Ausdruck, daß die fraglichen Räume der „privaten Lebensgestaltung“ gewidmet sein müßten.82 Wann ein Raum dieser Art der privaten Lebensgestaltung gewidmet ist, bleibt jedoch zumeist unklar und bedarf der weiteren Konkretisierung. Wie sich aus der soziologischen Voruntersuchung und der Literatur zu Art. 13 GG ergibt, umfaßt die Persönlichkeitsentfaltung, der die räumliche Privatsphäre dienen soll, die störungsfreie Sozialisierung des Individuums, die Vorbereitung und den Vollzug von Selbstdarstellung und Selbstentfaltung in Abwesenheit des gesellschaftlichen Konformitätsdrucks, die Aufnahme ausgewählter, sozialer Kontakte und die vertrauliche Kommunikation.83 Damit sind zugleich die wesentlichen Funktionen des Schutzes der räumlichen Privatsphäre benannt. Daß die Besonderheit dieser durch Art. 13 GG geschützten Aspekte der privaten Lebensgestaltung die Beherrschung eines Territoriums voraussetzen, sollte auch in der Definition des Wohnungsbegriffs zum Ausdruck kommen. Die genannten Funktionen sollten also nicht unter dem Oberbegriff der privaten Lebensgestaltung, sondern vielleicht eher unter dem der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung zusammengefaßt werden. Dies verdeutlicht auch, daß der Lebensbereich der Erwerbsarbeit in den Schutzbereich des Art. 13 GG einbezogen ist. Nur Räume, die diese Funktionen der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung erfüllen können, dürfen als räumliche Privatsphäre bezeichnet werden. Hierzu müssen sie im wesentlichen drei Voraussetzungen erfüllen, die sich mit den Eigenschaften der räumlichen Privatsphäre decken: Zunächst ist insoweit das besondere, durch die Herrschaft über ein Territorium vermittelte Maß an Verhaltensfreiheit zu nennen. Es ist durch die tatsächliche Abwesenheit von gesellschaftlichen Zwängen und Konventionen geprägt und kann zur Erholung wie auch zur Pflege privater oder geschäftlicher Beziehungen ohne Rücksicht auf sozial vermittelte Rollenerwartungen genutzt werden. Zweitens muß die räumliche Privatsphäre stets den Charakter einer zumindest halböffentlichen Geheimnisschutzsphäre aufweisen, die die in den geschützten Räumen vorhandenen Informationen dem Zugriff der staatlichen Öffentlichkeit entzieht. Drittens 82 83

7*

Vgl. oben, 1. c). Vgl. oben 1. Kap. II. 1. a).

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

muß der Berechtigte innerhalb der räumlichen Privatsphäre darauf vertrauen können, daß die staatlichen Organe in diesen Raum weder offen noch heimlich durch unbemerkbare Kenntnisnahmemittel eindringen. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist das gesteigerte Maß an Verhaltensfreiheit für den einzelnen psychisch auch wirklich nutzbar. Manche bezeichnen dies daher aus der emotionalen Perspektive der Betroffenen als Geborgenheit oder Sicherheitsgefühl.84 Da der Schutz der räumlichen Privatsphäre formalisiert ist, muß nicht überprüft werden, ob die fraglichen Räume die Funktionen der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung im konkreten Einzelfall auch tatsächlich erfüllen. Es kommt vorrangig auf den nach außen erkennbaren Widmungsakt an, der unmißverständlich klarstellt, daß die Räume typischerweise der privaten Lebensgestaltung und damit den genannten Funktionen dienen sollen. Der Schutz des Art. 13 GG muß daher vorrangig an die Entscheidung des einzelnen anknüpfen, Räume zur unabdingbar erforderlichen, gegenständlichen Voraussetzung für die territoriumsbezogene Persönlichkeitsentfaltung zu machen.85 Ist hingegen aufgrund der objektiven Beschaffenheit der fraglichen Räume ausgeschlossen, daß die notwendigen Voraussetzungen und / oder die Funktionen der räumlichen Privatsphäre erfüllt sind, so sind sie von vornherein nicht schutzwürdig. Hieraus ergibt sich eine objektive Begrenzung des sich grundsätzlich durch einen subjektiven Willensakt bestimmenden Schutzbereichs. Überdies kann man anhand der möglichen und tatsächlichen Beeinträchtigung der Funktionen der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung auch die Intensität von Eingriffen in den Schutzbereich des Art. 13 GG bestimmen. Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG sind danach alle räumlich-physisch abgeschotteten Räume, die durch einen nach außen erkennbaren, kraft rechtlich anerkannter Herrschaftsmacht ergangenen Willensakt der Öffentlichkeit entzogen und der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung gewidmet worden sind. Aus dieser Konkretisierung des Wohnungsbegriffs und des ihn teleologisch determinierenden Schutzbereichs ergeben sich keine grundsätzlich neuen Ergebnisse. Es soll hierdurch lediglich deren Begründung erleichtert werden. Als Wohnungen gelten somit zunächst alle Räume, die ein Mensch zu seinem – typischerweise nicht zur Erwerbsarbeit vorgesehenen – Aufenthaltsort gemacht hat und die objektiv geeignet sind, ein Mindestmaß an physischer Abschottung zu gewährleisten, unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Gebäude oder andere Unterkünfte (Zelte, Camping- oder Bauwagen) handelt. Vom Wohnungsbegriff sind weiterhin alle erkennbar funktional zu diesen Räumen gehörigen Nebenräume und befriedeten Besitztümer umfaßt. Auch sie müssen den durch eine Widmung formaVgl. Lammer, S. 109, m.w.N. Ähnlich Lammer, S. 85. Auch während des Großteils eines Jahres unbewohnte Ferienhäuser fallen unter den Schutz von Art. 13 GG, ebenso Singlewohnungen, die hauptsächlich als Möbel- und Kleiderdepot genutzt werden; ähnlich Ruthig, JuS 1998, 509: Geschützt ist das Ergebnis der Disposition. 84 85

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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lisierten Privatsphärenschutz genießen. Dies ist gerade unter dem Gesichtspunkt des Vertrauens auf Abwesenheit von staatlichen Kenntnisnahmemitteln im Bereich der räumlichen Privatsphäre sehr bedeutsam. Es kann auch bereits durch Abhörmaßnahmen oder Durchsuchungen in einer Garage oder einem Waschkeller schwerwiegend beeinträchtigt werden. Ein dauerhafter Aufenthalt in den fraglichen Räumen ist nicht erforderlich. Auch nur vorübergehend bestimmungsgemäß zur territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung genutzte Räume, wie Hotel- oder Pensionszimmer fallen daher unter den Wohnungsbegriff.86 Befriedete Besitztümer, die keinen funktionellen Zusammenhang mit der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung erkennen lassen und die aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheit offensichtlich nicht in der Lage sind, die Funktionen der räumlichen Privatsphäre zu erfüllen, wie beispielsweise eingezäunte Weideflächen, sind dagegen keine Wohnungen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG.87 Wie bereits gezeigt, steht auch die Einbeziehung der Betriebs- und Geschäftsräume in den Schutzbereich der räumlichen Privatsphäre zu den obigen Feststellungen nicht im Widerspruch.88 Hieran wird deutlich, daß der durch den Begriff der Wohnung verkörperte Schutzbereich der räumlichen Privatsphäre bei weitem nicht mit dem soziologischen Verständnis von Wohnen und Wohnung übereinstimmt. Bei soziologischer und sozialgeschichtlicher Betrachtung ist die Trennung der Bereiche der betrieblich organisierten Erwerbsarbeit und des Wohnens eine der wesentlichen Eigenschaften des modernen Wohnens. Wohnen und betrieblich organisiertes Arbeiten bilden Gegensatzpaare. Dem Charakter des Art. 13 GG als Abwehrrecht gegen den Staat zum Schutz der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung entsprechend ist der verfassungsrechtliche Begriff der Wohnung jedoch nur vom Bereich der staatlichen Öffentlichkeit abzugrenzen und nicht von der privatrechtlich gesteuerten Erwerbsarbeit.89

4. Geschützter Personenkreis Subjekt des Privatsphärenschutzes ist in der Regel nur der unmittelbare, berechtigte Besitzer, der auch als berechtigter Inhaber bezeichnet wird.90 Der Besitzdiener (§ 855 BGB) soll sich ebenfalls auf Art. 13 Abs. 1 GG berufen können, sofern ihm gegenüber dem Besitzherrn ein Mindestmaß an tatsächlicher DispositionsVgl. im übrigen oben, 1. c). A.A. wohl Rohlf, S. 155. 88 Vgl. oben 1. c) bb). A.A.: Amelung, Grundrechtstheoretische Aspekte, S. 321 ff. 89 vgl. oben, 1 c) bb). 90 MD-Papier, Art. 13, RN 12; Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 3; Gornig, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 29; BK-Herdegen, Art. 13, RN 36 , Schmitt Glaeser in HbStR, § 129, RN 53. 86 87

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

macht zusteht, welches ihm erlaubt, die Räumlichkeiten einer privaten Nutzung durch sich selbst zu widmen.91 Letzteres ist im Hinblick auf Sinn und Zweck des Schutzes der räumlichen Privatsphäre stets erforderlich, weshalb der nur mittelbare Besitzer sich nicht auf Art. 13 GG berufen kann. Aus welchem Rechtsgrund die Berechtigung folgt, ist gleichgültig. Lediglich die Begründung der Inhaberschaft zum Zweck der privaten Nutzung muß berechtigt gewesen sein. Fällt die Berechtigung zu einem späteren Zeitpunkt weg, kann sich der Inhaber auch danach noch auf Art. 13 GG berufen.92 Dem Hausbesetzer wird der Schutz des Art. 13 GG mithin nicht zugestanden, dem gekündigten Mieter dagegen schon.93 Bei Geschäftsräumen ist allein der sogenannte Geschäftsherr Berechtigter.94 Dies gilt auch für juristische Personen, die Inhaber von Wohnungen und Geschäftsräumen sein können.95 Der Schutz der räumlichen Privatsphäre zielt dabei letztlich auf die in der Personengesamtheit zusammengefaßten Einzelpersonen. Vereinshäuser, Clubräume usw. können daher auch Wohnung im Sinne des Art. 13 GG sein.96

5. Die von Art. 13 GG ausgefüllten Grundrechtsfunktionen Aus Art. 13 Abs. 1 GG erwächst dem Berechtigten in erster Linie ein Abwehranspruch gegen Verletzungen der räumlichen Privatsphäre durch Träger hoheitlicher Gewalt. Zugleich ist die Gewährleistung der Wohnungsfreiheit, wie alle Grundrechte, Ausdruck einer objektiven Wertentscheidung.97 Daraus leiten sich vor allem zwei Postulate ab: Zum einen muß der Achtung der räumlichen Privatsphäre bei der Auslegung, Anwendung und Ausgestaltung des einfachen Rechts angemessenes Gewicht zukommen.98 Zum anderen können konkrete staatliche Schutzpflichten zugunsten der räumlichen Privatsphäre entstehen, die auf der Ebene der Gesetzgebung und der vollziehenden Gewalt zu beachten sind.99 Der Gesetzgeber soll diese Schutzpflicht insbesondere auch durch § 123 StGB wahrgenommen haBK-Herdegen, Art. 13, RN 36. Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 3; MD-Papier, Art. 13, RN 12.; Gornig, in v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 33 f.; BK-Herdegen, Art. 13, RN 38, Schmitt Glaeser in HbStR, § 129, RN 53. 93 A.A. AK-Berkemann, Art. 13, RN 52; Kunig, in v. Münch / Kunig, Art. 13, RN 14 und ähnlich Werwigk, NJW 1983, 2366, 2367, die der Ansicht sind, Hausbesetzer könnten in die Grundrechtsträgerschaft „hineinwachsen“. 94 BK-Herdegen, Art. 13, RN 37 , Schmitt Glaeser in HbStR, § 129, RN 53. 95 Gornig, in v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 37. 96 MD-Papier, Art. 13, RN 17. Für eine insoweit nach den Gesichtspunkten sozialer Anerkennung differenziernde Beurteilung der Grundrechtsträgerschaft: AK-Berkemann, Art. 13, RN 48. 97 BVerfG E 18, 121, 132. 98 BK-Herdegen, Art. 13, RN 10; Pieroth / Schlink (2000), RN 76. 99 Hermes, in Dreier, Art. 13, RN 55; v.Münch-Kunig, Art. 13, RN 3; BK-Herdegen, Art. 13, RN 10. 91 92

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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ben.100 Eine verfassungsrechtliche Pönalisierungspflicht dürfte insoweit allerdings nicht bestehen. Ob der Gesetzgeber die räumliche Privatsphäre durch Inkriminierung des Hausfriedensbruchs oder ausschließlich mit den Mitteln des Privatrechts schützen will, obliegt vielmehr seiner Einschätzungsprärogative. Pönalisierungspflichten bestehen grundsätzlich nur in einem relativ engen Kernbereich von Grundwerten, zu denen ausschließlich verfassungsrechtliche Höchstwerte wie beispielsweise das Leben zählen.101 Art. 13 GG enthält jedoch keine Garantie eines „Instituts“ Wohnung.102 Der Bestand von Wohnungen oder zivilrechtlichen Rechtsverhältnissen, die ein Besitzrecht an einer bestimmten Wohnung beinhalten, wird durch das Recht auf räumliche Privatheit nicht gewährleistet.103 Art. 13 Abs. 1 GG setzt das Vorhandensein von Wohnraum als physische Grundlage für die Entfaltung räumlicher Privatsphäre voraus. Wie aus den (meisten) anderen Freiheitsgrundrechten läßt sich auch aus Art. 13 Abs. 1 GG kein Leistungsanspruch gegen die öffentliche Hand entnehmen. Ein Recht auf Wohnung, in Form einer staatlichen Verpflichtung, den einzelnen im Rahmen der Daseinsvorsorge – etwa durch Bereitstellung kostenlosen Wohnraums – in die Lage zu versetzen, von dem gewährleisteten Freiheitsrecht auch tatsächlich Gebrauch machen zu können, besteht aufgrund von Art. 13 GG nicht.104 Art. 13 GG kommt weiterhin mittelbare Drittwirkung bei wertausfüllungsbedürftigen Normen und Rechtsbegriffen des Privatrechts zu.105 Die objektive Wertentscheidung zum Schutz der räumlichen Privatsphäre kann sich über die zivilrechtlichen Generalklauseln auch auf die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten auswirken. So gelten z.B. mietvertragliche Klauseln, die dem Vermieter ein unbeschränktes Betretungsrecht zubilligen, wegen der drohenden Verletzung der räumlichen Privatsphäre als sittenwidrig und sind gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig.106 Da Art. 13 Abs. 1 GG selbstverständlich auch drittwirkend keinen Bestandsschutz gewährleistet,107 kann sich der Mieter zum Schutz gegen Kündigungen nicht auf 100 BK-Herdegen, Art. 13 RN 10 nennt als weitere Beispiele für die Wahrnehmung staatlicher Schutzpflichten aus Art. 13 GG zivil- und öffentlich-rechtliche Abwehr- und Schadensersatzansprüche, wie §§ 854 ff., 823 BGB und den öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch. 101 Vgl. Götz, HBStR, § 79, RN 12. 102 Art. 13 GG enthält weder eine Institutsgarantie noch eine institutionelle Garantie, vgl. MD-Papier, Art. 13, RN 5; Hermes, in Dreier, Art. 13, RN 54; v.Münch-Kunig, Art. 13, RN 3 f.; a.A. wohl Kühne, in Sachs, Art. 13, RN 14. 103 BK-Herdegen, Art. 13, RN 12; MD-Papier, Art. 13, RN 5; Hermes in Dreier, Art. 13, RN 54. 104 MD-Papier, Art. 13, RN 6; Schmitt Glaeser HbStR, Bd. VI, § 129, RN 47. 105 BVerfG NJW 1993, 2035, 2037; BK-Herdegen, Art. 13, RN 13; MD-Papier, Art. 13, RN 9; Kühne, in Sachs. Art. 13, RN 16; Hermes, in Dreier, Art. 13, RN 56. 106 BVerfG NJW 1993, 2035, 2037. 107 MD-Papier, Art. 13, RN 9.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

die Unverletzlichkeit der Wohnung berufen.108 Aus diesem Grund dürfte es argumentativ auch kaum möglich sein, Art. 13 Abs. 1 GG zur verfassungsrechtlichen Grundlage der Bestandsschutznormen des sozialen Mietrechts zu machen.

6. Beschränkungen Ausmaß und Bedeutung des durch Art. 13 GG gewährten Schutzes der räumlichen Privatsphäre würden nur unvollständig beschrieben, wenn man neben der Betrachtung des Schutzbereichs und des verfassungsrechtlichen Wohnungsbegriffs nicht auch untersuchte, welchen Beschränkungen der grundrechtliche Schutz der räumlichen Privatsphäre unterworfen ist. Denn darin zeigt sich die praktische Wirksamkeit und Intensität des grundrechtlichen Schutzes der räumlichen Privatsphäre.

a) Bedeutsame Eingriffe Die Formel von der Unverletzlichkeit der Wohnung deutet zunächst auf einen schlechthin umfassenden Schutz der räumlichen Privatsphäre vor jedem denkbaren staatlichen Eingriff hin. Diese der Verfassungsgeschichte geschuldete Formulierung bedeutet jedoch nur, daß die räumliche Privatsphäre nicht rechtswidrig verletzt werden darf. Der Schutz vor Eingriffen wird lediglich vorbehaltlich besonderer verfassungsrechtlicher Eingriffsermächtigungen, qualifizierter Gesetzesvorbehalte, garantiert, vgl. Art. 13 Abs. 2 bis 5 und 7 GG. Den staatlichen Organen ist grundsätzlich jede Verletzung der räumlichen Privatsphäre untersagt.109 Eine solche liegt immer im Betreten der Wohnung durch Vertreter staatlicher Stellen gegen den Willen des Berechtigten, gleich ob zur Durchsuchung oder zu anderen Zwecken.110 Denn hierdurch wird die kraft Art. 13 GG geschützte Herrschaftsmacht über die Wohnung verletzt, die in ihr für den Berechtigten bestehende gesteigerte Verhaltensfreiheit eingeschränkt und die Geheimnissphäre zwangsläufig offenbart. Auch das Verweilen solcher Personen in der geschützten Sphäre gegen den Willen des Berechtigten greift daher in Art. 13 GG ein.111 Wie Art. 13 Abs. 3 bis 5 GG seit der politisch äußerst umstrittenen Grundgesetzänderung von 1998 unzweifelhaft entnommen werden kann, stellt auch die Überwachung der Wohnung mit technischen Mitteln von außen – ohne körperliches Eindringen – einen Eingriff in die räumliche Privatsphäre dar.112 HierAnderes gilt für die Zwangsräumung. Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 4. 110 BVerfG E 65, 1, 40; BK-Herdegen, Art. 13, RN 42; Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 4. 111 BVerfG E 76, 83, 89 f.; BVerfG E 89, 1, 12. 112 Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 5; MD-Papier, Art. 13, RN 47; für Art. 13 GG a.F.: Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 54; BK-Herdegen, Art. 13, RN 42. 108 109

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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durch wird das Vertrauen des Berechtigten auf die Abwesenheit staatlicher Kenntnisnahmemittel und damit seine subjektive Verhaltensfreiheit eklatant verletzt. Manche fordern zudem, die gezielte Beobachtung des Wohnungsumfeldes von außen, durch welche Informationen über das Geschehen im Inneren der Wohnung selbst gewonnen werden könnte, als einen Eingriff in Art. 13 GG zu verstehen. Art. 13 GG gewähre nämlich Informationenschutz, genauer: Den Schutz des Interesses an der Geheimhaltung von Informationen.113 Diese Ansicht dehnt den Schutzbereich jedoch in unzulässiger Weise über die räumliche Formalisierung hinaus aus. Die außerhalb der Wohnung platzgreifenden Vorgänge finden eben nicht in der räumlich abgeschirmten, ausschließlich der privaten Entfaltung gewidmeten Sphäre statt. Sie sind vielmehr in der Sphäre des Öffentlichen lokalisiert und für jedermann sichtbar.114 Die Wohnung selbst bleibt als Geheimnisschutzsphäre grundsätzlich solange erhalten, wie die Beobachtung – etwa durch Zuhilfenahme technischer Mittel – nicht auf das Innere der Wohnung ausgedehnt wird. Gleichwohl soll nicht ausgeschlossen werden, daß Extremfälle denkbar sind, in denen der Schutzbereich des Art. 13 GG durch die gezielte Beobachtung des Wohnumfeldes von außen tangiert sein könnte. Wird dem Inhaber der Wohnung die zur Begründung einer räumlichen Privatsphäre erforderliche Verfügungsmacht und die Nutzungsmöglichkeit entzogen, wie es z.B. bei Räumungsverfügungen wegen Brand-, Einsturz-, oder Seuchengefahr, der Enteignung von Wohnungseigentum, der Kündigung des Vermieters (Drittwirkung) oder der Beschlagnahme der Fall ist, so stellt dies ebenfalls keinen Eingriff in die räumliche Privatsphäre dar.115 Denn wie bereits ausgeführt, setzt Art. 13 GG das Vorhandensein eines Bereichs, der kraft Dispositionsmacht seines Inhabers zur räumlichen Privatsphäre gemacht werden kann, gerade voraus. Er schützt daher nur das „räumliche Ergebnis“ der Disposition und nicht den Bestand ihrer materiellen Voraussetzungen.116 Bei derartigen, „substantiellen“ Eingriffen ist überdies zumeist Art. 14 GG als lex specialis vorrangig einschlägig.117 Liegt ein Eingriff in die räumliche Privatsphäre vor, so ist er nur zulässig, wenn es sich dabei um eine Durchsuchung, eine heimliche Wohnraumüberwachung mit technischen Mitteln oder einen sonstigen Eingriff im Sinne von Art. 13 Abs. 7 GG handelt und die je nach Eingriffsart unterschiedlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 bis 5 und 7 GG gegeben sind. Schmitt Glaeser, HbStR, § 129, RN 54. Ähnlich Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 5. 115 Gornig, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 43; BK-Herdegen, Art. 13, RN 43; Ruthig, JuS 1998, 508; Pieroth / Schlink (1995), RN 946; a.A. AK-Berkemann, Art. 13, RN 63. 116 Ruthig, JuS 1998, 509. Diese Argumentation ist insbesondere dann konsequent, wenn man mit der herrschenden Meinung die Ansicht vertritt, daß Art. 13 GG weder eine instiutionelle Garantie noch eine Institutsgarantie enthält, vgl. oben 5. 117 Pieroth / Schlink (1995), RN 946. 113 114

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

b) Durchsuchungen Die Durchsuchung von Wohnungen zur Aufklärung von Straftaten war, ausgehend von entsprechenden Rechtsinstituten der Antike und des Mittelalters, schon in vorkonstitutioneller Zeit nur unter bestimmten, die Befugnisse der Obrigkeit einschränkenden Voraussetzungen zulässig. Dieser Tradition folgend trägt auch das Grundgesetz der immer noch besonderen Bedeutung des Eingriffs der Durchsuchung durch eine spezielle Schrankenregelung Rechnung. Die Durchsuchung einer Wohnung dient dem Aufspüren von etwas, was der Inhaber der Wohnung nicht freiwillig offenlegen oder herausgeben will. Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG wird daher definiert als das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts.118 Ein körperliches Betreten der geschützten Räume ist hierbei ebenso unerläßlich, wie die offene Vorgehensweise der staatlichen Stellen.119 Mit der Durchsuchung können sich die staatlichen Organe totalen Einblick selbst in die „geheimsten Winkel der Wohnung“ verschaffen.120 Ihrer Wahrnehmung bleibt auch der Bereich nicht entzogen, der ausgewählten Besuchern, denen der Zutritt gestattet wurde, in der Regel verschlossen bleibt oder der sogar mit der absolut geschützten Intimsphäre identisch ist.121 Damit werden sämtliche Funktionen und Eigenschaften der räumlichen Privatsphäre beeinträchtigt. Die Durchsuchung stellt daher einen Eingriff in die räumliche Privatsphäre dar, der zumindest die sonstigen Eingriffe und Beschränkungen in Art. 13 Abs. Abs. 7 GG an Intensität deutlich übersteigt.122 Der Begriff der Durchsuchung darf keineswegs auf den Bereich des Strafprozeßrechts beschränkt werden. So fällt insbesondere die Wohnungsdurchsuchung zum Zwecke der Zwangsvollstreckung gem. § 758 ZPO ebenfalls unter Art. 13 Abs. 2 GG.123 Aus dem Normtext dieser Vorschrift geht hervor, daß für Durchsuchungen ein präventiver Richtervorbehalt und ein ausdrücklicher Gesetzesvorbehalt gilt.124 D.h., Durchsuchungen müssen durch eine (einfach)gesetzliche Ermächtigung im Einzelfall zugelassen sein. Auf der Grundlage dieser Ermächtigung muß ferner eine richterliche Anordnung ergangen sein. Die Durchsuchungs118 BVerfG E 32, 54, 73; BVerfG E 51, 97, 106 f.; BVerfG E 75, 318, 327; BVerfG E 76, 83, 89; Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 9; MD-Papier, Art. 13, RN 22 f.; BK-Herdegen, Art. 13, RN 50; verkürzt: Kühne, in Sachs, Art. 13, RN 27: „Zweckgerichtetes Suchen nach etwas Verborgenem“. 119 Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 9; MD-Papier, Art. 13, RN 22 f. 120 BVerfG NJW 1979, 1539; De Lazzer / Rohlf, JZ 1977, 207, 210. 121 BVerfG E 47, 31, 37. 122 Vgl. BVerwG E 28, 285, 287; BVerwG E 47, 31, 35 ff.; ähnlich: BVerfG NJW 2001, 1121, 1222; Gornig, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 60. 123 BVerfG E 51, 97 ff. Weitere gesetzliche Ermächtigungen zur Durchsuchung von Wohnungen finden sich in §§ 102, 103 und 104 StPO, §§ 45, 46 Bundesgrenzschutzgesetz, § 31 Abs. 2 bis 5 PolG Baden-Württemberg, § 6 LVwVG Baden-Württemberg. 124 MD-Papier, Art. 13, RN 21; Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 10 f.; Kühne, in Sachs, Art. 13, RN 31.

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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maßnahme muß durch die richterliche Anordnung dergestalt eingegrenzt und konkretisiert werden, daß der durch sie verursachte Grundrechtseingriff meßbar und kontrollierbar bleibt.125 Bei Gefahr im Verzug, die gegeben ist, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die durch die Anrufung des Richters entstehende Verzögerung den Zweck der Durchsuchung vereiteln würde,126 kann die Durchsuchung ausnahmsweise auch durch eine Behörde verfügt werden. Dies darf keinesfalls dazu führen, daß das Erfordernis der richterlichen Anordnung leerläuft, weshalb der Begriff „Gefahr im Verzug“ eng auszulegen ist.127 Die antizipierte richterliche Entscheidung über die Durchsuchungsmaßnahme bezweckt nicht nur eine obligatorische Vorverlegung des Rechtsschutzes, der nach Abschluß der Maßnahme mangels fortbestehender Beschwer (Erledigung) eventuell nicht gewährt werden kann. Die mit der Durchsuchung verbundenen schweren und irreversiblen Eingriffe in die räumliche Privatsphäre sollen durch die Kontrolle einer unabhängigen und neutralen Instanz vor allem auch auf das allein Notwendige beschränkt werden. Somit trägt der sog. präventive Richtervorbehalt primär zur Verstärkung und Sicherung des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG bei.128

c) Heimliche Überwachung mit technischen Mitteln; Lausch- und Späheingriffe aa) Die Regelungen in Art. 13 Abs. 3 bis 6 GG Die am 26. 03. 1998 durch das Gesetz zur Änderung des Art. 13 GG neu eingefügten Absätze 3 bis 6 des Art. 13 GG gestatten es den Trägern öffentlicher Gewalt, die durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützte Zone auch zu Zwecken der Strafverfolgung mit Hilfe technischer Mittel akustisch zu überwachen („großer Lauschangriff“129). Durch diese Eingriffsart wird die physische Abschirmung der räumlichen Privatsphäre allein mit Hilfe technischer Mittel und ohne vorherige Benachrichtigung – mithin vom Grundrechtsträger unbemerkt – überwun-

125 BVerfG NJW 2001, 1121, 1122. In dieser Entscheidung werden die Anforderungen an eine richterliche Durchsuchungsanordnung nochmals konkretisiert und ihre erhebliche Bedeutung nachdrücklich bekräftigt. Ähnlich: Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 10 f.; MD-Papier, Art. 13, RN 25 ff. 126 Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 12. 127 BVerfG NJW 2001, 1121, 1122. 128 BVerfG NJW 2001, 1121, 1122; BVerfG E 51, 97, 107; Rohlf, S. 158. 129 Zum Streit um die Angemessenheit dieses Begriffs vgl. Denninger, StV 1998, 401: Die Verwendung des Begriffs „Lauschen“ bringe die Heimlichkeit des Vorgehens in der wegen der erheblichen verfassungsrechtlichen Relevanz des Eingriffs wünschenswerten Deutlichkeit zum Ausdruck. Es als Angriff zu bezeichnen sei ebenfalls gerechtfertigt, weil die staatlichen Organe aktiv und offensiv in Wohnung und Privatsphäre eines Bürgers eindringen. A.A. etwa: Schelter, ZRP 1994, 52.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

den.130 Besonderes Merkmal dieses Eingriffs ist – im Unterschied zur Durchsuchung – seine Heimlichkeit. Wie die Durchsuchung bedürfen alle Maßnahmen zur akustischen Wohnraumüberwachung einer gesetzlichen Spezialermächtigung und in der Regel einer antizipierten richterlichen Anordnung. (1) Technische Wohnraumüberwachung zu repressiven Zwecken Art. 13 Abs. 3 GG stellt die Voraussetzungen auf, unter denen die akustische Wohnraumüberwachung zum Zweck der Strafverfolgung zulässig ist:131 In materieller Hinsicht sind konkrete Umstände erforderlich, die den hinreichenden Verdacht einer besonders schweren Straftat begründen. Weiterhin müssen von der Überwachung verwertbare, den Verdacht klärende Ergebnisse zu erwarten sein. Andere Formen der Sachverhaltserforschung müssen aussichtslos oder unverhältnismäßig schwierig erscheinen. Die Maßnahme ist zeitlich zu befristen und muß im engeren Sinne verhältnismäßig sein. Die richterliche Anordnung muß im Regelfall durch ein mit drei Richtern besetztes Gremium ergehen. Anders als bei Durchsuchungen ist auch bei Gefahr im Verzug eine rein verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht ausreichend. Im Interesse effektiven Grundrechtsschutzes ist dem Betroffenen zudem aus Art. 13 Abs. 1 GG selbst ein Anspruch darauf zuzubilligen, von der eingreifenden Maßnahme unaufgefordert informiert zu werden.132 Die nachträgliche Kenntnisgabe ist überdies zur Kompensation der aufgrund der Heimlichkeit unterbliebenen, vorherigen Anhörung dringend geboten.133 Dem wollte der Gesetzgeber einfachgesetzlich durch die in § 101 Abs. 1 StPO statuierte Mitteilungspflicht entsprechen. (2) Technische Wohnraumüberwachung zu präventiven Zwecken Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere für ein wichtiges Rechtsgut, läßt Art. 13 Abs. 4 GG nicht nur die akustische sondern auch die optische Überwachung der räumlichen Privatsphäre zu.134 Die aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip abgeleiteten, weiteren Voraussetzungen führen zu einer nicht ganz so hohen Zulässigkeitsschwelle wie bei der akustischen Überwachung zu repressiven Zwecken. So müssen von der Überwachung Erkenntnisse zu erwarten sein, die es ermöglichen, Maßnahmen zur Vermeidung einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, also für ein wichtiges Rechtsgut, zu tref130 MD-Papier, Art. 13, RN 65; Kühne, in Sachs, Art. 13, RN 39; Denninger, StV 1998, 401 ff. 131 Die erforderlichen Änderungen und Ergänzungen in der Strafprozeßordnung erfolgten im wesentlichen durch die Anfügung von § 100c Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Sätze 4 und 5 StPO im Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität. 132 Vgl. BVerfG E 100, 313, 361 zu Art. 10 GG. 133 Vgl. unten (3). und MD-Papier, Art. 13, RN 85 ff. 134 Vgl. z.B. § 23 PolG Baden-Württemberg.

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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fen,135 und es muß die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne beachtet werden. D. h. es darf kein milderes Mittel zur Abwehr der Gefahr zur Verfügung stehen.136 Bei Gefahr im Verzuge ist hier eine verwaltungsbehördliche Anordnung ausreichend. Bereits bevor der neue Abs. 4 in Art. 13 GG eingefügt wurde, sah man die präventive Wohnraumüberwachung mit technischen Mitteln durch Art. 13 Abs. 3 GG a.F. (Abs. 7 n.F.) als gerechtfertigt an.137 Im Vergleich hierzu stellt Abs. 4 n.F. bei Betrachtung des Wortlauts nun in zweierlei Hinsicht verschärfte Voraussetzungen auf. So darf die Überwachungsmaßnahme jetzt nur noch zur Abwehr (d. h. bei Vorliegen konkreter Gefahren im Sinne des Polizeirechts138) und nicht mehr auch zur Verhütung (d. h. schon bei Vorliegen abstrakter Gefahren im Sinne des Polizeirechts139) dringender Gefahren eingesetzt werden. Ferner müssen diese nunmehr für die öffentliche Sicherheit bestehen. Dringende Gefahren für die öffentliche Ordnung reichen anders als nach dem Wortlaut des Art. 13 Abs. 3 GG a.F. nicht aus. Dies bedeutet jedoch keine materielle Verbesserung des grundrechtlichen Schutzes der räumlichen Privatsphäre:140 Zum einen kommt dem verfassungskonform verstandenen Begriff der öffentlichen Ordnung neben dem der öffentlichen Sicherheit nach richtiger Ansicht ohnehin kaum ein eigener Anwendungsbereich zu;141 zumindest wäre ein zur öffentlichen Ordnung gehöriges Schutzgut, welches ausreichend gewichtig ist, um „dringend“ im Sinne von Art. 13 Abs. 3 GG a.F. gefährdet zu sein, kaum denkbar.142 Zum anderen wäre eine präventive Überwachungsmaßnahme auch auf der Grundlage des Art. 13 Abs. 3 GG a.F. nur bei Vorliegen einer zumindest konkreten Gefahr im Sinne des Polizeirechts verhältnismäßig gewesen.143 (3) Technische Wohnraumüberwachung zum Schutz von in Wohnungen eingesetzten Personen Art. 13 Abs. 5 GG erlaubt in Ausnahmefällen die technische Überwachung der räumlichen Privatsphäre zum Schutz der Integrität von Personen, die staatlicherseits in rechtmäßiger Weise in Wohnungen eingesetzt werden.144 Dies betrifft insbesondere verdeckte Ermittler und V-Leute.145 Zu diesem Zweck kann die Über135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145

Kühne, in Sachs, Art. 13, RN 46; Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 21. Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 21. Vgl. nur MD-Papier, Art. 13 GG, RN 89. Vgl. Gornig, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 125 f. MD-Papier, Art. 13, RN 93. MD-Papier, Art. 13, RN 91 ff. MD-Papier, Art. 13, RN 90 f. MD-Papier, Art. 13, RN 92; BK-Herdegen, Art. 13, RN 76. MD-Papier, Art. 13, RN 93; Hermes, in Dreier, Art. 13, RN 51. MD-Papier, Art. 13, RN 111; Kühne, in Sachs, Art. 13, RN 47. Vgl. MD-Papier, Art. 13, RN 111.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

wachung von jeder gesetzlich bestimmten Stelle angeordnet werden. Wegen der Beschränkung der Überwachungsmaßnahmen auf die Anwesenheitsphasen des verdeckten Ermittlers wurde für diese „nothilfeähnlichen“ Fälle auf die obligatorische antizipierte Richterkontrolle verzichtet.146 Um die hierbei erlangten Erkenntnisse zu Zwecken der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung verwerten zu können, muß die Rechtmäßigkeit des Einsatzes der Person und die Rechtmäßigkeit der Überwachungsmaßnahme allerdings gerichtlich bestätigt werden. bb) Zur Verfassungsmäßigkeit der Grundgesetzänderung von 1998 Vor der Grundgesetzänderung von 1998 wurde überlegt, ob die Wohnraumüberwachung mit akustischen und / oder optischen Mitteln nicht durch die Grundrechtsschranken des Art. 13 Abs. 3 GG a.F. gerechtfertigt sei. Die überwiegende Auffassung im Schrifttum hielt dies bei Überwachungsmaßnahmen zum Zwecke der Gefahrenabwehr – Abs. 3 a.F. setzte wie der identische Abs. 7 n.F. das Vorliegen einer gemeinen Gefahr oder einer konkreten Lebensgefahr für einzelne Personen voraus – unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots für möglich.147 Die akustische Wohnraumüberwachung zu Zwecken der Strafverfolgung konnte jedoch nach ganz überwiegender Auffassung weder durch Art. 13 Abs. 3 a.F. GG noch gar durch Art. 13 Abs. 2 GG gerechtfertigt werden.148 Dies scheiterte schon am Wortlaut dieser Schrankenbestimmungen, da die heimliche Ausforschung der räumlichen Privatsphäre schon begrifflich keine Durchsuchung ist und Art. 13 Abs. 3 GG a.F. sonstige Eingriffe und Beschränkungen nur zu präventiven Zwecken zuließ. Nach der Grundgesetzänderung von 1998, die mit der Neufassung des Abs. 3 insbesondere die Zulässigkeit der repressiven Wohnraumüberwachung herbeiführen sollte,149 verlagerte sich die verfassungsrechtliche Debatte vor allem auf die Frage nach der Zulässigkeit dieses Aspekts der Grundgesetzänderung. Der gewichtigste Einwand lautet, die Verfassungsänderung scheitere an Art. 79 Abs. 3 GG, weil Art. 13 Abs. 3 GG n.F. gegen den Menschenwürdegehalt des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung verstoße. Die akustische Überwachung des Wohnraums öffne dem Staat den innersten, nach der Rechtsprechung des BVerfG absolut geschützten Raum privater Existenz (Intimsphäre).150 Der einzelne verlöre durch die akustische Wohnraumüberwachung sein letztes räumliches Freiheitsrefugium, weshalb die freie Entfaltung der Persönlichkeit als wesentliche Zielfunktion des Schutzes der räumlichen Privatsphäre in den überKühne, in Sachs, Art. 13, RN 47. BK-Herdegen, Art. 13, RN 83. 148 BK-Herdegen, Art. 13, RN 86; Hermes, in Dreier, Art. 13, RN 52; Gornig, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Art. 13, RN 91. 149 Zur Entstehungsgeschichte vgl. MD-Papier, Art. 13, RN 47 – 56. 150 Hassemer, StV 1993, 664, 666; Eisenberg, NJW 1993, 1033, 1039. 146 147

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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wachten Räumen überhaupt nicht mehr möglich sei.151 Der einzelne werde im Interesse der Erhaltung einer funktionstüchtigen Strafverfolgung zum Objekt staatlichen Handelns gemacht, was auch im konkreten Überwachungsfall regelmäßig zu einer Verletzung der Menschenwürde führe.152 Weiterhin wurde gegen die Zulässigkeit der Verfassungsänderung eingewandt, die mit jeder Abhörmaßnahme verbundene, tiefgreifende Verletzung der Privatsphäre sei irreversibel.153 Dies deute darauf hin, daß die Verfassungsänderung den Wesensgehalt des Art. 13 Abs. 1 GG verletze und daher gegen Art. 19 Abs. 2 GG verstoße.154 Dieser Verstoß sei gegeben, weil zur Rechtfertigung des tiefgreifenden Eingriffs allein die Belange einer funktionsfähigen Strafrechtspflege herangezogen werden könnten. Diesem Rechtsgut, welches streng genommen lediglich „Mittel zum Rechtsgüterschutz“ sei, komme aber ein wesentlich geringerer verfassungsrechtlicher Rang zu als grundrechtlich abgesicherten Rechtsgütern mit „Verfassungshöchstwert“.155 Für zulässig wird die akustische Überwachung von Wohnräumen von den Vertretern dieser Auffassung regelmäßig nur dann erachtet, wenn sie zum Schutze von Rechtsgütern erfolgt, die mit der räumlichen Privatsphäre wenigstens auf gleicher verfassungsrechtlicher Rangstufe stehen, weil sich in ihnen ebenfalls der Menschenwürdeschutz (Art. 1 Abs. 1 GG) konkretisiert.156 Technische Überwachungsmaßnahmen kämen danach also nur in extremen Notsituationen zur Abwehr konkreter Leibesoder Lebensgefahren in Frage. Die Befürworter der Verfassungsänderung argumentierten zunächst nur mit der schlichten Notwendigkeit der repressiven akustischen Wohnraumüberwachung als Instrument im Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Ohne sie könne der Rechtsstaat dieser Gefahr bald keine wirksamen Mittel mehr entgegensetzen.157 Im Übrigen werde die Menschenwürde durch die Verfassungsänderung gar nicht berührt. Der Mißbrauch der räumlichen Privatsphäre für extrem sozialschädliche Handlungen, wie sie im Rahmen der organisierten Kriminalität massenhaft begangen würden, mindere die Schutzbedürftigkeit, so daß die heimliche akustische Überwachung der hierzu mißbrauchten Wohnungen nicht mehr als Verletzung der Menschenwürde angesehen werden könne.158 Dieses Argument beruht jedoch auf einer Verkennung grundlegender verfassungsrechtlicher und strafprozessualer 151 Eisenberg, NJW 1993, 1033, 1039; De Lazzer / Rohlf, NJW 1977, 207, 211; ähnlich: Lammer, S. 109. 152 De Lazzer / Rohlf, NJW 1977, 207, 211; Eisenberg, NJW 1993, 1033, 1039. 153 Leutheusser-Schnarrenberger, ZRP 1998, 87, 88. 154 Leutheusser-Schnarrenberger, ZRP 1998, 87, 88 f.; Momsen, ZRP 1998, 459. 155 Wie z.B. dem Lebensschutz und der Schutz der körperlichen Integrität, vgl. Leutheusser-Schnarrenberger, ZRP 1998, 87, 88 f. 156 Guttenberg, NJW 1993, 567, 572, 576; ähnlich: Kühne, in Sachs, Art. 13, RN 39; Momsen, ZRP 1998, 459; Leutheusser-Schnarrenberger, ZRP 1998, 87. 157 Lorenz GA 1997, 51, 54 f.; Gornig, in v.Mangoldt / Klein / Starck, GG (1999), Art. 13, RN 94. 158 Hetzer, ZFIS 1999, 131, 144; Schwabe, JZ 1993, 867, 874.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

Prinzipien und ist daher von vornherein unhaltbar: Grundrechte, vor allem die Unantastbarkeit der Menschenwürde, müssen gerade auch sogenannten „Rechtsbrechern“ zugestanden werden.159 Die Aberkennung des Grundrechts auf Achtung der Menschenwürde wird durch Art. 1 Abs. 3 GG eindeutig verboten. Es wird daher im Katalog der verwirkbaren Grundrechte (Art. 18 Satz 1 GG) auch nicht aufgeführt. Selbst wenn die Verwirkung des Menschenwürdegehalts von Art. 13 Abs. 1 GG möglich wäre, müßte diese vom BVerfG festgestellt werden, Art. 18 Satz 2 GG. Ferner muß der zu Überwachende zu Beginn der Überwachung noch als rechtstreu gelten, jedenfalls darf die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen strafrechtliche Normen – das eventuelle Ergebnis des Ermittlungsverfahrens – nicht bereits im Ermittlungsverfahren selbst vorweggenommen werden. Dies folgt nicht zuletzt aus der in Art. 6 Abs. 2 EMRK niedergelegten Unschuldsvermutung.160 Ob es sich bei dem Verdächtigen überhaupt um einen Rechtsbrecher handelt, darf nur von dem zuständigen Strafgericht festgestellt werden (Grundsatz des gesetzlichen Richters, Art. 101 GG).161 Hierfür soll die akustische Wohnraumüberwachung aber ja gerade erst die erforderlichen Beweise liefern. Überzeugender erscheinen dagegen die Argumente, mit denen die Verfassungsänderung im neueren Schrifttum für zulässig gehalten wird. Um die Auseinandersetzung auf ihren eigentlichen Kern zurückzuführen, wird von den Vertretern dieser Argumentationslinie zu recht klargestellt, daß es vorliegend darum geht, ob es sich bei Art. 13 Abs. 3 GG n.F. um verfassungswidriges Verfassungsrecht handelt. Dies ist allein am Maßstab des Art. 79 Abs. 3 GG zu messen, der eine Änderung des Grundgesetzes für unzulässig erklärt, wenn sie gegen die in den Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze verstößt.162 Die Wesensgehaltsgarantie in Art. 19 Abs. 2 GG bindet den verfassungsändernden Gesetzgeber dagegen nicht. Sie scheidet von vornherein als Maßstab zur Beurteilung von Verfassungsänderungen aus.163 Die Verfassungsänderung kann mithin nur verfassungswidrig sein, wenn sie den Menschenwürdegehalt der räumlichen Privatsphäre verletzt. Ein Verstoß gegen die Menschenwürde wäre nach der Rechtsprechung des BVerfG nur anzunehmen, wenn durch die akustische Wohnraumüberwachung zu Zwecken der Strafverfolgung der dem Menschen kraft seines Personseins zukommende Wert in der Form einer Behandlung als bloßes Objekt mißachtet würde.164 Eine solche Mißachtung Vgl. Denninger, StV 1998, 401, 403. Vgl. Stuckenberg, S. 418; Roxin, StrVR, § 11 II. 161 Vgl. Denninger, StV 1998, 401, 403. 162 Schliy, ZRP 1999, 129, 130; MD-Papier, Art. 13, RN 62. 163 Vgl. BVerfG E 94, 49, 85; Kirchhof, HbStR, Bd. I, § 19, RN 31 ff.; Lerche, HbStR, Bd. V, § 122, RN 30; MD-Papier, Art. 13, RN 61; Schily, ZRP 1999, 129, 130. Allerdings kann sich der gem. Art. 79 Abs. 3 GG unantastbare Menschenwürdegehalt eines Grundrechts mit seinem Wesensgehalt decken, vgl. Lerche, HbStR, Bd. V, § 122, RN 30. A.A. AK-Denninger, Art. 19 Abs. 2, RN 3. 164 BVerfG E 30, 1, 2 (6. Leitsatz) und 26; MD-Papier, Art. 13, RN 64; ähnlich im Sinne dieser „Subjektnegierungsformel“: Denninger, StV 1998, 401, 403. 159 160

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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könnte darin liegen, daß der Verdächtige oder dessen Kontaktpersonen aufgrund der Heimlichkeit der Überwachung zum unwissenden Objekt staatlicher Beobachtung werden. Die Verfassungsänderung vermeidet jedoch eine Mißachtung des dem Menschen kraft seines Personseins zustehenden Wertes, seiner „Subjektsqualität“. 165 Denn jeder Eingriff muß vor seiner Durchführung durch ein unabhängiges Richterkollegium angeordnet werden. Dem Betroffenen wird in § 101 Abs. 1 StPO darüber hinaus der verfassungsrechtlich gebotene Anspruch auf nachträgliche Benachrichtigung gewährt. Die Überwachungsmaßnahme wird damit einer antizipierten Kontrolle durch eine unabhängige Instanz unterworfen und die verfassungsrechtlich gebotene Benachrichtigung der überwachten Person wird in angemessener Zeit ermöglicht. Dies hat zur Folge, daß der Bürger „in seine Stellung als Rechtsperson und damit als Subjekt in das gegen ihn gerichtete Verfahren wieder eingesetzt“ wird.166 Einer menschenwürdeverletzenden Fehlgewichtung von Eingriffsgut und Schutzgut wird zudem dadurch vorgebeugt, daß die Überwachung mit technischen Mitteln nur zur Bekämpfung schwerster, in einem Katalog festzulegender Straftaten zulässig ist und auch sonst sehr hohe Anforderungen an ihre Zulässigkeit gestellt werden.167 Durch das Erfordernis eines begrenzten Katalogs besonders schwerer Straftaten, durch die Benachrichtigungspflicht sowie durch die verfassungsrechtlich ebenfalls gebotene, möglichst enge zeitliche Befristung der Maßnahme wird zudem sichergestellt, daß die heimlichen Eingriffe nicht grundsätzlich, sondern nur in streng begrenzten Ausnahmefällen zulässig sind. Der Betroffene kann sich daher nach wie vor auf die grundsätzlich gegebene Abwesenheit des Staates, auf die „Überschaubarkeit und Beherrschbarkeit“ seines räumlichen Bereiches verlassen“.168 Eine den Menschenwürdegehalt des Art. 13 Abs. 1 GG verletzende Totalentwertung der räumlichen Privatsphäre, von der auszugehen wäre, wenn der Berechtigte nicht mehr auf grundsätzliche Abwesenheit staatlicher Kenntnisnahmemittel vertrauen könnte, scheint bei strikter Einhaltung dieser Voraussetzungen somit weitgehend ausgeschlossen zu sein. Eine Preisgabe des in Art. 13 GG geschützten Menschenwürdegehalts ließe sich danach allenfalls auf der Grundlage der „reinen Objekt-Formel“ des Ersten Senats des BVerfG vertreten, wonach der Mensch unter keinen Umständen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht werden dürfe.169 Diese ist aber inzwischen sowohl vom BVerfG selbst als auch von der überwiegenden Mehrheit im Schrifttum zu recht als zu weit verworfen und zugunsten der oben verwendeten Formel aufgegeben worden.170 Die „reine ObjektFormel“ würde der grundsätzlich weiten Gestaltungsfreiheit des durch das Erfordernis einer 2/3-Mehrheit in besonderem Maße demokratisch legitimierten, verfas-

165 166 167 168 169 170

MD-Papier, Art. 13, RN 65. Denninger, StV 1998, 401, 405; ähnlich: MD-Papier, Art. 13, RN 65. MD-Papier, Art. 13, RN 65; Denninger, StV 1998, 401, 404. A.A.: Lammer, S. 109; De Lazzer / Rohlf, JZ 1977, 210 f. BVerfG E 9, 89, 95; BVerfG E 27, 1, 6. Vgl. BVerfG E 30, 1, 2 und 26.

8 Krumme

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

sungsändernden Gesetzgebers nicht gerecht.171 Vor diesem Hintergrund ist es m.E. auch nicht vertretbar, den Einsatz von nach Art. 13 Abs. 3 bis 5 GG zulässigen Maßnahmen auf Extremfälle und Notstandssituationen zu beschränken.172 Die anders lautende Entscheidung des demokratisch legitimierten verfassungsändernden Gesetzgebers ist vielmehr hinzunehmen. Trotz der Verfassungsmäßigkeit des Art. 13 Abs. 3 GG ist es natürlich nicht ausgeschlossen, daß eine technische Überwachungsmaßnahme im Einzelfall den in Art. 13 Abs. 1 GG verbürgten Menschenwürdegehalt verletzt und deshalb zu unterbleiben hat.173 Dies wäre der Fall, wenn die Überwachung in die als unantastbarer Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrecht absolut geschützte Sphäre privater Lebensgestaltung vordringen würde, die der öffentlichen Gewalt nach der Rechtsprechung des BVerfG schlechthin entzogen ist.174 Droht eine Verletzung dieses innersten Bezirks der Privatsphäre (der Intimsphäre175), den das BVerfG selbst bisher allerdings noch in keinem Fall als verletzt angesehen hat,176 so ist eine Abwägung anhand der vom Verhältnismäßigkeitsprinzip aufgestellten Grundsätze nämlich nicht möglich.177 Als Beispiel wäre hier das Abhören eines Gesprächs zwischen Eheleuten in der gemeinsamen Ehewohnung denkbar.178 In diesen Fällen müßte die Überwachung, wenn sie überhaupt angeordnet wurde, abgebrochen und die Beweismittel vernichtet werden. Hierfür hat der Gesetzgeber mit den Beweiserhebungs- und Verwertungsverboten in § 100d Abs. 3 StPO die entsprechenden einfachgesetzlichen Regelungen geschaffen.179 Die für die Verfassungsmäßigkeit der Grundgesetzänderung sprechenden Argumente lassen sich nach alledem kaum entkräften. Allerdings führen nur die dargestellten, engen Eingriffsbeschränkungen dazu, daß es nicht zu einer Preisgabe180 des in Art. 13 GG verkörperten Menschenwürdegehalts und damit zu einem Verstoß der Verfassungsänderung gegen Art. 79 Abs. 3 GG kommt. Unabdingbar und Ähnlich: Schily, ZRP 1999, 129, 132. A.A.: Hermes, in Dreier, Bd. I, Art. 13, RN 51 und Kühne, in Sachs, Art. 13, RN 39. 173 MD-Papier, Art. 13, RN 66 f.; weitergehend: Kühne, in Sachs, Art. 13, RN 39, der Einsätze technischer Mittel auf der Grundlage von Art. 13 Abs. 3 bis 5 GG grundsätzlich nur bei Extremfällen für zulässig hält. 174 Vgl. BVerfG E 27, 1, 6; BVerfG E 80, 367, 373; MD-Papier, Art. 13, RN 66. 175 Pieroth / Schlink (1995), RN 414; Rohlf, S. 87 f. 176 Rohlf, S. 87; vgl. insbesondere: BVerfG E 34, 238, 248 (heimliche Tonbandaufnahme einer geschäftlichen Unterredung) und BVerfG E 80, 367, 373 ff. (Verwertung intimer, tagebuchähnlicher Aufzeichnungen im Strafverfahren); des weiteren: BVerfG E 6, 389, 433; BVerfG E 31, 296, 299; BVerfG E 54, 143, 146. 177 BVerfG E 34, 238, 245; BVerfG E 80, 367, 373 ff. 178 So hat der BGH in BGHSt 31, 296, 299 f. die Erkenntnisse aus dem durch Zufall möglich gewordenen Abhören eines Gesprächs zwischen Eheleuten anläßlich eines Besuchstermins in der Untersuchungshaft für unverwertbar gehalten. 179 MD-Papier, Art. 13, RN 67, vgl. auch unten C. I. 1. b) cc). 180 BVerfG E 30, 1, 24. Verfassungsrechtliche Grundsätze dürfen aus evident sachgerechten Gründen modifiziert werden, vgl. BVerfG E 90, 121; BVerfG E 94, 12, 34. 171 172

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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durch die einfachgesetzlichen Konkretisierungsnormen zu gewährleisten sind daher: Die antizipierte richterliche Kontrolle der Abhörmaßnahme, die Aufstellung eines begrenzten Kataloges besonders schwerer Straftaten, eine möglichst enge zeitliche Befristung der Abhörmaßnahme und ein zeitnah durchsetzbarer Anspruch des Betroffenen auf Benachrichtigung. Die erheblichen verfassungspolitischen Bedenken gegen die akustische Wohnraumüberwachung zu Zwecken der Strafverfolgung bleiben gleichwohl bestehen.181 Die rechtspolitische Tendenz zur Einschränkung von Freiheitsgrundrechten, als deren bisherige Marksteine die Beschneidung des Fernmeldegeheimnisses durch den Erlaß des G 10 im Jahr 1968 und die radikale Einschränkung des Grundrechts auf politisches Asyl durch die Einführung des Art. 16a GG im Jahr 1993 angeführt sein sollen, hat in der Einführung des Art. 13 GG einen neuen Höhepunkt gefunden, der das „verfassungspolitische Ambiente“182 nicht unerheblich verändert hat. So fordert die innenpolitische Arbeitsgruppe der CDU / CSU-Bundestagsfraktion seit Sommer 2000 gar eine weitere Begrenzung der von den Abhörmaßnahmen gem. § 100d Abs. 3 StPO ausgenommenen Berufsgruppen und die Zulassung der optischen Überwachung von „Gangsterwohnungen“ zu Zwecken der Strafverfolgung,183 was nach dem Wortlaut des gerade neu gefaßten Art. 13 Abs. 3 GG eindeutig gegen geltendes Verfassungsrecht verstoßen würde. Die Ermöglichung erheblicher Eingriffe in die grundrechtlich geschützte räumliche Privatsphäre erweckt zudem zumindest den Anschein rechtspolitischer Widersprüchlichkeit, wenn der Gesetzgeber die durch das 6. StrRG ins Werk gesetzte, nicht unerhebliche Verschärfung der Strafbarkeit des Wohnungseinbruchsdiebstahls in § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB mit der besonderen Schutzbedürftigkeit der sich in der Wohnung entfaltenden Intimsphäre zu rechtfertigen sucht.184

d) Sonstige Eingriffe und Beschränkungen Sonstige Eingriffe und Beschränkungen im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG sind alle Beeinträchtigungen des Schutzbereichs der räumlichen Privatsphäre, die sich weder als Durchsuchungen185 noch als technische Überwachungen im Sinne der Abs. 3 bis 5 des Art. 13 GG darstellen.186 Unterschieden wird zwischen solchen 181 A.A.: MD-Papier, Art. 13, RN 68 ff., der die Verfassungsänderung für einen grundsätzlich gelungenen Kompromiß zwischen den Bedürfnissen der Verbrechensbekämpfung und der grundrechtlich geschützten Privatsphäre hält und vorwiegend an der „Detailfreudigkeit“ des neuen Verfassungstextes Anstoß nimmt. 182 Denninger, StV 1998, 401, 402. 183 Vorschläge der CDU / CSU-Bundestagsfraktion zur „Verschärfung des Kampfes gegen die Organisierte Kriminalität“, im Internet abrufbar unter der Adresse „www.cducsu.bundestag.de / innsich / ok.htm“. 184 BT-Drs. 13 / 7164, S. 43. 185 BK-Herdegen, Art. 13, RN 69.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

Eingriffen und Beschränkungen, die zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder der Lebensgefahr für eine einzelne Person (Art. 13 Abs. 7 Alt. 1. GG) und solchen zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Art. 13 Abs. 7 Alt. 2) erforderlich sind. Dringend ist eine Gefahr, wenn sie für ein wichtiges Rechtsgut besteht. Beispielhaft werden einige wichtige Rechtsgüter in Art. 13 Abs. 7 Alt. 2 GG aufgeführt.187 Eingriffe zur Verhütung dringender Gefahren sind nur zulässig, wenn sie aufgrund eines formellen Spezialgesetzes erfolgen. Die Ermächtigungsgrundlage kann dabei auch weiter gefaßt sein, wie dies z.B. bei den polizeirechtlichen Generalklauseln der Fall ist.188 Zur Abwehr von Gemeingefahren oder einer konkreten Lebensgefahr – also in konkreten Notstandssituationen – reicht dagegen jede andere Ermächtigung aus (Art. 13 Abs. 7 Alt. 2 GG). Wegen des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes kann die Exekutive aber auch in diesem Bereich nicht ganz ohne gesetzliche Grundlage tätig werden.189 Wie oben ausführlich erörtert, fallen auch Geschäfts- und Betriebsräume in den Schutzbereich von Art. 13 Abs. 1 GG. Sonstige Eingriffe und Beschränkungen in diese Räumlichkeiten dienen vornehmlich der Gewerbe- und Wettbewerbsaufsicht, der Umweltüberwachung oder der Steueraufsicht. Sie erfolgen in der Regel also nicht zur Verhütung von konkreten Gefahren für wichtige Rechtsgüter und sind daher durch Art. 13 Abs. 3 GG nicht gerechtfertigt.190 Aus rechtspolitischen Gründen sind gesetzliche Ermächtigungen zur Durchführung von Inspektionen in Geschäftsund Betriebsräumen jedoch unverzichtbar. Betriebs- und Geschäftsräume sind zudem weniger schutzwürdig als Wohnungen im engeren Sinne.191 Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht für die Ausübung dieser Betretungs- und Inspektionsrechte einen besonderen, von Art. 13 Abs. 7 GG abweichenden, richterrechtlichen Rechtfertigungsstandard entwickelt, der im wesentlichen eine Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips, insbesondere des Verhältnismäßigkeitsprinzips darstellt.192 II. Das Wohnungswesen in Art. 75 Abs. 1 Nr. 18 GG Das Grundgesetz verwendet den Begriff der Wohnung nicht nur zur Beschreibung eines grundrechtlichen Schutzbereichs. Er findet sich auch im objektiven 186 Jarass / Pieroth, Art. 13, Rn 26; MD-Papier, Art. 13, RN 141; Kühne, in Sachs, Art. 13, RN 50. 187 BK-Herdegen, Art. 13, RN 80; Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 29 , MD-Papier, Art. 13, RN 129. 188 BVerwG E 47, 31, 38; Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 27. 189 Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 27. Im Zweifel werden derartige Eingriffe wohl allein aufgrund der Regelung in Art. 13 Abs. 7 Alt. 1 GG zulässig sein. Sie wird häufig als „verfassungsunmittelbarer Vorbehalt“ verstanden, vgl. BK-Herdegen, Art. 13, RN 73 f.; Hermes, in Dreier, Art. 13, RN 43; MD-Papier, Art. 13, RN 121. 190 Vgl. § 139b Abs. 1 Satz 2 GewO, § 52 Abs. 2 BImSchG und § 41 Abs. 3 Nr. 2 LMBG. 191 Vgl. oben, I. 1. c) bb). 192 Vgl. BVerfG E 32, 54, 77; BK-Herdegen, Art. 13, RN 72.

B. Die Wohnung im Verfassungsrecht

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Recht der verfassungsrechtlichen Kompetenznormen. Art. 75 Abs. 1 Nr. 18 GG weist die Materie des Wohnungswesens der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes zu. Die Aufnahme des Bodenrechts und des Wohnungswesens in den Katalog der Sachgebiete, die der konkurrierenden Gesetzgebung unterfallen, stellt im Vergleich zur Reichsverfassung von 1871 und der WRV eine Erweiterung der bundesstaatlichen Kompetenzen dar.193 Die erst durch das Grundgesetz vorgenommene Kompetenzerweiterung ist vor allem aus der brennenden Wohnungsnot während der unmittelbaren Nachkriegszeit zu erklären.194 Der Kompetenztitel in Art. 75 Abs. 1 Nr. 18 GG sollte es der jungen Bundesrepublik ermöglichen, ausreichend Wohnraum für die Unterbringung von Millionen von Wohnungslosen (vor allem sog. Heimatvertriebenen) möglichst schnell und ohne die Hemmnisse einer Rechtszersplitterung zu schaffen.195 Art. 75 Abs. 1 Nr. 18 GG führt daher auch die Materien des Grundstücksverkehrs, des Bodenrechts, des landwirtschaftlichen Pachtrechts und des Siedlungs- und Heimstättenwesens auf. Die in Art. 75 Abs. 1 Nr. 18 GG enthaltenen Sachgebiete gehören neben denen des Gesundheitswesens, des Tier- und Pflanzenschutzes sowie des Umweltschutzes zu den drei Bereichen der konkurrierenden Gesetzgebung, in denen den Ländern ansehnliche Zuständigkeitsbereiche verbleiben.196 Dies betrifft insbesondere das Bauordnungsrecht.197 Es weist ebenfalls Bezüge zum Wohnungsbegriff und Wohnungsschutz auf. Nach der unwidersprochenen Auffassung des BVerfG fallen unter den Begriff des Wohnungswesens alle Regelungen, die sich auf zu Wohnzwecken dienende Gebäude beziehen.198 Hierzu gehören die vor allem in Zeiten krasser Wohnungsknappheit nach dem Krieg bedeutsamen Gebiete der (Zwangs-)Wohnraumbewirtschaftung und der Wohnraumverteilung. Heute sind vor allem das soziale Wohnungsrecht (sozialer Wohnungsbau, Wohngeldrecht, sozialer Miet-Kündigungsschutz) und die Wohnungsbauförderung relevant.199 Als Bundesgesetze, die 193 Stettner, in Dreier, Bd. II, Art. 74, RN 81; Oeter, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Bd. 2. Art. 74, RN 157. 194 Oeter, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Bd. 2, Art. 74, RN 164. 195 Wandersleb, DÖV 1959, 244 ff. 196 Vgl. MD-Maunz, Art. 74, RN 42. Sie sind von den fünf großen Bereichen zu unterscheiden, die der Kompetenz des Bundes voll zugewiesen sind (u. a. das Recht der Wirtschaft, das bürgerliche Recht und das Strafrecht, das Sozialrecht und das Verkehrsrecht) und den zwei Bereichen, in denen nur eine vereinzelte Zuständigkeit des Bundes gegeben ist (das Versammlungsrecht im Bereich des Polizei- und Ordnungsrechts sowie Teilbereiche der Kultur), vgl. MD-Maunz, Art. 74, RN 41 ff. 197 BVerfG E 3, 407, 433 f.; BVerfG E 40, 261, 265 f.; Stettner, in Dreier Bd. II, Art. 74, RN 84. 198 BVerfG E 3, 407, 416; Oeter, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Bd. 2, Art. 74, RN 164; Stettner, in Dreier, Bd. II, Art. 74, RN 86 , MD-Maunz, Art. 74, RN 208; ähnlich: Jarass / Pieroth, Art. 74, RN 41. 199 BVerfG E 21, 117, 128: Wohnungsbauförderung; BVerfG E 78, 249, 266: Sozialer Wohnungsbau / Fehlbelegungsabgabe; Oeter, in v.Mangoldt / Klein / Starck, Bd. 2, Art. 74, RN 164; Stettner, in Dreier, Bd. II, Art. 74, RN 86; Rengeling, HbStR, Bd. IV, § 100, RN 210.

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aufgrund dieser Kompetenz ergangen sind, können das Wohnungsbindungsgesetz,200 das Wohnungsbauförderungsgesetz201 und das Zweite Wohnraumkündigungsgesetz202 angeführt werden.203 Genauere Bestimmungen dessen, was eine Wohnung oder gar Wohnzwecke in diesem Sinne sind, finden sich in Rechtsprechung und Literatur zu Art. 75 Abs. 1 Nr. 18 GG nicht. Eine Klärung dieser Frage soll daher der Behandlung der auf dieser Kompetenz beruhenden einfachen Gesetze (vgl. oben) vorbehalten bleiben. Gleichwohl lassen sich in Abgrenzung vom Wohnungsbegriff des Art. 13 GG bereits jetzt wesentliche Aspekte des hier einschlägigen Wohnungsbegriffs festhalten: Die rein objektivrechtliche Norm des Art. 75 Abs. 1 Nr. 18 GG legt die Kompetenz des Bundes fest, die für die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnungen erforderlichen Normen zu erlassen. Der in Art. 13 Abs. 1 GG verwendete Wohnungsbegriff dient dagegen dem Schutz der räumlichen Privatsphäre des Individuums, die das Vorhandensein von Unterkünften voraussetzt. Es ist eine im Vorfeld des grundrechtlichen Schutzbereichs liegende Voraussetzung für die Inanspruchnahme der räumlichen Privatsphäre, daß das Individuum die Verfügungsgewalt über Räume, wie z.B. eine Wohnung im technischen Sinne, erlangt hat. Art. 75 Abs. 1 Nr. 18 GG soll zur Verbesserung der Wohnungsversorgung beitragen, also nicht nur dazu, daß diese Voraussetzung erfüllt wird, sondern auch dazu, daß Menschen grundsätzlich auf das Wirtschaftsgut Wohnraum zugreifen können. Wohnung im Sinne von Art. 75 Abs. 1 Nr. 18 GG meint also einen Gebäudeteil, der den technischen Anforderungen eines dauernden Aufenthalts von Menschen gerecht wird. Er steht nicht im Dienste des Privatsphärenschutzes. Der Wohnungsbegriff des Art. 13 GG ist ungleich weiter, weil er allein dem Schutz der räumlichen Privatsphäre verpflichtet ist. So ist die Verfügungsmacht über eine Wohnung im technischen Sinne auch nicht zwingende Voraussetzung zur Entfaltung und Inanspruchnahme der räumlichen Privatheit. Hierzu können auch ganz andere technische Unterbringungslösungen geeignet sein. Ein weiterer Unterschied besteht hinsichtlich der Einbeziehung von Betriebs- und Geschäftsräumen. Aufgrund der Entstehungsgeschichte des Kompetenztitels in Art. 75 Abs. 1 Nr. 18 GG müssen die Wohnzwecke, zu denen die in die Kompetenz des Bundes fallenden Gebäude dienen, eindeutig das Gegenteil zur Erwerbsarbeit meinen. Es geht hier allein um die Zuweisung von Kompetenzen zur privaten Unterbringung von Menschen. Das Recht der Wirtschaftsförderung ist in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG gesondert geregelt. Insoweit stimmt das hier vorausgesetzte technische Wohnungsverständnis mit dem soziologischen Idealtypus des Modernen Wohnens überein.

Vom 24. 08. 1965, BGBl. I S. 945. Vom 22. 12. 1989, BGBl. I S. 2408. 202 Vom 18. 12. 1976, BGBl. I S. 2673. 203 Weitere Beispiele bilden das Wohnungsbau-Prämiengesetz vom 30. 10. 1997, BGBl. I S. 2678; das Wohnungsbau- und Familienheimgesetz vom 08. 12. 1994, BGBl. I S. 1959; das Wohnungsmodernisierungsgesetz vom 23. 08. 1976, BGBl. I S. 2429. 200 201

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III. Schutz und Begriff der Wohnung in der EMRK und im Europäischen Gemeinschaftsrecht 1. Art. 8 EMRK a) Geschützte Interessen Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privatund Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.204 Damit werden vier Einzelgewährleistungen statuiert, die sich zwar teilweise überschneiden, aber dennoch einen jeweils von den anderen abzugrenzenden Schutzbereich aufweisen.205 Mit den Gewährleistungen des Privatsphärenschutzes, insbesondere auf ihn bezogener Geheimhaltungsinteressen dient Art. 8 EMRK mithin insgesamt der freien Entfaltung der Persönlichkeit.206 b) Wohnungsbegriff Eine Definition des Wohnungsbegriffs hat bisher weder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) noch das wissenschaftliche Schrifttum aufgestellt.207 Der EGMR hat bisher lediglich einzelne unabdingbare Merkmale herausgearbeitet und konkretisiert. So muß der Beschwerdeführer, der sich auf eine Verletzung des Rechts auf Achtung der Wohnung in Art. 8 Abs. 1 EMRK berufen will, die geschützten Räume tatsächlich bewohnen. Da Art. 8 EMRK mit dem Recht auf Achtung der Wohnung einen räumlich bestimmbaren Ausschnitt der Privatsphäre schützt, ist es nicht erforderlich, daß sich die fraglichen Räume in seinem Eigentum befinden. Als Rechtsverhältnis, welches die Sachherrschaft über die fraglichen Räume begründet, reicht ein Mietverhältnis daher in der Regel aus.208 Ein Bewohnen liegt auch dann noch vor, wenn sich der Beschwerdeführer längere Zeit nicht in den fraglichen Räumen aufgehalten hat, seine Möbel jedoch Art. 8 EMRK lautet vollständig: „1. Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. 2. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“ 205 Frowein, in Frowein / Peukert, EMRK, Art. 8, RN 1. 206 Ress / Ukrow, EuZW 1990, S. 499, 503; Frowein, in Frowein / Peukert, EMRK, Art. 8, RN 1; MD-Papier, Art. 13, RN 9. 207 Vgl. EGMR NJW 1993, 718 f. – Niemitz / BR Deutschland; EGMR, Urteil vom 30. 03. 1989, Serie A, Bd. 152, Tz. 51 – Chappel / United Kingdom; EGMR, Urteil vom 24. 11. 1986, Serie A, Bd. 109, Tz. 46 – Gillow / United Kingdom. 208 Frowein, in Frowein / Peukert, EMRK, Art. 8, RN 27. 204

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in den gegenwärtig nicht von Dritten bewohnten Räumen zurückgelassen und zusätzlich durch andere Handlungen den Willen zum Ausdruck gebracht hat, die entsprechenden Räume zukünftig wieder dauerhaft zu beziehen.209 Funktional zur eigentlichen Wohnung gehörende befriedete Besitztümer wie der Garten und Nebenräume wie Garagen sollen ebenfalls als Wohnung geschützt sein.210

c) Betriebs- und Geschäftsräume In der Literatur war es lange Zeit umstritten, ob auch Geschäfts- und Betriebsräume in den Schutzbereich des Rechts auf Achtung der Wohnung einbezogen sind.211 Der EGMR hat hierzu in seinem Urteil zum Fall Niemitz Stellung genommen. Danach fallen zumindest auch zugangsbeschränkte Geschäftsräume – im konkreten Fall handelte es sich um die Kanzleiräume eines Rechtsanwalts – unter den Begriff der Wohnung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK.212 Den Wortlaut der maßgeblichen englischen und französischen Fassung („home“ / „domicile“) hielt der EGMR insoweit nicht für eindeutig, da zumindest auch das Arbeitszimmer eines freiberuflich Tätigen von diesem Begriff umfaßt sein könne. Für ausschlaggebend hielt der EGMR hingegen die bei Annahme der engeren Auslegungsvariante drohende Ungleichbehandlung derer, die ihre Geschäftsräume auch privat nutzen, im Vergleich zu denjenigen, die ihren privaten Angelegenheiten allein in ihren Privaträumen nachgehen, in diesen aber auch berufliche Angelegenheiten erledigen.213 Die Abgrenzung der häufig miteinander verflochtenen Tätigkeitsbereiche des Privaten und des Beruflichen sei häufig nämlich kaum oder überhaupt nicht möglich. Würde man die Geschäftsräume nicht in den Schutzbereich des Rechts auf Achtung der Wohnung einbeziehen, würden diejenigen Personen des Schutzes entbehren, die in den Geschäftsräumen auch privaten Tätigkeiten nachgehen. Dies stelle eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung dar. Die Einbeziehung von geschäftlich genutzten Räumen in den Begriff der Wohnung würde dem allgemeinen und wesentlichen Zweck der EMRK entsprechen, den einzelnen vor willkürlichen Eingriffen öffentlicher Behörden zu schützen.214 Weiterhin verweist der EGMR, Urteil vom 24. 11. 1986, Serie A, Bd. 109, Tz. 46 – Gillow / United Kingdom. Frowein, in Frowein / Peukert, EMRK, Art. 8, RN 27. 211 Vgl. Ress / Ukrow, EuZW 1990, 499, 503, m.w.N. 212 EGMR NJW 1993, 718 f. – Niemitz / BR Deutschland. 213 EGMR NJW 1993, 718 f. – Niemitz / BR Deutschland. 214 EGMR NJW 1993, 718 f. – Niemitz / BR Deutschland. Für die Einbeziehung spricht nach Ress / Ukrow, EuZW 1990, 499, 503 auch die systematische Auslegung, da durch Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht nur das Privat- und Familienleben geschützt sei, sondern auch der Nachrichtenverkehr. Der Schutz des letzteren schließe auch die geschäftlichen Nachrichtenübermittlung ein. Systematisch liege es nahe, den Begriff der Wohnung auf alle in Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Sachbereiche, also auch auf die geschäftlichen, auszudehnen. Weiterhin gehöre auch das Berufs- und Erwerbsleben des einzelnen zu seiner Privatsphäre. 209 210

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EGMR darauf, daß der Schutzbereich des Grundrechts auf Achtung der Wohnung in manchen Vertragsstaaten, insbesondere der Bundesrepublik, auch die Betriebsund Geschäftsräume umfasse.215 Aus alledem kann geschlossen werden, daß zumindest nicht allgemein zugängliche Geschäftsräume, in denen sich auch private Tätigkeiten entfalten können, unter den Wohnungsbegriff des Art. 8 Abs. 1 EMRK fallen. Ob dies schlechthin für alle Betriebs- und Geschäftsräume gilt, also etwa auch für allgemeinzugängliche Verkaufsräume eines Kaufhauses, muß auf der Grundlage der vom EGMR gewählten Begründung, wonach die auf den Beruf bezogene Persönlichkeitsentfaltung strenggenommen nicht in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK einbezogen ist, bezweifelt werden.

d) Keine Gewährung eines Leistungs- oder Teilhaberechts Das Recht auf Achtung der Wohnung beinhaltet auch die objektive Verpflichtung des Staates, die Wohnung durch seine Gewalten zu schützten.216 Dabei gewährt auch Art. 8 Abs. 1 EMRK weder eine Institutsgarantie noch ein Teilhabeoder Leistungsrecht auf Stellung einer Wohnung.217 Dies deutet darauf hin, daß durch das Recht auf Achtung der Wohnung ebenso wie durch Art. 13 Abs. 1 GG nur die in einem räumlich-gegenständlich abgegrenzten Bereich sich typischerweise entfaltende Privatheit geschützt wird.

e) Eingriffe und Beschränkungen Eingriffe in den Schutzbereich des Rechts auf Achtung der Wohnung liegen beispielsweise in strafprozessualen Durchsuchungen, geheimen Überwachungsmaßnahmen, die Gespräche innerhalb der Wohnung kontrollieren, und Maßnahmen der Wohnraumzwangsbewirtschaftung.218 Derartige Eingriffe sind nur unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK zulässig. Anders als die detaillierten Diese Argumente hat der EGMR jedoch nicht aufgegriffen. Indem er argumentiert, daß Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen privaten und beruflichen Tätigkeiten dazu führen könnten, daß jemand, der in einem Geschäftsraum privaten Tätigkeiten nachgeht, im Vergleich zu demjenigen, der nur in seiner Privatwohnung privaten Tätigkeiten nachgeht, ungleich behandelt wird, wenn ihm der Schutz aus Art. 8 Abs. 1 EMRK versagt wird, setzt er vielmehr weiterhin – bei allen bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten – die grundsätzliche Trennbarkeit beider Bereiche voraus und beharrt auf der Position, daß das Recht auf Achtung der Wohnung zum Schutz einer Privatheit besteht, die als Gegensatz zur Erwerbsarbeit gedacht ist. Die von Ress / Ukrow vorgebrachte Argumentation ist dagegen stark an die des BVerfG angelehnt, wonach die Berufsfreiheit als Bestandteil der Persönlichkeitsentfaltung auch durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützt werden muß, vgl. BVerfG E 32, 52, 72 und oben I 1. c) bb). 215 EGMR NJW 1993, 718 f. – Niemitz / BR Deutschland. 216 Frowein, in Frowein / Peukert, EMRK, Art. 8, RN 28. 217 Frowein, in Frowein / Peukert, EMRK, Art. 8, RN 28. 218 Frowein, in Frowein / Peukert, EMRK, Art. 8, RN 29 ff., m.w.N.

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Schrankenregelungen des Art. 13 Abs. 2 bis 7 GG differenziert diese Vorschrift weder zwischen den unterschiedlichen Gewährleistungen des Art. 8 Abs. 1 EMRK noch zwischen verschiedenen Eingriffsarten. Eingriffe sind gerechtfertigt, wenn sie in einem nationalen Gesetz vorgesehen sind, und die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung oder zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Anders als in Art. 13 Abs. 2 GG und im nationalen Recht anderer Staaten ist ein präventiver Richtervorbehalt auch bei hochintensiven Eingriffen, wie heimlicher Wohnungsüberwachung oder Durchsuchung nicht vorgesehen. Die Kommission und der Gerichtshof kompensieren dies jedoch weitgehend dadurch, daß sie im Rahmen der Schrankenregelung des Art. 8 Abs. 2 EMRK überprüfen, ob die nationalen Verfahrensregelungen einem Mißbrauch ausreichend vorbeugen.219 Angesichts der Vielfältigkeit der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten rechtfertigenden Zwecke bleibt das Schutzniveau des Art. 8 Abs. 1 EMRK gleichwohl hinter dem des Art. 13 GG zurück.220 2. Europäisches Gemeinschaftsrecht Auch die Grundrechtecharta der Europäischen Union (EGRC), die anläßlich der Regierungskonferenz von Nizza vom Europäischen Parlament, der Kommission und dem Rat feierlich proklamiert wurde, enthält in Art. 7 ein Grundrecht auf Achtung der Wohnung. Es wurde dem des Art. 8 Abs. 1 EMRK nachempfunden.221 Rechtsverbindlichkeit kommt dieser Bestimmung zum gegenwärtigen Zeitpunkt (noch) nicht zu. Die Grundrechtecharta ist bisher nicht im Primärrecht der Union verankert worden. Vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Skepsis mancher Mitgliedsstaaten und der gerade auch im deutschen Schrifttum geäußerten Bedenken, ob die Grundrechtecharta in ihrer gegenwärtigen Form bereits hinlänglich ausgereift sei,222 dürfte eine Verankerung im Primärrecht in absehbarer Zeit auch nicht 219 Frowein, in Frowein / Peukert, EMRK, Art. 8, RN 29; vgl. EGMR NJW 1993, 718 f. – Niemitz / BR Deutschland. 220 Ebenso: BK-Herdegen, Art. 13, RN 19, der als Beispiel hierfür ein Urteil des EGMR vom 25. 06. 1992 (NJW 1992, 3088 f. – Lüdi / Schweiz) anführt. Dieser Fall dürfte als Beispiel für die weitreichenden Beschränkungsmöglichkeiten, die Art. 8 Abs. 2 EMRK bietet, jedoch nicht geeignet sein. Der EGMR hat in diesem Fall, bei dem es um den Einsatz eines V-Mannes in einer Wohnung ging, bereits einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK mit der zweifelhaften Begründung verneint, der Beschuldigte habe aufgrund seiner kriminellen Absicht, mit Rauschgift handeln zu wollen, mit dem Einsatz eines V-Mannes rechnen müssen. 221 Art. 7 EGC bestimmt: „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.“ 222 Magiera, DÖV 2000, 1017, 1026, der insbesondere das Fehlen von individuellen, auf die Bedürfnisse der einzelnen in der Charta verbürgten Grundrechte zugeschnittenen Schrankenregelungen bemängelt.

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erfolgen. Für den grundrechtlichen Schutz der Wohnung gegen Rechtssetzungsakte der EU und gegen die Ausübung von Gemeinschaftsgewalt durch Organe oder Behörden der EU oder durch Mitgliedstaaten bei der administrativen Umsetzung von EU-Recht ist daher nach wie vor der vom EuGH als Richterrecht entwickelte Grundrechtsstandard maßgeblich. Der EuGH hat ein aus den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und aus Art. 8 EMRK abgeleitetes gemeinschaftsrechtliches Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung anerkannt. Wie die übrigen auf diese Weise hergeleiteten gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte entfaltet das Recht auf Achtung der Wohnung seine Wirkung nach dogmatischem Verständnis als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts, der im Rang neben den Verträgen steht.223

a) Geschützte Interessen und Wohnungsbegriff Den Schutzbereich des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechts auf Achtung der Wohnung hat der EuGH bis jetzt nicht hinreichend umrissen. Er hatte ausschließlich Fälle zu entscheiden, bei denen die Frage im Mittelpunkt stand, ob sich juristische Personen bei wettbewerbsrechtlichen Nachprüfungen in ihren Geschäfts- und Betriebsräumen, die durch die Kommission veranlaßt worden waren, auf den Schutz eines gemeinschaftsrechtlichen Wohnungsgrundrechts berufen können.224 Daß ein Grundrecht auf Achtung der Wohnung als Rechtsgrundsatz gemeinschaftsrechtlich verankert ist, hat der EuGH ausdrücklich in dem Verfahren der Hoechst AG gegen die Kommission anerkannt.225 Von dessen Schutzbereich nahm der EuGH jedoch Betriebs- und Geschäftsräume aus, ohne ihn ansonsten weiter zu konkretisieren.226 Ferner sollen sich ausschließlich natürliche Personen auf den grundrechtlichen Wohnungsschutz berufen können. Zur Begründung führte der EuGH im wesentlichen drei Argumente an. Gegen die Einbeziehung von Geschäftsräumen in den Schutzbereich des gemeinschaftsrechtlichen Wohnungsgrundrechts spreche zum einen, daß die Verfassungen der Mitgliedsstaaten, als eine der beiden maßgeblichen Rechtsermittlungsquellen für die Entwicklung von gemeinschaftsrechtlichen Grundrechten, diesbezüglich erhebliche Unterschiede aufwiesen. In manchen Staaten fielen die Geschäftsräume unter den Schutz eines Wohnungsgrundrechts, in anderen dagegen nicht. Dieses Argument wurde im Schrifttum zu Recht als Reduktion des Schutzbereichs auf den kleinsten gemeinEuGH, Slg. 1989, S. 2859, 2860 und 2924 – Hoechst; Oppermann, RN 489 ff. Vgl. EuGH, Slg. 1980, 2033 ff. – National Panasonic; EuGH, Slg. 1989, 2859 ff. – Hoechst. Ermächtigungsgrundlage für solche Nachprüfungen ist Art. 14 der Kartellverordnung 17 / 62. Die Vorschrift ermächtigt die Kommission, Räume von Unternehmen zu betreten und die Geschäftsunterlagen zu prüfen. 225 EuGH, Slg. 1989, 2859, 2860 – Hoechst. 226 EuGH, Slg. 1989, 2859, 2860; EuGH EuZW 1996, 82. 223 224

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samen Nenner kritisiert.227 Hinsichtlich der anderen einschlägigen Rechtsermittlungsquelle, Art. 8 EMRK, stellte der EuGH lapidar fest, diese Gewährleistung betreffe allein die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Sie ließe sich daher nicht auf Geschäftsräume ausdehnen. Im übrigen gebe es zu der einschlägigen Streitfrage keine Rechtsprechung des EGMR (die Entscheidung des EGMR zum Fall Niemitz erging nach dem vom EuGH zu entscheidenden Fall Hoechst), dessen Auslegung des Art. 8 Abs. 1 EMRK der EuGH, trotz seiner eigenständigen teleologischen Argumentation offenbar für maßgeblich hielt.228 Aus diesen Ausführungen des EuGH läßt sich immerhin entnehmen, daß der auf Abwehr gerichtete gemeinschaftsgrundrechtliche Wohnungsschutz als Ableitung aus Art. 8 EMRK und den einschlägigen Grundrechten der Mitgliedstaaten ebenfalls dem Schutz eines räumlich bestimmbaren Ausschnitts der Privatsphäre dient. Sein Schutzbereich erfaßt Betriebs- und Geschäftsräume nicht. Der Wohnungsbegriff ist im Vergleich zu Art. 13 GG und Art. 8 EMRK folglich enger. Gleiches gilt für den Kreis der Grundrechtsberechtigten, aus dem die juristischen Personen ausgeschlossen sind. Wie sich die zwischenzeitlich erfolgte Einbeziehung mancher Geschäftsräume in den Wohnungsbegriff des Art. 8 EMRK durch den EGMR auswirken wird, bleibt abzuwarten. Fraglich ist auch, welchen Einfluß insoweit die Proklamation der EGRC ausübt. Der Text des Art. 7 EGRC wurde in Kenntnis der extensiven Rechtsprechung des EGMR zum Wohnungsbegriff des Art. 8 Abs. 1 EMRK an diesen angelehnt. Art. 52 Abs. 3 EGRC bestimmt überdies, daß die in der EGRC enthaltenen Rechte die gleiche „Bedeutung und Tragweite“ haben sollen, wie die entsprechenden Grundrechte der EMRK. Dies spricht dafür, zukünftig zumindest halbprivate Geschäftsräume in den Schutzbereich des gemeinschaftsrechtlichen Wohnungsgrundrechts einzubeziehen. Ob der EuGH dem folgt, dürfte vor allem davon abhängen, wie Art. 52 Abs. 3 EGRC zu verstehen ist. Soll er nur die Schrankenregelungen der EMRK für anwendbar erklären, so könnte der EuGH wohl an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten. Sind von den Begriffen „Bedeutung und Tragweite“ dagegen auch die in der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Grundsätze zur Reichweite der Schutzbereiche umfaßt, so dürfte die Spruchpraxis des EuGH zum Schutzbereich des Rechts auf Achtung der Wohnung kaum haltbar sein. b) Schranken Die Schranken des gemeinschaftsrechtlichen Wohnungsgrundrechts ergeben sich aus Art. 8 Abs. 2 EMRK. Der EuGH hat sie bereits im Fall National Panasonic 227

Ress / Ukrow, EuZW 1990, 499, 502; a.A.: Kamburoglou / Pirrwitz, RIW 1990, 263,

271. 228 Auf die sich hieraus ergebende Widersprüchlichkeit haben bereits Ress / Ukrow, EuZW 1990, 499, 502 hingewiesen.

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als für das Gemeinschaftsrecht relevant anerkannt.229 Sie sollen auch für das Recht auf Achtung der Wohnung in Art. 7 der europäischen Grundrechtecharta maßgeblich sein. Dies folgt aus Art. 52 Abs. 3 der Grundrechtecharta.230 Der für die natürlichen Personen durch das gemeinschaftsrechtliche Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gewährleistete Schutz der Privatwohnung dürfte somit weitgehend denselben Umfang haben, wie derjenige, der ihnen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK zukommt. IV. Grundrechtliche und grundrechtsähnliche Leistungsrechte auf Wohnung im nationalen und internationalen Recht Art. 13 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK, das gemeinschaftsrechtliche Grundrecht auf Achtung der Wohnung und Art. 7 EGRC setzen als Abwehrrechte zum Schutz eines räumlichen Ausschnitts der Privatsphäre das Vorhandensein von Wohnraum, der unter der Herrschaftsmacht des Grundrechtsträgers steht, voraus. Diese materielle Bedingung muß erfüllt sein, damit räumliche Privatheit entstehen kann und der einzelne von ihr zur häuslichen, territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung, von der Wohnungsfreiheit, Gebrauch machen kann. Aus den genannten Freiheitsrechten lassen sich keine Leistungs- oder Teilhaberechte ableiten, die auf das Zurverfügungstellen von Wohnraum oder auch nur auf finanzielle oder sonstige Unterstützung zur Wohnraumbeschaffung oder -erhaltung gerichtet sind.231 Andere nationale und internationale Normen sind dagegen zumindest nach dem ersten Anschein wie wohnungsbezogene Anspruchsrechte formuliert. Im folgenden sollen diese Normen in der gebotenen Kürze vorgestellt und insbesondere die Frage geklärt werden, ob es sich bei ihnen tatsächlich um subjektive Leistungsrechte handelt, die dem einzelnen einen Anspruch gegen den Staat auf Gewährung der materiellen Voraussetzungen zur Ausübung der Wohnungsfreiheit zubilligen. Schließlich gilt es die Frage zu klären, ob diese Normen einen anderen Wohnungsbegriff voraussetzen, als die auf den Schutz der räumlichen Privatheit gerichteten Grundrechte. 1. Landesverfassungen Man könnte dem Wortlaut verschiedener landesverfassungsrechtlicher Bestimmungen u.U. ein Individualrecht auf Bereitstellung angemessenen Wohnraums entnehmen.232 Dies gilt insbesondere für die bayerische, berlinische und bremische EuGH, Slg. 1980, 2033 ff., 2057. Vgl. die Erläuterungen des Konvents zu Art. 7 der Grundrechtecharta, abgedruckt auf S. 8 der entsprechenden Beilage in NJW 2000. 231 Vgl. nur v.Münch, StaatsR I, RN 320. 232 Vgl. Art. 106 BayVerf; Art. 28 Abs. 1 BerlVerf; Art. 47 BrdgbVerf; Art. 14 Abs. 1 BremVerf; Art. 7 SächsVerf. 229 230

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Verfassung, die nach ihrem Wortlaut jedermann einen „Anspruch“ oder das „Recht“ auf angemessenen Wohnraum gewähren.233 Gleichwohl sind diese Normen des Landesverfassungsrechts sämtlich als bloße Staatszielbestimmungen zu verstehen.234 Es ergeben sich aus ihnen keine gegen die Träger hoheitlicher Gewalt gerichteten, subjektiven Leistungsrechte.235 Als Staatszielbestimmungen halten sie die staatlichen Organe der betreffenden Länder mit lediglich objektiv-rechtlicher Bindungswirkung (vgl. Art. 142 GG) zur fortdauernden Beachtung und Erfüllung der Aufgabe an, jedem Berechtigten Zugang zu angemessenem Wohnraum zu verschaffen.236 Ihnen kommt insoweit „Impuls-, Integrations-, und Edukationsfunktion“ zu.237 Damit weisen sie dem Staat den Weg zur Schaffung von angemessenem Wohnraum, der für jedermann zugänglich sein muß. Welche konkreten Maßnahmen der Staat zur Erreichung dieses Ziels ergreift, bleibt allerdings der politischen Gestaltungsfreiheit überlassen. 2. § 7 SGB I – Soziales Recht auf Zuschuß für Aufwendungen für die Wohnung Nach der einfachgesetzlichen aber grundrechtsähnlich formulierten Norm des § 7 SBG I hat derjenige, der für eine angemessene Wohnung Aufwendungen in einer für ihn nicht zumutbaren Höhe erbringen muß, ein Recht auf staatlichen Zuschuß. Bei § 7 SGB I handelt es sich um ein sogenanntes soziales Recht im Sinne von § 2 SGB I. Der Begriff „Zuschuß“ bedeutet, daß der Staat nie die gesamten Aufwendungen für die Wohnung übernimmt, sondern daß der einzelne einen zumutbaren Anteil an den Wohnungskosten immer selbst finanzieren muß.238 Erst recht kann aus § 7 SGB I kein soziales Recht auf unmittelbare Hilfe zur Schaffung von Wohnraum, sondern nur auf eine Geldleistung zur Erhaltung und Sicherung einer bereits vorhandenen Wohnung abgeleitet werden.239 Ein einklagbarer Anspruch läßt sich aus dem sozialen Recht des § 7 SGB I selbst ebenfalls nicht ableiten, was § 2 Abs. 1 SGB I ausdrücklich klarstellt. Darüber hinaus ist die normative Qualität der sozialen Rechte weitgehend ungeklärt.240 Ob233 Art. 106 BayVerf: „Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf angemessenen Wohnraum“; Art. 28 Abs. 1 BerlVerf: „Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum“; Art. 14 Abs. 1 BremVerf: „Jeder Bewohner der Freien und Hansestadt Bremen hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung“. 234 MD-Papier, Art. 13, RN 7; BK-Herdegen, Art. 13, RN 15. 235 Jarass / Pieroth, Art. 20, RN 113; v.Münch, StaatsR I, RN 319. 236 Vgl. v.Münch, StaatsR I, RN 319; MD-Papier, Art. 13, RN 7: Verpflichtung zur intensiven Förderung des Wohnungsbaus. 237 V.Münch, StaatsR I, RN 319. 238 Schellhorn, in Kretschmer / von Maydell / Schellhorn, § 7, RN 20. 239 Schellhorn, a. a. O., RN 21. 240 Vgl. Mrozynski, § 2, RN 1 ff.; von Maydell, in Kretschmer / von Maydell / Schellhorn, § 2, RN 6 ff.

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wohl sie nach Art sozialer Grundrechte formuliert sind, können sie als Normen des einfachen Gesetzesrechts nicht als Staatszielbestimmungen oder Programmsätze im verfassungsrechtlichen Sinne verstanden werden. Als Bestandteile des objektiven Rechts dürfte ihnen daher lediglich eine Hilfsfunktion bei der Auslegung sozialrechtlicher Vorschriften und bei der Ermessensausübung, insbesondere bei der Entscheidung über Sozialleistungen, zukommen.241 Insofern dienen sie der Erfüllung der in § 1 SGB I genannten Aufgaben des Sozialrechts, vgl. § 2 Abs. 1 SGB I. Durch das soziale Recht auf Zuschuß für die Wohnung soll ein menschenwürdiges Dasein gesichert und zur Schaffung der Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit beigetragen werden. Es dient dem Schutz und der Förderung der Familie und soll helfen, den Erwerb des Lebensunterhalts durch eine frei gewählte Tätigkeit zu ermöglichen und besondere Belastungen des Lebens durch Hilfe zur Selbsthilfe abzuwenden oder auszugleichen, vgl. § 1 Abs. 1 SGB I. Die besondere Bedeutung, die der Wohnung hierbei als Ort der räumlichen Privatsphäre zukommt, wurde bereits erörtert.242 Ein Anspruch auf Gewährung des Zuschusses für die Wohnung besteht nur nach Maßgabe der insoweit einschlägigen Regelungen des Wohngeldrechts (§ 26 Abs. 1 SGB I i.V.m. § 2 Abs. 1 SGB I). Im Zusammenhang mit den Vorschriften des Wohngeldrechts wird auch der sozialrechtliche Wohnungsbegriff zu bestimmen sein.

