Die weltliche Gerichtsverfassung in der Oberlausitz bis 1834 [1 ed.] 9783428537082, 9783428137084

Die Arbeit beinhaltet nicht nur eine Darstellung der Zuständigkeit und Organisation sämtlicher Gerichte in der Oberlausi

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Die weltliche Gerichtsverfassung in der Oberlausitz bis 1834 [1 ed.]
 9783428537082, 9783428137084

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Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 163

Die weltliche Gerichtsverfassung in der Oberlausitz bis 1834

Von

Hermann Frhr. von Salza und Lichtenau

Duncker & Humblot · Berlin

HERMANN FRHR. VON SALZA UND LICHTENAU

Die weltliche Gerichtsverfassung in der Oberlausitz bis 1834

Schriften zur Rechtsgeschichte

Heft 163

Die weltliche Gerichtsverfassung in der Oberlausitz bis 1834

Von

Hermann Frhr. von Salza und Lichtenau

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristenfakultät der Universität Leipzig hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 978-3-428-13708-4 (Print) ISBN 978-3-428-53708-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-83708-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Das vorliegende Buch ist eine überarbeitete Fassung einer Dissertation, die der Juristenfakultät der Universität Leipzig im Jahr 2011 vorlag. Die Promotion erfolgte am 15. Juni 2011 mit der Note summa cum laude. Im Zuge der Überarbeitung konnte die bis Ende 2012 erschienene und mir zur Kenntnis gelangte Literatur berücksichtigt werden. Für die Betreuung und Begutachtung möchte ich mich zum einen bei meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Bernd-Rüdiger Kern, Leipzig, bedanken, der mich in vielen Gesprächen mit guten Anregungen, vor allem durch Eröffnung weiterer Perspektiven unterstützte. Zum anderen danke ich Herrn Professor Dr. Adrian Schmidt-Recla, Leipzig, der die Zweitbegutachtung übernahm und mir darüber hinaus ein guter Ratgeber bei der Überarbeitung der Dissertation für die Drucklegung war. Schließlich bin ich der von der Stadt Hildesheim verwalteten Stiftung Laubaner Gemeinde – Stadt und Landkreis Lauban für die Unterstützung bei der Aufbringung des Druckkostenzuschusses dankbar. Zeitgleich mit der unmittelbar nach Abschluß meiner juristischen Ausbildung erfolgten Aufnahme einer anwaltlichen Tätigkeit begann ich, an meiner Dissertation zu arbeiten. Trotz der damit verbundenen vielfältigen Belastungen während der Anfertigung der Arbeit und der – jedenfalls zunächst – „determinierenden“ Folgen dieser von mir gewählten Art des Einstiegs ins Berufsleben möchte ich diesen Abschnitt meiner persönlichen Entwicklung nicht missen. Die Entscheidung, über das von mir gewählte Thema im Rahmen eines Promotionsvorhabens zu forschen, und die anschließende intensive Beschäftigung damit eröffneten mir einen einzigartigen Zugang zur Geschichte der Oberlausitz. Unbefriedigend wäre es gewesen, hätte ich es dabei bewenden lassen, die umfangreiche und (nicht zuletzt durch dieses Buch) immer umfangreicher werdende Literatur über diese historische Landschaft lediglich zu „konsumieren“. Das Interesse an der Geschichte der Oberlausitz wurde in meinen frühen Jugendtagen durch ein wichtiges Ereignis in unserer Familie geweckt. Die deutsche Wiedervereinigung 1990 schuf die Grundlage für in der Sowjetischen Besatzungszone nach 1945 entschädigungslos enteignete und aus ihrer Heimat vertriebene Familien wie die meine, damals rechtsstaatswidrig entzogene bewegliche Habe zurückübertragen zu erhalten. In unserem Fall betraf dies einige alte Folianten aus der früheren Familienbibliothek, die im übrigen leider in alle Winde verstreut zu sein scheint und wohl niemals mehr zusammengeführt werden kann. Aber bereits von diesen wenigen alten Büchern, die eines Tages ihren Weg zu-

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Vorwort

rück in den „Schoß der Familie“ fanden, ging ein besonderer Nimbus aus, der mich faszinierte. Die Lektüre ließ längst vergangene Zeiten wieder lebendig werden. Über die Geschichte der Heimat meiner Familie wollte ich mehr erfahren, und so reifte der Plan für mein Vorhaben. Was ich erst während meiner Recherchen feststellte: Bereits ein Vorfahr, der Jurist, kaiserliche Rat und Amtshauptmann des Fürstentums Görlitz Jakob von Salza (1526–1589), verfaßte um 1585 den „Bericht von des Markgraftums Oberlausitz Ämtern, Bestallungen, Verrichtungen [. . .]“ (StFilA Bautzen, Salza, Bericht), der – zumal aus der Sicht eines „Praktikers“ – erstmals die zeitgenössischen Verfassungsverhältnisse, insbesondere auch die Gerichtsverfassung des Markgraftums Oberlausitz ausdrücklich mit einem entsprechenden Anspruch umfassend und systematisch darstellte. Dieser Bericht hatte bis zum Aufhören des Oberlausitzer Territorialrechts im 19. Jahrhundert somit über Jahrhunderte Bestand als grundlegende und maßgebliche Darstellung der Oberlausitzer Verfassungsverhältnisse (siehe Belege in der Einführung). Auf diese wertvolle narrative Quelle wird an zahlreichen Stellen der vorliegenden Arbeit zurückgegriffen. Vielleicht ist es kein Zufall, daß ich mich über 400 Jahre später – nunmehr aus rein historischer Perspektive – mit der Verfassung der Oberlausitz befaßte. Möglicherweise ist es meinem Buch sogar ebenso vergönnt, zur Erforschung nunmehr der Oberlausitzer Verfassungshistorie einen dauerhaften Beitrag zu leisten, wobei ich hier selbstverständlich nicht an solche Zeiträume zu denken wage, während der Jakob von Salzas Bericht Bedeutung hatte. Drehsa, im Mai 2013

Hermann Freiherr von Salza und Lichtenau

Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ziel und Ausgangspunkt der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff Gerichtsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Untersuchungsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Untersuchungszeitraum, Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 11 27 40 61

B. Gerichtsverfassung zur Zeit der Markenverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Markgrafengericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Immunität des Hochstifts Meißen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Krongut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Adel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78 78 86 88 89

C. Landesherrliche Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „Placitum provinciale“/Landding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Burggrafengericht zu Budißin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau . . . . . . . . . . . 1. Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Richterbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswahl und Ernennung der Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anforderungen und Pflichten an den/des Richters . . . . . . . . . . . . . . d) Schöffenbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Auswahl und Ernennung der Schöffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Anforderungen und Pflichten an die/der Schöffen . . . . . . . . . . . . . . g) Entscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsort/-zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gericht von Land und Städten/Oberamtsregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichtsbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anforderungen an und Pflichten der Gerichtspersonen . . . . . . . . . . d) Entscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsort/-zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Oberamtsregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90 90 95 105 109 109 123 129 132 167 168 171 177 181 185 187 187 196 201 203 207 209 210 212

8

Inhaltsverzeichnis 1. Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Richterbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswahl und Ernennung des Richters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anforderungen und Pflichten an den/des Richters . . . . . . . . . . . . . . d) Schöffenbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Schöffenauswahl und -ernennung, -anforderungen und -pflichten . f) Weitere Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Entscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsort/-zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Hofgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichtsbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anforderungen und Pflichten an die/der Gerichtspersonen . . . . . . . d) Entscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsort/-zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Landgerichte (1548) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichtsbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anforderungen an die und Pflichten der Gerichtspersonen . . . . . . . d) Entscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsort/-zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Ritterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsort/-zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Dingstuhl zu Göda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Königlich Sächsisches Gerichtsamt zu Budißin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213 213 215 217 218 225 226 226 228 230 231 232 232 241 247 252 255 259 261 262 262 266 268 269 270 271 274 275 282 283 284 288

D. Grundherrschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundherrliche Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichtsbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anforderungen an die und Pflichten der Gerichtspersonen . . . . . . . d) Entscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsort/-zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

291 291 292 292 302 311 315 322

Inhaltsverzeichnis

II.

3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorfgerichte/Gerichte in den grundherrlichen Städten . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichtsbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anforderungen und Pflichten an/der Gerichtspersonen . . . . . . . . . . d) Entscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsort/-zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 326 328 329 329 340 348 353 356 357

E. Deditz-/Zeidlergerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 F. Landesherrliche Städte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erb-/Stadtgerichte in den landesherrlichen Städten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichtsbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schöffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonstige Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schöffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anforderungen und Pflichten an die/der Gerichtspersonen . . . . . . . aa) Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schöffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsort/-zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Oberlausitzer Femgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

363 363 364 364 364 379 399 401 401 422 432 432 440 446 458 463 468

G. Rechtszug und Appellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtszug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Appellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

477 477 480 488

H. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 I. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 II. Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537

A. Einführung I. Ziel und Ausgangspunkt der Untersuchung Die Verfassungsgeschichte der Oberlausitz weist für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit, vor allem aber auch im Hinblick auf den Übergang zwischen beiden Zeitaltern gerade im ostmitteleuropäischen Kontext einige Besonderheiten auf, die sicherlich im Zusammenhang stehen mit der relativen „Herrscherferne“ dieses ständig wechselnden und stets auswärtigen Landesherrschaften unterworfen gewesenen Landes. Daraus wird seit jeher gefolgert, das Untersuchungsgebiet sei „von unten“, mithin „dezentral“ 1 geprägt worden.2 Dies zwingt vor dem Hintergrund der modernen Verfassungsgeschichtsforschung geradezu zu näherer Befassung. Die heutige Forschung nimmt eben nicht mehr nur die Perspektive „von oben“ ein, will somit nicht die Verfassung eines Landes oder Territoriums ausschließlich ausgehend von der Herrschaft her erklären, wie es zum Teil die ältere, jedoch ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vermehrt und hier zunächst vor allem von O. Brunner3 und Schlesinger4 kritisierte Forschung tat. Andererseits hat auch die heutige Oberlausitzer Landesgeschichtsforschung derzeit ganz überwiegend – so etwa die in jüngerer Zeit schon in der zweiten Auflage von Bahlcke herausgegebene „Geschichte der Oberlausitz“ bereits ihrem Untertitel „Herrschaft, Gesellschaft und Kultur“ nach – diesen freilich auch weiterhin wichtigen Blickwinkel „von oben“,5 der jedoch gerade im Hinblick auf die Oberlausitz zwingend um die Perspektive „von unten“ zu erweitern ist. Stimmt nun die These der „Dezentralität“ und des Aufbaus des Gemeinwesens „von unten“? Wenn ja, galt dies hinsichtlich der in der mittelalterlichen und früh1

Diesen Begriff verwandte schon Reuther, Geschichtsraum, S. 105. Die entscheidende Bedeutung dieses Umstands für die weitere verfassungsgeschichtliche Entwicklung des Untersuchungsgebiets bis zum Ende des Untersuchungszeitraums wurde (als Besonderheit im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ostmitteleuropa) in der modernen Forschung, soweit ersichtlich, erstmals von Reuther (z. B. Reuther, Geschichtsraum, S. 103, 105) festgestellt. Kötzschke (ders., Vogtei, S. 16, 33) hatte zwar die Auswirkungen dieses Umstands, nämlich vor allem die Entstehung einer Weichbildverfassung anstelle einer voll ausgebildeten landesherrlichen Lokalverwaltung durch bewußte Abgabe wesentlicher Vogteirechte durch den Landesherrn, erstmals dargestellt, sich jedoch nicht mit den Ursachen auseinandergesetzt. Blaschke (z. B. ders., Landstände, S. 40 f.; ders., Staat, S. 141 ff., 148 ff.; ders., Sechsstädtebund, S. 60) stellte, soweit ersichtlich, Ursache und Wirkung erstmals in einen Zusammenhang. 3 Brunner, Land und Herrschaft, S. 146 ff., 180 ff., 231 ff. 4 Schlesinger, Landesherrschaft, S. 5 ff. 5 Bahlcke, Geschichte. 2

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A. Einführung

neuzeitlichen Alltagswelt der Oberlausitz erscheinenden Bevölkerungsgruppen allumfassend? Trifft dies also auch mit Blick auf die nicht in den Oberlausitzer Landständen verfaßten Stände, also neben dem Adel und den Eliten der sechs landesherrlichen Städte mithin auf die grundherrlichen Hintersassen und die nicht in den Räten der genannten Städte vertretenen Stadtbewohner zu? Veränderte sich das betreffende Verhältnis, so etwa im Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit? Wenn ja, warum und auf welche Weise? Es muß sich im einzelnen also bei Vorliegen einer ständisch strukturierten Gesellschaft bis zum Ende dieses Untersuchungszeitraums um die Erforschung des – sich möglicherweise wandelnden – Verhältnisses zwischen Grundherr und Bauer, zwischen städtischen Eliten und sonstigen Stadtbewohnern, jenes zwischen, wie es in den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Quellen so anschaulich heißt, „Land und Städten“, und zwar außerhalb wie innerhalb der Landstände, sowie desjenigen zwischen Landständen und Landesherrn handeln. Auch eine möglicherweise bestehende direkte Beziehung zwischen Landesherrn und den Bauern in den Grundherrschaften ist in den Blick zu nehmen. Eine Untersuchung der Geschichte der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gerichtsverfassung gerade dieses Landes ist lohnenswert, als davon ausgehend näheres über Strukturen und Entwicklungen der allgemeinen Verfassungsgeschichte zu erfahren ist, wie zu zeigen ist. Einen die gleichsam „dezentralen“ Strukturen des mittelalterlichen und auch über weite Strecken frühneuzeitlichen Gemeinwesens ausdrücklich „von unten her“ in den Blick nehmenden Ansatz hat für die Geschichtswissenschaft im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts Blickle6 gefunden. Er schuf für den hier angesprochenen Problemkreis den Begriff des „Kommunalismus“. Blickle führt die von ihm beobachteten Verfassungsstrukturen „von unten her“ auch bezogen auf die landständischen Verfassungen vieler Länder des Alten Reichs auf die Strukturen und Entwicklungen der Land- und Stadtgemeinden, also der Alltagswelt der „Arbeitenden“, des „gemeinen Mannes“ zurück. Für Blickle ist der Grad der Ausprägung bestimmter gemeindlicher Kompetenzen nicht nur im Verhältnis zum Grundherrn, sondern gerade – über die Beteiligung der Bauern und Bürger im Rahmen von Landständen – in jenem zum Landesherrn entscheidend bei der Frage, ob und inwieweit zugunsten der spezifisch bäuerlichen und bürgerlichen – oftmals Werten der herrschaftlichen Ordnung entgegenstehenden – Belange Gemeiner Nutzen, Hausnotdurft und Friede eine „Dezentralisierung der politischen Macht“ sogar im Sinne einer „horizontalen Gewaltenteilung“ zu beobachten sei. Nach Blickle sind – auch im Hinblick auf die Verwirklichung des Kommunalismus in den landständischen Verfassungen – folgende Kompetenzen maßgebend: Satzungskompetenz der Gemeinde beziehungsweise ihrer repräsentativen Organe, Verwaltung im Rahmen des von den Satzungen gedeckten Kompetenzbereichs 6

Blickle, Kommunalismus I, S. 9, 40 ff., 87 ff., 175 f.

I. Ziel und Ausgangspunkt der Untersuchung

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und Rechtsprechung im Rahmen des gesatzten Rechts, was sich personell und organisatorisch ausdrücke in Vorhandensein und entsprechenden Kompetenzen von Gemeindeversammlungen, Rat, Bürgermeister und vor allem des Gerechtigkeit, mithin Frieden schaffenden Gerichts. Die Traditionen der „gemeindlichen Selbstverwaltung“ liegen nach Blickle gar in der „Gerichtsorganisation“. „Das Gefühl der Gerechtigkeit wird in dem Maße wachsen, wie die dem Recht Unterworfenen an der Rechtssetzung und Urteilssprechung beteiligt sind. Die kommunale Lebenswelt war in diesem Punkt der herrschaftlichen immer überlegen.“ 7 Mit Blick auf das Verhältnis Landstände – Landesherr geht Blickle aus von O. Brunners grundlegender Feststellung, das „Land“ bildeten die „dem Landrecht“ „als Landesgemeinde“ unterworfenen Stände.8 Blickle sieht Kommunalismus als Voraussetzung dafür an, daß auch die Stadt- und Landgemeinden, die „Arbeitenden“, neben Geistlichkeit und Adel „an der Repräsentation des Landes beteiligt“ seien. Mithin stellt er fest: Erst „durch die Landstandschaft der [im Sinne des Kommunalismus ausgeprägten – HvS] städtischen und ländlichen Gemeinden werden die Ständeversammlungen zur Repräsentativkörperschaften im modernen Sinn“, indem auch „das kommunale Prinzip mit seinen Organisationsstrukturen und Wertvorstellungen auf Territorialebene abgebildet und damit stabilisiert“ werde.9 Insoweit verändere Kommunalismus die Funktion der ansonsten ausschließlich durch – entgegengesetzte – Werte der anderen Stände geprägten Landtage. Folge fehlender Repräsentation der Gemeinden seien andererseits dort, wo adlige Herrschaft Schutz und Schirm nicht mehr habe garantieren können, von den Gemeinden ausgehende Landfriedensbewegungen gewesen, um kommunale Werte durchzusetzen.10 Willoweit kritisiert den von Blickle unternommenen Versuch, Verfassungsstrukturen und Verfassungsentwicklungen „von unten her“ als ausschließlich ausgehend von Vorgängen in den Land- und Stadtgemeinden zu erklären. Insoweit fehle bereits „die annähernde Konvergenz dessen, was Gemeinden und Landstände beraten und beschließen“.11 Die Dorfgemeinde trete im Rahmen der dort stattfindenden „Intensivierung der sozialen Beziehungen“ als Wirtschaftsverband (zum Beispiel Organisation der Nutzung der Gemeindeflur) und Gerichtsgemeinde (Konfliktbewältigung und Friedenswahrung) in Erscheinung. In der Gemeinde- beziehungsweise Gerichtsversammlung seien mithin die Angelegenheiten und „gemeinsamen Interessen“ des „Lebenskreises der Dorfbevölkerung“ behandelt worden. Dagegen seien die Landstände dort „aktiv [geworden], wo [deren] ureigenste Interessen individueller oder korporativer Art berührt wer-

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Blickle, Kommunalismus I, S. 129. Brunner, Land und Herrschaft, S. 194, 231 ff. 9 Blickle, Kommunalismus, Parlamentarismus, S. 540, 545 f. 10 Blickle, Kommunalismus, Parlamentarismus, S. 529 ff. 11 Willoweit, Genossenschaftsprinzip, S. 129. 8

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A. Einführung

den“, vor allem hinsichtlich des „Steuerwesens“ und der „Disziplinierung der Untertanen“. Insoweit hätten die Kompetenzen der Landstände freilich ebenfalls in die „Justiz“, auf dieser Ebene jedoch ein „Kernbereich“ der Aufgaben gerade auch des frühneuzeitlichen Obrigkeitsstaats, um „Frieden und Recht in den territorialen Binnenbeziehungen zu wahren“, „hineinreichen können“.12 Willoweit sieht insoweit also zwar ein auf beiden Ebenen der Sache nach übereinstimmend vorhandenes entscheidendes Interesse von Gemeinde und Landständen: „Wie die Gerichtsversammlung des Dorfes für ihren Bereich, so haben die [unter Beteiligung von Angehörigen der Landstände] gerichtsförmlich beratenden Kollegialorgane [. . .] für das Land insgesamt Streit beizulegen und das Recht zu wahren.“ 13 Jedoch stehe die Entstehung solcher „genossenschaftlicher Organisationsformen“, die sich auf verschiedenen Ebenen und bezogen auf unterschiedlichste Lebensbereiche oftmals unabhängig voneinander entwickelt hätten, im Zusammenhang jeweils mit dem – alle frühmittelalterlichen Lebenswelten verbindenden – „Schritt von gewalttätiger zu friedlicher Streiterledigung“ und mithin der „Herausbildung von Gericht, Prozeß und Gerichtsgemeinde“ im Rahmen der Schaffung eines insoweit geeigneten formalisierten Verfahrens.14 Das „Gerichtsverfahren [hatte] die Funktion [. . .], die Zustimmung aller für die Wiederherstellung des gestörten Friedens zu erhalten, um auf diese Weise auch engagierte Sippengenossen in die getroffene Entscheidung einzubinden“.15 Akzeptanz des Verfahrens und der am Ende stehenden Entscheidung sei dadurch erreicht worden, daß „die Parteien [. . .] sich einem Urteil [unterwarfen], das von ihresgleichen gefunden und bestätigt“ worden sei, also von „Gleichstehenden“ oder „Standesgenossen“, wodurch „Ehre und Ansehen“ der Partei selbst im Fall einer für sie nachteiligen Entscheidung gewahrt worden seien.16 Blickle und Willoweit gehen indes übereinstimmend von den grundlegenden Erkenntnissen Gierkes zum Vorhandensein von „Genossenschaften“ als einem bestimmenden Wesenszug insbesondere der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen (deutschen) Verfassungsgeschichte aus. Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte Gierke unter dem bereits den mittelalterlichen Quellen bekannten und von Beseler17 (wieder) eingeführten Begriff Genossenschaft18 seine Theorie von der realen Verbandspersönlichkeit entwickelt, um der „Rechtswesenheit“ des „Staats“ vom frühen Mittelalter bis in die damalige Gegenwart auf den Grund zu gehen. Gierke ging von einem in Mittelalter und Früher Neuzeit vor allem ständisch geprägten pyramidenartigen Gesamtorganismus einer Viel12 13 14 15 16 17 18

Willoweit, Genossenschaftsprinzip, S. 131 f. Willoweit, Genossenschaftsprinzip, S. 132. Willoweit, Genossenschaftsprinzip, S. 133. Willoweit, Genossenschaftsprinzip, S. 134. Willoweit, Genossenschaftsprinzip, S. 134. Beseler, Volksrecht, S. 158 ff. Schildt, Genossenschaft, Sp. 103–110.

I. Ziel und Ausgangspunkt der Untersuchung

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zahl, sämtliche Lebensbereiche umfassender „Genossenschaften“ aus. Innerhalb dieser hätten sich selbst Fürsten und die Großen des Reichs zu solchen zusammengeschlossen. Im Rahmen dieses Gesamtorganismus trete die jeweilige Genossenschaft der jeweiligen herrschaftlichen Ordnung, etwa dem Grundherrn, Stadtherrn, Landesherrn, König entgegen. Gierke meint bei ausschließlicher Betrachtung des „germanischen Volks“, daß diesem in allen gesellschaftlichen Bereichen die je nach übereinstimmender beispielsweise gesellschaftlicher, kultureller, rechtlicher, religiöser oder wirtschaftlicher Interessenlage vorhandene „Lust zu freier Association“ innewohne. Hieraus entstehe die Genossenschaft, „jede auf freier Vereinigung beruhende deutschrechtliche Körperschaft“.19 Bereits die frühmittelalterlichen „Genossenschaften des alten Rechts“ erkennt Gierke neben ihren kulturellen, wirtschaftlichen, religiösen und sozialen Seiten auch als „ein[en] auf natürlicher Zusammengehörigkeit beruhende[n] persönliche[n] Friedens- und Rechtsverein“, der „alles Recht in die Gesammtheit verlegt“. Als „Gerichts- und Friedensgenossenschaft“ „erzeuge“ sie (gegebenenfalls durch Urteiler aus ihrem Kreis) „sich selbst [. . .] ihr Recht“, „sei es als gewordenes, hergebrachtes, sei es als bewußt geschaffenes, gekornes Recht“.20 Schon den frühen Genossenschaften steht Gierke zufolge im „Kampfe von Genossenschaft und Herrschaft“ „von Anfang an [. . .] die entgegengesetzte Form menschlicher Gemeinschaft, in welcher Einer das Band für Alle ist, als herrschaftlicher Verband in patriarchaler, persönlicher Gestaltung entgegen“. Trotz zeitweiligen „Sieges der Herrschaft über die Genossenschaft“ infolge des Aufkommens des „Lehnsstaats“ habe das späte Mittelalter „freie Einungen“ hervorgebracht, die sich nach Zusammenbruch des Lehnsstaats „von unten auf in gekorenen Genossenschaften auf allen Gebieten“ zusammengeschlossen hätten, etwa als Dorf- und Stadtgemeinden, als Zünfte und Gilden, als Orden und Bruderschaften sowie als Bünde und Landstände. Auch der Herr konnte somit mithin Genosse als Herrschaftsunterworfener eines anderen Herrschaftsträgers sein.21 Jedoch auch diese Einungen wurden Gierke zufolge von der herrschaftlichen Gewalt besiegt, indem etwa der Versuch scheiterte, den Bauernstand dauerhaft in das System aufeinander aufbauender, das Gemeinwesen gestaltender Genossenschaften einzubeziehen, oder indem die land- und stadtrechtlichen Genossenschaften miteinander verschmolzen. Am – vorläufigen – Ende der Entwicklung schlug nach Gierke „das Genossenschaftswesen [. . .] in ein privilegirtes Korporationswesen um, welches sich selber auf eine lediglich privatrechtliche Basis stellt und damit des Anspruchs auf fernere Theilnahme am öffentlichen Rechte begiebt“. Dies habe den vorläufigen Sieg des „absoluten Staates“ und der „absolu-

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Gierke, Genossenschaftsrecht I, S. 3, 5. Gierke, Genossenschaftsrecht I, S. 32, vgl. 21 f. 21 Zu den einzelnen ab ungefähr 1200 bestehenden, auch im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Genossenschaften Gierke, Genossenschaftsrecht I, S. 296 ff. 20

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ten Individualität“ gebracht. Die „alte Freiheit und Selbstverwaltung“ der Masse der bislang dazwischenliegenden je nach Willenslage unterschiedlich ausgestalteten Einungen seien zerstört.22 Dies betreffe etwa auch die Funktion der Genossenschaft als „Gerichtsgenossenschaft“, deren Kompetenzen ab spätestens dem beginnenden 16. Jahrhundert auf die herrschaftliche Ordnung mit ihren gelehrten Juristen übergegangen seien.23 Gierke mißt zwar den meisten Genossenschaften als „Gerichtsgenossenschaften“ im Spannungsfeld zwischen Genossenschaft und Herrschaft die alleinige Funktion zu, im Wege des Urteils der Rechtsgenossen übereinander „Recht“ „für sich“ zu schaffen, wobei er jedoch auch meint, es habe andererseits rein herrschaftlich geprägte Gerichte gegeben.24 Für ihn war dieser personell-organisatorische Aspekt jedenfalls genauso wie das Vorhandensein eines gemeinsamen „Rechts“ schlechthin nicht Ursache, sondern Konsequenz des Vorhandenseins auf freier Vereinigung beruhender Genossenschaften. Dagegen setzte M. Weber ebenfalls auf dem Boden der von der Scheidung von Herrschaft und Genossenschaft ausgehenden Theorien den „Reichtum des deutschen mittelalterlichen Genossenschaftswesens“, welches deswegen „einzig in der Welt da[stand]“, in besondere Beziehung zur „Entwicklung und Erhaltung der dinggenossenschaftlichen Form der Justiz“, die jeden Gerichtsherrn dazu zwang, „Urteile und Weistümer nicht selbst und auch nicht durch Beamte, sondern durch Dingleute aus dem Kreise der Rechtsgenossen oder doch unter deren maßgebender Mitwirkung finden zu lassen, widrigenfalls sie nicht als wirklich objektiv verbindliche Rechtsweisung galten.“ 25 „Die Interessenten der einzelnen Rechtskreise“, die bei Weber wie bei Gierke die verschiedensten Lebenswelten abbildeten, „wirkten bei jeder derartigen Feststellung mit. [. . .] Es ist klar, daß dies eine Garantie autonomer Rechtsbildung und zugleich körperschaftlicher und genossenschaftlicher Organisation darstellte, wie sie stärker nicht gefunden werden konnte.“ 26 Weber führt diese Form der „Justiz“ auf „politische und verwaltungstechnische“ Gründe zurück: „Der Herr war in aller Regel militärisch derart in Anspruch genommen und verfügte so wenig über einen rationalen, von ihm abhängigen Verwaltungsapparat zur Kontrolle seiner Untergebenen, daß er [. . .] auf ihre Mitwirkung bei der Wahrung seiner eigenen Ansprüche, damit aber auch der [. . .] Gegenansprüche der von ihm Abhängigen angewiesen blieb.“ 27 Weber, der stets den Begriff der „Justiz“ verwendet, schlägt jedoch dabei nicht den Bogen von der gerichtsgenossenschaftlichen Rechtsprechung zur genossenschaftlichen Rechtsbildung, die er allenfalls oberflächlich in Beziehung zur „Justiz“ setzt.

22 23 24 25 26 27

Gierke, Genossenschaftsrecht I, S. 8 ff. Gierke, Genossenschaftsrecht I, S. 666 ff. Gierke, Genossenschaftsrecht I, S. 114. Weber, Wirtschaft, S. 438. Weber, Wirtschaft, S. 438. Weber, Wirtschaft, S. 438.

I. Ziel und Ausgangspunkt der Untersuchung

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Während Weber von der (ding-)genossenschaftlichen „Justiz“ als charakteristischem Merkmal einer Genossenschaft spricht, verwendet O. Brunner insoweit den Begriff „Recht“ und verfolgt damit bei ähnlicher Perspektive einen anderen Ansatz. Er sieht in seiner grundlegenden Studie zu „Land und Herrschaft“ ebenfalls ausgehend von genossenschaftlichen Theorien entgegen der damals herrschenden Lehre die Entstehung mittelalterlicher „Länder“ als einen „unabhängig von einem Landesherrn“ erfolgten oder zumindest „nicht allein vom Landesherrn“ geprägten Vorgang an.28 Er kommt – jedoch mithin lediglich bezogen auf seinen Untersuchungsgegenstand – zu dem Schluß, daß „Länder [. . .] Gerichtsbezirke [sind], in denen Landrecht gesprochen wird, in denen eine Landesgemeinde vorhanden ist“ oder „sich eine Landesgemeinde und ein einheitliches Landrecht herausgebildet hat“.29 Brunner spricht damit zwei Merkmale an, die das „Land“ kennzeichneten, „Landesgemeinde“ und „Landrecht“, ohne jedoch beide Begriffe näher zu beleuchten, sie etwa näher in Beziehung zueinander zu setzen. Daß und wie (durch die „Landesgemeinde“) das „Landrecht“ (in weitgehend schriftloser Zeit durch das gerichtsförmige Urteil) geschaffen und stabilisiert wurde, untersucht er nicht. Nach Brunner ist es aber maßgeblich das – auf bestimmte, nicht näher von ihm ergründete Weise zustande gekommene – „Recht“, anhand dessen das Wesen hier der Genossenschaft des „Landes“ erkennbar werde. Dahingegen kam Schlesinger, der sich ebenfalls gegen die ältere Lehre von der „herrschaftsbezogenen“ Betrachtung der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Verfassung stellte, in seinen Arbeiten nicht über eine bloße Kritik hinaus. Vertieft widmete er sich dem Zusammenhang zwischen Recht, Gericht und Genossenschaft nicht.30 Lediglich in seiner grundlegenden Arbeit über die Gerichtsverfassung in den Markengebieten östlich der Saale befaßt er sich – gründlich – mit der Quellenlage auch hinsichtlich der Urteiler in den von ihm betrachteten Gerichten, ohne jedoch über eine bloße Darstellung der Besetzung des jeweiligen Gerichts und der insoweit bestehenden oder mangelnden Funktionsteilung zwischen Richter und Schöffen hinauszukommen.31 Weitzel dagegen gelingt erstmals die Herstellung des Zusammenhangs zwischen „Herrschaft“, „Genossenschaft“, „Recht“ und „Gericht“ im Rahmen seines Begriffs vom „dinggenossenschaftlichen Prinzip“, welchem er „hinreichendes und angemessenes Potential zur Erklärung der mittelalterlichen Verfassung“,32 mithin des Übergangs zu frühneuzeitlichen Verhältnissen zumißt. Weitzel begreift mittelalterliche beziehungsweise später noch mittelalterliche geprägte Verfassung „vom Gericht und der Dinggenossenschaft her“.33 Er möchte den Grund28 29 30 31 32 33

Brunner, Land und Herrschaft, S. 194, 231 f. Brunner, Land und Herrschaft, S. 194, 231 f. Z. B. Schlesinger, Herrschaft, S. 225 f.; Landesherrschaft, S. XIV, XXII, 123. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 48 ff. Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 106. Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 106.

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satz der „Trennung von Urteil (Recht, Rechtsfindung)“, das der Genossenschaft zukomme, und „Gebot (Rechtszwang)“ als herrschaftlicher Kompetenz im mittelalterlichen Gericht „als Ausdruck eines qualitativen Unterschieds zwischen mittelalterlichem Recht und neuzeitlich-staatlichem Gesetzesrecht verstanden“ wissen.34 Ausgangspunkt seiner Untersuchung ist der bereits von den früheren Forschern nachgewiesene „Zustand der organisatorischen Trennung von Rechtsfindung und Rechtszwang unter maßgeblicher Beteiligung der Genossen der Parteien an der Rechtsfindung“.35 Weitzel sieht entscheidend in der „genossenschaftlichen Rechtsfindung“ das „genossenschaftliche Prinzip“. Er geht insoweit von einem für alle Genossenschaften gültigen Prinzip aus, das selbst die Reichsfürsten als Genossen etwa im Königsgericht erscheinen lasse.36 Es handele sich auch nicht um einen Gegensatz, sondern um eine „Verschränkung“ des herrschaftlichen und des genossenschaftlichen Elements.37 Nach Weitzel sind im Rahmen der Rechtsfindung, mithin des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ jedoch die Rolle des „Gerichts“ und damit „die Inhalte und Folgen gerichtlicher Tätigkeit“ maßgeblich.38 Das Gericht, das in seinem Ursprung nicht eben nur Gericht im heutigen Sinn, sondern viel umfassender die Erscheinungsform der handelnden Gesamtheit als solche gewesen sei, und sein Recht standen Weitzel zufolge im Zentrum der mittelalterlichen Rechtsordnung und des mittelalterlichen Rechtsverständnisses: „Angesichts der durchgehend bestehenden Schriftarmut oder gar der Schriftlosigkeit ist das Gericht nicht ein Organ der Rechtspflege, sondern es ist das „Recht“ schlechthin.“ 39 „Der im Gericht hergestellte Konsens der Rechtsgenossen entscheidet darüber, ob und in welcher Gestalt die sich wandelnden Überzeugungen der je einzelnen Mitglieder des Rechtskreises als Recht konkretisiert und allmählich in den Fundus allgemein anerkannter Regeln aufgenommen werden. Da gerade die sich aus sozialen, wirtschaftlichen und sonstigen Entwicklungen ergebenden rechtlichen Konsequenzen nicht schon anfänglich einmütig und ausgewogen gezogen werden, kommt es zu Konflikten, die im Regelfall und auf Dauer gesehen gerichtlich beigelegt werden.“ 40 Dies bedeute, solange das Urteil und nicht gelehrtes Gesetzesrecht für die Rechtsfindung maßgeblich sei, „nicht mehr und nicht weniger, als daß die Strukturen des Gerichts Rechtsbildung und Rechtsverständnis [. . .] bestimmen, daß sie selbst Ausdruck [. . .] vom Recht sind.“ 41 Jedoch auch in einem maßgeb-

34 35 36 37 38 39 40 41

Weitzel, Weitzel, Weitzel, Weitzel, Weitzel, Weitzel, Weitzel, Weitzel,

Dinggenossenschaft, S. 89. Dinggenossenschaft, S. 89. Dinggenossenschaft, S. 103 ff. Dinggenossenschaft, S. 103 ff. Dinggenossenschaft, S. 63. Dinggenossenschaft, S. 63. Dinggenossenschaft, S. 90 ff. Dinggenossenschaft, S. 90 ff.

I. Ziel und Ausgangspunkt der Untersuchung

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lich vom Gesetzesrecht geprägten Umfeld war (und ist) nach Weitzel das Urteil zur „zumindest unbewußte[n] Neuschöpfung von Recht [. . .] vor allem im Wege des zunächst unbemerkten Bedeutungswandels“ 42 in der Lage. In diesem Sinne war nach Weitzel die personell-organisatorische Trennung von Rechtsfindung, die bei den Urteilern aus dem Kreis der Genossenschaft der Partei lag, und Rechtszwang, der dem Herrschaftsträger zukam, Ausdruck des bereits etwa von Gierke und Weber angesprochenen Bedürfnisses der fränkischdeutschen Genossenschaft, das „Recht [. . .] im Konsens der Betroffenen [zu bilden]“ und nicht etwa durch den Herrschaftsträger.43 Wie Weitzel dabei nachweist, mußte zur Absicherung dieses Prinzips die inhaltliche Trennung von Rechtsfindung und Rechtszwang nicht zwingend übereinstimmen mit der von Urteilern und Richtern in personell-organisatorischer Hinsicht: es reiche, wenn das Votum der Urteiler aus dem Kreis der betreffenden Genossenschaft ausschlaggebend gewesen sei: Funktionsteilung „besteht auch dann, wenn der gebietende Richter zugleich einer unter mehreren Urteilern ist.“ 44 Zur Frage der „Prozeßfähigkeit“ der Urteiler weist Weitzel daraufhin, daß diese „Genossen der Parteien“ sein mußten. „Die Urteiler [mußten] ihre Funktion gerade als Angehörige eines Rechtskreises und einer ständischen Gliederung, die sie grundsätzlich mit den Parteien teilen, ausüben. Ihr Urteil ist Zeugnis über (teilweise) gemeinsames Recht.“ 45 „Ständische Einflüsse“ in dem Sinn, daß „der im (Geburts-) Stande Höherstehende über den Standesniedrigeren Urteil finden könne, nicht aber umgekehrt“, sei eine, nicht aber eine zwingende Ausprägung dieses Gedankens gewesen, die jedoch ab dem 13. Jahrhundert auf viele Lebensbereiche ausgegriffen habe.46 Weitzel stellt fest, daß das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ im Zuge der deutschen Ostsiedlung auch in das Neusiedelgebiet vorgedrungen sei.47 Diese Arbeit möchte vor diesem Hintergrund einen Gesamtüberblick über die Strukturen und Entwicklungen der weltlichen Gerichtsverfassung in dem heute Oberlausitz genannten historischen Raum zur Zeit der Markenverfassung sowie ab dem Zeitraum der Ostsiedlung auf landesherrlicher und grundherrlicher Ebene wie auch in den landesherrlichen Städten bieten, um zu versuchen, aus dieser Perspektive die hiesigen vorstaatlichen Verfassungsstrukturen, ihre Entwicklungen und Eigenheiten zu erklären. Der Untersuchungszeitraum spannt sich von jeweils ersten Quellennachweisen im 11. Jahrhundert bis 1. Oktober 1816, dem Zeitpunkt der Auflösung des Amtes Görlitz im königlich preußischen Mark42 43 44 45 46 47

Weitzel, Weitzel, Weitzel, Weitzel, Weitzel, Weitzel,

Dinggenossenschaft, S. 90 f. Dinggenossenschaft, S. 92. Dinggenossenschaft, S. 89 f. Dinggenossenschaft, S. 124 ff., 127. Dinggenossenschaft, S. 124 ff., 127. Dinggenossenschaft, S. 152 f.

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graftum Oberlausitz,48 beziehungsweise grundsätzlich 17. November 1834, dem Zeitpunkt der amtlichen Bekanntmachung der „Übereinkunft“ zwischen dem König von Sachsen und den Landständen des königlich sächsischen Markgraftums Oberlausitz vom 9. Dezember 1832 über die „Modification“ der Oberlausitzer „Particular-Verfassung“ durch „Anwendung“ der Verfassung des Königreichs Sachsen im königlich sächsischen Markgraftum Oberlausitz49. Der Untersuchungszeitraum umfaßt also Mittelalter und Frühe Neuzeit und endet mit einem Ereignis, das in der preußischen Oberlausitz das Oberlausitzer Territorialrecht außer Kraft setzte beziehungsweise den Verfassungsstaat und den Übergang von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft auch in der sächsischen Oberlausitz einläutete.50 48 Vgl. Bekanntmachung des königlich preußischen Oberlandesgerichts von Niederschlesien und der Lausitz vom 18. August 1816 abgedruckt bei Anonymus, Gerichtsverfassung. Zwar bestanden die Patrimonialgerichte und städtischen Gerichte zunächst weiter, jedoch wurden auch diese fortan ausschließlich nach preußischem Recht ohne Rücksicht auf Oberlausitzer Territorialrecht behandelt (Nachweise bei Starke, Gerichtsverfassung, S. 23). 49 Vgl. GS Sachsen 1834, S. 482 ff. Die im Königreich Sachsen am 4. September 1831 in Kraft getretene Verfassung (GS Sachsen 1831, S. 241 ff.) erklärte zwar das Königreich Sachsen einschließlich des königlich sächsischen Markgraftums Oberlausitz für einen unter einer Verfassung vereinigten Staat. Erst jedoch traten gemäß § 1 der genannten Vereinbarung zwischen dem König von Sachsen und den Landständen des königlich sächsischen Markgraftums Oberlausitz vom 9. Dezember 1832 „die bisherigen vertragsmäßigen Rechte dieser Provinz und ihrer Stände, jedoch nur gegen den Fortgenuß der, mit der neuen Verfassung des Königreichs Sachsen verbundenen, so wie der, in der gegenwärtigen Urkunde besonders ausgedrückten Rechte, ausser Wirksamkeit“. Es galten also nur solche Bestandteile des Oberlausitzer Territorialrechts fort, die durch diese Urkunde ausdrücklich eingeräumt beziehungsweise bestätigt wurden wie etwa nach § 3 die besondere, bereits durch den Traditionsrezeß vom 30. Mai 1635 bestätigte „Religions- und kirchliche Verfassung“ der Oberlausitz. Bezüglich der Gerichtsverfassung wurde mit § 8 lediglich angeordnet, daß die „Trennung von Justiz und Verwaltung, soweit sie in den alten Erblanden ausgeführt wird, auch in der Oberlausitz zur Ausführung zu bringen“ sei. Mangels weiterer ausdrücklicher positiver Klauseln galten somit fortan keine vom erbländischen Recht abweichenden Regelungen des Oberlausitzer Territorialrechts für die Gerichtsverfassung im königlich sächsischen Markgraftum Oberlausitz mehr. Bereits zuvor war die Gerichtsverfassung der Städte im königlich sächsischen Markgraftum Oberlausitz durch das auch hier erfolgte Inkrafttreten der Allgemeinen Städteordnung für das Königreich Sachsen vom 2. Februar 1832 (GS Sachsen 1832, S. 1 ff.; vgl. hinsichtlich der Einführung dieses Gesetzes in Zittau Pescheck, Handbuch I, S. 478 ff. mit Abdrucken wichtiger zeitgenössischer örtlicher Quellen) nach Grundsätzen des modernen Verfassungsstaates verändert worden. Mit Inkrafttreten des königlich sächsischen Mandats, „die Einführung der alterbländischen Prozeßgesetze, sammt was dem abhängig, in der Oberlausitz betreffend“, vom 13. März 1821 (GS Sachsen 1821, S. 37 ff.) war bereits erbländisches Recht ohne inhaltliche Abänderungen im Untersuchungsgebiet eingeführt worden. Dies betrifft etwa auf grundherrlicher Ebene die Verordnung der Oberamtsregierung vom 9. Juli 1821 wegen der „bei künftiger Verpflichtung (der Gerichtspersonen) zu gebrauchenden Formulare“ (GS Sachsen 1821, S. 79 ff.) hinsichtlich des Richter- und Schöffeneides, womit die entsprechenden erbländischen Eidesformulare eingeführt worden waren. 50 Hierzu näher Belzyt/Rautenberg, Oberlausitz, S. 187 ff.

I. Ziel und Ausgangspunkt der Untersuchung

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Berücksichtigt werden die maßgeblichen Rechtsquellen und der heutige Forschungsstand. Gerichtsverfassungsstrukturen des modernen Verfassungsstaates, der im 19. Jahrhundert auch im königlich preußischen beziehungsweise königlich sächsischen Markgraftum Oberlausitz Einzug hielt,51 welche wesentlich von den überkommenen Verhältnissen insbesondere wegen der Einführung des Grundsatzes der Gewaltenteilung, der Schwurgerichte und des Anklageprozesses abw(e)ichen,52 sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung. So werden, was die Städte betrifft, nicht untersucht die Folgen der auch im königlich sächsischen Markgraftum Oberlausitz in Kraft getretenen Allgemeinen Städteordnung für das Königreich Sachsen vom 2. Februar 183253. Außerdem werden nicht dargestellt die gerichtsverfassungsrechtlichen Veränderungen aufgrund des Inkrafttretens des königlich sächsischen Mandats, „die Einführung der alterbländischen Prozeßgesetze, sammt was dem abhängig, in der Oberlausitz betreffend“, vom 13. März 1821,54 da hiermit lediglich erbländisches Recht ohne inhaltliche Abänderungen eingeführt wurde. Dies betrifft etwa auf grundherrlicher Ebene die Verordnung der Oberamtsregierung wegen der „bei künftiger Verpflichtung (der Gerichtspersonen) zu gebrauchenden (Eides-)Formulare“ 55. Die Arbeit kann darüber hinaus nur beispielhaft Einzelverhältnisse und -verläufe insbesondere auf grundherrlicher und städtischer Ebene behandeln, da sonst der ohnehin bereits weit angelegte Rahmen gesprengt würde. Alles übrige muß Einzeluntersuchungen vorbehalten bleiben, denen diese Arbeit die Grundlage liefern möchte. An einem Vorhaben dieser Art mangelte es bislang. Soweit sich Arbeiten (vertieft) mit der Gerichtsverfassung in der Oberlausitz auseinandersetzen, bleiben sie auf sachliche, zeitliche und räumliche Ausschnitte beschränkt, berücksichtigen nicht alle wichtigen Rechtsquellen beziehungsweise entsprechen nicht mehr dem Forschungsstand. Schon die älteste sächsische und oberlausitzische landesgeschichtliche Literatur äußert sich zur Gerichtsverfassung im Untersuchungsgebiet. Wabst veröffentlichte 1732 eine Darstellung der zeitgenössischen Gerichtsverfassung aller Herrschaftsebenen auch des Untersuchungsgebiets in seiner „Historischen Nachricht von des Churfürstenthums Sachsen und derer dazu gehörigen Lande Jetziger Verfassung der Hohen und niederen Justiz“,56 Römer 1788 im zweiten Teil von „Staatsrecht und Statistik des Churfürstentums Sachen und der dabey befind51 Zum Begriff Willoweit, Verfassungsgeschichte, S. 265 ff.; hinsichtlich des Untersuchungsgebiets Blaschke, Ständerepublik, S. 110 ff.; ders., Staat, S. 138 ff., 155 ff.; Belzyt/Rautenberg, Oberlausitz, S. 187 ff., 191 ff. 52 Näher Kern, Gerichtsverfassungsrecht, S. 55 ff. 53 GS Sachsen 1832, S. 1 ff.; vgl. hinsichtlich der Einführung dieses Gesetzes in Zittau Pescheck, Handbuch I, S. 478 ff. mit Abdrucken wichtiger zeitgenössischer örtlicher Quellen. 54 GS Sachsen 1821, S. 37 ff. 55 GS Sachsen 1821, S. 79 ff. 56 Wabst, Nachricht, S. 271 ff.

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A. Einführung

lichen Lande“ 57 insbesondere hinsichtlich der landesherrlichen Gerichte. Leonhardi beleuchtete 1806 knapp zeitgenössische landesherrliche und nichtlandesherrliche Gerichtsverfassungsverhältnisse im Untersuchungsgebiet im vierten Band seiner „Erdbeschreibung“.58 Die Werke Großers und Carpzovs von 171459 beziehungsweise 171960 stellen die ersten eigenständigen, quellengestützten Untersuchungen zur Landes-, insbesondere Rechtsgeschichte der Oberlausitz dar. Sie enthalten hier und dort auch Hinweise auf vornehmlich landesherrliche Gerichtsverfassungsverhältnisse. Gesamtdarstellungen der Geschichte der Oberlausitz aus dem 19. Jahrhundert mit vereinzelten Anmerkungen zur Gerichtsverfassung folgten.61 Von Carpzov stammt auch eine Arbeit zur Geschichte von Land und Stadt Zittau,62 die wegen ihrer Berücksichtigung wichtiger, heute verlorener Quellen für Forschungen über die dortige Gerichtsverfassung maßgeblich geworden ist. Einen durch mehrere Handschriften überlieferten „Bericht über des Marggraffthums Oberlausitz Aemter, Bestallungen, Verrichtungen“, erste und grundlegende, bis in das 19. Jahrhundert maßgebliche systematische Übersicht über die Oberlausitzer (Gerichts-)Verfassung, verfaßte um 1585 der Kaiserliche Rat und Görlitzer Amtshauptmann J. von Salza63,64 Diese Quelle zog etwa auch Behrnauer in einer Darstellung von 1772 über die Oberlausitzer Gerichtsverfassung seiner Zeit heran.65 1795 äußerte sich J. A. Crudelius zur Gerichtsverfassung des Görlitzer Weichbildes bis 1562.66 Zum Oberlausitzer Femgericht hatte bereits 1763 Knauthe67 geforscht.68 Der von der zweiten Hälfte des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts wirkende Görlitzer Jurist, advocatus provincialis der 57

Römer, Staatsrecht, S. 166 ff. Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 69 ff. 59 Großer, Merckwürdigkeiten, insb. I, III. 60 Carpzov, Ehrentempel, insb. S. 19 ff., 42 ff., 133 f., 143 ff., 157 ff., 329 ff. 61 Käuffer, Abriß, insb. I–II; Köhler, Geschichte, insb. S. 88 ff., 240 ff.; Scheltz, Geschichte I/II, insb. I, S. 526 ff., 576 ff. 62 Carpzov, Analecta. 63 Zur Person Boetticher, Adel II, S. 706 m.w. N.; Knothe, Adel I, S. 470; II, S. 141. 64 StFilA Bautzen, Salza, Bericht. Zur Bedeutung dieser Schrift Bahlcke, Historischer Raum, S. 18; ders., Regionalismus, S. 50; Jecht, Geschichtsschreibung, S. 5; jüngst Bobková, Oberlausitz, S. 125. Noch maßgebliche Werke des 18. und 19. Jahrhunderts über die Oberlausitzer (Gerichts-)Verfassung stützen sich wesentlich auf diesen Bericht (vgl. Wiesand, Beiträge, S. 108; Wabst, Nachricht, S. 271 ff.; Römer, Staatsrecht II, S. 167, Anm. 2; siehe auch die Nachweise bei Boetticher, Adel I, 10 ff.). 65 Behrnauer, Gerichtsverfassung. Hierauf erfolgte eine kurze Anmerkung Föhrls (vgl. Föhrl, Gerichtsverfassung). 66 Crudelius, Gerichtsverfassung. 67 Knauthe, Fehmgericht; 1771 erschien im Lausitzischen Magazin (1771, S. 169 ff., 215 ff.) ein anonymer (wohl von J. A. Crudelius stammender) „Beytrag zu dem im 14. und 15. Jahrhunderte in Oberlausitz üblich gewesenen Fehm-Gerichte“. 68 Vgl. Nachweise zur rechtshistorischen Literatur bis 1832 Wiesand, Beiträge, S. 102 ff.; genauer bis ungefähr 1800 Meißner, Materialien; ders., Literatur; Weinart, Literatur. 58

I. Ziel und Ausgangspunkt der Untersuchung

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Landstände und spätere Görlitzer Ratsherr und Schöffe Anton war indes der erste, der sich als ausgesprochener Rechtshistoriker vertieft mit Oberlausitzer, insbesondere Görlitzer Rechtsquellen auseinandersetzte. Dem Gerichtsverfassungsrecht widmete er jedoch keine seiner Arbeiten.69 An neueren Werken, die die Gerichtsverfassung in der Oberlausitz auf allen Herrschaftsebenen berücksichtigen, liegen Knothes „Urkundlichen Grundlagen zu einer Rechtsgeschichte der Oberlausitz“ von 187870 sowie Kapras’ „Rechtsgeschichte der Ober- und Niederlausitz“ aus dem Jahr 191671 vor. Beide Werke sind zwar heute noch grundlegend, ersetzen jedoch keine moderne Gesamtdarstellung der Oberlausitzer Gerichtsverfassung unter Berücksichtigung einschlägiger Rechtsquellen und des heutigen Forschungsstandes. Knothe erhob ausdrücklich keinen juristischen Anspruch.72 Er beschränkte sich gemäß seinem Anliegen grundsätzlich auf die Auswertung von Urkunden und behandelte zudem nur den Zeitraum bis Ende des 16. Jahrhunderts. Bei Kapras’ Arbeit handelt es sich zwar um eine rechtshistorische Untersuchung. Sie verwendet jedoch im wesentlichen lediglich Literatur, insbesondere Knothes Werk und berücksichtigt nicht den Zeitraum nach dem Übergang des Markgraftums Oberlausitz an den Kurfürsten von Sachsen ab 1620. Die neueste, von Bahlcke herausgegebene „Geschichte der Oberlausitz“ 73 legt Schwerpunkte gemäß ihrem Anliegen lediglich auf Fragen im Zusammenhang mit Herrschaft, Gesellschaft und Kultur. Rechtshistorische, insbesondere gerichtsverfassungsrechtliche Aspekte werden ausgeklammert. Dagegen dient als Grundlage für diese Arbeit der weiterhin forschungsaktuelle Aufsatz Schlesingers über die Gerichtsverfassung im gesamten Markengebiet östlich von Elbe und Saale zur Zeit der Ostsiedlung auf allen Herrschaftsebenen,74 worin die Oberlausitzer Gerichtsverfassungsverhältnisse freilich nur am Rande und im Rahmen der eng gesetzten zeitlichen Grenzen der Untersuchung behandelt werden. Soweit es Arbeiten vor allem zur landesherrlichen Ebene betrifft, beleuchtete Kötzschke 193875 die Strukturen der in der Oberlausitz geltenden Vogtei- und Weichbildverfassung zur Zeit der Ostsiedlung unter Herausstellung der Verwandtschaft mit meißnischen Verhältnissen. Einen grundlegenden rechtshistorischen Beitrag leistete insoweit, jedoch mit Blick auf Schlesien Loesch.76 Seifert 69 Eine kurze Erwähnung dörflicher Gerichtsverfassungsverhältnisse erfolgt bei Anton, Rechte, S. 106. Er veröffentlichte eine Anzahl Magdeburger Schöffensprüche für Görlitz (Anton, Schöppen). 70 Knothe, Rechtsgeschichte, S. 161 ff. 71 Kapras, Rechtsgeschichte. 72 Knothe, Rechtsgeschichte, S. 162. 73 Bahlcke, Oberlausitz. 74 Schlesinger, Gerichtsverfassung. 75 Kötzschke, Vogtei. 76 Loesch, Weichbildverfassung; ders., Verfassung, S. 138 ff.

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A. Einführung

befaßte sich in einer juristischen Dissertation von 1926 mit Geschichte, Stellung und Funktion der landesherrlichen (Land-)Vögte in der Oberlausitz.77 Reuther setzte nach 1945 die verfassungshistorische Forschung mit seinem Aufsatz „Verfassung und Verwaltung in der Oberlausitz bis zum Beginn des Sechsstädtebundes im Jahr 1346“ von 1961 fort.78 Etwas weiter spannte er den Zeitrahmen in dem 1956 gedruckten Vortrag „Abriß der Geschichte der Landesverwaltung in der Oberlausitz bis 1526“.79 Gerichtsverfassungsrechtliche Fragen wurden jeweils nur am Rande und sehr oberflächlich behandelt. Einzeluntersuchungen zu (ursprünglich) landesherrlichen Gerichten lieferten Weizsäcker mit einem Aufsatz über das Zittauer Landgericht von 193480 sowie Knothe81 und bedingt auch Boetticher82 über das (Görlitzer) Hofgericht. Das Ende der eigenständigen Oberlausitzer Gerichtsverfassung ab 1816 im königlichen preußischen Markgraftum Oberlausitz ist Gegenstand eines zeitgenössischen Berichts von 1822.83 Über die Oberlausitzer Grundherrschaften liegen mehrere Arbeiten vor, die jedoch einen gerichtsverfassungsrechtlichen Gesamtüberblick nach modernen rechtshistorischen Gesichtspunkten nicht ersetzen. Neuerdings äußerten sich unter wirtschaftsgeschichtlichen Aspekten zur Grundherrschaft, mithin zum Übergang von der Grundherrschaft zur Gutsherrschaft im Untersuchungsgebiet Hartstock84 und Kaak85, ohne damit zusammenhängende gerichtsverfassungsrechtliche Probleme anzusprechen. Hinsichtlich der einzelnen Grundherrschaften und ihrer (geistlichen, adligen und bürgerlichen) Inhaber liegen heute noch maßgebliche allgemeinhistorische, verfassungshistorische und genealogische Untersuchungen Knothes und Boettichers vor.86 Grundlegend zur grundherrschaftlichen, mithin dörflichen Verfassung ist immer noch Knothes Arbeit über die Stellung der Gutsuntertanen.87 Boelcke setzte mit seinen Untersuchungen von 195788 und 196989 diese Forschung nach 1945 fort. Hinsichtlich der geistlichen Grundherrschaften veröffentlichte nur Boetticher eine gerichtsverfassungsrechtliche Darstellung, nämlich die der Rügengerichte des Domstifts St. Petri zu Bautzen.90 77

Seifert, Landvögte. Reuther, Verwaltung, S. 81 ff. 79 Reuther, Abriß, S. 58 ff. 80 Weizsäcker, Landgericht. 81 Knothe, Hofgerichtsbuch. 82 Boetticher, Weichbild, S. 5 ff. 83 Anonymus, Gerichtsverfassung. 84 Hartstock, Wirtschaftsgeschichte, insb. S. 36 ff., 71 ff. 85 Kaak, Gutsherrschaft, S. 46 ff. 86 Knothe, Adel I/II; Boetticher, Adel I–III; insbesondere hinsichtlich des Weichbildes Görlitz Boetticher, Görlitzer Weichbild, insb. S. 5 ff.; hinsichtlich des Landes Budißin Helbig, Oberlausitz; hinsichtlich des Landes Zittau Seeliger, Land Zittau II, III. 87 Knothe, Gutsunterthanen, insb. S. 204 ff. 88 Boelcke, Bauer, S. 58 ff. 89 Boelcke, Verfassungswandel, insb. S. 166 ff. 78

I. Ziel und Ausgangspunkt der Untersuchung

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Hinsichtlich der Klöster St. Marienstern91, St. Marienthal92 und Lauban93 liegen Arbeiten ausschließlich zur jeweiligen allgemeinen Klostergeschichte vor. Über die Standesherrschaften Muskau und Königsbrück erschienen moderne wissenschaftliche Arbeiten von Arnim und Boelcke94 beziehungsweise Naumann95, letztere eine rechtshistorische. Über die Gerichtsverfassungsverhältnisse in den Grundherrschaften landesherrlicher Städte (Ratsdörfer) äußerten sich 1897 Boetticher mit einer Darstellung der Görlitzer und Löbauer Rügengerichte96 und 1928 Mitter mit einer juristischen Dissertation über die Grundlagen der Gerichtsverfassung und des Ehedings der Zittauer Ratsdörfer97. Stock98 und Schulze-Schönberg99 lieferten Beiträge zur Erforschung der ländlichen Schöppenbücher in der Oberlausitz, mithin der Dorfgerichte. Es liegen auch zahlreiche mehr oder weniger brauchbare Arbeiten (Chroniken) zu einzelnen Grundherrschaften beziehungsweise Dörfern vor, jedoch keine rechtshistorische Untersuchung. Was die landesherrlichen Städte im Untersuchungsgebiet und ihre Weichbilder betrifft, erschienen insbesondere vom Beginn des 19. Jahrhunderts an bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zahlreiche heute noch brauchbare Stadtgeschichten und Chroniken, so etwa über Bautzen100, Görlitz101, Lauban102, Löbau103 und Zittau104. Kamenz verfügt bislang über kein vergleichbares Werk.105 90 Boetticher, Ortschaften. Ansonsten liegen nur allgemeinhistorische Darstellungen hinsichtlich des Domstifts vor: Schlesinger, Kirchengeschichte II, S. 257 ff.; Sehler, Propstei; Schwarzbach, Geschichte. 91 Schlesinger, Kirchengeschichte II, S. 292 ff.; Knothe, Marienstern. 92 Schlesinger, Kirchengeschichte II, S. 290 ff.; Schönfelder, Marienthal. 93 Skobel/Piekorz, Klosterstift. 94 Arnim/Boelcke, Muskau. 95 Naumann, Rechtsbeziehungen. 96 Boetticher, Rügengerichte. 97 Mitter, Grundlagen. 98 Stock, Übersicht; ders., Schöppenbücher. 99 Schulze-Schönberg, Schöppenbuch. 100 Knothe, Bautzen, insb. S. 99 ff.; Needon, Bautzen, insb. S. 10 ff.; Reymann, Bautzen, insb. S. 809 ff., 869 ff. (wissenschaftlich eingeschränkt verwertbar); Wilke, Chronik. 101 Neumann, Görlitz, insb. S. 83 ff.; Jecht, Gründungsgeschichte, insb. S. 12 ff.; Jecht, Geschichte, insb. I, S. 47 ff. 102 Gründer, Chronik; Berkel, Lauban, insb. S. 11, 41, 67, 78 f., 110; Bertram, Lauban, insb. S. 17 f. 103 Seeliger, Löbau; ders., Verwaltungsgeschichte; Staudinger, Verfassung; Bergmann, Löbau, insb. S. 25 ff. 104 Seeliger, Zittau, 4 (1921), insb. S. 121 ff.; Pescheck, Handbuch, insb. I, S. 437 ff.; Carpzov, Analecta, insb. S. 247 ff. Die Arbeit ist weiterhin heranzuziehen und daher in diesem Zusammenhang anzuführen, da sie die durch einen Brand des Zittauer Ratsarchivs im 18. Jahrhunderts sämtlich vernichteten älteren Rechtsquellen verwendet. 105 Siehe aber Haberkorn, Stadtchronik, die einen Abriß der Stadtgeschiche aus früheren Zeiten bietet. Lediglich zu den Gerichtsverfassungsverhältnissen in den Anfängen

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A. Einführung

Soweit es heute noch verwendbare ältere Untersuchungen über die Entstehung des Städtewesens im Untersuchungsgebiet, den Sechsstädtebund, das damit zusammenhängende Femgericht und den sogenannten Pönfall von 1547 betrifft, forschten W. Jecht zur Gründungsgeschichte der Oberlausitzer Städte106, H. Seeliger über den Sechsstädtebund107 sowie Richter108, Baumgärtel109 und Pietsch110 über den sogenannten Pönfall 1547. Francke befaßte sich in einer 1937 veröffentlichten, teils nicht mehr aktuellen juristischen Dissertation mit dem Oberlausitzer Femgericht.111 Boetticher stellte das spätmittelalterliche Görlitzer Rügengericht vor, das – gerichtsverfassungsrechtlich mit dem Görlitzer Erbgericht verwandt – mithin Rügengericht für das gesamte Görlitzer Weichbild war. In derselben Arbeit befaßte er sich mit dem Löbauer Rügengericht, das – anders als das Görlitzer Rügengericht – über die Zuständigkeit in Rügesachen hinaus als das Löbauer Stadtschöffengericht mit Weichbildzuständigkeit sämtliche insoweit bestehenden Zuständigkeiten wahrnahm.112 Seit dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere seit der politischen Wende sind weitere Untersuchungen sowohl über den Sechsstädtebund113 als auch über den Pönfall114 erschienen. Neuerdings trug Behrisch zur Erforschung der Görlitzer Stadtverfassung, insbesondere der Kür der Görlitzer Rats- und Gerichtspersonen bei, wenngleich mit anderer Schwerpunktsetzung als diese Arbeit.115 Heute noch aktuelle grundlegende rechtshistorische Werke im Umfeld des Oberlausitzer Gerichtsverfassungsrechts, die mit als Grundlage dieser Arbeit dienen, sind J. R. Kretzschmars Arbeit über die Entstehung von Stadt und Stadtrecht in den Gebieten zwischen der mittleren Saale und der Lausitzer Neiße von 1905,116 Beckers 1931 veröffentlichte Untersuchung zum Einfluß des Magdeburger Rechts auf die Städte in der Ober- und Niederlausitz117, Litters Dissertation über das Verfassungsrecht Bautzens bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts aus dem Jahr 1939118 und Schubart-Fikentschers Untersuchung zur Verbreitung des Sächder Stadt Herzog, Anfänge, S. 33 ff. Vgl. zur älteren Literatur über Kamenz Weinart, Literatur I, S. 660 ff. 106 Jecht, Gründungsgeschichte. 107 Seeliger, Bund, insb. S. 8 ff.; 53 ff. 108 Richter, Pönfall. 109 Baumgärtel, Pönfall. 110 Pietsch, Pönfall. 111 Francke, Femgericht. 112 Boetticher, Rügengerichte, S. 202 ff.; 216 ff. 113 Blaschke, Sechsstädtebund; Czok, Sechsstädtebund; vgl. die Sammelbände von Herrmann, Sechsstädtebund; Oettel/Dudeck, Sechsstädtebund. 114 Blaschke, Pönfall; Herrmann, Pönfall. 115 Behrisch, Obrigkeit; ders., Stadtverfassung, S. 49 ff. 116 Kretzschmar, Entstehung. 117 Becker, Magdeburger Recht. 118 Litter, Bautzen.

II. Begriff Gerichtsverfassung

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sisch-Magdeburgischen Rechts in Osteuropa von 1942119. Die moderne Rechtsgeschichtsforschung zum gesamten Ostsiedlungsraum, mithin über Mittel- und Osteuropa kam im Zweiten Weltkrieg zum Erliegen. Die Verhältnisse bis 1989 gaben wenig Raum für Forschung dieser Art beziehungsweise sind viele Arbeiten aus dieser Zeit heute wegen ideologischer Beeinflussung nur eingeschränkt verwendbar. Auszunehmen ist das Wirken Lieberwirths, der sich in Fortführung vor allem von Schubart-Fikentschers Forschung insbesondere mit Fragen der Geltung von Sachsenspiegel und Magdeburger Stadtrecht beziehungsweise des SächsischMagdeburgischen Rechts im Ostsiedlungsgebiet befaßte, jedoch ohne Berücksichtigung der Oberlausitzer Verhältnisse.120 Die über die Geschichte der Gerichtsverfassung in Sachsen beziehungsweise im Geltungsbereich des SächsischMagdeburgischen Rechts forschenden Rechtshistoriker B.-R. Kern121 und Lück122 widmeten sich bislang ebenfalls nicht der Oberlausitz.

II. Begriff Gerichtsverfassung Im folgenden wird nun mit Blick darauf, was die Rechtswissenschaft bislang vor allem mit dem Ziel der Erforschung der Gerichtsverfassungsstrukturen selbst (mit einem landeshistorischen Interesse) diskutiert, gefragt, welche spezifisch gerichtsverfassungsrechtlichen Überlegungen erfolgen müssen, um mit ihrer Hilfe Erkenntnisse bezogen auf den hier verfolgten, weitergehenden Ansatz zu gewinnen. Der Begriff Gerichtsverfassung ist Gegenstand einer Vielzahl von Definitionsversuchen.123 Eine allgemeine Definition einer nicht von den Begriffen der 119

Schubart-Fikentscher, Verbreitung, S. 117 ff. Lieberwirth, Eike von Repchow; ders., Sächsisch-Magdeburgisches Recht; nach der Wende erschienen etwa ders., Markgrafschaft; ders., Einführung. 121 Kern, Gerichtsordnungen; ders., Appellation; ders., Hofgerichtsordnungen; ders., Gerichtsbarkeit; ders., Leipzig; ders., Leipziger Juristenfakultät. 122 Lück, Gerichtsverfassung (HRG); ders., Gerichtsverfassung; ders., Gerichtsorganisation; ders., Einführung; ders., Verbreitung; ders., Supan; ders., Anfänge. 123 E. Kern sieht in der geltenden und historischen Gerichtsverfassung in erster Linie den „Aufbau (die Organisation) und die Besetzung der Gerichte“ (Kern, Gerichtsverfassungsrecht, S. 1). Buchda versteht darunter – zeitunabhängig – ein „geordnetes Ineinander- und Übereinandergreifen von Gerichten verschiedener Art in größerer oder geringerer Zahl“ (Buchda, Gerichtsverfassung, Sp. 1563). Nach Köbler ist Gerichtsverfassung rechtshistorisch wie im geltenden Recht „die organisatorische Gestaltung der Rechtspflege“ (Köbler, Zielwörterbuch, S. 247). Wolf sieht mit Blick insbesondere auf das geltende Recht vom Begriff der Gerichtsverfassung nicht nur die bloße Organisation der Gerichte, sondern auch die Fragen nach den erforderlichen Eigenschaften der Organe der Gerichtsbarkeit sowie den Beziehungen des Gerichts zu Beteiligten und übriger Bevölkerung umfaßt (Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, S. 2 ff., 5 f.). Aufbauend darauf definiert Schilken Gerichtsverfassungsrecht als „die Gesamtheit der Regeln, die für die Einrichtung und die Tätigkeit der Gerichte maßgeblich und charakteristisch ist“ (Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, S. 4). Näher mit weiteren Nachweisen Lück, Gerichtsverfassung (HRG), Sp. 191 ff. 120

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A. Einführung

etwa durch das Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 geprägten Justiz des modernen Verfassungsstaats, sondern der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gerichtsverfassung ist, wie Lück zurecht hervorhebt, angesichts der „dezentralen Gestalt des feudalen Staates“ 124 und der „Komplexität und Uneinheitlichkeit“ 125 der Gerichtsverfassungsverhältnisse der – den Ausgangspunkt seiner Untersuchungen bildenden – verschiedenen Herrschaftsebenen schwierig. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sieht er vorstaatliche Gerichtsverfassung als „Komplex von Institutionen mit räumlich und/oder personell, sachlich, funktional definierten Zuständigkeiten zur Verwirklichung der Gerichtsbarkeit als Herrschaftsrecht [. . .], die sich durch eine bestimmte Organisationsform und Arbeitsweise auszeichnen (Richter, Beisitzer, Verfahren, Beisitzer, Verbindlichkeit der Entscheidungen, Kompetenz zu deren Durchsetzbarkeit). Weiterhin gehören dazu die Beziehungen zwischen diesen Institutionen und ihr Verhältnis zu anderen Aspekten der Herrschaftsausübung, wie etwa zum Grund und Boden und zur Bevölkerung (Sozialstruktur).“ 126 Deutlich wird auch anhand dieser spezifisch gerichtsverfassungsrechtlichen Perspektive, daß die Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts als Bestandteil der allgemeinen Verfassungsgeschichte aufgefaßt werden muß. Dies hält auch B.-R. Kern als Ergebnis seiner Untersuchung über die Gerichtsordnungen des Kurpfälzer Landrechts fest.127 Faßbar wird Gerichtsverfassung nach Lück, dessen Erkenntnisse vor allem seinen grundlegenden Untersuchungen zur kursächsischen Gerichtsverfassung im Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit entstammen, somit maßgeblich über das „Zuordnungsmerkmal [. . .] Gerichtsherrschaft“ als einem neben weiteren in Beziehung zueinander stehenden Herrschaftsrechten, und zwar „unabhängig von der jeweiligen Ebene [der Zuständigkeit – HvS], auf der das Gericht angesiedelt ist“.128 B.-R. Kern betrachtet dagegen insbesondere mit dem Interesse, den Übergang von der mittelalterlich-dinggenossenschaftlichen zur gelehrt-neuzeitlichen Gerichtsverfassung im Kurpfälzer Landrecht von 1582 zu untersuchen, ganz auf der Linie genossenschaftlicher Theorien nicht nur die Gerichtspersonen der herrschaftlichen Ordnung, sondern vor allem auch die Rechtsgenossen im Gericht und fragt, ob und wie lange der auch von ihm so 124

Lück, Gerichtsorganisation, S. 288. Lück, Gerichtsverfassung, S. 5 ff., 269. 126 Lück, Gerichtsverfassung (HRG), Sp. 196; vgl. ders., Gerichtsverfassung, S. 12; ders., Gerichtsorganisation, S. 289. 127 Kern, Gerichtsordnungen, S. 395: „Damit erweist sich an einem weiteren Beispiel die größere Nähe und Abhängigkeit insbesondere der Gerichtsverfassung vom allgemeinen Verfassungsrecht, von der politischen Entwicklung. Stärker und dichter als sonstige Rechtsregeln konnte die Gerichtsverfassung, aber auch das Prozeßrecht, für politische Zwecke instrumentalisiert und eingesetzt werden.“ Vgl. auch Kern, Gerichtsverfassungsrecht, S. V; Willoweit, Verwaltung, S. 68 ff.; ders., Verfassungsgeschichte, S. 57 f.; Buchda, Art. „Gerichtsverfassung“, Sp. 1564 f. 128 Lück, Rezension, S. 113. 125

II. Begriff Gerichtsverfassung

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benannte Grundsatz der „Funktionsteilung“ zwischen Rechtszwang als Aufgabe des Herrschaftsträgers und Urteils- beziehungsweise Rechtsfindung als Kompetenz der Genossenschaft fortbestanden habe. Insoweit sieht er das Zuordnungsmerkmal (personelle) Zuständigkeit, die in der mittelalterlichen Gerichtsverfassung die dem Gericht unterworfene Genossenschaft abbilde, als maßgeblich an, da sich gerade an ihr die Verfaßtheit eines Gerichts im Übergang zur gelehrt-neuzeitlichen Justiz mit ihrer nicht mehr an personelle, sondern (genossenschaftsübergreifend) grundsätzlich an sachliche Kriterien anknüpfenden Zuständigkeitsverteilung ablesen lasse.129 Weitere grundlegende Überlegungen werden in der neueren (landesgeschichtlich orientierten) rechtsgeschichtlichen Forschung zur Gerichtsverfassung nicht angestellt130 beziehungsweise erfolgen mit einem anderen Forschungsziel131. Zurecht sollte nach der hiesigen Auffassung in der gerichtsverfassungsrechtlichen Forschung gerade bei der Betrachtung des Übergangs von der mittelalterlich-dinggenossenschaftlichen (einstufigen) zur gelehrt-neuzeitlichen Gerichtsverfassung (letztere mit ihrem Instanzenzug im Rahmen der Appellation) zunächst die Frage gestellt werden, ob die Genossenschaft (noch) maßgeblich an der Urteilsfindung und mithin Rechtsfindung beteiligt war. Entscheidend ist, ob es (weiterhin) die Rechtsgenossen waren, die das Urteil im Gericht fanden und damit – bei zunehmendem Gesetzesrecht wenngleich stark eingeschränkt – für die Genossenschaft damit allgemeinverbindliches Recht bildeten und weiterentwickelten. Hieran wird nach der hier vertretenen Meinung gerade erkennbar, ob die Verfassung des betrachteten Landes oder Territoriums (weiterhin) auf den „dezentralen“ Strukturen des Genossenschaftswesens oder bereits auf „zentralen“, von der herrschaftlichen Ordnung aus gestalteten Verhältnissen des Territorialstaats beruhte. Wie gerade am Beispiel der Oberlausitz zu zeigen sein wird, ist es mithin lohnend, selbst auf die frühneuzeitliche Gerichtsverfassung unter dem Gesichtspunkt des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ zu blicken. Lücks eben genannte Definition fordert zudem mit Recht eine Gesamtschau sämtlicher Gerichte und deren Verhältnis zueinander insbesondere hinsichtlich der Entstehung und Ausbildung eines Über- und Unterordnungsverhältnisses zwischen Gerichten im Rahmen von Appellation und Instanzenzug. Neben dem Auftreten gelehrten Richtertums ist vor allem die Einführung der Appellation im Rahmen eines In129

Kern, Gerichtsordnungen, S. 117 ff., 160, 201 ff., insb. 207, 334. Z. B. den Arbeiten Schultheiß’ (Schultheiß, Gerichtsverfassung, S. 1 ff.) und Forsters (Forster, Gerichtsverfassung, S. 1 ff.) zur Gerichtsverfassung in einer Landschaft oder einem Ort des Alten Reichs (hier Grafschaft Castell beziehungsweise Straubing) fehlt eine entsprechende theoretische Grundlage. 131 Z. B. Oestmann, Gerichte, S. 6, 32 ff., der sich zum Ziel setzte, „die von Gerhard Buchda so bezeichnete Längsspaltung des Gerichtswesens in weltliche und geistliche Gewalten aus einer bisher eher selten verfolgten Perspektive sichtbar zu machen“, und hierbei vor allem den Blick auf den jeweiligen Vortrag der Parteien im Gerichtsverfahren lenkte. 130

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A. Einführung

stanzenzugs ein Zeichen für den Übergang von der dinggenossenschaftlich-mittelalterlichen zur gelehrt-neuzeitlichen Justiz. Es handelte sich um ein System zum Herrschaftsträger laufender Rechtsbehelfe. Hier zählte nicht mehr das „dezentrale“, also örtliche oder regionale Recht der jeweiligen Genossenschaft, sondern rein sachlich angebundenes, herrschaftlich gebildetes Recht, nach welchem das Appellationsgericht entschied. Dies wirkte sich mithin auf die Urteilsfindung in den Instanzen aus. Mit Bezug zur Rechtsfindung sowohl durch hier herrschaftlich beeinflußte Urteilsfindung als auch durch herrschaftlich gesetztes schriftliches Recht, das hier vermehrt angewandt wurde, ist die Entwicklung des Instanzenzuges und der Appellation somit Ausdruck vor allem der Entstehung von Territorien und der „Verstaatlichung des Rechts“.132 Bislang wurde der Gerichtsherrschaft133 als einem wesentlichen weiteren, über weite Strecken mit der genossenschaftlichen Seite „verschränkten“ Element der vorstaatlichen Gerichtsverfassung noch nicht ausreichend gedacht. Sie erscheint als ein – hervorgehobener – Bestandteil von Herrschaft134 überhaupt. M. Weber sieht, wie seine bis heute allgemein anerkannte Formulierung lautet, in der Ausübung von Herrschaft „die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“.135 Die Rechtsstellung der einzelnen Person und der Menschen zueinander war in vorstaatlicher Zeit über das für die jeweilige Person maßgebliche Herrschaftsverhältnis im Sinne eines Personalverbandes beziehungsweise im Zuge der „Verdinglichung“ sozialer Beziehungen durch eine durch Anknüpfung von Herrschaftsrechten an Grundeigentum und an Territorien geschaffene Rechtsbeziehung bestimmt.136 Die vorstaatliche Verfassung wies eine Vielzahl in ihrer Entwicklung unterschiedlicher Herrschaftsverbände auf, die jedoch nach herrschender Lehre durch ihren gemeinsamen Ursprung strukturell verwandt sind.137 Die Funktion des Gerichts war nicht nur wie 132 Weitzel, Kampf, S. 356; ders., Appellation, Sp. 269 f.; ders., Instanzenzug, Sp. 1263 ff., 1265. 133 Näher hinsichtlich des Herrschaftsrechts Gerichtsherrschaft Lück, Gerichtsherr, Sp. 159 ff.; näher hinsichtlich dieses Herrschaftsrechts als Ausschnitt des umfassenden Begriffs Herrschaft, mithin des Zusammenhangs dieses Herrschaftsrechts mit anderen Herrschaftsrechten Mohnhaupt, Instrumente, S. 159 ff.; Willoweit, Verfassungsgeschichte, S. 57 f.; Willoweit, Verwaltung, S. 68 ff.; Lück, Gerichtsverfassung, S. 6 f. Auch im Sachsenspiegel unterliegt die Gerichtsherrschaft als besondere Herrschaftsform besonderen Regeln. Sie kann etwa nur an einen bestimmten Personenkreis verliehen werden, vgl. Ssp.-Lr. 61, 71. 134 Willoweit, Herrschaft, Sp. 975–980. 135 Weber, Wirtschaft, S. 28. 136 Willoweit, Verwaltung, S. 41 ff., 64 f., 68; Mitteis/Lieberich, Rechtsgeschichte, S. 267. 137 Nach den Begründern dieser Lehre, O. Brunner (Brunner, Land und Herrschaft, S. 240 ff.) und Schlesinger (Schlesinger, Herrschaft, S. 114 ff.; ders., Landesherrschaft, S. 1 ff.), ging alle Herrschaft, so etwa Königsherrschaft, Grundherrschaft, Immunität und später Landesherrschaft aus der germanischen Hausherrschaft (vgl. Schulze, Hausherrschaft, Sp. 2030 ff.), also aus einem Personalverband zwischen in Hausgemein-

II. Begriff Gerichtsverfassung

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im modernen Staat auf die Lösung und Bewältigung von Konflikten beschränkt. Mangels anderer Formen der Organisation der sozialen Beziehungen kam dem Gericht darüber hinaus ein umfassender Aufgabenkreis als „eigentlicher und hervorragendster Platz herrschaftlicher Selbstdarstellung“ 138 zu. Die Gerichtsherrschaft ging vom König im Lauf des Mittelalters auf unterschiedliche Herrschaftsträger, insbesondere auf die Landesherren über.139 Gerichtsherrschaft war verkörpert im Gerichtsbann140, dem umfassenden Recht des Gerichtsherrn, bei Strafe zu ge- und verbieten.141 Die (sich möglicherweise wandelnden) jeweiligen Kompetenzen von Herrschaft und Genossenschaft werden zunächst anhand der Besetzung eines Gerichts sichtbar. Zu unterscheiden sind Gerichtspersonen im engeren, Richter, Urteiler (Schöffen), Schreiber und Fron-/Gerichtsboten, und im weiteren Sinn, die Helfer vor Gericht (Anwälte, Fürsprecher, Advokaten oder Prokuratoren),142 wobei hier in erster Linie die Gerichtspersonen im engeren Sinn in den Blick genommen werden. Das herrschaftliche Element im Gericht repräsentierte der Richter143. Dieser war entweder der Herrschaftsträger persönlich oder sein Vertreter. Der Richter war Inhaber des Gerichtsbanns beziehungsweise nahm ihn für den Gerichtsherrn wahr, gebot damit Frieden und Ruhe im von ihm gehegten Ding, leitete das Verfahren, erfragte das Urteil und setzte es im Wege des Rechtszwangs durch. Grundform der vorstaatlichen deutschen Gerichtsverfassung auf allen Herrschaftsebenen ist die durch die Gerichtsreformen Kaiser Karl des Großen geprägte Verfassung des fränkischen Grafengerichts.144 Im Lauf des Mittelalters und der Neuzeit entstanden ganz unterschiedliche Gerichte, etwa weltliche, geistliche und Standesgerichte, in denen nach unterschiedlichen Kriterien ausgewählte schaft lebenden „Landbeherrschenden“ und „Landbebauenden“ (Brunner, Land und Herrschaft, S. 240 ff., 258 ff., 440) oder „Gefolgsherrn“ und „Gefolgsleuten“ (Schlesinger, Herrschaft, S. 117) hervor. Dagegen meint Kroeschell, die unterschiedlichen Herrschaftsverhältnisse dürften nicht ohne weiteres unter einen Begriff zusammengefaßt werden, da mit dem einheitlichen Begriff der Herrschaft eine moderne Vorstellung auf die vorstaatliche Verfassung übertragen werde (Kroeschell, Rechtsgeschichte II, S. 157 f.; umfassend ders., Haus und Herrschaft, S. 36 ff., 40, 45 ff.; ders., Rechtsgeschichte I, S. 302 ff.; ders., Herrschaft, Sp. 105). Ob alle Formen mittelalterlicher Herrschaft auf einen einzigen Herrschaftsbegriff zurückgehen, war seit jeher eines der Hauptstreitpunkte innerhalb der Verfassungsgeschichte (vgl. Willoweit, Verfassungsgeschichte, S. 57). 138 Willoweit, Verwaltung, S. 69. 139 Näher Pitz, Verfassungslehre, S. 394 ff., 694 ff. 140 Zum Begriff Bann Kastl, Bann, Sp. 432 ff. 141 Pitz, Verfassungslehre, S. 368 ff., 384 ff., 693 ff.; Scheyhing, Bannleihe, S. 70 ff., 199 ff., 224 ff., 250 ff., 269 ff., 303 ff. 142 Vgl. Kern, Gerichtsordnungen, S. 203. 143 Kocher, Richter, Sp. 1033 ff. 144 Grundlegend Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 198 ff., 616 ff., 914 ff.; ders., Ding, Sp. 1071; vgl. Pitz, Verfassungslehre, S. 383; Willoweit, Verfassungsgeschichte, S. 47; Kern, Gerichtsverfassungsrecht, S. 3 ff.

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A. Einführung

Richter handelten.145 Der Richter war oftmals daran zu erkennen, daß er einen (ihm vom Gerichtsherrn übergebenen) Stab führte, der die (abgeleitete) Gerichtsherrschaft des Stabträgers als Richter symbolisierte.146 Die Stellung als Richter läßt sich insbesondere anhand der Zuordnung der Gerichtsgefälle147 ablesen. Die Gerichtsgefälle etwa aus den Obergerichten wurden seit fränkischer Zeit gedrittelt, wobei zwei Drittel, die zwei Herrschaftsdrittel, den Anteil des Inhabers der Gerichtsherrschaft darstellten, ein Drittel als sogenanntes Richterdrittel jedoch dem Berechtigten hinsichtlich des Richteramtes, mithin dem Richter zukam.148 In der mittelalterlichen Gerichtsverfassung galt nach hier vertretener Ansicht wie erörtert das „dinggenossenschaftliche Prinzip“, also der Grundsatz, daß nicht der Herrschaftsträger oder sein Amtsträger, sondern ausschließlich – bei miturteilendem Richter jedenfalls entscheidend – die dem Gericht unterworfenen Rechtsgenossen Urteil zwischen Parteien ihrer Genossenschaft fanden und hierdurch allgemeinverbindliches Recht für die gesamte Genossenschaft gestalteten. Das Gericht war insbesondere zur Zeit des vorschriftlichen Rechts der maßgebliche Ort der Rechtsgestaltung. Mit einem Urteil im Einzelfall zwischen zwei Parteien wurde zugleich allgemeinverbindliches Recht für die gesamte Rechtsgenossenschaft gebildet, bewahrt und fortentwickelt. Erst durch Verschriftlichung des Rechts insbesondere im Zuge des Aufkommens der Landesherrschaft und des Eindringens fremden Rechts verlor das Urteil letztere Funktion weitgehend, jedoch nicht, worauf bereits hingewiesen wurde, bis in unsere Tage hinein vollkommen.149 Insoweit bestand nach Weitzel „Funktionsteilung“, also die personale und organisatorische Trennung von genossenschaftlich geprägter Urteils- und damit Rechtsfindung (Rechtsaussage/-inhalt) und herrschaftlich vollzogenem Urteilsgebot (Rechtszwang) in einem Kollegialgericht150.151 Die Urteilsfindung erfolgte im fränkischen Grafengericht nach den karolingischen Gerichtsreformen nicht mehr durch sämtliche Rechtsgenossen, sondern durch regelmäßig sieben Personen, die ab dem späten 8. Jahrhundert Schöffen152 (scabini) genannt wurden, also durch auf Dauer bestellte, beisitzende Urteiler, die aus der Masse der Rechtsgenossen der Parteien vom Herrschaftsträger unter Beteiligung der Dinggenossen ausgewählt und ernannt wurden, mithin bestimmten Anforderungen 145

Buchda, Gerichtsverfassung, Sp. 1563 ff. Carlen, Stab, Sp. 1838 ff., 1840; Kaufmann, Stabbrechen, Sp. 1844 ff.; vgl. Grimm, Rechtsaltertümer II, S. 360 ff. 147 Munzel-Everling, Gerichtsgefälle, Sp. 157 ff. 148 Pitz, Verfassungslehre, S. 111, 387. 149 Kaufmann, Urteil, Sp. 604 ff. 150 Schott, Kollegialgericht, Sp. 930 ff. 151 Näher zum Begriff Funktionsteilung und zur „dinggenossenschaftlichen Justiz“ grundlegend Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 56 ff., 89 ff., 775 ff.; vgl. ders., Ding, Sp. 1071 f.; Pitz, Verfassungslehre, S. 203 ff., 257 ff. 152 Zum Begriff Battenberg, Schöffen, Schöffengericht, Sp. 1463 ff. 146

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und Pflichten genügen mußten. Damit gesellte sich zum Grundsatz der Funktionsteilung der der Schöffenverfassung.153 Die Ausbildung der Schöffenverfassung und die damit nach Weitzel nur scheinbar einhergehende Tatsache, daß ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Einengung der Urteilsfindungskompetenz unter Herausbildung eines „Umstandes“ stattgefunden habe, stellt Weitzel zufolge keine entscheidende Veränderung des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ dar: „Die fränkisch-deutsche Versammlung der Genossen zum Gericht kennt grundsätzlich nur eine soziale, keine rechtliche Gliederung. Der Konsens der Vielen in der rechtlich ungegliederten Gesamtheit ist der entscheidende Regelungsmechanismus.“ 154 Personenbezogene herrschaftliche Genossenschaften wie die Dinggenossenschaften wurden im Zusammenhang mit Immunität und Entstehung der Landesherrschaft sowie mit Ostsiedlung und Landesausbau von gebietsbezogenen herrschaftlichen Genossenschaften wie vor allem Ländern155, „repräsentiert“ von Landständen, abgelöst.156 Dies wirkte sich vielerorts in der Gerichtsbesetzung aus, wie etwa B.-R. Kern anhand früher territorialer Hofgerichtsordnungen verschiedener Kurfürstentümer nachwies.157 Weitzel betont insbesondere die Gestaltung der Rechtsgenossenschaften nach ständischen Kriterien vor allem ab dem Spätmittelalter, so daß sich Adel, Bürger und Bauern auch gerichtsverfassungsrechtlich voneinander abschlossen.158 Auch die Gerichtsverfassung nach den mittelalterlichen deutschen Land-, Lehn- und Stadtrechten folgte den Grundsätzen Funktionsteilung und Schöffenverfassung, wie insbesondere Weitzel nachwies.159 Rechtsgemeinschaften bildeten jedoch jetzt die zum Geltungsbereich eines Land153 Näher Pitz, Verfassungslehre, S. 368 ff., 375 ff. m.w. N.; Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 112 f., 475, 694, 775 ff., 798 ff. 154 Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 87. 155 Näher grundlegend Brunner, Land und Herrschaft, S. 165 ff., 180 ff., 231 ff.; heute mit Überblick über den modernen Forschungsstand Pitz, Verfassungslehre, S. 246 ff., 253 ff. 156 Näher Pitz, Verfassungslehre, S. 232 ff., 237 ff. 157 Kern, Hofgerichtsordnungen, S. 150. 158 Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 124 ff. 159 Zur Kontinuität dieser Funktionsteilung auch insoweit Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 56 f., frühere Arbeiten: Conrad, Rechtsgeschichte I, S. 381 ff.; Kern, Gerichtsverfassungsrecht, S. 8 ff.; vgl. Planck, Gerichtsverfahren I, S. 87 ff., 98 ff., 248 ff. m.w. N. Zu den Begriffen Land-, Lehn- und Stadtrecht, insbesondere zum maßgeblichen Einfluß des Ständewesens auf das Land- und Lehnrecht auch in gerichtsverfassungsrechtlicher Hinsicht im Gegensatz zur Durchbrechung dieses Grundsatzes im Stadtrecht zugunsten sachlicher Anknüpfungspunkte Kroeschell, Rechtsgeschichte I, S. 212 ff., 258 ff. Hinsichtlich des Landrechts wird wiederum die Frage nach der Deutung des Begriffs Land berührt. Ein Land beschreibt wie erörtert den Verbreitungsbereich einer in einem gemeinsamen Landding mithin nach einem gemeinsamen Landrecht urteil- und rechtfindenden Rechtsgemeinschaft. Der Sachsenspiegel spricht von „lantvolk“, „lantlüten“ oder ganz einfach „lant“ als den Gerichtsangehörigen des Gerichts (innerhalb einer Grafschaft) (Nachweise bei Planck, Gerichtsverfahren, S. 9, 52).

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beziehungsweise eines Stadtrechts gehörigen Personen. Im Landrecht waren es (bei Geltung des Ständewesens160) die Freien, also die adligen Grundherren und die Bauern. Denselben räumlichen Geltungsbereich hatte das Lehnrecht, das jedoch in personeller Hinsicht nur die Vasallen betraf. Die Bürger und sonstigen Einwohner der neuentstandenen Städte bildeten eine eigene, nach deren abweichender Lebenswelt verfaßte Genossenschaft. Das Bestehen inhaltlich voneinander abgeschlossener Land- und Stadtrechtsgenossenschaften bedingte gerichtsverfassungsrechtlich das Bestehen getrennter Gerichte, die jeweils mit Angehörigen der einen oder der anderen Rechtsgemeinschaft besetzt waren, in denen folglich getrennt voneinander nach dem einen oder dem anderen Recht Urteil und damit Recht gefunden wurde.161 Soweit es das Ostsiedlungsgebiet und dort den Geltungsbereich von Magdeburger Stadtrecht und Sachsenspiegel-Landrecht betrifft, beobachtet vor allem Lück eine allmähliche Auflösung dieses Gegensatzes zugunsten eines inhaltlichen „Ineinandergreifens“ von Land- und Stadtrecht, von Sachsenspiegel und Magdeburgischem Recht auf dem gemeinsamen Weg nach Osten.162 Weitzel führt dies auf der Grundlage seiner These vom „dinggenossenschaftlichen Prinzip“ im Rahmen seiner Untersuchungen über schlesische Verhältnisse auf gerichtsverfassungsrechtliche Gründe zurück.163 Erstarken der Territorien und Eindringen fremden Rechts ab dem 15. Jahrhundert führte zwar – insbesondere auch durch Schaffung eines Instanzenzugs – zum Verlust der Urteils- und damit Rechtsfindungskompetenz auf Seiten der Genossenschaften zugunsten herrschaftlich gesetzter gelehrter Juristen, die nach herrschaftlichem (Gesetzes-)Recht verfuhren. Jedoch blieb regelmäßig die Scheidung der Gerichtspersonen in Richter und Schöffen, jetzt aber rein personell-organisatorisch, bestehen.164 Die Zuordnung der Gerichtsherrschaft und Weitergabe entsprechender Befugnisse an den Richter beziehungsweise auf genossenschaftlicher Seite Bestehen und Niedergang des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ läßt sich vor allem anhand der Zuordnung des Rechts auf Auswahl und Ernennung der jeweiligen Gerichtspersonen beleuchten.165 Wem Gerichtsherrschaft zukam, läßt sich, soweit es 160

Laufs/Eichener, Stände/Ständewesen, Sp. 1901 ff. Näher zu den hochmittelalterlichen Rechtsgemeinschaften und deren Scheidung Kroeschell, Rechtsgeschichte I, S. 152 ff., 212 ff.; ders., Stadtrecht und Landrecht, S. 17 ff.; Pitz, Verfassungslehre, S. 203 ff., 237 ff., 268 ff.; Lück, Schöffenstuhl, S. 138 ff.; Weitzel, Rechtsbegriff, S. 62 ff. 162 Näher Lück, Einführung, S. 1 ff., 4 ff. m.w. N.; ders., Verbreitung, S. 37, 42 ff.; ders., Schöffenstuhl, S. 138 f.; vgl. die grundlegenden Arbeiten von Lieberwirth, Sächsisch-Magdeburgisches Recht, S. 5 ff., Schubart-Fikentscher, Verbreitung, S. 5 ff.; vgl. Lück, Gerichtsverfassung in den Mutterstädten, S. 164, Anm. 2. 163 Näher Weitzel, Rechtsbegriff, S. 62 ff. 164 Vgl. Kern, Gerichtsverfassungsrecht, S. 21 ff.; Battenberg, Schöffen, Schöffengericht, Sp. 1467 f. 165 Vgl. Lück, Gerichtsverfassung, S. 1 ff. 161

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zumindest das Mittelalter betrifft, vor allem an der Zuordnung der zwei Herrschaftsdrittel aus den Gerichtsgefällen ablesen. Herrschaft war noch in der Neuzeit mit dem „Problem des Raumes“ verbunden. Bei der Ausübung von Herrschaftsrechten war der Herrschaftsträger regelmäßig auf Delegation angewiesen.166 Die Beziehung zwischen dem Herrschaftsträger und dem, der Herrschaft für den Herrschaftsträger ausübte, wurde auf bestimmte Weise rechtlich vermittelt.167 Die rechtliche Beziehung zwischen dem Gerichtsherrn und dem Richter bildete vom Mittelalter bis weit in die Neuzeit hinein eine Besonderheit unter diesen Rechtsverhältnissen. Insoweit ist vor allem nach der Bannleihe168 zu fragen. Die besondere Rechtsbeziehung zwischen Gerichtsherrn und Richter wird insbesondere daran erkennbar, daß sie nach Verlehnrechtlichung der deutschen Gerichtsverfassung bis ins späte Mittelalter nicht etwa nur durch das Lehnsverhältnis wegen der lehnrechtlichen Übertragung des Richteramtes gestaltet wurde, sondern daneben durch besondere – amtsrechtliche – Bannleihe, die Leihe der Gerichtsgewalt durch den (durchaus vom Lehnsherrn abweichenden) Gerichtsherrn. Den königlichen Bann und auch das Recht zur Bannleihe verlor der deutsche König weitgehend ab dem hohen Mittelalter insbesondere an die Landesherren. Die landesherrliche Bannleihe wurde nach und nach in die ebenfalls durch den Landesherrn erfolgende Übertragung des Richteramtes einbezogen. Im Spätmittelalter hatte die Bannleihe allenfalls noch Ergänzungsfunktion zur Leihe des Richteramtes.169 Abhängig von Territorium, Herrschaftsebene und Zeit bestand mehr oder weniger genossenschaftliche Beteiligung der betreffenden Rechtsgemeinschaft an Auswahl und Ernennung des Richters. Insbesondere Genossenschaften Reichs- oder landesherrlicher Städte beziehungsweise grundherrlicher Städte und Dörfer erwarben sogar selbst das Richteramt.170 Zu Schöffen wurden seit den Gerichtsreformen Karls des Großen ebenfalls nur noch Vertreter der betreffenden Dinggenossenschaft durch den Vertreter des Königs aus den Reihen der Freien des Dingverbandes ausgewählt, jedoch unter Beteiligung der Dinggenossenschaft bestallt. Sie konnten in bestimmten Fällen abgesetzt werden.171 Manche Schöffenkollegien konnten sich abhängig von Herrschaftsebene und 166 Moraw, Verwaltung, S. 27 f. Der Sachsenspiegel spricht (für die Zeit nach Ausbildung des Reichsfürstenstandes) davon, daß der Kaiser Gerichtsrechte notwendig an Fürsten und Grafen verleihen müsse, da er „in allen Landen nicht sein“ und „nicht richten“ könne „zu aller Zeit“ (Ssp.-Ldr. III 52 § 2). 167 Näher zu der allgemeinen Fragestellung Mohnhaupt, Instrumente. 168 Lück, Bannleihe, Sp. 439 ff. 169 Pitz, Verfassungslehre, S. 368 ff., 384 ff., 693 ff.; Scheyhing, Bannleihe, S. 70 ff., 199 ff., 224 ff., 250 ff., 269 ff., 303 ff. 170 Hinsichtlich der landesherrlichen Gerichte erlangten etwa Landstände Einfluß auf die Auswahl der Gerichtspersonen (vgl. Pitz, Verfassungslehre, S. 247 f.). Städtische Räte erlangten auch Einfluß auf die Besetzung des Richteramtes im Stadtgericht (vgl. Pitz, Verfassungslehre, S. 290 ff.). 171 Näher Pitz, Verfassungslehre, S. 323 ff., 368 ff., 375 ff., 685 ff. m.w. N.; Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 112 f., 475, 694, 785, 798 ff.

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A. Einführung

Landschaft bald ohne Beteiligung des Herrschaftsträgers aus ihrer Rechtsgemeinschaft selbst ergänzen (Kooptation) und so maßgeblichen Einfluß auf die Ersetzung ausscheidender Schöffen behalten oder ausbauen. Es handelte sich jetzt meist um auf Dauer (lebenslänglich oder auf bestimmte Zeit) bestellte Gerichtspersonen. Andererseits erlangten oder behielten sich Herrschaftsträger das entscheidende Recht der Auswahl oder Zustimmung vor, etwa dann, wenn die Rechtsgemeinschaft nur ein Präsentationsrecht hinsichtlich des Nachfolgers hatte.172 Auf landesherrlicher Ebene wurden Richter und auch Schöffen unter dem Einfluß fremden Rechts oft zu (auf Lebenszeit bestellten und besoldeten) landesherrlichen Amtsträgern.173 Aufschlußreich hinsichtlich der Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse der Gerichtspersonen zum Gerichtsherrn beziehungsweise zur Rechtsgemeinschaft sind insbesondere die Richter- und Schöffeneide.174 Wichtig ist auch die Frage nach den Anforderungen und Pflichten, die die Gerichtspersonen erfüllen mußten.175 Die Urteilsfindung erfolgte ursprünglich durch Urteiler, die aufgrund vor allem ihres Ansehens, ihrer Würde und ihrer Kenntnis geeignet waren, mit ihrem Urteil zwischen zwei Parteien Frieden und Ordnung, mithin zwischen allen Mitgliedern der betreffenden Rechtsgemeinschaft für immer geltendes Recht zu schaffen.176 Der Anforderungs- und Pflichtenkanon setzte sich frühzeitig aus verschiedenen beeinflußbaren (insbesondere Unparteilichkeit und Unbestechlichkeit177) und nicht beeinflußbaren (Angehörigkeit zur betreffenden Rechtsgemeinschaft, etwa nach Aufkommen des Ständewesens bedingt durch den Stand178) Kriterien zusammen. Dies galt regelmäßig analog für Richter als auch Schöffen.179 Die Richter- und Schöffenpflichten wurden regelmäßig durch Eid anläßlich der Ernennung bekräftigt.180 Bei Richter und

172 Vor allem auf der Ebene der Grundherrschaften konnte der Grundherr hinsichtlich der Schöffen (und Richter) seinen Einfluß ausbauen (vgl. Battenberg, Schöffen, Schöffengericht, Sp. 1466). In den Städten erneuerte sich das Schöffenkollegium zwar regelmäßig aus den eigenen Reihen oder dem Rat, jedoch gelang es führenden Bürgerfamilien, den „Geschlechtern“, die sich zu einer Standesgenossenschaft zusammengeschlossen und damit von den übrigen Bürgern und Einwohnern abgehoben hatten, regelmäßig etwa durch Beeinflussung der Regeln über das Auswahlverfahren die übrige Stadtbevölkerung von der Wahl in das Schöffenkollegium beziehungsweise den Rat auszuschließen (Pitz, Verfassungslehre, S. 290 ff.). 173 Kocher, Richter, Sp. 1037; Battenberg, Schöffen, Schöffengericht, Sp. 1466; Kern, Gerichtsverfassungsrecht, S. 21 ff. 174 Vgl. Scheyhing, Bannleihe, S. 1 ff. 175 Vgl. Kern, Gerichtsordnungen, S. 370; Buchda, Gerichtsverfassung, Sp. 1570 f. 176 Weitzel, Ding, Sp. 1071 f.; Scheyhing, Bannleihe, S. 24 ff.; Pitz, Verfassungslehre, S. 371. 177 Scheyhing, Bannleihe, S. 306. 178 Lück, Gerichtsverfassung, S. 8; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 82. 179 Scheyhing, Bannleihe, S. 305 f. 180 Näher hierzu Scheyhing, Bannleihe, S. 5 ff., 70 ff., 113 ff., 160 ff.

II. Begriff Gerichtsverfassung

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Schöffen handelte es sich im heutigen Sinn zunächst um Laien.181 Im Zuge des Eindringens fremden Rechts und des Erstarkens der Territorien wurden die Laienrichter und auch -schöffen durch die neue Anforderung, über (durch Prüfung nachgewiesene) (Grund-)Kenntnisse des Rechts zu verfügen beziehungsweise ein Rechtsstudium aufzuweisen, von gelehrten Schöffen (Assessoren) beziehungsweise – später – Richtern182 verdrängt. Die gelehrten oder halbgelehrten Gerichtspersonen mußten nicht zwingend mehr der betreffenden Stadtrechtsgemeinschaft angehören.183 Meist nur in den grundherrlichen und Dorfgerichten konnte sich der Grundsatz, daß die Rechtsgemeinschaft(en) der Partei(en) die Schöffen stellte(n), (unter veränderten Bedingungen) bis in das 19. Jahrhundert erhalten.184 Wesentlich für die Beantwortung der Frage nach der Verwirklichung des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ ist die Frage nach der „Funktionsteilung“ im Entscheidungsverfahren, mithin danach, wer das Urteil185 fand.186 Wesen des dinggenossenschaftlich organisierten Gerichts war ja die inhaltliche und personelle Trennung von Urteils-/Rechtsfindung und Rechtszwang. Erstere lag ausschließlich oder zumindest (bei miturteilendem Richter) entscheidend bei der betreffenden Genossenschaft beziehungsweise bei aus ihren Reihen stammenden Urteilern, wodurch sichergestellt wurde, daß auf die Partei das Recht ihrer Rechtsgemeinschaft angewandt wurde. Prozeßleitung und Rechtszwang oblagen dagegen dem Inhaber des jeweiligen Herrschaftsrechts oder dessen Vertreter als Richter.187 Das Urteil wurde ursprünglich gemäß den Regeln identischer Willensbildung von den Urteilern einmütig gefällt. Einmütigkeit war hergestellt, wenn das Urteil ohne Widerspruch eines Schöffen blieb.188 Die Findung des Urteils war auch unter Geltung von Rechtsquellen wie dem Sachsenspiegel sowie des Magdeburger Rechts, mithin insoweit übereinstimmend in Land-, Lehn- und Stadtrecht nicht Sache des Richters, sondern der Urteiler, die aus der betreffenden Genossenschaft stammten.189 Mit dem Übergang zur gelehrt-neuzeitlichen Justiz war die allmähliche inhaltliche Auflösung des Grundsatzes der Funktionsteilung zwischen Richter und Schöffen zugunsten des mit- beziehungsweise al-

181

Sellert, Laienrichter, Sp. 1355 ff. Oestmann, Gelehrte Richter, Sp. 27 ff. 183 Kocher, Richter, Sp. 1037; Battenberg, Schöffen, Schöffengericht, Sp. 1466; Kern, Gerichtsverfassungsrecht, S. 21 ff. 184 Weitzel, Ding, Sp. 1074; Battenberg, Schöffen, Schöffengericht, Sp. 1467 f. 185 Zum Begriff Urteil Kaufmann, Urteil (rechtlich), Sp. 604 ff. 186 Vgl. Buchda, Gerichtsverfassung, Sp. 1570 f.; Kern, Gerichtsordnungen, S. 207, 235. 187 Weitzel, Ding, Sp. 1071. 188 Pitz, Verfassungslehre, S. 373. 189 Näher Planck, Gerichtsverfahren I, S. 87 ff., 98 ff. 182

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leinurteilenden Richters verbunden.190 Gerade in peinlichen Sachen urteilten darüber hinaus die Gerichte oftmals nicht mehr selbst, sondern klärten nur noch den Sachverhalt auf, um sodann die Akten zur Entscheidung an einen Schöffenstuhl oder eine Juristenfakultät zu übersenden.191 Hinsichtlich des Übergangs zur gelehrt-neuzeitlichen Gerichtsverfassung ermittelt B.-R. Kern aufbauend vor allem auf Weitzels Untersuchungen, jedoch mit einem landeshistorischen Ansatz bezogen auf die Kurpfalz „zwei zentrale Fragen der Urteilsfindung“, nämlich „ob es [weiterhin – HvS] eine [inhaltliche – HvS] Funktionsteilung zwischen Richter und Urteilern gibt und ob das Mehrheitsprinzip gilt.“ 192 Die kirchlichen Gerichte (Offizialate) waren seit jeher eine Ausnahme vom Grundsatz der alleinurteilenden Schöffen zugunsten des allein oder in einem Kollegium urteilenden Richters gewesen, dem Assessoren als Berater zur Seite standen.193 Durch die Gerichtshegung, die wie das Verfahren der Urteilsfindung mit Frage des Richters und Antwort eines Schöffen aufgebaut war, wurde der Grundsatz der Funktionsteilung zwischen Richter und Schöffen, mithin zwischen Herrschaft und Genossenschaft äußerlich wahrnehmbar.194 Die Betrachtung des Verhältnisses mehrerer Gerichte zueinander erfolgt vor allem vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Zuständigkeiten. Insoweit war die seit der Reform Karls des Großen vorgenommene Einteilung in causae maiores und causae minores, also in Hoch-195 beziehungsweise Niedergerichtsbarkeit196 190 Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 56 f.; Kern, Gerichtsverfassungsrecht, S. 21 ff.; Battenberg, Schöffen, Schöffengericht, Sp. 1467 f. Vgl. etwa die Pfälzer Hofgerichtsordnung von 1582 (Kern, Gerichtsordnungen, S. 194 ff., 201 ff.). 191 Lück, Spruchtätigkeit, S. 85 f. 192 Kern, Gerichtsordnungen, S. 160, 207. 193 Trusen, Offizialat, Sp. 1214 ff. 194 Unter Gerichtshegung wird das formelle Verfahren, mithin das Ritual der Eröffnung von (Gerichts-)Versammlungen im Zeitraum ab den ersten Anfängen deutscher Rechtsgeschichte bis in das 19. Jahrhundert verstanden. Die Art der Hegung des Gerichts war entscheidend für die Art des Verfahrens. Vergleicht man die von J. Grimm gesammelten Rechtsaltertümer, sind im wesentlichen drei Elemente der Hegung erkennbar: Zunächst wurde der Versammlungsplatz durch Zweig und Schnur oder durch Pflock, später etwa durch Mauerwerk begrenzt. Nachdem sich die Gerichtspersonen und das Dingvolk eingefunden hatten, stellte der Richter den Schöffen (ritualisierte) Fragen, die zur ordnungsgemäßen Bestellung des Gerichts als erforderlich angesehen wurden, woraufhin (ritualisierte) Antworten der jeweils gefragten Schöffen, die der Frage entsprachen, erfolgten. Schließlich forderte der Richter mit folgenden, regelmäßig zu findenden Worten allgemeines Schweigen und Frieden: „Ich gebiete Lust und verbiete Unlust“. Am Ende der Gerichtsverhandlung stand oft eine zur Hegung spiegelbildliche Handlung, die auch „Aufgabe“ genannt wurde (vgl. Grimm, Rechtsaltertümer II, S. 437 ff.). Zweck der Hegung des Gerichts war, das Gericht als Begegnungsort der streitenden Parteien für alle wahrnehmbar unter ein erhöhtes Friedengebot zu stellen (vgl. Köbler, Hegung, Sp. 866–868). Bei der Gerichtshegung wurde regelmäßig ein Richterstab verwendet. Bei Aufgabe des Gerichts oder bei Verurteilung des Täters zerbrach der Richter oftmals den Richterstab (Kaufmann, Stabbrechen, Sp. 1844 f.; Carlen, Stab, Sp. 1842). Die Schöffenbank wurde in vielen Fällen umgestoßen (vgl. Grimm, Rechtsaltertümer II, S. 437 ff.).

II. Begriff Gerichtsverfassung

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von großer Bedeutung bis in die Neuzeit hinein. Neben Gerichten, deren Zuständigkeit mithin nach sachlichen Kriterien bestimmt war, bestanden solche mit an einen bestimmten Ort oder einen bestimmten Personenverband, mithin einem dinglich oder personell angeknüpften Zuständigkeitsbereich. Jüngere Gerichte wiesen Zuständigkeiten oftmals nicht nur nach einem dieser Anknüpfungspunkte auf, wobei unter Geltung des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ stets sichergestellt war, daß die Partei – im Sinne gleichsam einer stets vorrangigen personellen Zuständigkeit – ausschließlich von einem mit ihren Rechtsgenossen besetzten Gericht Urteil nahm. Im Rahmen des Rechtszugs197 der auf Einstufigkeit beruhenden mittelalterlich-dinggenossenschaftlichen Gerichtsverfassung konnten Urteile eines Gerichts etwa durch Urteilsschelte198 vom selben beziehungsweise von einem anderen, nicht notwendig übergeordneten Gericht (im Wege der Rechtsauskunft) überprüft werden. Es handelte sich jedoch beim Rechtszug niemals um eine bestätigende oder verwerfende Ersetzung eines bereits ergangenen Urteils durch ein anderes, sondern um kompetenzfreie Rechtsbelehrung. Vielmehr blieb die Urteils- und damit Rechtsfindungskompetenz gemäß dem „dinggenossenschaftlichen Prinzip“ ausschließlich „dezentral“ bei der betreffenden Genossenschaft. Jedoch entwickelte sich mit dem System der Rechtsmittel199 (wieder) ein Über-/Unterordnungsverhältnis innerhalb eines Instanzenzugs200 zwischen Gerichten, mithin die mit Suspensiv- und Devolutivwirkung ausgestattete Appellation201 von einem erstinstanzlich zuständigen Untergericht202 zu einem übergeordneten Gericht. Das Ersturteil wurde durch die Entscheidung in der Appellationsinstanz ersetzt. Das Appellationsgericht war regelmäßig nicht (maßgeblich) mit den Rechtsgenossen der Partei besetzt und verfuhr als „gelehrtes Gericht“ grundsätzlich nicht mehr nach örtlichem oder regionalem (durch Urteil geschaffenem) Recht der jeweiligen Genossenschaft, sondern nach einheitlich geltendem (schriftlichem) gelehrten Recht. Neben diesen Entscheidungszuständigkeiten gab es sowohl innerhalb der mittelalterlich-dinggenossenschaftlichen als auch der gelehrt-neuzeitlichen Gerichtsverfassung die kompetenzfreie Rechtsbelehrung, die wahrgenommen wurde von Oberhöfen203, Schöffenstühlen204 und später Juristenfakultäten205. 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205

Lück, Hochgerichtsbarkeit, Sp. 1055 ff. Neef, Niedergericht, Sp. 984 ff. Weitzel, Rechtszug, Sp. 430 ff. Kaufmann, Urteilsschelte, Sp. 619 ff. Weitzel, Rechtsmittel, Sp. 315 ff. Weitzel, Instanzenzug, Sp. 1263–1265. Weitzel, Appellation, Sp. 268 ff. Sellert, Untergerichte, Sp. 513. Werkmüller, Oberhof, Sp. 1134 ff. Battenberg, Schöffenstuhl, Sp. 1474 ff. Hammerstein, Juristenfakultäten, Sp. 1436 ff.

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A. Einführung

J. Grimm sammelte Hinweise auf die wichtigsten Gerichtsorte206 der deutschen Gerichtsverfassung des Mittelalters und der Neuzeit, wobei oft landschaftlich hervorgehobene Orte wie Bäume (insbesondere Eichen und Linden), Wiesen, Wasser, Brücken, Anhöhen und große Steine erscheinen.207 Ursprünglich wurde das Gericht im Freien gehalten. Erst später wurde es üblich, auch unter einem Dach (Gerichtslaube, Gerichtsstube), vor der Tür eines bestimmten Gebäudes des Gemeinschaftslebens oder unter einem Bogen zu verhandeln. Das mittelalterliche und das mittelalterlich geprägte neuzeitliche Gericht bestanden regelmäßig aus Richtertisch, einer beziehungsweise mehreren, regelmäßig vier Schöffenbänken, die häufig im Viereck aufgestellt einen abgegrenzten Gerichtsplatz darstellten,208 und gegebenenfalls Schranken.209 Durch die Reform Karls des Großen wurde die allgemeine Dingpflicht im Grafengericht auf jährlich drei echte Dinge, also Gerichtstage zu feststehenden Zeiten beschränkt. Später kamen zwischen diesen Terminen unechte Dinge, also nach Bedarf einberufene Gerichtstage hinzu. Diese Festlegung beeinflußte die Gerichtszeiten bis weit in die Neuzeit.210

III. Untersuchungsgebiet Die Oberlausitz211 ist zugleich geographischer und historischer Raum.212 Das Untersuchungsgebiet wurde nach unterschiedlichen Schicksalen einzelner darin liegender Herrschaftsräume beziehungsweise Länder erst Mitte des 14. Jahrhunderts, nachdem mit Ausnahme des Herrschaftsraums des Hochstifts Meißen alle landesherrlichen Herrschaftsbereiche und die Herrschaft Kamenz an die Krone

206

Näher Lück, Gerichtsstätte, Sp. 171 f. Vgl. Grimm, Rechtsaltertümer II, S. 411 ff. 208 Vgl. Planck, Gerichtsverfahren I, S. 128. 209 Kramer, Gerichtsstätte, Sp. 1550 f. 210 Conrad, Rechtsgeschichte I, S. 141. 211 Vgl. Blaschke, Lausitz, Sp. 1766 ff.; Köbler, Lexikon, S. 483 f.; Blaschke, Oberund Niederlausitz, S. 494 ff. Bibliographie zur Geschichte der Oberlausitz bei Bahlcke, Historischer Raum. 212 Geographisch ist es im Norden durch den Niederlausitzer Grenzwall, im Süden durch eine alte Grenze mit Böhmen, mithin der Tschechischen Republik, im Westen von der Pulsnitz und im Osten von Queis und Bober begrenzt. Die Grenzen des historischen Raums nach außen und zwischen den einzelnen hierin liegenden Herrschaftsbereichen waren im Mittelalter oftmals ungewiß beziehungsweise unterlagen stetem Wandel (Bahlcke, Historischer Raum, S. 11 f.; Reuther, Geschichtsraum, S. 102.). Erst aus Kartenmaterial, das ab dem 16. Jahrhundert vorliegt, werden der historisch-topographische Aufbau und dessen Veränderungen sichtbar (näher Bahlcke, Historischer Raum, S. 15 f. m.w. N.). Bereits in einer Karte des 13. Jahrhunderts wird „Budissin ci (vitas et) regio“ genannt (Nachweis bei Reuther, Verfassung, S. 103). Aus einer von Blaschke gefertigten Karte geht neben den Grenzen des Markgraftums Oberlausitz vor allem die Topographie der einzelnen Herrschaftsbereiche unterhalb der landesherrlichen Ebene im Markgraftum Oberlausitz im Jahr 1777 hervor (Blaschke, Beiträge, Kartenteil). 207

III. Untersuchungsgebiet

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Böhmen gelangt waren,213 zu einem landesherrlichen Herrschaftsraum.214 Die Bezeichnung Oberlausitz wurde vereinzelt ab dem 14. Jahrhundert verwendet und fand ständige Aufnahme in den Kanzleistil im 15. Jahrhundert.215 Ab dem 9. Jahrhundert tritt ein Teil des Untersuchungsgebiets unter dem Namen „Milzane“ ins Licht der Geschichte, gleichzeitig der Name des slawischen Kleinstammes der Milzener216 und dessen Siedelgebiets.217 Über die ältersorbische Verfassung liegen nur wenige Nachrichten vor, die Schlesinger grundlegend darstellte.218 Der Raum um Zittau an oberer Neiße und Mandau ist ebenfalls alt213

Näher Schrage, Oberlausitz, S. 90 ff. Kapras, Rechtsgeschichte, S. 13 f. Die Frage, ob das Markgraftum Oberlausitz in der Neuzeit als Land anzusehen ist, wird im Ergebnis zwar einhellig befürwortet (Neuerdings nahmen zur Frage Stellung Blaschke, Landstände, S. 39 f., 50, der jedoch pauschal auf wenig brauchbare Kriterien wie etwa „geschlossenes Territorium“, „feste Grenzen“, „Anerkennung“ als „selbständige politische Einheit“ und „Bewußtsein [. . .] landschaftlicher und landsmannschaftlicher Eigenständigkeit“ abstellt, und mit besserer Begründung, jedoch mit demselben Ergebnis Dannenberg, Residenz, S. 387 ff.) Angesichts der von Schlesinger hervorgehobenen „Individualität“ der jeweiligen im Reich vorgekommenen „historischen Gebilde“ (Schlesinger, Landesherrschaft, S. 13), mithin der in verschiedenen Perioden und in den einzelnen Herrschaftsräumen im Untersuchungsgebiet unterschiedlichen verfassungsgeschichtlichen Strukturen und Entwicklungen ist sie jedoch bislang hinsichtlich des Untersuchungsgebiets nicht vollständig beantwortet (vgl. Kersken, Rechtsgeschichte, S. 62). 215 Näher Bahlcke, Historischer Raum, S. 11 f. m.w. N.; Blaschke, Staat, S. 144 ff. m.w. N. 216 Näher Lübke, Milsener, Sp. 627 f. Zur Einordnung als sorbischer Kleinstamm Schlesinger, Verfassung, S. 75 ff. 217 Schrage, Oberlausitz, S. 55 f.; Schlesinger, Verfassung, S. 78, 80 m.w. N. Außerdem ist die Siedlungseinheit „Besunzane“ genannt (Nachweise bei Schlesinger, Verfassung, S. 78), die sich wohl im Neißetal im Gebiet von Görlitz und der Landeskrone um den heutigen Ort Biesnitz befand (Billig, Rekonstruktion, S. 63; Jecht, Erste Erwähnung, S. 193 ff.). Auszugehen ist davon, daß Besunzane bereits im 11. Jahrhundert als Bestandteil Milskas angesehen wurde (Billig, Burgwardorganisation, S. 25, 81 f., Anm. 187). In Abgrenzung zur „provincia Milse“ ist 1144 die „provincia Zagost“ genannt (CDLS I, S. 20, 21, Z. 13). Zagost gehörte nicht zu den altbesiedelten slawischen Kerngebieten, sondern als Rodegebiet in die Zeit des frühen Landesausbaus (Klecker, Grenzurkunde, S. 30; Billig, Burgwardorganisation, S. 25; Oettel, Gau Zagost, S. 14 f.). Es handelte sich um ein heterogenes Gebilde zu beiden Seiten des Zittauer Gebirges (Billig, Burgwardorganisation, S. 81 f. (Anm. 187) m.w. N.), das jedoch nicht das Gebiet um Görlitz umfaßte. Zagost bestand aus dem späteren Eigen des Klosters Marienstern an der Pließnitz, dem Neißegebiet mit Ostritz und Zittau einschließlich dem Gebiet an der Mandau, dem Flußgebiet der Wittig mit Seidenberg und dem Queiskreis mit der Burg Lesna (Marklissa) (vgl. Oettel, Gau Zagost, S. 14 f.; siehe Karte, S. 12). Der Zagost, in dem 1144 markmeißnische „castra“ nachgewiesen sind (CDLS I, S. 20 f., 21, Z. 13 f.), teilte sich im 13. Jahrhundert entlang des Zittauer Gebirges und wurde Bestandteil anderer, benachbarter Herrschaftsräume, und der Name verschwand. Der nördlich des Zittauer Gebirges gelegene Teil gelangte an das Hochstift Meißen, während aus den südlichen Teilen und von Böhmen aus kolonisiertem Gebiet das unter böhmischer Landesherrschaft stehende Land Zittau entstand (Billig, Burgwardorganisation, S. 81 [Anm. 187]; Oettel, Gau Zagost, S. 14 f.). 218 Schlesinger, Verfassung, S. 70 ff., 100 ff. 214

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A. Einführung

slawisches Siedlungsgebiet, der um die Wende zum 13. Jahrhundert im Rahmen der Ostsiedlung und des von böhmischen Grundherren betriebenen Landesausbaus von deutschen Bauern besiedelt wurde, ohne daß er jemals zur Mark gehört hatte.219 Die Milzener wurden nach einem erfolgreichen Feldzug von König Heinrich 932 abgabepflichtig und gegen 1000 untertänig gemacht.220 Die Siedlungseinheit erscheint erstmals in einer Königsurkunde von 971 unter den „provinciae“ „Dalaminza, Nisane, Diedesa, et Milzsane et Lusiza“ 221, die zur Diözese Meißen gehörten und einem einzigen „comes earundem regionum“ 222 unterstanden. Mithin erscheint Milska als Bestandteil des Amtsbereichs des Markgrafen von Meißen,223 der erstmals 968 erwähnten Mark224 Meißen.225 Die Zugehörigkeit zum Herrschaftsbereich der Markgrafen von Meißen, jedoch nicht 219

Prochno, Neues, S. 21; Seeliger, Land Zittau II, S. 5 ff., 81 ff. Schrage, Oberlausitz, S. 55 f. 221 CDLS I, Anhang, S. 1, Z. 15 ff. 222 CDLS I, Anhang, S. 1, Z. 17 f. 223 Billig, Burgwardverfassung, S. 21; Blaschke, Staat, S. 141. 224 Zum Begriff Schmid, Mark II (Grenzmark), Sp. 290 ff. 225 CDS I, 1, 11, S. 249 f.; vgl. Posse, CDS I, 1, S. 7 ff. Gegenüber den Grafschaften (zum Begriff Hechberger, Graf, Grafschaft, Sp. 509–522) im Altsiedelgebiet entstanden mit den Marken Gebilde größeren Umfangs, „Großgrafschaften“ (Pitz, Verfassungslehre, S. 595 f.), jedoch besaß der Markgraf zunächst noch keine „übergräfliche Stellung“ (Schlesinger, Landesherrschaft, S. 254). Nach innen und außen ungeteiltes Königsgut (zum Begriff Herberger, Krongut, Sp. 1217 ff.) (Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 53; ders., Landesherrschaft, S. 242 f.), büßte die Mark Meißen ab dem 11. Jahrhundert vergleichbar den Grafschaften (vgl. Pitz, Verfassungslehre, S. 394 ff.) ihre innere Geschlossenheit insbesondere durch königliche Verleihung von Immunität (Willoweit, Immunität, Sp. 311 ff.) an andere Herrschaftsträger ein. Ursprünglich in einem Komitat vereinte Herrschaftsrechte gelangten so sachlich oft unbegrenzt, jedoch räumlich und bezogen auf einzelne Untertanenverbände zersplittert in die Hände insbesondere von Hochstiftern und Klöstern, der Markgrafen selbst und anderer Herrschaftsträger, die hier jeweils Landesherrschaft auszubilden begannen (grundlegend Schlesinger, Landesherrschaft; vgl. Blaschke, Geschichte, S. 71 ff.; Klein, Territorialstaaten, S. 327 ff.; Patze, Landesherrschaft, S. 110). Im pagus Milska fanden bereits 1006/1007 königliche Vergabungen von Rechten bezogen auf ganze Burgwarde an das Hochstift Meißen statt (CDLS I, Anhang, S. 6 f.). Daneben erwarben die Markgrafen selbst und königliche Gefolgsleute wie insbesondere Graf Wiprecht von Groitzsch hier Herrschaftsrechte (zu den Herrschaftsverhältnissen bis 1158 im einzelnen Jecht, Besitzverhältnisse). Jedoch konnte das Königtum Rechte (zunächst) wahren, und zwar zum einen an der gesamten Mark und ihrer Burgwarde, zum anderen an einzelnem Krongut (zum Begriff Herberger, Krongut, Sp. 122 f.; Kroeschell, Rechtsgeschichte I, S. 83 f.; Mitteis/Lieberich, Rechtsgeschichte, S. 151 ff.; zu den Krongutkomplexen im Untersuchungsgebiet Kobuch, Tafelgüter, S. 341 ff., 348 ff.) innerhalb der Mark. Dies wird etwa anhand der Urkunde von 1144 (CDLS I, S. 20 f.) deutlich, wonach zumindest ein großer Teil der hochstiftischen Dörfer im Untersuchungsgebiet trotz schenkweiser Übertragung (vgl. etwa CDLS I, Anhang, S. 6 f.) weiterhin Verpflichtungen gegenüber dem deutschen König beziehungsweise dem Markgrafen von Meißen hatten. Die Mark stellte seit Aufkommen des Lehnrechts trotz dieser Rechtszersplitterung zumindest lehnrechtlich weiterhin einen unteilbaren Bestand dar (Schlesinger, Landesherrschaft, S. 40; Helbig, Ständestaat, S. 6 m.w. N.). 220

III. Untersuchungsgebiet

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zum Reich endete mit der Belehnung des böhmischen Königs mit dem pagus Milska als Reichslehn um 1158.226 Bis zu diesem Zeitpunkt kann mit Blaschke „der gesamte innere Zustand des Landes [des pagus Milska – HvS] in voller Übereinstimmung mit demjenigen der Markgrafschaft Meißen angesehen werden.“ 227 Mit Jänecke gilt gerade auch für das Untersuchungsgebiet der Grundsatz: „Herrschaft durch Kolonisation“.228 Milska durchlebte wie das gesamte Markengebiet eine Ablösung der Markenverfassung durch neue Herrschaftsformen im Zusammenhang mit deutscher Ostsiedlung229 und damit verbundenem Landesausbau230.231 Dies betrifft zunächst die Entstehung der Landesherrschaft232. Der wettinische Markgraf Konrad von Meißen erlangte gegen Ende der Zugehörigkeit Milskas zur Mark eine „übergräfliche“ 233, mithin eine landesherrliche Stellung.234 Im Gebiet des späteren Landes Zittau, das zwar altslawischer Siedlungsraum, aber, soweit es sich nicht um bereits markmeißnisch unterworfenes Gebiet handelte, niemals Bestandteil des Markengebiets gewesen war, lösten im Zusammenhang mit Ostsiedlung und Landesausbau landes- und grundherrliche Strukturen des böhmischen Königs und seiner Vasallen die älterslawischen unmittelbar ab.235 Nachdem der König von Böhmen um 1158 mit dem noch 1165 „pagus Milzana“ 236, jedoch bald „terra“ 237 oder „provincia“ 238 Budißin genannten Herrschaftsraum belehnt worden war, übte er auch hier Landesherrschaft aus.239 Das 226

Blaschke, Landstände, S. 49; Schrage, Oberlausitz, S. 66 f. Blaschke, Landstände, S. 49. 228 Jänecke, Herrschaften, S. 223; vgl. Reuther, Verfassung, S. 82 ff.; Blaschke, Bevölkerungsgeschichte, S. 21 ff. 229 Näher Irgang, Ostsiedlung, deutsche, Sp. 1545 f. 230 Näher Rösener, Landesausbau, Sp. 1643 ff. 231 Anknüpfungspunkt der Herrschaft war nun nicht mehr der reine Personalverband, sondern (auch) das (gewonnene) nutzbare Land (Kötzschke/Kretzschmar, Geschichte, S. 38, 45 ff., 49 f.; Czok, Geschichte, S. 65 ff., vgl. Karte, S. 74; Blaschke, Geschichte, S. 77 ff., 136 ff., 153 ff., vgl. Karte, S. 78). 232 Zum Begriff Merzbacher, Landesherr, Landesherrschaft, Sp. 1383 ff.; Schubert, Landesherrschaft und -hoheit, Sp. 1653 ff. Insbesondere zu den Verhältnissen in der Mark grundlegend Schlesinger, Landesherrschaft, S. 256 ff. 233 Helbig, Ständestaat, S. 39. 234 Näher zur Ausbildung der Landesherrschaft der Wettiner Kötzschke/Kretzschmar, Geschichte, S. 72 ff.; Gross, Geschichte, S. 18; Blaschke, Geschichte, S. 143 ff. 235 Näher hierzu Prochno, Neues, S. 21; Seeliger, Heimatkunde, S. 36 ff.; ders., Land Zittau I, S. 1 ff.; ders., Land Zittau III, S. 5 ff., 81 ff.; Oettel, Gau Zagost, S. 11, 15. 236 CDLS I, S. 23 ff., 24, Z. 6. 237 z. B. CDLS I, S. 26, Z. 2. 238 z. B. CDLS I, S. 32, Z. 14. 239 Zur Landesherrschaft der Pr ˇemysliden im Untersuchungsgebiet allgemein Schrage, Oberlausitz, S. 66 ff.; Reuther, Verfassung, 82; rechtshistorisch Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 19 ff., 29 ff. 227

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A. Einführung

Untersuchungsgebiet erscheint nun völlig einbezogen in die böhmische Kastellanatsverfassung240, die jedoch ihrerseits strukturell mit der Burggrafenverfassung verwandt, möglicherweise dieser sogar nachgestaltet war.241 Auch die Kirche, hier das Hochstift Meißen konnte im Untersuchungsgebiet frühzeitig Besitz erwerben242 und gelangte auf wesentlichen Bestandteilen seiner Besitzungen zur Landesherrschaft.243 In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, mithin noch in der ersten böhmischen Periode scheinen zudem mit „barones et nobiles“ als Beisitzer im für die „terra“ beziehungsweise „provincia“ „Budissinensis“ zuständigen landesherrlichen „placitum“ oder „iudicium“ 244 erstmals wenn nicht genos-

240 Zur böhmischen Kastellanatsverfassung Link, Erblande, S. 490; Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 35 ff.; Luschin, Grundriß, S. 181 ff. 241 Kobuch, Tafelgüter, S. 345 ff.; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 104 f.; Rietschel, Burggrafenamt, S. 250, 253 f. Burggraf „Benisius“ von Budißin nennt die Landesherrschaft 1245 „domina nostra“ beziehungsweise „dominus noster“ (CDLS I, S. 76, Z. 16 f.). Die Budißiner Burggrafen werden in den landesherrlichen Urkunden fortan unter den böhmischen Kastellanen genannt (Nachweise bei Schrage, Oberlausitz, S. 67). Umgekehrt übte die ostmitteldeutsche Burggrafenverfassung auch auf böhmischen Verhältnisse Einfluß aus: 1219 wird hinsichtlich des Budißiner Burggrafen, nachdem er bislang lediglich „praefectus“ oder „castellanus“ genannt worden war, erstmals von „burgravius“ gesprochen, ab 1224 regelmäßig auch hinsichtlich der Kastellanien im Königreich Böhmen (vgl. Rietschel, Burggrafenamt, S. 253 f., insb. 253, Anm. 4 m.w. N.). 242 Näher Schlesinger, Kirchengeschichte II, S. 83 f., 538 f.; Huth, Besitz, S. 95 f. (mit Karte, S. 79); Knothe, Besitzungen. 243 Blaschke, Archiv, S. 17; Schlesinger, Kirchengeschichte II, S. 541; ders., Kirchengeschichte I, S. 250; ders., Verfassung und Wirtschaft, S. 41. Ursprünglich dem deutschen König beziehungsweise dem Markgrafen von Meißen im Rahmen der Markenverfassung, später den Königen von Böhmen als Landesherren zustehende Rechte in hochstiftischen Dörfern im Untersuchungsgebiet wie etwa Burgenbau und Wachdienst (Wachkorn) entfielen nach und nach (Schlesinger, Kirchengeschichte II, S. 540 f. Vgl. etwa die Urkunden von 1144 [CDLS I, S. 20 f.], 1245 [CDLS I, 74 f., 76] und 1249 [CDLS I, S. 79 f.]). Die Markgrafen von Brandenburg erkannten die Stellung der wesentlichen hochstiftischen Besitzungen im Untersuchungsgebiet als landesherrlichen Herrschaftsraum 1272 an (Schlesinger, Verfassung und Wirtschaft, S. 41 f.; vgl. CDLS I, S. 97 ff.; Anhang, S. 78 ff. Näher zur hochstiftischen Landesherrschaft im Untersuchungsgebiet Schlesinger, Verfassung und Wirtschaft, S. 39 ff.; ders., Gerichtsverfassung, S. 110 f. m.w. N.). Dem Hochstift gelang es, auf Dauer die Hochvogteien im Wurzener Land und im Herrschaftsraum um Bischofswerda und Stolpen an sich zu bringen (Schlesinger, Kirchengeschichte II, S. 540 f.). Anstelle dessen sind hier villici, später advocati als hochstiftische Amtsträger mit gegenüber etwa den markmeißnischen vergleichbarer Stellung und vergleichbaren Aufgaben nachgewiesen, denen (auch in Stolpen) später Hofmeister, Amtmann oder Hauptmann folgten (Schlesinger, Verfassung und Wirtschaft, S. 51; näher ders., Gerichtsverfassung, S. 107 ff. m.w. N.). Der Besitz des Hochstifts wurde entweder in Eigenwirtschaft gehalten, durch zinspflichtige Bauern genutzt oder als Lehen ausgegeben (Schlesinger, Verfassung und Wirtschaft, S. 37. Zu den Verhältnissen im Untersuchungsgebiet, wo ein beträchtlicher Teil verlehnt wurde, Knothe, Besitzungen). Der hochstiftische Besitz im Untersuchungsgebiet blieb wenn auch mit Einbuße bis in die Neuzeit erhalten. 1559 wurde das hochstiftisch meißnische Amt Stolpen an den Kurfürsten von Sachsen abgetreten (Knothe, Besitzungen, S. 178 ff., 201).

III. Untersuchungsgebiet

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senschaftliche, so doch vorsichtig jedenfalls als nichtherrschaftlich zu umschreibende Strukturen auf. Reuther sieht diese – mangels aussagekräftiger Quellen – zurecht zwar noch nicht als vollausgebildete „Landstände“ im Sinne des Begriffs, jedoch als eine Vorstufe hierzu an.245 Entsprechende Strukturen lassen sich für das Gebiet um Zittau zu dieser Zeit noch nicht nachweisen. In der wettinischen Mark Meißen,246, in der Mark Brandenburg247, in den schlesischen Herzogtümern248 und im Königreich Böhmen249 löste bereits kurze Zeit später die landesherrliche Vogtei- beziehungsweise Villikationsverfassung die Burggrafschafts-/Kastellanatsverfassung ab, das heißt es wurden (im Zuge der Verlagerung königlicher Rechte auf die Landesherren) nach und nach sämtliche, ursprünglich umfassenden Zuständigkeiten des Burggrafen/Kastellans auf Vögte, ursprünglich landesherrliche Wirtschaftsbeamte auf landesherrlichen Grundherrschaften, mit Sitz in einer landesherrlichen Stadt als Verwaltungsmittelpunkt einer Vogtei übertragen.250 Im Untersuchungsgebiet erscheinen den wettinischen und schlesischen Verhältnissen vergleichbare Strukturen der Vogteiverfassung bereits während der ersten böhmischen Periode, die sich unter den Askaniern, also ab 1253 festigten.251 Auch im Land Zittau war die Vogteiverfassung um 1300 wie im übrigen Untersuchungsgebiet eingeführt.252 Ab dem 13. Jahr-

244 Landesherrliche Urkunden von 1228 (CDLS I, S. 42, Z. 2; 43, Z. 3 f.) und 1249 (CDS II, 1, S. 131, Z. 8 ff.; CDLS I, Anhang, S. 67, Z. 35; S. 68, 6 ff.; Tzschoppe/ Stenzel, Urkundensammlung, S. 314 f.). 245 Reuther, Verfassung, S. 87. 246 Näher Riehme, Markgraf, S. 61 ff., 69 ff.; Blaschke, Geschichte, S. 155 ff.; Kötzschke/Kretzschmar, Geschichte, S. 87; Helbig, Ständestaat, S. 341 ff., S. 346 ff. 247 Näher Vogel, Brandenburg-Preußen, S. 859; Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 134 ff. 248 Näher Helbig, Landgemeinde, S. 102 ff.; Loesch, Verfassung, S. 138 ff., wonach sich die Vogteiverfassung ebenfalls nach meißnischem Vorbild entwickelte. 249 Näher Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 36, 43, 115, 121 ff., insb. 123. 250 Jedoch mit der Besonderheit, daß das im übrigen mitteldeutschen Osten länger königlich gebliebene Burggrafenamt (näher zu den einzelnen, zum Teil stark voneinander abweichenden Einzelschicksalen der Burggrafschaften Helbig, Ständestaat, S. 204 ff., 271 ff.) im Untersuchungsgebiet vor Erscheinen von advocati und villici zu einem landesherrlichen Amt wurde und damit hier wie in Böhmen (insoweit näher Peterka, Rechtsgeschichte I, 121 ff.) und Schlesien (insoweit näher Loesch, Verfassung, S. 138 ff.), wo niemals eine königliche Burggrafschaft, sondern ebenfalls nur landesherrliche Kastellaneien bestanden hatten, die Rechteverlagerung von Burggraf beziehungsweise Kastellan auf den advocatus/villicus keine solche vom deutschen König auf den Landesherrn darstellte. 251 Reuther, Verfassung, S. 88 ff. m.w. N.; Kötzschke, Vogtei, S. 26 ff., 32; Seifert, Landvögte, S. 21 ff., Kapras, Rechtsgeschichte, S. 28 ff. Deutliches Beispiel ist die landesherrliche Urkunde von 1309, die sich nicht nur auf die landesherrlichen Städte im Untersuchungsgebiet bezieht (CDLS I, S. 191). 252 Näher Seeliger, Heimatkunde, S. 33 f.; Kötzschke, Vogtei, S. 30 f.; Weizsäcker, Landgericht, S. 3 ff.; Kapras, Rechtsgeschichte, S. 28 f.; Knothe, Rechtsgeschichte, S. 238 ff.

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hundert sind der Vogteibezirk Budißin, 1268253 davon abgespalten der Vogteibezirk Görlitz, außerdem der Vogteibezirk Zittau und – zeitweise – der Vogteibezirk Lauban nachweisbar, die regelmäßig wie in Brandenburg oder Schlesien „districtus“/„territorium“/„terra“ genannt wurden.254 Die genannten Bezeichnungen in den Quellen führen auch für den Zeitraum der askanischen Landesherrschaft im Untersuchungsgebiet zu der Frage nach dem Bestehen dem Landesherrn unmittelbar gegenüberstehender genossenschaftlicher Strukturen im Untersuchungsgebiet. O. Brunner bestritt, wie bereits zu Beginn dieser Untersuchung dargestellt, bis heute grundlegend die bis dahin herrschende Lehre, Entstehung und Verfassung der mittelalterlichen Länder seien von der Landesherrschaft her zu erklären. Bis heute anerkannt formulierte er die maßgeblichen Kriterien, wonach ein Land als „herrschaftliche Genossenschaft“ gekennzeichnet sei durch die Existenz einerseits eines „Landesherrn“, andererseits insbesondere einer politisch handlungsfähigen „Landesgemeinde“ und durch den Besitz eines gemeinsamen „Landrechts“, dem sich die Gemeinde unterworfen habe. Länder seien mithin „Gerichtsbezirke, in denen Landrecht gesprochen wird, in denen eine Landesgemeinde vorhanden ist“.255 Ein Land in diesem Sinne werde in den mittelalterlichen Quellen etwa mit den Worten „lant“, „provincia“, „terra“ oder „territorium“ umschrieben.256 Vor diesem Hintergrund sind bereits die erwähnte „terra“/„provincia“ Budißin in ihrer damaligen Ausdehnung, die schon in landesherrlichen Urkunden von 1228 und 1249, also der ersten böhmischen Periode erscheint, beziehungsweise ihre Insassen, „barones et nobiles“ „in provinciali placito consedentes“,257 mit ziemlicher Gewißheit als Land anzusehen, obwohl über Inhalt und Zustandekommen des gemeinsamen „Rechts“ nichts bekannt wird. Bei Zugrundelegung des genannten „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ läßt sich diese Lücke jedoch schließen, indem für diese Zeit davon auszugehen ist, daß Rechtsfindung durch Urteilsfindung im Gericht, also durch die genannten Rechtsgenossen im genannten „placitum“ erfolgte. Die gerichtsverfassungsrechtlichen Zusammenhänge sind später noch auszuführen.

253

CDLS I, S. 92 ff. Kötzschke, Vogtei, S. 26 ff., 28 m.w. N. 255 Brunner, Land und Herrschaft, S. 194, 231 f. 256 Brunner, Land und Herrschaft, S. 180 ff., 231 ff. 257 In landesherrlichen Urkunden von 1228 (CDLS I, S. 42, Z. 2; 43, Z. 3 f.) und 1249 (CDS II, 1, S. 131, Z. 8 ff.; CDLS I, Anhang, S. 67, Z. 35; S. 68, 6 ff.; Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 314 f.) wird von „in provinciali placito consedentes“ hinsichtlich der „Budessinensi provincia“ beziehungsweise einem „iudicium generale“ in „Budissin“, das bei Vorsitz des Landesherrn mit „vniuersis terre baronibus et nobilibus sicut moris est“ besetzt ist, gesprochen. Für das Gebiet um Zittau, das damals zwar auch unter böhmischer Landesherrschaft stand, aber nicht zur provincia/terra Budißin gehörte (Reuther, Verfassung, S. 87; Seeliger, Heimatkunde, S. 33 f.) liegen für diesen Zeitraum (noch) keine entsprechenden Hinweise vor. 254

III. Untersuchungsgebiet

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Auch hinsichtlich des 1268 durch die askanische Landesteilung aus dem Land Budißin herausgelösten eigenständigen landesherrlichen Vogteibezirks Görlitz liegen bei Zugrundelegung dieses Prinzips deutliche Hinweise dafür vor, die ihn als Land qualifizieren. Hierfür spricht insbesondere die landesherrliche Urkunde von 1268, in welcher von der „terra“ Budißin die „pars Gorliz“ abgeteilt wird. In der Urkunde wird etwa auch angeordnet, daß der landesherrliche Vasall „dominus H. de Baruch [Baruth – HvS]“ wegen seiner Lehen „in parte Gorliz“ „sub judicio Gorlicenis“, mithin unter die Herrschaft des „domin[us] partis Gorliz“ gehören solle.258 Wohl handelte es sich auch bei der im Zuge der Abteilung des Herrschaftsraums des Herzogs von Jauer von der Vogtei Görlitz entstandenen landesherrlichen Vogtei Lauban um ein Land, denn Anzeichen für einen bestehenden Rechtsverband und ein gemeinsames Gericht liegen insoweit mit der Urkunde des Rates zu Görlitz von 1470 vor, wonach „ritterschafft vnd mannschaft des Lawbanischen weychbildis“ sowie „obergerichte vnd votey zcum Lawb.“ bestanden.259 Auch in der (ursprünglich) landesherrlichen Vogtei Zittau ist ab dem Spätmittelalter aufgrund eines Berichts der „erbleuthe in der stadt Zittau“ an den Landesherrn von 1346/47 ein „landgerichte“ unter dem Vorsitz eines „landrichter[s]“ nachgewiesen, in dem „landleute“ und Zittauer „schöppen“, also Adel und Bürger der Vogtei zusammen „ein recht [funden]“, ein „recht, damit die stadt und land ausgesatzt sind“, welches „ny vorbrochen, noch verückt [sey] von einem könige zu dem andern“.260 Sehr deutlich werden also bezüglich der Vogtei Zittau Anhaltspunkte für deren Qualifizierung als mittelalterliches Land, nämlich eine Landesgemeinde aus Adel und Bürgern, die ihre Urteiler in das Landgericht senden, sowie ein gemeinsames, vom Landesherrn geschütztes und beschirmtes, aber ausschließlich von Adel und Bürgern (dort) gemeinsam gefundenes „Recht“. Sämtliche hier genannte Gerichte werden noch unter dem Blickwinkel des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ untersucht werden. Sollte sich dessen Vorliegen zu der jeweiligen Zeit bestätigen, wäre insoweit von Ländern auszugehen. Dies hieße, das Untersuchungsgebiet insbesondere im Spätmittelalter zumindest verfassungsgeschichtlich nicht nur wegen der zeitweise unterschiedlichen Landesherren, sondern (trotz später identischen Landesherrns261) genossenschaftlich 258

CDLS I, S. 92 ff., insb. S. 94, Z. 6 f., 8 f.; vgl. Kapras, Rechtsgeschichte, S. 30 ff. VOU I, H. 5–8, S. 113; vgl. Gründer, Chronik, S. 99 ff. 260 Gedruckt Weizsäcker, Landgericht, S. 9. 261 Näher zu den einzelnen Landesherren mit Herrschaftsrechten im Untersuchungsgebiet Reuther, Verfassung, S. 99; Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 133, Kapras, Rechtsgeschichte, S. 28 ff., 65 ff. Zum Übergang an Böhmen nach 1319 historisch Schrage, Oberlausitz, S. 99 ff. Das Land Budißin und die übrigen, in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts unter die Landesherrschaft des böhmischen Königs geratenen Herrschaftsräume im Untersuchungsgebiet, mithin der später einheitlich Markgraftum Oberlausitz genannte landesherrliche Herrschaftsbereich, wozu durch Erweiterung des Bündnisses der landesherrlichen Städte im Untersuchungsgebiet auf Zittau 1346 auch das Land Zittau gehörte, wurden durch den Übergang an den König von Böhmen zum Bestandteil der Krone Böhmen, also zu einer „monarchischen Union von Nebenländern mit jeweils 259

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A. Einführung

betrachtet als eine Gruppe voneinander zu unterscheidender Länder anzusehen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang noch darauf, daß sich – vergleichbar schlesischen Verhältnissen –262 der landsässige Adel im Untersuchungsgebiet bis zum Ende der Weichbildverfassung 1547 angelehnt an die Vogteibezirke, später an die Weichbilder organisierte.263 Der landsässige Adel eines Weichbilds beziehungsweise später des Budißiner beziehungsweise Görlitzer Kreises erwählte, ernannte und entsandte jeweils aus jeweils eigenen Reihen gewählte Landesälteste, die insbesondere auch in der Ständeversammlung handelten.264 Auch insoweit ist ausgeprägter landständischer Verfassung“ (näher zum böhmischen Länderverband Link, Erblande, S. 490, 504 ff.; Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 124 ff.; Luschin, Grundriß, S. 170 ff., insb. 176, 221 ff.; insbesondere zur Stellung des Untersuchungsgebiets darin Kapras, Rechtsgeschichte, S. 13 ff.; Behrisch, Stadtverfassung, S. 481 m.w. N.; Bahlcke, Stellung; vgl. hinsichtlich des Untersuchungsgebiets vor allem die landesherrlichen Urkunden von 1348 [VOU I, H. 1–4, S. 53] und 1355 [VOU I, H. 1–4, S. 65], wovon die letztere auch das Land Zittau betrifft [Kapras, Rechtsgeschichte, S. 13 f.]). Die ehemals markmeißnischen Teile des Untersuchungsgebiets verloren ihre Stellung als Reichslehn (Reuther, Abriß, S. 59). 262 Loesch, Weichbildverfassung, S. 90. 263 1348 handelten gegenüber dem Landesherrn allein die „Man, dy in dem Wyppildt zu Lubaw sitzcin“ (Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 559). Bereits 1329 hatte der Landesherr von „omnes et singuli nobiles [. . .] in Bwdissinensi et Lobauiensi districtibus residentes“ gesprochen (CDLS I, S. 274 f., 275, Z. 3 ff.). Im Bericht der „erbleuthe in der stadt Zittau“ an den Landesherrn von 1346/1347 wird außer von der Stadt Zittau und ihren Bürger von den „mannen“, die „gesessen und beerbet yn ewern lande zu der Zittau“ seien, als Unterworfenen des Landgerichts zu Zittau gehandelt (Regest bei Prochno, Urkundenbuch, S. 58 f.; vollständiger Abdruck bei Weizsäcker, Landgericht, S. 10). In einer landesherrlichen Urkunde vom 22. Mai 1329 werden neben den „Burgern der Stadt ze Gorlicz“ die „Man, die wir da selbest uf dem Lande haben“, genannt, für die (auch) das Vogtding zu Görlitz zuständig war (Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 528; vgl. CDLS I, S. 282 f.). In einer landesherrlichen Urkunde vom 19. Mai 1329 wird von „feuda districtus Gorlitzensis“ gesprochen (CDLS I, S. 278 ff., 280, Z. 8). 264 Der jeweilige Weichbildadel beziehungsweise später Adel des Budißiner beziehungsweise Görlitzer Amtes wählte aus seinen Reihen regelmäßig zwei (Landes-)Älteste, die ihn einerseits gegenüber dem Landesherrn und seinen Vertretern sowie gegenüber den landesherrlichen Städten vertraten. Andererseits leisteten sie dem Landesherrn und seinen (Unter-)Vertretern, insbesondere Landvogt und Amtshauptleuten Rat und Hilfe in politischen und rechtlichen Angelegenheiten (hierzu Seifert, Landvögte, S. 14 f.; Kapras, Rechtsgeschichte, S. 32 f.; Boetticher, Adel I, S. 27 ff.; im einzelnen der zeitgenössische Bericht um 1585 bei StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 4). 1272 sind erstmals „seniores et meliores terre (Budesinensi)“, also Älteste des landsässigen Adels der Vogtei Budißin genannt (CDLS I, S. 97 ff., 98, Z. 3, 13). In der bereits genannten Urkunde von 1348 erscheinen als Unterzeichner sechs von der Ritterschaft, „dy in dem Wyppildt zcu Lobaw sitczin“, „die die eldistin sin, von der andirn allir mein“ (Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 559). Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurden die Landesältesten „des Landes Väter und Vorsteher“ genannt (vgl. die Beweisartikel gegen den Landvogt Dohna von 1559 [Weinart, Rechte I, S. 56]). Sie waren nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585 „beydes der hohen Obrigkeit, und dem Lande gar hoch [. . .] nothwendig, und ohn das [die Landesältesten des jeweiligen Kreises – HvS], weder der Königl. Majth. oder des Landes Sachen bequemlich gefördert werden“ (StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 4).

III. Untersuchungsgebiet

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jeweils von einer oder jedenfalls einem wichtigen Teil einer „Landesgemeinde“ auszugehen. Die Vogteiverfassung wurde, soweit es die herrschaftliche Seite betrifft, in ihrer Grundstruktur in der Folge nicht verändert, auch nicht nach Übergang der Länder Budißin, Görlitz und des Herrschaftsraums des Herzogs von Jauer beziehungsweise der Vogtei Lauban an den König von Böhmen ab 1319. Vergleichbares gilt bezüglich des Übergangs des Markgraftums Oberlausitz an den Kurfürsten von Sachsen ab 1620.265 Das Wesen der Vogteiverfassung, also die Stellung und Funktion des (Land-)Vogtes als maßgeblicher, sämtliche landesherrlichen Rechte und Pflichten im Untersuchungsgebiet wahrnehmender landesherrlicher 265 Hinsichtlich der Auswirkungen des Übergangs an den Kurfürsten von Sachsen auf die Vogteiverfassung näher Seifert, Landvögte, S. 24 ff.; Boetticher, Adel I, S. 10 ff. Zur Veränderung der Stellung des Markgraftums Oberlausitz als Bestandteil des böhmischen Länderverbandes und böhmisches Lehen nach Übergang an das Königreich Preußen 1815 beziehungsweise nach Inkrafttreten der Verfassung des Königreichs Sachsen 1831 Kapras, Rechtsgeschichte, S. 85 ff.; Boetticher, Adel I, S. 8 f. m.w. N. Zum Übergang des Markgraftums Oberlausitz an den Kurfürsten von Sachsen allgemein näher verfassungsgeschichtlich Boetticher, Adel I, S. 6 ff. m.w. N.; historisch Schunka, Oberlausitz, S. 143 f. Das Markgraftum Oberlausitz war auch nach Übergang an den Kurfürsten von Sachsen (zunächst) Bestandteil der Krone Böhmen und böhmisches Lehn. 1620 gewährte der Kaiser und König von Böhmen dem Kurfürsten von Sachsen für dessen Hilfeleistung gegen den „Winterkönig“ Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz „Unser beede Marggraffthümer Ober- und Nieder-Lausitz, als ein Pertinenz-Stück bemeldtes Königreichs Böhmen, zu völliger desselben Recuperirung und Wiederbringung des schuldigen Gehorsams bey Unsern rebellirenden Unterthanen mit allen Nutzungen und Gerechtigkeiten“, und zwar „Pfandesweiß und nomine hypothecae“. Jedoch wurde klargestellt, daß der Kurfürst, solange er das Markgraftum besitze, „keine Neuerung fürnehmen“ dürfe und „die gehorsamen Stände bey ihren Privilegien, Freyheiten, Rechten und Gerechtigkeiten, auch alten Herkommen, verbleiben lassen [. . .]; Wie dann auch bemeldte Marggraffthümer, durch diese Verpfändung, gar nicht vonn unserm Königreich Böhmen abgesondert, sondern derselben, laut der alten Incorporation, zugethan und einverleibet bleiben soll“ (KW II, S. 1387 f., 1388). Mit dem „Immissionsrezeß“ von 1623 (KW II, S. 1402 ff.) räumte der Kaiser dem Kurfürsten von Sachsen wegen der von ihm „aufgewandten Kriegs-Kosten“ das verpfändete Markgraftum Oberlausitz, „die Contentirung an Haupt-Summen und Zinsen erfolget“, zur „völlige(n) Possess und Niessung solcher Lande“ ein (KW II, S. 1413). Im Abtretungsrezeß anläßlich des Prager Friedens von 1635 (KW II, S. 1408 ff.) wurde als Entschädigung für Kriegskosten des Kurfürsten von Sachsen vereinbart, daß „Ihre Kayserl. Majestät Sr. Chur-Fürstl. Durchl. [zu Sachsen – HvS] Ihre beyde Marggraffthümer Ober- und Nieder-Lausitz, mit allen LandesFürstlichen Obrigkeiten, Hoheiten, Regalien, Titul und Wappen, ingleichen [. . .] Freyheiten, Gerichten, obersten und niedersten Nutzungen, Gerechtigkeiten und allen andern Einkünfften [. . .] erblich, eigenthümlich und unwiderruflich, jedoch Lehensweise, und wie rechten Mann-Lehens Art und Eigenschafft mit sich bringet, zu einem rechten Mann-Lehen [. . .] abtreten und auf offenen Land-Tag [. . .] würklich übergeben“ (KW II, S. 1409) müsse. Jedoch blieben die Markgraftümer Ober- und Niederlausitz „von dem Königreich Böhmen nicht abgesondert, sondern demselben, als ein hohes und vornehmes Stück desselben, dergestalt zugethan [. . .], daß Ihr. Chur-Fürstl. Durchl. Die Kayserl. Majestät [und deren Rechtsnachfolger – HvS] an der Cron [Böhmen – HvS] von wegen dieser beyden Marggraffthümer, vor Ihre Lehens-Herren et pro supremis Dominis directis erkennen, ehren und halten“ (KW II, S. 1412).

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A. Einführung

Amtsträger erhielt sich trotz zwischenzeitlich erfolgter, sogleich näher zu beleuchtender wesentlicher Veränderungen des Bestands der vom Vogt verwalteten landesherrlichen Herrschaftsrechte vielmehr bis 1815, soweit es das königlich preußische Markgraftum Oberlausitz betrifft, beziehungsweise 1821, also bis zur Errichtung der Oberamtsregierung im königlich sächsischen Markgraftum Oberlausitz.266 Die (Land-)Vögte hatten lediglich begonnen, sich ab dem ausgehenden Mittelalter bei der Wahrnehmung der landesherrlichen Rechte und Pflichten von zwei Untervögten, (Amts-)Hauptleuten, jeweils zuständig für den Budißiner Kreis (Amt Budißin) beziehungsweise Görlitzer Kreis (Amt Görlitz), vertreten zu lassen. Der (Ober-)Amtshauptmann zu Budißin war später der ständige Vertreter des Landvogts.267 Ab dem 13. Jahrhundert treten im landesherrlichen Herrschaftsraum die Grundherren und landesherrlichen Städte deutlich hervor, die in der Folgezeit einerseits aufgrund Übertragung maßgeblicher landesherrlicher (vogteilicher) Rechte zu Trägern wesentlicher Herrschaftsrechte, andererseits durch Erwerb entsprechender genossenschaftliche Befugnisse zu Landständen wurden, die sich ihre Stellung bis zum Ende des Untersuchungszeitraums bewahren konnten. Hierauf ist im folgenden einzugehen: Im Zuge der deutschen Ostsiedlung entstanden auch im Untersuchungsgebiet die Grundherrschaften268. Die Landesherren hatten bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts bis auf wenige landesherrliche Villikationen ihre Rechte an nahezu dem gesamten Grund und Boden im Untersuchungsgebiet an Grundherren vergeben, so daß von der landesherrlichen Gewalt weitgehend eximierte, zum Teil weitläufige Grundherrschaftskomplexe entstanden.269 Die Landesherren vermochten somit keine eigene Lokalverwaltung vergleichbar etwa der auf den landesherrlichen Villikationen gegründeten Ämterverfassung der Mark Meißen aufzubauen beziehungsweise zu erhalten.270 Als Grundherren erscheinen die geistlichen Stifter271 sowie edelfreier und ministerialer, aus Meißen und angrenzenden 266 Zur Struktur und Entwicklung der Vogteiverfassung Seifert, Landvögte, S. 21 ff.; zeitgenössische Quelle StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1. 267 Über die Hauptleute Seifert, Landvögte, S. 13 f.: Kapras, Rechtsgeschichte, S. 65 ff., 74 ff.; zeitgenössische Quelle StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1. Hinzu kam nach 1547 das Amt des Landeshauptmanns. 268 Zum Begriff Rösener, Grundherrschaft, Sp. 581 ff., insb. 584 ff. 269 Zu Entstehung, Verfassung und Topographie der Grundherrschaften im Untersuchungsgebiet grundlegend Jänecke, Herrschaften, S. 1 ff., mit Kartenteil; neuerdings Kaak, Gutsherrschaft, S. 46 ff.; Boelcke, Verfassungswandel, S. 13 ff. Zu deren Inhabern Knothe, Adel I, 544 ff.; Boetticher, Adel I, II, III. Insbesondere zu den Grundherrschaften im Land Budißin Helbig, Oberlausitz; zu denen im Land Zittau Seeliger, Heimatkunde, S. 36 ff.; ders., Zittau II, S. 1 ff., 85 ff. Zu den Grundherrschaften innerhalb des landesherrlichen Herrschaftsraums des Hochstifts Meißen im Untersuchungsgebiet Huth, Besitz; Knothe, Besitzungen, S. 180 ff. 270 Blaschke, Landstände, S. 44; Kötzschke, Vogtei, S. 33. 271 Das Domstift St. Petri zu Budißin, die Klöster St. Marienstern, St. Marienthal, die umfangreichen Grundbesitz meist zu Eigen erhielten, und – in geringerem Maß – das

III. Untersuchungsgebiet

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Landschaften eingewanderter Adel, dem die Landesherren Rechte durchweg lehnsweise verliehen.272 Später erwarben auch Bürger Grundherrschaften.273 Die Landesherren beziehungsweise Grundherren betrieben auch im Untersuchungsgebiet die Ansiedlung aus West- und Mitteleuropa stammender Bauern durch Lokatoren274 in Dörfern275 und als Siedlungsgeber die Rodung bisher von der Burgwardorganisation nicht erfaßten Gebietes.276 Die im Ostsiedlungsgebiet im Rahmen von Ansiedlungsverträgen zwischen Grundherr und Siedlern entstehende Verfassung in den Grundherrschaften bot große Anreize zur Ansiedlung und war auf die praktischen Bedürfnisse der als Dorfverbände unter der Herrschaft eines Grundherrn siedelnden Bauern zugeschnitten, dies vor allem durch Einräumung persönlicher Freiheit, eines günstigen Besitz- und Erbrechts und ausgeprägter genossenschaftlicher Befugnisse als Dorfgemeinde. Auf diese Weise entstand im Ostsiedlungsraum, so auch im Untersuchungsgebiet gerade im Verhältnis zum Grundherrn ein freies Bauerntum. Folge der Ostsiedlung war auch im Untersuchungsgebiet das Nebeneinander neuangelegter Dörfer der Siedler und bereits bestehender sorbischer Siedlungen. Es gab zwar keine nationalen Gegensätze, sehr wohl aber zunächst rechtliche Unterschiede, die sich jedoch nach und nach zugunsten der gerade auch für die sorbische Bevölkerung günstigeren dörflichen Verfassung der Siedler auflösten.277 Kloster Lauban; näher Schlesinger, Kirchengeschichte II, S. 257 ff.; Schwarzbach, Geschichte, S. 17 ff. (Domstift St. Petri zu Budißin); Schlesinger, Kirchengeschichte II, S. 292 ff.; Knothe, Marienstern (Kloster St. Marienstern); Schlesinger, Kirchengeschichte II, S. 290 ff.; Schönfelder, Marienthal (Kloster St. Marienthal) und Skobel/Piekorz, Klosterstift, S. 29 ff. (Kloster Lauban). 272 Näher Billig, Adel, S. 47; Helbig, Oberlausitz, S. 112 ff.; Seeliger, Heimatkunde, S. 36 ff.; ders., Zittau II, S. 1 ff., 11; Knothe, Adel I, S. 8; ders., Höherer Adel. Drei Familien stamm(t)en aus weiter entfernten Teilen des Reichs: Lossow (Altmark), Metzradt (Rheinland) und Salza (Thüringen) (Helbig, Oberlausitz, S. 126). 273 Näher Knothe, Adel I, S. 17 ff. Die altländische Schichtung des Adels wurde auch hier von der Unterscheidung in Herren als Inhaber der großen Grund –, späteren Standesherrschaften und Ritterschaft als Inhaber der kleineren Grundherrschaften innerhalb des landsässigen Adels (Reden-Dohna, Landsässiger Adel, Sp. 1550 ff.) abgelöst (näher Boelcke, Verfassungswandel, S. 7 ff., 13 ff.; Helbig, Oberlausitz, S. 86 ff., 125; Knothe, Adel I, S. 13 ff.). 274 Näher Lübke, Lokator, Sp. 2090; Bader/Dilcher, Rechtsgeschichte, S. 145 f.; Kötzschke, Unternehmertum; George, Großunternehmer. 275 Schildt, Dorf, Sp. 1119 ff. 276 Allgemein zu diesem Vorgang Bader/Dilcher, Rechtsgeschichte, S. 143 ff. Zu diesem Vorgang im Untersuchungsgebiet insbesondere Boelcke, Verfassungswandel, S. 230 ff.; Knothe, Gutsuntertanen, S. 167 ff.; insbesondere für das Land Zittau Seeliger, Zittau III, S. 81 ff. Schremmer, Besiedlung, S. 18 ff., bringt eine entgegen dem Titel der Schrift eigentlich nur die Verhältnisse Schlesiens schildernde und diese weitgehend unreflektiert auf die Oberlausitz übertragende Darstellung. 277 Näher Willoweit, Verfassungsgeschichte, S. 126 ff., 128 f.; Bader/Dilcher, Rechtsgeschichte, S. 143 ff., 146 ff.; Schlesinger, Gemeindebildung, S. 25 ff., insb. 46 ff.; hinsichtlich des Untersuchungsgebiets Boelcke, Verfassungswandel, S. 230 ff., 387 ff.

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A. Einführung

Mancherorts erhielten sich jedoch Deditz-/Zeidlergenossenschaften, sorbische Kleinfamilien, deren Wurzeln in vorkolonisatorischer Zeit liegen, bis in die Frühe Neuzeit.278 Ab dem ausgehenden Mittelalter begann auf grundherrlicher Ebene das herrschaftliche das genossenschaftliche Element zu verdrängen. Im 15. Jahrhundert erreichte die Gutsherrschaft279 das Untersuchungsgebiet. In Abkehr von der Grundherrschaft als Zinsherrschaft über eigenwirtschaftende Bauern, die nicht mehr genügend Einnahmen abwarf, begannen die Grundherren ihrerseits mit der ertragreicheren Eigenwirtschaftsleistung, für die sie nunmehr die (deutlich gesteigerten) Dienste der Bauern benötigten. Auch im Untersuchungsgebiet vermochten die Grundherren ihre Rechte auf Kosten der einzelnen Bauern wie der Dorfgemeinden insgesamt zu erweitern, was wohl seine wesentliche Ursache in der Verschlechterung der bäuerlichen Besitzrechte am jeweiligen Grund und Boden hatte. Dieser Zustand änderte sich dem Grunde nach bis zur Ablösungsgesetzgebung in Preußen und Sachsen im 19. Jahrhundert nicht.280 Zuletzt hat vor 278

Die Deditzeigenschaft wurde vom Vater auf den Sohn vererbt. Diesen Personalverbänden stand jeweils ein Starost vor. Jedenfalls im Zeitraum ab der Ostsiedlung erscheinen die Starosten hinsichtlich Stellung und Funktion vergleichbar den Dorfvorstehern nach dem ius teutonicum, nur eben jeweils bezogen auf einen Personalverband. Die Deditzen waren, soweit sie im sorbischen Altland in hergebrachter Weise weiter beheimatet waren und nicht im Zuge von Ostsiedlung und Landesausbau nach dem ius teutonicum auf Rodeland siedelten, persönlich unfrei. Anzunehmen ist, daß dies auf vorkolonisatorischen Verhältnissen beruhte. Deditzen verfügten, soweit in den Geltungsbereich des ius teutonicum integriert, häufig über lassitischen Besitz, ein gegenüber den Neusiedlern vergleichweise schlechtes Besitzrecht. Die Deditzen, die zumindest in der Fühzeit regelmäßig als Zeidler von der Bienenzucht lebten, leisteten oftmals bis in die Neuzeit Honigzins, seit vorkolonisatorischer Zeit typische Leibeigenenabgabe (näher Boelcke, Verfassungswandel, S. 287 ff.; 387 ff.; Schlesinger, Gemeindebildung, S. 37 f.). 279 Zum Begriff Peters, Gutsherrschaft, Sp. 630 ff. Hinsichtlich der insoweit veränderten Rechtsstellung der Bauern Werkmüller, Hörige, Sp. 1130 f.; Nehlsen, Unfreie, Sp. 464 ff. 280 Näher hinsichtlich Entstehung und Ausbildung der Gutsherrschaft im Untersuchungsgebiets Hartstock, Wirtschaftsgeschichte, S. 36 ff., 91 ff., 111 ff., 221 ff.; Rudert, Gutsherrschaft, S. 197 ff.; Kaak, Gutsherrschaft, S. 46 ff., 261 ff.; Boelcke, Verfassungswandel, S. 387 ff. Die landesherrliche Untertanenordnung von 1651 umschreibt die Rechtstellung als Erbuntertan wie folgt: „[Die „Unterthanen uffm Lande“], wie bey diesem Marggrafthum Ober-Lausitz beständig hergebracht, [besitzen] nicht nach Art und Weise, wie die Knechte in den Römischen Rechten dienstbar und leibeigen, sondern ihren Grund und Boden dergestalt [. . .], daß sie hiervon denen Herrschafften ihre schuldige Dienste zuleisten, dargegen ihren nothdürfftigen und gebührenden Unterhalt von dem Grunde, wo sie besitzen, zusuchen schuldig; Und weiln sie gestalten Sachen nach denen uffm Grund gewiedmeten gleich zuachten, und dahero weder gäntzlich frey, noch gäntzlich dienstbar seynd“ (KW I, S. 614 ff., 615). Es bestand also nach wie vor ein von gegenseitigen Rechten und Pflichten geprägtes Rechtsverhältnis zwischen dem Grundherrn und den Bauern, und zwar angeknüpft an Grund und Boden, nicht an persönliche (Un-)Freiheit. Der Bauer war zu Dienstleistung, Gehorsam und Schollenverbundenheit verpflichtet. Der Grundherr war dafür dem Bauern gegenüber „entschädigungs- und unterhalts- sowie assekuranz- und fürsorgeverpflichtet“ (Boelcke, Verfassungswandel, S. 398 f.).

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allem Kaak drei zentrale Elemente der ländlichen Gesellschaft identifiziert, anhand welcher die Strukturen der Gutsherrschaft, mithin der ländlichen Lebenswelt (in Abgrenzung zur in Westelbien weiterbestehenden Grundherrschaft) näher zu fassen sind: der Widerstand der Landbevölkerung, die ländliche Gemeinde und die einzelnen Landbewohner/Untertanen. Gerade im Zusammenhang mit dorfgenossenschaftlichem Widerstand und dem Bestehen mehr oder weniger ausgeprägter gemeindlicher Autonomie wird in der Agrargeschichtsforschung neben Strukturen vermittelter (Gerichts-)Herrschaft etwa durch den Dorfrichter/-schulzen nach dem Vorhandensein mehr oder weniger ausgeprägter dorfgenossenschaflicher Gerichtsverfassungsstrukturen gefragt.281 Jüngst legte Sˇtefanová für die an die südliche Oberlausitz grenzende frühneuzeitliche Herrschaft Friedland in Böhmen Untersuchungen zu den dortigen Handlungsspielräumen der Untertanen in der Gutsherrschaft vor. Sie stellte fest, daß es neben dem auch hier bestehenden herrschaftlich geprägten Patrimonialgericht am Herrschaftssitz weiterhin jedenfalls institutionell gemeindliche Selbstverwaltung, die insbesondere auch am Beispiel nachweisbar aktiver Dorfgerichte/Dorfversammlungen erkennbar sei, gegeben habe. Jedoch weist sie nicht nach, ob und inwieweit in der Dorfversammlung/im Dorfgericht durch Angehörige der betreffenden Dorfgemeinschaft im Sinne des dinggenossenschaftlichen Prinzips unbeeinflußt von der Herrschaft nach ihren eigenen Gewohnheiten Urteil und Recht gesprochen wurde und (allein) hierdurch die betreffende Dorfgemeinschaft gestaltet wurde. Vielmehr wird aus Sˇtefanovás Ausführungen deutlich, daß auch in ihrem Untersuchungsgebiet das Dorfgericht der Frühen Neuzeit gerade in seiner Funktion als Rechtsprechungskörperschaft praktisch zu einem Ausführungsorgan der Herrschaft verkümmert war, indem die Herrschaft jederzeit die Möglichkeit hatte, nicht nur die Gerichtsbesetzung nach ihrem Belieben zu gestalten, sondern auch die Entscheidungen des Gerichts zu kontrollieren und zu beeinflussen.282 Hinsichtlich von ihm ausgewählter und untersuchter Orte in der Oberlausitz geht Rudert davon aus, daß „das Dorfgericht [. . .] als eigenständiges Rechtsorgan“ jedenfalls im 18. Jahrhundert nicht mehr nachweisbar sei, vielmehr umfassend „gutsherrlichem Zugriff“ unterlegen habe. Widerstand und gemeindliche Autonomie habe sich jedoch außerhalb fester Strukturen in der „Aktivität“ von sich „interessenbedingt“ bildenden „Teilgemeinden“ realisiert.283 Einen weiteren Aspekt „lokaler Adelsherrschaft“ in der frühen Neuzeit wirft Schattkowsky in Zusammenschau mit „staatlicher Obrigkeit“ auf, indem sie einen sächsisch-böhmischen Vergleich (unter Auslassung der Oberlausitz) zu der Frage unternimmt, ob und inwieweit der Landesherr Einfluß auf die (Entwicklung der) Lage der Bauern/Untertanen in grund-/gutsherrschaftlichen Verhältnis281 282 283

Kaak, Bauern, S. 12 ff., mit einem Überblick über den Forschungsstand. Vgl. Sˇtefanová, Erbschaftspraxis, S. 253 ff., 258, 263 f., 268 ff., 273 ff. Rudert, Gutsherrschaft, S. 199, 207, 209, 218.

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sen hatte, insbesondere ob es eine „landesherrliche Bauernschutzpolitik“ gab. Sie kommt zu dem Ergebnis, daß in Kursachsen eine kraftvolle landesherrliche Gewalt gegründet auf einer starken Ämterverfassung und einem bereits früh ausgebildeten Instanzenzug zu einer landesherrlichen Appellationsinstanz sowie durch entsprechende landesherrliche Gesetzgebung effektive „Bauernschutzpolitik“ habe betreiben und damit grundherrliche Strukturen sichern können. Dahingegen sei es in Böhmen aufgrund „Interessenkongruenz und Herrschaftskompromiss“ von Landesherr und Gutsherren zu einer weitgehenden „Absenz des Staates auf lokaler Ebene“ und damit zu einer praktisch schrankenlosen Ausbildung der Gutsherrschaft gekommen, in deren Rahmen – freilich mit Ausnahmen – gemeindliche Autonomie gefehlt habe. Die habsburgischen Könige von Böhmen hätten den Grundherren umfassende „staatliche Funktionen“ auch im Bereich der Rechts- und Friedenswahrung eingeräumt. Auf diese Weise hätten die Grundherren als „Mediatgewalten zwischen Krone und Untertanen“ gewirkt. Die böhmischen Grundherren hätten als Landstände im Zusammenwirken mit dem Landesherrn eine landesherrliche Gesetzgebung im gutsherrlichen und nicht im Interesse der Untertanen geprägt. Freilich stellt auch Schattkowsky fest, daß zu Böhmen bisher Untersuchungen zur praktischen Handhabung des Instanzenzugs an die Prager Appellationskammer durch die Erbuntertanen fehlen.284 Diese Fragen stellen sich mithin insbesondere auch für die Oberlausitz, die bei solchen Untersuchungen bislang ausgespart blieb. Auch im Untersuchungsgebiet entwickelten sich aus Dörfern Städte285 Bereits 1002 ist bei Thietmar die „civitas Budusin“ 286 und in einer Königsurkunde von 1071 die „villa Goreliz“ 287 genannt. Jedoch sind Städte im Rechtssinn im Untersuchungsgebiet erst nach 1200 erst im Zusammenhang mit der Ostsiedlung belegt.288 Budißin, Görlitz, Kamenz, Lauban, Löbau und Zittau waren landesherrliche Städte.289 Die ersten Bewohner stammten vornehmlich aus westlich benachbarten Räumen wie den wettinischen Landen, aus Altdeutschland, niederländischen und niedersächsischen Gebieten.290 Zwar mögen auch Sorben Bürger und Einwohner einer Stadt gewesen sein. Entsprechende Rechtsspuren finden sich jedoch in den Verfassungen der Oberlausitzer (landesherrlichen) Städte nicht.291 Vor allem die landesherrlichen Städte bildeten – jedoch weiterhin unter 284

Schattkowsky, Obrigkeit, S. 24 ff., 29 ff. Näher Willoweit, Verfassungsgeschichte, S. 120 ff., 232 f.; Bader/Dilcher, Rechtsgeschichte, S. 329 ff., 362 ff.; Pitz, Verfassungslehre, S. 271 ff., 290 ff.; Kreiser, Stadt, Sp. 2169, insb. 2176 ff.; Kroeschell, Stadtrecht, -sfamilien, Sp. 24 ff. 286 Zitiert nach Schrage, Oberlausitz, S. 55. 287 CDLS I, S. 11 ff., 12, Z. 22. 288 Vgl. Jecht, Gründungsgeschichte, S. 34 ff.; Blaschke, Städtelexikon, S. 238 ff. 289 Blaschke, Städtelexikon, S. 238 ff. 290 Jecht, Gründungsgeschichte, S. 33, 54. 291 Becker, Magdeburger Recht, S. 101. 285

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dem landesherrlichen Vogt – frühzeitig aufgrund landesherrlicher Privilegien jeweils einen vom Landrecht eximierten Raum einer eigenen nach einem auf ihre Bedürfnisse gestalteten Stadtrecht lebenden Rechtsgemeinschaft, mithin einen Zuständigkeitsbereich eines eigenen nach Stadtrecht eingerichteten und urteilenden Gerichts.292 Erster heute bekannter Hinweis auf einen vom Landrecht abgeschlossenen Geltungsbereich eines Stadtrechts ist eine landesherrliche Urkunde von 1240, mit der ein Hof des Domkapitels zu Budißin „a iure civitatis“ befreit wird.293 Die Verfassungen der landesherrlichen Städte im Untersuchungsgebiet waren von derjenigen Magdeburgs294, also von der – personellen – Trennung zwischen „Recht“ (Schöffen) und „Willkür“ (Rat) geprägt. Das Schöffenkollegium und damit die herrschaftliche Ordnung verschmolz jedoch ab dem 14. Jahrhundert jeweils auf den Rat und damit die genossenschaftliche Ordnung.295 Auch hier umfaßte zunächst „die Gewalt des Rates nur polizeiliche Befugnisse in bezug auf Maß, Gewicht und Speisekauf, während das Recht als etwas von außen in die Stadt Gelangtes durch die Gewalt des Rates nicht berührt wird [, sondern von den Schöffen gesprochen wurde – HvS]. So entsteht auch hier der Gegensatz zwischen Recht und Willkür zwischen der vom Stadtherrn verliehenen und wiederholt bestätigten Rechtsordnung und dem aus dem Inneren der Körperschaft fließenden, auf dem autonomen Willen der Gemeinde beruhendem Statut.“ 296 Frühzeitig wurde den landesherrlichen Städten jeweils das Recht der freien Ratswahl (Ratskür), auch hier „Kern damaliger Stadtverfassung“ (Behrisch),297 verliehen. Einfluß darauf gewannen die Stadteliten. Auseinandersetzungen um Beteiligungsrechte mit anderen Bevölkerungsgruppen, insbesondere den Zünften, mithin Handwerkern, blieben nicht aus. An der Struktur der Verfassung der landesherrlichen Städte änderte sich nichts, auch nicht durch die landesherrliche 292 Näher Schubart-Fikentscher, Verbreitung, S. 116 ff.; Becker, Magdeburger Recht, S. 13 ff.; Kretzschmar, Entstehung, S. 88 ff. 293 CDLS I, S. 57, Z. 30. 294 Näher Lück, Gerichtsverfassung in den Mutterstädten; ders., Schöffenstuhl; Weitzel, Rechtsbegriff; grundlegend Schranil, Stadtverfassung, S. 55 ff.; 205 ff. 295 Das folgende nach Schubart-Fikentscher, Verbreitung, S. 116 ff.; Becker, Magdeburger Recht, S. 67 ff.; insbesondere bezogen auf Budißin: Litter, Verfassungsrecht, S. 19 ff., 32 ff., 45 f.; 47 ff., 60 ff.; Görlitz: Behrisch, Obrigkeit, S. 64 ff.; ders., Ratskür, S. 49 ff.; Jecht, Geschichte, S. 48 ff.; Kamenz: Knothe, CDS II, 7, S. XIV ff.; Löbau: Seeliger, Verwaltungsgeschichte, S. 86 ff.; Staudinger, Verfassung, S. 1 ff.; Zittau: Pescheck, Handbuch I, S. 437 ff. Mit der Einführung der Ratsverfassung hatte die genossenschaftliche über die herrschaftliche Ordnung obsiegt. Jedoch wurde die Trennung zwischen „Nur“-Ratspersonen und Schöffen innerhalb des Rates in jeder landesherrlichen Stadt aufrechterhalten, waren mithin alle Schöffen Ratsmitglieder, aber nicht jedes Ratsmitglied Schöffe. 296 Becker, Magdeburger Recht, S. 70. 297 Behrisch unter Verweis auf die allgemeine stadtgeschichtliche Literatur auch hinsichtlich des Untersuchungsgebiets (ders., Ratskür, S. 49 m.w. N.).

