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German Pages 426 Year 1993
/UR SACH
Themen | parlkameniarscher Beratung Die Weftbewerbsfähigkelf
der deutschen informafions- und kommunikafionstechnischen Indusfne Öffentliche Anhörung der Ausschüsse
für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschäfzung, für Wirtschaft und für Post und Telekommunikation
A/YS
Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
informations-
kommunikationstechnischen
und
Industrie
Öffentliche Anhörung der Ausschüsse für Forschung,
Technologie
und Technikfolgenabschätzung,
für Wirtschaft und für Post und Telekommunikation
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Die Wettbewerbsfähigkeit
der deutschen
Informations-
und
kom-
munikationstechnischen Industrie: öffentliche Anhörung der Ausschüsse für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung, für Wirtschaft und für Post- und Telekomunikation / [Hrsg.: Deutscher Bundestag, Referat Öffentlichkeitsarbeitl. — Bonn: Dt. Bundestag, Referat Öffentlichkeitsarbeit, 1993 (Zur Sache;
93,4)
ISBN 3-924521-84-0 NE: Deutschland / Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung;
GT
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Referat Öffentlichkeitsarbeit Bonn
1993
Gesamtherstellung: Bonner
Universitäts-Buchdruckerei
Inhalt Seite VOFWOFE
.uaneeennansssanseeseeeneennnenpnnnensnnnnnpnnnnenneeeennonenenntnenttntsnsnssnsnännnnsnsssrssansnnsennnnn
7
Zusammenfassung der Ergebnisse der Anhörung zum Thema „Wettbewerbsfähigkeit der deutschen informations- und kommunikationstechnischen Industrie‘ - Auswertung von Änhörungsunterlagen — ...........eeneeneeeeeenennnennensen nennen 11 Stenographisches Protokoll der 25. Sitzung des Ausschusses für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung und der 34. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft
und der 24. Sitzung des Ausschusses für Post und Telekommunikation am 21. September 1992................unssessssssssrenennenene nennen
Schriftliche Stellungnahmen
der Sachverständigen
.........nureessesennneeenn
31
155
Vorwort Unsere Volkswirtschaft hat über Jahrzehnte eine außerordentliche wirtschaftliche und technologische Leistungsfähigkeit auf dem Weltmarkt gezeigt. Zur Sicherung unserer Zukunft sind aber besondere Anstrengungen bei der Entwicklung von Schlüsseltechnologien und ihrer breiten und rechtzeitigen Anwendung in Verfahren und Produkten erforderlich. Denn gerade bei technologieintensiven Gütern zeigt unsere Volkswirtschaft Schwächen. Dabei spielen die Informationstechniken eine Schlüsselrolle, stärker noch als Bio- und Gentechnologie oder neue Werkstoffe. In unserer Gesell-
schaft verdoppelt sich das Wissen alle 5-6 Jahre. Wir alle werden immer abhängiger von Informationen
’ und | benötigen
immer
komplexere und effektivere Werkzeuge und Software zur Sammlung, Speicherung und Verarbeitung von Informationen. Die informationstechnische Industrie wird in Deutschland schon in den 90er Jahren wichtiger als die Automobilindustrie sein. Die Produkte der informationstechnischen Industrie werden für weite Bereiche un-
serer Volkswirtschaft, insbesondere für den Maschinenbau, den Fahrzeugbau, den
Anlagenbau, aber auch die Chemie immer wichtiger. Die Entwicklung tensiv. Sie stützt Forschungs- und derten Instituten
der Informations- und Kommunikationstechniken ist forschungsinsich auf eine breite wissenschaftlich-technische Infrastruktur mit Entwicklungsabteilungen von Unternehmen und öffentlich geförder Grundlagenforschung, der angewandten Forschung und des
Technologietransfers. Jede zehnte Mark aus dem Haushalt des Bundesministeriums für Forschung und Technologie ist für die Informationstechniken bestimmt.
Zunehmende Weltmarktkonkurrenz und Strukturkrisen wichtiger Wirtschaftszweige in Deutschland erhöhen den Druck auf Innovationen als Basis für höhere Wertschöpfung und beschleunigen damit auch den Prozeß der Entwicklung und Anwen-
dung der Informationstechniken. Es stellt sich immer dramatischer die Frage, ob und inwieweit Deutschland Standort einer eigenständigen informationstechnischen Industrie bleiben wird. Die Diskussion darüber wurde gerade im politischen Raum durch Bemühungen, auch in Zukunft Produktion von 16 Megabit- und 64 Megabit-Speicherchips unter Beteiligung deutscher Unternehmen
in Deutschland si-
cherzustellen, angefacht und trug mit zum Beschluß des Bundestagsausschusses für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung zur Durchführung der hier dokumentierten Anhörung bei.
Der Bundestagsausschuß für Forschung und Technologie hat sich seit Anfang der 80er Jahre wiederholt in Anhörungen mit der wirtschaftlichen Bedeutung, aber 7
auch mit den gesellschaftlichen Auswirkungen der Informationstechniken auseinandergesetzt. Der Staat spielt durch seine Forschungs- und Technologie-Förderung eine wichtige Rolle im Prozeß der Technikentwicklung. Dazu hilft der Staat seit längerem durch Förderprogramme bei der schnellen Anwendung von Schlüsseltechnologien in der Breite unserer Volkswirtschaft, insbesondere in kleinen und
mittleren Unternehmen.
Für den Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung ging es bei der öffentlichen Anhörung zur Wettbewerbssituation der informationstechnischen Industrie zum einen um eine Bestandsaufnahme der Wettbewerbssituation einer Branche, die von zentraler volkswirtschaftlicher Bedeutung ist und einem immer stärkeren globalen Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist. Zugleich verstärkt sich aber angesichts der Kosten für die Technikentwicklung auch der Druck
zu globaler Zusammenarbeit mit Unternehmen anderer Länder. Diese Bestandsaufnahme ist für Entscheidungen des Parlaments über Ziele, Umfang
und Prioritä-
ten bei weiterer Förderung der Informationstechniken aus dem Bundeshaushalt erforderlich. Angesichts zunehmender Anstrengungen in den USA und einer langen Tradition in Japan wird auch in Deutschland immer stärker die Frage nach einer innovationsorientierten Industrie- und Technologiepolitik auf der Basis einer engen Abstim-
mung zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft aufgeworfen. Gerade bei der Entwicklung der Informationstechniken sind in Japan neue Formen der Kooperation zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft praktiziert worden. Es ist deshalb verständlich, daß gerade von seiten der deutschen informationstechnischen
Industrie und von seiten führender Wissenschaftler Vorschläge für ein vom Staat
moderiertes Zusammenwirken von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaf-
ten und anderen gesellschaftlichen Gruppen auf dem Gebiet der Informationstechnik unterbreitet werden. Im gemeinsamen Dialog soll es um die Entwicklung innovativer Rahmenbedingungen für die Informationstechniken und andere Schlüsseltechnologien am Standort Deutschland gehen. Mit dieser Anhörung hat das Parlament auch diese Debatte aufgenommen und so am Beispiel der informationstechnischen Industrie einen Beitrag zur Diskussion über eine innovationsorientier-
te Standortpolitik in Deutschland geleistet.
Wr
H.
Wolf-Michael
os Catenhusen
Vorsitzender des Ausschusses für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung der Deutschen
Bundestages
Liste der Sachverständigen zur Anhörung ‚Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und kommunikationstechnischen Industrie‘
informations-
am 21.9.1992 Dr. Hans Baur, Siemens AG, München Dr. Michael Endres, Deutsche Bank AG Horst Gellert, Telekom, Bonn Herbert Kircher, IBM Deutschland GmbH,
Dr. Henning
Klodt,
Weltwirtschaftsinstitut,
Stuttgart
Kiel
Ulrich Klotz, IG Metall, Frankfurt Dr. Carsten
BDI, Köln
Dr. Berthold
VDMA, Prof.
Kreklau,
Leibinger
Frankfurt
Dr.
Frieder
Meyer-Krahmer,
Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung, Karlsruhe
Dr. Klaus Neugebauer, Fa. Softlab, München
Filippo Maria Pandolfi, EG-Kommission,
Brüssel
Prof. Dr. Hans-Joachim Queisser, Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, Stuttgart Dr. Konrad Seitz, Deutsche Botschaft,
Rom
Prof. Dr.-Ing. Hans-Jürgen
Warnecke,
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik
und Automatisierung,
Stuttgart
Dr. Johann Welsch, DGB, Düsseldorf
Prof. Dr.-Ing. Hartmut Weule, Daimler-Benz AG,
Stuttgart
Dr. Theo Wichers, Standard Elektrik Lorenz AG,
10
Stuttgart
Zusammenfassung der Ergebnisse der Anhörung zum Thema ‚Wettbewerbsfähigkeit der deutschen informations- und kommunikationstechnischen Industrie‘‘ — Auswertung von Anhörungsunterlagen —") Inhaltsübersicht 1.
2. 2.1
Seite
Anlaß und Vorbereitung der Anhörung.
........ueenensnennnnnnnnnnnnononen nennen
Die wichtigsten Ergebnisse der Anhörung ................uunnsssnnesnunnnnnensnnnnn Eigene Chipherstellung ......essesseesennennsseseennenenenennennnnensssnennennnnsennnnsssssnnn
2.2 Wettbewerbsverzerrungen. 2.3
Forschungs-
2.7
Empfehlungen
und
......uzu2ssssssenneenereneneeenneneneennennensnnnnnnnnannnnssssnnnnen
Industriepolitik
...................222440nsnnnennnnnnennnennnnsnsennnnnnnn
2.4 Förderung von Forschung und Ausbildung. ..........eerenennenennnnansennennen 2.5 Software ..........unuuesssssssnnsnnennnnnnonnnnnnennennnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnensnononeponennenne nn 2.6 Mensch-Maschine-Schnititstelle .............uunnseeseressennnnnnnnnennnerennennnn nn und
Konsequenzen
.......uuneereneennnnnnnnennunetnenennsnennnnnenen mann
11
13 13
16
17
22 23 25 26
1. Anlaß und Vorbereitung der Anhörung Im Zusammenhang
mit der Erörterung eines Entwurfs für das Förderkonzept ‚‚In-
formationstechnik 1993 bis 1996‘ des Bundesministers für Forschung und Technologie faßte der Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages am 29. April 1992 den Beschluß, eine An-
hörung zur ‚„Wettbewerbsfähigkeit der deutschen informations- und kommunikationstechnischen Industrie‘ durchzuführen. Der Ausschuß für Wirtschaft und der Ausschuß für Post und Telekommunikation des Bundestages wurden sich an dieser Anhörung zu beteiligen.
eingeladen,
Zu diesem Zeitpunkt wurde in der Öffentlichkeit besonders intensiv über die Bedeutung und Notwendigkeit einer eigenständigen deutschen oder zumindest europäischen Herstellerindustrie für höchstintegrierte Schaltkreise diskutiert. In Frage stand die Zukunft des Industriestandorts Deutschland in seiner Abhängigkeit von dieser Schlüsseltechnologie.
Die Firmen Siemens und IBM, die bereits eine gemeinsame Fertigung des 16-Megabit(Mb)-Speicherchips und eine gemeinsame Entwicklung des 64-Mb-
Speicherchips vereinbart hatten, untersuchten die Möglichkeiten, auch bei der Fertigung des 64-Mb-Speicherchips zusammenzuarbeiten. Als Standort für eine ge-
meinsame Fabrik waren Sindelfingen (IBM), Dresden oder auch Regensburg (Sie1) Kapitel 1 wurde im Sekretariat des Ausschusses für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung und Kapitel 2 im Fachbereich VIII des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages erstellt. 11
mens) im Gespräch. Wegen
der enorm hohen Kosten (ca. 2 Mrd. DM), des großen
wirtschaftlichen Risikos und der wirtschaftspolitischen Bedeutung einer solchen Fertigungsstätte in Deutschland erwarteten die Firmen staatliche Fördermittel in beträchtlicher Größenordnung. Weiterhin spielten Überlegungen zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze und zur Weiternutzung von Infrastrukturen an bestehenden Produktionsstandorten eine Rolle. Unabhängig von der begrenzten Bereit-
schaft der öffentlichen Hand gab es auch Widerspruch gegen besondere industriepolitische Maßnahmen für die Errichtung und den Betrieb einer Fabrik für mikroelektronische Bausteine.
Befürworter einer deutschen Fertigungsstätte für Speicherchips der neuen Generation erklärten, die Erfahrung bei der Fertigung von Speicherchips sei notwendige Voraussetzung für die Fähigkeit, moderne anwendungsspezifische Chips, sogenannte ASICs, herstellen zu können. Dies wurde allerdings von anderer Seite be-
stritten. Dagegen war unstrittig, daß die Verfügbarkeit bzw. vertrauensvolle Zusam-
menarbeit zwischen Herstellern und Anwendern der ASICs entscheidend für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit so wichtiger deutscher Industriebranchen wie Maschinen- und Fahrzeugbau ist.
Nachdem die beteiligten Ausschüsse Einvernehmen über die einzuladenden Sach-
verständigen erzielt hatten, wurde diesen Sachverständigen
mit dem
Einladungs-
schreiben zur Anhörung ein Fragenkatalog mit der Bitte übersandt, diesen schriftlich vorab zu beantworten. In der mündlichen Anhörung sollten die festgestellten
kontroversen Aussagen der Sachverständigen mit den Ausschußmitgliedern noch einmal diskutiert werden. So blieb beispielsweise die Behauptung umstritten, daß eine Fertigungserfahrung bei Speicherchips eine notwendige Voraussetzung für
die Produktion von ASICs sei.
In dem Zeitraum zwischen der Einladung und dem Termin der Anhörung veröffentlichte die Firma Siemens ihren Beschluß, auf eine Kooperation mit IBM zur Produktion von 64-Mb-Speicherchips verzichten zu wollen. Siemens hatte beschlossen, eine ihrer bereits bestehenden Produktionsstätten für integrierte Schaltkreise in
Regensburg, Essonnes oder auch Villach zu nutzen, um dort ggf. die neue Genera-
tion von Speicherchips zu bauen.
Der Vertreter der Firma Siemens zeigte sich bei der Anhörung zuversichtlich, daß das Know-how aus der Entwicklung einer modernen Speichertechnologie direkt in
die Fertigung von
modernen
ASICs
übertragen
werden
könnte. Trotzdem
wurde
über diese Frage in der Anhörung noch einmal ausgiebig und kontrovers diskutiert.
Für die Entwicklung von 256-Mb-Speicherchips hatte eine Kooperation mit IBM und Toshiba vereinbart.
Siemens
zwischenzeitlich
Weitere Diskussionsschwerpunkte der Anhörung waren die Bedeutung der Softwareentwicklung
und
-produktion,
die besondere
Wettbewerbssituation
im Bereich
der kommunikationstechnischen Industrie und die Erwartung der betroffenen und interessierten Kreise an die Forschungs- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. 12
2. Die wichtigsten Ergebnisse der Anhörung Aus den vorab eingereichten Stellungnahmen der Sachverständigen und Institutionen sowie den mündlichen Ausführungen während der eintägigen Anhörung sind die Schwerpunkte der Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
informations- und kommunikationstechnischen Industrie? zu entnehmen. Die Stel-
lungnahmen geben.
werden
nachfolgend
systematisiert und zusammengefaßt
wiederge-
2.1 Eigene Chipherstellung Zu Beginn der Anhörung äußerten sich die Sachverständigen dezidiert zu der Frage, ob eine deutsche oder europäische Speicherchip-Herstellung im Hinblick auf
die zukünftige Entwicklung in der IuK-Technik notwendig ist. Die Auffassungen dazu waren
unterschiedlich.
Der Sv Dr. Queisser vertrat die Meinung, man brauche eigentlich eine eigene Chipfertigung. Dies werde uns aber durch eine Vielzahl von Ansiedlungen ausländischer
Firmen
in Europa abgenommen.
Die Möglichkeiten,
selbst noch zu han-
deln, seien in den letzten anderthalb Jahren wesentlich geringer geworden. Für die großen Hersteller habe es sich gelohnt, zunächst mit einer Speicherfertigung ‚‚die Lernkurve zu durchfahren‘‘, um dann anwendungsspezifische Schaltkreise herzustellen. Derjenige, der eine große Speicherfertigung habe, würde immer den größeren Vorteil haben. Deshalb sei Toshiba einer der drei besonders Starken und Be-
günstigten in der Dreiergruppe Toshiba, IBM und Siemens. Wenn es keine großen Speicherfabriken europäischer Herkunft gebe, würde es außerordentlich schwierig werden. Es werde wahrscheinlich bedeuten, daß es einer besonderen Förderung einer nicht durch Speicherlernen begünstigten Gruppe bedürfe. Der Grund für die Beteiligung von Siemens (an der 256 Mb-Speicherchips-Entwicklung mit Toshiba
und IBM) sei, sich ‚‚den eigenen Bedarf anzueignen‘ und die eigene Telekom-Industrie zu schützen. Möglicherweise würde aber der größere der drei Partner, Toshiba, profitieren. Der europäische Handlungsspielraum sei durch die ganz massive
Ansiedlung von Japanern und Koreanern in Großbritannien sehr stark eingeengt.
Dem Sv Seitz schien, daß die gesamte deutsche informationstechnische Industrie
akut gefährdet sei. Siemens versuche durch Beteiligung beim 64-Mb-Chip mit IBM, beim 256-Mb-Chip mit IBM und Toshiba zusammen sich die Kompetenz anzueignen, um später allein anwendungsspezifische Chips herzustellen. Dies sei fraglich.
Falls die Franzosen SGS-Thompson nicht unterstützen, frage er sich, ob die Entscheidung, keinen europäischen und deutschen Chip-Hersteller mehr zu haben,
„eine ganz, ganz gefährliche Geschichte ist‘.
2) Die IuK-Technik umfaßt im wesentlichen die Sektoren Mikroelektronik, Informationsverarbeitung, Telekommunikation, Unterhaltungselektronik und Automatisierungstechnik (Schriftliche Stellungnahme
des ZVEI).
13
Abweichende Auffassungen vertraten die Sv Dr. Meyer-Krahmer und Dr. Klodt. Dr. Meyer-Krahmer argumentierte, es sei sicher, daß eine eigene Speicherproduk-
tion Synergieeffekte ermöglichen würde. Die Industrie trage aber die Verantwortung dafür, ob man eine Produktion einrichte oder nicht. Die Stärken der Bundesrepublik lägen heute nicht in der Speichertechnologie, sondern in anderen Berei-
chen: Maschinenbau, Chemie, Automobilbau. Man solle sich ‚‚sehr viel stärker auf
den Ausbau, die Stabilisierung und das langfristige Potential unserer vorhandenen Stärken orientieren‘. Hier spiele IuK in der Tat eine große Rolle. Die Industrie müsse einen „inneren Strukturwandel‘ vollziehen und sich stärker auf die Anwendung konzentrieren und nicht auf Bereiche, in denen Deutschland extreme Schwächen
aufweise und die die Ressourcen massiv binden würden. Die Chemie habe im Verhältnis zur IuK-Industrie eine viel stärkere Stellung. Sie sei ein viel wichtigeres Thema als die massive
Bündelung von öffentlichen Ressourcen
auf die Speicherpro-
duktion. In der Forschungspolitik müßten Schwerpunkte gesetzt werden. Der Bereich Telekommunikation stände im Bezug auf Investitionsaktivität und Außenhandel nicht so schlecht da. Bei Siemens habe sich nach Angaben des Sv Dr. Klodt im Mai 1992 die Überzeu-
gung durchgesetzt, daß man auf deutschem Boden nicht unbedingt eine Speicher-
fabrik brauche, um im ASICs®-Bereich wettbewerbsfähig zu sein. Im Speicherbereich herrsche ein sehr harter Wettbewerb, wo für deutsche Firmen nicht sehr viel Geld zu verdienen sei. Dr. Klodt sieht eine Blockbildung zwischen USA und Japan in der Triade USA, Japan, Europa. In einem weiteren Beitrag war der Sv Dr. Queisser der Meinung, die zwingende Notwendigkeit, große Speicherfabriken zu betreiben, nehme in der letzten Zeit eher etwas ab. Zu den kritischen Anmerkungen des Sv Dr. Klodt zum JESSIProgramm?) entgegnete Dr. Queisser, daß in der Tat JESSI seine Ziele zurücknehmen
müsse. JESSI
müsse sich darauf konzentrieren, den Anwendern
Telekom
hält zwar nach Angaben
von Mi-
kroelektronik eine gewisse Hilfe in der Normung, in der gemeinsamen Zusammenarbeit und im Nutzen moderner Speicher anzubieten. Die Situation für JESSI sei härter und schwieriger geworden. des Sv Gellert eine europäische Chipfertigung
für wünschenswert, aber nicht für zwingend erforderlich. Die Bedürfnisse der Telekom würden mehr und mehr durch spezifische Strukturen - Stichwort: ASICs oder durch die Software-Technologie abgedeckt werden. Falls eine europäische Chipfertigung nicht möglich sei, gehe Telekom davon aus, daß diese Produkte weltweit zu Preisen und in Zeiten beziehbar seien, die für die Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit ausreichend sind. Auf der Softwareseite sehe dies anders aus,
3) ASICs: Application Specific Integrated Circuits (Anwendungsspezifische, integrierte Schaltungen). 4) JESSI: Joint European, Submicron Silicon; größtes EUREKA-Projekt, das vom Bundesminister für Forschung und Technologie unterstützt wird. 14
weil dort spezifische Anforderungen vorlägen. Hier müsse Telekom Unabhängigkeit auf dem Weltmarkt erlangen.
eine gewisse
Nach Auffassung des Sv Dr. Baur ist ohne das Know-how der Halbleitertechnik keine moderne Technik zu entwickeln. Man brauche unter allen Umständen den ungestörten Zugriff auf moderne Halbleitertechnik. Bei der Entscheidung der Fa. Siemens, mit Toshiba und IBM zusammenzuarbeiten, sei eine einzige Sache genannt worden, nämlich keine weiteren Speicherfertigungsstätten zu bauen. Siemens habe Mühe, die Fertigungen in Regensburg (Speicherchips), in Villach (ASICs und andere Halbleitertechnik) und in Essonnes (Speicherchips) zu füllen, d.h. man habe genügend Speicherfertigungsmöglichkeiten und die Kapazität, um die Halbleiter, die Siemens für seine Kunden und sich selbst brauche, herstellen
zu können.
Ein weiterer wichtiger Punkt sei: die Entwicklung einer Produktionsstätte, in der 64-Mb-Speicher oder auch sehr moderne Halbleiter-ASICs hergestellt werden können, koste ungefähr anderthalb Milliarden Dollar. Bei einem Umsatz von 2 Mrd. könnten keine anderthalb Mrd. Dollar für die Entwicklung ausgegeben werden.
Deshalb sei eine Kooperation für die Entwicklung gesucht worden. Siemens habe eine Kooperation für die 16-Mb- und die 64-Mb-Chips mit IBM geschlossen und die-
se ausgedehnt auf die 256-Mb-Chips zusammen mit Toshiba. Damit bestehe voller
Zugang zu den 256-Mb-Speichern, zu der modernsten Technologie.
Es sei sicher-
gestellt, daß ‚wir von den Forschungsausgaben nicht aufgefressen werden‘. Man
befinde sich in der luK-Technik in einem ‚Volumengeschäft‘, die Entwicklungsauf-
wendungen
seien schon astronomisch, die ein kleiner Markt nicht tragen könne.
Der Sv Dr. Weule war der Auffassung, daß derzeit eine breite Anwendung von ASICs erforderlich sei. Es gehe darum, ‚unser breites Systemwissen zu nutzen‘. Zur Speichertechnologie bemerkte er, daß Daimler-Benz nie auf die Idee gekom-
men sei, Speicher zu entwickeln. Die Orientierung wäre immer in die Richtung an-
wendungsspezifischer Schaltungen gegangen. Das Problem sei, daß derzeit die benötigten Strukturarbeiten im Silizium von 1,2 um auf 0,8 um (herunter)gingen. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre sehe die Herausforderung so aus, Strukturen für anwendungsspezifische ASICs zu entwickeln, die Leiterbreiten von 0,3 um hätten. Da Daimler-Benz solche Technologien nicht allein entwickeln könne, frage man
sich, wie man sich die Aufwendungen teilen könne. Noch wichtiger seien die Infra-
strukturen,
die Chemikalienhersteller
und die Ausrüstungshersteller.
Dies würde
die Herausforderung für Europa in der 2. Hälfte der 90er Jahre werden.
Auf die Bedeutung der Chips eingehend, führte der Sv Kircher aus, die Diskussion
zu Speicherchips versus ASICs gebe es nur in Deutschland. Für niemand anders sei dies ein Thema. Jedes erfolgreiche Systemhaus im Weltmarkt - ob in der Telekommunikation, in der Datenverarbeitung, in der Unterhaltungselektronik oder in der Industrieelektronik - mache Chips, um in seinem Systemgeschäft erfolgreich zu sein. Die Speicherchips benutze jeder einzelne als Lokomotive. Nur mit einem gigantischen Volumen
könne man sich den ‚„‚irren‘‘ Wettlauf leisten, eine Milliarde
an Entwicklungskosten in eine neue Generation und mehr als eine Milliarde Dollar 15
in eine neue Produktion zu investieren. Man benutze diese Speicherchips, um sich damit alles andere leisten zu können. Europa verstecke sich hinter den ASICs, aber Europa habe keine starke Rolle bei den ASICs. Kein einziger Europäer sei unter den ersten zehn bei ASICs. Er wisse einfach nicht, wo die europäische Stärke sei. Bei den ASICs sei „das Leben ein bißchen bequemer‘, weil dort der Wettbe-
werb nicht so gnadenlos sei.
Nach Auffassung des Sv Pandolfi wäre es ein großer Fehler, den Sektor „Mikro-
elektronik‘ in Europa aufzugeben. Es sei für die europäische Industrie unmöglich, nur eine
Elektronikindustrie
tionsstätten
haben.
mens-IBM-Denkens‘',
Sv
zu haben.
Pandolfi
Vielmehr
möchte
eine
müsse
man
Ausweitung
auch
des
viele Produk-
„Toshiba-Sie-
2.2 Wettbewerbsverzerrungen
Auf die Frage nach ‚‚unfairen Strategien‘, denen die deutschen Wettbewerber ausgesetzt sind, führte der Sv Dr. Endres aus, daß es im Austausch mit Japan um Rahmenbedingungen,
Spezifikationen,
die Frage der Ausschreibungen.
Normen
Behinderungen
und dergleichen
seien
gehe
sowie
um
‚auf einer ganz breiten
Schicht‘ vorhanden. Was die Industrie bewegen werde, und zwar auch in den fünf großen Schlüsselindustrien, sei der Vorsprung von Japan und USA in der Mikro-
elektronik, in der Computertechnologie und in der Software. Die Frage sei: Kann es sich Deutschland leisten, nur zu sagen: Mit internationalen strategischen Kooperationen
schaffen wir den Ausgleich?
Dazu äußerte sich auch der Sv Dr. Baur. Überall in Europa müßten ‚‚wettbewerbs-
neutrale‘ Verfahren eingeführt werden, Wettbewerbsverzerrungen müßten aufgehoben werden.
Aber dann
läge das Problem.
müßte der eine oder andere aus dem
Markt gehen, da
Der Sv Dr. Wichers ist der Auffassung, daß der Begriff „vertikale Integration‘‘® als Schlüsselbegriff der Wettbewerbsverzerrungen für deutsche Telekommunikationsanbieter anzusehen ist. Die nordamerikanischen und japanischen Verhältnisse seien mit ihrer Vertikalintegration von Nachteil für die deutsche Telekommunikationstechnik. Ein weiteres Beispiel auf diesem Gebiet sei die sog. Sektorenrichtlinie der EG.® Die Beschaffungsrichtlinien von solchen gigantischen Einkäufern wie dem deutschen Netzbetreiber Telekom würden dieser Richtlinie mit internationaler Ausschreibung unterliegen. Deutschland habe diese Richtlinie umgesetzt, 5)
6)
16
Vertikale Integration bedeutet, daß Hersteller von Kommunikationssystemen und Netzbetreiber eng verflochten sind. Ein Beispiel dafür ist das amerikanische Unternehmen AT & T, das gleichzeitig größter Netzbetreiber und einer der großen Hersteller ist. Vertikale Integration bedeutet auch bessere Abgeltung von Forschungs- und Entwicklungskosten sowie gesicherte und abgestimmte Einführungsstrategien. EG-Richtlinie vom 17.09.1990 betreffend die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationsverkehr (90/531/EWG).
für einige andere EG-Staaten sei eine spätere Überführung in nationales Recht gestattet worden.
Zum Wettbewerb
in Europa bemerkte der Sv Dr. Baur, daß seit dem
1. Juli 1991
die Öffnung des Endgerätemarktes bestehe. Außerdem gebe es die Forderung, man solle 10 % der öffentlichen Technik ausschreiben. Telekom halte das ein, andere Verwaltungen nicht. In Frankreich sei Telekom nicht zu einem Angebot aufgefordert worden, weil Telekom dort nicht fertigt. Umgekehrt dürften französische Firmen hier anbieten. Man habe tatsächlich noch eine sehr starke Wettbewerbsverzerrung in Europa. Amerika sei relativ offen, Japan
dentliche Schwierigkeiten.
mache
nach wie vor außeror-
Zu Japan bemerkte der Sv Kircher, die unfairen Praktiken der Japaner bezögen sich weniger auf Dumpingpreise als auf das Abschotten der Märkte.
Der Sv Pandolfi hob hervor, daß es die Politik der Kommission sei, den fairen Wettbewerb in der Welt zu fördern und Diskriminierungen der europäischen Produktion zu vermeiden. Die europäische Kommission reagiere auf unfaire Marktpraktiken; ein Beispiel sei der Fall der südasiatischen Firmen im Bereich der Halbleiter. Es sei auch äußerst wichtig, ein gewisses Gleichgewicht in der Welt aufrechtzuerhalten, z.B. durch Vereinbarungen im GATT. Dieses Gleichgewicht wolle die EG z.B. im Hinblick auf die Vereinigten Staaten halten. In einem weiteren Beitrag wies der Sv Pandolfi darauf hin, daß die wichtigste Frage sei, wie die EG die Indu-
strie durch
Standardisierung
und
ordnungspolitische
Maßnahmen
unterstützen
könne. Im HDTV-Bereich” wolle die EG der europäischen Industrie im Bereich der Normen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Neben dem europäischen
Standard gebe es noch den japanischen und den zukünftigen amerikanischen. Die EG-Position sei klar, nämlich alle möglichen Vorteile aus dem europäischen Stan-
dard zu ziehen. Man sei in einer Übergangsphase (D2-MAC). Man brauche viel Zusammenarbeit, denn man müsse die Satellitenbetreiber, die Hersteller und die Pro-
grammgestalter an einen Tisch bringen.
Auf eine Frage des Ausschusses nach der europäischen Harmonisierung bei der Endgerätezulassung führte der Sv Pandolfi aus, in Europa müßten gemeinsame ordnungspolitische Regeln für die europäischen Produzenten vorhanden sein, z.B. für den Endgerätemarkt im Bereich der Telekommunikation. Dieselben Regeln müßten auch auf die anderen Produzenten angewendet werden. Ab dem 1. Januar 1993 würden die Marktregeln auch auf die EFTA-Länder zutreffen. 2.3 Forschungs-
und Industriepolitik
Der Sv Dr. Weule
konnte im Bereich der Forschung
werten. Ein Umdenken
bestimmte Dinge positiv be-
müsse aber in bezug auf das durch den Staat zur Verfü-
7) HDTV: High-Definition-Television (hochauflösendes Fernsehen); Vgl. dazu EG-Kommissionsvorschlag für einen Beschluß des Rates über einen Aktionsplan zur Einführung fortgeschrittener Fernsehdienste in Europa; KOM (92) 154 endg. vom 5. Mai 1992. 17
gung gestellte Geld stattfinden. In vielen Ministerien und an vielen Stellen des Staates werde Geld für die Forschung ausgegeben.
Man müsse sich mehr als bis-
her fragen, ob es nötig sei, in bestimmten (Entscheidungs-)Prozessen Leitlinien zu erarbeiten. Bei diesen Leitlinien müsse die Industrie ein wichtiges Wort mitreden. Für den Sv Weule ist die Moderatorfunktion der Politik wichtig und notwendig, weil
sich z.B. in Zeiten knapper
Ressourcen
Unternehmen
und Staat fragten, welche
gemeinsamen Ziele man habe. Für Daimler-Benz gelte, daß eine Industrieforschung zielorientiert sein müsse. Sie müsse sich an den Marktzielen des Unternehmens orientieren. Aufgrund der Tatsache, daß in Deutschland ca. 15 Mrd. DM für die Forschung® ausgegeben würden, müsse sich ein an den Grundlagen orientierter Kollege fragen lassen, ‚was aus den Dingen wird, die er macht‘. Dies gelte nicht für Hochschulen
und Universitäten, aber für große, staatlich finanzierte For-
schungseinrichtungen, z.B. die Max-Planck-Gesellschaft.
Auch der Sv Dr. Leibinger äußerte die Vermutung, daß der Staat einen Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik moderieren solle. Dieser schon geführte Dialog könnte verbessert werden. Der Sv Dr. Klodt äußerte die Meinung, daß ein marktwirtschaftlicher Mechanismus im Rahmen der in Deutschland herrschenden Wirtschaftsordnung besser geeignet
sei, Probleme zu lösen, als staatliche Intervention. Zur Zeit habe man einen relativ ausgeprägten Wettbewerb im Chipmarkt. Bei den Speicherchips gebe es mittler-
weile ein großes Vordringen von koreanischen Anbietern. Bei Mikroprozessoren liege keine dominante Stellung der Japaner vor, vielmehr eine der Amerikaner. Aber zwischen den amerikanischen Unternehmen gebe es eine große Konkurrenz. Die Japaner sorgten hier für zusätzlichen Wettbewerb.
Die Frage, ob Deutschland
aus Wetibewerbsgründen staatliche Interventionen gestalten müßte, sei müßig. Man könne einerseits nicht „‚konservierende Strukturpolitik‘' (Beispiele: Agrarpoli-
tik, Montanindustrie,
Werfthilfepotitik) betreiben
und
sich andererseits
daß der Strukturwandel in der Wirtschaft nicht recht vorankomme.
beklagen,
Der Sv Kircher sprach sich gegen Subventionen und gegen eine Staatsbürokratie
aus. Der Staat müsse das Ganze moderieren. Wie weit die Rolle des Staates gehen
soll, darüber müsse man reden. In Japan gebe es den klaren nationalen Konsens, daß die High-Tech-Industrien für den Wohlstand,
die politische und langfristig so-
gar für die militärische Macht Japans entscheidend seien. In Deutschland gebe es das nicht. Hier kapriziere man sich lieber auf Technikfolgen als darauf, Technik weiter zu treiben. Die Folgenabschätzung sei ziemlich hilflos, wenn man nur die Folgen
desjenigen
abschätze,
der die Entwicklung vorantreibe.
Nach Auffassung des Sv Kircher muß die Industrie in den IuK-Techniken interna-
tionale Allianzen eingehen. Außerdem
8)
18
müsse sie sich mehr auf den Weltmarkt als
Die FuE-Ausgaben des Bundes betrugen 1990 insgesamt 15.149 Mrd DM und 1992 insgesamt 17.969 Mrd DM (vgl. Bundesbericht Forschung 1993).
nur auf den nationalen Markt konzentrieren, wenn der von anderen dominiert würde. Deutschland befinde sich in allen Bereichen von der Mikroelektronik über Datenverarbeitung und Telekommunikation in einern Verdrängungswettbewerb. IBM könne sich die Produktion in Deutschland oder Europa nicht erlauben, weil jeder
Konkurrent IBM-Computer kopieren dürfe, um sie in Korea, Taiwan, Japan oder an-
derswo herzustellen. Sie seien auf dem
Markt mindestens 30 % billiger. Es sei
schwer, der IBM in Amerika klarzumachen, weiterhin Chips in Europa zu produzieren. IBM habe Fabriken in den USA und in Japan und man habe einen sehr deutlichen Kostenvergleich. Auf die Bedrohung
durch
Asien
bzw.
Japan
eingehend,
führte der Sv Dr.
Baur
aus, die Bedrohung durch Asien liege in der Qualität von außerordentlich preiswer-
ten Produkten. Sie stammten
nicht aus Japan, sondern aus Asien. Wenn
es keine
andere Möglichkeit gebe, dann müsse die deutsche Industrie mit der Fertigung nach Asien ausweichen. Auch die Entwicklung von Produkten gehe in Asien we-
sentlich schneller. Die Daumenregel
heiße: Sie seien um den Faktor 2 billiger und
um den Faktor 2 schneller. Letzteres sei entscheidend. ‚time to market‘ sei von
außerordentlich
hoher Bedeutung.
Zu den Marktgesetzen auf dem
luK-Sektor äußerte sich auch der Sv Kircher.
Er-
folgreich würde sein, wer die niedrigsten Kosten einschließlich der Entwicklungskosten und die höchste Geschwindigkeit (‚time to market‘‘) habe, die beste Qualität liefere und die höchste Kompetenz (z.B. Kundennähe) besitze. Es gebe einen Riesenabstand
zwischen
Hardware-
und Softwareentwicklung.
Dies werde eine Rie-
senchance für die Softwareentwicklung sein, aber auch eine gnadenlose Gefahr.
Denn die Produktivität werde dann noch mehr, um den Faktor 10 oder 20, steigen.
Es sei zu hoffen, daß die entsprechenden Aufträge vorlägen. In bezug auf „time
to market‘ habe IBM-Deutschland einen riesigen Kostennachteil. Jedes IBM-Labor
in Amerika entwickele auch billiger als eines in Deutschland. Die Mehrzahl der deutschen Unternehmen werde vermutlich scheitern oder ins Ausland gehen. Der Sv Dr. Leibinger bejahte die Frage des Ausschusses, ob deutsche Unternehmen im asiatischen Raum unterrepräsentiert seien. Japan dominiere in diesen Märkten. Wenn deutsche Unternehmen die Breite ihres Angebots in Japan umset-
zen wollten, dann müsse es zu Allianzen kommen,
und zwar mit den Japanern. Die
Produkte der deutschen Maschinenbauer seien durch die Informationstechnik vollkommen durchdrungen und abhängig von der Ausrüstung mit Mikroelektronik auf dem Niveau des Weltstandards. Sonst wäre der deutsche Maschinenbau international nicht mehr wettbewerbsfähig. Deshalb sei es Aufgabe der Politik, daß der Marktzugang zur Mikroelektronik auf Weltniveau unter allen Umständen offenbleibe. Notwendig
sei es, sich immer
mit dem
Besten versorgen
zu können.
Im Zusammenhang mit der Auslandspräsenz bemerkte der Sv Dr. Leibinger, der deutsche Maschinenbau sei nicht international im Einkauf und in der Produktion. Der Staat müsse die Marktplätze schaffen, auf denen sich der Maschinenbau
be-
wegen könne. Das geplante Industrie- und Handelszentrum in Singapur, das hoffentlich entstehe,
wäre ein solcher Marktplatz.
19
Für den Sv Pandolfi ist es wichtig, eine vorwettbewerbliche Zusammenarbeit zwischen den Industrien in dem Bereich Mikroelektronik zu haben. In Japan glaube man nicht, überall Wettbewerber sein zu müssen. Es gebe auch Bereiche, in denen man zusammenarbeiten solle. Für die Japaner sei es logisch, daß das vor dem
Wettbewerb stattfinde.
In Europa sei es außerordentlich wichtig, eine Zusammenarbeit zwischen den Her-
stellern von Mikroelektronik, z.B. Mikroprozessoren,
und den Anwendern
zu orga-
nisieren. Er begrüße deshalb den Vorschlag von Daimler-Benz an die Kommission,
prioritäre Projekte in der Industrie auszuwählen. Europa brauche einen gemeinsamen Ansatz, um eine europäische Position und auch die deutsche Position zu be-
wahren. Die Initiative der Kommission basiere auf einer gewissen Reorientierung der Politik. Eine Zerstückelung der Ressourcen müsse vermieden werden.
Der Sv Pandolfi sah auf Befragen des Ausschusses in der Definition eines Ge-
samtkonzepts für eine europäische Industriepolitik eines der Hauptziele auch für die Außenbeziehungen der Gemeinschaft. Diese Industriepolitik müsse ganz um-
fassend z.B. mit der Wettbewerbspolitik kombiniert werden. Die Herausforderun-
gen des internationalen Wettbewerbs müßten angenommen werden. Ebenso müsse die EG-Industriepolitik mit der Politik für kleine und mittlere Unternehmen har-
monisiert werden. Bezüglich eines Dialogs zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik sei es wesentlich zu vermeiden, daß einseitige Entscheidungen in diesem Bereich getroffen würden.
Zur Wettbewerbsfähigkeit führte der Sv Pandolfi aus, es gebe in Japan ungeschriebene Regeln. Das sei, neben anderen Elementen des japanischen Systems, der Unterschied zum europäischen System. Es gebe eine Asymmetrie zwischen der Durchdringung des europäischen
Marktes durch die Japaner und dem
umge-
kehrten Bemühen. Ein strategischer Ansatz sei nötig. Es gebe auch ungeschriebene Gesetze zwischen den Vereinigten Staaten und Japan. Für den Bereich der Mi-
kroelektronik sei erwähnenswert, daß Japan 20 % der integrierten Schaltkreise für
die japanische Industrie in den USA kaufen würde.
In Japan spielt nach Angaben des Sv Klotz das Stichwort „Konsensfindung‘' auf
allen Ebenen eine Rolle, sowohl sektoral als auch regional. Der Staat sei als Moderator und auch als Plattform gefordert, aber nicht nur als Moderator im Innovations-
dialog, sondern auch als Moderator bei der Suche nach gemeinsamen Standards. Die deutsche
Industrie hat nach Aussagen
des Sv Dr. Leibinger gegenüber Ja-
pan einen Kostennachteil in der Größenordnung von 20, 25, max. 30 %. Daran sei
die Lean Production mit einem Anteil von vielleicht 10 %, max. 20 %
beteiligt. In
den letzten 2 Jahren habe (der Maschinenbau) gegenüber den japanischen Konkurrenten einen Wechselkursnachteil von 25 % hinzunehmen gehabt. Darüber sollte bilateral oder innerhalb der G 7° gesprochen werden. 9)
20
G7: Zu den G 7 - Staaten gehören Deutschland, pan, Kanada und die USA.
Frankreich, Großbritannien,
Italien, Ja-
Auf die Frage des Ausschusses, warum es die deutsche Wirtschaft nicht geschafft habe, die Anwender von Mikroelektronik mit den Herstellern zusammenzubringen, entgegnete der Sv Dr. Endres, wenn der Staat die Ordnungsfunktion, Anbieter
und Benutzer zusammenzubringen, nicht vollziehen könne, könne man dies nicht von der Deutschen Bank erwarten. Es gebe (zum Thema Chipherstellung) in Europa weder von der Hersteller- noch von der Anwenderseite her eine Einheit. In
Deutschland lägen Rahmenbedingungen vor, die eine solche Technologie (ansiedlung) enorm
teuer machten.
Ergänzend bemerkte der Sv Dr. Wichers, individuelle Firmenstrategien würden nicht den Schub für Prozesse und Programme bringen. Die Industrie wünsche sich
„eine politische Schubkraft‘‘, die aber in den letzten Jahren nicht vorhanden gewesen sei.
Der Sv Dr. Weule antwortete auf Befragen des Ausschusses, er halte es für unab-
dingbar notwendig, daß Hersteller und Anwender stärker kooperierten. Intern geschehe dies, indem die vom Unternehmer Daimler-Benz neugegründete Mikroelektronikgesellschaft und der Fahrzeughersteller Mercedes-Benz gemeinsam in einem Ausschuß säßen. Zur Beschaffungspolitik
der Telekom
führte der Sv Gellert aus, daß Telekom
in
den letzten Jahren nur mit wenigen Herstellern zusammengearbeitet habe. Das gelte für den Bereich Übertragungs- und Vermittlungstechnik. Für neuere Technologien — Stichwort ISDN — wäre Telekom für die gesamte Entwicklung auf der Welt richtungsweisend gewesen. Beim Netzaufbau habe Telekom heute noch einen weltweiten Vorsprung.
Beim Beschaffungsprogramm ergebe sich das Problem, daß in Deutschland ein Preisniveau existiere, daß „etwas über dem Weltmarkt liegt‘‘. Ausschreibungen würden stärker international getätigt. Telekom sei außerordentlich stark an einer Zusammenarbeit mit der Industrie interessiert. Telekom stehe zunehmend Wettbewerbern gegenüber, die seit 10 Jahren ihre Ausschreibungen weltweit tätigten und in einzelnen Bereichen günstiger einkauften. Dadurch entstünde ein harter Wettbewerb. Telekom stelle sich zunehmend dem internationalen Wettbewerb. Telekommunikation könne man nicht nur für Deutschland betreiben, sondern weltweit. Bei der Beschaffungspolitik würde nach Angaben des Sv Gellert immer die „France Telecom‘‘ angeführt werden, die Forschungsprogramme finanziere und dadurch der heimischen Industrie Vorteile verschaffe. Die deutsche Telekom habe einen anderen Weg
gewählt,
indem sie etwas höhere
Einkaufspreise
bezahle.
Er
frage sich, was geschehe, wenn in den nächsten Jahren die Märkte geöffnet würden. Telekom müsse primär ihre Kunden bedienen und erstklassige Leistungen zu einem günstigen Preis anbieten. Primäre Verpflichtung der Telekom sei es nicht, die Industrie zu unterstützen. Alle diese Fragen müßten auch unter dem Gesichtspunkt gesehen werden, daß bei Telekom versucht werde, aus dem früheren Monopolanbieter einen Wettbewerbsanbieter zu machen.
21
In den neuen Bundesländern könne man nach Auffassung des Sv Dr. Kreklau auf eine moderne leistungsfähige Industrie nicht verzichten. Die Gefahren sollten aber den Betroffenen vor Augen geführt werden, nicht leistungsfähige Industrieunternehmen zu erhalten. Dadurch entständen zwangsläufig Dauersubventionsempfänger. 2.4 Förderung von Forschung
und Ausbildung
Die Förderung von Forschung, Wissenschaft und Technik sowie der Ausbildung am Beispiel der IuK-Technik nahm bei der Anhörung einen breiten Raum ein. Die IuK-Industrie mit ihrer zusätzlichen Ausstrahlung auf andere Industrien kann nach Auffassung des Sv Dr. Queisser in ganz besonderem Maße sehr viel mehr schaffen als das, was in Deutschland jahrzehntelang gefördert wurde. Grundlagenforschung und Ausbildung seien stärker in Deutschland. Amerikaner und Japaner hätten hier gewisse Schwächen. Nach ihrer Ausbildung würden aber viele deutsche Fachleute vom Ausland abgeworben werden. Deutschland müsse
mit seiner Ausbildung wuchern
und diese als Trumpf in einer
Strategie mit einbeziehen. Forschung wäre jahrzehntelang auf Energiefragen aus-
gerichtet gewesen. Die deutsche Industrie sehe sich in zunehmendem Maße nicht mehr in der Lage —, wie es die amerikanischen und japanischen Konkurrenten tun —, Grundlagenforschung zu betreiben. Es bestehe eine „Verstaatlichung der
Forschung‘' gerade auf dem Gebiet der Elektro- und Elektronikindustrie, nicht so sehr auf dem Gebiet der chemischen Industrie. Die beiden Bereiche Grundlagenforschung und angewandte Forschung seien relativ gut ausbalanciert. Mehr Grundiagenforschung halte er aber für nicht gerechtfertigt. Der Sv Dr. Meyer-Krahmer führte aus, es bestehe im Bereich Mikroelektronik eine besondere Verbindung zwischen der Grundlagenforschung und der industriellen Anwendung.
Die luK-Industrie sei hier, verglichen mit anderen Sektoren, in ei-
nem gewissen Nachteil.
Der Sv Kircher stimmte mit dem Sv Dr. Queisser darin überein, daß es in der For-
schung kein Defizit gebe, daß aber die wichtigsten Forschungsergebnisse inzwischen in Japan und nicht in Deutschland oder Europa umgesetzt würden. Man müsse durch Forschung die Produktentwicklung und Produktion wettbewerbsfähig
machen. Die Probleme lägen im Übergang von Forschung zu Produktionsentwicklungen und zur Produktion in den Markt. Bei den Programmen JESSI, RACE’® und ESPRIT!" werde sehr viel Geld für Aktionen und nicht für die Unterstützung einer Nutzung von Forschungsergebnissen ausgegeben. 10) RACE: R & D Advanced Communications Technologies in Europe; EG-Förderprogramm zur Einführung der integrierten Breitbandkommunikation (IBC) bis 1995. 11) ESPRIT: European Strategic Programme for Research and Development in Information Technology; EG-Förderprogramm mit den Schwerpunkten Fortgeschrittene Bauelemente, Technologien und Werkzeuge für den Systementwurf, Integration der Informations22
Zur Umsetzung von Forschung und Entwicklung bemerkte der Sv Dr. Baur, man
könne
Ergebnisse der Forschung
Was
Siemens
nur umsetzen, wenn
man sie hinterher
auch verkaufen könne. Siemens sehe dies bei der gesamten Optoelektronik: hier entwickele,
übernehme
sie auch
in die Fertigung.
Die Förderung der Entwicklung sicherer Software wäre nach Auffassung des Sv Dr. Leibinger für den Maschinenbau eine ganz wichtige Sache. Der Sv Pandolfi
berichtete dem
Ausschuß,
daß für die Zusammenarbeit
und
Technotogieentwicklung der luK-Industrie 2,9 Mrd. ECU für 5 Jahre zur Verfügung gestellt würden. Die Europäische Gemeinschaft müsse ihre Wettbewerbspolitik mit einer stärkeren Förderung von Forschung und Entwicklung kombinie-
ren. Dies beinhalte das 4. Rahmenprogramm?) das die EG jetzt ausarbeiten
würde. Zur Ausbildungspolitik bemerkte der Sv Pandolfi, daß es wesentlich sei, „Humankapital für dieses neue strategische Umfeld zu haben‘. Auf die Be-
deutung der Ausbildung verwies auch der Sv Klotz.
Zu den Stärken Deutschlands zählt nach den Worten des Sv Dr. Leibinger die
„gute Forschungslandschaft‘‘, auch die sehr enge jahrzehntelang bestehende Verbindung zwischen Hochschulen und Unternehmen, insbesondere auch mit-
telständigen Unternehmen. Auch die Verbindung zwischen dem Maschinenbau und dem BMFT sei sehr eng und intensiv. Man müsse aber mehr Geld für FuE in den Unternehmen lassen. Bei einer Steuerreform sollte eine Präferenz von Investitionen im FuE-Bereich über das hinaus, was besteht, geprüft werden. Weiterhin wäre es ‚eine nationale Tat‘, das abgeschaffte Programm für Personalkostenzuschüsse im FuE-Bereich wieder zu beleben. 2.5 Software
Die Software hat nach Auffassung des Sv Dr. Neugebauer eine Schlüsselfunktion für die gesamte deutsche Volkswirtschaft. In der Bundesrepublik wurde Software für 45 Mrd. DM im Jahr produziert. Das Thema der rationellen Produktion von Software werde völlig unterschätzt, die Software-Technologie werde stiefmütterlich behandelt. Das Beschaffungsverhalten der öffentlichen Hand sei gegenüber der deutschen Software-Industrie nahezu Null. In Frankreich und Großbritannien werde massiv bei der (einheimischen) Software-Industrie beschafft. Im Ausland würden große Projekte ‚entbündelt‘‘. Die Software wür-
de für Softwarehäuser getrennt ausgeschrieben werden. In Deutschland sei das nicht der Fall, der Auftrag ginge an eine Firma. Deswegen seien in anderen Ländern andere Strukturen entstanden. In Frankreich machten elf und in Groß-
=—
12
technik in Anwendungssysteme, bisher vernachlässigte Bereiche der Grundlagenforschung, Molekularelektronik, künstliche Intelligenz. Arbeitsdokument der Kommission für das Vierte Gemeinschaftliche Rahmenprogramm im Bereich der Forschung und technologischen Entwicklung (1994 - 1998); Kommission der Europäischen
Gemeinschaften,
KOM
(92) endg.
vom
9. Oktober
1992.
23
britannien zwölf Unternehmen seien es nur vier.
Nach Ansicht Tendenz des wickele es bis Das wollte ich
jeweils über 200 Mio. DM
Umsatz,
in Deutschland
des Sv Dr. Neugebauer habe die deutsche Softwareindustrie die „overengineering‘‘, d.h. man suche sich ein Gebiet aus und entzum Exzeß. Wenn das Produkt herauskomme, sage der Anwender: aber gar nicht. Es müsse auch eine Zusammenarbeit ganz anderer
Art erfolgen.
In Deutschland
Packard
IBM
hätten
alle Berührungsängste,
intern sowieso,
auch mit dem Ausland. In Amerika arbeite jeder mit jedem zusammen. und
hätten wichtige Softwareteile ausgetauscht,
Siemens
dorf nie. Die Mentalität der Industrie müsse sich ändern. Die Universitäten seien bei dem Thema
Software-Technologie
aber
Hewlett & und
Nix-
noch ‚„unterbelich-
tet‘‘. In Großforschungseinrichtungen fänden einige Aktivitäten statt, die dort nicht hingehörten. Diese Einrichtungen seien nicht dazu da, Grundlagenforschung in der Software-Technologie zu betreiben, das sollte man den Universitäten überlassen. Bezüglich des Verhältnisses Hardware zu Software kam der Sv Dr. Baur zu der Feststellung: Wenn man die Hardware wegnehme, dann könne nicht die richtige
Software geschrieben werden. Es bestehe aber ein „shift‘‘ von Hard- zu Software.
Man habe heute eine Größenordnung von 70 % Software zu 30 % Hardware. Vor zehn oder fünfzehn Jahren sei das Verhältnis umgekehrt gewesen. Der Sv Kircher bestätigte, daß auch
IBM in der Entwicklung
massiv auf dem
„shift‘‘ von Hardware zu Software sei. 65 % der IBM-Mitarbeiter seien Softwareent-
wickler und nur noch ware nehme deshalb Es gebe aber einen nach oben, der Preis
35 % Hardwareentwickler. Das Umsatzvolumen bei der Hardab, weil der Preisverfall steiler sei als der Volumenanstieg. massiven Volumenanstieg, die Stückzahlen gingen massiv stürze senkrecht. Eine Gefahr in bezug auf die Software be-
stehe: die Kosten für den Einstieg seien sehr niedrig. Daraus könnte sich in kurzer Zeit eine massive Konkurrenz aus Osteuropa entwickeln, wo die Lohnkosten nur
ein Zehntel der deutschen betragen würden. Der Sv Dr. Warnecke
hob hervor, daß die Beherrschung der luK-Technik von we-
sentlicher Bedeutung sei, um die deutschen Stärken beizubehalten. Sie ständen auf den Beinen Maschinenbau
und Anlagenbau, chemische Industrie, Verfahrens-
technik und Fahrzeugbau. Die Informationstechnik sei integraler Bestandteil aller Produkte aus diesen Bereichen. Dabei spiele die Software eine ausschlaggebende Rolle. Deshalb sei die Softwareerstellung ein wichtiger Faktor, der von den Anwendern vernachlässigt worden sei. Die industrielle Herstellung von Software müsse
nunmehr stark unterstützt werden. Nicht nur bei den Produkten, sondern auch in der Produktion und in der Logistik spiele die Software eine entscheidende Rolle für
die effektive Infrastruktur eines Betriebes. falsch gesehen oder vernachlässigt.
Dies hätten die Anwender
teilweise
Nach Angaben des Sv Gellert ist eine starke Softwareindustrie für Telekom, wohl intern als auch extern, „‚überlebenswichtig''.
24
so-
Die Software-Entwicklung ist nach Auffassung des Sv Dr. Leibinger unterschätzt
worden, auch in den Förderprogrammen. Die Industrie brauche Werkzeuge, „tools‘‘, um Software schneller und sicherer erstellen zu können. Die Implementie-
rung von Software und die notwendigen zahlreichen Korrekturen benötigten zu lan-
ge Zeit.
Der Sv Klotz stellt fest, daß sehr viel über Mikroelektronik, Chips und Halbleiter,
aber nur wenig über Datenverarbeitung geredet werde. Man werde aber erkennen, daß die meisten
Probleme
überwiegend
in der Software zu suchen
sind. Bei der
Software müßten völlig neue Prioritäten gesetzt werden. Es sei richtig, daß die Ein-
trittsschwelle für Softwareentwicklung zum Teil sehr niedrig ist. Davon ausgehend
müsse man anfangen, zwischen verschiedenen Softwarekategorien zu differenzieren. Weite Bereiche der Standard-Software könnten auch woanders hergestellt
werden.
2.6 Mensch-Maschine-Schnittstelle
Der Sv Dr. Warnecke ging auf die Akzeptanz durch den Nutzer ein, die durch die Ablauforganisation, die Arbeitsorganisation und die Bedienerfreundlichkeit und Zugänglichkeit des Computers über seine Software bestimmt sei. Die rein technischen Lösungen und Lösungsvorschläge müßten durch qualifizierte Maßnahmen und durch effektivere Untersuchungen der Mensch-Maschine-Schnittstelle ergänzt werden. Häufig würden technische Lösungen vorangetrieben, ohne die arbeitsorganisatorische sowie die Mitarbeiter- oder Nutzerseite ausreichend zu betrachten. Der
Sv
Dr.
Weule
wies
auf ein weltweit
Werksorientierte Programmierung.
beachtetes
Programm
des
BMFT
hin:
In diesem Programm sei die Lücke zwischen
komplexen Programmsystemen und dem Facharbeiter geschlossen worden. Vergleichbares kenne er in der Welt nicht. Ähnliche Dinge vermisse er aber im Bereich
der Leittechnik komplexer Systeme. Nach
Auffassung
Wettbewerb
des Sv Dr. Warnecke
kann
Deutschland
im internationalen
nur noch dann bestehen, wenn in der Automatisierung fortgeschritten
würde, d.h. Nutzung der Maschinen über Nacht oder auch in den Sonntag hinein. Der Technikansatz
—
Automatisierung
der Informationsverarbeitung
—
führe je-
doch nicht allein zum Erfolg. Nun müsse dieser Ansatz durch den „ganzheitlichen, arbeitsorganisatorischen und mitarbeiterbezogenen Ansatz‘ ergänzt werden. Aber man solle nicht von dem einen Extrem „technikzentriert‘‘ in das andere „humanzentriert‘‘ fallen. Der Sv Dr. Weule vertrat die Ansicht, daß man bereit sein müsse, Veränderungs-
prozesse in den Unternehmen müsse
die Bereitschaft des
zu akzeptieren. Wenn
Unternehmens
die Märkte „hochgehen‘,
und der Belegschaft vorhanden
sein,
mit dem Arbeitsvolumen nachzugehen. Im umgekehrten Fall müßten Strukturen da
sein, damit ein Unternehmen
„ohne große tarifpolitischen Prozesse‘‘
herunterge-
fahren werden könne. Es werde mit Recht über eine „bestimmte Erstarrung der 25
Strukturen‘ geklagt. Aber solange man auf dem
„‚tarifpolitischen Feld‘‘' keine Be-
weglichkeit habe, sehe er keine Chancen für eine Veränderung.
Der erste Schritt in einem strategischen Dialog muß nach Auffassung des Sv Welsch sein, „wie wir uns Lebensformen und die Arbeitswelt im Jahr 2010 vorstel-
len, und zwar jetzt unter dem Gesichtspunkt, was wünschenswert wäre‘. Erst in einem zweiten Schritt wäre die Frage zu stellen: Was kann dazu die Informations-
technik beitragen? Mögliche Vorstellungen wären seiner Meinung nach, daß man z.B. die Frage nach dem Verkehrskonzept im Jahre 2010 in einer hochverdichteten
Industrielandschaft wie Europa thematisiert. Ein weiterer Aspekt sei die „‚Öökologische Verträglichkeit‘‘. Weiterhin sei zu fragen, wie die Arbeitswelt im Jahre 2010
aussehen sollte. In Europa fehle die Langfristigkeit des Denkens.
In Japan bei-
spielsweise sei gerade das eine der besonderen Eigenschaften. Schließlich sei ein
Aspekt das Problem der Vernetzung verschiedener Träger, verschiedener Akteure.
Auf ein weiteres Problem verweise ein Gutachten für die EG-Kommission,
in dem
deutlich gemacht worden sei, daß man die Informationsgesellschaft nicht gegen den Willen der Bevölkerung oder eines großen Teils der Bevölkerung durchsetzen könne.
Der Sv Klotz vertrat die Auffassung, es fehlten die Leute, die das Erfahrungswis-
sen in Anwendungssoftware umsetzen könnten. Auf der einen Seite gebe es in vielen Industriebetrieben erfahrene Leute, auf der anderen Seite habe man Informatiker, die von der Hochschule kämen, die Algorithmen und komplexe mathematische Verfahren beherrschten, aber nicht an der Schnittstelle arbeiten könnten. Er den-
ke, an den deutschen Hochschulen sei „Software Engineering‘‘ überhaupt nicht
existent. Die deutschen Chancen lägen aber darin, an dieser Nahtstelle zu arbeiten, Anwendungssoftware zu schreiben und Integrationssoftware zu entwickeln. 2.7 Empfehlungen
und
Konsequenzen
Nach Auffassung des Sv Dr. Meyer-Krahmer braucht Deutschland eine bessere Vernetzung der Forschungsinfrastruktur mit der Wirtschaft. Der Sv Dr. Klodt sprach sich dafür aus, daß die ‚‚konservierende Strukturpolitik“‘ abgebaut werden sollte. Den Einfluß im Bereich der Grundlagenforschung sollte
der Staat durchaus bewußt und gezielt ausüben und die Kooperation mit der Wirtschaft suchen. Die Umorientierung der Aufgaben der Großforschungseinrichtungen erscheine am wichtigsten. Nach Auffassung des Sv Dr. Endres gehört zum Wettbewerb der Standorte eine Koordination der Forschung. Er denke in diesem Zusammenhang an die Lücken oder Koordinationsmängel bei der Max-Planck- und Fraunhofer-Gesellschaft einerseits und der anwendungsbezogenen Forschung bei den Firmen andererseits. Es gehe nicht allein um die Frage der Löhne, sondern auch um Arbeitszeit, Genehmi-
gungsverfahren, fehlende Normen und dergleichen mehr. Es werde höchste Zeit, daß die Bundesrepublik klar macht, daß sie trotz Wiedervereinigung und trotz der 26
Probleme in den neuen Bundesländern den luK-Bereich angeht, bis zum Jahre 2010 unseren Lebensstandard sichern soll.
der mindestens
Der Sv Dr. Leibinger war der Auffassung, der Staat könne insbesondere durch die Intensivierung von Austauschprogrammen für Studenten und junge Mitarbeiter helfen.
Heute sei es nötig, für einige Jahre
nach Japan
zu gehen.
Auf Befragen des Ausschusses führte der Sv Dr. Warnecke aus, das indirekt spe-
zifische Förderprogramm zur Anwendung der Mikroelektronik in den 80er Jahren wäre ein Erfolg gewesen und sollte auch in der Zukunft als Instrument genutzt wer-
den. Ergänzend dazu meinte der SV Dr. Weule, durch ein indirekt spezifisches Förderprogramm für die Anwenderseite und die europäische Mikroelektronikindustrie könnten die von den Japanern subventionierten Einstiegsprozesse kompensiert werden. Weiter führte er aus, es erfordere ‚‚der Konsensmechanismus einer modernen Industrienation'', daß bestimmte Leitlinien erarbeitet würden. Wichtig
sei der Dialog zwischen dem Industrieunternehmer und dem Grundlagenforscher mit seinen
Ideen.
Zur Forschungspolitik bemerkte der Sv Dr. Kreklau, ihm scheine die Verzahnung
von Grundlagenforschung und angewandter Forschung in der Bundesrepublik überprüfungsbedürftig. Man müsse überlegen, wie die nationalen Maßnahmen mit den EG-Maßnahmen
direkt spezifischen
besser zu verknüpfen seien. Ein wichtiger Punkt seien die in-
Förderprogramme.
Es sei die ‚staatliche
Forschungsförde-
rung‘‘ auf den Prüfstand zu stellen. Deutschland gehöre zu den wenigen Ländern,
die keine steuerlichen Forschungsförderungsmaßnahmen haben. Er sei sich nicht ganz sicher, ob das Förderkonzept IuK (des BMFT) die Forderung erfülle, im nationalen
Bereich
stark zu sein, um
international
kooperieren
zu können.
Wenn Deutschland wolle, daß ausländische Unternehmen in der Nähe von Technischen Hochschulen angesiedelt würden (deutsches Beispiel: Mitsubishi an der TH Aachen), dann müsse Deutschland nach Auffassung des Sv Dr. Queisser in der Forschung, in der Entwicklung und in der Ausbildung auf die ostasiatischen Partner eingehen (englisches Beispiel: Errichtung eines Grundlagenforschungszentrums
in Oxford/England
als „gewaltiges
d.h. eine Ansiediungspolitik betreiben.
Labor‘
der japanischen
Firma
Sharp),
Um die relativ gute Position der Telekommunikation zu erhalten, solite man nach
Auffassung
des
Sv
Dr.
Meyer-Krahmer
marktes folgende „hausgemachten
—
gemeinsame
Normen
und
im
Probleme‘
Bereich
lösen:
des
europäischen
Binnen-
Standards finden;
— eine einheitliche Netzträgerpolitik finden; — die völlig unzureichende deutsche Präsenz in Japan beheben. Auch der Sv Dr. Wichers vertrat die Auffassung, daß die Kommunikationshersteller eine Standardisierung auf EG-Ebene brauchten. 27
Der Sv Dr. Baur wies auf große Wettbewerbsverzerrungen
hin, die es in Europa
gebe. Diese sollten zuerst in Ordnung gebracht werden, bevor man über GATT'?
und den sein‘.
Weltmarkt
rede;
denn
Europa
müsse
„unser
zukünftiger
Heimatmarkt
Der SvDr. Seitz schlug die Gründung eines ‚Rates für strategische Wettbewerbsfähigkeit‘‘ vor, der der Bundesregierung eine Strategie für den Standort Deutsch-
land entwickeln soll, wie ihn in den USA der Kongreß und der Senat gegründet haben. Deutschland brauche eine ‚strategische Kooperationspolitik‘‘ mit den Amerikanern und Japanern. Dazu müsse die Politik eingreifen, d.h. nach amerikani-
schem Vorbild. Hauptelement einer Strategie seien ‚‚Infrastrukturprojekte‘‘ etwa ein Breitbandkommunikationssystem netzwerk (Beispiel: USA).
(Beispiel:
Japan)
oder
ein Supercomputer-
Bezüglich des strategischen Dialogs im Rahmen eines Sachverständigenrates sollten nach den Vorstellungen des Sv Kircher die unterschiedlich relevanten, gesellschaftlichen Gruppen in der Bundesrepublik an einen Tisch kommen,
einer kompetenten,
anerkannten
und respektierten Person.
unter Vorsitz
Das sei noch lange
kein MITI'® oder eine Gruppe, die Vorschriften herausgibt, sondern es könne eine Art „brain trust‘‘ sein, der einen möglichen Maßnahmenkatalog erstellt.
Einschränkend bemerkte der Sv Dr. Baur, es wäre nicht richtig, daß sich eine institutionalisierte Runde jeden Monat träfe und die schwierigen Umstände beklagte. Von Bedeutung wäre die Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen, die Einführung neuer Projekte und die Durchführung neuer, innovativer Projekte mit hohen
Anforderungen.
Ferner sollte ein politischer Konsens herbeigeführt werden, damit
man neue Projekte angehen könne. Alles, was heute diskutiert worden sei, zeige,
daß man
in Deutschland,
was die Rahmenbedingungen,
die Innovationskraft und
die Projekte anbelange, in einer festgefahrenen Situation sei, aus der man unbedingt herauskommen müsse. Der Sv Welsch stellte fest, es gebe weitgehend einen Konsens darüber, daß man einen strategischen Dialog führen müsse. In den Gewerkschaften werde das seit
vielen Jahren unter dem Stichwort „Technologiedialog‘‘ in die Debatte eingebracht. Es sei eigentlich selbstverständlich, daß in einem Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auch die Gewerkschaften eine wichtige Rolle zu spielen hätten.
Der Sv Dr. Seitz hielt es für unabdingbar, eine bilaterale EG-Politik nach ameri-
kanischem Vorbild gegenüber Japan einzuschlagen, austausch zu einer „Zweibahnstraße‘‘ zu machen.
um
den
Hochtechnologie-
13) GATT: General Agreement on Tariffs and Trade (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen).
14) MITI: Ministry of International Trade and Industry (japanisches Industrieministerium).
28
Der Sv Dr. Endres bemerkte, soweit der Staat ordnende und koordinierende Funk-
tionen besitze, habe er in einer so komplexen Situation wie der heutigen sehr viel
mehr Bedeutung, als er sie bisher hatte. Man könne sich hier nicht auf ordnungspolitische Prinzipien berufen. Es gebe eine Koordination der Grundlagenforschungen sowohl in den USA als auch in Japan, und zwar mit steigender Bedeutung. Es werde kein MITI oder ein Komitee unmittelbar beim Kanzler gebraucht. Aber eine grundlegende Planung für eine der größten Volkswirtschaften sei notwendig. Aus Sicht der Anwenderseite sollten nach Auffassung des Sv Dr. Warnecke
För-
derprogramme nicht nur isoliert betrachtet werden, daß also nicht die Programme
„Arbeit und Technik‘, „Fertigungstechnik‘ und ‚‚Informationstechnik‘‘ nebeneinanderlaufen. Hier werde eine übergreifende Kommunikation gebraucht, wie z.B. zwischen den einzelnen Ressorts der Ministerien. Im Zusammenhang
mit der Wettbewerbsfähigkeit
nannte der Sv Pandolfi
einige
Elemente, die man vom japanischen System übernehmen könnte. Das erste Ele-
ment sei eine spontane, vorwettbewerbliche Zusammenarbeit zwischen den Industrien. Das zweite sei das sog. ‚patient money‘. Dieses System stütze sich auf
eine Gruppierung von wichtigen Industrien um eine Bank im Zentrum. Das System erlaube den Industrien, Geld für langfristige Investitionen zu niedrigeren Zinsen als
in Europa zu bekommen. Das dritte Element seien neue Methoden für die Produktion, die auf ‚‚lean production‘ basierten.
29
Deutscher
Bundestag
Protokoll Nr. 25
12. Wahlperiode
Ausschuß
für Forschung,
Ausschuß
für Wirtschaft
Ausschuß
für Post
und
Technologie
Technikfolgenabschätzung und
Telekommunikation
Stenographisches Protokoll der 25. Sitzung des Ausschusses für Forschung, und
Technikfolgenabschätzung
Technologie
und der 34. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und der 24. Sitzung des Ausschusses für Post und Telekommunikation
am
Montag,
dem
Bonn-Bundeshaus Vorsitz: Abg.
21.
September
1992,
Wolf-Michael Catenhusen
10.00
Uhr
(SPD)
Abg. Peter W. Reuschenbach (SPD) Abg. Elmar Müller (Kirchheim) (CDU/CSU)
Einziger Punkt der Tagesordnung:
Öffentliche Anhörung zum Thema
„Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen kationstechnischen Industrie‘
Informations-
und
kommuni-
31
Deutscher
Bundestag
Sitzung
des
Ordentliche
Ausschusses
Mit-
glieder des Montag Ausschusses
d.24 21.
Nr.
20
(Ausschuß
Unterschrift
a Sep. 22
100
Abgeordnete (r) CDU/CSU Dr.
Haschke
Else
reueen.
ke
Udo
Krüger,
Lenzer,
Serge
Brigitte
(Jena),
Dr.-Ing.
Lieberoth,
Dr.
Lischewski,
Forschung, Technologie u.) Technikfolgenabschätzung Unterschrift Stellvertretende Mit-
glieder des schusses
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Abgeordnete(r) CDU/CSU
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- 25/1V Anwesenhejitsliste
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Mayer(Siegertsbrunn)
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Gerda
Claus
Dr.-Ing.
Jork,
Rainer
Martin Dr.
Ruck,Christian
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Kampeter, Nitsch,
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Joachim Schmidt
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Sothmann, Bärbel
Seesing,Heinrich
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Dr.
Päselt,
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Pohler,
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Zöller,Wolfgang sPD
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BÜNDNIS Schulz
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25/XIII
-
Anwesenheitsliste
Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung " Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen informations- und kommunikationstechnischen Industrie ” 21. September 1992, 10.00 Uhr
Dr.
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Hans
Dr.
Endres,
Michael
Gellert,
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Dr.
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Dr.
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Pandolfi,
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-
Prof.
Dr.
Dr.
Seitz,
Queisser,
Hans-Joachim
Konrad
Prof.
Dr.-Ing.
Warnecke,
Dr.
Welsch,
Johann
Prof.
Dr.
Dr.
Wichers,
42
Weule,
Hartmut
Theo
Hans-Jürgen
25/XIV
-
Fragenkatalog zur Anhörung „Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen informations- und kommunikationstechnischen (luK)-Industrie“ am
21. September
1992
Bedeutung der informations- und kommunikationstechnischen Industrie für die gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa. 1.1
Was bezeichnen Sie als „Hochtechnologien‘‘ und in welchen strategischen Hochtechnologie-Bereichen ist a) die deutsche und b) die europäi-
sche
Industrie heute und voraussichtlich
bewerbsfähig?
in nächster Zukunft global wett-
1.2
In welchem Hochtechnologie-Bereich sehen Sie deutsche und europäische Defizite?
1.3
Welches sind die derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stärken und Schwächen von a) Deutschland und b) der Europäischen Gemeinschaft für den Übergang in eine Informations-Gesellschaft?
1.4
Welche Bedeutung haben die neuesten luK-Techniken für die Anwender im besonderen und für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in Deutschland im allgemeinen?
1.5
Welche Bedeutung hat dabei die Software im allgemeinen und die Anwender-Software als Basis für neue Anwendungssysteme im besonderen? Welche Bedeutung haben die Fortschritte der Software-Erstellung aller Art (u.a. auch wissensbasierte Systeme, Fuzzy-Sets, neuronale Netze) auf die Erfolge im Bereich der IuK-Anwendermärkte?
1.6
Welche Bedeutung haben die IuK-Techniken zur Lösung von wichtigen Zukunftsproblemen wie Nahrungsmittelproduktion und -verteilung, umweltfreundliche Energieversorgung, umweltfreundliche Verkehrssysteme u.a.?
1.7
Welche
1.8
Welche Bedeutung können Hardware und Software für die Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsinhalte für die Anwender haben?
1.9
Bedeutung
hat dabei die anzuwendende
Braucht die Bundesrepublik
Deutschland
Software?
eine eigenständige,
weltweit täti-
ge und wettbewerbsfähige luK-Industrie? Gibt es alternative bzw. weitere Industrie- und Wirtschaftsbereiche mit strategischer Bedeutung, auf die
sich Wirtschaft und Staat konzentrieren sollten, um den wirtschaftlichen und sozialen Stand in der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten und zu verbessern? Braucht die Bundesrepublik
Deutschland
eine eigenständige,
ge und wettbewerbsfähige Software-Industrie?
weltweit täti-
43
Wie groß ist die Abhängigkeit der deutschen luK-Industrie von ausländischen Lieferanten
bei
der
Einzelschritten
Produktion,
Vorprodukten,
Produkten,
Produktionsgeräten und Zusatzstoffen? In welcher Abhängigkeit steht die übrige deutsche Industrie von ausländischen luK-Produzenten? Welche Entwicklung dieser Abhängigkeiten ist unter den gegebenen wirtschafts- und forschungspolitischen Bedingungen zu erwarten? Gibt es belegbare Beispiele dafür, daß ausländische Lieferanten und Mitbe-
werber ihre Marktstellung mißbräuchlich ausgenutzt haben, z.B. durch Lieferbeschränkungen oder -verzögerungen? der deutschen
Wie groß ist die Abhängigkeit
Software-Lieferanten?
Wirtschaft von ausländischen
Wie beurteilen Sie die Dominanz US-amerikanischer Unternehmen auf dem Gebiet der Software und welche Schlußfolgerungen ergeben sich daraus für europäische Anwender? Auf welchen Software-Gebieten sehen Sie beson-
ders starke Abhängigkeiten
und wo ergeben sich daraus Probleme für die
Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und insbesondere der deutschen Industrie?
Kann die deutsche Industrie in einer arbeitsteiligen Welt — bzw. bei einer Arbeitsteilung im Binnenmarkt Europa — auf die Eigenproduktion von wesentlichen Bestandteilen der IuK-Technologien, z.B. mikroelektronische Bausteine und
Produktionsgeräte,
verzichten?
Kann die deutsche Industrie auf die Eigenproduktion von Software als Basis für neue Anwendungssysteme in den verschiedenen Anwendungsbereichen von Produktion und Dienstleistungen verzichten? Wie sieht der Software-Entwicklungsmarkt der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu jenem von Großbritannien, der USA, Frankreich und Japan aus? Ist derzeit und auf absehbare Zeit der direkte Zugriff Europas auf die neuesten IuK-Techniken und Software-Entwicklungen gewährleistet? Welche
mittelfristigen Konsequenzen
Finanzmarktsituation
in Japan
hat voraussichtlich die gegenwärtige
auf den Weltmarkt für IuK-Techniken?
Unter
welchen Voraussetzungen vollzog und vollzieht sich die Kapitalbeschaffung
japanischer Unternehmen
der IuK-Techniken?
und welche Bedeutung hat das für den Weltmarkt
Welche Bedeutung hat die politisch-wirtschaftliche Entwicklung in Osteuropa für die Entwicklung einer deutschen und europäischen global wettbewerbsfähigen Hochtechnologie-Industrie? Verantwortungsbereich Staat 2.1
44
und
Handlungsbedarf
von
Wirtschaft
und
Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europäischen luK- und Software-Industrie?
2.2
Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europäischen
Anwenderindustrie
bei der Nutzung
der luK-Techniken und der Software? 2.3
der neuesten
Entwicklungen
Inwieweit sind Schwächen der deutschen IuK-Industrie auch das Ergebnis ei-
ner unzureichenden Ausrichtung von Unternehmensstrategien auf die globa-
len Märkte? 2.4
Haben die deutschen Unternehmen der IuK- und der Anwender-Industrie auf die Herausforderungen durch wettbewerbsstarke ausländische Unternehmen in der Vergangenheit angemessen und rechtzeitig reagiert? Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Ergebnisse von international tätigen Beratungsunternehmen,
wonach
zwei Drittel der Kostenvorteile japanischer
Konkurrenten auf bessere Management-, methoden zurückzuführen sind?
Produktions- und Organisations-
2.5
Braucht die deutsche/europäische Fertigungs- und Anwenderindustrie eine eigene Produktionsstätte für Speicherchips in Europa?
2.6
Wie bewertet die deutsche Anwender-Industrie die Abhängigkeit von a) deutschen/europäischen
ASICs-Produzenten
und
b) außereuropäischen
ASICs-
Produzenten? Welche Möglichkeiten hat die Anwender-Industrie ihr Systemwissen vor Mißbrauch zu schützen? 2.7
Sollte sich die deutsche Industrie und Forschung stärker auf die Entwicklung und Produktion von anwendungsspezifischen Chips (ASICs) konzentrieren?
2.8
Auf welche Bereiche der IuK-Techniken und auf welche Software-Bereiche sollte die deutsche Industrie ihre Kräfte in Zukunft konzentrieren?
2.9
Welche
unternehmenspolitischen
Maßnahmen
ken und zur Beseitigung der Schwächen
zur Unterstützung der Stär-
in den luK-, Software- und Anwen-
der-Bereichen wird die Industrie ergreifen? 2.10
Welche FuE-Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit werden die deutsche luK-Industrie, insbesondere auch die Software-Hersteller, ergreifen? ‚Wie beurteilen Sie den Erfolg der bisherigen deutschen und europäischen FuE-Förderprogramme im Bereich der !uK-Techniken, der Fertigungstechnik, der Materialforschung
usw.?
2.12
Welche Ziele und welche Prioritäten sollten zukünftige deutsche FuE-Förderprogramme für den Bereich der lIuK-Techniken setzen?
2.13
Ist eine staatliche Förderung der heimischen Software-Produzenten wirtschafts- und forschungspolitisch geboten? In welchen strategischen Bereichen sollten solche Fördermaßnahmen ggf. ansetzen und wie sollten sie aussehen? 45
2.14 Auf welche Bereiche der lIuK-Techniken und auf welche Software-Bereiche sollten sich die staatlichen Fördermaßnahmen
konzentrieren?
2.15 Welche Maßnahmen zur Unterstützung der Industrie werden a) von der deutschen Regierung und b) von der EG-Kommission erwartet? Sind Alternativen zur
Projektförderung
rung)?
sinnvoll
und
wünschenswert
(z.B.
steuerliche
Förde-
2.16
Unter welchen Voraussetzungen kann die kommunikationstechnische Industrie in der Bundesrepublik Deutschland noch international wettbewerbsfähig und leistungsstark bleiben?
2.12
Ist langfristig zu befürchten, daß es im Bereich der Telekommunikation auf Dauer höchstens 5-6 nennenswerte Wettbewerber weltweit geben wird? Wie stellt sich die deutsche Industrie hierauf ein?
2.18
Welche
Strategie müßte verfolgt werden,
um auf den europäischen
und au-
Berreuropäischen Märkten einheitliche Wettbewerbsbedingungen im Bereich der Telekommunikation herzustellen?
2.19 Welche wirtschafts-, forschungs- und technologiepolitischen Maßnahmen von Wirtschaft und Staat sind erforderlich, um insbesondere den KMU im Anwenderbereich (z.B. Maschinenbau) die neuesten luK-Techniken und Software-Entwicklungen frühzeitig zugänglich zu machen? 2.20
In welchen Bereichen sollte der Staat mit Fördermaßnahmen die Entwicklung geeigneter arbeits- und betriebsorganisatorischer Produktions- und Dienstleistungskonzepte unterstützen, um eine zweckmäßige Nutzung der Hochtechnologieprodukte zu erreichen?
2.21
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der EG- und GATT-Vereinbarungen für die staatlichen
Fördermöglichkeiten?
2.22 Welche Industriebereiche der deutschen bzw. europäischen Industrie sind in Zukunft durch Marktstrategien fernöstlicher Konzerne besonders gefährdet? 2.23
Mit welchen besonderen wirtschafts- und forschungspolitischen Maßnahmen soll die Bundesregierung bzw. die EG-Kommission diesen Strategien begegnen?
2.24
Sind besondere wirtschaftspolitische Maßnahmen
im Bereich der Hochtech-
nologien angebracht oder gar unvermeidlich, um eine heimische Hochtechnologie-Industrie zu entwickeln und zu erhalten? Bestehen strukturelle Bedingungen, die den luK-Bereich als Ausnahmebereich des ordnungspolitischen Leitbilds begründen?
2.25 Wie kann der Staat die heimischen Hochtechnologie-Industrien vor abgesprochenen und gezielten Marktangriffen (z.B. target pricing) ausländischer Unternehmen schützen, gleichwertige Wettbewerbsbedingungen weltweit anstreben und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie steigern? 46
2.26
Sollte eine gemeinsame
Meinungsbildung
schaft und gesellschaftlichen Gruppen
von Staat, Wirtschaft,
zu den zu erwartenden
Wissen-
technischen
und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland or-
ganisiert oder institutionalisiert werden?
2.27
Was muß unternommen werden, damit in Deutschland technologische Zukunftsthemen besser identifiziert und im Rahmen gemeinsamer Anstrengungen realisiert werden können?
2.28
Welche staatliche Anstrengungen zur verstärkten Beobachtung der japanischen Zukunftsvorstellungen sowie der technischen Entwicklungen und Erfindungen in Japan sind notwendig (z.B. Ausbildung in japanischer Sprache,
Übersetzungen,
2.29
Datenbanken)?
In welchen Bereichen sollte der Staat vorrangig eine innovative Infrastruktur-
politik betreiben? Welche
Infrastrukturen
gungen für den Transfer von Wissen kommenden Jahrzehnte?
und welche
institutionellen Bedin-
und Know-how benötigen wir für die
2.30
Welche Bildungs- und Ausbildungssysteme sowie Weiterbildungssysterne benötigt eine Informations-Gesellschaft? Wie können die Grundlagen für die dabei notwendigen qualifikationsfördernden Arbeitsbedingungen gefördert werden?
2.31
Welche Bedeutung haben Normenvereinbarungen für die Wettbewerbsfähigkeit der IuK-Industrie? Welchen Einfluß soll der Staat auf die Normsetzungen nehmen?
2.32
Welchen Stellenwert hat im Rahmen der EG die Schaffung neuer Standards
zu Verbesserung
der Wettbewerbschancen
schen und elektronischen Industrie? 2.33
der europäischen
elektrotechni-
Welche Bedeutung haben die Normenvereinbarungen für die Arbeitsbedingungen nach der europäischen Harmonisierung und welche Bedeutung wird den Arbeitsbedingungen
einschließlich der Arbeitsorganisation
und Qualifi-
kation für die Innovationsfähigkeit der einheimischen traditionellen und Hochtechnologie-Industrie zugemessen? 2.34
Welche Defizite und Hindernisse der industriellen Kooperation zwischen Her-
stellern und Anwendern sehen Sie gegenwärtig? Welche Verbesserungsmöglichkeiten gibt es für eine solche Kooperation und wo sollten sie staatlich
gefördert werden?
2.35
Welche Kooperationen bzw. strategische Allianzen mit europäischen und auBereuropäischen Mitbewerbern in den Bereichen Mikroelektronik, Kommuni-
kationstechnik und Software-Entwicklung gibt es oder werden von der deutschen Industrie angestrebt? 47
Sprechregister BUNDESTAGSABGEORDNETE
Ausschuß
für Forschung, Technologie
und Technikfolgenabschätzung
CDU/CSU-Fraktion
Abg. Abg. Abg. Abg.
58, 82, 107, 124 79 51, 54, 71, 77, 83, 106, 115, 126, 144 63, 91, 139
Lenzer Dr. Lischewski Maaß Mayer (Siegertsb.)
SPD-Fraktion Abg. Bulmahn Abg. Catenhusen (Vors.)
56, 100, 117, 121, 142 50, 54, 71, 73, 82, 92, 119, 120, 126, 138, 146, 152 73 52, 82, 101, 111, 135 79 61
Abg. Fischer (Homburg) Abg.
Mosdorf
Abg. Dr. Otto Abg. Vosen FDP-Fraktion Abg. Prof. Dr. Schnittler
72 54, 64
Abg. Timm
Ausschuß
für Wirtschaft
SPD-Fraktion
Abg. Reuschenbach (Stellv. Vors.) Abg.
Dr. Skarpelis-Sperk
Ausschuß
für Post
und
82 66, 70, 99, 112, 119, 129
Telekommunikation
CDU/CSU-Fraktion Abg. Dr. Krause (Bonese) Abg. Müller (Kirchheim) (Stellv. Vors.) Abg. Dr. Protzner
145 110, 133, 134 79, 92
Abg. Dr. Briefs (fraktionslos)
123
SACHVERSTÄNDIGE Dr. Baur Dr. Endres Gellert
48
83, 94, 101, 108 62, 63, 77, 80 117, 119, 125
Kircher
Dr. Klodt
Klotz Dr. Kreklau Dr. Leibinger Prof. Dr. Meyer-Krahmer Dr. Neugebauer Pandolfi Prof. Dr. Queisser Dr. Seitz Prof. Dr.-Ing. Warnecke Dr. Welsch Prof. Dr.-Ing. Weule Dr. Wichers
86, 95, 104, 107 59, 62, 69, 70, 78, 143, 150 127, 149 128, 130, 136, 146 57, 60, 65, 75, 81 90, 94, 103, 109 131, 133, 135, 137, 55, 57, 64, 68, 70, 55, 75, 76, 77 110, 112, 115, 120, 139, 147 111, 114, 116, 123, 88, 92, 109
80
138, 141, 143, 144 73, 81 122, 124 125
49
Einziger Punkt der Tagesordnung
Öffentliche Anhörung Informations-
und
‚‚Die Weittbewerbsfähigkeit
kommunikationstechnischen
der deutschen
Industrie“
Vorsitzender Wolf-Michael Catenhusen: Meine Damen und Herren! Daß drei Ausschüsse des Deutschen Bundestages eine gemeinsame öffentliche Anhörung durchführen, ist auch im deutschen Parlamentsbetrieb nicht selbstverständlich. Daß die Auseinandersetzung mit der Wettbewerbssituation der deutschen informations- und kommunikationstechnischen Industrie ein Thema ist, das traditionelle Fachpolitiken
im Parlament
übersteigt,
ist etwas, was wir in unserem
politischen
Handeln nicht nur in Anhörungen stärker berücksichtigen müssen. Die deutsche
informations- und kommunikationstechnische Industrie wird noch in diesem Jahrzehnt — darüber scheinen sich alle Experten einig zu sein — auch in Deutschland
zur größten Branche heranwachsen, noch vor der Automobilindustrie. Daß ihre Produkte in den Bereichen, in denen die deutsche Industrie weltweit leistungsstark ist, eine immer größere Bedeutung gewinnen, scheint einer der Ausgangs-
punkte für diese Anhörung zu sein. Daß der technische Fortschritt auf der Grundlage moderner luK-Techniken zu sozialen, wirtschaftlichen und strukturellen Verän-
derungen in dieser Volkswirtschaft geführt hat und weiter führen wird und daß wir über die Perspektiven einer Informationsgesellschaft quasi schon selbstverständlich reden, das ist einer der Gründe,
warum
wir diese Anhörung
durchführen.
Wir wollen durch die Befragung von Experten versuchen, eine Bestandsaufnahme der Wettbewerbssituation vorzunehmen. Es geht uns auch — sicherlich mit unterschiedlichen Erwartungen — um die Verantwortung, um die Aufgaben und eine sinnvolle Aufgabenteilung zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik bei der Sicherung und beim Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit dieser Zukunftsindustrie. Die Anhörung wird damit auch ein kleiner Baustein in der Diskussion über die Zukunft des Industriestandorts Deutschland, der Hochtechnologiestandort bleiben muß, sein. Ich darf zunächst Sie, die Sachverständigen,
auch im Namen
herzlich begrüßen
im Namen
aller drei Ausschüsse und
meiner Vorsitzenden-Kollegen Ost und Paterna in unserer Mitte und Ihnen dafür danken, daß Sie durch die vielen und umfang-
reichen schriftlichen Stellungnahmen uns Parlamentariern die Vorbereitung auf die
Anhörung sehr erleichtert haben. Ich darf natürlich auch unsere Gäste und die an-
wesenden Vertreter der Medien ganz herzlich zu der öffentlichen Anhörung begrüßen. Ich bitte um Verständnis, daß die beiden Ausschußvorsitzenden
Ost und Paterna
heute an der Anhörung nicht teilnehmen können. Sie werden durch ihre Stellvertre-
ter vertreten, die sich in der Leitung dieser Anhörung mit mir abwechseln. Ich weise
noch darauf hin, daß heute leider zur selben Zeit eine Tagung des Infrastrukturra-
tes stattfindet. Das bedeutet, daß die Experten des Postausschusses aller Fraktionen an dieser Sitzung teilnehmen müssen.
50
Ich möchte noch einiges zu den Spielregeln der heutigen Anhörung sagen. Denn es sind Parlamentarier verschiedener Ausschüsse da, die verschiedene Spielregeln kennen. Es besteht zunächst die Möglichkeit, daß für jede Fraktion ein Sprecher oder eine Sprecherin das Wort zu einem Statement erhält. Im Anschluß daran
beginnen wir mit der gruppenweisen Befragung der Sachverständigen. Es soll ein Frage- und Antwortspiel sein. Deshalb wird es keine Einleitungsreferate geben. Der Reiz einer Anhörung liegt im Anhören. Jeder Kollege oder jede Kollegin soll die Möglichkeit haben, wenn er oder sie dran ist, jeweils eine Frage an zwei Sachverständige oder zwei Fragen an denselben Sachverständigen zu richten, damit wir zu einem munteren Frage- und Antwortspiel kommen. Wir gehen, wie gesagt, blockweise vor. Wir hoffen, daß es dadurch zu einer sehr direkten und anregenden Diskussion kommt. Ich möchte Sie auch nicht unbedingt von vornherein in der
Möglichkeit bremsen, einem Sachverständigen durch eine Nachfrage gezielt auf den Zahn zu fühlen. Denn manchmal kann man auf diese Weise sehr viel leichter eine Klärung herbeiführen. Ich schlage dann mit Ihrem Einverständnis vor, daß zunächst die kurzen Statements der Fraktionen erfolgen. Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU): Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Arbeitsgruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich in den letzten Wochen und Monaten sehr intensiv mit der Thematik der Informations- und Kommunikationstechnik auseinandergesetzt. Während die Industrie noch im Frühjahr davon
überzeugt war, daß eine eigenständige Chipproduk-
tion.in der Bundesrepublik unabdingbare Voraussetzung für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen informationstechnischen Industrie sein würde, hat die Politik Mitte dieses Jahres zur Kenntnis nehmen müssen, daß wesentliche Teile der Industrie hiervon mittlerweile abgerückt sind. Dennoch bleibt die Frage, ob durch die Aufgabe der Chipproduktion in der Bundesrepublik erhebliche Wettbewerbsrisiken und -nachteile zu befürchten sein werden. Die Politik wird diese Entscheidung der Industrie akzeptieren, zumal es heute globale Kooperationen insbesondere mit potentiellen Partnern in Japan auf industrieller Ebene gibt, die noch
vor ein paar Monaten unvorstellbar erschienen. Es hat den Anschein, daß dadurch der direkte Zugriff Deutschlands und Europas auf eine nicht manipulierbare Mikroelektroniktechnologie gewährleistet werden könnte. Auf Grund dessen und auf Grund der Tatsache, daß der Bund bereits zehn Jahre eine intensive Forschungs-
förderung in diesem Bereich betreibt — es werden immer noch insgesamt rund 1 Milliarde DM jährlich vom BMFT aufgewendet —, scheint es mir nunmehr an der Zeit,
eine
Neuorientierung
der
Forschungspolitik
in diesem
Bereich
vorzuneh-
men. Es wird insbesondere darauf ankommen, eine grundlegende Evaluierung des gesamten Bereichs der Informations- und Kommunikationstechnologie unter Einbeziehung sämtlicher staatlichen und privaten Forschungskapazitäten vorzunehmen. Nach der Auswertung des Evaluierungsergebnisses sollte ein Aktionsplan erarbeitet werden,
zeigt.
der die Schwerpunkte der Förderung
im genannten
Bereich auf-
51
Ich bin davon überzeugt, daß eine zukunftsweisende Forschungspolitik in diesem Bereich nur dann möglich sein wird, wenn es einen kontinuierlichen Dialog zwischen Staat, Forschung und Wirtschaft geben wird, der auf eine Konsensbildung und daraus folgend eine Arbeitsteilung hinausläuft. Ziel dieser Anhörung sollte es
meines welche
Erachtens sein, von den anzuhörenden Sachverständigen zu erfahren, Perspektiven und Zukunftstrends sie im Bereich der Informations- und
Kommunikationstechnik sehen
und wie eine Strategie aussehen
Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit
der Bundesrepublik
müßte, die die
Deutschland
erhält.
Siegmar Mosdorf (SPD): Meine Damen und Herren! Die erste gemeinsame Anhörung der Ausschüsse für Wirtschaft, Forschung und Technologie sowie Post und
Telekommunikation
zum Thema
‚Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft
auf dem Sektor Informations- und Kommunikationstechnologie' findet zu einer Zeit sich verschärfender Wettbewerbsbedingungen auf dem Weltmarkt statt. Es geht heute um einen der wichtigsten Standortfaktoren der Zukunft. Der Standortfaktor heißt: technologische Innovationskraft. Dieses ist also keine Branchenanhörung, bei der die Lobby der Industrie um Subventionen bittet. Das will ich gleich vorwegsagen, weil es eine Reihe von oberflächlichen Beobachtern gibt, die so etwas von vornherein annehmen. Was Subventionen angeht, vertrete ich sowieso den Standpunkt: There are two kinds of companies:
those which don’t need a support und
those which don't deserve a support. Insofern ist dieses Thema gleich zu Beginn der Anhörung zu erledigen.
Heute geht es um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft bei den Schlüsseltechnologien der Zukunft. Das sind die mikro- und nanocelektronischen Bauteile, mit denen man in absehbarer Zeit ganze Branchen sozusagen vom Rück-
sitz aus steuern kann. Das gilt für die Unterhaltungselektronik, die Automobilindu-
strie, den Maschinenbau und die Telekommunikation, also die Branchen, auf denen wir unseren hohen Lebensstandard begründen. Die Speicherchips und die ASICs sind der Rohstoff der Zukunft. Die Mikroelektronik wird zur Querschnittstechnologie und somit zu einer Art industrieller Infrastruktur an sich. Auch wenn Daniel Bells These von der Dienstleistungsgesellschaft langsam näher rückt, dürfen wir uns nach meiner Auffassung nicht auf die Idee einer BlaupausenGesellschaft einlassen. Für Deutschland als rohstoffarmes Land wird die industrielle Basis auch in Zukunft der Garant für den Wohlstand sein. Der Harvard-Ökonom Michael Porter spricht in seiner Theorie des Wettbewerbs davon, daß einzelne Länder unterschiedliche spezifische Standortvorteile haben.
Er bezeichnet diese Standortvorteile als „national diamonds‘‘. Für uns ist dieser Diamant das Know-how unserer Facharbeiter, unserer Techniker und unserer Ingenieure, auch des Managements, und die dichte Forschungslandschaft, die wir haben. Unsere Stärke liegt in der produktionsorientierten Forschung
und den pro-
duktionsorientierten Dienstleistungen. Auch deshalb ist für die elektronische Industriegesellschaft von morgen die Beherrschung der Informations- und Kommunikationstechnik für uns von außerordentlicher Bedeutung. 52
Wir haben heute die besten Kenner der Materie eingeladen, weil eine moderne Po-
litik der Vernunft auf den Sachverstand der Experten angewiesen ist. Wir wollen
von Ihnen wissen: Wo steht Deutschland im Wettbewerb um die Technologien des 21. Jahrhunderts? Wo steht Europa im Wettbewerb mit den USA und Asien? Wo
sind unsere Schwächen? Wo sind unsere Stärken? Bei welchem Glied der technologischen „food-chain‘‘ von den Materialien bis zu den ASICs haben wir Defizite? Wo sind wir noch relativ stark? Welchen Handlungsbedarf sehen die Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gewerkschaften?
Erst auf der Grundlage der Beantwortung dieser Fragen kann sich die Politik den Entscheidungen zuwenden: den Entscheidungen darüber, ob wir in unserer Forschungs- und Technologiepolitik nicht langsam neue Prioritäten setzen müssen, ob unser ohnehin kläglicher Forschungsetat auch in Zukunft durch die Erhaltungssubventionen für die Kernenergie und die Raumfahrt um 40 % zugemauert werden muß, ob wir es uns eigentlich leisten können, viel Geld in die Grundiagenforschung zu stecken, ohne Erfolgskontrolle und ohne Instrumente für die Umsetzung der Forschungserkenntnisse, wie lange wir es uns noch leisten können, die Forschung fast hermetisch von der Fertigung abzuriegeln, warum zwischen der Forschung
und der praktischen Anwendung
ein so tiefes, scheinbar unüberbrück-
bares Tal liegt, so daß sich auf der einen Seite die folgenlosen Forschungserkenntnisse auftürmen, während sich auf der anderen Seite die ökonomischen,
ökologi-
schen und technologischen Bedingungen verschlechtern, welche Kooperationen bei der Forschung und Entwicklung im vorwettbewerblichen Bereich sinnvoll sind und wie diese gefördert werden können und ob wir nicht eine neue Form des Dialogs zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik brauchen. Dazu benötigen wir kein MIT! des alten Typs, sondern eine andere Einstellung, eine andere Beziehung
zueinander, und vielleicht brauchen wir so etwas wie einen „European Council für
Technology-Competitiveness‘‘. Darüber müssen wir heute reden und nachdenken.
Alle diese Entscheidungen hängen in einer freien, demokratischen und marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaft vom offenen Diskurs und von der Willensbildung ab. Wenn
die Entscheidungsträger der Wirtschaft, der Wissenschaft und der
Politik aber nicht wissen, wohin wir wollen und wie wir einen Ökologisch verträgli-
chen Wohlstand
auch morgen
sichern können, wenn
die Eliten also planlos sind,
dann rutschen wir in die Zweitklassigkeit ab. Der englische Komponist Benjamin Britten hat einmal gesagt: Lernen ist wie rudern gegen den Strom. Sobald man aufhört, treibt man zurück. — Das gilt für die Wissenschaft, das gilt für die Wirtschaft, und das gilt selbstverständlich auch für die Politik. Wenn wir das nicht wollen, müssen wir jetzt die Weichen neu stellen. Wir Sozialdemokraten erwarten uns von dieser Anhörung eine ungeschminkte Bestandsaufnahme zur Lage unserer Volkswirtschaft bei den Schlüsseltechnologien von morgen. Ich darf den Sachverständigen im Namen meiner Fraktion schon jetzt dafür danken, daß sie diese Anhörung so gründlich und ernsthaft vorbereitet haben. 53
Jürgen Timm
(F.D.P.): Herr Vorsitzender!
Meine sehr verehrten Damen
und Her-
ren! In einer Anhörung stellen Politiker Fragen an das versammelte Fachwissen. Deshalb möchte ich in meinem kurzen Statement mehr in Frageform etwas zum Ausdruck bringen.
Es ist unzweifelhaft, daß die Informations- und Kommunikationstechnologie als eine der größten, wenn nicht die größte Innovationstechnologie angesehen werden kann. Wenn nicht, werden wir das hier zu klären haben. Die Frage ist aber — ob
sie schon beantwortet ist, muß geklärt werden -: Sollen wir alles selber machen, oder ist internationale Kooperation in diesem Fall angesagt, um einen extremen Wettbewerb zu verhindern? Hat internationale Kooperation auf diesem Gebiet
eventuell einen nachteiligen Einfluß auf die eigenständige Innovation in der Bundesrepublik Deutschland und ihre Industrie? Oder unterliegt sie nach wie vor einem so harten Wettbewerb im Bereich der Marktkämpfe,
um die Aufteilung unse-
res Globus? Wer bestimmt eigentlich diese Aufteilung? Muß das sein? Last not least: Ist Forschungs- und Wirtschaftsförderung richtig? Wenn ja, wie ist sie einzuordnen? Als ein Instrument, um die Innovation zu fördern, die wir alle brauchen? Sind sie die richtigen Instrumentarien dafür? Oder werden sie eventuell nur falsch
angewendet?
Mit diesen kurzen Fragen möchte ich mein Statement beenden. Denn ich bin der Meinung, daß wir unserem Frage- und Antwortspiel ausreichend Raum bieten sollten. Vorsitzender Wolf-Michael Catenhusen: Meine Damen und Herren, nun steigen wir in die erste Fragerunde ein. Zur Beantwortung stehen die Sachverständigen Queisser von der Max-Planck-Gesellschaft, Seitz vom Auswärtigen Amt, zur Zeit Botschafter in Rom, Endres von der Deutschen Bank, Klodt vom Weltwirtschaftsin-
stitut in Kiel und Meyer-Krahmer vom ISI in Karlsruhe, von der Fraunhofer-Gesellschaft, zur Verfügung.
Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU): Ich hätte eine Frage an Herrn Professor Queisser und an Herrn Dr. Seitz. In meinem Eingangsstatement hatte ich auf gewisse Irritationen hingewiesen, die die Politik zur Zeit durchleidet, weil unterschiedliche Auffassungen darin bestehen: Brauchen wir eine eigenständige Chipproduktion in der Bundesrepublik und in Europa, oder können wir uns darauf verlassen,
daß wir ausreichendes technologisches Know-how von anderen — Stichwort: Japan — bekommen können, um keine technologischen Nachteile zu erleiden? Herr Seitz und Herr Queisser, vielleicht können Sie über das hinausgehend, was Sie uns schriftlich geantwortet
Sv Queisser:
haben,
hier eine Durchleuchtung
geben.
Ich meine, wir brauchten in Europa eine eigenständige mikroelektro-
nische Fertigung, schon um ein symbiotisches Geflecht zur Unterstützung dieser neuen Technologien zu haben, die aus vielen Teilen bestehen: ein organisch ge-
wachsenes
Geflecht von Industrie, Öffentlichkeit, Wirtschaft, Forschung
usw.
Die
Optionen, die wir in Europa jetzt haben — etwa die Option mit JESSI -, etwas Derartiges zu erreichen, sind in den letzten anderthalb Jahren weitgehend verringert
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worden, vor allen Dingen auch die Tatsache, daß die Regionen — auch unsere ei-
genen deutschen Bundesländer — zum Teil mit ganz unglaublich hohen Subventionen ausländische Firmen nach Europa hereinholen. Denken sie an Mitsubishi in Alsdorf. Denken Sie vor allen Dingen daran, daß die britische Königin persönlich große japanische Fertigungsstätten und jetzt auch Grundlagenlabors eröffnet und damit Akzente setzt. Denken Sie daran, daß wir mit etwa 1 Milliarde DM europäi-
scher Steuergelder in Avezzano bei Rom Texas Instruments angesiedelt haben und jetzt nach der Ansiedlung in Ost-Berlin versuchen, Samsung weitere Möglichkeiten zu geben. Wir sind praktisch dazu gezwungen. Die Unterschiede der Politik in Europa, in Bonn und in den einzelnen Regionen sind außerordentlich schwierig.
Meine Anwort lautet also: Wir brauchten eigentlich eine eigene Chipfertigung. Das wird uns aber durch eine Vielzahl von Ansiedlungen in Europa abgenommen. Da-
mit verringert sich das Risiko. Die Möglichkeiten, selbst noch zu handeln, sind in den letzten anderthalb Jahren tatsächlich außerordentlich geringer geworden. Sv Seitz:
Herr Vorsitzender!
Bevor ich zur Mikroelektronik komme,
erlauben Sie
einen Satz zur Gesamtsituation. Es scheint mir, daß unsere gesamte informations-
technische Industrie — nicht nur die Mikroelektronik, sondern auch die Computerund die Unterhaltungselektronik — bereits ganz akut gefährdet ist und daß es sehr fraglich wird, ob, wenn diese Industrien völlig in ausländischer Hand sind — darum geht es: völlig -, wir die Industrien, in denen wir noch stark sind, halten können, nämlich die Industrieautomatisierung und die öffentliche Nachrichtentechnik. Das ist das Problem.
Das Ganze baut auf einige Schlüsseltechnologien auf, die enabling Technologien.
Das sind einerseits die Mikroelektronik, die Chips, und andererseits die Flachbild-
schirme, wo wir auch überhaupt nichts haben. Das sind weiter die opto-elektroni-
schen Komponenten, wo wir auch schwach sind. Wir haben für die gesamte Informationstechnik nicht mehr die Schlüsselkomponenten.
Nun zur Mikroelektronik. Ich möchte hier sagen, was das Aussteigen durch Siemens bedeutet. Siemens versucht dadurch, daß es sich an der Entwicklung betei-
ligt — beim 64-Megabyte-Chip mit IBM, beim 256-Megabyte-Chip mit IBM und Toshiba zusammen —, sich die Kompetenz anzueignen, um später für sich allein an-
wendungsspezifische Chips herzustellen. Ob das gelingt, ist fraglich. Es ist sehr fraglich, ob man anwendungsspezifische Chips für die Telekommunikation zu wettbewerbsfähigen Preisen herstellen kann, ohne vorher eine DRAM-Linie zu haben. Aber wie auch immer das Experiment für Siemens ausgeht, müssen wir feststellen: In Deutschland wird es keinen deutschen Anbieter für Chips mehr geben. Wenn später die Tausende von mittelständischen Firmen für ihre Geräte anwendungs-
spezifische Chips brauchen — hier geht es um die mittelständische Industrie, um Tausende und Abertausende von Firmen, die alle anwendungsspezifische Chips
brauchen; denn die Systeme, die sie ausdenken, wandern auf einen einzigen Chip,
der hochintegriert
ist —,
dann
müssen
sie zu ausländischen
Chipherstellern
ge-
hen. Ich frage mich: Kann man unter solchen Bedingungen wettbewerbsfähig blei55
ben?
Denn
einerseits ist klar, daß man
mit einem
deutschen
anwendungsspezifischen Chip ganz anders gemeinsam dem
frage ich mich, wenn
Chip-Hersteller den
entwicken kann. Außer-
das nur Ausländer sind und immer
mehr
nur Japaner
— denn das droht; nach allen Voraussagen wird sich die Chip-Herstellung prak-
tisch auf Japan konzentrieren, auch wenn es vielleicht amerikanische Fabriken in Japan sind —, ob die uns, mit denen sie in den Systemen im Wettbewerb stehen,
wirklich die anwendungsspezifischen
Chips zu günstigen
Kosten jederzeit ma-
chen. Damit müßten wir unsere Systeme den Japanern oft zwei Jahre, bevor wir unsere Produkte herstellen, schon offenlegen, und die Japaner wüßten, was wir
tun. All das sind Fragen, die sehr schwerwiegend sind. Wenn die Franzosen nicht
noch standhalten und SGS-Thompson so unterstützen, daß sie als Anbieter erhalten bleiben, frage ich mich, ob die Entscheidung, daß wir keinen europäischen, kei-
nen deutschen Chip-Hersteller mehr haben, nicht eine ganz, ganz gefährliche Ge-
schichte
ist.
Edelgard Bulmahn (SPD): Ich habe eine Frage an Herrn Professor Queisser und Herrn Professor Dr. Meyer-Krahmer. Wir führen diese Diskussion im Bundestag schon seit sehr langer Zeit. Von daher möchte ich nicht eine Grundsatzfrage nach der Einschätzung
stellen.
Denn
meiner
Krahmer in seinem Gutachten zu Recht 1982 geführt wird. Ich möchte eine ganz zumindest im letzten Jahr von seiten der mationen erhalten, die im Gegensatz zu
Meinung
nach
hat Professor
gesagt, daß diese spezielle Frage an Industrie in immer früheren standen:
Dr. Meyer-
Grundsatzdebatte seit Sie stellen. Wir haben stärkerem Maße Infordaß die Zeitabstände
zwischen Speicherelementen und ASICs, also anwendungsspezifischen Chips, im-
mer geringer wird. Von daher trifft das ursprüngliche Argument, daß man für die Entwicklung der ASICs das Know-how das Speichertechnologie haben müßte, um an den Entwicklungsschritten teilzuhaben, nicht mehr zu. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das sicherlich ein Argument für das einzelne Unternehmen, die Entscheidung entsprechend zu treffen. Teilen Sie die Einschätzung, daß es auf Grund der immer kürzer werdenden Entwicklungsabstände zwischen Speicherelement und ASICs praktisch verantwortbar wäre, auf eine eigenständige europäische
Speichertechnologie
—
ich spreche
nicht von einer nationalen —
zu verzichten?
Herr Professor Dr. Queisser, welche Vorschläge würden Sie ganz konkret für europäische Politik machen? Welche ganz konkreten Schritte schlagen Sie wenn Sie der Einschätzung sind, daß das nicht möglich ist? Welche Schritte nen von seiten der Politik unternommen werden, um tatsächlich eine fördernde terstützung zu geben? Sv Queisser:
Grundsatzfrage.
eine vor, könUn-
Diese Frage wird viel gestellt. Sie ist nicht ganz im Zentrum der Aber ich will versuchen,
sie zu beantworten.
Es hat sich bisher für die großen Hersteller sehr wohl gelohnt, zunächst mit einer Speicherfertigung die Lernkurve, die etwas ganz Typisches für die Halbleiterindustrie ist, zu durchfahren, Materialien und Werkzeuge für die Mikroelektronik in Zu-
sammenarbeit mit den Werkzeugherstellern zu üben — ein Gebiet, auf dem wir noch schwächer sind, wo wir überhaupt nichts mehr hier haben, obwohl wir das
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Land wären, so etwas herzustellen und zu fertigen — und dann eine solche Fabrik zu räumen, mit der Generation, die anwendungsspezifischen Schaltkreise herzu-
stellen. Das ist der Hintergrund Ihrer Frage. Antwort: Jawohl, man könnte durchaus versuchen, auch ohne die Erfahrung aus einer Speicherlinie anwendungsspezifische Schaltkreise herzustellen. Das wird aber sehr viel riskanter, sehr viel teurer, sehr viel schwieriger, und nur dann einigermaßen erfolgversprechend, wenn man andere sehr große Stärken hat, etwa das Beispiel Intel. In der Tat bewegen sich die beiden Kurven etwas näher aufeinander zu. Die Antwort ist aber die: Derjenige,
wie etwa Toshiba, der nach wie vor eine große Speicherfertigung hat und da auch lernt,
Leute
ausbildet
und
alle Einzelheiten
wirklich beherrscht,
wird
immer
den
größeren Vorteil haben. Deswegen ist jetzt Toshiba natürlich einer der drei besonders Starken und Begünstigten in der menage ä trois zwischen Toshiba, IBM und Siemens.
Ich bin gerade
in den
Fabriken
in Amerika
gewesen
und
habe
es mir
selbst angesehen. Wenn wir keine großen Speicherfabriken europäischer Herstel-
ler haben — wir haben die der anderen; Europa kann mehr als 50 % seiner Speicher durch die Transplants von Japanern, Koreanern und Amerikanern decken —, wird es außerordentlich schwierig. Es würde wahrscheinlich bedeuten, daB man
besondere Förderung, besondere Hilfe und besondere Unterstützung einer nicht durch Speicherlernen begünstigten Gruppe hat.
Was Siemens jetzt tut, ist, eine Versicherung zu kaufen, teilzunehmen. Sie tun das
aus eigener unmittelbarer Erfahrung vor einigen Tagen, um sich das für den eige-
nen Bedarf anzueignen, wie Herr Seitz schon gesagt hat, um die eigene TelekomIndustrie, die ein wichtiger Teil unserer Exportindustrie ist, zu schützen. Es bleibt
dem Hause Siemens gar nichts anderes übrig. Möglicherweise wird aber der Grö-
Bere profitieren. Das wird von den drei Partnern Toshiba sein. Denn Toshiba wird die einzige der drei Firmen sein, die am Weltmarkt mit Speicherprodukten — ne-
ben der Inhouse-Produktion — eine Rolle spielt.
Was wir jetzt an europäischen
Strategien
überhaupt noch
haben,
ist sehr gering,
vor allen Dingen, weil uns das United Kingdom durch seine Politik der Ansiedlung von Japanern und Koreanern, die ganz massiv ist, den Handlungsspielraum sehr stark eingeengt hat. Sv
Meyer-Krahmer:
Sicherlich
ist es so,
daß
eine
eigene
Speicherproduktion
Synergieeffekte ermöglichen würde, die nicht unterschätzt werden sollten. Herr Queisser hat das ausreichend dargelegt. Nur ist das etwas Wünschenswertes. Die Frage ist, unter welchen Bedingungen man diesen Wunsch realisieren möchte. Hier sind aus meiner Sicht die Firmen entscheidend. Die Industrie trägt die Verantwortung dafür, ob man eine Produktion einrichtet oder nicht. Wenn
sich die Indu-
strie dazu nicht durchringen kann, halte ich es für nicht gerechtfertigt, daß die öffentliche Hand so massiv stützt, daß die Firmen zu einem Einstieg bereit sind. Ein
Analogbeispiel wäre für mich der Airbus. Hier hat man mit dramatischen Aufwendungen von seiten der öffentlichen Hand einen Einstieg erreicht. Ich glaube nicht, daß wir für diesen Bereich in ähnlicher Weise Bemühungen der öffentlichen Hand in Gang setzen sollten.
57
Wir sollten uns — neben der Tatsache, daß es wünschenswert wäre — darauf besinnen, daß wir andere Stärken haben. Sie entnehmen meiner Stellungnahme, daß
ich sehr stark dafür argumentiere, daß die Stärken der Bundesrepublik heute nicht in der Speichertechnologie, sondern in anderen Bereichen liegen, in den traditionellen Sektoren: Maschinenbau, Chemie, Automobilbau. Man sollte sich sehr viel stärker auf den Ausbau, die Stabilisierung und das langfristige Potential unserer
vorhandenen
Stärken orientieren. Hier spielt IuK in der Tat eine sehr große Rolle.
Aus den Eingangsstatements habe ich entnommen, daß man die sogenannten traditionellen Industrien quasi schon
abgeschrieben
hat. Dagegen
möchte
ich mich
massiv verwahren. Wir werden auch in Zukunft die Chemie benötigen. Wir werden
auch in Zukunft Verkehrsleistungen benötigen. Es steht überhaupt nicht in Frage, daß das Produktspektrum, das diese Industrien anbieten, die für uns die entscheidenden Industrien sind, verschwinden wird. Der entscheidende Punkt ist, in-
wieweit diese Industrien einen inneren Strukturwandel vollziehen. Ich nenne ein Beispiel. Die Automobilindustrie muß weg von der Vorstellung, sie würde Automobile herstellen und zu einem Anbieter von Verkehrsdienstleistungen werden. Dieser Strukturwandel muß vollzogen werden. Hierbei spielen luK eine entscheidende
Rolle.
Eine zweite entscheidende Stärke wären für mich die Anwendungsbereiche neben dem Verkehr: Umwelt, Energie usw. Das ist alles ausgeführt worden. Man muß
stärker auf die Anwendung orientieren und die Stärken der Bundesrepublik nutzen — das ist mein Plädoyer — und nicht in Bereichen, in denen wir extreme Schwä-
chen aufweisen, die Ressourcen massiv binden. Christian
Lenzer (CDU/CSU):
Her Vorsitzender!
dem ersten Beratungsblock, den wir uns im Rahmen
Meine Damen
und Herren! In
unserer internen Struktur vor-
gegeben haben, fallen zwei Meinungen auf, und zwar von Herrn Dr. Klodt und Herrn Meyer-Krahmer. An diese beiden Herren richtet sich auch meine Frage. Im Gegensatz zu anderen Befragten halten sie eine eigene Fertigung in Deutschland bzw. in Europa mehr oder weniger nicht für notwendig und wären auch bereit, bei einem funktionierenden Weltmarkt — so heißt es in der Unterlage — auf Eingriffe des Staates zu verzichten. Welche Voraussetzungen müßten nach Ihrer Auffassung gegeben sein, damit von einem funktionierenden Weltmarkt ohne Wettbewerbsverzerrung,
ohne
Blockaden
und ohne
Erpressungsmöglichkeiten
durch ei-
nen Monopolisten ausgegangen werden kann? Warum fassen wir andererseits die Frage der staatlichen Intervention immer mit spitzen Fingern an? Ich bin ordnungspolitisch völlig unbeleckt und überhaupt nicht eitel, wenn sie, die Wissenschaft und die Wirtschaft, mit der Politik gemeinsam eine Schlüsseltechnologie besetzen wollen. Die Amerikaner stützen mit ihren strategic technologies eine bestimmte Technik massiv ab, bis die Wettbewerbsfähigkeit,
der break even, erreicht ist. Warum
sollte das bei uns nicht möglich sein? Wir wollen das wohlgemerkt nicht allein erfinden. Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden. Der Staat hat nicht die Aufga-
be, Technologien auf Halde zu produzieren, die sich am Markt nicht durchsetzen
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und die nicht benötigt werden. So ist das nicht gemeint. Sie sollen uns schon sagen, was wir zu tun und zu lassen haben. Sv Klodt: Die Grundsatzfrage, die Sie gestellt haben, warum wir uns, wenn wir vor der Frage stehen, ob der Staat intervenieren sollte oder nicht, im Zweifel immer gegen die Intervention entscheiden, ist leicht zu beantworten: weil wir die begründete Vermutung haben, daß ein marktwirtschaftlicher Mechanismus im Rahmen unserer Wirtschaftsordnung besser geeignet ist, Probleme zu lösen, als staatliche Intervention. Ich glaube, in diesem Kreise ist weitgehend unstrittig, daß der Begründungszwang bei der Entscheidung für die Intervention liegt, während die Entscheidung, nicht zu intervenieren, in einer Marktwirtschaft nicht gesondert begründet werden muß. Ihre zweite Frage hat einen direkten Bezug zur ersten: Haben wir in der Mikroelek-
tronik diese Ausnahmesituation erreicht? Gibt es Wettbewerbsbeschränkungen, gegen die wir angehen müssen? Hier ist die Diskussion im letzten halben Jahr ein ganzes Stück vorangekommen. Wenn wir vor einem Jahr in dieser Runde zusammengesessen hätten, wären ziemlich viele Teilnehmer der Ansicht gewesen: Es
gibt massive Wettbewerbsbehinderungen im Chipmarkt. Es gibt japanische Chipgi-
ganten, die eine Monopolmacht ausüben und unsere armen mittelständischen Maschinenbauer an die Wand drücken. Wir haben inzwischen ein sehr viel differenzierteres Bild der Chipindustrie gewonnen. Wenn man die Produktionsgruppen betrachtet, wenn man sich anschaut, wie sich der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Unternehmen vollzieht, dann sieht man ziemlich deutlich, daß wir zur Zeit einen relativ ausgeprägten Wettbewerb im Chipmarkt haben. Zum Beispiel haben wir bei den Speicherchips, auf die sich die öffentliche Diskussion konzentriert
hat, mittlerweile ein großes Vordringen von koreanischen Anbietern. Hier sind die
Japaner nicht mehr unter sich. Bei Mikroprozessoren, die auch wichtig sind, haben
wir gar keine dominante Stellung der Japaner, wenn schon, dann eine der Amerikaner. Aber innerhalb der amerikanischen Unternehmen gibt es eine große Konkurrenz. Hier sind es eher die Japaner, die für zusätzlichen Wettbewerb indem sie die Position von Intel ankratzen. Insofern
meine
ich,
daß
es
im
Weltmarkt
für
mikroelektronische
sorgen,
Bauelemente
durchaus Wettbewerb gibt, mehr Wettbewerb als auf manchen anderen Märkten. Deswegen
ist die Frage, wie wir aus Wettbewerbsgründen
nen gestalten müssen, in diesem Fall müßig.
staatliche Interventio-
Vielleicht noch eine kurze allgemeine Bemerkung zum Thema Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Wir sind in einer Anhörung, wo der Forschungsausschuß federführend ist. Deswegen steht die Forschungspolitik im Zentrum. Man muß aber den Blick ein bißchen erweitern und feststellen, daß die Wettbewerbsfähigkeit, wenn sie zur Zeit denn bedroht ist, von ganz anderen Dingen bedroht wird. Wir haben die gigantische Staatsverschuldung, die von der Größenordnung her einen dreifachen Ölschock ausmacht. Wir haben das diesmal nur etwas anders verteilt als den Ölschock damals. Wir haben Probleme, die auf uns zukommen, die mit 59
Forschungssubventionen, überhaupt mit technologiepolitischen Maßnahmen nicht zu lösen sein weden. Die Probleme liegen ganz woanders. Es wird beklagt, wie gefährlich es sei, daß die gesamte deutsche Industrie in japa-
nische Hände kommt, weil die Japaner versuchen, einen Fuß in die Festung Europa hineinzubekommen, indem sie in Europa Produktionswerke errichten. Diese Diskussion kommt mir etwas sonderbar vor. Denn wir klagen auch darüber, daß wir
ein großes Defizit bei Direktinvestitionen haben. Es wird gesagt, die Standortquali-
tät sei gefährdet, weil so wenig ausländische Unternehmen in Deutschland und zu viele deutsche Unternehmen im Ausland investieren. Gleichzeitig ist uns auch wieder nicht recht, daß nun ausländische Unternehmen in Deutschland investieren. Nur eine Meinung von beiden kann richtig sein. Sv Meyer-Krahmer: Herr Lenzer, luK ist sicherlich nicht die einzige Schlüsseltechnologie. Es gibt auch andere: Materialwissenschaften, Biotechnologie. In bezug auf luK halte ich die heutige Diskussion für zu spät. Man
Jahren führen sollen.
hätte sie vor zehn
Vorsitzender Wolf-Michael Catenhusen: Auch da haben wir sie schon geführt. Sie sehen, wie sich die Wirklichkeit verändert hat. Sv Meyer-Kahmer: Die Biotechnik ist sehr stark von der Pharmazie und von der chemischen Industrie gesteuert, in denen es auch Defizite gibt. Aber die Chemie
hat im Verhältnis zur IuK-Industrie eine viel stärkere Stellung, was den Außenhandel, was die Patentaktivitäten betrifft, so daß beispielsweise ein solches Thema ein
viel wichtigeres Thema ist als die massive Bündelung von öffentlichen Ressourcen auf die Speicherproduktion. Ich habe mich nicht gegen eine eigene Speicherproduktion in Europa ausgesprochen. Ich habe nur gesagt: Wenn die Firmen nicht da sind, die bereit sind, das zu tun, dann sollte nicht die öffentliche Hand
dafür ein-
springen. Siemens hat jetzt eine klare Entscheidung gefällt. Das muß man akzeptieren. Sie ist vielleicht durchaus weise.
Ich selber bin ordnungspolitisch nicht so festgelegt wie Herr Klodt. Ich habe keine so großen Schwierigkeiten. Ich glaube sehr wohl, daß in der Forschungspolitik Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Beispielsweise steht der Bereich Telekom-
munikation in bezug auf Investitionsaktivität und auch in bezug auf Außenhandel
gar nicht so schlecht da. In diesem Bereich sollten wir sehr stark darauf achten, daß wir den Anschluß nicht verlieren. Japanische und US-amerikanische Unterneh-
men haben in der letzten Zeit auf diesem Gebiet erhebliche Forschungsanstrengungen geleistet. Man muß darauf achten, dort Schwerpunkte zu setzen, wo es für
die Anwendungsseite, wie ich das vorhin beschrieben habe, relevant ist. Das ist eine Frage, die man im einzelnen noch diskutieren muß. Ich habe keine Patentrezepte. Aber hier sollten Schwerpunkte gesetzt werden. Wir brauchen eine bessere
Vernetzung der Forschungsinfrastruktur mit der Wirtschaft. All das habe ich schon ausgeführt. Hier gibt es eine Reihe von Ansatzpunkten, die ich für wesentlich halte. Hier ist eine ordnungspolitische Zurückhaltung gar nicht angebracht. 60
Josef Vosen (SPD): Ich habe Fragen an Herrn Endres von der Deutschen Bank
und Herrn Klodt. Vielleicht eine Bemerkung vorab. Es ist so, daß sich die Forschungspolitik sehr oft mit Fragen beschäftigt, die auch Wirtschaftspolitik sind, weil wir gewisse Freiräume haben. Wir brauchen uns nicht immer nur mit Subventionen
für irgendwelche notleidenden Industrien zu beschäftigen. Deswegen denken wir schon einmal nach vorn, und dann kommen wir auf solche Felder. Ich bitte uns nicht übelzunehmen, daß wir uns damit befassen. Aber es sind noch andere Ausschußmitglieder hier. Ich glaube schon, daß wir an der richtigen Stelle sind. Die Frage ist, ob wir zu spät dran sind. Diese Frage wollte ich zurückgeben. Soviel ich weiß, ist das alles eine Finanzfrage. Milliardeninvestitionen stehen an, um sol-
che Entwicklungen zu betreiben. Das ist der Grund, warum Philips und andere ausgestiegen sind. Jetzt gibt es vielleicht auch einen Teilausstieg von Siemens. Herr Endres, die Deutsche Bank und die Banken schlechthin sind nicht nur Banken, sondern kümmern sich auch sehr intensiv um die Wirtschaft, wie wir wissen. Für mich stellt sich die Frage: Warum hat es die deutsche Wirtschaft nicht geschafft — jetzt spreche ich als Wirtschaftspolitiker, nicht als Forschungspolitiker —, eine
Front aufzubauen, vielleicht unter Federführung der Deutschen Bank?
Vorsitzender Wolf-Michael Catenhusen: Und das von einem Sozialdemokraten! Sie merken, was Ihnen zugetraut wird, Herr Endres. Josef
Vosen
(SPD):
Natürlich wäre es Pflicht der Regierung
gewesen.
Ich rede
jetzt aber von der Wirtschaft. Hier war immer eine gewisse ordnungspolitische Eigenverantwortlichkeit gefordert. Warum hat es die deutsche Wirtschaft nicht geschafft, die Anwender von Mikroelektronik mit den Herstellern in ein Boot zu bekommen? Warum haben die Angebote der Politik, mitzuhelfen — zur Förderung der Mikroelektronik hat es Milliardenprogramme
gegeben,
über Jahre verteilt —,
so wenig Resonanz gefunden? Woran lag das? Diese Frage möchte ich an Sie zurückgeben, der Sie mit Ihren Instituten — ich meine jetzt alle Banken — eine große Verantwortung für die Entwicklung unseres Landes tragen. Herr Klodt, was haben wir international falsch gemacht? Haben wir auf diesem Feld
nicht europäisch gearbeitet? Haben wir es versäumt, rechtzeitig mit Japan oder mit Amerika oder in Europa selbst zu kooperieren? Was waren die Fehler, daß wir heu-
te an der Stelle stehen, daß wir eigentlich sagen müssen: Hoffentlich gehen uns die Franzosen nicht noch laufen? Das haben wir eben von Herrn Seitz gehört. Zur Regierung selbst will ich nichts sagen, weil wir hier eine friedliche Anhörung machen und kein Parteiengezänk. Vorsitzender Wolf-Michael Catenhusen:
Gefragt werden kann sie auch nicht.
Sv Endres: Herr Vosen, herzlichen Dank für Ihre Frage. Zunächst: Sie sollten die Deutsche Bank nicht überschätzen. Wenn der Staat die Ordnungsfunktion, Anbie-
ter und Benutzer zusammenzubringen,
nicht vollziehen kann, können Sie nicht er-
warten, daß es die Deutsche Bank kann. Ich glaube, das ist auch mehr eine rhetori-
61
sche Überlegung. Man muß folgendes sehen: Es gibt keine Einheit, weder von der
Herstellerseite noch von der Anwenderseite her. Es gibt hier eine Vielzahl von ver-
schiedenen Interessen. Der Anwender sucht die Lösung, die für ihn die günstigste ist. Unser
Problem
in Deutschland
ist, daß wir die Chips, die Anwendertechnologie,
nicht zu den Preisen anbieten können, zu denen es andere Staaten tun. Ich will Ihnen ein ganz konkretes Beispiel sagen, das uns, die Deutsche
Bank, als Investor
betrifft. Wir investieren pro Jahr etwa 500 Millionen DM in EDV oder Informationstechnologie. Wir hatten einen Rechner zu ersetzen. Das Angebot des deutschen Herstellers,
d.h. eines internationalen
Herstellers,
der in Deutschland
fertigt, lag
bei 18 Millionen DM. Das Angebot seines Partners in den USA — die gleiche Firma — liegt bei 12 Millionen DM. Der Unterschied liegt darin, daß wir im Augenblick in Deutschland
Rahmenbedingungen
haben,
die solche
Technologie
enorm
teuer
machen. Wir brauchen nicht jemanden zusammenzubringen oder nicht zusammenzubringen, sondern wir müssen unsere Rahmenbedingungen ändern. Ich glaube, hier liegt einer der entscheidenden Punkte. Hier liegt für meine Begriffe einer der Basispunkte,
die in dieser Diskussion
erwähnt werden
sollten.
Herr Seitz sprach letzthin von der Frage eines nationalen Konsenses, daß dies die
Technologie ist, die uns im Jahre 2010 die Ernährung liefert oder unseren Lebensstandard sichert. Die Frage ist nicht, ob wir den 256er Chip hier bauen oder in Amerika, sondern sie lautet: Wie stehen wir ganz generell zu dieser Industrie? Das ist keine Frage, die die Deutsche Bank beantworten kann. Diese Frage kann nur im Konsens der Partner beantwortet werden. Dazu gehören die Regierung, die Arbeitgeber und die Gewerkschaften.
Sv Klodt: Vorab zu der Bemerkung, daß man den Blick über die reine Forschungsthematik hinaus erweitern sollte. Das hatte ich nicht als Kritik daran gemeint, daß Sie sich mit Dingen beschäftigen, die nicht hierhergehören. Ich bin im Gegenteil der Meinung, daß wir das in einem Gesamtzusammenhang
sen. Ich freue mich, daß Sie das auch so sehen.
sehen müs-
Was haben wir falsch gemacht? So haben Sie die Frage formuliert. Hier frage ich
mich zunächst einmal: Wer ist „wir‘‘?. Man könnte sagen: „Wir‘‘, das sind die deutschen Unternehmen. Ich kann im Grunde nicht viel dazu sagen, ob diese Un-
ternehmen etwas falsch gemacht haben und, wenn ja, was sie falsch gemacht haben. Vielleicht ein kleiner Hinweis: Es mag für die gesamte europäische Informations- und Kommunikationstechnologie nicht sehr günstig gewesen sein, daß sie im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens gewisse Schutzräume gehabt hat. Ob das der Wettbewerbsfähigkeit gut getan hat, weiß icht nicht. Ich möchte das nur andeuten. Ich weiß nicht viel darüber, ob in den Unternehmen konkret Feh-
ler gemacht worden sind oder nicht. Die nächste
Frage
falsch gemacht?
ist hier relevanter:
Hier möchte
Was
hat möglicherweise
ich einen Punkt herausstreichen,
die Regierung
bei dem
ich auch
mit Herrn Seitz völlig einig war. Wir haben über Jahrzehnte hinweg eine konservie-
62
rende Strukturpolitik betrieben, für die Agrarpolitik, für die Montanindustrie, im wesentlichen über die EG. Wir machen eine Werfthilfepolitik. Wir schützen die Textil-
und Bekleidungsindustrie. Wo liegen die industriepolitischen Schwerpunkte in der Bundesrepublik?
Sie liegen eindeutig
Schrumpfungszwang
bei Altindustrien,
bei
Industrien,
die unter
und Anpassungsdruck stehen. Das Ergebnis ist dann kein
Wunder. Man kann nicht einerseits konservierende Strukturpolitik betreiben und sich andererseits beklagen, daß der Strukturwandel in den neuen Industrien nicht
recht vorankommt. Der naheliegendste Weg ist vielleicht, die konservierende Strukturpolitik abzubauen. Wenn wir das frühzeitiger getan hätten, wären wir mit
dem Strukturwandel, den wir uns in dieser Runde wünschen, ein ganzes Stück weiter.
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU:
Herr Dr. Seitz hat die Gefahren für
die deutsche Wirtschaft, insbesondere für die mittelständische Wirtschaft, aufgezeigt, die vom Verlust der Fähigkeit, anwendungsspezifische Chips herzustellen,
ausgehen. Herr Endres, welche Wettbewerbsverfälschungen und gegebenenfalls welche unfairen Strategien unserer Wettbewerber führen dazu, daß Deutschland auf diesem Felde ins Hintertreffen gerät? Die Frage der Tarife und der Lohnkosten
kann wohl nicht als Faktor gelten, den der Staat beeinflussen könnte. Das ist ein Thema, das die Tarifpartner eigenständig regeln. Welchen unfairen Strategien
müssen wir also begegnen, und welche staatlichen Gegenmaßnahmen sind aus Ihrer Sicht dazu
Sv Endres:
notwendig?
Ich weiß nicht, ob ich der richtige Adressat bin. Denn in unserem Ge-
schäft, im Geldgeschäft, begegnet uns das selten. Aber ich glaube, man kann folgendes sagen.
Es geht vor allem um den Austausch
mit Japan.
Im Austausch
mit
Japan geht es um die Rahmenbedingungen, Spezifikationen, Normen und dergleichen,
auch
Sprachprobleme,
wo die Japaner
sehr erfindungsreich
sind,
um
be-
stimmte Dinge zu verhindern. Es geht um die Frage der Ausschreibungen: Bestimmte deutsche oder internationale Unternehmen werden bei Ausschreibungen nicht aufgefordert. Es geht schließlich um die Preispolitik, um das Dumping. Es ist sicher, daß die Japaner, wenn sie eine langfristige Strategie haben und bestimmte Anteile am Weltmarkt erreichen wollen, in ihrer Preispolitik sehr variabel sind. Ich will es einmal so ausdrücken. Das heißt, daß die Exportpreise deutlich unter den Inlandspreisen liegen. Das gilt nicht nur für den Automobilbau, sondern im wesent-
lichen auch für diese Industrie. Die Beschränkungen sind also auf einer ganz breiten Schicht. Sie sind zum Teil von staatlicher Seite wenig zu regulieren. Denn was wollen Sie groß machen, wenn Sie bei einer bestimmten Ausschreibung nicht aufgefordert werden
oder wenn
Standards nicht entsprechen?
die Spezifikationen
so sind, daß sie internationalen
Mein Einwand vorhin betraf weniger diese Dinge. Mein Einwand war, unsere gesamte Einstellung zu dieser Industrie neu zu überdenken. Diese Industrie hat in diesem Jahr erstmals größere Umsätze am Weltmarkt erzielt als die Automobilindustrie. Es ist diese Industrie, die im nächsten Jahrzehnt und im nächsten Jahrtau-
send den Wohlstand tragen muß. Hier muß ich fragen: Darf sich ein Industrieland
63
wie unseres den Luxus leisten, nicht mehr an der Spitze der Forschung zu sein? Ich bestreite nicht, daß man bestimmte Standarddinge kaufen kann. Aber das, was
die Indudstrie bewegen wird, und zwar auch in den fünf großen Schlüsselindu-
strien, ist der Vorsprung in der Mikroelektronik, in der Computertechnologie und in der Software. Da ist mein Punkt: Können wir es uns leisten, nur zu sagen: Mit
internationalen strategischen Kooperationen schaffen wir den Ausgleich?
Jürgen Timm (F.D.P.): Herr Professor Queisser, Sie haben ebenso wie der Botschafter Seitz davon gesprochen, daß wir in Europa eine eigenständige Entwicklung brauchen. Herr Seitz hat davon gesprochen, daß wir einem Verlust an Schlüsseltechnologie in Europa entgegensehen. Heißt das bei Ihnen beiden, daß Sie Ihr Augenmerk mehr auf die europäische Einigung in Forschung, Technologie und Wirtschaft legen und weniger auf eine gewisse Eigenständigkeit in der Bundesrepublik Deutschland?
Herr Professor Queisser, an Sie habe ich eine weitere Frage. Sie schreiben, daß
die Bundesrepublik in bestimmten Bereichen, z.B. in der Grundlagenforschung und in der Ausbildung, noch einen Vorsprung hat. Wie würden Sie das bewerten?
Wenn denn schon unsere bundesdeutsche Industrie sich aus der Forschung in diesern Bereich zurückzieht, sehen Sie dann einen Ansatz, in den staatlichen Institu-
tionen, an Technischen Hochschulen usw. Grundlagenforschung und Ausbildung verstärkt durchzuführen, um hier einen Vorteil zu erhalten?
Ich habe noch eine Frage an Herrn Meyer-Krahmer. Sie sprechen davon, daß die Industrie mehr in der Verantwortung steht als die öffentliche Hand, die nicht so massiv fördern sollte. Kann denn die öffentiche Hand den möglicherweise eingetre-
tenen Wissensverlust überhaupt noch durch entsprechende
Förderungen zurück-
drängen? Oder gehen Sie davon aus — wie Sie es ausgeführt haben; jedenfalls habe ich das so verstanden —, daß man sich in der Frage der Informations- und Kommunikationstechnologien und deren Förderung tatsächlich nur auf bestimmte Bereiche beschränken solite, in denen man noch einen gewissen Vorsprung hat? Sv Dr. Queisser: Herr Timm, ich meine, wir hätten eine Eigenständigkeit gebraucht. Wir hätten vielleicht vor längerer Zeit eine generelle Richtlinie festlegen
sollen, die eben nicht die Konservierung — etwa mit dem Jahrhundertvertrag der Steinkohle —, sondern ein sicherlich riskantes Inangriffnehmen moderner Techniken bewirkt hätte. Das ist zum Teil versucht worden, aber nicht mit der notwendigen politischen und sonstigen Konsequenz. Ich meine, ein rohstoffarmes Land sollte hohe Wertschöpfung in Arbeitsplätzen besitzen. Dabei kann in ganz besonderem Maße die Informations- und Kommunika-
tionsindustrie mit ihrer zusätzlichen Ausstrahlung auf andere Industrien sehr viel mehr schaffen als das, was wir jahrzehntelang bei uns gefördert haben. Zu Ihrer zweiten Frage, auf die europäische Einigung zu setzen: Das müssen wir natürlich tun, gerade weil wir einen offenen europäischen Markt haben und gerade weil wir uns mit der Präsenz beispielsweise der von England aus so gesehenen ja64
panischen Partner auseinandersetzen fert werden.
müssen. Von daher werden wir auch belie-
Auf der anderen Seite versuche ich persönlich — mit großem Einsatz, auch, wenn es manchmal nicht einfach ist —, beispielsweise JESSI zu einem gewissen Erfolg zu führen, daß wir gemeinsam etwas schaffen. Aber wir können nicht uns alleine innerhalb
Europas
sehen.
Wir müssen
Europa als Gesamtheit
sehen.
Zur dritten Frage: Grundlagenforschung und Ausbildung sind in der Tat Stärken. Bund und Länder haben in diesem Bereich ihre Aufgabe wirklich gut erfüllt. Wir können uns sehen lassen. Das zeigt sich zum einen in der Grundlagenforschung, wo die Amerikaner und die Japaner gewisse Schwächen
haben.
Deswegen
kom-
men sie und werben uns viele Leute ab. Gerade unser Institut wird in diesem Jahr ein halbes Dutzend junger deutscher Fachleute an die japanische Industrie abtreten: sonst wären sie halt arbeitslos. So sieht die Realität aus. Auch unsere sonstige Ausbildung ist sehr gut. Das ist der Grund dafür, weswegen wir uns so gut halten und gegen die Konkurrenz in anderen europäischen Partnerländern z.B. im Maschinenbau, in der Chemie, in der Automobilindustrie antreten können. Wir versuchen, unser Handelsdefizit mit Japan dadurch zu kompensieren,
daß wir mehr nach Italien und Frankreich verkaufen. Schöner wäre es, wir würden mit den Franzosen und den Engländern gemeinsam die große Herausforderung gegenüber Ostasien und Amerika annehmen.
Ich glaube, dies ist kein Problem der Forschung allein. Sie werden jetzt bitte nicht erwarten, daß ich mich für die Lobby der Forschung oder der Max-Planck-Gesellschaft stark mache.
Nein, ich bin nicht unzufrieden. Wir haben
einen erstaunlich
guten Nachwuchs, der interessiert ist, untereinander zusammenarbeitet und in jeder Weise sozial eingestellt ist. Wir haben noch nie so gute junge Studenten wie im Augenblick gehabt. Aber deren Berufschancen sind sehr schlecht; das macht mir Sorge.
Wenn Sie sagen, man müsse die Technischen Hochschulen weiter stützen, stimme ich dem zu. Nordrhein-Westfalen, das Land, in dem wir hier sitzen, hat natürlich
mit dem Pfund Aachen und seiner Technischen Hochschule gewuchert und Mitsubishi dort angesiedelt. Wenn wir das wollen, wenn wir wirklich ansiedeln wollen,
dann
müssen
wir in der Forschung,
in der Entwicklung und in der Ausbildung auf
unsere ostasiatischen Partner eingehen, wie das auch die Engländer machen. In der vorigen Woche wurde ein großes Grundlagenforschungszentrum in Oxford errichtet: der Industrieminister selber war anwesend, Es wird ein ganz gewaltiges La-
bor der Firma Sharp werden. Diesen englischen Weg sollten wir vielleicht ebenfalls gehen, unseren Stolz herunterschlucken und ganz realistisch in diesem Bereich vorgehen. Sv Dr. Meyer-Krahmer: Das, was Herr Queisser gesagt hat, kann terstützen. Ganz wesentlich ist, daß wir im Bereich luK und in Tech-Bereichen — Wie Biotechnologie — feststellen konnten, daß Wissenschaftsbindung, ein besonderer Konnex zwischen der
ich nur sehr unanderen Higheine besondere Grundlagenfor65
schung und der industriellen Anwendung besteht. Das heißt, daß auch eine besonders starke Vernetzung zwischen der Grundlagenforschung und der Industrieforschung nötig ist. Die IuK-Industrie ist hier, verglichen mit anderen Sektoren, in einem gewissen Nachteil. Die Chemieindustrie hat sozusagen in klassischer Weise mit den chemischen Fakultäten einen historisch gewachsenen engen Konnex. Für die IuK-Indu-
strie ist das nicht der Fall, allein schon deswegen nicht, weil die Fakultäten differieren; es gibt Verbindungen zur Informatik, Physik und anderen Fakultäten. Hier sehe ich also, gerade was die Wissenschaftspolitik und auch die Forschungs-
politik betrifft, die stärkere Vernetzung mit dem öffentlichen Forschungssystem als eine ganz wichtige Aufgabe
an.
Damit habe ich vielleicht eine Teilantwort auf die Frage gegeben: Ist der Wissensverlust zurückbringbar? Mit solchen Ansätzen, glaube ich, können wir fortschreiten. Zur Frage der Beschränkung
auf gewisse Bereiche:
Ich glaube, ich habe das hin-
reichend begründet. Die Diffusion ist aus meiner Sicht ein zentraler Aspekt, auf den wir uns beschränken sollten. Wir sollten uns auf unsere hausgemachten Probleme konzentrieren und nicht nur auf die Frage der Zugangsschwierigkeiten
durch Handelsbarrieren; das ist primär
eine Frage der Handelspolitik. Die hausgemachten Probleme möchte ich nur für den Bereich der Telekommunikation erwähnen. Eine zentrale Aufgabe wird es sein, um die relativ gute Position der Telekommunikation
zu erhalten, im Bereich
des europäischen Binnenmarktes gemeinsame Normen und Standards zu finden. Eine zentrale Aufgabe wird weiterhin sein, eine einheitliche Netzträgerpolitik zu erreichen. Im Augenblik ist es so, daß in Frankreich der Netzträger die Forschung betreibt und an die Hersteller weitergibt. In Deutschland sind es die Hersteller, die die Forschung betreiben und bisher über den Preis ihre Forschung und Entwicklung entgolten bekommen haben. Beide Systeme sind langfristig inkompatibel. Hier muß also vereinheitlicht werden. Ein letztes hausgemachtes Problem ist die Präsenz in Japan, die in vielen Berei-
chen, beispielsweise im Telekommunikationsbereich, völlig unzureichend ist. Sie haben die Möglichkeit, in Japan in Standardisierungsgremien präsent zu sein. Es
reicht nicht, dort nur als Vertriebsorganisation vertreten zu sein. IBM nimmt so etwas wahr; deutsche Unternehmen nehmen das allerdings nicht wahr. Ich glaube, wir sollten uns insofern zunächst unseren
hausgemachten
Problemen
zuwenden.
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Mich haben die bisherigen Erklärungen zwar nicht gerade ratlos gemacht, aber ich stehe als Wirtschaftspolitikerin vor einem Problem. Vor einem halben Jahr, als wir diese Anhörung planten, ging es im Grunde genommen noch um die Frage: Gilt nun das IFO-Gutachten Nr. 1 oder das IFOGutachten Nr. 2, und was machen wir daraus? 66
Aber jetzt hat sozusagen der Jäger, die europäische IuK-Industrie, die Flinte ins Korn geworfen. Wenn ich mir die Argumente der letzten Monate ansehe, stellt sich nun die Frage: Warum ist das so geschehen? War das, ich sage einmal: die De-
facto-Kapitulation,
weil man
aus finanziellen
und anderen
Gründen
nicht anders
konnte? Oder war die Diskussion über ASICs und deren Anwendung nur eine Fuchs-und-saure-Trauben-Debatte, und es ist alles nicht so schlimm? Oder war das weder technologisch noch wirtschaftspolitisch schlimm? Die Grundeinschätzungen sollten wir hier noch einmal diskutieren; denn davon hängt eine Menge ab. Diese strategischen Einschätzungen muß man — wie hier mehrere Kollegen gesagt haben — ganz unterschiedlich evaluieren, und man muß unterschiedliche Konsequenzen ziehen. Wenn man sagt, der Jäger hat die Flinte ins Korn geworfen, dann ergeben sich gänzlich andere Überlegungen, nämlich erstens, welche strategischen Reste man überhaupt noch halten kann, und zweitens, wie man sich Marktzugänge auf verschiedenen Gebieten sichert, um Dumping, „target pricing‘‘ oder Paketlösungen zu verhindern, wie sie die Japaner anbieten, daß man also nicht mehr Komponenten, sondern
nur noch das gesamte
Produkt kaufen kann, was ein Ausnutzen
der
Monopolstellung ist, wodurch auch noch Zulieferindustrien herausgeworfen werden. Meine Frage ist also, ob es sich im Grunde genommen
um eine versteckte Kapitu-
lation handeln sollte, wobei man sich überlegen muß, welchen Außenposten man
noch halten kann und wo man über Kooperationen verhandeln sollte, um überhaupt noch im Geschäft zu sein. Dann müßte man die Außenhandelspolitik in die-
sem Fall über die EG absichern und die Mißbrauchsaufsichten möglicherweise innerhalb des GATT
oder mit anderen
absprechen.
Vorsitzender Wolf-Michael Catenhusen: Kollegin Skarpelis-Sperk, Sie beantworten ja Ihre Fragen alle selber. Haben Sie auch noch Fragen an die Kollegen Sachverständigen? Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Ich richte meine Frage an Herrn Dr. Queisser und an Herrn Dr. Klodt. Es geht hier um unterschiedliche strategische Einschätzungen. In dem einen Fall müßte man einmal überlegen — dazu erbitte ich mir
auch die Vorstellungen von Kiel —, wie eine internationale Mißbrauchsaufsicht auf diesen Gebieten der Außenhandelspolitik funktionieren kann. Haben Sie dazu be-
reits Überlegungen?
In dem anderen Fall, wenn das alles nicht ganz so schlimm war, stellt sich die Fra-
ge nach einem Chancenmanagement und danach, auf welchen Gebieten wir bisher möglicherweise Chancen
verschlafen haben und ob wir nicht, Herr Dr. Queis-
ser, vielleicht zu bauteileorientiert waren und wichtige Entwicklungen versäumt ben, z.B. im Bereich der Software, bei der Frage der Anwenderorientierung, bei Frage Mensch-Maschine-Schnittstelle, aber auch bei der Frage, ob wir nicht Dienstleistungsbereich als Anwendungsbereich katastrophal vernachlässigt ben.
hader den ha-
67
Jedenfalls gibt es für mich zwei strategische Ansätze — korrigieren Sie mich gerne —, die wir zuerst diskutiert haben müssen, bevor wir dann Defiziten, aber auch nach den Chancen fragen.
Vorsitzender Wolf-Michael
Catenhusen:
im Detail nach den
Das waren zwei komplexe Fragen.
Sv Dr. Queisser: Das war sehr temperamentvoll und sehr gut; vielen Dank. — Darf ich erst einmal die Gelegenheit nutzen, mich überhaupt zu bedanken, daß es
diese Anhörung gibt, daß wir diese Probleme miteinander diskutieren, auch wenn manche sagen, es sei zu spät. Es ist natürlich nie zu spät, sich über die Strategie
Gedanken zu machen.
Jäger, Fuchs und saure Trauben, beides stimmt etwas. Die Ereignisse der Weltwirtschaft haben uns überrollt. Die Fragen, die vor einem halben Jahr wichtig waren — bauen wir nun eine Chipfabrik, geben wir der Großindustrie noch Geld, errichten wir sie in Dresden oder in Sindelfingen? —, sind inzwischen erledigt; das stimmt. In gewisser Weise haben wir hier eine Flinte ins Korn geworfen und müssen nun überlegen, was wir nun machen. Es gab
nach
meiner
Ansicht
—
ich habe
das
in früheren
Jahren
als treuer Ge-
sprächspartner vor allen Dingen des Forschungsministeriums immer wieder erklärt — zwei große strategische Möglichkeiten. Die eine nenne ich verkürzt die gaullistische Lösung: in Poitiers ein Zollamt aufmachen und die Zölle erhöhen. Das geht nun nicht mehr, weil dann z.B. die Vertreter
unseres Maschinenbaus sagen: Um Gottes willen, jetzt nicht noch höhere Zölle; wir
brauchen die ostasiatischen Steuerungsmechanismen. Das verstehe ich auch. Die
Japaner haben so sehr früh angefangen.
Sie haben wirklicht nicht importiert und
sich hochgehungert, wie es das alte Preußen früher einmal gemacht hat.
Die andere Lösung ist die Thatcher-Lösung. Sie hat sich jahrzehntelang die Förderung der Forschung und Hochschulen angeguckt; es hat sich wirtschaftlich nicht gelohnt. Also wird jetzt eine Ansiediungspolitik betrieben, man ist Partner und holt diejenigen, die gewillt sind, das große Risiko der Chip-Fertigung auf sich zu nehmen, herein. Diese Linie hat sich im Augenblick — das ist meine Einschätzung der Strategie —
so weit durchgesetzt, daß wir praktisch nicht umhin können, darauf einzugehen oder sie wenigstens zu berücksichtigen. Wir müssen mit unseren Forschern und gut ausgebildeten Leuten wenigstens ein Partner sein und dürfen nicht nur Markt
gegen Technologie verkaufen, was wir im Augenblick tun.