3. Art. 31 der Revidierten Europäischen Sozialcharta (RESC) a) Die Revidierte Europäische Sozialcharta Neben der EMRK entwarf der Europarat die Europäische Sozialcharta (ESC), die überwiegend soziale Grundrechte zum Schutz von Arbeitnehmern enthält.243 Die ESC ist von der Bundesrepublik unterzeichnet und ratifiziert worden. Nach der überwiegenden Auffassung im völkerrechtlichen und arbeitsrechtlichen Schrifttum entfaltet sie innerhalb der nationalen Rechtsordnungen als „non selfexecuting treaty“ keine unmittelbaren Rechtswirkungen.244 1991 begann der Europarat die ESC an die internationalen sozialrechtlichen Standards anzupassen. Ergebnis dieser Arbeit ist die Revidierte Europäische Sozialcharta (RESC), die am 1. Juli 1999 in Kraft getreten ist.245 Sie löst die ESC von 1961 allerdings nicht ab, 241 Waltermann, RN 549; Mrozynski, § 2, RN 13; Heinze, in SRH, 8, RN 1 f.; von Maydell, a. a. O., RN 12 ff., der aber auch noch andere Funktionen in Erwägung zieht. 242 Vgl. oben I. 3. b); für das sozialrechtliche Schrifttum: Schellhorn, in Kretschmer / von Maydell / Schellhorn, GK-SGB I, § 7, RN 7, der Wohnung als Grundbedürfnis menschlicher Existenz versteht. 243 Text der ESC bei Birk (Hrsg.), Europäisches Arbeitsrecht, 1990, Nr. 61 (S. 468 ff.) oder im Internet unter „http: / / oeh.tu-graz.ac.at / „herwig / soziales / charta.htm“. 244 Vgl. Konzen, JZ 1986, 157, 162, m.w.N. 245 Eine amtliche deutsche Übersetzung ist bisher noch nicht veröffentlicht worden, vgl. Birk, in FS Söllner, S. 137, FN 1; der englische Text findet sich in: European Social Charter –

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

sondern gilt neben dieser als selbständiges Vertragswerk.246 Die RESC ist bis zum 20. April 2000 von 16 Mitgliedstaaten des Europarates unterzeichnet und von sechs ratifiziert worden. Unterzeichnung und Ratifikation durch die Bundesrepublik stehen noch aus.

b) Art. 31 RESC als die Signatarstaaten bindende Politikzielbestimmung Für den Untersuchungsgegenstand ist vor allem Art. 31 des ersten Teils der RESC von Bedeutung, der in der ESC von 1961 nicht enthalten ist. Er bestimmt: „Everyone has the right to housing“.247 Ein in der nationalen Rechtsordnung wirksames subjektives Leistungsrecht auf Bereitstellung angemessenen Wohnraums ließe sich jedoch aus dieser Vorschrift selbst dann nicht ableiten, wenn die RESC von der Bundesrepublik ratifiziert worden wäre. Zum einen dürfte auch die RESC ein „non self-executing treaty“ sein. D. h., sie will den nationalen Gesetzgeber, wenn überhaupt nur zu einer in Umrissen festgelegten Ausführung auf der Ebene des Völkerrechts verpflichten und keine unmittelbaren Rechte und Pflichten der Staatsbürger gegenüber dem jeweiligen Signatarstaat begründen.248 Zum anderen wird im Vorspruch zum ersten Teil der RESC klargestellt, daß die Bestimmungen des ersten Teils lediglich Zielbestimmungen für die nationale und internationale Politik der beitretenden Staaten, jedoch keine völkerrechtliche Verpflichtung in dem geschilderten Sinne enthalten. Konkrete völkerrechtliche Verpflichtungen können den Signatarstaaten nur aus dem zweiten Teil der RESC erwachsen: Indem sie das Recht eines jeden auf Wohnung als Zielbestimmung akzeptieren, verpflichten sich die Signatarstaaten lediglich, den Zugang zu Wohnungen mit angemessenem Standard zu verbessern, der Obdachlosigkeit im Hinblick auf ihre schrittweise Beseitigung vorzubeugen bzw. sie zu reduzieren und für Menschen mit unzureichenden finanziellen Möglichkeiten Wohnpreise zu schaffen, aufgrund derer ihnen der Zugang zu Wohnraum nicht verwehrt wird. Die Einhaltung dieser Verpflichtungen kann lediglich anhand der im vierten Teil geregelten Berichtspflicht durch Gremien des Europarats überwacht werden.

Collected texts, 1997, S. 65 ff. oder im Internet unter „http: / / conventions.coe.int / treaty / EN / cadreprincipal.htm“. 246 Birk, in FS Söllner, S. 137. 247 Frz.: „Toute personne a droit au logement“. 248 So wird auch in Teil III der revidierten Sozialcharta klargestellt, daß die von ihr statuierten Verpflichtungen rein internationalen Charakter haben und ausschließlich der im vierten Teil vorgesehenen Überwachung, nämlich einer zwei- bzw. vierjährigen Berichtspflicht unterliegen. Dies wertet Konzen, JZ 1986, 175, 162, mit Recht als eindeutige Klarstellung, daß durch die RESC lediglich völkerrechtliche Pflichten der Mitgliedstaaten entstehen, keinesfalls aber gegen die Signatarstaaten gerichtete einklagbare Leistungsrechte. Dies ist unabhängig vom Zustimmungsgesetz gem. Art. 59 Abs. 1 Satz 2 GG allein aufgrund der Auslegung des völkerrechtlichen Vertrages zu entscheiden.

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Art. 31 RESC zielt also in erster Linie darauf ab, die Ausgrenzung sozial und finanziell benachteiligter Gesellschaftsteile vom privatwirtschaftlich organisierten Wohnungsmarkt zu vermeiden. Dies wird vor allem durch die Verpflichtungen zur Schaffung erschwinglicher Wohnpreise und zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit deutlich. Bei aller angebrachten Vorsicht läßt sich hierfür auch ein systematisches Argument fruchtbar machen.249 So bestimmt der unmittelbar vorangehende Art. 30 RESC, der wie auch Art. 31 RESC nicht auf Arbeitnehmer beschränkt ist, ein Recht auf Schutz gegen Armut und soziale Ausgrenzung. Ferner haben die Signatarstaaten für allgemein angemessene Wohnverhältnisse zu sorgen.

4. Art. 34 Abs. 3 der Europäischen Grundrechtecharta Gem. Art. 34 Abs. 3 EGRC erkennt die Union zur Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und Armut das Recht des einzelnen auf „eine Unterstützung für die Wohnung“ an. Damit wurde offensichtlich ein Kompromiß zwischen den Verfechtern eines Rechts auf Wohnung, wie es in manchen nationalen europäischen Verfassungen und der RESC enthalten ist, und denjenigen geschlossen, die eine solche Gewährleistung als „leere Versprechung“ und daher als für die Akzeptanz der EGRC und der gesamten EU eher schädlich ablehnen.250 Sollte mit Art. 34 Abs. 3 EGRC die Schaffung eines rechtsverbindlichen subjektiven Rechts beabsichtigt sein, würde erstmalig ein Leistungsrecht mit Grundrechtsstatus statuiert, welches die bedürftigen Bevölkerungsteile – zumindest auf dem Papier – in die Lage versetzte, sich mit dem knappen Gut Wohnraum als Voraussetzung zur Begründung einer räumlichen Privatsphäre zu versorgen. Als soziales Grundrecht würde es direkt die Schaffung der wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen bewirken können, unter denen das gewährleistete Wohnungs-Freiheitsrecht effektiv ausgeübt werden kann.251 Gleichwohl würde die EGRC nur im Verhältnis der EU bzw. der gemeinschaftsrechtliche Gewalt ausübenden Organe zu den Unionsbürgern Wirkung entfalten.252 Ein in Art. 34 Abs. 3 EGRC statuierter Anspruch auf Gewährung von Wohnungsbeihilfe könnte sich daher nur gegen die EU bzw. die in ihrem Auftrag hoheitlich handelnden Organe richten. Damit wäre eine Kompetenzerweiterung der EU auf die Gestaltung von Kernbereichen der Sozial- und Wohnungspolitik verbunden, die durch die EGRC jedoch gerade nicht herbeigeführt werden soll.253 Eine solche Kompetenzerweiterung wäre ohnehin nicht mit Art. 137 EGV vereinbar. Art. 137 249 Zur weitgehend nicht vorhandenen Systematik innerhalb der RESC vgl. Birk, FS Söllner, S. 137, 141. 250 Vgl. nur Magiera, DÖV 2000, 1017, 1026; Pernice, DVBl. 2000, S. 847, 853. 251 Vgl. Häberle, VVDStRL, 30 (1972), 43, 90 ff.; in Bezug auf die EGRC: Pernice, DVBl. 2000, 847, 853; Weber, NJW 2000, 537, 541. 252 Vgl. Pernice, DVBl. 2000, S. 847, 854; Magiera, DÖV 2000, 1017, 1021. 253 Magiera, DÖV 2000, S. 1017, 1026; Koenig, EuZW 2000, 417.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

EGV weist der EU im Bereich der Sozialpolitik Handlungskompetenzen allein zur Unterstützung und Ergänzung der Tätigkeit der Mitgliedstaaten zu. Weitere Kompetenznormen im Bereich der Sozialpolitik enthält das Primärrecht nicht, so daß nach dem in Art. 5 EUV und Art. 5 Abs. 1 EGV niedergelegten Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung davon auszugehen ist, daß die Kompetenz zur Gestaltung der Sozialpolitik allein den Mitgliedstaaten zukommt.254 Im Bereich der Wohnungspolitik sind der Gemeinschaft gar überhaupt keine Kompetenzen zugewiesen, so daß diese nach Art. 5 EUV, Art. 5 Abs. 1 EGV bisher allein in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fällt. Bevor im Primärrecht der EU nicht die kompetenziellen Voraussetzungen geschaffen sind und das Recht der Wohnungsbeihilfen der Mitgliedstaaten nicht harmonisiert ist, kann die Bestimmung des Art. 34 Abs. 3 EGRC auch aus praktischen Gründen kaum als Gewährung eines justiziablen Anspruchs verstanden werden.255 Es ist daher davon auszugehen, daß auch Art. 34 Abs. 3 EGRC „nur“ den Charakter einer Politikzielbestimmung hat.

5. Wohnungsbegriff Im Anschluß an die Darstellung der nationalen und internationalen Politikzielbestimmungen, die im Interesse der Bekämpfung von Wohnungsnot und Wohnungsknappheit die Beachtung des „Rechts“ auf angemessene Wohnung bzw. auf Unterstützung für die Wohnung fordern, stellt sich nunmehr die Frage, wie der von diesen Bestimmungen verwendete Begriff der Wohnung zu verstehen ist. Anders als die Gewährleistungen in Art. 13 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK stellen sie kein Abwehrrecht zum Schutz der räumlichen Privatheit dar. Sie sollen die staatlichen Organe dazu anhalten, angemessene materielle Voraussetzungen für den Gebrauch der Wohnungsfreiheit zu schaffen. Daneben sollen die Politikzielbestimmungen vor allem zur Schaffung von Wohnraum führen, um auf die Beseitigung sozialer Probleme wie Obdachlosigkeit und soziale Ausgrenzung hinzuwirken. Sie dienen auch dem Interesse an der Schaffung angemessener Wohnverhältnisse. Ihnen liegen somit auch Gleichheitsgedanken zugrunde, was sich an der systematischen Einordnung des Art. 34 ERGC im IV. Kapitel unter den Solidaritätsrechten zeigt. Insbesondere hieraus folgt, daß die Begriffe Wohnung, oder auch Wohnraum im Sinne dieser Vorschriften Betriebs- und Geschäftsräume nicht umfassen können. Deren Bereitstellung ist zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit und Qualitätssicherung der Wohnverhältnisse kaum geeignet. Wohnungs- bzw. Wohnraumbegriffe in den leistungsbezogenen Politikzielbestimmungen dürften daher im wesentlichen die folgenden Merkmale aufweisen: Es muß sich bei ihnen um Unterkünfte handeln, die aufgrund ihrer technischen Bauart Oppermann, RN 513. Ähnlich: Pernice, DVBl. 2000, S. 847, 853, der dies sogar für die Aufnahme entsprechender Politikziele in die EGRC gefordert hatte. 254 255

C. Die Wohnung in einfachgesetzlichen Normen des öffentlichen Rechts

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und Ausstattung von natürlichen Personen zum lokalen Mittelpunkt ihrer nicht auf betriebliche Arbeit bezogenen, häuslichen Persönlichkeitsentfaltung gemacht werden. Die Ausstattung der Unterkünfte wird dabei einem angemessenen technischen Mindeststandard gerecht werden müssen. Ferner wird man auch bei ihnen in der Regel nicht auf ein subjektives Element, eine der objektiven Eignung entsprechende Zweckbestimmung verzichten können, nach der die Räume einer Nutzung zu Wohnzwecken vorbehalten sein müssen.

C. Die Wohnung in einfachgesetzlichen Normen des öffentlichen Rechts Zunächst wird der Wohnungsbegriff von denjenigen einfachgesetzlichen Normen des öffentlichen Rechts verwendet, die Eingriffe in den Schutzbereich der räumlichen Privatsphäre (Art. 13 Abs. 1 GG) gestatten. Diese Normen beruhen in der Regel auf den qualifizierten Gesetzesvorbehalten der Abs. 2, 3, 4, 5 und 7 von Art 13 GG und erlauben die Durchsuchung, die technische Überwachung sowie sonstige Eingriffe zum Zwecke der Strafverfolgung und der Abwehr dringender Gefahren für wichtige Rechtsgüter. Dabei formen sie die in den verfassungsrechtlichen Schrankenbestimmungen vorgesehen Verfahren aus und konkretisieren die dort aufgestellten Eingriffsvoraussetzungen. Der Schutz der räumlichen Privatsphäre wird so je nach Eingriffsform und Sachgebiet inhaltlich weiter ausgeprägt.256 Die Ermächtigungsgrundlagen limitieren die nach den Schrankenregelungen des Art. 13 GG zulässigen Eingriffe nochmals und weisen insoweit eine grundrechtswahrende Funktion auf. Obwohl sie vordergründig zur Abwehr qualifizierter Gefahren im Sinne des Polizeirechts, zur Strafverfolgung und zum Schutz von verdeckten Ermittlern dienen, bleiben sie also weiterhin immer auf den Schutz der räumlichen Privatsphäre bezogen und diesem verpflichtet. Der Wohnungsbegriff, den diese Ermächtigungsgrundlagen verwenden, muß mit dem des Art. 13 GG identisch sein.257 Keinesfalls darf er enger gefaßt werden. Sonst bestünde die Gefahr, daß der grundrechtlich gewährleistete Schutzbereich der räumlichen Privatsphäre leerliefe. Überdies müssen die nach den Schrankenbestimmungen des Art. 13 GG erforderlichen Verfahrensgarantien gewahrt werden. Es ist daher zu erwarten, daß der Wohnungsbegriff in den Normen, die Eingriffe in den Schutzbereich von Art. 13 GG ermöglichen, von Rechtsprechung und Lehre so ausgelegt wird, daß er den Schutzbereich des Art. 13 GG abdeckt.258

Ossenbühl, in HBStR, Bd. III, § 62, RN 27. Vgl. für § 102 StPO: BVerfG NJW 2001, 1121; Gerhard Schäfer, in Löwe-Rosenberg, § 102, RN 2 ff.; allgemein: HK-Lemke, Vor §§ 94 ff., RN 6. Für § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO: KK-Nack, § 100c, RN 8 und RN 17; Pfeiffer, StPO, § 100c, RN 2. Aus der Rechtsprechung: BGHSt 42, 372; BGH – Ermittlungsrichter – NJW 1998, 157; OLG Stuttgart StV 1996, 655. 256 257

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

Die Bestimmung des in diesen Normen verwendeten Wohnungsbegriffs und die ihn insoweit determinierenden Schutzzwecke ergeben sich also zum Teil bereits aus den obigen Ausführungen zum Schutzbereich des Art. 13 GG. Auf sie soll im folgenden daher nur näher eingegangen werden, soweit sie Besonderheiten aufweisen, die darauf hindeuten, daß dies ausnahmsweise nicht der Fall sein könnte. Gleichzeitig ist aufzuzeigen, wo die den Wohnungsschutz konkretisierenden Vorschriften von der in Art. 13 GG vorgeschriebenen Konzeption des Schutzes der räumlichen Privatsphäre einschließlich der verfahrensrechtlichen Garantien aus anderen Gründen als der Reichweite des Wohnungsbegriffs abweichen. Es ist zu erklären, wie die zum Teil komplizierten Schrankenbestimmungen des Art. 13 Abs. 3 bis 5 GG durch Normen des einfachen Rechts umgesetzt werden und der Schutz der räumlichen Privatsphäre vor weiterer Aushöhlung bewahrt wird. Auf diese Weise sollen eventuelle Widersprüche zwischen dem tatsächlich durch die unterverfassungsrechtlichen Normen gewährten Schutz der räumlichen Privatsphäre und dem verfassungsrechtlichen Postulat des Art. 13 GG aufgezeigt werden. In einem weiteren Schritt sollen dann die nicht in die räumliche Privatsphäre eingreifenden Normen beleuchtet werden.

I. Zum Eingriff in Art. 13 GG befugende Normen 1. Strafprozeßrecht Das Strafprozeßrecht enthält Normen, die zu besonders nachhaltigen Eingriffen in Art. 13 Abs. 1 GG befugen. Es handelt sich dabei um die Regelungen über die Durchsuchung (§§ 102 bis 107 StPO), die Ermächtigung zur technischen Wohnraumüberwachung (§§ 100c bis 100 f. sowie 101 StPO) und die einem verdeckten Ermittler zukommende Befugnis zum Betreten einer Wohnung (§§ 110b, 110c StPO).

a) Durchsuchungen gem. §§ 102, 104 StPO – Reichweite des Wohnungsbegriffs Durch Wortwahl und Systematik der §§ 102 und 104 Abs. 1 StPO könnte man sich dazu veranlaßt sehen, den Begriff der Wohnung für den Geltungsbereich dieser Vorschriften enger auszulegen, als die Gewährleistung des Schutzbereichs gem. Art. 13 GG reicht. So unterscheidet § 102 StPO, der zur Vornahme von Durchsuchungen beim Verdächtigen ermächtigt, zwischen Durchsuchungen in 258 Vereinzelt wird dies durch die einfachgesetzlichen Eingriffsermächtigungen sogar selbst klar gestellt, vgl. § 45 Abs. 2 Satz 1 BGSG: „Die Wohnung umfaßt die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum“. Das befriedete Besitztum soll hier – streng nach dem verfassungsrechtlichen Verständnis – gleichwohl nur unter den Wohnungsbegriff fallen, wenn es an der räumlichen Privatsphäre „teil hat“, vgl. Fischer, in Fischer / Hitz / Laskowski / Walter, § 45, RN 9.

C. Die Wohnung in einfachgesetzlichen Normen des öffentlichen Rechts

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Wohnungen und Durchsuchungen in „anderen Räumen“. § 104 Abs. 1 StPO, der für Durchsuchungen zur Nachtzeit besondere Voraussetzungen aufstellt, differenziert gar zwischen Wohnung, Geschäftsräumen und befriedeten Besitztümern. Es liegt somit der Schluß nahe, diese Räumlichkeiten seien die „anderen Räume“ im Sinne von § 102 StPO und vom Wohnungsbegriff der §§ 102, 104 StPO nicht umfaßt. Der Wohnungsbegriff des Art. 13 GG bezieht jedoch sowohl Betriebsund Geschäftsräume als auch die in die räumliche Privatsphäre einbezogenen befriedeten Besitztümer mit ein.259 Daß die §§ 102 und 104 StPO zwischen den genannten Raumtypen unterscheiden, dürfte seine Ursache darin haben, daß es sich bei diesen Normen um vorkonstitutionelles Recht handelt.260 Der Wohnungsbegriff in den §§ 102 und 104 StPO wird daher aus den oben genannten Gründen von Rechtsprechung und Literatur verfassungskonform so ausgelegt, daß er dem Schutzbereich des Art. 13 GG entspricht.261 Vom Wohnungsbegriff des § 102 StPO sind also auch Geschäftsräume umfaßt. Ihrer ausdrücklichen Erwähnung in § 104 StPO kommt keine selbständige Bedeutung zu.262 Auch die Erwähnung der befriedeten Besitztümer in § 104 StPO ist folglich nur insoweit nicht von rein deklaratorischer Bedeutung, als diese nicht unter den Schutz der räumlichen Privatsphäre fallen.

b) Technische Überwachung gem. §§ 100c Abs. 1 Nr. 3 und 100d StPO – Widerspruch zur Konzeption des Art. 13 GG Nach der Einführung des Art. 13 Abs. 3 n.F. bis 6 n.F. GG konnte der große Lauschangriff im Strafverfahrensrecht verankert werden. Der durch das 6. OrgKG vom 15. 07. 1992 eingefügte § 100c StPO, der schon Eingriffe in andere dem Privatsphärenschutz zuzurechnende Grundrechte gestattete, wurde am 04. 05. 1998 in Abs. 1 um die Nr. 3 ergänzt. Weiterhin wurden zur Umsetzung der in Art. 13 Abs. 3 bis 6 GG vorgesehenen, detaillierten Voraussetzungen die §§ 100d bis 100e StPO neu geschaffen. Dabei konkretisierte der Gesetzgeber die bereits sehr detaillierten Regelungen in Art. 13 Abs. 4 bis 7 GG noch weiter, wodurch vor allem die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips auf die unterschiedlichen Fallkonstellationen zugeschnitten werden sollte.263 Vgl. oben, B. I. 1. c). Beide Vorschriften sind seit dem Inkraftreten der StPO im Jahr 1879 im wesentlichen unverändert geblieben., vgl. Karl Schäfer, in Löwe-Rosenberg, Einl. Kap. 3, RN 1 ff. 261 Vgl. nur BGH – Emittlungsrichter – NStZ 1998, 157; BVerfG NJW 2001, 1121; Gerhard Schäfer, in Löwe-Rosenberg, § 102, RN 27; für eine weite Auslegung des Wohnungsbegriff, ohne dies ausdrücklich auf Art. 13 GG zurückzuführen auch: KK-Nack, § 102, RN 8; Pfeiffer, StPO, § 102, RN 2; HK-Lemke, § 102, RN 9. 262 KK-Nack, § 104, RN 3; HK-Lemke, § 104, RN 2. 263 Vgl. KK-Nack, § 100c, RN 7. So darf beispielsweise die technische Überwachung in der Wohnung des Beschuldigten stattfinden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Täters auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. 259 260

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aa) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Ermächtigungsgrundlage zur akustischen Wohnraumüberwachung in § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO Nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO sind das Abhören und Aufzeichnen des vom Beschuldigten in seiner Wohnung gesprochenen Wortes zulässig, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß eine der im Katalog dieser Vorschrift aufgeführten Straftaten begangen wurde. Die akustische Überwachung der Wohnung des Beschuldigten ist ferner nur zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Täters zulässig. Die strenge Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips soll durch die neu geschaffene, sogenannte „doppelte ultima-ratio-Klausel“ gewährleistet werden, wonach die Erreichung der genannten Zwecke „auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos sein“ muß. Die im Katalog des § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO aufgeführten Straftaten müssen besonders schwere im Sinne des Art. 13 Abs. 3 GG sein. Ließe § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO die akustische Überwachung auch zur Verfolgung leichterer Straftaten zu, wäre der damit verbundene Eingriff in Art. 13 GG nicht gerechtfertigt.264 Daß unter den Begriff der schweren Straftat auch besonders schwere Vergehen und nicht nur Verbrechen im Sinne des § 12 Abs. 1 StGB fallen, dürfte sich daraus ergeben, daß Art. 13 Abs. 3 GG eben nicht den Verdacht eines Verbrechens voraussetzt, sondern den Begriff der besonders schweren Straftat verwendet.265 Denn der Verfassungsgeber verwendet im Rahmen der 1998 neu eingefügten Schrankenbestimmungen zu Art. 13 GG auch sonst die polizei- und strafverfahrensrechtliche Fachterminologie. Auch schwerere Vergehen dürften also noch als besonders schwere Straftaten im Sinne von Art. 13 Abs. 3 GG gelten. Der Straftatenkatalog in § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO führt neben Vergehen mit einer erhöhten Mindeststrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe266 aber auch „einfache“ Vergehen auf, die im Mindestmaß lediglich mit Geldstrafe zu bestrafen sind. Dies sind vor allem die Staatsschutzdelikte gem. §§ 85, 87, 88, und 99 StGB.267 Bei ihnen handelt es sich eindeutig nicht um Taten, deren Gewicht von Unrecht und Schuld sich weit vom Durchschnitt abhebt.268 Zumindest erscheint es überaus zweifelhaft, ob diese Straftaten gewichtiger sind als Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne von In Wohnungen anderer Personen ist sie dagegen nur zulässig, wenn anzunehmen ist, daß die Durchführung in der Wohnung des Beschuldigten zu den genannten Zwecken unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre, vgl. § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO und § 100c Abs. 2 S. 4 StPO. 264 Vgl. oben, B. I. 6. c) aa) (3). 265 Vgl. Dittrich, NStZ 1998, 336, 337. 266 Bandendiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 2), Erpressung (§ 253 Abs. 1) in Fällen des § 253 Abs. 4 Satz 2 und Bandenhehlerei (§ 260). 267 §§ 85 (Verstoß gg. ein Vereinigungsverbot), 87 (Agententätigkeit zu Sabotagezwekken), 88 (Verfassungsfeindliche Sabotage), 98 (Landesverräterische Agententätigkeit) und 99 (Geheimdienstliche Agententätigkeit). 268 Nur dann liegt aber ein besonders schwerer Fall vor, vgl. BGHSt 28, 318, 319 f.

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§ 100c Abs. 1 Nr. 1 lit. b und § 110a StPO.269 Soweit § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO die akustische Wohnraumüberwachung auch bei einem konkreten Verdacht auf Begehung dieser Delikte zuläßt, ist er durch die eingriffsrechtfertigende Vorschrift des Art. 13 Abs. 3 GG folglich kaum mehr gedeckt.270 Dies zumal gerade die genannten Staatsschutzdelikte keine typische Form organisierter Kriminalität darstellen, gegen die sich der große Lauschangriff nach der Intention des Gesetzgebers vor allem richten soll. Der Schutzbereich der räumlichen Privatsphäre wird durch § 100c Abs. 1 Nr. 3 lit. d StPO mithin weiter eingeschränkt, als es verfassungsrechtlich zulässig ist. Dieses grundsätzliche Manko kann auch durch die nach einer verbreiteten Meinung im Schrifttum generell anzuwendende verfassungskonforme Auslegung, wonach die Katalogstraftat auch im konkreten Fall „besonders schwer“ sein muß, nicht kompensiert werden.271 Dies vor allem, weil nur bei Vorliegen eines abschließenden, überschaubaren und transparenten Katalogs von besonders schweren Straftaten gewährleistet ist, daß die heimliche Wohnraumüberwachung nicht als regelmäßig zu erwartender Ermittlungseingriff erscheint. Nur dann kann das Vertrauen des Bewohners auf die Abwesenheit staatlicher Kenntnisnahmemittel im Ansatz erhalten werden. Ansonsten würde in der Tat einer Entwicklung Vorschub geleistet, an deren Ende die durch Art. 13 GG geschützte räumliche Privatsphäre ihre wichtigen Funktionen nicht mehr erfüllen könnte.272 bb) Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Regelung der Benachrichtigungspflicht in § 100c Abs. 1 StPO Nach § 100c Abs. 1 StPO sind die Betroffenen von der Abhörmaßnahme zu benachrichtigen, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks, der öffentlichen Sicherheit, von Leib und Leben eines Dritten oder des Interesses an der Aufrechterhaltung der Legende einer verdeckt ermittelnden Person möglich ist. Erst durch die Benachrichtigung erlangt der von der heimlichen Abhörmaßnahme Betroffene die ihm unabdingbar zukommende Subjektsqualität in dem ihn betreffenden Verfahren und nur durch diese wird eine Verletzung des Wesensgehalts der räumlichen Privatsphäre (Art. 19 Abs. 2 GG) vermieden. Wie oben bereits dargelegt, ist es daher geboten, den Ermittlungsbehörden eine Benachrichtigungspflicht 269 Dieses Kriterium will KK-Nack, § 100c, RN 44, zur Bestimmung der „besonders schweren Straftat“ ansetzen. Schon eine Straftat von erheblicher Bedeutung ist nur dem Bereich der besonders gefährlichen Kriminalität zuzuordenen, vgl. BVerfG E 57, 250, 284, BGHSt 32, 115, 122. Insoweit soll im Rahmen der streng am allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzip ausgerichteten Einzelfallprüfung eine Mindeststrafdrohung von einem Jahr in der Regel allein nicht ausreichen. Als „hinreichendes aber nicht notwendiges“ Kriterium für das Vorliegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung schlägt KK-Nack, § 110a, RN 21, weiterhin das Erfordernis einer Anklage beim OLG vor. 270 Dittrich, NStZ 1998, 336, 338; verhalten kritisch auch KK-Nack, § 100c, RN 44. 271 Vgl. KK-Nack, § 100c, RN 44; Denninger, StV 1998, 401. 272 Vgl. Lammer, S. 109.

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aufzuerlegen.273 Anderenfalls bestünden berechtigte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der akustischen Wohnraumüberwachung zu repressiven Zwecken. Nur wenn der Betroffene von der Abhörmaßnahme und deren Beendigung sicher weiß, wird ihm ihr Ausnahmecharakter bewußt und nur dann kann er wieder Vertrauen in den Bestand des Schutzes der räumlichen Privatsphäre fassen. Dieses ist unabdingbar, damit sich in der Wohnung die zur Persönlichkeitsentfaltung erforderlichen Funktionen vollziehen können.274 Bliebe der Berechtigte längere Zeit über die heimliche Abhörmaßnahme und ihre Dauer im Ungewissen, so könnte es tatsächlich zu einer umfassenden, den Menschenwürdegehalt verletzenden Entwertung der räumlichen Privatsphäre kommen. Hat der Betroffene nicht die ihm durch die Benachrichtigung zeitnah eröffnete Möglichkeit, die Verwertbarkeit der durch die Abhörmaßnahmen gewonnenen Erkenntnisse vor der Hauptverhandlung überprüfen zu lassen, droht durch die öffentliche Erörterung dieser Erkenntnisse in der Hauptverhandlung überdies die Gefahr einer Erneuerung oder „Vertiefung“ des Eingriffs. Die Regelung des § 100c Abs. 1 StPO wird den hieraus erwachsenden Anforderungen hingegen kaum gerecht. Die Benachrichtigung darf dem Betroffenen auch ohne richterlichen Beschluß bis zu sechs Monaten nach der Beendigung der Maßnahme vorenthalten werden. Auch nach Ablauf der Sechs-Monatsfrist kann die Benachrichtigung mit richterlicher Zustimmung nochmals – nach dem Wortlaut des § 101 Abs. 1 Satz 2 StPO auf unabsehbare Zeit – hinausgeschoben werden. Vor allem angesichts des äußerst vagen Kriteriums der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit besteht die reale Gefahr, daß der Bürger je nach der Vorgehensweise der Ermittlungsbehörden im Einzelfall seinen formal bestehenden Benachrichtigungsanspruch praktisch kaum durchsetzen kann.275 Gegen § 100c Abs. 1 StPO bestehen also erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Durch die Regelung des § 100c Abs. 1 StPO kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, daß eine Vielzahl von Abhörmaßnahmen das Grundrecht auf Schutz der räumlichen Privatsphäre in seinem Menschenwürdegehalt verletzen.276 Die höchstrichterliche Rechtsprechung sollte daher eindeutige, aus einer verfassungskonformen Auslegung erwachsende Maßstäbe entwickeln, die insbesondere eine zeitliche Höchstgrenze für den Zeitraum zwischen Beendigung der Abhörmaßnahme und Benachrichtigung beinhalten.

273 Dies war neben der Aufstellung eines abschließenden und transparenten Kataloges besonders schwerer Straftaten und der zeitlichen Befristung der Maßnahme unabdingbare Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit der Grundgesetzänderung, vgl. oben B. I. 6. c) aa) (3). 274 Vgl. De Lazzer / Rohlf, JZ 1977, 207; Lammer, S. 109. 275 Denninger, StV 1998, 401, 405. 276 Vgl. Denniger, StV 1998, 401, 405; De Lazzer / Rohlf, JZ 1977, 207; Lammer, S. 109.

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cc) Die besondere Bedeutung des § 100d Abs. 3 Satz 2 StPO Die Anordnung der Abhörmaßnahme obliegt gem. § 100d Abs. 2 Satz 1 StPO ausschließlich der Staatsschutzkammer des zuständigen Landgerichts (§ 74a GVG). Sie muß die antizipierte Überprüfung nicht nur auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 100c Abs. 1 Nr. 3 bzw. Abs. 2 Satz 5 StPO (betrifft Abhörmaßnahmen in Wohnungen, die nicht dem Beschuldigten gehören) erstrecken. Sie darf die Maßnahme auch dann nicht anordnen, wenn aller Voraussicht nach die in § 100d Abs. 3 Satz 1 und 2 StPO geregelten Beweiserhebungsverbote greifen.277 § 100d Abs. 3 Satz 1 verbietet das Abhören von Gesprächen des Beschuldigten mit zeugnisverweigerungsberechtigten Personen im Sinne von § 53 Abs. 1 StPO. § 100d Abs. 3 Satz 2 untersagt das Abhören von Gesprächen des Beschuldigten mit anderen als den in § 53 Abs. 1 StPO genannten Personen, wenn von vornherein zu erwarten ist, daß die zu erlangenden Erkenntnisse einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Während Satz 1 in erster Linie den Schutz des spezifischen, berufsbedingten Vertrauensverhältnisses zwischen dem Betroffenen und den nach § 53 Abs. 1 StPO zeugnisverweigerungsberechtigten Personen bezweckt,278 soll Satz 2 unter anderem Eingriffe in den menschenwürderelevanten Kernbereich der Privatsphäre (Art. 2 und Art. 1 GG), insbesondere Störungen der menschenwürderelevanten Funktionen der räumlichen Privatsphäre (Art. 13 GG) verhindern. Denn Erkenntnisse, die nur aufgrund von Eingriffen in den unantastbaren Kernbereich der Privatsphäre erlangt werden können, dürfen nach einhelliger Auffassung keinesfalls als Beweise in einem Strafverfahren verwertet werden.279 So bietet § 100d Abs. 2 Satz 3 StPO die – verfassungsrechtlich notwendige – Gewähr dafür, daß Eingriffe in den im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 GG unantastbaren Menschenwürdegehalt und den nach Art. 19 Abs. 2 GG unverletzlichen Wesensgehalt der Unverletzlichkeit der Wohnung von vornherein vermieden werden: Die absolut geschützte, einer Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht zugängliche Intimsphäre280 bildet zwar den Kernbereich des Grundrechts auf Achtung der Privatsphäre aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG281 und nicht den Kernbereich des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG. Die Wohnung ist aber ein formal geschützter Verhaltensfreiheitsraum, in dem die unantastbare Intimsphäre als Teil der durch Art. 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 GG „materiell“ geschützten Privatsphäre bevorzugt zur Entfaltung gelangen wird. Die Entfaltung der Intimsphäre in der formal-räumlich geschützten Sphäre der Wohnung stellt mithin eine menschenwürderelevante Funktion der räumlichen Privatsphäre dar. Eine Verletzung des sich in der Wohnung 277 278 279 280

Dittrich, NStZ 1998, 336; KK-Nack, § 100c, RN 24 f. Dittrich, NStZ 1998, 336 f. Roxin, StrVR, § 24, RN 42; KK-Pfeiffer, Einl., RN 121. BVerfG E 34. 238, 245; BVerfG E 35, 202, 220; BVerfG E 80 367, 373; vgl. Rohlf,

S. 87. 281

Lammer, S. 115 unter Bezugnahme auf Rohlf, S. 163.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

verwirklichenden Teilausschnitts der alle räumlichen Lebensbereiche potentiell umfassenden Intimsphäre ist ohne eine – ebenfalls sehr tiefgreifende, u.U. den Menschenwürdegehalt tangierende – Verletzung der räumlichen Schutzsphäre „Wohnung“ selbst also nicht denkbar. Denn um von den der Intimsphäre zuzurechnenden und sich in der räumlichen Privatsphäre befindlichen Informationen Kenntnis zu nehmen, muß zunächst die räumliche Schutzsphäre, die Wohnung, durch heimliche technische Überwachung überwunden werden. Steht beispielsweise zu befürchten, daß durch die Maßnahme Gespräche des Beschuldigten mit seinem Ehepartner im ehelichen Schlafzimmer abgehört werden, die die Rechtsprechung des BGH dem engsten Bereich der Intimsphäre zugerechnet hat,282 so dürfte die Kammer die Maßnahme wegen einer drohenden Verletzung des unantastbaren Menschenwürdegehalts der über Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Privatsphäre und einer tiefgreifenden u.U. ebenfalls menschwürderelevaten Verletzung der räumlichen Privatsphäre (Art. 13 GG) gar nicht erst anordnen.283 Denn die Verletzung der sich im Schutzbereich des Art. 13 GG entfaltenden Intimsphäre ist – zumindest im Bereich der heimlichen Eingriffe in Art. 13 GG – immer auch ein Indiz für eine menschenwürderelevante Verletzung des Art. 13 GG. Verfassungsrechtlich geboten ist die Regelung des § 100d Abs. 3 Satz 2 StPO, weil der Menschenwürde- und Wesensgehalt (Art. 19 Abs. 2 GG) dieser Grundrechte bereits durch einmalige hoheitliche Kenntnisnahme von Vorgängen, die dem engsten Bereich der (räumlichen) Privatheit zuzurechnen sind, irreparabel verletzt würde. dd) Der Wohnungsbegriff in § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO Entsprechend der oben formulierten Vermutung entspricht die Auslegung des Wohnungsbegriffs in § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO der des Art. 13 Abs. 1 GG. Da die technische Überwachung der räumlichen Privatsphäre eine der Durchsuchung vergleichbare Eingriffsintensität entfaltet, besteht auch kein Anlaß dazu, eine engere Auslegung in Erwägung zu ziehen, die etwa Betriebs- und Geschäfts oder das befriedete Besitztum ausnimmt. Wohnung im Sinne von § 100c Abs. 1 Nr. 3 wird daher in der einschlägigen Kommentar- und Lehrbuchliteratur auch entsprechend verstanden.284 c) Betreten einer Wohnung durch verdeckte Ermittler, § 110c i.V.m. § 110b Abs. 2 Nr. 2 StPO Der Einsatz verdeckter Ermittler zur Aufklärung von Straftaten, die im Rahmen organisierter Kriminalität begangen werden, erwiese sich offenbar als wenig 282 283 284

Vgl. BGHSt 31, 296, 299 f. Ähnlich KK-Nack, § 100c, RN 25. Vgl. nur: KMG, § 100c, RN 11.

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erfolgversprechend, wenn es den verdeckten Ermittlern nicht gestattet wäre, fremde Wohnungen mit einem auf die Legende bezogenen Einverständnis des Berechtigten zu betreten.285 Dies ist auch erforderlich, um die Tarnung der verdeckten Ermittler nicht zu gefährden.286 § 110c StPO trägt dem Rechnung, indem er dem verdeckten Ermittler das Betreten einer fremden Wohnung unter der Voraussetzung gestattet, daß der Wohnungsinhaber dem verdeckten Ermittler den Zutritt zur Wohnung in dem irrtümlichen Glauben an die Wahrheit der Legende gestattet. Dem verdeckten Ermittler ist es also erlaubt, sich diese Zutrittserlaubnis unter Vortäuschung der Legende zu verschaffen. Wie § 110c Satz 2 StPO klarstellt, darf der verdeckte Ermittler zur Täuschung ausschließlich die Legende verwenden. Zusätzliche oder andere falsche Behauptungen, mit denen er etwa ein vertragliches oder behördliches Zutrittsrecht vorspiegelt, dürfen nicht aufgestellt werden.287 aa) Das Betreten der Wohnung durch den verdeckten Ermittler mit Einverständnis des Berechtigten – ein Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG? Das Betreten von Wohnungen durch Vertreter hoheitlicher Gewalt gegen den fehlerfreien Willensentschluß des Verfügungsberechtigten stellt eine ganz typische Form des Eingriffs in den Schutzbereich der räumlichen Privatsphäre dar. Die Entscheidung des Betroffenen, Räume dem öffentlichen Zugang zu entziehen, wird übergangen und ihre Funktion als Verhaltensfreiheitsraum und Geheimnisschutzsphäre wird bereits durch die einmalige Kenntnisnahme hoheitlicher Organe vom Innenleben der Wohnung nachhaltig beeinträchtigt. 288 (1) Die Auffassung, nach der kein Eingriff vorliegt Im Fall des § 110c StPO wird das Vorliegen eines Eingriffs von einer verbreiteten Auffassung im Schrifttum gleichwohl bestritten.289 Zur ihrer Begründung werden zwei Argumente angeführt: Hilger ist der Ansicht, § 100c StPO stelle lediglich klar, daß der verdeckte Ermittler die Wohnung nicht als hoheitlich Handelnder, 285 BT-Drs. 12 / 989, S. 12; vgl. auch Zaczyk, StV 1993, 490, 494 und Krüger, Kriminalistik 1992, 594, 596. 286 Vgl. hierzu Flesch, StV 1998, 285 f. 287 So darf er z.B. nicht vorgeben, er sei als Stromableser oder Gasmann berechtigt, die Wohnung zu betreten. Darin würde nach einer verbreiteten Auffassung sogar ein Eingriff in den Kernbereich des Art. 13 Abs. 1 GG liegen, vgl. KMG, § 110c, RN 1; Makrutzki, S. 102; a.A. wohl Flesch, StV 1998, 285, 286. 288 Vgl. oben, B. I. 6. a); BVerfG E 65, 1, 40; BK-Herdegen, Art. 13, RN 42; Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 4; Lammer, S. 106. 289 Hilger, NStZ 1992, S. 523, 525 (auch FN 159 und 160); ders. NStZ 1997, 449; KKNack, § 110c, RN 3; KMG, § 110c, RN 1; Krey, 1993, RN 226 ff.; Jähnke, FS-Odersky, S. 427, 437.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

sondern als Privatperson, gleichsam als privater Besucher, betrete.290 Da ein Grundrechtseingriff aber nur im Falle hoheitlichen Handelns vorläge, könne hier der Schutzbereich des Art. 13 GG gar nicht tangiert sein.291 Andere klassifizieren das Betreten der Wohnung durch den verdeckten Ermittler zwar als hoheitliche Maßnahme, sind aber der Auffassung, das Einverständnis des Berechtigten schließe einen Eingriff in den Schutzbereich der räumlichen Privatsphäre aus. Daß das Einverständnis durch eine Täuschung hervorgerufen wurde, wird für unerheblich gehalten, weil bei einem Betreten der Wohnung aufgrund eines täuschungsbedingt erteilten Einverständnisses auch das Tatbestandsmerkmal „Eindringen“ in § 123 StGB nicht vorliege.292 (2) Kritische Stellungnahme Der Gesetzgeber hielt die Befugnis des § 110c StPO für notwendig, damit er „verdeckte Ermittler“ erfolgreich als Ermittlungsinstrument einsetzen kann. Die Norm des § 110c StPO dient also evident dem öffentlichen Zweck der Strafverfolgung. Sie berechtigt ausschließlich den verdeckten Ermittler und damit nur einen Beamten des Polizeivollzugsdienstes (§ 110a Abs. 2 Satz 1 StPO), also einen Träger hoheitlicher Ermittlungsgewalt, die Wohnung eines Bürgers zu betreten. Dies erfolgt nur zur Verfolgung des öffentlichen Ermittlungszwecks, also zur Strafverfolgung (§ 110a Abs. 1 Satz 2 StPO). Dies gilt ohne Ausnahme für jeden Fall des § 100c StPO, da der verdeckte Ermittler immer zumindest den öffentlichen Ermittlungszweck verfolgt, seine Legende aufrecht zu erhalten. § 110c StPO weist somit eindeutig den Charakter einer öffentlich-rechtlichen Ermächtigungsgrundlage auf.293 Daß es sich bei § 110c StPO um eine Norm handelt, die zu einem Eingriff in ein Grundrecht ermächtigen soll, wird zudem noch aus ihrer systematischen Stellung im 8. Abschnitt des ersten Buches der StPO deutlich, in dem ausschließlich die Zwangsmittel geregelt sind. Sollte § 110c StPO in einer Art deklaratorischen Funktion lediglich die Selbstverständlichkeit klarstellen, daß Privatpersonen mit Einverständnis der Berechtigten deren Wohnungen betreten dürfen, so wäre er überdies überflüssig; ein Verweis auf die allgemeinen Vorschriften des Zivil- und Strafrechts (insbesondere §§ 858 ff. BGB und § 123 StGB) hätte insoweit vollkommen ausgereicht. Als obsolet erwiese sich bei Zutreffen von Hilgers Ansicht auch Hilger, NStZ 1997, 449. Hilger, NStZ 1997, 449. 292 Krey, Rechtsprobleme, RN 226 ff.; KMG (42. Aufl.), § 110c, RN 1; zur Frage, ob der verdeckte Ermittler in den Fällen des § 110c StPO den Tatbestand des § 123 verwirklicht, vgl. Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 22. Noch anders Jähnke, FS-Odersky, S. 427, 437. und auch Nack, § 110c, RN 3. Jähnke meint aufgrund der nicht weiter begründeten Beachtlichkeit des freiwilligen Einverständnisses handele es sich um eine Berührung des Art. 13 GG, die aber noch keine Verletzung darstelle. Einer solchen Konzeption scheint sich auch Nack anschließen zu wollen. 293 Vgl. Maurer, Allg. VerwR, S. 44 ff.; ähnlich Flesch, StV 1998, 285, 288. 290 291

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§ 110b Abs. 2 Nr. 2 StPO. Warum sollte es erforderlich sein, daß ein Richter präventiv überprüft, ob es einer Privatperson gestattet ist, die Wohnung einer anderen Privatperson mit deren Zustimmung zu betreten?294 Auch das Argument, ein Eingriff in Art. 13 GG könne in den Fällen des § 110c StPO nicht vorliegen, weil ein täuschungsbedingtes Einverständnis auch das Vorliegen eines Eindringens im Sinne des § 123 StGB ausschließe, kann nicht durchgreifen. Die im Rahmen des § 123 StGB zu beantwortende Frage, ob ein strafbares Eindringen des verdeckten Ermittlers vorliegt, ist von der Frage, ob der verdeckte Ermittler durch sein Betreten den durch Art. 13 GG geschützten Bereich der räumlichen Privatsphäre eingreift, streng zu trennen.295 Im Rahmen des § 123 StGB geht es um die Frage, ob der Täter trotz des Einverständnisses die strafwürdige, im Tatbestand des Hausfriedensbruchs typisierte Unrechtshandlung begangen hat. Dies wird überwiegend verneint. Denn es ist für das in § 123 StGB vertypte Unrecht gerade wesentlich, daß das Betreten der Wohnung gegen den tatsächlichen Willen des Opfers erfolgt.296 Bei der Frage, ob ein Eingriff in Art. 13 GG vorliegt, geht es jedoch darum, ob ein Bürger ein Grundrecht, welches seine Entscheidung schützt, den Staat von der Kenntnisnahme einer räumlich begrenzten Sphäre auszuschließen, wirksam preisgeben kann, ohne daß ihm die Preisgabe überhaupt bewußt ist, weil er nicht weiß, daß er einem hoheitlichen Organ den Zutritt zu der geschützten Sphäre gestattet. Neben den unterschiedlichen Perspektiven, aus denen nach der Wirksamkeit der Zustimmung gefragt wird,297 sind also auch die Zielrichtungen von § 123 StGB und Art. 13 GG völlig unterschiedlich. Der BGH hat daher zu recht festgestellt, der verfassungsrechtlich geschützte Bereich müsse sich nicht zwangsläufig mit dem strafrechtlich geschützten decken.298 Letztlich übersehen die Vertreter des Einverständnisarguments, daß es sich vorliegend um ein Problem des Grundrechtsverzichts handelt, welches mit dem hierzu entwickelten verfassungsrechtlichen Instrumentarium zu lösen ist. Sie wenden strafrechtliche Wertungen an, die allein darauf ausgelegt sind, Aussagen über Rechtswidrigkeit und 294 Flesch, StV 1998, 285, 289. Dies zeigt sich insbesondere am Beispiel von ermittlungsrelevanten Wahrnehmungen. Als einem professionellen Ermittlungsbeamten ist dem verdeckten Ermittler, anders als einer beliebigen Privatperson, die zum Zeitpunkt der Wahrnehmung noch gar nicht damit rechnen kann, daß sie hierüber später wird aussagen müssen, genau bewußt, welche Informationen insoweit relevant sind. Er kommt auch anders als ein „normaler Zeuge“ während des Prozesses in den Genuß seiner hoheitlichlichen Stellung, indem er unter Umständen seine wahre Identität nicht offenbaren muß. Überdies werden in der Regel gar keine „normalen Zeugen“ verfügbar sein. Sonst wäre der Einsatz des verdeckten Ermittlers angesichts der strengen Subsidiaritätsklausel in § 110a Abs. 1 Satz 3 StPO überhaupt nicht zulässig. 295 BGH NStZ 1997, 1516, 1517; Frister, StV 1993, 153; Weil, ZRP 1992, 243, 245; Groth, S. 50 ff.; Makrutzki, S. 101; Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 22. 296 Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 22, m.w.N. 297 Strafrecht: Täterperspektive; Verfassungsrecht: Perspektive des „Opfers“ des Eingriffs, vgl. Groth, S. 52. 298 BGH NStZ 1997,1516, 1517.

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Schuld einer Täterhandlung zu treffen. Aus ihnen kann sich nicht ergeben, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Grundrechtsberechtigter durch eine Willensentscheidung auf den ihm zustehenden Grundrechtsschutz wirksam verzichten kann.299 Durch das Einverständnis des Berechtigten könnte das Vorliegen eines Eingriffs in Art. 13 Abs. 1 GG also nur ausgeschlossen sein, wenn es als Grundrechtsverzicht im Sinne des Verfassungsrechts zu werten ist, durch den diese konkrete Rechtsfolge (Nichtvorliegen eines Eingriffs) ausgelöst wird.300 Ein wirksamer Grundrechtsverzicht liegt nur vor, wenn der Berechtigte das Grundrecht im konkreten Fall freiwillig preisgegeben hat.301 Wenn der Wille des Verzichtenden bei Abgabe der Verzichtserklärung durch eine Täuschung beeinträchtigt war, ist Freiwilligkeit in diesem Sinne ausgeschlossen.302 Das Einverständnis des durch die Verwendung der Legende getäuschten Wohnungsinhabers ist folglich schon aufgrund fehlender Freiwilligkeit unbeachtlich. Die u.U. komplizierte Frage nach der Rechtsfolge des Grundrechtsverzichts stellt sich daher nicht. Sobald der verdeckte Ermittler die Wohnung betritt, ohne seine wahre Identität zu offenbaren, greift er in den Schutzbereich der räumlichen Privatheit ein. Dies gilt unabhängig davon, ob mit dem Verbreiten der Legende von Beginn an gerade der Zutritt zur Wohnung bezweckt oder ob diese Absicht erst später gefaßt wurde. Manche meinen im zweiten Fall liege kein Eingriff in Art. 13 GG vor.303 Übergeht der Staat den Dispositionsakt des Betroffenen, mit dem die fraglichen Räume den Status der dem Staat vor jeder Kenntnisnahme entzogenen räumlichen Privatsphäre erlangen, so greift er jedoch immer in Art. 13 GG ein. Ob dieses Übergehen offen (wie z.B. bei der Durchsuchung) oder durch eine Täuschung erfolgt, ist unerheblich. Denn in beiden Fällen werden wesentliche Funktionen der räumlichen Privatsphäre beeinträchtigt. Im Falle der Täuschung verliert sie ihre Eigenschaft als Geheimnissphäre. Das Vertrauen auf die Sicherheit vor Staatsanwesenheit könnte bereits durch die bloße Möglichkeit eines Einsatzes von verdeckten Ermittlern in Wohnungen entscheidend beeinträchtigt werden. Beide Beeinträchtigungen entstehen unabhängig davon, wann das eingreifende Organ den Entschluß 299 Dies übersieht auch Frister, StV 1993, S. 153, der meint, es liege hinsichtlich Art. 13 GG zumindest ein „rechtsgutsbezogener Irrtum“ vor, weshalb die täuschungsbedingte Einwilligung nicht beachtet werden könne. Auch die Rechtsgutsbezogenheit ist hingegen ausschließlich ein Kriterium der strafrechtlichen Einwilligungslehre. Sie spielt bei der Lehre vom Grundrechtsverzicht grundsätzlich keine Rolle, vgl. Pieroth / Schlink, RN 131 ff. 300 Die Rechtsfolge eines Grundrechtsverzichts läßt sich nicht allgemein bestimmen, sondern hängt von der Funktion des jeweiligen Grundrechts ab, vgl. Pieroth / Schlink, RN 134 f.; Pietzker, Staat 17 (1978), 525, 528. Auch kann im Rahmen des Verfassungsrechts nicht zwischen der Rechtsfigur des Grundrechtsverzichts einerseits und der Einwilligung in die Berührung von Abwehrrechten andererseits unterschieden werden. Dem Grundrecht wird bei Beachtlichkeit in beiden Fällen der Sinngehalt genommen werden, vgl. Pietzker, Staat 17 (1978), 525, 532. 301 Stern, Bd. III / 2, S. 912 ff.; Pieroth / Schlink, RN 136. 302 Stern, Bd. III / 2, S. 914; Pieroth / Schlink, RN 136. 303 Z.B. BK-Herdegen, Art. 13, RN 45.

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zur Verletzung des Schutzbereichs gefaßt hat. Der Bürger offenbart dem Staat im Falle hoheitlich erschlichener Zutrittserlaubnis immer seine räumliche Privatsphäre, ohne überhaupt zu wissen, daß diese Offenlegung dem Staat gegenüber erfolgt. Der Bürger kann also in dieser Situation gar nicht frei entscheiden, ob oder inwieweit er die Sphäre seiner privaten Lebensgestaltung hoheitlicher Kenntnisnahme preisgeben will oder nicht. Ob der verdeckte Ermittler bereits bei der anfänglichen Verbreitung seiner Legende, diese auch zur Zutrittsertäuschung nutzen wollte, ist dabei für die Eingriffswirkung völlig unerheblich. Im übrigen wird das Erlangen einer Zutrittsbewilligung wegen des § 110b Abs. 2 Nr. 2 StPO in der Regel schon zu Beginn der Legendenverbreitung immer mitbezweckt sein, weshalb die differenzierende Auffassung auch gar nicht praktikabel zu sein scheint.304 Es läßt sich also festhalten, daß § 110c StPO den verdeckten Ermittler zu einem Eingriff in Art. 13 GG ermächtigt. Da das OrgKG, mit dem diese Vorschrift in die StPO eingeführt worden ist, Art. 13 GG jedoch nicht als eingeschränktes Grundrecht zitiert, dürfte § 110c StPO somit wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungswidrig sein.305 Der BGH fordert zwar im Lichte des Art. 13 GG an § 110b Abs. 2 Nr. 2 StPO, der Norm, die die richterliche Anordnung für Fälle des § 110c StPO vorsieht, „keine geringeren Anforderungen zu stellen, als an eine Durchsuchungsanordnung nach § 105 StPO“.306 Er hat die Frage, ob § 110c StPO in Art. 13 GG eingreift, bisher aber ausdrücklich offen gelassen. Falls ein Eingriff in Art. 13 GG nicht vorliegen sollte, will er den insoweit bestehenden Widerspruch zu den in diesem Fall überflüssigen Regelungen in § 110b Abs. 2 Nr. 2 und § 110c StPO durch die Annahme einer „gesetzgeberischen Wertentscheidung“ auflösen. Man müsse annehmen, der Gesetzgeber habe eine Befugnisnorm und eine vorgelagerte richterliche Anordnung für erforderlich gehalten, weil der in der verfassungsrechtlichen Dogmatik bisher unbekannte Fall einer von einem Eingriff wesensverschiedenen „Grundrechtsberührung“ vorliege.307 Ob der BGH die Regelung des § 110c StPO gar für verfassungswidrig hält, ist mithin völlig offen.308 Daß §§ 110b Abs. 2 Nr. 2, 110c StPO nicht zu Eingriffen in Art. 13 GG ermächtigen, sondern lediglich Ausdruck einer gesetzgeberischen Wertentscheidung seien, scheint nach den oben aufgeführten Argumenten kaum vertretbar zu sein. Groth, S. 54. Frister, StV 1998, 151. Da Art. 13 GG nur ausdrückliche Einschränkungsvorbehalte aufweist und der Gesetzgeber sich offenbar gerade nicht ausreichend Rechenschaft über die Auswirkung des § 110c StPO gegeben hat, kommt das Zitiergebot in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG hier auch m.E. nach Wortlaut und Zweck zur Anwendung. 306 BGHSt 42, 103, 104. 307 BGH NStZ 1997, 1516, 1517. 308 Dies zeigt sich insbesondere an der sehr unterschiedlichen Deutungen von BGH NJW 1997, 1516. Während KK-Nack, § 110c, RN 3, dieser Entscheidung entnehmen zu können glaubt, der BGH habe keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 110c StPO, interpretiert Flesch, StV 1998, 285, 288, sie als diesbezüglichen „Warnschuß“. 304 305

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bb) Das Problem der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung Obwohl § 110c StPO eigentlich schon wegen des Verstoßes gegen das Zitiergebot nichtig sein müßte, wurde in der Literatur auch die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung intensiv diskutiert. Für die Frage des dem grundrechtlichen Schutz der räumlichen Privatsphäre in der Rechtswirklichkeit zukommenden Stellenwerts ist diese Diskussion ebenso aufschlußreich wie für die ihm tatsächlich zukommende Reichweite. (1) Das Betreten der Wohnung durch den verdeckten Ermittler als Durchsuchung Insbesondere das Erfordernis einer richterlichen Anordnung in § 110b Abs. 2 Nr. 2 StPO hätte es vor Einführung des Art. 13 Abs. 3 GG n.F. nahe legen können, das Betreten der Wohnung durch den verdeckten Ermittler als Durchsuchung im Sinne von Art. 13 Abs. 2 GG zu verstehen. Die Auffassung Dagtoglous, wonach jeder richterlich angeordnete Eingriff in Art. 13 GG eine Durchsuchung sei, hat sich jedoch nicht durchsetzen können.309 Die direkte Anwendung des Art. 13 Abs. 2 GG ist hier schon deshalb nicht möglich, weil eine Durchsuchung begrifflich nicht vorliegt.310 Typisches Merkmal der Durchsuchung ist das täuschungsfreie, offene Vorgehen der staatlichen Organe, denen für kurze Zeit sogar die Herrschaftsmacht über die Wohnräume übertragen wird.311 Beides trifft auf das Betreten des sich als privater Besucher gerierenden Ermittlungsbeamten offenkundig nicht zu. (2) Analoge Anwendung des Art. 13 Abs. 2 GG Auch eine analoge Anwendung des Art. 13 Abs. 2 GG kommt vorliegend nicht in Betracht. Unabhängig von der Frage, ob qualifizierte Gesetzesvorbehalte überhaupt analogiefähig sind, fehlt es schon an der für die Zulässigkeit einer Analogie erforderlichen Vergleichbarkeit der Durchsuchung mit dem Betreten einer Wohnung aufgrund einer täuschungsbedingten Zutrittserlaubnis. Letzteres stellt kein „minus“ zur Durchsuchung dar, sondern ein „aliud“, weshalb ein argumentum a maiore ad minus nicht greift:312 Für die Eingriffsqualität der Durchsuchung ist es wesentlich, daß staatliche Organe in der Art einer Totalaufnahme einem gewöhnlichen Wohnungsbesucher verdeckt bleibende Gegenstände und Wohnverhältnisse wahrnehmen. Diese lassen lediglich Rückschlüsse auf Verhaltensweisen des Bewohners zu, die Teil seiner der Privatsphäre zuzurechnenden Persönlichkeitskonstituierung sind. Der Betroffene selbst kann sich in Anwesenheit von offen vorge-

309 310 311 312

Vgl. Dagtoglou JuS 1975, 753, 757; ablehnend Lammer, S. 107. Frister, StV 1998, S. 151, 153; Lammer, S. 106. Rohlf, S. 161 f.; De Lazzer / Rohlf, JZ 1977, 207, 210 f.; Frister, StV 1998, 151, 153. So auch Frister, StV 1998, S. 151, 153.

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henden Durchsuchungsbeamten derartiger Verhaltensweisen naturgemäß enthalten. Er hat aufgrund der offenen Vorgehensweise zumindest die Möglichkeit, sein Verhalten an die Gegenwart von Ermittlungsbeamten anzupassen und die Eingriffsintensität – etwa durch Kooperation – zu vermindern. Wer jedoch eine ihm bereits bekannte „Privatperson“ freiwillig in seine Wohnung hineinläßt, wird dieser Person in der Regel Vertrauen in nicht unerheblichen Maße entgegen bringen.313 Handelt es sich bei dieser Person in Wirklichkeit um einen verdeckten Ermittler, läuft der Betroffene Gefahr, dem Staat unwissentlich und unkontrolliert seine dem Rückzugsbereich der räumlichen Privatsphäre vorbehaltenen Verhaltensweisen und Vorgänge der Persönlichkeitskonstituierung selbst unmittelbar zu offenbaren. Aufgrund der Heimlichkeit des staatlichen Vorgehens eröffnen sich dem Staat hier – anders als bei der Durchsuchung – nicht nur durch Wahrnehmung geheimer Dinge vermittelte, sondern auch unmittelbare, unter Umständen tiefere Einblicke in Verhaltensweisen der Persönlichkeitskonstituierung selbst.314 (3) Das Betreten aufgrund täuschungsbedingter Zutrittserlaubnis als sonstiger Eingriff im Sinne von Art. 13 Abs. 7 GG Beim Einsatz des verdeckten Ermittlers auf Grund der §§ 110a ff. StPO liegt das Schwergewicht des polizeilichen Handelns in aller Regel auf dem Zweck der Strafverfolgung. Der Wortlaut von Art. 13 Abs. 7 GG läßt sonstige Eingriffe und Beschränkungen dagegen nur zu präventiven Zwecken zu. Schon aus diesem Grund kann § 110c StPO nicht durch Art. 13 Abs. 7 GG gerechtfertigt sein. Die gegenteilige Auffassung Lammers, die darauf beruht, daß der Katalog der in Art. 13 Abs. 7 GG (Abs. 3 a.F.) aufgeführten präventiven Zwecke nur abschließend sei, soweit diesen kein Verfassungsrang zukomme,315 geht fehl. Wie bereits Frister gezeigt hat, wäre Art. 13 Abs. 7 GG in diesem Fall sinnentleert, weil dann jeder Eingriff, der im Interesse kollidierenden Verfassungsrechts erfolgte, gerechtfertigt und zulässig wäre.316 Im übrigen führt diese Auffassung auch nur dann zu einer Rechtfertigung des § 110 c StPO durch Art. 13 Abs. 7 GG, wenn dem Zweck der Strafverfolgung Verfassungsrang zukommt. Dies ist aber ebenfalls problematisch. Vor allem übersieht Lammer, daß Art. 13 Abs. 7 GG als qualifizierter Gesetzesvorbe313 Je mehr die Mitglieder des auszuforschenden Milieus dem verdeckten Ermittler vertrauen, um so erfolgreicher wird sein Einsatz sein. Er wird also versuchen das Vertrauen anderer zu erringen. 314 Ähnlich: Groth, S. 57; Weil, ZRP 1992, 245 f.; Frister, StV 1993, S. 154; De Lazzer / Rohlf, JZ 1977, 207, 210, in Bezug auf die ebenfalls durch Heimlichkeit geprägte Eingriffsform der technischen Überwachung; a.A.: Rogall, JZ 1987, S. 847, 853: Es handele sich beim Betreten des verdeckten Ermittlers lediglich um die Vorbereitung einer Durchsuchung, weshalb Art. 13 Abs. 2 GG entsprechend anzuwenden sei. Dabei wird jedoch schon übersehen, daß ein Eingriff nicht allein deshalb zulässig sein kann, weil er (vielleicht irgendwann einmal) in einen erlaubten mündet, vgl. Weil, ZRP 1992, 245 f. 315 Lammer, S. 107 f. 316 Frister, StV 1993, 151, 154.

10 Krumme

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halt gerade den Sinn hat, die Rechtfertigungsmöglichkeiten im Interesse des Schutzes der räumlichen Privatsphäre zu limitieren.317 Dies hat der Verfassungsgeber durch Einführung von Art. 13 Abs. 3 bis 6 GG bestätigt. Denn auf der Basis von Lammers Auffassung hätte vermutlich auch der große Lauschangriff im Rahmen des Art. 13 Abs. 3 GG a.F. gerechtfertigt werden können.318 (4) Analoge Anwendung von Art. 13 Abs. 3 GG? Technische Wohnraumüberwachungen und das Betreten der Wohnung aufgrund täuschungsbedingter Zutrittsbewilligung sind sich aufgrund des heimlichen Vorgehens der staatlichen Organe in ihrer Eingriffsstruktur durchaus ähnlich. Der Gedanke, Art. 13 Abs. 3 GG auf die Fälle des § 110c StPO analog anzuwenden, könnte daher durchaus nahe liegen. Hierfür ließe sich unter Umständen auch das argumentum a maiore ad minus fruchtbar machen, weil sich das Betreten aufgrund täuschungsbedingter Zutrittsbewilligung insofern als „minus“ zum Lauschangriff darstellt. Während die physische Abschirmung beim großen Lauschangriff unbemerkt überwunden wird, ist dem Betroffenen bei einem Besuch des fälschlich für einen Privaten gehaltenen verdeckten Ermittlers immerhin noch ein Mindestmaß an Informationskontrolle möglich. Die Geheimnissphäre wird nicht in dem Maße preisgegeben wie beim vollständig heimlichen Lauschangriff. Fraglich ist jedoch, ob eine analoge Anwendung des Art. 13 Abs. 3 GG wegen des Fehlens einer planwidrigen Lücke unzulässig ist. Dies wäre der Fall, wenn qualifizierte Gesetzesvorbehalte ihrem Wesen nach abschließend sind. Bei Art. 13 Abs. 3 GG handelt es sich um einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt. Er will die Kollision zwischen dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und dem Interesse des Staates, seinem Strafverfolgungsanspruch mit Hilfe der heimlichen, akustischen Wohraumüberwachung nachzukommen, unter engen Voraussetzungen zugunsten des letzeren auflösen. Es ist davon auszugehen, daß der Grundgesetzgeber neben den in den qualifizierten Gesetzesvorbehalten geregelten Kollisionen des jeweiligen Grundrechts mit anderen Verfassungsgütern auch zusätzliche Kollisionsgefahren gesehen hat. Mit diesen korrespondierende zusätzliche Eingriffsnotwendigkeiten hat es also gerade in Kenntnis der zusätzlichen Kollisionsgefahren zugunsten des Grundrechtsschutzes verneint.319 Das Fehlen einer planwidrigen Lücke ergibt sich zudem aus folgendem: Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat im Jahr 1998 die seit 1992 existierende Problematik des § 110c StPO gekannt. Gleichwohl hat er den qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 13 Abs. 3 GG n.F. ganz bewußt nur auf Überwachungen durch technische Mittel erstreckt. Statt einer Analogie greift hier also eindeutig das argumentum e contrario. Frister, StV 1993, 151, 154. Lammer selbst hält diesen allerdings wegen Verstoßes gegen den „Kernbereich“ von Art. 13 GG grundsätzlich für unvereinbar mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 2 GG, vgl. ders., S. 119. 319 Vgl. Pieroth / Schlink (1998), RN 331; Lerche, HbStR Bd. V, § 122, RN 14 f. 317 318

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(5) Art. 13 Abs. 4 und 5 GG analog – Eingriffsermächtigung aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts Die analoge Anwendung der qualifizierten Gesetzesvorbehalte in Art. 13 Abs. 4 und 5 GG scheitert ebenfalls am Fehlen einer planwidrigen Gesetzeslücke. Die unter dd) angeführten Argumente gelten insofern sinngemäß. Überdies verlangen beide Vorschriften ausdrücklich, daß der Einsatz der technischen Mittel präventiven Zwecken dient. Es fehlt also zusätzlich an einem mit § 110c Abs. 1 Nr. 3 StPO vergleichbaren Fall. Dies gilt insbesondere auch für Art. 13 Abs. 5 GG, der die akustische Wohnraumüberwachung zum Schutz von Personen vorsieht, die bei einem Einsatz in Wohnungen tätig sind. Er ist lediglich hinsichtlich der Anordnungskompetenz als Ausnahmefall zu Art. 13 Abs. 4 GG zu verstehen.320 Die Überwachung darf hier einzig und allein zur Prävention von drohenden Übergriffen auf die Integrität der in einer fremden Wohnung tätigen verdeckten Ermittler oder V-Leute erfolgen.321 Der Ausnahmecharakter dieser Vorschrift entzieht sie jeglicher analogen Anwendung. Aus den unter dd) genannten Gründen muß auch ein Rückgriff auf die Schranke des kollidierenden Verfassungsrechts unzulässig sein. cc) Der Wohnungsbegriff in §§ 110c und 110b Abs. 2 Nr. 2 StPO Auch die Auslegung des Wohnungsbegriffs in § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO muß der des Wohnungsbegriffs in Art. 13 Abs. 1 GG entsprechen. Dies ergibt sich nach der hier vertretenen Auffassung schon daraus, daß § 110c StPO zu einem Eingriff in Art. 13 GG ermächtigt, vgl. oben vor I. Aber auch diejenigen, welche die Ansicht vertreten, das Betreten der Wohnung durch den verdeckten Ermittler greife – zumindest, wenn es den Voraussetzungen des § 110c StPO entspreche – nicht die räumliche Privatsphäre ein, definieren Wohnung im Sinne dieser Vorschrift in entsprechender Weise.322 Ein sachlicher Unterschied zu dem Art. 13 GG zugrundeliegenden Wohnungsverständnis besteht danach nicht. d) Fazit Wie zu Beginn dieses Abschnitts erwartet, ist die Reichweite des Wohnungsbegriffs in den strafprozessualen Normen stets mit der Reichweite des Schutzbereichs der räumlichen Privatsphäre des Art. 13 GG identisch. Wo der Wortlaut einzelner Vorschriften anderes vermuten läßt, wird dies durch verfassungskonforme Auslegung korrigiert. Wie die Untersuchung aber deutlich gezeigt hat, bleiben die jüngeren Normen der StPO, die den durch Art. 13 GG gewährten Schutzbereich der 320 321 322

10*

Jarass / Pieroth, Art. 13, RN 20; MD-Papier, Art. 13, RN 109. MD-Papier, Art. 13, RN 111. Vgl. KK-Nack, § 110b, RN 6.

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räumlichen Privatsphäre u. a. auch durch Limitierung der Eingriffsmöglichkeiten sichern sollen, in wesentlichen Punkten hinter dem verfassungsrechtlich Erforderlichen zurück. Dies gilt im Rahmen der Regelungen zur akustischen Wohnraumüberwachung vor allem für den zu umfangreichen Katalog vorgeblich besonders schwerer Straftaten in § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO und die unbefriedigende Regelung des dem Betroffenen zustehenden Benachrichtigungsanspruch in § 100c Abs. 1 StPO. Besonders bedenklich ist in diesem Zusammenhang, daß gerade die Aufstellung eines eng begrenzten Katalogs besonders schwerer Straftaten und ein zeitnah durchsetzbarer Anspruch des Betroffenen auf Benachrichtigung unabdingbar sind, damit sich die heimliche Wohnraumüberwachung nicht zu einem den Menschenwürdeund Wesensgehalt des Art. 13 GG berührenden Eingriff in die räumlichen Privatsphäre steigert. Eine gesetzgeberische Anpassung dieser Vorschriften ist daher erforderlich und aus verfassungspolitischen Gründen auch wünschenswert. § 110c StPO ist mangels einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung und wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot sogar verfassungswidrig und im Hinblick auf § 110b Abs. 2 Satz 2 StPO auch keiner verfassungskonformen Auslegung zugänglich. 2. Recht der Gefahrenabwehr Die übrigen Normen, die zu Eingriffen in Art. 13 Abs. 1 GG ermächtigen und nicht dem Zweck der Strafverfolgung dienen oder die Erlaubnis von Durchsuchungen bezwecken, wie z.B. §§ 785 f. ZPO, müssen auf die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung gerichtet sein, vgl. Art. 13 Abs. 4, 5 und 7 GG.

a) „Allgemeine“ Gefahrenabwehr – Normen des allgemeinen Polizeirechts In den meisten Polizeigesetzen der Länder lassen sich vier verschiedene polizeiliche Standardmaßnahmen, die Eingriffe in die räumlichen Privatsphäre zulassen, unterscheiden: Das Betreten der Wohnung durch offen agierende Beamte der Polizei gegen den Willen des Berechtigten, welches zugleich zur Umschau und Nachschau berechtigt, die Durchsuchung, die verdeckte optische und akustische Wohnraumüberwachung, sowie das Betreten der Wohnung durch einen zur Gefahrenabwehr eingesetzten verdeckten Ermittler mit täuschungsbedingtem Einverständnis des Berechtigten.323 Vorliegend sind die folgenden Besonderheiten relevant:

323

§§ 23, 24 Abs. 2 und 31 PolG Baden-Württemberg.

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aa) Divergierende Ermächtigungen zur Vornahme verdeckter Ton- und Bildaufzeichnungen im Bundesrecht und innerhalb des Rechts der Länder Trotz des sehr konkreten qualifizierten Gesetzesvorbehalts in Art. 13 Abs. 4 GG weisen die hierauf beruhenden polizeirechtlichen und verfassungsschutzrechtlichen Bestimmungen der Länder und des Bundes erhebliche Unterschiede auf.324 Teilweise scheinen sie auch Eingriffe zuzulassen, die eventuell nicht durch die Regelung des Art. 13 Abs. 4 GG gedeckt sind. (1) Technische Wohnraumüberwachung zur Abwehr von Gefahren für Gesundheit und Freiheit einer Person Soweit manche Polizeigesetze die technische Überwachung von Wohnräumen auch zur Abwehr von Gefahren für Individualrechtsgüter von geringerem Rang als dem des Rechtsguts „Leben“ (also insbesondere Gesundheit und Freiheit) zulassen, bestehen zum Teil berechtigte Bedenken hinsichtlich ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit. Denn gem. Art. 13 Abs. 4 GG sind technische Überwachungsmaßnahmen nur zur Abwehr dringender Gefahren zulässig. Da Art. 13 Abs. 4 GG als Beispiele für dringende Gefahren nur gemeine Gefahren und Lebensgefahren nennt, dürfte die präventive Wohnraumüberwachung nur gerechtfertigt sein, wenn sie zur Abwehr dringender Gefahren für höchstrangige Rechtsgüter erforderlich ist.325 Damit sind zumindest solche Rechtsgüter gemeint, denen grundsätzlich stärkeres Gewicht zukommt als den unter Art. 13 Abs. 7 GG genannten Rechtsgütern der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, wie z.B. Raumnot und Jugendschutz. Es ist daher der Auffassung zuzustimmen, wonach diejenigen polizeirechtlichen Befugnisnormen, die technische Überwachungsmaßnahmen bereits zur Abwehr der Individualschutzgüter Gesundheit und Freiheit erlauben, durch verfassungskonforme Auslegung zu restringieren sind. Eine Abhörmaßnahme zur Abwehr von dringenden Gefahren für Gesundheit und Freiheit einer Person darf daher nur dann als verhältnismäßig im engeren Sinne angesehen werden, wenn die Gefahren für diese Rechtsgüter ein „erhebliches Schädigungspotential“ besitzen.326

324 So ist nach § 9 Abs. 2 BVerfSchG eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare gemeine Gefahr oder Lebensgefahr erforderlich, während zumindest nach dem Wortlaut einiger Landespolizeigesetze gegenwärtige Gefahren für Gesundheit oder Freiheit einer Person ausreichen, vgl. § 23 Abs. 1 bw. PolG; § 25 Abs. 4 bln. ASOG und § 28 Abs. 4 saarl. PolG. Nach Art. 34 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 i.V.m. Art. 30 Abs. 5 Nr. 1 bay. PAG ist die technische Wohnraumüberwachung darüberhinausgehend sogar zur „vorbeugenden Bekämpfung“ von Straftaten zulässig. 325 Ähnlich: Würtenberger / Heckmann / Riggert, RN 410; MD-Papier, Art. 13, RN 95 f. 326 Würtenberger / Heckmann / Riggert, RN 410. Wenn MD-Papier, Art. 13, RN 96, insofern eine „Zusammenschau verschiedener Gefahrumstände fordert, argumentiert er in eine ähnliche Richtung, allerdings ohne zur konkreten Frage ein Ergebnis vorzuschlagen. A.A. wohl Wolf / Stephan, § 23, RN 7.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

(2) Technische Überwachungen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten Einer verfassungskonformen Auslegung nicht zugänglich und mit Art. 13 Abs. 4 GG unvereinbar sind diejenigen polizeirechtlichen Normen, die technische Wohnraumüberwachungen zur Verhinderung von Straftaten zulassen, die sich in einem frühen oder frühesten Stadium der Vorbereitung befinden und sich gegen Rechtsgüter richten, die einen wesentlich geringeren Rang einnehmen als die in Art. 13 Abs. 4 GG genannten.327 In diesen Fällen fehlt es neben dem erforderlichen höchstrangigen Schutzgut in der Regel auch an einer konkreten Gefahr. Diese ist jedoch nach Art. 13 Abs. 4 GG, der eine dringende Gefahr fordert, unbedingt erforderlich. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, daß jede Handlung, die der Vorbereitung einer Straftat dienen kann, nach dem objektiv zu erwartenden Geschehensablauf auch zur Begehung der Straftat führt, kann kaum angenommen werden.328 Zumindest verfassungsrechtlich problematisch sind daher diejenigen polizeirechtlichen Ermächtigungsgrundlagen, die Lausch- und Späheingriffe auch zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erlauben.329 Lausch- und Späheingriffe sind in diesen Fällen auch ohne das Vorliegen einer konkreten Gefahr im polizeirechtlichen Sinne zulässig.330 Denn die mögliche Verhütung einer ganz abstrakten Gefahr, die bei der Vorbereitung von Straftaten je nach Konkretisierungsgrad der Vorbereitungshandlungen u.U. angenommen werden kann, wäre in jedem Falle ausreichend, um das Erfordernis einer Maßnahme zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten zu rechtfertigen. Ein Verstoß gegen Art. 13 Abs. 4 GG dürfte insoweit insbesondere vorliegen, wenn es sich bei den zu verhütenden Straftaten um solche der mittleren Kriminalität handelt.331 bb) Betreten der Wohnung durch verdeckte Ermittler Die Polizeigesetze der Länder sehen als Maßnahme zur präventiven Datenerhebung auch den Einsatz verdeckter Ermittler vor. Oft dürfen diese aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung auch fremde Wohnungen unter Vortäuschung ihrer falschen Identität bei Vorliegen eines darauf fußenden Einverständnisses der Ähnlich aber vorsichtiger: MD-Papier, Art. 13, RN 97; SächsVerfGH, JZ 1996, 957. Nur dann läge aber eine konkrete Gefahr im Sinne des Polizeirechts vor, vgl. Wolf / Stephan, § 1, RN 21; Würtenberger / Heckmann / Riggert, RN 278. 329 Etwa Art. 34 Abs. 1 Nr. 2 bayerisches PAG. 330 Vgl. Wolf / Stephan, § 20, RN 18; Gusy, RN 187. 331 Die Vereinbarkeit von Art. 34 Abs. 1 Nr. 2 bay. PAG mit Art. 13 Abs. 3 GG a.F. wurde schon bezweifelt von: Schrader / Werner, JZ 1996, 305, 306. Auch MD-Papier, Art. 13, RN 97, hält diese Regelung für problematisch. Der SächsVerfGH JZ 1996, 957, 967 hielt § 40 Abs. 1 Nr. 3 sächs. PolG, der die technische Überwachung auch über Personen erlaubte, von denen aufgrund von Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß diese Straftaten begehen wollen, für nicht vereinbar mit Art. 30 Abs. 3 SächsVerf (wortgleich mit Art. 13 Abs. 3 GG a.F.), weil in diesen Fällen gar keine Gefahr vorliege. Ähnliche Ermächtigungen bestehen in § 25b rp. POG, § 35 Abs. 1 Nr. 2 thür. PAG und § 33 Abs. 3 Nr. 2 brdbg. PolG. 327 328

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Berechtigten betreten. Wie bei dem parallelen Problem des Einsatzes verdeckter Ermittler in Wohnungen zu Zwecken der Strafverfolgung nach § 110c StPO meinen manche, die Einwilligung des Berechtigten schließe einen Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG aus.332 Diese Auffassung ist jedoch aus den oben dargelegten Gründen, die hier sinngemäß gelten, verfehlt.333 Denn zur Beurteilung der Frage, ob ein Eingriff vorliegt, ist es gleichgültig, ob der Eingriff zu präventiven oder zu repressiven Zwecken erfolgt, weshalb die genannten Gründe, die bezüglich § 110c StPO zur Annahme eines Eingriffs geführt haben, hier ebenfalls ausschlaggebend sein müssen. Die entsprechenden polizeirechtlichen Regelungen greifen mithin ebenfalls in Art. 13 Abs. 1 GG ein.334 Solange der Einsatz verdeckter Ermittler grundsätzlich nur zur Abwehr von gemeinen Gefahren oder von Gefahren für Rechtsgüter gestattet ist, die in ihrer Bedeutung mit den in Art. 13 Abs. 7 GG genannten vergleichbar sind, und er zusätzlich von einer qualifizierten Verhältnismäßigkeitsprüfung abhängig gemacht wird, dürften die entsprechenden Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder durch Art. 13 Abs. 7 GG gerechtfertigt sein.335 Zweifel an der Einhaltung des Erfordernisses einer dringenden Gefahr könnten aber auch hier entstehen, wenn und soweit die Polizeigesetze den Einsatz verdeckter Ermittler auch zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten vorsehen. Nach Art. 13 Abs. 7 GG ist insoweit zumindest das Vorliegen einer abstrakten Gefahr für das durch die Strafbestimmung geschützte Rechtsgut erforderlich. Dem könnte wohl durch eine verfassungskonforme, restriktive Auslegung Rechnung getragen werden.

b) Spezielles Gefahrenabwehrrecht Einige Gesetze, die der Abwehr spezieller Gefahren dienen, sehen Befugnisse zum Betreten und zur Inspektion (Um- und Nachschau) der räumlichen Privatsphäre vor. Derartige Regelungen finden sich etwa im LMBG (§ 41 Abs. 3 Nr. 2), im Bundesimmissionsschutzgesetz (§ 52 Abs. 2) und in der Gewerbeordnung (§ 139a). Soweit diese Normen das Betreten von Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen mit gesteigertem Bezug zur Öffentlichkeit während der allgemeinen Öffnungszeiten allein zur Abwehr von Gefahren zulassen, ohne die weitergehenden Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 7 GG zu wahren, sind sie nach der Rechtsprechung in der Regel ebenfalls zulässig.336 Wie bereits festgestellt, ist ihr Schutz deutlich weniger intensiv als derjenige, welcher der Wohnung im engeren Sinne gewährt wird. Würtenberger / Heckmann / Riggert, RN 412. Vgl. oben, I. 1. c) aa) (1). 334 So auch Friauf, in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR, Abschn. 2, FN 292 l zu RN 130 d; Würz, RN 289; unklar: Wolf / Stephan, § 24, RN 5, die eine auf Täuschungen basierende Einwilligung grundsätzlich aber auch für unbeachtlich halten, vgl. § 31, RN 12. 335 In diesem Sinne: Würz, RN 289. 336 Vgl. oben, B. I. 6. d). 332 333

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

c) Fazit Die in den Schutzbereich der räumlichen Privatsphäre eingreifenden Normen des Gefahrenabwehrrechts werden, soweit ersichtlich, den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 13 GG eher gerecht als die des Strafverfahrensrechts. Auch im Rahmen des Gefahrenabwehrrechts ist jedoch ein verfassungspolitischer Bedeutungsverlust des grundrechtlichen Wohnungsschutzes festzustellen. Dies zeigt sich insbesondere daran, daß manche Länder an den Ermächtigungen zur akustischen und optischen Wohnraumüberwachung zum Zwecke der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung festhalten, obwohl der Wortlaut des Art. 13 Abs. 4 GG dem zuwider läuft. Dieser Bedeutungsverlust ist nicht auf den Schutzbereich der räumlichen Privatsphäre beschränkt. Er kann als Teil einer Entwicklung verstanden werden, die im polizeirechtlichen Schrifttum als Entindividualisierung der Gefahrenabwehr beschrieben worden ist. Mit ihr geht in der Regel eine Relativierung subjektiver Rechte einher.337 Sie wird durch die Erweiterung der polizeilichen Aufgaben um das Feld der Gefahrenvorsorge geprägt. Dabei werden die Grenzen polizeilichen Handelns, insbesondere die der Ermessensbetätigung und der auf den Kriterien der Individualisierbarkeit und Gefahrverursachung aufbauenden Störerauswahl, zum Teil so sehr aufgeweicht, daß eine wirksame gerichtliche Kontrolle nur noch eingeschränkt möglich ist.338 Wie bereits ausgeführt, ist eine ähnliche Entwicklung auch im Bereich der Strafverfolgung zu beobachten. Als Beispiel sei insoweit die überaus extensive Auslegung des Begriffs der Gefahr im Verzug in Art 13 Abs. 2 GG bzw. § 105 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StPO durch die Strafverfolgungsbehörden angeführt, die dazu geführt hat, daß die meisten Durchsuchungen in Deutschland ohne richterliche Anordnung durchgeführt werden. Zumindest der damit verbundenen Beschneidung des Individualgrundrechts auf Schutz der räumlichen Privatsphäre zugunsten von empirisch nicht nachweisbaren Sicherungszwekken hat das BVerfG Einhalt geboten.339

II. Typischerweise nicht in Art. 13 GG eingreifende Normen des öffentlichen Rechts Im folgenden werden diejenigen öffentlichrechtlichen Normen auf die von ihnen verwendeten Wohnungsbegriffe und die diesen determinierenden Zwecke hin untersucht, die nicht zu hoheitlichen Eingriffen in Art. 13 Abs. 1 GG ermächtigen. Ferner wird sich aus dem folgenden Teil der Untersuchung ergeben, welchen materiellen, mit dem Wohnen verknüpften, menschlichen Bedürfnissen diese Normen zur Befriedigung verhelfen. 337 338 339

Möllers, NVwZ 2000, 382, 387; ders., NJW 2001, 1397, 1398. Vgl. Möllers, NVwZ 2000, 383, 387. BVerfG NJW 2001, 1121; besprochen von Möllers in NJW 2001, 1397.

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1. Öffentliches Baurecht a) Wohnungsbezogene Bestimmungen des Bauplanungsrechts aa) Planungsleitlinien Bereits bei der Aufstellung von Bauleitplänen sind Zielsetzungen, die sich auf das Wohnen und die Wohnung beziehen, zu berücksichtigen. So sind die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse, die Sicherheit der Wohnbevölkerung und deren Wohnbedürfnisse bereits in die bei der Aufstellung der Bauleitpläne gem. § 1 Abs. 6 BauGB vorzunehmende Abwägung der öffentlichen und privaten Belange einzustellen, vgl. § 1 Abs. 5 Nr. 1 und 2 BauGB.340 Soll im Bebauungsplan eine Wohnbebauung ausgewiesen werden, muß das beplante Gebiet so beschaffen sein, daß die entstehenden Wohnungen nach den städtebaulichen Anforderungen des § 136 BauGB, insbesondere dessen Abs. 3, errichtet werden können.341 Insoweit sind insbesondere Belichtung, Besonnung, Belüftung und die bauliche Beschaffenheit von Wohnungen, aber auch die Zugänglichkeit der Grundstücke, die Auswirkungen einer Mischung von Wohn- und Arbeitsstätten, sowie die von Grundstücken, Betrieben oder Verkehrsanlagen ausgehenden Emissionen zu berücksichtigen.342 Aus der nach § 1 Abs. 5 Nr. 2 BauGB erforderlichen Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse erwächst der Bauleitplanung zudem die Aufgabe, in ausreichendem Maße für die Wohnnutzung geeignete Flächen auszuweisen und für eine angemessene infrastrukturelle Erschließung der Wohngebiete zu sorgen. Ferner sollen einseitige Bevölkerungsstrukturen vermieden werden.343 bb) Möglichkeiten zur Umsetzung der wohnungsbezogenen Planungsleitlinien Die geschilderten Belange können durch entsprechende Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung im Bebauungsplan durchgesetzt werden, vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. So kann der Planaufsteller gem. § 1 BauNVO Baugebiete allein oder

340 Die Reihenfolge, in der die einzelnen Belange aufgezählt werden, stellt keine Gewichtung der Planleitlinien dar, sondern hat ausschließlich redaktionelle Bedeutung, vgl. Krauzberger, in Battis / Krautzberger / Löhr, § 1, RN 49. 341 Krautzberger, in Battis / Krautzberger / Löhr, § 1, RN 52. 342 Krautzberger, in Battis / Krautzberger / Löhr, § 136, RN 15. Auf die Wohnverhältnisse kann die Gemeinde aus städtebaulichen Gründen auch durch ein an den Eigentümer gerichtetes Modernisierungs- oder Instandsetzungsgebot gem. § 177 BauGB Einfluß nehmen. 343 Krautzberger, in Battis / Krautzberger / Löhr, § 1, RN 55. Dieser Aufgabe kann der Planaufsteller vor allem durch die Festsetzung von Flächen für den sozialen Wohnungsbau gem. § 9 Abs. 1 Nr. 7 BauGB und durch die Festsetzung von Flächen für Wohngebäude, die für Personengruppen mit besonderem Bedarf bestimmt sind (§ 9 Abs. 1 Nr. 8 BauGB) gerecht werden. Ferner durch den Erlaß von Bebauungsplänen oder sonstigen Satzungen gem. § 172 BauGB, die der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung dienen.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

vorwiegend der Wohnnutzung vorbehalten. Dabei ist es ihm zusätzlich möglich, zwischen vier verschiedenen Wohngebietstypen zu wählen,344 die sich vor allem durch das von ihnen gewährte Maß an Wohnqualität, insbesondere der Wohnruhe, von einander unterscheiden.345 Soweit andere Nutzungsarten neben der Wohnnutzung in den einzelnen Wohngebieten überhaupt zulässig sind, werden sie katalogartig-konkret und abschließend in den §§ 2 bis 5 BauNVO, die mit der entsprechenden Planfestsetzung Bestandteil des Bebauungsplans werden, festgelegt. cc) Die Zwecke der wohnungsbezogenen Normen des Bauplanungsrechts Die wesentlichen Zwecke der dargestellten Normen werden von den Planungsleitlinien in § 1 Abs. 5 Nr. 1 und 2 BauGB selbst genannt. Sie sollen im Rahmen der städtebaulichen Planung unter Berücksichtigung der körperlichen Gesundheit der Bürger vielfältige Wohnumfeld-Verhältnisse ermöglichen; nämlich solche, die von großer Wohnruhe geprägt sind ebenso wie solche, die eine eher offene Struktur mit einer Vielfalt kultureller und anderer Lebensgestaltungsmöglichkeiten aufweisen. Zudem sollen sie die Möglichkeit geben, mit dem Instrumentarium der Bauleitplanung Zuständen von Wohnungsnot oder Wohnungsknappheit vorzubeugen oder abzuhelfen. Dies zeigen § 9 Abs. 1 Nr. 7 und 8 BauGB. Die wohnungsbezogenen Normen des Bauplanungsrechts verfolgen also u. a. dieselben Zwecke, denen alle bauplanungsrechtlichen Normen, die zu einer geordneten Bodennutzung beitragen sollen, dienen.346 Dies gilt insbesondere auch für die Normen der Baunutzungsverordnung, die unter anderem den Sinn haben, eine Trennung von verschiedenen, einander gegenseitig nachteilig beeinflussenden Bodennutzungsarten zu ermöglichen. Besondere Bedeutung hat insofern die Trennung von Wohnnutzung und der Nutzung für erwerbswirtschaftliche und industrielle Zwecke.347 dd) Wohnungsbegriff Besondere Beachtung haben die Begriffe des Wohnens und des Wohngebäudes im Bereich des Planungsrechts durch die §§ 2 bis 5 der BauNVO erfahren. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Zum einen bilden diese Normen die verbindliche Grundlage für Entscheidungen darüber, ob eine bestimmte Nutzungsart in einem beplanten Gebiet zulässig ist. Diese Entscheidungen lassen sich in rechtsstaatlicher Weise aber nur anhand von hinreichend bestimmten, durchgebildeten Be344 Die planaufstellende Gemeinde ist insoweit an die Typen in § 1 Abs. 1 und 2 BauNVO gebunden, vgl. BVerwGE 92, 56, 62; Finklenburg / Ortloff, Bd. I, § 7 I 2; Fickert / Fieseler, § 1, RN 26. 345 Finklenburg / Ortloff, Bd. I, § 7 II 1. Es handelt sich hierbei um Kleinsiedlungsgebiete (WS), reine Wohngebiete (WR), allgemeine Wohngebiete (WR) und besondere Wohngebiete (WB). 346 Finkelnburg / Ortloff, Bd. I, § 2 I. 347 Vgl. BVerwG BauR 1993, 194, 195.