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A. Einführung

Strafaktion des Pönfalls, dessen Rechtsfolgen, soweit es insbesondere den Verlust der freien Ratskür anging, 1559 wieder rückgängig gemacht wurden.298 Auch die grundlegenden Entwicklungen des 19. Jahrhunderts im königlich preußischen Markgraftum Oberlausitz nach 1815 beziehungsweise im königlich sächsischen Markgraftum Oberlausitz etwa durch das auch hier erfolgte Inkrafttreten der Allgemeinen Städteordnung für das Königreich Sachsen von 1832 beeinflußten die bisherige Struktur nicht.299 Im Streit um die Rechtsnachfolge am erledigten Lehn nach dem Tod des letzten askanischen Landesherrn entsandten 1319 Rat der Stadt Budißin und Ritterschaft des Landes Budißin gemeinsame Gesandte an König Johann von Böhmen mit der Bitte um Vereinigung des Landes Budißin mit der Krone Böhmen, was ein erstmaliges selbständiges gemeinsames Handeln von Adel und Städten im Untersuchungsgebiet gegenüber dem Landesherrn darstellt. Der neu gefundene Lehnsherr gab „marchie et prouincie Budissinensis incoli“, mithin „ciuitates Budissin Camencz et Lubowie“ und „barones nobiles et vasalli dicte marchie et provincie“ in der Urkunde vom 31. August 1319300 die entscheidenden Rechte, die zum Entstehen einer landständischen Verfassung301 zunächst im Land Budißin, wenig später ausgehend hiervon im gesamten Untersuchungsgebiet führte. Die Landstände im Untersuchungsgebiet lassen sich durch das oftmals „Land und Städte“ genannte Zwei-Stände-System von Landschaft (Prälaten, landsässiger Adel [Herren und Ritterschaft]) und landesherrlichen Städten, also die gemeinsame Repräsentation des Landes durch Land- und Stadtrechtsgemeinschaften charakterisieren.302 Den Landständen im Untersuchungsgebiet gelang es im wei-

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VOU II, S. 189 f. Auch wenn etwa die Grundsätze der Auswahl und Ernennung der Ratsmitglieder zulasten der bisherigen Ratselite verändert wurden, dies jedoch nicht nur zugunsten der Handwerker, sondern auch etwa der Kaufleute, Apotheker und Ärzte, denn es wurden zunehmend gelehrte Juristen ausgewählt (näher etwa Pietsch, Pönfall, S. 117 ff.; Baumgärtel, Pönfall, S. 99 ff.; Staudinger, Verfassung, S. 2 ff.). 300 CDLS I, S. 228 ff., 229, Z. 6 ff. bzw. 29 f. 301 Zum Begriff Mitsch, Stände, Ständelehre, Sp. 43 ff., 47 ff.; Laufs/Eichener, Stände, Ständewesen, Sp. 1901 ff.; Reden-Dohna, Landständische Verfassungen, Sp. 1578 ff. 302 Im einzelnen Paulus, Ständestaat, S. 171 ff., 186 f.; Jacobi, Sonderrechte, S. 5 ff.; Reuther, Verfassung, S. 95 ff.; Kersken, Oberlausitz, S. 103 ff.; Blaschke, Landstände, S. 50 f. Zwar werden bereits in den bereits genannten landesherrlichen Urkunden von 1228 (CDLS I, S. 42, Z 2; 43, Z. 3 f.) und 1249 (CDS II, 1, S. 131, Z. 8 ff.; CDLS I, Anhang, S. 67, Z. 35; S. 68, 6 ff.; Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 314 f.) von „in provinciali placito consedentes’“ beziehungsweise „terrae barones et nobiles“, die, „sicut moris est“, im „judicio generali“ auftreten, gesprochen. Jedoch handelte es sich bei diesen wie bei den in den Landdingen dieser Art im gesamten Reich erscheinenden Adligen des Gerichtsbezirks zwar ebenfalls bereits um gebietsbezogene herrschaftliche Genossenschaften, aber noch nicht um Landstände (näher zu den Verhältnissen insoweit im Untersuchungsgebiet Reuther, Verfassung, S. 87; allgemein Pitz, Verfassungslehre, S. 397). Die Bauern waren niemals Bestandteil der Landstände. Zunächst handelten 1319 zwar nur Land und Städte des Landes Budißin. Das 1268 vom Land 299

III. Untersuchungsgebiet

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teren Verlauf nach Blaschke, zu Trägern „kollektiver Landesherrschaft“ im Untersuchungsgebiet zu werden.303 Ob die Landstände insgesamt tatsächlich jemals landesherrliche Herrschaftsrechte wahrnahmen, muß an dieser Stelle fraglich bleiben. Jedenfalls entwickelten sich unbestritten die wirtschaftlich erstarkten Gemeinden der landesherrlichen Städte im Spätmittelalter zu Trägern wesentlicher landesherrlicher Befugnisse, die der Landesherr nicht mehr selbst wahrzunehmen vermochte beziehungsweise aus bestimmten Interessen nicht wollte. Die Landesherren begannen im Untersuchungsgebiet bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts anstelle des Aufbaus einer eigenen landesherrlichen Verwaltung etwa vergleichbar der meißnischen Ämterverfassung, wichtige landesherrliche Rechte vor allem an die einzelnen landesherrlichen Städte zu übertragen.304 Diese erhielten mithin Vogteirechte (Lauban etwa durch Übertragung der gesamten Vogtei Lauban) nicht nur in der Stadt, also hinsichtlich des ursprünglichen Geltungsbereichs des Stadtrechts, sondern auch in einem umliegenden ländlichen Raum mit Adel und Bauern, also im Geltungsbereich des Landrechts. So nahmen jetzt also Stadtrechtsangehörige, Stadtschöffen und Rat, landesherrliche Rechte wahr. Auf diesem Weg entstanden im Untersuchungsgebiet Verbindungen zwischen einer Stadt und einer mehr oder weniger großen Anzahl mit dieser Stadt verbundener umliegender Grundherrschaften und Dörfer mit vom Stadtrecht beeinflußtem Recht, Stadt-Land-Verbindungen, die deutsch Weichbilder305 genannt wurden, wie sie kurz zuvor bereits in Schlesien entstanden waren.306 Außerdem wurden den landesherrlichen Städten gemeinsame wichtige landesherrliche Befugnisse zuteil: Die Unsicherheit des Handelsverkehrs führte zur vom Landesherrn geförderten Gründung des Sechsstädtebundes307 im Jahr 1346, der beziehungsweise die darin verbundenen Städte zum maßgeblichen Träger/zu maßgeblichen Trägern landesherrlicher Herrschaftsrechte im Rahmen der Sicherung des

Budißin abgetrennte Land Görlitz mit Lauban (vgl. die landesherrliche Teilungsurkunde CDLS I, S. 92 ff.) und das niemals zum Land Budißin gehörige Land Zittau waren von der Vereinbarung zunächst nicht betroffen. Alle Teile des Untersuchungsgebiets wurden jedoch ab Mitte des 14. Jahrhunderts vom Landesherrn insbesondere hinsichtlich der landständischen Verfassung „gleich behandelt“ (Jacobi, Sonderrechte, S. 5). 303 Blaschke, Landstände, S. 41, 49 ff., 51. 304 Blaschke, Landstände, S. 41 ff.; ders., Staat, S. 147 ff.; ders., Sechsstädtebund, S. 54 ff. 305 Kroeschell, Weichbild, Sp. 2093 ff. 306 Hinsichtlich Schlesiens Menzel, Stadt und Land, S. 29 ff.; Loesch, Weichbildverfassung, S. 83 ff.; ders., Verfassung, S. 138 ff.; hinsichtlich des Untersuchungsgebiets Blaschke, Landstände, S. 43 ff.; ders., Ausbreitung, S. 74 ff.; Weber, Strukturähnlichkeit, S. 106 f.; Kötzschke, Vogtei, S. 16 ff., 28 ff.; Loesch, Weichbildverfassung, S. 86; ders., Verfassung, S. 142. 307 Näher aus der neueren Literatur Blaschke, Sechsstädtebund; Czok, Sechsstädtebund; aus der älteren Seeliger, Sechsstädtebund.

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A. Einführung

Landfriedens wurde, was sich insbesondere gegen die Raubritter aus dem landsässigen Adel richtete.308 Der durch diese Entwicklung verschärfte Konflikt zwischen landsässigem Adel und landesherrlichen Städten309, mithin die vorherrschende wirtschaftliche und politische Stellung der Städte innerhalb der Landstände wurde 1547 beseitigt durch eine gezielt gegen die Städte gerichtete landesherrliche Strafmaßnahme, den Pönfall310. Die Städte „verwirkten“ gemäß den Strafartikeln vom 7. September 1547 ihre sämtlichen Rechtspositionen.311 Zwar „verzieh und vergab“ bereits am 1. Oktober 1547 der Landesherr den einzelnen Sechsstädten ihre „Verwirkung“ und „überantwortete und bestätigte“ ihnen jeweils bestimmte Privilegien und Rechte.312 Jedoch erlangten sie niemals mehr so wesentliche landesherrliche Rechte313 wie etwa im Rahmen der Weichbildverfassung und der Landfriedenssicherung zurück. 308 Blaschke nannte sie sogar die alleinigen „Träger früher Staatlichkeit“ (Blaschke, Sechsstädtebund, S. 53). Wie bereits bei anderen ab dem 13. Jahrhundert im übrigen Reich entstandenen Bünden (näher Distler, Städtebünde, ohne daß sie jedoch den Oberlausitzer Sechsstädtebund berücksichtigt; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte I, S. 337 ff.) handelte es sich um einen Zusammenschluß zum Schutz des Landfriedens, vor allem des Handelsverkehrs auf den landesherrlichen Straßen. 309 Näher Blaschke, Sechsstädtebund, S. 51 ff.; Kersken, Oberlausitz, S. 104 ff. 310 Hierzu Kersken, Oberlausitz, S. 107 f.; Blaschke, Pönfall; Herrmann, Pönfall; vor allem aber die ältere Literatur: Pietsch, Pönfall; Baumgärtel, Pönfall; Richter, Pönfall. Wie bei den böhmischen landesherrlichen Städten (näher insoweit Peterka, Rechtsgeschichte II, S. 108 ff.; Luschin, Grundriß, S. 282 ff., 285) handelte es sich beim Pönfall der landesherrlichen Städte im Untersuchungsgebiet um eine landesherrliche Bestrafung an Leib und Gut mit Rechtsgrundlage in der böhmischen Landesordnung von 1530 wegen des Vorwurfs, dem Landesherrn bei Angriffen gegen die Krone Böhmen nicht beigestanden zu haben (zu dieser Rechtsgrundlage Peterka, Rechtsgeschichte II, S. 123; Luschin, Grundriß, S. 236 f.). Beschreibung der Rechtsgrundlage und des Tatbestandes lieferte der Landesherr in einem Schreiben vom 19. Januar 1547, in dem er die Landstände des Bunzlau’schen Kreises in Schlesien anwies, ihr Aufgebot gegen den Kurfürsten nach Zittau zu schicken: „Es ist erkant vor Recht wolde Ihemands mit gewalt eingreiffen, ader hette eingegriffenn in die Chronn Behem, In willens das Konigreich alldo zuerhaldenn, Wider denen wyr alle einander sollen beystandt thun bei der straff, Das ist, Das ein solcher Leib und Gutt vorlustigk, und auß dem Lande getribenn, und so Ihemandt einen solchen schutzen wolth, oder Innen forderte das ehr auch in solche straff falle. In der aldenn LandtsOrdnung“ (Neumann, Regesten, S. 47; gemeint war die alte böhmische Landesordnung; siehe entsprechende Passage in der neuen Landesordnung, abgedruckt bei Neumann, Regesten, S. 47). Vorwurf war insbesondere das Verhalten der landesherrlichen Städte im Schmalkaldischen Krieg. Sie seien dem Aufruf des Landesherrn vom 14. Januar 1547 an alle seine Untertanen in Böhmen und dessen Nebenländern, so auch an das Markgraftum Oberlausitz, sich bei „Vermeidung eines Pönfalls“ gegen den „Aechter“ Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen aufzubieten (abgedruckt Neumann, Regesten, S. 11; Carpzov, analecta, II, S. 207), nicht nachgekommen (Richter, Pönfall, S. 24 ff.). 311 Regesten im VOU II, S. 168; teilweise abgedruckt bei Carpzov, analecta, II, S. 209; Großer, Merckwürdigkeiten, I, S. 181. 312 Vgl. die jeweiligen Regesten im VOU II, S. 168 f. 313 Nicht zurückübertragene Rechte wurden nunmehr von eigens hierzu neubestellten landesherrlichen Amtsträgern, insbesondere dem Landeshauptmann (Blaschke, Pönfall,

III. Untersuchungsgebiet

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Der Pönfall ist jedoch in einem größeren Zusammenhang, insbesondere nicht ausschließlich im Verhältnis der Landstände untereinander, sondern vor allem mit Blick auf die Beziehungen der Landstände, und zwar auch der Landstände der übrigen Länder des spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen böhmischen Länderverbands, der Corona Bohemica, zum Landesherrn zu betrachten. Ab der Herrschaft der Luxemburger zu einer „monarchischen Union von Ständestaaten“ geworden, in der dem Landesherrn jeweils nur ein Teil seiner Herrschaftsrechte frei von Mitspracherechten der jeweiligen Landstände verblieb,314 setzte mit dem Herrschaftsbeginn des ersten Habsburgers auf dem böhmischen Thron 1526 in den Ländern der böhmischen Krone nach Bahlcke „eine kräftige und beharrliche Staatsintegration“ von oben mit dem Ziel der Ausweitung der landständisch unbeeinflußbaren landesherrlichen Herrschaftsrechte ein.315 König Ferdinand I. empfand einem frühabsolutistischen westeuropäisch geprägten Staatsmodell folgend „die Gesamtheit der fürstlichen Rechte als einheitliche obrigkeitliche Gewalt“.316 Dies mußte zwangsläufig mit der Staatsauffassung der „landesorientierten“ (im Untersuchungsgebiet sechsstädtisch dominierten) Landstände der Corona Bohemica kollidieren, die sich deswegen zunehmend von der gesamtstaatlichen Bühne in ihre jeweiligen Länder zurückzogen.317 Anlaß für den ersten offenen Zusammenstoß zwischen den Landständen und dem Landesherrn war die Pflicht der Landstände, Truppenaufgebote für den Landesherrn im Schmalkaldischen Krieg zu stellen. Die Sechsstädte als maßgebliche Kraft innerhalb der Landständes des Markgraftums Oberlausitz schlossen sich den protestantischen böhmischen Ständen in deren Widerstand gegen die Haltung König Ferdinands I. an, was ihnen – sicherlich durch den Oberlausitzer Adel, der nun seine Chancen sah, befördert – wie den böhmischen Verbündeten die genannte landesherrliche Strafmaßnahme einbrachte.318 Erst die Confoederatio Bohemica von 1619, ein „Herrschaftsvertrag“ zwischen Landesherrn und Landständen sämtlicher nunmehr gleichberechtigter Kronländer, schuf einen Ausgleich zwischen Landesherrn und Landständen im Sinne einer „ständisch-förderativen Ordnung“, indem „die Stände – als eigentliche Träger der Oberhoheit des Staates – dem König lediglich Regierungsbefugnisse übertrugen“.319 Das Markgraftum Oberlausitz schied kurz darauf aus dem böhmischen Länderverband aus und ging an den Kurfürsten von Sachsen über. Trotzdem oder vielleicht S. 92. Zum Amt des Landeshauptmanns Seifert, Landvögte, 11 f.; Boetticher, Adel I, S. 16 ff.), wahrgenommen. 314 Bahlcke, Unionsstaat, S. 15, 17 ff. 315 Bahlcke, Unionsstaat, S. 20; so auch zuletzt Rudersdorf, Oberlausitz, S. 25. 316 Bahlcke, Regionalismus, S. 58. 317 Bahlcke, Unionsstaat, S. 21 f.; ders., Stellung, S. 79. 318 Näher Rudersdorf, Oberlausitz, S. 26 ff.; Kersken, Oberlausitz, S. 107 ff.; Bahlcke, Regionalismus, S. 164 ff. 319 Bahlcke, Regionalismus, S. 456.

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A. Einführung

deswegen320 konnten sich die Landstände ihre in der spätmittelalterlich-böhmischen Zeit grundgelegten ausgeprägten genossenschaftlichen Befugnisse bis zum Ende des Untersuchungszeitraums erhalten.321 Mit dem auf dem Wiener Kongreß abgeschlossenen „Friedens-Tractat“ zwischen dem König von Preußen und dem König von Sachsen vom 18. Mai 1815322 verzichtete der König von Sachsen auf große Teile des Markgraftums Oberlausitz, insbesondere des Görlitzer Kreises.323 Im königlich preußischen Markgraftum Oberlausitz wurde eine Verwaltungsreform nach preußischem Recht ohne Rücksicht auf Oberlausitzer Territorialrecht durchgeführt. Das Amt Görlitz wurde am 1. Oktober 1816 durch Bekanntmachung des Königlich Preußischen Oberlandesgerichts Glogau vom 18. August 1816 aufgelöst.324 Die bisherige landständische Verfassung wurde völlig beseitigt. Die Landstände blieben als kommunalständische Selbstverwaltungskörperschaft erhalten.325 Im königlich sächsischen Markgraftum Oberlausitz erfolgten dagegen nach 1815 vorerst keine 320 In den übrigen, unter den Habsburgern verbliebenen Kronländern konnte sich in der Folge der dortigen Ereignisse des Jahres 1620 der monarchische Absolutismus verankern (Bahlcke, Unionsstaat, S. 27 f.; ders., Stellung, S. 85). 321 Blaschke, Landstände, S. 47; Bahlcke, Unionsstaat, S. 28. 322 Ratifiziert 21. Mai 1815, veröffentlicht im königlich sächsischen Markgraftum Oberlausitz mit Oberamtspatent vom 1. Juni 1815 (KW VI, S. 346 ff.). 323 KW VI, S. 346 ff., 347 ff. mit genauer Beschreibung der neuen Grenze. Veränderungen ergaben sich noch einmal infolge der eine genaue verbale Beschreibung des Grenzverlaufs, soweit dieser geändert wurde, enthaltenden „Hauptconvention, zu Vollziehung des, zwischen (den Königen von Preußen und Sachsen) abgeschlossenen Friedenstractates (. . .) vom 28. August 1819“, veröffentlicht im königlich sächsischen Markgraftum Oberlausitz durch Oberamtspatent vom 26. Juli 1820 (KW VI, S. 368 ff.). Vgl. Karte mit dem neuen Grenzverlauf bei Blaschke, Einheit, S. 166 f. Im einzelnen zum Schicksal des königlich preußischen Markgraftums Oberlausitz Blaschke, Einheit. 324 Näher Anonymus, Gerichtsverfassung, S. 626 ff. mit Abdruck der Bekanntmachung. Die an Preußen gefallenen Gebiete des Markgraftums Oberlausitz erfuhren zunächst ein unterschiedliches Schicksal. Soweit es die „Herrschaft Hoyerswerda und den Teil der Oberlausitz preußischen Anteils, welcher westwärts dieser Herrschaft lag,“ betraf, bestimmte die bereits am 30. April 1815 erlassene königlich preußische Verordnung „wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden“, daß dieses Gebiet einer als Mittelbehörde in der preußischen Provinz Brandenburg neueingerichteten „Regierung in der Neumark und Lausitz“ mit Sitz in Frankfurt/Oder zugeschlagen werde (Nachweis bei Vogel, Brandenburg, S. 131 f.). Endgültig entschieden wurde mit Kabinettsordre vom 31. Januar 1816 (Ausführungsbestimmungen vom 25. März 1816), wonach das Gebiet Bestandteil des Spremberger Kreises innerhalb des Regierungsbezirks Frankfurt/Oder wurde (Nachweise bei Vogel, Brandenburg, S. 132, 134). Soweit es die übrigen an Preußen abgetretenen Gebiete im Untersuchungsgebiet betrifft, wurden nach preußischem Recht drei neue Landkreise (Görlitz, Lauban, Rothenburg) gebildet und diese der preußischen Provinz Schlesien, dort dem Regierungsbezirk Liegnitz zugeschlagen (näher Blaschke, Einheit, S. 173 ff.; Anonymus, Gerichtsverfassung, S. 626 ff.). 1825 gelangte der bisher zum Spremberger Kreis gehörende Teil des Untersuchungsgebiets als selbständiger Kreis zur preußischen Provinz Schlesien, Regierungsbezirk Liegnitz (Vogel, Brandenburg, S. 135). 325 Näher Blaschke, Einheit, S. 175 ff.

IV. Untersuchungszeitraum, Rechtsquellen

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Veränderungen. Mit Oberamtspatent vom 5. Juni 1815 wurde vielmehr angeordnet, „daß der Lauf der Geschäfte nirgends unterbrochen werde.“ 326 Nach zähem Ringen willigten die Landstände jedoch 1821 in die Einführung neuer „Verfassungs- und Verwaltungseinrichtungen“ ein.327 Mit Mandat vom 12. März 1821, die neuen Verfassungs- und Verwaltungseinrichtungen in der Oberlausitz betreffend,328 wurde das Oberamt in eine kollegialisch organisierte „Oberamtsregierung“ umgewandelt.329 Die Vereinbarung des Königs von Sachsen mit den Landständen des königlich sächsischen Markgraftums Oberlausitz wegen „der Anwendung der Verfassung des Königreichs Sachsen auf die Oberlausitz“ von 17. November 1834330 führte zur grundsätzlichen Anwendung der Verfassung und des Rechts des Königreichs Sachsen in der Oberlausitz.331 Mit Verordnung vom 26. Januar 1835 wurde mithin der Geltungsbereich einer Verordnung für die Erblande vom 7. November 1831332 auf die Oberlausitz erstreckt, womit die Oberamtsregierung der erbländischen Verwaltung eingegliedert wurde.333 Mit Verordnung des Königlichen Ministeriums des Innern vom 6. April 1835334 wurde die Oberamtsregierung zu Budißin aufgelöst und zugleich die Kreisdirektion zu Budißin gebildet.335 Die Landstände wurden jetzt auch hier zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.336

IV. Untersuchungszeitraum, Rechtsquellen Aus der Zeit vor Einführung der Markenverfassung in Milska beziehungsweise vor der Besiedlung des Zittauer Raums im 13. Jahrhundert liegen keine Rechts326 Jedoch erfolgte eine Neuordnung der Verwaltungsgliederung: „Die bey der nothwendig gewordenen Abtretung mehrerer Landes-Theile Sr. Königlichen Majestät [von Sachsen – HvS] verbleibenden Parcellen des Amtes Görlitz sollen provisorisch an das Amt Budissin gewiesen werden [. . .]. [Dieses habe] die Leitung der Angelegenheiten der vorgedachten Parcellen des Amtes Görlitz in oberer Instanz zu übernehmen und in bisheriger Weise fortzuführen“ (KW VI, S. 358). 327 Näher zu Reformbestrebungen und Widerständen seit Beginn des 19. Jahrhunderts Schmidt, Einschränkung, S. 54 ff. 328 GS Sachsen 1821, S. 17 ff. 329 Das königlich sächsische Markgraftum Oberlausitz war fortan in den „Landkreis“, dem ein Amtshauptmann vorstand, und die „Vierstädte“ (die bei Sachsen verbliebenen landesherrlichen Städte Budißin, Zittau, Löbau und Kamenz) gegliedert (Klein, Sachsen, S. 11). 330 GS Sachsen 1834, S. 482 ff. 331 Näher Schmidt, Einschränkungen, S. 68 ff. 332 GS Sachsen 1831, S. 324 ff. 333 GVBl. Sachsen 1835, S. 51 f. 334 GVBl. Sachsen 1835, S. 237 ff. 335 Im Bezirk der Kreisdirektion Budißin wurden kurz darauf bei Auflösung der bisherigen Strukturen zwei Amtshauptmannschaften geschaffen (Klein, Sachsen, S. 11 ff., 14. m.w. N.). 336 Näher Jacobi, Sonderrechte, S. 11 ff.; ders., Rechtsstellung, S. 5 ff.; Blaschke, Sachsen, S. 617.

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A. Einführung

quellen mit Hinweisen auf die damals geltende Gerichtsverfassung vor.337 Auch soweit es das Markengebiet zur Zeit der Markenverfassung, insbesondere den pagus Milska betrifft, sind Quellen mit ausdrücklichen Hinweisen auf das Gericht nicht vorhanden.338 Ab dem 10. Jahrhundert entstandene Urkunden339, insbesondere Königs- und Bischofsurkunden mit Bezug zum pagus Milska liegen jedoch vor,340 vor allem Privilegien341, aus denen sich Rückschlüsse auf Gerichtsverfassungsstrukturen ziehen lassen. Soweit Lücken in der Quellenlage hinsichtlich des Untersuchungsgebiets bestehen, müssen Schlüsse aus Quellen des übrigen Markengebiets und des Altreichs beziehungsweise aus späteren im Markengebiet und im Altreich geltenden Rechtsquellen wie etwa den Rechtsbüchern gezogen werden. Grundlagen der hochmittelalterlichen Gerichtsverfassung sind auch in den Marken bedingt Rechtsquellen der fränkischen Zeit, insbesondere die karolingischen Kapitularien.342 Hinsichtlich aller Perioden der vorstaatlichen Gerichtsverfassung sind insbesondere bei Fragen nach der Art von Auswahl und Ernennung sowie nach Anforderungen und Pflichten der Gerichtspersonen die Inhalte der seit fränkischer Zeit bekannten Richter- und Schöffeneide, die vor allem Gerichtspflichten enthalten, heranzuziehen.343 Spuren (weitergeltenden) slawischen Rechts lassen sich nicht auffinden. Die frühesten Quellen mit Hinweisen auf das im Gebiet der deutschen Ostsiedlung geltende Recht sind die Lokationsurkunden, die ausschließlich dörfliche Verhältnisse regeln.344 Im Ostsiedlungsraum erscheint das Begriffspaar ius slavorum, das Recht der dort bereits lebenden slawischen Bevölkerung, und ius t(h)eutonicum345, ein Sammelbegriff für ein nach und nach aus den mitgebrach337

Vgl. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 48 f. Vgl. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 56. 339 Frenz, Urkunde (rechtlich), Sp. 574 f.; Schmidt-Wiegand, Urkunde (sprachlich), Sp. 576 f. 340 Vgl. Lübke, Regesten. 341 Zum Begriff Erler, Privilegien, Sp. 1865 f. 342 Vgl. zur insbesondere gerichtsverfassungsrechtlichen Fortgeltung der karolingischen Rechtsquellen im gesamten Mittelalter vor allem Weitzel, Dinggenossenschaft I, S. 775 ff.; Pitz, Verfassungslehre, S. 370 f. Die wesentlichen karolingischen Rechtsquellen nennen bereits Waitz, Verfassungsgeschichte IV, S. 404 ff.; Schröder/Künßberg, Rechtsgeschichte, 179 ff., 183 ff. 343 Scheyhing, Bannleihe, Vorwort und S. 5 ff., 70 ff., 150 ff., 160 ff., 199 ff., 250 ff., 268 ff., 303 ff. Die Bedeutung der Eide erhielt sich auch in späterer Zeit. 344 Hierzu allgemein, insbesondere aber zum reichen Bestand schlesischer Lokationsurkunden Menzel, Lokationsurkunden, S. 47 ff. Vgl. Zusammenstellung von Urkunden und erzählender Quellen im Zusammenhang mit der Ostsiedlung in der Oberlausitz, in Schlesien, in Böhmen und in Meißen, insbesondere Lokationsurkunden bei Tzschoppe/ Stenzel, Urkundensammlung, S. 148 ff.; Kötzschke, Quellen, S. 39 ff., 82 ff., 113 ff., 121 ff.; Helbig/Weinrich, Quellen I, S. 161 ff., 218 ff.; dies., Quellen II, S. 68 ff., 352 ff. 345 Zum Begriff des ius teutonicum grundlegend allgemein Kötzschke, Anfänge, S. 12 ff.; Schubart-Fikentscher, Verbreitung, S. 5 ff.; hinsichtlich des Untersuchungsge338

IV. Untersuchungszeitraum, Rechtsquellen

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ten Rechten der Siedler weiterentwickeltes einheitliches Siedel- und Siedlerrecht mit typischen, auf die praktischen Bedürfnisse der Siedler im Rahmen der Ostsiedlung abgestimmten gegenseitigen Freiheiten und Pflichten von Grundherr und Bauer sowie der Bauern in den Dorfgemeinden untereinander. Dieses Recht umfaßte gegenüber dem Recht der slawischen Bevölkerung, von dem Siedlerdörfer eximiert wurden, insbesondere eine freiere Rechtsstellung als einzelner hinsichtlich persönlicher Freiheit und Besitz sowie als Dorfgemeinschaft. Nach der heutigen Überlieferung erscheint auch die slawische Bevölkerung, die in vielfältigen Kontakt mit den Siedlern kam, jedenfalls gegen Ende der Ostsiedlung auch im Untersuchungsgebiet in den Geltungsbereich des ius teutonicum integriert.346 Das ius teutonicum stellte als dörfliches Recht demnach zunächst ausschließlich Landrecht dar. Lokationsurkunden von 1248, diese nur in tschechischer Abschrift des verlorenen Originals vorhanden,347 und von ungefähr 1273, diese eine Musterurkunde,348 stellen die einzigen derzeit bekannten mit Bezug zum Untersuchungsgebiet dar.349 Beide Lokationsurkunden enthalten einen denen des übrigen mitteldeutschen Ostens, Schlesiens und Böhmens vergleichbaren Rechtsinhalt, der insbesondere wegen der Regelungen hinsichtlich Gerichtspersonen, Gerichtsgefällen und Gerichtszeit des grundherrlichen beziehungsweise Dorfgerichts den Schluß auf eine Aussetzung nach dem ius teutonicum unter vergleichbaren Bedingungen wie im übrigen Ostsiedlungsraum zuläßt.350 Eine nähere Bestimmung biets dies., Verbreitung, S. 116 ff. Vgl. zum aktuellen Forschungsstand allgemein Lieberwirth, Einführung, S. 167 ff.; Kroeschell, Rechtsgeschichte I, S. 153, 212 ff., 216; hinsichtlich des Untersuchungsgebiets immer noch Becker, Magdeburger Recht, S. 3, 14; Schubart-Fikentscher, Verbreitung, S. 116 ff. Zwar diente der Begriff ius teutonicum oft zur Abgrenzung zu dem des ius slavorum. Im Markengebiet kam es aufgrund der engen Nachbarschaft der deutschen und slawischen Bevölkerung jedoch auch zur Vermischung deutschen und slawischen Rechts (Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 75 f). Hinsichtlich der Einräumung einer eigenen Gerichtsverfassung im Zuge der Erteilung von Immunität an Dorfgemeinden nach deutschem Recht durch Lokationsurkunden Menzel, Lokationsurkunden, S. 81 f., 84 f., 269 ff. 346 Über das Recht der bis in die frühe Neuzeit nachgewiesenen Deditz-/Zeidlergenossenschaften wissen wir nahezu nichts. 347 RBM I, S. 562; deutsche Übersetzung Prochno, Urkunde, S. 40. 348 RBM II, S. 1019; deutsche Übersetzung Opitz, Stadtgründungsurkunde, S. 1. 349 Prochno, Urkunde, S. 40; Seeliger, Heimatkunde, S. 48 ff. Eine Heranziehung des Inhalts dieser Urkunden auf die Verhältnisse im gesamten Untersuchungsgebiet dürfte zulässig sein, handelte es sich doch bei dem Aussteller der Urkunde von ungefähr 1273 um den böhmischen König, Landesherr auch der Länder Budißin und Görlitz zu dieser Zeit. Der Aussteller der Urkunde von 1248 war auch einmal Burggraf von Budißin und entstammte einem Geschlecht, das vor allem im Untersuchungsgebiet erscheint. Außerdem erscheinen Lokationsurkunden mit vergleichbarem Inhalt sowohl im Mittelelbegebiet als auch in Schlesien und Böhmen, was dafür spricht, daß Quellen mit diesem Inhalt auch im Untersuchungsgebiet – auch insoweit ein „Transitland“ – ausgestellt worden sein müssen. 350 Eine Untersuchung, die nicht nur den gerichtsverfassungsrechtlichen Inhalt beider Lokationsurkunden mit dem solcher des übrigen Ostsiedlungsraums vergleicht, steht noch aus.

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A. Einführung

des Inhalts des im Untersuchungsgebiet geltenden Rechts ist anhand dieser Quellen nicht möglich. Spuren im Untersuchungsgebiet isoliert weitergeltenden slawischen Rechts sind jedenfalls nicht zu finden, ebenso nicht Einflüsse slawischen Rechts auf das seit der Ostsiedlung im Untersuchungsgebiet geltende Recht.351 Als weitere Rechtsquellen bieten sich die landesherrlichen (Immunitäts-)Privilegien insbesondere zugunsten der neuentstandenen landesherrlichen Städte an, die öfter und inhaltlich umfangreicher ab askanischer Zeit (gegen Geldzahlung) gewährt wurden. Dagegen führen die nur selten beziehungsweise überhaupt nicht (mehr) verliehenen landesherrlichen Privilegien zugunsten der Grundherrschaften und Dörfer nicht weiter.352 1240 wurde ein Hof des Domkapitels St. Petri zu Budißin vom böhmischen König vom Stadtrecht oder städtischen Gericht befreit: „a iure ciuitatis liberam eam uolumus et exemptam“ 353, ohne daß jedoch näheres über das hier geltende Recht mitgeteilt wird. Jedenfalls stellt die Urkunde einen ersten Hinweis auf ein vom Landrecht unabhängig und isoliert geltendes Stadtrecht, mithin eine (mit einem eigenen Gericht ausgestattete) abgeschlossene Stadtrechtsgemeinschaft im Untersuchungsgebiet dar.354 Weiter führt die landesherrliche Urkunde zugunsten der Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft vom 28. November 1303: „Nos, Hermannus, dei gracia Brandenburgensis et Lusacie marchio [. . .] de nostre voluntatis beneplacito, [civibus et civitati Gorlitz] jura Magdeburgensia concedimus et donamus habenda, tenenda, questionibus, contractibus, causis, in omnem modum, prout ipsis civibus et civitati melius et commodiosus videbitur expedire“.355 Die Görlitzer „civitas“ erscheint als voll ausgebildete, vom Landrecht abgeschlossene Stadtrechtsgemeinschaft, die mithin nach einem eigenen, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen und somit vom Landrecht abgeschlossenen Recht, – Magdeburger – Stadtrecht, lebte. Die Frage, ob Görlitz mit dieser Urkunde das Magdeburgische Recht (und damit im Weitzelschen Sinne die entsprechende Gerichtsverfassung beziehungsweise umgekehrt) neu verliehen356 oder, wie die herrschende Meinung wohl zurecht357 annimmt,358 lediglich bestä351 Dieser Befund ist hinsichtlich der landesherrlichen Städte auch Ergebnis der Arbeit Beckers (Becker, Magdeburger Recht, S. 101). 352 Übersicht über diese bei Knothe, Rechtsgeschichte, S. 212 ff., 216 ff., 230 ff. m.w. N. Über mittelalterliche und (früh-)neuzeitliche Privilegien zugunsten der landesherrlichen Städte im Untersuchungsgebiet jetzt Fröde, Privilegien, S. 13 ff. 353 CDLS I, S. 57, Z. 29 f. 354 Vgl. Becker, Magdeburger Recht, S. 24. 355 Hier wurde ausschließlich die Transskription von Stenzel (Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f.; vgl. CDLS I, S. 174 ff., wohin diese übernommen wurde) benutzt. Die Abschriften insbesondere Hasses (ders., Ratsannalen II, S. 136), Schotts (ders., Sammlungen I, S. VII) und das Regest in VOU I, H. 1–4, S. 20 sind fehlerhaft insbesondere hinsichtlich des Wortes „nolumus“, das falsch übertragen wurde. 356 So zuletzt Schubart-Fikentscher, Verbreitung, S. 120 f. 357 Hierfür sprechen die Eingangsworte des ältesten Stadtbuches von Görlitz, des „Roten Buches“, das 1305 angelegt wurde: „Nach gotes geburt uber tusent jar und drihundert jar und in deme vunften jare mit der heren rate, die do sheppen und gesworn

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tigt wurde, kann hier offenbleiben. Wie zuletzt Schubart-Fikentscher unbestritten feststellte, handelt es sich bei der Urkunde jedenfalls um den ersten Hinweis auf die Geltung des Magdeburgischen Rechts im Untersuchungsgebiet.359 waren zu Gorlicz, iz diz buch geshriben zu deme rechte, daz ir eldern gehabt habben und dise selben iren nachcumelingen lazen wolden zu eime gedechtnisse allen, die diz buch gesehn, daz daz niemant andern shol“ (zitiert nach Zander, Rotes Buch, S. 3). 358 So zuletzt mit eigenständiger Begründung Becker, Magdeburger Recht, S. 15 f. m.w. N. auf die ältere Literatur. 359 Zu Inhalt und Bedeutung der Urkunde insoweit übereinstimmend Schubart-Fikentscher, Verbreitung, S. 120; Becker, Magdeburger Recht, S. 14; siehe auch Kretzschmar, Entstehung, S. 160 ff. In Görlitz wurde bis ins 16. Jahrhundert nach den „iura (et rita) Magdeburgensia“ beziehungsweise dem „Magdeburgischen Recht“ verfahren, wie aus den bis in die erste Hälfte dieses Jahrhunderts erfolgten landesherrlichen Bestätigungen des Inhalts der Urkunde von 1303 hervorgeht, so 1319 nach Übergang des Landes Görlitz an den König von Böhmen deutsch: „Wir bekennen ouch des, das wir sie [die „getrewen purger zu Goerlitz“ – HvS] wellen lasen beliben bey Meydburgischen recht ewiclichenn“ (CDLS I, S. 227 f., Z. 15 ff.), 1329 nach der Übergabe des Landes Görlitz an den Herzog von Jauer wieder lateinisch (CDLS I, S. 278 ff., insb. S. 279, Z. 24 ff.: „Volentes ac firmiter statuentes ut ciues ciuitatis eiusdem eiusdem eis iuribus quibus freti sunt hactenus Magdeburgensibus videlicet prout ipsis a marchionibus Brandenburgensibus ets concessum in suis vtantur, de cetero judiciji questionibus contractibus atque causis“), 1346 nach erneutem Übergang des Landes Görlitz an den böhmischen König (CDLS I, S. 343 ff., insb. 344, Z. 8 ff.: „Promittimus enim sincere et spondemus harum serie firmiter statuentes, quod non obstantibus aliqualibus euentibus aut casibus, vos et ciuitatem nostram in vniuersis et singulis juribus et gracjis quibus ab antiquis prinicipibus marchionibus Brandenburgensibus diue recordacionis predecessoribus nostris nec non juribus ciuitatis Magdeburgensis freti estis et gauisi, volumus inuiolabiliter et inconcusse perpetuo conseruare. Si uero aliquis vos aut aliquem ex vestris conciuibus quocunque censeretur nomine pro hereditate aliqua vobis assita uel eius mobilibus impetretur uel moueantur quaestionem huic serui jura et ritum ciuitatis Magdeburgensis predicte quibus in vestra civitate regimini et potimi coram vestro judice hereditiario et nusquam alibi, respondere debeatis.“), 1347 (VOU I, H. 1–4, S. 51: „omnia iura, priuilegia, consuetudines, gracias et statuta, que et quas ab antiquis princibus et a rege Johanne obtinuisse noscuntur“), 1356 (Großer, Merckwürdigkeiten I, S. 81: Bestätigung des Gebrauchs der „iura Magdeburgensis“), 1377 (Großer, Merckwürdigkeiten I, S. 94: Bestätigung des „Meydeburgischen rechts“), 1474 bei wortwörtlicher Wiedergabe (Großer, Merckwürdigkeiten I, S. 148) sowie nicht ausdrücklich 1490 (VOU II, S. 2), 1491 (VOU II, S. 9), 1492 (VOU II, S. 16), 1523 (VOU II, S. 126), 1533 (VOU II, S. 144). Noch im „zweiten (letzten) Pragerischen Vertrag“, einem landesherrlich bestätigen Vergleich zwischen Land und Städten von 1534, formulierte der Landesherr: „Lemden sollen nach magdeburgischem Recht, darauf die gerichte [Erbgericht zu Görlitz – HvS] ausgesetzt, gerichtet und erkannt werden.“ (KW II, S. 1287 ff., 1289). Nach der „decisio Ferdinandea“ von 1544 hatte das Erbgericht zu Görlitz weiterhin „nach Magdeburgischen Rechten und derselbigen Ordnung“ zu richten (KW II, S. 1296 ff., 1319). Das Magdeburgische Recht ist wohl gemeint, wenn der brandenburgische Markgraf 1309 nicht nur den landesherrlichen Städten im Untersuchungsgebiet, sondern in seinem gesamten Herrschaftsbereich das Recht zum Gebrauch des „novus jus“ im Gericht bestätigt (CDLS I, S. 191, Z. 11 ff.). Mit Urkunde von 1357 gebietet der Kaiser und böhmische König als neuer Landesherr: „Wurde aber jemand do eines Tothschlages beschuldiget, der nicht kuntlich noch gewissen were, dem sal man gonnen, das er seine Unschuldt beweise selb siebende, noch dem alden, gewonlichen Magdeburgischen Rechte, dorinne dy Lewte der obgnanten Lande zu Budissin und zu Gorlitz sitzin und von Alder sint gesessin“ (Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 578 f.; VOU

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Vor allem die im Untersuchungsgebiet in Gebrauch gewesenen Rechtsbücher zeigen die Zugehörigkeit der Städte zur Magdeburger Stadtrechtsfamilie360, mithin Stadt und Land zum Geltungsbereich des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts im Rahmen der Weichbildverfassung.361 Wesentlich für die Erforschung der GeI, H. 1–4, S. 70. Vgl. Abschrift einer Urkunde von 1374 selben Inhalts bei Gericke, Urkunde, S. 59 ff., 60). Damit war das gesamte Untersuchungsgebiet gemeint. Auch in anderen landesherrlichen Urkunden dieses Zeitraumes wird mit dem Begriff „Lande Budißin und Görlitz“ beziehungsweise „marchionatus Budissinensis et Gorlicenis“ der böhmische Herrschaftsraum im Untersuchungsgebiet umschrieben (vgl. Bahlcke, Historischer Raum, S. 11 ff. m.w. N.). Weitere Hinweise in diese Richtung geben die insbesondere in Görlitz vorhandenen Schöffenspruchsammlungen, die bereits Becker auswertete (vgl. Becker, Magdeburger Recht, S. 38 ff.; Nachweise auf Schöffenspruchsammlungen S. 12, Anm. 48). Bereits insoweit wird erkennbar, daß inhaltlich Magdeburger Stadtrecht nicht nur hinsichtlich der Stadtrechtsgemeinschaften, sondern auch – insoweit vermengt mit dem bisher ausschließlich insoweit geltenden Landrecht zum Sächsisch-Magdeburgischen Recht – hinsichtlich der Landrechtsgemeinschaften im gesamten Untersuchungsgebiet galt (näher zur Geltung des Magdeburger, mithin SächsischMagdeburgischen Rechts im Untersuchungsgebiet Schubart-Fikentscher, S. 116 ff.; Becker, Magdeburger Recht, 13 ff., 38 ff., 67 ff.; insbesondere der letztere quellenangebunde). Daß dies gerichtsverfassungsrechtliche Gründe hat, wird zu sehen sein. 360 Zum Begriff Kroeschell, Stadtrecht, -sfamilien, Sp. 24 ff. 361 Nur die Städte Görlitz und Zittau verfüg(t)en nach heutiger Überlieferung über Handschriften von Rechtsbüchern, niemals dagegen etwa die Kanzlei des (Land-)Vogtes oder ein geistlicher oder adliger Herrschaftsträger im Untersuchungsgebiet. Die Görlitzer (Oppitz, Rechtsbücher II, S. 413, Nr. 273) und Zittauer (Oppitz, Rechtsbücher II, S. 883 f., Nr. 1621) erwarben jeweils bereits im Mittelalter Handschriften des Schwabenspiegels (Trusen, Schwabenspiegel, Sp. 1547 ff.). Der Schwabenspiegel fand im Untersuchungsgebiet jedoch allenfalls zu Vergleichszwecken Gebrauch (Becker, Magdeburger Recht, S. 11, 28; Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 159, 167; II, S. 72, 126). Über Handschriften weiterer Rechtsbücher verfügte Görlitz bereits ab dem Beginn des 14. Jahrhunderts (einen beschreibenden Überblick bietet Jecht, Handschriften; ders., Forschungen; vgl. ders., Quellen). Bis auf wenige stellen diese heute Auslagerungsverluste dar, die sich derzeit in Breslau und Krakau befinden, beziehungsweise sind verschollen (näher Wenzel, Schicksal, S. 63 ff.; vgl. Oppitz, Rechtsbücher II, S. 412 ff., 520 ff., 620 ff.) Bei diesen Handschriften handelt es sich zunächst um solche des Sachsenspiegels (zum Sachsenspiegel allgemein Oppitz, Rechtsbücher I, S. 21 ff. Zur Görlitzer Handschrift ders., Rechtsbücher II, S. 522 f., Nr. 581; S. 620 f., Nr. 861 ff. Hier wurde benutzt F. Ebels Ausgabe des Sachsenpiegels) mit der Buchschen beziehungsweise Bocksdorfschen Glosse (über die Glossen zum Sachsenspiegel allgemein Lieberwirth, Glossen zum Sachsenspiegel, Sp. 416 ff.; Oppitz, Rechtsbücher I, S. 72 ff.; zu den [ehemals] in Görlitz befindlichen Handschriften Oppitz, Rechtsbücher II, S. 414, Nr. 277; S. 520, Nr. 576; S. 622, Nr. 863; hier wurde benutzt Kaufmanns Edition der Buch’schen Glosse) sowie Sammlungen verschiedener Rechtsquellen des SächsischMagdeburgischen Rechts, insbesondere eine Handschrift (über diese zur Zeit in Krakau befindliche Handschrift Oppitz, Rechtsbücher II, S. 620 ff., Nr. 861), enthaltend neben dem Sachsenspiegel-Landrecht mit der Glosse den Richtsteig Landrechts (hierüber Munzel, Richtsteig, Sp. 1061 ff.; eine weitere Handschrift ehemals im Görlitzer Ratsarchiv Oppitz, Rechtsbücher II, S. 414 f., Nr. 278), die Weichbildvulgata (über die Weichbildvulgata Oppitz, Rechtsbücher I, S. 48; Eckhardt, Auctor Vetus, S. 16 f.; Laband, Rechtsquellen, S. 108 ff.; Stobbe, Rechtsquellen, S. 402 ff. Sie weist inhaltlich Ähnlichkeit mit der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304, auf die sogleich einzugehen ist, auf mit der Ausnahme, daß sie nicht Auszüge aus dem Magdeburg-Bres-

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richtsverfassung im Untersuchungsgebiet sind die Rechtsbücher, die entweder als örtliche Sonderform eines Rechtsbuchs oder als Rechtsweisung beziehungsweise Auftragsarbeit in den landesherrlichen Städten, mithin gleichermaßen in Stadt und Land im Untersuchungsgebiet angewandt wurden. Es handelt sich nach heutiger Überlieferung sämtlich um Rechtsquellen, die in beziehungsweise für Görlitz (und dessen Weichbild) ab Beginn des 14. Jahrhunderts entstanden. Sie stellen sämtlich eine Verbindung von Sachsenspiegel-Landrecht und Magdeburger Stadtrecht, zwei Arbeiten zudem Verbindungen von heimischem und fremdem Recht dar. Dies betrifft zunächst die Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304362, kurz nach Erteilung der bereits vorgestellten landesherrlichen Urkunde von 1303363 den Görlitzern von den Magdeburger Schöffen übersandt. Der erste und dritte Teil entstammt dem Schöffenrecht der Breslauer Handschrift364, der zweite enthält das Magdeburg-Breslauer Recht von 1295, der vierte wurde dem Sachsenspiegel – unterbrochen von kurzen Auszügen aus dem Magdeburg-Breslauer Recht von 1261 und dem Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung – entnommen. Das Görlitzer Rechtsbuch365 stammt ebenfalls vom Beginn des 14. Jahrhunderts. Es handelt sich um die älteste örtliche Sonderform des Sachsenspiegels. Das Rechtsbuch besteht aus einem Lehnrechts- und einem Landrechtsteil. Der Lehnrechtsteil ist eine getreue Übersetzung des lateinischen Auctor Vetus ins Mitteldeutsche. Der Landrechtsteil beruht nur zum Teil auf dem nicht mehr erhaltenen Landrechtsteil des lateinischen Auctor Vetus. Er enthält zudem Auszüge aus der Weichbildvulgata sowie der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304. Die zwei folgenden, jedenfalls hinsichtlich des Untersuchungsgebiets bedeutsamen Rechtsbücher sind Arbeiten des neben Breslau für Görlitz lauer Recht von 1261 enthält; zu den Handschriften, die Sächsisch-Magdeburgisches Recht zum Inhalt haben, Oppitz, Rechtsbücher I, S. 46 ff.; hier benutzte Ausgabe der Weichbildvulgata ist die Edition von Daniels und Gruben) mit der Glosse (hierzu allgemein Oppitz, Rechtsbücher I, S. 75 f. Ebenfalls von Daniels und Gruben ediert) sowie die Nove Constitutiones domini Alberti (hierzu allgemein Böhlau mit Edition: Nove Constitutiones). 362 Zu Entstehung und Inhalt der Rechtsquelle Eckhardt, Auctor Vetus, S. 17; Becker, Magdeburger Recht, S. 18 f.; Schubart-Fikentscher, Verbreitung, S. 121; Laband, Rechtsquellen, S. 104 ff., 133 ff. (sehr aufschlußreich); Stobbe, Rechtsquellen, S. 517 f., 536. Nicht aufgenommen in Oppitz, Rechtsbücher I. Hier wurde ausschließlich benutzt die Ausgabe in Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff. Vgl. aber folgende Übertragungen: Gaupp, Recht, S. 269 ff.; Laband, Rechtsquellen, S. 104 ff., 133 ff.; Schott, Sammlungen I, S. 53 ff. Es liegt eine kritische Verarbeitung vor (Nachweise bei Becker, Magdeburger Recht, S. 19). Das Original der zuletzt in der Milich’schen Bibliothek in Görlitz aufbewahrten Handschrift ist heute verschollen. Eine weitere Handschrift ist in Straßburg nachgewiesen (Oppitz, Rechtsbücher II, S. 801 f.). 363 Vgl. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. 364 Hierzu Laband, Rechtsquellen, S. 78 ff. 365 Hierzu Carls, Görlitzer Rechtsbuch, Sp. 464 ff.; Eckhardt, Auctor Vetus, S. 9 ff.; Oppitz, Rechtsbücher I, S. 21 ff., 30 f., 46 ff. Zur Görlitzer Handschrift ders., Rechtsbücher II, S. 521 f., Nr. 580 a. Hier wurde verwandt die Ausgabe Homeyers. Vgl. Eckhardts Edition (Auctor Vetus).

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tätigen Schreibers Wurm366. Mit der Blume von Magdeburg367 versuchte er ausgehend vom Richtsteig Landrechts, Sachsen-(Weichbild-)recht und das mittlerweile auch im Ostsiedlungsraum bekannte Gemeine Recht (ius commune), den Komplex rezipierten Rechts Ostroms und der römischkatholischen Kirche,368 zu „concordiren“. Diese Arbeit entwickelte Wurm fort mit der Blume des Sachsenspiegels, die weitgehend identisch mit der Blume von Magdeburg ist, jedoch versehen mit einer umfangreichen Erweiterung, den bereits zuvor in Schlesien als eigenständige Rechtsquelle gebrauchten Rechtsregeln Ad decus et decorem.369 Den Rechtsbüchern folgen die Gerichtsbücher370. Hinsichtlich der landesherrlichen Ebene betrifft liegen heute noch zahlreiche Gerichtsprotokolle des Gerichts von Land und Städten ab dem 17. Jahrhundert vor.371 Auch die Ämter legten heute ab dem 17. Jahrhundert überlieferte Gerichtsprotokolle an.372 Gerichtsbücher der Hofgerichte zu Budißin und Görlitz sind nicht mehr beziehungsweise nicht mehr im Original vorhanden. So fehlt heute das noch im 18. Jahrhundert Kloß bekannte Budißiner Hofgerichtsbuch, das auch Einträge aus dem frühen 16. Jahrhundert enthielt.373 J. A. Crudelius, ein rechtshistorisch interessierter Oberlausitzer Jurist, fertigte im 18. Jahrhundert einen heute noch vorhandenen „Extract“ aus dem im Original verlorenen Görlitzer Hofgerichtsbuch von 1406 bis 1423 an, der von Knothe bearbeitet wurde.374 Hinsichtlich des Ritterrechts liegen heute Transkriptionen von Gerichtsprotokollen ab Ende des 16. Jahrhunderts vor.375 Die nach dem Pönfall 1547 eingerichteten Landgerichte führten Gerichtsbücher, deren zwei mit einem Überlieferungszeitraum bis 1567 heute noch erhalten sind.376 Über mittelalterliche Stadt-, insbesondere Gerichtsbücher verfügt außer Zittau, dessen ältere Stadtbücher 1757 verbrannten, heute noch jede 366

Zur Person Janz, Wurm, Sp. 1546 ff. Zur Rechtsquelle allgemein Ebel, Blume von Magdeburg, Sp. 619 f.; Oppitz, Rechtsbücher I, S. 66; zur Görlitzer Handschrift ders., Rechtsbücher II, S. 412 f., Nr. 271. Hier wurde verwandt die Ausgabe Böhlaus. 368 Hierzu Luig, Gemeines Recht, Sp. 60 ff. 369 Über die Blume des Sachsenspiegels und den Rechtsabecedar „Ad decus et decorem“ allgemein Ebel, Blume des Sachsenspiegels, Sp. 618 f.; Oppitz, Rechtsbücher I, S. 67; über die Görlitzer Handschrift Oppitz, Rechtsbücher II, S. 622, Nr. 864. Zu den Görlitzer Handschriften, die nur die Rechtsregeln „Ad decus“ enthalten, Oppitz, Rechtsbücher II, S. 413, Nr. 272; S. 415, Nr. 278; S. 521, Nr. 580. Die Blume des Sachsenspiegels ist bislang unediert. Der Rechtsabecedar Ad decus et decorem ist jedoch Bestandteil des von F. Ebel herausgegebenen Stadtrechtsbuchs Der Rechte Weg (hierzu Oppitz, Rechtsbücher I, S. 49), und zwar als Bücher S und T (Rechter Weg). 370 Näher über Gerichtsbücher im allgemeinen Lück, Gerichtsbücher, Sp. 144 ff. 371 StA Breslau, Oberamtsprotokolle. 372 StA Breslau, Amtsprotokolle. 373 Vgl. Nachweis bei Salza, Vorritt, S. 59, Anm. 9. 374 UB Breslau, Crudelius, Extract; Knothe, Hofgerichtsbuch. 375 Carpzov, Ehrentempel, I, S. 162 ff., 173 ff. 376 RA Görlitz, Gerichtsbücher Landgericht I, II. 367

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der ehemaligen sechs landesherrlichen Städte des Untersuchungsgebiets.377 Aus der Menge an Material mußte eine Auswahl getroffen werden, wobei der Schwerpunkt auf Bautzen und Görlitz gelegt wurde.378 Ab dem Spätmittelalter erhellen die ländlichen Rechtsquellen, insbesondere die in großer Zahl überlieferten Dorfschöffenbücher das Bild auf grundherrlicher beziehungsweise dörflicher Ebene. Das früheste heute bekannte Dorfschöffenbuch ist, soweit ersichtlich, das von Rengersdorf, beginnend mit dem Jahr 1444.379 Das Eindringen fremden Rechts ist anhand dieser Quellen ab dem 16. Jahrhundert zu erkennen.380 Frühe deskriptive ländliche Rechtsquellen sind außerdem Urbarien und Zinsregister wie das vor 1382 angelegte des Klosters St. Marienstern.381 Die

377 Vgl. hinsichtlich der Städte im sächsischen Markgraftum Oberlausitz Ermisch, Stadtbücher, S. 83 ff., 111 ff., 140 f., 183 f.; insb. hinsichtlich Görlitz Wenzel, Spezialinventar; hinsichtlich Laubans besteht eine Übersicht aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg: Dasler, Stadtarchiv, S. 187 f. Die Laubaner Schöffenbücher 1489 bis 1534 konnten im Staatsarchiv Breslau aufgefunden werden (vgl. StA Breslau, Schöffenbücher Lauban I–III). Alte Stadtbücher Bautzens liegen editiert vor (Budißiner Stadtbuch 1359, Budißiner Stadtbuch 1424. Stadtbücher von Görlitz, Kamenz, Lauban, Löbau und Zittau sind noch nicht editiert). Görlitzer Stadt-/Gerichtsbücher sind bearbeitet von Jecht, Boetticher beziehungsweise Zander. Boetticher legte überdies eine Bearbeitung des ältesten Löbauer Rügenbuchs von 1491 vor (vgl. hinsichtlich Görlitz Wenzel, Spezialinventar, S. 79 ff.; Wenzel, Stadtarchiv, S. 68 f.; Zander, Rotes Buch; hinsichtlich Löbau Boetticher, Rügengerichte). 378 Zu nennen ist das älteste Bautzener Stadtbuch von 1359 und das älteste Görlitzer Stadtbuch von 1305. Die Übung, lediglich für alle gerichtlichen Sachen ein Buch zu führen, wurde in Görlitz ab Ende des 14. Jahrhunderts aufgegeben, indem die einzelnen Sachen jeweils nunmehr nach ihrer Art geschieden in unterschiedliche Bücher eingetragen wurden (näher Wenzel, Spezialinventar, S. 74 ff.). Ein Görlitzer Gerichtsbuch von 1595 wurde in der Universitätsbibliothek Breslau aufgefunden (UB Breslau, Görlitzer Gerichtsbuch 1595). Auch aus den Gerichtsbüchern geht hervor, welchen Rechts sich das jeweilige Gericht bediente. Zittau holte sich etwa sein Recht aus Leitmeritz, das der Magdeburger Stadtrechtsfamilie angehörte (Becker, Magdeburger Recht, S. 28 f.), wie sich aus überlieferten Eintragungen am Anfang des nicht mehr im Original erhaltenen ersten Stadtbuchs von Zittau ergibt (Prochno, Urkundenbuch, S. 64 f.; Carpzov, analecta IV, S. 175). Anhand der Eintragungen etwa in Görlitzer und Laubaner Gerichtsbücher (StA Breslau, Schöffenbücher Lauban I–III) läßt sich ebenfalls erkennen, daß eine scharfe Trennung zwischen Land- und Stadtrecht nicht (mehr) erfolgte. Häufig finden sich insoweit bei streitigen Verfahren wie bei Akten freiwilliger Gerichtsbarkeit als Beteiligte Landrechtsangehörige. Hinweise auf die Anwendung rezipierten Rechts hinsichtlich der Gerichtsverfassung lassen sich bis in die Neuzeit nicht finden, wohl aber – nach 1547 – verstärkt hinsichtlich des materiellen Rechts. Bezogen auf alle diese Fragen sind gesonderte Untersuchungen erforderlich. 379 StA Breslau, Schöffenbuch Rengersdorf 1444–1591. 380 Etwa 1601 erscheint lediglich, soweit es das materielle Recht betrifft, im Schöffenbuch von Niederhalbendorf der Begriff „Hypotheca“ (Nachweis bei Schulze-Schönberg, Schöppenbuch, S. 113). Näher zu äußerer Form und Inhalt der im Untersuchungsgebiet vorhandenen Dorfschöppenbücher Boelcke, Verfassungswandel, S. 258 ff. m.w. N. Einer genauen Untersuchung wurde etwa das Dorfschöppenbuch von Niederhalbendorf unterzogen, und zwar von Schulze-Schönberg (ders., Schöffenbuch). 381 Haupt/Huth, Zinsregister.

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insbesondere die Dorfrügen umfassenden „Einungen“ oder „Willküren“, später Dorfordnungen382 genannten Satzungen von Dörfern waren zunächst wesentlich von der dörflichen Rechtsgenossenschaft beeinflußt. Der herrschaftliche Einfluß auf das dörfliche Satzungsrecht nahm aber auch im Untersuchungsgebiet ab dem 16 Jahrhundert stetig zu.383 Gerichtsverfassungsrechtliche Regelungen enthalten vor allem die Ordnungen der grundherrlichen Gerichte. Als Beispiel wurde die Dreidingsordnung der Grundherrschaft Berna384 herangezogen. Mit reicher Überlieferung hinsichtlich der grundherrlichen Gerichtsverfassung insbesondere ab dem 17. Jahrhundert warten die Archive der Grund- beziehungsweise Gutsherrschaften auf. Hier wurden wegen der früh beginnenden, zusammenhängenden Überlieferung die Bestände des Domstifts St. Petri zu Budißin sowie der im Staatsfilialarchiv Bautzen aufbewahrten Archive der Grundherrschaften Baruth und Gaußig verwandt. Auch insoweit sind ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts deutliche Spuren fremden Rechts zu erkennen. Auf Ebene der landesherrlichen Städte sind weitere Rechtsquellen vorhanden.385 Insbesondere sind hier die Görlitzer Kürordnungen von 1489386 und 1563387 heranzuziehen. Außerdem liegen mit den Budißiner und Görlitzer Gerichtsordnungen von 1594388 beziehungsweise 1593389 aufschlußreiche frühe normative und zugleich deskriptive Rechtsquellen vor. Sie zeigen Einflüsse fremden Rechts auch auf städtischer Ebene.390 Ergänzt werden diese Nachrichten durch rein deskriptive Quellen. Aus der Wende zum 17. Jahrhundert stammt etwa das Kürbuch des Görlitzer Ratsherrn und Richters Scultetus, worin sämtliche ab 1264 nachgewiesenen landesherrlichen Amtsträger, Schöffen und (übrigen) Ratsmitglieder in Görlitz, die ab 1264 nachgewiesen sind, aufgrund teils heute verlorener Quellen zusammengestellt wurden.391 Außerdem sind die Zittauer Ratsan-

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Schildt, Dorfordnungen, Sp. 1133 ff. Näher Menzel, Dorfordnung, m.w. N. auf edierte Dorfordnungen; Boelcke, Verfassungswandel, S. 248 ff. m.w. N. Allgemein Bader/Dilcher, Rechtsgeschichte, S. 204 f. Dabei kam es oftmals zum Konflikt mit der Dorfgemeinde, die auf ihr „gutes altes Recht“ im Rahmen ihrer alten genossenschaftlichen Satzungsautonomie verwies, oftmals im Rahmen der sogenannten Rügen. 384 UB Breslau, Dreidingsordnung. 385 Hinsichtlich der Willküren der Oberlausitzer landesherrlichen Städte liegt seit neuestem eine Bearbeitung mit Abdruck wesentlicher Quellen vor: Fröde, Privilegien. 386 Görlitzer Ratsordnung 1489. Vor allem diese, die ausdrücklich als „alt Herkommen“ bezeichnet wird, hat neben dem normativen auch deskriptiven Wert. 387 Görlitzer Ratsordnung 1563. 388 Schott, Sammlungen II, S. 52 ff. 389 Abgedruckt Weinart, Rechte IV, S. 112 ff. Die jüngerer baut auf der älteren – teilweise wortwörtlich – in vielen Passagen auf. 390 Weinart, Rechte IV, S. 133. Die Görlitzer Gerichtsordnung von 1593 bezieht sich ausdrücklich auf Königs „Practica und Process“ (König, Practica, unpaginiert). 391 UB Breslau, Scultetus, Kürbuch. 383

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nalen Johanns von Guben aus dem 15. Jahrhundert392 sowie bezogen auf Görlitz Bereiths Aufzeichnungen aus der Mitte393, Melzers vom Ende des 15. Jahrhunderts394 und Hasses aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts395 zu berücksichtigen. Ungedruckt ist das richterliche Tagebuch des Görlitzer Erbrichters Schneider aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.396 Nach diesen Quellen legten vor allem die landesherrlichen Städte noch bis jedenfalls vor 1547 großen Wert auf das ihnen verliehene beziehungsweise bestätigte ius Magdeburgense. Der Adel, gegenüber dem sich insbesondere Görlitz durch die Geltung des Sächsisch-Magdeburgischen Recht im Rahmen der Weichbildverfassung „Schutz“ versprach, schien dagegen dem fremden Recht zustimmend gegenüberzustehen. Der Landesherr bestätigte einerseits zwar Görlitz bis ins 16. Jahrhundert die Geltung des ius Magdeburgense, versuchte jedoch andererseits – erfolglos – etwa 1361, die Zittauer Schöffen zur Urteilsfindung nach fremdem Recht zu bringen.397 392

Johann von Guben, Jahrbücher. Bereith, Ratsannalen. 394 Melzer, Ratsannalen. 395 Haß, Ratsannalen I/II. 396 RA Görlitz, Schneider, Tagebuch. Vgl. Oppitz, Rechtsbücher II, S. 520 f., Nr. 577. Für Kamenz liegt insoweit nichts außer – gedruckt – Haberkorns Stadtchronik aus dem 17 Jahrhundert, beginnend im Mittelalter vor (Haberkorn, Stadtchronik). Diese führt jedoch hinsichtlich der Erforschung der (städtischen) Gerichtsverfassungsverhältnisse nicht weiter. Die umfangreichen Laubaner Annalen Zeidlers und Wiesners (hierüber Jecht, Geschichtsschreibung, S. 144 f., mit Nachweis), die Löbauer Entsprechung Döhlers (hierüber Seeliger, Geschichtsschreibung, S. 162 ff., mit Nachweis) sowie die von verschiedenen Händen erfolgten chronikalischen Bearbeitungen über Budißin (Wienecke, Chroniken) konnten hier, um nicht über das Ziel dieser Arbeit, einen Gesamtüberblick zu bieten, hinauszuschießen, nicht berücksichtigt werden. Ohnehin enthalten sie neben Aufzeichnungen allgemeiner Ereignisse nur vereinzelt Hinweise auf Gerichtsverfassungsverhältnisse. 397 Der Görlitzer Stadtschreiber Haß äußerte noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts: „Die ordenung zu Magdeburgischem rechte, haben vnsere vorfarn [. . .] fur eine grosse vnd treue zuuorsicht gehalden, domit man sie von gemeinem keiserrecht vnd seinen doctoribus gefreiet“ (Haß, Ratsannalen II, S. 128). An anderer Stelle heißt es: „Dieses Magdeburgischen rechts vnd keines andern haben sich die von Gorlitz vnd nicht alleine die von Gorlitz, sundern auch das gantze marggraffetumb Obirlausitz jn allen sachen und gerichtshendeln bisz auff diesen tag gehalden vnd gebraucht, sich doselbst allir notdorffte des rechts erholet vnd belernen lassen, vormeynende aussirhalb euer Rho. ko. mt. als vnsers obirsten rechts desselben also zu gebrauchen, vnd das sie dobei noch jnhalde angetzeigter priuilegien billich sollen gelassen werden. Vnd wue jnen auch solch Magdeburgisch rechte entzogen, hetten sie ausserhalb jrer privilegien nichts, domit sie sich wieder die lantschafft [insbesondere die Ritterschaft, die Tatbestände wie etwa Lemde nach Haß nach „gemeinem keyserrecht“ behandelt sehen wollte – HvS] hetten zuschutzen. [Das] gemeine keyserrecht vnd das Magdeburgische stymmen jn viel stucken zusammen nicht“ (Haß, Ratsannalen II, S. 135 f.). Der Landesherr entschied noch im Rahmen der „decisio Ferdinandea“ von 1544, daß die Stadt Görlitz „unser Gericht nach Magdeburgischen Rechten und derselbigen Ordnung in den geklagten Fällen, samt unsern Land-Voigt oder gesetzten Richter, wie vor Alters her, gebrauchen“ solle (KW II, S. 1317 f.). Die geradezu ablehnende Haltung Zittaus erhellt aus folgender Begebenheit im Zittauer Erbgericht 1361: „Do [. . .] quam der bischof her von 393

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A. Einführung

Auch im Untersuchungsgebiet bildete sich – als Nebenland der Krone Böhmen beeinflußt von den dortigen Entwicklungen – spätestens ab 1526, dem Jahr des Regierungsantritts König Ferdinand I. von Böhmen, ein eigenes Territorialrecht.398 Hierbei war der Landesherr unter dem Einfluß von Humanismus und Rezeption bestrebt, das gelehrte Richter- und Schöffentum zu fördern und das herrschaftliche Element zu stärken. Die Landstände achteten dagegen, um ihre genossenschaftlichen Teilhaberechte zu erhalten, auf die Konservierung des bisher geltenden Rechts, insbesondere des „Landesbrauchs“. Geprägt wurde das Oberlausitzer Territorialrecht vergleichbar dem Territorialrecht Böhmens399 von den Landesordnungen.400 Der große Einfluß der Oberlausitzer Landstände an demeydburg, der do gewaldig was an keyser Karls stat, vnd saz eyn gerichte hy vnd liz ym eyn ding hegen, vnd di schephen in dirre stat sasen in den vir benken. [. . .] do sprach der bischof [. . .],wen iz unczemelich ist meyn keyserrechte by lichte tedingen vnd dingen, hyrumme, ir schepphen, bedenket vch hint mit vwern eldisten wi ir mynem herren eyn recht vint. [. . .] Dez gab man ding vf. vnd des morgens wol vmme metten czit, [. . .] do wolde der bischof abir eyn dinc hegin. Do sprochen di schepphen czu dem bischof ,gnedeger herre, ir wolt, das wir vnserm herren eyn recht sprechen in dem keyserrechte, herre, daz vor ny gewonlich gewest ist, vnd ouch keyn man in dirre stat keyserrecht ny gelart hot: herre, hatte ymant vormolz icht czu tedingen gehat in dirre stat, der quam vor di vir benke; herre, dem sprach man eyn vrteyl noch rate der schepphen, ab si iz gelort mochten werden; waz aber dez nicht, so holte man iz an der stat, do man ander recht holt, daz keyn man in dirre stat keyn vrteyl noch keyserrechte ny geteylt hat. Herre, ir vroget mit vwerm vorsprechen vrteyl vber urteyl vnd aber vrteyl vber urteyl: hierum kunne wir uns, herre, nicht bewarn, von ersten keyn gote, do noch keyn vnserm rechten herren, do noch keyn arm vnd richen, daz wir noch keyserz rechte eyn vrteyl sulden teyln, dez wir nicht enwissen. [. . .] der bischof sprach ,ir herren, ich muz iz uch vor obil haben, daz ir mir nichtes gehorsam wolt syn.‘ vnd schit dez von hynne yn vnguten“ (Johann von Guben, Jahrbücher, S. 14 f.). Die Schöffen lehnten es also gegenüber dem Vertreter des Landesherrn ab, nach „keyserrechte“, das sie nicht kannten, Recht zu sprechen. Der Begriff Kaiserrecht (Munzel-Everling, Kaiserrecht, Sp. 1532 ff.) hatte im 14. Jahrhundert unterschiedliche Bedeutungen. Wie neuerdings B.-R. Kern feststellt, war damit im ausgehenden Mittelalter und der frühen Neuzeit nicht zwingend immer das rezipierte römische Recht gemeint (Kern, Gerichtsordnungen, S. 14). Jedoch weist Krause nach, daß gerade in der Zittauer Quelle das rezipierte römische Recht angesprochen ist (Krause, Kaiserrecht, S. 125). In späterer Zeit wies der Begriff regelmäßig diese Bedeutung auf (Krause, Kaiserrecht, S. 146 f.). 398 Näher zum Begriff Mitteis/Lieberich, Rechtsgeschichte, S. 295 f.; Bader/Dilcher, Rechtsgeschichte, S. 197. Näher hinsichtlich der Krone Böhmen und seiner Nebenländer Peterka, Rechtsgeschichte II, S. 76 ff., 120 ff., 123; Luschin, Grundriß, S. 233 ff. m.w. N. auf die Rechtsquellen der Länder der corona bohemica. 399 Vgl. Peterka, Rechtsgeschichte II, S. 76 ff. 400 Landesordnungen von 1531 (nur für den Budißiner Kreis, nicht landesherrlich bestätigt [Käuffer, Abriß III, S. 266]), 1538 (Frenzel, Annales; von ihr wurden lediglich fünf Artikel 1539 landesherrlich bestätigt [diese abgedruckt Weinart, Rechte I, S. 76 ff.; vgl. Anmerkungen des Kammerprokurators Weinart, Rechte I, S. 116]), 1551 (CA II, 3, Sp. 81 ff.; diese wurde ebenfalls nicht landesherrlich bestätigt und trat nicht in Kraft [Käuffer, Abriß III, S. 267, Weinart, Rechte I, S. 236 ff.; Budaeus, Singularia I, S. 107 ff.; neuerdings Boelcke, Bauer, S. 117]), 1582 (KW I, S. 373 ff.), 1597 (beinhaltend vor allem nochmals landesherrliche bestätigte Artikel der Landesordnung von 1538 [KW I, S. 380 ff.; vgl. zeitgenössische Anmerkungen des Kammerprokurators

IV. Untersuchungszeitraum, Rechtsquellen

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ren Gestaltung zeigt sich an der deutlichen Rücksichtnahme dieser Quellen auf bislang im Untersuchungsgebiet hergebrachtes Recht. Die Landesordnung von 1551 etwa nennt neben dem „Brauch des Landes“ im Zusammenhang mit dem Lehn- und dem Erbrecht als maßgebliches Recht das „Sächsische Lehen-Recht“ beziehungsweise „Sächsische Rechte“.401 Am Territorialrecht des Untersuchungsgebiets ging die Rezeption fremden Rechts dennoch nicht vorbei.402 Das Verhältnis zwischen Sächsisch-Magdeburgischem Recht und fremdem Recht im Oberlausitzer Territorialrecht ergibt sich etwa aus der Gerichtsordnung des Gerichts von Land und Städten, die vor 1635, also noch zu böhmischer Zeit entstand. Hiernach wurde „nach des Landes Ordnung, Privilegien, guten alten Gewohnheiten, oder illis deficientibus, nach Sachsen Recht, oder auch in Mangel

Weinart, Rechte I, S. 115 ff.]) und 1611 (KW I, S. 1 ff.; vgl. zeitgenössische Anmerkungen des Kammerprokurators Weinart, Rechte II, S. 39 ff., und der Appellationskammer zu Prag Budaeus, Singularia II, S. 413 ff.). Zu den historischen Umständen Bobková, Oberlausitz, S. 124 ff. Die Habsburger versuchten nach 1547 auch, Ordnungen anderer Herrschaftsräume der Habsburgermonarchie auf das Untersuchungsgebiet zu übertragen, so etwa die böhmische Richterordnung oder die Tirolische Waldordnung, erstere jedoch ausdrücklich unter Beachtung des „Landesgebrauchs in Laußnitz“ (vgl. insb. hinsichtlich der böhmischen Richterordnung NA Prag, Hofberichte, Bl. 67, 106, 174; NA Prag, Kaiserliche Befehle 1548, Bl. 50, und den umfangreichen Schriftverkehr zwischen dem Landesherrn und den landesherrlichen Kommissarien mit Abschrift der böhmischen Richterordnung in: NA Prag, Richterordnung, Bl. 32 ff.). 401 CA II, 3, Sp. 81 ff., 87 ff. Die Landes-/Amtsordnungen von 1582 und 1611 enthalten Vorschriften zur Gerichtsverfassung. Die Amtsordnung von 1611 verweist ausdrücklich auf „Sächsische Rechte, und darauf eingeführten Gerichts-Brauch“. Im Prozeß galt die „Sächsische Frist“ (KW I, S. 1 ff., 10). Die Amtsordnung erging ausdrücklich unbeschadet der „jetzigen und künfftigen Privilegien, Belehnungen, Gerichten, Statuten, Gerichts-Bräuchen, Willkühren, guten alten Gewohnheiten, und Botmäßigkeiten“ der Grundherren und der landesherrlichen Städte (KW I, S. 2). Die Klausel geht auf die Stellungnahme der landesherrlichen Städte in einem Schreiben an die Landschaft von 1601 zurück, wonach das „Land“ „in seinem Esse und Wesen“ verbleibe, nämlich als „uff Sachsen-Recht privilegiert“ (StFilA Bautzen, Schreiben, Bl. 66). 402 Dies lag Becker zufolge darin begründet, daß ab dem Spätmittelalter die Qualität der Magdeburger Schöffensprüche insgesamt, insbesondere aber auch bezogen auf das Untersuchungsgebiet abnahm, was zu einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung führte. Stattdessen bot sich das in manchem überlegene rezipierte Recht an. Insbesondere aber erfolgte 1547 in dem landesherrlichen Bestreben, eine territorial abgeschlossene Gerichtsverfassung mit dem höchsten (Appellations-)Gericht in Prag zu schaffen, an sämtliche Länder der böhmischen Krone, so im Zuge des Pönfalls an die Herrschaftsträger, mithin Gerichte im Markgraftum Oberlausitz ein ausdrückliches Verbot, aus Magdeburg, das am 25. Juli 1547 in die Reichsacht gefallen war, jemals wieder Rechtsbelehrung und Urteil zu holen. Seitdem, auch nicht nachdem 1550 die Acht aufgehoben worden war und römischrechtlich gelehrte Doktoren an den Magdeburger Schöffenstuhl berufen worden waren, fand, wie Becker nachwies, tatsächlich auch kein Rechtsverkehr zwischen Magdeburg und Gerichten im Untersuchungsgebiet mehr statt. An dessen Stelle traten jedoch nicht ausschließlich Prag, sondern auch die Schöffenstühle beziehungsweise Juristenfakultäten zu Leipzig, Wittenberg und Ingolstadt (Becker, Magdeburger Recht, S. 59 ff.; 103 f. m.w. N. vor allem auf einzelne Schöffensprüche an Görlitz. Vgl. allgemein Lück, Schöffenstuhl, S. 147).

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A. Einführung

deßelben, nach gemeinen beschriebenen Kayserlichen Recht gesprochen“.403 Fremdes Recht galt dieser und anderer früherer und späterer Quellen zufolge also nur subsidiär. An den Strukturen des Oberlausitzer Territorialrechts änderte sich bis ins 19. Jahrhundert nichts.404 1816 erfolgte im königlich preußischen 403

StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 131 a. An anderer Stelle dieser Quelle heißt es ausführlicher: „Es wird aber im Königl: Amte, und dem Ordinario Judicio in Bürglichen und Peinlichen Sachen, entweder nach des Landes aufgerichteten, und bestettigten Ordnungen, und erlangten Privilegien, auch guten alten wohlhergebrachten löblichen Gewohnheiten und Statuten, oder da ein Fall vorkömmbt, so hierinnen nicht begreifen, nach Ordnung und Disposition gemeiner landüblicher Sächs: Rechte, oder aber in Mangel desselben, nach beschriebenen Kayserl: Recht sententionirt und gesprochen“ (StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 118 ff., 125 a). Zwar ist die Abschrift ohne Angabe des Jahres der Entstehung der Urschrift. Jedoch wird auf die Obergerichtskonzession von 1562 bezuggenommen. Andererseits ist die Amtsordnung von 1611, in der Gerichtsverfassungsstrukturen des Gerichts von Land und Städten ausführlich geregelt werden, unbekannt. Auffallend sind jedoch teilweise gleichlautende Passagen, die entweder dafürsprechen, daß die Amtsordnung Vorbild der Gerichtsordnung, soweit es Regelungen mit Bezug zum Oberamt betrifft, war, oder daß die Amtsordnung Passagen der Gerichtsordnung übernahm. Jedenfalls ist davon auszugehen, daß die Ordnung aus der Zeit vor 1635 stammt, da die gesamte im Staatsfilialarchiv Bautzen verwahrte Akte, die diese Rechtsquelle enthält, nach ihrem Titel abschriftlich Rechtsquellen nur bis 1626 enthält. Die „Abhandlung“ von 1561, ein auf eine Beschwerde der Landstände (vgl. die entsprechende Beschwerdeschrift der Landstände von 1559 [abgedruckt Weinart, Rechte I, S. 37 ff.]) erfolgter, landesherrlich bestätigter Vergleich zwischen Landvogt und Landständen über die Rechte und Pflichten des Landvogts, mithin als sowohl normative wie deskriptive grundlegende Rechtsquelle des Oberlausitzer Territorialrechts (KW II, S. 1354 ff.; Anmerkungen des Kammerprokurators Weinart, Rechte I, S. 3 ff.; vgl. zu den historischen Hintergründen Bobková, Oberlausitz, S. 126 ff.; die Rechte und Pflichten des Landvogts waren [nochmals] konkretisiert in landesherrlichen „Instruktionen“ an die Landvögte; vgl. z. B. KW II, S. 1337 ff. [1554]; 1350 ff. [1561]), schreibt für die Verwaltung der „Justitiae-Sachen“ in den landesherrlichen Gerichten vor, daß diese „nach Ordnung und Disposition gemeiner Landüblicher Rechte, auch alter löblicher und wohlhergebrachter Gewohnheit“ zu verfahren hätten (KW II, S. 1354 ff., 1356). Nach einem Gutachten des Kammerprokurators (zum landesherrlichen Amt des Kammerprokurators Boetticher, Adel I, S. 20 ff.) Hartranft aus dem 17. Jahrhundert galt im Untersuchungsgebiet, solange nichts anderes bestimmt war, das „ius Saxonicum commune“, wie es „in dem Sachsenspiegel, Lehnrecht und Weichbild enthalten“ sei. Die Glossen seien nicht verbindlich (StFilA Bautzen, Gutachten Hartranft, Bl. 1 ff.). Hartranft merkte zum Begriff „gemeine landübliche Rechte“ der Abhandlung mit Blick auf sämtliche Herrschaftsträger im Untersuchungsgebiet an, es handele sich um: „1, die Amts- und Landes-Ordnung, Canzeley-Taxe und die Privilegien des Landes; 2, das alte Sachsenrecht, vermöge des Kaisers Ferdinand I. denen Sechsstädten am 6 Jun. 1548 ertheilten Instruction; 3, das jus commune“ (Weinart, Rechte I, S. 4). Damit wurde auch im Untersuchungsgebiet der Begriff des Gemeinen Sachsenrechts, „Normenkomplex [. . .] auf der Grundlage des Sachsenspiegels und des Magdeburger Stadtrechts“ (Lück) und wie im übrigen Ostsiedlungsraum praktisch lediglich eine andere Bezeichnung des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts, als ein Gegenbegriff verwandt zu dem des – mithin auch im Untersuchungsgebiet nachrangigen (Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 23: „bloßes Hülfsrecht“) – Gemeinen Rechts, auch hier eine Bezeichnung für den Komplex rezipierten Rechts Ostroms und der römischkatholischen Kirche. Freillich legt der Begriff „Gemeines Sachsenrecht“, wie gerade neuere Untersuchungen zeigen, keine ethnische Charakte404

IV. Untersuchungszeitraum, Rechtsquellen

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ristik nahe (näher Lück, Gemeines Sachsenrecht, Sp 77 ff., Luig, Gemeines Recht, Sp. 60 ff.; Kümper, Sachsenrecht, S. 207–215; Moldt, Stadtrechte, S. 1–4). Im Abschnitt „Von Gericht und Recht“ im Unterabschnitt „Was Rechtens sich Oberlausitz halte“ heißt es im Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585: „Es ist zu wißen nöthig, daß sich das Marggrafthumb Ober-Lausitz, Sachsen-Recht aushalte, und gebrauche, solches über aller Menschen Gedencken. Deswegen, so sollen alle gütliche Handtlungen und Entscheidungen, Verträge, Erkänntniß, Urtel und Abschiede, bey denen Aemtern, und der Appellation auf Sachsen-Recht, gerichtet, nach demselben erkannt, geurtheilet und gesprochen werden“. Vom „Sachsen-Recht“ abweichendes Recht gelte nur insoweit, als „des Landes Privilegia, Constitutionen, Statuten und Willkühren, in einem und anderen, ein anderes: als die Sachsen-Rechte ordnen, zuließen“ (StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 1). Fremdes Recht führt er insoweit nicht an. Auf eine erneute Beschwerde der Oberlausitzer Landstände, diesmal mit dem Inhalt, daß die Appellationskammer zu Prag als Oberhof und Appellationsinstanz bei der Beurteilung von von Oberlausitzer Gerichten vorgelegten beziehungsweise entschiedenen Fällen nicht Oberlausitzer Recht, sondern insbesondere rezipiertes Recht (vorrangig) anwende, beschrieb und bestätigte die landesherrliche „Resolution über der Stände unterschiedene Gravamina“ von 1611 das Oberlausitzer Territorialrecht wie folgt: „Als erbiethen sich Ihre Königl. Majt. gnädigst, es dahin zu richten, daß in einkommenden Fällen, nach den Lands- und Gerichts-Ordnungen, Privilegiis, Statutis & Juribus municipalibus, sowohln Landüblichen Sächßischen Rechten [. . .] decidirt und der Decisioni berührter Land- und Gerichts-Ordnungen, Privilegiorum statutorum & Jurium municipalium [. . .] billig nachgegangen, und die Belehrungs-Urtheil hierauf gerichtet werden sollen. Im Fall aber einer oder der ander vorfallende Casus in den Lands- und Gerichts-Ordnungen, Privilegiis, Statutis & Juribus municipalibus, noch in den Landüblichen Sächßischen Rechten nicht zu dediciren: ,So soll alsdenn und auf solchen Fall Secundum Jus civile vel canonicum nach Gelegenheit der Qualitaeten und Umstände, oder auch arbitrarié, wann derselbe Casus auch weder in Jure civili noch canonico decidiret, consideratis Facti circumstantiis erörtert‘ werden“ (KW III, S. 920 ff., 923). Als es nach Übergang des Markgraftums Oberlausitz an den Kurfürsten von Sachsen zur Anwendung erbländischen Rechts durch erbländische Oberhöfe und Appellationsgerichte auf Oberlausitzer Sachen kam, nahm das Oberamt noch 1789 in einem Bericht an den Kurfürsten über das im Markgraftum Oberlausitz geltende Recht ausdrücklich auf den Inhalt der Resolution von 1611 mit der Anmerkung Bezug, daß kein anderes Recht anzuwenden sei (vgl. Hartstock/Kunze, Lausitz, S. 26 f.). Das Oberlausitzer Territorialrecht war also primär anzuwenden. Es bestand aus den Inhalten folgender Rechtsquellen: die Landes- und Gerichtsordnungen, die landesherrlichen Privilegien, die Stadtwillküren und Stadtrechte und die „gemeinen landüblichen sächsischen Rechte“. Nur subsidiär war fremdes Recht anzuwenden. Die jeweiligen Landesherren bestätigten und sicherten den Landständen regelmäßig kurz nach Regierungsantritt und Huldigung den unveränderten Bestand des Oberlausitzer Territorialrechts zu, indem sie beispielsweise folgende Formel, wie sie in der Generalkonfirmation König Matthias II. zugunsten der Landstände von 1611 gebraucht wird, verwandten: „Wie Wir dann, ihnen auch alle und jede Privilegia, Freyheiten, Constitutiones, Jura municipalia, Willkühren, Satzungen, Recht, Gerechtigkeiten, alte Herkommen Briefe und Gewohnheiten, tam in genere, quam in specie, bestätigen, und sie darbey unverruckt lassen wollen“ (KW II, S. 1383 f.). Auch im Zusammenhang mit dem Übergang des Markgraftums Oberlausitz vom König von Böhmen an den Kurfürsten von Sachsen wurde den Landständen sowohl vom scheidenden Landesherrn erklärt, daß der neue Landesherr verpflichtet sei, sie „bey ihren Privilegien, Freyheiten, Rechten und Gerechtigkeiten, auch alten Herkommen, verbleiben [zu] lassen“ (Kaiser Ferdinands II. „Assecuration“ vom 6. Juni 1620 [KW II, 1387 f.]), als auch von letzterem „zugesagt und versprochen“, sie „in allen [. . .] Privilegien [. . .], jeden Freyheiten,

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A. Einführung

und 1834 im königlich sächsischen Markgraftum Oberlausitz die Ablösung des Oberlausitzer Territorialrechts durch preußisches beziehungsweise erbländischsächsisches Recht. „Des Kaisers Karl V. und des Hl. Römischen Reichs Peinliche Gerichtsordnung“ von 1532 (Constitutio Criminalis Carolina)405 enthält auch gerichtsverfassungsrechtliche Regelungen.406 Die Rechtsquelle beinhaltet mit Rücksicht auf die einzelnen Territorialrechte eine salvatorische Klausel, wonach dem Gesetz subsidiäre Bedeutung zukam.407 Auskünfte zur Rechtsanwendung in landesherrlichen Gerichten im Untersuchungsgebiet geben „Reskript und Resolution Kaysers Maximiliani welcher maßen die Justitia in peinlichen Sachen biß zu Confirmierung derselben Ordnung solle administriret werden“ von 1566: „Darneben aber

Constitutionen, Juribus municipalibus, Willkühren, Satzungen, Rechten, Gerechtigkeiten, alten Herkommen, Briefen und Gewohnheiten [. . .] mit nichten zu hindern noch zu irren“ („Revers“ Kurfürst Johann Georgs I. gegenüber den Landständen vom 14/24. Januar 1623 [KW II, S. 1405 ff., 1406]; vgl. Abtretungsrezeß vom 30. Mai 1635 [KW II, S. 1408 ff., 1411]). Nach dem Bericht des Oberamts an den Landesherrn von 1789 hatten sich die Landstände beschwert, daß vom Appellationsgericht zu Dresden und den Juristenfakultäten und Schöppenstühlen zu Leipzig und Wittenberg „bei Abfassung der Urteile in Oberlausitzer Rechtssachen teils Gesetze, welche in besagtem Markgraftum niemals publiziert worden, zum Grunde der Entscheidung geleget, teils aber auch auf dasige besondere eigentümliche Verfassung keine Rücksicht genommen worden“, insbesondere „auswärtige Gesetze“ wie die „kursächsischen Konstitutionen, die alte kursächsische Prozessordnung“ angewandt worden seien. Nur folgendes Recht galt jedoch nach dem Oberamtsbericht im Markgraftum Oberlausitz: „Beruht [. . .] das charakteristische Kennzeichen eines die Oberlausitz verbindenden Gesetzes darinnen, daß solches durch ein Oberamtspatent daselbst bekanntgemacht worden. In solcher Hinsicht haben Kurfürstliche Durchlaucht sowie Höchstdero in Gott ruhende Vorfahren, wenn ein in den alten Erblanden emaniertes Gesetz auch im hiesigen Markgraftum zur Wirkung gelangen sollte, selbiges jederzeit an das Oberamt anher, damit dasselbige entweder sofort oder, dafern es einigermaßen in die Landesverfassung eingeschlagen, nach vorgängiger Mitteilung an die Landstände und deren darüber vernommene Erinnerungen auch in deren Gemäßheit beschehenden Abänderungen mit der Publikation verfahre, zu übersenden geruht.“ Der landständischen Beschwerde werde mithin abgeholfen, wenn die Stellen hinsichtlich der Beurteilung Oberlausitzer Sachen angewiesen würden, „der matthiasischen Vorschrift [bereits genannte Deklaration König Matthias II. von 1611, die Grundlagen des Oberlausitzer Territorialrechts enthaltend – HvS] nachzugehen, die durch das Oberamt [. . .] publizierten Gesetze zum Grunde der Entscheidungen zu legen und sich dieserhalb [. . .] nach der durch die Oberlausitzer Stände in drei Teilen veranstalteten Kollektion dieser Gesetze und Verordnungen [die Bände KW I–III; die restlichen Bände waren zum Zeitpunkt der Abfassung des Berichts noch nicht erschienen – HvS] zu achten, etwaige Beziehung aber auf kursächsische, hier nicht publizierte Gesetze [sich] zu enthalten“ (Hartstock/Kunze, Lausitz, S. 26 ff., 27 f.). Jedoch scheint neben Oberlausitzer Recht praktisch von Gerichten im Untersuchungsgebiet insbesondere unterhalb der landesherrlichen Ebene kursächsisches Recht angewandt worden zu sein (vgl. etwa für das 18. Jahrhundert die zeitgenössische Darstellung von Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 14). 405 Hierzu näher Schmidt, Sinn, S. 239 ff. 406 Kern, Gerichtsverfassungsrecht, S. 33 ff. 407 Conrad, Rechtsgeschichte I, S. 449.

IV. Untersuchungszeitraum, Rechtsquellen

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ist unser gnädiger und endl. Befehl an dich [an den Landvogt – HvS], daß du mittler Zeit [bis zur beabsichtigten Einführung der Halsgerichtsordnung im Markgraftum Oberlausitz – HvS], den Gemeinen- und Sachsen-Recht die Justitia in Krafft [der Obergerichtskonzession von 1562] exeqvirest, keinen Muthwillen, sonderlichen Rauberey, Plackerey, Todtschlag und dergleichen Vehden und Frevel gestattest“ 408. Die in Aussicht genommene landesherrliche Bestätigung erfolgte jedoch nie. Die Juristenfakultät zu Leipzig erkannte im 18. Jahrhundert wegen der Geltung der Halsgerichtsordnung im Markgraftum Oberlausitz, „daß derselben in der Oberlausitz zu Nachtheil der gemeinen sächs. Rechte keinesfalls nachzugehen vielmehr auf letztere vorzügliche Rücksicht zu nehmen“ sei.409 Also auch hier galt die Halsgerichtsordnung allenfalls subsidiär. Hinweise auf diese Quelle als Grundlage für die Verfassung von Gerichten im Untersuchungsgebiet ließen sich nicht auffinden.

408 409

LSD, S. 226 f.; KW I, S. 183 f. Spruch abgedruckt bei Weinart, Rechte III, S. 185.

B. Gerichtsverfassung zur Zeit der Markenverfassung I. Markgrafengericht „Über markgräfliches Gericht ist nichts überliefert“, stellte bereits Schlesinger hinsichtlich des Markengebiets zur Zeit der intakten ottonischen Markenverfassung fest, soweit es zeitgenössische Quellen anbetrifft.1 Die ab dem 12. Jahrhundert vorliegenden Urkunden sprechen ausschließlich die Verhältnisse im Landding an, einem vom königlichen Markgrafengericht verschiedenen landesherrlichen Gericht des Markgrafen, auf das noch einzugehen ist. Zustände zur Zeit der Markenverfassung, mithin während der ottonischen Königsherrschaft können nicht mit im Zusammenhang mit der Entstehung der Landesherrschaft im Markengebiet entstandenen Strukturen verglichen werden.2 Aber auch hinsichtlich der zeitgenössischen fränkisch geprägten Grafengerichte des Altsiedelgebiets,3 die als Vergleichsmaßstab dienen könnten, ist bis ins 12. Jahrhundert, also gerade bezüglich des hier interessierenden Zeitraums wenig bekannt, da mündlich miteinander verhandelt wurde und es keine Gerichtsschreiber (mehr) gab, die die Urteile beurkundet hätten.4 Die folgende Darstellung beruht ergänzend zu urkundlichen Quellen hinsichtlich des Markengebiets soweit möglich auf Vergleichsziehungen zu den Verhältnissen im Altsiedelgebiet und auf der Anwendung von Quellen späterer Zeit, insbesondere einschlägiger Vorschriften des Sachsenspiegels.5 Zur Erfüllung seiner Aufgaben (Sicherung und Kolonisierung der eroberten Gebiete, Schutz der Reichsgrenze) hatte der Markgraf6 den militärischen Oberbefehl im Markengebiet inne, was ihm gegenüber dem Grafen eine besondere Machtfülle gab.7 Sowohl für die Mark8 als auch für die altländische Grafschaft9 ist nachgewiesen, daß das Amt des (Mark-)Grafen bezogen auf einen bestimmten 1

Schlesinger, Landesherrschaft, S. 249; vgl. ders., Gerichtsverfassung, S. 90. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 90 f. Eine andere Vorgehensweise lassen auch nicht die neueren Arbeiten zum Markgrafengericht erkennen (vgl. Nachweise bei Lück, Supan, S. 84 f.). 3 Hierzu Pitz, Verfassungslehre, S. 323 ff., 368 ff. 4 Pitz, Verfassungslehre, S. 180. 5 Insbesondere Ssp.-Ldr. II 12 § 2 ff.; III 64 § 7; III 65 § 1; Ssp.-Lr. 71, 3. 6 Näher Schmid, Markgraf, Sp. 289 ff. 7 Posern-Klett, Verfassung, S. 2, 5. 8 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 51, 53, 60 ff. 9 Pitz, Verfassungslehre, S. 372, 396. 2

I. Markgrafengericht

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räumlichen Zuständigkeitsbereich ein bestimmtes Bündel von Rechten und Pflichten (Komitat) darstellte, das die (vom König abgeleitete) Gerichtsherrschaft und damit zusammenhängende Gerichtsgefälle einschloß. Über die Stellung des Markgrafen als Richter liegen jedoch aus der Zeit der Markenverfassung kaum, jedenfalls keine unmittelbaren Nachweise vor.10 Anhaltspunkte sind zunächst königliche Immunitätsprivilegien, die sich hinsichtlich Magdeburg und Merseburg, also Orten außerhalb des Untersuchungsgebiets erhalten haben. Hieraus ist immerhin abzuleiten, daß der Markgraf Richter innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs gewesen sein muß, denn in einer Immunitätsformel werden Gerichtszuständigkeiten des „marchio“ innerhalb einer kirchlichen Immunität ausgeschlossen.11 Ein Hinweis auf die Zuordnung des Richteramtes in der Mark findet sich im 13. Jahrhundert anhand der Zuordnung der Gerichtsgefälle. Insoweit kann indes auf frühere Zustände rückgeschlossen werden. Der Burgward Zwenkau wurde bereits im 10. Jahrhundert dem Hochstift Merseburg mit Immunität übertragen.12 Mit einer Urkunde von 1255 erfolgt die Aufteilung der Gerichtsgefälle in Form einer Drittelung, wobei dem Vogt das (gräfliche) Richterdrittel an den Gerichtsgefällen zukommt: „terciam partem multarum sive penarum in iudicio debitarum, que quondam portio fuerit advocati“.13 Zwar erscheint das Recht am Richterdrittel lediglich bezogen auf den Burgward Zwenkau. Im Hochmittelalter erfolgten Immunitätsverleihungen bezogen auf einzelne Bestandteile des Amtsbereichs eines (Mark-)Grafen gerade wegen der damit verbundenen Gerichtsgefälle aus dem gräflichen Hochgericht.14 Der Umstand des 1255 für einen Immunitätsbezirk bezeugten Richterdrittels läßt jedoch auf eine ursprünglich dem Markgrafen zugeordnete Gerichtsabgabe bezogen auf dessen gesamten Amtsbereich schließen. Der Sachsenspiegel nennt im Zusammenhang mit den Markgrafen im Gegensatz zum Gewedde des Grafen mit Königsbann (sechzig Schillinge) die Bußzahl dreißig, da der Markgraf anders als der Graf stets „bi sines selbes hulden“ dinge,15 also bei Markgrafenbann. Aus früheren Quellen sind Höhen der Bußen, wenn der Markgraf unter Königsbann16 beziehungsweise Markgrafenbann dingte, nicht bekannt. Altländische Grafen oder sonstige Herrschaftsträger dingten unter Königsbann bei einer Buße in Höhe von sechzig Schillingen.17 Im gesamten Reich steht die mittelalterliche Bußzahl sechzig stets im Zusammenhang mit 10

Vgl. Schlesinger, Gerichtsherrschaft, S. 48 ff. Schlesinger, Landesherrschaft, S. 255; ders., Gerichtsverfassung, S. 52 m.w. N. 12 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 58. 13 Zitiert nach Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 58, Anm. 63. 14 Pitz, Verfassungslehre, S. 387. 15 Ssp.-Ldr. III 64 § 7 im Gegensatz zu Ssp.-Ldr. III 64 § 6. 16 Schlesinger nimmt an, daß der Markgraf ursprünglich auch bei Königsbann dingte (Schlesinger, Landesherrschaft, S. 250 ff.). 17 Pitz, Verfassungslehre, S. 387 f. 11

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B. Gerichtsverfassung zur Zeit der Markenverfassung

vom König abgeleiteter Gerichtsherrschaft.18 Belege für die Höhe der Buße, wenn der Graf nur unter Grafenbann dingte, sind nicht bekannt. Der Sachsenspiegel spricht lediglich den Fall an, daß die Grafen unter Königsbann dingen, und nennt die Bußzahl sechzig.19 Nach Scheyhing betrug die Höhe der Buße, wenn der Graf lediglich bei Grafenbann dingte, fünfzehn20, nach Pitz fünfzehn oder dreißig Schillinge21. Scheyhing leitet die Höhe des Grafenbannes aus dem Rangverhältnis zwischen Markgrafen und altländischem Grafen ab, da „regelmäßig [. . .] die Höhe des Gewettes dem Rang“ entspreche, und geht daher auch für die Zeit, als Stellung von Markgraf und Graf vergleichbar waren, mithin die Markgrafen lediglich als „Großgrafen“ den Grafen im Rang vorgingen, davon aus, daß die Buße bei Markgrafenbann dreißig betrug.22 Für Handlungen des Markgrafen unter Königsbann sind keine ausdrücklichen Nachweise bekannt. Aus einer Urkunde von 1004 geht hervor, daß der Bischof von Merseburg – das Hochstift war zuvor mit der Immunität begabt worden – unter Königsbann handeln durfte. Daraus läßt sich schließen, daß dieses Recht vor der Immunitätsverleihung dem Markgrafen zugestanden hatte.23 Vor und nach Immunitätsverleihung wird sich die Buße im Zusammenhang mit dem Königsbann auf sechzig Schillinge belaufen haben. Es stellt sich die Frage nach Auswahl und Ernennung des Markgrafen als Richter im Markgrafengericht. Die rechtliche Beziehung zwischen Gerichtsherrn und Richter bildete das gesamte Mittelalter hindurch eine Besonderheit unter den herrschaftlich geprägten Rechtsverhältnissen, gestaltete sich auch nach Verlehnrechtlichung des Richteramtes sowohl lehn- als auch amtsrechtlich, mithin zweigliedrig. Sie gründete sich zunächst ausschließlich auf dem amtsrechtlichen Verhältnis des Richters als Amtsträger des Königs zu diesem als Gerichtsherrn. Mit dem Übergang vom Amtsrecht zum Lehnrecht, mithin von der Königsherrschaft zur Landesherrschaft verwandelte sich auch das Richteramt in ein Lehen, das vom nunmehr vom Gerichtsherrn, dem König, regelmäßig verschiedenen Lehnsherrn, meist dem Landesherrn, verliehen wurde. Sie unterlag indes auch – zunächst im Amt inbegriffen und später daneben – weiterhin einem besonderen Akt, durch den der Gerichtsherr (der König) die Gerichtsgewalt dem Richter einräumte. Es wurde also unterschieden zwischen Leihe des Richteramts, die sich durch die Lehnspyramide bis etwa zur vierten Hand (Ssp.-Ldr. III 52 § 3) hindurchziehen konnte, und Leihe des Gerichtsbanns, die dennoch und gerade deshalb die unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen König als Gerichtsherrn und

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Pitz, Verfassungslehre, S. 386 f. Ssp.-Ldr. III 64 § 6. Scheyhing, Bannleihe, S. 235. Pitz, Verfassungslehre, S. 386. Scheyhing, Bannleihe, S. 234, Anm. 4. Vgl. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 58 m.w. N.

I. Markgrafengericht

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Richter trotz der Lehnspyramide erhalten helfen sollte.24 Wegen der Anforderungen und Pflichten von Richter (und Schöffen) kann nur auf die altländischen Amtseide sowie die Kapitularien Karls des Großen verwiesen werden,25 die, soweit es vor allem den Markgrafen berifft, wohl ähnlich auch für die Mark galten. Die fränkischen Könige folgten einer „vom spätrömischen Vorbild abgelesenen zentralistischen und amtsrechtlichen Auffassung der Gerichtsbarkeit, die auf unmittelbarer, von keiner herzoglichen Gewalt unterbrochener Beziehung des Königs zu den Grafen“ beruhte. Im Namen des Königs übte der Graf Gebotsgewalt und Gerichtszwang aus.26 Bei den Markgrafen handelte es sich ursprünglich wie beim Grafen hinsichtlich der altländischen Grafschaft um einen vom König in der Mark eingesetzten Amtsträger.27 Das Vorhandensein etwa einer „Dinggenossenschaft der Mark“, die wie die Dinggenossenschaft einer Grafschaft bei der Auswahl und Ernennung des Grafen im Altsiedelgebiet beteiligt wurde,28 ist nach der Überlieferung auch der späteren Quellen wie dem Sachsenspiegel allerdings nicht zu beobachten. Scheyhing erkannte, daß bereits zu fränkischer Zeit und noch ausgeprägter nach Wegfall der Königsboten zu ottonischer Zeit der Begriff vom Amt als königlichem Auftrag immer weniger Bindungskraft entfaltete.29 Das Königtum reagierte schon ab fränkischer Zeit mit der Verleihung von Ämtern in lehnrechtlicher Form, was den Übergang vom Amtsrecht zum Lehnrecht in der mittelalterlichen deutschen Verfassung einleitete.30 Die Markgrafen wurden Landesherren in ihren (nicht mehr regelmäßig mit den ursprünglichen Marken deckungsgleichen) Herrschaftsräumen im Markengebiet.31 Der Markgraf von Meißen war spätestens zur Zeit der Abfassung des Sachsenspiegels als Inhaber eines königlichen Fahnlehens (Ssp.-Ldr. III 67 § 2) Vasall, nicht mehr (nur) Amtsträger des deutschen Königs, galt mithin insoweit (auch) Lehnrecht. Bereits 1158 war wie erörtert der pagus Milska gesondert als Reichslehn an den König von Böhmen vergeben worden. Wie selbstverständlich wurde auf diesen Teil des Markengebiets mithin bereits Lehnrecht angewandt. Das Mittel, mit dem die Könige die Grafen im Altreich bevollmächtigten, als Richter des Grafengerichts königliche Gerichtsgewalt auszuüben, war die Bannleihe. Fraglich ist, ob – und wenn ja, wann – dies auch für die Mark galt. In der fränkischen Zeit hatte der Bann die weite Bedeutung des Rechts unter Strafandrohung zu gebieten und zu verbieten, meinte jedoch auch die Buße, die auf 24 Näher Pitz, Verfassungslehre, S. 384 ff., 693 ff.; Scheyhing, Bannleihe, S. 28 ff., 70 ff., 113 ff., 199 ff., 303 ff. 25 Hierzu Scheyhing, Bannleihe, S. 5 ff. m.w. N. 26 Pitz, Verfassungslehre, S. 384 f. 27 Schlesinger, Landesherrschaft, S. 243 ff., 254; ders., Gerichtsverfassung, S. 53. 28 Pitz, Verfassungslehre, S. 323 ff., 375 ff. 29 Scheyhing, Bannleihe, S. 64 f., 81 ff. 30 Näher zum Übergang Amtsrecht – Lehnrecht Pitz, Verfassungslehre, S. 693 ff. 31 Schlesinger, Landesherrschaft, S. 243 ff.

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B. Gerichtsverfassung zur Zeit der Markenverfassung

die Übertretung des Ge- oder Verbots gesetzt war, und den Rechtszustand, der durch Ge- oder Verbot geschaffen war.32 Es wurde zwischen Königsbann und Grafenbann unterschieden. Der Königsbann bezog sich vor allem auf die Gerichtsgewalt des Königs. Diese umfaßte vor allem das Recht, dem Rechtsbrüchigen Geldbußen bis zur Höhe von sechzig Schillingen aufzuerlegen. Der Königsbann wurde zunächst gesondert übertragen. Der Grafenbann, der ja einer Buße in Höhe von fünfzehn oder dreißig Schillingen entsprach,33 war dagegen ohne weiteres mit dem Komitat verbunden.34 Scheyhing definiert Bannleihe aufgrund bis ins 12. Jahrhundert reichender altländischer Quellen als Übertragung königlicher „Hoheitsrechte“, mithin der königlichen „Gerichtsgewalt“ auf (Unter-)Richter, die mit einem Amtseid verbunden war.35 Gerichtsurkunden hinsichtlich der Mark, insbesondere der Mark Meißen, aus denen Hinweise auf die Königsbannleihe an den Markgrafen als Richter des Markgrafengerichts zur Zeit der ursprünglichen Markenverfassung hervorgehen, fehlen leider heute. Der Sachsenspiegel, eine spätere Rechtsquelle, kennt noch die königliche Bannleihe und scheidet sie von der lehnrechtlichen Vergabe des Richteramtes. Der Sachsenspiegel berichtet hinsichtlich der Markgrafen: „Der markgreve dinget bie sines selbis hulden“ (Ssp.-Ldr. III 65 § 1), mithin „daz in der marke kein koninges ban iz“ (Ssp.-Ldr. II 12 § 6). Dem Markgrafen wettet man dreißig Schillinge, denn er „dinget bi sines selbis hulden“ (Ssp.-Ldr. III 64 § 6, 7). Alle Gerichtsgewalt geht nach dem Sachsenspiegel vom König aus (Ssp.-Ldr. I 38 § 2, III 52 § 1), mithin daß (mit Ausnahme etwa des Markgrafen) mit Königsbann, also bei einem Gewette von sechzig Schillingen gehandelt wird (Ssp.-Ldr. I 59 § 1; II 61 § 2). Hulde bedeutete hiernach die Gerichtsgewalt, der Bann, der ein solcher des Königs oder des Markgrafen war. Bannleihe war nach Scheyhing hier ein „Leiheakt“, mit dem „den Lehensgrafen (vom König) richterliche Gewalt“ erteilt wurde, mithin „eine unmittelbare Beziehung zum König (im Rahmen der Justizaufsicht des Königs hergestellt wurde), die in einem Amtseid ihren Ausdruck findet.“ 36 Die Buch’sche Glosse zum Sachsenspiegel, eine noch spätere Rechtsquelle, führt mehrere Auslegungen der Vorschrift Ssp.-Ldr. 65 § 1 an, wobei sie im Rahmen der von ihr vertretenen Auffassung nicht das Handeln des Markgrafen persönlich als Richter, sondern ausschließlich von (Unter-)Richtern des Markgrafen im Blick hat und daher hier nicht weiterhilft. Das Fehlen des Königsbanns des Markgrafen erscheint im Sachsenspiegel als Ausnahme in der Gerichtsverfassung des Reichs.37 Dies erklärt Scheyhing damit, daß die Königs32

Grundlegend immer noch Brunner/Schwerin, Rechtsgeschichte II, S. 47 ff. Scheyhing, Bannleihe, S. 235 (fünfzehn Schillinge); Pitz, Verfassungslehre, S. 384 (fünfzehn oder zwanzig Schillinge). 34 Pitz, Verfassungslehre, S. 384 f.; Scheyhing, Bannleihe, S. 199 f. 35 Scheyhing, Bannleihe, S. 222 ff. m.w. N. 36 Vgl. hierzu Scheyhing, Bannleihe, S. 108 ff., 224 ff., 234 f. 37 Weitere Ausnahme sind die Reichsfürsten (Lück, Bannleihe, Sp. 440). 33

I. Markgrafengericht

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bannleihe als Mittel der „Justizaufsicht“ in der Mark nicht erforderlich gewesen sei, da es aus Sicht des Sachsenspiegels „im eigentlichen Markengebiet keine besonderen Gericht im Sinne des Spiegels gibt, daß die Mark ein einheitliches Gerichtsgebiet ist“ 38. Lück meint, die Bannleihe habe gefehlt, da die Markgrafen schlicht „auf Grund der besonderen Verhältnisse in den Marken [zur Zeit des Sachsenspiegels – HvS) aus eigener Machtstellung berechtigt [gewesen seien], Gericht zu halten.“ 39 Nach Helbig „dürfte dem über zwei Jahrhunderte später schreibenden Spiegler und dem noch jüngeren Meißner Kanzlisten (nach dem Meißner Lehnsregister von 1349 ist ebenfalls kein Königsbann in der Mark) von diesem Bann nichts mehr bekannt gewesen sein“.40 Schlesinger stellt zurecht fest, daß die Sachsenspiegelvorschriften (und die der Glosse) über das Bestehen beziehungsweise das Fehlen des Königsbanns lediglich zeitgenössische Darstellungen der tatsächlichen Verhältnisse im Altreich beziehungsweise Markengebiet in der jeweiligen Form und Verfassung des 13. Jahrhunderts seien, mithin eine bereits gewandelte Bedeutung der Bannleihe im Zuge der Entstehung und mehr oder weniger erfolgten Ausbildung der Landesherrschaft im in seiner ursprünglichen Form und Verfassung mehr oder weniger veränderten Altreich beziehungsweise Markengebiet41 beschrieben: Nicht weil „infolge einer besonderen Gerichtsherrlichkeit [. . .] die Markgrafen einen Vorsprung vor den anderen Fürsten auf dem Wege zur Landesherrschaft hatten, sondern umgekehrt: weil sie diesen Vorsprung hatten, nahmen sie bereits zur Zeit Eikes eine Sonderstellung in der Gerichtsverfassung ein“.42 Bereits Waitz meinte jedoch hinsichtlich der ursprünglichen (ottonischen) Markenverfassung im Vergleich mit den altländischen Verhältnissen dieser Zeit, daß „der Anlass [für ein Fehlen des Königsbanns in der Markenverfassung – HvS] nicht mit irgend welcher Sicherheit zu erkennen“ sei.43 Schlesinger konnte anhand königlicher Urkunden, die Verleihungen des Königsbanns zwar nicht bezogen auf das Markgrafengericht, jedoch im Rahmen von Immunitätsverleihungen an die Kirche bereits zu Beginn des 11. Jahrhunderts enthalten, und des erwähnten Lehnsregisters von 1349 bis heute grundlegend und unbestritten den Nachweis führen, daß der vom Sachsenspiegel beschriebene Zustand nicht ursprünglich galt, mithin die Königsbannleihe ursprünglich auch in der Mark stattfand.44 38

Scheyhing, Bannleihe, S. 234. Lück, Bannleihe, Sp. 440. 40 Helbig, Ständestaat, S. 38 f. 41 Der Sachsenspiegel kennt wie die Glosse die Marken Brandenburg, Meißen und Lausitz (Ssp.-Ldr. III 62 § 2), also teils Neubildungen späterer Zeit insbesondere als landesherrliche, von der alten Markenstruktur abweichende Herrschaftsräume. 42 Schlesinger, Landesherrschaft, S. 252. 43 Waitz, Verfassungsgeschichte VII, S. 85. 44 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 249 ff. m.w. N.; vgl. ders., Gerichtsverfassung, S. 51 ff. 39

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B. Gerichtsverfassung zur Zeit der Markenverfassung

Im Ergebnis handelten also auch die meißnischen Markgrafen ursprünglich aufgrund durch Bannleihe verliehener königlicher, mithin abgeleiteter Gerichtsherrschaft. Erst später erscheinen sie aufgrund ihrer relativ früh entstandenen Stellung als Landesherren als Gerichtsherren aus eigenem Recht. Von königlicher Bannleihe an sie ist dann nicht mehr die Rede. Aus zeitgenössischen Quellen ist nichts über Urteilsfinder, insbesondere Schöffen, wie sie seit den Gerichtsreformen Karls des Großen den Reihen der Dinggenossenschaft der Grafschaft im altländischen Grafengericht entnommen wurden,45 im königlichen Markgrafengericht bekannt.46 Auch für die spätere Zeit sind etwa Schöffenbarfreie47 des Sachsenspiegels – Ssp.-Ldr. II 12 § 2, 3 – in der Mark nicht nachgewiesen.48 Zumindest kann doch dem Sachsenspiegel, wenn er (Ssp.-Ldr. III 65 § 1) sagt: „Der markgreve dinget bis sines selbis hulden obir sechs wochen, da vint itlich man orteil obir den anderen, den man an sime rechte nicht beschelden mag“, in Zusammenschau mit den Verhältnissen sowohl des Grafengerichts des Sachsenspiegels als auch früherer Zeiten entnommen werden, daß die Verhältnisse in der Mark von denen des Altsiedelgebiets auch zur Zeit der ottonischen Markenverfassung nicht so sehr vor allem hinsichtlich des so stark in der mittelalterlichen deutschen Verfassung verankerten Grundsatzes der Funktionsteilung zwischen Richter und Urteilsfindern abgewichen sein werden, daß es mithin Urteilsfinder im Markgrafengericht auch zur Zeit der ursprünglichen Markenverfassung gegeben haben muß. Ob die Schöffenverfassung in den Marken eingeführt war, bleibt jedoch im Dunkeln. Soweit es Auswahl und Ernennung betrifft, schweigen die heute überlieferten Quellen ebenfalls. Soweit es die Anforderungen an die Urteiler angeht, scheint es, daß der Stand als Voraussetzung dafür, Urteil über die Partei finden zu dürfen, in der Mark auch zu früherer Zeit keine Rolle spielte. Beantwortet werden kann jedoch nicht, ob die Urteiler der Rechtsgemeinschaft der Partei(en) angehören mußten, mithin welcher Art die betreffende Rechtsgemeinschaft war. Offen bleiben muß auch, welche Pflichten die Urteiler hatten. Hier kann höchstens wiederum auf die von Scheyhing untersuchten zeitgenössischen Schöffeneide des Altsiedelgebiets so45 Hierzu, insbesondere zum Verhältnis Herrschaft – Genossenschaft im Grafengericht Pitz, Verfassungslehre, S. 323 ff., 368 ff. 46 Vgl. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 51 ff.; ders., Landesherrschaft, S. 248. 47 Zum Begriff Olberg, Schöffenbarfreie, Sp. 1469 ff. 48 Dafür, daß es in der Mark Schöffenbarfreie im Sinne des Sachsenspiegels sogar gar nicht gab, über die unter Königsbann zu richten war (Ssp.-Ldr. I 59 § 1), spricht das Fehlen des Königsbanns in der Mark. Nur im Königsbanngericht wirken mithin Schöffenbarfreie als Standesgenossen, mithin Urteilsfinder mit (Ssp.-Ldr. II 12 § 2). Wenn nicht unter Königsbann gedingt wird, kann jedermann Urteil über den anderen finden und schelten, „der vulkomen ist an sime rechte, umme alsotane sache, de man ane koninges ban richten mag“ (Ssp.-Ldr. II 12 § 3). Damit war wohl insbesondere die Mark gemeint, denn die Regelung, daß jedermann über den anderen Urteil finden und schelten könne, wird mit ausdrücklichem Bezug zur Mark wiederholt (Ssp.-Ldr. III 65 § 1).

I. Markgrafengericht

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wie die Reichsgesetze verwiesen werden.49 Offen bleiben muß ferner gerade wegen der gegenüber dem Grafen von Anfang an größeren Fülle an Rechten und Pflichten des Markgrafen, mithin des bereits ursprünglich stark vorhandenen herrschaftlichen Elements in der Mark die Frage nach dem Verhältnis von Herrschaft und Genossenschaft im Markgrafengericht zur Zeit der alten Markenverfassung, insbesondere nach der Funktionsteilung im Entscheidungsverfahren. So finden sich bezogen auf sämtliche mittelalterlichen Gerichte Hinweise auf Gerichtshegungen erst im 13. Jahrhundert.50 In den Grafschaften des fränkischen Reichs befanden sich stets mehrere Dingstühle, sogenannte „malli“, an denen der Graf zu unterschiedlichen Zeiten Gericht für die gesamte Grafschaft hielt.51 Zunächst schwankten die Amtsbezirke der Grafen im Markengebiet in ihrer Zusammensetzung und in ihrem Umfang, so daß eine feste Dingstätte erst nicht vorhanden war.52 Für das Markengebiet sind erst ab dem Ende des 12. Jahrhunderts Dingstätten bezeugt, so etwa für die Mark Meißen in ihrer damaligen Gestalt (bereits ohne den pagus Milska) eine einzige Dingstatt, nämlich Collm am Fuß des Collmbergs mit besonderer Topographie.53 Soweit es den Gau Milska betrifft, sind Gerichtsorte erst nach 1158 bezeugt, also nicht im Zusammenhang mit der Markenverfassung, sondern nach Übergang des pagus Milska an den böhmischen König, mithin nach Entstehung der Landesherrschaft, was auch hier, wie noch zu zeigen ist, die Entstehung landesherrlicher Gerichte mit von früheren Verhältnissen abweichender Gerichtsverfassung nach sich zog. Nach den Quellen betreffend die fränkischen Gerichtsverfassung hielt der altländische Graf seit der Reform Karls des Großen im Jahr höchstens dreimal an der althergebrachten Dingstätte das echte Ding (mallus publicus legitimus) ab. Daneben fanden nach Bedarf außerordentliche Versammlungen statt, zu denen der Richter die Dingpflichtigen gebot (Botding, gebotenes Ding). Zur Teilnahme an den Dingen waren alle Freien der Grafschaft verpflichtet (Dingpflicht).54 Ssp.-Ldr. III 65, 1, also wiederum eine spätere Rechtsquelle, gibt auch Auskunft über die Gerichtszeit, indem der Markgraf bei seinen eigenen Hulden „obir sechs wochen“, also alle sechs Wochen dinge. Zeitgenössische Quellen der Zeit der Markenverfassung schweigen dagegen beziehungsweise sind nicht mehr vorhanden. Im Ergebnis sind anhand der heute vorhandenen Quellen keine gerichtsverfassungsrechtlichen Unterschiede zwischen den Verhältnissen im pagus Milska und denen im übrigen Markengebiet zu beobachten. Der pagus Milska unterstand 49 50 51 52 53 54

Vgl. Scheyhing, Bannleihe, S. 5 ff. Köbler, Hegung, Sp. 866 ff. Pitz, Verfassungslehre, S. 372. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 53. Nachweise bei Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 82 ff. Conrad, Rechtsgeschichte I, S. 140 f.

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B. Gerichtsverfassung zur Zeit der Markenverfassung

dem Gericht des Markgrafen von Meißen. Auch im Untersuchungsgebiet bestand nach heutiger Überlieferung ein besonderes Gericht weder auf Ebene des pagus noch auf der eines Burgwards. Es gibt anhand der Quellen mit Bezug zum Untersuchungsgebiet keine Hinweise auf Urteiler, etwa Schöffen im meißnischen Markgrafengericht, mithin die Art der Zusammensetzung sowie Ausgestaltung der (genossenschaftlichen) Rechte der diesem Gericht unterworfenen Rechtsgemeinschaft. Das Gericht war auch nach den hinsichtlich des Untersuchungsgebiets aussagekräftigen Quellen wohl stark herrschaftlich geprägt.

II. Immunität des Hochstifts Meißen Durch Verleihung von Immunität, also Erlangung der Freiheit bestimmter Personen und Güter von fremder Herrschaft und Grundlage eigener Herrschaft insbesondere in gerichtsverfassungsrechtlicher Hinsicht durch Verleihung von Grafschaftsrechten,55 erfolgte bereits im Zeitraum vor Aufkommen der Landesherrschaft die Herauslösung des betreffenden Herrschaftsverbandes aus der unmittelbaren königlichen Gerichtsherrschaft und -zuständigkeit auch hinsichtlich der Hochgerichtsbarkeit zugunsten mancher Hochstifter und Klöster im Gebiet östlich der Saale sowie deren Unterstellung unter (Hochstifts-)Vögte56.57 Der Vogt beziehungsweise der Bischof persönlich erhielt das Recht, unter Königsbann zu handeln. Den Grafen und anderen königlichen Amtsträgern wurde dagegen die (abgeleitete) königliche Gerichtsherrschaft und Gerichtszuständigkeit hinsichtlich des vergabten Besitzes abgesprochen.58 Völlig entglitt das Schenkungsgut jedoch nicht der Herrschaft des Königs, sondern es wurde nach Schlesinger lediglich „in eine andere Organisationsform überführt, aus Königsgut wurde königliches Kirchengut, wobei die neuen Inhaber [königlicher Herrschaftsrechte – HvS] zugleich Pflichten übernahmen, über deren Einhaltung der König wachte“.59 So behielt sich der König oftmals bei der Immunitätsverleihung das Recht vor, den Vogt auszuwählen beziehungsweise dessen Ernennung zu genehmigen.60 Die Vogtei erscheint nicht als auf Lebenszeit vom König verliehenes, sondern als widerrufbares Amt. Der Vogt war nicht nur bischöflicher, sondern auch königlicher Amtsträger.61

55 Zum Begriff Willoweit, Immunität, Sp. 1180 ff. Im einzelnen insbesondere mit Bezug zum Altsiedelgebiet Pitz, Verfassungslehre, S. 437 ff. 56 Zum Begriff Willoweit, Vogt, Vogtei, Sp. 932 ff., 935 ff. 57 Schlesinger, Gerichtsverfassung, 58 ff. 58 Schlesinger, Kirchengeschichte I, S. 248. 59 Schlesinger, Kirchengeschichte I, S. 248. 60 Nachweise bei Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 58 f.; vgl. ders., Kirchengeschichte I, S. 249. 61 Schlesinger, Kirchengeschichte I, S. 248 f.; ders., Gerichtsverfassung, S. 58.

II. Immunität des Hochstifts Meißen

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Die Einräumung von Immunität in diesem Sinn ist hinsichtlich des Hochstifts Meißen nicht nachgewiesen. Urkunden, mit denen der deutsche König Bistümern, Klöstern und anderen Herrschaftsträgern auf bestimmten Besitzungen Immunität gewährte, sind lediglich bezogen auf andere Stifter östlich von Elbe und Saale vorhanden.62 Zwar mag bezüglich der Meißner Stiftskirche und des unmittelbaren Wohnbereichs des Bischofs und der Domgeistlichkeit von Anfang an Immunität bestanden haben und von dort auf weitere Besitzungen ausgedehnt worden sein.63 Jedoch sprechen gegen Immunität jedenfalls hinsichtlich der Besitzungen im Untersuchungsgebiet (in Gesamtschau) die Bestimmungen in der Königsurkunde von 1006/1007, in der der König dem Hochstift drei ganze Burgwarde „cum omnibus eorum pertinentiis“ im pagus Milska schenkt,64 und in der Königsurkunde von 1144, in der Verpflichtungen der Besitzungen des Hochstifts im Gau Milska und im Zagost genannt werden,65 auch wenn in beiden Urkunden über Gerichtsverfassung nichts gesagt wird.66 Wie erörtert, bezieht sich die Urkunde von 1144, soweit es die hochstiftischen Besitzungen im pagus Milska betrifft, auf die drei 1006/1007 vergabten Burgwarde. Dieser Urkunde fehlt aber jede Formel, die in Urkunden vorkommt, mit denen anderen Hochstiftern und Klöstern in dieser Zeit Immunität verliehen wurde.67 König Konrad III. schlichtet in der Urkunde von 1144 einen Streit zwischen dem Bischof von Meißen und dem Markgrafen von Meißen dahin, daß die hochstiftischen Besitzungen im pagus Milska, also die Dörfer in den drei 1006/1007 geschenkten Burgwarden zu Burgwerk und Wachdienst auf der (noch königlichen) Burg Budißin (weiterhin) verpflichtet bleiben, während solche im Zagost zwar vom Burgwerk auf den (mittlerweile der Herrschaft des Königs entglittenen) markgräflichen Burgen, jedoch nicht vom Wachdienst freigestellt werden.68 Hinsichtlich dieser hochstiftischen Dörfern bestanden somit noch Rechte des Königs beziehungsweise des Markgrafen. Dies war bezüglich Dörfern anderer Hochstifter und Klöster, die Immunität erlangt hatten, aber gerade nicht der Fall.69 Die Tatsache der Auseinandersetzung zwischen Hochstift und Markgraf im Vorfeld der Erteilung dieser Urkunde, mit der der König ja diesen Streit beilegen wollte, läßt (auch im Hinblick auf die mögliche Absicht des Königs, die markgräfliche Landesherrschaft 62 Vgl. Nachweise für das Markengebiet außerhalb des Untersuchungsgebiets bei Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 58 ff., 64 ff. 63 Schlesinger, Kirchengeschichte I, S. 250; ders., Gerichtsverfassung, S. 59 f. m.w. N. Auch die Königsurkunde von 1071 (CDLS I, S. 11 ff.) beinhaltet keine Immunitätsformel. 64 CDLS I, Anhang, S. 6. 65 CDLS I, S. 20 f. 66 Vgl. Billig, Burgwardorganisation, S. 28; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 59. 67 Vgl. Nachweise insoweit bei Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 58 f. 68 CDLS I, S. 20 f., 21, Z. 11 ff. 69 Vgl. Schlesinger, Kirchengeschichte I, S. 248 ff.; ders., Gerichtsverfassung, S. 58 ff.; ders., Verfassung und Verwaltung, S. 36.

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B. Gerichtsverfassung zur Zeit der Markenverfassung

im Untersuchungsgebiet einzudämmen) jedenfalls nicht auf eine Einschränkung der hochstiftischen Rechte zumal nicht hinsichtlich eines solch wichtigen Rechts wie Immunität durch diese Urkunde schließen, weshalb auch insoweit davon auszugehen ist, daß dem Hochstift zuvor keine Immunität, soweit es das Untersuchungsgebiet betrifft, eingeräumt worden war.70 Was die Zuordnung der Gerichtsgefälle als Hinweis auf das Vorliegen von Immunität betrifft, ist im Gegensatz etwa zum Hochstift Merseburg, dem die königlichen Gerichtsgefälle, mithin zwei Drittel dem Bischof als Gerichtsherrn, ein Drittel dem Hochstiftsvogt als Richter bei Immunitätsverleihung übertragen wurden,71 hinsichtlich des Hochstifts Meißen, soweit es die Zeit vor der Ostsiedlung betrifft, nichts bekannt. Auch der Umstand, daß für den Zeitraum, in dem andere Hochstifter und Klöster Immunität erlangten und in diesem Zusammenhang (Hochstifts-)Vögte eingesetzt wurden, keine Vögte des Hochstifts Meißen bekannt sind, spricht gegen eine Immunitätsverleihung. In Betracht kommt allenfalls, daß die Markgrafen von Meißen als Vertreter des Königs die vogteiliche Gewalt ausübten, wobei insoweit Nachrichten nur bezüglich hochstiftischer Besitzungen außerhalb des Untersuchungsgebiets vorliegen.72 Über wie auch immer geartete Bevogtung der Besitzungen des Hochstifts im Untersuchungsgebiet finden sich aus der Zeit vor Aufkommen der hochstiftischen Landesherrschaft keine Nachrichten. Schlesinger geht insgesamt davon aus, daß „die volle Ausbildung bischöflichen Sonderrechts in Gericht und Verwaltung [. . .] in [. . .] Meißen wohl erst zu einer Zeit, als solche Sonderstellung nun allerdings eine weitgehende Loslösung von der königlichen Gewalt bedeutete, nämlich [. . .] im Zeitalter der werdenden Landesherrschaft“ erfolgte,73 mithin also für die hochstiftischen Besitzungen im Untersuchungsgebiet vor Aufkommen der Landesherrschaft weiterhin die Gerichtsverfassung der noch nicht durch Immunitätsverleihung der (Gerichts-) Herrschaft des Markgrafen (oder Burggrafen) entzogenen Bestandteile der Mark Meißen galt.

III. Krongut Daß sich in Milska eine königliche Hofhaltung mit eigener Wirtschaftsverwaltung befand, führte Kötzschke zu der Ansicht, daß diesen Einheiten nach mittelund westdeutschem Vorbild auch die Rechtspflege oblegen haben muß.74 Jedoch lassen sich keine Belege für das Vorhandensein von besonderen Gerichtsverfassungsstrukturen auf Krongut im Untersuchungsgebiet nachweisen. Soweit es 70

Vgl. Schlesinger, Verfassung und Wirtschaft, S. 36. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 58 m.w. N. 72 Schlesinger, Kirchengeschichte I, S. 249 f.; ders., Gerichtsverfassung, S. 59 f. m.w. N. 73 Schlesinger, Kirchengeschichte I, S. 250. 74 Kötzschke, Vogtei, S. 18. 71

IV. Adel

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überhaupt das gesamte Markengebiet betrifft, mußte auch Schlesinger die Frage, „ob die königlichen iudices, publici exactores fisci usw., die die Immunitätsurkunden neben den comites und vicarii nennen, Richter in den Bezirken königlicher Eigenwirtschaft waren“, offen lassen.75 Schlesinger hält jedoch, soweit es die Gerichtszuständigkeit betrifft, für möglich, daß „diese Gebiete der markgräflichen Gerichtsgewalt entzogen waren. Sie würden dann als Königsimmunitäten neben die adligen Immunitäten treten“.76

IV. Adel Über Gerichtsverfassungsstrukturen in adligen Immunitäten im Untersuchungsgebiet im Zeitraum vor der Ostsiedlung liegen weder hinsichtlich des Marken- noch insbesondere des Untersuchungsgebiets Nachrichten vor. Zwar ist bekannt, daß bereits ab dem 10. Jahrhundert vergleichbar den Vergabungen an die Kirche umfangreicher Besitz, ja ganze Burgwarde an Adlige übertragen wurden.77 Wie aber etwa in den Herrschaftsräumen Wiprechts von Groitzsch, seiner Gemahlin Judith beziehungsweise seines Sohnes Heinrich im Untersuchungsgebiet78 Gerichtsverfassung insoweit ausgestaltet war, läßt sich nicht nachweisen. Auch hinsichtlich des Eigenguts des 1071 erwähnten „Bor“, das dieser später dem Hochstift Meißen übereignete, und der dafür erhaltenen Lehen im Burgward Göda79 oder hinsichtlich der „Ozer“ im selben Jahr entzogenen Königshufen bei Görlitz, die er als „beneficium“ innegehabt hatte,80 läßt sich keine Aussage machen. Schlesinger geht hinsichtlich der Mark Meißen davon aus, daß bereits im 10. und 11. Jahrhundert „jeder dort Gericht hielt, wo er die Macht hatte“.81

75 76 77 78 79 80 81

Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 69 f. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 70. Vgl. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 64 ff. Vgl. Jecht, Besitzverhältnisse, S. 179 ff. CDLS I, S. 9 ff. Näher hierzu Schlesinger, Verfassung und Wirtschaft, S. 37. CDLS I, S. 11 ff. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 68.

C. Landesherrliche Gerichte I. „Placitum provinciale“/Landding Ab dem 12. Jahrhundert sind etwa als placitum provinciale, placitum marchionis, audientia oder lantdinc bezeichnete landesherrliche Gerichte im gesamten alten Markengebiet, mithin auch in den dem Untersuchungsgebiet benachbarten Landschaften, die nicht zum Markengebiet gehörten, nachgewiesen. Soweit es jedenfalls die Mark Meißen betrifft, erwies Schlesinger diese nicht als mit dem Markgrafengericht aus der Zeit der etwa ottonischen Königsherrschaft verwandt. Jenen ähnelten eher die Grafengerichte in der weiterentwickelten Form der Schilderung des Sachsenspiegels. Diese erschienen vielmehr als im Zuge der Entstehung der Landesherrschaft, mithin von Ländern neugebildete landesherrliche Gerichte beziehungsweise deren Vorformen.1 Hinsichtlich des Untersuchungsgebiets liegen heute zwei aufschlußreiche Hinweise auf ein solches Gericht vor, nämlich zwei landesherrliche Urkunden, die eine von 12282, die andere von 12493. Richter war nach den hinsichtlich der placita provincialia außerhalb des Untersuchungsgebiets vorliegenden Quellen der Landesherr persönlich.4 Was das Untersuchungsgebiet anbelangt, geht aus der landesherrlichen Urkunde von 1249 hervor, daß der Streit zwischen zwei Grundherren um die Dörfer „Misseslewitz“ und „Cupsyts“ im Land Budißin „coram nobis in forma judicii“, also vor dem böhmischen König als Landesherrn gerichtsförmig erörtert und entschieden werde,5 mithin auch hier der Landesherr als Richter erscheint. Fraglich ist, ob in diesem Zeitraum noch königliche Bannleihe an den Landesherrn erfolgte. Im Zuge der Entstehung der Landesherrschaft ging auch das wesentliche königliche Herrschaftsrecht Königsbann regelmäßig auf die Landesherren über. Dieses Recht bildete dann kumuliert mit anderen einen Bestandteil der Landeshoheit. Scheyhing ermittelte für den Zeitraum ab dem 13. Jahrhundert Anhaltspunkte für einen Übergang des Rechts am jetzt als Blutbann weiterbestehenden königlichen Gerichtsbann auf den (weltlichen) Landesherrn „als Zubehör“ des „im Lehens1 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 72 ff., 82 ff. m.w. N., 90 f.; vgl. Lück, Supan; ders., Gerichtsverfassung, S. 156 ff. Vgl. Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 23 ff., 92 ff. (Brandenburg); Loesch, Verfassung, S. 120 ff. (Schlesien); Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 29 ff., 41 ff., 102 ff., 112 ff. (Böhmen). 2 CDLS I, S. 42 f. 3 CDS II, 1, S. 131; CDLS I, Anhang, S. 67 f. 4 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 82 f. 5 CDS II, 1, S. 131; CDLS I, Anhang, S. 67, Z. 35; 68, Z. 1 ff.

I. „Placitum provinciale‘‘/Landding

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wege übertragenen Fürstentums“ im Zusammenhang mit Investiturstreit und Entstehung der Landesherrschaft, mithin der Landeshoheit: „Die Territorien der Landesherren schließen sich gerichtsverfassungsrechtlich gegenüber dem Reich ab“.6 Von durch Bannleihe übertragener königlicher Gerichtsgewalt ist auch hinsichtlich der Markgrafen nichts mehr zu hören. Der Markgraf saß dem Landding „auctoritate nostra iudiciaria“ vor, wie es hinsichtlich des Markgrafen von Meißen Anfang des 13. Jahrhunderts heißt. „Bannus“, bei altländischen Grafen auch noch in diesem Zeitraum ausdrücklich bezogen auf den Königsbann, und „auctoritas“, von den Grafen (daneben) für die eigene Gerichtsgewalt gebraucht, erscheinen synonym.7 Auch bezüglich des Untersuchungsgebiets, in dem seit 1158 der böhmische König als Inhaber eines Reichslehns Landesherrschaft ausübte, spricht dieser zwar nicht ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Gericht, jedoch allgemein in der Oberlausitzer Grenzurkunde von 1241 von „auctoritate nostra regia“ 8. Das Gewette des böhmischen Königs hinsichtlich seiner Gerichtszuständigkeit auch in Obergerichtssachen lag wie das des Markgrafen des Sachsenspiegels, der bei seinen eigenen Hulden dingt, bei dreißig Schillingen („triginta solidi“), wie aus der landesherrlichen Urkunde zugunsten des Klosters St. Marienthal noch von 1346, die sich jedoch inhaltlich auf Zuständigkeitsverleihungen beziehungsweise -vorbehalte in einer landesherrlichen Urkunde von 1238/ 1239 bezieht,9 hervorgeht.10 Auch hinsichtlich des Untersuchungsgebiets liegen also Hinweise auf den Übergang der königlichen Gerichtsherrschaft auf den Landesherrn, dessen Stellung mithin mit der des Markgrafen des Sachsenspiegels in der Gerichtsverfassung des Reichs vergleichbar ist, vor. Die insbesondere im alten Markengebiet nachgewiesenen placita provincialia erscheinen nicht etwa hinsichtlich der gesamten Mark oder Grafschaft, mithin der alten königlichen Gerichtsbezirke, sondern im Zuge der Entstehung der Landesherrschaft auf dem Boden des alten Markengebiets als bezogen auf die jeweiligen landesherrlichen Herrschaftsräume neugebildete Gerichte. Schlesinger erwies sie jeweils als „landesherrliches Gericht [. . .] und zugleich für eine Landesversammlung“ hinsichtlich des gesamten betreffenden landesherrlichen Herrschaftsraums.11 Das Landding der wettinischen Mark Meißen erscheint nach Schlesinger als „Gericht der zum landsässigen niederen Adel sich umbildenden Ministerialität“, in dem Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit wie etwa Grund6 Scheyhing, Bannleihe, S. 251 ff., 255 f., 268 ff., 308. So auch Pitz, Verfassungslehre, S. 389 ff., 693 ff.; Kern, Gerichtsverfassungsrecht, S. 12. 7 Nachweise bei Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 89, 92. 8 CDLS I, S. 59 ff., 60, Z. 13 f. 9 Vgl. CDLS I, S. 49 ff., 55 ff. 10 CDLS I, S. 374 ff., 374, Z. 27. In dieser Urkunde wird vom Landesherrn am Ende auch die Formel „sub obtentu gracie nostre“ gebraucht. 11 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 72 ff.,74, 82 ff., 90 f.; vgl. Lück, Supan; ders., Gerichtsverfassung, S. 156 ff.

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C. Landesherrliche Gerichte

stücksübertragungen verhandelt wurden. Es handelte auch in Lehnssachen. Jedoch ist anhand heutiger Quellen eine Zuständigkeit etwa in Obergerichtssachen nicht erkennbar. Solche Sachen wurden vielmehr vor dem Landesherrn ohne Zuziehung der Landesversammlung verhandelt. Die Sachen „der breiten Masse der Bevölkerung“ (Schlesinger), mithin nach der damaligen Bevölkerungsstruktur Bauernsachen wurden nicht hier, sondern vor den ebenfalls ab dem 12. Jahrhundert im mitteldeutschen Osten nachgewiesenen Burggrafengerichten, später Vogtdingen/Landgerichten verhandelt,12 auf die, soweit es das Untersuchungsgebiet betrifft, noch einzugehen sein wird. Vergleichbares gilt, auch wenn sie zum Teil nicht zum alten Markengebiet gehörten, für die übrigen dem Untersuchungsgebiet benachbarten Landschaften.13 Die Urteiler beziehungsweise (als Zeugen) Anwesenden im wettinischen placitum provinciale waren mithin vor allem Edelfreie und Ministeriale, die bald auch hier diese altländische Unterscheidung aufzugeben und einen einzigen Stand, nämlich den des landsässigen Adels zu bilden begannen. Außerdem waren anwesend die Burggrafen, diese jedoch als Vorsitzende ihres eigenen Gerichts, und Geistliche (etwa Bischöfe) des Landes. Bauern sind als Dingpflichtige zwar nicht nachgewiesen, erscheinen aber ebenfalls, waren mithin vom Gericht nicht ausgeschlossen. Daß sie Partei waren oder Urteiler beziehungsweise Zeugen stellten, ist nach heutiger Quellenlage nicht bezeugt. Kern der Dingpflichtigen bildete nach Schlesinger mithin die „landesherrliche Ministerialität, die milites provinciales [. . .], an die sich andere Bevölkerungsgruppen angliederten.“ 14 Schöffen, also aus der Masse der Dingpflichtigen herausgehobene ständig bestellte Urteiler, sind nicht nachgewiesen, war das „Landding der Mark“ nach Schlesinger „kein Schöffengericht“.15 Ähnliches gilt etwa für Brandenburg und Schlesien.16 Zwar ist die Klärung von Fragen im Zusammenhang mit der Qualität einer herrschaftlichen Genossenschaft als Land nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Jedoch zeigt sich, daß sich die moderne Forschung insoweit zentraler gerichtsverfassungsrechtlicher Kategorien bedient. Nach herrschender, auf O. Brunner17 zurückgehender und heute allgemein anerkannter18 Meinung war, wie bereits in der Einleitung angedeutet, ein Land – etwa terra oder provincia genannt – eine im Zuge der Entstehung der Landesherrschaft und der Bildung nicht mehr (nur) personal, sondern (auch) dinglich angebundener Rechtsverhältnisse mit den Herrschaftsunterworfenen entstandene, also gebietsbezogene herrschaftliche Genos12

Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 88 ff., 92 f. Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 23 ff., 92 ff.; Loesch, Verfassung, S. 120 ff.; Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 29 ff., 41 ff., 102 ff., 112 ff. 14 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 90 f. 15 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 85 ff. 16 Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 23 ff., 92 ff.; Loesch, Verfassung, S. 130 ff. 17 Brunner, Land und Herrschaft, S. 165 ff., 180 ff., 231 ff. 18 Vgl. Pitz, Verfassungslehre, S. 246 ff., 253 ff. 13

I. „Placitum provinciale‘‘/Landding

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senschaft. Diese war dadurch charakterisiert, daß eine „Landesgemeinde“ in einem „Gerichtsbezirk“ nach einem gemeinsamen „Recht“ lebte. Brunner vermochte es wie angesprochen jedoch nicht, die Verbindung zwischen „Genossenschaft“, „Recht“ und „Gericht“ herzustellen. Dies gelang erst neuerdings Weitzel mit seinen Untersuchungen zum „dinggenossenschaftlichen Prinzip“, wonach bei Abwesenheit schriftlicher Rechtsquellen Rechtsbildung durch Urteilsfindung im mit Urteilern aus dem Kreis der Rechtsgenossen der Partei besetzten Gericht erfolgte. Damit war sichergestellt, daß es die betreffende Genossenschaft war, in deren Händen die Bildung, Stabilisierung und Weiterentwicklung ihres Rechts lag. Dem Herrschaftsträger kam (lediglich) die Aufgabe zu, dieses durch Rechtsgebot und Rechtszwang durchzusetzen und damit dessen Geltung zu schützen. Land war nach Schlesinger ab dem 12. Jahrhundert auch im Markengebiet eine Umschreibung für eine Rechtsgemeinschaft eines landesherrlichen Herrschaftsraums. Die placita provincalia in dem Untersuchungsgebiet benachbarten Landschaften erscheinen in diesem Sinn jeweils als für den gesamten betreffenden landesherrlichen Herrschaftsraum zuständige Gerichte und Landesversammlungen, in denen mithin Urteil und Recht hinsichtlich der (Beteiligten aus der) diesem Gericht unterworfenen, also der in dem betreffenden landesherrlichen Herrschaftsraum ansässigen Rechtsgemeinschaft des (landsässigen) Adels gefunden beziehungsweise geschaffen und erhalten wurde.19 Was das Untersuchungsgebiet betrifft, nennt eine im Zusammenhang mit einem Landerwerb durch das Domstift St. Petri zu Budißin erteilte landesherrliche Urkunde von 1228 erstmals „in provinciali placito consedentes“ „in Budessinensi provincia“.20 In der bereits genannten, in „Budissin“ ausgestellten Urkunde von 1249 teilt der Landesherr mit, daß nach Erörterung einer Rechtsstreitigkeit um die Rechte an diesen Dörfern „coram nobis in forma judicii“ die Dörfer „Misseslewitz“ und „Cupsyts“ „praesidentes in Budissin cum universis terrae baronibus et nobilibus, sicut moris est, iudicio generali“ der Probstei zu Wissehrad zuerkannt worden seien.21 Leider fehlen heute weitere Quellen auch in bezug auf die Zuständigkeiten des Gerichts. Ob hinsichtlich der genannten „barones et nobiles“ eine Unterscheidung nach Ständen nach böhmischen22 oder etwa nach Vorbild des benachbarten Markengebiets erfolgte, ist unklar. Die Formulierung deutet entweder darauf hin, daß wie im Altreich noch nach Edelfreien und Ministerialen unterschieden wurde, mithin die altländische Schichtung des Adels gemeint war, oder darauf, daß – wie es (später) (in Böhmen) der Fall war – bereits eine Differenzierung innerhalb des (aus Edelfreien und Ministerialen entstandenen) landsässigen Adels nach Inhabern der großen beziehungsweise kleinen 19

Vgl. Schlesinger, Landesherrschaft, S. 12 ff., 14. CDLS I, S. 42, Z 2; 43, Z. 3 f. 21 CDS II, 1, S. 131, Z. 8 ff.; CDLS I, Anhang, S. 67, Z. 35; S. 68, 6 ff.; Tzschoppe/ Stenzel, Urkundensammlung, S. 314 f. 22 Hierzu Luschin, Grundriß, S. 185 ff. 20

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C. Landesherrliche Gerichte

Grundherrschaften erfolgte.23 Wie die Formulierung „sic mores est“ besagt, müssen diese Strukturen schon länger bestanden haben. Aus beiden Urkunden ergeben sich keine Hinweise auf das Bestehen der Schöffenverfassung. Die dem „placitum provinviale“ in Budißin unterworfene Genossenschaft, die die Gerichtspersonen stellte, war bei Betrachtung beider Quellen folglich der zum landsässigen Adel werdende Adel der „provincia“ beziehungsweise „terra“ Budissin“, also des wie erörtert damals noch ungeteilten landesherrlichen Herrschaftsraums der böhmischen Könige im Untersuchungsgebiet mit Ausnahme des Landes Zittau. Von Bauern als Gerichtspersonen ist nicht die Rede. Auch hinsichtlich der Gerichtsverfassung des placitum provinciale in Budißin auf genossenschaftlicher Seite ergeben sich keine Abweichungen zu den Verhältnissen etwa in der wettinischen Mark Meißen. Diese Genossenschaft handelte (durch ihre Vertreter) mithin in einem gemeinsamem Landding oder einer Landesversammlung, wo Urteil zwischen den Parteien und damit Recht für die gesamte Genossenschaft gefunden beziehungsweise gebildet und weiterentwickelt wurde.24 Dies deutet gerade unter Zugrundelegung des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ auf die Eigenschaft dieser Genossenschaft als Land hin. Um Landstände handelte es sich freilich (noch) nicht.25 Gerichtszeiten sind hinsichtlich der Landdinge der benachbarten Mark Meißen, nicht für das Land Budißin bezeugt. Das Landding in den benachbarten Marken konnte mehrere Tage, auch eine Woche dauern. Es fand statt wohl im Abstand von sechs oder vier Wochen statt.26 Die placita provinvialia des alten Markengebiets tagten nicht nur an einem Ort, sondern an mehreren wechselweise.27 Ausdrücklich als Gerichtsort des Landdinges im Untersuchungsgebiet ist wie gesehen in der Urkunde von 1249 „Budissin“ belegt, wobei wohl an die dort bereits bestehende Burg zu denken ist. Ob die Gerichtsorte innerhalb des Landes Budißin wechselten, ist aufgrund des Fehlens weiterer Quellen heute nicht mehr nachzuweisen. Dafür, daß mit Blick auf den gesamten Herrschaftsraum des böhmischen Königs, also einschließlich des Königreichs Böhmen die Gerichtsorte des persönlichen Gerichts des Landesherrn wechselten, ist diese Urkunde jedenfalls Beweis. Als Ergebnis ist festzuhalten: In den Quellen des 12. Jahrhunderts erscheint auch im Untersuchungsgebiet zunächst ein landesherrliches „placitum provinciale“ mit Sitz in Budißin, zuständig für die „provincia Budissin“. Die Gerichts23

Vgl. zu den späteren Verhältnissen Knothe, Adel I, S. 8 ff. So auch Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 92; Reuther, Verfassung, S. 87. 25 Die von Reuther ohne Quellenbezug behauptete Teilnahme auch von Vertretern der Geistlichkeit und aus den landesherrlichen Städten ist für diesen Zeitraum nicht belegt (vgl. Reuther, Verfassung, S. 87); allgemein Pitz, Verfassungslehre, S. 397). 26 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 84 f. 27 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 72 ff.,74, 82 ff.; vgl. Lück, Supan; ders., Gerichtsverfassung, S. 156 ff. 24

II. Burggrafengericht zu Budißin

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verfassung dieses Gerichts weicht, soweit nach heute vorhandenen Quellen zu sehen, nicht von der im übrigen Ostsiedlungsraum, insbesondere in Meißen vorgefundenen landesherrlichen placita provincialia ab. Die Entstehung dieses Gerichts ist eng mit der Entstehung der Landesherrschaft im Untersuchungsgebiet verflochten. Es handelte sich mithin um ein landesherrliches Gericht, in dem die dem Gericht unterworfene Genossenschaft die Urteiler waren, die insoweit Urteil und damit Recht für die Genossenschaft bildeten. Es war jedoch wohl ebenfalls herrschaftlich geprägt. Hinsichtlich damit zusammenhängender Einzelfragen ist auf die Befunde hinsichtlich der Gerichtsverfassung der placita provincialia im übrigen Kolonisationsgebiet zu verweisen. Die diesem Gericht unterworfene Rechtsgemeinschaft erscheint als Land, das Land Budißin, wobei näheres auch über die genossenschaftlichen Rechte nur durch Vergleich ermittelbar ist.

II. Burggrafengericht zu Budißin In Ostmitteldeutschland treten ab der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, insbesondere seit Herrschaftsantritt Kaiser Konrads III28 regelmäßig als „praefectus“, „castellanus“ oder „burchgravius“ 29 bezeichnete Burggrafen, königliche Amtsträger auf Reichsburgen,30 auf. Seit 118131 sind im mitteldeutschen Osten mithin königliche Burggrafengerichte nachgewiesen.32 Die Landesherren erwarben zunächst vom König (mit den Gerichtsgefällen) die Gerichtsherrschaft über die Burggrafengerichte, ohne diese gerichtsverfassungsrechtlich zu verändern, um dann – sichtbar an der Zuordnung der Richterdrittel an den Gerichtsgefällen – die Burggrafen zugunsten ihrer Vögte vom Richterposten zu verdrängen. Hieraus entstanden bei Übernahme der bisherigen Gerichtsverfassung die Vogtdinge/ Landgerichte im Markengebiet und mithin im gesamten Ostsiedlungsraum, auf die noch einzugehen ist.33 Die Burg Budißin wird beim Chronisten Thietmar für das Jahr 1002 erstmals, und zwar mit einem Hinweis auf das Vorhandensein da28 Burggrafen werden zwar vereinzelt schon vorher genannt, jedoch erfolgte durch Konrad III. wohl im Zuge einer Neuorganisation ein Ausbau der auf Burggrafschaften gegründeten königlichen Verwaltung (näher Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 102 ff.; Helbig, Ständestaat, S. 209 ff., 272). 29 Vgl. Nachweise bei Rietschel, Burggrafenamt, S. 219 ff. 30 Zum Begriff Zotz, Burggraf, Sp. 762 ff. 31 Vgl. CDS I, 2, S. 308 ff. 32 Näher zu den Burggrafschaften im mitteldeutschen Osten Helbig, Ständestaat, S. 204 ff., 273 ff.; grundlegend Rietschel, Burggrafenamt, S. 219 ff. Vgl. Zusammenstellung der Nachweise für Burggrafen im ostmitteldeutschen Raum bei Helbig, Ständestaat, S. 206. Zur Gerichtsverfassung der Burggrafengerichte Lück, Gerichtsverfassung, S. 156 f.; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 92 ff. 33 Näher Lück, Supan, S. 83 ff.; ders., Gerichtsverfassung, S. 156 ff.; Helbig, Ständestaat, S. 204 ff., 253 ff., 273 ff.; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 92 ff., 215 ff.; grundlegend Rietschel, Burggrafenamt, S. 215 ff.

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C. Landesherrliche Gerichte

mit zusammenhängender Herrschaftsrechte genannt: „civitas Budusin cum omnibus appertinenciis“ 34. Nach Kötzschke war die Burg Budißin bereits zu dieser Zeit den übrigen Burgbezirken in Milska als „Hauptort weltlicher und kirchlicher Verwaltung“ vorangestellt.35 Für die Stellung Budißins als Verwaltungsmittelpunkt des Königs beziehungsweise Markgrafen im pagus Milska spricht, daß sich allein hinsichtlich der Burg Budißin bis 1006/1007, also bis zum Beginn des 11. Jahrhunderts die kurze Zeit später im Zusammenhang mit den königlichen Burggrafschaften des übrigen Ostmitteldeutschland36 erscheinende Wachverpflichtung der Bevölkerung, später abgelöst durch den Wachzins37,38 zurückverfolgen läßt. In einer Urkunde von 1144 entschied der König hinsichtlich der Burg Budißin: „In provincia [. . .] Miltse villae episcopi et fratrum [. . .] publicas vigilias secundum morem terrae faciant“.39 Mit den „villae“ konnten nur die vom König dem Hochstift Meißen 1006/1007 geschenkten drei Burgwarde im pagus Milska gemeint sein,40 da das Hochstift im pagus Milska 1144 nicht über anderen vergleichbaren Besitz verfügte.41 Die drei Burgwarde waren zwar vom König 1006/1007 „cum omnibus eorum pertinentiis“ 42 vergeben worden, jedoch hatte sich der König, wie sich anhand der Königsurkunde von 1144 zeigt, damals das Recht auf Wachdienst und wohl weitere Rechte vorbehalten.43 Nähere Hinweise auf die Ausgestaltung der Gerichtsverfassung der im Untersuchungsgebiet bestehenden Burggrafengerichte liegen heute nicht (mehr) vor. In zwei Urkunden Markgraf Konrads von 1156, also noch aus dem Zeitraum der Zugehörigkeit Milskas zur Mark, wird unter dessen Zeugen eines „Tidricus castellanus de Budesin“ 44 beziehungsweise „Theodoricus castellanus de Bodesin“ 45 gedacht. Stellung und Funktion sämtlicher im mitteldeutschen Osten ursprünglich vorkommender Burggrafen sind insbesondere aufgrund ihres Standes als Edelfreie und als Inhaber des Wachzinses vergleichbar.46 Auch „Tidricus“ ist, 34

Zitiert nach Billig, Burgwardorganisation, S. 27; Blaschke, Staat, S. 143. Kötzschke, Vogtei, S. 17. 36 Hierzu Helbig, Ständesstaat, S. 204 ff.; Rietschel, Burggrafenamt, S. 219 ff. 37 Wulf, Wachzins, Sp. 1074 ff. 38 Näher Rietschel, Burggrafenamt, S. 238 ff. 39 CDS II, 1, S. 50 f., 51, Z. 12 ff. 40 Vgl. CDS II, 1, S. 24, Z. 7 ff. 41 Vgl. Knothe, Besitzungen, S. 158 ff. Die mit Urkunde von 1071 geschenkten acht königlichen Hufen „in villa Goreliz“ (CDS II, 1, S. 35, Z. 14), die allein daneben in Betracht kommen, können nicht gemeint sein. 42 CDS II, 1, S. 24, Z. 5 f. 43 Vgl. Schlesinger, Burgen, S. 185. 44 CDS II, 1, S. 176 ff., 178, Z. 36 f. 45 CDS II, 1, S. 179 ff., 181, Z. 21. 46 Näher Helbig, Ständestaat, S. 204 ff., 272 ff.; Rietschel, Burggrafenamt, S. 223 ff.; 238 ff. Der „dritte Pfennig“ ist ebenfalls im Zusammenhang mit mehreren Burggrafschaften nachgewiesen (vgl. Rietschel, Burggrafenamt, S. 232 ff.). 35

II. Burggrafengericht zu Budißin

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da ebenfalls edelfrei47 und wohl Inhaber des Wachzinses48, als Burggraf ostmitteldeutscher Prägung anzusehen, ist mithin von der Geltung der ostmitteldeutschen Burggrafenverfassung auch im Untersuchungsgebiet auszugehen, wonach der Burggraf Richter im Burggrafengericht war.49 Anzunehmen ist, daß es sich auch bei ihm (noch) um einen königlichen Amtsträger handelte.50 Hierfür spricht, daß das „castrum Budesin“ in der Königsurkunde von 1144 im Gegensatz zu den übrigen hier genannten „castra“ in benachbarten, zum Teil im Untersuchungsgebiet liegenden Landschaften ausdrücklich nicht als „castrum marchionis“,51 also gerade nicht als in freier Verfügung des hier bereits als Inhaber des Burgregals auftretenden Markgrafen befindlich bezeichnet wird.52 Der deutsche König hatte noch 1156 Verfügungsmacht über Milska samt der Burg Budißin, wie sich an der Belehnung des böhmischen Königs mit dem pagus Milska als Reichslehn 1158 durch Kaiser Friedrich Barbarossa53 und der Erwähnung Budißins als Krongut im (den Zeitraum ab 1152 spiegelnden) staufischen Tafelgüterverzeichnis54 zeigt.55 Über die Gerichtsverfassung im Untersuchungsgebiet in diesem Zeitraum ist jedoch weiter nichts bekannt, insbesondere nicht über das Vorhandensein des hin47 In beiden Quellen, die ihn nennen, begegnet er in der Zeugenreihe jeweils hinter der Geistlichkeit und unter den Edelfreien (CDS I, 2, S. 176 ff., 178, Z. 33 ff.; I, 2, S. 179 ff., 181, Z. 18 ff.). Vgl. Kötzschke, Vogtei, S. 18 f. 48 Dies ist zwar nicht im Zusammenhang mit ihm belegt, jedoch bereits 1144 im Zusammenhang mit der Burg Budißin (CDLS I, S. 20 f., 21, Z. 12) und noch 1245 („wachkorn“) im Zusammenhang mit „Benisius, Budisinensis burgravius“ (CDLS I, S. 76, Z. 3 ff.). 49 Vgl. Rietschel, Burggrafenamt, S. 219 ff., 253; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 102 f. Der für andere Burggrafschaften nachgewiesene „dritte Pfennig“ ist im Zusammenhang mit der Burg Budißin nicht bezeugt. 50 Für dessen Stellung als königlicher Amtsträger ohne Begründung zuletzt Kobuch, Tafelgüter, S. 344 f.; Schrage, Oberlausitz, S. 65. Rietschel enthielt sich in seiner grundlegenden Arbeit über das Burggrafenamt dagegen jeder Bewertung (vgl. ders., Burggrafenamt, S. 253). 51 Vgl. CDS II, 1, S. 50 f., 51, Z. 11 ff. 52 Näher zur Differenzierung zwischen königlichen und landesherrlichen castra in dieser Urkunde Helbig, Ständestaat, S. 37 f. Näher zum Übergang des Burgregals an die aufstrebenden Landesherren im allgemeinen ders., Ständestaat, S. 35 ff. 53 Vgl. Blaschke, Landstände, S. 49. 54 Näher zum Tafelgüterverzeichnis allgemein Rösener, Sächsische Königshöfe, S. 288 ff.; Kölzer, Tafelgut, Tafelgüterverzeichnis, Sp. 109 ff. Näher zu seiner Bedeutung hinsichtlich des Untersuchungsgebiets und insbesondere Budißins Kobuch, Tafelgüter, S. 340 ff.; Schrage, Oberlausitz, S. 64 m.w. N. 55 Vgl. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 102. Dagegen spricht, daß der Budißiner Burggraf in den Urkunden von 1156 als Zeuge hinter „Hermannus comes urbis Misnensis“ (CDS I, 2, S. 176 ff., 178, Z. 36 ff.) beziehungsweise „Hermannus urbis comes“ (CDS I, 2, S. 179 ff., 181, Z. 20 ff.) erscheint, Burggraf Hermann jedoch zu dieser Zeit wohl Vasall der Markgrafen von Meißen war (näher Helbig, Ständestaat, S. 214 f.; Rietschel, Burggrafenamt, S. 249). Hermann begegnet 1150 als „fidelissimus meus“ (CDS I, 2, S. 154, Z. 13) und 1165 als „fidelis noster“ (CDS I, 2, S. 208, Z. 13) des jeweiligen Markgrafen von Meißen.

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C. Landesherrliche Gerichte

sichtlich der übrigen Burggrafschaften wie angesprochen nachgewiesenen „dritten Pfennigs“, also des Richterdrittels, das dem Burggrafen zukam. Zwischen 1159 und 1245 erscheinen wiederum „Praefecti“, „castellani“ beziehungsweise „burgravii“ im Land Budißin. „Henricus burggravius“ begegnet 1232 zugleich als „advocatus de Budesin“.56 Die böhmische Kastellaneiverfassung löste die Burggrafenverfassung im Land Budißin nicht ab. Mithin wichen Stellung und Funktion der nunmehr genannten, hier deshalb als Burggrafen/Kastellane bezeichneten Gerichtspersonen auch gerichtsverfassungsrechtlich von dem des 1156 genannten Burggrafen nicht ab. Vielmehr flossen die bisherigen Strukturen zusammen, bestanden die Gerichte mithin nur jetzt als landesherrliche fort. Wie erörtert, war die böhmische Kastellaneiverfassung mit der auch im Untersuchungsgebiet in Gebrauch gewesenen mittelostdeutschen Burggrafenverfassung der Struktur nach verwandt. Insbesondere erscheinen 1245 die Burggrafen/Kastellane im Untersuchungsgebiet ausdrücklich mit dem Recht am „wachkorn“.57 Zwar nicht ausdrücklich der Budißiner „castellanus“, jedoch 1249 ein „iudex provincialis“ übte wie der ostmitteldeutsche Burggraf in Budißin „omnem jurisdictionem temporalem“ aus.58 Wohl auch im Königreich Böhmen, wo das Amt des „iudex provincialis“ erst später neben das des Kastellans trat, hatten die Kastellane ursprünglich über die umfassende weltliche Gerichtszuständigkeit in ihrer Kastellanei verfügt.59 Das Burggrafenamt wurde im Land Budißin anders als im übrigen Ostmitteldeutschland nicht erbliches (Reichs-)Lehn,60 sondern die Budißiner Burggrafen/Kastellane waren nun wie im übrigen Geltungsbereich der böhmischen Kastellaneiverfassung jeweils von der Landesherrschaft dem böhmischen Herrenstand entnommene absetzbare landesherrliche Amtsträger mit zunächst umfassenden Zuständigkeiten.61 1248 urkundet „Jindrˇich purkrabie z Zˇitavy“ 62, also „Heinrich Burggraf von Zittau“ 63, bei dem es sich wohl zu dieser 56 Nachweise bei Schrage, Oberlausitz, S. 67; Rietschel, Burggrafenamt, S. 253, Anm. 4; Reuther, Verfassung, S. 104, der jedoch den 1159 genannten „Stibor“ (Nachweise bei Kobuch, Tafelgüter, S. 346, Anm. 316) übersah; besser Seeliger, Heimatkunde, S. 32, Anm. 19. 57 Vgl. CDLS I, S. 76, Z. 3 ff. Leider fehlen im Gegensatz zu anderen ostmitteldeutschen Burggrafschaften weitere Merkmale, die auf strukturelle Verwandtschaft deuten, insbesondere jegliche Hinweise auf Gerichtsgefälle, insbesondere auf den Dritten Pfennig des Burggrafen als Richter. 58 CDLS I, S. 79 f., 80, Z. 15 ff. 59 Hierfür spricht die erst spätere Erwähnung eines besonderen iudex provincialis in der Kastellanei (Peterka, Rechtsgeschichte, S. 36). Vgl. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 103 f. 60 Vgl. zu den einzelnen Burggrafengeschlechtern Helbig, Ständestaat, S. 204 ff. 61 Kötzschke, Vogtei, S. 21; Rietschel, Burggrafenamt, S. 250, 253 f. Zum Burggrafenamt in der böhmischen Kastellanatsverfassung Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 35 ff.; Luschin, Grundriß, S. 181 ff. 62 Abschrift aus dem 16. Jahrhundert der im Original verlorenen Urkunde bei RBM I, S. 562.

II. Burggrafengericht zu Budißin

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Zeit um einen Burggrafen/Kastellan einer eigenen Zittauer Burggrafschaft/Kastellanie, die nach dem Muster Budißins, mithin ostmitteldeutscher Burggrafschaften gestaltet war, handelt. Weitere unmittelbare Hinweise auf die Verfassungsstrukturen im Land Zittau in diesem Zeitraum fehlen zwar. Jedenfalls für eine Verwandtschaft der damaligen Verfassungsstrukturen im Land Zittau mit denen im Land Budißin spricht jedoch, daß derselbe Heinrich zuvor Burggraf/Kastellan von Budißin war, darüber hinaus vor allem das Erscheinen von „advocati“ in der genannten Urkunde Heinrichs von 1248 genauso wie in einer zeitgenössischen Urkunde des Burggrafen/Kastellans von Budißin.64 Burggrafen/Kastellane im erörterten Sinn sind ab der Mitte des 13. Jahrhunderts nicht mehr im Untersuchungsgebiet nachzuweisen.65 1249 wird in einer landesherrlichen Urkunde, in der der Wachzins und die Gerichtszuständigkeit in bestimmten Dörfern an das Hochstift Meißen vergeben 63 Übersetzung von Prochno, Urkunde, S. 40. Vgl. Regest bei Prochno, Zittauer Urkundenbuch, S. 88 f. 64 Seeliger (ders., Heimatkunde, S. 33), und Reuther (ders., Verfassung, S. 85) befürworten das Bestehen einer böhmischen Kastellanie in Zittau, während Weizsäcker Zweifel äußert (ders., Landgericht, S. 2 f.). Kötzschke äußert sich widersprüchlich (befürwortend ders./Kretzschmar, Geschichte, S. 87; ablehnend ders., Vogtei, S. 30). Heinrich war bis 1240 Burggraf von Budißin (Nachweise bei Reuther, Verfassung, S. 104; vgl. Schrage, Oberlausitz, S. 79). Für die Stellung Heinrichs als Burggraf/Kastellan von Zittau Budißiner, mithin ostmitteldeutscher Prägung spricht die Nennung von „Litold advokát, Herbert advokát“ unter den Zeugen Heinrichs in der Urkunde von 1248 (RBM I, S. 562). 1245 erscheinen unter den Zeugen des Burggrafen von Budißin ein „Berwicus aduocatus“ sowie ein „Teodericus aduocatus“ (CDLS I, S. 76, Z. 28 f.). „Advocati“ oder „villici“ erscheinen auch in den ostmitteldeutschen Burggrafschaften (Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 92 ff.) und in den böhmischen Kastellanien (Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 36) als gegenüber den Burggrafen beziehungsweise Kastellanen rangniedrigere Vögte. 65 Der in einer Urkunde des Guardians des Klosters zu Budißin und anderer „milites“ und „scabini“ der Stadt Budißin von 1283 in der Zeugenreihe u. a. hinter weiteren „milites“ genannte „Dithmarus de Borc castellanus in Budesyn“ (CDLS I, S. 112 f., 113, Z. 18) war entgegen Schrage, Oberlausitz, S. 82 f., kein Burggraf/Kastellan im erörterten Sinn. Er gehörte vor allem nicht dem Stand der Edelfreien an. Es handelte sich hier wohl vergleichbar den Verhältnissen in der Mark Brandenburg (vgl. Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 101 ff. m.w. N.) um eine Neuschöpfung des Landesherrn als der Stellung des Vogts ähnlicher, nicht mehr über die burggräflichen Rechte verfügender Befehlshaber in einer Burg. Soweit es den 1262 genannten „Conradus“, Burggrafen von Rohnau (Prochno Urkundenbuch, S. 17), und den 1332 genannten „Jeroslaus de Slibejn, castellanus in Ranow“ (Rohnau) (Prochno, Urkundenbuch, S. 45) angeht, handelt es sich um spätere Neuschöpfungen mit Sitz auf der Burg Rohnau, über die weitere Nachrichten fehlen. Deren Befugnisse werden nicht mehr denen eines früheren Kastellans vergleichbar gewesen sein, zumal nicht nach Zerfall der Kastellanatsverfassung und Ausbildung von Zittauer Vogtei, Grundherrschaften und Verfassung der Stadt Zittau. Mithin wurde die Burg Rohnau selbst oftmals von der Landesherrschaft an Grundherren verlehnt (vgl. Schrage, Oberlausitz, S. 87). Möglicherweise handelte es sich bei ihnen wie bei Kastellanen im Königreich Böhmen daher mehr um Grundherren als um Amtsträger, wofür Inhalt der Urkunde von 1332 sowie Zeitraum des jeweiligen Erscheinens sprechen (vgl. Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 123).

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C. Landesherrliche Gerichte

werden, anstatt eines Burggrafen eines „iudex provincialis terre Budissinensis“ gedacht, der „omnem iurisdictionem temporalem in bonis prefatis“ [in den von der Landesherrschaft dem Bistum Meißen vergabten Dörfern – HvS] auszuüben pflegt.66 Der „iudex provincialis“ in Budißin verfügte also über die umfassenden Zuständigkeiten, die der ursprünglich königliche Burggraf des mitteldeutschen Ostens und der böhmische Kastellan innegehabt hatten. Der „iudex provincialis“ erscheint als alleiniger Amtsträger mit dieser Funktion in Budißin, und zwar in einer Urkunde, die auch des Wachkorns, also (ehemaliger) Rechte des Burggrafen gedenkt. Die Urkunde ist aber kein Nachweis für ein Aufhören des Burggrafen-/Kastellansamtes im Untersuchungsgebiet,67 da das identisch benannte Amt in Böhmen neben jenem bestand und der iudex provincialis in dieser Urkunde nicht als Inhaber des Wachzinses erscheint. Die Ursprünge des im Untersuchungsgebiet genannten Amtes des „iudex provincialis“ liegen in Böhmen, wo es seit König Wladislaw II. neben dem Kastellansamt bestand. In der Zeit des Verfalls der Kastellanatsverfassung im 13. Jahrhundert versuchten die böhmischen Könige, mit Einrichtung von Cúden, Gerichten mit jeweils zwei vom König ernannten iudices provinciales, justiciarii oder popravci, die landesherrliche Herrschaft zu festigen. Der iudex provincialis oder Zudar war für die Rechtspflege in dem umfassenden Sinn, wie sie der Burggraf ausgeübt hatte, zuständig. Nach Auftreten der villici auch in Böhmen erscheint der iudex provinvialis höherrangig als der villicus, denn nach dem böhmischen ius conradi durfte zwar der iudex provincialis den villicus, nicht aber der villicus den iudex provincialis vertreten.68 In der Urkunde wird der „iudex provincialis“ denn nur im Zusammenhang mit „omnia jurisdictio temporalia“ genannt, nicht mit dem Wachzins, der lediglich im Zusammenhang mit dem „castrum Budessin“ erscheint („omnem iurisdictionem temporalem quam judex provincialis terre Budissinensis in bonis prefatis [die von der Landesherrschaft vergabten Dörfer – HvS] exercere consueuit, ac omnem annonam, que de isdem uillis ad uigilias castri Budissinensis solui consueuit plenarie annuatim“.69 Dies macht über den Umstand derselben Bezeichnung hinaus die Funktion und Stellung des Budißiner iudex provincialis vergleichbar mit denen des iudex provinvialis der böhmischen Kastellanatsverfassung, dessen Amt zunächst neben jenem des Burggrafen stand.70 Die Urkunde ist 66

CDLS I, S. 79 f., 80, Z. 15 ff. So aber Schrage, die die von ihr behauptete Verwandtschaft zwischen dem 1249 für das Untersuchungsgebiet bezeugten „iudex provincialis“ und den zumal erst später genannten „iudices terrae“ beziehungsweise „provinciales“ auf Reichsgut im Pleißen-, im Egerland und in Nürnberg (vgl. Schlesinger, Egerland, S. 73 ff. m.w. N.) nicht nachweist (vgl. Schrage, Oberlausitz, S. 69). 68 Kapras, Rechtsgeschichte I, S. 31; näher zur Stellung der iudices provinciales oder Zudare in der böhmischen Kastellanatsverfassung Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 36, 43 f.; Luschin, Grundriß, S. 181 ff. 69 CDLS I, S. 79 f., 80, Z. 15 ff. 70 Vgl. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 104 f. 67

II. Burggrafengericht zu Budißin

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damit ein Nachweis dafür, daß, indem der Burggraf seine gerichtlichen Kompetenzen an den iudex provincialis abgegeben hatte, auch im Untersuchungsgebiet insoweit ähnliche Verhältnisse bestanden wie in Böhmen. Hinweise auf Gerichtsgefälle aus den Burggrafengerichten des wettinischen Markengebiets und deren Drittelung sind ab dem 12. Jahrhundert vorhanden, jedoch nicht hinsichtlich des Untersuchungsgebiets.71 Zwei Drittel hatten zunächst dem deutschen König als Gerichtsherrn der ursprünglich königlichen Burggrafengerichte zugestanden und wurden etwa in der Zeit des staufisch-welfischen Doppelkönigtums von den Markgrafen von Meißen als Landesherren nach und nach usurpiert beziehungsweise diesen verliehen.72 Aus der Zuordnung der Herrschaftsdrittel läßt sich die Gerichtsherrschaft über die Burggrafengerichte im Markengebiet ableiten, die mithin zunächst bei den deutschen Königen, dann bei den Markgrafen von Meißen lag.73 Rückschlüsse auf die Verhältnisse im Untersuchungsgebiet lassen sich, soweit es die Gerichtsherrschaft betrifft, mithilfe der Gerichtsgefälle nicht ziehen, da Hinweise auf die Herrschaftsdrittel im Zusammenhang mit dem Budißiner Burggrafending fehlen. Hier wird das Bild erst nach 1158, also nach Belehnung des böhmischen Königs mit dem pagus Milksa aufgrund anderer Hinweise klarer. Auch der „dritte Pfennig“, das Richterdrittel, ist, wie Rietschel nachwies, zwar im Zusammenhang mit den Burggrafen an Saale und mittlerer Elbe, jedoch nicht hinsichtlich des 1156 auftretenden Burggrafen zu Budißin erweislich,74 nach Helbig auch nur insoweit, als sich die Schöffenverfassung durchgesetzt hatte.75 Indes handelte es sich wie gesehen bei allen Burggrafengerichten, mithin auch bei jenem in Budißin, um Schöffengerichte. Der „dritte Pfennig“ stand dem Burggrafen „ratione burgraviatus“ 76, also aufgrund seiner Stellung als Burggraf zu.77 Dieses Drittel war den königlichen Burggrafen ursprünglich vom deutschen König als ihrem Gerichtsherrn eingeräumt worden und erscheint noch im späten Mittelalter im Zusammenhang mit der meißnischen Burggrafschaft, mithin im Gegensatz zu den Königsdritteln nicht als Recht des Markgrafen.78 Wegen des regelmäßigen Auftretens des „dritten Pfennigs“ im Zusammenhang mit den übrigen Burggrafschaften ist anzunehmen, daß auch – zumindest bis 1158 – beim Burggrafengericht zu Budißin das Richterdrittel des Burggrafen anfiel.79 Wie zu sehen sein wird, erscheinen auch 71 Nachweise bei Rietschel, Burggrafenamt, S. 232 ff.; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 96 ff. 72 Helbig, Ständestaat, S. 253 ff., 260 f. 73 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 101 f.; Helbig, Ständestaat, S. 254 m.w. N. 74 Vgl. Nachweise bei Rietschel, Burggrafenamt, S. 232 ff., 253. 75 Helbig, Ständestaat, S. 253. 76 Nachweis bei Rietschel, Burggrafenamt, S. 234, Anm. 1. 77 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 96. 78 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 96 ff. m.w. N. 79 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 103.