Die Paketlösung ist in der Tat das ganz große Problem. Das sehe ich als Stuttgarter in meiner Umgebung. Die Paketlösungen sind geradezu unwiderstehlich; da muß man als Mittelständler einfach zugreifen. Sie wissen, daß sie sich damit vielleicht nicht in einem faustischen
Pakt an Mephisto —
ich möchte
böse darstellen —, aber doch ein wenig verkaufen.
die Japaner
nicht so
Daß wir zu bauelementefixiert gewesen sind, möchte ich eigentlich nicht sagen, ob-
wohl wir da noch im Jahre 1960 eine ganz enorme Stärke hatten. Eine der großen 68
Stärken in Europa liegt in unseren Telekommunikationsindustrien — darüber wird
noch zu reden sein; dazu möchte ich nicht soviel sagen. In der Software hätten wir
uns stärker engagieren müssen. In der Tat haben wir da viele Chancen nicht wahr-
genommen. Bedenken Sie aber, daß die Bundesrepublik noch im Jahre 1975 kein Problem hatte, neue Produkte, neue Märkte zu finden, sondern man suchte neue Arbeitskräfte. Der Erfolg der 70er Jahre, als wir nicht wußten, wie wir die Wünsche
der ganzen
Welt mit unserer konventionellen Industrie erfüllen konnten, hat uns ein wenig zu sicher, zu träge gemacht. Wenn man 1975 gesagt hätte, wir brauchen im Jahre 1992 neue Produkte, dann hätte jeder gesagt: Ihr als Forscher macht euch vielleicht Sorgen! Ich als Forscher muß mir diese Sorgen machen. Ich habe auch 1975 darüber geredet. Der frühere Erfolg ist die Wurzel unserer augenblicklichen Schwäche und führte zu der Einschränkung unserer jetzigen strategischen Möglichkeiten.
In der Tat, wir haben
nur noch wenige Optionen.
Sv Dr. Klodt: Es ist eine schwierige Frage, was der Hintergrund der Siemens-Entscheidung vom Mai ist, ob da eine kostbare Flinte weggeworfen wurde oder ob es da um saure Trauben ging oder wie auch immer. Sie sollten Ihre Frage wiederholen, wenn die Firma Siemens an diesem Tisch vertreten ist. Auch mich würde interessieren, wie die Antwort ausfällt. Ich habe die Presseerklärungen und Hintergrundgespräche damals so verstanden, daß sich in der Mehrheit des Siemens-Vorstandes die Überzeugung durchgesetzt
hat, daß man auf deutschem Boden nicht unbedingt eine Speicherfabrik braucht, um im ASIC-Bereich wettbewerbsfähig zu sein. Das ist meine Interpretation; ich bin gespannt, was wir heute nachmittag dazu hören werden. Wenig stritt ist, glaube ich, daß im Speicherbereich selber ein sehr harter Wettbewerb herrscht, wo für deutsche Firmen nicht sehr viel Geld zu verdienen ist. Auch
von Herrn Queisser und Herrn Seitz hier am Tisch ist immer wieder gesagt worden: Wir brauchen die Speicher wegen der ASICs, um in anderen Märkten Geld verdienen zu können. Ich habe daran Zweifel. Wir haben das von unserem Institut detailliert analysiert und haben Argumente vorgetragen, warum die Verbindungslinien zwischen diesen beiden Bereichen doch nicht so eng sind. Das ist sehr strittig gewesen. — Aber wie auch immer: Die Flinte ist nun einmal im Korn, und das Ganze ist ein bißchen Vergangenheitsbewältigung; denn wir können jetzt nicht für den Jäger die Flinte wieder heraussuchen. Sie haben
als zweiten wichtigen
Punkt genannt:
das GATT
stärken.
Das scheint
auch mir recht wichtig zu sein. Ich sehe ein bißchen die Gefahr der vieldiskutierten Blockbildung
in der Triade.
In den
letzten Jahrzehnten
wurde
das GATT-System
durch die Vereinigten Staaten gestützt. Ich sehe einen Wandel in der Außenhan-
delspolitik der Vereinigten Staaten, die nun versuchen, ihre Probleme bilateral mit
Japan zu lösen. Ich glaube, da muß noch jemand anders her. Europa ist mit Abstand die dominierende Macht im Welthandel. Europa hat sich bisher verweigert, die Führungsrolle in der Welthandelsordnung zu übernehmen. Diese Führungsrol-
69
le wird Europa aber übernehmen müssen, um zu verhindern, daß bilateral zwischen USA und Japan Handelshemmnisse beiseite geschafft werden und Europa
außen vorbleibt.
Dr. Sigrid Skalpelis-Sperk (SPD): Wenn wir sehen, daß Märkte nicht funktionieren,
können
wir doch
nicht
beschwören,
daß
Märkte
funktionieren
sollen.
Das
GATT ist gut; aber ich wollte wissen, wie Sie sich in der Außenhandelspolitik und im internationalen Wettbewerb — wir haben ja keine Weltregierung — eine internationale Mißbrauchsaufsicht vorstellen — als guter Ökonom haben Sie sich das wohl überlegt — oder welche bilateralen oder multilateralen Mechanismen man sich vorstellen kann, um solche Maßnahmen
gen Mißbrauch zu schützen.
durchzusetzen, um sich, auf gut deutsch: ge-
Bei Herrn Queisser hätten mich just die strategischen Optionen interessiert, mit denen er so effektvoll schloß. Sv Dr. Klodt: Das, was Sie ansprechen, steht durchaus auf der Tagesordnung der Uruguay-Runde im Rahmen des GATT, nämlich die Frage, ob man den GATT-Ver-
trag nicht über die reine Festlegung von Spielregeln für den Warenhandel in Bereiche hinein ausweiten soll, die die Investitionsförderung und Subventionspolitik der nationalen Regierungen, die Marktöffnung, die Einräumung von gleichen Marktzutrittsschranken auch im Kapitalbereich, im Bereich von Direktinvestitionen,
im Bereich von Dienstleistungen usw. betreffen. All diese Dinge stehen dort auf der
Tagesordnung, und es sind auch Lösungsansätze aufgezeigt. Nur, man muß diese
Verhandlungen auch voranbringen und zum Abschluß bringen.
Vorsitzender Wolf-Michael Catenhusen: Die konkrete Erwartung, daß das passiert, was sich Frau Skarpelis-Sperk erwünscht, ist hier offensichtlich nicht sehr ausgeprägt. Sv Dr. Queisser: Die Option, sich europäisch besinnen, die Festung Europa bauen, hohe Zölle einführen, keine Importe von Hochtechnologie zulassen, um auf die-
se Weise unsere eigene Hochtechnologie hochzuzüchten, wie gesagt: eine mehr
fanzösische Linie halte ich nicht mehr für machbar, weil der europäische Markt schon besetzt ist. Also bleibt uns als Option nur noch, mit unseren Stärken, mit un-
seren Pfunden, die wir haben, zu wuchern, nämlich mit einer guten Ausbildung und einer guten Forschung Partnerschaften einzugehen. Das Land Brandenburg — ich weiß nicht, ob ein Abgeordneter aus dem Lande Brandenburg hier ist — konnte nur an einen indischen Konzern etwas absetzen, um in Stahnsdorf wenigstens 200 Arbeitsplätze zu erhalten. Dann müssen wir eben mit der Universität Potsdam und der TU Berlin versuchen, mit diesem Ansiedler, der wenigstens ein paar Arbeitsplätze erhält, eine Partnerschaft einzugehen. Aber es kommt auch auf Ihre Prioritäten an: Welche Priorität haben Sie? Wenn
ich
das weiß, kann ich versuchen, Ihnen die Strategien, die noch möglich sind, etwas genauer zu erklären.
70
Wir müssen also vor allen Dingen mit der Ausbildung wuchern — übrigens auch
gegenüber Amerika — und diese als einen Trumpf in einer Strategie mit einbezie-
hen.
Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU): Die Überschrift über die Diskussion die-
ser zwei Stunden heißt: Situation und Perspektive. Ich möchte zum Stichwort Perspektive kommen. Herr Dr. Seitz, Sie haben ein sehr düsteres Bild geschildert, das ich teilweise eben-
so sehe. Meine Frage lautet jetzt an Sie: Was schlagen Sie denn vor? Wo sehen Sie politischen Handlungsspielraum?
Ich könnte mir vorstellen, daß Sie nicht für neue staatliche Subventionen sind. Muß
neu organisiert werden, muß neu strukturiert werden? Müssen wir überlegen, über
den Tellerrand Deutschland hinauszublicken und sogar eine transatlantische Kooperation erwägen? Dazu würde ich von Ihnen gerne einmal einige Ausführungen hören.
Ich will hier bewußt nicht den Begriff Industriepolitik verwenden; denn sonst müßten wir uns wirklich einmal die Mühe machen, ihn zu definieren. Sie sehen hier, diese Anhörung wird von drei Ressorts betrieben, nämlich Forschung, Post und Wirtschaft. Ein isoliertes Betrachten halte ich mittlerweile nicht mehr für angebracht. Vielmehr
müssen
wir jetzt einmal
überlegen,
wie
wir über
unseren
Ressortzu-
schnitt hinaus, den wir in der Bundesregierung haben, zu neuen Wegen kommen. Vielleicht können Sie dazu einige Ausführungen machen.
Die zweite Frage möchte ich an Herrn Klodt stellen. Ich habe mir von Ihren Ausführungen mitgeschrieben: Es existiert ein Markt; wir haben einen Wettbewerb. Sie beklagen die Sündenfälle der Konservierung unserer Altsubventionen. Sie sagten
weiterhin, die Forschungspolitik stehe hier im Zentrum. Das wollen wir aber nicht. Vielmehr wollen wir Ihre Meinung hören, wie man die Bereiche Forschung, Wirt-
schaft und Post besser zusammenführen
kann.
Es ist sehr lobenswert, wenn Sie den ordnungspolitischen Ansatz so sehr betonen. Aber müssen wir nicht einmal überlegen, ob wir uns, wenn wir auf dem Standpunkt
der Ordnungspolitik verharren und andere die Geschäfte machen, diesen Luxus auf Dauer
leisten können?
Deshalb meine Frage an Sie: Welche Vorschläge haben Sie dazu? Wir haben eine
tolle
Grundlagenforschung:
40
%
des
Haushalts
des
BMFT
geben
wir für die
Grundlagenforschung aus. Die Japaner bejubeln das und sagen: Hurra, wenn ihr hier soviel forscht, kommen wir nach Deutschland, adaptieren und informieren uns.
Innerhalb weniger Wochen setzen sie das dann um und machen das Geschäft. Wir sind die reinen Ordnungspolitiker, und die anderen machen das Geschäft. Ich hätte von Ihnen gerne eine konkrete Aussage darüber, wie Sie das über den Tellerrand der Ordnungspolitik
hinaus
Vorsitzender Wolf-Michael Queisser:
neu strukturieren
Catenhusen:
möchten.
Ich habe zwei kurze Fragen an Herrn
Herr Klodt hat in seinem schriftlichen Statement, finde ich, sehr bemer71
kenswerte Argumente gegen die Sachzwanglogik gebracht, was die ASICs-Produktion angeht. Er hat darauf hingewiesen, daß diejenigen, die im ASICs-Bereich stark sind, nicht gleichzeitig diejenigen sind, die im Speichergeschäft, Chipgeschäft stark sind. Er hat gleichzeitig darauf hingewiesen, daß eine große Menge der
ASICs heute nicht im 1-Mb oder 4-Mb-Standard, sondern im 256-Kb-Standard gefertigt werden. Das heißt, diese Sachzwanglogik: habe ich keine Chipfabrik, kann ich keine vernünftigen ASICs produzieren, ist offensichtlich so simpel nicht zu se-
hen.
Nachdem jetzt die Chipfabrik als deutsche oder rein europäische Lösung sozusagen den Bach heruntergegangen ist, jagt man, so scheint es mir, dem nächsten Phantom
hinterher, der europäischen
autonomen
ASICs-Fabrik.
Dabei
haben wir
jede Menge ASICs-Fabriken hier in Europa; es ist nicht so, daß sie uns auszugehen drohen.
Herr Queisser, was halten sie eigentlich von den Argumenten von Herrn Klodt, der sagt, ein starker Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Chipfabriken
und der Marktstärke von ASICs sei nicht gegeben?
Der zweite Punkt: Sie haben vorhin ganz am Anfang im Grunde genommen
Teilscheitern von JESSI
dargestellt; Sie haben
sich dazu
ein
ziemlich despektierlich
geäußert, fand ich. Deshalb möchte ich da noch einmal nachhaken. Sie haben gesagt: Wir haben jetzt die japanischen Chipfabriken; deshalb
ist die Idee, mit Hilfe
von JESSI das ganze Umfeld einer europäischen Chipfabrik aufzubauen, hinfällig. Was
macht es dann
noch Sinn, der FuE-Chain
hinterherzulaufen, wo die nächste
Chipfabrik möglicherweise ohnehin mit Siemens-Geld demnächst in Japan oder sonstwo steht? Was können wir eigentlich von JESSI noch retten? Dr. Christoph Schnittler (F.D.P.): Es gibt offensichtlich drei große Wirtschaftsräume in der Welt, und Europa ist glücklicherweise einer davon. In den beiden anderen hat man es verstanden, in der Mikroelektronik die Fortschritte zu machen, denen wir heute ein bißchen nachtrauern. Die grundlegende Frage lautet — Herr Vosen hat sie schon angesprochen —: Warum war das dort im ostasiatischen Wirtschaftsraum nicht?
und
im
US-amerikanischen
Wirtschaftsraum
möglich
und
bei
uns
Teilantworten auf diese Frage sind schon gegeben worden. Ein komplexes Bild ergibt sich für mich eigentlich nicht. Ich sehe diese Frage als ganz grundlegend an, nicht nur für unsere heutige Thematik, sondern insbesondere auch für andere Hochtechnologien, etwa die Biotechnologie, wo wir aus diesen Fehlern lernen müssen. Gestatten Sie mir bitte, daß ich diesen Bereich durch ganz gezielte Fragen ein bißchen zu vertiefen versuche. Ich möchte meine erste Frage gern an Herrn Queisser als Vertreter der Grundlagenforschung geht mir um die Forschung. 72
und an Herrn
Meyer-Krahmer
stellen. Es
Frage eins: Geben wir in Deutschland sowohl von seiten des Bundeshaushaltes als auch von seiten der Industrie genügend Mittel für die Forschung aus, um unsere Zukunft zu sichern? Frage zwei: Ist das Verhältnis von Grundlagenforschung und angewandter Forschung bei uns in Deutschland in Ordnung, oder trifft der Vorwurf, der hin und wieder erhoben wird, zu, daß wir aus der Grundlagenforschung zuwenig Output haben, der wirtschaftlich verwertbar
ist?
Lothar Fischer (Homburg) (SPD): Wenn über die Standortfrage diskutiert wird, werden als Argument sofort die Rahmenbedingungen genannt; Herr Dr. Endres hat das vorhin bewiesen. Dazu hätte ich gerne eine Frage an Herrn Dr. Seitz und an Herrn Dr. Endres. Herr Dr. Seitz, Sie haben in Ihrer Stellungnahme ausgeführt: Das Kernproblem der Standortdebatte sind nicht die Rahmenbedingungen. Es gab und es gibt ein dop-
peltes Versagen; das haben Sie auch begründet. Sie haben weiterhin ausgeführt,
die Löhne seien nicht das Problem,
und haben einen Vergleich mit den Japanern
angestellt. Ihre Schlußfolgerung lautete dann: Deutschland kommt mit der neuen industriellen Revolution nicht mit. Dies ist Schuld von Politik und Wirtschaft. Ich hätte gerne einmal gewußt:
und warum
Welchen
Beitrag hätte die Politik leisten können,
ist er nicht geleistet worden, um diese Entwickung zu verhindern?
Sv Dr. Queisser:
Herr Vorsitzender, zu Ihrer Frage, zu den ASICs und D-RAMS,
wiederhole ich: Es ist für einen ASIC-Hersteller wesentlich günstiger, wenn er auf irgendeine Weise die Chance hat, große Speicherfabriken zu betreiben. Er lernt damit die Technik, und er kann sie billiger machen. Das ist aber nicht zwingend not-
wendig, und die zwingende Notwendigkeit nimmt in der letzten Zeit technologisch eher etwas ab.
In der Tat lassen sich viele Bedürfnisse bei komplexen fachspezifischen Schaltkreisen mit einer oder zwei Generationen früherer Technik beherrschen. Das sehen wir in Deutschland beispielsweise auch an der Automobilindustrie.
Aber die Konvergenz geht immer weiter. Vor allen Dingen
im Telekom-Bereich
sieht man, daß die Technik, die den Konkurrenten in den Speichern verfügbar ge-
worden ist, auch eingesetzt wird. Der Druck zwischen den beiden Generationen wird eher stärker. Vorsitzender Wolf-Michael
Catenhusen:
Her Queisser,
können
Sie uns einmal
eine Zahl nennen: Wieviel Prozent der jetzt in Europa gefertigten ASICs sind auf dem
4-Mb-Standard?
—
5 %?
Sv Dr. Queisser: Das liegt vielleicht in dieser Größenordnung. Aber wir führen die meisten unserer Schaltkreise ein; das dürfen wir nicht vergessen. Gerade bei den modernsten Technologien führen wir sie ein. Zweite Frage: Despektierliche Äußerungen, was JESSI betrifft. Ich habe mich in diesem Punkt sehr zurückgehalten. Sie wissen, wie schwierig das Geschäft ist, auf
73
sehr unterschiedlichen europäischen Interessenlagen eine Gemeinsamkeit zu erarbeiten. In der Tat muß JESSI seine Ziele zurücknehmen. Sie wissen, daß seinerzeit eines der großen Ziele beispielsweise war, auf dem Submikrongebiet führend zu sein. Das ist eben wegerodiert. JESSI ist aber ein europäisches industriegesteu-
ertes Programm, dem die Europäische Gemeinschaft und die einzelnen Länder mit Zuschüssen unter die Arme greifen wollen. Es ist vor allen Dingen — das ist ein
wichtiger Aspekt — den Anwendern, also den Industrien, die möglicherweise durch
ein Diktat und Monopol fremder Mikroelektronik gefährdet sein können, Hilfe und Unterstützung sowie eine gemeinsame Arbeit zu ermöglichen. Das ist ganz wesentlich. Aber selbstverständlich muß sich JESSI mit der Tatsache auseinandersetzen, daß beispielsweise die Speicherchips von Transplants, von Japanern
und Koreanern,
hier in Europa in diesem Maße hergestellt werden. Also muß sich JESSI darauf konzentrieren, den Anwendern von Mikroelektronik eine gewisse Hilfe in der Normung, in der gemeinsamen Zusammenarbeit und im Nutzen moderner Speicher anzubieten. Insofern hat sich in der Tat die Situation für JESSI verändert; sie ist härter und schwieriger geworden, und es gibt nicht mehr so viele Hoffnungen wie früher.
Zur nächsten Frage von Ihnen: Haben wir genug geforscht? Jahrzehntelang haben wir unsere Forschung im wesentlichen auf die Energiefragen ausgerichtet. Vor 20, 30 Jahren sah es so aus, als wenn das der wesentliche Bereich sei. So haben wir auch unsere Industriepolitik betrieben: Eigenständigkeit der deutschen Steinkohle; das ist auch fortgeschrieben worden.
Ich glaube schon — ich möchte hier wirklich nicht jammern —, daß in der Forschung sehr viel geschehen ist und daß wir somit auch Personal zur Verfügung haben. Die Industrie sieht sich in zunehmendem Maße nicht mehr in der Lage — wie es ihre amerikanischen und gerade auch japanischen Konkurrenten tun —, Grund-
lagenforschung Maße der Staat auf dem Gebiet der chemischen
zu betreiben. Das ist sehr bedauerlich. Da muß in zunehmendem eingreifen. Wir haben eine Verstaatlichung der Forschung gerade der Elektro- und Elektronikindustrie, nicht so sehr auf dem Gebiet Industrie.
Zur nächsten Frage: Ist das Verhältnis zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung ausbalanciert? Ich würde sagen, ganz so schlecht ist das Verhältnis nicht. Aber das ganz entscheidende Problem liegt in der Überführung in die wirtschaftliche Fertigung. Hier gibt es große Barrieren. Insgesamt glaube ich aber, daß diese beiden Bereiche nicht schlecht ausbalanciert sind. Als Halbleiterphysiker würde ich sie sowieso nicht so extrem getrennt betrachten. Ich sehe nicht, wo der große Unterschied zwischen mir und meinen Kollegen bei der grundlegenden und der angewandten Forschung liegt. Ich versuche auch nicht, hier in einen Elfenbeinturm hereinzukommen. Für mich ist das entscheidende Thema: Wie bewerten mich die zwei Aufsichtsgremien, die die Arbeit unserer Grundlagenforschung — wie alle Max-Planck-Institu74
te — jährlich beobachten? Aber fast noch wichtiger ist es für mich, ob die Japaner unsere jungen Absolventen überhaupt interessant finden, ob sie die Arbeiten, die wir auf den verschiedenen Gebieten betreiben, interessant finden. Das ist für mich
leider inzwischen das härtere Kriterium geworden. Auch das zeigt, wie die Aussich-
ten sind.
Jetzt noch mehr auf die Grundlagenforschung zu setzen und das Problem nicht richtig zu bewältigen — ich bin in diesem Punkt wirklich ein schlechter Lobbyist —,
halte ich nicht für gerechtfertigt.
Sv Dr.
Meyer-Krahmer:
Zur generellen
frage, ob FuE
ausreichend sind oder
nicht. Theoretisch kann man sicherlich herleiten, daß ein Land wie die Bundesrepublik eine bestimmte Quote von FuE am Bruttosozialprodukt benötigt. Wir haben
in den letzten Jahren vereinigungsbedingt eher einen Rückgang der Pro-Kopf-Aus-
gaben des BMFT
erlebt. Das hat sich das BMFT sicherlich nicht gewünscht,
es ist so gekommen. Wenn
aber
wir aber die Vorstellung haben, die Bundesrepublik soll ein Land sein, in
dem es weiterhin hohe Einkommen gibt, d.h., wenn wir versuchen, unseren Lebensstandard nicht zu beschränken, sprich: auf der Kostenseite unsere Standortvorteile zu erreichen, dann werden wir sicherlich eine hinreichende FuE in diesem Lande benötigen. Tendenziell wird also die Forschung und Entwicklung in der Zu-
kunft eine größere Bedeutung haben, als es in der Vergangenheit der Fall war.
Also, FuE sind eher nicht ausreichend, ohne daß ich Ihnen sagen kann, ob 2,8, 2,9 oder 3,0 % am Bruttosozialprodukt die optimale Quote ist. Entscheidend ist die Strategie: Wenn Deutschland eine qualitätsorientierte Strategie hat, dann brauchen wir mehr FuE. Haben wir aber eine mehr kostenorientierte Strategie, dann ist FuE sicherlich nicht so bedeutsam. Zum Verhältnis zwischen der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung — Herr Queisser hat dazu schon einiges gesagt —: Nach unseren Analysen ist die ursprüngliche Vorstellung, Grundlagenforschungsergebnisse kommen in die angewandte Forschung und von der angewandten Forschung in die Indudstrieforschung, in wichtigen Bereichen tot — das habe ich vorhin mit Wissenschaftsbindung gemeint —, insbesondere in den dynamischen Technologiebereichen der 80er Jahre. Insofern geht es nicht so sehr um die Frage des quantitativen Verhältnisses zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung, sondern wir brauchen völlig neue Formen der Vernetzung von Grundlagen- und Industrieforschung. Das
qualitative Verhältnis dieser beiden Bereiche ist, glaube ich, ein sehr viel wichtigeres Thema. SvDr. Seitz: Die Forschung ist nicht das Problem. Das heißt, unser Problem kann nicht vom BMFT gelöst werden, es sei denn, das BMFT wandelt sich gleichzeitig zu einem Wirtschaftsministerium. 75
Ein Beispiel:
Das
BMFT
förderte
Galliumarsenit-Entwicklungen
bei Wacker-Che-
mietronic. Sie erzeugten ein sehr gutes Produkt, stellten dann aber die Produktion wieder ein, da es keinen Markt gab. Vorsitzender Wolf-Michael Catenhusen: Herr Seitz, die Produktion ist nach Freiberg gegangen. Sie ist also nicht tot, sondern transferiert worden. Das müßte man fairerweise schon
sagen.
SvDr. Seitz: Ja gut, das ist die Fortsetzung, daß wir vielleicht noch etwas retten. Das Interessante ist aber, warum sie die Produktion einstellten: Optoelektronische
Komponenten werden von den Japanern hergestellt, und die Japaner kaufen strategische Produkte nicht von Ausländern. Die Japaner haben das alles genau untersucht. Wir brauchen auf diesem Gebiet überhaupt nicht selber forschen, sondern wir müssen
nur lesen, was die Amerika-
ner in zahllosen Ausarbeitungen dargelegt haben. 94 % der Hochtechnologiepro-
dukte in Japan werden von der eigenen Industrie gekauft; die restlichen 6 % betref-
fen fast nur Flugzeuge. Vorsitzender
Wolf-Michael
Catenhusen:
Herr Seitz, aus Zeitgründen:
Sie daran, daß Sie nach Rezepten gefragt waren! Sv Dr. Seitz: Man
kann aber keine Rezepte vorschlagen, wenn
Denken
man das Problem
nicht erkennt. — Es ist eine Monopolisierungsstrategie im Gange, die sich ganz konzentriert auf die Schlüsselkomponenten
richtet:
Flachbildschirme,
Schaltkrei-
se, optoelektronische Komponenten. Wenn das gelingt, haben wir einen absoluten Monopolisten für die gesamte informationstechnische Industrie. Wenn man das nicht begriffen hat, kann man keine Strategie machen. Zum zweiten: Wir reden hier immer nur von der Mikroelektronik. Wir sind aber dabei, die gesamte informationstechnische Industrie zu verlieren, nicht nur die Mikro-
elektronik. Die Wettbewerbsfähigkeit der alten Industrie — Herr Meyer-Krahmer hat recht, daß sie wichtig bleibt — hängt aber von der informationstechnischen Industrie ab. Wenn
die alten Industrien auf die Zusammenarbeit
mit den Japanern
die ich als ziemlich dramatisch
heißt, wir müssen
angewiesen sind, halte ich es für sehr fraglich, ob sie ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten können. Das
ist die Lage,
ansehe.
Das
nun unbedingt eine Strategie ausarbeiten. Die kann kein einzelner ausarbeiten.
Dazu müßten wir einen Rat für strategische Wettbewerbsfähigkeit gründen, der der
Bundesregierung eine solche Strategie vorschlägt. Dazu müssen Sie die Experten aus den verschiedenen Bereichen zusammenholen, damit sie darüber diskutieren: In welchen Bereichen müssen wir eine Strategie entwickeln? Wie können wir sichern, daß wir die nächste Generation der Telekommunikation,
Breitbandkommu-
nikation, Optoelektronik wirklich schaffen? Wie können wir die Industrieautomatisierung wirklich sichern? Wie können wir es erreichen, daß nicht sämtliche Werkzeugmaschinensteuerungen
76
von
Fano
kommen?
Und
so weiter.
Das kann kein einzelner leisten. Dazu braucht man einen Rat mit Untergruppen,
wo wirklich das gesammelte Wissen zusammenkommt.
Moderiert werden
kann so
etwas natürlich nur von der Bundesregierung. Sie können nicht einer einzelnen Firma den Auftrag geben, den Standort Deutschland zu verteidigen. Sie hat genügend zu tun, das eigene Überleben zu sichern. Dann bräuchten Sie eine strategische Kooperationspolitik mit den Amerikanern und mit den Japanern. Sie werden eine strategische Kooperation mit den Japanern allerdings nur dann schaffen, wenn die Politik eingreift, d.h. nach amerikanischem Vorbild. Wenn Toyota mit Motorola Automobilchips entwickelt, könnte Nissan das
genausogut mit Siemens tun. Das passiert aber nicht, weil die amerikanische Re-
gierung mit den Japanern spricht und sagt: Das muß ein Weg in zwei Richtungen sein; es geht nicht, daß ihr eure Hochtechnologieprodukte in Amerika absetzt, aber
wir nichts bei euch absetzen können. Bei uns geschieht das nicht so. Wir sagen, das muß über GATT geregelt werden. Auch dazu gibt. es Studien der Amerikaner: Ein GATT-Verfahren dauert zwei, drei Jahre, und die Industrie ist inzwischen längst untergegangen. Das Urteil kommt post mortem. Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU): Herr Seitz, ich bin jetzt furchtbar ratlos. Ihr Ruf nach einern neuen Rat bedeutet, wir benötigen mehr Zeit. Wir müssen aber im Grunde
genommen
relativ schnell
Handlungskonzepte
entwickeln.
Sie sagten, das Ganze müsse moderiert werden. Deshalb meine Frage: Soll die Politik eine Moderatorenfunktion übernehmen? — Mir ist dabei völlig egal, ob das
Wirtschaft,
Forschung
oder sonst ein Ressort innerhalb der Bundesregierung
ist.
— Müssen wir diesen Bereich neu strukturieren? Müssen Wirtschaft und Wissenschaft enger zusammengeführt werden? Wie stellen Sie sich strategische Konzepte vor, damit wir diesen Wettbewerb, diesen Wettlauf noch gewinnen können? Dazu hätte ich von Ihnen gerne einen Rat.
Sv Dr. Seitz: Dieser Rat für Wettbewerbsfähigkeit — wie ihn übrigens in Amerika der Kongreß und der Senat zusammen gegründet haben — würde natürlich die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche zusammenführen, und
er könnte eine Strategie ausarbeiten. Ich habe in meinem Papier gesagt, wie ich mir das Hauptelement einer Strategie vorstelle: Nötig sind vor allem Infrastruktur-
projekte etwa im Breitbandkommunikationssystem — wir sollten es ähnlich schnell
aufbauen, wie es die Japaner tun — oder im Supercomputernetzwerk — wie es die
Amerikaner tun. Das wären wesentliche Elemente. Für
unabdingbar
halte
ich weiterhin
eine
bilaterale
EG-Politik
nach
amerikani-
schem Vorbild gegenüber Japan, um den Hochtechnologieaustausch zu einer Zweibahnstraße zu machen. Wenn wir es erlauben, daß die Japaner die strategischen Produkte in ihrem Markt für sich allein haben, dann hat keine Firma irgendeine Chance, dort noch hineinzukommen.
Was im einzelnen zu tun ist — Herr Abgeordneter Maaß, ich bitte um Ihre Nachsicht —, dessen Beurteilung geht wirklich über die Kenntnisse eines einzelnen weit hinaus. Da müssen Sie die Experten im Bereich der Telekommunikationscompu-
77
ter, der Mikroelektronik,
der Unterhaltungselektronik
wirklich zusammenbringen,
um die Fragen zu klären: Wohin geht es in den nächsten Jahren? Wo sind unsere
Stärken? Was können wir tun? Was droht? Es muß so viel komplexes Wissen zusammenkommen — das ist das Kennzeichen unserer Zeit —, daß Sie nicht erwar-
ten können, daß ein einzelner eine Strategie vorschlägt. Er kann nur bewußtmachen, was in diesem Bereich vor sich geht. Sv Dr. Endres:
Herr Fischer, ich glaube, ich kann es ganz kurzmachen,
weil ich
nicht das wiederholen will, was Herr Seitz sagte: Es geht um einen Wettbewerb der Standorte, der sich aus gestaltenden Momenten zusammensetzt. Sicherlich gehört eine Koordination dazu, die ein Zeichen nach außen setzt. Es gehört auch eine Koordination der Forschung dazu. Wenn ich bedenke, welche Lücken oder Koordinationsmängel wir beim Max-Planck- und Fraunhofer-Institut einerseits und bei der
anwendungsbezogenen Forschung bei den Firmen andererseits haben, meine ich, ist auch das ein Fehler.
Es geht dabei nicht allein um die Frage der Löhne. Wenn Sie die Herren von Sie-
mens oder IBM befragen, dann werden sie Ihnen andere Bereiche nennen: Arbeits-
zeit, Genehmigungsverfahren,
die fehlenden Normen
und dergleichen mehr. Es
gibt eine Vielzahl von Dingen, die leicht zu beheben wären, aber es gehört ein Wille
dazu. Es ist jetzt wirklich höchste Zeit — das hat auch Herr Seitz gesagt —, daß
wir einen Akzent setzen und daß die Bundesrepublik klarmacht, daß sie trotz Wiedervereinigung und trotz der Probleme, die wir in den neuen Bundesländern haben, diesen Bereich, der bis zum Jahre 2010 unseren Lebensstandard sichern soll,
angeht.
Sv Dr. Klodt: Ich war von Herrn Maaß gefragt worden, ob man sich mit dem Rückzug auf die Ordnungspolitik nicht in ein Schneckenhaus verkriecht. Ich kann dazu im Grunde nur mit einem Zitat von Bertolt Brecht antworten, der einmal gesagt hat:
Wenn viele zu kurz gehen, müssen
manche zu weit gehen.
Als Herr Seitz seinen Rat für Wettbewerbsfähigkeit und vor allen Dingen den Bilateralismus in der Handelspolitik vorschlug, wurde mir wieder klar, daß ich dem ganzen sehr kritisch gegenüberstehe. Aber in einem ordnungspolitisch-marktwirtschaftlichen Rahmen ist natürlich der Staat schlichtweg da und hat dort seine Aufgaben.
Es wurde davon gesprochen, die Stärke der deutschen Wirtschaft sei die gute Qua-
lität des Bildungs- und Ausbildungssystems. Dazu möchte ich sagen: Seien wir doch einmal ehrlich, schauen wir uns doch einmal in den Schulen und Hochschulen um. Sind wir nicht dabei, das Kapital für die Zukunft in diesem Moment zu ver-
spielen?
In den
allgemeinbildenden
Schulen
gibt es doch
im wesentlichen
nur
noch eine Verwaltung des Mangels. Die Problematik wird sich spürbar verschärfen, wenn die Länder, die die Finanzierung letztlich tragen müssen, bei der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs kräftig zur Kasse gebeten werden. Dann wird die Qualität des Schulsystems noch einmal dramatisch absacken. 78
Beim Hochschulsystem gibt es zum einen die Frage der Reform der Studieninhalte. Ein anderer Aspekt sei nur kurz angedeutet: Ich habe im letzten Winter eine Vorlesung mit 850 Studenten abgehalten. Unter diesen Bedingungen ist kein Arbeiten möglich. Zurück zum Thema Forschungspolitik: Natürlich sollte der Staat dort Schwerpunkte setzen; das tut er auch. Der Staat fördert im Bereich der Grundlagenforschung z.B. Max-Planck-Gesellschaften. Allein schon die Frage, ob wir ein Max-Planck-Institut für Festkörperforschung oder ein Max-Planck-Institut für einen anderen Naturwissenschafts- oder Technikbereich einrichten, hat natürlich gewisse Auswir-
kungen auf die Richtung des technischen Fortschritts und der technologischen Entwicklung in der Wirtschaft. Diesen Einfluß sollte der Staat durchaus bewußt und
gezielt ausüben und die Kooperation mit der Wirtschaft suchen, um mit ihr gemein-
sam zu vernünftigen Strategien zu kommen, wie man diese Art von staatlichen Ein-
grifferi möglichst sinnvoll ausgestalten
sollte.
Konkret zur Forschungspolitik: In diesem Zusammenhang
orientierung der Aufgaben
der Großforschungseinrichtungen
erscheint mir die Um-
am wichtigsten. Das
ist in Gang gekommen und ist offenbar auch vom BMFT als Problem erkannt worden. Man braucht nur einmal auf das Potential zu schauen, was in diesen Großforschungseinrichtungen an Sachverstand und an Manpower vorhanden ist. Wenn
es um diese Neuorientierung geht, wird es, denke ich, sehr sinnvoll sein, die
neuen Schwerpunkte, die sich herausbilden werden, in enger Kooperation zwischen Bundesregierung und Vertretern der Wirtschaft und der Wissenschaft festzulegen. Das scheint mir im Bereich der Forschungspolitik jetzt das Vordringlichste zu sein. Dr. Manfred
Lischewski
(CDU/CSU):
Ich möchte nur zwei Zahlen hören. Herr
Klodt, wieviel D-Mark müßten wir Deutschen oder wir Europäer heute aufwenden, um den Rückstand in der informations- und kommunikationstechnischen Industrie wettzumachen, bzw. welche Gewinne sind in der Zukunft auf diesem Gebiet zu erwarten? Dr.
Bernd
Protzner
(CDU/CSU):
Frau
Skarpelis-Sperk
hat vorhin
gesagt,
die
Märkte funktionieren nicht, und eine Reihe der Sachverständigen hatte dem zugestimmt. Es gibt nun die zwei Möglichkeiten, daß man mehr Staat betreibt und versucht, die Märkte regulierend in Ordnung zu bringen, oder daß man feststellt, daß die Märkte durch zuviel Staat in Unordnung gekommen sind.
Herr Endres, Sie haben sich bis jetzt immer sehr allgemein gehalten; Sie haben Rahmenbedingungen, Arbeitszeiten, mangelhafte Koordination, Genehmigungsverfahren und anderes mehr genannt. Ihr Haus ist ja sehr engagiert, den Staat in einzelnen Märkten, vor allen Dingen im Bereich der Telekommunikation, zurückzunehmen. Darum hätte ich von Ihnen gerne gewußt, wo der Staat zurückgehen soll. Welche Vorschläge können Sie uns unterbreiten, wie die von Ihnen genannten Rahmenbedingungen von staatlicher Seite her besser gestaltet werden können? 79
Dr. Helga Otto (SPD): Ich möchte eine Frage an Herrn Professor Queisser und Professor Meyer-Krahmer stellen. Wir haben jetzt unsere Defizite und die Stärken in der Vergangenheit herausgestellt. Wir hatten in der DDR bei der anwendungsorientierten Forschung ein relativ gutes System und auch in der Lehre ein besseres Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden. Weiterhin hatten wir das Instrument des Fernstudiums. Nun schafft man bei der Evaluierung und Umgestaltung der ostdeutschen Forschungslandschaft viele dieser Instrumente ab bzw. baut den akademischen Mittelbau enorm ab. Hätten Sie bei der Umstrukturierung der ostdeutschen Forschungslandschaft eine Chance gesehen, bei dieser Gelegenheit die gesamte Forschungslandschaft der
Bundesrepublik umzustrukturieren und auf diese Weise eine bessere Verzahnung zwischen Lehre, Forschung und Industrie zu schaffen? Halten Sie es für notwen-
dig, daß die ostdeutschen Forschungs-GmbHs, die jetzt existieren und wo sich eine
große Zahl von ausgesprochen positiv evaluierten Wissenschaftlern für ihre Existenz abstrampelt, auf längere Zeit noch staatliche Unterstützung erhalten, damit sie weiterexistieren können und damit das wertvolle Potential von Forschern in Ostdeutschland erhalten bleibt? Sv Dr. Klodt: Es ist eine schwierige Frage, wieviel D-Mark man
braucht, um den
Rückstand aufzuholen. In der Wissenschaft hat sich dabei die sogenannte E-Formel bewährt. Man multipliziert den ursprünglich veranschlagten Kostenrahmen mit
dem
Faktor E. So macht
man
es auch
mit der Projektlaufzeit.
Ich habe früher bei einigen Großprojekten, die vom BMFT gefördert worden sind,
festgestellt, daß dort Werte
herauskamen,
die deutlich
über dem
mit dem
Faktor
E berechneten Wert lagen. Ernsthaft: Die Frage, wieviel D-Mark man aufwenden muß,
um
einen
Rückstand
aufzuholen,
ist nicht zu beantworten.
Es liegt schlichtweg nicht im Rahmen des Möglichen, was der Staat tun muß, um mit dem massiven Einsatz von Geld irgendwelche technologischen Rückstände aufzuholen. Man muß sich einmal klarmachen: Der Forschungsetat mancher Unternehmen in der Bundesrepublik ist größer als der gesamte Forschungsetat, den das
BMFT
für die Projektförderung zur Verfügung
hat.
Wir haben auch Kapitalmärkte. Wenn es um die Frage geht, soll hier Kapital aufgebracht werden, um bestimmte Forschungsprojekte zu finanzieren, haben, glaube ich, die größeren deutschen Unternehmen wesentlich bessere Möglichkeiten als das BMFT. Sv Dr. Endres: Herr Protzner, ich bin nicht ganz sicher, ob ich Ihre Frage richtig
verstanden habe. Soweit es den internationalen Wettbewerb der Standorte betrifft, so funktioniert er ohne weiteres; denn das Unternehmen weicht auf den Standort aus, der ihm am adäquatesten erscheint.
Soweit Sie ein grenzüberschreitendes Eingreifen des Staates in Aussicht nehmen,
so meine ich, gibt es dort sehr enge Grenzen; denn Sie wissen, außerhalb unseres Landes können Sie — außer im Rahmen des GATT — nicht allzuviel bewirken.
80
Soweit Sie den Staat als Ordnungsfaktor innerhalb der Bundesrepublik sehen, so glaube ich, daß der Staat als Wirtschaftender gegenüber der privatwirtschaftlichen Rechtsform bestimmte Nachteile hat, die ich jetzt nicht erörtern will.
Soweit er aber ordnende und koordinierende Funktionen hat — ich verweise auf das, was Herr Seitz sagte —, glaube ich, daß der Staat in einer so komplexen Situa-
tion wie der heutigen sehr viel mehr Bedeutung hat, als er bisher hatte, und daß wir uns nicht — ich glaube, Herr Maaß, Sie sagten es — auf Ordnungspolitik berufen können. Denn es gibt eine Koordination der Grundlagenforschung sowohl in den USA als auch in Japan, und zwar mit steigender Bedeutung.
Die Koordination
geht dahin, daß man auch in längeren Forschungsprozessen eine Art Arbeitsteilung vornimmt,
die erst dann
aufhört, wenn
das Produkt auf den
Markt
kommt.
Ich glaube, wir brauchen nicht so etwas wie MITI oder ein Komitee unmittelbar beim Kanzler oder — wie bei der Regierung Bush — unmittelbar beim Präsidenten. Aber eine grundlegende Planung für eine der größten Volkswirtschaften ist notwendig. Ich glaube, darüber werden Sie sich Gedanken
machen
müssen. — Ich hoffe,
ich habe Ihre Frage in etwa beantwortet. Oder lag ich völlig daneben?
(Dr. Manfred Lischewski (CDU/CSU): Sie haben etwas anderes gesagt als die Kollegen in der letzten Woche oder vor vierzehn Tagen!) Vorsitzender Wolf-Michael Catenhusen: Das ist in Parteien wie in Unternehmen so, daß man nicht immer sicher sein kann, daß jeder Vertreter das gleiche sagt. Sv
Dr.
Queisser:
Zunächst
zur
Finanzfrage:
Ein
Drittel
Kohlesubvention
oder
10% Agrikultursubvention der Europäischen Gemeinschaft würden ohne weiteres
reichen, vorausgesetzt — Geld ist ja nicht alles —, wir hätten wirklich den Willen. Es ist ja wirklich hart, wenn man sich von Importen, die doch bequem sind, frei-
machen
möchte.
Frau Otto, wir könnten
über das Beispiel der alten DDR
viel sprechen.
In der Tat
ist dort einiges sehr gut gemacht worden. Immerhin war die DDR im Rat für Gemeinsame Wirtschaft der Einäugige unter den Blinden. Es ist unter schwierigen Bedingungen Hervorragendes von ihr geleistet worden. Das wird auch in der alten Bundesrepublik nicht verkannt. Aber man hat sich dort auch übernommen.
sen, welche Schwierigkeiten es etwa in Thüringen oder Dresden gibt.
Sie wis-
Daß man sich enorme Mühe gibt, die positiv bewerteten Dinge in den ostdeutschen Bundesländern zu pflegen und zu unterstützen, ist, glaube ich, allgemein ersichtlich. Ich selber habe monatelang versucht, an einer vernünftigen Überführung der alten Akademie der Wissenschaften mitzuarbeiten. Sie wissen, daß sich das BMFT beispielsweise in Frankfurt/Oder ganz große Mühe gibt, daß unser Institut eine Partnerschaft sucht, daß wir in Halle das anerkannte Institut für Elektronenmikroskopie ganz massiv fördern, daß die Max-Planck-Gesellschaft mit riesigem Aufwand die Forschungsgruppen gerade auf diesem Gebiet aufrechtzuerhalten versucht.
Der gute Wille ist da. Aber wo ist die Industrie, in die die jungen Leute hineinarbeiten können? Die Antwort ist: Samsung in Berlin-Lichtenberg. Das sagt alles. 81
Sv Dr. Meyer-Krahmer: Zwei Kommentare. Rückstand aufholen: Die Diskussion
unterstellt immer, „Aufholjagd dort, wo Schwächen bestehen‘‘ wäre die Leitlinie. Ich möchte noch einmal an Sie appellieren: Man kann auch die Alternative fahren. Stärken dort ausbauen und festigen, wo sie vorhanden sind. — Das ist eine Frage,
die mir eigentlich nicht gestellt worden ist. — Insofern finde ich die Mikroelektronikindustriediskussion zu eng.
Forschungs-GmbHes. Die Forschungs-GmbHs sind ein interessantes Element einer Forschungslandschaft. Wir haben versucht, die westdeutsche Forschungslandschaft auf Ostdeutschland zu übertragen. Bei uns gibt es keine ForschungsGmbHs. Sie fallen völlig aus unserer Forschungslandschaft heraus. Diejenigen, die positiv evaluiert worden sind, haben eigentlich gute Chancen.
Es gibt verschie-
dene Ausgänge: Übernahme im Lande, Privatisierung oder letztlich auch eine stärkere Orientierung auf Ingenieurbüros. Dies sind verschiedenste Ausgänge. Sicherlich, so könnte ich mir vorstellen, sollte man den Konsolidierungsprozeß
noch ein
bißchen zulassen; aber auch dieser muß irgendwann ein Ende haben. Ich glaube also, eine zeitliche Verlängerung der Unterstützung der Forschungs-GmbHs mit degressivem Ausgang wäre die adäquate Antwort. Vorsitzender Wolf-Michael Catenhusen: Wir sind Runde und setzen das Gespräch mit Herrn Baur von IBM, Herrn Wichers von SEL und Herrn Neugebauer vorschlagen, daß die genannten Herren in der ersten leichtert das Gespräch Aug’ in Aug’.
damit am Ende der ersten Siemens, Herrn Kircher von von Softlab fort. Wir würden Reihe Platz nehmen. Das er-
Ich darf die Sitzungsleitung meinem Kollegen Peter Reuschenbach übergeben, der stellvertretender Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses ist. Stellvertretender Vorsitzender Peter W. Reuschenbach: Meine Damen und Herren, nachdem sich der Wechsel dort und hier vollzogen hat, können wir in den zweiten Komplex eintreten: luK-Technik und Software-Produzenten.
Sie kennen die Regeln: zwei Fragen an zwei verschiedene Sachverständige. Siegmar
Mosdorf
(SPD):
Nach
den
alarmierenden
Bemerkungen
der Sachver-
ständigen Herrn Seitz und Herrn Queisser über die Situation, was die Konsequen-
zen angeht, aber auch nach den für mich interessanten Erkenntnissen und Formu-
lierungen von Herrn Endres von der Deutschen Bank möchte ich gern Herrn Baur
fragen, wie das, was wir als erste, oder sagen wir einmal, als interessanteste Tria-
denkooperation — nämlich zwischen Toshiba, Siemens und IBM — möglicherwei-
se vor uns haben, abläuft, was Ihre Planungen dabei sind und wie stark Siemens beteiligt ist, wenn es z.B. um die Frage 256-Mb-Chip geht, ob das nur eine For-
schungsbeteiligung ist, oder ob das auch eine Produktionsbeteiligung sein kann und sein wird und wie das Haus Siemens die Entwicklung in diesem Bereich sieht.
Ich möchte außerdem gerne den Vertreter von Alcatel und von SEL, weil wir in dem Eingangsbereich der Situationsbeschreibung gelernt haben, daß es auf dem deutschen und auf dem europäischen Markt der Telekommunikation offensichtlich we-
82
der eine vertikale noch eine horizontale Integration gibt und wir dadurch gegenüber
den Japanern wie auch gegenüber den Amerikanern erhebliche Nachteile haben,
fragen, was Sie von der Politik in Europa erwarten — es ist heute ein denkwürdiger
Tag nach der Entscheidung in Paris —, was Sie von der Politik auf dem Sektor der Telekommunikation in bezug auf vertikale und horizontale Integration erwarten.
Christian Lenzer (CDU/CSU): Ich möchte Herrn Dr. Baur und Herrn Kircher fragen. Wir haben in der ersten Diskussionsrunde heute morgen über Für und Wider
staatlicher Unterstützung — so möchte ich das einmal nennen und nicht gleich das
heilige Wort „staatliche Intervention‘‘ gebrauchen — geredet. Es war von funktio-
nierenden Märkten oder Wettbewerbsverzerrungen die Rede. Ich möchte
die beiden
Experten
ganz
einfach fragen:
Wie
kompensiert
man
mit
Bordmitteln oder mit welchen anderen Mitteln nach Ihrer Auffassung solche Aktionen, wenn — ich gebe jetzt einige Beispiele für die tatsächliche Lage am Markt —
in Frankreich eine Übernahme erheblicher Verluste für die Firma Bull — 2,2 Milliarden — vorgenommen wird oder Thomson in den Bereich des Commissariat ä& l’Energie Atomique, also CEA, par ordre du mufti eingegliedert wird? Wie kompensiert man auch Regionalhilfen — man kann das alles sehr gut verstecken — für die Halbleiterfabrik etwa von Texas Instruments in Höhe von 650 Millionen, 600 Millionen Dollar Hilfe für eine Wafer-Fabrik bei Dublin für Intel usw.? Ich glaube, man könnte das beliebig fortsetzen. Wie kompensiert man so etwas? Kann man das noch mit Bordmitteln tun, oder sollte man sich nicht doch einmal überlegen, ob man das — ich zähle das alles, Ansiedlungshilfen
und
so
etwas,
staatliche Aufgabe begreift?
zu
den
Rahmenbedingungen
—
ein
bißchen
als
Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU): Ich habe zwei Fragen. In der Vorrunde, die wir gehabt haben, ist der Vorschlag gemacht worden, wir sollten den Vertreter von Siemens doch einmal direkt fragen. Herr Baur, ich möchte die Gelegenheit dazu jetzt benutzen.
Ich persönlich durchlebe ein Erfolgserlebnis nach dem anderen.
Während wir in den achtziger Jahren immer gesagt haben: ‚Wir müssen massiv in die Speicher-Chip-Technologie unter erheblicher staatlicher Beteiligung investieren‘‘ — das war, glaube ich, Stand des Wissens noch im Frühjahr dieses Jah-
res —, hören wir heute plötzlich: April, April! Wir brauchen das nicht mehr. Wir ha-
ben und aus sehr
einen guten Wettbewerb. Wir können uns das Know-how überall beschaffen, wir setzen es jetzt stärker in Richtung ASICs ein. — Könnten Sie versuchen, der Sicht Ihres Hauses diesen Knoten zu durchschlagen? Es gibt durchaus unterschiedliche Meinungsbildungen in Ihrem Hause selbst.
Die zweite Frage, die ich hätte, geht an Herrn Neugebauer. Ich habe den Eindruck, daß in den vergangenen Jahren die Software-Technologie immer ein bißchen stiefmütterlich behandelt worden ist und ein Schattendasein geführt hat. Wenn wir stärker in den Bereich der ASICs wollen, ist, glaube ich, ein elementarer Faktor die ge-
samte Software-Technologie, Software-Entwicklung. Wie beurteilen Sie im Augen-
83
blick die Situation in der Bundesrepublik
im Rahmen
der EG, und wie stellen Sie
sich künftigen Entwicklungen im Konkurrenzkampf mit den Asiaten? Stellvertretender Vorsitzender Peter W.
Reuschenbach:
geordneten. Herr Baur mit Antworten auf drei Fragen.
Das waren die drei Ab-
Sv Dr. Baur: Erste Frage. Es hatte jemand für mich die Flinte ins Korn geworfen. Ich hoffe, das Pulver ist nicht naß geworden. Ich versuche jetzt einmal, sie aufzuheben.
Als erstes möchte ich ein Bekenntnis zur Halbleitertechnik ablegen und möchte versuchen, Ihnen das Ganze zu erklären. Das ist so wie das Salz an der Suppe.
Wenn Sie kein Salz an der Suppe haben, geht der Kunde zum nächsten Restaurant. Das Salz an der Suppe heißt: Halbleitertechnik. Sie können das nachrechnen. Wenn Sie sehen, wieviel Halbleitertechnik unsere exportintensive Industrie ein-
setzt, dann stellen sie fest, daß sie ohne diese Halbleitertechnik nicht mehr leben kann. Jetzt kommt die Aussage, die für sie wichtig ist: Wir sind der Meinung — unsere Ingenieure bestätigen
das alles —, wenn
Sie nicht das Know-how
der Halbleiter-
technik haben, können Sie keine moderne Technik entwickeln. Es geht nicht, daß Sie in eine Fabrik eines Konkurrenten oder in die USA gehen und sich dort die Informationen für die Neuentwicklung holen — nicht für das Bestehende; darüber reden wir nicht, sondern wir reden über die Innovationen und die zukünftigen Tech-
niken. Wir brauchen also unter allen Umständen den ungestörten Zugriff auf moderne Halbleitertechnik. Punkt zwei. Die Entscheidung der Firma Siemens war eigentlich klar. Wir haben versucht, sie auch nach außen deutlich zu machen. Das ist offensichtlich nicht richtig angekommen. Wir haben nur eine einzige Sache genannt: Wir bauen keine weiteren Speicherfertigungen. Sie müssen das einmal sehen: Wir haben drei große Fertigungen. Wir haben eine Fertigung in Regensburg, die nur Speicher herstellt. Wir haben eine Fertigung in Villach, die nur ASICs und andere Halbleitertechnik herstellt. Wir haben in Essonne eine große Fertigung, die ebenfalls nur Speicher herstellt. Wir haben alle Mühe, diese Fertigungen zu füllen. Jetzt noch eine Speicherfertigung für die nächste Generation zu machen — das wird Herr Kircher sicher bestätigen — ist nicht möglich. Wir sind der Meinung, daß sich die Speicher gegenseitig ersetzen, daß z.B. die 1-Mb-Chips verschwinden, wenn die 64-MbChips erscheinen, jedenfalls gehen sie im Volumen zurück. Wir meinen also, wir
haben genügend
die wir für unsere
Speicherkapazität und genügend Kunden
und für uns brauchen,
Kapazität, um die Halbleiter,
herstellen zu können.
Zweiter wichtiger Punkt in der Aussage, was wir gemacht haben und was vielleicht ebenfalls nicht angekommen ist: Die Entwicklung einer Technologie, aus der man 64-Mb-Speicher
oder auch
sehr
moderne
Halbleiter-ASICs
machen
kann,
kostet
ungefähr anderthalb Milliarden Dollar. Unser Unternehmen macht zwei Milliarden Umsatz. Damit können Sie keine anderthalb Milliarden Dollar für die Entwicklung ausgeben. Das ist einfach nicht drin. Das zahlt sich ja nicht. Also war es nicht mehr 84
als selbstverständlich, daß wir eine Kooperation für die Entwicklung gesucht haben.
Das ist das, was wir gemacht haben. Wir haben eine Kooperation mit der IBM ge-
schlossen, mit der wir schon die Kooperation für die 16-Mb-Chips und für die 64-Mb-Chips haben, ausgedehnt auf die 256-Mb-Chips. Das heißt, wir haben vollen
Zugang zu den 256-Mb-Speichern, zu der modernsten Technologie. Wir machen zu dritt in gleichgewichtiger Ausführung die Entwicklung. Es liegt an der Firma Siemens, am Markt und an uns, ob wir und wie wir diese Technologie später übertra-
gen — ob wir Speicher oder ob wir ASICs machen — und was wir mit ihr tun.
Eine Bemerkung ist gewesen, daß es schwierig sei, wenn man die Speicher nicht laufen hat. Die Speicher laufen in dieser Technologie natürlich bei Toshiba, auch
bei der IBM. Jetzt muß ich Sie daran erinnern — Sie haben das selber gelernt —: Die Transplants
übernehmen
eine vorhandene Technologie
und bringen sie zum
Laufen. Ich habe noch nicht gehört, daß es da große Schwierigkeiten gegeben hat. Das heißt, man
kann eine laufende Technologie übertragen. Das haben wir in Vil-
lach gemacht. Die Fertigungsstätte ist gebaut worden, und wir haben Technologien übertragen. Man kann funktionierende Technologien in Fertigung übertragen. Das ist — jedenfalls unserer Meinung nach — also kein zu großes Problem.
Damit, sagen wir, haben wir eigentlich alle Möglichkeiten offen. Wir haben alle
Technologien, die wir brauchen. Es ist sichergestellt, daß wir von den Forschungs-
ausgaben nicht aufgefressen werden. Wir rechnen, daß wir mit diesem Weg einen vernünftigen wirtschaftlichen Schritt gemacht haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang doch noch einen Punkt ansprechen, der ei-
gentlich nicht direkt etwas mit den Speichern zu tun hat. Ich bin über eine Frage-
stellung in Ihrem Fragebogen etwas erschrocken. Es wird dort gefragt, ob wir be-
fürchten
müssen,
daß
nur fünf oder sechs
Hersteller bei der Nachrichtentechnik
übrigbleiben. Diese Befürchtung gilt natürlich für alle hochtechnologischen Berei-
che. Wenn Sie sich nur die Größenordnung der Hersteller von Rechnertechnik anschauen, dann stellen Sie fest: Das sind fünf bis zehn starke Firmen, und die ande-
ren sind immer in den Nischen oder in Teilbereichen tätig. Wenn Sie an die Halblei-
tertechnik denken, ist es dasselbe. Sie haben immer große Firmen, die die Entwicklung tragen und die das Ganze mit ihrem Markt aushalten können, und dann
kleine. Auch bei der Nachrichtentechnik ist es so. Wir sind bei luK-Technik in einem Volumengeschäft. Die Entwicklungsaufwendungen werden astronomisch — sie sind schon astronomisch —, die kann ein kleiner Markt nicht tragen. Hier noch eine Bemerkung, die ich unbedingt loswerden muß: Die Japaner haben natürlich einen riesigen Vorteil; das hat übrigens auch Amerika bestätigt. Die Unterhaltungselektronik ist aus welchen Gründen auch immer — ich will gar nicht darüber reden — nach Japan gelaufen, und sie trägt etwa 35 % des Halbleitervolumens.
Das heißt, der, der die Unterhaltungselektronik hat, hat eine unwahrschein-
lich hohe Auslastung seiner Fertigungen. — Ich glaube, das ist zu den Speichern fürs erste genügend.
85
Zum zweiten. Zum Für und Wider staatlicher Unterstützung haben Sie mich gefragt: Wie kompensiert man Wettbewerbsverzerrungen? Ich muß dazu sagen: Wir sind sicherlich nicht schlecht, die deutschen
Ingenieure sind gut. Wir sind mit der
hoch werden, ist dies nicht zu kompensieren.
Daran führt kein Weg vorbei. Wo die
Leistung unserer Herren an sich zufrieden. Aber wenn die Subventionsgelder zu
Grenzen liegen, können wir nicht sagen. Aber wir schließen aus diesen Dingen eigentlich relativ einfach eine Aufgabe für die Politik. Das möchte ich Ihnen heute transferieren. Nachdem das Europa nicht besteht — ich möchte das wirklich sagen; wir sind nach wie vor ein zersplittertes Gebilde —, ist es Zeit, das Europa zu schaffen, d.h. über-
all wetibewerbsneutrale Verfahren einzuführen. Das gilt für die Telekom, das gilt
für die Halbleitertechnik, und das gilt für die Datenverarbeitung. Ich habe gelesen:
2,8 Milliarden DM Kapitalzuschuß für Öl. Das würde ich gerne auch für uns entgegennehmen. Aber ich bin der Meinung, es ist besser und es ist der richtige Weg, die Wettbewerbsverzerrungen aufzuheben. Es besteht dabei ein Riesenproblem; das muß ich gleich ansprechen. Wenn Sie die Wettbewerbsverzerrungen aufheben, muß der eine oder andere aus dem Markt gehen, im Wettbewerb. Da liegt das
riesige Problem. Jedes Land möchte seine eigene Fertigung haben.
Da liegt auch das Problem der lIuK-Technik. Wir haben am Weltmarkt einen bun-
desrepublikanischen Anteil von etwa 7 %. Amerika hat ungefähr 35 %, wenn Sie sich die Datenverarbeitung anschauen. Japan hat ungefähr 25 %. Der Rest ist weit verstreut. Ein 6 %iger Marktanteil — diesen können Sie erreichen; denn Sie haben
große Schwierigkeiten und hatten früher große Schwierigkeiten in Amerika; da ist die Situation besser geworden — ist nicht genügend groß, um Ihre Basis zu verteidigen. Deshalb haben wir uns bei der Datenverarbeitung auf einige wesentliche Produkte,
von denen
wir meinen,
daß sie der Markt braucht,
konzentriert.
Noch einmal zur Wettbewerbsverzerrung. Meiner Meinung nach gibt es keinen an-
deren Weg, als dieses Europa in Ordnung zu bringen. Dies ist eine politische Auf-
gabe, und ihre Lösung ist dringend. Wir werden vielleicht noch nachher bei der Telekom darüber reden. Es wurde schon vorher angesprochen, daß es auch da große Verzerrungen in Europa gibt. Ich habe schon mehrfach auch in Brüssel gesagt: Bringt doch
zuerst das
Europa
in Ordnung,
bevor ihr über GATT
und den Welt-
markt redet; denn Europa muß unser zukünftiger Heimatmarkt sein. Ich glaube, ich habe die Fragen beantwortet. Stellvertretender
Vorsitzender
Herrn Lenzer gefragt worden. Sv Kircher:
Peter
W.
Reuschenbach:
Es geht letztendlich schwerpunktmäßig
Herr
Kircher
ist von
und an allererster Stelle um
die IuK-Technologie. Ich nenne das in meinem Jargon lieber die Elektronikindustrie — nicht die Elektroindustrie —, also Telekommunikation,
strieelektronik „auch‘‘
86
—
und
Konsumelektronik
die Mikroelektronik,
wobei
und
auch
das vom
—
Datenverarbeitung, Indu-
aber
ich sage
wirklich
nur
Markt her ein winziger Teil, noch
nicht einmal tung hat.
ein Zehntel
des Gesamtmarktes,
ist, aber eine strategische
Bedeu-
Faszinierend ist für mich — das zeigt sich auch dadurch, wie der heutige Vormittag verlaufen ist —, daß wir uns jetzt, 1992, über ein Thema unterhalten, das die Japa-
ner etwa Anfang der siebziger Jahre abgehakt haben. Sie haben das mit klaren, sauberen Strategien und einem Konzept der Exekution abgehakt. Die Ergebnisse sehen wir alle. Die Amerikaner haben dazu leider Gottes zehn Jahre länger gebraucht. Sie haben das Anfang der achtziger Jahre gemacht und haben sich jetzt auf ihre „‚core competencies‘‘ zurückgezogen — Herr Baur nannte gerade einige —., und jetzt stehen sie recht stabil da. Wir sind leider Gottes noch immer mehr bei der Problembeschreibung und der Problemfindung als bei der Lösungsfindung.
Aber zu diesem Teil kommen wir heute vielleicht noch.
Zur Bedeutung der Chips muß ich doch einmal etwas sagen. Ich habe den Eindruck, daß ein etwas seltsamer Ansatz hier bei uns ist. Die Diskussion zu 64-MbChips oder überhaupt zu Speicherchips versus ASICs gibt es nur in Deutschland.
Die Fragestellung gibt es für überhaupt niemanden auf der ganzen Erde. Das ist für niemanden ein Thema außer für uns. Wie ist es denn? Jedes erfolgreiche Systemhaus im Weltmarkt — ob in der Tele-
kommunikation, in der Datenverarbeitung, in der Unterhaltungselektronik oder in der Industrieelektronik — macht Chips, und zwar um in seinem Systemgeschäft erfolgreich zu sein, führend zu sein und Wettbewerbsvorteile zu haben. Übrigens sind alle jeweils in den Komponenten, die für sie wichtig sind, führend. Wenn das für den einen ASICs oder Mikroprozessoren heißt, dann ist er eben darin führend. Wenn das zufällig Speicherchips heißt, wie sie hauptsächlich die Datenverarbeitungsmenschen brauchen, dann sind sie dort führend. Die Speicherchips benutzt jeder einzelne, wann immer er es kann, als die Lokomo-
tive. Warum? Von Speicherchips werden je nachdem, wie gut der Weltmarkt ist, jedes Jahr zwischen einer halben Milliarde und einer Milliarde im Markt abgesetzt. Das heißt, nur mit diesem gigantischen Volumen kann man sich den ‚‚irren‘' Wettlauf leisten, eine Milliarde an Entwicklungskosten in eine neue Generation, mehr als eine Milliarde Dollar in eine neue Produktion zu investieren. Man benutzt diese Speicherchips, um sich damit alles andere leisten zu können. Kein Mensch kann sich diese Entwicklung auf dem Gebiet der ASICs oder der Mikroprozessoren oder einer der vielen, vielen anderen Halbleiterfamilien, die es gibt, leisten. Das ist also das Entscheidende.
Am brillantesten führen das die Japaner aus. Die Japaner scheuen sich gar nicht, wenn der Markt schlecht ist, einmal vier oder fünf Jahre im Speichergeschäft rote Zahlen zu schreiben. Das Ziel ist also ganz generell ohnehin nicht die Halbleiterindustrie, sondern die Systemindustrie. Zumindest ist mir kein großes Unternehmen bekannt, das in dem Systemgeschäft eine große und über viele Jahre hinweg dominante Rolle spielt und das nicht auch im Mikroelektronikbereich tätig wäre. 87
Ich meine also, von dieser ASICs-Diskussion müssen wir weg. Ich glaube, diese Diskussion ist eine Ausrede, hinter der wir uns verstecken, weil wir es in den DRAMs
nicht schaffen, da wir entweder auf Grund der Kosten nicht wettbewerbsfä-
hig oder immer zwei Jahre hinterher sind oder was immer Sie jetzt als Ursache fin-
den mögen. Wir verstecken uns hinter den ASICs. Wir glauben auch, daß Europa eine unheimlich starke Rolle bei den ASICs hat. Das hat es überhaupt nicht. Kein
einziger Europäer ist unter den ersten zehn bei ASICs. Das ist also, meine ich, ein
Traum. Der einzige Grund, warum das Leben bei ASICs ein bißchen bequemer ist, ist: Dort ist der Wettbewerb nicht so gnadenlos, auch nicht so sehr sichtbar, weil
es dort eben oft um ganz, ganz kleine Miniserien geht. Aber führend kann man darin nicht so ohne weiteres werden.
Jetzt komme ich auf den von Ihnen angesprochenen Standortnachteil. Ob die Franzosen Bull unterstützen oder die Iren Intel subventionieren, letztendlich, wenn
Sie es sich einmal ganz genau ansehen, hat jeder, außer er entwickelt oder produ-
ziert Halbleiter in Deutschland, irgendeinen strategischen Vorteil. Die Japaner ha-
ben den strategischen Vorteil, daß fast die ganze Nation, etwas übertrieben ausge-
drückt, auf die IuK-Technologien fokussiert ist und daß dort quasi „Chip, Chip, hur-
ra!“ in jedem Kopf steckt. Sie sind richtiggehend verliebt in diese Technologie. Die
Amerikaner haben verstanden, daß sie aus vielen Gründen — nicht zuletzt aus militärischen Gründen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen — für die ganze luK-
Technologie eine gewisse Führerschaft in Chips — sie haben nun einmal den groBen Vorteil, daß sie den Weltmarkt dominieren — auf dem Mikroprozessorengebiet haben. Damit halten sie die Japaner jetzt in Schach. Der einzige, der auf dem Speichergebiet wirklich noch mithalten kann, ist, glaube ich, die IBM und zum Teil noch AT&T und sonst faktisch keiner. Sie haben also dort ihre Stärke. Ich weiß einfach nicht, wo die europäische Stärke ist. Man kann solche Notlösungen machen, wie
es jetzt mit Bull oder mit Thomson-Brandt gemacht wird. Damit hält man eine solche Technologie vielleicht noch im Land. Eine langfristige Lösung kann das sicherlich nicht sein.
Stellvertretender
Vorsitzender
Herrn Dr. Wichers gefragt.
Sv Dr. Wichers:
Peter
W.
Reuschenbach:
Herr
Mosdorf
hatte
Die Frage von Herrn Mosdorf konzentriert meine Antwort auf
Kommunikationstechnik und damit nur auf die Hälfte von IuK. Herr Baur würde für
den Teil Kommunikationstechnik wie auch ich Ihren Begriff „vertikale Integration‘, Herr Mosdorf, als einen Schlüsselbegriff der Wettbewerbsverzerrungen für deut-
sche Kommunikationsanbieter beschreiben. Ich bin Ihnen deswegen dankbar, daß wir darüber sprechen können, und auch für die Initiative, daB uns drei Ausschüsse anhören, weil wir unsere Thematik und Problematik nicht anders als in einem
Rückkopplungsgeflecht darstellen können.
Die deutsche Kommunikationsindustrie ist wettbewerbsfähig. Unsere Exporterfolge außerhalb der Triade beweisen das. Drei von den sechs größten Anbietern auf der Welt sind Europäer: Alcatel, Siemens und Ericsson. Unsere Sorgen bezüglich der Zukunft gelten den beiden anderen Triadenmächten und Randbedingungen,
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die in Deutschland nicht herrschen und die deutsche Politik und deutsche Hersteller nicht erzeugen
können,
auch
wenn
wir uns wünschen
würden,
daß sich der
Rest der Welt marktwirtschaftlich deutschen Verhältnissen ideal anpassen würde. Mit Abgeltung von Forschungs- und Entwicklungsleistungen über die Preise können wir das de facto politisch nicht durchsetzen,
und wir sprechen
mit ihnen über
Möglichkeiten, wie man die gegebenen und nicht änderbaren Nachteile der deut-
schen
Industrie in diesem
Sektor teilkompensieren
kann.
Vertikale Integration meint, daß gerade in Nordamerika und in Japan Hersteller von
Kommunikationssystemen
und
Netzbetreiber ganz eng
liiert sind. AT&T
ist der
größte Betreiber und einer der drei ganz großen Hersteller. Northern Telecom, der nordamerikanische und der japanische Hersteller sind mit Bell Canada, dem kanadischen Betreiber, eng zusammen. In Japan sind es zwar keine gesellschaftlichen oder finanztechnischen Verflechtungen; aber die sogenannte NTT-Familie bedeu-
tet doch eine quasi vertikale Integration in Japan, die unseren Zugang zum Markt dort verhindert.
Was bringt vertikale Integration, daß Betreiber und Hersteller in einem Boot sitzen,
um nicht zu sagen: in einem Bett liegen? Es bringt erstens — das haben sie als erstes im Sinn — Abgeltung von Forschungs- und Entwicklungskosten. Es bringt
zweitens — das ist viel wichtiger als die schnöde Mark; das hat auch schon die er-
ste Runde
hier gezeigt —
Kommunikationstechnik
gesicherte
hat andere
und
abgestimmte
Marktmechanismen,
Einführungsstrategien.
wenn
es um
Innovation
geht, als andere Techniken. Airbags auch auf dem Beifahrersitz oder bessere ABS
kann ein Hersteller einführen, ohne auf den Zustand der Straßen Rücksicht zu nehmen oder neuen Asphalt zu fordern. Breitbandbildtelefone können Sie nicht einfach einführen, sondern sie sind in einem Rückkopplungskreis von der Netzinfrastruktur und den Gebühren des Betreibers. Dieses Geflecht erstens von vorhandener Infrastruktur und Ausbreitung und damit Erreichbarkeit, zweitens von Endgerä-
tepreisen und drittens von monatlichen Nutzungsgebühren in eine positive Rückkopplung zu bringen, daß sich alle gegenseitig positiv anstoßen und sie ermuntert sind, zu investieren, das ist eine hohe politische Kunst, die kein einzelner Marktteilnehmer alleine beherrschen kann und wofür politische Moderation offenbar notwendig und wünschenswert ist. Die nordamerikanischen und japanischen
Verhältnisse sind also mit ihrer Vertikalintegration von Nachteil für die deutsche Kommunikationstechnik.
Ihre Frage, Herr Mosdorf, war: Welche gegensteuernden und ausgleichenden Maßnahmen sind a) auf deutscher Ebene und b) auf EG-Ebene möglich? Auf der
deutschen Ebene kann nur der eine nationale Großbeschaffer, die Bundespost Telekom, eine Rolle annehmen, eine volkswirtschaftliche Pflicht als Rückseite der Monopollizenz und der gesicherten Einnahmen aus dem Monopolbereich mit dem
Infrastrukturauftrag übernehmen und ohne gesellschaftliche und Finanzverflechtung mit Herstellern diese Abstimmung über Netzausbaustrategien und Einführung neuer Dienste erreichen, die man
nur mit neuen
Endgeräten
Bildtelefone oder Multimediaterminals — realisieren kann.
— ob Funktelefone,
89
Planungssicherheit über solche Einführungsstrategien erhöht natürlich die Investitionsbereitschaft und gemeinsame Forschungen, aber jetzt nicht im Sinne von Grundlagenforschung auf Bauelementeebene, sondern Anwendungsforschungen und Akzeptanzuntersuchungen: Lassen sich denn Telearbeitsplätze mit Bildtelefon realisieren? Läßt sich denn Fernstudium mit Multimedia-Arbeitsplätzen besser
realisieren? Welche — das Stichwort kam schon aus Ihrem Kreis — Mensch-Maschine-Schnittstellen, welche Bedieneroberflächen, sind denn nötig, damit wir in breiter gesellschaftlicher Front neue Techniken anwenden? Das müßten gemeinsame Forschungsprogramme, Pilotprojekte und Akzeptanzuntersuchungen ergeben, so daß deutsche
Industrie und deutsche
Betreiber gemeinsam
im doppelten
Wettbewerb — deutsche Telekom gegen France Telecom und British Telecom so-
wie deutsche Anbieter gegen die Nordamerikaner und Japaner — einen Innovationsvorsprung erarbeiten können als Ausgleich für die vertikale Integration.
Ein zweiter Punkt chen gigantischen Sektorenrichtlinien setzen wir offenbar
auf der deutschen Ebene: Die Beschaffungsrichtlinien von solEinkäufern wie einem Netzbetreiber Telekom unterliegen nach neuen EG-Forderungen mit internationaler Ausschreibung. Da besonders treu und gehorsam um und leiden als deutsche Her-
steller a) unter Nachzüglern in der EG, die ihr nationales Recht nicht so schnell um-
stellen, und b) außerhalb Europas unter amerikanischen Haltungen, deren Position
nach der Auflösung der großen, alten ‚‚ma belle‘‘ AT&T in die vielen kleineren ist, sie seien private Firmen, das EG-Recht gelte nicht für sie und sie hätten nicht die Pflicht, international und offen auszuschreiben. Zweiter Punkt: Was kann auf EG-Ebene getan werden? Der Wettbewerb der Betreiber, auch der europäischen Betreiber, ist ein Faktum und soll erhalten bleiben. Wir
können also nicht einfach Bündnisse aller europäischen Betreiber gegen NTT und AT&T verlangen. Aber zwei Dinge auf EG-Ebene, die man nicht national betreiben kann, sind Standardisierung kombiniert mit den EG-Forschungsprogrammen.
Nehmen Sie das Beispiel der neuen Mobilfunknetze. Sie überlegen sich gerade, ob Sie ein neues oder noch ein altes Autotelefon nehmen, also das sogenannte DNetz oder den GSM-Standard, eine europäische Initiative. Wir Kommunikationshersteller brauchen diese europäischen Standards. Herr Baurs Argument, daß die nationalen Märkte zu klein sind, gilt. Wenn Europäer Standardisierung gut machen, springen sogar außereuropäische Länder auf. Wir haben Erfolge in Saudi-
Arabien und in Australien mit einem eigentlich europäischen Standard für Mobilnetze im Gegensatz
zu japanischen
und amerikanischen
Standards.
Diese Stan-
dardisierung ist auf EG-Ebene voranzutreiben mit Unterstützung der Betreiber. Damit das
nicht
nur eine
Papierstandardisierung
ist, sondern
eine
marktgerechte,
eine anwendungsgerechte und eine benutzergerechte, können EG-Programme un-
terstützen, damit, was wir soeben gesagt haben, Mensch-Maschine-Schnittstellen,
Handhabbarkeit und echter Bedarf adressiert werden.
Stellvertretender Vorsitzender Peter W. Reuschenbach:
Runde auf die Frage von Herrn Maaß.
90
Letzte Antwort in dieser
Sv Dr. Neugebauer:
Herr Maaß, ich bin nicht das erste Mal in einem solchen Hea-
ring. Wir hatten schon vor sechs, acht Jahren eines. Ich habe schon damals auf
die Bedeutung
der Software-Technologie
so ganz angekommen.
hingewiesen.
Das ist damals wohl nicht
Natürlich, sie wird noch immer stiefmütterlich behandelt. Dabei habe ich schon sei-
nerzeit gesagt, daß wir auf diesem Gebiet gegenüber allen anderen — heute gera-
de noch, damals noch viel mehr — tatsächlich einmal eine Chance gehabt hätten,
im großen Konzert mit den Amerikanern und den anderen Europäern gleichzuziehen. Die Japaner tun auf diesem Gebiet zur Zeit erstaunlich wenig.
Die Software rationell zu produzieren heißt, sie schnell zu produzieren, sie sicher zu produzieren und sie preiswert zu produzieren, und ist eine Schlüsselfunktion für unsere gesamte Volkswirtschaft. Software für 45 Milliarden im Jahr wird in der Bundesrepublik produziert. Das ist ein Viertel des gesamten Automobilmarktes schon heute. Software steckt in allen Dienstleistungen und in allen Produkten. Wir rüh-
men uns als die große Exportnation. Wir exportieren Güter und Dienstleistungen. Lassen Sie mich Dienstleistungen Banken und Versicherungen nennen: Keine Bank und keine Versicherung kann ohne Software leben, und kein intelligentes Produkt — ob das Automobile oder Kaffeemaschinen sind —, das aus Deutschland herausgeht, kann heutzutage ohne Software existieren. Das Thema der rationellen Produktion von Software wird wirklich völlig unterschätzt.
Was machen die Amerikaner? Es gibt eine groBe Ausschreibung des Department of Defence für eine Software-Produktionsumgebung, die es heute noch gar nicht gibt. Da bewerben sich Unternehmen dafür, da werden riesige Konsortien gebildet, und als ausgeschriebene, bezahlte Forschung werden dort drüben Software-Produktionsumgebungen gebaut. Bei uns gibt es, wenn ich das richtig sehe, zehn Millionen DM für Software-Engineering des BMFT, und dann gibt es noch einmal 40 Millionen, ein Budget für das Eureka-Projekt „European Software Factory‘‘. „40
Millionen‘ klingt sehr gut. Aber das ist für sieben Jahre. Das heißt, das ist ein Trop-
fen auf den heißen Stein. Mein Unternehmen allein gibt knapp 30 Millionen DM von 150 Millionen DM Umsatz, die wir, ein Software-Haus, ein mittelständisches Grün-
dungsunternehmen, machen, im Jahr für Forschung und Entwicklung für die Software-Technologie aus. Die Software-Technologie ist ein Thema, das bei uns wirklich stiefmütterlich behandelt wird. Ich muß wirklich sagen: Wenn wir hier etwas erreichen wollen, dann
müssen wir mehr tun. Wenn wir ein Ja zur Förderung sagen, dann, glaube ich, sollte man mehr Geld in die Hand nehmen. Wenn Sie sagen: „Wir fördern grundsätzlich überhaupt nichts mehr‘‘, dann muß sich die Industrie etwas anderes überle-
gen.
Beschaffungsverhalten der öffentlichen Hand ist bei uns gegenüber der SoftwareIndustrie nahezu
null. In den anderen Ländern ist das nicht der Fall. In Frankreich
und in England — wir brauchen
nicht immer nach Amerika zu schauen — wird
massiv bei der Software-Industrie beschafft, bei uns nicht. Da wird entweder selbst
91
gebastelt, oder es wird durch die Hardware-Hersteller durchgereicht. Diese reichen es dann für die Hälfte des Preises an die Software-Häuser weiter. Das ist eine Infra-
struktur bei uns, die für unsere Industrie nicht sehr erfreulich ist. Daher kommt es auch, daß die deutsche Software-Industrie eine ganz andere Struktur hat, daß sie
gar nicht so leistungsfähig ist wie die englische oder französische Software-Industrie. Wie gesagt, man muß nicht immer nach Amerika sehen.
Abschließend zu Ihrer Frage: Die Software-Technologie wird tatsächlich stiefmüt-
terlich behandelt.
Ich glaube,
Sie sollten ihr eine Chance
geben.
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Ich möchte Herrn Wichers zunächst eine Nachfrage stellen. Sie haben das Thema vertikale Integration und Be-
schaffungsvorschriften angesprochen. Darf ich Ihre Aussage so interpretieren, daß
Sie letztlich dafür plädieren, daß die Sektorenrichtlinie der EG wieder abgeschafft wird? Denn man kann nicht erwarten, daß eine bestehende Richtlinie auf Dauer mißachtet wird. — Das wäre also meine erste Frage:
Wie könnten Sie sich denn eine vertikale Integration in Deutschland im Telekommunikationsbereich vorstellen? Die Telekom wird ihre volkswirtschaftliche Pflicht natürlich erfüllen. Das ist ein schwammiger Begriff für ein Unternehmen, das auf dem Weg ist, sich privatwirtschaftlich zu organisieren. Ich meine, es ist ein bißchen zu einfach, wenn man nur das macht. Wie könnten Sie sich solch eine vertikale Integration in Deutschland als Antwort auf die vertikale Integration in den Konkurrenzbereichen vorstellen? Meine zweite Frage geht an Herrn Dr. Baur. Sie haben davon gesprochen, daß im
europäischen Bereich das Haus in Ordnung zielt darauf: Sehen Sie, ähnlich wie es in der ist, auch im Bereich der Telekommunikation gen von seiten Japans, wenn ja, welcher Art,
gebracht werden muß. Meine Frage ersten Runde angesprochen worden strategische Angriffe oder Bedrohunund wie wollen Sie denen begegnen?
Es sind vorhin Begriffe wie ‚„Monopolisierungsstrategien‘‘,
„Dumpingpreise‘‘
und
„Den japanischen Inlandsmarkt abschotten‘ gefallen. Wie sehen Sie die Lage und Gegenstrategien? Dr. Bernd Protzner (CDU/CSU): Herr Neugebauer, Sie haben schon einen Hinweis gegeben, wo der Staat bei uns hinderlich ist. Sie haben die Ausschreibungsverfahren angesprochen.
Könnten
Sie uns noch mehr solche Vorschläge aus Be-
reichen unterbreiten, wo wir staatliche Verhaltensweisen abändern müßten.
Das gleiche an Herrn Kircher von IBM: Der Staat ist bei uns, was Netze, auch Da-
tennetze und Datenverbindungen betrifft, über die Telekom sehr stark engagiert. Ist das für Sie förderlich, oder ist das
hinderlich?
Wolf-Michael Catenhusen (SPD): Ich habe jeweils eine Frage an Herrn Wichers und an Herrn Baur. In den schriftlichen Stellungnahmen — das ist interessant —
wird zum Teil nur mit einem oder mit anderthalb Sätzen darauf verwiesen, daß es
ein großes Konzept der Bundesregierung gibt. Das nennt sich, glaube ich, ‚‚IT 2000‘. Der eine oder andere erinnert sich noch daran, daß das 1989 entstanden 92
ist. Es ist eigentlich noch gar nicht so alt. Ich lese z.B. bei Ihnen, Herr Wichers, den schönen, netten Satz: So ist zum kürzlich veröffentlichten Förderkonzept im Rahmen des Zukunftskonzepts Informationstechnik der Bundesregierung (...) grundsätz-
lich anzumerken, daß das finanzielle Engagement des BMFT der in demselben Papier betonten volkswirtschaftlichen Bedeutung der Informationstechnik nicht gerecht wird.
Es wird — ich weiß jetzt nicht, ob bei Ihnen, Herr Baur, oder bei Ihnen, Herr Kircher — mit anderthalb Sätzen darauf hingewiesen, daß den strategischen Einschätzun-
gen, die schon damals in dem Papier der Bundesregierung vorgenommen worden sind, bisher nicht erkennbar strategisch positionierte Taten gefolgt sind. Ich hätte Sie gerne über Ihr schriftliches Statement hinaus beide etwas mehr aus der Reserve gelockt. Wie sehr hat denn dieses Konzept die Ranmenbedingungen Ihrer Unternehmen bisher befruchtet oder nicht befruchtet? Stellvertretender Vorsitzender Peter W. Reuschenbach:
de. Herr Wichers ist zweimal gefragt worden.
Das war die zweite Run-
Sv Dr. Wichers: Zu der Sektorenrichtlinie gibt es den Passus, wann die Möglichkeit besteht, bei öffentlichen Ausschreibungen EG-fremde Angebote abzulehnen. Das heißt, die, die hier die Spielregeln formuliert haben, haben die beiden Sorgen schon antizipiert. Die Ausscheidungsbedingungen sind: erstens wenn kein reziproker Marktzutritt im Gegenland gegeben ist, zweitens der Wirtschaftsvorteil in Euro-
pa und drittens der preisliche Mindestabstand von einem EG-Anbieter. Unsere Sorge ist die Anwendung dieses Instrumentariums. De jure also hinreichend beschrieben, die Frage
ist, was de facto daraus wird.
Ihre zweite Frage, ‚Wie kann die Telekom denn für die deutsche Industrie ein Sub-
stitut für die rechtlich nicht mögliche Vertikalintegration sein?‘‘, ist im Sinne von Organisationsvorschlägen oder Institutionalisierung ganz schwer zu beantworten. Wir haben ein gutes Beispiel gerade durch den historischen Glücksfall der neuen Bundesländer, ein Projekt, jetzt Glasfaseranschlüsse bis nahe an die Wohnung — in unserem Jargon „‚fiber to tne home‘ — zu bringen. Dieses Investitionsprojekt
der Telekom bringt der beteiligten deutschen Industrie einen entsprechenden Innovationsschub. Die Erklärung der Telekom, wieviel Wohneinheiten sie bis wann an-
schließen will, gibt die Planungssicherheit, die wiederum die Investitionsbereitschaft für entsprechende Forschungen und Entwicklungen unterstützt. Eine enge Zusammenarbeit der Telekom mit nur wenigen deutschen Herstellern
verbietet sich aus politischen Gründen offenbar. Wir können das nur in einen etwas
größeren Rahmen stellen, der genau zu der Zusammensetzung dieses Ausschus-
ses paßt. Es geht um Pilotprojekte, in denen man die Abstimmung zwischen Entwicklern, Produzenten, Netzbetreibern und vielleicht auch noch Nutzern aus einem
originär politischen Interesse sucht. Das kann rund um Breitbandkommunikation,
Bildtelephonie, Videokonferenz auch unter dem politischen Ziel der Entlastung der
Verkehrssituation sein. Das kann Lernen, Ausbildung und Ausbildungsstand Hoch-
93
halten als eine Infrastrukturkomponente im Wettbewerb der Volkswirtschaften als Standortfaktor sein und wiederum Breitbandtechnik voraussetzen und MultimediaAnwendungen fördern. Darf ich Ihnen drei Beispiele aus dem Verkehrsbereich nennen? Individualverkehr.
Es kann um Projekte gehen, wo luK-Technik hilft, die verstopften Straßen in den
Städten zu vermindern. Statistiken sagen, 70 % der fahrenden Autos in der Innen-
stadt an einem Samstag vormittag suchen nur einen Parkplatz, sind eigentlich angekommen.
Funkplaketten, Identifizierung der Fahrzeuge und viel ausgefeiltere In-
formationssysteme der Parkhäuser wären hier eine Abhilfe.
Zweites Verkehrsbeispiel: Transportmanagement und Containeridentifizierung — ob im Lkw-Verkehr oder auf der Schiene — können zusammen mit Ortsbestimmung
und
Satellitenkommunikation
von
jedem
Brummi-Fahrer
aus
Leerfahrten
vermeiden, Gefahrguttransporte viel sicherer machen und wiederum die Verkehrsentlastung
fördern.
Drittes Beispiel: Schiene. Im Gegensatz zu einer Neubaustrecke, deren Verwirklichung 15 Jahre dauert, hat die Bundesbahn vor, jetzt durch IuK-Techniken auf
dem vorhandenen Schienennetz binnen fünf Jahren eine 45 %ige Steigerung des Zugverkehrs zu erreichen, indem kürzere Zugfolgen ohne Sicherheitseinbuße möglich werden — mit IuK-Technik ohne neue Trassen, damit ohne Umweltbelastung.
Ein politisches Programm — ich nehme Ihnen jetzt nicht die Arbeit weg —, also bilität sichern, Umwelt schützen oder bewahren, könnte luK-Techniken als aber nicht per se, eines Konzeptes fördern, das partiell so etwas wie vertikale gration ersetzt. Das bedarf eines politischen Moderationsprozesses, der alle Ressorts oder hier vertretenen Ausschüsse einbeziehen würde.
MoTeil, Intedrei
Ich würde den dritten Teil, Herrn Catenhusens Fragen, vielleicht zurückstellen, damit Herr Baur und ich das nebeneinander beantworten können.
Sv Dr. Baur: Wettbewerb in Europa. Wir haben europäische Regeln — jedenfalls
sind sie mir als solche bekannt —, die vorschreiben, wie in Europa beschafft wer-
den soll. Wir haben seit 1. Juli 1991 die Öffnung des Endgerätemarktes. Außerdem gibt es die Aussage, man solle 10 % der öffentlichen Technik ausschreiben — als Vorlauf zu dem Europa, das demnächst beginnen soll. Während die Telekom das einhält, halten die anderen Verwaltungen dies nicht ein. Wir haben jetzt gerade das letzte schöne Beispiel gehabt, daß Endgeräte in Frankreich und in Deutschland et-
wa parallel ausgeschrieben wurden. In Frankreich wurden wir nicht zu einem Ange-
bot aufgefordert, weil wir dort nicht fertigen, während umgekehrt die französischen Firmen hier natürlich anbieten dürfen. Ähnliche Beispiele gibt es wie Sand am Meer. Das heißt, wir haben tatsächlich noch eine sehr starke Wettbewerbsverzerrung in Europa.
Ich wollte aber in diesem Zusarnmenhang über das Europa hinausgehen und noch etwas zu GATT sagen. Wir sind natürlich außerordentlich daran interessiert, daß 94
das GATT
zum
Laufen kommt;
denn die Wettbewerbsmöglichkeiten
in anderen
Ländern, insbesondere in Amerika und Japan, sind von außerordentlichem Interes-
se. Amerika ist der Treiber in den Diensten. Da kann man sehen, was man für Dienste in Telekommunikation machen kann. Japan ist der Treiber in der Technologie. Wir erwarten eigentlich, daß GATT eine Regelung fertigbringt, daß wir in beiden Märkten — vergleichbar mit dem Angebot der Japaner und Amerikaner in unseren Märkten — auftreten dürfen.
Ich muß dazusagen, daß wir mit dem, wie wir in Amerika zurechtkommen, an sich
einigermaßen zufrieden sind. Amerika ist relativ offen, aber bei weiten natürlich nicht so, wie umgekehrt Europa. Japan macht nach wie vor außerordentliche
Schwierigkeiten, daß wir dort in den Markt kommen, indem dort Aufträge nur ganz selektiv, verbunden mit hohen Entwicklungsaufwendungen, erreichbar sind. Stellvertretender Vorsitzender Peter W. Reuschenbach: Herr Dr. Neugebauer ist von Herrn Protzner gefragt worden. Sv Dr. Neugebauer:
weitere
Es ging, wenn ich mich richtig erinnere, Herr Protzner, um
Rahmenbedingungen,
die in der Bundesrepublik
geändert werden
könn-
ten, außer den Ausschreibungsverfahren. Eine der Rahmenbedingungen, die mir immer wieder auffällt, ist, daß die Universitäten bei dem Thema Software-Technologie noch unterbelichtet sind. Es gibt viel zuwenig Lehrstühle — ich persönlich
kenne nur zwei, die sich ausschließlich diesem Thema widmen —, und es gibt viel
zuwenig
Erfahrung in der Bundesrepublik auf diesern Gebiet. Man muß, glaube
ich, gerade hier in den Universitäten dungskapazitäten etwas tun.
bei der Schaffung
von zusätzlichen
Ausbil-
Das zweite, das mir auffällt, ist, daß einige Aktivitäten in Großforschungseinrichtun-
gen stattfinden, wo sie meiner Meinung nach überhaupt nicht hingehören. Großforschungseinrichtungen sind nicht dazu da, Grundlagenforschung in der Software-
Technologie zu betreiben. Ich glaube, das sollte man den Universitäten überlassen. Indem Moment, wo eine gewisse Marktreife absehbar ist, müssen das die Un-
ternehmen aufgreifen. Dazu bedarf es sicherlich einer anders gearteten Zusammenarbeit zwischen den Unis und den Unternehmen. Das bedarf auch einer Umorientierung unseres Ausbildungshabitus an den Universitäten. Es muß praxisorientierter gearbeitet werden. Ich sehe immer wieder, daß in Harvard eine ganz andere
Art des Lehrens stattfindet, die unserer Technologie weitaus zuträglicher ist als das, was wir an den klassischen Universitäten bei uns betreiben. Ein zweites Thema: Umsetzung im Markt durch innovative Beschaffung. Ich weiß nicht, warum es im Gegensatz zu anderen Ländern bei uns nicht möglich ist, daß
sich, um Beispiele zu nennen, die Lufthansa, die Bahn und die Post, die alle immensen Bedarf auf diesem Gebiet haben, zusammentun, eine Ausschreibung ma-
chen, diese Ausschreibung an die Industrie weiterreichen und dort Konsortialbildungen fördern, so wie das auch bei den Telefonnetzen passiert, Konsortialbildungen, die dann zu einem Produktergebnis führen, das auch international eine wesentliche Rolle spielen kann. Ich weiß nicht, warum
das bei uns nicht möglich ist.
95
In anderen Ländern ist das möglich. Es ist bei uns nicht möglich, eine nationale Methode für die Erstellung von Software zu schaffen. In England gibt es eine. Nach dieser Methode wird international ausgeschrieben. Ab nächstem Jahr können sich alle Unternehmen aus der Bundesrepublik an den internationalen Ausschreibungen in England beteiligen. Nur, sie verstehen die Methode nicht, weil es bei uns nichts Vergleichbares gibt. Man
hat jetzt in einem Ga-
lopp versucht, über eine sogenannte Euro-Methode für europaweite Ausschreibungen von Informationstechnikprojekten etwas zu machen. Sie ist aber noch fünf Jahre weg. Das heißt, in den nächsten fünf Jahren haben wir keine Chancen, weil das Thema verschlafen worden ist. Das zu den Anmerkungen, was man in der Infrastruktur tun kann. Stellvertretender Vorsitzender Peter W.
zwei Fragen zu beantworten.
Reuschenbach:
Herr Kircher hat noch
Sv Kircher: Sie fragten mich bei beiden Fragen letztendlich nach der von der Industrie gewünschten Rolle des Staates. Bei der Beantwortung einer solchen Frage gehört es sich eigentlich, daß ich zuerst über die veränderte Rolle der Industrie spreche,
ehe ich Forderungen
an den Staat stelle. Das
möchte
ich machen.
Die Industrie muß in den luK-Techniken sicher wesentlich langfristiger, strategi-
scher denken,
Strategien
auch
konsequent
durchführen,
moderne
Management-
methoden einführen und Allianzen eingehen, und zwar internationale Allianzen, ich bin der Meinung: sehr schnell, solange die IuK-Industrie in Deutschland für einen Allianzpartner überhaupt noch attraktiv ist. In vielen Bereichen ist das nicht mehr unbedingt gegeben. Da kann der Partner eher ein Klotz am Bein sein. Wichtig ist sicherlich auch — das ist eine sehr schwierige Forderung an die Indu-
strie —, sich mehr auf den Weltmarkt als nur auf den nationalen Markt zu konzentrieren, wenn man schon den eigenen nationalen Markt nicht mehr beherrscht, wenn der von anderen dominiert wird. Aber das Ziel muß es trotzdem sein. Über die Situation müssen
wir uns im klaren sein. Ich meine,
in allen Bereichen
der IuK — bei meinen Kollegen zur Linken und zur Rechten der Telekommunikation wohl noch am wenigsten — steht die deutsche Industrie mit dem Rücken zur Wand.
Ich glaube, die Herren links und rechts von mir wissen sehr genau, welche
Angriffswellen auf sie in den nächsten fünf Jahren zurollen werden und wie es dort aussehen wird. Man braucht ganz besondere Strategien in der Industrie: Verteidigungsstrategien, Aufholstrategien, Angriffsstrategien. Wir sind — um das so klar zu sagen — in allen Bereichen von Mikroelektronik über Datenverarbeitung und Telekommunikation, wo immer Sie hingehen, in einem Verdrängungswettbewerb. Das ist etwas, was die Theoretiker der idealen Marktwirtschaft wahrscheinlich nicht hören wollen. Deshalb verschließen sie immer die Augen davor. Deshalb gibt es auch immer solche Empfehlungen, wie ich sie heute wieder von dem Kieler Institut gehört habe. Das ist einfach weg von der Realität. Da versucht man, die Realität
dem
96
Modell anzupassen.
So doof ist die Realität nicht. Sie läßt sich nicht dem Mo-
dell anpassen. Egal, welchen anderen Glaubensbekenntnisses Sie sind, es ist so, daß sich die Realität nicht dem Modell anpassen läßt. — Soviel zur Industrie. Das
ist ein riesiges Unterfangen.
Ich weiß nicht, ob es der Industrie gelingt.
Zum Staat. Ich möchte vorneweg auch dort mit einem kontroversen Thema anfangen. Das erste sind die Probleme des Standorts. Wir und Sie alle können es nicht mehr hören; aber es ist so. Ich nenne Ihnen zwei Beispiele. Die IBM Deutschland kommt mehr und mehr in Schwierigkeiten, weil wir Computer in Deutschland verkaufen wollen, die in Europa hergestellt sind. Jeder Konkurrent darf IBM-Computer kopieren und sie in Korea, Taiwan, Japan oder sonstwo herstellen. Sie sind auf dem Markt mindestens immer 30 % billiger, natürlich deshalb, weil
die Konkurrenten wesentlich geringere Entwicklungskosten
als wir hatten, aber
auch, weil sie einfach woanders produzieren. Wenn das so weitergeht, können wir uns die Produktion in Deutschland oder in Europa nicht leisten. Das ist ganz simpel. Entweder wir stellen das Verkaufen ein, oder wir stellen die Produktion ein. Wenn Sie als Unternehmer vor so einer Frage stehen, dann wissen Sie, was Sie einstellen.
Das gleiche gilt für unsere Chipfabrik. Wenn Sie glauben, daß unsere 4-MbChip-Fabrik in Sindelfingen momentan besonders wettbewerbsfähig ist, dann täu-
schen
Sie sich — zumindest
kostenmäßig.
Wenn
Sie glauben, daß es für uns als
IBM Deutschland einfach sei, unseren amerikanischen
Freunden klarzumachen,
daß wir weiterhin Chips in Europa produzieren wollen, obwohl doch jede Zeitung in Deutschland voll davon ist, daß die Deutschen eigentlich keine Speicherchips
brauchen — sie wollen ASICs machen —, dann sagen Sie mir einmal, wie ich das in New York erklären soll. Hilfreich ist diese Rolle des Staates und der Öffentlichkeit nicht, um
das einmal so knallhart und deutlich zu sagen.
(Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Wer liefert uns denn die Argumentation
dazu?) —
Ich glaube, ich habe in meinem ersten Statement klar und deutlich gesagt, was
ich von der Diskussion
ASICs
(Wolf-Michael Catenhusen
versus Speicherchips (SPD):
halte.
Ihr Unternehmen
viel Chips in Europa verkauft werden!)
fragt sich auch, wie-
— Ja, aber unser Unternehmen — das muß ich Ihnen ehrlich sagen — hat Fabriken
in den USA und in Japan. Daher habe ich einen sehr deutlichen Kostenvergleich. Wir können den Weltmarkt auch von einer dieser beiden Regionen aus bedienen, was ich als Mitarbeiter der IBM Deutschland und als deutscher Staatsbürger natürlich als äußerst traurig ansehen würde. Aber weiter zum
Staat. Den
anderen
Punkt hat, glaube ich, Herr Dr. Seitz heute
früh schon sehr ausführlich dargelegt. Es ist die Frage, welches Bild wir nach au-
Ben, außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, und nach innen abgeben. Das ist die Frage der Unterstützung der Sterbenden, der Sterbeverhinderung, die wir bei
sterbenden Industrien vornehmen, und dadurch der Verhinderung, in Zukunftsin-
97
dustrien zu investieren. Der Staat hat die Verantwortung, dafür zu sorgen, daß der heutige Wohlstand
bis zum Jahr 2000 und 2010 nicht verspielt wird. Die Weichen
müssen jetzt gestellt werden. Viele hätten vor zehn Jahren gestellt werden sollen;
denn die Inkubationszeit vieler moderner Technologien ist zehn und mehr Jahre. Man kann nicht bis 1998 warten und dann in Reparatur gehen. Man muß also spä-
testens heute die richtigen Prioritäten setzen.
Die unfairen Praktiken der Japaner wurden oft genug angesprochen. Ich denke dabei weniger an die Frage der Dumpingpreise — das haben sie immer weniger not-
wendig; dagegen müssen wir immer weniger vorgehen — als an das Abschotten
der Märkte. Wer den Markt dominiert, braucht nicht mehr Dumpingpreise zu ma-
chen. Im Gegenteil: Der setzt die Preise hoch.
Ich plädiere, was den Staat anbelangt — um das ganz klar zu sagen —, definitiv nicht für Subventionen und erst recht nicht für eine Staatsbürokratie; denn das
funktioniert mit Sicherheit nicht. Aber ich bin der Meinung, wir brauchen eine Strategie bei den IuK-Technologien. Eine Fußballmannschaft, die keinen Trainer hat,
hat im allgemeinen Nachteile gegenüber einer Fußballmannschaft, die einen Trainer hat. Die Japaner haben einen Trainer, einen Coach, und haben eine abgespro-
chene Strategie. Alle elf Spieler auf dem Feld — sieben Großunternehmen sind es bei den luK-Technologien meistens nur — spielen alle im gleichen Konzert. Wir sollten übrigens den Wettbewerb der japanischen Chiphersteller nicht überschätzen. Er ist nur dann da, wenn es ihnen gut geht. Wenn eine Überkapazität da ist, dann senken oder erhöhen sie den Preis innerhalb der gleichen Woche. Das müßten
Sie einmal
beobachten.
Wenn
eine Unterkapazität da ist, dann
beliefern
sie alle gemeinsam ihre japanischen Systemhäuser zuerst, ehe sie andere Firmen, wie z.B. Apple oder früher Nixdorf, die von Chips total abhängig sind, beliefern. Dafür gibt es Dutzende von Beispielen. Der Staat muß das Ganze moderieren. Ob er nur der Moderator sein soll oder gar
der Katalysator, wie weit also die Rolle des Staates gehen soll, darüber müssen wir
reden. Ob man das gleich Industriepolitik nennen soll oder Industriestrategie, dar-
über kann man reden. Aber man kann nicht davon ausgehen, daß sich das Ganze bei uns, da wir im Moment das schwächste Glied sind — unter den drei Spielern sind wir eindeutig der schwächste —, einfach so von selbst zurechtrüttelt. Das
glaube ich nicht.
Es ist vielleicht ein etwas philosophischer Anspruch, den ich jetzt erhebe: Zumin-
dest in Japan gibt es den klaren nationalen Konsens, daß die High-Tech-Industrien für den Wohlstand, die politische und langfristig sogar die militärische Macht Japans entscheidend sind. Bei uns gibt es das nicht. Wir in Deutschland kaprizieren uns viel lieber auf Technikfolgeabschätzung als darauf, Technik weiterzutreiben.
Wenn wir das so wollen — ich weiß, das ist sehr provozierend —, dann können wir das so weitermachen. Die Konsequenzen sind uns — wir brauchen nur die letzten
zehn Jahre zurückschauen — bekannt. 98
Die Folgeabschätzung ist übrigens ziemlich hilflos, wenn ich nur die Folgen eines
anderen, der die Entwicklung weitertreibt, abschätze. Es wäre sinnvoller, ich würde
die Entwicklung selber weitertreiben und dann die Folgeabschätzung im eigenen
Hause machen. Dann könnte ich nämlich EinfluB nehmen. Wenn wir glauben, wir würden auf die Japaner oder die Amerikaner Einfluß nehmen, dann täuschen wir uns. Wir müssen
aufs höchste darauf achten, daß wir als Deutschland
und als Europa
im luK-Bereich — das ist wieder eine Sorge, die der Staat haben muß — nicht zu
einem Markt ‚verkommen‘. Ich sage bewußt „zu einer Markt verkommen‘; denn das heißt: Die Arbeitsplätze sind nicht mehr bei uns, die Wertschöpfung ist nicht mehr bei uns. Der Markt ist bei uns, und das reicht uns nicht aus. Ich befürchte, der Weltmarkt der IuK-Technologien ist im Jahr 2000 doppelt so groß wie der Welt-
automobilmarkt. Das sind gigantische Mengen an Arbeitsplätzen. Um eine Größenordnung zu nennen: Jeder siebte Arbeitsplatz in der Bundesrepublik hängt mit dem
Automobilmarkt
zusammen.
Der Erfolg in diesem
gesamten
Bereich — das hat Herr Dr. Seitz sehr schön ge-
schildert — kann nicht nur durch eine Person so einfach auf den Tisch gelegt werden. Dabei hat jeder eine Menge Vorstellungen, und dabei ist ein äußerst kompli-
ziertes Mosaik von Maßnahmen
notwendig.
Ich will auf einen weiteren Punkt ganz kurz eingehen, weil hier immer soviel über
Forschung geredet wird. Ich bin wie Herr Professor Queisser der Meinung, daß wir in der Forschung kein Defizit haben, und zwar vielleicht mit der einen Ausnahme,
daß die wichtigsten Forschungsergebnisse, die hier erarbeitet werden, inzwischen in Japan
und
nicht mehr bei uns umgesetzt werden.
Um ein weiteres schwieriges Thema gleich auf den Tisch zu legen: Wir müssen uns fragen, ob das Engagement des Staates in der reinen Forschung ausreicht. Da das Entscheidende bei diesen Technologien „time to market‘ ist, muß man in Forschung, Produktentwicklung und Produktion wettbewerbsfähig sein, und zwar in allen
drei
Bereichen.
Ich weiß,
daß
es
unfein
ist, zumindest
von
Staats
wegen
schon in der Produktentwicklung über diese Themen zu reden. Aber ich sage Ihnen: Die Problerne, die wir haben, liegen in der Produktentwicklung, in der Produk-
tion und im Übergang von Forschung zu Produktentwicklung und zur Produktion
in den Markt. Dabei sind wir eindeutig schlechter als die Japaner; das ist überhaupt
keine Frage. Das ist eines der größten Probleme, die wir haben. Wir brauchen also die Forschungsoptimierung.
Bei Programmen,
die wir haben,
z.B. bei JESSI, RACE und ESPRIT und wie sie alle heißen — ich kenne nicht jedes Programm bis ins letzte Detail —, wird sehr viel Geld für Aktionen und nicht für Er-
gebnisse ausgegeben. Forschung und Förderung müssen aber ergebnisorientiert und nicht aktionismusorientiert sein.
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Zwei Bemerkungen veranlassen mich zu einer Frage.
Herr Baur hat gesagt, Japan
treibe bei der Technologie
und die USA
im GATT — darauf war es bezogen — bei den Diensten. Herr Kircher hat ange99
merkt, wir dürften nicht zum Markt verkommen und wir müßten aufpassen — da stimme ich ihm zu —, denn die Wertschöpfung liege nicht mehr bei uns. Damit wir nun nicht, wie es so schön heißt, die Fehler der Vergangenheit wiederho-
len, sollten wir uns über zwei Punkte — so sehe ich es; ich lasse mich gerne korrigieren — im klaren sein, und zwar erstens darüber, daß sich die Wertschöpfung
im Prozeß der Informations- und Kommunikationstechnologien von der Hardware hin zu Softwareleistungen verlagert, und zwar sowohl zu den unmittelbaren, in der Hardware integrierten als auch zu personen- oder produktionsgebundenen Dienstleistungen. Wenn dem so ist — ich frage Herrn Baur —, und zwar jetzt wieder unter den vorhandenen Optionen — Sie haben ja schon gesagt, wir seien bei Verteidigungsstrategien —, wäre es — ich will nicht die Hardware aufgeben — dann nicht
sinnvoller, sehr viel stärker als bisher in die Softwareentwicklung
zu gehen,
weil
man da vielleicht noch eine — Sie haben es ja gesagt — Core-Kompetenz aufbauen könnte? Da Herr Kircher es so pointiert hat, frage ich Herrn Baur, was er dazu meint.
Ich füge gleich eine Frage an Herrn Neugebauer an. Die deutsche Softwareindu-
strie, wenn man sie so nennen will, besteht im Grunde im internationalen Vergleich
aus Miniunternehmen, die — ich formuliere es jetzt einmal hart — sehr erfolgreich Marktnischen besetzt haben, aber auch nicht mehr. Meine
Frage
bezieht sich auf das Stichwort
„Chancenmanagement‘‘.
Sie haben
jetzt generell die Anforderungen auf die Fragen von Herrn Maaß und Herrn Protzner bezogen und haben dargestellt, in welchen Bereichen der Infrastruktur und der Bildung Sie Antworten verlangen. Was erwarten Sie unter dem Stichwort „‚Chancenmanagement‘‘
von
der deutschen
Industrie,
aber
auch
von
der öffentlichen
Hand? Was soll sie in Richtung Stützung der deutschen Softwareindustrie tun? Denn soweit ich es absehen
kann, werden wir ja alle Mühe
haben,
in Europa von
der Größenordnung
her auch nur schon mit den Franzosen mitzuhalten.
Edelgard Bulmahn
(SPD): Meine Fragen richten sich an Herrn Kircher und Herrn
Baur. Die erste Frage bezieht sich auf den Problembereich Umsetzung. Es ist wirklich schon seit sehr langer Zeit bekannt, daß es in der Bundesrepublik ein Umset-
zungsdefizit gibt und daß es zu lange dauert, bis gute Forschungs-
und Entwick-
lungsergebnisse in marktfähige Produkte integriert sind, die dann auch auf dem
Markt verkauft werden
nannt.
können;
Herr Kircher, Sie haben einige Beispiele dafür ge-
Das Problem ist, wie gesagt, seit langern bekannt. Ich diskutiere darüber zumin-
dest so lange, wie ich hier in diesem Ausschuß
bin. Was
muß denn ganz konkret
von der politischen Seite aus getan werden, um die „time t0 market‘ zu verkürzen und um FuE-Ergebnisse wirklich schneller auf den Markt zu bringen und sie dann auch in Produkte integrieren und diese verkaufen zu können? Was kann auch von Ihrer Seite, also von der Seite der Nutzer, aus getan werden? Ich denke, wenn wir darüber diskutieren, müssen wir immer über beide Seiten sprechen. Das gehört zur Strategie. Es geht zum einen darum, was die Politik tun kann, und zum anderen 100
darum, was Anwender und Nutzer in der Industrie selber tun können und wie man die Kooperation zwischen Hersteller und Nutzer in der Wirtschaft selber verbes-
sern kann, d.h. was dazu notwendig ist. — Das ist eine Frage, die ich an Sie beide richte. Ich möchte Sie bitten, sie wirklich so konkret wie möglich zu beantworten und nicht auf der Problembeschreibungsebene stehenzubleiben.
Die zweite Frage, wiederum an Sie beide, lautet: Was kann eigentlich getan werden, um die Forschung, die Entwicklung, die Herstellung und die Anwendung tat-
sächlich praktisch zu verbessern? Insbesondere geht es um die Verbesserung der Koordination und der Kooperation. Ich habe mich sehr gefreut, Herr Dr. Wichers,
daß Sie hier den Vorschlag gemacht haben, daß wir unsere Anstrengungen stärker darauf richten sollten, Programme zu schaffen, durch die wir die vertikale Integra-
tion, die bei uns nicht vorhanden
ist, praktisch über das Programm
etablieren und
erreichen. Ich muß sagen, es ist seit langem bekannt, daß wir eine unzureichende vertikale und auch horizontale Integration haben. Ich ärgere mich darüber, daß die Vorschläge, die wir von der Opposition her seit Jahren gemacht haben, immer wieder unter den Tisch fallen. Herr Neumann, ich hoffe, daß die Regierung jetzt vielleicht die Vorschläge der Industrie etwas anders bewertet und daß Programme aufgelegt werden, in denen dann unsere Ressortgrenzen überschritten werden. Es ist gerade für Forschungspolitikerinnen
und -politiker immer sehr ärgerlich, wenn
sie
sehen, daß Programme praktisch einfach immer ins Leere stoßen, weil sie von den anderen Bereichen nicht übernommen werden.
Ich halte Ihre Vorschläge, die Sie gemacht haben, für ganz wesentlich und richtig. Ich denke, daß man
auch die FuE-Politik entsprechend
umorientieren
muß.
Aber
auch da stellt sich wiederum die Frage: Wie weit sind eigentlich Ihre Bemühungen innerhalb der Industrie selber gediehen? Sie haben z.B. den Vorschlag unterbrei-
tet, ein Programm zur Mobilität in Gang zu setzen. Dieses hat eine politische Seite,
die ganz wichtig und notwendig ist, aber natürlich auch eine industrielle Seite. Das ganze Programm würde nicht funktionieren, wenn es keine Abstimmung z.B. zwischen
Automobilherstellern
und
luK-Herstellern
gäbe.
Ich frage Sie, Herr Kircher und Herr Dr. Baur: Haben
dazu Gespräche stattgefun-
den, und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wie hoch schätzen Sie die Erfolgschancen ein? Was kann die Politik ganz konkret tun, um dies in Gang zu setzen und
voranzutreiben? Denn ich denke, nur indem man immer beide Seiten betrachtet, kann das Ziel, das hier beschrieben worden ist, mit Erfolg erreicht werden.
Siegmar Mosdorf (SPD): Ich möchte, weil ich glaube, daß wir nach dem, was Herr Kircher jetzt ausgeführt hat, an einem interessanten Punkt angekommen sind, noch einmal präzise nachfragen. Herr Kircher, habe ich Sie richtig verstanden, daß
Sie sich dem Vorschlag von Herrn Botschafter Seitz anschließen, daß wir zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit im Technologiebereich auf europäischer Ebene ei-
nen Sachverständigenrat, also eine Art von Strategiedialog, brauchen? Ich habe es eingangs „European Council for Technology Competitiveness‘‘ genannt; man kann es aber auch anders nennen. Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Kircher, daß Sie sich diesen Vorschlag zu eigen machen? Herr Dr. Endres hat ja als je-
101
mand, der aus dem deutschen Bankbereich kommt, in der ersten Runde eine ähnliche Konstruktion gefordert. Wäre
Ihr Haus
bereit — wir haben ja verschiedene
JESSI, SEMATECH terstützen?
Systeme,
die laufen, nämlich
und andere —, eine solche Einrichtung zu fördern und zu un-
Sv Dr. Baur: Ich sollte vielleicht noch eine Frage, die vorher gestellt wurde, aufnehmen, die ich nicht beantwortet habe und die sich auf die Bedrohung durch Asien bzw. Japan bezog. Herr Kircher hat sehr viel dazu gesagt. Ich möchte aber einen Punkt, der mir sehr wichtig ist, noch einmal deutlich herausstellen. Ich habe gesagt — es ist auch von anderen angesprochen worden —: Die Bedrohung durch Asien
liegt nicht so sehr
in den
Diensten
und
in etwas
Neuem,
das von
Asien
kommt, sondern sie liegt — so habe ich es beschrieben — in der Technologie, also in der Qalität von außerordentlich preiswerten Produkten.
Sie stammen
nicht aus
Japan, sondern aus Asien. Dazu gibt es eine klare Aussage von unserer Seite; Herr Dr. von Pierer hat sie schon genannt. Wenn es keine andere Möglichkeit gibt, dann muß die deutsche Industrie — Herr Kircher hat es angesprochen — mit der Fertigung nach Asien ausweichen. Es ist nicht so, daß die Firmen das nicht machen
können; wir haben in Asien genügend
Fertigungen. Vielmehr ist die Verteidigung der Arbeitsplätze die Aufgabe der Politik. Denn wir können es von unserer Seite aus nicht machen. Wir können aber ohne Schwierigkeiten Produkte auch aus unseren Fertigungen in Asien liefern, und zwar zu gleichen Bedingungen wie die Japaner. Dies möchte ich einmal sagen; das ist sehr wichtig. Noch eine Ergänzung dazu: Das, was ich jetzt sage, bezieht sich nicht nur auf die Herstellung von Produkten. Auch die Entwicklung von Produkten geht in Asien wesentlich schneller. Wir sollten nicht glauben, daß die Asiaten keine guten Ingenieure sind. Sie sind großteils in den USA oder in Japan oder in Europa ausgebildet worden; sie sind also in der Klassifikation durchaus mit unseren Ingenieuren vergleichbar. Unsere Daumenregel heißt: Sie sind um den Faktor 2 billiger und um den Faktor 2 schneller. Dabei ist — damit Sie meine innere Einstellung kennen — das ‚‚um den Faktor 2 billiger‘ nicht das Entscheidende. Entscheidend ist vielmehr das „um den Faktor 2 schneller‘; denn die „time to market‘ ist von außerordentlich hoher Bedeutung, insbesondere bei all den Dingen, bei denen uns Asien zur Zeit in Bedrängnis bringt, also z.B. bei der gesamten Unterhaltungselektronik. Wenn Sie sich einmal die Datenverarbeitung ansehen, stellen Sie fest, daß Drucker, Faksimilegeräte und ähnliche Dinge im wesentlichen aus Japan bzw. aus Asien kommen. Diese können wir aber auch in Asien produzieren. Es ist also nicht das Problem der Firmen; sie können reagieren und mitgehen. Das geht aber nicht über Nacht, sondern langsam.
Was man dagegen machen kann, hat Herr Witzig schon angesprochen. Wir machen Projekte, die interessant sind und die auch in Asien eingesetzt werden. Ich habe von Amerika gesprochen. Wir müßten eigentlich in der Lage sein, hier innova102
tive Dinge zu machen. Diese bringen uns einen außerordentlich großen Vorsprung. Ein typisches Beispiel ist das europäische
Mobilfunksystem,
das sich gegen
den
japanischen Wunsch, das japanische System möge in Asien eingeführt werden, praktisch den asiatischen Raum erobert hat. Wir werden da also einen riesigen Markt bekommen. Die einzige Frage ist: Können nern dort preiswert liefern? Ich bin der Meinung, wir das tun, was auch die Japaner machen, wenn gen. Aber wir können auch hier produzieren, weil
lauf haben.
wir das wir wir
in Konkurrenz zu den Japakönnen wir, nämlich, wenn also zum Teil in Asien fertieinen entsprechenden Vor-
Damit komme ich zur Verteidigung gegen Japan, die übrigens eine Verteidigung unseres luK-Wesens insgesamt ist. Wir müssen moderne Projekte und Produkte angehen können. Es gibt sehr viele, bei denen ich unglücklich darüber bin, daß sie nicht angegangen werden. Heute morgen hatten wir wieder eine halbe Stunde Verspätung. Das ‚,‚air traffic management‘ in Europa ist eine einzige Katastrophe. Wir
wissen, wie man
es anders
machen
kann; wir könnten
es machten.
Aber es gibt
keine Aufträge. In Amerika hat die IBM einen riesigen Auftrag für ein modernes ‚,‚air
traffic management‘
bekommen.
Dazu
gibt es bei uns die Aussage:
‚Nothing
is
more motivating than an order.‘ Das heißt, man beginnt mit dem Auftrag darüber nachzudenken,
wie man
moderne
Dinge
Ich habe einmal eine Untersuchung
machen
kann.
über die Ministerien und die Verwaltungen,
und zwar nicht nur hier im Bund, sondern auch in den Ländern gemacht. Dabei ha-
ben wir festgestellt, daß die Versorgung mit IuK-Produkten dort miserabel und wesentlich schlechter als bei uns in der Firma ist. Die moderne luK-Technik in Amerika wird von riesigen Aufträgen, Versorgungsnetze für die Ministerien untereinander zu machen, getrieben. Dabei heißt es nicht: Macht mal eine Technik von heute.
Es werden vielmehr modernste Anforderungen gestelt. Die Treiberfunktion von dieser Seite hat auch Herr Neugebauer angesprochen. Zu Ihrer Frage bezüglich Hardware und Software möchte ich klar sagen: Wenn Sie die Hardware wegnehmen, dann werden Sie nicht mehr die richtige Software
schreiben, nämlich weil Sie die Hardware dazu nicht haben. Das wird uns dann von unserer Konkurrenz vorenthalten. Das heißt, ich bin schon der Meinung, daß der
„shift‘‘ von Hard- und Software durchaus besteht. Das kann ich auch bestätigen. Wir haben heute eine Größenordnung von 70 % Software und 30 % Hardware. Vor zehn oder fünfzehn Jahren war das Verhältnis noch umgekehrt. Aber dies besagt nicht, daß Sie dies ohne die Hardware machen können. Zum Teil wird gesagt, man könne von den allgemeinen Rechnern, also von der Datenverarbeitung, weggehen; man brauche nicht unbedingt die Rechner zu machen. Die gesamte Prozeßsteuerung, die gesamte Nachrichtentechnik und die gesamte Automobiltechnik, Unterhaltungstechnik und auch Unterhaltungselektronik hängen aber an der Hardware.
Wenn Sie die Hardware wegnehmen, ist die gesamte Industrie nicht weiterhin wettbewerbsfähig.
Ich muß
also schon
sagen,
dies wäre außerordentlich gefährlich.
Eine kurze Bemerkung zur Umsetzung von Forschung und Entwicklung. Sie funktioniert bei uns so gut, wie der Markt funktioniert. Sie können Ergebnisse der For103
schung nur umsetzen, wenn Sie hinterher auch verkaufen können. Die Problematik
liegt bei uns darin, daß die Projekte nicht da sind. Wenn Sie Projekte schaffen und
dazu
die entsprechenden
Bauteile
entwickeln,
werden
sie sofort aufgenommen.
Wir sehen es jetzt bei der gesamten Optoelektronik: Was wir entwickeln, übernehmen
wir auch
bei uns in unsere
Fertigung.
Sv Dr. Neugebauer: Lassen Sie mich noch zwei Sätze zu dem Verhältnis zwischen Hardware und Software sagen. Das Verhältnis von Software zu Hardware
in Höhe von 70 : 30 resultiert nicht daraus, daß wir jetzt weniger Hardware brauchen, sondern daraus, daß die Hardware wesentlich billiger und leistungsfähiger geworden ist. Auf diesem Gebiet hat sich ein immenser Rationalisierungseffekt teilweise auch bei uns in Deutschland vollzogen. Auf dem Gebiet der Software hat sich das alles noch nicht vollzogen; da stehen wir erst am Anfang. Deswegen halte ich die Softwaretechnologie für enorm wichtig. Wir müssen Mittel, Wege, Verfahren und Werkzeuge finden, um den Softwareentwicklungsprozeß so billig wie den Hardwareentwicklungsprozeß zu machen. Wir werden wahrscheinlich nie so weit wie bei der Hardware kommen. Aber wir können wesentliche Fortschritte erreichen. Dazu können wir in Europa und in Deutschland heute gerade noch etwas bei-
tragen.
Das
habe
ich ja schon
gesagt.
Sie hatten das Beschaffungsverhalten angesprochen. Im Ausland werden große Projekte — das Stichwort ‚Flugsicherung‘, also „air traffic control‘‘, ist eben gefallen — selbstverständlich entbündelt. Die Software wird für Softwarehäuser getrennt ausgeschrieben. Bei uns ist das nicht der Fall. Der Auftrag geht an eine Firma, die das irgendwie
‚„vermauschelt‘‘.
Deswegen
sind in anderen
Ländern, z.B.
in Frankreich und in England, ganz andere Strukturen entstanden. In Frankreich
machen elf und in Großbritannien zwölf Unternehmen über 200 Millionen DM Umsatz; in Deutschland sind es nur vier. Im Verhältnis zur Wirtschaftskraft und zum Bedarf unseres Landes ist es also nur ein lächerliches Drittel. Die Unternehmen machen in Frankreich 8,5 Milliarden DM Umsatz und in Großbritannien 6,6 Milliarden DM; bei uns sind es nur 3,5 Milliarden DM. Man braucht nicht immer nach Amerika und Japan zu schauen. In Europa ist auf dem Softwaresektor eine kom-
plette Verschiebung der Verhältnisse — für die Bundesrepublik im sehr negativen Sinne — festzustellen.
Sie haben gefragt, was die Industrie tue und was sie verbessern könne. Natürlich
sind einige der angesprochenen
Probleme
hausgemacht;
das will ich überhaupt
nicht beschönigen. Unsere deutsche Softwareindustrie hat — das liegt teilweise an der Nachfragestruktur, der sie gegenübersteht — die Tendenz des ‚„over-engineer-
ing'‘. Das bedeutet, man sucht sich ein Gebiet aus und entwickelt es bis zum ExzeB. Das dauert lange. Dann kommt ein Produkt heraus, von dem der Anwender
sagt: Das wollte ich aber gar nicht.
Die Amerikaner machen es anders. Sie entwickeln in die Breite; es sieht toll aus; es ist sexy, und jeder will es haben. Danach, daß das Produkt gar nicht alles abdeckt, was der Anwender wollte, wird gar nicht mehr gefragt. Die deutsche Indu-
104
strie muß sich also, was Marketing und Entwicklungsmanagement
neering‘‘ anbelangt, etwas einfallen lassen. — Das ist das eine.
mit „over-engi-
Das zweite: Es muß sicherlich eine Zusammenarbeit ganz anderer Art erfolgen. Bei uns haben alle Berührungsängste, intern sowieso, aber auf Grund einer gewissen Sprachbarriere natürlich auch mit dem Ausland. In Amerika arbeitet jeder mit jedem zusammen; das stellen Sie fest, wenn Sie nach Silicon Valley oder in die Gegend von Boston
gehen.
Selbstverständlich gibt Hewlett Packard,
das ein großer
Konkurrent auf bestimmten Gebieten ist, wichtige Softwareteile an IBM; das gilt vice versa; sie tauschen es aus. Glauben Sie, daß Siemens und Nixdorf — jetzt haben sie es ja gezwungenermaßen gemacht — jemals etwas miteinander ausgetauscht hätten? Nein. Also muß sich die Mentalität der Industrie ändern. Wir haben auf dem Softwaregebiet mit neuen Unternehmen und neuen Aspekten tatsächlich eine Chance, so et-
was zu machen. Es ist ja das Gute daran, daß es bei uns keine alt eingefahrenen Industrien sind, die das betreiben, sondern daß es muß man aber wirklich etwas machen — da ist es rung getan —, damit sich eine solche Infrastruktur, stiert, auch bei uns entwickelt. Dabei ist u.a. auch
eine ganz neue Industrie ist. Da nicht nur mit staatlicher Fördewie sie in anderen Ländern exidas Beschaffungsverhalten des
Staates von Bedeutung. Wo die öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorangeht, da folgt die Großindustrie gerne auch einmal nach. Sv Kircher:
Zunächst zur Frage von
Frau
Bulmahn
nach
‚‚time to market‘,
For-
schung, Produktentwicklung und Produktion. Das ist tatsächlich eine der Prioritäten bei uns im Unternehmen. Denn es ist für Großunternehmen besonders wichtig, die nicht gerade für Flexibilität und Geschwindigkeit berühmt sind; das machen kleine Unternehmen schneller. Das ist auch einer der Gründe dafür, daß wir die IBM Deutschland in kleine Unternehmen aufteilen, und zwar mit sehr klarer Trans-
parenz über Erfolg und Mißerfolg und mit viel leichter managebarer Geschwindigkeit.
Es ist überhaupt keine Frage, daß auf dem
IuK-Markt, über den wir jetzt soviel re-
den, folgende Prioritäten bestehen, die wir auch unseren Entwicklungsingenieuren gesetzt haben und die über Erfolg und Mißerfolg entscheiden: Erfolgreich wird sein, wer die niedrigsten Kosten hat; dazu gehören auch die Entwicklungskosten. Erfolgreich wird sein, wer die höchste Geschwindigkeit hat. Gemeint ist die ‚‚time to market‘‘ vom Erkennen einer ‚opportunity‘ bis zur Auslieferung in den Markt. Erfolgreich wird sein, wer die beste Qualität liefert und wer die höchst Kompetenz hat. Darunter verstehe ich solche Dinge wie Kundennähe und ähnliches. Um
diese vier komplexen
Bedingungen
zu erfüllen,
braucht
man
ein tolles Füh-
rungskonzept. Man muß auch Wege finden, um die Mitarbeiter für solche Dinge zu motivieren. Es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen, die man dazu einleitet, und neue Methoden, wie z.B. sehr viel Simulation in der Hardware und bessere und modernere Softwareumgebungen
und den Versuch, Software so zu entwickeln, wie man
auch Hardware entwickelt, nämlich ingenieurmäßig. Man darf die Programmierer 105
nicht wie Künstler operieren lassen, wie man es in der Vergangenheit gemacht hat. Die Software muß höchst diszipliniert entwickelt werden, wie es ansonsten Ingenieure machen. Dazu sind bessere ‚tools‘ erforderlich. Ich gebe Herrn Neugebauer völlig recht: Es gibt noch einen Riesenabstand zwischen Hardwareentwicklung und Softwareentwicklung. Aber ich mache mir über-
haupt keine Sorgen: Das wird dort kommen, und es wird eine Riesenchance für die Softwareentwicklung, aber auch eine gnadenlose Gefahr sein. Denn es wird bedeuten, daß die Produktivität um den Faktor 10 oder 20 oder noch mehr steigen
wird. Hoffentlich haben wir dann die entsprechenden Aufträge. Hier liegt also eine Priorität.
Da es um ‚‚time to market‘ geht, darf ich eines nicht vergessen zu sagen. Wir haben einen riesigen Kostennachteil. Das heißt, von meinem hehren Ziel, niedrige Kosten zu habn, bin ich weit weg. Jedes IBM-Labor in Amerika entwickelt billiger als wir in Deutschland; das ist überhaupt keine Frage. Meine japanischen Kollegen entwickeln in der Zeit zwischen heute und dem Jahre 2000 drei Jahre länger als wir, Für sie ist die Zeit von heute bis zum Jahre 2000 drei Jahre länger, weil sie, wenn
ich es in Arbeitsstunden
umrechne,
drei Jahre
länger arbeiten.
Drei Jahre
sind im allgemeinen eine Generation von Computern oder eine neue Chipgeneration. Egal wie schnell wir sind — wenn sie nicht ganz auf den Kopf gefallen sind, sind sie uns im Jahre 2000 eine Generation voraus. Das geht schon seit einiger Zeit so. Also, „time to market‘ ist kein einfach zu erreichendes Ziel für ein Unternehmen in Deutschland. Ich vermute, daß sich die Mehrzahl der Unternehmen, die sich dieses Ziel auf ihre Fahnen schreiben, scheitern; das will ich so klar sagen. (Sv Dr. Baur: Oder
—
Natürlich.
Deutschland
Damit
ist dann
gescheitert.
nicht das
ins Ausland
gehen!)
Unternehmen,
aber
seine
Tätigkeit
in
Ich komme zur zweiten Frage von Herrn Mosdorf bezüglich des strategischen Dialogs und des Sachverständigenrates. Sie sind Politiker; Sie müssen besser wissen als ich, welches das richtige Gremium ist, welche Mittel Sie sich als Staat und als Politiker zutrauen und wie nach Ihrer Auffassung die unterschiedlichen relevanten — wirklich nur die relevanten und nicht die irrelevanten — gesellschaftlichen Gruppen in der Bundesrepublik, die man dazu braucht, an einen Tisch zu bekommen sind, wobei es darum geht, einen Modus zu finden, damit es nicht nur eine Ge-
sprächsrunde gibt, sondern damit daraus tatsächlich Maßnahmen erwachsen und
realisiert werden können. Das ist eine Aufgabe, die Führungskompetenz erfordert. Dazu braucht man eine Anzahl von Leuten, die bereit sind, in einer solchen Gruppe mitzumachen, sich führen zu lassen und auch ihre Karten offen auf den Tisch zu
legen. Man braucht ferner jemanden, der in der Lage, kompetent, anerkannt und respektiert ist, dem
man
etwas zutraut und der eine solche Gruppe führen kann.
Dann ist es noch lange kein MITI oder eine Gruppe, die Vorschriften herausgibt, sondern es könnte eine Art „brain trust‘‘ sein, die nicht so sehr das Problem analysiert — das machen wir alle seit Jahren —, sondern die aus der Vielzahl von Analy106
sen die wichtigsten herausnimmt und daraus einen möglichen Maßnahmenkatalog erstellt, den man dann umsetzen kann oder auch nicht. Dabei gibt es sicherlich Dinge, bei denen man Kompromisse schließen muß. Aber daß eine Notwendigkeit für eine solche Bestandsaufnahme der möglichen Maßnahmen besteht, ist überhaupt
keine
Frage.
Ich bin sicher, daß wir bereit wären,
dabei
mitzumachen.
Ich möchte noch etwas zur Frage der Software — ich weiß nicht, wer die Frage gestellt hat, es ist die dritte Frage an mich — sagen. Auch wir von IBM sind heute in der Entwicklung massiv auf dem „shift‘‘ von Hardware zu Software. Ich würde einmal schätzen, daß 65 % unserer Mitarbeiter Softwareentwickler und nur noch 35 % Hardwareentwickler sind. Das hat — das ist mehrfach angeklungen, auch durch Herrn Baur — nichts damit zu tun, daß die Bedeutung der Hardware zurück-
geht oder gar damit, daß man den bequemen Ausweg gehen und auf die Hardware verzichten könnte, weil dort ein Preiskampf vonstatten geht. Nein, das Umsatzvolumen bei der Hardware nimmt auch deshalb nicht zu, weil der Preisverfall steiler ist als der Volumenanstieg. Es gibt einen massiven Volumenanstieg; darüber sollten wir uns im klaren sein. Die Stückzahlen gehen massiv nach oben; aber der Preis stürzt senkrecht ab, was im Interesse des Kunden und des Anwenders liegt; das ist ja gar nichts Schlechtes. Man muß nur trotzdem dabei bestehen können. Wir sollten uns jedoch über eine Gefahr in bezug auf die Software nicht hinwegsetzen — ich will damit dem Trend zur Software nicht widersprechen; er ist für jedes Unternehmen dieser Branche ganz wichtig —: Die Kosten für den Einstieg in die Software sind sehr niedrig. Ich glaube, daß wir in ganz kurzer Zeit einer massiven Konkurrenz beispielsweise aus Osteuropa, wo die Lohnkosten nur ein Zehntel un-
serer Lohnkosten betragen, entgegensehen müssen. Sobald die osteuropäischen Staaten nur annähernd integriert sind und die Berührungsängste weg sind, wird es dort fantastische Programmierer geben, die alle ein hervorragendes Mathematikstudium oder ein anderes Studium hinter sich haben, und zwar für ein Zehntel der Personalkosten.
Dann
werden
wir hier in der Bundesrepublik
mit unserer Personalsituation haben.
ein Riesenproblem
Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU): Herr Kircher, ich möchte den Knackpunkt, auf den Sie hingewiesen haben und zu dem ich heute morgen schon Herrn
Seitz gefragt habe, noch einmal vertiefen. Habe ich Sie richtig verstanden und ha-
be ich auch Ihre schriftlichen Antworten richtig interpretiert, daß Sie für eine zeitlich begrenzte Industriepolitik plädieren? Wie würde eine solche nach Ihrer Auffassung aussehen?
Die zweite Frage richtet sich an Herrn Neugebauer und bezieht sich auf das Stichwort JESSI. Liegen wir bei JESSI richtig? Muß überarbeitet werden? Wird es ein Flop? Wie
müssen
zukünftige Weichenstellungen
vorgenommen
werden?
Christian Lenzer (CDU/CSU): Ich habe eine Frage an Herrn Dr. Baur und Herrn Kircher. Sie merken ja, daß wir in der Politik auf beiden Seiten des Tisches sehr stark auf externen Rat und Sachverstand angewiesen sind und daß wir nach Lösungen suchen, wie man das Ganze ein bißchen institutionell absichern kann, ob-
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wohl ich eigentlich immer Bauchschmerzen bekomme, wenn es heißt, daß ein neuer „council‘‘ nach amerikanischem
Vorbild eingesetzt werden soll, weil die ameri-
kanische Bürokratie fürchterliche Ausmaße angenommen hat und nicht sehr handlungsfähig ist.
Meine Frage: Könnten Sie als Mitglied der sogenannten „Viererbande‘“, von der wir in der letzten „Wirtschaftswoche“ lesen konnten, einen solchen Weg als gangbar betrachten, oder müßte man ihn vielleicht noch durch Politik und durch Software anreichern? Das ist eine Frage an die beiden Hardwarehersteller, die wir neben den beiden Nutzern, die wir heute nachmittag zu dieser Thematik befragen können, eingeladen
haben.
Sv Kircher: Eigentlich habe ich zu dem Thema Industriepolitik oder Konsensusrunde — oder wie immer wir es nennen wollen — in meiner vorherigen Antwort schon etwas gesagt. Ich möchte mich nicht festlegen, ob es „‚Industriepolitik‘“ oder „Industriestrategie‘‘ oder „Konsensusrunde‘“ heißen muß. Ich glaube, das muß man einmal angehen. Aber eine Empfehlung — eine solche wollten Sie ja von mir haben — lautet für mich, egal ob es „‚Industriepolitik‘‘ oder oder sonstwie heißt, glasklar
„Industriestrategie‘“
(Zuruf: Das ist jedenfalls ein marktwirtschaftliches Marterwerkzeug!)
— vielleicht ja —: Auf jeden Fall muß das momentane Marterwerkzeug, indem uralte, sprich: 19.-Jahrhundert-Technologien, gigantisch unterstützt werden und keine modernen
Technologien
entwickelt
und
werden,
umgesetzt
die Arbeitsplätze
im
Jahre 2000 schaffen, umgedreht werden. Dieses momentane Marterwerkzeug muß auf den Kopf gestellt werden. Vielleicht kann man es dann auch noch verbessern, so daß es kein Marterwerkzeug mehr ist. Das wäre meine dringende Empfehlung für eine wie auch immer geartete Industriepolitik.
Zu Ihrer Frage, Herr Lenzer, nach der Aussage der „Wirtschaftswoche‘ zur „Viererbande‘“‘. Nicht immer sind diese Zeitschriften natürlich richtig informiert. Im allgemeinen ist ein Quäntchen Wahrheit dabei und ein großer Brocken Spekulation. (Zurufe von der SPD)
— Ich habe keine Ahnung, aus welcher Quelle das kommt. Ich kann Ihnen nur sagen: Es ist mit geringen Nuancen richtig und zu einem großen Teil Spekulation. Es gibt, wie schon
oft berichtet wurde,
in vielen Gremien
Gespräche
zwischen
den
drei Unternehmen. Das ist durch die unglückliche Diskussion über Dresden und ähnliche Dinge zustande gekommen. Da es heute wohl recht klar ist, daß es keine gemeinsame 64-Megabit-Chip-Fabrik gibt — auch darüber wurde heute schon viel gesprochen —, unterhalten wir uns darüber: Gibt es andere sinnvolle Möglichkeiten der Zusammenarbeit? Es gibt ja Berührungspunkte nicht nur auf dem Gebiet der Produktion, also nicht nur in der Frage, ob man gemeinsam eine Fabrik besitzt oder gar gemeinsam
eine bestimmte
Chipfamilie
produziert.
Sv Dr. Baur: Darauf kann man nur eine Antwort geben: Jeder redet heute mit jedem. 108
(Christian Lenzer (CDU/CSU):
Das war nicht immer so, Herr Baur!)
— Ja, es war nicht so. Aber weil die Entwicklungsaufwendungen
einfach astrono-
misch hoch werden, sind wir gezwungen, da der Markt nicht folgt, mit anderen zu diskutieren. Was die „Viererbande‘‘ anbelangt, so handelt es sich um eine vergangene Sache.
Herr Kircher hat zu Recht gesagt, daß wir trotzdem miteinander reden.
Zu Ihrer Frage nach dem strategischen sagen — ein bißchen in Sorge, weil die mer außerordentlich schwierig ist. Das tionstechnik im Jahre 2000. Wir haben
Dialog. Wir sind — so muß ich ganz offen Vorempfindung, wohin der Markt geht, imgilt auch für die Frage nach der Informaeinmal eine Studie dazu gemacht. Wir hat-
ten — ich glaube, es war vor zehn Jahren — die Größenordnung diskutiert. Ich bin
damals gefragt worden, was wir beklagen. Ich kann eigentlich nur sagen: Wir beklagen, daß nicht alle fünf Jahre eine Wiederholung
stattfindet und daß es keine
Kontinuität gibt, sondern daß man sich in Fünf-Jahres-Abständen so etwas ansieht.
Das ist durch die Liberalisierung der Telekom unterbrochen worden, die ja wesent-
lichen Einfluß gehabt hat. Da haben wir — ich glaube, man kann es schon so sagen
— etwas den ‚drive‘ verloren. Wenn die Herrschaften eine neue Organisation ma-
chen müssen, wickeln sollte. Vorlauf waren, sarmmenhang
können sie nicht darüber nachdenken, wie sie sich am Markt entWir sehen heute, daß wir bei der Breitbandtechnik, bei der wir im etwas in den Hintergrund getreten sind. Ich wollte das in diesem Zueinmal sagen.
Wir sollten lieber, wie die Amerikaner, eine Studie darüber machen,
wovon wir im
Jahre 2000 oder 2005 oder 2010 leben, und diese regelmäßig ‚updaten‘, indem man sagt: Man kann über fünf Jahre ungefähr sehen, wohin die Entwicklung geht. Nach unserer Meinung wäre es also nicht richtig, daß sich eine institutionalisierte Runde jeden Monat trifft und die schwierigen Umstände beklagt.
Ich möchte wiederholen, was für uns von Bedeutung wäre. Die Beseitigung der Wettbewerbsverzerrung ist der Schlüssel Nr. 1. Die Einführung neuer Projekte und die Durchführung neuer, innovativer Projekte mit hohen Anforderungen ist der Schlüssel Nr. 2, Ferner sollte ein politischer Konsens herbeigeführt werden, damit wir neue Projekte angehen können. Es sollte nicht technikfeindlich gehandhabt werden, sondern gefördert werden, damit wir mit den Projekten voranschreiten können. Weiterhin müßten wir — das habe ich eben in bezug auf Asien angedeutet — darüber nachdenken, wie man eine Entkrustung — so nenne ich es einmal — fertigbringt. Die USA
haben vor fünfzehn Jahren — das stand übrigen in allen Zeitun-
gen; auch in der „Newsweek‘ war ein großer Artikel — die Entkrustung durch Liberalisierung erreicht. Sie haben damals angefangen, die Airlines und andere Dinge zu liberalisieren. Wenn Sie sich das einmal nachträglich ansehen, stellen Sie fest, daß die Gesellschaft einen riesigen, eigentlich unvorstellbaren Schritt gemacht hat.
Denn sie hat viele Dinge, die selbstverständlich waren, in Angriff genommen und geändert, mit einem einzigen Ziel: ihre Mitbürger dafür zu Öffnen, daß etwas Neues
109
beginnt. Ich glaube, wir müßten eigentlich einmal darüber nachdenken.
Alles das,
was wir hier heute diskutiert haben, zeigt, daß wir, was die Rahmenbedingungen, die Innovationskraft und die Projekte anbelangt, in einer festgefahrenen Situation sind, aus der wir unbedingt herauskommen müssen.
Sv Dr. Neugebauer: Herr Maaß, ich bin zu JESSI nicht ganz auskunftsfähig. Ich habe mittlerweile sogar den Kontakt soweit verloren, daß ich gar nicht mehr richtig
weiß, ob Philips überhaupt
noch oder nur noch
halbherzig dabei
ist.
Für mich haben sich seinerzeit zwei Aspekte ergeben. Zum einen ist mir aufgefal-
len, daß es eine typisch europäische Angelegenheit von Großunternehmen war —
das war naturgegeben, weil es eine Großtechnologie ist —, die zunächst einmal angefangen haben, über Standorte zu diskutieren und die es dann über viele Standorte verteilt haben, obwohl man eine solche Entwicklung meiner Meinung nach
nicht an mehreren Standorten betreiben kann.
Zum anderen ist mir aufgefallen: Es ist leider gar kein mittelständisches Unternehmen
dabei.
(Widerspruch) — Stimmt das nicht? — Ich kenne keines; sagen wir es einmal so. Es war aber von
Anfang an der Wunsch beteiligt zu sein.
der mittelständischen
luK-Industrie der Bundesrepublik,
Stellvertretender Vorsitzender Peter W. Reuschenbach:
nicht notiert, daß Sie gefragt worden sind.
Herr Wichers, ich habe
Sv Dr. Wichers: Es ist gegen die Spielregeln. Aber darf ich trotzdem in dieser Runde einen Schlußsatz sagen? Während uns allen die erste Runde doch zwei Fraktionen in bezug auf die Frage nach einer deutschen Chipfabrik — ja oder nein — zeigte, ist jetzt mein Eindruck, sozusagen
als Zuhörer an Ihrer Stelle, daß wir in den letzten eineinhalb Stunden
sehr viel Konvergierendes gehört haben.
Ich kann für unser Haus das ergänzen, was Herr Kircher und Herr Baur zum Schluß
sagten und an Herrn Catenhusens
Erinnerung an IT 2000 anknüpfen:
Individuelle
Firmenstrategien bringen nicht den Schub für Prozesse und Programme, die Sie
hier in diesem Raum diskutieren. Wir wünschen uns eine politische Schubkraft, die
aber in den letzten Jahren nicht verfolgt wurde. Das muß nicht im Monatsrhythmus erfolgen. Die Updates und Verfolgungen können in größeren Abständen stattfin-
den, sofern auch
Programme,
d.h. Investitionen,
mit entsprechender
Planungssi-
cherheit und Innovationskraft zustande kommen. Neben Preis und Qualität unserer Waren ist der dritte Erfolgsfaktor unserer Industrie die Geschwindigkeit, mit der Geschäftsprozesse — Buchungen, Reservierungen, Auftragsbestätigungen, Rechnungen und Zahlungen — abgewickelt werden. Die Geschwindigkeit, mit der diese Geschäftsprozesse abgewickelt werden, basiert komplett auf modernen luK-Techniken.
110
Stellvertretender Vorsitzender Peter W. Reuschenbach: rung treten wir in die Mittagspause bis 14.40 Uhr. (Unterbrechung Stellvertretender Vorsitzender
von
Elmar
13.45 Müller:
Uhr bis 14.41 Meine
Damen
Nach
dieser Ermunte-
Uhr) und
Herren,
ich be-
grüße Sie nach der für sie hoffentlich erholsamen Mittagspause. Wir beginnen mit dem dritten Block, dem der Anwender. Dazu begrüße ich sehr herzlich Herrn Professor Weule von Daimler-Benz, Herrn Professor Warnecke von IPA und Herrn Gellert von der Telekom. Herr Gellert hat noch Herrn Claus mitgebracht. Sie müssen entscheiden, Herr Gellert, wer von Ihnen beiden dann jeweils antwortet.
Die Kollegen aus dem Ausschuß für Post- und Telekommunikation muß ich zum großen Teil entschuldigen. Wir hatten heute morgen eine Infrastrukturratssitzung; sie dauert noch an. Der Montag ist der Sitzungstag der für Telekommunikation zuständigen Leute. Insofern hat die Informationspolitik zwischen den Ausschüssen nicht so ganz geklappt. Mein Name ist Elmar Müller. Ich bin stellvertretender Vorsitzender des Postausschusses. Ich werde diesen Teil der Anhörung mit Ihnen gemeinsam bestreiten. Anschließend wird der Vorsitzende des Forschungsausschus-
ses den vierten Teil übernehmen.
Wir werden jetzt das gleiche Verfahren wie heute vormittag anwenden. Es sind also zwei Fragen an zwei Sachverständige erlaubt. Es gibt keine Einführung; das war heute morgen Praxis. Ihnen liegen die ausführlichen und — so glaube ich — gut begründeten
Stellungnahmen
der Sachverständigen
vor.
Der Ablauf soll trotz der zehnminütigen Verzögerung, die sich durch den späteren Beginn der Mittagspause ergeben hat, dennoch möglichst eingehalten werden.
Wenn wir unter Umständen früher aufhören und mit dem vierten Teil vorzeitig beginnen können, schadet das ebenfalls nicht.
Meine Herren Sachverständigen, zunächst die Frage an Sie: Gibt es noch Wesentliches, was über Ihren schriftlichen Beitrag hinausgeht und von dem Sie sagen, das hätten Sie vergessen und das müsse unbedingt noch gesagt werden? Sv Dr.-Ing. Warnecke: Ich muß sagen, daß von mir keine schriftliche Stellungnahme vorliegt, da meine Ansicht mit der von Herrn Meyer-Krahmer, der ja eine übergreifende Stellungnahme aus Sicht der Fraunhofer-Gesellschaft abgegeben hat, voll übereinstimmt. Stellvertretender Vorsitzender Elmar Müller: Dann beginnen wir mit der Fragerunde.
Siegmar Mosdorf (SPD): Ich habe eine Frage an Herrn Professor Weule. Wir haben heute morgen schon des längeren über die Frage geredet, inwieweit die Her-
steller und die Anwender intensiver miteinander kooperieren können, was ein ganz wichtiger Punkt ist, und zwar nicht nur, weil das alles kapitalintensiv ist, sondern
auch weil es sehr wichtig ist, daß man die gegenseitigen Bedürfnisse und den gegenseitigen Bedarf austauscht und die ASICs, die produziert werden
den Herstellern diskutiert.
müssen,
mit
111
Herr Weule, meine Frage an Sie lautet: Wie sehen Sie als Forschungschef eines wichtigen Anwenderhauses in Zukunft die Möglichkeiten der Kooperation mit Speicherchipherstellern und Softwareherstellern, und welche Formen der Kooperation
würden Sie vorziehen? Ist Ihr Haus bereit, in die weitere Entwicklung nicht nur der ASICc, sondern auch der Dinge, die vorher in der FuE-Chain stehen, etwas zu investieren oder nicht? Sv Dr. Weule: Ich halte es für unabdingbar notwendig, daß Hersteller und Anwender stärker kooperieren, weil letztlich Aufwendungen entstehen und weil wir uns in der momentanen Lage sowohl im Staat als auch in den Firmen sicherlich sehr sorgfältig fragen müssen: Können wir nicht durch gemeinsame Bernühungen Aufwendungen teilen? Wir tun das im Unternehmen intern in der Weise, daß beispielsweise unsere neugegründete Mikroelektronikgesellschaft und einer der großen Kun-
den, der Fahrzeughersteller Mercedes-Benz, gemeinsam in einem Ausschuß sitzen, in dem man sich darüber austauscht, was der produktführende Bereich
Fahrzeugtechnik vorhat, und in dem man auf diesem Wege bestimmte Dinge synergetisch und parallel laufend behandelt. Das bringt natürlich immer Probleme, auch intern, mit sich. Unsere Mikroelektronikgesellschaft geht überwiegend auf den Markt. Es ist kein einfaches Spiel. Dieses Spiel muß aber nicht nur interne Lieferbeziehungen lösen; ich gehe vielmehr davon aus, daß auf dem freien Markt zwischen Automobilherstellern und -zulieferern zunehmend ähnliche Dinge vonstatten gehen. Wir müssen einfach sehen, daß bestimmte Absprachen über langfristige, gemeinsam zu gehende Wege getroffen werden. Dabei ist das Thema ASICs natürlich eines der interessantesten Felder. Denn in allen Bereichen, sowohl in dem des Fahrzeug- als auch in dem des Maschinenbaus, wird Systemwissen in Strukturen, Betriebssysteme und Programme umgesetzt, die im ASICs-Umfeld laufen. Es ist logisch, daß
man
dort ansetzen
muß.
Sie fragen zum zweiten, ob wir bereit sind, an solchen Verbunden zu arbeiten. Wir haben das zu Beginn dieses Jahres, als die sogenannte Konsensrunde eröffnet wurde, deutlich erklärt. Zu Presseaussagen,
worin man
lesen kann, diese Konsensrunde
sei gescheitert,
möchte ich klar sagen: Sie ist überhaupt nicht gescheitert, sondern wir, die Mitglieder der Konsensrunde und auch die beiden engagierten Ministerien, arbeiten weiter daran. Im Moment braucht ein Partner etwas Zeit zum Nachdenken; dies muß man ihm wohl bei einem so komplizierten Vorgang zugestehen. Trotzdem gibt es weiterhin intensive Gespräche. Jeder wird nach der bestmöglichen Lösung für sein Unternehmen suchen. Auch wir sind dabei. Ich gehe davon aus, daß spätestens bis zum ersten Quartal nächsten Jahres die Dinge klarer sind. Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Meine Frage richtet sich an Herrn Dr. War-
necke, aber zu einem Teil auch an Herrn Dr. Weule. Ich bitte Herrn Dr. Leibinger, der ja erst in der nächsten Runde dran ist, diese Frage ebenfalls schon wohlwol-
lend im Kopf zu behalten. Er wird zwar erst bei den Verbänden gefragt; aber er ver-
tritt natürlich einen unmittelbaren
112
Anwender.