C. Die Wohnung in einfachgesetzlichen Normen des öffentlichen Rechts

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griffen treffen. Zum anderen handelt es sich bei den Normen, welche die Art der baulichen Nutzung festsetzen, um Normen mit drittschützendem Charakter. Deshalb weisen sie anläßlich baurechtlicher Nachbarklagen ein vergleichsweises hohes Maß an Praxisrelevanz auf und sind häufig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. (1) Unbestrittene Merkmale des Wohnungsbegriffs Eine planungsrechtliche Legaldefinition des Wohnbegriffs existiert nicht. Nach der überwiegend vertretenen Auslegung zu § 3 BauNVO umfaßt Wohnen im planungsrechtlichen Sinne zunächst die Gesamtheit der mit der Führung des häuslichen Lebens und des Haushalts verbundenen Tätigkeiten und deren selbstbestimmte Gestaltung.348 Das Wohnen ist vor allem von der bloßen Unterbringung abzugrenzen, mit der ein behelfsmäßiger Zustand beschrieben wird, der einem nur vorübergehenden Zweck dient. Wohnen müsse im Gegensatz dazu auf eine gewisse Dauer angelegt sein.349 Voraussetzung der eigenständigen Lebensgestaltung ist die Verfügungsberechtigung über das räumliche Territorium, in dem die autonom gestaltete „Häuslichkeit“ sich bestimmungsgemäß entfalten können muß. Es soll daher bereits dann ein „Wohnen“ vorliegen, wenn sich die verfügungsberechtigte Person in den fraglichen Räumen, über die ihr die Sachherrschaft zusteht, nicht ständig, sondern nur in unregelmäßigen Abständen, aber eben immer wieder aufhält und sie diese Räume als (dauerhafte) „Häuslichkeit“ betrachtet.350 Zweitwohnungen oder zumindest auch privat genutzte Ferienwohnungen sollen daher unter den Begriff des Wohngebäudes fallen, Hotels oder Pensionen dagegen nicht.351 Die der häuslichen Lebensgestaltung zuzurechnenden Tätigkeiten sind vielfältig und zeitgeistabhängig. Das ihnen gemeinsame Merkmal läßt sich am besten negativ als Gegensatz zu einer gewerblich oder berufsmäßig ausgeübten Arbeit bestimmen. Als Beispiele für Tätigkeiten der privaten Lebensgestaltung werden daher auch die Betätigungen zum Ausgleich der beruflichen Arbeit zwecks gesundheitlicher Vorsorge genannt, aber auch verschiedene Gewohnheiten und Neigungen im Rahmen der ideellen Freizeitgestaltung. 352 Selbstverständlich fällt – dies hält man in der baurechtlichen Literatur häufig offenbar für vollkommen unproblematisch und gar nicht erwähnenswert – auch die Gestaltung des familiär-intimen Lebens in den Bereich der Häuslichkeit.353 Aber auch Tätigkeiten der Haus348 BVerwG NVwZ 1996, 893; OVG Bremen BRS 54, Nr. 151; Hess. VGH ZfBR 1993, 40; Finkelnburg / Ortloff, Bd. I, § 7 II 4b; Fickert / Fiesler, § 3, RN 1. Ohne Erwähnung des Erfordernisses der eigenständigen Gestaltung: VGH Mannheim NVwZ 1990, 1202, 1203; Ernst / Zinkhan / Bielenberg, § 3 BauNVO, RN 8. Anders: Ziegler, in Bürgelmann, BauGB, Bd. 6, § 3 BauNVO, RN 13, der gar keine positive Begriffsbestimmung vornimmt. 349 BVerwG NVwZ 1996, 983; vgl. VGH Mannheim, NVwZ 1990, 1202, 1203; Ernst / Zinkhan / Bielenberg, § 3 BauNVO, RN 8. 350 Fickert / Fieseler, § 3, RN 1.2. 351 Fickert / Fieseler, § 3, RN 1.2. 352 Fickert / Fieseler, § 3, RN 2.1. 353 So z.B. bei Fickert / Fieseler.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

haltsführung müssen in der Gesamtheit der Handlungen zu finden sein. Ob diese Merkmale erfüllt sind, soll vorwiegend anhand des in dem Gebäude verwirklichten Nutzungskonzepts entschieden werden. Das mehr oder weniger spontane Verhalten einzelner Bewohner wird dagegen für nicht maßgeblich gehalten.354 (2) Die Freiwilligkeit des Aufenthalts als Merkmal des bauplanungsrechtlichen Wohnungsbegriffs Nach einer in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung kann insbesondere in reinen Wohngebieten gem. § 3 BauNVO nur dann ein Wohnen im städtebaulichen Sinne vorliegen, wenn die Ansiedlung und der daran anknüpfende Aufenthalt freiwillig erfolgt sind.355 Hierfür wird, soweit ersichtlich, ein scheinbar teleologisches Argument ins Feld geführt. Danach könne von Personen, die sich nicht freiwillig in einem reinen Wohngebiet angesiedelt haben, nicht erwartet werden, daß sie sich in die innerhalb eines reinen Wohngebiets vorherrschende „Gebietsgemeinschaft“ mit der dafür erforderlichen gegenseitigen Rücksichtnahme einordnen werden. Der Schutz dieser „Gebietsgemeinschaft“ mit gegenseitiger Rücksichtnahme werde insbesondere von § 3 BauNVO bezweckt. Diese Argumentation läßt es zu, die Einweisung von Personen, denen man eine Anpassung an die angeblich durch besondere Rücksichtnahme geprägte Gebietsgemeinschaft eines (reinen) Wohngebiets nicht zutraut (z.B. Asylbewerber oder Aussiedler), in Wohnungen, die innerhalb eines solchen Wohngebiets liegen, als Verstoß gegen das Bauplanungsrecht zu verhindern.356 In der Konsequenz hieße dies jedoch, daß der Begriff des Wohnens in § 3 BauNVO nur solche Formen der eigenständigen Lebensgestaltung umfaßte, die mit den Vorgaben der Mehrheit der in dem Wohngebiet lebenden Personen (der Gebietsgemeinschaft) übereinstimmen. Dies würde zu einem durch das Bauplanungsrecht vermittelten Milieuschutz führen, der verfassungsrechtlich nicht zulässig ist.357 Die Freiwilligkeit der Begründung der rechtlichen Verfügungsgewalt über das Wohnterritorium ist mithin im Rahmen des bauplanungsrechtlichen Wohnbegriffes also nicht erforderlich. Wohnen erfordert aber gleichwohl die durch eine Verfügungsbefugnis vermittelte Freiheit, innerhalb des Wohnterritoriums die Tätigkeiten der häuslichen Lebensgestaltung frei ausüben zu können. Diese Freiheit ist streng von der Freiheit zur Begründung des Wohnverhältnisses zu unterscheiden. Massenunterkünfte, deren Bewohner strengen Reglementierungen unterworfen sind, lassen sich daher u.U. nicht mehr unter den Begriff eines Wohngebäudes fassen.

BVerwG NVwZ 1996, 893, 894. Fickert / Fieseler, § 3, RN 16.30; ähnlich: Ziegeler, in Bürgelmann, BauGB, Bd. 6, § 3 BauNVO, RN 10: Wohnen liege nur vor, wenn die Unterbringung durch Ordnungsverfügung öffentlich-rechtlich geregelt sei; ohne nähere Begründung: BVerwG NVwZ 1996, 893. 356 Fickert / Fieseler, § 3, RN 16.3. 357 VGH Mannheim NVwZ 1990, 1202, 1203; Ernst / Zinkhan / Bielenberg, § 3, RN 12. 354 355

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(3) Zusammenfassung und Schlußfolgerungen Der planungsrechtliche Wohnbegriff wird danach durch die folgenden Merkmale konstituiert: Die selbstbestimmte und auf gewisse Dauer angelegte Entfaltung des häuslichen, regelmäßig von Erwerbsarbeit befreiten Lebens einschließlich des Führens eines Haushalts in Form einer Gesamtheit vieler und u.U. gänzlich wesensverschiedener Tätigkeiten. Dies vollzieht sich in einem Raum, über den dem Wohnenden die Verfügungsbefugnis zusteht, wobei die nach außen erkennbare Nutzungskonzeption des fraglichen Gebäudes maßgeblich sein soll.358 Hieraus ist der planungsrechtliche Begriff des Wohngebäudes konsequent als bauliche Anlage, die zum Wohnen objektiv geeignet und subjektiv bestimmt worden ist, abgeleitet worden.359 Nach einer verbreiteten Auffassung soll insbesondere der in § 9 Abs. 1 BauGB verwendete Wohnungsbegriff von dem Begriff des Wohngebäudes in der BauNVO zu unterscheiden sein.360 Wohnung in diesem Sinne sei danach eine Räumlichkeit, die zum dauernden Aufenthalt und zur selbständigen Haushaltsführung geeignet und bestimmt ist und zu der daher mindestens eine Wasch- und Kochgelegenheit und eine Toilette gehören müsse. Diese technischen Mindestausstattungsstandards werden jedoch – legt man den heute allgemein üblichen Lebensstandard und die daraus wiederum erwachsenden Bedürfnisse zu Grunde – auch immer erforderlich sein, damit ein Gebäude als geeignet angesehen werden kann, der häuslichen Lebensführung zu dienen. Daß in den genannten Vorschriften der Begriff der Wohnung statt dem des Wohngebäudes verwendet wird, dürfte seine Ursache vielmehr darin haben, daß in § 9 Abs. 1 BauGB nur eine Wohneinheit in Bezug genommen werden sollte, unabhängig davon, ob diese sich zusammen mit anderen Wohneinheiten in einem Gebäude befindet oder selbst allein ein Gebäude bildet. Dies wird unmittelbar aus § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB deutlich, wonach im Bebauungsplan Festsetzungen über die höchstzulässige Anzahl von Wohnungen in Wohngebäuden getroffen werden können. Wohnung im planungsrechtlichen Sinne ist also eine in einem Wohngebäude liegende, abgrenzbare Einheit, die zum Wohnen geeignet und bestimmt ist. ee) Wohnbedürfnisse, die durch das Bauplanungsrecht befriedigt werden können und dazu dienende subjektive Rechte Das Bauplanungsrecht hält Instrumente bereit, mit deren Hilfe gegenständliche Voraussetzungen geschaffen werden können, die zur optimalen territorialen Per358 Ähnlich Finkelnburg / Ortloff, Bd. I, § 7 II 4b; Fickert / Fieseler, § 3, RN 1.2: „Die auf Dauer angelegte Häuslichkeit als Inbegriff des Wohnens . . .“. 359 Finklenburg / Ortloff, Bd. I, § 7 II 4b; Fickert / Fieseler, § 3 BauNVO, RN 10.1; der Sache nach auch: VGH Mannheim NVwZ 1990, 1202, 1203; ähnlich: Ziegler, in Bürgelmann, BauGB Bd. 6, § 3 BauNVO, RN 14. 360 Etwa Ziegler, in Bürgelmann, BauGB, Bd. 6, § 3 BauNVO, RN 14.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

sönlichkeitsentfaltung erforderlich sind. Indem sie es ermöglichen, Flächen vorwiegend dem Wohnungsbau vorzubehalten, können sie nicht nur zur Linderung von Wohnungsknappheit beitragen. Sie ermöglichen vor allem die Entstehung unterschiedlicher Wohnumfelder, zwischen denen der einzelne zur Befriedigung seiner individuell im Vordergrund stehenden Wohnbedürfnisse wählen kann. Durch die Ausweisung von allgemeinen Wohngebieten mit einem kulturellen und sozialen Angebot an Freizeitmöglichkeiten wird mit städtebaulichen Mitteln z.B. dem Bedürfnis nach Befreiung und Entlastung von der Arbeitswelt Rechnung getragen. Durch die Ausweisung von reinen Wohngebieten wird dagegen dem Bedürfnis nach Ruhe und Sicherheit stattgegeben. Vor allem wird es durch das Bauplanungsrecht möglich, dem in der Struktur des modernen Wohnens angelegten Bedürfnis nach räumlicher Trennung von Wohnen und Erwerbsarbeit entgegenzukommen. Dies gilt ebenso für das Bedürfnis, sein privates Leben in einer von störenden Immissionen weitgehend befreiten Umwelt zu entfalten. Indem der Bebauungsplan nur Wohnungen einer bestimmten Größe oder einer bestimmten Geschoßflächenzahl vorsieht, wird die Voraussetzung zur sozialen Distinktion durch Bau oder Kauf und individuelle Gestaltung exklusiver Wohnimmobilien geschaffen. Aber auch auf die Befriedigung des Bedürfnisses an kostengünstigem Wohnraum kann mit dem Instrumentarium des Bauplanungsrechts hingearbeitet werden. Genauso eröffnet das Bauplanungsrecht die Möglichkeit – je nach dem Ergebnis der Abwägungsentscheidung im Rahmen der Planaufstellung –, einzelnen die Befriedigung dieser Wohnbedürfnisse durch entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan zu verwehren. Voraussetzung für die wohnfreundlichen Wirkungen des Bauplanungsrechts ist mithin immer eine entsprechende Grundentscheidung des Planaufstellers. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die Mittel des Bauplanungsrechts nur zur Befriedigung von Wohnbedürfnissen dienen. Sie beziehen sich nicht auf Territorien, die betrieblich organisierter Erwerbsarbeit gewidmet sind. Dafür können aber durch das Bauplanungsrecht auch solche Wohnbedürfnisse berücksichtigt werden, die nicht nur auf die Abwehr von Störungen der räumlichen Privatsphäre gerichtet sind. Mit dem Bauplanungsrecht eröffnen sich Möglichkeiten, auf das gesamte soziokulturelle Umfeld der häuslichen Sphäre gestaltend einzuwirken und einen äußeren Wohnlebensraum zu schaffen, in dem sich Bindungen an infrastrukturelle Einrichtungen und die Nachbarschaft entwickeln können. Hierdurch können dem Bürger verschiedene Arten von Wohnumfeldern angeboten werden, zwischen denen er je nach seinen finanziellen Möglichkeiten und seinen individuellen (Wohn)bedürfnissen auswählen kann. Rechtsschutzmöglichkeiten zur Ermöglichung der Wohnbedürfnisbefriedigung bestehen auf der Ebene des Bauplanungsrechts für den einzelnen nur eingeschränkt. Will er sich erfolgreich direkt gegen eine Planungsentscheidung, also etwa die Aufstellung eines Bebauungsplans, wenden, müßte er hierzu vor allem darlegen, in einem ihn schützenden subjektiven Recht verletzt worden zu sein. Auf die Normen, welche als in die Planungsentscheidung einzustellende Belange auch gesunde Wohnverhältnisse und die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung aufführen,

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kann er sich insoweit nicht berufen. Dem Planaufsteller kommt überdies ein gerichtlich nur sehr eingeschränkt überprüfbares Planungsermessen zu. Solange er sich in den Grenzen dieses Ermessensspielraums bewegt, kann der einzelne seinen Bedürfnissen nicht zur Durchsetzung verhelfen. Sieht sich der einzelne dagegen nach der Planentscheidung zugunsten eines Wohngebiets in der Befriedigung seiner Wohnbedürfnisse durch einen Nachbarn gestört, so kann er sich hiergegen gerichtlich zur Wehr setzen, wenn das Vorhaben des Nachbarn gegen den in der BauNVO festgelegten Gebietscharakter eines Wohngebiets oder das Rücksichtnahmegebot in § 15 Abs. 2 BauNVO verstößt. Soweit sich seine Wohnbedürfnisse also mit dem Leitbild des jeweiligen Gebietstyps der BauNVO decken, können diese also mit Hilfe des Bauplanungsrechts gerichtlich durchgesetzt werden. Dies gilt natürlich auch, soweit die Baurechtsbehörde eine gegen das Bauplanungsrecht verstoßende Entscheidung, die die Wohnbedürfnisse des einzelnen beeinträchtigt, direkt an diesen adressiert.

b) Bauordnungsrecht aa) Polizeiliche Zweckbestimmung Landesrechtliche Bauordnungen enthalten oft Vorschriften, nach denen neu zu errichtende Wohnungen einem gewissen technischen Mindestausstattungstandard zu genügen haben. So muß eine Wohnung nach § 35 LBO Baden-Württemberg von fremden Wohnungen abgeschlossen sein, einen eigenen, abschließbaren Zugang unmittelbar vom Freien her, eine Küche oder Kochnische sowie einen Abstellraum aufweisen. Weiterhin ist nach der baden-württembergischen LBO beim Bau einer Wohnung für eine Toilette (§ 36 Abs. 1 LBO BW), einen Stellplatz (§ 37 Abs. 4 LBO BW), die dauerhafte Versorgung mit Trinkwasser und die einwandfreie Abwasserversorgung (§ 33 LBO BW) zu sorgen. Diese Anforderungen liegen durchweg im Interesse einer effektiven Gefahrenprävention. So dient beispielsweise der bauliche Wohnungsabschluß dem Brandschutz, dem Schutz der Bewohner vor Belästigungen – insbesondere durch Schallimmissionen – und der Wärmeisolierung.361 Durch diese Vorschriften des Bauordnungsrechts soll zudem ganz offensichtlich der dauerhafte, gesunde und familiengerechte Aufenthalt ermöglicht werden, dessen wesentliche Eigenschaft die Führung eines selbständigen Haushalts ist. bb) Wohnungsbegriff Anwendungsvoraussetzung für die o. g. Normen ist in der Regel das Vorliegen einer Wohnung. Daraus, daß sie baulich-technische Mindeststandards vorschrei361

Vgl. Sauter, Kommentar zur LBO BW, § 35, RN 11 und 15.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

ben, die beim Bau von Wohnungen eingehalten werden müssen, folgt, daß eine Wohnung im Sinne dieser Vorschriften begrifflich auch dann vorliegen kann, wenn diese technischen Mindestanforderungen nicht erfüllt sind. Ansonsten liefen diese Vorschriften leer. Da der insoweit einschlägige Wohnungsbegriff im Bauordnungsrecht aber nicht legal definiert ist, ist im Schrifttum auf die Definition in DIN 283 Blatt 1 zurückgegriffen worden. Danach ist eine Wohnung die Summe der Räume, „welche die Führung eines Haushalts ermöglichen, darunter stets eine Küche oder ein Raum mit Kochgelegenheit. Zur Wohnung gehören außerdem Wasserversorgung, Ausguß und Toilette“, wobei die Wohnungseigenschaft nicht schon dann verloren geht, wenn einzelne Räume zu beruflichen oder gewerblichen Zwekken genutzt werden.362 Da diese Definition im wesentlichen schon dem Anforderungsprogramm der bauordnungsrechtlichen Normen entspricht, droht jedoch streng genommen auch bei der Verwendung dieser Definition die Gefahr, daß die wohnungsbezogenen, baupolizeilichen Normen leerlaufen. Vorzugswürdig ist daher die Begriffsbestimmung der Rechtsprechung, die sich an das bauplanungsrechtliche Wohnverständnis anlehnt. Danach ist eine Wohnung eine nicht nur zum Übernachten, sondern auch zum dauernden Aufenthalt während des Tages geeignete Einheit verschiedenartiger Räume, die eine auf gewisse Dauer angelegte, eigenständige Gestaltung des häuslichen Lebens und der mit der Haushaltsführung verbundenen Tätigkeiten erlaubt.363 cc) Wohnbedürfnisse Die Normen des Bauordnungsrechts dienen somit ganz unmittelbar der Befriedigung von menschlichen Grundbedürfnissen, die vorwiegend im Bereich der privaten Eigensphäre befriedigt werden (Störungsfreiheit, Schutz vor Umwelteinflüssen). Aber auch weitere Bedürfnisse, wie dem nach einer hygienischen Lebensführung, bei der auch auf allgemein übliche Komfortstandards nicht verzichtet werden soll, finden ihre Berücksichtigung.

2. Wohnungsbauförderungsrecht Die Förderung des Wohnungsbaus mit öffentlichen Mitteln obliegt Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden gem. § 1 Abs. 1 II. WoBauG als gesetzlich verbindliche Pflichtaufgabe. Vorzugsweise soll der soziale Wohnungsbau gefördert werden. Er wird in § 1 Abs. 1 II. WoBauG legal definiert als der Bau von Wohnungen, die nach Größe und Ausstattung sowie nach Miete oder Belastung für breite Schichten des Volkes bestimmt und geeignet sind. Zur Erreichung dieses wohnungspolitischen Ziels war man schon in der Nachkriegszeit von der Förderung von gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen (Modell der Trägerbindung) 362 363

Sauter, Kommentar zur LBO BW, § 35, RN 5. Vgl. VGH Mannheim BRS 28, 87; VGH Mannheim NVwZ 1990, 1202.

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zur trägerunabhängigen Förderung einzelner Wohngebäude (Objektbindung) übergegangen.364 Hierzu werden zinslose oder besonders zinsgünstige, öffentliche Darlehen vergeben. Der Eigentümer, gleichgültig ob Privatmann, Wohnungsbaugenossenschaft oder öffentlicher Träger, darf die in dem Gebäude befindlichen Wohnungen im Gegenzug nur an bestimmte, berechtigte Personen vermieten. Er kann ferner nicht mehr als eine bestimmte, maximale Mietpreishöhe verlangen. Diese „Bindungen“ (Belegungsbindung und Mietpreisbindung) sind allerdings zeitlich beschränkt. a) Normzwecke Gleichberechtigte Ziele der öffentlichen Wohnungsbauförderung sind nach § 1 Abs. 2 des II. WoBauG die Beseitigung des Wohnungsmangels und das Schaffen breit gestreuten (Wohn)Eigentums für weite Kreise der Bevölkerung. Diese Zielrichtungen konkretisiert § 1 Abs. 2 II. WoBauG wie folgt: Bei der Beseitigung des Wohnungsmangels ist auf eine ausreichende Wohnungsversorgung aller Bevölkerungsschichten entsprechend der unterschiedlichen Wohnbedürfnisse zu achten. Vorrangig sind diejenigen Wohnungssuchenden zu berücksichtigen, die sich selbst nicht mit Wohnraum versorgen können. Privilegiert soll auch die Wohnungsversorgung kinderreicher Familien sichergestellt werden und zwar durch die Förderung von Wohnungen, in denen sich ein „gesundes“ Familienleben entfalten kann. Dieses Ziel soll durch die Bildung von Einzeleigentum, also von Familienheimen und eigengenutzten Eigentumswohnungen, verfolgt werden. Die Formulierung dieser Zielvorgaben hat allein „programmatische“ Bedeutung.365 Keinesfalls lassen sich hieraus subjektive Individualrechte ableiten. Zur Erreichung dieser Ziele stellt das II. WoBauG drei unterschiedliche Förderwege bereit: Den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau, den steuerbegünstigten Wohnungsbau und den frei finanzierten Wohnungsbau, vgl. § 3 Abs. 2 II. WoBauG. aa) Der öffentlich geförderte soziale Wohnungsbau als Mittel zur Verbesserung der Wohnungsversorgung in Gebieten mit erhöhtem Bedarf und zugunsten privilegierter Personen Die mit dem besonders bedeutsamen öffentlich geförderten, sozialen Wohnungsbau zu verfolgenden Zwecke werden in § 26 Abs. 2 II. WoBauG weiter konkretisiert. Danach sollen Maßnahmen, die diesem Förderweg zuzuordnen 364 Häußermann / Siebel, S. 153: Bei der Trägerbindung wurden gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen gefördert, die ihren Wohnungsbestand dann nicht gewinnorientiert verwalten durften. 365 Schwender / Gutekunst, in Fischer-Dieskau / Pergande / Schwender, Bd. 1, § 1 II. WoBauG, Anm. 1.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

sind, zur Linderung des Wohnungsmangels in erster Linie in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf366 und im Rahmen städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsvorhaben eingesetzt werden. Letzteres, um sicher zu stellen, daß für die Wohnungsbauförderung nicht auf öffentliche Mittel zurückgegriffen wird, die der Sanierungs- und Entwicklungsförderung vorbehalten sind.367 Im Verhältnis hierzu nachrangig, aber gleichwohl bevorzugt zu behandeln, sind Förderungsmaßnahmen zur Wohnungsversorgung für privilegierte Personengruppen außerhalb der primär zu fördernden Gebiete.368 Hierzu zählen schwangere Frauen, kinderreiche Familien, junge Ehepaare, alleinstehende Elternteile mit Kindern, ältere Menschen und Schwerbehinderte. Die gesetzgeberische Wertentscheidung zur Privilegierung dieser Personengruppen beruht vor allem darauf, daß es ihnen auf dem freien, ungebundenen Wohnungsmarkt erfahrungsgemäß nur schwer möglich ist, sich mit einer ihren Wohnbedürfnissen gerecht werdenden Wohnung zu versorgen.369 Grundsätzlich können, sozusagen drittrangig, aber auch diejenigen Wohnungssuchenden in den Genuß des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus kommen, deren Einkommen die in § 25 Abs. 2 II. WoBauG festgelegte Einkommensgrenzen nicht übersteigt. bb) Der steuerbegünstigte Wohnungsbau als Mittel zur breiten Streuung von Wohneigentum Anders als der öffentlich geförderte soziale Wohnungsbau ist die Wohnungsbauförderung durch Steuerbegünstigung nicht personen- oder gebietsbezogen. Sie setzt vielmehr die Einhaltung der sich aus § 82 Abs. 1 II. WoBauG ergebenden Wohnflächengrenzen voraus. Auch durch die Wohnflächengrenzen soll aber teurer oder gar luxuriöser Wohnraum, der nur für besonders Wohlhabende wirtschaftlich erschwinglich ist, von der Förderung durch Steuerbegünstigung ausgenommen werden. Denn diese Art von Wohnraum ist nicht geeignet, den für breite Kreise der Bevölkerung zugänglichen Wohnungsmarkt zu entlasten.370 Auch dieser Förderweg orientiert sich also an der Bedürftigkeit. Der Kreis der privilegierten Personen ist dabei jedoch wesentlich weiter gezogen als beim öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau. Das Kriterium der Einkommensgrenze ist zudem überaus pauschal. Der Förderweg der Steuerbegünstigung ist somit kaum geeignet, konkret und besonders Bedürftigen eine Wohnung zu verschaffen. Er dient eher der breiten Streuung von zu Wohnzwecken nutzbarem Eigentum. Da dieser Förderweg nur noch auf Wohnungen angewendet werden kann, die vor dem 01. 01. 1990 fertiggestellt worden sind, verliert er zusehends an Bedeu366 367 368 369 370

Damit dürften vor allem großstädtische Ballungszentren angesprochen sein. Pergande / Wienicke, in Fischer-Dieskau / Pergande / Schwender, Bd. 1, Anm. 6. Pergande / Wienicke, in Fischer-Dieskau / Pergande / Schwender, Bd. 1, Anm. 7. Vgl. Pergande / Wienicke, in Fischer-Dieskau / Pergande / Schwender, Bd. 1, Anm. 7. Vgl. BVerwG, Buchholz 454.4, § 82 II. WoBauG, Nr. 36.

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tung.371 Zur Bestimmung des im Wohnungsbauförderungsrecht vorherrschenden Verständnisses des Wohnungsbegriffs sind diese Vorschriften hier gleichwohl noch von Interesse, worauf im Anschluß einzugehen sein wird. cc) Die Zwecke des Wohnungsbindungsgesetzes Neben den Regelungen des II. WoBauG dienen noch andere Normen den hier umrissenen sozialen Zwecken der Wohnungsbauförderung. Von besonderer Bedeutung ist insoweit das Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG). Durch dieses Gesetz soll ausweislich seines § 1 sichergestellt werden, daß die gem. § 6 II. WoBauG neu geschaffenen und öffentlich geförderten Sozialwohnungen auch langfristig den Zwecken der Wohnungsbauförderung, insbesondere der Wohnversorgung Bedürftiger zu Gute kommen.372 Eigentümer, die diese Art öffentlicher Förderung empfangen haben, dürfen die geförderten Wohnungen daher nur solchen Personen überlassen, die einen Wohnungsberechtigungsschein gem. § 5 WoBindG erhalten haben (sog. „§ -5-Schein“).373 Neben dieser sog. „Belegungsbindung“ besteht zusätzlich noch eine Bindung des Mietzinses an die Kostenmiete, was zur Folge haben soll, daß letztlich der Mieter in den Genuß der unverzinslichen oder zinsgünstigen öffentlichen Baudarlehen kommt.374

b) Wohnungsbegriff des Wohnungsbauförderungsrechts Wie sich aus § 2 Abs. 2 lit. b, d, e, g und h II. WoBauG ergibt, ist im Wohnungsbauförderungsrecht zwischen den Begriffen des Wohnraums und der Wohnung zu unterscheiden. Der Begriff des Wohnraums umfaßt neben der Wohnung und den übrigen in § 2 Abs. 2 II. WoBauG aufgeführten Wohnformen (Familienheime, Eigentumswohnungen, Genossenschaftswohnungen, Mietwohnungen, Wohnteile ländlicher Siedlungen, sonstige Wohnungen) auch einzelne Wohnräume und Wohnheime, was unmittelbar aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 II. WoBauG folgt. aa) Bestimmung des Wohnungsbegriffs durch die Rechtsprechung zu § 42 II. Berechnungsverordnung Der Begriff der Wohnung wird auch für dieses Rechtsgebiet nicht legal definiert. § 42 der zweiten Berechnungsverordnung (II. BV) regelt die Methode, nach der die 371 Vgl. Schwender / Heix, in Fischer-Dieskau / Pergande / Schwender, Bd. 2, II. WoBauG § 82 – Vorbemerkung. 372 Dasselbe gilt für Wohnungen, auf die das II. WoBauG nicht anwendbar ist, für die aber öffentliche Mittel im Sinne des § 3 des I. WoBauG auf bestimmte Weise eingesetzt worden sind, vgl. Bellinger, in Fischer-Dieskau / Pergande / Schwender, Bd. 3.1, WoBindG Einführung, Anm. 1; Mückenberger / Hanke, RN 15. 373 Mückenberger / Hanke, RN 35. 374 Bellinger, a.a.O; Mückenberger / Hanke, RN 35.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

für die Steuerbegünstigung von Wohnungen nach § 82 Abs. 2 II. WoBauG maßgebliche Wohnfläche berechnet wird. Die Rechtsprechung hatte wegen der diesbezüglichen Streitigkeiten Gelegenheit, anhand des Wohnungsbegriffs in § 42 II. BV den für das gesamte Wohnungsbauförderungsrecht maßgeblichen Wohnungsbegriff zu entwickeln. In weitgehender Übereinstimmung mit der Literatur geht die Rechtsprechung dabei von der Definition in DIN 283 Blatt 1 aus. Wohnung im Sinne des Wohnungsbauförderungsrechts sei daher stets eine Summe von Räumen, die zur Führung eines selbständigen Haushalts objektiv geeignet ist; d.h., wenn in ihr ein Raum mit Kochgelegenheit und Wasserversorgung, ein Ausguß und eine Toilette als Mindestausstattung enthalten sind.375 Zudem ist es erforderlich, daß der Verfügungsberechtigte, womit der dinglich Berechtigte, zumeist also der Eigentümer gemeint ist,376 die Räume zum dauernden Bewohnen durch sich oder durch Dritte bestimmt hat und daß diese Zweckbestimmung durch eigene Wohnnutzung oder Überlassung an einen Dritten zum Zwecke des Wohnens sowie durch Sicherstellung der tatsächlichen dauerhaften Wohnnutzung vollzogen worden ist.377 Denn nur wenn eine sich objektiv-technisch als Wohnung darstellende Summe von Räumen tatsächlich bestimmungsgemäß – zumindest überwiegend – dauernd zum Wohnen genutzt wird, kann sie zur Entlastung des Wohnungsmarktes und damit letztlich zur Beseitigung des Wohnungsmangels, einem der wesentlichen Ziele des Wohnungsbauförderungsrechts, beitragen. Bereits diese einfache teleologische Überlegung zeigt, daß die subjektive Bestimmung zur Wohnnutzung und ihre dauerhafte tatsächliche Umsetzung unverzichtbare Elemente des wohnungsbauförderungsrechtlichen Wohnungsbegriffs sind. Daß es insoweit, anders als es bisher geläufig war, auf die Zweckbestimmung des Verfügungsberechtigten ankommt, der mit dem Nutzungsberechtigten nicht identisch sein muß, hat seinen Grund darin, daß dieser der Empfänger der zur Wohnbauförderung gewährten Vergünstigungen ist. Nutzt der Nutzungsberechtigte, also zumeist der Mieter, die Wohnung zu anderen als den vom Verfügungsberechtigten gestatteten Wohnzwecken, so gilt die Widmung, welche die Wohnungseigenschaft begründet, nur als aufgehoben, wenn dem Verfügungsberechtigten die durch den Mieter herbeigeführte Nutzungsänderung zugerechnet werden kann.378 375 BVerwGE 38, 290, 293; BVerwG, Buchholz 454.4, § 82 WoBauG, Nr. 36; ähnlich auch: BVerwG BBauBl. 1969, 241; BVerwG BBauBl. 1972, 573; BVerwG BBauBl. 1974, 526; BVerwG DÖV 1986, 485. Ferner: Otte, in Fischer-Dieskau / Pergande / Schwender, Bd. 1. WoBauG § 2, Anm. 4; Heix, in Fischer-Dieskau / Pergande / Schwender, Bd. 4, II. BV § 42, Anm. 4. 376 Vgl. Bellinger, in Fischer-Dieskau / Pergande / Schwender, Bd. 3.1, WoBindG § 19, Anm. 4. 377 BVerwG, Buchholz 454.4, § 82 II. WoBauG, Nr. 38 und Nr. 36; auch: BVerwG BBauBl. 1969, 241; BVerwG BBauBl. 1972, 573. Ferner Heix, in Fischer-Dieskau / Pergande / Schwender, Bd. 4, II. BV § 42, Anm. 4.3. 378 BVerwG, Buchholz 454.4, § 82 II. WoBauG, Nr. 38.

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Der dem Wohnungsbauförderungsrecht immanente Zweck, die Wohnraumversorgung breiter Schichten der Bevölkerung auch hinsichtlich eines bestimmten technischen Mindestausstattungsstandards dauerhaft zu gewährleisten, macht es erforderlich, daß eine Wohnung nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich zur dauerhaften Haushaltsführung geeignet ist.379 Die Wohnung muß also insbesondere den Anforderungen des Bauordnungsrechts entsprechen380 und auch sonst unter rechtlichen Gesichtspunkten zur Wohnnutzung zugelassen sein.381 bb) Dauernde, selbständige Haushaltsführung oder Begründung des Lebensmittelpunkts als konstitutives Merkmal der Wohnnutzung Eine Nutzung zu Wohnzwecken soll in konsequenter Fortsetzung des objektiven Eignungskriteriums vorliegen, wenn die fraglichen Räume dauernd zur selbständigen Haushaltsführung verwendet werden.382 Zumeist wird jedoch nicht weiter erläutert, anhand welcher Kriterien das Vorliegen einer beabsichtigten oder tatsächlichen Wohnnutzung überhaupt zu beurteilen ist.383 Vereinzelt verlangt das BVerwG auch, daß in den fraglichen Räumen der dauerhafte Mittelpunkt des gesamten Lebens begründet wird.384 Auch hierfür wird es jedoch stets erforderlich sein, daß in den fraglichen Räumen dauerhaft ein selbständiger Haushalt geführt wird, so daß die Vermutung nahe liegt, daß mit den Bezeichnungen der „selbständigen Haushaltsführung“ und der „Begründung des Mittelpunkts des gesamten Lebens“ weitgehend ähnliche, wenn nicht sogar identische Sachverhalte umschrieben werden sollen, obwohl der Begriff der Begründung des Mittelpunkts des gesamten Lebens weiter gefaßt ist. So ist nach der Rechtsprechung des BVerwG zur Beurteilung der Frage, ob eine Bestimmung zur dauernden Haushaltsführung im konkreten Fall vorliegt, eine Gesamtbetrachtung erforderlich, in die alle objektiv erkennbaren „Funktionen des Haushaltens“ einzubeziehen sind, wie das „Sich-Aufhalten“, Schlafen, Essen und Bewirtschaften der Räume und des sonstigen für die Nutzer erforderlichen Wohnsachbedarfs; ferner die Regelmäßigkeit von Zubereitung und Verzehr der Mahlzeiten innerhalb der fraglichen Räume und das Zusammenleben verschiedener Mitglieder einer Familie.385

Heix, in Fischer / Dieskau / Pergande / Schwender, Bd. 4, II. BV § 42, Anm. 4.2. Vgl. etwa §§ 49 und 50 BauO NRW und § 35 BauO BW. 381 Heix, in Fischer / Dieskau / Pergande / Schwender, Bd. 4, II. BV § 42, Anm. 4.2. 382 BVerwG, Buchholz 454.4, § 82 II, WoBauG, Nr. 36. 383 Dies gilt für Rechtsprechung und Literatur gleichermaßen, vgl.: BVerwG BBauBl. 1969, 241; BVerwG, BBauBl. 1972, 573 und Heix, in Fischer-Dieskau / Pergande / Schwender, Bd. 4, II. BV § 42, Anm. 4.3. 384 Vgl. BVerwG BBauBl. 1974, 526. 385 BVerwG, Buchholz 454.4, § 82 II. WoBauG, Nr. 36. 379 380

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c) Befriedigung von Wohnbedürfnissen durch Normen der Wohnbauförderung Das Regelungswerk der Wohnungsbauförderung soll nach der Zielvorgabe des § 1 Abs. 1 II. WoBauG die Bedürfnisse breiter Schichten der Bevölkerung nach technisch angemessen ausgestattetem Wohnraum befriedigen. Einzelne, spezifische Wohnbedürfnisse werden dabei nicht privilegiert, wie § 1 Abs. 2 Satz 2 II. WoBauG ausdrücklich klarstellt. Die Wohnungsbauförderung soll vielmehr gerade der Vielfältigkeit und Wandelbarkeit der Wohnbedürfnisse Rechnung tragen. Wie sich aus § 1 Abs. 2 Satz 3 II. WoBauG ergibt, nehmen die Bedürfnisse von (kinderreichen) Familien dabei eine herausragende Stellung ein: Die Förderung von Wohnungen, die diesen Bedürfnissen gerecht werden, hat stets in ausreichendem Maße zu erfolgen. Wie die vorstehende Untersuchung zum Wohnungsbegriff zeigt, zieht der Gesetzgeber den Kreis der unterschiedlichen Wohnbedürfnisse nicht sehr weit. Die zum Vorliegen einer förderungswürdigen Wohnung erforderlichen technischen Gegebenheiten zielen nahezu ausschließlich auf die Befriedigung der Wohnbedürfnisse ab, die der immer noch weithin vorherrschenden Wohnform des oben beschriebenen Idealtypus des modernen Wohnens entspringen.386 Spezifische Wohnbedürfnisse, die durch alternative Wohnformen befriedigt werden könnten, die etwa den intimen Zusammenhalt der Kleinfamilie auflösen und versuchen, den Gegensatz der Lebenswelten Erwerbsarbeit und Privatleben zu überwinden, können daher durch die Wohnungsbauförderung kaum befriedigt werden. Die Förderung des Wohnungsbaus nach dem II. WobauG trägt in der beschriebenen Weise zur Schaffung der gegenständlichen Voraussetzungen bei, die zur territorialen Persönlichkeitsentfaltung erforderlich sind. Sie fördern damit die Möglichkeiten des einzelnen, sein Freiheitsgrundrecht auf Unverletzlichkeit der räumlichen Privatsphäre auch nutzen zu können.

3. Wohngeldrecht Die Wohnungsnot der unmittelbaren Nachkriegszeit war um 1960 soweit überwunden, daß es möglich war, die Wohnungsversorgung in ein marktförmiges Verteilungssystem zu überführen. Die Zwangsbewirtschaftung von Wohnraum konnte seitdem schrittweise abgebaut werden.387 Die Liberalisierung des gleichwohl noch angespannten Wohnungsmarktes führte zu steigenden Mietpreisen. Hiervon waren zunächst nur die auf dem freien Wohnungsmarkt verfügbaren Wohnungen betroffen. Mit der Verbesserung der technischen Wohnbedingungen und den wachsenden Baukosten stiegen jedoch später auch die im sozialen Wohnungsbau maßgeblichen Als Ausnahme könnte man Wohnheime im Sinne des § 15 II. WoBauG gelten lassen. Vgl. Häußermann / Siebel, S. 157 ff.; Buchsbaum, in: Buchsbaum / Großmann / Hartmann, Bd. 1, Erl. zu § 1 WoGG C, RN 1. 386 387

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Kostenmieten.388 Im Rahmen des sozialen Miet- und Wohnrechts wurde daher als ein weiteres Instrument der Wohnungspolitik ein staatlicher Zuschuß zur Miete bzw. zu den anläßlich des Wohnungskaufs übernommenen (Zins- und Tilgungs-) Lasten eingeführt. Dieser Zuschuß soll die Erhaltung angemessenen und familiengerechten Wohnraums für Bedürftige wirtschaftlich sichern.389 Dies geschah durch das Gesetz über die Gewährung von Miet- und Lastenbeihilfen von 1960 und das 1963 eingeführte Gesetz über Wohnungsbeihilfen,390 die 1965 zum Wohngeldgesetz zusammengefaßt worden sind.391 Das Instrument des Wohngelds wird auch als Subjektförderung oder individuelle Hilfe bezeichnet.392 Hierdurch wird der Unterschied zu der wohnungspolitischen Wirkungsweise des sozialen Wohnungsbaus verdeutlicht, welche vor allem die Miethöhe durch die Entlastung des Wohnungsmarktes verringern soll, sich also als Objektförderung begreifen läßt. Mittlerweile ist das Wohngeld auch in das System der sozialrechtlichen Gesetzgebung integriert. § 7 SGB I gewährt ein sogenanntes soziales Recht auf Zuschuß zur Miete oder zu vergleichbaren Aufwendungen. Weiterhin verweist die Einweisungsvorschrift des § 26 Abs. 1 SGB I auf das Wohngeldrecht, in dem das subjektive Recht des einzelnen auf Zuschuß für die Wohnung und die Anspruchsvoraussetzungen festgelegt sind.393 Da die Kostenmieten in der Vergangenheit gestiegen sind und die Zahl der Wohnungen, die der Bindung an die Kostenmiete unterliegen, kontinuierlich abnahm,394 gibt es gegenwärtig eine erhebliche Anzahl von Wohngeldbeziehern. So haben 1998 in den alten Ländern 7,2 % und in den neuen Ländern 10,7 % aller Haushalte Wohngeld bezogen.395

a) Die Zwecke des Wohngeldrechts Nach § 1 Abs. 1 WoGG soll das Wohngeld der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens dienen. Wohngeld wird daher als Zuschuß zu den Aufwendungen für den Wohnraum gewährt.396 Wirtschaftlich gesiHäußermann / Siebel, S. 120. Buchsbaum, in Buchsbaum / Großmann / Hartmann, Bd. 1, Erl. zu § 1 WoGG C, § 1, RN 4; Schellhorn, in: Kretschmer / von Maydell / Schellhorn, GK-SGB I, § 7, RN 17. 390 Gesetz zum Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und zur Einführung eines sozialen Miet- und Wohnrechts vom 23. 06. 1960 (BGBl. I S. 309). 391 Durch Gesetz vom 23. 03. 1960 (BGBl. I, S. 140). 392 Vgl. Häußermann / Siebel, S. 159; Schellhorn, in Kretschmer / von Maydell / Schellhorn, GK-SGB I, § 7, RN 19. 393 Waltermann, RN 543. 394 So betrug der Anteil der Sozialwohnungen an allen Wohnungen 1968 30% und 1987 nur noch 26%, vgl. Tab. 7.1, in Häußermann / Siebel, S. 154. Von allem in den Jahren 1949 bis 1968 errichteten Wohnungen waren 69,6% öffentlich-geförderte Sozialwonungen, bei den von 1979 bis 1987 errichteten Wohnungen betrug diese Quote nur noch 8,2%, vgl. Tab. 7.3, in: Häußermann / Siebel, S. 157. 395 Vgl. Haustein, Wirtschaft und Statistik 2000, S. 111. 388 389

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

chert ist ein solches Wohnen nach § 7 Abs. 1 SGB I nur dann, wenn die nach der Gewährung von Wohngeld verbleibende Wohnkostenbelastung zumutbar ist.397 Das Wohngeld soll es also denjenigen, denen die hierzu erforderlichen Aufwendungen selbst nicht zugemutet werden können, ermöglichen, sich auf dem freien oder auch gebundenen Wohnungsmarkt mit angemessenem und familiengerechtem Wohnraum zu versorgen, bzw. sich im Besitz einmal erlangten Wohnraums dauerhaft zu erhalten. Hierdurch erhält das WoGG eine bestandsschutzrechtliche Dimension. Aus dem Zweck dieser ausschließlich wirtschaftlichen Wohnraumsicherung folgt zudem, daß die Berechtigung zum Bezug von Wohngeld von der privatrechtlichen Rechtmäßigkeit des tatsächlichen Nutzungsverhältnisses unabhängig ist.398 Wirtschaftlich zu sichern ist ferner nur angemessener, aber keineswegs übertrieben luxuriöser Wohnraum. Ein Antrag mit dem letzteres verfolgt würde, könnte als mißbräuchliche Inanspruchnahme abgewiesen werden (vgl. § 18 Satz 1 Nr. 6 WoGG).399 Das Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit hat also vor allem eine anspruchseinschränkende Funktion.400 Die familiengerechte Sicherung des Wohnraums erfolgt durch eine nach der Haushaltsgröße differenzierte Staffelung der Einkommenshöchstbeträge, bis zu denen Wohnkosten bezuschußt werden. Je größer der Familienhaushalt ist, desto niedriger wird die Höhe der Einkommenshöchstgrenze angesetzt.401 Die Voraussetzungen, von denen die Gewährung des Wohngelds im Einzelfall abhängen, ergeben sich aus den die programmatischen Zielvorgaben des § 1 WoGG umsetzenden, nachfolgenden Vorschriften. Erforderlich ist danach die Antragsberechtigung gem. § 3 WoGG; entscheidend wirken sich ferner die Zahl der Familienmitglieder, der tatsächliche Aufwand für die Wohnung und das Familieneinkommen aus.402 § 1 WoGG selbst formuliert insoweit also keine Anspruchsvoraussetzungen.403 Als nur programmatische Norm enthält er aber die für die Auslegung der übrigen Normen maßgeblichen teleologischen Kriterien.

396 Dabei handelt es sich nicht um einen reinen Programmsatz, der sich nur auf die Auslegung von anderen Vorschriften des WoGG auswirkt. § 1 Abs. 1 WoGG kann zumindest zur Schließung von Gesetzeslücken auch unmittelbar herangezogen werden, vgl. Buchsbaum, in Buchsbaum / Großmann / Hartmann, Erl. § 1 WoGG C, RN 28 f., m.w.N., str. 397 Vgl. Waltermann, RN 543; Buchsbaum, in Buchsbaum / Großmann / Hartmann, Bd. 1, Erl. zu § 1 WoGG C, § 1, RN 5. 398 Buchsbaum, in Buchsbaum / Großmann / Hartmann, Erl. § 1 WoGG C, RN 11. 399 Vgl. Buchsbaum, in Buchsbaum / Großmann / Hartmann, Erl. § 1 WoGG C, RN 4. 400 Schellhorn, in: Kretschmer / von Maydell / Schellhorn, GK-SGB I, § 7, RN 18. Welche Wohnung in welcher Situation angemessen ist, ergibt sich aus §§ 7 und 8 WoGG. 401 Vgl. Buchsbaum, in Buchsbaum / Großmann / Hartmann, Erl. § 1 WoGG C, RN 14. 402 Fuchs, in SRH, 28, RN 6. 403 Vgl. Danschei, in: Fischer-Dieskau / Pergande / Schwender, Bd. 2, WoGG § 8, Anm. 1.

C. Die Wohnung in einfachgesetzlichen Normen des öffentlichen Rechts

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b) Wohnraumbegriff Nach der am 01. 01. 2001 neu eingefügten Legaldefinition des § 4a WoGG sind Wohnräume im Sinne des WoGG Räume, die der Verfügungsberechtigte zum Wohnen bestimmt hat und die hierfür nach ihrer baulichen Anlage und Ausstattung tatsächlich geeignet sind. Ein technischer Mindestausstattungsstandard (Küche, Bad, WC, oder gar Abgeschlossenheit) muß nach dem Wortlaut dieser Norm nicht vorliegen. Ein einzelnes Zimmer kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen ebenfalls als Wohnraum im Sinne des § 4a WoGG angesehen werden.404 aa) Die Rechtsprechung des BVerwG, die zur Einführung des § 4a WoGG geführt hat Vor der Einführung des § 4a WoGG bestand in Literatur und Rechtsprechung Einigkeit darüber, daß sowohl der wohngeldrechtliche Wohnraumbegriff als auch der Wohnungsbegriff des Wohnungsbauförderungsrechts das objektive Element der Eignung zu Wohnzwecken und das subjektive Element der Bestimmung zu Wohnzwecken aufweisen müsse.405 Wie diese Elemente jeweils konkretisiert werden sollten, war jedoch umstritten. Das BVerwG war der Auffassung, daß die tatsächlich-technische Eigenschaft zur Wohnnutzung nicht ausreiche. Vielmehr müsse die dauerhafte Wohnnutzung des fraglichen Raumes auch (bau-)rechtlich zulässig sein.406 Anderenfalls würden die Sozialbehörden durch die Auszahlung des Wohngeldes u.U. baurechtswidrige Zustände verfestigen, was im Interesse der Einheit der Rechtsordnung unhaltbar sei. Zudem sei Wohnraum, dessen Wohnnutzung jederzeit durch die Baurechtsbehörde untersagt werden könne, nicht angemessen im Sinne von § 1 WoGG. Der Wohnraumbegriff des WoGG decke sich ferner nur bei der vom BVerwG vorgeschlagenen Auslegung mit dem des II. WoBauG und der II. BV. Dies sei auch unbedingt geboten, weil der Gesetzgeber in § 100 Abs. 2 II. WoBauG ein grundsätzlich einheitliches Verständnis des im Bereich des sozialen Wohnungsrechts verwendeten Wohnraumbegriffs habe anordnen wollen. Von diesem könne nur durch solche Rechtsvorschriften abgewichen werden, die ausdrücklich etwas anderes bestimmen. Das BVerwG wollte § 100 II. WoBauG hier deshalb offenbar analog anwenden.407 Mit der Einführung des § 4a WoGG hat der Gesetzgeber jedoch eine solche Rechtsvorschrift erlassen und damit zugleich der vom überwiegenden Teil des Danschei, in Fischer-Dieskau / Pergande / Schwender, Bd. 2, WoGG § 8, Anm. 1. BVerwGE 87, 299, 300 f.; BVerwGE 90, 315 ff.; Lenhard, S. 9; Großmann / Richter, B Erl. § 31 WoGG, RN 8 ff. 406 BVerwGE 87, 299, 300 f.; BVerwGE 90, 315 f. 407 § 100 II.WoBauG: „Soweit in Rechtsvorschriften außerhalb dieses Gesetzes die in den §§ 2, 5, 7 und 9 bis 17 bestimmten Begriffen verwendet werden, sind diese Begriffsbestimmungen zugrunde zu legen, sofern nicht in den Rechtsvorschriften ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.“ 404 405

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

Schrifttums und der Verwaltungspraxis vertretenen Gegenmeinung den Vorzug gegeben.408 Denn nach § 4a WoGG reicht die tatsächliche Eignung der Räume für Wohnzwecke aus, weshalb auch die Unterbringung in Ferien- und Wochenendhäusern sowie ausnahmsweise in Beherbergungsbetrieben, Übergangsheimen und Frauenhäusern wohngeldfähig ist.409 Für die Richtigkeit dieser Lösung streitet vor allem der Zweck des Wohngeldgesetzes als Sozialleistung im Sinne von § 1 Abs. 1 SGB I. Nach dieser Vorschrift sind unter anderem die menschenwürdige Existenz eines jeden Bürgers und gleiche Voraussetzungen für die Entfaltung der Persönlichkeit, zu der auch die Erhaltung des Wohnraums unbedingt erforderlich ist, zu sichern. Angesichts des in Art. 20 Abs. 1 GG niedergelegten Sozialstaatsprinzips ist diesem Interesse gegenüber dem an der Einhaltung der baurechtlichen Ordnungsvorschriften Vorrang einzuräumen. Die Verletzung des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung ist aus diesem Grund in Kauf zu nehmen. Das Wohngeld dient allein der wirtschaftlichen Sicherung des Wohnens und soll nicht als Sanktion für baurechtliche Mängel mißbraucht werden, die zumindest bei Mietzuschüssen auch gar nicht den unmittelbaren Verursacher des baurechtswidrigen Zustands träfe.410 Weiterhin wären die Wohngeldbehörden überfordert, wenn man ihnen im Rahmen des wohngeldrechtlichen Massenverfahrens Kontrollaufgaben der Baurechtsbehörden aufbürdete.411 bb) Objektive Eignung zur Wohnnutzung beinhaltet auch nach wohngeldrechtlichem Verständnis die eigenständige Gestaltung des häuslichen Lebens Daß sich Räume nur dann zur Wohnnutzung eignen, wenn sie eine auf gewisse Dauer angelegte eigenständige Gestaltung des häuslichen Lebens und die mit der Haushaltsführung verbundenen Tätigkeiten erlauben, wird dagegen im Kern nicht bestritten.412 Dies wird auch vom Gesetzgeber als ein dem Begriff des Wohnens immanentes Merkmal angesehen, weshalb es in § 4a WoGG auch nicht explizit genannt wird.413 Dieses Kriterium ist auch aus systematischen Gründen erforderlich, um die Zuschüsse für Wohnraum von den Zuschüssen für die Unterkunft im Sinne von § 12 Abs. 1 BSHG und § 3 Abs. 1 der Regelsatzverordnung zu § 22 Abs. 5 BSHG abzugrenzen. Die wohngeldfähige Unterkunft, d.h. der Wohnraum im Sinne 408 Vgl. die Allg. Verwaltungsvorschriften zum Wohngeldgesetz von 1992 und 1994 sowie BT-Drs. 14 / 1523, S. 179 f.; Lenhard, S. 9; Großmann / Richter, B Erl. § 31 WoGG, RN 11. 409 So auch Stadler / Gutekunst / Forster / Wolf, § 4a, RN 6 ff. 410 Vgl. Erläuterungen zur Einfügung des § 4a WoGG, BT-Drs. 14 / 1523, S. 180. 411 Vgl. Erläuterungen zur Einfügung des § 4a WoGG, BT-Drs. 14 / 1523, S. 180. 412 BVerwGE 90, 315, 316 f.; Stadler / Gutekunst / Forster / Wolf, § 4a, RN 4. Auch Großmann / Richter, B WoGG Erl. § 31, RN 11, fordern, daß die fraglichen Räume für mindestens einen Monat als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen genutzt werden, auch wenn sie ein eigenes häusliches Wirtschaften nur in bescheidenem Umfang ermöglichen. 413 Vgl. Erläuterungen zur Einfügung des § 4a WoGG, BT-Drs. 14 / 1523, S. 180.

C. Die Wohnung in einfachgesetzlichen Normen des öffentlichen Rechts

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des § 4a WoGG, muß sich also nach ihrer baulichen Anlage und Ausstattung objektiv von der vorübergehenden, die Haushaltsführung nicht ermöglichenden Unterkunft unterscheiden. Objektive Minimalvoraussetzung dafür ist nach der Verkehrsauffassung, daß Dritte von den Wohn- und Schlafräumen „abgetrennt“ werden können und daß die Möglichkeit eigener Haushaltsführung (auch in teilweise oder gänzlich gemeinschaftlich genutzten Einrichtungen) besteht.414 Es werden also wesentlich geringere Anforderungen gestellt als im Bereich des Wohnungsbauförderungsrechts. cc) Die subjektive Bestimmung zu Wohnzwecken Von entscheidender Bedeutung für das Vorliegen von Wohnräumen ist die subjektive Bestimmung der fraglichen Räume zu Wohnzwecken. Diese hat, wie im Wohnungsbaurecht, durch den Verfügungsberechtigten, der mit dem Nutzer zumindest dann nicht identisch ist, wenn die fraglichen Räume vermietet wurden, zu erfolgen. Dies folgt unmittelbar aus dem Wortlaut des § 4a WoGG, der insoweit der in Rechtsprechung und Literatur vorherrschenden Auffassung entspricht.415 Abzustellen ist darauf, ob der Verfügungsberechtigte in Bezug auf die Räume den Zweck verfolgt, diese Räume sich oder Dritten zum Wohnen zu überlassen. Will der Verfügungsberechtigte die Räume lediglich als Unterkunft zur Verfügung stellen, um nur vorübergehend einer Notsituation Abhilfe zu schaffen, so ist davon auszugehen, daß sie nicht zum Wohnen im Sinne des Wohngeldrechts, welches immer auf eine gewisse Dauer angelegt sein muß, bestimmt worden sind.416

c) Wohnbedürfnisse Durch einen Zuschuß zu den Aufwendungen für angemessenen und familiengerechten Wohnraum wird der Empfänger in materieller Hinsicht in die Lage ver414 Großmann / Richter, a.a.O., RN 11; Dieser Auffassung hat sich offenbar auch der Gesetzgeber in den Erläuterungen zur Einfügung des § 4a WoGG, BT-Drs. 14 / 1523, S. 180, angeschlossen, indem er anmerkte die Begriffe bauliche Anlage und Ausstattung seien wie in § 15 II. WoBauG zu verstehen. Dort wird ein Wohnheim definiert als ein Heim, das seiner baulichen Anlage und Ausstattung für die Dauer dazu bestimmt und geeignet ist, Wohnbedürfnisse zu befriedigen und dies soll eben unter den genannten Bedingungen der Fall sein, vgl. Schubart / Kohlenbach / Bohndick, II. WoBauG, § 15, Anm. 2. Ähnlich Mrozynski, § 26 SGB I, RN 5, wonach zum Wohnen im Sinne des Wohngeldrechts eine auf gewisse Dauer angelegte eigenständige Gestaltung des häuslichen Lebens und die mit der Haushaltsführung verbundenen Tätigkeiten unter Ausschluß Dritter gehören. 415 Vgl. Erläuterungen zur Einfügung des § 4a WoGG, BT-Drs. 14 / 1523, S. 180; BVerwGE 87, 299, 300 f.; BVerwGE 89, 315, 316 f.; Stadler / Gutekunst / Forster / Wolf, § 4a, RN 2; Lenhard, S. 9. Die a.A. von Großmann / Richter, a.a.O., RN 10, wonach es auf die tatsächliche gegenwärtige Bestimmung durch die unterbringende Stelle, in der Regel also durch eine Behörde ankomme, ist seit der Einführung des § 4a WoGG nicht mehr vertretbar. 416 Nach den Erläuterungen zur Einfügung des § 4a WoGG, BT-Drs. 14 / 1523, S. 180, soll jedoch die auf ein Jahr befristete Vermietung als Wohnraum ausreichen.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

setzt, von der ihm durch Art. 13 GG gewährten Wohnungsfreiheit auch tatsächlich Gebrauch machen zu können. Es wird ihm ermöglicht, sich die materiell erforderlichen Voraussetzungen für seine territoriumsbezogene Persönlichkeitsentfaltung wirtschaftlich auch dann zu erhalten, wenn er dazu aus eigener wirtschaftlicher Kraft nicht mehr in der Lage ist. Darüber hinausgehende Wohnbedürfnisse, wie das der sozialen Distinktion oder der Wunsch nach der Atmosphäre einer bestimmten Wohnumgebung werden durch das Wohngeld kaum befriedigt. 4. Steuerrecht – § 75 Abs. 5 und 6 BewG Auch im Steuerrecht ist der Begriff der Wohnung in vielerlei Hinsicht bedeutsam; die Begriffsbestimmungen sind dabei vom jeweiligen Zweck der steuerrechtlichen Norm abhängig und infolgedessen sehr unterschiedlich.417 Nach dem Bewertungsgesetz (BewG) wird die Bewertung derjenigen Wirtschaftsgüter vorgenommen, auf die Steuern zu entrichten sind, die nach einem ruhenden Bestand des Vermögens bemessen werden (z.B. Gewerbekapitalsteuer, Grundsteuer, Erbschaftssteuer, Schenkungssteuer).418 Das im Bewertungsrecht vorherrschende Wohnungsverständnis ist also insbesondere für diese Steuerarten, aber vereinzelt auch für andere steuerrechtliche Normen maßgeblich.419 Ihm kommt daher innerhalb des Steuerrechts besondere Bedeutung zu. Aus der äußerst umfangreichen und nur schwer überschaubaren Materie des Steuerrechts soll hier daher nur die bewertungsrechtliche Bestimmung des Wohnungsbegriffs in § 75 Abs. 5 und 6 BewG herausgegriffen werden. Diese Bestimmung ist nicht nur wegen ihrer hervorgehobenen Bedeutung für die Praxis von Interesse. Sie hat darüber hinaus auch eine besondere Ausprägung durch die Rechtsprechung erfahren, in der zur methodischen Klassifizierung des bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriffs Stellung genommen wurde. a) Zweck des § 75 Abs. 5 und 6 BewG – Bewertung von Grundstücken § 75 BewG legt fest, welche Grundstücksarten für die Bemessung etwa der Grundstücks- oder Erbschaftssteuer bewertungsrechtlich zu unterscheiden sind 417 Z.B. in § 9 Abs. 1 Nr. 4 und § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Die erste Norm betrifft die Arbeitnehmern zugute kommende Absetzbarkeit von den für Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstelle anfallende Fahrkosten. In diesem Sinne soll die Wohnung jedes Heim sein, auch wenn es sich nicht zur Führung eines selbständigen Haushalts eignet, also auch möblierte Zimmer und Campingwagen. Auch bei der zweiten genannten Norm, die bestimmt, daß auch der Nutzwert einer vom Steuerpflichtigen genutzten Wohnung zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehört, ist von einem zweckspezifischen Wohnungsbegriff auszugehen, vgl. BFH E 139, 23. Ein weiteres Beispiel bilden die Zweitwohnungssteuergesetze. 418 Tipke / Lang, § 12, RN 1 und 9. 419 Wie für das Eigenheimzulagegesetz, vgl. BMF, BStBl. I 94, 887, RN 8. Zu hiervon abweichenden Begriffsbestimmungen vgl. FN 426.

C. Die Wohnung in einfachgesetzlichen Normen des öffentlichen Rechts

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(Abs. 1) und stellt hierzu Legaldefinitionen auf (Abs. 2 bis 7). Wesentliches Merkmal der Grundstücksart „Einfamilienhaus“ ist, daß es nur eine Wohnung enthält, vgl. § 75 Abs. 5 BewG.420 Zweifamilienhausgrundstücke müssen dagegen zwei Wohnungen aufweisen, vgl. § 75 Abs. 6 BewG. § 76 BewG bestimmt dann, welche von diesen Grundstücksarten nach dem Ertragswertverfahren und welche nach dem Sachwertverfahren zu bewerten sind. Die Bestimmung der Grundstücksart hat zudem Einfluß auf die Höhe des Verfielfältigers, mit dem bei Anwendung des Ertragswertverfahrens die Jahresrohmiete zur Ermittlung des maßgeblichen Ertragswerts zu multiplizieren ist, vgl. § 80 Abs. 1 BewG. Dieser ist bei Einfamilienhäusern höher als bei Zweifamilienhäusern,421 weshalb es also für den Steuerpflichtigen von wesentlicher Bedeutung ist, ob sein Grundstück ein oder zwei Wohnungen enthält. Das erklärt wiederum die besondere Aufmerksamkeit, die der bewertungsrechtliche Wohnungsbegriff in der Rechtsprechung erfahren hat.

b) Der bewertungsrechtliche Wohnungsbegriff nach der Rechtsprechung des BFH Nach der Rechtsprechung des BFH sind die folgenden Merkmale für den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff wesentlich:422 Eine Mehrheit von Räumen müsse zu einer in sich abgeschlossenen Wohneinheit derart zusammengefaßt sein, daß sie von anderen Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennt ist und einen eigenen Zugang aufweist. Grundsätzlich müsse diese Raumeinheit ferner entweder tatsächlich zu Wohnzwecken dienen oder zu dienen bestimmt sein und eine Mindestfläche von 23 qm aufweisen.423 Es sei weiterhin erforderlich, daß die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume, eine Küche oder zumindest ein Raum mit Kochgelegenheit, ein Bad oder eine Dusche sowie eine Toilette vorhanden sind. Unabdingbar erforderliche Merkmale des Wohnungsbegriffs sind nach der Rechtsprechung des BFH jedoch nur der Wohnungsabschluß inklusive eines eigenen Zugangs und eine bestimmte Mindestfläche, deren aktuell erforderliche Größe 420 „Einfamilienhäuser sind Wohngrundstücke, die nur eine Wohnung enthalten. Wohnungen des Hauspersonals (Pförtner, Heizer, Gärtner, Wächter usw.) sind nicht mitzurechnen. Eine zweite Wohnung steht abgesehen von Satz 2 dem Begriff „Einfamilienhaus“ entgegen, auch wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist. Ein Grundstück gilt auch dann als Einfamilienhaus, wenn es zu gewerblichen oder öffentlichen Zwecken mitbenutzt wird und dadurch die Eigenart als Einfamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt wird.“ 421 Dies ist aber nicht auf einen etwa höheren Wohnwert der Einfamilienhäuser zurückzuführen, sondern auf niedrigere Verzinsung des investierten Kapitals, die einen wesentlichen Faktor bei der Berechnung des Vervielfältigers ausmacht, vgl. hierzu Rössler / Troll, BewG § 78, RN 9 ff. 422 BFH E 142, 505, 508. 423 BFH E 144, 75; BFH E 161, 166.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

sich nach der Verkehrsauffassung bestimmen soll.424 Die anderen Merkmale sind, wie der BFH ausdrücklich klarstellt, für den Wohnungsbegriff nicht zwingend erforderlich. Es soll vielmehr ausreichen, wenn manche in geringerem und andere dafür in stärkerem Maße erfüllt sind. Unter Umständen sollen sie sich sogar gegenseitig ersetzen können. Insoweit sei allein maßgeblich, ob diese nicht zwingenden Merkmale nach der Verkehrsauffassung als erfüllt anzusehen sind.425 Einzelne Merkmale dieses Begriffs können also je nach konkretem Einzelfall in unterschiedlicher, nicht generell festzulegender Intensität zutreffen, wobei es insgesamt weniger auf solche einzelnen Merkmale als auf das gesamte Erscheinungsbild ankommt.426 Der Wohnungsbegriff weist daher Merkmale auf, die als komparative Unterbegriffe bezeichnet werden können,427 nämlich die „Möglichkeit zur selbständigen Haushaltsführung“ und die „Bestimmung zu Wohnzwecken“. Komparative Unterbegriffe sind Begriffsmerkmale des Wohnungsbegriffs, deren Vorliegen sich nicht durch ein striktes Entweder-Oder-Urteil entscheiden läßt, sondern nur durch ein vergleichendes Herantasten, im Sinne eines Mehr-Oder-Weniger-Urteils.428 Der Wohnungsbegriff des Bewertungsrechts kann daher methodisch als Typusbegriff qualifiziert werden.429 Zudem enthält er aber auch leicht feststellbare Merkmale, die stets zutreffen müssen und die sich als Indiz für den Wert eines Grundstücks, das teleologisch gemeinte Merkmal, eignen (bauliche Trennung des Wohnungsabschlusses von anderen Räumen und eigener Zugang sowie die Einhaltung einer Mindestgröße von 23 qm). Derartige Merkmale werden als operationale oder auch sinnvermittelnde bezeichnet.430 Der bewertungsrechtliche Wohnungsbegriff weist mithin sowohl komparative als auch operationale Merkmale auf.

c) Stellungnahme Die Bestimmung des bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriffs mit Hilfe komparativer und operationaler Merkmale stellt einen Kompromiß zwischen zwei in entgegengesetzter Richtung wirkenden allgemeinen Normzwecken dar:431 Der technische Standard der Wohnungen hat sich in den Jahrzehnten nach dem Krieg so schnell und erheblich verbessert, daß man Räume, die nach der beispielsweise BFH, E 161, 166. BFH E 142, 505, 506 ff. 426 Zur Denkform des Typus in der Rechtswissenschaft vgl. nur Larenz, S. 443 ff. (4. A.); Bydlinski, S. 543 ff.; Wank, S. 123 ff. 427 Dies ist nach der zutreffenden Auffassung von Wank das entscheidende Charakteristikum eines Typusbegriffs, vgl. Wank, S. 124 ff. 428 Ähnlich Wank, S. 126 f. 429 So auch der BFH E 142, 505, 507. 430 Vgl. Wank, S. 100 f. 431 Allgemeine Normzwecke sind diejenigen Zwecke, die in der Regel alle Gesetze zusätzlich zu ihren konkreten Regelungszwecken verfolgen, vgl. Wank, S. 95, m.w.N. 424 425

C. Die Wohnung in einfachgesetzlichen Normen des öffentlichen Rechts

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in den fünfziger Jahren vorherrschenden Verkehrsauffassung durchaus als Wohnung galten, heute allein schon aus technischen Gründen nicht mehr als solche bezeichnen würde. Zudem sind auch die gesellschaftlichen Bedingungen, die die Formen des Wohnens bestimmen, einem beständigen Wandel unterworfen. Die Zahl der Alleinlebenden (Singles) und Alleinerziehenden wächst z.B. stetig, so daß zunehmend auch kleinere Wohneinheiten benötigt werden. Die Abhängigkeit des Wohnungsverständnisses von dynamischen gesellschaftlichen Prozessen macht es also auch im Bereich des Bewertungsgesetzes auf der einen Seite erforderlich, den „Wohnungsbegriff“ wenigstens in einem gewissen Maße offen zu gestalten, um dem allgemeinen Normzweck der Einzelfallgerechtigkeit zu entsprechen. Hierzu bietet sich rechtsmethodisch die Verwendung eines Typusbegriffs an. Andererseits ist es im Interesse eines möglichst transparenten und nachvollziehbaren, rechtsstaatlichen Bewertungsverfahrens und aufgrund des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung,432 also im Interesse des allgemeinen Normzwecks der Rechtssicherheit433 erforderlich,434 Kriterien zu entwickeln, anhand derer sich die Frage nach dem Vorliegen einer Wohnung mit einem klaren Ja oder Nein beantworten läßt. Hierfür bieten sich Klassenbegriffe oder zumindest einzelne, operationale Begriffsmerkmale innerhalb des Typusbegriffs an. Vorliegend bleibt die erforderliche Offenheit des Wohnungsbegriffs trotz der Verwendung einzelner operationaler Merkmale gewahrt. Denn nach dem modernen Wohnverständnis, also nach der ausschlaggebenden, vom BFH für maßgeblich erachteten Verkehrsauffassung, ist die bauliche Abtrennung der Wohnung und ein eigener Zugang ebenfalls zwingend erforderlich. Denn nur diese baulichen Gestaltungsmerkmale garantieren die Entstehung eines dauerhaft geschützten Wohnbereichs, den auch der BFH nach dem modernen Wohnverständnis zu recht für zwingend erforderlich hält.435 Die subjektive Zweckbestimmung und die ihr tatsächlich entsprechende Nutzung von Räumen zum Wohnen ist dagegen für den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff nicht (mehr) von ausschlaggebender Bedeutung.436 Auch sie kann, wenn die Verkehrsauffassung dies gebietet, durch andere, stärker hervortretende Merkmale ersetzt werden. Es entspricht der Teleologie des BewG, gerade diesen Bestandteil des Wohnungsbegriffs als offenes Typusmerkmal auszugestalten. Denn sein Zweck liegt in der Ermittlung einer verbindlichen Steuerbemessungsgrundlage nach allgemein verbindlichen Bewertungsregeln. Hierzu ist es im Interesse einer gleichmäßigen Bewertung und Besteuerung zwingend erforderlich, die Ein432 Die Gleichheit der Besteuerung ist ein wesentliches allgemeines Ziel des Steuerrechts, vgl. Tipke / Lang, § 1, RN 9. 433 Der Zielkonflikt zwischen Gleichbehandlung, d.h. Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit ist eine der grundlegenden Kollisionen allgemeiner Normzwecke, vgl. Leenen, Typus, S. 108 ff.; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 73 ff., 75; Wank, S. 97. 434 BFH E 142, 505, 508 f. 435 BFH E 142, 505, 509. 436 So auch Knobel, in Viskorf / Glier / Knobel, § 75, RN 17.

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3. Kapitel: Wichtige Wohnungsbegriffe

flußnahme subjektiver (Wert-)Vorstellungen – also auch darüber, ob Räume zu Wohnzwecken dienen oder nicht – zurückzudrängen.437 Familien- oder gesellschaftspolitische Zielsetzungen können mit dem Instrumentarium des Bewertungsrechts folglich ebensowenig berücksichtigt werden wie das allgemeine Interesse an der Schaffung von Wohnraum zur Beseitigung der Wohnungsnot. Auch die Frage nach individuellen Wohnbedürfnissen, die durch das Bewertungsrecht befriedigt werden können, ist von vornherein verfehlt, da es dem Bewertungsrecht nach dem Gesagten allein um die Feststellung des im gewöhnlichen Wirtschaftsverkehr bei einer Veräußerung erzielbaren Preises eines Wirtschaftsgutes, mithin um die Feststellung seines Verkehrswertes geht, vgl. § 9 Abs. 2 BewG („gemeiner Wert“).438

437 438

Viskorf, in Viskorf / Glier / Knobel, § 1, RN 1 f. Vgl. Viskorf, in Viskorf / Glier / Knobel, § 9, RN 2; Rössler / Troll, § 9, RN 3.

Viertes Kapitel

Zivilrecht – Rechtsformen der Wohnnutzung und private Abwehrrechte Die Wohnnutzung von Räumen wird durch verschiedene zivilrechtliche Rechtsformen ermöglicht. Diese regeln das Verhältnis des Wohnenden zu anderen Privaten in Bezug auf die bewohnten Räume und bestimmen daher wesentlich, in welchem Maße der Wohnende sich vor Übergriffen Dritter auf die bewohnte Sphäre schützen kann. Sie stecken den privatrechtlichen Rahmen ab, in dem die Wohnbedürfnisse intimer, sozio-kultureller und sozial-distinktiver Art befriedigt werden können. Einige der die Wohnnutzung ermöglichenden Rechtsformen sind genereller Art und nicht auf diesen Zweck beschränkt. Ihre Teleologie hat keinen spezifischen Bezug zum Schutz der Wohnung oder die Wohnbedürfnisbefriedigung und häufig wird der Wohnungsbegriff von ihnen nicht erwähnt. I. Dingliche Rechtsformen der Wohnnutzung 1. Eigentum Das Eigentum wurde vom Gesetzgeber als umfassendes Verfügungs- und Nutzungsrecht konstruiert.1 Nach § 903 BGB darf der eigennutzende Eigentümer eines mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks mit diesem nach Belieben verfahren (positive Seite) und andere von jeder Einwirkung ausschließen (negative Seite). Der Eigentümer hat damit die umfassendste Herrschaftsmacht, die die Rechtsordnung an einer Sache zuläßt.2 Dem Eigentümer eines eigengenutzten Wohngrundstücks stehen gegen jeden störenden Dritten Herausgabeansprüche (§ 985 BGB), Beseitigungs- und Unterlassungsanspüche (z.B. §§ 907 Abs. 1 Satz 1, 1004 BGB), Schadensersatzansprüche (z.B. §§ 823 ff., 904 BGB) sowie Selbsthilfe- und Duldungsrechte (z.B. §§ 910, 912, 917 BGB) zu. Zwar ergeben sich aus der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) und den Eigentumsrechten betroffener Dritter – insbesondere aus den Regelungen des öffentlichen Baurechts – eine Vielzahl von Beschränkungen. Das Eigentum bildet gleichwohl das stärkste Recht, auf welches sich die Nutzung einer Wohnung oder von Wohnräumen stützen läßt.3 Fraglos stellt es daher das „wohnnutzungsfreundlichste“ der 1 2 3

Mü-Ko-Säcker, § 903, RN 6. Baur / Stürner, § 24 I 1; Staudinger-Seiler, § 903, RN 2. Staudinger-Seiler, § 903, RN 4.

12 Krumme

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4. Kapitel: Zivilrecht

zivilrechtlichen Wohnnutzungsrechtsformen dar. Die eigentumsimmanente, absolute und grundsätzlich gegenüber jedermann gleich wirksame rechtliche Ausschließungsbefugnis erlaubt die Entfaltung räumlicher Privatheit. Das größtmögliche Maß an privatrechtlicher Verfügungsbefugnis ermöglicht daneben die Befriedigung aller erlaubten intimen, sozio-kulturellen und sozial-distinktiven Wohnbedürfnisse. Der Grund für die starke Rechtsposition des Eigentümers liegt in der Art der sachenrechtlichen Beziehung des einzelnen zu dem Grundstück, als dessen wesentlichen Bestandteil (§ 94 Abs. 1 BGB) sich die räumliche Sphäre in der Form des Wohngebäudes regelmäßig darstellt. Spezielle Regelungen, die den eigenutzenden Eigentümer zivilrechtlich gerade wegen seiner Eigenschaft als wohnenden Eigentümer im Hinblick auf den Schutz spezifischer Wohninteressen schützen sollen, existieren dagegen nicht. Die Nutzung des eigenen Grundstücks zum Wohnen stellt sich damit nur als eine von vielen Nutzungsarten dar, die im Rahmen der durch das Eigentum vermittelten, generellen Verfügungsfreiheit möglich sind.

2. Wohnungseigentum Das Wohnungseigentum ist eine sehr verbreitete Rechtsform dinglicher Wohnnutzung.4 Daß sie mit den Strukturvorstellungen des BGB streng genommen unvereinbar ist,5 nahm man zur Verbesserung der Wohnungsversorgung durch Belebung der privaten Bautätigkeit und zur Förderung der Eigentumsbildung als Kapitalanlage für breitere Bevölkerungsschichten („Eigentum auf der Etage“) in Kauf.6 In Durchbrechung des grundstücksrechtlichen Akzessorietätsprinzips, wonach ein Gebäude insgesamt wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist und somit sein sachenrechtliches Schicksal teilt (§§ 93, 94 BGB), wurde durch das WEG die Möglichkeit geschaffen, innerhalb eines Gebäudes mit mehreren Wohnungen Eigentum allein an einer abgeschlossenen Wohnung, sogenanntes Sondereigentum, zu begründen (§§ 1 Abs. 2, 2 WEG).7 Dieses Sondereigentum wird untrennbar mit einem ideellen Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft8 zu Wohnungseigentum verbunden. Über die abgeschlossene Wohnung, die im Sondereigentum des Wohnungseigentümers steht, herrscht der Wohnungseigentümer als Alleineigentümer weitgehend unbeschränkt.9 § 13 Abs. 1 WEG beschreibt die positive wie die negative Seite des Sondereigentums nahezu in demselben Wortlaut wie § 903 BGB. Dem Wohnungseigentümer stehen hinsichtlich des Sondereigentums – grundsätzlich Vgl. Bärmann / Pick, Einl., RN 4. MüKo-Röll, WEG Vor § 1, RN 10. 6 Weitnauer, WEG, Vor § 1, RN 11a; Ehmann, JZ 1991, 223 f. 7 Weitnauer, WEG, Vor § 1, RN 14 ff.; MüKo-Röll, WEG Vor § 1, RN 10. 8 Es besteht u. a. aus dem Grundstück, den konstruktiven Gebäudeteilen und den übrigen nicht im Sondereigentum stehenden Teilen des Gebäudes, vgl. § 1 Abs. 5 WEG. 9 Weitnauer, WEG, § 13, RN 1; Ehmann, JZ 1991, 222 f. 4 5

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auch gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern – dieselben Ausschlußrechte zu, wie einem BGB-Eigentümer (§§ 985, 1004 BGB).10 Aus der Einbindung des Sondereigentums in das gemeinschaftliche Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft ergeben sich im Verhältnis zu den anderen Wohnungseigentümern gleichwohl besondere Beschränkungen (wie z.B. Instandhaltungs- und Duldungspflichten), denen der BGB-Eigentümer nicht unterliegt (vgl. § 14 WEG). Die umfassende Sachherrschaft über die abgeschlossene Wohnung ist also schon im Ausgangspunkt in stärkerem Ausmaße beschränkt als die des eigennutzenden Grundstückseigentümers. Dies wirkt sich im Vergleich zum BGB-Eigentum in besonderem Maße einschränkend auf die Möglichkeit aus, sozial-distinktive und andere individuelle Wohnbedürfnisse zu befriedigen, soweit ihre Umsetzung die Interessen der anderen Wohnungseigentümer verletzt. Dies gilt erst recht, da die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums noch weiteren Einschränkungen unterliegt; insofern steht dem einzelnen Miteigentümer „Mitgebrauch“ nur zu, soweit das Mitgebrauchsrecht der anderen Wohnungseigentümer nicht beeinträchtigt wird (vgl. § 13 Abs. 2 WEG). Die Herrschaftsgewalt über das Grundstück und über nicht in das Sondereigentum fallende Teile des Gebäudes ist daher durch weitere Regelungen beschränkt, mit denen ein Ausgleich der häufig gegenläufigen Interessen der zwangsläufig in der Wohnungseigentümergemeinschaft zusammengefaßten Wohnungseigentümer erzielt werden soll.11 Sondereigentum soll gem. § 3 Abs. 2 WEG nur an abgeschlossenen Wohnungen eingeräumt werden. Dadurch sollen Unklarheiten in Bezug auf die Eigentums- und Benutzungsverhältnisse innerhalb des aufgeteilten Gebäudes vermieden werden, die beim altrechtlichen Stockwerkseigentum offenbar häufig Ursache für sog. Händelhäuser gewesen sind.12 Das Abgeschlossenheitserfordernis folgt damit dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, nach dem der Bezugsgegenstand eines Rechts (Wohnung) inhaltlich feststeht. Nur so ist der Inhalt der Rechtsstellung hinreichend bestimmt und die Verkehrsfähigkeit der Eigentumswohnung gesichert.13 Der im Bereich des Wohnungseigentumsrechts allein relevante Wohnungsbegriff muß demnach immer das Merkmal der Abgeschlossenheit aufweisen. Das WEG bestimmt den Begriff der abgeschlossenen Wohnung nicht. Maßgeblich ist hier die Verkehrsauffassung auf der Grundlage der baulichen Gestaltung, die in der Regel 10 Bärmann / Pick, Einl., RN 10; MüKo-Röll, WEG § 13, RN 27; Weitnauer, WEG, § 13, RN 2. 11 Neben den Vorschriften über des WEG über die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums sind dies die Regelungen über das Miteigentum (§§ 1008 ff. BGB) und die Bruchteilsgemeinschaft (§ 741 BGB), § 10 Abs. 1 WEG, vgl. Bärmann / Pick, § 13, RN 15 ff.; Weitnauer, WEG, § 13, RN 7. Manche wollen bei insoweit auftretenden Gesetzeslücken Bestimmungen des Vereins- oder GmbH-Rechts analog anwenden, vgl. MüKo-Röll, WEG Vor § 1, RN 12. 12 MüKo-Röll, WEG § 3, RN 51; Weitnauer, WEG, § 3, RN 7b. 13 Baur / Stürner, § 4 III 1; MüKo-Quack, Einleitung zu Bd. 6 (Sachenrecht), RN 50.

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mit der Bestimmung der für die Ausstellung der Abgeschlossenheitsbescheinigungen gem. § 7 Abs. 4 Nr. 2 und § 32 Nr. 2 WEG maßgeblichen Verwaltungsvorschrift übereinstimmen dürfte.14 Danach muß nicht nur ein vollkommener baulicher Abschluß von fremden Wohnungen und Räumen vorliegen. Die fraglichen Räume müssen auch die Führung eines selbständigen Haushalts objektiv ermöglichen, weshalb eine Küche oder ein Raum mit Kochgelegenheit, Wasseranschluß, Ausguß und WC als Mindestausstattung innerhalb des Wohnungsabschlusses zu liegen hat.15 Auf die subjektive Zweckbestimmung oder die tatsächliche Nutzung zur eigenständigen Haushaltsführung kommt es dagegen – anders als im öffentlich-rechtlichen Wohnungsbaurecht – nicht an.16 Sonst würde aus dem Wohnungseigentum bei Änderung der Zweckbestimmung automatisch Teileigentum, was so im Gesetz nicht vorgesehen ist. Überdies bestünde die latente Gefahr unrichtiger Wohnungsgrundbücher. Weiteres unabdingbares Erfordernis der Abgeschlossenheit ist neben dem baulichen Abschluß ein eigener abschließbarer Zugang unmittelbar über das Gemeinschaftseigentum. 17

3. Erbbaurecht Das Erbbaurecht ist ein veräußerliches und vererbliches, beschränktes dingliches Recht, welches auf einem Grundstück lastet und darauf gerichtet ist, auf oder unter der Oberfläche dieses Grundstücks ein Bauwerk zu haben (§ 1 Abs. 1 ErbbauVO).18 Eigentümer des Bauwerks wird der Erbbauberechtigte. Das Sondereigentum an dem Bauwerk ist als wesentlicher Bestandteil untrennbar mit dem Erbbaurecht verbunden (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 ErbbauVO). Auch hierin liegt eine Durchbrechung des in den §§ 93 und 94 BGB niedergelegten Akzessorietätsprinzips. Wie das Wohnungseigentum ermöglicht das Erbbaurecht den Eigentumserwerb an einer Wohnung ohne Grundstück.19 Das Erbbaurecht ist im wesentlichen von eigentumsähnlichem Charakter.20 Dies gilt auch für die negative Seite. Soweit sich aus der ErbbauVO nichts anderes ergibt, stehen dem Erbbaurechtsberechtigten die Ausschließungs- und Abwehransprüche des Eigentümers in entsprechender Anwendung zu (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO).21 Im Hinblick auf die Möglichkeit der Wohnbedürfnisbefriedigung dürften daher kaum Unterschiede zum Grundstückseigentum bestehen.

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Vgl. Staudinger-Rapp, § 1 WEG, RN 3. GmS-OGB NJW 1992, 3290; MüKo-Röll, WEG, § 3, RN 53; Bärmann / Pick, § 3, RN 18. Staudinger-Rapp, § 1 WEG, RN 3. GmS-OGB NJW 1992, 3290; MüKo-Röll, WEG, § 3, RN 53; Bärmann / Pick, § 3, RN 18. MüKo-v.Oefele, ErbbauVO, Vor § 1, RN 3; Bauer / Stürner, § 29 C I 1. Bauer / Stürner, § 29 A 1. BGH NJW 1974, 1137; MüKo-v.Oefele, ErbbauVO, § 1, RN 4. Baur / Stürner, § 23 C I 1.

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Mit dem Erlaß der ErbbauVO wurde die Verbesserung der Wohnraumversorgung und der Wohnsituation der „sozial schwächeren“ Schichten bezweckt.22 Das Erbbaurecht sollte gerade dieser Bevölkerungsgruppe den „Weg zum Familienheim öffnen“23 und Bodenspekulationen bekämpfen. Diesen Zwecken dient das Erbbaurecht noch heute. So bestimmt der 1974 zur Bewahrung des sozialen Charakters in die ErbbauVO eingefügte § 9a, daß der als Ausgleich für die Gewährung des Erbbaurechts an den Grundstückseigentümer zu zahlende Erbbauzins ggf. abweichend von den sonst üblichen schuldrechtlichen Anpassungsklauseln nur dann erhöht werden darf, wenn dies nicht unbillig ist.24 Untragbaren Erbbauzinserhöhungen sollte auf diese Weise im Interesse eines sozialen Bestandsschutzes vorgebeugt werden.25 Was unter „Wohnzwecken“ im Sinne von § 9a ErbbauVO zu verstehen ist, wird auch in der Kommentarliteratur zumeist nicht diskutiert. Wie bereits im öffentlichen Wohnungsbaurecht, soll sich die Frage, ob ein Gebäude zu Wohnzwecken dient, anhand seiner objektiven und subjektiven Bestimmung hierzu beantworten. So diene ein Gebäude dann zu Wohnzwecken, wenn es bewohnt werden könne und hierzu nach seiner Anlage und Einrichtung bestimmt sei.26 Erforderlich dürfte hierfür wie im Wohnungsbauförderungsrecht also die selbstbestimmte, dauerhafte Haushaltsführung und die autonome Gestaltung des häuslichen Lebens sein. Nach dem Zweck der Wohnraumschaffung und dem Wortlaut des § 9a ErbbauVO ist es gleichgültig, ob der Erbbauberechtigte oder ein Mieter das Bauwerk bewohnt.27 Hotels, Pflegeheime, Wohnheime und nach einer Ansicht auch Ferienwohnungen sollen wegen der fehlenden Dauernutzung nicht unter § 9a ErbbauVO fallen.28 Gewerbsmäßig vermietete Gebäude, die in erster Linie der Gewinnerzielung dienen, fallen ebenfalls nicht unter § 9a ErbbauVO.29 Allerdings sollen auch sowohl solche Bauwerke Wohnzwecken dienen, die lediglich im Zusammenhang mit dem eigentlichen Wohngebäude stehen als auch solche, die für das Wohnen in den eigentlichen Wohngebäuden eine dienende Funktion übernehmen, und sei es auch nur, daß sie es angenehmer gestalten wie z.B. eine Garage, ein Schwimmbad oder eine Sauna.30

Vgl. Lux, JW 1919, 360; Baur / Stürner, § 29 A 2. MüKo-v.Oefele, ErbbauVO, § 9a, RN 2. 24 Ingenstau, ErbbauVO, § 9a RN 3; MüKo-v.Oefele, ErbbauVO, § 9a, RN 2. 25 MüKo-v.Oefele, ErbbauVO, § 9a, RN 2. 26 Ingenstau, ErbbauVO, § 9a, RN 5; ähnlich MüKo-v.Oefele, ErbbauVO, § 9a, RN 6. 27 Ingenstau, ErbbauVO, § 9a, RN 5. 28 Ingenstau, ErbbauVO, § 9a, RN 6 f.; a.A. in Bezug auf Wohnheime und Zweitwohnungen: RGRK-Räfle, ErbbauVO, § 9a, RN 4; MüKo-v.Oefele, ErbbauVO, § 9a, RN 6. 29 Ingenstau, ErbbauVO, § 9a, RN 7. 30 Ingenstau, ErbbauVO, § 9a, RN 6. 22 23

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4. Sonstige beschränkte dingliche Wohnnutzungsrechte Weitere beschränkte dingliche Rechte, die als Rechtsformen zur dauerhaften Nutzung von Grundstücken oder Räumen zu Wohnzwecken verwendet werden, sind das Dauerwohnrecht (§§ 31 ff. WEG), der Nießbrauch (§§ 1030 ff. BGB) und das Wohnungsrecht (§ 1093 BGB).

a) Dauerwohnrecht Aufgrund des Dauerwohnrechts ist der Rechtsinhaber berechtigt, eine bestimmte abgeschlossene Wohnung in einem auf dem belasteten Grundstück errichteten Bauwerk unter Ausschluß des Eigentümers zu bewohnen (§§ 31 ff. WEG). Im Unterschied zu einer Dienstbarkeit ist das Dauerwohnrecht veräußerlich und vererblich sowie miet- oder pachtweise verwertbar. Im Unterschied zum Erbbaurecht wird es im Rechtsverkehr nicht wie ein Grundstück, sondern wie ein Recht an einem Grundstück behandelt.31 Es kann also vor allem nicht belastet werden. Das Dauerwohnrecht konnte deshalb kaum wirtschaftliche Bedeutung erlangen.32

b) Nießbrauch Der Nießbrauch an einem Grundstück berechtigt ausschließlich den Inhaber, mit sachenrechtlicher Herrschaftsmacht sämtliche Nutzungen (Gebrauchsvorteile und Früchte, § 100 BGB) zu ziehen. Dies führt zu einer weitgehenden Trennung von belastetem Grundstück und dem hierauf bezogenen Nutzungsrecht.33 Damit der Nießbraucher sein umfassendes Recht zur Fruchtziehung, welches den wesentlichen Gehalt des Nießbrauchs ausmacht,34 auch tatsächlich ausüben kann, hat er gegenüber dem Eigentümer ein Recht zum Besitz, § 1036 Abs. 1 BGB. Zum Schutz seines Nießbrauchs kann er auf das Instrumentarium des Eigentumsschutzes zurückgreifen, § 1065 BGB. Er kann also sowohl den Eigentümer (§ 986 Abs. 1 BGB) als auch Dritte (§§ 985, 1004 BGB) von Einwirkungen auf das Grundstück ausschließen.35 Damit ermöglicht der Nießbrauch an einem Wohngrundstück dem Berechtigten die Wohnnutzung und die Befriedigung von Wohnbedürfnissen in ähnlich effektiver und umfassender Weise wie das Eigentum selbst. Soziale, speziell auf die mögliche Wohnnutzung bezogene Zwecke werden mit dem Nießbrauch nicht verfolgt.

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Vgl. Baur / Stürner, § 29 D III 1; MüKo-Röll, WEG, § 31, RN 4. MüKo-Röll, WEG, § 31, RN 7. MüKo-Petzold, Vor § 1030, RN 12; Baur / Stürner, § 32 I 1. Baur / Stürner, § 32 II 1a. Baur / Stürner, § 32 II 2 und 3.

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c) Wohnungsrecht Wie der Nießbrauch ist auch das Wohnungsrecht eine persönliche Dienstbarkeit, die es ihrem Inhaber ermöglicht, den Eigentümer von der Nutzung der belasteten Sache auszuschließen.36 Dem Inhaber des Wohnungsrechts steht deshalb wie dem Nießbraucher ein dingliches Recht zum Besitz zu (§§ 1093 Abs. 1 Satz 2, 1036 Abs. 1 BGB). Insofern stellt das Wohnungsrecht eine Ausnahmeerscheinung unter den beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten dar, aufgrund derer der Berechtigte das Grundstück grundsätzlich nur in „einzelnen Beziehungen“ benutzen darf, der Eigentümer von der Mitbenutzung also nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann (§ 1090 Abs. 1 BGB). Allerdings ist dem Inhaber des Wohnungsrechts – anders als dem Nießbraucher – nur die Wohnnutzung, nicht aber die umfassende Fruchtziehung gestattet. Die Wohnnutzung erstreckt sich nach dem Wortlaut des § 1093 BGB nur auf das Gebäude als Bestandteil des Grundstücks oder sogar nur auf einzelne Gebäudeteile. Der Wohnungsberechtigte kann auch Dritte von Einwirkungen auf die Wohnung kraft dinglichen Rechts ausschließen. Gegen Beeinträchtigungen des Wohnungsrechts kann er sich aufgrund der Gesetzesanalogie in den §§ 1090 Abs. 2, 1027 BGB gem. § 1004 BGB zur Wehr setzen. Nach einer verbreiteten Ansicht sollen ihm, weil und soweit das Recht zur Wohnnutzung ein (teilweises) Besitzrecht an dem Grundstück und dem darauf befindlichen Wohngebäude umfaßt, auch die weiteren Vorschriften zum Schutze des Eigentums, insbesondere die §§ 985 ff. BGB gegen widerrechtlichen Entzug der dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume, aufgrund analoger Anwendung zustehen.37 Das Wohnungsrecht ermöglicht aufgrund der auch gegenüber dem Eigentümer bestehenden Ausschlußbefugnisse zwar die Erhaltung eines Mindestmaßes an räumlicher Privatsphäre. Zur Befriedigung der übrigen Bedürfnisse, die im Rahmen des modernen Wohnens typischerweise zu befriedigen sind, verleiht es dem Wohnenden jedoch kaum die erforderliche Rechtsmacht. Dies wird deutlich, wenn das Wohnungsrecht nur an einzelnen Zimmern bestellt wird, die übrigen Räume aber lediglich aufgrund einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit mitbenutzt werden dürfen. Zur Beantwortung der Frage, wie der von § 1093 BGB verwendete Begriff der Wohnnutzung zu verstehen ist, wurde bis jetzt keine Formel entwickelt. Es findet sich lediglich der Hinweis, daß erwerbswirtschaftlich-betriebliche Zwecke unter keinen Umständen Wohnzwecke seien.38 Wie im Bereich des sozialen Wohnrechts wird Wohnen also auch hier als Gegensatz zur betrieblichen Erwerbsarbeit verstanden. Wohnnutzung wird ferner dann anzunehmen sein, wenn dem „Bewohner“ unBaur / Stürner, § 29 D II 2; MüKo-Joost, § 1093, RN 1. Ott, in AK-BGB, § 1027, RN 2. Dies soll auch für Vorschriften des BGB-Nachbarschutzrechts gelten, vgl. MüKo-Falckenberg, § 1027, RN 1. 38 MüKo-Joost, § 1093, RN 4. 36 37

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eingeschränkte Verfügungsmacht über den Raum zusteht, die ihn auch dazu berechtigt, den Eigentümer und Dritte von der Benutzung auszuschließen. Ferner müssen die Parteien die Räume oder den Raum dazu bestimmt haben, dem Wohnungsberechtigten dauerhaft zur selbstbestimmten Lebensgestaltung zu dienen. Da das Wohnungsrecht auch einzelne Räume umfassen kann, ist eine selbständige Haushaltsführung nicht erforderlich. Objektiv muß mithin lediglich ein Mindestmaß an Abtrennbarkeit der Räume vorliegen. Weitere technische Voraussetzungen sind zur Bestellung eines Wohnungsrechts nicht erforderlich.

5. Besitzschutz Der kraft dinglicher Berechtigung Wohnende ist stets auch unmittelbarer Besitzer der von ihm bewohnten Räume. Die tatsächliche Sachherrschaft über den Ort, an dem sich die Verhaltensform des Wohnens vollzieht, ist regelmäßig begrifflicher Bestandteil des Wohnens. Neben den aus den dinglichen Rechten folgenden Ansprüchen stehen den Wohnenden daher zur Verteidigung seiner tatsächlichen Sachherrschaft über die Wohnung in der Regel konkurrierend auch die Besitzschutzrechte (§§ 859 ff. BGB) zu, die wiederum unabdingbare Voraussetzung für die Verwirklichung sämtlicher Wohnbedürfnisse ist. Wesentliche Bedeutung kommt dem Besitzschutz vor allem für Wohnraummieter zu. Auf ihn wird daher in diesem Zusammenhang zurückzukommen sein.