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C. Landesherrliche Gerichte

im Untersuchungsgebiet später die landesherrlichen Vögte als Richter im Vogtding. Ihnen kam – etwa nach der noch näher zu beleuchtenden landesherrlichen Urkunde von 1303 hinsichtlich des Görlitzer Vogtdings80 – dann auch das Richterdrittel zu. Über königliche beziehungsweise landesherrliche Bannleihe an den Burggrafen/Kastellan beziehungsweise den iudex provincialis ist nichts bekannt. Jedoch muß davon ausgegangen werden, daß noch nicht hinsichtlich des 1156 genannten Burggrafen, jedoch im weiteren Verlauf dem Landesherrn nicht nur der königliche Gerichtsbann, sondern auch das Recht der Weiterleihe zugestanden haben muß. Dies ergibt sich aus einem Blick zum einen auf das markgräfliche Landding, in dem der Landesherr wie gesehen aufgrund eigener Gerichtsgewalt handelte, zum anderen auf die Verhältnisse im Vogtding, auf das noch einzugehen ist, hinsichtlich dessen Hinweise auf das Recht der Weiterleihe des landesherrlichen Banns vorliegen. Darüber hinaus stand dem böhmischen König als Landesherrn als einzelnes Herrschaftsrecht, später schlicht als Bestandteil der Landeshoheit, auch der Gerichtsbann und das Recht, diesen weiterzuleihen, auch im Königreich Böhmen selbst zu.81 Zwar liegen hinsichtlich des Untersuchungsgebiets keine ausdrücklichen Nachrichten über Urteiler, mithin Schöffen im Burggrafengericht vor. Soweit es die im übrigen mitteldeutschen Osten, insbesondere in der Mark Meißen vorkommenden Burggrafengerichte betrifft, handelt sich es nach Schlesinger dabei um in ihren räumlichen Zuständigkeitsbereichen jeweils sachlich umfassend zuständige „deutsche Gerichte für die minderfreie Landbevölkerung des Markengebiets“. Der Adel war in der Markgrafschaft Meißen dem Burggrafengericht nicht unterworfen. Das jeweilige Burggrafengericht war also zuständig hinsichtlich des bäuerlichen Teils der Landrechtsgemeinschaft der jeweiligen Burggrafschaft. Dies nimmt Schlesinger auch für das im Untersuchungsgebiet, mithin mit Sitz in Budißin nachgewiesene Burggrafengericht an.82 Jedoch ist dem ohne weiteres nicht beizutreten, da die späteren landesherrlichen Vogtdinge im Untersuchungsgebiet, die ja aus dem Burggrafengericht entstanden, wie zu sagen sein wird, auch hinsichtlich des Adels zuständig waren. Das Burggrafengericht des mitteldeutschen Ostens war im Rahmen seines Zuständigkeitsbereichs vor allem Rügegericht. Als Rügegericht wird allgemein ein Gericht aus Richter und Helfern (Rügegeschworenen) bezeichnet, das verpflichtet ist, bestimmte Delikte zur Anzeige zu bringen.83 Hier 80 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. In den landesherrlichen Urkunden von 1238/1239 (CDLS I, S. 49 ff., 55 ff.) werden zwar auch Regelungen hinsichtlich Gerichtsgefällen getroffen. Jedoch geht aus diesen lediglich hervor, daß, wenn die Vögte im Herrschaftsbereich des Klosters als Richter handeln, der dritte Teil der Gefälle der landesherrlichen Kammer zufällt. 81 Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 29 ff., 42 ff., 102 ff. 82 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 98, 104 f. 83 Sellert, Rügegericht, Rügeverfahren, Sp. 1201 ff., 1202.

II. Burggrafengericht zu Budißin

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rügten die Dingpflichtigen im Burggrafending die in ihrem jeweiligen Dorf vorgekommenen, von Bauern begangenen Delikte. Nach der im 12. Jahrhundert einsetzenden Überlieferung war das Burggrafengericht im mitteldeutschen Osten entsprechend dieser Zuständigkeiten mit Supanen84 und Witsassen85 als Schöffen besetzt, also gemäß dem Grundsatz, daß die Urteiler der dem Gericht unterworfenen Genossenschaft angehörten, mit Bauern, mithin bäuerlichen Dorfvorstehern beziehungsweise sonstigen Hervorgehobenen der dörflichen bäuerlichen Sozialstruktur als Vertreter ihrer Dorfgemeinden. Es handelte sich damals mithin meist um slawisch besiedelte Dörfer. Supane und Witsassen erscheinen ausgestattet jeweils mit einem landesherrlichen Lehn- oder Erbgut. Mit dem jeweiligen Gut – also dinglich und nicht personal angebunden – war verknüpft etwa die Roßdienstpflicht, die Gastungspflicht gegenüber dem Landesherrn oder dessen Vertreter, insbesondere dem landesherrlichen Burggrafen oder Vogt, wenn dieser etwa Gericht hielt, und vor allem die Dingpflicht im Burggrafengericht. Die Inhaber dieser Güter waren dort gemäß der Rügezuständigkeit des Burggrafengerichts auch rügepflichtig hinsichtlich bestimmter, etwa im Sachsenspiegel aufgezählter Vorfälle in ihren jeweiligen Dörfern und hatten die Verlautbarungen des Gerichts, das heißt der Herrschaft der Masse der jeweiligen Dorfbevölkerung mitzuteilen. Die Supane erscheinen mithin Stellung und Funktion nach, die wohl im Zuge der Ostsiedlung an die deutsche Verfassung angepaßt wurden, vergleichbar dem Bauermeister im Altsiedelgebiet, vor allem im Kernland des Sachsenspiegels86 und des Schulzen beziehungsweise Richters in nach deutschem Recht angelegten oder umgestalteten Dörfern im Ostsiedlungsraum87, die später ebenfalls (neben Supanen und Witsassen) im Burggrafen-/Kastellansgericht dingpflichtig waren.88 1225 erscheint auch in der Herrschaft Kamenz und damit im Untersuchungsgebiet ein „merboto supan“ 89, wobei weitere Nachrichten über ihn fehlen. Weitere Zeugnisse aus diesem Zeitraum liegen nicht vor. Jedoch finden sich später Dorfvorsteher und Lehnbauern als Schöffen in Vogtdingen/Landgerichten im Untersuchungsgebiet, wie zu sehen sein wird. Dies läßt darauf schließen, daß auch im Untersuchungsgebiet die Vogtdinge aus dem Burggrafending entstanden, mithin diese Urteilerbesetzung auch im Burggrafending im Untersuchungsgebiet galt.90 Angehörige des Adels sind nach heutiger Quellenlage nicht als Schöffen oder Urteilsfinder nachgewiesen, was jedoch nicht ausschließt, daß es sie gab. Denn auch

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Hardt, Supan, Sp. 84 ff. Hardt, Witsasse, Sp. 1461 ff. 86 Lück, Bauermeister, Sp. 465 f. 87 Schulze, Erbschulze, Sp. 1384 ff.; Erler/Neidert, Schulze, Sp. 1519 ff. 88 Näher Lück, Supan, S. 83 ff.; ders., Gerichtsverfassung, S. 156 ff.; Helbig, Ständestaat, S. 204 ff., 253 ff., 273 ff.; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 92 ff., 215 ff.; jeweils m.w. N.; grundlegend Rietschel, Burggrafenamt, S. 215 ff. 89 CDS II, 7, S. 2, Z. 9. 90 So auch Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 104 f. 85

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C. Landesherrliche Gerichte

in den späteren Vogtdingen im Untersuchungsgebiet, die, wie zu sehen sein wird, auch hinsichtlich des Adels zuständig waren, handelten folglich adlige Schöffen. Hinsichtlich der Schöffenauswahl und -ernennung wurde bereits darauf hingewiesen, daß es sich um die bäuerlichen Inhaber der mit der Dingpflicht verbundenen Güter handelte. Die adligen Schöffen werden, soweit es sie gab, wie die adligen Schöffen in den späteren Vogtdingen/Landgerichten durch den Landesherrn als Gerichtsherrn ausgewählt und ernannt worden sein. Hinsichtlich Anforderungen und Pflichten der Gerichtspersonen des Burggrafengerichts ergibt sich anhand – mangelnder – Quellen mit Bezug zum Untersuchungsgebiet nichts Abweichendes zum übrigen mitteldeutschen Osten. Auch hinsichtlich des Budißiner Burggrafendings wird man daher zu dem Schluß kommen können, daß hinsichtlich der Besetzung, mithin der Auswahl der Urteiler der Grundsatz galt, daß es Angehörige der Genossenschaft der Partei vor Gericht waren. Hinsichtlich des Entscheidungsverfahrens wird davon – auch mit Blick auf die späteren Vogtdinge, wo, wie sogleich zu zeigen ist, entsprechendes galt – auszugehen sein, daß Funktionsteilung zwischen Richter und Urteilern galt, daß sich mithin gerade insoweit das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ verwirklichte, wonach es die Angehörigen der Rechtsgenossenschaft und nicht der Gerichtsherr waren, die – mangels schriftlichen Rechts durch Urteilsfindung im Gericht – das Recht der betreffenden Genossenschaft bildeten, stabilisierten und fortentwickelten. Hinweise auf Gerichtszeit und -ort liegen hinsichtlich des Untersuchungsgebiets nicht vor, so daß auch insoweit auf die vergleichbaren Verhältnisse in benachbarten Landschaften verwiesen werden muß. Gerichtsort war wohl Budißin, wie ein Blick das spätere Budißiner Vogtding andeutet. Es wird sich auch bezüglich der Gerichtszeit um eine mit den späteren Vogtdingen/Landgerichten vergleichbare Gerichtsverfassung gehandelt haben, auf die im dortigen Zusammenhang einzugehen sein wird. Als Ergebnis ist festzuhalten: Ab dem 12. Jahrhundert nachweisbar ist auch im Untersuchungsgebiet eine ursprünglich königliche Burggrafschaft ostmitteldeutscher Prägung mit Sitz in Budißin. Die Gerichtsverfassung der Budißiner Burggrafschaft ist weitgehend nur durch Vergleich mit Blick auf andere Landschaften der ostmitteldeutschen Burggrafschaftsverfassung zu ermitteln. Abweichungen lassen sich nach heutiger Quellenlage nicht nachweisen. Es muß ein Burggrafengericht bestanden haben, dessen Richter der Budißiner Burggraf war, dessen Urteiler den Angehörigen der ihm unterworfenen, in diesem Zeitraum noch ausschließlich landrechtlich geprägten Genossenschaft im Untersuchungsgebiet – wie im übrigen mitteldeutschen Osten die Bauern der meist noch wendischen Dörfer – entnommen waren. Es bestand auch hier der Grundsatz der Funktionsteilung, mithin sogar die Schöffenverfassung. Es handelte sich hier wie dort um als Schöffen ständig bestellte Supane und Witsassen, deren Dingpflicht mit deren jeweiligem Amtsgut zusammenhing. Aufgrund Vergleichs mit der Gerichtsverfassung der späteren Vogtdinge/Landgerichte im Untersuchungsgebiet, die auch

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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hier die Gerichtsverfassung der Burggrafengerichte übernahmen, ist anzunehmen, daß im Untersuchungsgebiet auch der landsässige Adel dem Burggrafengericht unterworfen war, also ebenfalls hier Urteiler, mithin Schöffen stellte. Das genannte Burggrafengericht wurde im Zuge der Entstehung der Landesherrschaft zwar nicht strukturell verändert, aber nach 1158, also nach Beginn der ersten Periode böhmischer Landesherrschaft wie eine böhmische Kastellanei behandelt, deren Struktur jedoch – zumindest in diesem Zeitraum – ihrerseits mit der einer ostmitteldeutschen Burggrafschaft verwandt ist. Näheres ist insbesondere über die Urteilsfindung nicht zu erfahren. Diese erfolgte wohl wie im späteren Vogtding/Landgericht nach dem Grundsatz der Funktionsteilung. Insgesamt erscheint dieses Gericht, in dem somit ausschließlich die Angehörigen der Genossenschaft der Partei Urteil fanden und damit in Abwesenheit schriftlichen Rechts allgemeinverbindliches Recht bildeten, stabilisierten und weiterentwickelten, als gemäß dem „dinggenossenschaftlichen Prinzip“ verfaßt.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau Östlich von Elbe und Saale, insbesondere in der wettinischen Mark Meißen,91 in der Mark Brandenburg92, in den schlesischen Herzogtümern93, aber auch im Königreich Böhmen94 entwickelten sich ab dem 12. Jahrhundert landesherrliche Gerichtsverfassungsstrukturen nicht nur angelehnt an die landesherrlichen Herrschaftsräume im ganzen, in denen wie angesprochen etwa die Landdinge des Landesherrn, der hier selbst der Richter war, zuständig waren, sondern angelehnt an die in Ablösung der Burggrafschafts-/Kastellaneibezirke (auf dem Landesherrn verbliebenem Grundbesitz) neuentstandenen landesherrlichen Vogtei-/Villikationsbezirke, oftmals lateinisch advocatia, districtus, terra oder territorium genannt. Die landesherrlichen Vogtdinge/Landgerichte, die etwa als judicium provinciale, vogtdinc beziehungsweise wie das alte Burggrafending landdinc oder landgericht bezeichnet wurden, übernahmen die Gerichtsverfassung der Burggrafengerichte. Auch dem Sachsenspiegel ist ein „voitding“ (Ssp.-Ldr. I 2 § 4) beziehungsweise „voitige“ (Ssp.-Ldr. III 64 § 5) bekannt, wobei kaum etwas über die Verfassung dieses Gerichts aus der Quelle erhellt. Die Gerichtsverfassung der Vogtdinge in den Marken Meißen, Brandenburg und in den schlesischen Herzogtümern ist vergleichbar. Das Gericht hatte seinen Sitz nach Entstehung der Städte 91 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 48 ff., 92 ff.; ders., Gemeindebildung, S. 35 ff., 53 ff.; Lück, Gerichtsverfassung, S. 156 ff.; ders., Supan, S. 85 ff. m.w. N.; vgl. Riehme, Markgraf, S. 53 ff. 92 Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 92 ff., 143 ff.; II, S. 1 ff. m.w. N. 93 Helbig, Landgemeinde, S. 100 ff.; Loesch, Verfassung, S. 138 ff.; ders., Weichbildverfassung, S. 84 ff. m.w. N. 94 Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 122 ff., 147 f.; II, S. 10 ff.; 77 ff., 153 ff. m.w. N.

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C. Landesherrliche Gerichte

regelmäßig in einer Stadt. Nähere Nachrichten über die Gerichtsverfassung der Vogtdinge im Untersuchungsgebiet liegen mit einer Ausnahme, die nur über das Vorhandensein von Strukturen der Vogteiverfassung überhaupt, mithin von Vögten als Richtern ohne weitere Hinweise Auskunft gibt,95 erst nach 1253 hinsichtlich der Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban und Zittau vor. Bezüglich des Hochmittelalters ist der Forscher ganz auf die zurückhaltenden Auskünfte der Urkunden angewiesen. Ab Beginn des 14. Jahrhunderts wird das Bild durch die landesherrliche Urkunde vom 28. November 130396 und die Rechtsbücher, die im Untersuchungsgebiet benutzt wurden, erhellt. Als wichtigstes Rechtsdenkmal über Bestehen und Struktur des Zittauer Landgerichts ist ein heute nur noch in einer Abschrift von Carpzov erhaltener Bericht der „erbleuthe in der stadt Zittau“ an Kaiser Karl IV. aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erhalten.97 Ein Gerichtsbuch eines Vogtdings/Landgerichts ist, soweit jemals vorhanden, nicht überliefert. Hinweise ergeben sich vereinzelt aus Büchern anderer Gerichte. Wegen der bereits angesprochenen strukturellen Verwandtschaft zwischen den frühen Gerichtsverfassungsverhältnissen im Untersuchungsgebiet und denen benachbarter Landschaften, vor allem im Mittelalter denen Brandenburgs und Schlesiens, sind vorsichtige Vergleichsziehungen gestattet.98 Die Nachrichten hinsichtlich des Landgerichts Budißin liegen bis in das frühe 19. Jahrhundert vor. Noch in der landesherrlichen Instruktion an den Amtsverweser des Gerichtsamts zu Budißin von 1829 wird geregelt, daß dieser als Assessoren die „königlichen Landgerichte“ heranzuziehen habe.99 Wie zu sehen sein wird, handelte es sich bei diesem Gericht um einen Rest des alten Vogtdings/Landgerichts zu Budißin. Die übrigen Vogtdinge/Landgerichte verschwanden mit der Zeit zugunsten anderer landesherrlicher und nichtlandesherrlicher Gerichte, die deren Zuständigkeit übernahmen. Im noch ungeteilten askanischen Herrschaftsraum im Untersuchungsgebiet, der „terra Budissin“, wird ein Gericht in einer Urkunde eines „miles“ über einen Güterverkauf erwähnt, der „coram personis ad hoc negotium idoneis et judice territorii, Gerhardo“ in Budißin stattfand. „Gerhardus“ erscheint in der Urkunde auch als „advocatus“ unter den Zeugen,100 mithin in einer Urkunde von 1266

95 Einzige Quellen mit Hinweisen auf Verfassungsstrukturen der Vogtgerichte vor 1253 sind nach heutiger Quellenlage die insoweit gleichlautenden landesherrlichen Urkunden von 1238/1239 (vgl. CDLS I, S. 49 ff., 50, Z. 30 ff.; 55, Z. 37 f., 56, Z. 1 ff.); vgl. Kötzschke, Vogtei, S. 21 ff. Insoweit bestehen auch nur Hinweise auf Vögte mit Sitz in bestimmten landesherrlichen Villikationen, jedoch nicht darüber hinaus. 96 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. 97 Edition: Weizsäcker, Landgericht, S. 9 ff.; vgl. Prochno, Urkundenbuch, S. 58 f.; Carpzov, analecta, I, S. 248. Zur Quelle ausführlich Weizsäcker, Landgericht, S. 1 ff. 98 Vgl. Seifert, Landvögte, S. 49 ff. 99 StFilA Bautzen, Gerichtsamt, Bl. 24. 100 Knothe, Urkundenbuch, S. 47.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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„Gerrardus“ als „advocatus provincialis Budisinensis“ 101. Ihren Budißiner Herrschaftsraum umschreibt die askanische Landesherrschaft 1266 als „terrae et terra Budessin“ 102, 1268 als „terra“,103 1323 als „districtus terre nostre Budissin“ 104. Auch im Untersuchungsgebiet finden sich daher frühzeitig mit denen benachbarter Landschaften, insbesondere Brandenburg identische Bezeichnungen für Vögte, mithin Vogteisprengel. 1268 teilte der Landesherr die terra Budißin in die „partes“ Budißin und Görlitz.105 Damit war nach dem ausdrücklichen Wortlaut der landesherrlichen Urkunde auch die Aufspaltung der Vogtei, mithin des Vogtdings Budißin in die Vogteien Budißin und Görlitz mit geographisch genau festgelegten Zuständigkeitsgrenzen verbunden: „Item distinctio judicii Budessin inchoabitur in illo loco, vbi oritur flumen Lubetowe et protendetur directe ad terminos Boemie“.106 „Bona“ eines Grundherrn „in parte Gorliz“ werden „sub judicio Gorlicensi“ gestellt.107 Der Begriff „terra“ erscheint als Umschreibung des Amtsbezirks des Vogtes zu Görlitz etwa 1285: „dominus Johannes de Sunnewalde, judex provincialis in terra Gorlicensi“ 108, „dominus Johannes de Sunnewalde, judex tunc provincialis terrae Gorlicensis“ 109. Ausdrücklich im Zusammenhang mit der Zuständigkeit des „Voytding vel Echeding“ in Görlitz wird 1303 vom „territorium Gorlitz“ gesprochen,110 1356 mit mittelbarem Hinweis auf das Vogtding vom „districtus Gorlicensis“ 111. Der Begriff „districtus“ erscheint etwa 1322112 und meint das 1319 an Herzog Heinrich von Jauer gekommene Land Görlitz.113 Das Bestehen eines „territorium“, hinsichtlich dessen der Stadt Lauban 1294 die „jurisdictio superioris“ verliehen worden sei, behauptete bereits etwa Hoffmann.114 Jedoch ist nach heutiger Quellenlage für diesen Zeitraum noch kein landesherrlicher Vogt mit Sitz in Lauban nachgewiesen. Die Vogtei Lauban entstand vielmehr erst im Zusammenhang mit dem Erwerb des Landes Görlitz samt Lauban durch Herzog Heinrich von Jauer 1319.115 Bereits 1320 überträgt 101

Grotefend, Urkundenbuch II, S. 248. CDLS I, S. 90, Z. 15 f. 103 CDLS I, S. 92, Z. 31. 104 CDLS I, S. 254, Z. 12; vgl. Kötzschke, Vogtei, S. 28. 105 VOU I, H. 1–4, S. 13; CDLS I, S. 92 ff.; vgl. CDLS I, S. 95 f. 106 CDLS I, S. 92 ff., 93, Z. 6 ff. 107 CDLS I, S. 92 ff., 94, Z. 5 ff. 108 Knothe, Urkundenbuch, S. 52. 109 Knothe, Urkundenbuch, S. 54. 110 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. 111 Großer, Merckwürdigkeiten I, S. 81. 112 CDLS I, S. 249 f., 250, Z. 17. 113 Zum Anfall des Landes Görlitz an Herzog Heinrich Schrage, Oberlausitz, S. 90 114 VOU I, H. 1–4, S. 18. 115 Zum Anfall des Landes Görlitz an ihn Schrage, Oberlausitz, S. 90 f. Gegen diese Ansicht Knothe, Rechtsgeschichte, S. 203, der meint, die Vogtei Lauban sei erst im Zu102

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C. Landesherrliche Gerichte

(„confert“) der Landesherr mit einer Urkunde „Opitz vasallus suus“ seine „advocatia in ciuitate Luban cum iudiciis“.116 Es handelt sich dabei wohl um den 1320 genannten „Apetz judex hereditarius in Lubano“ 117.118 Dies deutet darauf, daß es sich bei der „advocatia“ nicht um eine städtische „Erbvogtei“ handelte, da es daneben einen „Erbrichter“, mithin ein wohl „Erbgericht“ genanntes Gericht gab. Dies ergibt sich auch aus einer Urkunde von 1322, worin „Jacobus dictus advocatus de Lubano“ vor „Johannis scultetus de Lubano“ erscheint,119 wobei scultetus und judex hereditarius, wie zu sehen sein wird, dasselbe meinen. Dafür, daß es sich bei „Jacobus dictus advocatus de Lubano“ entgegen früherer Meinung120 tatsächlich um einen landesherrlichen Vogt handelt, mithin bei dem Wort „advocatus“ nicht bloß um einen Namen, spricht dessen Stellung in der Zeugenliste, wo er hinter „Henricus Steinruker ciues Gorlicensis“ und vor „Johannis scultetus de Lubano“ erscheint, beides Inhaber (zu Lehn ausgegebener) landesherrlicher Ämter. Ersterer erscheint 1312 und 1315 als Görlitzer, 1330 bis 1340 als Zittauer Erbrichter und 1366 als „Voit zu Görlitz und Budissin im Lande“,121 bekleidete also ständig landesherrliche Ämter. Bei letzterem handelt es sich um den Laubaner Schulzen/Erbrichter. Der Laubaner Vogteibezirk wird 1460 unter Aufzählung der dazugehörigen Dörfer schlicht „vogtie“ genannt.122 Über die Entstehung des Zittauer Vogtdings/Landgerichts besteht nach heute vorhandener Überlieferung keine sichere Erkenntnis.123 1303 erscheint in Zittau erstmals ein „advocatus provincialis Lutoldus de Pribetitz“ und hinter ihm in derselben Urkunde „hereditarius aduocatus Johannis“ .124 Der Landesherr spricht 1328 von „Sittaviensis districtus“ 125 und 1346 von „districtus Zitauiensis“ beziehungsweise in derselben Urkunde synonym von „terra Zittausiensis“ 126. Beidemale handeln „advocati“ beziehungsweise auch „subadvocati“. Wegen der Verwendung von Begriffen, die wie erörtert auch in der Mark Brandenburg den landesherrlichen Vogt als Richter im Vogtding, das Vogtding und dessen räumlichen

sammenhang mit dem 1329 erfolgten Übergang des restlichen Landes Görlitz an den König von Böhmen entstanden. 116 VOU I, H. 1.–4, S. 30. Dabei handelte es sich nicht, wie Weinart annimmt (Weinart, Rechte I, S. 423), um die Vogtei des Klosters Lauban (vgl. Anonymus, Vogtei, S. 263 f.). 117 CDLS I, S. 185, Z. 19. 118 So auch Boelcke, Verfassungswandel, S. 180. 119 CDLS I, S. 248 f., 249, Z. 16 f. 120 Knothe, Rechtsgeschichte, S. 203, Anm. 1. 121 Nachweise bei Reuther, Verfassung, S. 105; Knothe, Rechtsgeschichte, S. 241, 266. 122 CDLS VI, 1, S. 154; VOU I, H. 5–8, S. 88. 123 Vgl. Weizsäcker, Landgericht, S. 6 f. 124 CDLS I, S. 169, Z. 20; S. 170 f., 171, Z. 8. 125 CDLS I, S. 272, Z. 25. 126 CDLS I, S. 374 ff., 375, Z. 10, 33.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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Zuständigkeitsbereich bezeichneten, und wegen der Zuständigkeit auch des hier genannten Gerichts im umfassenden Sinn, auch etwa hinsichtlich der 1346 abgegebenen Obergerichtssachen auf Klostergut, ist von vergleichbaren Gerichtsverfassungsstrukturen im Land Zittau zu dieser Zeit, mithin von einem den Vogtdingen zu Budißin und Görlitz strukturell verwandten Gericht auszugehen. Kamenz und Löbau waren nach heutiger Quellenlage (nach 1253) keine Sitze von Vögten (mehr), sondern waren (zunächst) der Vogtei Budißin unterworfen.127 1. Gerichtspersonen a) Richterbesetzung In den böhmischen128, brandenburgischen129, meißnischen130 und schlesischen131 Vogtdingen erscheinen ab dem 12. Jahrhundert – gegenüber dem Burggrafen rangniederer – advocati, villici oder vogte genannte Personen als Richter. Ebenfalls in Böhmen sind villici als Richter nachgewiesen.132 Zunächst hinter den Burggrafen/Kastellanen, später allein erscheinen ab der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in landesherrlichen Urkunden „advocati“ und „villici“ im Untersuchungsgebiet.133 Die böhmische Kanzlei spricht 1240 von „burggravius, advo127 128 129 130

Vgl. Kötzschke, Vogtei, S. 29 f. Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 44. Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 92 ff., 134 ff., 143 ff. Lück, Gerichtsverfassung, S. 156 ff.; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 95 ff.,

99 ff. 131

Helbig, Landgemeinde, S. 103 ff.; Loesch, Verfassung, S. 138 ff. Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 36, 40, 43, 115. 133 1234 tritt ein „Wolframus advocatus“ in der Zeugenreihe vor einem „Florinus villicus in Gorlez“ auf (CDLS I, S. 44 f., 45, Z. 31 f. Kötzschke war sich bei „Wolframus“ nicht sicher, ob es sich um eine Amtsbezeichnung handelt, da der Verweis auf einen Ort, einen Amtsbereich fehlt [vgl. ders., Vogtei, S. 25]. Jedoch deutet seine Nennung zusammen mit und vor einem „villicus“, vergleichbar den Verhältnissen im wettinischen Markengebiet [vgl. Riehme, Markgraf, S. 61 ff.], auf eine Amtsbezeichnung. „Florinus de Zgorliz“ erscheint nocheinmal 1241 [CDLS I, S. 59 ff., 60, Z. 8]). 1237 befiehlt der Landesherr dem „B aduocatus Budissinensi“, „fidelio suo“, gewisse Einkünfte dem Domstift zu Budißin zu übergeben (CDLS I, S. 48, Z. 7 f.). In zwei inhaltlich insoweit übereinstimmenden landesherrlichen Urkunden von 1238/1239 werden die „advocati de Budesin, de Gorliz, de Lubavia, de Richenbach, de Wizenburch vel alii iudices“ beziehungsweise „advocati de Budissin, de Gorlicz, de Lubavia, de Reichinbach, de Weissenburg, vel alii iudices“ genannt (CDLS I, S. 49 ff. bzw. 55 ff.; zu den Urkunden, insbesondere zur Datierung beider Urkunden Bauermann, Urkunden, S. 109 f.). 1241 überweist der Landesherr dem Kloster St. Marienthal von diesem unter anderem vom „villicus de Ostrosen“ erworbenes Gut (CDLS I, S. 58, Z. 26). 1245 erscheinen unter den Zeugen des Burggrafen von Budißin ein „Berwicus aduocatus“ (dieser noch 1272, also nach Übergang an die Brandenburger Markgrafen als „quondam advocatus in Budesin“ bezeichnet, weswegen dieser unter beiden Landesherrschaften gedient haben mag [CDLS I, S. 97 ff., 99, Z. 35 f.; vgl. Schrage, Oberlausitz, S. 69]) sowie ein „Teodericus aduocatus“ (CDLS I, S. 76, Z. 28 f.), 1248 unter denen Burggraf 132

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C. Landesherrliche Gerichte

catus ac omnes generaliter milites in Budissin constituti“.134 In den Urkunden der ersten böhmischen Periode für das Untersuchungsgebiet wird mithin deutlich zwischen „castellanus“, „praefectus“, „burggravius“ einerseits und dem rangniedrigeren „advocatus“ andererseits unterschieden.135 Nachrichten über Gerichtsverfassungsstrukturen, so vor allem über Gerichtsgefälle bereits im Zusammenhang mit dem Budißiner Burggrafengericht liegen, soweit es das Untersuchungsgebiet betrifft, nicht vor, so daß insoweit insbesondere Rückschlüsse hinsichtlich der für das übrige Markengebiet nachvollziehbaren Zuordnung von Gerichtsherrschaft und Richteramt136 nicht gezogen werden können. Einzige beredtere Quelle hinsichtlich der landesherrlichen Gerichtsverfassungsverhältnisse im Untersuchungsgebiet zur Zeit der ersten böhmischen Periode sind die zwei im wesentlichen gleichlautenden landesherrlichen Urkunden von 1238/1239137, mit denen die Landesherrschaft dem Kloster St. Marienthal hinsichtlich dessen Gütern gewisse Vogteizuständigkeiten verleiht und insoweit die Zuständigkeit der landesherrlichen Vögte einschränkt, sich jedoch in bestimmten Obergerichtssachen die Zuständigkeit, mithin die Bevogtung vorbehält: „Nec advocati de Budissin, de Görlicz, de Lubavia, de Reichinbach, de Weissenburg, vel alii iudices, in quorum terminis ex bonorum hominum largicione vel empcione possessiones vel nunc habent, vel habiture sunt, ad villas monasterii venire praesumant nisi devocacione abbatisse, tantum de furtis homicidijs, membrorum mutilacione et stupri violencia iudicaturi quibus necessaria prouidebunt solum illi, propter quos eorum aliquem contigerit aduocari. Res vero, si quas iidem advocati et judices rationabiliter tempore judicii acceperint, duas partes abbatissae et conuenti, tertiam partem nostrae camerae volumus assignari“.138 Es erscheinen also bereits in der ersten böhmischen Periode landesherrliche Vögte als Richter mit Sitz jeweils in einer landesherrlichen Villikation. Das Richterdrittel fiel aber hiernach, wenn der Vogt als Richter handelte, der landesherrlichen Kammer zu. In unmittelbarem Zusammenhang hiermit steht eine landesherrliche Urkunde von 1346. Der Landesherr weist dem Kloster insoweit nunmehr auch die 1238/ Heinrichs von Zittau „Litold advokát, Herbert advokát“ (tschechische Übersetzung des nicht mehr vorhandenen Originals in RBM I, S. 562). 134 RBM I, S. 468. 135 Vgl. Reuther, Verfassung, S. 86. Der 1232 genannte „Henricus burggravius et advocatus de Budissin“ (Nachweis bei Reuther, Verfassung, S. 104) übte offensichtlich beide Funktionen zugleich aus. 136 Vgl. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 99 ff. m.w. N. 137 CDLS I, S. 55, Z. 37 ff., 56, Z. 1 ff.; vgl. S. 49 ff., 50, Z. 30 ff. Kötzschke, Vogtei, S. 25, entkräftet Zweifel an der Heranziehung dieser Urkunden zur Beurteilung Oberlausitzer Verhältnisse, deren einschlägige Passage einer markgräflich meißnischen Urkunde von 1221 für das Kloster Altzelle (CDS II, 19, S. 105 f.), also einer Verhältnisse in der wettinischen Mark Meißen spiegelnden Quelle entnommen ist (näher hierzu Bauermann, Urkunden, 106 ff.). 138 CDLS I, S. 49 ff., 50, Z. 35 ff., 51, Z. 1; 55 ff., 56, Z. 5 ff.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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1239 ausdrücklich vorbehaltene Zuständigkeit in Obergerichtssachen zu: „Insuper concedimus eisdem sanctimonialibus et suis officialibus de benignitate regia in predictis villis iudicare et iudicium habere in superioribus causis: scilicet in furto, homicidio, stupri violencia, a mutilacione membrorum et alijs omnibus causis plenarie iudicium exercere. Adijcimus etiam quod homines in bonis earum proclamaciones quod vulgariter dicitur tzethergeschrey nostris aduocatis non proponant in bonis earum factas, sed officialibus claustri nec pro homicidijs pecuniam trigintam solidorum nostri aduocati ab ipsis recipiant nec eis presentent sed huiusmodi proclamaciones et homicidia prefatis officialibus sanctimonialium proponant et emendam facere teneantur“.139 Die Summe entspricht, wie erörtert, der Höhe des Markgrafengewettes im Sachsenspiegel, also der Höhe der Einkünfte, wenn der Markgraf als Richter „bei seinen eigenen Hulden“ dingte.140 Dieses Drittel behält sich der Landesherr auch jetzt weiterhin vor, während die übrigen Gerichtsgefälle dem Kloster zustehen sollen. Es handelt sich bei dem 1238/1239 und 1346 einbehaltenen Dritteln aus den Gefällen folglich jeweils um das Richterdrittel. 1238/1239 stand dieses noch im Zusammenhang mit der Stellung des Vogtes als Richter hinsichtlich der in der Urkunde genannten, dem Landesherrn vorbehaltenden Obergerichtssachen. 1238/1239 wurde mithin das Richterdrittel hinsichtlich der ihm übertragenen Zuständigkeiten – dies ergibt sich aus der Zusammenschau mit der Urkunde von 1346, die eine umfassende Regelung trifft – sowie die zwei Drittel der Gerichtsherrschaft nicht nur hinsichtlich der nunmehr grundherrlichen, sondern auch hinsichtlich der vorbehaltenen Zuständigkeiten an das Kloster übertragen. Das Richterdrittel hinsichtlich der 1346 an das Kloster übertragenen Obergerichte verbleibt beim Landesherrn, was einen frühen Nachweis für die Auflösung des Grundsatzes, daß stets dem Richter auch das Richterdrittel zustand, darstellt. Diese Gefälle hatten mithin jedenfalls zuvor dem Landesherrn zugestanden. Die 1238/1239 genannten advocati und diesen gegenüber lediglich rangniedrigeren, aber mit gleichen (für die Mark Meißen als villicatio seu advocatia umschriebenen141) Aufgaben versehenen villici erscheinen somit nach wettinischem Vorbild auch im Untersuchungsgebiet als Wirtschaftsverwalter auf landesherrlichen Grundherrschaften (Villikationen),142 von wo aus sie – in Übernahme insbesondere der Rechte von den Burggrafen/Kastellanen – bald sämtliche landesherrlichen Rechte nicht nur bezogen auf die jeweilige Villikation, sondern auch darüber hinaus etwa in geistlichen Grundherrschaften wahrnahmen, mithin landesherrliche Richter waren, wobei ein einem Vogt

139

CDLS I, S. 374 ff., 3745, Z. 17 ff. Vgl. Ssp.-Ldr. III, 65 § 1; III, 64 § 7. 141 Vgl. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 100. 142 Auch Budißin als alter Reichsgutkomplex gehörte zum unmittelbaren Herrschaftsraum des Landesherrn. Noch in der Neuzeit bestand um Seidau unterhalb der Ortenburg eine landesherrliche Grundherrschaft. Die landesherrlichen Villikationen waren der Boden der späteren landesherrlichen Städte (näher Jecht, Gründungsgeschichte). 140

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C. Landesherrliche Gerichte

ständig zugeordneter räumlicher Zuständigkeitsbereich im Untersuchungsgebiet (noch) nicht erkennbar ist.143 Über Urteilsfinder wird hinsichtlich des Zeitraums vor 1253 aus der heutigen Quellenüberlieferung nichts bekannt. Mit der bereits genannten Urkunde von 1249 übertrug König Wenzel von Böhmen dem Bischof von Meißen landesherrlich-vogteiliche Rechte, insbesondere die weltliche Gerichtsbarkeit („omnem jurisdictionem temporalem, quam judex provincialis terre Budissinensis in bonis prefatis exercere consuevit“), mithin jedenfalls die Landgerichtszuständigkeit in den Dörfern „Misseslewiz“ 144 und „Cupsyts“ 145 „in terra Budesinensi“, und zwar „ac omnem annonam, que de isdem villis ad vigilias castri Budissensis solvi consuevit plenarie annuatim“.146 Damit ging wohl die Gerichtsherrschaft, mithin das Recht über, selbst Richter zu sein oder einen auszuwählen. Tzschoppe und Stenzel gingen wegen des zweiten Halbsatzes davon aus, daß auch sämtliche Gerichtsgefälle aus dem Landgericht, soweit es die übertragenen Dörfer betraf, mitabgetreten wurden.147 Nach dem Wortlaut des zweiten Halbsatzes wurden lediglich Abgaben im Zusammenhang mit Wachdienstverpflichtungen, also das Wachkorn an das Bistum Meißen mitüberwiesen. Von Gerichtsgefällen ist nicht die Rede. In Verleihungsformeln im Zusammenhang mit dem ostmitteldeutschen Burggrafengericht wurde dagegen regelmäßig zwischen Gerichtsgefällen (dem „dritten Pfennig“) und – wenn auch teils in engem Zusammenhang mit dem dritten Pfennig erscheinenden – Abgaben wegen Wachdiensten (Wachkorn) geschieden.148 In Urkunden desselben Zeitraums (1238/1239), mit denen dieselbe böhmische Landesherrschaft Gerichtsherrschaftsrechte dem Kloster St. Marienthal übertrug, wurden Gerichtsgefälle ausdrücklich genannt.149 Dafür, daß in der Urkunde von 1249 auch die Gerichtsgefälle gemeint waren, spricht, daß im Mittelalter die Zuwendung der Erträge der Bußen regelmäßig den Grund für Vergabungen der vor allem – wie hier – hohen

143 Zu Aufgaben und Stellung der advocati und villici im Untersuchungsgebiet und der meißnischen Vorbildwirkung Kötzschke, Vogtei, S. 21 ff., 25 ff., 30 f.; ders./ Kretzschmar, Geschichte, S. 87; Reuther, Verfassung, S. 82 f.; Blaschke, Geschichte, S. 155 ff. Der Umfang der räumlichen Zuständigkeit eines landesherrlichen Vogts in der ersten böhmischer Periode ist nicht nachweisbar. Möglicherweise waren alle Vögte zugleich im gesamten böhmischen Herrschaftsraum im Untersuchungsgebiet zuständig, wofür der Inhalt der Urkunden von 1238/1239 spricht. 1346 werden dagegen bei der Verleihung der 1238/1239 vorbehaltenen Obergerichte nur Amtsträger der „terra“ beziehungsweise des „districtus Zittauiensis“ angesprochen (vgl. CDLS I, S. 374 ff.), was für die zwischenzeitliche Enstehung abgegrenzter, ständig einer bestimmten Vogtei zugeordneter räumlicher Zuständigkeitsbereiche spricht. 144 Muschelwitz, vgl. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 314, Anm. 3. 145 Kubschütz, vgl. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 314, Anm. 4. 146 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 314; CDLS I, S. 79 f. 147 Vgl. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 314, Anm. 6). 148 Nachweise bei Rietschel, Burggrafenamt, S. 232 ff.; 238 ff. 149 CDLS I, S. 49 ff., 50, Z. 39 ff.; 55 ff., 56, Z. 8 ff.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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Gerichtsbarkeit insbesondere an die Kirche darstellten.150 Jedoch kann die Frage nicht abschließend beantwortet werden. Nach Beginn der Landesherrschaft der Markgrafen von Brandenburg im Land Budißin 1253151 wird die Überlieferung hinsichtlich der Vogtdinge/Landgerichte im Untersuchungsgebiet reicher, zunächst jedoch nur ein wenig, soweit es die Rechtsbücher, also normative Quellen betrifft. Richter des Vogtdings des Sachsenspiegels ist der „voit“ (Ssp.-Ldr. III 64 § 5, 9). Nach der Buch’schen Glosse zu Ssp.-Ldr. I 2 § 4 ist das in der Sachsenspiegelvorschrift genannte Vogtding identisch mit dem märkischen Vogtding, entspricht der märkische Vogt seiner Funktion als Richter nach dem des Sachsenspiegels: „Hir mercke ock dat he dir dit in dy marke meinet, wenn in greveschap sit nene vogde, dy richten“. Da auch im Untersuchungsgebiet wie erörtert die brandenburgische Vogteiverfassung zumindest der Struktur nach eingeführt worden war, kann diese Regelung zwar mit Vorsicht auch auf das Untersuchungsgebiet angewandt werden. Jedoch sagt die Vorschrift nichts weiter aus, als daß in Brandenburg landesherrliche Vögte auch als Richter obwalteten. Leider lassen die Rechtsbücher mit Bezug zum Untersuchungsgebiet ausdrückliche Hinweise auf die Verhältnisse im Untersuchungsgebiet vermissen. So spricht die Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304 schlicht in Übertragung der Magdeburger Verhältnisse auf das Untersuchungsgebiet ohne Anpassung an hiesige Verhältnisse weiterhin etwa in §§ 3 ff., 110 lediglich vom „Burcgreven“, dessen Gericht mit elf Schöffen besetzt, deren erster der „Shultheize“ sei,152 auch wenn, wie zu sehen sein wird, zeitgleich vor allem in (landesherrlichen) Urkunden vom „vogt“ oder „advocatus“ in bezug etwa auf den – dem Magdeburger Burggrafen/Vogt vergleichbaren – Görlitzer landesherrlichen Vogt die Rede ist und eines Burggrafen zumal in dieser Funktion nicht mehr Erwähnung geschieht. Auch das Görlitzer Rechtsbuch, die Blume von Magdeburg und die Blume des Sachsenspiegels lassen Bezüge zu den Vogtdingen/Landgerichten mit deren jeweiliger tatsächlicher Gerichtsverfassung im Untersuchungsgebiet vermissen, so daß auf andere Quellen, insbesondere solche mit Nachrichten über die tatsächlichen Verhältnisse Rückgriff genommen werden muß. Im Land Budißin erscheinen jetzt urkundlich wie in der Mark Brandenburg Begriffe wie insbesondere „vogt“, „judex territorialis“, „advocatus (provincialis)“ oder „castellanus“,153 womit wie etwa in der Mark Brandenburg die Richter im 150

Vgl. Pitz, Verfassungslehre, S. 387. Näher, insbesondere zu Datierungsfragen Schrage, Oberlausitz, S. 80 f. Die Art der Erlangung der Landesherrschaft durch die Markgrafen von Brandenburg ist unklar (vgl. Reuther, Verfassung, S. 88 m.w. N.). 152 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 447 ff., 470. 153 Nachweise für das Untersuchungsgebiet bei Reuther, Verfassung, S. 104 ff.; Knothe, Rechtsgeschichte, S. 183 ff.; für die Mark Brandenburg bei Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 101 ff. m.w. N. 151

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C. Landesherrliche Gerichte

Vogtding, die Vögte gemeint waren.154 Eine frühe Nennung des Vogtdings zu Budißin und eines namentlich genannten Vogts als Richter erfolgt in einer Urkunde über den Verkauf und die Auflassung eines Dorfes an das Kloster St. Marienstern von 1261 „coram [. . .] judice territorii, Gerhardo“, wobei „Gerhardus“ als „advocatus“ am Ende der Urkunde unter den Zeugen erscheint.155 Wie sich aus der landesherrlichen Urkunde von 1272 wegen eines Vertrages zwischen den Markgrafen von Brandenburg und dem Bischof von Meißen ergibt, wurde dieses Gericht von den Vögten für das Land Budißin ausgeübt („judicia, que advocati nostri in terra Budesinensi [. . .] exercuerunt“ 156). Nach der Neueinrichtung des Vogtdings zu Görlitz im Zuge der askanischen Landesteilung 1268157 erscheint der 1285 genannte „dominus Johannes de Sunnewalde, advocatus provincialis Gorliczensi“ 158, in einer grundherrlichen Urkunde desselben Jahres als „judex provincialis in terra Gorlicensi“ 159. Der in seiner Urkunde von 1376 sich selbst als „lantvogt zu Budissin“ bezeichnende „Hug von magzin“, Haug von Maxen, eigentlich als Budißiner Hauptmann ständiger Vertreter des – dauernd abwesenden – Landvogts,160 der hier einen Streit zwischen dem Kloster St. Marienstern einerseits und Herrn „Czaslaw von Penzik“ und dessen „mannen“ andererseits in einer Grenzsache schlichtet,161 nennt sich in einer Urkunde des Landgerichts aus demselben Jahr „lantrichter zu Budissin“. Dieser sitzt hier dem „lantgericht uf dem husze zu Budissin“ besetzt mit zwei adligen Schöffen vor.162 Damit ist klar, daß der Budißiner Vogt oder dessen Vertreter als Richter im Vogtding/Landgericht sich auch „Landrichter“ nannte, mithin es sich beim „Landgericht“ zu Budißin um das Budißiner Vogtding handelte. „Opitz vasallus suus“, dem der Landesherr seine „advocatia in ciuitate Luban cum iudiciis“ übertrug, ist als Richter im Vogtgericht Lauban nicht ausdrücklich nachgewiesen.163 Entweder übte er das Amt selbst aus oder er ließ es – wie ebenfalls üblich – durch Unterrichter verwalten. Der 1322 erscheinende „Jacobus dictus advocatus de Lubano“ war, wenn er als landesherrlicher Vogt anzusehen ist, wohl Richter im Vogtding.164 Daß, auch nachdem die Vogtei an die Laubaner Stadtrechtsgemeinschaft veräußert worden war, der (landesherrliche) Vogt (weiterhin) Richter (neben dem Erbrichter) im 154

Vgl. Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 143 ff. Knothe, Urkundenbuch, S. 46. 156 CDLS I, S. 97 ff., 98, Z. 2 ff. 157 CDLS I, S. 92 ff. 158 Knothe, Urkundenbuch, S. 49 ff., 51. 159 Knothe, Urkundenbuch, S. 52. 160 Vgl. Knothe, Rechtsgeschichte, S. 267. 161 KlA St. Marienstern, Entscheidung. 162 DA Bautzen, Bekenntnis des Hans Schwarze. 163 VOU I, H. 1–4, S. 30. Dabei handelte es sich nicht, wie Weinart annimmt (Weinart, Rechte I, S. 423), um die Vogtei des Klosters Lauban (vgl. Anonymus, Vogtei, S. 263 f.). 164 Knothe, Rechtsgeschichte, S. 203, Anm. 1. 155

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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Vogtding war, geht aus der landesherrlichen Urkunde von 1368 hervor, mit der der Landvogt entschied, daß hinsichtlich aller Güter Luthers von Penzig „in dem wicbilde tzu dem Luban“ die Obergerichte nirgendwo anders behandelt werden sollten als „in der stad erbgerichte vor dem voyte, vor dem erbrichter vnd schepphen tzu dem Luban“.165 Bezogen auf den auch nach 1253 weiterhin böhmischen Herrschaftsraum im Untersuchungsgebiet, das Land Zittau,166 werden 1248 neben „Henricus“, wohl dem Burggrafen von Zittau, „Herbert“ und „Litold“, Vögte, „iudices provinciales“ erwähnt.167 Erstmalig jedoch aus der genannten Immunitätsurkunde von 1346, mit der der Landesherr dem Kloster St. Marienthal die Obergerichte über die 1238/1239 noch vorbehaltenen Obergerichte hinsichtlich Dörfern „in districtu Zittauiensi“ verleiht und seinen Amtsträgern („capitanei, advocati“, „subadvocati“ „terre dicte Zittauiensis“) das Tätigwerden in den Dörfern des Klosters insoweit verbietet,168 geht hervor, daß der zuerst in zwei Urkunden von 1303 und 1318–1320 genannte „provincialis advocatus“, der neben einem „hereditarius aduocatus“ in Zittau, also wohl einem städtischen „Erbvogt“ genannt wird,169 Richter im Vogtding/Landgericht zu Zittau war.170 Im Bericht des Zittauer Rates an Kaiser Karl IV. als böhmischen König von ungefähr 1348 ist zu lesen, daß „euer landrichter [. . .] landgerichte yn ewer stadt zu der Zittau [saß]“.171 Nach Weizsäcker handelt es sich dabei um den landesherrlichen Vogt zu Zittau,172 dem mit Blick auf vergleichbare Verhältnisse in benachbarten Landschaften zuzustimmen ist. Damals war die Vogtei auch noch nicht an die Stadt Zittau veräußert worden. Nachdem die Vogtei Zittau, die erst Ende des 14. Jahrhunderts an die Stadt Zittau gelangt war, wieder vom Landesherrn zurückerworben worden war, erscheint der Budißiner und Görlitzer Vogt zugleich auch als Vogt des Landes Zittau.173 Nachrichten darüber, daß er weiterhin Richter im Landgericht war, liegen (heute) nicht (mehr) vor. Die für die Untersuchung der Gerichtsverfassung des Görlitzer Vogtdings so wesentliche landesherrliche Urkunde vom 28. November 1303 beinhaltet hinsichtlich der Stellung des Vogtes als Richter im Vogtding Görlitz, das, wie später zu zeigen ist, durch diese Urkunde nicht abgeschafft wurde, keine Veränderung: „Ymo volumus [. . .], ut singulis horis et temporibus judicii oportunis, civitatis 165

VOU I, H. 1–4, S. 85. Zu den Herrschaftsräumen allgemein Schrage, Oberlausitz, S. 85 ff. 167 Prochno, Urkundenbuch, S. 10 f.; tschechisches Original RBM I, S. 562. 168 CDLS I, S. 374 ff., 376, Z. 20 ff. 169 CDLS I, S. 169, Z. 19 f.; 170, 171, Z. 8; weitere Nachweise bei Reuther, Verfassung, S. 105. 170 Vgl. Seeliger, Heimatkunde, S. 35. 171 Weizsäcker, Landgericht, S. 9. 172 Weizsäcker, Landgericht, S. 13. 173 Knothe, Rechtsgeschichte, S. 241 m.w. N. 166

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C. Landesherrliche Gerichte

nostre in banccis, cum advocato nostro, judex hereditarius noster [. . .] judicio presidere [. . .] et nostrum advocatum de fructibus judicii [des Erbgerichts – HvS] vel causarum judiciarium duas partes percipere et colligere, hereditarium judicem nostrum tertiam vero partem, exceptis duntaxat homicidiis, rapinis, incendiis, furtis, claudicacionibus et aliis quibuscunque causis majoribus, in nostro territorio vel territoriis Gorlitz commissis, quas vero causas in quatuor banccis civitatis, presentibus scabinis civibus nostris et non alibi, nostrum advocatum volumus judicare et hujusmodi causarum fructus nostre camere totaliter reservare“.174 Der Vogt soll also hinsichtlich der dort genannten Obergerichte weiterhin dem Gericht vorsitzen („judicare“). Es handelt sich hierbei weiterhin um das Vogtding, da es auch in dieser Quelle aufgrund der Stellung des Richters als solches angesehen, mithin „von der Herrschaft her“ betrachtet wird. Die Urkunde regelt mithin die Gerichtsverfassung sowohl des Erbgerichts als auch des Vogtdings, wie noch auszuführen ist. Was das Vogtding betrifft, soll das Richterdrittel der landesherrlichen Kammer (weiterhin) zufallen, und zwar abweichend von den Regelungen bezüglich des Erbgerichts, insoweit dem Erbrichter das Richterdrittel zustehen soll. Der Vogt erscheint hier folglich weiterhin ausdrücklich bezogen auf die genannten Obergerichte als Richter im Vogtding. Das Gericht wird durch die Urkunde lediglich hinsichtlich der Schöffen, wie noch auszuführen ist, verändert. Daneben ist der Vogt weiterhin Richter bei Klagen gegen den Erbrichter beziehungsweise sogenannter schweigender Richter im vom landesherrlichen Erbrichter geleiteten Erbgericht, also Vertreter und Wahrer der landesherrlichen Interessen in diesem weiterhin landesherrlichen Gericht. Der Vogt erscheint noch nach der landesherrlichen Urkunde von 1329 als Richter im Vogtding, denn nach dieser Urkunde, die die Zuständigkeit des Vogtdings außerhalb des Regelungsbereichs der Urkunde von 1303, mithin soweit es die auch weiterhin gerichtsverfassungsrechtliche Trennung der Rechtsgemeinschaften betrifft, müssen Adel und Bauern in der Vogtei Görlitz außerhalb der 1303 genannten Obergerichte weiterhin grundsätzlich „antwurten“ vor des Landesherrn „Voyt in unserm Hof ze Gorlicz“ beziehungsweise vor dem „Voyt, der sol zu im Rechtes helfen, in der Stat ze Gorlicz, wo er daz Gerichte siczet“. Der Landesherr behält sich, soweit es sowohl Vogtding als Erbgericht Görlitz betraf, „unser Recht unde Buez, die wir haben an unsern Gerichten, als ez von Alder an uns komen ist“, vor, also wohl hinsichtlich des Vogtdings sämtliche Gefälle und hinsichtlich des Erbgerichts die zwei Drittel der Gerichtsherrschaft.175 Nach einer von Weinart mitgeteilten landesherrlichen Urkunde von 1320 fielen auch im Vogtding Lauban „Bußen und Wandeln“ an, „Voigtei-Schillinge“, die ein gewisser „Opitz“, der die Vogtei vom Landesherrn gegen Zahlung einer Geldsumme als Lehn verreicht erhielt, als Bestandteil des Lehens für sich einziehen durfte.176 174 175 176

Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 528 f. Weinart, Rechte I, S. 344, 423; vgl. VOU I, H. 1–4, S. 30.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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Seit dem 14. Jahrhundert handelte nur noch ein landesherrlicher Vogt, und zwar mit Sitz in Budißin.177 Das Amt des Landvogts wurde nach Tod des Landvogts v. Stammer178 1777 nicht mehr besetzt, mithin vom (Oberamts-)Hauptmann zu Budißin mitverwaltet.179 Das damit verbundene Richteramt übten, soweit vogteiliche Zuständigkeiten beim Landesherrn verblieben, andere landesherrliche Amtsträger aus. Bereits aus Görlitzer Rechtsbuch-Landrecht XXXIV § 8 geht hervor, daß „der richtar ne mac ne heinen andirn man vor sich zo richtare setzen; doch mac er wol einen vorsprechin wol bi sich sezzin zo richtine.“ Damit ist ein Unterrichter gemeint. Die Vögte, die nach Übergang des Untersuchungsgebiets an den König von Böhmen 1319 regelmäßig zunächst noch „vogt“ oder „capitaneus“, später aber auch „Hauptmann“ beziehungsweise dann durchgängig „Landvogt“ genannt wurden,180 ließen sich ab dem ausgehenden Mittelalters auch in den Vogtdingen/Landgerichten gern vertreten. Herzog Johann von Görlitz behielt sich und seinen Nachkommen als Herzögen von Görlitz noch 1377 das „oberste Gericht auf dem Lande und in der Stadt vor“, „das der Vogt richten soll“.181 Im Rechtsspruch König Wladislaws II. von 1497 heißt es hinsichtlich des Richters in dem Vogtding zuständigen Sachen jedoch: „Würde auch ein Rittermäßig Mann oder desselben arm Mann [Untertan, Bauer – HvS], mit den von Görlitz einen, oder ihrer Armen Leuthe einen uneinig, und vorletzt einer den andern das er doch der 6. Stücke [gemeint sind die in der landesherrlichen Urkunde von 1303 genannten Obergerichte – HvS] keines antrifft, so sollen die von Görlitz, von des ihnen wegen, der vorletzt worden wäre, den Rittermäßigen, oder seinen armen Mann, als Vorletzter, nicht für ihre Gerichts-Bäncke laden, sondern für unsern ietzigen oder künfftigen Land-Voigt, oder vor seinen Haubtmann zu Görlitz, in das Hoff-Gedinge“.182 Dieser Rechtsspruch regelte also ebenfalls die Zuständigkeit des Vogtdings bei Streitigkeiten zwischen Adel beziehungsweise Bauern einerseits und Görlitzer Bürgern andererseits außerhalb der von der landesherrlichen Urkunde von 1303 genannten Obergerichte, bezog sich mithin insoweit – teilweise mit wortwörtlichen Zitaten183 – auf den Inhalt der bereits erwähnten landesherrlichen Urkunde von 1329, in der noch wie selbstverständlich

177

Vgl. Seifert, Landvögte, S. 16 ff., 37 f., 38 ff., 49 ff. m.w. N. Über ihn Boetticher, Adel II, S. 910 f. m.w. N. 179 Der dann, nachdem er bereits zuvor faktisch – insbesondere Oberamtshauptmann genannt – der ständige Vertreter des Landvogts gewesen war, Oberamtsverwalter beziehungsweise -verweser genannt wurde (näher Boetticher, Adel I, S. 13 f.; Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 66 f.). 180 Nachweise bei Reuther, Verfassung, S. 104 ff.; Knothe, Rechtsgeschichte, S. 229 f., 264 ff. 181 VOU I, H. 1–4, S. 99; Großer, Merckwürdigkeiten, I, S. 94. 182 LSD, S. 43 ff., 44. 183 Etwa „Rittermäßiger, oder desselben arm Mann“ (vgl. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 528 f.). 178

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C. Landesherrliche Gerichte

vom Vorsitz des Vogtes ausgegangen wird,184 wohingegen im Rechtsspruch die Möglichkeit der Vertretung des Vogtes durch den Hauptmann im „Hofgedinge“ eröffnet wird. Damit war der bereits erwähnte (Amts-)Hauptmann zu Görlitz, der, wie zu sehen sein wird, auch Richter des Görlitzer Hofgerichts war, gemeint. Auch im Vogtding/Landgericht zu Budißin erfolgte frühzeitig Vertretung des Vogts. Mit einer Urkunde des „Landgerichts“ zu Budißin von 1376 bekennt „Hug von Maxin lantrichter zu Budissin“, daß „vor mich und vor gehegiter bank des lantgericts uf dem huse zu Budissin Hanns Swarze gesessin zu Gortitz“ erschienen sei mit einem Bekenntnis.185 Maxen war wie erörtert zur selben Zeit Budißiner Hauptmann und ständiger Vertreter des dauernd abwesenden Budißiner Vogtes. Eine vom Verfasser wieder aufgefundene Quelle, deren Inhalt bereits Lieschke ohne Fundstellenangabe mitteilte,186 beinhaltet der Überschrift nach einen Bericht des „Landrichters“ des Budißiner Landgerichts über dessen „Beschaffenheit“ an das Oberamt. Der Bericht stammt vom Ende des 16. Jahrhunderts, denn er schildert die Verhältnisse vor „40 Jahren“, als nämlich „Georg Frietzsche“, ab 1545 und als Kanzler der Landvogtei erscheinend,187 einen neuen „Landrichter“ eingesetzt habe. Die Gerichtspersonen des „kgl. Landgerichts“ waren der „Landrichter“ und die „Landschöppen“.188 Es handelt sich bei dem Bericht nicht, wie im Rahmen dieser Arbeit insbesondere anhand der Beleuchtung der Zuständigkeit, mithin der Schöffenbesetzung des Gerichts zu klären sein wird, um die Schilderung der Verhältnisse in einem besonderen „wendischen Landgericht“,189 auch nicht in einem der 1548 nach böhmischem Vorbild neueingerichteten Landgerichte, auf die noch einzugehen sein wird, sondern im alten Budißiner Vogtding/Landgericht. Das Landrichteramt des Budißiner Landgerichts wurde bei Vakanz, wie sich etwa aus einem Demissionsschreiben eines Budißiner Landrichters aus der Mitte des 17. Jahrhunderts ergibt, um 1600 vom „Landrichter von Göda, so in Meißen gelegen,“ 190 dem Richter des hochstiftischen, später meißnischen, landesherrlichen Dingstuhls zu Göda, versehen. Auch aus dem Vogtding/Landgericht zu Budißin entstanden bei Abgabe zahlreicher Zuständigkeiten mit der Zeit unterschiedliche landesherrliche Gerichte mit jeweils voneinander abweichenden (ursprünglichen Vogtei-)Zuständigkeiten, besetzt jeweils mit vom Vogt verschiedenen Personen als Richtern. In der landesherrlichen Instruktion an den Landvogt Graf Dohna von 1554 wird zwar angeord184

Vgl. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 528 f. DA Bautzen, Bekenntnis des Hand Schwarze, unpaginiert. 186 Lieschke, Geschichte, S. 11 f. 187 Vgl. über ihn, einen der eifrigen Gegner der landesherrlichen Städte in der Zeit des Pönfalls, Knothe, Rechtsgeschichte, S. 372 m.w. N. 188 StFilA Bautzen, Bericht Landgericht, unpaginiert. Dies war Knothe nicht gelungen (vgl. Knothe, Rechtsgeschichte, S. 194, Anm. 2). 189 So aber Knothe, Rechtsgeschichte, S. 194. 190 StFilA Bautzen, Bericht Landrichteramt, Bl. 39 ff. 185

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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net, daß „unser Land-Voigt, unser Königl. Ober-Gerichte, Hoff- und Land-Gerichte, deßgleichen auch allen gerichtlichen Proceß, in unserm Nahmen handeln“ solle. Jedoch wurde eingeräumt: „Und dieweil unser Land-Voigt solche [Gerichte] alle zubesuchen, zu weit entlegen, so soll er und mag dieselben [mit] notwendigen Richtern, Gerichts-Dienern, auch einen Landreuther versehen und bestellen“.191 Auf die aus den Vogtdingen/Landgerichten entstandenen Gerichte wie etwa die Hofgerichte wird noch einzugehen sein. Im Görlitzer Vogtding büßte der Vogt den Vorsitz auch in den gemäß der landesherrlichen Urkunde von 1303192 diesem als Richter vorbehaltenen Obergerichtssachen spätestens ab Ende des 14. Jahrhunderts zugunsten des Erbrichters zu Görlitz ein. Die Quellen, aus denen Hinweise auf die tatsächliche Übung hervorgehen, zeigen, daß tatsächlich zwischenzeitlich der Erbrichter die Stelle des Vogtes als Richter insbesondere in den in der landesherrlichen Urkunde von 1303 dem Vogt als Richter vorbehaltenen Sachen übernommen hatte. Leider hat sich ein Gerichtsbuch des Vogtdings, soweit je vorhanden, nicht erhalten. Jedoch ergibt sich aus Gerichtsbüchern des Erbgerichts Görlitz, die auch peinliche Sachen zum Inhalt haben, daß der Görlitzer Erbrichter bis zu den Veränderungen im Zuge des Pönfalls 1547 auch Richter in den mit der Urkunde von 1303 dem Vogt vorbehaltenen Sachen, also auch über den Adel in dem mit Stadtschöffen besetzten Gericht war, mithin auch insoweit praktisch in der Besetzung des Erbgerichts gehandelt wurde. Der Vogt erscheint etwa jeweils nicht im ältesten liber vocacionum von 1390 bis 1414193 und in zwei Gerichtsbüchern („coram judice“) aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, die jeweils dem Vogt mit der landesherrlichen Urkunde von 1303 vorbehaltene Obergerichtssachen enthalten.194 Der Görlitzer Chronist Haß verstand denn laut seinen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts verfaßten Ratsannalen bei seiner Auslegung der landesherrlichen Urkunde von 1303 die Anordnung, daß der Vogt in den dort genannten Obergerichten richte, nicht mehr. Vielmehr war auch nach seinem Bericht der Erbrichter insoweit der Richter im Stadtschöffengericht: „Nhu weis jch nicht, habs auch von eldisten nicht gehort, wie zum anfange die gerichte bestalt. Auff heute ist kein voit, den der landuoit, ein Behmischer her, der wirt bey den gerichten nicht sietzen werden. Ist auch von viel langen also gewest, zu der zeit do die voiteyen Budissin vnd Gorlitz gesundert gewest sein [. . .]. Abir auff heute ist alleine der richter [der Erbrichter – HvS]. Doch jst der lantuoit an stadt der ko.n. mt. auff das orbir vnd einkomenn, wie vor alders superintendens.“ 195

191 192 193 194 195

KW II, S. 1337 f. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. Jecht, liber vocacionum, S. 2 ff. Boetticher, Gerichtsbücher, S. 135 ff., insb. 138 ff., 142 ff. Haß, Ratsannalen II, S. 136 f.

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C. Landesherrliche Gerichte

Dieser tatsächliche Wechsel in der Richterbesetzung des Vogtdings Görlitz wurde von der Landesherrschaft geduldet, so nach dem erwähnten Rechtsspruch Königs Wladislaws II. von 1497, worin mit ausdrücklicher Bezugnahme auf die landesherrliche Urkunde von 1303 hinsichtlich der dort genannten Obergerichte angeordnet wird, daß diese „von unserm Voigte, oder unserm Erbrichter zu Görlitz [. . .] daselbst gericht und gerechtfertiget werden“.196 Bereits 1474 hatte der Landesherr den Inhalt der landesherrliche Urkunde von 1303 anläßlich der Bestätigung ihres Inhalts gegenüber den Görlitzern so abgeändert, daß die bisher dem Vogt vorbehaltenen Sachen nunmehr „coram [. . .] judice nostro“ behandelt werden sollten,197 mithin vor dem Erbrichter, der, wie zu sehen sein wird, ebenfalls landesherrlicher Amtsträger war. 1502 ordnete der Landesherr an, daß in den in der Urkunde von 1303 dem Vogt vorbehaltenen Sachen und „alle[n] andere[n] grossere[n] sachen die sich jn der stadt Gorlitz vnd jm weichbilde begeben, vor jrem voite adir erbrichter vnd den schoppenn der stadt doselbst vnd nirdet anders wue sollen gericht und gerechtfertigt werden.“ 198 Indes forderte der Landesherr im „Kuttenberger Spruch“ von 1510, daß der Vogt selbst richte oder wenigstens dabeisitze beziehungsweise einen besonderen Vertreter entsende.199 Der „Letzte Pragerische Vertrag zwischen Land und Städten“ von 1534 liegt jedoch wieder auf der Linie des Rechtsspruchs Wladislaws II. von 1497, indem nunmehr vereinbart wurde, daß die in der landesherrlichen Urkunde von 1303 genannten Obergerichte „vor dem Voigt oder Erb-Richter, nach Ordnung der Gerichte“ behandelt werden sollten.200 Schließlich ergibt sich aus der decisio ferdinandea von 1544, mit der insbesondere der Streit zwischen Landschaft des Landes Görlitz und der Stadt Görlitz wegen der Gerichtszuständigkeit des Erbgerichts zu Görlitz beseitigt werden sollte, daß von den Regelungen der Urkunde von 1303 noch bis Mitte des 16. Jahrhunderts tatsächlich abgewichen wurde, daß dies aber vom Landesherrn nicht gewünscht war. Das Erbgericht sei zwar nach Vortrag der Stadt Görlitz von den Markgrafen von Brandenburg dem „Rat zu Görlitz vertrauet, zugestellet [. . .] und an ihrer, der Markgrafen, Statt jederzeit, mit samt und neben dem Voigt und Erb-Richter daselbsten, zu urbarn befohlen“ worden. Die bereits in der Urkunde von 1303 genannten Obergerichtssachen, die sich in Stadt und Weichbild Görlitz zutrügen, seien „zu Görlitz, vor den vier Bänken, in Gegenwart des Voigts und Erb-Richters“ zu behandeln.201 Jedoch wurde von der Landschaft eingewandt, das Erbgericht tage auch bei Verfahren mit Beteiligung der Landschaft, in welchem Fall der Vogt den Vorsitz haben müsse, nur bestehend aus Erbrichter und Stadtschöppen: „Hierauf [die Landschaft – HvS] Uns 196 197 198 199 200 201

LSD, S. 43 ff., 44, 47. Abgedruckt Großer, Merckwürdigkeiten, I, S. 148, Anm. e. VOU II, S. 61; Haß, Ratsannalen II, S. 167 f. VOU II, S. 84. KW II, S. 1287 ff., 1289. KW II, S. 1314.

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[dem Landesherrn – HvS] unterthänigst bittende, bey unsern Königl. Gerichten [Erbgericht zu Görlitz – HvS] gnädigst zu verfügen, auf daß hierinnen die Gleichheit bey den Unterthanen gehalten, die Beschwerung abgeschafft, oder aber gnädigst zu verordnen, daß [. . .] wann je zu Zeiten Ihr, als deren von unserm Landstand, derselben Rittermäßigen Personen, oder ihrer Unterthanen Leib, Ehr und Güter gerechtfertigt würden, (darzu die Stadt Görlitz alleine ihre Schöppen niederzusetzen, oder die vier Bäncke zu bestellen pflegte,) daß dann unser LandVoigt, inmassen König Wladislai Spruch im 1510 den Jahre beschehen [„Kuttenberger Spruch“ von 1510 – HvS 202], zu Ende seines andern Artickels vermöchte, darbey sitze und richte, oder ie an seiner Statt einen Land-Richter, zu Erörterung dergleichen Sachen und Handlung, gen Görlitz verordnete, dieweil alle Biligkeit besage, daß der Unter-Stand den Obern nicht richten solle“ 203. Die Stadt Görlitz erwiderte jedoch, daß die Bestellung eines Landrichters nicht erforderlich sei, da ja bereits Landvogt beziehungsweise Erbrichter die Richterstelle im königlichen Erbgericht versähen und „daß [dies] kein Brauch in vielen Jahren gewest, oder ie ein Land-Richter gehalten“.204 Der Landesherr entschied bezüglich der Besetzung des Erbgerichts vorläufig, daß die Stadt „unser Gericht nach Magdeburgischen Rechten und derselbigen Ordnung in den geklagten Fällen, samt unsern Land-Voigt oder gesetzten Richter, wie vor Alters her, gebrauchen [. . .]. Doch solle hierzwischen [bis zur endgültigen Entscheidung des Streites – HvS] unser Land-Voigt, wie von Alters, solche unsere königliche Gerichte in eigener Person besitzen, oder an seiner Statt durch eine geschickte taugliche Person verwalten, und ferner kein Theil dem andern an seinen Rechten, alten Herkommen, und üblichen Gebrauch der Gerichten, irren oder eingreifen, besonders biß zu unserm endlichen Spruch, dabei unbetrübt bleiben lassen.“ 205 Damit machte der Landesherr deutlich, daß er letztlich doch Wert darauf legte, daß in den bereits in der Urkunde von 1303 dem Vogt und nicht dem Erbrichter als Richter vorbehaltenen Sachen weiterhin auch der Vogt oder sein Vertreter und nicht der Erbrichter der Richter sei. Diese Regelung griff jedoch kaum Platz. Im Zuge des Pönfalls 1547 wurden, wie zu sehen sein wird, die Verhältnisse insoweit grundlegend umgestaltet. Was Löbau betrifft, ist nach den zwei bereits erwähnten, im wesentlichen wortgleichen landesherrlichen Urkunden von 1238/1239 neben anderen „advocati“ zwar auch ein „advocatus [. . .] de Lubavia“ genannt.206 Hinsichtlich des späteren Zeitraums ist jedoch keine besondere Vogtei besetzt mit einem Vogt in Löbau mehr nachweisbar. Es bildete sich, wie noch zu zeigen, anstelle dessen nicht etwa ein besonderes landesherrliches Gericht. Vielmehr entstand – vergleichbar 202 203 204 205 206

VOU II, S. 84. KW II. S. 1296 ff., 1312. KW II, S. 1317 ff. KW II, S. 1319. CDLS I, S. 49 ff., 50, Z. 30 f.; 55, Z. 37 f.

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dem Görlitzer Erbgericht – durch Verleihung von Vogteirechten an die Löbauer Stadtrechtsgemeinschaft ein Zuständigkeitsbereich des Löbauer Stadtschöffengerichts auch hinsichtlich der Landrechtsgemeinschaft. Jedoch weicht hinsichtlich des Richteramtes im Stadtschöffengericht die Entwicklung hier von der in Budißin und Zittau einerseits sowie in Görlitz andererseits ab. In Budißin und Zittau saß zwar nicht mehr der Vogt persönlich, jedoch sein Vertreter weiterhin dem Vogtding vor. In Görlitz konnte, wie noch zu zeigen ist, der später dem Rat entnommene Erbrichter sein Richtertum auch hinsichtlich der dem Vogt nach der genannten landesherrlichen Urkunde von 1303207 vorbehaltenen Zuständigkeit über die Landrechtsgemeinschaft ausdehnen. Nach dem ältesten Löbauer Gerichtsbuch (1491 bis 1542) erstellte Carpzov folgende Liste von „Königlichen Hof-Richtern in Löbau“: „1491. Nicol von Kupperitz. 1493. George v. Metzradt. 1497. Hanß Gaußigk. 1498. Nicol Spon. Eodem Anno. Heine Bellwitz. 1508. Melchior Forst. 1511. Hanß Gaussigk. 1528. Heinrich Klüx von Strahwalde. 1539. Hanß von Haußken. 1542. Jacob Scharffsoder. 1543. Nicol von Metzradt auf Herbßdorff.“ 208 Es handelte sich bei allen aufgeführten Richtern um Angehörige des landsässigen Adels,209 und zwar, soweit nachweisbar, großteils um im Zuständigkeitsbereich des Löbauer Erbgerichts Ansässige.210 Beim „Hofrichter“ handelte es sich um den Vertreter des Landesherrn als Gerichtsherrn im Löbauer Stadtschöffengericht, soweit das Stadtschöffengericht alte Vogteizuständigkeiten – auch in Rügesachen – wahrnahm, also auch über die Stadtfluren hinaus hinsichtlich der Landrechtsgemeinschaft zuständig war. Der Hofrichter saß dem Görlitzer Erbgericht, wenn es sich nicht lediglich um Stadtrichter und Stadtschöffen handelte, zusammen mit dem Stadtrichter (Bürgermeister) vor, so etwa nach Eintragungen von 1491 und 1535 im ältesten Löbauer Rügengerichtsbuch; dies, wie sich ebenfalls aus der Quelle ergibt, in der Praxis öfter auch in Sachen allein der Stadtrechtsgemeinschaft, die also nicht das Weichbild betrafen.211 Das Gericht wurde manchmal wegen des Vorsitzes des Hofrichters auch „judicium advocatum“ genannt.212 Vor 1491 ist anhand heute vorhandener Quellen das Amt des Hofrichters nicht (mehr) nachweisbar. Aus einer Urkunde eines Notars von 1390, enthaltend Aussagen von Einwohnern Löbauer Weichbilddörfer, geht hervor, daß in dieser Zeit lediglich „burgermeister und schepphin der [. . .] stat Lobaw“ Gerichtspersonen in diesem Gericht waren, insbesondere in Rügesachen.213 Im 207

Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. Carpzov, Ehrentempel, I, S. 324. 209 Vgl. zu den einzelnen Personen und deren Familien Knothe, Adel I, insbesondere S. 133 ff. (Bellwitz); 181 ff. (Forst); S. 253 ff., 257 (Gusk/Gaußig); S. 297 ff. (Klix); S. 505 f. (Span/Spon); S. 474 (Scharfsod), S. 360 ff. (Metzradt). 210 Vgl. die Aufzählung der Weichbilddörfer im Löbauer Rügengerichtsbuch aus dem Jahr 1491 (abgedruckt CDS II, 7, S. 280). 211 StadtA Löbau, Rügenbuch Löbau, Bl. 2 b, 3, 225. 212 StadtA Löbau, Rügenbuch Löbau, Bl. 99, 104. 213 CDS II, 7, S. 239 ff., 240, Z. 15 ff. 208

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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Zuge des Pönfalls 1547 wurde diese Gerichtsverfassung, die Vertreter landesherrlicher und städtischer Gerichtsherrschaft als Richter in einem Gericht mit umfassender Zuständigkeit zusammenführte, wie zu sehen sein wird, abgelöst. Es wurde ein rein landesherrliches Gericht mit Zuständigkeit in Obergerichten in Stadt und Land innerhalb des Landgerichtssprengels unter Vorsitz des Landrichters gebildet. Daneben bestand ein städtisches Niedergericht unter Vorsitz des Stadtrichters mit Zuständigkeit innerhalb der Stadtfluren. b) Auswahl und Ernennung der Richter Das Vogtding im Untersuchungsgebiet war wie das zeitgenössische Burggrafengericht in Magdeburg214 und die zeitgenössischen Vogtdinge in Meißen215, Brandenburg216 und Schlesien217 ein landesherrliches Gericht. Mithin lag die Gerichtsherrschaft beim Landesherrn, die im Mittelalter maßgeblich gekennzeichnet durch die Zuordnung der zwei Herrschaftsdrittel aus den Gerichtsgefällen war. Dies geht hinsichtlich des Untersuchungsgebiets bereits aus den beiden insoweit gleichlautenden landesherrlichen Urkunden von 1238/1239 zugunsten des Klosters St. Marienthal hervor, denn der Landesherr ordnet hier an: „Res vero advocati et judices rationabiliter tempore judicii acceperint, duas partes abbatissae et conuenti, tertiam partem nostrae camerae volumus assignari.“ 218 Der Landesherr war hier mithin rechtlich und tatsächlich in der Lage, über sämtliche Gerichtsgefälle zu verfügen, auch über die zwei Herrschaftsdrittel, die ihm folglich (bislang) zugestanden haben müssen. Mit der bereits genannten Urkunde von 1303 zugunsten der Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft regelt der Landesherr hinsichtlich der Gerichtsgefälle, soweit es das Erbgericht beziehungsweise das Vogtding betrifft: „Nostrum advocatum de fructibus judicii vel causarum judiciarium duas partes percipere et colligere, hereditarium judicem nostrum tertiam partem vero partem, exceptis duntaxat homicidiis, rapinis, incendiis, furtis, claudicacionibus et aliis quibuscunque causis majoribus, in nostro territorio vel territoriis Gorlitz commissis, quas vero causas in quatuor banccis civitatis [. . .] nostrum advocatum volumus judicare et hujusmodi causarum fructus nostre camere totaliter reservare.“ 219 Sowohl hinsichtlich des Erbgerichts, bezüglich dessen der Erbrichter als Richter das Richterdrittel erhält, als auch – dies ist hier entscheidend – hinsichtlich des Vogtdings, wo der Vogt in den genannten Obergerichtssachen der Richter ist, sollen (neben dem Richterdrittel) die zwei Herrschaftsdrittel aus den 214 Vgl. Lück, Gerichtsverfassung in den Mutterstädten, S. 170 ff.; ders., Schöffenstuhl, S. 138 ff.; Schranil, Stadtverfassung, S. 47 ff.; 55 ff. 215 Vgl. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 95 ff., 99 f. 216 Vgl. Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 101 ff., 134 ff.; II, S. 1 ff. 217 Vgl. Helbig, Landgemeinde, S. 103 ff.; Loesch, Verfassung, S. 138 ff. 218 CDLS I, S. 49 ff., 50, Z. 39 ff.; 51, Z. 1; vgl. 55 ff., 56, Z. 8 ff. 219 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f.

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Gerichtsgefällen beim Vogt beziehungsweise, soweit es das Vogtding betrifft, bei der „landesherrlichen Kammer“ verbleiben. Die Vögte im Untersuchungsgebiet wurden zu brandenburgischer wie in der Mark Brandenburg220 und auch später zu böhmischer und kursächsischer Zeit221 stets – entgegen der Beschreibung des Sachsenspiegels hinsichtlich der dort genannten „Vögte“ –222 als landesherrliche Amtsträger vom Landesherrn ausgewählt und regelmäßig auf Lebenszeit ernannt, wobei die Landstände später Mitwirkungsrechte in Form der „Annahme“ hatten. Das Amt wurde trotz Begehrlichkeiten niemals, soweit es die Vogteien Budißin und Görlitz betrifft, lehnrechtlich oder zu Eigen (erblich) vergeben.223 Soweit es die Vertretung des Vogtes im Vogtding/Landgericht angeht, erfolgte auch insoweit Auswahl und Ernennung durch den (Vertreter des) Landesherrn. Der bereits genannte Bericht des Budißiner Landgerichts über dessen Gerichtsverfassung an das Oberamt vom Ende des 16. Jahrhunderts schildert die Verhältnisse vor „40 Jahren“, als nämlich „Georg Frietzsche“, wie erörtert ab 1545 und als Kanzler des Oberamts erscheinend, einen neuen „Landrichter“ „erfordert“ beziehungsweise „eingesetzt“ hatte. In dem Bericht wird deutlich gemacht, daß das Amt des Landrichters nicht etwa wie bei den Schöffen dieses Gerichts an einem Erbgut hänge, sondern die Besetzung dieses Amtes im völligen Ermessen „des Amtes“, also der Landvogtei stehe.224 Anders wurde jedoch hinsichtlich der Vogteien Lauban und Zittau verfahren. Die Vogtei Lauban verreichte Herzog Heinrich von Jauer als Laubaner Landesherr 1320 einem gewissen „Opitz vasallus noster“, wohl identisch mit dem bereits erwähnten zeitgleich genannten „Apetz judex hereditarius de Lubano“, mit sämtlichen Gefällen zu Lehn („confert“).225 Um 1400 hatte des Landesherrn „lieber Getreuer, Stephan Kobershayn,“ an die Stadt Lauban „erblich“ die Vogtei Lauban „verkauft“, die ihm vormals vom Landesherrn „gegeben“ worden war, „erblich zu haben“, und die nunmehr dem Laubaner Rat vom Landesherrn „erblich“ „geliehen“ und „gereicht“ wurde.226 Es handelte sich damit wohl bei der Vogtei (mittlerweile) vor und nach Veräußerung um Eigen. Der genannte „Kobershayn“ war nach Knothe Angehöriger des meißnischen, auch im Untersuchungsgebiet begüterten Adelsgeschlechts v. Kobershain.227 Der Rat der Stadt Lauban hatte 220 Vgl. hinsichtlich der Verhältnisse in der Mark Brandenburg Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 134 ff. 221 Vgl. hinsichtlich der Verhältnisse im Königreich Böhmen Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 122 f.; II, S. 16 ff., 105 f.; im Kurfürstentum Sachsen Blaschke, Ausbreitung, S. 74 ff. 222 Vgl. Planck, Gerichtsverfahren I, S. 4 ff. 223 Näher Seifert, Landvögte, S. 32 ff. m.w. N.; Kapras, Rechtsgeschichte, S. 28 ff., 65 f.; vgl. Peterka, Rechtsgeschichte II, S. 30 f. 224 StFilA Bautzen, Bericht Landgericht, unpaginiert. 225 VOU I, H. 1–4, S. 30. 226 VOU I, H. 1–4, S. 155; LSDC, S. 13; Oberlausitzer Arbeiten 2, S. 265. 227 Vgl. Knothe, Adel I, S. 305 f.

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wohl bereits vorher zeitweise die Vogtei innegehabt. 1336 hatte dieser nach Bericht zweier Annalisten vom Landesherrn „erblich“ die „Landgerichte mit allen Rechten, wie er (Anm. d. Verf.: der Landesherr) selbst solche gehabt“, erworben.228 Im selben Zeitraum wurde dies auch hinsichtlich der Vogtei Jauer und anderer schlesischer Vogteien zugunsten schlesischer Städte gehandhabt.229 Den Vogt zu Zittau, damals „dominus Pescho de Uchteritz“, ein Angehöriger des in Schlesien und im Untersuchungsgebiet landsässigen Geschlechts v. Uechtritz,230 nennt der damalige Landesherr 1328 oder 1338 „noster advocatus“.231 Nachweislich zwischen 1396 und 1410232, also in der Zeit, als „Richter, Rat und Bürger“ der Stadt Zittau Inhaber der Vogtei waren, erscheinen vom Rat ausgewählte und ernannte bürgerliche Vögte zu Zittau. So wird in einer städtischen Urkunde vom Zittauer Vogt gesprochen, einen Zittauer Ratsherren, den der Rat zu Zittau „bestimmt“ habe.233 Der Löbauer Hofrichter vor 1547 wurde „königlicher Hofrichter“ genannt.234 Von königlicher (von der Übertragung des Richteramtes isolierter amtsrechtlicher) Leihe des Gerichtsbanns an einen landesherrlichen Amts- oder Lehnsträger als (Unter-)Richter im Untersuchungsgebiet, insbesondere den landesherrlichen Vogt ist im Hoch- und Spätmittelalter nichts mehr zu hören. Scheyhing ermittelte hinsichtlich der Gerichtsverfassung im gesamten Reich Anhaltspunkte für einen Übergang nicht nur des Rechts am jetzt als Blutbann weiterbestehenden königlichen Gerichtsbann vom König auf den (weltlichen) Landesherrn, sondern auch des „Delegationsrechts“, also des Rechts der Leihe des Banns „als Zubehör“ des „im Lehenswege übertragenen Fürstentums“ im Zusammenhang mit Investiturstreit und Entstehung der Landesherrschaft, mithin der Landeshoheit. Das Delegationsrecht stand den Fürsten dann „kraft ihrer staatsrechtlichen Stellung“ zu. Auch insoweit schlossen sich „die Territorien der Landesherren [. . .] gerichtsverfassungsrechtlich gegenüber dem Reich ab“.235 Der Landesherr übertrug die nunmehr landesherrliche Gerichtsgewalt auf einen Richter als Inhaber eines landesherrlichen Amtes oder Lehens entweder unabhängig von der Übertragung des Richteramts oder mit diesem zusammen. Scheyhing fand Beispiele jeweils für lehn- beziehungsweise amtsrechtliche Übertragungsformen sowohl hinsichtlich 228

VOU I, H. 1–4, S. 39. Vgl. Menzel, Weichbildverfassung, S. 32; Loesch, Verfassung, S. 143; jeweils m.w. N. 230 Knothe, Adel I, S. 522 f. 231 CDLS I, S. 272, Z. 25 f. 232 Carpzov, Analecta II, S. 252 ff., 290. 233 Prochno, Urkundenbuch, S. 198. Über die vom Zittauer Rat ausgewählten und ernannten Vögte Pescheck, Handbuch I, S. 443. 234 StadtA Löbau, Rügenbuch Löbau, Bl. 5. 235 Scheyhing, Bannleihe, S. 251 ff., 255 f., 268 ff., 281, 291 ff., 308. So auch Pitz, Verfassungslehre, S. 389 ff., 693 ff.; Kern, Gerichtsverfassungsrecht, S. 12. 229

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der Übertragung des Richteramtes als auch der Bannleihe, wobei eine amtsrechtliche Übertragung des Richteramtes bei lehnrechtlicher Bannleihe nicht nachweisbar war. Als „echte Bannleihe“ bezeichnet Scheyhing nur eine solche, die (weiterhin) unabhängig und isoliert von der Übertragung des Richteramtes die bloße Gerichtsgewalt verlieh. Sie erfolgte auch jetzt noch – „wesentliche, ja unersetzliche Förmlichkeit“ 236 – im Zusammenhang mit der Leistung eines Amtseides, also eines die typischen richterlichen Amtspflichten bekräftigenden Eides, jedoch nur dort, wo die Bannleihe weiter amts- und nicht zusammen mit der Verleihung des Amtes selbst lehnrechtlich erfolgte. Erfolgte sie, wie im Spätmittelalter üblich, mit der Übertragung des Richteramtes zusammen lehnrechtlich, galt der Lehnseid auch insoweit. Die gesonderte Bannleihe veränderte sich im Spätmittelalter zu einem allgemeinen lehn- oder amtsrechtlichen „Ernennungsakt“, bei dem „die Gerichtsgewalt empfangen“ und die „Ernennung beeidigt“ wurde. Der lehn- oder amtsrechtliche Richtereid des Spätmittelalters und der Neuzeit verkörperte jetzt die Bannleihe. Sein Vorliegen ist trotz Vermischung des Elements der Bannleihe mit dem der Leihe des Richteramtes zumindest „sicheres Indiz für das Vorliegen eines der Bannleihe nahe verwandten Ernennungsaktes“ innerhalb der spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Übertragung des Richteramtes. Erst die Ersetzung des Richtereides durch einen Beamtentreueeid im 19. Jahrhundert beendete endgültig das (verdeckte) Vorhandensein der Bannleihe.237 Bereits Urkunden aus dem 13. Jahrhundert geben zwar wie erörtert ausdrückliche Hinweise auf das Bestehen landesherrlicher Gerichtsgewalt im Untersuchungsgebiet, jedoch nicht auf ein Recht des Landesherrn zur Delegation der Gerichtsgewalt an landesherrliche (Unter-)Richter. Nach der Schilderung des Sachsenspiegels hinsichtlich der dort genannten „Vögte“ können diese, auch wenn sie dieses Amt zu Lehn haben, sowohl unter Königs- als auch unter Grafenbann handeln.238 Auch Görlitzer Rechtsbuch-Landrecht 39 § 6 kennt noch, und zwar nicht nur in Beziehung auf den Landesherrn, sondern auf jeden (landesherrlichen Unter-)Richter den „kuniges ban“, wobei wegen des ersichtlichen Zusammenhangs der Regelungen des entsprechenden Kapitels mit Vorschriften des Sachsenspiegels der Bann des deutschen Königs gemeint ist, sieht die Bannleihe jedoch völlig umfaßt vom Lehnrecht: „Swer bi des kuniges banne richtit unde den ban vonme kunige nicht zo len hat, dem sol man die zungin uz sniden“. Hinsichtlich des „Shultheizen“ kennt jedoch die Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304 (§ 6) den „Ban“ des „Heren des landes“, nicht aber hinsichtlich des ebenfalls genannten „Burcgreven“.239 Erst aus Quellen im Zusammenhang mit dem im Ergebnis lehnrechtlichen Übergang des Markgraftums Oberlausitz vom König 236 237 238 239

Scheyhing, Bannleihe, S. 295. Scheyhing, Bannleihe, S. 259 f., 291 ff., 294 ff., 302, Anm. 1. Vgl. Planck, Gerichtsverfahren I, S. 4 ff. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 450.

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von Böhmen auf den Kurfürsten von Sachsen ab 1620 ergibt sich näheres über die Rechtsbeziehung des Landesherrn zum Vogt. Der „Immissionsrezeß“ von 1623 regelte, daß „Stände“, „Unterthanen“ und „Beamte“ des Markgraftums in „Eydes-Pflicht und völligen Gehorsam“ an den Kurfürsten gewiesen würden, jedoch mit der Maßgabe, „daß die vier Beamten im Lande, als der Land-Voigt, Landes-Hauptmann, Gegenhändler und Cammer-Fiscal [. . .] von Ihrer Kayserl. Majestät und Chur-Fürstl. Gnaden zugleich bestellet werden, und beyden Theilen mit Eydes-Pflicht verwandt seyn sollen“. Dies bezog sich indes ausdrücklich nur auf „der Cammer Interesse, Nutzung, Einkommen, Raitung und Gegen-Raitung“, jedoch nicht auf die „Justititen und dergleichen Sachen“, bezüglich derer „vorgedachte vier Personen, gleich andern, in Ihrer Chur-Fürstl. Gndn. Pflichten alleynseyn sollen“ 240. Im Abtretungsrezeß anläßlich des Prager Friedens von 1635 wurde vereinbart, daß „Ihre Kayserl. Majestät Sr. Chur-Fürstl. Durchl. [. . .] Ihre beyde Marggraffthümer Ober- und Nieder-Lausitz, mit allen Landes-Fürstlichen Obrigkeiten, Hoheiten, Regalien, Titul und Wappen, ingleichen [. . .] Freyheiten, Gerichten, obersten und niedersten Nutzungen, Gerechtigkeiten und allen andern Einkünfften [. . .] erblich, eigenthümlich und unwiderruflich, jedoch Lehensweise, und wie rechten Mann-Lehens Art und Eigenschafft mit sich bringet, zu einem rechten Mann-Lehen [. . .] abtreten und auf offenen Land-Tag [. . .] würklich übergeben“ müsse.241 Hieraus geht hervor, daß der Landesherr des Untersuchungsgebiets als alleiniger Inhaber der Gerichtsgewalt auch über das Delegationsrecht hinsichtlich seiner Gerichtsgewalt verfügte, denn ausschließlich ihm gegenüber war der Landvogt nach diesen Quellen eidverpflichtet. Aus der Mark Brandenburg sind noch für das 15. Jahrhundert Amtseide der Vögte gegenüber dem Landesherrn erhalten.242 Kühns schloß mangels Quellen allein aufgrund der gemeinsamen Nennung von (altländischem) Gaugrafengericht und (nach der Buch’schen Glosse auch märkischem) Vogtding im Sachsenspiegel als Rügegerichte in Ssp.-Ldr. I 2 § 4 und der Bezeichnung des märkischen Vogtdings manchmal etwa als „ghodinc“ durch Vergleichsziehung zum Gaugrafengericht des Sachsenspiegels auf das Vorhandensein der landesherrlichen Bannleihe auch im märkischen Vogtding.243 Die Buch’sche Glosse zum Sachsenspiegel hat insbesondere die Verhältnisse in der Mark Brandenburg vor Augen, und zwar ausschließlich hinsichtlich vom Landesherrn verschiedener Richter, „märkischer Richter“, also auch der Vögte des märkischen Vogtdings. Die Glosse stammt zwar aus einer Zeit, als das Land Budißin bereits wieder unter böhmischer Landesherrschaft stand. Jedoch sind wegen der ursprünglich strukurell engen Verwandtschaft zwischen der brandenburgischen und der Vog240 241 242 243

KW II, S. 1402 ff., 1404. KW II, S. 1408 ff., 1409, 1412. Nachweis bei Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 141 f. Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 143 ff.; II, S. 21 ff., 29 m.w. N.

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teiverfassung im Untersuchungsgebiet vorsichtige Vergleichziehungen erlaubt. Die Glosse führt mehrere Auslegungen der Vorschrift Ssp.-Ldr. 65 § 1 an, wobei sie selbst folgende vertritt: „Wente de margreue noch nen ander richter mach richten wen van des rikes wegene. Wente na rechteme rechte en ys nemand richter wen de koningh“. „Deme koninge moten alle lude huldegen und alle richtere zweren, dat ze rechte richten“. Jedoch: „Edder vor de markeschen richtere sweret de marcgreue, vnde vppe den zut des de koningh vor en allen. Alsus zweret ok de procuratores vor andere lude“. „Wente de wat van des marcgreuen wegene richtet edder deyd, dat dut de marcgreue“. Die märkischen Richter leisten ihren Eid also gegenüber dem Markgrafen. Alles Handeln der märkischen Richter im Gericht ist vor dem König Handeln des Markgrafen. Der Markgraf schwört für die märkischen Richter dem König wie ein Prokurator für die von ihm Vertretenen, handelt also nach der Glosse der Markgraf bei der Eidesleistung gegenüber dem König gleichsam als Vertreter der märkischen Richter. Von einer unmittelbaren, von einem Eid gestalteten Rechtsbeziehung des märkischen Richters zum deutschen König kann jedoch keine Rede (mehr) sein. Vielmehr erscheint als Zwischenstufe der Landesherr. Der Richter in der Mark leistet nach der Glosse seinen Eid, der auch hier im unmittelbaren Zusammenhang mit der Bannleihe steht, gegenüber dem Markgrafen, welcher somit dem Richter nicht mehr und nicht weniger als den landesherrlichen Gerichtsbann lieh.244 Im Rahmen der sogenannten Annahme mußte der (Land-)Vogt im Untersuchungsgebiet nach den Quellen des 16. Jahrhunderts gegenüber den Landständen einen Revers ausstellen und einen Amtseid ablegen. Jedoch liegen keine Hinweise auf das Vorhandensein eines Eides des Vogtes gegenüber dem Landesherrn hinsichtlich des Zeitraums vor 1623 vor.245 Die landesherrliche Instruktion an den Landvogt Graf Dohna von 1554, der ältesten überlieferten, weist jedoch, soweit es die gerichtsverfassungsrechtlichen Regelungen betrifft, einen Inhalt auf, der an einen Eid erinnert: „Zum andern soll unser Land-Voigt, unser Königl. Ober-Gerichte, Hoff- und Land-Gerichte [gemeint sind neben den Hofgerichten wohl nicht die ursprünglich bestehenden, sondern die nach 1547 neugeschaffenen ebenfalls so genannten „Landgerichte“ – HvS], deßgleichen auch allen gerichtlichen Proceß, in unserm Nahmen handeln [. . .]. Und dieweil unser LandVoigt solche Königl. Ober- Land- und Hoff-Gerichte alle zubesuchen, zu weit entlegen, so soll er und mag dieselben, durch Land- und Städte-Schöppen und Land-Richter [. . .] versehen und bestellen, damit den Armen sowohl, als den Reichen iedes Ortes gleichs Gericht und Recht, dadurch die Billigkeit geschützet, und das Uebel der Gebühr nach unverzüglichen gestrafft und verhütt, gehalten

244

So auch Scheyhing, Bannleihe, S. 258. Näher Seifert, Landvögte, S. 32 ff. m.w. N., vor allem mit einem Nachweis eines Amtseides gegenüber den Landständen, S. 34, Anm. 2, 3; Kapras, Rechtsgeschichte, S. 28 ff., 65 f.; vgl. Peterka, Rechtsgeschichte II, S. 30 f. 245

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werde“.246 Dies erinnert stark an die typischen mittelalterlichen Richter- (und Schöffen-)pflichten, gerecht und unbeeinflußt ohne Ansehung der Person zu handeln, die wohl auch damit angesprochen sind. In dem genannten Bericht des Budißiner Vogtdings/Landgerichts, das, wie zu sehen sein wird, mit dem alten Budißiner Vogtding/Landgericht identisch ist, über seine „Beschaffenheit“ gegenüber dem Oberamt vom Ende des 16. Jahrhunderts wird mitgeteilt, daß „Landrichter“ und „Land-Schöppen“ bei ihrer „Aufnehmung“ vereidigt würden.247 Der Inhalt des Landrichtereids geht aus einem Eidesformular aus dem frühen 18. Jahrhundert hervor: „Ich, N.N., schwöre hiermit leiblichen (Eid) zu Gott! nachdem das Königl. [Polnische – HvS] und Churfürstl. [Sächsische – HvS] Oberamt zu Budißin mich zu dem Landrichter-Dienst auf- und angenommen, daß ich mich in solchem Dienste zu jederzeit, wie einem Landrichter oblieget, und gebühret, allenthalben getreu, fleißig, unverdrossen und verschwiegen erzeigen und verhalten“ werde „[späterer Zusatz: und hierbei weder Gabe, Geschenk, Freund- oder Feindschaft ansehen] will, so wahr mir Gott helfe.“ 248 Dieser Eid beinhaltet – mit Gottesbezug – die genannten mittelalterlichen Richterpflichten und im Zusammenhang mit der Beschreibung der Rechtsbeziehung zur Landesherrschaft den Begriff der Treue. Diese Eidesformel enthält, wenn sie denn, was nicht nachzuweisen, aber gut möglich ist, auf der Eidesformel der mittelalterlichen landesherrlichen Vögte beruht, mithin noch verkümmerte Hinweise auf landesherrliche Gerichtsbannleihe. c) Anforderungen und Pflichten an den/des Richters Hinsichtlich der Anforderungen an den (Vogt als) Richter ist in beeinflußbare und nicht beeinflußbare Kriterien zu unterscheiden. Zunächst sind die Rechtsbücher heranzuziehen. Nach Görlitzer Rechtsbuch-Landrecht XXXIV § 7 gilt folgendes: „Pfaffin unde vrowin unde die des herschildes darbin, die ne mu˚gin von rechte nicht richtare“. Damit sind Gedanken aufgegriffen, die bereits in Sachsenspiegel-Landrecht III 54 § 1, wonach nur ein Schöffenbarer, beziehungsweise Sachsenspiegel-Lehnrecht 61 § 1, wonach weder Weib noch Pfaffe Richter sein dürfen, geregelt sind. Im Görlitzer Rechtsbuch wird den Heerschildlosen die Fähigkeit zum Richteramt völlig abgesprochen. Nach Görlitzer Rechtsbuch-Landrecht XXXVIII § 5 steht entgegen Sachsenspiegel-Landrecht III 61 § 2 auch dem nicht im räumlichen Zuständigkeitsbereich des betreffenden Gerichts Geborenen das Schultheißenamt in diesem Gericht offen: „Sume liute sprechin, daz ein iegelich man, der von eime vremedin lande si geborn, nicht ne mu˚ge habin ein vorstinlich schultheiz ambacht; des n’is nicht, wan zo gelichir wis alse die 246 KW II, S. 1338 ff., 1339. Vgl. die entsprechende Stelle der Instruktion an den Landvogt Graf Schlick von 1561 (KW II, S. 1350 ff., 1351). 247 StFilA Bautzen, Bericht Landgericht, unpaginiert. 248 StFilA Bautzen, Bericht Landrichteramt, Bl. 61 ff.

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vorstin, die von vremedin landin sint geborn, vorstin reht in andirn landin, also mu˚gin vremede geborne liute schultheiz ambachat habin.“ Nach Görlitzer Rechtsbuch-Landrecht XLI § 8 darf der vom König geächtete Richter sein Richteramt nicht ausüben. Die Budißiner Vögte entstammten zu askanischer Zeit durchweg den Reihen der brandenburgischen oder Budißiner Ministerialität beziehungsweise Ritterschaft (1272 etwa „Thidericus aduocatus Budessinensi, dictus de Wsterbusch“,249 beziehungsweise „Theodoricus de Wusterbusch [. . .] miles“ 250, einem märkischen Ministerialen251; 1290 etwa „Reynhardus miles, dictus de Guzc, advocatus provinicialis in Budesin“ 252, einem Angehörigen des Oberlausitzer landsässigen Adelsgeschlechts v. Gaußig253.254 In Zittau, also im bereits damals böhmischen Herrschaftsraum erscheint „advocatus provincialis Lutoldus de Pribetitz“, der im Gegensatz zum ebenfalls genannten „hereditarius aduocatus Johannis“ landesherrlicher Amtsträger, mithin auch Richter im Vogtding gewesen sein muß.255 Es handelt sich bei ihm um einen Angehörigen der böhmischen adligen, wohl ministerialen, jedenfalls nicht dem böhmischen Herrenstand angehörigen Familie v. Pribetitz oder Premtitz.256 Nachdem das gesamte Untersuchungsgebiet nach 1319 böhmisch geworden war, wurden die landesherrlichen Vögte regelmäßig257 den Reihen des böhmischen Herrenstandes entnommen, wozu sich der Landesherr gegenüber den Landständen auch 1490 verpflichtete.258 Davor sind auch bürgerliche landesherrliche Vögte nachgewiesen, so etwa 1318 bis 1330 „Gunterus Runge advocatus provincialis“ in Zittau,259 und zwar noch bevor diese Vogtei vom Landesherrn an die Stadt Zittau veräußert wurde. 1368 erscheint ein Bürgerlicher als „Voigt zu Lauban“, nämlich „Hynke Rymann“ 260, der wohl – vergleichbar schlesischen Verhältnissen – Mitglied des Rates war. Auch hier war zu diesem Zeitpunkt die Vogtei noch nicht vom Landesherrn an die Stadt Lauban veräußert, jedoch bereits an Einzelpersonen verlehnt worden. Nachdem die Vogtei Zittau an die Stadt Zittau veräußert worden waren, erscheinen etwa zwischen 1396 und 1410 bürgerliche landesherrliche Vögte in Zittau, 249

CDLS I, S. 96 f., 97, Z. 12 f. CDLS I, 97 ff., 99, Z. 29 f.; vgl. Anhang, S. 78 ff., 80, Z. 4 f. 251 Knothe, Rechtsgeschichte, S. 184. 252 Knothe, Urkundenbuch, S. 58. 253 Knothe, Rechtsgeschichte, S. 183 ff. 254 Kapras, Rechtsgeschichte, S. 28 f.; Knothe, Rechtsgeschichte, S. 183 ff. 255 CDLS I, S. 169, Z. 20; S. 170 f., 171, Z. 8. 256 Knothe, Adel I, S. 429. 257 Ausnahme ist etwa Hans v. Worganowitz, der im 14. Jahrhundert Landvogt war. 258 Kapras, Rechtsgeschichte, S. 65; Knothe, Rechtsgeschichte, S. 229 f., 264 ff., 301 ff., 365 ff. 259 Nachweis bei Reuther, Verfassung, S. 177. 260 VOU I, H. 1–5, S. 128. 250

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die zudem Mitglieder des Rates waren,261 danach wiederum grundsätzlich Adlige.262 Nach 1635 wurden meist Adlige, die sich am kurfürstlichen Hof verdient gemacht hatten, später auch sächsische Kurprinzen, um diese auf kommende Aufgaben vorzubereiten, zu Landvögten bestellt. Zwei Landvögte entstammten nach 1635 dem oberlausitzischen landsässigen Adel, Nicol II. Freiherr v. Gersdorff263 und – letzter Landvogt überhaupt – Hieronymus Friedrich v. Stammer, der 1777 starb264. Soweit es die anstelle des landesherrlichen Vogtes in den weiterhin landesherrlichen Vogtdingen/Landgerichten handelnden Richter betrifft, ist hinsichtlich der Herkunft der späteren Zittauer Landrichter und der an diese gestellten Anforderungen und Pflichten heute nichts mehr bekannt. Hinsichtlich Görlitz war es wie erwähnt der Görlitzer Erbrichter. Von den Anforderungen an die dieses Amt bekleidende Person wird im Rahmen der Darstellung der Gerichtsverfassung in den landesherrlichen Städten gehandelt. Hinsichtlich des Landrichters im Budißiner Landgericht ist festzustellen, daß es sich bei ihm nach dem Bericht des Landgerichts an das Oberamt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts um einen Bauern handelte. Dieser mußte aber nach einem ausdrücklichen Hinweis in dieser Quelle nicht notwendig – wie etwa die Schöffen – mit einem Erb(lehn-)Gut angesessen sein, auch wenn dies bei dem im Bericht erscheinenden Richter der Fall war.265 Nach einem Bericht über das Landrichteramt aus der Mitte des 17. Jahrhunderts war der Landrichter mithin „uneingesessen“.266 Die allgemeinen Rechte und Pflichten der (Land-)Vögte im Untersuchungsgebiet sind hinreichend untersucht insbesondere durch Seifert.267 Die gerichtsverfassungsrechtlichen Pflichten des Vogtes im Untersuchungsgebiet ergeben sich nach der heutigen Überlieferung erstmals aus der landesherrlichen Instruktion an den Landvogt Graf Dohna von 1554: „Zum andern soll unser Land-Voigt, unser Königl. Ober-Gerichte, Hoff- und Land-Gerichte, deßgleichen auch allen gerichtlichen Proceß, in unserm Nahmen handeln [. . .]. Und dieweil unser Land-Voigt solche Königl. Ober- Land- und Hoff-Gerichte alle zubesuchen, zu weit entlegen, so soll er und mag dieselben, durch Land- und Städte-Schöppen und Land-Rich261 So 1396–1404 Peter Pesold (Prochno, Urkundenbuch, S. 170, 198). Vgl. Knothe, Rechtsgeschichte, S. 241 m.w. N.; Carpzov, Analecta II, S. 252 ff., 290. 262 So erstmals Hinko Berka v. d. Duba, der Lehen im Zittauischen vergibt (VOU I, H. 1–4, S. 180). 263 Über ihn Boetticher, Adel I, S. 440 ff. 264 Über ihn Boetticher, Adel I, S. 910 f. 265 StFilA Bautzen, Bericht Landgericht, unpaginiert. 266 StFilA Bautzen, Bericht Landrichteramt, Bl. 39 ff. 267 Vgl. Reuther, Verfassung, S. 89 ff.; Kötzschke, Vogtei, S. 26 ff.; Seifert, Landvögte, S. 21 ff., 49 ff., 27 ff., 66 f., der für die spätere Zeit eine weitere Funktion des Landvogts im Rahmen seiner „Doppelstellung“, nämlich die „Sonderstellung“ des Markgraftums Oberlausitz gegenüber den Landesherren „zu verkörpern“, annimmt; Kapras, Rechtsgeschichte, S. 28 ff., 65 ff.

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ter [. . .] versehen und bestellen, damit den Armen sowohl, als den Reichen iedes Ortes gleichs Gericht und Recht, dadurch die Billigkeit geschützet, und das Uebel der Gebühr nach unverzüglichen gestrafft und verhütt, gehalten werde“.268 Auch die in der Folgezeit erlassenen Instruktionen enthalten wiederum sämtlich mehr oder weniger im Wortlaut übereinstimmend diesen Inhalt, also die typischen Richter- (und Schöffen-)Pflichten, gerecht und unbeeinflußt ohne Ansehung der Person zu handeln. Hinsichtlich des Budißiner Landrichters, der dem Budißiner Landgericht anstelle des Vogtes vorsaß, ergibt sich der Pflichtenkreis aus einer Formel des Landrichtereides aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts, die als Formular benutzt wurde: „Ich, N.N., schwöre hiermit leiblichen (Eid) zu Gott! nachdem das Königl. (Polnische – HvS) und Churfürstl. (Sächsische – HvS) Oberamt zu Budißin mich zu dem Landrichter-Dienst auf- und angenommen, daß ich mich in solchem Dienste zu jederzeit, wie einem Landrichter obliegt, und gebühret, allenthalben getreu, fleißig unverdrossen und verschwiegen erzeigen und verhalten, alles, so mir von hochgedachtem Oberamte und dessen Vorgesetzten oder statt dessen durch die Hofgerichte anbefohlen wird, nebst denen mir Zugeordneten nach meinem besten Vermögen und Verstand [späterer Zusatz: gehorsamst – HvS] verrichten und, da nötig, von solchen Verrichtungen Bericht abstatten, auch bei vorgefallenen Taxationibus der Güter und inventariis Stücken aufrichtig und gewissenhaft mein Befinden und Meinung erörtern; [späterer Zusatz: und hierbei weder Gabe, Geschenk, Freund- noch Feindschaft ansehen will, so wahr mir Gott helfe – HvS]!“ 269 Auch dieser Eid, wenn dessen Inhalt auch mit Vorsicht auf frühere Zeiten anzuwenden ist, enthält neben der Treue- und Gehorsamspflicht die bekannte mittelalterliche (Schöffen- und) Richterpflicht zum gerechten unbeeinflußten Handeln ohne Ansehung der Person. d) Schöffenbesetzung Hinsichtlich der Urteiler-, mithin Schöffenbesetzung in einem Vogtding/Landgericht im Untersuchungsgebiet ergibt sich aus Quellen des 13. Jahrhunderts nichts. Die heutige Überlieferung setzt erst mit Beginn des 14. Jahrhunderts ein, und zwar mit der bereits erwähnten landesherrlichen Urkunde vom 28. November 1303270. Jedoch kann nicht ohne weiteres anhand der Quellen des 14. Jahrhunderts auf frühere Verhältnisse geschlossen werden. Wie noch auszuführen ist, veränderte sich nämlich im Ostsiedlungsgebiet, so auch im Untersuchungsgebiet, die Gerichtsbesetzung der Vogtdinge im Zusammenhang mit der Entstehung von Stadtrechtsgemeinschaften. Grundsatz der mittelalterlichen (Gerichts-)Verfassung war wie erörtert die „dezentrale“ Organisation des Gemeinwesens in Ge268 KW II, S. 1338 ff., 1339. Vgl. die entsprechende Stelle der Instruktion an den Landvogt Graf Schlick von 1561 (KW II, S. 1350 ff., 1351). 269 StFilA Bautzen, Bericht Landrichteramt, Bl. 61 ff. 270 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f.

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nossenschaften. Die Urteiler entstammten wie erörtert jeweils der Genossenschaft der Partei, die dem Gericht im Rahmen dessen – entscheidend personeller – Zuständigkeit unterworfen waren. Sie waren also – bezogen auf die hier interessierenden für das Spätmittelalter geltenden Differenzierungen – im Landrecht adlig oder bäuerlich, im Lehnrecht (landesherrliche) Vasallen und im Stadtrecht Bürger der jeweiligen Stadt. Entsprechend der Genossenschaftszugehörigkeit der im Rahmen der personellen Zuständigkeit vor das betreffende Gericht geladenen Partei war das Gericht auf der Urteilerbank besetzt. Der überdies vorhandene Grundsatz der Abgrenzung nach Stand wurde wie in benachbarten Landschaften271 auch im Untersuchungsgebiet insbesondere vom Adel verteidigt, wie noch aus seinem (von den landesherrlichen Städten sogar unwidersprochenem) Vortrag im streitigen Verfahren zwischen Adel und landesherrlichen Städten im Vorfeld der landesherrlichen „decisio Ferdinandea“ von 1544 hinsichtlich Zuständigkeit und Gerichtsverfassung des Görlitzer Vogtei- beziehungsweise Erbgerichts hervorgeht: daß nämlich „alle Billigkeit besage, daß der Unter-Stand den Obern nicht richten solle.“ 272 Die Zuständigkeit, mithin die Gerichtsverfassung war nach dem Sachsenspiegel, der auch für den Ostsiedlungsraum maßgeblich wurde, zunächst rein landund lehnrechtlich geprägt. Die Rechtsquelle äußert sich zu den Urteilern oder Schöffen im Land- und Lehnrecht dahin, daß im Landrecht nur Freie über Freie Urteil finden dürften. Im Lehnrecht seien es die Vasallen des Lehnsherrn, die die Schöffen stellten. Beide Zuständigkeiten weist das maßgebliche Gericht des Landrechts auf, das „Lantrecht“ (etwa Ssp.-Ldr. I 6 § 3; Ssp.-Lr. 79 § 3). Dieser Begriff stellt im Sachsenspiegel einen Oberbegriff für ein Gericht dar, in dem mithin sowohl Sachen des Land- als auch des Lehnrechts verhandelt werden, also mit wechselnder, von der Rechtsgemeinschaft der Parteien abhängiger Schöffenbesetzung. Das Landgericht besteht mithin aus „des landes richter“ und den jeweiligen „dingphlichtigen“, letztere im Landrecht vor allem die Bauermeister, im Lehnrecht weitere Vasallen des Lehnsherrn.273 Dem Sachsenspiegel ist auch hinsichtlich des Ostsiedlungsgebiets wie erörtert bekannt das „voitding“ (Ssp.-Ldr. I 2 § 4) beziehungsweise „voitige“ (Ssp.-Ldr. III 64 § 5). In Ssp.-Ldr. I 2 § 4 erscheint das „Vogtding“ ausdrücklich lediglich als Rügegericht. Im Vogtding des Sachsenspiegels rügen die Bauermeister in ihrem jeweiligen Dorf vorgefallene bestimmte von Bauern begangene Sachen. Die Vorschrift stellt es ausdrücklich, aber auch nur insoweit dem Gaugrafengericht gleich: „Da [im „gogreven ding“ – HvS] unde in itslichem voitdinge sal itlich burmeister rugen alle, die zu deme dinge nicht en komen, die da dingphlichtig sint, unde gezogene swert, blutende wunden unde daz geruchte unde al ungerichte, daz an den lip adir an die hant get 271

So etwa hinsichtlich Brandenburg Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 198. KW II. S. 1296 ff., 1312. 273 z. B. Ssp.-Ldr. I 2 § 4, III 56 § 3; Lr. 23, 55; näher Planck, Gerichtsverfahren I, S. 1 ff., 4 ff., 87 ff., 98 ff. 272

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adir zu hut unde zu hare get, ab ez mit klage vor gerichte nicht begriffen iz.“ Dieses Gericht erscheint hier also ausdrücklich nur als hinsichtlich bestimmter in den Dörfern vorgefallener Bauersachen zuständiges Rügegericht, jedoch nicht mit Zuständigkeit etwa über den Adel. Ssp.-Ldr. III 64 § 5 spricht indes vom „voitige“ im Vergleich mit der „greveschaft“, was auf eine personell und sachlich umfangreichere Zuständigkeit hindeuten könnte. Richter des Vogtdings des Sachsenspiegels ist der „voit“ (Ssp.-Ldr. III 64 § 5, 9). Schöffen oder Urteiler im „Vogtding“ werden nicht ausdrücklich genannt. Jedoch ist das Prinzip der Funktionsteilung, also die Scheidung in Richter und Schöffen bekannt. Es kann somit davon ausgegangen werden, daß es sich bei den Urteilern entsprechend der erörterten Zuständigkeiten des Vogtdings je nach Partei um Angehörige der dem betreffenden Gericht unterworfenen Land- beziehungsweise Lehnrechtsgemeinschaft handelte. Im Falle der Bauern nennt der Sachsenspiegel ausdrücklich den Bauermeister. Hinsichtlich der frühen Verhältnisse im Untersuchungsgebiet können zudem Vergleichziehungen unter Berücksichtigung insbesondere dem Untersuchungsgebiet benachbarter Landschaften das Bild erhellen. Vor allem Schlesinger und Lück stellten hinsichtlich der Vogtdinge/Landgerichte im Kolonisationsgebiet an Elbe und Saale fest, daß diese – wie zuvor die Burggrafengerichte, deren Gerichtsverfassung vor allem als Schöffengericht wie erörtert von den Vogtdingen übernommen worden war – gemäß ihrer landrechtlichen Zuständigkeit „für die minderfreie Landbevölkerung des Markengebiets“ (Schlesinger)274 mit Supanen und Witsassen als Vertretern ihrer jeweiligen Dorfgemeinde besetzt waren.275 Das Vogtding war wie das Burggrafengericht und das „voitige“ des Sachsenspiegels auch als Rügegericht hinsichtlich der von den Dorfvorstehern, hier Supanen, und Witsassen in dem bereits erwähnten Maß erfolgten Rügen zuständig. Es handelte sich also beim Vogtding auch hier vor allem um ein Gericht des Landrechts. Die Angehörigen werdender Stadtrechtsgemeinschaften waren zunächst weiterhin als ursprünglich Angehörige des Landrechts im Vogtding dingpflichtig. Bürgerliche Schöffen im Vogtding sind jedoch trotz erkennbarer Bildung vom Landrecht abgeschlossener Stadtrechtsgemeinschaften zunächst nicht nachzuweisen.276 Der Adel war in der Markgrafschaft Meißen einem besonderen Gericht unterworfen. Angehörige des (landsässigen) Adels (des Vogteibezirks) sind als Schöffen daher nicht zu beobachten.277 In den schlesischen Vogtdingen lassen sich ebenfalls keine Angehörigen des (im Vogteibezirk landsässigen) Adels nachweisen, für den auch hier ein eigenes Gericht bestand, ab dem 13. Jahrhundert jedoch Schöffen, (auch) hier Schulzen und andere bäuerliche Freigutsbesitzer. Angehörige einer 274

Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 98. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 92 ff.; Lück, Supan, 86 ff. 276 Lück, Gerichtsverfassung, S. 157 ff., 257 ff. 277 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 93 ff., insb. 95 ff., 104 ff., 107; Lück, Gerichtsverfassung, 156 ff. 275

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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Stadtrechtsgemeinschaft sind auch insoweit zunächst – auch nach Entstehen mancher Städte – nicht nachweisbar.278 Kühns berichtet hinsichtlich der brandenburgischen Vogtdinge, daß ebenfalls jeweils ein ständiges Schöffenkollegium bestanden habe, das regelmäßig vier bis sieben, selten acht Personen umfaßt habe, wobei die Zahl sieben am häufigsten erscheine. Auch hier handelte es sich ausschließlich um die bäuerliche Angehörigen der Dorfgemeinden – teils „freie Männer“ genannt, mithin Inhaber von Freigütern –, vornehmlich Schulzen. Dem Gericht, mithin dem Landrecht unterstanden auch die werdenden Stadtrechtsgemeinschaften, soweit und solange sie nicht vom Landesherrn von der vogteilichen Zuständigkeit befreit wurden.279 Der in der betreffenden Vogtei landsässige Adel war einem besonderen Lehnsgericht, mithin umfassend zuständigen Standesgericht unterworfen.280 Nach der Buch’schen Glosse zu Ssp.-Ldr. I 2 § 4 ist das in der Sachsenspiegelvorschrift genannte „Vogtding“ wie gesagt identisch mit dem märkischen, brandenburgischen Vogtding. Hinsichtlich des Untersuchungsgebiets gingen bereits Kapras281 und Knothe282 jedoch ohne ausreichende Begründung davon aus, daß das jeweilige Vogtding von Anfang an umfassend hinsichtlich der Land- als auch der Lehnrechtsgenossenschaf, also sowohl hinsichtlich des landsässigen Adels als auch der grundherrlichen Bauern der Geistlichkeit und des Adels (im Lehnrecht standesübergreifend der Vasallen) im Vogteibezirk zuständig gewesen sei, mithin nach dem mittelalterlichen Grundsatz, daß nur Angehörige der Genossenschaft der betreffenden Partei über diese urteilten, gerichtsverfassungsrechtlich beide dieser Gruppen die Schöffen im Vogtding gestellt hätten, je nachdem, in welcher Sache beziehungsweise unter Beteiligung welcher Partei verhandelt worden sei. Die sachliche Scheidung in Obergerichtssachen, wie die Hochgerichtszuständigkeit im gesamten meißnischen Raum,283 mithin, wie zu sehen, auch im Untersuchungsgebiet genannt wurde, und Niedergerichte war dabei zunächst von untergeordneter Bedeutung. Diesen Gerichten unterstanden nach Meinung beider Forscher zunächst auch hier die erst allmählich vom Landrecht als Stadtrechtsgemeinschaften sich abschließenden Genossenschaften der zu Städten werdenden Dörfer. Zur Begründung dieser – richtigen – Ansicht sind zunächst Quellen hinsichtlich der Zuständigkeit der Vogtdinge/Landgerichte heranzuziehen. Bereits aus den landesherrlichen Urkunden von 1238/1239, worin sich der Landesherr weiterhin die dort aufgezählten Obergerichte vorbehält, jedoch dem Kloster St. Marienthal die Gerichtszuständigkeit auf dessen Dörfern im übrigen bestätigt,284 ergibt sich, daß 278 279 280 281 282 283 284

Helbig, Landgemeinde, S. 105; Loesch, Verfassung, S. 141 f. Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 175 ff.; II, S. 34 ff. Näher Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 197 ff. Kapras, Rechtsgeschichte, S. 30. Knothe, Rechtsgeschichte, S. 191 ff. Lück, Gerichtsorganisation, 292 ff. CDLS I, S. 49 ff.; 55 ff.; vgl. Kötzschke, Vogtei, S. 21 ff.

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C. Landesherrliche Gerichte

der Landesherr zuvor sachlich umfassend zuständig gewesen sein muß. Die landesherrliche Urkunde von 1329 zugunsten des Görlitzer Landesadels, die das Verfahren bei Schuldsachen, also außerhalb des Regelungsbereichs der bereits genannten Urkunde von 1303 zwischen landsässigem Adel und Görlitzer Bürgern regelt,285 stellt klar, daß landsässiger Adel („Ritter oder [. . .] rittermezzig Man“, „rittermezzig lehenman“) und Bauern („Gepowren“), soweit letztere nicht dem grundherrlichen oder Dorfgericht unterworfen waren, „von Alder“ und weiterhin vor dem Vogt zu antworten hätten, mithin im Gericht nach Landrecht verfahren wurde. Auch in Lehnssachen war das Vogtding (zunächst) zuständig. Die Urkunde von 1329, wenn auch keine Regelung in Lehnssachen beinhaltend, spricht von den „rittermezzig lehenmanen“. Im ältesten heute bekannten, jedoch nur noch abschriftlich vorhandenen ab 1406 geführten Görlitzer Hofgerichtsbuch wird das Görlitzer Hofgericht, wiewohl bereits gerichtsverfassungsrechtlich als ausschließlich für die landesherrlichen Vasallen personell zuständiges Gericht selbstständig, als „judicium advocati“ bezeichnet. Es tagte auf dem Vogtshof. Das Vogtding/Landgericht war also ursprünglich auch in Lehnsachen zuständig.286 Es ist, wie noch gezeigt wird, davon auszugehen, daß das Hofgericht insoweit eine alte Vogteizuständigkeit übernahm. Soweit es die Zuständigkeit hinsichtlich der Bauern betrifft, heißt es noch in der Beschwerde der Landstände gegen die Amtsführung des Landvogts von 1559, daß „die Landgerichte allhier zu Budissin vor Alters mit einem Land-Richter und ordentlichen Land-Schöppen bestellet“ worden seien. „Für denselben (wurden) sehr viel gemeiner Bauer Sachen geörtert und erlediget.“ 287 Die bereits mehrfach in Bezug genommene landesherrliche Urkunde vom 28. November 1303 zugunsten der Görlitzer sagt hinsichtlich der personellen Zuständigkeit in bezug auf die Bürger und Einwohner von Görlitz, das eben erst als Stadt entstanden war: „Nos [ der Landesherr – HvS] recognoscimus [. . .], quod ad utilitatem [. . .] civitatis [. . .] Gorlitz [. . .] jura Magdeburgensia concedimus [. . .], habenda, tenenda, questionibus, contractibus, causis, in omnem modum. [. . .] Tamen quendam judiciarium vel judicii casum, qui Voytding vel Echeding nominatur ibidem habere nolumus. [. . .] Exceptis duntaxat homicidiis, rapinis, incendiis, furtis, claudicacionibus et aliis quibuscunque causis majoribus, in nostro territorio [. . .] Gorlitz commissis, quas vero causas in quatuor banccis civitatis, presentibus scabinis civibus nostris et non alibi, nostrum advocatum volumus judicare.“ 288 Die Urkunde stellt hinsichtlich der genannten Niedergerichtssachen, die wohl in der Lebenswelt der Stadtrechtsgemeinschaft bedeutsam waren, eine Exemtion von der Zuständigkeit des Vogtdings zugunsten des Görlitzer Erbgerichts besetzt mit 285 286 287 288

Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 528 f. Näher Knothe, Hofgerichtsbuch, S. 1 ff. Weinart, Rechte I, S. 51. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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Angehörigen der Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft als Stadtschöffen dar. Zuvor hatte folglich diese Zuständigkeit beim Vogtding gelegen. Soweit es die genannten Obergerichtssachen betrifft, wird die Zuständigkeit des Vogtdings auch hinsichtlich der Stadtrechtsgenossenschaft beibehalten. Sie wird insoweit, wie sogleich auszuführen ist, im Rahmen einer Neuverleihung gerichtsverfassungsrechtlich jedoch fortan bei der Schöffenbesetzung im Vogtding ausschließlich berücksichtigt, was bedeutet, daß zuvor Angehörige der Stadtrechtsgemeinschaft keine Schöffen im Rahmen dieser Zuständigkeit gestellt hatten. Für eine ursprünglich erfolgte Beteiligung von Angehörigen der Stadtrechtsgemeinschaft liegen keine Anhaltspunkte vor. Ein Hinweis auf insoweit ursprünglich personell und sachlich umfassende vogteiliche Gerichtszuständigkeit im Rahmen des Landrechts ist auch die landesherrliche Urkunde von 1307, womit den Budißinern das Recht neu verliehen wurde, daß niemand in irgendeiner Sache einen Budißiner Bürger woanders denn vor dem Budißiner Stadtschöffengericht verklagen dürfe. Die Urkunde ordnet jedoch an, daß im übrigen, insbesondere wenn ein Bürger auf handhafter Tat außerhalb der städtischen Flurzäune angetroffen werde, dieser sich weiterhin vor dem „lantgerihte“ zu verantworten habe.289 Es erfolgte also wiederum keine vollständige Exemtion. Auch nach Ausbildung einer vom Landrecht abgeschlossenen Stadtrechtsgemeinschaft verblieben etwa die Budißiner und Görlitzer weiterhin in bestimmten Sachen dem Vogtding/Landgericht und damit dem Landrecht unterworfen. Das Görlitzer Rechtsbuch-Lehnrecht spricht wie die landesherrliche Urkunde von 1329 von den Vasallen als „mannen“, die dem Richter im Lehnsgericht Urteil finden. Es bedarf im Lehnrecht wenigstens dreier von ihnen, damit die Urteilerbank vollständig ist (67 § 10). Über die tatsächliche Gerichtsverfassung der Vogtdinge/Landgerichte im Untersuchungsgebiet als ursprünglich rein land- und lehnrechtlich geprägte Gerichte, also hinsichtlich der Frage, ob sowohl Adel als auch Bauern diesem Gericht unterworfen waren, mithin hinsichtlich der Urteilerbankbesetzung geben vor allem die Urkunden Auskunft. Aus einer Urkunde des Landgerichts zu Budißin von 1376 geht hinsichtlich der Beteiligung des Adels hervor, daß das Gericht bei einem Bekenntnis „vor gehegiter bank des lantgericts uf dem huse zu Budissin“ neben dem bereits genannten Landrichter Haug von Maxen mit zwei „scheppen desselben landdinges“, nämlich „Nize Henceliz Petir genannt von Bisschopfisheym“ und „Hanns von Luticz gesessin czu Schirgiswalde“ besetzt war.290 Knothe konnte nicht nachweisen, ob es sich bei ersterem um einen Angehörigen des Adelsgeschlechts Bischofsheim handelte. Jedoch war der Genannte jedenfalls landsässiger Adliger, wie anhand des der Urkunde anhängenden Siegels sichtbar wird.291 Bei dem Zweitgenannten handelt es sich um 289 290 291

CDLS I, S. 186 f., 187, Z. 1. DA Bautzen, Bekenntnis des Hans Schwarze, unpaginiert. Vgl. Knothe, Adel I, S. 127.

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C. Landesherrliche Gerichte

einen unter anderem mit Schirgiswalde – zwar Bestandteil des Königreichs Böhmen, aber umgeben vom Vogteibezirk Budißin –292, altem Familienbesitz, im Untersuchungsgebiet angesessenen Angehörigen der Adelsfamilie Luttitz.293 Somit handelte es sich bei beiden Schöffen um Angehörige des Oberlausitzer, mithin im Zuständigkeitsbereich dieses Gerichts, in der Vogtei Budißin landsässigen Adels. Noch aus Quellen des Zeitraums zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert, die bereits Knothe auswertete, wird hinsichtlich des gesamten Untersuchungsgebiets deutlich, daß hier wie im übrigen mitteldeutschen Osten Dorfvorsteher (Supane/Starosten, später auch oder anstelle dessen Schulzen/Richter) und Witsassen (sorbisch wicaz oder deutsch auch Withase, später immer mehr Leh[n]mann) ausgestattet waren mit erblich zu Eigen oder zu Lehn verliehenem Gut, woran Rechte und Pflichten vergleichbar den Gütern der landgerichtspflichtigen Bauern des übrigen mitteldeutschen Ostens, etwa die Gastungs- und die Roßdienstpflicht hingen.294 Besonderheit des Untersuchungsgebiets bis in die Neuzeit waren die Vorsteher reiner Personalverbände, der Deditz-/Zeidlergenossenschaften, die sich ebenfalls „Staroste“ nannten.295 Aus einer Görlitzer Ratsrechnung ebenfalls aus dem Jahr 1376 geht hervor: „Feria 4 [28. Mai – HvS] magister civium cum Franczkoni Sugstorf, Franczko Ysinhut [Görlitzer Stadtschöffen – HvS]296 cum advocato et fasellis und myt den starazsen uf dem lande zu eym tage myt dem von Hokinborn [Herr von Hackeborn auf der Herrschaft Priebus in der Niederlausitz, deren Grenzen an die des Görlitzer Weichbildes stießen – HvS297] um dy grenicz uf er heyde [Görlitzer Heide – HvS].“ 298 Zurecht erkannte Knothe in dieser Quelle ein Zeugnis der Beschreibung einer Handlung des Görlitzer Vogtdings, auch wenn er fälschlicherweise innerhalb dessen eine besondere „Abtheilung für die Rechtssachen wendischer Bauern“ annahm.299 Daß seine Ansicht im übrigen zutrifft, wird zum einen an der für manchen Teil des Ostsiedlungsraums zur Zeit der Entstehung der Quelle typischen verschränkten Besetzung des Görlitzer Vogtdings mit landesherrlichen Vasallen, Vorstehern bäuerlicher, insbesondere sorbischer (Dorf-/Personal-)Verbände und bürgerlichen Stadtschöffen, worauf noch einzugehen ist, erkennbar, zum anderen daran, daß eine Grenzbesichtigung, was noch in späterer Zeit eine

292

Vgl. Knothe, Adel I, S. 585. Vgl. Knothe, Adel I, S. 343 ff., 348. 294 Näher Knothe, Stellung, S. 163 ff., 187 ff.; ders., Klassen, S. 18 ff. 295 Hierzu näher Boelcke, Verfassungswandel, S. 287 ff., 387 ff. 296 Vgl. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch, Jahr 1376; Neumann, Verzeichnis, S. 11; CDLS III, S. 184, Anm. 12. 297 CDLS III, S. 11, Anm. 7. 298 CDLS III, S. 11, Z. 23 ff. 299 Knothe, Rechtsgeschichte, S. 194 f.; vgl. ders., Klassen, S. 11. 293

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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wesentliche Zuständigkeit der Vogtei, mithin des Vogtes darstellte,300 erfolgte. Auch soweit es das Budißiner Vogtding/Landgericht betrifft, ergeben sich Hinweise auf Dorfvorsteher sorbisch besiedelter Dörfer als bäuerliche Schöffen im Vogtding, nämlich aus einem urkundlichen Bekenntnis des Landvogts Thimo v. Colditz von 1436: „Wir Thime von Coldiz voit der lande und stete Budissin Görlicz, Sittaw et. bekennen in desim brife offintlich“, daß „Peter Belig zcu Preczewicz vnd Niclas zcu lutewicz Starasten dy vnßers Allirgnedigisten Hern des Keisers Scheppinbang zcu Budissin czu landdinge siczin vorczeitin in vnßers des Bischoffs gerichtin zcu Godaw an Scheppfinstad in gehegittr bang gesessin habin.“ Nach der Aussage des Landvogtes bestand die Pflicht, „das die vilgnanten Starasten [. . .] unßs Allergnedigisten Hern des Keisers Scheppinbang zcu Budissin von aldin vssaczunge pflegin zcusiczin vnd siczen mussen sy vnd ire erbin vnd nochkamen“. Der Landvogt war „von vnsirs Amptes wegin sy pflichtig zcuschuczin vnd czuvortedingen“. „Wir [der Landvogt – HvS] sien ouch von vaste vil altsessin des landis vndirweiset das die uftgnanten Starasten zcu preczewicz vnd lutewitz dy Schepphinbang zcu Gadaw nicht von rechte Sundir in beteweise gesessin habin noch pflichtig werin zcu sitczin. So als sy im lande zcu Budissin gesessin sien.“ 301 Die Starosten der Dörfer Prischwitz und Leutewitz in der Vogtei Budißin302 hatten demnach die Schöffen des hochstiftischen Dingstuhls zu Göda bei deren Abwesenheit ersetzt, ohne hier dingpflichtig zu sein. Eine vom Verfasser jetzt wieder aufgefundene schon genannte Quelle, deren Inhalt bereits Lieschke (ohne Fundstellenangabe) mitteilte,303 beinhaltet der Überschrift nach einen Bericht des Landrichters des Budißiner Landgerichts über des Gerichts „Beschaffenheit“ an das Oberamt. Der Bericht stammt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, denn er schildert die Verhältnisse vor „40 Jahren“, als nämlich „Georg Fritzsche“, ab 1545 und als Kanzler der Landvogtei erscheinend,304 einen neuen „Landrichter“ eingesetzt habe. Die Gerichtspersonen des „kgl. Landgerichts“ seien danach der „Landrichter“ und die „Landschöppen“, von letzteren jedoch „nicht mehr als zweene“. Die Schöffen säßen „in der Bank“.

300 Vgl. Seifert, Landvögte, S. 16 ff. Diese Zuständigkeit wird noch in der Instruktion an den Landvogt Graf Dohna von 1554 bereits im zweiten Absatz genannt: „Und da auch in vorberührten unsers Marggraffthums Gräntz-Sachen, Wasser-Läufften, und sonst andere Irrungen vorfallen, mit denen soll er [der Landvogt – HvS] gleichfalls, (doch außerhalb der Gräntze) gebührliche Handlung fürnehmen, dieselbigen irrigen Sachen, durch Bereitung, und in andere Wege, der Nothdurfft nach, besichtigen, und dieses alles soviel möglich zu guter Richtigkeit bringen“ (KW II, S. 1337). Diese Zuständigkeit übernahmen später die Ämter, wie im Rahmen der Darstellung deren Gerichtsverfassung ausgeführt wird. 301 KlA St. Marienstern, Ding zusitzen zu Gedaw, unpaginiert. 302 Vgl. Knothe, Rechtsgeschichte, S. 194. 303 Lieschke, Geschichte, S. 11 f. 304 Vgl. über ihn, einen der eifrigen Gegner der landesherrlichen Städte in der Zeit des Pönfalls, Knothe, Rechtsgeschichte, S. 372 m.w. N.

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C. Landesherrliche Gerichte

Dies seien damals gewesen „Zschiesche von Dobranitz unter wendischer Oboedienz“, mithin in der wendischen Pflege um Göda, und „Andreas Sauer von Prischwitz“, „Untertan“ des Klosters St. Marienstern, mithin letzterer wie in der Urkunde von 1436 ein Bauer aus Prischwitz. Es handele sich bei beiden um „Erbherren“ beziehungsweise „Erbschöppen“ genannte Bauern, also auch hier somit um Inhaber bäuerlicher Erbgüter zu Eigen oder zu Lehn, woran die Pflicht zum Schöffendienst hing, mithin auch die Roßdienstpflicht. Die Rosse hatten die Gerichtspersonen nach dem Bericht auch für ihre Amtsverrichtung zu gebrauchen. Die Gerichtspersonen erhielten keine Besoldung, sondern „alle eine Mahlzeit“ und nach „gehaltenem Geding je eine Kanne Bier“ mit geschmierten Broten, was darauf hindeutet, daß das Erbgut als Amtsausstattung angesehen wurde. Vor „solchem Landgericht (sind) nicht allein bürgerliche, sondern auch peinliche Händel gefordert worden“. Der Landrichter nennt sich zuständig „für ganz im Kön. Amt Budissin“.305 Zuerst ohne jegliche Begründung Lieschke, später unter Bezugnahme auf diesen und ohne weitergehende Begründung Knothe und zuletzt – vorsichtiger – Boelcke behaupteten, es handele sich bei der Quelle um eine Mitteilung über ein besonderes „wendisches Landgericht“, also ein Gericht ausschließlich für die sorbische Bevölkerung.306 Zwar ist ein Einfluß altslawischer Verfassungsstrukturen auf die Gerichtsverfassung des Ostsiedlungsraums auch nach Beginn der Ostsiedlung wahrscheinlich, wie sich insbesondere anhand der Beteiligung von Dorfältesten und sonstigen Dingpflichtigen slawisch besiedelter Dörfer, Supanen und Witsassen, an der Gerichtsverfassung der Burggrafengerichte, später der Vogtdinge/Landgerichte zeigt. Jedoch ist darüber hinaus das Bestehen eines Gerichts mit Zuständigkeit rein nach Volkszugehörigkeit hinsichtlich des Untersuchungsgebiets, mithin des gesamten Ostsiedlungsraums jedenfalls für die Zeit nach Überwölbung der slawischen Verfassungsstrukturen im Zusammenhang mit der Ostsiedlung derzeit nicht nachweisbar.307 Auch handelt es sich bei dieser Quelle nicht um eine Schilderung der Verhältnisse in einem der 1548 nach böhmischem Vorbild neueingerichteten, ebenfalls Landgerichte genannten Gerichte, auf die noch einzugehen sein wird. Denn jene Gerichte waren ausschließlich mit adligen und bürgerlichen, nicht jedoch wie das Gericht dieser Quelle mit bäuerlichen Schöffen besetzt, wie zu zeigen sein wird. Jene Gerichte behandelten zudem ausschließlich Obergerichte, während dieses Gericht auch außerhalb der Obergerichte für andere Sachen zuständig war. Hinsichtlich der Schöffen aus dem Adel wird also insgesamt deutlich, daß es sich im wesentlichen um Angehörige des in der jeweiligen Vogtei landsässigen 305 StFilA Bautzen, Bericht Landgericht, unpaginiert. Dies war Knothe nicht gelungen (vgl. Knothe, Rechtsgeschichte, S. 194, Anm. 2). 306 Boelcke, Verfassungswandel, S. 170; Knothe, Rechtsgeschichte, S. 194; Lieschke, Geschichte, S. 11 f. 307 Vgl. neuerdings etwa Lück, Supan, S. 83 f.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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Adels handelte. Hinsichtlich der bäuerlichen Schöffen geht aus den Quellen hervor, daß dies jedenfalls bis ins 16. Jahrhundert die Vorsteher – entsprechend der damaligen Bevölkerungsstruktur zunächst zumeist sorbischer – Dorf- beziehungsweise Personalverbände des jeweiligen vogteilichen Zuständigkeitsbereichs, mithin Vogteibezirks waren. Die Besetzung der Schöffenbank der Vogtdinge/ Landgerichte im Untersuchungsgebiet erfolgte also vergleichbar den Burggrafengerichten, mithin den Vogtdingen im übrigen mitteldeutschen Osten beziehungsweise benachbarter Landschaften mit Dorfvorstehern und bäuerlichen Amtsgutinhabern der zunächst noch überwiegend sorbisch besiedelten Dörfer der betreffenden Vogtei, die mithin jeweils eine so gestaltete abgeschlossene landrechtliche Rechtsgemeinschaft bildete. Später fiel insoweit, wie noch zu sehen sein wird, die Anforderung, dieser Rechtsgemeinschaft anzugehören, weg. Hinweise auf Angehörige werdender Stadtrechtsgemeinschaften als Schöffen im Vogtding/ Landgericht finden sich im Untersuchungsgebiet erst ab dem frühen 14. Jahrhundert, worauf sogleich einzugehen ist. Zuvor, mithin solange diese als Bestandteil der Landrechtsgemeinschaft der vogteilichen Zuständigkeit unterworfen waren, müssen sie weiterhin dem Urteil und damit dem Recht von Schöffen des Landrechts unterworfen gewesen sein. Dies wird gemäß dem mittelalterlichen Grundsatz, daß über eine Partei zumindest auch Angehörige deren Rechtsgemeinschaft Urteil und Recht nach dem Recht der betreffenden Rechtsgemeinschaft fanden, zu wachsendem Unmut bei den sich vom Landrecht durch ein abweichendes, nämlich ein auf deren sich abweichend entwickelnde Lebenswelt abgestimmtes Recht abschließenden Stadtrechtsgemeinschaften geführt haben. Die einzelnen Genossenschaften, vor allem die Stadtrechtsgemeinschaften im gesamten Reich begannen denn bald, jeweils ausschließlich für ihre Rechtsgemeinschaft zuständige, mit Angehörigen ihrer Rechtsgemeinschaft besetzte Gerichte.zu erstreben. War der Landesherr zu einer völligen Exemtion von der landesherrlich-vogteilichen Gerichtszuständigkeit zugunsten solcher Gerichte (vorerst) nicht gewillt, blieb das landesherrliche Vogtding/Landgericht also wie bisher (zunächst) weiterhin neben der Landrechtsgemeinschaft auch hinsichtlich der neuentstandenen Stadtrechtsgemeinschaft innerhalb der Vogtei zuständig, konnte dieses Ziel erreicht werden, indem die Besetzung der Urteilerbank des Vogtdings dadurch verändert wurde, daß nunmehr zumindest auch Angehörige der betreffenden Stadtrechtsgemeinschaft berücksichtigt wurden.308 Dies trifft neben Magdeburg auf die Stadtrechtsgemeinschaften Magdeburger Stadtrechts insbesondere in dem Untersuchungsgebiet benachbarten Landschaften zu. In Magdeburg309 selbst erfolgte keine völlige Exemtion der werdenden Stadtrechtsgemeinschaft vom Vogtding. Ab dem 13. Jahrhundert ist jedoch zu beobachten, 308 Vgl. Kern, Gerichtsverfassungsrecht, S. 12 f.; Conrad, Rechtsgeschichte I, S. 374 ff.; Schröder/Künßberg, Rechtsgeschichte, S. 592 ff. 309 Schwineköper, Magdeburg, S. 129 ff.

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C. Landesherrliche Gerichte

daß als Schöffen des weiterhin landesherrlichen Vogtdings die Stadtschöffen, die Eliten der (werdenden) Magdeburger Stadtrechtsgemeinschaft handelten. Später wurde das Gericht an die Magdeburger Stadtrechtsgemeinschaft veräußert, wodurch die Gerichtsverfassung vollends stadtrechtlich geprägt wurde. Der Magdeburger Schultheiß war Beisitzer des Magdeburger Burggrafen/Vogts im Burggrafen-/Vogtding als erster des Stadtschöffenkollegiums und Richter über ihn bei Rechtsweigerung. Das Magdeburger Burggrafen-/Vogtding war zuständig „für die Bewohner der Stadt Magdeburg“ (Lück), also soweit es den ursprünglichen Geltungsbereich des Magdeburger Stadtrechts betraf. Ein Ausgriff auf einen landrechtlichen Geltungsbereich fand nicht statt. Vielmehr blieben hier die Geltungsbereiche von Land- und Stadtrecht, mithin die Zuständigkeitsbereiche landbeziehungsweise stadtrechtlich geprägter Gerichte getrennt. Der gegenüber dem Landrecht abgeschlossene Geltungsbereich des Magdeburger Stadtrechts, mithin der insoweit abgeschlossene Zuständigkeitsbereich des Stadtschöffengerichts, in dem nach Magdeburger Stadtrecht verfahren wurde, wurde bereits frühzeitig Weichbild genannt. Von diesem Begriff ist folglich gerade nicht ein auf den landrechtlichen Geltungs- beziehungsweise Zuständigkeitsbereich erstreckter Einflußbereich des Stadtrechts umfaßt.310 Die Entwicklung ging jedoch insbesondere im Ostsiedlungsraum in Abkehr vom Grundsatz nach Rechtsgemeinschaften getrennter Geltungsbereiche eines Rechts, mithin Gerichts dahin, daß mancher Landesherr bezogen auf bestimmte, meist obergerichtliche Zuständigkeiten eine Landrechtsgemeinschaft zumindest auch dem Recht einer Stadtrechtsgemeinschaft, Stadtrecht, mithin dem Urteil Angehöriger einer Stadtrechtsgemeinschaft unterstellte. Dies konnte geschehen durch Übertragung von Vogteirechten auf Stadtschöffengerichte. In Einzelfällen erfolgte dies etwa auch durch Veräußerung einer Vogtei an eine Stadtrechtsgemeinschaft. Dieselbe Folge zeitigte die Veränderung der Besetzung der Urteilerbank eines weiterhin landesherrlichen Vogtdings mit personeller Zuständigkeit auch hinsichtlich der Landrechtsgemeinschaft durch Mit-, überwiegender oder ausschließlicher Berücksichtigung von Angehörigen einer Stadtrechtsgemeinschaft. Vor allem in Schlesien311 sind alle drei Varianten zu beobachten. Zum einen wurden auch hier Vogteirechte an reine Stadtschöffengerichte, die unter dem völligen Einfluß von Stadtrechtsgemeinschaften standen, auch bezogen auf Angehörige des Landrechts übertragen. Zum anderen veräußerte der dortige Lan-

310 Näher zur Magdeburger Gerichtsverfassung, mithin zum insoweit geltenden Begriff Weichbild Lück, Gerichtsverfassung in den Mutterstädten, S. 163 ff., 172; ders., Schöffenstuhl, S. 138 ff.; Weitzel, Rechtsbegriff, S. 72 ff.; Schranil, Stadtverfassung, S. 55 ff., 72 ff.; Kroeschell, Weichbild, Sp. 2093 ff.; Schmidt-Wiegand, Weichbild, Sp. 1209 ff. 311 Näher zur Gerichtsverfassung in Schlesien Weitzel, Rechtsbegriff, S. 80 f.; Helbig, Landgemeinde, S. 104 ff.; Menzel, Stadt und Land, S. 25 ff., 29 ff., 36 f.; Loesch, Verfassung, S. 139 ff., 142 f.; ders., Weichbildverfassung, S. 83 ff., 87.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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desherr die gesamte schlesische Vogtei Schweidnitz-Jauer mit der damit verbundenen insbesondere personell umfassenden Gerichtszuständigkeit auch hinsichtlich der Landrechtsgemeinschaft in der Vogtei an den Rat der Stadt Jauer, und das Vogtding verschmolz mit städtischen Gerichtsverfassungsstrukturen. Erfolgte völlige Exemtion oder Veräußerung einer Vogtei an eine Stadtrechtsgemeinschaft nicht, wurden auch in Schlesien die bisherigen, rein landrechtlich geprägten Gerichtsverfassungsstrukturen eines landesherrlichen Vogtdings/Landgerichts dahin verändert, daß Schöffen einer Stadtrechtsgemeinschaft neben oder anstelle der bisherigen Schöffen der Landrechtsgemeinschaft bei der Urteilsfindung auch über Angehörige der Landrechtsgemeinschaft berücksichtigt wurden. Stadtschöffen urteilten in allen drei Fällen somit auch über die Angehörigen des Landrechts (mit) und wandten insoweit ihr Recht, Stadtrecht, an, das folglich neben beziehungsweise an die Stelle des Landrechts trat. Dies bezog sich nicht nur auf, wie Menzel sagt, „stadteigene Dörfer“, also Bauern aus Ratsdörfern beziehungsweise Dörfern bürgerlicher Grundherren, sondern auch auf Bauern aus Dörfern der Landrechtsgemeinschaft angehörender Grundherren im näheren oder weiteren Umfeld einer Stadt, etwa im Vogteibezirk. Diese Dörfer wurden damit zu „stadtverbundenen“. Schließlich waren auch die (adligen) Grundherren selbst dem Urteil und dem Recht der Urteiler aus der Stadtrechtsgemeinschaft unterworfen. In der Mark Brandenburg312 ist eine Entwicklung vergleichbar derjenigen in Schlesien insbesondere wegen der besonders starken Stellung der Grundherren, mithin der Landrechtsgemeinschaft nicht zu beobachten. Auch in der wettinischen Mark Meißen313 konnten sich maßgebliche Zuständigkeiten in den Händen der landesherrlichen Vögte erhalten beziehungsweise vermehren, was zur Ämterverfassung, mithin zu landesherrlichen Gerichten auch auf lokaler Ebene führte, deren Zuständigkeit großteils Adel, Bürger und Bauern unterworfen waren und blieben. Auch hier erlangten zwar die neuentstandenen Stadtrechtsgemeinschaften Einfluß auf die Gerichtsbesetzung und konnten so den Inhalt des hier gesprochenen Rechts wenigstens mitprägen. Jedoch war hier der Einfluß des Stadtrechts auf das Landrecht aufgrund ebenfalls der relativ starken Stellung der Landrechtsgemeinschaft nicht so ausgeprägt wie etwa in Schlesien. In Böhmen314 suchte der Landesherr durch die Einrichtung insbesondere der „Poprawzenkreise“ die landesherrliche (Gerichts-)Gewalt zu stabilisieren. Zwar erfolgten auch hier Exemtion zugunsten von Stadtrechtsgemeinschaften und damit die Entstehung stadtrechtlich geprägter Gerichte. In Böhmen finden sich den schlesischen Verhältnissen ähnliche Strukturen jedoch nur im Glatzer Land.

312 Näher Kühns, Gerichtsverfassung I, 156 ff., 175 ff., 193, 197 ff.; II, S. 71 ff., 145 ff., 181 ff., 261 ff. 313 Näher Lück, Gerichtsverfassung, S. 156 ff., 257 ff. 314 Näher Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 58 f, 67 ff., 123 f.; II, S. 33 ff., 47 ff.; Loesch, Verfassung, S. 142.

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C. Landesherrliche Gerichte

Das hinsichtlich Schlesien Geschilderte zeigt die Abkehr vom Grundsatz nach Land- beziehungsweise Stadrechtsgemeinschaften getrennter Gerichte zugunsten der Unterwerfung Angehöriger beider Genossenschaften unter ein umfassend zuständiges Gericht, das besetzt war neben oder anstelle von Angehörigen des Landrechts mit solchen des Stadtrechts als Urteilern (Schöffen), die somit nach dem ihnen jeweils bekannten Recht ihrer Rechtsgemeinschaft auch bezogen auf Angehörige anderer Rechtsgemeinschaften Urteil und damit Recht fanden. Soweit es das Ostsiedlungsgebiet und dort den Geltungsbereich des SachsenspiegelLandrechts und Magdeburger Stadtrechts betrifft, weist vor allem Lück anhand der Inhalte mittel- und osteuropäischer Rechtsquellen eine allmähliche Auflösung des Gegensatzes zugunsten eines „Ineinandergreifens“ von Land- und Stadtrecht, von Sachsenspiegel und Magdeburgischem Recht auf dem gemeinsamen Weg nach Osten nach. Dieses gemeinsame, sowohl Land- als auch vor allem Stadtrecht umfassende Recht, in den Quellen etwa ius t(h)eutonicum, ius Maideburgense oder ius Saxonum genannt, wird als Sächsisch-Magdeburgisches Recht bezeichnet.315 Hinsichtlich der beiden auch jetzt weiterhin aufrechterhaltenen Grundsätze Funktionsteilung und Schöffenverfassung hatten sich Land- und Lehnrecht einerseits und das Stadtrecht andererseits jedoch niemals voneinander unterschieden.316 Weitzel führt gemäß dem „dinggenossenschaftlichen Prinzip“ diese Entwicklung nicht auf Ursachen im Zusammenhang mit den Rechtsinhalten selbst, sondern auf gerichtsverfassungsrechtliche Gründe zurück. Jedenfalls seit dem frühen Mittelalter fanden wie gesehen ausschließlich Angehörige der Genossenschaft der Partei als Schöffen Urteil über diese, und zwar nach den ihnen bekannten Regeln ihrer Rechtsgemeinschaft. In einer überwiegend oralen Gesellschaft wurde im Gericht Recht in und für die Genossenschaft geschaffen. Das mittelalterliche Gemeinwesen gliederte sich wie dargelegt in eine Vielzahl zunächst voneinander abgeschlossener Genossenschaften wie Landrechts- und Stadtrechtsgemeinschaften, in denen folglich jeweils (zunächst) voneinander abgeschlossenes Recht entstand und fortentwickelt wurde. Das Verschmelzen von Land- und Stadtrecht ist mithin auf das etwa für Schlesien dargelegte gerichtsverfassungsrechtliche Verschmelzen von Genossenschaften, also ihrer jeweiligen Urteileroder Schöffengremien im Gericht zurückzuführen: „Das sächsisch-magdeburgische Recht [kennt] einen prinzipiellen umfassenden inhaltlichen Gegensatz zwischen Stadtrecht und Landrecht nicht. [. . .] Es ist vielmehr Schöffenrecht. [. . .] 315 Näher Lück, Einführung, S. 1 ff., 4 ff. m.w. N.; ders., Verbreitung, S. 37, 42 ff.; ders., Schöffenstuhl, S. 138 f.; vgl. die grundlegenden Arbeiten von Lieberwirth, Sächsisch-Magdeburgisches Recht, S. 5 ff., Schubart-Fikentscher, Verbreitung, S. 5 ff.; vgl. zuletzt Lück, Gerichtsverfassung in den Mutterstädten, S. 164, Anm. 2. 316 Vgl. Lück, Gerichtsorganisation, S. 316; ders., Schöffenstuhl, S. 139; SchubartFikentscher, Verbreitung, S. 121. Siehe die Darstellung bei Planck, Gerichtsverfahren I, S. 98 ff.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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Die Schöffen müssen für Stadt und Land gemeinsames Recht anwenden. [. . .] Der Gegensatz von Stadt- und Landrecht ist im hohen und späten Mittelalter primär nicht aus den Inhalten des Rechts, sondern [. . .] aus Gegensätzen der jeweiligen Träger, Anwender und Fortbilder des Rechts zu erklären. Es geht also weniger um Stadt- und Landrecht als vielmehr um Stadtschöffen- und Landschöffenrecht. Die jeweilige Gruppe der Rechtskundigen versteht und propagiert ihre Sprüche als ihr Recht in Abgrenzung zum Recht der anderen. Das personelle Element, wer das Recht spricht, steht völlig im Vordergrund, die inhaltliche Seite tritt zurück.“ 317 Für einen Rechtsgeltungs-, mithin gerichtlichen Zuständigkeitsbereich, hinsichtlich dessen im insoweit zuständigen Gericht auch beziehungsweise ausschließlich durch Angehörige einer Stadtrechtsgemeinschaft Urteil und Recht auch bezogen auf die Angehörigen einer Land- (und Lehn-)Rechtsgemeinschaft gefunden wurde, wurde der im Altsiedelgebiet wie gesehen noch als Beschreibung des vom Landrecht abgeschlossenen Geltungsbereichs des Stadtrechts gebräuchliche Begriff Weichbild318 nicht nur, aber insbesondere in Schlesien in diesem Sinn fortentwickelt.319 Die Bedeutung von „territorium“/„districtus“/„terra“, was wie erörtert ursprünglich den Vogteibezirk gemeint hatte, veränderte sich – wobei die gleichsam „genossenschaftliche Perspektive“, die wie erörtert zuvor das „Land“ definierte, beibehalten wird – zur Beschreibung eines solchen, nicht notwendig den gesamten Vogteibezirk umfassenden Weichbildes.320 Die Quellenüberlieferung hinsichtlich der Urteiler, mithin Schöffen der Vogtdinge/Landgerichte im Untersuchungsgebiet setzt erst in einem Zeitraum ein, in dem die ursprüngliche Vogteiverfassung bereits hinsichtlich Zuständigkeit und Gerichtverfassung in Veränderung beziehungsweise in Verfall war. Einige Inhaber großer Herrschaften erscheinen schon im Zeitraum der Ostsiedlung hinsichtlich ihrer Aftervasallen und Untertanen von der Vogteizuständigkeit zugunsten ihrer eigenen Gerichte eximiert, andere wurden im Lauf des Mittelalters und noch der Neuzeit umfassend befreit.321 Die Obergerichtskonzession von 1562322

317

Weitzel, Rechtsbegriff, S. 62 ff., 80 f. Kroeschell, Weichbild, Sp. 2093 ff.; Schmidt-Wiegand, Weichbild, Sp. 1209 ff.; jeweils m.w. N., wobei Weitzel, Rechtsbegriff; Menzel, Stadt und Land; Helbig, Landgemeinde, und Loesch, Verfassung, hinzuzufügen sind. 319 Zum ganzen Weitzel, Rechtsbegriff, S. 62 ff., 65 ff.; Menzel, Stadt und Land, S. 19 ff.; Loesch, Weichbildverfassung S. 83 ff.; ders., Verfassung, S. 138 ff. 320 Menzel, Stadt und Land, S. 19 ff., 31 f.; Loesch, Verfassung, S. 138 ff.; ders., Weichbildverfassung, S. 84 ff.; jeweils m.w. N.; vgl. Helbig, Landgemeinde, S. 104 ff. 321 Näher Boelcke, Verfassungswandel, S. 191 ff.; Knothe, Adel I, S. 8 ff., 13 f. m.w. N.; Seeliger, Zittau I, S. 122 f. m.w. N. Noch 1597 erteilte der Landesherr dem Standesherrn auf Muskau ein Privileg, wonach die Herrschaft Muskau auch hinsichtlich ihrer Vasallen und Untertanen von der Zuständigkeit des Amtes und Hofgerichts Görlitz befreit war (näher Arnim/Boelcke, Muskau, S. 52 ff. m.w. N.). 322 KW I, S. 179 ff. 318

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C. Landesherrliche Gerichte

gewährte allen übrigen Grundherren, nachdem einzelne neben der Niedergerichtsbarkeit, die bereits im Ostsiedlungszeitraum mit der Grundherrschaft verbunden gewesen war, auch Obergerichtszuständigkeiten hinsichtlich ihrer Untertanen erhalten hatten,323 endgültig grundsätzlich auch die umfassende Obergerichtszuständigkeit. Die Gerichtszuständigkeit hinsichtlich des Adels selbst gelangte mit der Zeit vom Landgericht an die Ämter, Hofgerichte und das Gericht von Land und Städten, worauf noch näher einzugehen ist. Für die bäuerliche Bevölkerung blieb wie gesehen, soweit nicht andere, insbesondere grundherrliche Gerichte zuständig waren, das (an eine Stadt veräußerte und auf deren Gerichtsverfassungsstrukturen verschmolzene beziehungsweise bei der Landesherrschaft verbliebene) Vogtding/Landgericht weiterhin zuständig. Noch 1559 heißt es in der bereits angeführten Beschwerdeschrift der Landstände gegen die Amtsführung des Landvogts, soweit es das wie gesehen bei der Landesherrschaft verbliebene Vogtding/Landgericht zu Budißin betrifft, „daß für denselben sehr viel gemeiner Bauer Sachen geörtert und erlediget worden“.324 Übertragungen von Vogteizuständigkeiten an Dorfgerichte, die über das gewöhnliche Maß an Immunitätsverleihung, wie sie im gesamten Ostsiedlungsraum hinsichtlich der Dorfbevölkerung innerhalb der dörflichen Flurzäune in bestimmten Niedergerichtssachen vorkommt, hinausgingen, erfolgten im Untersuchungsgebiet nicht. Zuständigkeiten des Dorfgerichts wurden vielmehr nach und nach an das grundherrliche Gericht abgegeben.325 Im Untersuchungsgebiet bemühten sich vor allem die neuentstandenen Stadtrechtsgenossenschaften der landesherrlichen Städte – mithin – um Exemtion von der Zuständigkeit des Vogtdings/Landgerichts zugunsten eines eigenen Gerichts, sogar um Erwerb der betreffenden Vogtei, zumindest um personelle Beteiligung an der Gerichtsverfassung des weiterhin auch für sie – nach Exemtionen zumindest noch in Obergerichtssachen – zuständigen Vogtdings/Landgerichts.326 Erkennbar ging es den Stadtrechtsgenossenschaften gemäß dem dinggenossenschaftlichen Prinzip in auch im Untersuchungsgebiet weitgehend schriftloser Zeit darum, die im Zusammenhang mit der Entstehung und Ausbildung einer eigenen städtischen Lebenswelt erfolgte Entstehung und Fortentwicklung eigener allgemeinverbindlicher Regeln durch eine entsprechende Besetzung des für sie zuständigen Gerichts überhaupt erst zu ermöglichen. Kretzschmar stellte dabei fest, daß – wenn überhaupt – hier die Exemtion von der Vogteizuständigkeit im Vergleich zu anderen Städten des Ostsiedlungsraums erst spät erfolgte. Insbesondere ab as323 Vgl. Abdruck eines vor 1561 angelegten „Verzeichnisses Welche von Landständen (. . .) die Obergerichte haben, und welche sie bisher nicht gehabt“, bei Anonymus, Obergerichte, S. 65 ff.; vgl. Abdruck bei Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 11 ff. Näher Boelcke, Verfassungswandel, S. 226 ff., 267 ff.; Knothe, Adel I, S. 37 f. 324 Abdruck bei Weinart, Rechte I, S. 51. 325 Näher Boelcke, Verfassungswandel, S. 251 ff. 326 Becker, Magdeburger Recht, S. 14 f.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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kanischer Zeit wurden Stadtrechtsgenossenschaften von der Zuständigkeit des Vogtdings in bestimmtem sachlichem Rahmen eximiert. Insoweit wurden Vogteizuständigkeiten hinsichtlich der Bürger und Einwohner der jeweiligen Stadt innerhalb der Stadtfluren und -mauern, also bezogen auf den vom Landrecht abgeschlossenen Geltungsbereich des Stadtrechts an – worauf noch an anderer Stelle einzugehen ist – nach Magdeburgischem Recht umgestaltete, mithin mit bürgerlichen Stadtschöffen als Angehörigen der betreffenden Stadtrechtsgemeinschaft besetzte frühere Schulzengerichte übertragen.327 Ab dem Beginn des 14. Jahrhunderts ist aber darüber hinaus auch hier die Entstehung von Weichbildern im genannten, fortentwickelten Sinn, wie im folgenden hinsichtlich jeder einzelnen landesherrlichen Stadt im Untersuchungsgebiet auszuführen ist, zu beobachten.328 Die weitreichendsten Rechte erhielt die Laubaner Stadtrechtsgemeinschaft. Bereits frühzeitig waren die Laubaner hinsichtlich ihrer eigenen Genossenschaft zunächst in Niedergerichtssachen von der Vogteigerichtsbarkeit befreit. 1402 wurde „Bürgermeister, Rate und Burgern gemeiniglich der Stadt Lauban“ darüber hinaus vom Landesherrn „unsere Vogtey zu Lauban“ erblich mit allen Rechten und Einkünften unbefristet übertragen.329 1469 ist zwar noch von den „obersten Gerichten und Landgerichten daselbst im Weichbild zu Lauban mit ihrer Zugehörung, das da genannt wird die Vogtei“, zu lesen, und es werden 1460 die zur Vogtei gehörigen Dörfer aufgezählt,330 wurde die Vogtei mithin begrifflich noch vom Erbgericht geschieden. Besondere Gerichtsverfassungstrukturen des Vogtdings erscheinen in den Quellen jedoch auch dann nicht mehr,331 bis von der Vogtei überhaupt nicht mehr die Rede ist. Aus einem Vertragsentwurf zwischen Weichbildadel und Rat der Stadt Lauban von 1509 geht zwar hervor, daß „die von Luban etzliche lange Zeit die Obergerichte im Lubanischen Weichbilde und in der Stadt von Alters bis daher in geruhiglichen Gewehr inne gehabt“, und zwar hinsichtlich der „Mannschaft des Lubanischen Weichbildes“ als auch deren (bäuerlichen) Untertanen. „In Frevelthaten [. . .] mögen sich die von Luban halten, wie vor Alters, und diese hernach geschriebenen Stücke [bestimmte aufgezählte Obergerichte – HvS] hiermit und zu der Obrigkeit gehörende zu richten haben“.332 Eines besonderen Vogtdings wird aber nicht mehr gedacht. Bereits 327

Kretzschmar, Enstehung, S. 161. Näher allgemein Boelcke, Verfassungswandel, S. 169 ff.; zur Geltung des schlesischen Begriffs vom Weichbild im Untersuchungsgebiet Kötzschke, Vogtei, S. 33; Loesch, Verfassung, S. 142; ders., Weichbildverfassung, S. 83; jedoch ohne daß im einzelnen hinsichtlich des Untersuchungsgebiets der Nachweis geführt wurde. 329 VOU I, H. 1–4, S. 155; LSDC, S. 13. 330 Knothe, Rechtsgeschichte, S. 204 m.w. N.; CDLS VI, S. 154. 331 Die Ernennung Mathes Feusts durch den Landesherrn zum „königlichen Richter“ 1458, der fortan die Obergerichte in der Stadt und auf dem Lande mit Strafen und Bußen innehaben, wogegen dem Rat nur die Niedergerichte in der Stadt zustehen sollte, blieb Episode (näher Knothe, Rechtsgeschichte, S. 204 m.w. N.). 332 Urkunde abgedruckt Anonymus, Vogtei, S. 277 ff. 328

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C. Landesherrliche Gerichte

1368 hatte der Landvogt entschieden, daß alle Güter Luthers v. Penzig „in dem wicbilde tzu dem Luban“ mit den Obergerichten nirgendwo anders hingehören sollten als „in der stad erbgerichte vor dem voyte, vor dem erbrichter vnd schepphen tzu dem Luban“.333 Die Laubaner hatten also die landesherrliche Vogtei Lauban erworben, damit Vogteizuständigkeiten insbesondere in Obergerichten und vor allem bezogen auf die Landrechtsgemeinschaft. Diese Zuständigkeit wurde im weiteren Verlauf als solche des Laubaner Erbgerichts betrachtet. In ihm handelten jetzt gemeinsam Vogt, Erbrichter und bürgerliche Stadtschöffen auch bei Verfahren, bei denen Adel und/oder Bauern nicht stadteigener grundherrlicher Dörfer beteiligt waren. Dies bestätigen auch die heute noch vorhandenen, derzeit im Staatsarchiv Breslau verwahrten Laubaner Schöffenbücher mit einem Überlieferungszeitraum von 1489 bis 1534. In ihnen sind etwa auch Obergerichtssachen behandelt, und zwar auch bezogen auf außerhalb der Stadtfluren, mithin im Weichbild gelegene Dörfer, so etwa 1534, als der Bauer „Nicol Heneman von [aus – HvS] Gersdorff [bei Lauban – HvS] geheischen umbe den begangen frevell an Matthes Bothner.“ 334 Ende des 15. Jahrhunderts wurden „Scholz vnd Scheppen [. . .] zu Haußdorff“ im Laubaner Weichbild „uffen ersten Tag geheischen“.335 Es handelte sich hierbei nicht um stadteigene Dörfer. Aus allen Schöffenbüchern könnten noch viele weitere Beispiele dieser Art angeführt werden. Hinsichtlich des Adels sind zunächst mehrere Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit bezeugt. 1489 erscheinen etwa „vor Richter und Schoppen“ im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit „dy tuchtige Heynze vnd Nickel Hoberge von der Holzkirche [v. Hochberg auf Holzkirch – HvS]“.336 Auch in streitigen Verfahren erscheinen Adlige als Kläger und Beklagte.337 Eines Vogtes wird nirgends mehr gedacht. Stets urteilen ausschließlich Stadtschöffen, die damit in der damaligen weitgehend schriftlosen Zeit gemäß dem „dinggenossenschaftlichen Prinzip“ allgemeinverbindliches Recht fanden. Es galt nunmehr auch bezogen auf die bisherige Landrechtsgenossenschaft nicht mehr (nur) Landrecht, sondern das den Stadtschöffen bekannte Recht, – Magdeburger – Stadtrecht. Anhand des Laubaner Weichbildes wird das „Ineinandergreifen“ von Stadt- und Landrecht zugunsten der Stadtrechtsgemeinschaft deutlich, wobei jedoch Konflikte mit der Landrechtsgemeinschaft, die ja nunmehr im Rahmen bestimmter sachlicher Zuständigkeiten dem Recht einer – zunächst jedenfalls als solche betrachteten – fremden Genossenschaft unterworfen waren, nicht anhand der Quellen nachweis-

333

VOU I, H. 1–4, S. 85. StA Breslau, Schöffenbücher Lauban III, Bl. 280 b. 335 StA Breslau, Schöffenbücher I, Bl. 253 b. 336 StA Breslau, Schöffenbücher Lauban I, Bl. 9. 337 Vgl. StA Breslau, Schöffenbücher Lauban I, Bl. 72 b f.; 135 b f. Verfahren, in denen Adlige als Beklagte in Obergerichten erscheinen, konnten in diesen Schöffenbüchern nicht aufgefunden werden. Möglicherweise bestanden insoweit wie in Görlitz besondere Gerichtsbücher. 334

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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bar sind. Bezogen auf das Laubaner Stadtschöffengericht war ein Weichbild im fortentwickelten Sinn entstanden. Auch die Zittauer Stadtrechtsgenossenschaft erlangte frühzeitig Exemtion von der Zittauer Vogtei zugunsten ihres Stadtschöffengerichts in Niedergerichtssachen. Nachdem das Erbgericht Zittau bereits 1362 die Zuständigkeit hinsichtlich Schulden aller Einwohner des Vogteibezirks Zittau, also auch des Adels unter zehn Mark weniger ein Lot erhalten hatte,338 pachteten „schepphen vnd rath“ der Stadt Zittau 1364 zunächst auf zwei Jahre „dy Landvoythei vnd di pflege dez wycbildes“.339 Die Pachtzeit wurde 1366 verlängert,340 bis 1369 die Zittauer die Vogtei und damit „di gerichte in der stat czu der Syttaw vnd vf dem lande des wychbildes, daz dor czu gehort,“ unbefristet erwarben.341 Der Landesherr gab dem Vogt zu Zittau indes 1398 Vollmacht, Lehen in der Vogtei, Stadt und Land Zittau zu reichen, wie andere Vögte vorher, solange die Vogtei im Besitz der Bürger zu Zittau ist.342 1412 wurde die Vogtei dem Budißiner und Görlitzer Vogt Hinko von der Duba überwiesen. Ab diesem Zeitpunkt blieb das Amt mit dem des Budißiner beziehungsweise Görlitzer Vogtamtes vereint.343 Wegen des äußerst spärlichen Quellenbestandes läßt sich keine sichere Aussage über das weitere Schicksal des Landgerichts zu Zittau treffen. Jedenfalls bestand es weiterhin und verschmolz nicht mit dem Erbgericht Zittau, denn 1497 einigten sich die Zittauer Bürger mit dem Adel des Weichbildes über die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen „Landgericht“ und „Erbgericht“, daß künftig keine bürgerlichen Schöffen im „Mannenrecht“, also bei Verfahren unter dem Adel sitzen sollten.344 Der Bericht des Zittauer Rates an Kaiser Karl IV. von ungefähr 1348 ist besonders ausführlich: „Wenne euer landrichter saß landgerichte yn ewer stadt zu der Zittau, so sassen ewer schöppen in ewer stadt bey den landleuten und wenn man urtheil ausgab yn dem landgedynge, das gab man einen landmanne und einen schöppen; und wo sie das nicht kunden finden, so namen sie einen [verderbt; heißt mit Weizsäcker „ander oder mehr“, wie sich aus einem Vergleich mit einer Stelle des Berichts ergibt, die im Anschluß wiedergegeben wird] bürger und landleute zu ihn und funden da mit einander ein recht, diß recht und ander recht, die ihr noch von ewern gnodin begynnet horin, dy uns ny vorbrochen, noch verrückt seyn von einem könige zu dem andern. Und wir bürger von der stadt Zittau, wir haben behalten zu rechte so gethan recht, damit die stadt und land ausgesatzt ist, daß wir auch wollen beweisen mit den ältisten oder wy uns ein recht findet. 338 339 340 341 342 343 344

Prochno, Urkundenbuch, S. 86. Johann von Guben, Jahrbücher, S. 17; Prochno, Urkundenbuch, S. 89. Johann von Guben, Jahrbücher, S. 33; Prochno, Urkundenbuch, S. 93. Johann von Guben, Jahrbücher, S. 47 f., 48; Prochno, Urkundenbuch, S. 100. Prochno, Urkundenbuch, S. 174. Näher hierzu Boelcke, Verfassungswandel, S. 178 m.w. N. Vgl. Carpzov, Analecta II, S. 258.