Es gibt die These, die deutsche Forschungs-, aber auch die deutsche Wirtschafts-
politik habe in den hier zur Diskussion stehenden Bereichen viele sträfliche Fehler
begangen bzw. die Entwicklung falsch eingeschätzt.
Erstens wird in bezug auf die Bedeutung der Softwareentwicklung für den gesamten luK-Bereich und die gesamte Wertschöpfung der industriellen Produktion gesagt, sie habe sich zu sehr auf die Technik
konzentriert.
Zweitens. Man habe bei diesen Faktoren — ich nenne ausdrücklich die Forschungs- und die Wirtschaftspolitik — die Anwenderseite vernachlässigt und habe damit erhebliche strukturelle Nachteile für die mittelständischen Industriebereiche,
den Maschinenbau und die Kraftfahrzeugzulieferindustrie, um nur zwei Beispiele zu nennen, aber auch für die Dienstleistungsbereiche, wie für den unter erheblichem Wettbewerbsdruck stehenden Großhandel, ausgelöst. Drittens. Die Schnittstelle Mensch-Maschine,
also die gesamte
Frage der Human-
ressourcenentwicklung, habe man mitsamt den Problemen der Qualifizierung, der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen vernachlässigt. Dies gelte sowohl für die Politik des Bundes wie für die der EG. Viertens. Man habe die Bedeutung des Dienstleistungssektors und der Dienstlei-
stungen durch eine zu starke Industriekonzentration vernachlässigt. Das heißt, die
öffentliche Beachtung habe sich bei aller Kritik, daß es ihr auch da nicht gelungen sei, gute Lösungen vorzuzeigen, zu sehr auf die Fertigungsseite konzentriert und den
stark expandierenden
privaten
und
öffentlichen
die produktions- und personengebundenen
Dienstleistungsbereich,
Dienstleistungen, vernachlässigt.
d.h.
Ich weiß, das ist jetzt ein bißchen viel. Trotzdem bitte ich Sie, zu diesen vier Grundthesen Stellung zu nehmen. Wenn es Ihnen gelingt, auch noch ein paar hilfreiche Entwicklungen
für die Zukunft anzubieten, wäre
Sv Dr.-Ing. Warnecke:
ich Ihnen dankbar.
Wir sprechen hier von der Anwenderseite bezogen auf
Informations- und Kommunikationstechnik.
Dabei müssen wir, glaube ich, festhal-
ten, daß die Informations- und Kommunikationstechnik praktisch ein integraler Bestandteil aller Produkte geworden ist und auch weiter ausgebaut werden wird. Deswegen
ist deren
beizubehalten.
Beherrschung
von wesentlicher Bedeutung,
um
unsere Stärken
Welches sind unsere Stärken? Wir stehen nach wie vor industriell und wirtschaftlich auf den Beinen Maschinenbau und Anlagenbau, chemische Industrie, Verfah-
renstechnik und vor allen Dingen auch Fahrzeugbau.
Die Informationstechnik ist
integraler Bestandteil all dieser Produkte. Dabei spielt die Software eine ausschlaggebende Rolle; denn sie entscheidet praktisch über die Nutzerfreundlichkeit dieses Produkts, also darüber, ob der Anwender mit diesem Produkt einen sehr hohen Nutzen erreicht.
Deswegen
würde ich sagen:
Die Softwareherstellung, bei wem
auch immer, ob
im Softwarehaus oder beim Produktanbieter selber, ist ein wichtiger Faktor. Diesen haben wir sicher vernachlässigt. Wir müssen die industrielle, durch Standard-
119
unterstützung bedingte Herstellung von Software — wir müssen auch an deren Pflege und Erneuerung denken — sehr stark unterstützen. Das haben wir meines
Erachtens bisher zuwenig getan.
Zur Frage der Anwendung: Nicht nur bei den Produkten, sondern auch in der Produktion und in der Logistik spielt die Anwendung eine entscheidende Rolle für die effektive
Infrastruktur
eines
Betriebes,
aber
auch
einer ganzen
Volkswirtschaft.
Dies haben wir teilweise falsch gesehen oder vernachlässigt. Die Bedeutung der Ablauforganisation, der Arbeitsorganisation, auch wieder der Bedienerfreundlichkeit und der Zugänglichkeit des Computers über seine Software ist ein entscheidender Faktor dafür, ob eine Investition wirklich effektiv genutzt und vom Nutzer
akzeptiert wird. Diese Frage müssen wir mehr in den Vordergrund stellen. Das heißt, wir müssen die rein technischen Lösungen und Lösungsvorschläge durch qualifizierte Maßnahmen und durch effektivere Untersuchungen der Mensch-Ma-
schine-Schnittstelle ergänzen. Wir müssen, insbesondere wenn wir an die Produktion und die Logistik denken, berücksichtigen, daß wir häufig — man kann auch
hier von „over-engineering‘‘ sprechen — technische Lösungen vorangetrieben ha-
ben, ohne die arbeitsorganisatorische und die Mitarbeiter- oder Nutzerseite ausrei-
chend zu betrachten. Insofern ist dieser Punkt teilweise richtig. Die bisherige stärkere
Konzentration
auf den
industriellen
Bereich
und vielleicht
weniger auf den Dienstleistungsbereich hat sicher einen wesentlichen Grund darin, daß der Ausdruck vom Übergang in die Informations- und Dienstleistungsgesellschaft nur bedingt richtig ist. Denn gerade die USA, die ihre Produktion, den we-
sentlichen wertschöpfenden Bereich, vernachlässigt haben, sind nun doch in erheblichen gesamtwirtschaftlichen Schwierigkeiten, weil sie praktisch nur zu einem
Markt für industrielle Produkte geworden sind. Deswegen war die bisherige Stärkung der wertschöpfenden
industriellen Seite durch
Programme
und Fördermaß-
nahmen und auch durch die öffentliche Diskussion sicher richtig. Einige Dienstlei-
stungsbereiche
—
ich
denke
an
Banken
und
Versicherungen
—
haben
die
Wenn wir also von der Anwenderseite sprechen und einmal die Versorgung
mit
Informations- und Kommunikationstechnik parallel schon sehr intensiv genutzt und eingebaut. Ich glaube aber, daß wir in Zukunft in Bereichen des Dienstleistungssektors doch noch Zeichen setzen und fördern und die Einführung unterstützen können.
Hardware sozusagen außen vor lassen, dann haben wir hier ein Feld, auf dem wir bisher in Europa und insbesondere auch in Deutschland bisher noch stark sind.
Diese Stärke müssen wir unbedingt weiter pflegen und ausbauen. Hier gibt es, glaube ich, Ansatzmöglichkeiten. Dazu gehört, daß man Förderprogramme nicht nur isoliert betrachtet, daß also nicht ein Programm „Arbeit und Technik‘, ein Programm ‚„Fertigungstechnik‘' und ein Programm ‚‚Informationstechnik‘ nebeneinanderstehen und -laufen; hier brauchen wir vielmehr eine übergreifende Kommuni-
kation, genauso wie wir in Zukunft eine übergreifende Kommunikation zwischen
den einzelnen Ressorts der Ministerien, wie sie heute schon
114
begonnen
hat, brau-
chen, um die Punkte, die ich eben schlagkräftiger auszubauen.
genannt
habe,
zur Stärkung
der Anwender
SvDr. Weule: Auch ich würde gerne einige Bemerkungen dazu machen, und zwar additiv. Eine Frage lautete: Ist in der deutschen Forschungs- und Wirtschaftspolitik das, was Sie in Ihren Thesen beleuchten, vernachlässigt worden? Ich würde sagen: So
pauschal kann man das nicht sagen. Es ist sehr viel gemacht worden. Für mich lau-
tet die Kernfrage: Wie effizient waren die Dinge, die in Gang gesetzt worden sind und bei denen Ergebnisse vorlagen? Ich glaube, an diesem Thema haben wir zu arbeiten.
Ich möchte noch zwei Unterpunkte, die Sie genannt haben, ansprechen, und zwar zum einen die Bedeutung der Software. Diese Frage ist in ihrer Bedeutung sicherlich nicht verkannt
worden.
Ich
möchte
zwei
Beispiele
nennen.
Ich beschäftige
mich zur Zeit mit einem Beitrag für den Jahreskongreß der deutschen Informatik-
wissenschaftler. Die Fragestellung lautet: ‚Informationstechnik als Produktionsfaktor‘‘. Ich habe, da ich immer versuche, eine Sache etwas systematisch anzuge-
hen, gefragt: Ist denn die Informationstechnik als Produktionsfaktor von der Wissenschaft definiert, und wird sie von der Wissenschaft als ein Faktor behandelt, den man bewerten kann? Dieses war nicht der Fall. Wir haben dann angesichts der Not, in der ich mich befand, eine Umfrage bei führenden großen und mittleren Firmen durchgeführt — Herr Leibinger hat sich in seinem Unternehmen mit engagiert —, um herauszuarbeiten, wo man mit dem Produktionsfaktor Informationstechnik steht. Es zeigt sich, daß wir eine ganze Reihe von Defiziten haben. Bei diesen Defiziten ist folgende Themenstellung zu beachten: Wie können wir als systembauende Nation — Stichwort: Systemspezifikation — die dazu nötigen Systemkomponenten — das betrifft nicht nur Stahl und
dern zunehmend
Eisen,
Maschinenbau
und
Fahrzeugtechnik,
son-
Informationstechnik — schaffen, und zwar zu überschaubaren
Kosten, in vernünftigen Zeiten und in der erforderlichen Qualität? Ich glaube, uns
ist allen klar, daß wir in den Planungen nicht genügend und nicht präzise genug
gearbeitet haben.
Da haben
Auch
Mensch-Maschine-Kommunikation
im Bereich
wir Defizite.
ist eine pauschale
Aussage
nicht möglich. Es gibt ein weltweit beachtetes Programm des BMFT: ‚‚Werkstattorientierte Programmierung‘. In diesem Programm ist die Lücke zwischen komplexen Programmiersystemen und dem Facharbeiter geschlossen worden. Vergleichbares kenne ich in der Welt nicht. Ähnliche Dinge vermisse ich aber im Bereich der Leittechnik komplexer Systeme.
In diesem Bereich haben wir viel gearbeitet, insbesondere tigung mentaler Ablaufmodelle. Der Mensch, der in ein hat bestimmte Vorstellungen, wie er seine Aufgabe dort in den komplexen Systemen unseres Maschinenbaus
zum Thema Berücksichkomplexes System geht, lösen will. Da haben wir sowohl auf der Herstel115
lerseite als auch ten.
auf der Anwenderseite
Probleme,
und
da
haben
wir zu arbei-
Ich ziehe folgenden Schluß: Wir haben sicher viel gemacht. Im Bereich der gesamten Forschung kann man bestimmte Dinge positiv bewerten. In bezug auf das durch den Staat zur Verfügung gestellte Geld werden wir in der Zukunft umdenken müssen. Diesbezüglich hat der Kollege Warnecke mit Recht gesagt: In vielen Ministerien und an vielen Stellen des Staates wird Geld für Forschung ausgegeben. Wir
werden uns künftig mehr als bisher fragen müssen, ob es nicht nötig ist, in bestimmten Prozessen Leitlinien zu erarbeiten. Bei diesen Leitlinien wird sicher die Industrie, die irgendwann
in fünf bis zehn Jahren
auf Märkten für unseren Wohl-
stand sorgen muß, ein wichtiges Wort mitreden müssen. Erich
Maaß
(Wilhelmshaven)
(CDU/CSU):
Herr Professor Warnecke,
80er Jahre ab es ein Sonderprogramm in bezug auf die Anwendung tronik. Dieses Programm war bewußt sehr einfach gehalten. Es schnelle Genehmigungszeit. Das Antragsformular umfaßte sieben ten. Stichwort: 40 % Staat, 60 % Nutzer. Damals sollte ein Schub in die Wirtschaft gegeben
werden.
Anfang
der
der Mikroelekgab eine sehr oder acht SeiBreitenwirkung
Könnten Sie sich vorstellen, daß man bei der jetzigen Lage der luK-Technik ein ähnliches Konzept heute auflegt? Wo würden Sie ansetzen, um eine stärkere Brei-
tenwirkung
zu bekommen?
Herr Professor Weule,
bis Anfang
dieses Jahres sind wir alle — wir holen uns ja
auch Rat in der Wirtschaft — davon ausgegangen, wir müssen die Speichertechno-
logie beherrschen und wir müssen den Wettlauf im Bereich der Speicherchips auf-
nehmen — wenn dies in der Bundesrepublik nicht möglich ist und es in Europa grö-
Bere Schwierigkeiten gibt, notfalls mit den Amerikanern zusammen.
Plötzlich heißt
es: Wir setzen ganz auf die ASICs. Reicht das vorhandene Technologie-Know-how aus, um den Wettbewerb für die ASICs in der Zukunft zu sichern? Ich höre mittlerweile von Anwendern:
Unsere Anwendungslogik regeln wir mit den
Japanern. Die bringen die Anwendungslogik auf die Speicherchips. In der Zwischenzeit aber — bis zur Lieferung — haben die Japaner das Know-how bereits umgesetzt,
sind mit marktreifen
das Geschäft.
Produkten
und Verfahren
im Markt
und
machen
Sv Warnecke: Die Tatsache, daß wir nicht genügend Anbieter haben — das wurde bereits heute vormittag beklagt — ist immer vor allem eine Frage des Marktes bzw.
des Absatzes.
Man
kann zwar unseren
Anbietern vorwerfen,
daß sie zu national
und zu regional gedacht haben und sich damit von vornherein zu kleine Märkte vorgestellt haben. Aber unabhängig davon müssen wir dafür sorgen, daß der Markt Deutschland auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnik wächst. Durch bestimmte Programme, z.B. Anwendung der Mikroelektronik, können
die Märkte
belebt,
aber auch
geschaffen
werden.
Des weiteren
können
wir
durch eine beschleunigte Diffusion solcher Techniken für eine effizientere Infra-
struktur in den
116
Betrieben
und
Unternehmen,
aber auch
überbetrieblich,
sorgen.
Deswegen meine ich, daß diese indirekt spezifischen Förderprogramme ein Erfolg waren. Nach meiner Meinung sollte man dieses Instrument auch in der Zukunft
nutzen.
Ad hoc kann ich keine konkreten Vorstellungen vortragen, darüber müßte nachgedacht werden. Zu bestimmten Themen könnten nach meiner Auffassung Arbeits-
gruppen eingerichtet werden, die solche Themen aufbereiten. Weiter wäre eine in-
terministerielle Arbeitsgruppe denkbar, die die Themen so aufbereitet, daß politische Entscheidungen getroffen werden können. Die Bereiche Markt und Anwendung
müssen
dabei immer
berücksichtigt werden.
Wir dürfen nicht über Techno-
logie-Push, sondern wir müssen mehr über Technologie-Pull versuchen, die Dinge
voranzutreiben.
Ich könnte mir eine noch schnellere Diffusion in kleinere und mittlere Unternehmen vorstellen, aber nicht nur auf den Maschinenbau begrenzt, sondern z.B. auch in Dienstleistungsunternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie. Als zweiten großen Bereich stelle ich mir die überbetriebliche Vernetzung sowie die Verkehrslogistik vor. Dort könnte es über den Anwenderbedarf zu einer Belebung kommen. Das könnte ein Beitrag zu einer effizienten Infrastruktur sein. Dies brächte auch wesentliche Standortvorteile für Deutschland.
muß jedoch noch genauer nachgedacht werden.
Über alle diese Vorschläge
Sv Weule: Lassen Sie mich noch folgendes zu dem ersten Punkt sagen: Auch ich habe dies mit Blick auf den Mittelstand verfolgt. Ich fand vieles sehr beeindruckend. Ich erinnere an den Anreiz, der für den Unternehmer — z.T. bedingt durch Geld, aber das ist nicht das Wesentliche gewesen — geschaffen wurde. Es
ging einfach darum, sich mit bestimmten Dingen zu beschäftigen. Beeindruckend war, wie dieser Anreiz gewirkt hat.
Wichtig ist derzeit eine breite Anwendung von ASICs. Es geht darum, unser breites Systemwissen zu nutzen. Diesbezüglich haben wir einen internen Begriff. Er lautet: ASIM. Es geht um die Integration von Mikrostrukturen. Gemeint ist: Sensor-Informationsverarbeitung und -Aktuator. All dies muß vorangebracht werden. Den Systemlieferanten muß ein Impuls gegeben werden. Derjenige, der Ideen hat, muß angeregt werden, in unser Umfeld zu kommen. Wir haben ein breites Forschungspotential im Bereich der Mikrosystemtechnik aufgebaut. Es geht darum, daß wir ein ausreichendes
Mikroelektronikpotential
haben.
Dabei ist folgendes wesentlich: Wir haben im Moment eine tiefe Krise in unserer Mikroelektronik-Lieferindustrie, weil die Konsumgüterelektronik zusammengebrochen ist. Die Unternehmen, die auf andere Märkte gehen wollen, weg von der Konsumgüterindustrie, stehen vor dem Phänomen, daß japanische Wettbewerber fast beliebig den Kostenumfang des Designs für ein anwenderspezifisches ASIC übernehmen. Auf Grund dieser starken Positionen werden unter Umständen stärkere Wettbewerbsverzerrungen hervorgerufen. Mit einem solchen indirekt spezifischen Programm würden wir der Anwenderseite und der europäischen Mikroelektronik117
industrie helfen. So könnten die von den Japanern subventionierten
zesse pari gehalten werden.
Einstiegspro-
Speichertechnologie: Unserern Unternehmen kann man nicht nachsagen, daß wir jemals auf die Idee gekommen wären, Speicher zu entwickeln. Seit ich dieses Feld in unserem Unternehmen überschaue, aber auch in den Jahren zuvor, ging unsere Orientierung immer in die Richtung anwendungsspezifischer Schaltungen. Wir haben zur Zeit das ausreichende Know-how, um unsere internen und externen Kunden zu befriedigen. Das Problem, das uns bewegt und weswegen wir auch intensiv an diesen Konsensprozessen arbeiten, ist folgendes: Derzeit gehen die Strukturbreiten, die wir brauchen, im Silizium von 1,2 bis 0,8 „m. In der zweiten Hälfte der
90er Jahre sehen wir für uns die Herausforderung, Strukturen für anwendungsspezifische ASICs
zu entwickeln,
die Leiterbreiten von 0,3 um
haben.
In Europa wird — da wir als Unternehmen solche Technologien nicht allein entwickeln können — die Fähigkeit gefragt sein, solche Systeme zu designen. Wir brauchen
in Europa die erforderlichen Technologien. Wir fragen uns deshalb, wie
man sich die Aufwendungen teilen kann. Noch wichtiger aber sind die Infrastrukturen, die Chemikalienhersteller, die Ausrüstungshersteller. Dies alles wird nach unserer Überzeugung — diesbezüglich läßt sich auch die Mikroelektronik-Konsensrunde ein — die Herausforderung für Europa in der zweiten Hälfte der 90er Jahre
werden.
Edelgard Bulmahn (SPD): Herr Gellert, heute morgen ist in allen Gesprächsrunden immer wieder die Bedeutung einer innovativen staatlichen Beschaffungspolitik sowie die Bedeutung strategisch richtig plazierter nachfrageorientierter Förderprogramme
betont worden.
Das stand
heute morgen
im Mittelpunkt der Diskussion.
Es kam zum Ausdruck, daß diese beiden Punkte eine ganz wesentliche Rolle spielen würden. Wenn man das zur Grundlage nimmt, so spielt die Telekom eine ganz wichtige Rolle. Ich hätte gern gewußt, inwiefern Sie in Zusammenarbeit mit Herstellerfirmen entsprechende
Beschaffungsprogramme — spezielle in bezug auf das finanzielle
Volumen und in bezug auf die zeitliche Planung — erarbeitet haben. Um welche
Förderprogramme geht es? Auf welche Technikbereiche beziehen sich diese Förderprogramme?
Herr Gellert, in den Stellungnahmen ist immer wieder als Beispiel angeführt worden, daß in anderen Ländern die Ausgangssituation für die Herstellerfiimen — sowohl die strategische Zusammenarbeit als auch die Mitfinanzierung durch den Betreiber, z.B. im Hinblick auf ein Netz —
gegenüber der Bundesrepublik
Deutsch-
land entscheidend verbessert wird. Gibt es in Ihrem Unternehmen Überlegungen, sich hier finanziell stärker zu engagieren? Wenn ja, in welcher Form?
Sv Gellert: Zum Thema Beschaffungsprogramme — was gibt es, was haben wir getan —: Wir haben in der Vergangenheit zwei — (Edelgard
118
Bulmahn
(SPD):
Was
ist geplant?)
Auf Grund der spezifischen Situation, in der wir uns befinden, muß ich kurz darauf eingehen, was wir getan haben. Wir befinden uns seit zwei Jahren in einer Um-
strukturierungsphase. Wir verwandeln eine Behörde in ein Unternehmen. Das ist der kritische Punkt. Wir haben in den letzten Jahren nur mit sehr wenigen Herstellern zusammengearbeitet. Das gilt insbesondere in unserem ureigenen Bereich der Übertragungs- und Vermittlungstechnik. In bezug auf neuere Technologien nenne ich das Stichwort ISDN. Dort waren wir inbesondere in Deutschland für die gesamte Entwicklung auf der Weit richtungsweisend. Beim Netzaufbau haben wir heute noch einen weltweiten Vorsprung. Bei dem Beschaffungsprogramm liegt das Problem darin, daß wir in Deutschland ein Preisniveau haben, das — ich sage das ganz vorsichtig — etwas über dem des Weltmarkts liegt. Wir strukturieren uns hier insofern neu, als wir unsere Ausschreibungen stärker international tätigen, als das in der Vergangenheit der Fall war. Das heißt, hier ist zur Zeit eine Reorientierung unserer Beschaffungspolitik in Vorberei-
tung. Wir sind außerordentlich stark an einer Zusammenarbeit mit der Industrie in-
teressiert, weil wir gerade bei neueren Technologien wie ISDN oder Digitalisierung unseren Vorsprung, unseren Markt halten wollen. Deshalb werden wir insbesondere auf dem Gebiet ISDN, auf dem Gebiet der intelligenten Netze, weiter Program-
me mit der deutschen Industrie fahren.
Wir haben zur Zeit ein großes Pilotprojekt auf dem Gebiet der intelligenten Netze. In diesem Bereich der sehr zukunftsträchtigen intelligenten Netze fahren wir mit zwei deutschen
Herstellern und einem ausländischen
die zu entsprechender Beschaffung führen werden.
Hersteller Testprogramme,
Man muß natürlich sehen, daß wir zunehmend Wettbewerbern gegenüberstehen, die entweder außerhalb Deutschlands beschaffen oder die anderen Rahmenbedingungen
unterliegen.
Es
gibt Wettbewerber,
die schon
seit
10 Jahren
ihre Aus-
schreibungen weltweit tätigen und die in einzelnen Bereichen günstiger einkaufen. Durch
diese günstigen
Einkaufspreise entsteht für uns ein harter Wettbewerb.
Zu der Frage, wie man die industrielle Entwicklung durch eine Mitfinanzierung derartiger
Programme
beeinflussen
kann,
gilt folgendes:
Man
muß
eine
pauschale
Antwort geben. Einerseits haben wir unsere eigenen FuE-Aktivitäten in Deutschland ausgeweitet, weil wir uns — ausgehend von dem ersten Punkt — selbständiger machen müssen, um weltweit wetibewerbsfähig werden zu können. Andererseits haben wir durch unsere Beschaffungspolitik in der Vergangenheit in nicht unerheblichem Umfang Finanzierungshilfe geleistet. Wenn wir uns stärker mit den amerikanischen oder den englischen Unternehmen vergleichen, werden wir für eine ähnliche Beschaffung und Finanzierung müssen; denn durch diese Unternehmen entsteht der Wettbewerb.
sorgen
Wir stellen uns zunehmend dem internationalen Wettbewerb. Telekommunikation kann man nicht nur für Deutschland betreiben. Das muß man weltweit betreiben;
denn unsere großen Kunden operieren weltweit. Demzufolge müssen wir diesen 119
Kunden weltweit Leistungen anbieten. Spezielle Finanzierungsprogramme für den Aufbau von Netzen werden bei uns aber noch nicht vorbereitet. Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Ich habe eine Frage in bezug auf die Reorientierung der Beschaffungspolitik. Wir haben vorhin gehört, daß die Industrie klagt, daß die anderen Netzbetreiber — zitiert wurde die französische Telecom — die FuE-Aufwendungen der Industrie zu einem großen Teil ersetzt. Meine Frage ist: Sehen Sie das ähnlich? Haben Sie diese Erfahrungen auch in anderen Postbereichen gemacht? Wenn das so ist, dann hätte ich gern gewußt: Überlegt sich die Telekom unter diesem Gesichtspunkt, ob sie eventuell die Anwendung der EG-Richtlinien aussetzt? Wäre es denkbar, daß entsprechende Maßnahmen
bei der Generaldirektion Wett-
bewerb in Brüssel ergriffen werden? Gibt es hier ein Einverständnis mit der Industrie? Etwas pointierter und sicher auch zu grob: Stecken Sie die Hände in die Hosenta-
sche?
Lassen
Sie dem
derzeitigen Wettbewerb
seinen
Lauf?
Wolf-Michael Catenhusen (SPD): Herr Gellert, Sie haben in Ihrer Stellungnahme geschrieben, daß es Ihr Ziel ist, daß FuE-Kosten der sogenannten nationalen Hersteller von allen staatlichen Fernmeldeverwaltungen beim Einkauf nicht besonders vergütet oder subventioniert werden sollen. Wenn man nun aber im Weltvergleich feststellt, daß alle großen überlebensfähigen Telekommunikationshersteller — mit Ausnahme eventuell der hier in Deutschland ansässigen Hersteller — diese Rahmenbedingungen nicht haben und auch in absehbarer Zeit nicht haben werden, müßten Sie sich dann nicht eine Option offenhalten, die dazu führt, daß dann, wenn Sie diese Situation nicht akzeptieren wollen, entsprechend Ihrer industriepoliti-
schen Verantwortung die Telekommunikationshersteller auf den heimischen Märkten etwas höhere Preise als auf dem Weltmarkt erzielen? Ist das denn in Deutschland anders als in den Vereinigten
Staaten?
Glauben
Sie wirklich, daß AT&T
bei
eigenen Unternehmen nur Weltmarktpreise zu bezahlen brauche? Wollen Sie nicht isoliert in Deutschland eine auffällige Differenz beseitigen, die allen Telekommunikationsherstellern, soweit sie weltweit tätig sind, auf dem heimischen Markt zugute
kommen?
Sv Gellert: Wenn das Thema der Beschaffungspolitik diskutiert wird, wird als Beispiel immer die France Telecom angeführt. Es wird immer angeführt, daß France
Telecom Forschungsprogramme finanziert und dadurch der heimischen Industrie Vorteile verschafft. Man darf sich nicht nur an dem
Markt orientieren, der heute noch relativ stark —
ich will nicht sagen — vom Wettbewerb ausgenommen ist, auf dem aber der Wett-
bewerb
noch nicht in dem
in den USA der Fall ist.
Umfang
eingesetzt hat, wie dies bei uns und vor allem
Wir haben einen anderen Weg gewählt. Ich habe dazu schon Ausführungen gemacht. Wir zahlen etwas höhere
120
Einkaufspreise. Wir meinen,
daß wir, wenn
man
das summarisch und per Saldo rechnet, in gleichern Umfang wie France Telecom unterstützt haben. In diesem Zusammenhang muß man sich allerdings fragen: Was passiert, wenn die Märkte geöffnet werden? Dies scheint sich für die nächsten Jahre abzuzeichnen. Was kann dann noch der große Telekommunikationshersteller für die Industrie un-
ternehmen? Das ist eine Frage, die sich primär an die Politiker richtet, nicht aber an die Telekom. Die Telekom muß primär ihre Kunden bedienen. Es müssen erst-
klassige Leistungen zu einem günstigen Preis angeboten werden. Primäre Verpflichtung der Telekom ist es nicht, die Industrie zu unterstützen. Dies gilt, obwohl die Telekom eine gesellschaftliche und wirtschaftspolitische Verantwortung hat. Wenn
AT&T
gegenüber
Computerproduzenten
oder gegenüber
Produzenten
der
Vermittlungstechnik intern höhere Preise verrechnet, dann führt das noch nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung; denn diese Kosten müssen intern im Unternehmen aufgefangen werden. Alle, die keine
eigene
Produktion
haben
—
z.B.
MCI,
NINEX,
US-West
etc. —,
schreiben weltweit aus und kaufen dort ein, wo es am günstigsten ist. Diese Unternehmen — z.B. US-Print — treten effizient in Deutschland an. Sie treten weltweit auch gegen uns an, wenn es darum geht, daß wir unseren Kunden Leistungen anbieten. (Wolf-Michael Catenhusen (SPD): Welchen Marktanteil haben die USA?) — Der Marktanteil von MCI bei Ferngesprächen liegt bei ungefähr 15 %. Alle diese Fragen müssen immer auch im Zusammenhang mit der Vergangenheit gesehen werden. Seit zwei Jahren versuchen wir, aus einer Behörde ein Unterneh-
men zu machen. Wir versuchen, aus einem Monopolanbieter einen Wettbewerbsanbieter zu machen. Prozesse in der Telekommunikationsindustrie sind langfristi-
ge Prozesse, Gott sei Dank, so daß man nicht von einem auf den anderen Tag die Situation umkehren kann. Wolf-Michael Catenhusen (SPD): Herr Warnecke, da Sie sich besonders gut in dem Bereich der ganzen Produktionstechnik und der Produktionsautomatisierung auskennen, habe ich folgende Frage: Sind wir mit der staatlichen Politik in diesem Bereich in den letzten 10 Jahren richtig gefahren? Dies frage ich vor dem Hintergrund der Tatsache, daß wir mit unserer sehr technikzentrierten Förderung von Cim und ähnlichen Dingen bezüglich der Produktivitätsfortschritte im Vergleich zu dem
mehr
arbeitsorganisatorischen
Ansatz
der Japaner
doch
offensichtlich
ins
Hintertreffen zu geraten drohen. Fehlt nicht in unserem Technikförderungsansatz — im Bereich Fertigungsautomatisierung — ein stärkerer, menschliche Ressourcen ausschöpfender ganzheitlicher Ansatz, durch den dann
auch die Frage, wel-
chen Beitrag verschiedene Elemente von Produktionsautomatisierung leisten können, in einem größeren Zusammenhang gesehen werden könnte? Da alle über „lean production‘ reden, fragt sich: Wofür sind alle diese Programme aufgelegt 121
worden, wenn
die Differenz in der Produktivität so riesig ist, wie sich das in man-
chen Bereichen jetzt offensichtlich zeigt?
Sv Warnecke: Die bisherigen Schritte zur Automatisierung in Deutschland hatten und haben ihre volle Berechtigung. Wir haben andere Rahmenbedingungen. Das
wissen
Sie alle. Ich denke etwa an die Arbeitskosten
und an die Arbeitszeit.
Wir
können im internationalen Wettbewerb nur noch dann bestehen, wenn wir in der Automatisierung fortschreiten, sprich Nutzung der Maschinen über die Nacht oder auch in den Sonntag hinein. Hier können wir uns mit anderen Ländern nicht vergleichen, die diese harten Ranmenbedingungen nicht haben. Deswegen waren Investitionen in die Automatisierung sicher richtig und wir dürfen darin auch nicht nachlassen,
im Gegenteil,
wir müssen
intensiv für weitere Fortschritte in diesem
Bereich sorgen. Wir dürfen unsere Situation nicht mit den japanischen Erfolgen vergleichen, die auf anderen Rahmen- und Randbedingungen beruhen. Aber —
insofern gebe
ich Ihnen recht —: Allein der technikzentrierte Ansatz,
zu
versuchen, durch Automatisierung der Informationsverarbeitung oder der Bearbeitung die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, ist nicht richtig oder führt nicht zu dem Erfolg, an den wir früher glaubten. Wir müssen neben der Automatisierung auch den ganzheitlichen Ansatz der Arbeitsorganisation, der Qualifikation, der Information und der Akzeptanz durch Beteiligung bei der Konzeption und bei der Planung
solcher Systerne durch die Mitarbeiter besser und intensiver verfolgen, als das bisher getan wurde. Wir haben versucht, unsere bisherigen Organisationsformen,
die im wesentlichen
auf dem tayloristischen Ansatz beruhten, mit sehr viel Technik, Automatisierung
und Computereinsatz zu erhalten. Wir stellen jetzt fest, daß wir aber nicht den Effekt erreicht haben, den wir uns alle versprochen hatten. Nun müssen wir unseren
Technikansatz durch den ganzheitlichen, arbeitsorganisatorischen terbezogenen
Ansatz ergänzen.
und mitarbei-
Wir dürfen jetzt aber nicht von einem Extrem ins andere fallen: früher technikzen-
triert, heute nur humanzentriert. Das wäre genauso verkehrt. Die Wahrheit liegt zweifellos in der Mitte. Ich meine: Wenn wir die Technikfolgen und unsere Wettbewerbsfähigkeit betrach-
ten, so läßt sich feststellen, daß es sich weniger um eine Technikfolge, als vielmehr
um eine Kulturfolge handelt. Sie können alle Technikfolgen sehr stark auch auf Kulturfolgen zurückführen. Wir haben in unseren Unternehmen und in unserer Ge-
sellschaft eine andere Kultur, als dies in Asien und in Japan der Fall ist. Jetzt zu versuchen, dies durch ‚‚lean production‘ nachzuvollziehen, führt uns wieder in die Sackgasse. Wir wären wieder nur zweiter Sieger; denn wenn wir in fünf Jahren
dann so weit wären, hätten die Japaner schon wieder etwas anderes.
Demzufolge müssen wir sehr stark über unsere Führungskultur, über unsere Organisationskultur, aber auch über unsere Politikkultur und über die Art, in der wir zu-
sammenarbeiten,
nachdenken.
In dieser
Hinsicht
könnten
Arbeitsgruppen
Projektgruppen, die Querschnittsfragen betrachten, ein erster Ansatz sein. 122
oder
Edelgard Bulmahn (SPD): Herr Warnecke, zwar teile ich Ihre Einschätzung, aber
dennoch bin ich etwas ratlos, was wir jetzt tun können und sollen. Vielleicht können
Sie Ihre Ausführungen ein wenig präzisieren. Es ist klar, daß wir ein Defizit in der Arbeitsorganisation haben. Die Frage ist: Was können wir Politiker tun, um dieses Defizit zu verändern? Können wir überhaupt etwas tun? Auf diese Fragen hätte ich
gern Antworten. Dabei weiß ich, daß unser Programm „Arbeit und Technik‘ in diesem Jahr wieder reduziert werden soll, das gerade Fragen der Arbeitsorganisation zum Inhalt hatte.
Sie sagen: Wir haben eine ganz andere Kultur. Das ist völlig richtig. Aber was sollen wir als Politiker daraus für Schlußfolgerungen ziehen? Was wäre z.B. von seiten der Politiker auf der Grundlage unserer Kultur, die sich von der in Japan unterscheidet,
Was
notwendig,
ist denn
um
notwendig,
die Defizite, die wir ständig diskutieren, zu beheben? und wie kann
man erreichen, daß dieser Gegensatz, so
wie er hier diskutiert wird, zwischen Technik und Mensch geklärt wird? Ich persönlich sehe diesen Gegensatz gar nicht. Ich denke, beide — Mensch und Technik —
gehören zueinander und bilden eine Einheit. Die Technik wird vom Menschen entwickelt. Sie wird auch von ihm genutzt. Aber sicher beeinflußt die Technik auch das
Verhalten von Menschen.
Für mich ist das kein Gegensatz.
Wie kann man z.B. durch eine staatliche Politik — durch eine staatliche Forschungs- und Entwicklungspolitik — erreichen, daß Mensch und Technik nicht als Gegensatz behandelt werden? Dabei weiß ich, daß in Teilen unserer Förderprogramme dieser Gegensatz aber sicher noch vorhanden ist. Wie kann man das Miteinander stärker in den Vordergrund stellen? Dazu hätte ich gern von Ihnen ein paar konkrete Vorschläge.
Sonst sitzen wir hinterher genauso schlau oder dumm
— wie auch immer — wie vorher da. Ich bitte Sie, diesbezüglich einige Erläuterungen zu machen. Stellvertretender Vorsitzender Elmar Müller (Kirchheim): Professor Warnecke, Sie haben das Privileg, auf eine Frage zu antworten, zu der jeder einen Roman schreiben
könnte.
Ich hoffe, Sie können
das in der gebotenen
Kürze erläutern.
Sv Warnecke: Es fällt mir sicher genauso schwer wie den meisten anderen auch. Denken Sie an die heutige Sitzung. Wenn die beendet ist, werden Sie fragen: Und nun? (Heiterkeit)
Das ist schon eine Folge unserer Kultur. Wir alle sind Individualisten. Jeder sagt seine Meinung, stellt sie einfach in den Raum. Den Konsensprozeß überlassen wir anderen. Ich könnte mir z.B. vorstellen, daß die Sachverständigen im Vorfeld gewisse Vorbe-
reitungen treffen. Der daraus resultierende Konsens könnte dann den Politikern vorgetragen werden. Der sich daran anschließende Konsensprozeß der Politiker dauert dann noch lange genug. 123
Ihre Frage reduziert sich vornehmlich auf den Punkt, was man tun kann. Zweifellos
dauern Kulturveränderungen, Auffassungsänderungen, Verhaltensänderungen sowie Führungsänderungen in Organisation und Unternehmen sehr lange. Heute vermittelt sich mir der Eindruck, daß wir hier an Grenzen stoßen und unsere Denkund Verhaltensweisen ergänzen müssen. Ich könnte mir vorstellen, daß auch die Politik Anstöße dazu gibt. Pilotprojekte könnten ein Anfang sein. Ich nenne ein paar Stichworte: Arbeitszeiten, Arbeitsregelungen, Arbeitseinkommensregelungen etc. Diesbezüglich haben die Tarifpartner — auch im Programm „Arbeit und Technik‘ — bisher immer gesagt: Forschung und Wissenschaft sind unser Bier. Laßt da bitte
die Finger davon. Damit bewegt sich aber wenig oder gar nichts.
Ein Ansatz könnte darin liegen, daß unsere teilweise festgefahrenen Strukturen an Hand kontrollierter Beispiele untersucht werden, um festzustellen, in welche Rich-
tung man weitermarschieren könnte.
Dr. Ulrich Briefs (fraktionslos): Herr Professor Weule und Herr Professor Warnecke, sind heute nicht die Fixkosten das Problem der deutschen Industrie, insbesondere die technologie- und kapitaleinsatzbedingten? Es geht doch wohl weniger um Arbeitszeiten, Arbeitskosten
und Lohnnebenkosten?
Ich versuche, das kurz mit ein paar Daten zu belegen: Erstens. Anteil der Personalaufwendungen an den Umsätzen für die angesprochenen Wirtschaftszweige, die den Export tragen: Ernährungsgewerbe 11 %; Automo-
bilindustrie
17 %;
Chemie
19 %;
Elektrotechnik 28 %;
Maschinenbau
29 %.
Zweitens. In der verarbeitenden Industrie, im verarbeitenden Gewerbe betrug der Anteil der Fixkosten an den Gesamtkosten: in den 70er Jahren 38 %; in den 80er
Jahren 43 %; in den 90er Jahren sind wir fast an 50 % herangekommen. Ich glaube, diese Zahlen sind aussagekräftig.
Drittens. 1970 kostete ein Arbeitsplatz — das hat insbesondere etwas mit der luKtechnischen Ausstattung zu tun — im volkswirtschaftlichen Durchschnitt 50 000 DM. Heute kostet ein Arbeitsplatz bereits 230 000 DM. Das führt — das wird Ihnen nicht fremd sein, aber ich führe das in diese Debatte ein — dazu, daß wir an bestimmten Arbeitsplätzen in der Industrie Gemeinkosten-
verrechnungssätze von 1 000, 1 200 und 1 300 % haben.
Meine Fragen: Müssen wir nicht industriepolitisch ganz anders ansetzen? Müssen
wir nicht die ganzen Vorlaufprozesse, die mit komplexer Automation zu tun haben — in diesem Zusammenhang geht es auch um die luK-technische Entwicklung —, politisch und ökonomisch ganz anders handhaben? Ich weiß, daß meine Fragen sehr grundlegender Art sind, aber ich bitte Sie dennoch um eine möglichst konkrete Antwort. Sv Weule:
Herr Briefs, wir klagen zwar über unsere Arbeitskosten, aber Sie haben
ein Problem angesprochen. schen
124
Frau Bulmahn
Meine Antwort — die sicher an die Diskussion zwi-
und Herrn Warnecke
anschließt —
heißt: Wir müssen
bereit
sein, Veränderungsprozesse zu akzeptieren. In bezug auf Veränderungsprozesse in Unternehmen
meine ich, daß unsere Perfektion beim Investieren kritisch zu un-
tersuchen ist. Wir müssen uns unter dem Aspekt Mensch-Technik-Zentrierung fragen: Wo liegt der Minimalpunkt in bezug auf Investitionen, um eine Aufgabe zu erledigen. Da gibt es in den Unternehmen viele heilige Kühe. Ich denke z.B. an Freigaben bestimmter Dinge, die möglich sind oder nicht. Diese heiligen Kühe müssen geschlachtet werden, um zu spezifischen Investmentreduzierungen zu kommen. Das ist ein Feld. Die Spannweite geht aber — das ist noch wichtiger — dahin, die Bereitschaft aller in einem Unternehmen zu fördern, über neue Ansätze nachzudenken. Unter neuen Ansätze verstehe ich folgendes: Wir haben ganz bestimmte Aufgaben in den Märkten. Wenn
die Märkte hochgehen,
muß die Bereitschaft des Unterneh-
mens und der Belegschaft vorhanden sein, mit dem Arbeitszeitvolumen nachzuge-
hen. Wenn die Märkte heruntergehen, müssen wir Strukturen haben, damit wir ohne große tarifpolitische Prozesse unsere Unternehmen herunterfahren können.
Diese Fähigkeiten müssen wir uns schaffen.
Wir klagen alle mit Recht über eine bestimmte Erstarrung der Strukturen. Wir sind nicht in der Lage, bestimmten Veränderungen der Märkte zu folgen wie unsere
Herausforderer in den USA und in Japan. Das ist — Herr Warnecke hat das mit Recht gesagt — ein Kulturproblem. Solange wir auf dem tarifpolitischen Feld —
Herr Leibinger wird das nachher sicher viel präziser und besser beantworten können — keine Beweglichkeit haben, nämlich eine Anpassung an die Bedürfnisse
des spezifischen
Unternehmens,
sehe ich wenig
Chancen
für eine Veränderung.
Es ist sicher ein Ansatz, über Fixkosten nachzudenken. Aber der Schwerpunkt der Diskussion müßte sein: Wir brauchen Bewegung, Flexibilität und die Bereitschaft, Dinge zu verändern. Das betrifft viele interne Unternehmensbereiche. Auch die Ta-
rifpartner sind in dieser Hinsicht gefragt. Sv Warnecke: chen u.a. von
Herr Briefs, die von Ihnen genannten Zahlen sind richtig. Sie spra17 % Personalkosten. Dabei muß man aber bedenken, daß im
Durchschnitt 50 % von außen eingekauft werden. Auch das beinhaltet Personalko-
sten. So gesehen Bezogen
ist der Personalkostenanteil
auf die Fixkosten stecken wir in einem
höher.
Dilemma.
Die erwähnte Arbeits-
platzkostensteigerung auf 230 000 DM ist ebenfalls richtig. Das war aber die einzige Chance, unsere Produktivität so hoch zu halten, daß unsere Stückkosten in vielen Bereichen einigermaßen wettbewerbsfähig geblieben sind. Ein weiterer Aspekt: Wenn ein Unternehmen hohe Fixkosten — hohe Automatisierung — hat und voll ausgelastet ist, dann ist es von der Kosten-Preis-Seite her unschlagbar. Das streben die Unternehmen nach wie vor an. Wenn sich aber kein Markt entwickelt und die Unternehmen
unterbelastet sind, haben Sie ein riesiges
Problem. Ein Patentrezept für eine Lösung habe ich allerdings auch nicht. Wir müssen — Herr Weule hat das bereits gesagt — versuchen, mehr zu experimentieren.
125
Christian Lenzer (CDU/CSU): Herr Gellert, auf die Frage, ob die deutsche Indu-
strie in einer arbeitsteiligen
Welt
auf die Eigenproduktion
von
wesentlichen
Be-
standteilen der IuK-Technologien — dazu gibt es einige Beispiele — verzichten kann, haben Sie in Ihrem schriftlichen Statement geantwortet: Im Prinzip ja. Im Zusammenhang, ob die deutsche bzw. die europäische Fertigungs- und Anwenderindustrie eine eigene Produktionsstätte für Speicherchips in Europa brauche, weisen sie darauf hin, daß das wünschenswert sei, um international unabhängig zu sein.
Auf die Frage, ob wir eine eigenständige, weltweit tätige und wettbewerbsfähige Softwareindustrie brauchen, antworten Sie ebenfalls mit ja. Ich sehe darin eine gewisse Ungereimtheit und bitte Sie, näher auszuführen, wie
das gemeint ist. Was
brauchen wir, was brauchen
wir nicht, um
Ihre Bedürfnisse
— Sie sind ein großer Nutzer — zu befriedigen? Das ist es ja wohl, was Sie interessiert? Wie chern?
können
Sie Ihre spezifischen
Bedürfnisse auf einem
offenen
Markt si-
Herr Professor Weule, Sie sagen in bezug auf Ziele und Prioritäten der künftigen deutschen FuE-Förderprogramme für den Bereich der lIuK-Techniken ganz klar: Es müßte so sein, daß die Anwender,
nicht aber die Halbleiterhersteller, die Förder-
strategie in der IuK-Technik bestimmen. Weiterhin gehen Sie davon aus, daß dabei nur solche Unternehmen
als Partner mitwirken sollen, die entsprechend
den For-
schungszielen klare Marktziele verfolgen. Das ist eine sehr deutliche Aussage.
Heißt das, daß sich sogar die Grundlagenforschung in dem einen oder anderen Großforschungsinstitut die Frage gefallen lassen muß, inwieweit sie dazu beiträgt? Dies frage ich vor dem Hintergrund, daß beispielsweise bei Instituten wie der Fraunhofer-Gesellschaft die Aktivitäten ganz zielbewußt auf die Anwendung hin ausgerichtet sind. Würde das — diese Frage haben wir heute morgen den Hardware-Herstellern ge-
stellt; Stichwort: Viererbande — bedeuten, daß in diesem Konzert die Politik eine gewisse Moderatorenfunktion wahrnehmen kann, die Bedürfnisse aber doch klar von den Nutzern zu formulieren sind? Sv Gellert: Wenn wir über die Chiptechnologie reden, so muß man sagen, daß wir
zwar eine europäische Chipfertigung für wünschenswert, aber nicht für zwingend erforderlich halten. Unsere Bedürfnisse werden
mehr und mehr durch spezifische
Strukturen — Stichwort: ASIC — oder durch die Software-Technologie abgedeckt. Sowohl die Übertragungs- als auch die Vermittlungstechnik migriert immer mehr in softwaregetriebene Bauteile bzw. Einheiten. Deshalb ist für uns eine starke Softwareindustrie — sowohl intern, als auch extern — überlebenswichtig. Wir gehen davon aus, daß dann, wenn eine deutsche oder eine europäische Chip-
fertigung nicht möglich ist, wir diese Produkte weltweit zu Preisen und zu Zeiten beziehen können, die für die Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit ausreichend
sind.
126
Auf der Softwareseite sieht das anders aus. Dort haben wir sehr spezifische Anforderungen. Hier müssen wir eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber dem Weltmarkt erlangen.
Sv Weule: In der Konsensrunde Mikroelektronik — das ist ganz klar — hat die Poli-
tik eine Moderatorfunktion. Letztlich wird das Ergebnis von den Interessen der Unternehmen geprägt sein. Ich glaube, daß ist auch gut so. Ich glaube, die Moderatorfunktion der Politik ist wichtig und notwendig, weil auch dort ein Aspekt zum Tragen kommen wird: Wenn die Ressourcen knapp werden — das ist im Moment in den Unternehmen und im Staat sehr deutlich zu spüren
— dann wird man sich fragen, welche gemeinsamen Ziele man hat. Für unser Un-
ternehmen gilt: Wir haben klar erkannt, daß eine Industrieforschung zielorientiert sein muß. Wir sind an den Marktzielen unserer Unternehmen orientiert. Wir stellen so sicher, daß — mit allen Chancen und Risiken — ein Prozeß abläuft, in dem weit
in die Zukunft reichende Forschungsvorhaben in einem Kreis von Leuten aus den Bereichen Marketing, Entwicklung, Produktion etc. diskutiert werden. Wir tragen
so zu einem Konsens zienter arbeiten.
unter allen Beteiligten bei. So können wir effektiver und effi-
Sicher ist ein Staat nicht mit einem Unternehmen zu vergleichen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß wir in diesem Land ca. 15 Milliarden DM für die Forschung ausgeben und unter Berücksichtigung meiner vielfältigen Eindrücke der letzten 20 Jahre, frage ich mich manchmal — das will ich bewußt und etwas provo-
zierend feststellen —, ob sich ein an den Grundlagen
orientierter Kollege nicht
auch manchmal fragen müßte, was denn aus den Dingen wird, die er macht. In die-
ser Hinsicht sah ich gelegentlich nur das Primat der wissenschaftlichen Brillanz. Dies gilt ausdrücklich nicht für die Hochschulen und Universitäten, dies muß aber nach meiner Ansicht für große, staatlich finanzierte Forschungseinrichtungen gelten. In diesem Zusammenhang erwähne ich z.B. das Max-Planck-Institut.
Ich meine, daß es wenig Sinn macht, daß ein Kollege des Max-Planck-Instituts reklamiert, daß die Industrie seine Dinge nicht aufnimmt, weil zwischen seinen Aktivi-
täten und den Bedürfnissen der Industrie zu große Lücken bestehen. Da erfordert der Konsensmechanismus einer modernen Industrienation, daß bestimmte Leitlinien erarbeitet werden. Diese Leitlinien werden keine Vergewaltigung der Grundlagenforschung darstellen, sie werder aber einen Diskussionsprozeß herbeiführen. Wichtig ist der Dialog zwischen den Industrieunternehmen, die in 10 bis 15 Jahren
ebenfalls noch Geld verdienen und Arbeitsplätze haben müssen — davon leben wir alle — und dem Grundlagenforscher mit seinen Ideen. Solche Prozesse, die die In-
teressen aller Beteiligten berücksichtigen, werden in der Zukunft erforderlich werden. (Unterbrechung von 15.45 Uhr bis 15.50 Uhr)
Vorsitzender Wolf-Michael Catenhusen: Herr Pandolfi, im Namen der Ausschußmitglieder begrüße ich Sie herlich in unserer Mitte. Sie sind einer der für die 127
von uns diskutierten Fragen verantwortlichen Kommissare der EG-Kommission. Bei allen Betrachtungen in bezug auf die Technologie- und Forschungspolitik wird es in Zukunft noch wichtiger sein, genau darauf zu achten, welche Rolle und welche Aufgaben
nehmen
haben.
die Nationalstaaten
bzw.
die Europäische
Gemeinschaft
zu über-
Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU): Herr Kreklau, man hat manchmal den Einruck, daß in der Diskussion zur informationstechnischen Industrie von den Verbänden häufig geäußert wird: Forschungspolitische Ansätze brauchen wir gar nicht. Es müssen die Rahmenbedingungen korrigiert werden. Die Rahmenbedingungen sind die Hauptursache dafür, daß wir in Wettbewerbsnachteile hineinschliddern. Könnten Sie das konkretisieren? Herr Leibinger, stimmt es, daß sich deutsche oder europäische Unternehmen sehr
schwer tun, im asiatischen
Bereich Firmen zu gründen
schen
luK-Industrie begegnen
und Kooperationen
einzu-
gehen? Über den Weg der Kooperationen könnte der Versuch gestartet werden, Abhängigkeiten zu vermeiden. Können Sie etwas zu strategischen Allianzen — innerhalb Europas oder auch transatlantisch —, um der Herausforderung der japaniund der asiatischen
Sv Kreklau:
Herr Maaß,
Sie haben angemerkt,
zu können,
sagen?
daß Sie den Eindruck haben, daß
manchmal gesagt werde, die Rahmenbedingungen seien wichtiger als die Forschungspolitik, um IuK zu unterstützen. Dazu kann ich folgendes sagen: Erstens. Die beste Forschungspolitik nützt nichts, wenn die Rahmenbedingungen schlecht sind. Man kann keine noch so tiefgreifende, noch so intelligente und noch so umfassende Forschungspolitik betreiben, wenn die Möglichkeiten für die Unter-
nehmen, das, was als Ergebnis von Forschungsprojekten erarbeitet wird und in die Tat umgesetzt werden soll, schlecht sind. Hierbei kommt es im wesentlichen auf die Rahmenbedingungen an.
Zweitens. Wenn man bei den Rahmenbedingungen ansetzen möchte, hat die Politik für die Verbesserung der wirtschaftlichen Grundvoraussetzungen in der Bundesrepublik noch ein weites Feld vor sich. Vorhin ist von Frau Bulmahn gefragt worden: Was können wir als Politiker tun, um
diesbezüglich einiges zu befördern? Manchmal wäre es besser, die Politiker näh-
men für sich die Einsicht in Anspruch, auf besondere Aktivitäten zu verzichten. Es gibt viele Dinge, die die Wirtschaft am besten dann umsetzen kann, wenn sich die Politik zurückhält. Konkreter gesagt: Die Politik hat nach unserer Auffassung im Bereich der Rahmen-
bedingungen ihre Hausaufgaben vor allem dort zu erfüllen, wo es um die Deregulierung geht. In dieser Beziehung geht es um Innovationsimpulse. Die Politik hat aber sicher noch ein großes Paket vor sich, wenn es darum geht, sich zu überlegen, wie man die Kapitalbildungskraft der Unternehmen verbessern kann. Die Kapitalbildungskraft ist besonders wichtig, um in hochtechnologische Spitzenleistungen zu investieren. 128
Drittens. Die Forschungspolitik ist — gerade auch für den Bereich IuK — wichtig. Vielleicht haben wir noch die Chance, hierzu im einzelnen Anmerkungen zu ma-
chen. Lassen Sie mich aber sagen: Mir scheint die Verzahnung von Grundlagenforschung und angewandter Forschung in der Bundesrepublik überprüfungsbedürftig. Ich glaube, wir müssen überlegen, wie wir die nationalen Maßnahmen mit den EG-Maßnahmen besser verknüpfen. Wir haben vorhin in den ersten Fragerunden viel darüber gehört, wie wir das Verhältnis von Hersteller und Anwender verbessern können. Das ist ein weiterer ganz wichtiger Punkt. Es ist der Hinweis auf indirekt-spezifische Förderprogramme
gegeben
worden.
Auch das ist ein wichtiger Punkt, um vor allem bei den Anwenderinteressen anzu-
setzen. Die innovative öffentliche Beschaffung ist aufgerufen worden. Erneut ist das, was man unter dem Stichwort steuerliche Forschungsförderung versteht, auf den Prüfstand zu stellen. Wir gehören zu den ganz wenigen Ländern, die es sich leisten, keine steuerlichen Forschungsförderungsmaßnahmen zu haben. Zu dem Förderkonzept luK, zu dem Entwurf, der für die Jahre 1993 bis 1996 vorge-
legt worden ist, läßt sich noch manches sagen. An diesem Entwurf läßt sich besonders gut exemplifizieren, wie man im Bereich der Industrieforschung eine anwendungsnahe Grundlagenforschung im Unternehmen durchführen kann. Es läßt sich
auch besonders gut zeigen, daß eine nationale Vorlaufforschung mit Hinweis auf die EG-Förderung
nicht ausreicht.
Wir müssen
im nationalen
Bereich stark sein,
um international kooperieren zu können. Ich bin nicht ganz sicher, ob das, was uns
mit dem Förderkonzept gerecht wird.
luK bislang hierzu vorgelegt worden
ist, dieser Forderung
Sv Leibinger: Herr Maaß, ich bin dankbar, daß Sie mich auf mein Lieblingsthema
angesprochen haben. Sie fragten: Sind die deutschen Unternehmen im asiatischen Raum unterrepräsentiert? Die Antwort lautet: Ja, sie sind es. Japan dominiert in diesen Märkten, die die stetigsten Wachstumsmärkte auf dieser Welt sind.
Das hat verschiedene Ursachen. Zunächst spielt die Entfernung eine Rolle. Eben-
falls spielt die Tatsache eine Rolle, daß sich Europa in den letzten 10 Jahren außer-
ordentlich gut entwickelt hat. Für deutsche Unternehmen nächst die Märkte vor der Haustür zu bedienen. Eine weitere
den. Die schichte Japaner neswegs Markt.
Ursache
war es angezeigt, zu-
ist, daß sich die Japaner in Südostasien
besser zurechtfin-
konfuzianische Ethik ist eine Klammer, ähnlich wie die europäische Geeine Klammer für unser Tun im europäischen Raum ist. Auch wenn die aus historischen Gründen in Singapur oder Indonesien oder in Taiwan keibeliebter sind als die Deutschen in Europa, so gilt: Sie dominieren diesen
All das hat etwas mit der mittelständischen Struktur unserer exportierenden Industrie, für die ich spreche, zu tun. Ich spreche für den Maschinenbau. Der Maschinenbau hat in Deutschland einen Umsatz von etwa 225 Milliarden DM. Das Ex-
portvolumen liegt bei etwa 125 Milliarden DM. Daran nehmen rund 3 000 Unternehmen
teil. Diese
Unternehmen
sind nicht in der Lage,
in Ostasien
immer
mit aus-
129
reichender Kraft potent zu sein. Das gilt zumindest solange, wie ihnen nichts Neues einfällt. Darüber wird nachgedacht, und in dieser Richtung wird auch gehandelt. Gehandelt wird mit Hilfe von Allianzen, und damit bin ich beim zweiten Teil. Sie haben speziell nach Allianzen zwischen deutschen und japanischen Firmen oder zwi-
schen deutschen und amerikanischen Firmen gefragt. Wenn ich mich auf Japan konzentrieren darf und mich auf mein eigenes Unternehmen beziehe, so kann ich
sagen, daß wir seit 30 Jahren auf dem japanischen
Markt aktiv sind. Wir machen
Werkzeugmaschinen und haben etwa 700 Millionen DM Umsatz. Das ist die jetzige
Zahl; vor 30 Jahren war es viel, viel weniger. In den ersten zehn Jahren, als ich nach Japan kam, also etwa von 1962 bis 1972, wollte man von uns Lizenzen. Wir
hatten im Maschinenbau Produkte, die den japanischen deutlich voraus waren. In den nächsten zehn Jahren — ich teile das etwas grob ein — hatten wir japanische Konkurrenten,
die schon
beachtlich waren,
aber wir waren
technisch
klar voraus
und konnten unsere auch schon damals höheren Preise mit mehr Technik begründen. In den letzten zehn Jahren haben wir zunehmend Schwierigkeiten. Das läßt
sich auch an den Volumina unserer Exporte nach Japan ablesen. Wir haben heute von Deutschland aus nur noch mit absoluten Spezialitäten und dann immer nur für
kurze Zeit eine Chance, am japanischen Markt teilzunehmen.
Wir müssen also, wenn wir die Breite unseres Angebots in Japan umsetzen wollen,
zu Allianzen kommen,
und zwar mit Japanern.
Das ist für den Mittelstand schwie-
rig. Wir finden nämlich vielfach keine Abbildung unserer Struktur im Verhältnis 1: 1. Trotzdem ist das der Weg, den wir gehen müssen. Hier können Sie auch, in-
dem
sie Kontakte fördern,
Hilfestellung
leisten.
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Ich habe zwei Fragen; die eine richtet sich an Herrn
Dr. Leibinger, die andere
an Kommissar
Pandolffi.
Zur Frage an Herrn Dr. Leibinger: Der deutsche mittelständische Maschinenbau befindet sich ohne Zweifel in einer der härtesten Bewährungsproben seit dem Zweiten Weltkrieg. Mit seiner Fertigungstechnologie ist er nun ein Rückgrat der deutschen Produktion, nicht nur für den Bereich der Investitionsgüter, sondern auch und erst recht für die Konsumgüterproduktion. Eines der Probleme liegt sicher in der Betriebsgröße, die wir hier jetzt nicht ausgiebig behandeln können, die aber angesichts der Höhe der FuE-Aufwendungen, die notwendig sind, wenn man weltweit konkurrieren will, aber auch angesichts der Marketing-Kosten relativ gering ist. Nun frage ich Sie — ich weiß, daß das eine sehr allgemeine Frage ist, aber Sie sind ja einer der klassischen Anwender der IuK-Technologie —: Welche Strategie, nicht nur bezogen auf den luK-Bereich, würden Sie fahren, und was erfordert das aus Ihrer Sicht an Unterstützung der Politik, und zwar der Forschungs- wie der Wirtschaftspolitik?
Nun komme ich zu meiner Frage an Herrn Pandolfi. Wir haben hier am Vormittag gemeinsam — wenn ich das so sagen darf — die Situation der deutschen, aber auch der europäischen
130
Halbleiter- und Speicherproduzenten
beklagt, und uns fiel
in der Zusammenfassung eigentlich nur Dantes Spruch ein: Lasciate ogni speran-
za voi che entrate. Viel jedenfalls an Hoffnung für die europäische
Produktion
ist
nicht herausgekommen. Wie beurteilt denn die EG-Kommission die nun entstandene Situation im Bereich der europäischen Fabrikanten? Oder müssen wir uns, wie am Vormittag formuliert worden ist, damit begnügen, Absatzmarkt zu sein bzw. mit den großen japanischen und amerikanischen Herstellen zu kooperieren, um noch ein Stückchen abzubekommen? Schließlich zum zweiten Teil meiner Frage an Sie, Herr Pandoffi: Es hat eine Reihe
von lebhaften Klagen über Diskriminierungen europäischer Hersteller bzw. deutscher IuK-Hersteller auf dem Gebiet der Telekommunikation gegeben, und zwar dergestalt, daß die nationalen Telekoms und andere, zum Teil die nationalen Netzbetreiber, die FuE-Aufwendungen
zu einem unterschiedlich hohen Anteil erstatten
oder erstatten können. Oder es bekommen Firmen, die aus dem asiatischen oder dem US-Raum kommen, aus den EG-Regionalmitteln erhebliche Ansiedlungssubventionen. Die Frage ist: Wie koordiniert die Kommission das eigentlich, und haben die Generaldirektionen Wettbewerb, Forschung und Regionales keine Diskussionen miteinander mehr, oder interessiert all das, was in diesem Bereich passiert,
Sir Leon Brittan nicht mehr?
Sv Dr. Leibinger:
Ich darf auf die zwei angesprochenen
Fragenkreise eingehen;
zunächst in aller Kürze zwei Anmerkungen zur Betriebsgröße. Ich beziehe mich jetzt einmal auf die Werkzeugmaschinenbauindustrie, die innerhalb des Maschi-
nenbaus zur Zeit besonders im Fokus des Interesses steht, einfach weil es dort be-
sonders schlecht läuft. Die japanische Industrie, der es übrigens ähnlich schlecht geht, hat keine im Prinzip andere Struktur. Es ist ein Irrtum, wenn
hierzulande an-
genommen wird, daß die japanische Industrie aus großen Firmen bestünde und unsere aus vielen kleinen. Frau Skarpelis-Sperk, es ist nicht ganz die gleiche Verteilung, es sind in Japan etwas mehr kleine, sehr kleine, und einige etwas größere oder deutlich größere Firmen, aber auch in Japan ist die Werkzeugmaschinenindustrie mittelständisch strukturiert. Das nur als Anmerkung. Meine zweite Aussage ist eine mehr qualitative: Ich glaube, die optimale Unternehmensführung ist im internationalen Vergleich wichtiger, ist entscheidender als die
optimale
Unternehmensgröße;
zumindest
ist das meine
Beobachtung.
Zur Frage der staatlichen Förderung oder der staatlichen Aktivitäten im Bereich des Maschinenbaus, hier wieder in besonderer Beziehung zur luK-Industrie: Zunächst ist völlig klar, daß wir, die deutschen
Maschinenbauer,
durch die Informa-
tionstechnik vollkommen durchdrungen sind. Unsere Produkte sind heute vollkommen abhängig von der Ausrüstung mit Mikroelektronik auf dem Niveau des Weltstandards. Wenn wir dieses Niveau nicht haben, sind wir heute international nicht mehr wettbewerbsfähig. Daraus ist abzuleiten, daß es eine Aufgabe für die Politik ist, daß der Marktzugang
zur Mikroelektronik auf Weltniveau für uns unter allen Umständen offen bleibt. So wünschenswert es wäre, daß wir uns in jedem Fall aus Deutschland oder wenig-
131
stens aus Europa versorgen könnten, so notwendig ist es, daß wir uns immer mit dem Besten versorgen Aufgabe.
können, was es weltweit gibt. Das ist auch eine politische
Außerdem muß die Anwendung gefördert werden. Danach wurde vorhin auch in anderem Zusammenhang gefragt. Auch da kann die Politik helfen, den Markt zu konditionieren. Die Förderprogramme, soweit es solche gibt, sollen die Durchdringung des Marktes mit Technologie, mit neuer Technik, fördern. Ein wichtiger Aspekt — auch danach haben sie gefragt — ist, ob wir denn die Software-Entwicklung unterschätzt haben, auch in den Förderprogrammen. Natürlich haben wir sie unterschätzt; wir alle — in der Industrie wie in der Politik — haben sie unterschätzt. Es gibt ja Kritiker der Deutschen, die sagen, es sei auch ganz natürlich, daß wir das getan hätten, weil wir methodisch und exakt und langsam im Denken seien, aber nicht unbedingt beweglich, und man könne Software nun einmal mit der südkalifornischen Mentalität besser entwickeln als etwa mit der schwäbischen oder der an Rhein und Ruhr. Das ist eine Meinung, die Bruce Nussbaum in dem Buch ‚‚The World after Oil'' vertritt, wo er vom Niedergang Deutschlands schreibt. Ich bin nicht ganz dieser Meinung, aber wir stehen hier in der Tat vor der Notwendigkeit
einer
Intensivierung.
Wir
brauchen
z.B.
Werkzeuge,
„tools‘‘,
um
Software schneller und sicherer erstellen zu können. Wir alle leiden bei der Einrichtung, bei der Implementierung von Software in unsere Maschinensysteme unter zu langen Zeiten der Inbetriebnahme, unter der Notwendigkeit zahlloser Korrekturen. Das mag
in der Automobilindustrie
völlig anders sein, aber wahrscheinlich
ist es
auch dort nicht ganz anders. Wir leiden unter der Notwendigkeit, Maschinensysteme ausliefern zu müssen,
deren wir uns nicht ganz sicher sind, weil wir die Soft-
ware nicht in allen Gangarten probiert haben. Die Förderung der Entwicklung sicherer Software wäre daher ein ganz wichtiger Teil. Ein abschließendes
zwischen schon
Wirtschaft,
geführt,
Wort zu dem,
könnte
Wissenschaft aber
was der Staat tun kann:
und
verbessert
Politik moderieren.
und
Er kann einen
Dieser
intensiviert werden.
Dialog
Zwischen
Dialog
wird
Wirt-
schaft und Wissenschaft findet dieser Dialog sehr intensiv statt, und er findet auch partiell —
aber vornehmlich
mit Großunternehmen
—
zwischen
Politik und Wirt-
schaft statt, aber alle drei finde ich selten an einem Tisch, und hier sehe ich Möglichkeiten, zu einem gemeinsamen Denken zu kommen; denn wir sind ja in ein gan-
zes Systern eingebunden: Wir brauchen Akzeptanz, wir brauchen auch den Markt, und dazu, hier Gedanken zu entwickeln und Dinge zu verbessern, gäbe es wahr-
lich Gelegenheit.
Sv Pandolfi”): Meine erste Aussage ist ganz klar: Es wäre ein sehr großer Fehler,
den Sektor ‚„‚Mikroelektronik‘' in Europa aufzugeben. Es ist sehr wichtig, ein Knowhow in diesem Bereich beizubehalten; denn wenn es in Europa eine industrielle
*
Niederschrift auf der Grundlage der deutschen Simultanübersetzung.
132
Kultur gibt, ist es für die europäische Industrie unmöglich, einfach nur eine Elektronikindustrie zu haben; vielmehr muß man auch viele Produktionsstätten haben, um in der Welt wettbewerbsfähig zu sein. Zweitens ist es meiner Meinung nach unmöglich, den Weg in diesem Bereich allein zu gehen. Die Größe des Ziels ist ganz gewaltig, und ich glaube, daß es notwendig ist, an eine Zusammenarbeit in der Welt zu denken. Ich möchte ein „Toshiba-Siemens-IBM-Denken‘ oder parallele weltweite Aktivitäten in anderen Be-
reichen. Mit anderen Worten, der beste Weg, die europäische Präsenz auf die-
ser Sektor zu bewahren, ist es, nicht eine beschränkte Sicht des Marktes und der entsprechenden Produktion zu haben; im Gegenteil, man muß die Dimension der Aufgabe betrachten und auch die Risiken beachten.
Dritter Punkt: Es ist wichtig, eine weitere vorwettbewerbliche Zusammenarbeit zwischen den Industrien in diesem Bereich herzustellen. Ein Unterschied zwischen den europäischen und der japanischen Industrie ist der folgende: In Japan ist es für die verschiedenen Wettbewerber natürlicher und viel leichter, zusammen den ersten Teil der FuE-Aktivitäten fertigzustellen. Man glaubt dort nicht, daß man überall Wettbewerber sein muß; es gibt auch Bereiche, in denen
man meint zusammenarbeiten zu sollen. Das ist also ein anderer Ansatz im vorwettbewerblichen Bereich. Für die Japaner ist es logisch, daß das vor dem Wettbewerb stattfindet; für uns ist es eine gewisse Ideologie, den vorwettbewerblichen Bereich anders zu sehen. Das ist vor allem in ganz bedeutenden Bereichen
wie z.B. dem der Mikroelektronik wesentlich.
Lassen Sie mich ein weiteres Element hinzufügen. Es ist außerordentlich wichtig, in Europa eine Zusammenarbeit zwischen den Herstellern von Mikroelektronik, z.B. von Mikroprozessoren, und den Anwendern zu organisieren. Ich begrüße den Vorschlag, den Daimler-Benz an die Kommission gerichtet hat, prioritäre Projekte in der Industrie auszuwählen.
Dabei
sollte eine Zusammenarbeit
zwi-
schen den Herstellern und den Anwendern im Bereich des Automobilbaus hergestellt werden. Ein Mikroprozessor, der in der Automobilindustrie verwendet
wird, ist keine Ware, die auf dem Markt gekauft wird. Es ist sehr wichtig, den Entwurf dieses Mikroprozessors zusammen zu erarbeiten und dann ein Verbin-
dungsglied zur Sensorik und zu den anderen Elementen zu haben. Wir brau-
chen also einen gemeinsamen Ansatz, um eine europäische Position und auch die deutsche Position zu bewahren; gerade im Bereich der Mikroelektronik darf
man Deutschland ja nicht vernachlässigen.
Die Initiative der Kommission basiert auf einer gewissen Reorientierung der Poli-
tik. Wir müssen
nämlich eine Zerstückelung unserer Ressourcen vermeiden.
Es
gibt zu viele Themen, zu viele Projekte. Wir müssen uns mit unseren Ressourcen konzentrieren, wir müssen
klare Prioritäten setzen, vor allem für Schlüssel-
technologien, von denen die Wettbewerbsfähigkeit Europas abhängt. Wir haben das sogenannte PTP-Projekt, das Projekt für prioritäre Technologien, dort setzen wir von unten an, und wir glauben, daß das ein sehr guter Ansatz für die Zukunft ist.
133
Um zum zweiten Teil Ihrer Frage zu kommen: Es ist die Politik der europäischen Kommission, den fairen Wettbewerb in der Welt zu fördern und Diskriminierungen
zu vermeiden, Diskriminierungen der europäischen Produktion auf Grund von poli-
tischen Initiativen oder Praktiken in anderen Teilen der Welt. Wir unternehmen Ak-
tivitäten gegen unfaire Marktpraktiken. Im Bereich der Halbleiter gibt es beispielsweise den Fall der südasiatischen Firmen. Ich möchte sie daran erinnern, daß die europäische Kommission darauf reagiert hat und Zölle gegen Dumpingpreise erho-
ben hat. Das ist auch insgesamt die Rolle der Kommission.
Ferner ist es äußerst wichtig, ein gewisses Gleichgewicht in der Welt aufrechtzuerhalten, z.B. durch Vereinbarungen im GATT. Dieses Gleichgewicht wollen wir z.B. im Hinblick auf die Vereinigten Staaten halten. Was die USA angeht, so möchte
ich hinzufügen, daß es in Industriepolitik. Trotz der striepolitik der Regierung in seinen Reden zur Lage
Amerika jetzt eine neue Politik gibt, eine wirklich neue Tatsache, daß die Amerikaner die Existenz einer Induleugnen, obwohl der Präsident der Vereinigten Staaten der Nation immer sagt ‚Wir haben keine Industriepoli-
tik“, gibt es dort eine sehr starke Industriepolitik. Ich möchte nur an die HPCC-Pro-
gramme erinnern. Der Titel hat sich jetzt geändert; der Kongreß hat den Titel dahin-
gehend abgeändert, daß noch weitere Worte hinzukommen.
Das ist ja im Parla-
ment so üblich; ich weiß ja Bescheid und bin mir darüber im klaren, daß ein Parla-
ment immer irgend etwas abändern muß.
Für die Zusammenarbeit und zur Weiterentwicklung der Industrie werden 2,9 Milliarden ECU für fünf Jahre zur Verfügung gestellt. Wir müssen ein Gleichgewicht
beibehalten, und wir müssen unsere Wettbewerbspolitik mit einer stärkeren Förde-
rung von Forschung und Entwicklung kombinieren. Das ist der Inhalt des vierten Rahmenprogramms,
das wir jetzt ausarbeiten.
Wir müssen
also bestimmte
Res-
sourcen zur Verfügung stellen. Allerdings birgt das Prinzip der Subsidiarität die Ge-
fahr in sich, daß gerade dort Reduzierungen erfolgen. Es gibt Haushaltseinschränkungen; aber wir hoffen, daß wir ein gewisses Minimum an Ressourcen, das wir benötigen, beibehalten können. — Vielen Dank.
Elmar Müller (Kirchheim) (CDU/CSU): Herr Pandolfi, unsere Industrie beklagt sich
auf zwei Ebenen über Wettbewerbsnachteile. Da ist einmal die Ebene der Europäi-
schen Gemeinschaft, wo sich ja ein Auseinanderklaffen der Forschungserstattungen nicht leugnen läßt. Zum anderen begegnet uns auf den Weltmärkten das gleiche. Ich konzentriere mich jetzt einmal auf die Telekommunikation. Hier ist erkennbar, daß wir den Herausforderungen sowohl durch die Amerikaner als auch durch die
Asiaten mit europäischen Normen und Standards begegnen. Eines der Beispiele, die in den letzten Monaten in die Schlagzeilen geraten sind, ist der Bereich des hochauflösenden Fernsehens, ist die D2Mac-Norm.
Kann das unsere Zukunft sein,
daß wir mit solchen Standards oder Zwischenlösungen unserer Industrie sozusagen Vorteile auf dem heimischen Markt bieten? Und umgekehrt die Frage an den Vertreter des BDI: Erwartet die deutsche Industrie, daß wir der japanisch-asiati134
schen und der amerikanischen Herausforderung mit solchen europäischen Standards begegnen?
Die zweite Frage, die ich habe, betrifft die Zulassung etwa von Endgeräten. Ab
dem
nächsten Jahr besteht die Chance, daß ein außereuropäischer Hersteller sei-
ne Zulassung — egal, in welchem Land — betreibt, und diese Zulassung muß dann
automatisch
von
einem
anderen
europäischen
Land
übernommen
werden,
was
auch sinnvoll ist. Aber garantiert uns die Europäische Gemeinschaft, daß die Anforderungen an die Zulassung solcher Produkte auch in gleichem Maße gestellt werden, d.h. daß
überall bei den Voraussetzungen
Strenge angewandt wird?
und bei den
Normen
die gleiche
SV Pandolfi: Das erste Problem ist, was die Politik der EG ist, um der europäischen Industrie im Bereich der Normen für Telekommunikation einen Wettbe-
werbsvorteil zu geben bzw. um Nachteile zu vermeiden. Das ist wohl Ihre erste Frage gewesen. Insbesondere haben Sie danach gefragt, was unsere Politik im Bereich von HDTV
ist. Sie haben recht: Am wichtigsten ist die Frage, wie die EG die Industrie durch Standardisierung und ordnungspolitische Maßnahmen,
Marktes
mit dann
gemeinsamen
Regeln
unterstützen
durch die Vereinigung des
könnte.
Das ist nicht nur
wichtig, um die Vorteile des Marktes zu maximieren; es ist auch für die internatio-
nale Wettbewerbsfähigkeit wichtig. Sie wissen, wie unsere Politik im HDTV-Be-
reich aussieht.
Wir haben
einen
europäischen
Standard,
es gibt einen
anderen,
den japanischen Standard, und es gibt einen zukünftigen amerikanischen Standard. Die FCC, die Ordnungsbehörde in Amerika, wird über diesen vollständig digitalen Standard, der in ganz Amerika angewendet werden soll, entscheiden. Unsere Position ist klar: Wir müssen alle möglichen Vorteile aus unserem Standard ziehen. Wir sind jetzt in einer Übergangsphase, nämlich bei D2Mac. Den Unter-
schied zwischen PAL und Secam möchte ich jetzt gar nicht erwähnen. Wir sind also in einer Übergangsphase,
und ich muß Ihnen sagen, daß wir ernsthaft über die
Risiken besorgt sind, die sich ergeben können. Ich meine das Risiko, daß die euro-
päische Industrie verschwindet. Wir brauchen viel Zusammenarbeit, denn wir müs-
sen die Satellitenbetreiber, die Hersteller und die Programmgestalter an einen Tisch bringen. Trotz der gewaltigen Schwierigkeiten hoffen wir auf ein gewisses Gleichgewicht,
und ich glaube, daß die europäische Politik dadurch unterstützend
wirken konnte, daß ein gemeinsamer Standard für die europäische Industrie entwickelt wurde. Nun zu dem zweiten Punkt. Sie erwähnten den Bereich der Zusammenführung des Marktes mit gemeinsamen Normen z.B. für Endgeräte. Es stimmt, daß ist eine unserer Richtlinien; ähnliche Richtlinien für ausländische Hersteller können aber nicht erlassen werden. Es gibt allerdings eine gute Zusammenarbeit der Kommission, um dieses Problem zu lösen, nämlich um dieselben Voraussetzungen, diesel-
ben Regeln und dieselben Normen und Standards für die interne Produktion und
für die Produkton, die von außen kommt, zu haben. Ich glaube also, daß es möglich
135
ist, alle Instrumente, die im rechtlichen Bereich zur Verfügung stehen, anzuwenden, um zu vermeiden, daß die interne Regulierung für die interne Produktion in
Europa Nachteile bringt. Das ist meine Erfahrung, und ich denke, daß wir, wenn
wir diese Phänomene im Auge behalten, eine Position beibehalten können, wir einen Wettbewerbsvorteil haben.
in der
Im Bereich der Telekommunikation ist die Position Europas sehr bedeutsam. Ich möchte nur Siemens und Alcatel in Frankreich erwähnen. Das sind zwei sehr star-
ke Firmen mit einer guten Position nicht nur hier in Europa, sondern auch in der übrigen Welt. Unsere Pflicht ist es, gute Ranmenbedingungen für diese Firmen beizubehalten. — Vielen Dank. Elmar Müller (Kirchheim) (CDU/CSU): Herr Pandolfi, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auch noch die Frage nach der europäischen Harmonisierung bei der
Endgerätezulassung beantworten könnten. Es geht darum, ob gleiche Standards
in allen Ländern Europas gefordert werden. Als Anbieter außerhalb Europas würde
ich mir ja die Zulassungsstelle aussuchen, bei der ich das Gefühl habe, daß die Zulassung am einfachsten funktioniert. SV Pandolfi: Ich muß das wiederholen, was ich vorher grundsätzlich gesagt habe: Die Richtlinie der EG ist einfach. Wir müssen gemeinsame ordnungspolitische Re-
geln für die europäischen Produzenten haben, z.B. für den Endgerätemarkt im Be-
reich der Telekommunikation. Aber dieselben Regeln müssen auch auf die anderen Produzenten angewendet werden. Ich möchte erwähnen, daß ab 1. Januar 1993 die Marktregeln auch für die EFTA-Länder zutreffen. Es ist also ein großer Teil Europas davon betroffen, ein größerer als die EG, und das ist ein Hauptfaktor der Wettbewerbsfähigkeit Europas. Wir vertrauen darauf, daß es möglich sein wird, diese Regeln langsam auf die neuen Märkte in anderen Teilen Europas auszudeh-
nen, also auf die neuen Industrien in Mitteleuropa. Das ist die Strategie der EG.
Siegmar Mosdorf (SPD): Ich möchte zwei Fragen stellen, eine an Herrn Leibinger, eine an Herrn Pandolfi.
Herr Leibinger, können Sie das, was eben schon eine Rolle spielte, nämlich was
die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten der Unternehmen angeht, noch einmal
in bezug auf den Maschinenbau zu konkretisieren versuchen? Das ist doch in Deutschland offensichtlich ein großes Problem, weil es immer kapitalintensiver, immer teurer wird und weil man es sich in den mittelständischen Strukturen nicht mehr leisten kann, so tief einzusteigen, daB man auch mithalten kann. Welche Formen einer vorwettbewerblichen Kooperation können Sie sich vorstellen? Welches Instrumentarium halten Sie für sinnvoll? Wie sehen Sie das Projekt der Verbundfor-
schung? Ist es sinnvoll, auf dem Sektor des Maschinenbaus möglicherweise auch im vorwettbewerblichen Bereich gemeinsam zu forschen, ohne daß man gleich fusionieren muß, was ja bei den mittelständischen Strukturen sowieso eher schwierig ist?
Nun weiß ich, daß Sie sich seit vielen Jahren engagiert für die Auslandsmarktpräsenz einsetzen. Weil Deutschland in der Rolle des klassischen Exportlandes ope-
136
riert — das heißt, wir produzieren hier etwas und schicken es in alle Welt, sind dort aber ansonsten nicht präsent —, möchte ich gern wissen, ob Sie es für notwendig
halten, daß sich der Bund bei der Verbesserung der Auslandsmarktpräsenz des deutschen Maschinenbaus engagiert. Dieselbe Frage müßte man in bezug auf die Länder stellen; das Land, aus dem Sie kommen, der ein Konzept zu entwickeln.
ist ja gerade dabei, für solche Fel-
Die zweite Frage richte ich an Herrn Pandolfi. Vorweg darf ich, nachdem die „Grande Nation‘‘ gestern zu Maastricht ein „Oui‘' gesagt hat, folgendes festhalten. Herr Pandolfi, Sie sind ja seit vielen Jahren in der Industriepolitik sehr engagiert und gehören für mich zu den wenigen wirklich aufregenden Christdemokraten in Europa. (Heiterkeit) Ich glaube, daß Sie seit vielen Jahren den Finger an der richtigen Stelle haben und immer wieder sagen, daß industriepolitisch etwas passieren muß. Andere Sachver-
ständige haben hier heute morgen diesen Gedanken ein bißchen weitergesponnen
und haben gesagt: Wir müssen eigentlich auf europäischer Ebene so etwas wie ei-
nen strategischen Dialog haben, in welcher Form auch immer, ob nun in Form einer Institution oder auf andere Art und Weise. Ich habe heute morgen von einem European Council for Technology Competitiveness und davon gesprochen, daß man so etwas für stratetische Entscheidungen braucht. Ich möchte gern wissen, wie Sie diese Form der Kooperation, diesen gemeinsamen stratetischen Dialog in Europa bewerten und wie Sie den Stellenwert eines solchen Dialogs einschätzen. — Im übrigen wäre ich froh, wenn auch die deutschen Gewerkschaften zu diesem
Problem Stellung nehmen
könnten.
Sv Dr. Leibinger: Zur Frage von Herrn Mosdorf: Was kann man tun, um die Forschung in den mittelständischen Betrieben des Maschinenbaus, nach denen ge-
fragt wurde, zu verbessern und zu intensivieren? Zunächst glaube ich, daß eine un-
serer Stärken in Deutschland — es gibt ja nicht nur Nachteile, sondern auch Stärken — die gute Forschungslandschaft ist, die wir auf unserem Sektor haben, auch
die sehr enge, zum Teil jahrzehntelang bestehende Verbindung zwischen Hochschulen und Unternehmen, auch mittelständischen Unternehmen. Die Bündelung von Forschungsvorhaben im Bereich der Gemeinschaftsforschung ist eine absolut positive Tat, und die entsprechende Situation ist eindeutig positiv zu beurteilen. Natürlich geht es dabei immer wieder darum, die Inhalte neu zu definieren, besser
zu definieren. Es geht auch darum — das ist die Aufgabe der Verbände —, in die Industrie hineinzuwirken und Verbindungen herzustellen. Das ist ein Prozeß, der im Gange ist. Die Verbindung zwischen dem Maschinenbau und dem BMFT ist sehr eng und intensiv, und da gibt es zwar sicher immer wieder Wünsche, aber auch immer wieder Erfolge. Wir haben hier kein Grundsatzproblem. Wo müßte man nun ansetzen? Wir müßten mehr Geld für Forschung
und Entwick-
lung in den Unternehmen lassen. Damit sind wir bei der Standortdiskussion und bei der Frage der Steuerreform. Eine Präferenz von Investitionen im FuE-Bereich
137
über das hinaus, was besteht, sollte in jeder möglichen Form geprüft werden; sie
wäre
nützlich.
Zweiter Punkt: Wir hatten ein sehr gutes Programm für Personalkostenzuschüsse im FuE-Bereich. Es war ein äußerst effizientes Programm. Außerdem war es sehr einfach. Wahrscheinlich ist es abgeschafft worden, weil es so einfach war; ich weiß
es nicht. Es wäre eine nationale Tat, dieses Programm wiederzubeleben.
Nun möchte ich noch etwas zur Auslandsmarktpräsenz sagen; danach hatten Sie ja auch gefragt. Es ist richtig, daß der deutsche Maschinenbau eine internationale Branche in erster Linie dort ist, wo es darum geht, Waren zu exportieren. Wir sind
nicht international im Einkauf, und wir sind nicht international in der Produktion. Natürlich ist das eine starke Vereinfachung, denn es gibt durchaus Firmen, die dieses Problem zumindest attackiert haben. Es ist aber eine Sache, die wir firmenbezogen angehen müssen, und wenn dabei Hilfestellungen durch den Staat geleistet
werden,
ist das sinnvoll.
Wir haben ein Schlagwort definiert — damit komme ich noch einmal auf Südostasien —: Der Staat muß die Marktplätze schaffen, auf denen wir uns bewegen können. Das geplante Industrie- und Handelszentrum in Singapur, das nun mit badenwürttembergischer Assistenz hoffentlich entsteht, wäre ein solcher Marktplatz. Ein solches Zentrum, das in Yokohama, in Seoul, in Taipeh und schließlich
ist ja bereits entstanden. Wir brauchen weitere in Jakarta.
Was die Produktionsunterstützung und die internationale Einkaufspolitik angeht, so sind natürlich zunächst die Firmen und auch ihre Verbände aufgerufen. Der Staat kann insbesondere durch die Intensivierung von Austauschprogrammen
für
re eine breitere Palette von Programmen,
mit
Studenten und junge Mitarbeiter nach draußen und von draußen helfen, und da wädie wir teilweise auf Verbandsebene
relativ bescheidenen Mitteln durchführen, sinnvoll. Ich sage es einmal ganz vereinfacht und zugespitzt: In meiner Generation war es notwendig, als junger Mann für einige Jahre nach Amerika zu gehen. Heute ist es notwendig, für einige Jahre nach Japan zu gehen. Das ist viel schwieriger, persönlich schwieriger und auch für die Firmen schwieriger. Es wäre sinnvoll, hier Unterstützung zu geben, Programme durchzuführen,
Hilfestellung zu leisten.
Sv Pandolfi: Wie sieht es mit unserer Strategie jetzt aus, nach der Entscheidung
von gestern in Frankreich und angesichts unserer Hoffnungen, daß der Vertrag von Maastricht von den anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ratifiziert werden wird? Die Frage dabei ist ja, wie das Problem mit Dänemark gelöst werden soll. Der Vertrag ist bei der Industriepolitik ein Schritt vorwärts. Es gibt jetzt einen neuen
Titel „Industriepolitik'‘. Ein anderer Titel lautet ‚‚transeuropäische Netze‘, was die
Abwandlung eines nach der Einheitlichen Europäischen Akte bestehenden Titels ist: europäische Forschung und Entwicklung. Es ist also erstmals möglich zu sagen, daß wir eine gemeinsame Politik der EG im Bereich der Industriepolitik haben. 138
Teilweise ist das mit bestehenden FuE-Politiken verbunden, aber wir haben eine Neuorientierung, um unsere Instrumente im Sinne einer Verbesserung der Wettbe-
werbsfähigkeit der europäischen
Industrie in der Welt einsetzen zu können.
Wir müssen jetzt aber auch die Elemente verwirklichen, die im Vertrag von Maastricht neu sind. Ich meine die Politik, die darauf basiert, daß neue transeuropäische Netze in den Bereichen Verkehr, Energie und Telekommunikation verwirklicht werden sollen. Ich weiß nicht genau, was das für die Telekommunikation bedeutet, aber man kann sich vorstellen, wie diese Netze unter Mithilfe der Kommission aussehen könnten. Da werden z.B. Kredite gewährt, es gibt eine Intervention, die wie ein Katalysator wirkt, und das wird dann auch Auswirkungen auf andere Industrien in Europa haben. Wir haben also sowohl die neuen Maastricht-Politiken
als auch eine Reaktivierung der alten Politiken.
Der Europäische Rat in Edingburgh muß, was die neue Strategie Europas angeht,
bestimmte Probleme lösen. Das gilt auch für allgemeine Aktivitäten in Europa. Es ist eine Frage der Proportion, wie die Ressourcen der EG im Vergleich zum Bruttosozialprodukt aussehen. Der Anteil liegt im Jahre 1992 bei 1,15 %, und es besteht
die Möglichkeit, ihn auf 1,20 % des Bruttosozialprodukts zu steigern. Jacques De-
lors und die europäische Kommission haben vorgeschlagen, in einem Zeitraum von fünf Jahren auf 1,37 % zu gehen. Aber da gibt es in den Mitgliedsstaaten natürlich große Schwierigkeiten. Die Kommission ist bereit, einen Kompromiß zu schließen. Ich denke jedoch, daß es wesentlich ist, eine gewisse Steigerung der Mittel der EG zu erreichen, denn sonst wird es eine Diskrepanz zwischen dem, was
in den Verträgen festgelegt wurde, und den Möglichkeiten, dies auch durchzuführen, geben.
Schließlich müssen wir die Industriepolitik der Gemeinschaft ganz umfassend z.B. mit der Wettbewerbspolitik kombinieren. Wir müssen ein Gleichgewicht finden. Es
gibt das Problem der Zusammenschlüsse, der Firmenübernahmen. Wir müssen die Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs annehmen; wir müssen
das Prinzip unterstreichen, daß wir einen höherern Grad an Liberalisierung brauchen, aber gleichzeitig müssen wir geeignete Maßnahmen unterstützen, um mehr Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. Wir müssen
auch unsere Industriepolitik mit der Politik für kleine und mittlere Un-
ternehmen harmonisieren. Das ist ein ganz neues Element, das dazu dient, einige Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die es den kleinen und mittleren Unterneh-
men bisher erschweren, an unseren Projekten teilzunehmen. Die Frage ist, wie in dem Zeitraum nach dem Ende der FuE-Aktivitäten eine Finanzierung erfolgen soll. Ich spreche von der Phase,
in der tatsächlich Einkünfte zu erwarten sind. Wir ha-
ben neue Mittel eingesetzt, um Projekte mit Risikokapital einzuleiten. Unsere Stra-
tegie wird aus mehreren
Elementen
bestehen,
und es ist für mich persönlich wie
auch im Blick auf das Treffen in Edingburgh im Dezember im Moment das Hauptziel, daß wir für die Industrien wirklich eine Verbesserung
erreichen.
139
Vors. Wolf-Michael
den strategischen Gibt es auch
dazu
Catenhusen:
Herr Mosdorf hatte Sie noch gefragt, wie man
Dialog über Zukunftstechnologien neue
Ideen
in der Kommission?
in Europa stärken
könnte.
Sv Pandolfi: Sprechen Sie von dem sozialen Dialog, Herr Vorsitzender? Vors. Wolf-Michael Catenhusen: Wirtschaft und Politik.
Ja, von
dem
Dialog
zwischen
Wissenschaft,
Sv Pandolfi: Da ist zunächst einmal wesentlich, zu vermeiden, daß einseitige Ent-
scheidungen der Institutionen in diesem Bereich getroffen werden. Es ist auch wichtig, die verschiedenen Marktteilnehmer zu integrieren. Mein Kollege Martin
Bangemann ist vor allem für Industriepolitik in einem ganz umfassenden Sinne ver-
antwortlich. Ich bin nur für Forschungs- und Entwicklungsprojekte zuständig. Es ist ein Thema
für die Kommission,
den
Dialog
zwischen
den europäischen Institutionen zu verstärken.
den
Marktteilnehmern
und
Zweiter Punkt: In meinem Bereich habe ich versucht, den klassischen Ansatz abzu-
wandeln bzw. zu ergänzen. Vorher war es nur möglich, auf Vorschläge einzugehen, die aus der Kommission
oder aus den
kann auch die Industrie Vorschläge machen.
Büros der Kommission
kamen.
Jetzt
Schließlich — das ist mein dritter Punkt — glaube ich, daß die Definition eines Gesamtkonzepts für eine europäische
Industriepolitik eines der Hauptziele auch für
unsere Außenbeziehungen sein wird. Der Vizepräsident der Kommission Frans An-
driessen ist der Meinung, daß uns vor allem dieser Teil der Industriepolitik am Her-
zen liegen sollte, nämlich das, was wir mit unseren Partnern in der Welt tun. Ich denke an die Automobilindustrie, an Japan und an die langen Übergangszeiten bis
zum
Ende des Jahrzehnts, in denen gewisse Schranken beibehalten werden.
ist ein Punkt unserer Strategie; andere Punkte betreffen andere Elemente.
Das
Einen entscheidenden Punkt möchte ich noch erwähnen: die Biotechnologie. Auch
da ist es sehr wichtig, daß wir gemeinsame
internationale Regeln haben. Auch die
Molekularbiologie ist sehr wichtig. In den Vereinigten Staaten gibt es da Regulierungen mit einigen Möglichkeiten auch für die europäische Industrie, dort vertreten
zu sein. Wir haben hier eine andere Gesetzgebung, eine unterschiedliche; wir haben keine Harmonisierung. Wir brauchen, was die Produkte der Biotechnik angeht,
mehr Regulierung.
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU): Meine Frage an Herrn Kommissar
Pandolfi knüpft dort an, wo er gerade geendet hat. Die japanische Industrie hat sich
ja im Berech der Elektronik und auch in anderen Bereichen dadurch Wettbewerbs-
vorteile gesichert, daB sie den heimischen Markt geschützt hat, und zwar nicht so
sehr durch Vorschriften als vielmehr durch Normen, durch Käuferverhalten oder durch Absprachen.
Was will die Europäische Gemeinschaft hier tun, um der euro-
päischen Industrie zu helfen? Bei dieser Frage denke ich nicht daran, daß Geld gegeben wird, sondern daran, daß dem Prinzip der Gegenseitigkeit zum Durchbruch verholfen werden
140
muß.
Wir erleben ja gegenwärtig,
daß die EG-Kommission
ihre
Hoffnungen
auf das GATT
setzt —
Sie haben
das bereits angesprochen
—,
daß
aber die USA durch bilaterale Verhandlungen die gegenseitige Offnung, sprich: die Öffnung der japanischen Märkte, mit wesentlich mehr Erfolg erreichen. Vors. Wolf-Michael
Catenhusen:
Ich habe vorhin vergessen, Herrn Welsch vom
DGB zu seiner Antwort auf die Fragen des Kollegen Mosdorf das Wort zu geben.
Ich hole das hiermit nach und darf Sie, Herr Welsch, um Ihre Ausführungen bitten.
Sv Welsch: Das Stichwort hieß „strategischer Dialog‘‘. Ich denke, es gibt weitgehend einen Konsens darüber, daß man einen strategischen Dialog führen muß. In den Gewerkschaften wird das seit vielen Jahren unter dem Stichwort ‚Technologiedialog‘‘ in die Debatte gebracht. Der entscheidende Punkt ist für uns die Frage: Über was wird eigentlich ein strategischer Dialog geführt? Sich nur zusammenzusetzen und sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen dürfte ja nicht ausreichen, weil man dann nachher unverbindlich wieder auseinandergeht. Über was also führen wir einen strategischen Dialog oder sollten wir ihn führen? Ich meine zunächst, daß die Frage, ob wir diese Industrie oder jene Industrie halten müssen oder nicht halten müssen, zwar eine wichtige Frage ist, aber eigentlich erst
im zweiten Schritt Bedeutung erlangt. Der erste Schritt müßte eigentlich sein, daß wir uns darüber auseinandersetzen, was eigentlich die gesellschaftlichen Heraus-
forderungen für die nächsten zwei Jahrzehnte sind. Das heißt, wir müssen uns Gedanken darüber machen — und müssen das in der Diskussion innerhalb eines solchen Dialogs auch austragen —, wie wir uns Lebensformen im Jahre 2010 vorstellen, wie wir uns Gesichtspunkt, zu stellen: Was die Potentiale,
die Arbeitswelt im Jahre 2010 vorstellen, und zwar was wünschenswert wäre. Erst im zweiten Schritt kann dazu die Informationstechnik beitragen, d.h. die in der Informationstechnik stecken, nutzen,
jetzt unter dem wäre die Frage wie müssen wir um zu den ge-
wünschten Lebens- und Arbeitsformen zu kommen? Mögliche Vorstellungen oder
Zielkonzepte wären meiner Meinung nach z.B., daß man die Frage nach dem Verkehrskonzept im Jahre 2010 in einer hochverdichteten Industrielandschaft wie Europa zu einem zentralen Thema macht. Ein zweiter Aspekt, der ebenfalls wichtig ist, scheint mir dieser zu sein: Wie sollen
eigentlich zu diesem Zeitpunkt unsere Industriestrukturen unter dem Aspekt der
ökologischen Verträglichkeit aussehen? Was müssen wir tun, um zu einer Industrieform zu kommen, die wir in unserem Papier als Grundlage für ein neues Wohlstandsmodell bezeichnet haben? Das heißt, wie können wir das Wohlstandsmodell, das sich im Moment immer noch sehr stark auf Ressourcenverschwendung gründet, in ein neues Wohlstandsmodell überführen, das auf Intelligenz basiert, al-
so vor alem auf einer Nutzung der Fähigkeiten der Menschen? Wie könnte das aussehen?
Mein drittes Stichwort ist, wie eigentlich die Arbeitswelt im Jahre 2010 aussehen sollte. Auch das wäre eine Frage, über die, wenn man sich zusammensetzt, kontinuierlich und mit längerfristiger Perspektive diskutiert werden müßte. Es ist hier ja schon gesagt worden: Was uns in Europa fehlt, ist die Langfristigkeit des Denkens.
141
In Japan beispielsweise ist gerade das eine der besonderen Eigenschaften. Diese Langfristigkeit des Denkens könnte meines Erachtens durch einen solchen strate-
gischen
Dialog enorm
gefördert werden.
Ein weiterer Aspekt, der hier heute morgen auch in allen Diskussionen angeklun-
gen ist, ist das Problem der Vernetzung verschiedener Träger, verschiedener Akteure. Ein strategischer Dialog hätte da die positive Funktion, einen Anreiz dafür
zu geben, diese Vernetzung praktisch zu fördern. Dabei ist für uns der Aspekt der Konsensfindung ganz wichtig. Es gibt ein Gutachten für die EG-Kommission, in dem
sehr deutlich
gemacht
worden
ist: Wir können
die Informationsgesellschaft
nicht gegen den Willen der Bevölkerung oder eines sehr großen Teils der Bevölke-
rung durchsetzen. Wir brauchen also einen gesellschaftlichen Dialog unter dem Gesichtspunkt dessen, was Herr Pandolfi als sozialen Dialog auf der Ebene der EG
bezeichnet hat. Auch für dieses Ziel ist das Führen eines strategischen Dialoges sehr wichtig. Es ist für uns eigentlich selbstverständlich, daß dies alles nicht allein zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik ausgehandelt werden kann, sondern daß auch
die Gewerkschaften hier eine wichtige Rolle zu spielen hätten. Das wird ja inzwi-
schen
auch von seiten der Industrie gefordert, wenn
diesem Bereich geführt werden, richtig verstehe.
ich die Diskussionen,
die in
Die nächste wesentliche Frage in diesem Zusammenhang lautet: Wie organisiert man einen strategischen Dialog? Ich meine, das kann kein Dialog sein, der allein
Experten zusammenführt. Wenn man über die Arbeitswelt oder über die Lebenswelt oder über das Verkehrskonzept des Jahres 2010 spricht, muß man schon versuchen, auch das, was in der breiten Bevölkerung an Vorstellungen existiert, zu kanalisieren, zusammenzutragen und zu fokussieren. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, und deswegen sehe ich verschiedene Ebenen. Eine Ebene hat Herr Seitz heute morgen angesprochen: einen Rat für
strategische Fragen. Über dessen Zusammensetzung müßte man sich verständigen. Ich meine aber, daß man auch auf der lokalen und der regionalen Ebene neue Diskussionsformen braucht. Die gibt es schon; sie müssen von der Politik her aber noch gefördert werden. Ich nenne als Stichworte: Zukunftswerkstätten, die Erarbei-
tung von Bürgergutachten, was im Bereich des BMFT
punktuell ja schon gemacht
worden ist. Es fehlt nur noch an der notwendigen Breite, und es fehlt am Transport dieser Dialogformen in eine Politik, die auf der kommunalen und der regionalen Ebene selbstverständlich werden sollte. Sv Pandolfi (Simultanübersetzung): Wir sprachen über die Wettbewerbsfähigkeit
mit Blick auf Italien und Europa. Hierzu gibt es ein Buch von Herrn Seitz. Ein wichti-
ges Element der Kulturdebatte steht mit diesem Buch im Zusammenhang. Als das Buch über japanische Kultur herauskam, blik, aber nicht nur hier.
folgte eine Debatte in der Bundesrepu-
Um auf das Problem einzugehen: Zunächst einmal glaube ich, daß es nötig ist, zu erkennen, daß einige Elemente des japanischen Systems nicht pathologisch sind. 142
Aber es gibt keinen Grund, warum wir nicht einige Elemente in unser System einführen könnten. Das erste Element ist, eine spontane, vorwettbewerbliche Zusammenarbeit zwischen den Industrien zu haben. Das ist ein Element in der japanischen Industrie; das erwähnte ich bereits.
Das zweite ist das sogenannte Patient Money. Das ist ein System, das sich auf eine Gruppierung von wichtigen Industrien stützt. Es gibt eine Bank im Zentrum. Das System erlaubt ihnen, Geld für langfristige Investitionen zu niedrigeren Zinsen als hier zu bekommen. Es gibt einen großen Unterschied zwischen ihren Zinsen und unseren Zinsen. Ich glaube, daß es wichtig ist, daß in der Zukunft etwas Ähnliches — nicht das gleiche, aber etwas Ähnliches — in das europäische System eingeführt wird, um bessere Möglichkeiten für langfristige Investitionen zu haben. Das dritte Element sind neue Methoden für die Produktion. Sie basieren auf Lean
Production, also dieser abgespeckten Produktion, um einen modernen Ausdruck
zu verwenden. Wir brauchen ches ist sehr wichtig. Diese drei Elemente
das nicht genau zu übernehmen.
Aber etwas Ähnli-
sind Beispiele für etwas, was charakteristisch für Japan
was aber auch wir in unser System einführen könnten.
ist,
Darüber hinaus gibt es noch andere Dinge in Japan. Dort gibt es ungeschriebene Regeln, und das ist der Unterschied zu unserem System. Es gibt eine Asymmetrie
zwischen der Durchdringung
unseres Marktes durch die Japaner und dem
umge-
kehrten Bemühen. Diese Asymmetrie ist das Problem. Es ist sehr schwer, ein ge-
schriebenes Gesetz zu finden, das dafür verantwortlich wäre, daß diese ÄAsymme-
trie besteht. Es gibt Werte, ungeschriebene Elemente, die dafür verantwortlich sind. Ich glaube, daß sich daraus sehr entscheidene Probleme für Europa und die Vereinigten Staaten ergeben, mit einem Unterschied: Es gibt ungeschriebene Gesetze zwischen den Vereinigten Staaten und Japan. Sie nehmen von Zeit zu Zeit eine Anpassung vor. Ich möchte Sie an die Structure Impediment Initiative, SII, zwischen Präsident Bush und Premierminister Kaifu erinnern. Ich möchte für den Be-
reich der Mikroelektronik auch die Tatsache erwähnen, daß Japan 20 % der integrierten Schaltkreise für die japanische Industrie in den Vereinigten Staaten kauft.
Das ist ein Element, das auch für die europäische Politik von Bedeutung wäre.
Ich muß sagen, daß ein strategischer Ansatz nötig wäre, um dieses Problem zu lö-
sen und um negative Elemente für die europäische Industrie zu vermeiden. Ich darf Ihnen versichern,
Herr Vorsitzender,
daß meine
persönlichen
Bemühungen,
was
meine Tätigkeit in der Europäischen Gemeinschaft angeht, in diese Richtung gehen.
Edelgard Bulmahn (SPD): Meine erste Frage richtet sich an Herrn Pandolfi. Ich
teile Ihre Einschätzung,
Herr Pandolfi, daß ein mehr strategischer Ansatz und eine
strategische Herangehensweise notwendig wären. Meine Frage geht genau in diese Richtung. Ein gravierender Fehler nationaler Industriepolitik bestand darin, daß
143
auf nationaler Ebene nur eine völlig mangelhafte Vernetzung der verschiedenen Bereiche,
der
Umweltpolitik,
der
Industriepolitik,
der
Steuerpolitik,
der Wettbe-
werbspolitik, der Ausbildungs- und Qualifizierungspolitik, der Arbeits- und Sozialpolitik — es fehlt sicherlich noch irgend etwas —, geleistet worden ist und daß Industriepolitik immer sehr eng, sektoral betrachten worden ist. Das hat dazu geführt, daß, wie heute morgen auch hier verschiedentlich beklagt worden ist, z.B. die Rahmenbedingungen nicht kohärent, sondern sehr häufig widersprüchlich sind. Das hat ferner dazu geführt, daß wir große Umsetzungsdefizite haben, d.h. eine Lücke zwischen Forschung und Entwicklung und Anwendung. Das hat dazu geführt, daß staatliche Beschaffungspolitik z.B. auch nicht darauf ausgerichtet war, daß Forschungs- und Entwicklungsergebnisse tatsächlich in eine innovative, auch Mo-
dernisierungspolitik mündeten.
Die Frage an Sie ist: Welche Strategie verfolgt Europa, um diese Fehler, die auf
nationaler Ebene, nicht nur in der Bundesrepublik, sondern, ich denke, generell auch in anderen europäischen Ländern gemacht worden sind, zu vermeiden, das
auch auf dem Hintergrund begrenzter Ressourcen,
und zwar sowohl begrenzter
Umweltressourcen und Geldressourcen wie auch Zeitressourcen? Welche Methoden haben Sie entwickelt? Welche Strategien entwickeln Sie?
Die zweite Frage richtet sich an Herrn Klotz: In den Stellungnahmen, auch in Ihrer Stellungnahme, ist die Beschreibung der Defizite und möglicher Perspektiven verknüpft worden mit der Forderung, daß ein Konsens darüber hergestellt werden müßte — wie das vorhin auch Herr Welsch ausgeführt hat —, in welcher Welt wir eigentlich leben wollen. Das ist, denke ich, auch jedem einsichtig. Wenn man tatsächlich versuchen will, eine kohärente Politik sowohl auf Unternehmensseite als auch auf seiten der Regierung und des Parlaments zu entwickeln, dann muß zumindest in wesentlichen Teilbereichen Konsens hergestellt werden. Die Frage an sie: Welche Anforderungen stellen sie an Politik, um erstens diesen Konsens zu erreichen und um zweitens eine Strategie oder ein Programm zu entwickeln, damit die inhaltliche Seite und die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit
mit gesellschaftlichem Fortschritt dahingehend verknüpft werden, daß wir eine res-
sourcenschonende Produktionsweise und auch ressourcenschonende Produkte entwickeln? Wie kann man dieses mit der notwendigen Konsensbildung in unserer
Gesellschaft zwischen den verschiedenen Teilhaberinnen und Teilhabern, die bei
der Erstellung eines solchen Konsenses notwendigerweise müssen,
verknüpfen?
konstitutiv mitwirken
Sv Pandolfi (Simultanübersetzung): Das, was Sie sagen, stimmt..Es muß eine Harmonisierung der verschiedenen Politiken geben und das auf wirkungsvollere Weise, als das jetzt geschieht. Sie erwähnten z.B. die Ausbildungspolitik. Es ist wesentlich, Humankapital für dieses neue strategische Umfeld zu haben, um die Herausforderungen der Wettbewerbsfähigkeit in der Welt anzunehmen. Das ist eine entscheidende Politik. 144
Wir haben den Zusammenhang zwischen der Wettbewerbspolitik und einem Rechtsrahmen besprochen. Wir brauchen auch eine Harmonisierung der Umwelt-
politik und der Industriepolitik. Es ist wichtig, in den Grenzen der EG eine faire Si-
tuation für die gesamte Industrie zu gewährleisten. Wir dürfen nicht Industrien bevorteilen, die die Umweltregeln nicht einhalten. Das ist auch im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit in der Welt wichtig. Eines unserer Ziele ist es im Moment, alle diese Elemente zu vereinbaren. Der Vertrag von Maastricht gibt dieser
Harmonisierung größere Chancen; denn vorher war das immer nur in Teilbereichen möglich. Jetzt gibt es ein größeres Gleichgewicht. Ich glaube, daß das der einzige Weg ist, wie wir dieser strategischen Herausforderung begegnen können. Sv Klotz: Zur Frage nach der Konsensfindung und dem Wie der Konsensfindung: Ich kann mich in zweiten Teilen den Worten meines Kollegen Welsch anschließen. Ich denke schon, daß Konsens ein ganz wichtiger Schlüsselbegriff ist, an Hand dessen sich auch erklären läßt, daß uns beispielsweise Japan in einigen Bereichen voraus ist. Dort spielt dieses Stichwort Konsensbildung auf allen Ebenen eine Rolle, sowohl sektoral als auch regional, auf unterschiedlichen Stufen. Man kann das Stichwort Lean Production, das hier gefallen ist, oder ähnliche Begriffe, die dazugehören, durchaus auch als eine Form der Konsenskultur im Betrieb verstehen, wo in Gruppen gemeinsam gelernt wird, wo Organisationen auch als Ganzes lernen. Das kann man auf verschiedenen Ebenen diskutieren: im Betrieb, in kleinen Gruppen oder auch überbetrieblich.
Bezüglich dieser Formen des gemeinsamen Lernens denke ich, da der Staat als Moderator und auch als Plattform gefordert ist, egal, ob man das ‚strategischen Dialog‘‘ nennt oder, wie ich es gerne tue, „Innovationsdialog‘. Ich meine, das ist sehr, sehr wichtig. Viele Dinge, die in solch einer Anhörung nur ansatzweise angesprochen werden, müßten, glaube ich, sehr viel intensiver auf verschiedenen Ebe-
nen angegangen werden.
Wenn der Staat überhaupt gefordert ist — um beim konkreten Thema Informations-
und Kommunikationstechnik zu bleiben —, dann nicht nur als Moderator im Inno-
vationsdialog, sondern auch als Moderator beispielsweise bei der Suche nach ge-
meinsamen Standards, nach Normen. Ich glaube, das ist ein Themenbereich, der vielfach unterschätzt wird. Der Staat ist hier gefordert. Er muß Raum geben für Pilotprojekte, für Experimente. Man hat immer wieder festgestellt — das läßt sich auch an vielen Beispielen belegen —, daß interessante Entwicklungen häufig nicht aus dem
sogenanten
Mainstream
gekommen
sind, sondern
aus Randbereichen,
von denen man erst sehr viel später erkannt hat, daß sie doch ganz wichtige Chancen bergen.
Von Bedeutung ist natürlich auch der Bereich der Ausbildung. Er ist mir heute in dieser Runde viel zu kurz gekommen. So begrüßenswert es einerseits ist, daß hier Vertreter aus drei Ausschüssen zusammensitzen, so bedauerlich finde ich es andererseits, daß der Bereich Bildung und Wissenschaft hier nicht vertreten ist. Ich denke, dort liegen ganz wesentliche Schlüssel, die Antworten auf unsere Fragen liefern, die uns hier heute beschäftigen. Gerade im Bereich Informations- und Kom-
145
munikationstechnik liegt dort einiges sehr im argen. Darauf können wir vielleicht
später noch eingehen.
Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU): Ich habe nur noch eine Frage an Herrn Pandolfi. Sie haben gleich zu Anfang das Ziel definiert, fairen Wettbewerb zu for-
dern, ein Ziel, das jeder von uns sicherlich sofort blanko unterschreiben würde. Wie vereinbart sich das mit vier Beispielen, die ich Ihnen nennen möchte: erstens Verlustübernehme von IT-Firmen im staatlichen Bereich, Bull, Frankreich, 2,2 Mil-
liarden DM mit EG-Genehmigung vom Juni 1992; zweitens Thomson-Bereich, Eingliederung in staatlichen Nuklearkonzern CA, Anfang 1992 beschlossen, die italienische Regierung soll 5 Milliarden französische Franc beisteuern; drittens staatliche Förderung durch Regionalhilfe, Beispiel: die Halbleiterfabrik von Texas Instruments in Italien, 650 Millionen Dollar. Nächstes
Beispiel: Wafer-Fabrik bei Dublin,
600 Millionen Dollar für Intel, weitere Aussetzung des Zolls in Höhe von 14 % für
Halbleitergeräte, was noch einmal 50 Millionen Dollar bedeutet. Könnten Sie uns zu diesen Eigentümlichkeiten oder vielleicht sogar Sündenfällen einiges sagen?
Sv Pandolfi (Simultanübersetzung): Danke für diese Liste. Sie ist noch nicht einmal vollständig.
(Heiterkeit) Ich möchte doch, daß wir hier unterscheiden. Es gibt einige Dinge, die sich direkt
aus dem Vertrag ergeben. Sie haben die Halbleiterfabrik von Texas Instruments nicht erwähnt, weil sie in Italien, in Süditalien, ist. Aber diese staatliche Hilfe unter
der Kontrolle der EG ergab sich aus dem sogenannten Strukturfonds. Es gehört zur Regionalpolitik der EG, benachteiligte Gegenden zu fördern. Ich glaube, daß das ein ganz gutes Beispiel ist, das z.B. von der Bundesrepublik für die neuen Länder
im Osten nachgeahmt werden könnte.
Einer der wichtigsten Punkte des neuen Fünfjahresprogramms für den Struktur-
fonds ist, daß ein beträchtlicher Teil dieser Mittel in die neuen Länder der Bundesrepublik Deutschland fließen wird. Ich denke, daß das ein Solidaritätsbeitrag der gesamten EG ist, um ein großes Problem nicht nur Ihres Landes, sondern der ge-
samten EG zu lösen, um ein gutes System für staatliche Hilfe für benachteiligte Ge-
biete unter der Kontrolle der EG beizubehalten. Ich glaube, daß das ein sehr wichti-
ges Element der EG-Politik ist. Die anderen
Beispiele sind natürlich wesentlich
umstrittener; denn es ist nicht so
einfach, die Elemente auszuwerten. Dafür ist der Vizepräsident Leon Brittan verantwortlich. Ich glaube, Sie wissen, daß es eine Kontroverse über die Politik gibt.
Einige kritisieren ihn aus Liberalisierungsgründen; andere kritisieren ihn aus indu-
striepolitischen Gründen. Es ist sehr schwer, ein Gleichgewicht zu finden. Aber ich kann Ihnen versichern, daß die Liberalisierungspolitik zu dem Vertrag gehört. Es
ist eine Verpflichtung der Europäischen Kommission, ein Gleichgewicht zu erhal-
ten und Fälle von unfairerm Wettbewerb
und von unangemessener staatlicher Hilfe
zu unterbinden. Aber wir werden den Strukturfonds für benachteiligte Gegenden nicht abschaffen.
146
Dr. Rudolf Karl Krause (Bonese) (CDU/CSU): Das Wort „fünf neue Länder‘' ist jetzt gefallen. Ich hätte mir natürlich gewünscht, daß 20 % der Sachverständigen und sicher auch ein paar Abgeordnete mehr aus den neuen Ländern gekommen wären und daß wir auch zwölf Minuten pro Stunde über die Wettbewerbsfähigkeit der High-Tech-Industrie in diesem Teil der deutschen
ten.
Wirtschaft gesprochen
hät-
Eine ganz konkrete Frage an Herrn Welsch: Welche Zahlen hat der DGB darüber, wie viele Beschäftigte bei der Wiedervereinigung in diesem Bereich in den fünf neuen Ländern vorhanden waren und wie viele es jetzt noch sind? Wir hatten ja einen Anteil an der Welterzeugung, der immerhin in Prozenten zu messen war und
nicht nur in Promille. Wie hoch ist er jetzt? Welches strategische Konzept oder welche Möglichkeiten einer strategischen Allianz bestehen Ihrer Meinung nach, um dort die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten bzw. wiederherzustellen und wieder Arbeitsplätze zu schaffen? Haben Sie da irgendwelche Vorstellungen? Es kann ja nicht sein, daß sich die Gewerkschaft dort nur um die paar kümmert, die noch Ar-
beit haben, damit sie dann möglichst westdeutsche Löhne kriegen. Wir sind gern dazu bereit, eine strategische Allianz, etwa so wie es der Fraktionsvorsitzende Schäuble jetzt gedacht hat, einzugehen. Welche Zahlen haben Sie konkret, und was haben Sie für Vorstellungen? Vorsitzender Wolf-Michael
Catenhusen:
Meine Damen
und Herren, ich bin der
letzte auf der Rednerliste und würde meine Fragen, weil sie ganz kurz sind, gerne gleich mit einbringen. Dann können wir das in der Schlußrunde alles zusammen beantworten
lassen.
Herr Krause, ich fände es hilfreich, wenn wir zu Ihrer Frage auch Herrn Kreklau das Wort gäben, um ein bißchen das Dialogische hervorzuheben. Ich habe ferner eine Bitte, nicht nur damit Sie, Herr Leibinger, noch etwas zu Japan
sagen können: Ich glaube, es wäre auch wichtig, daß Sie etwas zu den Vorstellungen sagten, die Herr Welsch eben über die Inhalte eines strategischen Dialogs ent-
faltet hat. Vielleicht könnten Sie das kommentieren, was Herr Welsch eben vorgetragen hat. Ebenso bitte ich Herrn Klotz zu dem, was Herr Warnecke heute zum
Thema Strategie zur Produktivitätssteigerung in der Industrie, sehr stark orientiert an CIM-Konzepten, ausgeführt hat, zu erläutern, wie Sie das aus Sicht der IG Metall sehen, und wie Sie das weiterentwickelt haben wollen? Sv Leibinger: Ich möchte, weil ich mich vorhin gemeldet hatte, ein paar Sätze zu Japan und zum Marktzugang sagen. Der Abgeordnete, der gefragt hatte, ist nicht mehr da. Er meinte, der Marktzugang sei durch Normen erschwert worden. Dies ist sicher in Einzelfällen richtig. Aber für meine
Industrie, für den Maschinenbau,
trifft dies nicht zu. Durch das Käuferverhalten tun wir uns außerordentlich schwer im japanischen Markt. Die Gesellschaft ist durch Jahrhunderte insular geprägt und
hat ein ganz bestimmtes Verhalten, das außerordentlich schwer zu überwinden ist.
Wir können es nach meiner Meinung durch Allianzen überwinden, indem wir sozusagen
von
innen
kommen.
Wir können
es aber auch
—
was
ich nicht bevorzu-
147
ge — dadurch überwinden, daß wir unser Erpressungspotential in Anwendung bringen, wie das die Amerikaner tun. Ich glaube aber nicht, daß das auf Dauer den Markt öffnet, sondern ich halte die andere Lösung für besser. Freilich sollten wir eines bedenken:
Europa ist durch die von uns geforderten und
geförderten Normen gleicher Art für ganz Europa für die Japaner viel einfacher zugänglich geworden. Das wird oft übersehen. Auch für uns ist es einfacher geworden, aber nicht in derselben
Noch
eine Anmerkung:
Größenordnung,
weil wir nämlich schon
Immer wird über die Lean
drin waren.
Production geredet, die mir
außerordentlich wichtig ist. Ich habe überhaupt keine Berührungsänggste. Ich meine, wir haben Japan sehr viel gebracht. Wir Europäer haben Japan die Früchte der
Wissenschaftsentwicklung von 250 Jahren geöffnet. Die Amerikaner haben — ich vereinfache wieder — den Japanern ihre Organisationskonzepte gegeben, und sie
haben damit gearbeitet und sind sehr weit gekommen. Sie haben nun Eigenes hinzugefügt. Warum sollten nicht auch wir einmal aufnehmen und annehmen, was sich andere ausgedacht haben? Ich möchte nur auf eines hinweisen: Die Welt wird sich dadurch für uns nicht funda-
mental in Ordnung bringen lassen. Das ist einer der Schritte, die wir tun müssen. Ich möchte hier nur einmal zwei Zahlen ins Verhältnis setzen: Unsere Industrie hat gegenüber Japan einen Kostennachteil in der Größenordnung von 20, 25, maximal 30 %. Da ist die Lean Production ein Teil, vielleicht 10 %, maximal, je nach Branche, 20 %. Wir haben in den letzten zwei Jahren gegenüber unseren japanischen
Konkurrenten einen Wechselkursnachteil von 25 % hinzunehmen gehabt. Kein Mensch redet von den Veränderungen gegenüber dem Yen-Kurs. Mein japani-
scher Erzkonkurrent, dem ich auf der ganzen Welt, von Stuttgart bis Yokohama, überall in den USA und in Südamerika, wo auch immer, begegne, hat, ohne einen Finger krumm zu machen, gegenüber den Verhältnissen von vor zwei Jahren einen
Kostenvorteil von 25 % nachhaltig errreicht. Vielleicht wäre es auch eine politische Überlegung, die man einmal anstellen sollte, was bilateral oder innerhalb der G 7 darüber gesprochen werden könnte. Ich möchte hier nicht Herrn Schlesinger in Schutz nehmen; aber dies ist ein Kernproblem für die exportierende deutsche Industrie, das ich doch
noch ansprechen
wollte.
Zur Frage des strategischen Dialogs: Natürlich, Herr Catenhusen, brauchen wir diesen. Er ist eigentlich in einer funktionierenden Geselschaft immer im Gange. Ich meine, wir sollten einen neuen Ansatz machen. Not lehrt beten. Wir haben nun einige Dinge in Ordnung zu bringen. Wir sind in vielen Bereichen in einer schwierigen Situation. Wir haben uns sicher über die Ziele unserer Gesellschaft zu unterhalten. Ich lebe gerne in Deutschland. Ich bin überzeugt, wir haben mit Deutschland das schönste Land, in dem man auf dieser Welt leben kann. Wir vergessen das immer wieder und sind mißmutig. Aber es ist trotzdem so. Wir haben den höchsten Lebensstandard, wenn man Lebensstandard als aus verschiedenen Faktoren
zusammengesetzt definiert: aus sozialer Sicherheit, aus Einkommen, aus Freizügigkeit, aus Bildungsangebot und, und, und; man könnte dieses fortsetzen. 148
Die japanische Geselschaft, von der heute so viel die Rede war, hat eine andere Prioritätenliste aufgestellt. Sie wollen wirtschaftlich Nummer eins auf dieser Welt
werden, und sie muten ihren Bürgern dafür Opfer zu. Die Japaner wohnen schlechter, fahren länger zur Arbeit, haben eine schlechtere Infrastruktur, wenn sie an die Straßen und ähnliches denken, haben eine weit schlechtere Altersversorgung, um
ein anderes Thema anzusprechen, was sehr in den industriellen Bereich hineinspielt, weil die Part-time-Workers
aus diesem
Bereich
Wir müssen
uns bei allen Zielen, die wir uns setzen,
gen
Das wäre für mich
kommen.
überlegen,
ob wir das, was
wir haben, im internationalen Vergleich durch mehr Wettbewerbsfähigkeit verteidikönnen.
Sv Welsch:
an den Anfang
dieses Dialogs zu stellen.
Herr Krause, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie die Frage nach der Rolle
der neuen Bundesländer im Verhältnis zu dem, was wir hier diskutieren — das war das Kerntherna, das Sie angeschnitten
der Vereinigung
bestand
am
Anfang
haben —, aufgeworfen
das
Mißverständnis,
haben; denn
daß
man
nach
eine Wirt-
schaftspolitik betreiben könne, bei der man sich vor allen Dingen auf Marktkräfte stützen könne, um den Aufbauprozeß bzw. den Umstrukturierungsprozeß in den
neuen Bundesländern in Gang zu setzen. Die Erfahrungen aus den letzten beiden Jahen haben deutlich gezeigt, daß daraus eine Spirale nach unten geworden ist und daß wir sehr, sehr lange werden warten müssen, bis das eventuell ein längerfristiger Aufschwung werden wird. Sie haben
mich
nach
konkreten
Zahlen gefragt.
(Dr. Rudolf Karl Krause (Bonese) (CDU/CSU):
Für diese Zweige!)
— Die genauen Zahlen für diesen Zweig habe ich nicht. Die Industriebeschäftigung lag 1989 bei ca. 3,3 Millionen und 1991 bei knapp 1 Mil-
lion. Man kann davon ausgehen, daß etwa ein Drittel der Arbeitsplätze im Gesamt-
bereich
der Industrie
inzwischen
verschwunden
ist. Wir dürfen
nicht vergessen,
daß ein Teil der Arbeitsplätze momentan noch durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
und durch
bestimmte
Kurzarbeiterregelungen
gehalten wird.
Sie haben nach dem Konzept gefragt: Wie kann man denn in diesem Bereich eine
Perspektive für das, was an Spitzentechnikproduktion in den neuen Bundesländern vorhanden ist, eröffnen? Ich meine, wir hätten einen Ansatz in der Debatte darüber gehabt, inwieweit man eine Produktion der modernsten Chip-Generation z.B. in Dresden aufbauen könnte. Das war eine strategische Möglichkeit. Darüber
ist auch diskutiert worden. Dazu hätte es erhebliche regionale Hilfen gegeben. Das heißt, im Grunde genommen
waren die Forderungen, die von seiten des betreffen-
den Industrieunternehmens gestellt worden sind, über Regionalhilfen erfüllt. Aber es ist trotzdem
nicht geschehen.
Sie sehen, daß hier Industrieentscheidungen, an
denen der Staat nicht vorbeigehen kann — der Staat kann Siemens das Risiko na-
türlich nicht abnehmen —, gefallen sind, die meines Erachtens für die neuen Bundesländer erhebliche Konsequenzen haben.
149
Ein zweiter Punkt: Wenn wir sehen, was sich in den letzten zwei Jahren entwickelt hat, dann ist das Potential, das für eine selbsttragende Entwicklung in den neuen Bundesländern ganz unverzichtbar ist, nämlich das Forschungs- und Entwicklungspotential, in den letzten beiden Jahren erheblich heruntergefahren worden. Nach meinen
Informationen ist nur noch etwa jeder fünfte Arbeitsplatz im Bereich
industrielle Forschung und Entwicklung vorhanden. Das wird langfristig sehr nega-
tive Konsequenzen haben; das ist völlig klar. Die Frage ist: Wie kann man das, was
da ist, mobilisieren?
Unsere Vorstellungen sind, daß man versuchen muß, eine offensive Infrastrukturpolitik zu betreiben, daß man versuchen sollte, das, was an Forschungs- und Entwickungspotential noch da ist, zu nutzen, d.h. zu beschäftigen. Das geht nicht über
den Markt, sondern man muß versuchen, Aufgaben zu finden, die für die langfristi-
ge Entwicklung in den neuen Bundesländern von Vorteil sind.
Vorhin ist viel über Rahmenbedingungen gesprochen worden. Die Rahmenbedingungen, die für die allgemeine Wirtschaftsentwicklung in den neuen Bundesländern gelten, gelten natürlich auch für sogenannte Spitzentechnologieindustrien. Die Frage ist: Wie regelt man das Verhältnis von Entschädigung und Rückgabe von Eigentum? Auch da, glaube ich, muß ein ganz wesentlicher Umkehrungsprozeß erfolgen. Das zweite ist die Frage des Verhältnisses von Sanierung und Privatisierung. Auch hier muß meines Erachtens eine Umkehr erfolgen. Insofern ist das, was an Spitzentechnologieentwicklung in entsprechenden Produktionsstätten in den neuen Bundesländern erfolgen kann, an ähnliche Bedingungen geknüpft wie bei der gesamten Wirtschaftsentwicklung. Ich kann nur sagen: Wenn in den neuen Bundeslän-
dern in den Hochtechnologiebereichen etwas passieren soll, ist letztendlich die Industrie gefordert, entsprechende Standorte nicht nur im Westen zu halten, sondern
auch in den neuen Bundesländern anzusiedeln. Dazu kann der Staat durch Infrastrukturausbau und durch Erhaltung von FuE-Potential beitragen. Er kann aber nicht das, was
nur durch
die Industrie gemacht werden
kann, ersetzen.
Sv Kreklau: Ich habe Ihre Frage, Herr Krause, eher grundsätzlich und breit aufgefaßt. Sie haben nach der Strategie gefragt. Am kommenden Montag wird im Bun-
deskanzleramt unter Leitung des Kanzlers ein weiterer Dialog stattfinden, der mir ein durchaus gutes Beispiel dafür zu sein scheint, wie die gesellschaftlichen Grup-
pen in unserem Lande derartige grundlegende Zukunftsfragen behandeln und zu lösen versuchen. Mir scheint, es ist notwendig, bei der Lösung zum einen zwischen der kurzfristigen und zum anderen der längerfristigen Perspektive zu unterscheiden.
Was die längerfristige Perspektive angeht, glaube ich, müssen wir uns darauf einstellen, daB wir in den neuen Bundesländern eine moderne, leistungsfähige Industrie,
auf
die
wir
auch
dort
nicht
verzichten
können,
aufbauen
müssen,
weil
Industrie- und Dienstleistungsstrukturen aufeinander angewiesen sind und wir uns auch in den neuen Bundesländern keine deindustriealisierte Landschaft vorstellen 150
sollten und können. Wir müssen
uns damit abfinden
und müssen
uns darauf ein-
stellen, daß es dort eine sehr grundlegende Umstrukturierung geben muß, die die Unternehmen
mit neuen
Produkten für neue Märkte ausstattet. Diese Märkte wer-
den zwangsläufig die Weltmärkte sein.
Das wird vor allem für die Bereiche zutreffen, die hier heute zur Debatte stehen, wenn es darum geht, auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnik Produkte zu entwickeln und abzusetzen. Dieses werden Produkte für den Weltmarkt sein müssen. Wir müssen
uns in dem augenblicklichen Prozeß, in dem wir uns befinden, die Ge-
fahren vor Augen führen, die dadurch entstehen würden, daß wir Industrieunternehmen oder ganze Industriestrukturen aus gutem, verständlichem Grunde und aus der — wie ich hinzufügen muß — Sicht der Betroffenen verständlichen Gesichtspunkten erhalten würden. Ich glaube, wir würden Voraussetzungen dafür schaffen, um zwangsläufig Dauersubventionsempfänger zu unterstützen. Wir wür-
den es versäumen, Beiträge dafür zu leisten, um neue Industriestrukturen zu schaffen, die für die weiteren Zeiten, weit in das nächste Jahrtausend hinein, wirklich leistungsfähig sind.
Aber wir haben, glaube ich, gute Chancen, um diese Umstrukturierung in Deutsch-
land zu schaffen. Kurzfristig ist zunächst noch die Politik vorrangig gefordert, dem Prozeß der Deindustriealisierung entgegenzuwirken.
Hierzu wird es vor allen Din-
gen notwendig sein, sich die Wettbewerbsbedingungen in den neuen Bundesländern vor Augen zu führen. Die Wettbewerbsbedingungen
müssen verbessert wer-
den. Da ist nicht nur die Deregulierung gefragt, sondern vereinfachte Verfahren für viele Bereiche, z.B. auch der Administration. Es kommt auch auf die Arbeitsverträge an, die flexibler gestaltet werden müssen.
Ich meine, die Treuhandanstalt tut gut daran, ihren konsequenten Privatisierungskurs fortzusetzen. Das wird an der einen oder anderen Stelle sicherlich zu Schwierigkeiten führen. Insgesamt hat jedoch die Treuhandanstalt in den letzten Monaten
unter dem Strich eine sehr erfolgreiche Umstrukturierung geleistet, durch die eine Vielzahl von Arbeitsplätzen erhalten und neue Investoren in die neuen Bundeslän-
der gebracht werden
konnten.
Investitionsanreize sind im wesentlichen die not-
wendigen Triebfedern, die zur Revitalisierung in den neuen Bundesländern einge-
setzt werden müssen.
Aber vergessen wir bei alledem nicht, daß eine neustrukturierte Volkswirtschaft nur dann richtig gut funktionieren kann, wenn man auch etwas für Aus- und Weiterbildung des Personals tut. Insoweit, meine ich, daß wir gut daran tun, die Programme, die zur Zeit mit Erfolg laufen, und die Anstrengungen, die die Industrie selbst unternimmt, um Mitarbeiter zu schulen und von Ost nach West, von West nach Ost zu transferieren, weiterzuverfolgen. Das ist ein insgesamt, wie wir alle wissen, von
uns zunächst unterschätztes Vorhaben, das in diesem großen Zuschnitt seinesgleichen sucht. Ich glaube aber, daß wir, wenn dieser Prozeß gelingt, die besten Voraussetzungen
haben,
um
in den
neuen
Bundesländern
das aufzubauen,
was wir 151
hier heute diskutiert haben, nämlich eine sehr leistungsfähige Industrie, die Technik und Produkte auf allerhöchstem Standard liefern kann.
Vorsitzender Wolf-Michael Catenhusen: Damit sind wir fast zu einem Prolog zur Bundeskanzlerrunde am Montag gekommen. Sv Klotz: Zur Frage nach den zukünftigen Produktionskonzepten und zu dem, was
beispielsweise Herr Warnecke hier eingebracht hat, kann ich nur ganz kurz sagen: Ich finde es erfreulich, daß sich auch von seiten des IPA so etwas wie ein Paradigmenwechsel im Management abzeichnet, daß der Mensch nicht nur als Kostenfaktor betrachtet wird, sondern als wertvolle Ressource gesehen wird, so daß eine ganz andere Betrachtung der Produktionsprozesse Platz greift. Ich denke, das ist
eine Sache, die sehr lange Zeit braucht. Ein Paradigmenwechsel erfordert, glaube ich, zum Teil fast einen Generationswechsel.
es wieder ein bißchen deutlich gemacht.
Ich denke, diese Diskussion hier hat
Beispielsweise ist die Diskussion über
Lean-Production eine Diskussion, in der zwei verschiedene Seiten zwar dieselben
Vokabeln verwenden, aber ganz unterschiedliche Dinge meinen. Sehr viele Leute begreifen das sehr schnell als eine Methode zur Kostensenkung
und zur Reduzie-
rung von Durchlaufzeiten. Kulturelle Fragen und dergleichen fallen aber oft unter den Tisch oder werden gar nicht erkannt. Das ist auch, glaube ich, schwierig zu begreifen.
Ich kann Herrn Warnecke
nur zustimmen, wenn er sagt — das kommt auch in sei-
nen Veröffentlichungen in letzter Zeit häufiger vor —, daß die Problemlösungsfähigkeiten des Menschen der Schlüssel für alle möglichen Bereiche sind. Das läßt sich für unseren Themenbereich der Informations- und Kommunikationstechnik auch noch konkretisieren. Eine Antwort auf viele Fragen liegt in einer Mischung aus
dem,
was
Herr Warnecke
sagte,
und
dem,
was
Herr
Neugebauer
hier ein-
brachte. In dieser Mischung liegen, glaube ich, viele Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit in dem
Bereich,
den wir hier betrachten.
Ich teile die Einschätzung von Herrn Seitz, was die Situation angeht, aber weniger
seine Auffassungen zu den Problemursachen und möglichen Problemlösungen, die er vorschlägt. Die Situation ist vielleicht sogar noch bedrohlicher als das, was Herr Seitz an die Wand malt.
Ich fand es auch charakteristisch, daß heute früh in der Runde sehr stark über Technik geredet worden ist und daß über die Ressourcen, die die Technik erst
möglich machen, überhaupt nicht gesprochen worden nachmittag ganz zaghaft zur Sprache.
ist. Das kam dann heute
Ich finde es genauso charakteristisch — das hat dieselben Wurzeln —, daß dann,
wenn über Informationstechnik geredet wird, sehr stark über Mikroelektronik, über
Chips, über Halbleiter, allenfalls noch über Datenverarbeitung geredet wird. Ich denke, der Zeitpunkt, an dem
man erkennen wird, daß die meisten Probleme, die
uns in vielen Branchen beschäftigen und noch beschäftigen werden, überwiegend in der Software zu suchen sind, liegt nicht mehr fern. Denn es kommt auf Problem152
lösungen an, und Software ist geronnene leicht kurzfassen.
Problemlösung.
So läßt sich das viel-
Das Problem ist nur: Software ist etwas sehr Abstraktes und Immaterielles. Darun-
ter können sich nur wenige Leute etwas vorstellen. Billardy, ein Leiter des Mitsubishi-Labors in den USA,
every human activity.‘
sagt: „Software is part of everything, of every product and
Von daher denke ich, daß dort völlig neue Prioritäten gesetzt werden müssen. Es ist längst Üüberfällig, dort Prioritäten neu zu setzen. Allerdings wurde vorhin richtig gesagt, die Eintrittsschwelle für Softwareentwicklung ist zum Teil sehr niedrig; das
kann auch woanders gemacht werden. Genau davon ausgehend, muß man anfan-
gen, zwischen verschiedenen
Softwarekategorien
zu differenzieren.
Es ist sicher
richtig, daß weite Bereiche der Standardsoftware auch woanders gemacht werden können.
Ich halte es für zukunftsreich, an der Nahtstelle zwischen den klassischen Industrien und den zukünftigen Industrien zu arbeiten, dort, wo das Anwendungs-
Know-how aus verschiedenen Bereichen, sei es aus dem Maschinenbau oder an-
deren Bereichen, in Software einfließt. Dort kann man an das anknüpfen, was auch
Herr Meyer-Krahmer heute vormittag sagte: Wir müssen unsere Stärken nutzen. Unsere Stärken liegen in einer ganz breiten Palette von Anwendungen, in denen Erfahrungswissen über viele Jahrzehnte angesammelt worden ist. Dieses Erfahrungswissen muß genutzt werden und muß in Anwendungssoftware oder in Integrationssoftware, in denen diese Problemlösungen zusammenfließen, eingebracht werden können. Damit komme ich auf einen Punkt, der uns doch sehr im Magen liegt: Derzeit feh-
len eigentlich die Leute, die das können. Wir haben auf der einen Seite in vielen Industriebereichen erfahrene Leute, und wir haben auf der anderen Seite Informatiker, die von den Hochschulen kommen, die Algorithmen und komplexe mathematische Verfahren beherrschen, aber nicht an der Schnittstelle arbeiten können. Ich denke — um das ganz hart zu formulieren —: An unseren Hochschulen ist Softwa-
re Engineering überhaupt nicht existent. Software Engineering als eine Tätigkeit, die in hohem Maße Teamfähigkeit verlangt, die interdisziplinäres Arbeiten verlangt, die Verbindung von Anwendungs-Know-how und Informatik verlangt, wird bei uns eigentlich kaum vermittelt, was zum Teil daran liegt, daß die Schlüsselpositionen sowohl an den Hochschulen als auch in der Politik sehr stark durch Physiker, durch
Mathematiker, durch Maschinenbauingenieure und dergleichen besetzt sind und
das Verständnis, was Software eigentlich sein kann, erst zu einem späteren Zeitpunkt Platz greifen wird. Trotz allem denke ich, darin, an dieser Nahtstelle zu arbeiten, wirklich die Anwendungssoftware zu schreiben, Integrationssoftware zu entwickeln, in der das Knowhow aus den klassischen Industriebereichen mit Informations- und Kommunikationstechnik verbunden wird, liegen unsere Chancen. Von daher meine ich, eine
153
Prioritätenänderung im Bereich der Forschungspolitik und im Bereich der Ausbildungspolitik ist dringend erforderlich.
Vorsitzender Wolf-Michael Catenhusen: Wir sind damit am Ende der Anhörung angekommen.
Wir haben, glaube ich, in dem Gespräch heute so ein bißchen konkretisieren können, daß Hochtechnologie, die sich in der informations- und kommunikationstechnischen Industrie besonders bemerkbar macht, tatsächlich auch die Politik zu neu-
en Positionierungen, wie das so schön neudeutsch zwingt. Auch
das Fachdenken
in der Politik muß
Wir bedanken uns bei den Sachverständigen sere Fragen so intensiv zu antworten.
heißt, und zu neuen Fragen
überwunden
werden.
herzlich für ihre Bereitschaft, auf un-
Ich bedanke mich auch bei den Damen und Herren des Protokolls dafür, daß sie heute den ganzen Tag über unsere Weisheit und die Weisheit der Sachverständi-
gen für die Nachwelt aufgezeichnet haben.
Ich darf mich bei der Öffentlichkeit für das Interesse an unserer Anhörung bedanken.
Ich wünsche den Kollegen noch die Fortsetzung eines arbeitsreichen Tages in diversen Gremien, beim Bier oder sonstwo. Auch beim Ausschußsekretariat, insbesondere bei Herrn Schmölling, und den Mit-
arbeitern der anderen Ausschußsekretariate darf ich ich für die gute Vorbereitung dieser Anhörung bedanken. Damit schließe ich die heutige Anhörung. (Schluß der Sitzung: 18.47 Uhr)
154
Schriftliche Stellungnahmen der Sachverständigen
zum
Fragenkatalog
Übersicht Dr. Dr. Dr.
Seite
Neugebauer. ..............2sunnerrnenennnenennnnnnneennnnnrnnnnessnnssannenssnssstnnnssnserennssnnsene Klodt .......euueseneusssaeesnseensnenenennnnensnunnunnnenennnnnnnnonennnnnnannnsnnsnnsnnennsnusnnrnnnsnsne Welsch ............2.022002s0sssesneennerenesenennenennenennnnenenenennenennennnsnenennnsonrennsnonne
156 161 173
Gellert .....ceeneeeeseeessenensnnnsesnnnnnnnonsnnernennnsensnrensnnnnensnennnessnensnenssnsnennsnensansnnssnnnen Klotz ......0022nousneeansensnnenssunenenennanennnnennennenennnunnnnnnsnonnnnnssnnsensunsnnsnnsnnesunnnnenssnnnen Dr. Endres ........ueeseseesseasenssnensennnnonnonnnenennunnonnnnennunnnnnunenennennnnnnsnnnnannnnnnnnnnnanen Kircher ............esusssnnsesenesssnnaneenensnnnnennnannnnnnnnnnnnnnnunnnnennsannunsunsnnnennensnnsnnssnnnann
207 224 247 273
Dr. Baur ..........ueenesssaseenseenensnensnennnnssonnonnonnnennnnnsansnnsnnunennnnansnnsnnnnnennenennnnne Prof. Dr. Queisser ...........ucssseessseensnenserennensnesnsnennsnnonennnnennnnensenanssnnnnsssnnenennen Dr. Leibinger ...............u.4en0enosenteennenerenennnnen ns nnnnnnennnnnennnnnnn namen nnnnann Dr. Seitz .......c.uassessesaessseessnnnnenunnonnnenennnnensnonnnonsnennenensonsensennennenensennnansnnansnn Dr. Wichers _.........2usnsseenenesneenneenenenenensnnnnenensennnnennnnnnnnonsanonannnnnsnsensertenessnnnenn Dr. Kreklau .....eeesseseeseeueeneesenesnennnnnnnnnnnnnnnsunnusenenuannannnnunsnenonnnnnnenonnanansnnenn nn
303 330 332 339 349 369
Prof. Dr. Meyer-Krahmer
Prof. Dr.-Ing. Weule
.................444422224r nn enennennnnnnnnnnnnsnsenesnen sro
193
.................2204420sssnnnsensnennnnunnnsenennrnnnennnnnnennnssnsnansannnnern 289
Weitere schriftliche Stellungnahmen
zur Anhörung
VDMAJ/ZVEI Fachverband Informationstechnik. ............-....z0s440444s Brenn eneen en ZVEI Fachverband Kommunikationstechnik .................@22r002200000eseen nennen nee Bundesverband Deutscher Unternehmensberater..............-....s4#440sn00eee ern
381 397 415
155
Dr. KLAUS
NEUGEBAUER
Sprecher der Geschäftsleitung
Computerunterstützte
technologie Vorschläge zur Stärkung Informationssysteme:
softlab gmbh
Softwareentwicklung der europäischen
—
eine
Schlüssel-
Softwareindustrie
Eine strategische Aufgabe
Informationssysteme stellen heute, unabhängig von Branchen und Märkten, Kernfunktion in den Unternehmen dar. Die Verfügbarkeit aktueller, genauer umfassender Informationen entscheidet darüber, welche Unternehmen sich in immer enger werdenden Märkten erfolgreich behaupten. Defizite in diesem reich wirken sich unmittelbar auf Unternehmensleistungen und Erträge aus.
eine und den BeDie
steigende strategische Bedeutung von Informationen haben viele Unternehmen erkannt und die Entwicklung und Pflege leistungsstarker Anwendungssysteme zum
Management-Anliegen gemacht. Der wirtschaftliche
Nutzen
entscheidet
Bisher wurde die Effektivität von Computersystemen zu oft nur nach technischen Leistungsmerkmalen bewertet und die Entwicklung von Informationssystemen von technischen Problemstellungen bestimmt. Angesichts der steigenden Leistungsfähigkeit von Computern
treten die technischen
Restriktionen
in den
Hintergrund.
Heute stellen steigende Qualitätsansprüche und die zunehmende Komplexität der Informationssysteme immer größere Anforderungen an die Entwicklungsabteilungen; Zeitverzögerungen, Kostenüberschreitungen und Anwendungsstau sind die Folge. Wo mehrere Projekte um knappe Entwicklungsressourcen konkurrieren, müssen zwangsläufig Prioritäten gesetzt werden. In dieser Situation werden Softwaresysteme immer stärker danach beurteilt, in wel-
chem Maße sie zum Unternehmenserfolg beitragen - durch verbesserten internen und externen Kundenservice und durch Verminderung von Zeit- und Kostenrisiken.
In den 90er Jahren wird die entscheidende Bedeutung und Rolle der Software im Gesamtprozeß der Wirtschaft besonders sichtbar werden. In Forschung und Entwicklung, Produktion, Dienstleistung und Verwaltung ermöglicht erst die richtige Software die effiziente Nutzung des nach Boden, Kapital und Arbeit vierten Produktionsfaktors Information. Eine der großen Aufgaben der Automatisierung, die Integration von Verwaltung,
Produktionsplanung, Produktionssteuerung und Distribution ist ohne Unterstützung durch entsprechende Software nicht denkbar; daher ist das Nachfragepoten-
tial in diesem Bereich besonders groß. Die Dienstleistung von Banken und Versi156
cherungen besteht inzwischen bereits nahezu vollständig aus Software; ihre Werkbanken sind die Rechenzentren und DV-Abteilungen.
Wachsende Bedeutung kommt auch der in den Produkten bereits enthaltenen Software zu. Software als Bestandteil von Produkten spielt heute in der Konsumgüterindustrie, vor allem aber in der Investitionsgüterindustrie vom Maschinenbau bis zur Luft- und
Raumfahrt,
eine immer
bedeutsamere
Rolle.
Die Bundesrepublik Deutschland kann ihre Stellung als weltweit führendes Export-
land nur behaupten, wenn ihre Produkte weiterhin wettbewerbsfähig bleiben. Besonders vor dem Hintergrund der Globalisierung der Märkte wird dies künftig weitgehend nur durch ‚intelligente‘ Produkte mit einem hohen Anteil an leistungsfähiger Informationsverarbeitung möglich sein. Immer noch werden die meisten Anwendungssysteme vom Unternehmen selbst erstellt. Infratest schätzt, daß 1991 in den alten Bundesländern Software und Dienstleistungen im Wert von DM 23,1 Mrd. intern erstellt und für DM 18,4 Mrd.
eingekauft wurden. Insgesamt wurde also für DM 41,5 Mrd. Anwendungssoftware produziert,
das sind bereits etwa 25 %
des deutschen
Automobilmarktwertes.
Gerade die Großunternehmen beschäftigen zu diesem Zweck „Heerscharen‘‘ von Anwendungsentwicklern. Doch der rezessionsverstärkte Kostendruck zwingt den DV-Chef
auch
hier zu Einsparungen.
Immer schneller schreiten die Anforderungen an den Einsatz von Computern
und
die technischen Möglichkeiten voran. Dies zwingt zu ständigen individuellen Software-Innovationen — eine Herausforderung, die den DV-Anwendern immer mehr abverlangt und nur mit CASE (Computer Aided Software Engineering), der ingenieurmäßigen
Entwicklung von Computerprogrammen
und der industriellen Ferti-
gung von Software, gelöst werden kann. Nur mit CASE-Werkzeugen (zur Einzelfertigung) und komplexen Software-Entwicklungsumgebungen (als Infrastruktur für die Softwarefabrik im eigenen Haus) läßt sich Software von hoher Qualität schnell und kostengünstig produzieren. Doch die ingenieurmäßige Fertigung von Software steht erst am Anfang ihrer Ent-
wicklung.
In den
letzten Jahren sind zwar bedeutende technische
Fortschritte er-
zielt worden; aber die Dynamik der Nachfrage nach qualitativ immer höherwertige-
rer Software nimmt weltweit ständig zu. Vor allern die kleinen und mittleren Unter-
nehmen erweisen sich hierbei als die Innovatoren mit der größten Dynamik.
Die vielfach schon hochentwickelten Einzelwerkzeuge allein reichen allerdings nicht mehr aus. Ihre einzelnen Funktionen werden zu einem umfassenden, integrierten Software-Fertigungsprozeß (Integrated CASE, I-CASE) zusammenwachsen müssen. Mit I-CASE lassen sich erzielen: — Erhöhung der Produktivität der gesamten Software-Entwicklung; — Verbesserung des Fertigungs-Managements, das effiziente Planungen exakte
Kontrolle bringen
soll;
und
157
— Steigerung der Qualität von Software-Systemen hinsichtlich Zuverlässigkeit und Benutzerfreundlichkeit;
— Senkung des Wartungsaufwands Dazu müssen werden.
neue Techniken
und Methoden entwickelt und in der Praxis erprobt
Schwerpunkte für den künftigen Einsatz von CASE-Systemen
sind:
— die Entwicklung durchgängiger Methoden, die alle Einzeltechniken der Software-Entwicklung integrieren. Hier leistet auf europäischer Ebene mit Blick auf den ab 1993 angekündigten gemeinsamen Binnenmarkt die Entwicklung des standardisierten Technologieansatzes EUROMETHOD einen wesentlichen Beitrag; —
die Unterstützung
dieser Methoden
durch
leistungsstarke CASE-Systeme;
— die intensive Erprobung von Methoden und CASE-Systemen —
die konsequente Weiterentwicklung der CASE-Technologie
zepte (z.B. zur Wiederverwendbarkeit von Software und zum
in der Praxis; durch
neue Kon-
Management
bei
der Wartung von Software-Systemen). Hier können vor allem wissensbasierte Systeme und Methoden für entscheidende Impulse sorgen. Markt
CASE-Produkte werden auch für die Computeranbieter strategisch wichtig: In den kommenden Jahren werden Kooperationen zwischen Computerherstellern und Softwarepartnern
zusätzlichen
Raum
für die vielbeschworenen
schaffen und den DV-Markt zu einem Nachfragemarkt machen.
offenen
Systeme
Während bislang — im High-Tech-Bereich selten genug — europäische Hersteller
von Software-Entwicklungssystemen
international die maßgebliche
Rolle spielten,
vermögen in letzter Zeit gerade Unternehmen aus den USA dem Markt wesentliche Innovationsimpulse zu verleihen. Japanische
Unternehmen
zögerlich und agieren bislang wenig engagiert.
geben
sich hier eher
Durch die Ankündigung von ‚„AD/Cycle‘‘, einem Entwicklungskonzept für die indu-
strielle Softwarefertigung,
im Jahr 1989 zeigte auch der internationale DV-Markt-
führer IBM, welch enorm strategische Bedeutung er diesem Bereich beimißt. Bevor sich dabei jedoch über die Marktmechanismen von Angebot und Nachfrage ein Industriestandard herausschält, soll mit dem aus der europäischen Forschungsinitiative Eureka stammenden Projekt PCTE ein auf internationaler Ebene systematisch erarbeiteter Standard
entgegengesetzt
werden.