II. Schuldrechtlich begründetes Benutzungsverhältnis – die Wohnraummiete Häufig ist das Dauerschuldverhältnis der Miete die zivilrechtliche Grundlage der Wohnnutzung von Räumen oder Grundstücken. Der „überragenden Bedeutung der Wohnung als Mittelpunkt der menschlichen Existenz in einer Kulturgesellschaft“39 sollte daher durch soziale Korrekturen des auf Wohnraum bezogenen Mietrechts Rechnung getragen werden.40 Im Vordergrund steht dabei die Bestrebung, den Mieter vor dem sozial nicht zu rechtfertigenden Verlust seiner Wohnung als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen zu schützen.41 Erforderlich ist dieser Schutz vor allem wegen der gestörten Vertragsparität zwischen Mieter und Vermieter und der Unausgewogenheit des Mietwohnungsmarktes.42 Neben einer Vielzahl von Einzelregelungen, die den sozialen Schutz des Mieters in zum Teil auch ande39 MüKo-Voelskow, Vor § 535, RN 58; BVerfG E 89, 1 ff.; vgl. auch Jenkis, FS für Bärmann und Weitnauer, S. 391 ff. 40 Reinstorf, in Bub / Treier, I, RN 71; Staudinger-Emmerich, Vorbem. §§ 535, 536, RN 49. 41 BVerfG WuM 1985, 335; BGH NJW 1985, 1772, 1773. 42 Vgl. Paschke, S. 552 (3. These).

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rer Hinsicht bezwecken,43 stellen der soziale Kündigungsschutz (Bestandsschutz) und der Schutz vor nicht angemessenen Mietzinssteigerungen (Mietpreisschutz)44 das Kernstück des sozialen Wohnraummietrechts dar.

1. Soziales Wohnraummietrecht – Bestandsschutz und Mietpreisbestandsschutz Der seit dem 19. 06. 2001 in §§ 557 ff. BGB geregelte Mietpreisschutz gilt grundsätzlich für alle Mietverhältnisse über nicht preisgebundenen Wohnraum (§ 549 Abs. 2 BGB). Er bewirkt eine Mietpreisdämpfung, indem er Änderungskündigungen als Instrument zur Erhöhung des Mietzinses verbietet (§ 573 Abs. 1 Satz 2 BGB), Mieterhöhungen nur bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete zuläßt und Mieterhöhungen von mehr als 20 % innerhalb von drei Jahren verbietet (§ 558 Abs. 1 und 3 BGB). Bleibt das Erhöhungsverlangen des Vermieters in diesem Rahmen, so kann der Vermieter vom Mieter die Zustimmung zu seinem Mieterhöhungsverlangen fordern und einklagen (§ 558b Abs. 2 BGB). Da die Höhe des Mietzinses bei Neubegründung eines Mietverhältnisses frei verhandelbar ist, solange sie sich nicht als unangemessenes Entgelt im Sinne von § 5 WiStG darstellt, entfalten die §§ 557 ff. BGB wirksamen Äquivalenzschutz nur für bestehende Wohnraummietverhältnisse. Genaugenommen ist es daher eher ein Instrument des Mietpreisbestandsschutzes.45 Der für Wohnraummietverhältnisse geltende Bestandsschutz zugunsten des Mieters besteht vor allem in der Einschränkung der Kündigungsbefugnisse des Vermieters. So kann er das Wohnraummietverhältnis grundsätzlich nur ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Kündigung hat (§ 573 Abs. 1 BGB).46 Damit wird der Mieter gegen den Verlust der Wohnung aufgrund von willkürlichen Kündigungen geschützt.47 Bestandsschützend wirkt sich auch die Verlängerung der Kündigungsfristen für den Vermieter nach fünf und acht Jahren Vertragsdauer um jeweils drei Monate aus. Überdies gewähren die §§ 574 – 574c BGB dem Mieter in gewissen sozialen Härtefällen sogar die Möglichkeit, einer ordentlichen Kündigung trotz Vorliegens eines berechtigten Interesses des Vermieters zu widersprechen und die Fortsetzung des Wohnraummietverhältnisses zu verlangen.48 Ein solÜberblick bei Reinstorf, in Bub / Treier, I, RN 73. Genauer: Äquivalenzschutz, vgl. Paschke, S. 337 ff. 45 Ähnlich Paschke, S. 560 (12. These): „Das Vergleichsmietensystem bewirkt keine Verschiebung der vertraglichen Leistungsäquivalenz, sondern eine vertragsdauerhafte Aufrechterhaltung der nach marktmäßigen Preisfindungsgrundsätzen gebildeten Anfangsmiete.“ 46 Ein berechtigtes Interesse ist beispielsweise gegeben bei einer schuldhaften Vertragsverletzung durch den Mieter, Eigenbedarf des Vermieters oder Verhinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks (§ 564b Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB). 47 Paschke, S. 558 (12. These). 48 Blank / Börstinghaus, BGB § 556a, RN 7 ff.; Grapentin, in BubTreier, IV, RN 106. 43 44

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cher sozialer Härtefall kann z.B. vorliegen, wenn angemessener Ersatzwohnraum für einen kranken oder altersschwachen Mieter in zumutbarer Weise nicht zur Verfügung steht.49 Wie § 569 BGB zeigt, genießt der Wohnraummieter auch bei außerordentlichen Kündigungen besonderen Schutz. Bei einer Kündigung wegen Zahlungsverzuges kommt er z.B. in den Genuß einer Schonfrist von zwei Monaten ab Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs innerhalb derer er die Kündigung durch Zahlung des fälligen Mietzinses unwirksam machen kann (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB).

2. Der Wohnraumbegriff Da die Einordnung eines Mietverhältnisses als Wohnraummietverhältnis weitreichende Konsequenzen für die Art des anzuwendenden Rechts hat, ist eine trennscharfe Abgrenzung der Wohnraummiete von Mietverhältnissen über Grundstücke und Räume erforderlich. Diese Abgrenzung muß zudem dem sozialen Schutzzweck dieses Normenkomplexes gerecht werden. Man stellt hierzu wesentlich auf den von beiden Parteien vorausgesetzten Vertragszweck ab, also auf den Zweck, den der Mieter mit der Anmietung des Mietobjekts vertragsgemäß verfolgt.50 Er muß in dem Bewohnen der angemieteten Räume durch den Mieter bestehen. Die objektive Eignung der vermieteten Räume zu Wohnzwecken, die z.T. auch als Merkmal des Wohnraumbegriffs genannt wird,51 hat insoweit lediglich eine Indizfunktion.52 Eignen sich Räume offensichtlich nicht zur Wohnnutzung, so werden Vermieter und Mieter eine solche im Zweifel auch nicht vereinbart haben. Der „Begriff“ des Wohnens wird in Anlehnung an eine zu § 3 BauNVO 1968 ergangene Entscheidung des BVerwG bestimmt als die auf Dauer angelegte Häuslichkeit, welche durch die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthaltes geprägt ist.53 Wohnen soll die bestimmungsgemäße Nutzung von Räumen zum Schlafen, Kochen, Essen und zum witterungssicheren Aufenthalt beinhalten.54 Der mietrechtliche Wohnungsbegriff erfordere jedoch nicht, daß die fraglichen Räumlichkeiten den Lebensmittelpunkt des Mieters darstellen. Dieses Kriterium sei wenig verläßlich und überdies nicht praktikabel, weil es kaum gerichtlich überprüfbar sei.55 Grapentin, in Bub / Treier, IV, RN 108. BGH LM Nr. 1 zu § 564b BGB; BGH NJW 1985, 1772; BGH NJW 1997, 1845; Paschke, S. 28 f.; Staudinger-Emmerich, Vorbem. §§ 535, 536, RN 43; Reinstorf, in Bub / Treier, I, RN 79; Blank / Börstinghaus, BGB, § 535, RN 8. 51 Paschke, S. 28 f. 52 Klarstellend BGH ZMR 1983, 211; Reinstorf, in Bub / Treier, I, RN 79. 53 BVerwG NVwZ 1996, 893; Kossmann, § 2, RN 1; Reinstorf, in Bub / Treier, I, RN 79. 54 Reinstorf, in Bub / Treier, I, RN 79; Kossmann, § 2, RN 1. 55 OLG Hamburg WuM 1992, 634; Reinstorf, in Bub / Treier, I, RN 80; Kossmann, § 2, RN 1. 49 50

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Zusammenfassend wird das Wohnen als privater Aufenthalt des Mieters und / oder seiner Angehörigen definiert. Privat ist dabei als Gegensatz zur betrieblichberuflichen Erwerbsarbeit zu verstehen. Gleichwohl gehören auch solche beruflichen Tätigkeiten, die üblicherweise in der Wohnung ausgeübt werden (wie die von Schriftstellern, Geisteswissenschaftlern und Lehrern) zum Wohnen im mietrechtlichen Sinne.56

3. Bestandsschutzrechtliche Dimension des Sukzessionsschutzes Gem. § 566 Abs. 1 BGB tritt der Erwerber eines Grundstücks, welches dem Mieter überlassen worden ist, qua Gesetz in das zwischen diesem und dem Veräußerer bestehende Mietverhältnis ein („Veräußerung bricht nicht Miete“).57 Der Mieter wird auf diese Weise vor dem Verlust der gemieteten Wohnräume durch ihre Veräußerung an einen Dritten geschützt. Dieser Bestandsschutz bei Veräußerung ist jedoch nicht auf Wohnraummietverhältnisse beschränkt. Er wird auch dem nicht wohnnutzenden Raum- oder Grundstücksmieter gewährt. Dem Mieter soll dabei das Maß an Bestandsschutz, welches ihm von Gesetzes wegen und / oder aufgrund des Mietvertrages gegenüber dem vorherigen Vermieter zustand, auch gegenüber dem neuen Vermieter zustehen. Der Mieter kann bei der durch Veräußerung bewirkten Sukzession des von ihm gemieteten Grundstücks oder Wohnraums aber auch nur auf den Fortbestand des ihm bekannten Maßes an Bestandsschutz vertrauen.58 Denn auch der neue Vermieter kann den Vertrag nur ordentlich und fristgerecht kündigen. Dieser Vertrauensschutz für den Fall der Sukzession bezieht sich nicht nur auf die Bestandsschutzregelungen, sondern auch auf den Mietpreisschutz und andere, vertragliche Regelungen zugunsten des Mieters. Ähnlichen Sukzessionsschutz genießt der Mieter von Grundstücken und Wohnraum auch im Falle der Zwangsversteigerung (§§ 57 bis 57c ZVG) und Veräußerung des Wohngrundstücks durch den Insolvenzverwalter (§ 111 InSO).59

4. Absolute Ausschlußrechte des Wohnraummieters Die für die dauerhafte Nutzung von Räumen zum modernen Wohnen erforderliche Befugnis, private Dritte aus den Wohnräumen selbst oder von störenden Einwirkungen auszuschließen, wird dem die Räume selbst bewohnenden Mieter durch die hierdurch begründete tatsächliche Sachherrschaft über die Räume zu Teil. Als unmittelbarem Besitzer oder Mitbesitzer stehen ihm gegen Eingriffe Dritter in die Blank / Börstinghaus, BGB, § 535, RN 8. BGHZ 65, 137. 58 Ähnlich Paschke, S. 309 f., der § 571 als reine Sukzessionsschutzregelung verstanden wissen will. 59 Paschke, S. 307; Baur / Stürner, § 29 E. 56 57

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von ihm besessenen Räume die Besitzschutzrechte der §§ 859 ff. BGB zu. Neben den Notwehr- und Selbsthilferechten des § 859 BGB sind dies vor allem die Klagen auf Herausgabe und Unterlassung der Besitzstörung (§§ 861 Abs. 1 und 862 Abs. 1 BGB). Der durch sie gewährte, dinglich-absolute Bestandsschutz ist jedoch im Vergleich zu den Schutzrechten des Eigentümers oder den Inhabern beschränkter dinglicher Wohnnutzungsrechte verkürzt. Als „Abbreviaturen“ des Eigentumsschutzes60 in §§ 985, 1004 BGB richten sie sich nur gegen denjenigen, der bei dem Entzug oder der Störung des Besitzes in verbotener Eigenmacht gehandelt hat.61 Die Besitzschutzrechte stehen jedem unmittelbaren Besitzer sogar gegen den Eigentümer zu, der in verbotener Eigenmacht handelt; aufgrund ihres possessorischen Charakters unter Umständen sogar dann, wenn der Besitzer dem Herausgabeverlangen des Eigentümers kein wirksames Recht zum Besitz entgegensetzen kann.62 Der Wohnraummieter kann sich also mit Hilfe der Besitzschutzrechte bis zur rechtswirksamen Zwangsräumung gegen den tatsächlichen Entzug seiner Wohnräume wehren. Die Regelungen des Besitzschutzes tragen also mit dazu bei, daß der Vermieter die schuldrechtlichen Bestandsschutzregelungen des sozialen Kündigungsschutzes nicht unterlaufen kann. Er ist vielmehr gezwungen, ein rechtsstaatliches Verfahren in Anspruch zu nehmen, um dem unmittelbaren Besitzer von Wohnräumen dieselben zu entziehen. Von Dritten, die schuldhaft in die Besitz- und Nutzungssphäre des Mieters eingreifen, kann der Mieter zudem Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 823 ff. BGB verlangen. Denn der berechtigte Besitz ist als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt.

5. Fazit Wohnraummiete Wie gezeigt, bezwecken die Regelungen des sozialen Mietrechts in erster Linie den Schutz des Mieters vor einer aus sozialen Gründen nicht zu rechtfertigenden Entziehung der von ihm bereits gemieteten Wohnräume durch den Vermieter. Diesem Ziel dient nicht nur der Schutz vor unsozialen Kündigungen, sondern auch der Äquivalenzschutz. Denn dieser trägt im Idealfall dazu bei, daß die Mieten für breite Teile der Bevölkerung und auch im konkreten Einzelfall erschwinglich bleiben. Er sorgt dafür, daß Wohnräume nicht aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben werden müssen und erweist sich somit als Annex und Korrelat des Bestandsschutzes.63 Der um Äquivalenz- und Sukzessionsschutz abgerundete Bestandsschutz ist Ausfluß der Sozialbindung des Vermietereigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) und folgt Baur / Stürner, § 29 E. Gegen denjenigen also, der dem unmittelbaren Besitzer den Besitz ohne dessen Willen entzogen oder ihn im Besitze gestört hat, ohne daß ihm dieses gestattet war, vgl. § 858 BGB; vgl. Jauernig, § 858, RN 1. 62 Jauernig, § 858, RN 1 und §§ 861 – 864, RN 1. 63 Paschke, S. 559 (12. These). 60 61

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den Geboten des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 GG). Denn er sichert dem Wohnraummieter die materiellen Voraussetzungen zur Befriedigung seiner territorialen, intimen und sozio-kulturellen Wohnbedürfnisse, des „Mittelpunktes seiner Lebensinteressen“. Damit ist auch der wesentliche Aspekt des Verhältnisses zwischen dem sozialen Wohnraummietrecht und Art. 13 GG beschrieben. Art. 13 GG schützt nicht den Bestand des Besitzrechts oder einer Verfügungsbefugnis an einer konkreten Wohnung. Vielmehr sichert er die sich aufgrund dieser Verfügungsbefugnis entfaltende räumliche Privatsphäre, die einen Teilaspekt der territorialen, intimen und sozio-kulturellen Wohnbedürfnisse ausmacht. Der durch das soziale Mietrecht gewährte Bestandsschutz richtet sich folglich auf die Erhaltung der für die Ausübung von Art. 13 GG erforderlichen Voraussetzungen. Daß die Entfaltung einer räumlichen Privatsphäre auch in Räumen möglich ist, über die der einzelne lediglich aufgrund des grundsätzlich nur relativ wirkenden Schuldverhältnisses der Miete „verfügen“ kann, wird durch die dem wohnenden, also unmittelbar besitzenden Mieter zukommenden Ausschlußrechte des Besitzschutzes möglich. Dazu trägt auch der Sukzessionsschutz bei, der sicherstellt, daß die Verfügungsbefugnis des Mieters auch von dem Erwerber (zumindest im Rahmen der gesetzlichen Kündigungsfristen) zu beachten ist. Durch das Vertragszweckkriterium ist der mietrechtliche Wohnraumbegriff zumindest unabhängig von der sich beständig wandelnden Verkehrsauffassung darüber, wie Wohnräume ausgestattet sein müssen. Zur Beurteilung der Frage, was das Wohnen ausmacht, werden ausschließlich beschreibende Kriterien angeführt, die mehr oder weniger gegeben sein oder sich auch gegenseitig substituieren können. Auch der zivilrechtliche Wohnraumbegriff weist mithin Elemente eines Typus auf.

III. Zusammenfassung Zivilrecht Die dargestellten zivilrechtlichen Rechtsformen, die den einzelnen zur Wohnnutzung von Grundstücken, Gebäuden oder Gebäudeteilen berechtigen, konstituieren für den Wohnenden eine je nach Ausgestaltung der rechtlichen Nutzungsform unterschiedlich starke, weitgehend absolute, rechtliche Ausschließungsbefugnis, die die physische Ausschließungsfunktion der räumlichen Begrenzungen ergänzt. Sie ergänzt zudem die rechtliche Ausschlußbefugnis, die dem einzelnen durch Art. 13 GG zum Schutz der räumlichen Privatsphäre gewährt wird. Das zur Wohnnutzung notwendige Minimum sind die sich aus dem rechtmäßig erlangten unmittelbaren Besitz ergebenden Ausschlußbefugnisse. Da sich der einzelne das Wirtschaftsgut Wohnraum nach Abbau der Wohnungszwangswirtschaft grundsätzlich zunächst selbst auf dem Wohnungsmarkt, zumeist von anderen Privaten beschaffen muß, stellt die Existenz dieser Regelungen – insbesondere denen des sozialen Wohnraummietrechts – eine wesentliche Voraussetzung für die Möglichkeiten des einzelnen dar, seine Wohnbedürfnisse – territoria-

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ler und intimer Art – im Verhältnis zu anderen Privaten zu befriedigen. Grob verallgemeinernd läßt sich sagen, je stärker die zivilrechtliche Rechtsmacht, desto größer sind die Möglichkeiten zur Befriedigung dieser Bedürfnisse. Der Gedanke, gesündere und soziale Verhältnisse in der Wohnungswirtschaft zu erreichen, ist maßgebend für die Einführung des Wohnungseigentums, des Dauerwohnrechts, des Erbbaurechts und des sozialen Wohnraummietrechts gewesen. Im Interesse dieser sozialstaatlichen Zielsetzung steht auch das Wohnungsrecht in § 1093 BGB.64 Die Institute des Wohnungseigentums und des Erbbaurechts sind vor allem darauf gerichtet, dem einzelnen den Zugang zu Wohnraum zu erleichtern und ihm eine dem BGB-Eigentum vergleichbare Rechtsmacht über sein Wohnterritorium zu verleihen. Sie stehen also direkt im Interesse einer Verbesserung von Wohnraumversorgung und Wohnverhältnissen. Die sozialen Regelungen der Wohnraummiete zielen dagegen ganz vorwiegend auf den Bestandsschutz ab. Nur wer auf dem freien Markt bereits eine Mietwohnung „ergattert“ hat, kann sich – in gewissen Grenzen – mit Hilfe des sozialen Mietrechts gegen einen Entzug der Wohnung auch gegen den Vermieter wehren. Die klare Trennung der Normen des öffentlichen Wohnungsrechts in solche, die sich auf die durch Art. 13 GG geschützte räumliche Privatheit der Wohnung beziehen und solche, die sozialstaatlichen Zielvorstellungen folgend die Voraussetzungen für die Entfaltung und Ausübung der räumlichen Privatheit schaffen wollen, läßt sich im Bereich des Zivilrechts gleichwohl nicht durchhalten. Beide Aspekte überlappen sich hier. Dies gilt insbesondere für die Institute des Erbbaurechts und des Wohnungseigentumsrechts, da dem einzelnen auf ihrer Grundlage wesentliche Ausschließungsbefugnisse erwachsen, die stärker sind als die des Besitzschutzes. Soweit der Wohnungsbegriff von den zivilrechtlichen Normen verwendet wird, beschreibt er anders als der des Verfassungsrechts und in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der sozialgeschichtlichen Voruntersuchung stets einen Ort, der die Gegenwelt zur betrieblichen Erwerbsarbeit und zur Sphäre des Öffentlichen darstellt. Als Merkmale für die Nutzung von Räumen zur privaten Lebensgestaltung des Wohnens bedient man sich auch bei diesen Wohnungsbegriffen zumeist der „selbständigen Haushaltsführung“ und der „autonomen Lebensgestaltung“. Insbesondere letzteres ist zugleich Beleg und Indiz für die besondere Verhaltensfreiheit, die der Wohnende in seiner Wohnung genießt. Ansonsten bestehen aber deutliche Unterschiede, die sich zumeist auf die speziellen Zwecke der jeweiligen Normen zurückführen lassen. So stellt man im Wohnungseigentumsrecht entscheidend darauf ab, ob die Raumeinheit objektiv zur selbständigen Haushaltsführung geeignet ist, während es im Rahmen des Wohnraummietrechts allein auf die subjektive, vertragliche Zwecksetzung ankommt.

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Bauer / Stürner § 29 A 2.

Fünftes Kaptitel

Versuch einer Systematisierung der nicht-strafrechtlichen Wohnungsbegriffe Nach der vorstehenden Untersuchung zeichnen sich unterschiedliche Normzweckgefüge als Kategorien ab, nach denen sich die Wohnungsbegriffe der wichtigsten nicht-strafrechtlichen Normen systematisieren lassen. Ein einheitlicher Wohnungsbegriff besteht dagegen eindeutig nicht. Der Grundsatz der „Relativität der Rechtsbegriffe“ wird auf das Deutlichste bestätigt. Man kann aber vier verschiedene Gruppen von Wohnungsbegriffen unterscheiden, die (bzw. die Normen, von denen sie verwendet werden) jeweils identischen oder zumindest einander sehr ähnlichen, konkreten Norm-Hauptzielen1 Ausdruck verleihen sollen. Als erste ist die Gruppe derjenigen Wohnungsbegriffe zu nennen, die als Hauptziel oder als gegenläufiges Nebenziel (in dialektischer Verknüpfung mit einem Eingriffszweck) den Schutz einer räumlichen Privatsphäre, also die Bewahrung einer Sphäre gesteigerter Verhaltensfreiheit zur Persönlichkeitsentfaltung vor dem Zugriff staatlicher Gewalt verfolgen (Wohnungsbegriffe zum Schutz der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung). In die zweite Gruppe fallen diejenigen Wohnungsbegriffe, deren wesentliche Hauptziele in der Verbesserung der allgemeinen Wohnungsversorgung und der Schaffung angemessener Wohnverhältnisse bestehen. Dabei verfolgen die Normen, die diese Wohnungsbegriffe verwenden, die genannten Hauptziele regelmäßig als Allgemeininteresse. Sie dienen zudem auch anderen Allgemeininteressen, die auf eine Verbesserung oder bestimmte Gestaltungsform des äußeren Wohnumfelds abzielen (Wohnungsbegriffe in Allgemeininteressen verfolgenden Normen der Daseinsvorsorge). Der dritten Gruppe unterfallen diejenigen Wohnungsbegriffe bzw. Normen, die den einzelnen materiell in die Lage versetzen sollen, sich eine räumliche Privatsphäre zu schaffen bzw. zu erhalten, um diese wiederum zur territoriumsbezogenen 1 Mit Wank, S. 90 ff., sollen zunächst konkrete und allgemeine Normzwecke unterschieden werden. Allgemeine Normzwecke sind solche, die mehr oder weniger von allen Normen verfolgt werden, wie z.B. Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit. Konkrete Normzwecke sind diejenigen Ziele, die ein Gesetz als Antwort auf eine konkrete Situation verfolgt. Zudem kann man bei den konkreten Normzwecken zwischen Hauptzielen, Nebenzielen, Unterzielen, Spätzielen und Konträrzielen (Konträrfolge: Es tritt genau das Gegenteil von dem ein, was beabsichtigt war, vgl. Wank, Recht auf Arbeit, S. 82 ff.) unterscheiden, vgl. Wank, S. 94.

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Persönlichkeitsentfaltung nutzen zu können. Ihr daseinsvorsorgliches Hauptziel besteht in der Befriedigung des Individualinteresses an den zur Schaffung bzw. Erhaltung einer räumlichen Privatsphäre erforderlichen, materiellen Voraussetzungen (Wohnungsbegriffe in Individualinteressen schützenden, sozialrechtlichen Normen). Die vierte Gruppe bilden schließlich diejenigen Wohnungsbegriffe, die weder den Schutz der räumlichen Privatsphäre noch die Verbesserung von Wohungsversorgung und Wohnverhältnissen bezwecken. Sie dienen anderen Allgemeininteressen. Die verschiedenen, oben untersuchten Wohnungsbegriffe sollen im folgenden in diese Gruppen eingeordnet werden. Weiterhin wird zu untersuchen sein, ob die Wohnungsbegriffe, die in dieselbe Gruppe fallen, weil sie ähnlichen oder identischen Hauptnormzwecken dienen, auch hinsichtlich ihrer Definition und Merkmalsstruktur Gemeinsamkeiten aufweisen, die sie von den Wohnungsbegriffen außerhalb ihrer Gruppe unterscheiden. Soweit Definition und Merkmalsstruktur durch teleologische Begriffsbildung entstanden sind, ist dies zu erwarten. Weiterhin ist zu klären, wie die Wohnungsbegriffe im Sinne der juristischen Methodenlehre konstruiert sind.

I. Wohnungsbegriffe zum Schutz der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung Die dieser Gruppe zuzuordnenden Wohnungsbegriffe dienen allein dem Schutz der räumlichen Privatsphäre. Indem sie dem Einzelnen einen Raum gesteigerter Verhaltensfreiheit mit Geheimnisschutzfunktion gewährleisten, in welchem auf die Abwesenheit jeglicher staatlicher Kenntnisnahmemittel vertraut werden darf, ermöglichen sie es dem Individuum, die Teilaspekte seiner Persönlichkeit, die zu ihrer Entfaltung ein solches gesichertes Territorium benötigen, zu entwickeln, zu entfalten und auszuleben.

1. Wohnungsbegriffe in Normen, deren Hauptziel der Schutz der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung ist Auf diesen Schutz der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung zielt vor allem Art. 13 GG.2 Der Schutzbereich des Art. 13 GG umfaßt dabei auch die sich typischerweise innerhalb von Betriebs- und Geschäftsräumen vollziehenden Aspekte der Persönlichkeitsentfaltung, die Selbstverwirklichung und Entfaltung in der Berufswelt, und nicht nur die häusliche Persönlichkeitsentfaltung, die vorwiegend in der Familienwohnung, aber auch in Hotelzimmer und Campingwagen Platz greifen kann. Ob der Inhaber einer räumlichen Privatsphäre diesen geschützten, 2

Vgl. oben, 3. Kap. B. I. 3. b).

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gegenständlich abgegrenzten Bereich tatsächlich zur territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung nutzt, ist gleichgültig. Der Schutz des Art. 13 GG ist insoweit räumlich formalisiert.3 Streng genommen schützt Art. 13 GG also schon das in den Räumen verkörperte Potential zur territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung und damit in einem weiteren Sinne die Entscheidung des berechtigten Inhabers, bestimmte Räume auf diese Weise unter Ausschluß Dritter nutzen zu wollen.4 Die Gewährleistung der Wohnungsfreiheit in dem gemeinschaftsrechtlichen Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung schließt dagegen Betriebs- und Geschäftsräume nicht ein. Durch dieses Grundrecht sind also nur diejenigen Aspekte der Persönlichkeit geschützt, die sich typischerweise in solchen privaten Territorien entfalten, die nicht allein der betrieblich organisierten Berufsarbeit gewidmet sind. Sie werden hier zusammenfassend als häusliche Persönlichkeitsentfaltung bezeichnet. Das gemeinschaftsrechtliche Grundrecht auf Wohnungsfreiheit dient letztlich aber auch ausschließlich dem Schutz von abgegrenzten Territorien zur freien Persönlichkeitsentfaltung. Der durch das gemeinschaftsrechtliche Grundrecht geschützte Teilaspekt der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung – und damit zwangsläufig auch der Kreis der geschützten Territorien – ist lediglich enger gezogen als die durch Art. 13 GG geschützten. Daher ist der durch dieses Grundrecht verwendete Wohnungsbegriff in die erste Gruppe von Wohnungsbegriffen einzuordnen. Dies gilt in ähnlicher Form auch für das Wohnungsgrundrecht in Art. 8 EMRK. Obwohl der EGMR bereit ist, den Schutz des Art. 8 EMRK auch auf zugangsbeschränkte Betriebs- und Geschäftsräume zu erstrecken, legt er besonderes Gewicht darauf, daß dies nur geschehe, weil sich dort Aspekte der häuslichen Persönlichkeitsentfaltung vollziehen können.5

2. Wohnungsbegriffe in Normen, die die territoriumsbezogene Persönlichkeitsentfaltung als gegenläufiges Nebenziel verfolgen Die Wohnungsbegriffe, deren Normen staatliche Organe zu Eingriffen in Art. 13 GG ermächtigen, dienen in erster Linie verschiedenen, meist präventiven oder repressiven Hauptzielen. Sie sollen in der Regel den Schutz von Rechtsgütern gewährleisten, die mit der Wohnungsfreiheit zu kollidieren drohen.6 Da sie auf den qualifizierten Gesetzesvorbehalten in Art. 13 Abs. 2 bis 5 und 7 GG beruhen, bestimmen und limitieren sie zudem das Ausmaß, in dem berechtigterweise in den 3 4 5 6

Vgl. oben, 3. Kap. B. I. 1. b). Vgl. oben, 3. Kap. B. I. 3. b). Vgl. oben, 3. Kap. B. III. 1. c). Allgemein Lerche HBStR, Bd. V, § 121, RN 47.

13 Krumme

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Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG eingegriffen werden kann. Sie bezwecken damit als gegenläufiges Nebenziel, sozusagen in dialektischer Verknüpfung mit dem polizeilichen oder repressiven Eingriffszweck, auch den Schutz der räumlichen Privatsphäre.7 Würden die zu Eingriffen in Art. 13 GG ermächtigenden Befugnisnormen nicht zugleich eine Begrenzung der Eingriffsbefugnisse und damit den Schutz der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung selbst verfolgen, hätte der Verfassungsgeber das Grundrecht aus Art. 13 GG wie die Grundrechte in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG vermutlich unter einen allgemeinen Gesetzesvorbehalt gestellt.8 Auch die Wohnungsbegriffe der zu Eingriffen in Art. 13 GG ermächtigenden Normen fallen somit in die Gruppe von Wohnungsbegriffen, die hauptsächlich dem Schutz der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung dienen. Belegt wird dies im übrigen dadurch, daß der Begriffsinhalt dieser Wohnungsbegriffe mit dem des Art. 13 GG identisch sein muß, weil die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre sonst leerliefe. Dies gilt insbesondere für die Normen in §§ 102, 104, 100c Abs. 1 Nr. 3 und 110c StPO sowie für die oben behandelten polizeirechtlichen Normen.9

3. Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Begriffsmerkmalsstruktur Konstitutives Merkmal der Wohnungsbegriffe dieser Gruppe ist der subjektive Willensakt, durch den der Berechtigte einen Raum der Benutzung durch Fremde entzieht und ihn so der Entfaltung seiner territoriumsbezogenen bzw. häuslichen Persönlichkeitsaspekte widmet. Denn vor allem durch die von außen wahrnehmbare Widmung wird das weite und abstrakte Schutzziel dieser Grundrechte (der räumlich formalisierte Schutz der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung) für einen rechtlichen Begriff faßbar. Dieses Merkmal hat innerhalb der Merkmalsstruktur der Wohnungsbegriffe dieser Gruppe daher das stärkste Gewicht. In objektiver Hinsicht muß daher lediglich ein Raum als Bezugsobjekt dieser Widmung vorliegen, der das Umsetzen der subjektiven Bestimmung nicht unmöglich erscheinen läßt. Er muß also räumlich zumindest in irgendeiner Form abgegrenzt sein, weil ansonsten der durch diese Normen gewährte, räumlich formalisierte Schutz schon aus tatsächlichen Gründen scheitern würde. Objektive Eignungskriterien dienen somit nur als Korrektiv zur Überprüfung der Widmungsentscheidung. Auch dem Erfordernis der rechtlichen Anerkennung der Widmung kommt lediglich korrektive Wirkung zu. Widmungsberechtigt ist dabei jeder rechtmäßige unmittelbare Besitzer, jedoch nicht der dinglich Berechtigte. Vgl. oben, 3. Kap. C. (Vorbemerkung). Ähnlich für das generelle Verhältnis von verfassungsrechtlichen Begriffen und Begriffen des einfachen Rechts: Wank, S. 118. Danach sollen die Begriffe des Verfassungsrechts generell auf die Begriffe des einfachen Rechts zurückstrahlen, wodurch sich eine allgemeine Bindung der Begriffe des einfachen Rechts an die des Verfassungsrechts ergebe. 9 Vgl. oben, 3. Kap. C. (Vorbemerkung). 7 8

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Diese Aussagen lassen sich nicht nur für den Wohnungsbegriff in Art. 13 GG treffen. Der in der Außenwelt wahrnehmbare Wille zur Begründung einer Eigensphäre unter Ausschluß Dritter ist nach der Rechtsprechung des EGMR auch für den Schutz des Wohnungsgrundrechts in Art. 8 EMRK ausschlaggebend. Da auch das gemeinschaftsrechtliche Grundrecht dem Schutz der Persönlichkeitsentfaltung dient, wird der EuGH primär auf eine subjektive Widmungsentscheidung abstellen müssen, die u.U. durch objektive und juristische Kriterien zu korrigieren ist.

II. Wohnungsbegriffe in Allgemeininteressen verfolgenden Normen der Daseinsvorsorge 1. Gemeinsame Normzweckstruktur Die der zweiten Gruppe zuzuordnenden Wohnungsbegriffe bezwecken eine Verbesserung der allgemeinen Wohnungsversorgung. Darunter fällt das Hauptziel der Bekämpfung von Wohnungsnot und Wohnungsknappheit. Ein weiteres, dominierendes Hauptziel ist die Schaffung bestimmter Wohnverhältnisse im Sinne eines bestimmten Standards innerer und äußerer Umstände, unter denen sich das Wohnen vollziehen kann.

a) Wohnungsbegriffe in öffentlich-rechtlichen Normen Zur Erreichung dieser Ziele streben vor allem die öffentlich-rechtlichen Normen, deren Wohnungsbegriffe dieser Gruppe zugerechnet werden sollen, Veränderungen der gesellschaftlichen und vor allem wirtschaftlichen Rahmenbedingungen an: Zur Verbesserung der Wohnungsversorgung zielen die Normen des Wohnungsbauförderungsrechts auf die Schaffung eines gebundenen Wohnungsmarktes, wodurch einem bestimmten, auf dem freien Wohnungsmarkt besonders benachteiligten Personenkreis der Zugang zu Wohnraum wesentlich erleichtert werden soll. Die wohnungsbezogenen Normen des Bauplanungsrechts bezwecken die Verbesserung der äußeren, vor allem infrastrukturellen und wohnumfeldbezogenen Wohnbedingungen, während es den wohnungsbezogenen Normen des Bauordnungsrechts um die Einhaltung eines Standards der „inneren“, hygienischen und architektonischen Wohnverhältnisse geht. In der Regel streben diese Normen als Spätziele auch die Verwirklichung gesellschaftspolitischer Vorstellungen, wie die Förderung von familienfreundlichen Wohnverhältnissen oder die Förderung von Vermögensbildung an. Durch die auf Bekämpfung der Wohnungsknappheit gerichteten Normen des öffentlichen Rechts wird eine Veränderung der Wohnungsmarktbedingungen zugunsten bestimmter, nach Auffassung des Gesetzgebers besonders bedürftiger Kreise erreicht. Hierdurch verbessern sich wiederum die Chancen der Angehöri13*

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gen dieser Kreise, die materiellen Voraussetzungen zur Begründung einer häuslichen Privatsphäre zu erlangen. Auch diese Normen dienen also dem Individualinteresse an einem räumlich begrenzten Territorium, das zur Entfaltung hierauf bezogener Persönlichkeitsaspekte genutzt werden kann. Anders als die nicht hierher gehörenden Anspruchsnormen des Sozialrechts verfolgen sie dieses Ziel jedoch nicht als unmittelbares Hauptziel, sondern als indirektes Spätziel.10 Die Beseitigung der Wohnungsknappheit wird vorrangig als allgemein-wohnungspolitisches Interesse verfolgt, weshalb der Gesetzgeber es auch durch die Veränderung der Marktbedingungen und nicht durch die direkte individuelle Einzelförderung durchsetzen will. Auch das im Allgemeininteresse stehende Hauptziel, die allgemeinen Wohnungsverhältnisse in bestimmter Art und Weise zu gestalten, läßt sich nicht von den damit in Zusammenhang stehenden Individualinteressen trennen. Wie bereits gezeigt, dienen vor allem die Normen des Bauplanungsrechts der Schaffung von Wohnumfeldern, die es ermöglichen, individuelle mit dem Wohnen verknüpfte, aber nicht durch den grundrechtlichen Schutz der räumlichen Privatsphäre abgedeckte Bedürfnisse zu befriedigen (z.B. das Bedürfnis nach sozialer Distinktion).11

b) Wohnungsbegriffe in zivilrechtlichen Normen Das vorstehend beschriebene Normzweckgefüge liegt auch den Wohnungsbegriffen der privatrechtlichen Sachenrechte zugrunde. Diese sollten in Ergänzung zum BGB-Eigentum weitere sachenrechtliche Institute schaffen, aufgrund derer eine Wohnnutzung von bebauten Grundstücken möglich ist. So ist als Hauptziel des Wohnungseigentumsrechts und des Erbbaurechts die Verbesserung des Angebots an familiengeeignetem Wohnraum anzusehen.12 Als gesellschaftspolitisches Nebenziel verfolgen auch sie die Förderung von Eigenkapitalbildung und Vermögensaufbau in weiten Kreisen der Bevölkerung. Als sachenrechtliche Benutzungsregelungen wirken sich auch diese Normen nur indirekt zugunsten des einzelnen Wohnungsbedürftigen aus, indem sie die Rahmenbedingungen für den Erwerb einer dinglichen Wohnberechtigung verbessern.

10 Spätziele sind diejenigen beabsichtigten Spätfolgen einer Norm, die Folge des unmittelbar erwünschten Zustandes selbst sind, vgl. Noll, S. 159. Die Normen des Wohnungsbauförderungsrechts sollen zu einer Veränderung der Marktbedingungen und dadurch zu einer verstärkten Wohnungsbautätigkeit und zur Entlastung des Wohnungsmarkts führen. Die beabsichtigte Folge dieses gewünschten Zustandes ist, daß Individuen, denen es vormals nicht möglich war, sich eine eigene Wohnung zu leisten, dies nun können. 11 Vgl. oben, 3. Kap. C. II. 1. a) ee). 12 Vgl. oben, 4. Kap. I. 2.

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2. Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Begriffsmerkmalsstruktur a) Objektive oder subjektive Merkmalsstruktur Die im Bauplanungsrecht, im Bauordnungsrecht und im Wohnungsbauförderungsrecht verwendeten Wohnungsbegriffe stellen im Unterschied zu den Wohnungsbegriffen der ersten Gruppe ausschließlich, überwiegend oder zumindest gleichberechtigt mit subjektiven Merkmalen auf objektive Kriterien ab. So könnte man die Wohnungsbegriffe des Bauplanungsrechts, des Wohnungsbauförderungsrechts und den Begriff der „Wohnzwecken dienenden Gebäude“ in § 9a ErbauVO sämtlich definieren als eine Summe von Räumen, die zum Wohnen subjektiv bestimmt und objektiv geeignet ist.13 Im Bauordnungs- und im Wohnungseigentumsrecht ist sogar allein auf die objektive Eignung der fraglichen Räume zum Wohnen abzustellen.14 Soweit es überhaupt auf die subjektive Bestimmung ankommt, muß diese bei den öffentlich-rechtlichen Wohnungsbegriffen dieser Gruppe vom sachenrechtlich Verfügungsberechtigten vorgenommen werden. Dieser muß nicht zwangsläufig mit dem Wohnnutzer identisch sein. Denn die Normen dieser Gruppe zielen nicht auf die Abwehr von Eingriffen in einen räumlich-gegenständlichen Bereich ab, welcher der räumlichen Privatsphäre eines einzelnen zugeordnet ist, und über den diesem eine, wenn auch beschränkte und abgeleitete Herrschaftsmacht zusteht. Sie bezwekken vielmehr im Vorfeld dessen die Schaffung des Wirtschaftsgutes Wohnraum, wozu eben die subjektive Bestimmung des dinglich Berechtigten erforderlich ist.

b) Festzustellender Begriffsinhalt Auch der Begriffsinhalt, den es anhand der Kriterien der objektiven Eignung und der subjektiven Bestimmung festzustellen gilt, unterscheidet sich hier grundlegend vom Widmungsinhalt der Wohnungsbegriffe der ersten Gruppe. „Wohnen“ wird im Sinne der Wohnungsbegriffe der zweiten Gruppe nicht extensiv als territoriumsbezogene oder häusliche Persönlichkeitsentfaltung verstanden. Es ist vielmehr durch das Merkmal der auf bestimmte Dauer angelegten, autonomen Gestaltung des „häuslichen Lebens“ bzw. durch das darin regelmäßig enthaltene Merkmal der auf Dauer angelegten, selbstbestimmten Haushaltsführung charakterisiert. Daraus folgt, daß sich Räume zum Wohnen im Sinne dieser Vorschriften nur dann eignen, wenn sie objektiv-technisch so ausgestattet sind, daß in ihnen eine dauerhafte Haushaltsführung auch tatsächlich möglich ist. Deshalb zählen die Definitionen dieser Begriffe auch stets eine Vielzahl technischer Anforderungen auf. Indem diese Wohnungsbegriffe ausschließlich oder zumindest wesentlich auf objektiv-technische Merkmale abstellen, wird zweierlei erreicht: Zum einen wird 13 14

Vgl. oben, 3. Kap. C. II. 1. a) dd), 2. b) und 4. Kap. I. 3. Vgl. oben, 3. Kap. C. II. 1. b) aa) und 4. Kap. I. 3.

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dem Normadressaten die Möglichkeit erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht, durch schlichte Willensäußerung selbst das Vorliegen einer Wohnung herbeizuführen. Dies kann direkt auf die Hauptziele der diese Wohnungsbegriffe verwendenden Normen zurückgeführt werden: Damit die Wohnraumversorgung weiter Kreise der Bevölkerung dauerhaft gesichert wird, bedarf es der Sicherung eines materiell-technischen Mindeststandards, der nach der Verkehrsauffassung zur Begründung des dauerhaften, häuslichen Aufenthalts erforderlich ist. Dies kann nur durch die Aufstellung indisponibler, objektiver Begriffsmerkmale, wie der Eignung von Räumen zur selbstbestimmten Haushaltsführung, geschehen. Erst recht gilt dies, wenn durch den Wohnungsbegriff bewußt bestimmte innere oder äußere Wohnverhältnisse geschaffen werden sollen. Wäre die subjektive Bestimmung des Normadressaten ausschlaggebend, so würden diese lenkungspolitischen Ziele der Disposition des einzelnen unterworfen. Dies entspräche eindeutig nicht dem Zweckgefüge dieser Normen. Zum anderen wird durch das Abstellen auf objektive Eignungskriterien die Gleichbehandlung der Normadressaten und damit die Rechtssicherheit gestärkt, was dem daseinsvorsorglichen, subventionsähnlichen Charakter der Normen des Wohnungsbauförderungsrechts bzw. dem Eingriffscharakter des öffentlichen Baurechts geschuldet sein dürfte. Dem gegenüber wird mit den offeneren Wohnungsbegriffen zum Schutz der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentwicklung vor staatlichen Übergriffen (erste Gruppe) ein höheres Maß an Einzelfallgerechtigkeit erreicht, womit man dem individuellen Abwehrcharakter dieser Normen eher gerecht wird. Es wird also deutlich, daß die Wohnungsbegriffe der Allgemeininteressen verfolgenden Normen in mehreren Beziehungen wesentlich enger sind als die der ersten Gruppe. Sie erfassen die Betriebs- und Geschäftsräume nicht, sondern sind auf Raumgesamtheiten beschränkt, die der privaten, nicht erwerbswirtschaftlichberuflichen Tätigkeit dienen. Die Merkmale der Dauerhaftigkeit des Aufenthalts und der selbst bestimmten Haushaltsführung schließen auch andere Räumlichkeiten aus dem Kreis der Wohnungen im Sinne dieser Begriffsgruppe aus. Hotelzimmer, Pensionen, Campingwagen, Krankenzimmer, etc. fallen in der Regel zwar in den Schutzbereich des Art. 13 GG, des Art. 8 EMRK und des gemeinschaftsrechtlichen Wohnungsgrundrechts, mangels ihrer objektiven Eignung zur dauerhaften, autonomen Haushaltsführung aber nicht unter die Wohnungsbegriffe der zweiten Gruppe. Anders als die Wohnungsbegriffe der ersten Gruppe kommen die Begriffe der zweiten Gruppe damit dem Inhalt des soziologischen Idealtypus des modernen Wohnens nahe. Danach ist die Wohnung der von Erwerbsarbeit befreite Lebensmittelpunkt einer Kleinfamilie, in dem deren Mitglieder ihre Grundbedürfnisse und ihre Intimität dauerhaft entfalten und von dem Dritte typischerweise ausgeschlossen sind.15 Die eigenständige und dauerhafte Haushaltsführung ist eines der zuverlässigeren Indizien für diese Art des Wohnens. Die Normen der zweiten 15

Vgl. oben, 1. Kap. I. 1.

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Gruppe sind überdies häufig darauf angelegt, diejenigen äußeren und inneren Wohnverhältnisse zu schaffen und sicherzustellen, die zur Reproduktion dieser Form des „modernen Wohnens“ beitragen.16

III. Wohnungsbegriffe in Individualinteressen schützenden, sozialrechtlichen Normen 1. Gemeinsame Normzweckstruktur Die Normen, welche die Wohnungsbegriffe der dritten Gruppe verwenden, gewähren und regeln entweder dem einzelnen zustehende, justiziable Ansprüche auf finanzielle Unterstützung für die Wohnung (die Normen des WoGG) oder es handelt sich bei ihnen lediglich um Programmnormen im Sinne „politischer Bemühenserklärungen“.17 Gleichwohl decken sich die konkreten Normzwecke dieser Regelungen weitgehend: Sie bestehen darin, dem einzelnen die materiellen Voraussetzungen zur Verfügung zu stellen oder zu erhalten, die ihm den Gebrauch der durch die Grundrechte der ersten Gruppe gewährten Wohnungsfreiheit im Einzelfall erst ermöglichen. Sie tragen damit der sozialwissenschaftlichen Beobachtung Rechnung, daß Wohnen im Sinne der Entfaltung von häuslichen Persönlichkeitsaspekten in der heute vorherrschenden Gesellschaftsform offenbar zu den Grundbedürfnissen des menschlichen Daseins gehört. Dabei ist das Wohnen im Gegensatz zur betrieblichen Erwerbsarbeit eine Verhaltensweise, durch die sich der einzelne auch von dem durch die Welt des beruflichen Erwerbslebens hervorgerufenen Anpassungsdruck entlasten können muß.18 Die soeben zur charakteristischen Normzweckstruktur dieser Gruppe getroffenen Aussagen sind also dahingehend einzuschränken, daß die Normen dieser Gruppe nur auf die Schaffung bzw. Erhaltung derjenigen materiellen Voraussetzungen gerichtet sind, die es dem einzelnen ermöglichen, seine häuslichen Persönlichkeitsaspekte und nicht auch sämtliche territoriumsbezogenen zu entfalten. Anders als die hauptsächlich Allgemeininteressen verfolgenden Normen der zweiten Gruppe bezwecken die Wohnungsbegriffe dieser Gruppe nicht die Entlastung des Wohnungsmarktes. Die Chancen des Individuums, sich auf dem Wohnungsmarkt mit Wohnraum zu versorgen, werden durch sie nur indirekt verbessert. Sie gewährleisten hingegen die direkte, individuelle und soziale Hilfeleistung, die im Einzelfall eine notwendige Voraussetzung für die Ausübung der Wohnungsfreiheit darstellt. Auch im Vergleich zur zweiten Begriffsgruppe wird also deutlich, daß die hier in Rede stehende Wohnungsbegriffsgruppe dem individuellen Interesse auf Teilhabe an dem Wirtschaftsgut dient, über welches dem einzelnen Herr16 Diese Beobachtung teilen Häußermann / Siebel, S. 48 und im historischen Zusammenhang, S. 132. 17 V. Münch, StaatsR, RN 321. 18 Vgl. oben, 1. Kap. II. 1.

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schaftsmacht zustehen muß, damit er überhaupt in den Genuß der Wohnungsfreiheit kommen kann. Dabei zielt insbesondere das Instrument des WoGG auch auf die Sicherung eines bereits vorhandenen Wohnraumbesitzes, also auf einen Bestandsschutz ab. Ein zweites Hauptziel dieser sozialrechtlichen Wohnungsbegriffe liegt in der Schaffung familienfreundlicher Wohnverhältnisse (§ 1 Abs. 1 WoGG) sowie in der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung (Art. 34 Abs. 3 EGRC), also in der Verfolgung gesellschaftspolitischer Leitvorstellungen, die über bloße individuelle Versorgungsinteressen hinausgehen. Zumindest das erste Hauptziel ist auch für die Normzweckstruktur des sozialen Wohnraummietrechts charakteristisch. Das Wohnraummietrecht soll den einzelnen vor dem Verlust seines Wohnraums, d.h. derjenigen materiellen Voraussetzung bewahren, die es ihm ermöglicht, seine auf ein häusliches Territorium angewiesenen Persönlichkeitsaspekte zu entfalten (Bestandsschutz als Hauptziel des sozialen Mietrechts). Das Wohngeldrecht setzt zur Erreichung dieses Ziels dagegen nicht an der Gestaltung der konkreten zivilrechtlichen Benutzungsverhältnisse an, sondern stellt dem einzelnen gezielt öffentliche Mittel zur Verfügung, damit dieser sich im Besitz der Wohnung erhalten kann.

2. Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Begriffsmerkmalsstruktur Wohnräume im Sinne des § 4a WoGG liegen vor, wenn Räume zu Wohnzwecken subjektiv bestimmt wurden und hierzu objektiv geeignet sind. Maßgeblich ist dabei jedoch nicht die subjektive Bestimmung des berechtigten, unmittelbaren Besitzers, also des Wohnenden, sondern des sachenrechtlich Verfügungsberechtigten. Denn es geht den Normen des WoGG nicht um die Verteidigung der räumlichen Privatsphäre vor staatlichen Übergriffen, sondern darum, dem einzelnen die materiellen Voraussetzungen zu verschaffen, die er zum Gebrauch der Wohnungsfreiheit benötigt. Dies ist in einer auf das Privateigentum gegründeten Marktwirtschaft nicht ohne die „Zustimmung“ des dinglich Berechtigten möglich. Der objektiven Eignung wird im Verhältnis zur subjektiven Bestimmung nur nachrangige Bedeutung zugemessen.19 „Wohnen“ wird dabei wie bei den Wohnungsbegriffen der zweiten Gruppe mit dauerhafter und eigenständiger Gestaltung des häuslichen Lebens bzw. mit der Haushaltsführung als wesentlichem Bestandteil der häuslichen Lebensgestaltung gleichgesetzt. Dies dürfte auch wesentlich dem zweiten Hauptziel dieser Normen geschuldet sein, wonach das Familienwohnen und ein gleichmäßiger Wohnstandard anzustreben sind. Die dauerhafte Versorgung mit Wohnraum und ein dies ermöglichender, technischer Mindeststandard sind dazu unbedingt erforderlich. Diese Anforderungen materialisieren sich nach Vorstellung von Gesetzgeber und 19

Vgl. oben, 3. Kap. C. II. 3. b) cc).

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Rechtsprechung offenbar in einem der Herrschaftsmacht des einzelnen dauerhaft zugewiesenen Raum, der das Führen eines eigenständigen Haushalts erlaubt. Dies dürfte auch nach der Verkehrsauffassung erforderlich sein, um den dauerhaften Wohnaufenthalt einer Familie zu ermöglichen. Denn auch deren Bedürfnisse entspringen der Wohnform des modernen Wohnens und sind daher hauptsächlich auf die sie ermöglichenden materiellen Voraussetzungen gerichtet. Die sozialen Rechte auf angemessene Wohnung oder auf Unterstützung für die Wohnung bzw. die entsprechenden politischen Bemühenserklärungen dürften ihren Anwendungsbereich daher weitgehend auch auf die idealtypische Wohnform des modernen Wohnens im Sinne der Wohnungssoziologie beschränken. Daher wird die Unterstützung für die Wohnung, insbesondere durch das Wohngeldrecht, auch nicht auf bloße Unterkünfte und andere Behausungen erstreckt, die sich als Orte des „modernen Wohnens“ nicht eignen. Für Hotelzimmer, Campingwagen oder Zimmer in einer Sammelunterkunft wird man also in der Regel kein Wohngeld erhalten, obwohl auch diese Räume unter dem Schutz des Art. 13 GG stehen können. Hier wird also ein Nebenziel zumindest des im WoGG verwendeten Wohnraumbegriffs erneut offenbar: die Abgrenzung von Wohnraum und Unterkunft. Auf ähnliche Weise dürften auch die Wohnungsbegriffe in den „sozialen Grundrechten“ z.B. der europäischen Rechtsordnung, bei denen es sich vorläufig um politische Programmnormen handelt, zu bestimmen sein. Denn auch sie zielen letztlich darauf ab, dem Individuum im Einzelfall Zugang zu den notwendigen materiellen Voraussetzungen der Wohnungsfreiheit zu gewähren, sollen aber zugleich auch einen Beitrag zur Erreichung gesellschaftspolitischer Ziele, vor allem einer Angleichung der Wohnverhältnisse zur Vermeidung sozialer Ungleichheit leisten. Dies kann ebenfalls nur durch die Ermöglichung dauerhaften Wohnens in der üblichen Form, also in der des „modernen Wohnens“, gelingen. Auch die Merkmalsstruktur des im sozialen Mietrecht verwendeten Wohnraumbegriffs kann in diese dritte Gruppe von Wohnungsbegriffen eingeordnet werden. So gilt als entscheidendes Merkmal des Wohnens im Sinne des Mietrechts ebenfalls die eigenständige Haushaltsführung. Ob es sich um einen Wohnraum handelt, wird dabei allerdings allein anhand der subjektiven Zweckbestimmung entschieden, welche die vermieteten Räume im Mietvertrag – also in der Übereinstimmung zwischen Mieter und Vermieter – erfahren haben. Die objektive Eignung zu Wohnzwecken hat hier lediglich Indiz- und Korrektivfunktion. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, daß gesellschafts- und familienpolitische Zielvorstellungen im Rahmen des sozialen Mietrechts eine vergleichsweise geringe Bedeutung zukommt. Wichtig ist vor allem das Hauptziel der Bestandssicherung. Im übrigen darf im Rahmen des Vertragsrechts der Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht völlig vernachlässigt werden. Auch für den Wohnraumbegriff des sozialen Mietrechts ist es deshalb entscheidend, ob der Verfügungsberechtigte die fraglichen Räume der eigenständigen und dauerhaften Haushaltsführung gewidmet hat.

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5. Kapitel: Systematisierung der nicht-strafrechtlichen Wohnungsbegriffe

IV. Der steuerrechtliche Wohnungsbegriff des Bewertungsrechts Im folgenden ist nun darauf einzugehen, warum sich der für das Steuerrecht maßgebliche Wohnungsbegriff des Bewertungsgesetzes weder aufgrund der Zwecke der ihn verwendenden Normen noch aufgrund seiner Merkmalsstruktur in die vorstehend skizzierten Gruppen einordnen läßt.

1. Normzwecke Anders als die Normen, die die oben klassifizierten Wohnungsbegriffe verwenden, dienen die Normen des Steuerrechts und hier insbesondere § 75 BewG weder dem Schutz der räumlichen Privatsphäre noch der Verbesserung der Wohnungsversorgung bzw. der Wohnverhältnisse noch der materiellen Unterstützung einzelner zur Begründung oder Erhaltung einer häuslichen Privatsphäre. Sie dienen allein den spezifischen Zielen des Steuer- und Bewertungsrechts, insbesondere dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.20

2. Merkmalsstruktur Demgemäß unterscheidet sich auch die Merkmalsstruktur des bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriffs von den Merkmalsstrukturen der vorstehend behandelten Wohnungsbegriffe. So gehören die Abgeschlossenheit einer Gesamtheit von Räumen und das Vorliegen einer bestimmten Mindestfläche zu seinen unabdingbaren Merkmalen. Dabei handelt es sich um Eigenschaften, anhand derer sich der Wert von Wohnräumen und Grundstücken bemessen läßt. Diese sind also für die Wohnungsbegriffe der ersten bis dritten Gruppe in der Regel nicht von Bedeutung und haben sich folglich auch nicht in ihrer Merkmalsstruktur niedergeschlagen.21 Überdies wird allein aufgrund des objektiven Erscheinungsbildes entschieden, ob eine Wohnung im Sinne des Bewertungsrechts vorliegt oder nicht. Bezeichnenderweise wird bei diesem Wohnungsbegriff nicht die Formulierung verwendet, es müsse sich um Räume handeln, die sich zum Wohnen eignen. Es werden vielmehr allein objektive Merkmale aufgestellt, welche die Wohnung als einen wertbildenden Faktor eines bebauten Grundstücks beschreiben. Die zirkulöse Umschreibung, es müsse sich um Räume handeln, die zum Wohnen geeignet sind, ist in diesem Zusammenhang offenbar zu unbestimmt. Erst recht kann es nicht auf die subjektive Bestimmung des dinglich Verfügungsberechtigten ankommen, was ebenfalls Tipke / Lang, § 1, RN 9. Eine Ausnahme bildet insoweit der Wohnungsbegriff des Wohnungseigentumsrechts, wonach ebenfalls eine abgeschlossene Wohnung vorliegen muß. Dies ist jedoch wiederum auf die spezifischen Zwecke des WEG zurückzuführen, wonach eine Wohnung sich dazu eignen muß, Gegenstand eines eigentumsähnlichen Rechts zu sein. 20 21

5. Kapitel: Systematisierung der nicht-strafrechtlichen Wohnungsbegriffe

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unmittelbar auf den Normzweck des bewertungsrechtlichen Wohnbegriffs zurückzuführen ist: Allein die subjektive Absicht, Teile eines bebauten Grundstücks der Wohnnutzung zuzuführen, ist noch kein wertbildender Faktor dieses Grundstücks.

V. Weitere Schlußfolgerungen 1. Das Verhältnis von subjektiver Bestimmung und objektiver Eignung Die objektive Eignung zum Wohnen ist in der Regel bei denjenigen Wohnungsbegriffen das entscheidende Kriterium, die aus allgemein-daseinsvorsorglichen und / oder gesellschaftspolitischen Motiven auch für die Sicherstellung bestimmter, meist angemessener Wohnverhältnisse sorgen sollen. Die subjektive Bestimmung ist dagegen dort von ausschlaggebender Bedeutung, wo es um den Schutz konkreter Individualinteressen geht: Bei den Grundrechten, die die räumliche bzw. die häusliche Privatsphäre schützen, ist die subjektive Widmungsentscheidung, die fraglichen Räume der Öffentlichkeit zu entziehen, unmittelbarer Anknüpfungspunkt für den formalisierten Schutz einer unter der Herrschaftsmacht des Berechtigten stehenden Sphäre gesteigerter Verhaltensfreiheit. Bei den sozialen Leistungsrechten bzw. den entsprechenden Politikzielbestimmungen geht es hingegen darum, die materiellen Möglichkeiten zu schaffen, um diese Widmungsentscheidung aufrecht erhalten oder treffen zu können. Hierfür kommt es nicht auf die erst später erfolgende Widmungsentscheidung des Wohnenden selbst an, sondern auf die im Vorfeld einwilligende Entscheidung des sachenrechtlich Verfügungsberechtigten.

2. Zur Begriffsmethodik Methodisch handelt es sich bei den Wohnungsbegriffen in der Regel um Typusbegriffe, d.h. um Begriffe, bei denen zumindest einzelne Merkmale selbst als komparative Unterbegriffe verstanden werden können.22 Komparative Unterbegriffe sind hier Begriffsmerkmale eines Wohnungsbegriffs, deren Vorliegen sich nicht durch ein striktes Entweder-Oder-Urteil entscheiden läßt, sondern nur durch ein vergleichendes Herantasten, im Sinne eines Mehr-Oder-Weniger-Urteils.23 Hierzu legt man die Endpunkte einer Strecke fest (Unterkunft A ist mit Sicherheit zur 22 Wank, S. 127. Ähnlich Bydlinski, S. 545, unter Verweis auf Kuhlen, S. 161 f.: Nicht der Typus selbst ist ein komparativer Begriff, sondern ein Klassenbegriff von besonderer Beschaffenheit. Diese besteht nach Wank, a a.O., darin, daß er komparative Unterbegriffe als Merkmale aufweist. A.A.: insbesondere Larenz, S. 443 ff. (4. Aufl.) und Leenen, S. 34 ff., die auf einer grundlegenden Wesensverschiedenheit von Typus und Klassenbegriff beharren. 23 Ähnlich Wank, S. 126 f.

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5. Kapitel: Systematisierung der nicht-strafrechtlichen Wohnungsbegriffe

selbständigen Haushaltsführung geeignet – Unterkunft Z gewiß nicht), nimmt die nächste Zuordnung mit dem Blick auf die beiden Endpunkte der Skala vor (E ist A ähnlicher als Z) und orientiert sodann alle weiteren Entscheidungen an den bereits gefundenen Einteilungen.24 Dabei ist in der Regel auch die Verkehrsanschauung zu berücksichtigen.25 Komparative Unterbegriffe in diesem Sinne sind z.B. die „territoriumsbezogene Persönlichkeitsentfaltung“ als Merkmal des Wohnungsbegriffs in Art. 13 GG, die „eigenständige, häusliche Lebensgestaltung“ und die „eigenständige Haushaltsführung“ im Sinne der Wohnungsbegriffe der zweiten und dritten Gruppe sowie die „Führung eines selbständigen Haushalts“ im Sinne des bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriffs. Die Wohnungsbegriffe erlangen durch diese Art von Merkmalen ein gewisses Maß an Offenheit, welches die Berücksichtigung sozialer Entwicklungen und individueller Interessenlagen ermöglicht. Sie bringen den allgemeinen Normzweck der Einzelfallgerechtigkeit zur Geltung.26 Obwohl nach dieser Definition des Typusbegriffs – bis auf die kaum ausgebildeten Begriffe in Art. 8 EMRK und im gemeinschaftsrechtlichen Wohnungsgrundrecht – alle der hier untersuchten Wohnungsbegriffe als Typusbegriffe qualifiziert werden können, weisen sie doch ein unterschiedliches Maß an Unbestimmtheit und Offenheit auf. Wie am Beispiel des bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriffs bereits illustriert,27 hängt dies im wesentlichen davon ab, wie der grundlegende Zielkonflikt zwischen dem allgemeinen Normzweck der Einzelfallgerechtigkeit auf der einen Seite und dem allgemeinen Normzweck der Rechtssicherheit auf der anderen Seite für den jeweils in Frage stehenden Wohnungsbegriff zu entscheiden ist.28 So muß dem allgemeinen Normzweck der Rechtssicherheit im Bereich des Wohnungsbauförderungsrechts und der individuellen Sozialleistungsrechte, die beide dem Gebot der Gleichbehandlung in besondere Weise verpflichtet sind, ein wesentlich stärkeres Gewicht zukommen als im Bereich der allein dem individuellen Persönlichkeitsschutz verpflichteten Grundrechten auf Wohnungsfreiheit. Im Wohnungseigentumsrecht und vor allem im Steuerrecht, welches dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung unterliegt, erlangt das Ziel der die Wank, S. 127; ähnlich Bydlinski, S. 548, der von „Typenvergleich“ spricht. Larenz, S. 466 ff. 26 Die Offenheit des Typusbegriffs soll zudem durch die Art der Merkmalskombination zum Ausdruck kommen: Einmal dadurch, daß einige Merkmale verzichtbar seien, und dadurch, daß das Verhältnis der einzelnen Merkmale nicht festgelegt werden könne, und schließlich dadurch, daß die Anzahl der Merkmale unbestimmt sei, vgl Wank, S. 128. Auch dies läßt sich bei einem Großteil der untersuchten Wohnungsbegriffe beobachten, gilt jedoch häufig insbesondere für die Merkmale der Wohnungsbegriffe, die als komparative Unterbegriffe beschrieben wurden. So liegen z.B. die Merkmale der „selbständigen Haushaltsführung“ ebensowenig fest, wie die der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung. 27 Vgl. oben, 3. Kap. C. II. 4. b). 28 Vgl. hierzu BVerfG NJW 1982, 2599, 2601 f.; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 73 ff., 75; Wank, S. 97 ff.; Leenen, Typus, S. 109 ff. 24 25

5. Kapitel: Systematisierung der nicht-strafrechtlichen Wohnungsbegriffe

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Gleichbehandlung gewährleistenden Rechtssicherheit eine noch stärkere Bedeutung. Deshalb bestehen die Merkmale des bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriffs nicht nur aus komparativen Merkmalen (=Unterbegriffen), sondern auch aus operationalen Merkmalen, wie der Abgeschlossenheit und der Wohnungsmindestgröße von 23 qm.29 Auch die Beantwortung der Frage, ob eine Wohnung im Sinne des WEG vorliegt, hängt entscheidend von dem leicht feststellbaren Abgeschlossenheitskriterium, einem operationalen Merkmal ab. Gleichwohl handelt es sich auch bei diesen Wohnungsbegriffen insgesamt um Typusbegriffe mit zusätzlichen operationalen Merkmalen, weil auch sie das nur durch vergleichende Vorgehensweise feststellbare Merkmal der Eignung zur selbständigen Haushaltsführung aufweisen. 3. Bestätigung der teleologischen Begriffsfindungsmethode Festzuhalten ist schließlich, daß durch die vorstehende Untersuchung die Sachgemäßheit der teleologischen Begriffsfindungsmethode und damit zugleich der Grundsatz der Relativität der Rechtsbegriffe belegt wird. Beides wird bei der Untersuchung des Wohnungsbegriffes in § 123, § 306a Abs. 1 Nr. 1 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ebenfalls zu berücksichtigen sein.

29 Operationale Merkmale sind solche Begriffsmerkmale, die das Ziel einer Norm adäquat in leicht feststellbare objektive Kriterien übersetzen, vgl. Wank, S. 100 ff. und oben, 3. Kap. C. II. 4. c).

Sechstes Kapitel

Zusammenhang zwischen den Wohnbedürfnissen des modernen Wohnens und den untersuchten nicht-strafrechtlichen Normen Soweit die untersuchten Normen den Schutz der räumlichen Privatsphäre, die Schaffung von Wohnraum und bestimmten Wohnverhältnissen sowie die direkt dem Bedürftigen zugute kommende Schaffung und Erhaltung der zum Gebrauch der Wohnungsfreiheit erforderlichen materiellen Voraussetzungen bezwecken, können sie auch als die Rahmenbedingungen angesehen werden, in denen sich das Wohnen im sozialwissenschaftlichen Sinne, also das „moderne Wohnen“, vollzieht.1 Mit „modernem Wohnen“ wurde die heute überwiegend verbreitete Wohnform idealtypisch beschrieben, in der das Individuum die folgenden Funktionen vollzieht: Die Sozialisation im Familienverband, Selbstentlastung, Selbstentfaltung, vertrauliche Kommunikation und ungestörte Kontaktaufnahme und -pflege zu ausgewählten Dritten. Hierzu ist eine gegenständlich-räumliche Sphäre erforderlich, die von Erwerbsarbeit befreit und vom Leben in der gesellschaftlich-politischen Öffentlichkeit mehr oder weniger streng getrennt ist. Im folgenden ist noch der Frage nachzugehen, inwiefern die individuellen Bedürfnisse, die sich aus den Charakteristika des modernen Wohnens ableiten lassen, durch die untersuchten Normen tatsächlich befriedigt werden. Es sollen also – im Sinne genetischer Ursachenforschung2 – eventuell bestehende Kausalzusammenhänge zwischen den mit Hilfe des Idealtypus des modernen Wohnens feststellbaren, sozialen Interessenlagen und der Ausbildung der untersuchten Normen aufgezeigt werden. Hierzu wird unterstellt, daß die Entstehung der Wohnform des modernen Wohnens auf entsprechende individuelle Bedürfnislagen zurückzuführen ist bzw. diese reproduziert. Die oben bereits im einzelnen erläuterten Charakteristika des modernen Wohnens werden zu diesem Zweck als korrespondierende, individuelle Bedürfnislagen gedacht.3 1 Dies gilt naturgemäß auch für die oben behandelten Normen, die den Wohnungsbegriff selbst nicht verwenden. 2 Vgl. Rehbinder, Rechtssoziologie, RN 20. 3 Bedürfnisse werden auch weiterhin nicht als anthropologisch abgesicherte Konstanten, sondern als Produkte der vorherrschenden sozialen Verhältnisse und der Erfahrungen, die die Individuen in ihnen machen, verstanden, vgl. Häußermann / Siebel, S. 223. Vom Idealtypus des modernen Wohnens als sozialwissenschaftlich abgesichertem, sozialen Phänomen läßt sich daher, bei aller bestehenden Unsicherheit, einigermaßen zuverlässig auf korrespondierende Bedürfnislagen schließen.

6. Kapitel: Wohnbedürfnisse und nicht-strafrechtliche Normen

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I. Das Bedürfnis, Dritte vom Ort des modernen Wohnens auszuschließen Danach bestehen zunächst individuelle Bedürfnisse nach exklusivem Zusammensein der Kleinfamilie und einem Ort, der Entlastung vom gesellschaftlichen Konformitätsdruck sowie Entfaltung von spezifischen Selbstdarstellungsfunktionen wie Emotionalität, Körperlichkeit und Intimität und die Aufnahme ausgewählter sozialer Kontakte ermöglicht. Hierzu ist es vor allem zwingend erforderlich, die „Öffentlichkeit“ in der Person des Staates, aber auch fremder Privater, aus der räumlich abgegrenzten Örtlichkeit ausschließen zu können. Dies wird u. a. durch bauliche Gestaltungsmittel erreicht. Auf die flächendeckende Anwendung dieser baulichen Gestaltungsmittel zielen vor allem die wohnungsbezogenen Normen des Bauordnungsrechts ab: Insbesondere das Erfordernis der Abgeschlossenheit der Wohnung soll die erforderlichen technischen Bedingungen schaffen, damit sich diejenigen Räume zu der für das moderne Wohnen typischen Herrschaftssphäre des Individuums entwickeln können, die geeignet ist, den für das moderne Wohnen typischen Funktionen zu dienen. Andererseits sind hierzu auch rechtliche Ausschlußbefugnisse zwingend erforderlich.

1. Grundrechte Indem die Grundrechte auf Freiheit der räumlichen Privatsphäre den einzelnen dazu ermächtigen, staatliche Organe und Kenntnisnahmemittel aus der physisch abgegrenzten Örtlichkeit, in der sich das moderne Wohnen vollzieht, auszuschließen, versetzen sie das Individuum erst in die Lage, die Wohnung zur Befriedigung der eben beschriebenen Bedürfnisse nutzen zu können. Daß diese Bedürfnislagen sich wesentlich auf die gegenwärtig vorherrschende Auslegung der Wohnungsgrundrechte ausgewirkt haben, wird deutlich, wenn man sich nochmals vor Augen führt, welchen Normzwecken sie nach richtiger Auffassung dienen. Ihr Hauptzweck besteht darin, dem einzelnen eine räumlich abgegrenzte Sphäre gesteigerter Verhaltensfreiheit mit Geheimnisschutz- und Vertrauensschutzfunktion zur Verfügung zu stellen, in der er seine territorialen, wenigstens aber häuslichen Persönlichkeitsaspekte, die mit den Verhaltensweisen des modernen Wohnens nahezu identisch sein dürften, optimal entfalten kann. Andererseits – und hier wird die Interdependenz von Rechts- und Sozialordnung deutlich – hat erst die zum Teil schon seit dem Mittelalter bestehende Möglichkeit, staatliche Organe in dieser Weise aus einer räumlichen Sphäre ausschließen zu können, auch zur Trennung der Sphären des Öffentlichen und des Privaten und damit zur Entstehung des soziologischen Phänomens „modernes Wohnen“ beigetragen.

208

6. Kapitel: Wohnbedürfnisse und nicht-strafrechtliche Normen

Zu diesen Feststellungen steht auch die Einbeziehung der Betriebs- und Geschäftsräume in den Schutzbereich des Art. 13 GG nicht zwingend im Widerspruch.4 Es ist zwar nicht zu bestreiten, daß die Wohnung im sozialwissenschaftlichen Sinne als die Summe derjenigen einheitlich abgegrenzten Räume zu verstehen ist, in denen sich die Verhaltensweisen des modernen Wohnens tatsächlich vollziehen, die also allein denjenigen Aspekten der Persönlichkeitsentfaltung gewidmet ist, die sich aus sozialwissenschaftlicher Sicht gerade als das Gegenstück der betrieblichen Erwerbsarbeit darstellen. Ebenso unbestreitbar ist es aber, daß zur optimalen Ausübung von Erwerbsarbeit Räume erforderlich sind, die ebenfalls vor unkontrolliertem, staatlichen Einblick geschützt werden. Wegen des unabdingbar erforderlichen Schutzes von Betriebs- und Geschäftsräumen vor Durchsuchungen und technischen Überwachungsmaßnahmen kann der Normbereich der grundrechtlich geschützten, räumlichen Privatsphäre also nur originär verfassungsrechtlich bestimmt werden. Er stellt sich insofern als der Gegensatz zu dem Bereich des Öffentlich-Staatlichen dar, und nicht soziologisch als das Gegenteil zu einer die Sphäre der Erwerbsarbeit einschließenden Öffentlichkeit. Die teleologische Notwendigkeit eines umfassenden Schutzes räumlicher Eigensphären steht einem soziologisch einwandfreien Verständnis des Wohnungsbegriffs in Art. 13 GG deshalb entgegen. Die juristische Begriffsbildung muß sich insoweit von dem sozialwissenschaftlich korrekten Begriffsverständnis lösen.5 Der formalisierte Schutz des Art. 13 GG vor staatlichen Eingriffen in die räumliche Privatsphäre greift im Übrigen aus Gründen der Rechtssicherheit auch unabhängig davon ein, ob die fraglichen Räume die für das „moderne Wohnen“ typischen Wohnungsmerkmale und –funktionen tatsächlich aufweisen. Die durch Art. 13 GG gewährte Ausschlußbefugnis, ohne die das moderne Wohnen in seiner gegenwärtigen Ausprägung folglich nicht entstanden wäre und nicht fortbestehen könnte, ist allerdings spätestens seit der Einführung des großen Lauschangriffs erheblich relativiert. Hierdurch kann die Möglichkeit, Bedürfnisse nach intimer Selbstdarstellung und Entlastung vom gesellschaftlich-staatlichen Konformitätsdruck zu befriedigen, unter Umständen dauerhaft eingeschränkt werden. Die Befriedigung der Grundbedürfnisse des modernen Wohnens ist daher für die Betroffenen – nicht nur in Extremfällen – ernstlich gefährdet. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Ausdehnung des großen Lauschangriffs auf Verdachtsfälle hinsichtlich nicht schwerwiegender Vergehen, die kaum durchsetzbare Pflicht zur Benachrichtigung des Beschuldigten und die verfassungsrechtlich nicht gedeckte Befugnis von verdeckten Ermittlern zum Betreten der Wohnung.6

4 5 6

A.A. Amelung, Grundrechtstheoretische Aspekte, S. 321 ff. Hier zeigt sich die Notwendigkeit einer unabhängigen juristischen Begriffsbildung. Vgl. oben, 3. Kap. C. I. 1. b) aa) und c) aa).

6. Kapitel: Wohnbedürfnisse und nicht-strafrechtliche Normen

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2. Privatrechtliche Ausschlußbefugnisse Durch die Möglichkeit des kraft Miete berechtigten Besitzers, des dinglich Berechtigten oder des Eigentümers, private Dritte aus den von ihrer Berechtigung umfaßten Räumen ausschließen zu können, erlangen diese vollends die für das moderne Wohnen erforderliche Qualität einer individuell zugeordneten Herrschaftssphäre. Das Bedürfnis heutiger Individuen nach einer solchen räumlich abgegrenzten Herrschaftssphäre hat in Gesetzgebung und Rechtsprechung wiederum zu einer sehr mieterfreundlichen Ausgestaltung des Besitzrechts an einer Wohnung geführt, die überspitzt als Verdinglichung des Mietrechts beschrieben worden ist. Die Interdependenz von rechtlicher Regelung und sozialer Wirklichkeit läßt sich also für die zivilrechtlichen Ausschlußbefugnisse des berechtigten Wohnungsinhabers ebenso feststellen wie für die grundrechtlichen Abwehrrechte. Dies läßt sich auch bei dem dinglichen Wohnrecht beobachten. Mit ihm wurde eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit atypisch dergestalt verändert, daß dem Berechtigten aus ihr das Recht zusteht, auch den Eigentümer von der Mitbenutzung der Räume auszuschließen, für die das Wohnrecht bestellt wurde.

II. Bedürfnis nach exklusivem Wohnen im Verbund der Kleinfamilie Die Normen des Wohnungsbauförderungsrechts und des Wohngeldgesetzes sollen auf die Schaffung von Wohnraum hinwirken, der sich zur dauerhaften Beherbergung einer Kleinfamilie eignet. Sie sind damit ebenfalls Produkt des für das moderne Wohnen typischen Bedürfnisses nach Wohnen im Verbund der Kleinfamilie. Denn hierzu ist eine bestimmte technische Mindestausstattung und Größe der Wohnung erforderlich, auf welche die angeführten Normen ihrer teleologischen Bestimmung entsprechend hinwirken. Zugleich tragen auch diese Normen umgekehrt zur Reproduktion der Wohnform des modernen Wohnens bei.

III. Das Bedürfnis nach räumlicher Trennung von Wohnen und Arbeiten über den Innenbereich der Wohnung hinaus Auch die Normen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts tragen Bedürfnissen Rechnung, die aus der Wohnform des modernen Wohnens erwachsen: So läßt sich das wohnungsbezogene Bauplanungsrecht als Instrument zur Herbeiführung der räumlichen Trennung von Wohnen und Arbeiten begreifen. Es erlaubt und bezweckt ausdrücklich durch die Gestaltung von homogenen Wohnumfeldern die Trennung des öffentlichen Raums in Orte der Arbeit und Pflichterfüllung einerseits und in Orte der Freizeitgestaltung und der häuslichen Erholung andererseits. Dem 14 Krumme

210

6. Kapitel: Wohnbedürfnisse und nicht-strafrechtliche Normen

Individuum wird somit die zusätzliche Möglichkeit verschafft, auch die Milieus, innerhalb derer seine eigentliche Wohnung liegt, seinen Bedürfnissen entsprechend zu wählen.

IV. Das Bedürfnis, sich auf dem Wohnungsmarkt mit dem Wirtschaftsgut Wohnraum versorgen zu können Ein weiteres Phänomen des „modernen Wohnens“ ist die Entstehung eines privatrechtlich organisierten Wohnungsmarktes, wodurch Wohnraum zu einem in der Regel knappen Wirtschaftsgut geworden ist. Als Konsequenz ergibt sich hieraus zunächst, daß das Privatrecht eine Vielzahl von Regelungen zur Verfügung stellen muß, aufgrund derer eine Benutzung von Räumen zu den Zwecken des modernen Wohnens rechtlich möglich ist. Hierzu zählen im wesentlichen die oben behandelten beschränkten dinglichen Benutzungsrechte, das Eigentum und das soziale Mietrecht. Überdies sind alle Individuen zwingend auf die materiellen Voraussetzungen angewiesen, die sie in die Lage versetzen, ihre auf das moderne Wohnen gerichteten Bedürfnisse zu befriedigen. Schwächere Marktteilnehmer sind häufig nicht dazu in der Lage, sich auf dem freien Wohnungsmarkt aus eigener Kraft zu versorgen. Hinsichtlich der rechtlichen Regelungen, die dieser Bedürfnislage Rechnung tragen sollen, ist zu differenzieren. Ist das Individuum bereits im Besitz von Wohnraum, droht es ihn aber zu verlieren, so greifen zur Sicherung des Bestands in der Regel sozial motivierte Normen des Wohnraummietrechts und des Wohngeldgesetzes ein. Kann der Bedürftige dagegen nicht auf einen in seinem Bestand befindlichen Wohnraum zurückgreifen, so stehen zur Befriedigung seines Bedürfnisses hingegen keine adäquaten Normen bereit. Individuelle Leistungsrechte auf Gewährung von Wohnraum stehen dem Individuum nicht zur Verfügung. Um diese Bedürfnislage aufzufangen hat der Gesetzgeber lediglich Regelungen zur Beeinflussung des Wohnungsmarkts normiert, indem er im Rahmen des Wohnungsbauförderungsrechts für private Träger Anreize zur Vergrößerung des Wohnraumangebots geschaffen hat.

V. Sonstige Bedürfnisse Die behandelten Normen sind ferner geeignet, solchen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, die sich nicht auf die Grundeigenschaften des modernen Wohnens beziehen, die aber ebenfalls typischerweise mit dieser Wohnform verknüpft sind. So wird dem Einzelnen durch das Bauplanungsrecht die Möglichkeit eröffnet, zwischen unterschiedlichen Wohnumfeldern und Gebäudearten zu wählen. Er kann die Wohnungswahl somit auch zum Bestandteil seiner Selbstdarstellung machen und sie so zur sozialen Distinktion nutzen. Die drittschützenden Normen des Bau-

6. Kapitel: Wohnbedürfnisse und nicht-strafrechtliche Normen

211

planungsrechts und das bürgerliche Nachbarrecht ermöglichen es dem einzelnen in gewissen Fällen sogar, eine Veränderung seines unmittelbaren Wohnumfeldes zu verhindern. Wie gezeigt, lassen sich also die untersuchten Normen hauptsächlich auf wohnungssoziologisch feststellbare Bedürfnislagen zurückführen. In der Regel stimmen diese mit den Normzwecken überein, oder zumindest deckt der Normzweck neben einer Vielzahl anderer Bedürfnisse auch das wohnungssoziologisch Feststellbare ab (so wie bei Art. 13 GG, den Besitzschutzrechten, etc.).

14*

Siebtes Kapitel

Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung – Wohnungsbegriff und Schutz der Wohnung A. Vorüberlegung Die Aufgabe des Strafrechts ist Rechtsgüterschutz. Diese Auffassung hat sich mittlerweile weitgehend durchgesetzt und gehört zum strafrechtlichen Gemeingut.1 Daraus sind – unabhängig von insoweit nach wie vor bestehenden, erheblichen Unsicherheiten2 – die folgenden Konsequenzen abzuleiten: Strafwürdig kann nur ein Verhalten sein, welches ein Rechtsgut verletzt oder wenigstens gefährdet.3 Unabhängig davon, welchen Rechtsgutsbegriff man favorisiert, folgt daraus für die Frage nach der objektiven Tatbestandsmäßigkeit: Eine Handlung kann nur tatbestandsmäßig sein, wenn sie geeignet ist, das durch den jeweils einschlägigen Tatbestand geschützte Rechtsgut zu verletzen oder zu gefährden. Dies gilt auch, wenn das geschützte Rechtsgut im Tatbestand nicht in einem Handlungsobjekt verkörpert wird, sondern nur das Motiv der Strafvorschrift bildet, wie es bei abstrakten Gefährdungsdelikten regelmäßig der Fall ist.4 Demgemäß muß das durch den Tatbestand des besonderen Teils geschützte Rechtsgut die Auslegung der von diesem verwendeten Begriffe maßgeblich bestimmen. Methodisch geschieht dies im Wege der objektiv-teleologischen Auslegung, der im Verhältnis zu den übrigen Auslegungsmethoden ausschlaggebendes Gewicht zukommt.5 In der Sprache Wanks bedeutet dies: Bei der Bildung der strafrechtlichen Begriffe des besonderen Teils müssen die spezifischen, strafrechtlichen 1 Roxin, AT I, § 2 RN 38 und § 3 RN 1; Lagodny, S. 21; Maurach / Zipf, AT / 1, § 19, RN 4 ff.; Kienapfel, AT, S. 39; Lenckner / Schnittenhelm, S. 17, 20; AK-Hassemer, Vor § 1, RN 243 ff.; Sch / Sch-Eser, § 1, RN 47 f. Selbst Kritiker dieser Auffassung, die die Aufgabe des Strafrechts allein in der durch die Strafdrohung zu bewirkende Verhinderung von Sozialschäden begreifen, räumen ein, daß ein Delikt zumeist durch die Vermittlung über ein Rechtsgut und nicht allein durch die Sozialschädlichkeit eines Verhaltens bestimmt wird, vgl. Jakobs, AT, Abschnitt 2, RN 24. A.A. Amelung, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft, 330 ff. 2 Vgl. Roxin, AT I, § 2 RN 38 und § 3 RN 1. 3 Roxin, AT I, § 2, RN 23. 4 Vgl. Roxin, AT I, § 2, RN 23. 5 Larenz, S. 319 ff.

B. Hausfriedensbruch

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Normzwecke, die jeweils durch die den fraglichen Begriff verwendenden Normen geschützt werden, als „Sinnzusammenhang“ zwischen Tatbestand und strafrechtlicher Sanktion zum Ausdruck kommen6. Die Bestimmung des geschützten Rechtsguts ist also unabdingbare Voraussetzung, um den von einer strafrechtlichen Norm verwendeten Begriff durch objektiv-teleologische Auslegung bestimmen zu können. Allerdings sind die geschützten Rechtsgüter nicht notwendig mit den Normzwecken eines strafrechtlichen Tatbestandes identisch. Es gilt vielmehr zu berücksichtigen, daß Rechtsgüter häufig nur gegen bestimmte Angriffsformen geschützt sind (z.B. in § 242 das Eigentum gegen Wegnahme in rechtswidriger Zueignungsabsicht und in § 263 das Vermögen gegen Verlust aufgrund einer Verfügung, die durch eine Täuschung des in Bereicherungsabsicht handelnden Täters hervorgerufen wurde), und daß die Rechtsgutsverletzung bei manchen Delikten nur dann als strafwürdig eingestuft wird, wenn sie von Personen verursacht wird, die sich aufgrund von bestimmten Sondereigenschaften von der Allgemeinheit unterscheiden (z.B. §§ 336 und 266).7 Auf der Grundlage dieser Vorüberlegungen sollen nun die Wohnungsbegriffe des materiellen Strafrechts und die sie jeweils bestimmenden Rechtsgüter beleuchtet werden.

B. Hausfriedensbruch I. Anknüpfung an die Geschichte des Hausfriedensbruchs Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Rechtslehre den Standpunkt eingenommen, daß der Hausfriedensbruch das Hausrecht als das individuelle Interesse an ungestörter Betätigung des eigenen Willens in ausgewählten räumlichen Sphären und damit letztlich die persönliche Freiheit schütze.8 Gleichwohl reihte ihn das Strafgesetzbuch des Deutschen Reichs von 1871 – systematisch verfehlt –9 in den Siebenten Abschnitt unter die Straftaten gegen die Öffentliche Ordnung ein, was offenbar auf römisch-rechtliche (Hausfriedensbruch als Erscheinungsform des crimen vis) und polizeistaatliche Denktraditionen zurückzuführen ist.10 Die herrschende Meinung im seinerzeitigen Schrifttum hielt auch nach dem Erlaß des StGB von 1871 daran fest, daß Rechtsgut des § 123 nicht die öffentliche Ordnung, sondern das mit dem der persönlichen Freiheit verwandte Rechtsgut des Hausrechts sei.11 Einer der am häufigsten zitierten frühen Versuche, dieses Rechtsgut einheitlich für alle Schutzobjekte des § 123 zu bestimmen, geht auf v. Liszt zuVgl. Wank, S. 87. Roxin, AT I, § 2, RN 37; Sch / Sch-Lenckner, Vor §§ 13 ff., RN 9. 8 Vgl. oben, 2. Kap. C. III. 3. 9 Zumindest hierüber besteht mittlerweile wohl Einigkeit, vgl. unten, 7. Kap. B. III. 10 Ähnlich Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 407. 11 v. Olshausen, § 123, Anm. 2. 6 7

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

rück. Dieser beschrieb das Hausrecht als rechtlich geschütztes Interesse an der ungestörten Betätigung des eigenen Willens in der eigenen Wohnung und am eigenen Besitz, an dem „freien Schalten und Walten in Haus und Hof“.12 Das Hausrecht hatte sich damit endgültig vom mittelalterlichen Selbsthilferecht zu einem durch strafrechtliche Normen zu schützenden, persönlichen Rechtsgut entwickelt. Auch das 6. StrRG von 1998 hat die fehlerhafte systematische Einordnung des § 123 nicht korrigiert. Der Kreis der Schutzobjekte, der aus dem prStGB 1851 übernommen wurde, ist seit der Einführung des Reichsstrafgesetzbuchs im Jahr 1871 ebenfalls nicht verändert worden. Neben der Wohnung fallen daher die Geschäftsräume, das befriedete Besitztum sowie die öffentlichen Dienst- und Verkehrsräume unter den Schutz der Strafbestimmung gegen den Hausfriedensbruch.

II. Die widersprüchliche Auslegung des Wohnungsbegriffs durch die h.M. Wohnung im Sinne des § 123 ist nach einer Entscheidung des Reichsgerichts der Inbegriff der Räumlichkeiten, die einer Einzelperson oder einer Mehrzahl von Personen zum Aufenthalt dienen oder zur Benutzung freistehen.13 Diese Definition bildet auch heute noch die Grundlage, auf der die Rechtsprechung und der überwiegende Teil des Schrifttums die Bestimmung des Wohnungsbegriffs in § 123 aufbauen.14 Teilweise wird sie nach wie vor wörtlich zitiert.15 Gleichwohl darf hieraus nicht der Schluß gezogen werden, über den Begriff der Wohnung bestünden keine Differenzen.16 Denn der Grenzbereich dieses Wohnungsbegriffs ist seit jeher umstritten. Unbestritten ist hingegen, daß die tatsächlich dauerhaft benutzte Wohnung im technischen Sinne, also eine baulich abgeschlossene Raumgesamtheit, die zur dauerhaften und selbständigen Haushaltsführung objektiv geeignet ist und tatsächlich genutzt wird, eine Wohnung im Sinne des § 123 Abs. 1 darstellt. Schon die Definition des RG skizziert aber einen viel weiteren Wohnungsbegriff. Danach soll es ausreichen, daß die fraglichen Räumlichkeiten nur dem Aufenthalt dienen, ohne daß sie tatsächlich zum Übernachten benutzt werden oder sich dazu auch nur eignen.17 Ferner soll es ausreichend sein, daß die Räume Personen 12 v. Liszt, S. 397; ihm folgend: v. Olshausen, § 123, Anm. 2; Frank, S. 309 f.; zuletzt in dieser Form vertreten von LK-Schäfer (10. Aufl.), § 123, RN 1 und OLG Köln NJW 1982, 2740. 13 RGSt 12, 132. 14 Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 4; SK-Rudolphi, § 123, RN 8; Tröndle / Fischer, § 123, RN 3; Küper, BT, S. 446; Gössel, BT I, S. 441 f.; Wessels / Hettinger, RN 579; Rengier, BT II, § 30, RN 2. 15 LK-Lilie, § 123, RN 8. 16 So aber Kargl, JZ 1999, 930, 934. 17 RGSt 13, 313.

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zur gelegentlichen Benutzung freistehen. Sie müssen danach nur verschiedenen Menschen hin und wieder vorübergehend Unterkunft gewähren.18 Auch Zweitwohnungen, nur „saisonbedingt“ benutzte Wohnräume und benutzte Hotelzimmer werden von der h.M. daher als Wohnungen im Sinne von § 123 angesehen, dauerhaft leerstehender Wohnraum dagegen nicht. Daß zumindest eine vorübergehende Wohnnutzung erforderlich ist, die objektive Eignung bzw. subjektive Bestimmung also für die Begründung der Wohnungseigenschaft nicht ausreichend ist, wird von den Vertretern der h.M. häufig damit erklärt, daß eine Wohnung im Sinne des § 123 mit der räumlichen Privatsphäre ihres Bewohners identisch sei.19 Gleichgültig soll es dagegen sein, ob der Raum baulich oder nur auf andere Art abgeschlossen ist, und ob es sich bei den Unterkunft gewährenden Räumen um eine bewegliche Sache oder ein Grundstückszubehör handelt. Lenckner hat die überkommene Definition im Sinne der h.M. daher wie folgt ergänzt: „Eine Wohnung setzt nach ihrer Beschaffenheit eine baulich oder sonst abgeschlossene, zumindest teilweise überdachte Räumlichkeit voraus . . . , die dem Zweck dient, einem oder mehreren Menschen ausschließlich oder überwiegend, jedenfalls vorübergehend Unterkunft zu gewähren“.20

Neben dem Erfordernis der Abgeschlossenheit hat die herrschende Ansicht also die zumindest vorübergehende, tatsächliche Nutzung der Räume zu Unterkunftszwecken als das für den Wohnungsbegriff in § 123 entscheidende Merkmal aufgestellt. 1. Ausdehnung des Wohnungsbegriffs auf Nebenräume der Wohnung Gleichwohl subsumieren die Vertreter dieser Ansicht sowohl Nebenräume, die außerhalb des abgeschlossenen Wohnbereichs, aber innerhalb desselben Hauses gelegen sind (z.B. Flure in Mehrparteienwohnhäusern, auf Fluren gelegene Toiletten, das Treppenhaus eines Mietshauses, Vorkeller, Waschkeller usw.) als auch außerhalb des Wohnhauses selbst gelegene Nebenräume (z.B. eine freistehende Garage), als Wohnungsbestandteile unter den Wohnungsbegriff des § 123.21 Betrachtet man einen bestimmungsgemäß von mehreren Berechtigten benutzten Waschkeller oder gar eine bestimmungsgemäß benutzte, freistehende Garage oder Tiefgarage für sich genommen, so wird man jedoch kaum sagen können, bei ihnen handele es sich um eine abgeschlossene Raumeinheit, die tatsächlich dazu dient, einem Menschen Unterkunft zu gewähren. Waschkeller, Garagen und andere Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 4, m.w.N. LK-Schäfer (10. Aufl.), § 123, RN 5 ff. 20 Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 4; ein nahezu identisches Verständnis legen zugrunde: Tröndle / Fischer, § 123, RN 3; LK-Lilie, § 123, RN 8 ff.; Lackner / Kühl, § 123, RN 3; SKRudolphi, § 123, RN 8 f.; Gössel, BT I, S. 442; Wessels / Hettinger, RN 579; Rengier, BT II, § 30, RN 2. 21 So schon RGSt 1, 121; heute: LK-Lilie, § 123, RN 11; Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 4; einschränkend: SK-Rudolphi, § 123, RN 10. 18 19

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außerhalb des abgeschlossenen Wohnbereichs liegende Nebenräume dienen vielmehr allenfalls Zwecken, die den Unterkunftszweck der abgeschlossenen Raumeinheit dauerhaft ermöglichen bzw. ergänzen und die auf diese Weise „zur Wohnung gehören“. Der Wohnungsbegriff wird dadurch noch über die aufgestellte Definition hinaus auf solche Nebenräume ausgedehnt, die sich außerhalb der dem Unterkunftszweck dienenden, abgeschlossenen Raumgesamtheit befinden. Die Zugehörigkeit dieser Nebenräume soll sich daraus ergeben, daß sie den eigentlichen Unterkunftszweck ermöglichenden bzw. ergänzenden Hilfsfunktionen gewidmet sind.22 Strenggenommen setzt sich die h.M. mit dieser Erweiterung des Wohnungsbegriffs in Widerspruch zu ihrer eigenen Definition. Daß die Erfüllung von Unterkunftshilfsfunktionen auch dann die Zugehörigkeit zur Wohnung auslöst, wenn die Nebenräume sich außerhalb des abgeschlossenen Wohnbereichs befinden, kommt in ihrer Definition selbst gar nicht zum Ausdruck. Da Nebenräume jedoch baulich abgeschlossen sind und einen eindeutigen, funktionalen Zusammenhang mit der Wohnung aufweisen, dürfte diese Erweiterung des Wohnungsbegriffs gerade noch vom Wortlaut gedeckt sein. Es scheint überdies eine aus dem Verfassungsrecht stammende Verkehrsauffassung zu bestehen, wonach Nebenräume allein aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs mit dem abgeschlossenen Wohnbereich als Wohnungsbestandteile unter den Wohnungsbegriff zu fassen sind. Fragwürdig wird dieses Auslegungsergebnis jedoch, wenn man die räumliche Privatsphäre für die charakteristische Eigenschaft der Wohnung hält.