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C. Landesherrliche Gerichte

[. . .] Ist auch, daß ein mann von dem lande wird bekündiget umb hoer sachen und wird das bracht vor recht, der muß eine frage leydin vo armen und von reichen. [. . .] Wo dy [ein „bürger“ und ein „landmann“ – HvS] nicht können vinden ein recht, so sullen sie zu ihm nehmen ander oder mehr bürger und landleute, daß man finde, daß ein recht sei.“ 345 Zunächst wird aus den Quellen deutlich, daß auch die Zittauer Stadtrechtsgenossenschaft im Rahmen landesherrlicher Exemtion von der landesherrlichen Gerichtsbarkeit gewisse Zuständigkeiten erhielt, im Rahmen derer – auch bei Beteiligung von Angehörigen des Landrechts – allein Urteil gefunden wurde durch Angehörige der Stadtrechtsgenossenschaft im Zittauer Stadtschöffengericht, dem Erbgericht. In Sachen, die unter dem Adel anfielen und für die (traditionell) das Zittauer Vogtding als Landrecht zuständig war, waren bürgerliche Schöffen im Zittauer Vogtding andererseits (weiterhin) nicht anwesend, so daß davon auszugehen ist, daß beide Genossenschaften in jeweils sie ausschließlich angehenden Angelegenheiten (weiterhin) getrennt voneinander Urteil fanden. Die Schöffen beider Rechtskreise fanden jedoch in wesentlichen Sachen, die beide Rechtskreise angingen, im Zittauer Vogtding (nunmehr) gemeinsam Urteil, und zwar in beim landesherrlichen Vogtding verbliebenen Kompetenzen, die auch die Stadtrechtsgemeinschaft betrafen, wie vor allem die im Bericht der Zittauer an den Landesherrn genannten „höheren“, also die Hochgerichtssachen. Obwohl die Vogtei, mithin das Vogtding für gewisse Zeit an die Stadtrechtsgenossenschaft verpachtet (gewesen) war, waren jedoch, soweit anhand der heute (noch) vorhandenen Quellen ersichtlich, hier – anders als im sogleich zu betrachtenden Görlitzer Vogtding – die Urteiler der Stadtrechtsgenossenschaft wegen keiner sachlichen Zuständigkeit ausschließlich oder maßgeblich an der Urteilsfindung beteiligt. Vielmehr kam mit Weizsäcker der „primäre Beisitzerbestand“ (weiterhin) aus dem Adel, den „Landleuten“ des Vogteibezirks, denn die „Schöffen saßen bei den Landleuten“.346 Es bestand also auch im hiesigen – ursprünglich wohl rein landrechtlich besetzten – Vogtding mitterweile nicht mehr ein ausschließlich landrechtlich geprägtes Urteilerkollegium, sondern die Zittauer Stadtrechtsgemeinschaft vermochte ähnlich wie die Görlitzer – sogar anders als dort wohl infolge des Erwerbs der Zittauer Vogtei – Angehörige ihrer Genossenschaft auf die Urteilerbank dieses Gerichts zu entsenden, und zwar soweit der Rechtsstreit ihre Rechtsgenossenschaft betraf sowie teils darüber hinaus. Vor allem der Bericht der Zittauer Bürger an den Landesherrn bestätigt das „dinggenossenschaftliche Prinzip“: Indem die genannten Angelegenheiten „vor recht“ gebracht wurden, erscheint auch hier „recht“ bereits sprachlich gleichbedeutend mit „Gericht“. Die Urteilsfindungskompetenz lag hier im wesentlichen bei den – in bestimmten Sachen sowohl Stadt- als auch Landrecht entstammen345 346

Weizsäcker, Landgericht, S. 9 ff. Weizsäcker, Landgericht, S. 13.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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den – Urteilern. So war auch hier sichergestellt, daß es die betreffende Rechtsgenossenschaft war, die Urteil fand. In weitgehend schriftloser Zeit hatte mithin die betreffende Rechtsgenossenschaft mit der Urteilsfindungskompetenz Rechtsbildung, -stabilisierung und -fortbildung ausschließlich oder zumindest maßgeblich in ihren Händen. Auch bezüglich des Zittauer Vogtdings ist von einem „Ineinandergreifen“ von Land- und Stadtrecht auszugehen. Dies war auch hier bedingt durch die gemeinsame Urteils- und damit Rechtsfindung von Rechtsgenossen des Stadt- und des Landrechts im Vogtding. Anders als etwa in Görlitz und Lauban kann hier jedoch nicht von einem Überhang des Stadtrechts über das Landrecht, sondern von einem zumindest gleichrangigen Nebeneinander von Land- und Stadtrecht bezogen auf den gesamten Zuständigkeitsbereich des Gerichts ausgegangen werden. Gerade hinsichtlich des Zittauer Landgerichts wird das Verschmelzen von Land- und Stadtrecht zu einem wirklich gemeinsamen Recht, Sächsisch-Magdeburgischem Recht, deutlich. Gerade insoweit ist daher von der Entstehung eines Weichbildes im fortentwickelten Sinn bedingt durch gerichtsverfassungsrechtliche Entwicklungen auszugehen. Über Konflikte zwischen beiden Genossenschaften in diesem Zusammenhang ist nichts überliefert. Was Görlitz betrifft, erteilte der Landesherr niemals weder völlige, sondern nur in Niedergerichten Exemtion von der Vogteizuständigkeit hinsichtlich der stadtrechtlichen Genossenschaft und zugunsten eines eigenen Stadtrechtsgerichts noch ließ er den dauernden Übergang der Vogtei an die Stadt zu. Das Vogtding zu Görlitz wurde niemals ausdrücklich abgeschafft oder über längere Zeit an andere Herrschaftsträger veräußert. Die Übertragung des Landgerichts an die Stadt Görlitz von 1389 erfolgte mit Beschränkungen, wurde bereits 1391 wieder rückgängig gemacht und blieb einmalig.347 Die bereits genannte landesherrliche Urkunde vom 28. November 1303348 beinhaltet lediglich eine eingeschränkte Exemtion der inzwischen als von der Landrechtsgenossenschaft abgeschlossen und selbständig erscheinenden Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft vom Vogtding Görlitz zugunsten des nach Magdeburger Recht gestalteten Görlitzer Schulzen-/ Erbgerichts, also des Gerichts der und für die Görlitzer Stadtrechtsgenossenschaft, soweit es bestimmte Niedergerichte betrifft. Das Vogtding wurde hier-

347 1377 bestätigte der Landesherr den Görlitzern das „Meydeburgische Recht“, behielt sich aber das „obriste gericht uff dem lande vnd in der stat, das der vogyt richten sal“, vor (Großer, Merckwürdigkeiten I, S. 94). Die Übertragung des „Landgerichtes und Stadgerichtes doselbist, hohe und nyeder“ an die Stadt Görlitz „von diesem Tage, der hernach geschrieben stehet anzurechen uber ein Jar, und furbas, als lange als wir das wollen,“ im Jahr 1389 erfolgte mit folgender Maßgabe: „Mit derselben unser Gnade sollen sie nicht mugen unser Recht verruckenn noch mynnern, in keine Weis, des haben wir yr zw eyme Hutirmeister gegebenn, Witten von Cotwitz“ (Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 607). Witche v. Kottwitz war 1386 bis 1392 landesherrlicher Hauptmann der Stadt Görlitz (Knothe, Adel I, S. 314). Diese Verleihung wurde bereits 1391 wieder zurückgenommen (Nachweise bei Knothe, Rechtsgeschichte, S. 209). 348 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f.

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C. Landesherrliche Gerichte

durch jedoch – entgegen heute weiterhin ohne Begründung vertretener Ansicht – nicht etwa zugunsten des Erbgerichts Görlitz aufgelöst, sondern verlor nur bestimmte Zuständigkeiten an dieses. Das Vogtding blieb weiterhin sowohl hinsichtlich der Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft als auch der Landrechtsgemeinschaft im Vogteibezirk im Rahmen der in der Urkunde genannten Obergerichtssachen zuständig. In diesem Zusammenhang wurde es lediglich gerichtsverfassungsrechtlich insoweit verändert, als nunmehr ausschließlich und unabhängig von der Art der Genossenschaft der dem Gericht unterworfenen Partei Görlitzer Stadtschöffen, also ausschließlich Angehörige der Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft Urteiler/Schöffen des Vogtdings wurden. Die Urkunde regelt mithin Zuständigkeit und Gerichtsverfassung zweier unterschiedlicher Gerichte, nämlich des Görlitzer Erbgerichts und des Vogtdings Görlitz, bei letzterem jedoch nur, soweit es hinsichtlich der Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft (als vormaligem Bestandteil der Landrechtsgemeinschaft) zuständig blieb. Die Gerichtsverfassung des Vogtdings, soweit dieses im übrigen, also lediglich hinsichtlich der um die Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft kleiner gewordenen Landrechtsgemeinschaft der Vogtei zuständig blieb, ist nicht Gegenstand dieser Urkunde.349 Aus der Urkunde wird nicht ersichtlich, ob der Görlitzer Erbrichter vergleichbar dem Magdeburger Schultheißen der erste des Schöffenkollegiums im Vogtding wurde. Hierfür spräche jedoch § 3 der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304, auch wenn es sich hierbei um eine normative Quelle handelt, die überdies Magdeburger Verhältnisse wiedergibt: Der „Shultheize sol deme Burcgreven daz erste Orteil vinden.“ 350 Diese Auslegung des Inhalts der Urkunde gründet sich zunächst auf deren Wortlaut, der beschränkt auf das Notwendige nochmals wiedergegeben wird: „Nos [Landesherr – HvS] ad utilitatem [. . .] civitatis [. . .] Gorlitz generalem [. . .] civibus et civitati ibidem [. . .] jura Magdeburgensia concedimus et donamus, habenda, tenenda, questionibus, contractibus, causis, in omnem modum, prout ipsis civibus et civitati melius et commodosius videbitur, expedire. Tamen quendam judiciarium vel judicii casum, qui Voytding vel Echeding nominatur ibidem habere nolumus, ymo volumus [. . .], ut singulis horis et temporibus judicii oportunis, civitatis nostre in banccis [. . .], judex hereditarius noster, qui fuerit, [. . .] judicio presidere [. . .] et hereditarium judicem nostrum tertiam vero partem, exceptis duntaxat homicidiis, rapinis, incendiis, furtis, claudicacionibus et aliis quibuscunque causis majoribus, in nostro territorio comissis, quas vero causas in quatuor 349 Daß das Görlitzer Vogtding weiterbestand, nehmen auch zurecht an Knothe, Rechtsgeschichte, S. 205 f.; Kretzschmar, Entstehung, S. 160 f., beide jedoch ohne Begründung; dagegen, indem sie meinen, im Zusammenhang mit der Urkunde von 1303 sei das Vogtding durch das Erbgericht völlig ersetzt worden, falsch und ohne Begründung Becker, Magdeburger Recht, S. 14 f., Schubart-Fikentscher, Verbreitung, S. 120; zuletzt Behrisch, Obrigkeit, S. 42 f.; vorsichtig Boelcke, Verfassungswandel, S. 181 f. 350 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 450.

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banccis civitatis, presentibus scabinis civibus nostris et non alibi, nostrum advocatum volumus judicare et hujusmodi causarum fructus nostre camere totaliter reservare“. Die Görlitzer sollen also künftig nach den „jura Magdeburgensia“ hinsichtlich bestimmter sachlicher Gerichtszuständigkeiten, Niedergerichtssachen, die zwischen den Bürgern der Stadt Görlitz (innerhalb der Stadt) anfallen, verfahren. Insoweit ist die Stadtrechtsgenossenschaft von der Zuständigkeit des Vogtdings befreit. Der Landesherr „will“ das „Vogtding“ insoweit „nicht (mehr)“, sondern er „will“, daß der landesherrliche Erbrichter („judex hereditarius noster“) dem jetzt insoweit zuständigen, mithin nach den „jura Magdeburgensia“ verfaßten Gericht, dem Erbgericht, vorsitze. Der landesherrliche Vogt soll dabeisein („cum aduocato nostro“), jedoch wie gesehen nur als sogenannter „schweigender Richter“, also sich in der Verfahrensleitung zurückhaltender Vertreter und Wahrer der landesherrlichen Interessen in diesem weiterhin, somit nochmals ausdrücklich als solchem angesprochenen landesherrlichen Gericht. Auf die so gestaltete Gerichtsverfassung des Erbgerichts ist an anderer Stelle näher einzugehen. Diese Anordnung erfolgt jedoch nur hinsichtlich der Zuständigkeitsbestimmung im ersten Satz, nicht hinsichtlich der im weiteren Verlauf genannten Obergerichte und schon gar nicht im übrigen. Dies deutet sich bereits grammatikalisch an, denn das Wort „ibidem“ erscheint neben dem ersten nur noch im zweiten Satz und weist in beiden Sätzen auf die Zuständigkeit hinsichtlich „Stadt und Bürgern von Görlitz“, also der Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft hin. Der grammatikalische Beweis wird gestützt durch einen Blick auf die Verteilung der Gerichtsgefälle, die auf die Richtereigenschaft hinweist: Nur hinsichtlich der genannten Niedergerichtssachen, nicht hinsichtlich der weiter unten angesprochenen Obergerichtssachen, die ausdrücklich ausgenommen werden, erhält der Erbrichter den dritten Teil, das Richterdrittel, was ihn insoweit als Richter ausweist. Insoweit geht die Urkunde auch ausdrücklich davon aus, daß es sich zugunsten des Erbgerichts auch und gerade dem Namen nach nicht mehr um das Vogtding handeln solle. Was nun die ausgenommenen Obergerichtssachen („exceptis [. . .] homicidiis, rapinis, incendiis, furtis, claudiocacionibus et aliis quibuscunque causis majoribus“), die in der Vogtei Görlitz, das heißt von jedermann ohne Ansehung seiner Genossenschaft begangen werden („in territorio vel territoriis Gorliz commissis“), betrifft, stehen die Gerichtsgefälle dagegen gänzlich, also sowohl hinsichtlich der zwei Drittel der Gerichtsherrschaft als auch des Richterdrittels weiterhin dem Landesherrn zu („hujusmodi causarum fructus nostre camere totaliter reservare“). Der Vogt soll insoweit weiterhin der Richter sein („nostrum aduocatum volumus judicare“). Jedoch wird das Urteilergremium dieses Gerichts dahin verändert, daß jetzt die genannten Schöffen des nach den „jura Magdeburgensia“ verfaßten Görlitzer Erbgerichts, also die Görlitzer Stadtschöffen die Urteiler/Schöffen des Vogtdings sein sollen („in quatuor banccis ciuitatis presentibus scabinis, ciuibus, nostris et

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C. Landesherrliche Gerichte

non alibi“). Macht man – wie vorliegend vor allem die Urkunde selbst ausdrücklich – den Namen eines Gerichts daran, wer der Richter war, also „von der Herrschaft her“ betrachtet fest, ist davon auszugehen, daß es sich insoweit weiterhin um das Vogtding handelte und handeln sollte. Nicht mehr und nicht weniger befiehlt die Urkunde also, als daß bezogen auf das Vogtding im Rahmen der genannten Obergerichtszuständigkeiten die Gerichtsverfassung nach dem Magdeburger Recht mithin als einem mit Stadtschöffen, die nach Magdeburger (Stadt-) Recht urteilen, besetzten Gericht gelten solle. Die Görlitzer Stadtschöffen als Urteiler des Vogtdings finden insoweit jedoch nicht nur über ihre Rechtsgenossen, sondern auch über die Angehörigen der Landrechtsgenossenschaft, die hinsichtlich der genannten, im Vogteibezirk Görlitz begangenen Obergerichte dem Vogtding unterworfen bleibt, Urteil. Zuständigkeit, mithin Gerichtsverfassung des Vogtdings im übrigen werden nicht angesprochen. Anhand des Zwecks der Urkunde – bedingte Exemtion der Görlitzer von der Vogteizuständigkeit hinsichtlich bestimmter Niedergerichtssachen zugunsten des Görlitzer Erbgerichts sowie gerichtsverfassungsrechtliche Veränderung des Vogtdings, soweit keine Exemtion stattfand, sondern das Vogtding auch hinsichtlich der Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft zuständig blieb – wird deutlich, daß insoweit auch keine Veränderung gewollt war. Das Wort „exceptis“ bedeutet mithin nicht, daß das Erbgericht außerhalb der in der Urkunde genannten Obergerichte über die ausdrücklich erwähnten Niedergerichtssachen hinaus etwa umfassend im Vogteibezirk zuständig wird, sondern bezieht sich nur auf den sachlichen Zuständigkeitsbereich, hinsichtlich dessen die Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft weiterhin dem Vogtding unterworfen bleibt. Für diese Auslegung der Urkunde von 1303, mithin dafür, daß das Görlitzer Vogtding hinsichtlich der Zuständigkeit außerhalb der in der Urkunde von 1303 genannten Obergerichte, also als reines Gericht des Land- (und Lehn-)rechts, besetzt mit Landschöffen, weiterbestand, spricht auch der Inhalt der im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang erteilten Urkunde von 1329. Darin versucht der Landesherr, einen Streit zwischen der Landrechtsgemeinschaft der Vogtei Görlitz und der Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft durch Bestätigung der Zuständigkeitsverteilung und Gerichtsverfassung, wie sie „vor Alder“ zugunsten der Vasallen in der Vogtei Görlitz („unser man“) geregelt worden sei, beizulegen. Hiernach muß ein „Burger“ grundsätzlich, wenn er „Schult gebe einem Ritter oder einem rittermezzigen Manne, welcherley oder umb welch sache daz were“, diesen „vor unserm Voyt in unserm Hof ze Gorlicz, oder wo der Voyt in der Stat daz Gericht seczet“ verklagen. Nur in einem Fall, nämlich „ob daz were, daz in der Stat, oder als verre der Stat gerichte get, einen Ritter, oder ein rittermezzig Man, oder keyner irer Lehenmanne, oder irer Brotezze ein Unfug, oder ein Ungericht tet, ez wer groz oder clein, wurd er begriffen mit handheftiger Tot, so sol er antwurten in der Stat vor unserm Voyt und vor unserm Erberichter und sol der Gesworn Urteyl leiden“.351 Nur dann, wenn der adlige Täter innerhalb der

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„Stadtgerichte“, also des räumlichen Zuständigkeitsbereichs des Erbgerichts auf handhafter Tat angetroffen und festgenommen wird, ist demnach ein Gericht aus Vogt, Erbrichter und Stadtschöffen auch außerhalb der 1303 genannten Obergerichtssachen hinsichtlich des Adels zuständig. Nur in letzterem Fall handeln also die Stadtschöffen als Schöffen im Vogtding. Hinsichtlich des ersteren wird die Schöffenbesetzung nicht angesprochen. Dies läßt schließen, daß mit Ausnahme der Anordnungen von 1303 insoweit die bisherige, rein landrechtlich geprägte Gerichtsverfassung nicht verändert wurde und werden sollte. Letztere Regelung gilt mithin nicht dann, wenn der Täter entkommt. Dann „sol man ez clagen unserm Voyt, der sol zu im Rechtes helfen in der Stat ze Gorlicz, wo er daz Gerichte siczet“. Die Urkunde von 1329 beinhaltet mithin eine Regelung hinsichtlich Zuständigkeit und Gerichtsverfassung bei Streitigkeiten zwischen Angehörigen unterschiedlicher Rechtsgemeinschaften. Die Fälle, daß Angehörige der Land- beziehungsweise Stadtrechtsgemeinschaft jeweils untereinander außerhalb der in der Urkunde von 1303 genannten sechs Stücke in Streit geraten, werden folglich nicht angesprochen. Diese Sachen wurden weiterhin, soweit es die Stadtrechtsgemeinschaft betraf, vor dem Erbgericht Görlitz nach Stadtrecht unter Beiziehung der Stadtschöffen beziehungsweise hinsichtlich der Landrechtsgemeinschaft dem Vogtding oder dem betreffenden grundherrlichen Jahrding oder Dorfgericht nach Landrecht unter Beiziehung entsprechender Schöffen behandelt. Der Inhalt der Urkunde von 1329 zeigt also, daß außerhalb des Regelungsbereichs der Urkunde von 1303 weiterhin grundsätzlich der Zuständigkeit nach, mithin gerichtsverfassungsrechtlich zwischen den Rechtsgemeinschaften unterschieden wurde. Ein Bürger darf einen Bauer indes in den in der Urkunde von 1329 genannten Fällen vor das Erbgericht Görlitz ziehen. Für das Weiterbestehen des Vogtdings (auch) als landrechtlich, mithin (rein) durch Landschöffen geprägtes Gericht neben dem Görlitzer Erbgericht spricht zudem der Inhalt der landesherrlichen Urkunde von 1342, mit der den Görlitzern ausdrücklich der Inhalt der Urkunde von 1303, jedoch nur bezogen auf Zuständigkeit und Gerichtsverfassung des Erbgerichts bestätigt wird, während Regelungen hinsichtlich Zuständigkeit und Gerichtsverfassung des Vogtdings, also auch hinsichtlich der 1303 genannten Obergerichtssachen nicht enthalten sind: „Si uero aliquis vos aut aliquem ex vestris conciuibus quocunque censeretur nomine pro hereditate aliqua vobis assita uel eius mobilibus impetretur uel moueantur quaestionem huic serui jura et ritum ciuitatis Magdeburgensis predicte quibus in vestra civitate regimini et potimi coram vestro judice hereditiario et nusquam alibi, respondere debeatis“.352 Auch der Inhalt der landesherrlichen Urkunde von 351 Hier ausschließlich verwandte Edition: Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 528 f.; vgl. CDLS I, S. 282 f.; LSD, S. 7 f. 352 CDLS I, S. 343 ff., 344, Z. 16 ff. Die vorhergehenden Bestätigungen der Urkunde von 1303 führen hier insoweit nicht weiter. Erstmals seit 1303 bezieht sich die Urkunde von 1342 auch ausdrücklich auf die Gerichtsverfassung des Erbgerichts.

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C. Landesherrliche Gerichte

1377, wonach den Görlitzern zwar das „Meydeburgische Recht“ bestätigt wird, jedoch der Landesherr sich das „obriste gericht uff dem lande vnd in der stat, das der vogyt richten sal“, vorbehält,353 stützt diese Auslegung. Hinzu kommen nichtnormative Quellen. Aus der bereits genannten Görlitzer Ratsrechnung von 1376 geht hervor, daß das Vogtding weiterhin in landrechtlichen Zuständigkeiten wie hier in Grenzsachen (neben Stadtschöffen auch) mit Schöffen des Landrechts, hier mit „faselli“, also landesherrlichen Vasallen und „starazsen“, also Dorfvorstehern sorbisch besiedelter Dörfer besetzt war.354 Die Ratsrechnung aus dem Jahr 1392 berichtet zudem: „Als unsir herren [Görlitzer Bürger, wohl wie üblich Schöffen – HvS] waren zu Prag mit den landluten [Vasallen aus dem Weichbild Görlitz – HvS], alzo se unsir herre besante um die heyde und gerichte uf gehegitir banck zu siczen uf dem hofe“.355 Im selben Jahr heißt es nochmals: „Er Amseln waz uf dem rathuse myt unsirs (herrn) mannen um das sizcen uf gehegeter bank uf dem hofe“.356 Auf dem Hof, später Vogtshof genannt, tagte zu dieser Zeit nur das Vogtding, denn weitere in Betracht kommende Gerichte sind erst später nachweisbar, wie noch ausgeführt wird. Insbesondere für das Bestehen des Hofgerichts und des Amtes liegen bezogen auf diese Zeit keine Hinweise vor.357 Die zuletzt genannte Quelle ist wohl vor dem Hintergrund der kurzzeitigen Veräußerung des Vogtdings an die Stadt Görlitz zu lesen. Die Veräußerung hatte ja zur Folge, daß Stadtschöffen über den Adel auch Urteiler in Sachen außerhalb der in der landesherrlichen Urkunde von 1303 genannten Obergerichte geworden waren. Dies sollte wohl jetzt wieder rückgängig gemacht werden. Bereits ab der ersten Hälfte des 15. Jahrhundert358 ist das Vogtding/Landgericht zu Görlitz nicht mehr nachweisbar. Wie gesehen, wurden die mit landesherrlicher Urkunde von 1303 dem Vogtding vorbehaltenen Obergerichtssachen praktisch in der Besetzung des Erbgerichts, also mit Erbrichter und Stadtschöffen abgehandelt. Wie zu sehen sein wird, wurde das Vogtding Görlitz auch hinsichtlich seiner weiteren Zuständigkeiten von anderen Gerichten abgelöst, nämlich vor allem vom ebenfalls auf dem Vogtshof tagenden Amt Görlitz, soweit es Vogteizuständigkeiten unterhalb der in der Urkunde von 1303 genannten Obergerichte hinsichtlich aller Rechtsgemeinschaften, mithin Stände betraf, sowie vom Hofgericht zu Görlitz insbesondere hinsichtlich Lehnssachen und Obergerichtssachen

353

Abgedruckt Großer, Merckwürdigkeiten I, S. 94. CDLS III, S. 11, Z. 23 ff. 355 CDLS III, S. 209, Z. 15 ff. 356 CDLS III, S. 207, Z. 14 f. 357 Vgl. Jecht, Görlitz, S. 50 f. 358 Mit einer Formulierung in der Urkunde von 1439, wonach der Hofrichter und Schöppen im „Landgedinge“ zu Görlitz bekennen, daß vor ihnen in „gehegter Bank“ Jerusalem Becherer Verzicht getan habe an der Landeskrone (VOU I, H. 5–8, S. 50), könnte das Vogtding/Landgericht zu Görlitz gemeint sein. 354

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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unterhalb der in der Urkunde von 1303 genannten Sachen unter Beteiligung von Parteien aus den Reihen der landesherrlichen Vasallen. Der Adel des Landes Görlitz mochte sich hinsichtlich seiner selbst und der grundherrlichen Bauern mit der von der Urkunde von 1303 geforderten und so auch bis zum Pönfall 1547 praktizierten Besetzung des Vogtdings ausschließlich (!) mit Angehörigen des Stadtrechts in Obergerichtssachen nicht abfinden. Es entstand vielmehr ein rund 250 Jahre andauernder, heftig unter Einbeziehung einer Vielzahl politischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Instrumente geführter Konflikt zwischen dem Adel des Landes Görlitz und dem Görlitzer Rat, der erst mit dem Pönfall 1547 endete.359 Der Görlitzer Erbrichter Schneider schreibt 1532 etwa: „Item der adel wyl nicht, das mans im Gorlitschen weichgebilde sunder im Gorlitschen kreys nennen sal.“ 360 Der Adel forderte also die Benennung nicht nach dem Weichbild, mithin aus stadtrechtsgenossenschaftlicher Sicht, sondern nach dem alten Vogteibezirk, mithin aus herrschaftlicher Sicht des Landesherrn. Gerichtsverfassungsrechtlich verlangte er, soweit es ihn selbst betraf, daß sich eine Trennung nach Genossenschaft, mithin nach Stand (allgemeinen mittelalterlichen Grundsätzen entsprechend) in der Besetzung des Gerichts niederschlage. So forderte der Adel in seiner Beschwerde gegen die Görlitzer im Vorfeld der „decisio Ferdinandea“ 1544361, daß, wenn schon unstreitig „darzu [im Erbgericht Görlitz mit Weichbildzuständigkeit gemäß der Urkunde von 1303 – HvS] die Stadt Görlitz alleine ihre Schöppen niederzusetzen, oder die vier Bäncke zu bestellen pflegte“, zumindest „dann unser Land-Voigt [der frühzeitig wie gesehen vom Erbrichter verdrängt worden war – HvS] darbey sitze und richte, oder ie an seiner Statt einen Land-Richter [. . .] verordnete, dieweil alle Billigkeit besage, daß der Unter-Stand den Obern nicht richte.“ 362 Der Adel des Landes Görlitz ging also weiterhin auch und gerade in gerichtsverfassungrechtlicher Hinsicht von einer Scheidung der Genossenschaften abhängig vom Stand aus. Er forderte aber lediglich gerichtsverfassungsrechtliche Veränderungen hinsichtlich des Richters, nicht der Schöffen. Entweder war sich der Adel dabei nicht mehr über den Inhalt des mittelalterlichen Grundsatzes der Besetzung der Schöffenbank mit Angehörigen der Genossenschaft der Partei klar oder er beugte sich, dessen bewußt, (weiterhin) dem in der landesherrlichen Urkunde von 1303 geäußerten landesherrlichen Willen, daß ausschließlich Stadtschöffen im Rahmen der dort genannten Obergerichtssachen auch über den Adel urteilen dürften. Forderungen des Adels, die durch das Privileg von 1303 geschaffene Rechtslage hinsichtlich der Schöffenbesetzung zu verändern, sind mithin zwar hinsichtlich des 359 Näher zu den Zuständigkeitsstreitigkeiten und deren Ende Boelcke, Verfassungswandel, S. 182 ff. m.w. N. 360 Schneider, Diarium, S. 17. 361 KW II, S. 1296 ff. 362 KW II, S. 1312.

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C. Landesherrliche Gerichte

gesamten Zeitraums zwischen 1303 und 1547 nicht überliefert, wohl aber die nach gerichtsverfassungrechtlicher Berücksichtigung des Adels als Genossenschaft in anderer Weise. Die landesherrliche Urkunde von 1303 bewirkte insgesamt, daß bezüglich der genannten Obergerichtssachen ein ausschließlich mit Görlitzer Bürgern (Stadtschöffen) besetztes Gericht nicht nur hinsichtlich der Görlitzer Stadtrechtsgenossenschaft, sondern auch der des Landrechts der Görlitzer Vogtei, also des Adels und der Bauern zuständig wurde. Bezogen auf die Angehörigen der Landrechtsgenossenschaft der Görlitzer Vogtei wurde jetzt mithin zumindest in Obergerichtssachen – ausschließlich – von Stadtschöffen nach deren Recht, Magdeburger Stadtrecht, Urteil gefunden. Die Görlitzer selbst äußern sich 1463 zum räumlichen und personellen Zuständigkeitsbereich des so besetzten, praktisch also bereits in der Besetzung des Erbgerichts tagenden Vogtdings wie folgt: „Keyser Carlls Brief [von 1356, der von „districtus Gorlicensis“ spricht363 – HvS] hellt innen zu lateins zungin districtus, das ist als viel als eine gegenheit oder ein kreiss oder ein lendechen bey einer stadt [. . .], ein weichbilde [. . .]. Die ritterschaft und ire gebuwer müssen sich allewege ihres rechten vor euer gnaden [vor des Landesherrn – HvS] richter zu Gorlitz und vor den scheppen zu Gorlicz ires rechten erholen, was das höchste [die in der Urkunde von 1303 genannten Obergerichte – HvS] anlangit; und sust alle ire arme leuthe, was sie rügen umbe geldschuld, vor den richtern und scheppen auff den dörfern wesz sie do nicht wissen zu sprechen, müssen sie nindert anderswo holen und gelarth werden (denne) vor euer gnaden scheppen zu Gorliz“.364 Görlitzer Gerichtsbücher bis 1547 beinhalten Eintragungen, wonach über Adlige oder Bauern ausschließlich von Görlitzer Stadtschöffen in den genannten Obergerichten geurteilt wurde. Auch darüber hinaus erscheinen Angehörige des Landrechts vor dem Görlitzer Stadtschöffengericht.365 Den räumlichen Zuständigkeitsbereich des mit Stadtschöffen besetzten Vogtdings in den dort genannten Obergerichtssachen nennt die landesherrliche Urkunde von 1303 „territorium Gorliz“.366 Wie in Schlesien ist mithin auch hinsichtlich des Untersuchungsgebiets eine Veränderung des Begriffs „territorium“/ „districtus“, der zunächst den landesherrlichen Vogteibezirk meinte, zu einem, mit dem das Weichbild im fortentwickelten, schlesischen Sinn beschrieben wurde, zu beobachten. Der tatsächliche räumliche Umfang des Zuständigkeitsbereichs des Stadtschöffengerichts in Obergerichtssachen war bis zum Ende dieser Zuständigkeit 1547 stets unklar.367 Der Görlitzer Stadtschreiber Haß berichtet in

363

Großer, Merckwürdigkeiten I, S. 81. CDLS VI, S. 319. 365 Vgl. etwa Boetticher, Gerichtsbücher, S. 135 ff.; Jecht, Zweitältestes Stadtbuch, S. 133 ff., Zander, Rotes Buch; so etwa in Schuldsachen, aber auch im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. 366 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. 364

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, daß „auff heute eigentlich nicht bewost wie weit sich das [weichbilde Gorlitz] erstreckt.“ 368 Gerade auch anhand der Vorgänge in der Vogtei Görlitz ist abzulesen, daß das dinggenossenschaftliche Prinzip im Untersuchungsgebiet galt. Es bestand auch im Görlitzer Vogtding Funktionsteilung, wobei den Urteilern aus dem Kreis der dem Gericht unterworfenen Rechtsgenossenschaft der Partei die Urteilsfindungskompetenz zukam. Dem Urteil kam rechtsbildende, -stabilisierende und insoweit weiterentwickelnde Kraft für die betreffende Genossenschaft zu, wie sich insbesondere anhand des lange und mit besonderer Schärfe ausgetragenen Konflikts unter den dem Görlitzer Vogtding unterworfenen Genossenschaften wegen der Besetzung im Rahmen der Obergerichtszuständigkeit ablesen läßt. Die Görlitzer Stadtrechtsgenossenschaft hatte es vermocht, nicht nur bezogen auf sie betreffende Niedergerichtssachen Exemtion zugunsten ihres eigenen Stadtschöffengerichts zu erlangen. Auch bezüglich der weiterhin in die Zuständigkeit des Vogtdings fallenden Obergerichtssachen gelang es ihr sicherzustellen, daß eine Partei aus den Reihen der Stadtrechtsgenossenschaft ausschließlich vor Rechtsgenossen Urteil nehmen und geben mußte. Damit war sichergestellt, daß in weitgehend schriftloser Zeit durch das Urteil allgemeinverbindliches Recht von den Urteilern als Rechtsgenossen für ihre, vom Landrecht aufgrund einer veränderten Lebenswelt nunmehr abgeschlossenen Genossenschaft geschaffen, erhalten und fortentwickelt wurde. Darüber hinaus urteilten die Stadtschöffen gemäß der genannten Urkunde von 1303 über die Angehörigen des Landrechts in Obergerichtssachen. Mithin war auch und gerade hier – bewirkt durch einen gerichtsverfassungrechtlichen Eingriff des Landesherrn – ein Weichbild im fortentwickelten Sinn entstanden, wobei anders als etwa im Zittauer Landgericht das in Obergerichtssachen geltende Recht wegen der entsprechenden Gerichtsbesetzung ausschließlich stadtrechtlich geprägt war. Der Adel lehnte sich mithin hiergegen auf, was zeigt, daß auch er sich als insoweit abgeschlossene eigene Genossenschaft betrachtete, für die es maßgeblich war, auch im Gericht als solche im Rahmen der Urteilerbesetzung behandelt zu werden, um durch das Urteil ihrer Rechtsgenossen Rechtsbildung und -erhaltung für ihre Genossenschaft zu betreiben. Grundlegende gerichtsverfassungsrechtliche und Zuständigkeitsveränderungen erfolgten im Zuge des Pönfalls 1547 durch den Landesherrn, der, wie zu sehen sein wird, insbesondere bei der 1548 erfolgten Einrichtung ebenfalls „Landgerichte“ genannter Gerichte, die die Obergerichtszuständigkeit übernahmen, darauf achtete, daß Urteiler beider dem Gericht unterworfener Genossenschaft, also sowohl Angehörige des Adels als auch Bürger berücksichtigt wurden. Dies zeigt, daß noch zu dieser

367 Vgl. hierzu statt vieler älterer Arbeiten die neueste Untersuchung und erstmals erfolgte kartographische Darstellung der in die Zuständigkeit des Gerichts fallenden Dörfer von Behrisch, Obrigkeit, S. 46, Karte in der Rückenbroschur. 368 Haß, Ratsannalen II, S. 140.

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C. Landesherrliche Gerichte

Zeit das dinggenossenschaftliche Prinzip im Untersuchungsgebiet ernstgenommen wurde. Die Budißiner Stadtrechtsgenossenschaft konnte, wenngleich umfassend hinsichtlich sich selbst zugunsten ihres nach Magdeburger Recht verfaßten Stadtschöffengerichts eximiert, niemals die gesamte Vogtei und damit auf diesem Weg Einfluß auf den Geltungsbereich des Landrechts erwerben. Auch erlangte sie niemals das Recht, Angehörige ihrer Rechtsgemeinschaft, etwa Stadtschöffen in die Schöffenbank des Budißiner Vogtdings zu entsenden. Die personelle Zuständigkeit des Budißiner Stadtschöffengerichts blieb stets auf die Angehörigen der Budißiner Stadtrechtsgemeinschaft sowie die Bauern der stadteigenen Dörfer beziehungsweise in der Stadt sich aufhaltende Fremde begrenzt. Auch in räumlicher Hinsicht blieb der Zuständigkeitsbereich des Erb-/Stadtgerichts dauerhaft stark eingeschränkt, nämlich auf das Gebiet innerhalb der städtischen Flurzäune und hinsichtlich der von der Stadt und deren Bürgern erworbenen Grundherrschaften, also der stadteigenen Dörfer. Hinsichtlich der Landrechtsgemeinschaft, Adel sowie Bauern in den nicht stadteigenen Dörfern außerhalb der städtischen Flurzäune, erlangte das Budißiner Stadtschöffengericht keine Zuständigkeit. 1262/ 1282 wurde dem Budißiner Stadtschöffengericht zwar die Zuständigkeit über Land- und Lehnrechtsangehörige auch hinsichtlich Obergerichten, jedoch räumlich lediglich „in ciuitate Budessin vel extra muros ciuitatis dicte, videlicet infra metas aut terminos ciuitatis eiusdem qui volgariter flurzune vocantur“, übertragen.369 1374 erläuterte der Landesherr den Begriff „flurczune“: „Dass der Bürger zu Budissin Flurczune da wenden und wenden sollen, da derselben Bürger zu Budissin Aecker und Wiesen wenden, allenthalben im Kreise um Budissin, die vor Alter dazu gehört haben und noch gehören, und dass auch die Bürger und Stadt auf allen Gütern, die zur Stadt gehören oder gehört haben, das ganze Gericht haben sollen“.370 Noch in der frühen Neuzeit, nämlich im Vorfeld der landesherrlichen „Decisio Ferdinandea“ von 1544 klagte der Adel: „Demnach [die Stadt Budissin] auswendig ihrer Geflorzäune, auch auf denen Gütern, die sie zu sich erkaufft, zu geschweigen auf ihren von dem Land-Stand Güter oder Leute, kein Gericht zu gebrauchen hätten, sondern dieselbige Gerichte unsern [des Landesherrn – HvS] Schloß daselbst zu Budißin, in Krafft wohlerworbener Freyheiten, über sie von unserm Land-Stande, ihre Güter und Leute angehörig seyn sollten; So unterstünden sich aber die von Budißin, auf allen erkaufften Gütern, auch sonsten auswendig der Stadt Budißin Florzäunen, unserer Königlichen Hoheit, und Ihnen von Land, zu Nachtheil, der Stadt Gerichte zu erstrecken, und wider Sie vom Land-Stand, Ihre Güter und Unterthanen zu gebrauchen und zu üben, zu entgegen ihrer, des Land-Standes, alten Freyheiten“. Die „von der Ritterschaft 369 CDLS I, S. 86, Z. 30 ff., 87, Z. 1; vgl. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 397 f. 370 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 398, Anm. 3; vgl. VOU I, H. 1–4, S. 95.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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und ihre Leute [sind] von unserm Land-Voigt [zu richten]“. Daß die Stadt Budißin außerhalb ihrer Flurzäune keine Zuständigkeit hinsichtlich Adel und Bauern hatte, wurde von dieser auch niemals bestritten. Daß insoweit keine Zuständigkeit bestand, geht auch aus den vorhandenen Gerichtsbüchern hervor, die niemals etwa Adlige in diesem Zusammenhang nennen. Das Stadtschöffengericht übte also zwar über bisherige Angehörige des Landrechts, die Bauern, die in den dem Rat oder Budißiner Bürgern gehörigen Dörfern, also stadteigenen Dörfern lebten, Gerichtsbarkeit nach deren Recht aus, jedoch nicht bezogen auf Einwohner grundherrlicher Dörfer der Geistlichkeit und des Adels. Diese Dörfer wurden also in diesem Sinn nicht zu stadtverbundenen Dörfern. Insoweit ist eine Erstrekkung des Rechts der Stadtschöffen durch eine gerichtsverfassungsrechtlich bedingte Entwicklung auf den Geltungsbereich des Landrechts nicht zu erkennen. Ein Weichbild im fortentwickelten Sinn entstand hier nur bedingt bezogen auf die stadteigenen Dörfer, und zwar allein dadurch, daß der Rat oder einzelne Bürger über diese Dörfer Grundherrschaft, die mit der Gerichtsherrschaft verbunden war, ausübten. Das Weiterbestehen des Vogtdings zu Budißin mit Zuständigkeit hinsichtlich der Landrechtsgemeinschaft außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Budißiner Stadtschöffengerichts bei weiterhin rein landrechtlich ausgestalteter Gerichtsverfassung ergibt sich aus Quellen aus dem Zeitraum zwischen dem 14. und dem 18. Jahrhundert. Die bereits genannte Urkunde des Landgerichts zu Budißin von 1376 gibt wie erörtert Aufschluß über die Gerichtspersonen, insbesondere darüber, daß im Budißiner Vogtding/Landgericht Angehörige des im Zuständigkeitsbereich dieses Gerichts, also in der Vogtei Budißin landsässigen Adels, mithin lediglich Angehörige der Landrechtsgemeinschaft und keine Angehörigen einer Stadtrechtsgemeinschaft saßen.371 Soweit es die Beteiligung des Bauernstandes betrifft, wird eine solche deutlich anhand der ebenfalls bereits eingeführten Urkunde des Landvogts v. Colditz von 1436, worin von zwei Starosten in der Schöffenbank des Landgerichts zu Budißin gesprochen wird, mithin Inhabern von Dorfvorstehergütern in der Vogtei Budißin. Auch insoweit sind keine Angehörigen einer Stadtrechtsgemeinschaft als Schöffen nachgewiesen.372 Aus dem bereits ausgewerteten Bericht des Budißiner Landgerichts über seine „Beschaffenheit“ an das Oberamt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ergibt sich, daß diese Gerichtsverfassung auch noch zu dieser Zeit galt, mithin das Gericht hinsichtlich der Landrechtsgemeinschaft im Amt Budißin in „bürgerlichen“ wie in „peinlichen“ Sachen zuständig war.373 Jedoch hatte das Budißiner Landgericht mit der Zeit die Zuständigkeit hinsichtlich des Adels verloren. Es war zumindest ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, wie sich aus der ebenfalls bereits 371 372 373

DA Bautzen, Bekenntnis des Hans Schwarze, unpaginiert. KlA St. Marienstern, Ding zusitzen zu Gedaw. StFilA Bautzen, Bericht Landgericht, unpaginiert.

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C. Landesherrliche Gerichte

genannten Beschwerde der Landstände gegen die Amtsführung des Landvogts von 1559 ergibt, lediglich hinsichtlich „gemeiner Bauer Sachen“ zuständig.374 Weiterhin entstammten die Schöffen der dem Gericht unterworfenen Rechtsgemeinschaft, jetzt eben ausschließlich dem Bauernstand. Hinsichtlich des Adels war, wie noch auszuführen ist, grundsätzlich das Hofgericht auch in peinlichen Sachen zuständig. Das Budißiner Hofgericht hatte darüber hinaus mittlerweile die Aufsicht über das Budißiner Landgericht erlangt. Die Unterstellung des Landgerichts unter das Hofgericht wird bereits deutlich wiederum anhand des Berichts des Budißiner Landgerichts aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Hiernach saßen Richter und Schöffen des Landgerichts bei einer Gerichtsverhandlung des Landgerichts „in der Bank“, wohingegen „Hofrichter, Schreiber [des Hofgerichts – HvS] und Kanzler [Oberamtskanzler – HvS] außerhalb der bestallten Gerichts-Bank ihre gesonderte Session und Setzstelle hatten“,375 mithin insoweit Aufsicht führten. Aus einem Bericht über das „Land-Richter-Amt“, enthaltend mehrere Akten aus der Zeit von 1628 bis 1721, geht hervor, daß die Landgerichte „vom Hofrichter befehligt wurden.“ Nicht nur in Bauersachen, sondern gleichsam als Hilfsorgan des Hofgerichts wurde das Landgericht nun auch (wieder) bei peinlichen Verfahren gegen Adlige tätig, wie etwa 1654 in einer Sache gegen Peter Rudolph v. Gersdorff. Dieses Verfahren wurde im weiteren Verlauf an das Hofgericht abgegeben. Nach diesem Bericht handelten im Landgericht vier Schöffen.376 Bei diesen handelte es sich jedoch bei Verfahren gegen Bauern nach dem Demissionsschreiben eines Landrichters von 1653 nicht mehr um Inhaber bäuerlicher Güter, an deren Besitz die Dingpflicht gekoppelt war, sondern bei zweien um „Handwerksleute“, die in einer landesherrlichen Stadt ansässig waren, und bei den anderen beiden um „Amtsunterthänige der Landvogtei“.377 Auf den Grundsatz, daß die Schöffen der Rechtsgemeinschaft der Partei, hier der Bauern angehören mußten, wurde also kein Wert mehr gelegt. Andererseits wird deutlich, daß weiterhin auf eine nach Stand getrennte Besetzung geachtet wurde, indem herausgestellt wurde, das Landgericht handele bei Verfahren gegen Adlige nur anstelle und unter Aufsicht des Hofgerichts. Nur unter diesen Umständen wurde nicht daran Anstoß genommen, daß unmittelbar nichtadlige Schöffen nun auch über den Adel zu Gericht saßen. Insoweit ist wenngleich mit starken Einschränkungen davon auszugehen, daß das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ weiterhin im Bewußtsein der betreffenden Genossenschaft, die sich hier weiterhin über den Stand definierte, präsent war.

374 375 376 377

Weinart, Rechte I, S. 51. StFilA Bautzen, Bericht Landgericht, unpaginiert. StFilA Bautzen, Bericht Landrichteramt, unpaginiert. StFilA Bautzen, Bericht Landrichteramt, Bl. 39 ff.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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Was Löbau betrifft, handelte es sich bei dem 1329 genannten „Lubaviensi destrigtus“ 378 wohl nicht um einen landesherrlichen Vogteibezirk alter Prägung. Löbau war zwar 1238/1239 Sitz eines landesherrlichen Vogtes.379 Jedoch ist ein besonderer landesherrlicher Vogt mit Sitz in Löbau, mithin eine besondere Löbauer Vogtei nach diesem Zeitpunkt heute nicht mehr nachweisbar. Bereits Anfang des 14. Jahrhunderts erscheint auch die Löbauer Stadtrechtsgemeinschaft als von der landesherrlich-vogteilichen Gerichtsbarkeit zugunsten eines eigenen, nach – Magdeburger – Stadtrecht verfaßten Stadtschöffengerichts, des Erbgerichts Löbau, auf dessen Gerichtsverfassung noch einzugehen ist, eximiert. Das Erbgericht Löbau wurde jedoch frühzeitig auch außerhalb der Stadtfluren, mithin außerhalb des ursprünglichen Geltungsbereichs des Stadtrechts zuständig. Nämlich zunächst mit landesherrlicher Urkunde von 1306 wurde eine größere Anzahl von Dörfern in der Umgebung der Stadt an die Bürger der Stadt Löbau gewiesen („nobis civibus in Levbawe [. . .] cum omni jure [. . .] apponimus“), und zwar „ita quod universaliter singuli ac singulariter universi harum villarum inhabitatores seu incole omnia judicia sua, tam majora quam minora, ibidem in civitate Levbawe coram judicio et judice recipere et solvere perpetuo teneantur.“ 380 1390 bekannten Bauern mehrerer Dörfer um Löbau, daß „se gehorn czu dem Lobischen gebyt, haben geruget und bisher gewonet haben czu rugen rowberm dybe und andir obilteter des landes Lussitcz vor dem burgermeister und schepphin der vorgenanten stat Lobaw.“ Auch wurde ausgesagt, daß die Bauern aus Kittlitz seit längerem „czur Lobaw czu gerichte gefurt und geantwert wart,“ daß mithin vor „burgermeistere und schepphin [. . .] recht und orteil [. . .] doselbist czur Lobaw“ genommen, gefragt und geheischen worden war,381 also vor dem Löbauer Stadtschöffengericht. Mit einer Urkunde von 1348 bitten die Landesältesten des in der Gegend von Löbau ansässigen Adels, nicht mehr in bestimmten Fällen vor dem Vogtding zu Budißin, sondern vor dem Erbgericht Löbau Recht holen zu dürfen: „Alle minis Herrin man, dy in dem Wyppildt zcu Lobaw sitczin [. . .]. Herre, das steit also, was wir in der vorgenantin Stat uisgeborgin odir dorinne geborgin, das wir das vor uwirn Voytin dorinne sullen vorantwurten [. . .]. Nu bite wir uich, libi Herre, das ir das Wyppilde zcuir Lubou bedenkit und uwir arme Stat noch uwirn Genadin, wen sye grosse Not hette gelidin habin alle ire Tage von Roube und von Brande, wenne das Wippbilde sin Recht holit zcu der Lubow in der Statt unde ir

378 CDS II, 7, S. 227; vgl. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 528; CDLS I, S. 274 f., 275, Z. 4: „districtus“. 379 Vgl. CDLS I, S. 49 ff., 50, Z. 31; S. 55, Z. 38; vgl. Kötzschke, Vogtei, S. 21. 380 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 480 f. 1317 erweiterte der Landesherr dies auf weitere Dörfer: „Noverint universi [. . .] quod nos [. . .] has villas [werden im einzelnen aufgeführt] apposuimus nostre civitati Lobaw, ita quod villani dictarum villarum in dicta civitate sua jura de cetero postulabunt“ (Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 500). 381 CDS II, 7, S. 239 ff., 240, Z. 1 ff.

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C. Landesherrliche Gerichte

Dybe unde Rouber vurin in dy eegenante und do inne rychtin.“ 382 Deutlich wird auch hier die sprachliche Gleichstellung von „recht“ und „Gericht“. Es handelte sich nach den Quellen gerade nicht um Dörfer, deren Grundherren der Rat oder einzelne Bürger von Löbau waren, also nicht um stadteigene Dörfer, sondern um Dörfer vor allem adliger Grundherren, die im Zuständigkeitsbereich des Stadtschöffengerichts lagen, somit um stadtverbundene Dörfer. Auch adlige Grundherren selbst waren damit dem Stadtschöffengericht unterworfen. Bei den Zuständigkeitsübertragungen orientierte sich der Landesherr nicht wie etwa in Görlitz am räumlichen Zuständigkeitsbereich des Vogtdings, also am Vogteibezirk, sondern es wurde aus einzelnen zum Vogteibezirk Budißin gehörigen Dörfern ein räumlicher Zuständigkeitsbereich des Erbgerichts außerhalb des bisherigen Geltungsbereichs des Stadtrechts völlig neu gebildet.383 Die Schöffenbänke des Erbgerichts waren, wie noch an anderer Stelle zu zeigen ist, entgegen Boelcke384 grundsätzlich mit Angehörigen der Stadtrechtsgemeinschaft, mithin Löbauer Stadtschöffen besetzt. Nur selten findet sich ein Adliger, schon gar nicht mehrere gleichzeitig in den Schöffenbänken, so 1491 ein einziger, „Heinrich Prompnicz“, also – darauf deuten Vor- und Nachname – ein Angehöriger des im Untersuchungsgebiet, vor allem um Löbau landsässigen Geschlechts v. Promnitz,385 dem mithin im Gegensatz zu den übrigen Schöffen das Prädikat „her“ beigelegt wird.386 Die Löbauer Schöffenbänke waren also stets vollständig beziehungsweise überwiegend mit Löbauer Stadtrechtsangehörigen, Stadtschöffen, besetzt. Richter war jedoch wie erörtert vor allem in Verfahren bei Beteiligung von Landrechtsangehörigen der „Hofrichter“. Als Richter fand er indes nicht Urteil. Dies taten auch hier die Schöffen, wie Boetticher im Rahmen seiner Untersuchung des ältesten Löbauer Rügenbuchs nachwies.387 Damit ist ebenfalls bezüglich der Löbauer Stadtrechtsgemeinschaft gemäß dem „dinggenossenschaftlichen Prinzip“ davon auszugehen, daß ausschließlich beziehungsweise überwiegend Stadtrecht auch bezogen auf die Landrechtsangehörigen galt. Auch insoweit entwickelte sich, indem hier ausschließlich beziehungsweise überwiegend Angehörige der Stadtrechtsgemeinschaft, Stadtschöffen, im genannten Zuständigkeitsbereich sowohl über ihre Rechtsgenossen als auch über Angehörige der Landrechtsgemeinschaft in stadtverbundenen Dörfern Urteil und damit Recht nach dem ihnen bekannten Recht, – Magdeburger – Stadtrecht, fanden, ein Weichbild im fortentwickelten Sinn. Auch anhand dieses Beipiels einer Enstehung eines Weichbilds im fortentwickelten Sinn wird die Geltung des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ im Untersuchungsgebiet deutlich. 382 383 384 385 386 387

Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 559. Kötzschke, Vogtei, S. 29, der den Vorgang auch „Sonderfall“ nennt. Boelcke, Verfassungswandel, S. 176. Vgl. Knothe, Adel I, S. 429 f. HStA Dresden, Rügenbuch Löbau, Bl. 6 b. Boetticher, Rügengerichte, S. 225.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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Kamenz – zunächst Bestandteil der Grundherrschaft der Herren von Kamenz – war niemals landesherrliche Villikation, mithin Sitz eines landesherrlichen Vogtes. Das Gebiet der (ehemaligen) Herrschaft Kamenz gehörte vielmehr zum Vogteibezirk Budißin.388 Mit einer Urkunde von 1486 verkaufte der Landvogt dem Rat der Stadt Kamenz erblich das an den Landesherrn heimgefallene Dorf Deutschbaselitz: „So als nach dem willen gotis Heyncz von Blossdorf, dem got gnade, nach gemeynem gange todishalben von dieser werlde ane rechte leybislehnserbin vorstorben unnde vorscheyden ist, durch sulch vorsterbin das dorff genant Dewtsche Passelitz in Camenczer weichbilde gelegen gancz frey, lediglichen unnde loss an alle vorhynderunge [an den Landesherrn heimfiel], haben wir [dem Rat und der ganzen Gemeinde der Stadt Kamenz dieses Dorf] erblichenn unde ewiglichenn in rechtim offrichtigen kawfe vorkowfft mit allin czinsen, renthenn, pachtin, erbeten, rohbottin, hofedinsten [. . .], gerichten, rechten obirsten unnde nedirsten, obir hals unnde hant, stog und galgen.“ 389 Die Stadt erwarb also ein Dorf versehen mit umfangreichen grundherrlichen Rechten, mithin Gerichtsherrschaft. Hier wurde, soweit ersichtlich, erstmals der Begriff Weichbild in bezug auf Kamenz verwandt. Auch weitere Dörfer hatten erworben beziehungsweise erwarben der Rat beziehungsweise einzelne Bürger, und zwar jeweils mit umfassender Gerichtszuständigkeit. Diese wurde zum Teil vom Kamenzer Stadtschöffengericht, auf das noch näher einzugehen ist, wahrgenommen. Mit dieser Zuständigkeit war indes niemals eine solche hinsichtlich der Landrechtsgemeinschaft von Dörfern des Adels oder der Geistlichkeit, sondern nur hinsichtlich der Landrechtsgemeinschaft der stadteigenen Dörfer verbunden. Adel und geistliche Grundherren besaßen in der Gegend von Kamenz (aufgrund frühzeitiger Veräußerungen dieser Rechte durch die Herren von Kamenz) regelmäßig jeweils selbst die umfassende Gerichtszuständigkeit, so auch die Obergerichte.390 Nur soweit es also die stadteigenen Dörfer betraf, wurde das Kamenzer Stadtschöffengericht räumlich und personell auch im Geltungsbereich des Landrechts zuständig, sprachen hier Stadtschöffen Urteil nach dem ihnen bekannten Recht. Es gab hier niemals stadtverbundene Dörfer. Vergleichbar Budißin entwickelte sich insoweit ein Weichbild im fortentwickelten Sinn nur bedingt durch Erstreckung der Zuständigkeit des Stadtschöffengerichts auf stadteigene Dörfer. Die verbliebenen landesherrlichen Vogtdinge/Landgerichte verloren Zuständigkeiten durch die Gründung des Sechsstädtebundes, mithin die Errichtung des Oberlausitzer Femgerichts Mitte des 14. Jahrhunderts. An dieses wurde vor allem die Zuständigkeit in bestimmten Obergerichten hinsichtlich sämtlicher landesherrlicher Straßen im böhmischen Herrschaftsraum im Untersuchungsgebiet übertragen. Hierauf ist später noch einzugehen. Bemühungen der landesherrli388 389 390

Vgl. Kötzschke, Vogtei, S. 30. CDS II, 7, S. 116 f. Näher Boelcke, Verfassungswandel, S. 181.

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C. Landesherrliche Gerichte

chen Städte, in diesem Zuge die noch nicht an sie übertragenen landesherrlichen Vogtdinge/Landgerichte zu erwerben, scheiterten aber.391 Im Zuge des Pönfalls 1547 zog der Landesherr die Obergerichtszuständigkeiten der Stadtschöffengerichte mit Vogteizuständigkeiten bezogen auf den Zuständigkeitsbereich innerhalb der Stadtmauern, -fluren sowie – soweit vorhanden – auf das jeweilige Weichbild ein. So heißt es in der an Zittau gerichteten, jedoch für alle übrigen landesherrlichen Städte gleichlautenden Urkunde vom 1. Oktober 1547, mit der nur ein Teil der „verwirkten“ Rechte den Städte zurückgegeben wird: „So viel aber die Königlichen Gerichte, als Mord, Raub, Brand, Diebe, Verleumbder, Ehebruch, Nothzwang, Jungfrau-Schwächung, Einfälle, Straßen-Räuberey, LandsBeschädiger, derselben Behauser und Beförderer und alle andere großen Sachen, wo sich die auffm Lande, oder in der Stadt Zittau begeben, weil derselben Nutzung Cammer-Guth betreffen thut, wollen wir uns, unsern Erben, nachkommenden Königen zu Boheimb und Marggrafen zu Lausitz, damit iederzeit nach Gelegenheit und unserm Gefallen zu thun und zu lassen, Ordnungen darinnen zu machen, zu setzen, zu mindern und zu mehren, vorbehalten haben.“ 392 Mithin hörte in der Folge des Pönfalls die bisherige Bedeutung des Begriffs Weichbild im Untersuchungsgebiet auf. Dies ist am deutlichsten zu beobachten hinsichtlich des Görlitzer Stadtschöffengerichts. Wie zu sehen sein wird, wies der Landesherr die Obergerichte nicht den alten Vogtdingen/Landgerichten, sondern besonderen neugeschaffenen, ebenfalls Landgerichte genannten landesherrlichen Gerichten, die besetzt waren mit Adligen und Bürgern, zu. Den Stadtschöffengerichten der landesherrlichen Städte blieben nur Niedergerichtssachen bezogen auf ihre Stadtfluren und ihre Einwohner. Erst die landesherrliche Obergerichtskonzession von 1562 räumte neben allen bisher damit noch nicht beliehenen Grundherrschaften auch den Gerichten der landesherrlichen Städte die Obergerichte neu ein, wobei die Zuständigkeit auf den jeweiligen Herrschaftsbereich begrenzt wurde.393 Das Budißiner Landgericht erhielt sich weiterhin, jedoch mit veränderter Zuständigkeit bis ins 19. Jahrhundert. Nach der landesherrlichen Instruktion von 1830 an den Amtsverweser des Gerichtsamts Budißin wurde noch zu dieser Zeit mangels eigener Schöffen das Landgericht Budißin als Beisitzer im königlichen Gerichtsamt Budißin herangezogen.394 Bezüglich der Lage der Bauern, die weder in der alten noch in der nach dem Pönfall 1547 neugeschaffenen Gerichtsverfassung in Obergerichtssachen bei der

391

Boelcke, Verfassungswandel, S. 183 ff. Großer, Merckwürdigkeiten, I, S. 182 ff., 186, Anm. h. Die an die übrigen Städte gerichteten Urkunden haben, soweit es um Fragen der Gerichtsverfassung geht, denselben Wortlaut, vgl. bezüglich Görlitz Weinart, Rechte IV, S. 167 ff.; im übrigen VOU II, S. 168 f. 393 KW I, S. 179 ff. 394 Vgl. StFilA Bautzen, Gerichtsamt, Bl. 23 b f. 392

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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Gerichtsbesetzung berücksichtigt, obwohl sie stets jenen Gerichten unterworfen (gewesen) waren, in dieser Übergangszeit am Ende des Mittelalters ist insbesondere vor dem Hintergrund der oben genannten Untersuchung Schattkowskys zur Frage, ob und inwieweit sich (mangelnde) landesherrliche Bauernschutzpolitik in der Frühen Neuzeit auf das Verhältnis zwischen Bauer und Gutsherr ausgewirkt habe, bereits an dieser Stelle bezüglich der Oberlausitz kurz Stellung zu nehmen. Denn eine wesentliche, von Schattkowsky für Kursachsen herausgearbeitete Voraussetzung wirksamer landesherrlicher Aktivität zugunsten der Bauern fehlte in der Oberlausitz: eine starke Ämterverfassung. Anders als in der Mark Meißen konnte sich die hier wie dort zunächst bestehende Vogteiverfassung wie erörtert gerade nicht zu einer stabilen landesherrlichen Lokalverwaltung entwickeln. Vielmehr übertrug der Landesherr frühzeitig wesentliche Vogteirechte vor allem an die landesherrlichen Städte, woraus sich schließlich die Weichbildverfassung als „Mediatgewalt“ entwickelte. Wesentliche landesherrliche Befugnisse gerade bezogen auf das Gericht und damit die Rechtsbildung und -sicherung lagen hier also in den Händen der Städte, die in vielerlei Hinsicht wie ausgeführt insoweit praktisch an die Stelle des Landesherrn traten und dessen Rechte wahrnahmen. Auch im Hinblick auf Böhmen, wo frühzeitig weniger die Städte als vielmehr die Grundherren wesentliche Befugnisse in großen Grundherrschaftskomplexen erlangen konnten, unterlag die Oberlausitz mithin einem besonderen, „dritten“ Weg, der sie mehr in die Nähe Schlesiens rücken läßt. Ob und wie sich die Lage der Bauern wegen entsprechender landesherrlicher Aktivitäten in der Frühen Neuzeit veränderte, ist im Zusammenhang mit den 1548 neugeschaffenen Landgerichten und mit dem nach 1547 ausgebildeten Instanzenzug an ein landesherrliches Appellationsgericht zu erörtern. e) Auswahl und Ernennung der Schöffen Hinsichtlich Auswahl und Ernennung der Schöffen in den Vogtdingen/Landgerichten im Untersuchungsgebiet liegen heute kaum frühe Quellen (mehr) vor. Soweit Lücken bestehen, muß ein Blick auf benachbarte Landschaften geworfen werden beziehungsweise sind spätere Quellen heranzuziehen. Auch sind die Rechtsbücher zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Stadtschöffen der Erb-/Stadtgerichte der landesherrlichen Städte, die mit der Zeit als Schöffen der Vogtdinge/ Landgerichte hinzugezogen wurden, wird auf die Ausführungen im Rahmen der Darstellung der Gerichtsverfassung jener Gerichte verwiesen. In den Vogtdingen/ Landgerichten benachbarter Landschaften wurden die Schöffen durch den Vogt, mithin den Vertreter des Gerichtsherrn (ursprünglich) als ständige Urteiler, Schöffen, ausgewählt und ernannt. Es handelte sich dabei im gesamten Ostsiedlungsraum bei den bäuerlichen Schöffen wie gesehen um (erbliche) Inhaber von Amtsgut, das ihnen vom Landesherrn (als Lehnsherrn oder zu eigen) verliehen wurde, woran die Dingpflicht hing. Es handelte sich mithin um ein herrschaftliches, nicht genossenschaftliches Amt. Adlige Schöffen sind wie erörtert nicht

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C. Landesherrliche Gerichte

nachgewiesen.395 Wie gesehen, handelte es sich im Untersuchungsgebiet ebenfalls bei den bäuerlichen Schöffen um Inhaber von Amtsgut, deren Dingpflicht damit verbunden war. Diese Pflicht ging mit dem Amtsgut auf den Erben über. In dem bereits genannten Bericht des Budißiner Vogtdings/Landgerichts über seine „Beschaffenheit“ gegenüber dem Oberamt vom Ende des 16. Jahrhunderts wird mitgeteilt, daß „Landrichter“ und „Land-Schöppen“ bei ihrer „Aufnehmung“ vom Vertreter des Gerichtsherrn, des Landesherrn vereidigt würden.396 Schöffeneide konnten bislang nicht aufgefunden werden. Aus einer überlieferten Eidesformel des Landrichters zu Budißin aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts, die als Muster benutzt wurde, geht folgendes hinsichtlich der Rechtsbeziehung zwischen Richter und Gerichtsherrschaft hervor: „Ich, N.N., schwöre hiermit leiblichen (Eid) zu Gott! nachdem das Königl. [Polnische – HvS] und Churfürstl. [Sächsische – HvS] Oberamt zu Budißin mich zu dem Landrichter-Dienst aufund angenommen, daß ich mich in solchem Dienste zu jederzeit, wie einem Landrichter obliegt, und gebühret, allenthalben getreu, fleißig, unverdrossen und verschwiegen erzeigen und verhalten, alles, so mir von nachgedachtem Oberamte und dessen Vorgesetzten oder statt desselben durch die Hofgerichte anbefohlen wird, nebst denen mir Zugeordneten nach meinem besten Vermögen [. . .] verrichten“ werde.397 Der Inhalt ist freilich nur mit Vorsicht auf frühere Zeiten anzuwenden. Auch hieraus wird aber deutlich, daß eine Rechtsbeziehung zwischen Richter, mithin auch den übrigen Gerichtspersonen einerseits und Landesherrschaft als Gerichtsherrschaft andererseits bestand. Auch das Schöffenamt war ein herrschaftliches, das mithin auch im Untersuchungsgebiet von der Gerichtsherrschaft (durch erbliche Einräumung eines die Dingpflicht auslösenden Amtsguts) besetzt wurde. Dies ergibt auch ein Blick auf das Auswahl- und Ernennungsverfahren der späteren Hofgerichte, die, wie zu sehen sein wird, Zuständigkeiten der Vogtdinge/Landgerichte übernahmen, mithin aus diesen entstanden. f) Anforderungen und Pflichten an die/der Schöffen Hinsichtlich Anforderungen und Pflichten der Schöffen war es wesentliche Voraussetzung im Landrecht, aus dem Stand der Schöffenbaren zu stammen.398 Dies läßt sich jedoch hinsichtlich des Untersuchungsgebiets, das ja im alten ottonischen Markengebiet, wo der Stand der Schöffenbarfreien wie erörtert wohl nie bestand, liegt, nicht nachweisen. Nach dem sächsischen Lehnrecht waren die Schöffen die lehnsfähigen, mithin heerschildfähigen Vasallen (also nicht die Bau-

395 Vgl. etwa hinsichtlich Brandenburg Kühns, Gerichtsverfassung II, S. 34 ff.; Meißen Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 98 ff. 396 StFilA Bautzen, Bericht Landgericht, unpaginiert. 397 StFilA Bautzen, Bericht Landgericht, Bl. 61 ff. 398 Lück, Schöffenstuhl, S. 139.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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ermeister), die dem betreffenden Lehngericht unterworfen waren.399 Nach Görlitzer Rechtsbuch-Landrecht XLI § 3 wird der „scheffinbares stul“ lehnsweise an den ältesten Sohn des Lehnsinhabers vergeben. Auch im Landrecht mußte daher der Schöffe lehnsfähig sein. Soweit es die bäuerlichen Vertreter auf der Schöffenbank betrifft, stellten hinsichtlich der Mark Meißen Schlesinger und zuletzt Lück fest, daß es sich bei den Schöffen um Supane und Witsassen, mithin Dorfvorsteher und andere Inhaber (vererblicher) bäuerlicher Freigüter (zu Lehn oder zu Eigen) handelte, die dieses als Amtsausstattung erhielten, an denen die Ding- und die Roßdienstpflicht hing. Diese Rechte und Pflichten gingen an die Erben des jeweiligen Gutes über, waren mithin mit dem Amtsgut dinglich verbunden.400 Hinsichtlich Schlesiens machten vor allem Menzel, Helbig und Loesch deutlich, daß es sich insoweit bei den Schöffen um Schulzen und andere Inhaber bäuerlicher Freigüter unter vergleichbaren Verhältnissen handelte.401 Soweit es Brandenburg betrifft, wies Kühns nach, daß es sich auch hier um Personen (Schulzen) handelte, die über (Frei-)Güter verfügten, an denen die Dingpflicht hing und die zur Amtsausstattung dienten.402 Hinsichtlich des Untersuchungsgebiets ist vor allem die bereits genannte Urkunde des Landvogts Thimo v. Colditz von 1436 heranzuziehen: Nach der Aussage des Landvogt wurde bekannt, daß „di vilgnanten Starasten [„Petir Belig zcu Preczewicz vnd Niclas zcu lutewicz Starasten“ – HvS] vnßs Allergnedigisten Hern des Keisers Scheppinbang zcu Budissin von aldin vssaczunge pflegin zcusiczin vnd siczin mussen sy vnd ire erbin vnd nachkomen.“ 403 Die Erben und Nachkommen der Dorfvorsteher traf also ebenfalls die Schöffendienstpflicht. Dies zeigt, daß die Dingpflicht als Schöffe hier wie in den genannten benachbarten Landschaften am erblichen Amtsgut hing. Auch noch anhand Quellen aus dem Zeitraum zwischen dem ausgehenden Mittelalter und dem 18. Jahrhundert sind nach den Untersuchungen Knothes hinsichtlich des gesamten Untersuchungsgebiets neben bäuerlichen Lehngütern der Dorfvorsteher (Supane/Starosten) solche, deren Inhaber etwa lateinisch withasus, sorbisch wicaz oder deutsch Withase genannt wurden, mit mit den Lehngütern der ebenfalls insoweit dingpflichtigen Supane und Witsassen im übrigen mitteldeutschen Osten vergleichbarer Ausstattung, mithin mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten nachweisbar.404 Die Voraussetzung, Inhaber eines solchen Gutes zu sein, mithin sogar der maßgeblichen Rechtsgemeinschaft anzugehören, fiel jedoch spätestens im 17. Jahrhundert weg, denn dem genannten Bericht über das 399

Im einzelnen Planck, Gerichtsverfahren I, S. 98 ff. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 92 ff., insb. 93 ff., 100 ff.; Lück, Supan, S. 86 ff. 401 Menzel, Lokationsurkunden, S. 244 ff., 253 ff.; Helbig, Landgemeinde, S. 105; Loesch, Verfassung, S. 141 f. 402 Kühns, Gerichtsverfassung II, S. 41 ff. 403 KlA St. Marienstern, Ding zusitzen zu Gedaw. 404 Im einzelnen Knothe, Stellung, S. 163 ff., 169 ff., 187 ff., 188; ders., Klassen, S. 9 ff., 12 ff. m.w. N. 400

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C. Landesherrliche Gerichte

Landrichteramt aus der Mitte des 17. Jahrhunderts zufolge handelte es sich bei den Schöffen um zwei „Handwerksleute“, die in einer landesherrlichen Stadt lebten, und nur noch um zwei bäuerlichen Standes, jedoch ohne Bauerngut.405 Gelehrt zu sein, war nach der heutigen Quellenüberlieferung bis zum Eingehen der Vogtdinge/Landgerichte keine nachweisbare Voraussetzung. Bereits Knothe stellte in seiner bis heute maßgeblichen Untersuchung zum Oberlausitzer Adel fest, daß gelehrte Bildung im Oberlausitzer Adel des Mittelalters und der frühen Neuzeit regelmäßig nicht vorhanden war. „Die Jungen hörten und lernten von den Alten. Der häufigere Besuch der Hof- oder Mannen-, selbst der Stadtgerichte in eigener oder fremder Angelegenheit führte nach und nach zu einer hinlänglichen Kenntnis des im Lande geltenden, ohnehin meist ungeschriebenen Gewohnheitsrechts, um bald selbst als Schöppe, ja als Richter fungiren zu können.“ 406 Auch hinsichtlich der späteren Zeit ist dies nicht nachgewiesen. Daß auch in der späteren Zeit ausschließlich Bauern, mithin später auch Handwerker die Schöffen stellten, deutet auf Laienschöffentum. Hinsichtlich der Pflichten der Schöffen insbesondere bei der Urteilsfindung gibt bereits eine schon genannte urkundliche Quelle aus dem frühen 15. Jahrhundert (1436) Auskunft: Der Landvogt Thimo v. Colditz gibt hier wieder, daß „Petir Belig zcu Preczewicz vnd Niclas zcu lutewicz Starasten dy vnsers Allirgnedigsten Hern des Keisers Scheppinbang zcu Budissin czulanddinge siczin vorczeitin in vnsers des Bischoffs gerichtin zcu Godaw an Scheppinstad in gehegittr bang gesessin habin da sy meyner sachin anlangende Schelhamer vnd Petir melczer zcu sprechin gebetin wurden, hattin sy vs gehegittir bang noch andirweisunge Allex von Nussidlicz vnd Conrade von Menewicz vnßers Hern des Bischofs mannen recht geteilt vnd gesprochin, vnd wy wol sy nicht nach irem gutduncken sundir noch vndirweisunge vnsers Hern des Bischofs mannen recht gesprochin habin, jdoch wurden desselbin Starasten [. . .] wedir gleich vnd recht, vnsers Allergnedigsten Hern des Keisers Scheppinbang zcu Budissin zcu kurczunge vnd vns zcuhone vnd smochheit in den vorgnanten vnßers Hern des Bischoffs gerichten zcu Gadaw vrobringet vnc czum Stolpin getormet.“ Der Landvogt teilt weiterhin mit, daß „daselbist zcu Bischoffswerde uf dem Tage [den Vogt und Bischof zur Schlichtung des Streits über das Verhalten der Schöffen des Budißiner Landgerichts im Gödaer Dingstuhl ansetzten – HvS] dy egnanten Allex von Nussidlitz vnd Conrad Menewicz (bekanten) vor vnszin Hern dem Bischoffe, das di vilgnanten Starasten noch iren vndirweisunge recht geteilt hettin vnd nicht vnrecht dorumb das im den nehist gnanten Starasten recht blebin vns sien vnd ouch nemelichen das sy vnszs Allergnedigisten Hern des Keisers Scheppinbang zcu Budissin von aldin vssaczunge pflegin zcusiczin.“ 407 Zwar schildert diese 405 406 407

StFilA Bautzen, Bericht Landrichteramt, Bl. 39 ff. Knothe, Adel I, S. 101. KlA St. Marienstern, Ding zusitzen zu Gedaw.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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Quelle einen Vorgang im hochstiftisch meißnischen Dingstuhl Göda. Jedoch sind die Erkenntnisse auch hinsichtlich der Gerichtsverfassung des Budißiner Landgerichts, mithin aller Vogtdinge im Untersuchungsgebiet zu dieser Zeit aufschlußreich, denn es handelte sich um die Schöffen des Budißiner Landgerichts, die hier aushilfsweise handelten. Die Gerichtsverfassungen werden nicht strukturell, insbesondere nicht hinsichtlich des Grundsatzes der Funktionsteilung bei der Urteilsfindung voneinander abgewichen sein. Die Urteilsfinder fanden nach dieser Quelle nicht Recht nach ihrem „Gutdünken“, also frei von fremden Einflüssen, sondern nach „Unterweisung“ durch Dritte. Dies bewirkte deren Verhaftung durch den Hofmeister des Bischofs, wurde dies mithin als unzulässig angesehen. Der Landvogt erwidert jedoch, daß die Starosten dennoch trotz „Unterweisung“ im Ergebnis „Recht geteilt“ hätten „und nicht Unrecht“. Dies auch deshalb, da es sich ja auch um Schöffen im Budißiner Landgericht handele. Deutlich wird also das Bestehen der Pflicht, ein richtiges Urteil zu finden, und zwar unbeeinflußt. Es deuten sich also die bekannten mittelalterlichen Richter- und Schöffenpflichten an. g) Entscheidungsverfahren Soweit es die Urteilsfindung hinsichtlich der Vogtdinge/Landgerichte im übrigen Ostsiedlungsraum betrifft, geht vor allem Weitzel bezogen auf Schlesien davon aus, daß auch hier zumindest bis zum ausgehenden Mittelalter der Grundsatz der Funktionsteilung zwischen verfahrensleitendem und Rechtszwang durchsetzendem Richter einerseits und urteilfindenden Schöffen andererseits galt.408 Dies gilt auch bezogen auf das Untersuchungsgebiet, wie sich zunächst aus den Rechtsbüchern, die hier entstanden beziehungsweise angewandt wurden. Art. XVI § 1 der Weichbildvulgata besagt hinsichtlich der Funktionsteilung: „Horet unde vornemet wie sich daz ding beghinnet zu wichbilde rechte [. . .]. [Der Schultheiß als erster des Schöffenkollegiums] sal dem burcgreven daz erste orteil vinden.“ § 3 der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304 enthält folgende Regelung: „[Der] Shultheize sol deme Burcgraven daz erste Orteil vinden.“ Ist der Schultheiß nicht anwesend, kann ein Ding nicht wirksam sein. Aus dem Görlitzer Rechtsbuch geht hervor, daß auch dieses Rechtsbuch sowohl hinsichtlich des Landrecht als auch des Lehnrechts vom Grundsatz der Funktionsteilung geprägt ist. Der Richter fragt, entweder durch die Parteien gebeten (Lehnrecht 67 § 7) oder von Amtswegen eine Urteiler um Urteil. Der Gefragte darf das Urteil von Rechtswegen weigern (Lehnrecht 24 § 1). Es gehört nach Lehnrecht 66 § 5 zu den Pflichten des Vasallen, seinem Herrn Urteil zu finden: „Swelichis tagis der man den stegereif heldit sime herrin, odir ime orteil vindit, odir ime dienit mit siner gift odir mit deheinen dingen [. . .].“

408

Näher Weitzel, Rechtsbegriff, S. 82 ff.

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C. Landesherrliche Gerichte

Hinsichtlich des Entscheidungsverfahrens der Vogtdinge/Landgerichte im Untersuchungsgebiet ergeben sich weitere wichtige frühe Hinweise aus dem bereits erwähnten Bericht des Zittauer Rates an Kaiser Karl IV. aus dem 14. Jahrhundert, der das Zittauer Landgericht betrifft: „Wenne euer landrichter saß landgerichte yn ewer stadt zu der Zittau, so sassen ewer schöppen in ewer stadt bey den landleuten und wenn man urtheil ausgab yn dem landgedynge, das gab man einen landmanne und einen schöppen; und wo sie das nicht kunden finden, so namen sie einen [verderbt; heißt mit Weizsäcker „ander oder mehr“, wie sich aus einem Vergleich mit einer im Anschluß wiedergegebenen Stelle des Berichts ergibt – HvS] bürger und landleute zu ihn und funden da mit einander ein recht“. „Wo dy [ein „bürger“ und ein „landmann“ – HvS] nicht können vinden ein recht, so sullen sie zu ihm nehmen ander oder mehr bürger und landleute, daß man finde, daß ein recht sei“.409 Es erfolgte also Urteilsfindung ausschließlich durch die Schöffen, und zwar zunächst jeweils durch einen Adligen des Weichbildes und einen bürgerlichen Stadtschöffen. Waren sich diese nicht einig, wurden – wohl ebenfalls paritätisch aus Adel und Bürgern – weitere Urteiler hinzugezogen, wohl vom Landrichter. Dieses Urteil erfolgte nach dem „recht, damethe dy stadt und das land ausgesetzt ist“.410 Wie bereits erörtert, war hierdurch das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ verwirklicht. Die Weise des Entscheidungsverfahrens im Budißiner Landgericht erhellt aus der auch insoweit maßgeblichen Urkunde des Landvogts Thimo v. Colditz von 1436, in der es um den aushilfsweise erfolgten Schöffendienst zweier bäuerlicher Schöffen (Starosten) des Budißiner Landgerichts im hochstiftisch meißnischen Dingstuhl zu Göda geht: Der Landvogt gibt wieder, daß „Petir Belig zcu Preczewicz vnd Niclas zcu lutewicz Starasten dy vnsers Allirgnedigsten Hern des Keisers Scheppinbang zcu Budissin czulanddinge siczin vorczeitin in vnsers des Bischoffs gerichtin zcu Godaw an Scheppinstad in gehegittr bang gesessin habin da sy meyner sachin anlangende Schelhamer vnd Petir melczer zcu sprechin gebetin wurden, hattin sy vs gehegittir bang noch andirweisunge Allex von Nussidlicz vnd Conrade von Menewicz vnßers Hern des Bischofs mannen recht geteilt vnd gesprochin, vnd wy wol sy nicht nach irem gutduncken sundir noch vndirweisunge vnsers Hern des Bischofs mannen recht gesprochin habin, jdoch wurden desselbin Starasten [. . .] wedir gleich vnd recht, vnsers Allergnedigsten Hern des Keisers Scheppinbang zcu Budissin zcu kurczunge vnd vns zcuhone vnd smochheit in den vorgnanten vnßers Hern des Bischoffs gerichten zcu Gadaw vrobringet vnc czum Stolpin getormet.“ Der Landvogt teilt weiterhin mit, daß „daselbist zcu Bischoffswerde uf dem Tage [den Vogt und Bischof zur Schlichtung des Streits über das Verhalten der Schöffen des Budißiner Landgerichts im Gödaer Dingstuhl ansetzten – HvS] dy egnanten Allex von Nussidlitz vnd Conrad Mene409 410

Weizsäcker, Landgericht, S. 9, 11. Weizsäcker, Landgericht, S. 10.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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wicz [bekanten] vor vnszin Hern dem Bischoffe, das di vilgnanten Starasten noch iren vndirweisunge recht geteilt hettin vnd nicht vnrecht dorumb das im den nehist gnanten Starasten recht blebin vns sien vnd ouch nemelichen das sy vnszs Allergnedigisten Hern des Keisers Scheppinbang zcu Budissin von aldin vssaczunge pflegin zcusiczin.“ 411 Die Budißiner Landgerichtsschöffen hatten also im hochstiftischen Dingstuhl zu Göda, wo sie aushilfsweise Schöffendienst taten, nach Aussage der Zeugen „Recht geteilt“. Zwar handelt es sich bei dem Inhalt der Urkunde insoweit lediglich um eine Wiedergabe der Verhältnisse im Gödaer Dingstuhl. Da es jedoch ebenfalls die Schöffen des Budißiner Landgerichts waren, die in diesem Gericht handelten, ist von einer vergleichbaren Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens, der dem allgemeingültigen mittelalterlichen Grundsatz der Funktionsteilung entspricht, im Budißiner Landgericht, mithin in sämtlichen Vogtdingen im Untersuchungsgebiet auszugehen. Anhand dieser Quelle ist damit nachgewiesen, daß im Budißiner Landgericht, mithin in Gesamtschau mit der Zittauer Quelle wohl in sämtlichen Vogtdingen im Untersuchungsgebiet im Mittelalter, mithin noch im 15. Jahrhundert auch den rein deskriptiven Quellen zufolge Funktionsteilung bei der Urteilsfindung bestand. Auch und gerade hinsichtlich des Land-/Lehnrechts zeigt sich anhand der Mitteilungen der mittelalterlichen Rechtsbücher über die Gerichtshegung der Grundsatz der Funktionsteilung, so etwa im Sachsenspiegel: „Darumme sal her den schultheizen des ersten orteilz vragen, ab ez dinges zit si unde ab her verbiten muze dingslete unde unlust.“ 412 Dies galt auch fort unter Geltung des SächsischMagdeburgischen Rechts, wie etwa anhand der Weichbildvulgata zu sehen: „Horet welches daz erste orteil sy, daz der schultheize [hier der erste des Schöffenkollegiums – HvS] deme belehenten voite vinden sal. Der voit sal vragin den schultheissen: ab is dingis zit sy. Wenn em daz gefunden wirt, so vraget er. Ab er sein ding icht heigin moge; zo vint man em zu rechte: er moge wol, wenn er dy gewalt hot von dem gerichte; zo vrage er forbaz: waz er zu rechte vorbyten sulle; zo vindit man em zu rechte: er solle vorbyten obirbruch unde unlust unde alles unrecht, Daz syn die drie ersten orteil, die der schultheize dem voite vinden sal. So vrage er eynen der schepphen: ab er dem dinge icht zu rechte vrede wirken solle, daz nymant den andern irre an siner clage zu unrechte. Obir disse sache sal er frede wirken by dem rechte alz recht ist, ab ymant den anderen irret mit ruffen, ader mit louffen, mit schelden ader mit andir unzucht, die em schedelich ist an syner clage. Tut er daz mit unrechte, unde obirzuget er en mit richtern unde mit schepphen, er gewynnet em sine buze an, und dem richtere sein gewette.“ Diese Regelung findet sich nahezu wortwörtlich wieder in § 110 der MagdeburgGörlitzer Rechtsweisung von 1304: „Horet wie daz Gerichte beginne zu dem Wigbilde. Der Shepphen shullen eilfe sind unde der Shultheize der zwelfte, als ir 411 412

KlA St. Marienstern, Ding zusitzen zu Gedaw. Ssp.-Ldr. I 49 § 2.

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C. Landesherrliche Gerichte

hie vore vernomen habet, wanne der Schultheize sol deme Burcgreven daz erste Orteil vinden [. . .]. Nu vornemet, welch das erste Urteil sie, daz er im vinden sol. Her sol en vragen, ab iz Ding-Ciet sie. Swanne im daz gevunden wirt, daz iz Ding-Ciet sie, so vrage her dar nach, ob her sin Ding hegen mu˚ze. So vindet man im zu Rechte, daz hez wol hegen muze, wanne her die Gewalt hat von Gerichtes halben. So vrage her vort, was her vor bieten shulle zu Rechte. So vindet man im zu Rechte, daz her vor bieten shu˚lle, Dingslicht unde Uberbracht unde Unlust. Diz sint die ersten Urteil drie, die der Schultheize vinden sol deme Burcgreven. So vrage der Burcgreve vort den Shepphen, ob her deme Dinge icht zu Rechte Vride wirken shulle, daz niemant den anderen irre an siner Clage zu Unrechte. Obir disse Sache sol her Vride wirken bie dem Rechte, daz Recht ist.“ 413 Andeutungen über die Gerichtshegung im Lehnrecht macht Görlitzer Rechtsbuch-Lehnrecht 65 § 10: „Zo dem erstin sol der herre vragin, of iz tegedingis zit si, unde nach iegelichim orteile daz da vundin wirt so sol er sine man vragin of si iz volgin.“ Auch die Gerichtshegung war somit als Wechselspiel von Urteilsfrage des Richters und Antwort des oder der Schöffen aufgebaut. Überliefert ist eine – wohl als Muster gebrauchte – „Nachricht, welchergestalt bey Hebung adelicher Leichen procediret wird“, aus dem Jahr 1698, wobei hieran wiederum deutlich wird, daß das Landgericht insoweit als Hilfsorgan des Hofgerichts handelte: „Als in anno 1698 den 9. Julii ein junger Herr v. Theler auf Neschwitz bey dem Friedennehmen in seinem eigenen Hause durch einen unvermutheten Fall mit einem Degen endleibet worden, unwissend durch wen der tödliche Stoß geschehen, geschahe die Leichhebung dergestalt also: – Sobald solche Endleibung bey dem Oberampt zu Budissin kund gemachet worden, erging Verordnung an die sämtlichen Hoff- und Landgerichte, das selbige sich nebst dem Landphisico Herrn Dr. Budaeo und dem Chyrurgen Herrn Haman nacher Neschwitz begeben, die Leiche gewöhnlicher Maße heben, besichtigen und hievon bey dem Oberampt gehörigen Bericht abstatten. – Dieses erfolgte solchergestalt: Nachdem Mitwochs als 9. Julii [dieses Datum fiel auf einen Sonnabend – HvS] die Hoff- und Landgerichten doselbst Vormittag anlangeten, gingen sie sämtlich in dasjenige Gemach, alwo die Leiche auf einem bretternen Gerüste, mit einem weißen Tuch zugedecket, lage. Zu derselbigen trat der Landrichter Bartholomaeus Frenzel zum Haubte, die vier Schöppen [Landgerichtsschöffen – HvS] aber auf beiden Seiten herumb bis zu den Füssen der Leiche, der Hoffrichter und Hofgerichtsnotarius stunden etwas obwerts zur rechten Hand. Sodann wurde die Leiche aufgedeckt, der Landrichter entblößte sein Schwert und hegte mit folgenden Formalitäten, indem er also zu sagen anfing: „Nachdem sich am Tag N. dieses instehenden Monats und Jahres in diesen Gerichten allhier zu N. ein erschröcklicher Fall zugetragen, indem NN. von N. (es sey nun durch einen Schuß, Hieb oder stich geschehen) dermaßen tötlich verwundet worden, daß er alsbald 413

Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 470.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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(nach einigen, mehr oder weniger Stunden oder Tagen) sein Leben enden müssen, als frag ich den ersten Schöppen, ob ich im Namen Seiner Kgl. Maj. und Churf. Durchl. zu Sachsen, Marggrafens zu Meißen, auch Ober- und Nieder-Lausitz, Burggrafens zu Magdeburg, als unsers gnädigsten Königs, Churfürsten und Landesherrn, und auf Anordnung des Herrn Landvoigts Se. Excellenz und Gnaden und des churfürstlichen Oberampts diesen Cörper zum ersten Mahl heben und besichtigen möge, wie sich solches eignet und gebühret von Rechts wegen. – Hierauf andwortet der erste Schöppe: Herr Landrichter, es geschiet billig. Alsdann hält der Landrichter das bloße Schwert in der rechten Hand und machet damit dem Cörper auf dem Leibe drey Creutze im Nahmen Gottes des Vaters, Gottes des Sohnes und Gottes des heiligen Geistes, hebt dem Körper mit der linken Hand das Haubt auf und nennet ihn mit dem Nahmen und spricht: NN. von N., Hebe Dich auf und besiehe Dein Herz und Deine Brust. – Alsdann fragt der Landrichter ferner den andern Schöppen, ob es nicht billich wehre, daß man diesen Cörper zum andern wohl heben möge. Darauf antwortet der andere Schöppe: Herr Landrichter, es geschiehet billich und von rechts wegen. Sodann machet der Landrichter abermahl mit dem Schwert 3 Creuz wie vorhin, hebt dem Cörper abermahl das Haubt auf und nennet ihn mit seinen Nahmen und braucht dabey die erstmahligen Worte. – Weiter fragt der Landrichter den dritten Schöppen, ob er diesen Cörper zu dreyen unterschiednen Mahlen gnugsam gehoben habe? Drauf andwortet der dritte Schöppe: Herr Landrichter, Ihr habt ihn genugsam gehoben, ein Jeder zu seinem Rechte. – Drauf spricht der Landrichter: Ich dank es Gott und dem Rechte. Schlüßlich fragt der Landrichter, ob es nicht bilich wehre, daß man von diesem Cörper ein Leibzeichen nehme, so zur Verwahrung gegeben würde. Auf diese Frage andwortet der vierte Schöppe: Es geschicht billig und von Rechts wegen. Damit wird ein Hemd oder etwas andres von Kleidern, so der Endleibte damahl angehabt, zum Leibzeichen genommen; solches nimmt der Landrichter zu sich und liefert es nachgehends in das Oberamt, auch wird dasselbe Gewehr, womit die Endleibung geschehen, mitgenommen, dafern solches vorhanden ist. – Nach diesem wurde die Leiche gehoben und in Schloßhof [Hof der Ortenburg – HvS] unter freyem Himmel auf eine Taffel gelegt, von Medico und Barbier besichtiget und seciret. Anbey wurde etwas von der Leiche endfernt ein kleines Tischel gesetzt mit zwo Lehnstühlen, auf welche sich der Hoffrichter und Hoffgerichtsactuarius setzten und etwas weiter hin, etzliche Schritte davon entfernt, wurde die Schöppenbank angestellet, auf welche sich der Landrichter nebst seinen Gerichtsschöppen wie gewöhnlich setzten. Und sich mit denen Dorfgerichtspersonen [möglicherweise die Schöffen der landvogteilichen Seidau, die noch im 19. Jahrhundert diese Aufgabe versahen, jedoch ausschließlich, während für diesen Zeitraum das Landgericht nicht mehr nachgewiesen ist – HvS]414 wexelweise unter einander melirten, und wurden von ihnen die Gerichte 414

Vgl. Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 76 f.

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C. Landesherrliche Gerichte

gehegt, auch ward durch den Frohnboten das besetzte Gericht zu dreyen unterschiednen Malen laut aufgeruffen mit diesen Worten: Wofern Jemand vorhanden sey, im Nahmen des Thäters etwas vorzubringen hätte bey der besetzten Gerichtsbank, der solt hervortretten, seine Sache vorbringen. Und als sich Niemand anmelden wolte, so wurde endlich durch Richter und Schöppen das peinliche Gericht wieder aufgehoben mit Umbwerfung der Urtheilsbänke. Dabey wurde dem Landrichter von Hofgerichten befohlen, das Leibzeichen aus der Gerichtsbank zu sich zu nehmen und an das churfürstliche Oberampt zu überliefern. Welches er auch that mit Anspießung seines bloßen Degens.“ 415 Hieran wird erkennbar die weiterhin bestehende jedenfalls äußerliche Funktionsteilung zwischen Richter und Schöffen auch in diesem Gericht. Bei Verfahren in peinlichen Sachen, mithin im Vorfeld bei Leichenhebungen mußte nach einem Bericht aus der Mitte des 17. Jahrhunderts „das bloße Schwert“ durch den Richter „aufrecht“ gehalten werden. Der „Degen“ reiche nicht.416 Dies zeigt, daß noch in der Neuzeit der Grundsatz der Funktionsteilung, nachdem er häufig inhaltlich verlorengegangen war, weiterhin im Rahmen der Gerichtshegung in ritueller Form fortbestand. Als Gerichtspersonen im engeren Sinn handelten in den Vogtdingen/Landgerichten Gerichtsdiener/Fronboten. Das Görlitzer Rechtsbuch kennt den „botin“, der Ladungen zustellt (so etwa Görlitzer Rechtsbuch-Lehnrecht 65 § 9). Noch aus dem Bericht über das Landrichteramt aus der Mitte des 17. Jahrhunderts geht hervor, daß ein „Fronbote“ im Budißiner Landgericht handelte. Dieser war jedoch beim Stadtgericht Budißin angestellt.417 Als Gerichtspersonen im weiteren Sinn sind Beistände der Beteiligten bezeugt. Die mittelalterliche deutsche Gerichtsverfassung, die vom Grundsatz der Mündlichkeit der Verhandlung und von Formenstrenge geprägt war, kannte Fürsprecher. Dabei handelte es sich nicht eigentlich um einen Rechtsberater und Prozeßbevollmächtigten im heutigen Sinn. Parteien wurden regelmäßig nicht von einem Dritten vertreten, sondern erschienen persönlich. Vielmehr war Aufgabe des Fürsprechers, der aus dem Kreis der Rechtsgenossen gewählt wurde, zum einen die so genannte vare von der betreffenden Partei abzuhalten, also für diese die an diese gestellten Anforderungen hinsichtlich Formalien (etwa korrektes Aufsagen von Eidesformeln) zu erfüllen. Zum anderen übernahm er jedoch auch die freie Argumentation als jemand, der über bessere Rechtskenntnisse verfügte als die – persönlich anwesende – Partei.418 Hinsichtlich der Oberlausitzer Vogtdinge können lediglich anhand der Rechtsbücher Schlüsse gezogen werden. Aufzeichnungen von Gerichtsverhandlungen wie etwa Gerichtsbücher sind nicht (mehr) vorhanden. Nach Görlitzer Rechtsbuch-Landrecht 34 § 6 handelten im Gericht des Landrechts (mithin Lehn415 416 417 418

Abgedruckt Boetticher, Adel III, S. 722 ff. StFilA Bautzen, Bericht Landrichteramt, Bl. 48 ff. StFilA Bautzen, Bericht Landrichteramt, Bl. 39 ff. Oestmann, Fürsprecher, Sp. 1883 ff.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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rechts) „vorsprecke“ für eine Partei. Deren Aufgaben und Stellung im Lehnrecht bestimmen sich nach 67 §§ 5–8 Görlitzer Rechtsbuch-Lehnrecht im wesentlichen wie im Landrecht. Aus den anderen Rechtsbüchern mit besonderem Bezug zum Untersuchungsgebiet ergeben sich ebenfalls Hinweise auf Fürsprecher, jedoch ohne Besonderes über das allgemein Bekannte hinaus mitzuteilen. 2. Gerichtsort/-zeit Hinsichtlich der Zeit vor Beginn der askanischen Herrschaft im Untersuchungsgebiet 1253 geht aus den bereits genannten landesherrlichen Urkunden von 1238/1239 zugunsten des Klosters St. Marienthal lediglich hervor, daß sich landesherrliche Vögte zwar nach bestimmten landesherrlichen Villikationen nannten. Jedoch besagt dies allein nicht, daß das Vogtding auch zwingend an diesem Ort, wohl der Mittelpunkt des betreffenden Vogteibezirks, stattfand. Vielmehr konnte der Vogt überall in seinem Zuständigkeitsbereich Gericht halten, wohl etwa dort, wo der Ort der Tat oder der Wohnsitz einer oder beider Partei(en) war. So kamen die Vögte nämlich auch auf Klostergut, um dort zu richten. Denn diese Befugnis wird mit diesen Urkunden nunmehr, soweit es bestimmte Zuständigkeiten anging, ausgeschlossen beziehungsweise eingeschränkt.419 Hinsichtlich des grundherrlichen Gerichts galt ebenfalls, das der Grundherr oder sein Vertreter in jedem Dorf der Grundherrschaft Gericht halten durfte und dies auch tat, wie sich etwa aus der Lokationsurkunde von 1248, die sich auf ein Dorf in der Nähe Zittaus bezieht, ergibt. Danach kommen der Grundherr oder sein Vertreter (auch) in das Dorf, um dort Gericht zu halten. Die Dorfgemeinde hatte hierbei Gastung zu gewähren.420 Weiteres geht aus den Urkunden nicht hervor. Nach den Erkenntnissen Plancks aus einer Vielzahl von Rechtsbüchern des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts tagte im Landrecht der Graf an rechter Dingstatt, also an einem festen Gerichtsort. Der Richter im allgemeinen durfte jedoch auch an anderen Orten seines Zuständigkeitsbereichs Gericht halten. Das Lehnrecht kennt keine feste Gerichtsstätte. Der Lehnrichter durfte überall im Zuständigkeitsbereich des Gerichts tagen. Jedoch legte das Stadtrecht Wert auf das Vorhandensein einer rechten Dingstatt, die innerhalb der Stadt liegen mußte. Gericht durfte nach allen Rechten nur dort gehalten werden, wo alle Gerichtsunterworfenen freien Zutritt hatten. Der Lehnsherr durfte kein Gericht halten in beschlossenem Hof noch unter Dach oder in Burgen, sondern auf unbebautem Platz, mithin dort, wo jeder Zutritt hat. Auch Kirchhöfe waren keine Gerichtsorte, desgleichen übel berüchtigte Orte. Burglehngerichte durften in der Burg, mußten jedoch bei offenen Toren gehalten werden.421 Nach dem Görlitzer Rechtsbuch-Lehnrecht

419 420 421

Vgl. CDLS I, S. 49 ff., 50, Z. 30 ff.; 55 ff., Z. 37, 56, Z. 1 ff. RBM I, S. 562. Planck, Gerichtsverfahren I, S. 123 ff.

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C. Landesherrliche Gerichte

gab es im Lehnrecht ebenfalls anders als im Landrecht keine feste Dingstatt. Dieses Gericht durfte in Anlehnung an den Sachsenspiegel nach Lehnrecht 65 § 3 stattfinden „in iegelichir stat, sundir in der kirchin unde uf deme kirchove“ innerhalb des Herrschaftsbereichs des Lehnsherrn.422 Auch durfte es nicht stattfinden binnen geschlossenen Höfen oder Wänden, in einer Burg oder unter Dach (72 § 1, 65 §§ 2, 17). Zunächst allein dem König war es vorbehalten, in der Burg oder in Städten, jedoch bei offenen Toren Lehngericht zu halten (72 § 1). Die Lehnsherren, mithin Burgherren im übrigen mußten ihr Burggericht in der lehnsherrlichen Burg halten, wobei ebenfalls die Burgtore offenstehen mußten (71 § 19, 72 § 1): „Der herre ne sol ne hein burch dinc habin nindir me wan in sinir burch [. . .]. Alse der herre tegedingit, so sol diu burch offin sin dem man den er geschuldit hat; binnen beslozzin porten sol der man sime herrin ne hein orteil vinden.“ Die Verhandlungen des Landgerichts zu Budißin fanden nach einem Protokoll dieses Gerichts von 1376 statt „vor gehegiter Bank dez Lantgericts uff denne huhese czu Budissin“,423 mithin auf der Ortenburg in Budißin, (ständiger) Sitz des Landes-/Lehnsherrn und seines Vertreters als Landesherr der Länder Budißin und Görlitz beziehungsweise des Markgraftums Oberlausitz.424 Hinsichtlich des Gerichtsorts des Vogtdings zu Görlitz geht aus einer landesherrlichen Urkunde von 1329 hervor, daß dieses bei allen seinen Verhandlungen regelmäßig, aber nicht zwingend auf dem Vogtshof zu Görlitz – ständiger Sitz des landesherrlichen (lehnsherrlichen) Vertreters im Land Görlitz –, sondern nach dem Ermessen des landesherrlichen Vogts auch woanders, jedoch wohl zwingend innerhalb der Stadt Görlitz stattfand: „Der schuldig sol antwurten vor vnserm vogt in vnserm hof ze Gorlicz, oder wo der vogt in der stat daz gericht seczet“.425 Hiernach hatte der Vogt zwar die freie Auswahl innerhalb der Stadt, jedoch wird der Vogtshof als Gerichtsort ausdrücklich hervorgehoben. Aus Schlesien ist bekannt, daß im 13. Jahrhundert die Tendenz der Abwanderung des Vogtdings auf das Land in ein Dorf bestand,426 was möglicherweise angesichts dessen, daß in bestimmten Sachen die Görlitzer Stadtschöffen die Schöffen des Vogtgerichts waren, hier mit dem Einschub „in der stat“ verboten werden sollte. Diese Einschränkung mag aber auch daher rühren, daß das Magdeburger Stadtrecht, das ja das Recht der Görlitzer Stadtschöffen auch als Schöffen des Vogtdings war, eine rechte Dingstatt innerhalb der Stadt forderte und das allgemein im Vogtding gesprochene Recht bereits insoweit geprägt war. Später wurde es üblich, das Vogtding nur auf 422 Nach 65 § 4 findet das Gericht auf Eigen des Lehnsherrn oder ihm verliehenem Reichsgut oder ihm verliehenem sonstigem Lehn statt, je nachdem, womit der Vasall beliehen ist (65 § 4). 423 DA Bautzen, Bekenntnis des Hans Schwarz, unpaginiert. 424 Näher hierzu Dannenberg, Residenz, S. 367 ff. 425 CDLS I, S. 282, Z. 25 ff. 426 Loesch, Verfassung, S. 141.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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dem Vogtshof abzuhalten. Die Görlitzer Ratsrechungen aus dem Jahr 1392 sprechen davon, daß „Er Amseln waz uf dem rathuse myt unsirs (herrn) mannen [wohl Angehörige des landsässigen Adels – HvS] um das sizcen uf gehegeter bank uf dem hofe“.427 Für das Jahr 1406 geht aus dem Görlitzer Hofgerichtsbuch hervor, daß neben dem Hofgericht zu Görlitz auch das Vogtding zu Görlitz auf dem „hoff“ tagte.428 Der Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585 sagt, daß der Vogtshof, auch nachdem dieser durch eine „Concession“ Kaiser Maximilians II. von 1567 zum Teil dem Rat der Stadt Görlitz zur Nutzung als „Schütthaus“ eingeräumt worden war, weiterhin als Gerichtsort des Landgerichts diente: Die „Landstände“ durften weiterhin, „weil alldar in der Stadt das Land und Hofgerichte gehalten, und Sie ohn daß keinen Orth daselbst haben, insonderheit beschlossene nothwendige Zimmer [. . .] auf ihre eigenen Unkosten [. . .] erbauen“.429 Nach dem Bericht des Budißiner Landgerichts über seine „Beschaffenheit“ an das Oberamt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde das Gericht jedoch zur „Sommers Zeit“ „gemeiniglich nachmittags unter dem Tore [der Ortenburg – HvS] ober dem langen Tische“, zur „Winterszeit“ „in der alten Kanzlei [gehalten], jedoch das in stehendem Geding die Schloßtor allezeit offengehalten“ wurde.430 Mithin finden sich hierin die Regelungen etwa des Görlitzer Rechtsbuchs wieder, weswegen davon auszugehen ist, daß es sich bei dem eben geschilderten Gebrauch um auf den Rechtsquellen des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts beruhendes Recht handelt. Hinsichtlich der Gerichtszeiten der Vogtdinge im Ostsiedlungsraum ergeben sich zunächst Hinweise aus den Urkunden. Nach der ersten Erwähnung eines Burggrafen-/Landdings in der bereits von Schlesinger ausgewerteten landesherrlichen Urkunde von 1181431 hinsichtlich des Augustiner-Chorherrenstifts auf dem Lauterberg ist bloß bekannt, daß die Dingpflichtigen zu festgesetzter Zeit bei Gericht zu erscheinen hatten.432 Über die Gerichtszeit liegt in bezug auf das Untersuchungsgebiet aus dem 13. Jahrhundert möglicherweise nur ein einziger Hinweis vor, nämlich eine Urkunde der Bürger von Budißin von 1280, wobei nicht klar wird, ob eine Verhandlung des Vogtdings beschrieben wird: Die gewählten Schiedsrichter im Streit zwischen Petrus v. Nostitz und dem Kloster St. Marienthal „utrasque partes die proxime ad presentiam advocati in Budissin et aliorum multarum citantes, statuerunt“.433 Nach einer von Weinart mitgeteilten landesherrlichen Urkunde von 1320 war die Gerichtszeit des Vogtdings Lau427

CDLS III, S. 207, Z. 14 f. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 3 b, 2 a; vgl. Boetticher, Weichbild, S. 6, Anm. 24. 429 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, III, 4. 430 StFilA Bautzen, Bericht Landgericht, unpaginiert. 431 Vgl. CDS I, 2, S. 308 ff. 432 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 93. 433 CDLS I, S. 102 ff., 103, Z. 6 ff. 428

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C. Landesherrliche Gerichte

ban „jährlich Johannis und Martini“.434 Nach den Erkenntnissen Plancks aus einer Vielzahl von Rechtsbüchern des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts bestanden im Land- und Stadtrecht feste Gerichtszeiten für das echte Ding, das zu feststehenden Zeiten tagende Gericht, das zunächst dreimal im Jahr gehalten wurde. Hierfür bestanden drei gebundene Zeiträume, nämlich angelehnt an die drei kirchlichen Hauptfeste: vom ersten Adventssonntag bis zum Schluß der Oktav von Epiphania, vom Sonntag Septuagesima bis Sonntag nach Ostern, vom Sonntag Rogate bis Sonntag nach Pfingsten (Trinitatis). Bald wurde darüber hinaus in den Städten alle 14 Tage Gericht des Schultheißen gehalten, das jedes Mal mit dem Dienstag nach den drei gebundenen Zeiträumen des Jahres eröffnet wurde. Daneben konnten bei Bedarf außerordentliche Gerichtstage, unechte Dinge, gehalten werden. Im Lehnrecht bestanden keine festen Gerichtszeiten, sondern das Gericht wurde als unechtes Ding nach Bedarf gehalten.435 Was die Rechtsbücher mit besonderem Bezug zum Untersuchungsgebiet betrifft, äußert sich § 3 der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304 über „des Burcgreven Ding“: „Von des hoesten Richteres Dinge. Unse hoeste Richtere, der hie Gerichte sitzet, der sitzet drie Bot-Ding in deme Jahre, ein Ding in sente Agathen Tage, daz andere in sente Johannis Tage des liechten, daz dritte in deme achten Tage sente Mertines. Comen diese Tage in Viertage oder in gebundene Tage, so vorluset her sin Ding, unde en cumet her dar selbe zu dem Dinge nicht, oder en were der Shultheize da nicht, so en wirt im ouch des Dinges nicht, wenn der Shultheize sol deme Burdgraven daz erste Orteil vinden [. . .]. Swas so Ungerichtes geshiet viercen Nacht vor des Burgreven Dinge daz richtet der Burcgreve unde anderes niemand.“ 436 Diese Darstellung deckt sich mit den eben geschilderten Grundsätzen des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts. Hinsichtlich des Lehnrechts gab es auch nach dem Görlitzer Rechtsbuch-Lehnrecht keine echten Dinge. Der Lehnsherr darf weder in gebundenen Tagen noch an Feiertagen Gericht halten, noch müssen die Urteiler an diesen Tagen urteilen (Görlitzer Rechtsbuch-Lehnrecht 4 § 4, 65 § 2, 69 § 10. Auch dies stimmt mit den Erkenntnissen Plancks überein. Ob die genannten Rechtsbücher auch den tatsächlichen Gebrauch im Untersuchungsgebiet wiedergeben, läßt sich nur anhand anderer Quellenarten nachweisen. Vor allem wegen des Vorliegens des genannten urkundlichen Hinweises hinsichtlich des Vogtdings Lauban, wonach wenigstens zwei der drei Gerichtszeiten des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts genannt werden, kann angenommen werden, daß auch die Vogtdinge/Landgerichte im Untersuchungsgebiet zumindest ursprünglich diese Gerichtszeit aufwiesen. Soweit es spätere Quellen betrifft, ergibt sich aus der bereits angeführten Beschwerde der Landstände gegen die Amtsführung des Landvogts von 1559, daß „die Landge434 435 436

Weinart, Rechte I, S. 423; vgl. VOU I, H. 1–4, S. 30. Planck, Gerichtsverfahren I, S. 115 ff. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 450.

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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richte allier zu Budissin vor Alters [. . .] und gemeiniglich alle 4 Wochen auf die Montage oder jedes Jahrs gar offt gehalten“ wurden.437 Mithin sind hinsichtlich der späteren Zeit Abweichungen festzustellen. In echte und unechte Dinge wurde etwa nicht mehr unterschieden. Gerichtstag war nunmehr der Montag. Für die frühere Zeit kann jedoch von der Geltung der Grundsätze des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts im Untersuchungsgebiet auch hinsichtlich der Gerichtszeiten ausgegangen werden. Nach den Erkenntnissen Plancks wurde das Gericht im Land-, Lehn- und Stadtrecht nach Sonnenaufgang, jedenfalls vor Mittag begonnen. Vor Mittag mußte auch Urteil gefunden sein beziehungsweise der Termin wurde vertagt.438 Nach dem Görlitzer Rechtsbuch-Lehnrecht muß die Hegung des Lehngerichts, mithin das Urteilfinden vor dem Mittag beginnen (65 § 2, § 15), doch darf man damit über Mittag fortfahren (4 § 4), bis der Tag endet (65 § 14). Urteiler müssen sich also, bevor die Sonne „nidir sinkit“, eingefunden haben (4 § 4, 65 § 5, § 16, § 18). Nach Untergang der Sonne müssen die Urteiler nicht mehr antworten (65 § 15). Nach dem Bericht des Budißiner Landgerichts über seine „Beschaffenheit“ an das Oberamt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde das Gericht zur „Sommers Zeit“ „gemeiniglich nachmittags“ gehalten.439 Auch insoweit sind Abweichungen zum mittelalterlichen Recht jedenfalls hinsichtlich der Neuzeit festzustellen. Leider sind die Quellen zu spärlich, um Näheres zu ermitteln. 3. Ergebnis Bereits hinsichtlich der ersten böhmischen Periode liegen erste, jedoch wenig weiterführende Hinweise auf das Bestehen der Vogtei-/Villikationsverfassung, mithin von landesherrlichen Vogtdingen/Landgerichten im Untersuchungsgebiet vor. Davon auszugehen ist, daß die hiesigen Verhältnisse insbesondere nach meißnischem Vorbild gestaltet waren. Die landesherrlichen Vogtdinge/Landgerichte übernahmen auch im Untersuchungsgebiet die Zuständigkeit und Gerichtsverfassung der alten Burggrafengerichte. Sie hatten ihren Sitz jeweils in einer landesherrlichen Stadt. Nach Beginn der Landesherrschaft der Askanier im Untersuchungsgebiet 1253 erscheinen die Verhältnisse an die brandenburgische Vogteiverfassung angeglichen, wobei damit, soweit anhand der heutigen Quellenlage ersichtlich, keine strukturellen Veränderungen verbunden waren. Der einzelne Vogt nahm (weiterhin) sämtliche landesherrlichen Herrschaftsrechte in seinem Vogteibezirk wahr. So war er auch der Richter des Vogtdings. Der (Land-) Vogt wurde als landesherrlicher Amtsträger bis ins 18. Jahrhundert allein vom Landesherrn als Gerichtsherrn ohne Mitwirkung etwa der Landstände frei ausge437 438 439

Weinart, Rechte I, S. 51. Planck, Gerichtsverfahren I, S. 121 f. StFilA Bautzen, Bericht Landgericht, unpaginiert.

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C. Landesherrliche Gerichte

wählt und ernannt, und zwar auf Lebenszeit. Dies betraf nach heutiger Quellenlage auch seine Vertreter im Gericht. Zwar nicht königliche, aber landesherrliche Bannleihe an den landesherrlichen Vogt wird deutlich. Auch die Gerichtsverfassung im Untersuchungsgebiet schloß sich mit Erstarken der Landesherrschaft gegenüber dem Reich ab. Zu (erblichen) Lehen oder Eigen wurden (zeitweise) lediglich das Laubaner und Zittauer Vogtamt. Soweit ein Vogtamt auf eine Stadtrechtsgemeinschaft überging, gestaltete sich dessen Verfassung genossenschaftlich vergleichbar anderen ursprünglich herrschaftlichen, auf eine Stadtrechtsgemeinschaft übergegangenen Ämtern. Hinsichtlich der Anforderungen an den Vogt als Richter galten zunächst die allgemeinen Anforderungen, wie sie etwa aus den Rechtsbüchern erkennbar werden. Zu Vögten wurden zu askanischer Zeit (für die erste böhmische Periode liegen insoweit keine Hinweise vor) regelmäßig Angehörige der brandenburgischen und Ministerialität des Budißiner (und Görlitzer) Landes, ab der zweiten böhmischen Periode in aller Regel Angehörige des böhmischen Herrenstandes ernannt. Nach 1620 handelte es sich meist um verdiente Angehörige des sächsischen Hofes beziehungsweise sogar Kurprinzen. Zwei Landvögte entstammten zu dieser Zeit dem Oberlausitzer landsässigen Adel. Der Richter des nur noch in „Bauer-Sachen“ zuständigen Budißiner Landgerichts war zunächst stets ein Bauer, später waren es auch „Unangesessene“, etwa Bürger. Der Pflichtenkreis des Vogts umfaßte die alten Richter- (und Schöffen-)Pflichten, gerecht und unbeeinflußt ohne Ansehung der Person zu handeln. Die Vogtdinge/Landgerichte waren ursprünglich umfassend sachlich und personell, also neben den Bauern auch hinsichtlich des landsässigen Adels im jeweiligen Vogteibezirk zuständig, waren sie mithin Gerichte, in denen nach Landbeziehungsweise Lehnrecht verfahren und geurteilt wurde. Stadtrechtsgenossenschaften bestanden zunächst nicht. Urteiler oder Schöffen waren gemäß dem auch hier geltenden „dinggenossenschaftlichen Prinzip“ denn zunächst ausschließlich Angehörige der dem Gericht unterworfenen Land- beziehungsweise Lehnrechtsgemeinschaft, also sowohl Angehörige des landsässigen Adels als auch Vertreter der Bauern, letztere wie zuvor im Burggrafending bäuerliche Dorfvorsteher zunächst zumeist noch sorbischer Dörfer (Supane/Starosten) und Lehnbauern (Witsassen) der jeweiligen Vogtei. Das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ sicherte auch hier, daß das allgemeinverbindliche Recht der betreffenden Genossenschaft durch Urteil durch die Rechtsgenossen selbst gebildet, stabilisiert und weiterentwickelt wurde. Auch die Art der Auswahl der Urteiler wahrte hier das „dinggenossenschaftliche Prinzip“. Die Schöffen aus den Reihen der Bauern waren schöffendienstpflichtig aufgrund ihres Amtsgutes. Wie die Schöffen aus den Reihen der Angehörigen des Adels ausgewählt und ernannt wurden, geht aus heute vorhandenen Quellen nicht hervor. Wohl erfolgte dies – wie etwa später in den anderen landesherrlichen Gerichten wie den Ämtern und Hofgerichten – durch den Landvogt als Richter und Vertreter des Gerichtsherrn, wobei stets darauf geachtet wurde, daß es sich um Angehörige des Adels der jeweiligen

III. Vogtdinge/Landgerichte zu Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau

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Vogtei handelte. Auch diese waren wohl auf Dauer bestellt, stellten also Schöffen dar. Spätestens ab dem 16. Jahrhundert erscheint die Zuständigkeit des (allein noch bestehenden) Landgerichts zu Budißin auf „Bauer Sachen“ – hier jedoch auch weiterhin in Obergerichtssachen – beschränkt. Der Adel hatte sich als Stand auch gerichtsverfassungrechtlich abgeschlossen. Im 17. Jahrhundert wurden die – nunmehr ausschließlich bäuerlichen – Schöffen des Budißiner Landgerichts ausschließlich durch den Landesherrn, mithin seinen Vertreter ausgewählt, und zwar unabhängig von der Innehabung eines Amtsguts und der Tatsache der Zugehörigkeit zur bäuerlichen Rechtsgemeinschaft. So handelte es sich jetzt etwa auch um Handwerker aus einer Stadt. Erst im 17. Jahrhundert wurde also nach heutiger Quellenlage die Anforderung, der dem Gericht unterworfenen Genossenschaft anzugehören, und damit ein wesentliches Element des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ aufgegeben. Die Gerichtspersonen waren andererseits auch noch im 18. Jahrhundert sämtlich Laien im heutigen Sinn. Gelehrt zu sein, war mithin niemals Voraussetzung. Allein die Schöffen fanden nach der heutigen Quellenlage noch im 18. Jahrhundert das Urteil. In diesem Gericht bestand also noch bis zu diesem Zeitraum Funktionsteilung. Spätestens ab dem Ende des 16. Jahrhundert handelte das Budißiner Landgericht (wiederum) gerichtsförmig, jedoch unter der Aufsicht des Budißiner Hofgerichts, im Rahmen dessen Zuständigkeit hinsichtlich des Adels, hier auch in Obergerichts-/peinlichen Sachen, und der Lehngüter. Noch 1830 stellte das Landgericht Budißin auch die Schöffen im Gerichtsamt Budißin. Das Budißiner Landgerichts bestand somit – bei vielen gerichtsverfassungsrechtlichen Veränderungen – nachweislich vom 13. bis ins 19. Jahrhundert. Ingesamt kann festgestellt werden, daß sich noch bis zum Ende des Untersuchungszeitraums Elemente des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ in der bis dahin – obgleich in verkümmerter Form – bestehenden Vogteiverfassung erhalten konnten. Es gab im Untersuchungsgebiet einen Zeitraum, der vom Entstehen abgeschlossener Stadtrechtsgemeinschaften bis zum Zeitpunkt ihrer (Teil-)Eximierung von der Vogteizuständigkeit währte, in dem die Stadtrechtsgenossenschaften, obwohl sie bereits selbstständige, vom Landrecht abgeschlossene Rechtskreise bildeten, weiterhin umfassend dem Vogtding, also einem bisher ausschließlich land- (und lehn)rechtlich geprägten Gericht unterworfen waren, für den jedoch keine Hinweise auf Urteiler aus einer Stadtrechtsgenossenschaft, also auf Urteilsund damit Rechtsfindung zumindest auch nach deren Recht, Stadtrecht, in diesem Gericht vorliegen. Insoweit war das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ zeitweilig nicht mehr gewahrt. Den sechs landesherrlichen Städte wurden jedoch bald durch landesherrliche Privilegien bezogen auf ihre jeweilige Rechtsgemeinschaft beziehungsweise die jeweiligen Stadtfluren bei entsprechender Befreiung von der landesherrlich-vogteilichen Zuständigkeit bestimmte Zuständigkeiten – meist zunächst in Niedergerichtssachen – zugunsten des jeweils eigenen Stadtschöffengerichts übertragen. Manche Stadtrechtsgemeinschaft verblieb jedoch

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C. Landesherrliche Gerichte

daneben zunächst weiterhin vor allem in Obergerichtssachen dem betreffenden landesherrlichen Vogtding/Landgericht unterworfen, war also insoweit weiterhin zunächst dem Urteil und damit dem Recht der Schöffen der Land- und Lehnrechtsgemeinschaft unterworfen. Die meisten Stadtrechtsgemeinschaften erhielten aber in der Folge auch insoweit, mithin sachlich umfassend Exemtion bezogen auf die jeweilige Stadtrechtsgemeinschaft zugunsten des eigenen Gerichts. Erfolgte keine umfassende Exemtion, wurden Stadtschöffen bei der Besetzung der Urteilerbank des Vogtdings zumindest insoweit berücksichtigt, als es um eine Partei aus der betreffenden Stadtrechtsgenossenschaft ging. Damit war jedenfalls sichergestellt, daß zumindest auch Angehörige der Rechtsgemeinschaft der Partei über diese urteilten und damit Recht fanden. Insoweit wurde also stets berücksichtigt, daß Land- und Stadtrechtsgemeinschaften gerichtsverfassungsrechtlich und damit inhaltlich voneinander abgeschlossen waren. Das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ war (noch) gewahrt. Die Entwicklung ging jedoch im Untersuchungsgebiet – vom jeweiligen Landesherrn beabsichtigt – darüber hinaus. Die Stadtrechtsgemeinschaften von Görlitz, Lauban, Löbau und Zittau erlangten auf teils unterschiedlichen Wegen das Recht, daß ihre Rechtsgenossen nun auch bezogen auf Angehörige des Landrechts urteilten und damit (auch) Recht nach dem ihnen jeweils bekannten Recht, – Magdeburger – Stadtrecht, fanden. Stadtschöffen urteilten jetzt also nicht mehr nur über Angehörige der jeweiligen Stadtrechtsgemeinschaft, Bürger und Einwohner der jeweiligen Stadt, sowie auf Bauern aus Ratsdörfern beziehungsweise Dörfern städtischer Grundherren, mithin aus stadteigenen Dörfern, sondern auch über adlige Grundherren sowie Bauern grundherrlicher Dörfer der Geistlichkeit und des landsässigen Adels, die damit zu stadtverbundenen Dörfern wurden. Der Begriff des Weichbilds, der noch im Altsiedelland als Beschreibung des vom Landrecht abgeschlossenen Geltungsbereichs des Stadtrechts gedient hatte, veränderte sich somit auch bezogen auf das Untersuchungsgebiet zu einem Begriff, mit dem der um den Geltungsbereich des Landrechts erweiterte Geltungsbereich eines maßgeblich (auch) vom Stadtrecht geprägten Rechts, mithin der Zuständigkeitsbereich eines (auch) mit Stadtrechtsangehörigen besetzten Gerichts beschrieben wird. Der Befund Lücks, daß die noch im Altsiedelgebiet streng voneinander abgeschlossenen Geltungsbereiche von Landrecht beziehungsweise Stadtrecht auf dem Weg nach Osten inhaltlich „ineinandergriffen“, trifft auch auf das Untersuchungsgebiet als Teil des Kolonisationsgebiets zu. Diese Entwicklung ist auch hier gemäß dem „dinggenossenschaftlichen Prinzip“ gerichtsverfassungsrechtlich begründet. Dies läßt bezogen auf das Untersuchungsgebiet erkennen, was Weitzel hinsichtlich Schlesiens beobachtete. Auch dort entstanden auf diese Weise die Weichbilder im fortentwickelten Sinn. Die Entwicklung im Untersuchungsgebiet kann insoweit als von Schlesien aus beeinflußt angesehen werden, zumal das Bestehen der Weichbildverfassung in ihrer vollen Ausbildung lediglich in den im östlichen Teil des Untersuchungsgebiets gelegenen landesherrlichen Städten Gör-

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litz, Lauban, Löbau und Zittau zu beobachten ist. Dies läßt erkennen, daß im Rahmen der allgemeinen Ostwärtsbewegung von Sachsenspiegel-Landrecht und Magdeburger Recht und der damit einhergehenden Verschmelzung beider Rechte zum Sächsisch-Magdeburgischen Recht bezogen auf Schlesien und das Untersuchungsgebiet insoweit eine Bewegung nach Westen zu beobachten ist. Dies zeigt sich auch an den für Görlitz geschriebenen Rechtsbüchern, die deutlichen Einfluß älterer, in Schlesien benutzter Rechtsquellen zeigen. Gerichtsort der Vogtdinge war der jeweilige Vogtsitz, in Budißin das Schloß Ortenburg, in Görlitz der Vogtshof. Früher hatte es auch weitere landesherrliche Städte gegeben, in denen ein Vogt saß. Vergleichbar benachbarten Landschaften wird das Vogtgericht aber auch in ein Dorf gekommen sein. Die Gerichtszeiten wichen nicht von denen in benachbarten Landschaften ab.

IV. Gericht von Land und Städten/Oberamtsregierung In Quellen des ausgehenden 15. Jahrhunderts erscheint erstmals ein Gericht von „Mannen und Städten“, der „Sechslande“ (Schreiben des Michael von Tschirnhaus an den Görlitzer Rat von 1483)440 oder in einer Urkunde von 1484 von „Land und Städten“ 441. Das Gericht wurde nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585 später meist „Gericht von Land und Städten“, „die von Land und Städten“ oder „Oberamt“ genannt und als das „ordentlich Gerichte und Rechte des Landes“ 442 angesehen.443 Noch später war auch die Bezeichnung „iudicium ordinarium“ üblich.444 Die Verhandlungen des Gerichts wurden nach dem Bericht „nach alter Gewohnheit“ als „General-Vorbescheide“ bezeichnet.445 Knothe behauptete, ohne einen Quellennachweis, der, soweit ersichtlich, auch nicht vorhanden ist, anzuführen, es handele sich bei diesem Gericht um das „Überbleibsel der uralten, dreimal im Jahre zu Budissin gehaltenden allgemeinen Landdinge“.446 Der Hinweis auf die Gerichtszeit stellt für sich ge440 Schreiben des Michael v. Tschirnhaus an den Rat zu Görlitz von 1483, wonach sich sein Bruder „vor Mann und Städte der 6 Land“ zu einer Rechtshandlung erboten habe (VOU I, H. 5–8, S. 148; gedruckt Käuffer, Abriß II, S. 372 f., Anm. 39). Vgl. auch Johann von Guben, Jahrbücher, S. 95 ff.: „mannen und stethe“. 441 VOU II, S. 46. 442 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 1. 443 Vgl. Bericht des Stadtschreibers Ulrich Steger über einen Streit zwischen Landesherrn und Landständen über das „ius de non evocando“ aus dem Jahr 1485, der zugunsten der Landstände ausging, bei Johann von Guben, Jahrbücher, S. 95 ff. 444 Vgl. Nachweis bei Boetticher, Adel I, S. 36. 445 Im Gegensatz zu den Sitzungen der Ämter, die regelmäßig bloß „Vorbescheide“ genannt wurden (vgl. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 2, I, 1: „Von Vorbescheiden, wie Sie anzustellen und abzukündigen“). Jedoch werden auch manchmal die Sitzungen des iudicium ordinarium bloß Vorbescheide genannt (vgl. Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 119 a). 446 Knothe, Rechtsgeschichte, S. 320.

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nommen jedoch noch keinen Nachweis dar, da diese Gerichtszeit, die bereits Grundsatz der fränkischen Gerichtsverfassung gewesen war, von vielen deutschen Gerichten des Hoch- und Spätmittelalters übernommen wurde. Ein Zusammenhang zwischen Gericht von Land und Städten und den wie gesehen ab dem 13. Jahrhundert erscheinenden landesherrlichen Vogtdingen/Landgerichten ist nach heutiger Quellenlage ebenfalls nicht nachweisbar. Die genannte Urkunde von 1484 stellt, soweit ersichtlich, den ersten bekannten Hinweis auf das Bestehen dieses Gerichts dar.447 Vielmehr ist wahrscheinlich, daß das Gericht von Land und Städten eine Neuschaffung des böhmischen Königs als Oberlausitzer Landesherr wie das etwas später (1498) ebenfalls von ihm als schlesischem Landesherrn neuerrichtete schlesische „Oberrecht“ war, denn mit diesem zeigt es insbesondere hinsichtlich Zuständigkeit und Besetzung strukturelle Verwandtschaft.448 Das Gericht von Land und Städten verlor hinsichtlich der nach 1815 an Preußen gefallenen Teile des Untersuchungsgebiets zu diesem Zeitpunkt seine Zuständigkeit. Mit königlich sächsischem Mandat vom 12. März 1821, die neuen Verfassungs- und Verwaltungseinrichtungen in der Oberlausitz betreffend,449 wurde, soweit es den verbliebenen Zuständigkeitsbereich, das königlich sächsische Markgraftum Oberlausitz, betraf, das Gericht von Land und Städten, mithin das Oberamt aufgelöst und anstelle dessen eine „Oberamtsregierung“ errichtet: „Die zeitherige mittlere Appellationsinstanz des Judicii ordinarii von Land und Städten [. . .] wird hiermit aufgehoben“. Mit Gesetz vom 28. Januar 1835 wurde dann auch die Oberamtsregierung als Gericht aufgelöst.450 Quellen über die Verfassung des Gerichts von Land und Städten sind zunächst die insbesondere landesherrlichen Urkunden, die ab dem 16. Jahrhundert vorliegen, etwa die beiden ältesten erhaltenen landesherrlichen Instruktionen an die Landvögte451 und die landesherrliche „Confirmation einer Abhandlung“ zwischen dem Landvogt Dohna und den Landständen von 1561452. An rein deskriptiven Quellen sind insbesondere heranzuziehen der erwähnte Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585,453 die Gerichtsordnung des Oberamts aus der Wende zum

447 Vgl. VOU I, H. 1–4, S. 1 ff.; H. 5–8, S. 1–148. Es ist davon auszugehen, daß Zobel, der auch im übrigen einen Schwerpunkt auf das Gerichtsverfassungsrecht legte, auch bei der Berücksichtigung von Hinweisen auf das Gericht von Land und Städten auf Vollständigkeit bedacht war. Jedenfalls berücksichtigte er die als Urkunden ergangenen landesherrlichen (landvogteilichen) Befehle zur Einberufung des Gerichts in der Frühzeit. Vgl. aber den Bericht Stegers in Johannes von Guben, Jahrbücher, S. 95 ff., wonach die Einrichtung schon längere Zeit bestanden haben muß. 448 Näher zum schlesischen Oberrecht Loesch, Verfassung, S. 146 f. 449 GS Sachsen 1821, S. 17 ff. 450 GVBl. Sachsen 1835, S. 62 ff. 451 1554 (KW II, S. 1337 ff.), 1561 (KW II, S. 1350 ff.). Diese wurden auch im weiteren Verlauf im wesentlichen gleichlautend erteilt. 452 KW II, S. 1354 ff. 453 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 2.

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17. Jahrhundert454 sowie Gerichtsprotokolle, die sich heute im Staatsarchiv Breslau befinden, deren heutige Überlieferung ab dem 18. Jahrhundert einsetzt455. Aus diesen Quellen wurde eine Auswahl getroffen. Die vor 1945 im Ratsarchiv Görlitz unter Reponierte Akten II, Nr. 9, verwahrten Protokolle aus dem 16. Jahrhundert sind dort nicht mehr vorhanden und konnten nicht aufgefunden werden. 1. Gerichtspersonen a) Gerichtsbesetzung 1499 befahl der böhmische König, nachdem er erst 1498 als schlesischer Landesherr das schlesische Oberrecht mit vergleichbarer Besetzung geschaffen hatte,456 als Oberlausitzer Landesherr dem Landvogt, „landt und stete eine mergliche anczal zu sich zu setzen, vnd nach der sachin jrmessung zu irkennen“.457 Der Landvogt „präsidierte“ nach der Gerichtsordnung des Oberamts von ungefähr 1600 dem Gericht von Land und Städten.458 Früheste bekannte Zeugnisse über die Rechte und Pflichten des Landvogts sind die seit Mitte des 16. Jahrhunderts vorliegenden landesherrlichen „Instruktionen“ an die Landvögte459 und die „Abhandlung“ von 1561.460 Der Landvogt nahm als landesherrlicher Vertreter die landesherrlichen Rechte im Untersuchungsgebiet insbesondere hinsichtlich der landesherrlichen Gerichtsherrschaft wahr.461 So erteilte der Landesherr folgende Instruktion: „Zum andern soll unser Land-Voigt, unser Königl. Obergerichte, Hoff- und Landgerichte, desgleichen auch allen gerichtlichen Proceß, in unserm Nahmen handeln“.462 Mithin „soll der Land-Voigt die von Land und Städten uff einen benannten Tag an die Stelle, allda solche Gerichte vor Alters gehalten worden, erfordern“ 463 und nach der Abhandlung die „gerichtlichen Händel“ im Oberamt „mit derselben [der Beisitzer – HvS] Rath, Gutbedüncken und mehrern Stimmen schließen“.464 Der Landvogt mußte nach einer 1564 von den Landständen beschlossenen Ordnung des Gerichts, soweit es die Verfahren 454

StFilA Bautzen. Gerichtsordnung Oberamt. StA Breslau, Oberamtsprotokolle I–III. 456 Vgl. Loesch, Verfassung, S. 146. 457 VOU II, S. 46. 458 StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 118 a. 459 KW II, S. 1337 ff. (1554); 1350 ff. (1561). 460 KW II, S. 1354 ff. Das hierdurch und die Abhandlung geschaffene Recht galt auch nach Übergang des Markgraftums Oberlausitz an den Kurfürsten von Sachsen (vgl. Boetticher, Adel I, S. 10 f.). 461 Vgl. Seifert, Landvögte, S. 13 ff., 16 ff., 49 ff.; Kapras, Rechtsgeschichte, S. 28 ff., 65 ff. 462 KW II, S. 1337. 463 KW II, S. 1337 ff., 1338. 464 KW II, 1354 ff., 1356. 455

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gegen die in der Obergerichtskonzession von 1562465 eximierten Personen betraf, zumindest „im Anfang“ des Termins persönlich anwesend sein, bei dessen „Verhinderung“ als dessen Untervertreter der (Oberamts-)Hauptmann/-verwalter zu Budißin.466 Der Hauptmann zu Budißin wurde später (wohl nach mit der Zeit aufgekommenem Brauch) seinerseits untervertreten vom „nächsten Landesältesten“.467 Diese Weise der Richterbesetzung änderte sich auch im weiteren Verlauf, insbesondere im 18. und 19. Jahrhundert nicht. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde, wenn der Landvogt abwesend war beziehungsweise nachdem die Stelle des Landvogts nicht mehr vergeben wurde, das Richteramt vom Budißiner (Ober-)Amtshauptmann (-verwalter) – auch sonst ständiger Vertreter des Landvogts – versehen.468 Noch 1806 heißt es in einer zeitgenössischen Darstellung der Oberlausitzer Gerichtsverfassung: „Das Oberamt [. . .] wird von dem jedesmahligen Landvoigte oder dessen Vertreter, dem jetzigen Oberamtsverwalter, dirigiret.“ 469 Nach Ablösung des Gerichts von Land und Städten durch die Oberamtsregierung auch als Gericht infolge des königlichen Mandats von 1821 war der Richter der Präsident der Oberamtsregierung.470 Bezüglich der Schöffenbesetzung muß zunächst gemäß dem mittelalterlichen Grundsatz, daß dem Gericht nur die Angehörigen der dem Gericht unterworfenen Rechtsgemeinschaft beisaßen, auf die – insbesondere personelle – Gerichtszuständigkeit eingegangen werden. Das Oberamt war unabhängig von der Einteilung in Weichbilder oder Ämter für das gesamte Untersuchungsgebiet räumlich umfassend zuständig. Dessen – im Sinne seiner später daneben bestehenden Appellationszuständigkeit erstinstanzliche – Zuständigkeit war in personeller Hinsicht eingeschränkt. Nach der genannten Gerichtsordnung des Oberamts aus der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert war das Gericht nur bei Angehörigen der Landstände, insbesondere „Landsassen“, nicht bei deren „Unterthanen“ erstinstanzlich zuständig. Bauern oder Bürger der landesherrlichen Städte gelangten nur im Wege der Appellation an das Oberamt.471 Das Oberamt war erstinstanzlich personell zuständig, „wenn der Herr Land Voigt einen aus der Stände Mittel, oder auf den Gegenfall, Einer aus den Ständen, den Herrn Land Voigt in Anspruch zu nehmen“ beabsichtigte.472 Im Falle der „Landsassen“ war das Oberamt auch erstinstanzlich zuständig, soweit die grundsätzlich erstinstanzlich zuständigen Ämter die Sachen „hochwichtiger Ursachen halber“ und, wenn „die Parten 465

KW I, S. 179 ff. LSD, S. 222 f., 223. 467 Vgl. der Landstände von 1674 (abgedruckt Weinart, Rechte I, S. 82). 468 Vgl. StA Breslau, Oberamtsprotokolle I–III, unpaginiert; Wabst, Nachricht, S. 278; Römer, Staatsrecht, S. 173 f. (18. Jahrhundert). 469 Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 73. 470 GS Sachsen 1821, S. 17 ff. 471 StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 120 f. 472 StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 124 a. 466

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beyde darin willigen“, an das Oberamt „remittirt“ hatten.473 Eine konkretere Formulierung bringt die Gerichtsordnung des Oberamts um die Wende zum 17. Jahrhundert, wobei in dieser insoweit keine Beschränkung auf „Landsassen“ enthalten ist, wonach das Gericht zuständig sei, „wenn die Sachen, gemeines Landes Freyheit, und Gerechtigkeit, Concerniren, oder sonsten der Wichtigkeit und Praejudicii, daß Sie, ohn Rath der Verordneten [von Land und Städten – HvS], nicht können, noch sollen erörtert werden.“ 474 Außerdem war das Gericht von Land und Städten dann erstinstanzlich zuständig, wenn „der einer im Ober-Amt verklaget, und er gutwillig, darinne antworten will.“ 475 In peinlichen Fällen war das Oberamt gemäß der Obergerichtskonzession von 1562476 trotz der grundsätzlichen Verlagerung der Zuständigkeit in Obergerichtssachen von den landesherrlichen Gerichten auf die Gerichte der Grundherrschaften und der landesherrlichen Städte erstinstanzlich zuständig für von der Zuständigkeit der Gerichte der Grundherrschaften und der Sechsstädte eximierte Personen, also wiederum nach personellen Gesichtspunkten: „Adels-Personen, auch höhern Standes und in Städten an den Personen, die uns, unsern Aembtern und den Räthen in den Städten verwandt“: „Und sollen ietzo gemeldte Herren Adels-Standes und andere Personen [. . .] durch den Land-Voigt, neben Land und Städten mit Bewilligung unser oder unser Statthalter in Boheim [. . .] wie recht, procediert werden“.477 Festzuhalten ist also: Die erstinstanzliche personelle Zuständigkeit des Oberamts bezog sich lediglich auf den landsässigen Adel und Bürger der landesherrlichen Städte, die Ratsherren oder Amtsverwandte waren. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Gerichts änderte sich der Struktur nach nicht bis in das 19. Jahrhundert.478 Mit königlich sächsischem Mandat vom 12. März 1821 wurde im Rahmen der Bildung der Oberamtsregierung anstelle des Gerichts von Land und Städten jedoch dessen Zuständigkeit (neu) geregelt. Diese richtete sich aber weiterhin nach den bisherigen Grundsätzen, nämlich maßgeblich nach personellen Gesichtspunkten. Die Oberamtsregierung wurde als „Gericht der ersten Instanz“ zuständig für „die Civil- und Strafgerichtsbarkeit über sämmtliche unmittelbare Vasallen und andere mit einem befreiten Gerichtsstande versehene Personen [. . .] und wegen der über die vier Städte, Budissin, Zittau, Camenz und Löbau [die vier 473

StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 2. StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 124 f. 475 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 2; vgl. StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 120 f., 124 f. 476 KW I, S. 178 ff. 477 KW I, S. 178 ff., 179; vgl. Kaiser Rudolph II. Mandat, „die Peinlichen Sachen und andere Frevelthaten betreffend, von 1605 (KW I, S. 184 ff.); König Matthias II. Deklaration wegen dieses Mandats von 1611 (KW I, 186 ff., 189); StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 124 a. 478 Vgl. hinsichtlich der Zuständigkeit des Gerichts an zeitgenössischen Quellen Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 17 f. (18. Jahrhundert); Leonhardi, Erdbeschreibung S. 73 f. (19. Jahrhundert). 474

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nach 1815 beim königlich sächsischen Markgraftum Oberlausitz verbliebenen landesherrlichen Städte – HvS] und deren Räthe geführten Beschwerden und Klagen“.479 Somit waren nach wie vor nur Angehörige der Landstände, also Angehörige des landsässigen Adels und Ratsverwandte der landesherrlichen Städte dem Gericht erstinstanzlich unterworfen. Auch jetzt war also von bisherigen Grundsätzen der Zuständigkeitszuordnung, mithin -verteilung nicht abgewichen worden. Bei den Beisitzern handelte sich nach einer landesherrlichen Urkunde aus dem 16. Jahrhundert um die „Verordneten von Land und Städten“, die „neben dem Herren Land-Voigt ein ordentlich alt wohlhergebracht und confirmirt Gericht, Recht und Rath des Landes“ bildeten.480 Die frühesten heute bekannten Quellen bleiben hinsichtlich der Gerichtsbesetzung sehr allgemein. Der Landvogt „setzte“ nach einem landesherrlichen Befehl von 1499 „mannen“ „zu sich“, die bei des Landesherrn höchster Ungnade Meidung der Ladung des Landvogts folgen und „neben jm sitzin vnd recht sprechin“ mußten.481 Der Landesherr befahl in einer Urkunde aus dem Jahr 1501 dem Landvogt, „Geschickte von Mannen und Städten, die der Lande Gewohnheit wissen, als Beisitzer“ zu sich zu nehmen und sich „der ausländischen Personen, die gewöhnlicher Recht des Ortes kein Wissen tragen“ zu entäußern. Die Landvögte hätten „allezeit“ „diese Ordnung und Gewohnheit gehalten, Wo sachen Lande und Städte in gemein oder insonderheit betreffende, Amtshalben an sie gelangt, daß sie anfänglich beiderseit von Mannen und Städten Geschickte, die allenthalben Landes-Gewohnheit gewußt, als Beisitzer neben sich gefordert und nach ihrer Rath zweiläufige Sachen zwischen Parten erbar gemacht, die in der Sühne oder rechtlich entschieden, oder wo es der Sachen Notdurft erfordert, schriftlich verfaßt und so die Part zu genüge gesetzt und also zu schreiben aufgehört an Stelle und Orte wie von alders her herkommen zu versprechen weggefertigt und so dann solich Händel in rechtlichen Urtel versprochen, wieder einkommen, und kein Part des beschwert, in sein kraft gegangen hat sich itzlich Teil erkennten Rechtsspruchs gehalten“.482 Es handelte sich also nach den ältesten heute bekannten Quellen bei den Beisitzern um Angehörige der aus landsässigem Adel und den Rechtsgemeinschaften der sechs landesherrlichen Städte bestehenden Landstände, die mithin die diesem Gericht unterworfene Rechtsgemeinschaft bildeten.

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GS Sachsen 1821, S. 17 ff. LSD, S. 166 f. 481 VOU II, S. 46. 482 VOU II, S. 58; Urkunde 1501, S. 634. Offenbar war Anlaß der Urkunde, daß der Landvogt zwischenzeitlich gegen diesen Brauch verstoßen hatte, indem er etwa in einer Sache gegen die Stadt Kamenz aus Verärgerung über das Nichterscheinen gewisser Bürger der Stadt als Zeugen besonders der Stadt Kamenz feindlich gesinnte Angehörige des landsässigen Adels zu Beisitzern ernannte (Baumgärtel, Pönfall, S. 11). 480

IV. Gericht von Land und Städten/Oberamtsregierung

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Es war spätestens ab dem 16. Jahrhundert Übung, daß stets, soweit vorhanden, Landeshauptmann483, beide Amtshauptleute und alle vier Landesältesten (die Gerichtsordnung des Oberamts um 1600 nennt noch den Hofrichter zu Budißin484) ex officio sowie weitere Angehörige des landsässigen Adels und Vertreter der landesherrlichen Städte Beisitzer waren.485 Über die Landesältesten in der landesherrlichen Gerichtsverfassung heißt es in folgendem Aktenauszug aus der Mitte des 16. Jahrhunderts: „Zum sechsten, werden sie folgender Gestalt zu Berathschlagung gemeiner Landes-Sachen und zur Justititen gebraucht und von einem Herrn Land-Voigt erfordert. Erstlich diesen erkohrnen Eltisten, wie denn bräuchlich, daß man sie alle Jahr einen Herrn Land-Voigt anmelde [. . .], und diese Eltesten und der Städte Geschickten werden von Altershero, und noch, die Verordneten von Land und Städten genennet, diese sind gemeines Landes Rath“.486 In der Beschwerdeschrift der Landstände gegen die Amtsführung des Landvogts von 1559 wurde die Stellung der Landesältesten in der landesherrlichen Gerichtsverfassung wie folgt beschrieben: „Wann diese Eltisten allein seyn und die Sachen die Land-Stände, als Herrn, Prälaten, und Ritterschaft anlanget handeln, so werden sie als die Eltisten angezogen, aber in Vorbescheiden, Verhören und Besichtigungen, wenn die Personen von Städten darzu kommen, so nennet man sie alsdann sammtlich die Verordneten von Land und Städten“.487 Die Gerichtsordnung des Oberamts um 1600 machte deutlich, daß die Landesältesten als Vertreter nicht nur des landsässigen Adels des jeweiligen Amtes, sondern der gesamten Landstände Mitglieder des Gerichts waren: „Ist es vor Alters üblich und gebräuchlich gewesen, daß die verordneten Landes Eltisten, wie die alten Registraturen, ausweisen, auch zu Assessoren erfordert [. . .], denn derogestallt würden die Landes Eltisten, nicht allein den vorfallenden Handlungen so viel desto beßer Wißenschaft und Nachrichtungen verlangen, sondern so auch etwa waß dem Lande zu Einführung und Ihren Privilegien, Freyheiten und guten Gewohnheiten zu Nachtheil wollte vorgenommen, könte solches durch die Eltisten abgewendet werden, so auf dem Gegenfall, oftmals viel schädliche Neuerungen, eingeführet“.488 Die Landesältesten erhielten ausdrücklich nicht wegen ihrer Tätigkeit im Gericht, sondern aufgrund ihrer Amtsstellung eine „Besoldung“ 489. Für die übrigen Beisitzer ex officio sind ebenfalls keine besonderen Zahlungen 483 Zu diesem nach 1547 neugeschaffenen landesherrlichen Amt zur Verbesserung der landesherrlichen Einnahmenverwaltung näher Kapras, Rechtsgeschichte, S. 67; Boetticher, Adel I, S. 16 ff.; zeitgenössische Quelle: StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 2. Ähnliche Ämter wurden im Königreich Böhmen und in weiteren Nebenländern eingeführt (vgl. Peterka, Rechtsgeschichte II, S. 89 f.). 484 StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 129 a. 485 Boetticher, Adel I, S. 36. 486 LSD, S. 142 ff.; KW II, S. 1367 ff. 487 LSD, S. 166 f. 488 StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 130. 489 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 4.

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C. Landesherrliche Gerichte

im Zusammenhang mit ihrem Dienst im Gericht bekannt. Die Gewohnheit, Landeshauptmann, beide Amtshauptleute und aller vier Landesältesten als Beisitzer aufgrund Amtes beizuziehen, hielt sich bis zum Ende des Untersuchungszeitraums.490 Sie hatten nach dem Bericht Römers aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts jeweils „vollgültiges Stimmrecht“. Nach diesem Bericht handelte es sich bei „beyden Amtshauptleuten nebst den Landesältesten“ um die „Repräsentanten der adlichen Stände, als des ersten Standes der Oberlausitz“.491 Nach der Amtsordnung von 1611492 waren zudem zusätzlich aus den Reihen des landsässigen Adels des jeweiligen Kreises insgesamt sechs Personen des „Ausschuß“ [des Landesausschusses493 – HvS], „darunter der Abgesandte aus dem Camentzischen Kreiß auch seyn soll“ „von dem Herrn Land-Voigt, oder in Abwesen desselben, von dem [Landes- – HvS] Hauptmann, auf gehaltnen Rath nach Ausgang des willkührlichen Land-Tages Elisabeth, neben den Hauptleuten und beyder Kreiß Landes-Eltisten zu Beysitzern des ordentlichen Gerichtes [. . .] zu verordnen“.494 Nach der Gerichtsordnung des Oberamts um 1600 schwankte die Zahl zwischen „vier oder sechs Personen“ 495. Nach der 1564 von den Landständen beschlossenen Ordnung des Gerichts in Verfahren gegen in der Obergerichtskonzession von 1562496 eximierte Personen, die jedoch nach der Übung auch sonst für die Besetzung galt, waren zuvor aus beiden Kreisen gleichviele, mithin jeweils drei Personen aus dem Budißiner, wozu auch das Gebiet um Kamenz gehörte, und aus dem Görlitzer Kreis vorzuschlagen,497 die wohl bereits Mitglieder der Ausschüsse des jeweiligen Kreises waren. Nach dem zeitgenössischen Bericht Römers aus dem 18. Jahrhundert handelte es sich bei diesen Personen des landsässigen Adels, die nicht aufgrund Amt Mitglieder des Gerichts waren, um „überzählige Beysitzer“, mit denen das Gericht „verstärkt“ wurde, ohne daß diesen bei der Entscheidungsfindung „ein gleiches Stimmrecht“ wie die Besitzer aufgrund Amtes „beygelegt“ wurde.498 Nach einem weiteren Bericht aus dieser Zeit, nämlich Wabsts handelte es sich um „2. 3. auch wohl mehrere [. . .] Supernumerarii“, die nur manchmal hinzugewählt wurden.499 1806 berichtete 490 Vgl. Wabst, Nachricht, S. 278; Römer, Staatsrecht, S. 173 f. (18. Jahrhundert); Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 74 (19. Jahrhundert). 491 Römer, Staatsrecht, S. 174 f. 492 KW I, S. 1 ff. 493 Näher hierzu Boetticher, Adel I, S. 33 ff.; zeitgenössische Quellen: StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 5; Anmerkungen des Kammerprokurators zur Abhandlung von 1561 abgedruckt Weinart, Rechte I, S. 3 ff., insb. S. 9 f., mit Beilagen. 494 KW I, S. 4 f. 495 StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 119. 496 KW I, S. 179 ff. 497 LSD, S. 222 ff. 498 Römer, Staatsrecht, S. 174. 499 Wabst, Nachricht, S. 278.

IV. Gericht von Land und Städten/Oberamtsregierung

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Leonhardi, es handele sich um 6 ordentliche und 2 außerordentliche Deputirte.500 Die Scheidung in ordentliche und außerordentliche Beisitzer findet sich insoweit bereits in Quellen des frühen 18. Jahrhunderts.501 Auch bei den zusätzlich hinzugewählten adligen Personen handelte es sich nach dem Bericht Römers aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts um „Repräsentanten der adlichen Stände [. . .] der Oberlausitz“.502 Die landesherrlichen Städte – ebenfalls Bestandteil der Landstände – entsandten desgleichen Beisitzer. Die Anzahl der von den jeweiligen Städten Geschickten war nicht immer feststehend. In einer landesherrlichen Urkunde an die Räte der landesherrlichen Städte von 1484 heißt es: „Ob ye zu zeiten es wer zu Rechttagen ader andern taidungen der Edel vnser Ratt vnd liber getrewer Georg vom Stein Anwalt vnd voit In vnsern sachen vch erfordern wurde, das Ir ym einen ader zcwen aws ewern rat nach gelegenheit der sachen zuschicken wollet“.503 Erst im Verlauf des 16. Jahrhunderts scheint die Gewohnheit entstanden zu sein, daß grundsätzlich „von den Sechs Städten Budißin, Görlitz, und Zittau aus ieder zwey [und aus] denen anderen drey Städten [Kamenz, Lauban, Löbau – HvS], aus iederer eine“ und nur „nach Gelegenheit vorstehender Sachen, mehr Personen“ geschickt wurden.504 Nach Römers Bericht aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stellten „die Deputirten der Städte“ die Vertreter des neben dem Stand des landsässigen Adels – jener vertreten durch die Amtshauptleute, die Landesältesten und die zusätzlichen Vertreter des Adels – bestehenden „zweyten Stand“ innerhalb der Landstände dar. Sie hatten ebenfalls „eyne Stimme“ im Gericht.505 Diese Gewohnheit änderte sich nicht bis zur Abschaffung des Oberamts 1821 mit der Ausnahme, daß nach 1815 die preußisch gewordenen landesherrlichen Städte keine Vertreter mehr entsandten. Die Gerichtsprotokolle des Gerichts von Land und Städten, die sich mit Überlieferung ab dem 18. Jahrhundert erhalten haben, lassen einen Blick auf die Gerichtsbesetzung insgesamt zu. Das Gerichtsbuch, enthaltend die Protokolle der zwischen 1746 und 1760 abgehaltenen Gerichtstage, zeigt für Elisabeth 1746 folgende Besetzung: Oberamtshauptmann anstelle des Landvogts (Richter), als Beisitzer: zwei Landesälteste, drei adlige Assessoren, einer davon der Landesbestallte als weiterer landständischer Amtsträger506, zwei Vertreter Budißins (ein Syndikus und ein Stadtschöffe), zwei Görlitzer Vertreter (ein Syndikus und ein Stadtschöffe), zwei Zittauer Vertreter (ein Syndikus und ein Stadtschöffe), je500 501 502 503 504 505 506

Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 74. StFilA Bautzen, Assessores, unpaginiert. Römer, Staatsrecht, S. 175. VOU I, H. 5–8, S. 150; gedruckt Käuffer, Abriß II, S. 373 f., Anm. 39. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 2. Römer, Staatsrecht, S. 175. Zum Amt des Landesbestallten Boetticher, Adel I, S. 29.

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C. Landesherrliche Gerichte

weils ein Vertreter der Städte Kamenz (Ratsherr), Lauban (Stadtschöffe) und Löbau (Stadtschöffe). Bartholomäi 1747 waren als Assessoren anwesend „vom Lande“ drei Landesälteste, vier weitere Herren von Adel, wobei einer Landesbestallter, ein weiterer „Landes Commissar“ waren; „von Städten“: zwei Budißiner Vertreter (Syndikus und Stadtschöffe), zwei Görlitzer Vertreter (Syndikus und Ratsmitglied), zwei Zittauer Vertreter (Syndikus und „Gerichtsassessor“), jeweils ein Vertreter der Städte Lauban (Syndikus), Kamenz (Stadtschöffe) und Löbau (Stadtschöffe).507 Ein weiteres Gerichtsbuch enthält die Überlieferung von 1773 bis 1786. Bartholomäi 1773 waren anwesend als Beisitzer: Oberamtshauptmann, Landeshauptmann, drei Landesälteste, sechs weitere Herren von Adel, darunter ein „Landes-Commissar“, der Budißiner Hofrichter und der Landesbestallte. Aus den Städten waren gekommen: ein Budißiner Vertreter (Ratsherr), zwei Görlitzer Vertreter (Syndikus und Stadtschöffe), zwei Zittauer Vertreter (Syndikus und Stadtschöffe), jeweils ein Vertreter aus Lauban (Ratsherr), Kamenz (Stadtrichter) und Löbau (Bürgermeister). Bartholomäi 1779 waren anwesend „auf der Land Tafel“: Oberamtshauptmann, Landeshauptmann, drei Landesälteste, Landesbestallter, Budißiner Vizehofrichter, fünf weitere adlige Herren; „auf der Städte Tafel“: zwei Budißiner Vertreter (Syndikus und Stadtschöffe), zwei Görlitzer Vertreter (Syndikus und Ratsherr), zwei Zittauer Vertreter (Syndikus und Stadtschöffe), je ein Vertreter der Städte Lauban (Syndikus), Kamenz (Ratsmitglied) und Löbau (Bürgermeister).508 Ein drittes Gerichtsbuch enthält die Überlieferung zwischen 1787 und 1800. Oculi 1793 waren anwesend: Oberamtshauptmann, Landeshauptmann, aller vier Landesältesten, fünf weitere Herren von Adel, darunter der Gegenhändler, ein „Landes Commissar“ und der Landesbestallte. Aus den Städten kamen zwei Budißiner Vertreter (Syndikus und Kämmerer), zwei Görlitzer Vertreter (Syndikus und Stadtschöffe), zwei Zittauer Vertreter (Syndikus und Stadtschöffe), jeweils einer aus Lauban (Syndikus), Kamenz (Stadtrichter) und Löbau (Stadtrichter).509 Festzuhalten ist insgesamt: Bis ins 19. Jahrhundert spiegelte die Schöffenbesetzung die dem Gericht unterworfene Genossenschaft, die Landstände, die aus landsässigem Adel und den Eliten der landesherrlichen Städten bestanden, indem Vertreter beider Gruppen die Schöffen des Gerichts stellten. Insoweit war bis zuletzt das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ gewahrt. Soweit es die übrigen, nicht der Genossenschaft einer Partei angehörenden Gerichtspersonen angeht, war nach dem Bericht des Görlitzer Hauptmanns um 1585 Gerichtsperson der Oberamtskanzler, der „das Protocoll [führt]“, „die Vota“ „colligiret“, „den Parten, derer von Land und Städten“ „Meinung“ „[an]zeiget“, „die Abschiede“ „stelt“, „redet und fordert, was ihm befohlen wird“.510 Daneben 507 508 509 510

StA Breslau, Oberamtsprotokolle I, unpaginiert. StA Breslau, Oberamtsprotokolle II, unpaginiert. StA Breslau, Oberamtsprotokolle III, unpaginiert. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 2.

IV. Gericht von Land und Städten/Oberamtsregierung

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erscheint im 18. Jahrhundert das Amt des Vizekanzlers. Mit Oberamtspatent vom 24. Juli 1732 wurden die jeweiligen Geschäftskreise von Oberamts- und Vizekanzler definiert.511 Diese Ämter bestanden bis ins 19. Jahrhundert.512 Als Gerichtsperson wird außerdem genannt ein „Fiscal und Gerichts-Notarius“, der vom „Königlichen Amt“, also wohl dem Amt zu Budißin als Oberamt angenommen und vereidet werden mußte. Dieser hatte folgende Funktionen: „die peinlichen Klagen an[zu]bringen, Citationes aus[zu]gewinnen, und anders was zu solchen Handlungen gehörig vor dem Gerichte [zu] fördern und mit Treuen [zu] verzeichnen“.513 Als Gerichtspersonen sind außerdem Landreiter genannt, die bei der (geheimen) Beratung und Entscheidung des Gerichts „vor die Thür gestellet“ wurden. Sie waren außerdem als Gerichtsdiener tätig, die ein „Glöcklein“ bei sich hatten.514 Die Landreiter wurden wohl nicht immer als Gerichtsdiener verwendet, sondern erst später, „damit nicht einer aus dem Verordneten Mittel, wie es bishero mit sonderlicher Verkleinerung des Judicii beschehen, müßen aufstehen“.515 Gerichtspersonen des Oberamts im weiteren Sinn waren „Advocati et Procuratores“.516 Zwischen beiden Funktionen wurde mithin zumindest der Bezeichnung nach unterschieden. Von Fürsprechern, wie sie noch im mittelalterlichen Vogtding auftraten, ist nicht mehr die Rede. Die Teilung in Advokaten und Prokuratoren geht zurück auf das rezipierte römische beziehungsweise kanonische Recht. Zumindest am Beginn der Rezeption oblag dem Prokurator lediglich, alle prozessualen Handlungen wie etwa Stellung von Anträgen und Einreichung von Schriftsätzen formgerecht bei Gericht vorzunehmen. Hierfür waren eine Prozeßvollmacht, aber keine materiellen Rechtskenntnisse nötig. Dagegen war es Aufgabe des Advokaten, seine Mandanten rechtlich zu beraten und die Schriftsätze zu fertigen. Schon während des 16. Jahrhunderts wurde diese Scheidung inhaltlich nicht mehr aufrechterhalten, auch wenn sie wie etwa am Reichskammergericht formal weiterbestand.517 Diese Funktionen ergeben sich auch aus den Quellen hinsichtlich des Oberamts, insbesondere der Gerichtsordnung des Oberamts um die Wende zum 17. Jahrhundert, wobei eine klare Trennung nicht mehr erkennbar ist. Hier werden vor allem Anforderungen an die Zulassung als Advokat wie auch Prokurator und ein Pflichtenkatalog formuliert. Es werden „gelehrte Advocaten“ gefordert, mithin „erfahrene, taugliche Personen, so in Rechten studiret, 511

Abgedruckt Budaeus, Singularia I, S. 422 ff. Vgl. Wabst, Nachricht, S. 278; Römer, Staatsrecht, S. 175 (18. Jahrhundert); Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 74 (19. Jahrhundert). Vgl. StA Breslau, Oberamtsprotokolle I–III. 513 LSD, S. 222 f., 223. 514 StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 126 a. 515 StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 126 a. 516 StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 121 a ff. 517 Buchda/Cordes, Anwalt, Sp. 255 ff.; Sellert, Prokurator, Sp. 2032 ff. 512

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C. Landesherrliche Gerichte

zum Practiciren zugelassen worden“. Sie hatten gegenüber dem Oberamt „schriftlich Zeugniß“ über den Universitätsabschluß und „anderer Orth Obrigkeit, darunter sie sich zuvor wißendlich aufgehalten, oder in ihren Bestallungen gewesen“, als auch über ihren „Lebens Wandel und Geschicklichkeit“ abzulegen. Sie waren gegenüber dem Oberamt „mit Eydes Pflichten verbunden“, „die ihnen von den Parthen vertrauete Sachen, ohn einige Verschließung, treulich und fleißig zu befördern, Item, daß auch hierzu constituirt, daß Sie ihren unvermögenden Parthen gratis, und umbsonsten Patrociniren, damit ihre Sachen nicht defect und verwahrloset werden.“ Außerdem stellt die Gerichtsordnung Hürden hinsichtlich „Canzley Gebührnissen“ auf, die zuvor „wohl übermäßig [. . .] empfangen“ worden seien.518 Festzuhalten bleibt, daß eine klare Unterscheidung zwischen Prokurator und Advokat hinsichtlich Pflichten und Anforderungen, also inhaltlich nicht mehr vorgenommen wurde, während dies formal noch der Fall war. b) Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen Hinsichtlich des Rechts der Gerichtsherrschaft an Auswahl und Ernennung des Richters ergibt sich aus der landesherrlichen „Instruction“ an den Landvogt Christoph Graf Dohna von 1554, daß mit „dem Amt der Land-Voigtey“ „alle Nutzung und Zugehörung“, jedoch „ausserhalb der Ober-Gerichte, auch Land- und Hofgericht“ verbunden seien. Diese Einkünfte standen unmittelbar der landesherrlichen Kammer und nicht dem Landvogt zu.519 Dies betrifft auch die Gerichtsgefälle aus dem Gericht von Land und Städten, obwohl nicht ausdrücklich aufgeführt. 1562 vereinbarten die Landstände und der Landvogt eine „Cantzeley-Taxa“. Danach wurde für jede Tätigkeit der landesherrlichen Gerichte eine Gebühr festgelegt.520 Eine „Revidierte Cantzeley-Taxa Des Chur-Fürstl. Sächischen Sächsischen Ober-Amts “ erließ 1674 Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen, die ausdrücklich auf die Kanzleitaxe von 1562 Bezug nimmt. Daraus ergibt sich, daß sämtliche Gerichtsgefälle aus dem Gericht von Land und Städten nicht dem Landvogt, sondern dem Landesherrn, der sie durch die Kanzlei des Oberamts einziehen ließ, zufielen.521 Auch fielen die „Wandeln“ aus den Verfahren im Zusammenhang mit den im Rahmen der „concurrens et conjuncta jurisdictio“ gemäß der Obergerichtskonzession von 1562522 vorbehaltenen Sachen nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585 „Ihrer Majestät zu gut“. Sie waren „nach Erkenntnis der Verordneten von Land und Städten oder auf [der] Appellation Räthe erörtern“ vom Landvogt festzusetzen, wobei er „wieder 518

StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 121 a ff. KW II, S. 1337 ff., 1340. Vgl. auch insoweit gleichlautend die Instruktion von 1561 (KW II, S. 1350 ff.). 520 KW I, S. 36 ff. 521 KW I, S. 43 ff., 48 ff. 522 KW I, S. 178 ff. 519

IV. Gericht von Land und Städten/Oberamtsregierung

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die Billigkeit Niemanden beschwehren“ und „solches niemanden zuthun gestatten“ durfte, und durch den Gegenhändler „einzufordern und zuverraiten“. Die „Geldbußen und Straffen“ aus den Verfahren in den Sachen, die gemäß der Obergerichtskonzession der landesherrlichen Zuständigkeit unterlagen, also wohl auch aus den Verfahren vor dem iudicium ordinarium, wurden jedoch „aus sondern Gnaden“ „Königl. Majesth.“ zur „Erhaltung und Beßerung [. . .] des Schlosses zu Budißin und Hofes zu Görlitz“ verwandt“.523 Die Gerichtsgefälle fielen also sämtlich dem Landesherrn zu, dem mithin die Gerichtsherrschaft hinsichtlich dieses Gerichts zukam. Noch im späten 18. Jahrhundert wurde berichtet, der Landvogt sei auch im Gericht von Land und Städten „Stellvertreter des Souverains“.524 Der Landvogt wurde, wie bereits im Zusammenhang mit der Darstellung der Gerichtsverfassung der Vogtdinge/Landgerichte gesehen, allein vom Landesherrn, mithin allein vom Gerichtsherrn ohne Mitwirkung der Landstände, also der genossenschaftlichen Ordnung auf dieser Herrschaftsebene ausgewählt und ernannt. Anderes galt auch nicht hinsichtlich des Präsidenten der Oberamtsregierung. Auch über Fragen im Zusammenhang mit der Bannleihe wurde dort bereits gehandelt. Zunächst stellte das Auswahl- und Ernennungsrecht auch hinsichtlich der Schöffen ein ausschließlich herrschaftliches Recht des Landesherrn als Gerichtsherrn dar, das wahrgenommen wurde vom Landvogt, der Vertreter von Land und Städten „zu sich setzte“, wie sich aus den bereits genannten Quellen von 1499 bis 1505, den heute ältesten bekannten, ergibt. Genossenschaftliche Beteiligung an der Auswahl der Beisitzer etwa der Landstände ist hinsichtlich der Frühzeit nicht nachweisbar. Jedoch zeigt sich bereits insoweit, daß der Landesherr sein Auswahlrecht eingeschränkt nur bezogen auf die Vertreter der dem Gericht unterworfenen Genossenschaft wahrnahm und somit dennoch das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ gewahrt war. Die Beisitzer waren nach der genannten landesherrlichen Weisung von 1505 vom Landvogt nicht nur auszuwählen, sondern auch zu vereidigen.525 Im weiteren Verlauf wurde dieses Recht jedoch zugunsten der diesem Gericht unterworfenen Rechtsgemeinschaft, den Landständen, eingeschränkt. In der Beschwerdeschrift der Landstände gegen die Handhabung der Rechtspflege durch den Landvogt Graf Dohna von 1559526 wurde dem Landvogt vorgeworfen, er habe insbesondere nicht „die Verordneten von Land und Städten, sondern, wer ihm gefallen, zu den Vorbescheiden und Verhören gezogen“.527 Wie 523 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1.: „Von Einbringung der Wandel und Poenfälle und Anwendung der Bußen und Straffen“. 524 Römer, Staatsrecht, S. 174. 525 Weinart, Rechte II, S. 44 f. 526 Weinart, Rechte I, S. 37 ff.; vgl. LSD, S. 152 ff. 527 Weinart, Rechte I, S. 44 f. Auch die Gerichtsordnung des Oberamts aus der Zeit der Wende zum 17. Jahrhundert spricht sich ausdrücklich für eine feststehende, von Einflüssen etwa des Landvogts unabhängige Besetzung des Gerichts aus (vgl. StFilA Baut-

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C. Landesherrliche Gerichte

gesehen, war es spätestens ab dem 16. Jahrhundert etwa Übung, daß stets, soweit vorhanden, Landeshauptmann, beide Amtshauptleute und alle vier Landesältesten als Schöffen vom Landvogt ausgewählt und ernannt werden mußten. Selbst also noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts, als andernorts im Alten Reich das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ auf dem Rückzug war, konnte hier die dem Gericht unterworfene Genossenschaft dem Grundsatz möglicherweise gegenläufige Auswahlbefugnisse des Landesherrn sogar einschränken. Die adligen Beisitzer wurden nach der Gerichtsordnung des Oberamts um 1600 auf den „willkührlichen Landtagen“, „sonderlich beym Landtage Elisabeth“ von den Landständen „zu Beysitzern [. . .] verordnet“ und „dem [. . .] Land Voigt, oder in deßen Abwesen, dem Hauptmann [Amtshauptmann zu Budißin als ständiger Vertreter – HvS] nahmhaftig gemacht, und praesentirt“.528 Nach einem Vergleich der Landstände „wegen Erwehlung der [. . .] Aßeßoren des Jud[icium] ord[inarium]“ von 1674 wurden folgende Regelungen hinsichtlich der Wahl getroffen: „Nehmlich wann unter vorgenanten Personen in einen und andern Budißinischen, und Görlitzschen Creyße auf was Weise solches geschehen könnte, sich eine Stelle erlediget, und vacant werden möchte, daß auf solchen Fall wenn entweder bey denen ordinär. Land-Tagen sonderlich aber bey dem sonst vor Alters her hierzu in Budißin, expresse ausgesetzten Land-Tag Elisabeth, oder auch bey dem willkührlichen Land-Tage der heil. drey Könige zu Görlitz, oder auch nach erheischender Nothdurfft bey andern hierzu in Budißin oder Görlitz ausschreibenden Land-Tagen zu demjenien Creyße darinnen solcherley Vacantz sich ereignet, der engere und weite Ausschuß, nebst andern anwesenden Land-Ständen, so viel deren zugegen seyn möchten, auf dem Budißinischen Land-Hause, oder auf dem Görlitzischen Voigts-Hofe gewöhnlicher maßen sich mit einander versammlet. Sodann hierauf der engere Ausschuß selbigen Creyses sich zuförderst gar allein in ein absonderlich Zimmer begeben, und über solche Wiederersetzung, als treue Landes-Väter und Vorsteher, in welche sämtliche Herren LandStände hierunter eine besonders Vertrauen gestellet, reiflich deliberiren, und auf drey Personen ihre Gedanken richten sollen dergestalt und also, daß wohl gedachten engern Ausschuß, und unter deren einen jedweden desselben freye Hand gelaßen seyn solle, ohne eintzige Affecten und Abscheu auf Verwandniß, Schwäger-Nachbar- und Freundschaft, oder auch auf andere Umstände und Considerationen nach seinen besten Wißen, und Gewißen drey Personen, welche er nebst beywohnender wahren Gottesfurcht entweder aus dem engern oder weitern Ausschuß oder auch denen allgemeinen Land-Ständen, hierzu vornehmlich capabel und geschickt erachten wird, auf ein Zeddelgen schreiben und in ein verschloßezen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 129 f.). In der Amtsordnung von 1611 heißt es bezüglich der Zusammensetzung des Gerichts: So „solle es vermöge des alten löblichen Landes-Brauchs und Privilegien auch also ferner unverruckt gehalten“ werden (KW I, S. 1 ff., 4). 528 StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 119 f.

IV. Gericht von Land und Städten/Oberamtsregierung

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nes Kästgen werffen, und wann Sie alle solches gethan haben, und bey der Wiedereröffnung drey Personen auf welche die meisten Stimmen, daraus verzeichnet, sie sodann ferner zu dem weitern Ausschuß und andern Anwesenden Herren Land-Ständen wieder in ihr Mittel sich begeben, behörigen Orts nieder setzen, und ihnen diese drey Personen, eröffnen, und darauf weiter iedweder anwesender Land-Stand, er sey von engern oder weitern Ausschuß so wohl auch von der übrigen anwesenden Landschafft aus eben diesen vorgeschlagenen dreyen, und sonst keinen andern Personen, gleichfalls ohne eintzige Affecten und andres Absehen, der Verwandniß, Schwäger, Nachbar und Freundschafft, und sonst nach seinen besten Wissen und Gewißen, nur einen eintzigen, den er darunter am qualificirtsten und geschicksten hierzu halten wird, mit dessen Nahmen, und Geschlecht auch auf ein Zeddelgen schreiben, und in das hierzu hingestelte Kästgen werffen, welches, wanu es von allerseits also geschehen, sodann ferner ein Landes-Eltester eines nach dem andern von diesen solchergestalt in dem Kästgen zusammen colligirten Zeddelgen wieder heraus nehmen, und selbiges frey öffentlich verlesen, und dann ferner den Herren Landes-Bestalten, dieser aber weiter aus seiner Hand einen zu dem Ende von dem weitern Ausschuß hierzu expresse denominirten, und ihme bey der Taffel des engern Ausschußes an die Seite beygesetzten Person, die in solchen Zeddelgen verzeichnete Personen, um selbige nebst ihm zugleich gebührend zu registriren, zustellen, und nach dessen Erfolg dieser letztere, solche alsobald in Gegenwart derer Herren Stände gäntzlich caßiren, und welcher hierauf die meisten Vota, und Stimmen erlanget, derselbe sodann zu derjenigen Function die das vacant, und darum diese schrifftliche Votirung damals geschehen, gewöhnlicher und hergebrachter maßen hierzu confirmiret, und mit behörigem Glückwunsch introduciret werden.“ 529 Gewählt war auch nach Quellen des frühen 18. Jahrhunderts, wer die „vota majora“ auf sich vereinigte.530 Die Auswahl erfolgte also ohne Beteiligung des Landesherrn oder eines Vertreters ausschließlich innerhalb der Landstände nach dem Grundsatz der Mehrheitswahl, wobei durch den engeren Ausschuß der Landstände eine Vorauswahl durchgeführt wurde. Der Landesherr (Landvogt oder Vertreter) stellte nach einem Bericht aus dem 17. Jahrhundert ein Schreiben aus, womit der gewählte Beisitzer „bestätigt“ wurde. Dieses beinhaltete eine „Ermahnung“ anstelle einer Eidesleistung und Verpflichtung.531 Die adligen Beisitzer wurden nach der Amtsordnung von 1611 „zum wenigsten auf ein Jahr lang verordnet, welche iederzeit vom ersten Januarii biß letzten Decembris den Vorbescheiden vor den Verordneten von Land und Städten beyzuwohnen“ hatten.532 Kammerprokurator Hartranft schrieb jedoch 529 530 531 532

Weinart, Rechte I, S. 82 ff. z. B. StFilA Bautzen, Assessores, unpaginiert. StFilA Bautzen, Assessores, unpaginiert. KW I, S. 5.