Das Marktvolumen für kommerziell genutzte I-CASE-Systeme wird heute weltweit auf rund 160 Milliarden Mark geschätzt. Der Anteil der USA liegt bei 70 Milliarden Markt; Europa rangiert bei 45 Milliarden Mark und Deutschland bei zehn Millarden
Mark. Rechnet man den Markt für I-CASE-Systeme in technisch-wissenschaftlichen Anwendungen hinzu, steigt das Volumen jeweils um rund ein Drittel. Dabei 158
gibt es in beiden Segmenten noch keine Marktführer im klassischen Sinn; sie dürf-
ten sich erst in den nächsten zwei bis drei Jahren herausbilden — auch ein Indikator für die Innovationskraft dieses neuen Zukunftsmarktes. Europa hat hier eine echte Chance, Marktführer zu werden.
Erwartungen Die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft muß durch flankierende Öffentlichen Hand weiter vorangetrieben werden.
Maßnahmen
der
Die enormen Anstrengungen der Wirtschaft auf Seiten von IT-Anwendern wie ITAnbietern gleichermaßen reichen jedoch nicht aus, um auf den internationalen Märkten das notwendige Innovationstempo langfristig bis weit in die 90er Jahre hinein durchzuhalten. Deshalb sind flankierende Maßnahmen der Öffentlichen Hand in den Bereichen Ausbildung, Weiterbildung und Auftragsforschung dringend geboten. Wichtig sind Forschungs- und Entwicklungsprogramme, wie sie etwa das Bundesministerium
für Forschung
und Technologie oder die Europäische
initiieren. Dabei gilt es, nicht um beinahe jeden nen Hardware-Entwicklungen
Gemeinschaft
Preis den Japanern bei verschiede-
hinterherzulaufen, sondern endlich den Mut zur För-
derung innovativer Software-Systeme aufzubringen. Dazu müssen wir uns für ganz bestimmte Schlüsseltechnologien entscheiden, vor allem für I-CASE.
Schwerpunktmäßig muß das notwendige technische Wissen konsequent und gezielt verbessert werden durch: — Ausbau der Informatik-Ausbildung an den Universitäten und Fachhochschulen im Bereich Software Engineering (Basiseffekt); — —
Angebot gezielter Weiterbildungsmaßnahmen an den Universitäten hochschulen in der Software-Technologie (Vertiefungseffekt);
und Fach-
Erhöhung der Umsetzungsgeschwindigkeit von Forschungsergebnissen in Pro-
dukte oder Vorprodukte (Prototypen). Das heißt: Die Schnittstelle zwischen Forschung
und
Produktentwicklung
muß
dort
liegen,
wo
Kostenbewußtsein
herrscht und der Markt seine Wirkung hat, also innerhalb der Unternehmen, die als Anwender täglich im wirtschaftlichen Wettbewerb die Effizienz ihrer Softwareinnovationen nachweisen müssen (so z.B. ESSI). Als konkrete Forschungs-
dem
und Entwicklungsschwerpunkte
für EG-Programme
auf
Feld Software Engineering (hierunter fällt I-CASE) werden vorgeschlagen:
—
objektorientierte
Software-Entwicklungsmethoden,
— —
Prototyping, Code-Generatoren,
— objektorientierte (verteilte) Datenbanken,
— Wartungsunterstützung und Re-Engineering, — Wiederverwertung (Re-Usability), 159
— Tool-Unterstützung und Einführung von EUROMETHOD, —
Hypertext.
Die Programme müssen bestehende Produkte, Entwicklungen und internationale Standards berücksichtigen, um eine schnelle und marktnahe Entwicklung zu gewährleisten. Die finanziellen Förderbedingungen müssen verbessert werden, weil die führenden Technologieunternehmen, meist kleine und mittelständige Betriebe, bereits die Hauptlast der Innovation
tragen —
und dies in einem
internationalen
Schlüsselmarkt, der jährliche Wachstumsraten von bis zu 40 Prozent verspricht.
160
Dr. HENNING KLODT Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel
Ist die Mikroelektronik I.
Argumente
eine strategische
Industrie?
für eine staatliche Förderung der Halbleiterproduktion’)
1. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht sind es vor allem zwei Argumente, mit denen eine selektive Industrie- und Technologiepolitik zugunsten der Mikroelektronik gerechtfertigt werden könnte: die Gefahr strategischer Abhängigkeiten von ausländischen Anbietern und die positiven Ausstrahlungseffekte auf andere Wirtschaftsbereiche. 2. Strategische Abhängigkeiten können entstehen, wenn unter den ausländischen Herstellern nicht genügend Wettbewerb herrscht, wenn sie also in der Lage sind, von inländischen Abnehmern monopolistisch überhöhte Preise zu erheben oder das Angebot wichtiger Vorprodukte künstlich zu verknappen. Hohe Importquoten bei mikroelektronischen Bauelementen oder geringe Weltmarktanteile inländischer Hersteller dagegen sind für sich genommen noch kein Anzeichen strategischer Abhängigkeiten; sie können auch Ausdruck einer ausgeprägten internationalen Arbeitsteilung in einer verflochtenen Weltwirtschaft sein. Wenn der Staat hier eingreift, werden Wachstum und Wohlstand des eigenen Landes eher geschädigt als gefördert. 3.
Wenn die Forschungsergebnisse der Mikroelektronik auch anderen Unterneh-
men und Branchen zugute kommen, ohne daß diese dafür zahlen müssen, dann werden die privatrechtlichen Forschungsausgaben aus gesamtwirtschaftlicher
Sicht zu gering ausfallen. Um die Unternehmen für solche positiven Ausstrahlungs-
effekte? zu entschädigen, sollte sich der Staat an der Forschung finanziell beteili-
gen, damit die Forschungsausgaben ihr gesamtwirtschaftlich optimales Niveau erreichen. Eine weite Verbreitung mikroelektronischer Geräte über das gesamte Branchenspektrum ist allerdings noch kein Grund, die Hersteller dieser Geräte staatlich zu fördern. Die Gewinnchancen eines breiten Absatzmarkts bieten im Rahmen
einer Marktwirtschaft genügend
Anreize für privatwirtschaftliche
Investi-
tionen, und eine Branche ist nicht deshalb schon förderungswürdig, weil sie wichti-
1) Für eine ausführliche Erörterung der hier vertretenen Thesen siehe G. Bletschacher, H. Klodt,
Strategische
Handels-
und
Industriepolitik
—
Theoretische
Grundlagen,
Bran-
chenanalysen und wettbewerbspolitische Implikationen. Kieler Studien, 244, Tübingen 1922 — H. Klodt, Theorie der strategischen Handelspolitik und neue Wachstumstheorie als Grundlage für eine Industrie- und Technologiepolitik? Kieler Arbeitspapier, 1992 (in
Vorbereitung).
2) Diese Effekte werden auch als „Spill-overs‘‘ oder als ‚externe Erträge‘‘ bezeichnet, da sie nicht über den Markt abgegolten werden und damit auch nicht im Gewinn des Unternehmens, das sie verursacht, internalisiert werden können.
161
ge Vorprodukte an viele andere Branchen liefert. Worauf es ankommt, ist die Bereitstellung von Leistungen, für die kein Marktpreis erhoben werden kann. ll. Strategische Abhängigkeiten: Wie intensiv ist der Wettbewerb bei elektronischen Halbleitern? 4. Die Gefahr der strategischen Abhängigkeit von ausländischen Anbietern ist um so größer, je geringer die Zahl dieser Anbieter ist und je verfestigter die Marktstrukturen sind, d.h. je weniger die etablierten Anbieter unter dem Druck potentieller Konkurrenten stehen. Die unterschiedlichen Auffassungen zur Intensität des Wettbewerbs im Halbleiterbereich, die in den verschiedenen zu diesem Thema vorliegenden Studien zum Ausdruck kommen, beruhen in erster Linie auf einer unterschiedlichen ökonomischen Beurteilung der produktionstechnischen Bedingungen
in dieser Branche.
5.
Die Produktionstechnik der Halbleiterindustrie ist ohne Zweifel durch eine ho-
he Präzision gekennzeichnet, wie sie in der Industrie sonst kaum erreicht wird. Die Verfeinerung der Strukturbreiten bis in Bruchteile des Mikrometerbereichs hinein und die immer komplexeren Schaltstrukturen lassen sich nur mit aufwendigen Verfahren realisieren, deren Entwicklung hohe Kosten verursacht. Intel wendet heute
beispielsweise dreistellige Millionenbeträge für die Entwicklung neuer Mikroprozessoren auf, und für die Entwicklung eines 256M-Speicherchips, der bis Ende der neunziger Jahre von IBM, Toshiba und Siemens zur Marktreife gebracht werden soll, sind rund 1 Mrd. US-$ veranschlagt. Diese hohen Fixkosten machen es potentiellen Konkurrenten schwer, in den Markt einzudringen.
6.
Darüber hinaus wird immer wieder auf die Lerneffekte hingewiesen, die den
Marktzutritt potentieller Konkurrenten noch stärker behindern würden als die hohen Fixkosten. Lerneffekte bei der Chip-Herstellung entstehen vor allem dadurch, daß die optimale Produktionstechnik nur durch wiederholten Versuch und Irrtum
herausgefunden werden kann. Beim Start einer neuen Produktionslinie, wenn erst wenige Erfahrungen vorliegen, ist die Ausbeute an funktionsfähigen Chips meist sehr gering, oftmals unter 10 Prozent. Im Zuge der weiteren Produktion steigt der Anteil funktionsfähiger Chips (yield ratio) laufend an, bis bei ausgereiften Chips schließlich ein Niveau von 60 bis 90 Prozent erreicht ist. In den frühen Stadien der
Lernphase ist nach einer Faustregel damit zu rechnen, daß die Durchschnittskosten pro funktionsfähigem Chip bei einer Verdoppelung des kumulierten Output um ein Drittel fallen. 7.
Über den präzisen Verlauf der Lernkurven sind keine genauen Angaben zu er-
halten, da sich die Hersteller darüber aus Wettbewerbsgründen ausschweigen. Einen Eindruck von den möglichen Größenordnungen
im Bereich der Speicherchips
vermittelt jedoch Schaubild 1, das auf Schätzungen von Branchenexperten beruht. Es zeigt, daß neue Generationen von DRAMSs (dynamic random access memory) zunächst einen Preisnachteil gegenüber älteren Generationen haben, da die yields noch gering sind. Diese Nachteile werden jedoch in der Regel innerhalb von ein 162
bis zwei Jahren wettgemacht, so daß ältere DRAMs dann nur noch mit erheblichen Preisabschlägen absetzbar sind. Die Lerneffekte machen es also schwer, eine ren-
table Produktion aufzubauen, wenn die Konkurrenz erst einmal einen zeitlichen Vorsprung hat. Hohe Gewinne werden bei einzelnen Chip-Generationen nur über
einen relativ kurzen Zeitraum erzielt, und wer es nicht schafft, in dieser Phase eine hohe yield ratio zu erzielen, wird seine Entwicklungskosten kaum noch am Markt hereinholen können. 8. Die Halbleiterindustrie ist jedoch nicht nur durch hohe statische und dynamische Skalenerträge gekennzeichnet, sondern auch durch extrem kurze LebensSchaubild
1
Durchschnittliche x
Q
pro Bit bei der Produktion von DRAMs
{
IK
\
1
Stückkosten
10
\
\\
“K Bu
vg
\
10°
I16K
\ Du \
64K
A
\\
Di 10
_—"
4
aM
10°
Quelle:
>
1970
1975
1989
Bletschacher, Klodt (1992).
1985
1990
1995
2000
163
zyklen der einzelnen beispielsweise
in den
Produktgenerationen. vergangenen
Mit verblüffender Regelmäßigkeit ist
Jahrzehnten
alle drei Jahre
ein neuer
Spei-
cherchip auf den Markt gekommen, der gegenüber seinem Vorgänger jeweils die vierfache Leistung
aufweist. Auch
bei Mikroprozessoren
erfolgt der Generations-
wechsel bislang etwa im Dreijahrestakt; der Marktführer Intel plant jedoch, ihn künftig noch weiter zu verkürzen.” Wie stabil die Marktposition eines dominanten Anbieters ist, hängt also entscheidend davon ab, ob es gelingt, die bei der gegen-
wärtigen Chip-Generation erzielten Lernkostenvorteile auf die nächste Generation zu übertragen. 9.
Eine solche
Übertragung von
Lerneffekten würde
beispielsweise bedeuten,
daß ein Unternehmen, das bei der einen Generation aufgrund hoher Stückzahlen eine yield ratio von 80 oder 90 Prozent erreicht hat, bei der nächsten Generation
von vornherein mit einer höheren yield ratio starten könnte als ein anderes Unternehmen, das bei der alten Generation zu spät auf den Markt gekommen ist und deshalb die potentiellen Lerneffekte nicht vollständig ausschöpfen konnte. Die tatsächliche Situation sieht jedoch anders aus: Wenn eine neue Chip-Generation in die Produktion geht, starten alle Produzenten
mit einer ähnlich niedrigen yield ra-
tio, unabhängig davon, wie hoch die Stückzahlen sind, die sie bei der vorangegangenen Generation erzielen konnten. Die Lerneffekte sind also nicht übertragbar, stellen somit auch keine dauerhaften Marktschranken dar.”
10. Daraus folgt natürlich nicht, daß jedes beliebige Unternehmen zu jedem beliebigen Zeitpunkt in den Markt eindringen könnte. In der Halbleiterproduktion dürfte es — wie in anderen technisch anspruchsvollen Produktionsbereichen auch — schwierig sein, eine rentable Produktion
grundlegenden
Techniken
„Blaupausen-Wissen‘
zu
aufzubauen,
der Chip-Fertigung
erwerben,
sind
hohe
wenn
ein Unternehmen
nicht beherrscht. Anlaufkosten
Um
nötig,
die
derartiges
die
zu
den
oben erwähnten Fixkosten beitragen. Beim Start jeder neuen Chip-Generation fallen erneut Fixkosten aus dem Forschungs- und Entwicklungsbereich an, die vermutlich für neu in den Markt eintretende Unternehmen höher sein dürften als für etablierte Unternehmen,
die teilweise auf Blaupausen-Wissen
aus früheren Gene-
rationen zurückgreifen können. Derartige Startnachteile junger Unternehmen gibt es mehr oder weniger ausgeprägt in vielen Branchen; sie sind jedoch nicht unüberwindbar. Wer es schafft, sich bei einer Chip-Generation an die Spitze zu setzen, kann keineswegs sicher sein, auch bei der nächsten Generation einen Wettbe-
werbsvorsprung
zu behalten.
Eine jahrzehntelange
Vormachtstellung
auf dem
3) Der 286er Mikroprozessor wurde im Jahre 1983 auf den Markt gebracht, der 386er im Jahre 1986 und der 486er in Jahre 1990. Die Markteinführung des 586er ist für 1993 vorgesehen, die des 686er für 1994 und die des 786er für 1996. 4) Die mangelnde Übertragbarkeit rührt letztlich daher, daß die Lerneffekte vor allem beim Optimieren der Dotierungsintensitäten, Belichtungszeiten, Backtemperaturen, chemischen Konzentrationen und ähnlichem auftreten, die bei jeder Chip-Generation anders sind.
164
Weltmarkt, wie sie beispielsweise Boeing auf dem Flugzeugmarkt hält, konnte bislang von keinem einzigen Chip-Hersteller erreicht werden. Außerdem ist es wiederholt zu Neueintritten von Unternehmen gekommen, ohne daß es einer massiven
Anschubfinanzierung durch den Staat bedurft hätte. 11.
Sichtbaren Ausdruck findet die starke Konkurrenz unter den Halbleiterher-
stellern in den ständigen Positionswechseln in der Unternehmenshierarchie, die sich beispielsweise bei DRAMSs im Zeitablauf zeigen (Tabelle 1). Einige Unterneh-
men wie Hitachi oder Toshiba sind zwar seit Jahren schon auf den vorderen Rän-
gen, aber es gibt auch Auf- und Absteiger. Beim 4M-DRAM
beispielsweise konnte
sich das koreanische Unternehmen Samsung auf Änhieb auf Rang 3 plazieren, und auch Siemens und Hyundai sind erstmals unter den Top-ten vertreten. Wenn die Marktführerschaft bei einer Chip-Generation auch einen gravierenden
Kosten-
vorsprung bei nachfolgenden Generationen begründen würde, wären derart starke
Umbrüche in den Marktanteilen kaum vorstellbar. Es kann also vermutet werden, daß die Marktmacht einzelner Unternehmen stets nur temporär ist und damit kaum dauerhafte technologische Abhängigkeiten zwischen bestimmten Herstellern und Abnehmern auftreten können. Die untere Hälfte von Tabelle 1 zeigt darüber hinaus, daß eine starke Position in einern Segment des Halbleitermarkts offenbar keine Auswirkungen auf die Position des betreffenden Unternehmens in anderen
Marktsegmenten hat, denn die Rangfolge der jeweils größten Anbieter variiert be-
trächtlich zwischen den verschiedenen Chip-Typen. Ein Unternehmen oder ein Land, das etwa bei Speicherchips den Anschluß verpaßt hat, braucht somit keines-
wegs zu fürchten, damit zwangsläufig auch bei Mikroprozessoren oder ASICs (Application Specific Integrated
chen Diskussion ist dagegen
Circuits) ins Hintertreffen zu geraten.
In der öffentli-
immer wieder behauptet worden, ohne technologi-
sche Führerschaft bei den als „Technologietreiber‘‘ anzusehenden Speicherchips sei auch in anderen Marktsegmenten keine Spitzenposition zu erreichen. 12. Als weiteres Indiz dafür, daß im Chip-Bereich keine dauerhaften Monopole aufgebaut werden können, kann auf den unverändert ausgeprägten Preisrückgang
für mikroelektronische Bauelemente verwiesen werden (Schaubild 2).® Die Anbie-
ter waren bislang offenbar gezwungen, technisch bedingte Kostensenkungen in Form niedriger Preise an die Abnehmer weiterzugeben, anstatt sie in Monopolrenten umzumünzen. In dieses Bild paßt auch, daß japanische Anbieter, deren Vor-
machtstellung gerade bei DRAMs in Westeuropa immer wieder als besonders bedrohlich dargestellt wurde, in diesem Marktsegment bereits wieder auf dem Rückzug sind, während insbesondere Unternehmen winnen (Tabelle 2).
aus Südkorea rasch an Boden ge-
5) Nach der sogenannten Bai-Regel (bai ist das japanische Wort für zwei) sind neue DRAMGenerationen nach Abschluß der Lernphase doppelt so teuer wie ältere Generationen. Da die Kapazität aber das vierfache beträgt und der Lebenszyklus durchschnittlich drei Jahre
dauert, folgt aus dieser Faustregel ein Preisrückgang pro Bit von rund 25 Prozent pro Jahr.
165
Tabelle
1
Rangfolge der zehn größten Unternehmen bei verschiedenen Halbleitern
IK-DRAM | 4K-DRAM | 16K-DRAM | 64K-DRAM | 2seK.oram | IM-DRAM | aM-DRAM 1972
1981
1984
Texas Instr. | Texas Instr. | Texas Instr.
Motorola
Hitachi
Toshiba
Hitachi
Motorola
Texas Insır.
NEC
Hitachi
Toshiba
NEC
Fujitsu
Mitsubishi
Samsung
Hitachi
Toshiba
NEC
NEC
Oki
Fujitsu
Fairchild
1975
Fairchild
1978
Motorola
| Nat.Semicon. | Nat.Sernicon.
RCA
1987
1991
Intel
Intel
Gen. Electric |
Motorola
NEC
Nat.Semicon. |
Rockwell
Fairchild
Toshiba
Mitsubishi
Fujitsu
Mitsubishi
Gl
Hitachi
Intel
Oki
Texas Instr.
Oki
Coming
RCA
Signetics
Philips
TCMC
Matsushita
Siemens
Westingh.
Signeties
Mostek
Fujitsu
Texas Intr.
-
Hyundai
AMD
Toshiba
Fairchild
Intel
-
Texas Insır.
GI
AMD
166
Nat.Semicon. | ATT Techn.
Analoge ICs
Bipotare ICs
Speicher
Mikroprozessoren
ASICs
1990 Philips
Fujitsu
Toshiba
Intel
NEC
Toshiba
Texas Insır.
NEC
NEC
Tosh:ba
Nat. Semicon.
Hitachi
Hitachi
Motorola
Motorola
SGS-Thompson
Nat. Semicon.
Fujitsu
Hitachi
Fujitsu
Sanyo
Motorola
Mitsubishi
Mitsubishi
LSI Logic
Samsung
Toshiba
Oki
Motorola
AMD
Texas Insır.
Philips
Texas Instr.
Texas Insır.
Hitachi
Mitsubishi
NEC
Sharp
Matsushita
Matsushita
Matsushita
Mitsubishi
Motorola
Fujitsu
Texas Instr.
Sony
Toshiba
Oki
Nat. Semicon.
Sharp
Quelle:
Zusammengestellt
nach
Bletschacher,
Klodt (1992);
Dataquest.
167
Schaubild
2
Weltmarktpreise für DRAMs
1976
bis 1990 (Millicent pro Bit)
1000
100
—-
10
—-
1
—
.
Preistrend
l 1976
Bletschacher,
1978
I
1980
l
i
|
|
1984
1986
1988
1990
2 1981
bis 1991
Herkunft des Anbieters Japan Nordamerika Asien/Pazifik Europa
168
1982
N
Klodt (1992).
DRAM-Weltmarktanteile
Quelle:
Bai-Regel
Preisentuicklung
0.1
Tabelle
der
I tatsächliche
Quelle:
nach
Handelsblatt vom
17. Juni
1992.
(vH) 1981
1986
1991
44,5 50,3 _ 5,2
78,0 15,0 9,3 2,9
56,4 19,3 20,3 4,0
13. Von den Befürwortern einer aktiven Industriepolitik zugunsten der Halbleiterproduktion wird als zusätzliches Argument vorgebracht, eine Abhängigkeit deutscher Anwender von japanischen Chip-Lieferanten sei auch deshalb bedenklich,
weil mit den in Auftrag gegebenen Chips zumindest teilweise offenbart werden müsse, welche Konstruktionsprinzipien dem Endprodukt zugrundeliegen. Da japanische Chip-Hersteller oftmals auch in nachgelagerten Märkten tätig sind, komme beispielsweise das Offenlegen der Konstruktionsprinzipien einer elektronisch gesteuerten Werkzeugmaschine an den Chip-Lieferanten einem Offenlegen gegenüber der eigenen Konkurrenz gleich. Diese Befürchtungen mögen in Einzelfällen berechtigt sein, doch gegen eine Verallgemeinerung spricht folgendes: —
Erstens sind produktspezifische Informationen des Anwenders weder bei Speicherchips noch bei Mikroprozessoren relevant, sondern nur bei ASICs. Diese Logik-Bauteile werden aber oftmals nicht mit den modernsten, sondern mit technologisch älteren Produktionsverfahren hergestellt. Während der Stand der Technik bei den Speicherchips heute durch die 4M-Technologie markiert wird,
werden bei einfacheren ASICs überwiegend Herstellungsverfahren angewandt,
die der 256K-Technologie entsprechen. Diese Technologie, die um zwei volle Generationen hinter der neuesten zurückliegt, steht vielen, auch kleineren und keineswegs nur japanischen Anbietern offen.
—
Zweitens haben sich mittlerweile mehrere kleinere Firmen und Institute darauf spezialisiert, als Chip-Designer die von den Anwendern benötigten ASICs zu entwickeln. Sie treten damit als Mittler zwischen Chip-Herstellern und Anwen-
dern auf, und der Anwender muß sein produktspezifisches Wissen nur gegenüber dem Chip-Designer, nicht jedoch gegenüber dem Chip-Hersteller offenbaren. Auch wer komplexe ASICs benötigt, hat also Möglichkeiten, sein produktspezifisches Wissen vor der Imitation durch große Mikroelektronik-Konzerne zu schützen. 14.
Aus all dem folgt, daß der Wettbewerb bei elektronischen Halbleitern offenbar
wesentlich intensiver ist als vielfach angenommen. Die Gefahr der strategischen Abhängigkeit westeuropäischer Anwenderbranchen von einzelnen japanischen Herstellern ist sowohl gegenwärtig als vermutlich auch künftig gering. Erstens ma-
chen sich die japanischen Unternehmen untereinander durchaus ernsthafte Konkurrenz, zweitens geraten sie zunehmend unter den Druck neuer Anbieter aus
Südostasien, und drittens ist ihre gegenwärtige Dominanz weitgehend auf den Bereich der Speicherchips begrenzt, während beispielsweise der Markt für Mikropro-
zessoren nach wie vor von U.S.-amerikanischen Unternehmen beherrscht wird.®
Sollten die Japaner künftig auch bei Mikroprozessoren ihre Position ausbauen kön-
6) Letzteres gilt insbesondere
für die höchstentwickelten
Mikroprozessoren,
die 32Bit-Pro-
zessoren. Hier hatten die führenden amerikanischen Firmen im Jahre 1991 einen Weltmarktanteil von 90 vH (Intel: 66 vH; Motorola: 13 vH; Advanced Micro Devices: 6 vH; National Semiconductors: 3 vH; LSI-Logic: 2 vH).
169
nen, würde dadurch der Wettbewerb auf den Weltmärkten eher schärfer, da die Vormachtstellung amerikanischer Hersteller gebrochen würde. Das Argument der strategischen Abhängigkeit liefert also keine Rechtfertigung für eine selektive
Industrie- und Technologiepolitik zugunsten der europäischen Halbleiterindustrie.
Ill. Positive Ausstrahlungseffekte: schnittstechnologie?
Ist die Mikroelektronik eine Quer-
15. Der positive Beitrag, den die in einem Unternehmen betriebene Forschung zur Erhöhung des allgemeinen Wissensstands und damit zur Forschung anderer Unternehmen leistet, ist seit jeher das klassische Argument für die staatliche Forschungsförderung. Mit diesem Argument kann nicht nur begründet werden, weshalb sich der Staat überhaupt an industriellen Forschungsaktivitäten finanziell be-
teiligen sollte, sondern auch, weshalb die Grundlagenforschung stärker gefördert werden sollte als die angewandte Forschung. Denn der Anteil universell verwertba-
ren Wissens dürfte bei der Grundlagenforschung am höchsten sein. Eine sektoral unterschiedliche Förderung der angewandten Forschung wäre dagegen nur gerechtfertigt, wenn die Forschungsaktivitäten einiger Branchen in höherem universelles Wissen hervorbringen würden als die anderen Branchen.
16.
Obwohl es mittlerweile eine Reihe von Untersuchungen
gibt, ist die empirische
Messung
Maße
zu diesem Thema
der positiven Ausstrahlungseffekte
industrieller
Forschung nach wie vor ein ungelöstes Problem. Ein Ansatz, mit dem für den Bereich der Mikroelektronik zumindest indirekte Rückschlüsse auf derartige Spillovers gezogen werden können, wurde jedoch kürzlich vom Ifo-Institut vorgestellt. Dieser Ansatz beruht auf der Auswertung internationaler Patentstatistiken. Er geht davon aus, daß die Ausstrahlungseffekte um so höher sind, je breiter das Spektrum
an Technikfeldern ist, die von einer patentierten Neuerung berührt werden. Es geht
also darum, ob die Mikroelektronik eher als Querschnittstechnologie oder als bran-
chenspezifische Technologie anzusehen ist. 17.
Wenn eine Erfindung zum Patent angemeldet wird, dann wird sie von den Pa-
tentämtern einer bestimmten Patentklasse zugeordnet. Zugleich wird vermerkt, für
welche Sachgebiete außerhalb dieser Patentklasse die Erfindung ebenfalls relevant ist. Die Bedeutung einer Erfindung für die Forschung anderer Unternehmen läßt sich nach Ansicht des Ifo-Instituts näherungsweise daran ablesen, wie groß die Zahl der zusätzlichen Sachgebiete ist, denen eine Erfindung von den Patentämtern
zugeordnet wird. Aus diesen Angaben läßt sich ein technologischer Verflechtungsgrad ermitteln, der als Quotient aus der Zahl der Zuordnungen zu anderen Sachgebieten und der Zahl der Patentanmeldungen in dern jeweiligen Sachgebiet selbst berechnet wird. Gemessen an diesem Indikator sind es vor allem die Werkstoffund Verfahrenstechniken, die eine übergreifende Bedeutung haben, nicht dagegen die Mikroelektronik (Tabelle 3). Die Halbleiterbauelemente finden sich beim Verflechtungsgrad lediglich auf Rang 15, die integrierten Schaltungen (Untergruppe der Halbleiterbauelemente) auf Rang 22. Nach diesen Ergebnissen erscheint es nicht gerechtfertigt, die Mikroelektronik als eine Querschnittstechnologie anzuse170
Tabelle 3 Verflechtung der Technikfelder nach der internationalen Patentstatistik 1983 und 1988 Rang | Technikfeld
Verflechtungsgrad (a)|
1988 1
3
4 5
6 7 8 9 10 11 12
13
14
15
16 17
18 19
20 21
22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
1988
1983
Schichtkörper (Verbundwerkstoff) Farb-, Anstrichstoffe
1,373 1,355
1,394 1,289
Keramische Laser
1,098 1,097
Beschichtungsverfahren Werkstoffe
Anzeigevorrichtung (Displays) Steuer- oder Regelsysteme Optik Behandlung v. Wasser Biochemie Behandlung v. Textilien Kerntechnik
Kunststoffe, deren Verarbeitung
Halbleiterbauelemente
Verfahrenstechnik (z.B. Trennen) Photographie, Elektrographie
Luft- u. Raumfahrt Hüttenwesen
Lebensmittel
Integrierte Schaltungen Informationsspeicherung Medizintechnik (Diagnostik, Chir.) Elektr. Nachrichtentechnik Dynamoelektrische Maschinen Hochbau Pharmazie Feuerungen, Heizung Gedruckte Schaltungen Landwirtschaft Maschinenbau Straßenfahrzeuge
1 2
4
11 12
1,103 1,137 0,985 1,097 1,064 0,939
5 3 8 6 7 10
0,810
0,823
14
0,790
0,787
0,821 0,801
0,774
15 16
17
0,763 0,758
0,717 0,838
22 13
0,703
0,722
21
0,725
0,702
Digitalrechner
1,134
0,924 0,893
1983
1,097 1,074 1,036 0,999 0,979 0,906 0,841
Messen, Prüfen (Sensorik)
(a) Erläuterung der Berechnungsmethode
1,114
Rang
0,691
0,685 0,674 0,650 0,645 0,643 0,591 0,589 0,584 0,578 0,574 0,505 0,434
0,765 0,685
0,942
0,618 0,745 0,746 0,690 0,615 0,570 0,593 0,571 0,469 0,495 0,526 0,430
18
24
9
25 20 19 23 26 29 27 28 32 31 30 33
im Text.
Quelle: W. Gerstenberger, ‚Die Bedeutung einer nationalen/europäischen Halbleiterindustrie für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und insbesondere als Standortfaktor für Anwenderindustrien der Mikroelektronik‘‘. Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, München 1992 (unveröffentlicht). 171
hen,
die in überdurchschnittliichem
Maße
Spill-overs
verursacht,
die in die For-
schungsarbeiten anderer Bereiche als kostenlose Vorleistung einfließen würden.
18. Anhand der vorliegenden Indizien kann eine selektive Forschungsförderung zugunsten der Mikroelektronik also weder mit der Gefahr strategischer Abhängigkeiten noch mit überdurchschnittlichen technologischen Ausstrahlungseffekten begründet werden. Solange der Nachweis nicht erbracht ist, daß die Forschung der Mikroelektronik in stärkerem Maße zur Stimulierung des globalen technischen Fortschritts beiträgt als die Forschung anderer Branchen, dürfte eine allgemeine, allen Branchen offenstehende Forschungsförderung der beste Weg zur Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums sein. 19.
Doch auch wenn die hier präsentierten Analysen zu anderen Ergebnissen ge-
führt hätten, hätte daraus nicht ohne weiteres geschlossen werden können, daß eine selektive Industrie- und Technologiepolitik vorteilhaft sei. Im Fall der Flugzeugindustrie beispielsweise, in der die Lernkostenvorteile dominanter Unterneh-
men weitaus dauerhafter sind als in der Mikroelektronik, stand Westeuropa lange
Jahre einem
engen
amerikanischen
Oligopol gegenüber,
das erst mit dem
Mark-
teintritt von Airbus Industrie gebrochen wurde. Einschlägigen Berechnungen zufolge waren die gesamtwirtschaftlichen Vorteile dieses Markteintritts jedoch wesentlich geringer als die Kosten, die dafür in Form von Subventionen an die Airbus Industrie aufgebracht werden mußten. Auf eine sorgfältige Abwägung der Kosten und Nutzen staatlicher Markteingriffe kann also in keinem
20.
Fall verzichtet werden.
Schließlich gilt für die Mikroelektronik wie für andere Branchen auch: Wenn
der Staat Subventionen anbietet, dann werden sie in der Regel auch nachgefragt.
Und je mehr Subventionen geboten werden, desto größer die Gefahr, daß sich das Interesse der Unternehmen von dem Erzielen von Markteinkommen auf das Erlangen von Subventionen verlagert — das profit-seeking wird zum rent-seeking. Wür-
de beispielsweise nur deshalb eine Halbleiterfertigung in der Bundesrepublik auf-
gebaut, weil damit höhere Staatszuschüsse zu erzielen sind als mit anderen Investitionsvorhaben, wäre für die technologische Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft vermutlich wenig gewonnen.
172
DGB DEUTSCHER GEWERKSCHAFTSBUND Bundesvorstand /Dr. Johann Welsch
(Vorbemerkung: Diese Stellungnahme bezieht sich auf die Inhalte des Fragenkataloges zur Anhörung vom 4. Juni 1992, sie ist jedoch nicht streng nach der Reihenfolge der Einzelfragen strukturiert. Bezüge zu den jeweils angesprochenen Fragestellungen werden durch Hinweise in Klammern hergestellt. Darüber hinaus geht diese Stellungnahme nur auf die Fragen ein, die aus Sicht des DGB relevant sind.) Zu Fragenblock 1:
Bedeutung der luK-Industrie für die gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa
l.
War die forschungs- und technologiepolitische Diskussion Mitte der siebziger
Jahre von der Auffassung beherrscht, wir befänden uns in einem „technologischen Patt‘, daß heißt in einer Situation, in der der Strom der Entwicklung grundlegend neuer Technologiefelder (,‚Basisinnovationen‘') versiegt ist, so hat sich die Lage im
Verlaufe der achtziger Jahre fundamental verändert. Wir erleben einen immer schnelleren ‚Wettlauf‘ der hochentwickelten Industrieländer um neue Technologiefelder,
die seit etwa eineinhalb
Dekaden
mit wachsendem
Aufwand
erforscht
und entwickelt werden. Hintergrund dieses weltweiten Innovationswettbewerbs ist die Suche der Unternehmen nach neuen rentablen Wachstumsfeldern. Immer mehr nationale Regierungen, aber auch supranationale Institutionen wie z.B. die Europäische Gemeinschaft, beteiligen sich durch intervenierende Maßnahmen an diesem ‚„Technologiewettlauf‘‘. Diese Anstrengungen beruhen auf der Erkenntnis, daß die Beherrschung und Produktion neuer Technologien eine wichtige Quelle zukünftigen gesellschaftlichen Wohlstands darstellt. Der DGB teilt die Auffassung, daß den neuen Technologien eine wachsende wirt-
schaftliche und gesellschaftliche Bedeutung zukommt, warnt jedoch die politisch Verantwortlichen in den ‚„Triaden-Ländern‘‘ davor, sich in ‚ Technologie- und Wirt-
schaftskriege‘‘
verstricken
zu
lassen.
Sollen
die
neuen
Technologien
für die
Menschheit insgesamt von Vorteil sein, so müssen die in ihnen steckenden Chan-
cen zur Überwindung drängender Probleme der Gegenwart, wie die fortschreitende Zerstörung der Umwelt, drohende Klimaveränderungen, der Raubbau an Rohstoffvorkommen der unterentwickelten Länder, die zunehmende
Verelendung die-
ser Länder und die wachsende Wohlstandskluft zur „Ersten Welt‘‘, die gravierenden Wirtschaftsprobleme der Länder des ehemaligen Ostblocks usw., konsequent
und kooperativ erschlossen und genutzt werden. Dies gilt auch für die enormen
Chancen,
die in vielen neuen Technologien
für die Humanisierung
des Arbeitsle-
bens sowie für eine umweltfreundliche, ressourcenschonende und menschengemäße Gestaltung sozialer und wirtschaftlicher Infrastrukturen in den Bereichen
Verkehr, Kommunikation,
ten stecken.
Energie, Bauen und Städteplanung, Wohnen
und Arbei-
173
Dabei sollten wir nicht vergessen, daß neue Technologien auch mit neuen Gefährdungen für die Menschen, ihre natürliche Umwelt und ihr gesellschaftliches Zusammenleben verbunden sein können. Die wachsende Konkurrenz um neue Technologiefelder darf nicht dazu führen, daß vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung nicht rückholbarer, existenzbedrohender und/oder ethisch nicht vertretbarer Gefährdungspotentiale dieser Entwicklung vernachlässigt werden. Il.
Deshalb ist es aus Sicht des DGB nicht zulässig, die aktuelle Debatte um neue
Technologien auf technische und wirtschaftliche Aspekte zu verkürzen. Dabei ist es weniger von Bedeutung, wie man diese Technologien bezeichnet (Frage 1.1), ob als ‚Hoch-“,
‚„Schlüssel-“, ‚Spitzen-‘‘, ‚‚Querschnitts-‘‘ oder „Zukunftstechno-
logien‘‘, entscheidend ist vielmehr, sich über das hinter diesen unterschiedlichen Begriffen verbergende Potential an Chancen und Risiken und den politischen Handlungsbedarf zu verständigen. Nach Auffassung des DGB geht es hierbei um neue
Technologiefelder,
die zum
Teil über erhebliche
des gesellschaftlichen Wohlstands verfügen.
Potentiale zur Steigerung
Diese Technologiefelder zeichnen sich durch zahlreiche Merkmale aus: Sie grün-
den auf komplexen, kumulativen technologischen Wissen. Dieses setzt in der Regel einen systematischen, langfristig geplanten und rational organisierten wissenschaftlichen Forschungsprozess mit einer gewissen Breite voraus. Dieser wird
getragen von hochqualifizierten Wissenschaftlern, Forschern, Entwicklern und Technikern, wobei die zugrunde liegenden Innovationssysteme weitgehend im nationalen Rahmen
organisiert sowie arbeitsteilig durch private und öffentliche In-
stitutionen finanziert und getragen werden. Die Veränderungen in solchen Technologiefeldern werden darüber hinaus systematisch vorangetrieben und zeichnen sich durch eine hohe Dynamik aus: die Innovationszyklen verkürzen sich, gleichzeitig nimmt der erforderliche Forschungs- und Entwicklungsaufwand teils erheblich zu; ihre Produktion ist mit enormen Größenvorteilen verbunden, welche durch Lerneffekte zusätzlich verstärkt werden. Nicht zuletzt haben diese Technologiefelder eine große wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung: in wirtschaftlicher
Hinsicht sind sie mit hoher Wertschöpfungsintensität verbunden, das heißt sie zeigen überdurchschnittliche Produktivitäts- und Einkommenseffekte, sie erlauben
spürbare Verbesserungen der Qualität der Produkte und durchdringen einen erheblichen Teil der nationalen Wirtschaften. In gesellschaftlicher Hinsicht stellen sie beachtliche Potentiale zur Verfügung, um die Lebens- und Arbeitswelt menschen-
gerechter und umweltverträglicher zu gestalten. Diese Technologien haben große wirklichkeitsverändernde und damit zukunftsgestaltende Kraft, sie beinhalten enor-
me Potentiale zur Bewältigung öffentlicher Aufgaben.
Gerade in der letztgenannten Eigenschaft sieht der DGB das entscheidende Kriterium zur Einordnung und Bewertung neuer Technologien. Der Begriff der „Hochtechnologie‘‘ wird diesem Kriterium nicht gerecht, da er sich im wesentlichen auf die Dimension der technischen Machbarkeit und ihre Ausweitung bezieht. An „Zu-
kunftstechnologien‘‘ im eigentlichen Sinne sind weitgehende Anforderungen zu richten: sie müssen im Kern das Potential enthalten, gesellschaftliche Zukunft 174
„besser‘‘, das heißt menschengemäßer und auf Dauerhaftigkeit angelegt (,‚sustainable development‘'!) zu gestalten. Dies bedeutet, sie müssen die Grundlage für ein
neues
Wohlstandsmodell
der
hochentwickelten
Länder
legen:
‚Wohlstand
durch menschliche Intelligenz‘‘ muß das immer noch vorherrschende Muster des „Wohlstands durch Ressourcenverschwendung‘‘ ablösen und muß den Ländern der ‚Dritten Welt‘‘ Raum schaffen für eine eigenständige dauerhafte Entwicklung. Dies bedeutet aber auch, daß Zukunftstechnologien Freiheitsgrade für ihre Gestal-
tung selbst beinhalten müssen und keine unerwünschten Anpassungszwänge auf Mensch und Gesellschaft ausüben dürfen. Ill. Die gegenwärtig vorliegenden Zusammenstellungen von Zukunftstechnologien stützen sich im wesentlichen auf die Kriterien technische Machbarkeit, kommerzielle Verwertbarkeit und (insbesondere in US-amerikanischen Studien) militärische Sicherheit. Bei solchen Zusammenstellungen ist es schwierig, stets eindeutig zwischen Technologiekomplexen und Anwendungsfeldern abzugrenzen. Aus Sicht des DGB
nologien‘:
haben folgende Technologiefelder den Status von ‚Zukunftstech-
—
Informationstechnologien (einschließlich Software und Elektronikkomponenten)
—
Moderne
— —
Umwelttechnologien Energietechnologien
— Telekommunikationstechnologien Fertigungs- und
Produktionsverfahren
und -systeme
— Neue Werkstoffe und Materialien — Bio- und Gentechnologie sowie Medizintechnologie (insbesondere
regenerative
Energieträger)
— Verkehrstechnologien (einschließlich unbemannter Raumfahrt).
Die Frage nach der Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland sowie
der Europäischen Gemeinschaft in Zukunftstechnologiefeldern stellt sich aus Sicht
des DGB vor allem unter dem Gesichtspunkt, inwieweit Unternehmen mit Standorten in den genannten Wirtschaftsräumen in der Lage sind, sich an der Erforschung und Entwicklung neuer Technologien zu beteiligen sowie das erarbeitete oder auch
von
anderswoher
bezogene
technische
Wissen
in hochwertige
neue
Pro-
blemlösungen zur Deckung öffentlicher und individueller Bedarfe umzusetzen. Die Fähigkeit zur Neugestaltung einer gesellschaftlichen Zukunft setzt technologische
und produktive Kompetenz, welche im internationalen Maßstab bestehen kann, voraus. In dieser, aus weiterreichenden gesellschaftlichen „Final‘-Zielen abgeleiteten Form hat das Kriterium der internationalen Wettbewerbsfähigkeit seine eigentliche Bedeutung. Diese Kompetenz muß sich nicht in gleicher Weise auf alle
Zukunftstechnologien beziehen, sondern ist durchaus unter Gesichtspunkten der internationalen Arbeitsteilung zu bewerten. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß es durchaus „strategische Zukunftstechnologien‘ geben kann, deren kompetente Beherrschung die Grundlage bzw. den ‚Schlüssel‘ für die Entfaltung einer Vielzahl wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Aktivitäten der Zukunft darstellt und die deshalb in allen Wirtschafts(groß)räumen die erforderliche Beachtung finden müssen. 175
IV.
Vor diesem Hintergrund bewertet der DGB die technologische und wirtschaft-
liche Wettbewerbsfähigkeit Europas im allgemeinen, der Bundesrepublik Deutsch-
land im besonderen, wie folgt (zu den Fragen 1.1 und 1.2): Indem enorm bedeutsamen Feld der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien weist die Europäische Gemeinschaft zusammengenommen (gemessen an der EG-Handelsbilanz) eine negative und sich spätestens seit Mitte der achtziger Jahre dramatisch
verschlechternde
Position
auf.
Erhebliche
Defizite
bestehen
in den
Bereichen
Computer und Büroausrüstungen, Unterhaltungselektronik und elektronische Bau-
elemente (insbesondere Halbleiter). Allein in dem Bereich der Telekommunikation sowie im Bereich Industrieelektronik besitzen europäische Unternehmen noch eine starke Position. Legt man
die Daten von
Patentstatistiken zugrunde,
in denen
sich besser als in
Handelsbilanzzahlen zukunftsrelevante Technologiepotentiale zum Ausdruck bringen lassen, schneidet die Europäische Gemeinschaft nach Untersuchungen des Münchener ifo-Instituts im Hinblick auf die Erfindertätigkeit insgesamt gut ab: ihre Forscher und Entwickler haben über die letzten beiden Jahrzehnte jedes Jahr mehr marktrelevante Erfindungen hervorgebracht als die der USA und Japans. Stärken besitzt die EG insbesondere im Bereich der Umwelttechniken. Im Feld der Bio- und Gentechniken liegt die EG hinter den USA auf dem zweiten Rang vor Japan. Demgegenüber wird die Schwäche der EG im Bereich der neuen luK-Techniken vor allem gegenüber Japan
auch durch die Patentstatistik aufgezeigt.
In die-
sem Bereich kann sie in den letzten Jahren auch mit der Dynamik US-amerikanischer Aktivitäten nicht mehr mithalten. Fragt man nach den Stärken und Schwächen speziell des bundesdeutschen
Inno-
vationssystems, so schneidet auch dieses — unter Berücksichtigung der Relation zur Bevölkerungsgröße, Erwerbstätigenzahl und zum Bruttoinlandsprodukt — bei den Erfindungsaktivitäten überdurchschnittlich
ab. Zurückzuführen
ist diese gün-
stige Position vor allem auf die dynamische Patenttätigkeit in den Sektoren Maschinenbau und Straßenfahrzeugbau. Die bereits angesprochene starke Position der EG bei den Umwelttechnologien beruht entscheidend auf bundesdeutschen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, vor allem im Maschinenbausektor. Demgegenüber ist im Vergleich zu Japan und USA eine schwache Position der hiesigen
Forschung und Entwicklung im Bereich der neuen luK-Techniken unübersehbar.
V. Die neuen luK-Technologien und die Dynamik ihrer Entwicklung und Verbreitung werden in der Regel mit der Vermutung verbunden, die Industriegesellschaft
befinde sich in einer Phase der Transformation in eine ‚„‚Informationsgesellschaft‘‘. Dieser Begriff ist allerdings äußerst unklar und in vielerlei Hinsicht interpretierbar, so daß Frage 1.3 nach unserer Auffassung nicht sinnvoll und eindeutig beantwortet werden kann. Aus Sicht des DGB ist jedoch von großer Bedeutung, wie dieser ProzeB des Übergangs in neue gesellschaftliche Strukturen organisiert und gestaltet
wird. Als gravierende Schwäche ist in diesem Zusammenhang sowohl für die europäische als auch für die nationale Ebene festzustellen, daß gesellschaftliche Veränderungen derzeit mehr durch den technischen Wandel vorangetrieben werden,
176
als daß sie auf eine gesellschaftlich bewußten Entscheidung für eine breit getragene und konsensfähige Zukunftsvision und einem gesellschaftlichen Zukunftsdialog beruhen würden (Vgl. dazu ausführlicher die Anmerkungen zu den Fragen 2.26 und 2.27 weiter unten).
VI. Eindeutig ist demgegenüber allerdings die Frage nach der zukünftigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung der neuen luK-Technologien (1.4) zu beantworten: Sie sind die Techniken, die in den nächsten Jahren mehr als alle anderen Technologiefelder die Arbeits- und Lebenswelt durchdringen und tiefgreifend verändern
werden.
Alle Prozesse,
die mit Informationsammlung,
-beantwor-
tung, -speicherung und -übertragung verbunden sind, können durchrationalisiert und effizienter gestaltet werden. Die technischen Potentiale für Effizienzsteigerungen sind enorm, ihre Grenzen sind vor dem Hintergrund des anhaltenden rasanten Entwicklungstempos im Mikroelektronikbereich heute noch gar nicht absehbar. Für die Anwender eröffnet dieses Technologiefeld zahlreiche Gestaltungsoptionen für Produkte und Prozesse. Aufgrund des anhaltenden Trends zur Miniaturisierung und Verbilligung der Systeme ist das Anwendungsfeld dieser Techniken nahezu unbegrenzt. Immer mehr gesellschaftliche Beziehungen und Transaktionen werden durch die betriebliche und betriebsübergreifende elektronische Vernetzung von EDV-Systemen auf komplexe Kommunikationssysteme verlagert. Wirtschaft, Arbeits- und Lebenswelt werden damit immer mehr durch elektronisch gesteuerte
Netzwerke geprägt und von deren Funktionieren abhängig werden. Aufgrund ihres
enorm
ressourcen-
und energiesparenden
Charakters,
aber auch
aufgrund
ihrer
qualitäts- und „intelligenz‘-verstärkenden Eigenschaften im Produktbereich ist Informationstechnik in besonderer Weise geeignet, Instrumente für den Übergang zu einer Wohlstands- und Wirtschaftsentwicklung bereitzustellen, welche vor allem auf der Nutzung menschlicher Intelligenz und Kreativität aufbaut und immer weniger auf die Konsumption
knapper
natürlicher Ressourcen
angewiesen
ist.
Die Gestaltung und Nutzung jeder Art von informationstechnisch gestützten Syste-
men ist auf geeignete Software angewiesen. Diese Feststellung gilt unabhängig vom jeweiligen Einsatzbereich dieser Systerne (1.5 bis 1.7)
Die (in Frage 1.8 angesprochene) Arbeitswelt wird durch die neuen luK-Techniken in besonders tiefgreifender Weise verändert werden, da deren Nutzung gerade in diesem Bereich aufgrund des Investitionsgütercharakters der meisten luK-Systeme äußerst intensiv erfolgt. Für den DGB und seine Gewerkschaften spielt deshalb die breite Gestaltbarkeit dieser Technik und ihres Einsatzes eine äußerst wichtige Rolle für die Zukunft der menschlichen Arbeit. Immer mehr Menschen melden höhere Ansprüche an die Inhalte und Bedingungen der Erwerbsarbeit an. Gerade die Informationstechnik
schafft die erforderlichen
Spielräume,
diesen Ansprüchen
in
neuer und besserer Weise Rechnung zu tragen. Bekanntlich geht es bei der mit der Entwicklung informationstechnischer Systeme befaßten Wissenschaft der Informatik vorrangig um die Neuorganisation der Arbeitsabläufe mit Hilfe der Informationstechnik.
Hierbei werden
bisherige Tätigkeiten verändert,
neu zugeschnit-
ten und neu kombiniert und teilweise wegrationalisiert; Kompetenzen werden neu 177
verteilt und zum Teil auf das technische System verlagert; Qualitätsanforderungen und betriebliche Hierarchiestrukturen werden umgewälzt. Eine an den Bedürfnissen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer orientierte Arbeits- und Technikpolitik muß die Informationstechnik gezielt für die humane Gestaltung der Arbeit, das heißt ganzheitlicher, abwechslungsreicher, gesundheits- und qualitätsförderlicher Arbeitsformen, nutzen. Dies setzt eine entsprechende
Kompetenz
der Beteiligten ebenso voraus wie be-
stimmte Verfahren der Gestaltung und Einführung neuer IuK-Systeme (Verbindung zu Frage 2.30). Zum einen haben sich die Aufgaben der Informatiker als unmittelbare Technikproduzenten durch den sich wandelnden Charakter der modernen
formationstechnik mationstechnik
und
erheblich
verändert:
Arbeitsorganisation
Die wachsende hat zur
Verflechtung
Konsequenz,
daß
von
Technik-
In-
Inforund
Arbeitsgestaltung als Prozesse immer stärker miteinander verzahnt werden müssen. In den IuK-Systemen vergegenständlichen sich Arbeitsorganisation, Entschei-
dungs- und Kontrollstrukturen, wie z.B. die Regeln der Zugangsberechtigung zu den Systemen,
die Nutzungsmöglichkeiten
und Flexibilitätsspielräume der einge-
setzten Software-Programme sowie die Zuteilung von Ressourcen und Dienstleistungen. Hierdurch werden die Tätigkeitsinhalte, der Aufgabenzuschnitt, die Kom-
petenzen und die Qualifikationsanforderungen für die einzelnen Arbeitsplätze gestaltet. Darüber hinaus werden betriebsinterne und betriebsübergreifende Kommunikations- und Arbeitsbeziehungen durch die Ausgestaltung der IuK-Systeme geprägt und festgelegt. Diese neue Form der Verzahnung von Technik- und Arbeitsgestaltung erfordert neue Qualifikationen auf Seiten der Informatiker/innen, die durch das gegenwärtige Aus- und Weiterbildungssystem in keiner Weise vermittelt werden. Es geht hierbei nicht nur um „technische“ bzw. fachliche Qualifika-
tionen, es geht darüber hinaus um kommunikative und kooperative Kompetenzen sowie um die Fähigkeit, soziale Prozesse zu moderieren.
Zum anderen müssen auch die Verfahren der Gestaltung und betrieblichen Einführung im Hinblick auf die neuen luK-Systeme verändert werden: Die Nutzer der Systeme sind von Beginn an, d.h. bereits bei der Techniksystemgestaltung, zu beteiligen, da es um die Gestaltung ihrer Arbeit und ihrer Arbeitsbeziehungen geht, die sie am besten kennen. Auch solche Beteiligungsverfahren sind neu zu entwickeln und
zu
erproben,
wofür
sich
das
von
der
Bundesregierung
durchgeführte
Pro-
gramm „Arbeit und Technik‘‘ als Rahmen anbietet (vgl. dazu die Anmerkungen zur Frage 2.20 weiter unten). VII. In den Fragen 1.9, 1.11, 1.15 und 2.5 wird das Thema der Notwendigkeit einer eigenständigen und wettbewerbsfähigen luK-Industrie angesprochen. In diesem Zusammenhang
gibt der DGB
zunächst zu bedenken,
daß es kein Land der
„Triade‘' gibt, welches in allen Segmenten der luK-Technologien eine eigenständige, weltweit tätige und wettbewerbsfähige Produktionsbasis besitzt. Selbst Japan,
welches am längsten und am systematischsten nach starken Positionen in allen re-
levanten Bereichen der IuK-Technologien strebt, ist dies bislang nicht gelungen.
Das Land weist Schwächen im Softwarebereich sowie im Bereich der Mikroprozes-
178
soren auf, hat jedoch ausgeprägte Stärken in der Halbleiterproduktion, bei den entsprechenden Fertigungsgeräten und Materialien sowie in der Unterhaltungselektronik. Die amerikanische Industrie hat besondere Stärken im Bereich Computer und Mikroprozessoren sowie bei der Softwareproduktion, jedoch enorme Schwächen in der Unterhaltungselektronik, während Europa — zusammen mit den USA
— Vorteile bei der Herstellung von Telekommunikationsausrüstungen sowie bei der Industrieelektronik besitzt und besondere Schwächen bei der Mikroelektronik, der Datenverarbeitung
und in der Optoelektronik aufweist.
Allerdings ist es durchaus notwendig zu prüfen, inwieweit es strategisch bedeutsa-
me Segmente innerhalb der IuK-Industrie gibt, für die eine eigenständige Produktionsbasis als unverzichtbar angesehen werden muß. Für strategische Industriezweige allgemein gelten spezifische Merkmale: Sie sind in hohem
Maße innovativ,
das heißt sie bringen in schneller Folge technisch neue bzw. verbesserte Produkte hervor. Gleichzeitig stellen sie hohe Anforderungen an ihre Zulieferer im Hinblick auf den Innovationsgehalt und die Qualität der bezogenen Vorprodukte. Die von strategischen Industrien erzeugten Produkte dienen als Inputfaktoren für andere gesamtwirtschaftlich bedeutsame Wirtschaftszweige und treiben dort die Innovationstätigkeit an. Diese innovationstreibende Funktion ist um so stärker, je enger die Kooperationsbeziehungen zwischen den Herstellern und Nutzern der strategischen Produkte sind; ‚‚Fühlungsvorteile‘‘ aufgrund räumlicher Nähe (z.B. Informationsvorsprünge, Zugriff auf qualifiziertes Personal, unmittelbarer Zugriff auf modernstes technologisches know-how usw.) bringen den Anwenderindustrien erheb-
liche Unterstützung, auf ihren Endproduktmärkten bestehen zu können. Nicht zuletzt bewirken strategische Industriezweige positiv externe Größeneffekte dadurch,
daß sie eine hochleistungsfähige unterstützende Infrastruktur für die Abnehmerindustrien bereitstellen. Hierdurch stellen sie einen wichtigen Faktor für die Attraktivität des betreffenden Produktionsstandorts auch für eine Vielzahl von weiteren Produktionsbereichen dar. Legt man diese Kriterien an den luK-Sektor an, so ergibt sich als zwingende Schlußfolgerung, daß die Halbleiterindustrie als strategischer Zweig einzuschätzen ist: Halbleiterspeicher bzw. integrierte Schaltkreise sind aufgrund ihres außerordentlich hohen technologischen Fortschrittstempos Innovationstreiber für alle von ihr abhängigen Endproduktbereiche. Diese Endproduktbereiche reichen vom Ma-
schinenbau über die Elektrotechnik, die feinmechanische und optische Industrie, den Fahrzeugbau bis hin zur datenverarbeitenden Industrie und den anderen Zwei-
gen des luK-Sektors und stellen den Großteil des hiesigen exportstarken Investionsgütersektors dar. Trotz der derzeitigen wirtschaftlichen Stärke vieler der genannten Investitionsgüterindustrien, vor allem in Deutschland, ist festzuhalten, daß
diese Stärke mit einer wenig ausgeprägten Mikroelektroniknutzung einhergeht. Dies ist vermutlich der schwachen Mikroelektronikindustrie in Europa geschuldet. Da die Mikroelektronikabhängigkeit dieser Sektoren in den nächsten Jahren weiter
zunehmen wird, kann sich die unübersehbare Mikroelektronikschwäche für die genannten Anwenderindustrien in Europa fatal auswirken. Darüber hinaus wird in einem für die Zukunft wichtiger werdenden Bereich der Mikroelektronik, nämlich bei
179
den anwendungsspezifischen Chips, den ASICs, die Verkoppelung zwischen ChipHerstellungs- und Chip-Anwendungsprozessen immer intensiver; hier wird das Systemwissen aus der Anwendung zunehmend auf die Chips übertragen, was bedeutet, daß der Chip-Anwender für den Chip-Entwurf sein Systemwissen offenbaren
muß. Damit geraten die industriellen Anwender von ASICs in eine prekäre Situation: Sie werden von der Lieferfähigkeit und Lieferbereitschaft der ASIC-Produzenten in wachsendem Maße abhängig. Hinzukommt das Problem, daß dann, wenn eine eigenständige wettbewerbsfähige Halbleiterproduktion dem Spiel der Marktkräfte einmal geopfert, das heißt zerstört worden
ist, den oben genannten
Risiken
kaum noch — es sei denn zu exorbitanten volkswirtschaftlichen Kosten und in langfristigen Zeiträumen — begegnet werden kann. Zu berücksichtigen ist dabei, daß die Produktion von ASICs, die zwar technologisch weniger anspruchsvoll ist als jene der Speicher oder Prozessoren, von der Beherrschung der Halbleiterpro-
duktion keinesweg unabhängig ist. Ein enger Zusammenhang zwischen der Marktposition bei Prozessoren
und ASICs
belegt dies.
Bereits heute wird der Weltmarkt für Maschinen und Ausrüstungen zur Herstellung von Halbleitern von japanischen Herstellern beherrscht: unter den fünf größten
Herstellern befinden sich vier japanische Unternehmen. Zwar folgen auf den anschließenden Rängen bis Platz zehn vorwiegend US-amerikanische Hersteller, diese haben jedoch gegenüber den japanischen Produzenten erhebliche Nachteile,
da letztere in große integrierte Unternehmenskonglomerate eingebunden sind, was sie in die Lage versetzt, die hohen und wachsenden FuE- sowie Sachinvestitionsaufwendungen mit langfristiger Planungsperspektive durchzuhalten. Europa ist am
Markt für Halbleitergeräte bereits weit abgeschlagen und hält gerade noch 6 % Marktanteil. Der Auf- und Ausbau europäischer Fertigungsstätten für moderne Halbleiter ist ohne
ein hohes
Maß
Japan heute nicht mehr möglich. VII.
an Investitionsgüter- und
Materialeinkäufen
in
Verschiedene Fragen des Anhörungskataloges (1.10, 1.13, 1.14, 1.16, 1.17)
versuchen, den Handlungsbedarf staatlicher Industrie- und Technologiepolitik im Bereich der Software-Produktion auszuloten. Wie bereits angesprochen, ist die
Software von großer Bedeutung für die Nutzung von luK-technischen Systemen. Dennoch hat sie nach unserer Auffassung nur eine begrenzte strategische Schlüsselbedeutung im oben genannten Sinne, wie dies für die Halbleiterindustrie konsta-
tiert wurde. Dies läßt sich einmal damit begründen, daß es in Europa eine gute Ba-
sis für die Produktion von Software und die Expansion dieser Branche gibt, auch wenn die europäische Softwareindustrie im Vergleich zur weltweit führenden USamerikanischen als schwach einzuschätzen ist. Die Position der europäischen
Softwareindustrie am Weltmarkt ist nur schwer ab-
350.000
die Branche
zuschätzen, da einheitliche und offizielle Datengrundlagen für diesen Sektor weitgehend fehlen und dieser Bereich zudem äußerst heterogen ist. Die EG-Kommission schätzt die Größe der Industrie für 1989 auf 15.000 Softwarehäuser mit fast Beschäftigten,
wobei
sich in einem
permanenten
Umstruk-
turierungs- und Konzentrationsprozeß befindet. Trotz der Vielzahl der in der EG 180
operierenden Software-Produzenten ist die EG-Industrie im Verhältnis zur entsprechenden amerikanischen Industrie klein. Von den 25 auf dem europäischen Markt
erfolgreichsten Unternehmen haben 12 ihren Stammsitz in den USA. Darüber hinaus
ist festzuhalten,
daß
bisher nur wenige
europäische
Unternehmen,
wie z.B.
Cap Gemini Sogeti, SD-Scicon und Sema Group als „global players‘ gelten kön-
nen. Mit Ausnahme Frankreichs wird der expandierende Markt für Standard-Software-Pakete der EG von amerikanischen Herstellern dominiert. Europäische Soft-
ware-Produzenten haben sich auf die Bedienung von Marktnischen beschränkt. Demgegenüber dominieren europäische Software-Produzenten bei Spezialisierungsstrategien. Ihre Stärken liegen in der kundenspezifischen Software-Produktion sowie in Beratung, Ausbildung und bei der Übernahme von Datenverarbeitungsaufgaben (Rechenzentren). Entsprechend gering sind die jeweiligen Marktanteile der drei größten inländischen Software- und Serviceanbieter in den europäischen Ländern. In den Ländern mit den größten nationalen Märkten der Informationstechnik in Europa,
nämlich
Deutschland,
Großbritannien
und Frankreich,
lie-
gen sie deutlich unter 10 %. Vor diesem Hintergrund ist die jüngste Vergangenheit der europäischen Softwareindustrie durch stürmische Fusionen und Übernahmen
gekennzeichnet. Die Unternehmen versuchen hierdurch, die für eine Behauptung im internationalen Wettbewerb erforderliche Unternehmensgröße zu erlangen. Damit haben wir unter industriepolitischen Gesichtspunkten eine von der Halbleiterindustrie völlig verschiedene Situation in der Softwarebranche: Im Gegensatz zur ersteren
ist letztere verhältnismäßig
wertschöpfungsintensiv
und
auch bei kleineren Marktgrößen rentabel betrieben werden. Zudem
der
Markt
für
Softwareprodukte
in einer
äußerst
expansiven
und
kann
damit
befindet sich anhaltenden
Wachstumsphase: Der Trend zum „Downsizing‘‘ sowie der Übergang zu offenen Systemen im Hardwarebereich wird die Nachfrage weiter anheizen. Gleichzeitig ist der Software-Markt durch vergleichsweise geringe Einstiegshindernisse gekennzeichnet und bietet damit erhebliche Einstiegschancen für Neulinge. Dauerhaft und langfristig sind globale Monopolsituationen (wie sie gegenwärtig quasi bei PCBetriebssystemen bestehen) in diesem Sektor nicht absehbar; der Trend der offenen Systeme weist in diese Richtung. Software-Produktion kann darüber hinaus nur eine begrenzte eigenständige Rolle als Innovationstreiber spielen, sie ist von den technologischen Innovationen und von der Dynamik im Hardware-Sektor sowie von der Verbreitung der Hardware und der elektronischen Vernetzung abhän919. Software-Produktion ist allerdings aus Ökologischen und beschäftigungspolitischen Gründen interessant, da sie mit geringen Umweltbelastungen einerseits, mit einer hohen Personalintensität andererseits betrieben wird. Eine staatliche Förde-
rung wäre deshalb unter solchen Zielsetzungen zu prüfen.
181
Zu Fragenblock
2:
Verantwortungsbereich und Handlungsbedarf von Wirtschaft und Staat IX. In marktwirtschaftlich organisierten, „gemischen'' Wirtschaftssystemen sind es die privaten Unternehmen, die in erster Linie gefordert sind, wenn es um die technologische und wirtschaftliche Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit eines Landes auf internationalen Märkten geht. Aufgabe des Staates ist es, stabile und verläßliche Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliches Handeln, vor allem durch Rechts-, Sozial-, Währungs- und Infrastrukturpolitik, zu schaffen. Zudem
müssen öffentliche Institutionen den Selbstzerstörungskräften des Marktes entgegenwirken, indem sie gesellschaftlich schädliche wirtschaftliche Konzentrationstendenzen
durch Wettbewerbspolitik verhindern.
Darüber hinaus zählen die Ge-
währleistung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes bei Vollbeschäftigung aller Ressourcen, von Geldwertstabilität und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht
ebenso zum unbestrittenen Aufgabenkatalog und Verantwortungsbereich des Staates in hoch entwickelten Marktwirtschaften wie der Schutz und die Sanierung
der natürlichen Gerade
Umwelt
sowie die Förderung
im Hinblick auf die innovations-
und
des technischen
Wandels.
industriepolitischen
Funktionen
des
Staates hat sich im Verlaufe der achtziger Jahre mit der neuen Dynamik des technischen Wandels, aber auch mit neuen Tendenzen auf den Weltmärkten, eine Problemlage entwickelt, die mit den herkömmlichen Instrumenten und/oder deren herkömmlichen Anwendung offenbar immer weniger bewältigt werden kann. Der internationale Wettlauf um zukunftsbedeutsame Technologiefelder, die neue Dimen-
sion
der
internationalen
Konkurrenz
in
Form
des
globalen
Innovations-
und
Qualitätswettbewerbs sowie die grundlegenden Eigenschaften der modernen „‚Zukunftstechnologien‘‘ (hoher FuE-Aufwand, permanente Verkürzung der Innovationszyklen, große Bedeutung von Größen- und Lerneffekten usw., vgl. oben) erzwingen eine Überprüfung der vorhandenen Möglichkeiten des Staatsinterventionismus.
Die heftige
Kontroverse
um
eine
„neue
Industriepolitik‘‘ für technologi-
sche Schlüsselindustrien ist ein Indiz für die veränderte Situation und die dadurch ausgelöste Unsicherheit, die sich in der staatlichen Administration und bei allen gesellschaftlichen Gruppen
X.
in den
letzten Jahren
unverkennbar
ausgebreitet
hat.
Ausgangspunkt dieser Erörterung müssen jedoch die bisherigen Strategien
der primär geforderten Unternehmen des luK-Sektors sowie von eventuellen Erfordernissen einer Neuorientierung in diesem Bereich im Hinblick auf die Zukunftshe-
rausforderungen sein (Fragen 2.1 bis 2.4). Defizite im Management können durch
staatliche Politik nämlich kaum kompensiert werden. Die beste staatliche Industrie-
und Technologiepolitik ist wenig erfolgreich, wenn Managementschwächen überwunden werden. Es ist unübersehbar,
daß die schwache
Position der deutschen
nicht
und europäischen
Industrie in vielen Bereichen der IuK-Technologien vor allem auf Managementdefizite zurückgeführt werden muß: — die europäischen Unternehmen haben die strategische Bedeutung der Informationstechnik,
182
insbesondere
der Mikroelektronik,
zu spät erkannt
bzw.
zu lang
nicht ernst genommen. So besteht heute z.B. in der Anwendung von IC-Technologien eine enorme
Lücke im Verhältnis zu Japan
und —
den USA (Pro-Kopf-Verbrauch integrierter Schaltungen 100: USA = 195, Japan = 483!).
mit Abstrichen — zu
1988, Westeuropa
=
Die europäischen Unternehmen sind vergleichsweise risikoscheu: Der Aufbau einer ausreichend großen Chip-Produktion wurde auch dann nicht konsequent in Angriff genommen, als Siemens und Philips den technologischen Rückstand im
Halbleiterbereich
mit staatlicher
Hilfe wettgemacht
hatten.
So
ist Europa
heute nicht in der Lage, seinen Bedarf an strategisch wichtigen aktiven Bauelementen (vor allem integrierte Schaltungen) selbst zu decken; etwa 30 % des Inlandsbedarfs müssen durch Importe (vor allem digitale Speicher) gedeckt wer-
den. Konsequenz dieser Entwicklung ist auch, daß die Halbleitergeräteindustrie in Europa stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, da ihr die erforderliche Größe
der Absatzmärkte fehlte.
Die europäischen Unternehmen haben eine rechtzeitige globale Ausrichtung ihrer Unternehmenstrategien auf alle Märkte der „‚Triade‘‘ versäumt: Das Beispiel
der Computerindustrie zeigt nicht nur, daß ursprünglich durchaus vorhandene
Technologiepotentiale und know-how-Vorsprünge (Siemens hatte 1954 den ersten vollständig auf Transistorbasis operierenden Computer der Welt entwickelt!) nicht konsequent genutzt wurden, es zeigt auch, daß die europäischen Computerhersteller lange Zeit isolierte Alleingangstrategien verfolgten, die sich zudem
noch stark auf die Nachfrage der jeweiligen nationalen öffentlichen Ver-
waltungen orientierten. Während die japanische Computerindustrie bereits in den 70er Jahren den Weltmarkt für Großrechner — trotz der erdrückenden Vormachtstellung von IBM! — gezielt ins Visier nahm, fehlten auf europäischer Seite entsprechend ehrgeizige und konsequente Strategien. Auch im Bereich kleinerer Rechner hinkten europäische Unternehmen stets hinter der technischen und der Marktentwicklung hinterher; die Entwicklung des besonders expansiven Segmentes der Personal Computer wurde weitgehend verschlafen. Auch
am Weltmarkt für Workstations spielen europäische Hersteller keine Rolle. Im Software-Bereich sind es lediglich einzelne Unternehmen der französischen und englischen Industrie, die global operien. Die Versäumnisse bei der Globalisierung ihrer Strategien schlagen sich bei allen Unternehmen in überdurchschnittlich wachsenden Kosten sowie in zu geringen Amortisationsraten ihrer Investitionen
nieder,
was
die viel beklagten,
Sparten wesentlich verursacht.
chronischen
Verluste
in diesen
Weder in der Fertigungstechnik noch in der Produktqualität können europäische Unternehmen mit japanischen Herstellern mithalten. Auch beim Management von Forschung und Entwicklung, bei der Arbeits- und Produktionsorganisation und bei der Gestaltung der Beziehungen zu den Zuliefern weisen die hiesigen Unternehmen im Vergleich zur japanischen Industrie unübersehbare Schwächen auf. Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, wenn führende Unternehmensberater den Kostennachteil hiesiger Unternehmen gegen183
über japanischen Konkurrenten zu einem Großteil auf Managementschwächen zurückführen: auf Organisationsdefizite, auf Konzeptionsmängel und auf die
Schwerfälligkeit der Führungsbürokratie.
Xl.
Will man die Grundlagen für eine Umkehrung des negativen Trends im luK-
Sektor schaffen bzw. seine Wettbewerbsposition verbessern,
ist es notwendig, —
neben der längerfristigen und globaleren Ausrichtung der Unternehmensstrategien
— jene Faktoren zu stärken, die für eine schnelle und hohe Innovations- und Reak-
tionsfähigkeit der Unternehmen von entscheidender Bedeutung sind. Angesichts der Globalisierung des Wettbewerbs, der ständigen Verkürzung der Innovationszyklen, der wachsenden Differenzierung und des schnellen Wechsels von Kundenwünschen ist es wichtig, über technologisch hochwertige und schnell umstellungsfähige Produktionsanlagen zu verfügen. Von entscheidender Bedeutung gerade für die Wettbewerbsfähigkeit auf internationalen Märkten jedoch sind zunehmend die Kompetenz, das Engagement und die Kooperationsfähigkeit der Belegschaften.
Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit verlangt deshalb nach Auffassung des DGB wesentlich mehr als bloß technologische Innovationen, sie erfordert vielmehr
darüber hinaus die gleichzeitige Verwirklichung komplementärer sozialer Innovationen. Eine der wichtigsten Erkenntnisse der jüngsten MIT-Studie zur „zweiten
Revolution in der Autoindustrie‘ lag darin, daß die entscheidende Quelle für mehr Produktivität nicht im Grad der technischen Automation, sondern vielmehr im opti-
malen Zusammenwirken von Technik, Arbeit und Betriebsorganisation liegt. Die deutschen bzw. europäischen Unternehmen müssen eine eigenständige Antwort auf die Herausforderungen der japanischen Industrie finden und dabei an den hiesigen Verhältnissen und Stärken anknüpfen. Es geht um den Abbau von innerbetrieblichen Hierarchien in den Unternehmen, um die Umwälzung traditioneller tayloristischer
Organisationskonzepte,
um
die
Schaffung
erweiterter
Mitbestim-
mungsmöglichkeiten für den Einzelnen am Arbeitsplatz und im Betrieb sowie um die Verbesserung und Neuausrichtung der innerbetrieblichen Weiterbildung. Nur so können die Voraussetzungen in den Unternehmen geschaffen werden, welche für die Förderung der wettbewerbsentscheidenden Faktoren wie Arbeitsmotivation,
Engagement, Kreativität und Kooperation der Beschäftigten erforderlich sind, eine Perspektive,
die auch
durch die Ergebnisse einer neueren
Europäische Kommission bestätigt wird.
Untersuchung
für die
Es geht deshalb zentral um einen neuen Umgang mit „menschlichen Ressourcen“
in den Unternehmen sowie um verstärkte Investitionen in ‚‚Humankapital‘. Neue Konzepte der Arbeitsorganisation, Qualifikation und Techniknutzung standen bisher im Mittelpunkt des BMFT-Programms „Arbeit und Technik‘‘, welchem gerade
aufgrund der Erfordernisse des modernen Innovations- und Qualitätswettbewerbs eine erhebliche und weiter wachsende Bedeutung zukommt. Allerdings: Die seit Jahren anhaltende Politik der Schrumpfung dieses Förderprogramms — dessen Budget im kommenden Jahr ein weiteres Mal eine Kürzung erfahren soll — steht in krassem Gegensatz zu den erkennbaren technologie- und arbeitspolitischen 184
Erfordernissen einer erfolgreichen Modernisierung und einer Sicherung des Indu-
striestandortes. Zur Überwindung
der vorherrschenden
Praxis strukturkonservati-
ver Innovationen ist es entgegen der restriktiven Politik des Bundesforschungsministers in diesen Bereich dringend notwendig, das Programm auf eine breitere finanzielle Grundlage zu stellen und auf die erkennbaren zukünftigen Herausforderungen hin weiterzuentwickeln. Mit diesem Programm steht ein geeigneter Rahmen zur Verfügung, um im gesellschaftlichen Dialog jene Bereiche näher zu identifizieren, in denen die Entwicklung geeigneter arbeits- und betriebsorganisatorischer
Produktions-
und
Dienstleistungskonzepte
kann und muß (zu Frage 2.20).
gezielt
unterstützt
werden
Die Förderung des ‚Humankapitals‘ ist auch im Hinblick auf den strategisch bedeutsamen Halbleiterbereich angebracht. Es gibt in Europa unübersehbare Engpässe nicht nur im verfügbaren technischen Grundlagenwissen für zukünftige Ge-
nerationen von Speicherchips, sondern auch beim Personal, welches für den Ent-
wurf von anwendungsspezifischen Chips qualifiziert ist. Es gibt eine zunehmende Lücke
zwischen
dem
rapide
wachsenden
anwendungsspezifischen
Bedarf
und
dem geringen und nur langsam wachsenden Bestand an Chip-Designern bzw. VLSI-Ingenieuren. Die Verfügbarkeit entsprechender Qualifikationspotentiale ist jedoch entscheidend dafür, ob die Potentiale der Mikroelektronik schnell und kompetent in anwendungsbezogene Problemlösungen und neue Produkte umgesetzt werden können. Nur umgehende und zwischen Bundesforschungs- und Bundesbildungsministerium abgestimmte Maßnahmen können diesen gravierenden Engpaß in nicht allzu ferner Zukunft
überwinden
helfen.
Eine humankapitalorientierte Strategie empfiehlt sich auch im Hinblick auf die Software-Förderung (zu Frage 2.13). Die Zukunftsperspektiven der Computerindustrie
werden sich in den nächsten Jahren weiter auf den Software-Bereich verlagern. In
problemorientierter, anwendungsbezogener und kundenspezifischer Software vor allem für den Industrie- und Dienstleistungsfaktor, liegen wichtige Quellen zukünftiger Wertschöpfung.
Die seit Jahren anhaltende
‚Software-Krise‘' ist ein Indiz da-
für, daß es in diesem Bereich einen enormen ungedeckten Bedarf gibt, der in Zukunft weiter wachsen wird. Was fehlt, ist eine Strategie, diese Chancen konsequent
zu nutzen. Notwendig ist eine zwischen BMFT, BMWI und BMBW abgestimmte Strategie zur Verbesserung der Chancen der hiesigen Software-Produktion. Voraussetzung für die Entwicklung einer solchen Strategie ist eine genauere Untersuchung der gegenwärtigen Situation der Branche sowie eine sorgfältige Beurteilung der in ihr steckenden Zukunftspotentiale. Schwerpunkt einer Software-Förderstra-
tegie ist ohne Zweifel die Ausweitung und Verbesserung des Bestandes an qualifizierten Arbeitskräften, die für die Software-Herstellung die Schlüsselgröße darstellen. Darüber hinaus muß es um die Umschulung und Weiterbildung bereits in diesem Bereich beschäftigter Arbeitskräfte gehen, um ihnen den jeweils modernsten Stand der Methoden der Software-Gestaltung zu vermitteln. Es ist Aufgabe vor allem des Bundesforschungsministers, die Initiative für eine solche Strategie in diesem bedeutenden Hochtechnologiebereich zu ergreifen. 185
Xll. Eine weitere Gruppe von Fragen (2.5, 2.7, 2.8, 2.16) befaßt sich mit den strategischen Eckpunkten einer vorausschauenden Industriepolitik für den IuK-Sektor.
Die in Block 1 gemachten Ausführungen verdeutlichen, daß der DGB aufgrund der skizzierten strategischen Bedeutung der Mikroelektronikindustrie die Notwendigkeit einer eigenständigen Produktionsbasis in diesem Bereich für Europa sieht. Deshalb ist es bedauerlich, daß die Siemens AG als bedeutender Hersteller (und bedeutender Subventionsempfänger, siehe Mega-, ESPRIT- und JESSI-Projekt!) nun auf den bisher stets für erforderlich gehaltenen Bau einer Fabrik zur Produktion zukünftiger Chip-Generationen verzichten will und dadurch nicht nur an Glaubhaftigkeit einbüßt, sondern auch — bei Aufrechterhaltung dieser Entscheidung — dem Aufbau einer leistungsfähigen Mikroelektronikindustrie in Europa den Boden weitgehend entzieht. Industriepolitik für die Mikroelektronik kann allein unter dem Blickwinkel der Wert-
schöpfungskette der Informationstechnikproduktion und ihrer Besonderheiten ent-
worfen werden, in die dieser Industriezweig eingebettet ist: Auf der Absatzseite ist eine lebensfähige Chip-Produktion
auf ausreichend
große
Märkte angewiesen, um die benötigten Skalen- und Lerneffekte in der Produktion ausschöpfen zu können. Um die erforderliche Globalisierung ihrer Marktstrategien bewältigen. zu können, braucht sie als Fundament einen ausreichend großen „Heimmarkt‘‘. Mit den starken europäischen Positionen in der Telekommunika-
tion, in der Industrieelektronik und in der Automobilproduktion (Automobilelektronik!) sowie mit dem Übergang zum europäischen Binnenmarkt sind hier gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Strategie gegeben. Darüber hinaus hätte die
Durchsetzung des europäischen Standarts für den HDTV-Bereich eine enorme industriepolitische Bedeutung für die Chip-Industrie, denn HDTV ist in außerordent-
lich hohem wiesen. Das in (ASICs) Prognos weltweit man
Maße auf die Verfügbarkeit modernster VLSI-Halbleitertechnik ange-
Frage 2.7 angesprochene Segment der anwendungsspezifischen Chips wird in Zukunft enorm an Gewicht gewinnen. Schätzungen der Baseler AG zufolge wird der Anteil der ASICs am gesamten Chip-Marktvolumen bis Ende der neunziger Jahre auf über 40 % angewachsen sein. Nimmt
hinzu, daß europäische Hersteller in diesem
Halbleitersektor höhere Produk-
tionsanteile als in den anderen Segmenten aufweisen, so bietet sich dieser Bereich durchaus als wichtigster strategischer Zielbereich an. Allerdings nimmt die Komplexität der Schaltungen sowie der damit verbundene Bedarf an fortschrittlichem Prozess-know how rasch zu.
Hinzu kommt das Problem, daß aufgrund der relativ kleinen Stückzahlen in diesem Segment keine Größenvorteile genutzt werden können. Deshalb ist eine Orientierung der Förderung von Forschung und Entwicklung ebenso wie die Ausrichtung der Produktion allein auf den ASIC-Bereich wenig sinnvoll. Der ASIC-Produktion
eröffnen sich bessere Perspektiven auf der Grundlage einer leistungsfähigen Herstellung von Mikroprozessoren und Speicherchips: sie sind einerseits die „Technologietreiber‘ in der Mikroelektronikindustrie, da sie eine außerordentlich hohe In-
186
novationsrate aufweisen und extreme technologische Ansprüche stellen, deren Be-
wältigung die notwendige Basis auch für eine leistungsfähige ASIC-Produktion wirksam unterstützt. Andererseits stellt die Nachfrage nach Speicherchips die Massenmärkte, über die sich Größenvorteile, Lerneffekte und die Mittel realisieren lassen, die auch für die ASIC-Herstellung genutzt werden können und müssen. Auf der Zuliefererseite braucht die Chip-Herstellung den engen Kontakt zu einer innovativen Halbleitergeräteindustrie, da aufgrund der äußerst kurzen Innovationszyklen bei Chips und der wachsenden
Komplexität der Halbleiterverfahren eine opti-
male Fertigung mit der gebotenen Schnelligkeit nur bei enger Kooperation mit den Geräteproduzenten erreicht werden kann, wobei diese Kooperation auf Dauer angelegt sein und auch noch während der Chip-Fertigungsprozesse aufrecht erhalten
werden muß.
XI. Die verschiedenen Fragen nach der bisherigen und zukünftigen Ausrichtung der staatlichen FuE-Förderung (2.11 und 2.24) sowie die Fragen nach einem technologie- und industriepolitischen Dialog (2.26, 2.27) lassen sich auf folgende Thesen zusammenziehen: —
Die bisherigen FuE-Programme sowohl auf der nationalen als auch auf der europäischen Ebene waren bzw. sind zu kurzfristig angelegt und entbehren eines langfristigen strategischen Konzepts. Dieser Mangel gilt selbst für das EUREKA-Projekt JESSI, welches zwar bis 1996 angelegt wurde, das jedoch unter wachsendem Finanzierungsdruck sowie durch das Ausscheiden von Philips und das Ausscheren von Siemens (Kooperation mit IBM zur Entwicklung des 64-Megabit-Speicherchips) ständigen Veränderungen ausgesetzt war und ist.
— Die FuE-Programme sind überwiegend auf die Ausweitung des Technologieangebotes und die Überwindung technologischer Engpässe ausgerichtet, die notwendige Förderung und Entfaltung von zukunftsträchtiger Nachfrage nach den anvisierten Problemlösungen kommt zu kurz. Eine technologie- und industriepolitisch sinnvolle Strategie sieht der DGB darin, die Förderung der Informa-
tionstechnik auf die Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen
hin konsequent
und
langfristig
auszurichten:
vor allem
auf den
ökologi-
schen Umbau der Industriestrukturen mit dem Ziel der schnellen Verwirklichung
einer ökologischen Kreislaufwirtschaft. Eine im Zusammenwirken mit der Umwelt-, Energie- und Verkehrspolitik gezielt betriebene Ausschöpfung der in der
Informationstechnik liegenden Chancen zur Verwirklichung dieser gesellschaftlichen Zukunftsvision hätte auch für die Wettbewerbschancen der europäischen
IuK-Industrie eine erhebliche Bedeutung: sie beinhaltet die Förderung der benötigten Systeme zur Umweltberichterstattung und Umweltanalytik, die Unterstützung der Entwicklung erforderlicher anwendungsspezifischer Chips, moderner
Prozeßleittechniken, leistungsfähiger Sensoren, von Meß- und Steuerungssystemen für schadstoff- und abfallvermeidende sowie rohstoff- und energiesparende Produktionsverfahren, von benötigter Software usw.
—
Den öffentlichen FuE-Förderpolitiken fehlen weitgehend die für eine erfolgreiche Innovationsstrategie unverzichtbaren Aktivitäten zur sozialen Gestaltung 187
und gesellschaftlichen Einbettung des informationstechnischen Wandels: Auf der nationalen Ebene spielen Maßnahmen zur Förderung von Technikfolgenabschätzungs- und Technikbewertungsprozessen sowie die Förderung innova-
tiver Vorhaben zur zukunftsorientierten Gestaltung von Arbeit, Technik und Organisation eine geringe, auf der europäischen Ebene sogar überhaupt keine Rolle. Darüber hinaus fehlt das Bemühen um die Einleitung eines breiten gesellschaftlichen Dialoges über zukünftig gewünschte
Formen
des Lebens
und Ar-
beitens sowie über daraus ableitbare Anforderungen an die Förderung und Gestaltung der Informationstechnik. Nur im Rahmen eines solchen systematischen und institutionalisierten Dialoges über wünschbare und machbare Zukünfte kann sich der erforderliche gesellschaftliche Grundkonsens über die Bewältigung des technischen und wirtschaftsstrukturellen Wandels sowie über neue Wege der Lösung gesellschaftlicher Zukunftsaufgaben herausbilden. Wir brauchen neue gesellschaftliche Prozesse, in denen die Kommunikation zwischen Technikproduzenten und Techniknutzern auf breiter Basis verdichtet
wird. Ein gesellschaftlicher Dialog braucht darüber hinaus neue Formen und Instrumente, wie z.B. Technikbewertung, Bürgergutachten, Zukunftswerkstätten, mehr Partizipationschancen in der Arbeitswelt, aber auch im Lebensbereich so-
wie neue Qualifikationsformen für die Beteiligten und Betroffenen. Wichtige Aufgaben des Staates liegen darin, solche Prozesse anzustoßen und zu organisieren, Plattformen für mehr Kommunikation zu schaffen, Impulse zu vermitteln sowie unterschiedliche Akteure und deren Aktivitäten zusarmmenzuführen.
XIV. In einer weiteren Gruppe von Fragen (2.31 und 2.33) wird die Bedeutung von Normenvereinbarungen für die Wettbewerbsfähigkeit der IuK-Industrie, die Arbeitsbedingungen sowie für die Innovationsfähigkeit von Industriezweigen angesprochen. Technische Normen schreiben im allgemeinen Regeln für den Entwurf, die Herstellung und die Anwendung von Techniken und Techniksystemen fest. Sie können zu unterschiedlichen Zwecken erstellt werden: vor allem um bestimmte technische Produkteigenschaften zu gewährleisten oder um andere Merkmale von Produkten festzulegen, wie z.B. Sicherheit, Umweltverträglichkeit, Verträglichkeit mit Arbeitsschutzbestimmungen sowie mit Kriterien für eine humane Technik- und Arbeitsgestaltung. Normen haben deshalb für die menschengerechte Gestaltung
von Technik- und Arbeitssystemen eine eminente Bedeutung, die in Zukunft weiter wachsen wird. In wirtschaftlicher Hinsicht sind Normen wichtige Instrumente zur Organisierung und Bildung neuer Märkte, weil sie die für Märkte unverzichtbaren
Voraussetzungen (insbesondere die sachliche Gleichartigkeit der angebotenen Güter) schaffen. Nur mit ihrer Hilfe ist es darüber hinaus möglich, die in komplexen, auf arbeitsteiligen und hochspezialistierten Strukturen beruhenden
Industrie-
gesellschaften notwendige Funktion der Markt- und Produktabstimmung zu bewältigen.
Daß die Bedeutung von Normen in Zukunft weiter zunehmen wird, liegt zum einen an der wachsenden Anwendung von Systemtechnologien, wie der neuen luKTechnologien. Damit sich die durch Systemtechnologien erhofften effizienzsteigernden Integrationseffekte erzielen lassen, ist Kompatibilität zwischen den Sy188
stemteilen unverzichtbare Voraussetzung; diese muß durch Normung hergestellt werden. Ein zweiter Faktor, der für die wachsende Bedeutung von technischen
Normen spricht, ist der bis Ende 1992 geplante einheitliche europäische Binnenmarkt. Unterschiedliche nationale Normen stellen nicht nur nicht-tarifäre Handelshemmnisse dar und müssen deshalb bis 1993 beseitigt werden, EG-einheitliche Normen sind darüber hinaus wichtige Beiträge zur internationalen Konkurrenzfähigkeit der europäischen Wirtschaft gegenüber Japan und den USA, denn sie entscheiden über die Größe von Absatzmärkten, über den Umfang der realisierbaren Produktionsskaleneffekte sowie darüber, in welchem Ausmaß erworbenes technologisches Know-how von den jeweiligen Wirtschaftsräumen genutzt werden kann. Im Hinblick auf die Frage nach der Auswirkung technischer Normen auf die Arbeitsbedingungen im weitesten Sinne ist zu beachten, daß auch scheinbar ‚‚rein
technische‘'
Normen,
vor allem auch
im Bereich der luK-Techniken,
wie z.B. die
CIM-Normen, erhebliche Implikationen für die Gestaltung humaner Arbeitsplätze auf der betrieblichen Ebene besitzen. Schnittstellen-Normung für CIM-Systeme
z.B. entscheidet darüber, ob die betriebliche Arbeitsgestaltung die Optionen von Gruppenarbeit, ganzheitlichen Arbeitszuschnitten sowie qualifikations- und kom-
munikationsfördernden Arbeitsinhalten verwirklichen kann. Technische Normen können die Überwindung zerstückelter hochgradig arbeitsteiliger und starrer „tayloristischer Arbeitsformen‘' unterstützen, sie können sie aber auch behindern. Normen konkretisieren darüber hinaus nicht ausgefüllte Begriffe in Gesetzen und Vor-
schriften
(z.B.
Betriebsverfassungsgesetz,
Arbeitssicherheitsgesetz,
Arbeitsstät-
tenverordnung, Arbeitsstoffverordnung, Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften usw.). Über solche gesetzlichen Bestimmungen kann die normgerechte Gestaltung von Arbeits- und Techniksystemen durch Betriebs- und Personalräte erzwungen werden. Normen bestimmen den Inhalt ‚„gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse‘‘ in wesentlichem Umfang, wovon wiederum das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach $ 91 Betriebsverfassungsgesetz
abhängig ist. Auch auf der europäischen Ebene (Artikel 100a des EWG-Vertrages) wird dieses Verfahren inzwischen angewandt: Der europäische Gesetzgeber beschränkt sich auf grundlegende Schutzzielanforderungen, die dann von den europäischen Standardisierungsinstituten durch Normen nach dem Stand der Technik konkretisiert werden. Aufgrund der großen Bedeutung von technischer Normung für die Gestaltung der Zukunft der Arbeit fordern die Gewerkschaften in den letzten Jahren eine wirksame Beteiligung an den entsprechenden Normungsprozessen,
um bereits in der Frühphase der Gestaltung von Technik- und Arbeitssysternen er-
gonomische
Kriterien mit in die Normenbildung einbringen zu können.
189
Ergänzung
zur Stellungnahme
des DGB
Sehr geehrter Herr Catenhusen, für die Einladung zur Wettbewerbsfähigkeit schen Industrie‘‘ darf doch mitteilen, daß ich
Teilnahme an der öffentlichen Anhörung zum Thema ‚‚Die der deutschen informations- und kommunikationstechniich Ihnen herzlich danken. Mit Bedauern muß ich Ihnen jenicht in der Lage bin, Ihrer Einladung zu folgen. An meiner
Stelle wird Herr Dr. Johann Welsch, Referatsleiter in der Abt. Technologie/HdA des
DGB-Bundesvorstandes, die Vertretung des DGB bei der Anhörung übernehmen. Unsere schriftliche Stellungnahme haben wir dem Ausschuß-Sekretariat mit ge-
trennter Post zugeleitet. Das Thema
der Anhörung,
mit dem
aus aktuellem Anlaß die Aufmerksamkeit von
Wirtschaft und Politik auf ein bedeutsames technologie- und industriepolitisches Handlungsfeld gerichtet wird, veranlaßt mich jedoch zu einigen Anmerkungen. Die bisher zur Entwicklung und Anwendung der IuK-Technik geführten Diskussionen waren äußerst kontrovers. Insbesondere gilt dies für die Bewertung der Chancen und Risiken der luK-Technik sowie für den mit ihr verbundenen umfassenden politischen Handlungsbedarf. Jenseits der im einzelnen dazu vorgetragenen Einschätzungen besteht meiner Auffassung zufolge jedoch breite Übereinstimmung darüber, daß die Zukunft der Industrie- und Dienstleistungsproduktion und damit auch
die zukünftigen Arbeits- und Lebensbedingungen in unserer Gesellschaft von der weiteren Entwicklung sowie den jeweiligen Formen der Nutzung der luK-Technik abhängen.
Der DGB
hat dies in jüngster Zeit wiederholt zum
Anlaß
genommen,
Vorschläge und Forderungen für eien soziale Gestaltung des informations- und kommunikationstechnischen Wandels vorzulegen. Zwei zentrale Sachverhalte haben wir in unseren Vorschlägen und Forderungen besonders betont. Zum einen haben wir auf die Grenzen einer angebotsorientier-
ten Förderung von Forschung und Entwicklung der luK-Technik — wie sie von der
Bundesregierung praktiziert wird — verwiesen. Zum anderen haben wir die Notwendigkeit unterstrichen, die Ausschöpfung der Chancen der luK-Technik mit einer Verwirklichung
sowohl
umweltpolitischer
als auch
humanisierungspolitischer
Zielsetzungen zu verbinden. Politische Schlußfolgerungen und Empfehlungen, die auf den Ergebnissen von im Auftrage der OECD und der EG-Kommission erstellten Gutachten und Analysen basieren, bekräftigen unsere Vorschläge und Forderungen. So wird zum Beispiel in der von einem Verbund wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute in Europa erarbeiteten Analyse (zum Thema
„Zukünftige Ent-
wicklung von Beschäftigung und Ausbildung in der EG unter dem Einfluß der neuen luK-Techniken‘‘) eine Neuausrichtung der europäischen Technologiepolitik weg von einer mehr angebotsorientierten Betonung der Technologie hin zu mehr nachfrage- und anwendungsorientierten
Kriterien empfohlen.
Darüber hinaus un-
terstreicht die Analyse dieser Institute, daß die Entwicklung und die Anwendung der IuK-Techniken
190
einen
komplexen
sozialen
Prozeß darstellen.
Bedeutsam
und
zu beachten ist dieser Prozeß vor allem deshalb, weil eine sozial und ökologisch erfolgreiche Ausschöpfung der Chancen neuer luK-Techniken zugleich neue Strukturen der Arbeits- und Produktionsorganisation erfordert. Die aktuelle Debatte um den Erfolg des japanischen Modells der „schlanken Produktion‘‘ unterstreicht dies nachhaltig.
Die aus der Sicht des DGB zentralen Fragen hinsichtlich einer weiteren Förderung von Forschung und Entwicklung im Feld der IuK-Technik sowie nach Ansatzpunk-
ten zur Schaffung erforderlicher arbeits- und produktionsorganisatorischer Anwendungsbedingungen für eine wirtschaftlich, arbeits- und umweltpolitisch produktive
Nutzung der lIuK-Techniken werden in dem die Anhörung vorbereitenden Fragenkatalog leider nur kurz gestreift. Gleiches gilt für eine Bewertung der Ergebnisse
bisheriger Fördermaßnahmen.
Aus diesem Grunde
möchte
ich die zuvor erläuter-
ten zentralen Sachverhalte — die in unserer Stellungsnahme zu dem Fragenkatalog differenziert dargelegt werden — noch einmal mit Nachdruck betonen. Betonen möchte ich aber auch, daß die Förderung organisatorischer und sozialer Innovationen demnach eine wichtige Aufgabe der Forschungs- und Technologiepolitik darstellt. Dieser Aufgabe wird die Politik der Bundesregierung nicht gerecht. Mit Befremden stelle ich fest, daß die Bundesregierung im Zuge ihrer Förderung von Forschung und Entwicklung der menschengerechten Gestaltung von Arbeit und Technik sowie dem Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch den Abbau und die Abwehr gefährdender Belastungen eine sinkende Priorität beimißt. Diesen Schluß ziehe ich aus der wiederholten Verringerung der für das Programm
‚Arbeit und Technik‘
bereitstehenden
Fördermittel.
Werden die Haushaltsplanungen der Bundesregierung für 1993 realisiert, dann kommt dies einer folgenreichen negativen Entwicklung der Forschungsförderung in den für die Sicherung des Industriestandortes Deutschland und den für die Gewährleistung
menschengerechter
Arbeitsbedingungen
bedeutsamen
Feldern
der
Arbeits- und Produktionsorganisation gleich. Aus der Sicht des DGB gilt für die eingeleitete Beeinträchtigung von Forschung und Entwicklung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen: —
Sie steht im Gegensatz zu den Erfordernissen einer innovationspolitischen Si-
cherung des Industriestandortes Deutschland! Voraussetzung einer erfolgreichen Sicherung und Verbesserung von Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität,
dies ist ein übereinstimmender Befund aus der aktuellen Japan-Debatte, ist die
Verknüpfung innovativer Arbeits- und Organisationsstrukturen mit intelligenten Konzepten der Techniknutzung und der Produktionsorganisation.
— Sie erschwert die Verwirklichung der sozialen Einheit in Deutschland. Aus der deutschen Vereinigung ergeben sich neue innovations- und arbeitspolitische Anforderungen an die Forschungs- und Technologiepolitik. Neben der Überwindung gesundheitsbeeinträchtigender Arbeitsbedingungen in den verbliebenen Betrieben und Verwaltungen in den neuen Bundesländern sind Maßnahmen
forderlich, die auf eine Entwicklung ausreichend und Verwaltungen zielen.
er-
innovationsfähiger Betriebe
191
— Sie erschwert schließlich vorbeugendes Handeln zu Zwecken des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes und zementiert somit die hohen volkswirtschaftlichen Kosten arbeitsbedingter Erkrankungen. Mit seiner Besorgnis über die Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten innerhalb des Programms
‚‚Arbeit und Technik‘‘ und seiner künftigen Beträge zur not-
wendigen innovations- und arbeitspolitischen Modernisierung steht der DGB keineswegs allein. Namhafte Wissenschaftler in den Feldern der Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften teilen diese Besorgnis. Mit guten Argumenten hat die Wissenschaftliche Gesellschaft für Arbeits- und Betriebsorganisation den Bundesforschungsminister bereits aufgefordert, den Gefahren für die Gewährleistung menschengerechter Arbeitsbedingungen durch eine deutliche Verstärkung der Fördermittel für Forschung und Entwicklung entgegenzuwirken. Gleichlautende Forderungen wurden auch von unserer Seite an den Bundesforschungsminister bzw. die Bundesregierung gerichtet. Im Zusammenhang
mit der bevorstehenden
Anhörung
und den auf sie folgenden
weiteren forschungs- und technologiepolitischen Weichenstellungen möchte ich es nicht versäumen, Sie als Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Forschung
und Technologie über die Besorgnis des DGB anläßlich der sich abzeichnenden negativen Entwicklung in einem wirtschaftlich und gesellschaftlich bedeutsamen Handlungsfeld zu informieren. Zugleich appelliere ich an die Mitglieder des Bundestagsausschusses, sich dafür einzusetzen, daß die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie die Verwirklichung innovativer Arbeits- und Produktionskonzepte weiterhin wichtige Ziele der Forschungs- und Technologiepolitik des Bundes bleiben und sich dieses sowohl in der Bereitstellung von Fördermitteln als auch in der Durchführung von Vorhaben niederschlägt. Mit freundlichen Grüßen
Heinz-Werner Meyer
192
Dr. FRIEDER
MEYER-KRAHMER
Leiter des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (FhG-
ISI), Karlsruhe
Diese Stellungnahme bezieht sich auf ausgewählte wichtige Komplexe des vorgegebenen Fragenkatalogs. Sie geht zum Teil über die einzelnen Fragen hinaus; der Bezug zu den Fragen wird angegeben, wo immer dies möglich war. Stärken
und
Schwächen
bei Hochtechnologien
Hochtechnologie-Waren können mit Hilfe von Aufwandskriterien, Marktanteilskriterien oder Wertkriterien definiert werden. Am ISI hat sich die Definition nach Aufwandskriterien als am sinnvollsten herausgestellt.'! Dabei wird die Hochtechnologie in zwei Teilbereiche, nämlich die Spitzentechnik (Aufwendungen für Forschung und Entwicklung bezogen auf den Umsatz oberhalb von 8,5 v.H.) und die höherwertige Technik (FuE-Intensität zwischen 3,5 u. 8,5 v.H.), aufgeteilt. Nach diesem Kriterium gehören aus der informations- und kommunikationstechnischen Industrie die Produktgruppen
der EDV-Anlagen,
Telekommunikation,
medizinische Elektro-
nik, Halbleiterbauelemente, der fortgeschrittenen Optik sowie der fortgeschrittenen Meßgeräte,
also
zentrale
Bereiche
der
Informationstechnik,
TV- und Videogeräte, Mobilfunkgeräte, Audiogeräte Elektronik zur höherwertigen Technik. Frage 1.1).
zur Spitzentechnik,
oder auch
die traditionelle
Die Bundesrepublik Deutschland hat im Bereich der Spitzentechnik eine internatio-
nal gute Position in der Agrarchemie sowie in der Luftfahrt. Im Bereich Turbinen/Motoren ist die Stellung ebenfalls stark, wobei es aber eine deutliche Konkurrenz von japanischer Seite gibt. Ebenfalls gut ist die Stellung im Bereich der gesamten Pharmazie, wobei aber im Teilbereich der Biotechnik inzwischen deutliche Defizite gegenüber den USA bestehen. Ein ausgeprägtes Defizit gegenüber den Vereinigten Staaten und insbesondere Japan liegt in der gesamten Informationstechnik und Elektronik vor. Wesentliche Ausnahme ist die Telekommunikation, bei der in den letzten Jahren trotz weltweit zunehmender Aktivitäten zumindest eine durchschnittliche
Position gehalten werden
konnte, wobei
aufgrund
stark zuneh-
mender FuE-Aktivitäten in Japan und den Vereinigten Staaten neuerdings die Gefahr eines Zurückbleibens besteht. (Frage 1.2). Die wesentlichen Stärken der deutschen Industrie liegen im Bereich der höherwertigen Technik, wobei besonders die Chemie, der Maschinenbau, die Fahrzeugtechnik und die Elektrotechnik zu nennen sind. Auch im Bereich der höherwertigen Technik bestehen aber wiederum Defizite im Bereich der Konsumelektronik, insbesondere
gegenüber Japan.
Frage
1.3).
*) An der Erarbeitung dieser Stellungnahme haben folgende Mitarbeiter des FhG-ISI mitgewirkt: Peter Georgieff, Hariolf Grupp,
gel, Peter Zoche
Günter Krause, Gunter Lay, Ulrich Schmoch,
Jürgen Wen-
193
Die Profile von Frankreich und Großbritannien sind dem der Bundesrepublik ähnlich, wobei die Position im Maschinenbau vergleichsweise schwächer, die in der
Konsumelektronik
etwas
stärker
schließlich noch die besondere
ist.
Bezogen
auf
Rolle der Niederlande
die
Informationstechnik
(Philips) zu erwähnen,
ist
wo-
durch sich die Gesamtsituation der europäischen Konsumelektronik etwas günstiger darstellt. (Frage 1.3). Andererseits muß darauf hingewiesen werden, daß keine marktwirtschaftlich orga-
nisierte Volkswirtschaft auf allen Gebieten überdurchschnittlich wettbewerbsfähig sein kann; die Gesetzmäßigkeiten des internationalen Handels (Theorie der komparativen Vorteile) verbieten dies. Mit deutschen Stärken in Chemie, Maschinenbau und Fahrzeugtechnik ist eine überdurchschnittliche Wettbewerbsposition auch
in der elektronischen Industrie nicht unbedingt zu erwarten. Dies gilt für die Ver-
gangenheit wie die Zukunft, besagt aber nicht, daß die elektronische Branche „ab-
geschrieben‘ werden darf; vielmehr sollte auch die deutsche Industrie bei den internationalen Trends mithalten und sich die jeweils neuen Technologien parallel aneignen. (Frage 1.9, 1.10). So hat der Anteil an (Mikro-)Elektronik in Produkten der o.a. Branchen erheblich zugenommen und damit auch in der Vergangenheit zu deren Wettbewerbsstärke erheblich beigetragen. Die offensichtlichen Defizite in der Informationstechnik sind kein neues Phänomen,
sondern zeichnen sich bereits seit Beginn der BOer Jahre deutlich ab. Letztlich hat sich die deutsche Industrie in ihrem FuE-Verhalten auf die (bislang erfolgreiche) Verteidigung bewährter Felder konzentriert und den frühen Einstieg in den Bereich
der Elektronik und Informationstechnik ausgelassen. Die gegenwärtige Situation ist insofern gravierend, weil sich der Vorsprung der USA und Japan nicht nur auf einzelne Teilbereiche der IuK-Technik bezieht, sondern für die gesamte Breite von den Bauelementen über die Konsumelektronik bis hin zu hochwertigen EDV-Anlagen besteht. Wegen der zunehmenden technologischen und wirtschaftlichen Verflechtung führt dies zu Effekten, bei der die isolierte Betrachtung von Softwareaspekten fraglich wird (Frage 1.5). Die vielbeschworene Software-Krise (Frage 1.14, 1.17) ist ein technikimmanentes, weltweites Phänomen, das nicht nur Deutschland (Europa), sondern auch Japan betrifft. Die Software-Krise wird in allen OECD-Ländern
auf einen hausgemachten
Qualitätsmangel zurückgeführt. Dominierend stehen die USA da. Hierfür ist eine Reihe von Gründen maßgebend,
u.a. daß das Verteidigungsministerium eine gan-
ze Reihe von Softwareforschungsprogrammen
1.14).
Ein Großteil der Anwender-Software
initiiert und finanziert hat. (Frage
wird immer
noch
unternehmensintern
ent-
wickelt und genutzt und ist als solcher nicht marktlich handelbar (Frage 1.13). Das
spezifische europäische
Problem
liegt nicht in den theoretischen Leistungen —
hierfür ist Europa weltweit anerkannt —, sondern in der Umsetzung
der Software-
Fähigkeiten in industrielle Produkte (Frage 1.7). Die Situation kann sich noch verschärfen, wenn aufgrund der demographischen Trends in den neunziger Jahren
weitere Probleme 194
beim
Humankapital
auftreten
(Fragen 2.29, 2.30).
Die Abhängigkeit der deutschen Industrie von ausländischen luK-Produzenten bzw. ausländischen Software-Lieferanten wurde vom FhG-ISI bezogen auf den Ma-
schinenbau
und die dort installierten Systeme der rechnergestützten Konstruktion
(CAD) sowie der rechnergestützten Produktionsplanung und -steuerung (CAM) En-
de der 80er Jahre analysiert? (Frage 1.11). Die Ergebnisse zeigten, daß die Abhängigkeit bei der Hardware (40 % Auslandsanteil) höher ist als bei der Software
(20
%
Auslandsanteil)
und
daß
die Abhängigkeit
der Software
je nach
Anwen-
dungsbereich stark differiert. Erschwert wird die Interpretation durch die Schwierigkeit, deutsche Tochterunternehmen ausländischer Unternehmen einzuordnen. Diese Gruppe liefert im CAD/CAM-Bereich
knapp die Hälfte des installierten Equip-
ments. Für die Vermutung, daß sich gegenüber Ende der 80er Jahre gravierende Veränderungen in der Situation ergeben haben, existieren keine Indizien.
Insgesamt ist festzustellen, daß es in Europa gegenwärtig nur noch wenige große Unternehmen in der IuK-Technologie gibt, die im internationalen Wettbewerb mit-
halten können.
Im Bereich der Elektronik sind dies Philips, Siemens,
SGS-Thom-
son sowie GEC (über Plessey mit Siemens verbunden); im Bereich der Informatikunternehmen
Siemens/Nixdorf,
Bull, Olivetti,
Philips
und
Alcatel/SEL.
Das
briti-
sche Unternehmen ICL gehört inzwischen dem japanischen Konzern Fijitsu. Interessant ist die Arrondierung des Daimler-Konzerns, der jetzt neben der Kfz-Technik Luft- und Raumfahrt, Wehrtechnik und Elektronik vereinigt und damit Synergien, wie sie sich in den
Anwendungsseite
USA
als vorteilhaft herausgestellt
haben,
erreichen
kann.
von hoher Bedeutung
Der Rückstand in der IuK-Technik ist deshalb als bedenklich anzusehen, weil diese als Schlüsseltechnik alle anderen Bereiche der Wirtschaft erfaßt. So sind der Anlagen-, Maschinen- und Fahrzeugbau ohne wesentliche IuK-Elemente kaum noch denkbar. Der Stand in der luK-Technik beeinflußt damit letztlich auch den Technikstand in anderen
ßBenabhängigkeit
Bereichen,
und es besteht zumindest die Möglichkeit einer Au-
in zentralen Gebieten
der deutschen
Produktion.
(Fragen
1.4,
1.11). Deutschland lebt vom Einsatz dieser Technik in den erwähnten wettbewerb-
stragenden Branchen höherwertiger Technik. Während durchaus strittig ist, in welchen Teilbereichen der generischen luK-Technik ein Aufholen des Wettbewerbsrückstands möglich und sinnvoll ist, ist die Anwendung
niken für Deutschland ganz zentral.
und Diffusion der IuK-Tech-
Neben den wettbewerbstragenden Branchen hat die IuK-Technik auch erhebliche Bedeutung für die Lösung wichtiger Zukunftsprobleme (Frage 1.6), insbesondere für Verkehr, Energie und Umwelt. Verkehr hat sich zu einem der größten Belastungsfaktoren der Umwelt entwickelt und wird zunehmend zu einem Engpaßfaktor unserer Volkswirtschaft. Vorliegende
Verkehrsprognosen und eine Verhärtung der verkehrspolitischen Diskussion sind Hinweise auf einen verschärften Problemdruck. Von den luK-Techniken werden in diesem Zusammenhang nennenswerte Problemlösungsbeiträge erwartet. Diese 195
betreffen vor allem Verkehrssicherheit,
die Reduzierung der Umweltbelastungen, die Erhöhung der die Überwindung von Kapazitätsengpässen, die qualitative
Verbesserung des Nutzverkehrs, die Bündelung von Verkehrsströmen und die Verknüpfung der Teilsysteme. Während aktuelle technologische Entwicklungslinien vornehmlich
auf Teilsysteme
und
Fahrzeuge
gerichtet sind, wird der Integration
und Koordination verschiedener Verkehrsträger und damit der Optimierung des
Gesamtverkehrssystems
künftig große
Beachtung
geschenkt
werden
müssen.
Auch die Einsatzpotentiale der IuK-Techniken zur Energieeinsparung und für den Umweltschutz sind beträchtlich. Mit Unterstützung des BMFT wurden in den letzten Jahren diese technischen und wirtschaftlichen Einsatzpotentiale detailliert un-
tersucht sowie Hemmnisse und effiziente Einsatzbedingungen aufgezeigt.”
Die Bedeutung der Hardware und Software für die Gestaltung der Arbeitsorganisation und damit für die Arbeitsinhalte der Anwender wird zur Zeit tendenziell unterschätzt (Frage 1.8). Nachdem die in der Mikroelektronik liegenden Möglichkeiten das früher gängige Paradigma von der Technikdeterminiertheit der Arbeitsorganisation obsolet gemacht haben und die arbeitsorganisatorischen Spielräume bei den neuen Techniken in vielfältiger Weise deutlich wurden, sind die Grenzen der Gestaltbarkeit, die je nach hard- und softwaretechnischer Lösung weiterhin existieren, systematisch vernachlässigt worden.
technischer Lösungen sind:
Beispiele für den prägenden
Charakter
— Die Richtung, die die Entwicklung von CNC-Steuerungen für Werkzeugmaschinen genommen hat (Programmierung von Verfahrwegen und Schnittdaten anstelle der konventionellen Bearbeitung durch die Fachkraft mit begleitender Abspeicherung der Daten), macht arbeitsorganisatorische Lösungen, die das Erfahrungswissen der Facharbeiter nutzen, tendenziell unmöglich, führt damit zu einer Erosion qualifizierter Facharbeit in der Werkstatt und bläht die indirekten
Bereiche der Unternehmen auf.
— Bei der Untersuchung von arbeitsorganisatorischen Konzepten der CAD-Nutzung zeigte sich, daß die Art der installierten Hard- und Software in signifikantem Zusammenhang mit der Ganzheitlichkeit der arbeitsorganisatorischen Lösung
steht.
Preis
und
Dezentralisierbarkeit
der
Hardware
sowie
Benutzer-
freundlichkeit der Software sind hier ganz wesentliche Determinanten.
— Das ‚Bild der Arbeit‘, das die Programmierer bei der Produktion von Software haben, enthält auch bestimmte arbeitsorganisatorische Lösungen zes.
ihres Einsat-
Managementdefizite Insgesamt gesehen hat die deutsche/europäische Industrie nicht angemessen und rechtzeitig auf die Herausforderungen durch ausländische Unternehmen reagiert. Letztlich steht hinter der Konzentration auf bewährte Produktfelder eine kurzsichtige Strategie, die auf die schnelle Rentabilität von FuE-Investitionen setzt. In Japan 196
ist eine längerfristige Planung zu beobachten, wobei das höhere Risiko langfristi-
ger FuE-Investitionen durch eine enge Kooperation zwischen technischer Entwick-
lung und Marketing soweit als möglich reduziert wird. In den USA mit einer ebenfalls auf kurzfristige Rendite angelegten Industrie hat die wehrtechnische Industrie wesentliche Beiträge zur Informationstechnik erbracht. Dies ist auch künftig zu erwarten (Frage 2.4). Die stärkere Beteiligung des Marketing schon in frühen Phasen der FuE-Planung
führt in Japan zu stärker anwenderorientierten Produkten. Ein gutes Beispiel sind hier die Fernkopierer, an deren originärer Entwicklung deutsche Unternehmen
(z.B. eine Siemens-Tochter) maßgeblich beteiligt waren. Die Fax-Geräte sind dann
in Japan unter dem Aspekt der Kostenreduzierung, der Anwenderfreundlichkeit sowie der Betriebssicherheit soweit verbessert worden, daß der Markt inzwischen
weitgehend von japanischen Unternehmen beherrscht wird. (Frage
1.11).
In der IuK-Industrie spielen die Personalkosten im Vergleich zu anderen Kostenfaktoren eine nachgeordnete Rolle, so daß die Kostenvorteile japanischer Konkurrenten im wesentlichen auf bessere Produktions- und Organisationsmethoden zurückzuführen sind. Die Reaktionsmuster deutscher Anwenderindustrien sind allerdings im Hinblick auf die Geschwindigkeit des Aufgreifens neuer technischer Lösungen im internationalen Vergleich durchaus nicht so negativ, wie dies teilweise behauptet wird. Problematischer scheint ein in Deutschland möglicherweise weiter als in anderen Ländern verbreiteter Hang zur technischen Perfektion (,‚koste es was es wolle‘‘). Die
Komplexität der technischen Lösungen liegt teilweise deutlich über dem, was in an-
deren Ländern versucht wird, wodurch auch die Kosten deutlich höher sind. Ein Beispiel hierfür sind flexible Fertigungssysteme, die am Anfang ihres betrieblichen Einsatzes (zu Beginn der 80er Jahre) in Deutschland für ein wesentlich umfangreicheres Teilespektrum konzipiert wurden als beispielsweise in Japan. Auch Größe und Automatisierungsgrad lagen über dem, was in anderen Ländern geplant war.
Diese Lösungen erwiesen sich entweder als technisch schwer machbar oder als wirtschaftlich ungünstig. Die umfangreichere Verbreitung dieser Technik begann in Deutschland erst als von diesem Leitbild Abstand genommen wurde und einfachere sowie kleinere Lösungen entwickelt und angeboten worden sind. Mit dieser Technikorientierung geht auch eine in der deutschen
Industrie feststellbare Unter-
schätzung des wirtschaftlichen Potentials einer Optimierung von Technikeinsatz, Qualifikation und Arbeitsorganisation einher (Frage 2.4). Telekommunikation
Bezogen auf die gesamte Breite der Telekommunikation wird es auf Dauer nicht nur 5 bis 6 nennenswerte Wettbewerber weltweit geben. (Frage 2.17). Diese These
bezieht sich ausschließlich auf den Bereich der Fernmelde-Vermittlungstechnik, der sehr hohe FuE-Investitionen erfordert und sich nur bei einem entsprechend
breiten Abnehmermarkt pro Unternehmen rentiert.* Vor dem Hintergrund der Ein197
führung neuer Vermittlungssysteme für die Breitbandkommunikation ist hier in der Tat anzunehmen, daß nur wenige Unternehmen in diesem Bereich bleiben können. Da derzeit die Situation europäischer Anbieter im Vergleich zu japanischen und
amerikanischen durchaus gut ist, wird es sicher auch in Zukunft europäische Hersteller im Bereich
der öffentlichen Vermittlung
geben.
Nach
dem
gegenwärtigen
Kräfteverhältnis ist anzunehmen, daß in Europa Siemens und Alcatel übrigbleiben
werden. SEL ist inzwischen eine Tochter von Alcatel, was Teil des skizzierten Kon-
zentrationsprozesses ist. In den übrigen Bereichen der Telekommunikation, also der elektrischen, optischen und Funk-Übertragung sowie insbesondere bei den Endgeräten,
läßt der Markt auch weiterhin eine größere Zahl von Unternehmen zu
und erlaubt auch den Einstieg neuer Unternehmen, wie dies in erfolgversprechenden Teilsegmenten des Marktes wie Bildtelefon oder Mobiltelefon festzustellen ist. (Frage 2.17). Die im Vergleich zur sonstigen luK-Technik relativ gute Wettbewerbsposition in der Telekommunikation sollte für die Zukunft in jedem Fall erhalten werden. Wesentliche Voraussetzung ist hier, daß die Situation europäischer Anbieter durch einen einheitlichen europäischen Binnenmarkt verbessert wird (Frage 2.16). Dieses erfordert neben dem Abbau tarifärer Handeilshemmnisse vor allem die Beseitigung nicht-tarifärer Barrieren. Dazu gehören eine Vereinheitlichung der Normen und Standards, aber auch eine einheitliche Politik der Netzträger (Fragen 2.31 und 2.32).
Die gegenwärtige
Situation
mit den
Extremen
einer erheblichen
Eigenfor-
schung des französischen Netzträgers und einer nur geringen Eigenforschung der Deutschen Telekom führt in jedem Fall zu Wettbewerbsverzerrungen. Es ist auf Dauer undenkbar, daß ein Hersteller, der sich seine Forschung über den Preis der
Produkte vom jeweiligen Netzträger ersetzen lassen muß, mit einem anderen Hersteller konkurrieren kann, bei dem die erforderliche Forschung vom Netzträger selbst geleistet wird. Zu präferieren wäre das deutsche Modell, bei dem die Verantwortung für FuE weitgehend bei den Herstellern liegt; zentral ist aber auf jeden Fall eine einheitliche Handhabung innerhalb der EG (Frage 2.24). Für die Zukunft der Telekommunikation in Deutschland und Europa ist es in jedem Fall entscheidend, mit den zunehmenden Forschungsanstrengungen, die in Japan und in den Vereinigten Staaten zu beobachten sind, Schritt zu halten. Bislang gibt
es nur eine Verdrängung deutscher Hersteller aus dem Bereich der FaksimileTechnik; es muß sorgfältig darauf geachtet werden, daß dieses nicht auch auf anderen Gebieten geschieht (Frage 2.24). Industrielle Lösungsstrategien
für die IuK-Technik
Als Faktoren, welche die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie bestimmen
(Frage 2.16), wurden in einer Anhörung des Deutschen Bundestages von meinem
Institut und anderen Experten bereits 1982 die folgenden genannt:?) — —
Die Qualität der Produkte die Wechselkursentwicklung,
198
insbesondere
zwischen
D-Mark
und
US-Dollar
— das hohe Innovationspotential der Industrie und die Anpassungsfähigkeit an die erwartete Nachfrage —
die hohe Qualifikation der Erwerbstätigen
—
Lohnstückkosten,
— Lieferzuverlässigkeit, Termintreue und Service — der soziale Konsens, z.B. niedrige Streikhäufigkeit Arbeitsproduktivität
und Arbeitsmoral
— Energiekosten und Energieverfügbarkeit — der Forschungs- und Entwicklungsaufwand — Steuern und Sozialabgaben.
Der Rückstand der deutschen und europäischen Industrie in der IuK-Technik ist in-
zwischen so groß, daß ein Aufholen auf der gesamten Breite nicht möglich und wegen des internationalen Freihandels auch nicht sinnvoll ist. Eine erhebliche Umwidmung der insgesamt begrenzten Mittel und des fähigen, hochqualifizierten Personals zugunsten der IuK-Techniken würde außerdem
andere zentrale Herausfor-
derungen der deutschen Industrie wie die Materialforschung oder die Biotechnik
gefährden, in denen sich die traditionelle deutsche Stärke in der Chemie fortsetzen kann. Von daher sind innereuropäische FuE-Kooperationen oder strategische Al-
lianzen mit japanischen und amerikanischen Unternehmen sicherlich effektiver. Die letztgenannte Variante wird allerdings für Unternehmen aus Übersee immer weniger attraktiv, da sie durch europäische Tochterunternehmen auch anderweitig über einen Zugang zum europäischen Markt verfügen. Von daher sollte die Strategie darin bestehen, wichtige Bereiche der IuK-Technik
zu verfolgen und hier den Anschluß an den Weltstandard zu halten oder zu erreichen (Frage 2.8). Welche diese sind, muß jedes Unternehmen in marktwirtschaftlicher Souveränität für sich entscheiden, da es auch das Risiko trägt. Ein wesentlicher Bereich ist hier eine Konzentration von FuE und Produktion auf anwenderspe-
zifische Chips (ASICs) und Tools für deren Herstellung (Frage 2.7). Dieser Bereich erfordert vergleichsweise geringe Investitionen und ermöglicht damit auch die Beteiligung kleinerer Unternehmen. Die anwenderspezifischen Chips repräsentieren einen wesentlichen Bereich der IuK-Technik, in dem Soft- und Hardware zusammenwachsen, so daß die Beherrschung dieser Technik gleichzeitig einen effektiven Schutz des eigenen Know-hows darstellt. (Frage 1.5). ASICs werden eine zunehmende Bedeutung auf solchen Gebieten erhalten, auf denen die deutsche Industrie traditionell stark ist, z.B. bei den Werkzeugmaschinen oder der Fahrzeugtechnik. Für die deutschen Unternehmen ist eine größere Beharrung auf branchentypischen FuE-Bereichen und damit eine striktere Arbeitsteilung charakteristisch. Dies
ist — gemessen an den Weltmarktpositionen bei FuE-intensiven Waren — ihr spe-
zifischer Erfolgsweg. Die Ausstattung des Anlagenbaus mit Mikroelektronik wird aber nicht nur durch das Problem der internationalen Bezugsauellen und einer etwaigen oligopolischen Lieferverknappung gekennzeichnet, sondern muß anwenderseitig auch als Chance
zur Neuausrichtung
der FuE auf branchenfremde
Pro-
dukte und zu deren Integration in branchentypische Prozesse durch die betroffene
199
Anwenderwirtschaft verstanden werden. elektronik-Debatte zu kurz (Frage 2.10).
Insofern greift die gegenwärtige
Mikro-
Speicherchips sind zweifellos ein zentrales Bauteil für alle Bereiche der luK-Technik. Dennoch sollte nicht der Fehler begangen werden, eine gute Stellung bei Spei-
cherchips mit einer guten Stellung in der IuK-Technik insgesamt zu verwechseln. Die einseitige Konzentration auf diesen Bereich und eine entsprechend einseitige Bindung privater und öffentlicher Fördermittel wären kontraproduktiv (Frage
Vielmehr hängt die Elementen wie z.B. Computer, optische grenzten Mittel eine
1.15).
internationale Stellung in der luK-Technik von vielen anderen den oben erwähnten ASICs ab. Andere Beispiele sind optische Speicher, neuronale Netze u.a. Hier wird aufgrund der begenaue Marktanalyse und Beobachtung der Konkurrenz erfor-
derlich sein, um zukunftsgerichtet strategisch wichtige Sektoren zu erkennen
und
zu besetzen (Frage 2.8). Bezüglich großer Speicherchips ist der von Siemens kürzlich eingeschlagene Weg einer FuE-Kooperation mit IBM und Toshiba zur Entwicklung des 256-Mbit-Chip vermutlich günstiger und marktgerechter als die unsichere Förderung eines Einzelunternehmens von öffentlicher Seite, die weltweit zu einer Doppelung der FuE-Anstrengungen führt.
In diesem Zusammenhang ist schen Marktes wichtig (Frage werden aber hier aufgrund der ist eine verstärkte Präsenz von
sicherlich eine genauere Beobachtung des japani2.27). Viele Dinge werden dort frei veröffentlicht, Sprachbarriere kaum wahrgenommen. Von daher Europäern in Japan genauso erforderlich wie dies
umgekehrt bei Japanern in Europa seit langem der Fall ist. Der erschwerte Marktzugang von Europäern in Japan hängt nicht nur mit verschiedenen Handelshemmnissen zusammen, sondern auch mit einer mangelnden Kenntnis der Situation (Frage 2.28). So ist beispielsweise im Bereich der Telekommunikation eine Vertriebsniederlassung nicht hinreichend, sondern vielmehr ist eine Präsenz in den verschiedenen Standardisierungs-Gremien erforderlich, um breiter am Markt Fuß fassen zu können (amerikanische Unternehmen nehmen diese Möglichkeit inzwi-
schen wahr, deutsche nicht). Die jetzige Position der Japaner Markt ist wesentlich darauf zurückzuführen, daß diese seit den Präsenz vor Ort zeigen, während umkehrt der japanische Markt Sicht bis vor wenigen Jahren als nachrangig betrachtet worden
für den
gesamten
südostasiatischen
Raum,
obwohl
dieser
am europäischen 60er Jahren eine aus europäischer ist (dies gilt auch
eine
der wichtigsten
Wachstumsregionen in der Welt für die nächsten 10 Jahre sein wird). An dieser Situation könnte die öffentliche Hand indirekt dadurch beteiligt gewesen sein, daß sie den nationalen informationstechnischen Herstellern profitable Binnenmäfrkte (Tele-
fon, EDV der Behörden, elektronische Rüstungsprodukte, Verkehrselektronik etc.) garantierte, die ihnen ein strategisches Marktverhalten bezüglich Japan, wie es bei
anderen Industrien überlebenswichtig ist, als weniger bedeutsam erscheinen ließ.
Maßnahmen der Öffentlichen Hand Im vorigen Abschnitt wurde die Eigenverantwortlichkeit der deutschen Industrie für ihre zukünftige Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der Informations- und Kommuni200
kationstechnik herausgestellt. Allerdings handelt es sich bei diesem Technikbereich um
eine hochgradig
wissenschaftsintensive Technik,
bei der von der indu-
striellen Nutzung eine explorative Phase nötig ist und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse schnell und unmittelbar in industrielle Anwendungen eingehen. Innovationen, die aus dem gängigen Wissen der industriellen Entwicklungsingenieure ableitbar sind und ohne Rückgriff auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse umgesetzt werden können, sind im Bereich Elektronik und luK-Technik nicht so bedeutsam wie in vielen anderen Gebieten. Daraus ergeben sich zwei zentrale Folge-
rungen:
Wenn die Wissenschaftsbildung der IuK-Techniken hoch ist (d.h. eine enge Verknüpfung zwischen Grundlagenforschung und Technikentwicklung besteht) und
der Transfer der jüngsten wissenschaftlichen Ergebnisse in den kommerziellen Be-
reich der Innovation ein essentieller Faktor der Wettbewerbsfähigkeit geworden ist, dann wird die Trennung zwischen staatlicher Wissenschafts-, Forschungs- und Innovationspolitik immer fragwürdiger. Die enge Abstimmung dieser Ressorts ist erforderlich, um eine koordinierte Förderung der Wissenschafts- und Forschungsinfrastruktur und eine effiziente wechselseitige Kopplung mit der Wirtschaft zu erreichen (Fragen 2.29 und 2.30). Eine auf IuK-Hersteller bezogene Unterstützung dürfte eher auf der europäischen Ebene, eine auf die IuK-Anwender bezogene Un-
terstützung eher auf nationaler Ebene sinnvoll sein. Erstere, da die Hersteller als „global player‘‘ und internationale Kooperationspartner „‚fit‘‘ sein müssen; letztere, um hinreichend auf die spezifische Lage der Anwender eingehen zu können.
Wenn,
zum
anderen,
ein deutsches
Unternehmen
in seiner Innovationsstrategie
die wissenschaftssensiblen Bereiche identifiziert hat, stellt sich die Frage der Ankopplung an das öffentliche System.
Es trifft nicht zu, daß im Sinne des Angebots-
denkens die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse quasi von selbst in die industrielle Produktentwicklung eingehen. Vielmehr muß die Industrie gerade in wis-
senschaftsintensiven
Bereichen
über eine hinreichende
Ankopplungskompetenz
an das öffentliche und sonstige außerindustrielle Forschungssystem (ggf. europaweit bzw. weltweit) verfügen. Diese Ankopplung läuft über Menschen in beiden Richtungen,
so daß
auch
hier nicht nur Fragen
der Forschungsinhalte,
sondern
auch der Mobilität, der Aus- und Weiterqualifizierung sowie das Verständnis von Karrieren im jeweiligen Sektor (Hochschulen und Forschungsinstitute versus Indu-
strie) eine Rolle spielen. Nicht von ungefähr versuchen ausländische Unternehmen
(seit langem IBM, seit kurzem auch japanische Unternehmen) sich in Deutschland mit
dem
2.34).
deutschen
Forschungs-
und
Bezüglich der Ankopplungskompetenz
Aussbildungssystem
einzurichten
(Frage
ist die deutsche elektronische Industrie er-
neut im Nachteil z.B. gegenüber der Chemie. Die Chemie hat traditionell gute Beziehungen zu nahegelegenen Hochschulen aufgebaut, die von der Zusammenarbeit bei der Ausbildung bis zu Funktionen hochqualifizierter Wissenschaftler in Hochschulinstituten und Industrie reichen. Entsprechende Beziehungen hat die elektronische Industrie nicht realisiert bzw. nicht für nötig gehalten. Mit zunehmen201
der Wissenschaftsbindung der Informations- und Kommunikationstechnik hat sich dieser
Umstand
zu einem
nicht mehr
zu vernachlässigenden
Defizit entwickelt.
Dies mag auch damit zusammenhängen, daß es für die elektronische Industrie keinen „natürlichen‘‘ Hochschulpartner gibt wie es die chemischen Fakultäten für die
chemische Industrie darstellen. Vielmehr muß sie eine Ankopplung an ganz unterschiedliche Disziplinen etablieren (außer zur Elektrotechnik mindestens zur Phy-
sik, Informatik, angewandte Mathematik etc.).®
Wie bereits erwähnt, ist der Einsatz der IuK-Techniken in den wettbewerbstragen-
den Branchen höherwertiger Technologie für die Bundesrepublik wesentlich. Ein zentraler Ansatzpunkt für Politikmaßnahmen stellt deshalb die Anwendung der luKTechniken dar. Die Bundesregierung hat in den BOer Jahren diesen Weg im Rahmen der sog. indirekt-spezifischen
Förderung verfolgt (Mikroelektronik,
Mikroperi-
pherik, Mikrosystemtechnik, Fertigungstechnik) und die Ergebnisse ermutigen dazu, diesen Weg einer international führenden Anwenderförderung fortzusetzen (Fragen 2.11 und 2.12). Einerseits ist z.B. die Erarbeitung und Bereitstellung zugehöriger Einsatz-Werkzeuge (tools) zu verfolgen, andererseits wird es darauf ankommen, die nicht-technischen Anwendungsfaktoren stärker zu berücksichtigen (wie Arbeitsorganisation, Qualifikation und Netzwerke). Auch müßten die noch unzureichend ausgeschöpften Einsatzpotentiale der IuK-Techniken in Bereichen von
öffentlichem Interesse (wie Umwelt, Verkehr, Energie, Gesundheit) stärker identifiziert und bewertet und Nachfragestimulierung betrieben werden. Evaluierungen
der genannten
Programme
kommen
zu folgenden
Ergebnissen:
— Die sogenannte indirekte spezifische Förderung ist ein geeignetes Instrument zur Beschleunigung der Diffusion einer neuen Technik. Dies setzt voraus, daß diese Technik einen entsprechenden Reifegrad hat. —
Die erreichten Unternehmen sind überwiegend kleinere und mittlere Unternehmen, das Förderinstrument verfügt deshalb über eine beträchtliche Breitenwirkung. Dennoch stellt sich — wie bei anderen indirekten FuE-Fördermaßnahmen
— eine Konzentration auf bestimmte Branchen und Regionen ein. —
Die geförderten Vorhaben
dienten primär der Verbesserung
bestehender
Pro-
dukte; kommerziell erfolgreich waren ein Drittel bis die Hälfte der Projekte.
— Die Wirkung der Förderung ist primär in der Beschleunigung und Verstärkung der Diffusion zu sehen, nur zum Teil wurden
Unternehmen
den Einstieg in die Mikroelektronik zu wagen.
angeregt, erstmalig
— Diese Programme haben nicht zuletzt dazu geführt, daß die technologiepolitische Förderung für die gewerbliche Wirtschaft sich in den 80er Jahren von einer FuE-Projektförderung zu einem integrierten Förderansatz entwickelt hat: FuEVerbundprojekte,
indirekt-spezifische
Förderung,
Technologietransfer
sowie
begleitende Bewertung (Evaluierung, Technikfolgeanalyse) werden ergänzend und abgestimmt eingesetzt; zunehmend werden Planungsphasen den Projek-
202
ten vorgeschaltet; nicht nur FuE, sondern Hard- und Software, Schulung, tung, Kooperation und Marktrelevanz werden berücksichtigt.
Bera-
Das FhG-ISI hat die vom BMFT zwischen 1984 und 1988 im Rahmen des Fertigungstechnikprogramms aufgelegte Förderung von CAD/CAM begleitend evaluiert.”' Zur Zeit ist das
FhG-ISI
dabei,
die CIM-Förderung
des BMFT
1992 zu bewerten.® Ohne an dieser Stelle die Maßnahme zu können, kann dennoch festgestellt werden: — — —
von
1988
bis
differenziert bewerten
Beide Maßnahmen sind von der Industrie schnell und positiv aufgegriffen wor-
den.
Insbesondere die CAD-Verbreitung hat sich im Förderzeitraum beschleunigt. Die in derCAD/CAM-Förderung
bereits angelegte, in der CIM-Förderung jedoch
zentrale Unterstützung von Planungskapazitäten in den Unternehmen (anstelle einer reinen Investitionssubvention) hat sich bewährt.
— Die CIM-Philosophie der Umorganisation des Unternehmens konnte durch die Förderung nur begrenzt vermittelt werden; die Technikorientierung dominiert. Dahinter steht nicht zuletzt die bereits erwähnte Unterschätzung der wirtschaftlichen Potentiale einer Optimierung beitsorganisation.
—
von Technikeinsatz,
Qualifikation
und Ar-
Inwieweit das erklärte Förderziel, die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Industrie durch CAD, CAM und CIM zu stärken, erreicht werden konnte, bleibt offen. Problematisch ist insbesondere, daß die geförderten Vorhaben oft nur unzureichend an den strategischen Unternehmensengpässen orientiert waren.
Nach Erfahrungen aus der Innovationsforschung werden neue Technologien in der
Wirtschaft zuerst von Großunternehmen und Vorreiterbranchen (Maschinenbau, Elektrotechnik, Automobilindustrie etc.) eingesetzt. Die organisatorische Einbettung der Technik wird entsprechend der in diesen Unternehmen vorherrschenden Rahmenbedingungen gestaltet. Die damit entstehenden organisatorischen Leitbil-
der sind nur bedingt geeignet für kleinere Unternehmen oder Firmen aus anderen
Branchen, die nach einem time lag in die Nutzung dieser Techniken einsteigen. Es
besteht die Gefahr, daß mangels „Nachzieher-Unternehmen‘‘
angepaßter organisatorischer Lösungen diese
die für sie inadäquaten
Lösungen
übernehmen.
Vor-
liegende Erkenntnisse belegen, daß durch solche Übernahmen technische Potentiale nicht ausgeschöpft und vorhandene Wettbewerbsstärken sogar negativ beeinflußt werden. Vor diesem Hintergrund sollten angepaßte arbeits- und betriebsorga-
nisatorische Techniknutzungskonzepte entwickelt werden, wo eigenständiges Er-
arbeiten situationsangepaßter
Lösungen
traditionell nicht erfolgt (Frage 2.20).
Eine gemeinsame Meinungsbildung von Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und gesellschaftlichen Gruppen zu den künftigen technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland ist Gebot der Stunde (Frage 2.26). Die Wirtschafts- und Politikwissenschaften haben dies unter dem Stichwort ‚Mediatisierung‘‘ des Staats auch in der Technologiepolitik längst thematisiert. Wegen
203
der technologisch diffizilen Einzelfragen ist jedoch das Bilden personell konstanter
Gremien, die arbeitsfähig und damit nicht zu groß sind, immer wieder gescheitert.
Eine Ausnahme stellen Erfahrungen mit der ‚Förderung der Mikroelektronik in der mittelständischen Industrie‘‘ des BMFT in den Jahren 1974-78 sowie der nachfolgenden Sonderprogramme dar, in deren Rahmen Arbeitsgruppen mit Vertretern
aus angewandter Forschung, der Anwender und Hersteller sowie branchenüber-
greifende, regionale Informationsveranstaltungen für potentielle Anwender (in den Bereichen Uhren, Verkaufstechnik und Waagen, Sensoren, Textautomaten) ergänzt durch firmenspezifische Beratung, zu einem erheblichen sektoralen Strukturwandel beigetragen haben (auch jüngere Ansätze gehen vergleichbare Wege).
Trotz dieser Schwierigkeiten ist die Entwicklung eines zeitstabilen und verläßlichen Dialogs unerläßlich (Frage 2.26), auch wenn dies nicht nach dem ‚„MITI-Vorbild'' geschehen kann, so stehen noch eigene positive Modelle aus. Selbst wenn die Akteure sich nicht über FuE-Ziele, Prioritäten und Instrumente abstimmen, so sollten sie sich zumindest darüber verständigen. Die möglichen Synergiepotentiale einer solchen Verständigung sind bei weitern noch nicht ausgelotet. Die wettbewerbstra-
genden Branchen Deutschlands müßten in eine solche Verständigung ihren künfti-
gen luK-Bedarf einbringen und es sollten nicht nur Anwender, Hersteller und Wis-
senschaft, sondern auch Banken und normsetzende und regulierende Institutionen beteiligt sein. Die notwendige Moderation sollte vom Staat unterstützt, aber nicht selbst übernommen werden.
Neben der ‚Mediatisierung‘‘ von Staat, Wirtschaft und Wissenschaft wird die Einbeziehung gesellschaftlicher Gruppen von zunehmender Bedeutung sein. Funk-
tion und Stellenwert technologiepolitischer Diskurse sind in der fachlichen Diskus-
sion inzwischen unumstritten. Auch die VDI-Richtlinie zur Technikbewertung sieht die „Breite des Bewertungshorizonts und die gesellschaftliche Organisation der Bewertungsprozesse‘
als vordringliche Aufgabe
(VDI 3870, S.2). Hervorgehoben
seien hier nur die Anwendungs- und Gestaltungsorientierung der Technikfolgenabschätzung (TA). TA als Instrument zur besseren Fundierung politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen erfordert eine laufende Rückkopplung des technischen Entwicklungsprozesses mit den formulierten Zielen und den Bedürfnissen der Anwender. Neue Konzepte (wie „Bürgergutachten‘‘, „Zukunftswerkstätten‘ oder „Bürger-Informationszentren‘‘) sollten im Hinblick auf eine Ausweitung des Stellenwertes technologiepolitischer Diskurse verstärkt erprobt und weiterent-
wickelt werden.
Die verbreitete Nutzung von luK-Techniken hat eine Informatisierung nahezu aller gesellschaftlichen Bereiche bewirkt. In die Arbeit der Gerätehersteller und Entwicklungsinstitute sind Visionen und Leitbilder einer zukünftigen Gesellschaft eingegangen, die primär die technischen Aspekte der Informationstechnik berücksichtigen, während weitergehende Gestaltungsaspekte sowie mögliche gesellschaftliche Wirkungen weniger beachtet werden. Vor dem Hintergrund der Vision einer globalen weltumspannenden Kommunikationsinfrastruktur wird z.B. die Abhängigkeit und Verletzlichkeit der Gesellschaft von diesem Großsystem verstärkt berück-
204
sichtigt werden müssen. Grundlage für die gemeinsame Meinungsbildung können
alternative Szenarien der Entwicklung der privaten und öffentlichen Nachfrage sowie gesellschaftlicher Probleme und Trends sein, um Ansatzpunkt für FuUE-Schwer-
punkte und Innovationen zu entwickeln.
Anders als bei früheren gesellschaftlichen Problemfeldern (“konzertierte Aktion‘,
„runder Tisch‘ in der zu Ende gehenden DDR, etc.) sind informationstechnische
Fragen
für repräsentativdemokratische
Gremien
weniger geeignet.
Insbesondere
ist unklar, welche Rolle das Parlament angesichts seiner begrenzten Kapazitäten
im Bereich von Wissenschaft und Technik spielen kann. Auch an der Themenliste
des Büros für Technikfolgenabschätzungen (TAB) erkennt man die geringe Rolle, die Fragen der informationstechnischen Strategie, ihrer Folgen und Möglichkeiten bisher für das Parlament gespielt haben. Ein solches Büro für technologiepolitische Fragen und für die Technikvorschau und allgemein technologische Zukunftsthemen existiert beim Parlament nicht (Frage 2.27). Das TAB kann dieser Aufgabe angesichts der ohnehin begrenzten Kapazität nur marginal nachkommen. Auch die deutsche Bundesregierung hat bisher der Frage der Identifikation technologischer Zukunftsthemen nur geringes Gewicht beigemessen und weithin den Standpunkt vertreten, daß dies im Bereich der industriellen Technik Aufgabe
der
Unternehmen sei (Bundesbericht Forschung 1988). Dies scheint sich jetzt zu wandeln: Unter dem Eindruck der Wissenschaftsbindung der Technik, der neuen Rollen, die das öffentliche und private Forschungssystem zu übernehmen haben, der Europäisierung
der
Industrie
und
des
Auftretens
der
Kommission
der
Europäi-
schen Gemeinschaften auf dem Gebiet von Forschung und Entwicklung wird sich die Bundesregierung voraussichtlich in diesem Bereich verstärkt engagieren. Anmerkungen 1.)
Siehe hierzu das Standardwerk:
2.)
Lay,
93.)
Angerer,
Legler, H., Grupp, H., et al., „Innovationspo-
tential und Hochtechnologie‘‘, Physica Verlag, Heidelberg, 1992 G., Wengel,
J., „Wirkungsanalyse
der indirekt-spezifischen
zur betrieblichen Anwendung von CAD/CAM-Systemen' im Rahmen gramms Fertigungstechnik 1984-1988, KfK-PFT 146, Karlsruhe 1989 gen,
Chancen,
G., Hiessel,
H., „Umweltschutz
Forschungs-
und
durch
Mikroelektronik:
Entwicklungsbedarf‘,
Förderung
des
Pro-
Anwendun-
Berlin; Offenbach:
vde-
verl., 1991
Jochem,
E., Zoche,
durch Telematik‘.
P., „Rationelle Energienutzung
In: Telematik und Umwelt.
tut für Urbanistik (Difu), Berlin 1990 4.)
und Energiekostensenkung
Hrsg.: Henckel,
D.; Deutsches Insti-
Zum Gesamtbereich der FuE in der Telekommunikationstechnik siehe Grupp,
H. und Schnöring, T. (Hrsg.), „Forschung und Entwicklung für die Telekommunikation — Internationaler Vergleich mit zehn Ländern‘‘, Springer-Verlag, Heidelberg, 2 Bände,
1990 und
1991
205
5.)
BT-Drucksache 9/2439
6.)
Zur allgemeinen Problematik der Wissenschaftsbindung der heutigen Technik
siehe Grupp, H. und Schmoch,
Verlag, Heidelberg, 1992
U., ‚„Wissenschaftsbindung der Technik‘, Physica
7.)
Lay, G./Wengel, J., 1989 a.a.O.
8.)
KfK-PFT (Hrsg.), Dokumentation zur Zwischenpräsentation ‚Erste Ergebnisse
der Evaluierung der indirekt-spezifischen CIM-Förderung‘‘, veranstaltet vom Projektträger Fertigungstechnik des BMFT am 24. April 1990 in Karlsruhe, Karlsruhe 1990 Lay, G., CIM-Projekte in der Bundesrepublik Vorgehensweisen‘, in: VDI-Z 3/1992
206
Deutschland:
‚Ziele, Schwerpunkte,
HORST
Vorstand
1.
GELLERT
Deutsche
Bedeutung
Bundespost
der informations- und kommunikationstechnischen
strie für die gesamtwirtschaftliche
in der Bundesrepublik
1.1
Telekom
Deutschland
Indu-
und gesellschaftliche Entwicklung
und Europa
Was bezeichnen Sie als ‚‚Hochtechnologien‘' und in welchen strategischen
Hochtechnologie-Bereichen
ist a) die deutsche
und b) die europäische Indu-
strie heute und voraussichtlich in nächster Zukunft global wettbewerbsfähig? Die für die Telekommunikation
besonders
relevanten
Hochtechnologien
sind:
— Systeme der öffentlichen Vermittlungs- und Übertragungstechnik — Photonik und Mikroelektronik — Informationsverarbeitung — Softwareentwicklung, Künstliche Intelligenz — Büroautomation — Entwicklungen im Mobilfunk, HDTV, digitaler Rundfunk. 1.2 In welchem Defizite? Die Telekom
Hochtechnologie-Bereich sehen Sie deutsche und europäische
sieht in den
Bereichen
— — — —
Hochintegrierte Chips Rechnerentwicklung Betriebssysteme und Standortsoftware und in Technologien zum Bau leistungsfähigerer Akkus für tragbare Kommunikationsendgeräte — deutsche und europäische Defizite. 1.3
Welches sind die derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stärken und Schwächen von a) Deutschland und b) der Europäischen Gemeinschaft
für den Übergang in eine Informations-Gesellschaft? Gesellschaftliche Schwächen
—
Insbesondere in Deutschland bestehen aufgrund einer konservativen Grundeinstellung gewisse Akzeptanzhemmnisse
—
Das Verständnis, daß Information nicht kostenlos zu haben ist, ist in Deutschland nicht in dem Maße wie z.B. in den USA im Bewußtsein verankert. Dies be-
hindert z.B. die Nutzung von Informationsquellen wie Datenbanken oder den ef-
fektiven
Einsatz von
Mehrwertdiensten
in den
Unternehmen.
207
—
Die Ausbildungszeiten
—
Die Sprachenvielfalt in Europa behindert das Denken in größeren Dimensionen.
Nachbarn zu lang.
sind
im Vergleich
zu den
USA
und
den
europäischen
Gesellschaftliche Stärken
Das ‚längerfristige Denken‘‘ stellt zusammen dungsstand eine gesellschaftliche Stärke dar. Wirtschaftliche
mit dem
vorhandenen
hohen
Bil-
Stärken
Ein starker Mittelstand sowie die grundsätzliche Bereitschaft zu Kooperationen stellen wirtschaftliche Stärken dar. So führt z.B. die Telekom mit einer Vielzahl der übrigen europäischen Netzbetreiber Know-how und Engagement durch. 1.4
Welche
Bedeutung
haben
internationale
die neuesten
Forschungsprojekte
luK-Techniken
mit
viel
für die Anwender
im
besonderen und für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in Deutschland im allgemeinen?
Die Entwicklung neuester IuK-Techniken ist die Voraussetzung für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, da der gesamte luK-Bereich in großer Breite Querschnittswirkungen für viele andere Bereiche hat und so entscheidend den Jahresumsatz der exportstärksten Branchen, wie z.B. Elektrotechnik oder Maschinenbau,
beeinflußt. Neueste IuK-Techniken haben für die Anwender sowohl eine strategische als auch wirtschaftliche Bedeutung, denn in nahezu allen Arbeitsprozessen werden luK-Techniken eingesetzt. Hier einige Beispiele: —
In vielen Unternehmen wird luK-Technik zur Infrastruktur, wenn man an Rechnernetze, mailbasierte Kommunikationssysterne oder Informationspools denkt.
Oft führen gute Kommunikationstechniken zu einer erhöhten Kooperationsbereitschaft (Beispiel: das DFN-Netz
im wissenschaftlichen
Bereich.
— CASE-Tools dienen zur Produktivitätssteigerung bei der Softwareerstellung, — Expertensysteme beschleunigen und automatisieren Diagnoseprozesse, —
Moderne Kommunikationstechniken beschleunigen den Informationsaustausch
und führen über verkürzte Produktionszeiten zu Wettbewerbsvorteilen.
1.5 Welche Bedeutung hat dabei die Software im allgemeinen und die AnwenderSoftware als Basis für neue Anwendungssysteme im besonderen? Welche Bedeutung haben die Fortschritte der Software-Erstellung aller Art (u.a. auch wissensbasierte Systeme, Fuzzy-Sets, neuronale Netze) auf die Erfolge im Bereich der IuK-Anwendermärkte? Telematikdienste sind heute grundsätzlich Software-gestützt wobei sich allgemein das Verhältnis von Hardware- zu Softwarekosten immer stärker in Richtung Software verschiebt.
208
Die Fortschritte der SW-Erstellung bestimmen, wer schneller neue Anwendungen
und damit letztlich die Anwendermärkte in die Hand bekommt. Das Konzept der in-
telligenten Netze und sein Markterfolg wird entscheidend von fortschrittlichen SWMethoden
und -Konzepten
bestimmt werden.
Insgesamt sind durch moderne Softwaretechniken in Zukunft sowohl weiter verbesserte Produkte als auch Kostensenkungen in Produktionsprozessen zu erwar-
ten.
1.6 Welche Bedeutung haben die luK-Techniken zur Lösung von wichtigen Zukunftsproblemen wie Nahrungsmittelproduktion und -verteilung, umweltfreundliche Energieversorgung, umweltfreundliche Verkehrssyteme u.a.? luK-Techniken
werden
Zukunftsproblemen
schon
heute
eingesetzt,
in großer Zahl
beispielsweise
in
zur Lösung
Systemen
zur
von
wichtigen
Überwachung
der Umweltbelastungen, in Regelsystemen im Bereich der Energieversorgung und in Verkehrssteuerungssystemen (z.B. beschäftigen sich einige MobilfunkForschungsprojekte der Telekom
mit Verkehrslenkungs-
und Rettungssystemen).
Besonders hervorzuheben ist der Aspekt, daß durch den Einsatz von luK-Techniken der Gebrauch umweltbelastender Verfahren vermindert bzw. vermieden wird.
Zum Beispiel kann Video-Conferencing in vielen Fällen Reisen ersetzen. 1.7 Welche Bedeutung hat dabei die anzuwendende Software?
Die anzuwendende Software hat verschiedenartige Qualitätsanforderungen zu erfüllen, z.B. Sicherheitsaspekte (electronic banking), leichte Bedienbarkeit, Kompatibilität und Verifizierbarkeit. Qualität sollte in diesem Bereich nicht nur anhand des angebotenen Leistungsspektrums gemessen werden, sondern daran, daß die bereitgestellte Funktionalität benutzerfreundlich und in der Praxis sinnvoll einsetzbar ist.