2. Ausdehnung des Wohnungsbegriffs auf offene Zubehörflächen Einer verbreiteten Auffassung zufolge sollen sogar offene, d.h. nicht eingefriedete Flächen (wie z.B. Abstellplätze, Hofräume und Vorgärten), unter den Wohnungsbegriff des § 123 Abs. 1 fallen, wenn eine funktionsbedingte Zugehörigkeit zur Wohnung für jedermann erkennbar ist.23 Diese Erweiterung des Wohnungsbegriffs steht noch deutlicher im Widerspruch zu der von den Vertretern dieser Auffassung selbst propagierten Wohnungsbegriffsdefinition. So dient ein Vorgarten genauso wenig zu Unterkunftzwecken wie ein Hofraum. Diese Freiflächen erfüllen wiederum allenfalls auf den eigentlichen Unterkunftszweck bezogene Hilfsfunktionen. Überdies verletzt diese Erweiterung des Wohnungsbegriffs die durch den Wortlaut gezogene Grenze erlaubter Auslegung.24 Nach dem allgemeinen Sprach22 Vgl. schon RGSt 1, 121, „Zwecke der Häuslichkeit“, an diese Begründung anknüpfend: Armknecht, S. 78 („häusliche Zwecke“) und ähnlich Bodendorf, S. 23. 23 BayObLG JR 1965, 265 (Hofraum); BayObLG VRS 38, 117; Kargl, JZ 1999, 930, 936; LK-Schäfer (10. Aufl.), § 123, RN 9; Gössel, BT I, S. 442; Wessels / Hettinger, RN 579. 24 Artkämper, S. 53; Behm, GA 1986, 547, 549; ähnlich Bernsmann, Jura 1981, 337, 340; Seier, JA 1982, 232, 234; Amelung, NJW 1986, 2075, 2079; im Ergebnis auch Müller-Christmann, JuS 1987, 21; Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 4; zweifelnd auch LK-Lilie, § 123, RN 11.

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verständnis muß eine Wohnung entweder abgeschlossen und zu Wohnzwecken bestimmt und geeignet sein oder sie muß wenigstens als irgendwie geschützter Raum tatsächlich zu Unterkunftszwecken genutzt werden. Beides ist jedoch bei den sogenannten offenen Zubehörflächen offensichtlich nicht der Fall. 3. Fazit Die Bestimmung des Wohnungsbegriffs durch die herrschende Auffassung erscheint nach alledem widersprüchlich. Nach der von ihr vertretenen Definition ist es unabdingbar erforderlich, daß eine abgeschlossene Raumeinheit zumindest vorübergehend tatsächlich der Unterkunft von Menschen dient. Trotzdem sollen auch Räume, die selbst nicht innerhalb der Unterkunftszwecken dienenden, nach außen abgeschlossenen Raumeinheit liegen, als Wohnungsbestandteile unter den Wohnungsbegriff des § 123 subsumiert werden.25 Andere dehnen den Wohnungsbegriff sogar noch auf offene Zubehörflächen der Wohnung aus und setzten sich damit über die Wortlautgrenze hinweg. III. Das durch § 123 geschützte Rechtsgut Es stellt sich die Frage, ob dieser Widerspruch auf objektiv-teleologische Gründe zurückzuführen ist. Dies illustriert nochmals die Notwendigkeit, das durch § 123 geschützte Rechtsgut zu benennen. Ein Überschreiten der Wortlautgrenze, z.B. im Wege der Analogie, kann bei den strafbegründenden oder strafschärfenden Normen – im Unterschied zum Verfassungsrecht – dagegen auch teleologisch nicht begründet werden. Hierdurch würde das strafrechtliche Analogieverbot unterlaufen (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1: nulla poena sine lege).26 Die Diskussion um das Rechtsgut des § 123 wird seit Bestehen des Tatbestands geführt und ist vergleichsweise komplex. Zum besseren Verständnis ist es daher erforderlich, die wichtigsten Auffassungen, die zu diesem Problem vertreten werden, ausführlicher darzustellen. 1. Die überkommenen Deutungen a) Die öffentliche Ordnung Schon seit längerer Zeit besteht Einigkeit darüber, daß das durch § 123 geschützte Rechtsgut nicht die öffentliche Ordnung sein kann.27 Die herrschende Ähnlich Artkämper, S. 54; Heinrich, JR 1997, 89, 91. Verboten ist jede Rechtsanwendung zu Lasten des Täters, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht, BVerfG NJW 1986, 1671, 1672. 27 Vgl. Schall, S. 30; Sch / Sch-Lenckner (21. Aufl.), § 123, RN 1, beide m.w.N. 25 26

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

Ansicht in der Lehre hatte diese Auffassung schon bei Einführung des Reichsstrafgesetzbuchs abgelehnt. Denn die strafrechtliche Verfolgung eines Hausfriedensbruchs ist nur möglich, wenn der verletzte Hausrechtsinhaber (bzw. dessen Rechtsnachfolger oder gesetzlicher Vertreter) sein privates Interesse an der Bestrafung des Täters durch Stellung eines Strafantrags zum Ausdruck bringt (§§ 123 Abs. 2, 77 Abs. 1).28 Ob die Verletzung eines im Allgemeininteresse geschützten Rechtsguts wie der öffentlichen Ordnung strafrechtlich verfolgt wird, kann jedoch unmöglich allein von privaten Interessenlagen abhängig sein.29 Anhand dieser Überlegung wird evident, daß § 123 private Interessen schützt. Wie bei den meisten Straftaten kann die öffentliche Ordnung durch den Hausfriedensbruch allenfalls mittelbar verletzt werden.30 Die Einordnung des § 123 in den siebten Abschnitt unter die Straftaten gegen die öffentliche Ordnung gilt heute zu recht als verfehlt.31

b) Die Ehre Vereinzelt wurde die Auffassung vertreten, die Strafbestimmung gegen den Hausfriedensbruch schütze die Ehre.32 Unter der Geltung des römisch-rechtlich geprägten gemeinen Rechts ließ sich dies vielleicht noch damit begründen, daß das widerrechtliche Eindringen in eine fremde Wohnung als ehrbezogene Personenverletzung (iniuria) gewertet wurde.33 Heute kommt die Ehre jedoch nur dann als Rechtsgut des § 123 in Frage, wenn sie unter Zugrundelegung des strafrechtlichen Ehrbegriffs durch einen Hausfriedensbruch typischerweise verletzt oder zumindest abstrakt gefährdet wird. Eine Ehrverletzung könnte allenfalls in einer durch das widerrechtliche Eindringen zum Ausdruck kommenden, „höchstpersönlichen Mißachtung des Rechts auf Selbstbestimmung in der eigenen Wohnsphäre“34 liegen. Dies ist der Fall, wenn durch die Mißachtung des Selbstbestimmungsrechts der von der Personenwürde geforderte und die Selbständigkeit des Hausrechtsinhabers begründende Wertgeltungsanspruch in einer Weise verletzt wird, welche die Existenz- und Entfaltungsmöglichkeit des Hausrechtsinhabers einzuschränken geeig-

Kargl, JZ 1999, S. 930, 932; Schall, S. 30; Artkämper, S. 74. Ähnlich Kargl, JZ 1999, S. 930, 932. 30 Schall, S. 30; Kargl, JZ 1999, 930, 932. Es führt daher auch nicht weiter, wenn man die öffentliche Ordnung als das „in zweiter Linie“ durch § 123 geschütztes Rechtsgut ansieht, so aber Tröndle / Fischer, § 123, RN 1. 31 Artkämper, S. 73 f.; Schall, S. 30; Bernsmann, Jura 1981, 337, 338; LK-Schäfer (10. Aufl.), § 123, RN 1, m.w.N. 32 Schwarze, § 123, Anm. 1. 33 Vgl. oben, 2. Kap. A. III. 1. a). Noch fernliegender ist es, auf das germanisch-mittelalterliche Institut der Hausehre zu rekurrieren, vgl. oben 2. Kap. B. I. 3. So aber noch Schwarze, § 123, Anm. 1; v. Bar, Bd. 1, § 74. 34 Herzberg, ZStW 1982, 896, 928. 28 29

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net ist.35 Hierzu ist es wiederum erforderlich, daß dem sittlichen, personalen oder sozialen Geltungswert des Hausrechtsinhabers durch das widerrechtliche Betreten seiner Wohnung eine negative Qualität zugeschrieben wird.36 Durch das Eindringen in die Wohnung wird das Recht des Opfers negiert, selbst darüber entscheiden zu können, wer seine Wohnung betreten darf. Sein personaler Geltungswert wird hierdurch jedoch nicht in der erforderlichen Weise – durch Zuschreibung einer negativen Qualität – mißachtet. Insofern muß dasselbe gelten wie im Fall der Nichtanerkennung des Rechts am eigenen Bild. Auch diese Form der Mißachtung des Selbstbestimmungsrechts löst als „sonstige Persönlichkeitsverletzung“ keinen strafrechtlichen Ehrschutz aus.37 Nach den heute vertretenen Ehrbegriffen wird die Ehre durch die Tathandlungen des Hausfriedensbruch typischerweise gerade nicht verletzt.38 Die Ehre kommt als durch § 123 geschütztes Rechtsgut daher nicht in Frage. c) Der Hausfrieden: Zustand ungestörter Willensgeltung oder Privatsphäre Vereinzelt wurde die Ansicht vertreten, § 123 schütze den Zustand ungestörter Geltung des Willens einer Person in den ihr unterstellten Räumen, der als Hausfrieden zu bezeichnen sei.39 Auch in ihrer modifizierten Form, wonach eine äußerlich erkennbare Störung dieses Friedens erforderlich sein soll,40 kann diese Ansicht jedoch gerade ganz typische Fälle des Hausfriedensbruchs nicht erklären. So bleibt der äußere Friedenszustand unverändert, wenn ein Grundstück oder Haus in Abwesenheit des Hausrechtsinhaber betreten wird.41 Auch könnte auf der Grundlage dieser Ansicht kein Hausfriedensbruch angenommen werden, wenn der Friedenszustand in der Wohnung bereits durch innere Ereignisse, wie durch einen Streit unter den Hausbewohnern gestört ist.42 Zur Bestimmung des durch § 123 geschützten Rechtsguts ist diese Ansicht somit nicht geeignet. 35 Dies gilt auf der Grundlage des sog. „normativen“ Ehrbegriffs, vgl. statt vieler: BGHSt 36, 145, 148 mit insoweit zustimmender Anmerkung Hillenkamp, NStZ 1989, 529, 530. Die sog. „interpersonale“ Ehrauffassung stellt dagegen auf die Verletzung eines von der Menschenwürde geforderten und die Selbständigkeit der Person begründendes Annerkennungsverhältnis ab, vgl. statt vieler: NK-Zaczyk, Vor §§ 185, RN 1. In der Sache folgen hieraus jedoch keine Unterschiede, vgl. Sch / Sch-Lenckner, Vor §§ 185 ff., RN 1. 36 Sch / Sch-Lenckner, § 185, RN 2; BGHSt 36, 148; Lackner / Kühl, § 123, RN 4. 37 OLG Oldenburg NJW 1963, 920 ff.; Teubner, JR 1979, 424 f.; Sch / Sch-Lenckner, § 185, RN 3a m.w.N. 38 Im Ergebnis auch Kargl, JZ 1999, 930, 932; Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 1; Artkämper, S. 74 f.; anders Herzberg, ZStW 1982, 896, 928, dem einfachen Hausfriedensbruch sei „ein Beleidigungsmoment immanent“. 39 So noch Allfeld, S. 402. 40 Henseler, WRP 1962, 325 f. 41 Schall, S. 30 f. 42 Schall, S. 30 f.; Artkämper, S. 82.

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

Andere setzen den angeblich durch § 123 geschützten Hausfrieden oder die „Haussphäre“43 mit dem Rechtsgut der Privatsphäre gleich.44 Allein um Störungen der Privatsphäre zu vermeiden, müsse das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen in diesen Räumlichkeiten respektiert werden. Die Vertreter dieser Ansicht wollen so die dogmatisch erforderliche Trennung von Rechtsgut (Hausfrieden) und dem aus ihm erwachsenden (Selbstbestimmmungs)Recht (Hausrecht) verdeutlichen.45 Die Annahme, das Rechtsgut des § 123 sei die Privatsphäre, kann jedoch nicht überzeugen: Zum einen kann sie nicht erklären, warum auch das nicht funktional mit einem Wohnbereich verbundene, befriedete Besitztum sowie die öffentlichen Dienst- und Verkehrsräume, also solche Räumlichkeiten, in denen sich auch nach dem weiten verfassungsrechtlichen Verständnis regelmäßig keine Privatsphäre entfalten wird, vor widerrechtlichem Eindringen und unbefugtem Verweilen strafrechtlich geschützt sind.46 Zum anderen haben es die Vertreter dieser Ansicht sogar für das Tatobjekt der Wohnung versäumt, den Begriff der angeblich strafrechtlich geschützten Privatsphäre soweit zu konkretisieren, daß sich hierauf die Annahme stützen ließe, bei einem Wohnungshausfriedensbruch werde sie typischerweise immer verletzt oder gefährdet. Vom rechtsgeschichtlichen Standpunkt aus verkürzt die isolierte Gleichsetzung von Hausfrieden und Privatsphäre die umfassenden Schutzwirkungen des mittelalterlichen Hausfriedens in unzutreffender Weise.

2. Das Hausrecht: Ein persönliches Rechtsgut eigener Art Da § 123 offenbar keines dieser „allgemeineren“ Rechtsgüter schützt, hat die heute noch herrschende Auffassung das Hausrecht zum Rechtsgut des § 123 erhoben.47 Dabei soll es sich um ein persönliches Rechtsgut eigener Art handeln, welches vor allem Freiheits- und Besitzinteressen miteinander verknüpft.

a) Das Hausrecht als Möglichkeit zum „freien Schalten und Walten“ Eine häufig zitierte Beschreibung des Rechtsguts „Hausrecht“ hat v. Liszt aufgestellt, indem er es als das Interesse an ungestörter Betätigung des eigenen Willens in der eigenen Wohnung und dem umfriedeten Besitz, und damit zugleich als das Kageler, S. 51 f. Hierauf laufen die Ansichten von Armknecht, S. 73 f., Stoiber, S. 17 f., Arzt / Weber, § 8, RN 5 und Bockelmann, § 19 B I hinaus, auch wenn sie die Privatsphäre mit unterschiedlichen Begriffen (Sphäre des „Geborgenseins“, „Ungestörtseins“ oder „Haussphäre“) bezeichnen. 45 Vgl. Stoiber, S. 30. 46 Ähnlich Artkämper, S. 83. 47 OLG Hamm NJW 1982, 2676, 2677; OLG Köln JR 1984, 28, 29; LK-Schäfer (10. Aufl.), § 123, RN 1; Tröndle / Fischer, § 123, RN 1; Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 1; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT I, Tb. 1, S. 303; Gössel, BT I, S. 403 f.; Wessels / Hettinger, RN 573; Rengier, BT II, § 30, RN 1. 43 44

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Interesse an dem „freien Schalten und Walten in Haus und Hof“ bestimmt hat.48 Gegen diese unscharfe und bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale kaum hilfreiche Formel wird schon seit längerem überzeugend eingewandt, daß der von v. Liszt unterstellte, umfassende Freiheitszustand, die Möglichkeit des „freien Schaltens und Waltens“ in den in § 123 genannten Räumlichkeiten in der Realität regelmäßig gar nicht vorhanden ist.49 Sehr deutlich wird dies an den Beispielen der Geschäftsräume und der öffentlichen Dienst- und Verkehrsräume. Im ersten Fall ist die Willensbetätigungsfreiheit des Geschäftsherrn schon durch eine Vielzahl arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen massiv eingeschränkt.50 Im letzteren Fall ist der Inhaber des Hausrechts, in der Regel also der Behördenleiter, strikt an die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung der Räume gebunden.51 Aber auch in Bezug auf die Wohnung greift die v. Lizstsche Formel zu weit, weil sie verdeckt, daß es § 123 nicht um die Gewährleistung einer umfassenden Willensbetätigungsfreiheit geht, sondern um die strafrechtliche Sanktionierung der Mißachtung einer Ausschlußbefugnis, die sich auf bestimmte räumlich abgegrenzte Sphären bezieht.

b) Das Hausrecht als „Anspruch auf räumliche Distanz“ Um diese Einwände zu entkräften, versuchen einige Vertreter der herrschenden Ansicht, die Rechtsgutsbestimmung v. Liszts im Sinne einer bloßen Ausschließungsfreiheit zu präzisieren: Das persönliche Rechtsgut des Hausrechts sei identisch mit dem Entscheidungsrecht darüber, wer sich in den in § 123 genannten Räumlichkeiten aufhalten darf und wer nicht.52 Geschützt sei also der gesteigerte, an besonders tabuisierte und deshalb auch besonders schutzwürdige Örtlichkeiten anknüpfende „Anspruch auf räumliche Distanz“.53 Gerade an dieser Formulierung läßt sich jedoch ein dogmatischer Kerneinwand festmachen, der von der herrschenden Meinung bisher nicht widerlegt werden konnte. Die Behauptung, § 123 schützte einen „Anspruch auf räumliche Distanz“, verdeutlicht, daß diese Ansicht den Inhalt eines Rechts (des Hausrechts) mit dem durch das Recht geschützten Interesse gleichsetzt.54 Dies ist aus dogmatischer 48 v. Liszt, S. 397; im Anschluß daran v. Olshausen, § 123, Anm. 2; Preisendanz, § 123, Anm. 1. 49 Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 357; ähnlich Engeln, S. 34; Krey, BT I, RN 431; Wessels / Hettinger, RN 573; i.E. auch Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 1. 50 Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 357; Engeln, S. 34. 51 Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 357; Engeln, S. 34. 52 Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 1; Tröndle / Fischer, § 123, RN 1; Wessels / Hettinger, RN 573; Krey, BT I, S. 218. Im Anschluß an Eckhardt, S. 188, der aber die Bezeichnung dieses Rechtsguts als Hausrecht ablehnt, ders., S. 186 ff. 53 Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 1. 54 Engeln, S. 34; im Anschluß daran Kargl, JZ 1999, 930, 932; Artkämper, S. 89; vorher bereits: Armknecht, S. 70 f.; Trabandt, S. 14; Stoiber, S. 28 ff.

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Sicht nicht haltbar. Denn es muß stets streng zwischen dem Inhalt eines Rechts und den hinter dem Recht stehenden, geschützten Interessen unterschieden werden.55 Die geschützten Interessen bilden die dogmatische Grundlage, aus der erst der konkrete Inhalt des Rechts zu entwickeln ist. Ein (subjektives) Recht ist seinem Wesen nach nur das Mittel, mit dem der einzelne sein geschütztes Interesse zwangsweise durchsetzen kann. Diesem grundlegenden Manko wird auch nicht durch den Verweis abgeholfen, das Recht, über die Aufenthaltsbefugnis Dritter zu entscheiden, knüpfe an „besonders tabuisierte und deshalb auch besonders schutzwürdige Örtlichkeiten“ an.56 Denn die Gründe für Tabuisierung und Schutzwürdigkeit, also die zu schützenden Interessen selbst, bleiben dabei weiterhin im Dunkeln. Folge dieses dogmatischen Mankos ist, daß die herrschende Ansicht das Rechtsgut des § 123 mit Hilfe der Bezugsobjekte des Hausrechts, also der in § 123 genannten Tatobjekte, bestimmen muß, obwohl doch die Bestimmung des Rechtguts unter anderem gerade den Sinn hat, einen Maßstab für die objektiv-teleologische Auslegung der einzelnen Tatbestandmerkmale und folglich auch der einzelnen Tatobjekte des Hausfriedensbruchs zu finden. Dies ist auf der Grundlage der herrschenden Meinung gerade nicht möglich. Streng genommen muß sie vielmehr zu einem Zirkelschluß führen: Das Rechtsgut soll durch die Tatobjekte, und gleichzeitig sollen die Tatobjekte durch das Rechtsgut bestimmt werden.57 Auch ein weiterer, gewichtiger Einwand konnte durch die Vertreter der herrschenden Ansicht bisher nicht entkräftet werden: Nach der h.A. schützt § 123 nur die sich aus dem zivilrechtlichen Besitzschutz ableitende Ausschließungsbefugnis, die von ihr als Anspruch auf räumliche Distanz beschrieben wird. Dabei handelt es sich der Sache nach um das zivilrechtliche Besitzschutzrecht. Nach den §§ 858 ff., 1004 BGB steht jedem Grundeigentümer und jedem (unmittelbaren) Besitzer das Recht zu, darüber zu entscheiden, wer sich auf seinem Grundstück aufhalten darf und wer nicht. Warum die Verletzung dieses Rechts strafrechtlich sanktioniert ist, wenn es in Bezug auf die in § 123 genannten Territorien besteht, die Besitzstörung in Bezug auf andere bewegliche Sachen oder Grundstücke hingegen straffrei bleibt, kann auf der Grundlage der h.A. nicht erklärt werden.58 Wenn Lenckner darauf hinweist, der „Anspruch auf räumliche Distanz“ knüpfe an besonders tabuisierte Örtlichkeiten an und sei deshalb etwas anderes als der bloße Besitz, so beschränkt er sich lediglich auf eine Beschreibung dieses Problems, ohne eine Lösung anzubieten.59 Der Grund für die Privilegierung, und damit das als Rechtsgut Vgl. hierzu Enneccerus / Nipperdey, AT / 1, § 72; Lehmann, § 10 IV; Brox, AT, RN 568. So Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 1. 57 In diesem Sinne auch Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 356 f.; Artkämper, S. 87 ff. 58 Vgl. Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 356: Auch wer eine nicht eingezäunte Wiese unbefugt betritt, stört den unmittelbaren Besitz des berechtigten Landwirts, der zu seinem Schutz die Rechte aus §§ 859 ff. BGB geltend machen kann. Gleichwohl begeht der Störer nach ganz überwiegender Auffassung keinen Hausfriedensbruch. Im Anschluß daran: Engeln, S. 35. 59 Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 1. 55 56

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geschützte, wesentliche Interesse, welches die strafrechtliche Sanktionierung der Verletzung des Besitzschutzrechts an diesen Territorien rechtfertigen könnte, bleibt nach wie vor im Dunkeln.

c) Die Freiheit als das hinter dem Hausrecht stehende, geschützte Interesse Um diesem Einwand zu entgehen, deklarieren manche Autoren die Freiheit als hinter dem Hausrecht stehendes Interesse.60 Als Kern des Hausrechts sei die Freiheit der Entscheidung darüber geschützt, wer sich in den durch § 123 genannten Räumlichkeiten aufhalten dürfe und wer nicht.61 Ob dies geeignet ist, die gegen das Rechtsgut „Hausrecht“ bestehenden Einwände zu entkräften, ist jedoch äußerst zweifelhaft. Durch die Tatbestände des 18. Abschnitts wird das Rechtsgut der persönlichen Freiheit geschützt. Diese erschöpft sich in der Willensentschließungsfreiheit und der Willensausübungsfreiheit.62 Die Willensentschließungsfreiheit wird beeinträchtigt, wenn es jemandem unmöglich gemacht wird, einen Willen überhaupt zu bilden oder wenn er durch deliktischen Zwang bzw. List zu einem bestimmten Entschluß gebracht wird.63 Die Willensausübungsfreiheit wird verletzt, wenn jemand an der Umsetzung seines bereits gebildeten Willens gehindert, also insbesondere gegen seinen Willen zu einem bestimmten Verhalten gezwungen wird.64 Diese beiden Aspekte der Willensfreiheit tangiert der Hausfriedensbrecher in der Regel nicht. Durch das Eindringen oder Verweilen in die bzw. in den genannten Räumlichkeiten wird der Hausrechtsinhaber weder daran gehindert, den Entschluß zu fassen, dem Täter den Aufenthalt in den Räumen zu verbieten, noch daran, dieses Verbot zu verhängen oder es mittels Selbsthilfe oder Notwehr durchzusetzen, also seinen Willen durch ein äußerlich wahrnehmbares Verhalten zu betätigen.65 Der Hausfriedensbrecher widersetzt sich (lediglich) dem vom Hausrechtsinhaber bereits verhängten Verbot. Durch diese schlichte Negierung der bereits erfolgten Betätigung eines fehlerfrei gebildeten Willens wird nicht die persönliche Freiheit, also das durch die Tatbestände des 18. Abschnitts geschützte Rechtsgut verletzt, sondern allenfalls ein der allgemeinen Entfaltungsfreiheit zuzurechnendes Interesse an der Beachtung einer bereits erfolgten Willensausübung. Es wird die dem 60 Vgl. nur die bekannte Formulierung von Welzel, S. 332, wonach das Hausrecht ein „Stück lokalisierter Freiheitssphäre“ sei. Ähnlich Eckhardt, S. 188 („Willensorientierte Entfaltungsfreiheit“); Rosenfeld, S. 392; heute Wessels / Hettinger, RN 573. 61 Wessels / Hettinger, RN 573. 62 Vgl. Sch / Sch-Eser, Vor §§ 234 ff., RN 2 ff.; Wessels / Hettinger, RN 380; noch enger: Hruschka, JZ 1995, 737, 743. 63 Sch / Sch-Eser, Vor §§ 234, RN 2. 64 Sch / Sch-Eser, Vor §§ 234, RN 3. 65 I.E. auch Kargl, JZ 1999, 930, 933; Artkämper, S. 75 ff.

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Hausrechtsinhaber kraft besitzrechtlicher Befugnisse zustehende Machtposition untergraben, die es ihm erlaubt, nur ihm genehme Personen in seiner häuslichen und geschäftlichen Sphäre zuzulassen.66 Vornehmlich wird durch den Hausfriedensbruch also das Interesse an der Beherrschung eines Territoriums beeinträchtigt. Bestimmt man jedoch die allgemeine Entfaltungsfreiheit als das durch § 123 geschützte Rechtsgut, so ist damit für die Lösung der Tatbestandsprobleme des § 123 nichts gewonnen. Denn wie in der Literatur bereits gezeigt worden ist, verletzt ein Täter bei einer Vielzahl von Delikten letztlich die Entfaltungsfreiheit des Opfers, weil er die Disposition, die das Opfer über ein in seiner Herrschaftsmacht stehendes Gut getroffen hat, nicht anerkennt.67 Dies gilt insbesondere für den Diebstahl und die Sachbeschädigung. Ein solch unbestimmtes „Auffangrechtsgut“ ist als Maßstab objektiv-teleologischer Auslegung kaum geeignet. Überdies muß es wie bei den §§ 242, 303 mit dem Eigentum ein spezifisches Interesse geben, welches es rechtfertigt, das Widersetzen gegen die erfolgte Willensbetätigung des Hausrechtsinhabers in Bezug auf die Schutzobjekte des § 123 zu bestrafen. Vieles deutet bereits jetzt darauf hin, daß es sich dabei um eine besondere Form des Interesses an ungestörter Sachbeherrschung (Besitzschutzinteresse) handeln wird. Somit steht fest: Die gegenwärtig von der herrschenden Meinung aufgestellte Definition, das Hausrecht sei die Befugnis, innerhalb bestimmter geschützter Räume zu bestimmen, wer sich darin aufhalten darf und wer nicht, ist zur Lösung der Tatbestandsprobleme des Hausfriedensbruchs nicht geeignet.68

3. Differenzierende Betrachtungen a) Schall Schall erkannte eine weitere Schwäche der herrschenden Auffassung: Das Hausrecht als mit der persönlichen Freiheit verwandtes Rechtsgut wurde im wesentlichen am Leitbild der Wohnung ausgerichtet, ohne daß die übrigen Tatobjekte dabei hinreichend berücksichtigt worden wären.69 So argumentieren manche Vertreter der h.M. z.B., vermietete Hotel- und Gasthauszimmer müßten unter den Wohnungsbegriff subsumiert werden, weil diese während des Anmietungszeitraums die Privatsphäre des Gastes bildeten, in der er frei von Störungen Dritter walten können soll.70 Die Privatsphäre kommt jedoch als das hinter dem Schutz der öffentlichen Dienst- und Verkehrsräume oder des befriedeten Besitztums stehende Interesse 66 67 68 69 70

Im Ansatz Eckhardt, S. 188 ff. Vgl. nur Schall, S. 34 f. So schon Schall, S. 42; Kargl, S. 930, 934. Schall, S. 35 f. Vgl. nur LK-Schäfer (10. Aufl.), § 123, RN 7.

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offensichtlich nicht in Betracht.71 Überdies interpretiert Schall die Regelungen des Hausfriedensbruchs in § 214 und § 346 Nr. 1 prStGB 1851 als ahistorische Vermengung des auf bewohnte Sphäre bezogenen, historischen Hausfriedensbruchs und des dem Schutz öffentlicher Ordnungsinteressen dienenden Burgfriedensbruchs. Er gelangt daher zu der Konsequenz, daß es ein für alle geschützten Räumlichkeiten in gleichem Maße geltendes, einheitliches Hausrecht nicht geben könne.72 Weiterhin geht Schall – auf dem positivistischen Ansatz Welzels73 und der Rechtsgutslehre Amelungs74 aufbauend – von einem strukturell-funktionalen Rechtsgutsbegriff aus, den er um Elemente des soziologischen Funktionalismus ergänzt.75 Danach wird ein Rechtsgut durch zwei Faktoren bestimmt: Zunächst – positivistisch – durch den von der Norm geschützten, realen Gegenstand, der durch ein gütererzeugendes Werturteil des Gesetzgebers als derjenige Realitätsausschnitt definiert ist, der als Rechtsgut geschützt werden soll.76 Als zweiter Faktor soll ein „außerrechtlichen Ordnungszusammenhängen entnommenes Korrektiv“ erforderlich sein, welches die Positivierbarkeit des Rechts begrenzen und so gewährleisten soll, daß die aufgrund gesetzgeberischen Werturteils schützenswerten Güter sich auch als Rechtsgüter zum Schutz des einzelnen darstellen und nicht nur wegen des gesetzgeberischen Wertungsakts selbst geschützt werden.77 Dies gelinge nur, wenn die gesellschaftspolitische Aufgabe des Strafrechts gebührend berücksichtigt werde, die darin bestehe, die „Existenzbedingungen der in einer Gesellschaft zusammenlebenden Bürger“ zu sichern.78 Ein durch positivistisches Werturteil statuiertes Rechtsgut ist danach also nur schützenswert, wenn sein Schutz einen Beitrag zur Bewältigung der Organisationsprobleme der Gesellschaft leistet. Diese unabdingbar erforderliche Sozialbezogenheit des Rechtsguts beschreibt Schall anhand des soziologischen Funktionalismus, insbesondere der analytischen Systemtheorie Parsons’.79 Danach müsse das Rechtsgut konkrete Bedingungen erfüllen, die dazu beitragen, den Bestand der Gesellschaft zu sichern. In der Terminologie der Systemtheorie bedeutet dies: Das Rechtsgut muß eine soziale Funktion erfüllen, die notwendig ist, um das soziale System (die gesellschaftliche Organisationsform) zu erhalten.80 In der Erhaltung dieser sozialen Funktion des Rechtsguts – und nur darin – sieht Schall die tiefere, u.U. zu Korrekturen der gesetzgeberischen Wertung

Schall, S. 35 f. Schall, S. 41. 73 Welzel, ZStW 58 (1939) ,491 ff. 74 Vgl. hierzu Amelung, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft. 75 Schall, S. 77 ff. 76 Schall, S. 68. 77 Schall, S. 69. 78 Schall, S. 73, der insoweit der Konzeption Amelungs, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft, S. 370 ff., folgt. 79 Vgl. Parsons, S. 25 ff. 80 Schall, S. 77 ff. 71 72

15 Krumme

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

zwingende Rechtfertigung der Strafnorm. Erfüllt das Rechtsgut keine soziale Funktion, so sei die entsprechende Strafnorm gar als verfassungwidrig zu beurteilen.81 Sozialschädlich und strafwürdig ist ein Verhalten auf der Grundlage dieses Rechtsgutsbegriffs, wenn es die geschützten Rechtsgüter in ihrer sozialen Funktion verletzt, d.h. eine zur Lösung gesellschaftlicher Organisationsprobleme unabdingbar erforderliche, konkrete Bedingung beeinträchtigt. Die sich hieraus ergebende Frage, wie die soziale Funktion des jeweiligen Rechtsguts – die sich logischerweise entscheidend auf die Auslegung des jeweiligen Tatbestands auswirken muß – zu ermitteln sei, beantwortet Schall ebenfalls auf der Grundlage der analytischen Systemtheorie: Danach kann die Notwendigkeit von Systemfunktionen (die Notwendigkeit der sozialen Funktion des Rechtsguts zur Lösung gesellschaftlicher Organisationsprobleme) nur durch eine soziologische Analyse erkannt werden, welche die Wirkung der Funktion auf das soziale System untersucht.82 Die richtige Auslegung eines Tatbestands erfordert somit zumindest von der Rechtswissenschaft immer eine soziologische Analyse der durch ihn geschützten Rechtsgüter.83 Neben der Aufdeckung der Unzulänglichkeiten der h.M. führt vor allem die Prämisse dieses Rechtsgutsbegriffs fast zwangsläufig zu der zwischen den Räumlichkeiten des § 123 differenzierenden Betrachtungsweise. Es ist offensichtlich, daß jede dieser Räumlichkeiten einen eigenen „Realitätsausschnitt“ bildet, der jeweils unterschiedliche Beiträge zur Lösung gesellschaftlicher Organisationsprobleme leistet. Seinem theoretischen Ansatz konsequent folgend führt Schall sodann eine soziologische Analyse der einzelnen Schutzobjekte des § 123 durch, um deren soziale Funktionen zu ermitteln. Im Bereich der Wohnung kommt Schall dabei zu dem Ergebnis, daß ihr entscheidendes Kriterium die räumlich umgrenzte und vor dem Einblick Dritter geschützte, häusliche Privatsphäre sei. Der strafrechtliche Schutz dieser Sphäre sei erforderlich, weil sich in ihr drei Prozesse vollzögen, die zur Lösung gesellschaftlicher Organisationsprobleme beitrügen: Erstens schaffe die häusliche Privatsphäre Raum für die durch die Kernfamilie zu leistende Sozialisation des Kindes, wodurch die für das Bestehen sozialer Strukturen notwendige Vermittlung kultureller Normen und Werte geleistet und so die für das Leben in der Gesellschaft erforderliche soziale Homogenität aufgebaut würde (Sozialisierungsfunktion). Zweitens entlaste die in der Wohnung vorhandene Geheimnis- und Privatsphäre den Menschen von dem im Außenbereich vorhandenen Konformitätsdruck (Entlastungsfunktion). Damit verschaffe die häusliche Privatsphäre dem Individuum drittens den zur freien Selbstentfaltung erforderlichen Freiraum. Die freie Selbstentfaltung sei wiederum Vorbedingung einer konsistenten Selbstdarstellung. Das Rechtsgut im Bereich der Wohnung bestimmt Schall daher als eine dem Menschen zum Zwecke häuslichen Lebens dienende, umschlossene Räumlichkeit, die vor der Wahrnehmung Dritter 81 82 83

Schall, S. 88. Schall, S. 82 ff. und 88. Schall, S. 82 ff., 88 und 90.

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abgeschirmt ist und dadurch einen Freiraum häuslicher Privatheit ermöglicht, in dem sich in der Regel drei gesellschaftlich-funktionale Prozesse vollziehen: die Sozialisation des Kindes durch die Familie, der Spannungsausgleich des Einzelnen und die individuelle Selbstentfaltung als Voraussetzung der persönlichen Selbstdarstellung.84 Die Geschäftsräume identifiziert Schall als denjenigen Sozialbereich, in dem sich das Arbeits- und Berufsleben abspielt, weshalb er sie mit dem Begriff der Arbeitsräume bezeichnet.85 Von den sozialen Funktionen der Arbeit ausgehend, die er in der Lösung des gesellschaftlichen Problems der Mittelbeschaffung und der Angleichung des einzelnen an die gesellschaftlichen Normen sieht, definiert Schall das Rechtsgut im Bereich der Arbeitsräume wie folgt: Es sei die durch die Arbeitsräume äußerlich abgesteckte, halböffentliche Sphäre, in der sich rational und formal organisierte Arbeitsprozesse vollziehen, mit dem gesellschaftlich-funktionalen Ziel der Mittelbeschaffung und der Angleichung an die gesellschaftlichen Normen.86 Der entscheidende Unterschied zum Rechtsgut im Bereich der Wohnung ist die „Halböffentlichkeit“ der Arbeitsräume: Anders als die Wohnung müssen die Arbeitsräume in dem Maße zugänglich sein, daß die erforderliche Kooperation und Kontaktaufnahme mit Kunden und anderen am Arbeitsprozeß Beteiligten möglich wird; gleichwohl muß der Ablauf der Arbeitsprozesse durch räumliche Abschirmung vor störenden Eingriffen Dritter geschützt werden. Das Rechtsgut im Bereich der zum öffentlichen Dienst und Verkehr bestimmten Räume beschreibt Schall dagegen als die durch den Dienst- und Verkehrsraum abgesteckte halböffentliche Sphäre, die der sozialen Funktion der Durchführung der durch das öffentliche Recht vorgezeichneten Gemeinschaftsaufgaben dient.87 Ähnlich wie die Arbeitsräume sieht Schall auch die öffentlichen Dienst- und Verkehrsräume also in dem Spannungsverhältnis zwischen Zugänglichkeit und Abgeschirmtheit (= Halböffentlichkeit), welches Voraussetzung dafür ist, daß die gesellschaftserhaltenden Prozesse widmungsgemäß ablaufen können. Im befriedeten Besitztum spielen sich dagegen nach der Auffassung Schalls keine näher bestimmbaren Prozesse ab, die wegen ihrer sozialen Funktion strafrechtlich geschützt werden müßten.88 Das befriedete Besitztum sei lediglich im Interesse der allgemeinen Friedenswahrung geschützt. Dieses Schutzinteresse sei mit dem der zivilrechtlichen Besitzschutzrechte identisch, werde aber auch strafrechtlich geschützt, weil der zivilrechtliche Besitzschutz für unbewegliche Sachen nicht ausreiche.89 Da die Schutzfunktion der Friedenswahrung keinen bedeutenden Bei84 85 86 87 88 89

15*

Schall, S. 134 f. Schall, S. 116 f. Schall, S. 150 f. Schall, S. 160. Schall, S. 169. Schall, S. 169.

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

trag zur Lösung gesellschaftlicher Organisationsprobleme leiste, solle das unbefugte Betreten des befriedeten Besitztums und das unbefugte Verweilen darin de lege ferenda nur noch als Ordnungswidrigkeit bestraft werden.

b) Kritische Stellungnahme Die gegen diese Konzeption vorzubringende Kritik muß bereits an dem von Schall vertretenen Rechtsgutsbegriff ansetzen. Auf seiner Grundlage kann ein Verhalten nur dann als rechtswidrig (= sozialschädlich) beurteilt werden, wenn es die Funktionalität des gesellschaftlichen Ordnungssystems stört. Die Person wird also nicht um ihrer selbst willen geschützt, sondern lediglich zur Erhaltung der Systemfunktionalität.90 In letzter Konsequenz bedeutete dies: Die Person dürfte der Gesellschaft auch aufgeopfert werden, wenn nur das Funktionieren des sozialen Gesamtsystems unbeeinträchtigt bliebe.91 Auch wenn Schall diese letzte Konsequenz sicherlich nicht ziehen würde, weil er sich nicht in Widerspruch zu den fundamentalen Wertentscheidungen des Grundgesetzes – insbesondere des Art. 1 Abs. 1 und Abs. 3 GG – setzen wollte;92 die grundsätzlich angelegte Widersprüchlichkeit zwischen diesem Rechtsgutsbegriff und dem Prinzip der Menschenwürde, und damit letztlich dem Menschenbild des Grundgesetzes, bleibt bestehen: Das einseitige Abstellen auf die gesellschaftserhaltende Funktion der Schutzobjekte verdeckt, daß vorrangige Funktion eines jeden Rechtsgüterschutzes nur der grundrechtlich verbürgte Schutz des aus der Menschenwürde zu folgernden Eigenwerts (Art. 1 Abs. 1 GG) und der Entfaltungsmöglichkeiten der (Opfer)Person (Art. 2 Abs. 1 GG) sein kann.93 Voraussetzung hierfür ist sicherlich ein funktionierendes, rechtsstaatlichdemokratisches Gesellschaftssystem. Letzteres muß aber stets dem Wohl des Einzelnen verpflichtet bleiben und darf nicht zum Selbstzweck werden.94 Der aus dem strukturell-funktionalen Rechtsgutsbegriff folgende Sozialschadensbegriff hat zur Folge, daß eine strafwürdige Verwirklichung des Hausfriedensbruchstatbestandes nur vorliegt, wenn die sozialen Funktionen des jeweiligen Schutzobjekts durch das Täterverhalten tatsächlich beeinträchtigt werden.95 Das Wohnungshausrecht wäre danach nur verletzt, wenn der Täter den innerhalb der Familie stattfindenden Sozialisationsprozeß des Kindes, den Spannungsausgleich des einzelnen oder die individuelle Selbstentfaltung als Voraussetzung der persön90 Vgl. Hassemer, ZStW 87 (1975), 146, 162 und Roxin, AT I, § 2, RN 33, beide jeweils zur Rechtsgutslehre Amelungs, auf der Schall aufbaut. 91 Roxin, AT I, § 2, RN 33. 92 So schränkt auch Amelung sein Konzept hierdurch ein, vgl. ders., Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft, S. 389 f.; in diesem Sinne wohl auch Schall, S. 86 ff. 93 Ähnlich Roxin, AT I, § 2, RN 33; wohl auch in diesem Sinne bereits Otto, JR 1978, 220. 94 So insbesondere auch Roxin, AT I, § 2, RN 33. 95 Vgl. Artkämper, S. 85 f.; Engeln, S. 36; Amelung, ZStW 98 (1986), S. 355, 359; LKLilie, § 123, RN 7.

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lichen Selbstdarstellung nachweislich verhindert oder stört.96 Voraussetzung einer Verletzung des Hausrechts in Geschäftsräumen wäre die Störung der auf Mittelbeschaffung und soziale Angleichung gerichteten Arbeitsprozesse. Das Hausrecht in öffentlichen Gebäuden wäre nur bei Vorliegen einer Beeinträchtigung der auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gerichteten Abläufe verletzt.97 Dies ist mit dem Wortlaut des § 123 jedoch ganz offensichtlich nicht vereinbar.98 Denn danach ist zur Verwirklichung des Hausfriedensbruchs nur ein Eindringen oder ein unbefugtes Verweilen in die genannten Räumlichkeiten erforderlich. Die genannten Sozialprozesse werden durch diese Tathandlungen jedoch nicht notwendigerweise beeinträchtigt. Das unbefugte Verweilen im Windfang eines Einfamilienhauses dürfte auf die Sozialisation des Kindes oder die Selbstentfaltung oder Selbstentlastung des Hausrechtsinhabers keine signifikant negativen Auswirkungen haben. Weiterhin erscheint eine Beeinträchtigung der Sozialprozesse auf andere Weise als durch das Eindringen, etwa durch Beobachten, Lauschen oder die Verursachung durch Lärm durchaus möglich zu sein. Nach Schalls Konzeption müßten strenggenommen auch solche Verhaltensweisen, die die Sozialprozesse beeinträchtigen, ohne daß der Täter die geschützte Räumlichkeit unbefugterweise betritt, wegen Hausfriedensbruchs strafbar sein. Eine Auslegung des § 123 in diesem Sinne muß jedoch ebenfalls am Wortlaut des § 123 scheitern. Mittlerweile ist Schall zwar von dem Erfordernis der Beeinträchtigung der sozialen Funktionen der Schuztobjekte abgerückt.99 Damit setzt er sich jedoch streng genommen in Widerspruch zu dem von ihm zugrunde gelegten strukturell-funktionalen Rechtsgutsbegriff und den Grundlagen seiner Sozialschadenslehre. Danach ist die Störung einer Systemfunktion für das Vorliegen eines rechtswidrigen, sozialschädlichen Verhaltens konstitutiv.100 Daß sich die differenzierende Betrachtungsweise Schalls mit den Sätzen des geltenden Rechts nicht vereinbaren läßt, wird auch daran deutlich, daß sie dazu zwingt, das befriedete Besitztum aus dem Kreis der durch § 123 geschützten Räumlichkeiten auszuschließen. Es ist unmöglich, die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten des befriedeten Besitztums in der Form einer spezifischen, systemerhaltenden Funktion soziologisch zu typisieren.101 Schall muß deshalb zu dem Schluß kommen, daß der Beitrag des befriedeten Besitztums zur Lösung gesellschaftlicher Organisationsprobleme nicht zwingend notwendig ist und somit auch nicht durch eine Strafdrohung gesichert werden darf.102

Schall, S. 135. Schall, S. 162. 98 Artkämper, S. 85 f.; Engeln, S. 36; Amelung, ZStW 98 (1986), S. 355, 359; LK-Lilie, § 123, RN 7. 99 Schall, NJW 1983, 241, 245, Anm. 49. 100 Vgl. oben, a). 101 Amelung, ZStW, 98 (1986), S. 355, 359 f. 102 Vgl. Artkämper, S. 85; Engeln, S. 36. 96 97

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

Die differenzierende Betrachtungsweise Schalls ist somit von der vom Wortlaut vorgegebenen Struktur des Hausfriedensbruchstatbestands grundsätzlich nicht gedeckt. Der Hausfriedensbruchstatbestand müßte auf der Grundlage der Schallschen Konzeption einen anderen tatbestandlichen Schutzumfang erhalten und in mehrerlei Hinsicht umformuliert werden. Sie geht über die Grenzen erlaubter Gesetzesinterpretation hinaus. Die normative Verbindlichkeit des geltenden Hausfriedensbruchstatbestands wird dadurch in Frage gestellt. Durch die hier vorliegende Art der Übertragung soziologischer Typisierungen ins Normative wird letztlich das strikt einzuhaltende, methodische Gebot der Autonomie der Rechtswissenschaft verletzt.103 Überdies sucht Schall die Erforderlichkeit des Schutzes des befriedeten Besitztums durch das erhöhte Schutzbedürfnis des Immobiliarbesitzers zu rechtfertigen.104 Dieses Schutzbedürfnis soll aus dem zur Systemerhaltung erforderlichen Gebot allgemeiner Friedenssicherung entspringen. Dies läßt bereits jetzt vermuten, daß es sich bei den Differenzierungen hinsichtlich der übrigen Räumlichkeiten gar nicht um verschiedenartige Rechtsgüter, sondern lediglich um verschiedene, soziologisch als systemerhaltend typisierbare Raumnutzungsformen handelt, die aufgrund der Beherrschung einer räumlich abgegrenzten Sphäre möglich werden. Es deutet somit einiges darauf hin, daß das Interesse an ungestörter Ausübung der Sachherrschaft, zivilrechtlich gesprochen also das Interesse an ungestörtem Besitz, nicht nur das hinter dem Schutz des befriedeten Besitztums, sondern das hinter § 123 insgesamt stehende Interesse sein könnte. Auch Schall kann nicht erklären, warum der Besitz an den in § 123 aufgeführten Räumlichkeiten oder auch nur an dem befriedeten Besitztum durch strafrechtlichen bzw. ordnungswidrigkeitsrechtlichen Schutz privilegiert werden soll.105 Der Hinweis auf die besondere Schutzbedürftigkeit des Immobilarbesitzers, der seinen Besitz nicht in der gleichen Weise schützen könne wie der Besitzer beweglicher Sachen,106 hilft insoweit nicht weiter. Auch der Besitzer eines nicht eingefriedeten Waldes ist in diesem Sinne schutzbedürftig, das unbefugte Betreten des Waldes jedoch unbestrittenermaßen nicht als Hausfriedensbruch strafbar. Gegen Schalls Deutung des befriedeten Besitztums treffen die bereits gegen die herrschende Meinung gerichteten Argumente ebenfalls zu.107 c) Modifikationen Aller Kritik zum Trotz können mit Hilfe der Schallschen Konzeption – gerade im Bereich der Wohnung – die Auslegungsergebnisse der h.M. sehr plausibel be103 104 105 106 107

Vgl. Wank, S. 79 ff. Schall, S. 169. Ähnlich Amelung, a. a. O., S. 360. Schall, S. 169. Vgl. oben, 2. a).

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gründet werden.108 So kann Schall z.B. ohne weiteres erklären, warum ein bewohntes Hotelzimmer, welches der Mieter zu seiner Privatsphäre gemacht hat, unter den Begriff der Wohnung fällt, leerstehender Wohnraum, der niemandes häusliche Privatsphäre beherbergen kann, dagegen nicht. Die oben dargestellte Kritik hat daher zunächst Rudolphi und kürzlich Kargl zu Modifikationen veranlaßt, die die positiven Aspekte der differenzierenden Betrachtungsweise erhalten sollen. aa) Mittelbarer, formalisierter Schutz der differenzierten Rechtsgüter (Rudolphi) Um die Schwächen der Deutung Schalls zu vermeiden, versucht Rudolphi eine Synthese zwischen der differenzierenden Betrachtungsweise Schalls und der herrschenden Meinung. Er bestimmt das Hausrecht im Sinne eines Anspruchs auf räumliche Distanz zum einheitlichen und unmittelbar durch § 123 geschützten Rechtsgut.109 Die materiellen Ziele, die den Gesetzgeber dazu bewogen hätten, das Hausrecht an den in § 123 genannten Räumlichkeiten zu schützen, seien hingegen so unterschiedlich wie die Tatobjekte des § 123 selbst.110 Sie sollen im wesentlichen mit den von Schall entwickelten, sozialen Funktionen der Schutzobjekte übereinstimmen.111 Diese materiellen Ziele seien aber nicht unmittelbar geschützt. Ihr Schutz sei vielmehr durch die Anknüpfung an die leicht feststellbare Verletzung der direkt geschützten, formalen Rechtsposition des Hausrechtsinhabers (= das Hausrecht) formalisiert.112 Damit gelingt es Rudolphi, wesentliche Schwächen der Schallschen Konzeption zu vermeiden. So ist eine Störung der in den Räumlichkeiten typischerweise stattfindenden Sozialprozesse nicht erforderlich. Zur Verwirklichung des § 123 reicht das unbefugte Eindringen als Verletzung der formalen Rechtsposition (des Hausrechts) aus.113 Rudolphi befindet sich insoweit im Einklang mit dem Wortlaut und kann auch die Funktion des Tatbestandsmerkmals „Eindringen“ zwanglos erklären. Ferner können und müssen die nach den Tatobjekten differierenden, materiellen Ziele gleichwohl in die teleologische Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale einfließen und helfen so dem Begründungsnotstand der h.M. insbesondere bei der Auslegung des Wohnungsbegriffs ab. Der Hausfriedensbruch in Wohnungen, Arbeitsräumen und öffentlichen Dienst- und Verkehrsräumen wird damit insgesamt einem abstrakten Gefährdungsdelikt zum Schutz der sich in diesen Räumlichkeiten vollziehenden Sozialprozesse sehr ähnlich. Ebenso Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 358. SK-Rudolphi, § 123, RN 2. 110 SK-Rudolphi, § 123, RN 2 a.E. 111 Vgl. SK-Rudolphi, § 123, RN 3 (Wohnung), RN 4 (Geschäftsräume), RN 5 (öffentliche Dienst- und Verkehrsräume). 112 SK-Rudolphi, § 123, RN 3. 113 Artkämper, S. 86; Amelung, a. a. O., S. 360 f. 108 109

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

Wie Schall kann jedoch auch Rudolphi ein „materielles Ziel“, welches mit dem Schutz des Hausrechts am befriedeten Besitztum verfolgt würde, nicht spezifizieren. Er ist daher gezwungen, die formale Rechtsposition des Hausrechtsinhabers, letztlich also das Hausrecht selbst, insoweit zum alleinigen materiellen Ziel des § 123 zu erheben. Warum diese formale Rechtsposition, auch ohne hinter ihr stehende materielle Ziele, nur in den Fällen strafrechtlich geschützt sein soll, in denen sie auf befriedete Besitztümer bezogen ist, jedoch nicht, wenn sie an anderen, nicht eingefriedeten Besitztümern besteht, denen ebenfalls keine systemerhaltenden Sozialfunktionen zugeordnet werden können, kann also auch Rudolphi nicht erklären.114 Das befriedete Besitztum bleibt auch in Rudolphis Konzeption ein Fremdkörper unter den Tatobjekten des § 123. Überdies würde auf der Grundlage von Rudolphis Ansicht ein Wertungswiderspruch entstehen. Das Hausrecht erschiene für sich genommen in Bezug auf die Tatobjekte mit spezifizierbaren Funktionen nicht als so gewichtig, daß es strafrechtlichem Schutz unterstellt werden müßte. Denn das Eindringen in die nutzungsspezifischen Tatobjekte des § 123 wäre vor allem zum mittelbaren Schutz darüber hinaus weisender materieller Ziele unter Strafe gestellt worden. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, warum der Schutz des Hausrechts als Rechtfertigung für die Bestrafung des Eindringens in befriedete Besitztümer dennoch allein ausreichend sein soll. Verträte man insoweit die Auffassung, daß der Schutz der formalen Rechtsposition schon ausreiche, um die Strafbarkeit des Eindringens in die Wohnung, die Arbeitsräume und die öffentlichen Dienst- und Verkehrsräume zu rechtfertigen, so ist der Verweis auf dahinterstehende, materielle Ziele überflüssig. Rudolphis Ansatz würde sich dann von dem der herrschenden Meinung nicht mehr signifikant unterscheiden. Unklar bleibt ferner, warum § 123 die sich in den übrigen Räumlichkeiten des § 123 vollziehenden Sozialprozesse gerade dadurch schützt, daß er lediglich die im unbefugten Eindringen liegende Verletzung der formalen Besitzrechtsposition unter Strafe stellt. Denn wie bereits erwähnt, sind durchaus auch andere Verletzungsformen denkbar, durch die die angesprochenen Prozesse unter Umständen sogar noch nachhaltiger beeinträchtigt würden als durch unbefugtes Eindringen.115

Ähnlich Artkämper, S. 86; Amelung, a. a. O., S. 360 f. Nicht zutreffend ist m.E. jedoch die von Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 361, und Artkämper, S. 86 f., geäußerte Kritik, wonach Rudolphi den Grund für den Schutz der formalisierten Rechtsposition überhaupt schuldig bliebe. Soweit die Wohnung, die Arbeitsräume und die öffentlichen Dienst- und Verkehrsräume betroffen sind, erblickt Rudolphi diesen eben in den hinter dem Hausrecht stehenden materiellen Zielen, vgl. SK-Rudolphi, § 123, RN 2 a.E. Dies hat allerdings den geschilderten Wertungswiderspruch zur Folge. 114 115

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bb) Die Verkörperung objektivierter, personaler Interessen in den Tatobjekten des § 123 (Kargl) (1) Darstellung Im Unterschied zu Rudolphi lehnt Kargl das Hausrecht, als dessen Kern er den mit der Dispositionsmacht gleichzusetzenden Willen des Berechtigten identifiziert, als Rechtsgut des § 123 ab.116 Zur Begründung führt er die bereits unter 2. dargestellten Argumente an. Vorrangig stellt er darauf ab, daß strafrechtliche Sanktionen nur gerechtfertigt sein könnten, wenn sie dem Schutz von personalen Interessen dienen, die einen Bezug zu den in der strafrechtlichen Norm genannten Tatobjekten aufweisen.117 Da die Tatobjekte des § 123 höchst unterschiedlich sind, kommen als durch § 123 geschützte Rechtsgüter also auch nur unterschiedliche personale Interessen in Frage. Formale Rechtspositionen könnten dagegen nie als Rechtsgut geschützt sein. Dies führt auch Kargl zu einer nach den Schutzobjekten des § 123 differenzierenden Rechtsgutsbestimmung. Er beschreibt das Rechtsgut im „Geltungsbereich der Wohnung“ daher im Anschluß an Schall als das personale Interesse an der Achtung der Intimsphäre.118 Die Intimsphäre definiert Kargl, ebenfalls in Anlehnung an Schall, anhand von vier relevanten Sozialprozessen, deren Vollzug durch das Vorhandensein der räumlichen Wohnungsabgrenzungen ermöglicht wird. Neben den drei von Schall analysierten Funktionen betont Kargl angesichts „der zunehmenden Enttabuisierung des Privaten“ viertens die „Notwendigkeit der gegensteuernden Grenzziehung mittels einer raumbezogenen Geheimnissphäre“.119 Im Bereich der Geschäftsräume sei dagegen das dem Interesse an der Intimsphäre entgegengesetzte personale Interesse an reibungsloser Arbeitsorganisation als Rechtsgut geschützt.120 Ausgehend von einem in der Interessentheorie wurzelnden, die Trennung von Rechtsgut und Tatobjekt betonenden Rechtsgutsbegriff,121 hält Kargl – anders als Schall – nicht die gesellschaftserhaltende Funktion der in den Tatobjekten ablaufenden Sozialprozesse für rechtsgutsbestimmend. Er setzt die unterschiedlichen Rechtsgüter des § 123 vielmehr mit personalen Interessen am störungsfreien Ablauf dieser Prozesse gleich. Diese personalen Interessen sollen die strafrechtliche Sanktion rechtfertigen, indem sie den tatsächlichen Willen, den die Person in Bezug auf die Tatobjekte verfolgt (= ihre hierauf bezogenen, tatsächlich vorhandenen Kargl, JZ 1999, 930 ff. Kargl, JZ 1999, 930, 934. 118 Warum Kargl in diesem Zusammenhang auch vom „Anspruch der Person auf Respektierung der Intimsphäre“ spricht, bleibt unklar, vgl. ders, JZ 1999, 930, 935. 119 Kargl, JZ 1999, 930, 935. Inwiefern sich diese Funktion von der durch räumliche Grenzen ermöglichten Selbstentlastungs- und Selbstentfaltungsfunktion unterscheidet, bleibt ebenfalls unklar. 120 Kargl, JZ 1999, 930, 935. 121 Vgl. v. Liszt, ZStW 3 (1883), 1 ff. 116 117

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

Interessen, Belange und Bedürfnisse), in Form eines „objektiven“ Willens bzw. Interesses vertreten.122 Die Objektivierung des Willens erfolgt Kargl zufolge durch Vergegenständlichung und Formalisierung der zu schützenden personalen Interessen in den Tatobjekten. Im Tatobjekt Wohnung wäre danach also das Interesse an der Respektierung der Intimsphäre und im Tatobjekt Geschäftsräume das Interesse an der reibungslosen Organisation der Arbeitsprozesse als „objektiver Wille“ des nutzenden Individuums verkörpert. Hierin besteht der oben erwähnte Bezug des personalen Interesses zum Tatobjekt. Zur Vollendung des § 123 ist danach die Verletzung eines konkret beim Berechtigten vorhandenen Interesses bzw. Willens nicht erforderlich.123 Für die Tatbestandsmäßigkeit reicht vielmehr die Verletzung des im Tatobjekt verkörperten, „objektiven“ Willens aus, der sich ja seinerseits – in der vorstehend beschriebenen Weise – auf den Schutz personaler Interessen zurückführen läßt. Der Täter des § 123 muß daher – anders als nach der Konzeption Schalls – nur die physischen Schutzbarrieren des jeweiligen Tatobjekts tatsächlich verletzen, um den Tatbestand des § 123 zu verwirklichen. (2) Kritische Stellungnahme Auf der Grundlage dieser Konzeption wird es möglich, die Tathandlung des Eindringens allein als die Überwindung äußerlicher Hindernisse zu definieren, ohne daß es auf einen aktuell entgegenstehenden Willen des Berechtigten ankäme.124 Durch unbefugtes, nur den inneren, subjektiven Willen des Berechtigten ignorierendes Betreten, das nicht mit einer Überwindung physischer Hindernisse verbunden ist, wird das Tatbestandsmerkmal „Eindringen“ nach dieser Auffassung nicht verwirklicht.125 Ferner scheint Kargl der Entwurf einer differenzierten Rechtsgüterbestimmung und die Erhaltung der damit bei der Auslegung der Tatobjekte des § 123 verbundenen Vorteile zu gelingen. Denn anders als Schall kann er die Funktion der Tathandlung „Eindringen“ erklären, ohne contra legem eine Störung bestimmter Sozialprozesse verlangen zu müssen. Da er überdies die spezifischen materiellen Interessen nicht im Hausrecht oder einer ähnlichen formalen Rechtsposition, sondern ausschließlich in den Tatobjekten selbst formalisiert sieht, vermeidet er zudem die Nachteile der auf das Hausrecht als formalisierenden Faktor abstellenden Konzeption Rudolphis.

Kargl, JZ 1999, 930, 934. Kargl, JZ 1999, 930, 935, ausdrücklich für das Schutzobjekt der Wohnung. 124 Kargl, JZ 1999, 930, 937 und 938. A.A. RGSt 39, 440; BGH MDR 1955, 144; BGH MDR 1968, 551; Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 11; Tröndle / Fischer, § 123, RN 10; Wessels / Hettinger, RN 584. 125 Hierauf kommt es Kargl in besonderer Weise an, weil er eine konsistente Begründung für die von einer Minderheit in Bezug auf das Problem der „Kaufhausfälle“ vertretenen Auffassung liefern möchte, wonach es für das Tatbestandsmerkmal des Eindringens allein auf das äußere Erscheinungsbild ankomme. 122 123

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Unklar bleibt hingegen, warum der Gesetzgeber das Interesse an räumlicher Intimität und dem reibungslosen Ablauf der Arbeitsprozesse nur dadurch schützt, daß er das als Überwindung physischer Hindernisse zu verstehende Eindringen in eingefriedete Territorien unter Strafe stellt. Wenn es ihm um den Schutz von Intimität und Arbeitsprozessen geht, könnte er ja auch andere Angriffsformen, durch welche die in den Räumen angeblich verkörperten Interessen an Intimität und Arbeitsprozessen u.U. noch tiefgreifender verletzt werden könnten, sanktionieren; so z.B. durch das Verursachen von Lärmimmissionen, die die physische Schalldichtigkeit durchbrechen oder eben durch unbefugtes, willenswidriges Betreten, welches nicht mit einem (gewaltätigen) Überwinden physischer Grenzen einhergeht. Legt man Kargls Konzeption zugrunde, so entstehen, gerade wenn man die Intimsphäre für das hinter der Wohnung stehende Interesse hält, sogar unerträgliche Schutzlükken: So macht sich nicht wegen Hausfriedensbruchs strafbar, wer eine Wohnung unbemerkt durch eine versehentlich offengelassene Wohnungstür betritt, ihr Inneres aus purer Neugier oder abnormen sexuellen Motiven durchsucht und sodann unverrichteter Dinge wieder verläßt. Denn um die Wohnung betreten zu können, muß dieser Täter, der nach der h.M. zweifelsfrei wegen Hausfriedensbruchs zu bestrafen wäre, keine physischen Hindernisse überwinden. Kargl kann ferner nicht befriedigend erklären, inwiefern die angeblich in den Tatobjekten des § 123 verkörperten, objektiven Interessen geeignet sind, die Bestrafung von Hausfriedensbruchshandlungen zu rechtfertigen. Die den objektiven Interessen im konkreten Fall entsprechenden, tatsächlich vorhandenen Interessen des Opfers werden durch einen Hausfriedensbruch nach seiner eigenen Ansicht nämlich nicht einmal typischerweise verletzt.126 Es soll danach also regelmäßig zu einer rein ideellen Rechtsgutsverletzung kommen, ohne daß das Opfer im konkreten Fall eine Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter fürchten muß. Werden Rechtsgutsverletzung und Tatobjektsverletzung jedoch so weit voneinander abgelöst, daß die Tatobjektsverletzung nicht einmal mehr typischerweise eine tatsächliche Interessenverletzung oder -gefährdung vermittelt, so droht die Annahme, die zu schützenden tatsächlichen Interessen verkörperten sich in Form eines objektiven Interesses in den Tatobjekten,127 zur inhaltsleeren Fiktion zu verkommen. Die denklogisch unbestreitbar erforderliche Trennung von Rechtsgut und Tatobjekt128 ist hier soweit getrieben, daß beide nahezu ohne realen Bezug nebeneinander stehen. Die Legitimationsfunktion, die dem Rechtsgut auch nach der Auffassung Kargls zukommen muß, ist damit weitestgehend in Frage gestellt. Schließlich scheitert auch Kargls Variante einer differenzierten Rechtsgutsbetrachtung an der Unmöglichkeit, ein spezifisches personales Interesse zu isolieren, 126 Kargl, JZ 1999, 930, 935, ausdrücklich für den Bereich der Wohnung: „Es ist aber unstreitig, daß die tatsächliche Verletzung der Intimsphäre anläßlich eines Hausfriedensbruchs für dessen Vollendung weder notwendig noch überhaupt mit einem solchen typischerweise verbunden ist“. 127 Kargl, JZ 1999, 930, 934. 128 Vgl. nur Roxin, AT I, § 2, RN 24, der statt Tatobjekt von Handlungsobjekt spricht.

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welches sich im Tatobjekt des befriedeten Besitztums verkörpert. Anders als Rudolphi kann Kargl nicht einmal mehr in der formalen Rechtspositon des Hausrechts Zuflucht suchen. Aufgrund der Vielfalt der dem befriedeten Besitztum eigenen Nutzungsmöglichkeiten kommt Kargl daher zu dem Schluß, das in diesem Tatobjekt verkörperte, personale Interesse (= Rechtsgut) sei von Fall zu Fall ein anderes. Es müsse folglich für jeden Einzelfall gesondert bestimmt werden.129 Manchmal komme das Interesse an der Privatsphäre (z.B. bei einem Hausgarten), manchmal das am ungestörten Ablauf von Arbeitsprozessen (z.B. bei betrieblichen Lagerplätzen) als geschütztes Rechtsgut in Frage; es könnte sich dabei aber auch um ganz andere, a priori nicht erkennbare Interessen handeln. Aus der Erkenntnis, daß sich der Schutz des Tatobjekts „befriedetes Besitztum“ gerade nicht auf ein verallgemeinertes und konsensfähiges personales Interesse zurückführen läßt, sondern daß hierfür eine offenbar unüberblickbare Vielzahl von Einzelinteressen in Frage kommt, müßte Kargl aufgrund seiner eigenen Vorgaben eigentlich den Schluß ziehen, daß die strafrechtliche Sanktionierung des Eindringens in befriedete Besitztümer nicht hinreichend durch ein Rechtsgut legitimiert sei. Anhand einer unbekannten Vielzahl von inhaltlich nicht genau feststellbaren und je nach Einzelfall unterschiedlichen Rechtsgütern läßt sich der abstrakte Wertungsakt des Gesetzgebers kaum noch nachvollziehbar auf seine grundsätzliche Legitimität überprüfen. Auch Kargl selbst fordert jedoch, der Schutz eines Tatobjekts müsse zumindest auf ein „konsensfähiges und verallgemeinertes Gut“ zurückgeführt werden können, damit die fragliche Strafnorm hinreichend legitimiert ist.130 Erst recht können vom Einzelfall abhängige Rechtsgüter keinen Beitrag mehr zur begrifflichen Abgrenzung der Tatbestandsmerkmale leisten.131 Auch bei Kargl erweist sich das befriedete Besitztum somit als ein Fremdkörper innerhalb des Hausfriedensbruchstatbestands, der danach de lege ferenda zu entfernen, präziser zu fassen oder in verschiedene, klarer gefaßte Tatobjekte aufzugliedern wäre. cc) Fazit Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß auch neuere Versuche, das Rechtsgut des § 123 nach seinen Handlungsobjekten differenziert zu bestimmen, als gescheitert anzusehen sind. Abgesehen von theoretischen Fragwürdigkeiten können auch sie ein spezifisches, hinter dem Schutz des befriedeten Besitztum stehendes Interesse nicht isolieren. Es wird offenbar, daß es im Rahmen der Rechtsgutsbestimmung bei § 123 nicht zielführend ist, die mit den geschützten Räumlichkeiten verbundenen Nutzungsmöglichkeiten in zu schützende Rechtsgüter zu transformieren. Insoweit scheint es sogar gleichgültig zu sein, welchen Rechtsgutsbegriff man dabei als theoretisches Grundgerüst voraussetzt. Kargl, JZ 1999, 930, 937. Kargl, JZ 1999, 930, 934. 131 Auch Kargl hält dies aber für eine Funktion des Rechtsguts, vgl. ders., JZ 1999, 930, 935. 129 130

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4. Physisch gesicherter Territorialbesitz Die vorangegangene Untersuchung zeigt, daß die Bestimmung des durch § 123 geschützten Rechtsguts vier Postulaten gerecht werden muß: Erstens kann das Hausrecht selbst wegen der aus dogmatischen Gründen zwingend erforderlichen Trennung zwischen dem Recht und den Interessen, denen das Recht zur Durchsetzung verhelfen soll, nicht mit dem durch § 123 geschützten Rechtsgut identisch sein. Zweitens muß es sich bei diesem Rechtsgut um ein Interesse handeln, welches sich von dem Interesse am ungestörten Besitz an nicht in § 123 genannten Sachen signifikant unterscheidet. Drittens muß dieses Interesse auch den strafrechtlichen Schutz des befriedeten Besitztums rechtfertigen. Dieses Tatobjekt darf nicht – wie etwa bei den differenzierenden Betrachtungsweisen – zu einem Fremdkörper innerhalb des Hausfriedensbruchstatbestands werden. Viertens muß das geschützte Interesse so beschaffen sein, daß es durch die Angriffsformen des Eindringens und des unbefugten Verweilens derart gravierend verletzt wird, daß verständlich wird, warum es nur gegen diese Angriffsformen geschützt ist.

a) Physisch gesicherte Territorialität Eine Rechtsgutskonzeption, die diesem Anforderungskatalog gerecht werden könnte, wurde von Amelung und Engeln entwickelt.132 Amelung bezeichnet das unmittelbar durch § 123 geschützte Interesse als physisch gesicherte Territorialität. Damit ist das Interesse an der Beherrschung eines bereits durch Einfriedungen räumlich-gegenständlich abgesicherten Territoriums gemeint.133 Der Hausfriedensbrecher verletzt es zum einen dadurch, daß er dem Berechtigten die Herrschaftsgewalt über sein Territorium durch unbefugtes Betreten oder Verweilen streitig macht. Zum anderen untergräbt er das Vertrauen, daß die als physische Sicherung wirkende Einfriedung die „körperliche Verteidigung“ des Territoriums überflüssig macht. Die körperlich wirkende Einfriedung sei ein eindeutiges Zeichen für ein erhöhtes menschliches Interesse an einem Areal. Zum anderen komme der Einfriedung immer eine friedenstiftende Wirkung zu, da sie die Verteidigung des Territoriums gegen Eindringlinge physisch erleichtere und so im Innern einen schützenswerten Zustand der Ungefährdetheit produziere. In der körperlich wirkenden Einfriedung, die allen Tatobjekten des § 123 gemeinsam ist, erkennt Amelung daher den Grund, der es rechtfertigt, nur das Interesse am ungestörten Besitz der in § 123 genannten Tatobjekte strafrechtlich zu schützen, das Besitzschutzinteresse an anderen Objekten dagegen nicht. Das Interesse an der Sicherung von Personen und materiellen Gütern, die sich auf dem Territorium befinden, das Interesse an der Abwehr von Störungen und das 132 Amelung, ZStW 98 (1986), 355 ff.; Engeln, S. 37 ff.; dem folgend Behm, GA 1986, 47 ff.; ähnlich Weber, S. 241. 133 Amelung, ZStW 98 (1986), 365, 403.

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Interesse an Geheimhaltung seien durch § 123 als mit der physisch gesicherten Territorialität verbundene geschützt. Der Schutz dieser Interessen erfolgt danach nur mittelbar und fragmentarisch:134 Sie sind nur gegen Angriffe geschützt, die mit einem Betreten des physisch gesicherten Territoriums verbunden sind. Ihr Schutz hängt vom Schutz der physisch gesicherten Territorialität ab (mittelbar). Zum anderen ist der Tatbestand des § 123 schon als erfüllt anzusehen, wenn außer dem Interesse an der Beherrschung eines physisch gesicherten Territoriums kein anderes Interesse verletzt wird oder verletzt werden kann, weil eine Verletzung aufgrund der aktuellen Nutzungsform des Territoriums (z.B. eines befriedeten Besitztums) ausgeschlossen ist (fragmentarisch).135 Die durch den Schutz des Interesses an der Beherrschung von eingefriedeten Territorien typischerweise erzeugte physische Geborgenheit und Informationskontrolle ermöglicht die Entstehung eines besonderen Maßes an raumbezogener Freiheit.136 Dieses könne aus der nur in eingehegten Territorien möglichen Befriedigung von Sicherheits-, Störungsabwehr- und Geheimhaltungsinteressen entstehen. Zur Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 123 sei eine Verletzung dieser Verhaltensfreiheit jedoch ebenfalls nicht erforderlich. Das physisch gesicherte Territorium ist danach letztlich als Verhaltensfreiheitspotential geschützt.137 Diese Konzeption ist das Ergebnis einer eingehenden, anthropologisch-sozialgeschichtlichen Untersuchung von fünf verschiedenen Interessen (denen an Territorialität, Sicherheit, Geheimhaltung, Abwesenheit von Störungen und Freiheit) sowie einer Analyse ihrer Bewertung in den historischen und den aktuellen Strafbestimmungen zum Schutz des Hausfriedens. Im Rahmen dieser Untersuchung konstatiert Amelung, daß anhand des Tatbestandsmerkmals „befriedetes Besitztum“ (das so zur „Generalklausel“ des Hausfriedensbruchstatbestandes wird) das hinter dem Schutz sämtlicher Tatobjekte stehende, einheitlich durch § 123 geschützte Interesse am deutlichsten erkennbar werde.138 Auf den Gedanken des frühbürgerlichen Besitzindividualismus’ basierend hätte das Interesse an ungestörter Beherrschung eines Areals (Territorialität) schon in den §§ 525 ff., 2. Teil, 20. Titel ALR und im Entwurf zum preußischen StGB von 1828 bewußt Niederschlag gefunden. In beiden Quellen wird der Schutz des Hausfriedensbruchstatbestandes auch auf Grundstücke ausgedehnt, die vom Wohnhaus oder anderen, ausschließlich bestimmten Nutzungen vorbehaltenen Arealen getrennt sind.

134 Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 403 f.: Dem Schutz dieser Interessen seien „enge Grenzen“ gesetzt. 135 Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 404. 136 Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 404. 137 Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 404. 138 Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 369 ff.

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b) Kritische Stellungnahme Diese Konzeption ist unter zwei Gesichtspunkten mit fundamentaler Kritik bedacht worden: aa) Kritikpunkt physische Territorialität ist identisch mit dem Rechtsgut „persönliche Freiheit“ Zum einen wird bemängelt, es handele sich bei dem Rechtsgut der physisch gesicherten Territorialität im Grunde um nichts anderes als um „die auf die Dispositionsfreiheit spezialisierte, persönliche Freiheit des Rauminhabers“.139 Diejenigen Argumente, die dagegen sprechen, daß die persönliche Freiheit das durch § 123 geschützte Rechtsgut sei,140 lassen sich daher eventuell auch gegen die Konzeption Amelungs ins Feld führen. Manche Formulierungen Amelungs können in der Tat zu dieser Schlußfolgerung verleiten. Dies gilt insbesondere für die Formulierung, die Verletzung des Bereichs, in dem der einzelne das erhöhte Maß an Freiheit genieße, bilde den Strafgrund des § 123.141 Man könnte dies so verstehen, daß dem Schutz des physisch gesicherten Beherrschungsinteresses kein strafbarkeitsbegründender Eigenwert zuzubilligen sei. Letztlich müßte daher allein das dahinterstehende Freiheitsinteresse das durch § 123 geschützte Rechtsgut sein, da ja auch der Schutz der übrigen Interessen hierauf zurückzuführen sei.142 Dieses Freiheitsinteresse müßte schließlich mit der Dispositionsfreiheit des Hausrechtsinhabers, die Bestandteil der persönlichen Freiheit ist, übereinstimmen, damit die vorgebrachten Einwände greifen. Diese Kritik übersieht jedoch, daß die Beherrschung eines physisch gesicherten Territoriums dem Individuum lediglich die Möglichkeit verschafft, die Interessen an Sicherheit, Störungsfreiheit und Geheimhaltung zu befriedigen und durch die Befriedigung dieser Interessen eine Sphäre gesteigerter Verhaltensfreiheit entstehen zu lassen. Das Interesse am Schutz dieses Freiheitspotentials ist keinesfalls mit der Freiheit identisch, darüber zu entscheiden, wer die geschützten Territorien betreten darf und wer nicht. Es handelt sich vielmehr allein um die potentielle Freiheit, sich innerhalb der Räume, die kraft physischer Sicherung Dritten regelmäßig nicht zugänglich sind, frei von der Wahrnehmung und / oder dem Einfluß Dritter verhalten und entfalten zu können. Damit wird weder die Dispositionsfreiheit des Hausrechtsinhabers, die in vielen typischen Fällen des Hausfriedensbruchs gar nicht beeinträchtigt wird,143 noch eine Art allgemeiner „Gesamtfreiheit“ 144 zum unmittelbar 139 140 141 142 143 144

Artkämper, S. 78 f. Vgl. oben, 2. c). Amelung, NJW 1986, 2075, 2077. Artkämper, S. 79. Vgl. oben, 2. c). Artkämper, S. 79.

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

durch § 123 geschützten Rechtsgut erklärt. Die Argumente, die dagegen sprechen, die persönliche Freiheit als durch § 123 geschützte Rechtsposition anzusehen, lassen sich gegen Amelungs Konzeption also schon deshalb nicht einwenden. Diese Kritik übersieht noch ein weiteres: § 123 schützt das Rechtsgut der physisch gesicherten Territorialität zwar, weil es die Voraussetzung für die Befriedigung weiterer Interessen und damit für die Entstehung eines Freiheitspotentials ist. Dem Schutz dieses spezifischen Sachherrschaftsinteresses kommt aber schon ein strafbarkeitsbegründender Eigenwert zu, eben weil er unabdingbare Voraussetzung für die Befriedigung elementarer Interessen (an Sicherheit, Geheimhaltung, etc.) ist. Der Eigenwert des Interesses an physisch gesicherter Territorialität läßt sich deutlich daran erkennen, daß auch rein willkürliche Machtausübungen über die geschützten Territorien, also „reine Demonstrationen territorialer Macht“, dem Schutz des § 123 nicht enthoben sind.145 Die Gewährung strafrechtlichen Schutzes hängt nicht von der Schutzwürdigkeit der Motive oder Dispositionen ab, die der konkreten Machtausübung im Einzelfall zugrunde liegen. Das Rechtsgut der physisch gesicherten Territorialität ist – anders als die persönliche Freiheit – bereits verletzt, wenn der Täter dem Berechtigten seine durch die physische Sicherung dokumentierte Herrschaftsmacht streitig macht. Darin ist der Schutz der physisch gesicherten Territorialität dem Eigentumsschutz verwandt. Denn auch der Eigentumsschutz kann (vor dem Hintergrund des Besitzindividualismus des frühen 19. Jahrhunderts) nicht als Selbstzweck, sondern als umfassendes Herrschaftsrecht über eine Sache verstanden werden, welches dem einzelnen in bezug auf diese Sache eine gesteigerte Verhaltensfreiheit in vermögensrechtlicher Hinsicht ermöglicht. Auch das Eigentum an beweglichen Sachen läßt sich – in diesem Sinne abstrahiert – als besonderes Freiheitspotential begreifen. bb) Kritikpunkt Verstoß gegen den materiellen Rechtsgutsbegriff Die Konzeption Amelungs wird auch deshalb verworfen, weil sie nicht mit dem materiellen Rechtsgutsbegriff zu vereinbaren sei.146 Nach dem materiellen Rechtsgutsbegriff sind Rechtsgüter als „dem Strafrecht vorgelagerte Sozial- oder Lebenswerte“ zu begreifen, denen Strafrechtsschutz in der Regel nur partiell zuteil wird. Rechtsgüter dürfen daher weder auf „den strafrechtlich sanktionierten Bereich einer Rechtsgutsverletzung“ reduziert noch mit dem der Norm vom Gesetzgeber offensichtlich beigelegten Zweck gleichgesetzt werden.147 Normzweck und tatbestandlicher Schutzumfang könnten für die Rechtsgutsbestimmung daher lediglich eine Richtlinie vorgeben.148 Gegen dieses Gebot verstoße Amelung, weil er die 145 So Engeln, S. 37 f., in Bezug auf das Hausrecht, dem aber dasselbe Schutzinteresse zugrunde liegt wie § 123. 146 Artkämper, S. 79 f. 147 Artkämper, S. 65. 148 Artkämper, S. 80.

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Schutzwirkung der tatbestandlich erforderlichen Einfriedungen „als Strafgrund“ bezeichne und damit zum Rechtsgut des § 123 erhebe.149 Daß zwischen Rechtsgut, Normzweck und dem tatsächlich durch den Tatbestand geschützten Ausschnitt des Rechtsguts zu unterscheiden ist, ergibt sich schon daraus, daß die meisten Rechtsgüter, sofern es sich nicht wie beim Leben um absolut geschützte handelt, nur gegen bestimmte Angriffsformen gesichert werden. Daß hieraus zwangsläufig zu folgern ist, die „einfachgesetzliche Ausgestaltung des Schutzumfangs sei für die Frage nach dem Rechtsgut völlig irrelevant“,150 muß hingegen bezweifelt werden. Woher sonst, wenn nicht aus dem gesetzlichen Tatbestand soll der Rechtsanwender Anhaltspunkte dafür finden, welche Sozial- oder Lebenswerte im konkreten Fall „vorgelagert“ sein können? Diese Fundamentalkritik basiert überdies auf einer unzutreffenden Prämisse: Sie unterstellt, die Schutzwirkung der Einfriedungen, also des maßgeblichen gemeinsamen Merkmals der in § 123 genannten Tatobjekte, werde zum Strafgrund des Hausfriedensbruchs erhoben und damit dem durch § 123 geschützten Rechtsgut gleichgesetzt.151 Der Hausfriedensbruch ist jedoch unter Strafe gestellt worden, weil der Hausfriedensbrecher einen Bereich verletzt, der aufgrund der Einfriedungen und der an ihm bestehenden Sachherrschaftsmacht geeignet ist, dem einzelnen die Befriedigung weiterer Interessen zu ermöglichen und der ihm deshalb potentiell als Sphäre gesteigerter Verhaltensfreiheit zur Verfügung steht. Hierin liegt auch der Strafgrund des § 123, der durch die Schutzwirkung der Einfriedungen lediglich „erzeugt“ wird.152 Die tatsächlich vorhandene Schutzwirkung der Einfriedungen wird damit keineswegs selbst zum Strafgrund (oder gar Rechtsgut) des § 123 erhoben. Sie bewirkt lediglich den qualitativen Unterschied zwischen dem Interesse an der Herrschaft über ein eingehegtes Territorium und dem normalen Besitzinteresse. Denn die Herrschaft über eingehegte Areale ist Voraussetzung für die Entstehung des Potentials an erhöhter Verhaltensfreiheit. Unmittelbar durch § 123 geschütztes und von den Schutzwirkungen der Einfriedung selbst strikt zu trennendes Rechtsgut ist daher das Interesse an der Beherrschung eines eingefriedeten Territoriums. Dieses Interesse wird nicht umfassend, sondern dem Normzweck des § 123 entsprechend nur gegen spezifische und besonders gravierende Eingriffe in die Herrschaftsmacht des Berechtigten (Eindringen und unbefugtes Verweilen) geschützt. Von einer Reduktion des durch § 123 geschützten Rechtsguts auf den tatbestandlich umrissenen Schutzbereich kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein. Im übrigen übersieht diese Kritik, daß die physisch gesicherte Territorialität einer umfänglichen anthropologisch-sozialgeschichtlichen Untersuchung fünf verschiedener Interessen zufolge als das durch § 123 geschützte Rechtsgut bestimmt 149 150 151 152

Artkämper, S. 80. Artkämper, S. 64. Artkämper, S. 80. Amelung, NJW 1986, 2075, 2077.

16 Krumme

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

worden ist. Auch dies ist ein Beleg dafür, daß das Rechtsgut des § 123 nicht allein aus dem tatbestandlichen Schutzbereich erschlossen wurde. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß es auch auf der Grundlage des materiellen Rechtsgutsbegriffs nicht ausgeschlossen ist, das Interesse an physisch gesicherter Territorialität als einen § 123 vorgelagerten und eigenständigen Sozialwert zu begreifen. cc) „Einfacher“ Besitz als Rechtsgut des § 123 Gleichwohl könnte man gegen die Existenz des Rechtsguts „physisch gesicherte Territorialität“ einwenden, daß der Kreis denkbarer Rechtsgutsverletzungen in aller Regel weit über den der strafrechtlich relevanten Rechtsgutsverletzungen hinaus geht. Man könnte sich daher auf den Standpunkt stellen, die Frage, warum gerade der Besitz an den in § 123 genannten Räumlichkeiten gegen Eindringen und unbefugtes Verweilen strafrechtlich geschützt sei, müsse nicht durch das Rechtsgut beantwortet werden. § 123 würde dann eben den allgemeinen zivilrechtlichen Besitz nur vor solchen Angriffen schützen, die sich gegen die Schutzobjekte des § 123 richten und die durch Eindringen oder unbefugtes Verweilen geführt werden. Die Konstruktion eines Rechtsguts wie dem der physisch gesicherten Territorialität wäre dann überflüssig.153 Eine solche Argumentation übersieht jedoch den tatsächlich bestehenden qualitativen Bedeutungsunterschied zwischen dem Interesse an ungestörter Sachherrschaft im Sinne des zivilrechtlich geschützten Besitzes und dem Interesse an der Beherrschung physisch gesicherter Areale. Dieser Bedeutungsunterschied wird durch die Funktion erzeugt, die der Herrschaftsmacht über physisch gesicherte Territorien als Voraussetzung für die Entstehung eines Potentials erhöhter Verhaltensfreiheit zukommt. Dies ist nicht nur auf die Ergebnisse anthropologisch-sozialgeschichtlicher Untersuchungen zurückzuführen, sondern kann auch durch den Charakter physisch gesicherter Herrschaft selbst belegt werden: Die herausgehobene Stellung des Interesses an der Beherrschung eingegrenzter Territorien zeigt sich schon an dem Aufwand, den der Berechtigte betreibt, um die Einfriedungen zu errichten und in Stand zu halten.154 Die physischen Schranken eines Territoriums führen dem Außenstehenden nicht nur, wie ein Verbotsschild, gleichsam „symbolisch“ vor Augen, daß ein anderer die Macht über das eingefriedete Territorium ausübt. Durch die körperlich wirkenden Einfriedungen wird dem Berechtigten die territoriale Macht vielmehr auch nach innen hin zugesichert.155 Eindringlinge können dem Machthaber aufgrund der physischen Schranken die Beherrschung seines Areals schon aus tatsächlichen Gründen nur schwer streitig 153 154 155

In diesem Sinne Artkämper, S. 96 f. Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 372 f.; Engeln, S. 39 ff. Engeln, S. 40 f.

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machen oder ihn in der Ausübung seiner Herrschaftsgewalt behindern.156 Dem Besitzer eingefriedeter Territorien kommt damit eine tatsächlich unumschränktere und ungleich besser zu verteidigende Herrschaftsmacht zu als anderen Sachbesitzern. Dies ist unabdingbare Voraussetzung für die Entstehung eines Potentials erhöhter Verhaltensfreiheit im Innern des physisch gesicherten Raumes, das sich von dem Freiheitspotential, welches jeder Besitzer aus der Macht über die Sache herleiten kann, qualitativ deutlich unterscheidet. Der Besitzer beweglicher Sachen oder nicht physisch gesicherter Areale kann „nur“ über Nutzung und Benutzung der unter seiner Herrschaftsmacht stehenden Sache selbst frei entscheiden. Sein Freiheitspotential bleibt auf das äußere Verhältnis zwischen ihm und der Sache selbst bezogen. Die Beherrschung physisch gesicherter Territorien schafft hingegen darüber hinaus einen Zustand der Ungefährdetheit und Geheimhaltung und damit die Möglichkeit, einen Innenraum entstehen zu lassen, in dem der Besitzer nicht nur in Bezug auf die Sache selbst ein erhöhtes Maß an Freiheit genießt, sondern auch in Bezug auf sein gesamtes Verhalten. Das sich ergebende Maß an potentieller Freiheit weist eine Innenwirkung auf, die über das äußere Verhältnis zwischen Besitzer und Sache hinausgeht. dd) Fazit Die Bestimmung der physisch gesicherten Territorialität als durch § 123 geschütztes Rechtsgut wird dem vorab formulierten Anforderungskatalog157 am ehesten gerecht: Das Hausrecht stellt sich auf dieser Grundlage dogmatisch korrekt nicht als Rechtsgut dar, sondern als neben dem strafrechtlichen Schutz stehendes Mittel zur Durchsetzung des Interesses an der Beherrschung der durch § 123 geschützten Territorien. Es ist demnach nichts anderes als die Ausübung von Besitzschutzrechten an diesen Territorien.158 Abzulehnen ist hingegen die Auffassung von Engeln, nach der das Hausrecht das Wesen des durch § 123 geschützten Rechtsguts entscheidend mitbestimme. Engeln beschreibt das Rechtsgut des § 123 als den „durch das Hausrecht und die physischen Schranken in besonderer Weise geschützten Besitz in seiner Funktion als spezielles Freiheitspotential“. 159 Damit setzt er sich in Widerspruch zu der – von ihm auch an sich selbst gerichteten – dogmatischen Vorgabe, wonach das Hausrecht nur Mittel zur Durchsetzung eines zu schützenden Interesses sein kann. Aus dieser Vorgabe folgt, daß das Hausrecht nicht als begrifflicher Bestandteil des Rechtsguts über dessen Reichweite oder Wesen mitbestimmen kann. Die Besonderheit des durch § 123 geschützten Sachherrschaftsinteresses erwächst allein aus der physischen Absicherung, durch die der Besitz zur Voraussetzung für die Ent156 157 158 159

16*

Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 373 f.; Engeln, S. 40 f. Vgl. oben, 4. (Vorbemerkung). Amelung, NJW 1986, 2075, 2080. Engeln, S. 42 f.

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

stehung eines Potentials gesteigerter Verhaltensfreiheit wird. Der Begriff des Hausrechts bezeichnet nur das aus dem Zivilrecht oder dem öffentlichen Recht160 abgeleitete Besitzschutzrecht, welches der Durchsetzung des Interesses an physisch gesicherter Territorialität dient,161 indem es dem Berechtigten eine rechtliche Ausweisungsbefugnis verleiht. In dem durch die physische Sicherung des Beherrschungsinteresses erzeugten Freiheitspotential wird der Bedeutungsunterschied zwischen physisch gesichertem Besitz an den in § 123 genannten Räumlichkeiten und dem „einfachen“ Besitz erkennbar. Darin liegt zugleich der Grund dafür, daß nur die Verletzung des physisch gesicherten Besitzes strafrechtlich sanktioniert ist. Das Interesse an der Beherrschung eines Territoriums wird durch das Bestreiten der Herrschaftsmacht verletzt. Offensichtliche Dokumentationen eines Streitigmachens des territorialen Herrschaftsanspruchs sind das unbefugte Betreten des physisch gesicherten Territoriums und das unbefugte Verweilen auf demselben. Hierdurch wird zudem das Vertrauen des Berechtigten, die physische Sicherung mache die gewalttätige Verteidigung des Territoriums überflüssig, untergraben. Es läßt sich also auf dieser Grundlage mühelos erklären, warum § 123 gerade die Tathandlungen des Eindringens und des unbefugten Verweilens aufführt. Schließlich wird das befriedete Besitztum nicht zum Fremdkörper sondern zur Generalklausel des Hausfriedensbruchstatbestands. Die übrigen Tatobjekte erscheinen danach gleichsam als befriedete Besitztümer, die besonderen Nutzungsarten (Wohnen, Arbeit und öffentliche Zwecke) dienen.162

5. Ergebnis Das durch § 123 geschützte Rechtsgut läßt sich nach alledem als das Interesse an physisch gesichertem Territorialbesitz bestimmen. Zur Hervorhebung, daß es § 123 vor allem um den Schutz von körperlich gesicherten Sachherrschaftsinteressen an räumlichen Gebilden geht, ist die Bezeichnung „Territorialbesitz“ besser geeignet, als die der „Territorialität“. Um die Unterscheidung zwischen Rechtsgut und Tatobjekt deutlicher zu verwirklichen als bisher, soll durch diese Formulierung zudem betont werden, daß das durch § 123 geschützte Rechtsgut den Schutz des Interesses an physisch gesichertem Territorialbesitz zum Inhalt hat. Obwohl dem Schutz des physisch gesicherten Territorialbesitzes ein straflegitimierender Eigenwert ohne weiteres zukommt, ist er im Zusammenhang mit weiteren Interessen zu sehen. Ihr Schutz wird durch den Schutz des physisch gesicherten Territorialbesitzes mittelbar und fragmentarisch erreicht. Dabei handelt es sich um das Interesse an Sicherheit, das Interesse an Geheimhaltung und das Interesse an Abwesenheit 160 161 162

Str., vgl. Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 20, m.w.N. Ebenso Amelung, NJW 1986, 2075, 2077. Amelung, NJW 1986, 2075, 2080.