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C. Landesherrliche Gerichte

um die Mitte des 17. Jahrhunderts: „Jetzt bleiben sie aber beständig dabei“ 533, das heißt ein jährlicher Wechsel fand nicht mehr statt. Dies geht auch aus den erhaltenen Bestätigungsschreiben des Landvogts aus dem 18. Jahrhundert hervor, worin hervorgehoben wird, daß der Beisitzer „nicht allein bei dem am 7./8. Dezember 1750 zu haltenden Judicio Ordinario, sondern auch bei denen künftigen Judiciis Ordinariis, als ein Mitglied dessen, jedes Mal auf Erfordern sich einfinde.“ 534 Nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585 wurden weitere „Personen, von Herren oder Ritterstand“ hinzugenommen, welche „ein Land Voigt, nach Wichtigkeit der Sachen, mehr darzu erfordert“.535 Die adligen Beisitzer wurden also nach einem bestimmten Verfahren auf einem Landtag ausschließlich von den anwesenden Angehörigen des landsässigen Adels des jeweiligen Kreises gewählt. Spätestens ab dem 17. Jahrhundert waren sie auf Dauer, also als Schöffen gewählt. Herrschaftlicher Einfluß ist nicht zu beobachten. Dem Landesherrn war also spätestens ab der Mitte des 16. Jahrhunderts, wenngleich der Landvogt die ihm präsentierten Beisitzer weiterhin bestätigte und zu den Gerichtstagen lud, die Freiheit in der Auswahl der Schöffen aus den Reihen des landsässigen Adels genommen. Nach der Ordnung des Oberamts um 1600 wurden die Vertreter der Sechsstädte von den jeweiligen Räten ernannt und entsandt.536 Nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585 wurden die Personen aus den Sechsstädten vom Landvogt oder seinem „Amtsverwalter“ „verschrieben“, jedoch „von den Städten abgefertigt“.537 In der Amtsordnung von 1611 heißt es, daß die Räte der Städte ihre Vertreter „wie vor Alters“ „abfertigen“, die daraufhin die Pflicht hatten, „bei ihrer ersten Abfertigung sich bey den Aemtern anzugeben“.538 Diese Weise der Auswahl und Ernennung wird noch hinsichtlich des 18. Jahrhunderts bestätigt durch zeitgenössische Berichte.539 Der Landesherr als Gerichtsherr hatte demnach auch hinsichtlich der Schöffen aus den Reihen der landesherrlichen Städte keinen Einfluß auf die Auswahl der Beisitzer, deren Namen ihm erst nach Auswahl angezeigt wurden. Die Beisitzer der landesherrlichen Städte wurden vielmehr von den Räten der landesherrlichen Städte, also Angehörigen der Genossenschaft, die sie vertraten, ausgewählt und ernannt, weswegen auch insoweit das Recht an Auswahl und Ernennung auf die genossenschaftliche Ordnung 533

Weinart, Rechte I, S. 4. StFilA Bautzen, Assessores. 535 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 2. Vgl. auch folgende Quelle aus der Mitte des 16. Jahrhunderts: „nach Schwere und Gelegenheit der Sachen, ander mehr Personen des Landes zu Beysitzern, und in Rath zu ziehen“ (LSD, S. 142 ff., 144); StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 119 a. 536 StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 119 a f. 537 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 2. 538 KW I, S. 5. 539 Wabst, Nachricht, S. 278; Römer, Staatsrecht, S. 174 f. 534

IV. Gericht von Land und Städten/Oberamtsregierung

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übergegangen war. Hinsichtlich der Schöffenauswahl und -ernennung insgesamt ist festzuhalten: Der Landesherr als Gerichtsherr hatte spätestens ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bis zum Aufhören des Gerichts im 19. Jahrhundert seine Rechte bezüglich der Auswahl zugunsten der dem Gericht unterworfenen Genossenschaft, den Landständen, vollständig eingebüßt. Ihm blieb lediglich die Ernennung beziehungsweise Bestätigung der Wahl. Während in anderen Teilen des Alten Reichs entsprechende genossenschaftliche Befugnisse zugunsten des herrschaftlichen Element zurückgedrängt werden konnten, gelang es den hiesigen Landständen, ihre Beteiligung an der Auswahl sogar zu steigern und bis ins 19. Jahrhundert zu erhalten. Das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ erscheint insoweit bis zuletzt stabil. c) Anforderungen an und Pflichten der Gerichtspersonen Auf die Anforderungen an den Inhaber des Amtes des Landvogts und dessen Pflichten als Richter wurde bereits an anderer Stelle eingegangen. Sie ergeben sich im wesentlichen für die Neuzeit aus den genannten Reversen, die die Landvögte bei Amtsantritt den Landständen gegenüber ausstellen mußten. Der Landesherr forderte hinsichtlich der Anforderungen an sämtliche Beisitzer des Gerichts 1501, daß nur solche zum Gericht von Land und Städten vom Landvogt erfordert werden durften, die „der Lande Gewohnheit“ beziehungsweise die „Landes-Gewohnheit“ kannten.540 Die Anforderungen insbesondere an die Vertreter von Prälaten, Herren und Ritterschaft werden in der Ordnung des Oberamts aus dem 17. Jahrhundert nur umrissen, indem „erfahrene taugliche Personen“ 541 gefordert werden. Wie eben gesehen, waren die Wahlberechtigten hinsichtlich der adligen Vertreter nach dem Vergleich von 1674 angehalten, die „qualificirtesten“ und „geschicktesten“ auszuwählen. Die Quelle verwendet auch die Ausdrücke „capabel und geschickt.“ 542 Das Erfordernis, dem jeweiligen Stand anzugehören beziehungsweise mit einem entsprechenden Lehn (Standesherrschaft beziehungsweise Grundherrschaft) im Untersuchungsgebiet angesessen zu sein, mithin der dem Gericht unterworfenen Rechtsgemeinschaft anzugehören, war wohl so selbstverständlich, daß dies nicht ausdrücklich erwähnt wurde. (Halb-)Gelehrter Jurist zu sein, ist als Anforderung noch im 18. und 19. Jahrhundert hinsichtlich der zusätzlich gewählten adligen Beisitzer nicht zu beobachten. Diese mußten nach Quellen des 18. Jahrhunderts „Angesehene vom Lande [Angehörige des landsässigen Adels – HvS]“ sein, die bestenfalls noch andere Ämter bekleideten.543 Bereits Knothe stellte in seiner bis heute maßgeblichen Untersuchung zum Oberlausitzer Adel fest, daß gelehrte Bildung im Ober540 541 542 543

VOU II, S. 58 mit Vollabdruck. StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 119. Weinart, Rechte I, S. 82 ff. StFilA Bautzen, Assessores, unpaginiert.

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C. Landesherrliche Gerichte

lausitzer Adel des Mittelalters und der frühen Neuzeit regelmäßig nicht vorhanden war. „Die Jungen hörten und lernten von den Alten. Der häufigere Besuch der Hof- oder Mannen-, selbst der Stadtgerichte in eigener oder fremder Angelegenheit führte nach und nach zu einer hinlänglichen Kenntnis des im Lande geltenden, ohnehin meist ungeschriebenen Gewohnheitsrechts, um bald selbst als Schöppe, ja als Richter fungiren zu können“.544 Die genannten Anforderungen, so etwa „tauglich“ zu sein, finden sich auch hinsichtlich Gerichten auch anderer Herrschaftsebenen. Die Amtsordnung von 1611 beinhaltet einen Pflichtenkatalog, wonach die adligen Beisitzer „ihrem höchsten Verstande nach, unverdächtig und unverweislich hierinnen [in der Funktion als Beisitzer des Oberamts – HvS] [sich] erweisen, zu iederzeit dieses Jahr über, so offte sie erfordert, zu dem Ordinario Judicio und darbey vorfallenden Handlungen zu rechter gebührlicher Tagezeit, da ihnen nicht erhebliche gnugsame Ehehaffte Verhinderungen, welche ins Amt anzumelden, vorfallen, erscheinen, und alleine der Gerichtlichen Expeditionen ohne eigene Beystands-Leistung, es wären dann nahe Blutsverwandte Personen, biß zu Endschafft der angestellten Vorbeschieden abwarten“ 545. Nach der Gerichtsordnung des Oberamts mußten sie „mit Hand und Mund“ einen entsprechenden Eid ablegen.546 In der Amtsordnung von 1611 heißt es zu den Pflichten der adligen Beisitzer des Oberamts, daß sie mit ihren „Pflichten [. . .] der Königlichen Majestät, als Königen zu Bohaimb, und Marggrafen in Ober-Lausitz und deroselben Königlichen Amt verbunden“ seien.547 Später erscheinen anstelle der Eide Ermahnungsschreiben. Hinsichtlich der Pflichten der adligen Beisitzer wurden diese außer zum rechtzeitigen und stetigen Erscheinen bei Gericht auf „Erfordern“ des Landvogts dazu ermahnt, „die dabei vorkommenden Sachen mit Rat zu gebührender und rechtmäßiger Erörterung bringen [zu] helfe[n].“ 548 Eine andere Ermahnungsformel anstelle eines Eides lautet: „[Und werdet Ihr] dieses officium zu Nutz und Wohlfahrt des Landes, [Eurem] besten Verstande nach, auszuführen wissen, und dabei nichts unterlassen.“ 549 Die Ermahnungen ähneln (nur) in Ansätzen den Formularen mittelalterlicher Schöffeneide. Jedoch deuten sich auch hier die Pflichten an, ohne Ansehung der Person zu handeln, mithin richtig zu entscheiden. Die Anforderungen an die Vertreter der landesherrlichen Städte werden im Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585 genannt: Gerichtspersonen sollten „vornemblichen die Rats Eltesten, welche Personen, pflegen Bürgermeister zu 544 545 546 547 548 549

Knothe, Adel I, S. 101. KW I, S. 5. StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 119. KW I, S. 5. StFilA Bautzen, Assessores, unpaginiert. StFilA Bautzen, Adlige Assessoren.

IV. Gericht von Land und Städten/Oberamtsregierung

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sein“.550 In der Amtsordnung von 1611 werden „Syndici oder andere qualificirte Rathsverwandte“ gefordert,551 mithin also insoweit juristisch gebildete Personen. Sie mußten „zu diesen Dingen [zur Tätigkeit als Beisitzer im Gericht – HvS] tüglich“ sein,552 das heißt wohl gute Kenntnisse des Oberlausitzer Territorialrechts aufweisen. Gelehrten Juristen wurde dies andererseits danach ebenso zugetraut wie anderen erfahrenen Ratsmitgliedern. Voraussetzung war aber jedenfalls die Mitgliedschaft im Rat. Nach der Gerichtsordnung des Oberamts unterlagen auch die Vertreter der Städte der Pflicht, vereidigt zu werden, indem diese jedoch vor „denen Aemtern“ ein „Handgelöbnis“ abzulegen hatten, wonach sie „unverweißlich zuerzeigen, deß Patrocinierens gänzlich zu enthalten, auch bis zu Ende des Judicii und der dabey angestellten Vorbescheiden, zu verwarten, und ohn Erlaubnis des Herrn Land Voigts, oder Hauptleuthe, keineswegs zu verrucken“ sich verpflichteten.553 Auch insoweit deutet sich die bekannte Richter- und Schöffenpflicht an, unbeeinflußt ohne Ansehung der Person zu handeln. d) Entscheidungsverfahren Die (noch) vorhandenen Gerichtsprotokolle geben keine Hinweise auf die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens.554 Hinsichtlich der Urteilsfindung beschwerten sich die Landstände Mitte des 16. Jahrhunderts, daß der Landvogt den Verordneten von Land und Städten abgesprochen habe, daß „auch diese [. . .] neben den Herrn Land-Voigt, als Aßeßores ein wohlhergebracht ordentl. Gericht und Recht des Landes sind, und rechtl. zu sprechen Macht gehabt, und noch haben“.555 Damit ist die genossenschaftliche Befugnis der dem Gericht unterworfenen Genossenschaft, im Rahmen der Funktionsteilung zwischen Richter und Schöffen ausschließlich allein oder zumindest maßgeblich neben dem Richter Urteil über ihre Rechtsgenossen zu finden, angesprochen. Das Entscheidungsverfahren im Oberamt wich jedenfalls ab dem 16. Jahrhundert von der in anderen Gerichten üblichen Praxis ab, wie sich etwa aus einem Bericht über das Amt der Landesältesten aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ergibt: „Sie [die Verordneten von Land und Städten – HvS] haben auch vor Alters her ihre sonderliche Form, wie sie in ihren Rath die Vota und Stimmen colligiren“.556 Anhand der landesherrlichen Instruktionen an den Landvogt aus dem 16. Jahrhundert wird zwar deutlich, daß weiterhin die betreffende Genossenschaft an der Urteils550

StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 2. KW I, S. 5. 552 LSD, S. 222 f., 223. 553 StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 119 a.; vgl. den Gleichlaut in der Amtsordnung (KW I, S. 1 ff., 5). 554 Vgl. StA Breslau, Oberamtsprotokolle I–III, unpaginiert. 555 Weinart, Rechte I, S. 45. 556 LSD, S. 142 ff., 144. 551

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findung beteiligt war, da die Appellation vom Gericht von Land und Städten vor die Appellationskammer zu Prag für den Fall eingeräumt wird, daß „die Verordneten von Land und Städten, sich mit dem Land-Voigt nicht vergleichen könten, oder möchten“.557 In der landesherrlichen „Abhandlung“ von 1561 wird jedoch bestimmt, daß der Landvogt „die Eltisten des Landes und erfahrnen tauglichen Personen, sowohl von Städten, neben sich ziehen, und mit derselben Rath, Gutbedüncken und mehrern Stimmen schließen“ möge.558 Der Landvogt als Richter des Gerichts von Land und Städten scheint hiernach an der Urteilsfindung beteiligt gewesen zu sein. Näheres über die Vorgehensweise bei der Entscheidungsfindung ergibt sich am besten aus dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585: „Als denn [nachdem die Parteien „Klage und Antwort fürgebracht, und die Part nichts mehrers einzuwenden oder vorzubringen haben“ 559 – HvS] gibt der Herr Land Voigt den Verordneten von Land und Städten die Sache in Rath, Bedencken und Erwägen, und es stehet der Herr Landes Hauptmann, und der Görlitzische AmtsHauptmann, die Landes-Eltesten, und was mehr erforderte Personen vom Lande zur Stelle sind, auf, gehen beyseit zusammen alleine. Die Verordneten von Städten sind sowohl abgetretten, und beysammen alleine, ingleichniß der Herr Land Voigt, mit seinem Hauptmann [dem Hauptmann zu Budißin als Vertreter des Landvogts – HvS] und Canzler auch alleine bleiben. Undt unterreden sich allerseits Ihres Bedenckens, was gesprochen, und zum Abschiede gegeben, oder ferner, gefordert werden solle. Wann die von Landständten mit ihrem Gutbedüncken und Stimmen gefaßt sind, so fordern sie die von Städten zu sich, berichten Sie ihrer Meinung, woferne die Städte mit ihnen gleichstimmig, sind oder werden, gehen sie zugleich für den Herren Land Voigt, zeigen ihm an, daß Sie sich eines Sententzes und Stimmen miteinander entschloßen und vereiniget, können sich aber die Assessores von Land und Städten nicht vereinigen oder vergleichen, so zeiget ein jeder Standt, als erstlich der Landstandt, nachmahlen die Städte dem Land Voigt Ihrer Meinung an. Der Land Voigt, der mit seinem Hauptmann und Canzler, auch Rath gehalten, erklehret sich erstlichen seines Aussages, welches gutbedüncken, oder Stimme, den der von Land oder Städten Ihme Land Voigten beyfellet, bey demselben verbleibet, und werden die Abschiede darauf gestellet, dann Beysitzern vorgelesen, den Parten publiciret, und alsdenn, ins Amtbuch einverleibet, und geschrieben, und dem begehrten Teil, deßen eine von Herren Lande Voigt besiegelte, und unterzeichnete Abschrift mitgetheilet. Wann aber Land und Städte sich einhelliger Meinung verglichen, des Land Voigts Aussag 557

Instruktion von 1554 (KW II, S. 1334 ff., 1335). KW II, S. 1356. Vgl. auch LSD, S. 142 ff., 144: „Alleine daß diese [die Verordneten von Land und Städten – HvS] in allewege fürgehen und nicht ausgelassen werden, denn eben diese Verordneten haben auch Macht neben dem Herrn Land-Voigt Gerichtlich und Rechtlich determinieren und zu sprechen, und sind des Landes Rath.“ 559 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 2. 558

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aber davon zuwider, und kein Theil von demselbigen weichen will, so gehet es, wies pfleget, daß er mit denen mehreren Stimmen schließen muß“.560 Der landesherrliche Vertreter, der Landvogt mit seinem Vertreter, dem Hauptmann zu Budißin und dem Kanzler, ebenfalls ein landesherrlicher Amtsträger, einerseits sowie die Vertreter der dem Gericht unterworfenen Genossenschaft, der Landstände, andererseits berieten sich demnach zunächst getrennt voneinander, wobei die Vertreter der Landstände dabei ihrerseits zunächst jeweils nach Stand getrennt für sich tagten. Jeder Stand und der Landvogt verfügten jeweils über eine Stimme, so daß drei Stimmen zu vergeben waren. Sodann kamen zuerst die Vertreter des jeweiligen Standes zusammen, um sich zu einigen, um schließlich gemeinsam als Landstände ihr gemeinsames Votum dem Landvogt vorzutragen mit dem Ziel, eine gemeinsame Entscheidung herbeizuführen. Im Fall der Uneinigkeit innerhalb der Landstände hatte der Landvogt, also der Vertreter des Gerichtsherrn die ausschlaggebende Stimme. Im Falle der Uneinigkeit zwischen Landvogt und den Vertretern der Landstände mußte er der Stimmen560 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 2. Andere Quellen äußern sich nicht beziehungsweise unklar hinsichtlich der Vorgehensweise in den Fällen, in denen keine Einigkeit zwischen den Ständen innerhalb der Landstände beziehungsweise zwischen Vertreter des Gerichtsherrn und Genossenschaft hergestellt werden konnte: In der Klage der Sechsstädte gegen Landvogt Christoph Graf Dohna aus dem Jahr 1559 wurde gerügt, daß der Landvogt gegen folgende Übung verstoßen habe: „Daß in der Berathschlagung und Erwegung der Sachen, die also vor dem Land-Voigt und den Verordneten von Land und Städten fürkommen, in Sammlung der Voten und Stimmen vor Alters dieser Gebrauch gehalten, daß nach geschehenen Vorbringen der Herr Land-Voigt die Sachen den Verordneten von Land und Städten in Bedencken und Rath gegeben, da sind die vom Lande (welches die Verordneten Eltistin von Land-Ständen gewesen) sammt andern die zuweilen nach Gelegenheit der Sachen neben ihnen erfordert allein, und dann die Verordneten von Städten auch allein getreten, Ingleichen der Herr Land-Voigt mit einem Hauptmann und Cantzler auch allein blieben, und sich allerseits ihrer Bedenckens und gut Bedünckens unterredet, nach demselben haben die Verordneten von Land und Städten ihre Bedencken zusammen getragen, und sich eines Sententz und einer Stimm mit einander entschlossen und vereint, dasselbe darnach dem Herrn Land-Voigt vormeldt, (der dann seine Meinung zuvorn auch angezeigt oder anzeigen lassen) und haben sich allewege vernünfftig, bedächtig, einträchtig und wohl miteinander verglichen, [. . .] daß auch darauf die Abschiede und Sprüche im Nahmen des Herren Land-Voigts und der Verordneten von Land und Städten ausgesprochen und ergangen“ (LSD, S. 152 ff.; vgl. Weinart, Rechte I, S. 45). In der Gerichtsordnung des Oberamts aus der Zeit der Wende zum 17. Jahrhundter heißt es: „Darbey ist [. . .] zu mercken, daß in Sammlung der Votorum oder Stimmen, dieser Brauch gehalten: daß nach beschehner Verhör die Assessores von Landständen alleine, und die Abgesandten von Städten auch alleine abtretten, Ingleichen soll der Herr Land Voigt, sammt dem Hauptmann zu Budißin, Hof Richter und Canzler, auch alleine bleiben, und Sich allerseits Ihres Bedenckens mit einander unterreden. Nach derselben absonderlichen Unterredung, tragen die Verordneten von Land und Städten Ihre Bedencken zusammen, und wann sie sich einer Stimmen und Sentenz entschloßen, und vereiniget, verfügen Sie sich widerumb zum Herrn Land Voigt, wird dem Hn: Land Voigt sein Bedencken erst vermeldet, alß dann der Verordneten Meinung auch angezeiget, und als denn mit einträchtigen Rath, der Abschied und Sentenz geschlossen und publicirt“ (StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 126).

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C. Landesherrliche Gerichte

mehrheit der Vertreter der Landstände folgen. In diesem Fall setzte sich also die genossenschaftliche Seite durch. Es zählte aber in jedem Fall die Stimmenmehrheit. Das vom Görlitzer Amtshauptmann um 1585 geschilderte Verfahren galt nach zeitgenössischen Berichten auch noch im 18. und 19. Jahrhundert.561 Im Fall eines Dissenses zwischen Landvogt und den Vertretern der Landstände wünschte der Landesherr nach anderen Quellen die Rechtseinholung bei der Appellationskammer zu Prag, wie sich aus den „Instructionen“ an die Landvögte bei deren Amtsantritt ergibt: „So sollen sie mit ihrem fernern Bericht an Uns, oder unsre verordnete Appellations-Räthen, gelangen laßen, und darüber Bescheid und Erledigung erwarten.“ 562 In Verfahren gegen die in der Obergerichtskonzession von 1562563 eximierten Personen galt nach dem Beschluß der Landstände über das Verfahren bei Prozessen gegen diesen Personenkreis von 1564 folgendes: „Und wann also zum Urtheil von beyden Theilen beschlossen, soll der Handel bewogen und berathschlaget werden, ob der Herr Land-Voigt und S. Gnaden Assessores darauf einen rechtlichen Spruch und Urtheil finden können, Wo aber darinnen durch ihre Gn. und sie alsbalde kein Urtheil befunden und für nothwendig geschlossen, daß die acta reguliret, besiegelt, und in die Kayserl. Appellation und Rechts-Belehrung erfolgte wäre, alsdann sollen die verordneten Personen, wiederum verschrieben, die Parten darzu wie gebührlich citirt, und das Urtel durch den Herren Land-Voigt, und die obgemeldten Zugeordneten von Land und Städten, wie recht eröffnet werden“.564 Auch hier war also Rechtseinholung in Prag erforderlich. Jedenfalls ist nach allen Quellen, die im übrigen die Zeit bis zum Aufhören des Oberamts im 19. Jahrhunderts abdecken, festzustellen, daß der Landvogt als Richter neben der Genossenschaft an der Entscheidungsfindung in bestimmten Fällen beteiligt war, nämlich dann, wenn sich Land und Städte, die je über eine Stimme verfügten, uneinig waren. Nur hier war das Votum des Richters ausschlaggebend, nicht im übrigen. Der Grundsatz der Funktionsteilung war also (lediglich) im Fall der Uneinigkeit zwischen Land und Städten, also innerhalb der Genossenschaft durchbrochen. Es galt mithin im Falle identischen Willens innerhalb der Landstände auch insoweit das „dinggenossenschaftliche Prinzip“, und zwar nach der heutigen Quellenüberlieferung bis zum Aufhören des Gerichts im 19. Jahrhundert. 561 Vgl. Wabst, Nachricht, S. 279 ff.; Römer, Staatsrecht, S. 175 f. (18. Jahrhundert); Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 74 (19. Jahrhundert), der jedoch, obwohl er richtig erkannte, daß Land und Städten jeweils eine Stimme, also der dem Gericht unterworfenen Rechtsgemeinschaft insgesamt zwei Stimmen zukamen und dem Landvogt nur eine, fälschlicherweise davon ausging, daß dem Landvogt dennoch in jedem Fall und nicht nur dann, wenn sich die Stände untereinander uneinig seien, das „votum decisivum“ zukomme. 562 Instruktionen an den Landvogt Graf Dohna von 1554 (KW II, S. 1337 ff., 1338) und an Landvogt Joachim Graf Schlick von 1561 (KW II, S. 1350 ff.). 563 KW I, S. 178 ff. 564 LSD, S. 222 ff., 224.

IV. Gericht von Land und Städten/Oberamtsregierung

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In wessen Namen die Urteile des Oberamts ergingen, war zwischen Landvogt und Landständen oftmals streitig. Die Beschwerde der Landstände von 1559 forderte, „daß [. . .] die Abschiede und Sprüche im Nahmen des Herrn Landvoigts und der Verordneten von Land und Städten ausgesprochen und ergangen.“ 565 Folglich muß dagegen der Landvogt verstoßen haben. Die „Abhandlung“ von 1561, eine normative wie deskriptive Quelle, gab dem Landvogt denn auf, die „Urthel, sowohl die gerichtliche Bescheide, in sein, des Land-Voigts, und der Verordneten von Land und Städten, Nahmen [zu] eröffnen, und mit Vorbehalt der Appellation, wie bishero gebräuchlich, [zu] versprechen, [zu] fertigen.“ 566 In der Ordnung des Oberamts um 1600 wird mißverständlich geäußert: „Und ist anfänglich zumercken, daß im Ordinario Judicio der Herr Landvoigt praesidiret, in deßen Nahmen von den Verordneten von Land und Städten, die Urtheile und gerichtliche Bescheide eröffnet, und mit Vorbehalt der Appellation an die Königl. Maist. gesprochen und gefertigt werden“. Der Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585 verweist als erzählende Quelle ausdrücklich auf die Regelung in der „Abhandlung“.567 Dagegen ordnet die Amtsordnung von 1611 an, daß Urteile („Abschiede“) „im Nahmen des Herrn Land-Voigts, oder in seinem Abwesen, des Hauptmanns zu Budißin, mit Rath obgedachter Verordneten von Land und Städten [. . .] publicirt und eröffnet werden.“ 568 Die der Partei zugestellte Ausfertigung des Urteils wurde ausschließlich vom Landvogt „besiegelt“ und „unterzeichnet“. 569 Jüngere Quellen liegen auf dieser Linie. Hinsichtlich der „citationes“ vor das Gericht wurde in der Beschwerde der Landstände von 1559 gerügt, daß die Parteien nicht geladen wurden, „vor den Hrn. Landvogt [. . .] und den Verordneten von Land und Städten zu erscheinen“,570 sondern folglich nur allein im Namen des Landvogts. Insgesamt wird deutlich, daß Ladung und Urteilsverkündung eine herrschaftliche Befugnis darstellten. 2. Gerichtsort/-zeit Gerichtsort des Gerichts von Land und Städten war das Schloß Budißin, also das Schloß Ortenburg, wie der Görlitzer Amtshauptmann um 1585 berichtet: „Das Schloß zu Budißin ist ein Königl. Hauß [. . .]. Auf diesem Schloße [. . .] werden die General Vorbescheide, und Verhören, Ritter Recht, und Ehrentafel, Item Hof- und Land Gerichte, auch das peinliche Recht und die Canzley darauf gehal-

565

Weinart, Rechte I, S. 45. KW II, S. 1354 ff., 1356. 567 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1.: „In was Nahmen, und wie Urthel und Abschiede zu eröffnen“. 568 KW I, S. 1 ff., 5. 569 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 2. 570 Weinart, Rechte I, S. 45. 566

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C. Landesherrliche Gerichte

ten“.571 Dies änderte sich nicht bis in das 19. Jahrhundert.572 Nach zeitgenössischen Berichten des 18. Jahrhunderts saßen die Vertreter des landsässigen Adels zusammen mit Landvogt beziehungsweise dessen Vertreter, Landeshauptmann, Amtshauptleuten und Landesältesten an einer Tafel beziehungsweise zwei besonderen Tafeln, die Vertreter der sechs landesherrlichen Städte an einer weiteren Tafel.573 Eine Zeichnung mit Beschreibung der zeitgenössischen Sitzordnung des Gerichts aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zeigt an der einen Tafel („Adeliche Tafel“) plaziert den Landvogt oder dessen „Vicarius“, sodann rechtsherum in folgender Reihenfolge: Landeshauptmann, Amtshauptmann zu Budißin, zu Görlitz, beide Landesälteste Budißiner Kreises, Görlitzer Kreises, „Vier Herrn Assessores aus der Ritterschaft Budißin. Kreyses, incl. eines Supernumerarii“, „Vier Herrn Assessores aus der Ritterschaft Görlitz. Kreyses, incl. eines Supernumerarii“, Oberamtskanzler, Oberamtvizekanzler und Oberamtsprotonotarius. An der zweiten Tafel („Städte-Tafel“) waren an der rechten langen Seite des Tisches beginnend plaziert in folgender Reihenfolge: zwei „Abgeordnete“ Budißins, sodann zwei der Stadt Görlitz, zwei Zittaus sowie schließlich jeweils einer Laubans, Kamenz’ und Löbaus.574 Danach wurde noch im 18. Jahrhundert in diesem Gericht lediglich protokollarisch nach Ständen unterschieden. Der Görlitzer Amtshauptmann berichtete um 1585 über die Gerichtszeit des Oberamts: „Und es sind altem Brauche nach, die General-Vorbescheide, allewege, bald nach den dreyen willkührlichen Landtagen [an Oculi, Bartholomäi und Elisabeth – HvS] angestelt und gehalten worden, damit die Beysitzer vom Lande, welche bey den Landtagen sein müßten, sonderlich die Görlitzischen nicht vergeblichen hin und wieder reisen müßen.“ 575 Dies forderte ebenfalls die Gerichtsordnung des Oberamts um die Wende zum 17. Jahrhundert. Die Gerichtszeiten änderten sich auch nach den Gerichtsprotokollen für diese Zeit nicht bis in das 19. Jahrhundert.576 Damit sichergestellt war, daß alle Beisitzer rechtzeitig geladen und zu Beginn der Vorbescheide anwesend waren, wurde den Beisitzern zur Pflicht gemacht, insbesondere mit den für die Ausschreibung der Landtage verantwortlichen Landesältesten über die Terminierung der Sitzungen „Correspondenz“ zu halten. Die Ladungen an die Beisitzer hatten die Zeitpunkte des Beginns und des Endes der Vorbescheide zu beinhalten und waren durch Bo571

StFilA Bautzen, Salza, Bericht, III, 3. Vgl. StA Breslau, Oberamtsprotokolle I–III; Wabst, Nachricht, S. 278; Römer, Staatsrecht, S. 166 (18. Jahrhundert); Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 73 (19. Jahrhundert). 573 Vgl. Wabst, Nachricht, S. 278; Römer, Staatsrecht, S. 173 ff. (18. Jahrhundert). 574 Meißner, Materialien, S. 55 f. 575 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 2. 576 Vgl. StA Breslau, Oberamtsprotokolle I–III; Wabst, Nachricht, S. 278; Römer, Staatsrecht, S. 175 f. (18. Jahrhundert); Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 71 f. (19. Jahrhundert). 572

IV. Gericht von Land und Städten/Oberamtsregierung

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ten zuzustellen.577 1543 forderte der Hauptmann zu Budißin als Vertreter des Landvogts vom Rat zu Görlitz die Entsendung von Abgesandten zum Gericht von Land und Städten: „Noch deme Montagk vnd Dinstag nach Bartholomej – etlich Irrigen partheien Inn wichtigen Sachen – uff schaffen konigl. Maj. – Ins Ampt Budissin vor mich vnd Verordneten von Landt und Steten, vorbescheiden, Iß an stad des hern Landtvogts – mein gutlich beger, Wollet hierzu Ewers mittels freunde dermossen abfertigen, Das sie vfn Sontagk noch Bartolomej zeitlich fur Abends zue Budissin einkommen vnd folgende tage dieselben sachen neben Andern erforderten anhörn“.578 Die Parteien waren „schuldig [. . .], zur rechter früher Tages Zeit, als in Sommerszeit zum längsten um 7. Im Winter aber, um 8 hora vorzukommen“.579 Soweit es die Zuständigkeit in peinlichen Sachen gegen die sogenannten eximierten Personen gemäß der landesherrlichen Obergerichtskonzession von 1562580 betraf, galten besondere Gerichtszeiten.581 3. Oberamtsregierung Mit Mandat vom 12. März 1821, die neuen Verfassungs- und Verwaltungseinrichtungen in der Oberlausitz betreffend, wurde das Oberamt aufgelöst und zugleich durch die kollegialisch organisierte Oberamtsregierung zu Budißin ersetzt: „Die zeitherige mittlere Appellationsinstanz des Judicii ordinarii von Land und Städten [. . .] wird hiermit aufgehoben“. Die Oberamtsregierung „soll aus einem Präsidenten [der ein im königlich sächsischen Markgraftum Oberlausitz ansässiger Rittergutsbesitzer sein mußte – HvS], vier weltlichen Räthen, wovon zwei adeligen, zwei bürgerlichen Standes sind, und einem geistlichen Beisitzer, mit dem Prädikate eines Kirchen- und Schulrathes, bestehen. – Die Räthe haben ihren Sitz, ohne Rücksicht auf eine Lateralverschiedenheit, blos nach dem Alter der Anstellung in dem Collegio. – Dem Präsidenten ist der jetzige Rang des OberAmts-Hauptmanns [. . .] zugetheilt. Die Geschäfte werden [. . .] collegialisch verhandelt. – Zu Zeugenverhören und andern gerichtlichen Verhandlungen, welche in den unmittelbar bei der Oberamtsregierung rechtshängigen Sachen vorkommen, und nicht bei ihr selbst besorgt werden können, ertheilt dieselbe dem bei der landvoigteilichen Seidau angestellten Justitiar, oder, nach Befinden, andern Gerichtsbehörden Auftrag“. „Verfügungen“ der Oberamtsregierung, also auch Entscheidungen im Rahmen ihrer Zuständigkeit als erstinstanzliches Gericht und

577

StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 120. VOU II, S. 160. 579 StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 121 f. Vgl. die Ladungen des Landvogts oder seines Vertreters an die Assessoren im 18. und 19. Jahrhundert StA Breslau, Oberamtsprotokolle I–III. 580 KW I, S.178 ff. 581 LSD, S. 222 ff.; KW I, 183 ff., 186 ff. 578

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C. Landesherrliche Gerichte

Appellationsinstanz582 erfolgten nun im Namen des Landesherrn („in Unserem Namen“) unter Anhängung eines der Oberamtsregierung „deshalb zugestellten Siegels“.583 Die Gerichtspersonen, auf Richterseite mithin weiterhin der höchste landesherrliche Vertreter im Markgraftum Oberlausitz, auf Beisitzerseite weiterhin Vertreter der sowohl aus landsässigem Adel als auch den landesherrlichen Städten bestehenden Landstände, wurden jetzt herrschaftlich ausgewählt und ernannt. Neu war auch, daß ebenfalls die Geistlichkeit, seit jeher Bestandteil der Landstände, einen Vertreter entsandte; dies wohl deshalb, weil die Oberamtsregierung jetzt auch hinsichtlich der Kirche im Markgraftum Oberlausitz zuständig war. Hinsichtlich der Natur der Anforderungen und Pflichten sind Veränderungen nach 1821 nicht zu beobachten. Die Gerichtspersonen mußten nach dieser Regelung insbesondere weiterhin nicht ausdrücklich juristisch gelehrt sein. Zur Klärung juristischer Fragen wurde vor allem der Justitiar des landesherrlichen Dorfes Seidau herangezogen. Der Grundsatz der Funktionsteilung zwischen Richter und Schöffen bei der Urteilsfindung galt wie zuvor im Gericht von Land und Städten auch in diesem Gericht, das mithin „collegialisch“ arbeitete, nicht (mehr). 4. Ergebnis Ab Beginn des 15. Jahrhunderts ist im Untersuchungsgebiet im Zuge von Exemtionen von der landesherrlichen Gerichtszuständigkeit beziehungsweise in Ablösung älterer Gerichtsverfassungsstrukturen die Entstehung neuer Gerichte auf landesherrlicher Ebene zu beobachten. Das ab diesem Zeitraum nachgewiesene Gericht von Land und Städten war vergleichbar schlesischen Verhältnissen ein Gericht für die Angehörigen sowohl des landsässigen Adels als auch der Angehörigen der bürgerlichen Eliten der landesherrlichen Städte, die Landstände, die mithin eine (standesübergreifende) Rechtsgenossenschaft darstellten, wie sich insbesondere am bis zum Ende des Bestehens dieses Gerichts (zuletzt mit Einschränkungen) verwirklichten „dinggenossenschaftlichen Prinzip“ zeigt. Auch hier fand zunächst einmal personelle Funktionsteilung in Richter und Urteiler statt. Richter war der Landesherr beziehungsweise tatsächlich als sein Vertreter ständig der Landvogt oder später dessen ständiger Vertreter, der Oberamtshauptmann. Auswahl und Ernennung hinsichtlich der Urteiler war ursprünglich eine Befugnis des Landesherrn, wobei er stets den Grundsatz beachtete, nur Angehörige der den Gericht unterworfenen Genossenschaft, hier der Landstände, auszuwählen. Bereits insoweit war das Auswahlrecht gemäß dem „dinggenossenschaftlichen Prinzip“ eingeschränkt. Zudem erlangte die genossenschaftliche Ordnung spätestens ab dem 16. Jahrhundert weitergehenden Einfluß auf diese Befugnis. Die Vertreter des landsässigen Adels wurden nunmehr nach dem582 Dies ergibt sich aus der Stellung dieser Passage bei den allgemeinen, für alle Aufgaben zutreffenden Vorschriften des Mandates. 583 GS Sachsen 1821, S. 17 ff.

IV. Gericht von Land und Städten/Oberamtsregierung

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Grundsatz der Mehrheitswahl vom landsässigen Adel des Budißiner beziehungsweise Görlitzer Kreises gewählt und nur noch vom Landesherrn (Landvogt) bestätigt, und zwar auf Dauer für eine bestimmte Zeit. Die Landesältesten, die allein von den adligen Landständen erwählten und ernannten „Repräsentanten“ der adligen Landstände, waren qua Amt automatisch Beisitzer, genauso etwa der landesherrliche Landeshauptmann. Die landesherrlichen Städte hatten völlige Freiheit, ihre Vertreter selbst auszuwählen und abzufertigen. Die Wahl mußte dem Landesherrn (Landvogt) lediglich angezeigt werden. Hinsichtlich der Anforderungen war es bis zuletzt nicht zwingend erforderlich, gelehrter Jurist zu sein. Es war bis zum Aufhören des Gerichts im 19. Jahrhundert gemäß dem „dinggenossenschaftlichen Prinzip“ ausreichend, aber auch erforderlich, Angehöriger des landsässigen Adels oder Mitglied des Rates einer landesherrlichen Stadt zu sein. Ab dem 17. Jahrhundert waren praktisch jedoch – im Gegensatz zu den adligen Vertretern – die meisten Ratsmitglieder gelehrt. Meist erschien im Gericht der Syndikus einer landesherrlichen Stadt, um den gelehrtrechtlichen Sachverstand einzubringen. Als Anforderungsumschreibungen erscheinen im übrigen bereits bekannte Begriffe wie „tauglich“, „geschickt“ oder „qualificirt“. Meist wurden Personen ausgewählt, die bereits landesherrliche, landständische oder Ratsämter innehatten. Auch die Pflichten dieser Beisitzer beinhalten die alte Schöffenpflicht, unbeeinflußt und gerecht ohne Ansehung der Person zu urteilen. Hinsichtlich der Urteilsfindung konnte der Grundsatz der Funktionsteilung bis zum Aufhören des Gerichts im 19. Jahrhundert aufrechterhalten werden. Zumindest maßgeblich waren die beiden Gruppen der Landstände an der Urteilsfindung beteiligt. Nur im Falle der Uneinigkeit der beiden Gruppen, die nach neueren Quellen wie der Landvogt über jeweils eine Stimme verfügten, hatten der Richter und damit das herrschaftliche Element die ausschlaggebende Stimme. Soweit bei zunehmender herrschaftlicher Gesetzgebungsaktivität das Urteil überhaupt noch in der Lage war, allgemeinverbindliches Recht zu schaffen, war das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ in diesem Gericht trotz zwischenzeitlich unternommener Versuche insbesondere der böhmischen Landesherren nach 1547, die landesherrliche Gewalt gegenüber den Landständen gerade auch auf gerichtsverfassungsrechtlichem Weg auszubauen,584 bis zum Ende seines Bestehens verwirklicht, indem die – oftmals ungelehrten – Urteiler aus dem Kreis der Rechtsgenossen, Adel und städtische Eliten, über die Partei Urteil und damit Recht fanden. Dies trifft mit Weitzel wie erörtert jedenfalls „zumindest [auf die] unbewußte Neuschöpfung von Recht [durch das Urteil – HvS] vor allem im Wege des zunächst unbemerkten Bedeutungwandels“ 585 zu. Gegenstand dieser Arbeit ist nicht (und mithin dringend zu untersuchen ist) die Frage, in welchen „gesetzesfreien Reservaten“ gerade ab dem Augusteischen Zeitalter, ab dem gemäß oberflächlicher 584 585

Peterka, Rechtsgeschichte II, S. 97 ff. Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 90 f.

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C. Landesherrliche Gerichte

Überprüfung der Kompendien des Oberlausitzer Territorialrechts586 eine verstärkte landesherrliche Gesetzgebungstätigkeit einsetzte, dem Urteil noch rechtsbildende Funktion zukam. Es dürften noch einige Bereiche gewesen sein. Das Gericht von Land und Städten tagte dreimal im Jahr an feststehenden Terminen, nämlich Okuli, Bartholomäi und Elisabeth, mithin im zeitlichen Zusammenhang mit den Landtagen. Dazwischen konnten aber bei Notdurft außerordentliche Gerichtstage stattfinden. Der Gerichtsort war, soweit die Überlieferung reicht, stets das Schloß Ortenburg.

V. Ämter Nachweislich ab der Mitte des 14. Jahrhunderts begannen die Landvögte, sich bei der Wahrnehmung der landesherrlichen Rechte insbesondere auch in der Gerichtsverfassung durch Untervögte ([später Amts-]Hauptleute) untervertreten zu lassen. Ab Ende des 14. Jahrhunderts gab es Untervögte jeweils mit Sitz in Budißin und Görlitz mit bestimmten, teils voneinander verschiedenen sachlichen, räumlichen und personellen Zuständigkeitsbereichen, später Kreise oder Ämter beziehungsweise, soweit es Görlitz betraf, auch Fürstentum genannt.587 Beide Ämter waren nachweisbar ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, wohl aber auch zuvor stets in gerichtsförmigen Verfahren, sogenannten (Amts-)„Vorbescheiden“ 588, tätig. Im Rahmen solcher Verfahren wurden nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585 „Parten-Sachen“, in denen die Parteien mit „Bürgentheil“, „Beyständen und Advocaten“ erschienen,589 mithin streitige Verfahren behandelt und entschieden. Das Amt Görlitz mit Hofgericht wurde am 1. Oktober 1816 nach der „Bekanntmachung“ des Königlich Preußischen Oberlandesgerichts von Niederschlesien und der Lausitz zu Glogau, „insoweit es Justizbehörde war“, „aufgelöset und mit dem königl. Oberlandesgerichte [. . .] zu Glogau vereiniget“.590 Das Amt Budißin wurde als Bestandteil des Oberamts bei dessen Auflösung 1821 behandelt, denn die neugebildete Oberamtsregierung übernahm auch die Zuständigkeiten des Amtes Budißin.591 Wesentliche Quellen hinsichtlich der Gerichtsverfassung der Ämter sind neben den landesherrlichen Urkunden, die ab dem 16. Jahrhundert einsetzen, wie etwa die 586

Siehe insb. KW I–VI. Für die böhmische Zeit Kapras, Rechtsgeschichte, S. 28 ff., 65 ff.;74 f.; für die sächsische Zeit Boetticher, Adel I, S. 24 ff.; zeitgenössische Quelle des 16. Jahrhunderts: StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1. 588 Im Unterschied zu den „General-Vorbescheiden“ des Gerichts von Land und Städten (vgl. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 2). 589 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1: „Von Vorbescheiden, wie diese anzustellen und abzukündigen“. 590 Abdruck bei Anonymus, Gerichtsverfassung, S. 628 ff. 591 Vgl. königlich sächsisches Mandat, die neuen Verfassungs- und Verwaltungs-Einrichtungen in der Oberlausitz betreffend, vom 12. März 1821 (GS Sachsen, S. 17 ff.). 587

V. Ämter

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bereits erwähnten ältesten überlieferten landesherrlichen Instruktionen an die Landvögte sowie der ebenfalls bereits angesprochenen landesherrlichen „Confirmation einer Abhandlung“ zwischen dem Landvogt Dohna und den Landständen von 1561 rein deskriptive Quellen wie der bereits erwähnte Bericht des Görlitzer Hauptmanns von ungefähr 1585592 sowie zahlreiche Gerichtsprotokolle. Hier wurden die derzeit im Staatsarchiv Breslau aufbewahrten Gerichtsprotokolle des Amtes Görlitz, die in einer durchgängigen Überlieferung von 1602 bis zur Auflösung des Amtes 1816 vorliegen, herangezogen.593 1. Gerichtspersonen a) Richterbesetzung Der Landvogt sollte nach dem Willen des Landesherrn in erster Linie Gerichtsperson hinsichtlich der landesherrlichen Gerichtsverfassung, mithin auch in den Ämtern sein. Er wurde insoweit jedoch tatsächlich bald von den (Amts-) Hauptleuten ständig vertreten. 1346 erscheinen landesherrliche „subcapitanei [. . .] terre Zittauiensis“ 594, 1355 mit „Henricus de Kittlicz“ tritt erstmals ein „vicecapitaneus“ des Vogteibezirks Budißin auf.595 Nach der landesherrlichen Instruktion an den Landvogt von 1554 wird zwar gefordert: „Soll unser Land-Voigt, unser Königl. Ober-Gerichte, Hoff- und Land-Gerichte, deßgleichen auch allen gerichtlichen Proceß, in unserm Nahmen handeln“. Jedoch: „Und dieweil unser Land-Voigt solche Königl. Ober- Land- und Hoff-Gerichte alle zubesuchen, zu weit entlegen, so soll er und mag dieselben [mit den erforderlichen Gerichtspersonen] besetzen“.596 Wenn sich dies nicht ausdrücklich auch auf die Ämter bezog, galt dies doch auch insoweit. Die „Abhandlung“ von 1561 äußert sich wie folgt: „Betreffend beyde Amts-Hauptleute im Budißinischen und Görlitzischen, derselben Annehmung und Unterhaltung, erachten Wir [. . .], daß es dem alten Gebrauch nicht ungemäß und zu Erledigung fürfallender Geschäffte zuträglicher, daß beyde Hauptleute von dem Land-Voigte [. . .] angenommen [. . .] werden, und daß in künfftiger Zeit ihnen folgender Gestalt ihre Amts-Verrichtung zugelassen sey, die ordentliche Hof- und Land-Gerichte, anstatt und in Nahmen eines LandVoigts (doch zu der Zeit, wann er selbst nicht darbey seyn, oder solches verrichten könnte), zu besetzen, zu verwalten, die Gräntz zu besichtigen, Urtheil, Erkänntniß und Abscheide ergehen zu lassen“.597 Nach dem Revers des Landvogts

592 593 594 595 596 597

StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1: „Ambts-Hauptleuthe und ihre Abschiede“. StA Breslau, Amtsprotokolle. CDLS I, 374 ff., 375, Z. 31. VOU I, S. 62. KW II, S. 1337 ff., 1338; vgl. KW II, S. 1350 ff. KW II, S. 1357.

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C. Landesherrliche Gerichte

Graf Dohna von 1549598 und dem Bericht des Görlitzer Hauptmanns um 1585599 war es mithin lediglich Zweck der Bestellung von Hauptleuten, daß „sie mit Hülf und Rath in seinem Abwesen, weil Er an allen Orthen nicht gesein könne“, an seiner Stelle die Amtsgeschäfte des Landvogts übernahmen. Hin und wieder hielt der Landvogt persönlich Gericht. Tatsächlich war es aber – zumindest in Görlitz – die Regel, daß der Amtshauptmann handelte.600 Der Hauptmann zu Budißin wurde mit der Zeit wohl durch Verwaltungspraxis zum ständigen Vertreter (mit dem Titel Oberamtshauptmann, -verwalter) des dauernd abwesenden Landvogts, bis das Amt des Landvogts nicht mehr besetzt, mithin durch den Budißiner Hauptmann wie gesehen ständig versehen wurde. Das Amt Budißin verschmolz auch hinsichtlich des Kanzleipersonals mit der Landvogtei. Jedoch blieben Oberamt (Gericht von Land und Städten) und Amt Budißin zumindest der äußeren Form nach gerichtsverfassungsrechtlich getrennt.601 Beide Hauptleute handelten auch im 18. und 19. Jahrhundert als Richter in den gerichtsförmigen Verfahren des jeweiligen Amtes.602 Dies geht hinsichtlich des Görlitzer Hauptmanns auch aus den Amtsprotokollen von 1602 bis 1816, als das Amt Görlitz aufgelöst wurde, hervor, wobei ab und an ab dem 18. Jahrhundert einer der beiden Landesältesten den Vorsitz im Gericht anstelle des Hauptmanns wohl bei dessen Verhinderung führte.603 Während die Schöffen keine Besoldung oder Diät erhielten, wurde der Amtshauptmann, wie aus der erwähnten landesherrlichen „Confirmation einer Abhandlung“ von 1561 hervorgeht, vom Landvogt „unterhalten“.604 Nicht dem Landvogt, schon gar nicht dem Amtshauptmann kamen jedoch die Einkünfte aus den Ämtern zu, sondern dem Landesherrn, wie sich aus folgender Aufzählung der landesherrlichen Instruktion an den Landvogt von 1547 und 1561 ergibt: „Soll [. . .] Unser Land-Voigt das Amt der Land-Voigtey, mit allen Nutzungen und Zugehörungen, ausserhalb der Ober-Gerichte, auch Land- und Hof-Gerichte, Burg-Lehn, und was derhalben sonst in bemeldtes unsers Hauptmanns Instruc598

KW II, S. 1335 ff., 1336. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1: „Ambts-Hauptleuthe undt ihre Abschiede“. 600 Vgl. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1: „Wie Landvoigt Görlizischen Amts-Sachen beywohnen mögen“. 601 Näher Boetticher, Adel I, S. 25 f.; Knothe, Rechtsgeschichte, S. 37 ff. Zeitgenössische Quelle um die Wende zum 19. Jahrhundert: „Das Oberamt und Amt Budissin haben einerley Personale“ (Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 73). Jedoch sagt eine zeitgenössische Quelle noch des 18. Jahrhunderts: „Beyde, Budißin und Görlitz, stehen unter dem Ober-Amte, welches nebst dem Judicio Ordinario die oberste Instanz, oder das höchste Gerichte in dieser Provinz ausmacht“ (Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 17). 602 Vgl. Wabst, Nachricht, S. 273; Römer, Staatsrecht, S. 170 ff. (18. Jahrhundert); Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 68 ff., 74 f. (19. Jahrhundert). Vgl. Zeichnung der Sitzordnung während einer „Session bey den Görlitzischen Amts-Vorbeschieden (. . .)“ im 18. Jahrhundert (Meißner, Materialien, S. 59). 603 StA Breslau, Amtsprotokolle; hinsichtlich Vertretung z. B. 17. März 1802, Bl. 329. 604 KW II, S. 1354 ff., 1357. 599

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tion seinethalben begriffen [gemeint ist die landesherrliche Instruktion an den Landeshauptmann vom selben Jahr, die nachfolgend zitiert wird – HvS], und Uns zu gut vorbehalten ist, genüßen und gebrauchen.“ 605 Die landesherrliche Instruktion an den Landeshauptmann von 1561 nennt die Einkünfte aus den Ämtern nicht, sagt aber: „Darauf soll [der Landeshauptmann] die Fälligkeiten, Bußen, Straffen und Wandel, so Uns bey denselben Gerichten von Rechtswegen in Unser Cammer zuständig seyn, Aufachtung haben, damir Uns dieselbe nichzt verdrucket, auch sonsten verwendet werden.“ 606 Jedoch erscheinen die Einkünfte aus den Ämtern in der Aufzählung der landesherrlichen „Cantzeley-Taxa“ von 1562 wie auch den späteren Kanzleitaxen, die mithin Verfahren auch vor den Ämtern betreffen, insbesondere „Vorbeschiede [. . .] vor die Amts-Hauptleute“.607 b) Auswahl und Ernennung des Richters Der Amtshauptmann wurde ursprünglich allein vom Landvogt (als Vertreter des Landesherrn als Gerichtsherrn) ausgewählt und ernannt. Die Befugnis lag daher zunächst allein bei der herrschaftlichen Ordnung. Die Landstände des jeweiligen Kreises, die, wie noch zu zeigen ist, die dem jeweiligen Amt unterworfene Genossenschaft bildeten, erlangten in der Folge jedoch weitergehende Beteiligung. So heißt es im Bericht des Görlitzer Stadtschreibers Haß „von der hewptmanschafft alhie zw Gorlitz“ bezogen auf das Jahr 1514: „Hat der landvoite s. g. mondtags noch Vincentij anno decimo quarto vt supra, Lewtern von Schreibersdorf alher geschickt, vnd Cristoffen von Lottitz zu Reynersdorf [Christoph v. Luttitz auf Rennersdorf im Görlitzer Amt608 – HvS] zu einem hewptmann gesatzt, vnd der manschafft vnd der stat, die den jm closter vorsamelt gewest, namhafftig gemacht, mit befelh demselben, als einem hewptmann, der billikeit zugeleisten etc. Dorauff haben sich die manschafft an einem vnd die geschickten des rats, Johannes Hass prothonotarius [der Verfasser dieses Berichts – HvS], Bernhart Bernt gepetener cammerer vnd Daniel Goritz vorsteher des closters, auch mgr. Johannes Coci [. . .] statschreiber zum Lauben am andern teil vndirredet, vnd doch eintrechtiglich beraten, noch dem sie von vorgeschlagenen vnd gegeben hewptman nicht anders wosten den alle redlikeit, als von einem fromen landsessen, das sie dem hewptmann zusagen wolden, jnen also anzunemenn.“ 609 Derselbe Chronist berichtet hinsichtlich der Budißiner Hauptmannschaft Vergleichbares: „Isz hat sich vor alders gehalden, so eine voite dieser lande vnd stete einen 605

KW II, S. 1337 ff., 1340; 1350 ff., 1353. Vgl. KW II, S. 1361 ff. 607 KW I, S. 36 ff. Vgl. die späteren, im Anschluß an diese Quelle im KW abgedruckten Taxen. 608 Über ihn Knothe, Rechtsgeschichte, S. 371; über seine Familie ohne Nennung dieses Angehörigen als Hauptmann ders., Adel I, S. 343 ff. 609 Haß, Ratsannalen I, S. 294. 606

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hewptman hat angenomenn, so hat er denselbigen der manschafft vnd den von steten angesaget, die sich den mit einander vndirredet, vnd dem herrn eintrechtiglich eine antwort gegeben. Hat man befunden das er dorzu tuglich, so ist dem zugesaget wurden, den vorgeslagenen zu einem hewptmann anzunemen. So aber vormarckt, das isz sich mit jme nicht hat wollen erleiden (als ap er kein landsesse, ader das nicht ausz den geschlechtern gewest wie den Hansen von Rechenberg zw Oppach furgehalden), wiewol zurselben zeit nicht angetzeiget ist worden von dem adel, welches die schlecht weren etc. vnd dergleichen), so ist der her [der Landvogt – HvS] desselben mit glimpff vnddirricht worden vnd das s. g. [Seiner Gnaden, das heißt dem Landvogt – HvS] solchs nachlassen wolde“ 610. Die Landstände des jeweiligen Kreises erscheinen also frühzeitig ausgestattet mit der Befugnis, den vom (Vertreter des) Gerichtsherrn Ausgewählten „anzunehmen“. Die Auswahl des Hauptmanns erfolgte auch nach der „Abhandlung“ von 1561611 und nach dem diese Quelle wiedergebenden Bericht des Hauptmanns des Görlitzer Kreises von ungefähr 1585612 „vor Alters“ „mit Rath und Vorwissen der Stände“. In der Beschwerde der Landstände gegen die Amtsführung des Landvogts von 1559 heißt es: „mit Rath und Bewilligung der Stände“.613 Nach einem späteren Bericht über den „Processus Wie heutiges Tages die Landvoigtheiliche Annehmung eines Amts-Hauptmanns im Fürstenthum Görlitz zu geschehen pflegt“, wurde nach dem Tod eines Amtshauptmanns „vom Hrn. Landvoigt ein gewißer Tag präsigiret, und dazu die gesamte Land-Stände des Görlitzischen Creißes, samt denen drey Creiß-Städten, Görlitz, Zittau und Lauban citiret“, woraufhin diese „in der Stadt Görlitz“ „erschienen“, „und vergleichen sich anfangs die Herren Land-Stände eines gewißen Subjects zu solchem vacierenden Amte, nachgehends werden jetzgedachter drey Städte Abgeordnete in derer Hrn Land-Stände Mittel ersucht, und ihnen das denominirte Subject eröffnet, die dann [. . .] sich über den fürgeschlagenen Subject kürtzlich mit einander vernehmen, und wann sodann Land und Städte einig, wird die Amts-Hauptmannschaft dem per majora erwählten Subject durch gewisse Deputatos, von Land und Städten angetragen, und mit ihme dieserhalb capituliret, nachfolgends und wenn man mit ihm einig, wird solches Subject per Deputatos von Land und Städten, dem Herrn Landvogt vorgetragen, und gebeten, die erwählte Person, der Observanz nach, zu installiren.“ 614 In der landesherrlichen Instruktion an den Landvogt von 1674 heißt es: „Wann [der Landvogt] die Haupt-Leuthe mit Rath und Wissen der Stände [annimmt], [soll er sie] mit sondern Ernst insinuiren und

610 611 612 613 614

Haß, Ratsannalen I, S. 265. KW II, S. 1354 ff. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 3. Weinart, Rechte I, S. 40. Weinart, Rechte I, S. 64 f.

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einbilden, desgleichen auch in Aufnehmung eines Hof-Richters und Cantzlers geschehen soll, welche zwey Aemter, wie vor Alters, in [des Landvogts] Macht stehen, aufzunehmen und zuenturlauben.“ 615 Hier werden die Rechte des Landvogts bezüglich Auswahl und Ernennung des Hofrichters beziehungsweise des Hauptmanns miteinander verglichen, waren die Rechte mithin hinsichtlich des Hofrichters umfänglicher. Der vom Landvogt ernannte Hauptmann mußte nach dem Bericht des Görlitzer Hauptmanns um 1585 den „Ständen deßelbigen Amtes“ auf einem besonders hierzu ausgeschriebenen Landtag „vorgestellt“ und „publiciert“ werden.616 Die Zuordnung des Rechts der Auswahl und Ernennung, ursprünglich wie gesehen ein Recht des Landesherrn, und desjenigen der „Annehmung“, zunächst ein Recht der Landstände, muß sich zwischenzeitlich verändert haben, denn Anfang des 19. Jahrhunderts berichtete Leonhardi: „Der Amtshauptmann [. . .] des Budissiner und der des Görlitzer Kreises wird von den Ständen jedes Kreises, von Land und Städten aus dreyen in die Wahl genommenen adlichen Kandidaten erwählt und entweder vom Landesherrn, oder wenn ein Landvoigt da ist, von diesem bestätigt.“ 617 Nun wählten die Landstände also den Hauptmann aus, und der Landesherr bestätigte die Wahl nur noch. Mit den Landständen hatte das genossenschaftliche Element also im Lauf der Zeit an Einfluß auf das ursprünglich rein herrschaftliche Recht des Landesherrn als Gerichtsherrn an Auswahl und Ernennung des Hauptmanns gewonnen. c) Anforderungen und Pflichten an den/des Richters Nunmehr ist auf die Anforderungen und Pflichten einzugehen. Der Görlitzer Chronist Haß berichtet zu Anfang des 16. Jahrhunderts über eine althergebrachte Gewohnheit bezüglich der Anforderungen an die Person des Hauptmanns: „So aber die manschafft die erste vbirleszen und befunden, das sich hertzog Sigmund itzt konig zw Polan vorschrieben hett, keynen auslendischen man der jm lande nicht beerbet noch gesessen, zw einem heubtmanne auffzunemen“.618 Der Amtshauptmann mußte also nach Haß vor allem stets ein im Lande Angesessener von der Ritterschaft sein, mithin „den Geschlechtern“ entstammen.619 Insoweit verpflichtete sich der Landesherr auch etwa 1501.620 Zu Amtshauptleuten wurden auch nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585 „für Alters“ „Mannen des Landes“, also landesherrliche Vasallen bestellt.621 Insoweit verpflichtete sich der jeweilige Landvogt auch in seinem jeweiligen Revers ge615 616 617 618 619 620 621

KW II, S. 1432 ff., 1434. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 3. Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 68 f. Haß, Ratsannalen I, S. 169. Haß, Ratsannalen I, S. 265. Urkunde 1501. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 3.

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genüber Land und Städten, wie sich etwa aus dem Revers des Landvogts Joachim Graf Schlick von 1562 ergibt.622 Der Begriff Land bezieht sich insoweit auf das jeweilige Amt. Nach den Forschungen Knothes waren sämtliche Budißiner und Görlitzer Amtshauptleute im Amt Budißin beziehungsweise Görlitz mit mindestens einem Lehngut angesessen.623 Dies ergibt sich auch aus einer von Behrnauer im 18. Jahrhundert angelegten Liste der bisherigen Amtshauptleute.624 Ein nichtadliger Amtshauptmann ist bis zum Ende des Untersuchungszeitraums nicht nachgewiesen. Die Hauptleute mußten nicht, auch nicht ab dem 16. Jahrhundert gelehrt oder halbgelehrt sein. Ausdrückliche Voraussetzung war Gelehrt- oder Halbgelehrtsein, mithin ein juristisches Studium, solange die Ämter bestanden, soweit ersichtlich, niemals. Er ist auch nur für die wenigsten Hauptleute nachweisbar. Bereits Knothe stellt in seiner bis heute maßgeblichen Untersuchung zum Oberlausitzer Adel fest: „Die Jungen hörten und lernten von den Alten. Der häufigere Besuch der Hof- oder Mannen-, selbst der Stadtgerichte in eigener oder fremder Angelegenheit führte nach und nach zu einer hinlänglichen Kenntnis des im Lande geltenden, ohnehin meist ungeschriebenen Gewohnheitsrechts, um bald selbst als Schöppe, ja als Richter fungiren zu können. Der Besuch der [. . .] Landtage machte nach und nach vertraut genug mit den speciellen Landesangelegenheiten, um die Stelle eines Aeltesten [. . .], ja eines Amtshauptmanns übernehmen zu dürfen“.625 Ab dem 16. Jahrhundert handelte es sich jedoch vermehrt um Angehörige des Oberlausitzer landsässigen Adels mit juristischem Hochschulabschluß. 1542 wurde der promovierte Jurist Ulrich v. Nostitz Hauptmann des Budißiner Kreises.626 Jacob v. Salza etwa war als Jurist in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Görlitzer Amtshauptmann.627 Der Amtshauptmann übte sein Amt lebenslänglich aus.628 d) Schöffenbesetzung Gemäß dem mittelalterlichen Grundsatz, daß die dem Gericht unterworfene Genossenschaft die Urteiler in diesem Gericht stellte, ist, was die Besetzung des jeweiligen Amtes mit Urteilern betrifft, zunächst ein Blick auf die vor allem personelle Zuständigkeit der Ämter zu werfen. Die Zuständigkeit der Ämter deckt sich in wesentlichen Bestandteilen mit der der alten Vogtdinge, soweit es jedoch jetzt den jeweiligen Zuständigkeitsbereich des betreffenden Amtes betraf. Der 622

KW II, S. 1365 ff., 1366. Knothe, Rechtsgeschichte, S. 371 f. 624 Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 33 ff. 625 Knothe, Adel I, S. 101. 626 Knothe, Adel I, S. 388 f. 627 Knothe, Adel I, 470; II, S. 141. 628 Vgl. Bericht über den „Processus Wie heutiges Tages die Landvoigtheiliche Annehmung eines Amts-Hauptmanns im Fürstenthum Görlitz zu geschehen pflegt“ (Weinart, Rechte I, S. 64). 623

V. Ämter

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Rechtsspruch König Wladislaws von 1497 weist dem Vogtding – teilweise wortwörtlich übereinstimmend – die Zuständigkeit zu, die ihm auch die landesherrliche Urkunde von 1329 zugewiesen hatte,629 jedoch anders als die Urkunde von 1329 nicht selbstverständlich davon ausgehend, daß allein der Vogt der Richter sei, sondern auch der Hauptmann: „Würde auch ein Rittermäßig Mann oder desselben arm Mann [Untertan, Bauer – HvS], mit den von Görlitz einen, oder ihrer Armen Leuthe einen uneinig, und vorletzt einer den andern das er doch der 6. Stücke [die in der bereits erwähnten landesherrlichen Urkunde von 1303 zugunsten der Görlitzer630 genannten Obergerichte – HvS] keines antrifft, so sollen die von Görlitz, von des ihnen wegen, der vorletzt worden wäre, den Rittermäßigen, oder seinen armen Mann, als Vorletzter, nicht für ihre Gerichts-Bäncke laden, sondern für unsern ietzigen oder künfftigen Land-Voigt, oder vor seinen Haubtmann zu Görlitz, in das Hoff-Gedinge“.631 Die landesherrliche Instruktion an den Landvogt Graf Dohna von 1554 klärt auf: „Soll unser Land-Voigt, unser Königl. Ober-Gerichte, Hoff- und Landgerichte, deßgleichen auch alle gerichtlichen Proceß, in unserm Nahmen handeln“. Jedoch: „Dieweil unser Land-Voigt solche Königl. Ober- Land- und Hoff-Gerichte alle zubesuchen, zu weit entlegen, so soll er und mag dieselben (mit) nothwendigen Richtern, Gerichts-Dienern, auch einen Landreuther versehen und bestellen“.632 Bei Streitigkeiten etwa zwischen Adel und Bürgern, mithin zwischen Angehörigen unterschiedlicher Stände außerhalb der in der landesherrlichen Urkunde von 1303 genannten Obergerichte, jedoch im Rahmen der in der von der landesherrlichen Urkunde von 1329 abgedeckten Zuständigkeiten war damals auch das Vogtding zuständig, jetzt in derselben Konstellation zudem beziehungsweise ausschließlich das Amt. Durch den Pönfall wurde die sachliche Zuständigkeit der landesherrlichen Gerichte gerade nicht beeinträchtigt, weswegen insoweit Vergleiche zwischen den Verhältnissen vor und nach 1547 zulässig sind. Hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit kam dem Amt jetzt die erwähnte Vogteizuständigkeit in Grenzsachen zu. Dies deckt sich – bei aller Unterschiedlichkeit im übrigen – mit der Entwicklung in der wettinischen Mark Meißen, wo aus den Vogtdingen unter Übernahme deren Zuständigkeit Ämter genannte Gerichte entstanden, wobei diese Gerichte ebenfalls regelmäßig nur für einen Ausschnitt des ehemaligen Vogteibezirks, das jeweilige Amt, räumlich zuständig wurden.633 Der Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585, der auch die räumlichen Zuständigkeitsbereiche jeweiligen Amtes genau beschreibt, faßt die sachlichen Zuständigkeiten der Hauptleute wie folgt zusammen, wobei er hervorhebt, daß

629 630 631 632 633

Vgl. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 528 f. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. LSD, S. 43 ff., 44. KW II, S. 1337 f. Näher hierzu Lück, Gerichtsverfassung, S. 156 f.

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C. Landesherrliche Gerichte

die Hauptleute stets Aufgaben des Landvogts wahrnahmen, mithin in dessen Stellvertretung handelten: „Es sey in Justitiae Sachen, und was denenhalben anhängig, [. . .] Volgen, Verhörungen, und Besichtigungen, Bereitungen, Handtlangen, und Entschiedungen, Urtel, Erkenntnis und Abschieden, Appellationen und Supplicationen, Grenzsachen, Waßerläuften, und anderen Irrungen, und Streitsachen, Wittiben, Weisen, Unmünden, und Vormünden, Lehn, Lehnschaften, Ritterdienst und Erbfelle, (landesherrliche) Befehliche, Landes Ordnung und Constitution, Policey, Canzeley-Taxa, und Acten, alte Gebräuche und gute Gewohnheiten, Verwarnung, Hülfe, Pfanden, Aufgeboth, Einweisung, Execution und alle anderen [Sachen, die ihnen im Namen des Landvogt zu verrichten aufgetragen ist und zusteht].“ 634 Gerade hinsichtlich Grenzsachen ist wie erörtert die Zuständigkeit des Vogtdings Görlitz noch für das 14. Jahrhundert nachgewiesen. Personell war das Amt zuständig, wenn zwischen den einzelnen Rechtsgemeinschaften, mithin Ständen Streit entstand, soweit nicht andere Gerichte zuständig waren, wie etwa bis ins 19. Jahrhundert die grundherrlichen (Patrimonial-)Gerichte oder bis 1547 das praktisch in der Besetzung des Erbgerichts tagende Vogtding Görlitz hinsichtlich der in der bereits erwähnten landesherrlichen Urkunde von 1303635 genannten Obergerichte unabhängig vom Stand der Partei.636 Hinsichtlich der räumlichen Zuständigkeit des jeweiligen Amtes sicherte der Landesherr den Landständen in der „Confirmation der Abhandlung“ zwischen dem Landvogt und diesen von 1561 zu, daß die Ämter Görlitz und Budißin stets getrennt und jeweils mit einem Hauptmann zu besetzen seien.637 In der landesherrlichen „Cantzeley-Taxa“ von 1562 heißt es: „Es werden [. . .] in allen denen Dingen [den zuvor aufgezählten sachlichen Zuständigkeiten – HvS] die Aemter Budißin und Görlitz nicht gemenget, noch aus einem in das andere geholffen, sondern ein jeder Landsasse hält sich an sein Amt, dahin er gehöret“.638 Die genannten Zuständigkeitsbereiche veränderten sich ihrer Struktur nach bis ins 19. Jahrhundert, mithin der Auflösung der Ämter nicht.639 Jedem Hauptmann wurden nach dem Bericht des Görlitzer Hauptmanns von ungefähr 1585 „Beisitzer“ „zugeordnet“. Gewohnheit war, daß das Gremium vergleichbar dem Gericht von Land und Städten, jedoch bezogen auf den jeweiligen Kreis aus Vertretern sowohl der Landschaft als auch der landesherrlichen Städte des jeweiligen Kreises bestehen mußte. So erfolgten die „Besichtigungen“, 634

Vgl. auch etwa die landesherrliche „Cantzeley-Taxa“ von 1562 (KW I, S. 36 ff.). Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. 636 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 3. Soweit es die Lehnssachen betrifft, scheint mit der Zeit zumindest teilweise eine Zuständigkeitsverschiebung von den Hofgerichten als ursprünglichen Lehnsgerichten zu den Ämtern stattgefunden zu haben. 637 KW II, S. 1354 ff. 638 KW I, S. 36 ff., 42. 639 Vgl. Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 72 ff., 74 f.; Römer, Staatsrecht II, S. 170 ff., 178; Wabst, Nachricht, S. 275 f. 635

V. Ämter

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„Vorhöre“, „Vorbescheide“ und „Abschiede“ „in Parthey-Sachen“ nach der Klage der landesherrlichen Städte gegen die Amtsführung des Landvogts Dohna von 1559 stets durch den Hauptmann „mit und neben den Verordneten von Land und Städten“ des jeweiligen Kreises.640 Als Vertreter des landsässigen Adels des betreffenden Amtes waren immer die beiden betreffenden Landesältesten hinzuzuziehen. Nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585 waren ihre Aufgaben in den beiden Ämtern unterschiedlich: „Sie sollen bey allen Sachen [dabei] sein, was Land und Städte, und dann auch die hohe Obrigkeit angeht, Als die Budißinischen bey den Amts-Vorbescheiden, Besichtigungen, und andern Sachen, der Budißinischen drey Creyse. Die Görlitzischen bey allen Verhör[en], Vorbescheiden, Besichtigungen, und anderen Sachen, des Görlitzischen Amts, dreyer Creyse.“ 641 Die Landesältesten erhielten nicht für ihre Tätigkeit im Gericht, sondern wegen ihres Amtes als solche eine „Besoldung“.642 Desgleichen wurden in jedem Amt Vertreter der dort jeweils belegenen landesherrlichen Städte zugezogen.643 Es handelte sich nach einer „Ordnung“ des Görlitzer Hauptmanns Jacob v. Salza von 1587, die Besetzung des Amtes Görlitz als Gericht, die Gerichtszeiten und das Verfahren betreffend, um jeweils zwei Vertreter der Städte Görlitz und Zittau und einen Vertreter der Stadt Lauban.644 Die tatsächlichen Verhältnisse schildern vor allem die Gerichtsprotokolle. Aus den in nahtloser Überlieferung erhaltenen Görlitzer Amtsprotokollen von 1602 bis 1816, dem Jahr der Auflösung des Amtes Görlitz, ergeben sich leider, soweit es das 17. Jahrhundert betrifft, keine Hinweise auf die jeweilige Gerichtsbesetzung, da, soweit festgestellt werden konnte, in den Protokollen weder der Name des Hauptmanns noch die der jeweils anwesenden Beisitzer erscheinen.645 Aus den Protokollen des Amtes Görlitz ab dem 18. Jahrhundert ergeben sich dagegen aus den einleitenden Eintragungen regelmäßig Namen und Funktion der jeweiligen Gerichtspersonen. Laut den Protokollen aus den Jahren 1703/1704 waren nicht stets alle Vertreter aller im Amt Görlitz belegenen landesherrlichen Städte an den Gerichtstagen zugegen. Am 5. und 7. Dezember 1703 waren neben Amtshauptmann und beiden Görlitzer Landesältesten nur zwei Vertreter des Görlitzer Rates anwesend. Die Vertreter der anderen landesherrlichen Städte im Amt wurden ausdrücklich als fehlend angegeben. Am 8. Januar 1704 nahmen ebenfalls lediglich teil neben Amtshauptmann und beiden Landesältesten zwei Görlitzer Vertreter. Am 5. Mai 1704 waren anwesend neben Amtshauptmann und beiden Landesältesten zwei Görlitzer Vertreter und jeweils einer aus Lauban und Zit640 LSD, S. 152 ff., 153; Weinart, Rechte I, S. 41; vgl. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 3.: „die Verordneten von Land und Städten, desselben Amtes“. 641 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 4. 642 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 4. 643 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 3. 644 Abgedruckt Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 26. 645 StA Breslau, Amtsprotokolle.

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C. Landesherrliche Gerichte

tau.646 Somit wurde etwa im Amt Görlitz tatsächlich nicht immer die vorgeschriebene Schöffenbesetzung erreicht. Beim „Judicium Gorlicense“ am 20. Januar 1789 waren jedoch etwa Gerichtspersonen „sub praesidio des Herrn Amtshauptmanns von Kyau Excellenz“, folgende „Assessores“: „der Herr Landes Elteste von Schindel, auf Ober- und Nieder Schönbrunn, der Herr Landes Elteste von Kiesenwetter, auf Wandscha, Hr. Dr. Hartmann Syndicus (von Görlitz), Hr. Scab. Grißler (von Görlitz), Hr. Senator Seyfrat, von Zittau, Hr. Syndicus Seydel von Lauban“,647 also wiederum Vertreter aller Städte des Kreises. Eintragungen, wonach die Besetzung wie beschrieben war, erfolgten regelmäßig, so auch am 9. November 1790648 und am 6. November 1794649. Die Gerichtsbesetzung ist auch später gleichbleibend: Amtshauptmann, die zwei Landesältesten des Görlitzer Kreises, zwei Deputierte der Stadt Görlitz, jeweils einer aus Zittau und Lauban. Beide letztgenannten Städte waren also im Lauf des 18. Jahrhunderts wieder vertreten. Diese Gerichtsbesetzung erscheint auch, wobei ab und an Vertreter der ein oder anderen der Städte Lauban und Zittau beziehungsweise die beiden Landesältesten650 fehlen, bis 1816. Wabst beschrieb 1732 die zeitgenössische Gerichtsverfassung der Ämter Budißin und Görlitz: „In jedem [Districte] findet sich ein Amt, oder Curia Provincialis [. . .], als 1) in Budißin, da ist zu den Vorbeschieden ein Praesident oder AmtsHauptmann, der bald Ober-Amts-Hauptmann, bald Ober-Amts-Verwalter, wenn zumahl der Land-Voigt meistenstheils abwesend [. . .] genennet wird, verordnet, und demselben 2. Landes-Aeltesten, aus der Ritterschaft nebst etlichen Assessoribus aus denen 3. Städten Budißin, Camentz und Löbau beygefüget, welche beyde letztere aber, vielleicht aus Menagirung der Auslösung und Lieffer-Gelder lange Zeit nicht verschrieben worden [. . .]. Der Ober-Amts-Cantzler hat ein Votum Consultativum, führet das Protocoll [. . .], 2) in Görlitz, daselbst ebenfalls ein besonderer Amts-Hauptmann, der das praesidium führet, und 2. Landes-Aeltesten [. . .] nebst 4. Deputirten der Städte, nemlich 2. von Görlitz, 1. von Zittau, und 1. von Lauban, als Assessores, ingleichen ein Amts-Secretarius und Copisten befindlich.“ 651 Römer berichtete hinsichtlich der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Übereinstimmendes, wobei er jedoch feststellte, daß hinsichtlich des Amtes Budißin die Entsendung von Deputierten durch die drei im Amt belegenen landesherrlichen Städte „in neuern Zeiten“ wegen „zu vielen Kosten und Schwierigkeit“ „in der Maasse unterblieben, daß sie nicht eher dazu berufen werden, bis

646

RA Görlitz, Judicium Provinciale Gorlicense, Bl. 8, 22, 37. StA Breslau, Amtsprotokolle, 20. Januar 1789, Bl. 1. 648 StA Breslau, Amtsprotokolle, 9. November 1790, Bl. 30. 649 StA Breslau, Amtsprotokolle, 6. August 1794, Bl. 118. 650 z. B. StA Breslau, Amtsprotokolle, 15. Mai 1816, Bl. 389, als der Hauptmann nur mit den zwei Görlitzer Deputierten zusammen tagte. 651 Wabst, Nachricht, S. 273 f. 647

V. Ämter

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das Judicium ordinarium beyder Kreise zusammenkömmt.652 Diesem Bericht zufolge waren Vertreter der landesherrlichen Städte im Amt Budißin (anders als im Amt Görlitz) nurmehr noch im Gericht von Land und Städten, dem Gericht zweiter Instanz als Beisitzer vertreten, während im Amt als Gericht erster Instanz lediglich Vertreter der adligen Landstände als Beisitzer saßen, worüber sich bereits selbst der Berichtende wunderte: „Eigentlich ist es mir nicht so ganz erklärbar, warum sich die Städte so leicht dahin haben bringen lassen, auf ihren Antheil an der Verwaltung der Gerichtsbarkeit der ersten Instanz gleichsam stillschweigend Verzicht zu leisten. Sie könnten die damit [mit der Entsendung von Deputierten – HvS] verknüpften Schwierigkeiten dadurch leicht vermeiden, daß sie perpetuirliche Deputirte bey dem Amte anstellten, und auf diese Art bey allen Gerichtstagen gegenwärtig wären.“ 653 Die Deputierten der landesherrlichen Städte im Amt Budißin waren also nach diesem Bericht für jeden Gerichtstag jeweils neu bestellt und entsandt worden, was sich dieser Quelle zufolge später offenbar als so unverhältnismäßig herausgestellt hatte, daß die Städte bald ganz darauf verzichteten. Leonhardi berichtete 1806, daß beide „Amtshauptleute [. . .] bey den Amtsvorbeschieden [. . .] die 2 Landesältesten und die Deputirten der 3 Sechs-Städte jedes Kreises zu Beysitzern und als Officianten in Budissin die beyden Kanzler und den Oberamts-Secretair [haben]; in Görlitz aber [. . .] den Amtssecretair [. . .]. [Hinsichtlich des Amtes Budißin] muß ich noch erinnern, daß die Städte Löbau und Camenz seit langen Zeiten nicht mehr, aus Kostenersparniß, bey den Vorbeschieden erscheinen, ohngeachtet sie dazugehören“.654 Hiernach entsandte also zumindest die Stadt Budißin weiterhin Deputierte als Beisitzer. Eine von Meißner in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts veröffentlichte Zeichnung der zeitgenössischen Sitzordnung während einer „Session bey den Görlitzischen Amts-Vorbeschieden“ zeigt an einem rechteckigen Tisch („Judicial-Tisch“) sitzend beginnend auf der Morgenseite im Uhrzeigersinn: Amtshauptmann, beide Landesälteste, Syndikus der Stadt Görlitz, zweiter Deputierter der Stadt Görlitz, Deputierter der Stadt Zittau, Deputierter der Stadt Lauban. An einem weiteren Tisch („Kanzley-Tisch“) sitzt allein der protokollierende Amtssekretär.655 Abweichende Besetzungen konnten beziehungsweise durften auch aus anderen als den genannten Gründen erfolgen. Nach der genannten „Ordnung“ des Görlitzer Hauptmann von 1587 war die Häufung der „Klagen und Beschwerungen“, die mithin „anietzo mehr als hiebevorn ins Königliche Amt kommen“, sogar „fast täglich“ eingingen, dem Gericht „beschwerlich“ geworden. Deswegen wurde jetzt geregelt, daß „die geringschätzigen sachen, so durch gütliche Handlung bei652 653 654 655

Römer, Staatsrecht, S. 177. Römer, Staatsrecht, S. 177 f., Anm. a. Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 69; vgl. 72 ff. Meißner, Materialien, S. 59.

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C. Landesherrliche Gerichte

gelegt werden könnten, Verabscheidung656 nicht bedürfen,“ sondern „durch einen Haubtmann ohn die ordinari Beysitzern gehört, und so müglich gütlich verglichen werden solten. Schwere sachen aber, welche sichtlicher Vergleichung und Abhelfung sich nicht sonderlich trösten, und die sachen welche durch einen Haubtmann nit könten vertragen werden, die sollen für den Haubtmann und die verordnete Beysitzere von Land und Städten [des jeweiligen Amtes – HvS] erfordert und vorbeschieden, die Parten gegeneinander nottürftiglichen gehöret, die Güte zwischen den Ihnen gehandelt, und in Zergehung derselben mit Vorbehalt der Appellation verabschiedet657 werden“.658 Als der Landvogt einmal persönlich hinsichtlich einer Sache, die nur vor das eine zuständige Amt gehörte, Gericht hielt, zog er als Beisitzer nicht nur die Assessoren des zuständigen Amtes bei, sondern auch zusätzlich die Beisitzer des anderen Amtes, so daß praktisch eine Besetzung wie beim Gericht von Land und Städten erfolgte. Gerade dies sollte aber nach Meinung des Görtlitzer Amtshauptmanns in seinem Bericht um 1585 vermieden werden, da hierdurch praktisch das Gericht von Land und Städten sowohl zum Gericht „primae instantiae“ als auch zur Appellationsinstanz werde.659 In der Folge wurde die gerichtsverfassungsrechtliche Trennung zwischen dem Oberamt und den beiden Ämtern stets aufrechterhalten, insbesondere hinsichtlich des Amtes Budißin, das ja, seitdem der Amtshauptmann zu Budißin ständiger Vertreter des Landvogts war, personell mit der Landvogtei verschmolzen war. Festzustellen ist insgesamt hinsichtlich der Gerichtsbesetzung, daß neben dem Richter ab Beginn der Überlieferung im 16. Jahrhundert, mithin noch im 18. und 19. Jahrhundert das jeweilige Amt mit Vertretern des im jeweiligen Kreis landsässigen Adels sowie – nach einem bestimmten Proporz – der Räte der jeweils dort gelegenen landesherrlichen Städte besetzt war. Dies war die dem jeweiligen Amt (erstinstanzlich) unterworfene Genossenschaft. Mithin handelte es sich um eine Zusammensetzung vergleichbar der des Gerichts von Land und Städten, jedoch nur bezogen auf den jeweiligen Kreis. Unterschiedlich ist zudem, daß für den landsässigen Adel lediglich die jeweiligen zwei Landesältesten vertreten waren. Dies wird praktischen Erwägungen geschuldet gewesen sein, denn an den im Vergleich zum Oberamt viel häufiger erfolgten Sitzungen eines Amtes wird ein Angehöriger des landsässigen Adels ohne landesherrliches oder landständisches Amt insbesondere wegen der damit zusammenhängenden Kosten und des großen Zeitaufwandes kaum teilzunehmen in der Lage gewesen sein. Auch einzelne landesherrliche Städte unterließen es wie gesehen insbesondere wegen der Kosten, 656 Abschiede waren gerichtliche Entscheidungen des Amtes im streitigen Verfahren (vgl. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 1). 657 Damit war die gerichtliche Entscheidung im streitigen Verfahren, der „Abschied“, gemeint (vgl. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 1). 658 Abgedruckt Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 26. 659 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1: „Wie Landvoigt Görlizischen Amts-Sachen beywohnen mögen“.

V. Ämter

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Vertreter zu senden, so daß neben jeweils ständig anwesendem Amtshauptmann und beiden Landesältesten schwankende Anzahlen der Vertreter der Städte vorhanden waren. Ab und an erschienen selbst die Landesältesten nicht. Es fehlten dagegen stets völlig Angehörige der bäuerlichen Bevölkerung. Jedoch waren auch die Bauern dem betreffenden Amt unterworfen, etwa bei Streitigkeiten mit ihrer Grundherrschaft oder einer landesherrlichen Stadt. Mit dieser Ausnahme war auch hier bis zum Aufhören der Ämter Anfang des 19. Jahrhunderts und damit vergleichbar dem Gericht von Land und Städten bemerkenswert lange personelle Funktionsteilung und zunächst bereits insoweit das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ gewahrt. e) Schöffenauswahl und -ernennung, -anforderungen und -pflichten Vergleichbar der Verfassung des Gerichts von Land und Städten erfolgte auch die Auswahl und Ernennung der Beisitzer. Diese war hier wie dort teils durch Gewohnheit bestimmt, teils in das – eingeschränkte – Ermessen des Hauptmanns gestellt. Wie gesehen, waren die jeweiligen zwei Landesältesten qua Amt hinzuziehen. Sonstige Vertreter der adligen Landstände, mithin Angehörige des landsässigen Adels des betreffenden Kreises ohne ein landesherrliches oder landständisches Amt sind regelmäßig nicht als Beisitzer nachgewiesen. Hinsichtlich der Vertreter der Räte der im betreffenden Kreis belegenen landesherrlichen Städte hatte der Hauptmann zur Zeit der Abfassung des Berichts von ungefähr 1585 einen eigenen Beurteilungsspielraum: „Darzu sollen die Hauptleuth, ein ieder aus seinen Creyß-Städten, aus ieder eine, zwo oder mehr vornehme Personen zu Beisitzern erfordern“.660 Jedoch war es mit diesem Spielraum nicht weit her. Soweit es zumindest das Amt Görlitz betrifft, wurde 1587 durch Patent des Amtshauptmanns bestimmt, daß „E. Erbar Rath der Stad Zittaw Zwo, E. E. Rath zu Görlitz Zwo, und zu Lauben Eine vornehme Personen“ „verordnen“ und „abferttigen“ durften.661 Es lag also an den Räten der betreffenden Städte, ihre Vertreter auszuwählen und zu entsenden. Der Hauptmann wird über ihre Namen ähnlich dem Landvogt im Gericht von Land und Städten nur informiert worden sein. Ein Hauptmann hatte nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585 jedoch das Recht, zusätzlich „nach Gelegenheit und Wichtigkeit der Sachen, andere erfahrene und taugliche Personen neben sich zu ziehen“.662 Ein akademischer Abschluß war als Nachweis der Qualifikation als Beisitzer, soweit ersichtlich, auch später nicht Voraussetzung, wobei ab dem 15. Jahrhundert auch Oberlausitzer Adlige solche Bildung erhielten, mithin mancher Landesälteste – wie auch die Vertreter der Städte – gelehrt war.663 Auch insoweit war also da660 661 662 663

StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 3. Abgedruckt Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 26. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 3. Vgl. Knothe, Adel I, S. 101 f.

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C. Landesherrliche Gerichte

durch, daß es stets – und stets bei der Auswahl berückichtigte – entscheidende Voraussetzung war, Angehöriger der dem jeweiligen Amt unterworfenen Genossenschaft, also des Adels des jeweiligen Kreises beziehungsweise der Eliten der im betreffenden Kreis gelegenen landesherrlichen Städte zu sein, das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ gewahrt. f) Weitere Gerichtspersonen Zur Protokollierung der verhandelten Sachen wurden Personen beschäftigt, die jedoch – wie aus dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585 hervorgeht – zunächst für mehrere Gerichte tätig waren: „Denn was ohn Mittel im Königl. Amt oder sonsten in der Budißinischen Hauptmannschaft anhängig, in der Amts Cantzeley, was aber im Görlitzischen Amt anhängig, bey dem Hof Gericht, daselbst zufertigen“.664 Später war beim Amt Budißin der vom Landvogt ausgewählte und ernannte Oberamtskanzler665 zu „Dirigirung der Expedition“ nebst Vizekanzler angestellt, bei beiden Ämtern jeweils ein Amtssekretär, Kanzlist, Registrator, Aktuar und Amtsbote, der des Lesens und Schreibens erfahren sein mußte.666 Als Gerichtspersonen im weiteren Sinn sind folgende Personen anzusehen: Wie sich aus dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585 ergibt, erschienen bei den „Vorbescheiden“, also den Verhandlungen der Ämter,667 die Parteien mit ihrem „Beystandt“. Diese wurden auch „Advocaten“ genannt. Desweiteren erschienen die Parteien auch mit ihrem „Bürgentheil“.668 Soweit es insbesondere die landesherrlichen Gerichte angeht, wurden Auswahl und Ernennung, Anforderungen und Pflichten der dort auftretenden Rechtsbeistände im dritten Teil der Amtsordnung von 1611 erstmals geregelt, auf die hier verwiesen wird.669 g) Entscheidungsverfahren Was das Entscheidungsverfahren angeht, veröffentlichte der Görlitzer Amtshauptmann, wie bereits angesprochen, 1587 eine „Ordnung“, die Besetzung des Amtes als Gericht, die Gerichtszeiten und das Verfahren betreffend.670 Zunächst wird die Tendenz erkennbar, daß insbesondere in der Frühen Neuzeit Vergleiche, also nichtstreitige Entscheidungen angestrebt wurden. Diese Ordnung regelte 664

StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1: „Von Acten“. Hierzu näher Boetticher, Adel I, S. 37. 666 Näher Boetticher, Adel I, S. 37 m.w. N.; vgl. Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 73; Wabst, Nachricht, S. 273 f. 667 Vgl. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 4. Die Verhandlungen des Gerichts von Land und Städten wurden General-Vorbescheide genannt. 668 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1: „Von Vorbescheiden, wie Sie anzustellen und abzukündigen“. 669 KW I, S. 1 ff., 25 ff. 670 Abgedruckt Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 26. 665

V. Ämter

227

nämlich unter anderem, daß „die geringschätzigen sachen, so durch gütliche Handlung beygelegt werden könnten, Verabscheidung671 nicht bedürfen, durch einen Haubtman ohn die ordinari Assessores gehört, und so müglich gütlich verglichen werden sollten, Schwere Sachen aber, welcher sünlicher vergleichung vnd Abhelffung sich nicht sonderlich zu trösten, vnd die sachen welche durch ainen Hauptman nicht könten vertragen werden, die solten für de Hauptman vnd die Verordneten Beisizere von Land und Städten [des Amtes – HvS] erfordert vnd voerbeschieden [werden].“ 672 Die gerichtsförmigen Entscheidungen des Amtes erfolgten nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585 „mit derselbigen Rath, gut Bedüncken und mehrern Stimmen“.673 Die Sachen mußten, damit sie appellationsfähige Entscheidungen darstellten, „durch die Amts-Hauptleuthe und Ihre verordnete Beysitzer [. . .] vorgenommen, gnugsam verhöret, tractiret, durch sonderliche Vergleichung oder Rechtmäßige Verabscheidung erlediget“ worden sein.674 Der Görlitzer Amtshauptmann berichtet jedoch, daß es entsprechend der „Abhandlung“ von 1561675 und der „Constitution“ Kaiser Rudolphs II. von 1582676 Übung sei, daß „beyde Hauptleute“ die Pflicht hätten, die „Gränzen zu besichtigen, Urtel, Erkenntniß und Abschiede ergehen zu lassen, die Parteyen wo möglichen gütlich zu vertragen, und so viel möglich ohn Verlegung eines oder des andern Theils, rechtmäßig [zu] vergleichen. Alle mögliche gütliche Handlung [zu] versuchen, und in Entstehung oder Zuschlagung deroselben Urtel, Erkenntnisse und Abschiede, ergehen [zu] laßen, und ob demselbigen was für Ihnen fürkommen ist, gebührlich [zu] halten, wirklich [zu] vollziehen, und [zu] vollstrecken“.677 1806 wird berichtet, daß „die Bescheide [. . .] in des Landvoigts oder bey dessen Ermangelung in des Oberamtshauptmanns oder Oberamtsverwalters oder Verwalters Namen unter dem Zusatze: mit Rath derer verordneten Beysitzer von Land und Städten: ertheilet und unter dessen Siegel ausgefertiget“ wurden.678 Aus Gerichtsprotokollen ergibt sich grundsätzlich nichts über die Art der Entscheidungsfindung. Es erfolgt lediglich stets, so etwa 1703/1704, im Protokoll nach der Unterüberschrift „Bescheid“ der Urteilsinhalt ohne jeglichen Verweis 671 Hier sind die sogenannten Abschiede gemeint, also Entscheidungen der Ämter als Gericht im streitigen Verfahren (vgl. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 1). 672 Abgedruckt Lausitzisches Magazin, St. 11, 1775, S. 165; Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 26. 673 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 3. 674 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 2. 675 Ein landesherrlicher Vergleich zwischen Landständen und dem damaligen Landvogt, in der die wesentlichen Grundzüge der Landesverfassung dargestellt werden (KW II, S. 1354 ff., 1357). 676 KW I, S. 373 ff., 376 f. 677 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 3. 678 Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 69.

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C. Landesherrliche Gerichte

auf die zur Entscheidung berufene[n] Person[en]. In einer Sache etwa regte der Amtshauptmann einen Vergleich an: „Hierauf wird denen Parthen von dem Amtshaubtmanne zugeraht“, sich gütlich zu vertragen.679 Die Verfahren enden, wenn nicht verglichen wird, regelmäßig mit dem „Votum“ und der „conclusio“. An anderer Stelle wird deutsch davon gesprochen, daß „Abschied erging“. Es folgt sodann der Inhalt der Entscheidung. Wer wie an der Entscheidungsfindung mitwirkte, wird, soweit es die eine Fülle von Protokollen umfassende Überprüfung ergab, nicht ersichlich.680 Nach dem Bericht Wabsts von 1732 hatte der Oberamtskanzler das Recht zu einem „Votum Consultativum“,681 also (lediglich) beratende Stimme. Der Hauptmann hatte also bereits spätestens ab dem Ende des 16. Jahrhunderts als allein- beziehungsweise miturteilender Richter Einfluß auf die Entscheidung in gerichtsförmigen Verfahren. In geringeren Sachen, insbesondere bei Vergleichen durfte er als Richter allein handeln. In größeren Sachen waren die Schöffen hinzuziehen. Das Urteil erfolgte nach der Überlieferung (bloß) „mit Rat“ der Schöffen. Damit wurde spätestens, soweit aus den heute vorliegenden Quellen erkennbar ist, ab dem 16. Jahrhundert zwar der mittelalterliche Grundsatz der strikten Funktionsteilung bei der Entscheidungsfindung hinsichtlich der Ämter aufgegeben. Jedoch wird auch deutlich, daß die Vertreter der betreffenden Genossenschaft weiterhin bis zum Ende des Bestehens der Ämter an der Entscheidungsfindung in streitigen Sachen beteiligt waren. Ob sie (weiterhin) im Sinne des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ vergleichbar dem Gericht von Land und Städten maßgeblich an der Urteilsfindung beteiligt waren, war nicht festzustellen. Die Urteile wurden auf Veranlassung des Landvogts vollstreckt, wie sich aus dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585 ergibt: „Was auch von beyden Hauptleuthen mit Rath iedes Amtsverordneten also gehandelt, geschloßen, und verabschiedet, und denen in gebührlicher Zeit nicht appelliert werde, daßelbe soll Land-Voigt [. . .] folgendß exequieren laßen und einen ieden darob schützen und handthaben“.682 Der Rechtszwang lag also auf Seiten des Herrschaftsträgers. 2. Gerichtsort/-zeit Gerichtsort des Amtes Görlitz war der Vogtshof zu Görlitz,683 des Amtes Budißin das „Schloß zu Budißin“, also das Schloß Ortenburg.684 Dies änderte 679

RA Görlitz, Judicium Provinciale Gorlicense, unpaginiert. StA Breslau, Amtsprotokolle, z. B. 14. Dezember 1610, Bl. 166; 3. Mai 1647, Bl. 842 f. 681 Wabst, Nachricht, S. 273. 682 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1: „Ambts-Hauptleuthe undt ihre Abschiede“. 683 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, III, 4. Vgl. zum Inhalt des Vergleichs eines Streites zwischen Landständen und Görlitzer Rat über die Nutzungsrechte des zuvor dem Rat vom Landesherrn überlassenen Vogtshofes im Jahr 1579 Käuffer, Abriß IV, S. 62. 680

V. Ämter

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sich, solange die Ämter bestanden, nicht.685 Feste Gerichtszeiten bestanden im 16. Jahrhundert in den Ämtern zunächst nicht, sondern es wurden, wie sich aus einem Patent des Görlitzer Amtshauptmanns von 1587 ergibt, die Vorbescheide gehalten, wann immer „Klagen und Beschwerungen“ „vorlaufen“, mit der Zeit „fast täglich“. Dies wurde als Mißstand angesehen, da es die nicht ständig in Görlitz, sondern meist auf ihren Gütern wohnenden Beisitzer als unzumutbar empfanden, für jeden einzelnen Termin von außerhalb nach Görlitz zu reisen. Das Patent regelte für das Amt Görlitz daher die Gerichtszeiten neu: „Damit denn auch deromassen die vorbeschieden so viel möglich auf gewiße Zeiten angestellet werden, und sich darnach zu richten seyn möchte, Ists darauf gerichtet, das Jährlichen (doch dafern es der Notturfft und vorumbgänglichen auch andere unversehene Verhinderung nicht einfielen) zu Vier unterschiedlichenmahlen uber solcher sach und handlungen gesessen werden soll, Als erstlich die Woche nechst nach dem Sonntage Invocavit. Zum anderen die Woche nach Trintitatis. Zum dritten die Woche vor Michaelis; und lezlichen die volle Woche für Weinachten, allemahl Sontags zu Abends einzukommen und folgender Montage frühe anzufahen, und jedesmahl die gantze Wochen bis Sonnabends zu Mittage zu verharren“.686 Es wurden also Gerichtszeiten festgesetzt für die Woche nach dem sechsten Sonntag vor Ostern, für die Woche nach dem ersten Sonntag nach Pfingsten, für die Woche vor dem 29. September und für die Woche vor Weihnachten.687 Für Budißin ist eine ähnliche Regelung über Gerichtszeiten nicht bekannt. Hinsichtlich der Länge der Vorbescheide wurde zunächst nach Arbeitsanfall verfahren. Aus der Beschwerde der Landstände von 1559 geht hervor, „daß die Amts-Vorbeschiede dermaßen und also gehäufft etwa zehen, 15. und mehr Vorbeschiede auf eine Zeit geleget werden, daß unmögl. ist, dieselben alle nach Nothdurfft zu fördern, müssen die Part mit ihren Freunden und Beyständen zur großen und beschwerl. Unkosten und Versäumniß, offtmals etl. Tage aufwarten.“ 688 Nach einer zeitgenössischen Schrift von Budaeus aus dem 18. Jahrhundert war es Übung, daß beide Ämter allmonatlich einmal acht Tage lang „Vorbeschiede“ hielten.689 Nach Gerichtsprotokollen des Amtes Görlitz aus den Jahren 1703 bis 1706 fanden gewöhnliche und außergewöhnliche („extraordinarie“) Gerichtstage statt. Sie mußten nicht stets montags, sondern konnten auch erst dienstags beginnen, so etwa das „Judicium“ vom 20. bis 23. Januar 1705. Regelmäßig dauerten die Gerichtstage in dieser Zeit jedoch wie nach der Regelung von 1587 eine Woche von montags bis freitags. Die gewöhnlichen Gerichtswochen fanden meist 684

StFilA Bautzen, Salza, Bericht, III, 3. Vgl. Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 14 (18. Jahrhundert); Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 72 f. (19. Jahrhundert). 686 Abgedruckt Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 26. 687 Grotefend, Taschenbuch, S. 68, 80, 103. 688 Weinart, Rechte I, S. 44. 689 Nachweis bei Boetticher, Adel I, S. 26. 685

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C. Landesherrliche Gerichte

nicht jeden Monat, sondern mit Überspringung eines oder mehrerer Monate einmal innerhalb eines Monats statt, dazwischen „extraordinare“ Gerichtstage.690 3. Ergebnis Für Streitigkeiten unter Angehörigen (der beiden Gruppen der) Landstände sowie – auch unter Beteiligung des Bauernstandes – verschiedener Genossenschaften untereinander entwickelten sich jeweils das Amt Budißin beziehungsweise Görlitz aus den Vogteien mit personellen und räumlichen Zuständigkeitsbereichen. Insoweit sind Bezüge zur früheren Strukturierung der Landstände nach den mittelalterlichen Ländern Budißin und Görlitz zu erkennen. Die Ämter waren jeweils besetzt mit dem (Amts-)Hauptmann als ständigem Vertreter des Landesherrn (Landvogts) als Richter. Der Hauptmann wurde jeweils ursprünglich allein vom Landesherrn als Gerichtsherrn ausgewählt und ernannt. Jedoch erstarkten auch insoweit die genossenschaftlichen Befugnisse der dem jeweiligen Amt unterworfenen Genossenschaft. In der Frühen Neuzeit bestätigte der Landesherr nur noch die von der Genossenschaft getroffene Auswahl. Der jeweilige Hauptmann mußte stets dem landsässigen Adel des betreffenden Kreises angehören. Auch insoweit werden die bekannten Richterpflichten gegolten haben. Die Schöffenseite war wie beim Gericht von Land und Städten, jedoch nur bezogen auf die Landstände des jeweiligen Kreises besetzt, nämlich mit Vertretern des im jeweiligen Kreis landsässigen Adels, hier stets die jeweiligen beiden Landesältesten, sowie jeweils mit Geschickten der im jeweiligen Kreis belegenen landesherrlichen Städte. In späterer Zeit verzichteten die Städte Kamenz und Löbau wohl aus Kostengründen auf die Entsendung von Deputierten in das Amt Budißin. Dies galt zwischenzeitlich auch hinsichtlich Lauban und Zittau bezogen auf das Amt Görlitz. Vertreter der Bauern waren wie beim Gericht von Land und Städten jeweils nicht vorhanden, obwohl auch die Bauern in bestimmten Fällen den Ämtern unterworfen waren. Die Landesältesten waren wiederum qua Amt Gerichtspersonen. Die – Räte der – jeweiligen landesherrlichen Städte hatten das Recht, ihre Vertreter wie beim Gericht von Land und Städten selbständig auszuwählen und abzufertigen. Besondere Anforderungen über die der Zugehörigkeit zum landsässigen Adel des betreffenden Kreises beziehungsweise zum Rat einer im betreffenden Kreis gelegenen landesherrlichen Stadt hinaus bestanden im wesentlichen nicht. Bei den städtischen Vertretern mußte es sich der Gewohnheit nach um „Vornehme“, wohl Ratsmitglieder handeln. Juristische Bildung war niemals, auch nicht hinsichtlich der Ernennung zum Amtshauptmann nach der heutigen Überlieferung formal ausdrückliche Voraussetzung, wenngleich einige Amtshauptleute Juristen waren, mithin sicherlich ab einem gewissen Zeitraum Juristen bevorzugt eingestellt wurden. Der juristische Sachverstand wurde später dadurch 690

RA Görlitz, Curia Provincialie Gorlicense, unpaginiert.

VI. Hofgerichte

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in das Gericht eingebracht, daß nach einer zwischenzeitlich entstandenen Gewohnheit stets jeweils der Syndikus von Budißin beziehungsweise Görlitz einer der städtischen Deputierten war. Dennoch wurde dies niemals ausdrücklich formale Voraussetzung, sondern es blieb dabei, daß die Zugehörigkeit zur dem Gericht unterworfenen Genossenschaft entscheidend war. Insoweit war das alte „dinggenossenschaftliche Prinzip“ zumindest formell gewahrt. In den Ämtern wurde der Grundsatz der strikten inhaltlichen Funktionsteilung abgelöst von dem des mit- beziehungsweise alleinurteilenden Richters, dessen Urteile nunmehr nach den heute greifbaren Quellen lediglich „mit Rat“ der Beisitzer ergingen. Ob das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ auch in der Frühen Neuzeit dadurch gewahrt war, daß den Vertretern der Genossenschaft die maßgebliche Urteilsfindungskompetenz zukam, konnte nicht ermittelt werden. Das jeweilige Amt wies keine festen Gerichtszeiten auf. Der Gerichtsort des Amtes Budißin war das Schloß Ortenburg, des Amts Görlitz der Görlitzer Vogtshof.

VI. Hofgerichte „Hofgericht“ genannte Gerichte gab es in verschiedenen Landschaften und Territorien des Alten Reichs mit ganz unterschiedlichen Funktionen.691 Erste Nachrichten über „Hofgerichte“ im Untersuchungsgebiet, deren eines in Budißin, das andere in Görlitz seinen Sitz hatte, stammen heute aus dem Beginn des 15. Jahrhunderts, und zwar hinsichtlich des Görlitzer Hofgerichts insbesondere aus dem 1406 beginnenden Görlitzer Hofgerichtsbuch.692 Ein Budißiner Hofgerichtsbuch liegt heute nicht mehr vor. Ab dem 16. Jahrhundert wird das Bild klarer, und zwar vor allem durch die landesherrlichen Urkunden wie etwa die beiden bereits erwähnten ältesten überlieferten landesherrlichen Instruktionen an die Landvögte aus der Mitte des 16. Jahrhunderts sowie die ebenfalls als maßgebliche Quelle bereits eingeführte landesherrliche „Confirmation einer Abhandlung“ zwischen dem Landvogt Dohna und den Landständen von 1561. An deskriptiven Quellen ist wiederum vor allem der Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585693 heranzuziehen. Die bereits genannten Gerichtsprotokolle des Amtes Görlitz zwischen 1602 und 1816 enthalten vereinzelt Hofgerichtsprotokolle. Diese führen aber nicht in der hier maßgeblichen Hinsicht weiter. Wichtige Quellen sind jedoch verschiedene, ab dem 17. Jahrhundert überlieferte Akten des Staatsfilialarchivs Bautzen hinsichtlich des Budißiner Hofgerichts694. Das Hofgericht zu 691

Oestmann, Hofgerichte, Sp. 1087–1091. UB Breslau, Crudelius, Extract; vgl. Knothe, Hofgerichtsbuch. 693 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I: „Vom Hof-Richter [. . .]“; II: „Vom Königl. Hofgerichte [. . .]“. 694 So etwa StFilA Bautzen, Assessores; StFilA Bautzen, Bestellung Hofrichter; StFilA Bautzen, Hofgericht; StFilA Bautzen; Hofgerichtsassessoren; StFilA Bautzen, Hofrichter; StFilA Bautzen, Memorial. 692

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C. Landesherrliche Gerichte

Budißin wurde, seitdem der Budißiner Amtshauptmann, dem es unterstand, mit dem Titel Oberamtshauptmann oder -verwalter ständiger Vertreter des Landvogts geworden, mithin das Amt Budißin mit der Landvogtei verschmolzen war, regelmäßig auch als „Oberamts-Hofgericht“ bezeichnet.695 Während bereits am 1. Oktober 1816 mit „Bekanntmachung“ des Königlich Preußischen Oberlandesgerichts von Niederschlesien und der Lausitz zu Glogau das mit dem Amt Görlitz „verbundene Hofgericht“ zu Görlitz „aufgelöset und mit dem königl. Oberlandesgericht [. . .] zu Glogau vereiniget“ worden war,696 bestand das (Oberamts-)Hofgericht zu Budißin zunächst fort, bis auch dieses durch königlich sächsisches Mandat vom 12. März 1821 aufgelöst und dessen Zuständigkeit sofort an die zugleich neugebildete Oberamtsregierung überging.697 1. Gerichtspersonen a) Gerichtsbesetzung Nach der landesherrlichen Instruktion an den Landvogt Graf Dohna von 1554 hatte dieser grundsätzlich selbst das Gericht zu bestellen: „Soll unser Land-Voigt, unser Königl. Ober-Gerichte, Hoff- und Land-Gerichte, deßgleichen auch allen gerichtlichen Proceß, in unserm Nahmen handeln“. Jedoch räumte der Landesherr in derselben Quelle in, daß „unser Land-Voigt solche Königl. Ober- Landund Hoff-Gerichte alle zubesuchen, zu weit entlegen, so soll er und mag dieselben, durch Land- und Städte-Schöppen und Land-Richter, nach Innhalt unserer derhalben hievor ausgegangenen Ordnung698, sammt notwendigen Richtern [. . .] versehen und bestellen, damit den Armen sowohl, als den Reichen iedes Orths gleichs Gerichts und Recht, dadurch die Billigkeit geschützet, und das Uebel der Gebühr nach unverzüglichen gestrafft und verhütt, gehalten werde.“ 699 In der Praxis wurde das Hofgericht mithin grundsätzlich nicht persönlich vom Landvogt gehalten. Aus der Beschwerdeschrift der landesherrlichen Städte gegen die Amtsführung des Landvogts Dohna von 1559, der öfter selbst als Richter handelte und dabei offenbar gegen Richterpflichten verstieß, ergibt sich, „daß solche Hoff-Gerichte zu Görlitz der Hauptmann [und] solche [. . .] zu Bautzen, der Hofrichter, Cantzler und etliche Landsassen bemeldten Rittersitz gehalten“ hätten.700 695

Vgl. zeitgenössische Beschreibung bei Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 76. Abdruck Anonymus, Gerichtsverfassung, S. 626 ff. 697 GS Sachsen 1821, S. 17 ff. 698 Wohl ein Verweis auf den vorhergehenden Absatz, in dem nähere Ausführungen etwa zur Besetzung der Richter- und Schöppenstellen erfolgen. 699 KW II, S. 1338; vgl. auch die im wesentlichen wortgleiche Instruktion an den Landvogt Joachim Graf v. Schlick von 1561 (KW II, S. 1350 ff.). 700 LSD, S. 152 ff., 161; vgl. Weinart, Rechte I, S. 51. In der Beschwerde der Sechsstädte gegen die Amtsführung des Landvogts Dohna von 1559 wurde zudem gerügt, „daß der Herr Land-Voigt in seiner eigenen Sache, mit Bernhard von Schönberg und seinen Untertanen ein Hoff-Gerichte bestellet, dasselbige selbsten besessen, das Urtheil 696

VI. Hofgerichte

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Über die übliche Besetzung des Hofgerichts zu Görlitz in der Frühzeit gibt zunächst der „Extract“ aus dem Görlitzer Hofgerichtsbuch Auskunft, wonach bereits 1406 „Reinz Schaff capitaneus tempore pro tunc“ als Richter genannt wird,701 mithin ein Angehöriger des Geschlechts Schaff(gotsch), der gleichzeitig Görlitzer Hauptmann war.702 Bereits damals wurde also das Hofrichteramt vom Görlitzer Hauptmann mit versehen. 1407 erscheint „Judex Tycze Kame“, 1408 „Judex Hans Debescicz“.703 An einem anderen Dingtag wird „Judex Heynrich von Nuchterwitz“ (Uechtritz) genannt,704 alles Angehörige des landsässigen Adels. Dies ändert sich nach der Quelle auch im weiteren Verlauf nicht. Bäuerliche Richter sind anhand dieser Quelle nicht nachweisbar. Der Hauptmann ließ sich als Hofrichter ab und an durch einen anderen angesessenen Adligen der Gegend vertreten, so 1413 der genannte Heinrich v. Uechtritz auf Steinkirch durch „judex Hasse v. Saar“ 705, also durch Hasse v. Sor auf Sohra im Weichbild Görlitz.706 Noch hinsichtlich der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts berichtet der Görlitzer Stadtschreiber Haß bezogen auf die Vetretung des Richters im Hofgericht Görlitz: „Der koe. Erbrichter hat gemeyniglich das gedinge auff ansuchen des heuptmanns geheget.“ 707 Ebenfalls der Görlitzer Erbrichter vertrat also oftmals den Görlitzer Amtshauptmann als Görlitzer Hofrichter. Die Übung, sich vertreten zu lassen, ist erst wieder ab dem 18. Jahrhundert hinsichtlich des Budißiner Hofgerichts zu beobachten, nachdem nämlich das Amt eines „Vice-Hofrichters“ für den Fall, daß der Hofrichter das Richteramt etwa krankheitshalber nicht wahrnehmen könne, geschaffen worden war. Vizehofrichter war, soweit ersichtlich, regelmäßig der erste Hofgerichtsschöffe, der aber zum Richter bei Abwesenheit des Hofrichters wurde. Er wurde, soweit die Quellen reichen, regelmäßig „spe succedendi“ ernannt,708 also mit Anwartschaft auf das Hofrichteramt. Was die Richterbesetzung späterer Zeit betrifft, berichtet der Görlitzer Amtshauptmann um 1585: „In den Budißinischen dreyen Creyßen, wird vom LandVoigte, ein sonderlicher Hofrichter [. . .] bestellet, und unterhalten. Im Görlitzischen Amte, wird das Hof-Gerichte von dem Hauptmann daselbst gehalten“. „Die Hofgerichte [. . .] bestellet und besitzet im Budißinischen der Hof-Richter, im Görlitzischen der Hauptmann“.709 Dies bestätigen Berichte des 18. Jahrhunselbst stellen lassen, und also in seiner selbst eigenen Sache Part und Richter gewest“ (LSD, S. 152 ff., 162). 701 UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 3. 702 Vgl. Knothe, Adel I, S. 472. 703 UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 4. 704 UB Breslau, Crudlius Extract, Bl. 9 b. 705 UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 19 b. 706 Knothe, Hofgerichtsbuch, S. 3; vgl. ders., Adel I, S. 503 ff., 504. 707 Haß, Ratsannalen II, S. 153. 708 StFilA Bautzen, Memorial, Bl. 99 ff. 709 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 3; vgl. I, 6.

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derts.710 Nur die „Einweisung“ der Gläubiger in Güter ihrer Schuldner im Rahmen der „großen Hilfe“, eine Art der Zwangsvollstreckung, konnte in beiden Ämtern im Falle der „ehehafften Verhinderung“ des Hofrichters durch „einen tauglichen, Rittermäßigen vom Adel“ erfolgen.711 Aus einem Oberamtsbericht von 1734 geht hervor, daß gemäß der Obergerichtskonzession von 1562, also hinsichtlich peinlicher Fälle unter Beteiligung eximierter Personen, der Budißiner Hofrichter nicht den Vorsitz hatte, das heißt ihm „kein Directorium actorum in criminalibus, sondern solches [. . .] dem Ober-Amte“ zukam, und insoweit „die Seydauer Richter und Schöppen nach einer alten Observanz admittiret zu werden pflegen“. Jedoch: „Bey denen Criminal-Verhören derer immediate unter dem Oberamte stehenden Persohnen [sitzt der Hofrichter] nebst denen beyden Cantzlern und einem besondern Actuario“.712 Insoweit handelte, wie bereits erörtert, anstelle und unter Aufsicht des Hofgerichts das alte Budißiner Landgericht oder das Dorfgericht Seidau. Das Hofgericht Görlitz verhandelte nach der heutigen Überlieferung keine Obergerichte. Eine Liste der Budißiner Hofrichter zwischen 1509 und 1608 ist einem Schreiben der Landstände an den Landvogt von 1608 beigefügt.713 Auch noch im 19. Jahrhundert galt nach einer zeitgenössischen Darstellung Leonhardis von 1806: „Im Budissinischen Hofgerichte führt der Landvoigt oder dessen Vicarius, jetzt der Oberamthauptmann, das Directorium und bey demselben ist ein besonderer Hofrichter und jetzt auch ein Vice-Hofrichter aus dem Mittel der Budissinischen Stände verordnet“. In den Fällen der Obergerichtskonzession von 1562 wurden auch dann noch die „Landgerichte der Seydau“ hinzugezogen,714 womit wohl Budißiner Landgericht und Dorfgericht Seidau – miteinander vermengt – gemeint waren. Die Hofrichter führten noch nach Berichten des 18. Jahrhunderts bei der Gerichtshegung „einen Stab in der Hand“,715 mithin das Symbol ihrer Richtereigenschaft. Der Amtshauptmann zu Görlitz war noch bis ins 19. Jahrhundert der Richter des Görlitzer Hofgerichts.716 Das Hofgericht war außerdem mit Schöffen besetzt. Insoweit ist zunächst gemäß dem mittelalterlichen Grundsatz, daß das Gericht auf der Schöffenbank besetzt war mit Angehörigen der dem Gericht unterworfenen Rechtsgemeinschaft, nach der Zuständigkeit des Gerichts zu fragen. Auf landesherrlicher Ebene waren im Untersuchungsgebiet wie gesehen zunächst die Vogtdinge auch in personeller Hinsicht umfassend, also auch hinsichtlich des landsässigen Adels, mithin der landesherrlichen Vasallen (in Lehnssachen) zuständig. In den verschiedenen Län710

Vgl. Wabst, Nachricht, S. 276 f.; Römer, Staatsrecht, S. 179 f. Constitution Rudolphs II. von 1582 (KW I, S. 373 ff., 376); vgl. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1: „Von Haltung der Landt undt Hoffgericht“. 712 Bericht Oberamt von 1734 abgedruckt bei Boetticher, Adel I, S. 31. 713 StFilA Bautzen, Hofrichter, unpaginiert. 714 Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 76. 715 Wabst, Nachricht, S. 276; vgl. Römer, Staatsrecht, S. 180. 716 Vgl. StA Breslau, Amtsprotokolle, 16. März 1816, Bl. 210 b. 711

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dern, mithin Territorien im Reich strebten jedoch bald die landesherrlichen Vasallen, insbesondere der jeweilige landsässige Adel nach einem ausschließlich personell zuständigen Standesgericht nicht nur in Lehnssachen, sondern auch darüber hinaus.717 Das Lehnsgericht war in der europäischen und deutschen Gerichtsverfassung regelmäßig ausschließlich zuständiges Gericht für alle Sachen, die das Lehnsverhältnis oder das Lehnsobjekt betrafen. Das Lehnsgericht war mithin personell zuständig für die Vasallen, zu deren Lehnspflichten und -rechten es gehörte, vor diesem Gericht Recht zu nehmen und zu empfangen.718 Auch im Untersuchungsgebiet verloren die Vogtdinge/Landgerichte bald die Zuständigkeit hinsichtlich der landesherrlichen Vasallen, insbesondere des landsässigen Adels und auch hier über Lehnssachen hinaus, und zwar an die Hofgerichte.719 Dies beweist folgende Stelle im Rechtsspruch König Wladislaws von 1497 in Zusammenschau mit der landesherrlichen Urkunde von 1329 an die Vasallen des Görlitzer Weichbildes: „Würde auch ein Rittermäßig Mann oder desselben arm Mann [mit einem Görlitzer Bürger oder Einwohner außerhalb der in der bereits erwähnten landesherrlichen Urkunde von 1303 genannten Obergerichten, hinsichtlich welcher wie erörtert sowohl landsässiger Adel des Görlitzer Weichbildes als auch – weiterhin – Görlitzer Bürger vor das mit Stadtschöffen besetzte Vogtding gehörten720,] uneinig, so sollen die von Görlitz [. . .] den Rittermäßigen [. . .] für unseren [. . .] Land-Voigt, oder vor seinen Haubtmann zu Görlitz [der zugleich als Hofrichter zu Görlitz erscheint – HvS], in das Hoff-Gedinge“ laden.721 Wie erörtert, war in diesen Fällen das Vogtding weiterhin in der ursprünglichen Weise, also auch mit Angehörigen des landsässigen Adels des Zuständigkeitsbereichs besetzt. In der landesherrlichen Urkunde von 1329, die die personelle Zuständigkeit des Görlitzer Vogtdings hinsichtlich des landsässigen Adels des Weichbildes Görlitz unabhängig von der dem Verfahren zugrundeliegenden Sache herausstellt und von der Urkunde von 1497 teilweise wortwörtlich und inhaltlich im wesentlichen übereinstimmend wiedergegeben wird, wird insoweit noch ausdrücklich ausschließlich vom „Voyt“ als Richter im Vogtding gesprochen,722 während in der Urkunde von 1497 insoweit vom „Hoff-Gedinge“ die Rede ist. Aus der Verteidigung des Landvogts gegen eine Beschwerdeschrift der Landstände von 1555 ergibt sich, „daß das Königl. Hofgericht von den vorgehenden Königen zu Böhmen, darum aufgerichtt, auch [. . .] erhalten, daß dafür ein Landsaße dem andern um ungerecht, beschädigen, oder beschuldigen mag, und haben nach alten Brauch der Königl. Landrichter, und Schöppen, uff der Part Einbringen zu recht 717

Conrad, Rechtsgeschichte I, S. 381 f. Spieß, Lehnsgericht, Sp. 1714 f.; Ganshof, Lehnswesen, S. 172. 719 So auch Kapras, Rechtsgeschichte, S. 71; Knothe, Rechtsgeschichte, S. 314 ff., jedoch jeweils ohne ausreichende Begründung. 720 Vgl. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. 721 LSD, S. 43 ff., 44. 722 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 528 f. 718

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zu erkennen und zu sprechen“.723 Daß das jeweilige Hofgericht jeweils aus dem alten Vogtding entstand, ergibt sich auch daraus, daß im Görlitzer Hofgerichtsbuch das Hofgericht weiterhin etwa „judicium advocati“ genannt wird.724 Der Görlitzer Stadtschreiber Haß nannte in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts das Land- und Hofgericht in einem „lands adir hoffegericht“.725 Aus der Verteidigung des Landvogts gegen eine Beschwerdeschrift der Landstände von 1555 ergibt sich, daß auch die Gerichtspersonen des „Königl. Hofgericht[s]“ jedenfalls zunächst „Königl. Landrichter und Schöppen“ genannt wurden.726 Auch etwa in der landesherrlichen Instruktion an den Landvogt von 1549 wird von den „Hoffund Landgerichten“ gesprochen.727 Bereits im ersten Jahr der heutigen Überlieferung hinsichtlich des Görlitzer Hofgerichts, also im Jahr 1406, ist das Bestehen von Landgericht und Hofgericht zu Görlitz nebeneinander nachgewiesen. Im Görlitzer Hofgerichtsbuch heißt es, daß sich „Czaslaw“ v. Penzig auf Senftenberg wegen einer größeren Geldsumme mit einigen Kaufleuten „vor gehegter banck zu Gorlicz uff den houe“ verglichen habe. Bei weiteren Schwierigkeiten „mag sich er Czaslaw wedir czin vor scheppen und gehegter banck kein Gorlicz uff den hoff, da er mit dem rechten von en komin ist wissentlich den schephin, die zu der zeit gesessen han“.728 Neben dem Hofgericht tagte nur noch das Vogtding auf dem „hoff“, dem später sogenannten Vogtshof.729 Der Vasall mußte, um der Rechtsgemeinschaft dieses Gerichts anzugehören, zwar nicht zwingend Angehöriger des landsässigen Adels sein. Im Untersuchungsgebiet hatten bereits im Ostsiedlungszeitraum Bauern, insbesondere die im Untersuchungsgebiet nachgewiesenen Supane/Dorfrichter und Witsassen/ Leh(n)männer landesherrliche bäuerliche Lehen inne, waren mithin landesherrliche Vasallen.730 Später erwarben auch Bürger der landesherrlichen Städte Lehngüter und wurden so neben ihrer Eigenschaft als Bürger zu landesherrlichen Vasallen.731 Jedoch stellte der landsässige Adel bis zum Ende des Untersuchungszeitraums den weitaus überwiegenden Teil der Inhaber der Lehngüter im Untersuchungsgebiet.732 Die sachliche Zuständigkeit der Hofgerichte insbesondere in Lehnssachen geht etwa aus der landesherrlichen „Cantzeley-Taxa“ von

723

Abgedruckt Weinart, Rechte I, S. 21 ff., 32 ff. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 2. 725 Haß, Ratsannalen II, S. 156. 726 Abgedruckt Weinart, Rechte I, S. 21 ff., 32 ff. 727 KW II, S. 1337 f.; vgl. S. 1350 ff. 728 UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 2 b, 3 a. 729 Vgl. Jecht, Görlitz, S. 50. 730 Näher Knothe, Klassen, S. 13 f. 731 Näher Knothe, Adel I, S. 19 ff., 23. 732 Vgl. die Besitzverhältnisse der einzelnen Lehngüter bei Knothe, Adel I, S. 544 ff.; Boetticher, Adel III, S. 231 ff. 724

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1562 hervor.733 Vor und nach 1547 lagen, soweit es in personeller Hinsicht die landesherrlichen Vasallen betraf, auch Ober- und Niedergerichtssachen, wenn nicht andere Gerichte wie etwa das Vogtding Görlitz im Rahmen der erwähnten landesherrlichen Urkunde von 1303 oder die mit Vogteizuständigkeiten ausgestatteten Erb-/Stadtgerichte in den landesherrlichen Städten insoweit zuständig waren, in der ausschließlichen Zuständigkeit der Hofgerichte.734 Peinliche Sachen, die der Landesherr gemäß der Obergerichtskonzession von 1562 der Zuständigkeit des Landvogtes oder dem Gericht von Land und Städten, also hinsichtlich der von der Zuständigkeit anderer Gerichte eximierten Personen (Adel, landesherrliche Amtsträger und Ratspersonen), vorbehielt,735 wurden in der Praxis, wie sich aus einem zeitgenössischen Bericht ergibt, „vor den königl. Hofgerichte zu Budißin [. . .] angestellet“, da „dort durch das Königl. Oberamt die über das sämtliche Markgrafthum sich erstreckenden Verordnungen expediret werden“.736 Das Budißiner Hofgericht nahm wie gesehen insoweit seinerseits das noch einzig bestehende Budißiner Landgericht beziehungsweise das landesherrliche Dorfgericht Seidau zur Hilfe. Jedoch handelte es sich stets weiterhin um eine Zuständigkeit des Oberamts. In räumlicher Hinsicht waren die Zuständigkeitsbereiche der Hofgerichte im wesentlichen angelehnt an die der Ämter. Der Zuständigkeitsbereich veränderte sich seiner Struktur nach bis ins 19. Jahrhundert nicht mit Ausnahme dessen, daß wie gesagt nurmehr das Hofgericht Budißin, nicht das Hofgericht Görlitz für peinliche Sachen unter Beteiligung Adliger zuständig war. Das Hofgericht Görlitz „verwies“ insoweit an das Budißiner Hofgericht.737 Festzuhalten ist, daß die Zuständigkeit der Hofgerichte im Untersuchungsgebiet jeweils stets maßgeblich nach personellen Kriterien bestimmt war, und zwar in erster Linie bezogen auf die – mit Masse adligen – landesherrlichen Vasallen. Nach dem Görlitzer Rechtsbuch-Lehnrecht bedarf es im Lehnrecht wenigstens dreier „mannen“, also Vasallen unabhängig vom Stand, damit die Urteilerbank vollständig ist (67 § 10). Auch das ab dem ab 1406 geführte Görlitzer Hofgerichtsbuch nennt als ersten Hinweis auf Schöffen hinter „Judex Niclin“ die „Scabini Hans Gersdorf zu Kempnicz, Kithan von Gersdorff [. . .], Henil von Nosticz u Hans Rosinhain“,738 letzterer ein Angehöriger des landsässigen Adels, der sich nach seiner Grundherrschaft nannte. 1407 erscheinen „Judex Tycze Kame, 733 KW I, S. 36 ff. Vgl. zur Zuständigkeit der Hofgerichte auch die landesherrliche „Constitution“ von 1582 (KW I, S. 373 ff.) und die Amtsordnung von 1611 (KW I, S. 22 ff.). 734 Hinsichtlich des Zeitraums vor 1547 Knothe, Hofgerichtsbuch, S. 5 ff.; für denjenigen danach Boetticher, Adel I, S. 29 ff. 735 KW I, S. 178 ff. 736 Anonymus, Obergerichte, S. 50; Römer, Staatsrecht II, S. 180 f.; Boetticher, Adel I, S. 30 f.; jeweils m.w. N. 737 Vgl. Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 76 f.; Wabst, Nachricht, S. 276 f.; Römer, Staatsrecht II, S. 180 f. 738 UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 1.

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Scabini Hans Klux, Otte de Wisenburg, Nickilichin de Gebelzige Ramfold Ruschenwalde“,739 ein Herr v. Klix, die drei letzteren Gersdorffs, die sich nach ihrem Besitz nannten. 1416 werden hinter „judex Witich Kothewicz von Lode“ genannt „Scabini Heincz in Bawmgarthen, Tanne von Rotenburg zum Henichen gesessen u. Nickel von Nosticz“,740 alles Angehörige des landsässigen Adels der Gegend. Daneben war offenbar auch ein Umstand vorhanden.741 1419 werden ebenfalls drei Schöffen aus dem landsässigen Adel genannt.742 Jedoch erscheinen im selben Zeitraum regelmäßig und öfter vier Schöffen. Dies ändert sich nicht im weiteren Verlauf.743 1423 werden als letzter Hinweis insoweit genannt „Scab. Rutschwitz in loco Hannus von der Sprey Jone von Gersdorff zu Heynichen gesessen phelip v. Hotenhoff zu arnsdorff in loco Nicln von Heynichen et Tyme Rackel zu Heynichen gesessen.“ 744 Ebenfalls die Hofgerichtsschöffen ließen sich (wie der Hofrichter) also gern vertreten, wie vor allem für 1414 deutlich wird, als sämtliche Amtsinhaber nicht anwesend waren: „Judex Hasse von Saar loco Heinrich Nuchterwicz, Czoberin loco Henel Nosticz, Nickil Landiskron loco Voytlenders, Spiczenberg loco Caspar de Kempnicz, Leuther von Soland loco sui.“ 745 Die drei in diesem Eintrag nächstgenannten „Wytsche Kothewicz zu der Halbe gesessen Heincze Gethewicz zu der Senitz gesessen Chaslaw von Pencz“, ebenfalls alles Angehörige des landsässigen Adels, scheinen Umstand gewesen zu sein, denn deren Namen sind durch einen Absatz von denen der Schöffen getrennt.746 Bäuerliche Schöffen, Lehnbauern, sind nach dieser Quelle nicht bezeugt. Frühere Hinweise insoweit liegen nicht vor. Die Schöffen saßen auf einer Bank, wie aus der öfter vorkommenden Formulierung „vor gehegter bang“ im ältesten Görlitzer Hofgerichtsbuch hervorgeht.747 Auch in späterer Zeit scheint die Anzahl der Schöffen zwischen drei und vier geschwankt zu haben. Nach der Beschwerde der Landstände gegen die Amtsführung des Landvogts Graf Dohna von 1559 habe der Hauptmann Gericht „neben 4 Landschöppen vom Adel die es umzechweise haben müßen besitzen helfen, gehalten“.748 Nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585 wurden dagegen „an iedem Orte drey Landschöppen geordnet, welche beneben HofRichtern, Hauptmann und Eltisten über den Hofgerichts-Sachen sitzen“. Die beiden Landesältesten jeweils der beiden Weichbilder waren nach dem Bericht eben739 740 741 742 743 744 745 746 747 748

UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 4. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 40 a. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 17 b, 20, 20 b. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 63 b. z. B. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 28. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 90 b. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 28. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 90 b f. Vgl. etwa UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 9. Weinart, Rechte I, S. 51; vgl. LSD, S. 152 ff., 161.

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falls Beisitzer im jeweiligen Hofgericht, und zwar aus ihrer Amtsstellung heraus: „Und sie mögen die Landeseltesten zu sich ziehen“.749 Aus einem Oberamtsbericht von 1734 geht hervor, daß die Hofgerichtsschöffen in diesem Zeitraum bereits nur noch bei Zwangsvollstreckungs-, Subhastationsverfahren hinsichtlich Lehngütern beteiligt waren. In peinlichen Fällen gemäß der Obergerichtskonzession von 1562 erscheinen sie bereits ersetzt durch die Schöffen des Dorfgerichts des landvogteilichen Dorfes Seidau. Bei Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in Lehngüter saßen „an eine[m] besondern Tische [. . .] drey oder vier Adeliche ad hunc actum unicum von Oberamt zu verschreibende Assessores“.750 Auch nach anderen zeitgenössischen Berichten des 18. Jahrhunderts verfügte jedes Hofgericht über „drey bis vier Schöppen“. Bei Verfahren wegen „Subhastationes“ und „Adjudicationes“ genügten „zwey bis drey Adeliche Assessores“.751 Noch 1806, wie sich aus dem Bericht Leonhardis ergibt, hatte der Hofrichter „3 adliche Hofgerichts-Schöppen und einen actuarius neben sich. Wenn hingegen peinlich gegen Adliche von dem Budissiner Oberamts-Hofgerichte verfahren wird, so sind in der Regel die Landgerichten der Seydau [Schöffen des damals und seit dem Mittelalter landvogteilichen Dorfes Seidau bei Bautzen – HvS] die ordentlichen Beysitzer; indessen können in besondern Fällen von Klägern und Beklagten auch adliche Beysitzer erlangt werden.“ 752 Nach den Archivalien des 17., 18. und 19. Jahrhunderts handelte es sich regelmäßig im Budißiner Hofgericht um vier Schöffen.753 Die Protokolle des Amtes Görlitz enthalten auch Hofgerichtsprotokolle. Noch im 19. Jahrhundert war das Gericht neben dem Hofrichter (gleich Hauptmann) mit Schöffen besetzt, 1815 jedoch nur zwei.754 Bei Leichenhebungen „Adelicher oder anderer gemeiner Leichen“, was später in die Zuständigkeit ausschließlich des Hofgerichts Budißin beziehungsweise im zwischenzeitlich diesem wie erörtert unterstellten Budißiner Landgerichts fiel, handelten, wie sich aus der revidierten Hofgerichtstaxe von 1674 ergibt, bei adligen Leichen beide Gerichte gemeinsam: der Hofrichter, der Hofgerichtsaktuarius, der Landrichter, vier Landgerichtsschöffen, der Barbier.755 Auch hier waren aber die Hofgerichtsschöffen nicht beteiligt. Dies ist wohl dem zuschulde, daß Landrichter und Landgerichtsschöffen eher als die Hofgerichtsschöffen über die entsprechende Sachkenntnis verfügten. Die Hofgerichtsschöffen hatten in beiden Ämtern nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585 „keine Besoldung noch Liefergeld“.756 Später änderte sich dies, indem den Schöffen nach einem 749 750 751 752 753 754 755 756

StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 3. Vgl. Bericht wortgetreu abgedruckt bei Boetticher, Adel I, S. 30 ff. Wabst, Nachricht, S. 276; vgl. Römer, Staatsrecht, S. 179. Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 76. StFilA Bautzen, Hofgerichtsassessoren, Bl. 1 ff., insb. 25 ff. StA Breslau, Amtsprotokolle, z. B. 16. März 1815, Bl. 210 b. KW I, S. 55 ff., 58 f. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 3.

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Bericht aus dem 18. Jahrhundert „emolumenta“ aus den Gerichtsterminen zukamen.757 Neben Hofrichter (Hauptmann) und Beisitzern wurden Gerichtsdiener und Protokollanten beschäftigt. Das Görlitzer Rechtsbuch kennt den „botin“, der Ladungen zustellt (so etwa Görlitzer Rechtsbuch-Lehnrecht 65 § 9). Bereits nach dem „Extract“ des ab 1406 geführten Görlitzer Hofgerichtsbuchs verfügte das Gericht über einen „Hoffschreiber“.758 Wie aus dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns hervorgeht, waren diese später für mehrere Gerichte tätig: „Denn was ohn Mittel im Königl. Amt oder sonsten in der Budißinischen Hauptmannschaft anhängig, in der Amts Cantzeley, was aber im Görlitzischen Amt anhängig, bey dem Hof Gericht, daselbst zufertigen“ 759. Nach Berichten des 18. Jahrhunderts protokollierte im Budißiner Hofgericht ein besonderer „Hof-GerichtsActuarius“ 760. Im Görlitzer Hofgericht übernahm dies mit der beim Amt angestellte „Amtssekretär“ 761. Daneben wurden am Hofgericht auch Dolmetscher beschäftigt, so etwa für die französische Sprache.762 Aus einem Oberamtsbericht von 1734 geht hervor, daß bei Verfahren der Zwangsvollstreckung im Hofgericht zu Budißin noch „gegenwärtig“ waren: der Landvogt, der Oberamtshauptmann, die beiden Landesältesten sowie Oberamtskanzler und Vizekanzler. In peinlichen Verfahren gemäß der Obergerichtskonzession von 1562 waren neben Hofrichter und Richter und Schöffen der Seidau zugegen Oberamtskanzler und Oberamtsvizekanzler sowie ein „besonderer Actuarius“.763 Das Görlitzer RechtsbuchLehnrecht kennt den Vorsprecher, dessen Aufgaben und Stellung sich nach 67 §§ 5–8 im wesentlichen wie im Landrecht bestimmen. Vorsprecher sind auch nach rein deskriptiven Quellen im Hofgericht bezeugt. Ein „Heinrich, vorspreher“, ersteht nach dem 1406 beginnenden Görlitzer Hofgerichtsbuch etwa 1415 den dritten Dingtag auf Ulrich v. Rennersdorf.764 Die im Hofgericht handelnden „Advocaten und Procuratoren“, unterlagen hinsichtlich Auswahl und Ernennung, Anforderungen und Pflichten dem dritten Teil der Amtsordnung von 1611, worin erstmals Regelungen dieser Art getroffen wurden.765

757

StFilA Bautzen, Memorial, Bl. 99 ff. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 27. 759 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1: „Von Acten“. 760 Wabst, Nachricht, S. 276. 761 Römer, Staatsrecht, S. 179. 762 Vgl. Eid des Dolmetschers für die die französische Sprache, mithin des „hiesigen französischen Sprachmeisters“ François Janicaud aus dem 18. Jahrhundert in StFilA Bautzen, Hofgerichtsassessoren, Bl. 64 ff. 763 Zitiert nach Boetticher, Adel I, S. 30 f. Vgl. etwa den Eid des „Vice-Hof-Gerichts-Aktuars“ in StFilA Bautzen, Hofgerichtsassessoren, S. 64 ff. 764 UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 34 b, 36 a. 765 KW I, S. 1 ff. 758

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b) Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen Hinsichtlich Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen ist zunächst auf die Zuordnung der Gerichtsherrschaft hinsichtlich der Hofgerichte einzugehen. Bezüglich der Gerichtsgefälle aus dem Hofgericht, mithin die Zuordnung der zwei Herrschaftsdrittel in der ersten Zeit des Bestehens dieser Gerichte ist, soweit ersichtlich, nichts überliefert. Es handelte sich jedoch nach späteren Quellen beim jeweiligen Hofgericht um ein landesherrliches Gericht, in welchem der Hofrichter als landesherrlicher Amtsträger auftrat. Die „Pflichtsnotul“, wie sie etwa im 17. und 18. Jahrhundert dem neuernannten Hofrichter vorgelesen wurde, und der Hofrichtereid, wie er im 17. bis 19. Jahrhundert lautete, beinhalten, soweit es die Verweise auf den Gerichtsherrn betrifft, ausschließlich solche auf den Landesherrn, nach 1635 den Kurfürsten von Sachsen. Die „Pflichtsnotul“ lautet: „Ihr sollet geloben und Schwören, daß dem durchlauchtigsten [Kurfürsten] ihr getreu und dienstgewärtig sein wollt [. . .].“ Auch der Hofrichtereid enthält einen entsprechenden Hinweis.766 Hofrichter, Aktuar und Landreiter erhielten, wie aus der landesherrlichen „neu revidierten Hof-Gerichts-Taxa“ von 1674 hervorgeht, „Gebühren“ aus den anfallenden Gerichtsgebühren je nach Verrichtung.767 Dem Budißiner Hofrichter wurde nach einem Bericht aus dem 18. Jahrhundert vom Landesherrn neben „Accidentien“ aus den Verfahren und „Sold“ in bestimmter Höhe freie Wohnung „auffm Schlosse“ in Budißin, mithin im (heute noch bestehenden) Hofrichterhaus, „Stallung“ für vier Pferde und ein Wagen zugewiesen.768 Weder dem Landvogt noch dem Hofrichter kamen jedoch die Einkünfte aus den Hofgerichten zu, sondern dem Landesherrn, wie sich aus folgender Aufzählung der landesherrlichen Instruktion an den Landvogt von 1547 und 1561 ergibt: „Soll [. . .] Unser Land-Voigt das Amt der Land-Voigtey, mit allen Nutzungen und Zugehörungen, ausserhalb der Ober-Gerichte, auch Land- und Hof-Gerichte, Burg-Lehn, und was derhalben sonst in bemeldtes unsers Hauptmanns Instruction seinethalben begriffen [gemeint ist die landesherrliche Instruktion an den Landeshauptmann vom selben Jahr, die nachfolgend zitiert wird – HvS], und Uns zu gut vorbehalten ist, genüßen und gebrauchen.“ 769 Nach dieser Instruktion hatte der Landeshauptmann danach die Einkünfte der königlichen Kammer zu verwalten.770 Die Instruktion spricht insgesamt von „Fälligkeiten, Bußen, Wandeln und Straffen“ „bey den Ober- und Niedergerichten- auch Land- und Hofgerichten, so Uns, als regierendem König von zu Boheim und Marggraffen in Ober-

766

StFilA Bautzen, Memorial, Bl. 73 ff., 80 ff. KW I, S. 55 ff. 768 StFilA Bautzen, Memorial, Bl. 55 ff. 769 KW II, S. 1337 ff., 1340; 1350 ff., 1353. 770 KW II, S. 1361. Näher ausgeführt werden insbesondere Einkünfte aus „Obergerichten“. 767

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C. Landesherrliche Gerichte

Lausnitz, von Rechtswegen in Unser Cammer zuständig“.771 Die Gerichtseinkünfte kamen in ausgehendem Mittelalter und früher Neuzeit also vollends dem Landesherrn zu, der den Hofrichter daraus besoldete. Dies wird auch hinsichtlich früherer Zeiten gegolten haben, zumal enge gerichtsverfassungsrechtliche Verwandtschaft zwischen Hofgerichten und Vogtdingen/Landgerichten, wo dies ebenfalls der Fall war, bestand. Nach der Zuordnung der Gerichtsgefälle zu urteilen, lag die Gerichtsherrschaft beim Landesherrn. Der „Extract“ aus dem Görlitzer Hofgerichtsbuch, das ab 1406 geführt wurde, enthält keinen Hinweis auf die Weise der Auswahl und Ernennung der Hofrichter. Görlitzer Hofrichter war indes ja der Görlitzer Amtshauptmann, der wie gesehen nach einem besonderen Verfahren, an dem Landesherr und Landstände, also herrschaftliche sowie genossenschaftliche Ordnung beteiligt waren, ausgewählt und ernannt wurde. Der Blick hat sich mithin auf das Budißiner Hofrichteramt zu richten. Nach der landesherrlichen Instruktion an den Landvogt Graf Dohna von 1554 durfte der Landvogt, der „unser Königl. Ober-Gerichte, Hoff- und Land-Gerichte, deßgleichen auch allen gerichtlichen Proceß, in unserm [des Landesherrn – HvS] Nahmen“ handelte, „dieweil [er] solche Königl. Ober- Landund Hoff-Gerichte alle zubesuchen, zu weit entlegen, [. . .] dieselben, durch Land- und Städte-Schöppen und Land-Richter, nach Innhalt unserer derhalben hievor ausgegangenen Ordnung772, sammt notwendigen Richtern [. . .] versehen und bestellen.“ 773 Aus der landesherrlichen Instruktion an den Landvogt von 1554 ergibt sich, daß der Landvogt „Land-Richter und Schöppen [womit, wie sich aus dem weiteren Inhalt der Urkunde ergibt, sämtliche Richter und Schöffen in den landesherrlichen Gerichten gemeint waren – HvS], wo die zu solchen ihren Aemtern untüchtig oder unfleißig befunden, doch mit Unserm [. . .] Vorwissen, zuurlauben, und andere tügliche an ihrer statt aufzunehmen, Macht haben.“ 774 Nach der landesherrlichen Instruktion an den Kurprinzen Johann Georg als Landvogt von 1672 geschah die „Aufnehmung eines Hof-Richters und Cantzlers“ allein durch den Landvogt, mithin – im Gegensatz zum ausdrücklich in diesem Zusammenhang genannten Amt des Amtshauptmanns, an dessen Auswahl und Ernennung wie gesehen die Landstände, also die genossenschaftliche Ordnung beteiligt waren – diese „zwey Aemter, wie vor Alters, [allein] in [des Landvogts] Macht stehen, aufzunehmen und zuenturlauben“.775 Auswahl und Ernennung lag auch in der Praxis nach dem Bericht des Görlitzer Hauptmanns von ungefähr 1585 allein beim Landvogt: „Und stehet in ihrer des Land-Voigts 771

KW II, S. 1360 ff., 1361. Wohl ein Verweis auf den vorhergehenden Absatz, in dem nähere Ausführungen etwa zur Besetzung der Richter- und Schöffenstellen gemacht werden. 773 KW II, S. 1337 ff., 1338; vgl. auch die im wesentlichen wortgleiche Instruktion an den Landvogt Joachim Graf Schlick von 1561 (KW II, S. 1350 ff.). 774 KW II, S. 1337 ff., 1338. 775 KW II, S. 1432 ff., 1434. 772

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Macht, denselben [den Hofrichter – HvS] aufzunehmen und zu urlauben“.776 Der Hofrichtereid aus dem Jahr 1667, der auch entsprechend im 18. Jahrhundert wiederkehrt, lautet insoweit: „Ich Hans Henning von Blanckenfeld auf Öhna schwere hiermit zu Gott dem Allmächtigen einen cörperlichen Eyd: Nachdem der [Landvogt] mich zum Hoff Richter des Churfürstl. Sächß. Ober Ambts allhier bestellet und angenommen“.777 Nach Berichten über die Verhältnisse im 18. Jahrhundert wurde der „Hofrichter [. . .] von dem Landesfürsten gesetzt“ 778 beziehungsweise „in dem Hof-Gerichte zu Budißin [. . .] ein Hof-Richter [. . .] von dem Herrn Land-Voigt eingesetzet“ 779. Noch 1806 galt, wie sich aus einem zeitgenössischen Bericht ergibt, daß Budißiner Hofrichter und Vizehofrichter „vom Landvoigt oder dessen Stellvertreter gewählt“ werden.780 Die Besetzung der Stellen beim Hofgericht erfolgte spätestens ab dem 16. Jahrhundert in Vertretung des Landvogts durch den Budißiner Amtshauptmann, wie sich aus der Abhandlung von 1561781 und dem Bericht des Görlitzer Hauptmanns von ungefähr 1585782 ergibt. Das Recht an Auswahl und Ernennung erscheint nach diesen Quellen als ein rein herrschaftliches, dem Landesherrn mithin als Gerichtsherrn zustehendes. Auch dieses Recht war jedoch tatsächlich eingeschränkt, indes nicht so stark wie hinsichtlich der Auswahl des Amtshauptmanns im Rahmen der Gerichtsverfassung der Ämter. Die Landstände schrieben am 29. August 1608 an den Landvogt in Befürchtung, das Amt des Hofrichters werde nach anderen Grundsätzen vergeben, daß zwar dem Landvogt gemäß den landesherrlichen Instruktionen „freigestellt“ sei, die Hofrichterstelle zu besetzen. Jedoch sei dieses Recht eingeschränkt durch „alten Gebrauch und gute Gewohnheiten“, indem nämlich auch „vor hundert Jahren [. . .] kein anderer zu solchem Amt gebraucht worden als entweder ein Angesessener oder Eingeborner vom Adel dieses Landes.“ 783 Dies bestätigt eine Liste der Namen der Inhaber des Budißiner Hofrichteramtes im Zeitraum zwischen 1509 und 1608, die diesem Schreiben beigefügt wurde.784 Auch dem „Pactum“ der Landstände wegen der Erwerbungen und Veräußerungen von Lehngütern von 1619 zufolge war durch Gewohnheit das freie Auswahlrecht des Landvogts beziehungsweise Hauptmanns zumindest insoweit eingeschränkt, als

776 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 3, mit Verweis auf eine nicht näher bezeichnete landesherrliche Instruktion an den Landvogt (vgl. die im wesentlichen wortgleichen Instruktionen an die Landvögte Dohna [1554] und Schlick [1561], KW II, S. 1337 ff., 1350 ff.). 777 Abgedruckt Boetticher, Adel I, S. 32 f., Anm. 4. 778 Römer, Staatsrecht, S. 179. 779 Wabst, Nachricht, S. 276. 780 Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 76. 781 KW II, S. 1354 ff., 1357. 782 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 3. 783 StFilA Bautzen, Hofrichter, unpaginiert. 784 StFilA Bautzen, Hofrichter, unpaginiert.

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C. Landesherrliche Gerichte

hinsichtlich Richter als auch Schöffen „zu den Königlichen Hof-Gerichten [. . .] vor Alters allewege die von Adel, so am nechsten bei den Ambt-Stellen und Städten gewohnet, [jedoch nicht] andere von den Aembtern weit abgesessene, mit Unstatten hierzue erfordert werden müssen“.785 Noch im 18. Jahrhundert war das freie Auswahlrecht des Landesherrn [Landvogts] insoweit eingeschränkt, als der Kandidat „ein angesessener von Rittermäßigen Adel seyn“ mußte.786 Dies galt auch im 19. Jahrhundert.787 Somit war noch gegen Ende des Bestehens der Hofgerichte auch das an sich rein herrschaftliche Recht an Auswahl und Ernennung der Hofrichter durch „Gebrauch“ und „Gewohnheit“ zugunsten der adligen Landstände, also einem Teil der genossenschaftlichen Ordnung auf dieser Herrschaftsebene eingeschränkt. Hinsichtlich der lediglich im 15. Jahrhundert vorkommenden Unterrichter im Görlitzer Hofgericht vermutete Knothe, daß diese vom vertretenen Hauptmann ausgewählt und ernannt wurden, ohne daß hierfür Nachrichten vorliegen.788 Das genaue Verfahren der Auswahl und Ernennung des Hofrichters ergibt sich aus Archivalien, die ab dem 17. Jahrhundert überliefert sind. Entweder Dritte schlugen jemanden dem Landesherrn oder dem Landvogt als dem landesherrlichen Vertreter vor oder der Kandidat brachte seinen Namen selbst ein beziehungsweise der Landesherr oder der Landvogt wurden von sich aus initiativ. Als sich 1734 mehrere Kandidaten auf die Stelle des Hofrichters bewarben, sandten die Bewerber dem Landesherrn jeweils umfangreiche Begründungen ein, warum gerade sie jeweils geeignet seien. Der eine Bewerber führte für sich die „treuen Dienste [. . .] in der Armee“ und den Umstand an, daß er die Einkünfte des Amtes benötige, um seine Kinder zu ernähren. Sein Gut habe schlimmen Wetterschaden. Der andere Bewerber hielt sich deshalb für geeignet, weil er lange Hofgerichtsschöffe gewesen sei und das Hofrichteramt bereits zeitweise interimistisch wahrgenommen habe. Der Landesherr wählte daraufhin einen Dritten, der sich nicht beworben hatte, aus und ernannte diesen.789 Das Verfahren der Ernennung erfolgte hinsichtlich des Budißiner Hofgerichts 1781 wie folgt: Gegenwärtig waren der Oberamtshauptmann, die beiden Landesältesten Budißiner Kreises, der Oberamtskanzler und der Oberamtsvizekanzler. Zunächst wurde die die Pflichten eines Hofrichters enthaltende „Pflichtsnotul“ dem zu Ernennenden vorgelesen. Sodann erfolgte die Ablegung des Eides durch diesen. Es folgte ein Handgelöbnis gegenüber dem Oberamtshauptmann in Vertretung des Gerichtsherrn mit Handschlag.790 Das Hofrichteramt wurde auf Lebenszeit vergeben. Dies ergibt sich 785 Wortwörtlicher Abdruck als Bestandteil der „Confirmation“ dieses Vertrags durch den Landesherrn vom Jahr 1667 (KW I, S. 1048 ff., 1053). 786 Wabst, Nachricht, S. 276; vgl. Römer, Staatsrecht, S. 179. 787 Vgl. Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 76. 788 Knothe, Hofgerichtsbuch, S. 4. 789 StFilA Bautzen, Memorial, Bl. 60 ff. 790 StFilA Bautzen, Bestellung Hofrichter, Bl. 17 ff.

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aus Rückschlüssen aus Archivalien bezüglich der Bestellung der Hofrichter im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. 1800 war ein Hofrichter erkrankt. Der erkrankte Hofrichter wurde jedoch nicht ersetzt, dessen Amtszeit lief mithin weiter, sondern es wurde auch in diesem Fall ein „Vice-Hofrichter“ ernannt, der den Hofrichter bei der Amtsverrichtung unterstützen sollte. Der „Vice-Hofrichter“ wurde jedoch mit dem „ius succedendi“ hinsichtlich der Hofrichterstelle ernannt, also als Nachfolger bei Tod des jetzigen Hofrichters. Ein Hofrichter, wenn er das Amt aufgeben wollte, mußte unter Angabe von Gründen um Entlassung beim Landesherrn bitten.791 Aus den Gerichtsprotokollen ergibt sich über die Art der Auswahl und Ernennung nichts. Nach dem Bericht des Görlitzer Stadtschreibers Haß aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde das Görlitzer Hofgericht vom Hauptmann „mit etzlichen lantsessen zu schoppen besatzt.“ 792 Soweit es zumindest die Verfahren der Zwangsvollstreckung in Lehngüter anging, wurden nach einem Oberamtsbericht von 1734 „drey oder vier Adeliche“ „von Oberamt“ (zu Budißin) zu „Assessoren“ „verschrieben“.793 Hinsichtlich des Görlitzer Hofgerichts berichtet Leonhardi 1806: „Die Beysitzer des görlitzischen Hofgerichts werden von den Herren Landständen des görlitzischen Kreises gewählt“,794 wohingegen nach Römer in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts „sich“ „der Amtshauptmann [als Görlitzer Hofrichter – HvS] drey oder vier rechtmäßige Beysitzer [. . .] wählt“.795 Die Ausübung des herrschaftlichen Rechts an Auswahl und Ernennung wurde auch von anderen Gewohnheiten geleitet. Der Oberamtsbericht von 1734 berichtet ferner: „Von denen Asessoribus habe schon allerunterthänigst erwehnet, wie solche bey gar nichts gegenwärtig, noch erforderlich seyn, als an denen in manchen Jahr gar nicht und sonst nur selten vorkommenden Tagen und wenigen Stunden, da Ritter Güther öffentlich subhastiret werden. Es ist von den ältesten Zeiten her gewöhnlich gewesen, von Oberamtswegen angesessene von Adel zu verschreiben, die jedoch, weil sie nichts zu verrichten haben, auch niemahlen etwas bekommen. Man hat deswegen meistentheils diejenigen dazu genommen, welche am nähesten um Budissin herum gewohnet, und wenn sie nicht erscheinen können, sind offtmahls andere possessionirte von Adel, so sich selbigen Tages in Budissin befunden, zu diesem actu erfordert worden.“ 796 Danach hatte sich die Gewohnheit entwickelt, nur solche zu Schöffen zu bestellen, die ein Gut nahe der Stadt und folglich weniger Umstände mit der Anreise zu den Gerichtstagen hatten. Daß dies der Grund der Entstehung der Gewohnheit war, ergibt sich

791 792 793 794 795 796

StFilA Bautzen, Bestellung Hofrichter, Bl. 40 ff., 79 ff. Haß, Ratsannalen II, S. 153. Zitiert nach Boetticher, Adel I, S. 30 f. Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 77. Römer, Staatsrecht, S. 179. Zitiert nach Boetticher, Adel I, S. 32.

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C. Landesherrliche Gerichte

aus einem Schreiben an das Oberamt aus dem Jahr 1719, in dem der Hofgerichtsschöffe Samuel Gottlob v. Loeben um Entlassung aus dem Amt bat mit der Begründung, er habe sein nahe der Stadt Budißin gelegenes Gut verkauft und werde wegziehen.797 Es war aber nicht immer der Fall, daß sich die Gerichtsherrschaft von der einen oder der anderen Übung bei der Ausübung ihrer Rechte leiten ließ. Der Landesherr beziehungsweise sein Vertreter konnte auch selbst initiativ werden, wie sich etwa aus einem Schreiben des Budißiner Oberamtshauptmanns vom 22. November 1737 wegen der erforderlich gewordenen Neubesetzung aller vier Schöffenämter beim Budißiner Hofgericht ergibt. Das Schreiben, gerichtet jeweils gleichlautend an vier adlige Personen mit Gütern im Amt Budißin, lautet: „Dieweil die bei denen Hofgerichten allhier vakanten Assessor-Stellen von neuem zu besetzen der Notwendigkeit sein will, und ich hierbei mein Absehen unter anderem auch auf Euch mitgerichtet. Als will ich im Namen [des Landesherrn] Oberamts wegen [Euch] hiermit diese Funktion [auftragen] und zum Hofgerichts-Assessor Kraft dieses [konfirmieren]; [befehle ich], daß Ihr Euch solcher Funktion gebührlich unterziehet, und bei den Hofgerichten allhier so oft es vonnöten, als ein Assessor erscheinet.“ 798 Solche Schreiben, mit denen der Landesherr beziehungsweise sein Vertreter von sich aus initiativ landesherrliche Vasallen – zum Teil auch mit ausdrücklichem Hinweis das es sich um eine Vasallenpflicht handele –799 zum Schöffendienst heranzogen, ergingen häufig.800 Trotz allem war und blieb also das Recht an Auswahl und Ernennung der Hofgerichtsschöffen ein herrschaftliches, das zwar nach gewissen Gewohnheiten ausgeübt wurde, hinsichtlich dessen die Gerichtsherrschaft jedoch auch stets in der Lage war, entgegen solcher Gewohnheiten zu entscheiden. Das Auswahlrecht bezogen auf die Hofgerichtsschöffen erscheint insgesamt stark herrschaftlich geprägt, jedoch ebenfalls durch bestimmte Gewohnheiten zugunsten des genossenschaftlichen Elements eingeschränkt. Das Görlitzer Hofgerichtsbuch, beginnend 1406, enthält, soweit es die Art der Bestellung als Urteiler oder Schöffe, mithin die Amtsdauer betrifft, folgenden Eintrag von 1423: „Scab. Rutschicz in loco Hannus von der Sprey Jone von Gersdorff zu Heynichen gesessen phelip v. Hotenhoff zu arnsdorff in loco Nicln von Heynichen et Tyme Rackel zu Heynichen gesessen.“ 801 Danach wurden verhinderte Schöffen vertreten. Ein Schöffe war also nicht nur für einen Gerichtstag, sondern ständig bestellt. Sonst hätte es Vertretung nicht bedurft. Nach der Be797

StFilA Bautzen, Hofgerichtsassessoren, Bl. 11 ff. StFilA Bautzen, Hofgerichtsassessoren, Bl. 35. 799 Vgl. etwa StFilA Bautzen, Hofgerichtsassessoren, Bl. 50. 800 Vgl. gleichlautende Schreiben späterer Zeit (StFilA Bautzen, Hofgerichtsassessoren, z. B. Bl. 52, 56, 59, 63). 801 UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 90b f. 798

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schwerdeschrift der landesherrlichen Städte gegen die Amtsführung des Landvogts Graf Dohna von 1559 war es bei der Besetzung der Schöffenstellen beim Hofgericht zu Budißin Übung, daß „solche Hoff-Gerichte zu Bautzen [. . .] etliche Landsassen bemeldten Rittersitz gehalten“, beim Hofgericht zu Görlitz, daß „solche Hoff-Gerichte zu Görlitz der Hauptmann neben vier Land-Schöppen vom Adel, die umzechweise haben müssen besitzen helffen“ hielten.802 Auch hinsichtlich des Budißiner Hofgerichts ist folgendes Verfahren der Besetzung „umzechweise“ anhand Quellen des 18. Jahrhunderts nachgewiesen. Es findet sich in den Akten des Oberamts eine Vielzahl an Resignationschreiben von Hofgerichtsschöffen aus der Zeit zwischen dem frühen 18. und dem frühen 19. Jahrhundert, wonach die Schöffen nach ein-, meist zwei- bis dreijähriger Amtszeit regelmäßig wegen persönlicher Gründe um Entlassung beim Oberamt nachsuchten. Dabei schlug der um Entlassung bittende Schöffe nahezu stets einen Nachfolger vor. Dieser wurde dann regelmäßig auch vom Oberamt ausgewählt und ernannt.803 Die Amtsdauer von zwei Jahren wird etwa in einem Resignationsschreiben vom 23. April 1704 als „gewöhnliche Jahre“ bezeichnet.804 Nach dem Bericht Wabsts aus dem 18. Jahrhundert mußte ein Schöffe in beiden Hofgerichten „wieder Willen, nicht länger, als ein Jahr sitzen, massen auch selbige keine Besoldung, noch Liefer-Geld zu geniessen haben, wenn also das Jahr um ist, mag der Hof-Richter einen andern zum Schöppen angeben, und wird ihm solches Munus zu übernehmen, von dem Amts-Hauptmann injungiret.“ 805 Ein Oberamtsbericht von 1734 sagt hinsichtlich bestimmter Zuständigkeiten dagegen aus, daß die Hofgerichtsschöffen lediglich „ad hunc actum unicum“, also für jedes einzelne Verfahren „von Oberamt“ (zu Budißin) zu „Assessoren“ „verschrieben“ wurden. Eine Besetzung mit „beständigen Assessores“ fand nach danach zumindest in den dort genannten Fällen nicht mehr statt.806 Dies wird sich angesichts der zuvor angeführten Quellen auch nur auf diese bestimmten Sachen bezogen haben. Ein Vasall war also im Durchschnitt auf zwei Jahre bestellter, mithin ständiger Urteiler, also Schöffe, wie sich hieraus ablesen läßt. c) Anforderungen und Pflichten an die/der Gerichtspersonen Hinsichtlich der Anforderungen an die Gerichtspersonen des Hofgerichts ist zunächst auf solche bezogen auf das Hofrichteramt einzugehen. Der Hofrichter war stets ein im Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Hofgerichts mit einem Lehngut ansässiger landesherrlicher Vasall, der stets dem landsässigen Adel angehörte. Ein bürgerlicher oder bäuerlicher landesherrlicher Vasall, etwa ein Inha802 803 804 805 806

Weinart, Rechte I, S. 51; vgl. LSD, S. 152 ff., 161 f. Vgl. die einzelnen Schreiben in StFilA Bautzen, Hofgerichtsassessoren, Bl. 1 ff. StFilA Bautzen, Hofgerichtsassessoren, Bl. 1 ff., 8 ff. Wabst, Nachricht, S. 276. Zitiert nach Boetticher, Adel I, S. 32.

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C. Landesherrliche Gerichte

ber eines bäuerlichen Lehngutes ist als Hofrichter bis zum Ende des Untersuchungszeitraums nicht nachweisbar. Als Anforderung wird in der Beschwerde der landesherrlichen Städte gegen die Amtsführung des Landvogts Dohna von 1559 vorgetragen, daß „solche Hofgerichte zu Bautzen neben dem Hofrichter“, an den dieselben Anforderungen gestellt wurden, „etzliche Landsaßen benannten Rittersitz [das Gericht – HvS] gehalten.“ 807 Nach dem „Extract“ aus dem erwähnten Görlitzer Hofgerichtsbuch waren – wie bereits erwähnt – seit Beginn der Überlieferung 1406 Angehörige des landsässigen Adels des Görlitzer Weichbildes die Hofrichter des Görlitzer Hofgerichts, dies auch durchgängig während der gesamten Überlieferung.808 Soweit es auch die spätere Zeit betrifft, berichtete der Görlitzer Amtshauptmann um 1585: „In den Budißinischen dreyen Creyßen, wird vom Land-Voigte, ein sonderlicher Hofrichter, welcher eine Rittermäßige Adels-Person sein soll, bestellet, und unterhalten.“ 809 Daß es sich stets um Angehörige des landsässigen Adels des Budißiner Kreises handelte, ergibt sich auch aus einer Liste aller Budißiner Hofrichter zwischen 1509 und 1608 aus dem Jahr 1608.810 Der Amtshauptmann zu Görlitz, der auch Hofrichter im Görlitzer Hofgerichts war, war wie gesehen stets als Inhaber eines Lehngutes im Amt Görlitz landesherrlicher Vasall, mithin ein Angehöriger des Görlitzer landsässigen Adels. Nach Berichten und Archivalien des 17., 18. und frühen 19. Jahrhunderts ergeben sich folgende, deckungsgleiche Kriterien,811 wobei jedoch hinsichtlich des Hofrichters die Voraussetzung, juristisch gebildet zu sein, hinzukam. Nach einem Schreiben des Oberamtshauptmanns vom 20. Dezember 1780 hatte der Kandidat für das Budißiner Hofrichteramt folgende drei Voraussetzungen „von jeher“ zu erfüllen: Dieser mußte erstens „im Land seßhaft“ sein, „Iura studirt haben“ und „in Landwirtschafts-Sachen gute Kenntnisse besitze[n], weil einem Hofrichter bei Taxationen der [in Konkurs geratenen – HvS] Rittergüter die Direction dergleichen Expedition hauptsächlich obliegt.“ 812 Diese Voraussetzungen galten noch im frühen 19. Jahrhundert, indem in einem Schreiben des Oberamtshauptmanns aus dem Jahr 1812 hinsichtlich der Anforderungen an den Kandidaten auf das Schreiben von 1780 verwiesen wird und diese als „angemessen“ bezeichnet werden.813 Hinsichtlich der Ernennung Carl Traugotts v. Bayn auf Särka zum Budißiner „Vice-Hofrichter“ mit Anwartschaft auf die Budißiner Hofrichterstelle im Jahr 1800 wurde vom Oberamt gefordert, daß dieser „zuvörderst [. . .] die sich erworbenen Rechts- und ökonomischen Kenntnisse [. . .] durch gewisse, 807

Weinart, Rechte I, S. 51; vgl. LSD, S. 152 ff., 161. Vgl. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 3 ff. 809 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 3; vgl. auch I, 6. 810 StFilA Bautzen, Hofrichter, unpaginiert. 811 Vgl. Wabst, Nachricht, S. 276; Römer, Staatsrecht, S. 179; Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 76. 812 StFilA Bautzen, Bestellung Hofrichter, Bl. 4 f. 813 StFilA Bautzen, Bestellung Hofrichter, Bl. 135 ff. 808

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auch über beide Gegenstände gehaltene Akten zu fertigende specimina“, also „Probeschriften“ unter Beweis stelle.814 Ein Kandidat, der bislang noch nicht im Markgraftum Oberlausitz ansässig war, wurde im 18. Jahrhundert unter der Bedingung zum Hofrichter bestellt, „daß er sich wenigstens binnen Jahresfrist im Marggrafthum Ober-Lausitz seßhaft mache.“ 815 Nach dem Sachsenspiegel-Lehnrecht und verwandten lehnrechtlichen Quellen waren die Schöffen des Lehngerichts die lehnsfähigen, mithin heerschildfähigen Vasallen (also nicht die Bauermeister), die dem betreffenden Lehngericht unterworfen waren.816 Noch im 18. Jahrhundert betont der Vertreter des Landesherrn bei der Aufforderung an einen landesherrlichen Vasallen, Hofgerichtsschöffe zu werden, jeder „Vasall“ habe die „Pflicht“, die Schöffenstelle „anzunehmen“.817 Aus dem „Extract“ aus dem ab 1406 geführten Görlitzer Hofgerichtsbuch geht – ganz auf dieser Linie – hervor, daß es sich von Beginn an regelmäßig um im Görlitzer Weichbild ansässige Adlige handelte. Dies waren 1419818 „Friedrich Rabenaw“, also Friedrich v. Rabenau auf Rietschen und Daubitz im Görlitzer Weichbild,819 „Hans Reckil“, entweder Hans v. Rackel auf Rackel oder sein Namensvetter auf Daubitz,820 und „Jon von Geristorff“, also wohl Jon v. Gersdorff auf Kuhna beziehungsweise Reichenbach.821 Vereinzelt verzeichnet das Hofgerichtsbuch auch eine Besetzung der Schöffenbank neben adligen mit nichtadligen Schöffen, so 1415 neben drei adligen Schöffen „Henicke de Meczenrad loco Bursse de Luban“,822 war mithin Metzradt Vertreter des Heinrich Porse, Bürgermeister von Löbau und Inhaber von landesherrlichen Lehen auch im Weichbild Görlitz.823 Hiermit liegt ein Nachweis für einen nichtadligen, bürgerlichen landesherrlichen Vasallen als Schöffe vor. Jedoch ist heute etwa eine ausschließliche oder überwiegende Besetzung der Schöffenbank mit bürgerlichen Vasallen genauso wenig nachweisbar wie das Vorhandensein bäuerlicher Vasallen als Hofgerichtsschöffen. Die Schöffen mußten im Gegensatz zum Hofrichter auch später nicht juristisch gelehrt oder halbgelehrt sein. Hinweise für eine solche Anforderung liegen nicht vor. Es genügte vielmehr, wie bereits Knothe zurecht, jedoch ohne Quellenanbindung in seiner heute noch maßgeblichen Arbeit über den Oberlausitzer Adel meinte, die praktische eigene Erfahrung und das Wissen, was der Kandidat beim Besuch eigener oder fremder Prozesse beziehungsweise bei 814 815 816 817 818 819 820 821 822 823

StFilA Bautzen, Bestellung Hofrichter, Bl. 40 ff. StFilA Bautzen, Bestellung Hofrichter, Bl. 13. Im einzelnen Planck, Gerichtsverfahren I, S. 98 ff. StFilA Bautzen, Hofgerichtsassessoren, Bl. 50. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 63 b. Vgl. Knothe, Adel I, S. 431. Knothe, Adel I, S. 434. Vgl. Knothe, Adel I, S. 192. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 34 a. Vgl. Boetticher, Weichbild, S. 6, Anm. 22.

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C. Landesherrliche Gerichte

den Landtagen erworben hatte.824 Nach dem „Pactum“ der Landstände wegen des Erwerbs und der Veräußerung von Lehngütern von 1619 wurden Richter und Schöffen auch in diesem Zeitraum wie folgt ausgewählt: Es wurde 1619 befürchtet, daß „durch Veräußerung der Land-Güther [an die Städte oder deren Bürger – HvS], den Land-Ständen auch diese Bequemlichkeit entzogen, weiln die bey den Städten nechst angelegene Güther in ihre Hände kommen, daß zu den Königlichen Hof-Gerichten, entweder nicht allerdings qvalificierte Personen und Assessores, hierzu denn vor Alters allewege die von Adel, so am nechsten bey den Ambt-Stellen und Städten gewohnet, zuerlangen, oder aber andere von den Aembtern weit abgesessene, mit Unstatten hierzue erfordert werden müssen.“ 825 Maßgeblich war also in der Neuzeit – auf der Linie des sächsischen Lehnrechts – nichts anderes als das Innehaben eines Lehngutes, wobei in dieser Quelle von Bürgern nicht die Rede ist. Noch 1806 wird bezüglich der Voraussetzung hinsichtlich Richter und Schöffen lediglich gesagt: „Der Hofrichter [zu Budißin] muß ein landtagsfähiger Edelmann, wie seine Beysitzer seyn, und hat seinen bestimmten Platz im weiten Ausschusse auf dem Landtage“. In Görlitz war bis zuletzt der Hauptmann zugleich Hofrichter, der ohnehin wie gesehen dem landsässigen Adel entstammte. Die Görlitzer Hofgerichtsschöffen wurden weiterhin „von den Herren Landständen des görlitzischen Kreises gewählt“,826 stammten mithin aus dem landsässigen Adel des Amtes Görlitz. Anderen als Angehörigen des landsässigen Adels war das Schöffenamt also in späterer Zeit ausdrücklich nicht mehr zugänglich. Über die Pflichten von Hofrichter und Schöffen sagen deren Eide etwas aus. Nach der landesherrlichen Instruktion an den Landvogt Graf Dohna von 1554 waren die Gerichtspersonen des Hofgerichts zu beeiden: „Und weil an etzlichen Orthen, wie wir bericht, unbeeydete Personen an denselben Land- und Hoff-Gericht sitzen; so soll er [der Landvogt – HvS] solche führohin abstellen, und zu Besetzung derselben beeydete Personen [. . .] verordnen, und denen solche Gerichte befehlen.“ 827 Auch 1564 wird in der „Vergleichung des Gerichtsprocess wieder die eximierten Personen“ 828 gefordert, daß zur „Bestellung [. . .] eines Heisch-Gerichts, wie vor Alters [. . .] vonnöthen [sei], daß der Richter und seine Schöppen wieder zu Budißin dingen auch von neuen erfordert, vereydet, und ihnen eingebunden werde“ 829. Ein Hofrichtereid aus dem Jahr 1667 lautet: „Ich Hans Henning von Blanckenfeld auf Öhna schwere hiermit zu Gott dem Allmächtigen einen cörperlichen Eyd: Nachdem der [Landvogt] mich zum Hoff 824

Knothe, Adel I, S. 101. Abdruck als Bestandteil der entsprechenden „Confirmation“ des Landesherr aus dem Jahr 1667 (KW I, S. 1048 ff., 1053). 826 Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 76. 827 KW II, S. 1337 ff., 1339; vgl. auch KW II, S. 1350 ff. 828 LSD, S. 222 ff., 223. 829 LSD, S. 222 ff., 223. 825

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Richter des Churfürstl. Sächß. Ober Ambts allhier bestellte und angenommen: Daß höchstgedachter Sr. Churf. Durchl. p. meinem gnädigsten Herrn, sowohl hochermeltem Herrn Landvoigte [. . .] wie auch diesem hochlöblichen Ober Ambt, ich iederzeit getreu, hold, gewärtig und gehorsam seyn, alles dasjenige, was einem Hof Richter oblieget und gebühret, bestes Fleißes und Verstandes vermöge dieses Landes Ordnungen, Gebräuche und Privilegien verrichten, die mir anvertraueten Ambts Sachen, ohne Offenbahrung iemandes anders, als dem es zu wissen gebühret, in geheim, sowohl die Hoffgerichts Registraturen in guter Ordnung und Sicherheit halten, Sr. Churfürstl. Durchl. und des hochlöblichen Oberambts Hoheit, Respect und Interesse nach meinem Vermögen iederzeit beobachten und befördern, auch alles dasjenige, was von dem Churfürstl. Ober Ambte in solchem Dienste mir anbefohlen wird und einem getreuen Hoff Richter zu thun gebühret, ohne Ansehen einiger Person, Gunst oder Furcht, Geschenck oder Gaben, Freund- oder Feindtschafft, getreulich und ohne Verzug thun und verrichten, auch hierob in meinem Ambte Niemanden scheuen will noch soll, so wahr mit Gott helffe und seine Göttliche Gnade.“ 830 Der Inhalt dieses Eides findet sich wieder in den Hofrichtereiden des 18. und 19. Jahrhunderts.831 Hieraus werden die alten (Richter-) und Schöffenpflichten deutlich, gerecht und unbeeinflußt ohne Ansehung der Person zu handeln. Noch im 18. Jahrhundert betont wie erörtert der Vertreter des Landesherrn bei der Aufforderung an einen adligen landesherrlichen Vasallen, Hofgerichtsschöffe zu werden, jeder „Vasall“ habe die „Pflicht“, die Schöffenstelle „anzunehmen“.832 Die Schöffen hatten nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585 in beiden Ämtern „keine Besoldung noch Liefergeld“, waren „aber länger als ein Jahr, nachdem sie gekohren worden, zu sitzen nicht schuldig, undt wann das Jahr herumb ist, mag ein ieder einen anderen zum LandSchöppen angeben, dann wirdt alsdenn solches auf sich zu nehmen, von denen Amts-Hauptleuten, auferleget und befohlen.833 Nach ab dem 17. Jahrhundert vorliegenden Quellen waren wie gesehen die Schöffen durchschnittlich zwei Jahre im Amt. Nach einem Oberamtsbericht von 1734 erforderte jeder „Actus“ des Budißiner Gerichts, „daß ein Assessor vier Vormittage in Budissin sey.“ 834 Die Schöffenpflichten insgesamt ergeben sich aus den Schöffeneiden. Ein Eidesformular aus dem 18. Jahrhundert lautet: „Ich, N.N., Schwöre hiermit zu Gott dem Allmächtigen einen wahren leiblichen Eid, daß, nachdem ich bei dem Churfstl. Ober-Amte des Markgrafthums Oberlausitz, zu denen Ober-Amts-Hofgerichten allhier, in denen daselbst vorfallenden Civil- und Criminalsachen als Beisitzer 830

Abgedruckt bei Boetticher, Adel I, S. 32 f., Anm. 4. Vgl. die überlieferten, inhaltlich gleichlautenden Eide aus dem 18. und 19. Jahrhundert in StFilA Bautzen, Bestellung Hofrichter. 832 StFilA Bautzen, Hofgerichtsassessoren, Bl. 50. 833 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 3. 834 Abgedruckt Boetticher, Adel I, S. 32. 831

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und Scabinus verordnet worden, ich nicht nur auf Erfordern bei selbigem jedes Mal erscheinen, die mir aufgetragenen Verrichtungen an Taxationen, Besichtigungen. Executionen, Subhastationen und dergleichen vorfallende Expeditionen nach meinen besten Wissen, alles Fleißes bewerkstelligen, sondern auch in Untersuchungs-Sachen denen Sektionen, Vernehmungen und übrigen dabei vorkommenden gerichtlichen Actibus, so oft ich darzu verlanget werde, jederzeit unausgesetzt beiwohnen, auf die Aussagen derer Inkulpaten und Zeugen, damit selbige richtig und unverändert niedergeschrieben werden, auch sonst auf alles dasjenige, was diesfalls gehandelt wird, genaue Acht und fleißiges Aufmerken haben, solches alles, und was mir dieserhalb bekannt wird, geheim und verschwiegen halten, auf alles andere, was sowohl die Zivil- als Kriminal-Gesetze von einem treuen und rechtschaffenen Assessore und Scabino erfordern, tun und verrichten, und solches nicht unterlasse will, weder um Gunst, Gabe, Geschenk, Freundoder Feindschaft, noch andere Ursachen willen, so wahr mir Gott helfe, durch Jesum Christum Amen!“ 835 Die bereits in mittelalterlichen Schöffeneiden enthaltene Pflicht, gerecht und unbeeinflußt ohne Ansehung der Person zu handeln, wird auch insoweit deutlich. Jedoch fehlt jetzt die Beeidung der Pflicht zur Urteilsfindung. Stattdessen werden insbesondere die Pflichten zur Taxation verschuldeter Güter und zur Bezeugung der Zeugenaussagen angeführt. Wie sogleich zu sehen sein wird, veränderten sich die Pflichten der Hofgerichtsschöffen in der Neuzeit weg von der Urteilsfindung und hin zu einer unterstützenden Funktion des Hofrichters insbesondere bei der Zeugeneinvernahme und im Rahmen der Schätzung von Gütern. d) Entscheidungsverfahren Bezüglich des Entscheidungsverfahrens im Hofgericht gibt heute erstmals der „Extract“ aus dem 1406 begonnenen Görlitzer Hofgerichtsbuch Hinweise. So heißt es etwa gleich für das Jahr 1406: „Leuther von Pencz und Albrecht von Hoberg mit eren genozen dy haben eyn ortel by en gehabt [das ihnen von früheren Schöffen geteilt worden war – HvS] daz haben sy an dy nuwen Schephin bracht.“ 836 „Hans Klux zu Groditz [. . .] gesessen [ist] geteilt von den Scheppen zu gehegter bang [es folgt der Urteilsinhalt – HvS].“ 837 Erwiesen ist damit auch hinsichtlich der Hofgerichte, daß Funktionsteilung zwischen Richter und Schöffen bestand, indem ursprünglich ausschließlich die Schöffen aus dem Kreis der Rechtsgenossen, der dem Gericht unterworfenen Vasallen, das Urteil und damit allgemeinverbindliches Recht fanden. Die Quelle ist ein schöner Beleg für die Schöffen als „Träger des Rechts“ in weitgehend schriftloser Zeit im Sinne des

835 836 837

StFilA Bautzen, Hofgerichtsassessoren, Bl. 64 ff. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 2 b. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 3.