1.8 Welche Bedeutung können Hardware und Software für die Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsinhalte für die Anwender haben?
Der Einsatz von Software verändert massiv Arbeitsorganisation und -inhalte und damit Arbeitszufriedenheit und Motivationsgrad der Anwender. Folgende Aspekte seien in diesem Zusammenhang angemerkt: — — — — —
Entlastung von Routinetätigkeiten Erleichterung der Entscheidungsvorbereitung Förderung der Kreativität Verminderung der Anforderung an Mobilität Vorgabe von Kommunikationswegen und -möglichkeiten durch den Einsatz von Netzwerken 209
— Möglichkeit von adäquaten (beispielsweise
— Kommunikationsfähigkeit Datenaustausch). 1.9 Braucht
Problemlösungen durch Zugriff auf Informationen
in Datenbanken)
von
die Bundesrepublik
internen
und externen Arbeitsplätzen
Deutschland
eine eigenständige
(direkter
weltweit tätige
und wettbewerbsfähige luK-Industrie? Gibt es alternative bzw. weitere Industrie- und Wirtschaftsbereiche mit strategischer Bedeutung, auf die sich Wirtschaft und Staat konzentrieren sollten, um den wirtschaftlichen und sozia-
len Stand in der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten und zu verbessern?
Eine eigenständige, weltweit tätige und wettbewerbsfähige luK-Industrie wird nach
Ansicht der Telekom für die Bundesrepublik Deutschland dringend benötigt, da sie
die Basis für unsere wirtschaftliche und soziale Stellung in der Welt darstellt. Eine starke
nationale
IuK-Industrie liegt auch
im besonderen
Interesse der Tele-
kom, dasie, z.B. bei den technischen Einrichtungen, nicht von Anbietern abhängig werden will, die national oder an bestimmte Carrier gebunden sind. Es besteht sonst die Gefahr, daß sie dann den Zugriff auf die jeweils beste bzw. neueste Technik nicht oder nur zu überhöhten Preisen erhält.
Als Trend in der Industrie ist eine Globalisierung (Internationalisierung) zu erkennen. Aus diesem Grund muß die deutsche luK-Industrie weltweit tätig und wettbewerbsfähig sein, um zu überleben. Viele deutsche Softwarehäuser sind einfach zu klein und bedienen
zu kleine Märkte.
Eine Folge davon
ist, daß
Unternehmen
in
USA und Japan größere Investitionen für Forschung und Entwicklung bereitstellen können.
Langfristig ist darüber hinaus folgendes zu berücksichtigen: Mit zunehmender Systemdichte gelangt immer mehr Architekturwissen in den Chip. Es ist damit zu rechnen, daß künftig die Hersteller der interessantesten Chips diese nur noch zusammen mit dem Gesamtgerät anbieten, so daß die heute noch sehr verbreitete Methode der Wertschöpfung auf Komponentenbasis künftig eingeschränkt wird. 1.10 siehe 1.11.
Braucht die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige, und wettbewerbsfähige Software-Industrie?
weltweit tätige
1.9 Wie groß ist die Abhängigkeit der deutschen luK-Industrie von ausländischen Lieferanten bei Einzelschritten der Produktion, Vorprodukten, Produkten,
Produktionsgeräten und Zusatzstoffen? In welcher Abhängigkeit steht die übrige deutsche Industrie von ausländischen luK-Produzenten? Welche Entwicklung dieser Abhängigkeiten ist unter den gegebenen wirtschafts- und forschungspolitischen Bedingungen zu erwarten? Eine große Abhängigkeit besteht im Bereich spezieller Halbleiterbauelemente, deren Hauptlieferanten
210
in den
USA
und Japan
sitzen. Ähnliches
gilt für bestimmte
Kommunikationssysteme im Satellitenbereich sowie für die in Zukunft sehr wichtigen großen flachen Bildschirme auf LCD-Basis. Im Bereich der Datenmehrwerttechnik wird ebenfalls ein beträchtlicher Anteil an Technik von ausländischen Lieferanten bezogen, die entweder durch deutsche Niederlassungen vertreten sind oder als OEM-Lieferanten für deutsche Hersteller (mit oder ohne eigenen Entwicklungsanteil) tätig sind. Die Wertschöpfung geschieht hier in der Regel im Ausland. Dadurch ergibt sich sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Abhängigkeit, die aber dadurch relativiert wird, daß es sich bei den für die Telekom relevanten Produkten (von wenigen Ausnahmen abgesehen) um keine Monopol- sondern Wettbewerbsprodukte handelt. Eine Änderung ist unter den gegebenen Umständen derzeit nicht zu erwarten. 1.12 Gibt es belegbare Beispiele dafür, daß ausländische Lieferanten und Mitbewerber ihre Marktstellung mißbräuchlich ausgenutzt haben, z.B. durch Lieferbeschränkungen oder -verzögerungen? Konkrete Beispiele für die mißbräuchliche Ausnutzung der Marktmacht ausländi-
scher Lieferanten
1.13
sind bei der Telekom
nicht bekannt.
Wie groß ist die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von ausländischen Software-Lieferanten?
Die Abhängigkeit ist relativ groß. Dies begründet sich dadurch, daß heute im Bereich der Informationsverarbeitung die meisten Rechner und Betriebssysteme aus
den USA stammen. Zu nennen sind hier UNIX sowie die Betriebssysteme von IBM und Microsoft. Ebenso stammen die meisten Standardanwendungsprogramme aus
amerikanischen
Firma Microsoft).
Ausnahmen
Softwarehäusern
(beispielsweise
die
Produktangebote
der
bilden
— die Rechnersysteme der öffentlichen Verwaltungen, wo die Systeme der Firma Siemens-Nixdorf eine relativ wichtige Rolle spielen, und — der Bereich kundenspezifischer Software (insbesondere für den Mittelstand). 1.14
Wie beurteilen Sie die Dominanz US-amerikanischer Unternehmen auf dem Gebiet der Software und welche Schlußfolgerungen ergeben sich daraus für europäische
Anwender?
Auf welchen
Software-Gebieten
sehen
Sie beson-
ders starke Abhängigkeiten und wo ergeben sich daraus Probleme für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und insbesondere der deutschen Industrie? US-amerikanische
Unternehmen
Markt dominierend (Datenbanken,
wäre daher beispielsweise
sind
insbesondere
im
klassischen
Software-
Betriebssysteme, Standardanwendungen).
nicht besonders
sinnvoll, ein neues
europäisches
Es
Be-
triebssystem zu entwickeln. Die Chancen für deutsche Unternehmen liegen dage-
211
gen im Bereich der Spezialsoftware (Beispiel SAP) und in innovativen Bereichen (Intelligente Multimediasysteme, Animation, Künstliche Intelligenz, Sprach- und
Bildverarbeitung, Kommunikation, visuelle Exploration, usw.).
Kritisch sind Abhängigkeiten in Bereichen wie Entwicklungssysteme für CAD und
Software oder Kryptosysteme, die von der US-Regierung zur Zeit als so strategisch
wichtig angesehen werden, daß diese nicht aus den USA exportiert werden dürfen.
1.15 Kann die deutsche Industrie in einer arbeitsteiligen Welt — bzw. bei einer Arbeitsteilung im Binnenmarkt Europa — auf die Eigenproduktion von wesentlichen Bestandteilen der IuK-Technologien, z.B. mikroelektronische Bausteine und Produktionsgeräte, verzichten?
Im Prinzip ja. Die Frage ist eher, wie lange man Abhängigkeiten ohne nachteilige
Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit durchhält. 1.16
Kann die deutsche Industrie auf die Eigenproduktion
von Software als Basis
für neue Anwendungssysteme in den verschiedenen Anwendungsbereichen
von Produktion und Dienstleistungen verzichten? Wie sieht der Software-Entwicklungsmarkt der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu jenem von Großbritannien, der USA, Frankreich und Japan aus?
Nein! Die Beherrschung zumindest wichtiger Teile dieses strategisch wichtigen Be-
reichs mit eigener Kompetenz ist unverzichtbar angesichts der immer kürzer werdenden Innovationszyklen und des ständig zunehmenden Wertschöpfungsanteils
der Software an vielen Produkten der Hochtechnologie. Auch für die Telekom wird die Software immer wichtiger, weshalb sie auch ihre Software-Forschung intensi-
viert.
1.17 Ist derzeit und auf absehbare Zeit der direkte Zugriff Europas auf die neuesten luK-Techniken und Software-Entwicklungen gewährleistet? Im Rahmen der europaweiten Harmonisierung und Normierung ist der direkte Zugriff Europas auf die Entwicklung der neuesten Kommunikationstechniken gewährleistet. 1.18
Welche mittelfristigen Konsequenzen
Finanzmarktsituation in Japan auf den
hat voraussichtlich die gegenwärtige
Weltmarkt für IuK-Techniken? Unter
welchen Voraussetzungen vollzog und vollzieht sich die Kapitalbeschaffung Japanischer Unternehmen und welche Bedeutung hat das für den Weltmarkt der luK-Techniken? Kann
1.19
von der Telekom
nicht kompetent
Welche Bedeutung hat die politisch-wirtschaftliche Entwicklung in Osteuropa
für die Entwicklung einer deutschen und europäischen global wettbewerbsfä-
higen Hochtechnologie-Industrie? 212
beantwortet werden.
Die Entwicklung in Osteuropa ist unter dem Aspekt zu sehen, daß sich neue Märkte
öffnen. Die deutsche Industrie sollte diese Chance offensiv nutzen. Die Telekom
hat ihrerseits die Chancen erkannt, die sich durch eine Neuorientierung der osteu-
ropäischen Telekommunikationsmärkte ergeben. Im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten wurden entsprechende Schritte eingeleitet. 2.
Verantwortungsbereich Staat
und
Handlungsbedarf
von
Wirtschaft
und
2.1
Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europäischen luK- und Software-Industrie?
Stärken Lieferanten,
Qualitätsniveau
und Service.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß in der deutschen Software-Industrie im wesentlichen Nischenprodukte produziert werden. Das macht ihre Schwäche aber auch ihre Stärke aus. Schwächen —
häufig
—
Firmengründungen mit wenig Eigenkapital sind in Deutschland schwieriger als in den USA (vgl. die Entstehungsgeschichte des Silicon Valley).
—
Inden USA arbeiten die meisten Universitäten sehr eng mit Firmen zusammen (vgl. Silicon Valley mit den Universitäten Berkley und Stanford). Dadurch wird ein schneller Transfer von Forschungsergebnissen in die Industrie garantiert.
2.2
überdurchschnittliches
Preisniveau.
Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europä-
ischen Anwenderindustrie bei der Nutzung der neuesten Entwicklungen der luK-Techniken und der Software?
Stärken
Anwender sind aufgrund des hohen Lohnniveaus zu einer stärkeren Nutzung der luK-Techniken gezwungen.
Dabei haben die Anwender den Vorteil, daß die als Ba-
sis benötigte Telekommunikationsinfrastruktur gut ausgebaut ist. Schwächen
Die potentiellen Anwender in Industrie und Verwaltung haben oft nicht genügend Know-how der luK-Technologien und deren organisatorische Einbindung in das Unternehmen,
um
die Möglichkeiten
dieser Technologien
voll auszunutzen.
2.3 Inwieweit sind Schwächen der deutschen luK-Industrie auch das Ergebnis einer unzureichenden Ausrichtung von Unternehmensstrategien auf die globalen Märkte? 213
Viele Software- und Computerhersteller haben sich in der Vergangenheit zu sehr nur auf ihren nationalen Markt konzentriert (vgl. Olivetti (I), Buli (F), Siemens (D) und haben seitdem Schwierigkeiten, auf internationalen Märkten zu expandieren.
2.4 Haben die deutschen Unternehmen der luK- und der Anwender-Industrie auf die Herausforderungen durch wettbewerbsstarke ausländische Unternehmen in der Vergangenheit angemessen und rechtzeitig reagiert? Wie beurteilen Sie
in diesem Zusammenhang die Ergebnisse von international tätigen Beratungsunternehmen, wonach zwei Drittel der Kostenvorteile japanischer Konkurrenten auf bessere Management-, rückzuführen sind?
Produktions- und Organisationsmethoden zu-
Die deutschen Unternehmen haben nicht in allen Bereichen (insbesondere Halbleitertechnologie und Mikroelektronik) angemessen und rechtzeitig reagiert. Soweit die Entwicklungsfirmen für Datenkommunikationstechnik betroffen sind, haben sich die Firmen sehr lange maßgeblich an den Aufträgen der DBP orientiert
und Entwicklung in erster Linie ‚‚reaktiv‘‘ betrieben, d.h. nach Vorliegen einer einigermaßen gesichert zu erwartenden Auftragslage und in enger Abstimmung mit
langfristigen Zielen des Kunden eingeleitet. Ausländische Firmen (insbesondere US-Firmen)
haben
eine
deutlich
höhere
Risikobereitschaft
gezeigt
und
waren
schneller in der Lage, auf kurzfristige Markterfordernisse zu reagieren. Der nordamerikanische Markt als Heimmarkt erzwingt diese Vorgehensweise. Eine Umstellung der Handiungsweise bei deutschen Firmen ist im Gange. 2.5 Braucht die deutsche/europäische Fertigungs- und Anwenderindustrie eine eigene Produktionsstätte für Speicherchips in Europa? Eine eigene Technologie
zur Produktion
von Speicherchips
in Europa zur Verfü-
gung zu haben, ist wünschenswert, um international unabhängig zu sein. Aus heu-
tiger Sicht ist dies in ausreichendem
Maße jedoch wegen der enormen
Kosten und
des starken Wettbewerbs nicht realisierbar. Der Aufbau einer Produktionsstätte für
Chips der front line (64Mbit) erfordert Investitionen in Milliardenhöhe. Diesen Inve-
stitionen steht ein recht unsicherer und hart umkämpfter Markt gegenüber und die
Tatsache, daß internationale Kooperationen betrieben werden, z.B. das in jüngster
Zeit angekündigte gemeinsame Vorhaben von IBM, Siemens und Toshiba. 2,6
Wie bewertet die deutsche Anwender-Industrie die Abhängigkeit von a) deutschen/europäischen ASICs-Produzenten und b) außereuropäischen ASICs-
Produzenten? Weiche Möglichkeiten hat die Anwender-Industrie, ihr Systemwissen vor Mißbrauch zu schützen?
Alle Tendenzen, die zur Einschränkung des Wettbewerbs führen, insbesondere die Konzentration auf einige wenige Hersteller, sind negativ zu beurteilen. Daher sollten Anwender mit Know-how-sensiblen Anforderungen das Chip-Design selbst vornehmen
214
und
lediglich die Chip-Produktion
außer Haus
geben.
Sicherer Schutz vor Mißbrauch des Systemwissens kann letztlich nur mit durch-
gängiger Autarkie
innerhalb eines
Unternehmens
erzielt werden.
(Beispiel IBM)
2.7 Sollte sich die deutsche Industrie und Forschung stärker auf die Entwicklung und Produktion von anwendungsspezifischen Chips (ASICs) konzentrieren? Die stärkere Konzentration auf die Entwicklung von ASICs erscheint aus Sicht der Telekom sehr wichtig. Diese Chips stellen in Zukunft entscheidende Grundbausteine für den
Bau
fast aller Investitions- und
Konsumgüter
dar.
Dabei sind zwei Determinanten für wirtschaftlichen Erfolg ausschlaggebend: hohe Stückzahlen und hohe Leistungsfähigkeit. Trifft eine dieser Bedingungen nicht zu, kann die Verwendung von programmierbaren Logikbausteinen sinnvoller als die Entwicklung von ASICs sein. Insgesamt steigt der Anteil ICs. Entschließt man sich man bewußt auch auf den gen Marktverschiebungen
kundenspezifischer Chips stärker als der von Standardzu einer deutschen Konzentration auf ASICs, so sollte japanischen und amerikanischen Markt gehen, um gegesichert zu sein.
2.8 Auf welche Bereiche der luK-Techniken und auf welche Software-Bereiche sollte die deutsche Industrie ihre Kräfte in Zukunft konzentrieren?
Aus dem Bereich der Telekommunikation sollte die deutsche Industrie ihre Kräfte auf folgende
Bereiche
konzentrieren:
Multimedia,
intelligente
Netzdienstleistun-
gen, Künstliche Intelligenz, Photonik, Expertensysterne, universelle Mobilkommunikationssysteme (UMTS) universelle persönliche Kommunikation (UPT), digitaler Mobilfunk, hochauflösendes digitales Fernsehen (HDTV) und digitaler Rundfunk (DAB). Dabei wird es für einen Dienstleister wie die Telekom
immer wichtiger,
über Soft-
ware zu verfügen, die sowohl von der Telekom selbst individuell konfigurier- bzw. modifizierbar ist als auch auf verschiedenen Hardwareplattformen ablauffähig ist. Nur auf Grundlage dieser Software wird es in Zukunft möglich sein, die individuellen Kundenwünsche möglichst schnell erfüllen zu können. 2.9 Welche unternehmenspolitischen Maßnahmen zu Unterstützung der Stärken und zur Beseitigung der Schwächen in den luK-, Software- und Anwender-Bereichen wird die Industrie ergreifen? Die Telekom hat die unternehmenseigene Forschung neu konzipiert und dabei u.a. die Software-Forschung intensiviert. Darüber hinaus erscheinen folgende Maßnahmen
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit geeignet: —
Erschließung
—
Fortbildung
der deutschen
luK-Industrie zur
neuer Märkte
— Beteiligung an Forschungsvorhaben (EG-Projekte und Verbundprojekte) der Mitarbeiter
215
— Konzentration — Intensivierung von Kooperationen und FuE-Aktivitäten (Beteiligung an internationalen Projekten). 2.10
Welche FuE-Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit wer-
den die deutsche luK-Industrie, ergreifen?
insbesondere auch die Software-Hersteller,
siehe 2.9 2.11
Wie beurteilen Sie den Erfolg der bisherigen deutschen und europäischen FuE-Förderprogramme im Bereich der luK-Techniken, Fertigungstechnik, der Materialforschung usw.?
Deutsche FuE-Förderprogramme im Bereich der IuK-Techniken sind, sofern überhaupt vorhanden, im Fördervolumen zu gering und damit mangelhaft. Die europäischen Programme versprechen, bei deutlich höherem Volumen mittelfristig erfolgreich zu sein. Die Verbundvorhaben und europäischen Programme, z.B. EUREKA, TELEMATICS, ESPRIT und RACE waren bisher schon insofern erfolgreich, als daß sie ei-
nen Wissenstransfer zwischen Forschungseinrichtungen, Universitäten und Indu-
strielabors synergetisch bewirkt haben. Durch die Möglichkeit der Mitarbeit in Ver-
bundvorhaben wird qualifizierten Nachwuchswissenschaftlern der Einstieg in die Industrie erleichtert. Einige der Ergebnisse sind inzwischen als Produkte vermarktet worden. Die Aspekte der schnellen Umsetzung von Prototypen in Produkte und die Orientierung am Markt müßten jedoch bereits in der Projektdefinitionsphase stärker berücksichtigt werden (wie dies beispielsweise im JESSI-Projekt geschehen ist, wo Wert darauf gelegt wurde, daß die Spezifikationen der Techniken
den angestrebten Anwendungen 2.12
heraus entstehen und nicht umgekehrt).
aus
Welche Ziele und welche Prioritäten sollten zukünftige deutsche FuE-Förderprogramme für den Bereich der luK-Techniken setzen?
Aus dem Bereich der Telekommunikation sind Ziele und Prioritäten in den Bereichen Anwendungsentwicklung (incl. Telekommunikationsendgeräte) und der Weiterentwicklung der Netze (B-ISDN, IN, TMN) zu setzen.
In diesem Zusammenhang
ist darüber hinaus folgendes zu beachten:
Neue Datenmehrwertdienstanwendungen können sich nicht hinreichend entwickeln, wenn die kurzfristige Rentabilität im Vordergrund stehen muß. Weder kann der Betreiber die Entgelte so subventionieren als entsprächen sie dem Kosten/Nutzenverhältnis eingeschwungener Dienste, noch kann der Hersteller im gleichen Sinn agieren. Neue Kommunikationsanwendungen, die die Voraussetzung für die spätere Positionierung im internationalen Vergleich sind, müssen daher entsprechend
216
langfristig gefördert werden.
2.13
Ist eine
staatliche
Förderung
der heimischen
Software-Produzenten
wirt-
schafts- und forschungspolitisch geboten? In welchen strategischen Bereichen sollten solche Fördermaßnahmen ggf. ansetzen und wie sollten sie aussehen?
Staatliche Förderung der heimischen Software-Produzenten erscheint sinnvoll. Dabei müßte
eine
Konzentration
auf wenige,
relevante Schwerpunkte
erfolgen
insbesondere eine effektivere Erfolgskontrolle vorgenommen werden.
und
So können z.B. durch die Förderung transport- und anwendungsorientierter Daten-
mehrwertdienste (Hochgeschwindigkeitsübertragungen mit Multimedia-Anwendungen, Bürokommunikation im weitesten Sinn) neue Produktionsverfahren entwickelt werden, die wiederum Voraussetzungen für erhebliche Kosten — und damit Wettbewerbsvorteile beim Anwender sind. Heute stehen einem noch unzureichenden Marktvolumen hohe Entwicklungskosten, hohe Anfangsinvestitionen und hohe Standardisierungsaufwendungen gegenüber. Hier ist eine breite Förderung, die über gezielte Projektförderung hinausgeht, erforderlich. 2.14
Auf welche Bereiche der luK-Techniken und auf welche Software-Bereiche sollten sich die staatlichen Fördermaßnahmen konzentrieren?
Im weiteren Bereich der Telekommunikation sind Fördermaßnahmen, zusätzlich zu
den bisherigen Ausführungen, insbesondere in folgenden Soft- und Hardware-Bereichen sinnvoll:
— Büroinformationssysteme (Kooperationssysteme, Assistenzmaschinen) — Kommunikationssysteme (hier insbesondere die Entwicklung und Nutzung von Standards, z.B. X.400) — Künstliche Intelligenz (Mustererkennung, Bildverarbeitung, Expertensystemne) —
CASE-Methoden (insbesondere zur Spezifikation und Optimierung verteilter Anwendungen)
— Sicherheitskonzepte in der Informatik — Neuroinformatik —
Sprach-
—
High
und
Bilderkennung
— CIM und CAD/CAM Performance
Computing
— flexible Dienste und Netzwerkeleistungen — Neue Speichertechnologien 2.15
Welche Maßnahmen zur Unterstützung der Industrie werden a) von der deut-
schen Regierung und b) von der EG-Kommission erwartet? Sind Alternativen
zur Projektförderung sinnvoll und wünschenswert (z.B. steuerliche Förderung)? Von der deutschen Regierung wird allgemein erwartet, daß der Bereich der luKTechniken besser gefördert wird. 217
Insbesondere werden die folgenden staatlichen Maßnahmen zur Unterstützung der Industrie als wichtig angesehen: — Teilfinanzierung von FuE-Vorhaben — Unterstützung von internationaler Kooperation (insbesondere EG, aber auch mit USA und Japan) — bevorzugte Förderung der anwendungsbezogenen Forschung. 2.16
Unter welchen
Voraussetzungen kann die kommunikationstechnische
Indu-
strie in der Bundesrepublik Deutschland noch international wettbewerbsfähig und leistungsstark bleiben?
Die Diskussion über den Wirtschaftsstandort Deutschland ist hinreichend bekannt. Die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit
hängt
im wesentlichen
— daß es gelingt, die Kosten zu senken
sich auf strategische Schwerpunktthemen
davon
ab,
—
daß man
—
daß die europäische Industrie global denkt, sich also nicht von den Anwendern zu nationalen Sonderentwicklungen hinreißen läßt, die sich international nicht
— daß das Risiko durch staatliche Fördermaßnahmen
konzentriert
gemindert wird und
vermarkten lassen.
2.17 Ist langfristig zu befürchten, daß es im Bereich der Telekommunikation auf Dauer höchstens 5 bis 6 nennenswerte Wettbewerber weltweit geben wird? Wie stellt sich die deutsche Industrie hierauf ein? Ja, und zwar wird sowohl
auf der industriellen Anbieterseite
— für die entwicklungskostenintensiven Systeme, — für die einer Massenfertigung zugänglichen Komponenten, als auch im Bereich der TK-Dienstleister in den nächsten Jahren mit einem harten Wettbewerb rechnet, wobei langfristig nur wenige Anbieter übrig bleiben werden.
2.18
Weiche Strategie müßte verfolgt werden,
um auf den europäischen
ge-
und au-
Bereuropäischen Märkten einheitliche Wettbewerbsbedingungen im Bereich der Telekommunikation herzustellen?
Für den Bereich der Telekommunikationstechnik sollte zumindest im europäischen
Bereich durchgesetzt werden, daß FuE-Kosten der (sogenannten) nationalen Her-
steller von allen staatlichen Fernmeldeverwaltungen
bzw. -unternehmen beim Ein-
kauf nicht gesondert vergütet oder sonstwie subventioniert werden. Stattdessen sollte die unabgegrenzte Abgeltung durch die Preise erfolgen, die die Firmen im Wettbewerb um die Aufträge der Netzbetreiber erzielen können. Speziell für die Telekom sollten darüber hinaus die strukturpolitischen Voraussetzungen geschaffen werden, die es ihr erlauben, als größte nationale und international in der Spitzengruppe agierende Betreibergesellschaft mit fairen, entwicklungsfördernden Wettbewerbskonditionen zur strategischen Positionierung Deutschlands beizutragen.
218
2.19
Welche wirtschafts-, forschungs- und technologiepolitischen Maßnahmen von Wirtschaft und Staat sind erforderlich, um insbesondere den KMU im An-
wenderbereich (z.B. Maschinenbau) die neuesten lIuK-Techniken und Software-Entwicklungen frühzeitig zugänglich zu machen? Kann
2.20
von der Telekom
nicht kompetent
beantwortet werden.
In welchen Bereichen sollte der Staat mit Fördermaßnahmen die Entwicklung
geeigneter arbeits- und betriebsorganisatorischer Produktions- und Dienstlei-
stungskonzepte unterstützen, um eine zweckmäßige Nutzung der Hochtechnologieprodukte zu erreichen?
In diesen Bereich sollte nicht durch staatliche Maßnahmen 2.21
eingegriffen werden.
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der EG- und GATT-Vereinbarungen für
die staatlichen Fördermöglichkeiten?
Die EG- und GATT-Vereinbarungen sollten die staatlichen Maßnahmen nicht tangieren, wenn es sich um vorwettbewerbliche Forschungsförderung handelt. Gleichzeitig sei nochmals an die Gültigkeit des Subsidiaritätsprinzip auch bei diesen Maßnahmen erinnert. 2.22
Welche Industriebereiche der deutschen bzw. europäischen Industrie sind in
Zukunft durch Marktstrategien fernöstlicher Konzerne besonders gefährdet?
Alle prosperierenden Industriebereiche sind in Zukunft durch Marktstrategien fern-
östlicher Konzerne gefährdet. 2.23
Mit welchen besonderen wirtschafts- und forschungspolitischen Maßnahmen soll die Bundesregierung bzw. die EG-Kommission diesen Strategien begegnen?
Mit den angesprochenen Maßnahmen bestehen kung. Grundsätzlich gilt, daß nicht alle Bereiche man sich also auf die strategischen Kernbereiche aus gilt es, Abhängigkeiten zu vermeiden, wobei nahmen
2.24
unzweckmäfßig
sind.
kaum Möglichkeiten der Einwirgefördert werden können, daß beschränken muß. Darüber hinjedoch protektionistische Maß-
Sind besondere wirtschaftspolitische Maßnahmen
im Bereich der Hochtech-
nologien angebracht oder gar unvermeidlich, um eine heimische Hochtech-
nologie-Industrie zu entwickeln und zu erhalten? Bestehen strukturelle Bedingungen, die den luK-Bereich als Ausnahmebereich des ordnungspolitischen Leitbilds begründen?
Die Entwicklung von Hochtechnologien wird in allen Staaten durch staatliche Indu-
striepolitik (zivil und militärisch) flankiert. Eine entsprechende Ausrichtung der deutschen Politik sollte, auch unter der Randbedingungen des Maastrichter Vertra-
ges, ebenfalls möglich sein.
219
2.25
Wie kann der Staat die heimischen Hochtechnologie-Industrien
sprochenen
vor abge-
und gezielten Marktangriffen (z.B. target pricing) ausländischer
Unternehmen schützen, gleichwertige Wettbewerbsbedingungen weltweit anstreben und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie steigern? Schutz kann durch politische Einflußnahme auf internationaler Ebene verstärkt werden. Um Glaubwürdigkeit zu erreichen, muß man dazu aber auch bereit sein,
protektionistische Barrieren, wie die europäische Agrarpolitik, zu opfern. Gegen gezielte Preisangriffe helfen letztendlich jedoch nur zeitlich limitierte Einfuhrbeschränkungen.
Im Bereich der Telekommunikation ist zudem weltweit anzustreben, daß FuE-Ko-
sten der (sogenannten)
nationalen
Hersteller von allen staatlichen Fernmeldever-
waltungen bzw. -unternehmen beim Einkauf nicht gesondert vergütet oder sonstwie subventioniert werden. Stattdessen sollten die FuE-Kosten über die unabgegrenzte Abgeltung in den Preisen, die die Firmen im Wettbewerb um die Aufträge der Netzbetreiber erzielen
können,
abgedeckt werden.
2.26 Sollte eine gemeinsame Meinungsbildung von Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und gesellschaftlichen Gruppen zu den zu erwartenden technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland organisiert oder institutionalisiert werden? Gemeinsame technische strategische Meinungsbildung tut not. Im Bereich der Telekommunikation existieren zum Teil bereits entsprechende Gremien, z.B. RACE-
Lenkungsausschuß
BMFT.
beim
BMPT
Es ist jedoch zu beachten,
oder TELEMATICS-Ressort-Besprechung
beim
daß die Politik nur Hilfe zur Selbsthilfe geben
kann, sie kann keine Innovation verordnen. Grundsätzlich gilt, daß eine instituali-
sierte Konsensbildung so attraktiv sein muß,
niert (horizontal interaktiv).
2.27
Was
muß
unternommen
werden,
daß sie auf freiwilliger Basis funktio-
damit in Deutschland
technologische Zu-
kunftsthemen besser identifiziert und im Rahrnen gemeinsamer Anstrengun-
gen realisiert werden
können?
Durch Befragung der betroffenen Unternehmen können die Zukunftsthemen identifiziert werden. Dabei ist jedoch zu beachten, daß die Entscheidung über die Forschungsergebnisse nicht allein den Betriebswirtschaftlern in den beteiligten Unternehmen überlassen werden darf. Für den Bereich Telekommunikation wird die Identifizierung von Zukunftsthemen bereits im Rahmen des RACE-Lenkungsausschusses durchgeführt. Für die Realisierung verbleibt jedoch insbesondere der Wunsch nach weniger Bürokratie. 2.28 220
Welche staatliche Anstrengungen zur verstärkten Beobachtung der japanischen Zukunftsvorstellungen sowie der technischen Entwicklungen und Er-
findungen in Japan sind notwendig (z.B. Ausbildung in japanischer Sprache, Übersetzungen, Datenbanken)? Im Bereich der Telekommunikation sind die einzelnen Netzbetreiber durch die lange Zusammenarbeit mit den Japanern in internationalen Gremien relativ gut über die interessanten Entwicklungen informiert. Aus Sicht der Telekom kann auch nicht bestätigt werden, daß die Japaner zurückhaltender als z.B. die Amerikaner in der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen sind. Eine weitere sinnvolle Informationsquelle entsprechende Auslandsbüros dar.
über die Strategien der Japaner stellen
Dabei könnte es sinnvoll sein, daß eine zentrale Stelle durch kontinuierliche Aufar-
beitung der Erkenntnisse dieser Auslandsbüros eine Unterstützungsfunktion wahrnimmt. 2.29
In welchen Bereichen sollte der Staat vorrangig eine innovative Infrastruktur-
politik betreiben? Welche Infrastrukturen und welche institutionellen Bedingungen für den Transfer von Wissen und Know-how benötigen wir für die kommenden Jahrzehnte?
Als vorrangige Bereiche werden neben einer guten Bildungsinfrastruktur besonders die Telekommunikation und der Verkehr im weitesten Sinne identifiziert, wobei innovative Infrastrukturpolitik so verstanden wird, daß der Staat für gute Rahmenbedingungen in diesen Bereichen sorgt. Nur dort, wo die Unternehmen bzw. der Markt versagt, sollte der Staat aktiv eingreifen. 2.30
Welche Bildungs- und Ausbildungssysteme sowie Weiterbildungssysterne benötigt eine Informations-Gesellschaft? Wie können die Grundlagen für die dabei notwendigen qualifikationsfördernden Arbeitsbedingungen gefördert werden?
Die Bildungs- und Ausbildungssysteme müssen Grundlagenkenntnisse und eine hohe Allgemeinbildung vermitteln. Darüber hinaus müssen sie jedoch auch die Anforderungen der Informationsgesellschaft erfüllen und dem Einzelnen auf dieser Basis die Möglichkeit zu Vertiefung von Spezialwissen ermöglichen. Da ohne Experten die Industrie langfristig nicht wettbewerbsfähig ist, müssen Aus- und Weiterbildung verbessert werden, um das Problem der örtlich und zeitlich asynchronen
Kommunikation zu lösen. Im kalifornischen Silicon Valley beispielsweise sind die
großen Computerfirmen über Monitore mit den Hörsälen der Universität von Stanford verbunden. Die Mitarbeiter haben exzellente Möglichkeiten zur Fortbildung,
indem sie an ihrem Arbeitsplatz Vorlesungen verfolgen. In der nächsten Zeit wird der Bereich der Bildungssoftware stark expandieren. Tutor-Systeme in Verbindung mit Imagination
zur kreativen
Ideenfindung
eine noch stärkere Bedeutung gewinnen.
(3D, data glove,
Simulation)
werden
221
2.31
Welche Bedeutung haben Normenvereinbarungen für die Wettbewerbsfähigkeit der IuK-Industrie? Welchen Einfluß soll der Staat auf die Normsetzungen nehmen?
Normenvereinbarungen sind grundsätzlich für alle Beteiligten sinnvoll. Sie erhöhen Marktchancen der Dienste- und Produktanbieter und sie verbreitern die Marktsegmente insgesamt. Ohne
weltweite
Empfehlungen
und
Märkte für die Massenkommunikation
Normungen
in CCITT
nicht entwickeln
und
können.
ISO
hätten sich
Im Moment haben sich CEN/CENELEC und CEPT eine harmonisierte Anwendung der internationalen OSI-Normen zum Ziel gesetzt (beispielsweise X.400 im Bereich
der Kommunikation). Dem Einsatz von Normen zur Realisierung „Offener Systeme‘ muß man eine sehr große wirtschaftliche Bedeutung zumessen, da diese Ver-
ständigung es ermöglicht, Systeme verschiedener Hersteller zu koppeln und neue Rechnerarchitekturen
puting, usw.).
einzusetzen
(beispielsweise Client/Server, distributed com-
Der Staat sollte keinen Einfluß auf die technischen Inhalte der Normung nehmen, sondern die Hersteller und Betreiber verpflichten, ihren Anteil an der internationalen Normung zu leisten. Es ist nicht tragbar, daß einige Hersteller und Betreiber Aufwendungen für die ‚‚Zukunftsvorsorge‘ der langfristigen Normung treffen und andere aus den Ergebnissen geleistet haben.
2.32
Nutzen ziehen, ohne daß sie einen eigenen
Beitrag
Welchen Stellenwert hat im Rahmen der EG die Schaffung neuer Standards
zur Verbesserung der Wettbewerbschancen der europäischen elektrotechni-
schen und elektronischen Industrie?
Im Rahmen der EG kommt der Schaffung neuer Standards ein hoher Stellenwert
zu, da Standards (sofern sie sinnvoll und nicht Selbstzweck sind) bei der Produk-
tion zu höheren Stückzahlen und damit zu geringeren Produktions- und Dienstekosten führen. Diese Wirkungen kommen aber auch den außereuropäischen Anbietern zugute. Standards im Rahmen der EG können jedoch nur Ergänzungen weltweiter Standardisierung sein. Die europäische Standardisierungsarbeit sollte weltweite Standardisierungsarbeit stimulieren, aber nicht ersetzen. Schleppende Fertigstellung supranationaler Normen für den europäischen Bereich kann im übrigen zu Nachzügler-Nachteilen für die internationale Wettbewerbsfä-
higkeit führen. 2.33
222
Welche Bedeutung haben die Normenvereinbarungen für die Arbeitsbedingungen nach der europäischen Harmonisierung und welche Bedeutung wird den Arbeitsbedingungen einschließlich der Arbeitsorganisation und Qualifi-
kation für die Innovationsfähigkeit der einheimischen traditionellen und Hochtechnologie-Industrie zugemessen? Die Frage kann von der Telekom nicht qualifiziert beantwortet werden. 2.34
Welche Defizite und Hindernisse der industriellen Kooperation zwischen Her-
stellern und Anwendern sehen Sie gegenwärtig? Welche Verbesserungsmöglichkeiten gibt es für eine solche Kooperation und wo sollten sie staatlich gefördert werden?
.
Grundsätzlich sind die größten Hindernisse in der unterschiedlichen ge der Beteiligten zu sehen.
Interessenla-
Die Kooperation zwischen Herstellern und Anwendern wird aus Sicht der Telekom als eines Abnehmers der IuK-Industrie jedoch bisher als ausreichend gut angese-
hen. Die Orientierung hin auf internationale Märkte bei der Beschaffung im Sinne der Ausnutzung des industriellen Wettbewerbs zur Kostensenkung beim Einkauf schränkt die Kooperationswilligkeit zwischen
grundsätzlich ein. 2.35
Herstellern
und Abnehmern
jedoch
Weiche Kooperationen bzw. strategische Allianzen mit europäischen und auBereuropäischen Mitbewerbern in den Bereichen Mikroelektronik, Kommuni-
kationstechnik und Software-Entwicklung gibt es oder werden von der deutschen Industrie angestrebt? Im Bereich der europäischen Netzbetreiber gibt es EURESCOM meinsame
Forschung
und strategische Studien
als Institut für ge-
in der Telekommunikation
sowie
eine Reihe weiterer gegenseitiger Vereinbarungen auf vertraglicher Basis (Memorandum of Understanding). Als Beispiele seien hier ISDN, Mobilfunk sowie digitales Hochgeschwindigkeitsnetz (METRAN) erwähnt.
223
IG METALL Vorstand/Ulrich
Klotz
Die in jünster Zeit wieder aufgeflammte Diskussion über die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland wird vorwiegend als eine Debatte über wirtschaftliche Rahmenbedingungen geführt. Zwar ist unstrittig, daß Lohnkosten, Arbeitszeiten und Steuern als Einflußgrößen für die Konkurrenzfähigkeit einer Volks-
wirtschaft eine Rolle spielen. Jedoch
ist ähnlich unbestreitbar, daß die hierauf ba-
sierenden Erklärungsschemata zu eindimensional sind, um plausibel zu begründen, weshalb in strategisch bedeutsamen Bereichen deutsche und europäische Unternehmen — vor allem gegenüber Japan — laufend an Boden verlieren. Denn inzwischen agieren japanische Unternehmen an europäischen und nordamerikani-
schen Produktionsstandorten ähnlich erfolgreich wie in ihrem Heimatland. Spätestens hierdurch wird offenkundig, daß viele der gängigen Standortklagen am Kern der Sache vorbeigehen. Innovation
ist ein sozialer
Prozeß
Der Schlüssel für die Innovationsfähigkeit, Flexibilität, Qualitätssicherheit und Pro-
duktivität der japanischen Industrie liegt in der systematischen Förderung der einzigen Ressource, über die der rohstoffarme Inselstaat traditionell verfügt: dem so-
genannten
‚Human
Capital‘. Anstatt den menschlichen
Faktor durch überkomme-
ne Automatisierungsstrategien zu eliminieren, zielt die langfristig angelegte und
konsequent
auf Innovation
setzende
industriepolitische
Strategie Japans
darauf
und die Quelle der Innovationskraft einer Organisation
ist der
ab, die Humanressourcen zu stärken und effizienter zu nutzen. Während man bei uns lange Zeit der Auffassung war, daB ein hoher Automatisierungsgrad das Erfolgsgeheimnis der Japaner sei, hatte man in Japan längst erkannt: Das Fundament für die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist die Innovationsfähigkeit ihrer Unternehmen
einzelne Mitarbeiter — denn: Innovation ist kein technischer Vorgang, sondern ein sozialer Prozeß. Angesichts sich fundamental wandelnder Marktgegebenheiten werden die Humanressourcen immer mehr zum ausschlaggebenden Produktions-, Wettbewerbs- und
Engpaßfaktor. Nicht mehr Boden und Kapital, sondern das Wissen und fallsreichtum der Menschen werden zum alles entscheidenden knappen zur einzig sicheren Quelle für dauerhafte Wettbewerbsvorteile. An dieser ven Frage wird sich die Zukunft von Industriestandorten entscheiden und
der EinGut und qualitatinicht an
der Frage, ob bei den nächsten Lohnabschlüssen eine 5 oder eine 6 vor dem Komma steht.
Die derzeit vielbeklagte Innovationsschwäche — insbesondere in den sog. HighTech-Sektoren wie der angewandten Informatik — ist deshalb keine Frage technologischer Defizite. Vielmehr sind diese Defizite Ausdruck und Konsequenz der Tatsache, daß die Bedeutung der sog. ‚Soft-Factors‘ (Kreativität, Motivation, Qualifika224
tion, Verantwortungsbereitschaft, Selbstbewußtsein u.ä.) hierzulande lange Zeit unterschätzt wurde und noch immer wird. Erst allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, daß sich mit technischen Lösungen allein die Wettbewerbsfähigkeit nicht sichern läßt und daß es sich z.B. bei den Schwierigkeiten der Informationstechnikbranche weit weniger um technische Probleme handelt als vielmehr um Fragen
von
Führungsstil,
Arbeitsstruktur,
Paradigmenwechsel
Managementkonzepte
usw.
im Management
Im Kern zeitgemäßer und erfolgreicher Managementkonzepte steht deshalb ein gewandeltes Menschenbild, in dem menschliche Arbeitskraft nicht als zu minimierender Kostenfaktor, sondern als zu maximierende Ressource angesehen wird. Dieser
Paradigmenwechsel wird langfristig zu einer Abkehr von überkommenen Anschauungen über Arbeitsteilung, Produktionstiefe und Spezialisierung führen und insbesondere in den Bereichen mit hoher Innovationsdynamik die Ära des Taylorismus beenden. Natürlich darf man
nicht darüber hinwegsehen,
daß eine effizientere Nutzung des
Faktors ‚Mensch‘ ambivalent ist, denn die Erfolge fernöstlicher Unternehmen beruhen — zumindest in einigen Bereichen — auf bisweilen für uns kaum vorstellbaren Formen der Ausbeutung und Selbstausbeutung. Auf der anderen Seite läßt sich aber auch konstatieren, daß im Grunde in fernöstlichen Managementkonzepten
vieles weiterentwickelt
und verwirklicht wurde
und wird, was
hierzulande
in den
siebziger Jahren Gegenstand der Debatte um die Humanisierung der Arbeitswelt war. Ganzheitliches Management, das den Menschen als Individuum, als Mitarbeiter und Kunden, in den Mittelpunkt stellt, knüpft im Grunde an typisch europäische
Stärken und Traditionen an. Im japanischen Verständnis des Unternehmens als einer ‚lernenden Organisation‘ werden abendländische kulturelle Werte und Tugenden — wie Kreativität, Flexibilität und Persönlichkeit — wiederbelebt, denen beim ‚Scientific Management‘ ä la Taylor kaum Gewicht beigemessen wird. Somit bestehen
im
Prinzip
für Europa
ausgezeichnete
Chancen,
im weltweiten
Wettbewerb
führende Positionen zu erlangen, wenn die ‚Lean Management‘-Ansätze nur konsequent genug in innovative Unternehmensstrukturen umgesetzt werden. Japanische Allerdings
Erfolgsrezepte kapieren statt kopieren
müssen
die hinter den
‚schlanken‘
Methoden
liegenden
Denkweisen
verstanden werden, um diese erfolgreich auf europäische Verhältnisse übertragen zu können. In Anbetracht der verschiedenartigen sozio-kulturellen Hintergründe führt der
Glaube,
man
brauchte
die japanischen
Managementprinzipien
—
wie
Kanban, Just-in-Time, Total-Quality-Management oder Quality Circles — nur zu ko-
Pieren oder zu imitieren, in die Irre. Wer die vielgespriesene ‚Lean Production‘ lediglich als neue Methode begreift, um Produktionskosten und Durchlaufzeiten zu senken, läuft sogar Gefahr, seine Wettbewerbsvorteile zu verspielen. Denn es geht weniger um Kosteneinsparung im herkömmlichen Sinn als vielmehr darum, die Ko-
sten der Bürokratie zu vermeiden. Wenn
aber Bürokratien beginnen, Kosten zu
225
sparen, kommt dabei häufig nur noch mehr Bürokratie heraus, weil sie es auf büro-
kratischern Weg tun. Aus ähnlichem Grund ist auch die Hoffnung trügerisch, daß Politiker und Beamte —
Stichwort: europäisches
‚MITI‘ — die Schwächen
im Ma-
nagement europäischer Unternehmen beheben könnten. In diesem Punkt ist eher
der IFO-Expertise beizupflichten:
‚‚Festzuhalten ist, daß die Ursachen
der japani-
schen Wettbewerbsstärke in den Elektronikindustrien zu einem guten Teil auf gün-
stige Standortfaktoren zurückzuführen sind, die mit sozio-kulturellen Spezifika des japanischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems zusammenhängen.‘ ‚Soft-Factors‘
und
Informatik
als Schlüssel
Angesichts der wachsenden Komplexität und Dynamik des Umfeldes gewinnen neben den zuvor genannten ‚Soft-Factors‘ zwei weitere Faktoren als Quellen für Wettbewerbsvorteile immer mehr an Bedeutung: Information und Zeit.
Informationen fördern und verstärken die Fähigkeiten des Menschen: sein Wissen, seine Innovationsfähigkeit und Initiative — ähnlich wie Maschinen die Muskelkraft verstärken. Bereits heute haben bis zu dreiviertel der Belegschaft eines Unternehmens nichts mehr mit der Be- und Verarbeitung von Material im physischen Sinn zu tun, sondern ausschließlich mit der Erfassung, Verarbeitung und Auswertung von Informationen in irgendeiner Form. Nun nützen Informationen nur etwas, wenn sie zur rechten Zeit am rechten Ort und in der richtigen Form verfügbar sind. Deshalb entwickelt sich die Informations- und Kommunikationstechnik zur entscheidenden Triebfeder des Paradigmenwechsels und zur strategischen Schlüsseltechnologie mit weitrechender Multiplikatorwirkung
in allen Wirtschaftsbereichen.
Noch
vor Ablauf
dieses
Jahrzehnts
werden
mehr als zwei Drittel aller Beschäftigten neue Anwendungen der Informatik als Arbeitsmittel nutzen — wodruch die zugrundeliegenden Realisierungstechniken zur größten Industrie der Weltwirtschaft aufsteigen werden. Aus einer Vielzaht von Gründen besteht inzwischen kaum mehr ein Zweifel daran, daß die Techniken zur Verarbeitung von Informationen die Lebensbedingungen ähnlich tiefgreifend verändern wie der Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft. In Anbetracht ihrer Schlüsselrolle birgt ein Verlust der technologischen
Kompetenz auf dem Gebiet der Informatik die Gefahr, auch in anderen Wirtschafts-
bereichen langfristig Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen.
Michael
E. Porter, welt-
weit renommierter Wettbewerbstheoretiker, konstatierte: ‚Eine echte Bedrohung für viele deutsche Branchen ist die Unfähigkeit, innovativ zu bleiben, was auf den
Mangel an Qualifikationen und Fachwissen auf neuen Wissensgebieten wie Halbleiter, Computer, Software und Biotechnik zurückgeht.‘ Technikzentrierte Forschungspolitik führt in eine Sackgasse Unsere immer offenkundigeren Schwächen in technologischen Schlüsselbereichen sind unter anderem das Resultat von Versäumnissen und strukturellen Defiziten der staatlichen Forschungs-, Technologie- und Bildungspolitik. 226
Statt auf Strategien zur Entfaltung der ‚Soft-Factors‘ zu setzen, konzentrierte sich
die FuT-Politik in den vergangenen Jahrzehnten auf die tradierten ‚Hard-Factors'
—
sie ist durchaus
als technikzentriert,
kapitalintensiv
und
bzw. spektakuläre Großprojekte fixiert zu charakterisieren. men wie Kalkar, SUPRENUM,
JESSI, HERMES,
COLUMBUS,
auf große
Einheiten
Symbolträchtige
Na-
aber auch die klas-
sischen CIM-Ansätze und ähnliches stehen nicht nur für beträchtliche Fehlinvestitionen, sondern auch für Denkweisen, die überholt, wenn nicht gar von Anfang an fehlgeleitet waren. Im aktuellen Sprachgebrauch ist die bisherige FuT-Politik keine ‚Lean Policy‘, sondern eher eine ‚Fat Policy‘, die sich sowohl strukturell als auch
inhaltlich überlebt hat. Denn in ihrem Kern steht sie noch immer in der Denktradition Taylors und Fords, die ihr Heil in immer mehr Technikeinsatz, immer komplexerer Automatisierung und immer größeren Einheiten suchten.
Gemessen an den technikorientierten Förderbereichen werden die stärker human-
ressourcenorientierten
Ansätze
—
wie
‚HdA‘
(Humanisierung
des Arbeitslebens)
oder ‚Arbeit + Technik‘ — nur marginal gefördert. Dies hängt sicherlich unter an-
derem damit zusammen, daß das ‚H‘ von ‚HdA‘ meist nur im Sinne des — zweifellos wichtigen — Arbeitsschutzgedankens verstanden wird. Daß jedoch die Entwick-
lung menschengerechter Arbeitsformen zugleich der Keim für eine erfolgreiche In-
dustriepolitik ist, ist hingegen eine Erkenntnis, die sich in der Ministerialbürokratie erst noch durchsetzen muß. Gerade im Zuge der aktuellen Diskussion über Lean
Production wird offenkundig, daß technologische Schwächen Indiz und Folge unzureichender Anstrengungen im Bereich der Humanressourcen sind, wie etwa Förderung neuer Formen der Arbeitsorganisation, neuer Managementkonzepte sowie Qualifizierung auf allen Ebenen. Doch statt nun endlich aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, ist man im BMFT derzeit sogar dabei, diese einseitige Orientierung fortzuschreiben. Insofern kann man — insbesondere aus industriepolitischer Perspektive — den jüngst erfolgten Kürzungen beim Programm ‚Arbeit +
Technik‘
nur verheerende
Kurzsichtigkeit attestieren.
Nicht zuletzt anhand
dieser Sparmaßnahmen
Humanressourcen
und Innovationsdialog
wird deutlich, daß sich die einseiti-
gen Orientierungen in der FuT-Politik heute auf doppelte Weise rächen. Weil in den 70er Jahren beträchtliche Summen vor allem in großtechnologischen Feldern der Atomenergietechnik etc. investiert wurden, engen die damals errichteten Großforschungseinrichtungen als ererbter Ballast auch heute noch die forschungspolitischen Handlungsspielräume weit über Gebühr ein.
In Anbetracht der finanziellen Engpässe
und angesichts wachsender
Vorsprünge
der japanischen Industrie sind auch und vor allem in der FuT-Politik neue Prioritätensetzungen geboten, die sich an den veränderten technologischen und ökonomischen Gegebenheiten orientieren müssen. Unter industriepolitisch-strategischen Gesichtspunkten gilt es, den sich abzeichnenden Übergang in eine Ära nach Taylor mit einem arbeitspolitisch orientierten Programm zu forcieren, das vom Finanzvolumen her ein Schwerpunkt der staatlichen Forschungs- und Technologiepolitik 227
werden müßte. Ein solches humanressourcenorientiertes Zukunftsprogramm muß
durch einen an die japanischen MITI-Erfahrungen angelehnten permanenten Zukunfts- und Innovationsdialog zwischen Staat, Wirtschaft und Gewerkschaften
begleitet werden, in dem der Staat als Moderator und Plattform den notwendigen Diskurs über die immer weitreichenderen technologiepolitischen Weichenstellungen zu organisieren hat. Wie bedeutsam und fruchtbar derartige Konsensfindungsprozesse sein können, läßt sich ebenfalls am japanischen Beispie! ablesen. Allerdings sollte man nicht versuchen, die mitunter sehr rigide japanische Konsens-Kultur zu imitieren. Aussichtsreicher ist es, dem japanischen Modell eine eigenständige Industriekultur gegenüberzustellen, die an den europäischen Traditionen von
Individualität und Vielfalt anknüpft, weil dies — im Sinne evolutionärer Entwicklung — auf Dauer erfolgversprechender sein dürfte. Vielfalt und Innovationsfähigkeit können beispielsweise auch dadurch gefördert werden, daß stets ein gewisser Pro-
zentsatz der jeweiligen Etats für sog. ‚freie Forschung‘ an alternativen Konzepten
zur Verfügung
gestellt wird.
Als das Herzstück einer langfristig angelegten Industriepolitik muß sich FuT-Politik konzentrieren, von denen unsere ökonomi-
gezielt auf strategische Schwerpunkte
sche und ökologische Überlebensfähigkeit in besonderem Maße abhängt. Dabei sollte man sich auf die eigenen Stärken besinnen und vorrangig in diejenigen Zukunftsfelder investieren, in denen die deutsche (und europäische) Industrie mit vertretbarem Aufwand Wettbewerbsfähigkeit halten und/oder erreichen kann. Die Strukturkrise im Maschinenbau
ist symptomatisch
In einer gängigen Argumentation wird in diesem Zusammenhang stets die besondere Bedeutung des Maschinenbaus — und speziell des Werkzeugmaschinenbaus — als Rückgrat der deutschen
Industrie und Motor deutscher Exporterfolge
hervorgehoben. Wenngleich diese Argumentation für die Vergangenheit und Gegenwart zweifellos Berechtigung hat, so ist auch zu fragen, welche Faktoren zum Erreichen dieser Wettbewerbsposition beitragen und ob diese Argumentationsket-
te auch in Zukunft Bestand haben wird.
Die Erfolge des Werkzeugmaschinenbaus sind unter anderem darauf zurückzuführen, daß im Vergleich zu den bei Standard-Maschinen äußerst wettbewerbsfähigen
Japanern die deutschen Anbieter mehr differenzierte, kundenspezifische Lösungen realisieren konnten. Wenn der Maschinenbau das Rückgrat unserer Industrie darstellt, so ist das Rückgrat eben dieser Branche ihre erfahrene, qualifizierte Facharbeiterschaft gepaart mit einer soliden Ingenieurtradition — zwei Schlüsselelemente, um die uns derzeit noch alle Welt beneidet. Die bisherigen Erfolge des Maschinenbaus sind also ein Spiegel unseres Ausbildungssystems und Beleg dafür, daß (Aus-)Bildung einer der wichtigsten Wettbewerbsfaktoren ist. Mittlerweile spricht der VDMA
vom stärksten Exporteinbruch der letzten 40 Jahre.
Still und stetig haben japanische Maschinenbauer ihren Anteil am Export westlicher Industrieländer seit 1970 rund verdreifacht (auf knapp 20 %). Deshalb sind die derzeitigen Schwächeerscheinungen im Maschinenbau nicht allein Folge von kon228
junkturell bedingten Auftragsrückgängen in anderen Sektoren, wie etwa der Autoindustrie. Vielmehr handelt es sich unverkennbar um Anzeichen struktureller Veränderungen — um Indikatoren dafür, daß auch im Maschinenbau der Informationstechnik eine Schlüsselrolle zuwächst und nicht wenige der deutschen Maschi-
nenhersteller Chancen erst elektronische die Flexibilität flussen.
diesen konsequenzenreichen Trend und die damit einhergehenden spät erkannt haben. In immer mehr Maschinengattungen gewinnen Steuerungen und Regelungen eine zentrale Schlüsselrolle, da sie und das Anwendungsspektrum der Maschinen in hohem Maß beein-
Wenn in wachsendem Umfang die mechanischen Aggregate mit informationstechnischen Komponenten zu neuen hochflexiblen Maschinensystemen verschmolzen werden, so bedeutet dies zugleich, daß ein wesentliches Geheimnis des deutschen
Exporterfolges, nämlich die Fähigkeit, flexibel und gezielt auf individuelle Kunden-
wünsche einzugehen, partiell in die Software- und zum Softwareproduzenten — verlagert wird. Wohl auch deshalb ist seit geraumer Zeit zu beobachten, daß sich
japanische Maschinenbauer verstärkt auch zu hochwertigen, maßgeschneiderten Spezialprodukten hinwenden, wobei ihnen die traditionelle Basis im Serienmaschinenbau schnellen Zugriff auf ausgereifte Standardkomponenten zu niedrigen Preisen bietet. Diese Entwicklung ist nicht nur deshalb so brisant, weil sie allmählich und schleichend unseren wichtigsten Standortvorteil zu entwerten droht. Sie ist es auch deshalb, weil sie — wie es nicht nur auf dem Sektor der Werkzeugmaschinensteuerun-
gen unschwer zu erkennen ist — eine Achillesferse unserer Industrie bloßlegt, deren Bedeutung für unsere Zukunft kaum hoch genug eingeschätzt werden kann. Denn — ökonomisch gesehen — ist Deutschland dabei, auf dem Gebiet der Informationstechnik — insbesondere der Software — vom zweitklassigen Mitbewerber auf den Status einer drittklassigen ‚Technokolonie von Amerippon‘ abzusinken — von kleinen Ausnahmen abgesehen.
Einseitige Hardware-Orientierung
(K. Seitz) her-
in der FuT-Politik
In der Informationstechnik spiegeln sich die strukturelien Defizite der Technologieund Bildungspolitik besonders deutlich wider. Auch hier wurden spektrakuläre und
kapitalintensive Bereiche, die über eine entsprechende Lobby verfügen, eindeutig bevorzugt. In Verkennung der Zusammenhänge und Perspektiven wird im BMFT Informationstechnik noch immer weitgehend mit Mikroelektronik (und Telekommu-
nikation) gleichgesetzt. Deshalb wurden — bislang wenig erfolgreich — vorrangig Hardware und hardwarenahe Bereiche gefördert. Deren strategische Rolle ist zwar nicht zu leugnen, aber verglichen mit anderen Bereichen ist ihre Bedeutung doch eher nachrangig und rückläufig. Nun soll es hier nicht darum gehen, einem falschen Gegensatz zwischen Hardware und Software das Wort zu reden. Natürlich macht das eine ohne das andere keinen Sinn. Jedoch ist es an der Zeit, den Funktionszusammenhang und die industriepo229
litische Bedeutung
schungsetats Software
von Soft- und
Hardware
nüchtern zu analysieren.
vor dem
Hintergrund
knapper
For-
enthält die Wettbewerbsfaktoren
Bekanntlich verhält sich Software zu einem Computer (oder anderem IT-System) wie der Text zu einem Buch (oder wie die Musik zu einem Tonbandgerät). Bleibt man in diesem Bild, dann entspricht die Hardware etwa dem Papier. Wenn
nun ar-
gumentiert wird, daß Halbleiterbauelemente notwendiger ‚Rohstoff‘ sind, so ist dies zwar richtig, aber unvollständig. So wie ein Buch erst durch den Text einen (Markt-)Wert erhält, so verhält es sich mit allen Arten informationstechnischer Sy-
steme: ihre Software entscheidet über die Wettbewerbsfähigkeit, nicht umgekehrt.
So wie Bücher ihres Textes und nicht ihres Papiers wegen gekauft werden, so ist
die Software der Grund, warum Computer gekauft werden — nicht umgekehrt.
Aufgrund dieses Zusammenhangs von Information und materiellem Trägermedium ist auch die verbreitete Argumentation, daß produktspezifisches Know-how zum Halbleiterproduzenten verlagert würde und dadurch neue Abhängigkeiten entstünden, etwa so richtig wie die Behauptung, daß das Wissen von Buchautoren zu den
Papierfabriken wandert — sie ist insbesondere für den Bereich der Speicher- und
Mikroprozessorchips schlicht falsch, weil hier anwendungsspezifisches Wissen
ir-
relevant ist. Die Anwendungsneutralität dieser Bauelemente ist ja gerade der entscheidende Vorteil, der der Mikroelektronik zum Durchbruch verholfen hat und sie zur Schlüsseltechnologie macht. Anwendungsspezifische Informationen spielen bei ASICs eine gewisse Rolle, diese werden jedoch in der Regel mit Verfahren hergestellt, die auch hierzulande und
von kleineren Unternehmen beherrscht werden. Gleichwohl der förderpolitisch besonderes Augenmerk verdient.
ist dies ein Bereich,
Es ist unbestreitbar, daß die Mikroelektronik für unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem von strategisch herausragender Bedeutung ist. Und ohne Zweifel wäre es von Vorteil für die europäische Industrie, wenn sie über das Know-how und
die Kapazitäten verfügen würde, um die jeweils fortgeschrittensten Halbleiterbauelemente selbst zu entwickeln und zu fertigen. Angesichts knapper Ressourcen ist aber auch zu prüfen, ob die erheblichen Investitionen, die erforderlich sind, um in
der Halbleitertechnik Schritt zu halten, aus strategischen Gründen zu rechtfertigen sind. In der kontroversen Diskussion dieser Frage kommt man nur weiter, wenn man die unterschiedlichen Einschätzungen mit der industriellen Praxis und der tatsächlichen Entwicklung am Markt konfrontiert. Stellvertretend für die beiden gegensätzlichen
Positionen kann einerseits das IFO-Memorandum
und Innovation‘ und andererseits die Argumentation Group (TRG/Boston) herangezogen werden’.
‚‚Mikroelektronik
der Technology
Research
In dem IFO-Memorandum wird die Beherrschung des jeweils neuesten Standes der Halbleiter-Prozeßtechnologie als unverzichtbar erklärt, weil Gerätefunktionen zunehmend in die Chips integriert würden und man andernfalls auch auf anderen
230
Gebieten des Innovationswettbewerbs wenig Chancen hätte. Diese Argumentation ist in ihren
Jahre.
Grundzügen
kennzeichnend
für die
BMFT-Politik
der
vergangenen
Während sich das IFO-Memorandum im wesentlichen auf Behauptungen und Vermutungen stützt, ohne die Thesen im einzelnen durch die Praxis zu verifizieren,
gelangen sowohl die Monopolkommission als auch das IFO selbst (im Rahmen der Strukturberichterstattung) anhand einer Analyse von Marktdaten zu völlig anderen Schlußfolgerungen. Doch statt nun die aktuelle Debatte darüber zu vertiefen, was es wohl bedeuten mag, wenn dasselbe Forschungsinstitut in zwei Studien zu völlig entgegengesetzten Bewertungen kommt, ist es fruchtbarer, sich eingehender mit der TRG-Analyse zu beschäftigen. Die Autoren der Technology Research Group betrachten den Anwendungsbereich der Mikroelektronik, der die höchste Innovationsdynamik aufweist und in dem sich Fortschritte der Halbleitertechnik meist besonders rasch bemerkbar machen: die Computerbranche. Anhand einer differenzierten Faktenanalyse kommen sie zu der Schlußfolgerung:
‚Die erheblichen
Investitionen —
notwendig
um bei einer Hard-
waretechnik Schritt zu halten, deren Leistungsvermögen schon jetzt deren Nutzungsmöglichkeiten weit übersteigt — lassen sich weder aus betriebswirtschaftlichen noch aus strategischen Gründen rechtfertigen. Was wirklich zählt, ist nicht wer Hardware herstellt, sondern wer Anwendungen für Benutzer schöpft.‘‘ Aufgrund fundamentaler Veränderungen und „einer neuen Dynamik in der Halbleiterprozeßtechnik kommt es auf die Eigenfabrikation als Hauptgrund von Wettbewerbsvorteilen weniger an‘‘ — vielmehr zeichnet sich im traditionellen Kernbereich
der Computerbranche sogar ab, daß die eigene Hardwarefertigung eher zum Han-
dicap wird. TRG konstatiert: ‚Darüber zu bestimmen, wie Computer eingesetzt und nicht wie sie hergestellt werden, das schafft in den nächsten Jahrzehnten effektiven Wert- und damit Marktmacht, Arbeitsplätze und Wohlfahrt.‘‘ Da die Hard-
warekomponenten reine Massenartikel sind bzw. werden, die nur marginale Beiträge zur Wertschöpfung leisten, resümiert die TRG: „Über den Nutzungswert konkurrieren, nicht über die Leistungsstärke ... Konsequenz: Investitionen konzentrieren auf Softwareentwicklung,
Systemintegration,
Vermarktung
und Schulung.‘
Keine Krise in der Computerindustrie Ein Vergleich der Bilanzen in der Computerbranche bestätigt die TRG-Analyse auf
der ganzen Linie: Während einerseits die etablierten Hardwarehersteller Massenentlassungen und Verluste in Milliardenhöhe verzeichnen (z.B. DEC) oder sogar schon beim Konkursrichter sind (z.B. Wang), erzielen andererseits Softwarehersteller und mit ihnen diejenigen Computerhersteller, bei denen der Anwendernutzen im Vordergrund steht, Rekordumsätze und -gewinne. Von einer ‚Krise der Computerindustrie‘ kann somit überhaupt keine Rede sein, vielmehr ist ein fundamentaler Umbau der gesamten Branche in vollem Gange. Die komplette Umstrukturierung des
IBM-Konzerns
ist hierfür nur ein Beispiel
unter vielen.
231
Selbst in dem besonders dynamischen und hochgradig technologiesensitiven Markt der Laptop- und Notebook-Computer bewahrheiten sich die Einschätzungen der TRG: ‚Die Herstellung von Halbleitern ist derart fortgeschritten und kann Chips mit einer solch gesteigerten Leistungsfähigkeit bereitstellen, daß die zugrundeliegenden Ansprüche an die Chips weit zurückbleiben. Konsequenz: Die meisten Anbieter von Hochleistungsrechnern brauchen keinen eigenen Zugang zu allermodernsten Fertigungsstätten.‘' Daß es in der Tat weniger auf die Halbleiter-
technologie als auf andere Faktoren ankommt, wird durch die Tatsache belegt, daß auf dem besonders anspruchsvollen US-Markt (immerhin ca. 50 % des Computer-
Weltmarkts) der japanische Marktanteil bei Laptops/Notebooks in den vergange-
nen vier Jahren von rund 40 % (1988) auf fast die Hälfte (25 % in 1992) zusammengeschrumpft ist (It. Business Week 31. Aug. 1992). Auch dies macht deutlich: Die
Beherrschung der ‚intelligenten‘ Strukturen — Computerarchitektur und Software
— ist in der Informationstechnik wettbewerbsentscheidend herrschung der ‚kleinen‘ Strukturen.
und
weniger
die Be-
Nebenbei wird in der TRG-Analyse anschaulich und überzeugend dargelegt, weshalb europäische Unternehmen samt der europäischen FuT-Politik im hochdynamischen Computersektor weitgehend gescheitert sind (oder scheitern mußten) — und weshalb eine Fortsetzung des einseitig auf Technologie-Leistung statt auf
Technologie-Nutzen orientierten Kurses geradezu verheerend wäre. Denn — und dies muß hier mit aller Deutlichkeit betont werden — vieles, was im Computersektor zu konstatieren ist, läßt sich aufgrund des Pilot- und Schlüsselcharakters dieser
Branche mit gewisser Zeitverzögerung auch auf zahlreiche andere Industriezweige übertragen. In dem
Maße,
in dem
informationsverarbeitende
Komponenten
in nahezu
sämtli-
chen Arten von Konsum- und Investitionsgütern integriert werden, werden in immer mehr Anwendungsfeldern
der Informatik — von der Unterhaltungselektronik über
den Maschinenbau bis hin zu Verkehrssysternen — die Kaufentscheidungen in wachsendem Maße von der verfügbaren Software beeinflußt. So wie heute die Software der Grund ist, weswegen Computer gekauft werden, so werden künftig viele andere Industrieerzeugnisse wegen ihres via Software definierten Anwendungsnutzens und nicht wegen ihres (hardware-)technologischen Leistungsvermögens
gekauft werden. Wegen dieser Rolle als branchenübergreifender Wettbewerbsfaktor ist auf lange Sicht gesehen der Softwaresektor einer der strategisch bedeutsamsten Schlüsselbereiche für eine zukunftsorientierte Industriepolitik. Die Schlüsselrolle der Software betrifft nicht nur die Anwendung beim Kunden, sondern alle Stadien des Produktionsprozesses — von der Forschung über das
Design bis hin zur Qualitätssicherung und Wartung. In sämtlichen Bereichen und Branchen wird neben dem ‚Human Capital‘ die Verfügbarkeit von Informationen durch leistungsfähige Anwendungssoftware immer stärker zum Engpaß- und Erfolgsfaktor. Im Hinblick auf die ‚schlanke‘ organisatorische Modernisierung von Unternehmen
232
ist dies sogar doppelt
bedeutsam,
da in zahllosen
Fällen veraltete
zentralistische Softwarekonzepte die überfällige Umgestaltung von bürokratisch-
schwerfälligen Verwaltungsapparaten
Software in der strategischen
mehr behindern
als fördern.
und ökonomischen
Führungsrolle
Im EDV-Kernbereich haben die Umsätze mit Software + Services 1988/89 erstmals die Hardwareumsätze überholt. Rechnet man den in die Größenordnung von
Billionen DM (weltweit) gehenden Wert der anwenderintern erstellten Software hin-
zu, so wird klar, daß aus ökonomischer Perspektive betrachtet, Software die Hard-
ware längst weit hinter sich gelassen hat. Überdies hat mit der Ablösung proprietärer Systemkonzepte
durch
standardisierte offene Hardwareplattformen
ein ruinö-
ser Verdrängungswettbewerb eingesetzt, den — längerfristig betrachtet — ohnehin nur die Hardwarehersteller überleben werden, Standbein im Bereich der Software verfügen.
die
auch
über
ein
solides
Bei nüchterner Betrachtung ist ohnehin zu konstatieren, daß in den besonders umsatzträchtigen Marktsegmenten der Mikroelektronik (Halbleiterspeicher) und bei anderen
Hardwarekomponenten
(z.B.
LCD-Displays,
Drucker,
portable
Geräte,
Diskettenlaufwerke, optische Speicher, Monitore) japanische Unternehmen inzwischen weitgehend konkurrenzlos auf dem Weltmarkt agieren. Die auf einigen Gebieten der spezifischen hochentwickelten Produktionsverfahren erreichten Vor-
sprünge Japans dürften inzwischen kaum mehr aufzuholen sein — zumal viele der
technologiepolitischen Weichenstellungen, auf die sich die heutige Dominanz der japanischen Halbleiterindustrie gründet, schon in den sechziger und siebziger Jahren vorgenommen wurden. Weil — zumindest in den genannten Hardwarebereichen — die Erfolgsaussichten gegen Null tendieren, wächst somit die Gefahr, daß bei
einer
Fortsetzung
unseres
technologiepolitischen
nunmehr gutes hinterhergeworfen wird.
Kurses
schlechtem
Geld
Hinzu kommt die Tatsache, daß die erforderlichen Aufwendungen für die Entwicklung und Produktion von höchstintegrierten Halbleiterkomponenten (insbes. Speicherchips) inzwischen eine Größenordnung erreicht haben, die das Leistungsvermögen jedes einzelnen europäischen Unternehmens übersteigt. Die soeben geschlossene Kooperationsvereinbarung zwischen IBM, Siemens und Toshiba erhellt, daß der geschätzte Entwicklungsaufwand für die übernächste Speicherchipgeneration sogar Dimensionen erreicht, die auch die Möglichkeiten einzeiner japanischer Großkonzerne
übersteigen
und die ohne weltweite Zusammenarbeit
nicht
mehr zu meistern sind. Zugleich wird damit ebenfalls deutlich, daß die vielbeschworene Gefahr einer Abhängigkeit von der ‚Japan AG‘ in bestimmten Technologiefeldern zu relativieren ist. Gefährliche Abhängigkeiten
— aber nicht bei den Speicherchips
Insbesondere in dem bei uns als ‚Technologietreiber‘ meistdiskutierten Bereich der höchstintegrierten Speicherchips sind keinerlei Indizien für eine mögliche Be-
einträchtigung der Versorgung erkennbar. Ganz im Gegenteil, hier herrscht weltweit ein erbitterter Preiswettbewerb zwischen den führenden Anbietern. Ungleich
233
problematischer ist die Situation im Bereich der Mikroprozessoren, in der aufgrund der hochgradigen Monopolisierung zum Leidwesen vieler Anwender außerordentlich gefährliche, ja in manchen Fällen sogar existenzbedrohende Abhängigkeiten zu verzeichnen sind. Am weitaus problematischsten sind die Abhängigkeiten im Bereich der Betriebssy-
sterne, Software-Tools, Anwenderschnittstellen, Datenbanken, Standard-Applikationen und der Netzwerk-Systeme. Alle diese Technologiesektoren sind strategisch mindestens ähnlich bedeutsam wie die Beherrschung der Halbleitertechnologie. Sämtliche dieser Bereiche werden von US-amerikanischen Firmen kontrolliert, die — zumindest auf manchen Gebieten — häufig praktisch konkurrenzlos agieren. Schon heute klagen bei uns Entwickler aus dem Maschinenbau und anderen Branchen über die verspätete Offenlegung von Schnittstellenspezifika durch weltmarkt-
beherrschende US-Softwarefirmen, die sich und ihren Partnern hierdurch erhebliche Wettbewerbsvorteile auf den unterschiedlichsten Anwendungsfeldern verschaffen. Hier liegen Gefahren für die industrielle Zukunft Europas, die der japanischen Herausforderung mindestens ebenbürtig sind und die bislang sträflich unterschätzt werden. Allerdings: Während die Entwicklung/Herstellung von Mikroelektronik-Komponenten immer gigantischere Investitionen erfordert, sind im bislang vernachlässigten Bereich
der
Software
die Voraussetzungen,
Rahmenbedingungen
und
Erfolgs-
chancen ganz andere als im Hardwarebereich — auch für die staatliche Förderpolitik. Für die erfolgreiche Entwicklung und Vermarktung von Software und den Aufbau einer leistungsfähigen Softwareindustrie sind weit weniger infrastrukturelle Voraussetzungen zu erfüllen als in anderen Hochtechnologiefeldern. Hier ist vor allem eines erforderlich:
Menschen.
‚Human
Capital‘, d.h. kreative, qualifizierte und motivierte
Was im Softwaremarkt möglich ist, demonstrieren zahlreiche erfolgreiche Neugründungen, die, obgleich erst vor zehn oder allenfalls fünfzehn Jahren gegründet,
binnen weniger Jahre zu milliardenschweren Konzernen heranwuchsen. Beispiele wie Microsoft, Novell u.ä. belegen eindrucksvoll, worauf es in diesem Terrain ankommt. Was für den Maschinenbau unser solides Berufsbildungssystem ist, ist für die wissensintensiven Bereiche Software-Engineering, Computerarchitektur, Mi-
kroprozessor- und Netzwerktechnologie das überragende Niveau einiger US-Universitäten, die essentiell dazu beitragen, daß diese Kerngebiete der Informatik noch immer unangefochtene Domäne amerikanischer Firmen sind. (Wobei für die erfolgreiche Umsetzung von Forschungsresultaten in vermarktbare Produkte die jenseits des Atlantiks besseren ebenfalls bedeutsam sind).
Möglichkeiten
der Wagniskapitalfinanzierung
Welche Bedeutung die Software innehat, ist nicht zuletzt an den Marktwerten der Unternehmen abzulesen. Auch dies sind Fakten, die die Analysen der TRG klar bestätigen. Beispielsweise rangiert Microsoft — obgleich noch ein junges Softwarehaus — auf der Marktwertskala schon auf Platz 2 hinter IBM und übertrifft den Marktwert von DEC, einem Unternehmen mit der zehnfachen Größe, um 70 %.
234
TRG stellt hierzu kurz und bündig fest: ‚Die erfolgreichsten Computerfirmen sind inzwischen
die, die überhaupt
keine Computer
mehr bauen
... Unternehmen
Länder, die Märkte kontrollieren, besitzen damit Macht-, Profit- und gungsvorteile gegenüber jenen, die bloß Technologien kontrollieren.‘
und
Beschäfti-
Nicht nur industriestrategisch, sondern auch arbeitsmarktpolitisch ist der Softwaresektor von großer Bedeutung — wenngleich für den Bereich der Software im Grun-
de genommen keine brauchbare statistische Datenbasis existiert, denn heute wird in zahllosen Unternehmen aller Branchen Software entwickelt, die aber in keiner
Software-Statistik auftauchen. Selbst die IG Metall könnte von der Beschäftigtenzahl auch als kleineres Softwarehaus gezählt werden, da bei uns einige Dutzend Softwareentwickler tätig sind. Die ausschließliche Betrachtung der explizit als Soft-
wareproduzenten
Stärken
ausgewiesenen
Unternehmen
nutzen statt über Schwächen
führt insofern
in die Irre.
jammern
Statt bei jeder Chipgeneration erneut (und erfolglos) über unsere technologischen
Defizite zu lamentieren, ist es höchste Zeit, sich in Europa auf unsere angestammten Stärken zu besinnen. Die mit Abstand wichtigste Stärke, die wir den anderen
Industrieländern der sog. Triade voraus haben, ist ein breiter und unersetzlicher Schatz an solide gewachsenem Erfahrungswissen auf den unterschiedlichsten Gebieten. Würde man beginnen, dieses Erfahrungswissen in die Entwicklung praxisgerechter Anwendungssoftware einfließen zu lassen, könnte man an unsere bisherigen Erfolge auf allen Gebieten der mechanischen
diese gende chen, recht
Technologien
anknüpfen
und
Erfolge auf neuem technologischen Niveau wiederholen. Daß dieser nahelieGedanke bisher nicht zum Tragen gekommen ist, hat eine Reihe von Ursadie Michael E. Porter, Richard T. Pascale und andere führende Politikberater klar diagnostiziert haben.
Ein wesentliches
Handicap
ing als profanes
‚Handwerk‘
ist die Tatsache, daß an unseren
Universitäten, Fach-
hochschulen aber auch in vielen Unternehmen professionelles Software-Engineerpraktisch
nicht vermittelt wird, bzw.
überhaupt
nicht
existiert. Ohne die Kenntnis leistungsfähiger Methoden und Werkzeuge ist jedoch
das fundierteste Anwendungs-Know-how ziemlich nutzlos, man kann es dann näm-
lich nicht — oder nicht effizient genug — in informationstechnische Anwendungen übertragen.
Nichts ist so gefährlich wie der Erfolg Einige Wurzeln für diese eklatante Schwäche
liegen sicherlich — so paradox dies
auch klingen mag — gerade in unseren bisher erzielten Erfolgen auf den Gebieten der klassischen Ingenieurstraditionen. Denn alle Organisationen haben die Ten-
denz, genau das zu tun, was sie am besten können. Man konzentriert sich auf stän-
dige Verbesserung des Bestehenden und nicht gen zählt. Wie in Deutschland an das Thema geradezu symptomatisch für dieses Phänomen. so schön heißt — ‚ingenieurmäßig‘ damit um —
darauf, was morgen oder übermorInformatik herangegangen wird, ist Man geht nämlich — wie es immer daher auch die einseitige Fixierung 235
auf das, womit
Ingenieure
gelernt haben
umzugehen,
auf die Hardware
und die
Faszination der Mikroelektronik. Dies gilt für Unternehmen wie Politik gleichermaBen.
Bei dem eingangs erwähnten Paradigmenwechsel geht es deshalb um mehr, als es vielleicht zunächst scheint. Denn in vielen Bereichen ist festzustellen, daß das Management selbst ein Teil des Problems ist. Wenn es darum geht, zu erkennen, welche Faktoren zukünftig für den Erhalt unserer Wettbewerbsfähigkeit tatsächlich bedeutsam sind, müssen auch Leitbilder und Denkmodelle über Bord geworfen werden,
die sich in der Vergangenheit
als höchst erfolgreich erwiesen
haben.
Zusammengefaßt heißt dies: Künftig sind neue Förderschwerpunkte auf den Gebieten innovativer Arbeitsstrukturen, Führungsstile und Managementkonzepte mit Anstrengungen im ohnehin humankapitalintensiven Softwarebereich zu verzahnen. Maßnahmen im Bereich der sogenannten ‚organizational technologies‘ und der Qualifizierung sind die Voraussetzung, um in den ‚alten‘ Branchen wettbewerbsfähig zu bleiben und zugleich in künftigen Schlüsselfeldern der Informationstechnik Fuß zu fassen. Auf einer soliden Basis in der Software- und Fertigungstech-
nik läßt sich die derzeit vielbeschworene Gefahr einer künftigen Erpreßbarkeit Eu-
ropas mindern. In weltweiten Kooperationen unter annähernd gleichwertigen Partnern könnten die inzwischen irreparablen strukturellen Defizite — insbesondere in der Mikroelektronik — durch internationalen Schlüsseltechnologie-Austausch kompensiert werden.
Dabei ist von Bedeutung, daß in Forschung und Lehre, in Aus- und Weiterbildung moderne Informatiksysteme zu den selbstverständlichen Arbeitsmitteln zählen soll-
ten — anstatt öffentliche Einrichtungen, Universitäten und Schulen noch immer auf die Anwendung von Computern ‚Made in Germany‘ zu verpflichten, wodurch die
bestehenden gravierenden Rückstände geradezu zementiert werden. Nicht zuletzt
die Tatsache,
daß einheimische
Unternehmen
lange Zeit recht bequem
Aufträge
und Fördermittel der öffentlichen Hand erhielten, trug mit dazu bei, daß unsere
Hard- und Softwarebranche den Trend zu Personal Computern, Workstations und
Netzwerken verschlafen hat und dadurch ihre intenationale Wettbewerbsfähigkeit inzwischen weitgehend einbüßte. Interdisziplinäre Kooperation fördern
Angesichts der Wechselwirkungen zwischen dem ‚Human Capital‘ und dem Gestaltungspotential der Software sollte man sich vordringlich auf den Bereich der Schnittstellen zwischen Mensch und technischem System konzentrieren. Immer komplexere High-Tech-Produkte — egal ob Konsum- oder Investitionsgüter — werden auf Dauer nur dann
akzeptiert und gekauft werden,
wenn
ihre Schnittstellen
auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der potentiellen Benutzer hin optimiert sind. Produkte, die Menschen nicht bedienen können, sind bekanntlich die teuersten und auf Dauer nicht vermarktbar. Die derzeitigen Schwächen im Werkzeugmaschinenbau
—
aber auch
in anderen
Branchen
—
rühren genaugenommen
auch da-
her, daß dieses Gebiet bei uns völlig unterentwickelt ist. Dies liegt nicht nur daran, 236
daß — verglichen mit den USA — dieser strategisch entscheidende Bereich bei uns bislang nur mit marginalen Beträgen gefördert wurde. Sondern es liegt auch daran, daß in unseren Arbeitswissenschaften dieselbe ‚ingenieurmäßige‘ Perspek-
tive dominiert, die auch andernorts den Blick auf die entscheidenden Herausforderungen der Zukunft verstellt. Hier ist es dringend geboten, eine verstärkte Kooperation und interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen der Informatik und verschiedenen Sozialwissenschaften zu fördern und zu forcieren. Denn wer sich der Mühe unterzieht, einmal die tieferen Wurzeln der US-amerikanischen Dominanz auf dem Gebiet der Computertechnik zu ergründen, kann anhand zahlreicher Beispiele feststellen, daß genau in solchen disziplinübergreifenden Projekten die bedeutsamen
Fortschritte erzielt wurden, von denen die gesamte
Branche
heute profitiert.
Verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, daß in Japan die strategische Rolle derartiger FuE-Aktivitäten erkannt wurde. Hier — wie längst schon in den USA — hat man nicht nur in Forschungsinstituten begriffen, daß mit der Verschmelzung von
Informationstechnik,
Unterhaltungselektronik
und Telekommunikation
ein gi-
gantischer Massenmarkt entstehen wird, der langfristig sämtliche Bereiche von Produktion, Dienstleistung und Ausbildung durchdringen und tiefgreifend verändern wird. Ob man nun die aktuellen Umsatzprognosen von 3 Billionen $ im Jahr
2000 (lt. Business Week 7. Sept. 199) für überzogenen Optimismus hält oder auch
nicht: Tatsache ist, daß in den USA und Japan derzeit Unternehmen und Staat immense Mittel aufwenden, um in den Zukunftsfeldern Software-Engineering, Multimediasysteme, Human-Computer-Interaction aber auch Neurocomputing oder Fuzzy-Logic mit von der Partie zu sein.
Hinsichtlich konkreter Maßnahmenvorschläge sei hier vor allem auf die Arbeiten
des US-Council
on Competitiveness ? verwiesen,
in denen
eine durchaus zutref-
fende Situationsanalyse durch fundierte Handlungsempfehlungen ergänzt ist. Anmerkungen:
1) Michael L. Dertouzos u.a. (Hrsg.): Made in America. Regainig the productive Edge. Cambridge, Mass., 1989. Deutsche Ausg.: Die Krise der USA. Frankfurt/M. 1990. 2) Council on Competitiveness: Gaining New Ground — Technology Priorities for America's Future. Washington DC, 1991. 3)
Andrew
S. Rappaport und Shmuel
4)
Joseph
H. Boyett und Henry P. Conn: Workplace 2000 — The Revolution Re-
dorado der Computerbauer.
Halevi: Chip- und Softwaredesign:
In: HARVARDmanager,
2/1992.
Das EI-
shaping American Business. New York 1991.
237
IG METALL Beantwortung des Fragenkatalogs zur Anhörung 1.
Bedeutung der informations- und kommunikationstechnischen Industrie für die gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa.
1.1
Was bezeichnen Sie als „Hochtechnologien‘‘ und in welchen strategischen Hochtechnologie-Bereichen ist a) die deutsche und b) die europäische Industrie heute und voraussichtlich in nächster Zukunft global wettbewerbsfähig?
Der Begriff ‚Hochtechnologien‘ ist wenig glücklich, da in jedem Technikfeld FuT-
Spitzenleistungen existieren, die ‚hochstehend‘ genannt werden können. Etwas hilfreicher ist es, von ‚Schlüssei-‘, ‚Basis-' und ‚Querschnittstechnologien‘ zu spre-
chen. Als solche sind zweifellos die Informationstechnik (Mikroelektronik, angewandte Informatik, Telekommunikationstechnik) und die Biotechnologien an vorderster Stelle zu nennen. 1.2 In welchem Defizite?
Hochtechnologie-Bereich sehen Sie deutsche und europäische
Insbesondere im Bereich angewandter nik).
Informatik (Hardware- und Softwaretech-
1.3 Welches sind die derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stärken und Schwächen
von a) Deutschland und b) der Europäischen
für den Übergang in eine Informations-Gesellschaft?
Gemeinschaft
Läßt sich so nicht beantworten, da ‚Informationsgesellschaft‘ ein zu diffuser und wi-
dersprüchlich
besetzter
Begriff ist.
1.4 Welche Bedeutung haben die neuesten luK-Techniken für die Anwender im besonderen und für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in Deutschland im allgemeinen?
Sehr große strategische Bedeutung. 1.5 Welche Bedeutung hat dabei die Software im allgemeinen und die AnwenderSoftware als Basis für neue Anwendungssysterme im besonderen? Welche Bedeutung haben die Fortschritte der Software-Erstellung aller Art (u.a. auch wissensbasierte Systeme, Fuzzy-Sets, neuronale Netze) auf die Erfolge im Bereich der IuK-Anwendermärkte? Software erhält in vielen Branchen die entscheidende Schlüsselrolle, da hier das Anwendungs-Know-how einfließt. Systemsoftware und Software-Toolis haben strategische Bedeutung, da sie das Umfeld bilden, innerhalb dessen sich die Software238
Produktion vollzieht. Fuzzy-Sets und neuronale Netze dürften mittel- und langfristig
große
Bedeutung
gewinnen.
1.6 Welche Bedeutung haben die luK-Techniken zur Lösung von wichtigen Zukunftsproblemen wie Nahrungsmittelproduktion und -verteilung, umweltfreundliche Energieversorgung, umweltfreundliche Verkehrssysteme u.a.? Sehr
große,
da
man
in allen Gebieten
-weiterleitung angewiesen ist.
auf rasche
Informationsverarbeitung
und
1.7 Welche Bedeutung hat dabei die anzuwendende Software? s. 1.5
1.8 Welche Bedeutung können Hardware und Software für die Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsinhalte für die Anwender haben? Sehr hohe, denn in einer wachsenden
Zahl von Bereichen werden die Rahmenbe-
dingungen und Gestaltungsspielräume für Arbeitsorganisation und Arbeitsinhalte durch Software bestimmt. Leistungsfähige Hardware ist Voraussetzung, um arbeitsgestalterisch vorteilhafte (ergonomische) Software überhaupt einsetzen zu können.
1.9 Braucht die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige, weltweit tätige und wettbewerbsfähige IuK-Industrie? Gibt es alternative bzw. weitere Industrie- und Wirtschaftsbereiche mit strategischer Bedeutung, auf die sich Wirtschaft und Staat konzentrieren sollten, um den wirtschaftlichen und sozialen Stand in der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten und zu verbessern?
Ja, unbedingt. Alle Arten ressourcenschonender Technologien werden ebenfalls strategische Bedeutung erhalten.
1.10 Braucht die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige, weltweit tätige und wettbewerbsfähige
Software-Industrie?
Völlig unverzichtbar — ist unter allen technologischen Wettbewerbsfaktoren wohl einer der bedeutsamsten.
1.11.
Wie groß ist die Abhängigkeit der deutschen IuK-Industrie von ausländischen
Lieferanten
bei
Einzelschritten
der Produktion,
Vorprodukten,
Produkten,
Produktionsgeräten und Zusatzstoffen? In welcher Abhängigkeit steht die übrige deutsche Industrie von ausländischen luK-Produzenten? Welche Entwicklung dieser Abhängigkeiten ist unter den gegebenen wirtschafts- und forschungspolitischen Bedingungen zu erwarten? Die Frage ist zu pauschal gestellt. Im Zuge wachsender technologischer Komplexi-
tät sind wachsende gegenseitige Abhängigkeiten zu erwarten.
239
1.12 Gibt es belegbare Beispiele dafür, daß ausländische Lieferanten und Mitbewerber ihre Marktstellung mißbräuchlich ausgenutzt haben, z.B. durch Lieferbeschränkungen oder -verzögerungen? Nicht bekannt.
1.13
Wie groß ist die Abhängigkeit der deutschen Software-Lieferanten?
Wirtschaft von ausländischen
Sehr groß, bei Betriebssystemen und manchen Standardapplikationen 100 %. 1.14
Wie beurteilen Sie die Dominanz US-amerikanischer Unternehmen auf dem Gebiet der Software und welche Schlußfolgerungen ergeben sich daraus für
europäische Anwender?
Auf welchen
Software-Gebieten
Branchen
existentiell betroffen.
sehen
Sie beson-
ders starke Abhängigkeiten und wo ergeben sich daraus Probleme für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und insbesondere der deutschen Industrie? Mit wachsender Innovationsdynamik entstehen außerordentlich problematische Abhängigkeiten im Bereich der Systemsoftware (Betriebssysteme und SW-Tools). Davon
sind praktisch sämtliche
1.15 Kann die deutsche Industrie in einer arbeitsteiligen Welt- bzw. bei einer Arbeitsteilung im Binnenmarkt Europa — auf die Eigenproduktion von wesentlichen Bestandteilen der IuK-Technologien, z.B. mikroelektronische Bausteine und Produktionsgeräte, verzichten? Allenfalls in Teilbereichen,
etwa bei bestimmten
standardisierten
Massenproduk-
ten.
1.16 Kann die deutsche Industrie auf die Eigenproduktion von Software als Basis für neue Anwendungssysteme in den verschiedenen Anwendungsbereichen von Produktion und Dienstleistungen verzichten? Wie sieht der Software-Entwicklungsmarkt der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu jenem von Großbritannien, der USA, Frankreich und Japan aus? Nein,
unter gar keinen
Umständen.
1.17 Ist derzeit und auf absehbare Zeit der direkte Zugriff Europas auf die neuesten IuK-Techniken und Software-Entwicklungen gewährleistet? Frage ist zu pauschal — teils, teils. 1.18
Welche mittelfristige Konsequenzen hat voraussichtlich die gegenwärtige Finanzmarktsituation in Japan auf dem Weltmarkt für luK-Techniken? Unter welchen
Voraussetzungen
vollzog und vollzieht sich die Kapitalbeschaffung
japanischer Unternehmen und welche Bedeutung hat das für den Weltmarkt der IuK-Techniken? 240
Unbekannt.
1.19
Welche Bedeutung hat die politisch-wirtschaftliche Entwicklung in Osteuropa
für die Entwicklung einer deutschen und europäischen global wettbewerbsfä-
higen Hochtechnologie-Industrie?
Könnte dazu beitragen, daß das Erkennen bestimmter Defizite noch später erfolgt, da für eine gewisse Zeit Produkte in Osteuropa noch absetzbar sein dürften, die gemessen am Weltmarkt nicht wettbewerbsfähig sind. 2.
Verantwortungsbereich Staat
2.1
Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europäischen luK- und Software-Industrie?
Schwächen
und
Handlungsbedarf
von
Wirtschaft
und
auf fast jedem Teilbereich. Siehe auch Antwort 2.2.
2.2 Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europäischen Anwenderindustrie bei der Nutzung der neuesten Entwicklungen der luK-Techniken und der Software)? Prinzipielle Stärke ist das anwendungsspezifische Know-how. Aufgrund von Defizi-
ten im Software-Engineering kann diese jedoch oft nicht recht genutzt werden. Siehe auch Antwort 2.13. 2.3
Inwieweit sind Schwächen
der deutschen luK-Industrie auch das Ergebnis ei-
ner unzureichenden Ausrichtung von Unternehmensstrategie auf die globalen Märkte?
Dies ist ein wesentlicher Grund für den wahrscheinlichen Untergang der europäischen Computerindustrie. 2.4 Haben die deutschen Unternehmen der IuK- und der Anwender-Industrie auf die Herausforderungen durch wettbewerbsstarke ausländische Unternehmen in der Vergangenheit angemessen und rechtzeitig reagiert? Wir beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Ergebnisse von international tätigen Beratungsunternehmen, wonach zwei Drittel der Kostenvorteile japanischer Konkurrenten auf bessere Management-,
rückzuführen sind?
Produktions- und Organisationsmethoden
zu-
Offensichtlich nicht. Produktivitätsvorteile Japans sind nur ein Faktor. In der luKIndustrie ist der Faktor Innovationsfähigkeit noch weitaus bedeutsamer, da hier viele Unternehmen nicht wegen mangelnder Produktivität in Schwierigkeiten geraten, sondern weil sie die falschen Produkte anbieten. 241
2.5 Braucht die deutsche/europäische Fertigungs- und Anwenderindustrie eine eigene Produktionsstätte für Speicherchips in Europa?
Das ist sicherlich wünschenswert, aber allein nicht hinreichend zur Erlangung von Wettbewerbsfähigkeit in der IT. Hier gibt es Bereiche, die noch höher priorisiert werden
sollten.
2.6 Wie bewertet die deutche Anwender-Industrie die Abhängigkeit von a) deutschen/europäischen
ASICs-Produzenten
und
b) außereuropäischen
ASICs-
Produzenten? Welche Möglichkeiten hat die Anwender-Industrie, ihr Systemwissen vor Mißbrauch zu schützen?
2.7 Sollte sich die deutsche Industrie und Forschung stärker auf die Entwicklung und Produktion von anwendungsspezifischen Chips (ASICs) konzentrieren? Ja. 2.8 Auf welche Bereiche der luK-Techniken und auf welche Software-Bereiche sollte die deutsche Industrie ihre Kräfte in Zukunft konzentrieren?
Auf alle Bereiche des Software-Engineering, insbesondere auf zeitgemäße Methoden und Tools; vordringlich sollte der Bereich der Wiederverwendung von Software (ReUSe) durch die Entwicklung von Methoden zur Problemklassifikation und die Entwicklung
von Algorithmen-Libraries
gefördert werden.
Objektorientiertes
Soft-
ware-Engineering, HyperMedia-Systeme und fortgeschrittene Mensch-MaschineInteraktion — insbesondere die Entwicklung von UIMS (User-Interface-Management-System) sind ebenfalls Bereiche von hoher strategischer Bedeutung, auf die man sich konzentrieren sollte. 2.9 Welche unternehmenspolitischen Maßnahmen zur Unterstützung der Stärken und zur Beseitigung der Schwächen in den luK-, Software- und Anwender-Be-
reichen wird die Industrie ergreifen? 2.10
2.11
Welche FuE-Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit werden die deutschen luK-Industrie, insbesondere auch die Software-Hersteller, ergreifen? Wie beurteilen Sie den Erfolg der bisherigen deutschen und europäischen
FuE-Förderprogramme
im Bereich
nik, der Materialforschung usw.?
der luK-Techniken,
der Fertigungstech-
Im Bereich der luK-Techniken ist die Erfolglosigkeit offensichtlich. Sie ist unter anderem auch Resultat einer einseitig hardware-technikzentrierten und auf Großprojekte fixierten Förderpolitik. 2.12 242
Welche Ziele und welche Prioritäten sollten zukünftige deutsche FuE-Förder-
programme
für den Bereich der luK-Techniken setzen?
Die schwerwiegendsten Defizite sind im Bereich der Software zu verzeichnen. Diese wiederum sind Ausdruck von Qualifikationsdefiziten. Deshalb sind insbesondere strukturelle Maßnahmen im Bereich der Forschung und Lehre (Ausbildung) zu fördern, bzw. zu forcieren. 2.13
Ist eine staatliche Förderung der heimischen Software-Produzenten wirtschafts- und forschungspolitisch geboten? In welchen strategischen Bereichen sollten solche Fördermaßnahmen ggf. ansetzen und wie sollten Sie aus-
sehen?
Vor allem sollte die Entwicklung von Applikationen gefördert werden,
da hier der
bei uns vorhandene reichthaltige Fundus an Erfahrungswissen auf den unterschiedlichsten Gebieten als hervorragende Basis für Wettbewerbsvorteile genutzt werden 2.14
kann.
Auf welche Bereiche der luK-Techniken und auf welche Software-Bereiche sollten sich die staatlichen Fördermaßnahmen konzentrieren?
s. 2.8. 2.15
Welche Maßnahmen zur Unterstützung der Industrie werden a) von der deut-
schen Regierung und b) von der EG-Kommission erwartet? Sind Alternativen zur Projektförderung sinnvoll und wünschenswert (z.B. steuerliche Förderung)?
Die auf als den
Erfolge technologisch führender Unternehmen bzw. Nationen beruhen weniger anderen ökonomischen Rahmenbedingungen (wie z.B. steuerliche Förderung) vielmehr auf Maßnahmen zur Förderung der Innovationsfähigkeit im umfassenSinn.
2.16
Unter welchen Voraussetzungen kann die kommunikationstechnische Industrie in der Bundesrepublik Deutschland noch international wettbewerbsfähig
und leistungsstark bleiben?
Beseitigung der strukturellen Mängel im Bereich der Aus- und Weiterbildung, Etablierung zeitgemäßer Managementkonzepte (innovationsförderliche Führungsstile und qualifizierende Arbeitsgestaltung) Entwicklung und Produktion mit der Perspektive Weltmarkt, statt Beschränkung auf heimische Regionen. 2.17 Ist langfristig zu befürchten, daß es im Bereich der Telekommunikation auf Dauer höchstens 5 bis 6 nennenswerte Wettbewerber weltweit geben wird? Wie stellt sich die deutsche Industrie hierauf ein? Die Wahrscheinlichkeit 2.18
ist hoch.
Welche Strategie müßte verfolgt werden, um auf den europäischen und auBereuropäischen Märkten einheitliche Wettbewerbsbedingungen im Bereich der Telekommunikation herzustellen?
243
2.19
Welche wirtschafts-, forschungs- und technologiepolitischen Maßnahmen von Wirtschaft und Staat sind erforderlich, um insbesondere den KMU im Anwenderbereich (z.B. Maschinenbau) die neuesten luK-Techniken und Software-Entwicklungen frühzeitig zugänglich zu machen?
Initiierung von Branchendialogen im vorwettbewerblichen Bereich. Staatliche Institutionen in der Moderatorenrolle und als Diskursplattform. Förderung der Benutzer-Entwickler-Kommunikation.
Maßnahmen
in Aus- und Weiterbildung zur Förde-
rung der Innovationsfähigkeit im umfassenden Sinn (Sozialkompetenz, Methodenkompetenz,
2.20
neue
Führungsstile,
neue
Formen
der Arbeitsorganisation
usw.).
In welchen Bereichen sollte der Staat mit Fördermaßnahmen die Entwicklung
geeigneter arbeits- und betriebsorganisatorischer Produktions- und Dienstiei-
stungskonzepte unterstützen, um eine zweckmäßige Nutzung der Hochtechnologieprodukte zu erreichen?
Solange hier eine brauchbare, praxisnahe Forschung zur Bewertung von Arbeitskonzepten
2.21
fehlt, lassen sich derartige
nicht seriös beantworten.
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der EG- und GATT-Vereinbarungen für
die staatlichen Fördermöglichkeiten?
Zentralisierung zieht zusätzlichen schwert sinnvolle Förderung. 2.22
Fragen
bürokratischen
Aufwand
nach
sich
und
er-
Welche Industriebereiche der deutschen bzw. europäischen Industrie sind in
Zukunft durch Marktstrategien fernöstlicher Konzerne besonders gefährdet?
Praktisch alle Bereiche, die sich durch hohe Innovationsdynamik auszeichnen. 2.23
Mit welchen besonderen wirtschafts- und forschungspolitischen Maßnahmen
soll die Bundesregierung bzw. die EG-Kommission diesen Strategien begegnen?
s. 2.19. 2.24
Sind besondere wirtschaftspolitische Maßnahmen
im Bereich der Hochtech-
nologien angebracht oder gar unvermeidlich, um eine heimische Hochtechnologie-Industrie zu entwickeln
dingungen,
schen
und zu erhalten? Bestehen
die den IuK-Bereich als Ausnahmebereich
Leitbilds begründen?
strukturelle Be-
des ordnungspoliti-
s. 2.19. Besondere protektionistische Maßnahmen wären verhängnisvoll. In manchen Bereichen und in bestimmten Situationen können Subventionen die Entwick-
lung von Wettbewerbsfähigkeit eher behindern als fördern.
2.25
244
Wie kann der Stadt die heimischen Hochtechnologie-Industrien vor abgesprochenen und gezielten Marktangriffen (z.B. target pricing) ausländischer
Unternehmen schützen, gleichwertige Wettbewerbsbedingungen weltweit anstreben und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie steigern? Durch
innovationsförderliche Maßnahmen,
durch Schutzstrategien.
2.26 Sollte eine gemeinsame
d.h. durch bessere Produkte und nicht
Meinungsbildung
von Staat,
Wirtschaft,
schaft und gesellschaftlichen Gruppen zu den zu erwartenden
Wissen-
technischen
und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland organisiert oder institutionalisiert werden? Ja, unbedingt. Das Fehlen eines solchen Diskurses, in den alle gesellschaftlich relevanten Gruppen einbezogen sein müssen, ist ein wesentliches Handicap im Hin-
blick auf die Entwicklung von dauerhafter Wettbewerbsfähigkeit. Dabei sollte der Staat Moderatorenfunktion wahrnehmen und den Diskurs vor allem unter den tatsächlichen Trägern von Innovationen fördern und nicht nur unter den Repräsentanten. 2.27
Was muß unternommen werden, damit in Deutschland technologische Zukunftsthemen besser identifiziert und im Rahmen gemeinsamer Anstrengungen realisiert werden können?
s. 2.26. Organisation eines gesellschaftlichen Diskurses. Ein bestimmter Prozentsatz des Etats sollte sog. freier Forschung für Alternativen vorbehalten bleiben. 2.28
Welche staatlichen Anstrengungen zur verstärkten Beobachtung der japanischen Zukunftsvorstellungen sowie der technischen Entwicklungen und Erfindungen in Japan sind notwendig (z.B. Ausbildung in japanischer Sprache,
Übersetzungen, Datenbanken)?
Verstärkter Austausch 2.29
der Innovationsträger.
In welchen Bereichen sollte der Staat vorrangig eine innovative Infrastrukturpolitik betreiben? Welche Infrastrukturen und welche institutionellen Bedingungen für den Transfer von Wissen und Know-how benötigen wir für die kommenden Jahrzehnte?
Dezentrale Infrastrukturen, in denen sich die endogenen Potentiale einer Region, Branche besser entfalten können. 2.30
Weiche Bildungs- und Ausbildungssysteme sowie Weiterbildungssysterne benötigt eine Informations-Gesellschaft? Wie können die Grundlagen für die dabei
notwendigen
werden?
qualifikationsfördernden
Arbeitsbedingungen
gefördert
245
Flexiblere Systeme, die mit einem geringeren Time-Lag auf innovative Entwicklungen reagieren bzw. diese antizipieren. D.h. mehr Leistungsorientierung und weni-
ger verbeamtete
2.31
Bürokratie.
Welche Bedeutung haben Normenvereinbarungen für die Wettbewerbsfähigkeit der IuK-Industrie? Welchen Einfluß soll der Staat auf die Normsetzung nehmen?
In immer
mehr
Bereichen werden
Normen
und Standards durch
Fakten geschaf-
fen. Staatliche Normbildung hinkt meist um Jahre hinter der realen Entwicklung hinterher.
2.32
Welchen Stellenwert hat im Rahmen der EG die Schaffung neuer Standards
zur Verbesserung der Wettbewerbschancen der europäischen elektrotechni-
schen und elektronischen Industrie?
Zweifelhaft,
2.33
da hier meist nationale Egoismen
die dominierende
Rolle spielen.
Welche Bedeutung haben die Normenvereinbarungen für die Arbeitsbedingungen nach der europäischen Harmonisierung und welche Bedeutung wird den Arbeitsbedingungen einschließlich der Arbeitsorganisation und Qualifikation für die Innovationsfähigkeit der einheimischen traditionellen und Hochtechnologie-Industrie zugemessen?
Teil 1: Die Frage
ist so pauschal
nicht eindeutig zu beantworten.
Teil 2: Arbeitsorganisation und Qualifikation sind die wesentlichen Schlüsselelemente für die Innovationsfähigkeit. 2.34
Welche Defizite und Hindernisse der industriellen Kooperation zwischen Herstellern und Anwendern sehen Sie gegenwärtig? Welche Verbesserungs-
möglichkeiten gibt es für eine solche Kooperation und wo sollten sie staatlich gefördert werden? Die Kooperation Finalproduzent und Zulieferer fehlt in vielen Bereichen fast völlig.
Deshalb bleiben viele Innovationen in frühem Stadium stecken. 2.35
Welche Kooperationen bzw. strategische Allianzen mit europäischen und auBereuropäischen Mitbewerbern in den Bereichen Mikroelektronik, Kommunikationstechnik und Software-Entwicklung gibt es oder werden von der deut-
schen Industrie angestrebt?
246
Dr. MICHAEL ENDRES Vorstand der Deutsche Bank AG
Beantwortete 1.1
1.3
Fragen
Was bezeichnen
Sie als „Hochtechnologien‘' und in welchen strategischen
Hochtechnologie-Bereichen ist a) die deutsche und b) die europäische Industrie heute und voraussichtlich in nächster Zukunft wettbewerbsfähig? Welches sind die derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stärken
und Schwächen
von a) Deutschland und b) der Europäischen Gemeinschaft
für den Übergang in eine Informationsgesellschaft? 1.4
Welche Bedeutung haben die neuesten luK-Techniken für die Anwender im besonderen und für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in Deutschland im allgemeinen?
1.6
Welche Bedeutung haben die luK-Techniken zur Lösung von wichtigen Zukunftsproblemen wie Nahrungsmittelproduktion und -verteilung, umwelt-
freundliche Energieversorgung,
1.9
umweltfreundliche Verkehrssysteme u.a.?
Braucht die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige, weltweit tätige und wettbewerbsfähige luK-Industrie? Gibt es alternative bzw. weitere Industrie- und Wirtschaftsbereiche mit strategischer Bedeutung, auf die sich
Wirtschaft und Staat konzentrieren sollten, um den wirtschaftlichen und so-
zialen Stand in der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten und zu verbessern? Braucht die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige,
und wettbewerbsfähige Software-Industrie?
weltweit tätige
Wie groß ist die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von ausländischen Software-Lieferanten? Wie sieht der Software-Entwicklungsmarkt der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu jenem von Großbritannien, der USA, Frankreich und Japan aus? Welche mittelfristigen Konsequenzen hat voraussichtlich die gegenwärtige Finanzmarktsituation in Japan auf den Weltmarkt für IuK-Techniken? Unter
welchen Voraussetzungen vollzog und vollzieht sich die Kapitalbeschaffung japanischer Unternehmen und welche Bedeutung hat dies für den Weltmarkt der luK-Techniken? 1.19
Welche Bedeutung hat die politisch-wirtschaftliche Entwicklung in Osteuropa für die Entwicklung einer deutschen und europäischen global wettbewerbsfähigen Hochtechnologie-Industrie? 247
2.1 Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europäischen luK- und Software-Industrie? 2.2 Welches sind die Stärken und Schwächen
a) der deutschen und b) der europä-
ischen Anwenderindustrie bei der Nutzung der neuesten luK-Techniken und der Software?
2.3
Inwieweit sind die Schwächen
der deutschen
Entwicklungen der
luK-Industrie auch das Ergebnis
einer unzureichenden Ausrichtung von Unternehmensstrategien auf die globalen Märkte?
2.5 Braucht die deutsche/europäische Fertigungs- und Anwenderindustrie eine eigene
Produktionsstätte für Speicherchips
in Europa?
2.12
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der EG- und GATT-Vereinbarungen für die staatlichen Fördermöglichkeiten?
2.13
Ist eine staatliche Förderung der heimischen Software-Produzenten wirtschafts- und forschungspolitisch geboten? In welchen strategischen Bereichen sollten solche Förderungsmaßnahmen ggf. ansetzen und wie sollten Sie aussehen?
2.15
Welche Maßnahmen
2.16
Unter welchen Voraussetzungen kann die kommunikationstechnische Industrie in der Bundesrepublik Deutschland noch international wettbewerbsfähig und leistungsstark bleiben?
2.22
Welche Industriebereiche der deutschen bzw. europäischen
2.23
Mit welchen besonderen wirtschafts- und forschungspolitischen Maßnahmen soll die Bundesregierung bzw. die EG-Kommission diesen Strategien begeg-
2.24
Sind besondere wirtschaftspolitische Maßnahmen im Bereich der Hochtechnologien angebracht oder gar unvermeidlich, um eine heimische Hochtech-
zur Unterstützung der Industrie werden a) von der deut-
schen Regierung und b) von der EG-Kommission erwartet? Sind Alternativen zur Projektförderung sinnvoll und wünschenswert (z.B. steuerliche Förderung)?
Industrie sind in
Zukunft durch Marktstrategien fernöstlicher Konzerne besonders gefährdet?
nen?
nologie-Industrie zu entwickeln und zu erhalten? Bestehen strukturelle Bedingungen, die den luK-Bereich als Ausnahmebereich des ordnungspolitischen Leitbilds begründen? 2.25
2.26
248
Wie kann der Staat die heimischen Hochtechnologie-Industrien vor abgesprochenen und gezielten Marktangriffen (z.B. target pricing) ausländischer Unternehmen schützen, gleichwertige Wettbewerbsbedingungen weltweit anstreben und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie steigern? Sollte eine gemeinsame
Meinungsbildung
schaft und gesellschaftlichen Gruppen
von
Staat,
Wirtschaft,
zu den zu erwartenden
Wissen-
technischen
und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland or-
ganisiert oder institutionalisiert werden? 2.27
Was gen
2.32
muß
unternommen
werden,
damit
in Deutschland
realisiert werden
Der
Zu-
können?
Welchen Stellenwert hat im Rahmen der EG die Schaffung neuer Standards zur Verbesserung der Wettbewerbschancen
der europäischen elektrotechni-
schen und elektronischen Industrie? 1.1
technologische
kunftsthemen besser identifiziert und im Rahmen gemeinsamer Anstrengun-
Was
bezeichnen
Sie als „Hochtechnologien‘
und in welchen
strategischen
Hochtechnologie-Bereichen ist a) die deutsche und b) die europäische Industrie heute und voraussichtlich in nächster Zukunft wettbewerbsfähig? Begriff
„Hochtechnologie‘“
ist in unmittelbarem
Zusammenhang
mit dem
Know-how- und dem ‚„Human-Capital“-Gehalt im Bereich der Produkt- und Verfah-
renstechnik zu sehen. Als zuverlässiger Indikator kann im allgemeinen der Umfang der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit betrachtet werden, der notwendig ist, um
Produkte marktfähig zu machen
—
Zunächst die breitere Gruppe der ‚höherwertigen‘ Technologien (HT), bei denen der Anteil des FuE-Aufwandes am Umsatz mindestens 3,5 % vom Umsatz
fungen sind sinnvoll:
und produzieren zu können.
Folgende Abstu-
beträgt, sowie
—
die Gruppe
der eigentlichen Hochtechnologien
(ST), bei denen
der FuE-Anteil
am
Umsatz
bzw.
„Spitzentechnologien‘
mehr als 8,5 %
beträgt.
Die deutsche Industrie kann eine besonders hohe Wettbewerbsstärke in folgenden Hochtechnologiebereichen reklamieren:
— —
Forschungsintensive Fein- und Mikromechanik (HT); Spezialmaschinenbau (inkl. Systemlösungen), Robotik (HT);
—
Fernmelde-, Meß- und Regeltechnik (ST);
—
—
— —
Fahrzeugbau Luft- und
(obere Marktsegmente)
Raumfahrt,
(HT);
Satellitentechnik (ST);
Chemische und pharmazeutische Produkte (,High-Chem‘‘) (ST); Verschiedene Bereiche der Lasertechnologie (ST).
Als wettbewerbsstarker Bereich, der weniger einer bestimmten als vielmehr einer ganzen Reihe z.T. recht unterschiedlicher Branchen zuzuordnen ist, läßt sich die
Umweelttechnologie identifizieren. Dies ist auch Folge besonders strenger umwelt-
politischer Auflagen in Deutschland, die bereits sehr früh FuE-Aktivitäten angeregt haben.
Europaweit kann die Luft- und Raumfahrttechnik als wettbewerbsstark bezeichnet werden. — In der Kommunikations- und Informationstechnologie als zukunftsbestimmendem Bereich haben die verschiedenen EG-Förderprogramme den beste-
249
henden Wettbewerbsvorsprung Japans und der USA noch nicht beseitigt. Gleichwohl kann für einzelne Bereiche seit einiger Zeit eine starke Wettbewerbsposition konstatiert werden,
so u.a. für:
— Computerintegrierte Fertigungsverfahren; —
Elektronische
Bildverarbeitung;
—
Telekommunikationstechnik
— Telekommunikationsinfrastruktur (insgesamt relativ fortgeschrittener Stand der Glasfaservernetzung und Satellitenversorgung); (leistungsfähige
lungs- und Übertragungstechnik)
1.2.In welchem Defizite?
Herstellerindustrie
für
Vermitt-
Hochtechnologie-Bereich sehen Sie deutsche und europäische
Die gegenwärtig noch starke Wettbewerbsposition der deutschen Industrie in einzelnen Hochtechnologiebereichen wird durch verschiedene Einflußfaktoren beeinträchtigt. Die Intensivierung des Preiswettbewerbes und der Markteintritt von Schwellenländern sowie die zunehmende Ausstrahlung der Mikroelektronik durch weiterentwickelte
Produktions-
nik, die Meß-
Regeltechnik
und
Fertigungstechnologien
beeinflussen
in stei-
gendem Maße die Leistungsfähigkeit und Ertragsfähigkeit ‚‚traditioneller‘‘ Sektoren. Insbesondere der Maschinen- und Straßenfahrzeugbau sowie die Feinmechaund
diesen Auswirkungen.
und auch
die chemischen
Industrien
unterliegen
Zwar zeigt die Patentstatistik, daß in Europa nach wie vor insgesamt mehr marktrelevante Erfindungen als in der amerikanischen und japanischen Forschung gemacht werden; allerdings gilt dies nicht bei den stark elektronikorientierten Technikfeldern, in denen beide Volkswirtschaften eine Vormachtstellung besitzen. Die Patentstatistik deutet darauf hin, daß sich die deutschen und europäischen For-
schungsaktivitäten nur zögernd auf die Felder der innovativen Technologien umleiten ließen. Als Folge dieser Entwicklung sind die deutschen bzw. europäischen Anbieter nur noch in eingeschränktem Maße in den Hochtechnologien des luK-Sektors (Computertechnik, Softwareproduktion sowie der Mikroelektronik) vertreten. Weitere Indikatoren für die Defizite der deutschen und europäischen
luK-Industrie
werden in ihrem geringen Anteil an der Produktion von Computern und Halbleiterbauteilen sichtbar. 1.3 Welches sind die derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stärken und Schwächen von a) Deutschland und b) der Europäischen Gemeinschaft für den Übergang in eine Informationsgesellschaft? a) Deutschland
Als wirtschaftliche Stärke in bezug auf den Übergang in eine Informationsgesellschaft ist die bereits fortgeschrittene Digitalisierung des Fernmeldenetzes und der Vermittlungszentralen anzusehen. Ebenso ist die Bundesrepublik im Vergleich zu anderen Ländern bereits relativ weit bei der flächendeckenden Glasfaser-Breit250
bandvernetzung fortgeschritten. Ostdeutschland wird mit der Installation des dorti-
gen Glasfasernetzes
einen
‚Quantensprung‘
bei der Fernmeldetechnik
erleben.
Die entsprechenden Schritte werden zwar mit einer recht aufwendigen und damit
auch teuren Technik vorgenommen,
der Vorteil der technischen Leistungsfähigkeit
(Vielzahl von digitalen Paralleldiensten aus einem Netz) stellt aber eine Vorleistung für die sukzessive Entwicklung und Verbreitung der unterschiedlichen ‚Value-added‘‘-Telekomdienste dar. Die Einführung konkurrierender Mobilfunknetze hat einen deutlichen Preisdruck in diesem Segment ausgelöst, was die Verbreitung die-
ser Technik nur beschleunigt. Als wirtschaftliche Schwäche
ist hier zu sehen,
daß durch das Fehlen effektiven
Wettbewerbs im Vermittlungs- und Endgerätemarkt die Innovationsaktivität und die
Experimentierfreude im Telekom-Markt in nicht unerheblichem Maße behindert wurde. Dabei lassen liberalisierte Telekom-Märkte erwarten, daß eine hohe Wettbewerbsintensität im Geräte- und Zubehörmarkt selbst, aber auch unter den anwendenden Branchen herbeigeführt bzw. erhalten wird. Dies wirkt grundsätzlich wachstumsfördernd.
Darüber hinaus sind deutsche Anbieter nur unzureichend auf den Konturen gewinnenden Markt der Mehrwertdienste (Electronic Mail, EDI, Intelligente Netze) vorbereitet. Weder werden in genügendem Umfang Dienste angeboten, noch stammen
die Softwarekomponenten,
mit denen diese Dienste realisiert werden könnten, aus
deutschen oder europäischen Softwarehäusern. Es ist zu erwarten, daß beide Marktsegmente, die Produkte und die Dienste, überwiegend durch amerikanische Anbieter (Softwarehäuser und Telekommunikationsunternehmen) abgedeckt werden. Deutschland ist geprägt von einer insgesamt sehr kritischen gesellschaftlichen Ein-
stellung gegenüber der umfassenden Einführung ‚neuer Medien‘. Vorbehalte, wie der äußerst hohe Standard beim Datenschutz, die Hinweise auf potentielle Gefahrenquellen (,‚Strahlung‘' aus Mobilfunk-Richtantennen) sowie eine häufig nicht nä-
her begründete „Abneigung‘‘ gegenüber dem technologischen Fortschritt behindern nicht nur die zügige Einführung der modernen Kommunikationstechnologien, sondern verteuern sie auch relativ zum Ausland. Damit sind Weitbewerbsnachteile gegenüber den Ländern zu tragen, die den neuen Medien aufgeschlossener gegenüberstehen.
b) Europäische Gemeinschaft Innerhalb der EG stellt die Vielzahl der nationalen Normen und Gebrauchsvorschriften ein Hemmnis bei der grenzüberschreitenden Vernetzung der Kommunikations- und Informationstechnologien dar. Standardisierungen sind aber als Voraussetzung für den sinnvollen und umfassenden Einsatz dieser Technologien zu betrachten. Nationale Eigenwege bei der Normung im Sinne ‚‚nicht tarifärer‘“ Handelshemmnisse zum Schutz nationaler Anbieter haben im Gemeinsamen Binnenmarkt keinen Platz mehr. Ähnliches gilt in bezug auf die staatliche Auftragsver251
gabe, die beispielsweise für spezielle Großrechner und Vermittlungseinrichtungen
konzerneigene und geschützte Märkte haben entstehen lassen. Alles in allem bleibt zu hoffen, daß der Gemeinsame Binnenmarkt die Zersplitterung Europas in einzelne nationale Märkte schnell überwindet. 1.4 Welche Bedeutung haben die neuesten luK-Techniken für die Anwender im besonderen und für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in Deutschland im allgemeinen?
Die konsequente Nutzung der neuesten luK-Techniken ist ein wichtiger und in sei-
ner Bedeutung noch zunehmender Standortfaktor. Dies in dreierlei Hinsicht: Zum einen sichert eine starke Stellung bei den luK-Techniken der deutschen Industrie die Teilnahme an einem Wachstumsmarkt.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Anwen-
der und Nutzer hängt zum anderen von der möglichst frühzeitigen Verfügbarkeit und Nutzung modernster luK-Technologien ab. Im internationalen Standortwettbe-
werb schließlich spielt die Kommunikationsinfrastruktur schon
ragende
Rolle;
schaftlichen
die
Kommunikationsstränge
Bedeutung
als die „Autobahnen
gelten
heute eine heraus-
hinsichtlich
der Zukunft‘.
ihrer volkswirt-
Der luK-Sektor ist eine sichere Wachstumsbranche. Anfang der 90er Jahre beschäftigte die informationstechnische Industrie in Deutschland mehr als 500.000 Arbeitnehmer und setzte gut 80 Mrd. DM um. Bis zum Jahr 2000 — so schätzt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung — werden zwei Drittel aller Arbeits-
plätze von der Nutzung neuer informationstechnischer Arbeitsmittel beeinflußt sein. Der luK-Sektor dürfte bis zu diesem Zeitpunkt zur wichtigsten Industriebranche avancieren (vergleichbar mit der Automobilindustrie heute). Angesichts deutlich beschleunigter Innovations- und Produktionszyklen wird es für einzelne Unternehmen bzw. Länder immer schwieriger, technologische Führungspositionen längerfristig zu verteidigen. Größte Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Existenz einer starken Anwenderindustrie zu. Für die IuK-Anwenderindustrien (von der Software-Industrie über die Unterhaltungselektronik bis zur Automatisierungstechnik) ist die Verfügbarkeit modernster luK-Technik
eine conditio sine qua non der Wettbewerbsfähigkeit.
Neben
günsti-
gen Rahmenbedingungen für die heimische luK-Industrie kommt es deshalb primär auf offene Märkte an. Bilaterale Abkommen im Halbleitermarkt (USA-Japan), die den
heimischen
Anbietern
eine Atempause
verschaffen
sollten, sind als ein
warnendes Beispiel für die negativen Auswirkungen von Selbstbeschränkungsabkommen zu sehen.
Für die heimische Wirtschaft und potentielle Investoren aus dem Ausland zählt deshalb die Kommunikationsinfrastruktur eines Landes zu den wichtigsten Stand-
ortfaktoren. Dazu gehören modernste Netze (Stichworte: Glasfaser, Breitband, Satelliten), eine Vielzahl kreativer Mehrwertdienste — und das alles zu Wettbewerbsund nicht Monopolpreisen.
252
1.6 Welche Bedeutung haben die luK-Techniken zur Lösung von wichtigen Zukunftsproblemen
wie
Nahrungsmittelproduktion
freundliche Energieversorgung,
und
-verteilung,
umwelt-
umweltfreundliche Verkehrssysteme u.a.?
Für eine rationelle Energieversorgung ist die moderne Steuer-, Meß- und Regeltechnik heutzutage unverzichtbar. Nur bei stärkerer Verbreitung dieser Technologie sind weitere fühlbare Ersparnisse im Energieverbrauch möglich. Einsatzmöglichkeiten bestehen sowohl beim Verbrauch von Prozeßenergie in den Unterneh-
men als auch von Heizenergie in den privaten Haushalten. Die stärkere Durchdrin-
gung
der Heizungs-,
Lüftungs-
und
Klimatechnik
mit Mikroelektronik dürfte dazu
beitragen, weitere Erfolge im Sinne einer sparsameren Verwendung von Energie
zu erzielen. Ferner können kraftstoffsparsame Motoren mit elektronischer Einsprit-
zung oder auch spezielle Methoden zur Abgasentgiftung (wie die Lambda-Sonde) einen Beitrag zur umweltfreundlichen Energieverwendung leisten. Durch den Gemeinsamen
Binnenmarkt und die Öffnung der Volkswirtschaften in
Osteuropa ist mit einer starken Expansion des Personen- und Güterverkehrs in Europa und vor allem in Deutschland zu rechnen. Eine wichtige Maßnahme, die dazu beitragen kann, den drohenden Verkehrsinfarkt zu vermeiden, ist die intelligente
Nutzung der bestehenden Verkehrsinfrastruktur durch Anwendung moderner Elektronik. Dazu zählen computergesteuerte Signalsysteme für die Bahn ebenso wie Verkehrsleitsysteme für den Straßenverkehr, die den Autofahrer über Bordcompu-
ter mit Informationen über das Verkehrsgeschehen informieren. Die Palette reicht hier von Warnhinweisen über Navigationshilfen zur Stauvermeidung bis hin zu automatischem Eingreifen in das Fahrverhalten bei kritischen Situationen. Elektronisch erhobene Straßenbenutzungsgebühren (Road Pricing), die örtlich (in der City) und zeitlich (nur in der Rush-hour) flexibel eingesetzt werden können, um die Verkehrsströme zu steuern, gehören ebenfalls hierzu. Im Bereich des Straßengüterfernverkehrs können überdies satellitengesteuerte Logistiksysteme den hohen Leerfahrtenanteil der Lkw reduzieren oder auf kombinierte
Schiene-Straße-Syste-
me umleiten und somit die Umweltbelastung durch den Verkehr verringern. Logistiksysteme für den Schienenverkehr lassen nach vorliegenden Schätzungen eine Kapazitätssteigerung von bis zu 20 % durch Verbesserung der Signaltechnik erwarten. Mit Hilfe elektronischer Verkehrsinformations-,- kontroll- und -leitsysteme kann der Verkehrsfluß entscheidend verbessert werden. Höhere Verkehrssicherheit, weni-
ger Luftverschmutzung, Lärmbelästigung und Energieverbrauch sowie ein verminderter Landschaftsverbrauch
ge) wären die Folge.
(gegenüber der Alternative Ausbau
der Verkehrswe-
Die stärkere Verbreitung von Telearbeit, die eine Vernetzung der Arbeitsstätten mit den Wohnungen der Arbeitnehmer erfordert, würde dazu beitragen, die täglichen Pendlerströme in den Städten zu reduzieren. In welcher Dimension das gelingen wird, ist jedoch
heute
nicht absehbar.
253
Die Umweltbelastung kann nicht nur über rationelle Energie- und Verkehrssysteme, sondern auch durch den direkten Einsatz moderner Informationstechnik im Rahmen des Umweltschutzes verringert werden. Hierbei ist besonders an die Verwendung von moderner Informationstechnik für Überwachungssysteme zu denken. Der hohe Datenanfall bei der Beurteilung regionaler Umweltrisiken ist ohne Hilfe von seiten der modernen Elektronik nicht zu bewältigen. Eine
stärkere
Verbreitung
der
Informations-
und
Kommunikationstechnik
im
Handel- und Dienstleistungsbereich für den schnellen Informationsaustausch mit Kunden und Lieferanten wäre ebenfalls ein aussichtsreiches Einsatzfeld für diese
Technologien. Grundsätzlich lassen sich in diesen Wirtschaftszweigen durch Ausweitung
der Selbstbedienung
große
Rationalisierungserfolge erzielen.
1.9 Braucht die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige, weltweit tätige und wettbewerbsfähige luK-Industrie? Gibt es alternative bzw. weitere Industrie- und Wirtschaftsbereiche mit strategischer Bedeutung, auf die sich Wirtschaft und Staat konzentrieren sollten, um den wirtschaftlichen und sozialen Stand in der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten und zu verbessern?
Die
Bundesrepublik
Deutschland
braucht
die neuesten
IuK-Technologien,
wenn
sie im internationalen Wettbewerb nicht zurückfallen will. Für die Wissenschaft heißt das, daß sie mit den neuesten technologischen Entwicklungen (z.B. in der Submikrotechnologie) vertraut sein muß; für die Wirtschaft heißt das, daß sie weltweit Zugriff auf die neuesten Produkte und Produktionsverfahren der IuK-Industrie hat. Für diese Zwecke ist eine eigene deutsche luK-Industrie, wenn schon nicht zwingend notwendig, so doch in hohem Maße wünschenswert. Insbesondere für IuK-Querschnittstechnologien gilt, daß sie wegen ihres breiten Einflusses auf die Entwicklung anderer Industriezweige durch eine wettbewerbsfähige Industrie getragen werden muß. Der Verlust der Kenntnisse zur Beherrschung derartiger Technologien wird mit hoher Wahrscheinlichkeit den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit in den beeinflußten Gebieten nach sich ziehen. Beispielsweise bedeutet die Unfähigkeit zur Produktion hochintegrierter Halbleiterbausteine auch, daß der Weg in neuartige Halbleitertechnologien wie anwendungsspezifische hochintegrierte Chips, und damit in eine wichtige Wachstumsindustrie, verbaut
wird oder mühsam
neu zu erschließen wäre.
Dabei bestehen jedoch einige Einschränkungen: Angesichts enormer Entwicklungskosten (Beispiele: Speicherchips, Mikroprozessoren, optische Speicherme-
dien, digitale Telefonvermittlung) sind nationale Unternehmen
und
Industrien im-
mer stärker überfordert; grenzüberschreitende Kooperationen bieten sich als Ausweg an. Das Tempo des technischen Fortschritts sorgt zudem dafür, daß Markterfolge von heute sehr schnell erodieren; die Erfolgsaussichten nationaler luKStrategien dürften daher begrenzt sein. Eine eigenständige deutsche IuK-Industrie sollte das Ergebnis kluger Forschungs-, Wettbewerbs- und Standortpolitik sein und nicht gegen den Markt (d.h. durch Subvention und Protektion) etabliert werden. 254
Diese Industrie sollte a priori auf den globalen statt einem nationalen Markt aus-
gerichtet sein.
Neben
der luK-Industrie gibt es zweifellos eine Reihe anderer Technologien mit
großer Zukunftsbedeutung: z.B. die Lasertechnik, die Optoelektronik, die Biotechnologie, neue Werkstoffe oder die Mikrosystemtechnik und am ferneren Horizont,
vielleicht die Wasserstofftechnologie, Supraleitung und die Brennstoffzelle. Allerdings ist fraglich, ob diese Technologien
eine ähnlich breite Querschnittsfunktion
besitzen werden, wie dies bei einigen luK-Technologien offensichtlich der Fall ist. 1.10 Braucht die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige, weltweit tätige und wettbewerbsfähige Software-Industrie? Kompetenz
-Anwendung
und
Wettbewerbsfähigkeit
sind notwendig,
im Bereich
der Software-Entwicklung
um wirtschaftlichen Nutzen
Entwicklung bei computerisierten
und
aus der dynamischen
Informationstechnologien ziehen zu können.
In-
sofern braucht auch die Bundesrepublik eine leistungsfähige Software-Industrie.
Die Defizite der deutschen Software-Industrie werden als Größenproblem (Eigen-
kapitalausstattung, Mitarbeiterzahlen) und als Leistungsproblem (fast keine deutsche Standard-Software auf dem Weltmarkt, zu wenig große Software-Projekte,
vergleichweise wenig Dienstleistungsunternehmen, die ‚„Outsourcing‘' anbieten) sichtbar. Zweifellos wird die Bedeutung der Software für zukünftige Produkte und damit in ihrem Anteil am Umsatz der IuK-Industrie weiter wachsen. Für eine Teilnahme an diesem Markt ist eine eigenständige Software-Industrie wünschenswert. Dies umso mehr, als moderne Software-Produktionsverfahren als „enabling technology‘‘ für zukünftige Produkte zu sehen sind.
Im Mittelpunkt sollten dabei jedoch die Interessen der Anwender stehen: Es geht
nicht darum, eine Software-Industrie ‚for its own sake‘' zu fördern, sondern darum, eine praxisnahe Rückkopplung mit den Bedürfnissen und Problemstellungen der Anwenderindustrien herzustellen.
Standardisierung spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Standardisierungen bewirken hier, daß bereits fertige Systeme ‚‚offen‘‘ bleiben für Erweiterungen und nicht nach relativ kurzer Zeit „‚obsolet‘' werden. Um den produktivitätssteigernden Effekt des Einsatzes komplexer Hardware-Software-Systeme im Industrie- und Dienstleistungssektor längerfristig sicherzustellen, sollten alle etwaigen staatlichen Einflußnahmen darauf ausgerichtet sein, — die Wiederverwendbarkeit von Software durch entsprechend ausgerichtete Forschungsprojekte zu fördern, und weiterhin — die pränormative Arbeit an neuen Softwaresystemen und ihren Anwendungsschnittstellen zu unterstützen.
Dabei bleibt es wichtig, daß die Anregungen hierzu von der Industrie selbst stam-
men und entsprechende Schritte nicht als ‚‚administrativer‘' Akt vom Staat verfügt
werden.
255
1.13
Wie groß ist die Abhängigkeit der deutschen Software-Lieferanten?
Wirtschaft von ausländischen
Generell: Der Begriff „Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft‘ ist interpretationsbedürftig. ‚„Abhängigkeit‘‘ suggeriert die Gefahr einer existenziellen Notlage, vergleichbar einer ‚„‚Ölkrise‘‘, bei der die deutsche Wirtschaft der Willkür fremder Mächte
ausgeliefert ist. Diese Assoziation
ist jedoch
nicht zutreffend,
denn:
1. resultiert die starke Position der internationalen Software-Anbieter — im Vergleich zu ihren deutschen Konkurrenten — aus Wettbewerbsvorteilen, die sie auf offenen globalen Märkten unter Beweis gestellt haben. Weder dürften die internationalen Software-Anbieter ein Interesse daran haben, die deutsche Wirtschaft als Abnehmer zu boykottieren und damit Umsatzeinbußen in Kauf zu nehmen, noch würde eine derartige Aktion erfolgversprechend sein. Die zu mo-
nopolisierende
Ressource
hochbezahlter Spezialisten
wäre
Expertenwissen,
ein solches Vorhaben
wobei
die große
sehr erschweren
Mobilität
würde.
ist Software — etwa im Gegensatz zu Öl — im Prinzip beliebig reproduzierbar.
Dies ist — zumindest bei der immer wichtiger werdenden Standardsoftware — ein wirksames Korrektiv gegen Marktmacht. Die Klagen der Hersteller von PCProgrammen über Software-Piraterie illustrieren dieses Phänomen. Viel wichtiger als die Quelle, aus der — Inland oder Ausland — die benötigte Software stammt, ist für die deutsche Wirtschaft die Fähigkeit, in der Software-
Forschung und -Entwicklung den Anschluß zu halten und modernste Software-
Technologie anzuwenden bzw. in eigene Erzeugnisse zu integrieren. Dies setzt
insbesondere die Verfügbarkeit entsprechend geschulter Software-Experten voraus. Insofern wäre die Existenz einer umfangreichen und weltweit führenden deutschen Software-Industrie ein positiver Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der ganzen Wirtschaft; als Querschnittstechnologie ist Software für fast alle Wirtschaftssektoren von großer Bedeutung. Zur Bedeutung ausländischer Anbieter auf dem deutschen Software-Markt: Eine genaue Quantifizierung des Auslandsanteils ist mangels zuverlässiger und aussagekräftiger Daten nicht möglich. In der Breite des Inlandmarktes dürften deutsche Firmen dominieren. Dies betrifft zum einen den mit zuletzt über 55 %
des Gesamtmarktes von rund 42 Mrd. DM (1991) immer noch sehr hohen Anteil der von den Anwendern selbst erstellten Programme. Zum anderen dürften auch bei der extern erstellten Software deutsche Hersteller dominieren. Hier spielen die vielen kleinen und mittleren Software-Firmen mit überwiegend lokaler Bedeutung die entscheidende Rolle. Der Marktanteil der Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten lag Ende der achtziger Jahre bei rund 50 %, deutlich mehr als im europäischen Ausland. Der vergleichsweise geringe Konzentrationsgrad der deutschen Software-Industrie wird durch die Tatsache unterstrichen, daß die Top-15 der insgesamt rund 2.500 Software-Unternehmen in Westdeutschland 1991 einen Anteil von lediglich knapp einem Fünftel des Branchenumsatzes
256
erzielten.
Unter den
größeren
Software-Häusern
(mehr
als 10
bzw. 50 Mio. DM
Umsatz) sind nur etwa 20 bis 25 % Tochtergesellschaften
amerikanischer oder europäischer
Unternehmen.
Besonders auffällig ist der Mangel an Softwareproduzenten, deren Erzeugnisse
so weit verbreitet sind, daß sie zu Standards werden konnten. Neben der GröBenstruktur der deutschen Software-Firmen spielt hier auch der hohe Umsatz-
anteil der durch Manpower-Leasing erwirtschaftet wird, eine erhebliche Rolle. Anders formuliert: Diese Software-Firmen arbeiten an zu wenig Entwicklungsprojekten mit langfristig angelegten Produktstrategien, sondern agieren eher als Software-Berater. 1.16
Wie sieht der Software-Entwicklungsmarkt der Bundesrepublik Deutschland
im Verhältnis zu jenem von Großbritannien, der USA, Frankreich und Japan aus?
Der Weltmarkt für Software wird eindeutig von den USA dominiert, nicht nur wegen
des enormen
Binnenmarktvolumens, sondern vor allem auch aufgrund der techno-
logischen Führungsrolle der amerikanischen Firmen. Sie beherrschen den rapide wachsenden Markt für PC-Anwendungsprogramme und definieren die Standards für die PC-Betriebssysteme. Gleiches gilt für die Software für Großrechner (IBM),
Supercomputer und Workstations, wo europäische Software-Unternehmen nur zweitrangige Bedeutung haben. US-Firmen besitzen auch bei neuen, expansionsträchtigen Marktsegmenten wie etwa dem der sog. CASE-Tools (Computer aided
software engineering), möglichen,
die führende
die Software-Entwicklung Rolle.
Deutsche Software-Unternehmen
mit industriellen Methoden
er-
haben vor allem im Bereich der immer wichtiger
werdenden Standard-Software international eine vergleichsweise schwache Position. Über technologische Spitzenpositionen verfügen deutsche Software-Unternehmen nur in wenigen Bereichen, z.B. bei der Programmentwicklung für ParallelComputer. Da anzunehmen ist, daß die Bedeutung von Parallelrechnern steigen wird, kann hier ein Zukunftsmarkt erschlossen werden. Die französische und britische Software-Branche ist im Vergleich zur deutschen wesentlich internationaler ausgerichtet und deutlich stärker konzentriert. Japanische Software-Hersteller spielen zur Zeit auf dem Weltmarkt keine dominierende Rolle. Es ist allerdings nicht auszuschließen, daß die wachstumsorientierten
japanischen Hardware-Produzenten, die mittlerweile in ihrem Kerngeschäft zu einer ernsten Herausforderung für ihre europäischen und amerikanischen Konkurrenten geworden sind, zukünftig weltweit durch den Aufkauf unabhängiger Unternehmen
in den
Software-Markt
expandieren
werden.
Besondere
Beachtung
ver-
dienen die derzeit wachsenden Software-Factories mit denen eine Reihe großer japanischer Firmen die Software-Entwicklung durch neue Methoden und unterstüt-
zende CASE-Werkzeuge verändern. Durch standardisierte Verfahren und der Kon-
struktion wiederverwendbarer Software-Elemente wird hier im großen Stil der Versuch unternommen, die Produktion von Software auf effiziente industrielle Methoden umzustellen. 257
Anbieter aus dem Ausland treten insbesondere in vier Rollen auf: als HardwareHersteller, die auch Software vermarkten (insbesondere der Marktführer IBM sowie Digital Equipment und Hewlett-Packard), als Anbieter von EDV-Serviceleistungen (z.B. die General-Motors-Tochtergesellschaft EDS), als Verkäufer von PC-Software (Microsoft etc.) und als Anbieter von Software für Mainframe Rechner. In allen Bereichen dominieren US-amerikanische Unternehmen. Zur Bedeutung des Auslandsgeschäfts für deutsche Software-Unternehmen: Der
(quantitativen) Dominanz der deutschen Unternehmen auf dem Inlandsmarkt (gut 20 % des westeuropäischen Software-Marktes) entspricht keine vergleichbare Rolle im internationalen Geschäft. Die Top-15 der deutschen Software-Unternehmen
erzielten 1991 weniger als ein Drittel ihrer Umsätze im Ausland; bei den kleineren Firmen 1.18
ist der lokale Bezug
noch ausgeprägter.
Welche mittelfristigen Konsequenzen hat voraussichtlich die gegenwärtige Finanzmarktsituation in Japan auf den Weltmarkt für IuK-Techniken? Unter
welchen Voraussetzungen vollzog und vollzieht sich die Kapitalbeschaffung japanischer Unternehmen und welche Bedeutung hat dies für den Weltmarkt der luK-Techniken?
Aufgrund des Kursverfalls am japanischen Aktienmarkt haben derzeit die Banken in Japan mit großen Problemen zu kämpfen. Seit dem Gipfelpunkt in 1989 ist der
Nikkei-Index um rd. 60 % zurückgegangen. Hinzu kommen hohe Kreditausfälle als Folge der Pleitenwelle von
Industrieunternehmen.
In vielen Fällen sind die stillen
Reserven bei den meisten Finanzinstituten drastisch geschrumpft. Gegenwärtig zeichnet sich aufgrund des Konjunkturprogramms der japanischen Regierung eine Konsolidierung ab, von der vor allem die Banken profitieren.
Die Aktienbaisse tangiert auch die Möglichkeiten der japanischen Industrie, sich direkt am Kapitalmarkt Finanzmittel zu verschaffen. In den Zeiten anhaltend steigen-
der Kurse
konnten
sich die Unternehmen
mit Hilfe niedrig verzinslicher Wandel-
obligationen zu sehr günstigen Konditionen verschulden. Mittlerweile sind die Wertsteigerungserwartungen zusammengebrochen, und aufgrund rückläufiger Aktienkurse unterblieb die Wandlung der Obligationen, so daß sich die Industrie nun zu wesentlich schlechteren
Bedingungen
refinanzieren
muß.
Höhere Refinanzierungskosten als Folge der schlechten Verfassung des japani-
schen Aktienmarktes
und der Probleme
vieler Banken
sowie deutlich rückläufige
Finanzergebnisse zwingen die japanischen Industrieunternehmen zu einem Überdenken ihrer bisher rein auf Marktanteilsgewinne angelegten und Renditegesichtspunkte vernachlässigenden
Strategie.
Gleichzeitig drücken die weltweit eher unbefriedigende schwächungstendenzen
Konjunkturlage und Ab-
im japanischen Inlandsmarkt die ohnehin im internationa-
len Vergleich niedrigen Margen. Diese Situation ist bereits deutlich an den rückläufigen Unternehmensergebnissen in Japan abzulesen. Kostensenkungsprogramme, Verlängerung von Produktzyklen sowie Preisanhebungen wären daher die zu erwartende logische Konsequenz. Da dadurch das Ziel weiterer Expansion der ja258
panischen Unternehmen in den Hintergrund tritt, würde sich aber die relative Wett-
bewerbsposition
europäischer
Unternehmen
verbessern.
In der Automobilindustrie ist genau diese Entwicklung bereits zu beobachten. Entgegengesetzt ist allerdings noch die Tendenz in der Konsumelektronik und der EDV-Industrie. Hier hat der Preisdruck und der Kampf um Marktanteile eher zugenommen. Offenbar sind in diesen Branchen die Margen der japanischen Unternehmen noch auf einem auskömmlichen Niveau. Allerdings ist unklar, wie lange dieser Zustand noch anhalten kann. Dagegen scheint festzustehen, daß die japanische Industrie auf mittlere Frist nicht mehr über die günstigen Finanzierungskonditionen verfügen kann, die in der Vergangenheit die Kapitalbeschaffung für Auslandsengagements so stark erleichtert hat. Auch die Ausgaben für Forschung und Produktentwicklung werden zukünftig restriktiver gehandhabt werden müssen. 1.19
Welche Bedeutung hat die politisch-wirtschaftliche Entwicklung in Osteuropa
für die Entwicklung einer deutschen und europäischen global wettbewerbsfä-
higen Hochtechnologie-Industrie?
Der marktwirtschaftliche Umstrukturierungsprozeß in Osteuropa wird — wenn auch nicht kurz-, so doch mittelfristig — dazu führen, daß sich die Pro-Kopf-Einkommen deutlich erhöhen werden. Mit der weitgehenden Erfüllung der Basisbedürfnisse beim Konsum werden sich dort sukzessive die Konsumstrukturen ähnlich der in Westeuropa ausdifferenzieren. Damit wächst auch der Anteil jener Vorlei-
stungen und Güter bei Produktion und Verbrauch, die einen höheren ‚‚qualitativen‘ Input erfordern. — Die deutschen wie auch die europäischen Hochtechnologie-Anbieter sollten trotz der geographischen Nähe Osteuropa nicht als einen natürlicherweise ‚‚zugefallenen‘‘ Markt betrachten, auf dem außereuropäische Anbieter (aus Japan, USA) per se „keine Chance‘ hätten. Im Gegenteil wird sich speziell in der Übergangsphase aufgrund der zunächst sehr knappen Devisenreserven in
Osteuropa die Nachfrage auf preiswerte Güter richten. Damit ist in bezug auf die Wahrnehmung von Marktchancen in dieser Region neben der qualitativen die preisliche Wettbewerbsfähigkeit besonders entscheidend. Vor dem Hintergrund der bei weitem noch nicht modernen Maßstäben genügenden
Verkehrsinfrastruktur in Osteuropa ist bei der Telekommunikation bereits ein Aufholprozeß im Gange. Belegt wird dies beispielsweise durch die erfolgreichen Bemühungen der US-amerikanischen AT&T, sich als Systemausstatter in einigen
osteuropäischen Ländern (CSFR, Polen) zu etablieren. 2.1
Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europä-
ischen luK- und Software-Industrie?
Als Stärken
der deutschen
Software-Hersteller können
derorientierung und Innovationskraft genannt werden.
große
Flexibilität, Anwen-
Schwächen sind häufig in mangelnder Eigenkapitalausstattung, fehlender Marketing- und Vertriebskraft, unzureichender internationaler Ausrichtung und gerin259
ger Managementerfahrung zu sehen. Der letzte Punkt berührt das oft unzulängliche Projektmanagement deutscher Softwarehäuser. Die Ursache dafür liegt zum Teil in deren unzureichender Größe. Daneben darf ein methodisches Problem konstatiert werden, dem
u.a. durch zielgerichtete Ausbildung in Fachschulen,
Univer-
sitäten und betriebsinternen Einrichtungen zu begegnen wäre. In diesem Zusammenhang ist auch auf die breitere Erfahrung insbesondere amerikanischer Softwarehäuser mit CASE (Computer Aided Software Engineering) — Werkzeugen bemerkenswert.
Positiv auf die Entwicklung der deutschen Software-Branche würde sich eine gröBere Bereitschaft der Anwender und Nutzer von Software und Serviceleistungen zum „Outsourcing‘‘ auswirken. Der Anteil extern erstellter Software lag zuletzt bei nur rund 45 % des Gesamtvolumens. Hier dürften sich vielfach Unzulänglichkeiten der Kosten-
und
Leistungsrechnung
auf der Anwenderseite
bemerkbar
machen,
denn erfahrungsgemäß wird der Fremdbezug von Software und Serviceleistungen sowohl im Hinblick auf Kosteneffizienz als auch in puncto Know-how der Eigenerstellung überlegen sein. Sinnvoll bzw. unverzichtbar (und auch branchenstrate-
gisch vorteilhaft) ist die Eigenerstellung von Software andererseits bei solchen An-
wendern, für die Software ein essentieller Bestandteil ihrer Produkte oder wesentliche Voraussetzung der Leistungserstellung ist. In diesen Fällen ist Software der entscheidende Hebel zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen (Produktdifferenzierung, Kostenvorteile, Zeitgewinne). Zu denken ist hier beispielsweise an Automobilhersteller (Produktentwicklung, Fertigungssteuerung) oder auch Banken (Zah-
lungsverkehr, Electronic Banking). In diesen Fällen werden die internen EDV-Abteilungen häufig als selbständige Dienstleister (im Sinne eines Profit-Center) aus dem Stammunternehmen ausgegliedert, stungen an Dritte zu verkaufen.
mit dem
Ziel, Software
und Service-Lei-
Das Wettbewerbsklima auf den Märkten für Software und Service-Leistungen wird durch zwei Entwicklungen deutlich verschärft: Zum einen durch rapide steigende Software-Entwicklungskosten (zunehmend komplexere Produkte) und kürzere Innovationszyklen, was die Notwendigkeit schneller Vermarktungserfolge erhöht. Zum anderen durch zunehmende Konkurrenz auf der Angebotsseite aufgrund neuer Wettbewerber (Internationalisierung, Hardware-Hersteller sowie auch branchenfremde Unternehmen zunehmend in der Rolle von Software-Anbietern).
Im Software-Markt dürfte es auf mittlere Sicht zu einer Polarisierung in größere Firmen (mit internationaler Ausrichtung, häufig als Tochtergesellschaften branchenfremder Großunternehmen) und Nischenspezialisten kommen. Für die SoftwareUnternehmen wird es immer wichtiger, eine klare Positionierung am Markt und eine eindeutige Angebotsprofilierung zu erreichen (z.B. entweder reiner Anbieter von Standardsoftware oder Spezialist für die individuelle Anpassung von Standard-
programmen an konkrete Anwenderbedürfnisse). Steigende
Entwicklungskosten,
schnelleres
Innovationstempo
Globalisierung bestimmen auch die Hardware-Märkte. 260
und
zunehmende
Hier sind zudem die Mög-
lichkeiten, auf Dauer erfolgreich als im Software-Bereich.
in Marktnischen
zu operieren,
deutlich geringer
2.2 Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europäischen Anwenderindustrie bei der Nutzung der neuesten Entwicklungen der luK-Techniken und der Software)? Zwei wesentliche Qualitätsmerkmale für die Nutzung der luK- und Software-Tech-
nik durch die Anwenderindustrie sind erstens die Länge der Produkteinführungszeiten und der Produktlebenszyklen und zweitens die Qualität des Know-howTransfers zwischen Forschung und Anwenderindustrie. Darin unterscheiden sich luK- und Software-Technik nicht von anderen Technologiebereichen. Relativ lange Produkteinführungszeiten
und Produktlebenszyklen
führen zu einer
langsameren Umsetzung neuer Technologien in Deutschland und Europa als z.B. in Japan. Das immer noch sehr hohe Innovationstempo bei luK- und Softwaretechniken führt andererseits zu einem permanenten Druck auf die Anwenderindustrien,
neueste Techniken auch einzusetzen. Deutsche Unternehmen bieten ein uneinheitliches Bild in Bezug auf Produkteinführungszeiten: Insbesondere die Automobilindustrie arbeitet mit vergleichsweise langen Einführungszeiten, während eine
Reihe mittelständischer Unternehmen sind.
Der
Know-how-Transfer
bemängelt:
von
für ihr schnelles Innovationstempo bekannt
der Forschung
zur Anwenderindustrie
wird häufig
Insbesondere wird unterstellt, daß ausländische Firmen deutsche und
europäische Forschungsergebnisse schneller aufgriffen und umsetzten. Der Abfluß von Forschungsergebnissen in das Ausland ist jedoch auch als ein Zeichen der internationalen Arbeitsteilung zu sehen. Deutschland tritt dabei sowohl als ‚‚Expor-
teur‘‘ von Forschungsergebnissen auf, als auch als ‚Importeur‘. So beklagen sich zum
Beispiel
auch
amerikanische
Großforschungseinrichtungen,
daß
ihre
For-
schungsergebnisse eher von europäischen als von amerikanischen Unternehmen aufgenommen
würden.
2.3 Inwieweit sind die Schwächen der deutschen luK-Industrie auch das Ergebnis einer unzureichenden Ausrichtung von Unternehmensstrategien auf die globalen Märkte?