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von Störungen. Wesentliches, aber nur mittelbares Hauptziel des Schutzes physisch gesicherten Territorialbesitzes ist die Sicherung eines raumbezogenen Freiheitspotentials, welches durch die Befriedigung der vorgenannten Interessen entsteht. Zur Erfüllung des Hausfriedensbruchstatbestands ist folglich eine Verletzung dieser Interessen nicht erforderlich. Der Schutz bestimmter Sozialprozesse, die aufgrund des Freiheitspotentials vollzogen werden können, gehört nicht zu den von § 123 unmittelbar verfolgten Zielen. Ihr Schutz wird reflexartig bewirkt. Angesichts der dargestellten Vorteile, die die Bestimmung des Interesses an physisch gesichertem Territorialbesitz als Rechtsgut des § 123 mit sich bringt, muß es hingenommen werden, daß dieses Rechtsgut bei der Auslegung der Tatobjekte vermutlich nur begrenzt hilfreich sein wird. IV. Auswirkungen auf den Wohnungsbegriff des § 123 1. Bestimmung des Wohnungsbegriffs Fraglich ist, wie sich diese Ergebnisse auf die Auslegung des Wohnungsbegriffs in § 123 auswirken. a) Wortlaut und systematische Aspekte Wie bereits gezeigt, folgt aus dem Wortlaut des § 123 zwingend nur, daß offene Zubehörflächen nicht unter den Wohnungsbegriff fallen.163 Mit Blick auf den Wortlaut bestehen auch daran Zweifel, ob außerhalb des eigentlichen Wohnungsabschlusses oder sogar außerhalb eines Mehrparteienwohnhauses gelegene Nebenräume in den Wohnungsbegriff einbezogen werden können. Daß die Wohnung nur als tatsächlich zu Unterkunftszwecken genutzte Räumlichkeiten definiert wird, also nicht auf die objektiv-technische Eignung zu Wohnzwecken oder die subjektive Bestimmung zu Wohnzwecken abgestellt wird, steht zur sprachlichen Bedeutung des Begriffs Wohnung dagegen nicht in Widerspruch.164 Daraus, daß die Wohnung neben den Geschäftsräumen, den öffentlichen Dienstund Verkehrsräumen und dem befriedeten Besitztum als Tatobjekt des § 123 genannt wird, läßt sich der Schluß ziehen, daß der Wohnungsbegriff enger zu fassen ist als der Wohnungsbegriff in Art. 13 Abs. 1 GG, der jede Form von Geschäftsräumen und sogar bestimmte befriedete Besitztümer mit einschließt.165 Weitergehende Schlüsse können aus der „tatbestandsinternen“ Systematik des § 123 dagegen kaum gezogen werden.166 Vgl. oben, II. 2. Vgl. oben, II. 2. und 1. Kap. III. 1.; ebenso Artkämper, S. 34, der von Wohnungen im „Ist-Zustand“ und Wohnungen im „Soll-Zustand“ spricht. 165 Vgl. oben, 3. Kap. B. I. 1. c) 166 Ähnlich Artkämper, S. 39. 163 164

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b) Objektiv-teleologische Auslegung Wie bereits erwähnt, ist im Rahmen der objektiv-teleologischen Auslegung nicht nur das durch § 123 geschützte Rechtsgut zu berücksichtigen. In der Bestimmung des Wohnungsbegriffs sollten die konkreten Normzwecke vielmehr möglichst umfassend zum Ausdruck kommen. Sie ergeben sich vor allem aus dem Rechtsgut und dem vom Tatbestand umrissenen Schutzbereich.167 Daraus, daß § 123 dem Schutz physisch gesicherten Territorialbesitzes dient, folgt zunächst nur, daß es sich bei der Wohnung um ein durch körperliche Schranken vor Übergriffen der Außenwelt gesichertes Raumgebilde handeln muß. Diese begriffliche Anforderung gilt für alle Tatobjekte des § 123. Die Besonderheit, die das Tatobjekt Wohnung von den anderen Tatobjekten unterscheidet, kann also ganz offensichtlich nicht allein aus dem einheitlichen, unmittelbar durch § 123 geschützten Rechtsgut deduziert werden. Es muß vielmehr noch andere Zwecke geben, die mit der expliziten Nennung des Tatobjekts der Wohnung verfolgt werden. Neben dem befriedeten Besitztum, welches als die Generalklausel des § 123 anzusehen ist, führt § 123 weitere Tatobjekte auf, die besonders häufig vorkommende, spezifische Nutzungsformen physisch gesicherten Territorialbesitzes darstellen.168 Diese Nutzungsformen (Wohnung, Geschäftsräume, öffentliche Dienstund Verkehrsräume) sind spezifische Produkte des Gebrauchs des Verhaltensfreiheitspotentials, welches durch die Beherrschung physisch gesicherter Territorien erzeugt wird. Die tatsächliche und effiziente Benutzung von Räumen zu den mit diesen Nutzungsformen verfolgten Zwecken (Wohnen, Arbeiten, öffentliche Zwecke) wäre ohne die Existenz des räumlich-körperlich gesicherten Verhaltensfreiheitspotentials nicht möglich. Letztere ist ebenfalls Voraussetzung dafür, daß sich durch diese Nutzungen Sozialprozesse verwirklichen können, denen für die Entwicklung einer individuellen Persönlichkeit und den Bestand der Gesellschaft existentielle Bedeutung zukommt.169 Der Schutz physisch gesicherten Territorialbesitzes ist mit anderen Worten Voraussetzung für effektives Wohnen, Arbeiten und für bestimmte öffentliche Zwecke sowie für die sich in diesen Nutzungen vollziehenden Sozialprozesse. Dies wird durch die explizite Nennung der Tatobjekte Wohnung, Geschäftsräume und öffentliche Dienst- und Verkehrsräume im Tatbestand des § 123 klargestellt. Es ist als Hinweis darauf zu verstehen, daß § 123 den reflexartigen Schutz der sich in diesen Nutzungsformen verwirklichenden Sozialprozesse als Nebenziel ebenfalls anstrebt. Es handelt sich bei den Sozialprozessen insoweit jedoch nicht um eigenständige Rechtsgüter, sondern immer nur um verschiedene Nutzungsformen des einheitlichen Rechtsguts physischen gesicherten Territorialbesitzes. Zur begrifflichen Bestimmung der nutzungsspezifischen Tat-

Vgl. oben, A. Ähnlich Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 404. 169 Vgl. Schall, S. 90 ff. (Wohnung), S. 111 ff. (Geschäftsräume), S. 123 ff. (Dienst- und Geschäftsräume) und oben, 3. c) cc). 167 168

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objekte können die sich in den Nutzungsformen angestrebten Zwecke und verwirklichenden Prozesse gleichwohl herangezogen werden.170 Wohnung im Sinne von § 123 kann danach zunächst als ein körperlich-gegenständlich gesichertes Raumgebilde beschrieben werden, welches von Menschen tatsächlich zu Wohnzwecken verwendet wird. Fraglich ist, woran sich eine tatsächliche Wohnnutzung erkennen läßt. Grundsätzlich kann nur dann von einer faktischen Wohnnutzung die Rede sein, wenn die fraglichen Räume vom Berechtigten tatsächlich zu Unterkunftszwecken verwendet werden. Die Verwendung eines Raumes zu Unterkunftszwecken reicht zur Begründung der Wohnungseigenschaft in der Regel jedoch nicht aus. So kann auch ein Pkw – zumindest vorübergehend und für kurze Zeit – einem Menschen faktisch als Unterkunft dienen.171 Ein Pkw fällt jedoch auch in diesem Fall nicht unter den Wohnungsbegriff des § 123.172 Denn eine Wohnnutzung liegt hier nicht vor: Wohnen zeichnet sich dadurch aus, daß es ein äußerst komplexer Sozialvorgang ist, der zur Befriedigung einer Vielzahl von individuellen Bedürfnissen dient, die nicht abschließend definiert werden können173. Typischerweise befriedigt das Individuum in der immer noch vorherrschenden Form des modernen Wohnens vor allem die von Schall als Sozialprozesse beschriebenen elementaren Bedürfnisse: Das Bedürfnis nach exklusivem Zusammensein in der Kleinfamilie einschließlich der Kindererziehung, das Bedürfnis nach Entlastung vom geschellschaftlich-öffentlichen Konformitätsdruck und das Bedürfnis nach privat-intimer Selbstdarstellung, z.B. von Emotionalität, Körperlichkeit und anderen Persönlichkeitsaspekten, die in der Öffentlichkeit, auch am Arbeitsplatz, nicht ausgelebt werden können, jedoch sublimiert werden müssen.174 Wohnnutzung läßt sich danach also beschreiben als die Nutzung eines abgeschlossenen Raumes zur Befriedigung dieser Bedürfnisse, was wiederum voraussetzt, daß er zu Unterkunftszwecken genutzt wird. Da § 123 die Entstehung eines zur Befriedigung von Wohnbedürfnissen nutzbaren, räumlichen Verhaltensfreiheitspotentials nur mittelbar und die dadurch mögliche Befriedigung der Wohnbedürfnisse allenfalls reflexartig schützt, kann es lediglich auf die Eignung der tatsächlich zu Unterkunftszwecken genutzten Räumlichkeit zur Befriedigung der genannten Bedürfnisse ankommen. Liegt schon keine tatsächliche Nutzung der Wohnung zu Unterkunftszwecken vor, kommt die Befriedigung der angesprochenen Bedürfnisse überhaupt nicht in Betracht, weshalb an Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 404. Dies verdeckt Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 4, wenn er formuliert, ein Pkw könne (auch bei faktischer Nutzung zu Unterkunftszwecken) keine Wohnung sein, weil er sich nicht als Unterkunft eigne. Wird ein Raum tatsächlich als Unterkunft genutzt, kann es hierauf jedoch nicht mehr ankommen. 172 Allgemeine Meinung: Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 4; LK-Lilie, § 123, RN 12; SKRudolphi, § 123, RN 8, m.w.N. 173 Vgl. oben, 6. Kap. und Häußermann / Siebel, S. 217 f. 174 Vgl. oben, 1. Kap. II. 1. a) und 7. Kap. B. III. 3. a). 170 171

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dieser Voraussetzung festzuhalten ist. Als weitere Voraussetzung des Wohnungsbegriffs ist neben der Abgeschlossenheit und der Nutzung zu Unterkunftszwecken darauf abzustellen, ob sich die von Menschen genutzte Unterkunft dazu eignet, die genannten individuellen Elementarfunktionen oder auch andere Wohnbedürfnisse zu erfüllen. Die nur kurzzeitige Nutzung einer Räumlichkeit, die ansonsten den o. g. Anforderungen entspricht, schließt ihre Eignung, zur Befriedigung von Wohnbedürfnissen genutzt werden zu können, nicht aus. Auch in einem nur für eine Nacht bezogenen Hotelzimmer kann sich der Gast von dem Sozialdruck der Außenwelt entspannen und sich auf den bevorstehenden Wiedereintritt in die Außenwelt vorbereiten. Eine gewisse Dauerhaftigkeit der Unterkunftsnutzung muß also in der Regel nicht zwingend vorliegen, obwohl sie natürlich ein deutliches Indiz für eine Wohnnutzung sein kann. Diese Bestimmung des Wohnungsbegriffs deckt sich weitgehend mit dem Verständnis der h.M., soweit sie zur Begründung bestimmter Auslegungsergebnisse auf die sich in der Wohnung typischerweise entfaltende Privatsphäre abstellt.175 Geht man davon aus, daß physisch gesicherter Territorialbesitz das unmittelbar durch § 123 geschützte Rechtsgut ist, so stellt sich weiterhin die Frage, ob nicht auch die an einer Wohnung bestehende Sachherrschaftsmacht spezifische Eigenschaften aufweist, die sie zu einem Erkennungsmerkmal für die tatsächliche Wohnnutzung werden läßt. Wie oben bereits festgestellt, können Räume nur dann zur Befriedigung spezifischer Wohnbedürfnisse genutzt werden, wenn der Wohnende sämtliche Dritte aus der Wohnung ausschließen und über den Innenraum der Wohnung frei verfügen kann.176 Ihm müssen also der unmittelbare Alleinbesitz und die sich daraus ergebenden umfassenden, zivilrechtlichen Schutz- und Abwehrrechte zustehen. Zumindest diejenigen Räume, deren unmittelbaren Besitz er sich mit anderen, welche die Räume nicht zu Unterkunftszwecken nutzen, teilen muß, können in der Regel also keine Wohnung im Sinne des § 123 sein. Sie können aber durchaus unter das Tatobjekt befriedetes Besitztum subsumiert werden.

2. Anwendung auf die Problemfälle a) Vorübergehend genutzter Wohnraum Vorübergehend genutzter Wohnraum ist auch in Zeiten des Leerstands unter den Wohnungsbegriff des § 123 zu subsumieren, wenn er in dieser Zeit ausschließlich als Unterkunft für ein und dieselbe Person oder Personenmehrheit vorgehalten wird. Nur in diesem Fall können die Räume auch während des Leerstands zur Befriedigung wohnspezifischer Bedürfnisse genutzt werden. So kann es auch zur priVgl. oben, II. (Vorbemerkung). Dazu gehört auch, daß er sie zur Aufnahme und Vertiefung gezielter sozialer Außenkontakte nutzen kann, indem er sich beliebige Besucher einlädt. 175 176

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vat-intimen Selbstdarstellung gehören, daß leerstehende Wohnräume in einem Zustand belassen werden, der Dritten nicht offenbart werden soll (extravagante Einrichtung, Unordnung, Unsauberkeit). An der Eignung zur Befriedigung der Wohnbedürfnisse fehlt es, wenn die Räume in erster Linie vorgehalten werden, um an wechselnde Dritte vermietet werden zu können. Hier steht die kommerzielle Nutzung im Vordergrund und schließt die Nutzung zu Wohnzwecken aus. Daher fallen auch Zweitwohnungen und nur saisonbedingt genutzte Wohnräume, wie Studentenunterkünfte oder private Ferienwohnungen, unter den Wohnungsbegriff, Ferienhäuser, die während des Leerstands zur gewerblichen Vermietung bereit gehalten werden, dagegen nicht.177 Bei der Beurteilung dieses Problemfalls ist das Abstellen auf den unmittelbaren Alleinbesitz des oder der die Räume zu Unterkunftszwecken Nutzenden nicht erforderlich.

b) Hotelzimmer Hotelzimmer können nur als Wohnung im Sinne von § 123 angesehen werden, wenn sie von einem Gast tatsächlich zu Unterkunftszwecken genutzt werden. Nur dann stellen sie ein physisch gesichertes Territorium dar, in welchem die Befriedigung spezifischer Wohnbedürfnisse in Betracht kommt. Wird das Hotelzimmer nicht bewohnt, so kommt dem Vermieter des Hotelzimmers zwar der unmittelbare Alleinbesitz an dem Hotelzimmer zu, es dient aber niemandem – erst recht nicht dem Hotelier – tatsächlich zu Unterkunftszwecken. Denn der Hotelier muß das Hotelzimmer freihalten, um es an Dritte vermieten zu können. Leerstehende Hotelzimmer sind folglich unter die Generalklausel befriedetes Besitztum zu subsumieren.178

c) Nebenräume Zunächst fallen diejenigen „Nebenräume“ unter den Wohnungsbegriff, die sich zusammen mit den unmittelbar zu Unterkunftszwecken dienenden Einzelräumen (z.B. Wohn- und Schlafzimmer) innerhalb einer durch Außenwände und Wohnungstür abgeschlossenen Einheit befinden. Die innerhalb einer abgeschlossenen Wohneinheit liegende Toilette, Küche, Abstellkammer usw. sind rein faktisch untrennbar mit den eigentlichen Wohnräumen verbunden. So ist es auch durchaus möglich, daß eine Wohnküche als Schlafraum genutzt wird. Sie sind schon aufgrund ihrer faktisch-räumlichen Unabtrennbarkeit integraler Bestandteil des insgesamt zu Wohnzwecken dienenden Territorialbesitzes. Wird die abgetrennte Wohneinheit tatsächlich zu Unterkunftszwecken und zur Befriedigung von Wohnbedürf177 I.E. auch Artkämper, S. 51, LK-Schäfer (10. Aufl.), § 123, RN 11; Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 4, m.w.N. 178 I.E. auch Artkämper, S. 49, LK-Lilie, § 123, RN 9 und 13; Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 4, m.w.N.

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nissen genutzt, so dominieren diese Zwecke die gesamte Wohneinheit. Es handelt sich bei solchen Räumen streng genommen also gar nicht um Nebenräume der Wohnung, sondern um nicht abtrennbare Wohnungsbestandteile. Fraglich ist jedoch, woraus sich die Wohnungszugehörigkeit von außerhalb des Wohnungsabschlusses gelegenen Nebenräumen ergeben könnte. Allein auf ihre Verwendung zu Unterkunftshilfsfunktionen (funktionsbedingte Zugehörigkeit) abzustellen, hat sich bereits als unzureichend erwiesen.179 Gleichwohl ist nicht zu leugnen, daß vor dem Hintergrund der dem weiten Verständnis des verfassungsrechtlichen Wohnungsbegriffs zugrundeliegenden Verkehrsanschauung einiges dafür spricht, gewisse umschlossene Nebenräume, wie Keller, Flure, etc. auch unter den Wohnungsbegriff des § 123 zu subsumieren.180 Die Wohnung wird deshalb als spezifische Nutzungsform eines physisch gesicherten Territoriums unter den Tatobjekten des § 123 aufgeführt, um zu verdeutlichen, daß physisch gesicherte Territorien auch geschützt werden, um die Befriedigung von typischen Wohnbedürfnissen reflexartig zu sichern. Es sollten daher auch diejenigen Nebenräume unter den Wohnungsbegriff gefaßt werden, deren Verhaltensfreiheitspotential in der Regel zur Entfaltung einer wohnungstypischen Nutzung verwendet werden kann. Physisch gesicherte Territorien lassen sich nur dann zu Unterkunftszwecken und zur Befriedigung der typischen Wohnbedürfnisse nutzen, wenn außer demjenigen, der das Territorium tatsächlich zu Unterkunftszwecken nutzt, keinem Dritten tatsächliche Herrschaftsmacht an dem Territorium zukommt. Es können nur umschlossene und Unterkunftshilfsfunktionen dienende Nebenräume als Wohnungsbestandteile gelten, an denen dem Berechtigten eine Herrschaftsmacht zusteht, kraft derer er jeden Dritten, also insbesondere auch den Vermieter und die im selben Haus wohnenden Mietparteien, aus dem Nebenraum ausschließen kann.181 Nur solche Nebenräume sind geeignet, spezifische Wohnbedürfnisse in ähnlicher Weise zu befriedigen wie die tatsächlich zur Unterkunft genutzte, abgeschlossene Wohneinheit.182 (Bsp.: Abschließbarer Kellerraum, der zur Aufbewahrung von Gegenständen genutzt werden kann, von denen wegen ihrer intimen Bedeutung kein Dritter Kenntnis haben soll). Abgeschlossene Nebenräume, die außerhalb des Wohnungsabschlusses, jedoch innerhalb desselben Wohnhauses liegen, fallen also unter den Wohnungsbegriff, wenn demjenigen, der eine im Haus gelegene Wohneinheit zu Unterkunftszwecken nutzt, unmittelbarer Alleinbesitz an den zu Unterkunftshilfszwecken dienenden Nebenräumen zukommt. Es ist hier jedoch in besonderer Weise darauf zu achten, daß es mit dem Wortsinn des Begriffs Wohnung vereinbar bleibt, die Nebenräume Vgl. oben, II. 1.; Behm, GA 1986, 547, 550. I.E. ähnlich Amelung, NJW 1986, 2975, 2079; a.A. Artkämper, S. 58: Außerhalb der eigentlichen Wohnsphäre gelegene Nebenräume gehörten nicht zur höchstpersönlichen Privatsphäre und daher auch nicht zur Wohnung. 181 Ähnlich Heinrich, JR 1997, 89, 91. 182 I.E. auch Heinrich, JR 1997, 89, 91; SK-Rudolphi, § 123, RN 10; unschlüssig Amelung, NJW 1986, 2975, 2079 und ders., JZ 1986, 247, 248. 179 180

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im konkreten Einzelfall als Wohnungsbestandteil zu verstehen. Insoweit kann die Verkehrsanschauung genauso in die Einzelfallbewertung einfließen, wie die Kontrollüberlegung, inwieweit der fragliche Raum aufgrund der Art seiner Unterkunftshilfsfunktion zur Befriedigung von spezifischen Wohnbedürfnissen tatsächlich genutzt wird. Abgetrennte Keller- und Speicherabteile, die gemäß Wohnungsmietvertrag der alleinigen Nutzung des Wohnungsmieters zugewiesen sind und typischerweise z.B. zur Lagerung auch von persönlichen Gegenständen oder dem Nachgehen von Hobbys dienen, gehören danach als Nebenräume zur Wohnung im Sinne des § 123. Gemeinschaftlich genutzte Waschküchen, Flure und Treppenhäuser in Mehrfamilienhäusern dürften hingegen befriedetes Besitztum darstellen. In der Regel sind sowohl sämtliche Hausbewohner als auch der Vermieter als Mitbesitzer zum Zutritt dieser Räume berechtigt und sie alle können folglich im Außenverhältnis gleichermaßen die Besitzschutzrechte ausüben.183 An freistehenden Garagen und Gartenhäusern wird den Berechtigten zwar ebenso wie an der Wohnung unmittelbarer Alleinbesitz zukommen. Diese Räumlichkeiten fallen gleichwohl nicht unter den Wohnungsbegriff. Zum einen können diese Gebäude schon nach dem allgemeinem Sprachverständnis kaum mehr als Wohnung bezeichnet werden, da sie nicht einmal mehr Teil des eigentlichen Wohnhauses sind. Vor allem sind diese Räumlichkeiten, auch wenn sie ausschließlich zu Unterkunftshilfszwecken verwendet werden, typischerweise zur Befriedigung wohntypischer Bedürfnisse nicht geeignet. d) Offene Zubehörflächen Wie oben bereits festgestellt, würde die Einbeziehung von eingefriedeten Freiflächen in den Wohnungsbegriff die im Strafrecht besonders strikt einzuhaltende Wortlautgrenze überschreiten. Diesen Flächen fehlt es an der für Wohnungen charakteristischen Abgeschlossenheit nach oben, unten und zu den Seiten. Diese ist aber erforderlich, da es sonst an der Eignung zur Befriedigung von Wohnbedürfnissen fehlt. § 123 schützt eingefriedete Flächen daher als befriedetes Besitztum. Nicht eingefriedete Flächen können, selbst wenn sie einen engen räumlichen und funktionellen Zusammenhang mit der Wohnung oder dem Wohngebäude aufweisen, kein befriedetes Besitztum darstellen. In ihnen kann sich das Rechtsgut physisch gesicherten Territorialbesitzes nicht verkörpern, weshalb ihnen der Schutz des § 123 generell vorenthalten bleiben muß.184 Diese Flächen können allein durch zivilrechtlichen Besitzschutz verteidigt werden.185 183 Engeln, S. 110; ähnlich Heinrich, JR 1997, 89, 91 und FN 32; Artkämper, S. 179 f.; Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 17 f.: An dieser Art von Gemeinschaftseinrichtungen gibt der Vermieter sein Hausrecht bei der Vermietung regelmäßig nicht auf, sondern er behält sich zumindest eine Mitberechtigung vor. 184 Amelung, NJW 1986, 2075, 2079 f.; ders. JZ 1986, 247 ff.; Behm, GA 1986, 547, 550 ff. mit umfassender Begründung; a.A. (Offene Zubehörgrundstücke sind Wohnungsbestandteile): Gössel, BT I, S. 442; LK-Schäfer (10. Aufl.), § 123, RN 9; noch a.A. (Anbindung an ein Wohnhaus reicht zur Anerkennung als befriedets Besitztum aus): RGSt 20, 150, 154 f.;

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

e) Fazit Die Untersuchung der Problemfälle hat ergeben, daß es zweckmäßig ist, die oben aufgestellten Merkmale des Wohnungsbegriffs noch um das der wohnungsspezifischen Herrschaftsmachtstruktur (= unmittelbarer Alleinbesitz) zu ergänzen. In Anlehnung an die h.M. und vor dem Hintergrund, daß § 123 dem Schutz physisch gesicherten Territorialbesitzes dient, ist der Begriff der Wohnung in § 123 somit zu bestimmen als eine baulich oder sonst abgeschlossene Räumlichkeit, die dem Zweck dient, einen oder mehreren Menschen jedenfalls vorübergehend Unterkunft zu gewähren, wobei dem- oder denjenigen, die die Räumlichkeit zu Unterkunftszwecken nutzen, unmittelbarer Alleinbesitz an ihr zukommen muß, damit sich die Räumlichkeit zur Befriedigung wohnspezifischer Bedürfnisse (wie z.B. der Bedürfnisse nach exklusivem Zusammensein in der Kleinfamilie, nach Entlastung vom gesellschaftlich-öffentlichen Konformitätsdruck und nach intim-privater Selbstdarstellung) eignet. Die Einbeziehung der wohnungsspezifischen Herrschaftsmachtstruktur hat einen weiteren Vorteil. Würde man mit der h.M. alle Nebenräume, die Unterkunftshilfsfunktionen dienen, unter den Wohnungsbegriff des § 123 fassen,186 so fielen darunter auch die Gemeinschaftseinrichtungen, an denen nur ein gleichrangiges Hausrecht von Vermieter, Wohnungsmieter und / oder den übrigen Hausbewohnern bestehen kann. Der Anwendungsbereich des Wohnungsbegriffs und die Reichweite des für den Wohnbereich typischen Hausrechts (dem Inhalt nach unmittelbarer Alleinbesitz) fielen dann unverständlicherweise auseinander. Die hier vertretene Auslegung des Wohnungsbegriffs vermeidet dieses widersprüchliche Ergebnis, indem sie den unmittelbaren Alleinbesitz des die fraglichen Räume zu Unterkunftszwekken Nutzenden zur Voraussetzung des Wohnungsbegriffs macht.187 Denn nur dann schließt der Wohnungsbegriff nur diejenigen Räume ein, an denen dem Wohnungsmieter auch das alleinige und daher wohnungstypsiche Hausrecht zukommt. Dies folgt schon daraus, daß der Besitz die dogmatische Grundlage des Hausrechts RGSt 36, 395, 398 und im Anschluß daran OLG Oldenburg, NJW 1985, 1352; Sch / SchLenckner, § 123, RN 6; SK-Rudolphi, § 123, RN 36; Tröndle / Fischer, § 123, RN 3; Lackner / Kühl, § 123, RN 3. 185 Amelung, NJW 1986, 2075, 2079 f. 186 Vgl. oben II. 187 Zu diesem Ergebnis kommt letztlich auch Heinrich, JR 1997, 89, 90; ähnlich: Artkämper, S. 180, der aber nicht von der Art des Besitzes auf die Wohnungseigenschaft und die Hausrechtsstruktur schließt, sondern unabhängig davon den Wohnungsbegriff mit dem Argument des Privatsphärenschutzes auf die durch die Wohnungstür abgeschlossene Wohneinheit verengt und dann daraus auf die Struktur des Hausrechts schließt. Dabei übersieht er jedoch zum einen, daß auch im unmittelbaren Alleinbesitz befindliche Nebenräume zur Aufnahme einer wohnungstypischen Privatsphäre geeignet sein können, und daß der Besitz als dogmatische Grundlage des Hausrechts über dessen Struktur bestimmen muß. Auch seine Auffassung führt damit letztlich zu einem Auseinanderfallen des Anwendungsbereichs von Wohnungsbegriff und der für den Wohnbereich typischen Hausrechtsstruktur.

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ist.188 Sobald der Mieter an einer Wohnung durch den Einzug unmittelbaren Alleinbesitz erwirbt, erlangt er damit originär auch das alleinige Hausrecht an der Wohnung und den Nebenräumen, an denen er mit Einzug ebenfalls den unmittelbaren Alleinbesitz erhält.189 An den im Mitbesitz von Vermieter und / oder allen Hausbewohnern stehenden Gemeinschaftseinrichtungen, die nach der hier vertretenen Auffassung auch nicht unter den Wohnungsbegriff fallen, kommt dagegen dem Vermieter und sämtlichen Mietern ein gleichrangiges Hausrecht zu.190

V. Der Wohnungsbegriff des § 123 und das zu den nicht-strafrechtlichen Wohnungsbegriffen erarbeitete Systematisierungsschema Der Wohnungsbegriff des § 123 läßt sich nur schwer in eine Gruppe des oben erarbeiteten Systematisierungsschemas einordnen. Betrachtet man den Normzweck des § 123, so bestehen kaum Gemeinsamkeiten mit den Normzwecken, die für die erste durch Art. 13 GG geprägte Wohnungsbegriffsgruppe dieses Schemas bestimmend ist. Die Gemeinsamkeiten scheinen sich darin zu erschöpfen, daß sowohl Art. 13 GG als auch § 123 vorrangig individuellen und nicht öffentlichen Interessen dienen, Art. 13 GG dem Interesse an räumlicher Privatsphäre und § 123 dem Interesse an physisch gesichertem Territorialbesitz. Neben dieser unspezifischen Gemeinsamkeit ist noch eine weitere erkennbar: Der zivil- und strafrechtliche Schutz des Interesses an physisch gesichertem Territorialbesitz läßt sich als Voraussetzung für die Entstehung sowohl einer räumlichen als insbesondere auch einer häuslichen, wohnungstypischen Privatsphäre begreifen. Der Schutz des Interesses an physisch gesichertem Territorialbesitz bewirkt daher auch einen reflexartigen Schutz der durch Art. 13 GG unmittelbar geschützten räumlichen Privatsphäre. Dies darf aber nicht über die grundsätzliche Verschiedenheit der beiden Interessen hinweg täuschen. Daß sie aufeinander bezogen sind, kann eine Einordnung des Wohnungsbegriffs in diese Gruppe daher kaum rechtfertigen. Vgl. Engeln, S. 43 f. Engeln, S. 107 ff.; insoweit i.E. auch Artkämper, S. 176; Seier, JA 1982, 232, 237; und die h.M., vgl. Bernsmann, Jura 1981, 337, 343; Heinrich, JZ 1997, 89, 90; Krey, BT I, RN 439; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT I, Tb. 1, S. 307; SK-Rudolphi, RN 15; Kageler, S. 129; Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 17; a.A.: LK-Schäfer (10. Aufl.), § 123, RN 54; Tröndle / Fischer, § 123, RN 2: In gewissen Fällen (Obdachlosenheim, Hotelzimmer) dürfe der Vermieter Besuchern des Mieters gegen dessen Willen den Zutritt verbieten. Für den Verbleib eines solchen „Resthausrechts“ des Vermieters auch: OLG Braunschweig NJW 1966, 263, 264; OLG Köln NJW 1966, 265, die jedoch sämtlich übersehen, daß mit Übertragung des unmittelbares Besitzes an der Wohnung ein originäres Hausrecht des Mieters entsteht, weshalb kein Resthausrecht des Vermieters verbleiben kann. Dies folgt schon daraus, daß der Besitz die dogmatische Grundlage des Hausrechts ist. Vgl. Engeln, S. 107; Artkämper, S. 176. 190 I.E. auch Engeln, S. 110 f.; Heinrich, JR 1997, 89, 90; Artkämper, S. 179 f.; Seier, JA 1982, 232, 237; Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 17. 188 189

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

Dies wird auch an der unterschiedlichen Reichweite der Wohnungsbegriffe deutlich, die letztlich auf verschiedene Normzweckstrukturen zurückzuführen ist. Der Wohnungsbegriff in § 123 wird durch die strenge Wortlautbindung des dem Analogieverbot unterliegenden Strafrechts, durch die ausdrückliche Nennung von Geschäftsräumen und befriedetem Besitztum als weitere Tatobjekte des Hausfriedensbruchs sowie dem damit verfolgten Zweck, die besondere Bedeutung des Schutzes von physisch gesichertem Territorialbesitz für die Befriedigung individueller Wohnbedürfnisse hervorzuheben, bestimmt. Das führt zu einer im Verhältnis zum verfassungsrechtlichen Wohnungsbegriff deutlich restriktiveren Auslegung. Es verbietet sich, Geschäftsräume oder Unterkunftshilfsfunktionen erfüllende befriedete Besitztümer unter den Wohnungsbegriff des § 123 zu subsumieren. Dies ist bei dem verfassungsrechtlichen Wohnungsbegriff jedoch gerade geboten.191 Während die Auslegung des Wohnungsbegriffs in Art. 13 GG also den Schutz der über wohnungsspezifische Aspekte hinausreichenden räumlichen Privatsphäre ausdrücken muß, ist die Auslegung des Wohnungsbegriffs in § 123 gerade auf die wohnungsspezifischen Aspekte der Privatheit beschränkt.

C. Schwere Brandstiftung an Räumlichkeiten, die der Wohnung von Menschen dienen, § 306a Abs. 1 Nr. 1 I. Wesentliche Veränderungen durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26. 01. 1998 (6. StrRG) Die Brandstiftungsdelikte sind die durch das 6. StrRG am stärksten betroffene Tatbestandsgruppe des Besonderen Teils des StGB.192 Ihr System wurde durch die Neuschaffung von zwei Grundtatbeständen mit unterschiedlichen Schutzrichtungen (§ 306: Atypischer Spezialfall der Sachbeschädigung193 und § 306a: GemeinVgl. oben, 3. Kap. B. I. 1. c). Radtke, ZStW 110 (1998), 848 f.; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 2, S. 14; Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 1. 193 H. M.: Maurach / Schroeder / Maiwald, S. 14; Wessels / Hettinger, RN 956; Cantzler, JA 1999, 474; Rengier, JuS 1998, 397, 398; Geppert, Jura 1998, 597, 599; Sch / Sch-Heine, § 306; RN 1, m.w.N.; a.A.: Radtke, ZStW 110 (1998), S. 857, der annimmt, § 306 schütze als sog. „Kombinationsdelikt“ sowohl das Eigentum als auch vor der durch das Tatmittel Feuer hervorgerufenen generellen Gemeingefährlichkeit. Dabei ist jedoch nicht einsichtig, warum die Erzeugung einer Gemeingefahr nur bei gleichzeitiger Verletzung fremden Eigentums strafbar sein soll. Obwohl sich durch den Ansatz Radtkes die hohe Strafdrohung des § 306 erklären ließe, muß also von einem atypischen Spezialfall der Sachbeschädigung ausgegangen werden. Das Vorliegen einer brandspezifischen Gefährlichkeit ist aber angesichts der hohen Strafdrohung gleichwohl zu verlangen, da § 306 wegen des allgemein gefährlichen Tatmittels Feuer überhaupt nur in den 28. Abschnitt aufgenommen worden ist, vgl. Sch / SchHeine, § 306; RN 1. Dieser Meinungsstreit hat insbesondere Bedeutung für die Möglichkeit einer rechtfertigenden Einwilligung, die nur auf der Grundlage der h.M. gegeben ist. 191 192

C. Schwere Brandstiftung an Räumlichkeiten

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gefährliches Delikt zum Schutz vor abstrakter Gefahr für Leben und Gesundheit),194 an die zum Teil dieselben Qualifikationen (§ 306b Abs. 1) sowie Gefahrerfolgs- und Todeserfolgsqualifikationen (§ 306b Abs. 2, der über § 306b Abs. 1 auch § 306 qualifiziert, und § 306c) anknüpfen, grundlegend umgestaltet.195 Das mit dem Reformgesetz angestrebte Ziel, die Unübersichtlichkeit, Uneinheitlichkeit, Lückenhaftigkeit und die partielle Systemwidrigkeit des alten Brandstrafrechts zu überwinden,196 wurde durch diese grundlegenden Änderungen nur ansatzweise erreicht. Insbesondere eine übersichtliche und verständlichere Gestaltung der Brandstiftungsdelikte ist nicht gelungen.197 Die zweite, besonders tiefgreifende Veränderung bringt die beide Grundtatbestände betreffende Einführung einer weiteren tatbestandsmäßigen Brandstiftungshandlung mit sich. Eine Brandstiftung kann jetzt auch durch die vollständige oder teilweise Zerstörung eines Tatobjekts infolge einer Brandlegung begangen werden. Hierdurch sollen Strafbarkeitslücken geschlossen werden, die durch die mittlerweile übliche Verwendung von feuerresistenten Baumaterialien entstanden waren.198 Der im Kontext der vorliegenden Untersuchung interessierende Tatbestand der schweren Brandstiftung an Räumlichkeiten, die der Wohnung von Menschen dienen (§ 306a Abs. 1 Nr. 1), ist – gemessen an seiner Vorgängerregelung (§ 306 Nr. 2 a.F.) und von der Einführung der Tathandlung „Zerstören durch Brandlegung“ abgesehen – nur geringfügig reformiert worden.199 Zusätzlich zu den der Wohnung von Menschen dienenden Gebäuden, Hütten und Schiffen wurde lediglich die zu diesem Zweck dienende „Räumlichkeit“ in den Kreis der Tatobjekte aufgenommen. Der Begriff der Wohnräumlichkeit ist im Vergleich zu den übrigen Tatobjekten des § 306a Abs. 1 Nr. 1 auf einer höheren Abstraktionsstufe angesiedelt. Er wird damit zum zentralen Tatobjekt der schweren Brandstiftung,200 das in ähnli-

H. M., vgl. Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 1, m.w.N. Radtke, ZStW 110 (1998), S. 848, 853. 196 Begründung des Regierungsentwurfs in BT-Drs. 13 / 8587, S. 25 f. 197 Vgl. Radtke, ZStW 110 (1998), 848, 854 f.; Sch / Sch-Heine, Vor §§ 306 ff., RN 20 f. 198 Begründung des Regierungsentwurfs in BT-Drs. 13 / 8587, S. 26. Während für ein Inbrandsetzen erforderlich ist, daß das Tatobjekt auch nach Entfernung des Zündstoffs aus eigener Kraft weiter brennt (BGHSt 36, 222; BGH NJW 1987, 141), reicht für das Zerstören durch Brandstiftung die partielle Zerstörung durch eine auf die Brandlegung zurückzuführende Entwicklung von Rauch, Ruß oder Gasen aus. Ein Weiterbrennen des Tatobjekts aus eigener Kraft ist hingegen nicht erforderlich, vgl. Tröndle / Fischer, § 306, RN 15. 199 Vgl. Radtke, ZStW 110 (1998), 848, 862. Als besonders bedeutsam wurde auch die Einführung eines minder schweren Falles angesehen (in § 306a Abs. 3), wodurch insbesondere die verfassungsrechtlichen Bedenken entschärft werden sollten, die in Fällen ausgeschlossener Gefahrverwirklichung gegen eine Bestrafung nach § 306a Abs. 1 sprechen, zustimmend Koriath, JA 1999, 298 ff.; zur verfassungsrechtlichen Legitimationsfunktion eines konkreten Gefährdungserfolges, vgl. Lagodny, S. 439 f. 200 BT-Drs. 13 / 8587, S. 68 (Stellungnahme des Bundesrates zum RegE, auf dessen Anregung hin die Einfügung der Räumlichkeiten erfolgte); Radtke, ZStW 110 (1998), 848, 855; Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 4. 194 195

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

cher Form als Generalklausel wirken dürfte wie das befriedete Besitztum in § 123. Im folgenden ist das Augenmerk daher vorrangig auf diesen Begriff zu richten. II. Begriffsbestimmender Normzweck des § 306a Abs. 1 Nr. 1 Um die Normzwecke erkennen zu können, die sich im Rahmen objektiv-teleologischer Auslegung auf die Bestimmung des Begriffs der zur Wohnung von Menschen dienenden Räumlichkeit auswirken, ist zunächst das durch § 306a Abs. 1 Nr. 1 geschützte Rechtsgut zu bestimmen. 1. Das durch § 306a Abs. 1 Nr. 1 geschützte Rechtsgut Nach herrschender Auffassung schützt § 306a Abs. 1 Nr. 1 die Rechtsgüter Leben und Gesundheit vor abstrakter Gefährdung.201 Einer Mindermeinung zufolge würde durch das Inbrandsetzen von Wohnräumlichkeiten für diese Rechtsgüter jedoch allenfalls eine „höchst abstrakte“ Gefahr herbeigeführt, die insbesondere im Hinblick auf das Schuldprinzip nicht geeignet sei, die vergleichsweise strenge Sanktion des § 306a Abs. 1 (Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr) zu rechtfertigen.202 Der straflegitimierende Unrechtsgehalt einer schweren Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 müsse daher jedenfalls auch in der Vernichtung einer fremden menschlichen Wohnung gesehen werden, welche die Lebensgrundlage und den persönlichen Lebensmittelpunkt des Wohnungsinhabers darstellen.203 Ihren theoretisch-dogmatischen Ursprung hat diese Auffassung in der von Kindhäuser für abstrakte Gefährdungsdelikte entwickelten Konzeption, wonach alle Delikte dieses Typs nicht den Schutz bestimmter Rechtsgüter gewährleisten sollen, sondern eine allgemeine, deliktsspezifisch vermittelte Sicherheit. Diese Sicherheit sei mit der berechtigten Sorglosigkeit bei der Verfügung über bestimmte Individualgüter gleichbedeutend.204 § 306a Abs. 1 Nr. 1 soll danach durch den Schutz des Wohnens als deliktsspezifische Verfügungsweise über die Rechtsgüter Leben und Gesundheit (und der Wohnung als deren materielles Substrat) mittelbar die Möglichkeit sichern, über menschliches Leben und menschliche Gesundheit sorglos „verfügen“ zu können.205 Ein Verhalten, welches für ein Rechtsgut im Einzelfall weitgehend ungefährlich sei, soll hier deshalb als sozialschädlich und strafbegründend bewertet werden, weil es ein den Individualrechtsgütern vorgelagertes 201 BGHSt 26, 121, 123; BGHSt 34, 115, 118; SK-Horn, § 306a, RN 2; Tröndle / Fischer, § 306a, RN 1; Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 1; Wessels / Hettinger, RN 961; Radtke, S. 161; ders., ZStW 110 (1998), 848, 862 f.; Bruch, S. 204 f.; Kratzsch, JuS 1994, 372, 378. 202 Maurach / Schroeder / Maiwald, S. 17. 203 Maurach / Schroeder / Maiwald, S. 17; ähnlich: Kindhäuser, S. 295; ders., StV 1990, 161, 163. 204 Kindhäuser, S. 280 ff. 205 Kindhäuser, S. 296 für § 306 Nr. 2 a.F.; ders. StV 1990, 161, 163.

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Interesse an berechtigter Sorglosigkeit und Angstfreiheit bei der Verfügung über diese Rechtsgüter verletzt. Dies ist im Ergebnis jedoch weniger überzeugend, als die an dem Gedanken des Rechtsgüterschutzes festhaltende Idee der abstrakten Rechtsgutsgefährdung.206 Die gedankliche Vorschaltung des unspezifischen, durch jede Unrechtshandlung verletzbaren Sicherheitsinteresses droht sich als bloße Fiktion zu entpuppen. Abgesehen von weiteren, grundsätzlichen Zweifeln an der Tragfähigkeit der theoretischen Konzeption Kindhäusers,207 kann diese Auffassung den behaupteten Legitimierungsvorteil offensichtlich nicht für sich in Anspruch nehmen. Das Problem der zweifelhaften Legitimität des § 306a Abs. 1 Nr. 1 in Fällen tatsächlich ausgebliebener, konkreter Gefährdung wird durch die Annahme eines den Individualrechtsgütern vorgelagerten, allgemeinen Sicherheitsinteresses nicht gelöst, sondern bestenfalls auf die theoretische Ebene der Rechtsgutslehre verlagert.208 Zuzustimmen ist dieser Ansicht darin, daß mit der Wohnung in § 306a Abs. 1 Nr. 1 der zentrale private Aufenthaltsort eines Menschen angesprochen ist, zu dem auch Kontaktpersonen (Freunde und Verwandte der Bewohner, Handwerker, Hausmeister, etc.) Beziehungen unterhalten. Für Externe ist dabei – anders als bei Arbeitsräumen oder öffentlichen Dienst- und Verkehrsräumen – aufgrund der Wohnnutzung unberechenbar, welche und wie viele Personen sich wann in der Wohnung aufhalten. Gerade aus dieser für wohngenutzte Räumlichkeiten typischen Eigenart folgt, daß das menschliche Leben und die Gesundheit gerade an diesem Ort durch das Tatmittel Feuer typischerweise besonders qualifiziert gefährdet wird.209 Denn neben der sich aus der Wohnnutzung ergebenden Unberechenbarkeit der Aufenthaltssituation ist der durch das Inbrandsetzen von Wohnräumlichkeiten angestoßene Kausalverlauf ab einer gewissen Erheblichkeitsschwelle in aller Regel weder für den Täter noch für präsumtive Opfer beherrschbar. Der Täter produziert durch das Inbrandsetzen der Wohnräumlichkeit also einen Gefahrenzustand für Leben und Gesundheit präsumtiver Opfer, der als objektivierte, generelle Gemeingefahr zu charakterisieren ist, weil ein nicht feststehender Kreis von Personen in Gefahr gebracht wird. Aufgrund der Unbeherrschbarkeit der Gefahrensituation wird zudem ein Gefahrenzustand höchsten Grades erzeugt, in dem das Ausbleiben einer Verletzung von Leben und Gesundheit nur noch vom Zufall abhängt. Allein dieser in zweifacher Hinsicht besondere Gefahrenzustand für die höchstrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit ist geeignet, die Strafbestimmung in § 306a Abs. 1 Nr. 1 zu rechtfertigen.210 Radtke, S. 164 ff. Vgl. Roxin, AT I, § 11, RN 123; Kratzsch, JuS 1994, 372, 376 und i.E. auch Lagodny, S. 439, der aber hervorhebt, daß aus Opfersicht grundsätzlich auch die Herstellung von Sicherheit ein Interesse sei, welches zur Rechtfertigung von abstrakten Gefährdungsdelikten ausreicht. 208 Radtke, S. 164; ähnlich: Roxin AT I, § 11, RN 123. 209 Radtke, S. 165; ders. ZStW 110 (1998), 848, 862 ff. 210 Radtke, S. 164 ff.; Kratzsch, JuS 1994, 372, 379; ähnlich Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 1. 206 207

17 Krumme

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

Dies zeigt ferner ein Vergleich mit § 306a Abs. 1 Nr. 3: Räumlichkeiten, bei denen es für Externe berechenbar ist, wann sich typischerweise Personen in ihnen aufzuhalten pflegen, weisen ohne die Tatzeitklausel in § 306a Abs. 1 Nr. 3 keinen Bezug zu den Rechtsgütern Leben und Gesundheit auf.211 Bei wohngenutzten Räumlichkeiten bedarf es der Herstellung dieses Bezuges durch die Tatzeitklausel hingegen nicht, weil die Anwesenheitszeiten und der Kreis der anwesenden Personen – anders als bei nur zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dienenden Räumlichkeiten – für Außenstehende von vornherein typischerweise vollkommen unberechenbar sind. Die Wahrscheinlichkeit, daß sich zu jeder Zeit Personen in Wohnräumen aufhalten, ist zudem ungleich größer. Das von der Gegenansicht insoweit vorgebrachte Argument, auf der Grundlage der h.M. könne nicht begründet werden, warum der Gesetzgeber bei § 306a Abs. 1 Nr. 1 auf eine Tatzeitklausel verzichtet habe,212 geht daher ins Leere. Des weiteren ist die Annahme, § 306a Abs. 1 Nr. 1 schütze die menschliche Wohnung als Lebensgrundlage und persönlichen Lebensbereich, auch nicht zur Vermeidung von „Systemwidrigkeiten“ erforderlich, die durch die hier vertretene Konzeption angeblich verursacht würden.213 Eine „Systemwidrigkeit“ liegt nach vereinzelt gebliebener Auffassung darin begründet, daß zwar das Eindringen in einen fremden persönlichen Lebensmittelpunkt (= Wohnung) unter Strafe gestellt sei (durch § 123), nicht aber dessen Zerstörung. Allein durch den Hinweis, als geschütztes Rechtsgut des § 123 sei richtigerweise das Interesse an ungestörter Sachherrschaft über ein physisch gesichertes Territorium anzusehen und die Wohnung könne daher allenfalls reflexartig als persönlicher Lebensbereich geschützt sein, läßt sich dieser Einwand freilich nicht entkräften. Denn es könnte im Interesse der Systemeinheitlichkeit auch dann noch erforderlich sein, die Zerstörung der Wohnung wegen der damit in der Regel verbundenen Beeinträchtigung oder Aufhebung des physisch gesicherten Territorialbesitzes unter Strafe zu stellen. Der Einwand übersieht indessen, daß die Wohnung, wenn auch weder als persönlicher Lebensbereich noch als physisch gesicherter Territorialbesitz, so doch als fremdes Eigentum sehr wohl vor Zerstörung durch Dritte geschützt ist (durch die §§ 303 Abs. 1, 305 Abs. 1, 306 Abs. 1 Nr. 1 und 4). Weiterhin spricht ein Vergleich der Strafrahmen eindeutig gegen die Annahme, § 123 und § 306a Abs. 1 Nr. 1 könnten den Schutz ähnlicher oder gar identischer Interessen verfolgen. So ist die Höchststrafe für einen Hausfriedensbruch auf ein Jahr Freiheitsstrafe begrenzt, während es sich bei der schweren Brandstiftung um ein Verbrechen handelt, für das in der Regel nicht weniger als ein Jahr Freiheitsstrafe verhängt werden darf. Schließlich wäre es nahezu absurd und nicht minder „systemwidrig“, wenn § 306a Abs. 1 Nr. 1 die Wohnung als Lebensgrundlage des Menschen nur vor Zerstörung durch Feuer schützte und nicht auch vor anderen Zerstörungsarten. Der herrschenden Auffassung, wo211 212 213

Radtke, S. 165. Maurach / Schroeder / Maiwald, S. 17. So Maurach / Schroeder / Maiwald, S. 17.

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nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 die Rechtsgüter Leben und Gesundheit vor abstrakter Gefährdung schützt, ist demnach ohne Einschränkung zuzustimmen.

2. Der Strafgrund des § 306a Abs. 1 Nr. 1 Durch die Verbindung der Tathandlungen des Inbrandsetzens bzw. des Zerstörens durch Brandlegen mit den in § 306a Abs. 1 Nr. 1 genannten, zum Wohnen dienenden Tatobjekten, wird ein Verhalten erfaßt, das allein aufgrund der typischen Unüberschaubarkeit und Unbeherrschbarkeit des angestoßenen Kausalverlaufs einen Gefahrenzustand erzeugt, der durch eine generelle Gemeingefahr für die Rechtsgüter Leben und Gesundheit gekennzeichnet ist und in dem der Eintritt einer konkreten Rechtsgutsgefahr nur noch vom Zufall abhängt.214 Der darin enthaltene Erfolgsunwert zum Nachteil der Rechtsgüter Leben und Gesundheit sowie der aus der Herbeiführung des Gefahrenzustands erwachsende Handlungsunwert bilden den Strafgrund des § 306a Abs. 1 Nr. 1. Damit wirkt sich § 306a Abs. 1 Nr. 1 in zweifacher Hinsicht auch zum Schutz der Allgemeinheit aus. Zum einen geht es ihm um den Schutz unbestimmter Mitglieder der Allgemeinheit, nämlich den präsumtiven Opfern einer Brandstiftung, die nach Anzahl und Individualität in der Regel nicht bestimmt werden können.215 Zum anderen ist es für generell gemeingefährliche Delikte stets charakteristisch, daß sie neben individuellen Rechtsgütern auch den Schutz der Allgemeinheit bezwecken. Indem sie individuelle Rechtsgüter vor abstrakter Gefährdung schützen, schützen sie auch die Funktion, die diesen Rechtsgütern als Komponenten des Gemeinschaftslebens zukommt.216 Dies darf jedoch nicht zu dem Schluß verleiten, § 306a Abs. 1 Nr. 1 schütze die Allgemeinheit vorrangig oder solle hauptsächlich der Gefährdung „überstaatlicher Werte“ vorbeugen.217 Denn zum einen steht der Schutz der individuellen Rechtsgüter Leben und Gesundheit nach dem oben Dargelegten unzweifelhaft im Vordergrund; zum anderen besteht ohnehin kein streng 214 Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 1 f.; Rengier, JuS 1998, 397, 388 und 389; a.A. Radtke, ZStW 110 (1998), 849, 863 und Kratzsch, JuS 1994, 372, 375 ff., die wegen der generellen Gefährlichkeit der schweren Brandstiftung an Wohngebäuden im Rahmen der Nr. 1 eine teleologische Reduktion auch in den Fällen für ausgeschlossen halten, in denen eine (konkrete) Gefährdung von Menschenleben nach Lage der Dinge und menschlichem Erfahrungswissen absolut ausgeschlossen ist und der Täter sich durch hinreichend zuverlässige Maßnahmen entsprechend vergewissert bzw. adäquate Vorsorge getroffen hat. Gegen die Zulässigkeit einer teleologischen Reduktion in diesen Fällen auch: Lagodny, S. 480 ff., der darin einen Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip sieht. Für eine teleologische Reduktion des § 306a Abs. 1 Nr. 1: BGHSt 26, 121, 124 f. (für § 306 Nr. 2 a.F.); BGH NStZ 1999, 32 ff.; Wessels / Hettinger, RN 968; Tröndle / Fischer, § 306a, RN 2; Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 2; Koriath, JA 1999, 298, 300. 215 Radtke, S. 166. 216 Radtke, S. 166. 217 So aber Bruch, S. 205 und 211 f. und wohl auch Geppert, Jura 1989, 417, 418.

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

einzuhaltender Gegensatz zwischen dem Schutz einzelner Rechtsgutsträger und dem der Allgemeinheit. 218

III. Der Begriff der zur Wohnung von Menschen dienenden Räumlichkeit Wie bereits erwähnt, ist der durch das 6. StRG eingeführte Begriff der dem Wohnen dienenden Räumlichkeit Oberbegriff der in § 306a Abs. 1 Nr. 1 genannten Tatobjekte. Dem bisherigen Zentralbegriff „Gebäude“ kommt damit, wie auch den übrigen Tatobjekten, nur noch die Funktion eines erläuternden Beispiels zu.219 Dem Wortsinn nach handelt es sich bei Räumlichkeiten um allseits abgeschlossene räumliche Einheiten, unabhängig davon, ob sie beweglich oder unbeweglich sind.220 Es ist jedoch nicht jede Räumlichkeit taugliches Tatobjekt des § 306a Abs. 1 Nr. 1. Sie muß zudem tatsächlich als Wohnung von Menschen dienen. Daß die Tatobjektseigenschaft allein durch die tatsächliche Wohnnutzung konstituiert wird, folgt zwingend aus dem oben umrissenen Normzweckgefüge des § 306a Abs. 1 Nr. 1 und entsprach auch unter der Geltung des alten Rechts der allgemeinen Auffassung.221 Denn nur, wenn die fraglichen Räumlichkeiten tatsächlich den Lebensmittelpunkt eines Menschen darstellen, besteht ein für Externe unüberschaubares Beziehungsgeflecht zwischen Bewohner, Kontaktperson und Objektnutzung. Dieses unüberschaubare Beziehungsgeflecht in Verbindung mit dem ab einer gewissen Erheblichkeitsschwelle unbeherrschbaren Tatmittel Feuer läßt das straflegitimierende Maß genereller Gemeingefährlichkeit entstehen. Hierdurch erlangt die schwere Brandstiftung die Qualität eines strafwürdigen, abstrakten Gefährdungsdelikts.222 1. Mindestgröße Der Begriff der Räumlichkeit könnte eher als der des Gebäudes dazu verleiten, allseitig abgeschlossene Räume auch dann als taugliche Tatobjekte des § 306a Abs. 1 Nr. 1 einzustufen, wenn sie eine bestimmte Mindestgröße unterschreiten. Auch das Erfordernis der tatsächlichen Wohnnutzung dürfte dem kaum entgegenRadtke, S. 167. BT-Drs. 13 / 8587, S. 68; Radtke, S. 174 f.; ders. ZStW 110 (1998), 849, 864; Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 4. 220 Radtke, ZStW 110 (1998), 849, 864; SK-Horn, § 306 (a.F.), RN 8; Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 4; Wessels / Hettinger, RN 962. 221 Für § 306 Nr. 2 a.F.: BGHSt 26, 121 122; Maurach / Schroeder / Maiwald , BT, Tb. 2 (7. Aufl.), S. 15; Geppert, Jura 1989, 417, 419; für das geltende Recht: Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 4 f.; Maurach / Schroeder / Maiwald, S. 17; Rengier, JuS 1998, 397, 398; Radtke, S. 176 und 180; ders. ZStW 110 (1998), 849, 865. 222 Radtke, S. 176; Sch / Sch-Heine, Vor §§ 306 ff., RN 3. 218 219

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stehen, da auch kleinste Räume einem Menschen zumindest als Unterkunft dienen können, womit die Minimalanforderungen des Wortlauts bereits erfüllt wären. Gleichwohl ist aber eine gewisse Mindestgröße der zu Wohnzwecken dienenden Räumlichkeit erforderlich, damit durch die an ihr begangene Brandstiftung der besondere und daher straflegitimierende Gefahrenzustand erzeugt werden kann.223 Die Wahrscheinlichkeit, Leib oder Leben anderer Menschen durch Brandstiftung zu verletzen, sinkt mit der Größe der Tatobjekte. Je kleiner die Räumlichkeit ist, um so seltener werden sich in ihr unbestimmt viele Rechtsgutsträger aufhalten können. Es scheint deshalb gänzlich unwahrscheinlich zu sein, daß die Brandstiftung an sehr kleinen Räumen, wie z.B. an Schäferkarren, das strafwürdige Maß an genereller Gemeingefährlichkeit hervorzurufen geeignet ist. Denn kleinste Räumlichkeiten können von einem Außenstehenden sehr viel besser überblickt werden, weshalb die rechtsgutsbezogene Gefährlichkeit einer Brandstiftungshandlung zumindest dann erheblich geringer ist, wenn der Brandstifter die Vermeidung von Verletzungen präsumtiver Opfer anstrebt. Überdies liegt wegen der besseren Überschaubarkeit von kleinsten Tatobjekten die vorsätzliche Begehung eines konkreten Gefährdungs- oder gar eines Verletzungsdelikts mit entsprechender Schutzrichtung nahe (§§ 211 ff., 223 ff.).224 Schließlich bestimmt § 306a Abs. 1 Nr. 1 ausdrücklich, die fraglichen Räumlichkeiten müßten dem Aufenthalt von Menschen dienen. Die Verwendung des Plurals ist ein kaum zu widerlegendes Indiz dafür, daß die fragliche Räumlichkeit zumindest von mehreren Menschen betreten werden können muß.225 Es ist daher der Ansicht zuzustimmen, die fordert, daß die abgeschlossenen Räume unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse für einen Menschen nicht nur als sein wenigstens vorübergehender, lokaler Lebensmittelpunkt fungieren müssen. Das fragliche Objekt muß zumindest auch so groß sein, daß in ihm mehr als eine Bewegungsart (z.B. Liegen und Sitzen) möglich ist und sich in ihm typischerweise mehr als nur ein Mensch tatsächlich aufhalten kann.226

2. Tatsächliche Wohnnutzung Wegen der essentiellen Bedeutung der tatsächlichen Wohnnutzung für die Tatobjektsqualität der Räumlichkeit ist es erforderlich, typische, objektiv erkennbare 223 Radtke, S. 176 ff. (auch zum Folgenden); Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 4; DSNS-Stein, S. 78 ff. 224 Radtke, S. 177. 225 Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 4. 226 Radtke, S. 177 f.; Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 4; Geppert, Jura 1998, 597, 599; Wessels / Hettinger, RN 962; a.A.: DSNS-Stein, S. 78 f.: Räumlichkeiten seien nur irgendwie abgeschlossen Räume, bei denen es von Größe und Zuschnitt her möglich ist, daß sich in ihnen anwesende Personen nicht unmittelbar in der Nähe des Ausgangs befinden; Tröndle / Fischer, § 306a, RN 3.

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

Merkmale tatsächlicher Wohnnutzung zu bestimmen. Auf die zivilrechtlichen Eigentums- und Besitzverhältnisse kommt es dabei nicht an.227 Auch Leben und Gesundheit von Personen, die sich widerrechtlich in der Wohnung aufhalten, werden durch § 306a Abs. 1 Nr. 1 geschützt.228 Wie auch bei anderen Wohnungs- und Wohnbegriffen erweist es sich im Bereich des § 306a Abs. 1 Nr. 1 als schwierig, das für die Durchsetzung des Normzwecks Wesentliche (hier also das Rechtsgutsbezogene) des Wohnens begrifflich zu erfassen. Aus dem Strafgrund des § 306a Abs. 1 Nr. 1 folgt zunächst, daß durch das Wohnen ein für Externe unberechenbares Beziehungsgeflecht zwischen Bewohner, Tatobjekt und Kontaktpersonen entstehen muß, aus welchem sich in Verbindung mit dem Inbrandsetzen des Tatobjekts der erforderliche, besondere Gefahrenzustand entwickeln kann. Richtig ist daher, daß Wohnen im Sinne des § 306a Abs. 1 Nr. 1 mehr als der bloße Aufenthalt in dem Objekt sein muß.229 Dies folgt auch aus dem Gegenschluß zur Tatzeitklausel in § 306a Abs. 1 Nr. 3 (argumentum e contrario). Man hat sich daher auf die Formel verständigt, zumindest eine Person müsse die fragliche Räumlichkeit zu ihrem privaten (also nicht der beruflichen Erwerbsarbeit dienenden) räumlichen Lebensmittelpunkt gemacht haben230 und bedient sich damit einer auch in anderen Zusammenhängen üblichen, gleichwohl aber wenig konkreten Umschreibung. Ob jemand eine ausreichend große Räumlichkeit zu seinem räumlichen Lebensmittelpunkt gemacht hat, läßt sich – wie auch die obige Untersuchung zeigt – nicht im Wege begrifflicher Deduktion herausfinden.231 Zur Klärung der Frage, ob eine Räumlichkeit von einem Menschen tatsächlich zum Wohnen genutzt wird, muß man daher auf objektiv erkennbare Indizien zurückgreifen, die allgemein als für die Entfaltung des privaten Lebensmittelpunktes typische angesehen werden können: Z.B. das regelmäßige Übernachten an diesem Ort, das Aufbewahren der persönlichen Habe232 an diesem Ort, die (private) postalische und telefonische Erreichbarkeit, sowie das Empfangen von Besuchern.233 Das generell unberechenbare Beziehungsgeflecht zwischen Rechtsgutsträger und Wohngebäude liegt jedenfalls dann vor, wenn der Aufenthaltsnutzung eine gewisse zeitliche Konstanz innewohnt, wie sie sich vor allem im regelmäßigen Übernachten in der Wohnung ausdrückt.234 Besteht dies unüberschaubare Beziehungsgeflecht dauerhaft, so wird es auch bei längerer Abwesenheit der Bewohner nicht aufgehoben. Kürzere Abwe227 RGSt 60, 136, 137; BGHSt 23, 60, 62; BGHSt 26, 121 f.; SK-Horn, § 306 a.F., RN 6; Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 5; Wessels / Hettinger, RN 962; Geppert, Jura 1998, 597, 599; Bruch, S. 43 f.; Radtke, S. 180. 228 Wessels / Hettinger, RN 962; Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 5; Radtke, S. 180. 229 Maurach / Schroeder / Maiwald, S. 17; Wessels / Hettinger, RN 962; Geppert, Jura 1998, 597, 600; Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 5. 230 Radtke, S. 182. 231 Radtke, S. 182. 232 So schon RGSt 60, 136. 233 Radtke, S. 183. 234 Radtke, S. 183; ähnlich Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 5.

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senheitszeiten, etwa während der Büroarbeitszeiten oder des Urlaubs, haben auf die Tatobjektsqualität ebenfalls keinen Einfluß. Befinden sich die Bewohner auf einer mehrmonatigen Weltreise, so ist es selbst für einen Täter, der dies weiß, nicht berechenbar, ob sich in der Wohnung vorübergehend Nachbarn oder Freunde aufhalten, oder ob die Wohnung an Dritte untervermietet wurde o.ä.

3. Die Behandlung von nur zeitweise tatsächlich genutzten Wohnräumen Diese Erkenntnis führt zwangsläufig zu der weiterführenden Frage, ob Räume, die ihrer Bestimmung gemäß nur zeitweise tatsächlich als Wohnung genutzt werden (also insbesondere Ferienwohnungen und Hotelzimmer), auch während längerer Leerstandsphasen unter den Begriff der Wohnräumlichkeit fallen. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, ein dauerhaftes, über die Zeiträume der körperlichen Anwesenheit des Bewohners hinausgreifendes, unberechenbares Beziehungsgeflecht zwischen dem Bewohner, Tatobjekt und Kontaktpersonen würde sich zumindest bei gewerblich genutzten Ferienwohnungen nicht entwickeln, weshalb die Ferienwohnung im Zeitpunkt der Tat durch einen körperlich anwesenden Gast aktuell zum Wohnen benutzt werden müsse.235 In der Tat bricht das an den konkreten Nutzer anknüpfende Beziehungsgeflecht mit dessen Auszug aus der gewerblich vermieteten Ferienwohnung weg, während es bei ausschließlich privat genutzten Ferienwohnungen selbst bei längerer Abwesenheit der personenidentischen Bewohner und Eigentümer (nicht anders als bei längerer Abwesenheit von der Hauptwohnung) typischerweise erhalten bleibt.236 Daraus darf jedoch nicht der Schluß gezogen werden, das bei gewerblich genutzten Ferienwohnungen auch während der Leerstandsphasen bestehende, unüberschaubare Beziehungsgeflecht reiche nicht aus, um den strafrechtlichen Schutz des § 306a Abs. 1 Nr. 1 auslösen zu können.237 Die für Externe gegebene Unberechenbarkeit der zeitlichen und personellen Aufenthaltsverhältnisse konstituiert sich in Bezug auf gewerblich genutzte Ferienwohnungen während einer Leerstandsphase nicht durch ein konkretes, ausschließlich an die Person des Bewohners anknüpfendes Beziehungsgeflecht, sondern durch die Unberechenbarkeit der Frage, ob ein solches konkret-spezielles, wohntypisches Beziehungsgeflecht gerade aktuell vorliegt oder nicht. Der Trend, auch außerhalb der klassischen Saison einen Kurzurlaub zu unternehmen, gepaart mit der gewachsenen Mobilität, der zunehmenden Flexibilisierung der Erholungszeiten, dem Bedeutungsverlust fester Saisonzeiten sowie die häufig anzutreffenden Mischformen privater und gewerblicher Nutzungen führen – auch in den Zeiten, in denen Radtke, S. 186; für § 306 a.F.: Sch / Sch-Cramer (25. Aufl.), § 306, RN 7. Radtke, S. 186. 237 So aber Radtke, S. 185: Bei gewerblich überlassenen Ferienhäusern etc. begründe der turnus- und absprachegemäß wechselnde Nutzerkreis kein mit dem Wohnen in einer Hauptwohnung annähernd vergleichbares Beziehungsgeflecht zum Tatobjekt. 235 236

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

in bezug auf die Wohnung kein konkretes Benutzungsverhältnis besteht – letztlich zu einer Situation, in der die Frage, ob und wie viele Personen sich in der Wohnung aufhalten, für Externe nahezu ebenso unberechenbar ist, wie bei den sogenannten „Hauptwohnungen“.238 Zusätzlich besteht ein funktional auf die Wohnnutzung bezogenes, unüberschaubares Beziehungsgeflecht zwischen der Ferienwohnung und Kontaktpersonen (renovierende Handwerker, kontrollierende Hauswarte, Putzkolonnen etc.) auch während der Leerstandsphasen in ungebrochener Weise fort. Insoweit ist ein signifikanter Unterschied zu dem Fall der längeren Abwesenheit von der Hauptwohnung kaum erkennbar. Es zeigt sich also, daß zwischen dem Zustand genereller Gemeingefährlichkeit, der durch das Inbrandsetzen von aktuell unbenutzten Hauptwohnungen entsteht und demjenigen, der durch das Inbrandsetzen von aktuell unbenutzten gewerblichen Ferienhäusern hervorgerufen wird, graduell kaum unterschieden werden kann.239 Das Beziehungsgeflecht besteht bei gewerblich genutzten Ferienwohnungen in Zeiten des „Leerstands“ zwar ausschließlich zwischen Tatobjekt und Kontaktpersonen. Das Fehlen einer konkreten Beziehung eines aktuellen Wohnnutzers zum Tatobjekt wird aber durch die gerade bei gewerblich genutzten Ferienwohnungen bestehende Unsicherheit in Bezug auf die Frage kompensiert, ob nicht ein neues Beziehungsgeflecht zwischen Raum und (neuem) Bewohner im Zeitpunkt der Tat bereits wieder entstanden ist. Die zwischen privat und gewerblich genutztem Ferienhaus differenzierende Auffassung Radtkes240 ist daher genauso abzulehnen, wie die Auffassung, nach der § 306a Abs. 1 Nr. 1 grundsätzlich nur dann eingreifen soll, wenn der fragliche Raum aktuell von einem Bewohner benutzt wird.241 Erst recht ist es nicht notwendig, zwischen gewerblich und privat genutzten Ferienwohnungen zu unterscheiden, weil die jeweilige Zweckbestimmung im Falle der Überlassung von gewerblichen Ferienhäusern vom Betreiber des Ferienhauses getroffen wird.242 Der Betreiber und nicht der Bewohner selbst entscheidet zwar – anders als bei privat genutzten Ferienwohnungen – in der Regel über „das Ob“ der Nutzung und ihre Modalitäten in zeitlicher und sachlicher Hinsicht. Die zivilrechtlichen Dispositionsbefugnisse können jedoch für die allein aufgrund von faktischen Gesichtspunkten zu beurteilende Frage nach der Tatobjektsqualität nicht ausschlaggebend sein. Verwirklicht der Eigentümer einer gewerblich genutzten Ferienwohnung den von ihm bestimmten Zweck, nach dem wechselnde Dritte seine Ferienwohnung zu Wohnzwecken nutzen können sollen, indem er sie dauerhaft Ähnlich Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 6. I.E. auch Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 6, h.M.: BGH wistra 1994, 57 (die Entscheidung betrifft eine privat genutzte Ferienwohnung); Geppert, Jura 1989, 417, 420 f.; SK-Horn, § 306a, RN 7; Tröndle / Fischer, § 306a, RN 4. 240 Radtke, S. 184 f. 241 So aber für das alte Recht: Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 70 f.; jetzt noch NK-Herzog, § 306a, RN 11. 242 So aber wohl Radtke, S. 185. 238 239

C. Schwere Brandstiftung an Räumlichkeiten

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und kontinuierlich zur Wohnnutzung anbietet und wird dieses Angebot von einem in seiner personellen Zusammensetzung unbestimmbaren Benutzerkreis genauso kontinuierlich und dauerhaft immer wieder angenommen, entsteht exakt die oben beschriebene Situation, in der es für Externe völlig unberechenbar ist, ob gerade eine konkret-spezielle Wohnnutzung stattfindet oder nicht. Angesichts der nicht unberechtigten Bedenken gegen die Gleichbehandlung privater und gewerblicher Ferienhäuser muß jedoch für jeden Einzelfall individuell festgestellt werden, ob der erforderliche, aufgrund seiner Unberechenbarkeit generell gemeingefährliche Zustand tatsächlich vorgelegen hat. Denn es scheint durchaus möglich, daß der erforderliche Grad an genereller Gemeingefährlichkeit durch eine Brandstiftung an gewerblich vermieteten Ferienwohnungen nicht erreicht wird. Die vorstehend umrissenen Grundsätze müssen auch bei der Beurteilung der Tatobjektsqualität von anderen, nur zeitweise zum Wohnen genutzten Räumlichkeiten, insbesondere von Hotels und Hotelzimmern herangezogen werden. Zu Recht stufte der BGH daher ein auf zwei Wochen wegen Betriebsferien geschlossenes Hotel, nachdem es der letzte Gast verlassen hatte und ein auf die Dauer der Betriebsferien hinweisendes Schild sichtbar angebracht worden war, nicht als ein zum Wohnen dienendes Gebäude ein.243 Durch das Aufstellen des Hinweisschildes und die zeitweise Schließung des Hotels hat der dispositionsbefugte Eigentümer hier Unsicherheiten über das Ob der tatsächlichen Wohnnutzung wirksam vorgebeugt.244 In der fraglichen Zeit stand das Hotel potentiellen Wohnnutzern für jedermann deutlich erkennbar nicht zur Verfügung. In diesem Fall war folglich eindeutig von einer Art „befristeter Entwidmung“ auszugehen. Der erforderliche Zustand besonderer Gemeingefahr konnte im konkreten Fall daher nicht entstehen. Ist ein Hotel dagegen geöffnet und werden die Zimmer potentiellen Gästen angeboten, so dürfte ihm in der Regel jedoch auch dann die erforderliche Tatobjektsqualität zukommen, wenn zufällig kein Zimmer an einen Gast vermietet ist. Letztlich bleibt aber auch dies einer an den genannten Kriterien zu messenden Einzelfallentscheidung vorbehalten.

4. Das Ende der Wohnnutzung und das Problem der Entwidmung Eine Räumlichkeit kann ihre Wohnungsqualität konsequenterweise nur dadurch verlieren, daß der Bewohner die Wohnnutzung tatsächlich beendet, indem er sie als seinen privaten Lebensmittelpunkt faktisch aufgibt.245 Hierzu ist eine originär strafrechtliche, ausschließlich an tatsächlichen Kriterien zu messende „EntwidBGH NStZ 1984, 455. Insofern handelt es sich hier, wie Geppert, Jura 1989, 417, 420, FN 33, richtig feststellte, tatsächlich um einen Sonderfall. Für die Ansicht, gewerblich genutzte Räumlichkeiten seien generell nur außerhalb der Leerstandsphasen taugliche Tatobjekte des § 306a Abs. 1 Nr. 1 läßt sich hieraus also kein überzeugendes Argument gewinnen. Anders Radtke, S. 185. 245 Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 5. 243 244

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7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

mung“ erforderlich.246 Diese Entwidmung setzt neben einem auf die Aufgabe der Wohnnutzung gerichteten, natürlichen Willen auch einen objektiv hinreichend erkennbaren Akt voraus, in dem sich die Aufgabe der Wohnnutzung nach außen hin manifestiert.247 Nur durch eine objektive Manifestation des auf Aufgabe der Wohnnutzung gerichteten Willens kann das unüberschaubare Beziehungsgeflecht zwischen Bewohner, Objekt und Kontaktpersonen äußerlich sichtbar und nachhaltig gelöst werden. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Entstehung der wohntypischen Brandgefährdungssituation typischerweise ausgeschlossen. Die generelle Gefährlichkeit der Täterhandlung besteht jedenfalls solange fort, bis der Täter und die Kontaktpersonen, denen in der Regel die Möglichkeit verschafft werden muß, ihre Beziehungen zu der fraglichen Wohnung einzustellen, objektiv erkennen können, daß das für die Wohnnutzung typische, unüberschaubare Beziehungsgeflecht vom Bewohner aufgegeben wird. Erkennt der Eigentümer und Bewohner, daß Dritte im Begriff sind, sein Haus anzuzünden, unternimmt er aber gleichwohl keine Rettungshandlung, beispielsweise um die Versicherungssumme zu kassieren, fehlt es demnach an dem erforderlichen, objektiv erkennbaren Entwidmungsakt.248 Besondere Aufmerksamkeit wird in diesem Zusammenhang den Fällen zu Teil, in denen der Täter die ausschließlich von ihm bewohnte Wohnräumlichkeit selbst in Brand setzt oder ein Dritter dies in seinem Auftrag tut.249 Als objektiv wahrnehmbarer Entwidmungsakt soll dann die Vornahme bzw. das Vornehmenlassen der Tathandlung selbst ausreichend sein.250 Dagegen ließe sich einwenden, daß es für den Täter auch in diesen Fällen einigermaßen unberechenbar ist, ob sich nicht zumindest dritte Kontaktpersonen zur Tatzeit in der Räumlichkeit oder ihrer unmittelbaren Umgebung aufhalten, die ihren Kontakt zum Tatobjekt mangels vorher erkennbarer Entwidmung nicht beenden konnten. Fallen Entwidmungsakt und Tatausführung zusammen, so besteht für Kontaktpersonen zumindest bei größeren Tatobjekten nur eine sehr beschränkte Möglichkeit, von der Aufgabe der Wohnnutzung rechtzeitig vor der Entstehung der strafwürdigen Gefahrensituation Kenntnis zu erlangen und ihre Kontakte zum Tatobjekt ihrerseits abzubrechen. Das Beziehungsgeflecht zwischen Rechtsgutsträgern und Tatobjekt kann durch den mit der Tatausführung zusammenfallenden Entwidmungsakt also nicht restlos gelöst werden. Der Täter kann in diesen Fällen nur annehmen, daß der oder die Bewohner (also ggf. er selbst) sich zum Tatzeitpunkt nicht im Tatobjekt aufhalten. Man könnte daher argumentieren, strenggenommen bestünde zumindest ein Teil der unberechenbaren Wohnsituation und damit ein gewisser Grad an genereller Gemein246 Nahezu allgemeine Meinung, z.B. BGHSt 23, 60, 62; Geppert, Jura 1998, 597, 600; Horn / Hoyer, JZ 1987, 965, 976. 247 H. M., Radtke, S. 187; Geppert, Jura 1998, 597, 600; Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 5, m.w.N. 248 SK-Horn, § 306 a.F., RN 6; Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 6. 249 BGHSt 26, 121 f.; BGH NStZ 1988, 71; BGH NStZ 1994, 130. 250 BGHSt 16, 394, 396; BGH NStZ 1994, 130; Radtke, S. 188; Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 5, m.w.N.

C. Schwere Brandstiftung an Räumlichkeiten

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gefährlichkeit fort.251 Dieser reicht indessen nicht aus, um die strenge strafrechtliche Sanktion des § 306a Abs. 1 Nr. 1 zu legitimieren. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß durch das Inbrandsetzen / die Brandlegung der eigenen Wohnräumlichkeit der wesentliche Kern des Beziehungsgeflechts zwischen Rechtsgutsträgern und Tatobjekt mit hinreichender Außenwirkung aufgehoben wird.252 Anders als in den Fällen gewerblich genutzter Ferienwohnungen wird das Wegbrechen der Beziehung des Bewohners zum Tatobjekt hier nicht durch die Unsicherheit über das Entstehen einer neuen Nutzungssituation kompensiert. Der Bewohner hat in der Regel zudem einen besseren Überblick darüber, ob und welche Kontaktpersonen sich wann in den Wohnräumlichkeiten oder in deren unmittelbarer Nähe aufzuhalten pflegen. Sollte eine Kontaktperson an Leib und Leben gefährdet werden, so dürfte dies daher zu einer Verwirklichung der §§ 223 ff. oder §§ 211 ff. und, sofern es sich bei dem Tatobjekt um eine der in § 306 Abs. 1 aufgeführten Sachen handelt, auch des § 306a Abs. 2 oder gar der §§ 306b und 306c führen. Es reicht somit grundsätzlich aus, wenn der von außen wahrnehmbare, objektive Entwidmungsakt mit der Tatausführung zusammenfällt. Wie bereits erwähnt, kommt es neben dem äußeren Entwidmungsakt auf einen entsprechenden natürlichen Willen des bzw. der Bewohner an.253 Da es allein um die auf der Stufe des objektiven Tatbestands zu prüfende Frage geht, ob eine an Räumlichkeiten begangene Brandstiftung ein strafwürdiges Maß an genereller Gefährlichkeit für Leib und Leben hervorruft, ist auch insoweit eine rein faktische Betrachtungsweise entscheidend. Auf die Einhaltung der zivilrechtlichen Dispositionsbefugnisse kommt es nicht an. Einsichtsfähigkeit und Freiheit von Willensmängeln sind daher nicht erforderlich.254 Eine rechtfertigende Einwilligung des Bewohners in die schwere Brandstiftung ist in Ermangelung eines disponiblen Rechtsguts nicht möglich.

5. Das Problem der Mischnutzungen Im Rahmen der Auslegung des Begriffs der Wohnräumlichkeit wird weiterhin die Frage diskutiert, ob das Inbrandsetzen einer einheitlichen Räumlichkeit, die tatsächlich zum Wohnen und gleichzeitig zu anderen Zwecken genutzt wird, auch dann unter § 306a Abs. 1 Nr. 1 fällt, wenn sich die Tathandlung in ihrer Wirkung auf einen nicht zu Wohnzwecken genutzten Gebäudeteil beschränkt. Wie bereits mehrfach ausgeführt, wird der Strafgrund der schweren Brandstiftung an Wohngebäuden unter anderem durch die auf Leben und Gesundheit bezogene generelle 251 Deshalb forderte das RG, der Bewohner müsse in diesen Fällen die Aufgabe der Wohnnutzung vor dem Inbrandsetzen durch Wegschaffen seiner Habe aus der Wohnung dokumentiert haben, vgl. RGSt 60, 136, 137 f. 252 Radtke, S. 188. 253 BGH bei Holtz MDR 1981, 981; SK-Horn, § 306a, RN 6; Radtke, S. 188 f. 254 Radtke, S. 181 f.

268

7. Kapitel: Die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und der Brandstiftung

Gemeingefährlichkeit erzeugt, die wiederum aus der Verbindung des für Externe unberechenbaren Beziehungsgeflechts zwischen Tatobjekt und Rechtsgutsträgern mit dem ab einer gewissen Erheblichkeitsschwelle unbeherrschbaren Tatmittel Feuer resultiert. Solange der tatsächlich zum Wohnen genutzte Gebäudeteil nicht in Brand gesetzt oder durch Brandlegung zerstört worden ist, mangelt es folglich an einer für die Erzeugung des Strafgrundes wesentlichen Komponente.255 Die tatsächliche Wohnnutzung eines abtrennbaren Teils innerhalb eines nach äußerer Betrachtung einheitlichen Gebäudes strahlt in der Regel nicht in der Form auf die nicht zu Wohnzwecken genutzten Teile des einheitlichen Gebäudes aus, daß auch in Bezug auf diese die wohntypische Gefährdungssituation entsteht. Es ist somit stets allein auf das Inbrandsetzen bzw. das Zerstören durch Brandlegung des tatsächlich zu Wohnzwecken genutzten Teils abzustellen.256 Die Auffassung des BGH, wonach das Inbrandsetzen des nicht als Wohnung genutzten Teils schon dann ausreichen soll, wenn dieser ein einheitliches Gebäude mit dem wohngenutzten Teil bildet, ist folglich abzulehnen.257

IV. Fazit Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß Wohnräumlichkeit im Sinne des § 306a Abs. 1 Nr. 1 eine nach allen Seiten hin abgeschlossene, räumliche Einheit ist, die mindestens einem Menschen tatsächlich als Lebensmittelpunkt dient, so daß ein für Externe unberechenbares Beziehungsgeflecht zwischen Bewohner, Kontaktperson und Tatobjekt entsteht. Es kommt insoweit allein auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Die zivilrechtliche Eigentums- und Besitzlage ist unerheblich. Die Wohnräumlichkeiten müssen wenigstens so groß sein, daß sich in ihnen mehr als nur eine Person aufhalten kann. Sie müssen ferner mehr als nur eine Bewegungsart erlauben. Die Wohnräumlichkeiten verlieren ihre Tatobjektsqualität durch faktische Entwidmung, bei der sich der natürliche Wille des Bewohners zur Aufgabe der Wohnnutzung in einem äußerlich sichtbaren, rein faktischen Akt objektiv manifestieren muß. Es reicht insoweit aus, wenn Tatausführung und Entwidmung in einen Akt zusammenfallen. Räumlichkeiten, die nur zeitweise tatsächlich als Lebensmittelpunkt genutzt werden, fallen regelmäßig auch in der Zeit unter 255 Ähnlich Radtke, S. 194 f.; Sch / Sch-Heine, § 306a, RN 11 m.w.N; einschränkend auch Kindhäuser, StV 1990, 161, 163. 256 Radtke, S. 194 f. 257 BGHSt 34, 115, 118. Erstreckt sich in diesen Fällen der Vorsatz des Täters auf das Inbrandsetzen bzw. die durch Brandlegung hervorgerufene Zerstörung des tatsächlich zu Wohnzwecken genutzten Teils, wird regelmäßig ohnehin eine Bestrafung aus §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1 in Betracht kommen. Die Gefahr einer Strafbarkeitslücke ist insoweit also kaum gegeben. Abzulehnen ist auch die mittlerweile wohl nicht mehr vertretene Auffassung des BGH, wonach die Gefahr einer Übertragung des Feuers von dem bewohnten auf den unbewohnten Teil des Gebäudes gegeben sein müsse, vgl. BGH NJW 1987, 141 f.

C. Schwere Brandstiftung an Räumlichkeiten

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§ 306a Abs. 1 Nr. 1, in der sie tatsächlich vorübergehend leer stehen. Besteht ein Gebäude nur zum Teil aus Wohnräumen, so strahlt die Tatobjektsqualität des tatsächlich zu Wohnzwecken genutzten Teils nicht auf den anderweitig genutzten Gebäudeteil aus. Das vorstehend skizzierte Verständnis des Begriffs der Wohnräumlichkeit bringt den Strafgrund des § 306a Abs. 1 Nr. 1 zur Geltung: Die Wohnnutzung ist als eine örtlich gebundene Verhaltensweise zu sehen, die aufgrund des für sie kennzeichnenden räumlichen Abgeschirmtseins und ihrer zentralen Bedeutung für die essentiellen Aspekte des privaten Lebens ein von außen uneinsehbares Mikrozentrum bildet. Dieses bietet nicht nur der freien privaten Lebensgestaltung Raum, sondern ermöglicht dem Bewohner auch, zu einer unbekannten Anzahl von dritten Personen soziale Kontakte zu unterhalten. Es ist daher für Externe unberechenbar, ob und wann sich der Bewohner und / oder eine Kontaktperson in Wohnräumen aufhält. Durch die Anwendung des Tatmittels Feuer auf diese extern uneinsehbaren und unberechenbaren Mikrozentren entsteht für Täter und präsumtive Opfer ein hochgradiger, typischerweise nicht beherrschbarer Gefahrenzustand, dessen Nichtverwirklichung allein vom Zufall abhängt und vor dem in erster Linie Leben und Gesundheit der Mitglieder (Bewohner) oder Kontaktpersonen dieses Mikrozentrums geschützt werden müssen. Diese sich in einer abstrakten Gefahr für Leib und Leben manifestierende generelle Gemeingefahr ist daher grundsätzlich geeignet, die hohe Strafe für eine an Wohnräumlichkeiten begangene Brandstiftung auch dann zu rechtfertigen, wenn es nicht zu einer konkreten Lebens- oder Leibesgefahr kommt. Die Wohnsituation ist ein wesentlicher Faktor für die Entstehung der abstrakten Gefahr für Leben und Gesundheit. Sie wird in § 306a Abs. 1 Nr. 1 zum Anknüpfungspunkt des Lebens- und Gesundheitsschutzes. Darin liegt auch der objektiv-teleologische Grund für die partiell unterschiedliche Reichweite der Wohnungsbegriffe in § 123 und § 306a Abs. 1 Nr. 1. Wie die Sachherrschaftsverhältnisse an diesen Räumen gestaltet sind und ob ein Potential abschirmungsbedingt gesteigerter Verhaltensfreiheit tatsächlich zur Verwirklichung von häuslicher Intimität genutzt werden kann, ist in diesem Zusammenhang gleichgültig.

Achtes Kapitel

Der Wohnungsbegriff im Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls, § 244 Abs. 1 Nr. 3 A. Die Reform des Wohnungseinbruchsdiebstahls durch das 6. StrRG I. Gesetzgeberische Änderungen und sanktionsrechtliche Konsequenzen Vor Inkrafttreten des 6. StrRG fielen das Einbrechen, das Einsteigen und das Eindringen mittels eines falschen Schlüssels oder eines anderen nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeugs in eine Wohnung sowie das Sichdarin-Verborgenhalten unter das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a.F. Das Tatobjekt der Wohnung war hierin lediglich als exemplarischer Unterfall zu dem Oberbegriff des umschlossenen Raumes aufgeführt.1 Da der Eintritt der Regelwirkung das Vorliegen eines besonders schweren Falles lediglich indiziert, war die Anwendung des erhöhten Strafrahmens infolge der Begehung eines Wohnungseinbruchsdiebstahls2 bis dato also keineswegs zwingend. Lagen trotz erfülltem Regelbeispiel unrechts- und schuldmindernde tat- oder täterbezogene Umstände vor, die geeignet waren, die Regelwirkung zu erschüttern, so konnte der Tatrichter im Einzelfall auch bei Wohnungseinbruchsdiebstählen von der gesetzlichen Regel abweichen und den Täter nur wegen einfachen Diebstahls (in Tateinheit mit Hausfriedensbruch) bestrafen.3 Diese Möglichkeit ist mit Inkrafttreten des 6. StrRG entfallen. Im Zuge der Reform wurde das Tatobjekt Wohnung in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ersatzlos gestrichen und der Wohnungseinbruchsdiebstahl in einen stets zwingend anzuwendenden Qualifikationstatbestand des Diebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 3) überführt. Der Gesetzgeber hat damit die Frage, ob bei einem Wohnungseinbruchsdiebstahl ein im Vergleich zum einfachen Diebstahl erschwerter Unrechts- und Schuldgehalt gegeben ist, generell und abschließend positiv entschieden. Er hat sie somit der differenzierten, richterlichen Einzelfallwer1 BGHSt GS 1, 158, 163 f.; Sch / Sch-Eser (25. Aufl.), § 243, RN 6; Tröndle (48. Aufl.), § 243, RN 6. 2 Soweit dieser Begriff hier verwendet wird, unterfallen ihm auch die Tathandlungen des § 244 Abs. 1 Nr. 3, die kein Einbrechen sind. 3 Wessels / Hillenkamp, RN 198.

A. Die Reform des Wohnungseinbruchsdiebstahls durch das 6. StrRG

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tung, die eine individuelle Gesamtwürdigung von Täter und Tat einzuschließen hatte, entzogen.4 Er hat zudem den Strafrahmen mit der nunmehr zwingend anzuwendenden Mindeststrafe für dieses Delikt von drei auf sechs Monate Freiheitsstrafe erhöht. Dies hat gravierende Konsequenzen: Da § 244 Abs. 1 Nr. 3 dem Anwendungsbereich der Geringwertigkeitsklausel in § 243 Abs. 2 entzogen ist, führt jetzt auch ein Wohnungseinbruchsdiebstahl, der sich auf „geringwertige Sachen“ bezieht, zwingend zur Anwendung der Strafschärfung.5 Die analoge Anwendung des § 243 Abs. 2 ist in diesem Fall ebenfalls nicht möglich. Als privilegierende Strafzumessungsregel kann § 243 Abs. 2 lediglich die Anwendung erschwerender Strafzumessungsregeln (wie in § 243 Abs. 1) ausschließen. Würde § 243 Abs. 2 auch die Anwendung des § 244 Abs. 1 Nr. 3 ausschließen, so würde dies eine Änderung des Unrechtstatbestands nach sich ziehen. Die Änderung des tatbestandlich vertypten Unrechts durch eine bloße Strafzumessungsregel ist aber schon aus dogmatischer Sicht ausgeschlossen.6 Eine Geldstrafe kann angesichts der für Wohnungseinbruchsdiebstähle nunmehr gesetzlich vorgeschriebenen Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten nur noch aufgrund eines gesetzlichen Milderungsgrundes im Sinne des § 49 Abs. 1 verhängt werden (§ 47 Abs. 2).7 Solange die Strafschärfung bei einem Wohnungseinbruchsdiebstahl kraft eines Regelbeispiels eintrat, wurde kontrovers diskutiert, ob bei Vorliegen einer vollendeten oder versuchten Wegnahme bereits das im „Versuchsstadium“ steckengebliebene Einbrechen, Einsteigen usw. in die Wohnung zur Anwendung der Strafschärfung in § 243 Abs. 1 Satz Nr. 1 a.F. berechtigte.8 Denn die Annahme, dem bloßen Ansetzen zur Verwirklichung eines Regelbeispiels (einer Strafzumessungsregel) komme dieselbe Indizwirkung wie seiner vollständigen Verwirklichung zu, ließ sich – trotz der „Tatbestandsnähe“ der Regelbeispiele – dogmatisch kaum befriedigend begründen.9 Durch die Umgestaltung des Wohnungseinbruchsdiebstahls in einen Qualifikationstatbestand und durch die Regelung in § 244 Abs. 2, welche die Versuchsstrafbarkeit ausdrücklich anordnet, hat sich diese Diskussion in bezug auf BGHSt 28, 318, 319 f.; BGHSt 29, 319, 322; Wessels / Hillenkamp, RN 198. Jäger, JuS 2000, 651, 657; Hellmich, NStZ 2001, 511. 6 Sch / Sch-Eser, § 243, RN 57; Hellmich, a.a.O.; i.E. auch Gropp, JuS 1999, 1041, 1047; Jäger, JuS 2000, 651, 657, der eine Analogie auch wegen des vom Gesetzgeber ausdrücklich mit § 244 Abs. 1 Nr. 3 verfolgten Zwecks des Intimsphärenschutzes (vgl. die Begründung des RegE, BT-Drs. 13 / 8587, S. 43) ablehnt. Zum Strafzumessungsregel-Charakter des § 243 Abs. 2 vgl. BGH bei Dallinger, MDR 1975, 543. 7 Wessels / Hillenkamp, RN 195. 8 Vgl. einerseits BGHSt 33, 370 (nur zum Fall des „versuchten“ Regelbeispiels bei versuchtem Grunddelikt); Fabry, NJW 1986, 15; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT, Tb. 1, S. 352; SK-Hoyer, § 243, RN 54, die von einem Eintritt der Regelwirkung auch bei einem bloßen „Versuch“ des Regelbeispiels ausgehen und Sch / Sch-Eser, § 243, RN 44; Wessels / Hillenkamp, RN 205 ff. andererseits, nach denen die Regelwirkung erst bei Vollendung des Regelbeispiels eintreten kann. 9 Wessels / Beulke, RN 599, 607; Wessels / Hillenkamp, RN 207. 4 5

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

den Wohnungseinbruchsdiebstahl durch das 6. StrRG erledigt.10 Da der Täter eines Wohnungseinbruchsdiebstahls durch die Verwirklichung der strafschärfenden Tathandlungen nunmehr einen (Qualifikations-)Tatbestand erfüllt, kann der Gesetzgeber das unmittelbare Ansetzen zu diesen Tathandlungen gem. §§ 22, 23 Abs. 1 ohne weiteres für strafbar erklären. § 22 stellt klar, daß das durch unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung eines Tatbestandes herbeigeführte Erfolgsunrecht zur Begründung der Versuchsstrafbarkeit generell ausreichend ist. Lehnt man einen Eintritt der Regelwirkung bei lediglich versuchtem Regelbeispiel richtigerweise ab, so wirkt sich die Überführung des Wohnungseinbruchsdiebstahls in einen Qualifikationstatbestand im Ergebnis also als Vorverlegung der qualifizierten Strafbarkeit des Wohnungseinbruchsdiebstahls in das Versuchsstadium aus. In Bezug auf das Problem des Versuchsbeginns ergeben sich im Ergebnis jedoch keine Veränderungen. Solange der Wohnungseinbruchsdiebstahl noch unter das Regelbeispiel in § 243 Abs. 1 Nr. 1 fiel, konnte man nach richtiger Auffassung erst ab dem Zeitpunkt einen Diebstahlsversuch annehmen, in dem der Täter zur Verwirklichung des Diebstahlstatbestandes (§ 242 Abs. 1) selbst unmittelbar angesetzt hatte (so ausdrücklich § 22). Allein durch das Einbrechen, Einsteigen usw. in eine Wohnung oder das unmittelbare Ansetzen hierzu wurde die Grenze zum strafbaren Diebstahlsversuch nicht überschritten. Dies war nur der Fall, wenn diese Handlungen in unmittelbarer räumlich-zeitlicher Nähe zur Wegnahmehandlung ausgeführt wurden und deshalb zugleich auch als unmittelbares Ansetzen zur Wegnahme gewertet werden konnten.11 Die Umwandlung des Wohnungseinbruchsdiebstahls in ein Qualifikationsdelikt führt gerade nicht dazu, daß „eine Versuchsstrafbarkeit unzweifelhaft bereits im Stadium des unmittelbaren Ansetzens zu den Tathandlungen des § 244 Abs. 1 Nr. 3 zu bejahen ist“.12 Nach zutreffender Auffassung kann zur Verwirklichung des gesamten, durch Grund- und Qualifikationstatbestand gemeinsam vertypten Unrechts des Wohnungseinbruchsdiebstahls nur dann unmittelbar angesetzt werden, wenn neben dem versuchten oder vollendeten Wohnungseinbruch auch ein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Diebstahlstatbestandes vorliegt.13 Setzt der Täter dagegen lediglich zur Verwirklichung der QualiWessels / Hillenkamp, RN 267; ähnlich Mitsch, ZStW 111 (1999), 65, 84. Vgl. Mitsch, BT II / 1 § 1 RN 181; SK-Hoyer, § 243, RN 55; Wessels / Hillenkamp, RN 209; i.E. ähnlich Sch / Sch-Eser, § 243, RN 45; a.A.: OLG Hamm MDR 1976, 155 f., wonach das strafbare Versuchsstadium stets erreicht sei, sobald der Täter mit der Verwirklichung des Erschwerungsgrundes beginne. 12 So aber Hellmich, NStZ 2001, 511, 512. 13 Der Diebstahlstatbestand wird durch den unrechtserhöhenden Zusatz des Qualifikationsmerkmals (Wohnungseinbruch) nicht ausgeweitet, weshalb durch die Verwirklichung oder den Versuch des Qualifikationsmerkmals allein auch nicht zur Verwirklichung des im Grundtatbestand vertypten Unrechts angesetzt wird. Die Qualifikation kann daher keine Vorverlegung des Versuchsbeginns des (qualifizierten) Grunddelikts bewirken, h.M.: Kühl, AT, § 15, RN 50 f.; Roxin, JuS 1979, 7; Rath, JuS 1999, 140; SK-Rudolphi, § 22, RN 18; Sch / SchEser, § 22, RN 58; a.A.: Hellmich, NStZ 2001, 511, 512 und DSNS-Denker, S. 7 f., die den Wohnungseinbruchsdiebstahl offenbar (wie den Raub) als einheitlichen Tatbestand ansehen; ebenso: RGSt 38, 177, 178; RGSt 54, 42, 43. 10 11

B. Der Wohnungsbegriff des Wohnungseinbruchsdiebstahls

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fikation an, so reicht das dadurch hervorgerufene Erfolgsunrecht für eine Versuchsstrafbarkeit nicht aus. Auch nach Inkrafttreten des 6. StrRG bleibt es folglich dabei, daß der Täter – unabhängig davon, ob er den Erschwerungsgrund Wohnungseinbruch „versucht“ oder vollendet hat – immer auch zur Wegnahme selbst unmittelbar angesetzt haben muß.14 II. Die Motive des Gesetzgebers Die Verschärfung der Mindeststrafe von drei auf sechs Monate Freiheitsstrafe hielt der Gesetzgeber für geboten, weil es sich bei dem Wohnungseinbruchsdiebstahl um eine Straftat handele, die tief in die Intimsphäre der Opfer eindringe und zu ernsten psychischen Störungen, wie zum Beispiel langwierigen Angstzuständen, führen könne.15 Nicht selten komme es infolge von Wohnungseinbrüchen ferner zu Gewalttätigkeiten gegen Menschen und Verwüstungen der Einrichtungsgegenstände.16 Ferner wollte der Gesetzgeber durch die Verschärfung der Strafandrohung den Abschreckungscharakter der Strafvorschrift gegen den Wohnungseinbruchsdiebstahl erhöhen und so der ansteigenden Zahl von Wohnungseinbruchsdiebstählen begegnen.17 Ob er sich dabei des Umfangs der oben dargestellten, sanktionsrechtlichen Konsequenzen bewußt war, geht aus den Materialien nicht hervor. Die vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgegebenen Schutzzwecke des § 244 Abs. 1 Nr. 2 werden später einer objektiv-teleologischen Überprüfung unterzogen.