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„dinggenossenschaftlichen Prinzips“ auch insoweit, als deutlich wird, daß es die Schöffen waren, die durch mündliche Überlieferung das Recht von einer vorhergehenden zur nächsten „Schöffengeneration“ weitertrugen. Ein weiterer deutlicher Hinweis, wenngleich aus anderer Perspektive, auf die Urteilsfindungs- und damit Rechtsbildungskompetenz der (aus der Sicht des gelehrten Rechts „Laien“-) Schöffen aus dem Kreis der Vasallen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammt vom Görlitzer Chronisten und Ratsherrn Haß, der berichtet, daß das „hoffegerichte“ „allhie zu Gorlitz“ „mit den lantsessen besatzt, die zum rechten gar sehr vngeschickt, das nyemandis jn viel jaren zu seinen rechten vnd schulden komenn mag“.838 Die Beschwerde der Sechsstädte gegen die Amtsführung des Landvogts Dohna von 1559 gibt Anhaltspunkte, aus denen sich Rückschlüsse auf die Weise der Entscheidungsfindung im 16. Jahrhundert ziehen lassen: Die Städte rügten, „daß der Herr Land-Voigt in seiner eigenen Sache, mit Bernhard von Schönberg und seinen Untertanen ein Hoff-Gerichte bestellet, dasselbige selbsten besessen, das Urtheil selbst stellen lassen, und also in seiner selbst eigenen Sache Part und Richter gewest.“ 839 Noch im 16. Jahrhundert fand also der Richter nicht selbst das Urteil, sondern war dies Aufgabe der Hofgerichtsschöffen, deren Fähigkeiten, gerechtes Urteil zu finden, jedoch bereits damals – indes von bürgerlicher, mitunter gelehrter Seite – angezweifelt wurden. In einer Hegungsformel aus der Zeit zwischen 1620 und 1635 heißt es: „Wann nun solches alles [das „Vor- und Anbringen“ der Parteien] erfolget, vnd mit Recht der Herren Assessores die Abschiede verfasset und publiciret worden, setzet sich der Herr Hofrichter neben den Schöppen wieder an seinen Tisch.“ 840 Wohl waren die Schöffen also auch weiterhin an der Urteilsfindung beteiligt, jedoch jetzt im Zusammenwirken mit dem Richter. Von einer Funktionsteilung auch im Sinne der wenn nicht ausschließlichen so doch maßgeblichen Urteilsfindungskompetenz aufseiten der Schöffen kann jedoch nicht mehr mit Sicherheit gesprochen werden. Daß die Schöffen, hier im Hofgericht zu Budißin, jedenfalls im weiteren Verlauf ihre Funktion allmählich zugunsten des Richters verloren, ergibt sich etwa aus dem Oberamtsbericht von 1734: „Von denen Asessoribus habe schon allerunterthänigst erwehnet, wie solche bey gar nichts gegenwärtig, noch erforderlich seyn, als an denen in manchen Jahr gar nicht und sonst nur selten vorkommenden Tagen und wenigen Stunden, da Ritter Güther öffentlich subhastiret werden“. „Alles, was der erste Assessor zu verrichten hat, [bestehet] in nichts anders [. . .], als daß er von einen gedruckten Zettel folgende Worte ablieset: Herr Hoff-Richter, weil auch die Gerichte befohlen und Leute vorhanden, die Gericht und Recht begehren, alß wollet Ihr die Hoffgerichte in Nahmen Ihro Königl. Majt. in Pohlen und Churfürstl. Durchl. zu Sachßen, Marggrafens in Oberlausiz,

838 839 840

Haß, Ratsannalen II, S. 153. LSD, S. 152 ff., 162. Budaeus, Singularia II, S. 110.

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unsers allergnädigsten Herrns, einem jeden zu Recht hegen [. . .].841 Wie erörtert, fehlte die Pflicht zur Urteilsfindung in den Schöffeneiden nunmehr.842 Die Hofgerichtsschöffen waren nur noch auf Aufgaben im Zusammenhang mit der Gerichtshegung und bei der Vollstreckung in Lehngüter beschränkt. Die Funktion als Urteilsfinder wird dagegen nicht genannt, weswegen – bei fehlender Überlieferung insbesondere durch Gerichtsbücher – davon auszugehen ist, daß die Schöffen diese verloren hatten. Jedoch muß bedacht werden, daß in peinlichen Sachen weiterhin Richter und Schöffen des Budißiner Landgerichts beziehungsweise des Dorfgerichts Seidau als Gerichtspersonen im Budißiner Hofgericht dienten. Der Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585 macht nur Andeutungen über die Art der Gerichtshegung im Hofgericht: „Das Königliche HofGerichte wird geheget, und gehalten, wie man sonsten gemeiner Weise, andere Dinge zu hegen pfleget.“ 843 Der genaue Vorgang der Hegung wurde wohl als so selbstverständlich angesehen, daß er nicht beschrieben werden mußte. Es liegt jedoch ein anderer zeitgenössischer Bericht aus der Zeit zwischen 1620 und 1635, nämlich aus der Zeit, als der Kurfürst von Sachsen Pfandherr des Markgraftums Oberlausitz war, über die „Hegung des Churfürstl. Sächß. Hoffgerichts im Ober-Amt zu Budißin“ vor: „Herr Hofrichter helt seinen Stab844 in der rechten Hand, sitzet und spricht: Der erste Schöppe sey gefraget: Ob es an der Zeit, daß ich des Churfürsten zu Sachsen und Burggrauen zu Magdeburg [. . .] als Pfandes-Herrn des Marggr. Ober-Laußl. Hofgerichte hegen und halten mag? Hierauff antwortet der erste Schöppe: Herr Hoffrichter! weiln Euch die Hofgerichte befohlen, und Leute vorhanden, die Gerichte und Recht begehren, Als wollet ihr die Hofgerichte im Nahmen Ihrer Churfürstl. Durchl. zu Sachsen [. . .] und Burggrauens zu Magdeburg [. . .] einem jeden zu seinem Recht hegen. – Der ander Schöppe sey gefragt, wie ich des Churfürsten zu Sachsen, und Burggrauen zu

841

Vgl. Bericht wortgetreu abgedruckt bei Boetticher, Adel I, S. 32. Vgl. Eid aus dem 18. Jahrhundert (StFilA Bautzen, Hofgerichtsassessoren, Bl. 64 ff.). 843 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 3. 844 Der Gerichtsstab war als Symbol des Richteramtes, mithin der (wegen des Dreißigjährigen Krieges in schlechtem Zustand befindlichen) Rechtspflege noch in der Neuzeit im Untersuchungsgebiet bekannt. Dies ergibt sich aus folgender Passage des die Hoffnungen und Erwartungen der Landstände an den neuen Landesherrn ausdrückenden Beschlusses des in Kamenz vom 7. bis 15. Juli 1621 im Zusammenhang mit der Übergabe des Markgraftums Oberlausitz an den Kurfürsten von Sachsen abgehaltenen Landtags: „Und anfänglichen, daß Ew. Chur-Fürstl. Gndn. [Kurfürst von Sachsen – HvS] aus sonderbahrer väterlicher Vorsorge und gnädigster Affection, so Dieselbe zu diesem Marggraffthum Ober-Lausitz [. . .] auch noch auf dato haben und tragen thun, und damit der Cursus der heilsamen Justitien, der da, wegen vorgangener, nunmehr aber, vermittelst göttlicher Verleihung, so wohl Ew. Chur-Fürstl. Gnaden hohen angewandten Fleiß und Bemühung, wiederum [. . .] gestilleter Unruhe, zeithero fast ein Stecken gewonnen, hinwiederum eröffnet werden möchte“ (KW II, S. 1391 ff., 1392). 842

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Magdeburg [. . .] Hofgerichte allhier hegen und halten solle? – Hierauf antworttet der ander Schöppe: Herr Hofrichter, gebittet das Recht, und dinget den Unlust, verbittet, daß niemand für dies Churfürstl. Hofgerichte vortrete, er selbst, oder ein ander an seine stadt, sein Wort zu reden, er thue es dann mit Gerichts Verlaubniß. – Nach diesem stehet Herr Hofrichter sampt den Schöppen zugleich auf, vnd spricht: So hege und haltte des Churfürsten zu Sachsen, und Burggrauen zu Magdeburg [. . .] Unsers gnädigsten Herrn, Hofgerichte, ich zum ersten, andern und dritten mahl, mit Urthell und Recht, gebitte das Recht, vnd dinge Unlust, vnd verbittem daß niemand vor dieß Churfl. Hofgerichte fürtrete, er selbst, oder ein ander an seine stadt, sein Wort zu reden, er thue es dann mit Gerichts Verlaubniß. – Hierauf fraget er ferner: Der dritte Schöppe sey gefraget: Ob ich des Churfürsten zu Sachsen, vnd Burggrauen zu Magdeburg [. . .] Hofgerichte recht geheget habe? – Darauf antworttet der dritte Schöppe: Herr Hofrichter, ihr habt gnugsam geheget, einem jeden zu seinen Rechten [. . .]. – Nach diesem setzt er sich sampt den Schöppen wieder nieder, vnd werden alßdann die Partten mit ihrem Vor- und Anbringen ordentlich gehöret. – Wann nun solches alles erfolget, vnd mit Recht der Herren Assessores die Abschiede verfasset und publiciret worden, setzet sich der Herr Hofrichter neben den Schöppen wieder an seinen Tisch, vnd fraget den vierdten Schöppen: – Der vierdte Schöppe sey gefraget: Ob es an der Zeit, daß ich die gehegten Hofgerichte wiederumb möge aufgeben? – Darauf antworttet der vierdte Schöppe: Herr Hofrichter, weil niemand mehr vorhanden, der für diesem Chrufürstl. Hofgerichte zu thun, auch nunmehr an der Zeit, Als wollet ihr in GOttes Nahmen die Hofgerichte wiederumb möge aufgeben. – Nach diesem stehet Herr Hofrichter sampt den Schöppen auf, und spricht: Weil niemand mehr vorhanden, der vor diesem gehegten Churfürstl. Sächß. Hofgerichten etwas zu thun oder zu schaffen, so will ich dieselbe im Nahmen GOttes des Vaters, vnd GOttes des Sohnes, vnd des Heiligen Geists wieder aufgegeben haben. – Leget darauf den Stab vnd setzte sich wieder nieder.“ 845 Hieraus ist zu ersehen, daß die Funktionsteilung zwischen Richter und Schöffen zumindest formal aufrechterhalten wurde. Bereits Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Richter im Lehnrecht, mithin der Görlitzer Hofrichter „Stebir“, also Stabträger genannt,846 was darauf hindeutet, daß Gerichtshegung in dieser Form schon von alters her erfolgte. 2. Gerichtsort/-zeit Nach den Erkenntnissen Plancks hatte das Lehnrecht des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts keine feste Dingstatt, sondern es tagte überall im räumlichen Zuständigkeitsbereich, wo immer der Richter es innerhalb dessen halten wollte. Jedoch durfte das Lehnrecht nur dort gehalten werden, wo freier Zutritt für die 845 Budaeus, Singularia II, S. 108 ff. Vgl. nahezu wortgleiches Formular aus demselben Zeitraum StFilA Bautzen, Hofgericht, Bl. 29 ff. 846 Haß, Ratsannalen II, S. 484.

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Gerichtsunterworfenen bestand, also etwa nicht in beschlossenem Hof oder in Burgen, sondern vielmehr auf unbebautem Platz außerhalb einer Stadt.847 Leider liegen deskriptive Quellen mit Bezug zum Untersuchungsgebiet hinsichtlich des Gerichtsortes aus dieser Zeit nicht vor, sondern setzen erst mit dem 15. Jahrhundert ein. Das 1406 beginnende Görlitzer Hofgerichtsbuch nennt stets den Görlitzer Vogtshof als Gerichtsort, so etwa bereits zu Anfang der ersten Eintragung 1406: „Judici[um] in Curia Gorlic.“ 848 Die folgenden Eintragungen lassen den Verweis auf den Gerichtsort in aller Regel weg, was dafür spricht, daß insoweit keine Veränderung eintrat.849 Nach der Instruktion des Landesherrn an den Landvogt Graf Dohna von 1554 waren „die Land und Hofgerichte [. . .] nach altem Gebrauch und Gewohnheit, auf dem Schloß Budißin, oder aller Orthen, da es ihn [Landvogt – HvS] vor nothdürftig ansehen würde, ordentlich [zu] bestellen.“ 850 Nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmannes um 1585 wurde nach „in diesem Marggrafthumb uralten, löblichen und wohlhergebrachten Gebrauche“ im Amt Budißin und im Amt Görlitz je ein „Königliches Hofgerichte bestellet, und gehalten“.851 Gerichtsort des Hofgerichts zu Budißin war nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns auch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts „nach alten Gebrauch und Gewohnheit“ 852 die Ortenburg: „Auf diesem Schloße [zu Budissin] haben auch die Land-Voigte [. . .] ihre Wohnung, es werden die General-Vorbescheide, und Verhöre, Ritter Recht und Ehrentafel, Item Hof und Land Gerichte, auch das peinliche Recht und die Canzley darauf gehalten“.853 Das Görlitzer Hofgericht tagte hiernach insoweit im Vogtshof in Görlitz. Aus dem Bericht geht zudem hervor, daß der Vogtshof, auch nachdem dieses durch eine „Concession“ Kaiser Maximilians II. von 1567 zum Teil dem Rat der Stadt Görlitz zur Nutzung als „Schütthaus“ eingeräumt worden war, weiterhin als Gerichtsort des Hofgerichts diente: Die „Landstände“ durften weiterhin, „weil alldar [im Vogtshof – HvS] in der Stadt das Land und Hofgerichte gehalten, und Sie [die Stände – HvS] ohn daß keinen Orth daselbst haben, insonderheit beschlossene nothwendige Zimmer [. . .] auf ihre eigenen Unkosten [. . .] erbauen“.854 Nach dem Bericht des Budißiner Landgerichts über seine „Beschaffenheit“ an das Oberamt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde das Landgericht zur „Sommers Zeit“ „gemeiniglich nachmittags unter dem Tore [des Schlosses Ortenburg – HvS] ober dem langen Tische“, zur „Winterszeit“ „in der alten Kanzlei 847

Planck, Gerichtsverfahren I, S. 123 f. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 1. 849 Vgl. Knothe, Hofgerichtsbuch, S. 2 f., 5. 850 KW II, S. 1337 ff., 1338; vgl. die gleichlautende Instruktion an den Landvogt Schlick von 1561 (KW II, S. 1350 ff.). 851 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 3. 852 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1: „Von Haltung der Landt undt Hoffgericht“. 853 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, III, 3. 854 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, III, 4. 848

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[gehalten], jedoch das in stehendem Geding die Schloßtor allezeit offengehalten“ wurde.855 Dies ist wohl auch hinsichtlich des Hofgerichts, unter dessen Aufsicht das Budißiner Landgericht später stand, anzunehmen. Zumindest wurde noch nach Berichten des 18. Jahrhunderts „das [Budißiner – HvS] Hof-Gerichte [. . .] bey eröffneter Thüre, in der Audientz-Stube geheget.“ 856 Die Voraussetzungen, die die Rechtsbücher aufstellten, wurden also ab der frühen Neuzeit etwa in Budißin jedenfalls (noch) insoweit eingehalten, als die Gerichtsunterworfenen zum Gerichtsort während der Gerichtsverhandlung freien Zutritt hatten, indem die Schloßtore, zumindest die Türen zum geschlossenen Raum, in dem Gericht gehalten wurde, während des Gerichtstages geöffnet waren. Nach den Erkenntnissen Plancks bestanden im Lehnrecht des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts keine festen Gerichtszeiten, sondern das Lehngericht fand nach Bedarf statt.857 Dies ergibt sich wie erörtert auch aus dem Görlitzer Rechtsbuch-Lehnrecht. Die Urteiler müssen nicht an Feiertagen urteilen (4 § 4, 69 § 10). Nach dem Görlitzer Rechtsbuch-Lehnrecht muß die Hegung des Lehngerichts, mithin das Urteilfinden vor dem Mittag beginnen (65 § 2, § 15), doch darf man damit über Mittag fortfahren (4 § 4), bis der Tag endet (65 § 14). Urteiler müssen sich wie erörtert, bevor die Sonne „nidir sinkit“, eingefunden haben (4 § 4, 65 § 5, § 16, § 18). Nach Untergang der Sonne müssen die Urteiler nicht mehr antworten (65 § 15). Aus dem „Extract“ aus dem verlorenen, ab 1406 geführten Görlitzer Hofgerichtsbuch geht hervor, daß in einem Jahr sechs bis zwölf Dingtage stattfanden, wobei in den Sommermonaten kein Gericht gehalten wurde.858 Feste Gerichtszeiten sind – auf der Linie des Görlitzer Lehnrechts – mithin nicht zu erkennen. Der Görlitzer Chronist Haß bemängelt denn noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, daß das „hoffegerichte“ „allhie zu Gorlitz“ „zw seltzamer zeit bestalt [. . .], das nyemandis jn vielen jaren zu seinen rechten vnd schulden komenn mag.“ Wenn es einmal stattfand, dann nach dem Bericht wie folgt: „Mit dem hoffegerichte hat jsz sich vor alders gehalden, wenne man am dinstage jn der stadt gedinget, so hat die lantschafft die mitwoch hirnoch gedinget.“ 859 Auch in den „Beweis-Artickeln“ der landesherrlichen Städte im Rahmen der Beschwerde gegen den Landvogt Dohna von 1559 wegen seiner Amtsführung wurde angeführt, „daß vor Alters zu Budißin und Görlitz nicht alle Quartal, sondern so offt es von jemanden begehret, und etwa des Jahres sechs, acht oder mehr ordentliche Hoff-Gericht gehalten.“ 860 Die „Constitution“ Kaiser Rudolphs II., unter ande855 856 857 858 859 860

StFilA Bautzen, Bericht Landgericht, unpaginiert. Wabst, Nachricht, S. 276; vgl. Römer, Staatsrecht, S. 180. Planck, Gerichtsverfahren I, S. 119 f. UB Breslau, Crudelius, Extract, Bl. 1 ff. Haß, Ratsannalen II, S. 153. LSD, S. 152 ff., 161 f.; vgl. Weinart, Rechte I, S. 50 f.

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C. Landesherrliche Gerichte

rem betreffend „die Hofgerichte, zu welchen Zeiten, und wievielmahl im Jahr, dieselben gehalten werden sollen“, von 1582 regelte, soweit ersichtlich, erstmals die Gerichtszeiten des Hofgerichts zu Budißin beziehungsweise Görlitz: „Damit aber auch gewisse Zeit, zu Haltung der Hof-Gerichte, geordnet und benennet, so sollen dieselben im Budißinischen, unersucht der Part [. . .] des Jahres dreymal, als: Oculi, Bartholomaei, und Elisabeth gehalten, und mit Haltung derselben, eine solche Austeilung gemachet werden, daß allewege von einem Gericht zum anderen, nicht ein kurtzer Termin sei, denn vierzehen Tage und das dritte oder letzte Gericht, bald vor dem damahls vorstehenden willkührlichen Land-Tage ausgehe, auf daß in den dreyen Zusammenkünfften, mehrer und größer Rath, da vonnöthen, gehalten, und mit demselben vorgegangen werden möge; Würde aber Jemandes der Zeiten und Hof-Gerichten nicht erwarten, und seine Notdurft durch die Aufgeboth fördern wollen, demselben sollen die Hof-Gerichten, auf sein Ansuchen, zu fördersamer bequemer Zeit nicht weniger bestellt werden“. Die Gerichtszeiten des Görlitzer Hofgerichts waren wie folgt geregelt: „Wie es denn auch in Görlitzschen, so offt es vonnöthen seyn und begehrt wird, gehalten werden soll“.861 Nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585 war dies auch Übung.862 Danach waren die Gerichtzeiten in den Hofgerichten jeweils unterschiedlich, wobei in Görlitz weiterhin lediglich bei Bedarf ohne feste Gerichtszeit Gericht gehalten wurde. Nach einem „Memorial bey der Intruction [des Hofrichters – HvS] zu gedenken“ aus dem 17. Jahrhundert „ließ“ der Hofrichter den „Dingtag“, wohl den ordentlichen Dingtag, „jährlich“ „halten“.863 Auch im 18. und 19. Jahrhundert galt nach zeitgenössischen Berichten, jedoch beide Hofgerichte betreffend, daß sich das Hofgericht „so oft es nöthig“ 864 beziehungsweise „so oft versammelt als es die als Nothdurft erfordert“ 865. Nach dem Bericht Römers vom Ende des 18. Jahrhunderts waren die Gerichtszeiten der Hofgerichte zu Budißin und Görlitzer jedoch wie zuvor im 16. Jahrhundert unterschiedlich: „Die Sitzungen dieses Gerichts hängen einzig und allein von der Bestimmung des Amtshauptmanns ab, welcher solches, so oft es nöthig ist, oder die Partheyen ausdrücklich darum ansuchen, bestellt. Bey dem Hofgericht zu Budißin sind aber die Sitzungen dergestalt regulirt, daß sie an den drey willkührlichen Landtagen Okuli, Bartholomäi und Elisabeth eröfnet, und hinwiederum in der Maasse geschlossen werden sollen, daß von einem Gericht zum andern eine Frist von vierzehn Tagen bleibt, das letztere aber bald vor dem folgenden Landtage zu Ende geht. Jedoch müssen auch den Partheyen, auf ihr besonderes Ansuchen, und wenn sie ihre Rechts861 862

KW I, S. 373 ff., 376. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 1: „Von Haltung der Landt undt Hoffgericht“;

II, 3. 863 864 865

StFilA Bautzen, Memorial, unpaginiert. Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 20 (18. Jahrhundert). Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 76 (19. Jahrhundert).

VI. Hofgerichte

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sachen durch Aufgebot, wie es nach dasigem Kanzleystyl lautet, befördern wollen, die Hofgerichte ausser diesen Sitzungen eröfnet und bestellt werden.“ 866 Es wurde also in Budißin noch im 18. Jahrhundert gemäß etwa den Regelungen in den Rechtsbüchern des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts, jedoch gerade nicht solcher hinsichtlich des Lehnrechts in echte, die dreimal im Jahr stattfanden, und unechte Dinge unterschieden. In Görlitz fanden (weiterhin) dagegen – ganz auf der Linie des mittelalterlichen Lehnrechts des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts – keine Gerichtstage zu feststehenden Zeiten statt. Das Gericht mußte nach dem 1406 beginnenden Görlitzer Hofgerichtsbuch spätestens am Vormittag begonnen haben.867 Auch dies liegt auf der Linie des Görlitzer Rechtsbuchs. 3. Ergebnis Die Hofgerichte zu Budißin und Görlitz entstanden jeweils aus dem zuvor jeweils sachlich und personell umfassend zuständigen Budißiner beziehungsweise Görlitzer Vogtding/Landgericht. Die Hofgerichte waren als Lehnsgerichte in ihrem jeweiligen räumlichen Zuständigkeitsbereich sachlich zuständig insbesondere in Lehnssachen, aber auch darüber hinaus in personeller Hinsicht als Standesgerichte hinsichtlich der jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich ansässigen zumeist adligen landesherrlichen Vasallen. Es gab aber auch Lehnbauern im Untersuchungsgebiet, die mithin diesen Gerichten unterworfen waren. Auch in diesen Gerichten bestand personelle Funktionsteilung. Sie waren stets neben dem Richter (Hofrichter zu Budißin beziehungsweise Görlitzer Hauptmann als Görlitzer Hofrichter) jeweils besetzt mit Angehörigen der dem jeweiligen Gericht unterworfenen Genossenschaft als Schöffen, also mit Vertretern der landesherrlichen Vasallen des jeweiligen räumlichen Zuständigkeitsbereichs. Aus heute vorhandenen Quellen sind insoweit – mit einer Ausnahme, einem Löbauer Bürger – lediglich Angehörige des landsässigen Adels zu beobachten, nicht jedoch Vertreter der bäuerlichen landesherrlichen Vasallen. Die Schöffen der dem Gericht unterworfenen Genossenschaft waren also grundsätzlich Angehörige des landsässigen Adels. Das Recht auf Auswahl und Ernennung nicht nur des Richters, sondern auch der Schöffen stellte bis Ende des Untersuchungszeitraums zwar ein herrschaftliches des Landesherrn als Gerichtsherrn dar. Dieses war jedoch zugunsten des im jeweiligen räumlichen Zuständigkeitsbereich ansässigen landsässigen Adels hinsichtlich sowohl des Hofrichteramtes als auch der Schöffenämter durch Gewohnheit eingeschränkt. Der Görlitzer Amtshauptmann war zugleich stets der Görlitzer Hofrichter. Das Budißiner Hofrichteramt wurde stets an einen im Un866 Römer, Staatsrecht, S. 179, mit Bezug auf Wabst, Nachricht, S. 277; dieser wiederum unter Bezugnahme auf den genannten Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585. 867 Knothe, Hofgerichtsbuch, S. 5.

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C. Landesherrliche Gerichte

tersuchungsgebiet, mithin regelmäßig im räumlichen Zuständigkeitsbereich des Budißiner Hofgerichts ansässigen Angehörigen des landsässigen Adels vergeben. Als Schöffen wurden in beiden Hofgerichten grundsätzlich im Untersuchungsgebiet, mithin im räumlichen Zuständigkeitsbereich und dort in der Nähe des Sitzes des jeweiligen Hofgerichts ansässige landesherrliche Vasallen ausgewählt und ernannt. Die Budißiner Hofgerichtsschöffen wurden vom Landvogt oder dessen Vertreter bis zum Ende des Untersuchungszeitraums zwar unter Beachtung dieser Gewohnheit, jedoch im übrigen ohne genossenschaftlichen Einfluß ausgewählt und ernannt. Die Schöffen des Görlitzer Hofgerichts wurden dagegen von den adligen Görlitzer Landständen ausgewählt und vom Görlitzer Hauptmann/ Hofrichter in Vertretung des Landesherrn lediglich ernannt. Die Schöffen beider Gerichte wurden vom Landesherrn entlassen. Die Urteiler waren seit den ersten Hinweisen auf das Bestehen des Hofgerichts auf Dauer, im Durchschnitt zwei Jahre bestellt, also echte Schöffen. Erst ab dem 18. Jahrhundert wurden Schöffen auch nur für einen Gerichtstag bestellt. Die Anforderungen und Pflichten an den Richter veränderten sich im Lauf der Zeit (nur) insoweit, als spätestens ab dem 18. Jahrhundert der Richter „Iura studiret“ haben mußte. Die Anforderung, mit einem Lehngut im betreffenden Amt ansässig zu sein, mithin landesherrlicher Vasall zu sein, bestand bis zum Ende des Untersuchungszeitraums. Bäuerliche Richter sind nicht bezeugt, sondern nur Angehörige des landsässigen Adels. Der Hofrichter mußte wegen der Zuständigkeit der Hofgerichte jeweils auch in Zwangsvollstreckungssachen Kenntnisse in der Landwirtschaft, mithin Bewertung von Lehngütern aufweisen. Die Richterpflichten änderten sich nicht gegenüber dem (Spät-)Mittelalter, indem sie weiterhin den typischen Inhalt aufwiesen. Die Schöffen, die wie gesehen im betreffenden Kreis ansässige landesherrliche Vasallen waren, hatten dagegen bis zum Ende des Untersuchungszeitraum nicht juristisch gelehrt zu sein, wohl aber hinsichtlich der Bewertung von Lehngütern Kenntnisse aufzuweisen. Auch insoweit erscheinen die alten Richter- und Schöffenpflichten, gerecht und unbeeinflußt ohne Ansehung der Partei zu handeln. Nach den frühen Quellen fanden allein die Schöffen aus dem Kreis der Rechtsgenossen das Urteil und damit als „Träger des Rechts“ bei weitgehender Abwesenheit gesatzten Rechts ganz im Sinne des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ allgemeinverbindliches Recht für ihre Genossenschaft. Das Recht wurde mithin als Schöffenrecht mündlich von einer zur nächsten „Schöffengeneration“ weitergetragen. Die personelle Scheidung in Richter und Schöffen änderte sich zwar bis zum Ende des Untersuchungszeitraums nicht. Auch scheinen die Schöffen weiterhin – zumindest neben dem Richter – Urteilsfindungskompetenz besessen zu haben, wenn auch nicht klar wird, ob ihnen die maßgebliche Zuständigkeit insoweit zukam. Gerade im Zeitalter des gelehrten Rechts fanden sich die Hofgerichtsschöffen jedoch als „Laienschöffen“ aus Sicht des gelehrten Rechts zunehmender Kritik insbesondere von bürgerlicher, gelehrter Seite ausgesetzt. Das Gericht büßte denn nach und nach entscheidende sachliche Zuständigkeiten zugunsten anderer

VII. Landgerichte (1548)

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Gerichte ein. Hatte das Gericht ursprünglich in peinlichen Sachen zu verhandeln, wurden nach den ab dem 17. Jahrhundert überlieferten Quellen durchweg Schöffen anderer Gerichte, insbesondere des Budißiner Landgerichts oder des landvogteilichen Dorfes Seidau zur Urteilsfindung hinzugezogen. Die Schöffen des Hofgerichts dienten mithin praktisch nur noch als Zeugen und als Sachverständige bei der Bewertung von Gütern. Sie waren zwar weiterhin im Rahmen der Gerichtshegung beteiligt. Hier lebte weiterhin auch in gewisser Weise inhaltlich der Grundsatz der Funktionsteilung fort. Jedoch handelte es sich hierbei nur noch um ein Ritual ohne eigenen Inhalt. Das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ wurde insoweit im wesentlichen also nicht etwa durch Verdrängung der Schöffen aus ihrer angestammten Position als Urteilsfinder, sondern durch die Verschiebung angestammter sachlicher Zuständigkeiten auf andere Gerichte beziehungsweise deren Schöffen beseitigt. Der Gerichtsort war in Budißin das Schloß Ortenburg, in Görlitz der Vogtshof. Feste Gerichtszeiten bestanden auf der Linie des beziehungsweise entgegen dem mittelalterlichen Lehnrecht im einen Hofgericht nicht, im anderen schon. Es wurden insoweit jedoch auch unechte Dinge gehalten.

VII. Landgerichte (1548) Die Weichbildzuständigkeit verloren die Stadtschöffengerichte, soweit sie sie bislang innegehabt hatten, wie erörtert im Zuge des Pönfalls 1547. Der Landesherr behielt sich insoweit selbst das Recht zur Errichtung völlig neuer Gerichtsverfassungsstrukturen auf landesherrlicher Ebene vor. So heißt es in der an Zittau gerichteten, jedoch für alle landesherrlichen Städte gleichlautenden Urkunde vom 1. Oktober 1547, mit der indes andere Rechte zurückübertragen werden: „So viel aber die Königlichen Gerichte, als Mord, Raub, Brand, Diebe, Verleumbder, Ehebruch, Nothzwang, Jungfrau-Schwächung, Einfälle, Straßen-Räuberey, LandsBeschädiger, derselben Behauser und Beförderer und alle andere großen Sachen, wo sich die auffm Lande, oder in der Stadt Zittau begeben, weil derselben Nutzung Cammer-Guth betreffen thut, wollen wir uns, unsern Erben, nachkommenden Königen zu Boheimb und Marggrafen zu Lausitz, damit iederzeit nach Gelegenheit und unserm Gefallen zu thun und zu lassen, Ordnungen darinnen zu machen, zu setzen, zu mindern und zu mehren, vorbehalten haben.“ 868 1548 entsandte der Landesherr landesherrliche Kommissarien, die auch den Auftrag hatten, entsprechende Gerichte einzurichten.869 So wurden angelehnt an die alten Weichbilder ebenfalls „Landgerichte“ genannte Gerichte geschaffen, etwa das 868 Großer, Merckwürdigkeiten, I, S. 182 ff., 186, Anm. h. Die an die übrigen Städte gerichteten Urkunden haben, soweit es um Fragen der Gerichtsverfassung geht, denselben Wortlaut, vgl. bezüglich Görlitz Weinart, Rechte IV, S. 167 ff.; im übrigen VOU II, S. 168 f. 869 Vgl. landesherrliche Instruktion an die Kommissarien vom 31. Januar 1548 (NA Prag, Instruktion, unpaginiert).

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„deß Gorlizschen vnd Laubenischenn Weichbildes“.870 Hier wurde also ein Gericht für zwei der alten Weichbilder gemeinsam zuständig. Das Görlitzer Landgericht wurde auch etwa „Landrecht“ genannt.871 Der Görlitzer Amtshauptmann berichtet um 1585, daß die „Ober-Gerichte“, die bis 1547 „durch [. . .] die Städte verwaltet“ worden seien“, „von Anno 1548 [. . .] durch die von Ihrer Mayt. insonderheit bestallte Land-Gerichte und Schöppen, so viel von Adel gewesen“, „gehandelt“ und „bestellt“ wurden.872 Nach ungefähr 1570 ist keines dieser neuen Gerichte mehr nachweisbar. Das noch im 18. Jahrhundert bestehende Budißiner „Landgericht“ stellte wie bereits angesprochen einen letzten Rest des alten Budißiner Vogtdings/Landgericht dar. An urkundlichen Quellen über diese Gerichte sind zu berücksichtigen die beiden erwähnten landesherrlichen Instruktionen an die Landvögte aus der Mitte des 16. Jahrhunderts und die ebenfalls bereits eingeführte landesherrliche „Confirmation einer Abhandlung“ zwischen dem Landvogt und den Landständen von 1561. Im Ratsarchiv Görlitz sind zwei Gerichtsbücher aus dem 16. Jahrhundert873 überliefert. Im Nationalarchiv Prag befindet sich Schriftverkehr zwischen dem Landesherrn und den von ihm eingesetzten Kommissaren im Vorfeld der Einrichtung der Landgerichte, vor allem die sogenannten Kaiserlichen Befehle und Hofberichte874, daneben einige Akten über die Landgerichte875. Erforderlich ist auch ein vergleichender Blick auf Gerichtsverfassungsstrukturen in Böhmen und Österreich zu dieser Zeit. Fraglich ist, ob es sich, wie etwa Bobková meint,876 bei den Landgerichten von 1548 um Gerichtsverfassungsstrukturen nachgebildet den nach 1547 gestalteten böhmischen Verhältnissen handelte. 1. Gerichtspersonen a) Gerichtsbesetzung Im März 1548 schlugen die landesherrlichen Kommissarien folgende Personen als Landrichter beziehungsweise Unterrichter der Landesherrschaft vor, wobei stets ein Landgericht für zwei „Weichbilder“ bestehen sollte: „Wolf von Budissin zur Keine“, also Wolf v. Baudissin auf Niederkaina, der damals auch Budißiner Hofrichter war,877 sowie „Christoph Dobschitz zu Purschitz“, also Christoph v. Döbschitz auf Purschwitz,878 oder „Georg Belbitz zur Ölse“, also Georg 870 Schreiben zweier Landgerichtsschöffen an den Landesherrn wegen Besoldung 1558/1559 (NA Prag, Landschoppen, unpaginiert). 871 Vgl. etwa RA Görlitz, Gerichtsbuch Landgericht I. 872 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II: „Von Ober- und Erbgerichten“. 873 RA Görlitz, Gerichtsbücher Landgericht I, II. 874 z. B. NA Prag, Kaiserliche Befehle 1548; NA Prag, Instruktion. 875 z. B. NA Prag, Landschoppen. 876 Bobková, Oberlausitz, S. 126. 877 Knothe, Adel I, S. 111. 878 Knothe, Adel I, S. 152.

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v. Belwitz auf Ölsa.879 Für das „Weichbild“ Kamenz sollte ein besonderer Landrichter bestellt werden, Hans v. Schlieben. Für das für die „Weichbilder“ Görlitz und Lauban zuständige Gericht wurden vorgeschlagen: „Franz Bischofswerder zu Ebersbach“, also Franz v. Bischoffswerder auf Ebersbach,880 „Hans Demeritz zu Diese“, also Hans v. Temritz auf Diehsa,881 und „Adam Pertske zu Wiltske“, dessen Identität nicht nachvollziehbar ist. Für das für die „Weichbilder“ Löbau und Zittau zuständige Gericht wurden als Richter beziehungsweise Unterrichter vorgeschlagen: „Kolwihen von Osterchen“, also wohl Friedrich v. Kelbichen auf Ostrichen,882 „Christoph Gersdorf von Rennersdorf“, also Christoph v. Gersdorff auf Rennersdorf,883 und „Christ Belwitz zu Belwitz“, also Christoph v. Belwitz auf Belwitz884. Dies hieß der Landesherr mit Schreiben vom 1. Mai 1548 gut.885 Es handelte sich mithin sämtlich um Angehörige des landsässigen Adels der betreffenden „Weichbilder“. Nach dem Eintrag in ein Löbauer Rügenbuch aus etwas späterer Zeit wurde für das Weichbild Löbau der bisherige königliche Hofrichter zu Löbau Nicol von Metzradt auf Herwigsdorf zum Landrichter bestellt.886 Das Görlitzer Landgerichtsbuch 1556 bis 1560 wird eingeleitet: „Anno 1556 ist dis Register angefangen Hans von Temmritz zur Diese Landrichter“,887 also genannter Hans von Temritz auf Diehsa. Aus Schreiben Franz von Bischoffswerders auf Ebersbach an den Landesherrn und die böhmischen Kammerräte aus dem Jahr 1551 geht hervor, daß dieser 1548 auch zum Landrichter des Landgerichts für die „Weichbilder“ Görlitz und Lauban ernannt worden war.888 Demnach handelte es sich also stets um besonders bestellte Landrichter, mithin Angehörige des landsässigen Adels des Untersuchungsgebiets. Bereits anhand der Funktion dieser Landrichter läßt sich erkennen, daß die 1548 im Untersuchungsgebiet neuerrichteten Landgerichte nicht böhmischen Gerichtsverfassungsstrukturen dieser Zeit nachgebildet sind. In Betracht käme als Vergleichsmaßstab lediglich das ebenfalls infolge des auch auch für die böhmischen Städte ungünstigen Ausgangs des Schmalkaldischen Kriegs 1547 für jede Stadt geschaffene landesherrliche Amt des „königlichen Richters“, das dem des österreichischen Stadtanwalts nachempfunden wurde.889 Jedoch kam dem jeweiligen böhmischen königlichen

879

Knothe, Adel I, S. 45 f. Knothe, Adel I, S. 130. 881 Knothe, Adel I, S. 514 f.; II, S. 154; Boetticher, Adel II, S. 956 ff., 960. 882 Knothe, Adel I, S. 291. 883 Knothe, Adel I, S. 627. 884 Knothe, Adel I, S. 114. 885 Relation der Kommissarien an die Landesherrschaft vom März 1548 (NA Prag, Instruktion, unpaginiert). 886 Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 324. 887 RA Görlitz, Gerichtsbuch Landgericht II, vor Bl. 1. 888 NA Prag, Landrichteramt, unpaginiert. 889 Hierzu Link, Erblande, S. 507; Luschin, Grundriß, S. 277, 283 ff. 880

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Richter vor allem die Aufgabe der Aufsicht über den betreffenden Rat der Stadt zu. Die Richterfunktion stand nicht im Vordergrund. Dies ist hinsichtlich der Landrichter im Untersuchungsgebiet gerade nicht der Fall, wie sich vor allem anhand der genannten Gerichtsbücher ergibt. Was die Schöffenbesetzung betrifft, ist auch hier zunächst zu fragen, welche Zuständigkeit dem Gericht zukam, mithin wer dem Gericht unterworfen war. Die für jeweils zwei bisherige „Weichbilder“ eingerichteten Landgerichte waren nach der bereits zitierten landesherrlichen Urkunde vom 1. Oktober 1547 wie folgt zuständig: „Mord, Raub, Brand, Diebe, Verleumbder, Ehebruch, Nothzwang, Jungfrau-Schwächung, Einfälle, Straßen-Räuberey, Lands-Beschädiger, derselben Behauser und Beförderer und alle andere großen Sachen, wo sich die auffm Lande, oder in der Stadt Zittau begeben, weil derselben Nutzung Cammer-Guth betreffen thut.“ 890 Der Görlitzer Amtshauptmann berichtet wie erörtert um 1585, daß die „Ober-Gerichte“, die bis 1547 „durch [. . .] die Städte verwaltet“ worden seien“, „von Anno 1548 [. . .] durch die von Ihrer Mayt. insonderheit bestallte Land-Gerichte und Schöppen, so viel von Adel gewesen,“ „gehandelt“ und „bestellt“ wurden.891 Die neueingerichteten Gerichte waren mithin sachlich in Obergerichtssachen räumlich für jeweils zwei bisherige „Weichbilder“, und zwar dort, da insoweit keine Einschränkungen erkennbar sind, personell umfassend, also sowohl hinsichtlich Adel als auch Bürgern der landesherrlichen Städte sowie Bauern zuständig. Dies geht vor allem aus den noch erhaltenen Gerichtsbüchern des Landgerichts zu Görlitz hervor, wonach Angehörige aller Stände als Partei erscheinen, so etwa 1555 neben „Fabian von Gersdorf“ und „Bernhart von Gersdorf“, Angehörigen des landsässigen Adels, in einem Verfahren in einer anderen Sache die Bürger „Michel Schmidt“ und „Mats Scholze“ sowie in einer weiteren der Bauer „Mats Richter von Wilka“. 1566 und 1567 erscheinen etwa als Parteien der Bürger „Caspar Teuring“ und in einer anderen Sache der Bauer „Hansen Rohn von Nickelßdorff“ sowie die „Möller in den Holtzmücken“.892 Mit der Obergerichtskonzession von 1562893 wurde wie erörtert die Zuständigkeit in Obergerichtssachen hinsichtlich der grundherrlichen Bauern den grundherrlichen Gerichten, die über diese bislang noch nicht verfügt hatten, hinsichtlich der Bürger und Einwohner der landesherrlichen Städte (wieder) dem entsprechenden Stadtschöffengericht und hinsichtlich der eximierten Personen, also Adel, Ratsund Amtsverwandten dem Gericht von Land und Städten übertragen, weswegen 890 Großer, Merckwürdigkeiten, I, S. 182 ff., 186, Anm. h. Die an die übrigen Städte gerichteten Urkunden haben, soweit es um Fragen der Gerichtsverfassung geht, denselben Wortlaut, vgl. bezüglich Görlitz Weinart, Rechte IV, S. 167 ff.; im übrigen VOU II, S. 168 f. 891 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II: „Von Ober- und Erbgerichten“. 892 Vgl. RA Görlitz, Gerichtsbücher Landgericht I/II; Einzelnachweise: RA Görlitz, Gerichtsbuch I, Bl. 2 b, 3 b f., 7 b, 75 b ff. 893 KW I, S. 179 ff.

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die Landgerichte ihre originäre Zuständigkeit verloren und sie ihren Zweck verloren. Dem betreffenden Gericht waren also alle Genossenschaften im Untersuchungsgebiet unabhängig vom Stand unterworfen. Fraglich ist, ob sich dies nach dem mittelalterlichen Grundsatz, daß die Urteiler der dem Gericht unterworfenen Genossenschaft entstammten, auch in der Schöffenbesetzung widerspiegelte. Der Görlitzer Amtshauptmann berichtet um 1585, daß die „Ober-Gerichte“, die bis 1547 „durch [. . .] die Städte verwaltet“ worden seien, „von Anno 1548 [. . .] durch die von Ihrer Mayt. insonderheit bestallte Land-Gerichte und Schöppen, so viel von Adel gewesen“, „gehandelt“ und „bestellt“ worden seien.894 Nach dem bereits genannten Vorschlag der Kommissarien an den Landesherrn von März 1548 sollten die Landgerichte jeweils besetzt werden mit zwei Schöffen aus dem landsässigen Adel des jeweiligen „Weichbildes“ sowie zwei Angehörigen der dort jeweils belegenen landesherrlichen Städte. Dies hieß der Landesherr mit Schreiben an die Kommissarien vom 1. Mai 1548 gut.895 Nach dem bereits genannten Eintrag in ein Löbauer Rügenbuch wurden jedoch tatsächlich hinsichtlich des Landgerichts für das Weichbild Löbau neben einem Landrichter drei aus dem landsässigen Adel („Landschöppen“) und drei aus den Reihen der Bürger von Löbau („Stadtschöppen“) zu Schöffen bestellt. Deren Namen sind in dem Eintrag enthalten,896 so daß eine eindeutige Zuordnung möglich ist. Die beiden im Ratsarchiv überlieferten Landgerichtsbücher geben keine näheren Hinweise auf die Schöffenbankbesetzung. Es wird stets allgemein von „den Scheppen“ oder von „den Gerichten“ gesprochen, ohne weitere Auskünfte etwa durch Nennung der einzelnen Schöffen am Ende des jeweiligen Protokolls zu geben.897 Aus einem Schreiben der Schöffen des Landgerichts „deß Gorlizschen vnd Laubenischenn Weichbilds“, Bernhard v. Gersdorff auf Rudelsdorf und Franz v. Bischofswerder auf Ebersbach, an den Landesherrn 1558/1559 wegen Besoldung geht hervor, daß folgende Personen neben ihnen „Landschoppen“ waren: „der Edle Wolgeborne Ernueste Felix vonn Hassenstein, Valten Sauerman, vnnd Henrich Hirsch burgere“.898 Es handelte sich also damals in diesem Gericht um drei Angehörige des Adels und zwei Bürger. Die Zusammensetzung der Schöffenbank konnte sich ändern, wie aus der landesherrlichen Instruktion an den Landvogt von 1554 hervorgeht: „Wo sich Land-Schöppen an den Gerichten zu sitzen verwiedern, so soll der Land-Voigt an ihrer statt um so vielmehr Schöppen aus den Städten, nach Gelegenheit, zu den Gerichten verordnen.“ 899 Es war also möglich, anstelle Adliger weitere Bürger-

894 895 896 897 898 899

StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II: „Von Ober- und Erbgerichten“. NA Prag, Instruktion, unpaginiert. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 324. Vgl. RA Görlitz, Gerichtsbuch Landgericht I und II. NA Prag, Landschoppen, unpaginiert. KW II, S. 1337 ff., 1338; vgl. KW II, S. 1350 ff.

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liche als Schöffen zu bestellen, wenn sich die benannten Adligen weigerten, dieses Amt zu übernehmen. Nach heutiger Überlieferung ist nichts bekannt über bäuerliche Schöffen in den Landgerichten, obwohl auch die Bauern wie gesehen den Landgerichten unterworfen waren. Der Grundsatz, daß Angehörige der dem Gericht unterworfenen Genossenschaft, mithin Stand auch Schöffen waren, wurde insoweit also – vergleichbar den anderen landesherrlichen Gerichten des Mittelalters und der beginnenden Frühen Neuzeit im Untersuchungsgebiet mit umfassender personeller Zuständigkeit – nur bedingt umgesetzt. Vielmehr ist festzuhalten, daß auch in diesen neueingerichteten, personell umfassend zuständigen Gerichten der Grundsatz berücksichtigt wurde, Angehörige beider Gruppen der Landstände – bezogen auf den jeweiligen räumlichen Zuständigkeitsbereich – zu beteiligen. Bemerkenswert ist dabei, daß nach den vorhandenen Quellen tatsächlich ein leichter Überhang zugunsten der adligen Beisitzer bestand. Andererseits scheint dies jedenfalls aus Sicht des Landesherrn nicht zwingend gewesen zu sein, denn im Falle das Beisitzeramt ablehnender Adliger sollten wie gesehen bürgerliche Beisitzer bestellt werden. Der räumliche Zuständigkeitsbereich eines Landgerichts entsprach nicht mehr dem eines früheren Weichbilds, sondern es wurden neue Zuständigskeitbezirke gebildet, die durchaus auch ein altes Weichbild mitumfassen konnten. b) Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen Zur Art der Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen, mithin zur Gerichtsherrschaft äußert sich im Vorfeld der Errichtung der Gerichte ein Kaiserlicher Befehl von 1548 an die landesherrlichen Kommissarien: „Belangendt dj Khüniglichen Gericht, lassen Jre Maj. dj Persohnen so darzue gebraucht sollen, vnd durch euch benannt worden, ob Jre Maj. gleich dieselben nicht kennen, aber nicht Zweiffeln, dann Jr habt die Tauglichsten darzue fürgewisenn, gnediglich gefallen, Und ist darauf von Jrer Maj. wegen vnnser beuelh, das Ir in Jrer Maj. Namen soliche gerichte angezaigtem Eurem guetbedunckhen nach [. . .], Doch allain auf Ihrer Maj. gnedigstes Wolgefallen, dieselben hernach ihrer gelegenhait nach, Wo von nötten zu Pessern vnd zu reformiren, Jetzo in anfanng Alßbaldt aufrichtet in dz werkh bringt vnd besetzet, Jr wollet auch mit obgedachten Personen Jrer Besoldung vnd vndhaltung halben von Irer Maj. wegen aufs genauest vnd eingest handlen [. . .], vnd [an den Landesherrn – HvS] dasselbe berichten.“ 900 Dem Landesherrn stand also das alleinige Auswahl- und Ernennungsrecht in den „königlichen Gerichten“ zu. Er erscheint mithin als Gerichtsherr, der auch über die Besoldung der Gerichtspersonen entschied. Dieses Recht delegierte 900 NA Prag, Kaiserliche Befehle 1548, Bl. 52 b f.; dieser Befehl wurde den Kommissarien mit landesherrlichem Schreiben vom 16. April 1548 zugesandt (vgl. NA Prag, Reskript, Bl. 69 ff., 71 b; NA Prag, Instruktion, unpaginiert).

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er aber an die landesherrlichen Kommissarien, die mithin umfassend hinsichtlich der Einrichtung der Gerichtsverfassungsstrukturen der Landgerichte bevollmächtigt wurden. In der Folge wählten die landesherrlichen Kommissare die Gerichtspersonen aus und ernannten sie, so etwa der Kommissar Ulrich v. Nostitz den Landrichter zu Budißin, wie sich aus einem Schreiben Ulrich v. Nostitz’ an den Landesherrn vom 4. März 1550 ergibt: Der Landesherr wisse, „das ich die Landtrichter wie heuer gescheen, auffnehmen vnd bestellen solde, als aber die gerichte alhie zu Budissin ein zeitlang wegen eines Landrichter unversehen, habe ich Hanssen von Metzrade, mit Vorwissen des Hern Landtvoigts s. g. angenohmen.“ 901 Der Kommissar wählte aus und ernannte also Hans von Metzradt, einen Angehörigen des landsässigen Adel, als Landrichter, dies jedoch mit „Vorwissen“ des Landvogts. Der oberste landesherrliche Vertreter im Untersuchungsgebiet war also insoweit am Auswahl- und Ernennungsverfahren beteiligt. Ulrich v. Nostitz war es auch, der die Schöffen des Landgerichts „deß Gorlizizschen vnnd Lubenischenn Weichbildes“ auswählte, wie sich aus einem Schreiben zweier von ihm ausgewählter und ernannter Schöffen an den Landesherrn 1558/1559 ergibt. Aus diesem Schreiben wird ferner deutlich, daß die Schöffen und wohl auch der Richter tatsächlich unbefristet auf Lebenszeit bestellt waren, denn der eine der beiden Schöffen war nach seinem Bekunden bereits „neun Jar“, der andere „drey Jar“ im Amt. Auch aus dem folgenden Jahr liegt ein Schreiben beider Schöffen vor, woraus deutlich wird, daß sie weiterhin im Amt waren.902 Das Landrichteramt sei zwar auf ein Jahr befristet, wie dem 1548 ernannten Franz von Bischofswerder bei dessen Ernennung von den landesherrlichen Kommissarien versichert worden war. Jedoch übte er dieses Amt tatsächlich länger, mithin wie die Schöffen unbefristet aus, indem er einfach nicht entlassen wurde, was seinen Unwillen erzeugte, hatte er doch auf die bei seiner Ernennung getroffene Aussage vertraut, wie aus seinem Schreiben an die böhmischen Kammerräte vom 23. Juli 1551 hervorgeht.903 Auch 1551 schrieb der Landgerichtsschöffe Nikolaus von Tschirnhaus unmittelbar an den Landesherrn mit der Bitte um Entlassung. Diese Bitte erfolgte vor allem deshalb, weil das Amt nicht besoldet war.904 Das Recht auf Entlassung kam entweder den Kommissarien nicht zu, sondern dies hatte sich der Landesherr vorbehalten, oder die Kommissarien weigerten sich, insoweit von ihrem Entlassungsrecht Gebrauch zu machen, weswegen sich die genannten Gerichtspersonen unmittelbar nach Prag wandten. Die „Confirmation einer Abhandlung“ König Ferdinands I. von 1561, in der die wesentlichen Grundzüge der Landesverfassung des Untersuchungsgebiets 901 902 903 904

NA Prag, Aufnahme Landrichter, Bl. 99 ff., 100. NA Prag, Landschoppen, unpaginiert. NA Prag, Landrichteramt, unpaginiert. NA Prag, Landrichteramt, unpaginiert.

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nach 1547 dargestellt sind, enthält jedoch folgenden Hinweise: „Betreffend beyde Amts-Hauptleute im Budißinischen und Görlitzischen, derselben Annehmung und Unterhaltung, erachten Wir [. . .], daß es dem alten Gebrauch nicht ungemäß und zu Erledigung fürfallender Geschäffte zuträglicher, daß beyde Hauptleute von dem Land-Voigte [. . .] angenommen [. . .] werden, und daß in künfftiger Zeit ihnen folgender Gestalt ihre Amts-Verrichtung zugelassen sey, die ordentliche Hof- und Land-Gerichte, anstatt und in Nahmen eines Land-Voigts [. . .], zu besetzen, zu verwalten, die Gräntz zu besichtigen, Urtheil, Erkänntniß und Abscheide ergehen zu lassen“.905 Danach wären maßgeblich die Amtshauptleute an der Auswahl des Landrichters beteiligt gewesen. Dies bestätigt zwar der Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585.906 Jedoch ist fraglich, ob damit die hier in Rede stehenden Landgerichte gemeint waren. Zur Zeit der Abfassung des genannten Berichts bestanden diese gar nicht mehr. Auch die Inhalte der vorher angeführten Belege sprechen dagegen, daß sich diese Quelle auf die neueingerichteten Landgerichte bezieht. c) Anforderungen an die und Pflichten der Gerichtspersonen Landrichter waren, soweit es die Anforderungen angeht, nach heutiger Überlieferung wie gesehen stets Angehörige des landsässigen Adels. Anderes ist nicht nachweisbar. Hinsichtlich der Schöffen berichtet der Görlitzer Amtshauptmann um 1585, daß die „Ober-Gerichte [. . .] von Anno 1548 [. . .] durch die von Ihrer Mayt. insonderheit bestallte Land-Gerichte und Schöppen, so viel von Adel gewesen“, „gehandelt“ und „bestellt“ worden seien.907 1558/1559 baten zwei adlige Schöffen des Landgerichts „deß Gorlizschen vnd Laubenischenn Weichbildes“ um Besoldung, da sie bislang das Schöffenamt unbesoldet ausgeübt hatten. Hieraus geht hervor, daß es sich in diesem Gericht neben drei adligen um zwei bürgerliche Schöffen handelte.908 Hinweise auf bäuerliche Richter oder Schöffen sind heute wie gesagt nicht überliefert. Sie wird es nie gegeben haben. Aus den Instruktionen an die Landvögte von 1549 und später ergibt sich hinsichtlich der weiteren Anforderungen, daß der Landvogt „Land-Richter und Schöppen, wo die zu solchen ihren Aemtern untüchtig oder unfleißig befunden, doch mit Unserm [. . .] Vorwissen, zuurlauben, und andere tügliche an ihrer statt aufzunehmen, Macht haben“ solle.909 Hinsichtlich der Anforderungen an die Gerichtspersonen rieten die landesherrlichem Räte dem Landesherrn 1547, die landesherrlichen Kommissarien mit der Einrichtung der Landgerichte zu betrauen und sie mit tauglichen Personen zu besetzen: „Vnd wiewol ich der Personen, so die Commis905 906 907 908 909

KW II, S. 1354 ff. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, I, 3. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II: „Von Ober- und Erbgerichten“. NA Prag, Landschoppen, unpaginiert. KW II, S. 1337 ff., 1338; vgl. KW II, S. 1350 ff.

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sarii für tauglich darzu [ansehen], nit besehen, so zweifel ich doch nicht, Sie werden Zuuorichtung vnd Volziehung derselben gericht nit die vntauglichen haben.“ 910 Der darauffolgende landesherrliche Befehl von 1548 liegt auf der Linie dieses Berichts: „Belangendt dj Khüniglichen Gericht, lassen Jre Maj. dj Persohnen so darzue gebraucht sollen, vnd durch euch benannt worden, ob Jre Maj. gleich dieselben nicht kennen, aber nicht Zweiffeln, dann Jr habt die Tauglichsten darzue fürgewisenn, gnediglich gefallen.“ 911 Damit waren, was wie gesehen in dieser Zeit nicht ungewöhnlich war, die Anforderungen nur ungefähr mit den Begriffen „tauglich“, „tüchtig“ und „fleißig“ umschrieben. Der Begriff „tüchtig“ erscheint, wie noch zu sehen ist, auch im Zusammenhang mit Gerichten anderer Herrschaftsebenen und mit unterschiedlicher Verfassung sowie insoweit außerhalb des Untersuchungsgebiets als Umschreibung.912 Hinweise auf das Bestehen der Anforderung, gelehrt zu sein, ließen sich nicht auffinden. Hinsichtlich der namentlich bekannten Gerichtspersonen ist nicht nachweisbar, daß diese gelehrt oder halbgelehrt gewesen wären. Solche Bildung wurde gerade im 16. Jahrhundert häufig – durch entsprechende Titel – hervorgehoben. Daß dies hier nirgends erfolgt, spricht hier dagegen. Auch bezüglich des Eides äußert sich die landesherrliche Instruktion an Landvogt Graf Dohna von 1554: „Und weil an etzlichen Orthen, wie wir bericht, unbeeydete Personen an denselben Land- und Hoff-Gericht sitzen; so soll er solche führohin abstellen, und zu Besetzung derselben beeydete Personen [. . .] verordnen, und denen solche Gerichte befehlen.“ 913 Ebenfalls 1564 wird in der „Vergleichung des Gerichtsprocess wieder die eximierten Personen“ 914 gefordert, daß zur „Bestellung [. . .] eines Heisch-Gerichts [gemeint ist das Landgericht – HvS], wie vor Alters [. . .] vonnöthen [sei], daß der Richter und seine Schöppen wieder zu Budißin dingen auch von neuen erfordert, vereydet, und ihnen eingebunden werde“.915 Bei den Pflichten der Gerichtspersonen wird es sich um ähnliche wie die in den übrigen landesherrlichen und auch nichtlandesherrlichen Gerichten im 16. Jahrhundert gebräuchlichen, mithin mittelalterlich geprägten Richter- und Schöffenpflichten gehandelt haben, die auch beeidet wurden. Ein Eidesformular oder ähnliches konnte nicht aufgefunden werden. d) Entscheidungsverfahren Hinsichtlich der Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens sind zunächst Protokolle des Landgerichts aus dem Jahr 1554 heranzuziehen. Danach wird am 910 911 912 913 914 915

NA Prag, Hofberichte 1546–1548, Bl. 108. NA Prag, Kaiserliche Befehle 1548, Bl. 52 b f. Vgl. Lück, Gerichtsorganisation, S. 314. KW II, S. 1337 ff., 1339; vgl. auch KW II, S. 1350 ff. LSD, S. 222 ff., 223. LSD, S. 222 ff., 223.

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Ende des Protokolls öfter geschrieben: „Der Schoppe vinditt [es folgt der Spruch – HvS].“ 916 Auch aus den beiden heute vorhandenen Landgerichtsbüchern ergeben sich deutliche Anhaltspunkte dafür, daß die Schöffen das Urteil fanden. So werden in beiden Gerichtsbüchern die Eintragungen regelmäßig beendet mit wie folgt eingeleiteten Urteilssprüchen: „Scheppen haben zu Recht erkant“. In einer 1555 verhandelten Sache erfolgte kein Endurteil, aber eine Entscheidung über Beweislastfragen „durch der Scheppen spruch“. Bis 1567, dem Ende der Überlieferung der Landgerichtsbücher, ist diese Praxis nachgewiesen.917 Nach der heute vorhandenen Überlieferung fanden also stets die Schöffen Urteil und Recht in diesen Gerichten, bestand mithin insoweit stets Funktionsteilung. Ob insoweit Einmütigkeit herrschen mußte oder das Mehrheitsprinzip galt, konnte nicht ermittelt werden. Jedenfalls scheint ab und an auch nur ein einziger Schöffe geurteilt zu haben. Die interessante Frage, ob innerhalb des Schöffenkollegiums Adel und Bürger (teils) abweichende Meinungen vertraten und entsprechend abstimmten, muß ungeklärt bleiben. So konnte auch nicht festgestellt werden, ob vergleichbar dem Gericht von Land und Städten jeder Stand etwa eine Stimme hatte und etwa im Falle voneinander abweichender Voten erst die Stimme des Richters den Ausschlag gab. Die Vergabe von jeweils einer Stimme an den Richter, die Vertreter des Adels und die der Städte ist für das Gericht von Land und Städten jedoch erst für die spätere Frühe Neuzeit nachgewiesen. Hinsichtlich der Landgerichte von 1548 werden wohl auch insoweit noch mittelalterliche Grundsätze gegolten haben, wonach Einmütigkeit herrschen mußte. Einen einzigen Hinweis auf die Art der Gerichtshegung zumindest in Obergerichtssachen geben „Reskript und Resolution Kaysers Maximiliani welcher maßen die Justitia in peinlichen Sachen biß zu Confirmierung derselben Ordnung solle administriret werden“ von 1566: „Darneben aber ist unser gnädiger und endl. Befehl an dich [Landvogt – HvS], daß du mittler Zeit [bis zur in Aussicht genommenen Einführung der „peinlichen Gerichtsordnung“ im Markgraftum Oberlausitz – HvS], den Gemeinen- und Sachsen-Recht die Justitia in Krafft [der Obergerichtskonzession von 1562 – HvS] exeqvirest, keinen Muthwillen, sonderlichen Rauberey, Plackerey, Todtschlag und dergleichen Vehden und Frevel gestattest.“ 918 Eine abweichende Ordnung wurde niemals eingeführt. Für diese Sachen war wie erörtert das Landgericht zuständig. 2. Gerichtsort/-zeit Schließlich ist auf Fragen im Zusammenhang mit dem Gerichtsort beziehungsweise der Gerichtszeit einzugehen. Es wurden ja in den „Kreisen“ Budißin, Gör916

StA Breslau, Landgerichtsprotokoll, Bl. 8 ff. RA Görlitz, Gerichtsbuch Landgericht I, Bl. 3 f., 75 b; 76 b. Vgl. RA Görlitz, Gerichtsbuch Landgericht II. 918 LSD, S. 226 f.; KW I, S. 183 f. 917

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litz und Zittau von den königlichen Kommissarien Landgerichte eingesetzt.919 Tatsächlich wurden für jedes der alten Weichbilder beziehungsweise für mehrere Weichbilder zusammen, wie dies bei den Weichbildern Görlitz und Lauban der Fall war, je ein Landgericht eingerichtet. Leider haben sich nur noch nähere Hinweise auf das Landgericht zu Görlitz mit Lauban erhalten. Aber auch insoweit ergeben sich – selbst nicht aus den Gerichtsbüchern – keine Hinweise auf den Gerichtsort. Gerichtsort war wohl der jeweilige Sitz oder der Tatort. In ihrer Beschwerdeschrift gegen die Amtsführung des Landvogts Christoph Graf Dohna aus dem Jahr 1559 rügten die Sechsstädte auch die Nichteinhaltung der bisher gebräuchlichen Gerichtszeiten, wonach das Landgericht „gemeiniglichen alle vier Wochen auff die Montage jedes Jahres gar offt gehalten“ wurde.920 1564 wird in der „Vergleichung des Gerichts-Process wieder die eximierten Personen“ des Ausschusses der Landständen bezüglich der Gerichtszeiten des wieder eingerichteten Landgerichts zu Budißin vereinbart: „Sollen die Heisch-Gedinge, inmassen die vor Alters, vor vier Wochen zu vier Wochen ausserhalb der Ferien im Gebrauch gewest, im Königlichen Amt Budißin wiederum bestellet, und aufgericht werden.“ 921 Die heute vorhandenen Gerichtsbücher der Landgerichte bestätigen, daß nicht alle vier Wochen Gericht gehalten wurde: 1555 wurden die Landgerichte wie folgt gehalten: Dorothea, Reminiscere, Jubilate, Kiliani, Egidii, Dionisii.922 Für das Jahr 1563 werden folgende Dingtage genannt: 17. Januar, 9. März, 23. März, 11. Mai, 22. Juni, 7. September, 19. Oktober, 16. November.923 Die Termine erscheinen willkürlich gewählt, wohl je nach Bedarf. 3. Ergebnis Hinsichtlich der bis zum Pönfall 1547 in den Zuständigkeitsbereich der (maßgeblich oder zumindest auch) mit Stadtschöffen besetzten Gerichte mit Weichbildzuständigkeit gefallenen und durch diese Strafaktion jenen entzogenen Zuständigkeit in Obergerichtssachsen errichtete der Landesherr 1548 ebenfalls Landgerichte genannte Gerichte neu, und zwar je eines mit einem personell umfassenden Zuständigkeitsbereich und einem bestimmten lokalen Zuständigkeitsbereich, der nicht den alten Weichbildern entsprach, mit Sitz in einer landesherrlichen Stadt. Man kann hier gleichsam von „landesherrlichen Lokalgerichten“ sprechen. Diese Gerichte sind streng zu scheiden von den alten Vogtdingen/ Landgerichten. Sie sind auch nicht – obwohl vom böhmischen Landesherrn geschaffen – verwandt mit in derselben Zeit von ihm gebildeten Gerichtsverfassungsstrukturen in Böhmen, sondern stellen eigenständige, Besonderheiten des 919 920 921 922 923

Richter, Pönfall, S. 118 f. Weinart, Rechte I, S. 51 f.; LSD, S. 152 ff., 162. LSD, S. 222 f., 223. RA Görlitz, Gerichtsbuch Landgericht I. RA Görlitz, Gerichtsbuch Landgericht I.

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C. Landesherrliche Gerichte

Untersuchungsgebiets berücksichtigende dar. Diese Gerichte waren gemäß dem Grundsatz der Funktionsteilung besetzt jeweils mit einem Landrichter aus dem landsässigen Adel als Vertreter des Landesherrn sowie Schöffen sowohl aus dem landsässigen Adel als auch aus den Stadteliten der landesherrlichen Städte als Urteiler aus dem Kreis der dem jeweiligen Gericht unterworfenen Genossenschaft. Es bestanden also auch nach Abschaffung der Weichbildzuständigkeit zumindest auch mit Stadtschöffen, also Stadtrechtsangehörigen besetzte Gerichte. Bezogen auf das Verhältnis zwischen Adel und Bürgern der landesherrlichen Städte war jedoch der Unterschied, daß in allen neugeschaffenen Landgerichten Landrechtsund Stadtrechtsangehörige, Adel und Bürger, gleichermaßen hinsichtlich der Schöffenbesetzung berücksichtigt wurden. Dies war wohl Ausdruck der Lehre, die man aus den Konflikten infolge der Weichbildzuständigkeit reiner Stadtrechtsoder maßgeblich stadtrechtlich geprägter Weichbildgerichte gezogen hatte. Starke genossenschaftliche Beteiligung von Adel und landesherrlichen Städten in den neugeschaffenen Landgerichten im Verhältnis zum Landesherrn wird an folgendem deutlich: Sämtliche Gerichtspersonen wurden zwar ausgewählt und ernannt von den landesherrlichen Kommissarien, die infolge des Pönfalls 1547 nicht nur vom Landesherrn mit der Verwaltung der von diesem eingezogenen Stadtgüter betraut, sondern auch umfassend hinsichtlich der Errichtung der neuen Landgerichte bevollmächtigt worden waren. Auswahl und Ernennung erfolgten durch diese mithin in Vollmacht und im Namen des Landesherrn sowie zumindest hinsichtlich des Landrichteramtes mit „Vorwissen“ des Landvogts als dem obersten landesherrlichen Vertreter im Untersuchungsgebiet. Urteiler waren auf Dauer, also als Schöffen bestellt. Gelehrter Jurist zu sein, war jedoch während der gesamten Dauer des Bestehens dieser Gerichte bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts hinein keine Anforderung an die Gerichtspersonen. Jedenfalls wurde eine entsprechende Ausbildung bei den namentlich bekannten Gerichtspersonen nicht ermittelt. Es war ausreichend, aber auch erforderlich, dem landsässigen Adel beziehungsweise den Ratsgeschlechtern einer landesherrlichen Stadt anzugehören. Urteil und damit Recht wurde auch hier ausschließlich oder zumindest maßgeblich durch die so ausgewählten und ernannten Schöffen gefunden. Insoweit lebte auch insoweit das dinggenossenschaftliche Prinzip, hier zugunsten der Landstände, das somit nicht den grundlegenden, vom Landesherrn mit dem Ziel der „Zentralisierung“ von Befugnissen beim Monarchen vorgenommenen Veränderungen infolge des Pönfalls 1547 zum Opfer gefallen war, bis zum Ende auch dieser Gerichte fort. Dies ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil der Landesherr gerade mit der Errichtung völlig neuer Gerichtsverfassungsstrukturen vor und nach dem Pönfall 1547 vergleichbar entsprechenden Unternehmungen in den übrigen Ländern der böhmischen Krone die landesherrliche Gewalt auf lokaler Ebene gegenüber den Landständen erweitern wollte.924 Im 924

Peterka, Rechtsgeschichte II, S. 97 ff.

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Fall der Oberlausitz war es nach Ende der Weichbildverfassung, deren Träger die landesherrlichen Städte gewesen waren, sogar eine völlige Neuschaffung landesherrlicher Strukturen in der Lokalverwaltung. Dies unterscheidet die Oberlausitz etwa von Kursachsen, wo die dortigen Landesherren die mittelalterliche Ämterverfassung zu einer landesherrlichen Lokalverwaltung hatten ausbauen können. Auch an den Umständen, die die Landgerichte von 1548 ein schnelles Ende finden ließen, zeigt sich nicht nur das ausgeprägte genossenschaftliche Element im Verhältnis der Landstände zum Landesherrn, sondern auch ausgeprägtes Eigeninteresse der in den Landständen verfaßten Eliten des Landes dem Landesherrn gegenüber bezüglich Fragen der Lokalverwaltung. Mit der bereits genannten Obergerichtskonzession von 1562 übertrug der Landesherr die – erstinstanzliche – Obergerichtszuständigkeit, die bisher bei den landesherrlichen Landgerichten gelegen hatte, an die Räte der landesherrlichen Städte, soweit es die Bürger und Einwohner der jeweiligen Stadt innerhalb der jeweiligen Stadtfluren betraf, beziehungsweise die Grundherren, soweit es die Bauern in der jeweiligen Grundherrschaft betraf. Ausgenommen waren also eximierte Personen, der landsässige Adel, die Amts- und Ratsverwandten der Landesherrschaft beziehungsweise der landesherrlichen Städte, mithin im wesentlichen die Angehörigen der Landstände, für die weiterhin ein landesherrliches Gericht zuständig blieb. Ausdrücklich erfolgte nach der Obergerichtskonzession von 1562 die Zuständigkeitsverlagerung, „nachdem [. . .] unsere Stände, Praelaten, Herren, Ritterschafft, Mannschafft, und die von Städten [. . .] mehrmals an Uns [den Landesherrn – HvS] unterthänigst suppliciret“.925 Der Landesherr setzte also nicht auf eine eigene landesherrliche Lokalverwaltung, deren Errichtung wie gesehen nach 1548 etwa in Form der Landgerichte hier bereits frühzeitig scheiterte, sondern auf die Eliten im Lande, im Fall der Oberlausitz die Grundherren und Räte der sechs landesherrlichen Städte. Das schnelle Ende der Landgerichte von 1548 hing also zumindest auch mit den Interessen der in den Landständen zusammengeschlossenen Grundherren und landesherrlichen Städte, insoweit ihre Befugnisse wiederherzustellen beziehungsweise auszuweiten, zusammen. Hieran zeigt sich, daß – auf der Linie etwa Willoweits und entgegen Blickle – die Entwicklung genossenschaftlicher Strukturen im Verhältnis der Landstände zum Landesherrn nicht zwingend ausgehen mußte von den Stadt- und den Landgemeinden, sondern sich – wenn auch im Untersuchungsgebiet maßgeblich von den Gemeinden der landesherrlichen Städte mitgeprägt – unter Ausschluß der Dorfgemeinden beziehungsweise der sonstigen Einwohner der landesherrlichen Städte eigenständig und mit ureigenen Interessen etwa als Grund- und Gerichtsherren beziehungsweise als Angehörige der städtischen Eliten vollziehen konnte. Bezogen auf das Verhältnis des Landesherrn beziehungsweise der in den Landständen organisierten adligen Grundherren und Eliten der landesherrlichen Städte 925

KW I, S. 178.

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C. Landesherrliche Gerichte

zu den Bauern in ihren Dorfgemeinden und den sonstigen Bürgern und Einwohnern der landesherrlichen Städte ist auf folgendes hinzuweisen: Bei den neugeschaffenen Landgerichten sollte es sich ersichtlich der landesherrlichen Intention nach um wirksame, personell umfassend zuständige landesherrliche Rechtsprechungskörperschaften auf lokaler Ebene in Obergerichtssachen handeln, die es zuvor mangels einer starken landesherrlichen Ämterverfassung eben gerade nicht gegeben hatte. Die Landstände erreichten jedoch, daß diese Kompetenzen schon bald, nämlich mit der Obergerichtskonzession von 1562 von der landesherrlichen Ebene auf die grundherrliche beziehungsweise sechsstädtische Ebene „heruntergezohnt“ wurden. Im Unterschied zur alten Weichbildverfassung gab es nunmehr nicht nur die Räte der landesherrlichen Städte, sondern erstmals umfassend sämtliche Grundherren auf dem Lande als lokale „Mediatgewalten“ in Obergerichtssachen. Wie zu zeigen sein wird, wurde diese Gerichtsbarkeit jedenfalls ab dem Ende des 16. Jahrhunderts im Rahmen der gutsherrlichen Patrimonial- beziehungsweise der Ratsgerichtsbarkeit unter inhaltlich vollständigem Ausschluß der jeweiligen bäuerlichen Rechtsgemeinschaft beziehungsweise der nicht zu den Stadteliten zählenden Stadteinwohner ausgeübt. Mit Schattkowsky deutet dies darauf hin, daß sich die habsburgischen Landesherren im Sinne eines „absenten Staates“ auch hier wie in den übrigen Ländern der böhmischen Krone aus wesentlichen Fragen der lokalen Herrschaftsebene zugunsten der in den Landständen verfaßten Eliten heraushielten. Die Frage, ob den Bauern durch den ebenfalls zusammen mit den Landgerichten 1548 geschaffenen Instanzenzug zur landesherrlichen Appellationskammer in Prag geholfen war, wird im Rahmen der Darstellung der Appellation behandelt.

VIII. Ritterrecht Der Görlitzer Erbrichter Schneider berichtet 1544: „Rytter Recht 1544 [in Görlitz]. Dyweyls 2 ryttermessige manne belanget, hot koe. Mt. eyn rytter recht zu bestellen und in der sachen erkennen und ergehn lassen, was recht ist, und diesz recht ist bestalt Mitwoch noch Letare, den 26. tag Marcii 1544.“ 926 Nicht sicher zu bestimmen ist der Ursprung dieses Gerichts, auch „Ehrentafel“ genannt. Nach Carpzov bestand dieses Gericht seit „uralten Zeiten“ 927.928 In Schlesien wurde ein aus der Wurzel des Herzogsgerichts stammendes, dem schlesischen Mannrecht verwandtes „Zwölferrecht“, besetzt ausschließlich mit einer ursprünglich unbestimmten Zahl vom Landesherrn beziehungsweise seines Vertreters hinzugenommener adliger Schöffen, schon seit dem 14. Jahrhundert abgehal926

Schneider, Diarium, S. 65. Carpzov, Ehrentempel, I, S. 157. 928 Struve schrieb zum Oberlausitzer Ritterrecht 1721 eine Dissertation, in der jedoch keine alten Quellen ausgewertet werden, in der es mit „dem alten hohen LehnGerichte der Parium Curiae“ verglichen wird (ders., Ehrentafel, S. 38). 927

VIII. Ritterrecht

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ten.929 König Ferdinand I. bestätigte im achten Artikel des Schlesischen Landfriedens von 1526 das Recht des Adels auf eine „Ritterschafts-Bank“: „Weil am Tage, daß die von der Ritterschaft ein ander aus leichten Ursachen an ihren Ehren und Glimpffen vielfältig beschuldigen, und für die Herren Fürsten heischen und fordern, wird sich ein jeder Fürst mit seiner Ritterschaft-Banck gegen denselbigen nach Gelegenheit der Sachen wohl wissen zu halten. Damit aber solche schimpfliche Handlung, Zanck und Hader gedämpffet, und ausgerottet werde; Soll ein jeder der Unrecht befunden, und Ursach zum Hader gegeben hat“, von ihr gerichtet werden.930 Wie sogleich zu zeigen, ergibt sich insbesondere wegen der Zuständigkeit des Oberlausitzer Ritterrechts eine Verwandtschaft zwischen beiden Gerichten. Anzunehmen ist, daß das Oberlausitzer Ritterrecht dem schlesischen Gericht nachgebildet wurde. Das Oberlausitzer Ritterrecht war „seit 1684“, wie Leonhardi 1806 berichtete, „nicht mehr in Gebrauch.“ 931 Hinsichtlich dieses Gerichts liegen heute an deskriptiven Quellen vor allem von Carpzov überlieferte Gerichtsprotokolle aus der Zeit ab Ende des 16. Jahrhunderts vor.932 Daneben wurden die Aufzeichnungen des Görlitzer Erbrichters Schneider über das Gericht aus seinem diarium consulare vom Anfang des 16. Jahrhunderts933 herangezogen, die wegen der Stellung des Verfassers als Außenstehender besonders interessant sind. Auch hinsichtlich dieses Gerichts ist der Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585934 aufschlußreich. 1. Gerichtspersonen Nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585 wurde eine bestimmte Anzahl „ Personen unterschiedlicher Geschlechter von Adel“ vom Landvogt verordnet: „Unter denen deputiret und ordnet er einen Marschall, den andern zum Ehrenhold, die andern Zwölffe zu Beysitzern“.935 Nach den Protokollen der Ritterrechte von 1592 und 1684 nahm der Landvogt beziehungsweise sein Stellvertreter zwar an den Verfahren teil.936 Der Landvogt saß im Gericht „Pro-Princeps“ 937, also für den Landesherrn. Dem Landvogt wurden Beisitzer zugeordnet.938 Es handelte sich beim Landvogt mithin jedoch nicht um den Richter. Dieses Amt nahm der sogenannte Ehrenmarschall wahr. Dieser sprach, 929 930 931 932 933 934 935 936 937 938

Näher Loesch, Verfassung, S. 151. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 158. Leonhardi, Erdbeschreibung, S. 77. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 162 ff., 173 ff. Schneider, Diarium, S. 66. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II: „Von Ritter-Recht“. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 4. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 162 ff., 173 ff. Struve, Ehrentafeln, S. 39, Anm. b. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 174 f.

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C. Landesherrliche Gerichte

wie sich aus dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585 ergibt, die Hegungsformel bei Bestellung und bei Aufgabe des Gerichts einschließlich der Fragen an die Beisitzer.939 Außerdem hatte er grundsätzlich die Prozeßleitung, wie sich aus den Ritterrechtsprotokollen von 1592 und 1684 ergibt.940 Nach Schneiders Diarium von 1544 hielt der „marschalck“, wie wohl etwas verächtlich ausgedrückt wird, „eyn weyssen stecken in der hand“.941 Auch nach den Protokollen von 1592 und 1684 führte der Ehrenmarschall einen Stab, der 1592 „blau und gelbe gewesen“ [die Wappenfarben des Markgraftums Oberlausitz – HvS]942 und 1684 „eben wie des Herolds bemahlet [schwarz und gold, also die Wappenfarben der Wettiner – HvS], nur um ein ziemliches länger gewest“.943 Der Ehrenmarschall hatte, wie sich aus dem Protokoll aus dem Jahr 1592 und einem Urteil aus dem Jahr 1684 ergibt, das Urteil zu fällen, „den Abschied zu stellen“, es mit seinem Namen zu unterschreiben und zu „publiciren“.944 Was die Urteiler, mithin Schöffen betrifft, ist zunächst gemäß dem mittelalterlichen Grundsatz, daß nur die Angehörigen der dem Gericht unterworfenen Rechtsgemeinschaft Urteiler in diesem Gericht waren, nach der Zuständigkeit des Ritterrechts zu fragen. Nach Carpzov war das Gericht geschaffen worden, da „vornehmlich [. . .] die Ritterschaft bey ihrer durch das Recht der Geburt erlangten Würde und Vorzug nachdrücklichen Schutz, und in ereignenden Fällen, da deren Ehre in Gefahr stehet, auf eine sonst ungewöhnliche Art zu schleuniger Handhabung der Gerechtigkeit gelangen kann.“ 945 Nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585 war das Gericht zuständig, wenn „sich zwischen denen von Adel zum öfftern zuträget, daß einer den andern injuriret, und daß sie solcher Schmähung halber gütlich oder sühnlich sich nicht wollen vergleichen, und vertragen lassen, sondern beleidigter solches an Herrn Land Voigt [. . .] gelangen lässet.“ 946 Nach einer zeitgenössischen Dissertation Struves war das Gericht auch zuständig, „wenn einer von Adel der Nothdurfft erachtet, eine, mehr oder alle seine vier Ahnen und Schilde vom Vater und Mutter darzuthun“. Das Gericht war ausschließlich zuständig, und zwar anstelle „langwierige[r] InjurienProcesse, oder eigenmächtig gesuchte[r] Hülffe.“ 947 Nach allen Quellen handelte es sich bei dem Gericht – vergleichbar der schlesischen „Ritterschafts-Bank“ – in erster Linie um ein Ehrengericht, dessen personelle Zuständigkeit sich nur auf den Oberlausitzer landsässigen Adel bezog. Die Zuständigkeit des Gerichts läßt 939 940 941 942 943 944 945 946 947

StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 4. Angedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 162 ff., 173 ff. Schulze, Diarium, S. 65. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 162. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 175. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 170, 186 f. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 157. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 4. Struve, Ehrentafeln, S. 38, Anm. a.; vgl. Wabst, Nachricht, S. 281.

VIII. Ritterrecht

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dieses vergleichbar werden mit der genannten schlesischen Ritterschaftsbank. Als Schöffen dienten nach dem Bericht des Görlitzer Erbrichters Schneider 1544 „12 personen aus 12 geschlechtern des adels ausz Oberlausitz.“ Es handelte sich um: „Nickel Tschyrnhaus von Kyslingswalde, Frantz von Bischoffwerde zu Ebersbach, Her Jorg Bircke von Wilkau, Friderich Dobschitz zu Oberreichembach, Haug Maxe zu Gradis, Opitz vom Saltza zu Lichtenau, Hans Temmeritz zur Olse, Cristoff Belwitz zu Belwitz, Merten Kotwitz zur Nickelschmyde, Heinrich Hawitz zur Senitz, Seyffert Rabenau zum Rytschen.“ 948 Nach diesem Bericht waren 1544 zudem die beiden Amtshauptleute anwesend.949 Auch nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585 wurden lediglich zwölf Personen zu Beisitzern ernannt.950 Das Protokoll des Ritterrechts von 1592 zählt insgesamt 32 Personen auf, von denen zwölf als „Räthe und Beysitzer“ des Ehrenmarschalls bezeichnet wurden, 20 als „Beysitzer“ des Landvogts.951 Nach dem Protokoll von 1684 hatte der Ehrenmarschall zwölf, der Landvogt zehn Beisitzer.952 Mithin saßen der Landvogt und der Ehrenmarschall jeweils einer mit Beisitzern besetzten Tafel vor.953 An Zuständigkeit und Besetzung des Ritterrechts/der Ehrentafel im Untersuchungsgebiet wird erkennbar, daß der gesamte Oberlausitzer landsässige Adel, soweit es dieses Gericht betraf, unabhängig von der Einteilung in Weichbilder oder Ämter, mithin maßgeblich angeknüpft an Stand und Ansässigkeit im Untersuchungsgebiet eine eigene Rechtsgemeinschaft bildete. Soweit ersichtlich, handelt es sich beim Ritterrecht um das einzige Gericht, in dem ausschließlich – vor den Hofgerichten hatten auch Lehnbauern Recht zu nehmen – der Adel die dem Gericht unterworfene Genossenschaft darstellte. Hinsichtlich Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen wird vom Görlitzer Hauptmann um 1585 berichtet: Aus den „Personen unterschiedlicher Geschlechter von Adel“ „deputiret und ordnet er [der Landvogt – HvS] einen Marschall, den andern zum Ehrenhold, die andern Zwölffe zu Beysitzern“. Richter und Schöffen wurden also vom Landvogt ausgewählt und ernannt. Während des Verfahrens konnten bei Tod oder Verhinderung („Schickung des Allmächtigen oder andere Ehehaffte“) eines oder mehrerer Beisitzer neue ernannt werden.954 Welche waren die Anforderungen und Pflichten an die Gerichtspersonen? Die „Schöppen“, wie sie etwa auch im Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585 in der Hegungsformel genannt werden,955 stammten nach dem Bericht des 948 949 950 951 952 953 954 955

Schneider, Diarium, S. 65. Schneider, Diarium, S. 66. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 4. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 162 f. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 173 f. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 174 f. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 4. StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 4.

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C. Landesherrliche Gerichte

Görlitzer Amtshauptmanns um 1585 aus unterschiedlichen Adelsgeschlechtern des Landes,956 die der Landvogt „citiret und verschreibet“.957 Schneider nennt als Anforderung, daß es sich um „12 personen aus 12 geschlechtern des adels ausz Oberlausitz“ handeln mußte, „dy sollten gantz unverdechtig seyn und sich in keyne burgerliche handlung nye eyn gelassen [haben].“ 958 Der für dieses Gericht vom Landvogt aus dem Adel bestellte Herold „solt sehen, welcher im rytter dinge zusitzen tuglich, aber er was gar blynt,“ wie Schneider mit Ironie anmerkt,959 wohl in Anspielung auf fehlende Rechtskenntnisse, die hier folglich nicht gefordert waren. Für nahzu keinen der von Schneider genannten Schöffen im Ritterrecht ist juristische Bildung nachgewiesen. Wohl wies diese aber Haug v. Maxen auf, der auch Amtshauptmann zu Budißin wurde.960 Maßgebliche Anforderung war also, der Rechtsgemeinschaft dieses Gerichts, mithin einem Geschlecht des Oberlausitzer landsässigen Adels anzugehören, wobei der Kandidat zudem „unverdächtig“ und „tauglich“ sein mußte, was auch immer dies hieß. Der vom Landvogt aus den adligen Geschlechtern berufene Ehrenhold oder Herold hatte – wie der Fronbote in anderen Gerichten – die Aufgabe, die Parteien vor die Ehrentafel und wieder zurück in die für sie vorgesehenen Aufenthaltsräume zu führen.961 Dies geschah bei „Aufblasen“ der Trompeten und „Aufschlagen“ der „Heer Drummeln“. Nach darauf erfolgter Hegung des Gerichts und wiederum gerührtem Spiel hatte der Ehrenhold wie folgt das „RitterRecht ausgeruffen“: „Daß auf Ansuchen der Part, der Kayserl. Majest. Ehren und Ritter-Recht zur Nothdurfft bestellet, und da jemands vor demselben zu handeln, der solle mit gebührender Ehrerbietung vorkommen, seine Nothdurfft befördern, und gebührlichen Bescheids gewarten“.962 Im Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585 lautete die Formel genauer: „Ob jemands so vor dieser EhrenTafel seiner Ehren-Nothdurfft [noch] was [weiters] vorzubringen bedacht, der thue es, denn ohne diß sind der Herr Marschall, Beysitzere, und Geschlechter die Ehren-Ritter-Tafel aufzuheben vorhabens, zum ersten mahl. Folget die Anmeldung des Ehrenholds gegen den Parten, und Beyständen wie oben, zum andern mahl. Hernach soll der Ehrenhold ein wenig warten, und wie obstehet zum dritten mahl.“ 963 Der Görlitzer Erbrichter Schneider berichtet über den Herold 1544: 956 Vgl. auch die namentlichen Aufzählungen in den Protokollen von 1592 und 1684 (Carpzov, Ehrentempel, I, S. 162 f., 173 ff.). 957 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 4. 958 Schneider, Diarium, S. 65. 959 Schneider, Diarium, S. 66. 960 Vgl. Knothe, Adel I, S. 357 f. 961 Protokoll des Ritterrechts von 1684 (Carpzov, Ehrentempel, I, S. 175 ff.). 962 Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 163. Die Aufgaben des Herolds nach dem Protokoll des Ritterrechts von 1684 waren identisch (vgl. Carpzov, Ehrentempel, I, S. 175 ff.). 963 StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 4.

VIII. Ritterrecht

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„Eyn Kyntsch aussem Camentzischen lande was herolt, dem lech der magister Johan Hasz eyn schwartze tamaske kasel, hot forne uff der brust eyn schwartzen adler uff papir gemolt und in der hand eyn weyssen stecken.“ 964 Der Herold war nach dem Protokoll des Ritterrechts von 1592 wie folgt bekleidet und ausgestattet: „Der Heroldt ist mit einem weißen doppeltafften Rock, so ihme biß an die Knie gangen, angezogen gewesen, darüber ein rothes Leviten-Kleid, in Forma einer Kassel, so ihm ein wenig unter die Gürtel-Stadt gangen, von derlichen Zeug, so wohl einen rothen Huth, in Forma einer Mützen, darüber eine weisse Binde, so was herunter fliegende gehangen, auf dem Leviten-Kleid ist hinten und forne, des Röm. Reichs Adler auf einem Tuch abgemahlet gewesen, in des Adlers Hertz, des Königreichs Boheim Wappen, als ein weißer Löwe, in des Löwen Hertz des Marggrafthums Ober Lausitz Wappen, als mit vergoldeten Zinnen, über den Zinnen im blauen Felde ein weißer Hund. Der Herold hat einen Stab, so gelb und blau gewesen in seiner Hand geführet.“ 965 Als Gerichtspersonen im weiteren Sinn sind die „Beistände“ einer Partei anzusehen, sofern die Parteie sich nicht selbst vertrat.966 Diese mußten nach einer zeitgenössischen Dissertation „Adelichen Standes“ und „gelehrte“ oder sonst „qualificierte“ „Vettern oder Oheims“ sein. „Advocaten“ waren nicht „zugelassen“.967 Nach sämtlichen bekannten, hier zitierten Protokollen war der Beistand jeweils ein Angehöriger des Oberlausitzer landsässigen Adels. Das Rubrum des „Abschied-Urthel[s]“ in dem Verfahren des Niklas v. Zedlitz gegen Melchior v. Kalckreuth aus dem Jahr 1592968 lautet wie folgt: „Erkenne Ich Ernst von Rechenberg auf Crosta, [. . .] dieser löblichen Ehren-Tafel verordneter Ehren-Marschall, auf Gutachten, des Wohlgebornen und Edlen Herrn, Herrn Hansen, Herrn von Schleinitz, [. . .] des Margrafftums Ober-Lausitz Land-Voigts

964

Schneider, Diarium, S. 66. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 163. Nach dem Protokoll des Ritterrechts von 1684, also zur Zeit der kurfürstlich sächsischen Landesherrschaft, war der „Herold“ „mit einem langen Leviten-Rock von gelben Taffend biß an die Knie bekleidet gewesen, die Ermel seynd unterwerts gantz enge zugegangen, über den Ellenbogen aber ziemlich weit, daß sie wie große Kraussen übergefallen, über diesem Rock hat er von eben so großer breite, nur um etwas kürtzer, mit eben dergleichen Ermeln, daran aber keine Enge, vorgangen, einen schwartzen taffenden getragen, darauf fornen an der Brust und hinten am Rücken das Churfürstl. Sächsische Wappen gehefftet gewesen, am Halse ist das Krägel von dem gelben Rock, dem schwartzen ein wenig vorgangen, auff dem Kopff hat Er ein Baretgen getragen, mit schwartzen Taffent überzogen, dessen Form einem kleinen Hut mit einem schmahlen Rande nicht ungleich, um dasselbe ist gelber Taffent gebunden gewest, welcher fast biß an die Knie, wie ein Trauer-Flor hinunter gehangen, die Strümpffe sind gelbe, wie auch die Schuhe von gelblichten Engelländischen Leder mit schwartzen Laschen und Absätzen gewesen, hat in Händen einen schwartzen und Goldgemahlten Stab getragen“ (Carpzov, Ehrentenpel, I, S. 175). 966 Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel I, S. 158. 967 Struve, Ehrentafeln, S. 38 f., insb. Anm. a. 968 Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 172 f. 965

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C. Landesherrliche Gerichte

und mit Rath der Ehren-Tafel Assesorn, vor Recht.“ 969 Somit fällte der Ehrenmarschall, also ein Angehöriger des Oberlausitzischen Adels und nicht der Landesherr oder der Landvogt das Urteil. Überliefert ist mithin das Urteilsfindungsverfahren des Ritterrechts. Das Urteil wurde gefällt auf „Gutachten“ des Landvogts und nur mit „Rath“ der adligen Beisitzer.970 Der differenzierende Wortlaut deutet bereits darauf, daß der Landvogt bei der Urteilsfindung eine stärkere Stellung als die Beisitzer innehatte. Aus dem Protokoll von 1592 geht folgendes Verfahren hervor: Zunächst mußte der Ehrenmarschall den „Abschied stellen“. Danach wurde er vom Ehrenmarschall verlesen. Daraufhin drückten alle Beisitzer ihre Zustimmung oder Ablehnung mit einer einfachen Formel aus (z. B. „confirmat“). Am Ende der Abstimmung wurde der Landvogt einbezogen, der in diesem Fall ein „approbat suo calculo sententiam“ erteilte.971 Der Landvogt als landesherrlicher Vertreter hatte also das letzte Wort unabhängig vom Ausgang der Abstimmung. Dabei hatte er die landes-/lehnsherrlichen Interessen zu wahren. Nach einem Reskript Kaiser Rudolfs II. an den Landvogt wegen der Bestellung des Ritterrechts von 1592972 hatte die Entscheidung des Gerichts „auf Unser gnädigste Ratification“ „allewege mit Vorbehalt Unsers Interesse und Regaln“ zu ergehen.973 Die Urteilsfindung erfolgte also nicht (mehr) allein durch die Schöffen, sondern der Richter verfaßte dieses, und die Schöffen mußten dieses bestätigen oder ablehnen. Der Landvogt griff außer im Entscheidungsverfahren grundsätzlich nicht in den Prozeß ein, wie sich aus den Protokollen von 1592 und 1684 ergibt.974 Der Landvogt – landesherrlicher Vertreter – hatte jedoch stets das letzte Wort. Die inhaltliche Funktionsteilung zwischen Richter und Schöffen, zwischen herrschaftlichem und genossenschaftlichem Element bestand (auch) hier nicht (mehr). Der Görlitzer Erbrichter Schneider berichtet über eine Hegung des Ritterrechts im Jahr 1544: „Item zum anfange des rytter dinges und so offte eyn spruch gesprochen solt werden, des gleichen zum beschlusz des rytterdinges musten 2 drometer alwege blosen [. . .]. Und wart im anfang geboten, das keyner fur dem rytter rechte reden solde, er wer denn eyn rittermessig man; zum andern solt man fur dem ding fridlich mit worten und wercken leben etc.; zum dritten solt nymant wider keyserliche und koniglich regalia nicht reden; zum virden solt eyn itzlicher, der fur dem rytterrechten zu thun hette, mit gunst zu und abtreten.“ 975 Der Görlitzer Amtshauptmann überliefert in seinem Bericht um 1585 ein Formular

969 970 971 972 973 974 975

Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, Schneider, Diarium, S. 66.

I, S. 172 f. I, S. 172 f. I, S. 171. I, S. 172. I, S. 172. I, S. 162 ff., 173 ff.

VIII. Ritterrecht

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einer Hegung des Ritterrechts, die vergleichbar aufgebaut ist wie beispielsweise die der Hofgerichte.976 Das Gericht wurde „mit Niederlegung des Stabes aufge976 „Nachdem die Löbl. Ehren-Ritter-Tafel dieses Königl. Marggrafthums Ober-Lausitz auf Ansuchen etl. Part, durch gnädige Beförderung des Wohlgebornen Herrn, Herrn Grafen und Mächtigen Landvoigts obbemeltes Marggraffthums, an statt der Königl. Majest. als Marggrafen zu Lausitz, unsers allergnädigsten Herrn, einen jeden seiner Ehren-Notdurfft, nach alten Herkommen und Gebrauch dieses Marggrafthums geheget, und besetzet, so sollen sich vermöge solcher Bedingung die Part, so für derselben zu thun, folgender Articul gemäß zuverhalten schuldig seyn. – Erstlich gebeut der Herr Marschall mit seinen zugeordneten Beysitzern, und zwölff Geschlechtern, daß vor und bey dieser Ehren-Ritter-Tafel sich männiglich und sonderlich die Part gegen einander in Worten, und Thaten friedlich verhalten, und zu keiner Injuria keine Ursach solle gegeben werden, bey Straff nach ihren Erkändtnüß. – Zum Andern soll niemands vor dieser gehegten Ehren-Ritter-Tafel dem andern sein Wort reden, er sey denn ein Rittermäßiger von Adel, und habe sich bey der Ehren-Ritter-Tafel angedinget. – Zum Dritten so soll mündlicher Vortrag von einen und dem andern Part, dermassen deutlich und langsam vorgebracht werden, damit Klage, Antwort, und andere Nothdurfft aus dem Munde in die Feder gefasset werden möge. – Zum Vierdten soll kein Theil das andere in seinen Vorbringen verhindern, noch einfallen. – Zum Fünfften behält ihm der Herr Marschall, Beysitzer und Geschlechter bedinglich zuvorn, ob sichs durch Schickung des Allmächtigen oder andere Ehehaffte begebe, daß einer oder mehr aus der Ehren-Ritter-Tafel aufstehen, und abtreten würden, daß doch nichts destoweniger ihme oder ihnen vorbehalten seyn solle, andere Rittermäßige Personen an seine oder ihre Stelle in die Ehren-RitterTafel einzusetzen, und was Recht zu befördern. – Und derowegen so ruffe ich N.N. als zu dieser Ehren-Ritter-Tafel von wohlgedachten Herrn Landvoigt Sr. Gn. an statt Ihrer Kayserl. Majestät verordneter Ehrenhold, solche gegenwärtige und mehrgedachte Ehren-Ritter-Tafel, so mit Urthel und Recht einen jeden zu seiner Ehren Nothdurfft, nach Ritters Art, auch alten löblichen Herkommen und Gebrauch nach dieses Marggrafthums Ober-Lausitz, gnugsam geheget und besetzet, aus zum Ersten, zum Andern, und zum Dritten mahl mit diesem Anhange, ob jemands seiner Ehren Nothdurfft nach, vor derselben zu thun daß er jetzt berührter maßen, und auf die erzehlten Artickel bescheidentlich wolle vorkommen und nach Ehren-Ritters-Rechts Art Rechtens gewarten [. . .] – Der Marschall zum ersten Beysitzer zur rechten Hand, in Dingung der Ehren-Ritter-Tafel. Ich frage euch, weil auf Ansuchen etl. Part ein Ehren-Ritter-Tafel zu bestellen vonnöthen, und ich von dem Herrn Grafen und Landvoigt, Sr. Gnad. an statt der Röm. Kayserl. Majest. meines allergnädigsten Herrn hierzu zum Marschall verordnet, ob es an der Zeit, daß solche Ehren-Ritter-Tafel mit Gericht und Recht möge bestellet werden? – Der Beysitzer zur rechten Hand. Herr Marschall, weil Parten vorhanden, so vor der Ehren-Ritter-Tafel ihrer Ehren Nothdurfft nach zu thun, und ihr von wohlgemeldten Herrn Land-Voigt, Gnaden am statt Ihrer Königl. Majest. zum Marschall verordnet, so möget ihr die Ehren-Ritter-Tafel, mit Gericht und Recht wohl bestellen. – Zum anderen Beysitzer zur rechten Hand, Ich frage euch, wie ich diese Ehren-Ritter-Tafel dingen soll? Der ander Beysitzer zur rechten Hand, Herr Marschall hegets mit Urtel und Recht, dem Kläger als dem Antworter, und dem Antworter als dem Kläger. – Marschall. So hege ich solche Ehren-Ritter-Tafel mit Urthel und Recht allermassen und gestalt, wie solche nach Ritters-Art, alten Herkommen, und Gebrauch nach dieses löbl. Marggrafthums Ober-Lausitz, vor alters und jetzo an allerkräfftigsten und beständigsten hat können, sollen oder mögen gehalten werden, und hege solche Ehren-Ritter-Tafel einem jeden zu seinen Rechten, und zu Erhaltung Ihrer Kayserl. Majest. als Marggrafen in OberLausitz und Landes-Fürsten Hoheit, in diesen Ihrer Kayserl. Majest. Marggrafthum Ober-Lausitz im Namen GOttes des Vaters, GOttes des Sohnes, und GOttes des Heiligen Geistes, Amen. – Zum dritten Beysitzer zur rechten Hand. Ich frage euch, ob diese Ehren-Ritter-Tafel nach Ritters Art und alten Herkommen, dieses Marggrafthums Ober-

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geben“, wie sich aus dem Protokoll von 1592 ergibt.977 Nach dem Protokoll von 1684 hat „der Herr Ehren-Marschall den Stab für sich auf die Tafel die Länge hingeleget und gesprochen, daß nunmehro im Nahmen der Heil. und hochgelobten Dreyfaltigkeit die Ritter-Tafel hiermit solte auffgehoben seyn.“ 978 Nach Verlesung des Urteils erfolgte folgende Handlung: „Nach Verlesung hat Ehren-Marschall den Stab in die rechte Hand genommen, und mit ausgestreckten Arm von sich gehalten, da denn zuerst Klaeger, hernach Beklagter den Stab mit rechter Hand berühret.“ 979 Obwohl wie gesehen inhaltliche Funktionsteilung zwischen Richter und Schöffen nicht (mehr) bestand, wurde diese jedenfalls im Rahmen der Gerichtshegung, mithin äußerlich (als bloßes Ritual) aufrechterhalten. Hieran wird deutlich, daß auch dieses Gericht jedenfalls dem Ursprung nach eine mittelalterlich-dinggenossenschaftliche Gerichtsverfassung aufwies, die noch in der Neuzeit deutlich erkennbar war. 2. Gerichtsort/-zeit Nach dem Bericht des Görlitzer Erbrichters Schneider von 1544 haben die Schöffen des damals in Görlitz gehaltenen Ritterrechts „gesessen uffs voigts hoffe in der grossen stuben.“ 980 Nach Carpzov fand 1545 auf dem Schloß zu Budißin auf Befehl des Landesherrn ein Ritterrecht statt.981 „Ritter Recht, und Ehrentafel“ wurden auch nach dem Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns von ungefähr 1585 auf dem Schloß Ortenburg zu Budißin gehalten.982 Nach dem Protokoll des Ritterrechts von 1592 fand es dort in einem „Gemach“, also nicht unLausitz einem jeden Rittermäßigen zu seiner Ehren Nothdurfft geheget und bestellet sey? – Der dritte Beysitzer zur rechten Hand. Herr Marschall, weil ihr solche EhrenRitter-Tafel einem jeden zu seiner Ehren-Nothdurfft, und zu Erhaltung Ihr. Kayserl. Majest. als Marggrafen in Ober-Lausitz, Hoheit, mit Urthel und Recht im Nahmen der allerheiligsten Dreyfaltigkeit, geheget, so habt ihr es einem jeden untadelhaftig und zu Recht gnugsam geheget [. . .]. – Wenn vor der Ehren-Ritter-Tafel weiter niemands etwas vorzubringen, fraget Marschall den ersten Beysitzer auf der lincken Hand. Zum ersten Schöppen zur lincken Hand. Ich frage euch, weil niemand zur Stelle, der vor dieser Ehren-Ritter-Tafel weiter zu klagen, ob es an der Zeit sey, solche Ehren-Ritter-Tafel wieder aufzuheben? – Der nechste Beysitzer zur lincken Hand. Herr Marschall weil niemand vor dieser Ehren-Ritter-Tafel zu klagen, so ist es an der Zeit, daß ihr dieselbe aufheben möget. – Zum andern Schöppen zur lincken Hand. Ich frage euch wie ich solche Ehren-Ritter-Tafel aufheben soll? – Der andere Beysitzer zur lincken Hand. Herr Marschall hebet sie auf mit Urthel und Recht und Göttlichen Nahmen. – Darauf der Marschall. So hebe ich solche Ehren-Ritter-Tafel auf mit Urthel und Recht, im Nahmen Gottes des Vaters, Gottes des Sohnes, und Gottes des heiligen Geistes, Amen“ (StFilA Bautzen, Salza, Bericht, II, 4). 977 Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 172. 978 Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 186. Vgl. Wabst, Nachricht, S. 281 ff. 979 Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel I, S. 186. 980 Schneider, Diarium, S. 65. 981 Carpzov, Ehrentempel, I, S. 160. 982 Salza, Bericht, III, 3.

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ter freiem Himmel statt.983 Dies war offenbar nicht der kalten Jahreszeit geschuldet, in der das Gericht stattfand (Ende November/Anfang Dezember984), sondern auch das Ritterrecht des Jahres 1684, das Anfang September stattfand, wurde innerhalb des Gebäudes gehalten.985 Beiden Parteien wurde jeweils „eine sonderbahre Stube“ zugewiesen. Die Untertanen der Landvogtei auf der Seidau „bestellten eine Guardie“ „vor dem Schloß-Thor“.986 Die Gerichtszeit stand nach Struve nicht fest, sondern: „Diese Ehren-Tafel wird bey entstandenen Iniurien von der Hohen Landes-Obrigkeit ausgebethen, und so dann denen streitenden Partheyen von dem Herrn Land-Voigt [. . .] eroefnet“.987 Der Bericht des Görlitzer Erbrichters Schneider von 1544 besagt: „Rytter Recht 1544 [. . .]. Dyweyls 2 ryttermessige manne belanget, hot koe. Mt. eyn rytter recht zu bestellen und in der sachen erkennen und ergehn lassen, was recht ist, und diesz recht ist bestalt Mitwoch noch Letare, den 26. tag Marcii 1544.“ 988 1592 befahl der Landesherr dem Landvogt, „Ritterrecht und Ehrentafel“ zwischen Niclas v. Zedlitz und Melchior v. Kalckreuth zu bestellen.989 Das Ritterrecht wurde also vom Landesherrn beziehungsweise dem Landvogt als landesherrlichen Vertreter bei Bedarf einberufen. Auch dies macht das Ritterecht dem Schlesischen „Zwölferrecht“ verwandt.990 3. Ergebnis Das Ritterrecht war ein Gericht ausschließlich der Genossenschaft des landsässigen Adels des Untersuchungsgebiets. Das Gericht wurde nach heutiger Quellenlage seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr einberufen. Auch in diesem Gericht wurde gemäß dem Grundsatz der Funktionsteilung in Richter und Urteiler geschieden. Es wurde ein Angehöriger dieser Rechtsgemeinschaft vom Landesherrn oder von dessen Vertreter zum Ehrenmarschall, Richter, eine Anzahl weiterer zu Urteilern ausgewählt und ernannt, die gemeinsam das Urteil fanden. Hinweise auf auf Dauer, mithin für mehrere Gerichtstage im Vorhinein bestellte Urteiler, also Schöffen liegen heute nicht vor. Richter wie Beisitzer mußten den „Geschlechtern“, das heißt den im Untersuchungsgebiet landsässigen Adelsfamilien entstammen. Der Kandidat mußte „unverdächtig“ und auch hier „tauglich“ sein. (Halb-)Gelehrtheit war, soweit ersichtlich, hinsichtlich sowohl des Richterals auch des Schöffenamtes niemals Voraussetzung. Funktionsteilung im Rahmen der Urteilsfindung muß, wie aus im Ritterrecht verwandten Gerichtshegungsfor983 984 985 986 987 988 989 990

Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 172. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 162 ff. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 175. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 172. Struve, Ehrentafeln, S. 37. Schneider, Diarium, S. 65. VOU II, S. 244; abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 172. Vgl. Loesch, Verfassung, S. 151.

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C. Landesherrliche Gerichte

meln, die nach diesem Grundsatz aufgebaut sind, zu schließen ist, zumindest ursprünglich vorhanden gewesen sein. Zumindest äußerlich bestand der Grundsatz der Funktionsteilung im Rahmen der Gerichtshegung bis zum Ende der Überlieferung hinsichtlich des Gerichts weiter. Das Gericht hatte keine festen Gerichtszeiten, wurde lediglich bei Notdurft auf Befehl des Landesherrn (Landvogts) einberufen. Gerichtsorte waren, soweit ersichtlich, stets das Schloß Ortenburg in Budißin oder der Vogtshof in Görlitz.

IX. Dingstuhl zu Göda Wie erörtert, hatte das Hochstift Meißen seit dem Mittelalter Besitzungen im Untersuchungsgebiet, die dem hochstiftischen Amt Stolpen zugeordnet waren. Dieses erwarb Mitte des 16. Jahrhunderts der Kurfürst von Sachsen. Im Untersuchungsgebiet gehörte zum Amt Stolpen die sogenannte „wendische Pflege“, ein Landstreifen mit rund 24 nahezu ausschließlich mit sorbischen Bauern besiedelten Dörfern. Insoweit bestand seit hochstiftischer Zeit ein besonderes landesherrliches Gericht auf lokaler Ebene, der Dingstuhl zu Göda. Diesem waren die Bauern in der wendischen Pflege in Ober- und Niedergerichtssachen, soweit letztere nicht an andere Herrschaftsträger vergabt waren, unterworfen.991 Das Amt Stolpen war nach Erwerb durch den sächsischen Kurfürsten gemäß der meißnischen Ämterverfassung gestaltet, galt mithin hinsichtlich der landesherrlichen Gerichte auch insoweit gerichtsverfassungsrechtlich die jeweils gültige kurfürstlich sächsische Prozeßordnung, auf die etwa in einer Hegungsformel des landesherrlichen Dingstuhls zu Göda noch von 1807 bezuggenommen wird.992 Der „Dingstuhl zu Göda“ bestand mit der bisherigen Zuständigkeit bis 1810 fort.993 Die Verfassung der landesherrlichen (weltlichen) Gerichte des Hochstifts Meißen, das ja auf seinen Besitzungen Landesherrschaft ausübte, beziehungsweise der der landesherrlichen Gerichte der Kurfürsten von Sachsen auf lokaler Ebene behandelten bereits ausführlich Lück und Schlesinger.994 Die meißnischen Dingstühle waren anstelle der alten Landgerichte, die sich auf eine gesamte Vogtei, mithin später das gesamte Amt bezogen, als landesherrliche Gerichte für bestimmte Zuständigkeitsbereiche innerhalb eines Amtes entstanden. Sie standen in einem Gleichordnungsverhältnis zu den landesherrlichen Landgerichten. Ein Instanzenzug zwischen Dingstuhl und Landgericht bestand nicht. Wie die der Landgerichte läßt sich ihre Gerichtsverfassung mithin auf die alte landesherrliche Vogteigerichtsverfassung zurückführen. Richter war ein landesherrlicher Amtsträger. Die Dingstühle wiesen – teilweise mit Abstrichen – die alte Vogteizuständigkeit in Mei991

Knothe, Pfarrei, S. 103; ders., Rechtsgeschichte, S. 193. Abgedruckt Lieschke, Geschichte, S. 50 ff. 993 Lieschke, Geschichte, S. 11 ff. 994 Vgl. Lück, Gerichtsverfassung, S. 156 ff., 228 ff., 242 ff., insb. 247 f.; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 111 f. 992

IX. Dingstuhl zu Göda

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ßen, regelmäßig auch später noch vor allem die in Rügesachen auf. Der Adel war dem meißnischen Vogtding/Landgericht wie erörtert nicht unterworfen, sondern lediglich die bäuerliche Bevölkerung. Folglich waren Beisitzer, mithin Schöffen in diesen Gerichten Angehörige der dem betreffenden Gericht unterworfenen, in Dorfgemeinden siedelnden bäuerlichen Bevölkerung, waren es mithin wie in den alten Vogtdingen/Landgerichten freie bäuerliche Lehn-/Eigengutinhaber (Supane, Witsassen).995 Das Hochstift Meißen verfügte auch auf seinen dem hochstiftischen Amt Stolpen zugeordneten Besitzungen über Hauptleute und Untervögte, die die herrschaftlichen Jahrdinge in den Dörfern ausübten.996 In einem Brief des Bischofs von Meißen von 1493 an alle „Richter“, also an die Dorfrichter der „Stolpischen Pflege“ spricht der Bischof von „vnnser[em] Hofmeister“, der „die Jaredingk halden vnd sitzenn sall.“ 997 Hinsichtlich der Richterbesetzung am Dingstuhl zu Göda handelte jedenfalls später ein besonderer, ständiger Richter, der „Landrichter zu Göda“, der nach Erwerb des Amtes Stolpen durch den sächsischen Kurfürsten „Amtslandrichter“ genannt wurde. Es handelte sich um den Dorfrichter des hochstiftisch meißnischen Anteils am Dorf Göda.998 Der Dingstuhl zu Göda bestand aus drei ständigen Schöffen, „Landschöppen“, später „Amtslandschöppen“, Bauern verschiedener Dörfer der wendischen Pflege.999 Es wird sich vergleichbar den meißnischen Dingstühlen um Inhaber von Bauern- (Supan-/ Witsassen-)gütern, an denen die Schöffendienstpflicht hing, gehandelt haben. Wie gesehen, wurden sie von den Schöffen des Landgerichts zu Budißin, die Inhaber von Supan-/Witsassengütern waren, ab und an vertreten, was ebenfalls hierfür spricht. Aus der Gerichtshegungsformel des Dingstuhls zu Göda von 1807 ergibt sich, daß zu dieser Zeit vier Schöffen zu Gericht saßen.1000 In späterer Zeit handelte in erster Linie im Gericht ein besonderer Justizamtmann, der jedoch in Stolpen seinen Sitz hatte, wobei Landrichter und Schöffen weiterhin gegenwärtig waren.1001 Aus einer Hegungsformel des Gödaer Dingstuhls aus dem Jahr 1807 ergibt sich folgendes hinsichtlich Auswahl und Ernennung des Richters: „Demnach Sr. Churf. Durchlaucht zu Sachsen der Zeit wohlbestellter Amtmann zu Stolpen [. . .] vor nöthig befunden, so wohl wegen verschiedener auf denen Amtsdorfschaften Wendischer Pflege bis anhero eingerissener Mißbräuche und Unordnungen als auch alten Gebrauchs und Herkommens nach [. . .] das gewöhnliche Echegedinge zu halten, hierzu heutigen und folgende Tage anberaumen lassen und zu Beybehaltung aller guten Ordnung von wohlbemeldten Herrn 995

Lück, Gerichtsverfassung, S. 156 ff., 228 ff. Lück, Gerichtsverfassung, S. 247. 997 Brief abgedruckt Gercken, Stolpen, S. 641 f. 998 Lieschke, Geschichte, S. 11; Knothe, Pfarrei, S. 103. 999 Lieschke, Geschichte, S. 11 f. 1000 Abgedruckt Lieschke, Geschichte, S. 50 ff. 1001 Lieschke, Geschichte, S. 12. 996

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C. Landesherrliche Gerichte

Amtmann [. . .] ich zu Heegung desselben anjetzo bestätiget worden.“ 1002 Der Amtmann zu Stolpen war also als landesherrlicher Vertreter zur Auswahl und Ernennung des Richters berechtigt. Es handelte sich mithin (auch hier) bis in das 19. Jahrhundert um ein herrschaftliches Amt. Wie sich aus einem Vergleich mit den Verhältnissen in den übrigen kurfürstlich sächsischen Ämtern und Dingstühlen ergibt,1003 waren dies wie bei den Vogtdingen/Landgerichten bäuerliche Lehngutinhaber als Vertreter der bäuerlichen Dorfgemeinden, mithin hier der Dorfgemeinden der wendischen Pflege. Aus der Hegungsformel von 1807 gehen auch Hinweise auf die Richterpflichten hervor: „Ich heege es denen Reichen sowohl, als denen Armen, denen Einheimischen sowohl, als denen Fremden.“ 1004 Dies ist ein Hinweis auf die alte Richterpflicht, gerecht und ohne Ansehung der Person zu handeln. Hinsichtlich des Entscheidungsverfahrens ist ebenfalls die Gerichtshegungsformel von 1807 aufschlußreich, die der Sache nach identisch zu den bereits genannten Hegungen in den landesherrlichen Gerichten ist. Auch hiernach erfolgten Urteilsfragen des Richters an die Schöffen, die die Antwort, hier etwa hinsichtlich der Frage, ob es Dingzeit sei, gaben.1005 Die Hegungsformel stimmt in ihrem Aufbau mithin überein mit den seit dem Mittelalter auch in anderen Gerichten auf verschiedenen Herrschaftsebenen im Untersuchungsgebiet vorgenommenen Hegungen. Sie ist vor allem inhaltlich identisch mit den Hegungsformeln in den meißnischen Dingstühlen.1006 Die hier genannte Hegung erfolgte „altem 1002

Abgedruckt Lieschke, Geschichte, S. 50. Vgl. Lück, Gerichtsverfassung, S. 156 ff. 1004 Abgedruckt Lieschke, Geschichte, S. 51. 1005 Der Richter spricht: „So frage ich ihn, den ersten Schöffen auf der Bank, ob es an der Zeit und Stunde sey, daß Sr. Churfürstl. Durchlaucht zu Sachsen und des Amtes Stolpen Echegedinge im hiesigen Landgerichte geheeget werden solle? – Antwort des Schöppen. – Es ist allerdings an der Zeit und Stunde, daß Sr. Churf. Durchl. zu Sachsen unseres gnädigsten und des Amts Stolpen Echegedinge öffentlich geheeget werde. – Ich der Dingerichter. – Nachdem es nun also an der Zeit und Stunde, das gewöhnliche Echegedinge zu heegen, so frage ich ihn, den andern Schöppen auf dieser offenen Bank, wie dasselbe von mir geheeget werden solle? – Antwort des zweiten Schöppen. – Er soll gebieten Recht und verbieten Unrecht, auch daß niemand an diesen geheegten Gerichts-Tisch trete, er thue es denn mit Gunst und besonderer Erlaubniß. – Ich, der Dingerichter. – Nun so heege ich denn das Echegedinge im Namen Gottes und von wegen Sr. Churf. Durchlaucht zu Sachsen, unseres gnädigsten Herrn, und im Namen des Herrn N. N., ich heege es mit Urthel und Recht zum ersten mahle, ich heege es mit Urthel und Recht zum andern mahle, ich heege es mit Urthel und Recht zum dritten mahle, ich heege es denen Reichen sowohl, als denen Armen, denen Einheimischen sowohl, als denen Fremden, ich gebiete Recht und verbiete Unrecht, auch daß niemand von dieser geheegten Gerichtsbank trete, er thue es denn mit Gunst und gebührender Bescheidenheit, es soll einem jeden nach Billigkeit zu seinem Rechte verholfen werden. – Ich frage also ihn, den dritten Schöppen auf der Bank, ob sothanes Echegeding von uns zu Recht geheeget worden? – Antwort des dritten Schöppen. – Es ist dasselbe allerdings dem alten Herkommen zu Recht geheeget worden“ (abgedruckt Lieschke, Geschichte, S. 50 f.). 1006 Vgl. Lück, Gerichtsverfassung, S. 229. 1003

IX. Dingstuhl zu Göda

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Herkommen“ gemäß, muß also bereits seit langer Zeit so geübt worden sein. Es ergibt sich, daß noch 1807 jedenfalls äußerlich Funktionsteilung zwischen Richter und Schöffen bestand und mithin zu früherer Zeit der Grundsatz der Funktionsteilung auch bei der Urteilsfindung beachtet worden sein muß. Soweit es den Gerichtsort betrifft, waren die herrschaftlichen Gerichte des Hochstifts wie in den Grundherrschaften etwa des Domstifts St. Petri und der Klöster durch den Gerichtsherrn oder dessen Vertreter in den Dörfern gehalten worden. Dies änderte sich jedoch Ende des 15. Jahrhunderts, indem in dem genannten Brief an die Dorfrichter von 1493 der Bischof befiehlt, daß „vnnser Hofmeister nicht vff den Dörfern, sunder forth alleine alhie czum Stolpen die Jaredingk halden vnnd sitzenn sall“.1007 Die Dorfrichter waren deswegen nicht mehr verpflichtet, „esßen vnnd futterunge“ für „Kornmeister, Hofmeister, vnnd anndern, die mit ym czu dem dingk kommen hat müsßen“, zur Verfügung zu stellen, sondern gehalten, mit einer Geldsumme diese Verpflichtung abzulösen.1008 Die Gastungspflicht wurde also mit einer Geldsumme abgelöst. Dies scheint den Dingstuhl zu Göda nicht betroffen haben beziehungsweise wurde diese Regelung insoweit wieder rückgängig gemacht, denn bis Anfang des 19. Jahrhunderts ist nachgewiesen, daß das „Echegeding“ des „Landgerichts“ in Göda gehalten wurde.1009 Die Dingstühle tagten zu feststehenden Zeiten an feststehenden Orten. Sie wurden oftmals auch wie die grundherrlichen Gerichte als „Ehe-“, „Rüge-“ oder „Jahrgerichte“ bezeichnet.1010 Soweit es den Dingstuhl zu Göda betrifft, wurde dieser ebenfalls etwa als „Echegedinge“ bezeichnet, wie sich aus der genannten Gerichtshegungsformel noch von 1807 ergibt.1011 Es wird daher zu feststehenden Zeiten getagt haben. Daneben wurden auch sicherlich im Rahmen der Obergerichtszuständigkeit außerordentliche Gerichtstage gehalten. Jedenfalls kann zumindest hinsichtlich des Zeitraums der Zugehörigkeit des Amtes Stolpen zum Herrschaftsbereich des Kurfürsten von Sachsen anhand insbesondere der Bezeichnung des Dingstuhls zu Göda als „Echegeding“ gerichtsverfassungsrechtliche Verwandtschaft mit den Dingstühlen im übrigen Meißen festgestellt werden. Als Ergebnis ist festzuhalten: Im dem Amt Stolpen zugeordneten landesherrlichen Herrschaftsraum des Hochstifts Meißen im Untersuchungsgebiet, der später an den Kurfürsten von Sachsen gelangte, bestand hinsichtlich der wendischen Pflege um Göda, rund 24 Dörfer mit bäuerlicher, nahezu ausschließlich wendischer Bevölkerung, seit dem Mittelalter der Dingstuhl zu Göda. Jedenfalls nach Übergang dieses Herrschaftsraums an den Kurfürsten von Sachsen Mitte des 1007

Abgedruckt Gercken, Stolpen, S. 641 f. Abgedruckt Gercken, Stolpen, S. 641 f. 1009 Vgl. bei Lieschke, Geschichte, S. 50 ff., abgedrucktes Gerichtshegungsformular aus dem Jahr 1807. 1010 Lück, Gerichtsverfassung, S. 156 ff., 228 ff. 1011 Abgedruckt Lieschke, Geschichte, S. 50 ff. 1008

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C. Landesherrliche Gerichte

16. Jahrhunderts wird die Verfassung dieses Gerichts nicht von der der erbländischen Landgerichte beziehungsweise Dingstühle, landesherrlichen Gerichten auf lokaler Ebene, abgewichen sein. Der Dingstuhl zu Göda war mit einem Bauern, einem bäuerlichen Supan-/Witsassengutinhaber, als Richter und weiteren Bauern, die ebenfalls Inhaber solcher Güter waren, als ständigen Schöffen besetzt. Auch hier erscheint die bekannte Richter- und Schöffenpflicht, gleiches Recht für Arm und Reich zu sprechen und ohne Ansehung der Person unbeeinflußt und gerecht zu handeln. Das Verfahren der Urteilsfindung folgte auch hier nach dem Grundsatz der Funktionsteilung, was sich noch in einer Gerichtshegungsformel von 1807, die noch ganz auf der Linie der Regelungen des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts liegt, ausdrückt. Das Gericht tagte zu feststehenden Zeiten in Göda oder in einem der zum Zuständigkeitsbereich zugehörigen Dörfer.

X. Königlich Sächsisches Gerichtsamt zu Budißin 1823 wurde dem an den Landesherrn gerichteten Bericht des Kammerprokurators und zugleich Justizbeamten des Gerichtsamts Budißin Herrmann vom 28. September 1829 über die Gerichtsverfassung dieses Gerichts zufolge hinsichtlich des landesherrlichen Dorfes Seidau, der letzten verbliebenen landesherrlichen Grundherrschaft, und des Burglehens zu Budißin das Königlich Sächsische Gerichtsamt Budißin „als eine combinirte königl. Gerichtsbehörde“ errichtet. Es hatte sich bei beiden Orten zuvor um unmittelbare Zuständigkeitsbereiche der landesherrlichen Gerichtsbarkeit, die bisher vom Oberamt, dort Kammerprokurator, lediglich bei Vorhandensein von Dorfgerichten ausgeübt worden war, gehandelt. Die Anregung, aus dem Gerichtsamt Budißin ein „in erbländischer Form zu bildendes Justizamt“ zu schaffen, wurde während des Untersuchungszeitraums nicht umgesetzt.1012 Dieses Gericht war besetzt mit einem Richter, dem „Beamten“. Es handelte sich dabei nach dem Bericht des Kammerprokurators ab dem Zeitpunkt der Errichtung des Gerichtsamtes um den amtierenden Kammerprokurator, wie gesehen landesherrlicher Amtsträger innerhalb des Oberamts und der späteren Oberamtsregierung, der dem Bericht zufolge bereits seit seiner Bestellung zum Kammerprokurator 1809 die dem Oberamt zukommende unmittelbare Gerichtsbarkeit des Landesherrn über das Burglehen und das landesherrliche Dorf Seidau ausgeübt hatte.1013 1830 wurde auf Vorschlag des Kammerprokurators, der mithin das Richteramt weiterhin vom Kammerprokurator versehen sehen wollte,1014 vom Landesherrn die Stelle eines „Amtsverwesers“ geschaffen, wie sich aus dem Entwurf einer landesherrlichen Instruktion an die Person des

1012 1013 1014

StFilA Bautzen, Gerichtsamt, Bl. 4 ff. StFilA Bautzen, Gerichtsamt, Bl. 5 b. Vgl. StFilA Bautzen, Gerichtsamt, Bl. 6 b.

X. Königlich Sächsisches Gerichtsamt zu Budißin

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Amtsverwesers ergibt.1015 Diese enthält maßgebliche Auskünfte über die Gerichtsverfassung des Gerichtsamts Budißin. Der Amtsverweser hatte nach Art. 2 der Instruktion eine Doppelstellung: „Seine Amtsverrichtungen theilen sich in soliche, die ihm als eigentlichen Actuar und Protokollanten, und andere, die ihm als selbstständigen Richter und Amtsverweser obliegen.“ 1016 Ihm kam also zunächst die Aufgabe als Aktuar und Protokollant zu, wohl dann, wenn der Kammerprokurator als Richter in diesem Gericht handelte. In bestimmten Fällen sollte der Amtsverweser aber auch als Richter handeln, und zwar nach Art. 3 etwa bei „Krankheits-, Abwesenheits- und anderen Behinderungsfällen des Beamten“ oder bei dessen „Überhäufung mit Amtsgeschäften einzelner Civil- oder Criminalsachen“. Untersuchungen in Brandstiftungssachen waren dem Amtsverweser von vornherein übertragen, der jedoch die „erforderlichen Aßeßoren“ zuziehen mußte.1017 Art. 5 bestimmt, daß der Amtsverweser „ausnahmsweise“ „in Civil-, Criminal- und Denunciationssachen, auch Erb- und Vormundschaftssachen“ vom Richter hinzugezogen werden durfte.1018 Hinsichtlich der Beisitzer/ Schöffen „bedient sich“ gemäß Art. 10 der Instruktion „der Amtsverweser“ „in Fällen, die eine besetzte Gerichtsbank erfordern“, „zunächst der königlichen Landgerichte, und [. . .] bei Behinderungen derselben auch der gleichfalls dazu verpflichteten Gerichte des königliches Burglehns und der Landeshauptmannschaftlichen Seidau als Assessur.“ 1019 Ständige Beisitzer/Schöffen bestanden, indem diese Aufgabe dem Budißiner Landgericht beziehungsweise dem Dorfgericht Seidau übertragen wurden, beim Gerichtsamt zu Budißin folglich nicht. Über die Weise der Entscheidungsfindung liegen keine deutlichen Nachrichten vor. Jedenfalls in manchen Fällen war der Justizbeamte beziehungsweise Amtsverweser alleinurteilender Richter, denn daraus, daß wie gesehen nur in bestimmten Fällen Assessoren vom Richter hinzugezogen wurden, ergibt sich, daß der Richter in den übrigen Fällen allein urteilte. Das Gericht soll nach Art. 10, da es „zur Zeit eines öffentlichen Lokals entbehrt“, in der „Privatwohnung des Beamten“ beziehungsweise des Amtsverwesers gehalten werden.1020 Feste Gerichtszeiten werden nicht geregelt. Das Ergebnis ist wie folgt zusammenzufassen: 1823 wurde hinsichtlich der bisher der Oberamtsregierung als Gericht unmittelbar unterworfenen Orte Burglehen zu Budißin und landesherrliches Dorf Seidau, die niemals an nichtlandesherrliche Herrschaftsträger veräußert worden waren, das königlich sächsische Gerichtsamt zu Budißin errichtet. Das Richteramt wurde von einem „Justizbe-

1015 1016 1017 1018 1019 1020

StFilA Bautzen, Gerichtsamt, Bl. 20 ff. StFilA Bautzen, Gerichtsamt, Bl. 20 b. StFilA Bautzen, Gerichtsamt, Bl. 20 b ff. StFilA Bautzen, Gerichtsamt, Bl. 22. StFilA Bautzen, Gerichtsamt, Bl. 23 b f. StFilA Bautzen, Gerichtsamt, Bl. 23 b f.

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C. Landesherrliche Gerichte

amten“ wahrgenommen. Solange dieses Gericht bestand, handelte es sich um den Kammerprokurator, einem landesherrlichen Amtsträger, der auch bislang die Aufsicht über die Gerichtsbarkeit dieser Orte geführt hatte beziehungsweise das Richteramt mitversehen hatte. Daneben bestand das Amt des Amtsverwesers, der nur anstelle des Justizbeamten etwa bei dessen Verhinderung Richter war. Dem Amtsverweser war aber die Kompetenz hinsichtlich Untersuchungen von Brandstiftungssachen zugewiesen. Dem jeweiligen Richter waren Beisitzer zugeordnet, jedoch nicht ständige Schöffen. Es handelte sich vielmehr um das Landgericht zu Budißin oder die (Dorf-)Gerichte auf dem Burglehen oder zu Seidau. Der Grundsatz der Funktionsteilung hinsichtlich der Entscheidungsfindung bestand in diesem Gericht nicht mehr, auch wenn die Scheidung in Richter und Schöffen beibehalten wurde. Gerichtsort war, solange ein „öffentliches Lokal“ fehlte, die Privatwohnung des Richters.

D. Grundherrschaften I. Grundherrliche Gerichte Im Gebiet der Ostsiedlung, insbesondere in den dem Untersuchungsgebiet benachbarten Landschaften1 erscheinen die Grundherren von Anfang an ausgestattet mit der niederen und, soweit es die großen, bevorrechteten Herrschaften betrifft, auch der oberen Gerichtsbarkeit bezogen auf die ihnen jeweils vom Landesherrn verliehenen Grundherrschaften und deren Bauern. Mit der Grundherrschaft, vor allem mit der Stellung als bevorrechtete Herrschaft war also bereits zu Beginn stets Gerichtsherrschaft verbunden. Dies bedeutete eine Exemtion der zur betreffenden Grundherrschaft gehörigen Dorfgemeind(en) von der landesherrlichen (vogteilichen) Gerichtszuständigkeit zugunsten des grundherrlichen Gerichts, im Ostsiedlungsgebiet frühzeitig etwa „iardink“ genannt.2 Daneben ist regelmäßig in jedem Dorf jeweils ein Dorfgericht nachgewiesen, zuständig infolge Verleihung bestimmter Gerichtszuständigkeiten durch den Dorfherrn/Siedlungsgeber im Zuge der jeweiligen Dorfaussetzung hinsichtlich der jeweiligen Dorfgemeinde. Die Buch’sche Glosse zu Ssp.-Ldr. III 64 unterscheidet das „schlichte burdinge“ von des „herrn gerichte und dinghe“. Erste Nachweise für das Bestehen grundherrlicher beziehungsweise dörflicher Gerichtsverfassungsstrukturen im Untersuchungsgebiet stellen (jedenfalls durch Vergleichsziehung) mit Ausnahme der bereits angesprochenen landesherrlichen Urkunden von 1238/ 1239 die genannten Lokationsurkunden von 12483 und von ungefähr 12734 dar.5 Daneben lassen weitere Urkunden aus späterer Zeit und Gerichtsbücher Einblick in die grundherrliche Gerichtsverfassung zu. Die Archive der Rittergüter zeigen vor allem Gerichtsverfassungstrukturen aus der Zeit der Gutsherrschaft. Rechtsquellen sind insbesondere die herrschaftlichen Gerichtsordnungen. Die Verfassung der Patrimonialgerichtsbarkeit6 im Untersuchungsgebiet wurde erst nach Ende des Untersuchungszeitraums grundlegend verändert, indem diese auf das

1 Das folgende nach Lück, Gerichtsverfassung, S. 253 f.; Schlesinger, Gemeindebildung, S. 46 ff.; ders., Gerichtsverfassung, S. 118 ff., insb. S. 125 ff.; Menzel, Lokationsurkunden, S. 84 f., 244 f.; Helbig, Landgemeinde, S. 106 f.; Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 64 f.; Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 168 ff.; II, S. 124 ff., 178 ff. 2 Nachweis bei Schlesinger, Gemeindebildung, S. 49. 3 RBM I, S. 562; deutsche Übersetzung Prochno, Urkunde, S. 40. 4 RBM II, S. 1019; deutsche Übersetzung Opitz, Stadtgründungsurkunde, S. 1. 5 Prochno, Urkunde, S. 40; Seeliger, Heimatkunde, S. 48 ff. 6 Erler, Patrimonialgerichtsbarkeit, Sp. 1547 ff.

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D. Grundherrschaften

Königreich Preußen beziehungsweise Königreich Sachsen überging. Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts hatten jedoch etwa die Patrimonialgerichtsherren im sächsischen Markgraftum Oberlausitz begonnen, freiwillig ihre Gerichtsbarkeit an den Staat abzugeben.7 Bemühungen der Landstände des Markgraftums Oberlausitz vor 1815, ein „Oberlausitzisch Landständisches Kreis-Kriminalgericht resp. des budißinischen und görlitzischen Kreises“ als ausschließlich landständisch beeinflußtes Gericht ohne Beteiligung des Landesherrn zu schaffen, auf das die patrimoniale Gerichtszuständigkeit in Sachen der „Criminal-Justiz“ übergegangen wäre, waren gescheitert.8 1. Gerichtspersonen a) Gerichtsbesetzung Im gesamten Ostsiedlungsraum erscheinen als Richter im Jahr-/Dreiding anstelle des Grundherrn persönlich, dessen Richtertum hier ebenfalls nachgewiesen ist, zunächst regelmäßig vom Grundherrn ausgewählte und ernannte Angehörige der betreffenden Dorfgemeinde(n), für die das Gericht gehalten wurde, etwa Gerichtspersonen des jeweiligen Dorfgerichtes, in den geistlichen Besitzungen bereits im Anfang regelmäßig herrschaftliche Amtleute beziehungsweise in den übrigen Grundherrschaften später Gerichtshalter. Oftmals erscheint der Grundherr oder dessen Vertreter als „schweigender Richter“ neben dem Richter. Bereits nach den Lokationsurkunden vor allem dem Untersuchungsgebiet benachbarter Landschaften wie etwa in Schlesien steht die Gastungspflicht des (Lokators als) Dorfvorsteher(s) oder der Dorfgemeinde anläßlich der Gerichtstage des grundherrlichen Gerichts gegenüber dem Grundherrn als Gerichtsherrn des grundherrlichen Gerichts, mithin als Richters im unmittelbaren Zusammenhang mit der Verfassung des grundherrlichen Gerichts.9 Die ersten Hinweise auf grundherrliche Gerichtsbarkeit im Untersuchungsgebiet sind die beiden landesherrlichen Urkunden von 1238/1239 zugunsten des Klosters St. Marienthal: „Volumus [. . .] firmiter, observari ne aliqua abbatissae alicui laico jure beneficii possessiones praedictae ecclesiae nostrae praesumant concedere, et idem huic chartae inserimus denotandum. Nec advocati de Budesin, de Gorliz, de Lubavia, de Richenbach, de Wizenburch vel alii judices [. . .] ad

7

Vgl. StFilA Bautzen, Abtretungen, unpaginiert. Näher StFilA Bautzen, Criminalgerichte, Bl. 16 b ff. 9 Näher hinsichtlich Böhmens Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 64 f.; II, 59 f., 113 f.; Brandenburgs Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 168 ff.; II, S. 124 ff., 178 ff. (wobei die Scheidung zwischen grundherrlichem und Dorfgericht nicht klar genug durchgeführt wird); Meißens Lück, Gerichtsverfassung, S. 249 ff., 252 ff.; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 113 ff., 116 f., 118 ff.; Schlesiens Menzel, Lokationsurkunden, S. 244 f., 269 ff. 8

I. Grundherrliche Gerichte

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villas monasterii venire praesument, nisi de vocacione abbatissae; tantum de furtis, homicidiis, membrorum mutilitatione, et stupri violentia judicaturj, quibus necessaria providebunt solum illi, propter quos eorum aliquem contigerit advocari. Res vero, si quas iidem advocati et judices rationabiliter tempore judicii acceperint, duas partes abbattissae et conuentui, tertiam partem nostrae camerae volumus assignari.“ 10 Damit erhält das Kloster als Grundherrschaft zwar nicht die völlige Freiheit von landesherrlicher Bevogtung,11 jedoch Gerichtsherrschaft im Rahmen bestimmter Zuständigkeiten bezüglich seiner grundherrlichen Dörfer mit der Anordnung, daß die landesherrlichen Vögte insoweit nur noch dann, wenn sie von der Äbtissin gerufen werden, in der Grundherrschaft des Klosters handeln dürfen. Das Kloster erwarb mit den Urkunden nicht nur hinsichtlich der übertragenen und auch der dem Landesherrn vorbehaltenen Zuständigkeiten die zwei Herrschaftsdrittel, sondern auch das Richterdrittel, soweit der grundherrliche Richter tätig werden durfte. Der landesherrlichen Kammer, nicht dem Kloster soll nach dem Wortlaut und der Systematik der Urkunden lediglich dann das Richterdrittel zukommen, wenn der landesherrliche Vogt als Richter handelt. Auszugehen ist mithin davon, daß das Kloster hinsichtlich der ihm übertragenen Zuständigkeiten auch den Richter stellte und stellen durfte. Der Landesherr behält also in den Fällen, in denen insbesondere die landesherrlichen Vögte Richter bleiben, seiner Kammer das Richterdrittel vor. Alle übrigen Gerichtseinkünfte fallen an das Kloster. Dies stützt die im engen sachlichen Zusammenhang mit diesen Urkunden stehende landesherrliche Urkunde von 1346 zugunsten des Klosters, mit der auch noch die 1238/1239 vorbehaltenen Gerichtszuständigkeiten dem Kloster übertragen werden. Es wird pauschal angeordnet, das Kloster dürfe hinsichtlich sämtlicher Zuständigkeiten „plenarie iudicium exercere“. Jedoch wird lediglich ausdrücklich, mithin als einzige Ausnahme bestimmt, daß die Gefälle von dreißig Soliden („triginta solidorum“), die hinsichtlich bestimmter Sachen anfallen, weiterhin dem Vogt zustehen sollen.12 Es handelt sich mithin um eine Ausnahme von der im übrigen wohl vollständigen Übertragung der Gerichtsgefälle. Nähere Hinweise gibt die bereits genannte Lokationsurkunde von 1248, worin vom Siedlungsgeber als Dorfherrn geregelt wird: „Wir oder irgend einer, der in diesem Dorfe sitzt (den wir dazu bestimmt haben), soll dreimal innerhalb eines Jahres auf der Richterbank sitzen, damit über versäumte Dinge gerichtet werde, und wir wollen, daß die Einwohner uns (an den Gerichtstagen) Bewirtung geben.“ 13 Der Dorfherr behält sich also das Recht vor, soweit es das grundherrliche Gericht betrifft, diesem selbst als Richter vorzusitzen oder insoweit einen Vertre10 11 12 13

CDLS I, S. 49 ff., 50, Z. 30 ff., 51, Z. 1; vgl. S. 55 ff. Vgl. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 114. CDLS I, S. 374 ff., Z. 23 ff. RBM I, S. 562; Übersetzung ins Deutsche: Prochno, Urkunde.

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D. Grundherrschaften

ter als „schweigenden Richter“ 14 zu schicken. An den dreimal im Jahr stattfindenden Gerichtstagen des grundherrlichen Gerichts ist dem Richter Gastung von der Dorfgemeinde zu gewähren. Die genannte Gerichtszeit und das Vorhandensein einer Regelung der Gastungspflicht gegenüber dem Dorfherrn als Gerichtsherrn, mithin Richter oder einem Vertreter in dieser Urkunde aus der unmittelbaren Nachbarschaft zum Untersuchungsgebiet sind mit Blick auf den übrigen Ostsiedlungsraum ein deutlicher Hinweis auf das Vorhandensein entsprechender grundherrlicher Gerichtsverfassung auch im Untersuchungsgebiet. Einen frühen Nachweis für Gastungspflicht unmittelbar hinsichtlich des Untersuchungsgebiets, jedoch wonach bereits die Gastungspflicht in bestimmten Fällen durch eine Geldzahlung ersetzt wurde, enthält das Zinsregister des Klosters St. Marienstern bereits für das Jahr 1374, soweit es das Klosterdorf Schiedel betrifft: „Denarii iudiciales r. dinkpfennege dantur ter in anno, si advocatus [der Klostervogt als Gedingerichter – HvS] cum ipsis non comedit.“ 15 Oft war es nicht die gesamte Dorfgemeinde, sondern allein der Dorfvorsteher, den diese Pflicht traf, wie etwa für das ebenfalls klösterliche Bernbruch bezeugt ist: „[Judex] tenetur dare advocato ex parte abbatissae tribus vicibus prandium in anno, si opus fuerit.“ 16 Regelmäßig wurde wie gesehen die Gastungspflicht durch Geldzahlung vollständig abgelöst, so etwa auch 1540 in Rohna in der Standesherrschaft Königsbrück.17 Es liegen also bereits ab dem 13. Jahrhundert hinsichtlich des Untersuchungsgebiets Hinweise darauf vor, daß der Grundherr oder dessen Vertreter Richter oder „schweigende Richter“ im grundherrlichen Gericht waren. Aussagekräftigere Quellen über die Gerichtsbesetzung sind heute hinsichtlich der bevorrechteten Herrschaften (Standesherrschaften) erst ab dem 16. Jahrhundert überliefert. Anzuführen ist das „Hofgericht“ zu Muskau, das ab Ende des 16. Jahrhunderts gemäß landesherrlicher Privilegien sowohl zuständig hinsichtlich der Aftervasallen als auch als der übrigen Herrschaftsuntertanen erscheint.18 Nach der vom Standesherrn erlassenen Hofgerichtsordnung von 1700 war das Gericht mit einem „Hoff-Richter“ und drei „Assessore(n)“ besetzt. Einer der gelehrten Assessoren „vertritt“, „jedoch vor behaltlich des hoffrichterlichen respects und autoritaet, des Directoris [. . .] Stelle“.19 Der Hofrichter war also trotz Anwesenheit im Gericht ständig des „Directoriums“ entkleidet. Ihm kam lediglich noch der „Respekt“ und die „Autorität“ als Richter, also wohl als Vertreter des Gerichtsherrn zu. Dieser Funktionsverlust zeigt sich vor allem bei der Entscheidungsfindung, worauf später näher einzugehen ist. In der Standesherrschaft 14

Näher hierzu Boelcke, Verfassungswandel, S. 277. Haupt/Huth, Zinsregister Marienstern, S. 57. 16 Haupt/Huth, Zinsregister Marienstern, S. 61. 17 Nachweise bei Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 340, Anm. 554; Weinart, Rechte IV, S. 309. 18 Näher Arnim/Boelcke, Muskau, S. 52 ff. m.w. N. 19 StA Breslau, Muskauer Hofgerichtsordnung, Bl. 10 f. 15

I. Grundherrliche Gerichte

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Königsbrück wurde das Jahrding auf den Dörfern regelmäßig von den betreffenden Dorfgerichten gehalten, jedoch unter Aufsicht des Grundherrn beziehungsweise dessen Vertreters (Amtmann). Der Dingrichter führte einen Richterstab.20 Hinsichtlich der geistlichen Grundherrschaften liegen frühere Quellen vor. Soweit es das Domstift St. Petri zu Budißin als Grundherrschaft betrifft, dessen Verfassung im wesentlichen denen der Kathedralkapitel nachgebildet war und ab dem frühen 13. Jahrhundert insbesondere von Bischof Bruno II. von Meißen ausgestaltet wurde,21 ist eine domstiftische Urkunde über das grundherrliche Gericht des Domstifts bereits von 1387 bekannt, wonach bereits ständige Richter bestellt waren: Der Offizial Johannes erteilt dem Canonicus Kantor Johannes von Caldenborn hinsichtlich des Dorfes Göda domstiftischen Anteils das Recht, „quod ipse dominus Cantor pro se et suis successores Cantoribus habere debet et potest judiciariam potestatem tribus vicibus in anno, judicio praesidendo per se aut suum judicem substitutum in Godaw vel in Budissin in domo sua canonicali, prout sibi placuerit.“ 22 Das grundherrliche Gericht konnte also sowohl im Dorf als auch am Sitz des Kanonikus in Budißin stattfinden. Der Offizial war in der Verfassung des Domstifts St. Petri der ständige Vertreter des Propstes, der mithin dessen Aufgaben als Archidiakon und Archipresbyter wahrnahm. Dem Offizial kam hier wie in anderen Stiftern das ständige Richteramt in bezug auf die geistliche und weltliche Gerichtsverfassung zu.23 Der Offizial erscheint auch nach dieser Urkunde als Richter des grundherrlichen Gerichts des Domstifts. Jedoch delegiert er dieses Amt hinsichtlich Göda an einen Kantor und dessen Nachfolger in diesem Amt. Diese dürfen ihrerseits das Amt an Unterrichter weiterdelegieren. Später erscheinen als Richter des grundherrlichen Gerichts regelmäßig der Schösser beziehungsweise des in der Domstiftskanzlei tagenden ständigen Gerichts manchmal der Dekan persönlich,24 jedoch regelmäßig der ihn insoweit ständig vertretende Domstiftssyndicus. Dem Bestallungsbrief für den Domstiftssyndikus Purgk 1573 zufolge wurde Purgk „zu unserem Syndico [. . .] daneben auch in den Obergerichten, peinlichen an Leib und Leben sträflichem Handel zum weltlichen Richter [Wort „Richter“ von späterer Hand durchgestrichen und durch „Exekutorem“ ersetzt – HvS] angenommen.“ Der Syndikus hatte unter anderem nach einer etwas jüngeren Bestallungsurkunde „von den Strafen, so in obbemeldten [ „Criminalia“] Actionibus“ ergingen, „wie von alten her den 3ten Teil“.25 Der Dingrichter hielt jedenfalls auf grundherrlichen Gerichtstagen in einem Domstiftsdorf regelmäßig einen (weißen) Stab.26 Ab der zweiten Hälfte des 20 21 22 23 24 25 26

Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 293. Näher Schwarzbach, Geschichte, S. 25 ff., insb. 33 f. DA Bautzen, Jahrding Göda, unpaginiert. Näher Schwarzbach, Geschichte, S. 25 ff., 33 f. DA Bautzen, Entscheidung Martin Cappla, unpaginiert. DA Bautzen, Anstellung der Syndici, unpaginiert. Boetticher, Ortschaften, S. 11, 26, 40.

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D. Grundherrschaften

18. Jahrhunderts erscheint ein „Secretair“, der den Syndikus zunächst bloß unterstützen sollte, jedoch bald gänzlich dessen Aufgaben als Richter übernahm.27 Hinsichtlich der Klöster St. Marienstern und St. Marienthal sind ab dem Mittelalter weltliche Klosteramtleute, später durchgängig Klostervögte genannte Personen aus dem benachbarten Adel, die unter anderem die Gerichtsbarkeit der Klöster handhabten, als Richter im grundherrlichen Gericht nachgewiesen.28 Soweit es etwa das Kloster St. Marienthal betrifft, wurden diese im weiteren Verlauf untervertreten von (juristisch gelehrten) Klosterbeamten (Sekretär, auch „Schulze vor dem Kloster“ genannt), bis 1805 die klösterliche Gerichtsverfassung insoweit verändert wurde, als die Gerichtssachen nunmehr ausschließlich von einem Juristen als Stiftssyndicus gehandhabt wurden.29 Hinsichtlich der übrigen weltlichen Grundherrschaften ergibt sich etwa aus der Einleitung des 1591 angelegten Rothenburger Schöffenbuches: „Anno 1595 den 8. february ist allhier zu Rottenburgk von der erbherrschaft, dem edlen gestrengen undt wolbenambten herrn Hertwigen von Nostitz und Rottenburgk jahrdingk [. . .] gehalten worden.“ 30 Hier erscheint der Grundherr also selbst noch als Richter. Nach der Berna’schen Gedingeordnung von 1654 war vom Dorfrichter von Berna ein besonderer „gedings Richter“ auf seine Kosten zu bestellen.31 Dies geht auch aus aus einer „Citation“ des Grundherrn an einen Beklagten, eingetragen im soeben genannten Schöffenbuch an anderer Stelle, hervor: „Weiln mir dan das recht niemanden zu versagen gebürtt, habe ich ihme [dem Kläger – HvS] einen peinlichen gerichts tag den 31. may durch meine verordnete richter und scheppen besitzen und halten lassen.“ Dabei handelte es sich um den Stadtrichter von Rothenburg, der sonst dem Stadt-(Dorf-)Gericht zu Rothenburg vorsaß. Der Gerichtsherr von Rothenburg war in diesem Fall als sogenannter schweigender Richter anwesend, denn der Kläger wurde zitiert „alhir zu Rottenburg vor die erbherrschaft, den edlen gestrengen und ehrenvesten Hertwigen von Nostitz, unsere von gott geordnete obrigkeit, und die gerichte mit klage [. . .].“ 32 Auch die Berna’sche Gedingsordnung von 1654 geht davon aus, daß die Grundherrschaft am Gerichtstag als schweigender Richter teilnimmt. Für diese wird ein besonderer Tisch in der Nähe der Gerichtstafel vorgehalten.33 Für die spätere Zeit ergeben sich weitere Auskünfte aus den ab ungefähr Mitte des 17. Jahrhunderts überlieferten Gerichtsprotokollen grundherrlicher Gerichtstage. Beim Gerichtstag im Domstiftsdorf Sdier 1650 wurde das Gericht besetzt neben dem Dingrichter, dem Rentschösser, mit sechs Schöffen, zu gleichen Teilen Dorfgerichtspersonen 27 28 29 30 31 32 33

Vgl. DA Bautzen, Instruktion Johann Gottfried Kuntze, unpaginiert. Näher Knothe, Marienstern, S. 13 ff.; Schönfelder, Marienthal, S. 226 ff. Schönfelder, Marienthal, S. 226 ff. Abgedruckt Stock, Kleinstadt, S. 151 ff. UB Breslau, Berna’sche Gedingsordnung, Bl. 2. Abgedruckt Stock, Kleinstadt, S. 151 ff. UB Breslau, Berna’sche Gedingeordnung, Bl. 2 f.

I. Grundherrliche Gerichte

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(Richter und Schöffen) der drei Domstiftsdörfer Sdier, Dahlowitz und Brehmen, für die das Gericht gehalten wurden.34 Beim Gerichtstag einer weltlichen Grundherrschaft in ihrem Dorf Wehrsdorf von 1661 wurde das Gericht mit einem „Gedings-Richter sowol mit Schöppen“ besetzt. Gedingsrichter war hier nicht etwa der Dorfrichter des Dorfgerichts zu Wehrsdorf, sondern der besonders hierfür bestellte Landrichter von Göda. Die Grundherrschaft war anwesend, hielt sich aber zurück.35 Beim Gerichtstag in Klein-Saubernitz, Bestandteil der Grundherrschaft Baruth, 1681 wurde zum „Geding-Richter“ von der Grundherrschaft der ehemalige Schulmeister zu Baruth ernannt. Die Grundherschaft war durch ihren Gerichtshalter, der jedoch auch in das Verfahren eingriff, anwesend.36 Bei einem Gerichtstag in Seidau 1693 war Dingrichter der Dorfrichter von Seidau. Als Vertreter der Grundherrschaft, hier der Landesherrschaft waren anwesend der Hofrichter und der Oberamtskanzler.37 Auch in der Grundherrschaft Gaußig sind nach den 1685 begonnenen Gerichtsprotokollen der Grundherrschaft herrschaftliche „Gerichts Verwalter“ als Richter des grundherrlichen Gerichts zu beobachten.38 Mitter wies hinsichtlich der Ehedinge der Zittauer Ratsdörfer nach, daß zu Dingrichtern hier regelmäßig nicht der Dorfrichter des Dorfes, in dem das grundherrliche Gericht tagte, sondern ebenfalls ein besonderer Dingrichter, ein Gerichtsschreiber, ein Schulmeister oder – in der Neuzeit fast ausschließlich – der Zittauer Gerichtsaktuar bestellt wurde, der einen Stab führte. Auch hier war die Grundherrschaft (durch Vertreter) stets als „schweigender Richter“ anwesend.39 Dies alles entspricht auch den Beobachtungen Boelckes und Knothes hinsichtlich des gesamten Untersuchungsgebiets.40 Im Zuge der Patrimonialisierung der grundherrlichen Gerichtsbarkeit erscheinen in den dem Untersuchungsgebiet benachbarten Landschaften neben beziehungsweise letztlich anstelle der alten Jahr-/Dreidinge Patrimonialgerichte, die sich dadurch auszeichneten, daß sie nicht mehr im betreffenden Dorf, sondern am Herrschaftssitz tagten und von einem – juristisch gebildeten – Vertreter des Grundherrn, der nicht aus einem der Dörfer der Herrschaft stammen mußte, als Gerichtshalter als ständiger Richter geleitet wurden.41 Bereits im 16. Jahrhundert sind, soweit es das Untersuchungsgebiet betrifft, hinsichtlich der geistlichen Grundherrschaften Gerichtsverwalter nachgewiesen. So verfügte das Domstift 34

DA Bautzen, Dreigedinge zu Sdier, unpaginiert. DA Bautzen, Gerichtstag Wehrsdorf, unpaginiert. 36 StFilA Bautzen, Dinglich Gerichte zu Klein-Saubernitz, unpaginiert. 37 StFilA Bautzen, Gedingsgericht Seidau, Bl. 355 ff. 38 StFilA Bautzen, Gerichtsprotokoll Gaußig, unpaginiert. 39 Mitter, Gerichtsverfassung, S. 72 ff. 40 Boelcke, Verfassungswandel, S. 281; Knothe, Gutsuntertanen, S. 217 f. 41 Hierzu etwa hinsichtlich Böhmens Peterka, Rechtsgeschichte II, S. 59 f.; Brandenburgs Kühns, Gerichtsverfassung II, S. 124 ff.; Meißens Lück, Gerichtsverfassung, S. 256. 35

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D. Grundherrschaften

St. Petri zu Busißin bereits Mitte des 16. Jahrhunderts über einen Syndikus, der in der Domstiftskanzlei, nicht in einem grundherrlichen Dorf Gericht hielt.42 In der Standesherrschaft Königsbrück wurde das Richteramt im Patrimonialgericht ab 1703 ständig von einem eigens hierzu bestellten oftmals ortsfremden Juristen als Gerichtsdirektor wahrgenommen.43 Richter im Patrimonialgericht der Grundherrschaft Baruth war ab Mitte des 17. Jahrhunderts ein ortsfremder Jurist als ständig bestellter herrschaftlicher Gerichtshalter.44 Auch in der Grundherrschaft Gaußig sind nach den 1685 begonnenen Gerichtsprotokollen dieser Grundherrschaft herrschaftliche „Gerichts Verwalter“ als Richter nicht nur des grundherrlichen Gerichts, sondern auch des ständig am Herrschaftssitz tagenden Patrimonialgerichts zu beobachten.45 Das Urbarium der Grundherrschaft Baruth von 1756 spricht ausdrücklich in Kapitel 2, zweiter Abschnitt, daß „das hochgräffl. Guth Baruth [. . .] mit denen hohen und niederen Gerichten belehnt [sei], und wird von der Herrschaft das Gericht, durch einen, sowohl überhaupt ad Acta, als auch zu dieser Function insbesondere verpflichteten Gerichts Directorem [. . .] ordentlich bestellet.“ 46 Gleiches zeigt sich hinsichtlich der Güter, die zur Grundherrschaft Gaußig gehörten, anhand etwa der Bestallung des Oberamtsadvokaten Starke zu einem „Vice-Justitiario und Gerichtsactuario“ auf den Rittergütern Crostau, Malschwitz, Guttau, Brösa, Gleina, Gaußig und Putzkau.47 1803 wurde für die Grundherrschaft Gaußig von der Grundherrin ein „Gerichtsverwalter“ bestellt.48 Die Gerichtsverfassung auch auf grundherrlicher Ebene wurde insbesondere nach Übergang des Markgraftums Oberlausitz an den Kurfürsten von Sachsen vermehrt durch landesherrliche Regelungen gestaltet. Der Landesherr regelte jedoch, soweit ersichtlich, stets nur die Gerichtsverfassung in „Criminal-Sachen“, soweit es die Gerichtspersonen betrifft. Heranzuziehen ist zunächst die auch in den Erblanden geltende kurfürstliche „General-Verordnung, das Verfahren in Untersuchungs-Sachen“ betreffend, vom 27. Oktober 1770, veröffentlicht im Markgraftum Oberlausitz mit Oberamtspatent vom 12. Dezember 1770.49 Darin wurde hinsichtlich der „Patrimonial-Gerichte auf dem Lande“ bestimmt, daß als Richter „der Gerichts-Schreiber oder Gerichts-Halter“ „gegenwärtig seyn“ mußte, „wie denn solches gleich Anfangs neben der Registratur mit angemercket, und diese von den gedachten Personen eigenhändig unterschrieben werden soll.“ Diese Regelung übernahm das ebenfalls in den Erblanden als auch, veröffentlicht durch Oberamtspatent vom 28. Juli 1783, im Markgraftum Oberlausitz geltende, 42 43 44 45 46 47 48 49

DA Bautzen, Anstellung der Syndici, unpaginiert. Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 294 f. StFilA Bautzen, Advokatenbestellungen, unpaginiert. StFilA Bautzen, Gerichtsprotokoll Gaußig, unpaginiert. StFilA Bautzen, Urbarium Baruth, unpaginiert. StFilA Bautzen, Verpflichtung Starke, Bl. 1 ff. StFilA Bautzen, Bestallung Klengel, unpaginiert. KW III, S. 87 ff.

I. Grundherrliche Gerichte

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ebenso „Verbrechen, wo es zu einer Leibes- oder Lebensstrafe kommen kann“, betreffende kurfürstliche „Generale wegen des Verfahrens in Untersuchungs-Sachen“ vom 30. April 1783.50 Weitere Regelungen dieser Art sind nicht ersichtlich. Soweit es die Schöffenbesetzung des grundherrlichen Gerichts angeht, ist zunächst gemäß dem mittelalterlichen Grundsatz, daß die dem betreffenden Gericht unterworfene Rechtsgemeinschaft die Schöffen stellte, die Zuständigkeit des grundherrlichen Gerichts näher zu beleuchten. Soweit es die dem Untersuchungsgebiet benachbarte Landschaften, mithin den übrigen Ostsiedlungsraum51 betrifft, waren wie erörtert die Grundherren jeweils regelmäßig hinsichtlich ihrer jeweiligen Grundherrschaft, mithin der in der jeweiligen Grundherrschaft ansässigen, in Dorfgemeinden verfaßten Bauern von der landesherrlichen, mithin vogteilichen Gerichtszuständigkeit zugunsten eines eigenen grundherrlichen Gerichts eximiert. Der landesherrliche Vogt durfte oftmals nur dann im Zuständigkeitsbereich eines grundherrlichen Gerichts tätig werden, wenn er vom Grundherrn gerufen wurde, hatte also nur subsidiäre Zuständigkeit. Das grundherrliche Gericht war im Rahmen übertragener vogteilicher Zuständigkeiten auch zuständig bei Rechtsstreitigkeiten, die vom Dorfgericht weiterverwiesen beziehungsweise vorgelegt wurden oder hinsichtlich welcher Befangenheit des Dorfgerichts bestand beziehungsweise zu befürchten war, beziehungsweise wenn eine Partei gegen eine Entscheidung des Dorfgerichts vorging sowie bei Verfahren gegen Dorfgerichtspersonen. Eine weitere, wesentliche (ursprünglich vogteiliche) Zuständigkeit des grundherrlichen Gerichts war die als Rügegericht.52 Das Gericht diente hier als öffentliche Versammlung der gesamten Dorfgemeinde, für die der Gerichtstag abgehalten wurde, in der nicht nur der Herrschaft etwa Verbrechen von Dorfgemeindeangehörigen von den Dorfgerichtspersonen angezeigt wurden, sondern auch die Angehörigen der Dorfgemeinde öffentlich wahrnehm-, mithin bezeugbar gegenüber der Herrschaft ihre Rechte vorbrachten und bestätigen ließen sowie umgekehrt die Herrschaft ihrerseits ihre Rechte, also die gegenüber der Herrschaft bestehenden Pflichten der Dorfangehörigen verkündete. Auch im Untersuchungsgebiet53 waren die grundherrlichen Gerichte mit der Niedergerichtsbarkeit, die großen Herrschaften sogar mit der Obergerichtsbarkeit ausgestattet,

50

KW IV, S. 50 ff. Vgl. KW IV, S. 82 f. Näher hinsichtlich der einzelnen dem Untersuchungsgebiet benachbarten Landschaften Lück, Gerichtsverfassung, S. 249 ff., 252 ff.; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 113 ff., 116 f., 118 ff. (Meißen); Kühns, Gerichtsverfassung II, S. 124 ff., 178 ff. (Brandenburg; wobei die Scheidung zwischen grundherrlichem und Dorfgericht nicht klar genug durchgeführt wird); Helbig, Landgemeinde, S. 106 f. (Schlesien); Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 64 f. (Böhmen). 52 Hierzu grundlegend Boetticher, Ortschaften, S. 1 ff. 53 Das folgende nach Boelcke, Verfassungswandel, S. 267 ff., 271 ff.; für die spätere Zeit ders., Bauer, S. 58 ff.; jeweils m.w. N. 51

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D. Grundherrschaften

wie bereits etwa Boelcke untersuchte. Mit landesherrlicher Urkunde von 1346 erhielt das Kloster St. Marienthal auch die Obergerichtszuständigkeit bezüglich mehrerer seiner Dörfer.54 Im Ostsiedlungsraum war das nach dem ius teutonicum gestaltete grundherrliche Gericht mit Schöffen besetzt. Dies waren (zunächst) regelmäßig die Dorfgerichtspersonen, Richter wie Schöffen, der Dorfgemeinde, in dem das Gericht, mithin für deren Angehörige als Partei das Gericht gehalten wurde. Auch hier richtete sich die Besetzung der Schöffenbank nach der Rechtsgemeinschaft der Parteien, also danach, aus welcher Dorfgemeinde die Parteien stammten.55 Im Untersuchungsgebiet werden im wesentlichen übereinstimmende Verhältnisse sichtbar. Dies geht etwa aus den Untersuchungen Boelckes und Mitters hervor.56 Abweichungen ergeben sich allenfalls hinsichtlich der Standesherrschaften. In der Standesherrschaft Muskau etwa bestand das bereits erwähnte „Hofgericht“, besetzt gemäß der Hofgerichtsordnung von 1700 neben Hofrichter mit drei „Assessores“, wobei einer ein adliger Vasall der Herrschaft, die anderen beiden gelehrt sein mußten. Wenigstens drei der vier Gerichtspersonen (einschließlich Richter) sollten bei den Gerichtstagen anwesend sein.57 In den Grundherrschaften waren die Gerichtspersonen des Dorfgerichts, in dessen Zuständigkeitsbereich das grundherrliche Gericht stattfand, mithin vor dem die Angehörigen dieser Dorfgemeinden als Parteien auftraten, auch die Gerichtspersonen dieses Gerichts für diesen Gerichtstag. Zwar nicht hinsichtlich des Untersuchungsgebiets, jedoch hinsichtlich Brandenburgs wird ausdrücklich in einer Quelle aus dem Ausgang des 16. Jahrhunderts gesagt, daß (auch) Schöffen „von den Dorffern jedes Parts“ zu bestellen seien.58 Dies ist hinsichtlich des Untersuchungsgebiets nachweisbar bezüglich des für die Angehörigen der Dörfer Kleinsaubernitz und Buchwalde gehaltenen Gerichtstages zu Kleinsaubernitz im Jahr 1681. Hier waren „Gerichts-Schöppen“ der Dorfrichter zu Kleinsaubernitz sowie Dorfschöffen der Dorfgerichte Kleinsaubernitz und Buchwalde.59 Dies ergibt sich auch hinsichtlich des Gerichtstages zu Wehrsdorf 1661.60 Als das Domstift St. Petri 1650 ein „Dreigedinge“ für die Angehörigen der Dörfer Sdier, Brehmen und Dahlowitz abhielt, wurden als Schöffen ausgewählt: der Dorfrichter zu Sdier, ein Gemeindeältester (Dorfschöffe) zu Sdier, der Dorfrichter zu Dahlowitz, ein Gemeindeältester zu Dahlowitz, der Dorfrichter zu Brehmen und ein Gemeindeältester zu 54

CDLS I, S. 374 ff. Lück, Gerichtsverfassung, S. 255 f.; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 123 f.; Kühns, Gerichtsverfassung II, S. 124 ff.; Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 64 f., II, S. 59 f.; Helbig, Landgemeinde, S. 107 ff.; Menzel, Lokationsurkunden, S. 269 ff. 56 Boelcke, Verfassungswandel, S. 276 ff.; Mitter, Gerichtsverfassung, S. 72 ff. 57 StA Breslau, Muskauer Hofgerichtsordnung, Bl. 10 f., 14. 58 Nachweis bei Kühns, Gerichtsverfassung II, S. 143. 59 StFilA Bautzen, Dinglich Gerichte zu Klein-Saubernitz, unpaginiert. 60 DA Bautzen, Gerichtstag Wehrsdorf, unpaginiert. 55

I. Grundherrliche Gerichte

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Brehmen,61 also zu gleichen Teilen Dorfgerichtspersonen der Dörfer, für die das Gericht abgehalten wurde. Bei einem Gerichtstag in Baruth 1676 handelte es sich um sieben Schöffen, Dorfgerichtspersonen aus vier verschiedenen Dörfern der Grundherrschaft Baruth, deren Angehörige Partei waren.62 Im 1693 in Seidau gehaltenen grundherrlichen Gericht saßen vier Schöffen, die Seidauer Dorfschöffen.63 Auch in der Standesherrschaft Königsbrück handelte es sich regelmäßig um die Schöffen der Dorfgerichte der Dörfer, bezüglich derer das Gericht gehalten wurde.64 Festzustellen ist also auch hinsichtlich des Untersuchungsgebiets, daß es sich regelmäßig bei den Schöffen um Angehörige der Dorfgemeinden, mithin deren Dorfgerichtspersonen handelte, für die das jeweilige Gericht gehalten wurde. Auch die Patrimonialgerichte verzichteten nicht, zumindest nicht bei größeren Sachen wie peinlichen Sachen auf Schöffen.65 Heranzuziehen ist zunächst die auch in den Erblanden geltende kurfürstliche „General-Verordnung, das Verfahren in Untersuchungs-Sachen“ betreffend, vom 27. Oktober 1770, veröffentlicht im Markgraftum Oberlausitz mit Oberamtspatent vom 12. Dezember 1770. Darin wurde hinsichtlich der „Patrimonial-Gerichte auf dem Lande“ bestimmt, daß „bey Untersuchung solcher Verbrechen, wo es zu einer Leibes- oder LebensStrafe kommen kann“, als Schöffen „der Dorf-Richter nebst noch Zweenen Gerichts-Schöppen, oder in Ermangelung des Dorf-Richters, an dessen Statt, noch Ein Gerichts-Schöppe gegenwärtig seyn, wie denn solches gleich Anfangs neben der Registratur mit angermercket, und diese von den gedachten Personen eigenhändig unterschrieben werden soll.“ 66 Diese Regelung übernahm das ebenfalls sowohl in den Erblanden als auch, veröffentlicht mit Oberamtspatent vom 28. Juli 1783, im Markgraftum Oberlausitz geltende, ebenfalls „Verbrechen, wo es zu einer Leibes- oder Lebensstrafe kommen kann“, betreffende kurfürstliche „Generale wegen des Verfahrens in Untersuchungs-Sachen“ vom 30. April 1783.67 Im Patrimonialgericht der Standesherrschaft Königsbrück wurden spätestens ab dem 17. Jahrhundert, dem Beginn der Überlieferung insoweit, Schöffen nur noch bei größeren peinlichen Sachen hinzugezogen. Es handelte sich um Dorfgerichtspersonen der verschiedenen zur Standesherrschaft gehörigen Dörfer. Sie waren nicht auf Dauer bestellt, sondern wechselten – wie beim grundherrlichen Ge61

DA Bautzen, Dreigedinge zu Sdier, unpaginiert. StFilA Bautzen, Dinglich Gerichte zu Baruth, unpaginiert. 63 StFilA Bautzen. Gedingsgericht Seidau, Bl. 355 ff. 64 Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 293. 65 Vgl. für die Erblande Lück, Gerichtsverfassung, S. 256; für Brandenburg Kühns, Gerichtsverfassung II, S. 124 ff. 66 KW III, S. 87 ff. 67 KW IV, S. 50 ff. Vgl. kurfürstliches Reskript, „die Besetzung der Gerichtsbank bey Untersuchungen gegen die untergeordneten Accis-Officianten betreffend“, von 1794 (KW IV, S. 82 f.). 62

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D. Grundherrschaften

richt – je Gerichtstag.68 Nach einem Gerichtsprotokoll des Patrimonialgerichts Baruth vom 18. September 1705 wurde das Gericht gehalten durch den „Gerichtsverwalter“ „in Beyseyn der Geschworenen Gerichts Personen“, nämlich Baruther Dorfrichter und ein Dorfschöffe („Gerichts-Schöpfen“).69 Das Urbarium der Grundherrschaft Baruth von 1756 spricht ausdrücklich in Kapitel 2, zweiter Abschnitt, daß das „Guth Baruth [. . .] mit denen hohen und niederen Gerichten belehnt [sei], und wird von der Herrschaft das Gericht, durch einen, sowohl überhaupt ad Acta, als auch zu dieser Function insbesondere verpflichteten Gerichts Directorem, und denen hierzu verordneten und verpflichteten Schöppen, ordentlich bestellet.“ 70 Auch das Patrimonialgericht der Grundherrschaft Gaußig verfügte über Schöffen. Die Verpflichtung des Oberamtsadvokaten Starke zu einem Vizejustitiar 1787 erfolgte vor den Dorfgerichtspersonen verschiedener zur Grundherrschaft gehöriger Dörfer als Schöffen.71 Auch nach einer Akte über die landesherrliche Revision der Gerichte der Grundherrschaft Kleinwelka 1827 waren Beisitzer des Patrimonialgerichts die Schöffen der Dorfgerichte der zur Grundherrschaft gehörigen Dörfer, hier insgesamt vier Schöffen.72 b) Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen Soweit es Auswahl und Ernennung des Richters im grundherrlichen Gericht angeht, muß zunächst wiederum die Frage nach der Zuordnung der Gerichtsherrschaft im grundherrlichen Gericht beantwortet werden. Die Grundherren im Ostsiedlungsraum waren, soweit der Landesherr keine eigene Gerichtsverfassung auf lokaler Ebene wie etwa die späteren Ämter in der Mark Meißen aufbauen beziehungsweise erhalten konnte, hinsichtlich der in ihren Grundherrschaften befindlichen Dorfgemeinden wie erörtert jeweils von Anfang an als Bestandteil der Grundherrschaft mit Gerichtsherrschaft ausgestattet, gekennzeichnet durch die Zuordnung der zwei Herrschaftsdrittel aus den Gerichtsgefällen.73 In Kursachsen wurde vom Landesherrn 1428 allen adligen Grundherren die Gerichtsherrschaft ausdrücklich verliehen, jedoch nur hinsichtlich der Niedergerichte.74 Mit der landesherrlichen Obergerichtskonzession von 1562 verlieh der Landesherr, soweit es das Untersuchungsgebiet angeht, etwa lediglich die Gerichtszuständigkeit in Obergerichten.75 68

Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 297 f. StFilA Bautzen, Gerichtsprotokolle Baruth 1705–1713, unpaginiert. 70 StFilA Bautzen, Urbarium Baruth, unpaginiert. 71 StFilA Bautzen, Verpflichtung Starke, Bl. 1 ff. 72 StFilA Bautzen, Revision, Bl. 5 f. 73 Vgl. hinsichtlich Meißen Lück, Gerichtsverfassung, S. 159 f.; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 120. 74 Lück, Gerichtsverfassung (HRG), Sp. 160; ders., Gerichtsverfassung, S. 78 f. m.w. N. 75 KW I, S. 178 ff. 69

I. Grundherrliche Gerichte

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Eine ausdrückliche Verleihung von Gerichtsherrschaftsrechten hinsichtlich grundherrlicher Gerichte ist hinsichtlich des Untersuchungsgebiets nicht nachweisbar. Im Untersuchungsgebiet verfügten vielmehr bereits von Beginn an die (teils) auf Rodungsboden neuentstandenen großen Herrschaftskomplexe wie etwa die Herrschaften Baruth, Kamenz und Kittlitz, aber auch die kleineren Grundherren als Ausfluß der Grundherrschaft über Gerichtsherrschaft, je nachdem, ob intakte landesherrliche Gerichtsverfassungsstrukturen auf lokaler Ebene weiterhin bestanden oder nicht. Nur die Gerichtszuständigkeit war bei den kleineren Grundherrschaften regelmäßig zunächst auf die Niedergerichte beschränkt, wohingegen die großen Herrschaften von Anfang auch über die Obergerichte verfügten. Dies zeigt sich etwa an der Zuordnung der zwei Herrschaftsdrittel aus den Gerichtsgefällen. Bereits mit den genannten landesherrlichen Urkunden von 1238/1239 erhält das Kloster St. Marienthal als Grundherr mit Ausnahme der in den Quellen im einzelnen aufgezählten Obergerichte die umfassende sachliche Zuständigkeit hinsichtlich seiner Dörfer. Die landesherrlichen Vögte durften insoweit nur noch auf Anforderung der Äbtissin handeln. Das Kloster erscheint als Inhaber der Gerichtsherrschaft in seiner Grundherrschaft, denn ihm werden die zwei Herrschaftsdrittel aus sämtlichen, auch Obergerichtsgefällen hinsichtlich der Klosterdörfer übertragen.76 In der Lokationsurkunde des Grundherrn Heinrich von Zittau von 1248, mit der er ein Dorf an einen Bürger verkauft, damit dieser dort Lokation durchführe, bestimmt er, daß die zwei Herrschaftsdrittel (zwei Pfennige) aus den Gerichtsgefällen des grundherrlichen Gerichts, das er sich in diesem Dorf vorbehält, weiterhin ihm zustehen sollen,77 wodurch er als Gerichtsherr erscheint. Auch ist die Zuordnung der Gerichtsherrschaft auf grundherrlicher Ebene etwa daran abzulesen, wem gegenüber die Gastungspflicht der Dorfgemeinde an den Gerichtstagen des grundherrlichen Gerichts im betreffenden Dorf bestand.78 In der ebengenannten Lokationsurkunde von 1248 ordnet der Grundherr ja an, daß, wenn er im Dorf das Gericht hält, die Einwohner ihn bewirten sollen,79 was ihn insoweit als Inhaber der Gerichtsherrschaft kenntlich macht. Ein Fall der Veräußerung der zwei Herrschaftsdrittel, mithin der Gerichtsherrschaft an eine Dorfgemeinde ist anders als etwa im meißnischen Taubenheim80 hinsichtlich des Untersuchungsgebiets nicht nachzuweisen. Zum dritten ergibt sich die Gerichtsherrschaft der Grundherrschaft aus dem Recht der freien Gestaltung der Gerichtsverfassung. Im Zuge des Verkaufs des Schlosses Kamenz an die Stadt Kamenz bedang sich der Grundherr der Herrschaft Kamenz aus, daß seine Frau und er hinsichtlich des ihnen verbliebenen Herrschaftsbereichs „ir frey gerichte dorinne unnd obir dy eren unnd dy in er herschafft unnd gerichten ge76 77 78 79 80

CDLS I, S. 49 ff., 55 ff. RBM I, S. 562. Lück, Gerichtsherrschaft (HRG), Sp. 160. RBM I, S. 562. Hierzu Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 119 f.