Die Globalisierung
der IuK-Märkte
wird durch
die rapide zunehmenden
Aufwen-
dungen für Forschung und Produktentwicklung bei gleichzeitig beschleunigten Innovationszyklen vorangetrieben. Die hohen Aufwendungen können allerdings nur durch wenige weltweit tätige Anbieter bewältigt werden. Diese können die notwendigen Stückzahlen schneller erreichen als Akteure, die sich allein auf nationale Märkte beschränken. Zudem verlangen, speziell bei Software und Serviceleistun-
gen, multinationale Unternehmen nach einem Angebot ‚aus einer Hand‘, um die Kompatibilität ihrer EDV-Systeme zu gewährleisten. Amerikanische und japanische Software-Unternehmen haben hier zweifellos Vorteile gegenüber den europäischen und deutschen Konkurrenten. 261
Im Software-Markt sind auch im Hinblick auf die Globalisierungsdynamik drei Ge-
schäftsfelder
stungen. Am
zu
unterscheiden:
Produktgeschäft,
stärksten der Internationalisierung
Projektgeschäft
unterworfen
ist das
und
Dienstlei-
Produktgeschäft,
das
sich zunehmend auf standardisierte Software-Erzeugnisse konzentriert. Die Nachfrage ist international weitgehend homogen. Im Projektgeschäft (Software-Entwicklung im Kundenauftrag sowie Beratung und Schulung) existiert deutlich mehr Raum für lokale Anbieter. Zunehmend lassen jedoch multinationale Großunternehmen grenzüberschreitende Anwendungssysteme für ihre Zwecke entwickeln, die dann auch durch internationale Anbieter abgewickelt werden. Noch stärker lokal
orientiert ist der in Deutschland schwach ausgeprägte Dienstleistungsmarkt (vor al-
lem Rechenzentrumsleistungen im Kundenauftrag). Kundennähe (auch räumlich), Flexibilität und Abwicklungseffizienz sind hier die entscheidenden Erfolgsfaktoren.
Die Nachfrage nach Informationsdienstleistungen wird durch die Globalisierung, Liberalisierung und Diversifikation der Finanzdienstmärkte erheblich ansteigen. Das Marktvolumen an elektronischen Informationsdiensten und Datenbanken wird
für 1995 vom
Arbeitskreis ‚Planung
in Banken‘
der Schmalenbach
Gesellschaft
auf 30 Mrd. $ geschätzt. Eine moderne Kommunikationsinfrastruktur ist neben den Datenbanken unbedingte Voraussetzung zur Teilnahme an diesem Markt. Deut-
sche Anbieter sind auf diesem
Markt bisher unterrepräsentiert.
2.5 Braucht die deutsche/europäische Fertigungs- und Anwenderindustrie eine eigene Produktionsstätte für Speicherchips in Europa? Es steht außer Zweifel, daß die deutsche und europäische Industrie angesichts der Querschnittsfunktion der Chip-Technologie in diesem Sektor vertreten sein muß.
Es ist behauptet worden, daß angesichts der dominanten Stellung der japanischen Industrie in der Speichertechnologie und der amerikanischen Industrie in der Mi-
kroprozessortechnik eine Aufholjagd der Europäer nicht mehr sinnvoll ist. Es wäre somit günstiger, sich ganz auf die Produktion der sogenannten ASICs (Application Specific Integrated Circuits) zu konzentrieren, um in diesem wachsenden Markt noch Marktanteile gewinnen zu können. Bei dieser Argumentation ist aber folgendes zu berücksichtigen:
1. Akzeptiert die europäische Industrie die Dominanz der Japaner im Markt für Speicherchips, so muß sie mit einem Importanteil von 80 % leben. Dieser Importanteil ist höher als derjenige, der zu unserer Energieabhängigkeit gegen-
über den OPEC-Staaten führte.
2.
Verzichten die Europäer auf den Versuch, Anschluß an das Know-how der Spei-
cherchiptechnologie zu gewinnen, so verlieren sie dadurch auch die damit verbundene Infrastruktur und Industrien zur Herstellung von Reinstchemikalien und den
262
Bau von
Fertigungsgeräten.
3. Die Versorgung der europäischen Märkte durch die japanischen Chip-Anbieter in der beschriebenen Größenordnung kann zur Folge haben, daß die europäischen Abnehmer nur geringen direkten Einfluß auf die Preispolitik der Chips und indirekt somit auch auf die Absatzpreise der eigenen Endprodukte ausüben können. Diese Abhängigkeit kann zu Verzerrungen innerhalb des Markts und
darüber hinaus zu Wettbewerbsbenachteiligungen der Europäer führen.
Für die Europäer ist es folglich wichtig, auch in strategischen Allianzen mit den Entwicklungen der Speichertechnologie Schritt halten zu können. Dies wird umso
wichtiger, da die Beherrschung der Chiptechnologie auch Voraussetzung für die Herstellung des Mikroprozessors sowie für die Herstellung der ASICs sein wird.
2.12
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der EG- und GATT-Vereinbarungen für die staatlichen Fördermöglichkeiten?
Die Einigung auf das Uruguay-Paket des GATT macht den Verzicht auf die bisher
weitgehende
Politik der
Förderung
von
‚nationalen
Champions‘‘
unumgänglich.
Zudem sind die Möglichkeiten, durch die gezielte Förderung von einzelnen Unternehmen
eine erfolgreiche „strategische Handelspolitik‘‘ zu betreiben, nach neue-
ren Erkenntnissen äußerst begrenzt. Dies gilt auch für die Kommunikations- und Informationstechnologie,
mit denen
immaterielle Wirtschaftsgüter produziert wer-
den. Der im GATT zukünftig vorgesehene Schutz geistigen Eigentums (20 Jahre für Patente, 10 Jahre für Designs von integrierten Schaltungen) erscheint ausreichend, um die ökonomischen Risiken in der Endphase von Produktentwicklungen bei den Unternehmen selbst zu belassen. Erlaubt und unproblematisch GATT die Förderung der Grundlagenforschung. Innerhalb
der
EG,
die als Zollunion
Sonderstatus
im GATT-Vertrag
bliebe im
genießt,
gilt
ebenfalls die Vorgabe, daß einzelstaatliche Förderungen nicht in Konflikt mit den Zielen der Gemeinschaft treten dürfen. Angesprochen sind hier u.a. die EG-Wettbewerbsregeln, die ein Diskriminierungsverbot aussprechen, sobald der Handel innerhalb der Gemeinschaft betroffen ist. Im Rahmen einer aktiveren EG-Industriepolitik, die gegenwärtig
diskutiert wird, wäre darauf zu achten, daß von der Kom-
mission geförderte Projekte allen interessierten Antragstellern offenstehen, etwai-
ge Forschungsergebnisse zugänglich bleiben und eine transparente Koordination
erfolgt.
Neben einer ‚indirekten‘ Industrieförderung durch Bereitstellung und Ausbau ge-
eigneter Infrastrukturen (Stichwort: ‚Europäische Netze‘‘) erscheint die finanzielle Förderung durch Gemeinschaftsorgane vor allem in den Bereichen der Grundlagenforschung und -entwicklung (JESSIE) wichtig. Darüber hinaus sollten im Rahmen der EG Investitionen in „Human
Capital‘ erfolgen und hierbei u.a. die Initiati-
ven der Aus- und Weiterbildung für neue Technologien (so z.B. die Programme DELTA, COMETT und EUROFORCE) weitergeführt werden. Für die Bereiche Halbleiterbausteine, Software und Telekommunikation
die folgende Bedeutung:
hat GATT
263
a) Halbleiterbausteine Dies gilt auch für die sog. Selbstbeschränkungsabkommen, die im Bereich der internationalen Chip-Produktion abgeschlossen worden sind und sich gegen weitere
japanische Marktanteilsgewinne richten. Selbstbeschränkungsabkommen, die zur Abwendung handelspolitischer Zuspitzungen bzw. vom GATT erlaubter unilateraler Sanktionen (Strafzölle wegen Dumping-Vorwürfe, Einfuhrstops wegen „gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte‘‘, etc.) getroffen werden, sind aber nur scheinbare
Lösungen:
Auch
wenn
die Chip-Produzenten
der
USA
und
der
EG
durch sie auf ihren jeweiligen Heimatmärkten — zumindest temporär — geschützt werden, so muß bedacht werden, daß die japanischen Anbieter auch deshalb bereit sind, auf sie einzugehen, weil der Nachteil der mengenmäßigen Exportrestriktion durch
Preiserhöhungen
ausgeglichen,
ja sogar
überkompensiert
(!) werden
kann. Den bisherigen Erfahrungen nach kann nicht gesagt werden, daß durch Selbstbeschränkungsabkommen und andere Protektionsmaßnahmen die Wettbe-
werbskraft der US- oder der EG-Chipproduktion tatsächlich erhöht werden konnte. Für die Anwenderindustrien stellen sie einen Nachteil dar, da sie die benötigten Chips nicht zum günstigsten Preis erhalten und u.U. vom technologischen Fortschritt abgeschnitten werden.
b) Software Der Schutz geistigen Eigentums, der als wichtige Voraussetzung im Wettbewerb im Software-Markt anzusehen ist, wird bisher in erster Linie durch Sonderorganisationen (u.a. die World Intellectual Property Organization) verfolgt. Die Einbezie-
hung in das GATT würde deshalb von Vorteil sein, da es für Konfliktfälle verbindli-
che Streitbeilegungsverfahren vorsieht. Der Einbezug der Entwicklungsländer, die sich im weltweiten Software-Handel benachteiligt sehen bzw. eine neue Abhängigkeit fürchten, ist allerdings unumgänglich. c) Telekom
Die Liberalisierung der Telekom-Märkte soll wichtiger Bestandteil eines zukünfti-
gen, noch nicht verabschiedeten GATS (General Agreement on Trade in Services)
sein. Wichtigster Streitpunkt des die bestehenden GATT-Vereinbarungen ergänzenden GATS ist nach wie vor die Fragestellung der Öffnung von Sprachvermittlungsnetzen für den Wettbewerb. Die mangelnde Bereitschaft der USA, in diesem Dienstleistungsbereich wie auch in anderen Sektoren das „Meistbegünstigungsprinzip‘‘ anzuerkennen, deutet auf die Fülle der noch ungelösten Handelsprobleme hin. Auch wenn keine Liberalisierungen und wettbewerbsorientierten Lösungen im Rahmen der Uruguay-Runde des GATT zu erreichen sein werden, so besteht den-
noch die Möglichkeit, innerhalb regionaler Blöcke die Handelsbeschränkungen weiter zu lockern. Die EG sollte hier eine Vorreiterrolle spielen! Hierbei sollte insbe-
sondere die staatliche Auftragsvergabe im Bereich der Vermittlungstechnik und Endgeräte
2.13
264
noch
Ist eine
konsequenter
staatliche
als bisher dem
Förderung
Wettbewerb
der heimischen
schafts- und forschungspolitisch geboten?
geöffnet werden.
Softwareproduzenten
In welchen
strategischen
wirt-
Berei-
chen sollten solche Fördermaßnahmen ggf. ansetzen und wie sollten Sie aus-
sehen?
Softwareproduzenten spielen für den Anwender als Lieferant von Standardsoftware und als Anbieter von Dienstleistungen zur Softwareentwicklung eine wesentliche Rolle. Standardsoftware
Standardsoftware kann in der Regel nur noch im weltweiten Maßstab verkauft werden. Somit werden die wenigen heimischen Anbieter international expandieren müssen. In Zukunft wird es darüber hinaus zunehmend schwierig werden, in diesen Markt neu einzutreten. Die Verfügbarkeit
von
Standardsoftware
auf dem
deutschen
oder
europäischen
Markt ist jedoch im wesentlichen gewährleistet, da auch nicht-europäische Anbieter auf die europäischen Umsätze angewiesen sind. Softwaredienstleistungen Der Markt der Softwaredienstleistungen befindet sich gegenwärtig im Prozeß der Internationalisierung. In diesem Prozeß geraten viele deutsche Anbieter aufgrund mangelnder Größe unter Druck, da sie die Projektführerschaft in großen internationalen Projekten weder finanziell noch von den Mitarbeiter-Ressourcen her tragen
können. Aus der Sicht der Anwender ist die Tendenz zur Internationalisierung jedoch positiv, da eine international präsente Anwenderindustrie auch international
präsente Softwaredienstleister benötigt. Die Rolle des Staates
Staatliche Eingriffe in die Industriestruktur selbst bieten sich nicht an. Staatliche Einflußnahme auf europäischer Ebene ist hingegen im Bereich der Normungen und
Standardisierungen
sinnvoll.
Dort profitieren die Anwender
von schnell
ent-
men
von Anwendergruppen
2.15
Welche Maßnahmen zur Unterstützung der Industrie werden a) von der deutschen Regierung und b) von der EG-Kommission erwartet? Sind Alternativen zur Projektförderung sinnvoll und wünschenswert (z.B. steuerliche Förderung)?
wickelten Standards, die in Zukunft auf immer höheren logischen Ebenen (bis hin zu Datenmodellen und Objektklassen) notwendig sein werden. In diesem Zusammenhang ist die Abstimmung von staatlichen und privaten Nachfragern im Rahsinnvoll und weiter auszubauen.
Staatliche Unterstützung der luK-Industrie ist in dreierlei Bereichen gefordert: —
Die deutsche luK-Industrie erwartet eine höhere Flexibilität im Rahmen des gesetzlichen Regelwerks. Dies betrifft einmal die Möglichkeiten zur Regelung von Arbeit und Arbeitszeit, insbesondere auch der Wochenendarbeit, weil nur bei einer befriedigenden Lösung dieser Frage die kapitalintensive Fertigung im Chip-
bereich dauerhaft in Deutschland gesichert werden kann.
265
— Daneben fordert sie ein höheres Maß an Geschwindigkeit und Flexibilität bei den Genehmigungsverfahren, auch den Abbau bürokratischer Hemmnisse bei der Einführung neuer Produkte. —
Von der EG-Kommission wird erwartet, daß sie sich bei strategischen Kooperationen und Partnerschaften flexibler verhält, um den Unternehmen die Möglich-
keit zu geben, large scale-Produktionen, aber auch large scale-Distribution zu
ermöglichen.
Ob eine EG-Industriepolitik wünschenswert ist, die sich in der Förderung der Forschung in bestimmten Basistechnologien widerspiegelt, ist heftig umstritten. Wir glauben, daß angesichts der großzügigen Unterstützung, die in anderen Bereichen der Triade gewährt werden,
entweder durch eine Rechtssubventionen
oder auch
in Form staatlicher Aufträge — etwa für die Rüstung — die EG nicht tatenlos zusehen kann, wie bestimmte Technologien in Europa ihre Verwurzelung verlieren. Dies sollte in Form von Projekten und nicht durch Unterstützung von Industrien er-
folgen.
2.16
Unter welchen Voraussetzungen kann die kommunikationstechnische Industrie in der Bundesrepublik Deutschland noch international wettbewerbsfähig und leistungsstark bleiben?
Bezüglich der luK-Industrie kommt es auf zwei Kategorien von Voraussetzungen an: Zum einen müssen die allgemeinen Voraussetzungen gegeben sein, d.h. der Standort Deutschland muß für in- und ausländische Investoren nach Abwägung aller Vor- und Nachteile attraktiv sein. Zum anderen müssen aber auch spezielle Vor-
aussetzungen gegeben sein, die von einer leistungsfähigen Forschungslandschaft über ein gutes Bildungs- und Ausbildungssystem bis hin zur Technik-Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit reichen. Aus der Fragestellung geht die berechtigte Annahme hervor, daß die Kommunikationsindustrie gegenwärtig wettbewerbsfähig ist. Die Telekommunikationsinfrastruktur ist im größten Teil der EG gut ausgebaut und die Deregulierungsmaßnahmen weit fortgeschritten. Hinderlich wirkt sich nach wie vor die ungenügend koordinierte Vorgehensweise bei der Entwicklung neuer Technologien aus. Nationale Besonderheiten, die z.B. bei der ISDN-Einführung zu erheblichen Kompatibilitätsproblemen hindern.
führten, sind nur durch verstärkte koordinierende
Ein positiver Beitrag zur gemeinsamen
Maßnahmen
zu ver-
Forschung im vorwettbewerblichen Stadi-
um wird durch europäische Projekte wie RACE
(Research in Advanced Communi-
cations in Europe) geleistet. Allerdings leidet RACE unter zwei Schwächen: Zum einen wurden die Resultate aus den Einzelprojekten nicht genügend effizient in Produkte umgesetzt. Die zweite Schwäche bildet der erhebliche bürokratische Aufwand bei der Interaktion mit der Europäischen Kommission. Ohne den positiven Effekt, der von derartigen Projekten auf die europäische Einigung ausgeht, zu verkennen, muß doch die Frage nach der Effizienz gestellt werden. Ansätze zur Ver266
besserung der Situation wären in der stärkeren Bindung der Mittelvergabe an zu liefernde
Resultate
zu sehen.
Insgesamt
müßten
die Forschungsprojekte
zielge-
richteter vergeben und durchgeführt werden, um zu einem verbesserten KostenNutzen-Verhältnis zu gelangen. Als Mittel zur Innovationsbeschleunigung ist auch die Entwicklung eines paneuropäischen
Breitbandnetzes
tionsgesellschaften (Global European
zu sehen.
Obwohl
eine Gruppe
von
Telekommunika-
mit ersten Schritten in diese Richtung gehen will und GEN
Network) gründeten,
ist doch die Bereitschaft zu substantiellen
Vorleistungen weit geringer als z.B. bei der NTT in Japan. Die von einem derarti-
gen Vorhaben ausgehenden Impulse für Forschung und Entwicklung in Universitäten, Großforschungseinrichtungen und der Industrie dürften beträchtlich sein. Wettbewerbsfähigkeit wird positiv durch deregulierte Märkte beeinflußt. Die Aufga-
be des Monopols bei den Telekommunikationsendgeräten und die anschließende
Dynamisierung dieses Marktes zeigte diesen Effekt sehr deutlich. Weitere Deregu-
lierungsmaßnahmen wie z.B. im Monopol für Sprachvermittlung sind daher weiter
voranzutreiben. 2.22
Welche Industriebereiche der deutschen bzw. europäischen Industrie sind in
Zukunft durch Marktstrategien fernöstlicher Konzerne besonders gefährdet?
Aufgrund der internationalen Patentstatistik, die ein guter Frühindikator für die Po-
sition einer Branche im künftigen Innovationswettbewerb ist, zeigen sich nach wie vor Schwächen in der deutschen Mikroelektronik, der Informations- und Kommuni-
kationstechnik sowie in der Bio- und Gentechnologie. Im Bereich der Informationsund Kommunikationstechnik dominiert Japan eindeutig vor den USA und der EG bzw. Deutschland. Am größten fällt der Abstand bei Computern, der Büroautomation und bei elektronischen Konsumgütern aus. Dagegen ist die Patentintensität der Deutschen in der Automobiletektronik und in der Telekommunikation recht günstig und somit der Gefährdungsgrad dieser Sparten in der Zukunft relativ gering. Bereits heute klafft auf dem sehr wachtstumsorientierten Markt für Büroautomationstechnik hinsichtlich der internationalen Wettbewerbsfähigkeit eine große
Lücke zwischen den USA und Japan auf der einen und Deutschland auf der anderen Seite. Die Bedeutung japanischer Hersteller nimmt auf den Weltmärkten in der letzten Zeit deutlich zu. Die schwache Position der europäischen Unternehmen in der Informations- und Kommunikationstechnologie ist auch auf die de facto beste-
henden Zugangsbeschränkungen zu den nationalen Märkten (z.B. Japan) zurückzuführen.
Der massive Aufbau von japanischen Pkw-Transplants in den USA und in Europa birgt die Gefahr eines weiteren Verdrängens der heimischen Pkw-Hersteller in
sich. Zwar kann es nach dem zwischen der EG-Kommission
und Japan im letzten
Jahr abgeschlossenen Abkommen bis zum Ende des Jahrzehnts nur zu einer schrittweisen Öffnung vieler durch feste Importkontingente abgeschotteter europä267
ischer Märkte kommen. Aber bis heute bleibt unklar, ob mögliche Importe japanischer Autos aus ihren Werken in den USA in dem Abkommen Berücksichtigung finden oder noch zusätzlich nach Europa drängen können. Besonders betroffen könnten hiervon die Massenhersteller sein — insbesondere jene, die heute eine starke Position auf den Volumenmärkten mit mengenmäßigen Importbeschränkungen, wie Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien, haben.
2.23
Mit weichen besonderen wirtschafts- und forschungspolitischen Maßnahmen soll die Bundesregierung bzw. die EG-Kommission diesen Strategien begegnen?
Protektionistische Maßnahmen zugunsten der ‚gefährdeten‘ Industriebereiche {Fortress Europe) sind äußerst zweischneidig und sollten als Förderungsstrategie
nicht in Betracht gezogen werden. Auf mittlere und lange Sicht werden ihre negati-
ven Auswirkungen überwiegen: Sowohl Sonderzölle (zur Kompensierung vermeintlicher „Dumping-Strategien‘‘), Einfuhrkontingente, ‚Freiwillige‘ Selbstbeschrän-
kungsabkommen und andere handelspolitische Maßnahmen werden die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrien als solche nicht stärken, sondern letztlich nur dazu führen, daß die Innovationsanreize beschnitten werden und die Preise steigen — sowohl jener der inländischen, als auch die der importierten Güter. Dies
bedeutet einen umfassenden Wettbewerbsnachteil für die Anwenderindustrien, auch und gerade jener aus dem wachstumsintensiven Dienstleistungsbereich. Die-
se werden nicht vollständig auf heimische Produkte ausweichen (können). Der positive Effekt für die geschützten Industrien wäre dagegen bestenfalls temporärer Natur.
Sektorspezifischer
Protektionismus
provoziert
stets
Vergeltungsmaßnah-
men. Angesichts des rapiden technologischen Fortschritts im Hochtechnologiebereich werden diese Maßnahmen ins Leere laufen. Es geht vielmehr darum, die dynamische Wettbewerbsfähigkeit zukunftsträchtiger
Industrien zu fördern und deren Anpassungsflexibilität zu erhöhen. Dies wird nicht durch ständig neue Subventionswettläufe erreicht, sondern nur dadurch, daß sich
die Anbieter selbst unter harten Wettbewerbsbedingungen durchsetzen müssen. Nur dann besteht auch ein Anreiz, die (knappen) FuE-Kapazitäten optimal einzusetzen. Als wirtschaftspolitischer Beitrag hierzu wäre die in Deutschland in einigen
Bereichen durchaus als „übermäßig‘‘ zu bezeichnende Reglementierung (u.a. bei
den administrativen
Marktzulassungsverfahren
für neue Technologien)
deutlich
abzubauen.
Aus finanzpolitischer Sicht eignet sich weniger eine interventionistische Strategie
als vielmehr ein generell investitionsfreundliches Steuersystem, das die Reinvesti-
tion einbehaltener Gewinne für risikoreiche Projekte erleichtert. Dies gilt für alle Unternehmen gleichermaßen. Eine steuerliche Sonderbehandlung für ex ante identifizierte „‚Erfolgsindustrien‘‘ erscheint dagegen angesichts schnell veränderli-
cher internationaler Wettbewerbskonstellationen nicht angebracht.
Voraussetzung für einen international effizienten Wettbewerb ist jedoch auch ein liberaler Zugang zu den Auslandsmäfrkten. Es sollte ein „level playing field‘‘ beste-
268
hen. Mit eigenen Marktabschottungen und Produktionssubventionen aber wird demgegenüber gerade ein Anlaß geschaffen, daß die Handelspartner ihrerseits den Zugang zu ihren Heimatmärkten mit ähnlichen Maßnahmen erschweren. Im Ergebnis werden weltweit die Vorteile des Handels und der für ihn charakteristischen
ein
Arbeitsteilung
großer
Teil
des
Tech-Produktionen
geschmälert.
Marktrisikos
gemindert
—
bei
werden
Mittels internationaler
der
und
Entwicklung
zudem
Kooperationen
kapitalintensiver
eine optimale
kann
High-
Spezialisierung
herbeigeführt werden. Sie bieten sich sowohl im Vorfeld technologischer Forschung und Entwicklung als auch bei der Produktion und Vermarktung innovativer
Produkte an. Die Zusammenarbeit mit kompetenten Partnern aus dem Ausland kann dazu beitragen, daß handelspolitische Konfrontationssituationen abgebaut werden. 2.24
Sind besondere wirtschaftspolitische Maßnahmen
im Bereich der Hochtech-
nologien angebracht oder gar unvermeidlich, um eine heimische Hochtechnologie-Industrie zu entwickeln und zu erhalten?
Bestehen strukturelle Bedingungen, die den luK-Bereich als Ausnahmebereich des ordnungspolitischen Leitbilds begründen? Die
beiden
Fragen
hängen
eng
miteinander
zusammen.
Sinnvollerweise
ist zu-
nächst auf die ordnungspolitische Fragestellung einzugehen, weil durch ihre Beantwortung die Frage von Sinn bzw. Notwendigkeit wirtschaftspolitischer Sondermaßnahmen
zugunsten
der IuK-Industrie weitgehend
prädestiniert wird.
Das ordnungspolitische Leitbild der Bundesrepublik bestimmt, daß Markt und Wettbewerb die Regel sind und daß nicht dieser Normalzustand, sondern Abweichungen vom Leitbild in regelmäßigen Abständen neu zu begründen sind. Aus
volkswirtschaftlicher Sicht gibt es drei klassische Begründungsstränge für Ausnah-
men von Markt und Wettbewerb: ruinöse Konkurrenz, externe Effekte und natürliche Monopole. Auf den luK-Bereich als ganzes trifft keines dieser drei Kriterien zu.
Aber auch die traditionelle Auffassung, daß es sich bei den Telekom-Netzen um ein Musterbeispiel für ein natürliches Monopol handele, ist heute nicht mehr zu halten.
Zum einen sind die Leitungsmonopole durch den technischen Fortschritt einem fortschreitenden Erosionsprozeß ausgesetzt (z.B. Satellitenfunk, Mobilfunk). Zum anderen
lehren die Beispiele im Ausland
(insbesondere
in Japan, Großbritannien
und den USA), daß kostensenkender und fortschrittsfördernder Wettbewerb auch auf der Netzebene möglich ist. Der IuK-Sektor ist deshalb weder in Teilen noch in seiner Gesamtheit als wettbewerblicher Ausnahmebereich anzusehen. Die Fragen nach wirtschaftspolitischen Sondermaßnahmen zugunsten von Hochtechnologien ist gleichbedeutend mit der Frage: Brauchen wir eine neue Industrie-
politik? Kritiker haben recht, die der Bundesrepublik vorwerfen, industriepolitisch längst ihre ‚‚Unschuld‘‘ verloren zu haben und die Konservierung von Branchen, die ihren Zenit längst überschritten haben (Beispiele: Kohle, Stahl, Werften) zu be-
treiben. Der Umkehrschluß lautet: Es kann nicht darum gehen, die Vergangenheit zu konservieren, sondern wir müssen die Zukunft gestalten: Industriepolitik soll 269
deshalb weit vorausschauend strategische Industrien ausspähen und sie dann besonders fördern (sogenannte nationale Champions ‚‚züchten‘‘). Vorausschauende Industriepolitik steht und fällt aber mit der Möglichkeit einer frühzeitigen Identifizierung künftiger Schlüsseltechnologien. Zudem heißt Förderung in Europa etwas an-
deres als in Japan; in Europa werden in aller Regel neue Subventionstatbestände
geschaffen, die — unabhängig vom sind, bestimmte Unternehmen meeffekte zeitigen.
Erfolg — nur schwer zeitlich zu begrenzen
einseitig begünstigen
und zum
Teil reine Mitnah-
Die beste Förderung der Hochtechnologie wäre unseres Erachtens: Eine großzügige und zielgerichtete Grundlagenforschung mit frühzeitiger Einbindung potentieller Anwender; analog dem japanischen Miti eine konsequente Wissenssammlung
und bei Bedarf Moderation von Forschungskooperationen; die Förderung von Pilot-
Projekten bei technisch ausgereiften aber noch nicht markteingeführten Vorhaben (z.B. HDTV, Magnetschwebebahn). 2.25
Wie kann der Staat die heimischen
sprochenen
Hochtechnologie-Industrien
vor abge-
und gezielten Marktangriffen (z.B. target pricing) ausländischer
Unternehmen schützen, gleichwertige Wettbewerbsbedingungen weltweit anstreben und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie steigern?
Dumping-Praktiken, d.h. gezielter Verdrängungswettbewerb über nicht kostendeckende Preise sind nach geltendem GATT-Reglement nicht zulässig. Die EG hat mehrfach von der Möglichkeit, Anti-Dumping-Zölle zu erheben, Gebrauch gemacht (z.B. bei Compact Disc-Playern und Telefaxgeräten). Anti-Dumping-Maßnahmen sind jedoch ein zweischneidiges Schwert: Zum einen benachteiligen sie (zumindest vorübergehend)
die Verbraucher,
indem
sie ihre Wahlmöglichkeiten
und ihr
Recht auf möglichst preiswerte Produkte einschränken. Zum anderen begünstigen
sie
einheimische
Produzenten,
ohne
sicherzustellen,
daß
diese
hinter
ihrem
„Schutzzaun‘‘ wettbewerbsstärker werden (das Gegenteil ist oft eher der Fall). Schließlich handelt es sich beim Preiswettbewerb um das Kernelement des Marktsystems, das für Staatseingriffe (im Sinne der Herbeiführung „‚‚fairer‘‘ oder ‚‚gerechter‘‘ Preis) weitgehend tabu sein sollte. Anti-Dumping-Maßnahmen sollten auch deshalb Mittel ‚‚zweiter Wahl‘ sein, weil sie nicht an den Ursachen, sondern nur an den Symptomen der Probleme ansetzen. Unternehmen müssen dann nämlich Verluste auf hart umkämpften Märkten durch entsprechende Gewinne
auf anderen
Märkten
kompensieren.
Naheliegend
ist, daß japanische Unternehmen ihre aggressiven Markteroberungsstrategien im Ausland zum Teil durch überhöhte Preise auf ihrem geschützten Binnenmarkt finanzieren. Marktabschottung nach innen und aggressiver Wettbewerb nach außen sind somit nur zwei Seiten derselben Medaille. Erst wenn japanische Unternehmen auch auf ihren Heimatmärkten von internationalen Wettbewerbern angegriffen werden können, kann von Wettbewerbsgleichheit gesprochen werden (dazu gehören nicht allein das Fehlen von Zöllen und Kontingenten, sondern z.B. auch der Zu270
tritt zu japanischen Absatzkanälen Unternehmen). 2.26 Sollte eine gemeinsame
und die Möglichkeit zum
Meinungsbildung
von Staat,
Erwerb japanischer
Wirtschaft,
schaft und gesellschaftlichen Gruppen zu den zu erwartenden
Wissen-
technischen
und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland or-
ganisiert oder institutionalisiert werden? 2.27
Was
muß
unternommen
gen realisiert werden
Der
werden,
damit in Deutschland
technologische Zu-
kunftsthemen besser identifiziert und im Rahmen gemeinsamer Anstrengun-
Frage
2.27
können?
liegt die These
zugrunde,
daß technische
Zukunftsthemen
in
Deutschland unzureichend identifiziert würden. Wir sehen eine Reihe von Gründen, mit denen dieser These widersprochen werden kann.
Viele Indikatoren weisen darauf hin, daß Zukunftsthemen und Ziele zwar erkannt, aber nur unzureichend an Entscheidungsträger und Öffentlichkeit vermittelt werden. So wurden in der Vergangenheit eine Reihe von technologischen Zukunftsbereichen auch
in Deutschland
sehr wohl erkannt, ohne daß dies jedoch zur Entwick-
lung von marktfähigen Produkten geführt hätte. Beispiele sind die Chipentwicklung oder die Parallelrechner. Hier ist über effektivere Übergänge von der Forschung in die Produktentwicklung nachzudenken. Die Voraussetzungen
zur Identifikation zukunftsträchtiger technologischer
Ent-
wicklungslinien ist in Deutschland durch die breit angelegte Grundlagenforschung,
die hohe Zahl wissenschaftlich/technischer Veröffentlichungen und die vielfältige Fachpresse gegeben. Unzureichend ist hingegen die Vermittlung zu erwartender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Vorteile infolge des technischen Fortschritts an hinreichend große gesellschaftliche Kreise. Fragen der Gentechnologie gehören ebenso dazu, wie solche der künstlichen Intelligenz oder der Belastung durch elektromagnetische Wellen. Als Resultat schlägt der Technik oftmals tiefe Skepsis entgegen, anstatt daß sie von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen wird. Verzögerungen in der technischen Entwicklung und Wettbewerbsnachteile sind die Folge. Dies gilt in Deutschland insbesondere in umweltrelevanten Technologiebereichen. Eine wünschenswerte Maßnahme, diese Situation zu verbessern, wäre, neben den staatlichen Möglichkeiten der Informations- und Erziehungspolitik, die Anreicherung von FuE-Programmen mit dem Ziel, die Forschungsziele und -resultate besser an die Öffentlichkeit heranzutragen. Damit ließen sich wirkungsvolle Anregungen für eine frühzeitige Diskussion aktueller FuE-Themen in der Gesellschaft erzielen. 271
2.32 Welchen Stellenwert hat im Rahmen der EG die Schaffung neuer Standards
zur Verbesserung der Wettbewerbschancen der europäischen elektrotechni-
schen und elektronischen Industrie?
Die Angleichung unterschiedlicher technischer Normen ist eine der wesentlichen Voraussetzungen zur Verwirklichung des Binnenmarktes, denn nationale Regelungen zwingen Unternehmer häufig dazu, spezifische Produkte für einzelne Märkte zu entwickeln und anzubieten. Die Angleichung der Normen schafft daher erhebliche Kosteneinsparungen.
Die Nachteile einer EG-Marktzersplitterung sind beson-
ders in hochtechnologischen Wirtschaftszweigen zu spüren, in denen europäische Anbieter mit amerikanischen und japanischen konkurrieren müssen. Größenvorteile in der Produktion
und ein großer Binnenmarkt
mit einheitlichen Normen
würde
die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen luK-Industrie sicherlich verbessern.
Es geht nicht darum, mit der Schaffung europäischer Normen den EG-Markt gegenüber der Welt abzuschotten. Dafür ist besonders die deutsche Industrie in zu großem Maße auf die offenen Weltmärkte angewiesen. Europäische Normen bezüglich
Sicherheit,
Austauschbarkeit
und
Kompatibilität
von
Produkten
der
luK-
Branchen sollten daher so weit wie möglich den Arbeitsergebnissen der internationalen Normenorganisationen entsprechen. Damit ist gewährleistet, daß der Euro-
päische Markt von den Normen
ausländische Anbieter.
272
und technischen
Vorschriften her offen bleibt für
HERBERT KIRCHER Generalbevollmächtigter Entwicklung
+ Forschung IBM Deutschland GmbH
IBM-Positionen zum Fragenkatalog des Deutschen Bundestages „‚Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen luK-Industrie‘ 1.
1.1
Bedeutung der informations- und kommunikationstechnischen Industrie für die gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa. Was
bezeichnen
Sie als ‚„‚Hochtechnologien‘
und in welchen
strategischen
Hochtechnologie-Bereichen ist a) die deutsche und b) die europäische Industrie heute und voraussichtlich in nächster Zukunft global wettbewerbsfähig?
Hochtechnologien sind neueste Technologien und Produkte, die aktuellstes Wis-
sen realisieren. Charakteristisch sind: hoher FuE-Aufwand,
und
rascher
Innovationszyklus.
Betriebswirtschaftlich
kann
hoher Innovationswert
man
High-Tech-Pro-
dukte als solche definieren, die einen FuE-Kostenanteil am Umsatz von 8,5 % und
mehr aufweisen (FhG-ISI). Hochtechnologie-Güter kennzeichnet eine Wertschöp-
fung, die für die wirtschaftliche Zukunft eines Landes wie der Bundesrepublik ent-
scheidend ist (vgl. Antwort zu 1.4).
In Deutschland sehen wir derzeit wettbewerbsfähige High-Tech-Produkte in den Bereichen Energie, Chemie, Luft- und Raumfahrt, Optik und Mess- und Regeltechnik. Fraglich ist, inwieweit diese Bereiche wegen der zunehmenden Abhängigkeit
von modernster Mikroelektronik ihre Wettbewerbsposition auf dem Weltmarkt in Zukunft noch erhalten können und darauf vorbereitet sind, den Übergang in neue-
ste Industrien rechtzeitig zu schaffen. 1.2 In welchem Defizite?
Hochtechnologie-Bereich sehen Sie deutsche und europäische
Als zukünftig gefährdet sehen wir den gesamten Bereich der „höherwertigen Technologie‘‘ (FuE-Anteil 3,5 %
bis 8,5 % am
Umsatz), der die Exportbilanz der Bun-
desrepublik schreibt. Hier ist die Abhängigkeit von Informationstechnik in großen Teilen bereits deutlich sichtbar, speziell in der Unterhaltungselektronik.
1.3 Welches sind die derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stärken und Schwächen
von a) Deutschland und b) der Europäischen
für eine Informationsgesellschaft?
Gemeinschaft
Deutschland
Stärken sehen wir in der Grundlagenforschung, im Ingenieurwesen, im Umweltbe-
wußtsein und im dualen Ausbildungssystern, denn die zukünftige Arbeitswelt erfor-
dert, daß jede/jeder einen Beruf erlernt. Schwächen sehen wir in der Umsetzung
273
von
Ergebnissen
der öffentlichen
Forschung
in vermarktbare
Produkte
(Innova-
tions-Zyklus), in der Fähigkeit komplexe Prozesse analysieren und organisieren zu können, im Mangel an weltweiten und langfristigen Strategien zur Sicherung der IT-Basistechnologien, in den Standortbedingungen (Unternehmensbesteuerung,
Arbeits- und Sozialkosten,
inflexible Arbeitszeit,
Regelungsdichte,
Kosten für ex-
zessive Umweltauflagen, ineffizientes und zu wenig zukunftsorientiertes Bildungswesen), in den Monopolen der Telekommunikation und im Mangel an Konsens zwischen Politik und Wirtschaft in Bezug auf eine technisch/wirtschaftliche Zukunftsorientierung.
Europa Wir sehen die Stärke im Potential: in der Größe des Wirtschaftsraums und den Möglichkeiten zur Nutzung von Synergie-Effekten. Die Schwächen sehen wir in der Gefahr einer überregulierenden Eurobürokratie und in möglichen Abgrenzungsbestrebungen durch EG Außengrenzen, die die Bildung von geschlossenen Wirtschaftsblöcken zum Nachteil eines freien Welthandels und von offenen Märkten bedeuten
können
und durch auf Europa
begrenzte
Normen.
1.4 Welche Bedeutung haben die neuesten luK-Techniken für die Anwender im besonderen und für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in Deutschland im allgemeinen? luK-Techniken
sind Basis und Schlüssel
zur Wettbewerbsfähigkeit,
von der Her-
stellung bis zur Vermarktung. luK-Technik ist für eine exportabhängige Industrienation wie Deutschland der entscheidende Motor für die Wirtschaftsentwicklung und damit auch die Basis zur Finanzierung des Sozialsystems. 1989 haben in Deutschland DM 3,5 Mrd. Umsatz bei elektronischen Bauelementen ca. DM 655,6
Mrd. Umsatz in den Branchen Maschinenbau,
tik, Fahrzeugbau
und Büromaschinen
Elektrotechnik, Feinmechanik/Op-
gestützt, die DM
2.261,3 Mrd.
Bruttosozial-
produkt (BSP) erzeugt haben. 1997 wird diese 5er Gruppe 34,5 % BSP generieren, auf der Basis von einem Anteil von 15,8 % der Elektronik.
Allein in Deutschland wird sich der Verbrauch an Halbleitern in den nächsten acht
Jahren auf DM
17,5 Mrd. entwickeln (1986: DM 3,7 Mrd.).
Der Weltmarkt für Halbleiter beträgt heute $ 58,33 Mrd. bei einem Marktanteil Euro-
pas von knapp 10 %. Ein Marktanteil von 15 % gilt als kostendeckend. Die japanischen Hersteller beherrschen mehr als 50 % des Weltmarktes, die USA haben einen Weltmarktanteil von über 30 %. Das Wachstum des Halbleiter-Weltmarktes
wird derzeit auf durchschnittlich 7 % pro Jahr geschätzt.
Bereits heute sind 40 % der Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe der Bundes-
republik von der Mikroelektronik abhängig.
Mikroelektronik ist eine Schlüsseltechnologie, die mit Multiplikator-Effekt das Bruttosozialprodukt direkt beeinflußt. Sie hat deshalb Leitfunktion für die gesamte Wirtschaft. Das Land, das seine Eigenständigkeit in der Mikroelektronik gefährdet, führt seine Volkswirtschaft in die Abhängigkeit Dritter. 274
1.5 Welche Bedeutung hat dabei die Software im allgemeinen und die Anwender-
Software als Basis für neue Anwendungssysteme im besonderen? Welche Be-
deutung haben die Fortschritte der Software-Erstellung aller Art (u.a. auch wissensbasierte Systeme, Fuzzy-Sets, neuronale Netze) auf die Erfolge im Bereich der luK-Anwendermärkte? Allgemein wächst die relative Bedeutung von Software gegenüber der Hardware. Von zentraler Wichtigkeit für die Anwender-Software sind die Werkzeuge für die Erstellung von Anwendungs-Systemen auf der Basis branchenorientierter Plattformen und Anwendungen. Diese Werkzeuge bestimmen die Präsenz auf den Anwender-Märkten.
Ziele für die Weiterentwicklung der Software sind: — Verkürzung der Entwicklungs-Zyklen,
— —
Verbesserung der Qualität, Endbenutzerorientierung der Anwendungs-Systeme.
Eine
sinnvolle
Systeme,
Kombination
der
Software-Technologien,
wie
wissensbasierende
Fuzzy-Systeme und neuronale Netze läßt signifikante Produktivitätsge-
winne erwarten.
im Bereich Telekommunikation
ergeben sich neue
Dimensionen
durch softwaregesteuerte ‚Intelligente Netzwerke‘', verteilte Datenbanken
u.a.
1.6 Welche Bedeutung haben die luK-Techniken zur Lösung von wichtigen Zukunftsproblemen wie Nahrungsmittelproduktion und -verteilung, umweltfreundliche Verkehrssysteme u.a.? IuK-Technik
ist ein Produktions-
und Organisationsmittel,
das die maximale
Nut-
zung aller Ressourcen durch Optimierung, Komplementierung und Substituierung ermöglicht. IuK-Techniken bieten neue Möglichkeiten für das Vorherbestimmen von Verhalten komplexer technischer und ökonomischer Systeme und ihrer Steuerung. Die Lösung logistischer Aufgaben ist z.B. nicht mehr ohne entsprechende Systeme und Netzwerke denkbar. Die Bedeutung für umweltfreundliche Verkehrssysteme wird z.B. durch das EUREKA-Projekt PROMETHEUS belegt. Auch die Effizienz der öffentlichen Verwaltung kann durch luK-Technik erheblich
verbessert werden. Vom Staat könnte man erwarten, daß er auf dem Weg zur Infor-
mationsgesellschaft durch den Einsatz modernster Techniken eine Vorbildfunktion übernimmt bzw. durch Investitionen in moderne Infrastruktur (z.B. Breitbandnetze), die die Voraussetzungen schafft, auf breiter Basis zukunftsträchtige luK Technologien anzubieten.
1.7 Welche Bedeutung hat dabei die anzuwendende Software? Ohne Software sind Problemlösungen dieser Art (siehe 1.6) nicht vorstellbar. Das entscheidende Kriterium für den erfolgreichen Einsatz von Software ist leichte Handhabbarkeit (Benutzerfreundlichkeit/Softwareergonomie). 275
1.8
Welche Bedeutung können Hardware und Software für die Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsinhalte für die Anwender haben?
Es sind unverzichtbare Mittel, um qualifizierte Arbeit zu leisten und den individuellen, gesundheitlichen, ergonomischen und ökologischen Bedürfnissen bei der Organisation, Gestaltung und Ausführung von Arbeit zu entsprechen. In diesem Zu-
sammenhang
ist es unverständlich, daß Arbeit von zu Hause aus (Außerbetriebli-
che Arbeitsstätten, Telework)
der Telekom behindert wird. 1.9
konkret durch zu hohe Tarife der TK-Mietleitungen
Braucht die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige,
und
wettbewerbsfähige
luK-Industrie?
Gibt
es
alternative
weltweit tätige
bzw.
weitere
Industrie- und Wirtschaftsbereiche mit strategischer Bedeutung, auf die sich Wirtschaft und Staat konzentrieren sollten, um den wirtschaftlichen und sozialen Stand in der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten und zu verbessern? Es gibt keine Alternativen zur Informationstechnik, aber es wird neue Materialien und Biotechnologie geben, die gemeinsam mit der Informationstechnik die Wettbewerbsfähigkeit bestimmen werden.
Zu dieser Frage darf nicht übersehen werden, daß auch Deregulierung, Abbau von Subventionen, Investitionen für Innovation, wettbewerbsfähige Standortbedingungen und weniger Staatskosten einen beachtlichen Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Situation der Bundesrepublik
leisten können.
1.10 Braucht die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige, weltweit tätige und wettbewerbsfähige Software-Industrie? Ja. Ohne
eine leistungsfähige
Software-Industrie sind
keine wettbewerbsfähigen
Anwendungssysteme denkbar. Speziell auf dem Sektor der Fertigung (CAD, CAM, CIM) hat die deutsche Softwareindustrie sich eine führende Rolle erworben, die es auszubauen gilt. 1.11
Wie groß ist die Abhängigkeit der deutschen luK-Industrie von ausländischen
Lieferanten
bei Einzelschritten
der Produktion,
Vorproduktion,
Produkten,
Produktionsgeräten und Zusatzstoffen? In welcher Abhängigkeit steht die übrige deutsche Industrie von ausländischen luK-Produzenten? Welche Entwicklung dieser Abhängigkeiten ist unter den gegebenen wirtschafts- und forschungspolitischen Bedingungen zu erwarten? Mit wenigen Ausnahmen befindet sich Deutschland im luK-Bereich bereits in entscheidender, aber noch korrigierbarer strategischer Abhängigkeit. Japanische Hersteller beherrschen monopolartig wesentliche Grundlagentechnologien in der
mikroelektronischen ‚Nahrungskette'‘, wie elektronische Materialien und Fertigungstechnik für mikroelektronische Komponenten. Mit dern wachsenden Anteil
der Mikroelektronik in der Anwendung wächst auch die Gefahr der Abhängigkeit. 276
Die gegebenen wirtschafts- und forschungspolitischen Gegebenheiten wirken der wachsenden Abhängigkeit mit der Ausnahme von JESSI kaum spürbar entgegen. 1.12 Gibt es belegbare Beispiele dafür, daß ausländische Lieferanten und Mitbewerber ihre Marktstellung mißbräuchlich ausgenutzt haben, z.B. durch Lieferbeschränkungen
oder -verzögerungen?
Die Verfügbarkeit japanischer Geräte zur Entwicklung und Fertigung von wettbewerbsfähiger IT-Technologie außerhalb Japans wird über längere Zeiträume verzögert, ohne das Mißbrauch nachgewiesen werden kann. Japanische Hersteller setzen
ihre Geräte
zunächst
in Japan
ein, testen sie dort, dokumentieren
auf japa-
nisch und bauen zunächst in Japan Service-Systeme auf. Dadurch werden Systemwissen und technologische Wettbewerbsfähigkeit für Kritische Zeiträume gesichert.
1.13
Wie groß ist die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von ausländischen Software-Lieferanten?
Nahezu komplette Abhängigkeit bei System-Software und PC-Anwendungen. Bei Anwendungssoftware im Fertigungs- und Konstruktionsbereich haben deutsche Softwarefirmen einen Vorsprung. 1.14
Wie beurteilen Sie die Dominanz US-amerikanischer Unternehmen auf dem Gebiet der Software und welche Schlußfolgerungen ergeben sich daraus für
europäische Anwender?
Auf welchen
Software-Gebieten
sehen
Sie beson-
ders starke Abhängigkeiten und wo ergeben sich daraus Probleme für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und insbesondere der deutschen Industrie?
Die Integration von anwendungsorientierten Funktionalitäten in Basissysteme liegt
außerhalb
des
europäischen
Einflußbereichs.
Besondere
Abhängigkeiten
sehen
wir bei Werkzeugen zur Anwendungserstellung (User-Tools) und in der Telekommunikations-Software. 1.15 Kann die deutsche Industrie in einer arbeitsteiligen Welt — bzw. bei einer Arbeitsteilung im Binnenmarkt Europa — auf die Eigenproduktion von wesentlichen Bestandteilen der luK-Technologien, z.B. mikroelektronische Bausteine und Produktionsgeräte, verzichten?
Nein. Die führende Basistechnologie wird in allen Entstehungsstufen durch vertikale Integration in einigen Großunternehmen der japanischen Industrie eigenständig und in Unabhängigkeit beherrscht. Diesem erfolgreichen, japanischen Organisationsmodell steht die weitgehende Arbeitsteilung westlicher Prägung gegenüber. Sie ist unvollständig und deshalb einseitig von japanischen Lieferanten und offenen Märkten abhängig (vgl. Antwort zu 1.4). 277
1.16 Kann die deutsche Industrie auf die Eigenproduktion für neue Anwendungssysteme in den verschiedenen von Produktion und Dienstleistung verzichten? Wie wicklungsmarkt der Bundesrepublik Deutschland im Großbritannien,
der USA,
von Software als Basis Anwendungsbereichen sieht der Software-EntVerhältnis zu jenem von
Frankreich und Japan aus?
Nein. Im Unterschied zu Frankreich und Großbritannien ist der deutsche S/W-Entwicklungsmarkt stark fragmentiert. Es gibt keinen deutschen Anbieter mit nennenswertern Marktanteil. Die deutschen Anbieter haben sich, mit wenigen Ausnahmen, fast ausschließlich auf den deutschen Markt konzentriert. 1.17 Ist derzeit und auf absehbare Zeit der direkte Zugriff Europas auf die neuesten luK-Techniken und Software-Entwicklungen gewährleistet? Die Zusammenarbeit mit Unternehmen aus den USA läßt keine Gefährdung des Know-How-Transfers erkennen. 1.18
Welche mittelfristigen Konsequenzen
Finanzmarktsituation in Japan auf dem
hat voraussichtlich die gegenwärtige
Weltmarkt für IuK-Techniken? Unter
welchen Voraussetzungen vollzog und vollzieht sich die Kapitalbeschaffung
Japanischer Unternehmen und welche Bedeutung hat das für den Weltmarkt
der IuK-Techniken?
Keine. Die japanische Industrie hat langfristige Technologieziele, die mit nationaler Priorität und gesicherter Finanzierung konsequent verfolgt und erreicht werden. Typischerweise bilden die Keiretsu eine genügend kritische Masse für Bedarf und Entwicklung, der von den erfolgreichen Teilen eines Unternehmensverbunds querfinanziert wird. Ergänzt durch zinsverbilligte Bankenkredite für High-Tech-Projekte und, wenn erforderlich, öffentliche Förderung, ist dann die Finanzierung gesichert. Das System beruht auf einem von Regierung, Industrie, Medien und Gesellschaft
anerkannten und getragenen Konsens über die Wichtigkeit von Mikroelektronik für
die Volks- und Weltwirtschaft und ist nicht durch kurzfristige Einflüsse störbar. Für den Weltmarkt bedeutet das die gegenwärtige und zukünftige Marktführerschaft der japanischen luK-Hersteller, die Vorbereitung der Marktführerschaft in den Pro-
dukten und Anwendungen, die durch Mikroelektronik bestimmt werden, also praktisch die gesamte Industrieproduktion. 1.19
Welche Bedeutung hat die politisch-wirtschaftliche Entwicklung in Osteuropa
für die Entwicklung einer deutschen und europäischen global wettbewerbsfä-
higen Hochtechnologie-Industrie?
Osteuropa bedeutet langfristig ein großes Potential an qualifizierten Wissenschaftlern und Ingenieuren und den größten und entwicklungsfähigsten Markt der Welt. Derzeit begrenzen Wirtschaftssituation, Rechtsunsicherheit (z.B. Copyright) und Devisenlage die Möglichkeiten. 278
2.
Verantwortungsbereich Staat
und
Handlungsbedarf
von
Wirtschaft
und
2.1
Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europäischen IuK- und Software-Industrie?
Die Stärken Deutschlands und Europas liegen im Potential und im Ausbildungsniveau, die Schwächen darin, daß beide zersplittert, unterentwickelt und nicht genügend zukunftsorientiert auf den Wettbewerb im Weltmarkt ausgerichtet sind (vgl. Antworten 2.2
zu 1.2 ff.).
Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europäischen Anwenderindustrie bei der Nutzung der neuesten Entwicklungen der
luK-Techniken und der Software?
Schwächen Deutschland: Der Innovationsprozeß zur Entstehung eines Produktes verläuft zu langsam: Risikobereitschaft, Risikosicherung und Eigenkapital sind zu gering; Standortbedingungen und Investitionsneigung fehlende stimulierende wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen. Sinn von Kooperationen und Gilobalität sind noch
nicht genügend
erkannt. Vielen
KMU
Masse an Finanzkraft und Umsatz.
fehlt eine ausreichende
kritische
2.3 Inwieweit sind Schwächen der deutschen luK-Industrie auch das Ergebnis einer unzureichenden Ausrichtung von Unternehmensstrategien auf die globalen Märkte? Zu einem großen Teil (vgl. Antwort zu 2.4). Die Monopole im Telekommunikationsbereich schützen in Deutschland Absatz und
Preise und verhindern die Bemühungen
um Innovation.
2.4 Haben die deutschen Unternehmen der luK- und der Anwender-Industrie auf die Herausforderungen
durch wettbewerbsstarke ausländische
Unternehmen
in der Vergangenheit angemessen und rechtzeitig reagiert? Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Ergebnisse von international tätigen Beratungs-
unternehmen, wonach zwei Drittel der Kostenvorteile japanischer Konkurrenten auf bessere Management-, Produktions- und Organisationsmethoden zurückzuführen sind? Eine Reihe von Firmen (KMU) haben richtig und rechtzeitig reagiert, konnten sich aber wegen mangelnder Wirtschaftskraft nicht am Weltmarkt durchsetzen. Sie waren erfolglos, weil die Bedeutung der Informationstechnik und die globale Dimension des Marktes in Deutschland nicht erkannt wurde. Sie scheiterten am fehlenden Konsens zwischen Politik und Wirtschaft über technologische Zielvorstellungen am Weltmarkt und ihre konsequente, gemeinsame und langfristige Durchsetzung.
279
In einem firmeninternen Vergleich hat sich die interne Leistungsfähigkeit der IBM Deutschland als die der IBM Japan zumindest gleichwertig dargestellt. Allerdings sind die Rahmenbedingungen in Japan erheblich innovations- und technikfreundlicher
und erheblich weniger
kostenbelastet als in Deutschland.
2.5 Braucht die deutsche/europäische Fertigungs- und Anwender-Industrie eine eigene Produktionsstätte für Speicherchips in Europa? Europa muß die modernsten Fertigungstechniken für Mikroelektronik beherrschen. Die Herstellung von Speicherchips ist dazu der erste und entscheidende Schritt.
Obwohl derzeit weltweit Überkapazitäten in der Speicherfertigung bestehen, benötigt Deutschland eigene Produktionsstätten für Speicherchips, weil die entscheidende Fertigungserfahrung nur in der aktiven Herstellung erworben werden kann und Voraussetzung ist, um die nächste Chip-Generation oder ASICs erfolgreich zu fertigen.
2.6 Wie bewertet die deutsche Anwender-Industrie die Abhängigkeit von a) deutschen/europäischen
ASICs-Produzenten
und
b) außereuropäischen
ASICs-
Produzenten? Welche Möglichkeiten hat die Anwender-Industrie, ihr Systernwissen vor Mißbrauch zu schützen?
Unseres Erachtens läßt sich das Systemwissen nur durch eine rasche in Produkten ihre Vermarktung schützen, bevor die Mitbewerber über wissen verfügen. Bei der Herstellung von ASICs in Japan würde durch te vertikale Organisation der Keiretsu das Systemwissen sofort an die weitergegeben.
Realisierung das Systemdie kompletMitbewerber
2.7 Sollte sich die deutsche Industrie und Forschung stärker auf die Entwicklung
und Produktion von anwendungsspezifischen Chips (ASICs) konzentrieren?
Die Produktion von ASICs oder DRAMS ist nicht alternativ zu verstehen. DRAMS sind a) der technologische Wegbereiter für ASICs und b) die Grundlast in der Herstellung von ASICs, um in der Massenproduktion die Leistungsfähigkeit und Stabilität der Fertigung zu gewährleisten. 2.8 Auf welche Bereiche der luK-Techniken und auf welche Software-Bereiche sollte die deutsche Industrie ihre Kräfte in Zukunft konzentrieren?
Grundsätzlich empfehlen wir die Konzentration auf die technologischen Stärken und ihre Synergie. Für den Bereich der Informationstechnik empfehlen wir die Kon-
zentration auf Basistechnologien, und zwar in der Weise, daß die technologische Eigenständigkeit Europas gewährleistet wird. Für die Software empfehlen
wir die Konzentration
auf Kommunikations-Software
und Werkzeuge für Anwendungen sowie branchenspezifische Software. 280
2.9 Welche unternehmenspolitischen Maßnahmen zur Unterstützung der Stärken und zur Beseitigung der Schwächen in den luK-, Software- und Anwender-Bereichen wird die Industrie ergreifen? IBM
2.10
geht den Weg
der Kooperationen
zur Synergie
der Stärken.
Welche FuE-Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit werden die deutschen luK-Industrie, insbesondere auch die Software-Hersteller, ergreifen?
IBM wird durch Kooperationen, Joint Ventures und die Beteiligung an deutschen und europäischen Programmen ihr Know-How zur Verbesserung von FuE der luKIndustrie einbringen. 2.11
Wie beurteilen Sie den Erfolg der bisherigen deutschen und europäischen FuE-Förderungsprogramme im Bereich der lIuK-Techniken, der Fertigungstechniken, der Materialforschung usw.?
Die derzeitige Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt läßt keinen Erfolg der bisherigen
2.12
Förderprogramme
erkennen.
Welche Ziele und welche Prioritäten sollten zukünftige deutsche FuE-Förderprogramme für den Bereich der luK-Techniken setzen?
Wir empfehlen, diese Ziele und Prioritäten in einem partnerschaftlichen Beratungs-
prozeß zwischen Politik, Wissenschaft, Hersteller, Anwender, Finanzierungsinstitu-
ten und Bildungseinrichtungen zu definieren.
Die Realisierung muß grundlegend reformiert und in industriellem Maßstab mit Erfolgskontrolle durchgeführt werden. Im Software-Bereich sind Klassen anspruchsvoller Anwendungssysteme zu identi-
fizieren.
Außerdem
sind
Kooperationen
von
Anwendern,
Software-Häusern
und
Forschungsinstitutionen zu fördern, um neuestes Wissen in Anwendungswerkzeu-
ge einzuarbeiten. Erste Priorität: Modellierung der Informations-Strukturen von ty-
pischen und wichtigsten Branchen; zweite Priorität: Telekommunikations-Netze der deutschen Wirtschaft auf der Basis einer kostengünstigen Telekommunikations-Infrastruktur. 2.13
Ist eine staatliche Förderung der heimischen Software-Produzenten wirtschafts- und forschungspolitisch geboten? In welchen strategischen Be-
reichen sollten solche Fördermaßnahmen
aussehen?
ggf. ansetzen und wie sollten sie
Ja,
— Ausgleich des hohen Risikos bei der Einführung neuer Technologien — für die Verfügbarkeit/Wartung der Software-Projektergebnisse über einen längeren Zeitraum nach Projektende hinaus — für die internationale Vermarktung. 281
2.14
Auf welche Bereiche der luK-Techniken und auf welche Software-Bereiche sollten sich die staatlichen Fördermaßnahmen konzentrieren?
Auf die Bereiche, die auf der Basis des Beratungsprozesses die Eigenständigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen luK-Industrie am effizientesten und wirkungsvollsten herstellen. In der Mikroelektronik sind die Stufen der ‚Nahrungskette‘‘,
die von japanischen
Herstellern monopolartig beherrscht werden, wieder in die technologische Eigen-
ständigkeit zu führen: Materialien, Geräte, Herstellverfahren, Speicher, Logik. Als zweckmäßig und erreichbar bietet sich dafür die Herstellung von 64-Mb-DRAMS
an, die gleichzeitig den Weg für hochintegrierte ASICs ebnen und ihre Herstellung ermöglichen. In der Software auf Werkzeuge für Anwendungen
im weitesten Sinn, mit dem Ziel,
daß sie langfristig als Produkte zu vertretbaren Preisen verfügbar werden. 2.15
Welche Maßnahmen zur Unterstützung der Industrie werden a) von der deutschen Regierung und b) von der EG-Kommission erwartet? Sind Alternativen zur Projektförderung sinnvoll und wünschenswert (z.B. steuerliche Förderung)?
Die Maßnahmen werden auf der Basis des Beratungsprozesses zu definieren sein, dessen Ergebnisse von der Bundesregierung und der EG-Kommission mitgetragen werden. Grundsätzlich sind alle Maßnahmen, die Investitionen für Innovation und den Standort Deutschland wieder international wettbewerbsfähig machen, denkbar, einschließlich der öffentlichen Beschaffung von Hochtechnologie-Produkten
und modernen Multi-Media-Netzen für Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung, z.B. ein Multi-Media-Kommunikationsnetz zwischen allen Wirtschaftszentren in Deutschland und Europa und zwischen den Regierungs-Standorten Bonn/Berlin, Brüssel und anderen. Maßnahmen
zur Verbesserung des Standorts Deutschland
Reform der Unternehmensbesteuerung, Flexibilisierung der Arbeitszeit, Stabilisierung/Senkung der Lohnnebenkosten, Umweltschutz mit Augenmaß, kostengünstigere Energie, kostengünstigere TK-Mietleitungstarife, Trennung von Maschinenlauf- und Arbeitszeiten, Deregulierung der Arbeits- und Sozialgesetzgebung, Senkung der Kapitalkosten, Bereitstellung von Risikokapital etc. Maßnahmen zur Förderung der Forschung Mehr Anreize für Forschungsinvestitionen durch Investitionszulagen, Verbesserung der Abschreibungsmöglichkeiten, Begünstigung von zusätzlichem Forschungsaufwand, kostengünstiges Risikokapital. Die direkte Forschungsförderung muß der Weltmarktsituation entsprechend zielorientierter, auf wenige Schlüsselprojekte begrenzt und effizienter organisiert sein. Wissenschaftler müssen
mehr in
unmittelbarer Zusammenarbeit mit der Industrie an realen Aufgaben tätig werden. Direkte Förderung muß zwingend an Erfolgskontrollen gebunden werden.
282
Forschung und Industrie müssen durch ein europäisches HochgeschwindigkeitsNetzwerk neuestes Wissen bereitstellen und austauschen.
Maßnahmen
zur Förderung der Produktentwicklung
Förderung der Kooperation mit internationalen Partnern durch ein Wettbewerbs-
recht, das sich am Weltmarkt orientiert. Keine staatlichen Einschränkungen wie die
NKFT 88, Ausgleich der Standort-Nachteile bis zu ihrem Abbau.
Im Software-Bereich können wir uns die steuerliche Begünstigung von Entwicklungs-Aufwand für die Werkzeug-Entwicklung und zur Einführung neuer Technologien bei Anwendern vorstellen, außerdem: Verbesserung des Urheberrechtsschutzes durch Einführung der Copyright-Direktive und Reduzierung der Anforderungen an die Gestaltungshöhe. Maßnahmen
zur Förderung der Mikroelektronik-Produktion
Schaffung von wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit einer zeitlich begrenzten, am Weltmarkt orientierten, marktwirtschaftlichen Industriepolitik, bis zur Erreichung einer eigenständigen Position der deutschen und europäischen Wirtschaft am Weltmarkt in der Schlüsseltechnologie Informationstechnik. Maßnahmen
zur Förderung moderner Dienstleistungen
Beschaffung von High-Tech-Produkten für die Dienstleistungen der öffentlichen Hand in Deutschland und Europa, Schaffung einer TK Infrastruktur mit kostenorientierten Tarifen, Deregulierung im Sprachenbereich für unternehmensweite TK-Netze gem. der EG-Richtlinien, Anpassung des Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz (AUG) und der Arbeitszeitordnung (AZO) an die Erfordernisse moderner Dienstleistungen. Maßnahmen
zur Förderung des internationalen Handels
Marktöffnung (GATT) sicherstellen, Normen dürfen nicht als Handelsbarrieren wirken oder Innovation einschränken, Herstellererklärungen müssen als vollwertige
Alternative zu Zertifizierung
anerkannt
werden,
Privatisierung der DBP
Telekom
und damit ermöglichen ihrer internationalen Marktteilnahme, faire Beschaffungsregeln bei internationalen Ausschreibungen.
2.16
Unter welchen Voraussetzungen kann die kommunikationstechnische Industrie in der Bundesrepublik noch international wettbewerbsfähig und leistungsstark bleiben?
Voraussetzung sind wettbewerbsfähige dem Weltmarkt stellen können.
Produkte und Dienstleistungen, die sich
2.17 Ist langfristig zu befürchten, daß im Bereich der Telekommunikation auf Dauer höchstens 5 bis 6 nennenswerte Wettbewerber weltweit geben wird? Wie stellt sich die deutsche Industrie hierauf ein?
283
Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen TK-Industrie kann vor allem durch die
Aufhebung der TK-Monopole gestärkt werden, die einen beachtenswerten tions-Schub zur Folge haben wird. 2.18
Welche
Strategien
müssen
verfolgt werden,
um
Innova-
auf den europäischen
außereuropäischen Märkten einheitliche Wettbewerbsbedingungen reich der Telekommunikation herzustellen?
und
im Be-
Durch die Aufhebung der TK-Monopole kommunikations-Protokolle.
und durch weltweite Standards für Tele-
2.19
und
Welche
wirtschafts-,
forschungs-
technologiepolitischen
Maßnahmen
von Wirtschaft und Staat sind erforderlich, um insbesondere den KMU im Anwenderbereich (z.B. Maschinenbau) die neuesten luK-Techniken und Software-Entwicklungen frühzeitig zugänglich zu machen?
Durch Beteiligung an den deutschen und europäischen Förderprogrammen,
und
an dem vorgeschlagenen Beratungsprozeß (vgl. Antwort zu 2.12), durch Technolo-
gie-Transferzentren und durch Förderantragsberater, die den komplizierten Formulare und Antragsverfahren zu überwinden. 2.20
KMU
helfen, die
In welchen Bereichen sollte der Staat mit Fördermaßnahmen die Entwicklung geeigneter arbeits- und betriebsorganisatorischer Produktions- und Dienstlei-
stungskonzepte unterstützen, um eine zweckmäßige Nutzung der Hochtechnologieprodukte zu erreichen?
1. In den eigenen Bereichen durch Bürokommunikations-Netzwerke, und abfrageorientierte Datenbanken, sowie Pilotanwendungen 2.
In der Grundlagenforschung, len
3.
Im Aus- und Weiterbildungsbereich, um aktuelles Wissen zu generieren und zu vermitteln.
2.21
um einen effektiven Innovations-Zyklus zu erzie-
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der EG- und GATT-Vereinbarungen für die staatlichen Fördermöglichkeiten?
Im Rahmen der EG gibt es umfangreiche Förderprogramme, die vor allem in Bereichen Agrar und Technologie (Airbus) Anlaß zu internationalen Verstimmungen gegeben haben. Grundsätzlich sind solche nichttarifären Handelspraktiken abzuleh-
nen, und auch im GATT sollte stärker auf die Einhaltung der Regeln geachtet werden. 2.22
284
Welche Industriebereiche der deutschen bzw. europäischen Industrie sind in
Zukunft durch Marktstrategien fernöstlicher Konzerne besonders gefährdet?
Alle Industriebereiche, deren Wertschöpfung auf integrierter Mikroelektronik aufbauen: Informationstechnik, Automobil- und Verkehrstechnik, Luft- und Raumfahrt, Maschinen- und Anlagenbau, Industrie-Elektronik, Telekommunikation, KonsumElektronik.
2.23
Mit welchen besonderen wirtschafts- und forschungspolitischen Maßnahmen
soll die Bundesregierung bzw. die EG-Kommission diesen Strategien begegnen?
Die Maßnahmen
müßten auf der Basis einer Strategie, die im Rahmen
eines Bera-
tungsprozesses definiert und umgesetzt werden, getroffen werden (vgl. Antworten zu 2.12, 2.15). Freier Welthandel, offene Märkte und faire Handelspraktiken müssen die Basis der Maßnahmen
2.24
Sind besondere
sein.
wirtschaftspolitische Maßnahmen
im Bereich der Hochtech-
nologien angebracht oder gar unvermeidlich, um eine heimische Hochtechnologie-Industrie zu entwickeln und zu erhalten? Bestehen strukturelle Bedingungen, die den luK-Bereich als Ausnahmebereich des ordnungspolitischen Leitbildes begründen?
Wir setzen uns für eine zeitlich begrenzte Industriepolitik ein, die Innovation vor allem im Hochtechnologie-Bereich so lange fördert, bis eigenständige Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt hergestellt ist. Dazu gehören auch Maßnahmen, die Kooperationen
fördern und die den Standort Deutschland
wieder international at-
traktiv machen bzw. seine Nachteile ausgleichen. Wir halten öffentliche Investitionsbeiträge für Innovation für die zukünftige Wirtschaftslage der Bundesrepublik für wichtiger als Subventionen
für „sterbende‘
Branchen.
Das ordnungspolitische Leitbild existiert real nur noch in den Köpfen der Wirtschaftstheoretiker der ‚reinen‘ Lehre. In der Praxis wird von den Prinzipien der li-
beralen Wirtschaftsordnung ständig abgewichen, meist aus „sozialpolitischen‘“ Gründen, wie im Falle der Werften, des Bergbaus und der Landwirtschaft. Für eine Übergangszeit läßt sich die soziale Abfederung des Strukturwandels rechtfertigen, doch darf dies kein Dauerzustand werden. Diese auf die Vergangenheit und Konservierung veralteter Strukturen
ausgelegte Wirtschaftspolitik versperrt den
auf die Bereiche, die in Zukunft Wachstum 2.25
und Wohlstand sichern.
Blick
Wie kann der Staat die heimischen Hochtechnologie-Industrien vor abgesprochenen und gezielten Marktangriffen (z.B. target pricing) ausländischer Unternehmen schützen, gleichwertige Wettbewerbsbedingungen weltweit anstreben und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie steigern?
Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie ist unter den Voraussetzungen
eines
freien
Weltmarktes,
offenen
Märkten
und
fairen
wickeln. Diese Gegebenheiten gilt es herzustellen.
Handelspraktiken
zu ent-
285
2.26 Sollte eine gemeinsame
Meinungsbildung
von Staat,
Wirtschaft,
schaft und gesellschaftlichen Gruppen zu den zu erwartenden
Wissen-
technischen
und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland organisiert oder institutionalisiert werden? Wir unterstützen einen deutschen/europäischen Konsens zu der Einsicht, daß die zukünftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unseres Systems auf Hoch-Technolo-
gie und diese wiederum auf Qualifikation beruht. Unseres Erachtens konzentriert sich die Politik mehr auf den Verteilungswettbewerb, als auf die Voraussetzungen für eine in der Zukunft ertragreichen Einnahmensseite. Entscheidend ist, daß diese
Einsicht zur Grundlage des politischen Handelns wird.
2.27
Was
muß
unternommen
werden,
damit in Deutschland
technologische Zu-
kunftsthemen besser identifiziert und im Rahmen gemeinsamer Anstrengungen realisiert werden können?
Dies wäre auch Thema des angesprochenen Beratungsprozesses (vgl. Antworten
zu 2.12 und 2.15).
2.28
Welche staatlichen Anstrengungen zur verstärkten Beobachtung der japanischen Zukunftsvorstellungen sowie der technischen Entwicklungen und Erfindungen in Japan sind notwendig (z.B. Ausbildung in japanischer Sprache,
Übersetzungen, Datenbanken)?
Es ist in der Tat so, daß die meisten japanischen Strategien den einschlägigen Ver-
öffentlichungen zu entnehmen sind. Hier liegt eine Aufgabe für einschlägige Referate der Botschaften
in Asien, für die Wirtschaftsverbände
und für Unternehmen
tagesaktuell Informationen über On-Line-Informationsnetze zu recherchieren und anzubieten. Ebenfalls förderungswürdig ist die Bereitstellung von Experten für Wirtschaft, Technik und Politik, die fachqualifiziert beobachten
nen.
und berichten kön-
2.29 In welchen Bereichen sollte der Staat vorrangig eine innovative Infrastruktur-
politik betreiben? Welche Infrastrukturen und welche institutionellen Bedingungen für den Transfer von Wissen und Know-how benötigen wir für die
kommenden Jahrzehnte?
In der Telekommunikation muß die Infrastrukturpolitik mit Infrastruktur-Wettbewerb
beginnen. 2.30
Welche
Bildungs-
benötigt eine dabei
und
Ausbildungssysteme
Informationsgesellschaft?
notwendigen
werden?
Wie
qualifikationsfördernden
sowie
Weiterbildungssysteme
können
die Grundlagen
Arbeitsbedingungen
der
gefördert
Die Informationsgesellschaft erfordert eine qualifizierte Erstausbildung, in der der Schwerpunkt vom
286
bloßen
Faktenwissen
auf ein zuverlässiges, strategisches Wis-
sen
(Verstehen,
Denk-
und
Lerntechniken
etc.) verlagert wird,
das erforderliche
Neuqualifikation und die Einarbeitungen in neue Wissens- und Berufsfelder im Laufe des Arbeitslebens erleichtert. Schulsysteme und Wirtschaft müssen kooperativer und füreinander durchlässiger werden, um den wechselseitigen Bedürfnissen besser zu entsprechen. Informationstechnik und ihre Anwendungen müssen eine Kulturtechnik wie rechnen, schreiben und lesen werden, ohne die niemand die Schulsysteme verläßt. Im weiteren ist eine konstante, berufsbegleitende Wei-
terbildung in Eigenverantwortung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern partnerschaftlich mit den Unternehmen erforderlich. Kein Unternehmen wird sich in Zukunft darauf verlassen können, alle benötigten Qualifikationen durch Anwerbung oder Personalwechsel erhalten zu können. Aus- und Weiterbildung sind so anzulegen, daß eine lebendige, aktuelle, konstante
und auch gesellschaftlich verantwortliche Problemlösungskompetenz entsteht und vorgehalten wird.
2.31
Welche Bedeutungen haben Normenvereinbarungen für die Wettbewerbsfähigkeit der IuK-Industrie? Welchen Einfluß soll der Staat auf die Normensetzung nehmen?
In der IuK-Industrie ist die Dynamik der Innovation besonders stark. Die traditionelle Normung wirkt durch ihre langen Entstehungs- und Abstimmungszeiten wettbewerbsbehindernd. Entwicklungsbegleitende Normung ist effektiver, vor allem dann, wenn der durch die beteiligten Kreise entstandene Normenkonsens staatlich mitgetragen und international unterstützt wird. Der Staat sollte seinen Einfluß auf die regelungsbedürftigen Teile der Normung beschränken, z.B. Produktsicherheit, Ergonomie, nationale Zeichensätze u.ä.m. Dort, wo sich der Staat an der Normung
bundenen 2.32
Kosten beteiligen.
beteiligt, sollte er sich an den damit ver-
Welchen Stellenwert hat im Rahmen der EG die Schaffung neuer Standards
zur Verbesserung der Wettbewerbschancen elektronischen Industrie?
der
elektrotechnischen
und
Für die IuK-Industrie ist der Weltmarkt der entscheidende Maßstab, deshalb sollten Standards nur in weltweiter, internationaler Zusammenarbeit entstehen. Eine Be-
grenzung auf nur europäische Normen schadet langfristig der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in Europa.
2.33
Welche Bedeutungen haben die Normenvereinbarungen für die Arbeitsbedingungen nach der europäischen Harmonisierung und welche Bedeutung wird den Arbeitsbedingungen einschließlich der Arbeitsorganisation und Qualifikation für die Innovationsfähigkeit der einheimischen traditionellen und Hochtechnologie-Industrie zugemessen? 287
Innovationsfähigkeit läßt sich hier nur durch höchste Flexibilität der Arbeitsabläufe,
effizient und gut ausgerüstete Arbeitsplätze, der Freiheit zur selbständigen Gestaltung des Arbeitsplatzes, vor allem aber durch Flexibilität der Arbeitszeit und Stei-
gerung der Qualifikation erzielen. 2.34
Welche Defizite und Hindernisse der industriellen Kooperation zwischen Herstellern und Anwendern sehen Sie gegenwärtig? Welche Verbesserungsmöglichkeiten gibt es für solche Kooperationen und wo sollten sie staatlich gefördert werden?
Das Defizit liegt u.E. in einem traditionellen, lehrbuchhaften Verständnis von Wett-
bewerb, das gemeinsame Interessen, die auf einen globalen Markt ausgerichtet sind, nicht genügend kennt. Es fehlt an langfristiger, internationaler Orientierung und vor allem an Problernbewußtsein zur Globalisierung der Märkte. 2.35
Welche Kooperationen bzw. strategische Allianzen mit europäischen und au-
Bereuropäischen Mitbewerbern in den Bereichen Mikroelektronik, Kommunikationstechnik und Software-Entwicklung gibt es oder werden von der deutschen Industrie angestrebt?
Die Dynamik in der Entwicklung von IT-Basistechnologien und die damit verbundenen Investitionsrisiken führen zu einer unbekannten Vielzahl und ständig wachsen-
der Anzahl von Kooperationen. Wir beschränken uns deshalb auf drei wesentliche technologische Kooperationen, an denen IBM beteiligt ist:
Zur Entwicklung von 256-Mb-Speichern
besteht eine Kooperation zwischen Sie-
mens, Toshiba und IBM. In der Entwicklung von 64-Mb-Speicherchips arbeiten Siemens und IBM zusammen. In der Produktion von 16-Mb-Speicherchips kooperieren Siemens und IBM in Frankreich.
288
Prof. Dr.-Ing. HARTMUT Daimler-Benz
AG
WEULE
1.
Bedeutung der informations- und kommunikationstechnischen Industrie für die gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa.
1.1
Was bezeichnen Sie als „Hochtechnologien‘ und in welchen strategischen Hochtechnologie-Bereichen ist a) die deutsche und b) die europäische Industrie heute und voraussichtlich in nächster Zukunft global wettbewerbsfähig?
Als Hochtechnologien
im luK-Bereich werden die Informationsverarbeitung (Hard-
ware, Software), die Kommunikationstechnik ren, Speicherelemente) angesehen.
und die Mikroelektronik (Prozesso-
Dabei gilt die luK-Industrie als ‚Schlüsselindustrie‘‘ tial.
mit hohem
Innovationspoten-
In weiteren Hochtechnologien wie z.B. Biotechnik und neue Werkstoffe, wird die
a) deutsche und b) europäische Industrie auch in Zukunft als wettbewerbsfähig angesehen. Dies gilt insbesondere für die Sektoren Automobil, Luft- und Raumfahrt und weitere Bereiche des Maschinen- und Anlagenbaus.
1.2 In welchem Defizite?
Hochtechnologie-Bereich sehen Sie deutsche und europäische
Defizite gegenüber den USA existieren bei der Entwicklung eigener Prozessorarchitekturen und Rechnersysteme sowie in Bereichen der Basis-Software (z.B. Betriebssysteme). Hier sind europäische Firmen fast vollständig abhängig. Auf dem Gebiet der Mikroelektronik existieren Schwächen in allen Teilbereichen der Prozeßkette, angefangen bei den Entwurfstechniken bis zur hoch automatisierten Wafer-Produktion (Abhängigkeiten von japanischer und amerikanischer Zulieferindustrie).
1.3 Welches sind die derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stärken und Schwächen
von a) Deutschland und b) der Europäischen
für den Übergang in eine Informations-Gesellschaft?
Gemeinschaft
Als europäische Stärken gelten ein hohes Ausbildungsniveau und technologisches Know-how, eine gut funktionierende Infrastruktur und ein großer Nachfragemarkt (EG). Die Stärke insbesondere der deutschen Industrie besteht im Erstellen von kombinierten und integrierten Systemen aus verschiedenen Schlüsselkomponenten.
289
Schwächen werden in der fehlenden Bündelung von FuE-Aktivitäten auf Schlüsseltechnologien, unter Nutzung der vorhandenen Ressourcen, gesehen.
1.4 Welche Bedeutung haben die neuesten luK-Techniken für die Anwender im besonderen und für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in Deutschland im allgemeinen? In fast allen Branchen (Automobil, Maschinenbau etc.) werden heute sowohl in den
Produkten
selbst wie auch
in der Entwicklung
und
Produktion
luK-Techniken
als
Produkt- und Prozeßtechnologie eingesetzt. Auch der öffentliche und private Dienstleistungsbereich stützt sich auf diese Techniken. In all diesen Bereichen gilt deshalb die Beherrschung der luK-Techniken als wichtige Voraussetzung für den Erfolg.
1.5 Welche Bedeutung hat dabei die Software im allgemeinen und die AnwenderSoftware als Basis für neue Anwendungssysteme im besonderen? Welche Bedeutung haben die Fortschritte der Software-Erstellung aller Art (u.a. auch wissensbasierte Systeme, Fuzzy-Sets, neuronale Netze) auf die Erfolge im Bereich der IuK-Anwendermärkte? Software im allgemeinen gilt als Schlüsseltechnologie und nimmt teilweise heute einen größeren Stellenwert ein als die Hardware. Ein erheblicher Teil des Unternehmens-Know-How
(Abläufe,
software, die damit die le, kostengünstige und derverwendbarkeit) ist wie auch den Anbieter
Produktionsverfahren)
steckt in der Anwendungs-
Wettbewerbsfähigkeit wesentlich mitbestimmt. Eine schnelsichere Software-Herstellung (Software-Engineering, Wiefür den Anwender — im Falle der Eigenentwicklung — sovon Anwendungssoftware von entscheidender Bedeutung.
Zukünftig wird die Beherrschung der Software als ein zentrales Thema zur Anwendung von luK-Technik angesehen sowohl für industrielle Produkte und Systeme als auch deren Entwicklung (rechnergestützte Entwicklungsumgebung). Beispielhafte Anwendungen finden sich im Bereich Verkehr (Verkehrsleit- und Logistiksysteme) und im Bereich Produktion (Fertigungsautomatisierung). 1.6 Welche Bedeutung haben die luK-Techniken zur Lösung von wichtigen Zukunftsproblemen wie Nahrungsmittelproduktion und -verteilung, umweltfreundliche Energieversorgung, umweltfreundliche Verkehrssysteme u.a.? Die IuK-Techniken können wesentliche Beiträge zur Umweltentlastung und -überwachung leisten. Beispielsweise lassen sich bei hohen Energieverbrauchern durch ein rechnergestütztes Energie-Management erhebliche Einsparungen erzielen. Im Bereich des Verkehrs können mit Hilfe der IuK-Technik (Logistik) die Ausnutzung bestehender Infrastrukturen erheblich gesteigert und damit die Transportkapazität und Transportleistung erhöht werden, ohne die Umwelt stärker als bisher zu belasten.
1.7 Welche Bedeutung hat dabei die anzuwendende Software? 290
Erst durch die spezifische Anwendungs-Software, in die sehr viel UnternehmensKnow-how einfließt, gewinnt die Basis-Software an Mehrwert und kann zur Differenzierung und zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen dienen. 1.8 Welche Bedeutung können Hardware und Software für die Gestaltung der Arbeitsorganisation
und der Arbeitsinhalte für die Anwender haben?
Informationstechnische Systeme sind in vielen Fällen Voraussetzung für eine pro-
duktivere Arbeitsorganisation. Dabei erleichtert u.a. eine ergonomisch gestaltete, einheitliche Mensch-Maschinen-Schnittstelle die Akzeptanz und gewährleistet eine einfachere Bedienbarkeit. Dezentrale Organisationsformen und Teamarbeit erfordern zunehmend bessere Kommunikationsmöglichkeiten. 1.9 Braucht die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige,
weltweit tätige
und wettbewerbsfähige luK-Industrie? Gibt es alternative bzw. weitere Industrie- und Wirtschaftsbereiche mit strategischer Bedeutung, auf die sich
Wirtschaft und Staat konzentrieren sollten, um den wirtschaftlichen und sozialen Stand in der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten und zu verbessern? Zur Sicherung etablierter Märkte (Automobil, Maschinenbau, Chemie, Verfahrens-
technik) ist eine global operierende europäische luK-Industrie erforderlich — zumal
sich immer mehr unternehmerisches Wissen in den Applikationen (Softwareanwendungen) befindet. Dabei sollte man sich auf Speziallösungen (z.B. Fertigungs-
leitsysteme, CIM, ASICs) und auf das Know-how zur Integration von Komponenten
zu hochwertigen
komplexen
Systemen
konzentrieren.
Die IuK-Technik sollte auch an den Hochschulen mehr an Bedeutung gewinnen und schon im Ausbildungsbereich einen Bezug zu industriellen Anwendungen ha-
ben.
Weitere Industriebereiche von strategischer Bedeutung, die sich zum Beispiel auf
Umwelttechnik, Gen- und Biotechnologie und Neue Werkstoffe stützen, müssen er-
halten und gefördert werden. 1.10
Braucht die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige,
siehe
1.9.
1.11.
und wettbewerbsfähige Software-Industrie?
weltweit tätige
Wie groß ist die Abhängigkeit der deutschen luK-Industrie von ausländischen
Lieferanten
bei
Einzelschritten
der
Produktion,
Vorprodukten,
Produkten,
Produktionsgeräten und Zusatzstoffen? In weicher Abhängigkeit steht die übrige deutsche Industrie von ausländischen luK-Produzenten? Weiche Entwicklung dieser Abhängigkeiten ist unter den gegebenen wirtschafts- und forschungspolitischen Bedingungen zu erwarten? Die Mikroelektronik ist heute in hohem Maße von Japan (Chemikalien und Geräte zur Herstellung) und den USA (Design-Software) abhängig. Diese Abhängigkeit 291
wird sich fortsetzen, wenn es nicht gelingt, zumindest auf Teilgebieten Entwicklungen zu betreiben, auf die andere ausländische Mitbewerber zurückgreifen müssen.
Im Bereich der Hardware (z.B. Speicherchips, Prozessoren) herrscht eine große Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten. Das Wissen über Neuentwicklungen im IuK-Bereich steht Anwendern in Europa später zur Verfügung als Mitwettbewerbern
in den
Ursprungsländern.
Standard-Software (z.B. Betriebssysteme) werden vollständig aus den USA bezogen. Europäische Länder haben keinen Zugang zu Neuentwicklungen in der Entstehungsphase. 1.12 Gibt es belegbare Beispiele dafür, daß ausländische Lieferanten und Mitbe-
werber ihre Marktstellung mißbräuchlich ausgenutzt haben, z.B. durch Liefer-
beschränkungen oder -verzögerungen?
Im Bereich der Mikroelektronik gibt es vermehrt Fälle, in denen japanische Firmen nicht bereit sind, Einzelkomponenten
an deutsche
Firmen zu liefern, sondern
komplette Systeme einschließlich Komponenten anbieten. 1.13
nur
Wie groß ist die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von ausländischen Software-Lieferanten?
Eine Dominanz der Amerikaner gibt es in dem Bereich der Basis-Software (Datenbanken, Benutzeroberflächen, Netzwerksysteme, Betriebssysteme) und bei Standards. Eine Firmenabhängigkeit existiert bei spezieller Anwendungs-Software (z.B. CAD-
Systeme), teuer ist.
1.14
deren Anpassung
an firmenspezifische Anforderungen
aufwendig
und
Wie beurteilen Sie die Dominanz US-amerikanischer Unternehmen auf dem Gebiet der Software und welche Schlußfolgerungen ergeben sich daraus für europäische Anwender? Auf welchen Software-Gebieten sehen Sie besonders starke Abhängigkeiten
und wo ergeben
sich daraus
Probleme
für die
Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und insbesondere der deutschen Industrie?
Aufgrund der Dominanz der US-amerikanischen Industrien im Bereich der Basis-
Software sowie der CA-Techniken muß es Ziel der europäischen Industrie sein, die
anwendungsorientierten IuK-Techniken als strategischen Schwerpunkt auszubauen.
1.15 Kann die deutsche Industrie in einer arbeitsteiligen Welt- bzw. bei einer Arbeitsteilung im Binnenmarkt Europa — auf die Eigenproduktion von wesentlichen Bestandteilen der luK-Technologien, z.B. mikroelektronische Bausteine
und Produktionsgeräte,
292
verzichten?
Aus reiner Anwendersicht ist eine eigene starke luK-Industrie nicht zwingend notwendig, solange ein funktionierender Wettbewerb unter den ausländischen Anbie-
tern gewährleistet ist.
In einzelnen Branchen jedoch ist eine eigenständige Industrie zur Sicherung der eigenen Kompetenz und eines direken Technologiezugriffs unverzichtbar: —
Software-Industrie, Software erhalten.
da
immer
mehr
Produkte
ihre Funktionalität
erst durch
—
Mikroelektronik, da das im Chip integrierte Systemwissen der Anwender die Wettbewerbsfähigkeit wesentlich mitbestimmt. Design und Herstellung solcher Logik-Chips darf deshalb nicht ausländischen, z.B. japanischen Mikroelektronik-Herstellern überlassen werden, die selbst als große integrierte
Konzerne auch anwenderseitig oft als Konkurrenzunternehmen auftreten.
1.16 Kann die deutsche Industrie auf die Eigenproduktion von Software als Basis für neue Anwendungssysteme in den verschiedenen Anwendungsbereichen
von Produktion und Dienstleistungen verzichten? Wie sieht der Software-Entwicklungsmarkt der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu jenem von Großbritannien, der USA, Frankreich und Japan aus?
Firmenspezifische
Software-Applikationen
(Unternehmens-Know-how)
Wettbewerbsvorteile, aber resultieren oft in Mehrfachentwicklungen.
bringen
Ziel sollte es
sein, gemeinsame branchenübergreifende Lösungen als Basismodule (Wiederverwendbarkeit)
zu entwickeln.
Im Software-Bereich existieren trotz ähnlichem Bedarf in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Anbieterstrukturen, mit EDS (USA) als größter IuK-Serviceanbieter der Welt, CAP Gemini (in Frankreich) als größter Anbieter in Europa. In Deutschland gibt es dagegen eine sehr zersplitterte Anbieterlandschaft mit sehr vielen kleinen Softwarehäusern. Derzeit genießen sowohl in der freien Wirtschaft als auch bei der öffentlichen Hand
die Hardware-Hersteller besonderes Vertrauen bei Beschaffungen. sern werden dabei nur geringe Chancen eingeräumt.
Software-Häu-
1.17 Ist derzeit und auf absehbare Zeit der direkte Zugriff Europas auf die neuesten luK-Techniken und Software-Entwicklungen gewährleistet? In der Software-Industrie — Schwerpunkt USA — herrscht derzeit kein Defizit. Der
direkte Zugriff ist duch eine offene amerikanische Handelspolitik gewährleistet. 1.18
Welche mittelfristigen Konsequenzen hat voraussichtlich die gegenwärtige
Finanzmarktsituation in Japan auf dem
Weltmarkt für IuK-Techniken?
Unter
welchen Voraussetzungen vollzog und vollzieht sich die Kapitalbeschaffung
japanischer Unternehmen und welche Bedeutung hat das für den Weltmarkt
der luK-Techniken?
293
In der Vergangenheit war es den japanischen Unternehmen möglich, unter Hinweis auf künftige Wertsteigerungen bei Aktien und Immobilien, die Ausschüttun-
gen und Dividenden auf ein Mindestmaß zu beschränken. Gleichzeitig sorgte die japanische Notenbank für ein niedriges Zinsniveau. Ein Indiz für eine veränderte Entwicklung ist beispielsweise die jüngste Kooperation eines japanischen Herstellers mit einer europäischen und amerikanischen Firma (IBM-Siemens-Toshiba), um die kostenintensive Entwicklung auf mehrere Schultern zu verteilen.
1.19
Welche Bedeutung hat die politisch-wirtschaftliche Entwicklung in Osteuropa für die Entwicklung einer deutschen und europäischen global wettbewerbsfähigen Hochtechnologie-Industrie?
Mittelfristig wird Osteuropa als ein wichtiger Absatzmarkt für die IuK-Technologien angesehen, allerdings müssen diese Märkte erst durch Hilfe erheblicher Vorinvestitionen erschlossen werden. 2.
Verantwortungsbereich Staat
2.1
Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europäischen luK- und Software-Industrie?
Die Stärken
der europäischen
und
Handlungsbedarf
Software-Industrie
von
Wirtschaft
liegen im Erstellen von
und
anwen-
dungsspezifischen Software-Paketen, trotz einer Abhängigkeit von der Basis-Soft-
ware. Es fehlt eine einheitliche Vertriebsstrategie in Europa bzw. im US-amerikanischen Schlüsselmarkt, die sich auf europäische Normen/Standards abstützen kann. 2.2
Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europä-
ischen Anwenderindustrie bei der Nutzung der neuesten Entwicklungen der luK-Techniken und der Software?
Die Informationsverarbeitung als ein wichtiger Wirtschaftsfaktor wird noch nicht allgemein anerkannt — dadurch kornmt es zu einer Unterschätzung der Aufwendungen, die diese Technologie verursacht. Zu den Stärken der a) deutschen und b) europäischen Anwendungsindustrie zählt
der Einsatz von rechnergestützten Verfahren in der Entwicklung und Fertigung von industriellen Produkten (luK als Prozeßtechnologie).
Als Schwäche gilt, verglichen mit außereuropäischen Wettbewerbern, daß modernste IuK-Technologie nur langsam Eingang findet in industrielle Produkte. Weiterhin besteht großer Nachholbedarf bei dem produktiven Einsatz moderner Entwicklungswerkzeuge (Software Engineering, CASE). 2.3 Inwieweit sind Schwächen der deutschen IuK-Industrie auch das Ergebnis einer unzureichenden Ausrichtung von Unternehmensstrategien auf die globalen Märkte?
294
2.4 Haben die deutschen Unternehmen der luK- und der Anwender-Industrie auf die Herausforderungen
durch wettbewerbsstarke ausländische Unternehmen
in der Vergangenheit angemessen und rechtzeitig reagiert? Wir beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Ergebnisse von international tätigen Beratungsunternehmen, wonach zwei Drittel der Kostenvorteile japanischer Konkurrenten auf bessere Management-, Produktions- und Organisationsmethoden zurückzuführen sind?
Die Reaktionen deutscher Unternehmer auf internationale Herausforderungen rei-
chen
nicht immer
Unternehmen
spielraum
aus,
um
standzuhalten.
durch
dem
Wettbewerbsdruck
international
kooperierender
Allerdings wird der unternehmerische
gesetzgeberische
und
tarifpolitische
Handlungs-
Rahmenbedingungen
genüber dem internationalen Wettbewerb stark eingeschränkt.
ge-
2.5 Braucht die deutsche/europäische Fertigungs- und Anwenderindustrie eine eigene Produktionsstätte für Speicherchips in Europa? Aus reiner Anwendersicht ist eine Produktionsstätte für Speicherchips in Europa nicht zwingend notwendig, solange ein funktionierender Wettbewerb unter den Anbietern gewährleistet ist. Ein Argument dafür liegt jedoch in der heutigen Bedeutung der Speicher als größ-
tes Marktsegment sowie seiner Eignung als Testvehikel zum Erproben neuer Tech-
nologien und deren stabiler Produzierbarkeit. Es ist denkbar, daß diese Leitfunktio-
nen auch von anderen Produktgruppen übernommen werden kann, z.B. Mikroprozessoren, Flash-Speicher.
2.6 Wie bewertet die deutche Anwender-Industrie die Abhängigkeit von a) deutschen/europäischen ASICs-Produzenten und b) außereuropäischen ASICsProduzenten? Welche Möglichkeiten hat die Anwender-Industrie ihr Systernwissen vor Mißbrauch zu schützen? Die Kenntnisse der Anwender-Industrie über mögliche Abhängigkeiten sind sehr
verschieden entwickelt. Während die Großunternehmen, z.B. Autoindustrie, die Gefahr künftiger Abhängigkeiten klar erkannt haben, ist diese Erkenntnis beson-
ders bei vielen mittelständischen Unternehmen noch erstaunlich gering entwickelt. Im Gegensatz zum Kenntnisstand über Technologien in Japan, Korea und Taiwan, ist das Bewußtsein für die Problematik Mikroelektronik in Europa erstaunlich weit
zurückgeblieben. Schutz des Systemwissens gibt es nur durch vertrauensvolle, en-
ge Zusammenarbeit mit einer nicht manipulierbaren, unabhängigen Mikroelektronik-Industrie.
2.7 Sollte sich die deutsche Industrie und Forschung stärker auf die Entwicklung und Produktion von anwendungsspezifischen Chips (ASICs) konzentrieren? Ja, es muß allerdings auch über geeignete Kooperationen von Anwendern, Entwicklern und Halbleiterproduzenten der Technologieanschluß gehalten werden.
295
Bezüglich der Forschungslandschaft ist künftig eine Mitwirkung der industriellen Anwender an der Aufgabenstellung erforderlich. Insbesondere sollten auch dem Anwender ASICs-Entwicklungswerkzeuge zur Verfügung gestellt werden. 2.8 Auf welche Bereiche der luK-Techniken und auf welche Software-Bereiche sollte die deutsche Industrie ihre Kräfte in Zukunft konzentrieren?
Im Bereich der Mikroelektronik ist eine Konzentration auf Kernfähigkeiten notwendig. Besondere Bedeutung kommt dabei den anwendungsspezifischen Schaltungen (ASICs) zu. Durch europäische und internationale Kooperationen
muß die Un-
abhängigkeit gegenüber außereuropäischen Zulieferern gesichert werden. Neue Wege werden in Zukunft die Aufteilung der Entwicklungskosten zwischen Anwendern
und
Herstellern ermöglichen.
Für die Industrie, insbesondere Softwarehäuser, ist eine europäische Konzentration auf innovative Techniken notwendig, wie z.B. neue Methoden und Techniken
zur Erstellung und Wartung von Software zur Erhöhung der Qualität und Produktivität (Software-Engineering, CASE). In steigendem
Maße
werden
luK-Technologien
innerhalb
industrieller
Produkte
(z.B. Automobil, Flugzeug oder Haushaltsgerät) genutzt, sowohl im Hardware als auch im Softwarebereich (embedded technology). 2.9 Welche unternehmenspolitischen Maßnahmen zur Unterstützung der Stärken und zur Beseitigung der Schwächen in den luK-, Software- und Anwender-Bereichen wird die Industrie ergreifen? Daimler-Benz hat in der Vergangenheit sowohl die Hardware- als auch die Softwate-Kapazitäten konzentriert und Firmen geschaffen, die neben den Konzernbereichen insbesondere auch den externen Markt bedienen. In einzelnen
Bereichen
sollte
auch
über
Kooperationen
mit außereuropäischen
Marktführern nachgedacht werden. Prozesse dieser Art sollten durch entsprechende Erleichterungen (Kartell-Gesetze) unterstützt werden. 2.10
Welche FuE-Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit wer-
den die deutsche luK-Industrie,
ergreifen?
insbesondere auch die Software-Hersteller,
Zukünftige FuE-Vorhaben sollen auf ‚‚umsetzbare‘‘ Anwendungen in Abstimmung mit den Anwendern
ausgerichtet werden.
Neue Software-Engineering Tools zur professionellen, strukturierten Erstellung von Software-Programmen werden entwickelt, und auch in der Halbleiter-Produk-
tion nimmt die automatisierte, flexible Fertigung zu. 2.11
296
Wie beurteilen Sie den Erfolg der bisherigen deutschen und europäischen FuE-Förderprogramme im Bereich der luK-Techniken, der Fertigungstechnik, der Materialforschung usw.?
Eine staatliche Förderung für europäische Kooperationen mit einer Konzentration
auf anwendungsorientierte
Zielsetzungen
ist notwendig.
Aus Anwendersicht ist der Erfolg der bisherigen Forschungsprogramme differenziert zu beurteilen mit einem weiten Spektrum von erfolgreichen Projekten (z.B. Entwicklung von Technologien) bis hin zu Mißerfolgen (z.B. Umsetzung von Forschungsergebnissen).
2.12
Welche Ziele und welche Prioritäten sollten zukünftig deutsche FuE-Förderprogramme für den Bereich der luK-Techniken setzen?
Die Ziele sollen vermehrt vom Anwender der luK-Techniken vorgegeben werden. Dabei sollten integrierte Projekte durchgeführt werden, die Grundlagen- und Anwendungsforschung einbeziehen. Dabei sollten nur Firmen als Partner mitwirken, die aus diesen Forschungszielen klare Marktziele verfolgen. 2.13
Ist
eine
staatliche
Förderung
der
heimischen
Software-Produzenten
wirtschafts- und forschungspolitisch geboten? In welchen strategischen Bereichen sollten solche Fördermaßnahmen ggf. ansetzen und wie sollten sie aussehen?
Ja, wobei sich die nationale Förderung an einem
europäischen
Konsens orientie-
ren muß. Gefördert werden sollten anwendungsorientierte FuE-Vorhaben und Produkte für die gesamte Prozeßkette Entwicklung-Produktion-Vertrieb von Produkten (z.B. Software-Engineering-Tools). Mit Hilfe flexibler innovativer Beschaffungsmaßnahmen durch die öffentliche Hand kann eine entsprechende Förderung auch erreicht werden. 2.14
Auf welche Bereiche der luK-Techniken und auf welche Software-Bereiche sollten sich die staatlichen Fördermaßnahmen konzentrieren?
— ASICs — rechnergestützte Entwicklungsumgebung für Software (Wiederverwendbarkeit, CASE, reengineering) —
luK innerhalb
industrieller Produkte
(embedded
— Anwendung von wissensbasierten Systemen. 2.15
technology)
Welche Maßnahmen zur Unterstützung der Industrie werden a) von der deutschen Regierung und b) von der EG-Kommission erwartet? Sind Alternativen zur Projektförderung sinnvoll und wünschenswert (z.B. steuerliche Förderung)?
Verbesserung der Rahmenbedingungen in Unternehmen, z.B. steuerliche Begünstigung von Forschung und Entwicklung. Erhöhte Effizienz bei der Beantragung, Genehmigung und Durchführung von Vorhaben (Projektdefinition und -förderung). 297
Als Ergänzung zu Förderprogrammen wird eine Änderung im Beschaffungsverhalten der öffentlichen Hand als sinnvoll angesehen. Dabei bieten herstellerneutrale
Softwarehäuser vor allem bei der Realisierung eines Vorhabens Unabhängigkeit von der Produktpalette eines Herstellers und sollten deshalb stärker berücksichtigt werden. 2.16
Unter welchen
Voraussetzungen
kann die kommunikationstechnische
Indu-
strie in der Bundesrepublik Deutschland noch international wettbewerbsfähig und leistungsstark bleiben?
2.17 Ist langfristig zu befürchten, daß es im Bereich der Telekommunikation auf Dauer höchstens 5 bis 6 nennenswerte Wettbewerber weltweit geben wird? Wie stellt sich die deutsche Industrie hierauf ein? 2.18
Welche Strategie müßte verfolgt werden, um auf den europäischen und au-
Bereuropäischen Märkten einheitliche Weltbewerbsbedingungen
im Bereich
der Telekommunikation herzustellen?
Ziel müßte es sein, die Betreiber von Netzwerken und die Anbieter von Diensten in diesen Netzen voneinander zu trennen, um Marktverzerrungen durch nationale
Alleingänge in Europa zu vermeiden. Diese Anbieter sollten sich auf europäischer Ebene auf einheitliche Standards (z.B. GSM) und Normen einigen. Dem zunehmenden
Innovations-
und Wettbewerbsdruck
kann
aus Anwendersicht
nur durch
das Schaffen von Mitbewerbern bzw. privaten Anbietern standgehalten werden. 2.19
Welche
wirtschafts-,
forschungs-
und
technologiepolitischen
Maßnahmen
von Wirtschaft und Staat sind erforderlich, um insbesondere den KMU im An-
wenderbereich (z.B. Maschinenbau) die neuesten luK-Techniken und Software-Entwicklungen frühzeitig zugänglich zu machen?
Insbesondere
für KMU
erscheint
ein
Maßnahmenpaket
notwendig,
das
sich er-
streckt von einer indirekt spezifischen Förderung des Einsatzes von Mikroelektro-
nik-Komponenten in Produkten und Prozessen, bis hin zur Förderung und steuerlichen Begünstigung von Forschung und Entwicklung.
2.20
In welchen Bereichen sollte der Staat mit Fördermaßnahmen die Entwicklung geeigneter arbeits- und betriebsorganisatorischer Produktions- und Dienstieistungskonzeple unterstützen, um eine zweckmäßige Nutzung der Hochtechnologieprodukte zu erreichen?
Die Bereiche der kleinen und mittleren Unternehmen des Maschinenbaus, der Elektro- und der Automobilzuliefererindustrie sollten durch zielorientierte Verbundvorhaben mit Hochschulen und Softwarehäusern unterstützt werden.
Als wirkungsvolle spezielle Förderungsmaßnahme von luK-Techniken wird eine innovative Beschaffungspolitik der öffentlichen Hand angesehen. 2.21
298
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der EG- und GATT-Vereinbarungen für die staatlichen Fördermöglichkeiten?
Soweit die GATT-Regeln darauf ausgerichtet sind, Weitbewerbsverzerrungen, wie sie durch Subventionen
eintreten, zu beseitigen, können sie nur begrüßt werden.
Die Vergangenheit hat allerdings gezeigt, daß es nur sehr schwer möglich ist, indirekt wirkende Begünstigungen von Branchen in anderen Ländern aufzudecken und als nicht GATT-konform zu klassifizieren.
2.22
Welche Industriebereiche der deutschen bzw. europäischen Industrie sind in
Zukunft durch Marktstrategien fernöstlicher Konzerne besonders gefährdet?
Als besonders gefährdet wird die Konsumelektronik und Halbleiterindustrie angesehen und dadurch auch indirekt die Automatisierungstechnik und Produktionstechnik. 2.23
Mit welchen besonderen wirtschafts- und forschungspolitischen Maßnahmen
soll die Bundesregierung bzw. die EG-Kommission diesen Strategien begegnen?
Es muß darum gehen, in Deutschland und Europa ein forschungs- und innovations-
freundliches
Klima zu schaffen.
Neue
Technologien
dürfen
nicht als Bedrohung,
sondern müssen als Chance aufgefaßt werden. Das Schaffen von europäischen Standards und Normen sowie eine Revision des Wettbewerbsrechts im Hinblick auf Allianzen und Kooperationen kann diesen Preozeß unterstützen. Als wesentliche wirtschafts- und forschungspolitische Maßnahme wird eine „inno-
vative Beschaffungspolitik‘‘
der öffentlichen
Hand
angesehen.
Durch integrierte Vorhaben in wichtigen Teilbereichen (siehe 2.12), ist sicherzustellen, daß die Ergebnisse der Forschung und Entwicklung in Produkte umgesetzt werden. 2.24
Sind besondere
wirtschaftspolitische Maßnahmen
im Bereich der Hochtech-
nologien angebracht oder gar unvermeidlich, um eine heimische Hochtechnologie-Industrie zu entwickeln und zu erhalten? Bestehen strukturelle Bedingungen, die den luK-Bereich als Ausnahmebereich des ordnungspolitischen Leitbilds begründen?
Generell soll keine staatliche Ordnungspolitik angestrebt werden. Aber für moderne Industriestaaten sind Mechanismen erforderlich, um im Konsens Ausnahmebereiche zu erkennen, zu reagieren und dazu Verfahren zu deren Handhabung zu entwickeln. 2.25
Wie kann der Staat die heimischen Hochtechnologie-Industrien vor abgesprochenen und gezielten Marktangriffen (z.B. target pricing) ausländischer Unternehmen schützen, gleichwertige Wettbewerbsbedingungen weltweit anstreben und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie steigern?
Im Hinblick auf wettbewerbswidriges Verhalten von ausländischen Konkurrenten (z.B. target pricing) muß der Staat auf internationaler Ebene auf Einhaltung der Re299
geln achten, die einen fairen internationalen Warenaustausch gewährleisten (z.B. GATT). Ansonsten kommt es darauf an, die Standortbedingungen in Deutschland generell zu verbessern. An vorderster Stelle sollte dabei die steuerliche Entlastung der Unternehmen stehen, die nicht nur auf den IuK-Märkten einem harten Wettbewerb ausgesetzt sind. 2.26
Sollte
eine
gemeinsame
Meinungsbildung
von
Staat,
Wirtschaft,
Wissen-
schaft und gesellschaftlichen Gruppen zu den zu erwartenden technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland organisiert oder institutionalisiert werden?
(siehe 2.24) Ein erster Lösungsansatz in diesem Sinne ist die vom BMFT und BMWi gemeinsam mit der Industrie initiierte Konsensrunde zur Informationstechnik in Deutschland. 2.27
1.
Was muß unternommen werden, damit in Deutschland technologische Zukunftsthemen besser identifiziert und im Rahmen gemeinsamer Änstrengungen realisiert werden können?
Eine eigene Institution, wie das MIT! in Japan, erscheint nicht notwendig. Aber es sollte geprüft werden, ob eine die Regierung beratende Kommission zur
Technologie-Strategie eingesetzt werden kann, um einen Konsens herbeizuführen und bestimmte forschungspolitische Leitlinien zu erarbeiten. In der Kommission sollten die Industrie, Institutionen der Grundlagenforschung sowie die Hochschulen vertreten sein. 2. Aus der Analyse der Situation der luK-Industrie lassen sich für die Forschungsund Industriepolitik Überlegungen trag zur:
und Empfehlungen
— Verstärkung der anwendungsorientierten genüber der Grundlagenforschung —
— —
2.28
Bei-
und Entwicklung
ge-
Forschung
Förderung der Umsetzung von Forschungsergebnissen
in Produkte und Sy-
steme zu Lasten einer vorwettbewerblichen Forschungsförderung
Unterstützung von möglichen nationalen und internationalen strategischen
Allianzen, wo der Markt es erfordert
Schaffung international starker und kompetenter Unternehmen nehmensverbände durch Förderung des Konvoiprinzips.
und
Unter-
Welche staatlichen Anstrengungen zur verstärkten Beobachtung der japanischen Zukunftsvorstellungen sowie der technischen Entwicklungen und Erfindungen in Japan sind notwendig (z.B. Ausbildung in japanischer Sprache, Übersetzungen,
300
ableiten mit einem
Datenbanken)?
Dazu ist es notwendig, junge Menschen verstärkt nach Japan zu senden, sowohl
zur Ausbildung
sektor.
als auch zur praktischen Arbeit im Industrie- und Dienstleistungs-
Der Staat sollte die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten deutscher Unternehmen in Japan fördern und den deutschen Unternehmen — auch KMU — die Möglichkeit bieten, Entwicklungsbereiche in Japan aufzubauen. 2.29
In welchen Bereichen sollte der Staat vorrangig eine innovative Infrastruktur-
politik betreiben?
Welche
Infrastrukturen und welche institutionellen Bedin-
gungen für den Transfer von Wissen und Know-how benötigen wir für die kommenden Jahrzehnte?
Ein ganzes Spektrum von Maßnahmen
ist notwendig, von der Steigerung der Lei-
stungsfähigkeit deutscher Hochschulen und Institutionen der Grundlagenforschung bis hin zur Förderung der Zusammenarbeit dieser Einrichtungen mit der Industrie/KMU.
2.30
Welche
Bildungs-
und Ausbildungssysteme
sowie
Weiterbildungssysteme
benötigt eine Informations-Gesellschaft? Wie können die Grundlagen für die
dabei notwendigen
qualifikationsfördernden Arbeitsbedingungen
gefördert
werden? 2.31
Welche Bedeutung haben Normenvereinbarungen für die Wettbewerbsfähig-
keit der IuK-Industrie? Welchen Einfluß soll der Staat auf die Normsetzungen nehmen?
Einheitliche europäische Rahmenbedingungen
sollten in enger Zusammenarbeit
mit der Industrie geschaffen werden. Dabei spielen einheitliche europäische Stan-
dards und Normen für die Industrie sowohl als Anwender als auch als Hersteller eine große Rolle. 2.32
Welchen Stellenwert hat im Rahmen der EG die Schaffung neuer Standards zur Verbesserung der Wettbewerbschancen der europäischen elektrotechnischen und elektronischen Industrie?
Weltweite Standards sind wesentlich zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Deshalb ist eine Stärkung der europäischen Aktivitäten und maßgebliche Mitarbeit in den weltweiten Normungsgremien erforderlich. 2.33
Welche Bedeutung haben die Normenvereinbarungen für die Arbeitsbedingungen nach der europäischen Harmonisierung und welche Bedeutung wird den Arbeitsbedingungen einschließlich der Arbeitsorganisation und Qualifikation für die Innovationsfähigkeit der einheimischen traditionellen und Hoch-
technologie-Industrie zugemessen?
2.34
Welche Defizite und Hindernisse der industriellen Kooperation zwischen Her-
stellern und Anwendern
sehen
Sie gegenwärtig?
Welche
Verbesserungs-
301
möglichkeiten gibt es für eine solche Kooperation und wo sollten sie staatlich
gefördert werden? 2.35
Welche Kooperationen bzw. strategische Allianzen mit europäischen und auBereuropäischen Mitbewerbern in den Bereichen Mikroelektronik, Kommuni-
kationstechnik und Software-Entwicklung gibt es oder werden von der deutschen Industrie angestrebt? Mit der Schaffung des debis Systemhauses und der Beteiligung an der Firma CAP Gemini in Frankreich hat der Daimter-Benz-Konzern deutlich gemacht, welchen Stellenwert er dem
luK-Bereich beimißt. Prozesse dieser Art sollten gefördert wer-
den. Hierbei hilft auch die Einbeziehung der herstellerneutralen Softwarehäuser in Beschaffungsvorhaben der öffentlichen Hand, wie es im Ausland ausgiebig prakti-
ziert wird.
Erste Ansätze bieten das europäische JESSI-Programm und die übergreifende Zu-
sammenarbeit
mit SEMATECH
in den USA.
Weitere globale Kooperationen
strategische Allianzen sind in der Definitionsphase.
302
bzw.
SIEMENS / Dr. Hans
AG Baur
Anhörung des Deutschen Bundestages zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen informations- und kommunikationstechnischen (luK-)Industrie am 21.9.1992 hier: Beantwortung des Fragenkatalogs 1.1
Was bezeichnen Sie als ‚„‚Hochtechnologien‘ und in welchen strategischen Hochtechnologie-Bereichen ist a) die deutsche und b) die europäische Industrie heute und voraussichtlich in nächster Zukunft wettbewerbsfähig?
Die internationale Warensystematik SITC (Standard International Trade Classifica-
tion) spricht bei forschungsintensiven Gütern von Spitzentechnologien, wenn der FuE-Aufwand mindestens 8,5 % des Umsatzes beträgt und von höherwertigen Technologien, wenn der FuE-Aufwand zwischen 3,5 und 8,5 % des Umsatzes be-
trägt. Datenverarbeitungssysteme, Telekommunikation und Halbleiter-Bauelemente sind den Spitzentechnologien zuzurechnen. Soweit es die Siemens AG betrifft, sind unsere Produkte und Systeme vom technischen Stand her generell global wettbewerbsfähig,
die betriebswirtschaftlichen
Kriterien dafür sind aus ganz ver-
schiedenen Gründen aber nicht in allen Bereichen und/oder Regionen erfüllt. Generell gilt für die unterliegen und die wirtschaftet werden zukünftige Geschäft 1.2 In welchem Defizite?
forschungsintensiven Güter, daß sie einem schnellen Wandel hohen Vorleistungen innerhalb kurzer Produktlebenszyklen ermüssen. Sie sind aber die unverzichtbare Grundlage für das und damit für den Lebensstandard in der Bundesrepublik.
Hochtechnologie-Bereich sehen Sie deutsche und europäische
Im Vergleich zu Japan fehlt es an einer leistungsstarken Unterhaltungselektronik,
die für Komponenten, die auf Massenmärkten eingesetzt werden, als Technologieund Kostenführer wirkt.
Als Einzelbeispiele sind zu nennen Videotechnologien, Großflächendisplays und Flachbildschirme, Batterietechnologien, Hochfrequenztechnik und Optoelektronik in der Kommunikationstechnik sowie die Fähigkeit zur schnellen Entwicklung und kostengünstigen
Fertigung
komplexer
ASICs
und Custom-ICs.
Eine Untersuchung des US Department of Commerce, über die am 16.5.91 in der Financial Times berichtet wurde, sieht Schwächen der Europäer gegenüber den
USA und/oder Japan auf den Gebieten Künstliche Intelligenz, Hochleistungsfähige Datenverarbeitung, Optoelektronik, Fortgeschrittene Halbleiterbauelemente und Hochleistungs-Datenspeicher (Vorteile gegenüber den USA werden gesehen in den Bereichen Digitale Bildverarbeitung und Flexible computerintegrierte Fertigung sowie gegenüber Japan auf dem Gebiet der Software-Technologie). 303
1.3 Welches sind die derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stärken und Schwächen von a) Deutschland und b) der Europäischen Gemeinschaft für den Übergang in eine Informationsgesellschaft? a) Deutschland Die Diskussion um den Standort Bundesrepublik hat offengelegt, daß die allgemei-
nen quantitativen und qualitativen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft verbessert werden müssen.
Ein grundsätzliches gesellschaftliches Defizit ist die Einstellung gegenüber soge-
nannten neuen Technologien, die eher unter dem Aspekt ‚‚neue Risiken‘ als unter dem Aspekt ‚neue Chancen‘ öffentlich diskutiert werden. Das Stichwort Informationsgesellschaft wird zwar viel diskutiert, hat aber bislang nur unzureichend Eingang in das gesellschaftliche Bewußtsein wie in konkretes politisches Handeln auf
Bundes- oder Länderebene gefunden. Innerhalb Europas befindet sich die Bundesrepublik allerdings in einer vergleichsweise guten Position, was auch die starke Präsenz
in der europäischen
luK-Industrie und die Rolle der Bundesrepublik
High-Tech-Land in der EG zeigen.
Konkret zu benennende Schwächen z.B. in der Telekommunikation
als
sind der noch
geringe Digitalisierungsgrad des Netzes und die im Vergleich zu UK und FRK noch geringe Innovationsfreude bei Betreibern und Anwendern, was neue Telekommunikationsdienste betrifft, sowie der generell relativ geringe Marktanteil aus Deutschland stammender Hersteller öffentlicher Nachrichtentechnik in ihren Heimatmärkten im Vergleich zu ihren globalen Wettbewerbern. Auch die bislang gerin-
ge Internationalität der DBP Telekom ist hier zu nennen. Positiv ist dagegen zu bewerten der zügige Ausbau der Telekominfrastruktur in den neuen Bundesländern
mit modernster Technologie, das Engagement der DBP Telekom im ATM-Sektor {Berkom), wo der gewonnene Vorsprung jetzt allerdings durch Verzögerung bei der Vorbereitung der Anwendungen
reich der Intelligenten Netze.
verloren zu gehen droht, und die Initiative im Be-
b) EG Die
potentielle
Stärke
der
Europäischen
Gemeinschaft
liegt in der Größe
ihres
Marktes. Die rechtliche und faktische Realisierung des europäischen Binnenmark-
tes ist daher für die Stärkung der europäischen
luK-Industrie eine unbedingte,
un-
verzichtbare Notwendigkeit. Die Schwäche der EG liegt heute noch darin, daß sie nach wie vor ein heterogener Markt ist und durch Komplexität und Vielfalt (z.B.
Sprachbarrieren im Anwendersoftwarebereich und bei den Bedienoberflächen) potentielle Volumensvorteile nicht zum Tragen kommen !äßt. Der Innovationsdruck bzw. die Innovationsbereitschaft der Anwender ist innerhalb der EG-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich und insgesamt bei Diensten und Technologien wohl gerin-
ger als in den USA und in Japan.
1.4 Welche Bedeutung haben die neuesten luK-Techniken für die Anwender im besonderen und für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in Deutschland im allgemeinen?
304
Die elektronische Industrie insgesamt, deren wichtigster Bestandteil die IuK-Industrie ist, wird bis zum Jahre 2000 weltweit die bedeutendste Industriebranche sein (wie schon heute in Japan). D.h. sie ist schon von ihrem schieren wirtschaftlichen Potential her unverzichtbarer Bestandteil einer entwickelten Volkswirtschaft. Darüber hinaus hat sie einen Infrastrukturcharakter für alle Bereiche der Industrie, der privaten und öffentlichen Dienstleistung und für die staatliche Verwaltung. Für die wettbewerbsfähige Durchführung der wirtschaftlichen Aktivitäten der Anwender ist die Informations- und Kommunikationstechnik ebenso unverzichtbar wie für das staatliche Handeln im Interesse der Bürger. 1.5 Welche Bedeutung hat dabei die Software im allgemeinen und die AnwenderSoftware als Basis für neue Anwendungssysteme im besonderen? Welche Bedeutung haben die Fortschritte der Software-Erstellung aller Art auf die Erfolge im Bereich der IuK-Anwendermärkte? Allgemein gesprochen ist Software ebenso wie Mikroelektronik eine Basistechnolo-
gie und ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Systeme der Informations- und Kommunikationstechnik. Für die Informationsverarbeitung gilt, daß insbesondere in branchenspezifischen Anwendungen die für den Wettbewerbserfolg der Anwender kritischen Verfahren durch Programme dargestellt werden. Unternehmen müssen bestrebt sein, in ihrem Wettbewerbsumfeld die Verfahren einzusetzen und zu optimieren, die ihre kritischen Erfolgsfaktoren stützen. Daher ist der sofortige und ungehinderte Zugang zu allen Optimierungsmöglichkeiten unverzichtbar und darf nicht durch Lieferverfügbarkeiten von Länder- bzw. Sprachversionen gegenüber Dritten verzögert werden. Auch die Telekommunikation hat sich von einer
Hardware- zu einer Software-Industrie entwickelt, der Wertschöpfungsanteil liegt heute bei ca. 70 %. Der Erfolg von Intelligenten Netzen, Mobilfunk-Systernen, pri-
vaten Kommunikationssystemen und Netzen und von neuen Diensten in der öffent-
lichen und privaten Telekommunikation wird heute primär durch die Softwarelö-
sungen
bestimmt.
1.6 Welche Bedeutung haben die lIuK-Techniken zur Lösung von wichtigen Zukunftsproblemen
wie
Nahrungsmittelproduktion
und
-verteilung,
umwelt-
freundliche Energieversorgung, umweltfreundliche Verkehrssysterne und andere? Auf die Bedeutung der luK-Techniken beim Zusammenwachsen Europas, insbesondere bei der Vollendung des Binnenmarktes, hat die Kommission der Europäi-
schen Gemeinschaften schon mehrfach deutlich hingewiesen und auch entsprechende Programme bereits initiiert. Eine Vorreiterrolle kann hier der Realisierung des Datenaustausches der Verwaltungen zukommen.
IuK-Techniken können durch Messen und Regeln wie auch durch Leiten und Steuern wesentliche Beiträge dazu leisten, daß in den genannten Bereichen mehr Effizienz bei geringerer Umweltbelastung erreicht wird. Diese Tendenz wird zunehmen. Der Einsatz der luK-Techniken kann jedoch eine vernünftige Politik, die 305
sich aller sinnvollen technischen
setzen. 1.7
Optionen
in diesen
Bereichen
bedient,
nicht er-
Welche Bedeutung hat dabei die anzuwendende Software?
siehe Antwort zu 1.5. 1.8
Welche Bedeutung können Hard- und Software für die Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsinhalte für die Anwender haben?
Hard- und Software, d.h. Produkte und Systeme der Informations- und Kommuni-
kationstechnik, erweitern im Prinzip die Gestaltungsmöglichkeiten für Arbeitsorganisation und -inhalte. Die Anwender gewinnen zusätzliche Optionen für die wirtschaftliche Abwicklung ihrer Aufgaben. 1.9
Braucht die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige, weltweit tätige und
wettbewerbsfähige
luK-Industrie?
Gibt
es
alternative
bzw.
weitere
Industrie- und Wirtschaftsbereiche mit strategischer Bedeutung, auf die sich Wirtschaft und Staat konzentrieren sollten, um den wirtschaftlichen und so-
zialen Stand in der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten und zu verbessern?
Ja! Die steigende Bedeutung der luK-Technologien bzw. deren Anwendungen ist eine Voraussetzung für Erhalt und ökologisch vertragliches Wachstum einer hochindustrialisierten Volkswirtschaft wie z.B. der Bundesrepublik
Deutschland.
Die deutsche Volkswirtschaft zeichnet sich dadurch aus, daß sie in großer Breite mit Gütern und Dienstleistungen vieler industrieller Branchen
auf dem
Weltmarkt
erfolgreich ist. Eine eigenständige, weltweit tätige und wettbewerbsfähige luK-In-
dustrie in der Bundesrepublik Deutschland ist eine wichtige Grundlage für die Aufrechterhaltung dieser Situation.
1.10 Braucht die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige, weltweit tätige und wettbewerbsfähige Software-Industrie? Angesichts der oben beschriebenen Bedeutung der Software gilt hier sinngemäß
das unter 1.9. Gesagte, wobei die Betonung auf eigenständig und wettbewerbsfä-
hig liegt, zumal Wettbewerbsfähigkeit eine Voraussetzung für längerfristige Eigenständigkeit ist. In den Bereichen Anwendersoftware und Systemintegration besteht
in Europa heute noch ein leichter Vorsprung der europäischen Anbieter, der nicht
leichtfertig verspielt werden darf. 1.11
Wie groß ist die Abhängigkeit der deutschen luK-Industrie von ausländischen
Lieferanten
bei
Einzelschritten
Produktionsgeräten
der
Produktion,
Vorprodukten,
Produkten,
und Zusatzstoffen? In welcher Abhängigkeit steht die
übrige deutsche Industrie von ausländischen IuK-Produzenten? Welche Ent-
wicklung dieser Abhängigkeiten ist unter den gegebenen wirtschafts- und for-
schungspolitischen
906
Bedingungen
zu erwarten?
Für den Bereich der Halbleiter läßt sich diese Abhängigkeit am besten durch eine Import/Export-Statistik zeigen:
Europa
hat 1990
12 %
der Weltproduktion
bestrit-
ten, jedoch im Verbrauch 20 % des Weltmarktes erreicht. Auf dem Gebiet der integrierten Schaltungen ist dieses Verhältnis nochmals deutlich schlechter, hier hat Europa 9 % produziert, jedoch 34 % verbraucht. Wir müssen aufgrund des Trends davon ausgehen, daß der Produktionsanteil in Europa weiter sinkt. Wegen der Glo-
balisierung dieses Marktes ist eine einfache Abhängigkeit davon nicht abzuleiten. Dies
gilt ebenso
für die Beschaffung
der Halbleiter-Fertigungsgeräte,
auch
hier
wird der europäische Anteil zunehmend geringer werden, da kaum neue Fertigungslinien realisiert werden. Ziel sowohl der Wirtschaft wie der Politik muß es sein, gleichberechtigter Partner in der internationalen Arbeitsteilung in den verschiedenen Sektoren der luK-Industrie zu sein, um die Gefahr der Diskriminierung bis hin zur Nichtbelieferung
ausschalten
zu können.
1.12 Gibt es belegbare Beispiele dafür, daß ausländische Lieferanten und Mitbewerber ihre Marktstellung mißbräuchlich ausgenutzt haben, z.B. durch Lieferbeschränkungen oder -verzögerungen? Belegbare Beispiele sind kaum aufzuzeigen, aber grundsätzlich zeigen unsere Erfahrungen, daß —
—
bei
Verknappung
den
und daß
—
besonders
bei
elektronischen
Bauelementen
—
zu-
nächst die ‚‚eigene‘' Region, d.h. die nahen Kunden, bevorzugt bedient werinnovative Produkte zuerst im oder nah am Heimatmarkt eingeführt werden.
Für kundenspezifische Schaltkreise gilt, daß die Entwicklung zusammen mit einem weit entfernten Hersteller in den USA oder in Japan wegen der Entfernung und der unterschiedlichen Kultur einen höheren Kommunikationsaufwand erfordert als mit einem Hersteller aus dem gleichen Kulturkreis in der Nähe. 1.13
Wie groß ist die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von ausländischen Software-Lieferanten?
Insbesondere Firmen aus den USA dominieren in vielen Bereichen den Markt für Systemsoftware und für Standard-PC-Lösungen mit ihren Produkten. Eine Abhängigkeit im Sinne einer potentiellen Erpreßbarkeit kann daraus sowohl wegen des
Verhaltens dieser Anbieter wie wegen des Charakters von Softwareprodukten nicht
abgeleitet werden.
Im Anwendersoftwarebereich
besteht eine solche Dominanz
nicht.
1.14
Wie beurteilen Sie die Dominanz US-amerikanischer Unternehmen auf dem Gebiet der Software und welche Schlußfolgerungen ergeben sich daraus für
europäische Anwender?
Auf welchen
Software-Gebieten
sehen
Sie beson-
ders starke Abhängigkeiten und wo ergeben sich daraus Probleme für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und insbesondere der deutschen Industrie? 307
Aus der Dominanz großer amerikanischer Anbieter im Systemsoftwarebereich leitet sich die Möglichkeit zur Setzung von De-facto-Standards ab. Hier muß darauf geachtet werden, daß keine Diskriminierung durch gezielten Einsatz dieser De-facto-Standards stattfinden kann. Auch ist die Verfügbarkeit dieser Software für Systemhäuser notwendig, um sie in komplexe, anwendungsspezifische Gesamtlösungen integrieren zu können. 1.15 Kann die deutsche Industrie in einer arbeitsteiligen Welt- bzw. bei einer Arbeitsteilung im Binnenmarkt Europa — auf die Eigenproduktion von wesentlichen Bestandteilen der IuK-Technologien, z.B. mikroelektronische Bausteine und Produktionsgeräte, verzichten? Zunächst ist festzustellen, daß selbst für eine Volkswirtschaft wie die der USA eine Autarkie auf dem Gebiet der IuK-Technologien in wirtschaftlich vernünftiger Weise nicht mehr darzustellen ist. Ziel muß es sein, wettbewerbsfähiger gleichberechtigter Partner in der internationalen Arbeitsteilung zu sein. Jedes Unternehmen muß selbst entscheiden, wie es dieses Ziel erreicht. Siemens hat sich den Zugriff auf
die kommenden Generationen der Mikroelektronik-Technologien durch geeignete internationale Kooperationen gesichert. Ziel muß es immer sein, bei strategisch re-
levanten Schlüsselkomponenten Abhängigkeiten werbsfähigkeit einschränken oder gefährden.
zu vermeiden,
die die Wettbe-
Hier muß auch berücksichtigt werden, daß eine exportabhängige Industrie mit ungünstiger Kostenstruktur nur mit ‚‚High-Tech‘‘-Image erfolgreich sein kann: Heute gilt die IuK-Technik als die Spitzentechnologie.
1.16 Kann die deutsche Industrie auf die Eigenproduktion von Software als Basis für neue Anwendungssysterme in den verschiedenen Anwendungsbereichen von Produktion und Dienstleistungen verzichten? Wie sieht der Software-Entwicklungsmarkt der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu jenem von Großbritannien,
der USA,
Frankreich
und Japan
Die Fähigkeit zur Eigenproduktion von Software verzichtbar. 1.17 Wenn
308
neuesten
Methoden
ist un-
Ist derzeit und auf absehbare Zeit der direkte Zugriff Europas auf die neue-
sten luK-Techniken und Software-Entwicklungen gewährleistet? unter Zugriff verstanden
wird, daß diese zu marktüblichen
kaufen sind, so ist die Frage zu bejahen. 1.18
nach
aus?
Konditionen
zu
Welche mittelfristigen Konsequenzen hat voraussichtlich die gegenwärtige Finanzmarktsituation in Japan auf dem Weltmarkt für IuK-Techniken? Unter welchen Voraussetzungen vollzog und vollzieht sich die Kapitalbeschaffung japanischer Unternehmen und welche Bedeutung hat das für den Weltmarkt der luK-Techniken?
Die geringen
Kapitalkosten
in der Vergangenheit
in Japan
haben
zusammen
mit
der Strategie des ‚‚Industrial Targeting‘‘ den Vormarsch der japanischen Unterhaltungselektronik und der Informations- und Kommunikationstechnik begünstigt. Die stark steigenden
Kapitalkosten in Japan führen zu einer Angleichung
der Wettbe-
werbsbedingungen, die bereits zu einem erkennbar geänderten Verhalten z.B. im Halbleiterbereich geführt haben. Man muß allerdings erwarten, daß angesichts des engen Verhältnisses zwischen Industrie und Regierung und des eingeübten Kooperationsverhaltens die Schwierigkeiten in Japan leichter bewältigt werden als in anderen Regionen der Welt. Weiterhin kann man nicht ausschließen, daß die Japaner ihre Aktivitäten auf weniger kapitalintensive Sektoren der Informations- und Kommunikationstechnik (z.B. Software-Erstellung) verlegen und sich dort stärker engagieren werden. Grundsätzlich muß man davon ausgehen, daß die japanische Industrie ihre globalen Strategien konsequent weiterverfolgen wird. 1.19
Welche Bedeutung hat die politisch-wirtschaftliche Entwicklung in Osteuropa für die Entwicklung einer deutschen und europäischen global wettbewerbsfä-
higen Hochtechnologie-Industrie?
Die Entwicklung hat die potentiell zugänglichen Märkte für die europäische und deutsche luK-Industrie stark vergrößert. Angesichts der tatsächlichen finanziellen und
wirtschaftlichen
sche
Unternehmen
Situation
ist das
zunächst
nur ein potentieller Gewinn,
der
mittel- bis langfristig zu einer Verbesserung der Volumensituation führen kann. Diese Märkte stellen ebenso aber auch eine Chance für japanische und amerikanidar.
Für die Telekommunikations-Industrie war insbesondere die Entscheidung der DBP Telekom wichtig, in den neuen Bundesländern neueste Technologien (Fiber to the Home) einzusetzen. Dadurch wird der Ausbau der Infrastruktur gleichzeitig mit einem wichtigen Innovationsschub verbunden. Der Innovationswettbewerb findet weiterhin in Westeuropa sowie in Japan und vor allem den USA statt und muß dort bestritten werden. Eine Anmerkung
zur Mikroelektronik:
Hier haben sowohl die ehemalige DDR wie auch die ehemalige UdSSR einen extrem hohen Aufwand getrieben (DDR über 50.000 Beschäftigte), ohne einen dem westlichen Standard entsprechenden Stand zu erreichen. Es ist nicht abzusehen, daß europäische Unternehmen wesentliche Wettbewerbsvorteile dadurch erzielen können. Es sollte jedoch versucht werden, das Potential der „human resources‘
zu nutzen. 2.1
Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europäischen luK- und Software-Industrie?
Im Telekommunikationssektor gehören drei europäische Firmen zu den führenden weltweit tätigen Unternehmen. Auf dem Gebiet der Informationsverarbeitung kann Siemens-Nixdorf trotz der bekannten
Probleme, die die ganze
Branche
betreffen,
309
die führende Position unter den europäischen Universalanbietern (Platz 9 der Weltrangliste) behaupten und wird auch in Zukunft auf diesem Kerngebiet alle Ansirengungen unternehmen, um diese Position auszubauen.
2.2 Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europäischen Anwenderindustrie bei der Nutzung der neuesten Entwicklungen der luK-Techniken und der Software?) Generell muß man sagen, daß zumindest in der Vergangenheit der Innovationsdruck zur Nutzung neuester Bauelemente der Mikroelektronik geringer war als in Japan und in den USA. Ein Indikator dafür ist der IC-Verbrauch je Kopf der Bevölkerung, der in den USA und Japan deutlich höher liegt als in Europa. 2.3 Inwieweit sind Schwächen der deutschen luK-Industrie auch das Ergebnis einer unzureichenden Ausrichtung von Unternehmensstrategien auf die globalen Märkte? Eine Ausrichtung von Unternehmensstrategien auf die globalen Märkte setzt zunächst eine Finanzkraft voraus, die aus der Stärke im Heimatmarkt erwirtschaftet werden muß. Angesichts der Fragmentierung des europäischen Marktes in der Vergangenheit waren europäische Hersteller hierbei bei allen Volumengeschäften von Anfang an im Nachteil. Dazu kommt der technische Vorlauf, den die amerikanische Wirtschaft insbesondere zur Anfangszeit der Halbleiterentwicklung und der Informationsverarbeitung durch die FuE-Unterstützung des amerikanischen Verteidigungsministeriums
gewonnen
hatte. Japan
hat diesen
Nachteil durch
eine Ab-
schottung seiner Märkte und eine Konzentration der volkswirtschaftlichen Ressourcen insbesondere auf die Unterhaltungselektronik, die Halbleiter-Technologie und die Informationsverarbeitung kompensiert.
2.4 Haben die deutschen Unternehmen der luK- und der Anwender-Industrie auf die Herausforderungen durch wettbewerbsstarke ausländische Unternehmen in der Vergangenheit angemessen und rechtzeitig reagiert? Wie beurteilen Sie
in diesem Zusammenhang die Ergebnisse von international tätigen Beratungsunternehmen, wonach zwei Drittel der Kostenvorteile japanischer Konkurrenten auf bessere Management-,
rückzuführen sind?
Produktions- und Organisationsmethoden zu-
Es ist schwer abzuwägen, wie weit die Wettbewerbsvorteile der japanischen Wettbewerber auf spezifische japanische Fähigkeiten und wie weit sie auf die volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zurückzuführen sind. Die Einbindung der japanischen luK-Industrie in die großen Konglomerate erlaubte gemeinsam mit der staatlichen Unterstützung und Orientierung ein sehr langfristig ausgerichtetes Verhalten, die konsensusorientierte Kultur der Japaner macht auch andere Organisationsmethoden und Managementmethoden möglich, als sie bei uns derzeit gegeben sind. Hinzu kommt ein Arbeitsethos der Japaner, das vor allem der Mikroelektronik zugute kommt (Einsatz, Disziplin). 310
2.5 Braucht die deutsche/europäische Fertigungs- und Anwenderindustrie eine eigene
Produktionsstätte
für Speicherchips in Europa?
Einen gravierenden Unterschied zwischen Halbleiter-Fertigungen für Speicher und ASIC’s gibt es nicht, so daß überwiegend gleichartige Prozesse in den Fertigungen Verwendung finden. Speicherfertigungen haben den Vorzug, daß sie normalerweise die modernste Technologie beinhalten und damit für spätere ASIC-Fertigungen
wesentliche Inputs hinsichtlich Prozeß-Know-How und Prozeßkosten liefern. Wich-
tig ist es, die zeitgerechte, preis- und mengengerechte, funktions- und technologiegerechte sowie
unmanipulierbare
Verfügbarkeit für die modernsten
Bauelemente
der Mikroelektronik zu gewährleisten. Siemens hat sich durch seine Kooperationen den Zugriff auf die neueste Halbleiter-Technologie für die weitere Zukunft gesichert. 2.6 Wie bewertet die deutsche Anwender-Industrie die Abhängigkeit von a) deutschen/europäischen
ASICs-Produzenten
und
b) außereuropäischen
ASICs-
Produzenten? Welche Möglichkeiten hat die Anwenderindustrie, ihr Systemwissen
vor Mißbrauch zu schützen?
Die Abhängigkeit ist ein kritischer Faktor. ASICs neuester Technologie (Komplexität, Packungsdichte, Geschwindigkeit, Stromverbrauch) werden zunehmend überlebenswichtig. Abhängigkeiten sind damit extrem gefährlich. Räumliche Nähe zu einem ASIC-Lieferanten aus dem gleichen Kulturkreis ist mit Sicherheit ein Wettbewerbsvorteil, spricht.
wenn
dessen
Leistungsfähigkeit
dem
internationalen
Stand
ent-
2.7 Sollte sich die deutsche Industrie und Forschung stärker auf die Entwicklung und Produktion von anwendungsspezifischen Chips (ASICs) konzentrieren? Siemens hat diese Entscheidung zugunsten der ASICs für sich getroffen. Im übrigen liegt das Problem heute fast ausschließlich bei der Industrie, es ist bestimmt
keine Frage, bei der die öffentlich-rechtlich verfaßte Forschung in der gegebenen Form volkswirtschaftlich entscheidende Beiträge leisten kann.
2.8 Auf welche Sektoren der luK-Techniken sollte die deutsche Industrie ihre Kräfte konzentrieren?
Dies ist eine Frage, die jedes Unternehmen für sich aufgrund eigener Stärken, Schwächen und Ziele entscheiden muß. Die technische Entwicklung bietet leistungsfähigen Spezialisten zwar immer wieder Raum für (wechselnde) Nischengeschäfte, aber Kommunikationstechnik und Informationsverarbeitung sind vielfach
Anlagen — und Volumensgeschäfte, die eine breite Kompetenz räte sind Innovationstreiber für Komponenten und Systeme und nen hohen Stellenwert behalten. Auf der anderen Seite wird es men möglich sein, alle Marktsegmente vollständig aus eigener decken.
erfordern. Endgemüssen daher eifür kein UnternehProduktion abzu-
311
2.9 Welche unternehmenspolitischen Maßnahmen zur Unterstützung der Stärken und zur Beseitigung der Schwächen in den luK-Software- und Anwenderberei-
chen wird die Industrie ergreifen?
Im einzelnen handelt sich sich hier um Entscheidungen, die jedes Unternehmen für sich treffen muß. Dennoch sind einige generelle Tendenzen erkennbar, die mit folgenden Stichworten zu kennzeichnen sind: —
Steigerung
—
Maßnahmen zur Verbesserung der Schnelligkeit bei der Produktentwicklung und Vermarktung
—
Konzentration auf die relevanten Geschäftsfelder in Verbindung mit weitergehenden Partnerschaften unterschiedlichster Art zur Abdeckung von Randgebieten wie auch zum Abbau strategischer Defizite
—
Geeignete selektive Akquisitionen
2.10
der Produktivität,
Rationalisierung
der Abläufe
Welche FuE-Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit wird die deutschen luK-Industrie, insbesondere auch die Software-Hersteller, er-
greifen?
Die Verbesserung des FuE-Prozesses und seine Anpassung an sich ändernde Be-
dingungen in der Bundesrepublik wie auf den internationalen Märkten, auf denen Siemens tätig ist, ist eine fortlaufende Tätigkeit, die mit großem Engagement be-
trieben wird, aber hier nicht im einzelnen
Wettbewerbsverzerrungen
beschrieben
werden
in der Finanzierung von Forschung
kann.
und Entwicklung,
wie sie beispielsweise auf dem Gebiet der öffentlichen Nachrichtentechnik existie-
ren (weitgehende Finanzierung der Produktentwicklung durch den Netzbetreiber in
Frankreich oder ähnlich in Schweden), vertikale (Kanada, teilweise USA) oder quasi vertikale Integration (NTT-Family Japan) von Netzbetrieb und Geräteproduktion
können durch unternehmensinterne FuE-Maßnahmen nicht ausgeglichen werden.
2.11
Wie beurteilen Sie den Erfolg der bisherigen deutschen und europäischen FuE-Förderprogramme im Bereich der luK-Techniken, der Fertigungstech-
nik, der Materialforschung usw.?
Eins der positivsten Beispiele für eine FuE-Förderung
ist das Megaprojekt.
Dieses
Projekt zeigt, daß trotz fehlender Militärforschung in einer Region modernste Technologie entwickelt und zur erfolgreichen Produktion am Markt gebracht werden kann.
Die deutschen Förderprogramme
gebracht.
Sie haben
den
haben bisher in vielen Einzelprojekten Erfolge
hoch einzuschätzenden
Vorteil, etwas
Positives für zu-
künftige Entwicklungen bewirken zu können. Viele andere politische Aktivitäten,
die wesentlich mehr Geld kosten, sind nicht zukunftsorientiert, sondern nach rückwärts gerichtet und verlängern z.T. veraltete Strukturen.
312
Auch die EG-Programme können sowohl punktuelle wie allgemeine Erfolge aufweisen. Zusätzlich wichtige Aspekte liegen in den grenzüberschreitenden Kooperatio-
nen, die zur Stärkung des Binnenmarktes beitragen und besonders in der Telekommunikation in der Förderung von FuE-Projekten, die eine europäische Standardisierung und Normung nach sich ziehen. Allerdings leiden EG-Programme mehr noch als manche nationalen Programme unter der Belastung mit zu vielen forschungsfremenden Zielen (Gleichverteilung auf die europäischen Länder, Bürokratieprofilierung usw.). 2.12
Welche Ziele und welche Prioritäten sollten zukünftige deutsche FuE-Förderprogramme für den Bereich der luK-Techniken setzen?
Oberstes Ziel sollte wieder die Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft werden, damit moderne,
innovative Arbeitsplätze dauerhaft geschaffen und
gesichert werden. Dabei kommt der Anwendung der lIuK-Techniken eine besondere Bedeutung zu. Das Kriterium ‚Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft‘ muB auch für die Arbeiten der öffentlich-rechtlichen Forschungsinstitute herangezogen werden, wenn
2.13
diese an den entsprechenden
FuE-Förderprogrammen
mitwirken.
Ist eine staatliche Förderung der heimischen Software-Produzenten wirtschafts- und forschungspolitisch geboten? In welchen strategischen Bereichen sollten solche Fördermaßnahmen ggf. ansetzen und wie sollten Sie aussehen?
Nicht über die Antwort zu 2.12 hinaus. 2.14
Auf welche Bereiche der lIuK-Techniken und auf welche Software-Bereiche sollten sich die staatlichen Fördermaßnahmen konzentrieren?
Mikroelektronik und Software-Technologie sind als Basistechnologien für alle IuKAnwendungen wichtige Schlüsselfelder. Daneben ist die Durchführung von Pilotprojekten in den verschiedensten Anwendungsbereichen
(öffentliche Infrastruktur,
Verkehr, Gesundheit, Verwaltung, Bildung) ein Förderinstrument, das in der deutschen Politik immer noch viel zu wenig eingesetzt wird. Im übrigen ist die inhaltliche Festlegung von sinnvollerweise zu fördernden Technologien ein fortlaufender Prozeß, der in einer fortlaufenden Diskussion zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik durchgeführt werden muß. 2.15
Welche Maßnahmen zur Unterstützung der Industrie werden a) von der deutschen Regierung und b) von der EG-Kommission erwartet? Sind Alternativen zur Projektförderung sinnvoll und wünschenswert (z.B. steuerliche Förderung)?
Die Untersützung der luK-Industrie dient dem Ziel, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften weiterzuentwickeln, um Lebensstan-
dard und Lebensqualität der Menschen in Europa zu sichern. Daher ist es wichtig,
313
daß sich Politik und Gesellschaft der Bedeutung der Beherrschung dung von luK-Technologien bewußt werden
und Anwen-
und dies bei allen politischen Maßnah-
men berücksichtigen. Forschungsförderung ist nur in einen Umfeld sinnvoll, das die Entwicklung und Nutzung dieser Technologien will und praktiziert. Projektförderung ist ein bewährtes Mittel, wenn sie anwendungs- und marktorientiert mit einer vernünftigen Bereitschaft zum Risiko auch auf der Seite des öffentlichen Zu-
wendungsgebers
mit einer flexiblen Bürokratie und einer ausreichenden Mittelaus-
stattung durchgeführt wird. Diese Bedingungen sind u.E. derzeit in der Bundesrepublik kaum oder gar nicht gegeben. Über die Projektförderung hinaus erscheinen Pilotprojekte mit öffentlich-rechtlichen Anwendern als zweckmäßiges Instrument,
wenn
der Übergang
Zu weiteren
2.16
in die Breitenanwendung
Maßnahmen
im Erfolgsfall gewährleistet ist.
siehe Antwort zu 2.16.
Unter welchen Voraussetzungen kann die kommunikationstechnische Industrie in der Bundesrepublik Deutschland noch international wettbewerbsfähig und leistungsstark bleiben?
Es ist zwingend notwendig, sowohl innerhalb der europäischen Gemeinschaft wie
weltweit vergleichbare
Wettbewerbsbedingungen
insbesondere
für die Hersteller
von Produkten und Systemen der öffentlichen Nachrichtentechnik zu schaffen. Die DBP Telekom muß die Möglichkeit erhalten, sich uneingeschränkt international zu betätigen. —
Beschaffungsrichtlinien öffnen die EG für Anbieter aus Drittländern. Deutschland übernimmt hier eine Vorreiterrolle und konfrontiert nationale Hersteller stärker als andere Länder (auch in der EG, z.B. Frankreich) mit dem internationalen Wettbewerb. Im Hinblick auf den Wettbewerb in Europa und der Welt müssen daher auch entsprechende Zusammenschlüsse in der Bundesrepublik
unter den gleichen Bedingungen möglich sein, wie sie für die EG-Fusionskon-
trolle gelten.
— Wettbewerbsverzerrungen bestehen im wesentlichen aus Unterschieden in der Finanzierung von Forschung und Entwicklung (France Telecom finanziert im wesentlichen die Produktentwicklung ihrer Lieferanten, vor allem von ALCATEL) und aus vertikaler bzw. quasi vertikaler Integration (Verbindung von Netzbetrieb und Produktion), wie sie offen in den USA (AT & T) und Kanada (Northern Telecom) oder traditionell in Schweden
(Ericsson) und Japan (NTT-Family)
bzw.
Verantwortung,
vorliegen.
In einer solchen
Netzbetreiber
Situation
hat der öffentlich-rechtliche Abnehmer
eine industriepolitische
allerdings
muß
er
von der Politik auch in die Lage versetzt werden, dieser nachzukommen (Aufrechterhaltung der Monopole in angemessenem Ausmaß, Wegfall von Belastungen, die sich nicht auf Telekommunikation beziehen). — Wettbewerbsverzerrungen während der Übergangszeit zum einheitlichen EGBinnenmarkt in der EG müssen beseitigt werden, international müssen Rezipro-
zität und Marktöffnung im Bereich von GATT
314
durchgesetzt werden.
Solange
Wettbewerbsverzerrungen bestehen, muß bei Produkten ausländischer Herstel-
ler die damit gegebene Subventionierung der Angebotspreise erkannt und ausgeglichen werden.
— Langfristig
müssen
Dienste und Netzausbaustrategien
der Bundesrepublik sowie
den.
in Europa
mit anderen
mit den Herstellern in
Betreibern abgestimmt
wer-
— Zweckmäfig ist eine frühzeitige innovative Beschaffung auf der Grundlage von Pilotprojekten: Ein zeitlich verzögertes Vorgehen bremst die innovative Dynamik nationaler Hersteller mit dem Resultat nationaler Wettbewerbsnachteile bzw. eine Verschlechterung der Wettbewerbsposition
ten (z.B. ATM-Berkom).
bei ausgereiften Produk-
— Auch im Privatmarkt sollte die Realisierung innovativer Anwendungen eigneten Instrumenten gefördert werden.
mit ge-
2.17 Ist langfristig zu befürchten, daß es im Bereich der Telekommunikation auf Dauer höchstens 5 — 6 nennenswerte Wettbewerber weltweit geben wird? Wie stellt sich die deutsche Industrie hierauf ein? Aufgrund der enorm hohen notwendigen F + E-Aufwendungen für Innovationen in der Vermittlungstechnik (Hardware- und Software-Lösungen), der Mobilfunktechnik oder der Lichtwellenleiter-Technologie, die bekanntermaßen vorzuleisten sind, bevor sie am Markt amortisiert werden können, ist die Konzentration auf eine ein-
stellige Zahl von sogenannten Full Range Suppliers unvermeidbar. Es existieren bereits heute nur mehr sieben bedeutende Wettbewerber am Weltmarkt, nämlich ALCATEL,
AT&T,
Siemens,
Northern
Telecom,
Ericsson,
Fujitsu
und
NEC.
Sie-
mens hat sich seit vielen Jahren auf diese Entwicklung eingestellt. Wir erwarten
von der Politik (wie auch von unserem
Kunden
DBP Telekom), daß sie unsere Be-
mühungen um Wettbewerbsfähigkeit auf diesem Sektor im jeweils eigenen Interesse positiv begleiten. 2.18
Weiche Strategie müßte verfolgt werden, um auf den europäischen und auße-
reuropäischen
Märkten
einheitliche
der Telekommunikation herzustellen?
Wettbewerbsbedingungen
im
Bereich
Ziel muß es sein, weltweit für alle Wettbewerber auf den verschiedenen Teilmärkten der Telekommunikation vergleichbare Wettbewerbs- und Marktzugangsbedingungen zu schaffen. Dieses Ziel muß sowohl im Rahmen von GATT wie innerhalb der EG wie auch ggf. im Rahmen
von bilateralen Gesprächen
zwischen den Han-
delsblöcken verfolgt werden. Wir können keine Empfehlung dazu abgeben, mit welcher politischen Strategie die Bundesregierung im einzelnen dieses Ziel verfolgen soll. Es ist u.E. aber im Einflußbereich der Bundesregierung erforderlich, be-
stehende Wettbewerbsverzerrungen auszugleichen und nicht etwa durch Vorleistungen zu verschärfen. Ein wichtiger Punkt ist es sicherlich, den Netzbetreiber DBP Telekom von nicht-telekommunikationsrelevanten Ansprüchen zu entlasten.
315
Für die privaten Telekommärkte ist es wichtig, daß nach Verabschiedung paneuro-
päischer Standards beschleunigt die europaweit ten zeitgleich bereitgestellt werden.
2.19
einheitliche Zulassungvorschrif-
Welche wirtschafts-, forschungs- und technologiepolitischen Maßnahmen von Wirtschaft und Staat sind erforderlich, um insbesondere den KMU im Anwenderbereich (z.B. Maschinenbau) die neuesten luK-Techniken und Software-Entwicklungen frühzeitig zugänglich zu machen?