B. Der Wohnungsbegriff des Wohnungseinbruchsdiebstahls I. Der Wohnungsbegriff in § 243 Abs. 1 Nr. 1 a.F. Auf die Bestimmung des Wohnungsbegriffs in § 243 Abs. 1 Nr. 1 a.F. wurde in Rechtsprechung und Literatur keine besondere Sorgfalt verwandt. In der Regel zog man hierzu die für den Wohnungsbegriff in § 123 Abs. 1 entwickelte Definition heran.18 Dagegen bestanden nach alter Rechtslage auch keine substantiellen Einwände: Da sich Wohnungen zumindest immer unter den weiteren Begriff des umschlossenen Raumes subsumieren ließen, das Tatobjekt „Wohnung“ in § 243 Abs. 1 Nr. 1 a.F. also nur einen exemplarischen Unterfall des Oberbegriffs „umschlossener Raum“ darstellte,19 hing der Eintritt der Regelwirkung nicht entscheidend davon ab, ob dem umschlossenen Raum zusätzlich Wohnungseigen14 15 16 17 18 19

Ebenso Mitsch, ZStW 111 (1999), 64, 84. RegE 6. StrRG, BT-Drs. 13 / 8587, S. 43. RegE 6. StrRG, BT-Drs. 13 / 8587, S. 43. Gropp, JuS 1999, 1041, 1047. LK-Ruß (10. Aufl.), § 243, RN 7; Sch / Sch-Eser (25. Aufl.), § 243, RN 6 ff. Vgl. oben, A. I.; und LK-Ruß, (10. Aufl.), § 243, RN 7.

18 Krumme

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

schaft zukam.20 Es war in diesem Zusammenhang auch nicht von entscheidender Bedeutung, ob man eine extensive Auslegung des Wohnungsbegriffs in § 123 vertrat oder restriktivere Ansätze favorisierte. Auch bei einem weiten Verständnis des Wohnungsbegriffs war jedenfalls das Vorliegen eines umschlossenen Raumes als Grundvoraussetzung des Wohnungsbegriffs stets erforderlich.21 Überdies führte die Gleichsetzung der Wohnungsbegriffe in § 123 und § 243 Abs. 1 Nr. 1 a.F. zu sachgerechten Ergebnissen und leistete einer einheitlichen Gesetzessystematik und damit der Steigerung von Normenklarheit und Rechtssicherheit Vorschub. Durch die Überführung des Wohnungseinbruchsdiebstahls in einen Qualifikationstatbestand ist eine sorgfältige Überprüfung dieser Ansicht erforderlich geworden.22 Denn, wie gezeigt, ist die begriffliche Einordnung eines umschlossenen Raumes als Wohnung jetzt konstitutiv für die Anwendung eines Qualifikationstatbestandes, der zudem eine im Vergleich zum Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Nr. 1 a.F. wesentlich schärfere Bestrafung vorsieht und diese in das Versuchsstadium vorverlegt.23 In der neueren Literatur und Rechtsprechung lassen sich im wesentlichen vier verschiedene Ansätze zur Bestimmung des Wohnungsbegriffs in § 244 Abs. 1 Nr. 3 unterscheiden.

II. Identität des in § 244 Abs. 1 Nr. 3 verwendeten Wohnungsbegriffs mit dem des § 123 1. Darstellung Eine in der Literatur verbreitete Auffassung sieht den Wohnungseinbruchsdiebstahl – zumindest im Ergebnis – auch weiterhin als einen Unterfall des in § 243 Abs. 1 Nr. 1 geregelten Einbruchsdiebstahls an und meint daher auch im Rahmen des § 244 Abs. 1 Nr. 3 weiterhin vollumfänglich auf die zum Wohnungsbegriff in § 123 entwickelten Grundsätze zurückgreifen zu können.24 Als Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 soll danach jeder umschlossene und überdachte Raum zu verstehen sein, der zumindest einem Menschen vorübergehend für eine gewisse Dauer als Unterkunft dient.25 Da die Vertreter dieser Ansicht den Wohnungsbegriff in § 123 in der Regel extensiv auslegen, kommen sie in weiten Teilen übereinstimÄhnlich Behm, GA 2002, 154, m.w.N. Vgl. oben, A. I. FN 1. 22 Mitsch, ZStW 111 (1999), 65, 84; Jäger, JuS 2000, 651, 657; Sch / Sch-Eser, § 244, RN 30. 23 Vgl. oben, A. I. 24 NK-Kindhäuser, § 244, RN 39; Sch / Sch-Eser, § 244, RN 30; SK-Hoyer, § 244, RN 37; DSNS-Dencker, S. 7; Tröndle / Fischer, § 244, RN 17. 25 Sch / Sch-Eser, § 244, RN 30; NK-Kindhäuser, § 244, RN 39; Tröndle / Fischer, § 244, RN 17; ähnlich: SK-Hoyer, § 244, RN 37 und DSNS-Dencker, S. 7. 20 21

B. Der Wohnungsbegriff des Wohnungseinbruchsdiebstahls

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mend zu dem Ergebnis, daß außerhalb des abgeschlossenen Wohnbereichs liegende Nebenräume, die lediglich Unterkunftshilfsfunktionen dienen (Flure, Flurtoiletten, Kellerräume, Bodenräume, Garagen), ebenso unter den Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 fallen, wie bewegliche Sachen, vermietete Hotelzimmer oder andere möblierte Zimmer.26 Auf der Grundlage dieser Ansicht scheint sogar die Einbeziehung von baulich nicht von der Außenwelt abgetrennten oder nicht umfriedeten Zubehörflächen in den Wohnungsbegriff vertretbar zu sein.27

2. Kritische Stellungnahme a) Argumente für die Einheitlichkeit der Wohnungsbegriffe in § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 Da der Begriff der Wohnung sowohl in § 123 als auch in § 244 Abs. 1 Nr. 3 verwendet wird, spricht natürlich zunächst der Wortlaut für die Übertragung der zu § 123 entwickelten Wohnungsbegriffsdefinition auf den Wohnungseinbruchsdiebstahl und damit vielleicht sogar für die Existenz eines einheitlichen Wohnungsbegriffs im Bereich des gesamten materiellen Strafrechts.28 Dagegen läßt sich kaum ins Feld führen, daß jenseits der Wohnungstür befindliche Nebenräume in der Umgangssprache regelmäßig nicht mehr als Wohnung bezeichnet werden.29 Denn im juristischen, insbesondere im verfassungsrechtlichen Sprachgebrauch ist es üblich, Nebenräume oder sogar Freiflächen in den Wohnungsbegriff einzubeziehen.30 Es wäre durchaus denkbar, daß dieser traditionelle rechtswissenschaftliche Sprachgebrauch ein anderweitiges, umgangssprachliches Verständnis insoweit überlagert. Weiterhin ist zutreffend, daß die identische Auslegung von vom Wortlaut her übereinstimmenden Tatbestandsmerkmalen verschiedener Tatbestände („Wohnung“ in § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3) Normklarheit und Rechtssicherheit fördert.31 Eine einheitliche Begriffsbestimmung – sogar über die Grenzen verschiedener Rechtsgebiete hinweg – kann zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsordnung u. U. sogar erforderlich sein.32 Als Beispiel mag insoweit die Kontroverse um die Auslegung des Vermögensbegriffs in § 263 Abs. 1 dienen.33 26 Sch / Sch-Eser, § 244, RN 30; Tröndle / Fischer, § 244, RN 24; zweifelnd: Arzt / Weber, BT, § 14, RN 64. 27 Vgl. oben, 7. Kap., B. II. 3.; ähnlich Behm, GA 2002, 154, 159 f., was i. E. jedoch an der Verletzung der Wortlautgrenze scheitern dürfte. 28 Vgl. Wank, S. 122; Behm, GA 2002, 154, 157. Wobei unklar wäre, wie der Wohnungsbegriff in § 306a Abs. 1 Nr. 1 sich hier einfügt. 29 Ähnlich Hellmich, NStZ 2001, 511, 514; a.A. wohl Behm, GA 2002, 154, 160. 30 Vgl. oben, 3. Kap. B. I. 1. c). 31 Hellmich, NStZ 2001, 511, 514. 32 Hellmich, NStZ 2001, 511, 514.

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

b) Außerachtlassung der Relativität der Rechtsbegriffe im gleichen Rechtsgebiet – offensichtliche teleologische Auslegungsmängel Obwohl der allgemeine Normzweck „Rechtssicherheit“ vorliegend also für die Einheitlichkeit der Wohnungsbegriffe in § 244 Abs. 1 Nr. 3 und § 123 spricht, läßt sich an ihr nur festhalten, wenn auch die konkreten Normzwecke, die mit § 244 Abs. 1 Nr. 3 verfolgt werden, durch die für § 123 entwickelte Wohnungsbegriffsdefinition hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Die Bestimmung eines jeden Rechtsbegriffs muß sowohl im Hinblick auf seinen Begriffskern als auch im Hinblick auf seinen Grenzbereich zunächst immer an den Regelungszwecken ansetzen, die der Gesetzgeber durch das einzelne Gesetz als Antwort auf eine konkrete Situation verfolgt.34 Wie auch die obige Untersuchung der Wohnungsbegriffe unter Beweis gestellt hat, wirken sich in erster Linie diese konkreten Normzwecke begriffsbestimmend aus. Sie können – freilich auf Kosten der Rechtssicherheit – sogar im gleichen Rechtsgebiet zu unterschiedlichen Auslegungen der vom Wortlaut her identischen Begriffe zwingen.35 Das durch den Hausfriedensbruch geschützte Interesse an physisch gesichertem Territorialbesitz soll dem Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls nach dem Willen des Gesetzgebers offenbar ebensowenig zugrunde liegen, wie der Schutz des Entscheidungsrechts darüber, wer sich in der Wohnung aufhalten darf und wer nicht.36 Zumindest auf den ersten Blick unterscheiden sich die konkreten Normzwecke des § 123 und des § 244 Abs. 1 Nr. 3 also ganz erheblich voneinander. Übernimmt man gleichwohl die für § 123 entwickelte Wohnungsbegriffsdefinition, ohne vorher überprüft zu haben, ob diese auch mit den Schutzzwecken des § 244 Abs. 1 Nr. 3 kompatibel ist, so ist keinesfalls sichergestellt, daß die durch die Anwendung des weiten Wohnungsbegriffs erreichten Entscheidungen mit dem Schutzzweck des § 244 Abs. 1 Nr. 3 übereinstimmen. Wie die folgenden Beispiele verdeutlichen, gilt dies insbesondere, wenn man, wie die Vertreter der h.A., einer extensiven Auslegung des Wohnungsbegriffs in § 123 anhängt. Denn angesichts der Überführung des Wohnungseinbruchsdiebstahls in einen zwingend anzuwenden Qualifikationstatbestand, der Anhebung der gesetzlichen Mindeststrafe und der übrigen, damit verbundenen strafverschärfenden Konsequenzen kann es – wie befürchtet – zu offensichtlich unsachgerechten Ergebnissen kommen, die nicht geeignet sind, die vom Gesetzgeber erstrebten Ziele zu erreichen:37

33 So ist im Interesse der Einheit der Rechtsordnung der wirtschaftliche Vermögensbegriff durch zivilrechtliche Wertungen zu korrigieren, vgl. Wessels / Hillenkamp, RN 535, m.w.N. 34 = konkrete Normzwecke, vgl. Wank, S. 93. 35 Wank, S. 112 und 122. 36 Vgl. oben, 7. Kap. B. III. 2. b). 37 Wessels / Hillenkamp, RN 267; Hellmich, NStZ 2001, 511, 515; Rengier, BT 1, § 4, RN 42a; LK-Laufhütte / Kuschel, § 244, RN 11.

B. Der Wohnungsbegriff des Wohnungseinbruchsdiebstahls

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So wäre wegen des Fehlens einer Geringwertigkeitsklausel zwingend mit wenigstens sechs Monaten Freiheitsstrafe zu bestrafen, wer durch ein geöffnetes Fenster in eine (freistehende) Garage einsteigt und einen dort gelagerten, angebrochenen Farbeimer entwendet. Gleiches würde für denjenigen gelten, der sich mit dem aus einem früheren Mitbenutzungsverhältnis zurückbehaltenen Schlüssel Zugang zu dem gemeinschaftlich genutzten Waschkeller eines Mietshauses verschafft und dort eine Flasche Weichspüler entwendet.38 In diesen Fällen wird die Intimsphäre der Benutzer von Garage oder Waschküche – wenn überhaupt – nicht in einer Weise verletzt, welche die vergleichsweise harten Sanktionen des § 244 Abs. 1 Nr. 3 rechtfertigen könnte. Eine substantielle Gefährdung oder gar Verletzung der psychischen oder physischen Gesundheit ist ebenfalls nicht ersichtlich. Es ist also eingehend zu untersuchen, welche konkreten Normzwecke § 244 Abs. 1 Nr. 3 aus objektiv-teleologischer Sicht zugrunde liegen und ob bzw. inwieweit diese nicht zwingend zu unterschiedlichen Wohnungsbegriffen in § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 führen. Die allgemeinen Normzwecke der Normklarheit und Rechtssicherheit könnten dann im Ergebnis u. U. nicht berücksichtigt werden.39 Dies ist auch bei anderen sprachlich identischen Begriffen innerhalb des besonderen Teils des StGB der Fall. So bedeutet Wegnahme im Sinne des § 242 Abs. 1 „Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams“, im Rahmen des § 289 kommt es nach der ratio legis für das Vorliegen einer Wegnahme dagegen nicht auf einen Gewahrsamsbruch, sondern „nur“ auf Entfernung der Sache aus dem Machtbereich des Berechtigten an,40 während Wegnehmen im Sinne des § 168 Abs. 1 die Entziehung des Körpers usw. aus dem Obhutsverhältnis des Berechtigten meint.41 Der zur Kritik anstehende Lösungsansatz, der, ohne eine objektiv-teleologische Analyse vorgenommen zu haben, einen einheitlichen Wohnungsbegriff annimmt, droht also an dem Phänomen der Relativität der Rechtsbegriffe im gleichen Rechtsgebiet zu scheitern und so zu unsachgerechten, vom gesetzgeberischen Willen und dem objektiven Gesetzeszweck nicht gedeckten Ergebnissen zu führen.

c) Die unzutreffende Prämisse der herrschenden Ansicht Die h.A. stützt die Gleichsetzung der Wohnungsbegriffe in § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 in erster Linie – zumindest stillschweigend – auf die Tradition des 38 Ähnliche Beispiele finden sich bei Wessels / Hillenkamp, RN 267. Subsumiert man auch Unterkunftshilfszwecken dienende Freiflächen unter den Wohnungsbegriff, so müßte selbst derjenige gem. § 244 Abs. 1 Nr. 3 bestraft werden, der ein paar Blumenzwiebeln aus einem innerhalb eines eingezäunten Hausvorgartens befindlichen Beet stiehlt. 39 Grundlegend Wank, S. 111 ff., S. 122. 40 Tröndle / Fischer, § 289, RN 2; Sch / Sch-Eser / Heine, § 289, RN 8; Wessels / Hillenkamp, RN 72. 41 Tröndle / Fischer, § 168, RN 7; Sch / Sch-Lenckner, § 168, RN 4.

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

Einbruchsdiebstahls in § 243 Nr. 2 in der Fassung von 1871 und in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 in der Fassung des 1. StrRG vom 25. 06. 1969. Dieser Tradition zufolge handelt es sich bei dem Wohnungseinbruchsdiebstahl um einen begrifflichen Unterfall des „einfachen“ Einbruchsdiebstahls. Auch § 244 Abs. 1 Nr. 3 wird daher von dieser Ansicht noch als Unterfall des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 angesehen, weshalb der von ihm verwendete Wohnungsbegriff, wie der vormals in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a.F. verwendete, auch weiterhin mit dem des § 123 identisch sei. Zusätzlich zu den bereits dargestellten Mängeln der h.A. erweist sich jedoch die Prämisse dieser Schlußfolgerung schon bei oberflächlicher Betrachtung als unzutreffend. Der in § 244 Abs. 1 Nr. 3 geregelte Wohnungseinbruchsdiebstahl könnte nur dann einen Unterfall des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 darstellen, wenn beide Normen auf demselben Strafgrund fußen und zumindest zum Teil denselben Schutzzwecken dienen. Dies ist jedoch schon angesichts der vom Gesetzgeber artikulierten Beweggründe für die Erhöhung der durch einen Wohnungseinbruchsdiebstahl verwirkten Mindeststrafe wenig wahrscheinlich42 und hält einer genaueren Überprüfung nicht stand. Die aufgrund der Regelwirkung des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 eintretende Strafschärfung beruht im wesentlichen auf drei Erwägungen: Der Gewahrsamsinhaber bringt durch die Verwahrung der Sachen in einem umschlossenen Raum seinen Willen zum Besitz und zur verstärkten Sicherung der Sachen vor fremdem Zugriff in verkehrsüblicher Weise deutlich zum Ausdruck.43 Mit der von einem besonders ausgeprägten Sicherungswillen getragenen, verstärkten räumlich-gegenständlichen Sicherung des Aufbewahrungsortes vor fremden Zugriff – die auch als stärkerer lokaler Rechtsfrieden bezeichnet wird – korrespondiert zunächst ein verstärkter strafrechtlicher Schutz des durch die Verwahrung an diesem Ort besonders gesicherten Eigentums.44 Indem der Täter durch Aufwendung besonderer (Sach-) Gewalt, List oder durch andere außergewöhnliche Anstrengungen die verstärkte Sicherung des Eigentums überwindet (den lokal erhöhten Rechtsfrieden stört oder aufhebt), legt er zudem ein erheblich größeres Maß an krimineller Energie an den Tag als der Täter eines „einfachen Diebstahls“.45 Infolgedessen ist der Täter schließlich für die Allgemeinheit in der Regel bedeutend gefährlicher und die Tat erscheint strafwürdiger.46 Durch das Hinwegsetzen über lokale Sicherungsgrenzen und die damit verbundene Steigerung von Tat- und Tätergefährlichkeit, die für eine gegen das Rechtsgut Eigentum gerichtete Angriffsform des Einbruchsdiebstahls (§ 243 Abs. 1 Nr. 1) typisch ist, wird der Unwertgehalt der durch den konkreten Diebstahl hervorgerufenen Eigentumsverletzung so entscheidend verstärkt, daß eine entsprechende Strafverschärfung gerechtfertigt erscheint. 42 43 44 45 46

Vgl. oben, A. BGHSt GS 1, 158, 164. BGHSt GS 1, 158, 165. BGHSt GS 1, 158, 165. BGHSt GS 1, 158, 165.

B. Der Wohnungsbegriff des Wohnungseinbruchsdiebstahls

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Dem Schutz vor der Gefährlichkeit des Einbrechers und des Einbruchsdiebstahls kommt dabei in erster Linie als generell-allgemeiner Gefährlichkeit Legitimationswirkung zu. Würde es sich bei § 243 Abs. 1 Nr. 1 um einen zwingend anzuwendenden Tatbestand handeln, so wäre die Legitimationskraft dieser Form einer generellen Täter- und Tatgefährlichkeit, die den Gefährlichkeitsgrad einer abstrakten Rechtsgutsgefährdung in der Regel nicht erreichen wird, sicherlich äußerst zweifelhaft. Da es sich bei § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 jedoch lediglich um eine im Rahmen der Strafzumessung anzuwendende Regel handelt, von der der Richter auch abweichen kann, und weil im Rahmen der Strafzumessung auch allgemein gerade solche tat- und täterspezifischen Aspekte zu berücksichtigen sind (§ 46 Abs. 1 und 2), kann die erhöhte generelle Tätergefährlichkeit die Strafzumessungsregel des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 im Zusammenwirken mit dem auch aus anderen Gründen erhöhten Handlungs- und Erfolgsunwert angemessen rechtfertigen. Während der Zweck des § 243 Abs. 1 Nr. 1 also in erster Linie darin besteht, das Rechtsgut Eigentum vor einer Angriffsform zu schützen, die den Unwertgehalt der durch den konkreten Diebstahl hervorgerufenen Eigentumsverletzung selbst typischerweise erhöht, bezweckt § 244 Abs. 1 Nr. 3 nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers auch den Schutz weiterer, höchstpersönlicher Individualinteressen, insbesondere der Intimsphäre und der körperlichen Unversehrtheit. Es wird also offenbar, daß Strafgrund und Schutzzweck von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 nicht übereinstimmen. Die Auffassung, die voraussetzt, bei § 244 Abs. 1 Nr. 3 handele es sich auch nach dem 6. StrRG um einen Unterfall des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 trifft also nicht zu. Die Annahme eines einheitlichen Wohnungsbegriffs ohne eingehende objektiv-teleologische Untersuchung des § 244 Abs. 1 Nr. 3 erscheint auch vor diesem Hintergrund ausgeschlossen.

d) Offensichtliche gesetzessystematische Mängel der h.A. Durch die gesetzessystematische Einordnung des Wohnungseinbruchsdiebstahls in die Norm des § 244 Abs. 1 hat der Gesetzgeber weiterhin zum Ausdruck gebracht, daß er den Unwertgehalt des Wohnungseinbruchsdiebstahls für so schwerwiegend hält, wie den eines Bandendiebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 2), eines Diebstahls mit Waffen, gefährlichen Werkzeugen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1a) oder eines unter Verwendung von Drohmitteln begangenen Diebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 1b). Das in den Tatbeständen der § 244 Abs. 1 Nr. 1 und 2 vertypte Unrecht ist im Vergleich zu dem des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 dadurch verstärkt, daß es entweder die Verletzung bzw. Gefährdung weiterer Rechtsgüter neben dem Eigentum einschließt (§ 244 Abs. 1 Nr. 1: Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung, körperliche Unversehrtheit)47 oder dadurch, daß das Rechtsgut Eigentum be47 Wessels / Hillenkamp, RN 257 und 261 ff.; NK-Kindhäuser, § 244, RN 4 und 17; Lackner / Kühl, § 244, RN 4 und 3; Sch / Sch-Eser, § 244, RN 2 und 11.

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

reits bei der Verübung des konkreten Diebstahls auch in der Zukunft generell gefährdet ist, weil es aufgrund der aus der bandenmäßigen Begehungsform entstehenden Eigendynamik überaus wahrscheinlich ist, daß die Täter weitere Diebstähle begehen werden.48 Die systematische Stellung des Wohnungseinbruchsdiebstahls ist also ebenfalls ein Beleg dafür, daß auch diese Vorschrift eine den Unwertgehalt gegenüber § 243 Abs. 1 Nr. 1 verstärkende Zutat, insbesondere die Verletzung oder Gefährdung weiterer Rechtsgüter neben dem Eigentum aufweist, die seine normative Gleichsetzung mit den übrigen Diebstahlsqualifikationsdelikten des § 244 Abs. 1 Nr. 3 rechtfertigt. Die These, wonach § 244 Abs. 1 Nr. 3 ein Unterfall des § 243 Abs. 1 Nr. 1 sei, wird hierdurch nochmals erschüttert. Eine diese Aspekte nicht berücksichtigende Gleichsetzung der Wohnungsbegriffe in § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 wird dem normativen Stufenverhältnis, welches zwischen § 243 Abs. 1 und § 244 Abs. 1 unbestreitbar besteht, nicht gerecht.49

e) Rechtsgeschichtliche Argumente gegen die Identität der Wohnungsbegriffe in § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3. Auch aus rechtsgeschichtlicher Sicht spricht einiges gegen die Einheitlichkeit der Wohnungsbegriffe in § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3. Sowohl das preußische StGB von 1851 als auch der von 1871 bis 1970 geltende § 243 Nr. 2 sahen für den Diebstahl, der durch Einbrechen oder Einsteigen in einen unbewohnten, umschlossenen Raum begangen wurde, dieselbe Strafe vor wie für den Wohnungseinbruchsdiebstahl bzw. den in einem bewohnten Gebäude verübten Diebstahl (§ 218 Nr. 2 und 3 prStGB 1851). Der Unrechtsgehalt des Einbruchsdiebstahls war nach damaliger Auffassung durch die erhöhte kriminelle Energie des Täters, vor allem beim Wohnungseinbruchsdiebstahl aber auch durch die von ihm ausgehende Gefahr für Leib und Leben tatnaher Personen im Verhältnis zum „einfachen“ Diebstahl verstärkt.50 Ein deutlicher Hinweis auf das Ziel, Leib und Leben tatnaher Personen zu schützen, ist, daß für § 218 Nr. 2 prStGB 1851 zwar kein Einbrechen erforderlich war, der Diebstahl dafür aber in einem bewohnten Gebäude zur Nachtzeit, also während der regelmäßigen Anwesenheitszeit der Bewohner, erfolgen mußte. Wie später § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a.F. differenzierten die genannten Vorschriften aber nicht zwischen dem Unrechtsgehalt des in einem unbewohnten, umschlossenen Raum begangenen Einbruchsdiebstahls und dem eines Wohnungseinbruchsdiebstahls. Die – wenn überhaupt – nur anläßlich eines Wohnungseinbruchsdiebstahls typischerweise auftretende, abstrakte Gefahr für die körperliche Unversehrtheit verstärkte den Unwertgehalt des Wohnungseinbruchsdiebstahls gegenüber dem des „einfachen“ Einbruchsdiebstahls in den Augen der Gesetzgeber 48 BGHSt GS NJW 2001, 2266, 2269; Wessels / Hillenkamp, RN 270; a.A. NK-Kindhäuser, § 244, RN 29: Potentiell erhöhte Gefahr für das Opfer. 49 Hellmich, NStZ 2001, 511, 514 f. 50 Vgl. oben, 2. Kap. C. II.

B. Der Wohnungsbegriff des Wohnungseinbruchsdiebstahls

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seit dem prStGB 1851 offensichtlich also nicht so sehr, daß die Schaffung eines gegenüber dem „einfachen“ Einbruchsdiebstahl weiter qualifizierten Tatbestandes des Wohnungseinbruchsdiebstahls für erforderlich gehalten wurde. Auch daß die Privatsphäre bei Wohnungseinbruchsdiebstählen in der Regel in erheblich empfindlicherer Weise betroffen ist als bei „gewöhnlichen“ Einbruchsdiebstählen, schlug sich nicht in einer härteren Bestrafung des Wohnungseinbruchsdiebstahls nieder. Die Gleichbehandlung von besonders verwerflichen Angriffen auf das Eigentum, bei denen neben dem Eigentum keine höchstpersönlichen Rechtsgüter verletzt werden, mit den Fällen, in denen zur Eigentumsverletzung eine Verletzung oder Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit und der Privatsphäre hinzutritt, entsprach der grundsätzlichen Bevorzugung vermögensrechtlicher Rechtsgüter durch die Gesetzgeber von 1851 und 1871. Sie kam vor dem 6. StrRG an vielen Stellen des StGB zum Ausdruck. Die Beseitigung dieses seit längerem als unhaltbar empfundenen Ungleichgewichts war eines der wichtigsten, allgemeinen Ziele des 6. StrRG.51 Die vorstehenden Überlegungen verdeutlichen, daß das 6. StrRG mit der geschilderten Tradition der Gleichsetzung von „einfachem“ Einbruchsdiebstahl und Wohnungseinbruchsdiebstahl bewußt brechen wollte: Das StGB differenziert nunmehr offensichtlich zwischen dem stärkeren Unwertgehalt des Einbruchsdiebstahls in Wohnungen und dem des Einbruchsdiebstahls in andere umschlossene Räume. Eine ähnliche Differenzierung sah bereits das ALR vor.52 Dem lag offensichtlich die Auffassung zugrunde, der Einbruchsdiebstahl in bewohnte Gebäude erzeuge eine höhere Gefahr für Leib und Leben sowie für die öffentliche Ordnung, als ein Einbruchsdiebstahl in unbewohnte Gebäude, der nur wie ein „gemeiner Diebstahl unter erschwerenden Umständen“ bestraft wurde (20. Titel, § 1169 ALR). Dies deutet darauf hin, daß es insbesondere aus objektiv-teleologischen Gründen erforderlich sein könnte, den Begriff der Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 so auszulegen, daß nur solche Einbruchsdiebstähle unter den Tatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 3 fallen, in denen aufgrund der Wohnsituation eine abstrakte Gefahr für die Rechtsgüter Leib und Leben besteht.

3. Fazit Die von der herrschenden Ansicht vertretene Auffassung, wonach die für den Wohnungsbegriff des Hausfriedensbruchs entwickelte Wohnungsbegriffsdefinition auch zur Bestimmung des Wohnungsbegriffs in § 244 Abs. 1 Nr. 3 ohne objektivteleologische Überprüfung dieser Norm heranzuziehen ist, erweist sich als verfehlt. Begründung zum RegE 6. StrRG, BT-Drs. 13 / 8587, S. 43. „Gewaltsamer Diebstahl in unbewohnten Gebäuden, Behältnissen, Gärten, Scheunen, oder Fischhältern, wird als ein gemeiner Diebstahl unter erschwerenden Umständen bestraft. (§ 1137sqq.)“, 20. Titel, § 1169 ALR, und eben nicht wie ein gewaltsamer Diebstahl nach §§ 1163 ff. 51 52

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

Schon die Prämisse dieser Auffassung, wonach § 244 Abs. 1 Nr. 3 sich als ein Unterfall des „gewöhnlichen“ Einbruchsdiebstahls darstellt, ist nicht haltbar. Es wird ferner nicht berücksichtigt, daß aufgrund der Eingliederung des Wohnungseinbruchsdiebstahls in § 244 schon aus systematischen Gründen anzunehmen ist, daß dem Wohnungseinbruchsdiebstahl nunmehr ein stärkerer Unwertgehalt und ein anderes Schutzzweckgefüge zugrunde liegt als § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1. Auch aus historischer Sicht liegt es nahe, daß durch die im Rahmen des 6. StrRG erfolgte Hochstufung des Wohnungseinbruchsdiebstahls mit der Tradition der Gleichstellung von einfachem Einbruchsdiebstahl und Wohnungseinbruchsdiebstahl gebrochen werden sollte. Schließlich beachtet der Lösungsansatz der h.A. das Phänomen der Relativität der Rechtsbegriffe im gleichen Rechtsgebiet nicht hinreichend. Die Verwendung der zu § 123 entwickelten Wohnungsbegriffsdefinition im Rahmen des Wohnungseinbruchsdiebstahls führt daher zu Ergebnissen, die von der gesetzgeberischen Zielsetzung offensichtlich nicht gedeckt sind. Die vorstehenden Erwägungen verdeutlichen die Notwendigkeit, die durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsgüter und seine Normzwecke sorgfältig zu bestimmen, um schließlich einen – wahrscheinlich engeren – Wohnungsbegriff bestimmen zu können, der von dem Willen des Gesetzgebers getragen ist und die objektiven Normzwecke hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt. Eine vorschnelle Übernahme der zu § 123 entwikkelten Definition verbietet sich in jedem Fall.

III. Übertragung des Wohnungsverständnisses zu § 123, aber teleologische Reduktion des § 244 Abs. 1 Nr. 3 Eine im Schrifttum verbreitete Auffassung ist ebenfalls der Ansicht, der Wohnungsbegriff in § 244 Abs. 1 Nr. 3 sei mit dem des § 123 inhaltlich identisch. Sie definiert den Wohnungsbegriff daher ebenfalls weit als den Inbegriff von Räumlichkeiten, deren Hauptzweck darin bestehe, Menschen zur ständigen Benutzung zu dienen, ohne daß sie in erster Linie Arbeitsräume sind.53 Dazu sollen auch Garagen gehören, die direkt mit dem Haus verbunden sind und vorübergehend genutzte Hotelzimmer, Campingbusse und Zelte. Da dieser weite Wohnungsbegriff aber, wie gezeigt, in bestimmten Fällen zu offensichtlich unsachgerechten Ergebnissen führt, sei § 244 Abs. 1 Nr. 3 gegebenenfalls teleologisch zu reduzieren.54 Aufgrund dieser teleologischen Reduktion fielen z.B. die Fälle, in denen in freistehende Garagen oder außerhalb des eigentlichen Wohnbereichs liegende Flurtoiletten eingebrochen würde, aus dem Anwendungsbereich des § 244 Abs. 1 Nr. 3 heraus. Denn in diesen Fällen sei die durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützte Intimsphäre nicht „im Kern“ betroffen.55

53 54 55

Jäger, JuS 2000, 651, 656. Jäger, JuS 2000, 651, 656 f.; ähnlich Lackner / Kühl, § 244, RN 12. Jäger, JuS 2000, 651, 657.

B. Der Wohnungsbegriff des Wohnungseinbruchsdiebstahls

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Der Vorteil dieser Auffassung liegt auf der Hand. Sie ermöglicht es, unsachgemäße Ergebnisse durch eine Reduktion des Unrechtstatbestandes zu vermeiden. Aber auch sie steht in dogmatischer und methodischer Hinsicht auf tönernen Füßen. Ihr liegt eine sorgfältige Untersuchung der durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsgüter ebenfalls nicht zugrunde. Die Vertreter dieser Ansicht beschränken sich darauf, die vom Gesetzgeber geäußerten Motive, insbesondere den Schutz der Intimsphäre, ohne objektiv-teleologische Überprüfung mit den durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 angeblich geschützten Rechtsgütern gleichzusetzen. Auf eine genauere Bestimmung des Begriffs der Intimsphäre wird überdies verzichtet, so daß auch die Maßstäbe, anhand derer § 244 Abs. 1 Nr. 3 teleologisch zu reduzieren sein soll, bei weitem zu unbestimmt sind. Der Hinweis, die Intimsphäre müsse, in ihrem „inneren Kern“ verletzt sein, ist insoweit kaum hilfreich. Zudem gehen auch die Vertreter dieser Ansicht zunächst von der inhaltlichen Identität der Wohnungsbegriffe in § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 aus, obwohl sie erkannt haben, daß den beiden Normen unterschiedliche Schutzzweckgefüge zugrunde liegen. Sie scheinen daher, ähnlich wie die Vertreter der bereits verworfenen Ansicht, der Auffassung zu sein, daß innerhalb des besonderen Teils des materiellen Strafrechts nur ein einheitlicher Wohnungsbegriff existieren könne. Jedenfalls ist es nur unter dieser Voraussetzung plausibel, daß in gewissen Fällen eine teleologische Reduktion des § 244 Abs. 1 Nr. 3 erforderlich sein soll. Nur wenn § 244 Abs. 1 Nr. 3 einen mit § 123 identischen Wohnungsbegriff verwendet und durch die Weite dieses unveränderbaren Wohnungsbegriffs einen Anwendungsbereich erhält, welcher aufgrund der ihm innewohnenden Teleologie einer Beschränkung bedarf, ist zur Erreichung dieser Beschränkung das methodische Mittel einer teleologischen Reduktion überhaupt erforderlich. Wie aus den obigen Erläuterungen ersichtlich, verstößt die Annahme eines zwingend einheitlichen Wohnungsbegriffs jedoch gegen das methodische Gebot der grundsätzlich auch innerhalb desselben Rechtsgebiets zu beachtenden, teleologisch begründeten Relativität der Rechtsbegriffe. Zusätzlich ist hier noch ein Verstoß gegen den methodischen Vorrang der einschränkenden Auslegung vor der teleologischen Reduktion gegeben.56 Denn die Wortbedeutung des Wohnungsbegriffs läßt eine deutlich restriktivere Auslegung zu, als diejenige, die von der herrschenden Meinung für den in § 123 verwendeten Wohnungsbegriff entwickelt worden ist. Zur Restriktion des Unrechtstatbestandes ist daher aus methodischer Sicht eine teleologisch eingeschränkte Auslegung des Wohnungsbegriffs der teleologischen Reduktion des § 244 Abs. 1 Nr. 3 vorzuziehen.57

Vgl. Larenz, S. 375 f. Eine teleologische Reduktion kommt nur dann in Betracht, wenn die nach ihrem Wortsinn zu weit gefaßte Regel auf den ihr nach dem Regelungszweck oder Sinnzusammenhang des Gesetzes zukommenden Anwendungsbereich beschränkt werden muß, vgl. Larenz, S. 375 f. 56 57

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

IV. Teleologisch restringierte Auslegung des Wohnungsbegriffs in § 244 Abs. 1 Nr. 3 1. Darstellung Eine dritte Auffassung will den Unrechtstatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 3 durch eine engere Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Wohnung“ einschränken.58 Dieser Ansatz löst sich damit zurecht von der Vorstellung, innerhalb des materiellen Strafrechts dürfe nur ein einheitlicher Wohnungsbegriff existieren, der auch noch mit dem weiten, von der herrschenden Ansicht für § 123 entwickelten Wohnungsbegriff identisch sei. Er beachtet den Grundsatz der Relativität der Rechtsbegriffe, weshalb er den beiden zuvor behandelten Ansichten grundsätzlich vorzuziehen ist. Übereinstimmend erklären die Verfechter dieser Ansicht, die an den vom Gesetzgeber selbst geäußerten Gründen für die Strafschärfung zu orientierende, einschränkende Auslegung habe zur Folge, daß der Wohnungsbegriff auf einen „inneren Kern“ zurückzuführen sei.59 Unklar und innerhalb dieser Auffassung offenbar noch nicht ausdiskutiert ist, wie dieser auf einen „inneren Kern“ zurückgeführte Wohnungsbegriff bestimmt werden könnte. Manche bedienen sich insoweit der von Schall erarbeiteten sozialen Funktionen der sich in der Wohnung entfaltenden, häuslichen Privatsphäre. Eine Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 besteht danach (nur) aus denjenigen Räumlichkeiten, die als Mittelpunkt des privaten Lebens Selbstentfaltung, -entlastung und vertrauliche Kommunikation gewährleisten.60 Andere erkennen diese Funktionen zwar als Momente an, welche die Wohnung nach dem allgemeinen Sprachverständnis gegenüber anderen umschlossenen Räumen üblicherweise auszeichnen. Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Wohnung“ in § 244 Abs. 1 Nr. 3 ziehen sie diese gleichwohl nicht heran.61 Sie begnügen sich mit der Umschreibung, „Wohnung“ im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 sei so eng auszulegen, daß Räumlichkeiten, die zwar zum Aufenthalt oder zur Benutzung von Personen freistehen, aber keine räumlich abgegrenzte Privat- oder Intimsphäre gewährleisten, aus dem Anwendungsbereich des Wohnungsbegriffs in § 244 Abs. 1 Nr. 3 herausfallen. Welche Voraussetzungen im einzelnen erfüllt sein müssen, damit Räumlichkeiten die Qualität solcher „Wohnräume im engeren Sinne“ erlangen, sei dagegen Tatfrage und durch die Rechtsprechung näher zu konkretisieren.62 Wieder andere beschränken den Wohnungsbegriff durch sehr formale Kriterien. So sollen nach Rengier Nebenräume wie Flure, Toiletten, Keller und Speicher nur unter den Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 fallen, wenn zwi58 Wessels / Hillenkamp, RN 267; OLG Schleswig NStZ 2000, 479, 480; Hellmich, NStZ 2001, 511, 515; LK-Laufhütte / Kuschel, § 244, RN 11. 59 Wessels / Hillenkamp, RN 267; OLG Schleswig NStZ 2000, 479, 480; i.E. auch Hellmich, NStZ 2001, 511, 515. 60 Wessels / Hillenkamp, RN 267. 61 Hellmich, NStZ 2001, 511, 513 ff.; i.E. auch OLG Schleswig NStZ 2000, 479, 480. 62 Hellmich, NStZ 2001, 511, 515.

B. Der Wohnungsbegriff des Wohnungseinbruchsdiebstahls

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schen diesen Räumen und dem eigentlichen Wohnraum eine unmittelbare Verbindung besteht.63 Der restriktiven Auslegung des von § 244 Abs. 1 Nr. 3 verwendeten Wohnungsbegriffs hat sich auch das OLG Schleswig angeschlossen.64 So kam es zu dem Ergebnis, durch Vorhängeschlösser gesicherte Kellerverschläge, die über den Gemeinschaftskeller eines Wohnblocks zugänglich sind, würden nicht unter den Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 fallen. Inwiefern der Wohnungsbegriff in § 244 Abs. 1 Nr. 3 auch darüber hinaus enger auszulegen ist, läßt die Entscheidung allerdings offen. Außer den in der Literatur genannten Kriterien enthält das Urteil keine weiteren Anhaltspunkte dafür, durch welche Merkmale der Wohnungsbegriff in § 244 Abs. 1 Nr. 3 generell enger gefaßt werden könnte als der in § 123. Allerdings stützt das OLG Schleswig seine teleologisch begründete Einschränkung des Wohnungsbegriffs nicht nur auf die mit dem Wohnungseinbruchsdiebstahl typischerweise verbundene tiefe Verletzung der Intimsphäre des Opfers, sondern auch auf die „erhebliche potentielle Gefährdung“ des Opfers, die auch für die übrigen Qualifikationen innerhalb des § 244 symptomatisch sei.65

2. Kritische Stellungnahme Wie bereits erwähnt, ist diesem Ansatz vor allem in methodischer Hinsicht grundsätzlich zuzustimmen. Die hinter § 244 Abs. 1 Nr. 3 stehenden Normzwecke, auf denen er die teleologisch-eingeschränkte Auslegung des Wohnungsbegriffs in § 244 Abs. 1 Nr. 3 aufbaut, sind jedoch bis jetzt noch nicht in ausreichender Weise analysiert worden. Dies hat zur Folge, daß der Wohnungsbegriff einen zufriedenstellenden Grad an Bestimmtheit auch auf der Grundlage dieser Ansicht noch nicht erreichen konnte. So stellen die von der Literatur zur Restriktion des Wohnungsbegriffs entwickelten Lösungen allein auf den Intimsphärenschutz ab. Die übrigen Interessen, deren Schutz § 244 Abs. 1 Nr. 3 nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ebenfalls gewährleisten soll, werden hierbei in der Regel nicht berücksichtigt.66 Daß sich der Strafgrund des § 244 Abs. 1 Nr. 3 nicht im Intimsphärenschutz erschöpft, zeigen jedoch nicht nur die Äußerung des gesetzgeberischen Willens im Regierungsentwurf und die Vorgeschichte des Wohnungseinbruchsdiebstahls. Die zur Verwirklichung des § 244 Abs. 1 Nr. 3 erforderlichen Tathandlungen sind ein weiteres Indiz dafür, daß im Rahmen des § 244 Abs. 1 Nr. 3 noch weitere Schutzzwecke zur Geltung kommen sollen, die sich ebenfalls restringierend auf die Auslegung des Wohnungsbegriffs auswirken können. Wäre allein die mit Wohnungseinbruchsdiebstählen häufig verbundene, „tiefe Verletzung“ der InRengier, BT I, § 4, RN 42a. OLG Schleswig NStZ 2000, 479 f. 65 OLG Schleswig, NStZ 2000, 479 f. 66 Lediglich das OLG Schleswig NStZ 2001, 479, 480, führt in diesem Zusammenhang zusätzlich – sehr allgemein – die erhebliche „potentielle“ Gefährdung des Opfers an. 63 64

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

timsphäre des Opfers Grund für die Hochstufung des Wohnungseinbruchsdiebstahls, so wäre zu erwarten, daß der Täter mit der Verwirklichung des in § 244 Abs. 1 Nr. 3 normierten Tatbestands in der Regel auch eine solche tiefe Verletzung des Rechtsguts der Intimsphäre herbeiführt. Wer zur Ausführung eines Diebstahls in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug in die Wohnung eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält, verletzt die sich in der Wohnung entfaltende Intimsphäre jedoch auch dann nicht zwangsläufig, wenn man den Begriff der Wohnung restriktiv auslegt. So liegt nach nahezu allgemeiner Auffassung bereits ein vollendetes Einbrechen in die Wohnung vor, wenn der Täter nur das den Zutritt verwehrende Hindernis gewaltsam beseitigt hat.67 Hierzu ist nicht einmal ein Betreten der Wohnung erforderlich, so daß es ausreicht, wenn der Täter die entwendete Sache nach gewaltsamer Beseitigung des Hindernisses mit der Hand oder mit Hilfe eines Geräts herausgeholt hat.68 Ein Einsteigen in die Wohnung liegt zwar erst vor, wenn der Täter durch eine nicht zu ordnungsgemäßem Eintritt bestimmte Öffnung in die Wohnung hineingelangt ist.69 Es reicht aber auch hier aus, daß er lediglich einen Stützpunkt in der Wohnung gewonnen hat, der ihm die Wegnahme ermöglicht.70 Die Kenntnisnahme vom Inneren der Wohnung, ihr vollständiges Betreten oder gar ein Verhalten, welches den Vollzug der Wohnprozesse zwingend stört, ist aber auch hier nicht Bestandteil der Tathandlung. Selbst wenn man diesen Einwand dadurch entkräften könnte, daß auch in den eher seltenen „Stützpunkt-Fällen“ zumindest eine die Strafschärfung rechtfertigende, abstrakte Gefährdung der Intimsphäre des Bewohners besteht, lassen sich die Tathandlungen des § 244 Abs. 1 Nr. 3 nicht allein durch den Normzweck des Intimsphärenschutzes befriedigend erklären. Ginge man davon aus, § 244 Abs. 1 Nr. 3 schützte tatsächlich allein die Intimsphäre, so bliebe unklar, warum die zur Verwirklichung des § 244 Abs. 1 Nr. 3 erforderlichen Tathandlungen sich nicht in einem bloßen Hineingelangen in das Wohnungsinnere oder in der Kenntnisnahme davon anläßlich des Diebstahls erschöpfen,71 warum für sie vielmehr – schon nach dem Wortlaut des § 244 Abs. 1 Nr. 3 – die gewaltsame oder listenreiche Überwindung der die Wohnung umgebenden Abgrenzungen symptomatisch ist. Daß insoweit „mehr“ gefordert wird als das bloße Hineinsehen, Hineingelangen oder BeRGSt 54, 211, 212; BGH NStZ 1985, 217; OLG Düsseldorf MDR 1984, 961. Wessels / Hillenkamp, RN 216. 69 BGH St 10, 132; BGH NJW 1968, 1887. 70 OLG-Hamm NJW 1960, 1359; LK-Ruß, § 243 RN 12; noch weitergehend: Küper, S. 116. 71 Wäre die mit dem Wohnungseinbruchsdiebstahl regelmäßig verbundene tiefe Verletzung der Intimsphäre der alleinige Grund für die Strafschärfung, wäre zu erwarten, daß § 244 Abs. 1 Nr. 3 als Tathandlungen das Betreten der Wohnung zur Ausführung des Diebstahls oder sogar ein hierzu ausgeführtes Durchsuchen der Wohnung vorsähe, oder daß der Diebstahl sogar nur in einem bewohnten Gebäude ausgeführt werden müßte (ähnlich schon § 218 Nr. 2 prStGB 1851). 67 68

B. Der Wohnungsbegriff des Wohnungseinbruchsdiebstahls

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treten, welches für die Kenntnisnahme vom Inneren der Wohnung und damit der Verletzung oder Gefährdung der Intimsphäre wohl ausreichend wäre, ist ein Indiz dafür, daß auch die anderen, in den Motiven zu § 244 Abs. 1 Nr. 3 vom Gesetzgeber angeführten Schutzzwecke sich im Strafgrund des § 244 Abs. 1 Nr. 3 niederschlagen und deshalb nicht ohne Einfluß auf die Auslegung aller seiner Tatbestandsmerkmale, insbesondere des Wohnungsbegriffs bleiben können. Diese Erwägungen lassen zwei Schlüsse zu: Entweder – und dies ist aufgrund der ausdrücklichen Äußerungen des Gesetzgebers und der Geschichte des Wohnungseinbruchsdiebstahls wahrscheinlicher – das Schutzzweckgefüge des § 244 Abs. 1 Nr. 3 umfaßt noch andere Rechtsgüter als das der Intimsphäre. Dann wäre die Frage zu klären, inwieweit sich diese Schutzzwecke in der teleologischen Bestimmung des Wohnungsbegriffs niederschlagen. Oder der Schutz der Intimsphäre ist als allein maßgeblicher Schutzzweck des § 244 Abs. 1 Nr. 3 anzusehen. In diesem Fall wären auch die Tathandlungen des Eindringens, Einbrechens usw. daraufhin zu überprüfen, ob sie nicht insoweit eingeschränkt ausgelegt werden müssen, als daß sie nur dann als gegeben angesehen werden können, wenn mit ihnen eine Verletzung oder zumindest hochgradige Gefährdung der Intimsphäre typischerweise verbunden ist. Dies illustriert erneut die Notwendigkeit, sämtliche der subjektiv vom Gesetzgeber geäußerten Normzwecke einer objektiv-teleologischen Überprüfung zu unterziehen. Der hier zur Kritik anstehenden Ansicht gelingt es ferner nicht, den Begriff der Intimsphäre hinreichend zu bestimmen. Das OLG Schleswig beläßt es bei der Feststellung, der Wohnungsbegriff sei durch den Zweck des Intimsphärenschutzes einzuschränken, ohne näher zu bestimmen, welchen Inhalt der unbestimmte Begriff der Intimsphäre hat.72 Der Wohnungsbegriff im Sinne des § 244 kann hierdurch keine klaren Konturen erhalten. Das OLG beschränkt sich daher auch allein auf die Behandlung der von ihm im Ergebnis verneinten Frage, ob abgetrennte Kellerverschläge innerhalb eines größeren Wohnhauses unter den Wohnungsbegriff fallen oder nicht. Auch Hellmich, die der Entscheidung des OLG Schleswig uneingeschränkt zustimmt, unternimmt keinen Versuch, den durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Bereich der Intimsphäre näher zu bestimmen. Ihr Fazit, dies müsse der Rechtsprechung überlassen werden, ist sicherlich nicht zufriedenstellend.73 Auch die Einschränkung des Wohnungsbegriffs durch die von Schall analysierten sozialen Funktionen der häuslichen Privatsphäre erscheint nicht frei von Widersprüchen und daher verbesserungsbedürftig. Begreift man die Wohnung als Mittelpunkt von Selbstentfaltung, Selbstentlastung und vertraulicher Kommunikation, so soll dies nach Hillenkamp dazu führen, daß Keller- und Bodenräume wie auch vorübergehend genutzte Hotelzimmer „eher nicht“ unter den Wohnungsbegriff zu subsumieren sind.74 Schall selbst neigt hingegen offenbar der Ansicht zu, diese Räumlichkei72 73 74

Vgl. hierzu unten C. I. Hellmich, NStZ 2001, 511, 515. Wessels / Hillenkamp, RN 267.

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

ten als Wohnung zu qualifizieren, weil sie die fraglichen Funktionen aufgrund ihrer Abgeschirmtheit durchaus erfüllen könnten.75 So will er lediglich „Flure und Treppenhäuser“ in großen Wohnhäusern und Mietblocks nicht als Wohnung anerkennen, weil sie – im Gegensatz zu (optisch) abschließbaren Keller- und Bodenräumen – fremden Personen ohne weiteres offen stehen, so daß eine für Dritte einsehbare Privatsphäre hier offensichtlich nicht mehr gegeben ist.76 Gründe für die Abweichung von der von Schall selbst vorgeschlagenen Auslegung werden nicht angegeben, obwohl es in der Tat kaum gerechtfertigt erscheint, den Einbruch in einen Kellerraum mit den harten Sanktionen des Wohnungseinbruchsdiebstahls zu belegen.

V. Einheitlicher, aber enger Wohnungsbegriff in § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 (Behm) 1. Darstellung Um die Vorteile eines einheitlichen Wohnungsbegriffs zu erhalten, schlägt Behm eine Neufassung des in § 123 verwendeten Wohnungsbegriffs vor, die so restriktiv ausfallen soll, daß sie auch im Anwendungsbereich des § 244 Abs. 1 Nr. 3 zu vertretbaren Resultaten führt.77 Die einheitliche Auslegung der Wohnungsbegriffe in § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 hält Behm nicht nur im Interesse von Normklarheit und Rechtssicherheit für geboten, sondern auch deshalb, weil der Gesetzgeber das Eigentumsdelikt Diebstahl in § 244 Abs. 1 Nr. 3 gerade im Hinblick auf die zusätzliche Störung des durch § 123 geschützten „Wohnungsfriedens“ qualifiziert habe.78 Übereinstimmender Strafgrund von § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 sei der Schutz der Privatsphäre.79 Da das befriedete Besitztum für den Tatbestand des § 123 die Funktion einer Generalklausel habe – ebenso wie das Tatobjekt des umschlossenen Raumes für die Tatbestände des Einbruchsdiebstahls – sei kein Grund dafür ersichtlich, offene Zubehörflächen und außerhalb des eigentlichen Wohnbereichs gelegene Nebenräume in den Wohnungsbegriff einzubeziehen. Einer einheitlichen restriktiven Auslegung des Wohnungsbegriffs in § 123 stünde auch insoweit nichts – insbesondere nicht die Entstehung von Strafbarkeitslücken – entgegen.80 Als Abgrenzungskriterium zwischen Wohnung und befriedetem Besitztum bzw. umschlossenem Raum komme daher nur die Wohnungstür, bzw. bei Einfamilienhäusern die Haustür in Betracht.81 Überdies müßten in den diesseits der WohnungsSchall, S. 136 f. Diese Räumlichkeiten sind daher im Rahmen des § 123 als befriedetes Besitztum geschützt, vgl. Schall, S. 167 f. 77 Behm, GA 2002, 154 ff. 78 Behm, GA 2002, 154, 157. 79 Behm, GA 2002, 154, 158 f. 80 Behm, GA 2002, 154, 161 f. 81 Behm, GA 2002, 154, 162 f. 75 76

B. Der Wohnungsbegriff des Wohnungseinbruchsdiebstahls

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bzw. Haustür gelegenen Räumen „Wohnfunktionen im Sinne einer Privat- oder Intimsphäre aktuell oder potenziell“ gegeben sein.82

2. Kritische Stellungnahme Auch diese Lösung stützt sich nicht auf eine objektiv-teleologische Überprüfung des § 244 Abs. 1 Nr. 3, vernachlässigt daher neben dem Privatsphärenschutz bestehende Normziele und verschafft über den Inhalt des Schlagworts „Intimsphärenschutz“ bzw. Schutz des Wohnungsfriedens keine Klarheit. Auch auf der Grundlage des vorliegenden Ansatzes lassen sich die von § 244 Abs. 1 Nr. 2 geforderten Tathandlungen also nicht befriedigend erklären. Weiterhin ist die Behauptung, § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 liege ein identischer Strafgrund zugrunde, auf der Grundlage der hier zum Rechtsgut des § 123 vertretenen Auffassung als verfehlt zu betrachten.83 Dies, zumal sie durch eine Verbindung der sich in wesentlichen Punkten widersprechenden Auffassungen Schalls, Amelungs und Rudolphis begründet wird.84 Kaum überzeugend ist weiterhin die Annahme, der Gesetzgeber habe in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 244 Abs. 1 Nr. 3 die Ansicht geäußert, auch § 123 diene, soweit das Tatobjekt Wohnung betroffen sei, dem Schutz der Intimsphäre.85 Die den Intimsphärenschutz betreffenden Ausführungen in der Begründung des Regierungsentwurfs beziehen sich offensichtlich allein auf den Wohnungseinbruchsdiebstahl.86 Es ist überdies durchaus denkbar, daß durch dasselbe Tatobjekt unterschiedliche Rechtsgüter verkörpert werden. Behm verwischt zudem das normative Stufenverhältnis zwischen § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und § 244 Abs. 1 Nr. 3, indem er suggeriert, die Regelungen des Hausfriedensbruchs und des Einbruchsdiebstahls / Wohnungseinbruchsdiebstahls seien zum Schutz derselben Rechtsgüter parallel konstruiert worden, lediglich mit dem Unterschied, daß bei § 123 dem befriedeten Besitztum und bei §§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 244 Abs. 1 Nr. 3 dem umschlossenen Raum die Funktion der tatbestandlichen Generalklausel zukomme. Ein nach Tatobjekten differenziertes, normatives Stufenverhältnis besteht innerhalb des Hausfriedensbruchstatbestandes Behm, GA 2002, 154, 164. Vgl. oben, B. II. 2. b). 84 So unterstellt Behm, GA 2002, 154, 158 Rudolphi, Schall und Amelung gleichermaßen, eine Auffassung zu vertreten, wonach § 123 die Wohnung als Verkörperung der Privat- und Intimsphäre schütze. Dies trifft jedoch, wie die obige Untersuchung (7. Kap. B. III. 3.) gezeigt hat, in dieser Allgemeinheit nicht zu. 85 So aber Behm, GA 2002, 154, 159. 86 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 13 / 8785, S. 43: „Der Wohnungseinbruchsdiebstahl ist nach geltendem Recht im Regelfall mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bedroht (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1). Es handelt sich (scil. bei dem Wohnungseinbruchsdiebstahl) um eine Straftat, die tief in die Intimsphäre der Opfer eindringt. . .“ 82 83

19 Krumme

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

nämlich gerade nicht. Wollte der Gesetzgeber die Verletzung der sich im räumlichen Bereich der Wohnung typischerweise entfaltenden Intimsphäre grundsätzlich immer schärfer bestrafen als die Verletzung des physisch gesicherten Territorialbesitzes an befriedeten Besitztümern, so hätte er zum Grundtatbestand des Hausfriedensbruchs einen Qualifikationstatbestand des Wohnungshausfriedensbruchs schaffen müssen. Etwas Vergleichbares hat der Gesetzgeber aber nur im Rahmen des Wohnungseinbruchsdiebstahls getan und dadurch gerade zum Ausdruck gebracht, daß dem Wohnungseinbruchsdiebstahl ein qualitativ schwerwiegenderer Unwertgehalt zugrunde liegen muß, als dem in bloß umschlossenen Räumen begangenen Einbruchsdiebstahl. Im übrigen verdeckt die Auffassung Behms, daß § 123 und § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 völlig unterschiedliche Strafgründe zugrunde liegen.87 Hierauf deutet auch die unterschiedliche Fassung der generalklauselartigen Tatbestandsmerkmale des befriedeten Besitztums und des umschlossenen Raums hin. Es wird aber vor allem durch die unterschiedliche Fassung der Tathandlungen (§ 123: Eindringen, unbefugtes Verweilen; § 244 Abs. 1 Nr. 3: Einbrechen, Einsteigen, Eindringen mit Hilfe eines Werkzeuges oder Verborgenhalten) belegt. In Behms einheitlicher Wohnungsbegriffsbestimmung spiegeln sich diese Begründungsschwächen wider. Es wird nicht zufriedenstellend dargelegt, warum nur diesseits der Wohnungstür eine Intimsphäre gegeben sein soll, die den Schutz des § 244 Abs. 1 Nr. 3 rechtfertigt. Hier eine „unvergleichlich höhere“ Intimität anzunehmen, als in einem im Alleinbesitz des Wohnungsinhabers befindlichen, optisch und akustisch weitgehend abgeschirmten Kellerraum eines Mietshauses mit mehreren Wohneinheiten, weil der Berechtigte auf dem Weg von der Wohnung in den Keller der „sozialen Kontrolle“ der übrigen Hausbewohner unterliege,88 vermag nicht zu überzeugen. Denn auch innerhalb der abgeschlossenen Wohneinheit, in der mehrere Personen zusammen leben (innerhalb einer Familie oder einer Wohngemeinschaft) kann der einzelne einem erheblichen Maß an sozialer Kontrolle ausgesetzt sein. Umgekehrt besteht die soziale Kontrolle in einem Kellerraum der beschriebenen Art selbst gerade nicht. Vor allem ist der Mieter auch immer dann der „sozialen Kontrolle“ unterworfen, wenn er seine eigentliche Wohnung betreten will. Auch in diese gelangt er nur über das Treppenhaus. Schließlich lassen sich durch das rein formelle Kriterium der Wohnungstür nur sogenannte Zubehörflächen und Nebenräume aus dem Wohnungsbegriff ausgrenzen. Zur Klärung des Problems, ob hinter der Tür gelegene Räume, wie z.B. leerstehende Hotelzimmer, Ferienwohnungen o.ä. unter den Wohnungsbegriff fallen, ist auch Behm auf materielle Kriterien angewiesen, an denen sich der Vollzug von „Wohnfunktionen im Sinne einer Privat- und Intimsphäre“89 messen läßt. Insoweit maßgeblich auf das Vorhandensein sozialer Kontrolle bzw. eines Geborgenheitsge87 88 89

Vgl. oben, 7. Kap. B. IV. und 8. Kap. B. II. 2. b). Behm, GA 2002, 154, 160; ähnlich Rengier, BT 1, § 4, RN 42a. Behm, GA 2002, 154, 164.

C. Die durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsgüter

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fühls abzustellen,90 bedeutet – wie das Kellerraumbeispiel zeigt – den Verlust der durch das formale Kriterium der Tür scheinbar gewonnenen Rechtssicherheit und bleibt daher letztlich unbefriedigend.

VI. Fazit Als Fazit der vorstehenden Diskussion läßt sich festhalten: Der Anwendungsbereich des keinesfalls als ein Unterfall des § 243 Abs. 1 Nr. 1 einzuordnenden § 244 Abs. 1 Nr. 3 ist durch eine restriktive Auslegung des Wohnungsbegriffs einzuschränken. Damit dies in konsistenter Form geschehen kann, müssen zunächst die durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsgüter präzise bestimmt werden. Sämtliche vom Gesetzgeber genannten Gründe für die Hochstufung des Wohnungseinbruchsdiebstahls müssen dabei in Erwägung gezogen und einer objektivierenden Überprüfung unterzogen werden. Weiterhin wird zu prüfen sein, ob und inwieweit diese Rechtsgüter geeignet sind, die qualifizierte Strafbestimmung des Wohnungseinbruchsdiebstahls zu rechtfertigen und welcher Strafgrund durch den Schutz der zu bestimmenden Rechtsgüter vor den Tathandlungen des Einbrechens, Einsteigens usw. erzeugt wird.

C. Die durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsgüter Als Diebstahlsqualifikation schützt § 244 Abs. 1 Nr. 3 selbstverständlich das sich in dem jeweiligen Diebstahlsobjekt verkörpernde Eigentum vor Wegnahme in Zueignungsabsicht. Zu klären ist jedoch, zum Schutz welcher Rechtsgüter das Delikt des Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einem Qualifikationsdelikt hochgestuft worden ist. I. Häusliche Privatsphäre Rechtsprechung und Literatur teilen die Grundaussage der Begründung zum Regierungsentwurf des 6. StrRG, wonach durch die Qualifikation des Wohnungseinbruchsdiebstahls insbesondere die „Intimsphäre“ der Opfer eines Wohnungseinbruchs unter verstärkten strafrechtlichen Schutz gestellt werden soll. Der Gedanke, das in § 244 Abs. 1 Nr. 3 aufgeführte Tatobjekt der Wohnung solle dieses Schutzgut verkörpern, liegt aufgrund der Untersuchungen zum Schutzbereich des Art. 13 GG und der sozialwissenschaftlich nachgewiesenen Bedeutung der Wohnung nahe. Die Verwendung unterschiedlicher Begriffe zur Beschreibung dieses Schutzguts bezeugt hingegen Unsicherheit, die über den strafrechtsdogmatischen Inhalt dieses Schutzguts besteht. So spricht der BGH, anders als die Begründung des Regie90

19*

Behm, GA 2002, 154, 164.

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

rungsentwurfs, nicht von „Intimsphäre“, sondern von der „Privatsphäre“,91 während andere das durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützte Rechtsgutkonglomerat unter Einschluß der Privatsphäre kurzweg als „Wohnung“92 bezeichnen. Nach dem Sprachgebrauch des BVerfG ist die Intimsphäre als grundrechtlich absolut geschützter Kern der Privatsphäre zu verstehen, in dem der einzelne in keinem Kontakt zur Außenwelt steht und in dem sein Verhalten keinen Sozialbezug aufweist.93 Dies mag zwar auf manche Verhaltensweisen, die sich innerhalb der Wohnung abspielen, zutreffen. Die von der Öffentlichkeit unbeobachtete Aufnahme und Gestaltung sozialer Kontakte zu ausgewählten, außenstehenden Personen und die von der Öffentlichkeit nicht wahrnehmbare Kommunikation mit diesen Personen ist jedoch in der Regel ein wesentlicher Bestandteil der sich in Wohnräumlichkeiten entfaltenden „Intimität“. 94 Im Interesse einer möglichst einheitlichen, klaren Terminologie und zur Vermeidung begrifflicher Präjudizien ist das § 244 Abs. 1 Nr. 3 nach der Willensbekundung des Gesetzgebers zugrundeliegende Schutzgut daher – zumindest für den Ausgangspunkt der folgenden Bestimmung – zunächst als Privatsphäre zu bezeichnen.

1. Bestimmung des Rechtsguts „Privatsphäre“ als Ganzes Im öffentlichen Recht und im Zivilrecht läßt sich der Privatsphärenschutz beschreiben als der Schutz von geheimen, in der Regel höchstpersönlichen Informationen vor dem Bekanntwerden in der Öffentlichkeit oder vor der Kenntnisnahme durch Unbefugte. Tieferer Grund für den Schutz geheimer Informationen ist die durch grundlegende sozialwissenschaftliche Untersuchungen gestützte Annahme, daß ihr Bekanntwerden die Entfaltung und Entwicklung einer individuellen Persönlichkeit und damit letztlich den durch die Menschenwürde garantierten Persönlichkeitswert empfindlich stören kann.95 Der rechtliche Schutz der Privatsphäre im Sinne des Schutzes geheimer Informationen hat seine Wurzel folglich in Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG.96 Während die Existenz der „Privatsphäre“ als rechtlich zu schützendes Gut im Zivilrecht, im öffentlichen Recht und auch im Strafrecht mittlerweile als Selbstverständlichkeit anzusehen ist, entstehen doch erhebliche Probleme bei dem Versuch, den Kreis derjenigen Informationen positiv zu umgrenzen, deren Geheimhaltung für eine konsistente PerBGH StV 2001, 624. Tröndle / Fischer, § 244, RN 24. 93 BVerfG E 6, 389, 433; BVerfG E 27, 1, 7; BVerfG E 33, 367, 377; vgl. hierzu Rohlf, S. 78 ff. 94 de Swaan, S. 324; vgl. oben, 1. Kap. II. 1. 95 Vgl. oben 3. Kap. B. I. und aus soziologischer Sicht: Elias, Der Prozeß der Zivilisation. Erst in neuerer Zeit wird dies vorsichtig in Zweifel gezogen, vgl. Sennett, Verfall des öffentlichen Lebens: die Tyrannei der Intimität; Greiner, „Die Zeit“ Nr. 18 v. 27. 04. 2000. 96 Vgl. oben, 3. Kap. B. I. 91 92

C. Die durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsgüter

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sönlichkeitsentfaltung und -entwicklung so bedeutsam ist, daß rechtlicher Schutz tatsächlich eingreifen muß. Der als Privatsphäre zu schützende, engere persönliche Lebensbereich ist entwicklungsbezogen und entwicklungsabhängig.97 Bevor sich durch das Aufkommen neuer Techniken zur Informationsbeschaffung und Informationsverbreitung die tatsächlichen Möglichkeiten, die Privatsphäre zu verletzen, vermehrten und intensivierten, konnte man sie weitgehend mit dem häuslich-familiären Leben gleichsetzen. Dementsprechend konnte der Privatsphärenschutz im Bereich des öffentlichen Rechts zunächst auf die in dem räumlich-gegenständlichen Bereich der Wohnung enthaltenen Informationen beschränkt werden.98 Die technische Entwicklung erzeugte jedoch völlig neu dimensionierte Verletzungsmodalitäten, die sich mit der Kategorie eines Eingriffs in eine räumlich abgegrenzte Sphäre nicht mehr erfassen lassen.99 Neben den nach wie vor erforderlichen Schutz des räumlich abgegrenzten Innenbereichs, der vornehmlich durch die Wohnung verkörpert wird, sind neue Schutzelemente getreten, die den einzelnen gerade auch in seiner Beziehung zur Außenwelt, insbesondere seine Selbstdarstellung im gesellschaftlich-öffentlichen Bereich erfassen.100 Diese Entwicklung ist angesichts der äußerst dynamischen Weiterentwicklung der elektronischen Datenverarbeitungsmöglichkeiten und der globalen Vernetzung vermutlich noch nicht abgeschlossen. Die Schwierigkeit, das Rechtsgut der Privatsphäre als Ganzes begrifflich zu erfassen, liegt jedoch vor allem darin begründet, daß ein objektiv feststehender Kreis von Informationen, die nach der Auffassung einer gesellschaftlichen Majoriät zur Sicherung einer konsistenten Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung unbedingt geheimzuhalten sind, kaum mehr zu existieren scheint. So treibt die in weiten Teilen des gesellschaftlichen Lebens verbreitete Lust an der öffentlichen Zurschaustellung vormals intimster Gedanken und Vorgänge in „Reality-TV-Shows“ und im Internet immer neue Blüten und ist in der Welt der täglichen Talk-Shows, der Boulevardpresse und Illustrierten schon längst zur Routine geworden.101 Angesichts dieses zuweilen grenzenlosen und in der Gesellschaft offenbar weit verbreiteten Hangs zur öffentlichen Zurschaustellung einstmals intimster und geheimster Gefühle und Lebensvorgänge102 und der damit einhergehenden Privatisierung des Öffentlichen verschwimmt die Grenze zwischen dem Innenbereich der Privatsphäre und dem Außenbereich des öffentlichen Lebens zusehends, so daß sie in manchen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens kaum noch zu erkennen ist.103 Daraus Schmitt Glaeser, HbStR Bd. IV, § 129, RN 11. Vgl. oben, 2. Kap. C. V. 99 Schmitt Glaeser, HbStR Bd. IV, § 129, RN 11. 100 Schmitt Glaeser, HbStR Bd. IV, § 129, RN 11. 101 Als Beispiele können genannt werden: Die über die Boulevardpresse ausgetragene Scheidung der Eheleute Wussow, die auf RTL II ausgestrahlte Fernsehsendung „Big Brother“, oder „Doku-Soaps“ wie „Hallo Baby“. 102 Schmitt Glaeser, HbStR Bd. IV, § 129, RN 11. 103 Vgl. Sennett, Verfall des öffentlichen Lebens: die Tyrannei der Intimität. 97 98

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

darf jedoch nicht der Schluß gezogen werden, die Intimität habe im gesellschaftlichen Leben so sehr an Bedeutung verloren, daß dem rechtlichen Schutz der Privatsphäre – im Sinne von Informationenschutz – keine Bedeutung mehr zukomme. So existiert nämlich andererseits – und hier wird in der Tat eine gewisse Widersprüchlichkeit in der allgemeinen gesellschaftlichen Bewertung der Privatsphäre deutlich104 – gleichwohl ein erhebliches, in weiten Teilen der Gesellschaft geäußertes Bedürfnis, möglichst sämtliche personenbezogenen Informationen umfassend vor dem Zugriff des Staates, anderer „mächtiger“ Institutionen oder auch des Nachbarn zu schützen.105 Es wird deutlich, daß die Grenzen der Intimität, und damit die für die Persönlichkeitsentfaltung unabdingbar geheimzuhaltenden Informationen durch das betroffene Individuum selbst unterschiedlich je nach Situation und nach der Identität des öffentlichen oder teilöffentlichen Informationsempfängers definiert werden.106 Die Schwierigkeit, das Rechtsgut der Privatsphäre insgesamt positiv zu umgrenzen, besteht also letztlich darin, daß jedes Individuum diejenigen Informationen, die es als zu seiner Privatsphäre gehörige geheimhalten will, nur selbst und auch nur situationsbezogen bestimmt, während allgemeingültige, gleichsam objektive Zuordnungskriterien kaum noch ersichtlich und konsentiert zu sein scheinen. Der Inhalt des Rechtsguts Privatsphäre als Ganzes scheint daher nicht nur in den Randbereichen relativ und vom individuellen Geheimhaltungswillen des einzelnen abhängig zu sein.107 Dies hat im Zivilrecht schon frühzeitig zu einer weitgehenden Subjektivierung des dem Schutz der Privatsphäre dienenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts geführt, welches vor allem durch §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB geschützt wird.108 Die Feststellung einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist daher in jedem Einzelfall von einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung abhängig, die klären soll, ob der Geheimhaltungswille des Verletzten im konkreten Einzelfall als schutzwürdig anzusehen ist oder nicht.109 Für das öffentliche Recht wird diese „Kapitulation vor der Relativität der Privatsphäre“ zumeist als nicht tragfähig angesehen.110 Es wurden daher verschiedene Theorien zur positiven Umgrenzung der Privatsphäre als ganzes entwickelt. Neben der bereits an anderer Stelle angesprochenen Sphärentheorie und der Theorie der autonomen Selbstdarstellung, welche die Rechtsprechung des BVerfG maßgeblich Schmitt Glaeser, HbStR Bd. IV, § 129, RN 13. Ausführlich Schmitt Glaeser, HbStR, Bd. IV, RN 13. 106 Greiner, in „Die Zeit“, Nr. 18 v. 27. 04. 2000, der weitergehend zu dem Ergebnis gelangt, der zeitgemäße Mensch habe keine Intimität mehr, sondern „frei fluktuierende Intimitäten, deren Grenzen sich von Fall zu Fall ergeben“, was auch Folgen für die Konstitution des Individuums habe, dessen Scham „nicht mehr existenziell sondern akzidenziell“ sei. 107 So bereits Hubmann, S. 268 ff. und S. 325 ff.; ders. JZ 1957, 521. Noch weitergehend von der völligen Relativität der Privatsphäre ausgehend: Kamlah, DÖV 1970, 361, 362. 108 Rohlf, S. 43; Hubmann, JZ 1957, 521. 109 MüKo-Schwerdtner, § 12, RN 188. 110 Rohlf, S. 43 f., m.w.N. 104 105

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beeinflußt haben, werden vor allem die Rollentheorie und die Kommunikationstheorie vertreten.111 Da jede dieser Theorien zwar den in ihrem Schlüsselbegriff verkörperten Teilbereich der Privatsphäre zutreffend umreißt, es ihnen aber ebenfalls nicht gelingt, die volle Spannbreite des Umfangs der Privatsphäre zu erfassen, erweisen auch sie sich als zur Umschreibung des Rechtsguts Privatsphäre als Ganzes letztlich nicht geeignet.112 Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß es aufgrund der subjektiven Relativität der Privatsphäre weder der zivilrechtlichen noch der öffentlich-rechtlichen Dogmatik bisher gelungen ist, eine positive Umschreibung des gesamten Feldes des Rechtsguts „Privatsphäre“ zu entwickeln, die eine hinreichend präzise Bestimmung des durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsguts erlaubt.

2. „Räumliche Privatsphäre“ im Sinne des Art. 13 GG als durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschütztes Rechtsgut Es existieren innerhalb des nicht befriedigend bestimmbaren Bereichs der Privatsphäre positiv umgrenzbare Sektoren, in denen bestimmte Informationen vorhanden sind, die nach der Wertentscheidung des Verfassungsgebers zur Gewährleistung konkreter Persönlichkeitsentfaltungsaspekte zwingend geheimzuhalten sind. Ein Beispiel bildet insoweit die durch Art. 13 GG geschützte räumliche Privatsphäre.113 Man könnte daher auf den Gedanken verfallen, zur Bestimmung des durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsguts könne auf die Umgrenzung des grundrechtlichen Schutzbereichs der räumlichen Privatsphäre (Art. 13 Abs. 1 GG) verwiesen werden. Durch Art. 13 GG werden jedoch auch Informationen über solche Aspekte der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung geschützt, die sich typischerweise im Bereich der Betriebs- und Geschäftsräume vollziehen.114 Es ist daher ausgeschlossen, daß der durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützte Teilausschnitt der Privatsphäre und der Schutzbereich des Art. 13 GG übereinstimmen. 111 Vgl. hierzu Schmitt Glaeser, HbStR Bd. IV, § 129, RN 14 und ausführlich Rohlf, S. 24 ff. 112 Rohlf, S. 68; Schmitt Glaeser, HbStR Bd. IV, § 129, RN 15. 113 Schmitt Glaeser, HbStR Bd. IV, § 129, RN 3. Weitere spezielle und abgegrenzte Schutzbereiche der Privatsphäre verbürgen Art. 4 und Art. 10 GG. Um die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen auch insoweit zu sichern, als sie sich durch diese „traditionellen“ Freiheitsgrundrechte nicht erfassen lassen (vgl. BVerfG E 54, 148, 153), wurde ferner das auf Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG fußende allgemeine Persönlichkeitsrecht entwickelt, aus dem entsprechende Einzelverbürgungen, wie z.B. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitet wurden (vgl. BVerfG E 65, 1 ff.). Auch durch das Zivilrecht wird die Privatsphäre im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch § 823 Abs. 1 BGB geschützt. Nach a.A. erfolgt der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch § 12 BGB, vgl. MüKo-Schwerdtner, § 12, RN 186 ff. 114 Vgl. oben, 3. Kap. B. I. c) bb).

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

Wäre das Rechtsgut des § 244 Abs. 1 Nr. 3 mit dem Schutzbereich des Art. 13 GG identisch, so müßte dies konsequenterweise dazu führen, daß auch Dienst- und Geschäftsräume unter den Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 fallen. Eine solche Ausdehnung des Wohnungsbegriffs würde nicht nur die im Strafrecht aufgrund von Art. 103 Abs. 2 GG strikt einzuhaltende Wortlautgrenze sprengen und zu noch fragwürdigeren Ergebnissen führen als die von einer Auffassung vertretene weite Auslegung des Wohnungsbegriffs. Sie würde sich auch in Widerspruch zu der in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertentscheidung setzen. Danach soll der Einbruch in Dienst- und Geschäftsräume und in andere umschlossene Räume, die keiner spezifischen Nutzung zugewiesen sind, lediglich eine vergleichsweise mildere Strafverschärfung im Rahmen einer bei der Strafzumessung zu beachtenden Regelwirkung auslösen. Die zwingende Anwendung des Qualifikationstatbestandes in § 244 Abs. 1 wird für diese Fälle gerade nicht angeordnet. Der durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützte Teilausschnitt der Privatsphäre muß demnach deutlich enger sein, als der von Art. 13 GG erfaßte Schutzbereich der räumlichen Privatsphäre.

3. Bestimmung des durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Ausschnitts der Privatsphäre Um den durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 erfaßten Sektor des Privatsphärenschutzes autonom bestimmen zu können, ist also die Frage zu klären, auf welche spezifischen Persönlichkeitsentfaltungsmodalitäten der Schutz des § 244 Abs. 1 Nr. 3 durch die unmittelbare Sicherung eines Geheimhaltungsbereichs abzielt. a) Die Persönlichkeitsentfaltungsprozesse des modernen Wohnens Angesichts der Qualifizierung des Wohnungseinbruchsdiebstahls gegenüber dem Einbruchsdiebstahl in umschlossenen Räumen oder Dienst- und Geschäftsräumen liegt es nahe, die durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Persönlichkeitsentfaltungsmodalitäten mit den für das moderne Wohnen typischen Bedürfnisbefriedigungsprozessen zu identifizieren. Diese Bedürfnisbefriedigungsprozesse sind bereits von Schall erschöpfend analysiert worden.115 Schalls Ergebnisse stimmen dabei im wesentlichen mit den Ergebnissen der neueren Wohnungssoziologie überein.116 Im einzelnen handelt es sich um die Sozialisierung des Kindes durch einen Familienverband, den Spannungsausgleich des Individuums, der durch die Entlastung von den in Arbeitswelt und sonstiger Öffentlichkeit bestehenden Kon115 116

Vgl. Schall, S. 90 ff. und oben, 1. Kap. II. 1 a) und 7. Kap. B. III. 3. a). Vgl. oben, 1. Kap. II. 1 a).

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ventionen herbeigeführt wird, und die individuelle Selbstentfaltung, die Voraussetzung für eine konsistente, persönliche Selbstdarstellung ist. Weiterhin sind in Fortführung der Schallschen Analyse die unbeobachtete und ungestörte Aufnahme von privat-intimen Kontakten zu ausgewählten, externen Personen117 und die vertrauliche Kommunikation mit diesen Personen und zwischen den Bewohnern der Wohnung als für das moderne Wohnen typische Persönlichkeitsentfaltungsprozesse zu ergänzen.118 Der störungsfreie Vollzug dieser Prozesse ist für die Entwicklung und Entfaltung der individuellen Persönlichkeit von existentieller Bedeutung. Ihre Störung scheint daher grundsätzlich geeignet zu sein, das Eingreifen einer strafrechtlichen Sanktion zu rechtfertigen. Der Schutz des Vollzugs dieser Prozesse läßt sich ferner auch als Privatsphärenschutz im oben dargestellten Sinne, also als Schutz von geheimen Informationen verstehen. Denn der störungsfreie Vollzug dieser Persönlichkeitsentfaltungsprozesse ist – nach wie vor – nur in einer Zone gewährleistet, die vor der akustischen und optischen Wahrnehmung Außenstehender räumlich abgeschirmt ist. Nur in einer solchen Geheimnisschutzsphäre kann die Atmosphäre der Unbefangenheit und erhöhten Verhaltensfreiheit entstehen, die für effektive Selbstentfaltung, Selbstentlastung und vertrauliche Kommunikation unabdingbar erforderlich ist. Dies gilt gerade auch wegen der fortschreitenden Relativierung der Privatsphäre, die den Schutz ihrer grundrechtlich garantierten Kernbereiche um so bedeutsamer erscheinen läßt. Zwar ist der Schutz der Prozesse der häuslichen Persönlichkeitsentfaltung auch zur Erhaltung des gesellschaftlichen Systems unverzichtbar,119 in erster Linie dient er jedoch dem Interesse der Individuen, die dieses Schutzes zur Ausbildung einer konsistenten Persönlichkeit bedürfen. Zur Bestimmung des § 244 Abs. 1 Nr. 3 zugrundeliegenden Rechtsguts kann daher durchaus auf die von Schall erarbeitete Analyse dieser Prozesse und ihrer Bedeutung zurückgegriffen werden. Die an die Überbetonung der Systemfunktionalität anknüpfenden Einwände, die gegen den von Schall vertretenen Rechtsgutsbegriff und gegen seine Rechtsgutsbestimmung bei § 123 vorgebracht werden, greifen insoweit nicht durch. Der durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützte Privatsphärensektor läßt sich danach beschreiben als der Geheimnisschutzbereich, der für den Vollzug der Prozesse des 117 Vgl. de Swaan, S. 324: „Intimität besteht aus beidem: nämlich aus Beziehungen von intensiver Einbezogenheit . . . und exklusiven Beziehungen zur Außenwelt. Die Entwicklung der (modernen) Wohnverhältnisse schuf die Möglichkeiten . . . für die Schaffung und Fortführung (dieser) Intimbeziehungen.“ 118 Vgl. oben, 1. Kap. II. 1 a); de Swaan, S. 324; ähnlich insoweit auch Schall, S. 133. Angesichts der zunehmenden Enttabuisierung des Privaten will Kargl, JZ 1999, 930, 935, insoweit auch die „Notwendigkeit der gegensteuernden Grenzziehung mittels einer raumbezogenen Geheimnissphäre“ ergänzen. Dabei handelt es sich jedoch weniger um einen zur Ausbildung einer konsistenten Persönlichkeit erforderlichen Prozess als eher um eine Voraussetzung dafür, daß die genannten Prozesse effektiv vollzogen werden können, vgl. unten, C. I. 3. c). 119 Vgl. oben, 7. Kap. B. III. 3. a).

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

modernen Wohnens unabdingbar erforderlich ist. Der tiefere Zweck für die Sicherung dieses Privatsphärensektors und damit der eigentliche Schutzzweck des § 244 Abs. 1 Nr. 3 liegt somit in dem Schutz der sich in diesem Geheimnisschutzbereich typischerweise vollziehenden Prozesse der Selbstentlastung, Selbstentfaltung, vertraulichen Kommunikation, Aufnahme ausgewählter Außenkontakte und Sozialisation im Familienverband. Der solchermaßen umgrenzte, durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützte Privatsphärensektor soll im folgenden – in Anknüpfung an die oben entwickelte Terminologie und in Abgrenzung zum weiter gefaßten Schutzbereich des Art. 13 GG120 – als häusliche Privatsphäre bezeichnet werden.

b) Gebotenheit der sektoralen Rechtsgutsbestimmung im Bereich des strafrechtlichen Privatsphärenschutzes Die Zuspitzung des durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsguts auf einen Teilbereich der Privatsphäre, der sich positiv durch die sich in ihm abspielenden Prozesse des modernen Wohnens beschreiben läßt, entspricht dem auch sonst im Bereich des strafrechtlichen Privatsphärenschutzes anzutreffenden Muster der sektoralen Rechtsgutsbestimmung. Das Erfordernis einer sektoralen Rechtsgutsbestimmung ist dabei darauf zurückzuführen, daß Entwicklungsbezogenheit, Entwicklungsabhängigkeit und subjektive Relativität der Privatsphäre dazu führen, daß der durch das Strafrecht gewährte Privatsphärenschutz ähnlich wie der strafrechtliche Schutz der persönlichen Freiheit nicht absolut, sondern nur äußerst relativ ausgestaltet werden darf.121 Nur die Verletzung weniger, abgrenzbarer Geheimbereiche stellt sich aufgrund der persönlichkeitsbezogenen Bedeutung der potentiell in ihnen enthaltenen Informationen als strafwürdige Persönlichkeitsbeeinträchtigung dar. Um überhaupt strafrechtliche Rechtsgüter isolieren zu können, die in der Lage sind, aufgrund ihrer besonderen Bedeutung straflegitimierende Wirkung zu entfalten, ist daher eine sektorale und strafrechtlich autonome Herangehensweise bei der Bestimmung der zum Großbereich der Privatsphäre gehörenden Rechtsgüter zwingend erforderlich. Nur auf ein solches Rechtsgut läßt sich eine objektiv-teleologische Auslegung der die Privatsphäre schützenden Tatbestände stützen. Die durch das Strafrecht geschützten Privatsphärenrechtsgüter werden daher bestimmt als – das Interesse an der Unbefangenheit des gesprochenen Wortes, welches durch den Schutz der Geheimhaltung des nicht öffentlich geäußerten Wortes geschieht (§ 201),122 – das Interesse an der Geheimhaltung eines nach seiner objektiven Beschaffenheit nur bestimmten Personen zugänglichen Schriftstücks (Briefgeheimnis, § 202)123 120 121 122

Vgl. oben, 3. Kap. B. I. 3. I.E. LK-Träger, Vor § 201, RN 2; Schünemann, ZStW 90 (1978), 11, 31 f. Sch / Sch-Lenckner, Vor §§ 201 ff., RN 2.

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– und das Interesse an der Geheimhaltung des gedanklichen Inhalts von Daten, der nach seiner objektiven Beschaffenheit nur bestimmten Personen zugänglich ist (§ 203).124

c) Schutz einer Geheimnissphäre, des Sicherheitsvertrauens und der territorialen Herrschaftsmacht Zur Sicherung der durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Modalitäten der Persönlichkeitsentfaltung und -entwicklung ist – wie soeben gezeigt – die Gewährleistung der häuslichen Privatsphäre als Geheimnisschutzbereich zwingend erforderlich. Vor allem die Prozesse der Selbstentlastung und Selbstentfaltung können jedoch nur gelingen, wenn das Individuum sich in einer Zone befindet, in der es sich vor Übergriffen Dritter oder auch nur vor unerwünschter Kontaktaufnahme dauerhaft und wirkungsvoll geschützt fühlt (Sicherheitsvertrauen). Dieses besondere Sicherheitsvertrauen wird in erster Linie durch die räumlich-physische Abschirmung der häuslichen Privatsphäre generiert, die vor dem körperlichen Eindringen unbefugter Personen schützt.125 Damit der häuslichen Privatsphäre die Eigenschaften einer Geheimnisschutzsphäre und einer Zone des Sicherheitsvertrauens zukommen, muß dem Individuum über die räumlich abgeschirmte Sphäre ferner ein Höchstmaß an faktischer Herrschaftsmacht zustehen. Letztere läßt sich als unmittelbarer Alleinbesitz über physisch gesicherte Territorien beschreiben.126 Er ist zivilrechtlich durch die Besitz- und Eigentumsschutzrechte abgesichert und strafrechtlich durch § 123 geschützt. Der Schutz der häuslichen Privatsphäre läßt sich also – anders als der sonstige Privatsphärenschutz des StGB – nicht nur als Schutz von Geheimhaltungsinteressen beschreiben, sondern er muß die Gewährleistung eines auf Räume bezogenen Sicherheitsvertrauens und der auf diese Räume bezogenen Sachherrschaftsmacht miteinbeziehen, um für die effektive Sicherung der Prozesse der häuslichen Privatsphäre geeignet zu sein.

d) Zusammenfassung Zusammenfassend läßt sich festhalten: § 244 Abs. 1 Nr. 3 zielt auf den Schutz der Persönlichkeitsentfaltungsprozesse, der Sozialisierung des Kindes durch einen Familienverband, der individuellen Selbstentfaltung und Selbstentlastung, der ungestörten Aufnahme von privat-intimen Kontakten zu ausgewählten Personen der Außenwelt und der ungestörten Kommunikation ab. Um dieses Ziel erreichen zu 123 124 125 126

Sch / Sch-Lenckner, Vor §§ 201 ff., RN 2. Sch / Sch-Lenckner, Vor §§ 201 ff., RN 2. Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 375; vgl. oben, 7. Kap. B. III. 4. a). Vgl. oben, 7. Kap. B. IV. 1. b).

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

können, schützt er unmittelbar eine räumlich abgeschirmte Geheimnisschutz- und Sicherheitszone, an der dem Berechtigten physisch gesicherter Territorialbesitz zukommt. Um zu verdeutlichen, daß es in § 244 Abs. 1 Nr. 3 in erster Linie um den Persönlichkeitsschutz geht, bietet es sich weiterhin an, dieses Schutzgut mit dem Begriff der häuslichen Privatsphäre zu bezeichnen.

4. Schutz der häuslichen Privatsphäre nur durch ein abstraktes Gefährdungsdelikt erreichbar a) Der Wortlaut des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Hält man die Persönlichkeitsentfaltungsprozesse der häuslichen Privatsphäre für eines der durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsgüter, so schließt sich hieran die Frage an, ob zur Verwirklichung des § 244 Abs. 1 Nr. 3 eine nachweisbare Beeinträchtigung dieser Prozesse erforderlich ist. Müßte man diese Frage bejahen, so würde die soeben vorgenommene Rechtsgutsbestimmung am Wortlaut des § 244 Abs. 1 Nr. 3 scheitern. Das Vorliegen der Tathandlungen Einbrechen, Einsteigen etc. in die Wohnung kann nach dem allgemeinen Sprachgebrauch keinesfalls von der Beeinträchtigung der genannten Sozialprozesse der in der Wohnung lebenden Personen abhängig sein.127

b) Psychologische Vermittlung der Rechtsgutsverletzung Hielte man die Beeinträchtigung der geschützten Prozesse zur Vollendung des Wohnungseinbruchsdiebstahls gleichwohl für unabdingbar erforderlich, so würde dies in der Praxis zu einem nicht hinnehmbaren Grad an Rechtsunsicherheit führen. Denn die Frage, ob eine Verletzung der geschützten Persönlichkeitsentfaltungsprozesse vorliegt, kann anhand der üblichen objektiven Kausalitäts- oder Zurechnungskriterien nicht befriedigend beantwortet werden. Letztlich hängt ihre Beantwortung immer von der subjektiv-psychologischen Konstitution des jeweiligen Opfers ab,128 die in einer Hauptverhandlung nur schwer aufgeklärt werden kann. Dies gilt selbst in Fällen, in denen bei objektiver Betrachtung alles dafür zu sprechen scheint, daß mit dem Einbrechen, Einsteigen etc. eine tatsächliche Beeinträchtigung der geschützten Prozesse verbunden ist. Hat der Täter eine Wohnung etwa während der Abwesenheit der Bewohner nach dem Einbrechen auch noch gründlich (nach Stehlenswertem) durchsucht und sind ihm dabei die geschützte Prozesse betreffenden Informationen bekannt geworden, so hätte selbst dies nur dann eine tatsächliche Beeinträchtigung der fraglichen Persönlichkeitsentfaltungs127 An dem entsprechenden Einwand scheiterte Schalls Rechtsgutsbestimmung für § 123, vgl. oben, 7. Kap. B. III. 3 b). 128 Zur subjektiven Relativität des Privatsphärenschutzes vgl. oben, I. 1.

C. Die durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsgüter

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prozesse zur Folge, wenn das Bekanntwerden der „geheimen“ Informationen, die Überwindung der physischen Sicherheitsbarrieren und / oder die Negation des physisch gesicherten Territorialbesitzes eine solche Wirkung auf das Opfers hat, daß ihm der Vollzug von Selbstentfaltung und Selbstentlastung etc. zukünftig nicht mehr möglich ist. Ob dies tatsächlich der Fall ist, hängt jedoch von der psychologischen Konstitution der individuellen Opferpersönlichkeit ab und davon, wie diese die individuellen Grenzen ihrer Privatsphäre definiert. Ist das Opfer außergewöhnlich unerschrocken und exhibitionistisch veranlagt, so ist nicht ausgeschlossen, daß der Einbruch mit anschließender Durchsuchung aufgrund der vielleicht außergewöhnlichen psychologischen Konstitution des Opfers tatsächlich zu keinerlei Beeinträchtigungen in der individuellen Fähigkeit zur Selbstentlastung, Selbstentfaltung, vertraulichen Kommunikation, ungestörten Kontaktaufnahme oder Sozialisation im Familienverband führt. Letztlich ist auch dies wiederum darauf zurückzuführen, daß das Individuum den Umfang der persönlichen Informationen, die zur erfolgreichen Entfaltung seiner Persönlichkeit geheimgehalten werden müssen, selbst und situationsbezogen bestimmt.129 Denn allein aus dieser individuellen Bestimmung folgt auch, wie sehr und worin es bei der Verletzung von räumlichen Bereichen, die üblicherweise seine Privatsphäre beherbergen, beeinträchtigt ist. Daß die Beeinträchtigung des Vollzuges der geschützten Prozesse nicht unmittelbar durch den Wohnungseinbruchsdiebstahl verursacht wird, sondern von der psychologischen Wirkung auf die Opferpersönlichkeit abhängt, die Rechtsgutsverletzung also nicht aufgrund naturwissenschaftlicher Kausalität, sondern nur aufgrund von psychologischer Vermittlung entstehen kann, zeigt sich erst recht in Fällen, in denen das Tatbestandsmerkmal Einbrechen ohne ein Betreten der Wohnung verwirklicht wird. Zerschlägt der Täter von außen ein Fenster der Wohnung und stiehlt er daraufhin – ohne die Wohnung zu betreten – einen wertvollen, auf dem innerhalb der Wohnung gelegenen Brett des eingeschlagenen Fensters stehenden silbernen Kerzenständer, so wird der Bewohner in der Regel vor allem deshalb im Vollzug der geschützten Prozesse beeinträchtigt sein, weil er das Vertrauen in die Sicherheit der physischen Abschirmung und damit das für den Prozessvollzug erforderliche Sicherheitsvertrauen verloren hat. Ist das Opfer jedoch von weniger ängstlichem, unerschrockenem Charakter, läßt es sich durch den Vorfall unter Umständen wenig beeindrucken, so daß es für dieses konkrete Opfer nicht zu einer Beeinträchtigung des Vollzugs der Prozesse des modernen Wohnens kommt. c) Schutz der häuslichen Privatsphäre vor abstrakter Gefährdung Dies zwingt jedoch nicht zu der Annahme, das Interesse an der ungestörten Durchführung der häuslichen Persönlichkeitsentfaltungsprozesse komme als Schutzgut des § 244 Abs. 1 Nr. 3 generell nicht in Betracht. So könnte ein Woh129

Vgl. oben, I. 1.