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D. Grundherrschaften

horen, siczczen unnd richten mogen, wy dicke und uffte, adir wy en das zelbist an deme allerbesten gutduncken worde.“ 81 Zum vierten wird aus neuzeitlichen Quellen deutlich, daß der Gedingerichter oftmals kurz vor Hegung des Gerichts den Richterstab an die Gerichtsherrschaft übergab, um ihn für die Zeit der Gerichtsverhandlung von dieser zurückzuerhalten. Nach Aufhebung wurde der (zerbrochene) Gerichtsstab der Herrschaft oder deren Vertreter zurückgegeben. Beim Gerichtsstab handelte es sich ja um ein Symbol für Gerichtsherrschaft. Mit der Handlung wurde folglich dargestellt, daß der Richter aus den Händen der Gerichtsherrschaft den insoweit abgeleiteten Gerichtsbann für diese Gerichtshegung erhielt. Eine solche Handlung wurde von Boetticher nachgewiesen hinsichtlich der Jahrdinge des Domstifts St. Petri.82 Dies ist etwa auch hinsichtlich eines Dinges in Wehrsdorf 166183 bezeugt. Daß die Gerichtsherrschaft im Untersuchungsgebiet von Anfang an mit der Grundherrschaft zusammenhing, zeigt sich auch an folgendem. Frühzeitig erfolgte im Ostsiedlungsraum,84 vor allem im Untersuchungsgebiet eine Zersplitterung der zunächst regelmäßig größeren Grundherrschaftskomplexe durch Vergabe oder Veräußerung einzelner Bestandteile, sogar nur einzelner Teile eines Dorfes.85 Mithin entstanden jeweils eigene grundherrliche Gerichte nur für Dorfanteile oder geringe Anzahlen von Untertanen. So verkaufte etwa der Kamenzer Bürger „Hanns Kunad“ 1447 sechs Männer in seinem Dorf „Gelno“ (Gelenau86) an den Rat zu Kamenz, wobei folgende Regelung hinsichtlich der Gerichtszuständigkeit getroffen wurde: „Wir ensullen nach enwollen ouch uber dy vorkouften menner nicht dingen, nach keynen uffsacz uff sie seczin, es sei zcu herfartczogin, nach in keyne weiß, sunden wenn wir ader unser nachkomlinge zcu Gelno dingin wollin, so sullen wirs dy von Kamencz wissin lossin, ab sy denn mit iren mennern ouch dingin wollin, das sie denn selber darczukomen und uff ire menner dingin wollin, wie en das biqueme ist. Ouch ab sich uff den vokoufften gutren ichtes vorliffe, darumme dingens noth were, ader sy villichte sust uff yre menner dingin wolden, so mogin sy mit dem richter eine bang bistellen, wie uffte es noth geschiet, ungehindert und an gefere.“ 87 Dies ist zwar ein Beispiel für eine frühe Zusammenarbeit zwischen mehreren Gerichtsherren in einem Dorf, die durch Absprachen anstrebten, möglichst für alle Bewohner dieses Ortes zugleich einen Dingtag mit verschränkter Besetzung abzuhalten. Jedoch wird die getrennte Ge-

81

CDS II, 7, S. 64 f. Boetticher, Ortschaften, S. 13, 40. 83 DA Bautzen, Gerichtstag Wehrsdorf, unpaginiert. 84 Vgl. etwa für Brandenburg Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 171 ff. 85 Vgl. zu den Verhältnisse in den einzelnen Dörfern insbesondere vor 1547 bei Knothe, Adel I, S. 543 ff. 86 Vgl. Knothe, Adel I, S. 559 f. 87 CDS II, 7, S. 78 f., 79, Z. 10 ff. 82

I. Grundherrliche Gerichte

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richtsherrschaft, mithin Gerichtsverfassung hervorgehoben. Demnach durfte und konnte auch getrennt Gericht gehalten werden. Beispiel für eine getrennte Gerichtsverfassung ausschließlich angelehnt an den Herrschaftsbereich der Grundherrschaft sind auch die spätmittelalterlichen Verhältnisse im Dorf Bernbruch, von dem sowohl das Kloster St. Marienstern als auch der Rat der Stadt Kamenz Anteile innehatten. In einem Vertrag von 1486 wurde zwischen beiden Grundherrschaften hinsichtlich der grundherrlichen Gerichtsverfassung, soweit es dieses Dorf betraf, vereinbart: „Item auch sal eyne iczliche herschaft die sienen, die undir em gesessen sien, wu sie bruchfellig wurdin, in adir vor den gerichtin des dorffis alleyne mechtig sein zu straffin unnd dem andern teil der herschafft nichtis vorburt sien, abetrag zu thun, noch zu begern sien vorpflicht.“ 88 Getrennte Gerichtsverfassung war auch der Grundsatz der Vereinbarung zwischen dem Kloster und der Stadt von 1504.89 Beispielhaft noch für die Neuzeit ist das Dorf Göda, welches bereits ab dem hohen Mittelalter unter verschiedenen (teils weltlichen, teils geistlichen) Herrschaften stand. Bereits mit der Königsurkunde von 1006/100790 wurden Herrschaftsrechte an dem damaligen Burgward Göda von Kaiser Heinrich II. dem Bistum Meißen übertragen. Hiermit wurde wie erörtert auch die Obergerichtsbarkeit an das Bistum übertragen. Im 13. Jahrhundert war außerdem ein ritterliches Geschlecht mit grundherrlichen Rechten in dem Dorf Göda belehnt. In der Folgezeit bestanden neben Herrschaftsrechten des Bistums Meißen (in dessen Rechtsnachfolge ab dem 16. Jahrhundert der Kurfürst von Sachsen durch das Amt Stolpen91) an dem Dorf Rechte verschiedener Personen, unter anderem des Domstifts Budißin und des örtlichen Pfarrers.92 Dies spiegelte sich in den Gerichtsverfassungsstrukturen, die noch 1802 wie folgt beschrieben werden: „In Ansehung der Gerichtsbarkeit steht das ganze Dorf Gödau bis auf den Muschelwitzer Antheil mit den Obergerichten unter dem At. Stolpen, wegen der Erb- und Niedergerichten aber wird es in fünf Theile getheilt. Ein Theil desselben steht unmittelbar unter dem Amte Stolpen mit 41/2 Spann- und Magazinhufen, der andere gehört dem Collegiatstifte zu Budissin; der dritte mit den Erbgerichten über 18 Dotalen, dem Pfarrer zu Gödau [. . .], der vierte besteht aus 2 Lehnbauergüthern, 1 Gärtner, 1 Mahlund Oelmühle, nebst 3 Häusl.[ern] und 1 Nahrung und gehört zum Rittergut Dahren; der fünfte endlich steht unter dem Ritterguthe Muschelwitz und besteht aus 3 Häuslern.“ 93

88 89 90 91 92 93

CDS II, 7, S. 118 f., 119. CDS II, 7, S. 151 ff. CDLS I, Anhang, S. 6 f. Vgl. auch Boetticher, Adel III, S. 266, 316, Anm. 3. Knothe, Adel I, S. 667. Leonhardi, Erdbeschreibung III, S. 447 f.

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D. Grundherrschaften

Mit der Obergerichtskonzession von 156294 wurde zumindest hinsichtlich der Obergerichtszuständigkeit eine grundlegende Neuordnung der Strukturen der Gerichtsverfassung im Untersuchungsgebiet vorgenommen. Dazu gehörte auch ein Eingriff in Gerichtsverfassungsstrukturen der Grundherrschaften, soweit es die räumliche Zuständigkeit in Obergerichtssachen betraf. So wurde, um, wie ausdrücklich hervorgehoben wird, die „Gerichte“ „besser in Ordnung zubringen“,95 bezüglich der Obergerichte angeordnet, daß in den Dörfern, wo „2. 3. oder 4. vom Adel wohnen, damit die Gerichte desto ordentlicher bestellet, [. . .] auf dasselbige Guth, es habe mehr oder weniger Herren, allein die Ober-Gerichte geschlagen, und ein Stock und Galgen aufgerichtet werden.“ Auch in den Fällen, in denen „kleine Güthel bey einander liegen, sollen auch zween, drey, oder vier, nach Gelegenheit derselben“ nur ein Obergericht unterhalten.96 Aus einem Vertrag zwischen sämtlichen Grundherren, die grundherrliche, mithin gerichtsherrliche Rechte am Dorf Cunewalde hatten, von 1573, insbesondere das Domstift St. Petri und die Herren v. Haugwitz, geht hervor, daß diese sich in Umsetzung dieser Regelung darüber einigten, das peinliche Gericht gemeinsam zu bestellen. Jedoch wurde ausdrücklich nicht die jeweilige Gerichtsherrschaft aufgegeben. Das Domstift St. Petri hatte ohnehin bereits „biß anhero“ sein „Jahrgedinge“ zusammen mit dem der Herren v. Haugwitz durchführen lassen.97 Damit wurde bei der Bildung von Gerichtsbezirken vom Grundsatz abgewichen, daß jede Grundherrschaft über ein eigenes Gericht verfügte, unabhängig davon, ob dies etwa unter Berücksichtigung der Anzahl der Untertanen der jeweiligen Grundherrschaft oder der Tatsache, daß die Grundherrschaft nur über einen Teil eines Dorfes verfügte, sachlich gerechtfertigt war. Daß von Anfang an im Ostsiedlungsraum das herrschaftliche Element in der Gerichtsverfassung auf grundherrlicher Ebene stark ausgeprägt war, zeigt sich insbesondere anhand der Weise der Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen, insbesondere des Richters des grundherrlichen Gerichts. Der Richter des grundherrlichen Gerichts wurde im Ostsiedlungsraum vom Grundherrn als dem Inhaber der Gerichtsherrschaft, gekennzeichnet durch die Inhaberschaft an den zwei Herrschaftsdritteln aus den Gerichtsgefällen, ausgewählt und ernannt, und zwar – im Gegensatz zum Patrimonialgericht, dessen Richter dauerhaft bestellt war – meist für jeden Gerichtstag gesondert, wenn nicht der Grundherr selbst richtete. Es handelte sich zunächst regelmäßig um den Dorfrichter, der dem Dorfgericht vorsaß, das sonst für die Parteien, die nun im grundherrlichen Gericht auftraten, zuständig war. Später wurde es üblich, auch eine dazu taugliche und erfahrene Person (aus einem anderen Dorf der Grundherrschaft oder einer benachbarten Stadt) zu bestellen. So wurden auch andere, von der Gerichtsherr94 95 96 97

KW I, S. 178 ff. KW I, S. 181. KW I, S. 181. DA Bautzen, Peinliches Gericht Cunewalde, unpaginiert.

I. Grundherrliche Gerichte

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schaft als tauglich befundene Personen, etwa der Schulmeister oder ein Jurist, etwa ein Advokat bestellt. In den geistlichen Grundherrschaften war frühzeitig regelmäßig ein dauerhaft bestellter Amtsträger des Stifts der Richter, soweit nicht der geistliche Vorsteher als Gerichtsherr das Richteramt nicht selbst ausübte. Ebenso wurde es im Zuge der Patrimonialisierung der grundherrlichen Gerichtsverfassung in den weltlichen Grundherrschaften üblich, einen ständigen Gerichtshalter zu bestellen.98 In der Standesherrschaft Muskau bestand wie erörtert ab dem späten 16. Jahrhundert ein „Hofgericht“. Der „Hofrichter“ wurde nach Kapitel I der Hofgerichtsordnung von 1700 allein ausgewählt und bestellt sowie entlassen von der Herrschaft, und zwar als ständiger Richter wohl auf Lebenszeit, wie sich jedoch nicht ausdrücklich ergibt.99 In der Standesherrschaft Königsbrück hatten bis 1702, als die Standesherrschaft an Freifrau v. Schellendorf, die als Frau das Richteramt nicht wahrnehmen durfte, überging, die Grundherren das Richteramt regelmäßig selbst ausgeübt. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts ließen sie sich jedoch regelmäßig von von ihnen ausgewählten und ernannten Gerichtsverwaltern und Amtmännern vertreten, da sie meist nicht mehr in Königsbrück wohnten und etwa Hofstellen innehatten.100 Als Richter waren hinsichtlich der Dörfer des Domstifts St. Petri zu Budißin regelmäßig die ständig bestellten Syndici oder Schösser vom Domkapitel berufen. Der Syndikus war indes auch ständiger Richter des ständig eingerichteten Gerichts für alle Dörfer auf der Domstiftskanzlei. Nach der ältesten erhaltenen Bestallungsurkunde von 1559 wurde eine Person vom Domkapitel als Syndikus „auf ein Jahr angenommen“. Er erhielt vom Kapitel Besoldung, nach einer späteren Bestallungsurkunde daneben hinsichtlich der „Criminalia“ „wie von alten her den 3ten Teil“ der Gerichtseinkünfte.101 Der Dingrichter wurde in den kleineren Grundherrschaften von der Grundherrschaft ausgewählt und ernannt, und zwar regelmäßig nur für den betreffenden Gerichtstag, jedoch manchmal auch als ständiger Richter. Beide Fälle wies Mitter hinsichtlich der Ehedinge in den Zittauer Ratsdörfern nach.102 Hinsichtlich des Gerichtstages in Kleinsaubernitz 1681 wählte und ernannte die Gerichtsherrschaft wohl durch ihren Gerichtshalter am Tag der Verhandlung den ehemaligen Baruther Schulmeister zum Dingrichter dieses Gerichtstages.103 Auch beim Gerichtstag in Wehrsdorf 1661 „besetzte“ die Herrschaft das Richteramt am selben Tag, und zwar nur für diese eine Verhandlung.104 98 Lück, Gerichtsverfassung, S. 248 ff.; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 117 f., 119 ff.; Kühns, Gerichtsverfassung II, S. 124 ff.; Helbig, Landgemeinde, S. 107 ff. 99 StA Breslau, Muskauer Hofgerichtsordnung, Bl. 10 f. 100 Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 294. 101 DA Bautzen, Anstellung der Syndici, unpaginiert. 102 Mitter, Gerichtsverfassung, S. 77 f. 103 StFilA Bautzen, Dinglich Gerichte zu Klein-Saubernitz, unpaginiert. 104 DA Bautzen, Gerichtstag Wehrsdorf, unpaginiert.

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D. Grundherrschaften

Hinsichtlich der Patrimonialgerichte erscheinen auch im Untersuchungsgebiet von der Herrschaft auf Dauer angestellte Gerichtsverwalter. Naumann wies anhand der insoweit im 17. Jahrhundert einsetzenden Überlieferung des Archivs der Standesherrschaft Königsbrück nach, daß der jeweilige Standesherr als Gerichtsherr das Recht hatte und wahrnahm, „die Patrimonialgerichte selbständig zu besetzen und die zur Führung der Geschäfte benötigten Amtspersonen zu bestellen. Sofern er die Voraussetzungen erfüllte, konnte er das Richteramt selbst ausüben oder es auf geeignete Personen (Amtmann, Oberamtmann, Gerichtsdirektor, Advokaten) übertragen.“ 105 1705 wurde vom Baruther Gerichtsherrn, nachdem der bisherige Baruther „Gerichtsverwalter“, zugleich Stadtsyndicus zu Budißin, seine Stelle „aufgegeben“ hatte, ein neuer Gerichtsverwalter „aufgenommen“ und sodann von einem notarius publicus „in Pflicht genommen“.106 1736 wurde von der Grundherrin der Grundherrschaft Gaußig ein neuer „Gerichts-Director“ „bestellet“ und „angenommen“.107 Aus der Bestallungs- und Instruktionsurkunde für den Baruther Gerichtsverwalter von 1782 geht folgendes hervor: Haben „Wir [sic! Adolph Nicolaus Graf v. Gersdorff – HvS] Unsern Amts-Gerichten der Herrschafft Baruth und zugehörigen Güthern dermahlen aus besonderem Vertrauen den zeitherigen Churfürstlich Sächßischen Amts-Actuarium in Pirna Herrn Johann Valentin Gleichmann als Amtmann und Justitiarium [. . .] vorzusetzen geruht.“ 108 Gleiches gilt auch etwa hinsichtlich der Grundherrschaft Gaußig, wie sich beispielsweise anhand der Verpflichtung des Oberamtsadvokaten Starke zu einem Vizejustitiar 1787 zeigt.109 Die Formel in einer Bestallungsurkunde der Grundherrschaft Gaußig von 1803 für den Gerichtsverwalter Klengel heißt es: „So übertragen [. . .] Frau Reichsgräfin von Schall die Verwaltung der oberen und niederen Gerichtsbarkeit, wie sie damit beliehen, oder sie selbige besitzen, oder ihre Vorfahren beseßen haben, oder sonst ausüben mögen, [. . .] Herrn Advocat Klengel dergestalt, daß derselbe solche als Richter und Gerichtsverwalter im Nahmen hochgedachter Frau Reichsgräfin von Schall [ausübe].“ 110 Ausdrücklich erfolgte also Auswahl und Ernennung des Gerichtsverwalters jeweils durch den Grundherrn. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden zu Gerichtshaltern von der Grundherrschaft oftmals Personen, die zugleich einer weiteren Tätigkeit nachgingen, bestellt, so etwa Advokaten, im Falle der Grundherrschaft Kleinwelka sogar der Bürgermeister zu Budißin, der dieses Amt neben seinem Amt als Bürgermeister ausübte, was im Rahmen einer landesherrlichen

105

Naumann, Rechtsbeziehungen S. 19. StFilA Bautzen, Gerichtsprotokolle Baruth 1705–1713, unpaginiert. Vgl. StFilA Bautzen, Advokatenbestellungen, unpaginiert. 107 StFilA Bautzen, Bestallung Printz, unpaginiert. 108 StFilA Bautzen, Bestallung, unpaginiert. 109 StFilA Bautzen, Verpflichtung Starke, Bl. 1 ff. 110 StFilA Bautzen, Bestallung Klengel, unpaginiert. 106

I. Grundherrliche Gerichte

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Revision 1827 kritisiert wurde.111 In der Grundherrschaft Gaußig wurde etwa 1787 ein Oberamtsadvokat als Vizejustitiar angenommen.112 1803 wurde der Oberamtsadvokat Klengel aus Bischofswerda „Gerichtsverwalter“ in Gaußig.113 Das genaue Verfahren der Auswahl und Ernennung im 18. und 19. Jahrhundert geht ebenfalls aus den Akten über die landesherrliche Revision der Gerichte der Grundherrschaft Kleinwelka 1827 hervor: Die Verpflichtung des Gerichtshalters wurde von einem Notar in Gegenwart der Herrschaft oder eines Vertreters vorgenommen. Dabei war die Ableistung eines Eides erforderlich. Die Gerichtsherrschaft hatte das Recht, den Gerichtshalter jederzeit zu entlassen. Die Revision der Gerichte zu Kleinwelka 1827 endete damit, daß der Gerichtsverwalter bei der Herrschaft um seine Entlassung bei der Gerichtsherrschaft bat.114 Auch das Domstift St. Petri zu Budißin als Gerichtsherrschaft über seine Dörfer stellte einen Gerichtsverwalter, hier Syndikus genannt, an. Dieser wurde mit Eidesleistung und Übergabe einer Instruktion von der Gerichtsherrschaft ernannt. Er hatte gegenüber der Gerichtsherrschaft „Hochachtung, Ehrerbiethung und billige Folgsamkeit“ walten zu lassen. Er war des „Domstifts [. . .] Sachwalter“. Das Dienstverhältnis durfte vom Domstift beziehungsweise vom Gerichtsverwalter jeweils mit „einvierteljähriger“ Frist „aufgekündigt“ werden.115 Die Gerichtsherrschaften waren wie in den Erblanden auch im königlich sächsischen Markgraftum Oberlausitz gemäß der mit Oberamtspatent auch im königlich sächsischen Markgraftum Oberlausitz veröffentlichten (Datum nicht bekannt, da im Kollektionswerk, der insoweit maßgeblichen Sammlung, nicht abgedruckt) „Verordnung, die Anzeigen von den Veränderungen in den Gerichtshalterstellen betreffend,“ vom 18. März 1818 verpflichtet, „die, bey den Patrimonialgerichten auf dem Lande, mit den Gerichtshaltern vorgehenden Veränderungen, Unsrer [königlichen – HvS] Landesregierung jedesmal unverzüglich bekannt“ zu machen.116 Hinsichtlich des königlich sächsischen Markgraftums Oberlausitz erfolgte dies vor dem Oberamt beziehungsweise der Oberamtsregierung, wie sich aus den im Staatsfilialarchiv vorhandenen Anzeigen von Gerichtsherrschaften, die ausdrücklich gemäß der genannten Vorschrift erfolgten, ersichtlich wird.117 Auch die Schöffen wurden – wohl von Anfang an – von der Grundherrschaft ausgewählt und ernannt, wobei indes regelmäßig berücksichtigt wurde, daß nach dem Grundsatz, daß nur die Angehörigen der Rechtsgemeinschaft der Parteien über diese richteten, Bewohner des Dorfes der Parteien beziehungsweise die 111 112 113 114 115 116 117

StFilA Bautzen, Revision, Bl. 6 ff. StFilA Bautzen, Verpflichtung Starke, Bl. 1 ff. StFilA Bautzen, Bestallung Klengel, unpaginiert. StFilA Bautzen, Revision, Bl. 6 ff. StFilA Bautzen, Domstiftsgerichte, Bl. 182 ff. GS Sachsen 1818, S. 4. Vgl. StFilA Bautzen, Criminalgerichte, unpaginiert.

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D. Grundherrschaften

Schöffen des sonst für die Parteien zuständigen Dorfgerichts ausgewählt wurden, wie etwa Schlesinger bezogen auf die Mark Meißen ermittelte.118 Hinsichtlich des Dorfes Wiesa bei Kamenz wurde, soweit es das Untersuchungsgebiet betrifft, 1504 in einer Vereinbarung zwischen dem Rat der Stadt Kamenz und dem Kloster St. Marienstern, beide Grundherren in diesem Dorf, klargestellt, daß „die von Camentz [ihr „gedingk] szo offte das noth ist [. . .], noch irem gefallin haldin und besetzin mogin.“ 119 Bereits nach diesem frühen Zeugnis erfolgte also die Schöffenbesetzung durch die Gerichtsherrschaft. Die Schöffen des Hofgerichts der Herrschaft Muskau wurden gemäß der Hofgerichtsordnung von 1700 ausschließlich von der Herrschaft ausgewählt und ernannt sowie entlassen. Mangels abweichender Regelungen ist gemäß den damals geltenden allgemeinen Grundsätzen davon auszugehen, daß sie als ständige, auf Lebenszeit berufene Schöffen bestellt waren.120 Die Schöffen sowohl der grundherrlichen Gerichtstage wie auch des Patrimonialgerichts der Standesherrschaft Königsbrück wurden seit Beginn der Überlieferung Ende des 16. Jahrhunderts von der Herrschaft beziehungsweise deren Gerichtshalter/-direktor aus dem Kreis der Dorfgerichtspersonen ausgewählt und ernannt.121 Hinsichtlich des 1681 gehaltenen Dinggerichts zu Kleinsaubernitz erfolgten Auswahl und Ernennung auch der Schöffen aus dem Kreis der Dorfgerichtspersonen, hinsichtlich deren Dörfern das Gericht gehalten wurde, allein durch die Gerichtsherrschaft beziehungsweise den Gerichtshalter, ohne daß etwa auch ein Präsentationsrecht der dem Gericht unterworfenen Dorfgemeinden erkennbar wird. Die Ernennung erfolgte im Rahmen des Gerichtstages. Die Bestellung fand nur statt für diesen einen Gerichtstag.122 Dies gilt auch etwa hinsichtlich eines Gerichtstages, den die Grundherrschaft (Landesherrschaft) 1693 in Seidau abhalten ließ, insoweit die Seidauer Schöffen die Schöffenbank besaßen.123 1698 wurde vom Standesherrn zu Königsbrück verordnet, daß die Schöffen je Gerichtstag zu wechseln seien.124 Schöffen wurden also regelmäßig von der Herrschaft nur für die Dauer des betreffenden Gerichtstages aus dem Kreis der Dorfgerichtspersonen der Dörfer beziehungsweise des Dorfes, für die/das das Gericht gehalten wurde, bestellt. Solches wies Mitter auch hinsichtlich der Ehedinge auf den Zittauer Ratsdörfern nach.125 Hinsichtlich der Patrimonialgerichte späterer Zeit wird in einem landesherrlichen „Generale wegen des Verfahrens in Untersuchungssachen“ vom 30. April 1783, veröffentlicht im Markgraftum Oberlausitz mit Oberamtspatent vom 28. Juli 1783 angeordnet, daß 118 119 120 121 122 123 124 125

Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 123 ff. CDS II, 7, S. 151 ff., 152. StA Breslau, Muskauer Hofgerichtsordnung, Bl. 10 f. Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 297 f.; Anm. 444, S. 337. StFilA Bautzen, Dinglich Gerichte zu Klein-Saubernitz, unpaginiert. StFilA Bautzen, Gerichte auf der Seidau, Bl. 355 ff. Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 297 f.; Anm. 444, S. 337. Mitter, Gerichtsverfassung, S. 76 ff., 116 ff.

I. Grundherrliche Gerichte

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für den Fall, daß Schöffen die Sprache des Beklagten nicht verstehen beziehungsweise sprechen könnten, der „Richter“ des Patrimonialgerichts „sich zu bemühen“, geeignete Personen „zu erlangen, welche sodann zu ausserordentlichen Beysitzern [. . .] zu verpflichten“ seien.126 Die Ernennung der Schöffen, die regelmäßig auf dem betreffenden Gerichtstag des grundherrlichen Gerichts beziehungsweise des Patrimonialgerichts verpflichtet wurden, hatte noch im 19. Jahrhundert mit einer Eidesleistung verbunden zu sein, wie sich aus einer Archivalie über eine Revision der Gerichte der Grundherrschaft Kleinwelka, hinsichtlich der dies bemängelt wurde, 1827 ergibt.127 c) Anforderungen an die und Pflichten der Gerichtspersonen Desweiteren ist auf die Anforderungen des Richters beziehungsweise der Schöffen des grundherrlichen Gerichtes beziehungsweise Patrimonialgerichts einzugehen. Hinsichtlich des Richters des grundherrlichen Gerichts war es noch im 17. Jahrhundert regelmäßig nicht erforderlich, gelehrt zu sein. Es war zudem nicht immer (mehr) erforderlich, Dorfgerichtsperson zu sein. Der Hofrichter der Herrschaft Muskau wie der adlige Assessor des Hofgerichts brauchte noch nach der Hofgerichtsordnung von 1700 nicht gelehrt zu sein, sondern er mußte zu den „geschicktesten und tüchtigsten von gutten Ehrlichen Leben und Wandel bekante[n] Vasallen dieser Herrschaft, wenn sie dazu [zum Richteramt – HvS] capabel sind,“ gehören. Daneben waren aber zwei „gelehrte“ Assessoren zu bestellen, die nicht ausdrücklich aus der Herrschaft stammen und adlig sein mußten.128 Die Anforderung, der dem Gericht unterworfenen Rechtsgemeinschaft anzugehören, galt also nur (noch) zum Teil. Dingrichter des 1681 in der zur gewöhnlichen Grundherrschaft Baruth gehörigen Dorfes Kleinsaubernitz abgehaltenen Gerichtstages war der Baruther Schulmeister. Dieser wurde als Richter vereidigt, um der Anforderung, nur vereidigte Personen als Gerichtspersonen zuzulassen, zu genügen.129 Insoweit war wohl zumindest sichergestellt, daß ein Richter handelte, der lesen und schreiben konnte. Weitere Anforderungen sind nicht bekannt. Auch der Gerichtstag in Seidau 1693 wurde von einer nichtgelehrten Person geleitet, hier jedoch dem Dorfrichter von Seidau. Indes waren anwesend als Vertreter der Landesherrschaft als Grundherrschaft, mithin als „schweigende Richter“ Hofrichter und Oberamtskanzler, zumindest letzterer gelehrt.130 Mitter weist hinsichtlich der Zittauer Ratsdörfer nach, daß hier regelmäßig nicht eine Dorfgerichtsperson, sondern – ebenfalls bei Beteilung von Vertretern der Grundherrschaft als „schweigenden Richtern“, mithin grundsätzlich eines Zittauer Stadtrichters als Rechts126 127 128 129 130

KW IV, S. 50 ff., 56. StFilA Bautzen, Revision, Bl. 6. StA Breslau, Muskauer Hofgerichtsordnung, Bl. 11. StFilA Bautzen, Dinglich Gerichte zu Klein-Saubernitz, unpaginiert. StFilA Bautzen, Gedingsgericht Seidau, Bl. 355 ff.

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gelehrten – regelmäßig der Zittauer Gerichtsaktuar als Dingrichter bestellt wurde.131 Wegen der Anforderungen an den Domstiftssyndikus des Domstifts St. Petri zu Budißin geht aus der „Instruktion und Bestallung“ des Syndikus Purgk von 1573 hervor, daß der Syndikus die anfallenden Sachen mit „christlichem Fleiß“, „beständig“ und „aufrichtig“ erledige. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde auf ein Werk Knipschilds, worin solche von „syndici et advocati“ im allgemeinen beschrieben waren, verwiesen. Der Syndikus mußte danach insbesondere „pius“ und „DEUM timens“ sein. Er mußte gelehrt sein.132 Hinsichtlich der Anforderungen an die Schöffen des grundherrlichen Gerichts ergibt sich außer dem Muskauer Hofgericht, das als Ausnahme angesehen werden muß, nirgends, daß diese jemals gelehrt oder halbgelehrt gewesen sein müßten. Das weiterbestehende Laienschöffentum wird wohl auch der Grund dafür gewesen sein, daß die Schöffen gerade auf dieser Herrschaftsebene mit Aufkommen des gelehrten Rechts das Recht und die Pflicht zur Urteilsfindung im wesentlichen verloren. Da es sich bei den Schöffen meist um die Dorfgerichtsschöffen handelte, ist hinsichtlich der Anforderungen an diese auf die diese betreffenden Ausführungen zu verweisen. Die Schöffen mußten aber stets auch auf dieser Herrschaftsebene vereidigt sein. Dies wies etwa Mitter hinsichtlich der Zittauer Ratsdörfer nach.133 Noch nach der Entschließung des Königs von Sachsen auf eine Revision domstiftischen Gerichte von 1829 hin vom 17. Dezember 1830 waren zu „Assessores“ besonders hierzu „verpflichtete“ Personen zu bestellen. Die Verpflichtung mußte öffentlich erfolgen.134 Hinsichtlich der Gerichtsverwalter der Patrimonialgerichte wurde mit Oberamtspatent vom 26. September 1740 vom Landesherrn angeordnet, daß, nachdem eine Vielzahl von „Vasallen [. . .] zu ihren Gerichts-Directoren, Verwaltern oder Actuarien [. . .] Personen, die in fremden Territoriis wohnen, angenommen und bestellet (haben), hierdurch aber sowohl Dero hohe Juribus, als auch denen Gräntz Nachtheil angezogen werden könne, und Selbte [der Landesherr – HvS] dahero solches in Zukunfft zugestatten nicht gemeinet ist; Demnach Dero sämmtlichen Vasallen in Dero Marggraffthum Ober-Lausitz bekannt zu machen und anzudeuten, daß sie zu ihren Gerichts-Directoren, Verwaltern oder Actuarien keinen, der nicht in Dero Landen mit wesentlicher Wohnung sich aufhält, und hiernächst seiner Geschicklichkeit halber, behörig legitimiret gebrauchen sollen.“ 135 Danach waren also nur Personen, die im Markgraftum Oberlausitz ihre „wesentliche Wohnung“ hatten und ihrer „Geschicklichkeit halber [. . .] legitimi131

Mitter, Gerichtsverfassung, S. 72 ff. DA Bautzen, Anstellung der Syndici, unpaginiert, mit Verweis auf Knipschilds „Illustri Tr. de Civitat. Imperial. Lib. S. c. 4. Rubr. de Syndicis sive Advocatis et consilia civitatum Imperialium“. 133 Mitter, Gerichtsverfassung, S. 72 ff., 119 ff. 134 DA Bautzen, Revision 1829, unpaginiert. 135 StFilA Bautzen, Personen in fremden Territorien, Bl. 6 ff. 132

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ret“ waren, insoweit zum Richteramt befähigt. Das Oberamtspatent vom 27. August 1798 erweitert und konkretisiert die Anforderungen, indem auch erstmals vom Landesherrn hinsichtlich der Grundherrschaften im Untersuchungsgebiet ausdrücklich Anforderungen bezogen auf juristische Kenntnisse aufgestellt werden. Folgendes wird „wegen der nachtheiligen Folgen, welche theils daraus, wenn Personen, deren Kenntnisse in den Rechtswissenschaften nicht bey dem Oberamte oder dem Amte Görlitz geprüft und hinlänglich befunden worden, als Gerichtsverwalter und Actuarien angestellt werden, theils auch aus der zwischen obrigkeitlichen Personen und denen, so bey und vor ihnen oder den Judiciis, deren Mitglieder sie sind, rechtliche Geschäfte, als Advocaten, Actuarien und sonst betreiben, bestehenden Verwandtschaft zu besorgen sind,“ hinsichtlich der Patrimonialgerichte angeordnet: „Wer in dem Markgrafthum Oberlausitz Gerichte auszuüben hat, soll solche behörig und mit gnugsam qualificirten und geschworenen Personen besetzen, und dabey ordentliche und beständige Gerichtsverwalter, Secretarien und Actuarien, so bey dem Oberamte zu Budißin, oder dem Amte Görlitz zur Oberlausitzischen Praxi admittiret sind, bestellen; bloße Notarien aber sind dazu nicht weiter zu gebrauchen. – Ist zu einer einzelnen gerichtlichen Handlung oder Proceß ein anderer, als der ordentliche Gerichtsverwalter, Secretarius oder Actuarius zu requiriren, so muß solcher ebenfalls ein gleichermaßen legitimirter Advocat seyn, und dazu in Gegenwart zweyer Gerichtspersonen besonders verpflichtet werden.“ 136 Richter eines Patrimonialgerichts durfte also nur werden, wer als Richter vereidigt, Rechtswissenschaften studiert und seine Rechtskenntnisse vor den Ämter Budißin oder Görlitz durch Prüfung nachgewiesen hatte sowie als Advokat im Markgraftum Oberlausitz zugelassen war. Bereits ab dem 17. Jahrhundert ist das Erfordernis, gelehrter Jurist zu sein, hinsichtlich des Richteramtes im Patrimonialgericht auch nach Quellen über die tatsächliche Übung zu beobachten. Ab 1703 handelten, nachdem zuvor die Gerichtsherren – auch wenn nicht juristisch gebildet – selbst das Richteramt wahrgenommen hatten und in diesem Jahr mit Freifrau v. Schellendorf eine als Frau gemäß den Regelungen des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts nicht zum Richteramt befähigte Gerichtsherrin vorhanden war, als Richter des Patrimonialgerichts der Standesherrschaft Königsbrück stets gelehrte Juristen als Gerichtsdirektoren.137 Dies bestätigen die insbesondere aus dem 18. Jahrhundert überlieferten Bestallungsurkunden hinsichtlich der Gerichtsverwalter des Patrimonialgerichts Baruth, wonach stets Juristen, etwa (Oberamts-)Advokaten, ausgewählt, ernannt und vereidigt wurden.138 Dies galt auch hinsichtlich etwa der Grundherrschaft Gaußig, wo regelmäßig Oberamtsadvokaten als (Vize-)Gerichtsverwalter bestellt wurden.139 136 137 138 139

gel.

KW V, S. 1 ff., 2. Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 294 f. StFilA Bautzen, Advocatenbestellungen, unpaginiert. Vgl. z. B. StFilA Bautzen, Verpflichtung Starke; StFilA Bautzen, Bestallung Klen-

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Hinsichtlich der Anforderungen an einen Gerichtshalter eines Patrimonialgerichts im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert ist ein Aktenstück über eine 1827 erfolgte Revision der Gerichte der Grundherrschaft von Kleinwelka interessant. Daraus geht hervor, daß zum „Justitiar“ der Bürgermeister zu Budißin Carl Traugott Hennig und zum „Vice-Justitiar“ ein Advokat aus Budißin, beide also studierte Juristen, bestellt worden waren.140 Eine zentrale Pflicht eines Richters wird deutlich aus der Bestallungsurkunde für den Domstiftssyndikus des Domstifts St. Petri zu Budißin Purgk von 1573: Es sei nicht mit dem Syndikatsamt vereinbar, wenn Parteien vom Richter „advocirt“ oder „patronicirt“ würden.141 Aus einer Reihe ausgewerteter Eide des 16. bis 19. Jahrhunderts werden übereinstimmend die zentralen, auch aus anderen Gebieten des Reichs bekannten Richter- und Schöffenpflichten deutlich: Neben der Treueund Gehorsamspflicht gegenüber der Herrschaft kommen die hergebrachten, seit dem Mittelalter bekannten Richter- und Schöffenpflichten, unbeeinflußt und gerecht ohne Ansehung der Person zu handeln, stets zum Ausdruck.142 Hinsichtlich 140

StFilA Bautzen, Revision, Bl. 5 ff. DA Bautzen, Anstellung der Syndici, unpaginiert. 142 Ein Formular eines Richter- und Schöffeneids, das im Jahr 1676 im Rahmen der Inpflichtnahme zum Dienst und Vereidigung im grundherrlichen Dreiding in Baruth abverlangt wurde, lautet: „Richter und Schöppen Eydt zu Bahruht. – Ich N.N. schwere zu Gott dem Allmächtigen Herrn Himmels und der Erden, einen leiblichen Eydt, mit Mundt und Hertzen, daß Ich mich in meinem auffgetragenen Richter oder Gerichtsschöppen Ambte, treu und fleißig erzeigen, nebenst denen [anderen – HvS] Gerichts Schöppen gleich Recht den armen als den Reichen mittheilen, und in dem weder Gunst, Gabe, Freundschafft noch Feindschafft ansehen, was mir von meiner gnädigen Herrschafft jedesmahl anbefohlen wird, mit allen Fleiß bestellen, alle Mißhandlungen, Schlägerey und Unfug, so sich in unser Gemeinde begeben, gebührlich anzeigen, und mich sonsten allenthalben also verhalten will, wie es einem ehrlichen Richter oder Gerichtsschöppen eignet und gebühret, So wahr mir Gott helffe, durch Jesum Christum unsern Herrn und Heyland, Amen“ (StFilA Bautzen, Dinglich Gerichte zu Baruth, unpaginiert). Dies wird ergänzt damit, was dem Protokoll des Gerichtstages zu Kleinsaubernitz 1681 zufolge von der Vertretung der Grundherrschaft den Gerichtspersonen des Gerichtages bei deren Inpflichtnahme vorgelesen wurde: „Und damit endlich Amtliche Ordnung und gute Polizei in Gerichten und allenthalben gefördert und erhalten werde, so wird hiermit Richter und Schöppen, vermöge ihres getanen Eides, so sie Gott, der Herrschaft und den Gerichten getan haben, ganz ernstlich befohlen, auf alles das, was sowohl die Ehre Gottes, von heiligem Gottesdienst, Sabbath- Feier- und Christliche Ehrbarkeit betrifft, als auch was die schuldige Referenz gegen die Herrschaft, die ihr schuldigen Dienste und endlich der ganzen Gemeinde bestes angeht dergestalt gute Acht zu haben, damit überall gute erbare züchtige und Gott wohlgefällige Ordnung, Friede Liebe und Einigkeit in Schwang kommen, die Verbrecher aber zu gebührender Strafe gezogen werden können; da auch die Schöppen, Mangel und Verbrechung in Abwegen, Säumnis und Stillschweigen des Richters sehen würden, so sollen sie doch ihre Gewissen rein behalten, und ohne einige Furcht und Ansehung, Freundschaft oder Feindschaft nach der Herrschaft Gesetz und göttlichem Befehl das Gute ungefördert und das Böse ungestraft nicht lassen, vielweniger es gegen die Herrschaft zu verschweigen“ (StFilA Bautzen, Dinglich Gerichte zu Klein-Saubernitz, unpaginiert). Ausführlich ist auch die Bestallungs- und Instruktionsurkunde des Baruther Gerichtsherrn für den neuernannten Gerichtsverwalter 1782: „Derselbe (habe) nicht nur die Oeconomie und Forst- und Poli141

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der Richterpflichten im übrigen sind die des Gerichtshalters eines Patrimonialgerichts laut der „Instruction“ des Baruther Grundherrn an den neuernannten ständigen „Baruthischen Verwalter“ von 1706 aufschlußreich. Dieser hatte neben seiner gerichtsverfassungsrechtlichen Funktion vor allem Aufsichtsfunktionen hinsichtlich aller Lebensbereiche der Grundherrschaft, so etwa hinsichtlich des Gesindes, der Aufsicht über die Arbeit im Ackerbau, vor allem die Pflicht, „die Unterthanen zur Arbeit an[zu]treiben“, Bauaufsicht, Feueraufsicht und so weiter. In „Gerichts Sachen“ hatte der Verwalter „inspection“ zu halten, die Dorfgerichte mit „tauglichen“ und „untadelhafften Personen“ zu „versehen“. Bei Verfahren vor dem Gerichtsverwalter hatte dieser Protokoll zu führen und nach Befehl der Herrschaft oder selbständig zu entscheiden.143 Aus den neueren Eiden wird also auch deutlich, daß der Gerichtsverwalter des Patrimonialgerichts anders als die mittelalterlichen Richter eine zentrale Stellung auch bei der Urteilsfindung einnahm. d) Entscheidungsverfahren Lück wies hinsichtlich der Erblande nach, daß noch um 1500 die Schöffen im grundherrlichen Gericht Urteil fanden. Erst später verlagerte sich hier diese Funktion auf den alleinurteilenden (gelehrten) Richter beziehungsweise die Schöffenstühle und Juristenfakultäten.144 Was das Untersuchungsgebiet betrifft, zey-, sondern auch das Justiz-Wesen auf Unsern [des Gerichtsherrn – HvS] sämtlichen Ober-Lausitzischen Possessionen mit Zu- und resp. Unter-Ordnung einiger Personen [zu] dirigiren, und die Gerechtigkeit und gute Ordnung [zu] handhaben und aufrecht [zu] erhalten.“ Im Rahmen der Rechtspflege hatte der Gerichtsverwalter „denen Landesherrlichen, sowohl alt- als neuen Gesetzen, insonderheit der Ober-Lausitzischen Gesinde-Ordnung, Sportul-Taxe, Schul- und Feuer-Ordnung, ingleichen denen auf Unsern sämtlichen Güthern vorhandenen Rügen, und selbigen annectirten Ge- und Verbothen alles Ernstes nachzuleben, über die durchgehende Observanz im Lande, bey zweifelhaften Fällen fleißig zu halten, die vorfallenden Gerichts-Sachen, sowohl in Civil- als Criminal-Fällen, seiner abgelegten Pflicht nach, mit dem ihm zugeordneten Amts-Actuario treulich und fleißig zu expediren, männiglich, sowohl den Reichen, als den Armen, Herrn, Unterthanen und Fremden, jus et justitiam unpartheyisch, und ohne Ansehen der Person zu administriren, insonderheit die vorkommenden Streitigkeiten unter denen Unterthanen, wo möglich in der Güte, in deren Entstehung aber durch rechtliche Weisung [. . .] beizulegen“ (StFilA Bautzen, Bestallung, unpaginiert). In der Bestallungsurkunde für den Advokaten Klengel als Gaußiger Gerichtsverwalter von 1803 heißt es: Werde er „nach seinem besten Wißen und Gewißen ohne Ansehen der Person, Freundschaft oder Feindschaft [die Gerichte] ausüben, und [diese] so oft als es nöthig ist oder er darzu erfordert wird, auf genannten Gütern sich einfinde, jedermann, Armen und Reichen, Herrschaft und Unterthanen gleiches Recht widerfahren laße“ (StFilA Bautzen, Bestallung Klengel, unpaginiert). Die Gerichtspersonen, Richter und Schöffen, des Muskauer Hofgerichts schworen nach der Hofgerichtsordnung einen einzigen Eid, dessen Inhalt hinsichtlich der altbekannten Richter- und Schöffenpflichten nicht gegenüber den allgemein bekannten Eiden abweicht ((StA Breslau, Muskauer Hofgerichtsordnung, Bl. 50 f.). 143 StFilA Bautzen, Gerichtsprotokolle Baruth 1705–1713, unpaginiert. 144 Lück, Gerichtsverfassung, S. 256.

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beinhaltet das Rothenburger Schöffenbuch (noch) für das Jahr 1591 den Grundsatz, daß die Schöffen das Urteil fanden. Es handelte sich dabei um dieselben Schöffen, die das Stadt-(Dorf-)Gericht zu Rothenburg besetzten. So ließ der Grundherr einen „Gerichtstag“ wegen eines peinlichen Prozesses anberaumen. In diesem Verfahren haben „ihme [dem Kläger – HvS] die scheppen ein Urtell funden.“ Auch im weiteren Verlauf des Prozesses heißt es: „Darauf ist er [der Beklagte – HvS] nicht gestanden, auch niemandes von seinet wegen. Doruf den die scheppen ein Urtel funden wie nachfolget.“ 145 Bereits für das Jahr 1542 ist hinsichtlich des herrschaftlichen Gerichts des Domstifts St. Petri, also einer geistlichen Grundherrschaft, nachgewiesen, daß der Dekan als „Vorsteher des Amts der Cantzerey“ über die Zueignung von Vermögen durch den Gödaer Lehnbauern Martin Cappla an seine drei Töchter, mithin in einem Verfahren freiwilliger Gerichtsbarkeit allein ohne Beteiligung von Schöffen entschied.146 Im herrschaftlichen Gericht des Domstifts wurde nach späteren Quellen gemeinschaftlich durch Richter und Beisitzer kollegial entschieden. Aus der Bestellungsurkunde hinsichtlich des Syndicus’ Friedrich Jacob Jano von 1760 geht hervor, daß der Syndicus „die negotia mit dem Herrm Decano und Canonicis Capitularibus gründlich erörtern und samt Ihnen zum Schlusse schreiten [soll]. Da nun die ParteSachen in pleno concessu wohlerwogen und die Vota colligiret, soll Herr Syndicus den getroffnen schriftlich verfassen und denen Parteien publicieren. Ihm soll ein Rechts-Secretair zur Seite stehen.“ 147 Regelmäßig erließ der Syndikus – wohl in kleineren Sachen – auch allein auf Rügen aus den Ortschaften hin im Rahmen der darauffolgenden Verfahren im Dekanat eine Entscheidung („Dekret“) beziehungsweise ordnete weitere Untersuchungen an.148 Die von Naumann ausgewerteten Gerichtsprotokolle des Patrimonialgerichts der Standesherrschaft Königsbrück zwischen 1675 und 1685, enthaltend Zivil- und kleinere Strafsachen, besagen, daß entweder der Standesherr oder sein Gerichtsverwalter, jedoch beide jeweils allein die gerichtsförmigen Entscheidungen fällten. Der standesherrliche Kanzlist entschied selbst oder versah die Klage mit „Memoralien“, also mit Erläuterungen und legte sie dem Standesherrn zur Entscheidung vor. Entweder wurde Beweisaufnahme verfügt oder es erging eine „Resolution“, also ein Urteil durch den Standesherrn. Dies erging zunächst mündlich und sodann mit Unterschrift des Standesherrn oder des Amtmanns schriftlich. Das Verfahren war also weitgehend schriftlich. Der Unmittelbarkeitsgrundsatz, der noch in den Jahrdingen, wo mündlich verhandelt wurde, aufrechterhalten war, wurde aufgegeben. Nur bei größeren Sachen wie etwa peinlichen Sachen wurde nach den ab dem 145

Abdruck Stock, Kleinstadt, S. 152 ff. DA Bautzen, Entscheidung Martin Cappla, unpaginiert; 1593 DA Bautzen, Zivilgerichtssachen Göda, unpaginiert. 147 DA Bautzen, Instrution Johann Gottfried Kuntze, unpaginiert; DA Bautzen, Anstellung der Syndici, unpaginiert. 148 z. B. DA Bautzen, Rügengerichte, unpaginiert. 146

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17. Jahrhundert erhaltenen Quellen zwar die Schöffenbank mit Dorfschöffen besetzt sowie mündlich und unmittelbar verhandelt. Das Verfahren fand in der herrschaftlichen Kanzlei statt. Jedoch galt auch hier, daß der Herrschaftsträger beziehungsweise dessen Vertreter allein entschied. Die Schöffen hatten nur noch Zeugenfunktion. Ihnen kam noch nicht einmal Stimmrecht als Miturteiler zu. In vielen peinlichen Sachen wurde um Rechtsbelehrung beziehungsweise Urteil bei Juristenfakultäten, nach Übergang des Markgraftums Oberlausitz an den Kurfürsten von Sachsen bei der Leipziger Juristenfakultät nachgefragt.149 Aus den ab 1685 geführten Gerichtsprotokollen des grundherrlichen Gerichts zu Gaußig geht hervor, daß Ende des 17. Jahrhunderts der grundherrliche Richter, der Gerichtsverwalter, allein in Niedergerichten ein „decretum“, eine gerichtliche Entscheidung, erließ. Das Gerichtsprotokoll ist nur von ihm unterschrieben. Schöffen erscheinen insoweit nicht.150 Die Gerichtsprotokolle des grundherrlichen Gerichts zu Diehmen (Grundherrschaft Gaußig) aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts besagen, daß der grundherrliche Richter (Gerichtsverwalter) allein, jedoch im „Beysein“ der Schöffen urteilte. Oftmals unterzeichnete der Richter allein das Protokoll.151 Der Grundsatz der Funktionsteilung bei der Urteilsfindung war jedenfalls zugunsten des allein- oder miturteilenden Richters aufgegeben. Hinsichtlich der späteren Zeit sind zunächst die ab der Zugehörigkeit des Untersuchungsgebiets zum landesherrlichen Herrschaftsraum des Kurfürsten von Sachsen häufiger werdenden Oberamtspatente, die spätestens ab dem 18. Jahrhundert regelmäßig erbländische Regelungen inhaltlich unverändert übernahmen, heranzuziehen. Dies betrifft zunächst die kurfürstlichen General-Verordnung, „das Verfahren in Untersuchungssachen“ betreffend, vom 27. Oktober 1770, im Markgraftum Oberlausitz veröffentlicht durch Oberamtspatent vom 12. Dezember 1770, wurden, soweit es „Verbrechen“ betraf, „worauf die Todes- oder Leibesstrafe“ stehen konnte.152 Insoweit wurde für die Erblande und das Untersuchungsgebiet davon ausgegangen, daß Entscheidungen in diesen Fällen nicht vom Patrimonialgericht, sondern von einem „Discasterio“, mithin also einem Schöffenstuhl oder einer Juristenfakultät getroffen wurden. So wurden die vom Gericht hinsichtlich einer Untersuchung angelegten „Acten“ nach Abschluß der Untersuchung „nach rechtlicher Erkenntniß versendet.“ In dem „eingeholten Urthel“ wurde auf Strafe erkannt. Dem Patrimonialgericht kam lediglich die Aufgabe zu, die Untersuchung zu führen mit dem Ziel der Sachverhaltsaufklärung. Die Schöffen hatten hierbei vor allem die Funktion, die Ergebnisse der Untersuchung zu bewerten und bei dieser als Zeugen zu dienen. Die „Untersuchung“, insbesondere die Zeugenbefragung mußte „zu mehrerer Glaubwürdigkeit“, also 149 150 151 152

Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 295, 297 f. StFilA Bautzen, Gerichtsprotokoll Gaußig, unpaginiert. StFilA Bautzen, Gerichtsprotokoll Diehmen, unpaginiert. KW III, S. 87 ff.

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damit die Aussage später bezeugt werden konnte, vor „vollbesetzter Gerichtsbank“ erfolgen. Jedoch „führte“ die „Untersuchung“ der Richter. Nach einem kurfürstlichen Generale vom 30. April 1783, durch Oberamtspatent im Markgraftum Oberlausitz veröffentlicht am 28. Juli 1783, betreffend dieselben Sachen, erfolgte von einem Schöffenstuhl oder einer Juristenfakultät „rechtliche Erkenntniß“. Der Richter hatte nach dieser Quelle, während die Schöffenbank voll zu besetzen war, folgende Aufgaben: „So hat ein jeder Richter dahin zu sehen, daß er nicht nur, ob, wo und zu welcher Zeit die gerügte Tat wirklich geschehen sey, genau erforsche, sondern auch von den bey Begehung derselben sowohl vor und nachher vorgefallenen Umständen und der Veranlassung dazu, auch den Folgen der That genaue Erkundigung einziehe, nach Beschaffenheit der Umstände und des Verbrechens legale Sectiones und Besichtigung veranstalte, glaubwürdige Zeugen abhöre, und sonst allen Fleiß und gebührende Sorgfalt anwende, damit nachher, und besonders bey Abfassung eines End-Urtels, wegen Gewißheit des Verbrechens kein Zweifel übrig bleibe.“ „Nach erfolgter und so viel wie möglich mit Deponentens eigenen Worten niederzuschreibenden Antwort bey der summarischen Vernehmung, hat der Richter, es sey nun, daß die That gänzlich abgeläugnet, oder nur zum Theil, oder auch mit andern Umständen, als dabey vorgefallen, eingeräumet würde, wenn mehrere Personen an dem Verbrechen Theil genommen, die Confrontationes unter ihnen selbst, sowohl der vorhandenen Zeugen unter einander und mit den Inculpaten, fleißig vorzunehmen, die vorkommenden Widersprüche und zweifelhaften Aussagen, durch anderweite Fragen und zu Gemütheführung der schon bekannten Umstände, auch behutsame Vorzeigung der etwa angefundenen Brieffschaften und anderer Nachrichten oder Beweisthümer, möglichst ins Licht und in behörige Deutlichkeit zu setzen.“ Die „Gerichtsbank“ hatte auch hier (lediglich) bei den Verhören der Beklagten und bei den Vernehmungen der Zeugen mitzuwirken, insbesondere zu dem Zweck, die Aussage oder Einlassung „beurtheilen und bekräftigen“ zu können.153 Nach dem Oberamtspatent vom 18. Januar 1808 hatten „in den einzelnen Parthey- Concurs- und Rügensachen [. . .] besonders in causis minutis, und wenn es auf bloßes Interlocute ankommt, von den Gerichten soviel möglich selbst zu verabschieden. Durch immerwährendes Versenden der Acten nach rechtlichem Erkenntnisse entsteht nicht nur für die Partheyen großer Zeit- und Kosten-Verlust, sondern es werden auch die Discasterien mit Arbeit [. . .] überhäuft.“ 154 Also bloß in peinlichen Sachen beziehungsweise Strafsachen sollte Rechtsmitteilung eingeholt werden. In den übrigen genannten Fällen sollte das Gericht selbst entscheiden. Daß der Grundsatz der Funktionsteilung bei der Urteilsfindung aufgehoben war, bestätigen auch Quellen über die tatsächliche Gerichtspraxis aus dem 18. Jahrhundert. Die Muskauer Hofgerichtsordnung von 1700 erläutert im einzelnen 153 154

KW IV, S. 50 ff. KW V, 29 ff., 30.

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das Entscheidungsverfahren, wobei zu bemerken ist, daß der Hofrichter wie erörtert seiner Funktion des „Directoris“ ständig zugunsten eines der beiden „gelehrten Assessoren“ entkleidet war: Sämtliche Sachen mußten – auch vom Hofrichter – dem „Directori zu fernerer Überlegung und resolution, was darauf auszuferthigen“ vorgelegt werden. „Dasjenige aber was von dem Directore Proceß-mäßig resolviret worden,“ mußte „von dem Secretario [. . .] Vollends ausgeferttiget, mit den curialien der Erb- und Standes Herrschafft Mußkau Hoffrichters und Beysitzer unterschrieben, Von dem Hoff Richter aber, der wenn er zugegen das Siegel bey sich in Verwahrung hat, außer dem aber, und wenn er nicht in loco von dem Directore besiegelt, und so dann [. . .] einem und dem andern Parth [eingehändigt], dem geschwohrenen Bothen zu fernerer insinuation zugestellet werden.“ 155 Der Hofrichter, der das herrschaftliche Siegel bewahrte, war wie der nicht gelehrte Schöffe, der gar nicht erscheint, seiner Funktion im Rahmen der Entscheidungsfindung völlig entkleidet. Das gesamte Entscheidungsverfahren wurde geführt von dem einen der beiden gelehrten Schöffen, der zugleich das „Direktorium“ hatte. Er entwarf und veröffentlichte die Entscheidungen. Der zweite gelehrte Schöffe war als Sekretär bei der Veröffentlichung beteiligt. Nur noch in der amtlichen Unterschrift „Richter und Beisitzer“ erschien das Gericht in der vollen Besetzung. Von einer Beteiligung der dem Gericht unterworfenen Rechtsgemeinschaft kann nicht (mehr) die Rede sein. Rechtsgelehrte hatten diese Funktion auch hier übernommen. Außerdem ist das Urbarium des „Hochreichsgräffl. Gersdorffischen Ritter-Guthes Baruth“ aus dem Jahr 1756 heranzuziehen. Dieses sagt in Kapitel 2, zweiter Abschnitt: „Das hochgräffl. Guth Baruth ist mit denen hohen und niederen Gerichten belehnt, und wird von der Herrschaft das Gericht, durch einen, sowohl überhaupt ad Acta, als auch zu dieser Function insbesondere verpflichteten Gerichts Directorem, und denen hierzu verordneten und verpflichteten Schöppen, ordentlich bestellet; Welche sowohl in Criminalibus als anderen Fällen, nach denen hiesigen Ortes Gewohnheiten, Landes-Constitutionen und allgemeinen Rechten, im Nahmen der Gerichts-Herrschaft decidiren.“ 156 Von Schöffen, die als Vertreter ihrer Rechtsgemeinschaft ausschließlich allein Urteil finden, ist nicht mehr die Rede. In beispielsweise der Sache des Müllers Vogel gegen den Gärtner Baderk entschied der Baruther Gerichtsverwalter Ende des 18. Jahrhunderts allein, jedoch nach Urteilseinholung bei der Leipziger Juristenfakultät.157 Auch nach einem Gerichtsprotokoll des Baruther Patrimonialgerichts vom 19. September 1705 erfolgte der gerichtliche „Bescheidt“ allein durch den „Gerichtsverwalter“, der diesen – Bestandteil des Protokolls – auch nur allein unterschrieb. Dies bestätigen sämtliche Eintragungen in diesem und den zeitlich nachfolgen155 156 157

StA Breslau, Muskauer Hofgerichtsordnung, Bl. 50 ff. StFilA Bautzen, Urbarium Baruth, unpaginiert. StFilA Bautzen, Vogel gegen Baderk, Bl. 46 ff.

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D. Grundherrschaften

den Gerichtsprotokollbänden, und zwar soweit es sowohl Zivil- als auch Strafsachen betrifft.158 Insbesondere die „Instruction“ des Baruther Grundherrn an den „Baruthischen Verwalter Johann Pachteln“ von 1706 beinhaltet, daß dieser hinsichtlich „Gerichts Sachen“, soweit diese von „Wichtigkeit“ seien, nur „auf Befehl“ der Herrschaft, bei deren Abwesenheit mit „Rath“ „des Herrn Murri in Budißin“, wohl eines Juristen, handeln dürfe. „Schlechtere Sachen aber können von ihm [dem Gerichtsverwalter – HvS] selbst, so es auch der Nothdurft mit Zuziehung des Herrn Pfarrers, bey denen Gerichten vorgenommen und verglichen werden.“ 159 Nach einer Bestallungs- und Instruktionsurkunde des Baruther Gerichtsherrn an den neuernannten Gerichtsverwalter von 1782 hatte dieser „die vorfallenden Gerichts-Sachen, sowohl in Civil- als Criminal-Fällen, seiner abgelegten Pflicht nach, mit dem ihm zugeordneten Amts-Actuario treulich und fleißig zu expediren, männiglich, sowohl den Reichen, als den Armen, Herrn, Unterthanen und Fremden, jus et justitiam unpartheyisch, und ohne Ansehen der Person zu administriren, insonderheit die vorkommenden Streitigkeiten unter denen Unterthanen, wo möglich in der Güte, in deren Entstehung aber durch rechtliche Weisung [. . .] beizulegen.“ In schwierigen „Civil- und Criminal-Fällen“ ist um rechtliche Erkenntnis bei einer „Discasteria“ in den „Churfürstl. Sächs. Landen“ zu bitten.160 Die Entscheidungsfindung erfolgte hiernach ohne Schöffen allein durch den Gerichtsverwalter mit Zuziehung des Aktuars. Soweit es das neben dem Patrimonialgericht weiterhin ab und an auf Befehl der Herrschaft gehaltene Drei-/Jahrding angeht, wurden Entscheidungen des Dreidings der Baruther Gerichtsherrschaft, das 1676 in Baruth abgehalten wurde, zwar in Gegenwart von Gerichtsschöffen, jedoch allein vom Vertreter der Gerichtsherrschaft, in dem Fall einem „Notarium Publicum“, also einem hierzu besonders bestellten öffentlichen Notar, gefällt.161 Nach allen hier genannten Quellen fand jedenfalls Funktionsteilung bei der Urteilsfindung nicht mehr statt, sondern es handelten allein- beziehungsweise miturteilende Richter. Dies gilt auch hinsichtlich Vergleichen. So erfolgte 1808 ein Vergleich vor dem Patromonialgericht Gaußig vor dem Gerichtsverwalter im „Beysein“ der Schöffen, die alle hinter dem Gerichtsverwalter unterschrieben.162 Auch wenn der Grundsatz der Funktionsteilung inhaltlich aufgehoben war, hielt sich dieser regelmäßig äußerlich im Rahmen der Gerichtshegung, die der Struktur nach stets den mittelalterlichen Formeln, die auch auf anderen Herrschaftsebenen gebräuchlich waren, glich.163

158

Vgl. z. B. StFilA Bautzen, Baruthische Registraturen, unpaginiert. StFilA Bautzen, Gerichtsprotokolle Baruth 1705–1713, unpaginiert. 160 StFilA Bautzen, Bestallung, unpaginiert. 161 StFilA Bautzen, Dinglich Gerichte zu Baruth, unpaginiert. 162 StFilA Bautzen, Gerichtsprotokoll Brösa, unpaginiert. 163 Beispiel ist eine Hegungsformel des „Gedings-Gerichts auf der landvogteilichen Seidau“ von 1693: „Der Richter auf der Seidau hebet an und spricht zum ersten Schöp159

I. Grundherrliche Gerichte

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Was die übrigen Gerichtspersonen im engeren Sinn betrifft, verfügten auch die grundherrlichen Gerichte oft über Gerichtsfronen und Schreiber. Mitter konnte Schreiber etwa hinsichtlich der Zittauer Ratsdörfer nachweisen. Der Schreiber war stets ein Mitglied einer Dorfgemeinde, der das betreffende Schöffenbuch zu führen hatte.164 Hinsichtlich der Dörfer etwa des Domstifts St. Petri zu Budißin sind dagegen keine Schreiber nachgewiesen. Hier jedoch liegen Nachweise auf das Vorhandensein von Gerichtsfronen vor. So befinden sich im Diözesanarchiv Bautzen mehrere Akten, die Anstellung und Unterhaltung der Gerichtsfronboten beziehungsweise Gerichtsdiener betreffend.165 In der Standesherrschaft Muskau bestand nach der Hofgerichtsordnung von 1700 nebem dem Amt des „Secretarii“, der die Kanzlei des Hofgerichts zu führen hatte und dessen Amt ständig von einem Assessor wahrgenommen wurde, nach Kapitel VI das Amt des „gepen: Demnach im Namen Gottes des Allmächtigen, und dann im Namen des [Landesherrn als Grundherrn und auf Befehl des Landvogts] auf heutigen Tag das Gedings-Gericht einem jedem, der etwas vor- und anzubringen hat, zu seinem Rechte gehegt und gehalten werden soll. Als sei der erste Schöppe gefragt: Ob es an der Zeit sei, im Namen Gottes und [des Landesherrn und auf Befehl des Landvogts] das Gedings-Gericht zu hegen? Der erste Schöppe antwortet: Herr Richter, weil Euch die Gerichte anbefohlen und Leute vorhanden sind, die bei diesem hochlöbl. Gedings-Gerichte zu tun und zu schaffen haben, als möget Ihr, im Namen Gottes und des [Landesherrn] wie auch [auf Befehl des Landvogts] auf heutigen Tag das Gedings-Gericht, einem jeden, der etwas vor- und anzubringen hat, zu seinem Rechte hegen; Hierauf fragt der Richter den anderen Schöppen: Der andere Schöppe sei gefragt: Wie ich im Namen Gottes und [des Landesherrn] und dann [auf Befehl des Landvogts] dieses Gedings-Gericht hegen soll? Der andere Schöppe antwortet: Herr Richter, gebietet Recht und verbietet Unrecht, auch alles Dinges Unlust, und das niemand vor dieses Gedings-Gerichte vortrete, sein selbst oder anderes Wort zu reden, er tue es denn mit Erlaubnis des Gerichtes. Darauf hegt der Richter das Gericht folgender Gestalt: Hierauf hege ich im Namen der heiligen hochgelobten Dreifaltigkeit, Gottes des Vaters, Gottes des Sohnes und Gottes des heiligen Geistes, und dann im Namen [des Landesherrn] und auf [des Landvogts Befehl] dies löbliche Gedings-Gericht: Ich hege es zum ersten Mal, ich hege es zum andern Mal, ich hege es zum dritten Mal; ich gebiete Recht und verbiete Unrecht, auch alles Dinges Unlust, und daß niemand vor dieses ordentliche Gedings-Gericht vortrete, sein selbst oder eines andern Wort zu reden, er tue es denn mit Erlaubnis des Gerichtes. Hierauf fragt der Richter den dritten Schöppen: Der dritte Schöppe sei gefragt: Ob ich im Namen Gottes und [des Landesherrn] und dann [auf Befehl des Landvogts] das GedingsGericht genügsam gehegt habe? Der dritte Schöppe antwortet: Herr Richter, Ihr habt dieses hochlöbliche Gedings-Gericht genügsam geheget, einem jeden zu seinem Rechte, von Rechts wegen. Darauf spricht der Richter: Das danke Gott und dem Rechte“ (StFilA Bautzen, Gedingsgericht Seidau, unpaginiert). Weitere neuzeitliche Gerichtshegungsformeln grundherrlicher Gerichte anderer Gegenden des Untersuchungsgebiets sind etwa bei Knothe und Mitter abgedruckt (Knothe, Gutsuntertanen, S. 218 f.; Mitter, Gerichtsverfassung, S. 100 ff.). Ausnahme ist etwa die Gerichtshegung gemäß der Berna’schen Gedingeordnung von 1654, die zwar einen ähnlichen Wortlaut aufweist, die aber das im Rahmen der Funktionsteilung zwischen Richter und Schöffen vorhandene Wechselspiel von Urteilsfrage des Richters und -antwort des gefragten Schöffen zugunsten eines lediglich vom Richter abgelesenen Textes ohne Dialog aufgibt (UB Breslau, Berna’sche Gedingeordnung, Bl. 3 b). 164 Mitter, Gerichtsverfassung, S. 39 ff. 165 Vgl. etwa DA Bautzen, Gerichtsfronboten, unpaginiert.

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D. Grundherrschaften

schwohrnen Bothen dieses Hoff Gerichts“.166 Die beim Oberamt zugelassenen Anwälte praktizierten auch vor diesen Gerichten. 2. Gerichtsort/-zeit Das grundherrliche Gericht fand im gesamten Ostsiedlungsraum ursprünglich regelmäßig im Dorf, und zwar in dem, aus dem die Parteien stammten, nicht am Herrschaftssitz statt. Dies geschah weniger aus Entlastungsgründen als vielmehr deshalb, weil das Urteil durch Angehörige der Dorfgemeinde gefunden wurde und durch die Abhaltung des Gerichts im betreffenden Dorf deutlich wurde, daß das Recht der betreffenden Rechtsgemeinschaft angewandt wurde. Oftmals wurde auch in einem Dorf für mehrere Dorfgemeinden einer Grundherrschaft Gericht gehalten. Im Gegenzug hatte die Dorfgemeinde (der Dorfvorsteher) der Gerichtsherrschaft und deren Vertreter(n) wie erwähnt Gastung zu gewähren (Dreidingsessen). Erst später, im Zuge der Patrimonialisierung der grundherrlichen Gerichtsverfassung, wurde es üblich, das Patrimonialgericht am Herrschaftssitz abzuhalten.167 Bezogen auf das Untersuchungsgebiet ergibt sich bereits aus der Lokationsurkunde von 1248, daß der Grundherr oder sein Vertreter dreimal im Jahr in das betreffende Dorf kamen, um dort das grundherrliche Gericht zu hegen. Insoweit hatte die Dorfgemeinde dem Richter des grundherrlichen Gerichts Gastung zu gewähren,168 Kennzeichen des grundherrlichen Gerichts. Mit der bereits genannten Urkunde von 1387 bestimmt der Offizial des Domstiftes St. Petri zu Budißin hinsichtlich des herrschaftlichen Gerichts des Domstifts in bezug auf die domstiftischen Untertanen in Göda, „quod ipse dominus Cantor [an den das Richteramt insoweit delegiert wird – HvS] habere debet et potest judiciariam potestatem tribus vicibus in anno, judicio praesidendo per se aut suum judicem substitutum in Godaw vel in Budissin in domo sua canonicali, prout sibi placuerit.“ 169 Hier wurde also freigestellt, das Gericht in Göda, also im Dorf selbst, oder in Budißin in der Behausung des Richters, mithin der Gerichtsherrschaft zu halten. Jedoch fanden weiterhin regelmäßig die Gerichtstage des Drei-/Jahrdings – es sei denn das Gericht wurde auf dem Dekanat abgehalten – im Dorf selbst statt.170 Die Statuten des landvogteilichen Dorfes Seidau von 1572 schreiben vor, daß das grundherrliche Gericht zweimal im Jahr in Seidau „an bequemer Stelle“ zu halten sei,171 so 1693 in „der Behausung des Richters auf der Seidau“, also des Dorfrichters.172 Zeitgleich wurde das grundherrliche 166

StA Breslau, Muskauer Hofgerichtsordnung, Bl. 10 ff., 13 f. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 123, 125 ff.; Menzel, Lokationsurkunden, S. 84, 269 ff. 168 RBM I, S. 562. 169 DA Bautzen, Jahrding Göda, unpaginiert. 170 Boetticher, Ortschaften, S. 41. 171 StFilA Bautzen, Seidauer Statuten 1572, unpaginiert. 172 StFilA Bautzen, Gedingsgericht Seidau, Bl. 355 f. 167

I. Grundherrliche Gerichte

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Gericht in einem Dorf für die Angehörigen dieses Dorfes beziehungsweise gleich für mehrere Dörfer zusammengefaßt gehalten, so etwa 1661 in Wehrsdorf173 oder 1681 in Kleinsaubernitz, hier nachweislich im Kretzscham174. Dies betraf auch etwa nach den Erkenntnissen Mitters und Naumanns die grundherrlichen Gerichte auf den Zittauer Ratsdörfern beziehungsweise in der Standesherrschaft Königsbrück, welche alle regelmäßig jeweils im Kretzscham tagten.175 Andererseits liegen bereits ab dem 16. Jahrhundert Nachweise für die Abhaltung des herrschaftlichen (Patrimonial-)Gerichts am Herrschaftssitz vor. Dies ergibt sich bereits für 1542 hinsichtlich des Domstifts St. Petri zu Budißin, wonach der Syndikus in einer Vermögensübertragung in Budißin handelte.176 Dies galt umso mehr für die spätere Zeit.177 Die Abhaltung des grundherrlichen Gerichts wurde auch in der Standesherrschaft Königsbrück spätestens Ende des 16. Jahrhunderts abgelöst durch Verhandlungen am Sitz der Herrschaft, dort in der Kanzlei (Amt) der Standesherrschaft Königsbrück. Die Gerichtstage auf den Dörfern verloren ihre praktische Bedeutung.178Auch nach der Muskauer Hofgerichtsordnung von 1700 waren die Hofgerichtstermine „in der Canzley zu Mußkau“ abzuhalten.179 Mit Oberamtspatent vom 18. Januar 1808 wurde angeordnet, daß „jährlich nach Beschaffenheit der Orte und der Menge der Sachen einige gewisse Gerichtstage an gewöhnlicher ordentlicher Gerichtsstelle zu halten, und den Unterthanen vorher anzukündigen [sei], damit jeder sich mit seinem Anbringen in Zeiten gefaßt halten kann. Die bisher, nach vorgekommenen Stillstande der Rechtssachen zu viertel- halben- und ganzen Jahren nicht selten gebrauchte Entschuldigung, daß während solcher Zeit keine Gerichtstag gehalten worden sey, ist daher für die Zukunft schlechterdings unstatthaft.“ 180 Die Abhaltung des Gerichts im Dorf selbst schien insbesondere wegen der Notwendigkeit der Anreise der Parteien vor allem aus weiter entlegenen Dörfern sachdienlich. Auf eine 1829 erfolgte landesherrliche Revision der Gerichte des Domstifts St. Petri erfolgte unter dem 17. Dezember 1830 eine Entschließung des Königs von Sachsen, wonach gerade für Parteien aus von Budißin „entfernteren“ Dörfern das grundherrliche Gericht wiederum im betreffenden Dorf abzuhalten sei.181 Wo genau im Dorf neben dem Kretzscham wohl seit ältester Zeit Gericht gehalten wurde, beantwortet der Blick auf ein Recht der Oberlausitzer Grundherr173 174 175 176 177 178 179 180 181

DA Bautzen, Gerichtstag Wehrsdorf, unpaginiert. StFilA Bautzen, Dinglich Gerichte zu Klein-Saubernitz, unpaginiert. Mitter, Gerichtsverfassung, S. 86 f.; Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 293. DA Bautzen, Entscheidung Martin Cappla, unpaginiert. Vgl. DA Bautzen, Bestellung der Syndici, unpaginiert. Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 293. StA Breslau, Muskauer Hofgerichtsordnung, Bl. 15. KW V, S. 29. DA Bautzen, Revision 1829, unpaginiert.

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D. Grundherrschaften

schaften gegenüber ihren Untertanen, nämlich jenes auf sämtliche, auch auf Grund und Boden der Untertanen wachsende Eichen und andere Bäume. So heißt es in einer Bestätigung Christian Gottlob v. Luttitz’ auf Schönau gegenüber Johann Heinrich v. Zezschwitz aus dem Jahr 1711, „daß in meinen beiden Dörfern Schöne und Schmerlitz von undenklichen Zeiten her weder bey mir, noch meinem seel. Vater und Großvater p. kein Bauer befugt und berechtiget, eine Eiche, Buche, Linde, noch Ebißbaum, wenn sie gleich auf seinem Grund und Boden stehen, umbzuhauen und zu verkaufen oder sonst zu veräußern, sondern es bleiben solche allzeit der Herrschaft eigenthümblich, sie mögen auch stehen, wo sie wollen, und darf sich kein Unterthaner ohne herrschaftlichen expressen Consens nicht einmahl zu verbauen anmaßen.“ 182 Daß dieses Recht auf den Ort der Gerichtsausübung hinweist, ergibt sich aus folgender Überlieferung aus den Rügen von Pielitz von 1713: „Auch ist keinem Untertan erlaubt ohne Vorbewußt der Herrschaft Eichen, Buchen und Ebischbäume abzuhauen, weil Eichen, Buchen zum Obergerichten, Ebischbäume aber zum Vogelfang als ein herrschaftliches Regale gehören.“ 183 Bei dem Recht handelte es sich nach einem Oberamtsgutachten von 1735 um ein „bekanntes und rechtsbewährtes Herkommen in dem Marggrafthum Oberlausitz“ 184. Hinsichtlich dem Untersuchungsgebiet benachbarter Landschaften ist nachgewiesen, daß grundherrliche Gerichte des Mittelalters regelmäßig einmal bis dreimal in einem Dorf der Grundherrschaft stattfanden, wobei das erste Ding im Frühjahr, das letzte im Herbst gehegt wurde. Bisweilen wurden sie viermal jährlich abgehalten. Sie hießen folglich etwa Jahrdinge oder Dreidinge. Diese wurden mit der Zeit immer seltener gehalten, bis sie ganz aufhörten.185 Soweit es das Untersuchungsgebiet betrifft, verpflichtet sich der Grundherr mit der bereits erwähnten Lokationsurkunde von 1248, dreimal im Jahr das Dorfgericht zu hegen, damit über versäumte Dinge gerichtet werde.186 Mit der ebenfalls bereits genannten Urkunde von 1387 bestimmt der Offizial des Domstiftes St. Petri zu Budißin hinsichtlich des herrschaftlichen Gerichts des Domstifts in bezug auf die domstiftischen Untertanen in Göda, „quod ipse dominus Cantor [an den das Richteramt insoweit delegiert wird – HvS] habere debet et potest judiciariam potestatem tribus vicibus in anno, judicio praesidendo per se aut suum judicem substitutum.“ 187 Auch dieses Gericht war mithin dreimal im Jahr zu halten. Andererseits ergibt sich bereits aus spätmittelalterlichen Quellen, daß sich an anderen Orten 182

Abgedruckt bei Boetticher, Adel I, S. 74. Abgedruckt bei Boetticher, Adel I, S. 74 f. 184 Abgedruckt Lausitzisches Magazin 1768, S. 372. 185 Vgl. hinsichtlich der einzelnen Landschaften Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 122, 128; Helbig, Landgemeinde, S. 106; Menzel, Lokationsurkunden, S. 84, 244, 269 ff. 186 RBM I, S. 562. 187 DA Bautzen, Jahrding Göda, unpaginiert. 183

I. Grundherrliche Gerichte

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nicht an feste Gerichtszeiten gehalten wurde. In einer Urkunde verkauft der Kamenzer Bürger Hans Kunad als Grundherr von Gelenau zwar nicht das gesamte Dorf, jedoch sechs Männer in Gelenau samt Zinsen und Diensten sowie oberen und niederen Gerichten an den Rat der Stadt Kamenz. Dadurch entstanden zwei grundherrliche Gerichtszuständigkeitsbereiche, nämlich der des Gerichts des Grundherrn Hans Kunad und der des Gerichts der Stadt Kamenz. Deshalb erfolgte folgende Vereinbarung: „Wir [Hans Kunad und seine Frau – HvS] ensullen nach enwollen ouch uber dy vorkouften menner nichten dingen [. . .], sundern wen wir ader unser nachkomlinge zcu Gelno dingin wollin, so sullen wirs dy von Kamencz wissin lossen, ab sy denn mit iren mennern ouch dingin wollin, das sie denn selber darczukomen und uff ire menner dingin wollin, wie en das biqueme ist. Ouch ab sich uff den vorkoufften gutren ichtes vorliffe darumme dingens noth were, ader sy villichte sust uff yre menner dingin wolden, so mogin sy mit dem richter eine bang bistellen, wie uffte es noth geschiet, ungehindert und an gefere.188 Feste Gerichtszeiten bestanden also insoweit nicht (mehr). Nach der Ordnung des landvogtelichen Dorfes Seidau von 1572 war grundherrliches Gericht „zum wenigsten“ das Jahr zweimal zu halten.189 Die Berna’sche Gedingsordnung von 1654 verlangt drei Gerichtstage. Ein Gerichtstag war „ohn gefahr Acht Tage zu vor“ anzukündigen.190 Wenig später muß vielerorts die Anzahl der festen Gerichtstage bezogen auf das Jahr und überhaupt zurückgegangen sein. Der 1693 gehaltene Gerichtstag auf der landvogteilichen Seidau wurde von der Grundherrschaft, hier der Landesherrschaft, nachdem lange keiner mehr stattgefunden hatte, angesetzt und drei Sonntage vorher von der Kanzel verkündigt, um „eingerissene[r] Unordnung“ „fürzubauen“ und um „Beschwerden“ der Gerichte und der Gemeinde „abzuhelfen“.191 Nach dem Protokoll des Gerichtstages zu Wehrsdorf 1661 „befand“ die Grundherrschaft „für nötig“, „einen Gerichtstag zu halten“, nachdem „kein Gerichtstag bei Menschengedenken gehalten worden.“ 192 In der Grundherrschaft Baruth wurde weiterhin „Gedings-Tag“ in Kleinsaubernitz jährlich einmal gehalten, wie sich aus dem bereits genannten Protokoll eines Gerichtstages im Jahr 1681 ergibt.193 1707 resolvierte der Standesherr auf Muskau, daß „förderlichst die längst schon im Gebrauch gewesenen sogenannten Ehegedingsgerichte und zwar anfänglich von Ort zu Ort sowohl im Frühling als auch zur Herbstzeit wieder gehalten und jedermann seine Notdurft dabei kurz und bescheidentlich vorzubringen erlaubt [. . .] werden möchten.“ 194 Dies entspricht den Erkenntnissen etwa Boelckes, Boetti188 189 190 191 192 193 194

CDS II, 7, S. 78 f., 79. StFilA Bautzen, Seidauer Statuten 1593, unpaginiert. UB Breslau, Berna’sche Gedingsordnung, Bl. 2. StFilA Bautzen, Gedingsgericht Seidau, unpaginiert. StFilA Bautzen, Gerichtstag Wehrsdorf, unpaginiert. StFilA Bautzen, Dinglich Gerichte zu Klein-Saubernitz, unpaginiert. Abdruck bei Boelcke, Muskau, S. 57.

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D. Grundherrschaften

chers, Knothes und Mitters, die bezogen auf das gesamte Untersuchungsgebiet beziehungsweise einzelne Gegenden darin beobachten, daß mit der Zeit der Brauch der Haltung von Drei-/Jahrdingen zu feststehenden Zeiten einmal beziehungsweise mehrmals im Jahr zugunsten bei Bedarf einberufener Gerichtstage in Verfall geraten war.195 Nach der Muskauer Hofgerichtsordnung von 1700 war das „Hoff Gerichte [. . .] jährlich dreymahl, alß das Erstemahl Montags nach Esto mihi, das andere Montags nach Mariae Heimsuchung und der dritte Montags nach Allerheiligen gehalten werden.“ Bei Feiertagen war der jeweils nachfolgende Tag anzusetzen. Die Gerichtstage begannen „beim Esto mihi Termine“ morgens um acht Uhr und dauerten bis elf Uhr, nachmittags von zwei bis fünf Uhr. An Mariae Heimsuchung begann der Gerichtstag bereits um sechs und endete um zehn Uhr. Nachmittags blieb es bei der vorherigen Regelung. Beim Termin nach Allerheiligen begann der Gerichtstag um um sieben Uhr und dauerte bis elf Uhr. Nachmittags blieb es bei der vorherigen Regelung. Die Termine konnten vom Hofrichter oder „Direktor“ verlängert werden.196 Auch etwa das Gericht des Domstifts St. Petri wies feste Gerichtszeiten auf, dessen „gewöhnliche Gerichts-Tage“ mittwochs und freitags stattfanden.197 Hinsichtlich anderer, etwa kleinerer Grundherrschaften sind feste Gerichtszeiten nicht überliefert. 3. Ergebnis Die Gerichte in den Grundherrschaften im Untersuchungsgebiet, die grundherrlichen Gerichte (Jahr-/Dreidinge, Patrimonialgerichte) weisen ihren Strukturen und Entwicklungen nach keine Besonderheiten gegenüber den Gerichtsverfassungsverhältnissen des übrigen Ostsiedlungsraums, insbesondere benachbarter Landschaften auf. Die Verfassung des Jahr-/Dreidings beinhaltete von Anfang an ein starkes herrschaftliches Element. Neben dem dem Grundherrn beziehungsweise seinem Vertreter (Gerichtshalter) oder einer eigens für den Gerichtstag von diesem oder seinem Vertreter ausgewählten und ernannten Person erscheinen Schöffen, die regelmäßig der Rechtsgemeinschaft(en) der Partei(en) entstammten, also (paritätisch) Vertreter der Dorfgemeinde(n), für die das Gericht gehalten wurde. Es handelte sich meist um die Dorfgerichtspersonen. Als Richter handelte später meist nicht (mehr) der Dorfrichter, sondern eine eigens und nur für diesen Gerichtstag bestellte auch ortsfremde Person, etwa ein Schulmeister eines Nachbardorfes, der Verwalter oder Gerichtshalter des Grundherrn, ein Advokat oder eine andere juristisch gelehrte Person. Zwischen Grundherrn und Richter bestand 195 Boelcke, Verfassungswandel, S. 279; Boetticher, Ortschaften, S. 10 f.; Knothe, Gutsuntertanen, S. 218; Mitter, Gerichtsverfassung, S. 65 ff. 196 StA Breslau, Muskauer Hofgerichtsordnung, Bl. 15 f. 197 DA Bautzen, Bestellung der Syndici, unpaginiert.

I. Grundherrliche Gerichte

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eine durch Eid verdeutlichte Rechtsbeziehung. Die Schöffen wurden von der Grundherrschaft ausgewählt und ernannt oder zumindest von ihr die von der jeweiligen Dorfgemeinde präsentierten Personen bestätigt. Pflicht der Gerichtspersonen, Richter und Schöffen, war auch hier, gerecht und unbeeinflußt ohne Ansehung der Person zu handeln. Regelmäßig erscheinen in der Frühen Neuzeit inhaltsgleiche Richter- und Schöffeneide. Dies zeigt, daß auch personelle Funktionsteilung in aller Regel nicht mehr bestand. Auch im Untersuchungsgebiet wurde das ursprünglich hier geltende dinggenossenschaftliche Prinzip auf Ebene der grundherrlichen Gerichte ab Beginn der Frühen Neuzeit inhaltlich zurückgedrängt, auch wenn der organisatorische Grundsatz der Scheidung in Richter und Schöffen regelmäßig beibehalten wurde. So wurden die alten Jahr-/Dreidinge abgelöst von am Herrschaftssitz jeweils angesiedelten Patrimonialgerichten, an deren Verhandlungen und Entscheidungen Angehörige der Rechtsgemeinschaft der Partei als Schöffen zumindest in größeren Sachen regelmäßig zwar teilnahmen, aber nicht mehr beziehungsweise nicht mehr allein das Urteil fanden. Das Laienurteil wurde hier ersetzt durch den oft in einem schriftlichen, nicht unmittelbaren Verfahren allein- oder jedenfalls miturteilenden juristisch (halb-)gelehrten (ständigen) Richter (Gerichtshalter, -verwalter), der von der Grundherrschaft ausgewählt und ernannt wurde. Dies konnte ein in der nächsten Stadt niedergelassener Advokat oder ein Stadtsyndikus oder Bürgermeister sein, der dieses Amt als einzige Tätigkeit beziehungsweise zusätzlich zu der weiteren Tätigkeit wahrnahm. Wurden Schöffen im Rahmen des zwar weiterhin bekannten, jedoch immer seltener tagenden alten Jahr-/Dreidings hinzugezogen, unterlag deren Urteil der Überprüfung und Möglichkeit der Kassierung durch die Grundherrschaft beziehungsweise deren Vertreters, etwa des Gerichtshalters, beziehungsweise wurde dieses auch hier vom Vertreter der Grundherrschaft gefunden. Der Grundsatz der Funktionsteilung bei der Urteilsfindung war jedenfalls auf Ebene der grundherrlichen Gerichte in der Frühen Neuzeit aufgegeben. Besonders gut dokumentiert ist das Hofgericht Muskau, wo um 1700 ein gelehrter Schöffe, der nicht zwingend der dem Gericht unterworfenen Rechtsgemeinschaft angehören mußte, alle, auch die richterlichen Funktionen bei der Entscheidungsfindung auf sich vereinte. Für die hier untersuchten zahlreichen grundherrlichen Gerichte verteilt über das gesamte Untersuchungsgebiet kann demnach festgestellt werden, daß in der Frühen Neuzeit, mithin zur Zeit der Gutsherrschaft das grundherrliche Gericht als Rechtsprechungskörperschaft im Sinne des dinggenossenschaftlichen Prinzips als feste und verläßliche Struktur gemeindlicher Autonomie ausgefallen war. Dies deckt sich mit den bereits eingangs kurz wiedergegebenen Ergebnissen Ruderts bezogen auf die von ihm untersuchten Orte im Untersuchungsgebiet und Sˇtefanovás hinsichtlich der benachbarten böhmischen Herrschaft Friedland. Gerichtsort des Jahr-/Dreidings war regelmäßig das Dorf, in dem das Gericht tagte, das des Patrimonialgerichts wie mancherorts manchmal auch des Dreidings

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D. Grundherrschaften

der Sitz der Gerichtsherrschaft. Die Gerichtszeit des Jahr-/Dreidings fand – wie der Name schon aussagt – im Mittelalter regelmäßig dreimal, zumindest einmal im Jahr statt. Später wurde dieses Gericht immer seltener gehegt. In manchen Grundherrschaften wie etwa der großen Grundherrschaft des Domstifts St. Petri zu Budißin bestanden feste Gerichtszeiten des am Herrschaftssitz tagenden Gerichts. Hinsichtlich anderer, regelmäßig kleinerer Grundherrschaften ist eine feste Gerichtszeit des Patrimonialgerichts nicht stets überliefert.

II. Dorfgerichte/Gerichte in den grundherrlichen Städten Das grundherrliche Gericht ist wie dargestellt abzugrenzen vom Dorfgericht. Im Zusammenhang mit der Verleihung beziehungsweise Bestätigung eines eigenen Dorfrechts nach dem ius teutonicum im Rahmen von Ostsiedlung und Landesausbau vom Siedlungsgeber zugunsten der jeweils in Dorfgemeinschaften siedelnden Bauern, mithin Exemtion von Zuständigkeiten landesherrlicher oder grundherrlicher Gerichte entstanden im Ostsiedlungsraum, insbesondere in den dem Untersuchungsgebiet benachbarten Landschaften198 jeweils eigenständige Dorfgerichte mit in sachlicher Hinsicht bestimmter Zuständigkeit bezogen auf die jeweilige Dorfrechtsgemeinschaft beziehungsweise die Dorffluren. Sachsenspiegel-Landrecht III 79 § 2 spricht in Anerkennung der tatsächlichen Verhältnisse vom „sunderlichen dorfrecht“. Die Buch’sche Glosse nennt darauf bezogen das „schlichte burding“. Hinsichtlich des Untersuchungsgebiets sind zunächst Urkunden und Rechtsbücher mit Bezug zum Untersuchungsgebiet heranzuziehen. Früheste nichturkundliche Quelle hinsichtlich dörflicher Verhältnisse sind die Urbarien/Zinsregister. Das älteste heute bekannte Zinsregister, das des Klosters St. Marienstern von 1374,199 wird ebenso berücksichtigt. Auch sind neben den städtischen Gerichtsbüchern, in die oftmals auch gerichtliche Angelegenheiten der Dorfgemeinden eingetragen wurden, die bereits angesprochenen Dorfschöffenbücher heranzuziehen. Das älteste Dorfschöffenbuch ist, soweit ersichtlich, das von Rengersdorf bei Görlitz von 1444.200 Die heute noch vorliegenden Dorfordnungen, die ab dem 15. Jahrhundert einsetzen, enthalten in der Masse keine weiterführenden gerichtsverfassungsrechtlichen Regelungen.201 Ausnahme sind etwa die 1572, um „die Justitien zu befördern“, vom Landesherrn (Land198 Folgendes nach Bader/Dilcher, Rechtsgeschichte, S. 148 f.; hinsichtlich der einzelnen Landschaften im Ostsiedlungsgebiet Menzel, Lokationsurkunden, S. 80 ff., 84 f., 269 ff.; Schlesinger, Gemeindebildung, S. 46 ff., insb. 53 f.; ders., Gerichtsverfassung, S. 118 ff.; Helbig, Landgemeinde, S. 107 ff.; Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 58 ff.; Kühns, Gerichtsverfassung I, 156 ff.; II, S. 145 ff. 199 Haupt/Huth, Zinsregister. 200 Über die Dorfschöffenbücher im Untersuchungsgebiet Boelcke, Verfassungswandel, S. 258 ff. m.w. N. 201 Hierzu Menzel, Dorfordnung, 1 ff. m.w. N. auf gedruckte Dorfordnungen.

II. Dorfgerichte/Gerichte in den grundherrlichen Städten

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vogt) erlassenen Statuten des landvogteilichen, mithin über die Zeitläufte hinweg landesherrlich verbliebenen Dorfes Seidau,202 die auch Elemente einer Gerichtsordnung enthalten. 1676 erhielt Seidau eine neue Dorf- und Gerichtsordnung.203 1. Gerichtspersonen a) Gerichtsbesetzung Der Bauermeister204, wie er etwa im Sachsenspiegel erscheint, war als Dorfvorsteher auch Richter des Dorfgerichts. Dieser war mit einem Bauermeistergut zu Lehn ausgestattet.205 Hinsichtlich der nach dem ius teutonicum gestalteten Dörfer im Ostsiedlungsraum206 schob sich wie angesprochen zwischen (Landesoder/als) Grundherr als Siedlungsgeber/Dorfherr einerseits und Siedlungsverband andererseits regelmäßig eine Zwischeninstanz, der vom Siedlungsgeber/ Dorfherrn eingesetzte Lokator. Der Lokator erscheint vor allem in Böhmen, Brandenburg, Meißen und Schlesien als Richter des Dorfgerichts, gekennzeichnet durch das auch hier wiederkehrende, ihm vom Siedlungsgeber/Dorfherrn übertragene Richterdrittel. Der Siedlungsgeber/Dorfherr behielt sich regelmäßig die zwei Herrschaftsdrittel der Gerichtseinkünfte, die ihn mithin als Gerichtsherrn des Dorfgerichts kennzeichnen, ein. Im Mittelelbegebiet, in Brandenburg und in Schlesien wurde der Dorfvorsteher regelmäßig „scultetus“, Schulze, in Böhmen grundsätzlich „iudex“, Richter, genannt. In der Mark Meißen finden sich beide Begriffe. Auch erscheint der Dorfherr selbst von Anfang an als Richter des Dorfgerichts. Regelmäßig erfolgte durch den Siedlungsgeber/Dorfherrn eine Vergabe des Dorfrichteramtes zusammen mit einem Richtergut zur Ausstattung des Richters erblich zu Eigen oder Lehen. Richter war, wer das Richtergut innehatte. Das Richtergut bestand neben dem Richterdrittel aus den Gerichtsgefällen regelmäßig aus Freihufen, Mühlen und/oder Zinsverpflichtungen der Bauern gegenüber dem Richter, insbesondere in Böhmen und Schlesien, anders jedoch als in der Frühphase der Ostsiedlung im Mittelelbegebiet zudem mit dem Recht zur Einrichtung und Betreibung einer Schenke, verbunden mit einem Gewerbemonopol. Pflicht der Lehnrichter im Zusammenhang mit ihrem Lehngut 202

StFilA Bautzen, Seidauer Statuten, unpaginiert; vgl. Weinart, Rechte III, S. 262. KW I, S. 405 ff. 204 Lück, Bauermeister, Sp. 465 f. 205 Näher zum Dorfgericht des Sachsenspiegels und die Stellung des Bauermeisters darin Buchda, Dorfgemeinde, S. 20 ff. 206 Das folgende nach: Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 63 ff.; II, 59 f.; 113 f. (Böhmen); Kühns, Gerichtsverfassung I, 156 ff.; II, 145 ff., 167 ff., 243 ff. (Brandenburg); Lück, Gerichtsverfassung, S. 249 ff.; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 118 ff. (Meißen); Schlesinger, Gemeindebildung, S. 46 ff., 59 ff. (Mittelelbegebiet); Menzel, Lokationsurkunden, S. 84 ff., 214 f., 253 ff., 269 ff. (Mittelelbegebiet und Schlesien); Helbig, Landgemeinde, S. 107 ff.; Loesch, Verfassung, S. 132 ff. (Schlesien). 203

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D. Grundherrschaften

war neben der Schöffendienstpflicht im Vogtding/Landgericht vor allem der Roßdienst und die Gastungspflicht gegenüber dem Dorfherrn oder dessen Vertreter, wenn dieser das grundherrliche Gericht im Dorf hegte. Nach Ende der Lokation wurde der Lokator regelmäßig nicht abgelöst, sondern bekleidete fortan das ihm erblich zu Eigen oder Lehn vom Siedlungsgeber/Dorfherrn im Zuge der Lokation übertragene Amt des Dorfvorstehers, mithin Dorfrichters. Es handelte sich also um dinglich angebundene, erbliche Richterämter wie die der Erb-207 oder Lehnschulzen/-richter208. Jedenfalls ab dem Zeitraum des Übergangs von der Grundherrschaft zur Gutsherrschaft, die regelmäßig verbunden war mit dem Erwerb von Bauern-, gerade auch Richtergütern durch die Dorfherren, muß unterschieden werden in (soweit verblieben) dinglich angebundene, erbliche Richterämter sowie nicht dinglich angebundene wie die der Setzschulzen/-richter209 oder walzenden Richter, also nach Bedarf von den Grund-/Gutsherren bestellten Richtern (Bedarfsrichtern) ohne Richtergut, deren Amt mithin nicht vererblich war. Der Grundsatz, daß Richter war, wer das Richtergut innehatte, verlor nach und nach an Gewicht. Diese Verhältnisse wurden auch auf die altsorbischen Dörfer übertragen. Soweit es nach dem ius teutonicum neuausgesetzte beziehungsweise umgewandelte Dörfer im Untersuchungsgebiet betrifft, sind erstmals 1227 hinsichtlich des Untersuchungsgebiets, und zwar zuerst der hochstiftisch meißnischen Dörfer Goldbach und Belmsdorf bei Bischofswerda „sculteti“ als bischöfliche Zeugen nachgewiesen.210 Weitere „sculteti“ und „schultheissen“ erscheinen mit dieser Funktion wenig später.211 Daneben sind – sogar in Nachbardörfern zu „scultetus“-Dörfern – auch „iudices“ als Dorfvorsteher nachweisbar.212 Die „Judex“Dörfer gehören nach Boelcke einer jüngeren siedlungsgeschichtlichen Entwicklungsstufe als die „scultetus“-Dörfer an. Mithin sind die unterschiedlichen Bezeichnungen auf die Tätigkeit der von der Mark Meißen beziehungsweise von Böhmen aus handelnden Siedlungsgeber zurückzuführen. Auch insoweit stellt sich das Untersuchungsgebiet als „Mischlandschaft“ dar. In späterer Zeit hielt sich der Begiff Schulze nur noch in den nahe an Schlesien gelegenen Grundherrschaften des Untersuchungsgebiets, während sich im übrigen der Begriff Richter durchsetzte.213 Zunächst enthält die bereits genannte Lokationsurkunde von 1248 207

Schulze, Erbschulze, Sp. 1384 ff. Rödel, Lehnschulze, Sp. 1702 ff. 209 Schulze, Setzschulze, Sp. 1650. 210 CDS II, 1, S. 94 f., 95, Z. 23 f. Zu diesen näher Schlesinger, Kirchengeschichte II, S. 83 f. 211 Nachweise ab dem 14. Jahrhundert etwa in Haupt/Huth, Zinsregister, S. 29 ff. Nachweise für die spätere Zeit bei Knothe, Gutsuntertanen, S. 208. 212 RBM II, S. 1019; Haupt/Huth, Zinsregister, S. 29 ff. Vgl. Boelcke, Verfassungswandel, S. 230 ff.; Knothe, Gutsuntertanen, S. 208. 213 Näher Boelcke, Verfassungswandel, S. 230 ff., 233 m.w. N. 208

II. Dorfgerichte/Gerichte in den grundherrlichen Städten

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nähere Bestimmungen über Ausgestaltung und Ausstattung des Richteramtes: Der Grundherr Heinrich von Zittau behält sich zwei Drittel der Einkünfte des Dorfgerichts vor. Dem Lokator, der an anderer Stelle auch Richter genannt wird, wird der dritte Teil überwiesen. Dem Lokator wird „als Entschädigung für seine Mühe“ neben abgabepflichtigen Hufen eine abgabenfreie Hufe und eine Mühle mit allen Inseln, mit Gärten und Wald gewährt. Die „Leute im Dorf“ sind ihm gegenüber in bestimmtem Maß abgabenpflichtig. Die Dorfschenke soll zwar nicht vom Lokator selbst, jedoch „mit Bewilligung und Erlaubnis“ des Lokators und „unter dessen Herrschaft“ betrieben werden.214 Die Lokationsurkunde von ungefähr 1273 enthält folgende Regelungen: „Primo concedimus duos laneos libere cum taberna; insuper de sedecim laneis XV nobis cedent, sextus decimus vero laneus sibi cedat, quem pro se tenere, vel alii locare pro sua poterit voluntate. Item eidem unum molendinum concessimus liberaliter [. . .]. De omni etiam iudicio, et infra libertatis annos et extra, nobis duos denarios et dicto V. [Name des Dorfvorstehers215 – HvS] judici tertius omni jure cedet“.216 Dem Dorfvorsteher werden auch hier vom Siedlungsgeber, mithin in beiden Fällen den jeweiligen Dorfvorstehern Freihufen nebst einer Schenke, letztere wohl nur im Fall der Urkunde von 1248, da insoweit anders als in der Urkunde von 1278 nur von einer einzigen Schenke die Rede ist, mit einem Gewerbemonopol, sowie eine Mühle überlassen. Dem Dorfvorsteher wird in beiden Fällen der dritte Teil der Einkünfte des Dorfgerichts übertragen, was den Dorfvorsteher als Dorfrichter kenntlich macht, während zwei Drittel beim Dorfherrn verblieben, der somit in beiden Fällen als Gerichtsherr des Dorfgerichts erscheint. Es zeigen sich somit Übereinstimmungen mit den Inhalten der Lokationsurkunden, mithin mit den Verhältnissen in benachbarten Landschaften im 13. Jahrhundert. Dies trifft insbesondere hinsichtlich der Schenkenübertragung mit Gewerbemonopol auf Böhmen zu, indem es sich jeweils um Urkunden aus der böhmisch-oberlausitzischen Kontaktzone handelt.217 Jedoch auch im Westen des Untersuchungsgebiets, und zwar in altsorbischen Dörfern lassen sich frühe Nachweise für solche Richteramtsausstattung finden, nämlich aus dem 1374 beginnenden Zinsregister des Klosters St. Marienstern etwa bezogen auf das Dorf Bernbruch: „Judex Nickil habet 1/2 mansum, et habet 1/2 mansum des predicto 11/2 manso libere et iure feodali et heredes sui ad iudicium [. . .]. Idem Judex Nickil habet 1/2 mansum a domina abbatissa, de quo percipit censum per se in iudicium suum. Item habet 1 molendinum a domina abbatissa, de quo eciam censum percipit. Item habet 2 (h)ortos a domina abbatissa, qui dant sibi eciam censum in iudicium. Item predictus Judex tenetur dare advocato ex parte abbatisse tribus vicibus prandium in anno, si opus 214

RBM I, S. 562; deutsche Übersetzung: Prochno, Urkunde. Vgl. Opitz, Stadtgründungsurkunde, S. 1. 216 RBM II, S. 1019. 217 Vgl. Boelcke, Verfassungswandel, S. 512 ff. Eine genaue vergleichende Darstellung muß anderen Untersuchungen vorbehalten bleiben. 215

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D. Grundherrschaften

fuerit, et nullam pecuniam tenetur de hoc solvere.“ 218 Als Amtsausstattung dieses Richters und seiner Nachkommen kehren also Freihufen nach Lehnrecht, eine Mühle und Gärten wieder. Auch dieser Richter war verpflichtet, dreimal im Jahr, also während der Gerichtstage des grundherrlichen Gerichts, dem grundherrlichen Vertreter Gastung zu gewähren. Diese Pflicht war nicht ablösbar. Außerdem erscheint an anderen Stellen des Zinsregisters die Pflicht von Lehnrichtern zum Roßdienst, so etwa „das gerichte zcu Radilwicz“, das „halden [sal] eynn pferdt.“ 219 Quellen aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts bestätigen das Bestehen dieser Verhältnisse auch hinsichtlich späterer Zeiten und weiterer Orte im Untersuchungsgebiet. Eine Urkunde des Stadtgerichts zu Marklissa („Lesze“), einer grundherrlichen Stadt, von 1442 beinhaltet Hinweise hinsichtlich des Richters des Gerichts zu Marklissa wie auch desjenigen des Dorfgerichts zu Wingendorf, hinsichtlich letzteren das Gericht zu Marklissa ein „Bekenntnis“ abgibt: „Ich Peter Beringer, gekorner und gesatzter stadrichter zur Lesze, und wir nochgeschreben schepphen daselbst Bart. Nickel, Peter Schmedt, Hans Kemppe der cleyne, Hans Kemppe der lange, Hans Kluge und Balthazar Schwach bekennen aus geheget bank und thun kunt [. . .], das [. . .] Hans Schulz yn dem Leymernen [Jecht meint wohl zurecht: aus Lehm gebauten220 – HvS] kretzscham haben mit rechte vor uns bracht [drei Dorfbewohner aus Marklissa, „unser methebewohner“, beziehungsweise „Ertmannsdorf“ – HvS] also umb ein bekenntnisz von der Wingendorffer wegen, was ehn wissentlich were von des gerichtis wegen ym Leymernen kretzschem, alzso haben sie eyntrechticlichen mit eynem worte durch recht bekannt, dos de Wenigendorff[er] yn doszelbe gericht gehort han und gehörn mit allen rechten [. . .]; und an allen bussen habe der richter daselbest den dritten phenning und an allen verseumpten tagen und ouch an allen frevelzeichen“.221 Die Auskünfte werden durch eine grundherrliche Urkunde von 1534 ergänzt: „Nachdeme sich irrungen und gebrechen zwischen der gemeynde des dorffes Wyngendorff genant an eynem und Michel Schultzen im Leihmen kretzschzam andern teils zugetragen, zum ersten dorumb, das gemeld Michel Schultze den neufe erbautten und auffgerichten krezscham im gemelten dorfe anzufechten hat vorgenomen, zum andern hat er etliche gerechtigkeit bey den eynwohnern des genanten dorffs vermeynet zu haben, als nehmlich, dasz [. . .] die eynwohner des gemeldten dorffes mit dem birgange und hochzeytzogen allewege nirgend anders wohin den ihn Leyhmen krezscham gehören [. . .]. Zum viertin so sollen im die eynwohner des dorffes Wyngendorff von wegen obgeschriebener artickel alle jar jehrlich eyn scheffel haber und 3 cleyne gr. zu geben schuldigk seyn“.222 Dem 218 219 220 221 222

Haupt/Huth, Zinsregister, S. 61. Haupt/Huth, Zinsregister, S. 41. CDLS IV, 1, S. 235, Anm. 2. CDLS IV, 1, S. 234 f., 235, Z. 1 ff. CDLS IV, 1, S. 236, Z. 1 ff.

II. Dorfgerichte/Gerichte in den grundherrlichen Städten

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Richter kam also ein Drittel zu. Es muß davon ausgegangen werden, daß die übrigen zwei Drittel dem Grundherrn als Gerichtsherrn zuflossen. Hans Schulz sowie Michael Schulz, letzterer wohl Nachkomme des ersteren, waren also jeweils Richter, und zwar als erbliche Inhaber eines Richtergutes, eines Kretzschams mit Gewerbemonopol. Auch aus einem Vergleich der Gemeinde Spreewitz mit ihrem Dorfrichter von 1444 ergibt sich der Zusammenhang zwischen Richteramt und Kretzschaminhaberschaft: „Und wenne dy gemeyne ir gemeynebir tringken wellin, als sie vor alders getan habin, daz sullin sie in dem kretschen tringken; und ab der richter uff dieselbe zyt ander geste habin würde, die sal her uff eynen ort schicken, daz sie von demselben in ir gemeyne nicht gedrangit werdin“.223 Boetticher ermittelte erstmals hinsichtlich der Domstiftsdörfer, Knothe in früherer und Boelcke in jüngerer Zeit sogar bezogen auf nach dem ius teutonicum gestaltete Dörfer im gesamten Untersuchungsgebiet und den Zeitraum zwischen 14. und 18. Jahrhundert eine Vielzahl von Beispielen für dinglich angebundene, zu Eigen oder zu Lehn ausgetane Richterämter mit jeweils vergleichbarer Ausstattung. Die Lehnrichtergüter waren weiterhin mit Lehnspflichten belegt. So hatte der Lehnrichter zu Königshain bei Ostritz seiner Lehnsherrschaft, der Äbtissin zu St. Marienthal, in Kriegszeiten sich selbst als Vasall – er besaß das Recht zum Tragen eines Schwertes – und zwei Mann mit Roß und Sattel aufzubieten. Der Lehnrichter zu Mittelherwigsdorf bei Zittau mußte seinem Lehnsherrn, dem Prior der Cölestiner auf dem Oybin, ein Lehnpferd halten „juxta morem bonorum feudalium“ und die Klosterbrüder „mit seinen Pferden, so oft sie es begehren und wohin sie wollen, auf sein Abenteuer führen“. Der Inhaber des Lehnskretzschams in Ebersbach bei Gersdorf stellte einen „Lehnklepper“. Der Erb- und Lehnrichter zu Großschönau verpflichtete sich 1580, Harnisch, Armbrust und Spieß ständig vorzuhalten. Bereits in der Dorfordnung des Dorfes Seidau von 1572 erscheint jedoch ein Dorfrichter ohne Richtergut, der mithin frei von der Grundherrschaft, dem Landesherrn, ein- uns absetzbar war.224 Vor allem aber hinsichlich des Zeitraums ab dem 17. Jahrhundert ist eine deutliche Verringerung der Anzahl der dinglich angebundenen Richterämter zu beobachten. Dies stand im Zusammenhang mit dem Übergang von der Grundherrschaft zur Gutsherrschaft, mithin mit dem Erwerb dieser Güter durch die jeweilige Grundherrschaft.225 Naumann konnte hinsichtlich der Standesherrschaft Königsbrück nachweisen, daß dieser Vorgang hier verstärkt in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts einsetzte. Folge war auch insoweit, daß anstelle des Erbrichters der von der Grundherrschaft frei ausgewählte und ernannte, mithin absetzbare Setzrichter ohne Gut und mit Besoldung trat. Hier ging das letzte dinglich angebundene erb223

CDLS IV, 1, S. 306, Z. 14 ff. StFilA Bautzen, Seidauer Statuten 1572, unpaginiert. 225 Nachweise bei Knothe, Gutsuntertanen, S. 208 ff.; ders., Klassen, S. 12 f.; Boetticher, Ortschaften, S. 5 ff.; Boelcke, Verfassungswandel, S. 230 ff. 224

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D. Grundherrschaften

liche Richteramt, nämlich das des Richters von Großgrabe Ende des 18. Jahrhunderts ein.226 Dies ist auch regelmäßig hinsichtlich der übrigen Standes- und sonstigen Grundherrschaften im Untersuchungsgebiet zu beobachten.227 Mitter konnte jedoch nachweisen, daß auf den Zittauer Ratsdörfern dinglich angebundene Richterämter auch noch in der Neuzeit, mithin im 18. Jahrhundert die Regel waren.228 Der Unterschied läßt sich vielleicht damit erklären, daß eine landesherrliche Stadt als Grundherrin möglicherweise weniger am Erwerb eines Richtergutes, mithin an der Übernahme bäuerlichen Besitzes in die eigene Bewirtschaftung im Rahmen der Gutsherrschaft interessiert war als ein adliger Grundherr, sie vielmehr an der Verfassung der Grundherrschaft festhalten, also bäuerlichen Besitz erhalten wollte. Soweit es die (überwiegend) wendisch/sorbisch besiedelten Dörfer im gesamten Ostsiedlungsraum betrifft, sind jedenfalls ab der Zeit der Ostsiedlung im Rahmen einer dreistufigen sozialen Differenzierung neben den untergeordneten Teilen der Landbevölkerung Supane229 und Witsassen230 nachgewiesen.231 Auch das Amt des Supans erscheint als Amt eines Vorstehers ein oder mehrerer Dörfer (Supanien)232 neben dem Richterdrittel aus den Gerichtseinkünften ausgestattet mit an Stellung und Funktion geknüpftem erblichem Eigen- oder Lehngut, verbunden etwa mit gewerblichen Monopolen wie der Brau- und Schankgerechtigkeit sowie mit Pflichten, insbesondere neben der bereits angesprochenen Schöffendienstpflicht im Vogtding/Landgericht mit der Roßdienstpflicht sowie der Gastungspflicht gegenüber dem Dorfherrn als Gerichtsherrn und/oder seinem Vertreter beziehungsweise seiner Begleitung, wenn das grundherrliche Gericht im betreffenden Dorf stattfand. Die Supane waren zwar von der übrigen Bevölkerung herausgehoben, stellten aber dennoch wie diese, insbesondere auch wie die Witsassen Liten, nach Entstehen der Gutsherrschaft Erbuntertanen dar. Funktion und Stellung der Supane und Starosten als Vorsteher von Dörfern beziehungsweise Personalverbänden (Starastien) erscheinen gegenüber der altsorbischen Verfassung (stark) abgewandelt, je nachdem, in welchem Grad sie bereits in die im Zuge der Ostsiedlung neu geschaffenen Verfassungsstrukturen einbezogen waren. Witsassen waren jetzt ebenfalls voll eingegliedert in die von der Ostsied-

226

Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 305. Vgl. Boelcke, Verfassungswandel, S. 241 ff. 228 Mitter, Gerichtsverfassung, S. 25 ff., 32. 229 Näher Hardt, Supan, Sp. 86 f. 230 Näher Hardt, Witsassen, Sp. 1461 ff. 231 Das folgende nach Lück, Supan; Herrmann, Slawen, S. 371 f.; Schlesinger, Verfassung, S. 84 ff., 88 ff., 90 ff.; ders., Gemeindsbildung, S. 44 ff.; ders., Landesherrschaft, S. 223 ff.; Leipoldt, Saupenverfassung, S. 159 ff., 167 ff. 232 Vgl. markgräflich meißnische Urkunde von 1181 hinsichtlich des Klosters am Lauterberg bei Halle: „seniores villarum, quos lingua sua supanos vocant“ (CDS I, 2, S. 308 ff., 309, Z. 26). 227

II. Dorfgerichte/Gerichte in den grundherrlichen Städten

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lung geprägten Verfassungsstrukturen. Sie sind nachgewiesen als Lehnbauern auf besonderen mit ihrer Stellung zusammenhängenden, geringer belasteten Lehngütern, mit denen neben der insoweit ebenfalls bestehenden Schöffendienstpflicht im Vogtding/Landgericht auch Verpflichtungen bezüglich Lehnpferden, Roßdienst, zusammenhingen.233 Anfang des 15. Jahrhunderts erscheinen regelmäßig anstelle der Benennungen Supan/Starost und Witsasse die Bezeichnungen Richter und Lehmann, was zeigt, daß der Vorgang der Einbindung der slawischen/ sorbischen Bevölkerung in den Geltungsbereich des ius teutonicum in diesem Zeitraum auch äußerlich zum Abschluß gekommen war. Nicht nachweisbar, aber anzunehmen ist, daß es auch als Supan und Witsasse bezeichnete Personen mit jedenfalls ähnlicher Stellung in der Sozialverfassung zu altsorbischer Zeit gab, ohne daß heute nähere Erkenntnisse insoweit vorliegen. Auch im Untersuchungsgebiet ist das Vorhandensein der geschilderten sorbischen Sozialverfassung zu beobachten.234 Dorfvorsteher eines oder jeweils mehrerer rein oder überwiegend sorbischer Dörfer sind im Untersuchungsgebiet nachweisbar ab dem 14. Jahrhundert, und zwar etwa als „supani“, „Starosten“, „Starazsen“. Witsassen/Lehmänner erscheinen etwas später etwa als „wiæaz“, „rusticus feudalis, vulgariter lehmann“ oder „homo cum equo serviens“.235 1225 ist in der Zeugenreihe einer Urkunde der Herren von Kamenz unmittelbar hinter dem Reichsministerialen Reinhard v. Strehla236 ein „merboto supan“ 237, 1241 in einer landesherrlichen Urkunde ein „Gallus suppanus“ 238 vor dem Edelfreien Günther v. Biberstein239 genannt. Diese sind jedoch ihrer sozialen Stellung nach wohl nicht mit den zur selben Zeit lediglich außerhalb des Untersuchungsgebiets nachweisbaren Dorfvorstehern zu vergleichen.240 Die erst ab dem 14. Jahrhundert im Untersuchungsgebiet nachgewiesenen Staroste – hier oftmals als Vorsteher einer Deditz-/Zeidlergenossenschaft – sind dagegen ihrer Stellung und Funktion nach mit den außerhalb des Untersuchungsgebiets nachgewiesenen Supanen vergleichbar.241 Als Vorsteher des Dorfes „Priczcewicz“ in der Grundherrschaft 233 Vgl. die bereits genannte markgräfliche Urkunde von 1181: „in equis servientes id est withasii“ (CDS I, 2, S. 308 ff., 309, Z. 26). 234 Näher Boelcke, Verfassungswandel, S. 387 ff.; Knothe, Klassen, S. 16 ff. 235 Boelcke, Verfassungswandel, S. 167, 235 f., 287. Nachweise bei Knothe, Gutsuntertanen, S. 204 ff.; ders., Klassen, S. 4 ff., insb. 9 ff. (Supane, Starosten), 13 ff. (Witsassen); Boelcke, Verfassungswandel, S. 51, Anm. 2; 52, Anm. 5; 236, Anm. 21 (Supane, Starosten); Frühe Nachweise von Starosten vor allem: CDLS III, S. 11, Z. 23 ff.; Klosterarchiv St. Marienstern, Nr. 212. 236 Vgl. Boelcke, Verfassungswandel, S. 51, 167, Anm. 3. 237 CDS II, 7, S. 1. 238 CDLS I, S. 58 f., 59, Z. 18. 239 Vgl. Boelcke, Verfassungswandel, S. 52, 167, Anm. 3. 240 Näher Boelcke, Verfassungswandel, S. 51 f., 167 f. 241 Boelcke, Verfassungswandel, S. 235 f, 287 ff., 387 ff.; Knothe, Gutsuntertanen, S. 204 ff.; ders., Klassen, S. 11.

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des Klosters St. Marienstern wird im 1374 beginnenden Zinsregister „Pawil Starasta“ genannt. Er ist der Liste der Dorfbewohner wie die „sculteti“ und „Judices“ vorangestellt, desgleichen „Petrus Starista“ hinsichtlich des Dorfes „Luthewicz“. Dieser hat nach der Quelle „1 mansum, et habet 1/2 mansum de predicto integro manso a domina abbatissa libere, de quo nichil dat census.“ 242 Bereits dies deutet auf Identität von Stellung und Funktion zwischen Supan/Starost und dem Schulzen/Richter. Mithin muß auch hinsichtlich des Untersuchungsgebiets davon ausgegangen werden, daß diese Ämter als im Zuge der Ostsiedlung gegenüber der ältersorbischen Verfassung abgewandelt erscheinen, ohne daß bekannt ist, wie die Verhältnisse vor dem Zeitraum der Ostsiedlung ausgestaltet waren. Nach und nach wurden denn die sorbischen Bezeichnungen durch deutsche ersetzt.243 Witsassen sind auch im Untersuchungsgebiet bis in die Neuzeit nachgewiesen, wobei auch hier der Begriff Leh(n)mann die Bezeichnung Witsasse ablöste. Sie erscheinen als Inhaber mit ihrer Stellung zusammenhängender, geringer belasteter Lehnbauerngüter, mit denen die genannten Verpflichtungen bezüglich Lehnpferden zusammenhingen, mithin ebenfalls als einbezogen in den Geltungsbereich des ius teutonicum. Auch den Witsassen kamen wie gesehen gerichtsverfassungsrechtliche Pflichten zu, indem sie wie erörtert dingpflichtig vor dem Vogtding/Landgericht waren.244 Die Witsassen spielten erkennbar weder außerhalb noch innerhalb des Untersuchungsgebiets eine Rolle in der nichtlandesherrlichen Gerichtsverfassung. Hinsichtlich der Schöffenbesetzung ist zunächst nach der Zuständigkeit der Dorfgerichte zu fragen. Die Dorfgerichte waren im gesamten Ostsiedlungsraum, vor allem in den dem Untersuchungsgebiet benachbarten Landschaften245 wie erörtert in bestimmten Sachen regelmäßig zuständig hinsichtlich der eigenen Angelegenheiten der betreffenden Dorfgemeide. Ssp.-Ldr. 79 § 2 spricht gerade hinsichtlich des Ostsiedlungsgebiets vom „sunderlichen dorfrechte“. Die Gerichtszuständigkeit des Dorfgerichts fußt auf von den landesherrlichen, mithin grundherrlichen Gerichten gewährter Immunität. Ssp.-Ldr. III 79 § 2 spricht das Verhältnis zwischen Dorfgericht und Landgericht im Neusiedelgebiet wie folgt an: „Kein uzwendig man ist ouch phlichtig in deme dorfe zu antwertene nach irme sunderlichen dorfrechte, sunder nach gemeinem lantrechte, her en klage da uf erbe adir 242

Haupt/Huth, Zinsregister, S. 64. Boelcke, Verfassungswandel, S. 167 f., 235 ff.; Knothe, Gutsuntertanen, S. 204 ff., insb. 206 ff. 244 Nachweise bei Knothe, Klassen, S. 14 ff. 245 Folgendes nach Bader/Dilcher, Rechtsgeschichte, S. 148 f.; hinsichtlich der einzelnen Landschaften im Ostsiedlungsgebiet: Böhmen: Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 58 ff.; Brandenburg: Kühns, Gerichtsverfassung I, 156 ff., II, S. 145 ff.; Meißen: Lück, Gerichtsverfassung, 242 ff.; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 118 ff., 125 ff.; Mittelelbegebiet: Schlesinger, Gemeindebildung, S. 46 ff., insb. 53 f.; Schlesien: Helbig, Landgemeinde, S. 107 ff.; Menzel, Lokationsurkunden, S. 80 ff., 84 f., 269 ff.; Loesch, Verfassung, S. 134 ff. 243

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uf gut adir umme schult“. Auch der Sachsenspiegel kennt mithin die Immunität des Dorfes im Neusiedelgebiet von der landesherrlichen Gerichtszuständigkeit zugunsten der Zuständigkeit des Dorfgerichts.246 Die Dorfgerichte im Ostsiedlungsraum durften beziehungsweise konnten im besten Fall auch in Obergerichten in ihren eigenen Angelegenheiten allein urteilen. Dem grundherrlichen Gericht kam insoweit nur im Rahmen der grundherrlichen Schutzherrschaft (subsidiäre) Zuständigkeit zu, oftmals nur auf Verlangen des Dorfgerichts. Die Zuständigkeit der Dorfgerichte veränderte sich je nach dem einzelnen Verhältnis zur Grundherrschaft und Epoche unterschiedlich. Gerade im Zusammenhang mit der Entstehung von Gutsherrschaft und Patrimonialsgerichtsbarkeit ist ein Zuständigkeitsschwund zugunsten des grundherrlichen Gerichts zu beobachten. Urteiler, mithin Schöffen sind frühzeitig in den nach dem ius teutonicum gestalteten Dorfgerichten der dem Untersuchungsgebiet benachbarten Landschaften des Ostsiedlungsgebiets nachgewiesen, so etwa in Schlesien nachweisbar ab 1271 zunächst gewöhnlich sieben. Die Anzahl der Schöffen schwankte etwa in Brandenburg und Meißen regelmäßig zwischen zwei und sieben. Hier fand die Dorfgemeinde als eigene Rechtsgemeinschaft über die ihren Urteil und Recht. Zuvor werden wohl mancherorts auch sämtliche Angehörige eines Siedlerverbandes ohne Schöffenbestellung geurteilt haben. Jedenfalls bestand auch insoweit von Anfang an Funktionsteilung, war das Dorfgericht insoweit typischerweise ausgeprägt genossenschaftlich gestaltet. Die Anzahl der Schöffen war auch in anderen Landschaften regelmäßig abhängig von der Zahl der Bevölkerung eines oder mehrerer dem Gericht unterworfener Dorfgemeinden – schwankend zwischen insbesondere zwei und zwölf, wobei auch öfter die Zahlen drei, vier und sieben erscheinen.247 Vorschriften der Rechtsbücher wurden offenbar wenig beachtet, wobei überhaupt unklar ist, ob etwa Sachsenspiegel-Landrecht eine feste Zahl an Schöffen fordert beziehungsweise schwankende Anzahlen zuläßt.248 Hinsichtlich der Zuständigkeit der Dorfgerichte im Untersuchungsgebiet ergibt sich ein ähnliches Bild. Insoweit geben die Schöffenbücher Auskunft. Sie beinhalten im wesentlichen Eintragungen über freiwillige Gerichtsbarkeit, etwa Käufe, Tauschhandlungen, Lossagungen, erbrechtliche Handlungen, nur selten Eintragungen hinsichtlich streitiger, mithin etwa strafender Gerichtszuständigkeit. Jedoch kam beschränkt mancherorts auch den Dorfgerichten die Zuständigkeit in bestimmten Obergerichten zu, wie sich etwa hinsichtlich der Dörfer des Domstiftes St. Petri 246 Näher zur Zuständigkeit des Dorfgerichts nach dem Sachsenspiegel Buchda, Dorfgemeinde, S. 22 f. 247 Näher zur Schöffenbesetzung hinsichtlich Böhmens Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 64; II, S. 59 ff.; Brandenburgs Kühns, Gerichtsverfassung II, S. 167 ff.; Meißens Lück, Gerichtsverfassung, S. 255 f.; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 107 ff., 118 ff.; des Mittelelbegebiets Schlesinger, Gemeindebildung, S. 46 ff., 53; Schlesiens Helbig, Landgemeinde, S. 109; Menzel, Lokationsurkunden, S. 84 f., 279 f.; Loesch, Verfassung, S. 136. 248 Hierzu näher Planck, Gerichtsverfahren I, S. 104, insb. Anm. 15.

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D. Grundherrschaften

ergibt.249 Daneben, insbesondere im Zuge der Patrimonialisierung der dörflichen Gerichtsverfassung diente das Dorfgericht der Herrschaft mit Polizeiaufgaben im Dorf. Die Zuständigkeiten des Dorfgerichts erscheinen danach auch im Untersuchungsgebiet ab dem Spätmittelalter durch herrschaftlichen Einfluß eingeschränkt beziehungsweise verändert. Dennoch konnte sich nach Boelcke manchmal ein letzter Rest an auch strafender Gerichtszuständigkeit erhalten, insbesondere bei schädigendem Verhalten gegenüber der Dorfgemeinde oder bei Verstößen gegen rein genossenschaftliches Satzungsrecht.250 Hinsichtlich der Urteiler-, mithin Schöffenbesetzung der Dorfgerichte im Untersuchungsgebiet ergibt sich nichts aus den beiden Lokationsurkunden mit Bezug zum Untersuchungsgebiet. Die bereits erwähnte Urkunde des Gerichts in der grundherrlichen Stadt Marklissa am Queis von 1442 erhellt über die Besetzung des Gerichts zu Marklissa wie auch des Gerichts, hinsichtlich dessen das Gericht ein Bekenntnis abgibt, folgendes: „Ich Peter Beringer, gekorner und gesatzter stadrichter zur Lesze, und wir nachgeschreben schepphen Bart. Nickel, Peter Schmedt, Hans Kemppe der cleyne, Hans Kemppe der lange, Hans Kluge und Balthasar Schwach bekennen aus geheget bank [. . .], das Hans Schulz yn dem Leymernen kretzscham haben mit rechte vor uns bracht [drei Personen – HvS] also umb ein bekenntnisz von der Wingendorffer wegen, was en wissentlich were von des gerichtis wegen ym Leymernen kretzschem, alszo haben sie eyntrechticlichen mit eynem worte durch recht bekannt, dos de Wenigendorff(er) yn doszelbe gericht gehort han und gehörn mit allen rechten [. . .]. Und sullen ym [dem Kretzschaminhaber als Richter – HvS] alle jar jerlichen drey scheppen von gerichtis wegen zu hülffe und zu gute setzen“.251 In Marklissa war das Gericht nach dieser frühen Urkunde also mit sechs Schöffen besetzt, in Wingendorf mit dreien. Das älteste vorhandene Schöffenbuch des Untersuchungsgebiets ist das von Rengersdorf, beginnend 1444. Danach waren 1444 neben einem „richter“ sechs „schippenn“ im Dorfgericht anwesend. Eine Eintragung später erscheinen fünf, kurz darauf wieder sechs, später wieder fünf. Die Anzahlen schwankten also leicht. Wieviele Schöffen unabhängig von der tatsächlichen Schöffenbankbesetzung an einem Gerichtstag gewählt waren, wird nicht ersichtlich.252 Die Schöffenbesetzungen wichen also je nach Dorf und innerhalb eines Dorfes voneinander ab. In jedem Fall kann bereits nach ersten Hinweisen jeweils vom Vorhandensein einer dörflichen Rechtsgemeinschaft, vertreten von ständigen Urteilern, also Schöffen im Dorfgericht gesprochen werden.

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Näher Boetticher, Ortschaften, S. 4 f., 9. Näher Boelcke, Verfassungswandel, S. 251 ff.; ders., Bauer, S. 58 ff.; Stock, Schöppenbücher, S. 89 ff. Hinsichtlich des Halbendorfer Schöffenbuchs liegt eine Bearbeitung vor: Schulze-Schönberg, Schöffenbuch. 251 CDLS IV, 1, S. 235. 252 StA Breslau, Schöffenbuch Rengersdorf, Bl. 1 ff. 250

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Als Beispiel einer Dorfordnung regeln die Seidauer Statuten von 1572, daß drei Schöffen zu bestellen seien.253 Die Seidauer Statuten von 1676 fordern zwar die Besetzung neben einem Richter mit Schöffen, geben aber insoweit keine feste Anzahl vor.254 Knothe und neuerdings Boelcke hinsichtlich des gesamten Untersuchungsgebiets sowie Naumann hinsichtlich der Standesherrschaft Königsbrück, Mitter hinsichtlich der Zittauer Ratsdörfer und Stock hinsichtlich des Kreises Rothenburg wiesen vor allem anhand von Schöffenbucheinträgen jedenfalls für das 15. beziehungsweise 16., dem Beginn der ersten Überlieferungen, bis 19. Jahrhundert einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Angehörigen einer Dorfgemeinde und der Anzahl der ihr entnommenen, gewählten Schöffen nach. Dabei sind Zahlen zwischen zwei und zehn, bisweilen 13 in einem Dorfgericht nachgewiesen. Im Zittauer Ratsdorf Waltersdorf erhöhte sich die Zahl der Schöffen zwischen 1533 und 1602 von neun auf 13 im Zuge des Anwachsens der Dorfgemeinde. Die Zahl der gewählten Schöffen wich oft ab von der der tatsächlich in den Gerichtsverhandlungen jeweils anwesenden.255 Dies trifft umso mehr zu, als vergleichbare Verhältnisse wie erörtert auch in benachbarten Landschaften vorzufinden sind.256 Diese Erkenntnisse werden bestätigt anhand im Rahmen dieser Arbeit exemplarisch ausgewählter Dorfschöffenbücher. Die heute überlieferten beginnen regelmäßig – Ausnahme etwa das genannte, 1444 beginnende Schöffenbuch – im 16. oder 17. Jahrhundert. Im 16. Jahrhundert handelte es sich in Hohkirch grundsätzlich um drei Schöffen.257 Die Überlieferung hinsichtlich Oberneundorfs liegt geschlossen für den Zeitraum 1513 bis 1824 vor. Im 16. Jahrhundert waren es regelmäßig drei bis vier Schöffen. Im 17. Jahrhundert wird das Bild unklarer. Es handelten ab und an „an stat der gerichte“ auch Bauern, die nicht Gerichtspersonen waren, im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Vermehrt tritt auch der Gerichtshalter beziehungsweise der Grundherr selbst auf, vor dem (allein) insbesondere Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit erfolgen. Ab dem 17. Jahrhundert werden die Anzahlen der jeweils handelnden Schöffen häufig nicht genannt. Jedoch erscheinen weiterhin, soweit ersichtlich, meist drei bis vier Schöffen bis 1824, dem Ende der Überlieferung.258 In Döbschütz handelten im 17. und 18. Jahrhundert regelmäßig drei Schöffen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Untersuchungszeitraums waren regelmäßig zwei bis vier Schöffen im Dorfgericht anwesend.259 Es zeigt sich also relative Konstanz bei der Besetzung. 253

StFilA Bautzen, Seidauer Statuten 1572, unpaginiert. KW I, S. 405 ff. 255 Boelcke, Verfassungswandel, S. 244 f.; Knothe, Gutsuntertanen, S. 212 f.; Mitter, Gerichtsverfassung, S. 36 ff.; Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 304 ff.; Stock, Schöppenbücher, S. 91 f. 256 Vgl. Boelcke, Verfassungswandel, S. 244 ff. 257 StFilA Bautzen, Schöffenbuch Hohkirch, 1519–1589, unpaginiert. 258 StFilA Bautzen, Schöffenbücher Oberneundorf, teilweise unpaginiert. 259 StFilA Bautzen, Schöffenbuch Döbschütz 1663–1804, unpaginiert; StFilA Bautzen, Schöffenbuch Döbschütz 1803–1823, unpaginiert. 254

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An Gerichtspersonen im engeren Sinn außerhalb der Richter- und Schöffenbank sind im Zusammenhang mit der Führung der Dorfschöffenbücher die Schreiber zu erwähnen.260 Auch für das Untersuchungsgebiet sind diese nachgewiesen. So berichtet das älteste Zinsregister des Klosters St. Marienstern von einem „offinbaren“ Schreiber in einem klösterlichen Dorf.261 Der Seidenberger Pfarrer urkundete als Schreiber 1467 „von heyliger keißerlicher Gewald und macht offenbarer schreiber hyr“ 262. Jedoch wies Boelcke nach, daß die Schreiber, deren Amt meist vom Dorfschulmeister ausgeübt wurde, gewöhnlich nicht auf der Schöffenbank saßen.263 Bei den Verhandlungen des Dorfgerichts pflegte oftmals noch in der Neuzeit auch von den Schöffen Bier („Wissebier“) getrunken zu werden.264 b) Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen Hinsichtlich Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen ist vor allem auf die Frage nach der Zuordnung der Gerichtsherrschaft einzugehen. Die Dorfgerichte waren im gesamten Ostsiedlungsraum, vor allem in den dem Untersuchungsgebiet benachbarten Landschaften regelmäßig genossenschaftlich angelegt. Jedoch unterlagen gerade die neuausgesetzten Dörfer auf Rodungsboden dem herrschaftlichen Element, dem (Landesherrn als) Grundherrn und damit Dorfherrn. Ssp.-Ldr. III 79 § 1 kennt den Grundherren des Ostsiedlungsraums als „des dorfes herre“. Nach Ssp.-Ldr. III 64 § 11 werden dem Bauermeister der altländischen Dorfgemeinde aus dem Dorfgericht sechs Pfennige und, soweit die Strafe hinsichtlich Haut und Haar vom Verurteilten mit drei Schillingen abgelöst wird, diese drei Schillinge gewettet. Jedoch erhält letztere die Dorfgemeinde zum Vertrinken: „Dem burmeistere wettet man sechz phenninge und underwile dri schillinge vor hut unde vor har, daz iz der gebure gemeine zu trinkene.“ Diese Vorschrift, die vom aus diesen Gerichtsgefällen bezahlten sogenannten Gemeindebier handelt, das gemeinsam vertrunken wird, wird hinsichtlich des Altsiedelgebiets als Nachweis dafür ausgelegt, daß die „Gerichtsgewalt“ der Dorfgemeinde „keine übertragene, sondern eine ursprüngliche“ gewesen sei.265 Hinsichtlich des Ostsiedlungsgebiets, insbesondere der dem Untersuchungsgebiet benachbarten Landschaften standen die zwei Drittel der Gerichtsherrschaft aus den Gefällen der Dorfgerichte der Dörfer nach dem ius teutonicum bereits im Ursprung dem Dorfherrn zu. Lediglich der vom Dorfherrn beauftragte oder beliehene Dorfrichter erhielt ein Drittel der Gerichtsgefälle, das bekannte Richter260 261 262 263 264 265

Vgl. Knothe, Gutsuntertanen, S. 213. Huth/Haupt, Zinsregister, S. 100. Abgedruckt Mende, Seidenberg, Urkunde Nr. 6. Boelcke, Verfassungswandel, S. 258. Knothe, Gutsuntertanen, S. 209. Buchda, Dorfgemeinde, S. 22.

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drittel. Die Dorfgerichte waren daher – mit wenigen Ausnahmen –266 trotz ausgeprägter genossenschaftlicher Beteiligung herrschaftliche Gerichte. Gerichtsherrschaft war in der Gerichtsverfassung der neuausgesetzten Dörfer ursprünglich Schutzherrschaft, garantierte der Gerichtsherr gerade hier die Durchsetzbarkeit des genossenschaftlich gefundenen Urteils. Herrschaft und Genossenschaft wirkten insoweit also nicht gegeneinander, sondern miteinander. Vor allem im Zuge der Entstehung der Gutsherrschaft, mithin der Patrimonialgerichtsbarkeit begannen die Grundherren jedoch wie erörtert, ihre Herrschaftsrechte, mithin die Zuständigkeiten der grundherrlichen Gerichte zulasten des genossenschaftlichen Elements auszuweiten, verschmolzen sogar Dorfgerichte mit grundherrlichen.267 Das Verhältnis von Herrschaft und Genossenschaft kann gerade hinsichtlich der Dorfgerichte gut an der Zuordnung des Rechts auf Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen abgelesen werden. Dies trifft zunächst auf die Dorfrichter zu. Der Bauermeister des Altsiedelgebiets erscheint nach dem Sachsenspiegel als erblicher Inhaber seines Amtes verbunden mit einem Bauermeistergut nach Lehnrecht, mithin als Vasall des Dorfherrn als Lehnsherrn. Bereits zur Zeit der Entstehung des Sachsenspiegels hatte also die Dorfgemeinde als Genossenschaft keinen Einfluß (mehr) auf Auswahl und Ernennung des altländischen Dorfvorstehers.268 Gerade auch im Ostsiedlungsgebiet, vor allem in den dem Untersuchungsgebiet benachbarten Landschaften war dieses Amt ein herrschaftliches, im Ursprung gegründet auf die Stellung der Siedlungsgeber/Dorfherren im Rahmen der Ostsiedlung. Das Richteramt, gekennzeichnet durch das Richterdrittel, wurde regelmäßig vom Siedlungsgeber/Dorfherrn bei der Dorfaussetzung oder -umwandlung nach dem ius teutonicum verbunden mit dem Richtergut erblich zu Eigen oder Lehn vergeben. Der Dorfherr behielt sich grundsätzlich die zwei Herrschaftsdrittel der Gerichtseinkünfte vor. Der Lokator neuausgesetzter Dörfer wurde regelmäßig zum ersten Richter, der das Amt an seine Nachkommen vererbte. War ein Richteramt später etwa wegen Unfähigkeit des Erben des Richtergutes zum Richteramt oder Fehlens eines Erben mit einem anderen zu besetzen, kam auch insoweit der Gerichtsherrschaft das Auswahl- und Ernennungsrecht zu. Hinweise auf Auswahl und Ernennung des Dorfrichters durch die Dorfgemeinde fehlen bezüglich der Mark Meißen, so etwa auch hinsichtlich der vielbesproche266 Dies ist etwa das Gericht des Siedlerverbandes von Taubenheim bei Meißen Ende des 12. Jahrhunderts (näher Schlesinger, Gemeindebildung, S. 46 ff.; ders., Gerichtsverfassung, S. 119 ff.). 267 Hinsichtlich des Altsiedellandes Bader/Dilcher, Rechtsgeschichte, S. 148 f.; hinsichtlich des Ostsiedlungsraums, insbesondere dem Untersuchungsgebiet benachbarter Landschaften Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 58 ff., 64 (Böhmen); Kühns, Gerichtsverfassung I, 156 ff., II, S. 145 ff. (Brandenburg); Schlesinger, Gemeindebildung, S. 46 ff., insb. 53 f. (Mittelelbegebiet); Lück, Gerichtsverfassung, S. 242 ff.; Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 118 ff. (Meißen); Menzel, Lokationsurkunden, S. 80 ff., 84 f., 256, 269 ff., 273; Helbig, Landgemeinde, S. 107 ff. (Schlesien). 268 Buchda, Dorfgemeinde, S. 20 f.

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nen Siedlergenossenschaft von Taubenheim, die im übrigen außerordentlich umfangreiche genossenschaftliche Rechte erwerben konnte. Sie fehlen auch hinsichtlich Böhmens und Schlesiens, liegen aber vor, soweit es die Auswahl betrifft, bezüglich Brandenburgs. Jedoch auch in diesem Fall wählte zwar die Dorfgemeinde eine Person zum Schulzen. Diese mußte den Kandidaten aber dem Dorfherrn präsentieren. Der Dorfherr hatte insoweit das Annahme- und Ernennungsrecht. Insbesondere im Zuge der Umwandlung der Grundherrschaft zur Gutsherrschaft und der damit oft einhergehenden Trennung des Richteramtes vom Richtergut begann die Grundherrschaft, das Richteramt unabhängig von einem Amtsgut befristet oder lediglich auf Lebenszeit zu vergeben. Ab diesem Zeitraum muß vom vom Dorfherrn als Gerichtsherrn vergebenen Amt des „Bedarfs-“ oder „Setzrichters“, das neben das dinglich angebundene Erbrichteramt trat, mithin ersteres letzteres verdrängte, gesprochen werden.269 Hinsichtlich des Untersuchungsgebiets ist zunächst wiederum auf die beiden bereits genannten Lokationsurkunden einzugehen. Die Lokationsurkunde von 1248 enthält der Übersetzung Prochnos ins Deutsche zufolge folgende, hier interessierende Regelungen: Wir [Dorfherr Heinrich von Zittau – HvS] machen bekannt, daß wir [. . .] dem Bürger Hertwig von Leitmeritz unser Dorf Lobositz nach Erbrecht verkauft haben, und zwar unter den folgenden Bedingungen [. . .]: Wir oder irgend einer, der in diesem Dorfe sitzt [den wir dazu bestimmt haben], soll [. . .] auf der Richterbank sitzen [. . .]. Dem genannten Hertwig oder seinen Erben [bleibt] der dritte Pfennig.“ 270 Mit der Lokationsurkunde von 1273 überläßt der Landesherr einem Lokator erblich das Richteramt, gekennzeichnet durch das Richterdrittel aus den Gerichtsgefällen, behält sich aber die zwei Herrschaftsdrittel bevor.271 Die Gerichtsherrschaft verbleibt in beiden Fällen der Zuordnung der zwei Herrschaftsdrittel aus den Gerichtsgefällen zufolge beim jeweiligen Dorfherrn. In beiden Fällen ist zudem ohne weiteres von herrschaftlicher Vergabe des Richteramtes, mithin des Richterdrittels auszugehen. Daß das Richteramt zusammen mit dem Richtergut jedenfalls im Fall der Urkunde von 1248 vom Beliehenen an seine Nachkommen vererbt werden durfte, steht diesem Befund gerade nicht entgegen. Weitere Quellen liegen erst hinsichtlich des Zeitraums ab dem 15. Jahrhundert bezogen auf das Untersuchungsgebiet vor. Die Aufteilung der Gerichtsgefälle in zwei Herrschaftsdrittel, die beim Dorfherrn lagen, und ein Richterdrittel, das dem Dorfrichter zustand, ist auch hinsichtlich anderer Dorfgerichte im Untersuchungsgebiet während spätem Mittelalter und (früher) Neuzeit zu beobachten.272 Nachweise dafür, daß die zwei Herrschaftsdrittel bei der Dorf269 Hinsichtlich Böhmens Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 63 f.; II, S. 59 f.; Meißens Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 118 ff.; ders., Gemeindebildung, S. 46 ff. 270 RBM I, S. 562; Übersetzung: Prochno, Urkunde. 271 RBM II, S. 1019. 272 Vgl. Knothe, Gutsuntertanen, S. 208 ff.

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gemeinde lagen, bestehen nicht, weswegen bereits insoweit nach heutiger Quellenlage davon auszugehen ist, daß die Gerichtsherrschaft hinsichtlich sämtlicher Dörfer im Untersuchungsgebiet von Anfang an dem jeweiligen Grundherrn als Dorfherrn zukam. Boelcke wies denn hinsichtlich des Untersuchungsgebiets nach, daß ein Zusammenhang zwischen dem auch hier bekannten „Gerichtsbier“ und des Bestehens von Gerichtsherrschaft als Recht der Dorfgemeinde nicht bestand.273 Frühes Zeugnis der Art der Auswahl bei einem dinglich als auch bei einem nicht dinglich angebundenen Richteramt ist die bereits erwähnte Urkunde von 1442, mit der das Gericht „zur Lesze“, also wohl Marklissa in der Oberlausitz, einer grundherrlichen Stadt,274 mithin „Peter Beringer, gekorner und gesatzter stadrichter zur Lesze, und wir nochgeschreben schepphen daselbest Bart. Nickel, Peter Schmedt, Hans Kemppe der cleyne, Hans Kemppe der lange, Hans Kluge und Balthasar Schwach [. . .] aus gehegt bank“ bekennen, „das [. . .] Hans Schulz yn dem Leymernen kretzscham [in Steinkirch – HvS] [hat] mit rechte vor uns bracht [genannt werden drei Dorfbewohner – HvS] umb ein bekenntnisz von der Wingendorffer wegen [. . .], dos de Wenigendorf[er] yn doszelbe gericht [der „Leymerne kretzscham“ – HvS] gehort han und gehörn mit allen rechten, also nemelichen mit bussen, hochzeytzogen, dodschlegen, uffgebungen und schankheiten. Und sullen ym [. . .] 3 gr. alle jar jerlichen zinsz abgeben und 1 scheffel haffer“.275 Die Auskünfte werden durch die grundherrliche Urkunde von 1534 ergänzt: „Nachdeme sich irrungen und gebrechen zwischen der gemeynde des dorffes Wyngendorff genant an eynem und Michel Schultzen im Leihmen kretzschzam andern teils zugetragen, zum ersten dorumb, das gemeld Michel Schultze den neufe erbautten und auffgerichten krezscham im gemelten dorfe anzufechten hat vorgenomen, zum andern hat er etliche gerechtigkeit bey den eynwohnern des genanten dorffs vermeynet zu haben, als nehmlich, dasz [. . .] die eynwohner des gemeldten dorffes mit dem birgange und hochzeytzogen allewege nirgend anders wohin den ihn Leyhmen krezscham gehören [. . .]. Zum viertin so sollen im die eynwohner des dorffes Wyngendorff von wegen obgeschriebener artickel alle jar jehrlich eyn scheffel haber und 3 cleyne gr. zu geben schuldigk seyn“.276 Hieraus ist zu entnehmen, daß in Marklissa ein von der Grundherrschaft „gekorener und gesetzter“ Stadtrichter, also ein Bedarfsrichter, jedoch in Steinkirch ein gewisser Hans Schulz, mithin Michael Schulz, letzterer wohl Nachkomme des ersteren, als erblicher Inhaber eines (ursprünglich vom Dorfherrn verliehenen) Richtergutes und damit Inhaber des damit zusammenhängenden Richteramtes, also als Erbrichter handelte. 273 274 275 276

Näher Boelcke, Verfassungswandel, S. 254 f. Näher Knothe, Adel I, S. 579. CDLS IV, 1, S. 234 f., 235, Z. 1 ff. CDLS IV, 1, S. 236, Z. 1 ff.

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Richter mit erblichem Richtergut erbten auch noch in späterer Zeit zusammen mit dem Richteramt das Richtergut. Auswahl eines neuen Richters erfolgte hier nur, wenn der Erbe des Richtergutes – etwa eine Frau – nicht zum Richteramt fähig war, oder bei Fehlen eines Erben und daher die Bestellung eines Bedarfsrichters erforderlich wurde. Die Auswahl nahm in jedem Fall der Dorfherr oder (später meist) dessen Vertreter (Gerichtshalter) vor. Das Richteramt übte der Erbrichter regelmäßig aus, solange der Erbrichter Inhaber des Erbrichtergutes war, war also auf Lebenszeit ausgerichtet.277 Beispiel hinsichtlich eines Bedarfsrichters ist die Stadt Weißenberg. Im 17. Jahrhundert kam dem Rat der grundherrlichen Stadt Weißenberg das Recht zur Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen ihrer Stadt zu, denn insoweit wurden durch die „Statuta des Städtleins Weißenberg“ Auswahl- und Entscheidungsregeln festgelegt. Jedoch mußte der Kandidat jedenfalls durch den Grundherrn beziehungsweise hier den landesherrlichen Vertreter als Schutzherrn bestätigt werden.278 Also auch in diesem Fall einer Wahl und anschließenden Präsentation des Kandidaten durch die Gemeinde lag das letzte Wort bei der herrschaftlichen Ordnung. Nachweise dafür, daß stets – auch bei Präsentation eines Kandidaten durch eine Dorfgemeinde – die herrschaftliche Ordnung das entscheidende Auswahlrecht hatte, sammelte gerade für die Neuzeit hinsichtlich der Zittauer Ratsdörfer Mitter,279 hinsichtlich der Standesherrschaft Königsbrück Naumann.280 Aufgrund der Belegenheit der jeweiligen Grundherrschaft im äußersten Südosten beziehungsweise Nordwesten kann insoweit auf die Verhältnisse im gesamten Untersuchungsgebiet entsprechend rückgeschlossen werden. Es handelte sich mithin beim Auswahlrecht stets um ein herrschaftliches. Beteiligung der jeweiligen Dorfgemeinde, also der genossenschaftlichen Ordnung außerhalb eines Präsentationsrechts ist nirgends nachgewiesen. Dies betrifft auch die insbesondere bei Bedarfsrichtern mögliche Entlassung, die etwa wegen Amtsmüdigkeit oder Krankheit oder aus anderen Gründen erfolgte, wie etwa Mitter anhand Quellen des 17. Jahrhunderts bezogen auf die Zittauer Ratsdörfer und Naumann auf die Standesherrschaft Königsbrück nachwies.281 Auch die Bedarfsrichter waren regelmäßig auf Lebenszeit gewählt. Davon geht etwa die Berna’sche Gedingeordnung von 1654 aus.282 Erst für das frühe 19. Jahrhundert liegt, soweit ersichtlich, erstmals ein Nachweis für Auswahl des Richters durch die Dorfgemeinde vor, so etwa 1823 hinsichtlich Rohna in der Standesherrschaft Königsbrück, wobei auch hier dem Gerichtsherrn das Annahme- und Ernennungsrecht zukam.283 277 278 279 280 281 282 283

So etwa Mitter, Gerichtsverfassung, S. 117, hinsichtlich der Zittauer Ratsdörfer. Statuta Weißenberg, S. 157 f. Mitter, Gerichtsverfassung, S. 25 ff., 29 f., 119 ff. Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 304 ff. Mitter, Gerichtsverfassung, S. 121 ff.; Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 306. UB Breslau, Berna’sche Gedingeordnung, Bl. 2 b. Vgl. Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 340, Anm. 550.

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Nicht nur beim Bedarfsrichteramt, sondern auch beim dinglich angebundenen Richteramt, das nun vererbt wurde, erfolgte nach den Erkenntnissen Boelckes die Ernennung (des Erben als) neuen Dorfrichter(s) stets durch den Dorfherrn als Gerichtsherrn. Eine Beteiligung der Dorfgemeinde bei der Ernennung ist nicht nachgewiesen.284 Bei der Ernennung wurde auch auf dieser Herrschaftsebene stets ein Richtereid abverlangt. Der Seidauer Richter wurde von der Gerichtsherrschaft, der Landesherrschaft, vertreten in der Neuzeit durch Budißiner Hofrichter und Oberamtskanzler, ausgewählt, „in Pflicht genommen“ und vor der gesamten Gemeinde während eines Gerichtstages „vorgestellt“. Bei der Inpflichtnahme mußte der Ausgewählte einen Eid ablegen, den er gegenüber den Vertretern der Gerichtsherrschaft „mit Handschlag“ bekräftigte.285 Die älteren Eide enthalten, wie sich aus der Gesamtschau ergibt, neben den üblichen Richterpflichten die Pflicht zu Treue und Gehorsam gegenüber der Herrschaft. Die neueren konnten auch nur allein die Pflicht zu Treue und Gehorsam des Richters gegenüber der Herrschaft enthalten. Die Rechtsbeziehung des Richters zum Dorfherrn als Gerichtsherrn wurde – später stärker profiliert – in jedem Fall verdeutlicht.286 Ins-

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Boelcke, Verfassungswandel, S. 242 f. StFilA Bautzen, Gerichte auf der Seidau, Bl. 350 ff. 286 Einen Eid eines mit einem Richtergut ausgestatteten, mithin Erbrichters eines Zittauer Ratsdorfs aus dem 17. Jahrhundert gibt Mitter wieder: „Richters Aydt. Ich schwere Gott, dem allmächtigen, und E.E.E. Hochw. Rate der stadt Zittau, meiner erbherrschaft, daß ich an meinem richter ambte, wo zu ich aniezo bestellet und angenommen werde, allen fleiß will vorwenden, damit das recht gesterket und das unrecht gekränket, den armen als den reichen, den ausländischen als den einheimischen der billigkeit des rechtens verholfen, Es. E. E. Hochw. Rats gebot und verbot mit aller treue und fleiß ausgerichtet und befördert werde, denen mir anvertrauten gerichten bey tag und nach getreulich vorstehen, auch keine frevel und hadersachen denen erb-stadt gerichten verschweigen, und will das nicht lassen, weder umb liebe noch gunst, feind oder freundschaft willen, sondern mich hierinnen verhalten, wie einen treuen, geschwornen richter zustehet und gebühret, auch sonst Ein. E. E. Rate getreu, gehorsam und gewehr sein, als mir Gott helfe und sein heyliges Evangelium“ (abgedruckt Mitter, Gerichtsverfassung, S. 119 f.). Die „Gebot und Verbot, die ein Erbar Rath der Stadt Zittaw von Euch Unterthanen gehalten haben will [. . .]“ aus dem 17. Jahrhundert enthalten einen nahezu wortgleichen Eid, wobei zwischen Bedarfs- und Erbrichter kein Unterschied gemacht wird (abgedruckt Weinart, Rechte IV, S. 213 ff., 224.). Einen inhaltlich nahezu übereinstimmenden Eid legte der Seidauer Richter ab (StFilA Bautzen, Gerichte auf der Seidau, Bl. 352). Naumann überliefert einen bei der Ernennung gesprochenen Dorfrichtereid eines Bedarfsrichters aus Cosel in der Standesherrschaft Königsbrück von 1671: „Nachdeme von meiner gnädigen Herrschafft Ich zu einem Richter im Dorff Kosel erwehlet worden, So schwere Ich hiermit zu Gott einen leiblichen Eydt, daß Ich alles das Jenige, waß mir in Gerichtssachen anbefohlen wirdt, treues fleißiges unverdroßen, bey tag und nacht außrichten, alle strafbare Fälle, so auf den Koselischen Gerichten fürgehen und zu meiner wißenschafft kommen möchten, der Herrschafft oder dero Bestalten alsobaldt anrügen undt nichts verschweigen, alle Herrschaffts Gebotte undt Verbotte in Haußhaltungs und andern Sachen schleunig bestellen undt mich im übrigen dermaßen verhalten will, waß einer vereydeten Gerichtsperson eignet undt gebühret, So wahr mir Gott helffe, durch Christum, Amen.“ Beispiel für einen Eid eines weiteren Bedarfsrichters ist der des Richters George Bürger im Jahr 1736 in Jänkendorf: „Ich George Bür285

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gesamt wird jedoch deutlich, daß sich auch auf dieser Herrschaftsebene die Inhalte der mittelalterlichen Eidesformulare bis weit in die Neuzeit erhalten haben. Zu klären sind Art und Weise der Auswahl und Ernennung der Dorfschöffen. Mit Schlesinger ist zwar wie angedeutet hinsichtlich des Ostsiedlungsgebiets „das genossenschaftliche Element dieser Dorfgerichte [. . .] in der Urteilsfindung enthalten. Der Siedel- und Rodeverband ist zugleich ein Urteilerverband.“ 287 Jedoch lag die Gerichtsherrschaft über das Dorfgericht des Ostsiedlungsgebiets typischerweise wie gesehen bei der Grundherrschaft als Dorfherrschaft. Insbesondere hinsichtlich des Dorfgerichts stellt sich wegen des gerade hier erfolgenden Zusammentreffens sowohl herrschaftlicher als auch ausgeprägt genossenschaftlicher Elemente die Frage nach dem Verhältnis von Herrschaft und Genossenschaft zueinander, und zwar insbesondere anhand Fragen im Zusammenhang mit Auswahl und Ernennung der Schöffen. Dabei muß möglicherweise zwischen den ursprünglichen Verhältnissen zur Zeit der Ostsiedlung und späteren unterschieden werden. Im wettinischen Markengebiet kommen im Ostsiedlungszeitraum sowohl genossenschaftlich als auch herrschaftlich geprägte Verfahren vor.288 Bezüglich Schlesiens ist für das Mittelalter nicht bekannt, ob eine Wahl durch die Dorfgenossen oder durch den Grundherrn beziehungsweise Schulzen erfolgte. Loesch meinte aber, die (von der Gemeinde gewählten) Schöffen seien vom Dorfherrn oder Schulzen jedenfalls angenommen und ernannt worden.289 Hinsichtlich Böhmens erwies Peterka – regelmäßig jährliche – Wahl und Präsentation der Gewählten durch die Dorfgemeinde, jedoch Genehmigung der Wahl beziehungsweise eigene Auswahl aus den Präsentierten sowie Ernennung durch den Dorfherrn.290 Bezogen auf die Mark Brandenburg zeigt bei schlechter Quellenlage das erste bekannte Zeugnis über eine Schöffenwahl von 1501 eine Wahl der Hälfte der ger, schwöre Zu Gott dem almächtigen, nehmlich Vater, Sohn und heiligen Geist, mit Mundt und Hertzen einen Leiblichen Eydt, demnach der Zeit Herich gewesene Richter Caßpar Henke, sein über sich gehabte Richter Ambt, mit genehmHabung der genädigen Herrschaft, darnieder geleget und abgetreten und Zu solchen entletigten Ambte, Von meiner gnädigen und Hochgebüteten Erb-, Lehns- und Gerichts Herrschaft, nehmlich dem Tit. Tit. Herrn Herrn Johann Hardwig Gotthart Von Nostitz und Jenckendorff [. . .] ernennet, und gnädig gesetzt worden, auch solche geHorsamst über mich genommen, Daß jetz er Wente meine Hochgebüthende Herrschaft, und Dero Nachkommen auffrichtig lieben und ehren, Ihro und Dero Befehls Haber Geboth thun, Hingegen alles Verboth unterLassen, Recht und Gerechtigkeit Hegen, Weder durch Gifft, Gabe, Geschänke, Freund oder Feindtschafft mich blenden lassen, dem Kläger so Wohl als Beklagten Hören, solche nach GuttBefünden geWissenhafft der Zeit suchen Zu entscheiden, oder aber da mir die Sache zu Hoch, sondern Verzug es allemahl der Zeit meiner Hochgebüthenden Herrschaft es offenbahren, Ja in allen Stücken mich so bezeigen und aufführen Will, als einen ehrligen und Redligen Richter Zustehet, eigenet und gebührt, So Wahr mit Gott Helffe und sein Wordt Durch Jesum Christum Amen“ (Eid Dorfrichter 1736). 287 Schlesinger, Gemeindebildung, S. 54. 288 Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 118 ff. 289 Vgl. Helbig, Landgemeinde, S. 109; Loesch, Verfassung, S. 136. 290 Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 64; II, S. 60.

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Schöffen durch die Dorfgemeinde, die andere Hälfte durch den Dorfherrn, wobei Kühns annimmt, daß bei Vorhandensein dieses Einzelfalls doch regelmäßig „ein Zusammenwirken des Gemeindewahlrechts und des Besetzungsberechtigten [des Grundherrn oder Schulzen – HvS] stattfinden musste“.291 Hinsichtlich Auswahl und Ernennung der Schöffen im Untersuchungsgebiet schweigen sich zunächst die Lokationsurkunden aus. Aus der bereits erwähnten Urkunde des Stadtgerichts von Marklissa von 1442 über die Gerichtsverfassung des Dorfgerichts Wingendorf ergibt sich jedoch, daß „de Wenigendorff(er) yn doszelbe gericht [des Inhabers des „Leymernen kretzschams“ als Dorfrichter – HvS] gehort han und gehörn mit allen rechten [. . .]. Und sullen ym [dem Dorfrichter – HvS] alle jar jerlichen drey scheppen von gerichtis wegen zu hülffe und zu gute setzen“.292 Das Bild wird durch die grundherrliche Urkunde von 1534 ergänzt: „Nachdeme sich irrungen und gebrechen zwischen der gemeynde des dorffes Wyngendorff genant an eynem und Michel Schultzen im Leihmen kretschzam andern teils zugetragen [. . .], zum andern hat er etliche gerechtigkeit bey den eynwohnern des genanten dorffs vermeynet zu haben, als nehmlich, dasz sie aldo in den Leyhmen krezscham, so offte es von nöthen, noch vermögen eynes brieffes von dem alten Caspar von Nostitz dorüber gegeben schöppenbank zu setzen schuldig sein [. . .]. Und zu dem allen seyndt sie [die streitenden Parteien – HvS] heutte [. . .] entschieden [. . .] alszo: Dyweil [. . .] Hans von Nostitz und yn dem viel gemeldten dorffe Wyngendorff [. . .] ober- und niedergerichten och ander freyeitt hat, so sollen seyne unterthane und dyselbigen eynwohner des vorgenanten dorffs mit den obgeschriebenen artickeln, als nehmlich scheppenbank zu sitzen, schede zu besichtigen und andere jarnottdurft hynförder gezogen werden“.293 In diesem Fall war also die Dorfgemeinde nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Schöffen zu „setzen“, also wohl auszuwählen und in das Dorfgericht auf die Schöffenbank zu entsenden. Hinsichtlich der späteren Zeit bestätigt sich dies. Ergänzend ergibt sich aber, daß der Dorfgemeinde zwar, indem sie einen von ihr gewählten Kandidaten dem Dorfherrn präsentierte, das Präsentationsrecht, jedoch dem Dorfherrn (weiterhin) das Recht der Annahme, mithin entscheidende Recht der Auswahl und Ernennung zukam. Bereits aus den Seidauer Statuten von 1572 geht hervor, daß der Vertreter des Grundherrn, des Landesherrn, der Landvogt, die Gerichtspersonen annahm.294 Dies wiesen in früherer Zeit auch Knothe und in jüngerer Zeit Boelcke bezogen auf das gesamte Untersuchungsgebiet sowie Naumann hinsichtlich der Standesherrschaft Königsbrück und Mitter hinsichtlich der Zittauer Ratsdörfer bereits nach, und zwar für den Zeitraum ab Beginn der Quellenüberliefe291 292 293 294

Kühns, Gerichtsverfassung II, S. 168 ff., 170 f. CDLS IV, 1, S. 235. CDLS IV, 1, S. 235 f., 236. StFilA Bautzen, Seidauer Statuten 1572, unpaginiert.

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rung im 15., meist 16. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert. Auch konnte dabei festgestellt werden, daß bereits ab Beginn der Überlieferung in der frühen Neuzeit im Gegensatz zu den Richtern und entgegen dem Sächsisch-Magdeburgischen Recht die Schöffen regelmäßig jährlich wechselten beziehungsweise wiedergewählt werden mußten.295 Seltener waren die Schöffen auf Lebenszeit bestellt, so etwa nach der Berna’schen Gedingeordnung von 1654.296 Es war also auch das Auswahlverfahren hinsichtlich der Schöffen, auch wenn häufig ein Präsentationsrecht der Dorfgemeinde bestand, herrschaftlich geprägt. Die Ernennung der Schöffen erfolgte stets durch den Grundherrn, zu welchem als Gerichtsherrn die Schöffen stets in einer durch Eid unterlegten Rechtsbeziehung standen, wie sich aus einer Vielzahl erhaltener Dorfschöffeneide ergibt. Die Schöffeneide gleichen auch insoweit inhaltlich regelmäßig den Richtereiden.297 c) Anforderungen und Pflichten an/der Gerichtspersonen Die Anforderungen an Richter und, regelmäßig gleichlautend, Schöffen, die das Sächsisch-Magdeburgische Recht aufstellte, mithin etwa in der Mark Meißen nach Gerichtsbüchern vor allem auf nichtlandesherrlicher Ebene noch in der Frü-

295 Boelcke, Verfassungswandel, S. 244; Knothe, Gutsuntertanen, S. 212; Mitter, Gerichtsverfassung, S. 37 f., 123 ff.; Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 306 f. 296 UB Breslau, Berna’sche Gedingeordnung, Bl. 2 b. 297 Der Schöffeneid von Niederoderwitz, einem Zittauer Ratsdorf, aus dem 16. Jahrhundert lautet etwa: „Wie schweren Goot vom himmelreich, Einem Erbarn Rate der stadt Zittau, unserer erbherrschaft, daß wir an dem schöppenambt allen fleiß wöllen fürwenden, damit das recht gesterket und das unrecht gekrenket wirt, den armen als den reichen, den auslendischen als den einheimischen der billigkeit des rechten verhelfen, auch eines Erbarn Rats gebot mit fleiß aufrichten und befödern, denen gerichten zu tagk und nacht beystendigk sein, kein frevel noch hadersachen denen stadtgerichten verschweigen, und wöllen das nicht lassen weder umb lieb noch gunst willen, freundschaft und feindschaft, weder umb geschenk noch gaben willen, sondern wollen uns hierinne verhalten wie getreuen, geschworenen eldisten und schöppen zustehet und gebühret, auch einem Erbarn Rate getreu, gehorsam und gewehr sein. Darzu uns Gott helfe und sein heiliges evangelium“ (abgedruckt Mitter, Gerichtsverfassung, S. 129; vgl. hinsichtlich des 17. Jahrhunderts Weinart, Rechte IV, S. 213 ff., 223). Einen inhaltlich vergleichbaren Eid legten die Seidauer Schöffen ab (StFilA Bautzen, Gerichte auf der Seidau, Bl. 353) In der Standesherrschaft Königsbrück glichen sich – auch in späterer Zeit – die Richter- und Schöffeneide. So lautete auch der Coseler Schöffeneid von 1671 wie folgt: „Nachdeme von meiner gnädigen Herrschafft Ich zu einem Richter im Dorff Kosel erwehlet worden, So schwere Ich hiermit zu Gott einen leiblichen Eydt, daß Ich alles das Jenige, waß mir in Gerichtssachen anbefohlen wirdt, treues fleißiges unverdroßen, bey tag und nacht außrichten, alle strafbare Fälle, so auf den Koselischen Gerichten fürgehen und zu meiner wißenschafft kommen möchten, der Herrschafft oder dero Bestalten alsobaldt anrügen undt nichts verschweigen, alle Herrschaffts Gebotte undt Verbotte in Haußhaltungs und andern Sachen schleunig bestellen undt mich im übrigen dermaßen verhalten will, waß einer vereydeten Gerichtsperson eignet undt gebühret, So wahr mir Gott helffe, durch Christum, Amen“ (abgedruckt Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 307).

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hen Neuzeit tatsächlich galten, faßt Lück zusammen.298 Soweit es das Untersuchungsgebiet betrifft, ergeben sich Hinweise auf Inhalte der Anforderungen und Pflichten nicht aus den beiden erwähnten Lokationsurkunden, höchstens mittelbar, als der Inhaber eines Lehnrichtergutes lehnsfähig sein mußte. In der Standesherrschaft Königsbrück durften nach späteren Quellen selbst zu Bedarfsrichtern grundsätzlich nur Bauern bestellt werden, nur in Ausnahmefällen etwa Gartennahrungsbesitzer.299 Der Richter und seine Erben mußten darüber hinaus zum Richteramt fähig sein. Frauen waren dies ja etwa nach den mittelalterlichen Rechtsbüchern nicht. Mitter wies hinsichtlich eines Zittauer Ratsdorfs nach, daß, als nach dem Tod ihres Mannes, des Lehnrichters, dessen Witwe das Richtergut – Weiberlehn – erbte, sie dennoch nicht das Richteramt ausüben durfte. Nach ihrer Wiederverheiratung wurde ihr neuer Ehemann Richter. Richteramt und Richtergut wurden also insoweit zusammengehalten.300 Desgleichen ist bezeugt, daß Personen mit unwürdigem Lebenswandel nicht Richter werden durften wie auch in Konkurs befindliche Personen, wie ebenfalls Mitter hinsichtlich der Zittauer Ratsdörfer nachwies. Insoweit traten von der Gerichtsherrschaft eingesetzte Gerichtshalter an deren Stelle.301 Regelmäßig erscheint auf der Linie mittelalterlicher Rechtsanschauung als Anforderung wie auf anderen Herrschaftsebenen auch, als Richter beziehungsweise Schöffe vereidigt zu sein. Deweiteren wurden Anforderungen an die persönliche Eignung gestellt. Überliefert ist etwa das Eckartsberger Ehedingsprotokoll von 1681, also das Protokoll eines grundherrlichen Gerichtstages, der in einem Zittauer Ratsdorf abgehalten wurde und an dem neue Dorfgerichtspersonen, Richter und Schöffen, ernannt wurden: „Demnach E. Edlen Hochweisen Rate der stadt Zittau als ihrer erbherrschaft richter und eltesten auf dem Eckartsberge untertänig zuvernehmen gegeben, wie daß (seit längerem) unterschiedene stellen in ihrer schöppenbank entlediget und abgestorben, an welche zwar zum teil andere personen angesetzet worden, so aber noch nicht zu denen gerichten geschworen, zum teil aber noch unbesetzet und vacant wären, welche durch andere tüchtige leute wiederumb zu besetzen höchst nötig“ sei.302 Richter und Schöffen mußten also als solche jeweils vereidigt sein. Sie mußten „tüchtig“ sein. Auch die Berna’sche Gedingeordnung von 1654 fordert, daß zu Dorfschöffen „tüchtige Leute gesetzet“ werden mögen.303 Diese Umschreibung erscheint (wie gesehen) auch als Anforderung in Gerichten auf anderen Herrschaftsebenen. Hinsichtlich der Schöffen ermittelte bereits Boelcke bezogen auf das gesamte Untersuchungsgebiet, daß die Bekleidung des Schöffenamtes „jedem Gemeindemitglied gestattet [war]. Da nach dem in der Oberlausitz 298 299 300 301 302 303

Vgl. Lück, Gerichtsorganisation, S. 314 ff. Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 306. Mitter, Gerichtsverfassung, S. 29 f., Anm. 2. Mitter, Gerichtsverfassung, S. 30 f., Anm. 1 ff. Abgedruckt Mitter, Gerichtsverfassung, S. 126. UB Breslau, Berna’sche Gedingeordnung, Bl. 2 b.

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D. Grundherrschaften

herkömmlichen Gemeinderecht neben den Spannbauern und den nicht zugpflichtigen Gärtnern auch die besitzarmen Häusler als Mitglieder der Gemeinde galten, waren auch sie als Schöppen zugelassen.“ 304 Bereits das genannte Schöffenbuch von Rengersdorf, beginnend 1444, nennt Schöffen mit Namen, von denen anzunehmen ist, daß es sich um Angehörige der Rengersdorfer Dorfgemeinschaft handelte.305 Dies ergeben auch die anderen hier ausgewerteten Schöffenbücher späterer Zeit. Zunächst war also hinsichtlich der Schöffen auch auf dörflicher Ebene gemäß allgemeinen, bereits mittelalterlichen Grundsätzen die Zugehörigkeit zur betreffenden Rechtsgemeinschaft, mithin Dorfgemeinde erforderlich. Daneben wurden freilich je nach Grundherrschaft, mithin Dorf unterschiedlich formulierte Anforderungen an die Eignung gestellt, insbesondere in späterer Zeit. Besondere formale Anforderungen wie Kenntnisse im Lesen und Schreiben oder gar ein Studium waren nicht gegeben. Es handelte sich bei den Dorfgerichtspersonen bis Ende des Untersuchungszeitraums und darüber hinaus um Laien. Anderes ist nirgends nachgewiesen. Noch bis in die Neuzeit bestand oftmals Analphabetismus. So wurde bei Publikation der Dorfordnung für die Dörfer der Muskauer Standesherrschaft im Jahr 1750 (lediglich) erwartet, daß zumindest der Dorfrichter und ein Schöffe in jedem Dorf im Schreiben und Rechnen so viel verstehe, daß die ihnen auferlegten Aufgaben verrichtet werden könnten. Es wurde festgestellt, daß es noch Dörfer gebe, in denen keiner „diese Wissenschaft“ besitze.306 Aus den „Statuta des Städtleins Weißenberg“ wohl aus dem 17. Jahrhundert ergeben sich folgende Anforderungen und Pflichten: „Zu Bestellung des Raths und der Gerichten soll man sich jederzeit dahin befleißigen, daß zu Bürgermeistern, Richtern und Rathmannen sein gottesfürchtig- fromm- gerecht- geitzfeindselig- wahrhaftig- erbar- aufrichtig- wohlerfahren- friedfertige Leute erwählet werden, durch welche die heylsame Gerechtigkeit GOtt zu Ehren, und jedermann zum Besten, recht administrirt werde [. . .]. Die Raths- und Gerichtspersonen sollen alle vereidet seyn.“ 307 Infolge einer 1829 erfolgten Revision der domstiftischen Gerichte erfolgte mit Datum vom 17. Dezember 1830 eine Entschließung des Königs von Sachsen, wonach alle Gerichtspersonen in Gegenwart der Dorfgemeinde zu „verpflichten“ waren. Zu „Assessoren“ durften nut besonders hierzu „verpflichtete“ Personen bestellt werden. Bei der Verpflichtung wurde der Gerichtsperson ein Eid abgenommen. Hierauf wurde ihr ein „nach dem Inhalt der Eides-Notul ausgefertigter Pflichtschein“ übergeben.308 Hinsichtlich der Richter- beziehungsweise Schöffenpflichten kam zunächst dem Dorfrichter bereits frühzeitig die bereits angesprochene Gastungspflicht ge304 305 306 307 308

Boelcke, Verfassungswandel, S. 244. StA Breslau, Schöffenbuch Rengersdorf, Bl. 1 ff. Nachweis bei Arnim/Boelcke, Muskau, S. 57. Statuta Weißenberg, S. 157 f. DA Bautzen, Revision 1829, unpaginiert.