Wir haben Zweifel, ob hier tatsächlich eine KMU-spezifische Situation vorliegt. U.E.
ist es vor allem wichtig sicherzustellen, daß diese Entwicklungen auf dem Gebiet
der Bundesrepublik
Deutschland
verfügbar sind und angeboten
werden.
Dies ist keine Aussage zu der (nicht gestellten) Frage, welche spezifischen Maßnahmen sinnvoll und möglich sein könnten, die Innovationsfähigkeit von KMU zu stärken.
2.20 In welchen Bereichen sollte der Staat mit Fördermaßnahmen die Entwicklung geeigneter arbeits- und betriebsorganisatorischer Produktions- und Dienstleistungskonzepte unterstützen, um eine zweckmäßige Nutzung der Hochtechnologie-Produkte zu erreichen? Der Staat (d.h. die Bundesregierung und die Landesregierungen) sollte vor allem darum bemüht sein, daß die öffentliche Hand in allen ihren Tätigkeits- und Verantwortungsbereichen von innovativen Anwendungen der luK-Technik Gebrauch macht durch Lösungen, die auch in der Wirtschaft einsetzbar und zweckmäßig sind. 2.21
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der GATT-Vereinbarungen für die staatlichen Fördermöglichkeiten?
Bislang verbietet das GATT-Regelwerk
nur Subventionen, die die Exporte direkt
beeinflussen, z.B. Exportsubventionen. Es ist unstrittig, daß auch andere Subventionen mittelbar die Leistungsfähigkeit der Exporteure beeinflussen und damit deren Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb wird in der laufenden GATT-Runde versucht, Subventionen generell stärker zu reglementieren, mit dem Ziel, sie weltweit einzudämmen. Eine solche Vereinbarung steht bekanntlich noch aus, da die Verhand-
lungen zur laufenden GATT-Runde noch nicht abgeschlossen evtl. Auswirkungen schwer abzuschätzen.
sind. Daher sind
Es ist zu hoffen, daß sichergestellt wird, daß eine im GATT erzielte Vereinbarung über die Begrenzung von Subventionen direkt und unmittelbar gegenüber allen
GATT-Vertragsparteien
wirkt.
Wir
können
nicht
hinnehmen,
daß
evtl.
einzelne
Staaten die Annahme dieser Verpflichtung verzögern oder verweigern, weil es dann zu neuen Wettbewerbsverzerrungen im internationalen Handel kommen würde. Im übrigen nutzt die deutsche Politik die vorhandenen nationalen Fördermöglichkeiten wenig. Die Forderung an die EG und die nationale Politik muß also lauten, endlich der Bedeutung des Wortes Subsidiarität gerecht zu werden, d.h. in 316
EG-Programmen
solche Vorhaben
zu fördern, die der europäischen
dürfen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. 2.22
Plattform be-
Welche Industriebereiche der deutschen bzw. europäischen Industrie sind in
Zukunft durch Marktstrategien fernöstlicher Konzerne besonders gefährdet? Nicht erst in Zukunft, sondern bereits heute ist die Mikroelektronik als Schlüsseltechnologie für alle Elektronikanwendungen besonders in Europa gefährdet. Siemens geht hier den privatwirtschatlichen Weg globaler Kooperationen, wie z.B. in der 256 M-DRAM-Entwicklung mit IBM und Toshiba. Ob diese Kooperationen zu Fertigungen in Europa führen, ist dabei u.a. eine Frage der Standortkosten. Generell sind erfahrungsgemäß insbesondere Volumenmärkte strategische Zielmärkte fernöstlicher Wettbewerber. Dies gilt für die Konsumelektronik ebenso wie für Telekommunikations-Endgeräte und kleinere Systerne. Die dominierende Position der fernöstlichen Wettbewerber im Bereich der Kompo-
nenten einschließlich der Mikroelektronik stellt ein potentielles Risiko für die gesamte luK-Industrie dar. 2.23
Mit welchen besonderen wirtschafts- und forschungspolitischen Maßnahmen soll die Bundesregierung bzw. die EG-Kommission diesen Strategien begegnen?
Die Bundesregierung
hat im Jahre
1989 ein umfassendes
Zukunftskonzept
Infor-
mationstechnik unter der gemeinsamen Federführung des Bundesministers für Wirtschaft und des Bundesministers für Forschung und Technologie verabschiedet, das einen programmatischen Rahmen darstellt, der Politik und Maßnahmen der Bundesregierung aus mehreren Handlungsfeldern zusammenfaßt. Dieses Konzept sollte angemessen realisiert und mit einer ausreichenden Finanzierung ausgestattet werden. Wir beobachten dagegen, daß sich die Politik in den vergangenen Jahren aus den wirtschafts- und forschungspolitischen Maßnahmenfeldern, die dort bereits definiert waren, weitgehend zurückgezogen hat. Für den speziellen Bereich insbesondere der öffentlichen Telkommunikations-Technik erwarten wir den Abbau bzw. die Kompensation der internationalen Wettbewerbsverzerrungen, die der Politik ja im Grundsatz bekannt sind.
Sind besondere wirtschaftspolitische Maßnahmen im Bereich der Hochtechnologien angebracht oder gar unvermeidlich, um eine heimische Hochtechnologie-Industrie zu entwickeln und zu erhalten? Bestehen strukturelle Bedingungen, die den luK-Bereich als Ausnahmebereich des ordnungspolitischen Leitbilds begründen? Bei den luK-Technologien handelt es sich nicht nur um Hochtechnologien (gekenn-
2.24
zeichnet
durch
einen
besonders
hohen
FuE-Anteil
am
Umsatz),
sondern
um
Schlüsseltechnologien für die gesamte Volkswirtschaft, die ihrerseits ein großes Wachstumspotential haben und voraussichtlich die weltweit größte Industriebranche in Zukunft darstellen werden. Diese Tatsache kann natürlich keinesfalls etwai317
ge protektionistische Maßnahmen
oder spezielle ordnungspolitische
Eingriffe be-
gründen. Dies wird auch keineswegs gefordert. Es ist aber gerechtfertigt und angesichts der Bedeutung der IuK-Technologien auch notwendig, positive Rahmenbedingungen für die Entwicklung dieses Industriesektors in der Bundesrepublik und
in Europa zu schaffen, im internationalen Vergleich bestehende Wettbewerbsverzerrungen zu kompensieren und insgesamt ein Klima zu schaffen, das die Entwicklung und Anwendung von Innovationen begünstigt. 2.25
Wie kann der Staat die heimischen
sprochenen
Hochtechnologie-Industrien
vor abge-
und gezielten Marktangriffen (z.B. target pricing) ausländischer
Unternehmen schützen, gleichwertige Wettbewerbsbedingungen weltweit anstreben und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie
steigern?
Unilaterale deutsche Schutzmaßnahmen
sind nicht möglich, weil die Kompetenz
hierfür bei der EG liegt. Wir sprechen uns auch prinzipiell gegen jegliche protektionistische Maßnahmen aus; befürworten aber die Ausschöpfung des handelspoliti-
schen Instrumentariums der EG in den Fällen, wo es gilt, eindeutige Verstöße gegen das GATT-Regelwerk zu ahnden (z.B. wenn die europäische Industrie durch eine Flut von Importen zu Dumpingpreisen nachweislich geschädigt wird). Für die Herstellung weltweit gleichwertiger Wettbewerbsbedingungen ist der erfolgreiche Abschluß der gegenwärtigen GATT-Runde ein wichtiger Schritt. Zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie allgemein liegen aus der gegenwärtigen Standortdiskussion eine Fülle von Erkenntnissen und Vorschlägen vor. Hier ist die Senkung der Unternehmenssteuer ein unbedingt erforderlicher Schritt.
2.26 Sollte eine gemeinsame
Meinungsbildung
von Staat,
Wirtschaft,
schaft und gesellschaftlichen Gruppen zu den zu erwartenden
Wissen-
technischen
und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland organisiert oder institutionalisiert werden? Wir messen dem fortlaufenden Dialog dieser Probleme eine hohe Bedeutung bei und beteiligen uns ständig daran. Daher begrüßen wir auch ausdrücklich diese gemeinsame Anhörung des Deutschen Bundestages. Wichtig dabei ist, daß die Diskussion mit dem Ziel des Konsensus geführt wird. Die politische Verantwortung für das Setzen von Rahmenbedingungen und die Durchführung von Maßnahmen liegt bei den politischen
Instanzen,
d.h. beim
Parlament
und dem
Bundesrat
und
bei
die u.E. eher der Gefahr ausgesetzt wäre, ein weiteres Instrument im Rahmen
der
den Regierungen des Bundes und der Länder. Diese Verantwortung darf nicht durch ein institutionalisiertes Dialoggremium verschleiert werden. Daher versprechen wir uns nichts von einer förmlichen Institutionalisierung der Meinungsbildung, politischen Auseinandersetzung zu werden.
2.27
318
Was
muß
unternommen
werden,
damit in Deutschland
technologische Zu-
kunftsthemen besser identifiziert und im Rahmen gemeinsamer Anstrengungen realisiert werden können?
U.E. sind die technologischen Zukunftsthemen im großen und ganzen ausreichend
identifiziert. Wichtig ist, daß Politik auf allen Ebenen
ebenso wie die Gesellschaft
die Bedeutung der IuK-Techniken erkennen und sich alle jeweils in ihrem Bereich ggf. mit geeigneten Partnern darum bemühen, innovative Anwendungen zu realisieren. Die politische Formel „Chancen und Risiken‘ suggeriert, daB Chancenund Risikenpotential das gleiche Maß haben. Es muß allen klar sein, daß das Chancenpotential
2.28
unvergleichlich
größer und seine Nutzung
unverzichtbar
ist.
Welche staatlichen Anstrengungen zur verstärkten Beobachtung der japanischen Zukunftsvorstellungen sowie der technischen Entwicklungen und Erfindungen in Japan sind notwendig (z.B. Ausbildung in japanischer Sprache,
Übersetzungen, Datenbanken)?
Es ist sicherlich nützlich, auf diesem Sektor mehr zu tun, z.B. durch Vergrößerung von Übersetzungskapazitäten und die Förderung elektronischer Übersetzungssy-
steme für japanische Fachliteratur, die Förderung von Studienaufenthalten deutscher und europäischer Studenten in Japan und die Verstärkung der Ausbildung in japanischer Sprache
an Universitäten. Das Befassen
mit Japan
und das Beob-
achten der japanischen Entwicklung ist aber kein Ersatz für die notwendigen Anstrengungen zur Entwicklung und zum Ausbau eigener Stärken. 2.29
In welchen Bereichen sollte der Staat vorrangig eine innovative Infrastruktur-
politik betreiben?
Welche
Infrasturkturen
und welche institutionellen Bedin-
gungen für den Transfer von Wissen und Know-how benötigen wir für die kommenden Jahrzehnte?
Der Staat sollte in seinem gesamten Verantwortungsbereich bemüht sein, durch innovative Nutzung der neuesten Produkte und Systeme der luK-Technik seine Effizienz ständig auf dem höchstmöglichen Stand zu halten bzw. dafür sorgen, daß die öffentliche Infrastruktur (Verkehr, Energie und Telekommunikation) auch durch den Einsatz der IuK-Technik ihre volkswirtschaftlichen Leistungen zum geringstmöglichen Preis erbringen. „Transfer von Wissen und Know-how‘' verstehen wir als Weiterbildung (siehe dazu
die Antwort zu 2.30).
2.30
Welche Bildungs- und Ausbildungs- sowie Weiterbildungssysteme benötigt eine Informationsgesellschaft? Wie können die Grundlagen für die dabei notwendigen qualifikationsfördernden Arbeitsbedingungen gefördert werden?
Die Informationstechnik ist im Bereich der allgemeinbildenden Institutionen noch
nicht entsprechend ihrer betriebs- und volkswirtschaftlichen Relevanz verankert, d.h. die in nahezu allen Berufen sowie zunehmend auch im privaten Bereich erfor-
derlichen Anwenderkenntnisse sollten im Bildungsbereich im Rahmen der Allgemeinbildung vermittelt werden. Grundsätzlich sollte die Basis eine breite Allgemeinbildung sein, die die Fähigkeit zu der praxisorientierten Weiterbildung vermittelt. Dazu ist es zweckmäßig, die Fachhochschulen zu stärken, ohne sie zu Univer-
319
sitäten zu machen (in der Industrie werden Hochschul- und Fachhochschulabsolventen im wesentlichen zu gleichen Bedingungen eingestellt). Es ist notwendig, die in Deutschland üblichen Schul- und Studienzeiten den interantional üblichen Zeiten anzugleichen, da die ständige technische Weiterentwicklung im späteren Leben stärker als bisher eine fortlaufende Weiterbildung notwendig macht. Volkswirtschaften und Industrieunternehmen werden ebenso wie der einzelne in Zukunft nur bestehen können, wenn sie rasch und flexibel auf Veränderung reagieren. Lernen gehört deshalb zur Arbeit und beginnt am Arbeitsplatz und setzt sich
in dem Besuch von Weiterbildungskursen fort. (Siemens wendet jährlich über 400 Mio.
DM
für die Weiterbildung
der Mitarbeiter auf.) Weiterbildung
muß
bedarfso-
rientiert gestaltet werden, Erfahrungen der Praxis müssen den Weg weisen. Hier
schadet eine häufig geforderte Formalisierung oder gar Vereinheitlichung.
Unter-
nehmerische Freiräume für neue Inhalte und Methoden in der Weiterbildung wie auch in der Ausbildung sind Voraussetzung für unsere Wettbewerbsfähigkeit in der
Zukunft.
2.31
Welche Bedeutung haben Normenvereinbarungen für die Wettbewerbsfähigkeit der luK-Industrie? Welchen Einfluß soll der Staat auf die Normsetzung nehmen?
Normen haben im Bereich der lIuK-Industrie eine große Bedeutung. Sie sollten sich grundsätzlich an der internationalen Normung orientieren bzw. mit dieser übereinstimmen. Staatlicherseits sollte kein Einfluß auf Inhalte der Normsetzung genommen werden, solange es sich nicht um Bereiche handelt, in denen die Verantwor-
tung des Staates gefordert ist (Sicherheitsvorsorge). Normen sollten grundsätzlich innerhalb der Industrie bzw. zwischen Industrie und Anwendern erarbeitet werden. Wichtig ist, daß die europäische Industrie ihre Überlegungen wirkungsvoll in die internationale Normung einbringen kann. Dazu muß sie in der Lage sein, die notwendigen Entwicklungsarbeiten vorzuleisten. Wichtig ist, den Prozeß der Zertifizierung (Bestätigung der Einhaltung von Normen) in ganz Europa einheitlich so zügig und unbürokratisch wie möglich (Herstellerzertifizierung) zu implementieren, um Kosten- und Zeitnachteile zu vermeiden. 2.32
Welchen Stellenwert hat im Rahmen der EG die Schaffung neuer Standards zur Verbesserung der Wettbewerbschancen der europäischen elektrotechnischen und elektronischen Industrie?
Siehe Antwort zu 2.31.
2.33
320
Welche Bedeutung haben die Normenvereinbarungen für die Arbeitsbedingungen nach der europäischen Harmonisierung und welche Bedeutung wird den Arbeitsbedingungen einschließlich der Arbeitsorganisation und Qualifikation für die Innovationsfähigkeit der einheimischen traditionellen und Hochtechnologie-Industrie zugemessen?
Bei den Normen in der IuK-Technik handelt es sich vor allern um Schnittstellen zwi-
schen Geräten, Systemen
und Netzen, die überwiegend
keinen Einfluß auf die Ar-
beitsbedingungen bzw. Arbeitsplatzbedingungen haben. Eine europäische Harmonisierung von Arbeits(platz)-Bedingungen wirkt sicher generell in Richtung einer Vereinheitlichung der Wettbewerbsbedingungen. Bei ihrer Gestaltung ist auch der Faktor Innovationsfähigkeit angemessen zu berücksichtigen, dies spricht tenden-
ziell für eine möglichst große 2.34
innerbetriebliche Gestaltungsfreiheit.
Welche Defizite und Hindernisse der industriellen Kooperation zwischen Herstellern und Anwendern sehen Sie gegenwärtig? Welche Verbesserungsmöglichkeiten gibt es für eine solche Kooperation und wo sollten sie staatlich
gefördert werden?
Generell sollte der Staat die Bereitschaft der Einrichtungen der öffentlichen Hand fördern, als Anwender und Mitentwickler von innovativen Lösungen mit den Her-
stellern der IuK-Industrie zu kooperieren.
In der öffentlichen Telekommunikation betrifft dies die Kooperation mit der DBP Te-
lekom. Die bereits mehrfach angesprochene enge Verbindung zwischen Netzbetrieb und Produktion (vertikale Integration oder quasi vertikale Integration) existiert in Deutschland
bis heute
nicht.
Doch
nung zwischen Hersteller und Betreiber im Interesse beider zum gegenseitigen praktische Formen, z.B. gemeinsame Vermarktung, finanzielle Beteiligung, oder sog.
Betreiber (BOT-Modelle).
auch
bei völliger unternehmerischer
Tren-
gibt es eine strategische Abhängigkeit, die Vorteil genutzt werden sollte. Es gibt viele Forschung und Entwicklung, gemeinsame gemeinsame Erschließung neuer Märkte
Im Bereich der Mikroelektronik haben sich die im Rahmen des Entwicklungsprogrammes JESSI definierten Projekte von Herstellern und Anwendern grundsätzlich bewährt und sollten verstärkt gefördert werden. 2.35
Welche Kooperationen bzw. strategische Allianzen mit europäischen und auBereuropäischen Mitbewerbern in den Bereichen Mikroelektronik, Kommuni-
kationstechnik und Software-Entwicklung gibt es oder werden von der deutschen Industrie angestrebt? Es erscheint nicht sinnvoll, die Fülle der großen
denen deutsche
Unternehmen
und kleinen
Partnerschaften,
an
national oder international beteiligt sind, hier er-
schöpfend aufzulisten. Was Siemens angeht, sind z.B. die großen Partnerschaften
in der Mikroelektronik auch hinreichend bekannt. Über zukünftige oder angestrebte Partnerschaften kann grundsätzlich öffentlich nicht geredet werden, solange sie nicht vereinbart
sind,
da es sich
um
ein wettbewerbssensibles
Thema
handelt.
Wichtig ist, daß deutsche Politik und Öffentlichkeit die Beweggründe und die Notwendigkeiten verstehen, die die Unternehmen dazu veranlassen und diesen Prozeß politisch akzeptieren und unterstützen.
321
Positionspapier der Siemens AG aus Anlaß der Anhörung des Deutschen Bundestages zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen informations- und kommunikationstechnischen I.
(luK-)Industrie
am
21.9.92
Jede Gesellschaft sollte Klarheit darüber gewinnen, wie und wovon sie in Zukunft leben kann und will. 1. Siemens begrüßt deshalb, daß der Deutsche Bundestag in drei Ausschüssen die Frage der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen informations- und kommunikationstechnischen Industrie aufgreift. . Siemens ist das größte deutsche Unternehmen der luK-Technik und gehört
zu den führenden Anbietern von Produkten und Systemen in der Welt. Da das Thema zentrale Bedeutung für Lebensweise und Wohlstand der deutschen Gesellschaft hat und seine Bewältigung große Anstrengungen und ei-
nen langen Atem erfordern wird, möchte Siemens wesentliche Zusammenhänge aus seiner Sicht darstellen.
1989 wurde das Zukunftskonzept Informationstechnik der Bundesregierung nach intensiver Anstrengung mehrerer Ressorts vorgelegt. Wissenschaft, Wirtschaft und auch Gewerkschaften hatten im Vorfeld dazu erhebliche Beiträge geleistet. Das Konzept faßte politische Maßnahmen aus vielen Handlungsfeldern programmatisch zu einem Handlungsrahmen zusammen, ent-
wickelte aber keine Zukunftsvorstellung, innerhalb derer die IuK-Technik gestalterisch eingesetzt werden sollte. Es blieb bei einzelnen Maßnahmen, so daß der erwartete, lang anhaltende politische Impuls auf die Entwicklung der Informationstechnik in Deutschland nicht zustande kam. Die Bundesrepublik Deutschland braucht wegen der vielfältigen dezentralen Entscheidungs- und Verantwortungsstrukturen (und dem überwiegenden Zwang zu politischen Koalitionen auf Bundes- und Landesebene) für eine der
Bedeutung
der
luK-Technik
entsprechend
erfolgreiche
Politik
einen
langfristigen und umfassenden Konsens der politischen und gesellschaftlichen Kräfte, an dem sich die einzelnen Entscheidungsträger orientieren. Nur in einer Gesellschaft, die eine auf Einsicht gegründete grundsätzliche Übereinstimmung davon besitzt, wie und wovon sie in Zukunft leben kann und will und wie weit jeder einzelne durch seine Leistung und seine Entscheidungen dazu beitragen muß, wird die Politik dauerhafte Erfolge erzielen können.
Der Wettbewerb
der Standorte
und
Regionen
in der Welt wird
letzten Endes dadurch bestimmt, wie diese Einsichten erarbeitet und umge-
setzt werden.
Siemens sieht eine langfristig wirtschaftlich und ökologisch zufriedenstellende Zukunft nur für und in Gesellschaften, die eine ausgewogene Balance
von Leistung und Solidarität verwirklichen (d.h. die Einforderung von Solida-
rität setzt angemessene
322
eigene Leistungsbereitschaft voraus) und die alle
Möglichkeiten der Technik nutzen, selbstbestimmte und vielfältige Möglich-
keiten der Lebensgestaltung bei Minimierung des Verbrauches begrenzter Ressourcen zu verwirklichen. Durch die technische Entwicklung werden der
Umgang mit und die Verarbeitung von Informationen eine viel größere Rolle als heute spielen — was die Tendenz zur Denzentralisierung und die Möglichkeiten zur Selbstbestimmung verstärkt —, aber die Fähigkeit zur wirt-
schaftlichen, d.h. ökonomisch
und ökologisch effizienten, Produktion
rieller Güter wird ihre Bedeutung behalten.
mate-
In der Bundesrepublik Deutschland bestehen die notwendigen Voraussetzungen, die Zukunft in diesem Sinne erfolgreich zu gestalten. Dazu müssen verfügbares Wissen und Können gezielt in Maßnahmen und wettbewerbsgerechte Leistungen
umgesetzt werden.
Il. Die Bedeutung der informations- und kommunikationstechnischen Industrie für die gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland und Europas ergibt sich aus den Aspekten Volumen und Schlüsseltechnologie. 1. Die Bedeutung der luK-Industrie liegt sowohl —
in ihrem unmittelbaren und Bruttosozialprodukt wie
überdurchschnittlich wachsenden
—
im Charakter einzelner Sektoren che der Volkswirtschaft. Diese tung, Telekommunikation und meinsamen Basistechnologien gie.
Anteil am
als Schlüsseltechnologien für alle Bereisind vor allem die InformationsverarbeiFertigungsautomatisierung mit den geMikroelektronik und Software-Technolo-
Die Elektroindustrie leistet weltweit innerhalb des verarbeitenden Gewerbes bereits heute (nach der Nahrungs- und Genußmittelindustrie) den zweitgrößten Beitrag zum Bruttosozialprodukt. Es wird erwartet, daß der Weltelektro-
markt bis zum Jahr 2000 jährlich mit 6 bis 7 % real wachsen wird; diese Ten-
denz wird von der elektronischen Industrie und der Software mit einem Wachstum von über 9 % getragen. Die IuK-Industrie im engeren Sinne (ohne Mikroelektronik und Unterhaltungselektronik) wird im Jahre 2000 einen Anteil von 40 % am Weltelektromarkt haben. Die Elektronikindustrie insgesamt wird die größte und bedeutendste Industrie der modernen Wirtschaftsgesellschaft werden. Sie ist schon heute in Japan größer als die wahrhaftig nicht unbedeutende Automobilindustrie. Ohne Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Markt der luK-Technologien wird daher ein ausreichender Anteil an der Weltwirtschaft nicht gehal-
ten
werden
können;
dies
hätte
negative
Auswirkungen
auf Arbeitsplätze,
steuerliche Erträge und den allgemeinen Lebensstandard auf dem Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland.
323
4. Ohne intensive Anwendung modernster Produkte und Systeme der luKTechnik werden auch alle übrigen Sektoren des wirtschaftlichen wie des öffentlichen Bereiches weder die ökonomische noch die ökologische Leistungsfähigkeit erreichen, die zukünftig erforderlich sein wird. Zwischen beiden Entwicklungen besteht ein enger Zusammenhang, eine leistungsfähige luK-Industrie in Deutschland und innovative luK-Anwender
werden sich gegenseitig werbsfähigkeit stärken.
befruchten
und
in ihrer Leistungs-
und Wettbe-
Ill. Angemessene allgemeine volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen sind Voraussetzung für eine international wettbewerbsfähige luK-Industrie.
. Die Wirtschaft besteht aus einer Vielzahl von
Unternehmen,
die vor allem
im Wettbewerb stehen, auch wenn sie auf Teilgebieten kooperieren. Ihre
oberste Verantwortung besteht darin, im Rahmen der Gesetze unter den gegebenen wirtschaftlichen Bedingungen ihre Leistungskraft — und damit
im staatlichen Interesse ihre Steuerkraft — zu erhöhen oder wenigstens zu erhalten. Vor allem die wirtschaftlichen Bedingungen haben sich in der
Bundesrepublik in den vergangenen Jahren relativ zu anderen Ländern verschlechtert, wie die laufende Standortdiskussion gerade bezüglich der
quantitativ faßbaren Rahmenbedingungen
deutlich gemacht hat.
Deutschland
hat sehr wohl immer noch Wettbewerbsvorteile bei den quali-
und
Stabilität;
tativen Standortfaktoren — freiheitliche Wirtschaftsverfassung; soziale
Geldwertstabilität
(gegenwärtig
mit
politische
Einschränkun-
gen); Infrastruktur im Westen Deutschlands; schulische, berufliche und akademische Ausbildung (hier gibt es jedoch bereits deutlich erkennbare relative Verschlechterungen gegenüber dem Ausland) —, liegt aber bei vielen wesentlichen quantitativen Faktoren deutlich im Hintertreffen. Die Produktivität reicht nicht mehr aus, um Arbeitskostennachteile auszugleichen.
. Die deutsche Gesellschaft steht zusätzlich vor einer Fülle von Aufgaben — und stellt sich selber weitere —, die die Leistungsfähigkeit und Finanzkraft des Staates und der Wirtschaft aufs äußerste anstrengen, wenn nicht sogar überfordern, falls keine Abstriche am Einkommen der Bürger gemacht werden sollen. Zu nennen sind: — Der Aufbau in den neuen Bundesländern, insbesondere die Anhebung des Lebensstandards über den Produktivitätsfortschritt hinaus zeitgleich
zur notwendigen Schaffung des industriellen Kapitalstocks und der öffentlichen Infrastruktur. (Die positiven Wirkungen der Marktvergrößerung stehen außer Frage.)
— Die Realisierung einer internationalen Spitzenposition im Umweltschutz. — Hilfe für die Länder Osteuropas
und der Dritten Welt.
— Weiterer Ausbau des sozialen Netzes (z.B. Pflegeversicherung). 324
3.
In dieser Situation ist es unabdingbar, als Voraussetzung für eine dauerhaft zu verfolgende Politik einen Konsens über die Gewichtung und zeitliche Priorisierung gesellschaftlicher Ziele herbeizuführen sowie — Leistungsbereitschaft durch Steuer- und Sozialpolitik zu ermutigen, — das Verhältnis zwischen Investitionen in die öffentliche Infrastruktur und die langfristige Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und privatem und Öffentlichem
Konsum
zugunsten
der Investitionen zu verbessern,
— die technische Entwicklung primär als Chance für neue und bessere Lösungen zu verstehen, die entschlossen ergriffen werden muß. Das ist mit einer besonnenen Abwägung der möglichen Risiken vereinbar und gilt über die IuK-Technologien hinaus z.B. auch für die verfügbaren Methoden der Energieerzeugung. Dies ist eine Führungsaufgabe vor allem der
Politik.
Weiterhin ist es notwendig, eine (relative) Verbesserung bei den quantitativen Standortfaktoren herbeizuführen und die Erosion bei den qualitativen Faktoren zu stoppen.
Dazu
ist in der laufenden Standortdiskussion bereits
ausreichend viel gesagt worden.
Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Sicherung des freien Welthandels durch den erfolgreichen Abschluß der laufenden GATT-Verhandlungen und die Realisierung des nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch chen europäischen Marktes ohne Wettbewerbsverzerrungen.
IV.
einheitli-
Es ist notwendig und möglich, konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der luK-Industrie in Deutschland zu ergreifen. 1.
Die Entwicklung der informations- und kommunikationstechnischen Industrie ist durch vier grundlegende technische Trends gekennzeichnet. Dies
sind —
die Miniaturisierung funktional umfangreicher und komplexer Systeme zur Größe
eines Chips
— die zunehmende
in der Mikroelektronik,
Bedeutung
der Photonik,
— der Übergang von analogen zu digitalen Schaltungen auf praktisch allen Gebieten der Elektronik und — die wachsende
Rolle der Software.
Das Potential dieser Technologien ist heute bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Diese Entwicklung, die zu sinkenden Kommunikationskosten führt und den Trend zu sinkenden Transportkosten
unterstützt, wirkt sich dahin
aus, daß die IuK-Industrie wirtschaftlich gekennzeichnet ist durch
— Globalisierung des Wettbewerbs (bei gleichzeitiger Abstützung der groBen Wettbewerber
in ihren Heimatmärkten),
325
— zunehmende Bedeutung von Volumensvorteilen in der Produktion (mit der Notwendigkeit des freien Zugangs zu ausreichend großen Märkten) und — durch außergewöhnlich hohen und weiter steigenden Aufwand für Forschung und Entwicklung (im Regelfall zwischen 10 und 20 % vom Umsatz, wobei sehr hoch liegende Mindestaufwendungen nicht unterschritten werden dürfen) bei kurzen Produktlebenszyklen. . Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens bei gegebenen Bedingungen ist Aufgabe der Unternehmensleitung und der Mitarbeiter. Siemens
hat gezeigt
— durch sein Engagement auf dem Bereich Forschung bis weit in die Hochschullandschaft,
und Entwicklung
— durch die Weiterentwicklung der Firmenstruktur und globales Engagement, — durch
die Bildung strategischer Allianzen in geeigneten
— durch Anpassung
der Produktionskapazitäten
Fällen,
und
— vor allem durch technisch und wirtschaftlich leistungsfähige und erfolgreiche Produkte und Systeme, daß sich das Unternehmen dieser Herausforderung stellt und auch in Zukunft stellen wird. Aber auch Siemens kann sich der Auswirkung der Bedingungen, die für die IuK-Industrie in der Bundesrepublik und in Europa gelten, nicht entziehen. . Die IuK-Industrie in der Bundesrepublik Deutschland hat im europäischen Vergleich insgesamt noch eine gute Position. Zur Sicherung der künftigen
Entwicklung ist es aber notwendig, daß der Staat (im Gesamtbereich der öffentlichen Hand) wie auch Staat und Unternehmen gemeinsam auf einer
Reihe von Handlungsfeldern aktiv werden. Oberbegriffen zusammenfassen, nämlich —
Reduzierung
oder
werbsverzerrungen,
— Entwicklung
Kompensation
der Nachfrage
nach
Diese
international innovativen
lassen
sich
bestehender
Lösungen
unter drei Wettbe-
und
— grundsätzliche Orientierung der deutschen Bildungs- und Forschungspolitik. . Die
Reduzierung
oder
Kompensation
international
bestehender
Wettbe-
werbsverzerrungen ist ein zentraler Punkt. Hier muß zunächst darauf hingewiesen werden, daß aus Deutschland stammende Hersteller am Markt der öffentlichen Hand häufig einen geringeren Anteil haben als ihre Wettbewerber in deren Heimatmärkten. Dies ist angesichts der Bedeutung von Volumensvorteilen in der Produktion ein Wettbewerbsnachteil und besonders dann schwer verständlich, wenn wie in der Datenverarbeitung ihr Marktanteil in der privaten Wirtschaft größer ist.
326
Eine besonders schwierige Situation liegt auf dem Markt der öffentlichen Nachrichtentechnik vor. Die DBP Telekom bedient sich bei ihrer Beschaffung zunehmend internationaler Ausschreibungen, während dies in ande-
ren Ländern der Gemeinschaft, vor allem in Frankreich, kaum der Fall ist. Weiterhin ist die DBP Telekom sowohl zum Ausgleich des Defizites im Postdienst wie zur Ablieferung an den Bundeshaushalt verpflichtet. Dies führt zu einem Preisdruck bei Geräten und Systemen der Nachrichtentechnik, der nicht berücksichtigt, daß bei den Wettbewerbern aus Frankreich die
Aufwendungen für die Produktentwicklung zu ca. 60 % über den Netzbetreiber oder den Staat finanziert werden (ähnlich auch in Schweden) und/oder daß diese als vertikal integrierte Unternehmen (Kanada/USA) oder quasi vertikal integrierte Unternehmen (in Japan die sogeannte NTTFamily) aus geschlossenen oder weitgehend geschlossenen Märkten heraus operieren. Dieser Sachverhalt ist der Politik in Deutschland grundsätzlich bekannt,
aber wenn
wird, wird die deutsche droht.
nicht in absehbarer
Zeit eine
Kommunikationsindustrie
Lösung
gefunden
in ihrer Substanz
be-
. Von besonderer Bedeutung ist es, die Dynamik der Nachfrage nach innovativen Lösungen zu steigern. Auch hier kann und muß die Projektförderung eine Rolle spielen, wichtige Handlungsfelder sind aber vor allem — der Einsatz innovativer Technik für die Bewältigung anspruchsvoller Aufgaben im Verantwortungsbereich der öffentlichen Hand in enger Zusam-
menarbeit mit kompetenten Anbietern, ggf. auch die gemeinsame Entwicklung von breit einsetzbaren Musterlösungen (gedacht ist beispielsweise an vollzugs- und entscheidungsunterstützende informationstechnische Systeme in der öffentlichen Verwaltung, im Umweltschutz und in der Energieversorgung oder an Leitsystere für die Optimierung der Verkehrsflüsse
bund).
— Nutzung
auf Straße,
innovativer Techniken
Schiene
und
in der Luft, auch
in Anwendungen,
im Ver-
die durch öffentliche
Vorschriften oder Auflagen bestimmt, aber nicht zwangsläufig aus dem Staatshaushalt finanziert werden (elektronische Messung des Verbrauchs von Gas, Wasser, Strom mit der Möglichkeit flexibler zweckmä-
Biger Tarifgestaltung bis hin zu Verbrauchsmanagementsystemen; Einsatz elektronischer Fahrtschreiber in PKW und LKW zur Unfallprotokollierung; Installation von telefonischen Notrufpunkten auf Mobilfunkbasis in engem räumlichen Raster zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit). — Förderung der Entwicklung und Verbreitung innovativer Lösungen durch Pilot- und Demonstrationsprojekte (auch in der Privatwirtschaft), in denen sich Anbieter und Anwender von Systemen
und Produkten zusam-
menfinden (z.B. die Erprobung der intelligenten Chipkarte in abgegrenzten Bereichen, wie im Gesundheitswesen). Ein positives Beispiel ist hier die Entscheidung, in den neuen Bundesländern mit der Installation von 327
Glasfaseranschlüssen beim Endbenutzer zu beginnen. Auch das Breitband-Kommunikations-Projekt Berkom ist im Prinzip positiv zu bewerten.
Durch das Ausbleiben der breiteren Einführung der erfolgreich demonstrierten Anwendung droht der gewonnene Vorsprung allerdings verloren-
zugehen. 6.
Ziel bei der Weiterentwicklung
des Ausbildungssystems
muß es sein, das
Berufseintrittsalter zu senken. Hierzu liegt eine Fülle von Vorschlägen vor. Durch intensivere Beratung der Schulabgänger über berufliche Perspekti-
ven
und Anforderungen
des
Berufslebens
sollte eine effektivere Studien-
bzw. Berufswahl und eine Senkung der Studienwechslerzahlen angestrebt werden. Die Beratung sollte unter Beteiligung der Wirtschaft erfolgen.
7. In der künftigen Politik des BMFT auf dem luK-Sektor muß die Wettbewerbsfähigkeit der luK-Industrie und der IuK-Anwender leitendes Kriterium sein. Das bedeutet auch eine angmessene, d.h. bessere Ausstattung der Projektförderung als gegenwärtig. In zunehmendem Maße können wissenschaftlich-technische Fragestellungen (z.B. Integration von Prozeßtechnologien in der Mikro- und Optoelektronik;
Realisierung
komplexer
Systeme
der Mikrosystemtechnik; Methoden zur Erstellung komplexer, zuverlässiger Softwaresysteme; Engineering sehr großer Systeme) mit Grundlagencharakter nur noch in der Industrie mit Aussicht auf Erfolg bearbeitet werden.
8. In der öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Infrastruktur ist die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Industrie sehr wohl vorhanden. Dennoch müssen Mechanismen gefunden werden, um Zielsetzung und Zusam-
menarbeit wesentlich effektiver zu gestalten (z.B. durch stärkere Einbindung der Wirtschaft bei der Festlegung von Forschungsprogrammen, Zuwendung von öffentlichen Forschungsmitteln in Abhängigkeit von Kooperationen mit der Wirtschaft) und um das Anwendungs- und Umsetzungsbewußtsein für Innovationen zu stärken. Ein ständiges Problem ist die Anpassung bestehender Kapazitäten an neue
Themenstellungen, die auch durch das öffentliche Dienstrecht und seine Handhabung erschwert wird. Das Dienstrecht erschwert im übrigen auch
den Personalaustausch zwischen öffentlich-rechtlicher wissenschaftlicher Infrastruktur
und
Industrie.
Das
Interesse
der
Bundesländer
an
überwie-
gend vom Bund finanzierten Forschungsinstituten begünstigt tendenziell die Bildung einer Mehrzahl von jeweils unterkritisch ausgestatteten und thematisch suboptimal abgegrenzten Einrichtungen, die in der Summe eine
Überkapazität bilden.
International wettbewerbsfähige Hersteller und innovative Anwender der IuK-Technik sind schon heute unverzichtbare Bestandteile einer modernen Volkswirtschaft, ihre Bedeutung wird in Zukunft weiter zunehmen.
Staatliche
Instanzen
und
Unternehmen
ständigkeit unmittelbar Verantwortung 328
tragen
in ihrer
Zu-
dafür, die Leistungsfähigkeit
und Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft zu erhalten und weiterzuentwickeln. Diese Aufgabe wird in der Bundesrepublik und der europäischen Gemeinschaft nur soweit bewältigt werden können, wie die notwendigen Anstrengungen von der Gesellschaft mitgetragen werden. Erfolg wird sich nur dann einstellen, wenn dies sowohl in den staatlichen Instanzen wie in den politischen und gesellschaftlichen Gruppen einschließlich der Gewerkschaften als herausfordernde Führungsaufgabe verstanden wird. Führen heißt Visionen entwickeln,
Verständnis schaffen
und für die Umsetzung
sorgen.
329
Prof. Dr. H.J. QUEISSER Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, Stuttgart Kurzkommentare 1.1
zum
Fragenkatalog
vom
16.6.1992
„Hochtechnologien‘‘ erfordern ungewöhnlichen Aufwand an Forschung und betreffen völlig neuartige Verfahren und Produkte. Beispiele: gentechnische Pharmakologie, Robotik, Laseroptik, miniaturisierte integrierte Schaltkreise, objektorientierte Computersprachen, ... a) Deutsche Industrie global fähig; Automobiltechnik, Kerntechnik einschl. Umwelt-Sensorik, Teile des Maschinenbaus, moderne konventionelle Chemie, Telefonvermiltlungssysteme b) Frankreich: Teile der Materialforschung (Glas, Keramik, Polymere), Telekommunikation, Kernkraft, Waffen; Schweiz:
Biotechnik,
Pharmazie,
Airbus;
UK: Stärken durch japanische ‚‚transplants‘. 1.2 Defizite eigentlich in nahezu allen Gebieten, kaum europ. Führungspositionen (außer Fahrzeugbau, Kernenergie, Teile des modernen Maschinenbaus), besonders eklatant in allen Bereichen der Mikroelektronik (Hardware besonders,
aber auch Software).
1.3 Europas Stärken: Marktgröße, gute Ausbildung, gute Grundlagenforschung. Schwäche durch völlig unterschiedliche Politik, z.B. Autarkiestreben Frankreichs gegenüber Ansiedlung japanischer Firmen und Labors im UK, Nordrhein-Westfalen und koreanischen Halbleiter- und Elektronikfirmen in Deutschland. Bei Dollar unter 1,80 DM extreme Nachteile für Hochtechnik in Deutschland.
1.4 Neueste luK-Technik ist Grundlage für künftige Wirtschaft; ist bereits stärkste Kraft der Wirtschaft in Japan und USA.
trotz Ansiedlungspolitik.
In Europa immer mehr Importe, sogar
1.5 Deutschland und Europa haben winzige Software-Industrien, verglichen mit USA; es fehlt Symbiose wie IBM und Microsoft. Enorme Importüberschüsse! 1.6
Umweltschutz unmöglich ohne Mikroelektronik, Sensor- und Meßtechnik, Prozeßsteuerung.
1.9
Bundesrepublik würde wettbewerbsfähige luK-Industrie brauchen, was nun durch gezielte Ansiedlung (Mitsubishi Aachen, Samsung Berlin, Niedersachsen) versucht wird bei gleichzeitiger politischer Priorität der Erhaltung alter Arbeitsplätze (Steinkohlesubvention ist das Doppelte des gesamten BMFT-Haushalts). Verkehrsbezogene Industrien zur Zeit wohl beste Alternative (Automobile, Züge).
330
vgl.
Autoabgaskontrolle,
Abhängigkeit z.B. in Mikroelektronik total, bis auf einige Materialien (SiliciumScheiben), besonders beängstigend bei den modernen
Produktionswerkzeu-
gen. Autark noch in Baukonstruktionen, z.B. Reinraumerstellung.
Zugriff nicht direkt gefährdet, weil USA, Japan, Korea mit europ. Fabriken Anbieterkonkurrenz erhalten. Wesentlich ist die allgemeine Erosion, wo immer Mikroelektronik und andere Bereiche von luK produktentscheidend: le Olympia, Grundig, Nixdorf; Uhren, Kameras, Kopierer.
Japans
derzeitiger
Kapitalkostenanstieg
nicht aber Niedergang,
bringen.
wird dämpfen
und
Beispie-
Verzögerung,
Osteuropas Bedarf an ‚low-tech‘‘ wird Linderung für westeurop. Industrien geben, aber damit Neuorientierung noch weiter verzögern und abschwächen.
331
VERBAND DEUTSCHER MASCHINENHauptgeschäftsführung/Dr. Berthold Leibinger 1.
ANLAGENBAU
e.V.
Bedeutung der informations- und kommunikationstechnischen Industrie für die gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland
1.4
UND
Welche
und in Europa.
Bedeutung
haben
die neuesten
luK-Techniken
für die Anwender
im
besonderen und für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in Deutschland im allgemeinen?
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Bedeutung der luK-Technik für die
Anwender gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, dies umso mehr, als der Anwendungsbereich der neuen luK-Techniken fast alle Gebiete der Wirtschaft berührt, ja maßgeblich beeinflußt. Damit sind sie zweifellos zu einer Schlüsseltechnologie geworden. Dies gilt insbesondere auch aus der Sicht des Maschinenbaus, der heute ohne Anwendung
werbsfähig sein würde.
der neuesten
luK-Techniken
fast nicht mehr wettbe-
1.5 Welche Bedeutung hat dabei die Software im allgemeinen und die AnwenderSoftware als Basis für neue Anwendungssysteme im besonderen? Software und Hardware können nicht getrennt betrachtet werden. Sie bedingen sich gegenseitig, wobei der Software tendenziell eine immer stärkere Bedeutung zukommt, weil sie die Anwendungsmöglichkeiten der Hardware erst aufschließt. Dies gilt in besonderer Weise für den Maschinenbau, der nur dann wettbewerbsfähig sein kann, wenn er in seinen Maschinen differenzierte und detaillierte Problemlösungen ermöglicht, die jeweils unterschiedlichste Software benötigen. Es ist des-
halb überhaupt keine Frage, daß insbesondere die Softwarehersteller für die luK-
Technik anwendenden Industriezweige von ganz herausragender Bedeutung sind, wobei wir hier eine ständige enge Zusammenarbeit in höherem Maße noch für notwendig erachten als gegenüber Hardware-Herstellern. 1.9 Braucht die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige, und wettbewerbsfähige luK-Industrie?
weltweit tätige
Diese Frage berührt den Kern der gesamten Diskussion. Selbstverständlich wäre es für die großen Anwenderindustrien der luK-Techniken wie den Maschinenbau, die Automobilindustrie, die Elektroindustrie und auch die Chemie von unschätzba-
rem Wert, im Lande eine eigenständige, weltweit wettbewerbsfähige IuK-Industrie zu haben. Sie hätte den unschätzbaren Vorteil der Möglichkeit enger und ständiger Zusammenarbeit an den Grenzen jeweiliger Erkenntnis. Insbesondere würde sie den Anwendern die Möglichkeit geben, die neuesten luK-Techniken schneller als andere in den eigenen Produkten umzusetzen. 332
Das Problem ist, daß die deutsche luK-Industrie in wichtigen Bereichen nicht mehr
wettbewerbsfähig ist und der Vorsprung, insbesondere der Japaner, teilweise auch
der Amerikaner, im nationalen Rahmen wie auch im europäischen Rahmen kaum aufgeholt werden kann, dies zumindest nicht ohne Subventionen erheblichen Aus-
maßes, wenn das durch Japan vorgegebene niedrige Preisniveau erreicht werden soll. Die Japaner haben heute nicht nur den technologischen Vorsprung, sondern
auch den größten Markt, so daß in wesentlichen Gebieten der IuK-Techniken (z.B.
Speicherchips) ein Gleichziehen kaum mehr möglich erscheint, selbst wenn der Staat mit massiven Subventionen eingreifen würde. Diese Beurteilung gilt keineswegs für alle Gebiete der luK-Techniken. So ist die marktbeherrschende Stellung Japans etwa im Bereich der ASIC-Herstellung längst nicht so ausgeprägt. Die Marktverhältnisse sind hier völlig andere und auch die
geographische
Nähe
von
Hersteller
und
Anwender
spielt
hier eine
viel größere
Rolte. Deshalb scheint es beispielsweise auf diesem Sektor eine echte Chance zu geben, zu halbwegs wettbewerbsfähigen luK-Produkten zu kommen, wenn hier eine massive Förderung der Forschung und Entwicklung, wie aber auch eine Förderung der Anwendung und damit der Marktbildung beschlossen würde, was ordnungspolitisch zu vertreten wäre. 1.12
Gibt es belegbare Beispiele dafür, daß ausländische Lieferanten und Mitbe-
werber ihre Marktstellung mißbräuchlich ausgenutzt haben, z.B. durch Lieferbeschränkungen oder -verzögerungen?
Die bis zum heutigen Tage uns bzw. der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Lieferengpässe und Auslieferungsverzögerungen sind, gemessen an dem Volumen der
japanischen Ausfuhren im luK-Bereich u.E. nicht gravierend und lassen nicht den Schluß zu, daß hier heute eindeutige strategische Überlegungen zur Ausschaltung
ausländischer Konkurrenz in Japan herrschen. Vielmehr zeigt die Vergangenheit, daß in Japan nach gemeinsamer Entwicklungsanstrengung harter Wettbewerb zwischen den Anbietern herrscht; dies gilt auch hinsichtlich der Konkurrenz der groBen Japaner im Bereich luK-Industrie. Trotzdem kann es bei der anderen Mentalität und Lebensauffassung, die trotz ständig fortschreitender Anpassung an die im
Westen gültigen Werte noch etliche Jahre bestehen bleiben dürfte, zu Situationen kommen,
die den GATT-Regeln eines freien Welthandels nicht mehr entsprechen.
Hier jedoch kann der Staat eingreifen und ist darüber hinaus sogar gefordert, die
Regeln einer freien Weltwirtschaft durchzusetzen. Dies kann im Zusammenwirken der Industriestaaten der westlichen Welt auch ohne weiteres erfolgreich sein, muß doch Japan heute durch den Aufbau riesiger Exportindustrien an einem funktionie-
renden freien Weltmarkt genauso interessiert sein wie die westliche Welt.
So ist die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von Japan im Bereich luK im Grunde eine Frage aktiver und entschlossener Wirtschaftspolitik der westlichen Länder im Falle des Mißbrauchs. 333
1.15 Kann die deutsche Industrie in einer arbeitsteiligen Welt auf die Eigenproduktion von wesentlichen Bestandteilen der IuK-Technologien verzichten? Wenn eine ungehinderte Belieferung der deutschen Industrie mit Bestandteilen der luK-Technologien zu Weltmarktpreisen sichergestellt werden kann, würden wir in
der Breite der industriellen Anwendung den Anschluß nicht verlieren. Trotzdem muß darauf hingewiesen werden, daß bei allen Entwicklungen von Bestandteilen, die spezifisch
etwa
auf Aufgaben
im Maschinenbau
zugeschnitten
sen, die Nähe zum Hersteller ein entscheidender Vorteil ist.
werden
müs-
Außerdem muß erwähnt werden, daß durch die frühe Offenbarung von Systemwissen (das bei der Aufgabenstellung für den Hersteller von !uK-Bestandteilen notwendig ist) die Gefahr des Abwanderns von Wissen
Wettbewerbsnachteil zur Folge hätte.
besteht, was wiederum einen
1.16 Kann die deutsche Industrie auf die Eigenproduktion von Software als Basis für neue Anwendungssysteme
verzichten?
Hier gilt dasselbe wie unter 1.15. Allerdings wird es hier eine nationale Softwareproduktion leichter haben, weil eben die Software direkt von der Anwendung ab-
hängig ist und damit das Zusammenwirken Bedeutung
hat als im Hardwarebereich.
mit dem Anwender eine viel größere
1.17 Ist derzeit und auf absehbare Zeit der direkte Zugriff Europas auf die neuesten luK-Techniken und Software-Entwicklungen gewährleistet? Wie bereits uner 1.12 dargestellt, sind unserer Auffassung nach bisher gravierende Lieferengpässe bzw. Liefersperren nicht aufgetreten. Wir sehen auch keine Zei-
chen, daß sich an dieser Situation in absehbarer Zeit etwas ändern dürfte, weil die Riesenkapazitäten in Japan (Korea schließt sich langsam an), Riesenmärkte benötigen. In dem Zusammenhang erscheint die Entwicklung von Kooperationen euro-
päischer, amerikanischer und japanischer Firmen wie etwa die Kooperation Siemens/IBM/Toshiba ein Weg
in die richtige Richtung. Gerade durch solche Zusam-
menarbeit auf dem Entwicklungs- wie Produktionsbereich wird zudem am besten deutlich, wie weit im Westen übliche Kooperationen mit Japan und seiner anderen Mentalität möglich sind. 2.
Verantwortungsbereich Staat
und
Handlungsbedarf
2.1
Welches sind die Stärken und Schwächen Industrie?
von
der deutschen
Wirtschaft
und
luK- und Software-
Die Stärken liegen unseres Erachtens in einer guten Grundlagenforschung und einer Flexibilität in der Gestaltung von Hard- und Software bei nicht standardmäßigen Lösungen. Schwächen liegen in der Umsetzung von Erkenntnissen aus dem Forschungsbereich in wettbewerbsfähige Produkte. Des weiteren sind nur in gerin334
gem Maße Problemlösungen für breite Einsatzfälle der Software (Betriebssysteme, Rechnerstrukturen u.a.) verfügbar. Wesentliche Schwächen jedoch sind Ausfluß der ganz allgemein geltenden Standortbedingungen am Produktionsort Deutschland (Steuer, Arbeitskosten, Regelungsdichte). 2.2
Welches sind die Stärken und Schwächen der deutschen Anwenderindustrie?
Die Stärken der deutschen Anwenderindustrie liegen nach wie vor in der Qualität ihrer Produkte, die Schwächen in der Nutzung der IuK-Techniken und der Software. Zumindest im Bereich des Maschinenbaus mit seiner mittelständischen Struktur liegt die Schwierigkeit darin, mit eigener Manpower den Bereich der Sensorik, Steuerung und Regelung in Maschinen selbst zu beherrschen. Hier entstehen zwangsweie Abhängigkeiten zur zuliefernden Informationstechnik bzw. den Softwareherstellern. Die notwendige Zusammenarbeit zwischen Herstellerindustrie und Anwenderindustrie muß sicher noch erheblich verbessert werden, wobei einer seriösen unabhängigen Beratung eine sehr große Bedeutung zukommt. 2.4 Haben die deutschen Unternehmen der luK- und der Anwenderindustrie auf die Herausforderungen durch wettbewerbsstarke ausländische Unternehmen in der Vergangenheit angemessen und rechtzeitig reagiert? Diese Frage kann für die Anwenderindustrie, zumindest für den Maschinenbau, eindeutig bejaht werden. So hat sich der deutsche Maschinenbau in fast allen seinen Sparten seit Jahren erfolgreich auch mit der japanischen Maschinenkonkurrenz auseinandergesetzt. Die deutsche luK-Industrie ist dagegen eindeutig im Laufe der letzten 10 Jahre zurückgefallen, was sich in der heutigen technologischen Stellung wie aber auch in
der Marktsituation (Einfuhr, Ausfuhr) eindeutig niederschlägt.
Hier gibt es sicher-
lich viele Gründe, wobei keineswegs alle an mangelnder Reaktion auf die rasanten Erfolge Japans in Forschung und Entwicklung wie in der Produktionstechnolgie zurückzuführen sind, auch nicht auf die anderen Organisations- und Entscheidungs-
strukturen in Europa. Wesentliche Gründe liegen darin, daß sich die Märkte für die
IuK-Industrie in Japan weit besser entwickelt haben und dies nicht zuletzt als Folge der vorbehaltlosen Annahme der Informationstechnik durch breiteste Bevölkerungsschichten,
wobei
Meinungsführer
wie
die Gewerkschaften
und
die
Politik
eine maßgebliche fördernde Rolle gespielt haben und auch heute noch spielen. 2.5
Braucht die deutsche/europäische Fertigungs- und Anwenderindustrie eine eigene Produktionsstätte für Speicherchips in Europa?
Aus der Sicht des Maschinenbaus ist die Fertigung von Speicherchips im Bereich
von 64 MB oder größer in Europa nicht zwingend erforderlich, da die Absatzmärkte für derartig große Chips in Deutschland und Europa sehr begrenzt sind. Für diese Chips liegen heute die Märkte im wesentlichen in Japan und Amerika, so daß eine
europäische Fertigung sich nicht auf einen potenten heimischen Markt abstützen
335
kann. Damit aber wird auf diesem Sektor ein Preiskampf auch bei fairen Bedingun-
gen
nicht gewonnen
werden
können.
2.6 Wie bewertet die deutsche Anwenderindustrie die Abhängigkeit von europäischen und außereuropäischen ASICS-Produzenten? Welche Möglichkeiten hat die Anwenderindustrie, ihr Systemwissen vor Mißbrauch zu schützen? Die stärkere Miniaturisierung und die Integration von Systemen auf Chips bringt naturgemäß die Notwendigkeit zur engeren Zusammenarbeit mit den Halbleiterherstellern (ASIC-Herstellern). Dies beinhaltet natürlich auch die Gefahr eines stärkeren Abflusses von System-Know-how an die Halbleiterhersteller, insbesondere die Abgabe von innovativen Produktideen. Von daher ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Anwenderindustrie und deutschen bzw. europäischen ASIC-Halblei-
terherstellern wünschenswert. Hier spielt auch der Preis nicht die ausschlaggebende Rolle; vielmehr kommt es auf die Ortsnähe von ASIC-Hersteller und Anwender an, auf das Denken in ähnlichen Kategorien und das Vertrauen aus oft langjähriger Zusammenarbeit. Deshalb wird deutschen ASIC-Herstellern auch bei erheblicher Konkurrenz durch Japan eine echte Chance eingeräumt, was natürlich die Voraussetzung hat, daß diese Hersteller in Forschung und Entwicklung alle Anstrengungen unternehmen, um vorne mit dabei zu sein. 2.7 Sollte sich die deutsche Industrie und Forschung stärker auf die Entwicklung und Produktion von anwendungsspezitischen Chips (ASICs) konzentrieren? Diese Frage ist nach den vorerwähnten Bemerkungen aus der Sicht des Maschinenbaus nur zu bejahen. Dies umso mehr, als es sich auf diesem Gebiet im Gegensatz zur Höchstintegration bei Speicherchips um weit kleinere Investitionen in FuE
bzw. Produktionsanlagen handeln dürfte.
2.8 Aufwelche Bereiche der luK-Techniken und auf welche Softwarebereiche sollte die deutsche Industrie ihre Kräfte in Zukunft konzentrieren?
Wie gesagt, sollte sich die deutsche Industrie verstärkt der ASIC-Technik zuwenden und darüber hinaus Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten für den Entwurf von modernen Systemen entwickeln. Hierzu sind Werkzeuge im Bereich SystemDesign notwendig. Dies umfaßt den Systementwurf, die Systemsimulation, den Systemtest und auch begleitende Entwicklungsdokumentation. Auch hier ist nicht einzusehen, daß, wie derzeit, die bei uns im Einsatz befindlichen Werkzeuge allein aus nichteuropäischen Herstellerfirmen stammen. Dies kann sich bei entsprechen-
den Anstrengungen ohne weiteres ändern.
Darüber hinaus kommt auf diesem Gebiet der Frage der Durchsetzung von Schnittstellen und von Standards eine besondere Bedeutung zu. Auch hier können wir Wesentliches mit dazu beitragen, daß die Stellung der europäischen Hersteller gegenüber Japan nicht weiter abfällt. 336
Von wachsender Bedeutung sind weiterhin sogenannte „tools‘‘ zum schnellen und sicheren Testen von Software und insbesondere „tools'‘ zur Qualitätssicherung
von Software. 2.11
Wie beurteilen Sie den Erfolg der bisherigen deutschen und europäischen FuE-Förderprogramme im Bereich der IuK-Techniken, der Fertigungstechnik, der Materialforschung usw.?
Diese Beurteilung fällt mit Sicherheit sehr unterschiedlich aus. So hat die Material-
forschung u.E. wesentliche Erkenntnisse gebracht, die Programme der Fertigungs-
technik haben dann besonderen Wert gehabt, wenn sie sich um die generelle Anwendung neuer Techniken wie etwa CAD im Fertigungsbereich bemüht haben.
Was die Förderprogramme im reinen Bereich luK angeht, so haben u.E. die hier investierten erheblichen Fördermittel nicht sehr viel bewirkt. Zumindest sind aus dem Bereich der firmenexternen Institute und Forschungszentren keine entscheidenden Erkenntnisse der Grundlagenforschung erzielt worden, die dann in die Praxis hätten umgesetzt werden können. Ob die Förderung im industrienahen Bereich zu wesentlichen Fortschritten geführt hat, möchten wir nicht beurteilen. In jedem Fall aber ist die Förderung der Anwendung neuer Erkenntnisse im luK-Bereich nicht genügend gefördert worden. Eine solche Förderung jedoch hätte etwas Wesentliches verbessert, nämlich den Markt, ohne den auch wohlwollende und risikofreudige luK-Hersteller nicht zu langfristigem besonderem Engagement gebracht werden können. 2.15
Welche Maßnahmen zur Unterstützung der Industrie werden a) von der deutschen Regierung und b) von der EG-Kommission erwartet? Sind Alternativen zur Projektförderung sinnvoll und wünschenswert?
Nach aller Erfahrung gilt für die IuK-Industrie wie für die gesamte Wirtschaft dasselbe, nämlich, daß staatliche Projektförderung nicht so effektiv ist wie steuerliche Maßnahmen, und daß deshalb eine Umschichtung hin zur indirekten Forschungsförderung auch auf diesem Gebiet erhebliche Vorteile bringen müßte. Im übrigen würde hiermit nur ein Weg eingeschlagen, der bei unserem Hauptkonkurrenten auf diesem Gebiet, nämlich Japan, schon seit langem gegangen wird. 2.19
Welche wirtschafts-, forschungs- und technologiepolitischen Maßnahmen von Wirtschaft und Staat sind erforderlich, um insbesondere den KMU im Anwenderbereich (z.B. Maschinenbau) die neuesten IuK-Techniken und Softwa-
re-Entwicklungen frühzeitig zugänglich zu machen?
Hier stehen eindeutig im Vordergrund solche Fördermaßnahmen, welche die Um-
setzung
bestehenden
Wissens
in die Anwendung
beschleunigen.
Hierzu können,
wie die indirekt-spezifischen Fördermaßnahmen im Programm Fertigungstechnik zur Einführung der CAD-Technik gezeigt haben, indirekt-spezifische Fördermaßnahmen wie aber auch indirekte Maßnahmen (Steuerentlastungen, Abschreibungen) eine nicht unerhebliche
Rolle spielen.
337
Wesentlich wird es hier aber auch auf einen möglichst flächendeckenden Ausbau von
Beratungsmöglichkeiten
ankommen.
Hier sind bereits Wege
in der richtigen
Richtung gegangen worden durch die Bildung einer ganzen Reihe von Instituten
in West- und Ostdeutschland.
Sie in ihrer Arbeit maßgeblich
zu unterstützen
und
so die Basis neutraler Beratung und Kooperation mit mittelständischen Firmen auf der Grundlage neuesten Wissens zu ermöglichen, dürfte erheblich mit dazu beitra-
gen, daß die Anwenderindustrien ihre heutige Stellung im Wettbewerb halten können. 2.28
Welche staatlichen Anstrengungen zur verstärkten Beobachtung der japanischen Zukunftsvorstellungen sowie der technischen Entwicklungen und Erfindungen in Japan sind notwendig?
Hier ergibt sich ein weites Feld für staatliche Aktivitäten auf den dem Staat zugeordneten Gebieten. Dies geht über den Bildungsbereich (mehr Kenntnisse über Japan, japanische Sprache) über Informationen (Japan als Industriestaat, Erfassung
japanischer Patente, Übersetzung wesentlicher Literatur, Wissenschaftleraustausch) bis zur rechtzeitigen Berichterstattung über Tendenzen und Strategien dor-
tiger Industriepolitik. Hierzu gehört auch die Förderung des Austausches von Studenten, Jungingenieuren u.a.m., wobei Anstrengungen der Industrie selbst auf diesem Gebiet durchaus förderungswürdig sein sollten. Wichtig erscheint aber insbesondere eine Bündelung der mit staatlichen Mitteln derzeit in Japan agierenden vielen deutschen Institutionen und Organisationen. 2.31
Welche Bedeutung haben Normenvereinbarungen für die Wettbewerbsfähigkeit der IuK-Industrie?
Normenvereinbarungen haben eine enorme Bedeutung bei der Absicherung von Produkten und der gesicherten Einführung von Methoden und Produkten. Standar-
disierung in der Informationstechnik
hat einen anderen, weit höheren
Stellenwert
als in den klassischen Bereichen der Technik, weil sie die Entwicklung maßgeblich beeinflußt und nicht, wie bei der klassischen Normung, den Stand der Technik festschreibt. So gesehen sollte alles getan werden, um die nationale wie internationale Normung auf dem Gebiet der IuK-Techniken staatlich zu unterstützen und darüber hinaus forschungsbegleitende Normung in möglichst starkem Maße zu ermöglichen.
338
Dr. KONRAD Deutsche
SEITZ
Botschaft,
Rom
Die Rahmenbedingungen für industrielle Produktion seien — so schallt es aus den Unternehmerverbänden
—
in Deutschland,
im Vergleich
zu den
Konkurrenzlän-
dern, so ungünstig geworden, daß nur noch die Produktionsverlagerung ins Ausland bleibe. Nun, es ist richtig, daß die Flexibilität der Arbeitszeiten und daß die Möglichkeiten, teure Produktionsanlagen auch am Wochenende laufen zu lassen, dringend verbessert werden müssen und daß wohl auch die Unternehmenssteuern verringert werden müssen. Aber die zentrale Idee der gegenwärtigen Standortdebatte, nämlich daß die Löhne zu hoch seien, führt gefährlich in die Irre. Oder glaubt jemand, man könnte die deutschen Löhne auf das Niveau von Singapur oder Südkorea senken? Das
Kernproblem,
das in der Standortdebatte so sorgsam
unerwähnt
bleibt, sind
nicht die Rahmenbedingungen (die ja keineswegs alle ungünstig sind), das Kern-
problem
liegt vielmehr in einem
doppelten
Versagen:
Erstens: Japan hat in den letzten 20 bis 30 Jahren den Produktionsprozeß revolutioniert. Die starre Massenproduktion des Fordismus wurde in Japan abgelöst durch die flexible Massenproduktion des „Toyotaismus‘‘. Die neue Produktions-
weise der „schlanken Fertigung‘ basiert vor allem auf einer grundlegend neuen Organisation der Arbeit im Betrieb (eigenverantwortliche Teams, flache Hierarchien) und einer grundlegend neuen Organisation der Zusammenarbeit mit den Zulieferern (Dauerbeziehungen, gemeinsame Entwicklung, just-in-time-Anlieferung).
Die deutschen Manager haben diese Revolution der Produktionstechnik verschlafen. Als Anfang der achtziger Jahre der Generalimporteur deutscher Automobile nach Japan, Yanase, einem deutschen Automobilchef vorschlug, die Toyota-Fa-
brik zu besichtigen, bekam er zur Antwort: ‚Ich wüßte nicht, was wir von Toyota lernen könnten‘. Heute brauchen die deutschen Automobilfabriken doppelt so vie-
le Arbeitsstunden wie ihre japanischen Konkurrenten, um einen Kompaktwagen zu montieren; und ein deutscher Hersteller von Luxusautos braucht für sein Hochqua-
litätsprodukt gar viermal so viele Arbeitsstunden wie Toyota für den Lexus. Was für die deutschen Automobilfabriken gilt, gilt auch für die meisten anderen Fabriken in Deutschland. Die internationale Unternehmensberatungs-Gesellschaft McKinsey bestätigte der deutschen
Industrie, daß 80 %
der Kostenvorteile ihrer japani-
schen Konkurrenten auf eine modernere Arbeitsorganisation und eine fertigungsfreundlichere Konstruktion der Produkte zurückgeht. Die hohen Löhne sind also
nicht das Problem; sie sind in der japanischen Großindustrie inzwischen eher hö-
her (selbst wenn man alle deutschen Nebenkosten mitberücksichtigt).
339
Die Japaner dehnen nunmehr die fertigungstechnische Revolution auf den Produktionsprozeß in seiner Gesamtheit aus: Computernetze werden die Produktion über
alle Einzelstadien hin steuern — von der Auftragsannahme über die Konstruktion, Fertigung und Qualitätskontrolle bis hin zur Auslieferung und Rechnungsstellung. Dies leitet über zum zweiten deutschen Versagen. Zweitens:
Die deutsche Wirtschaft kommt
nicht mit, sie liegt gegenüber Japan
in der neuen
und den USA
industriellen Revolution
im Übergang
zur Informations-
wirtschaft und -gesellschaft zurück und fällt immer weiter zurück.
An diesem Zustand tragen Politik und Gesellschaft eine wesentliche Mitverantwortung. Angesichts einer Wirtschaftspolitik (und Wirtschaftstheorie), die die neuen Realitäten der Hochtechnologien und der japanischen Markteroberungsstrategien nicht zur Kenntnis nimmt und unermüdlich die Parolen der 50er Jahre herbetet, und angesichts eines technikfeindlichen Klimas in der Gesellschaft der 70er und 80er Jahre, hatte die deutsche Industrie wenig Chancen, gegenüber den globalen
amerikanischen Hochtechnologie-Unternehmen, von denen die neue industrielle Revolution ausging, aufzuholen, und mit den japanischen Unternehmen, hinter de-
nen die Elitebürokratie des Staates, ja die Solidarität einer ganzen Nation steht, mitzuhalten.
Unser Wohlstand wird auch am Ende des 20. Jahrhunderts immer noch von Indu-
strien getragen, die im 19. Jahrhundert entstanden sind: Stahlindustrie und Maschinenbau, traditionelle Elektrotechnik, traditionelle chemische Industrie, Autoindustrie. Die nach 1945 entstandenen Industrien dagegen haben sich in Deutsch-
land (wie in ganz Europa) nur schwach entwickelt. Wichtige Bereiche der Informa-
tionstechnik sind unter der Kontrolle der amerikanischen und japanischen globalen Unternehmen (Halbleiter, Computer-Hardware und -Software, Unterhaltungselek-
tronik mit Ausnahme von Fernsehgeräten, neue biotechnische
Fax-Geräten, Kopiergeräten u.a.). Die
Industrie, die in den nächsten
zehn
bis zwanzig Jahren
eine
ähnliche Querschnittsbedeutung wie die informationstechnische Industrie erlangen wird, ist in Deutschland — angesichts der gesellschaftlichen und politischen
Widerstände — überhaupt nicht vorhanden; die deutsche Chemie-Industrie entwickelt und produziert biotechnische Produkte in Amerika und Japan, doch dies
hilft dem Produktionsstandort Deutschland nichts.
Diese Situation wirft zwei beunruhigende Fragen für unsere Zukunft auf: Die erste Frage ist die nach der Quantität und Qualität der Arbeitsplätze, die unse-
re Volkswirtschaft zur Verfügung stellen kann: —
Die Wachstumsindustrien
unserer Zeit sind die neuen
Industrien. Japan treibt
die Entwicklung dieser Industrien mit ganzer Kraft voran. Mit ungeheuren Investitionen hat es zwischen 1972 und 1985 den Anteil der Hochtechnologie-Industrien am
Bruttosozialprodukt um
nicht weniger als 7,2 % ausgeweitet,
und es
hat seit 1985 seine Investitionsanstrengungen noch einmal gesteigert. Zwischen 1986 und 1991 investierte die japanische Industrie die gigantische Summe von 3.000 Mrd. Dollar, den Großteil davon in die Hochtechnologisierung der 340
Produktionsanlagen und in die Entwicklung neuer Produkte (Flachbildschirme,
opto-elektronische Forschung.
Komponenten
usw.). Weitere 600 Mrd. Dollar flossen in die
Bei uns dagegen sind die neuen Industrien keine Wachstumsindustrien. Ihr Anteil an unserem Sozialprodukt ist zwischen 1978 und 1986 unverändert geblieben und wohl auch seither nicht gestiegen. Insgesamt hat sich die Struktur unserer Wirtschaft in den
letzten 20 Jahren —
anders als in Japan
und auch
in
den USA — kaum verändert. Darin liegt wohl die Haupterklärung dafür, daß unsere Arbeitslosenquote weit über derjenigen Japans und auch über derjenigen Amerikas liegt. Die Arbeitsplätze, die in den alten Industrien verlorengingen, wurden nicht durch neu entstehende Arbeitsplätze in den informationstechnischen Industrien und insbesondere den Informationsdienstleistungen kompensiert.
—
Die unzureichende Entwicklung der neuen Industrien bei uns hat Auswirkungen ebenso auf die Qualität unserer Arbeitsplätze. Ein immer größerer Teil unserer „alten‘‘ Industrien muß mit Unternehmen aus den neu entstehenden Industrieländern in der Dritten Welt konkurrieren und d.h. mit Industrien aus NiedrigLohnländern. Unsere heutige Industriestruktur ist nicht in der Lage, unser hohes
Lohnniveau
auch
in Zukunft
zu tragen.
Hohe
Löhne
setzen
hohe
Wert-
schöpfung voraus. Die Massenherstellung von Produkten mit hoher Wertschöpfung (Farb-Flachbildschirme, 36- und 64-Bit-Mikroprozessoren usw.) findet in Japan und Amerika statt, unsere Industrie muß, um die hohen Löhne zu bezahlen, immer mehr in Nischenmärkte und Einzelfertigungen ausweichen; aber da-
mit kann man keine Volkswirtschaft mit 80 Mio. Menschen beschäftigen.
Die zweite Frage betrifft die Zukunft unserer „alten‘ Industrien selbst. Wir haben
diese „alten‘‘ Industrien auf den modernsten Stand gebracht und sind in ihnen vielfach technologisch führend. Die deutsche Industrie hat die breiteste Produktpalette in der Welt und steht im System-Know-How,
also im Wissen, wie man
Maschinen
und Produktionsanlagen entwirft und herstellt, an der Spitze. Doch um die alten Industrien auf dem modernsten Stand zu halten und die technologisch fortschrittlich-
sten Systeme zu entwerfen und zu bauen, sind wir immer stärker und immer einseitiger darauf angewiesen, daß uns die elektronischen und opto-elektronischen Komponenten und die neuen Hochleistungswerkstoffe aus Übersee zugeliefert werden:
die Halbleiterchips und Halbleiterlaser, die Flüssigkristallanzeigen und Flachbildschirme, die Kohlenfaserverbundwerkstoffe für Fiugzeugflügel usw. Aber kann eine Industrie auf Dauer mit ihren Systemen wettbewerbsfähig bleiben, wenn sie die Komponenten von Hitachi, Toshiba usw. zukaufen muß, mit denen sie auf den Systernmärkten konkurrieren muß? Und vor allem: die Systeme „wandern“ auf den Chip, werden immer mehr auf einem einzigen Chip integriert. Werden unsere Unternehmen und vor allem unsere Tausende von mittelständischen Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben können, wenn sie den „‚System-Chip‘‘ mit japanischen Halbleiterherstellern zusammen entwickeln und von ihnen fertigen lassen müssen? Wenn sie, oft Jahre voraus, den Japanern kundgeben müssen, welche neuen
341
Systeme sie planen? Wenn sie den ‚systemtechnischen Offenbarungseid‘ leisten müssen?
Oder auch die chemische Industrie, die derzeit noch glaubt, daß das Ganze sie nichts angehe: wird sie wirklich zu wettbewerbsfähigen Kosten in Deutschland ent-
wickeln und produzieren können, wenn in den Labors ihrer amerikanischen Konkurrenten die neuen chemischen und pharmazeutischen Produkte auf den Bildschirmen der Workstations simuliert werden können, weil diese an Supercomputerzentren angeschlossen sind?
Die neue informationstechnische Industrie ist eben nicht eine Industrie, die zu an-
deren hinzukommt und die man haben kann oder nicht, sondern sie ist die prägende Industrie des Informationszeitalters, die alle anderen Industrien durchdringt und
über ihre Wettbewerbsfähigkeit mitentscheidet. Ein großes Industrieland, das nicht nur in Nischen produzieren oder vom Tourismus leben kann, muß über eine global weitbewerbsfähige informationstechnische Industrie verfügen und damit zu strategischen Allianzen mit amerikanischen und japanischen Unternehmen in der Lage sein. Ohne eine eigenständige informationstechnische Industrie wird es auf Dauer
auch die Wettbewerbsfähigkeit in den „alten‘‘ Industrien verlieren. Es sinkt zu ei-
ner technologischen Kolonie ab, und sinkt damit auch im Lebensstandard ab — relativ und auf Dauer absolut.
Noch hat Deutschland, zusammen
mit seinen europäischen Partnern, die Ressour-
cen — Menschen, Kapital und den großen Binnenmarkt —, um eine technologische Kolonisierung abzuwenden. Aber dazu bedarf es mehr als nur der Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen, um die die jetzige Standortdebatte so gut wie ausschließlich kreist. Und dazu bedarf es mehr als einer isolierten Forschungspolitik. Die Erfahrung der Vergangenheit zeigt, daß eine Forschungsförderung ohne eine abgestimmte Industriepolitik und eine marktöffnende strategische Handelspolitik oft hinausgeworfenes Geld ist. Was z.B. nutzt es, wenn Wacker-Chemitronic mit BMFT-Hilfe Gallium-
Arsenid
entwickelt,
aber dann
die Produktion
aufgibt, weil die Abnehmer
fehlen;
denn die einzigen Massenproduzenten opto-elektronischer Komponenten, für die Gallium-Arsenid ein Ausgangsmaterial ist, sind japanische Unternehmen, und diese kaufen
ein so strategisch wichtiges
Material
nicht von Nicht-Japanern.
Das drohende Schicksal der technologischen Kolonisierung läßt sich allein abwen-
den durch eine kohärente Industriestrategie großen Stils. Dies müßte verbunden sein mit einer strategischen Kooperationspolitik gegenüber Japan und Amerika, die Handel und Direktinvestitionen zu einer Zweibahnstraße macht. Eine solche umfassende Strategie, die das Gegenteil der jetzigen isolierten ad-hoc Maßnahmen ist, müßte von Industrie und Staat gemeinsam entwickelt werden. Ihre Aufgabe wäre, die Struktur unserer Wirtschaft zu verändern — hin in Richtung auf die 342
Informationswirtschaft und -gesellschaft. Die Wirtschaft und Gesellschaft des 21.
Jahrhunderts entsteht nicht allein durch die unsichtbare Hand des Marktes. Wohin die Marktkräfte, wenn es ausschließlich sie gibt, Deutschland und Europa führen, macht der sich immer mehr beschleunigende Zusammenbruch unserer Compu-
ter-, Halbleiter- und Unterhaltungselektronik-Industrie nur allzu deutlich: sie führen in die technologische Kolonisierung.
Es gilt, von Japan zu lernen. Japan hat in den letzten 20 Jahren durch eine konse-
quente, langfristig angelegte Industrie- und Handelspolitik (MITI
= Ministry of In-
ternational Trade and Industry) seine Industrien aus den Produktionsbereichen mit
hohem Rohstoff- und Energieverbrauch in die Hochtechnologie-Bereiche mit niedrigem Materialverbrauch und hoher Wertschöpfung gelenkt. Die deutsche Industrie- und Handelspolitik dagegen war, wie die Amerikaner es nennen, „loser-
driven‘', sie hielt —
unter dem
Druck politischer Lobbies — sterbende
Industrien
durch Subventionen und Protektionismus am Leben (krassestes Beispiel: die Kohle-Subventionen). Die Niedrigtechnologie-Industrien gingen deshalb bei uns, im Gegensatz zu Japan nur relativ wenig zurück, die Hochtechnologie-Industrien wei-
teten ihren Anteil am Sozialprodukt nicht aus. Eine der Konsequenzen des ausge-
bliebenen Strukturwandels: ein Westdeutscher verbraucht heute 50 % mehr Ener-
gie als ein Japaner,
und pro Kopf gerechnet sind die Schwefeldioxyd-
stoffoxyd-Emissionen in Japan nur ein ökologische Wirtschaft ist eben nicht schaft, wie so manche in Deutschland gestalteten Informationswirtschaft und
und Stick-
Drittel so hoch wie in Westdeutschland. Die die Alternative zur Hochtechnologie-Wirtglauben, sondern ist Teilaspekt einer richtig -gesellschaft.
Eine Strategie für die Hochtechnologie-Industrien muß letztlich europäisch sein und zusammen insbesondere mit Frankreich und Italien entworfen und verwirklicht werden. Aber zunächst müssen wir Deutsche wissen, was wir wollen. Gegenwärtig blockiert Deutschland in seiner Ahnungslosigkeit über die neuen hochtechnologi-
schen Realitäten und die neue Realität Japan die industriepolitische Debatte in der
EG.
Hauptelemente einer Strategie für die Hochtechnologien, die zunächst auf deutscher Ebene zu entwickeln und dann in die europäische Debatte einzubringen wären, sind:
a) Ein systematischer, permanenter Dialog zwischen Staat, Wirtschaft und gesellschaftlichen Kräften über Aufbau und Gestaltung der Informationsgesellschaft. Dieser Dialog, der von der Regierung organisiert und moderiert werden
müßte,
könnte einen (stets aufs neue zu überprüfenden) Grundkonsens über die anzu-
strebenden langfristigen Entwicklungslinien unserer Wirtschaft und Gesellschaft herbeiführen und zugleich in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eine kla-
re Zukunftsorientierung hineintragen.
b) Die Zusammenführung von Unternehmen und Universitäten zu gemeinsamen Forschungsprojekten, die der Entwicklung der im Zukunftsdialog identifizierten Schlüsseltechnologien dienen. 343
c)
Große
Infrastrukturprojekte,
die dem
beschleunigten
Aufbau
der Infrastruktur
der Informationsgesellschaft dienen. Zu denken wäre etwa an einen Beschluß, wie die Japaner bis zum Jahre 2015 ein Breitbandkommunikationsnetz aufzubauen, das jedem Haushalt einen direkten Anschluß an das Glasfasernetz gibt.
Oder zu denken wäre an den Aufbau eines Supercomputernetzwerks, wie es die Amerikaner planen, das den Labors und Konstruktionsbüros der Unternehmen ebenso wie den Universitäten Anschluß an Supercomputerzentren gibt.
d)
Flankiert werden
müßte
die Industriepolitik durch
eine strategische
Koopera-
tionspolitik gegenüber Amerika und Japan, die den Produkten und den Direktinvestitionen der europäischen
Hochtechnologie-Industrie
insbesondere
den ja-
panischen Markt öffnet. Das amerikanisch-japanische Halbleiterabkommen, das ‚„ausländischen‘' (de facto: amerikanischen) Halbleiterherstellern einen
Marktanteil von 20 % in Japan zusichert, zeigt, wie die Politik den Unternehmen den Weg öffnen kann zu Kooperationen mit den Japanern. Denn verwirklicht
wird das Ziel des 20 %-Marktanteils der amerikanischen Halbleiterhersteller mit Hilfe strategischer Allianzen und joint-ventures mit der japanischen Industrie. Motorola entwickelt und produziert z.B. für Toyota Automobil-Elektronik. Von der technologischen Kompetenz her gäbe es kein Hindernis, daß Siemens eine ähnliche Zusammenarbeit mit Nissan einginge. Nur, zustande kommen werden solche europäisch-japanischen Kooperationen erst dann, wenn auch die deutsche und europäische Politik Japan überzeugt, daß Hochtechnologie-Handel
und -Direktinvestitionen endlich eine Zweibahnstraße werden müssen.
Japan schlägt große gemeinsame Forschungsprojekte (so das Projekt der Industrieautomatisierung) für die Triade Amerika-Japan-Europa vor. Wir sollten dazu
Ja sagen unter der Bedingung, daß nach der Forschung und Entwicklung strategische joint-ventures gegründet werden, die in allen drei Regionen produzieren, auch in Japan. Alle drei Regionen wären dann an der Entwicklung und Produktion der Schlüsseltechnologien beteiligt, keine bräuchte — wie jetzt Europa — fürchten, zur technologischen Kolonie zu werden. Entwicklung und Produktion der Großtechnologien des Informationszeitalters würden zum Gemeinschaftswerk der Triade. Angesichts der Komplexität und der gigantischen Kosten der Entwicklung und Produktion wäre dies auch rein ökonomisch der rationale Weg. Soweit die Andeutungen, in welchen Richtungen wir die Lösung der Standortfrage suchen müßten. Doch es ist allzu deutlich: Um dieses Suchen in Gang zu setzen, wäre eine Standortdebatte ganz anderer Art als die jetzige nötig, die mit ihrer Fixierung auf die durchaus richtige, aber eben nicht ausreichende Denkkategorie der Rahmenbedingungen dem neuen strategischen Denken den Weg versperrt. Und dazu wäre — für den Bereich der Hochtechnologien — ein Paradigmenwechsel unserer Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik nötig. Die klassische Marktwirtschafts- und Freihandelstheorie wird, wie die amerikanischen Ökonomen
344
schon in
den 80er Jahren gezeigt haben”, den neuen Realitäten der Hochtechnologien und der neuen Realität des japanischen Kapitalismus nicht gerecht. Zu Frage
1.18
Welche mittelfristige Konsequenzen hat voraussichtlich die gegenwärtige Finanzmarktsituation in Japan auf den Weltmarkt für luK-Techniken? Um die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise in Japan richtig einzuschätzen,
ist es wichtig, auf ihre Ursache zurückzugehen. Rückgang
Diese Ursache ist politisch. Der
der Aktien- und Immobilienpreise war von der japanischen Zentralbank
zu Beginn des Jahres 1990 bewußt ausgelöst worden. Die Bank hat in den Jahren
vorher durch eine Politik des extrem leichten Geldes den ‚„Yen-Schock‘' aufgefan-
gen — die Yen-Aufwertung um 100 % gegenüber dem Dollar, wie sie im Gefolge des
New
Yorker
Plaza-Abkommens
vom
September
1985
eingetreten
war.
Die
leichte Verfügbarkeit von Krediten und die niedrigen Zinsn halfen der japanischen Industrie über die schwierige Anpassungskrise hinweg. Sie finanzierten aber zu-
gleich eine überbordende Spekulation auf den Aktien- und Immobilienmärkten, die die Preise in schwindelnde Höhen trieb. Im Januar 1990 schaltete die Zentralbank
dann, durch Geldverknappung und Zinserhöhung, auf Deflationierung der Aktien-
und Immobilienmärkte um und versuchte, die spekulativen Exzesse aus der Wirtschaft herauszuwringen. Lange schien es, als ob dieses gelingen könnte, ohne die
reale Wirtschaft wesentlich zu beeinträchtigen. Aber dann griff 1992, lehrbuchgemäß,
die Krise der Finanzmärkte
auch
auf die reale Wirtschaft über.
Nun jedoch werfen japanische Zentralbank und Regierung konsequent das Steuer erneut herum. Die Bank senkt die Zinsen. Ende August 1992 lag der Diskontsatz bei 3,25 %, und die 10-Jahres-Staatsanleihen hatten einen Effektivzins von 4,65 %. Die Regierung ihrerseits verkündete Ende August ein Konjunkturprogramm von 10,7 Bio. Yen (= rund 125 Mrd. DM). Welche andere Regierung in der Welt wäre in der Lage, ein so gigantisches Programm zu finanzieren! Entscheidender noch
ist die Ankündigung, nach Wegen zu suchen, auf denen die Banken von einem erheblichen Teil ihrer uneinbringbaren Immobilienkredite befreit werden können — was de facto auf eine Sozialisierung der Verluste hinausläuft.
Die Börse reagierte enthusiastisch, der Nikkei-Index sprang um 30 % auf einen Stand von über 18.000. Aber die deflationären Kräfte werden noch über Monate hin die Oberhand in der Wirtschaft haben, bis dann das Unterstützungsprogramm greift. Die Operation bleibt schwierig. Ihr Gelingen setzt politische Stabilität voraus — und diese ist angesichts der immer neu aufflammenden politischen Skandale nicht
mehr
selbstverständlich
gegeben.
Dennoch
spricht die Wahrscheinlichkeit
dafür, daß Wirtschaftshistoriker einst das im August 1992 verkündete Stützungsprogramm
als den Wendepunkt
im ‚Great Tokyo Crash‘‘
ansehen
werden.
1) siehe meinen Aufsatz im Wirtschaftsdienst vom 18. Mai 1992
945
Die japanische ‚Rezession‘ 1992 ist, dies sei noch einmal betont, keine typische,
zyklische Rezession, sondern wurde ausgelöst von der Politik. Sie ist, wie der Chefökonom der Deutschen Bank in Tokyo, Kenneth Courtis, dies tut, am besten als der zweite Teil der strategischen Antwort zu begreifen, mit der Japan auf den
Yen-Schock von 1985/86 reagierte. Die Antwort war eine beschleunigte wirtschaftlich-technologische und soziale Transformation hin zur Informationswirtschaft und -gesellschaft. Japan monopolisiert die Schlüsseltechnologien des 21.Jahrhunderts
und macht sich damit unverwundbar gegen weitere Yen-Aufwertungen ebenso wie gegen Handelsrestriktionen. Die erste Phase der Transformation war der Heisei-Boom von 1986 bis 1991. In diesen fünf Jahren steigerte Japan sein Bruttosozialprodukt um über 1.000 Mrd. Dollar oder, anders ausgedrückt, fügte seiner Volkswirtschaft eine Wirtschaft von der Größenordnung Frankreichs hinzu. Angetrieben wurde der Boom von gigantischen Investitionen der Industrie. Die japanischen Unternehmen investierten die Summe
von
3.000
Mrd.
Dollar in Fabrikanlagen
und
Maschinen
und
investierten weitere
600 Mrd. Dollar in Forschung und Entwicklung. Sie investierten damit jede andere
Volkswirtschaft „an die Wand‘. So lagen die Investitionen der japanischen Wirtschaft 1990, auf dem Höhepunkt des Booms, mit 660 Mrd. Dollar um ein Drittel hö-
her als diejenigen der amerikanischen Wirtschaft (510 Mrd. Dollar) und beinahe dreimal so hoch wie diejenigen der deutschen (240 Mrd. Dollar). Die Investitionen
dienten
dabei
nicht primär der Kapazitätserweiterung,
sondern
gingen in die Modernisierung der Produktionsanlagen, in die Entwicklung neuer Produkte und in den Aufbau von hochautomatisierten Fertigungsanlagen für die neuen Produkte. Die japanische Industrie hat also die Periode des ‚kostenlosen Kapitals‘‘ genutzt, um einen supermodernen Produktionsapparat und neue Produkte zu schaffen. Die
großen Weltklasseunternehmen in der Elektronik und in anderen HochtechnologieBereichen und ebenso im Automobilbau sind zu Beginn der 90er Jahre wettbe-
werbsstärker
denn
men
auch
je. Die aufs
neue
explodierenden
Handels-
und
Leistungsbi-
lanzüberschüsse legen davon bereits Zeugnis ab. Und wie die Industrieunternehso
sind
die japanischen
Banken
und
Versicherungen
während
des
Heisei-Booms zu global operierenden Konkurrenten der amerikanischen und euro-
päischen
Banken
Stellung errungen.
geworden
und
haben
auf den Weltfinanzmärkten
die führende
Jetzt, 1992, rückt die japanische Wirtschaft in die zweite Phase der großen Trans-
formation ein. Der ungeheuren Expansion folgt die Konsolidierung. Nach Jahren einer Expansion und globalen Markteroberung ‚um jeden Preis‘‘' müssen die Industrieunternehmen nun auf eine Strategie des Geldverdienens umschwenken. Doch sie können sich diese neue Strategie heute leisten! The point of no return ist überschritten. Die globalen Märkte sind erobert. Auf den Weltelektronikmärkten tobt noch ein Preiskampf. Er treibt die Gewinne auch der Japaner steil nach unten, aber
er setzt zugleich den großen ‚„Shake-out‘‘ in Bewegung, in dem die geschwächten europäischen Unternehmen ebenso wie ein Teil der amerikanischen Unternehmen 346
unterzugehen drohen. Die japanischen Banken auf der anderen Seite werden Jahre brauchen, bis sie — mit staatlicher Hilfe — die Problemanleihen verdaut haben. Aber sie werden in dieser Zeit die größten Banken der Welt bleiben, und sie werden
nach der Konsolidierung, erneuert und mit neuer Kraft, die Expansion wieder auf-
nehmen.
So wie nach jedem der früheren Schocks, so wird Japan auch aus der gegenwärti-
gen
Transformation
moderner
und
stärker denn je hervorgehen.
Die japanische
Herausforderung an Amerika und Europa wird in den 90er Jahren härter denn je werden, ja sie wird für Europa überhaupt erst in ihrem vollen Ernst beginnen. Zu Frage 1.19 Welche
Bedeutung
die Entwicklung
hat die politisch-wirtschaftliche Entwicklung in Osteuropa
einer deutschen
Hochtechnologie-Industrie?
für
und europäischen global wettbewerbsfähigen
Ich mache zu diesem großen Thema nur drei Bemerkungen: 1. Die bei weitem wichtigste Unterstützung, die wir Osteuropa für seine wirtschaftliche Entwicklung geben können, ist die Öffnung der westeuropäischen Märkte für ihre Produkte.
Diese setzt voraus, daß Westeuropa selbst aus den Produk-
tionsbereichen mit niedriger und mittlerer Technologie in die Produktionsbereiche mit hoher Technologie vorrückt. Ohne einen Strukturwandel der westeuropäischen Wirtschaft können wir Osteuropa nicht wirksam helfen. Andererseits böte ein sich entwickeindes Osteuropa als ein europäisches ‚‚Hinterland‘‘ große
Märkte für unsere Hochtechnologie-Produkte.
2. Ganz anders ist in diesem Zusammenhang Ostdeutschland zu sehen. Hier müßte die deutsche Wirtschaftspolitik dazu beitragen, Hochtechnologie-Produktionen anzusiedeln und d.h. also Produktionsbereiche, die wir im Westen nicht haben, und die also nicht, wie es jetzt z.T. geschieht, zur Nicht-Nutzung von Kapazitäten in Westdeutschland führen. Wir haben mit Ostdeutschland Zehntausende von hervorragend ausgebildeten Naturwissenschaftlern und Ingenieuren und Hunderttausende von Facharbei-
tern dazugewonnen.
Die personellen Ressourcen sind also da, um Hochtechno-
logie-Produktionen aufzubauen. Lothar Späth versucht dies in Jena, das er zu
einem
Zentrum
der Opto-Elektronik
machen
will, das sächsische
Freiberg
hat
die Gallium-Arsenid-Produktion von Wacker-Chemitronic übernommen und ist heute der einzige Ort in Deutschland, wo dieses wichtige Ausgangsmaterial für opto-elektronische
Komponenten
hergestellt wird.
Die Antwort auf die Hochtechnologie-Herausforderung und die Antwort auf die Entwicklung Ostdeutschlands müßten in unserer Wirtschaftspolitik miteinander verbunden werden. 3.
Osteuropa
stellt eine auch
gefährliche Versuchung
dar:
347
1)
Der osteuropäische Markt, falls er sich entwickelt, gibt unseren Mitteltechno-
logie-Produktionen neue Absatzmärkte. Dies schafft die Versuchung, den Strukturwandel unserer Weltwirtschaft hin zur Hochtechnologie und die Antwort auf die japanische Herausforderung weiter hinauszuschieben.
2) Osteuropa bietet einen riesigen Pool von industriellen Arbeitskräften. Dies schafft die Versuchung, die Oder-Neiße zu einem „Rio Grande‘' zu machen und jenseits der Grenzen ein Netzwerk von Fabriken zu errichten, in denen westeuropäische Unternehmer mit Hilfe billiger osteuropäischer Arbeitskräf-
te produzieren. Wir sollten uns von den amerikanischen Erfahrungen warnen lassen. US-Unternehmen versuchten in den 70er und 80er Jahren, eine
solche Strategie der Produktionsverlagerung in Billiglohn-Länder — und sie verloren gegenüber Japan Marktanteile wie technologische Führerschaft. Anlage High Technology Aerospace
Computers
and Office
Machinery Communication & Semiconductors Pharmaceuticals Instruments Electrical Machinery
Medium Technology
Low Technology
Motor Vehicles
Stone, Clay & Glass
Other Manufacturing Non-electrical Machinery Rubber & Plastics Non-ferrous Metals Other Transport
Shipbuilding Petroleum Refining Ferrous Metals Fabricated Metal Products Paper & Printing
Chemicals
Food, Drink & Tobacco
Wood,
Cork
&
Furniture Textiles, Footwear & Leather R&D Note:
intensity: R&D
11,4 %
intensity defined
R&D
intensity:
as R&D
1,7 %
R&D
intensity: 0,5 %
expenditure/output TFP-source:
348
OECD,
1986/1991
ALCATEL SEL AG / Dr. Theo Wichers
1.1
Was bezeichnen
Sie als „‚Hochtechnologien‘“ und in welchen strategischen
Hochtechnologie-Bereichen ist a) die deutsche und b) die europäische Industrie heute und voraussichtlich in nächster Zukunft global wettbewerbsfähig?
Die IuK-Technik zählt in ihrer ganzen Breite zum Hochtechnologiebereich. Dieser Hochtechnologiebereich wird im allgemeinen abgegrenzt durch die Intensität von Forschung
und
Entwicklung,
wobei
in den
Statistiken ein FuE-Anteil
von mindesten 8,5 % als unterer Schwellenwert angenornmen wird.
am
Umsatz
Mit einem FuE-Anteil von über 15 % des Umsatzes liegt die kommunikationstechni-
sche Industrie, kurz KT-Industrie, nach Untersuchungen des WIK deutlich über die-
sem Schwellenwert. Neben einer hohen FuE-Intensität sind für die Hochtechnologie-Märkte hohe Innovationsgeschwindigkeiten, kurze Produktlebenszyklen und überdurchschnittliches Wachstum charakteristisch.
Eine andere Betrachtungsweise legt den Wertschöpfungsanteil zu Grunde. Wo dieser bei FuE den der Produktion übersteigt, wird von Hochtechnolgie gesprochen. Generell ist die deutsche KT-Industrie heute noch global wettbewerbsfähig, vor allem in ihrem Kerngeschäft, bei der Basisinfrastruktur. Dies wird sich 1993, wenn
die vertikal integrierte internationale Konkurrenz nach der Öffnung der EG-Märkte ungehindert Zugang hat, ändern. 1.2 In welchem Defizite?
Hochtechnologie-Bereich
sehen
Sie deutsche und europäische
Im Vergleich zu der Konkurrenz aus den USA und Fernost weisen die deutsche und auch die europäische Industrie in einigen Bereichen der Hochtechnologie bereits heute deutlich erkennbare Defizite aus. Als Beispiele lassen sich nennen: Ter-
minals und Peripheriegeräte, hochintegrierte Speicherchips, sowie Betriebssysteme und Standard-Software.
Auf diesen Gebieten sind Deutschland und Europa Nettoimporteure. Die Schere zwischen eigener Produktion und Verbrauch hat sich in der Vergangenheit immer
weiter geöffnet.
1.3 Welches sind die derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stärken und Schwächen von a) Deutschland und b) der Europäischen Gemeinschaft für den Übergang in eine Informations-Gesellschaft? Der Begriff einer ‚‚Informationsgesellschaft‘‘ hat sich als Leitbild in den letzten bei-
den Jahrzehnten auch in Deutschland und Europa stark gewandelt. In der informa-
tionstechnischen Industrie, speziell bei den Herstellern von KT wird inzwischen ge-
genüber Annahmen
der siebziger und achtziger Jahre deutlich differenziert: An349
ders als beim Übergang der Erwerbstätigen vom Agrar- in den Industriesektor im letzten Jahrhundert wird es keinen entsprechenden Übergang in einen neuen Sektor — wie zum Beispiel den Dienstleistungssektor — geben. Der Anteil der IuK wird zwar in allen Sektoren wachsen, aber bei den Herstellern per saldo die Wertschöp-
fungsverluste nicht kompensieren.
Das Wachstum des KT-Sektors muß ebenfalls differenziert betrachtet werden. Spricht das Grünbuch der EG von einer Verdreifachung des Anteils am Bruttoso-
zialprodukt auf 7 %, so ist dies als eine Trendaussage für den gesamten Markt der
Hersteller und Diensteanbieter (Betreiber) zu werten. Aus Sicht der Hersteller würde dieses enorme Wachstum zum ganz überwiegenden Teil nur von den Einnahmen der Diensteanbieter beigesteuert werden können. Deutsche Diensteanbieter
(Betreiber) operieren derzeit nicht außerhalb des Landes. Im globalen Maßstab be-
deutet dies eine erhebliche Schwäche. 1.4
Welche
Bedeutung
haben
die neuesten
luK-Techniken
für die Anwender
im
besonderen und für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in Deutschland im allgemeinen?
Die Notwendigkeiten für luK in einer immer komplexeren Welt nehmen kontinuierlich zu. Es wäre weder organisatorisch darstellbar noch finanziell tragbar, diesem Umstand durch menschliche Arbeitsleistung Rechnung zu tragen, so sehr dies an-
dererseits aus struktur- und vor allern arbeitsmarktpolitischen Gründen erstrebenswert wäre. Dem Druck der Anwender, die Produkte, Systeme und Dienste der KT
immer schneller, besser und vor allem billiger zu erhalten, setzt die KT-Industrie ihr gesamtes
Innovationspotential entgegen.
Aber es sind nicht nur gute betriebswirtschaftliche Gründe, die sich in einem groBen Nachfragepotential der Anwender
nach neuesten
IuK-Techniken
niederschla-
gen, sondern zunehmend auch volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Gründe. So ist absehbar, daß zentrale Probleme wie die Bewältigung des Verkehrsvolu-
mens oder der gestiegenen Anforderungen hinsichtlich Umweltqualität nur durch Entwicklung und Herstellung neuester, auf Hochtechnologie basierender, luK-
Technik gelöst werden können.
1.5 Welche Bedeutung hat dabei die Software im allgemeinen und die AnwenderSoftware als Basis für neue Anwendungssysteme im besonderen? Welche Bedeutung haben die Fortschritte der Software-Erstellung aller Art (u.a. auch wissensbasierte Systeme, Fuzzy-Sets, neuronale Netze) auf die Erfolge im Bereich der IuK-Anwendermärkte? Die Fähigkeit, softwarebasierte Produkte anzubieten, wird heute und künftig einer der bestimmenden Wettbewerbsfaktoren sein. Die zunehmende Komplexität der Produkte fordert zunehmend Software-Lösungen, wobei auch die Anforderungen an die Software in Bezug auf Qualität, Funktio-
nalität und Robustheit steigen.
350
Es werden sich diversifizierende Techniken entwickeln, die bestimmte Problem-
klassen abdecken (z.B. wissensbasierte Systeme für Probleme, die nur mit heuri-
stischen Ansätzen lösbar sind). Entsprechendes gilt für Fuzzy-Sets.
Große Erwartungen werden in objektorientierte Ansätze gesetzt. Hier strebt man einen mit Hardware-Bausteinen vergleichbaren Stand an, der einen hohen Grad an Wiederverwendbarkeit von Software-Modulen erlaubt. Die Standardisierung von Abläufen
und Schnittstellen ermöglicht eine völlig neue
Klasse von Software und Arbeitsweisen, so daß sich die Fertigungstiefe bei Software-Produkten drastisch verringern und die Projektlaufzeiten verkürzen läßt. 1.6 Welche Bedeutung haben die luK-Techniken zur Lösung von wichtigen Zukunftsproblemen wie Nahrungsmittelproduktion und -verteilung, umweltfreundliche Energieversorgung, umweltfreundliche Verkehrssysteme u.a.? Siehe 1.7
u.a.
1.9
Welche
siehe
Bedeutung
hat dabei die anzuwendende
Software?
1.5
1.8 Welche Bedeutung können Hardware und Software für die Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsinhalte für die Anwender haben? Streng hierarchische Organisationen sind in Hochtechnologiebereichen nur noch bedingt tauglich. Es wird eine größere Selbständigkeit des Einzelnen in der Arbeitsorganisation erwartet. Das Ergebnis werden vernetzte Organisationsstrukturen sein, deren Funktionsfähigkeit nur durch modernste IuK-Infrastrukturen gewährleistet werden
kann.
Neue Systeme werden die Flexibilität erhöhen, Reaktionszeiten am Markt verkürzen und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit des Anwenders signifikant steigern. 1.9 Braucht die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige, weltweit tätige und wettbewerbsfähige luK-Industrie? Gibt es alternative bzw. weitere Industrie- und Wirtschaftsbereiche mit strategischer Bedeutung, auf die sich Wirtschaft und Staat konzentrieren sollten, um den wirtschatlichen und sozialen Stand in der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten und zu verbessern?
Ohne eine eigene, international wettbewerbsfähige KT-Industrie, ohne eine eigenständige nationale Beschaffungsbasis für die DBP Telekom, würde sich das Industrie-
und
Exportland
Bundesrepublik
Deutschland
von
der wirtschaftlichen
und technischen Entwicklung und dem Wachstum der bedeutenden Industrienationen abkoppeln und mittelfristig weder einen Beitrag zur Sicherung des Wohlstands, noch zur Lösung der großen anstehenden Aufgaben beim Wiederaufbau in den jungen Bundesländern
leisten können. Dies erscheint nicht erstrebenswert.
Gerade am Beispiel der jungen Bundesländer und der Länder Osteuropas wird deutlich, welche überragende Bedeutung eine gut ausgebaute, leistungsfähige 351
KT-Infrastruktur für die gesamtwirtschaftliche hat.
Entwicklung
einer Volkswirtschaft
Denn die KT ist nicht nur als eigenständiger Industriesektor wichtig. Nahezu alle Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft sind mehr oder weniger stark von der KT
geprägt. KT ist für die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Wirtschaft, für Wachstum und Beschäftigung von entscheidender Bedeutung. Sie prägt das Leben in unserer Gesellschaft,
sie bestimmt
mehr
und
mehr
den Alltag und die Arbeitswelt.
Breite Verfügbarkeit und intensive Anwendung der KT ist heute weltweit eine Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit einzelner Unternehmen, gesamter Branchen- und Industriezweige. Die Anforderungen der Anwender von KT und KT-Dienstleistungen nach neuen, komfortableren, billigeren und schnelleren Problemlösungen wachsen ständig und
treiben den technologischen
Fortschritt aufgabenorientiert voran.
Dabei liegt der Zugriff auf eine im gesamtwirtschaftlichen System fest verankerte, vor Ort tätige und mit den Anwenderproblemen und den nationalen Eigenarten vertraute KT-Industrie im besonderen Interesse sowohl der Nutzer als auch der DBP Telekom. Gäbe
man
die Schlüsseltechnologie KT aus der Hand, gerieten ganze
Branchen,
wie z.B. die Automobilindustrie und der Maschinenbau, in strategische Abhängigkeiten vom Ausland.
Denn ohne eine starke nationale KT wächst die Gefahr, daß
ein termingerechter Zugriff auf die jeweils besten und innovativen Techniken nicht mehr gesichert oder nur zu überhöhten Preisen möglich ist. Über die wirtschaftli-
che Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Exportlandes blik Deutschland würde dann in zunehmendem Maße im Ausland Auch dies erscheint nicht erstrebenswert.
Bundesrepuentschieden.
1.10 Braucht die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige, weltweit tätige und wettbewerbsfähige
Software-Industrie?
Deutschland braucht eine eigenständige, weltweit tätige und wettbewerbsfähige Software-Industrie, wenn möglich, in einem guten Mix von größeren Einheiten und KMU. Siehe 1.11
1.9 Wie groß ist die Abhängigkeit der deutschen luK-Industrie von ausländischen Lieferanten bei Einzelschritten der Produktion, Vorprodukten, Produkten,
Produktionsgeräten
und Zusatzstoffen? In welcher Abhängigkeit steht die
übrige deutsche Industrie von ausländischen luK-Produzenten? Welche Entwicklung dieser Abhängigkeiten ist unter den gegebenen wirtschafts- und forschungspolitischen Bedingungen zu erwarten? Je mehr Elektronikprodukte, insbesondere der Mikroelektronik, durch ihren Einsatz auch den Hochtechnologiegehalt ihrer Vor- und Endprodukte bestimmen, de-
352
sto größer wird die aus Abhängigkeiten erwachsende Gefahr für die deutsche Wirt-
schaft, wenn diese Produkte in hohem Maße nur noch im Ausland verfügbar sind. Die deutsche
und europäische IuK-Industrie befindet sich bereits in einer starken
Abhängigkeit von amerikanischen und japanischen Lieferanten. Dies gilt sowohl bei den integrierten Schaltkreisen als auch bei den für die Produktion notwendigen Halbleitermaterialien und Fertigungsgeräten.
Unter den gegebenen wirtschafts- und technologiepolitischen Bedingungen ist eine weitere Verschlechterung der Situation zu erwarten (z.B. droht der Rückzug amerikanischer
Unternehmen
aus der Halbleiterproduktion
in Deutschland).
1.12 Gibt es belegbare Beispiele dafür, daß ausländische Lieferanten und Mitbewerber ihre Marktstellung mißbräuchlich ausgenutzt haben, z.B. durch Lieferbeschränkungen oder -verzögerungen? Konkrete
1.13
Fälle können
wir nicht nachweisen.
Wie groß ist die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von ausländischen Software-Lieferanten?
Fast sämtliche Basissoftware, wie Betriebssysteme,
Benutzeroberflächen,
Daten-
banksysteme und Kommunikationssoftware für Rechner aller Klassen, stammt aus den USA. 1.14
Wie beurteilen Sie die Dominanz US-amerikanischer Unternehmen auf dem
Gebiet der Software und welche Schlußfolgerungen ergeben sich daraus für europäische Anwender? Auf welchen Software-Gebieten sehen Sie besonders starke Abhängigkeiten und wo ergeben sich daraus Probleme für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und insbesondere der deutschen In-
dustrie?
\
Durch den Vorsprung in der technologischen Entwicklung dominiert die USA die Software-Standards und Quasi-Standards. Europa muß die Standards aktiv mitgestalten, tätsvorsprüngen profitieren zu können.
um
selbst von eigenen
Produktivi-
Der Zugang zu US-amerikanischen Software-Lösungen ist noch nicht blockiert, jedoch gerät die jeweils ca. einjährige Verzögerung in der Nutzung zum deutlichen Nachteil für Europa.
Das Standard- bzw. Quasi-Standardprodukt setzt sich in der Regel gegenüber dem besseren, aber nicht standardisierten Produkt durch. Der bei der Entwicklung von Standards entstehende Know-how-Vorsprung ist nur schwer einholbar. 1.15 Kann die deutsche Industrie in einer arbeitsteiligen Welt — bzw. bei einer Arbeitsteilung im Binnenmarkt Europa — auf die Eigenproduktion von wesentlichen Bestandteilen der IuK-Technologien, z.B. mikroelektronische Bausteine und Produktionsgeräte, verzichten? 353
Die deutsche Industrie wird aus betriebswirtschaftlichen Gründen die Vorteile des weltweiten Einkaufes (,‚global sourcing‘‘) zur Stärkung ihrer Konkurrenzfähigkeit nutzen. Dabei muß allerdings eine einseitige Abhängigkeit bei Schlüsselkomponenten vermieden werden; anzustreben ist ein ausgewogenes Kräfteverhältnis. Der Verzicht auf die europäische Eigenproduktion (Speicher, ASICs) brächte die Gefahr des allmählichen Know-how-Verlustes und der jähen Monopolpreisbildung mit sich.
1.16 Kann die deutsche Industrie auf die Eigenproduktion von Software als Basis für neue Anwendungssysteme in den verschiedenen Anwendungsbereichen von Produktion und Dienstleistungen verzichten? Wie sieht der Software-Ent-
wicklungsmarkt der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu jenem von Großbritannien, der USA, Frankreich und Japan aus?
Seit Jahren verzeichnen die Anbieter von KT in ihren Systemen und Produkten einen ständig steigenden Anteil der Software an der Wertschöpfung. Wegen dieser strategischen Bedeutung der Software ist es für sie von existenzieller Bedeutung, auf diesem Gebiet die eigene Kompetenz zu erhalten. Bei der Anwendungs-Software, die neben den großen Anbietern von luK-Technik
auch von einer eigenständigen
Software-Industrie entwickelt wird, besteht in der
Bundesrepublik das Problem, daß die Software-Industrie vorwiegend mittelständisch geprägt ist und die Unternehmen im internationalen Vergleich zu klein sind.
Zu ihren Stärken zählen eine hohe Flexibilität und innovative Problemlösungen, die jedoch die Schwächen bei der fehlenden internationalen Ausrichtung und der geringen Eigenkapitalausstattung nicht kompensieren können. Japan macht große Anstrengungen, fabrikmäßige Software-Produktionen zu erreichen. Während im Ausland — wegen des absehbaren großen Finanzbedarfs — in dieser Branche aquiriert und fusioniert wird, wollen die deutschen aber unabhängig bleiben.
Anbieter lieber klein,
1.17 Ist derzeit und auf absehbare Zeit der direkte Zugriff Europas auf die neuesten luK-Techniken und Software-Entwickungen gewährleistet? Gegenwärtig sind keine Anzeichen erkennbar, die eine Einschränkung in der Verfügbarkeit neuer Software-Entwicklungsmethoden, Rechnerarchitekturen etc. befürchten lassen. Nicht übersehen werden darf jedoch der zeitliche Vorsprung, den der Zugang
1.18
zu Neuentwicklungen
in der Entstehungsphase
Welche mittelfristigen Konsequenzen
Finanzmarktsituation in Japan auf den
bietet.
hat voraussichtlich die gegenwärtige Weltmarkt für IuK-Techniken?
Unter
welchen Voraussetzungen vollzog und vollzieht sich die Kapitalbeschaffung japanischer Unternehmen und welche Bedeutung hat das für den Weltmarkt der luK-Techniken? Keine Stellungnahme von Alcatel SEL. 354
1.19
Welche Bedeutung hat die politisch-wirtschaftliche Entwicklung in Osteuropa
für die Entwicklung einer deutschen und europäischen global wettbewerbsfä-
higen Hochtechnologie-Industrie?
Die politisch-wirtschaftliche Entwicklung in den Staaten Osteuropas eröffnet der
deutschen
KT-Industrie große Chancen,
mit dem
Aufbau einer modernen
und lei-
stungsfähigen KT-Infrastruktur die notwendigen Voraussetzungen für die ökonomische Entwicklung dieser Staaten zu schaffen.
Dabei haben Konsortien oder Bietergemeinschaften, die nicht nur Produkte und
Systeme der Hochtechnologie, sondern auch Netzbetreiber-Know-how und ausrei-
chende Finanzierungen anbieten können, die größten Marktchancen.
Die großen international operierenden, vertikal integrierten amerikanischen und japanischen Netzbetreiber haben die großen Marktchancen ebenfalls erkannt. Weil die zukünftigen Märkte Osteuropas heute im Wettbewerb
besetzt werden,
ist
Eile geboten. Die bisherigen Strukturen des deutschen KT-Sektors sind hierfür nicht die beste Voraussetzung. So sollte im Zuge der Ausgestaltung der zweiten Postreform der DBP Telekom eine Internationalisierung ihrer Aktivitäten ermöglicht werden. Dies liegt nicht nur im Interesse der deutschen Unternehmen der KT, sondern auch im eigenen Interesse der DBP Telekom, die im zunehmenden Wettbewerb mit international operierenden Netzbetreibern ihre Wettbewerbsposition absi-
chern muß.
Nur bei einer engen Zusammenarbeit
mit dem dominanten
nationalen Netzbetrei-
ber wird es der deutschen KT-Industrie gelingen, die sich bietenden Chancen aus-
zuschöpfen
2.1
und die internationale Wettbewerbsposition
zu sichern.
Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europäischen luK-und Software-Industrie?
Der hohe Ausbildungsstand der Mitarbeiter, der durch ein ausgewogenes Bildungs-System erreicht und gehalten wird, ist das Rückgrat dieses Industriezweiges. Im Vergleich zu den USA und Japan gibt es zu geringe Transferleistungen von Innovationen aus der Forschung in die Industrie. Durch
die Zersplitterung
des
europäischen
KT-Marktes
sind
die für aufwendige
Software-Entwicklungen notwendigen Volumeneffekte nicht realisierbar. 2.2
Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europä-
ischen Anwenderindustrie bei der Nutzung der neuesten Entwicklungen der luK-Techniken und der Software?
Insgesamt ist ein — insbesondere gegenüber der japanischen Konkurrenz — zu
langsamer
Innovationsprozeß festzustellen. Die vertikale Integration in Japan und
den USA erlaubt beginnend bei der Grundlagenforschung über Anwendungsentwicklungen bis hin zur Fertigung eine weitaus stärkere Parallelisierung der Tätigkeiten und schafft damit Zeitvorteile (siehe auch 2.1). Gleichzeitig fördert der enge Verbund von Entwickler, Produzent und Netzbetreiber einen eng an die Markterfor-
355
dernisse ausgerichteten Innovationsprozeß mit dem Ergebnis eines wettbewerbsentscheidenden Vorlaufs. Insbesondere
die KMU
sind und waren
in vielen Fällen nicht in der Lage, die für
eine globale Strategie notwendige Finanzkraft aufzubringen. Für die deutsche KTIndustrie muß als wesentlichster Nachteil der vergleichsweise kleine Heimmarkt bezeichnet werden. Ein Bild, das sich auch beim Blick auf die europäischen Märkte
wegen deren hoher Zersplitterung nicht bessert. Für die insbesondere von den Japanern praktizierte Vorgehensweise durch Volumeneffekte Kostenvorteile zu erzie-
len, fehlt es an den notwendigen Voraussetzungen.
2.3 Inwieweit sind Schwächen der deutschen luK-Industrie auch das Ergebnis einer unzureichenden Ausrichtung von Unternehmensstrategien auf die globalen Märkte? Wie aus der Entwicklung des seit Jahren positiven Außenhandelssaldo im KTSektor hervorgeht, war und ist die deutschen KT-Industrie noch leistungs- und wettbewerbsfähig. Eine differenzierte Schwächen auf.
Betrachtungsweise
deckt jedoch
strukturelle
und
regionale
— Die Exporte in die größten KT-Märkte der Welt, also in die USA und Japan, erreichen nur kleine Anteile am Gesamtexport. In diesen niedrigen Exportanteilen spiegelt sich auch deutlich die weiterhin
in Japan und in den USA wider.
unzureichende
Öffnung
des Marktes
— Eine gute Wettbewerbsposition hat die deutsche KT-Industrie heute nur noch in ihrem Kerngeschäft, nämlich bei der netznahen Basisinfrastruktur. Erhebliche Schwächen sind dagegen in den Bereichen Terminals und Basis-Software vorhanden. Diese Märkte werden inzwischen von US- und Fernost-Anbietern dominiert. Doch darf die heute noch vorhandene international gute Wettbewerbsposition der deutschen KT-Industrie bei der Basisinfrastruktur nicht über die längerfristigen Risiken für die gesamte Branche hinwegtäuschen. Diese Risiken werden sich in Zukunft noch vergrößern durch die EG-weite Öffnung der Beschaffungsmärkte und im
Fall eines Scheiterns der GATT-Verhandlungen zu drastischen Einbrüchen führen.
Das Problem des ungleichen Marktzutritts in der Triade wird sich beim Inkrafttreten
des
Europäischen
Binnenmarktes
für die deutschen
und auch
die europäischen
KT-Anbieter noch verschärfen. Während die Regelungen der EG Anbietern aus den USA und Japan auch auf dem deutschen Infrastrukturmarkt einseitig gute Marktchancen eröffnen, fehlt es an Gegenseitigkeit und Chancengleichheit für die deutschen Unternehmen. Am Beispiel der EG-weiten Öffnung der KT-Beschaffungsmärkte läßt sich die Problematik verdeutlichen. Mit dem in Kraft treten der sogenannten Sektorenrichtlinie sind europäische Netzbetreiber ab 1993 verpflichtet, Aufträge oberhalb festgelegter Auftragsschwellenwerte
356
international
auszuschreiben.
Durch
diese
Richtlinie
der EG wird den weltweit operierenden Anbietern aus den USA einseitig der Markt
geöffnet. Denn eine GTE und die RBOCs
Einbindung der amerikanischen Netzbetreiber, wie AT&T, (Regional Bell Operating Companies) in einen entsprechen-
den US-Kodex wird von den USA abgelehnt. Begründet wird die Ablehnung mit dem Argument, daß die amerikanischen Netzbetreiber privatwirtschaftlich organisiert sind und unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Gesichtspunkte international beschaffen. Tatsache ist jedoch, daß ein vertikal integriertes Unternehmen wie AT&T die notwendigen Systeme und Ausrüstungen bei der eigenen Produktionstochter beschafft. Dieses erhebliche Beschaffungsvolumen der AT&T stellt einen sogenannten „captive
market‘“
dar, der anderen
Die Beschaffungsmacht
Anbietern
der sieben RBOCs
nicht zugänglich
ist.
drückt sich darin aus, daß rund 80 %
des gesamten US-Marktes für Vermittlungs- und Übertragungssysteme von diesen beschafft werden. Durch die traditionell bedingte enge Verbindung mit AT&T und wegen des großen installierten Bestandes an AT&T Systemen ist es für alle anderen Anbieter sehr schwierig, bei den RBOCs Marktzugang zu finden, zumal sie nicht zu öffentlichen Ausschreibungen verpflichtet sind. Hier besteht Handlungsbedarf sowohl im nationalen als auch im internationalen Rahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen KT-Industrie zu sichern. Im Rahmen der GATT-Verhandlungen sowie in bilateralen Gesprächen müssen international harmonisierte Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Die unterschiedlichen Positionen von EG und den USA in der Agrarpolitik dürfen nicht zu Lasten der KT-Industrie gehen. 2.4 Haben die deutschen Unternehmen der luK- und der Anwender-Industrie auf die Herausforderungen
durch wettbewerbsstarke ausländische Unternehmen
in der Vergangenheit angemessen und rechtzeitig reagiert? Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Ergebnisse von international tätigen Beratungsunternehmen,
wonach zwei Drittel der Kostenvorteile japanischer Konkurren-
ten auf bessere Management-, rückzuführen sind? Gegenüber
der japanischen
Produktions- und Organisationsmethoden zu-
Konkrrenz
besteht
bei der deutschen
und
europäi-
schen KT-Industrie Nachholbedarf vor allem bei der Verbesserung der Produktivität. Durch Einsatz kostengünstigerer Produktions- und Organisationsmethoden („lean production‘‘) nach japanischem
zuholen.
Vorbild sind Produktivitätsrückstände auf-
Technologische Vorsprünge vor der internationalen
Konkurrenz sind zeitlich limi-
tiert. Technologische Vorsprünge, die nicht im eigenen Land zügig in marktfähige Produkte und Dienste umgesetzt und vor allem angewendet werden, können sehr schnell wieder verloren gehen
(Beispiel: Transrapid).
Für die Akzeptanz und die schnelle Verbreitung neuer Produkte und Dienste ist ein
gesellschaftlicher Konsens
förderlich.
Hierdurch
ist es auch einem
Netzbetreiber
357
wie der DBP möglich, bei neuen Diensten schnell die kritische Masse zu erreichen und die hohen Vorlaufinvestitionen in die Infrastruktur abzusichern. Die Industrie ihrerseits muß versuchen, neue Produkte/Dienste schneller auf den Markt zu brin-
gen um den Wettbewerbsfaktor ‚time to market‘ effizienter zu nutzen.
2.5 Braucht die deutsche/europäische Fertigungs- und Anwenderindustrie eine ei-
gene Produktionsstätte für Speicherchips in Europa?
Die Speicherchips stehen an der Spitze der technologischen Entwicklung von integrierten Schaltkreisen. Eine Produktionsstätte für solche Speicherchips in Europa
ist notwendig, weil die deutsche und europäische Industrie die neuesten Fertigungstechniken für ICs beherrschen muß, und weil die räumliche Nähe zum Anwender dessen Produktentwicklung nachhaltig unterstützt. Damit wird auch die Gefahr einer Abkopplung von der technologischen Entwicklung bei Mikroelektronik
und einer stärkeren Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten bei diesen Schlüssel-Bausteinen gemindert. Dieses Ziel kann auch über Kooperationsstrategien erreicht werden. Voraussetzung ist jedoch, daß die europäischen Hersteller von ihren außereuropäischen Partnern als koalitionsfähig erachtet werden. 2.6
Wie bewertet die deutsche Anwender-Industrie die Abhängigkeit von a) deut-
schen/europäischen ASICs-Produzenten und b) außereuropäischen ASICsProduzenten? Welche Möglichkeiten hat die Anwender-Industrie, ihr Systernwissen vor Mißbrauch zu schützen?
Wegen des starken globalen Wettbewerbs und der schnellen technischen Entwicklung ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Anwender-Industrie und ASIC-Hersteller unabdingbar. Dies setzt ein gewachsenes Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Geschäftspartnern voraus, da es einen sicheren Schutz des Systemwissens vor Mißbrauch nicht gibt.
2.7 Sollte sich die deutsche Industrie und Forschung stärker auf die Entwickung und Produktion von anwendungsspezifischen Chips (ASICs) konzentrieren? In den anwendungsspezifischen Chips (ASICs) steckt das System-Know-how;
des-
halb ist für die deutsche Industrie in der heutigen Situation eine Konzentration auf ASICs eine sinnvolle Zielsetzung. Allerdings dürfen ASICs nicht isoliert betrachtet werden. An der Spitze der technologischen Entwicklung der Mikroelektronik stehen Speicherchips (siehe auch Frage 2.5). 2.8 Auf welche Bereiche der IuK-Techniken und auf welche Software-Bereiche sollte die deutsche Industrie ihre Kräfte in Zukunft konzentrieren?
Wichtig wird es sein, breit angelegte Zielvorstellungen zu entwickeln, unter deren Dach eine Vielzahl von Einzelaktivitäten eingeleitet werden, z.B.
358
1. Beispiel
Breitbandsysteme
Wertschöpfungsstufe Netzbetrieb Endgeräte
Produkte
Beteiligte Industrie
Bildfernsehen Multimedia-Anw. Personal Computer Fernsehen Kameras
Betreiber und anbieter
Software
Anwendungspakete
Vermittlungstechnik Übertragungstechnik Bauelemente
Breitbandvermittlung Optoelektronik
Kabel (Linientechnik)
Glasfaser
Laser-Chip Video-Codec
Dienst-
Datenverarbeitung und
Unterhaltungselektronik Softwarehäuser und KT-Industrie KT-Industrie KT-Industrie Halbleiterproduzenten Kabelhersteller
2. Beispiel GSM/Mobilfunk
Wertschöpfung Netzbetrieb Endgeräte Software
HDTV
Beteiligte Industrie
Mobile Telefonie Handtelefone Mehrwertdienste
Service Provider Apparate-Hersteller Softwarehäuser und KT-Industrie KT-Industrie Halbleiterproduzenten
Funkfeststationen
Netz Bauelemente 3. Beispiel
Produkt
Chips —
Hochauflösendes
Fernsehen
Wertschöpfung
Produkt
Beteiligte Industrie
Programmverteilung
Kabelfernsehen Kabelfernsehen Fernseher Kabel, Satellit HDTV-Chip
Betreiber Fernsehanstalten Unterhaltungselektronik KT-Industrie Halbleiterproduzenten
Prorammerstellung Endgeräte Verteilnetz Bauelemente
2.9 Welche unternehmenspolitischen Maßnahmen zur Unterstützung der Stärken und zur Beseitigung der Schwächen in den luK-, Software- und Anwender-Bereichen wird die Industrie ergreifen? Siehe 2.8
2.10
Welche FuE-Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit wer-
den die deutsche ergreifen?
luK-Industrie,
insbesondere auch die Software-Hersteller,
359
Die Verbesserung des FuE-Prozesses ist eine ständige Notwendigkeit. Defizite bestehen im mangelhaften Transfer bzw. der Nutzung von Forschungsergebnissen im Vergleich z.B. zu Japan und den USA. Die Software-Grundlagenforschung
ware-Methoden 2.11
ist zu intensivieren, so sind z.B. neue Soft-
zur Effizienzsteigerung
und Qualitätssicherung
Wie beurteilein Sie den Erfolg der bisherigen deutschen
FuE-Förderprogramme
im Bereich der luK-Techniken,
nik, der Materialforschung usw.?
zu erarbeiten.
und europäischen
der Fertigungstech-
Den nationalen Förderungsprogrammen ist es zu verdanken, daß Deutschland den
Anschluß z.B. in der Optoelektronik gegenüber den USA und Fernost noch nicht verloren hat. Durch die nationale Förderung hat Deutschland in der Breitbandtech-
nik eine führende Rolle erlangt. Die EG-Programme haben die Entwicklung der Systemtechnologien und die Komponentenforschung stark unterstützt. Der politische Aspekt ist für die europäische Einigung von großer Bedeutung, denn die Programme haben Ingenieure und Wissenschaftler aller europäischen Länder zusammengeführt. Doch
können
EG-Programme
nationale Förderprogramme
zum kürzlich veröffentlichten Förderkonzept im Rahmen
nicht ersetzen. So ist
des Zukunftskonzepts In-
formationstechnik der Bundesregierung ‚Diskussionsentwurf, Forschung und Entwicklung für die Informationstechnik 1993-1996‘ grundsätzlich anzumerken, daß das finanzielle Engagement des BMFT der in demselben Papier betonten volkswirtschaftlichen Bedeutung der Informationstechnik nicht gerecht wird. Bei der bestehenden Gesamtverantwortung des BMFT, der auch international, z.B.
auf EG-Ebene, die deutsche Forschungspolitik vertritt, ist es unabdingbar, daß sich sein Ministerium nachdrücklicher in der Telekommunikationsforschung engagiert und die nationalen
2.12
Mittel aufstockt.
Welche Ziele und welche Prioritäten sollten zukünftige deutsche FuE-Förderprogramme für den Bereich der luK-Techniken setzen?
Siehe 2.8
2.13
Ist eine staatliche Förderung der heimischen Software-Produzenten wirtschafts- und forschungspolitisch geboten? In welchen strategischen Bereichen sollten solche Fördermaßnahmen ggf. ansetzen und wie sollten sie aussehen?
Die Software-Optimierung im Netz-, Terminal- und Dienstebereich ist von strategischer Bedeutung. Förderungsbereiche sollten sein: — Qualitätssicherung und -verbesserung (Spezifikation; Fehlervermeidung; Test) — Aufwandsreduktion (Effizienzsteigerung, Wiederverwertung, Effizienzmessung) — schnelle Bereitstellung (Optimierung von Verfahren und Ablaufgestaltung) 360
—
Praktikable Einführungsstrategien für neue Verfahren im gesamten SoftwareBereich sowie für die Einbettung
steme. Die
Software-Forschungsaktivitäten
neuer Software in existierende Software-Syan
Universitäten
und
sollten eng mit der Industrieforschung verknüpft werden. 2.14
staatlichen
Instituten
Auf welche Bereiche der luK-Techniken und auf welche Software-Bereiche sollten sich die staatlichen Fördermaßnahmen konzentrieren?
Optoelektronik, Software-Technologien und Mikroelektronik sind die Basis für KT-
Produkte und -Systerne. Sie finden auch breite Anwendung in den exportorientierten Industrien Maschinenbau und Automobilbau und sind damit von evidenter Be-
deutung für die deutsche Wirtschaft. 2.15
Welche Maßnahmen zur Unterstützung der Industrie werden a) von der deut-
schen Regierung und b) von der EG-Kommission erwartet? Sind Alternativen zur Projektförderung sinnvoll und wünschenswert (z.B. steuerliche Förderung)?
Zu begrüßen ist in diesem Zusammenhang die erhebliche FuE-Mittelaufstockung der DBP Telekom, die aber noch — im Vergleich zu den weltweiten Wettbewerbern — als nicht ausreichend betrachtet werden muß. Aufgabe des Staates muß es sein, gemeinsam
mit den relevanten Akteuren des KT-Sektors Visionen und Ziele zu ent-
werfen und unter deren Dach ein breites Verständnis für die Bedeutung der luKTechnologien für Wirtschaft und Gesellschaft zu ermöglichen (siehe auch 2.11). 2.16
Unter welchen Voraussetzungen kann die kommunikationstechnische Industrie in der Bundesrepublik Deutschland noch international wettbewerbsfähig und leistungsstark bleiben?
Die deutschen
Unternehmen der KT-Industrie begegnen auf ihrem Heimatmarkt
und auf den internationalen Märkten zunehmend Wettbewerbern, die aus der Marktverfassung ihrer Heimatländer weitreichende Wettbewerbsvorteile mitbrin-
gen.
Verstärkt treffen sie auf die Konkurrenz von Nicht-EG Anbietern, die in unterschiedlichem Maße vertikal integriert sind und in deren Angebotspreisen die FuE-Aufwendungen nicht oder nur teilweise vermindert enthalten sind. Diese vertikale Integration von Herstellern und Netzbetreibern bzw. Diensteanbietern liegt vor in den USA (AT&T), Kanada (Northern Telecom), Schweden (Ericsson) und in Japan (NTT-Familie). Durch die vertikale Integration eröffnen sich für diese Unternehmen Finanzierungsund Subventionsmöglichkeiten, die zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen. Als Kernelement der vertikalen Integration erweist sich jedoch die enge Zu-
sammenarbeit von Entwicklern, Produzenten und Netzbetreibern, die gemeinsam und in enger Abstimmung die zukünftigen Produkte und Dienste definieren, ent-
361
wickeln und fertigen. Hierdurch erhalten diese Unternehmen frühzeitig Planungssicherheit. Das Risiko, nicht-marktfähige Produkte und Dienste zu entwickeln oder Fehlinvestitionen zu tätigen, ist für diese Unternehmen gering. Bis zur Durchsetzung von globalen harmonisierten Rahmenbedingungen und Spielregeln ist deshalb auch in der Bundesrepublik Deutschland die enge FuE-Zu-
sammenarbeit von Netzbetreibern und Herstellern notwendig, um die aus der vertikalen Integration resultierenden Wettbewerbsvorteile zu mildern.
Konkret bedeutet dies, einen Prozeß einzuleiten, in dem in enger Abstimmung von DBP Telekom und der deutschen KT-Industrie langfristige Dienste- und Netzausbaustrategien
entwickelt werden,
Regelbeschaffungen
vorbereitet werden
durch
die Vergabe von Entwicklungsaufträgen für neue Systeme und Dienste sowie von Pilotprojekten. Daß die DBP Telekom ihre Verantwortung für die Wettbewerbsfähigkeit ihrer nationalen Beschaffungsbasis wahrnehmen kann, muß bei der Ausgestaltung der geplanten zweiten Postreform berücksichtigt werden. 2.17 Ist langfristig zu befürchten, daß es im Bereich der Telekommunikation auf Dauer höchstens 5 bis 6 nennenswerte Wettbewerber weltweit geben wird? Wie stellt sich die deutsche Industrie hierauf ein? Langfristig werden
im KT-Sektor höchsten fünf bis sechs nennenswerte Wettbe-
werber weltweit vertreten sein. Alcatel und Siemens gehören in diese Gruppe. Globale Strategien und weitverzweigte Kooperationen sind wesentliche Voraussetzun-
gen für die Amortisation der hohen FuE-Aufwendungen und ein Bestehen auf dem ' Weltmarkt. 2.18
Welche Strategie müßte verfolgt werden, um auf den europäischen und außereuropäischen Märkten einheitliche Wettbewerbsbedingungen im Bereich der Telekommunikation herzustellen?
Weltweit vergleichbare Wettbewerbschancen für alle Anbieter im KT-Sektor lassen sich durch den Abbau von Wettbewerbsverzerrungen und ungleichen Marktzugangsbedingungen schaffen. Die marktwirtschaftlich und industriepolitisch beste Lösung wäre, wenn alle am Handelsaustausch im KT-Sektor interessierten Länder
die gleichen Spielregeln einführen würden, z.B. ein Verbot der vertikalen Integration, eine Abgeltung der FuE-Aufwendungen über die Marktpreise. Die vorliegenden Erfahrungen zeigen jedoch, daß diese Idealvorstellung weder in der EG noch im außereuropäischen
Ausland
kurzfristig politisch durchsetzbar sind.
Doch sollte im Rahmen der GATT-Verhandlungen sowie in bilateralen Gesprächen zwischen der EG und anderen Handelspartnern dringend ein Konsens über poli-
tisch durchsetzungsfähige, handelspolitische Rahmenbedigungen und Spielregeln
erzielt werden. Diese Bemühungen sollte die Bundesregierung, möglichst in enger Abstimmung mit EG-Partnern, flankierend unterstützen.
362
Auf EG-Ebene hat ebenfalls die Konsensfähigkeit und kurzfristige Realisierbarkeit von Spielregeln Vorrang vor dem Streben nach marktwirtschaftlichen Idealformen. In erster Linie müssen dringend die unterschiedlichen FuE-Finanzierungssysteme so harmonisiert werden, daß international vergleichbare Ausgangsbedingungen im Wettbewerb vorliegen. Auch das Problem des zeitlich unterschiedlichen Inkrafttretens von Beschaffungsund Zulassungsrichtlinien in den einzelnen EG-Mitgliedstaaten muß gelöst werden. Denn die KT-Industrie der Staaten, die EG-Richtlinien zügig in nationales Recht umsetzen,
2.19
haben
dadurch
wirtschaftliche Nachteile.
Welche wirtschafts-, forschungs- und technologiepolitischen Maßnahmen von Wirtschaft und Staat sind erforderlich, um insbesondere den KMU im Anwenderbereich (z.B. Maschinenbau) die neuesten lIuK-Techniken und Software-Entwicklungen frühzeitig zugänglich zu machen?
Keine Stellungnahme von Alcatel SEL. 2.20
In welchen Bereichen sollte der Staat mit Fördermaßnahmen die Entwicklung geeigneter arbeits- und betriebsorganisatorischer Produktions- und Dienstleistungskonzepte unterstützen, um eine zweckmäßige Nutzung der Hochtechnologieprodukte zu erreichen?
Als Bedarfsträger sollten staatliche Stellen führend im Einsatz von innovativen Produkten sein (innovative Beschaffung), wobei langfristige Planungshorizonte mit ihrer Planungssicherheit schaffenden Wirkung wesentliche Elemente staatlicher Beschaffung in allen Bereichen sein müssen. 2.21
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der EG- und GATT-Vereinbarungen für die staatlichen Fördermöglichkeiten?
Die derzeit laufenden GATT-Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen, so daß eventuelle Auswirkungen schwer abschätzbar sind. Bei dem erhofften positiven Abschluß
der Verhandlungen
ist zu wünschen,
daß Handeiserleichterungen,
u.a. durch Vereinbarungen über besseren Marktzugang, den Schutz geistigen Eigentums, den Handel mit Dienstleistungen, für die gesamte exportorientierte deutsche Industrie erhebliche Vorteile mit sich bringen und im Sektor Telekommunikation eine internationale Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen erzielt werden.
2.22
Welche Industriebereiche der deutschen bzw. europäischen Industrie sind in Zukunft durch Marktstrategien fernöstlicher Konzerne besonders gefährdet?
Alle Hochtechnologiebereiche,
im Fall der KT-Industrie praktisch alle Sparten.
363
2.23 Mit welchen besonderen wirtschafts- und forschungspolitischen Maßnahmen
soll die Bundesregierung bzw. die EG-Kommission diesen Strategien begeg-
nen?
Besondere
wirtschafts-
und
forschungspolitische
Maßnahmen
der
Bundesregie-
rung gegen die Marktstrategien fernöstlicher Konzerne sind nicht notwendig. Zu-
erst einmal sollten die beschlossenen Konzepte umgesetzt werden. Dazu gehört auch das bereits 1989 von der Bundesregierung verabschiedete ‚Zukunftskonzept
Informationstechnik‘‘. Fortschritte in den damals definierten wirtschafts- und forschungspolitischen Handlungsfeldern sind bis heute nur undeutlich bzw. nicht erkennbar. Als Schutz gegen ungleiche Bedingungen gegenüber Anbietern von außerhalb der EG enthält die Sektorenrichtlinie die Möglichkeit, bei öffentlichen Ausschreibungen
EG-fremde Angebote abzulehnen, wenn nicht reziproke Marktbedingungen im Gegenland existieren, die europäische Wertschöpfung für den Auftrag nicht mindestens 50 % beträgt und das Angebot nicht mindestens 3 % günstiger als das eines EG-Anbieters ist. Die Praxis dieses Instrumentariums ist zu beobachten. 2.24
Sind besondere wirtschaftspolitische Maßnahmen
im Bereich der Hochtech-
nologien angebracht oder gar unvermeidlich, um eine heimische Hochtechnologie-Industrie zu entwickeln und zu erhalten? Bestehen strukturelle Bedingungen, die den luK-Bereich als Ausnahmebereich des ordnungspolitischen Leitbilds begründen?
In der Beurteilung dieser Frage gehen seit Jahren die Meinungen derart auseinander, daß man von einem geradezu ideologischen Streit sprechen kann. Die KT-Industrie hat in ihrer ganzen
Breite — vom Großkonzern bis zum KMU
— seit einem
Jahrzehnt immer wieder verdeutlicht, daß die Förderung von Hochtechnologien einen Beitrag zum hohen Niveau der deutschen Volkswirtschaft leistet. Von seiten der Wirtschaftswissenschaft, aber auch seitens der Ordnungspolitik wird ebensolange behauptet, daß dies lediglich zu Mitnahmeeffekten und Innovationsarmut führe. Ziel einer Technologiepolitik sollte deshalb sein, eine eindeutige und zeitstabile Entscheidung über Förderprinzipien im Konsens herbeizuführen. Nicht akzeptiert
werden kann eine Weiterführung des Grundsatzstreites, in dessen Verlauf eine un-
kalkulierbare und schleichende Erosion des Fördervolumens und des Konsenses über die Bedeutung von Hochtechnologien unvermeidlich scheint. 2.25
Wie kann der Staat die heimischen Hochtechnologie-Industrien vor abgesprochenen und gezielten Marktangriffen (z.B. target pricing) ausländischer Unternehmen schützen, gleichwertige Wettbewerbsbedingungen weltweit anstreben und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie steigern?
In einer verflochtenen Weltwirtschaft kann der Staat heimische Hochtechnologie-
Industrien prinzipiell ebensowenig schützen wie Niedrigtechnologie-Industrien. Die
364
vorhandenen Instrumente auf deutscher und europäischer Ebene mit dem dahinterstehenden Sanktionspotential haben die Schwäche, daß es oft zu lange dauert,
bis entsprechende Informationen über solche Praktiken (z.B. target pricing) aufbereitet, verifiziert und in formelle Verfahren übergeleitet werden können. Es ist zu prüfen, ob staatliche Technologieförderung mit zusätzlichen Kapazitäten diesen Informationsprozeß beschleunigen könnte. 2.26 Sollte eine gemeinsame Meinungsbildung von Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und gesellschaftlichen Gruppen zu den zu erwartenden technischen
und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland or-
ganisiert oder institutionalisiert werden?
Die Forderung nach einer solchen organisierten und/oder institutionalisierten gemeinsamen Meinungsbildung wird seit Jahren von praktisch allen relevanten Akteuren auf den Gebieten von IT/KT erhoben. Aus Sicht eines an dieser Diskussion intensiv beteiligten Industrieunternehmens fällt auf, daß diese Forderung — mit Ausnahme des speziellen technologiepolitischen Gebietes der Technikfolgenabschätzung — noch nirgends einen nennenswerten Kapazitätsaufbau (Zuständigkeit, Budget) bewirkt hat.
Die Politik sollte also wohl zunächst die Erarbeitung eines funktionsgerechten Modells initiieren und dieses umsetzen. Die immer wieder — oft in ähnlichen Akteurskonstellationen
—
erfolgende
Neuauflage
von zentralistischen
Pilot-Expertenrun-
den und weiteren Forschungsprojekten ist wenig fruchtbar, vielmehr müssen die vorliegenden Ansätze zusammengeführt, aufbereitet und auf den verschiedenen Politikebenen abgestimmt werden. Es bietet sich an, solche Modelle zunächst sektoral — zum Beispiel für den KTSektor — zu definieren. Es müßte — ungeachtet der Größe der Aufgabe — möglich
sein, solche Modelle zu erarbeiten und parteien- wie gruppenübergreifend in verbindliche Verabredungen umzusetzen. Erst auf der Basis einer generellen Verabredung über technologiepolitische Mechanismen können sich in der Praxis speziel-
le Zielfindungsprozesse pro Branche und später ggf. auch branchenübergreifend entwickeln.
Die Gestaltungsziele haben in vielen Sektoren eines gemeinsam: Fast überall scheinen nur noch übergreifende, integrierte Ansätze nachhaltige Verbesserungen gesellschaftlicher
Problemlagen
zu
versprechen
(z.B.
integrierte
Verkehrs-
und
Kommunikationskonzepte). In allen denkbaren Fällen erscheint die Ausgrenzung gesellschaftlicher Kräfte abträglich für die Erreichung der Gestaltungsziele zu sein. Wichtig ist, daß ergebnisoffene, professionell moderierte Diskussionen zügig und gut strukturiert geführt werden. 2.27
Was muß unternommen werden, damit in Deutschland technologische Zukunftsthemen besser identifiziert und im Rahmen gemeinsamer Anstrengun-
gen realisiert werden können?
365
Siehe
2.28
2.26
Welche staatlichen Anstrengungen zur verstärkten Beobachtung der japanischen Zukunftsvorstellungen sowie der technischen Entwicklungen und Erfindungen in Japan sind notwendig (z.B. Ausbildung in japanischer Sprache,
Übersetzungen, Datenbanken)?
2.29 In welchen Bereichen sollte der Staat vorrangig eine innovative Infrastruktur betreiben? Welche Infrastrukturen und welche institutionellen Bedingungen für den Transfer von Wissen und Know-how benötigen wir für die kommenden Jahrzehnte? 2.30
Welche
Bildungs-
und
Ausbildungssysteme
sowie
Weiterbildungssysterne
benötigt eine Informations-Gesellschaft? Wie können die Grundlagen für die dabei notwendigen qualifikationsfördernden Arbeitsbedingungen gefördert werden?
Zu 2.28, 2.29 und 2.30 keine Stellungnahme
2.31
von Alcatel SEL.
Welche Bedeutung haben Normenvereinbarungen für die Wettbewerbsfähig-
keit der luK-Industrie? Welchen Einfluß soll der Staat auf die Normsetzungen
nehmen?
Die Normung (Standardisierung) in der KT befaßt sich in der Regel mit neuer Technik und neuen Diensten. Folglich laufen Normung und Entwicklung von Zukunft-
stechnik parallel. Da Dienste, Geräte und Netze kompatibel sein müssen, ermöglichen erst genormte Schnittstellen einen Wettbewerb.
Diese vorwettbewerbliche Standardisierung ist für alle Beteiligten von Vorteil, da bei der Festlegung der Schnittstellenspezifikationen gemeinsam gearbeitet wird, ein Hersteller anschließend einen homogenen Markt vorfindet, zeit- und kostenintensive Anpassungsentwickungen weitgehend vermieden werden. Netzbetreiber können bei vorwettbewerblich genormten Schnittstellen aus einem größeren Angebot wählen. Eine erfolgreiche Normung erfordert jedoch Offenheit und Beteiligung aller Betroffenen (Industrie, Regulierer, Netzbetreiber, Benutzer etc.). Da es nicht immer möglich ist, alle Betroffenen an der Normung zu beteiligen, sind de-facto Industriestan-
dards weiterhin anzutreffen.
Das Ergebnis der Normung sollten möglichst weltweite Normen, Fällen
europäische
Normen
sein.
Rein
nationale
Normen
sind
in begründeten
abzulehnen.
Die
Normung soll sich aber nicht auf die technologische Realisierung ausdehen, sondern dem Hersteller die Gestaltungsfreiheit seiner Produkte belassen. Der Staat sollte sich auf den regulierungsbedürften
Teil beschränken
(Frequenz-
vergabe; Produktsicherheit einfordern, aber nicht inhaltlich festlegen; Zulassung 366
etc.). Sofern er Normungsmandate zur Öffnung des Marktes oder zur Regulierung
vergibt, muß er sich auch an der Finanzierung beteiligen. 2.32
Welchen Stellenwert hat im Rahmen der EG die Schaffung neuer Standards zur Verbesserung der Wettbewerbschancen der europäischen elektrotechnischen und elektronischen Industrie?
Siehe 2.31
2.33
Welche Bedeutung haben die Normenvereinbarungen für die Arbeitsbedin-
gungen nach der europäischen Harmonisierung und welche Bedeutung wird
den Arbeitsbedindungen einschließlich der Arbeitsorganisation und Qualifikation für die Innovationsfähigkeit der einheimischen traditionellen und Hochtechnologie-Industrie zugemessen?
Normen
der KT-Industrieregeln sind im wesentlichen Schnittstellenfragen.
Im Be-
reich der KT werden Arbeitsbedingungen bzw. Arbeitsplatzbedingungen in der Regel nicht Gegenstand von Normierungen sein. Eine Ausnahme sind Endgeräte; hier liegt die Hauptbedeutung im Bereich der Bildschirmarbeitsplätze. Generell muß bei der Normung von arbeitsplatzrelevanten Faktoren die innovationsbehindernde Gefahr einer Überregulierung berücksichtigt werden 2.34
Welche Defizite und Hindernisse der industriellen Kooperation zwischen Herstellern und Anwendern sehen Sie gegenwärtig? Welche Verbesserungs-
möglichkeiten gibt es für eine solche Kooperation und wo sollten sie staatlich gefördert werden?
Angesichts der hohen Aufwendungen und Risiken im Bereich FuE, kürzeren Produktlebenszyklen
sowie
einer
zunehmenden
Globalisierung
der
Märkte
spielen
Überlegungen der Risikostreuung, der Verbesserung des Marktzugangs und der Nutzung von Synergien durch die Bildung von Kooperationen, Allianzen und Erwerb von Beteiligungen eine zunehmende Rolle. Oft ist die Akquisition eines Unternehmens die einzige Möglichkeit, innerhalb kürzester Zeit vorhandene Schwächen auf Teilsektoren auszugleichen oder notwendiges Know-how zu erwerben. Während Europäer in den USA an einer Telefongesellschaft, die über eine Mobilfunklizenz verfügt, nur eine Beteiligung von maximal 20 % erwerben könnten, gibt es für außereuropäische
Unternehmen
weder in der EG
Computerunternehmens
ICL durch die japanische
noch in der Bundesrepu-
blik Deutschland Beschränkungen bei Beteiligungen und Übernahmen. Die Übernahme der britischen STC durch die kanadische Northern Telecom sowie des Fujitsu sind Beispiele.
Vor dem Hintergrund einer weltweit zunehmenden Zahl von strategischen Allianzen ist es für die deutsche Kommunikationsindustrie von zentraler Bedeutung, durch Kooperationen und Bildung von Allianzen auf nationaler und internationaler Ebene die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und zu verbessern.
367
2.35
Welche Kooperationen bzw. strategischen Allianzen mit europäischen und
außereuropäischen Mitbewerbern in den Bereichen Mikroelektronik, Kommu-
nikationstechnik und Software-Entwickung gibt es oder werden von der deutschen Industrie angestrebt? Siehe 2.34
368
BUNDESVERBAND ! Dr. Carsten Kreklau
DER
DEUTSCHEN
INDUSTRIE
1. Informations- und Kommunikationstechnologien: einer modernen Volkswirtschaft Fragen
1.1 - 1.4,
1.9,
e.V.
Schlüsselfaktoren
1.15, 2.1, 2.5, 2.6
Informations- und Kommunikationstechnologien (luK-Technologien) haben sich zu
einem
Schlüsselfaktor für die internationale Wettbewerbsfähigkeit
der deutschen
Wirtschaft entwickelt. IuK-Technik und die ihr zugrunde liegende Mikroelektronik beeinflussen unmittelbar den Markt und die Wettbewerbsfähigkeit der fünf für den deutschen Export bedeutendsten Anwenderbranchen (Maschinen-, Fahrzeugbau, Datenverarbeitung, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik). Mikroelektronische
Komponenten bzw. mikroelektronisch gesteuerte Prozesse durchdringen in zuneh-
mendem Maße weitere Produkte und Produktionsprozesse. Darüber hinaus wirken die IuK-Techniken auf wichtige Infrastrukturbereiche, angefangen von der Tele-
kommunikation über die Verkehrsleittechnik bis hin zur Energieversorgung. Eine Verbesserung der Wettbewerbsposition der deutschen Informations- und Kommunikationstechnik ist somit von grundlegender Bedeutung für die zukünftige internationale Wettbewerbsfähigkeit fast der gesamten Industrie. Die deutsche Industrie hat fast im gesamten Bereich der luK-Technologie, trotz einer im europäischen Vergleich relativ guten Position, im internationalen Wettbewerb mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Außenhandelsbilanz hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschlechtert und verzeichnet mit Ausnahme der Telekommunikationsindustrie negative Salden. Defizite bestehen bei der Entwicklung von leistungsfähigen Workstations- und Großrechnerarchitekturen, bei Standard-Software und im Bereich der Mikroelektronik. Der IC-Markt wird von japanischen (Speicherchips) und US-amerikanischen Unternehmen (Mikroprozessoren) ebenso wie der Markt für Produktionsgeräte und Prozeßchemikalien nahezu vollständig beherrscht. Allerdings drängen in jüngerer Zeit zunehmend aus dem
ostasiatischen
den Markt.
Raum
neue
nicht japanische
Anbieter für Speicherchips
auf
Die Dominanz einiger weniger amerikanischer und japanischer Chip-Produzenten einerseits, verbunden mit der fortwährenden Integration von System- und Anwenderwissen auf einzelnen Bausteinen, sogenannten ASICs andererseits, führt in Deutschland und Europa zu Befürchtungen vor strategischen Abhängigkeiten
und
damit zunehmenden Wettbewerbsnachteilen der wichtigsten Industriebranchen. Insbesondere japanische und amerikanische Unternehmen könnten ihre starke Stellung im luK-Bereich nutzen, um weiter in wertschöpfungsintensive Anwendermärkte einzudringen. Ihre Finanzkraft sowie die großen vertikal und horizontal integrierten Unternehmensstrukturen begünstigen das. Auf der anderen Seite deuten sich neueste technologische Entwicklungen an, die es möglicherweise erlauben, 369
unabhängig von Massenspeicherfertigung anwendungsorientierte Chips (ASICs) mit höchster Integrationsdichte in kleineren Stückzahlen wettbewerbsfähig zu fertigen. Damit könnte die Abhängigkeitssituation insbesondere kleiner und mittlerer
Anwenderunternehmen
entschärft werden.