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

nungseinbruchsdiebstahl auch schon dann als sozialschädlich angesehen werden, wenn durch die Tathandlungen des § 244 Abs. 1 Nr. 3 eine abstrakte Gefährdung des Interesses am ungestörten Vollzug der Prozesse der häuslichen Privatsphäre erzeugt wird. Die tatsächliche Beeinträchtigung der geschützten Prozesse in ihrer Funktion als zur Lösung von gesellschaftlichen Organisationsproblemen notwendige Bedingungen wäre nur erforderlich, wenn man dem Sozialschadensbegriff der von Schall propagierten, funktionalen Rechtsgutslehre folgte.130 Obwohl die Beeinträchtigung der geschützten Prozesse anhand der bekannten Kausalitätsund Zurechnungsregeln nicht faßbar ist, kann es vor dem Hintergrund der sozialwissenschaftlichen Untersuchungen zur Bedeutung der Wohnung als erwiesen angesehen werden, daß mit dem Einbrechen, Einsteigen etc. in die Wohnung typischerweise eine Beeinträchtigung der geschützten Prozesse einherzugehen pflegt. Die Existenz eines stark ausgeprägten Individualinteresses, das Rechtsgut der häuslichen Privatsphäre effektiv vor den mit Wohnungseinbruchsdiebstählen typischerweise verbundenen Beeinträchtigungen zu schützen, kann daher nicht geleugnet werden. Indem der Täter in die häusliche Privatsphäre einbricht, einsteigt, mit Hilfe eines falschen Schlüssels eindringt oder indem er sich in ihr verborgen hält, setzt er sich in verbotener Weise und unter Aufwendung erheblicher krimineller Energie über die physischen Abschirmungen und die fremde Herrschaftsmacht, kraft derer ihm ein Eindringen in die Wohnung oder auch nur die Verletzung ihrer physischen Grenzen verboten ist, hinweg. Durch diese objektiv feststellbare Verletzung der physischen Abschirmungen und des physisch gesicherten Territorialbesitzes schafft der Täter eine Situation, in der der Eintritt einer tatsächlichen Beeinträchtigung der geschützten Prozesse nur noch von der psychologischen Konstitution der individuellen Opferpersönlichkeit abhängt. Hat der Täter den Einbruch usw. vollendet, so kann er durch eigenes Verhalten nicht mehr beeinflussen, ob der von ihm angestoßene Kausalverlauf in die typischerweise zu erwartende Beeinträchtigung der geschützten Prozesse der häuslichen Privatsphäre mündet. Der Täter eines Wohnungseinbruchsdiebstahls führt durch das Einbrechen, Eindringen usw. also einen Gefahrenzustand für den Vollzug der geschützten Prozesse herbei, in dem es typischerweise und generell betrachtet nur noch vom Zufall abhängt, ob ihre Beeinträchtigung und damit eine Verletzung der durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten häuslichen Privatsphäre ausbleibt. Damit verwirklicht der Täter des § 244 Abs. 1 Nr. 3 das typische Erfolgs- und Handlungsunrecht eines auf den Schutz der häuslichen Privatsphäre abzielenden abstrakten Gefährdungsdelikts.131 Anders als durch die Einordnung des Wohnungseinbruchsdiebstahls als abstraktes Gefährdungsdelikt ist der effektive strafrechtliche Schutz der häuslichen Privatsphäre wegen der rechtlichen Unfaßbarkeit der Verletzung dieses Rechtsguts auch 130 131

Vgl. oben, 7. Kap. B. 3. b). Vgl. Kratzsch, JuS 1994, 375, 379.

C. Die durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsgüter

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kaum zu erreichen.132 Soweit § 244 Abs. 1 Nr. 3 die häusliche Privatsphäre schützt, besteht eine strukturelle Ähnlichkeit zum Unrecht des Bedrohungstatbestandes (§ 241). Ob das Rechtsgut des individuellen Rechtsfriedens durch die Tathandlung der Bedrohung mit einem Verbrechen verletzt wird, ist ebenfalls von der psychologischen Konstitution der individuellen Opferpersönlichkeit abhängig, die durch strafrechtliche Zurechnungskriterien nicht faßbar ist. Auch dieses Rechtsgut kann daher nur effektiv geschützt werden, wenn es bereits vor abstrakter Gefährdung gesichert wird.133 Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, inwieweit § 244 Abs. 1 Nr. 3 vor den durch einen Wohnungseinbruchsdiebstahl oft hervorgerufenen „ernsten psychischen Störungen“ schützt.134 Zum einen ist die Beeinträchtigung der Prozesse der häuslichen Privatsphäre psychologisch vermittelt. Der Wohnungseinbruchsdiebstahl wirkt also in erheblicher Weise verunsichernd und beängstigend auf die Opfer ein, bevor es zu einer Beeinträchtigung des Prozeßvollzuges selbst kommt. Zum anderen können die Tathandlungen des § 244 Abs. 1 Nr. 3 auch das allgemeine, nicht nur auf die Persönlichkeitsentfaltungsprozesse der häuslichen Privatsphäre bezogene und durch die physischen Begrenzungen der Wohnung verstärkte Sicherheitsvertrauen beeinträchtigten. Dieses ist mit dem durch eine Bedrohungshandlung potentiell beeinträchtigen, allgemeinen Rechtsfrieden der Person verwandt. Der Schutz vor psychischen Störungen stellt sich insofern jedoch nur als denknotwendiger Zwischenschritt auf dem Wege zum effektiven Schutz der häuslichen Privatsphäre dar.135 Für die Bestimmung der durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsgüter hat er somit keine entscheidende Bedeutung.

5. Ausreichende Legitimationskraft des Rechtsguts häusliche Privatsphäre Der Schutz der häuslichen Privatsphäre entspricht dem aus den Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 13 GG abzuleitenden, verfassungsrechtlichen Gebot.136 Angesichts der existentiellen Bedeutung einer weitgehend ungestörten häuslichen Privatsphäre für 132 Dies gilt strenggenommen auch für alle anderen Delikte des strafrechtlichen Privatsphärenschutzes. Da sich das Strafrecht angesichts des relativen und offenen Charakters der Privatsphäre, anders als das öffentliche Recht nicht in Einzelfallabwägungen flüchten kann, muß der Gesetzgeber hier objektive und formalisierte Grundlagen schaffen, die eine tatrichterliche Abwägungsentscheidung überflüssig machen, vgl. Kratzsch, JuS 1994, 375, 378. 133 Vgl. Sch / Sch-Eser, § 241, RN 2; LK-Träger / Schluckebier, § 241, RN 1; a.A. Stree, NJW 1976, 1177, 1182. 134 Vgl. Begründung zum RegE, BT-Drs. 13 / 8587, S. 43. 135 Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, warum der Gesetzgeber zur Begründung der Strafschärfung anführt, der Wohnungseinbruchsdiebstahl könne zu „ernsten psychischen Störungen – z.B. langwierigen Angstzuständen“ führen, vgl. Begründung zum RegE, BT-Drs. 13 / 8587, S. 43; zweifelnd: DSNS-Dencker, S. 6. 136 Vgl. oben, 3. Kap. B. I.

304

8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

die individuelle Persönlichkeitsentfaltung ist dieses Rechtsgut auch geeignet, strafrechtliche Sanktionen zu rechtfertigen, die seine abstrakte Gefährdung voraussetzen, zumal ein effektiver Schutz dieses Rechtsguts nur durch ein abstraktes Gefährdungsdelikt gewährleistet werden kann.137 Auch vom Standpunkt materieller Rechtsgutslehren aus dürften daher kaum Zweifel daran bestehen, daß die Diebstahlsqualifikation in § 244 Abs. 1 Nr. 3 (unter anderem) durch das Rechtsgut der häuslichen Privatsphäre gerechtfertigt werden kann.138 Fraglich könnte allenfalls sein, ob man nicht durch die Schwere der in § 244 Abs. 1 vorgesehenen Strafe gehalten ist, das Rechtsgut der häuslichen Privatsphäre noch weiter, auf einen schlechterdings unabdingbaren Kern einzugrenzen.139 Hierzu könnte man sich insbesondere durch den Vergleich mit den ungleich milderen Strafrahmen der sonstigen Strafbestimmungen zum Schutz der Privatsphäre veranlaßt sehen.140 Ein solches Vorhaben dürfte hingegen kaum erfolgreich sein. Wie die Analyse Schalls und die obigen Untersuchungen der Prozesse des modernen Wohnens gezeigt haben, läßt sich kaum eine verläßliche Aussage darüber treffen, ob und inwieweit ein Prozeß für die Entwicklung und Entfaltung der individuellen Persönlichkeit wichtiger ist als ein anderer. Denn auch dies hängt maßgeblich von der psychologischen Konstitution und der konkreten Lebenssituation der individuellen Opferpersönlichkeit ab.141 Ebenso aussichtslos ist es, innerhalb der einzelnen Prozesse nach weiteren, besonders schutzwürdigen „Unterprozessen“ zu suchen, die innerhalb der häuslichen Privatsphäre zu einem engeren Bereich der „häuslichen Intimsphäre“ gehörten.142 Im übrigen wird sich eine abschließende Aussage über die Legitimation des § 244 Abs. 1 Nr. 3 erst nach der Bestimmung des ihm zugrunde liegenden komplexen Strafgrundes treffen lassen. Dabei wird insbesondere zu berücksichtigen sein, daß der Wohnungseinbruchsdiebstahl als Qualifikation des Diebstahls seinen besonderen Unrechtsgehalt durch die Verbindung von Angriffen auf mehrere Rechtsgüter, jedenfalls aber auf die häusliche Persönlichkeitsentfaltung und das Eigentum erhält. Bereits jetzt läßt sich festhalten, daß das oben umrissene Rechtsgut der häuslichen Privatsphäre nicht etwa deshalb als § 244 Abs. 1 Nr. 3 zugrundeliegendes Rechtsgut ausscheiden muß, weil es ihm insoweit offensichtlich an Legitimationskraft fehlte.

Vgl. oben, 4. Vgl. nur Roxin, § 2, RN 23 und oben, 7. Kap. A. 139 In diesem Sinne Wessels / Hillenkamp, RN 267. 140 § 244 Abs. 1 Nr. 3: Sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe; § 201 Abs. 1 und § 202a: Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe; § 202 Abs. 1 und 2: Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. 141 Z.B. davon, ob er allein oder in einem Familienverband lebt. 142 Ebenso Schall, S. 133. 137 138

C. Die durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsgüter

305

II. Körperliche Unversehrtheit Daß § 244 Abs. 1 Nr. 3 neben dem Schutz der häuslichen Privatsphäre auch den Schutz der körperlichen Unversehrtheit bezwecken soll, liegt insbesondere aufgrund der Geschichte des Tatbestands des Wohnungseinbruchsdiebstahls nahe. Schon Art. 159 CCC, der den Einbruch- bzw. Einsteigediebstahl in bewohnten Räumlichkeiten mit der Todesstrafe bedrohte, sollte dem Schutz von Leib und Leben der Bewohner und anderer tatnaher Personen dienen.143 Auch das preußische ALR, das bayrische StGB von 1813 und das preußische StGB von 1851 qualifizierten den durch Einbruch in bewohnte Räumlichkeiten begangenen Diebstahl vor allem wegen der dabei für die körperliche Unversehrtheit des Opfers oder anderer tatnaher Personen entstehenden Gemeingefahr.144 Dies sollte auch bei § 243 Abs. 1 Nr. 2 in der bis 1970 geltenden Fassung und bei dem Regelbeispiel in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a.F. der Fall sein, obwohl diese Vorschriften auch eine verschärfte Bestrafung von Einbrüchen in unbewohnte Räumlichkeiten vorsahen.145 Einen weiteren, deutlichen Hinweis darauf, daß die körperliche Unversehrtheit als zusätzliches Schutzgut des § 244 Abs. 1 Nr. 3 anzusehen ist, gibt der Gesetzgeber in der Begründung des Regierungsentwurfs zum 6. StrRG selbst. Danach erfolgte die Hochstufung des Wohnungseinbruchsdiebstahls zum Qualifikationsdelikt auch deshalb, weil Wohnungseinbrüche „nicht selten“ mit Gewalttätigkeiten gegen Menschen verbunden seien.146 Gerechtfertigt ist die Strafverschärfung des § 244 Abs. 1 Nr. 3 durch den Zweck, das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit zu schützen, jedoch nur, wenn auch dieses Rechtsgut durch den zur Ausführung eines Diebstahls begangenen Einbruch etc. in die „Wohnung“ abstrakt gefährdet wird.147 Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen dies der Fall sein könnte, ist jedoch äußerst fraglich, was auch in der Begründung zum Regierungsentwurf selbst zum Ausdruck kommt: Sind Wohnungseinbruchsdiebstähle lediglich „nicht selten“ mit Gewalttätigkeiten gegen Personen verbunden, so dürfte dies für die Annahme einer abstrakten Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit kaum ausreichend sein.148

Vgl. oben, 2. Kap. C. II. Vgl. oben, 2. Kap. C. III. 2. 145 BGHSt GS 1, 158, 165; LK-Ruß, § 243, RN 5. 146 Begründung zum RegE, BT-Drs. 13 / 8587, S. 43. 147 Vgl. oben, 7. Kap. A. 148 Ähnlich: DSNS-Dencker, S. 6; Hellmich, NStZ 2001, 511, 512, die ein Korrektiv für die Fälle vermißt, in denen sich die Gefahr nicht verwirklicht hat oder aber – aufgrund der äußeren Umstände des Einzelfalls – von vornherein und für den Täter erkennbar tatsächlich gar nicht verwirklichen konnte. Es obliegt aber gerade Rechtsprechung und Wissenschaft, ein solches Korrektiv durch entsprechende Auslegung des § 244 Abs. 1 Nr. 3 zu schaffen bzw. seine Notwendigkeit zu vermeiden. 143 144

306

8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

1. Die Unberechenbarkeit der Aufenthaltssituation Durch den Vollzug der Prozesse der häuslichen Privatsphäre wird der räumlichabgeschirmte Bereich zum zentralen Aufenthaltsort und privaten Lebensmittelpunkt derjenigen Menschen, die ihn zum Vollzug dieser Prozesse nutzen. Dieser zentrale Aufenthaltsort läßt sich als ein von außen uneinsehbares, privat-soziales Mikrozentrum beschreiben, zu dem in der Regel sowohl die Bewohner selbst als auch Kontaktpersonen (Freunde und Verwandte der Bewohner, Handwerker, Hausmeister etc.) ein für Externe undurchschaubares Beziehungsgeflecht unterhalten.149 Daher kann ein Einbrecher im voraus nie mit abschließender Sicherheit berechnen, ob sich zu der von ihm ins Auge gefaßten Tatzeit der oder die Bewohner oder eine Kontaktperson in der Wohnung aufhalten.150 Selbst wenn der Täter die Tat zu einer Zeit vornimmt, in der es aufgrund vorher von ihm durchgeführter, gründlicher Beobachtungen äußerst unwahrscheinlich ist, daß sich jemand in dem Tatobjekt aufhält, kann er eine direkte Täter-Opfer-Konfrontation zum Zeitpunkt des Einbruchs nicht ausschließen. Durch diese besondere Unberechenbarkeit der Aufenthaltssituation unterscheidet sich das Tatobjekt des Wohnungseinbruchsdiebstahls signifikant von den in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 genannten Tatobjekten.151 Bei einem Einbruch in unbewohnte Gebäude, Dienst- oder Geschäftsräume oder in andere umschlossene Räume kann der Täter eine direkte Täter-Opfer-Konfrontation durch vorausschauende Planung wirksam vermeiden. Denn die Aufenthaltssituation kann bei diesen Räumen in der Regel leichter vorhergesehen werden als bei wohngenutzten Räumlichkeiten, da sich in ihnen nur zu bestimmten Tageszeiten Personen aufzuhalten pflegen.152 Bei unbewohnten Gebäuden und anderen unbewohnten, umschlossenen Räumen ist die Berechenbarkeit der Aufenthaltssituation darauf zurückzuführen, daß diese Räume Menschen weder als privater Lebensmittelpunkt noch als regelmäßiger beruflicher Aufenthaltsort dienen. Ein für Externe undurchschaubares Beziehungsgeflecht ist für diese Räumlichkeiten keinesfalls charakteristisch. Bricht oder steigt jemand in einen räumlich abgeschlossenen Bereich ein, der den privaten Lebensmittelpunkt einer oder mehrerer Personen bildet, hält er sich in ihm verborgen oder dringt er in ihn unter Zuhilfenahme eines falschen Schlüssels ein, so hängt es wegen der Unberechenbarkeit der Aufenthaltssituation mithin – generell betrachtet– nur vom Zufall ab, ob eine direkte Täter-Opfer-Konfrontation ausbleibt. Die Annahme, durch die Verwirklichung des § 244 Abs. 1 Nr. 3 würde eine die Strafschärfung legitimierende abstrakte Gefährdung des Rechtsguts der körperlichen Unversehrtheit herbeigeführt, ist demnach also gerechtfertigt, wenn die direkte Konfrontation von Täter und Opfer innerhalb des räumlich-abgeschirmten 149 150 151 152

Vgl. oben, 7. Kap. C. IV. Vgl. oben, 7. Kap. C. IV. Vgl. hierzu insbesondere auch Radtke, S. 255. Vgl. oben, 7. Kap. C. II. 1.

C. Die durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsgüter

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Bereichs der häuslichen Privatsphäre typischerweise eine konkrete Gefahr für die körperliche Unversehrtheit des Opfers begründet.153

2. Die Gefährlichkeit der direkten Täter-Opfer-Konfrontation in der Wohnung Diebstahlssituationen, in denen sich Täter und Opfer überraschend und in einem nahen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zu der vom Täter begangenen oder geplanten Wegnahme direkt miteinander konfrontiert sehen, wohnt schon grundsätzlich ein außerordentliches Gefährdungspotential inne. Der Täter muß befürchten, erkannt oder an der Flucht gehindert zu werden und kann kaum noch darauf hoffen, seine Täterschaft ohne weiteres verdecken zu können. Das in Bezug auf seine körperliche Unversehrtheit präsumtive Opfer sieht sich unter Umständen zur Verteidigung des durch die Wegnahme bedrohten ober bereits verletzten Eigentums veranlaßt. Täter und Opfer befinden sich also – selbst wenn es außerhalb eines physisch abgeschirmten Raumes zu einer tatnahen Täter-OpferKonfrontation kommt – in einer streßbedingten, psychischen Ausnahmesituation, in der die Fähigkeit zu vernunftkontrolliertem Verhalten aller Wahrscheinlichkeit nach rapide abnimmt. Es besteht daher generell die dringende Gefahr, daß der Täter das Opfer in einer Kurzschlußhandlung oder aus Berechnung zur Verdekkung seiner Täterschaft, zur Fluchtermöglichung, zur Abwehr einer Verteidigungshandlung des Opfers, zur Sicherung der Beute oder aus anderen Gründen mit körperlicher Gewalt angreift. Der besonderen Gefährlichkeit dieser Situation trägt auch § 252 Rechnung. Die generelle Gefahr für die körperliche Unversehrtheit des Opfers, die durch eine direkte Täter-Opfer-Konfrontation während des Versuchs, der Verwirklichung oder der Beendigung eines Diebstahls entsteht, verdichtet sich in der Regel zu einer konkreten Gefährdung, wenn sie innerhalb einer nach außen hin physisch abgeschirmten Räumlichkeit stattfindet, nachdem der Täter in diese zur Ausführung der Wegnahme eingebrochen, eingestiegen, mit Hilfe eines falschen Schlüssels eingedrungen ist oder sich in ihr verborgen gehalten hat. Einerseits hat der Täter hier durch die Verwirklichung der genannten Tathandlungen bereits unter Beweis gestellt, daß er zur Durchführung der geplanten Wegnahme eine erhebliche kriminelle Energie aufzubringen bereit ist und daß er dabei – zumindest im Falle des Einbrechens – auch vor der Anwendung von Gewalt (gegen Sachen) nicht zurückschreckt. Dies rechtfertigt die Vermutung, daß ihm auch bei einer sich daran unmittelbar anschließenden, direkten Täter-Opfer-Konfrontation – zugespitzt ausgedrückt – „jedes Mittel recht“ sein wird, um die in Aussicht genommene Wegnahme plangemäß zu verwirklichen oder die bereits weggenommene Beute endgültig zu sichern. Zum anderen wird die streßbedingte Ausnahmesituation für Täter und Opfer noch erheblich verstärkt, wenn sich die anläßlich ei153

Kratzsch, JuS 1994, 375, 379; Roxin, AT I, § 2, RN 122.

20 Krumme

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

nes Diebstahls ergebende Täter-Opfer-Konfrontation innerhalb des physisch besonders gesicherten Bereichs abspielt, der zum Vollzug der Prozesse der häuslichen Privatheit genutzt wird. Der Täter kann diese Art von Räumlichkeiten in aller Regel nur durch eine sehr begrenzte Anzahl von Öffnungen (Haus- oder Wohnungstür, ggf. Fenster) wieder verlassen, wodurch seine Fluchtmöglichkeiten erheblich eingeschränkt werden. Durch das daraus entstehende Gefühl, „in die Enge getrieben worden zu sein“, verschärft sich die durch die Täter-Opfer-Konfrontation hervorgerufene Unberechenbarkeit seines Verhaltens noch einmal entscheidend. Dies gilt nicht minder für das Verhalten des Opfers, welches sich zur gewaltsamen Verteidigung seiner Wohnung (seines „Reviers“) in besonderer Weise berufen fühlen könnte, wodurch sich wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß es durch eine Abwehrhandlung des Täters verletzt wird. Schließlich wird der Täter, insbesondere bei größeren Wohnungen oder Wohnhäusern nicht mit den örtlichen Gegebenheiten im Innern der Räume vertraut sein. Dies leistet wiederum dem Gefühl des „in die Enge Getriebenseins“ Vorschub und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit, daß der Täter sich gezwungen sieht, das Opfer zur Erschließung seines Fluchtwegs mittels körperlicher Gewalt zu überwältigen. Zusammenfassend läßt sich also festhalten: Befindet sich ein Täter, der bereit ist, zur Erreichung seiner Ziele ein gesteigertes Maß an krimineller Energie aufzuwenden, in einer direkten Täter-Opfer-Konfrontation, die noch dadurch entscheidend verschärft wird, daß sie in einer physisch abgeschirmten Räumlichkeit stattfindet, so ist seine Reaktion auf diese äußerste Streßsituation derart unberechenbar, daß es – aus der Perspektive eines Außenstehenden und generell betrachtet – nur noch vom Zufall abhängt, ob eine Verletzung des Opfers ausbleibt. Kommt es anläßlich eines Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer direkten Täter-Opfer-Konfrontation, so besteht also eine konkrete Gefahr für die körperliche Unversehrtheit des präsumtiven Opfers. Da sich die Anzahl der sich in dem physisch gesicherten Bereich des Lebensmittelpunkts aufhaltenden Personen ex ante nicht bestimmen läßt, bringt der Täter durch den Einbruch usw. in diesen Bereich ferner einen vor der Tat nicht feststehenden Kreis von Personen in Gefahr. Neben den Bewohnern kann es sich dabei auch um Kontaktpersonen oder hilfsbereite Dritte handeln.

3. Fazit Betrachtet man die beim Wohnungseinbruchsdiebstahl bestehende Verbindung zwischen der Unberechenbarkeit der Aufenthaltssituation und der konkreten Gefährlichkeit, die durch eine in physisch abgeschirmten Räumlichkeiten anläßlich eines Diebstahls stattfindende Täter-Opfer-Konfrontation hervorgerufen wird, so läßt sich abschließend festhalten: Bricht ein Täter zur Ausführung eines Diebstahls in den physisch abgeschirmten Bereich ein, der einem Opfer als privat-sozialer Lebensmittelpunkt dient, so er-

C. Die durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschützten Rechtsgüter

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zeugt er aufgrund der besonderen Unberechenbarkeit der Aufenthaltssituation einen Gefahrenzustand, in dem es typischerweise vom Zufall abhängt, ob eine konkrete Gefahr (d.h. eine direkte Täter-Opfer-Konfrontation in der Wohnung anläßlich eines Diebstahls) für die körperliche Unversehrtheit des Opfers ausbleibt. In der Regel führt der Wohnungseinbruchsdiebstahl also auch zu einer abstrakten Gefährdung des Rechtsguts der körperlichen Unversehrtheit. Der Zweck, dieses Rechtsgut zu schützen, ist grundsätzlich geeignet, die Strafschärfung des § 244 Abs. 1 Nr. 3 zu rechtfertigen. Fälle, in denen die Entstehung einer konkreten Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit bereits ex ante ausgeschlossen ist, können – sofern sie überhaupt denkbar sind – durch eine entsprechende, restriktive Auslegung des Wohnungsbegriffs oder anhand der zur Restriktion abstrakter Gefährdungsdelikte entwickelten Methoden, insbesondere der teleologischen Reduktion, aus dem Anwendungsbereich des § 244 Abs. 1 Nr. 3 herausgenommen werden.

III. Eigentum Daß der Diebstahlsqualifikationstatbestand in § 244 Abs. 1 Nr. 3 das Eigentum vor Wegnahmen schützt, die der Täter in Zueignungsabsicht vornimmt, ist selbstverständlich. § 244 Abs. 1 Nr. 3 soll nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers das Eigentum des Wohnungsbesitzers bzw. des Wohnungs- oder Hauseigentümers aber auch vor Beschädigung und Zerstörung sichern.154 Daß § 244 Abs. 1 Nr. 3 diesem Zweck zu dienen geeignet ist, ist nicht von der Hand zu weisen. Das Einbrechen selbst dürfte typischerweise mit der Beschädigung von Schutzvorrichtungen verbunden sein, die Bestandteile der Wohnung oder des Wohnhauses sind. Selbst wenn der Täter auf andere Weise als durch Einbrechen in das Innere der Wohnung gelangt ist, hängt es in der Regel nur vom Zufall ab, ob er darin befindliche Einrichtungsgegenstände oder andere Sachen, die nicht von seinem Wegnahmevorsatz umfaßt sind, beschädigt oder zerstört. Ein Einbrecher, der in einer fremden Wohnung nach Stehlenswertem sucht und sich unter Zeitdruck befindet, weil er seine Entdeckung fürchten muß, wird typischerweise nicht auf die Integrität des sonstigen Eigentums des Wohnungsinhabers oder Dritter Rücksicht nehmen. Das Rechtsgut Eigentum ist bei einem Wohnungseinbruchsdiebstahl in der Regel also durchaus einer abstrakten Gefährdung ausgesetzt. Der Zweck des im Vergleich zum Grundtatbestand des § 242 Abs. 1 um die Angriffsformen der Sachbeschädigung erweiterten Eigentumsschutzes ist jedoch kaum geeignet, die sanktionsrechtlichen Verschärfungen zu erklären oder gar zu rechtfertigen, durch die der Wohnungseinbruchsdiebstahl gegenüber dem „einfachen“ Einbruchsdiebstahl in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 nochmals qualifiziert wird. Das Eigentum befindet sich typischerweise auch bei einem Einbruch, einem Einsteigen etc. in ein unbewohntes Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder 154

20*

Begründung zum RegE, BT-Drs. 13 / 8587, S. 43.

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

in einen anderen umschlossenen Raum in abstrakter Gefahr vor Zerstörung oder Beschädigung. Hiergegen läßt sich auch nicht einwenden, in dem physisch abgeschirmten Bereich, der den Lebensmittelpunkt eines Individuums bildet, befände sich in der Regel schutzwürdigeres Eigentum als in den übrigen umschlossenen Räumen. Ein Erfahrungssatz, wonach eine Wohnung immer mit wertvolleren Einrichtungsgegenständen ausgestattet ist als Betriebs- und Geschäftsräume, unbewohnte Gebäude oder andere umschlossene Räume, ist nicht existent.155

D. Der Strafgrund des § 244 Abs. 1 Nr. 3 und untergeordnete Normziele Nach der vorstehenden Untersuchung findet die gegenüber § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 grundlegend verschärfte Bestrafung des Wohnungseinbruchsdiebstahls ihre Rechtfertigung also in dem Schutz der häuslichen Privatsphäre und der körperlichen Unversehrtheit: Durch das Einbrechen, Einsteigen, Eindringen mittels falscher Schlüssel oder sonstiger Werkzeuge oder das Sich-Verborgen-Halten in der Wohnung wird die für sie typische, physische Sicherheitsbarriere überwunden, ihre Funktion als Geheimhaltungszone beeinträchtigt oder vorübergehend aufgehoben und der physische Territorialbesitz des Bewohners mißachtet. Die Verletzung einer oder mehrerer der vorgenannten Voraussetzungen der häuslichen Privatsphäre bewirkt (zumindest) eine abstrakte Gefährdung der Prozesse der Sozialisation im Familienverband, der Selbstentlastung und Selbstentfaltung sowie der vertraulichen Kommunikation und der ungestörten und gezielten Kontaktaufnahme zu ausgewählten Dritten. Der sich auf den Schutz der körperlichen Unversehrtheit beziehende Teil des § 244 Abs. 1 Nr. 3 legitimierenden Strafgrundes läßt sich wie folgt beschreiben: Bricht, steigt oder dringt ein Täter auf die in § 244 Abs. 1 Nr. 3 beschriebene Art und Weise in eine Wohnung ein oder hält er sich zur Ausführung eines Diebstahls in ihr verborgen, so führt dies aufgrund der physischen Abgeschirmtheit des Tatobjekts und der Unberechenbarkeit der Aufenthaltssituation in zum Wohnen genutzten Räumlichkeiten zu einer für die körperliche Unversehrtheit typischerweise konkret gefährlichen Täter-Opfer-Konfrontation. Als Hauptziel des § 244 Abs. 1 Nr. 3 läßt sich nach objektiv-teleologischer Überprüfung der vom Gesetzgeber genannten Motive der gleichberechtigte Schutz dieser beiden Rechtsgüter bezeichnen. § 244 Abs. 1 Nr. 3 kann insoweit als Kombinationsdelikt bezeichnet werden.156 Dies steht im Einklang mit dem allgemeineren Ziel des 6. StrRG, den „höchstpersönlichen Rechtsgütern“ gegenüber rein „mate155 So kann die gesamte Wohnungseinrichtung vom Sperrmüll stammen, während sich in Garagen oder Lagerhallen wertvollste Gegenstände befinden können. 156 Zu diesem Begriff vgl. Radtke, ZStW 110 (1998), S. 857.

E. Überprüfung des Strafgrunds des § 244 Abs. 1

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riellen“ Rechtsgütern ein höheres Gewicht zu verleihen.157 Die Besonderheit des durch den Wohnungseinbruchsdiebstahl verwirklichten Unrechts liegt darin, daß der Täter zur Verwirklichung seines Wegnahmevorsatzes nicht vor der Gefährdung weiterer, höchstpersönlicher Rechtsgüter zurückschreckt. Nur die Kumulation der mit dem Angriff auf das Eigentum verbundenen, abstrakten Gefährdungen zweier höchstpersönlicher Rechtsgüter kann auch die im Vergleich zu den Fällen der einfachen Körperverletzungen und einfachen Beeinträchtigungen der Privatsphäre zwingend zu verhängende, hohe Strafe, die durch Begehung eines Wohnungseinbruchsdiebstahls verwirkt wird, rechtfertigen.158 Untergeordneter, konkreter Normzweck und kein tragender Grund für die Qualifizierung des Wohnungseinbruchsdiebstahls gegenüber dem „einfachen“ Einbruchsdiebstahl in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ist der um die Angriffsform des Zerstörens und Beschädigens erweiterte Eigentumsschutz. Zudem wohnt dem Wohnungseinbruchsdiebstahl ein gewisses Maß an Gemeingefährlichkeit inne. Die durch den Wohnungseinbruch erzeugte Gefahr für die körperliche Unversehrtheit erstreckt sich naturgemäß nicht nur auf das Diebstahlsopfer, sondern auch auf weitere Personen, die ein Beziehungsgeflecht zur fraglichen Wohnung unterhalten, oder solche, die zufällig Zeuge der Tat werden und sich zur Verteidigung der fremden Rechtsgüter entschließen. Auch die abstrakte Eigentumsgefährdung ist – zumindest bei Einbrüchen in Mietwohnungen – nicht auf das Diebstahlsopfer beschränkt, da immer die Gefahr einer Zerstörung oder Beschädigung des Gebäudes besteht, in dem sich die (Miet-)Wohnung befindet. Der Grad der durch einen Wohnungseinbruchsdiebstahl hervorgerufenen Gemeingefährlichkeit muß angesichts der Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit einer unbestimmten Anzahl von Personen höher eingeschätzt werden als bei § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1.

E. Überprüfung des Strafgrunds des § 244 Abs. 1 anhand systematischer Aspekte I. Strafrechtliche Systematik Auch der Normbereich des § 123 erfaßt Fälle, in denen durch das Eindringen in den räumlichen Bereich der häuslichen Privatsphäre eine abstrakte Gefährdung der Elementarprozesse des modernen Wohnens entsteht. Vor diesem Hintergrund 157

Begründung des RegE, BT-Drs. 13 / 8587, S. 18; ebenso Hellmich, NStZ 2001, 511,

513. 158 Dies übersieht Dencker, wenn er das Ziel der Strafrahmenharmonisierung als verfehlt betrachtet, vgl. DSNS, S. 6. Ihm ist allerdings insoweit zuzustimmen, daß allein der Schutz des Opfers vor irgendwie gearteten „psychischen Störungen“, die eine Straftat nach sich zieht, zur Rechtfertigung gravierender Strafverschärfungen in dieser Allgemeinheit kaum geeignet ist.

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

könnte es befremdlich erscheinen, daß Hausfriedensbruch und Wohnungseinbruchsdiebstahl nach der hier für letzteren vorgeschlagenen Strafgrundkonzeption unterschiedliche Rechtsgüter zugrunde liegen. Es ist daher sinnvoll, sich die Besonderheiten des durch § 123 gewährten Rechtsgüterschutzes noch einmal in Erinnerung zu rufen: Die Annahme, § 123 schütze die häusliche Privatsphäre vor abstrakter Gefahr für den effektiven Vollzug der Prozesse der häuslichen Privatheit oder gar vor unmittelbarer Beeinträchtigung, würde voraussetzen, daß den verschiedenen, in § 123 genannten Tatobjekten unterschiedliche Rechtsgüter zugrunde lägen; dem Schutz des Tatobjekts „Wohnung“ also das Rechtsgut der häuslichen Privatsphäre. Denn bei einem Eindringen in Geschäftsräume, öffentliche Dienst- und Verkehrsräume oder befriedete Besitztümer oder bei dem unbefugten Verweilen darin werden die fraglichen Prozesse der häuslichen Privatsphäre unbestrittenermaßen kaum gefährdet, noch gar beeinträchtigt. Daß § 123 nach seinen Tatobjekten differenzierte Rechtsgüter schützt, ist jedoch – wie oben ausführlich gezeigt wurde – ausgeschlossen.159 Die durch die Nennung von sich in ihrer Nutzungsart grundlegend unterscheidenden Tatobjekten erzeugte tatbestandliche Weite des Hausfriedensbruchstatbestandes führt also dazu, daß bei der Mehrzahl der unter § 123 subsumierbaren Fallkonstellationen keine abstrakte Gefahr für die häusliche Privatheit entsteht. Der Tatbestand des § 123 umreißt m. a. W. – anders als § 244 Abs. 1 Nr. 3 – keine Gefährdungssituation, in der typischerweise mit einer konkreten Gefährdung oder einer Verletzung der häuslichen Privatsphäre gerechnet werden muß. § 123 kann dieses Rechtsgut mithin nur reflexartig in den Fällen schützen, in denen zufällig ein Eindringen oder ein unbefugtes Verweilen in die bzw. in der Wohnung vorliegt und in denen es aufgrund psychologischer Vermittlung bei der individuellen Opferpersönlichkeit zu einer Beeinträchtigung des Prozessvollzugs kommt. Indem § 123 das Rechtsgut des physisch gesicherten Territorialbesitzes schützt, sichert er nur eine unabdingbar notwendige Voraussetzung für den Vollzug dieser, aber eben auch anderer schützenswerter Sozialprozesse, die sich in den typischen Nutzungsformen der anderen Tatobjekte des § 123 manifestieren können. Damit kann sich § 123, je nach dem im Einzelfall verletzten Tatobjekt, reflexartig zum Schutz der unterschiedlichen, nutzungsspezifischen Interessen auswirken. Er strebt dies aber objektiv-teleologisch betrachtet nicht an.160 Hieran läßt sich die rechtspolitische Frage anknüpfen, ob es de lege ferenda anzustreben ist, einen auf dem Grundtatbestand des Hausfriedensbruchs in § 123 aufbauenden Qualifikationstatbestand des „Wohnungshausfriedensbruchs“ zu schaffen. Dieser Qualifikationstatbestand könnte dem erhöhten Unrechtsgehalt Rechnung tragen, der ihm aufgrund der durch das Eindringen in die Wohnung eventuell verursachten, abstrakten Gefährdung der häuslichen Privatsphäre zukommen mag. In systematischer Hinsicht könnte damit ein Gleichlauf zu der Gestaltung der Tat159 160

Vgl. oben, 7. Kap. B. III. 3. b). Dies übersieht Behm, vgl. ders. GA 2002, 154, 158 f.

E. Überprüfung des Strafgrunds des § 244 Abs. 1

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bestände des Einbruchsdiebstahls erreicht werden. Wie gezeigt unterscheiden diese im Hinblick auf den Unrechtsgehalt zwischen dem „einfachen“ Einbruchsdiebstahl in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und dem schwerwiegenderen Wohnungseinbruchsdiebstahl in § 244 Abs. 1 Nr. 3. Wünschenswert erschiene die Schaffung eines solchen Qualifikationstatbestandes des § 123 jedoch nur, wenn es aufgrund entsprechender Untersuchungen als gesichert anzusehen wäre, daß durch das nur willenswidrige Eindringen in die Wohnung typischerweise Beeinträchtigungen der häuslichen Privatsphäre zu befürchten sind. Einiges deutet darauf hin, daß die Tathandlungen des Wohnungseinbruchsdiebstahls, die in Verbindung mit einem Wegnahmevorsatz begangen werden müssen, deutlich eher geeignet sind, das zum Vollzug der Prozesse der häuslichen Privatsphäre erforderliche Sicherheitsvertrauen zu erschüttern als ein nur gegen den Willen des Hausrechtsinhabers gerichtetes Betreten der Wohnung. So werden durch die Tathandlungen des Wohnungseinbruchsdiebstahls in der Regel alle drei wesentlichen Voraussetzungen verletzt, die für den unbeeinträchtigten Vollzug der Prozesse der häuslichen Privatheit erforderlich sind (Sicherheitsvertrauen, Geheimnisschutzzone, physische Territorialität). Ob dies auch bei einem Eindringen oder gar bei einem unbefugten Verweilen, bei dem der Bewohner der Öffnung seiner Geheimnis- und Sicherheitszone in der Regel ursprünglich zugestimmt hat, der Fall ist, muß hingegen bezweifelt werden. Zur Schließung von Strafbarkeitslücken ist dies – angesichts der tatbestandlichen Weite des § 123, der die Fälle des Hausfriedensbruchs, die eine Verletzung der häuslichen Privatsphäre nach sich ziehen, immer erfassen wird – jedenfalls nicht erforderlich. Aus dogmatischer Sicht mag es unbefriedigend sein, daß die Privatsphäre in der Wohnung intentional nur vor Wohnungseinbruchsdiebstählen geschützt wird. Dies muß de lege lata jedoch hingenommen werden. Keinesfalls entsteht durch einen Hausfriedensbruch eine abstrakte Gefährdung für die körperliche Unversehrtheit des Hausrechtsinhabers. Anders als die Tathandlungen des § 244 Abs. 1 Nr. 3 zeugen das Eindringen im Sinne des § 123 und das unbefugte Verweilen in der Wohnung nicht von einer besonderen Gefährlichkeit von Täter und Tat. Weiterhin fehlt es bei einer anläßlich des Hausfriedensbruchs entstehenden direkten Täter-Opfer-Konfrontation an der durch die Verknüpfung mit dem Diebstahl erzeugten besonderen Gefährlichkeit. Die Annahme, § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 lägen unterschiedliche Strafgründe und Rechtsgüter zugrunde, wird damit in vollem Umfang bestätigt. Ob dies auch dazu führt, daß der Wohnungsbegriff in § 244 Abs. 1 Nr. 3 anders zu fassen ist, als der von § 123 verwendete, wird im folgenden noch zu klären sein.

II. Tatbestandsinterne Systematik Die hier vertretene Strafgrundkonzeption wird durch die systematische Einordnung des Wohnungseinbruchsdiebstahls in § 244 Abs. 1 gestützt. Grund für die Strafschärfung in § 244 Abs. 1 Nr. 1a ist die von einer gebrauchsbereiten Waffe

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

oder einem anderen gefährlichen Werkzeug, das der Täter bei der Begehung des Diebstahls mit sich führt, ausgehende abstrakte Gefährlichkeit für die körperliche Unversehrtheit des präsumtiven Opfers.161 Auch die Strafschärfung in § 244 Abs. 1 Nr. 1b ist – nach zutreffender Ansicht – durch den Zweck gerechtfertigt, das Opfer des Diebstahls vor einer zusätzlichen Beeinträchtigung mitbetroffener höchstpersönlicher Rechtsgüter, wie namentlich der persönlichen Freiheit, zu schützen.162 Sowohl durch die Tathandlungen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 als auch durch die des § 244 Abs. 1 Nr. 3 werden also neben dem Eigentum höchstpersönliche Rechtsgüter abstrakt gefährdet oder verletzt. Der hierdurch im Vergleich zu den Fällen des § 243 Abs. 1 Satz 2 deutlich erhöhte Unrechtsgehalt läßt die zwingende Anwendung der geschärften Strafe durchaus gerechtfertigt erscheinen. Der Bandendiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 2) stellt ebenfalls nicht nur einen besonders gefährlichen Angriff auf das im konkreten Fall durch die Wegnahme bedrohte Tatobjekt dar. Er zeugt darüber hinaus von der Existenz einer zwischen den Bandenmitgliedern bestehenden, inneren Verbindung, die auch über den fraglichen Einzelfall hinaus zukünftig eine dringende und gemeine Gefahr für das Eigentum begründet.163 Eine Gemeinsamkeit zwischen Wohnungseinbruchsdiebstahl und dem Bandendiebstahl besteht also immerhin insoweit, als beide Taten einen Unrechtsgehalt aufweisen, der über die durch eine konkrete Wegnahme hervorgerufene Eigentumsverletzung hinausgeht.

F. Versuch einer teleologischen Neubestimmung des Wohnungsbegriffs in § 244 Abs. 1 Nr. 3 Das qualifizierte Unrecht des Wohnungseinbruchsdiebstahls besteht im vorsätzlichen Herbeiführen der oben beschriebenen abstrakten Gefahrenzustände für die häusliche Privatsphäre und die körperliche Unversehrtheit. Der Schutz dieser Rechtsgüter ist der wesentliche, konkrete Normzweck des § 244 Abs. 1 Nr. 3. Der Wohnungsbegriff ist so zu fassen, daß die Verwirklichung der in § 244 Abs. 1 Nr. 3 beschriebenen Tathandlungen typischerweise in eine Situation mündet, in der es allein vom Zufall abhängt, ob eine Beeinträchtigung der sich in der häuslichen Privatsphäre vollziehenden Prozesse und eine Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit ausbleibt. Die häusliche Privatsphäre ist nur in der beschriebenen Weise gefährdet, wenn sich die Prozesse der häuslichen Privatsphäre in der Raumeinheit, in die eingebro161 Wessels / Hillenkamp, RN 257 und RN 262 ff., m.w.N. Obwohl die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „gefährliches Werkzeug“ umstritten ist, besteht insoweit Einigkeit, vgl. oben B. II. 2. d). 162 Wessels / Hillenkamp, RN 264. 163 In diesem Sinne BGH GS NJW 2001, 2266, 2269; ähnlich Wessels / Hillenkamp, RN 270.

F. Versuch einer teleologischen Neubestimmung des Wohnungsbegriffs

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chen wird, typischerweise vollziehen. Der Wohnungsbegriff in § 244 Abs. 1 Nr. 3 ist folglich auf diejenigen Raumeinheiten zu beschränken, die sich zum Vollzug dieser Prozesse eignen und die auf eine Art und Weise als Unterkunft genutzt werden, die es als hinreichend wahrscheinlich erscheinen läßt, daß sich die Prozesse der häuslichen Privatsphäre in den fraglichen Räumen tatsächlich abspielen. Der Wohnungsbegriff ist bereits danach deutlich enger zu fassen, als es die extensivste Variante der grammatischen Auslegung erlauben würde.164 Denn nicht jedes Raumgebilde, welches sich irgendwie als Unterkunft eignet oder tatsächlich als solche genutzt wird, ermöglicht die Sozialisation des Kindes im Familienverband, effektive Selbstentfaltung, Selbstentlastung oder vertrauliche Kommunikation. Ein Mehrbettzimmer im Krankenhaus oder Pflegeheim dient seinem Bewohner ohne Zweifel als Unterkunft. Solche Räume befinden sich jedoch nicht im Alleinbesitz der Bewohner und können insbesondere die für die Selbstentfaltung, Selbstentlastung und vertrauliche Kommunikation erforderliche Geheimnissphäre nicht generieren. Durch einen Einbruch in derartige Räume kann demnach auch keine Gefahr für den Vollzug der Prozesse des modernen Wohnens entstehen. Welche positiven Merkmale müssen die Raumeinheiten nun aufweisen, um annehmen zu können, daß sich in ihnen typischerweise die Prozesse der häuslichen Privatsphäre vollziehen? Wie das soeben angeführte Beispiel zeigt, muß eine Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 zunächst so beschaffen sein, daß die Entstehung einer häuslichen Privatsphäre möglich ist. Sie muß eine Geheimhaltungssphäre darstellen, das besondere Vertrauen in die von physisch umgrenzten Räumen vermittelte Sicherheit generieren und physisch gesicherten Alleinbesitz an ihr ermöglichen. Als formelles Merkmal des Wohnungsbegriffs in § 244 Abs. 1 Nr. 3 drängt sich also die völlige gegenständliche Trennung der fraglichen Raumeinheit von der Außenwelt bzw. von anderen Räumen und Raumeinheiten förmlich auf. An diese Abgeschlossenheit sind höhere Anforderungen zu stellen als an die für die Tatobjekte des § 123 erforderliche physische Sicherung: Es muß sichergestellt sein, daß die optische und akustische Wahrnehmung der sich im Inneren abspielenden Vorgänge weitgehend ausgeschlossen ist (Geheimhaltungssphäre). Durch die Abgeschlossenheit muß der Zugang zu der Raumeinheit für Unbefugte so sehr erschwert sein, daß im Inneren ein besonderes Vertrauen in die Sicherheit der Raumeinheit erzeugt wird, welches gegenüber dem durch bloße Einfriedungen entstandenen noch einmal verstärkt ist. Hierzu muß die Raumeinheit nach oben, unten und zu den Seiten vollständig von ihrer Umgebung abgegrenzt sein. Das erforderliche Maß an Abgeschlossenheit ist erreicht, wenn die Abgrenzungen baulich sind, also die Form eines verschließbaren Gebäudes oder Gebäudeteils haben, oder wenn sie ein ähnliches Abgeschlossenheitsmaß aufweisen (bauliche oder quasibauliche Abgeschlossenheit). Letzteres dürfte z.B. bei sogenannten Mobilheimen oder größeren Campingwagen regelmäßig der Fall sein. Die baulich oder quasibaulich 164 Vgl. oben, 1. Kap. III. 1. Die Bedeutung, die dem Begriff Wohnung in der Wendung „Wohnung nehmen“ zukommt, umfaßt auch Brücken oder Bushäuschen. Diese sind aber sicherlich keine Wohnungen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3.

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

abgeschlossene Wohneinheit muß ferner im Alleinbesitz einer Person oder einer Personenmehrheit stehen. Allein durch das Einbrechen, Einsteigen usw. in eine baulich abgeschlossene Raumeinheit, die im Alleinbesitz einer bestimmten Person steht, entsteht freilich noch keine Situation, in der es vom Zufall abhängt, ob eine Beeinträchtigung der häuslichen Privatsphäre ausbleibt. Die baulich oder quasibaulich abgeschlossene Wohneinheit muß weiterhin auf eine Weise tatsächlich als Unterkunft genutzt werden, die es hinreichend wahrscheinlich macht, daß sich die Prozesse der häuslichen Privatsphäre in ihnen tatsächlich abspielen. Mit absoluter Sicherheit wird sich dies kaum feststellen lassen, was im übrigen auch darauf zurückzuführen ist, daß sich diese Prozesse eben typischerweise nur in einer Geheimhaltungssphäre vollziehen können und tatsächlich vollziehen. Es lassen sich jedoch Indizien isolieren, bei deren Vorliegen regelmäßig von einer Form der Unterkunftsnutzung auszugehen ist, die den Vollzug der Prozesse des modernen Wohnens einschließt. Dauerhafte und nicht vorübergehende Nutzung zu Unterkunftszwecken und die Führung eines selbständigen Haushalts in den fraglichen Räumen sind insoweit nahezu untrügliche Hinweise. Die baulich oder quasibaulich abgeschlossene Raumeinheit muß überdies so genutzt werden, daß es für einen Externen generell unberechenbar ist, zu welchen Zeiten sich Personen in ihr aufzuhalten pflegen. Denn nur dann hängt es allein vom Zufall ab, ob eine konkrete Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit des präsumtiven Opfers ausbleibt. Die Art der Nutzung muß die baulich oder quasibaulich abgeschlossene Raumeinheit daher zu einem Mikrozentrum des privaten Lebens (Lebensmittelpunkt) machen. Dies dürfte in aller Regel der Fall sein, wenn die fragliche Raumeinheit tatsächlich zum Vollzug der Prozesse der häuslichen Privatsphäre genutzt wird. Der Ort, an dem eine Person diese Prozesse vollzieht, bildet auch ihren privaten Lebensmittelpunkt. Vor allem die Nutzung der Raumeinheit zur vertraulichen Kommunikation, zur Bildung und Verfestigung privat-intimer Kontakte zu ausgewählten Außenstehenden und die Sozialisation von Kindern im Familienverband ist Ursache für die Unberechenbarkeit der Aufenthaltssituation. Die Umstände, die nahezu untrügliche Indizien für den Vollzug der Prozesse der häuslichen Privatsphäre sind, dürften somit auch auf eine unberechenbare Aufenthaltssituation hinweisen. Zusätzlich zu den oben bereits genannten Indizien sind insoweit zu nennen: Regelmäßiges Übernachten, Verbringen und Aufbewahren persönlicher Habe, postalische und telefonische Erreichbarkeit sowie das Empfangen von Besuchern.165 Die Prozesse der häuslichen Privatsphäre können nicht vollzogen werden und eine unberechenbare Aufenthaltssituation kann dagegen nicht entstehen, wenn die fraglichen Räume eine gewisse Größe unterschreiten.166 So stellen Schäferkarren oder Ein-Mann-Zelte schon aus diesem Grund offensichtlich keine Wohnungen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 dar. 165 166

Vgl. oben, 7. Kap. C. III. 3. und Radtke, S. 183. Vgl. oben, 7. Kap. C. III. 1.

F. Versuch einer teleologischen Neubestimmung des Wohnungsbegriffs

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Daß es bei einem Einbruch, Einsteigen etc. zu einer Situation kommt, in der es nur vom Zufall abhängt, ob eine konkrete Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit des präsumtiven Opfers ausbleibt, wird durch das Erfordernis der baulichen oder zumindest quasibaulichen Abgeschlossenheit sichergestellt. Durch sie eskaliert die innerhalb der Wohnung stattfindende, direkte Täter-Opfer-Konfrontation erst zu einer konkreten Gefahr für die körperliche Unversehrtheit des Opfers.167 Faßt man diese Überlegungen zusammen, so läßt sich der Wohnungsbegriff auf der Grundlage der Untersuchung zu den Normzwecken des § 244 Abs. 1 Nr. 3 zunächst wie folgt bestimmen: Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 ist eine baulich oder quasibaulich abgeschlossene Raumeinheit, die aufgrund ihrer Größe einen längeren, nicht nur einer Verhaltensart dienenden Aufenthalt ermöglicht, die tatsächlich als Unterkunft genutzt wird und die im Alleinbesitz eines einzelnen Nutzers oder einer Nutzergemeinschaft steht. Sie muß den privaten Lebensmittelpunkt einer Person darstellen, an dem diese typischerweise die Prozesse der häuslichen Privatsphäre vollzieht. Indizien hierfür sind: Die dauerhafte Nutzung der Raumeinheit als Unterkunft, das Führen eines selbständigen Haushalts, regelmäßiges Übernachten, das Verbringen und Aufbewahren persönlicher Habe, die postalische und telefonische Erreichbarkeit und das Empfangen von Besuchern. Damit soll der Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 allerdings noch nicht abschließend beschrieben sein. Er ist im folgenden noch anhand der – voraussichtlich – wichtigsten Problemfälle zu überprüfen.

I. Hotelzimmer Hotelzimmer sind nach außen hin baulich abgeschlossen und stehen, sofern sie von einem hierzu berechtigten Mieter bewohnt werden, in dessen Alleinbesitz. Die Voraussetzungen für die Entstehung einer Geheimhaltungszone und einer Zone besonderen Sicherheitsvertrauens sind damit erfüllt. Durch einen Einbruch etc. in eine leerstehende Raumeinheit gerät der Vollzug der Prozesse der häuslichen Privatsphäre nicht in Gefahr, weshalb – wenn überhaupt – nur Hotelzimmer unter den Wohnungsbegriff in § 244 Abs. 1 Nr. 3 fallen können, die von einer Person auch tatsächlich zu Unterkunftszwecken genutzt werden. Vermietete Hotelzimmer werden von ein und derselben Person in der Regel nur vorübergehend für relativ kurze Zeit tatsächlich bewohnt. Während der Zeit, in der das Hotelzimmer als Unterkunft dient, besteht die dauerhaft genutzte Hauptwohnung als eigentliches Zentrum der häuslichen Privatsphäre fort. Das Hotelzimmer stellt lediglich eine Nebenunterkunft dar. Sie kann zum Vollzug der Prozesse der häuslichen Privatsphäre überdies nur eingeschränkt genutzt werden. Selbstentfaltung und -entlastung, die Sozialisation des Kindes, vertrauliche Kommunikation und die ungestörte privat-intime Kontaktaufnahme zu Außenstehenden können 167

Vgl. oben, C. II. 2.

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

zwar auch in einem nur während weniger Tage bewohnten Hotelzimmer gelingen. Es wird in der Regel jedoch kaum möglich sein, diese Prozesse in einem Hotelzimmer so intensiv und effektiv zu vollziehen, wie in der Hauptwohnung. Dies ist zum einen auf die kurze Aufenthaltsdauer zurückzuführen, welche die Entstehung der erforderlichen Vertrautheit verhindert und zum anderen darauf, daß Sachherrschaft und Geheimhaltungsfunktion hier im Vergleich zur Hauptwohnung erheblich eingeschränkt sind. So muß mindestens einmal pro Tag eine fremde Person zur Durchführung von Reinigungsarbeiten Zutritt zu dem Hotelzimmer erhalten. Weiterhin ist hier zu beachten, daß es nur dann vom Zufall abhängt, ob eine „tiefgreifende Beeinträchtigung“ 168 der Prozesse der häuslichen Privatsphäre ausbleibt, wenn durch das Einbrechen, Einsteigen etc. eine psychische Reaktion hervorgerufen wird, die den Bewohnern den effektiven Prozeßvollzug zukünftig – also in dem auf die Tat folgenden Zeitraum – unmöglich macht. Durch die in § 244 Abs. 1 Nr. 3 vertypte Unrechtshandlung wird ein Kausalverlauf angestoßen, der typischerweise erst nach einem längeren Zeitraum zu einer wirklich tiefgreifenden Beeinträchtigung der häuslichen Privatsphäre führen kann. Wird in ein Hotelzimmer eingebrochen, so verliert der Bewohner des Hotelzimmers typischerweise das Vertrauen in die von diesem verkörperte Sicherheits- und Geheimniszone. Zunächst besteht also nur die Gefahr, daß er solange im Vollzug der Prozesse der häuslichen Privatsphäre beeinträchtigt ist, wie er auch in dem Hotelzimmer wohnt. Damit die Gefahr einer tiefgreifenden Beeinträchtigung entsteht, müßte die psychisch vermittelte Vertrauenseinbuße also auch auf die Geheimhaltungs- und Sicherheitszone des eigentlichen Zentrums der häuslichen Privatsphäre (die Hauptwohnung) durchschlagen. Denn der Hotelgast wird das Hotelzimmer in naher Zukunft ohnehin wieder verlassen und den Prozeßvollzug in seiner Hauptwohnung wieder aufnehmen. Der Hotelgast müßte die durch die Einbruchserfahrung psychisch vermittelte Vertrauenseinbuße hinsichtlich der durch das Hotelzimmer verkörperten Sicherheit und Geheimhaltung also auf die eigene Wohnung projizieren. Daß eine solche Projektion des Unsicherheitseindrucks auf die eigene Wohnung nach einem Einbruch in ein Hotelzimmer stattfindet, hängt wiederum von der psychologischen Konstitution des Opfers und damit aus Tätersicht vom Zufall ab. Diese Projektion ist jedoch nicht typischerweise zu erwarten. Es ist viel eher wahrscheinlich, daß das ursprüngliche Vertrauen in die durch die Hauptwohnung verkörperte Sicherheit und Geheimhaltung durch den Einbruch in das nur vorübergehend und ausnahmsweise bewohnte Hotelzimmer nicht gravierend gestört wird. Eine hinreichende abstrakte Gefahr für den Vollzug der Prozesse der häuslichen Privatsphäre wird durch einen Einbruch in ein nur vorübergehend bewohntes Hotelzimmer somit nicht herbeigeführt. Hotelzimmer, die nur für kurze Zeit, z.B. während eines Urlaubs oder einer Geschäftsreise als Nebenunterkunft genutzt werden, sind daher keine Wohnungen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3.

168 Allein eine solche ist in den Augen des Gesetzgebers geeignet, die Anwendung des § 244 Abs. 1 Nr. 3 zu rechtfertigen, BT-Drs. 12 / 8587, S. 43.

F. Versuch einer teleologischen Neubestimmung des Wohnungsbegriffs

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Nur dauerhaft als Unterkunft genutzte Hotelzimmer, die wie eine erste oder zweite Hauptwohnung genutzt werden, können unter den Wohnungsbegriff des Wohnungseinbruchsdiebstahls fallen. Die Aufenthaltssituation ist für Externe auch in diesen Fällen regelmäßig unberechenbar. Hinsichtlich der konkreten Gefährlichkeit einer direkten Täter-Opfer-Konfrontation bestehen bei einem Hotelzimmer keine signifikanten Unterschiede zu einer Wohnung im technischen Sinne. Das Merkmal der Abgeschlossenheit ist insoweit nicht problematisch.

II. Weitere nur vorübergehend als Unterkunft genutzte Raumeinheiten Weil Hotelzimmer in der Regel nur einmalig und vorübergehend für kürzere Zeit bewohnt werden, ist zur Entstehung einer abstrakten Gefahr für die Prozesse der häuslichen Privatsphäre eine Projektion des zunächst nur auf das Hotelzimmer bezogenen Vertrauensverlusts auf die Hauptwohnung erforderlich. Eine solche Projektion ist, wie gezeigt, nach dem typischen Geschehensverlauf nicht zu erwarten. Die Entstehung einer abstrakten Gefahr für die Prozesse der häuslichen Privatsphäre ist somit auch bei einem Einbruch in andere Raumeinheiten, die von derselben Person nur einmal während eines kürzeren Zeitraums als Unterkunft genutzt wird, ausgeschlossen. Dies betrifft insbesondere gewerblich vermietete Ferienwohnungen, Mobilheime, Pensionszimmer usw. Es wird offenbar, daß eine dauerhafte, nicht nur einmalige und vorübergehende Unterkunftsnutzung nicht nur Indiz für das Vorliegen einer Wohnung, sondern zwingend erforderliches Merkmal des Wohnungsbegriffs in § 244 Abs. 1 Nr. 3 ist. Privat genutzte Ferienwohnungen fallen hingegen unter den Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3. Anders als bei einem Hotelzimmer oder einer gewerblich vermieteten Ferienwohnung ist der Vollzug der Prozesse der häuslichen Privatsphäre in privat genutzten Ferienwohnungen in ähnlicher Intensität und Effektivität möglich, wie in der Hauptwohnung. Die privat genutzte Ferienwohnung wird in aller Regel in Intervallen immer wieder von denselben Personen und wie eine Hauptwohnung als Unterkunft genutzt. In der übrigen Zeit steht sie ihren Besitzern ohne weiteres zur Verfügung. Derart genutzte Ferienwohnungen müssen z.B. von dorthin verbrachter Habe nicht geräumt werden. Es kann also eine tiefere raumbezogene Vertrautheit entstehen als zu Hotelzimmern oder nur einmalig gemieteten Ferienwohnungen. Der durch einen Einbruch ausgelöste Verlust des Vertrauens in die durch die Ferienwohnung verkörperte Sicherheit und Geheimhaltung kann daher auch dann zu einer tiefgreifenden Beeinträchtigung des Prozeßvollzuges führen, wenn die Vertrauenseinbuße nicht auf die Alltags-Hauptwohnung übertragen wird. Denn die Prozesse der häuslichen Privatsphäre spielen sich dauerhaft – wenn auch nicht ununterbrochen – auch in der privat-genutzten Ferienwohnung ab. Die abstrakte Gefahr, daß das auf die Ferienwohnung bezogene Sicherheitsvertrauen durch einen Einbruch so sehr gestört wird, daß dies eine tiefgreifende Beeinträchti-

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

gung der Prozesse der häuslichen Privatsphäre zur Folge hat, besteht somit auch in der Zeit, in der der Eigentümer oder Besitzer der Ferienwohnung in ihr nicht aktuell anwesend ist. Es besteht insoweit zu dem Fall, in dem während der Urlaubsabwesenheit der Bewohner in die eigentliche Hauptwohnung eingebrochen wurde, kein signifikanter Unterschied. Dies gilt gleichermaßen für die Unberechenbarkeit der Aufenthaltssituation.169 Wohnwagen und Wohnmobile können ebenfalls nur dann als Wohnungen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 angesehen werden, wenn sie von denselben Personen dauerhaft als Ferienunterkunft genutzt werden und ihnen hierzu weitgehend ununterbrochen unmittelbar zur Verfügung stehen. Dies ist z.B. bei Wohnwagen der Fall, die ganzjährig auf demselben Campingplatz aufgestellt sind und die ihren Besitzern ganzjährig als Erholungs- und Urlaubsdomizil dienen (sog. „Dauercamping“). Ihnen kommt dieselbe Funktion zu, wie privat genutzten Ferienwohnungen. Sie sind daher auch genauso zu behandeln. Wird der Wohnwagen dagegen nur einmal im Jahr während der Urlaubszeit zu Unterkunftszwecken genutzt, so ist eine tiefgreifende Beeinträchtigung der häuslichen Privatsphärenprozesse auch dann nicht zu befürchten, wenn während der aktuellen Nutzungszeit in den Wohnwagen eingebrochen wird.170 Campingzelte dürften in der Regel schon deshalb nicht unter den Wohnungsbegriff fallen, weil es ihnen an der erforderlichen quasibaulichen Abgeschlossenheit fehlt. Sie sind nicht verschließbar und bieten keine wirksame Abschirmung vor akustischer Wahrnehmung. Zelte stellen für einen potentiellen Eindringling eher eine psychische Hürde dar als eine physische. Das Sicherheitsvertrauen in Zelte erreicht daher bei weitem nicht das für einen intensiven und effektiven Prozeßvollzug erforderliche Maß.

III. Nebenräume und Zubehörflächen Bei der Beantwortung der Frage, ob sogenannte Nebenräume unter den Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 fallen, ist zwischen verschiedenen Nebenraumarten zu differenzieren. Innerhalb baulich oder quasibaulich abgeschlossener Wohneinheiten dient typischerweise jeder Raum der Selbstentfaltung, Selbstentlastung, der Sozialisation von Kindern, der vertraulichen Kommunikation oder der Kontaktaufnahme zu ausgewählten Personen der Außenwelt. Der Vollzug dieser Prozesse wird sich regelmäßig auf den gesamten ihm zur Verfügung stehenden Raum, also den Raum innerhalb des Abschlusses, ausdehnen und erstrecken.171 „Nebenräume“, die innerVgl. oben, 7. Kap. C. III. 3. Dies zumal, weil der Wohnwagen in diesen Fällen nicht dauerhaft an demselben Ort aufgestellt ist. 171 Vgl. oben, 7. Kap. IV. 2. c). 169 170

F. Versuch einer teleologischen Neubestimmung des Wohnungsbegriffs

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halb des baulichen oder quasibaulichen Wohnungsabschlusses liegen, sind daher integraler Bestandteil der Raumeinheit, in der die Prozesse der häuslichen Privatsphäre typischerweise vollzogen werden. Derartige Räume, wie z.B. Toiletten, Badezimmer oder Wohnungsflure überhaupt als Nebenräume zu bezeichnen, ist nahezu irreführend.172 Eine gesonderte Überprüfung der Wohnungseigenschaft einzelner innerhalb des Wohnungsabschlusses liegender Räume ist in der Regel nur erforderlich, wenn ein solcher Raum auf eine Weise genutzt wird, welche die Entfaltung häuslicher Privatsphäre von vornherein unmöglich zu machen scheint.173 Fraglich ist, was für Nebenräume gilt, die sich zwar außerhalb der baulich abgeschlossenen Wohneinheit befinden, die aber aufgrund eines funktionellen Zusammenhangs und weil sie innerhalb desselben (Mehrparteien-)Hauses liegen noch unter den Wohnungsbegriff gefaßt werden könnten. In Bezug auf diese Art von Nebenräumen ist zunächst eine weitere Differenzierung vorzunehmen. Nebenräume, die nicht im unmittelbaren Alleinbesitz der Personen stehen, von denen sie tatsächlich zu Unterkunftshilfszwecken genutzt werden, kommen als Tatobjekte des § 244 Abs. 1 Nr. 3 von vornherein nicht in Betracht. Ihnen fehlt es schon an einer formellen Grundvoraussetzung für die Entstehung häuslicher Privatsphäre. Gemeinschaftlich genutzte Räume eines Mehrparteienhauses, wie Hausflure, Flurtoiletten oder Waschküchen, die in der Regel im Mitbesitz aller Hausbewohner stehen, können daher keinesfalls unter den Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 subsumiert werden. Stehen außerhalb eines Wohnungsabschlusses, aber innerhalb eines Wohnhauses gelegene, ihrerseits baulich oder quasibaulich abgeschlossene Nebenräume im Alleinbesitz eines Wohnungsmieters, so ist zumindest nicht ausgeschlossen, daß ein Einbruch in einen solchen Nebenraum (z.B. einen Kellerverschlag oder Speicherraum) zu einer abstrakten Gefährdung der häuslichen Privatsphäre führt. Die Gefahr einer tiefgreifenden Beeinträchtigung dürfte jedoch nur in seltenen Fällen vorliegen. In Keller- oder Speicherräumen, die in der Regel als Lager, allenfalls vielleicht als Hobbyraum genutzt werden, vollziehen sich die Prozesse der häuslichen Privatsphäre in der Regel weit weniger intensiv, effektiv und häufig als in der zugehörigen abgeschlossenen Wohneinheit selbst. Diese ist von dem außerhalb des Wohnungsabschlusses liegenden Nebenraum überdies durch einen gemeinschaftlich genutzten (Treppenhaus-)Flur getrennt. Das bei einem Einbruch in den Nebenraum erschütterte Vertrauen wird sich daher zunächst nur auf die Sicherheits- und Geheimhaltungsfunktion des Nebenraums beziehen. Die baulich abgeschlossene Wohneinheit bleibt als Rückzugsraum erhalten. Die von ihr verkörperte besondere Sicherheits- und Geheimhaltungszone wird nicht verletzt. Eine tiefgreifende Beeinträchtigung des Prozeßvollzugs kommt also nur in Betracht, wenn der Betroffene den ihm durch den Einbruch in den Nebenraum zugefügten Vertrauensverlust auf die Wohneinheit projiziert. Daß es typischerweise zu 172 173

So aber BGH StV 2001, 624. Vgl. hierzu unten, IV.

21 Krumme

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

einer solchen Projektion kommt, kann jedoch auch in diesen Fällen kaum unterstellt werden. Die tatsächlichen Hindernisse und die psychischen Hemmungen, die der Täter bei einem Einbruch in einen Keller- oder Speicherverschlag zu überwinden hat, sind bekanntermaßen deutlich geringer, als die Hindernisse und Hemmungen, die bei einem Einbruch in die besser gesicherte Wohnung zu überwinden sind. Der Wohnungsinhaber wird das Vertrauen in die Sicherheit seiner Wohnung in der Regel also behalten. In jedem Fall fehlt es bei dieser Art von Nebenräumen an einer unberechenbaren Aufenthaltssituation. Derartige Nebenräume haben an dem unüberschaubaren Beziehungsgeflecht der abgeschlossenen Wohneinheit in der Regel nicht teil.174 Sie bestehen darüber hinaus nur aus einem relativ kleinen, in sich abgeschlossenen Raum, der von einem gemeinschaftlich genutzten Flur verhältnismäßig einfach zu überschauen ist. Bei einem Einbruch in einen außerhalb der Wohnung gelegenen Nebenraum, wie einen Kellerverschlag oder einen Speicherraum kommt es daher nicht typischerweise zu einer Situation, in der das Ausbleiben einer konkreten Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit nur vom Zufall abhängt. Außerhalb des baulich ober quasibaulich abgeschlossenen Wohnbereichs gelegene Nebenräume, die innerhalb desselben Wohnhauses liegen wie der Wohnbereich selbst, fallen somit nicht unter den Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3.175 In außerhalb des Wohnhauses gelegenen Nebenräumen (z.B. Garagen oder Gartenhäuschen) werden sich die Prozesse der häuslichen Privatsphäre in der Regel schon aufgrund der erheblichen Entfernung von der eigentlichen Wohneinheit nicht entfalten können. Die erforderliche Projektion des durch den Einbruch in den Nebenraum hervorgerufenen Vertrauensverlusts auf die eigentliche Wohneinheit wäre hier im übrigen noch weit weniger wahrscheinlich als bei Nebenräumen, die sich in demselben Haus befinden wie die abgeschlossene Wohneinheit. Erst recht fehlt es bei diesen Nebenräumen an einer unberechenbaren Aufenthaltssituation. Daß außerhalb des Wohnhauses befindliche, unabgeschlossene Zubehörflächen, wie Gärten, Terrassen oder Veranden, nicht unter den Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 fallen, ergibt sich schon aus dem Wortlaut.176 Es folgt zudem evident aus den Normzwecken des § 244 Abs. 1 Nr. 3, so daß sich weitere Erläuterungen hierzu erübrigen. IV. Innerhalb des abgeschlossenen Wohnbereichs liegende Arbeits- oder Geschäftsräume Fraglich ist weiterhin, ob auch innerhalb der abgeschlossenen Wohneinheit liegende Arbeits- und Geschäftsräume unter den Wohnungsbegriff in § 244 Abs. 1 174 Wer empfängt schon Besucher in seinem Kellerverschlag oder läßt sich dorthin die Post zustellen? 175 I.E. OLG Schleswig NStZ 2000, 479 f. 176 Vgl. oben, 7. Kap. B. IV. 2. c).

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Nr. 3 fallen.177 In der Praxis dürfte dieses Problem nur relevant werden, wenn der Täter in einen Geschäftsraum einbrechen konnte, ohne dabei die zweifelsfrei dem Wohnbereich zuzurechnenden Räume zu verletzen. Muß der Täter zunächst in einen zum Wohnbereich gehörenden Raum einbrechen, um in einen Geschäftsraum gelangen und dort die Wegnahme durchführen zu können, so ist der Tatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 3 fraglos erfüllt.178 Anders als § 243 in der Fassung vor dem 1. StRG verlangt § 244 Abs. 1 Nr. 3 nur, daß der Täter „zur Ausführung“ der Wegnahme in eine Wohnung einbricht. Die Wegnahmehandlung muß also schon nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht in der Wohnung selbst erfolgen. Dieses Ergebnis stimmt auch mit den konkreten Normzwecken des § 244 Abs. 1 Nr. 3 überein. Die abstrakte Gefahr einer Beeinträchtigung der Prozesse der häuslichen Privatsphäre entsteht schon durch die gewaltsame oder listenreiche Überwindung der baulichen oder quasibaulichen Barrieren des Wohnungsabschlusses, also durch die mit Wegnahmevorsatz begangenen Tathandlungen des § 244 Abs. 1 Nr. 3. Gleiches gilt für die abstrakte Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit. Die Gefahrensituation, in der es nur vom Zufall abhängt, ob es zu einer konkret gefährlichen Täter-Opfer-Konfrontation kommt, entsteht unabhängig davon, ob der Täter die Wegnahmehandlung in einem zum Wohnbereich gehörenden Raum durchführt, oder erst in dem Arbeits- oder Geschäftsraum. Bricht der Täter in einen innerhalb einer Wohnung oder eines Wohnhauses gelegenen Arbeits- oder Geschäftsraum ein, ohne die eindeutig dem Wohnbereich zuzuordnenden Räume zu berühren, so kommt es hingegen darauf an, ob solche Arbeits- und Geschäftsräume als Wohnungsbestandteile unter den Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 fallen. Bei Arbeitszimmern, die nutzungsmäßig vollständig in den Bereich der häuslichen Privatsphäre integriert sind, wird dies grundsätzlich der Fall sein. Das Arbeitszimmer eines Lehrers oder Wissenschaftlers unterliegt denselben Zugangsbeschränkungen wie die übrigen Räume des abgeschlossenen Wohnbereichs. Es ist in der Regel nur durch eine einfache Zimmertür von den übrigen Räumen getrennt. Typischerweise wird sich der Vollzug der Prozesse der häuslichen Privatsphäre aufgrund dieser räumlichen und nutzungsmäßigen Integration in den Wohnbereich auf derartige Arbeitszimmer ausdehnen. Durch den Einbruch in solche Arbeitszimmer werden also die Zone des besonderen Sicherheitsvertrauens, die Geheimhaltungssphäre und der physisch gesicherte Territorialbesitz typischerweise genauso in ihren Funktionen als Voraussetzung der häuslichen Privatsphäre verletzt, wie bei einem Einbruch in ein Badezimmer. Da derartige Arbeitszimmer untrennbare Bestandteile der Raumeinheit bilden, die typischerweise zum Vollzug der häuslichen Privatsphärenprozesse dienen, haben sie auch an der unberechenbaren Aufenthaltssituation teil. Arbeits- oder Geschäftsräume, die aufgrund ihrer Nutzung für einen bestimmten oder unbestimmten Kreis von Außenstehenden zugänglich sein müssen (z.B. die 177 178

21*

Ablehnend Wessels / Hillenkamp, RN 267. BGH StV 2001, 642.

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8. Kapitel: Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls

Praxisräume eines Freiberuflers), sind dagegen zu einem gewissen Teil öffentlich.179 In ihnen können die Prozesse der häuslichen Privatsphäre typischerweise nicht vollzogen werden, weil sie eine Geheimhaltungssphäre und das durch abgeschlossene Wohnbereiche verkörperte Sicherheitsvertrauen in der Regel nicht generieren können. Eine Ausdehnung des Prozeßvollzugs auf diese Art von Arbeitsräumen ist aufgrund der ihnen eigenen Teilöffentlichkeit also eher unwahrscheinlich. Dies spricht dafür, innerhalb von Wohnungen oder Wohnhäusern gelegene Arbeits- und Geschäftsräume, die im Unterschied zu dem eigentlichen Wohnbereich teilöffentlich sind, nicht unter den Wohnungsbegriff zu fassen, dies zumal die Aufenthaltssituation in Bezug auf teilöffentliche Geschäftsräume in der Regel nicht vollkommen unberechenbar sein dürfte. In ihnen pflegen sich in der Regel nur zu den üblichen Geschäftszeiten Personen aufzuhalten. Dies alles spricht dagegen, innerhalb von Wohnungen oder Wohnhäusern gelegene Geschäftsräume unter den Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 zu fassen. Letztlich wird es von den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls abhängen, ob ein innerhalb einer abgeschlossenen Wohneinheit liegender Geschäftsraum als Bestandteil der Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 anzusehen ist. Je ausgeprägter die Teilöffentlichkeit der Geschäftsräume ist und je deutlicher die spezifischen Nutzungen von Wohnbereich und Geschäftsbereich auch außerhalb der Geschäftszeiten getrennt sind, um so eher werden die fraglichen Geschäftsräume nicht unter den Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 fallen. Denn auch teilöffentliche Geschäftsräume können außerhalb der üblichen Geschäfts- oder Besuchszeiten in den Vollzug der Prozesse der häuslichen Privatsphäre einbezogen werden, so daß diesbezüglich eine unberechenbare Aufenthaltssituation entstehen kann. Ein deutliches Indiz ist auch hier wiederum das Maß der baulichen Trennung zwischen Geschäftsräumlichkeiten und Wohnbereich.

V. Der Wohnungsbegriff in § 244 Abs. 1 Nr. 3 Wohnung im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 3 ist danach ausschließlich eine baulich oder quasibaulich abgeschlossene Raumeinheit, die dauerhaft und nicht nur einmalig und vorübergehend als Unterkunft genutzt wird und die im Alleinbesitz der sie nutzenden Personen steht, so daß anzunehmen ist, daß sich in dieser Raumeinheit typischerweise die Prozesse der häuslichen Privatsphäre vollziehen und sie so zum Mittelpunkt des privaten Lebens wird. Hotelzimmer, andere nur vorübergehend genutzte Räumlichkeiten und zu Unterkunftshilfszwecken aller Art dienende Nebenräume fallen in der Regel nicht unter diesen Wohnungsbegriff. Das gilt grundsätzlich auch für innerhalb der abgeschlossenen Wohneinheit liegende Arbeits- und Geschäftsräume, sofern sie teilöffentlich sind. Insoweit kann eine an den Schutzzwecken des § 244 Abs. 1 Nr. 3 orientierte 179

Vgl. oben, 7. Kap. B. III. 3. a); Schall, S. 150 f. spricht von „Halböffentlichkeit“.

F. Versuch einer teleologischen Neubestimmung des Wohnungsbegriffs

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Einzelfallbetrachtung aber unter Umständen auch zu einem gegenteiligen Ergebnis führen. In Zweifelsfällen sprechen die folgenden Indizien für das Vorliegen einer Wohnung: Das dauerhafte Führen eines selbständigen Haushalts in den fraglichen Räumen, das Verbringen und Aufbewahren persönlicher Habe in die fraglichen Räume, die postalische und telefonische Erreichbarkeit und das Empfangen von Besuchern. VI. Systematische Einordnung Obwohl § 244 Abs. 1 Nr. 3 auch dem Schutz der häuslichen Privatsphäre dient, läßt er sich kaum in die erste Gruppe der die territoriumsbezogene Persönlichkeitsentfaltung schützenden Normen einordnen. Wie auch bei den übrigen strafrechtlichen Wohnungsbegriffen stimmt weder die den Wohnungsbegriff in § 244 Abs. 1 Nr. 3 determinierende Normzweckstruktur noch seine Begriffsmerkmalsstruktur mit dem für diese Gruppe Typischen überein. So muß der Wohnungsbegriff in § 244 Abs. 1 Nr. 3 zum Ausdruck bringen, daß der Straftatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls auch dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit dient. Der Wohnungsbegriff in § 244 Abs. 1 Nr. 3 wird allein anhand objektiv festzustellender Merkmale bestimmt und ist aufgrund seiner speziellen Normzweckstruktur wesentlich enger als die Wohnungsbegriffe der ersten Gruppe. Bei den drei bedeutsamen Wohnungsbegriffen des materiellen Strafrechts macht sich die Relativität der Rechtsbegriffe im gleichen Rechtsgebiet deutlich bemerkbar, auch wenn sie sich nur in Details voneinander unterscheiden. An diesen Unterschieden ist im Interesse der jeweils zu schützenden Rechtsgüter und der strafbegrenzenden, liberalen Funktionen dieser Rechtsgüter auch festzuhalten.180 Dies gilt auch für die Wohnungsbegriffe in § 123 und § 244 Abs. 1 Nr. 3. Die präzise Einordnung eines Raumes unter die Tatobjekte des § 123 ist keineswegs irrelevant.181 So könnte die vorübergehende Inanspruchnahme unbenutzter Räume (befriedetes Besitztum) durch einen Obdachlosen durch § 34 gerechtfertigt sein.182 Die vorübergehende Inanspruchnahme einer Wohnung wäre dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jedoch nicht.

180 181 182

Vgl. Roxin, AT I, § 2, RN 9 ff. Amelung, ZStW 98 (1986), 355, 359; a.A. Behm, GA 2002, 154, 164. Sch / Sch-Lenckner, § 123, RN 33.

Ergebnisse zu den strafrechtlichen Wohnungsbegriffen Rechtsgut des § 123 ist der physisch gesicherte Territorialbesitz. Mittelbar und fragmentarisch schützt § 123 damit auch die auf den physisch gesicherten Territorialbesitz bezogenen Interessen an Sicherheit, Geheimhaltung und Abwesenheit von Störungen. Hierdurch wird ein raumbezogenes Freiheitspotential gesichert, welches zum Vollzug wohntypischer Sozialprozesse genutzt werden kann. Auf diese Weise werden die wohntypischen Sozialprozesse reflexartig geschützt. Wohnung im Sinne des § 123 ist eine baulich oder sonst abgeschlossene Räumlichkeit, die dem Zweck dient, einen oder mehreren Menschen jedenfalls vorübergehend Unterkunft zu gewähren, wobei denjenigen, welche die Räumlichkeit zu Unterkunftszwecken nutzen, unmittelbarer Alleinbesitz an ihr zukommen muß, damit sich die Räumlichkeit zur Befriedigung wohnspezifischer Bedürfnisse (wie z.B. den Bedürfnissen nach exklusivem Zusammensein in der Kleinfamilie, nach Entlastung vom gesellschaftlich-öffentlichen Konformitätsdruck und nach intimprivater Selbstdarstellung) eignet. § 306a Abs. 1 schützt die Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit vor abstrakter Gefährdung. Eine solche Gefährdung dieser Rechtsgüter wird durch das Zusammentreffen der unberechenbaren Aufenthaltssituation in Wohnungen mit dem Tatmittel Feuer erzeugt. Wohnräumlichkeiten im Sinne von § 306a Abs. 1 Nr. 1 sind alle abgeschlossenen räumlichen Einheiten, die mindestens einem Menschen tatsächlich als Lebensmittelpunkt dienen. Hierzu müssen sie sich zum Aufenthalt von wenigstens zwei Personen eignen und mehr als nur eine Bewegungsart erlauben. Zusätzlich zum Eigentum schützt § 244 Abs. 1 Nr. 3 die Rechtsgüter der häuslichen Privatsphäre und der körperlichen Unversehrtheit vor abstrakter Gefährdung. Die Entstehung häuslicher Privatsphäre setzt das Bestehen einer Geheimnissphäre, des auf eine Raumeinheit bezogenen Sicherheitsvertrauens und von unmittelbaren Alleinbesitz an der Raumeinheit voraus. Häusliche Privatsphäre vollzieht sich in den Prozessen der individuellen Selbstentfaltung und Selbstentlastung, der Sozialisation im Familienverband, der ungestörten Aufnahme von privat-intimen Kontakten zu Personen der Außenwelt und der ungestörten Kommunikation. Der Vollzug dieser Prozesse wird durch die Verletzung bzw. Beeinträchtigung der genannten Voraussetzungen abstrakt gefährdet. Die abstrakte Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit entsteht durch die Unberechenbarkeit der Aufenthaltssituation in der Wohnung, die zur Folge hat, daß das Ausbleiben einer konkret gefährlichen, direkten Täter-Opfer-Konfrontation nur noch vom Zufall abhängt.

Ergebnisse zu den strafrechtlichen Wohnungsbegriffen

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Somit ist der Wohnungsbegriff in § 244 Abs. 1 Nr. 3 wie folgt zu bestimmen: Wohnung im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 3 ist ausschließlich eine baulich oder quasibaulich abgeschlossene Raumeinheit, die dauerhaft und nicht nur einmalig und vorübergehend als Unterkunft genutzt wird und die im Alleinbesitz der sie nutzenden Personen steht, so daß anzunehmen ist, daß sich in dieser Raumeinheit typischerweise die Prozesse der häuslichen Privatsphäre vollziehen und sie so zum Mittelpunkt des privaten Lebens wird.

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Biedermeier 26, 77 Brandstiftung 254 Büroräume 93 Burgfriedensbruch 78 Campingbusse 282 Campingwagen 90, 98, 100, 315 Clubräume 102 Constitutio Criminalis Carolina 35, 66 crimina 39 Daseinsvorsorge 25 Dauerwohnrecht 182 delictum 40 Diebstahl mit Waffen 279, 313 Direktoratsverfassung 82 domus 45 doppelte ultima-ratio-Klausel 134 Durchsuchung 106, 132 – bei Art. 8 EMRK 121 – bei Gefahr im Verzug 107 – in der Zwangsvollstreckung 106 Ehre 218 Eigenheimförderung 31 Eigentum 177, 196, 278 – als durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschütztes Rechtsgut 309 Einbrechen 286, 300 Einbruchsdiebstahl – in der CCC 67 – in der Doktrin des gemeinen Rechts 68 – in der späten Doktrin des gemeinen Rechts 71 Eindringen 244 Einsteigen 286, 300 Entwidmung 265 Erbbaurecht 180, 196 Erstes Strafrechtsreformgesetz 278

342

Sachwortverzeichnis

Erwerbsarbeit und Wohnen 24 Europäische Grundrechtecharta 129 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 119 Fabrikhallen 92 Fall Niemitz 120 Familienfrieden 52 Familienwohnung 192 Ferienhäuser 170 Ferienwohnungen 155, 181, 249, 263, 319 Filtering Theorie des Wohnungsmarktes 31 Flur 251 Flurtoiletten 215 Freiheit – als Rechtsgut des § 123 223 ganzes Haus 23, 24 Garage 98, 215, 251, 282, 322 Gartenhaus 251, 322 Gaststätten 92, 93 gefährlicher Diebstahl 74 Geldstrafe 271 gemeinschaftsrechtliches Wohnungsgrundrecht 193 geringwertige Sachen 271 Geringwertigkeitsklausel 277 Geschäftsherr 102 Gesundheit als Rechtsgut des § 306a Abs. 1 Nr. 1 256 gewaltsamer Diebstahl 73 großer Lauschangriff 107 – Verfassungsmäßigkeit 110 Großfamilie 26 Grundrechtecharta der Europäischen Union 122 häusliche Privatsphäre 284, 291, 298 – Legitimationskraft 303 Hausarbeit 26 Hausbesetzer 102 Hausehre 53 Hausfrieden 23, 42, 50, 51, 64 – als Rechtsgut des § 123 219 – Entstehung des 51 – Territorium des 57

Hausfriedensbruch 43, 213, 215, 217, 219, 221, 223, 225, 227, 229, 231, 233, 235, 237, 239, 241, 243, 245, 247, 249, 251, 253 – in der CCC 69 – in der Doktrin des späten gemeinen Rechts 75 Haushaltsführung 197, 200 Haushaltsmitglieder 26 Hausrecht 39, 42, 62 – als Anspruch auf räumliche Distanz 221 – als Rechtsgut des § 123 220, 231 Haussuchung 38, 39, 63 Haustür 288 Heimsuche 58, 70 Hofräume 216 Hotels 181 Hotelzimmer 90, 98, 101, 155, 215, 248, 249, 263, 265, 275, 282, 317 Inbrandsetzen 257 Industrialisierung 26, 30, 32 iniuria 40, 41 inquilinus 37, 38 Interessentheorie 233 Intimität 26, 60, 77, 207 Intimsphäre 273, 279, 287, 292 – als Teil-Rechtsgut des § 123 233 Justizvollzugsanstalten 91 Kantinen 93 Kauf bricht Miete 37 Kaufhäuser 92, 93 Keller 98, 215, 250 Kellerverschlag 321 körperliche Unversehrtheit 79, 279 – als durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschütztes Rechtsgut 305 komparative Begriffsmerkmale 174, 205 komparative Unterbegriffe 174, 203 Kraftfahrzeug 90, 247 Krankenhaus 315 Krankenhauszimmer 98 Kündigungsschutz 36

Sachwortverzeichnis Lagerhallen 92 Leben 79 – als Rechtsgut des § 306a Abs. 1 Nr. 1 256 leerstehender Wohnraum 215 Leistungs- und Teilhaberechte 125, 199 – in der Europäischen Sozialcharta 127 – Landesverfassungsrecht 126 – § 7 SGB I 126 lex Cornelia de iniuriis 40 lex Iulia de vi 47 locatio conductio 36 Mannheiligkeit 54 Massenunterkünfte 156 Menschenwürde 292 Mietpreisbindung 161 Mietpreisschutz 185 Milieuschutz 156 Mischnutzungen 267 mittelbarer Besitzer 102 Mobilheime 315, 319 modernes Wohnen 22, 23, 32, 198 Nebenräume 90, 98, 215, 249, 275, 320 Nießbrauch 182 objektive Begriffsmerkmale 198 öffentliche Sicherheit 79 öffentliche Ordnung 217 offene Zubehörflächen 251 operationale Begriffsmerkmale 174, 175, 205 Paulskirchenverfassung 81 Persönlichkeitsentfaltung 296 Pflegeheime 181 Philosophie des Wohnens 32 physisch gesicherte Territorialität – als Rechtsgut des § 123 237 Pönalisierungspflicht 103 Polizeirecht 148 Preußisches Allgemeines Landrecht 73 Preußisches StGB 75 Prinzipatszeit 36 Privatheit 26 Privatsphäre 60, 292 – als durch § 244 Abs. 1 Nr. 2 geschütztes Rechtsgut 296 – als Rechtsgut des § 123 220

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Privatsphärenschutz – im Strafrecht 298 Privatstrafrecht 40 quaestio lance et licio 38 räumliche Privatsphäre 85, 86, 192 – als durch § 244 Abs. 1 Nr. 3 geschütztes Rechtsgut 295 Reality-TV 293 Rechtsgüterschutz 212 Rechtsgut – des § 123 217 – des § 123 – differenzierende Betrachtungen 224 – des § 244 Abs. 1 Nr. 3 291 – des § 306a Abs. 1 Nr. 1 256 Rechtsgutsbegriff – strukturell-funktionaler 225 Regelbeispiel 270 reines Wohngebiet 156 Reisebusse 90 Relativität der Rechtsbegriffe 84, 191, 276 Rezeption 35, 66 Römisches Recht 35 Rollentheorie 95 Schäferkarren 261, 316 Schlafwagenabteile 90 Sechstes Strafrechtsreformgesetz 254, 270, 281 sozialer Wohnungsbau 161 Sozialräume 93 Sozialrecht 196 Sozialschadensbegriff 228 Sozialstaatsprinzip 170 Speicher 98 Speicherraum 321 Sphärentheorie 87 Steuerrecht 172 Strandkörbe 98 Studentenunterkünfte 249 Täter-Opfer-Konfrontation 307 Talion 41 Tatobjekte – des § 123 als Verkörperung differenzierter Rechtsgüter 233

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Sachwortverzeichnis

technische Wohnraumüberwachung 133 technische Wohnraumüberwachung in der StPO – Verfassungsrechtliche Bedenken 134 – Benachrichtigungspflicht 135 – zeugnisverweigerungsberechtigte Personen 137 – zu präventiven Zwecken 108, 149 – zu repressiven Zwecken 108 teleologische Reduktion 282 Telephonzellen 98 Territorialbesitz 276 Theorie der sozialen Anerkennung 95 Treppenhaus 251, 321 Typus 189 Typusbegriff 174, 175, 189, 203 Unverletzlichkeit der Wohnung 80, 85 – sonstige Eingriffe und Beschränkungen 115 V-Leute 109 Veräußerung bricht nicht Miete 187 verdeckter Ermittler 109, 139, 150 Vereinshäuser 102 Verstädterung 32 Versuch 271 Vorgärten 216 Vormärz 81 Waschküche 251 Weimarer Reichsverfassung 81 Wohnbedürfnisse 206 – und Bauordnungsrecht 160 – und Bauplanungsrecht 153, 157 – und Baurecht 209 – und privatrechtliche Ausschlußbefugnisse 209 – und Wohngeldrecht 171 – und Wohnungsbauförderung 166 – und Wohnungsgrundrecht 207 Wohngeld 31 Wohngeldgesetz 167 Wohngeldrecht 166, 199 Wohnheime 181 Wohnraummiete 184 Wohnraummietrecht 200 Wohnungsbauförderungsrecht 160, 195

Wohnungsbegriff 124, 133 – bei dem gemeinschaftsrechtlichen Wohnungsgrundrecht 124 – Grammatische Bedeutung des 33 – im 18. und 19. Jahrhundert 79 – im Bauordnungsrecht 159 – im Bauplanungsrecht 154, 157 – im Steuerrecht 173, 202 – im Wohngeldrecht 169 – im Wohnraummietrecht 186 – im Wohnungseigentumsrecht 179 – im Wohungsbauförderungsrecht 163 – im Zivilrecht 196 – in Allgemeininteressen verfolgenden Normen der Daseinsvorsorge 195 – in Art. 8 EMRK 119 – in Art. 13 GG 86, 88, 99 – in Art. 75 Abs. 1 Nr. 18 GG 116 – in Individualinteressen schützenden, sozialrechtlichen Normen 199 – in § 123 214, 245 – in § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO 138, 147 – in § 243 Abs. 1 Nr. 1 273 – in § 244 Abs. 1 Nr. 3 314, 324 – in § 306a Abs. 1 Nr. 1 260 – in §§ 102, 104 StPO 133 – Systematisierung 191 – zum Schutz der territoriumsbezogenen Persönlichkeitsentfaltung 192 Wohnungseigentum 178 Wohnungseigentumsrecht 196 Wohnungseinbruchsdiebstahl 270 Wohnungsfrage 30 Wohnungsknappheit 30 Wohnungslosenasyl 91 Wohnungsmarkt 28 Wohnungsmieter 37 Wohnungsnot 30, 36 Wohnungspolitik 31 Wohnungsrecht 183 Wohnwagen 320 Zelte 90, 100, 282, 316, 320 Zubehörflächen 216, 275, 322 Zweitwohnungen 155, 215, 249