Die schwierige Situation im Bereich der IuK-Technologien muß zu einer realistischen Analyse und Bewertung möglicher zukünftiger Entwicklungen führen. Dies ist nicht mit Resignation gleichzusetzen. So hat es wenig Sinn, sich ein deutsches
oder
europäisches
Unternehmen
als
weltweit
führenden
Speicherhersteller
zu
wünschen. Nicht jedes Land kann in einer arbeitsteiligen Welt auf allen Technolo-
giegebieten eine Führungsrolle anstreben. Grundlage für einen wechselseitigen Austausch von Technologien und Basis für internationale Kooperationen ist jedoch die Fähigkeit, zumindest auf einigen Gebieten Spitzen-Know-how anbieten zu kön-
nen. Vollkommene Abhängigkeiten
der luK-Technologien Dauer leisten.
kann sich die deutsche Industrie im Bereich
weder auf der Hersteller-,
noch
auf der Anwenderseite
auf
2. Ungünstige Rahmenbedingungen beeinträchtigen die deutschen und europäischen Unternehmen im globalen Wettbewerb um die Entwicklung der luK-Technologien. Fragen: 2.3, 2.4, 2.9 Die Antworten
auf die Herausforderung
durch
starke ausländische
Konkurrenten
müssen Unternehmen im Markt vorrangig selbst finden. Die schwierige Situation
der deutschen wie der europäischen luK-Industrie zeigt, daß die historisch gewach-
senen Strukturen der Industrie auf den nationalen Teilmärkten in Europa im allgemeinen ungünstige Voraussetzungen boten, um den Herausforderungen aus Japan und den USA im globalen Wettbewerb zu begegnen. Die Ausgangsposition in Deutschland für die Entwicklung der Mikroelektronik war in der Nachkriegszeit gekennzeichnet durch die Beschränkung von Entwicklungen mit militärischer Anwendung: Hierunter fiel auch das Gebiet der Halbleiter. Trotzdem gelang es über die Unterhaltungselektronik Ende der 60er Jahre einen hervorragenden Stand bei Einzelhalbleitern zu erreichen. Die europäische Halbleiter-Industrie versucht, mit unterschiedlichen Strategien bei integrierten Schaltkreisen den Anschluß an die internationale Spitze zu finden. Erfolgreich war dabei das MEGA-Projekt von Siemens und Philips. Auch das JESSI-Programm beginnt, in der Kooperation zwischen Anwendern und Herstellern zu wirken. Wenn gleiche Wettbewerbsbedingungen in Europa gegenüber Fernost und USA hergestellt werden können, ist damit zu rechnen, daß wieder konkurrenzfähige Marktpositionen von
europäischen
Firmen
erreicht werden
können.
Die Entwicklung der luK-Technologien, vor allem auch in den USA, ist insgesamt ein eindrückliches Beispiel dafür, daß in einer funktionierenden Wettbewerbsord-
nung Marktpositionen nicht zementiert, sondern ständigem Konkurrenzdruck aus-
370
gesetzt sind. Die Wettbewerbsvorteile anderer zwingen zu Gegenstrategien. Die deutsche Industrie muß auf allen wichtigen Feldern der Informations- und Kommunikationstechnologie zumindest als Mitspieler an der technologischen
Spitze prä-
sent sein. Nur so können Entwicklungstrends frühzeitig erkannt und insbesondere
der Know-how-Transfer in die Anwendungsbereiche der IuK-Technik sichergestellt
werden.
3. Der Staat ist im Rahmen einer Aufholstrategie im IuK-Bereich vorrangig als Rahmensetzer und Investor im Infrastrukturbereich gefordert. Fragen: 2.15, 2.16, 2.24
Nach wie vor hat die deutsche Industrie in den meisten Hochtechnologiemärkten
eine gute Wettbewerbsposition.
Die Schwäche in wichtigen Teilbereichen der IuK-
Technologie liegt auch in im internationalen Vergleich ungünstigeren Rahmenbedingungen. Zu hohe Unternehmenssteuern, über Produktivitätszuwächse hinausgehende Steigerungen der Lohn- und Lohnnebenkosten und überhöhtes Regulierungsniveau be- und verhindern in zunehmendem Maße erfolgreiches Wirtschaften. Nicht nur Unternehmen stehen im Wettbewerb, sondern auch die Wirtschafts-, Gesellschafts- und Industriepolitiken der konkurrierenden Staaten.
Die beste Industriepolitik — im Sinne einer Politik für die Industrie — ist die Erhö-
hung der Attraktivität des Industrie- und Technologiestandortes Deutschland. Dazu
gehören
die Verbesserung
der allgemeinen
Rahmenbedingungen,
aber auch der
Ausbau der vorhandenen Stärken: Modernisierung der Infrastruktur, Sicherung eines hohen Niveaus der Grundlagenforschung und der Bildung. Dabei ist eine regelmäßige Anpassung an die fortlaufenden Entwicklungen unabdingbar. Die Informations- und Kommunikationstechnologie stellt in diesem Zusammenhang sozusagen die „‚Speerspitze'' möglicher Verläufe von Technikentwicklungen in Deutschland
und Europa dar. Ohne eine Verbesserung der forschungs- und in-
novationspolitischen
von einem
Rahmenbedingungen
ist potentiell jede
neue Technologie
ähnlich traurigen Schicksal bedroht wie die IuK-Technik.
rung der gentechnischen die praktische
Die Behinde-
Forschung in Deutschland durch Überregulierung und
Verhinderung
der
eine weitere deutliche Warnung.
Umsetzung
gentechnischer
Projekte
ist hierfür
4. Die Umsetzung kapitalintensiver IuK-Technologien kann von den Unternehmen nur geleistet werden, wenn ihre Kapitalbildungskraft nachhaltig gestärkt wird. Fragen: 2.15, 2.16
Der wichtigste Standortnachteil in Deutschland sind die hohen und weiter steigen-
den Kostenbelastungen mit Steuern, Abgaben, Löhnen und Lohnnebenkosten. Sie belasten die Kapitalbildungskraft der Unternehmen und schränken den Spielraum
371
für Investitionen ein. Gerade IuK-Technologien sind auf der Hersteller- und der An-
wenderseite
häufig äußerst
kapitalintensiv.
So wird sich beispielsweise der FuE-
Aufwand für neue Chipgenerationen oder digitale Vermittlungssysteme der kom-
menden Generation im Milliardenbereich bewegen. Darüber hinaus sind IuK-Technologien und ihre Anwendung durch lange Vorlaufzeiten in Forschung und Ent-
wicklung gekennzeichnet. Diese Faktoren sind vor dem Hintergrund hoher Kosten-
belastungen für die deutsche Wirtschaft im internationalen Vergleich ein gravieren-
des Innovationshemmnis. Die deutsche Industrie fordert deshalb vor allem:
— eine Unternehmenssteuerreform mit den Elementen der Strukturverbesserung (Abschaffung der ertragsunabhängigen Steuern) und Absenkung der Ertragssteuern
auf ein international vergleichbares
Niveau,
— einen Verzicht auf weitere einseitige Abgabenbelastungen in dem Bereich Soziales,
— eine zügige europäische Harmonisierung im Bereich Umwelt, —
tarifpolitische
Abschlüsse,
die
sich
an
der
Leistungskraft
der
Unternehmen
orientieren und sich zu einer Mitverantwortung für die technologische Wettbewerbsfähigkeit bekennen.
Moderne
Technologien
eröffnen
mittelfristig hohe Wertschöpfungspotentiale.
Für
die gesamge luK-Industrie werden bis zum Jahr 2000 überdurchschnittliche Wachstumsraten erwartet. Allein für den Bereich des hochauflösenden Fernsehens (HDTV) wird bis zum Jahr 2010 ein Marktvolumen von 500 Mrd. US $ prognostiziert. Diese Chancen durch überzogene Ansprüche an die Verteilungsmasse abzuwürgen, bevor diese Verteilungsmasse überhaupt entsteht, widerspricht verantwortungsbewußtern Handeln für die Zukunft. 5. Industriepolitik muß im nationalen und internationalen Umfeld vergleichbare Rahmenbedingungen und Spielregeln schaffen, die einen fairen und offenen Wettbewerb ermöglichen. Fragen: 2.15, 2.24, 2.25
Interventionistische und protektionistische Maßnahmen sind kein geeigneter Weg zur Sicherung oder Wiedererlangung technologischer Wettbewerbsfähigkeit im IuK-Bereich. Direkte Eingriffe in Märkte sind nur dann begründbar, wenn Marktunvollkommenheiten (Externalitäten, steigende Skalenerträge etc.) sowie ein besonderes volkswirtschaftliches Interesse vorliegen. Marktunvollkommenheiten sind jedoch kein Freibrief für Interventionen. Gegenmaßnahmen
anderer Staaten und da-
mit der Eintritt in einen internationalen Interventionswettlauf sowie die Lähmung dynamischer Marktkräfte sind Gefahren, die im Kalkül abwägend zu berücksichti-
gen sind. Weltweit zeigt sich, daß unter staatlichen Einfluß geratene Industrien ihre
Wettbewerbsfähigkeit verlieren und zu Dauersubventionsempfängern werden. 372
Langfristig kann eine selektive interventionistische Industriepolitik, die ergriffen wird, weil Marktergebnisse (z.B. negative Handelsbilanzen in bestimmten Technologiebereichen) nicht befriedigend sind, nicht zum Erfolg führen, Auch für den Bereich
der
Mikroelektronik
ist eine
rahmenverbessernde
Industriepolitik,
flankiert
durch eine innovationsfördernde FuT-Politik, die bessere Lösung; sie bereitet das Feld für unternehmerische Antworten auf diese Herausforderungen. Grundsätzlich muß aber die Initiative für Forschung, Entwickung und Technologiekooperationen den Unternehmen überlassen bleiben. 6.
Die Wettbewerbspolitik
muß sich stärker an der Globalisierung
ternationalisierung der Märkte orientieren.
und
In-
Fragen: 2.15, 2.16, 2.25
Die wachsende Internationalisierung und Globalisierung der IuK-Technik sowie die steigende Notwendigkeit transnationaler Zusammenarbeit erfordern eine Wettbewerbspolitik, die weltweit gleiche Bedingungen für Markteintritt und Marktverhalten schafft. Gerade in Deutschland wird die Zusammenarbeit der Unternehmen durch zu eng am nationalen Markt orientierte und international nicht harmonisierte Wettbewerbsregeln behindert. Notwendig ist vor allem eine stärkere Ausrichtung der Wettbewerbspolitik auf den Weltmarkt als dem relevanten Markt sowie die Erweite-
rung der Gruppenfreistellung von Art. 85 EWG-V im FuE-Bereich auch auf nachgelagerte Vertriebsaktivitäten, die im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt stehen.
Wichtig ist, daß notwendige Unternehmenszusammenschlüsse und -kooperationen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien freiwillig erfolgen. Staatliche Regie führt hier zu Subventionen und Regulierungen. Vielmehr kann der Staat im Rahmen eines breit angelegten industriepolitischen Dialogs die Rolle eines Moderators übernehmen. 7. Freier Welthandel als Grundlage einer arbeitsteiligen Weltwirtschaft ist auch im luK-Bereich zu sichern. Fragen: 2.17, 2.18, 2.21, 2.25 Freier Austausch von Waren, Kapital, Know-how und Personal ist eine unverzichtbare Bedingung für eine effiziente und wohlfahrtserhöhende internationale Arbeitsteilung. Freihandel nutzt allen, wenn sich alle an die Spielregeln halten und auf Marktabschottungen verzichten. Die Bundesrepublik Deutschland importierte 1990 informationstechnische Güter im Wert von knapp 28 Mrd. DM. Gleichzeitig wurden
Waren im Wert von ca. 20,8 Mrd. DM exportiert. Wenngleich der Anteil der Informa-
tionstechnik damit lediglich knapp 3,5 % der deutschen Exporte beträgt, ist die Be-
deutung dieser Technologie für die Exporte ingesamt nicht zu unterschätzen. Die eingangs
erwähnte
Fünfer-Gruppe,
welche
unmittelbar
von
informationstechni-
373
schen Produkten abhängig ist, erwirtschaftet über die Hälfte der deutschen Exporte. Schon heute entfallen knapp 50 % des deutschen Industrieexports auf techno-
logieintensive Güter. Weitere Steigerungen dieses Anteils sind unter Wachstumsund Beschäftigungsaspekten wünschenswert.
halb vor allem:
Die deutsche
Industrie fordert des-
— Den raschen Abschluß der GATT-Uruguay-Runde mit einem Ergebnis, daß in allen Bereichen Marktzutrittsbarrieren abgebaut werden. Ziel muß die Schaffung einer Weltwettbewerbsordnung sein, die alle wettbewerbsbeschränkenden Praktiken verbietet und sich Sanktionsmöglichkeiten offenhält. — Bewahrung eines multilateralen Weltwirtschaftssystems; Bilateralismus, wie etwa das amerikanisch-japanische Halbleiterabkommen, der Weltmärkte und zu verstecktem Protektionismus.
führt zur Zersplitterung
— Maßnahmen zur weiteren Öffnung des japanischen Marktes unter Einschluß strategischer Markteintrittsbarrieren. Im Bereich der Elektronik erweisen sich insbesondere die eigentümlichen Charakteristika des japanischen Distributionssystems als wirkungsvolle Handelsbarriere. Den Markteintritt erheblich erleichtern würde die gegenseitige Anerkennung der nationalen Prüf- und Zulassungsbestimmungen, wenn zuvor die anderen Handelsbarrieren beseitigt werden. — Weltweite Liberalisierung des öffentlichen Auftragswesens. Immer noch wird im
Bereich der luK-Technik eine ‚Politik der national champions'' betrieben, die sich zunehmend als Wettbewerbsnachteil für deutsche Anbieter herausstellt.
Liberalisierung und Marktöffnung haben in Europa zur Internationalisierung und Intensivierung des Wettbewerbs bei Telekommunikationssystemen und -geräten geführt. Gleichzeitig werden innerhalb der Europäischen Gemeinschaft durch europaweit geltende Richtlinien in den Bereichen öffentliche Beschaffung, Endgeräte und Zulassungsverfahren sowie durch Standardisierungsinitiativen im Rahmen
von ETSI (European Telecommunications
Standards
Institute) die bisher nationa-
len Telekommunikatonsmärkte geöffnet. Diese beiden Tendenzen werden grundsätzlich begrüßt. Sie führen jedoch dazu, daß die deutsche Telekommunikationsindustrie zunehmend
Wettbewerbern
werbsverzerrungen
ist die vertikale
aus
USA,
Japan
und auch
den anderen
EG-
Mitgliedstaaten gegenübersteht, die aus der Marktverfassung ihrer Heimatländer weitreichende Wettbewerbsvorteile mitbringen. Häufige Ursache solcher WettbeIntegration
als Hersteller
und
Netzbetreiber
bzw. Diensteanbieter und die sich daraus ergebenden Finanzierungs- und Subventionsmöglichkeiten. Außerdem verfügen diese vertikal integrierten Unternehmen
als Netzbetreiber über interne Märkte, die dem Wettbewerb nicht zugänglich sind, aber dem vertikal integrierten Hersteller große Planungssicherheit und Kostenvor-
teile bringen sowie die Investitionsrisiken deutlich verringern.
Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ist insbesondere das sowohl zeitlich, als
auch in bezug auf ihre Durchführung uneinheitliche inkrafttreten der Sektorenrichtlinie zu kritisieren. Die beschriebene Verflechtung zwischen Betreiber und Herstel374
ler in einigen Mitgliedsstaaten läßt befürchten, daß auch zukünftig bedeutende Unterschiede im Einkaufsverhalten zu beobachten sein werden. Darüber hinaus ist die Finanzierungspraxis von FuE-Aufwendungen, welche in der Telekommunikationsindustrie teilweise mehr als 20 % betragen, in einzelnen Mitgliedsländern teilweise sehr unterschiedlich.
So werden
beispielsweise
in Frankreich
die Aufwen-
dungen für die Produktentwicklung zu ca. 60 % über den Netzbetreiber oder den Staat finanziert. Es ist deshalb dringend erforderlich, diese Wettbewerbsverzerrungen, insbesonde-
re auch besteht paweit zen, so
innerhalb der europäischen Gemeinschaft, abzubauen. In diesem Bereich unmittelbarer politischer Handlungsbedarf. Sollte es nicht gelingen, euround international harmonisierte Spielregeln relativ kurzfristig (!) durchzusetwerden die Forderungen nach einer Anpassung der nationalen Vergabe-
richtlinien an ordnungspolitisch im Prinzip unerwünschte, aber international prakti-
zierte Verfahrensregeln
lauter werden.
8. Durch einen Abbau der Regulierungsdichte können die Freiräume für unternehmerische Innovationsstrategien vergrößert werden. Fragen:
1.6, 2.15
Feinmaschig wird die Industrie von einem Geflecht administrativer Auflagen und Vorschriften überzogen. Allein in der chemischen Industrie, welche als Zulieferant von Reinstchemikalien auch von grundsätzlicher Bedeutung für den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Halbleiterindustrie ist, regeln etwa 2.000 Gesetze, Verordnun-
gen, Erlasse, technische Anleitungen und andere Vorschriften die Genehmigung oder den Betrieb von Anlagen oder Verfahren. Deregulierung und Entbürokratisierung sind notwendig zur Schaffung von Freiräumen für Innovation und Investition. Natürlich bleiben bestimmte sicherheits-, gesundheits-, umwelt- und arbeitsrechtliche Schutzvorschriften sowie kostensenkende Normen weiterhin nötig. Erforderlich ist jedoch eine bessere internationale Abstimmung und eine sorgfältige Abwägung, ob z.B. durch umweltrechtliche Rahmenbedingungen auch in mittel- und längerfristiger Perspektive mögliche Wettbewerbsvorteile oder -nachteile überwiegen. Herausragendes aktuelles Beispiel für letztere ist die überstürzte 5. Novellierung des Abfallgesetzes. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum die Bundesregierung gerade in einer Phase, in der von der Industrie umfassende Rückführungskonzepte, beispielsweise für Elektronikschrott,
entwickelt werden,
Vorschläge für rechtliche
Regelungen vorlegt, die sehr weitreichende Eingriffe in die Produktgestaltung ermöglichen, die über umweltpolitische Erfordernisse weit hinausgehen und zu hohen Mehrbelastungen der Unternehmen führen würden. Die Politik muß beachten, daß allein schon einseitige Ankündigungen neuer Auflagen und Abgaben negative Effekte nach sich ziehen können. Enge Arbeitszeitbestimmungen erweisen sich als außerordentliches Innovationshemmnis im Bereich der lIuK-Technik. Dies gilt für den Produktionsbereich bei der 375
Halbleiterherstellung ebenso wie für die Entwurfsabteilungen beispielsweise bei der Softwareentwicklung. Dringend geboten ist deshalb eine Deregulierung des Arbeitsmarktes, vor allem die Aufhebung des Verbotes von Betriebsvereinbarungen
sowie weitergehende Flexibilisierungen der Arbeitszeitordnung.
Die steigende Zahl elektronischer Datenverarbeitungssysteme sowie die zunehmende Vernetzung dieser Systeme untereinander wirft neuartige datenschutzrechtliche Fragen auf. Datenschutz ist insbesondere auch für die deutsche Industrie ein wichtiges Anliegen. Es wird deshalb begrüßt, daß diese Problematik in der Bundesrepublik rechtzeitig erkannt wurde und durch die Verabschiedung des Bundesdatenschutzgesetzes ein wirksames Instrumentarium zur Verhinderung von
Datenmißbräuchen geschaffen wurde. Überzogene datenschutzrechtliche Forderungen dürfen jedoch nicht zum Innovationshindernis für den Einsatz moderner luK-Technologien
werden,
wie dies beispielsweise teilweise in den
Diskussionen
um die Einführung eines ISDN-Netzes oder auch computerintegrierter zwischenbetrieblicher Fertigungssysterne der Fall war. 9. Die Strategien
zur Sicherung
und
Wiedererlangung
fähigkeit im Bereich der luK-Techniken müssen sche Forschungspolitik flankiert werden.
der Wettbewerbs-
durch
eine dynami-
Fragen: 2.7, 2.8, 2.19, 2.28, 2.29 Eine wesentliche Grundlage für die unternehmerischen Initiativen zur Sicherung und Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der luK-Technologie
wird durch die Forschungs-
und Technologiepolitik gelegt.
Im Bereich der Grundlagenforschung sind die Forschungsergebnisse in Deutschland im Bereich der IuK-Technik wie auf fast allen Hochtechnologiefeldern international noch gut. Ein Problem besteht vielmehr in der Umsetzung dieser Ergebnisse in marktfähige Güter und Verfahren. Der Abbau dieses Defizites ist die wichtigste technologiepolitische Aufgabe. Notwendig ist: — Eine stärkere Gewichtung der anwendungsorientierten Grundlagenforschung. Voraussetzung hierfür ist auch eine angemessene Ausstattung der Projektförderung und eine engere Verzahnung zwischen Wissenschaft und Industrie. Beispielsweise durch eine stärkere Einbindung der Wirtschaft bei der Festlegung von Forschungsprogrammen, aber auch durch die Beseitigung von Hemmnissen, die durch die Unflexibilität des öffentlichen Dienstrechts entstehen, könnte die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und öffentlich geförder-
ten Forschungseinrichtungen effektiver gestaltet werden.
— Eine verbesserte Abstimmung zwischen nationalen und europäischen luK-Programmen. —
Eine stärkere Einbeziehung der Anwenderindustrie in die informationstechnischen Forschungsverbünde, die auch für die mittelständisch strukturierte Anwenderindustrie offenstehen müssen.
376
—
Darüber
hinaus sollte das
indirekt-spezifische
Instrumentarium
zur Verbesse-
rung der Anwendung von luK-Technik in der mittelständischen Industrie wieder
stärker eingesetzt werden.
Hierdurch
könnte
insbesondere
auch
der
Markt
für anwendungsorientierte
Chips ausgebaut werden, ohne den auch risikofreudige nationale oder europäi-
sche ASIC-Hersteller nicht zu langfristigem Engagement motiviert werden können. —
Eine Wiederbelebung der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung. Steuerliche Forschungsförderung (Investitionszulagen, Sonderabschrei-
bungen) wurde in Deutschland ersatzlos gestrichen. Deutschland ist damit fast
das einzige Industrieland, das auf eine steuerliche Förderung von FuE völlig verzichtet. Notwendig ist ein Nachdenken über neue steuerliche Förderinstrumente, wie sie vom BDI bereits vorgeschlagen wurden. —
Innovative öffentliche Beschaffungs- und Infrastrukturerneuerungsprogramme zur Stärkung eines am Marktbedarf ausgerichteten Einsatzes der personellen und finanziellen Forschungs- und Entwicklungsressourcen. Der Ausbau der öffentlichen Telekommunikationsinfrastruktur beispielsweise hat Multiplikatoreneffekte (Telematikvernetzung, Glasfasernetze) und wirkt auch auf andere luKFelder wie HDTV, Bild- und Sprachverarbeitung. Hierzu zählen insbesondere auch
—
—
Demonstrations-
und
Pilotprojekte.
Nach wie vor stellen die schwierigen Zugangsmöglichkeiten zu ausreichendem Risikokapital im High-Tech-Bereich in der Bundesrepublik, zuammen mit der geringen Eigenkapitalausstattung vieler kleinerer Unternehmen eine erhebliche Innovationsbarriere dar. Für mittlere und kleinere Unternehmen wäre ebenso der Auf- und Ausbau syste-
matischer leicht zugänglicher Informationsmöglichkeiten, etwa in Form eines
Online-Informationsnetzes,
über
ostasiatische
Tendenzen
und
Strategien
im
luK-Bereich hilfreich. Voraussetzung hierfür ist eine Bündelung der mit staatli-
chen
Mitteln derzeit in Japan
agierenden
unterschiedlichen deutschen
Institu-
tionen und Organisationen. Im Vergleich zur Beobachtung beispielsweise der amerikanischen FuE-Landschaft stellt die japanische Sprache für KMUs eine große Hürde dar. Ergänzend ist der Austausch von Studenten, jungen Ingenieuren, etc. zu unterstützen.
Die zukünftige Technologieentwicklung der Mikroelektronik hat im Bereich der luK-Technik
besonders
ausgeprägte
Auswirkungen
auf
die
mittelständisch
strukturierte Anwenderindustrie. Die konsquente Anwendung der Mikroelektro-
nik, insbesondere der anwendungsorientierten ASICs, wird darüber entscheiden, ob in den nächsten Jahren die Stärken des Mittelstandes wie hohe Flexibilität, hohe Innovationskraft, hohes Niveau an Systemkenntnis erhalten werden
oder noch wachsen können. Hierzu müssen die Mikroelektronikanwendungen dahingehend stimuliert werden, daß für die Marktkonditionen der Bundesrepublik optimale Design-Tools verfügbar gemacht werden, um damit die „Time-
377
to-Market'‘ zu minimieren. In diesem Zusammenhang sind auch Entwicklungen zu beobachten, die darauf abzielen, zukünftig die ASIC-Technologie von der Speichertechnologie unabhängig zu machen. Zu nennen ist beispielsweise das von der US-Air-Force, DARPA
und Texas Instruments finanzierte ‚Microelectronics Manu-
facturing Science and Technology‘ (MMST) Programm. Die Option auf ein solches „, Technologiefenster‘‘ muß in Deutschland und Europa gewahrt bleiben und gegebenenfalls forschungspolitisch unterstützt werden. Schlüsseltechnologien
wie beispielsweise
die Informations-
und
Kommunikation-
stechnologien müssen im Haushalt des Bundesforschungsministeriums einen höheren Stellenwert einnehmen. Das neu vorgelegte Förderkonzept Informationstechnik 1993 bis 1996 birgt zwei grundsätzliche Risiken. Erstens stellt sich die Frage nach dem Stellenwert der Industrieforschung in die-
sem Konzept: Die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit im Hochtechnologiebereich kann insbesondere unter Anwendungsgesichtspunkten nicht allein durch den Aus-
bau der öffentlichen Forschungsinfrastruktur gesichert werden. Aufgabe staatlicher FuT-Politik ist darüber hinaus auch die Unterstützung anwendungsnaher Grundlagenforschung
in den Unternehmen durch direkte Projektförderung in stra-
tegisch wichtigen Technologiefeldern. Die notwendigen Eigenanstrengungen der Industrie sollen damit keineswegs ersetzt werden. Dies gilt insbesondere auch für die IuK-Technologien in den im Förderkonzept Informationstechnik beschriebenen Anwendungsperspektiven.
Zweitens läuft der im Förderkonzept angekündigte Rückzug des BMFT auf eine „nationale Vorlaufforschung‘ unter Verweis auf die Technologieförderung der Europäischen
Gemeinschaft
dem
Ziel einer strengen Anwendung
des Subsidiarität-
sprinzips auch in der FuT-Politik entgegen. Vielmehr ist es gerade im Hinblick auf internationale Kooperationsprojekte notwendig, nationale Spitzenleistungen als „Verhandiungsmasse‘“
in diese Partnerschaften mit einzubringen. Nur so läßt sich
auf Dauer die Teilnahme
deutscher Unternehmen
in Projekten zur Entwicklung
wichtiger Schlüsseltechnologien erhalten. Dies ist nicht zuletzt am Beispiel der jüngsten Kooperationsprojekte zur Entwicklung der 256 MBit Speichergeneration
zu beobachten.
10. Wissenschafts- und bildungspolitische Initiativen legen den personellen Grundstock für die Weiterentwicklung der IuK-Technologie in Deutschland. Frage: 2.30
Die Fähigkeit zur Weiterentwickung und Anwendung von luK-Technologie beruht
in hohem
Maße
auf den beruflichen
Fähigkeiten der Mitarbeiter in den Unterneh-
men und Forschungseinrichtungen. Die Nachfrage nach qualifizierten Mitarbeitern
im Bereich Informatik und Elektrotechnik steigt kontinuierlich. Im Maschinen- und
Anlagenbau verschiebt sich der Bedarf an Ingenieuren weg von dem klassischen 378
Fachgebiet Maschinenbau hin zu den Fachgebieten Informatik und Elektrotechnik,
welche ihre Anteile seit 1987 fast verdoppelten. Ein großer Mangel besteht an Absolventen mit fachübergreifenden Ausbildungsprofilen, wie beispielsweise Elek-
troingenieuren mit gleichzeitig starken Informatikkenntnissen. Diesem Typus wird gegenüber reinen Informatikern oft der Vorzug gegeben. Notwendig ist daher:
— Die Stärkung sowie der Ausbau der informationswissenschaftlichen und -technischen Studienfächer an Hochschulen und insbesondere an Fachhochschulen, deren Charakter sich in der Praxis sehr bewährt hat und der beibehalten werden muß.
— Eine Anpassung der Studienzeiten bzw. die Senkung des Berufseintrittsalters auf ein international vergleichbares Niveau. —
—
Die Entwicklung von Anreizstrukturen für die Hochschulen
zur Steigerung von
Technologiekooperationen zwischen den Hochschulen und der Wirtschaft.
Der Aufbau von Gegenstrategien zur Überbrückung der Engpässe von qualifizierten Lehrkräften im Bereich Informatik. Notwendig wäre beispielsweise eine verstärkte
Vergabe
von
Promotions-
und
Habilitationsstipendien,
welche
der
Form und Ausstattung nach gegenüber außeruniversitären Arbeitsangeboten konkurrenzfähig sind. Darüber hinaus könnten Experten aus der Wirtschaft für einen Einsatz an den Hochschulen geworben werden. Ein guter Anreiz wäre die Vergabe von Honorarprofessuren durch die Hochschulen.
— Grundsätzlich muß im Bereich der Ausbildung den dynamischen Entwicklungsprozessen bei neuen Technologien wie der IuK-Technologie Rechnung getragen werden. Zur Steigerung der Flexibilität ist die Durchlässigkeit der Ausbildungssysteme für qualifizierte Bewerber weiter zu verbessern. Darüber hinaus
müssen Konzepte des berufsbegleitenden Lernens gezielter entwickelt und eingesetzt werden (z.B. BDI-Vorschlag „Berufsbegleitendes Hochschulkolleg‘‘).
11. Die breite Anwendung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien ist von der Technikakzeptanz in der Gesellschaft abhängig. Frage: 2.27 Neue Technologien sind sowohl mit Chancen als auch mit Risiken verbunden. Da-
mit sich die Chancen der Technik entfalten können und ihre Risiken beherrschbar
bleiben, brauchen die Unternehmen,
die diese Technik einsetzen, ein politisches,
wirtschaftliches und gesellschaftliches Umfeld, das sie in ihren Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsaktivitäten unterstützt und nicht behindert. Wenn die Bundesrepublik Schwächen in der Umsetzung informations- und kommunikationstechnischer Entwicklungen hat, ist dies auch ein Indiz dafür, daß es an den genannten Umfeldbedingungen mangelt. Eine latente Technikskepsis in der Gesell-
schaft beeinflußte die Entwicklung der IuK-Technik in Deutschland erstmals in den
379
späten 70er Jahren mit der vieldiskutierten ‚Job-Killer‘-Hypothese als Folge einer übermäßigen Anwendung dieser neuen Technologie. Zwischenzeitlich hat sich gezeigt, daß ohne einen breiten Einsatz luK-technischer Produkte eine wettbewerbsfähige deutsche Industrie undenkbar wäre. Mißtrauen gegenüber technologischen Entwicklungen begleitet ebenso die Diskussionen um die Einführung moderner ISDN-Kommunikationsnetze. Instrumente und Verfahren der Technikfolgenabschätzung und -bewertung müssen diesen Vorbehalten begegnen und die Bedingungen dafür schaffen, daß sich die Chancen der Technik entfalten und Gefahren frühzeitig erkannt und begrenzt werden können. Für ein rohstoffarmes Industrieland wie die Bundesrepublik, das in der internationalen Arbeitsteilung an der tech-
nologischen Front agiert, gibt es zur umfassenden Nutzung moderner Technologien keine konsensfähige Alternative. Die Verweigerung für neue Technologien hat
oft härtere Konsequenzen
als die damit verbundene
Abwehr
von
Risiken.
12. Die Herausforderungen im Bereich der IuK-Technologien erfordern einen breit angelegten industriepolitischen Dialog. Frage: 2.26 Die Handlungserfordernisse im Bereich der luK-Technik sind so vielfältig wie die an einer industriepolitischen Strategie zu beteiligenden Akteure. Notwendig ist daher ein breit angelegter Dialog zwischen Wirtschaft, Gewerkschaften, Politik und Wissenschaft, wie er in der Vergangenheit in der Bundesrepublik lediglich sporadisch geführt wurde. Zwischenzeitlich ist nicht ausgeschlossen, daß das hierdurch entstandene Vakuum durch Gespräche auf EG-Ebene aufgefüllt wird. Eine ebenfalls notwendige Verständigung auf europäischer Ebene kann jedoch einen natio-
nalen Dialog nicht ersetzen.
Die Frage nach Handlungsnotwendigkeiten berührt unmittelbar das Problem der richtigen Schwerpunktsetzung von forschungs- und technologiepolitischen Strategien und die Debatte um die Schaffung von mehr Orientierungswissen. ‚Aufholstrategien’ im Bereich der zweifellos wichtigen luK-Technologie dürfen nicht zu Versäumnissen auf anderen wichtigen Zukunftsfeldern und damit zu erneuten Technologiedefiziten führen. Deshalb muß ein dezentraler und breit geführter Ansatz gewählt werden. Nur so geht das Fachwissen aller Bereiche ein. Ressortegoismen, unnötiges Kompetenzgerangel
zwischen nationalen und europäischen
Stellen so-
wie idelogische Grabenkämpfe müssen überwunden werden. Wichtig ist, daß da-
bei die Verantwortlichkeiten nicht verwischt werden, die die marktwirtschaftliche Ordnungsstruktur jedem Akteur zuweist. Darüber hinaus sollte dieser Dialog in fle-
xiblen Strukturen stattfinden.
380
VDMA/ZVEI Fachverband Informationstechnik
Teil 1: IuK-Industrie 1. Bedeutung 1.4
1.5 1.6/1.7. 1.8/2.23
der IuK-Industrie
für Anwender
und für Wirtschaftsentwicklung
Software für luK-Anwendermärkte für wichtige Zukunftsprobleme (Nahrungsmittel, Energie, Verkehr) für Arbeitsorganisation und Arbeitsinhalte und deren Bedeutung für Innovationsfähigkeit der Industrie
Zur Bedeutung der lIuK- und Software-Industrie liegen umfassende Analysen vor, so z.B. in den folgenden Stellungnahmen und Dokumenten: 1.
Die europäische Elektronik- und Informatik-Industrie: Situation, Chancen und Risiken, Aktionsvorschläge (EG-Kornmission, DG XIII, 1991; ‚‚Pandolfi-Papier‘: SEC (91) 565 final)
2. EUROBIT Position on the Information Technology Policy Concept of the Commission of the European Communities — SEC (91) 565 final — and Council Resolution of November
39.
18, 1991.
Informationstechnik in Deutschland: Bericht über die Situation der informationstechnischen Branche und den Einsatz der Informationstechnik in der Bundesre-
publik Deutschland (BMWi
4.
Dokumentation Nr. 310, 1991)
Forschung und Entwicklung für die Informationstechnik 1993 bis 1996, Förderkonzept des BMFT. im Rahmen
des Zukunftskonzepts
Bundesregierung (Diskussionsentwurf 23. April 1992) 1.9/1.10 1.15/1.16
Informationstechnik der
Braucht Deutschland eigenständige, weltweit tätige und wetitbewerbsfähige luK-/Software-Industrie? Kann
die deutsche
Industrie auf mikroelektronische
Bauelemente
und
Produktionsgeräte oder auf Software für neue Anwendungssysteme ver-
zichten?
Die Informationstechnik ist die wichtigste Basistechnologie für die Zukunft einer exportabhängigen Wirtschaft, wie die der Bundesrepublik. Ihre Beherrschung und Entwicklung entscheidet über die Wettbewerbsfähigkeit in allen Sektoren in Indu-
strie,
Handel,
Dienstleistung
Schlüsselindustrie.
Ihr Anteil von 9,6 %
und
Administration.
Informationstechnik
in den Produkten von Automobilbau,
ist
eine
Konsumelektronik,
Ma-
schinen und Anlagenbau, Datentechnik und Telekommunikation hat bereits 1990 darüber
entschieden,
daß diese
Branchen
30,6 %
des Bruttosozialproduktes
er-
381
wirtschaften konnten — und der Anteil der Informationstechnik an der Wertschöp-
fung von Produkten und Dienstleistungen wächst beständig.
Die technischen Stufen zur Entwicklung leistungsfähiger Elektronik, Materialien, Fertigungsmethoden und -verfahren und resultierenden Halbleiterbauelemente
(Chips) werden von asiatischen Herstellern monopolartig dominiert, mit der Folge,
daß alle von dieser Basistechnologie bestimmten, o.g. Industrien und Dienstleistungen in eine strategische Abhängigkeit geraten werden, und dem Ergebnis, daß über die Wirtschaftskraft Deutschlands nicht mehr in Deutschland entschieden werden wird. Die Lösung des Problerns liegt in einer am Weltmarkt orientierten marktwirtschatftli-
chen Industriepolitik der Bundesrepublik für eine bestimmte Zeit, nämlich bis trag-
fähige Weltmarktanteile der deutschen Industrie in der Informationstechnik die Eigenständigkeit der deutschen Wirtschaft im internationalen Wettbewerb gewährleisten. Durch Industriepolitik müssen im nationalen und internationalen Umfeld vergleichbare Rahmenbedingungen und Spielregein geschaffen werden, die einen fairen und offenen Wettbewerb ermöglichen. Außerdem sind innerhalb Deutschlands wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen zu schaffen, die Investitionen für Innovation direkt und indirekt unterstützen und die Nachteile des Standorts Deutschland im gesamtwirtschaftlichen Interesse abbauen
bzw.
bis zu ihrem Abbau
ausgleichen.
Zu den Voraussetzungen zählt auch eine öffentliche Nachfrage nach modernster Informationstechnik z.B. ein Multimedia-Netz für die Kommunikation der Regierung zwischen Bonn und Berlin. Industriepolitik ist eine Aufgabe von Politik und Regierung in enger Zusammenar-
beit mit der Wirtschaft
und den gesellschaftlichen
Interessengruppen.
Sie ist in einem Beratungsprozeß zu entwickeln, in dem Hersteller, Anwender, Poli-
tik, Wissenschaft, Finanzierungs- und Bildungswesen gemeinsam und partnerschaftlich am Weltmarkt orientierte Ziele definieren, die dann, von einem nationalen Konsens getragen, in industriellem Maßstab realisiert werden. Eine besondere Herausforderung besteht in der Integration dieser Vorgehenswei-
se in der europäischen
Gemeinschaft.
Neben der dringend erforderlichen Unternehmenssteuerreform benötigt die deut-
sche Wirtschaft den Abbau von Erhaltungssubventionen, um Investition für Innovationen verstärkt anzuregen und die Nachteile Deutschlands im internationalen
Standortwettbewerb abzubauen,
382
bzw. bis zum Abbau finanziell auszugleichen.
2. Globale Wettbewerbsfähigkeit Fernost Japan 2.22
Welche Industriebereiche sind durch Marktstrategien Fernost besonders gefährdet?
Die IT-Industrie steht unter besonders starkem Wettbewerbsdruck aus Fernost und damit steht sie wie die Industrien und Dienstleistungen, für die sie Basistechnologien bereitstellt, in der Gefahr einer strategischen Abhängigkeit. 2.23
dazu wirtschafts-/forschungspolitische und EG-Kommission
1.18
Finanzmarktsituation/Kapitalbeschaffung japanischer Unternehmen
2.4
bessere japanische übertragbar?
Management-,
Maßnahmen
Organisations-,
der
Bundesregierung
Produktionsmethoden
Grundlegende Voraussetzung für eine Stabilisierung und zukunftsweisende Entwicklung der europäischen informationstechnischen Industrie sind die Prinzipien des freien Wettbewerbs unter gleichen Bedingungen im internationalen Marktgeschehen.
Da der informationstechnische Markt ein Globalmarkt ist und durch starke internationale Arbeitsteilung gekennzeichnet ist, behindern protektionistische Maßnahmen
die Entwicklung.
Daher
ist es unverzichtbar,
daß für die informationstechni-
sche Industrie ein weltweit unbegrenzter Marktzugang zu fairen Bedingungen gewährleistet ist. Unter anderern müssen zum Abbau und zur Vermeidung von Handelshemmnissen Die europäische
Zölle weltweit abgebaut
oder zumindest
harmonisiert werden.
informationstechnische Industrie hat nur dann eine Chance, sich
im Weltmarkt durchzusetzen, wenn es gelingt, ihre Kapitalbildungskraft anhaltend zu stärken.
Aus einer Reihe von zusätzlichen, nicht zuletzt sozio-ökonomischen Gründen ist die von Japan eingeschlagene Strategie (s.a. Konrad Seitz: ‚Die japanisch-amerikanische Herausforderung‘‘) für Europa nicht geeignet. Der eigenständige europäische Weg muß in erster Linie über die generelle Verbesserung der Angebots- und Nachfragebedingungen führen und nicht über die Förderung einzelner Unternehmen. Solange in Europa noch souveräne Staaten bestehen, ist eine national differenzier-
te Vorgehensweise angebracht. Diese Trennung ist auch deswegen erforderlich,
weil die Kapitalbildungsvoraussetzungen in den einzelnen europäischen Ländern sehr verschieden sind. Das gilt vor allem für die direkten Steuern, die ein entschei-
dender Faktor der Kapitalbildung in den Unternehmen sind.
Das trifft aber auch für die großen Unterschiede des Lohn- und Produktivitätsni-
veaus
zwischen
den Zentren
und der Peripherie der EG
zu.
383
Die Bundesregierung wird gebeten, die bereits mehrfach zugesagte Unternehmenssteuerreform zügig zu realisieren. Dabei geht es jedoch nicht nur um die Kapitalbildung in den großen Herstellerunternehmen, sondern um die Investitionstätigkeit schlechthin. Je größer die finanziellen Möglichkeiten der Anwenderunternehmen insgesamt sind, um so höher ist bei steigendem Anteil an Informationstechnik das Investitionsniveau und um so schneller kommt es zur Erneuerung der Automatisierungseinrichtungen. 2.28 Japanologie: staatliche Förderung Sprachen-Ausbildung, Datenbanken, usw. Als Maßnahme zur Verbesserung der Kommunikations-Infrastruktur wäre von der
Bundesrepublik ein Online-Informationsnetz zu schaffen, das aktuellste Informationen aus dem asiatischen Wirtschaftsraum bereitstellt. Die Wirtschafts- und FuTReferate der deutschen Botschaften, Verbände und Institute im Ausland wären die
typischen Einrichtungen, um entsprechende Informationen bereitzustellen, und um im Dialog eine einschlägige, elektronische Kommunikationsplattform zu führen. Außerdem
ist das BMFT
Förderprojekt VERMBOBIL
mit Vorrang zu fördern, damit
möglichst rasch ein tragbarer Übersetzungscomputer mit direkter Spracheingabe in Deutsch, Englisch und Japanisch sowie wahlweiser Sprachausgabe für den unmittelbaren Gesprächs- und Konferenzbedarf zur Verfügung steht. Die Ausbildung in japanischer Sprache muß an allgemeinbildenden Schulen und Universitäten intensiviert werden.
Studienaufenthalte
deutscher/europäischer
Studenten
(z.B. Stipendien, Praktika, Forschungsprojekte).
in Japan
sind
zu
fördern
Die Übersetzungskapazitäten für japanische Fachliteratur müssen deutlich vergröBert werden, u.a. durch breiten Einsatz und Förderung elektronischer Überset-
zungssysteme.
Auch innerhalb der Mitgliedstaaten der EG sollten die bestehenden Sprachbarrieren durch
massiven
Einsatz und Förderung
elektronischer Übersetzungssysteme
überwunden werden mit dem Ziel eines gleichrangigen Sprachgebrauchs der europäischen Sprachen. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Osteuropa 1.19 Bedeutung der politisch-wirtschaftlichen Entwicklung Die neuen Entwicklungen in Ostdeutschland sowie in osteuropäischen Ländern und in der GUS stellen die informationstechnische Industrie vor große Aufgaben. Die geographische
Lage der westeuropäischen
Länder bietet gute Voraussetzun-
gen zur Unterstützung beim Aufbau von modernen tionstechnik.
384
Infrastrukturen der Informa-
Diese Aufgaben sollten von Seiten der Bundesregierung und der EG-Kommission durch Maßnahmen zur ökonomischen Stärkung dieser Regionen (z.B. Einrichtung
von
Fonds)
unterstützt werden.
Wesentlich für Investitionen in Osteuropa ist dortige Rechtssicherheit, speziell für
geistiges Eigentum, z.B. Copyright. 3. Forschung
und Entwicklung
(FuE)
2.11
Erfolge der bisherigen deutschen und EG-FuE-Programme
2.12
Ziele/Prioritäten für künftige FuE-Programme
2.19/2.14 staatliche Förderung Software-Produzenten? 2.15
FuE-Maßnahmen zur Unterstützung der Industrie durch deutsche Regierung und EG-Kommission; Alternativen zur Projektförderung (z.B. steuerliche Förderung)
Der gute Ruf der deutschen Grundlagenforschung beruht darauf, daß hier Erkennt-
nisse vor allem qualifiziert werden. Ziel der Grundlagenforschung muß werden, Dinge als erste zu entwickeln und vor allem auch in Anwendungen und Produkte
umzusetzen. Als in Deutschland über die gesellschaftliche Bedeutung von „künst-
licher Intelligenz‘ noch grundsätzlich diskutiert wurde, haben amerikanische Stu-
denten schon die ersten einschlägigen, selbstentwickelten Programme vermarktet.
Die Effizienz der öffentlichen Forschung muß gesteigert werden, der Innovationsprozeß von der wissenschaftlichen Erkenntnis zur anwendbaren Technik muß wirkungsvoller und ausbildungs- und wirtschaftsnäher sein. Die Forschungseinrichtungen beschäftigen eine Vielzahl von höchstqualifizierten Wissenschaftlern, die nur geringen Wirkungsgrad entwickeln, weil sie in zahllos zersplitterten
Einrichtungen
eingesetzt sind.
Zur Aufrechterhaltung der technologischen Leistungsfähigkeit und um für die informationstechnische Industrie Engpässe (Preis und Versorgung) bei der Beschaffung von Bauelementen auszuschließen, muß Europa über eine eigenständige Mikroelektronik-Industrie verfügen. Dabei ist die enge Kooperation zwischen Anwender und Lieferant entscheidend. Die Gefahr
der strategischen Abhängigkeit
bei unzureichenden
forschungspoliti-
schen Rahmenbedingungen besteht bei Speicherbauelementen und ebenso bei einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit im Anwendungsbereich des verarbeitenden Gewerbes (vgl. 5) und bei einem Verlust des notwendigen Erfahrungswissens in der Herstellung der Basistechnologien für den Anwendungsbereich, das nur durch eigene
Fertigung
erworben
und erhalten werden
kann.
In jedem Fall ist es notwendig, die Programme und Projekte noch stärker als in der Vergangenheit auf strategisch wichtige Themen zu fokussieren. D.h. die Aktionen 385
im Bereich der FuE müssen sich an denen im Bereich der Nachfrage und der Verwertbarkeit im Weltmarkt orientieren. Aktionen im Bereich der FuE müssen klaren und realisierbaren geschäftspolitischen Zielen folgen. Das bedeutet vor allem, daß hierbei Produkte entstehen müssen, die am Weltmarkt unter Berücksichtigung der finanziellen und intellektuellen
(Entwicklungspersonal) Mittel sowie des Zeitfaktors durchgesetzt werden können. Als strategische Schlüsselgebiete sind insbesondere einzustufen: — Mikroelektronik: * Prozeßtechnologie (Entwicklung und Produktion), * anwendungsspezifische Systeme, — computerunterstützte Entwicklung und Fertigung (CIM, CAE, CAD, usw.), — Maßnahmen
zur Nutzung von Synergie-Effekten:
* Synergie-Effekte aus Kooperationen zwischen Herstellern, Universitäten, Anwendern und anderen relevanten Gruppen, * technologische
Synergiepotentiale
durch
Zusammenwachsen
von
Kompo-
nenten wie insbesondere Datenverarbeitungs-Systemen und Consumer-Elek-
tronik,
— entsorgungs- und recyclinggerechte Produkte der Informationstechnik, — Netzwerksysteme und -anwendungen, — Supercomputing, — Softwareentwicklung (Methoden und Werkzeuge): Die rationelle
Fertigung
von
Software
steht derzeit erst am
Anfang
ihrer Ent-
wicklung. Die industrietypische Infrastruktur mit der Arbeitsteilung auf Zulieferer (Werkzeuge, Halbzeuge, Normteile, etc.) fehlt fast ganz, so daß entwickelte Software ein Unikat bleibt. Für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ist es deshalb von existentieller Bedeutung, diese bisher ungenutzten Möglichkeiten der rationellen Software-Produktion zu erkennen und sich diese zu erschließen, da erst aus der Kom-
bination von Halbleitertechnologie und kostengünstiger Software wirklich kostengünstige Produkte entstehen können. Gemessen am heutigen Software-Markt sind die europäischen Förderaufwendungen für FuE im Bereich ‚„Software-Fertigung‘‘ als bescheiden einzustufen und keinesfalls ausreichend, um einen Anspruch auf einen technologischen Vorsprung
zu realisieren, zumal er auf diesem
Gebiet noch möglich wäre. Die
FuE-Förderungen auf nationaler und europäischer Ebene für Software-Engineering sollten wesentlich erhöht und konzentriert werden auf Schwerpunkte wie:
— Integrated Computer Aided Software Engineering (I-CASE)-Tools mit Objektorientierung,
386
— — — — —
—
verteilte Datenbanken mit Objektorientierung, Rapid Prototyping, Code Generatoren, Benutzer—Oberflächen mit adaptiven Eigenschaften, Wiederverwendbarkeit von Software,
Re-Engineering von Software mit älteren Strukturen in moderne Umgebungen, — Standardisierung von Softwareprodukten und Werkzeugen, — Integration von Multimedia-Techniken. Außerdem muß in Zukunft der Vernetzung von Systemen und der daraus folgenden Rückwirkungen auf Software und Kommunikation verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet
werden.
Die Konsortialbildung bei FuE-Projekten sollte wie bei EUREKA auf freier Basis erfolgen. Technikbewertung sollte im Rahmen von Marktanalysen, Produkt-Konzeption wie Produktion und Markt-Einführung berücksichtigt werden.
so-
4. Speicherbauelemente/ASICs 2.5
2.6
Produktionsstätten
für Speicherchips in Europa erforderlich?
Bewertung der Anwenderindustrie der Abhängigkeit von deutschen/europäi-
schen und außereuropäischen ASIC-Produzenten; Möglichkeit der Anwenderindustrie zum Schutz ihres Systemwissens vor MiB-
brauch? 2.7
Stärkere Konzentration auf Entwicklung und Produktion von ASICs erforder-
lich?
Ein fairer und offener Wettbewerb am Weltmarkt — der z.Z. nicht gewährleistet ist
— ist am ehesten zu erreichen, wenn eine zeitgerechte, preis- und mengengerechte, funktions- und technologiegerechte sowie unmanipulierbare und marktgerechte Verfügbarkeit auch für die Mikroelektronik, insbesondere für Speicherbauelemente und Prozessoren gegeben ist. Bei der Herstellung von ASICs bei japanischen Herstellern für deutsche Produkte,
z.B. die optimale Steuerung des Brems-Systems
in einem Auto, fließt das im Chip
realisierte Systemwissen direkt in die Keiretsu, zu denen auch Anwender gehören.
Diese Anwender können deshalb ohne zeitliche Verzögerung Konkurrenzprodukte zu den deutschen Produkten anbieten. Technisch bieten dann die Produkte aus Deutschland keinen Wettbewerbsvorteil mehr — und aus der Sicht von Kosten und Qualität sind die Produkte aus dem pazifischen Wirtschaftsraum ohnehin überle-
gen.
Die Exportträger Maschinen-,
das bekannte
Schicksal
Werkzeug-,
der deutschen
Anlagen-, Automobilbau
Fotoapparate,
Radio- und
u.a. erwartet
Fernsehgeräte
387
usw., allerdings mit erheblich dramatischerer Wirkung auf Bruttosozialprodukt, Be-
schäftigung, Wohlstand und soziale Sicherheit.
Deshalb ist es erforderlich, den Entwicklungs- und Produktionsstandort Deutschland für Informationstechnik zu erhalten und Investitionen zur Innovation durch
eine am Weltmarkt orientierte marktwirtschaftliche Industriepolitik abzusichern. 5. Telekommunikation
Zu Fragen der Telekommunikation legt der Fachverband Kommunikationstechnik im ZVEI eine Stellungnahme vor. 6. KMU:
2.19
luK-Einsatz
Wirtschafts-, forschungs-, technologiepolitische Maßnahmen von Wirtschaft und Staat, um KMU im Anwenderbereich (z.B. Maschinenbau) IuK-/Software frühzeitig zugänglich zu machen.
Die KMU sind in den vorgeschlagenen Beratungsprozeß zu integrieren und bedürfen besonderer Stützung ihrer Leistungsfähigkeit und Kapitalkraft. Die Produktund Prozeßinnovation bei KMU muß durch IT-gestützten Technologie- und Knowhow-Transfer erheblich verbessert werden. 7. Bildung 2.29
2.30
Welche
Infrastrukturen und Institutionen für Wissenstransfer?
Bildungs-, Ausbildungs-,
Weiterbildungssysteme für die Informationsgesell-
schaft Die Ausbildungsrichtlinien und Prüfungsverfahren sollten europaweit harmonisiert
werden, damit die Studienabschlüsse in allen europäischen Ländern anerkannt werden. Eine Anpassung der in Deutschland üblichen Studienzeiten an internationale Maßstäbe ist erforderlich. Die Informationstechnik ist im Bereich der allgemeinbildenden
Institutionen noch
nicht entsprechend ihrer betriebs- und volkswirtschaftlichen Relevanz verankert:
Die in nahezu allen Berufen sowie zunehmend auch im privaten Bereich erforderli-
chen DV-Anwenderkenntnisse sollten im Bildungsbereich im Rahmen
der Allge-
meinbildung vermittelt werden.
Methoden und Strategien zur Erhöhung von Qualität und Produktivität müssen stärkeren Eingang in die Ausbildung finden. Methoden des Total Quality Managements (T.Q.M.) müssen
hierzu auf allen Ebenen
der Gesellschaft eingesetzt wer-
den. Kein Unternehmen wird sich in der Zukunft darauf verlassen können, alle benötigten Qualifikationen durch den Arbeitsmarkt erhalten zu können. Deshalb ist dringend eine qualifizierte Erstausbildung für alle erforderlich, die gleichzeitig die 388
Basis für permanente Weiterbildung legt, die partnerschaftlich vom Einzelnen und
den Unternehmen zu verwirklichen ist. Aufgabe von Bund und Ländern ist es, die Ausbildung an Hochschulen und Universitäten zu straffen und diese effizient zu führen, z.B. durch ein Leistungsbeurteilungssystem für Hochschullehrer und Berufung auf Zeit. 8. Normung 2.31
Bedeutung der Normung für lIuK-Industrie und Rolle des Staates
2.32 Stellenwert der Normung auf EG-Ebene 2.33
Einfluß der Normung auf Arbeitsbedingungen in EG
In der IuK-Industrie ist die Dynamik der Innovation besonders stark. Die traditionelle Normung wirkt durch ihre langen Entstehungs- und Abstimmungszeiten innovationsverhindernd. Weltweite, entwicklungsbegleitende Standards sind effektiver, vor allem dann, wenn der Normenkonsens der Beteiligten vom Staat mitgetragen und international unterstützt wird. Der Staat sollte seinen
Einfluß auf regelungsbedürftige Teile, z.B. Produktsicher-
heit, begrenzen und die durch seine Beteiligung entstehenden Kosten selber tragen. Zur Verminderung und Vermeidung von Handelsheimnissen in Europa und weltweit sind einheitliche — auf internationalen Normen basierende — europäische Normen erforderlich. Internationale Normen bieten Herstellern und Anwendern Vorteile durch Schaffung von Transparenz,
Interoperabilität und Kostenreduktion.
Bundesregierung und EG-Kommission sollten zusammen mit der informationstechnischen Industrie die Übertragung internationaler Normen in europäische Normen und deren Übernahme als nationale Normen unterstützen. Der Staat sollte sich dabei auf die infrastrukturelle Förderung für die an der Normung beteiligten Kreise sowie auf regelungsbedürftige Bereiche, z.B. Produktsicherheit, beschränken und die durch seine Beteiligung entstehenden Kosten selber tragen. Normen, die an den Bedürfnissen der Anwender orientiert sind und technische Innovationen antizipieren, haben höchsten Stellenwert für die IT-Industrie.
Innovationshemmende Normen und Mißbrauch von Normen als handelspolitische Barrieren snd auszuschließen. 9. Kooperationen/Allianzen zur Kompensation
von Schwächen
2.34
Hersteller und Anwender: Defizite und Verbesserungsmöglichkeiten, staatli-
2.35
Deutsche Industrie und europäische/außereuropäische Mitbewerber in Mikroelektronik, Kommunikationstechnik, Software-Entwicklung: bestehende
che Förderung?
oder angestrebte Kooperationen?
389
Technologisch begründete Kooperationen und Allianzen zur Synergie von Stärken in der IuK-Industrie sind durch die Begünstigung von Investitionen für Innovation und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland
zu fördern.
Das
am Weltmarkt zu orientieren. 10. Maßnahmen 2.24
deutsche
und
europäische
Wettbewerbsrecht
sind
zum Schutz und zur Unterstützung von luK
— Wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Entwicklung und Erhaltung deutscher Hochtechnologie erforderlich? — strukturelle Bedingungen für luK-Bereich als ordnungspolitischen Ausnahmebereich
Da die informationstechnische Industrie zu den technologischen Grundvoraussetzungen einer Industriegeselischaft gehört, ist hier bei dem derzeitigen schwierigen globalen Strukturwandel durchaus eine ordnungspolitische Ausnahmesituation gegeben.
In dieser Phase sind die Relationen der Größenordnungen an Unterstützungen verschiedener Wirtschaftszweige, wie sie das Kieler Institut für Weltwirtschaft ermittelt hat, für die IT-Industrie mit etwa 0,2 % nicht als angemessen anzusehen. 2.25
Staatlicher Schutz vor gezielten Marktangriffen (z.B. target pricing) mit globalen gleichwertigen Wettbewerbsbedingungen und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
2.26/2.27 Konsensbildung:
Staat,
Wirtschaft,
Industrie harmonisierbar?
Wissenschaft und gesellschaftliche
Gruppen durch Dialog-Institutionalisierung oder andere Maßnahmen
Konsensbildung und Dialog zwischen Staat, Wirtschaft, Wissenschaft, Anwendern, Finanzierungs- und Bildungswesen sind unverzichtbar, damit die Bundesrepublik Deutschland ihre Kompetenz und Technologiebasis in der Informationstechnik erfolgreich stärken und in einem effizienten Innovationsprozeß realisieren kann.
Teil 2: Application-Software-Industrie Allgemeine Vorbemerkung Grundsätzlich ist zu sagen, daß Hochtechnologien nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Die Produkte der Informations- und Kommunikationsindustrie sind i.d.R. eingebettet in ihre Nutzung in andere Produkte. Maschinen brauchen Software, Maschinen mit Software sind in Fertigungssysteme eingebettet, Fertigungssysteme in Industrieinformationssysteme, Industrieinformationssysteme in Brancheninformationssysteme (z.B. Automobilhersteller, Automobilzulieferanten).
390
Bei einer Betrachtung der Wettbewerbswirkung einzelner Technologien ist stets auch diese Vernetzung im Sinne einer Kette — schwächstes Glied — vorzunehmen. In diesem Zusammenhang lationen ergeben:
ist bedeutsam, daß sich zwei Arten von Kundenre-
1. Die Kundenrelation zwischen dem Anbieter der Informationstechnologie und dern unmittelbaren Anwender (Maschinenhersteller) und 2. die gemeinsame Endkunden hin.
Kundenrelation
dieses
so entstehenden
Systems
zum
Beide Kundenbeziehungen müssen sowohl in den Produktleistungen als auch in der Gesamtsystemintegration zum Endkunden hin in optimierter Form dargestellt werden. Einzelstellungnahmen
aus
Sicht der Application-Software-Industrie
1.4 Welche Bedeutung haben die neuesten luK-Techniken für die Anwender im besonderen und für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in Deutschland im allgemeinen? 1.5 Welche Bedeutung hat dabei die Software im allgemeinen und die Anwender-
Software als Basis für neue Anwendungssysteme im besonderen? Welche Be-
deutung haben die Fortschritte der Software-Erstellung aller Art (u.a. auch wissensbasierte Systeme, Fuzzy-Sets, neuronale Netze) auf die Erfolge im Bereich der IuK-Anwendermärkte? Die Verbreitung der SW-Anwendungsbasis ist Voraussetzung für die Weiterentwicklung von Werkzeugen und von Hardware. Im Umkehrschluß: wird nicht in entsprechendem Maße mit Anwendungen gearbeitet, versiegt der Technologiestrom zwischen Werkzeugen und HW-Plattformen. Die Einführung von Standards in diesem Zusammenhang ist ambivalent: zum ei-
nen erlauben sie den ungehinderten Austausch von Anwendungen innerhalb des Architektur/Standard-Rahmens, andererseits dürfen sie nicht Hemmnis sein.
1.6 Welche Bedeutung haben die luK-Techniken zur Lösung von wichtigen Zukunftsproblemen wie Nahrungsmittelproduktion und -verteilung, umweltfreundliche Energieversorgung, umweltfreundliche Verkehrssysteme u.a.? 1.7 Welche Bedeutung hat dabei die anzuwendende Software? Ausgehend von der These, daß es in Zukunft kaum mehr Produkte des Maschinen-
und Anlagenbaus ohne die entsprechende Betriebs- und Anwendungssoftware geben wird, haben die luK-Technologien für die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie einen außerordentlich hohen Stellenwert, der nach unserer Auffassung nicht ausreichend erkannt ist. Leistungsfähige Systeme sind ohne Software nicht denkbar. 391
Hier sind der Einsatz von IuK-Technologien in den Bereichen ‚Messen — Steuern — Regeln‘, Logistik und Überwachung zu nennen. Die neuen luK-Technologien erlauben es, im Rahmen von Standardprodukten eine weitgehende Flexibilisierung auf Einzelkundenwünsche vorzunehmen. Damit erhöhen sie deutlich die Anwend-
barkeit und damit die Wettbewerbsfähigkeit von Produkten und sind in ihrer Anwendbarkeit keineswegs nur auf die angezogenen Anwendungsgebiete beschränkt.
Erst der Einsatz von Software im Verbund
mit zuverlässigen
Netzwerken
kann zu
komplexer verteilten Systemen für Umweltschutz, Verkehrsleitplanung, etc. führen. 1.12
Gibt es belegbare Beispiele dafür, daß ausländische Lieferanten und Mitbe-
werber ihre Marktstellung mißbräuchlich ausgenutzt haben z.B. durch Liefer-
beschränkungen
oder -verzögerungen?
Die Erweiterung von Steuerungen mittels Software ist bei japanischen Produkten
fast nicht möglich, da hier geschlossene Lösungen nur Zugang erlauben, wenn der
Steuerungshersteller Informationen zur Verfügung stellt. 1.13
Wie groß ist die Abhängigkeit der deutschen Software-Lieferanten?
Wirtschaft von ausländischen
Die Abhängigkeit der deutschen Softwareindustrie ist grundsätzlich hoch, da sämtliche Basissoftware (Betriebssysteme,
Netzwerksoftware) aus USA
stammen
und
damit die deutschen Softwareanbieter nicht im Besitz der Basistechnologien sind. Im Bereich der Werkzeuge hat Europa auch nur eine untergeordnete Rolle. Darüber hinaus läßt der US-Markt eine viel schnellere Verbreitung von Innovatio-
nen zu, die auf Grund ihres Mengeneffektes sehr schnell auch zu ‚„Quasi-Stan-
dards‘‘ werden, die wiederum das Handeln der deutschen Softwareindustrie stark mitbestimmen.
Nachdem z.B. FANUC einen beachtlichen, ständig wachsenden Steuerungsanteil hat, ist zumindest die Maschinenbau-Industrie in gewisser Weise von japanischen
SW-Lieferanten abhängig. 1.14
Wie beurteilen Sie die Dominanz US-amerikanischer Unternehmen auf dem Gebiet der Software und welche Schlußfolgerungen ergeben sich daraus für europäische Anwender?
Auf welchen
Software-Gebieten
sehen
Sie beson-
ders starke Abhängigkeiten und wo ergeben sich daraus Probleme für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und insbesondere der deutschen Industrie? Bislang haben sich aus der Abhängigkeit im Betriebssystembereich nur temporäre Unzulänglichkeiten und Probleme ergeben (Bsp. amerik. Zeichensatz — nicht verfügbarer deutscher Zeichensatz), jedoch könnte eine „Abschottungspolitik‘‘ der USA
in Sachen
Neuentwicklungen
für Betriebssysteme
(z.B.
Multiprozessorsy-
stem) zu erheblichen Benachteiligungen im internationalen Wettbewerb führen. 392
Probleme sehen wir dort, wo es uns nicht gelingt, frühzeitig an Entwicklungen teilzuhaben. Beispiel: NGC New Generation Controller Standard SOSAS. 1.16 Kann die deutsche Industrie auf die Eigenproduktion von Software als Basis für neue Anwendungssysteme in den verschiedenen Anwendungsbereichen von Produktion und Dienstleistungen verzichten? Geht man davon aus, daß z.B. der deutsche Maschinenbau eine weltführende Stellung einnimmt und darüber hinaus seine Stellung nur unter Einsatz leistungsfähiger Softwaresysteme weiter ausbauen kann, so ist eine eigenständige deutsche Softwareindustrie schon aus diesem Grunde unverzichtbar. Berücksichtigt man darüber hinaus die sog. „deutschen Gegebenheiten‘ (deutsche Buchhaltungssysteme, deutsche Fertigungsverfahren (Planungsmethodik)), so ist ersichtlich, daß zur Unterstützung dieser gewachsenen Strukturen ebenfalls eine leistungsfähige deutsche Softwareindustrie, auch als Partner für den Inlandsmarkt, notwendig ist. Viele Entwicklungen (z.B. im Maschinenbau) werden erst durch SW-Entwicklungen zu marktgängigen Produkten. 2.1
Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der euro-
päischen
Schwächen
luK- und Software-Industrie?
liegen vor allem
in zwei
Bereichen:
a) I- und K-Technologie und klassische Produktentwickung (z.B. Mechanik) ist noch nicht harmonisiert. Es werden noch nicht mit der erforderlichen Geschwindigkeit I- und K-Komponenten in Produkten eingesetzt. Wenn das geschieht, dann lediglich im oberen Preisende. Gegensatz: Neuronale Netze in Verbindung mit Fuzzy Logic in japanischen Staubsaugern. b) Die Struktur der deutschen SW-Industrie führt zu Nischenlösungen mit lokaler Bedeutung. Eine starke, auch auf Produktionsinnovation ausgerichtete SW-Industrie ist nicht sichtbar. 2.2
Welches sind die Stärken und Schwächen a) der deutschen und b) der europä-
ischen Anwenderindustrie bei der Nutzung der neuesten Entwicklungen der luK-Techniken und der Software?
Aus unserer Sicht sind die wesentlichen Stärken der deutschen Anwenderindustrie ihre Fokussierung auf exportfähige Systeme. Die Schwächen liegen in einer starken Konzentration auf Eigenentwicklungen und damit in einer zu geringen Nutzung der Potentiale leistungsfähiger kleiner und mittelständischer Softwareunternehmen. 2.3 Inwieweit sind Schwächen der deutschen luK-Industrie auch das Ergebnis einer unzureichenden Ausrichtung von Unternehmensstrategien auf die globalen Märkte? 393
Hier liegt in der Tat ein wesentlicher Grund. Die bisherige Export-Statistik hat ein
falsches Bild der deutschen Exportstärke gezeichnet. Das meiste ist europäischer Binnenmarkt mit einem erkennbaren japanischen Anteil durch Transplants u.a.m.
Nur wenige Software-Firmen agieren wirklich im Ausland und sind dort auch erfolgreich. 2.8 Auf welche Basis der IuK-Techniken und auf welche Software-Bereiche sollte die deutsche Industrie ihre Kräfte in Zukunft konzentrieren?
1. IuK-Techniken: Hier sind es vor allem Netzwerkservice und Entwicklungswerkzeuge, die ihrerseits wieder netzwerkfähig
sein müssen;
2. Software-Bereiche: luK-verstärkter und gestützter weltweiter Vertriebsservice, globale Service-Konzepte (z.B. Fernservice), (z.B. ISO 9000-Support),
Info-System und Konzepte zur Lieferantensteuerung Konzepte zum Datenaustausch zwischen Unterneh-
men (z.B. EDIFACT-Anwendungen),
Logistik-support-Systeme.
Eine der wesentlichen deutschen Exportstärken ist der Maschinen- und Änlagenbau. Es sollte daher eine besondere Anstrengung gemacht werden, die auch in der Vorbemerkung ersichtliche Integration von zukünftigen Fertigungssystemen, die nur aufgrund der Existenz einer leistungsfähigen Softwareindustrie möglich ist, zu fördern. Hierzu sind sowohl Technologie- als auch Kooperationsförderung erforderlich. Die Konzentration sollte also vor allen Dingen die zukünftigen CIM-Systeme, als leistungstarkes deutsches Exportprodukt, verfolgen. 2.9 Welche unternehmenspolitische Maßnahmen zur Unterstützung der Stärken und zur Beseitigung der Schwächen in den luK-, Software- und Anwender-Bereichen wird die Industrie ergreifen? Die Großindustrie wird sich stark auf Unternehmenskommunikation, WerkzeugEntwicklung, Multi-Media und Basis-Anwendungen konzentrieren. Man erwartet eine sich bildende Partnerstruktur, die ergänzend tätig ist. Aufgrund
ihrer kleinen
bis mittelständischen
Struktur ist die deutsche
Software-
branche chronisch finanzschwach. Hier sind vor allen Dingen Schwächen im Bereich des Venture Financing und der systematischen Marketingentwicklung durch Maßnahmen wie z.B. in Nordrhein-Westfalen gezielt behebbar. 2.10
Welche FuE-Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit werden die deutsche IuK-Industrie, insbesondere auch die Software-Hersteller ergreifen?
Unseres Erachtens hat die deutsche SW-Branche im wesentlichen keine FuESchwächen (Ausnahme: Intensität der Kooperationen zwischen aktivitätsmäßig aneinander angrenzenden SW-Häusern). Die Hauptdefizite liegen im mangelnden 394
Marktzugang, der mangelnden Kapitalausstattung des an Innovationen durchaus reichen
2.13
deutschen
SW-Spektrums.
Ist eine staatliche Förderung der heimischen Software-Produzenten wirtschafts- und forschungspolitisch geboten? In welchen strategischen Bereichen sollten solche Fördermaßnahmen ggf. ansetzen und wie sollten sie aussehen?
Nicht Förderung ist geboten, sondern konzentrierte Aktionen. Im Rahmen von Kon-
sortionalverträgen ist eine abgestimmte Entwicklung möglich. Motto: gemeinsamer Rahmenplan, individuelle Realisierung. 2.19
Welche
wirtschafts-,
forschungs-
und
technologiepolitischen
Maßnahmen
von Wirtschaft und Staat sind erforderlich, um insbesondere den KMU im An-
wenderbereich (z.B. Maschinenbau) die neuesten luK-Techniken und Software-Entwicklungen frühzeitig zugänglich zu machen. Sowohl
bedürfen
neueste HW-Entwicklungen der
„Transformatoren“
(z.B. Komponenten) wie auch SW-Konzepte
in den
KMU.
Hierfür
sind
spezielle
Initiativen
(ausgesuchte Aufgaben für innovative Ingenieurbüros) denkbar. Ein neues Technologietransferprogramm
2.28
ist hier vorstellbar.
Welche staatlichen Anstrengungen zur verstärkten Beobachtung der japani-
schen Zukunftsvorstellungen sowie der technischen Entwicklungen findungen in Japan sind notwendig?
und Er-
Im Bereich der industriepolitischen Visionen scheint es im Vergleich zu den „MitiVisionen“ (vgl. „Visions for the Nineties‘‘ von Miti) ein erhebliches Defizit zu geben. Für eine erfolgreiche Durchsetzung von Hochtechnologien im Bereich der Informations- und Kommunikationstechniken ist ein aufgeschlossener (erschlosse-
ner) Markt unabdingbar. In diesem
Bereich
ist die Vorbildfunktion
der politiknahen
Institutionen wie auch
der Informationspolitik für die Öffentlichkeit im japanischen „‚Miti“-Vorbild ungleich besser gelöst. 2.31
Welche Bedeutung haben Normenvereinbarungen für die Wettbewerbsfähigkeit der IuK-Industrie? Welchen Einfluß soll der Staat auf die Normsetzungen nehmen?
Normen stehen erst am Ende einer Entwicklung. Wichtig ist es, Standardisierungsgremien frühzeitig einzuberufen und Zeitrahmen vorzugeben. Eine härtere Kontrolle (auf Aufwand und Zeit hin) z.B. bei CIM-OSA und anderen EG-Programmen ist nötig. Wir brauchen Standards, um den Austausch von SW und Daten zu beschleunigen. Normenvereinbarungen können Wettbewerb schaffen und unterbinden. Im Bereich der SW ist eine angemessene internationale Verbindung gegeben. Unbefriedigend ist jedoch die Repräsentanz der deutschen Softwareindustrie in diesen 395
internationalen
werden. 2.35
Normungsbemühungen.
Sie sollte ggf. auch verstärkt gefördert
Welche Kooperationen bzw. strategische Allianzen mit europäischen und auBereuropäischen Mitbewerbern in den Bereichen Mikroelektronik, Kommuni-
kationstechnik und Software-Entwicklung gibt es oder werden von der deut-
schen Industrie angestrebt? Engere
Kooperationen
zwischen
Informationstechnik-Herstellern
und großen
Ab-
nehmern zur Beschleunigung des Technologietransfers sind wünschenswert. Im Bereich strategischer Allianzen ist eine Zusammenarbeit der deutschen fertigungs-
nahen Softwarehersteller und Hardware-(Maschinenbau)Hersteller notwendig. Die-
se Zusammenarbeit soll vor allen Dingen optimierte und integrierte Gesamtsysteme hervorbringen und gleichzeitig die jeweiligen Stärken der Partner besser zur Geltung bringen. Die Leistungsfähigkeit der deutschen Softwareindustrie liegt vor allen Dingen in ihrer Innovationsfähigkeit. Diese Innovationsfähigkeit ist teilweise beeinträchtigt
durch
die
sehr
heterogene
Struktur
der
deutschen
Softwareanbieter
klein- bis mittelständische Unternehmensstruktur). Maßnahmen
zur Verstärkung von
Marktausrichtung
dieser
Kooperationen
innovativen
(extreme
und Allianzen sowie besserer
Pluralität würden
branche sicherlich weitere Stärke verleihen.
der deutschen
Software-
Ausgewählte Unterlagen zur Situation der informations- und kommunikationstechnischen Industrie —
Die europäische Elektronik- und Informatik-Industrie: Situation, Chancen und Risiken, Aktionsvorschläge (EG-Kommission, DG XlIll, 1991; ‚‚Pandolfi-Papier‘“:
SEC (91) 565 final}
— EUROBIT Position on the Information Technology Policy Concept of the Commission ofthe European Communities — SEC (91) 565 final — and Council Resolution of November
18, 1991.
—
Informationstechnik in Deutschland: Bericht über die Situation der informationstechnischen Branche und den Einsatz der Informationstechnik in der Bundesrepublik Deutschland (BMWi Dokumentation Nr. 310, 1991)
—
Zukunftskonzept
Informationstechnik (BMFT
und
BMWi,
1989)
— Forschung und Entwicklung für die Informationstechnik 1993 bis 1996, Förderkonzept des BMFT im Rahmen des Zuknftskonzepts Informationstechnik der Bundesregierung
(Diskussionsentwurf 23. April 1992)
— Die Zukunft der deutschen Software-Branche vor der Herausforderung des europäischen Binnenmarktes (IDC 1993) — Die Software-Industrie an der Schwelle zum Europäischen Binnenmarkt (Unternehmensberatung München (UBM), Kongreßvortrag, Frankfurt 1990) 396
ZENTRALVERBAND ELEKTROTECHNIKINDUSTRIE ZVEI e.V. Fachverband Kommunikationstechnik
UND
ELEKTRONIK-
1. Präambel Die Mitteilungen der Europäischen Kommission vom November 1990 über ‚Die Industriepolitik in einem offenen und wettbewerbsorientierten Umfeld‘‘ und vom April
1991 über „Die Europäische Elektronik- und Informatikindustrie: Situation, Chancen und Risiken, Aktionsvorschläge‘‘ haben erkennen lassen, daß auch für den
Sektor der Telekommunikation der Zeitpunkt des Handelns gekommen
ist.
Der ZVEI und die in ihm vertretenen Mitglieder des Fachverbandes Informationsund Kommunikationstechnik befürchten, daß sich die bestehenden Wettbewerbs-
verzerrungen durch die von der Kommission
eingeleitete Marktöffnung ab 1993 in
einem bisher unbekannten Maße geschäftsschädigend auf die nationale Herstellerindustrie von Telekommunikationsgeräten und -systemen auswirken werden, so daß der langfristige Bestand dieser Industrie insgesamt gefährdet erscheint. Die Erarbeitung eines EG-Papiers zur Darstellung der Situation der europäischen Telekommunikationsindustrie im internationalen Umfeld ist daher aus Industriesicht erwünscht und ist dringend erforderlich. Dabei
müssen
in der Diskussion
Wettbewerbsverzerrungen
mit der Kommission
nicht nur die bestehenden
zwischen den Herstellern der Europäischen
Gemein-
schaft mit ihren internationalen Mitbewerbern (EG-extern) dargelegt werden, sondern auch das Ausmaß der EG-internen Wettbewerbsverzerrungen behandelt werden.
Der Fachverband stützt sich in seinen Kernaussagen auf die Stellungnahme des ZVEI vom Juli 1991 (siehe Anlage). In Ergänzung dazu nimmt der Fachverband zum Bereich der Telekommunikation Stellung, da sich hier — bedingt duch den unterschiedlichen Stand der Liberalisie-
rung innerhalb der EG — die Situation und die Problematik der Industrie und die
der im Markt tätigen Netzbetreiber deutlich von denen in anderen Branchen der Elektroindustrie unterscheiden.
2. Die Internationalisierung des Wettbewerbs Liberalisierung und Marktöffnung haben in Europa zur Internationalisierung und In-
tensivierung des Wettbewerbs bei Telekommunikationssystemen
und -geräten ge-
führt. Gleichzeitig werden innerhalb der Europäischen Gemeinschaft die bisher nationalen
Telekommunikationsmärkte
geöffnet,
um
einen
gemeinsamen
europäi-
schen Markt zu schaffen. Europaweit geltende Richtlinien in den Bereichen öffentliche Beschaffung, Endgeräte und Zulassungsverfahren sowie europäische Stan397
dardisierungsinitiativen im Rahmen von ETSI (European Telecommunications Standards Institute) fördern diesen Prozess, insbesondere im bisherigen Ausnahmebereich der Telekommunikation.
Diese beiden Tendenzen werden grundsätzlich von der deutschen Telekommuni-
kationsindustrie begrüßt und unterstützt. Sie führen jedoch dazu, daß diese Indu-
strie in ihren bisherigen Stammärkten zunehmend Wettbewerbern begegnet, die aus der Marktverfassung ihrer Heimatländer weitreichende Wettbewerbsvorteile mitbringen. Dies gilt besonders für Wettbewerber aus USA und Kanada sowie aus Japan, aber für eine beträchtliche Übergangszeit auch noch für Wettbewerber aus der Europäischen
Gemeinschaft
oder den
EFTA-Ländern,
erhebliche staatliche Förderung und Schutz erhalten.
die zum Teil weiterhin
Da über die EG-externen Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ein Konsens leichter zu erreichen ist, als über das EG-interne Ungleichgewicht, bestehen die Gefahren, daß damit — die
wenn
Behandlung
der
EG-internen
nicht gar verdrängt werden
Wettbewerbsverzerrungen
könnte,
vernachlässigt,
— die kritische Analyse der bestehenden Wettbewerbsverzerrungen den Eindruck einer einseitigen Wirtschaftspolitik erwecken könnte. Es ist deshalb dringend erforderlich, auf einzelne Arten der Wettbewerbsverzerrungen und entsprechende Maßnahmen zur Abmilderung ihrer negativen Auswirkungen auf die nationale Herstellerindustrie einzugehen. Häufige Ursache solcher Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der ausländischen Mitbewerber ist deren vertikale Integration als Hersteller und Netzbetreiber bzw. Diensteanbieter. Die in Deutschland ordnungspolitisch verbotene Vereinigung von sehr großer Beschaffungsmacht und Herstellerinteressen in einem Unternehmen eröffnen Finanzierungs- und Subventionsmöglichkeiten, die sonst nicht möglich sind. Dies gilt insbesondere für die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung, die in der Telekommunikationsindustrie teilweise mehr als 20 % vom Umsatz betragen." Außerdem verfügen diese vertikal integrierten Unternehmen als Netzbetreiber über interne (captive) Märkte, die dem Wettbewerb von außen nicht zugänglich sind, aber dem vertikal integrierten Hersteller große Planungssicherheit und Kostenvorteile bringen sowie seine Investitionsrisiken deutlich verringern. In anderen Ländern (zum Teil auch innerhalb, besonders aber außerhalb der EG) sind auch jenseits der klassischen vertikalen Integration Formen einer engen, zeit*) siehe H. Grupp, T. Schnöring:
Forschung
und Entwicklung für die Telekommunikation
Internationaler Vergleich mit zehn Ländern — Band I: USA, Japan, Frankreich, Großbritannien (Springer-Verlag 1990) Band
398
Il: Italien, Spanien, Süd-Korea, Niederlande, Schweden,
Bende Bewertung (Springer-Verlag 1991)
—
Deutschland und abschlie-
lich früh ansetzenden
strategischen
3. Grundsätzliche rungen
Formen
Zusammenarbeit
zwischen
Netzbetreibern
und Herstellern festzustellen, die sich nicht an Sonderwünschen nationaler Betreiber, sondern an der Durchsetzbarkeit im Weltmarkt orientieren und sich in hohem Maße nach den Herstellerinteressen ausrichten.
der
Die Schaffung eines gemeinsamen
bestehenden
Wettbewerbsverzer-
Marktes in der Europäischen Gemeinschaft,
der durch die Intensivierung des Wettbewerbs die Industrie strafft, stärkt und damit fördert, ist ganz im Sinne der deutschen Industrie. Grundvoraussetzung jedoch ist
die Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen innerhalb dieses gemeinsamen Marktes.
Die gravierendsten, grundlegenden, strukturell bedingten Diskrepanzen innerhalb
der Europäischen —
Gemeinschaft
sind:
Die Sektorenrichtlinie der Europäischen
Gemeinschaft
tritt nicht einheitlich in
Kraft, weder zeitlich noch in bezug auf die Durchführung. So haben einige Länder Ausnahmeregelungen bis 1996/98. In einigen Ländern besteht eine starke Verflechtung — etwa durch Kapitalbeteiligung — zwischen öffentlichem Betreiber und einem oder wenigen Herstellern auf nationaler Ebene. Es muß auch für die Zukunft befürchtet werden, daß solche Unterschiede zu bedeutenden Unter-
schieden im Einkaufsverhalten führen werden. So haben —
auch
die bestehenden
Richtlinien bisher nicht verhindert, daß
Übernahmen von oder Beteiligungen an anderen Firmen innerhalb der Europäi-
schen Gemeinschaft in einigen Ländern nationalen Strategien unterliegen, die
nicht marktwirtschaftlich orientiert sind, sondern die von den jeweiligen staatlichen Organen wesentlich mitbestimmt werden.
— die Finanzierung von Forschung und Entwickung (FuE) in der Europäischen Gemeinschaft sehr unterschiedlich ist”, obwohl schon heute die Kosten für FuE die Wertschöpfung
in der Fertigung wesentlich
übersteigen.
D.h. vom
öffentli-
chen Betreiber oder dem Staat bezahlte FuE kann vom konkurrierenden Her-
steller überhaupt werden.
nicht durch
Rationalisierung
in der Produktion
kompensiert
— eine einseitige Anwendung des Kartellrechts innerhalb der EG die Marktpositionsentwicklung einzelner Unternehmen in der EG in jüngster Vergangenheit
national unterschiedlich gefördert oder behindert hat. Das Kartellrecht in der Bundesrepublik Deutschland ist wesentlich restriktiver als das Kartellrecht in
anderen Ländern.
*) siehe Fußnote auf Seite 398
399
— Auch hat die rein regionale Betrachtung der Marktsituation der Kommission zu einer
Bevorzugung
von
Nicht-EG-Firmen
bei
Unternehmensübernahmen
ge-
führt. Die so geschaffenen neuen Marktpositionen wirken jedoch in Zukunft in verstärktem Maße wettbewerbsverzerrend. Mit Inkrafttreten der Sektorenrichtlinie wird de facto der Zugung von Herstellern au-
Berhalb
der
Europäischen
Gemeinschaft
vollkommen
geöffnet.
Diese
Intensivie-
rung des Wettbewerbs zur Stärkung der Leistungsfähigkeit der europäischen Industrie wird begrüßt, wenn Chancengleichheit gesichert ist. Es bestehen jedoch ebenfalls gravierende, strukturell bedingte Unterschiede in den Wettbewerbsbedingungen für die Hersteller außerhalb der Europäischen Gemeinschaft im Vergleich zu den Binnenmarktproduzenten. Sie führen zu folgenden grundsätzlichen
Wettbewerbsverzerrungen: —
Viele Märkte außerhalb der Gemeinschaft
mit unabängiger
nationaler Herstel-
lerindustrie sind für Hersteller der Gemeinschaft nur sehr schwer zugänglich. Trotz mancher Verbesserungen besteht weiterhin ein erheblicher Rückstand gegenüber dem europäischen Markt, der durch die Sektorenrichtlinie geregelt wird.
Dieses zeigt sehr deutlich schon die Handelsbilanz (Basis 1990): — In den Ländern des wirklich offenen Wettbewerbs (,,ROW‘'‘) hat die Gemeinschaft einen
—
Exportüberschuß
von
mehr als 2 Mrd
ECU.
In den Ländern mit eigener unabhängiger Herstellerindustrie ist die Handelsbi-
lanz negativ. Das Defizit entspricht etwa der Marktgröße und den Marktzutritts-
barrieren.
Die Handelsbilanz
—
mit den EFTA-Ländern ist fast ausgeglichen, d.h. der Exportüberschuß aus Schweden wird weitgehend kompensiert,
—
mit Fernost, ohne Japan,
—
mit den
—
mit Japan ist absolut einseitig (Export nach Japan vernachlässigt) sehr negativ und stark ansteigend.
USA
ist negativ mit steigender Tendenz,
ist seit langem
stark negativ mit leicht steigender Tendenz,
— Die größten und schärfsten Wettbewerber außerhalb der Gemeinschaft sind in unterschiedlichem Ausmaß mit dem nationalen Betreiber vertikal integriert. Die Art der vertikalen
Integration ist unterschiedlich,
sie reicht von der Firma,
die der größte Hersteller und gleichzeitig einer der größten Betreiber der Welt
ist, über mehrheitlichen Besitz der Herstellerfirma durch den Betreiber oder die
Muttergesellschaft des Betreibers über enge Kooperationen, gemeinsame Gesellschaften (z.B. zur Entwicklung) zwischen Betreiber und Hersteller bis zum fernöstlichen Modell. — Schließlich genießen die großen internationalen Wettbewerber noch den Vorteil großer und einheitlicher nationaler Märkte (Nordamerika und Japan) und damit 400
großer Fertigungsvolumina in ganz wenigen Fabriken und kaum landes- bzw. kundenspezifische Anpassungsentwicklungen.
Die Situation innerhalb der EG
ist für die europäische Industrie wesentlich ungünstiger.
Zwar werden durch ETSI in stärkerem Maße europäische Normen entstehen, es
fehlt jedoch eine gemeinsame europäische Netzkonzeption. Die Netze sind aus ihrer Tradition technisch auf absehbare Zeit sehr unterschiedlich. Kostensenkungen aufgrund von großen Produktionsvolumina (economies of scale) können daher zunächst nicht wirksam werden. In einzelnen Ländern besteht zusätzlich die Praxis, nationale Industrien (national champions) beim Export in Drittländer politisch stark zu unterstützen und beson-
ders günstige staatliche Finanzierungsmöglichkeiten oder Kreditabsicherungen zu bieten. Solche Möglichkeiten und Verfahren, die den gängigen, marktwirtschaftlichen Ideen widersprechen, stehen deutschen Unternehmen nicht in dem Umfang
zur Verfügung und können in dieser Dimension auch nicht durch technische Exzellenz oder herausragende Produktivität ausgeglichen werden. 4. Politischer
Handlungsbedarf
Wie die jüngste Analyse des Bundesministeriums für Wirtschaft über die Informationstechnik in Deutschland (No. 310) zeigt, gehört die deutsche kommunikationstechnische Industrie zu den wenigen Elektronikbranchen, die technisch an vorderster Front international wettbewerbsfähig und leistungsstark geblieben ist. Die Bedeutung einer eigenständigen und leistungsstarken Herstellerindustrie für den
Ausbau der modernen Telekommunikationsinfrastruktur ist unbestritten.
Die Evolution des Telekommunikationsdienstemarktes ist stark technologieabhängig. Eine weitgehende Abhängigkeit der Netzbetreiber und Diensteanbieter von Herstellern außerhalb Europas
ist deshalb weder technisch noch politisch vertret-
bar. Die deutsche Telekommunikationsindustrie ist gegenwärtig noch genügend
leistungsstark, um sich dem harten, internationalen Wettbewerb erfolgreich zu stel-
len und sich im Wettbewerb zu stärken. Voraussetzungen sind allerdings vergleichbare wirtschaftliche Rahmenbedingungen und faire Spielregeln. Hierfür sind politi-
sche Maßnahmen,
sowohl
innerhalb der Europäischen
Gemeinschaft als auch im
Verhältnis zu den EFTA-Ländern, den USA, Kanada und Japan, dringend notwendig, um diese fortbestehenden Wettbewerbsverzerrungen, soweit politisch durchsetzbar, zu beseitigen
oder zumindest
abzumildern.
Die marktwirtschaftlich und industriepolitisch beste Lösung wäre, wenn alle Handelsaustausch im Bereich der Telekommunikation interessierten Länder gleichen Spielregeln einführen würden, d.h. zum Beispiel die Finanzierung FuE-Aufwendungen über Marktpreise und das Verbot der vertikalen Integration großen Beschaffungsmonopolen oder -oligopolen.
am die der bei
Nach den bisher vorliegenden Erfahrungen sind diese marktwirtschaftlichen Ideal-
vorstellungen
nicht einmal
innerhalb der Europäischen
Gemeinschaft
mittelfristig
401
politisch durchsetzbar.
Die laufenden
GATT-Verhandlungen
müssen
in diesem
Punkt leider noch wesentlich pessimistischer beurteilt werden. Z.B. will man in den
USA gerade den RBOC's, die sehr aggressiv in den europäischen Markt drängen, wieder die vertikale Integration gestatten. In Anbetracht
chen
dieser
Bedrohungen,
und ordnungspolitischen
die aus
unterschiedlichen
Rahmenbedingungen
marktwirtschaftli-
resultieren, muß daher die
deutsche Telekommunikationsindustrie darauf drängen, daß so schnell wie irgend
möglich europaweit und international harmonisierte Spielregeln politisch durchgesetzt werden. Dabei ist es weniger wichtig, daß marktwirtschaftliche Idealvorstellungen realisiert werden, als daß einheitliche, ausgewogene Rahmenbedingungen geschaffen werden. Hier muß sehr kurzfristig gehandelt werden, wenn nicht die deutsche Telekommunikationsindustrie durch unfaire Handelspraktiken zerstört oder an den staatlichen
Subventionstropf gedrängt werden soll. 5. Maßnahmen
In Anbetracht der internationalen Verflechtungen, der gestaffelten Verantwortlichkeiten und der unterschiedlichen Möglichkeiten der Einflußnahme schlägt der Fachverband Maßnahmen auf drei Handlungsebenen vor: l. ll. Il.
International Europäisch National
5.1
Internationale
Maßnahmen
Im Rahmen der GATT-Verhandlungen, aber auch bei bilateralen Gesprächen über Handelsabkommen
zwischen
der
Europäischen
sen Verhandlungen
nur das Wechselspiel
Gemeinschaft,
EFTA-Ländern,
den USA/Kanada oder Japan, muß dringend ein Konsens bezüglich der gemeinsam durchsetzungsfähigen, handelspolitischen Rahmenbedingungen und Spielregeln gefunden werden. Diese Verhandlungen der Europäischen Gemeinschaft müssen durch die Bundesregierung, möglichst in Abstimmung mit anderen Mitgliedsländern der Gemeinschaft, flankiert werden. Da die europäischen Mitgliedsländer und die Gemeinschaft bereits ab 1993 den gemeinsamen europäischen Markt auch für den Bereich der Telekommunikation schaffen wollen, sollte bei diezwischen
diesem
europäischen
Markt
und den Märkten in Drittländern zur Diskussion stehen. Insbesondere muß erreicht werden, daß diese Märkte den europäischen Anbietern zu gleichen Bedingungen offenstehen wie der europäische
Markt.
Wenn marktwirtschaftliche Idealvorstellungen nicht kurzfristig einheitlich durchsetzbar sind, müssen vor Inkrafttreten der Sektorenrichtlinie vorübergehend Maß-
nahmen — etwa auf nationaler Ebene — erarbeitet und eingesetzt werden, die die
gravierenden Auswirkungen
vertikalen
402
Integration
und
der Wettbewerbsverzerrungen
der unternehmensfremden
—
insbesondere der
FuE-Finanzierung
—
kom-
pensieren. Wenn
langfristig die Ausgleichung der Industriestrukturen in den wichti-
gen Wirtschaftsräumen wenig wahrscheinlich erscheint, wird eine grundsätzliche und einheitliche Lösung dieses Problems auf Gemeinschaftsebene unumgänglich. 5.2 Maßnahmen
auf der Ebene der Europäischen
Gemeinschaft
Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft müssen die Rahmenbedingungen und Spielregeln kurzfristig harmonisiert, vereinheitlicht und durchgesetzt werden,
wenn der europäische Binnenmarkt im Bereich der Telekommunikation ab 1993 Wirklichkeit werden soll. Hier ist die Europäische Kommission in ihrem Zusammen-
wirken mit den Regierungen der Mitgliedsländer und den politischen Kräften auf europäischer
und
nationaler
Ebene
gefordert,
europaweit
konsensfähige,
wirt-
schaftliche Rahmenbedingungen zu finden und in die Tat umzusetzen’. Der Abbau der bestehenden internationalen Wettbewerbsverzerrungen hat Vorrang vor dem Streben nach marktwirtschaftlichen Idealformen, so begrüßenswert sie grundsätzlich sind. Auch hierbei sind die Konsensfähigkeit und kurzfristige Durchsetzbarkeit wichtiger. Insbesondere müssen dringend die unterschiedlichen Finanzierungssysteme für Forschung und Entwiclung so harmonisiert werden, daß international vergleichbare Ausgangsbedingungen im Wettbewerb entstehen. Außerdem müssen die neuen europäischen Beschaffungs- und Zulassungsrichtlinien in allen Staaten gleichzeitig wirksam werden. Gegenwärtig haben die Industrien in den Staaten,
die EG-Richtlinien zügig einführen, wirtschaftliche Nachteile.
Die industriepolitischen Überlegungen der Kommission und ihre Diskussion im Ministerrat müssen 5.3 Nationale
daher schnellstens zu konkreten
Maßnahmen
führen.
Maßnahmen
In Deutschland ist der Deutschen
Bundespost TELEKOM
das Monopol für das Te-
lekommunikationsnetz und für den Telefondienst übertragen worden. Diesem Monopotrecht steht die Verpflichtung gegenüber, durch zukuntsorientierte Dienste und Netzausbaustrategien der deutschen Volkswirtschaft auf Dauer eine moderne, leistungsfähige Infrastruktur zu bieten. Im Monopolbereich ist die Deutsche Bun-
despost TELEKOM praktisch alleiniger Käufer von Netzsystemen in Deutschland, wenn man von den vergleichbar geringen Beschaffungsvolumen von Netzbetreibern wie der Deutschen Bundesbahn oder den Energieversorgungsunternehmen absieht. Aus dem Monopolrecht und der damit verbundenen Macht als Monopolbeschaffer erwächst der Deutschen Bundespost TELEKOM eine zusätzliche industriepolitische Mitverantwortung für die Erhaltung der nationalen Herstellerindustrie, wenn diese —
wie bekannt —
unfairen,
internationalen Wettbewerbsverzerrungen
und
*) In der „Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes‘ (Drucksache 11/2855 vom 2.9.1988) hat das Kabinett sehr frühzeitig die Verpflichtung übernommen, für die Harmonisierung zu sorgen.
403
Kampfpreisen ausgesetzt ist, die durch Kooperationsmechanismen bis hin zu Sub-
ventionen in anderen Ländern möglich werden. An einer leistungsfähigen, im internationalen Maßstab führenden Telekommunikationsindustrie muß die Deutsche Bundespost TELEKOM
auch
als Investor interessiert sein, um
marktnahe
Liefer-
quellen für ihre Systeme und Geräte zu erhalten und um ihrer geschäftspolitischen Verpflichtung zur Innovation nachkommen zu können. Außerdem wäre die Abhängigkeit von ihren internationalen Mitbewerbern nachteilig, die häufig vertikal integriert sind oder direkt bzw. über Militäraufträge indirekt vom Staat subventioniert werden und eigenstaatliche industriepolitische Ziele verfolgen. Wenn in einzelnen europäischen Ländern die EG-Richtlinien zu unterschiedlichen Zeiten wirksam werden, müssen die hieraus entstehenden wirtschaftlichen Nach-
teile durch die nationale Beschaffung ausgeglichen werden, bis wieder Chancengleichheit hergestellt ist. In Anbetracht dieser volkswirtschaftlich wichtigen Verantwortung der Deutschen Bundespost
TELEKOM
und
den daraus
erwachsenden
finanziellen Verpflichtun-
gen sollte sie nicht länger als Finanzierungsquelle für politische Initiativen außerhalb ihres engeren geschäftlichen Umfeldes genutzt werden. Hierzu bedarf es des Konsenses und der konzertierten Aktion zwischen dem Bundesminister für Post
und Telekommunikation, dem Bundesminister für Finanzen und dem Bundesminister für Wirtschaft, um die Deutsche Bundespost TELEKOM von sachfremden Be-
lastungen zu befreien und die ihr aus den Monopolrechten pflichtungen zu verdeutlichen.
erwachsenden
Ver-
In diesem Sinne muß auch die Verantwortung für die Finanzierung von reinen Forschungsvorhaben wie bisher beim Bundesministerium für Forschung und Technologie bleiben, auch wenn die Deutsche Bundespost TELEKOM im eigenen unternehmerischen Interesse zusätzlich Grundlagenforschung selbst betreiben und/oder in Auftrag geben muß. Bis zur Durchsetzung europaweit und international
harmonisierter Rahmenbedingungen und Spielregeln muß die Deutsche Bundespost TELEKOM in ihrem Beschaffungsverhalten sich an dem von vertikal integrierten Mitbewerbern orientieren, d.h. nationale Beschaffung präferieren. Dies liegt auch im eigenen Interesse, um im internationalen Wettbewerb der technisch führenden Netzbetreiber und innovativen Diensteanbieter vergleichbare Chancen zu
haben. Dies bedeutet konkret
— Die Abstimmung der langfristigen Dienste- und Netzausbaustrategien zwischen der Deutschen
Bundespost
TELEKOM
und der deutschen
Industrie.
— Die Vergabe von Entwicklungsaufträgen für neue Systeme und Dienste an die deutsche Telekommunikationsindustrie sowie von Pilotprojekten, die die Regelbeschaffung vorbereiten. — Die Anwendung von Bonus-Malus-Systemen gegenüber Herstellern, um Wettbewerbsnachteile oder -vorteile auszugleichen. —
Die laufende Überprüfung und Anpassung der nationalen Vergaberichtlinien an die aktuellen, international praktizierten Spielregeln.
404
Stellungnahme der deutschen Elektro- und Elektronikindustrie zur Mitteilung der EG-Kommission (SEK(91)565 endg.) Die Elektronik, insbesondere die Mikroelektronik, wird immer mehr zur wichtigsten
Basisindustrie. Ihre Beherrschung ist der Schlüssel für Lebensfähigkeit und Fortschritt der modernsten Sektoren der Industrie und des Dienstleistungsbereichs. Verlust der europäischen Wettbewerbsfähigkeit in der Mikroelektronik wäre gleichbedeutend mit dem relativen Abstieg ständig wachsender Teile der Industrie, die diese Technik herstellen und anwenden, und eine zunehmende Abhängigkeit von Zulieferungen insbesondere aus Fernost. Der Verlust an Marktposition der europäischen Industrie, vor allem gegenüber den Anbietern aus Japan, ist nicht primär Ergebnis eines freien Spieles der Marktkräfte, sondern auf besondere Umstände zu-
rückzuführen.
Die EG-Kommission (EGK) hat die Schlüsselrolle der Mikroelektronik erkannt, die wesentlichen Ursachen von Leistungsdefiziten in Europa analysiert und erste Vorschläge für die Überwindung der Schwächen gemacht. Der ZVEI stimmt der Analyse der EGK weitgehend zu. Die folgenden Bemerkungen ergänzen die Beobachtungen der EGK und geben konkrete Anregungen vor allem
zur Verbesserung der Rahmenbedingungen aus der Sicht der deutschen Elektroin-
dustrie. l.
Gesamtwirtschaftliche
nik’
1.
Die europäische
Rahmenbedingungen
informationstechnische
für die Informationstech-
Industrie hat nur dann
eine Chance,
sich im Weltmarkt durchzusetzen, wenn es gelingt, ihre Kapitalbildungskraft anhaltend zu stärken. Es geht darum, sie in die Lage zu versetzen, die hohen und exponentiell weitersteigenden FuE-Kosten aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Gelingt das nicht, dann sind Aufholerfolge gegenüber der ostasiatischen Kon-
kurrenz nur mit (nicht wünschenswerten) schaftlichen Protektion zu erreichen.
Mitteln der außen- und binnenwirt-
2. Aus einer Reihe von zusätzlichen, nicht zuletzt sozio-ökonomischen Gründen ist die von Japan
eingeschlagene
Strategie für Europa nicht geeignet.
Der ei-
genständige europäische Weg muß in erster Linie über die generelle Verbesserung der Angebotsbedingungen führen und nicht über die Förderung einzelner Unternehmen. 3.
Solange in Europa noch souveräne Staaten bestehen, ist eine national differen-
zierte Vorgehensweise angebracht. Diese Trennung ist auch deswegen erforderlich,
weil
die
Kapitalbildungsvoraussetzungen
*) Die Informationstechnik
tionsverarbeitung, technik.
umfaßt
im wesentlichen
Telekommunikation,
in den
die Sektoren
Unterhaltungselektronik
einzelnen
Mikroelektronik,
und
europäi-
Informa-
Automatisierungs-
405
schen Ländern sehr verschieden sind. Das gilt vor allem für die direkten Steuern, die ein entscheidender Faktor der Kapitalbildung in den Unternehmen sind.
Das trifft aber auch für die großen Unterschiede des Lohn- und Produktivitätsniveaus zwischen den Zentren und der Peripherie der EG zu. 4. Es ist Aufgabe der nationalen Regierungen, dafür zu sorgen, daß die Ertragssteuer-Belastung
der Unternehmen
auf das
Maß
zurückgenommen
wird, das
eine Eigenfinanzierung risikoreicher Großprojekte erlaubt. Dabei geht es jedoch nicht nur um die Kapitalbildung in den großen Herstellerunternehmen, sondern um die Investitionstätigkeit schlechthin. Je größer die finanziellen Möglichkeiten der Anwenderunternehmen insgesamt sind, um so höher ist bei steigendem Mikroelektronik-Anteil das Investitionsniveau und um so schneller kommt es zur Erneuerung
des Produktionsapparates.
5. Eines der Probleme, das sich in diesem Zusammenhang ergibt, liegt darin, daß die Absorptionsfähigkeit der Anwenderseite infolge der bereits weitgehend verlorenen Massenmärkte der elektronischen Konsumgüter und datentechnischer Geräte in Europa nicht ausreicht für eine volle Expansion der MikroelektronikFertigung. Um so mehr richten sich positive Erwartungen auf die Durchsetzung
von HDTV. Das Potential dieser Technologie gehört auch quantitativ zu den wichtigsten Zukunftsfeldern der Anwendung integrierter Schaltkreise. Es ist daher eine zentrale strategische Frage, ob Europa auf diesem Gebiet eine technologische Spitzenposition einnehmen kann und die Unternehmen der europäischen Unterhaltungselektronik-Industrie als Massenanwender für integrierte Schaltungen erhalten bleiben und expandieren können. 6.
Ein zweiter makro-Öökonomischer Ansatz zur Verbesserung der Kapitalbildungs-
kraft europäischer Unternehmen ist die Berücksichtigung der technologischen Kapitalbildungsinteressen im Zuge von Lohntarifverhandlungen. Auch dies ist auf absehbare Zeit ebenfalls nur in nationalem Rahmen diskutierbar. Mit den Gewerkschaften haben die Unternehmen ein gemeinsames Interesse am Aufbau moderner,
technologie-intensiver und zukunftssicherer Arbeitsplätze.
Den
Gewerkschaften muß es darum gehen, dieses Ziel nicht nur in Unternehmen der Hochtechnologie zu erreichen, sondern möglichst in der Breite der Industrie. Nur wenn dieses im Vorgriff auf die absehbare weltweite Entwicklung gelingt, können die Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz als gesichert und ihre langfristigen Reallohnaussichten als günstig einschätzen. Unter diesen Umständen ist es dringend geboten, die Gewerkschaften weit mehr als in der Vergangenheit mit den damit zusammenhängenden Fragen der Technologieentwicklung zu konfrontieren. Welche Bedeutung die Lohnentwicklung für die Kapitalbildung der Unternehmen hat, ergibt sich bereits daraus, daß jeder Prozentpunkt, um den die Löhne weniger steigen, für die Unternehmen in Deutschland mit einer Kostenentlastung in der Größenordnung von 15 Milliarden DM p.a. verbunden ist.
7. Eine immer wichtiger werdende Aufgabe im Rahmen der Technologie-Entwicklung ist die Anwendungsförderung.
406
Es geht darum, potentiellen Anwendern der
Mikroelektronik dabei zu helfen, die für ihre Verfahren und Produkte am besten geeignete Technologie zu finden und einzusetzen. Angesichts der zunehmenden Komplexität der Anforderungen ist dabei die enge fachliche Kooperation
von IC-Hersteller und Anwender erforderlich, wenn es zu optimalen Lösungen kommen soll. Weil hierbei vielfach ein vollständiger gegenseitiger Wissen-
stransfer notwendig ist, entsteht eine gegenüber dem bisherigen intraindustriellen Wettbewerb neue Marktform. Sie basiert weniger auf der Anbieterkonkurrenz, als auf dem Vertrauen des Anwenders darin, daB das von ihm an den ICHersteller transferierte Know-how nicht zu seinem Schaden ausgebeutet wird. Es spricht einiges für die Annahme,
daß diese Erwartung von einem vertrauten
inländischen Hersteller eher erfüllt wird als von fremden. Anwendungsförderung, wie sie etwa im JESSI-Programm vorgesehen ist, kann zu einem nicht geringen Teil als Mittelstandspolitik verstanden werden.
In dem
Maße wie sie da-
bei die Defizite kleiner und mittlerer Unternehmen auf dem FuE-Gebiet ausgleicht, hilft sie, den Konzentrationsprozeß zu dämpfen. Damit wird dem gesellschaftlichen Ziel einer durchmischten ‚ausgewogenen‘ Angebotsstruktur der Volkswirtschaft entsprochen.
Insoweit ist Anwendungsförderung zugleich auch
betriebsgrößenorientierte Strukturpolitik. Die damit verbundene Erweiterung des Förderziels rechtfertigt den Einsatz staatlicher Mittel. Ähnlich wie bei der steuerpolitischen Stärkung der Kapitalbildungskraft hat auch die direkte Anwendungsförderung den indirekten Effekt der Marktvergrößerung und der Risikodämpfung für die IC-Hersteller. . Angesichts der Dimension, die der Kapitalbedarf vor allem für die Fortentwicklung der Mikroelektronik angenommen hat, verstärkt sich die Tendenz zur FuEKooperation zumindest im „vorwettbewerblichen‘‘
Raum.
Diesem
berechtigten
Anliegen muß die staatliche Wettbewerbspolitik entsprechen, wenn vermieden werden
soll, daß das Risiko für die IC-Hersteller prohibitiv wird. Auch
die EG-
Wettbewerbspolitik muß dies berücksichtigen. Mit den dazu vorliegenden wettbewerbsrechtlichen Freistellungen des EG-Vertrages ist sie bereits auf dem richtigen Weg. Eine Erschwerung liegt allerdings darin, daß die Fortentwicklung der Chip-Technologie
sich nicht auf FuE
begrenzt,
sondern
auch die Herstel-
lung von marktrelevanten Serien erfordert. Unter diesen Umständen ist die klare Trennung
von
‚vorwettbewerblich‘‘
und
„wettbewerbsrelevant‘
nicht ein-
deutig möglich. Die europäischen Hersteller müssen aber davon ausgehen können, daß ihre Kooperationsinteressen
nicht kleinlich, sondern
im Blick auf die
Intensität des weltweiten Wettbewerbs und der Kürze der Produktzyklen groß-
zügig beurteilt werden.
. Mitteilung der EG-Kommission Grundsätzliche
. Die deutsche
Bemerkungen
Elektroindustrie
(Ziffern
begrüßt,
1-31)
daß die EG-Kommission
die Industrie-
sektoren Mikroelektronik, Informationsverarbeitung und Unterhaltungselektronik als erste Anwendung
des von ihr entwickelten industriepolitischen Konzep-
407
tes (‚‚Industriepolitik in einem offenen und wettbewerbsorientierten Umfeld“, Mitteilung der Kommission vom 16.11.1990) ausgewählt hat. Diese haben eine entscheidende infrastrukturelle Funktion für die Wettbewerbsfähigkeit aller Produktionsstrukturen und Dienstleistungen der Volkswirtschaft mit erheblichen Auswirkungen auf die Beschäftigungslage. Dies gilt auch für den Sektor der Telekommunikation, für den möglichst rasch ebenfalls industriepolitische Vorstellungen entwickelt werden sollten. Die Mitteilung der Kommission beschränkt sich bezüglich Analyse und zu ergreifende Maßnahmen im wesentlichen auf die für alle Bereiche geltenden Gemeinsamkeiten. Dies ist sicherlich der richtige Ansatz; doch ist es notwendig, in einem zweiten Schritt Analyse und Maßnahmen sektoral weiter zu detaillieren. Der ZVEI wird hierzu konkrete Beiträge leisten. 2. Die Kommission beschreibt die schwierige Lage dieser Industriesektoren in Europa und analysiert die Ursachen: Die durch die Handelsbilanz ausgewiesene unzureichende
Wettbewerbsfähigkeit
in den
Sektoren
Bauelemente,
Informa-
tionsverarbeitung und Unterhaltungselektronik hat vor allem strukturelle Ursachen, die sektoral unterschiedlich zu bewerten sind, nämlich — ungünstige Nachfragebedingungen durch Zersplitterung des europäischen Gemeinschaftsmarktes,
nicht
genügend
innovative
Erstanwender,
mangelnder Zugang zu wichtigen großen Absatzmärkten,
sowie
— schwierige Angebotsbedingungen durch einseitige Verschärfung der Wettbewerbsregein in Europa, einseitige Öffnung des europäischen Marktes gegenüber der Außenwelt, hohe Kosten für Kapitalinvestitionen, unzureichende Verfügbarkeit qualifizierten Personals, — unzureichende Kooperation zwischen den Unternehmen, relativ geringe vertikale Integration und lückenhafte Beziehungen zwischen Hertellern und Anwendern.
Eine weitere Ursache liegt im massiven Eingreifen der Regierungen zur Förderung der industriellen Entwicklung, vor allem in Japan, und in Südostasien.
aber auch
in den
USA
Auch weist die Kommission auf die Schwierigkeiten europäischer Unternehmen hin, die gleichen absoluten Beträge für Forschung, Entwicklung und Produk-
tionsinvestitionen aufzubringen wie ihre japanischen
und amerikanischen
Mit-
bewerber. Dabei stellt sie auch zu Recht die Frage, ob eine enge Beschränkung der FuE-Politik auf den vorwettbewerblichen Bereich noch zeitgemäß ist.
9. Angesichts der Situationsbeschreibung und gründlichen Analysen ist es bedauerlich, daß die Kommission in dieser Mitteilung für die betrachteten Sektoren keine klareren Aussagen macht —
zu den substantiellen Zielen
ihrer (industrie-Jpolitischen Vorschläge,
— zur Verantwortung sowohl der Gemeinschaft wie der Mitgliedstaaten für die Realisierung der Voraussetzungen, die für eine auf dem Weltmarkt wettbe408
werbsfähige und für die gesamte Volkswirtschaft als Infrastruktur unverzichtbare informationstechnische Industrie erfüllt sein müssen und — wie insbesondere die derzeit unzureichende Kapitalbildungskraft der Unternehmen, die eine wesentliche Ursache für die gegenwärtige Situation ist, behoben werden kann. . Ohne diese Präzisierung von Zielen und Verantwortlichkeiten bleibt auch die Frage ungelöst, mit welchen gegebenenfalls zusätzlichen Instrumenten und auf welcher Ebene die von der Kommission vorgeschlagenen Aktionen realisiert
werden und woran ihr Erfolg zu messen sein wird. Damit fehlen noch wesentliche Voraussetzungen für einen kohärenten politischen Ansatz, der von der
Kommission und den Mitgliedstaaten einheitlich und ohne regionale Widersprüchlichkeiten umgesetzt und von den Unternehmen zur Stützung ihrer eigenen Geschäftsstrategien aufgegriffen werden kann.
. Zweifellos ist Wettbewerbsfähigkeit ohne Initiative und entsprechende bereitschaft und Einsatz der Unternehmen nicht zu erreichen.
Risiko-
Der Kommission ist zuzustimmen, wenn sie feststellt, daß unter den gegenwärtigen Marktzugangsbeschränkungen eine Amortisierung der getätigten Investitionen über den Marktpreis in Frage gestellt ist. Damit die notwendigen Finanzmittel für Forschung, technische Entwicklung und Produktionsinvestitionen unternehmerisch
verantwortet werden
können
und der Kapitalmakrt zu einer er-
höhten Bereitstellung von langfristigem (Risiko-) Kapital angeregt werden kann, muß
der Zugang
zu den
derzeit verschlossenen
Teilen
des Weltmarktes
währleistet werden. Dies gilt insbesondere für die Mikroelektronik.
ge-
. Das vorgelegte Papier mit Aktionen in den Feldern Nachfrage, Technologie, Bildung, Außenbeziehungen und Umfeld der Unternehmen geht einen notwendigen und wesentlichen Schritt über die bisherige Politik in der Gemeinschaft hinaus. Es müssen umfassend günstige, international vergleichbare Rahmenbedingungen für die Aktivitäten dieser Industriezweige und die Unternehmen in der Europäischen Gemeinschaft geschaffen werden, und es muß der gesamte Innovationsprozeß von der Forschung über die Entwicklung bis zur Markteinführung betrachtet
und geeignet gefördert werden.
In diesem Zusammenhang ist die Feststellung wichtig, daß die eigenständige Beherrschung von wesentlichen Technologien, wie beispielsweise der Mikro-
elektronik, Voraussetzung für die internationale Kooperationsfähigkeit und da-
mit für die Verbreitung der Wissensbasis und einen ausgewogenen Technolo-
gieaustausch
ist.
. Es ist erforderlich, daß die Mitgliedstaaten die von der Kommission gemachten Vorschläge positiv aufgreifen, um sie gemeinsam mit der Industrie und der Kommission in eine schlüssige Politik mit konkreten Maßnahmen umzusetzen.
409
A. Aktionen im Bereich der Nachfrage (Ziffer 32-36) 1. Stimulierung der öffentlichen Nachfrage nach innovativen Produkten und Systemen der Informationstechnik kann, wie es das Beispiel USA zeigt, ein wesentlicher Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit dieser Industrie sein. Er wird nur erfolgreich sein, wenn geeignete Anwender und Hersteller eng zusammenarbeiten und erhebliche Mittel zur Finanzierung der notwendigen Vorleistungen bis zur Markteinführung in Europa mobilisiert werden können. Wichtig ist, sich auf wenige Projekte zu konzentrieren, die rasch zum Durchlaufen der Lernkurve für die betroffene Industrie führen. Dies gilt auch für das vorgeschlagene Telematiknetz der Verwaltungen. Es sollte in einer ersten Stufe auf der Basis
bestehender
Netze
von
den
Mitgliedstaaten
und
mit Unterstüt-
zung durch die Kommission zügig verwirklicht werden, damit es die erwartete Wirkung
auf die Entwicklung
der Industrie erreichen
. Innovative Informationstechnik kann auf allen Ebenen
kann.
und in vielfältiger Weise
auch bei der Durchführung der Aufgaben in öffentlicher Verwaltung und Infrastruktur helfen. Um diese Möglichkeiten verstärkt zu nutzen, sollten die Regelwerke für die öffentliche Beschaffung so gestaltet werden, daß innovative Verfahren und Produkte begünstigt werden, wenn sie volkswirtschaftlich von Vorteil sind. Bei Wettbewerbsstrukturen mit dominierenden Anbietern aus Nicht-EG-Ländern oder bei handelspolitisch diskriminierendem Verhalten anderer Wirtschaftsregionen sollte das Beschaffungswesen der öffentlichen Auftraggeber unter Berücksichtigung des Wettbewerbs in geeigneter Weise eine Präferenz
für europäische Anbieter herbeiführen.
B. Aktionen im Bereich der Technik (Ziffer 37-38)
1. Die Gemeinschaft sollte eine zweite Phase der Forschungs- und Technologieförderung nicht nur in Erwägung ziehen, sondern in die Tat umsetzen. Wichtig ist auch eine Harmonisierung der nationalen FuUE-Maßnahmen, um hierdurch verursachte Wettbewerbsverzerrungen, insbesondere im Bereich der Telekommunikation, zu beheben. Die Forschungsförderung ist bislang sowohl in der EG als auch auf der nationalen Ebene technologieorientiert und auf vorwettbewerbliche Kooperationen angelegt. Die zur Verfügung stehenden Mittel erreichen im Regelfall nur wenige Prozent des gesamten FuE-Aufwandes der beteiligten Unternehmen. Ihre Wirkung kann daher nur begrenzt sein. Wenn die Mittel nicht beträchtlich erhöht werden können, ist es notwendig, die Programme und Projekte noch stärker als in der Vergangenheit auf strategisch wichtige Themen zu fokussieren. D.h. die Aktionen im Bereich der Technik müssen
410
sich an denen
im Bereich der Nachfrage
und
der Verwertbarkeit im Weltmarkt orientieren. Im Grenzfall muß es auch möglich
sein, im Rahmen der Programme ein europäisches Unternehmen zu fördern, das mit einem außereuropäischen Unternehmen zusammenarbeitet, wenn da-
durch die Verfügbarkeit einer strategisch wichtigen Technologie gesichert werden kann und die Projektführung bei dem europäischen Unternehmen bleibt. Auch muß die Rolle der öffentlichen Forschunggsinstitute neu überdacht werden;
anspruchsvolle Produktentwicklungen lassen sich aus Institutsarbeiten heraus in der Regel nicht realisieren.
. Aktionen im Bereich der Technik sollten klaren und realisierbaren industriepoli-
tischen Zielen folgen. Das bedeutet vor allem eine Beantwortung der Frage, ob als Ergebnis Produkte entstehen, die am Markt durchgesetzt werden können, die wenigstens ein Partner vermarkten will und für die die erforderlichen finanziellen und intellektuellen (Entwicklungspersonal) Mittel zur Verfügung stehen; hierbei spielt auch
der Zeitfaktor eine wesentliche
Rolle.
Softwareentwicklung wird als eines der Schlüsselgebiete angesehen, in dem durch internationale Zusammenarbeit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Anbieter verbessert werden kann. Auch die Fertigungstechnik muß mit allem Nachdruck weiterentwickelt werden, damit neue Produkte schneller in den Markt gebracht werden
Marktänderungen flexibel reagiert werden kann.
. Wegen
können
und auf
der stark steigenden Komplexität mikroelektronischer Lösungen bei im-
mer kürzer werdenden Innovationszyklen sind die Entwicklungsaufgaben nur noch in enger Wechselwirkung zwischen Mikroelektronikherstellern und -anwendern zu lösen. Die Anwender brauchen dabei den nichtdiskriminierbaren Zugriff auf modernste Technologien und Entwurfsverfahren zu Weltmarktbedingungen. Dies wird auf Dauer nur möglich sein, wenn eine eigenständige Mikroelektronik-
Industrie in Europa aufrechterhalten werden kann, die auch bei Standardschaltkreisen mit hoher Stückzahl, die die Technologie vorantreiben, wettbewerbsfähig ist. Erforderlich ist aber auch, daß die Anwender nach Kapitalkraft und Inno-
vationsfähigkeit im Stande sind, oder in die Lage versetzt werden, dieses Angebot zu nutzen. . Aktionen im Bereich der Ausbildung (Ziffer 39)
. Die Kommission spricht hier ein wichtiges Problem an. Es wird allerdings skeptisch beurteilt, wie weit sie angesichts beschränkter Zuständigkeit durchgreifende Maßnahmen entwickeln und umsetzen kann. Zumindest sollten die Ausbildungsrichtlinien und Prüfungsverfahren europaweit harmonisiert werden, damit die Studienabschlüsse
in allen europäischen
Ländern
anerkannt werden.
411
D. Aktionen im Bereich der Außenbeziehungen (Ziffer 40-47) 1. Den vorgeschlagenen handelspolitischen Schwerpunkten kann zugestimmt werden. Dabei sollte das Schwergewicht nicht nur auf Aktionen gelegt werden, deren Auswirkungen eher makroökonomischer Natur sind. Vielmehr solten sektorspezifische Aktionen
Frühphase
bevorzugt werden,
des europäischen
die in der sensiblen Öffnungs-
Binnenmarkts
behutsame
Übergänge
und
ermögli-
chen, ein Aufrollen einzelner Marktsegmente von außen durch unfaire Praktiken
(Leaser Beaming erschweren und damit direkt die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen informationstechnischen Industrie zum Ziel haben. Aus unserer Sicht sind das vor allem — die Verbesserung des Marktzugangs auf den wichtigsten Überseemärkten, — die Herstellung Märkten und
fairer Wettbewerbsbedingungen
auf den
internationalen
— die Förderung der internationalen Kooperationen von Wirtschaft und Wissenschaft. Für wettbewerbsrechtliche Fragen muß in diesen Branchen der Weltmarkt zum Maßstab werden. 2. Es ist dringend nötig für die informationstechnische Industrie — nach einem erfolgreichen Abschluß der laufenden GATT-Runde — die Marktzutrittschancen zu den wichtigsten Partnermärkten (in USA, Japan) entscheidend zu verbessern.
Es muß
aber befürchtet werden,
daß strukturelle
Marktzutrittsgebühren
(wie z.B. in Japan) nicht durch die laufende GATT-Runde beseitigt werden können. Damit wird der gewünschte verbesserte Marktzutritt für die EG-Industrien im In-
formationstechniksektor nicht allein als Ergebnis dieser GATT-Runde, sondern
nur über zusätzliche bilaterale Gespräche der EG-Kommission mit den betroffe-
nen anderen Regierungen erreichbar sein. Deshalb sollte die EG-Kommission diese Verhandlungen mit Nachdruck führen und versuchen, das Paket mit anderen Wirtschaftssektoren wie Landwirtschaft aufzuschnüren. 3. Der Kommission ist zuzustimmen, daß nicht in jedem Fall die Reaktion auf den externen Wettbewerbsdruck darin bestehen muß, die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft zu ändern. Allerdings erscheint das bestehende Instrumentarium
der EG nicht immer ausreichend, um gegen den — aus der Quersubventionierung, vor allem im Bereich der Mikroelektronik, herrührenden — unlauteren Wettbewerb aus Drittstaaten schnell und entschieden vorgehen zu können. Dies vor dem Hintergrund, daß der von der EG auf die Regierungen der Partnerstaaten ausgehende Druck zur Beseitigung wettbewerbsverzerrender Maßnahmen nur sehr langsam Früchte tragen wird. Insbesondere müssen konzentrierte Exportoffensiven (Laser Beaming), wie sie von Japan in der Vergangenheit mehrfach
durchgeführt
wurden
und zum
Auslöschen
ganzer
geführt haben, künftig schon im Ansatz verhindert werden. 412
Industriesparten
E. Aktionen im Umfeld der Unternehmen (Ziffern 48-52) 1. Geeignete Rahmenbedingungen für die Unternehmen sind Grundvoraussetzung für deren Wettbewerbsfähigkeit. Hierzu gehört in erster Linie eine ausreichende Kapitalbildungskraft. Dies gilt insbesondere für die Industrie im Bereich der
Informationstechnik,
weil
hier die Investitionskosten
für FuE,
und Vertrieb erheblich höher sind als im Gesamtdurchschnitt.
Produktion
Deshalb sind Mitgliedsstaaten und Gewerkschaften aufgefordert, für wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern und maßvolle Tarifpolitik zu sorgen. . Von
zunehmender
Bedeutung
ist, insbesondere
im Bereich
der Informations-
technik, die entwicklungsbegleitende Normung. Sie ist u.a. Voraussetzung für die Kommunikationsfähigkeit von Geräten in offenen Systemen. Dabei haben wegen des weltweiten Handels internationale Normen Vorrang vor europäischen. Die bessere Einbeziehung der Entwicklung der Informationstechnik in die Struk-
turpolitiken muß vor allern bedeuten, daß industriepolitische Ziele nicht durch regionalpolitische Maßnahmen unterlaufen werden. Abzulehnen ist der in zu-
nehmendem Maße stattfindende Subventionswettlauf bei Industrieansiedlungen. Dieser benachteiligt die einheimischen Unternehmen und führt zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen.
Einige Anmerkungen zum kürzlich veröffentlichten Forschungs- und Entwicklungskonzept des BMPT und dort speziell zum Kapitel Telekommunikation 1.
Die Grundzüge des hier beschriebenen Förderungskonzeptes sind bereits 1989 von der Bundesregierung verabschiedet worden.
Man muß sich daher fragen, warum jetzt nach drei Jahren die zwischen BMPT, BMFT und Telekom laufenden Gespräche zum Telekom-Forschungskonzept immer noch nicht abgeschlossen sind (wörtliches Zitat aus dem Diskussionsentwurf vom 23.4.92). 2. Dieser zeitliche Verzug gilt auch für die Aussage (Zitat): „Die Bundesregierung wird sich im übrigen um einen Abbau internationaler Wettbewerbsverzerrungen bemühen, die durch unterschiedliche Verfahren der Finanzierung von Forschung und Entwicklung entstehen“. Was ist inzwischen in dieser Angelegenheit geschehen, welche Maßnahmen sind geplant? Bei der bestehenden
Gesamtverantwortung
des Bundesforschungsministers,
der auch international, z.B. auf EG-Ebene, die deutsche Forschungspolitik ver-
tritt, ist es unabdingbar, daß das Forschungsministerium sich auch weiterhin und langfristig in der Telekommunikationsforschung engagiert.
413
Der
(auf Seite
89) dargestellte
Finanzaufwand
sollte aufgeschlüsselt
werden
nach direkten Leistungen der Bundesregierung und denen der Europäischen Gemeinschaft. Die nationalen Mittel des BMFT müßten aufgestockt werden. 4.
Die FuE-Aufwendungen der DBP Telekom sind rein geschäftspolitisch motivier-
te Leistungen eines Unternehmens. Sie gehören damit, ähnlich wie die entsprechenden Aufwendungen der Industrie, nur zur Beschreibung des Umfeldes, können jedoch nicht direkte Bestandteile des Förderkonzeptes des BMFT sein. Nur am Rande sei daher angemerkt, daß der entsprechende Finanzaufwand,
der
1993
auf 910 Mio.
DM
anwachsen
soll, weiterhin
im internationalen
Ver-
gleich nachhinkt. Außerdem müssen die Programme und die Vergabeverfahren transparenter gemacht werden, so daß sich insbesondere die Herstellerindustrie bei ihren Planungen auf diese Mittel einstellen kann.
414
BUNDESVERBAND BDU e.V.
DEUTSCHER
UNTERNEHMENSBERATER
Vorwort zum Fragenkatalog der Anhörung „Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen informations- und kommunikationstechnischen Industrie‘ Vorbemerkung: Der Fachverband Informationstechnik im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. vertritt über 120 Softwareunternehmen, DV-
Berater und DV-Dienstleister darunter 17 der 25 größten Unternehmen der Softwarebranche.
Die gerade wieder veröffentlichten Negativbilanzen sowie die angekündigten oder
bereits vollzogenen
Massenentlassungen
der großen
Hardwarehersteller und etli-
che Konkurse kleinerer Hersteller — zusammengefaßt unter dem Schlagwort Hardwarekrise — zeigen deutlich die weltweit kritische Situation der doch die Wirtschaft prägenden
und tragenden
luK-Industrie.
Innerhalb der IuK-Technologie hat jedoch die Software einen immer höheren Stellenwert erhalten, und inzwischen haben die Aufwendungen für die Software diejenigen für die Hardware bereits übertroffen. Ist es also möglich, daß das unbestrittene bisherige Wachstum der Softwarebranche in Zukunft die Hardwarekrise auffangen wird und wenn ja, wird auch die deutsche Softwarebranche davon profitieren?
Die zumeist mittelständisch organisierte deutsche Softwarebranche mit ca. 3.000 bis 5.000 Softwarehäusern, DV-Dienstleistern und DV-Beratern ist in der Lage, erheblich zum Fortschritt der IuK-Technologien insgesamt beizutragen sowie insbesondere für eine erfolgreiche Umsetzung in die Praxis von Wirtschaft und Verwaltung zu sorgen. Damit wäre im Prinzip die Basis für einen gesunden wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und ein weiteres positives Wachstum gelegt. Allerdings sind Fehlentwicklungen und Gefährdungen dieser positiven Lage zu verzeichnen, die aus der eigenen Kraft der Softwarebranche heraus nicht korrigiert werden können, sondern dringend verbesserter Rahmenbedingungen bedürfen. Schon jetzt, aber erst recht mit dem am 1.1.1993 beginnenden europäischen Binnenmarkt werden sich die selbständigen deutschen Unternehmen der Softwarebranche, die überwiegend aus eigener Finanzkraft operieren, verstärkt dem Wettbewerb großer international orientierter Softwarefirmen ausgesetzt sehen, die vielfach
als
Teil
einer
finanzstarken
Personal- und Sachinvestitionen zu strecken ohne Schaden überstehen dingungen daher nicht ändern, wird gunsten deutscher Softwarefirmen
Holding
ganz
andere
Möglichkeiten
haben,
tätigen und auch ohne weiteres längere Durstkönnen. Wenn sich die staatlichen Rahmenbedies zu einer starken Marktbereinigung zuunführen bzw. zum Verlust der Selbständigkeit.
Daher müssen staatliche Maßnahmen, z.B. die steuerliche Begünstigung von Inve-
stitionen im Bereich der Software eingeführt werden.
415
Innerhalb des Softwaremarktes hat fast nur noch der Markt für Standardsoftware positive Wachstumsaussichten. Gerade dieser Markt aber befindet sich — jedenfalls im PC-Bereich — überwiegend in der Hand US-amerikanischer Firmen. Als Folge der Hardwarekrise suchen natürlich auch die international operierenden
Hardwarehersteller nach einem Ausweg und dringen vermehrt in die eigentlichen Softwarebereiche. Es ist jedoch nicht allein die Größe und Marktmacht dieser Un-
ternehmen,
die der Softwarebranche Sorge bereiten, sondern vielmehr die Tatsa-
che, daß die Hardwarehersteller als bestimmendes Element der jeder Software zugrundeliegenden technischen Plattform, der Hardware also, aber z.B. auch der Betriebssystemne, den freien Zugang zu den Schnittstellen verhindern können. Hier ist der deutsche Gesetzgeber aufgefordert, über eine entsprechende Umsetzung EG-Richtlinie zum Software-Copyright sicherzustellen, daß auch in Zukunft freie Zugang zu allen Schnittstellen gewährleistet ist.
der der
Weitere Schritte die unabdingbar sind, um der deutschen Softwarebranche in Zukunft ein Überleben
zu garantieren,
bestehen
darin, daß das viel zu aufwendige
System der EG-Förderung und das so gut wie nicht vorhandene System der nationalen Softwareförderung auf Bundesebene ersetzt bzw. ergänzt wird durch die möglichst freie Vergabe öffentlicher Ausschreibungen an die Unternehmen der Softwarebranche. Die bisher weitverbreitete Inhouse-Entwicklung der öffentlichen Verwaltung muß dagegen auf ein unbedingtes Mindestmaß zurückgeschraubt werden.
Als Fazit bleibt festzuhalten, daß die Softwarebranche einen bedeutenden Beitrag zur Umsetzung
des luK-Fortschrittes in der Gesellschaft erbringt und auch —
im
Gegensatz zur Hardwarebranche — durchaus noch positive Zuwachsraten aufweist. Allerdings befinden sich auch die deutschen Software-Anbieter — von wenigen Ausnahmen abgesehen — bereits am Rande einer Krise. Als ein weiterer Indikator sei hier nur die nahezu vollständige Abhängigkeit der deutschen Softwarebranche von den USA im Bereich „Lizenzen'‘ und insbesondere „Basissysteme‘“
angeführt.
Daher ist der Staat aufgefordert, in Anbetracht der jetzt sichtbaren Gefahren für die
Selbständigkeit
der deutschen
Softwarebranche
die richtigen
Rahmenbedingun-
gen zu setzen, damit nicht — wie bereits im Bereich der Hardware — eine nahezu vollkommene Abhängigkeit von ausländischen Entwicklungen entsteht. Denn, wie sich ja gerade im Bereich der Microchipentwicklung zeigt, aber auch schon deutlich arn Beispiel des gescheiterten Versuches
eines deutschen
Supercomputers,
ist es bei einem einmal entstandenen Rückstand so gut wie unmöglich, diesen aufzuholen mit allen daraus folgenden negativen Konsequenzen für die gesamte Wirtschaft. Man sollte sich stets vor Augen halten, daß es mit gezielten, die Selbständigkeit, Finanzkraft und Innovationsfreudigkeit steigernden Maßnahmen möglich ist, die deutsche Softwarebranche, die ats einzige in Deutschland noch einen eigenständigen Beitrag zur Schlüsseltechnologie IuK und deren unmittelbarer Anwendung bei416
steuert, davor zu bewahren, den gleichen uneinholbaren Rückstand wie die Hardwarebranche
zu erleiden.
Fragenkatalog zur Anhörung
„Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen munikationstechnischen (luK)-Industrie‘‘ 1.
informations- und kom-
Bedeutung der informations- und kommunikationstechnischen Industrie für die gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung
in der Bundesrepublik
Zur Frage
Deutschland
und in Europa
1.4
Erst die neuen luK-Techniken ermöglichen neue und anspruchsvollere Anwendungen, die sich nicht nur durch eine höhere Verarbeitungsgeschwindigkeit, erweiter-
ten
Komfort
und
leichtere
Bedienung
auszeichnen,
sondern
auch
neue
Anwen-
dungsbereiche erschließen und bisher nicht gekannte Perspektiven zeigen. Dies führt dazu,
daß
die
bisherigen
luK-Arbeiten
wesentlich
schneller
ablaufen,
ver-
stärkt mit Fertigungs- oder auch Verwaltungsprozessen koppeln und dadurch zu einer rationelleren Bearbeitung und größeren Integration führen.
Unmittelbare wirtschaftliche Auswirkungen ergeben sich dadurch, daß z.B. die Entwicklungszyklen neuer Produkte durch neue luK-Technologien stark verkürzt werden bzw. dadurch erst neue Produkte möglich werden. Ein Verzicht auf neueste luK-Technologien bzw. eine verspätete Nutzung würde damit automatisch auf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie negativ zurückschlagen. Zur Frage
1.5
Die Anwendersoftware setzt auf der Basis vorgegebener und standardisierter Hardware- und Betriebssystemplattformen auf. Diese werden nahezu ausnahmslos von großen amerikanischen und japanischen Konzernen bestimmt. Nur die Anwender-Software, die es als einzige sowohl als Standardsoftware wie auch als Individualsoftware gibt, läßt Raum für kleinere nationale Lieferanten (Softwarehäuser, DV-Dienstleister, DV-Berater), wobei jedoch auch hier im Bereich der Standardsoft-
ware ein Trend hin zur Dominanz der Großen der IuK-Branche zu verzeichnen ist. Die vorgegebenen Plattformen der Hardware und der Betriebssystemsoftware setzen die Rahmenbedingungen für die darauf aufbauende Anwendersoftware. Diese Bedingungen führen dann zur Ausprägung der für den Anwender sichtbaren Merk-
male und Möglichkeiten neuer luK-Generationen.
Solche Auswirkungen waren in der Vergangenheit z.B. höhere Leistungsfähigkeit, verstärkte Integration von DV-Anlagen in der Kommunikationswelt sowie größere Benutzerfreundlichkeit. Gleichzeitig verband sich damit ein Trend hin zu kleineren,
leistungsfähigeren und auch preiswerteren Systemen.
417
Dadurch konnte sowohl die Verbreitung als auch die Akzeptanz durch die Anwender erheblich gesteigert werden. Im gleichen Maße entwickelten sich dabei neue
Anwendungsbereiche, sei es durch die aktive Initiative der Anwender selber oder auch durch die erweiterten Möglichkeiten neuer Systemgenerationen.
Während die Rahmenbedingungen (Hardware, Betriebssystem) also weitgehend fest vorgegeben sind und innerhalb eines — allerdings kürzer werdenden — Produktzyklus von einigen Jahren (1 bis 3 Jahre) nicht oder nur wenig variieren, kann die Anwendersoftware — jedenfalls die Individualsoftware — innerhalb dieser Zeit
verändert und verbessert werden. Hier ist also die größte Dynamik vorhanden, verbunden mit den entsprechenden hohen Anforderungen an die Flexibilität und Weit-
sicht der Softwareunternehmen.
Darüber hinaus ist die Anwendersoftware letztendlich für den Erfolg der neuen luK-
Technologien verantwortlich. Denn erst die Anwendung zeigt wirklich, wie sinnvoll und erfolgreich die neuen Techniken genutzt werden können und entscheidet oftmals über die Akzeptanz und Verbreitung technischer Systeme. Der Anwendersoft-
ware kommt somit eine marktentscheidende Bedeutung zu.
Es ist bekannt, daß die Aufwendungen der Wirtschaft für Software diejenigen für
die Hardware übertreffen. Nicht die zugrundeliegende Hardware stellt das eigentliche Kapital eines Anwenders dar, sondern vielmehr die zum Teil eigen oder mit
großem Aufwand fremdentwickelte und angepaßte Software. Diese Software, die mit großem Aufwand entwickelt und installiert wurde, ermöglicht nicht nur die Lösung der spezifischen Probleme der Unternehmen bzw. Verwaltungen, sondern auch das Anwendungs-Know-how der Mitarbeiter und der bei einer Änderung der
Anwendersoftware
gen.
benötigte
zusätzliche
Daher haben die Verbesserungen
Schulungsaufwand
der Anwendersoftware
ist zu
berücksichti-
in bezug auf Anwender-
freundlichkeit und methodische Softwareentwicklung besondere Bedeutung. Eine höhere Anwenderfreundlichkeit senkt die Schulungsinvestitionen,
die Fortschritte
in der methodischen Softwareentwicklung senken die Entwicklungskosten, sie führen zu einer vereinfachten Fehlerüberwachung und ermöglichen erst die Erstellung komplexerer und nochmals leistungsfähigerer Software. Von besonderem
Interes-
se sind in diesem Zusammenhang möglichst europaweite Standardmethoden der Softwareentwicklung, die es sowohl Softwareentwicklern als auch Anwendern ermöglichen, mit wesentlich geringerem Aufwand neue Softwareprodukte einzusetzen. Die allerneusten Softwaretrends (neuronale Netze, verteilte Anwendungen,
fuzzy-
sets), haben in der Praxis zunächst nur geringe Auswirkungen. Es sind jedoch verstärkte Anstrengungen notwendig, um die praktischen Anwendungsmöglichkeiten dieser neuen Verfahren auszuloten und umzusetzen. Auch wenn nicht alle Trends in der Praxis zum Erfolg geführt werden können, so kann doch unter gar keinen Umständen darauf verzichtet werden, eine etwa erfolgversprechende Richtung zu untersuchen und den anderen (ausländischen Mitbewerbern) zu überlassen. Als
418
ein Beispiel seien hier nur die Expertensysteme genannt, die in der Praxis noch nicht so weit verbreitet sind, aber andererseits sich in bestimmten z.B. dem Umweltschutz als unentbehrlich erwiesen haben.
Bereichen, wie
Erst die Anwendersoftware entscheidet über den Nutzen der IuK-Technologien für die Wirtschaft. Daher sind dort auch die Aufwendungen am größten. Es muß daher unter allen Umständen gewährleistet sein, daß die Entwicklung und Anwendung der Anwendersoftware
lich erfolgen kann.
möglichst rationell, sicher, fehlerfrei und anwenderfreund-
Zur Frage 1.6 Ohne luK-Techniken kann keines der wichtigen Zukunftsprobleme gelöst oder auch nur gemildert werden. Schon zur Analyse der bestehenden Umweltprobleme (Luft- und Gewässerverschmutzung) sind DV-gestützte Überwachungs- und Auswertungsverfahren notwendig. Ohne Mikroelektronik und eigens entwickelte Software ist kein Einsatz von Katalysatoren in Kraftfahrzeugen möglich, ja ohne ComPutereinsatz
ist nicht einmal
eine
Reduktion
des
Kraftstoffverbrauchs von
Kraft-
fahrzeugen oder Flugzeugen denkbar. Kein vorstellbares zukünftiges Verkehrssystem kommt ohne DV-gestützte Verkehrsienkung bzw. -verteilung aus.
Nur die IuK-Technologien ermöglichen eine optimale Ausnutzung und eine ausgewogene Verteilung sowie eine ständige Optimierung in allen denkbaren Abläufen. Zur Frage
Wie den men über
1.7
in 1.4 bereits dargestellt, ist die Anwender-Software das Bindeglied zwischen vorgegebenen weitgehend statischen (innerhalb eines Produktzyklus) Plattforund entscheidet erst über den erfolgreichen Einsatz der neuen Techniken und die wirtschaftlichen Auswirkungen.
Zur Frage
1.9
Vor dem Hintergrund des in 1.4 dargestellten Sachverhaltes, daß die technischen Rahmenbedingungen (Hardware, Betriebssystemsoftware) so gut wie ausschließlich von
amerikanischen
und japanischen
Firmen
bestimmt
werden,
versteht es
sich, daß die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige, weltweit tätige und wettbewerbsfähige luK-Industrie dringend benötigt. Solange dies nicht gewährleistet ist, besteht eine direkte Abhängigkeit. Der verspätete oder auch nur unvollständige Zugriff auf die neuesten IuK-Technologien bedeutet einen direkten Wett-
bewerbsnachteil der Wirtschaft. Ein einmal herbeigeführter Verzug kann unter Umständen nicht oder nur sehr schwer wieder aufgeholt werden. Der Blick auf andere
Industrien zeigt, daß mit zunehmender
Reife einer Industrie
bzw. eines Marktes der Konzentrationsprozeß beschleunigt wird. Mit sehr wenigen Ausnahmen leidet die deutsche Software-Industrie inbesondere an einer Produktund Vertriebsschwäche. Dies wirkt um so gravierender, als der IT-Markt immer mehr zu einem Commodity-Markt wird.
419
Der deutschen Software-Industrie drohte deshalb das gleiche Schicksal wie vorher der Photo- oder Consumer-Electronic-Industrie. In diesem Falle reduziert sich die Funktion der Softwarebranche auf eine rein nationale Servicefunktion. Aus einer
nationalen Sicht heraus ist diese Situation völlig unbefriedigend. Nach Alternativen bzw. weiteren Industrien im Wirtschaftsbereich mit strategischer Bedeutung zu su-
chen,
heißt bereits, die Branche
aufzugeben.
Zur Frage 1.10 Es ist ebenso eindeutig, daß die Bundesrepublik Deutschland eine eigenständige, weltweit tätige und wettbewerbsfähige Softwareindustrie benötigt. Wegen des unmittelbaren und letztendlich ausschlaggebenden Einflusses der Software auf die erfolgreiche Anwendung der luK-Techniken in der Praxis, wäre es fatal, wenn auch auf dem Softwaresektor der gleiche Wettbewerbsnachteil der deutschen Industrie wie in den Bereichen Hardware und Betriebssystemsoftware zu verzeichnen wäre. Zur Frage
1.11
Abgesehen von der Siemens Nixdorf Informationssysteme AG, die jedoch auch in weiten Bereichen japanische Hardware sowie US-amerikanische Betriebssystemsoftware in Lizenzen herstellt, und einigen wenigen Nischenanbietern, wie z.B. der
Aachener Parsytec GmbH, gibt es kein deutsches Unternehmen, welches luK-Produkte in eigener Regie herstellt. Neben den Tochtergesellschaften US-amerikani-
scher oder japanischer Konzerne gibt es allenfalls Firmen, die die importierten Komponenten zu luK-Systermen zusammenbauen. Sie befinden sich technologisch gesehen damit etwa auf dem gleichen Niveau wie Entwicklungsländer, die die ver-
alteten Auslaufmodelle westlicher Automobilfirmen in Lizenz nachbauen.
D.h., daß alle hardwareherstellenden Unternehmen der deutschen luK-Industrie — sofern sie überhaupt als solche existiert — nahezu hundertprozentig von ausländi-
schen Lieferanten abhängig sind.
Daraus ergibt sich zwingend, daß auch die übrige deutsche Industrie, sei es unmittelbar oder mittelbar, ebenfalls vollständig von ausländischen Lieferanten des luKBereiches abhängt. Unter den gegebenen wirtschafts- und forschungspolitischen Bedingungen ist sicher, daß der Rückstand der deutschen luK-Industrie in den Bereichen Hardwareund Betriebssystem-Software — nicht verkleinert, sondern vielmehr vergrößert
wird.
Zur Frage 1.12 Der überwiegende Marktanteil der Standardsoftware, sei es für den PC-Bereich, den Bereich der Workstations oder der Mainframes, ist in der Hand US-amerikani-
scher Softwarefirmen. Lediglich bei der Individualsoftware haben europäische und hier auch deutsche Softwarefirmen einen nennenswerten Marktanteil. Es ist jedoch 420
zu berücksichtigen, daß in Zukunft — und dies zeichnet sich bereits jetzt ab — nur der Markt der Standardsoftware einen weiteren Anstieg verzeichnen wird. Zur Frage 1.13 Im Bereich der Basissysteme (Betriebssysteme, Graphische Oberflächen, Daten-
banken,
Datenbankschnittstellen,
Protokolle,
Kommunikationsschnittstellen,
Ent-
wicklungs-Tools) ist die Abhängigkeit von ausländischen Produkten nahezu vollständig. In keinem der genannten Bereiche gibt es deutsche Produkte, die für die weltweite Standardisierung, und damit weder im In- noch im Ausland, Bedeutung haben. Ein Gradmesser für die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von ausländischen Software-Lieferanten ließe sich anhand einer einfachen Bestandsaufnahme durch Auszählen der Software-Lizenzen in den Unternehmen erheben. Da im Durchschnitt bereits mehr als 50 % aller Arbeitsplätze in der Wirtschaft Zugriff auf EDV-Kapazität haben, würde sich herausstellen, daß an allen Arbeitsplätzen meh-
rere Lizenzen ausländischer amerikanische Lizenzgeber. Zur Frage
Software-Lieferanten
existieren.
Dabei
dominieren
1.14
Das gleiche Bild ergibt sich, wenn eine Erhebung bei deutschen Software-Häusern durchgeführt würde, bei der nach Lizenzverträgen mit amerikanischen Herstellern
gefragt wird. Mit Ausnahme der betriebswirtschaftlichen Anwendungsbereiche, die
durch SAP-Software abgedeckt werden, existiert auf allen Software-Gebieten (vgl. 1.13) bereits eine gravierende Abhängigkeit. Damit sind derzeit Marktführerpositionen für deutsche bzw. europäische Produktanbieter quasi ausgeschlossen. Lediglich in den Service-Bereichen (Beratung, Professional Services usw.) sind europäi-
sche Positionen noch offen. Zur Frage 1.16
Die deutsche Industrie kann unter keinen Umständen auf die Eigenproduktion von Software verzichten. Die Eigenproduktion von Software stellt den letzten noch vorhandenen aktiven Anteil der deutschen Industrie an der Entwicklung neuer luKTechnologien dar. Der Softwareentwicklungsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland ist dadurch gekennzeichnet, daß eine Vielzahl von zumeist kleineren bzw. mittelständischen Unternehmen in regionalbegrenzten Märkten bzw. in Produktnischen tätig sind. Diesen Unternehmen fehlt vielfach die finanzielle Ausstattung und auch die strategische Sichtweise, um in Konkurrenz zu den international operierenden Softwareunternehmen aus den USA, Großbritannien, Frankreich und Japan zu konkurie-
ren. Man kann davon ausgehen, daß bereits der kommende europäische Binnenmarkt die Grenzen vieler deutscher Softwareunternehmen aufzeigen wird.
421
Zur Frage 1.19
Die Öffnung der Märkte nach Osten, ist einer Internationalisierung und damit einer Wettbewerbsverstärkung der deutschen Softwareindustrie und wahrscheinlich auch der gesamten luK-Industrie eher hinderlich, da dadurch kurz und mittelfristig
Umsatzzuwächse mit den bestehenen Produkten, Systemen und Strategien möglich sind. Das bedeutet, daß in vielen Fällen internationale Ausrichtung, Koopera-
tionen mit leistungsfähigen ausländischen Unternehmen sowie innovative Entwicklungen wahrscheinlich zurückgestellt werden.
2. Verantwortungsbereich und Handlungsbedarf von Wirtschaft und Staat Zur Frage 2.9 Den —
Unternehmen Übernahme
bleiben
letztlich nur zwei
einer aktiven
Handlungsbereiche:
Rolle im Konzentrationsprozeß
— Aufbau und Ausbau der weltweiten Vertriebswege. Beide Maßnahmepunkte bleiben wenigen finanzstarken Unternehmen vorbehalten. Ggf. wäre zu überlegen, ob diese Maßnahmenpunkte steuerlich zu begünsti-
gen sind, um Anreize zu schaffen
und den
Prozeß zu beschleunigen.
Zur Frage 2.10
Faktisch treiben Unternehmen der deutschen Softwareindustrie so gut wie keine Forschung. Aus Ressourcengründen dominieren in diesem Bereich Universitäten und Institute wie Frauenhofer-Gesellschaft usw., die den Software-Häusern gegenüber Struktur- und damit Wettbewerbsvorteile haben. Nach meiner Überzeugung
existiert in der
Bundesrepublik
bei diesen
Institutionen
ausreichend
innovatives
Potential. Es gelang in der Vergangenheit nicht, den Transfer in die Wirtschaft zu organisieren. Selbst wenn gemeinsame Entwicklungsprojekte zwischen For-
schungseinrichtungen
und
der Softwarebranche
zustande
kamen,
scheiterte die
Umsetzung letztlich am Auf- und Ausbau des Vertriebs. Diese Forschungs- und Entwicklungslastigkeit führte gegenüber der amerikanischen Wirtschaft, die agressiv vertriebsorientiert ausgerichtet ist, zum Nachteil. Zur Frage 2.15
Aus den oben aufgeführten Argumenten ergeben sich vier Maßnahmenbereiche: — Erarbeitung einer ‚Landkarte‘ besonders innovativer Basissystem- und Anwendungsbereiche, für die gezielt Fördermaßnahmen (FuE) getroffen werden sollten
— Direkte Förderung von sog. Transferprojekten
— Entwicklung steuerlicher oder alternativer finanzpolitischer Maßnahmen/Vorteilspakete für den Ausbau von Vertriebswegen im Ausland. Erfahrungsgemäß sind Markterschließungskosten höher als die Entwicklungskosten. 422
— Entwicklung steuerlich oder alternativer finanzpolitischer Maßnahmen/Vorteilspakete als Anreiz für eine aktive Beteiligung deutscher/europäischer Unternehmen am Konzentrationsprozeß. Zur Frage 2.17
Es stimmt, daß auf Dauer etwa 6 bis 10 (nicht 5 bis 6) „‚Global Players‘‘ übrigbleiben. Es muß aber unterschieden werden in PTT’s (wie British Telecom, Telekom) und mehr oder weniger privaten Betreibern von Telefon- und Datennetzwerken (wie AT&T) und „reinen‘‘ Datennetzwerkbetreibern (z.B. Info AG, EDS, GEIS). Die privaten deutschen Anbieter stellen sich nur zögerlich darauf ein. Lediglich ein Anbie-
ter scheint, soweit das erkenntlich ist, massiv zu investieren: DEBIS. Die Telekom verfolgt zur Zeit noch die Strategie, sich über Beteiligungen in diesem Markt zu be-
wegen.
Zur Frage 2.18 Wesentlich sind vor allem zwei Dinge:
a) Lockerung des „Sprachübermittlungsmonopols für Dritte‘‘ in Deutschland (wird in Deutschland von der Telekom noch viel zu restriktiv gehandhabt). b)
Senkung
der deutschen
Gebühren
für die Sprach-
und
Datenkommunikation
auf ein niedrigeres Niveau (s. England bzw. Band 6 der Informationsserie zu Regulierungsfragen).
423
3 Tirl 3 2ulfe I
ISBN 3-924521-84-0