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genüber dem Gerichtsherrn und dessen Begleitung beziehungsweise dessen Vertreter zu.309 Dies ist bereits Inhalt der Lokationsurkunde von 1248, wo es heißt, daß die Bewohner des Dorfes dem Grundherrn an den Gerichtstagen Bewirtung zuteil werden lassen müßten.310 Näheres hinsichtlich der weiteren Pflichten des Dorfrichters insbesondere im Gericht ergibt sich aus der erwähnten grundherrlichen Urkunde von 1534 über die Verfassung des Dorfgerichts Wingendorf, die zunächst die Pflichten der Dorfgemeinde im Zusammenhang mit dem Dorfgericht aufzählt und dann zu den Pflichten des Dorfrichters kommt: „Und von wegen solcher vermeynten gerechtigkeit sulle der mehr genante Schultze [in diesem Fall ein Name, der indes wohl ursprünglich die Funktion ausdrückte, des Inhabers des „Leymernen“ Kretzschams – HvS] als eyn richter wiederumb schuldigk seyn, so offt es dy nott erfordert und er von eynem oder mehreren eynwohnern des dorffes ersucht aldo hin zu gehen, schede aber ander ire notdurft zu besichtigen und anzuhören, och eynem ydern die billichkeit als eyn richter, so viel ihme ziehmen und gehören wil, zu verhelfen schuldigk seyn“.311 Weiteres ergibt sich aus einer Vielzahl vorhandener Dorfrichtereide.312 In der Mittelpassage und am Ende 309

Boelcke, Verfassungswandel, S. 243 f., 272. RBM I, S. 562; deutsche Übersetzung: Prochno, Urkunde, S. 40. 311 CDLS IV, 1, S. 135 f., 236, Z. 14 ff. 312 Den bereits zitierten Eid eines mit einem Richtergut ausgestatteten mithin Erbrichters eines Zittauer Ratsdorfs aus dem 17. Jahrhundert gibt Mitter wieder, worin ja noch die mittelalterliche Richterpflicht, gerecht und unbeeinflußt ohne Ansehung der Person zu handeln, herausgestellt wird. Daneben wird auch Treue und Gehorsam gegenüber der Herrschaft verlangt. Der Eid wird umrahmt mit Formeln mit Gottesbezug (abgedruckt Mitter, Gerichtsverfassung, S. 119 f.). Die „Gebot und Verbot, die ein Erbar Rath der Stadt Zittaw von Euch Unterthanen gehalten haben will“, aus dem 17. Jahrhundert enthalten einen nahezu wortgleichen Eid, wobei zwischen Bedarfs- und Erbrichter kein Unterschied gemacht wird (abgedruckt Weinart, Rechte IV, S. 213 ff., 224). Aus späterer Zeit liegt der ebenfalls bereits in Teilen zitierte Eid eines Dorfrichters von 1736 vor: „Ich George Bürger, schwöre Zu Gott dem almächtigen, nehmlich Vater, Sohn und heiligen Geist, mit Mundt und Hertzen einen Leiblichen Eydt, demnach der Zeit Herich gewesene Richter Caßpar Henke, sein über sich gehabte Richter Ambt, mit genehmHabung der genädigen Herrschaft, darnieder geleget und abgetreten und Zu solchen entletigten Ambte, Von meiner gnädigen und Hochgebüteten Erb-, Lehns- und Gerichts Herrschaft, nehmlich dem Tit. Tit. Herrn Herrn Johann Hardwig Gotthart Von Nostitz und Jenckendorff [. . .] ernennet, und gnädig gesetzt worden, auch solche geHorsamst über mich genommen, Daß jetz er Wente meine Hochgebüthende Herrschaft, und Dero Nachkommen auffrichtig lieben und ehren, Ihro und Dero Befehls Haber Geboth thun, Hingegen alles Verboth unterLassen, Recht und Gerechtigkeit Hegen, Weder durch Gifft, Gabe, Geschänke, Freund oder Feindtschafft mich blenden lassen, dem Kläger so Wohl als Beklagten Hören, solche nach GuttBefünden geWissenhafft der Zeit suchen Zu entscheiden, oder aber da mir die Sache zu Hoch, sondern Verzug es allemahl der Zeit meiner Hochgebüthenden Herrschaft es offenbahren, Ja in allen Stücken mich so bezeigen und aufführen Will, als einen ehrligen und Redligen Richter Zustehet, eigenet und gebührt, So Wahr mit Gott Helffe und sein Wordt Durch Jesum Christum Amen“ (Eid Dorfrichter 1736). Vergleichbare Eide finden sich überall im Untersuchungsgebiet, so etwa auch auf den Budißiner Domstiftsdörfern (abgedruckt Boetticher, Ortschaften, S. 12). Einen nahzu inhaltsgleichen Eid legten die Seidauer Richter ab (StFilA Bautzen, Gerichte auf der Seidau, Bl. 352). 310

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D. Grundherrschaften

findet sich sowohl bei Erb- als auch Bedarfsrichtern regelmäßig die Beeidung der Pflicht, gerecht und unbeeinflußt ohne Ansehung der Person zu handeln. Zu Beginn und am Ende des Eids erfolgt wie üblich auch hier die Bekräftigung mit Bezug zu Gott. Bei Zweifeln insbesondere hinsichtlich der Urteilsfindung hat der Richter die Sache der Grundherrschaft, mithin wohl dem grundherrlichen Gericht vorzulegen. Im Gegensatz zu den frühen Eiden, wo entweder die üblichen Richterpflichten aufgezählt werden oder pauschal auf die als bekannt vorausgesetzten Richterpflichten verwiesen wird, wird herausgestellt, daß der Richter den Weisungen der Grundherrschaft zu folgen habe. Der Eid des Richters von Kosel in der Standesherrschaft Königsbrück von 1671 läßt jeden Bezug zu den altbekannten Pflichten, gerecht, unbeeinflußt und ohne Ansehung der Person zu handeln, vermissen und beinhaltet neben den Pflichten, „fleißig und unverdrossen zu sein sowie der Herrschaft im Dorf vorfallende Sachen „anzurügen“, ausschließlich die Pflicht zu Treue und Gehorsam gegenüber der Herrschaft.313 Dies mag mit dem Bedeutungsverlust des Dorfgerichts als Gericht im Zuge der Patrimonialisierung der grundherrlichen Gerichtsbarkeit, mithin dem Ansichziehen von Zuständigkeiten durch das grundherrliche (Patrimonial-)Gericht zusammenhängen. Jedenfalls wird auch hieran der ab dem 16. Jahrhundert steigende herrschaftliche Einfluß auf das Dorfrichteramt deutlich. Hinsichtlich der Schöffenpflichten zeigt sich anhand einer Vielzahl von Schöffeneiden314, daß sich auch auf dieser Herrschafts313

Angedruckt Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 307. Der bereits zitierte Schöffeneid von Niederoderwitz, einem Zittauer Ratsdorf, um 1600 besagt: „Wie schweren Gott vom himmelreich, Einem Erbarn Rate der stadt Zittau, unserer erbherrschaft, daß wir an dem schöppenambt allen fleiß wöllen fürwenden, damit das recht gesterket und das unrecht gekrenket wirt, den armen als den reichen, den auslendischen als den einheimischen der billigkeit des rechten verhelfen, auch eines Erbarn Rats gebot mit fleiß aufrichten und befödern, denen gerichten zu tagk und nacht beystendigk sein, kein frevel noch hadersachen denen stadtgerichten verschweigen, und wöllen das nicht lassen weder umb lieb noch gunst willen, freundschaft und feindschaft, weder umb geschenk noch gaben willen, sondern wollen uns hierinne verhalten wie getreuen, geschworenen eldisten und schöppen zustehet und gebühret, auch einem Erbarn Rate getreu, gehorsam und gewehr sein. Darzu uns Gott helfe und sein heiliges evangelium“ (abgedruckt Mitter, Gerichtsverfassung, S. 129; vgl. hinsichtlich des 17. Jahrhunderts Weinart, Rechte IV, S. 213 ff., 223). Nennenswerte Abweichungen ergeben sich nicht zu Schöffeneiden anderer Dörfer des Zittauer Landes aus dem 16. bis 18. Jahrhundert (abgedruckt bei Mitter, Gerichtsverfassung, S. 128 ff.), im übrigen nicht zu solchen von Dörfern anderer Gegenden im Untersuchungsgebiet. So legten die Seidauer Schöffen einen vergleichbaren Eid ab (StFilA Bautzen, Gerichte auf der Seidau, Bl. 353). Der Schöffeneid von Trebus nördlich von Görlitz aus dem Jahr 1721 lautete hinsichtlich der gerichtlichen Pflichten: „Ich, N.N., schwöre zu Gott dem Allmächtigen einen körperlichen Eid, daß ich in meinem, mir an itzo aufgetragenen Schöppenamte, meiner gnädigen Herrschaft [. . .] hold, treu und gehorsam erweisen, nebst dem Richter den Armen wie den Reichen das Recht mitteilen und hierinnen weder Gunst, noch Gabe, weder Feinschaft, noch Freundschaft ansehen, was mir in Königlich Mandatten wider Räuber und Diebe, ingleichen von meiner gnädigen Herrschaft oder also Bedienten in ihrem Namen befohlen werden solte, auch in Abwesenheit des Richters Alles mit Fleiß thun und verrichten, auch alle Mal auf des Richters Begehren erscheinen und ohne die größte Not nicht außen bleiben, auch nebst dem Richter alle Schlägereien und Unfug 314

II. Dorfgerichte/Gerichte in den grundherrlichen Städten

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ebene insoweit Richter- und Schöffeneide glichen und der Inhalt bis weit in die Neuzeit unverändert blieb. Die Beeidung der in Mittelalter und Neuzeit üblichen Richter- und Schöffenpflichten, gerecht und unbeeinflußt ohne Ansehung der Person zun handeln, fiel ab dem 18. und 19. Jahrhundert jedoch oftmals weg. Es blieb häufig auch insoweit bloß die auch in den älteren Eiden, hier jedoch neben der Beeidung der übrigen Richter- und Schöffenpflichten vorhandene Beeidung von Treue und Gehorsam gegenüber dem Dorfherrn. d) Entscheidungsverfahren Was das Entscheidungsverfahren betrifft, waren nach dem Sachsenspiegel Urteiler allein die Angehörigen der Dorfgemeinde.315 Schlesinger stellt hinsichtlich des Ostsiedlungsgebiets fest: „Das Dorfgericht [. . .] ist ein herrschaftliches Gericht, denn die Gerichtsgefälle fließen an den Dorfherrn und seinen beauftragten [. . .]. Der Herr [. . .] sorgt [. . .] für die Vollstreckung [des Urteils], er garantiert die Erzwingbarkeit des gefällten Urteils [. . .]. Dorfherrschaft ist Schutzherrschaft. Das genossenschaftliche Element dieser Dorfgerichte ist [. . .] in der Urteilsfindung enthalten. Der Siedel- und Rodeverband ist zugleich ein Urteilerverband. Die unauflösliche Verschränkung von Herrschaft und Genossenschaft in der Dorfverfassung der Siedlungszeit kommt in dieser Gerichtsverfassung zu unüber[. . .] alsbald der gnädigen Herrschaft [. . .] andeuten und Bescheides erwarten, in Summa alles, was einem ehrlichen Schöppen eignet und gebühret, verrichten will. So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Wort durch Jesum Christum. Amen“ (abgedruckt Stock, Schöffenbücher, S. 90 f.). Vergleichbare Eide finden sich auch andernorts, so auf den Budißiner Domstiftsdörfern (abgedruckt Boetticher, Ortschaften, S. 12 f.). Die Eide enthalten mit Gottesbezug als Eingangs- und Schlußformel die bereits von anderen Landschaften und Herrschaftsebenen bekannten Schöffen- (und Richter-)pflichten, gerecht und unbeeinflußt ohne Ansehung der Person zu handeln. In späteren Eiden tritt auch hier die Treue- und Gehorsamspflicht gegenüber der Herrschaft oft in den Vordergrund, oftmals im Zusammenhang mit der Funktion des Dorfgerichts als „Ortspolizeibehörde“. Andere Eide aus späterer Zeit lassen zudem den Bezug auf die hergebrachten Schöffenpflichten gänzlich vermissen, so der Schöffeneid Cosels in der Standesherrschaft Königsbrück von 1671: „Nachdeme von meiner gnädigen Herrschafft Ich zu einem Richter im Dorff Kosel erwehlet worden, So schwere Ich hiermit zu Gott einen leiblichen Eydt, daß Ich alles das Jenige, waß mir in Gerichtssachen anbefohlen wirdt, treues fleißiges unverdroßen, bey tag und nacht außrichten, alle strafbare Fälle, so auf den Koselischen Gerichten fürgehen und zu meiner wißenschafft kommen möchten, der Herrschafft oder dero Bestalten alsobaldt anrügen undt nichts verschweigen, alle Herrschaffts Gebotte undt Verbotte in Haußhaltungs und andern Sachen schleunig bestellen undt mich im übrigen dermaßen verhalten will, waß einer vereydeten Gerichtsperson eignet undt gebühret, So wahr mir Gott helffe, durch Christum, Amen“ (abgedruckt Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 307). Dies mag wiederum damit zu tun haben, daß die Dorfgerichte im Zuge des Erstarkens des herrschaftlichen Elements, mithin der Rezeption fremden Rechts ihre Funktion als Gericht etwa in streitigen Verfahren zugunsten des grundherrlichen (Patrimonial-)Gerichts aufgaben und im wesentlichen nur noch als „Ortspolizeibehörden“ handelten. 315 Buchda, Dorfgemeinde, S. 22 f.

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D. Grundherrschaften

trefflichem Ausdruck.“ 316 So waren im gesamten Ostsiedlungsraum, insbesondere in den dem Untersuchungsgebiet benachbarten Landschaften nachgewiesenermaßen ab dem 13. Jahrhundert eine bestimmte Anzahl der Dorfgemeinde entnommener Schöffen die Urteiler im Dorfgericht, nachdem wohl zuvor zunächst der gesamte Siedelverband geurteilt hatte.317 Hinsichtlich des Untersuchungsgebiets ist – an aussagekräftigen Urkunden mangelt es – als erstes das heute älteste Schöffenbuch des Untersuchungsgebiets heranzuziehen, nämlich das des Dorfes Rengersdorf, beginnend 1444 und endend 1591. Es enthält zunächst auch streitige Sachen, später fast nur noch Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, meist Käufe. Bereits in der ersten Eintragung, enthaltend einen Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wird davon gesprochen, daß ein Vormund „vor gerichte vnnd vor schippenn vnnd vor eine gehegite bang“ kam.318 Eines Richters wird nicht gedacht. Bereits diese Formulierung deutet an, daß damals (weiterhin) die Schöffen im Rahmen der Entscheidungsfindung maßgeblich waren. Die Formulierung wiederholt sich in den folgenden Eintragungen. 1446 wurde ein Grundstück „loß vnnd ledig glossen vor scheppenn vnnd vor gerichte“.319 Wenig später erfolgte eine Lossage nur „vor den schepphenn“.320 1455 erfolgte eine Entscheidung in einem streitigen Verfahren. Am Ende des Eintrags steht in diesem Zusammenhang: „Das gilt vor enn antwortenn vnnd die scheppen das geteylt habenn vnnd richter dor zu.“ Damit endet der Eintrag und die nächste Sache folgt.321 Dies kann, obwohl auch der Richter genannt ist, als Beleg für die alleinige Entscheidungsfindungskompetenz der Schöffen ausgelegt werden. Der Richter wird zwar im selben Satz genannt. Jedoch bezieht sich dies auf die Schlußformel, die regelmäßig am Ende eines Eintrags erfolgt und wo sämtliche Gerichtspersonen genannt werden, und nicht auf den Satzteil, der sich mit der Entscheidung auseinandersetzt. Im 16. Jahrhundert kehrt sich das Verhältnis um, und der Richter rückt in den Einträgen an die erste Stelle. Regelmäßig heißt es jetzt, daß die Parteien „vor richter vnd scheppen“. Jetzt wird auch bei größeren Sachen der Dorfherr erwähnt, der in den Einträgen vor Richter und Schöffen genannt wird. Verkäufe erfolgen „vor Richter und Schöffen“ häufig mit „Vorwissen“ des Dorfherrn.322 Dieser hatte das Recht, die Käufe zu „bestätigen“ beziehungsweise zu „bewilligen“.323 Gerade anhand des einen langen Überlieferungszeitraum abdek-

316

Näher Schlesinger, Gemeindebildung, S. 46 ff., insb. 53 f. Vgl. hinsichtlich der einzelnen Landschaften Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 123 f.; Menzel, Lokationsurkunden, S. 84 f., 269 ff., insb. 272 f.; Helbig, Landgemeinde, S. 109; Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 64 f. 318 StA Breslau, Schöffenbuch Rengersdorf, Bl. 1. 319 StA Breslau, Schöffenbuch Rengersdorf, Bl. 7. 320 StA Breslau, Schöffenbuch Rengersdorf, Bl. 14. 321 StA Breslau, Schöffenbuch, Rengersdorf, Bl. 15 f. 322 So etwa 1569: StA Breslau, Schöffenbuch Rengersdorf, Bl. 374. 323 So etwa 1579: StA Breslau, Schöffenbuch Rengersdorf, Bl. 473. 317

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kenden Rengersdorfer Schöffenbuchs kann die Entwicklung von einer genossenschaftlich zu einer herrschaftlich geprägten dörflichen Gerichtsverfassung beobachtet werden. Im ältesten Schöffenbuch von Hirschfelde, begonnen 1487, wird gesagt, daß die Partei „vor gehegte bang“ gekommen sei. Weitere Auskünfte ergeben sich nicht.324 Im Hokircher Schöffenbuch, beginnend 1519, heißt es regelmäßig in streitigen wie Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, daß die Parteien „vor Richter und Schöffen“ gekommen seien. Ein „entscheidt“ in einer streitigen Sache wegen der „Treybe“ zwischen zwei Bauern „geschah“ „für Richter und scheppen“, deren Namen am Ende des Protokolls aufgelistet sind.325 Im 16. Jahrhundert kommen dem ältesten Klosteranteil-Markersdorfer Schöffenbuch von 1537 bis 1587 zufolge jedoch die Parteien „vor scheppen und gerichte“ beziehungsweise – weniger häufig – vor „Richter und Schöffen“.326 Im Jahr 1572 wurde dem Oberneundorfer Schöffenbuch, beginnend 1513, nach verhandelt wegen einer Erbschaftsangelegenheit vor der „scheppenbang“ „alhier zu Neundorff“ „Im beysein scheppen und richter“.327 Hier werden immerhin die Schöffen vorangestellt. Aber auch aus diesem Schöffenbuch geht nicht deutlich hervor, wie das Entscheidungsverfahren gestaltet war, vor allem auch deshalb, weil auch hier die Masse der Einträge Käufe, Lossagungen, Tauschhandlungen und Vergleiche betrifft, insoweit keine Entscheidung in einem streitigen Verfahren erfolgte. Im Jahr 1591 erfolgte vor dem Gericht zu Rothenburg bei Görlitz ein Prozeß in peinlichen Sachen: „Anno 1591 den 31. may, war der sonnabend vor pfingsten, ist simon Werner alhier zu Rottenburgk fur ein peinlich halsgericht mit gewonlicher bedingung vorkommen und nach recht gefragt [. . .]. Hierauf haben ihme die scheppen ein Urtell funden.“ 328 Noch Ende des 16. Jahrhunderts fanden die Schöffen das Urteil, bestand auch insoweit (noch) Funktionsteilung. Daneben ist aber auch vorsichtig zu schließen, daß bereits ab dem 16. Jahrhundert mancher Dorfrichter beziehungsweise der Dorfherr selbst miturteilte. Hinsichtlich der späteren Zeit ließen sich trotz intensiven Quellenstudiums329 keine vergleichbar aufschlußreichen Nachweise auffinden, was wohl dem zuschulde ist, daß die Dorfgerichte ohnehin im Zuge der Patrimonialisierung der grundherrlichen Gerichtsbarkeit ab dem 16. Jahrhundert ihre Zuständigkeit in streitigen Sachen jeweils an das grundherrliche (Patrimonial-)Gericht abgaben. Ab 1665 erscheinen etwa in 324

Knothe, Schöppenbuch, S. 119. StFilA Bautzen, Schöffenbuch Hohkirch 1519–1589, unpaginiert. 326 StFilA Bautzen, Schöffenbuch Markersdorf 1537–1587, Bl. 6 ff. 327 StFilA Bautzen, Schöffenbuch Oberneundorf 1513–1591, Bl. 131. 328 Abgedruckt Stock, Rothenburg, S. 153. 329 So wurden folgende am frühesten einsetzende Schöffenbücher – teilweise schwer beschädigt – im Staatsfilialarchiv Bautzen durchgesehen: StFilA Bautzen, Schöffenbuch Markersdorf 1537–1587, paginiert; StFilA Bautzen, Schöffenbuch Oberneundorf 1513–1591, unpaginiert; StFilA Bautzen; Schöffenbuch Zodel, unpaginiert. 325

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D. Grundherrschaften

den entsprechenden Schöffenbüchern von Oberneundorf regelmäßig daneben beziehungsweise anstelle dessen Einträge des jeweiligen Gerichtshalters oder „Inspectors“, die Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit beurkunden, in ersterem Fall die Dorfgerichtspersonen – oftmals undifferenziert nur noch als „gerichte“ bezeichnet – nur noch daneben als Zeugen benannt werden.330 2. Gerichtsort/-zeit Gerichtsort des nach dem ius teutonicum eingerichteten Dorfgerichts war das betreffende Dorf. Hinsichtlich Brandenburgs wies Kühns nach, daß dies je nach Gewohnheit von Dorf zu Dorf abwich. Oftmals fand die Versammlung hier im Schulzengut statt.331 Gerichtsorte waren aber regelmäßig auch anders als im Altsiedelland („Rathäuser“) die Kretschame, also die Schenken, die regelmäßig der Dorfrichter betrieb.332 Auch im Untersuchungsgebiet fand, wie Boelcke allgemein, Mitter hinsichtlich der Zittauer Ratsdörfer und Naumann hinsichtlich der Standesherrschaft Königsbrück nachwies, das Dorfgericht wie das grundherrliche Gericht für das betreffende Dorf in der Regel im Gerichtskretzscham, häufig dem Richtergut, statt. Wo wie in Hirschfelde kein Kretzscham bestand, wurde in einem Gasthof getagt. Eine Hegung des Gerichts unter freiem Himmel ist für den Zeitraum des Vorhandenseins von Quellen, also ab dem 16. Jahrhundert nicht nachzuweisen.333 Dies gilt auch hinsichtlich der übrigen Gegenden des Untersuchungsgebiets. Hinsichtlich insbesondere der an das Untersuchungsgebiet angrenzenden, aber auch anderen Landschaften des Ostsiedlungsgebiets wird insbesondere anhand von Lokationsurkunden erkennbar, daß das Dorfgericht ursprünglich regelmäßig wie das grundherrliche Gerichte zu drei Malen im Jahr ordentlich gehegt wurde, und zwar entweder vom Vogt oder einem beauftragten Richter, soweit (noch) keine Exemtion erfolgte, oder vom Dorfrichter im Falle der Exemtion. Später wurde das Dorfgericht jedoch nur bei Bedarf gehalten.334 Hinsichtlich des Untersuchungsgebiets regelt die bereits erwähnte Lokationsurkunde von 1248 die Gerichtszeit des grundherrlichen Gerichts, wie aus der Nennung der Gastungspflicht der Dorfgemeinde in diesem Zusammenhang hervorgeht.335 Insoweit gibt auch die Lokationsurkunde von 1273 keine Auskunft.336 330 StFilA Bautzen, Schöffenbücher Oberneundorf 1596–1665, Bl. 236 ff., 246 f.; 1666–1762, Bl. 1 ff. 331 Kühns, Gerichtsverfassung II, S. 174. 332 Vgl. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 118 ff.; Menzel, Lokationsurkunden, S. 269 ff. 333 Boelcke, Verfassungswandel, S. 240; Mitter, Gerichtsverfassung, S. 86 f.; Naumann, Rechtsbeziehungen, S. 307. 334 Vgl. Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 122; Menzel, Lokationsurkunden, S. 269 ff.; Kühns, Gerichtsverfassung II, S. 174; Peterka, Rechtsgeschichte I, S. 64. 335 RBM I, S. 562. 336 RBM II, S. 1019.

II. Dorfgerichte/Gerichte in den grundherrlichen Städten

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Jedoch kann geschlossen werden, daß auch insoweit die Regelung, dreimal im Jahr zu dingen, zumindest bekannt war. Aus den bereits zitierten ausgewerteten Schöffenbüchern, die mit Masse ab dem 16. bis ins 19. Jahrhundert überliefert sind, geht indes jedenfalls hinsichtlich dieses Zeitraums hervor, daß Gericht lediglich bei Bedarf gehalten wurde. Feststehende Gerichtszeiten sind mithin nicht nachzuweisen. Dies widerspricht nicht den Erkenntnissen vor allem Boelckes, Boettichers, Knothes, Mitters, Naumanns und Stocks.337 3. Ergebnis Die Überlieferung beginnt mit der Ostsiedlung und dem damit im Untersuchungsgebiet nachweisbaren ius teutonicum. Im Ursprung ist das vom Siedlungsgeber/Dorfherrn meist zunächst an den Lokator zu Lehn oder Eigen verliehene erbliche Amt des Richters/Schulzen, des Dorfrichters, nachgewiesen, verbunden mit einem Richtergut, an dem neben der Pflicht zum Richteramt bestimmte weitere gerichtsverfassungsrechtlich bedeutsame Rechte und Pflichten hingen. Das Amt war mithin stets ein herrschaftliches. Insoweit bestehen keine Abweichungen zu den Verhältnissen in den jeweils benachbarten Landschaften. Bald erscheint – ebenfalls wie in benachbarten Landschaften – daneben das ebenfalls herrschaftliche Amt des Bedarfsrichters, der mithin ausschließlich vom Dorfherrn, und zwar ohne Ausstattung mit einem Richtergut für eine gewisse Dauer „gesetzt“ wurde. Der Bedarfsrichter erhielt anstelle eines Richtergutes eine Besoldung. Das Amt war nicht erblich. Entlassung durch den Dorfherrn war jederzeit möglich. Der Bedarfsrichter löste – auch dies keine Besonderheit des Untersuchungsgebiets – den Erbrichter nach und nach ab, insbesondere im Zuge der Entstehung und Ausbreitung der Gutsherrschaft. Weniger ist dies zu beobachten hinsichtlich etwa städtischer Grundherrschaften, da eine landesherrliche Stadt möglicherweise im Gegensatz zum adligen Grundherrn am Erhalt der Verfassung der Grundherrschaft, also des bäuerlichen Eigentums interessiert war. Genossenschaftlicher Einfluß auf die Besetzung des Dorfrichteramtes konnte nirgends nachgewiesen werden. Hinsichtlich der Gerichtsverfassung in den sorbisch altbesiedelten Dörfern setzt die Quellenüberlieferung erst zur Zeit der Ostsiedlung ein. Das Amt des Supans/Starosten erscheint mithin – wahrscheinlich auch hier nach dem ius teutonicum umgestaltet – der Ausstattung sowie den Rechten und Pflichten nach vergleichbar dem Richteramt in den Siedlerdörfern. Die sorbischen Amtsbezeichnungen wurden von den deutschen Bezeichnungen abgelöst. Das Dorfgericht sowohl in alt- als auch in neubesiedelten Dörfern war von ersten Quellennachweisen im ausgehenden Mittelalter bis zum Ende des

337 Vgl. Boelcke, Verfassungswandel; Boetticher, Ortschaften, S. 9; Knothe, Gutsuntertanen; Mitter, Gerichtsverfassung; Stock, Schöppenbücher.

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D. Grundherrschaften

Untersuchungszeitraums entsprechend der Zuständigkeit mit Schöffen aus der Dorfgemeinde besetzt, deren Anzahl entsprechend der Größe der Dorfgemeinde bemessen war, mithin meist – auch in einem Dorf innerhalb weniger Jahre – zwischen zwei und zehn schwankte. Ab dem 17. Jahrhundert sind regelmäßig nur noch bis vier Schöffen anzutreffen. Die Scheidung in Richter und Schöffen wurde aber stets beibehalten. Das Dorfgericht wies hinsichtlich Auswahl und Ernennung der Schöffen zwar genossenschaftliche Züge auf, indem die Schöffen von der Dorfgemeinde „gesetzt“ beziehungsweise präsentiert wurden. Stets war aber zumindest die Zustimmung beziehungsweise Annahme durch den Dorfherrn erforderlich, erscheint auch dieses Amt herrschaftlich geprägt. Auch insoweit ergeben sich keine Abweichungen zu den benachbarten Landschaften. Die Anforderungen an die Gerichtspersonen wichen regelmäßig ebenfalls nicht von denen im übrigen Ostsiedlungsraum ab. Insbesondere mußte der Richter (neben der Lehnsfähigkeit bezogen auf das Lehnrichtergut) zum Richteramt fähig sein. Insoweit spiegeln sich auf tatsächlicher Ebene Regelungen des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts. Die Schöffen wurden stets der Rechtsgemeinschaft ihrer Dorfgemeinde entnommen. Es mußte sich nicht stets um Bauern, sondern konnte sich auch – wie in der Herrschaft Königsbrück – um Häusler handeln. Bis zuletzt handelte es sich – gegenteilige Hinweise liegen nicht vor – um Laienrichter und -schöffen. Es bestanden die typischen, bereits genannten Richter- und Schöffenpflichten. Die typischen gerichtsbezogenen Pflichten von Richter und Schöffen erscheinen in Eiden des 17. Jahrhunderts und später nicht immer beziehungsweise nur neben den in den Vordergrund getretenen allgemeinen Treue- und Gehorsamspflichten gegenüber dem Dorfherrn als Gerichtsherrn. Ursache mag der im Zuge der Patrimonialisierung erfolgte Zuständigkeitsverlust der Dorfgerichte als Gericht sein. Urteil wurde im Mittelalter von den Schöffen aus der Dorfgemeinde gefunden. Ab dem 15. Jahrhundert ist ein Zuständigkeitsschwund zugunsten des Patrimonialgerichts zu beobachten, wobei das Dorfgericht sich mancherorts letzte Reste auch der Zuständigkeit hinsichtlich streitiger Sachen erhalten konnte. Hinweise auf die Art der Entscheidungsfindung, mithin das Bestehen des Grundsatzes der Funktionsteilung insoweit ließen sich bei Auswertung mehrerer Schöffenbücher aller Zeiträume nur selten auffinden. Nach den vorhandenen Hinweisen ist Funktionsteilung für das Ende des 16. Jahrhunderts noch bezeugt, jedoch ergeben sich auch hinsichtlich desselben Zeitraums mittelbare Hinweise auf miturteilende Richter. Die Masse der Einträge der Schöffenbücher insbesondere auch der Frühen Neuzeit stellen keine streitigen Sachen dar, weswegen davon auszugehen ist, daß das Dorfgericht insoweit kaum noch zur Entscheidungsfindung als Gericht berufen war. Dies deckt sich mit den bereits eingangs genannten Ergebnissen Ruderts bezogen auf die von ihm untersuchten Orte im Untersuchungsgebiet und Sˇtefanovás338 bezüglich der benachbarten böhmischen Herrschaft Friedland. Das Dorfgericht stand als Rechtsprechungskörperschaft als feste Struktur dorfge-

II. Dorfgerichte/Gerichte in den grundherrlichen Städten

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meindlicher Autonomie im Sinne des dinggenossenschaftlichen Prinzips zur Zeit der Gutsherrschaft, mithin in der Frühen Neuzeit nicht mehr zur Verfügung. Eine Gerichtsverfassung, die nach Sorben und Siedlern unterschied, ist nicht zu beobachten. Das Deditzgericht und das Gericht der wendischen Pflege Göda stellen sich als Gerichte dar, deren Rechtsgemeinschaften sich nicht durch Bevölkerungszugehörigkeit, sondern durch Zugehörigkeit zum betreffenden Personalverband beziehungsweise zu einer (ausschließlich beziehungsweise überwiegend aus Sorben bestehenden) Dorfgemeinde beziehungsweise einem landesherrlichen Herrschaftsbereich, der einen bestimmten Gerichtsbezirk darstellte, definierten. Der Gerichtsort des Dorfgerichts war stets das Dorf, hinsichtlich dessen das Gericht zuständig war, häufig der Gerichtskretzscham. Eine feste Gerichtszeit ist, soweit die Überlieferung reicht, nicht nachzuweisen. Das Gericht tagte bei Bedarf. Wohl bestanden im Mittelalter feste Gerichtszeiten.

338 Die jedoch an einer Stelle, ein schwerwiegender Lapsus, mit Verweis auf Eintragungen in einem im Sächsischen Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Dresden verwahrten Gerichtsbuch von Augustusburg bezüglich etwa der Dörfer Borstendorf und Eppendorf über Oberlausitzer Verhältnisse zu sprechen meint. Diese Orte liegen aber im Erzgebirge im früheren Kursachsen; Sˇtefanová, Erbschaftspraxis, S. 250 f.

E. Deditz-/Zeidlergerichte Dorfvorsteher und bestimmte Bauern sorbisch besiedelter Dörfer, nämlich Supane (Starosten) und Witsassen, handelten wie erwähnt ab dem Zeitraum der Ostsiedlung in den Burggrafengerichten, später Vogtdingen/Landgerichten des Markengebiets, vor allem auch des Untersuchungsgebiets als Schöffen. Sie werden damit den Dorfvorstehern nach dem ius teutonicum verfaßter Dörfer vergleichbar. Die Stellung und Funktion der Angehörigen des sorbischen Volks erscheint gerichtsverfassungsrechtlich (im Zuge der Ostsiedlung) nach dem ius teutonicum umgebildet, erscheinen mithin jene in die Gerichtsverfassung nach dem ius teutonicum völlig integriert. Daneben könnten auf nichtlandesherrlicher Ebene (nach dem ius slavorum verfaßte) Gerichte bestanden haben, die ausschließlich für die sorbische Bevölkerung zuständig waren. Lediglich in der Gegend von Zerbst, also außerhalb des Untersuchungsgebiets begegnet 1129 ausdrücklich ein „placitum Slavorum“ im Gegensatz zum „ius generale vel placitum, quod in volgari lantding dicitur“.1 Die die Wenden betreffenden Regelungen des Sachsenspiegels zeigen ein unterschiedliches Bild. Gegen eine Scheidung der Gerichtszuständigkeit, mithin der Gerichtsverfassung nach Volkszugehörigkeit spricht Ssp.-Ldr. III 69 § 2, wonach das Gericht über jedermann, er sei deutsch oder wendisch, Urteil finden darf, wobei sich diese Regelung nur auf das Gericht unter Königsbann bezieht, das ja im Markengebiet nicht stattfand. Im Gericht ohne Königsbann darf dagegen nach Ssp.-Ldr. III 70 § 1 weder der Wende über den Sachsen noch der Sachse über den Wenden richten, es sei denn nach Ssp.-Ldr. III 70 § 2 bei Verbrechern auf handhafter Tat, die durch das Gerüfte vor das Gericht gebracht wurden. In einer späteren Quelle wie etwa Art. 28 § 2 der Weichbildvulgata wird nicht mehr zwischen Deutschen und Wenden unterschieden, sondern, sofern beide Parteien demselben Gericht unterstehen, muß jeder „mann“, „er sy deuzsch ader wendisch, [. . .] do antwerten“. Dies deutet darauf, daß ein gerichtsverfassungsrechtlicher Unterschied zwischen Wenden und Deutschen möglicherweise zwar ursprünglich, jedoch jedenfalls später im Geltungsbereich der Weichbildvulgata, mithin des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts nicht mehr bestand.2 Ein Gericht, das ausschließlich bezogen auf die sorbische Bevölkerung zuständig war, ist auch hinsichtlich des Untersuchungsgebiets nicht, soweit die Quellenüberlieferung reicht, nachzuweisen. Die heute vorhandenen Quellen zeigen wie erwähnt, daß seit der Ostsiedlung hier wie im übrigen Ostsiedlungsraum Dorf1 2

Nachweis bei Schlesinger, Gerichtsverfassung, S. 76, Anm. 44. So auch Lück, Supan, S. 83; Schlesinger, Gemeindebildung, S. 54.

E. Deditz-/Zeidlergerichte

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vorsteher oder Lehnbauern, seien sie nun Wenden oder Deutsche, Supane/Starosten oder Schulzen/Richter beziehungsweise Witsassen oder Lehnmänner, nebenund miteinander auf der Schöffenbank landesherrlicher Gerichte erscheinen. Rein wendisch besetzte Gerichte, die (mithin nach dem dinggenossenschaftlichen Prinzip verfaßt) gerichtsverfassungsrechtlich von denen Deutscher abgeschlossen waren, bestanden auf nichtlandesherrlicher Ebene lediglich, indem es rein wendische beziehungsweise rein deutsch besiedelte Dörfer gab, wie dies im Untersuchungsgebiet noch bis in die jüngste Neuzeit zu beobachten war.3 Die bereits erwähnten Deditzenverbände/Zeidlergenossenschaften verfügten indes jeweils über eigene Gerichte. Über die Verfassung der Gerichte der Deditzen/Zeidler in der Mariensterner Grundherrschaft wurde 1518 im Zinsregister des Klosters St. Marienstern geschrieben: „Dye dediczer synt vortadilte und vorwurffen lewthe zw handwercken und erlichen innungen, und dye selbten lewthe handeln mit bynen und bynen bewthen, in heiden und weldern, und haben eygen gerichte under eynander, und sy mogens sich von der herrschaft abekewffen, sunderlich die von den deciczern geboren werden und sulchs handils nicht treibn noch üben.“ 4 Die Deditzen/Zeidler, deren Deditz-/Zeidlereigenschaft auch hiernach durch Abstammung von einem Deditzen-/Zeidler begründet wurde, also einen reinen Personalverband darstellten, erscheinen mithin ausgestattet mit einem „eigenen Gericht“, in denen die „untereinander“ angefallenen Sachen behandelt wurden. Es handelte sich bei diesem Gericht also um ein solches bezogen auf den Personalverband. Aus einem Eintrag aus dem Görlitzer liber actorum 1478 bis 1485 von 1484 geht folgendes hervor: „So dann der her burgermeister uff schaffung und nach emphelung des edlen wolgeboren herrn Georgen von Stain ko. majestet anwalt und diszer land voyt zu den zeidlern etc. geklaget had, sy sich in dy koniglichen gerichte gelegit, obir peinliche sachen, sy nindert anderszwo, dann alhir [vor dem Görlitzer Stadtschöffengericht – HvS] als eym heupte desz landes, uff begnadung und privilegia diszer königlichen stadt sullen gefordert und gericht werden, gesessin und underwunden habin, vorgebende, sy hetten ir eigne gerichte zcu hengen, zcu blenden, zcu heischen und zcu echten, und so sy sulchen frevil begunst, sich der königlichen gerichte underwunden unde der stat in ire herlichkeit und begnadunge gegriffen: woren sy dorumbe in dy pen, in denselben begnadungen und der stat privilegia uszgedrugkt, gefallen; haben sich die zeydler alle durch iren vorredner an dy recht [vor das Görlitzer Gericht] brengen lossin [. . .]. [Nach Anhörung des Klagevortrags des Bürgermeisters der Stadt Görlitz – HvS] habin sy gesaget, sy ir altherkomen der sachen halbin forder in rechten nicht zu holfe nehmen welden.“ 5 Danach hatte sich eine Deditzen-/Zeid3 Näher hinsichtlich der Bevölkerungsstruktur der Oberlausitz in Gegenwart und Geschichte Blaschke, Bevölkerungsgeschichte, S. 114 ff. 4 Haupt/Huth, Zinsregister Marienstern, S. 90. 5 Urkunde Zeidlerwesen.

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E. Deditz-/Zeidlergerichte

lergenossenschaft in der Görlitzer Heide unterwunden, Sachen vor ihr Gericht zu ziehen, die in die Zuständigkeit des Görlitzer Stadtschöffengerichts fielen, vor allem Obergerichtssachen. Sie beruft sich durch ihren „Vorredner“ hierbei auf „altes Herkommen“, verzichtet aber für die Zukunft auf die weitere Geltendmachung dieses Rechts, ohne aber dessen Vorhandensein in Abrede zu stellen. Auszugehen ist wohl davon, daß die Deditz-/Zeidlergerichte – im nunmehrigen Weichbild Görlitz jedenfalls früher einmal – über die Zuständigkeit in Obergerichtssachen verfügten beziehungsweise verfügt hatten. Die Deditzer/Zeidler im Weichbild Görlitz verfügten jedenfalls zum Zeitpunkt der Urkunde jeweils zumindest noch über die Niedergerichtszuständigkeit. In Gesamtschau mit der Eintragung im Mariensterner Zinsregister war die Zuständigkeit eines Deditz-/Zeidlergerichts bezogen auf die Angehörigen der jeweiligen Deditz-/Zeidlerverbands. Ob sich dies wie etwa bei den nach dem ius teutonicum verfaßten Dorfgerichten auch gerichtsverfassungsrechtlich niederschlug, ob mithin das dinggenossenschaftliche Prinzip galt, wonach ausschließlich oder maßgeblich Urteiler aus dem Kreis der jeweiligen Zeidlergenossenschaft Urteil fanden und damit für diese allgemeinverbindliches Recht gestalteten oder bewahrten, ist nach der derzeit bekannten Quellenlage ungewiß. Die Tatsache, daß die Deditzverbände zumindest nach den hier angeführten Quellen aus nachkolonisatorischer Zeit über ein ausschließlich für den jeweiligen Verband zuständiges Gericht verfügten, weist zumindest bezogen auf die Zeit nach der Ostsiedlung in diese Richtung. Andererseits ist vor allem die Rolle des aus einer Quelle aufscheinenden „vorredner“ unklar. War er möglicherweise alleinurteilender Richter, galt mithin angelehnt an allgemeine Grundsätzen der ältersorbischen Verfassung ein Prinzip, wonach im Sinne einer bestimmten Hierarchie in einer jeweiligen Siedlungseinheit nicht ein Herrschaftsunterworfener, sondern ein Herrschaftsträger (durch eine gerichtsförmige Entscheidung im Sinne des dinggenossenschaftlichen Prinzips?) Konflikte im Einzelfall löste und möglicherweise damit allgemeinverbindliche Regeln für den jeweiligen Verband schuf oder bewahrte?

F. Landesherrliche Städte I. Erb-/Stadtgerichte in den landesherrlichen Städten Die Entwicklung von Dörfern zu Städten ab dem Hochmittelalter hat vor allem rechtsgeschichtliche Hintergründe. Sie ist Ausdruck der Entwicklung dörflicher zu stadtrechtlichen Genossenschaften, die – wenn auch regelmäßig weiterhin einem Stadtherrn unterstehend – im Rahmen von Immunität zu weitgehender Selbstherrschaft und Selbstbestimmung, ausgestattet mit einem hinsichtlich ihrer Genossenschaft zuständigen, mithin mit Angehörigen ihrer Rechtsgemeinschaft als Urteiler besetzten Gericht gelangten, und zwar in Abschließung von der Landrechtsgenossenschaft, der sie bislang angehörten hatten. Dies trifft auch auf die Städte im Ostsiedlungsgebiet, insbesondere im Geltungsbereich des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts zu.1 Die landesherrlichen Städte im Untersuchungsgebiet gehörten wie erörtert der Magdeburger Stadtrechtsfamilie an. Daher sind vor allem die gerichtsverfassungsrechtlichen Inhalte des Magdeburger Rechts, mithin des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts in den Blick zu nehmen. Die Gerichtsverfassung der landesherrlichen Städte im Untersuchungsgebiet soll im Rahmen eines Gesamtüberblicks dargestellt werden. Hierbei wird ein Schwerpunkt auf die Budißiner und Görlitzer Verhältnisse gelegt. Zunächst werden Urkunden und Rechtsbücher, dann Stadt-, insbesondere Gerichtsbücher herangezogen. An normativen (mit Bedeutung auch als deskriptive) Quellen werden vor allem berücksichtigt die Görlitzer Ratsordnungen von 14892 und 15633. Außerdem liegen die Görlitzer Gerichtsordnung von 15934 und die (teils gleichlautende) Budißiner Gerichtsordnung von 15945 vor. Hinsichtlich der späteren Zeit dient die Görlitzer Ratsordnung von 17376 als Beispiel. An annalistischen Quellen sind vor allem Hasses Görlitzer Ratsannalen7, Schneiders Richterliches Tage-

1 Näher Bader/Dilcher, Rechtsgeschichte, S. 329 ff., 362 ff.; Pitz, Verfassungslehre, S. 290 ff.; hinsichtlich des Geltungsbereichs des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts Lück, Schöffenstuhl, S. 138 ff.; hinsichtlich des Verbreitungsgebiets des SächsischMagdeburgischen Rechts im Ostsiedlungsgebiet Weitzel, Rechtsbegriff, S. 82 ff.; Schubart-Fikentscher, Verbreitung, S. 112 ff.; Kretzschmar, Entstehung, S. 154 ff. 2 Görlitzer Ratsordnung 1489. 3 Görlitzer Ratsordnung 1563. 4 Weinart, Rechte IV, S. 112 ff. 5 Schott, Sammlungen II, S. 52 ff. 6 RA Görlitz, Ratsordnung 1737, unpaginiert. 7 Haß, Ratsannalen I/II.

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F. Landesherrliche Städte

buch8 und Scultetus’ Kürbuch9 heranzuziehen. Wichtig sind zudem die Ratslinien. Hinsichtlich weiterer Quellen wurden die Bestände des Stadtarchivs Bautzen und des Ratsarchivs Görlitz benutzt. Leider war eine wichtige Akte des Stadtarchivs Bautzen nicht benutzbar. Das Ratsarchiv Görlitz beklagt eine Vielzahl derzeit nicht vorhandener, wohl verschollener wichtiger Akten gerade des Repertoriums I, vor allem der Sektion XXX, Gerichtswesen. Der Überlieferungszeitraum der Masse der hier vorhandenen Quellen beginnt mit Ausnahme der Bestände Rechtsbücher und Gerichtsbücher nach 1547. Nur die Urkunden decken neben einigen wenigen, hier berücksichtigten Akten einen früheren Zeitraum ab, wobei die relevanten Urkunden auch gedruckt vorliegen. Das alte Zittauer Archiv ging nahezu völlig bei einem Brand 1757 verloren. 1. Gerichtspersonen a) Gerichtsbesetzung aa) Richter Das Magdeburger Gerichtsverfassung war ebenfalls von den Grundsätzen Funktionsteilung und Schöffenverfassung geprägt. Der Magdeburger Schultheiß war neben dem königlichen/landesherrlichen Burggrafen/Vogt, welcher Richter in Hochgerichtssachen war, königlicher/landesherrlicher Richter zunächst in Niedergerichten im königlichen/landesherrlichen Schultheißengericht. Er war Beisitzer des Magdeburger Burggrafen/Vogtes im Burggrafen-/Vogtding als erster des aus Magdeburger Stadtschöffen bestehenden Schöffenkollegiums und Richter über diesen bei Rechtsweigerung, wurde jedoch bei von ihm ausgehender Rechtsweigerung vom Burggrafen/Vogt gerichtet. Der Schultheiß war mithin der „secundus advocatus“ in der Stadt Magdeburg. Das Amt gehörte als landesherrliches zunächst nicht zur genossenschaftlichen Ordnung, dem Rat. Das Amt wurde jedoch 1294 vom Rat erworben, womit es – nunmehr Bestandteil des Rates beziehungsweise mit Ratspersonen besetzt – auf die genossenschaftliche Ordnung überging.10 Im Ostsiedlungsraum wurde das Gericht eines Dorfes, das zur Stadt wurde, das Gericht der Stadtrechtsgemeinschaft, blieb der Dorfvorsteher weiterhin in aller Regel der Richter. Diese Gerichte wurden nach Magdeburgischem Recht (um-)gestaltet, das heißt es galten auch hier die Grundsätze Funktionsteilung und Schöffenverfassung. Bei Zuständigkeitsverlagerungen (Exemtionen) zulasten des Vogtdings und zugunsten der Stadtrechtsgerichte wurden diese häufig dadurch weiterhin an die landesherrliche (mithin vogteiliche) Gewalt gebunden, 8

RA Görlitz, Schneider, Tagebuch. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch. 10 Näher zur Magdeburger Gerichtsverfassung, insbesondere zum Amt des Magdeburger Schultheißen Lück, Gerichtsverfassung in den Mutterstädten, S. 171 f.; ders., Schöffenstuhl, S. 141; Schranil, Stadtverfassung, S. 72 ff., 152 ff. 9

I. Erb-/Stadtgerichte in den landesherrlichen Städten

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daß der landesherrliche Vogt sogenannter „schweigender Richter“ wurde. Dieser nahm die landesherrlichen Interessen im Gericht wahr und zog, soweit vorhanden, den landesherrlichen Anteil an den Gerichtsgefällen, die zwei Drittel der Gerichtsherrschaft, ein. Diese Einrichtung ist im gesamten Ostsiedlungsgebiet, insbesondere in Brandenburg und Schlesien zu beobachten.11 Eine landesherrliche Urkunde von 1264, in der unter den Zeugen hinter dem landesherrlichen Vogt „Christianus scultetus in Gorlicz“ erscheint,12 eine Urkunde der Zittauer von 1275, in der von „judex universitasque civium in Sitavia“ die Rede ist13 und eine Urkunde der Budißiner Bürger von 1280, in der „Henricus sculthetus“ vor den „schabini de Budessin“ genannt wird,14 stellen heute die ersten Erwähnungen von Schulzen/Richtern der landesherrlichen Städte im Untersuchungsgebiet dar. 1282 wird der Budißiner Schulze in einer landesherrlichen Urkunde auch als „scultetus hereditarius“ bezeichnet.15 Zurecht stellten etwa R. Jecht hinsichtlich Görlitz16 und Litter hinsichtlich Budißin17 fest, daß es sich auch bei den Stadtrechtsgerichten der landesherrlichen Städte im Untersuchungsgebiet ursprünglich um die im Zuge der Dorfaussetzung eingerichteten Dorfschulzengerichte unter Vorsitz des Schulzen/Richters handelte. Die bereits mehrmals erwähnte landesherrliche Urkunde vom 28. November 1303 zugunsten der Görlitzer trifft folgende Regelung hinsichtlich des Erbgerichts Görlitz: „Nos jura Magdeburgensia concedimus et donamus habenda, tenenda, questionibus, contractibus, causis, in omnem modum [. . .] expedire. Tamen quendam judiciarium vel judicii casum, qui Voytding vel Echeding nominatur, ibidem habere nolumus, ymo volumus et precipiendo statuimus, ut singulis horis et temporibus judicii oportunis, civitatis nostre in banccis, cum advocato nostro, judex hereditarius noster, qui fuerit, in persona propria adesse debeat et judicio presidere et ibidem in loco judicii et non alibi, sicut alii nostri cives, in banccis, presentibus scabinis civitatis, coram nostros advocato super accionibus, querelis, causis, contra dictum judicem motis vel movendis unicuique finaliter respondere et nostrum advocatum de fructibus judicii vel causarum judiciarium duas partes percipere et colligere, hereditarium judicem nostrum tertiam vero partem [. . .] reservare“.18 Das Gericht erscheint nach Magdeburgischem Recht, 11 Vgl. insgesamt Schubart-Fikentscher, Verbreitung; S. 57 ff.; Weitzel, Rechtsbegriff, S. 62 ff.; für das Mittelelbegebiet und Meißen Schlesinger, Gemeindebildung, S. 61; für Brandenburg Kühns, Gerichtsverfassung I, S. 186 ff.; für Schlesien Loesch, Verfassung, S. 125 f. 12 Urkunde 1264. 13 Prochno, Ratslinie, S. 69 f. 14 CDLS I, S. 102 ff., 104, Z. 3 ff. 15 CDLS I, S. 86 f., 87, Z. 15 f. 16 Jecht, Geschichte I, S. 36 f., 47. 17 Litter, Verfassungsrecht, S. 17 f. 18 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f.

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F. Landesherrliche Städte

also nach den Grundsätzen Funktionsteilung und, wie später noch näher auszuführen ist, Schöffenverfassung verfaßt. Der Görlitzer Erbrichter ist im Rahmen der dem Erbgericht übertragenen Zuständigkeiten der Richter im Görlitzer Erbgericht, er „sitzt ihm“ „in eigener Person vor“. Daneben handeln „Schöffen“ aus den Reihen der Görlitzer „Bürger“. Wie alle anderen Bürger hat der Richter sich vor dem Stadtschöffengericht bei Klagen gegen ihn zu verantworten, jedoch ist – wie in Magdeburg – insoweit der Vogt der Richter. Der Erbrichter erhält das Richterdrittel aus den Gerichtsgefällen des Erbgerichts, soweit es die nicht dem Vogtding vorbehaltenen, sondern an das Erbgericht übertragenen Zuständigkeiten betrifft. Die zwei Herrschaftsdrittel stehen weiterhin dem Landesherrn zu. Manche Zuständigkeiten verbleiben beim Vogt als Richter. Soweit es aber die dem Erbgericht vollständig übertragenen Zuständigkeiten betrifft, soll der Vogt „mit“ dem Erbrichter dem Gericht vorsitzen, also hier wie in benachbarten Landschaften wohl ebenfalls als sogenannter schweigender Richter, also als landesherrlicher Vertreter anwesend sein, der die landesherrlichen Rechte am und im Erbgericht wahrt, es beaufsichtigt und die landesherrlichen zwei Drittel der Gerichtsgefälle einzieht. Im landesherrlichen Privileg von 1307 wird zugunsten der Bürger von Budißin bestimmt, „daz nimant sal bechlagen cheinen man der burger reht hat in der stat ze Budißin denn vor sinem erbe richter“.19 Hinweise auf Gerichtsverfassungsstrukturen in der Stadt Kamenz ergeben sich erst nach 1318,20 also nachdem Kamenz landesherrliche Stadt geworden war.21 1356 und 1362 erscheinen erstmals Kamenzer Richter („iudex“ 22 beziehungsweise „richter“ 23). 1306 wird erstmals urkundlich mit „Apetz“ ein „judex hereditarius in Lubano“ 24 in Lauban genannt. 1322 wird hinter „Jacobus dictus advocatus de Lubano“ „Johannis scultetus de Lubano“ aufgeführt.25 Eine erste Erwähnung vom Vogtding eigenständiger Gerichtsverfassungsstrukturen in der Stadt Löbau stellt eine Urkunde von 1303 dar, in der Landesherr der Stadt Löbau („ciuitati Lobau“) die „jurisdictio per territorium eius“ verlieh.26 Erstmals in einer Urkunde von 1306 wird von einem Gericht und Richter in der Stadt Löbau („in civitate Levbawe coram judicio et judice“) gesprochen.27 1336 wird in einer Urkunde des Rates zu Löbau „Petrus scultetus“, „noster judex“, im Zusammenhang mit „nostrum judicium“ in Löbau

19 20 21 22 23 24 25 26 27

CDLS I, S. 186, Z. 27 f. Vgl. CDSR II, 7, S. XX. Knothe, Herren von Kamenz, S. 88 ff. CDS II, 7, S. 16, Z. 11. CDS II, 7, S. 20, Z. 32. CDLS I, S. 185, Z. 19. CDLS I, S. 248 f., 249, Z. 16. VOU I, H. 1–4, S. 20. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 480 f.

I. Erb-/Stadtgerichte in den landesherrlichen Städten

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genannt.28 In einem notariellen Protokoll von 1390 sagen Bauern verschiedener zum Weichbild Löbau gehöriger Dörfer aus, sie nähmen und gäben Recht „vor dem burgermeister und schepphin der [. . .] stat Lobaw.“ 29 Damit erscheint als Richter auch der Bürgermeister. Des im Rahmen der Weichbildzuständigkeit des Erbgerichts hinzugezogenen adligen „Hofrichters“ als Richters wurde bereits gedacht. Hinsichtlich Zittau wird 1303 in einer landesherrlichen Urkunde neben dem „provincialis advocatus“ erstmals eines „hereditarius advocatus“ „cum iuratis ciuitatis predicte [Zittau – HvS] gedacht.30 1312 stellt „Nos Wilricus judex nec non vniuersitas juratorum ciuitatis Zittauie“ eine Urkunde aus.31 In derselben Urkunde erscheint, jedoch nicht an erster Stelle in der Zeugenreihe wie etwa in Görlitz, sondern unter den Schöffen, denen ein „rector scabinorum“ voransteht, „scultetus Stainruker“.32 Die Rechtsbücher geben weitere Auskunft über die Richterbesetzung in ihrem Geltungsbereich. In Art. XVII der Weichbildvulgata („Von des richter errunge“) heißt es: „Nu vornemet ab der schultis ymand erret an siner clage, unde rechtis nicht hulffe, unde wegerte daz mit unrechte. Wirt er beclaget darumme vor dem voite mit gezeuge, des mus er mit den selbien gezeugen entghen, die ghener uff en but, is sein dinglute ader schepphen.“ Diese Regelung erscheint auch in § 111 der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304: „Ob der Richter jemande hindert an deme (sime) Rechten. Nu vernemet, ab der Schultheize jemande irret an siner Clage unde ime nicht Rechtes enphlege unde her des weigert mit Unrechte, wirt her vor deme Burcgreven beclaget mit Gezuge, so muz her mit Gezuge im entgen. Swelchen Gezug jener bu˚tet uffen Richtere, mit deme Gezuge muz iz der Richter entgen, iz sin Dinclu˚te oder Shepphen.“ 33 Bei Rechtsweigerung des Schultheißen als Richter darf also gegen diesen vor dem Burggrafen/Vogt geklagt werden. Die genannte landesherrliche Urkunde von 130334 enthält eine solche Regelung in bezug auf den dort genannten „iudex hereditarius“, den Görlitzer Erbrichter, der auch, wie zu sehen sein wird, in den Gerichtsbüchern „schultheize“ genannt wird, beziehungsweise den „advocatus noster“ des Landesherrn, den Görlitzer landesherrlichen Vogt. Damit wird der Görlitzer Erbrichter dem Schultheißen, der Görlitzer Vogt dem Burggrafen/Vogt in Magdeburg, mithin des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts vergleichbar. Hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse in den landesherrlichen Städten im Untersuchungsgebiet wird das Bild erhellt durch die Nachrichten aus den Ge28 29 30 31 32 33 34

CDS II, 7, S. 227 f., 228, Z. 4 f. CDS II, 7, S. 239 ff., 240, Z. 18. CDLS I, S. 169, Z. 19 ff. CDLS I, Anhang, S. 97, Z. 8 f. CDLS I, S. 97 f., 98, Z. 13. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 471. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f.

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F. Landesherrliche Städte

richtsbüchern und weiteren Quellen. Im ältesten Budißiner Gerichtsbuch, beginnend 1359, erscheint auch etwa in peinlichen Sachen (z. B. „homicidium“) als Richter des Stadtschöffengerichts, mithin im „iudicium bannitum“ beziehungsweise in „gehegeter banc“ nicht nur der „judex“, sondern auch der „magister civium“/„consulum“.35 Nach den Eintragungen in das zweitälteste Budißiner Stadtbuch, beginnend 1424, enthaltend vor allem Niedergerichtssachen wie Kaufbeurkundungen, erscheint hier regelmäßig als Richter der „judex“/„Richter“, der auch neben sechs Schöffen in der Einleitung des Stadtbuches auschließlich erscheint. Es verzeichnet auch nach seiner Einleitung aus dem Jahr 1424 neben dem „burgermeyster“ einen besonderen „judex“, dies auch noch nach Beginn der Weiterbenutzung des Buches 1497.36 Baumgärtel stellte aufgrund der Gerichtsbucheintragungen und weiterer Quellen eine Ratslinie zusammen. Hier erscheinen als Richter noch später neben dem „judex“/„Richter“ der jeweilige Bürgermeister als Mitglied des Rates als Richter.37 Wenngleich auch der Bürgermeister als Richter im Stadtschöffengericht handelte, mithin bereits insoweit eine gerichtsverfassungsrechtliche Verschmelzung von „Willkür“ und „Recht“ zu beobachten ist, ist doch damit zudem eine Person, die ausschließlich das davon unterschiedene Richteramt bekleidete und als solcher ebenfalls dem Gericht ohne Beteiligung des Bürgermeisters vorsaß, nachgewiesen. 1318 wird der Richter noch außerhalb des Rates genannt.38 Nach Erwerb des Richteramtes durch den Rat, worauf noch einzugehen ist, mithin ab Beginn der Überlieferung der Stadtbücher ab 1359 wird der Richter hinter dem Bürgermeister unter den Ratsmitgliedern aufgeführt. Zuvor hatte es sich auch nach Litters Untersuchungen zunächst noch um ein Amt außerhalb des Rates, mithin der genossenschaftlichen Ordnung gehandelt, während das Amt nunmehr als Bestandteil des Rates angesehen wurde.39 In den Gerichtsbüchern erscheint er, soweit es sich um gerichtliche Eintragungen handelt und der Richter den Vorsitz hat, an erster Stelle.40 Verzeichnisse der Görlitzer Erbrichter wurden jeweils zusammengestellt von Jecht41 und Neumann42. An Quellen ist neben den Stadtbüchern vor allem heranzuziehen Scultets Kürbuch. Im ältesten Görlitzer Stadtbuch erscheint als Richter der „judex“ oder, wie er auch zuvor in Urkunden genannt wird, „schultheize“. Er wird auch als „erberichter“ bezeichnet,43 wohl weil das Amt (zunächst) als landesherrliches erbliches Lehn vergeben wurde, wie noch zu sehen sein wird. Er35 36 37 38 39 40 41 42 43

z. B. Budißiner Stadtbuch 1359, S. 4, 7, 9, 10. Budißiner Stadtbuch 1424, S. 7. Baumgärtel, Ratslinie, S. 19 ff. Baumgärtel, Ratslinie, S. 19 ff.; Budißiner Stadtbuch 1359. Litter, Verfassungsrecht, S. 22. Vgl. Baumgärtel, Ratslinie, S. 19 ff. Jecht, Geschichte I, S. 47 f. Neumann, Geschichte, S. 638 f.; vgl. Weinart, Rechte III, S. 309. Zander, Rotes Buch, S. 14.

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sichtlich wird, daß auch in Görlitz stets eine von der Person des Bürgermeisters verschiedene Person, die ausschließlich dieses Amt bekleidete, als (Erb-)Richter handelte. Der Erbrichter wird in der Quelle zunächst stets vor Schöffen und Rat genannt, ist mithin Mitglied keines von beiden Gremien.44 Auch in Scultets Kürbuch wird der Erbrichter in ältester Zeit neben beziehungsweise vor Bürgermeister und dem übrigen Rat aufgeführt, so etwa 1325 „Otto der Richter“ und ab 1340 „He[i]nrich Steinrück[er] [der Richter]“. Der Richter wechselt nicht wie der Rat im Jahresturnus. Er erscheint nicht, auch nicht nach Abgabe des Amtes als Rat oder Schöffe.45 1364 erging ein Befehl des Landesherrn an „richter, burgermeister, schepfen und burger der stat zu Gorlicz“.46 Auch Angehörige des landsässigen Adels, also nicht der Stadtrechtsgenossenschaft, so etwa der Familien von Neueshofen47 und von Salza48 waren Erbrichter. Ab Ende des 14. Jahrhunderts ändert sich die Reihenfolge der Eintragungen im ältesten Stadbuch. Ab diesem Zeitpunkt wird der Richter im Erbgericht nicht mehr vor den Schöffen genannt. Dies findet zwar zunächst nur auf den Stellvertreter des Erbrichters, den „subjudex“, Anwendung, später aber auch auf den Erbrichter selbst. Nach 1346 verschwindet er ganz aus den Eintragungen.49 Der Görlitzer Stadtschreiber Haß berichtet in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts: Nicht mehr zu seiner Zeit, jedoch „vor zeiten [. . .] der richter etwas namhafftig vnd geweldig, auch bisweilen vom adel gewest, vnd hat sich mit den schoppen jn den gerichtshendeln vielmals eingeleget, jst auch dem burgermeister furgangen, douon der brauch herkommet, das ein rathe, dem richter, so er eingeht jn rathe, kor. mt. vnd seinen gerichten zu ehren auffsteht, vnd man sagt sundirlich von einem richter Nickellmiche Meyfleisch [Nickel Mehlfleisch, Erbrichter, der nach der sogenannten Pulververschwörung 1466/1467, an der er beteiligt war, abgesetzt und nach einem Todesurteil enthauptet wurde50 – HvS], den noch leute am leben, gekant, wiewol wenig, der habe schon gethan, prechtig gehalten, am sondtag jn circuitu sey er fur den eldisten hern [Ratsmitglieder, „zentrale Schlüsselinstanz“ des Görlitzer Rates51 – HvS] furher getretenn jn grossen weiten seiden ermeln, wie jsz die zeit der brauch gewest.“ Infolge der Pulververschwörung sei jedoch „keinem richter so viel eingerewmet, auch zu solchem furtriet vnd hoffart nicht gelassen, sundern man hats yhe mit den lantuoiten also gehalden, wenne ein rathe einem lantuoite, einem richter angegeben, das ers dobei gelas44

Zander, Rotes Buch, S. 14. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch, Jahre 1325, 1340 ff. 46 VOU I, H. 1–4, S. 81. 47 Hierzu Knothe, Adel I, S. 379 f. 48 Hierzu Knothe, Adel I, S. 463 f. 49 Zander, Rotes Buch, S. 14; Jecht, Ältestes Stadtbuch, S. 8 ff. 50 Vgl. zu Mehlfleisch Verzeichnis der landesherrlichen Richter bei Neumann, Geschichte, S. 639; zur Pulververschwörung Jecht, Geschichte I, S. 197 ff. 51 Behrisch, Obrigkeit, S. 70. 45

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sen, in dem bericht, das sich ein rate so viel dister bas mit dem richter vortragen, vnd die gerichte versorgen mochten.“ 52 Jedenfalls für den Zeitraum ab der Mitte des 15. Jahrhunderts sind, nachdem zuvor wie gesehen auch landsässige Adlige dieses Amt bekleidet hatten, als Erbrichter ausschließlich Ratsmitglieder, also Bürger nachgewiesen, wie sich aus Neumanns Auflistung,53 vor allem Scultets Kürbuch, wo 1457 „Johannes Marienam“ als Richter, ein Jahr später aber unter den „consules“ der Stadt genannt wird,54 und, soweit es den Zeitraum in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts betrifft, zusätzlich aus dem Bericht Hasses ergibt. Nach Haß hatte zu seiner Zeit „der adel eine grosse schewe, das sie umb das richter ambt nicht werben.“ 55 Daraus wird ersichtlich: Für dieses Amt wurde zwar nunmehr regelmäßig mit Bürgern, die später durchaus auch Ratsmitglieder wurden, besetzt. Es wurde jedoch auch aus Sicht der Görlitzer Stadtgenossenschaft weiterhin nicht die Zugehörigkeit zur Stadtrechtsgemeinschaft, also die Bürgereigenschaft, mithin Ratsmitgliedschaft verlangt, sondern es stand weiterhin zumindest theoretisch dem Adel, also Nichtangehörigen der Stadtrechtsgemeinschaft offen. Das Amt wurde mithin trotz Veränderungen infolge des Ansehensverlustes des Richteramtes weiterhin nicht als Amt innerhalb der genossenschaftlichen Ordnung, mithin Ratsamt angesehen. Jedoch erlangte der Rat spätestens infolge der Pulververschwörung, wie zu sehen sein wird, Einfluß auf die Besetzung des Richteramtes. Insgesamt wird ersichtlich, daß das Erbrichteramt, das ein landesherrliches Amt darstellte, nicht als Bestandteil des Rates, also der genossenschaflichen Ordnung angesehen wurde, sondern als Bestandteil der herrschaftlichen Ordnung außerhalb dessen stand. Auch späteren Gerichtsbüchern ist nicht zu entnehmen, daß bis 1547 der Richter wie etwa nach den Budißiner Stadtbüchern unter den Ratmannen genannt wird, mithin der Richter (auch nach Abgabe des Amtes) Ratsherr oder Schöffe ist.56. Die Eintragungen in Scultets Kürbuch bis 1547, bei denen der Richter stets außerhalb des Rates und der Schöffen, mithin oft unter den übrigen landesherrlichen Amtsträgern wie dem Görlitzer Hauptmann genannt wird, bestätigen dies.57 Das Erbrichteramt wurde also auch später niemals als Bestandteil der genossenschaftlichen Ordnung angesehen, waren die Amtsträger – zur Zeit ihres Richteramtes – keine Ratsmitglieder, sondern Teil der herrschaftlichen Ordnung. Daß andererseits „Recht“ und „Willkür“ bereits frühzeitig gerichtsverfassungsrechtlich auch hinsichtlich des Richters verschmolzen waren, ist wiederum hin52 53 54 55 56 57

Haß, Ratsannalen II, S. 127. Neumann, Geschichte, S. 638 f. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch. Haß, Ratsannalen II, S. 137 f. Vgl. etwa Jecht, Zweitältestes Stadtbuch; Boetticher, Gerichtsbücher. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch, Jahre bis 1547.

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sichtlich des Laubaner Stadtschöffengerichts zu beobachten. 1489 erschien etwa eine Partei in einer Schuldsache „vor vnns Burgermeister, Rathmann, Richter vnd Scheppen der Stat Lubann.“ 58 Dies ist nicht das einzige Beispiel anhand der Laubaner Schöffenbücher. Vergleichbares gilt für Löbau. 1390 bekannten Bauern mehrerer Dörfer um Löbau, daß „se gehorn czu dem Lobischen gebyt, haben geruget und bisher gewonet haben czu rugen rowberm dybe und andir obilteter des landes Lussitcz vor dem burgermeister und schepphin der vorgenanten stat Lobaw.“ Auch wurde bekannt, daß die Bauern aus Kittlitz „czur Lobaw czu gerichte gefurt und geantwert wart,“ daß mithin vor „burgermeistere und schepphin [. . .] recht und orteil [. . .] doselbist czur Lobaw“ genommen, gefragt und geheischen wurde.59 Nach der Ratslinie E. A. Seeligers erscheinen zunächst zu Beginn der Überlieferung im 14. Jahrhundert lediglich Bürgermeister und keine besonderen Richter, ab Beginn der Überlieferung der Stadtbücher 1491 ausdrücklich und stets hinter dem Bürgermeister innerhalb des Rates auch „iudices“/„richter“.60 Mithin ist davon auszugehen, daß zwar wie in Budißin ein besonderes Richteramt bestand, jedoch wie dort auch der Bürgermeister anstelle des „iudex“ oder Erbrichters Richter im Stadtschöffengericht war. Auch hier war das Richteramt Bestandteil des Rates. Hinsichtlich Zittaus erstellte zuletzt Prochno mangels noch vorhandener Stadtbücher insbesondere fußend auf Annalisten eine Ratslinie von 1310 bis 1547. Hiernach handelten 1310 der bereits genannte „rector scabinorum“ und 1352 „Hervord iudex hereditarius“, der ebenfalls in den Folgejahren auch als „iudex“ erscheint. Auch dessen Nachfolger „Nicol“ und „Georgius“ werden regelmäßig „judex hereditarius“ genannt. Sie erscheinen, solange sie Erbrichter genannt werden, außerhalb des Rats. Ab 1423, also nachdem das Amt vom Rat erworben worden war, werden die Richter durchgängig nur als „iudex“ bezeichnet und auch hier unter den Ratsmitgliedern hinter dem Bürgermeister aufgeführt.61 Hier handelte also trotz auch insoweit erfolgter Verschmelzung von Rat und Schöffengremium gerichtsverfassungsrechtlich weiterhin wiederum ein besonderer Richter. Die Richter ließen sich in mancher landesherrlichen Stadt im Stadtschöffengericht gern vertreten. Wie sich bereits aus dem ältesten Görlitzer Stadtbuch von 1305 (Rotes Buch) ergibt, wurde der Görlitzer Erbrichter, der vor allem an den Nutzungen des Lehens, insbesondere dem Richterdrittel interessiert gewesen sein mag, frühzeitig als Richter vertreten, und zwar von „subjudices“, die bald mit dem Erbrichter zusammen, bald allein im Gericht erscheinen.62 Später wurden erhöhte Anforderungen an die Anwesenheit des Richters gestellt. Der Görlitzer

58 59 60 61 62

StA Breslau, Schöffenbücher Lauban I, Bl. 33 b. CDS II, 7, S. 239 ff., 240, Z. 1 ff. Seeliger, Verwaltungsgeschichte, S. 92 ff.; vgl. Boetticher, Rügengerichte, S. 224 ff. Prochno, Ratslinie, S. 28 ff. Zander, Rotes Buch, S. 14.

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Stadtschreiber Haß berichtet im frühen 16. Jahrhundert: „Billich ists, das ein eingesatzter richter, jn gerichten personlich gegenwertig sey, so er abir aus gescheffte vorhindert, befielet er die gerichte einem schoppen. Item so er gerichthalb etwas zu clagen hat, tut er dergleichen. Esz darfft abir der schoppe jn der bancke nicht auffstehn vnd sich an des richters stadt setzen, bleibet an seiner stelle sietzen vnd richt das richter ambt aus.“ 63 Eines besonderen Unterrichters wird hier also nicht mehr gedacht, jedoch nach 1547 in der Görlitzer Gerichtsordnung von 1593: Da der Erbrichter „etwa durch Leibes Schwachheit oder aus andern erheblichen Gründen, an Verrichtung oder Bestellung seines Amtes wohl zu Zeiten verhindert werden kann: So sollen ihm dergleichen Personen als Substituti oder Adjuncti zugeordnet werden, die in solchen Nothfällen des Richters Stelle halten und vertreten, damit nichts verabsäumet, und die Partheyen mit Beschwer und Nachtheil ihres Richters nicht aufgehalten werden.“ 64 Die Folgen des Pönfalls betrafen insbesondere die Gerichtsverfassungsverhältnisse in den landesherrlichen Städten. Kurze Zeit, nachdem sie sämtliche Rechtspositionen durch die Strafartikel vom 7. September 1547 verwirkt hatten,65 zeigte sich der Landesherr gegenüber den Städten wiederum gnädig. Jeweils am 1. Oktober 1547 „verzieh und vergab“ der König den einzelnen Sechsstädten ihre „Verwirkung“ und „überantwortete und bestätigte“ ihnen jeweils bestimmte Privilegien und Rechte,66 „behielt“ sich aber neben der Zuständigkeit außerhalb der Stadtfluren, die an besondere landesherrliche Gerichte, die Landgerichte, übertragen wurden, auch „die Gerichte“ in den Städten vor.67 In der entsprechenden an Zittau gerichteten Urkunde heißt es: „Wir, unsre Erben und nachkommende Könige zu Bohaimb, auch Marggrafen in Ober-Lausitz, wollen uns auch hiermit der Gerichte, samt derselben Zugehörung in unserer Stadt Zittau vorbehalten haben. Welcher nun also aus unserm Befehl zu einem Richter vorgenommen und verordnet, derselbe soll bemeldtes Richtern Amt nach seinem Eyde, so wir ihm werden fürhalten lassen, und laut unserer Verordnung, so wir iederzeit hierinnen thun werden, ohne Verhinderung treulich und wohl verrichten, und so ihme, es sey auch von weme es wolle, eintzige Irrung oder Verhinderung zufgefüget würde, und er dasselbe an dem Bürgermeister und Rathmanne gelangen ließe, sollen sie ihn mit nichten verlassen, sondern behülflich seyn.“ 68 Die landesherrlichen 63

Haß, Ratsannalen II, S. 137 f. Weinart, Rechte IV, S. 112. 65 Vgl. VOU II, S. 168; Carpzov, analecta, II, S. 209; Großer, Merckwürdigkeiten, I, S. 181. 66 Vgl. Aufzählungen der jeweils zurückgegebenen Privilegien bei Käuffer, Abriß III, S. 315 ff. 67 Vgl. die jeweiligen Urkundenregesten im VOU II, S. 168 f. 68 Großer, Merckwürdigkeiten, I, S. 182 ff., 186, Anm. h. Die an die übrigen Städte gerichteten Urkunden haben, soweit es um Fragen der Gerichtsverfassung geht, denselben Wortlaut, vgl. bezüglich Görlitz Weinart, Rechte IV, S. 167 ff., im übrigen VOU II, S. 168 f. 64

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Städte wurden zudem fortan als „königliche Kammergüter“ bezeichnet.69 Es wurden „königliche Kommissarien“ ernannt, die in der jeweiligen Sechsstadt eine „neue Verfassung“ gemäß einer landesherrlichen „Instruktion“ umsetzen sollten. Dies umfaßte insbesondere Veränderungen in den Gerichtsverfassungsstrukturen der Erbgerichte. Die Kommissarien waren mit der Vollmacht ausgestattet, fortan jedes Jahr den Rat auszuwählen und zu ernennen.70 Dies änderte sich erst mit der angesprochenen Wiederverleihung der freien Ratskür 1559. Im Rahmen der Bemühungen König Ferdinands I. von Böhmen um Ausbau der landesherrlichen Rechte gegenüber den Landständen Böhmens und der Nebenländer im Sinne einer „Monarchisierung“ nach Ende des Schmalkaldischen Krieges 1547 wurden, soweit es die böhmischen landesherrlichen Städte betrifft, „königliche Richter“ (in den drei „Städten“ Prags „Hauptleute“) eingesetzt, deren Funktion und Stellung denen des österreichischen Stadtanwaltes entsprach. Der königliche Richter war nach dem Muster des bereits zuvor in Wien eingeführten Amtes landesherrlicher Amtsträger außerhalb des Rates, versehen mit landesherrlichen Instruktionen. Er hatte den Rat und das Gericht der betreffenden Stadt zu beaufsichtigen und sicherzustellen, daß insoweit keine gegen die Landesherrschaft oder deren Rechte gerichteten Maßnahmen erfolgten. Aufgabe des königlichen Richters war mithin die „Überwachung und Einschränkung der städtischen Autonomie“ (Peterka).71 Auch die neue böhmische Richterordnung sah dieses Amt vor. Diese und damit dieses Amt wollte der Landesherr auch im Untersuchungsgebiet, mithin in den hiesigen landesherrlichen Städten einführen.72 Dies gelang jedoch nicht. Dieses oder ein vergleichbares Amt gab es im Untersuchungsgebiet nie. Die auch nach 1547 in den landesherrlichen Städten erscheinenden „Richter“ oder „judices“ hatten nie eine solche Stellung und Funktion inne. Dies lag insbesondere an entsprechenden Vorschlägen der landesherrlichen Kommissarien, wie sich aus dem überlieferten Schriftverkehr zwischen diesen und dem Landesherrn ergibt. Der Landesherr hatte den Kommissarien befohlen, die böhmische Richterordnung „dem Landsgebrauch nach in Laußnitz zu corrigiern“ und die mit entsprechenden Anmerkungen versehene Ausfertigung der Richterordnung an ihn zur Entscheidung zurückzusenden. Die Kommissarien schlugen indes vor, ein solches Amt nicht einzurichten, sondern dieses Amt dem 69 Knothe, Rechtsgeschichte, S. 395; vgl. für Zittau Großer, Merckwürdigkeiten, I, S. 185 f.: „unser Stadt Zittau, als unser Cammer“. 70 Richter, Pönfall, S. 116; vgl. die Instruktionen der königlichen Kommissarien an die jeweilige Stadt VOU II, S. 170 f.; in Auszügen bei Großer, Merckwürdigkeiten, I, S. 187, Anm. k. 71 Link, Erblande, S. 507; Peterka, Rechtsgeschichte II, S. 108 f.; Luschin, Grundriß, S. 277, 283 ff. 72 Vgl. NA Prag, Hofberichte, Bl. 67, 106, 174; NA Prag, Kaiserliche Befehle 1548, Bl. 50, und den umfangreichen Schriftverkehr zwischen Landesherr und den landesherrlichen Kommisarien mit Abschrift der böhmischen Richterordnung in: NA Prag, Richterordnung, Bl. 32 ff.

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jeweiligen Bürgermeister mitzuübertragen, wie sich aus dem an den Landesherrn gesandten Vorschlag („corrigierte Richter Ordnung“) ergibt.73 Dieser Befund ist auch anhand örtlicher Quellen über den tatsächlichen Verlauf in den landesherrlichen Städten zu bestätigen. Was Budißin angeht, könnte anhand der dem Bericht des Budißiner Stadtschreibers Johann Glowitz vom 6. Juni 1548 über die Ratsauswahl und -ernennung durch die landesherrlichen Kommissare beigegebenen Liste der „gewesenen Rathispersonen“ und derjenigen, die „in newenn Radth vorordennth“ wurden,74 angenommen werden, daß im Gegensatz zum bisherigen Budißiner Stadtrichter („Valentin Lorke, Richter“) der von den königlichen Kommissarien eingesetzte Richter Bastian „Burscheidth“ [Röhrscheid75 – HvS] nicht mehr dem Rat angehörte. Jedoch ergibt sich aus einem Eintrag im zu dieser Zeit geführten Gerichtsbuch hinsichtlich des Jahres 1548, daß sowohl der bisherige Richter, der angesprochene, hier so geschriebene „Valten Locke, iudex“, als auch der neue Richter „Bastian Rohrscheid, iudex“, zwar am Ende hinter den Ratspersonen mit besonderer Hervorhebung, jedoch dennoch zusammen mit den Ratspersonen genannt wird. Es heißt im Gerichtsbuch zur von den landesherrlichen Kommissarien vorgenommenen Ratskür: „Am genannten Tage hat man Arm und Reich bei ernster Straf ufs Rathaus beschickt, und haben die die drei Kommissarien beneben dem Cantzler Jorge Fritzschen [. . .] Ein Neuen Rat berufen, vereydet und bestettigt [. . .], und nachdem der Eid erst vom Bürgermeister, nachmals von den Herrn des Raths, dornach vom Richter, letztlich von der Gemeine eingenommen, hat der Alde Rath abgedankt.“ 76 Der Budißiner Richter war hiernach, wie sich aus der Nennung unter den Ratsleuten, mithin hinter Bürgermeister und übrigen Ratspersonen auch hinsichtlich der Beeidung ergibt, Teil des Rates. Er hatte erkennbar nicht den Rang, mithin die Aufgabe, der/die dem böhmischen landesherrlichen Richter zukam. Auch und gerade der Görlitzer Stadtrichter gehörte anders als vor dem Pönfall nach 1548 fortan stets dem Rat an, wie sich etwa aus Scultets Kürbuch für die Zeit ab 1548 bis zum Ende der Überlieferung ergibt.77 Beide Ämter sind daher schon insoweit nicht nicht mit dem des böhmischen königlichen Richters vergleichbar. Auch ergibt sich dies nicht aus deren Pflichtenkreis, der insoweit von dem in der böhmischen Richterordnung abweicht. Vielmehr war es der jeweilige Bürgermeister, der die Rechte und Pflichten des böhmischen königlichen Richters, insbesondere die Aufsichtspflicht über den Rat mitübernahm, wie sich aus den entsprechenden Instruktionen ergibt. Dies darzustellen, ist jedoch nicht Thema dieser Arbeit. Dies bestätigt das zuvor anhand der Auswertung des zwischen 73 74 75 76 77

NA Prag, Richterordnung, Bl. 37 ff. Vgl. Neumann, Regesten, S. 136 f. Vgl. Baumgärtel, Ratslinie, S. 34. Abgedruckt Baumgärtel, Ratslinie, S. 10. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch, Jahre 1548 ff.

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Landesherrn und seinen Kommissarien geführten Schriftverkehrs gefundene Ergebnis. Hinsichtlich der Stadt Görlitz, wo das Richteramt vor 1547 niemals an den Rat gelangt war, erscheint der Görlitzer Richter, auch jetzt indes (weiterhin) „königlicher (Erb-)Richter“ oder „iudex regius“ genannt, sofort nach 1547 als einer der sieben Schöffen, die Bestandteil des Rates waren.78 Auch hier war also das Amt von dem des böhmischen königlichen Richters unterschieden. Mit der Wiederverleihung der freien Ratskür 1559 verblieb das Richteramt, besetzt mit einem Schöffen, Bestandteil des Rates. Dies ergeben zunächst Hinweise aus den Anmerkungen Scultets um 1592 zur Ratsordnung von 1489. Nach der Ratsordnung von 1489 bestanden ja nur sieben Schöffenämter, die jährlich von den sieben durch ein besonderes Verfahren, worauf noch einzugehen ist, bestimmte „Ältesten“ neu (wieder) besetzt wurden. Folgende Passage der Ratsordnung von 1489 wurde von Scultet um 1592 kommentiert: „Also das die Seben Eldisten zum irsten [am Wahltag – HvS] vff die Bang vnder den Fenstern nach dem Bürgermeister gesatzt werden.“ Die Anmerkung Scultets lautet: „Sieben Eldisten ingemeine, als 2 Consulares vnd 5 Scabini tamquam hodie nur alleine das der Judex dazwischen 1 Person mehr.“ 79 Daraus geht hervor, daß die Ältesten zwar wie vor 1547 weiterhin zwei ehemalige Bürgermeister, wie zu sehen sein wird, und fünf vorherige Schöffen darstellten. Jedoch kam noch die Person des „Judex“ hinzu. Bei diesem handelte es sich also ebenfalls (wie unmittelbar nach 1547 weiterhin) um ein Ratsmitglied. Daß der Richter jetzt mithin ein Schöffe war, geht auch aus der Ratsordnung von 1563 hervor, wonach der Richter wie der Bürgermeister, wie zu sehen sein wird, aus einem Kreis von Schöffen im unmittelbarem Zusammenhang mit der Ratswahl gewählt wurde,80 sowie aus dem Kürbuch Scultets hinsichtlich der Zeit nach 1558, also nach Wiederverleihung der freien Ratskür.81 Auch Pietsch wies nach, daß das Görlitzer Richteramt jetzt Bestandteil des um eine Person auf acht erweiterten Schöffen-, mithin des Ratskollegiums war.82 Nach der Präambel zur Görlitzer Ratsordnung von 1737 hatte der Rat vor Einführung der Ordnung bestanden aus „Vier Bürgermeistern, Eine[m] Stadtrichter, Eine[m] Syndico, Sechs Scabini, Vier Senatoribus und Drey Raths-Verwandten.“ „Civil-Händel, und was zu denen Erb-Gerichten gehöret,“ hinsichtlich der Ratsdörfer waren jedoch bislang „durch vier Administratores oder Verwalter mit Zuziehung eines Actuarii“ besorgt worden. Nach Cap. VI § 3 sollen „die StadtGerichten [auch] inskünfftige mit einem Praetor [neben sechs Schöffen – HvS] bestellet werden.“ Hinsichtlich Zivilsachen und „was zu denen Erb-Gerichten ge78 UB Breslau, Scultetus, Kürbuch, Jahre 1547 bis 1558, wobei mehrere Jahre ausgelassen sind. 79 Göritzer Ratsordnung 1489, S. 307. 80 Vgl. Görlitzer Ratsordnung 1563, S. 246. 81 UB Breslau, Scultetus, Kürbuch, Jahre ab 1559. 82 Pietsch, Pönfall, S. 120.

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hört“ auf den Ratsdörfern ist weiterhin die „zeithero übliche besondere Deputation, mit Zuziehung eines Actuarii“, zuständig. Auch der Bürgermeister hat in bestimmten Fällen daneben (weiterhin) gerichtsförmig zu handeln (vgl. Cap. III § 6).83 Nachdem auch Löbau 1562 im Rahmen der landesherrlichen Obergerichtskonzession die Zuständigkeit für die bisher dem Landesherrn vorbehaltenen Obergerichtssachen (wieder) erhalten hatte, hielt das Löbauer Erbgericht ein „offentlich Dingk und Gericht“, wie dem zweiten Löbauer Rügenbuch zu entnehmen ist: „Nachdem endlich die Römische Kayserl. Majest. Unser allergnädigster Herr den Ständen des Marggrafthums Ober-Lausitz vermöge eines Kayserl. Privilegii die Ober-Gerichte allergnädigst bewilliget, hat E. Ehrbarer Rath auf heute Donnerstags nach Matthaei, so da ist 25. Septembr. Anno 1562, ein offentlich Dingk und Gerichte gehalten, durch die Ersamen und Weisen: Johann Hüter, Erbrichter, Valentin Künzel, Martin Fellern, Matthes Schlockwerdern, Barthel Günthern, Melchior Zimmernmannen, Libischern, Frantz Klemstein, Schöppen“.84 Bei Hüter handelte sich nach der Ratslinie für dieses Jahr jedoch nicht um den „Richter“, dies war „Johan Thoter Richter“, sondern um ein Ratsmitglied, nämlich einen Stadtschöffen, „Johann Hutter“, der wohl an diesem Tag den Vorsitz in diesem wohl mehr aus zeremonialen Gründen gehaltenen Gericht hatte.85 Auch nach Umgestaltung der Verhältnisse nach 1547 wird als Richter des Stadtgerichts regelmäßig ein besonderer „Richter“ oder „iudex“, und zwar innerhalb des Rates genannt. Jedoch war Richter im Stadtgericht nicht nur dieser, sondern daneben bis 1832 auch der Bürgermeister, wie sich etwa aus der Ratsinstruktion von 1623 ergibt, die bei Staudinger abgedruckt ist. In den ebenso dort zu findenden, insoweit maßgeblichen Passagen der Regimentsordnung von 1736 heißt es: „Ob auch die Jurisdiktion und Gerichte des Rats und die Stadtgerichten kein besonderes Kollegium sind, so vor sich selbst eine Gerichtsbarkeit hätte, sondern lediglich des Rats Jurisdiktion ex delegatione desselben und so weit ihnen solches kommitieret wird, verwalten und vom Rate Dependenz haben, in dessen Absicht keine Appellationes von denen Stadtgerichten an den Rat angenommen oder verstattet werden, mitfolglich auch die auf die Provocationes ans Oberamt zu erstattenden Berichte nicht von denen Stadtgerichten, sondern vom Rate besorget und in dessen Namen expediret werden müssen.“ 86 Das Stadtgericht war also nur ein Bestandteil des Rates, das die mithin diesem zukommende Gerichtszuständigkeit ausübte, wenn der „Nur“-Rat nicht selbst handelte. Hinsichtlich der Zeit ab dem 18. Jahrhundert ist zunächst die landesherrliche Gesetzgebung aufschlußreich. Nach der kurfürstlichen „General-Verordnung, das 83 84 85 86

RA Görlitz, Ratsordnung 1737, unpaginiert. Abgedruckt Carpzov, Ehrentempel, I, S. 325. Staudinger, Verfassung, S. 43. Staudinger, Verfassung, S. 17, 29 ff., 42 ff.

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Verfahren in Untersuchungs Sachen“ betreffend, also hinsichtlich „Criminal-Sachen“ vom 27. Oktober 1770, veröffentlicht im Markgraftum Oberlausitz mit Oberamtspatent vom 12. Dezember 1770, gehörten „in Städten“, also hinsichtlich der Stadtgerichte zur ordnungsgemäßen Gerichtsbesetzung „der Stadt-Richter, oder statt dessen eine andere, den Richter-Eyd auf sich habende Raths-Person, der Actuarius oder Stadt- und Gerichtsschreiber und zweene Schöppen.“ 87 Das kurfürstliche „Generale wegen des Verfahrens in Untersuchungs-Sachen“ vom 30. April 1783, veröffentlicht mit Oberamtspatent vom 28. Juli 1783 im Markgraftum Oberlausitz, bestätigte diese Regelung.88 Dies deckt sich, soweit es ebenfalls das Stadtrichteramt betrifft, mit den tatsächlichen Verhältnissen im ausgehenden 18. Jahrhundert. Meißner bildete 1785 in seinen „Materialien“ zeichnerisch und mit Anmerkungen jeweils die Gerichtsorte und die jeweils damals während der Gerichtsverhandlungen geltenden Sitzordnungen der einzelnen Stadtgerichte ab. Bei der „Session in der Budißinischen Gerichtsstube“ saß der Richter, „Praetor“ genannt, am Kopf eines rechteckigen Tisches, links von ihm bis zum gegenüberliegenen Kopfende vier „Scabini“. Bei der „Session im Praetorio zu Görlitz“ nahmen Platz an einem großen rechteckigen Tisch am Kopfende der „Praetor“, vom Platz links von ihm um den Tisch herum zuerst sechs „scabini“, dann der „Syndicus“. Gegenüber dem Richter saß der „Actuarius“. Während der „Session bey den Stadt-Gerichten zu Lauban“ erscheinen an einem quadratischen Tisch an einem Kopfende allein der „Praetor“, an der rechten Seite des Tisches der „Syndicus“ und ein Schöffe, an der linken Seite drei Schöffen. Am gegenüberliegenden Ende nahm Platz der „Actuarius“. Bei der „Gerichts-Session zu Camenz“ saßen an einem quadratischen Tisch an einer Seite der „Praetor“ und der „Stadtschreiber, qua Actuarius“. An der linken Seite des Richters saß allein der „Erste Scabinus“. Gegenüber Richter und Stadtschreiber saßen der „Zweyte und dritte Scabinus“. In Löbau erscheinen an einem runden Tisch der „Praetor“, der „Erste“ und „Zweyte Scabinus“ und der „Actuarius“. Die Sitzordnung im Zittauer Gericht ist nicht überliefert.89 Demnach bestanden neben den Schöffenämtern die Richterämter fort. Es wurde mithin hinsichtlich der Gerichtspersonen weiterhin zwischen Richter und Bürgermeister einerseits und Richter und Schöffen andererseits geschieden. Damit wurde auch im 18. Jahrhundert einerseits die Scheidung in Rat und Gericht und andererseits zumindest äußerlich der Grundsatz der Funktionsteilung aufrechterhalten. Hinsichtlich der Gerichtsverfassung bezogen auf das jeweilige Richteramt in den landesherrlichen Städten im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert bis zum Ende des Untersuchungszeitraums ist exemplarisch auf Budißin und Görlitz einzugehen. Um den bisherigen alleinigen Stadtrichter („Prätor“) zu ent87 88 89

KW III, S. 87 ff., 88. KW IV, S. 50 ff., 51. Meißner, Materialien, S. 60 ff.

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lasten, beschloß der Görlitzer Rat 1782 und erhielt insoweit die landesherrliche Genehmigung, ein zweites Stadtrichteramt derart einzurichten, daß jährlich die Stadtrichter wechselten und der jeweils „das Jahr“ „feiernde“ Stadtrichter die Stelle des „ersten Schöffen“ im Stadtgericht erhalte. Dies wurde auch so umgesetzt. Der feiernde Stadtrichter vertrat den amtierenden auch bei dessen Verhinderung.90 Aus Budißiner Quellen vom Ende des 18. Jahrhunderts ergibt sich, daß zunächst weiterhin ebenfalls stets ein einziger Stadtrichter (auch hier „Praetor“) handelte, mithin neben Schöffenämtern ein Stadtrichteramt bestand, und zwar weiterhin, indem zum Richter stets eine Ratsperson bestellt wurde, als Bestandteil des Rates.91 Um 1780 wurde der Stadtrichter neben dem Bürgermeister noch besonders bei der Abkündigung des Ausgangs der Ratswahl von der Kanzel aus dem Kreis der Ratspersonen hervorgehoben, Anfang des 19. Jahrhunderts nicht mehr, indem nur noch der Bürgermeister neben den „übrigen Ratspersonen“ genannt wurde.92 Wegen der Anhäufung der Sachen innerhalb des Stadtgerichts wurden 1821 zwei „Departements“ mit räumlich beziehungsweise sachlich unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen geschaffen. Es bestanden mithin zwischenzeitlich auch zwei Stadtrichterämter, da jedes Departement von einem Stadtrichter geleitet wurde. Das zweite war aber 1823 nicht besetzt. Der Budißiner Rat stellte daraufhin fest, daß die Wiederbesetzung des zweiten Stadtrichteramtes notwendig sei, da die Inhaber der bisherigen Ratsstellen das Richteramt in einem Departement wegen der Auslastung mit anderen Tätigkeiten mitzuübernehmen nicht imstande seien.93 Der Landesherr ordnete jedoch an, daß nur ein Stadtrichteramt bestehen solle. Das Richteramt im zweiten Departement habe ein „Scabinus“, der den Richtereid abgelegt habe, zu übernehmen, der in diesem Fall den Titel „Viceprätor“ führe,94 mithin bezogen auf das gesamte Stadtgericht als Stellvertreter des Stadtrichters eingruppiert werden solle. Dieser Anordnung lag der Gedanke und Wille zugrunde, das Stadtgericht unabhängig von der Einteilung in zwei Departements als ein einziges Gericht anzusehen, dem folglich auch nur ein Richter vorstehe. Kurze Zeit später in diesem Jahr erging ein weiteres landesherrliches Reskript, wonach nunmehr auch nicht mehr ein Schöffe zu einem Vizeprätor bestellt werden solle, sondern der zweite Bürgermeister das Direktorium im zweiten Departement übernehmen müsse.95 Die Auseinandersetzung setzte sich fort, wobei sich der Landesherr durchsetzte.96 Die tatsächliche Gerichtsbesetzung war nach einem Revisionsprotokoll von 1824 wie folgt: erstes Departement: „Herr Stadtrichter Schenk, so wie die Aßeßoren Herr Senator Probst, zugleich als 90 91 92 93 94 95 96

RA Görlitz, Wahl zweyer Stadtrichter, unpaginiert. Vgl. z. B. StadtA Bautzen, Abkündigungen, Bl. 1 ff. Vgl. z. B. StadtA Bautzen, Abkündigungen, Bl. 1 ff. StadtA Bautzen, Organisation, Bl. 96 ff. StadtA Bautzen, Organisation, Bl. 124 ff. StadtA Bautzen, Organisation, Bl. 171 ff. Vgl. StadtA Bautzen, Organisation I, Bl. 1 ff.

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Viceprätor, und Herr Senator Starke“; beim zweiten Departement: „Präsidium Herr Bürgermeister Hennig“, als Assessoren „Herr Senator Probst und Herr Senator Jancovius, ersterer ebenfalls zugleich als Viceprätor“.97 Damit bestand das jeweilige Kollegium weiterhin vollständig aus Ratsmitgliedern. Jedoch handelten, obwohl nach dem Willen des Landesherrn nur ein Stadtrichteramt bestehen sollte, mithin das Stadtgericht trotz Einteilung in Departements als ein einziges angesehen wurde, pro Kammer tatsächlich jeweils ein Vorsitzender. Senator Probst war jedoch als Vizeprätor, also Stellvertreter des Stadtrichters, nur Assessor in beiden Departements. Richter im zweiten Departement war der (zweite) Bürgermeister. Somit wurde weiterhin die personelle Trennung in Richter und Schöffen durch Beibehaltung des Stadtrichteramtes, mithin die Bestellung eines Vorsitzenden des zweiten Departements aufrechterhalten. Die Richterfunktion durften auch – ständig – außer dem Stadtrichter weitere Personen wie der Bürgermeister wahrnehmen. Nach einem Geschäftsverteilungsplan von 1830 hinsichtlich der „Nebenaemter“ der Ratsmitglieder wurde das Stadt- beziehungsweise das Landdepartement des Stadtgerichts jeweils mit zwei Senatoren besetzt, wobei einer „das Directorium“, der andere die „Assessur haben solle“. Der Stadtrichter erscheint, obwohl dessen Amt weiterbestand, nicht als Gerichtsperson, sondern als Assessor in der „Schuldeputation“.98 Die Stelle des Richters in einem Departement wurde also hiernach unabhängig von der Zuordnung des Stadtrichteramtes an eines der Ratsmitglieder vergeben. Funktionsteilung bestand jedoch weiterhin jedenfalls der Bezeichnung der Funktionen als „Directorium“ beziehungsweise „Assessur“ nach. bb) Schöffen Die Urteilsfinder im mittelalterlichen Stadtrecht waren analog der Regelungen im Landrecht ursprünglich sämtliche Angehörigen der Stadtrechtsgemeinschaft, mithin sämtliche seßhaften Bürger der Stadt. Auch hinsichtlich der Stadtrechtsgemeinschaften handelten jedoch bald im Gericht jeweils aus ihrer Mitte ausgewählte und ernannte Schöffen. Das Schöffenkollegium gehörte regelmäßig (zunächst) der herrschaftlichen Ordnung an, war ein Organ des Stadtherrn (als Gerichtsherrn). Daneben entwickelte sich bald eine Institution von Vertretern der werdenden Stadtrechtsgemeinschaft, also der genossenschaftlichen Ordnung, der Rat. Später erfolgte in den deutschen Städten der Übergang von der Schöffenzur Ratsverfassung. Dieser war in aller Regel verbunden mit dem Aufgehen des – zwar weiterbestehenden – Schöffenkollegiums im Rat als ein besonderes Gremium dessen beziehungsweise als doppelköpfiges Organ, also in der genossenschaftlichen Ordnung.99 Das Magdeburger Schöffenkollegium, erstmals 1129 ge97

StadtA Bautzen, Organisation, Bl. 40 ff., 41 b. StadtA Bautzen, Organisation I, unpaginiert. 99 Bader/Dilcher, Rechtsgeschichte, S. 329 ff., 362 ff.; Pitz, Verfassungslehre, S. 271 ff., 290 ff. 98

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nannt, das die gesamte Bürgerschaft als Urteilsfinder ablöste, wies eine feste Mitgliederzahl auf. Die übrigen Bürger kamen nur noch dann als Urteiler in Betracht, wenn die Schöffen nicht zu haben waren. Auch hier bestand personelle Funktionsteilung zwischen dem das Urteil erfragenden Richter und den urteilfindenen Schöffen, in Magdeburg die „bankgenozen“, da sie im Gegensatz zum Umstand auf einer Bank beziehungsweise vier im Viereck aufgestellten Bänken saßen. In Magdeburg war die Anzahl der gewählten Schöffen im 12. Jahrhundert regelmäßig fünf oder sechs, ab etwa Mitte des 13. Jahrhunderts regelmäßig elf und, soweit es das Burggrafengericht betrifft, mit Hinzurechnung des Schultheißen, der hier das erste Urteil zu finden hatte, zwölf. Jedoch konnte die Zahl tatsächlich an einem Gerichtstag oft nicht erreicht werden. Im Gericht des Schultheißen genügten etwa auch drei und weniger, so im Gastprozeß nur zwei. In den Rechtsmitteilungen an Tochterstädte findet sich regelmäßig je nach Größe der betreffenden Stadt eine Zahl zwischen zwölf und mindestens sieben insgesamt zu wählenden Schöffen. Bei bestimmten Verfahren waren als Gerichtsbesetzung indes auch hier drei Schöffen ausreichend. Der Rat, auch in Magdeburg von Anfang an Inbegriff der genossenschaftlichen Ordnung, vermochte anders als Räte von Städten anderer mittelalterlicher Rechtskreise nicht, das Schöffengremium, das auch hier in gewisser Weise stets der herrschaftlichen Ordnung angehörte, zu seinem Bestandteil zu machen. Beide Gremien blieben vielmehr im Mittelalter getrennt, verfügten mithin über unterschiedliche Kompetenzen. Das Schöffenkollegium war auf die Urteilsfindung im Vogt-/Burggrafengericht und im Schultheißending, das „Recht“, der Rat auf die Rechtsetzung und Umsetzung dieses Rechts für die Stadt, die „Willkür“, beschränkt. Die personelle und damit inhaltliche Trennung von „Recht“ und „Willkür“ ist Kennzeichen der Verfassung der Städte Magdeburger Rechts. Dennoch verschmolz in vielen Tochterstädten des Magdeburger Rechts das jeweilige Schöffenkollegium auf den Rat, wodurch der Rat über seinen Einfluß auf die „Willkür“ auch Einfluß auf die Gerichtsverfassung, mithin das „Recht“ erhielt beziehungsweise Schöffen zu Ratspersonen wurden.100 Auch was das Untersuchungsgebiet betrifft, muß zunächst gemäß dem Grundsatz, daß (lediglich) die Angehörigen der dem betreffenden Gericht unterworfenen Rechtsgemeinschaft die Urteiler, mithin Schöffen stellten, jeweils nach der Zuständigkeit der Stadtschöffengerichte der landesherrlichen Städte gefragt werden. Auch im Ostsiedlungsraum wurde den neuentstandenen Stadtrechtsgemeinschaften regelmäßig in bestimmtem Maß, meist zunächst nur in für deren Lebenswelt bedeutsamen Niedergerichtssachen (etwa bezogen auf Handelsverkehr, Markt, Kauf, Auflassung, Schuldsachen) Immunität von der landesherrlichen Ge100 Lück, Gerichtsverfassung in den Mutterstädten, S. 167 ff.; ders., Schöffenstuhl, S. 141 ff.; 143; Weitzel, Rechtsbegriff, S. 82 ff.; Schranil, Stadtverfassung, S. 55 ff.; Kretzschmar, Entstehung, S. 154 ff.; Becker, Magdeburger Recht, S. 70 f.; Planck, Gerichtsverfahren I, S. 63 ff., 107 ff.

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richtszuständigkeit, mithin vom Landrecht zugunsten hinsichtlich der jeweiligen Stadtrechtsgemeinschaft zuständigen, mithin mit Angehörigen der jeweiligen Stadtrechtsgemeinschaft als Urteiler beziehungsweise Schöffen besetzten Gerichten gewährt.101 Mit Urkunde von 1240 befreite der Landesherr zugunsten des Domstifts St. Petri zu Budißin einen von einem Domherrn erworbenen Hof vom „ius civitatis“ in Budißin: „Nos curiam [. . .] a jure civitatis liberam esse volumus et exemtam“.102 Wie Weitzel gerade auch bezüglich des Untersuchungsgebiets nachweist, meinte der mittelalterliche Begriff ius oder recht nicht nur den Inhalt des Rechts einer Rechtsgemeinschaft, sondern mithin das Gericht, also den maßgeblichen Ort der Urteils- und damit Rechtsfindung der Rechtsgemeinschaft, beziehungsweise das Verfahren in diesem Gericht.103 Auch aus weiteren Rechtsquellen mit Bezug zum Untersuchungsgebiet ergibt sich die sprachliche Identität von Gericht und Recht, etwa nach dem Görlitzer Rechtsbuch (z. B. I 8, 37, 87, 95, 109; II 1, 2), welches das Lehnsgericht durchweg als „lenrecht“ bezeichnet. Auch reine Stadtrechtsquellen nennen das (Stadtschöffen-)Gericht „statrecht“ beziehungsweise „recht“, so etwa das zweitälteste Görlitzer Stadtbuch.104 Es handelt sich bei der landesherrlichen Urkunde von 1240 also nicht nur um den ersten Hinweis auf das Vorhandensein eines inhaltlich vom Landrecht abgeschlossenen Stadtrechts, sondern mithin auf das Vorhandensein eines eigenen Gerichts einer selbständigen, gegenüber der landrechtlichen abgeschlossenen stadtrechtlichen Rechtsgemeinschaft im Untersuchungsgebiet, in dem nach Stadtrecht über die Angehörigen dieser Rechtsgemeinschaft Urteil und Recht gefunden wurde. Der Stadt Budißin wurde 1262/1282 bestätigt, daß ihr Gericht umfassend sachlich hinsichtlich ihrer Bürger „infra metas aut terminos civitatis [. . .] qui volgariter Flurczune vocantur,“ zuständig sei.105 Die Flurzäune lagen nach einer landesherrlichen Erläuterung dieser Urkunde von 1374 dort, wo der „Bürger zu Budissin Aecker und Wiesen wenden, allenthalben im Kreise um Budissin, die vor Alters dazu gehört haben und noch gehören.“ 106 Exemtionen von der landesherrlichen, mithin vogteilichen Zuständigkeit in Niedergerichts-, vor allem der bürgerlichen Lebenswelt entsprechenden Sachen wie Käufe, Verkäufe, Auflassungen, Schuldsachen, Verreichungen, Vormundschaftssachen und so weiter, aber auch in Obergerichtssachen hinsichtlich der jeweiligen Stadtrechtsgemeinschaft, mithin des Gebiets innerhalb der jeweiligen Stadtfluren zugunsten von mit Angehörigen der jeweiligen Stadtrechtsgemeinschaft besetzten Gerichten erfolgten bis spätestens Mitte des 14. Jahrhunderts zugunsten jeder landesherrlichen Stadt im 101 Weitzel, Rechtsbegriff, S. 82 ff.; Schubart-Fikentscher, Verbreitung, S. 112 ff.; Kretzschmar, Entstehung, S. 154 ff. 102 CDLS I, S. 57. 103 Weitzel, Dinggenossenschaft II, S. 1460 f. 104 Vgl. Jecht, Zweitältestes Stadtbuch, S. 143 ff. 105 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 398. 106 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 398, Anm. 3.

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Untersuchungsgebiet.107 Mit der bereits genannten landesherrlichen Urkunde von 1303 wird die Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft in bestimmten Niedergerichten von der Zuständigkeit des landesherrlichen Vogtdings zugunsten der Görlitzer Stadtschöffengerichts befreit.108 Somit waren die jeweiligen Gerichte des Stadtrechts spätestens im 14. Jahrhundert hinsichtlich der jeweiligen Stadtrechtsgemeinschaften, mithin innerhalb der jeweiligen Stadtfluren der landesherrlichen Städte im Untersuchungsgebiet mehr oder weniger zuständig, waren die Stadtrechtsgemeinschaften mithin gerichtsverfassungsrechtlich voll ausgebildet. Einige Stadtschöffengerichte der landesherrlichen Städte erhielten wie bereits angesprochen in jeweils unterschiedlichem Maß auch darüber hinaus Weichbildzuständigkeit. Infolge des Pönfalls 1547 verloren die Stadtschöffengerichte jeweils wie gesehen ihre Weichbildzuständigkeit, behielten jedoch die Zuständigkeit – zunächst begrenzt auf die Niedergerichte, infolge der bereits genannten landesherrlichen Obergerichtskonzession von 1562109 auch wieder bezogen auf die Obergerichte – innerhalb der Stadtfluren und der stadteigenen Dörfer.110 Dies änderte sich nicht bis zum Ende des Untersuchungszeitraums. Hinsichtlich der Urteiler-, mithin Schöffenbesetzung muß auch bezogen auf das Untersuchungsgebiet zunächst gefragt werden einerseits nach der Anzahl der insgesamt gewählten sowie andererseits nach der unabhängig davon an dem jeweiligen Gerichtstag auch tatsächlich im Gericht anwesenden Urteilern beziehungsweise Schöffen. Darüber hinaus muß vor dem Hintergrund der für das Magdeburgische Recht typischen personellen Trennung von „Recht“ und „Willkür“, also von Schöffen und Rat gefragt werden, ob und, wenn ja, auf welche Weise eine Verschmelzung beider Gremien erfolgte, also ob und inwieweit sich die Gerichtsverfassungen der jeweiligen Stadtrechtsgerichte durch Erweiterung der Kompetenzen des „Nur-Rates“ auch hinsichtlich des „Rechts“ beziehungsweise Verschmelzung von Rat und Schöffenkollegium, wodurch auch Ratsmitglieder möglicherweise als Schöffen gerichtsverfassungsrechtlich handelten, veränderten. Schöffen der Stadt Budißin werden nach heutiger Überlieferung erstmals in einer städtischen Urkunde von 1283 genannt: „scabini uniuersitati ciuitatis Budesynensis“,111 ohne daß jedoch eine genaue Anzahl genannt wird, mithin ein näherer Hinweis auf Gerichtsverfassungsverhältnisse erfolgt. Auch hinsichtlich des Löbauer Erbgerichts wird in einer urkundlichen Quelle des 15. Jahrhunderts davon gesprochen, daß die Löbauer „die todten fur ire vier bencke furen“.112 Löbauer Stadtschöffen werden zuerst 1390 genannt: „Andreas Romer, 107 Vollständiger Überblick unter Nennung der maßgeblichen Privilegien bei Kötzschke, Vogtei, S. 28 ff.; ausführlicher Boelcke, Verfassungswandel, S. 170 ff. 108 Vgl. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. 109 KW I, S. 178 ff. 110 Knothe, Rechtsgeschichte, S. 399 f. 111 CDLS I, S. 112 ff. 112 CDS II, 7, S. 299.

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burgermeister, Petir Hentsch, Niclaus Richter, schepphin der stat Lobaw, von irntwene und andern rothmann doselbis.“ 113 Soweit es Zittau betrifft, erscheinen 1310 „iurati et scabini ciuitatis Zittauiensis, videlicet Nycolaus magister ciuium [. . .], Nicolaus de Hirsfeld, Thilo antiquus Steinruecker, Hungarus, Betzoldus Ruffus, Conradus frater Henningji claudi, Walherus de sanctis, Sidelmannus de Gablona, Hermannus dictus Zarth, Hermannus filius Herbordi, ceterique iurati ciuitatis“.114 In einer Urkunde von 1312 erscheinen „Hermannus Groze, rector scabinorum, Nicolaus de Hirsuelde, scultetus Stainruker, Herimannus de Tyrkow, Guntherus de Gablona, Chunradus magister scole, Petzoldus Rezolt Hermannus de Budesin, Petrus Herwordi, Fritzko de alta domo, Ysenricus de Sbidenitz, Wernherus Merer“.115 Die Urkunden verraten zwar nichts über die Anzahl der Schöffen, zumal diese oft zusammen mit dem Rat genannt werden, insgesamt aber immerhin, daß die Urteiler dieser Stadtschöffengerichte in vier Bänken saßen. Sie zeigen vor allem, daß es sich bei den Urteilern in den Gerichtsbänken um Bürger der jeweiligen Stadt, also Angehörige der dem Gericht unterworfenen Stadtrechtsgemeinschaft handelte und handeln mußte. Die Grundsätze Funktionsteilung und Schöffenverfassung werden erkennbar, darüber hinaus die Geltung Magdeburger Rechts. Bereits manche dieser Urkunden deuten jedoch an, daß frühzeitig Rat und Schöffen jedenfalls außerhalb der Gerichtsverfassung verschmolzen waren. Die bereits erwähnte landesherrliche Urkunde vom 28. November 1303 hinsichtlich der Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft gibt nach heutiger Überlieferung erstmals nähere Auskünfte: „Nos, Hermannus [. . .] recognoscimus [. . .], quod ad utilitatem et profectum civitatis nostre Gorlitz generalem fidelibus nostris civibus et civitati ibidem, de nostre voluntatis beneplacito, jura Magdeburgensia concedimus et donamus, habenda, tenenda, questionibus, contractibus, causis, in omnem modum, prout ipsis civibus et civitati melius et commodiosus videbitur expedire. Tamen quendam judiciarium vel judicii casum, qui Voytding vel Echeding nominatur ibidem habere nolumus, ymo volumus et precipiendo statuimus, ut singulis horis et temporibus judicii oportunis, civitatis nostre in banccis, cum advocato nostro, judex hereditarius noster, qui fuerit, in persona propria adesse debeat et judicio presidere et ibidem in loco judicii et non alibi, sicut alii nostri cives, in banccis, presentibus scabinis civitatis, coram nostro advocato super accionibus, querelis, causis, contra dictum judicem motis vel movendis unicuique finaliter respondere [. . .] volumus et nostrum advocatum de fructibus judicii vel causarum judiciarium duas partes percipere et colligere, judicem nostrum tertiam vero partem [. . .] reservare.“ Weiter unten wird davon gesprochen, daß das Verfahren „in quator banccis, presentibus scabinis civibus nostris“ erfolge.116 In einer landes113 114 115 116

CDS II, 7, S. 239 ff., 242, Z. 6 ff. CDLS I, S. 195, Z. 25 ff. CDLS I, Anhang, S. 97 f., 98, Z. 11 f. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f.

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herrlichen Urkunde von 1329 wird die Schöffenbank wie folgt deutsch bezeichnet: „Dar nach, ob ein Burger beclagen wolde derselben unserer Man Gepowren, ist daz der selbe Gepowr chumpt in die Stat oder in der Stat Gericht, der sol antwurten in der Stat vor dem Erberichter und vor den vier Benken, da der Stat Schepfen siczen und sol ir Urteyl leiden“.117 Das Gericht war also besetzt mit Görlitzer Bürgern als Stadtschöffen, die in vier Bänken saßen. Die Stadtschöffen entstammten der Masse der Stadtrechtsgemeinschaft. Die Schöffen handelten unter dem Vorsitz des Richters. Die Grundsätze Funktionsteilung und Schöffenverfassung werden erkennbar. Der Rat war insoweit nicht beteiligt. Deutlich wird also die für das Magdeburger Recht typische Scheidung in „Recht“ und „Willkür“. Görlitz erscheint mithin verfaßt nach Magdeburger Recht. Hinsichtlich der Anzahl der einerseits insgesamt bestellten, andererseits tatsächlich auch im Gericht anwesenden Schöffen geben die Rechtsbücher weitere Auskunft. Die Weichbildvulgata nennt zunächst den Ort, an dem die Schöffen Platz nehmen, „die vier bencke“, so etwa in Art. XX § 1. Dies zeigt in Zusammenschau mit den ebengenannten Urkunden den Einfluß des (Sächsisch-)Magdeburgischen Rechts auf die Verhältnisse in den landesherrlichen Städten des Untersuchungsgebiets. Die Blume von Magdeburg spricht dagegen regelmäßig von „gehegitir bang“ oder „gehegitim ding“, wovor die Parteien erscheinen. Art. XVI § 1 sagt hinsichtlich des Burggrafendings: „Der schepphen sollen eilfe sein, unde der schultheize der zwelfte.“ Hiernach wird also die bereits aus der Magdeburger Verfassung bekannte Zahl elf vorgeschrieben. Auch nach § 7 der MagdeburgGörlitzer Rechtsweisung von 1304 sind Urteilsfinder die Schöffen. Diese erscheinen nach § 52 als „Bancgenozen“, die „uffe der Banc“ sitzen.118 Von vier Bänken ist in dieser Rechtsquelle nichts zu lesen. § 110 gibt wie die Weichbildvulgata folgende Anordnungen hinsichtlich der Besetzung der Schöffenbank, jedoch auch im Schultheißengericht: „Der Shepphen shullen eilfe sin.“ 119 Dabei handelt es sich um die Zahl der insgesamt zu wählenden Schöffen. Auch die unmittelbar im Anschluß erfolgende Regelung, daß der „Shultheize der zwelfte“ sei, spiegelt die Magdeburger Verfassung. Wie zu sehen sein wird, entsprechen diese Regelungen nach der heutigen Überlieferung nicht den tatsächlichen Verhältnissen im Untersuchungsgebiet. Abweichen von der Anzahl der gewählten Schöffen dürfen nach den Rechtsbüchern die der tatsächlich im Gericht anwesend gewesenen Schöffen. Mithin dürfen auch Bürger (§ 30: „dinglute“) herangezogen werden, sofern Schöffen nicht zu haben sind, so bei handhafter Tat.120 Im Gastprozeß ge117

Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 528 f.; vgl. CDLS I, S. 582 f. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 461. 119 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 470. 120 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammkung, S. 448 ff., 450, 456; vgl. zum Begriff der handhaften Tat Schild, Handhafte Tat, Sp. 741 ff. Der Begriff der handhaften Tat wird etwa in der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304, nämlich in § 18 genau umschrieben (Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 453). 118

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nügen, sind aber wohl auch erforderlich, nach § 7 zwei Schöffen.121 Bei Tod eines Richters oder eines Schöffen handeln nach § 23 in Nachlaßsachen, die vor gehegtem Ding erfolgen, „zu minnesten“ zwei Schöffen und vier „Dingmannen“,122 also Bürger, die keine Schöffen sind. Es muß also bereits nach den Rechtsbüchern unterschieden werden zwischen der Anzahl der insgesamt gewählten Schöffen einerseits und der tatsächlich im Gericht anwesenden andererseits. Weitere Auskünfte über die Besetzung der Urteiler-, mithin Schöffenbänke geben die Gerichtsbücher, Ordnungen/Statuten und Annalen der landesherrlichen Städte. Nach dem ältesten Budißiner Stadtbuch, beginnend 1359, saßen auch die Urteiler im Budißiner Stadtrecht – wie nach dem Magdeburger Recht – in vier Bänken, denn zum Zweck einer Auflassung forderte das Gericht den Auflassenden etwa auf: „Dor czu sal he syne kindir ouch vor dy vyrbenke brengyn.“ 123 Baumgärtel meint, daß in Budißin bereits in der Frühzeit sieben Stadtschöffenämter bestanden hätten.124 Litter meint dagegen, die Anzahl der zu besetzenden Schöffenstellen lasse sich wegen der frühzeitigen Verschmelzung von Rat und Schöffenkollegium nicht mehr ermitteln.125 In Budißin „gehörten“ nach richtiger Meinung Neumanns spätestens ab der Mitte des 14. Jahrhunderts „die Schöffen [. . .] fast ausnahmslos dem Rate an.“ 126 Aus normativen beziehungsweise narrativen Quellen geht ein Hinweis auf die Anzahl der zu besetzenden Schöffenstellen (innerhalb des Rates) hinsichtlich der Frühzeit nicht hervor. Das Schöffengremium bestand jedoch als bereits ursprünglich abgegrenzte Gruppe innerhalb des Rates auch nach Verschmelzung mit diesem als solche weiter. Das älteste Budißiner Stadtbuch benennt die auf Urteilerseite handelnden Gerichtspersonen nur selten etwa als Schöffen und/oder Ratspersonen, weswegen diese Quelle insoweit nicht weiterführt. Dies ergibt sich jedoch aus der einleitenden Eintragung zu Beginn der Erstbenutzung des zweitältesten Stadtbuches von 1424 sowie diejenige zu Beginn der Wiederbenutzung dieses Buchs 1497, wonach jeweils neben Bürgermeister, Rat und Richter sechs „scabini“ beziehungsweise „schoppen“ als besondere Gruppe hervorgehoben werden.127 Noch im 17. Jahrhundert wurden nach erfolgter Ratswahl bei der Ämterverteilung aus den zu Ratspersonen Gewählten nicht nur etwa der Stadtrichter, der Geschoß- und Steuereinnehmer oder ein Kämmerer, sondern auch sechs „Schöffen“ bestellt.128 Auch hiernach bestand also (auch) in Budißin noch nach Verschmelzung von Rat und Schöffenkolle121 122 123 124 125 126 127 128

Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 450 f. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 454. Budißiner Stadtbuch 1359, S. 7. Baumgärtel, Ratslinie, S. 5, 19 ff. Litter, Verfassungsrecht, S. 36. Neumann, Budißiner Stadtbuch 1359, S. 103. Budißiner Stadtbuch 1424, S. 7. Baumgärtel, Ratslinie, S. 14.

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gium (innerhalb des Rates) eine abgegrenzte Gruppe der Schöffen, die vor allem gerichtsverfassungsrechtlich zuständig waren. Soweit es unabhängig von der Anzahl der in Budißin sechs gewählten Stadtschöffen die Zahl der tatsächlich im Gericht handelnden angeht, ist im ältesten Budißiner Stadtbuch gleich für 1359 verzeichnet: „Sydyl Cremer der ist berycht mit synir geswyyr in gehegirtin banc wissentlich den scheyphin, Zcukemantyl, Ylebur[g].“ 129 Hinsichtlich der dort verhandelten Niedergerichtssache genügten also nur zwei anwesende Schöffen. Nach dem zweitältesten Stadtbuch, beginnend 1424, enthaltend im Gericht tatsächlich ebenfalls vor allem Niedergerichtssachen, handelten meist zwei oder vier Schöffen, obwohl der Einleitung zufolge sechs Schöffenämter bestanden.130 Dies ist auch das Ergebnis von Baumgärtels Untersuchungen.131 Hiernach handelten regelmäßig weniger Urteiler im Gericht als gewählte Schöffen vorhanden waren, jedoch manchmal auch mehr, indem auch „Nur-Räte“ als Gerichtspersonen handelten. Was die Kompetenzerweiterung des Rates auf Bereiche des „Rechts“ angeht, verlieh 1501 der Landesherr dem Rat der Stadt Budißin das Recht, daß bei Errichtungen etwa von letztwilligen Verfügen anstelle von Schöffen lediglich „duo jurati ex consulibus“ zugegen sein müßten.132 Frühzeitig gewann der „Nur-Rat“ also Einfluß auch auf das „Recht“, wofür zunächst allgemeinen Grundsätzen des Magdeburger Rechts zufolge die Schöffen allein zuständig gewesen waren. Bereits im ältesten Stadtbuch erscheinen darüber hinaus Vertreter beider Gremien gemeinsam als Urteiler. Ausschließlich der Rat stellte etwa in Obergerichten die Gerichtspersonen, wie ein Eintrag im ältesten Budißiner Stadtbuch aus dem Jahr 1361 ergibt: „Item Kuncz pro homicidio istius Korber concordauit amicabiliter coram consulibus et magistro consulum Jacobo Punczillini et coram ceteris consulibus.“ 133 Daneben ist regelmäßig von „schepp(h)in“ zu lesen, die als Gerichtspersonen handeln.134 Somit hatte der „Nur-Rat“ Zuständigkeiten hinsichtlich des „Rechts“ erlangt, auch wenn die Schöffen weiterhin gerichtsverfassungsrechtlich zuständig blieben. Für das Jahr 1361 heißt es: „Item Nyckil von Konewicz ist komen vor dy virbenke, do alle ding macht und craft habyn, vnd hatt vffgegebin [. . .], vmd daz zu eynir bestetunge synt gecczug Han Vto, Pecze Schreter voyt zu der czit, vnd Jacob Punczil.“ 135 Regelmäßig handelten im ältesten Budißiner Stadtbuch mithin drei, vier, sechs, acht oder eine unbestimmte Zahl Beisitzer.136 129

Budißiner Stadtbuch 1359, S. 1. Budißiner Stadtbuch 1424, S. 8. 131 Baumgärtel, Ratslinie, S. 19 ff. 132 VOU II, S. 58; Sing. Lus. XXVI, S. 159. Vgl. die Urkunde vergleichbaren Inhalts von 1496 zugunsten von Görlitz abgedruckt bei Großer, Merkwürdigkeiten I, S. 158. 133 Budißiner Stadtbuch 1359, S. 10. 134 Budißiner Stadtbuch 1359, S. 1 ff. 135 Budißiner Stadtbuch 1359, S. 12. 136 Budißiner Stadtbuch 1359, S. 1 ff. 130

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Diese Zahl überstieg also häufig die Zahl der gewählten Schöffen und stellt daher ebenfalls einen Beweis dafür dar, daß „Nur-Räte“ zusammen mit den Schöffen als Gerichtspersonen handelten. Daß Rat und Schöffen gerichtsverfassungsrechtlich verschmolzen waren, sieht auch Litter.137 Für Görlitz ist anhand der frühen Quellen eine gleichbleibende Zahl der Stadtschöffenämter zunächst nicht festzustellen. In einer Urkunde vom 7. Juli 1298, mit der der Görlitzer Rat den letzten Willen des Mitbürgers Heinrich vom Dorfe bestätigen, erscheinen neben dem Rat und außerhalb dessen ausdrücklich vier „scabini“,138 was nicht bedeuten muß, daß nur vier Schöffenämter bestanden. Sieben oder manchmal auch acht Schöffen waren, wie sich etwa aus dem ältesten Görlitzer Stadtbuch, beginnend 1305, ergibt, gewöhnlich auch an den Gerichtstagen in den vier Bänken anwesend.139 Das zweitälteste Görlitzer Stadtbuch weist bereits regelmäßig die Zahl sieben auf.140 Die Zahl der zu besetzenden Stadtschöffenämter betrug auch nach der Görlitzer Kürordnung von 1489, also wie erörtert einer zugleich normativen und deskriptiven Quelle, sieben. Denn hiernach wurden gemäß der Sitzordnung am Ratswahltag von den insgesamt in den Rat zu wählenden Kandidaten „die Sieben nehst nach dem Bürgermeister sitzende zu Scheppen.“ 141 Haß gibt eine Ratslinie für das Jahr 1511, wonach neben elf „consules“ und acht „seniores“ sieben „scabini“ innerhalb des Rates aufgeführt sind.142 Dies änderte sich nicht bis 1547, wie vor allem aus Scultets Kürbuch hervorgeht. Dieser gibt für den gesamten Zeitraum vom frühen 14. Jahrhundert, also soweit erstmals das Vorhandensein eines (vom „Nur-Rat“ abgrenzbaren) Schöffenkollegiums sichtbar wird, bis 1547 stets sieben Schöffen an,143 es bestanden mithin sieben Schöffenämter. Die Zahl der im Gericht anwesenden Schöffen wich aber bereits frühzeitig von der Anzahl der insgesamt gewählten Stadtschöffen ab und betrug oftmals nur fünf, sechs oder aber acht. Auflassungen erfolgten gar entgegen dem Recht Magdeburgs vor nur zwei Schöffen.144 Die Eintragungen in das älteste Görlitzer liber actorum, wonach etwa nur zwei oder drei Schöffen in Schuldsachen und anderen Sachen der niederen und freiwilligen Gerichtsbarkeit handelten, bestätigen dies.145 Dies entsprach den Görlitzer Statuten von 1476, deren Artikel 62 vorschreibt: „Was aber ein man dem andern jn dyssem lannd vnnd Stat Gorlitz, ader ein gast dem andern, ader ein weib einem manne vmmb geltschuld bekentniss, ader ander sachen, sich vorwillen vnnd vor137 138 139 140 141 142 143 144 145

Litter, Verfassungsrecht, S. 37. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 434 ff., 436. Zander, Rotes Buch, S. 13. Jecht, Zweitältestes Stadtbuch, S. 133 ff. Görlitzer Ratsordnung 1489, S. 307. Haß, Ratsannalen I, S. 163. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch, Jahre bis 1547. Jecht, Ältestes Stadtbuch, S. 8 f.; Zander, Rotes Buch, S. 13. Jecht, liber actorum, S. 102 ff.

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phlichten vor einem scheppen, vnnd entphelung des Scheppen jn der Stat buch geschreben wirt, das hot solche crafft vnnd macht, alz vor gehegter banc vnnd dem sitzcenden Rathe geschege.“ 146 Hiernach genügte also die Anwesenheit nur eines Schöffen. Auch nach den von Boetticher ausgewerteten Gerichtsbüchern aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, enthaltend Obergerichtssachen, waren neben dem Richter oftmals lediglich drei oder zwei Schöffen anwesend.147 Die Haß’schen Annalen berichten jedoch zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Auslegung der landesherrlichen Urkunde von 1303: „Alhie ist zu mercken, das zu den gerichten vier bencke von den schoppen sollen besatzt werden, ab auch nicht mehr den vier schoppen weren, vnd diss kommet aus einer alden rede vnd brauch des Magdeburgischen rechten, die do antzeigen die gerichts banck also zu besetzen.“ Diese Schilderung weicht von den aufgezeigten Verhältnissen ab. Haß fügt denn, soweit es zumindest die Leichenhebung anging, an, daß „die stadt solchs zuthun [. . .] gefreyet.“ 148 Es konnte und durfte also von den Regelungen auch nach Haß abgewichen werden. In Görlitz erscheinen Rat und Schöffenkollegium zunächst getrennt, wie auch R. Jecht zurecht feststellte.149 „Conjuratores“ beziehungsweise „jurati“ zeigen sich 1273 und 1299, ohne daß zwar zwischen Schöffen und Rat unterschieden wird.150 Jedoch bestätigen in der genannten Urkunde des Görlitzer Bürgers Heinrich vom Dorfe von 1298 folgende Personen seinen letzten Willen: „Albertus, magister civium in Gorlicz, Wernherus in foro, Nycholaus de Kunigeshain, Adam, Hermannus Florini, Petzoldus Calvi, Rudolfus junior, Heinricus de Sale senior [Heinrich von Salza151 – HvS], Berwicus frater Wikeri, Petzoldus Wernheri, Kunradus de Lubano, Hermannus dictus Sensinsmit et Heinricus de Roneberch juniores, consules ibidem.“ Es handelt sich sämtlich mithin um Ratmannen. Lediglich als Zeugen am Ende der Urkunde werden genannt: „Kunradus de Grifenberch quem Emmericum vocitant, Wernherus de Ozdrose, Heilemannus de Waldenberch et Heilmannus de Sale junior [der Sohn Heinrichs des Älteren von Salza152 – HvS], scabini“,153 also vier Schöffen. Im ältesten Görlitzer Stadtbuch, beginnend 1305, ist die formale Trennung von Rat und Schöffenkollegium (dieses jedoch auch mit Ratsmitgliedern besetzt) auch im Stadtrechtsgericht grundsätzlich noch aufrechterhalten. Zwar sind auch Rechtshandlungen des Rates verzeichnet. Diese beziehen sich aber nach den Untersuchungen Zanders lediglich auf den originären Zuständigkeitsbereich des Rates, die „Willkür“, während das 146 147 148 149 150 151 152 153

Görlitzer Statuten 1434, S. 411. Boetticher, Gerichtsbücher, S. 142. Haß, Ratsannalen II, S. 140 f. Jecht, Geschichte I, S. 49. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch, Bl. 97, 110. Knothe, Adel I, S. 463. Knothe, Adel I, S. 463 f. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 434 ff., 436 f.

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Schöffenkollegium weiterhin, soweit dieses Gerichtsbuch reicht, allein im Bereich des „Rechts“ handelte.154 Auch außerhalb des Gerichts wurden Rat und Schöffen weiterhin zunächst geschieden. Jedoch verschmolzen Schöffenkollegium und Rat auch hier, indem aber das Schöffengremium innerhalb des Rates als abgrenzbare Gruppe mit spezifisch gerichtsverfassungsrechtlicher Funktion erhalten blieb. Jeder Schöffe war jetzt Ratsmitglied, aber nicht jedes Ratsmitglied Schöffe.155 Dies wird erstmals deutlich anhand eines Privilegs des Landesherrn zugunsten der Görlitzer wegen der freien Ratskür von 1420. Darin werden Schöffen und Ratleute hinsichtlich der Ratskür gemeinsam behandelt: „Zum Ersten, das der Ratmanne und Scheppen sollen achtzehn sein, und der Burgirmeister der neuntzende.“ 156 Aus der Urkunde wird nicht klar, obwohl ausdrücklich auch von Schöffen gesprochen wird, wie viele von diesen 18 Ratspersonen Schöffen waren. Allerdings wurden nach der Ratsordnung von 1489 ausdrücklich sieben Personen aus den Ratsmitgliedern zu „Scheppen“ gewählt, um „bey den königlichen Gerichten [dem Erbgericht – HvS] Fleyss zu haben.“ 157 Der Görlitzer Stadtschreiber und Rat Haß gibt für das Jahr 1511 eine Ratslinie, in der die „consules“ und „seniores“ von den zuerst genannten „scabini“ getrennt werden.158 Er berichtet vom Anfang des 16. Jahrhunderts: „In viel steten sein sundirliche schoppen, ausserhalb des rathis, ab jsz abir vor zeiten alhie auch also gewest, weisz ich nicht [. . .]. Jsz ist aber jn viel langen jaren alhie gebraucht, das die schoppen, aus des rats mittel gewest sein.“ 159 Demnach war das Schöffenkollegium zwar Bestandteil des Rates, stellte aber innerhalb dessen eine davon abgegrenzte, mit Funktionen hinsichtlich des „Rechts“, mithin der Gerichtsverfassung des Erbgerichts ausgestattete Gruppe dar. Dies bestätigen auch die genannten Einträge in Scultets Kürbuch. Jedoch verschaffte sich auch der „Nur-Rat“, also die Nichtschöffen im Rat frühzeitig über die „Willkür“ hinaus Einfluß auf das „Recht“. „Nur-Ratsmitglieder“ erscheinen bereits nach dem ältesten Görlitzer Stadtbuch anstelle der Schöffen bei Entscheiden, also Beurkundungen von Rechtsverhältnissen, die im Wege schiedsrichterlicher Entscheidungen oder Vergleiche festgestellt oder geschaffen wurden, mithin im Bereich des „Rechts“. Denn Ratmannen finden sich neben den Schöffen oft als Schiedsleute erwähnt.160 Zander erkannte insoweit eine

154

Zander, Rotes Buch, S. 12. Vgl. Behrisch, Ratskür, S. 50, Anm. 5; 54 ff. m.w. N. 156 RA Görlitz, Urkunde 1420. Diese Urkunde sah Behrisch fälschlich als Görlitzer „Kürordnung von 1420“ an, eine solche jedoch, soweit ersichtlich, nicht besteht (vgl. Behrisch, Ratskür, S. 54). 157 Görlitzer Ratsordnung 1489, S. 307. 158 Haß, Ratsannalen I, S. 163. 159 Haß, Ratsannalen II, S. 141. 160 Zander, Rotes Buch, S. 73 ff. m.w. N. 155

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„konkurrierende Kompetenz“ beider Gremien.161 Nach dem zweitältesten Görlitzer Stadtbuch, beginnend 1342, hatte man sich zwar grundsätzlich auch etwa in peinlichen Sachen „vor den benkin, vor dem richter und vor den zhepphin“ zu verantworten. Jedoch erfolgten insoweit etwa Verwillkürungen „vor dem rathe und vor den vir benkin.“ 162 Auch im ältesten Görlitzer liber actorum, beginnend 1389, finden sich deutliche Hinweise auf die Verschmelzung beider Gremien auch in gerichtsverfassungsrechtlicher Hinsicht. So heißt es bei Verhandlungen des Erbgerichts etwa: „vor den Schepphen im vollen Rate“, „coram scabinis et consulibus simul“, „coram scabinis et coram consulibus in pleno et vigoroso“, vor „magister civium cum consulibus“.163 1434 erlaubte der Landesherr den „Ratmannen zu Görlitz“, daß sie, um „ohne Säumnis“ gegen „schädliche Leute“ 164 vorgehen zu können, künftig (unter Hinzuziehung des Erbrichters) über diese urteilen dürften, und zwar nicht notwendig vor „gehegter Bank“,165 also unter Beteiligung der Stadtschöffen. Die Kompetenzerweiterung des „Nur-Rates“ auf das „Recht“ wurde denn auch Inhalt der Görlitzer Statuten von 1434, deren Artikel 63 besagt: „Ouch was die hern scheppen vnd Ratmanne czwischen lewten berichten das sal man halden bey rechter vnd gesatczter busse vnd ein yderman sal dorumb seinen entscheid lossen schreiben.“ 166 In den Statuten von 1476 heißt es: „Was den da herren, also, Scheppen vnnd Ratmann zcwischen den lewthen berichten, dy sich vor ehn vorwilten, ader enander gelobde tethen, sal by recht vnnd gesatzter buss gehalden werden.“ 167 Auch aus den Görlitzer Ratsannalen Melzers geht hervor, daß maßgeblich auch der Rat im Gericht handelte. So richtete dieser jetzt selbst, jedoch unter Beiziehung des Erbrichters und manchmal der Schöffen auch etwa in Schuldsachen.168 Selbst in Obergerichtssachen kam dem Rat Kompetenz zu, wie sich aus dem Gerichtsbuch 6 des Ratsarchivs Görlitz, Obergerichtssachen, die nicht „an den Hals gingen, im Zeitraum 1519 bis 1548 enthaltend, ergibt. Hier heißt es regelmäßig, etwa 1523, 1529 und 1535, daß Sachen „coram Senatu“ behandelt wurden.169 Der Rat erhielt demnach in manchen Angelegenheiten die ausschließliche gerichtsverfassungsrechtliche Kompetenz. 1497 erhielt der Görlitzer Rat das Recht vom Landesherrn, hinsichtlich der vom Rat innegehabten Lehngüter „sich allenthalben kegen jre leuthen, mit ge161

Zander, Rotes Buch, S. 75. Jecht, Zweitältestes Stadtbuch, S. 135. 163 Jecht, liber actorum, S. 102. 164 Zum Begriff Sellert, Landschädliche Leute, Sp. 1555–1559. 165 RA Görlitz, Urkunde 1434; vgl. VOU I, H. 5–8, S. 37; wird 1457 (VOU I, H. 1–4, S. 80) und 1499 (VOU II, S. 43 f.) bestätigt. 166 Görlitzer Statuten 1434, S. 389 f. 167 Görlitzer Statuten 1476, S. 411. 168 Melzer, Ratsannalen, S. 146, 194. 169 RA Görlitz, Memoriale, z. B. Bl. 26, 71, 111. 162

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richten vnnd andern, halden mogen, wie die manschafft des landes.“ 170 Der Rat wurde als Grundherr somit gerichtszuständig hinsichtlich der stadteigenen Dörfer. Bis zum Ende des Untersuchungszeitraums übte der Rat durch bestimmte hierzu abgeordnete Ratsmitglieder, „Deputationen“, die Gerichtsbarkeit in den stadteigenen Dörfern beziehungsweise über die der Gerichtsbarkeit des Rats zugewiesene Kirchen- und Hospitaldörfer aus.171 Haß berichtet in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit Bezugnahme auf dieses Privileg und die landesherrliche Urkunde von 1303172: „Vnd hat der rathe die straffe dir blutrunste in den guttern des rathes bekomenn, dye straffe abir des ehebruchs, auff einer vbung, dieweile man den ehebruch mehr durch gelde, den pein gestrafft hat, vnd also furt jn vielen sachen, die ein rathe auff heute strafft, die vor zeiten dne gerichten zugestanden haben.“ 173 Daraus wird erkennbar, daß der Rat nunmehr auch über seine Zuständigkeit hinsichtlich der Ratsdörfer hinaus wohl auch innerhalb der Stadtfluren und im Weichbild im Rahmen der mit der Urkunde von 1303 ursprünglich dem Stadtschöffengericht überwiesenen Obergerichten tätig wurde. Aus den von Boetticher ausgewerteten Gerichtsbüchern, enthaltend Obergerichtssachen, aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ergibt sich – jedoch selten – eine Besetzung der Urteilerbank sowohl mit [einem] Schöffen als auch mit einem oder mehrere Ratsmitgliedern, so 1521, als jemand aussagte „coram Hans Wolmerstat scabino et Johanne Kommerstat consule.“ 174 Die Görlitzer Gerichtsordnung von 1593 gibt nicht nur Auskünfte hinsichtlich der Aufrechterhaltung des Grundsatzes der Funktionsteilung zwischen Richter und Schöffen in späterer Zeit, worauf noch einzugehen sein wird, sondern auch hinsichtlich des Verhältnisses von Schöffen und Rat um die Wende zum 17. Jahrhundert: „Und nachdem sich bishero die Parthen zum öfftern aus geringen unerheblichen Ursachen, von dem Richter und seinen Abschieden, als beschweret an den Hrn. Burger-Meister und Rath gezogen, daraus denn nicht allein Verkleinerung des Richterlichen Amtes, sondern auch allerhand Unordnung und Weiterung erfolget, auch der Ungehorsam bey denen Leute gefährlich gestärket worden; so soll hinführo solche Beruffung ohne sonderlich erheblich und wichtige Ursachen vom Hrn. Burger-Meister und Rath nicht verstattet werden [. . .]. Da aber ja der Rath aus sonderlichen erheblichen Bedenken die Sache zu sich nehmen, und darinne fernern Verhör anstellen würde: So soll doch vornehmlich dahin gesehen werden, damit des Richters Bescheidt, so viel immer möglich salviret werden kann. Wenn aber gleichwohl aus etlichen Circumstantiis ein anderes erkannt werden müsse: So soll derselbe Abschiedt vor dem Rath schrifftlich verfasset und publiciret werden.“ 175 170 171 172 173 174 175

VOU I, H. 5–8, S. 31. Näher Neubauer, Stadt Görlitz, S. 44 ff., 45. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. Haß, Ratsannalen II, S. 138 f. Zitiert nach Boetticher, Gerichtsbücher, S. 142. Weinart, Rechte IV, S. 115.

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Es hatte sich also dahin entwickelt, daß bezüglich der Entscheidungen des Erbgerichts Rechtsmittel beim Rat eingelegt werden durften. Der Rat zog daneben – gemäß der Gerichtsordnung von 1593 auch weiterhin – bestimmte Sachen des Erbgerichts erstinstanzlich an sich. Hinsichtlich Kamenz werden in einer Urkunde von 1408 angeführt: „burgermeister“, „rotmanne“ und „gesworin“, wobei als letztere undifferenziert 12 Personen aufgelistet werden.176 1410 erscheint diese Anzahl an Ratmannen und Schöffen.177 Auch in Kamenz erfolgte daher eine Scheidung in Rat und Schöffen nicht (mehr), waren mithin die Schöffen auch Ratspersonen. Den Laubaner Schöffenbüchern 1489 bis 1534 zufolge handelten hier in diesem Zeitraum stets neben dem Richter („Judex“) vier „scabini“ im Erbgericht. Daneben erscheinen aber auch „Burgermeister Ratmann Richter vnd Scheppen der Stat Lubann“, also gemeinsam im Gericht, so etwa in einer Schuldsache von 1489, oder „Burgermeister vnd Rathmann der Stadt Luban“ im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder in streitigen Verfahren allein.178 Es bestand also noch ein besonderes Schöffenkollegium, aber der Rat hatte sich auch hier Einfluß auf das „Recht“ verschafft. Boetticher wertete die noch vorhandenen Löbauer Gerichtsbücher aus der Zeit vor 1547 aus. Er stellte fest, daß es sich seit dem Überlieferungszeitraum ab Ende des 14. Jahrhunderts in der Regel um sieben Urteiler handelte. Manchmal waren es auch nur zwei, drei, fünf beziehungsweise sogar acht Urteiler. Mindestens in einem Fall ist ein adliger Schöffe nachgewiesen, jedoch im Rahmen der bereits angesprochenen Weichbildzuständigkeit des Gerichts.179 Indes war auch auch hier das Schöffenkollegium frühzeitig Bestandteil des Rates geworden, wie Seeliger im Rahmen der Erstellung der Löbauer Ratslinie aufgrund vor allem Urkunden der Stadtbucheintragungen und weiterer Archivalien nachwies. Noch bis 1473 werden in den Geschoßregistern und Ratsrechnungen regelmäßig zwei, manchmal auch drei bis vier Personen als Schöffen ausgewiesen, jedoch innerhalb des Rates. Zuvor und parallel dazu werden Ratmannen und Schöffen zusammen etwa als „schepphen und gesworne“ bezeichnet. Für das Jahr 1539 werden mehrere „assessores“ innerhalb des Rates aufgeführt, jedoch nicht abgrenzbar vom Rat.180 Zwischen Schöffen und Rat wurde mithin bereits ab dem 14. Jahrhundert, dem Beginn des Zeitraums der heutigen Überlieferung, nicht unterschieden, wobei auch hier das Schöffenkollegium innerhalb des Rates fortbestand. Jedoch handelten wie bereits daran sichtbar, daß der Bürgermeister oftmals dem Erbgericht vorsaß, gerichtsverfassungsrechtlich oftmals beide Gremien gemeinsam. 176

CDS II, 7, S. 37, Z. 10 ff. CDS II, 7, S. 44, Z. 22 ff. 178 StA Breslau, Schöffenbücher Lauban I, Bl. 33 b, 34 b, 39, 41 b. 179 Boetticher, Rügengerichte, S. 225 m.w. N. Vgl. StadtA Löbau, Rügenbuch Löbau, Bl. 8 b. 180 Seeliger, Verwaltungsgeschichte, S. 86 ff., 88; mit Ratslinie: 93 ff. 177

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Hinsichtlich Zittaus liegen wie gesagt mittelalterliche Stadtbücher nicht mehr vor. Deswegen ist hinsichtlich der frühen Zeit in bezug auf Zittau nicht mehr eindeutig festzustellen, wie die Urteilerbesetzung im Stadtrechtsgericht ausgestaltet war. Prochno untersuchte im Rahmen seiner Ratslinie bis 1547 die Zittauer Stadtverfassung anhand urkundlicher und vor allem annalistischer Quellen. Schöffen sind lediglich in urkundlichen Nachweisen aus dem 14. und beginnenden 15. Jahrhundert ausdrücklich neben den Ratmannen genannt, so 1359 vier, von denen nur einer als Ratsmitglied geführt wird, und 1379 drei, von denen einer – bei unvollständiger Überlieferung – seit 1372 nicht mehr als Ratsmitglied erscheinen. 1410 werden die ersten sechs Ratsherren nach dem Bürgermeister so genannt. 1422/1423 erscheinen drei „cives et scabini iurati“.181 Ab 1414 erscheinen – nicht in jedem Ratsjahr – ein oder zwei „assessores“ hinter dem Richter unter den Ratsmitgliedern. Ab 1540 nennen sie sich „1. assessor“ und „2. assessor“.182 Die Jahrbücher Johannes’ von Guben berichten für das Jahr 1367: „A. D. M CCC lx vij, alsich der ratht vornwht in deser stat, wurden die schepphen czu rathte, wy daz sy welden den rath sterken von der stat mit schepphen vnd wurden czu rathte, das dy sechsche, dy von den rate quamen in dem jare, solden das andir jar dor noch abir schepphen syn, vnd koren czu den sechschen andir sechsche in der stat ju von den hantwerker eynen, von tuchmacher eynen, von fleyscher eynen, und dy andern vs der gemeynde, vnd eyd dy als recht ist vnd varen schepphen mit desyn czwelfen, alzo das ir das jar varen vir vnd czwenzig schepphen, vnd wen man der selben czwelfe vswendek des rathes dorfte zcu grosser not, zo sandt man noch in vnd so hulfen zy raten vnd way zy bekanten vnd sahen, das hatte craft in alle der mose als dy andirn cwelfe, dy do stetes sasyn vf der bank.“ 183 Jedoch stellte Prochno zurecht fest, daß Johannes von Guben hier sämtliche Ratsmitglieder, also auch Nicht-Schöffen so bezeichnete.184 Dies ergibt sich vor allem aus einem von Prochno abgedruckten Bericht über die Wahl des (auch die Schöffen umfassenden) Rates aus dem Jahr 1688 oder kurze Zeit später, die mithin nach richtigen Erkenntnissen Prochnos im wesentlichen auf der von Johannes von Guben berichteten Verfassung beruht.185 Hier galt also für den Zeitraum jedenfalls ab dem 15. Jahrhundert ebenfalls der Grundsatz, daß jeder Schöffe Ratsperson, aber nicht jede Ratsperson Schöffe war. Zuvor waren trotz wie etwa aus der genannten Urkunde von 1410 hervorgehender weitgehender personeller Identität von Schöffen und Ratsmitgliedern beide Gremien weiterhin noch voneinander getrennte Körper, so daß zunächst durchaus auch Schöffen außerhalb des Rates standen, wie sich etwa aus den genannten Urkunden von 1359, 1372 und 1379 ergibt. Diese Schöffen werden die Urteilerfunktion im Stadt181 182 183 184 185

Prochno, Ratslinie, S. 65 m.w. N. Prochno, Ratslinie, S. 40 ff. Johann von Guben, Jahrbücher, S. 30 f. Prochno, Ratslinie, S. 65 f. Prochno, Ratslinie, S. 61 f., 64 ff.

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rechtsgericht gehabt haben. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit den Verhältnissen in den anderen landesherrlichen Städten und mit späteren Zittauer Verhältnissen, nachdem aus den beiden „assessores“ die beiden miturteilenden „ersten“ und „zweiten“ „Stadtrichter“ geworden waren.186 Soweit die Stadtschöffengerichte bis 1547 Vogteizuständigkeiten übernahmen, erscheinen sie auch ausgestattet mit Rügezuständigkeit bezogen auf das Weichbild. Insoweit wich die Besetzung von der etwa im streitigen Verfahren ab. Zwischen 1394 und 1547 ist nachgewiesen das Görlitzer Erbgericht auch als Rügengericht mit Weichbildzuständigkeit, wie sich aus einer Aufstellung von Dörfern in einem Rügegerichtsprotokoll von 1419 ergibt.187 Mit Boelcke handelte es sich bei dem Gericht auch insoweit um eine „verkümmerte Fortsetzung“ 188 des ursprünglich auch als Rügegericht zuständigen, durch die Urkunde von 1303 gerichtsverfassungsrechtlich veränderten Görlitzer Vogtdings. Das vor 1547 mit Weichbildzuständigkeit ausgestattete Löbauer Erbgericht wies ebenfalls die Zuständigkeit als Rügegericht auch im Weichbild auf. Die Gerichtsverfassung beider Gerichte insoweit wurde nach sämtlichen vorhandenen Quellen erschöpfend dargestellt von Boetticher.189 In sachlicher Hinsicht wurden vom Görlitzer Stadtschöffen- als Rügengericht Rügen im wesentlichen im Rahmen der ihm gemäß der landesherrlichen Urkunde von 1303 übertragenen Obergerichtszuständigkeit behandelt. Die Rügen wurden nach der Görlitzer Rügegerichtsordnung von 1418190 vom Dorfrichter und zwei Dorfschöffen beziehungsweise, soweit kein Dorfgericht vorhanden war, von den Dorfältesten des jeweiligen Dorfes, in dem die Tat erfolgte, vor dem Rügengericht „angebracht“. Das Gericht in der Form des Rügegerichts hatte nicht in der Sache zu verhandeln, sondern entschied lediglich, ob die Rüge etwa wegen Mißgunst des Rügenden nicht anzunehmen beziehungsweise anzunehmen und weiterzuverweisen sei an das für zuständig erachtete Gericht, entweder das vollbesetzte Stadtschöffengericht (Vogtding in der Besetzung nach der landesherrlichen Urkunde von 1303) oder, soweit vorhanden, das Oberlausitzer Femgericht. Das Rügegericht war nach den vorhandenen Quellen lediglich mit dem Görlitzer Erbrichter (dieser nicht immer) und stets zwei bis drei Stadtschöffen besetzt. Über die Anwesenheit des Vogtes wird nichts bekannt. Ausdrücklich kam ausschließlich den Schöffen des Rügengerichts die Entscheidungsfindung darüber zu, ob die Rüge anzunehmen und bejahendenfalls an wel186

Prochno, Ratslinie, S. 64. Aufstellung abgedruckt bei Boetticher, Rügengerichte, S. 203 f. Vgl. die – erstmals mit Karte unterlegte – neueste Untersuchung über die Ausdehnung des Görlitzer Weichbildes von Behrisch, Obrigkeit, S. 46, siehe Karte in der Rückenbroschur. Vgl. hinsichtlich der Besitzverhältnisse bezüglich der Grundherrschaften im Görlitzer Weichbild Knothe, Adel I, S. 610 ff. 188 Boelcke, Verfassungswandel, S. 185 f. 189 Boetticher, Rügengerichte, S. 202 ff., 216 ff. 190 Abgedruckt Boetticher, Rügengerichte, S. 204 ff. 187

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ches Gericht weiterzuverweisen sei, wie sich etwa – dies ein Fall der Nichtannahme – aus einem Rügegerichtsprotokoll von 1394 ergibt: „Heidenreichsdorf hot gerugit, daz Peter Schuler V garbin habir habe genomen vnd birne. aber die schepphen sprechin, daz her dorch nydes wille besayt sy.“ 191 Das Löbauer Erbgericht war nach dem ältesten heute erhaltenen Rügebuch, das 1491 beginnt, auch in Rügesachen regelmäßig besetzt mit dem Hofrichter, dem Richter des Erb-/ Stadtgerichts (Stadtrichter oder Bürgermeister) und Stadtschöffen, selten auch einmal einem adligen Schöffen. Meist handelte es sich um den Stadtrichter oder Bürgermeister allein oder mit einer weiterer Ratsperson oder einem Schöffen, selten (auch) um den Hofrichter. In diesem Gericht durften nach Boettichers Auswertung der Quellen sämtliche Dorfbewohner Rügen anbringen.192 An der Schöffenbesetzung der Gerichte der landesherrlichen Städte wurde strukturell in der Folgezeit nichts, auch nicht durch den Pönfall 1547 verändert. Hinsichtlich der Anzahl der insgesamt vorhandenen Schöffenämter ergeben sich bezogen auf Görlitz zunächst Hinweise aus den Anmerkungen Scultets zur Ratsordnung von 1489 aus der Zeit um 1592. Die Görlitzer und Budißiner Gerichtsordnungen von 1593 beziehungsweise 1594 enthalten indes keine insoweit weiterführenden Regelungen. Nach der Ratsordnung von 1489 bestanden ja wie gesagt nur sieben Schöffenämter, die jährlich von den sieben durch ein besonderes Verfahren, worauf noch einzugehen ist, bestimmte „Ältesten“ neu (wieder) besetzt wurden. Folgende Passage der Ratsordnung von 1489 wurde von Scultet kommentiert: „Also das die Seben Eldisten zum irsten [am Wahltag – HvS] vff die Bang vnder den Fenstern nach dem Bürgermeister gesatzt werden.“ Die Anmerkung Scultets aus der Zeit um 1592 lautet: „Sieben Eldisten ingemeine, als 2 Consulares vnd 5 Scabini tamquam hodie nur alleine das der Judex dazwischen 1 Person mehr.“ 193 Daraus geht hervor, daß die Ältesten zwar wie vor 1547 weiterhin zwei ehemalige Bürgermeister, wie zu sehen sein wird, und fünf vorherige Schöffen waren. Jedoch kam nach 1547 noch die Person des „Judex“ hinzu. Allein hieraus ist nicht zu entnehmen, daß dadurch auch die Zahl der Schöffenämter erhöht wurde. Aus dem Kürbuch Scultets geht hinsichtlich der Jahre 1547 bis 1559, also hinsichtlich der Zeit vor Wiederverleihung der freien Ratskür zunächst weiterhin eine Anzahl von sieben Stadtschöffenämtern hervor. Allerdings wurde diesen sieben Schöffen der Richter entnommen.194 Erst 1559, also nach Wiederverleihung der freien Ratskür, erscheint eine auf acht erhöhte Anzahl von Schöffen, der Richter eingeschlossen. Ab 1582 wurde die Zahl auf neun erhöht. 1588 erscheinen sogar zehn, im darauffolgenden Jahr wiederum nur acht jeweils einschließlich des Richters. Bei regelmäßig acht bis zehn hält sich die jährlich 191 192 193 194

Abgedruckt Boetticher, Rügengerichte, S. 208. Boetticher, Rügengerichte, S. 216 ff. Göritzer Ratsordnung 1489, S. 307. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch, Jahre 1547 bis 1558.

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wechselnde Zahl bis zum Ende der Überlieferung 1631.195 Tatsächlich handelten im Gericht den „libri actorum“ der Jahre 1559–1577 zufolge jedoch weiterhin nicht stets alle Schöffen, sondern abweichend von der behandelten Sache geringere Anzahlen. Ein Erbschaftsstreit wurde 1559 „coram [zwei Namen] scabini“ ausgetragen, insoweit also nur zwei Schöffen handelten. Im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet sich regelmäßig etwa die Eintragung „coram [Name des Schöffen] scabino“. Es erscheint also (weiterhin) auch etwa nur ein Schöffe. Der Richter ist regelmäßig nicht erwähnt. Daneben fanden solche Sachen, etwa Käufe oder Erbeinigungen regelmäßig auch „coram Senatu“ statt,196 also vor dem Rat. In Lauban erscheinen 1604 neben drei gewählten „consules“, worunter der Bürgermeister, und einem „Cämmerer“ ein „Richter“ sieben „Schöppen“.197 Nach 1547 bestanden innerhalb des Löbauer Rates, und zwar im Rang an fünfter und sechster Stelle neben dem Stadtrichteramt ständig zwei Schöffenämter, das „Skabinat“, „Skabine“, die auch „Assessores judicii“ genannt wurden, wie sich aus der Löbauer Ratslinie nach 1547 ergibt.198 Somit handelte es sich dabei um Ratsämter. Das Löbauer Stadtgericht wurde vor allem nach der Regimentsordnung von 1736 als Bestandteil des Rates angesehen, das mithin die dem Rat zukommende Gerichtszuständigkeit ausübte, soweit dies nicht der Rat selbst tat. Wie erörtert, konnte folglich Gericht entweder im Stadtgericht oder außerhalb davon in Ergänzung der Gerichtspersonen des Stadtgerichts beziehungsweise ohne es vom „Nur“-Rat (unter Vorsitz des Bürgermeisters) gehalten werden. Nach der Ratslinie Prochnos, mithin den darin wiedergegebenen Berichten über die Ratswahl vor allem aus dem Beginn beziehungsweise Ende des 17. Jahrhundert bestanden auch nach 1547 neben dem Stadtrichteramt zwei Assessoren-, mithin Schöffenämter, soweit es die Gerichtspersonen des Stadtgerichts angeht. Die Schöffen wurden im weiteren Verlauf des 17. Jahrhunderts zweiter und dritter Stadtrichter (oder Gerichtshalter) genannt,199 was wohl mit einer folglich während des 17. Jahrhunderts erfolgten Veränderung ihrer Stellung als nunmehr Mitglieder eines zusammen mit dem (ersten) Stadtrichter gemeinsam urteilenden Kollegialgerichts zu tun hat. Diese Gerichtsverfassung änderte sich nicht bis zum Ende des Untersuchungszeitraums. Hinsichtlich der im Gericht anwesenden Schöffen im 18. und 19. Jahrhundert bis zum Ende des Untersuchungszeitraums ergeben sich Hinweise zunächst aus normativen Rechtsquellen. Insoweit sind zunächst die in diesem Zeitraum zahlreicher werdenden landesherrlichen Regelungen heranzuziehen. Nach der bereits 195 196 197 198 199

UB Breslau, Scultetus, Kürbuch. RA Görlitz, Stadtrecht, unpaginiert. StFilA Bautzen, Statuta Lauban, Bl. 259 f. Staudinger, Verfassung, S. 13, 17, 42 ff. m.w. N. Prochno, Ratslinie, S. 61 ff.

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genannten kurfürstlichen „General-Verordnung, das Verfahren in Untersuchungs. Sachen“ betreffend, vom 27. Oktober 1770, veröffentlicht im Markgraftum Oberlausitz mit Oberamtspatent vom 12. Dezember 1770, gehörten „in Städten“, also hinsichtlich der Stadtgerichte zur ordnungsgemäßen Gerichtsbesetzung neben Stadtrichter und Schreiber „zweene Schöppen“.200 Das ebenfalls bereits erwähnte kurfürstliche „Generale wegen des Verfahrens in Untersuchungs-Sachen“ vom 30. April 1783, im Markgraftum Oberlausitz veröffentlicht mit Oberamtspatent vom 28. Juli 1783, bestätigt diese Regelung.201 Demnach mußten (unabhängig von der Anzahl der vorhandenen Stadtschöffenämter) mindestens zwei Schöffen der Verhandlung beiwohnen. Meißner veröffentlichte wie angesprochen in seinen „Materialien“ von 1785 Beschreibungen und Zeichnungen der zu seiner Zeit geltenden Sitzordnungen in den, wie er es nannte, „Sessionen“, also Verhandlungen der jeweiligen Stadtgerichte. In Budißin saßen neben dem Richter vier „Scabini“ an einem Tisch, in Görlitz neben Richter, den Scultet wie gesehen zu den Schöffen zählte, Syndikus und Schreiber sechs. Im Stadtgericht Lauban waren neben Richter, Syndicus und Schreiber vier „Scabini“ an einer Tafel plaziert, in Kamenz neben Richter und Schreiber drei und in Löbau insoweit zwei.202 Hiernach wich je nach Stadt die Anzahl der tatsächlich im Gericht anwesenden Schöffen ab, wobei die Mindestzahl zwei der genannten Oberamtspatente nirgends unterschritten wurde. Der Grundsatz der Funktionsteilung wurde wie bereits erörtert durch die weiterhin erfolgte Unterscheidung in Richter und Schöffen zumindest äußerlich aufrechterhalten. Aus Budißiner Rechtsquellen des späten 18. Jahrhunderts ergibt sich, daß die Schöffen hier zugleich Ratspersonen waren, mithin bei der Abkündigung der Ratswahl in der Kirche etwa „consules et scabini“ genannt wurden. Es handelte sich bis Anfang des 19. Jahrhunderts um vier Schöffenämter, mithin vier Schöffen, die dem jeweiligen Rat angehörten, so etwa ausdrücklich 1770.203 Nach der Görlitzer Ratsordnung von 1737 bestanden hier weiterhin wie bisher nach Cap. VI § 3 neben dem Richter „sechs Scabini“ innerhalb des Rates. Hinsichtlich bestimmter Zuständigkeiten auf den Ratsdörfern bestand eine besondere „Deputation“, besetzt nicht mit Stadtgerichtspersonen. Gemäß Cap. VII § 5 behielt der Nur-Rat hinsichtlich bestimmter Sachen ebenfalls weiterhin Zuständigkeiten als Gericht. Das Stadtgericht ist kein „besonderes vom Rath unterschiedenes Collegium [. . .], so vor sich selbst eine Gerichtsbarkeit hätte, sondern lediglich des Raths-Jurisdiction ex delegatione desselben.“ Gemäß Cap. I § 8 wurde die bisherige Übung angeschafft, daß der Syndikus, ein gelehrter Jurist, „die Stelle des ersten Scabini bekleidet“.204 Die Ratsordnung von 1737 bestätigt im wesentlichen die bisherige gerichtsverfassungsrechtliche Ordnung. 200 201 202 203 204

KW III, S. 87 ff., 88. KW IV, S. 50 ff., 51. Meißner, Materialien, S. 60 ff. z. B. StadtA Bautzen, Abkündigungen, Bl. 46. RA Gorlitz, Ratsordnung 1737, unpaginiert.

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Auch im ausgehenden 18. Jahrhundert handelte es sich in Görlitz um sechs Schöffen aus dem Rat, wovon indes ab dem Zeitpunkt der Einrichtung eines zweiten Stadtrichteramtes 1782 einer von ihnen als „erster Schöppe“ der das Jahr „feiernde“ Stadtrichter war.205 Daneben kam auch weiterhin daneben dem NurRat Zuständigkeit als Gericht zu.206 Die tatsächliche Gerichtsbesetzung in Budißin war nach einem Revisionsprotokoll von 1824 wie folgt: erstes Departement: „Herr Stadtrichter Schenk, so wie die Aßeßoren Herr Senator Probst, zugleich als Viceprätor, und Herr Senator Starke“; beim zweiten Departement: „Präsidium Herr Bürgermeister Hennig“, als Assessoren „Herr Senator Probst und Herr Senator Jancovius, ersterer ebenfalls zugleich als Viceprätor“ [. . .]. [Es wird versichert], daß [. . .] die Gerichtsbank bei allen gerichtlichen Verhandlungen in Civil und Criminalsachen stets richtig besetzt sey, und namentlich bei Verhören jetzt darauf gehalten werde, daß die Aßeßoren nicht blos beim Vorlesen sondern vom Anfange bis zu Ende gegenwärtig seyen. Nur bei auswärtigen Besichtigungen und dem im Regulative (vom 4. Juli 1821) selbst berührten Zeugenverhören sey oft blos ein Aßeßor zugegen gewesen, die Vereidung der Zeugen aber allemal in voller Sitzung erfolgt, und müßten.“ 207 In jedem Departement bestanden also zwei Assessorenämter, wobei Senator Probst Assessor in beiden Departements war, mithin insgesamt drei ständige Schöffen des Stadtgerichts bestellt waren. Senator Probst war als Vizeprätor zugleich ständiger Stellvertreter des Stadtrichters. Die Gerichtsbank war bei Gerichtsverhandlungen bis auf die genannten Ausnahmen stets voll besetzt. Die Funktionsteilung in Richter und Schöffen wurde personell aufrechterhalten. Nach einem Geschäftsverteilungsplan von 1830 hinsichtlich der „Nebenaemter“ der Ratsmitlglieder wurde das Stadt- beziehungsweise das Landdepartement des Stadtgerichts jeweils mit zwei Senatoren besetzt, wobei einer „das Directorium“, der andere die „Assessur haben solle“. Der Stadtrichter erscheint, obwohl dessen Amt weiterbestand nicht als Gerichtsperson, sondern als Assessor.208 Damit war der Stadtrichter, obwohl das Amt weiterbestand, nicht mehr notwendig der Richter im Stadtgericht. Jedoch wurde der Grundsatz der Funktionsteilung bei der Besetzung des Gerichts zumindest der Bezeichnung der Ämter nach aufrechterhalten. 1831 erlaubte der Landesherr, daß bei Zivilsachen in beiden Departements lediglich ein Assessor anwesend sein müsse. Die zwischenzeitlich zwei weiteren insoweit zugeordneten Assessoren wurden „dispensiert“ mit der Maßgabe, den einen Assessor bei dessen Verhinderung zu vertreten. Bei Untersuchungssachen, die unter der Leitung des Stadtrichters behandelt wurden, waren vom Rat 1831 205

RA Görlitz, Wahl zweyer Stadtrichter, unpaginiert. So etwa hinsichtlich der Gerichtsbarkeit über Doktoren der Jurisprudenz beziehungsweise Medizin RA Görlitz, Forum, Bl. 1 ff. sowie hinsichtlich der Ratsgerichtsbarkeit unterstehender Ratsdörfer RA Görlitz, Rathsgerichtsbarkeit, unpaginiert. 207 StadtA Bautzen, Organisation, Bl. 40 ff., 41 b, 44 f. 208 StadtA Bautzen, Organisation I, unpaginiert. 206

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anstelle der überlasteten Ratsmitglieder-Assessoren zwei Gerichtskopisten als ständige „interimistische Schöppen“ bestellt worden.209 Dies wurde nun vom Landesherrn bestätigt. „Gerichtliche Aufhebungen, Sectionen und andere Handlungen außerhalb der Gerichtsstelle“ hatten bei „besetzter Gerichtsbank“ innerhalb des „Stadtweichbildes“ wie zuvor zusammen mit den Ratsmitglieder-Assessoren zu erfolgen. „Auf dem Lande“ durften die „Dorfgerichte“ als Assessoren hinzugezogen werden.210 cc) Sonstige Gerichtspersonen Als Gerichtspersonen im engeren Sinn erscheinen auch in den Stadtschöffengerichten der landesherrlichen Städte auch Fronboten. Gemäß § 6 der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304 durfte des „Shultheizen Ding“ „deme Manne nieman kundegen wanne der Shultheize selber oder der Vronebote, niechein sin Knecht.“ 211 Die Blume des Sachsenspiegels (Rechter Weg Buch S Kapitel 73) gibt folgende Beschreibung des Amtes des Fronboten: „Von fronebote, fronegewalt [. . .]. Item und ein fronebothe ist ein gemeyner dyner des gerichtis gebot ut dynet der gemeyne.“ Dem Fronboten lag auch etwa nach den Budißiner Statuten aus dem 16. Jahrhundert vor allem die Ausrufung des Gerichts ob.212 Über Stellung, Rechte und Pflichten des Fronbotens einer landesherrlichen Stadt geben die Budißiner Statute Auskunft, und zwar der Teil „Der Gerichts-Frohnen und Stock-Meister Bestallung und Instruction“: Danach soll der Fronbote „gottesfürchtig, treu und verschwiegen seyn, Fluchen und Gotteslästern vermeiden und sich gegen männiglich und der Bürgerschaft, so wohl frembden Leuten, demüthig erzeigen [. . .]. Soll er einen Erbaren Rath und den Gerichten, allen schuldigen Gehorsam leisten, Tag und Nacht nüchtern seyn, täglich fleißig aufwarten und was ihme auferlegt wird, bey Tag und Nacht schleinig und treulich verrichten, auch was in den Gerichten gehandelt und sonst jederzeit vorläuft, daß soll er in verschwiegenen Herzen behalten und niemands offenbahren.“ 213 „Dorch den frohnebotten“ wurde der Beklagte nach dem Löbauer Rügenbuch „geruffen zwr anthwort“, mithin vor Gericht.214 Der Fronbote erschien aber auch manchmal als Vertreter der Partei, so nach dem Löbauer Rügengerichtsbuch: „Melchar Forst (ein Kläger) hot Steffen, dem fronebotten vnwyderrufliche macht mit handt vnd munde gegeben.“ 215 Auch nach 1547 bestand das Amt des „Fronbothen“, wie sich aus einem Protokoll, aus dem die Art der Hegung des Löbauer Stadtgerichts 209 210 211 212 213 214 215

StadtA Bautzen, Organisation II, Bl. 100 f. StadtA Bautzen, Organisation II, Bl. 117 ff., 117 b f. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 450. Schott, Sammlungen II, S. 53. Schott, Sammlungen II, S. 66 ff. HStA Dresden, Rügengerichtsbuch Löbau, Bl. 76 b. HStA Dresden, Rügengerichtsbuch Löbau, Bl. 81.

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hervorgeht, ergibt.216 Akten enthaltend Unterlagen über die Weise der Bestallung und „Instruction“, mithin Eide der Budißiner „Gerichtsfrohnen“ ab 1606 bis zum Ende des Untersuchungszeitraums haben sich im Stadtarchiv Bautzen erhalten.217 Von 1732 haben sich Eide Görlitzer Fronboten und Gerichtsdiener erhalten.218 Schließlich ist auf die übrigen Gerichtspersonen im engeren und weiteren Sinn einzugehen. Bereits im Mittelalter ist das Amt des Stadtschreibers bekannt. Dieser hatte jedoch nur bedingt gerichtsverfassungsrechtliche Funktionen. Aus der „Instruction vor Den Ober Stadtschreiber in Görlitz“ von 1737 geht hervor, daß dieser nur im Rahmen der Ratsgerichtsbarkeit, nicht beim Stadtgericht, Protokollanten- und Kanzlistenfunktion hatte.219 Ab der Neuzeit erscheinen daneben bei den Stadtgerichten regelmäßig „Syndici“, gelehrte Juristen. Sie mußten etwa in Görlitz neben nichtgerichtsverfassungsrechtlichen Aufgaben die Klage oder das Urteil zu verlesen und hatten die „Canzley“, mithin „das Directorium derer Acten“.220 Erhalten hat sich etwa im Stadtarchiv Bautzen eine „Instruction des Stadtgerichts Cantzellisten“ von 1734, der die Gerichtskanzlei zu führen hatte, in diesem Fall ein besonders hierzu bestellter „Advocatus ordinarius“, also ein gelehrter Jurist.221 Ab der Neuzeit erscheinen hinsichtlich der Registrierung der Gerichtssachen „Actuarii“, so etwa in Görlitz.222 Das Stadtarchiv Bautzen verfügt auch über eine 1749 beginnende Akte, die „Instructiones und Bestallungen“ „derer Herren Gerichts-Actuarien“ betreffend.223 1824 waren im Budißiner Stadtgericht hinsichtlich der Kanzlei des ersten Departements zwei Aktuare, einer in „Civilibus“, der andere in „Criminalibus“, hinsichtlich der Kanzlei des zweiten Departements ein Aktuar bestellt. Auch bestand das Amt des Hilfaktuars. Daneben waren Kopisten und ein „Sportuleinnehmer“ angestellt.224 Gerichtspersonen im weiteren Sinn waren die Vorsprecher. Bereits § 56 der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304 kennt sie: „Von Vorsprechen. Swen ein Man zu Vorsprechen bietet, der muz sin Wort sprechen zu Rechte, her entredes sich mit Gewedde.“ 225 Auch § 105 regelt das Verfahren bei Beteiligung von Vorsprechern.226 216

Abgedruckt Staudinger, Verfassung, S. 34. z. B. StadtA Bautzen, Bestallung, unpaginiert. 218 RA Görlitz, Pflichtbuch, Bl. 19 ff. 219 RA Görlitz, Instruction Ober Stadtschreiber, unpaginiert. 220 RA Görlitz, Ratsordnung 1737: Cap. V § 1, insb. § 8; RA Görlitz, Hegung HochnothPeinliches HalßGericht, unpaginiert. Vgl. etwa die Zeichnungen der Sitzordnungen bei den Gerichtsverhandlungen in Meißner, Materialien, S. 60 ff., sowie RA Görlitz, Instruction Stadtsyndicus in Budißin, unpaginiert. Vgl. hinsichtlich deren Eid RA Görlitz, Pflichtbuch, Bl. 4. 221 StadtA Bautzen, Instruction, unpaginiert. 222 Vgl. hinsichtlich deren Eid RA Görlitz, Pflichtbuch, Bl. 7 f. 223 StadtA Bautzen, Instructiones. 224 StadtA Bautzen, Organisation I, Bl. 40 ff., 41 b. 225 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 461. 226 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 470. 217

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Auch Part. II 2 c. 53, 187 ff. der Blume von Magdeburg regeln Fragen im Zusammenhang mit dem „uorsprechin“. Auch die Blume des Sachsenspiegels kennt folglich dieses Amt (vgl. etwa Rechter Weg Buch T Kapitel 34). Vorprecher sind etwa im Erbgericht Löbau nachgewiesen, so etwa 1498: „Anders Libischer ist rechtlich komen vor gerichte mit eym redener vnd geclagt.“ 227 Die Vorsprecher standen im Erbgericht zu Görlitz etwa nach einer Görlitzer Ratsrechnung von 1392 „uzwennnig“ der „fyr benke“.228 Später nannten sich diese wie einem Gerichtshegungsformular aus Löbau zufolge „Procuratoren“.229 Hinsichtlich Görlitz haben sich „Instruction(es)“ für „Gerichtsprocurator(es)“ und „Advocaten“ von 1723, 1731 und 1802 beziehungsweise 1731 erhalten.230 b) Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen aa) Richter Was Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen betrifft, ist bezogen auf das Richteramt zunächst auf die Frage nach der Zuordnung der Gerichtsherrschaft, mithin dem Vorhandensein und der Ausgestaltung einer Rechtsbeziehung zwischen Gerichtsherrn und Richter vor 1547 einzugehen. Auch hinsichtlich der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gerichtsverfassung konnte Scheyhing nachweisen, daß weiterhin durch den Gerichtsherrn Bannleihe als gesonderte Übertragung lediglich der Gerichtsgewalt getrennt von der Übertragung des Richteramtes oder zumindest inzident, stets gekennzeichnet durch die Eidesleistung, mir der dem Gerichtsherrn Treue geschworen wurde, erfolgte. Auch hinsichtlich genossenschaftlich-städtischer beziehungsweise von der Stadtrechtsgemeinschaft, mithin dem Rat genossenschaftlich beeinflußter herrschaftlicher Ämter erwies er das Bestehen der Bannleihe neben oder innerhalb der lehns- oder auf andere Weise erfolgten Übertragung des Amtes. Hierbei war wiederum der Richtereid wesentlicher Bestandteil, mithin als Rechtsförmlichkeit alleiniger Ausdruck der Bannleihe, der die gerechte Ausübung der verliehenen Amtsgewalt absichern helfen sollte.231 Das Magdeburger Schultheißengericht unterstand zunächst königlicher, später (auch) landesherrlicher Gerichtsherrschaft. Als 1294 die Stadt Magdeburg das Schultheißenamt erwarb, erfolgte nachweislich keine ausdrückliche Übertragung auch der Gerichtsherrschaft auf die Magdeburger. Hierdurch ging die Rechtsbeziehung zum Stadtherrn, die weiterhin durch Bannleihe gekennzeichnet war, zunächst nicht verloren. Es blieb vielmehr eine Rechts227

HStA Dresden, Rügegerichtsbuch Löbau, Bl. 37. CDLS III, S. 210, Z. 17. 229 Abgedruckt Staudinger, Verfassung, S. 34. 230 RA Görlitz, Instruction Gerichts-Procuratores; RA Görlitz, Pflichtbuch, Bl. 13 f.; RA Görlitz, Gerichtsprocurator Instruction, bzw. RA Görlitz, Pflichtbuch, Bl. 14 ff. 231 Scheyhing, Bannleihe, S. 291 ff., 294 ff. 228

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beziehung zum Landesherrn, mithin zeitweise auch zum deutschen König bestehen. Richter- und Schöffenamt wurde aber fortan mit Ratspersonen besetzt. Bereits bald nach Erzbischof Wichmanns Tod hatten jedoch die Schöffen – unter ihnen der Schultheiß – begonnen, ihren Eid nicht mehr nur gegenüber dem Stadtherrn, sondern auch gegenüber der Stadt zu schwören.232 Art. XLVI § 5 der Weichbildvulgata spricht vom „ban [. . .] des lantherrn“, den der ansonsten mit dem Amt belehnte „schultis“ hat. § 6 der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304 sagt ebenfalls: „Der Shultheize sol belehnt wesen unde diz sol sin rechte Len wesen; her sol ouch den Ban habben von deme Heren des Landes.“ 233 Somit liegt zunächst einmal den Rechtsbüchern mit Bezug zum Untersuchungsgebiet nach bereits für die Frühzeit des Bestehens von Stadtschöffengerichten im Untersuchungsgebiet ein ausdrücklicher Hinweis auf landesherrliche Bannleihe vor. Diese wurde noch mithin als getrennt von der Belehnung des Richteramtes aufgefaßt. Weitere Hinweise auf die Zuordnung der Gerichtsherrschaft, mithin das Bestehen und die Ausgestaltung einer Rechtsbeziehung zwischen Gerichtsherrn und Richter könnten sich aus etwa vorhandenen Eiden ergeben. Im Stadtarchiv Bautzen liegt ein Richtereid aus der Zeit vor 1547 nicht vor. Derjenige im ältesten Eidbuch stammt aus späterer Zeit, wie sich anhand des Hinweises auf „Rudolpho, Könige zu Böhmen“,234 ergibt, der erst nach 1547 regierte. Leider sind weiterführende Archivalien, etwa die Akten Varia 22 und 83 des Ratsarchivs Görlitz, die Görlitzer Richtereide aus der Zeit vor und kurz nach 1547 enthalten, heute nicht auffindbar. Die Quelle Varia 22 lag jedoch noch Pietsch vor, der auch die alten Eide darauf untersuchte, ob Anhaltspunkte für das Bestehen einer Rechtsbeziehung zwischen Landesherrn und Richter vorlägen. Er stellte mit Verweis auf Varia 22, Bl. 116a, fest, daß „bei der Eidesformel der Ältesten auf ein Privilegium König Sigmunds verwiesen wird, wonach sie [die Ältesten – HvS] zunächst dem Landesherrn schwören sollen. Die sonst in diesem Buch genannten Eidesformeln aus dem Jahre 1489, Bl. 109 b, aus dem Jahre 1536, Bl. 101 b und 103a, betreffen rein städtische Verpflichtungen und berühren mit keinem Wort Bindungen an den König.“ 235 Bei dem angezogenen Privileg Sigismunds handelt es sich um jenes bereits zitiertes von 1420. Hierin heißt es hinsichtlich sämtlicher Ratspersonen, also auch solcher, die im Rahmen der Ämtervergabe im Anschluß an die Wahl der Ratsmitglieder, auf die sogleich näher einzugehen ist, später zu Richter und Schöffen bestellt wurden: „Zuvorn [bevor sie „gesetzt“ werden – HvS] [sollen die neu „erkiesten“ Ratspersonen] schweren, vns getrewe vnd gewere, vnd dem Rathe vndirthenig, gehorsam, vnd beistendig 232 Über das Amt des Magdeburger Schultheißen Lück, Gerichtsverfassung in den Mutterstädten, S. 171 f.; Weitzel, Rechtsbegriff, S. 75 f., 77 f.; Schranil, Stadtverfassung, S. 72 ff. 233 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 450. 234 StadtA Bautzen, Eidbuch. 235 Pietsch, Pönfall, S. 121, insb. Anm. 382.

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zusein, als billich ist.“ 236 Es hat sich mit dem ältesten Budißiner Eidbuch wenn nicht das eines Richtereides so doch das des „Rattmann Eydts“ aus dem 15. Jahrhundert erhalten: „Ich swere gote eynen Eidt unserm allergnedigsten Herrn Herrn Khönige zu Behem vnd seiner Gnaden Cronen zu Behem alzeit getrew vnd gewehre zu sein Vnd Seinen gnaden zehelffen mit Leibe vnd gute wider allermeniglich vnd meynen burgermeister gehorsam ze sein In allen sachen nach meyne besten vermögen eyn recht zethun vnd eyn vnrecht zu krenkin, dem armen als dem reichn eyn recht orteil zefinden, Vnd den ratt nicht zemeiden, vnd vnstets allergsten. Herrn des Königes vnd der Cron zu Behem bestes Jn allen sachen ze suchen, Vnd das nicht lassen weder durch Lieb nach durch Leide, noch durch eynerlei handt gaben, das hulffe mir gote vnd seine gottliche genade, amen.“ 237 Auch in Budißin wurden, wie zu sehen sein wird, Richter und Schöffen dem Rat entnommen. Damit ist jeweils ein früher Nachweis der Beeidung der Treue- und Gehorsamspflicht (auch) gegenüber dem Landesherrn mithin als Gerichtsherrn gefunden. Auch dies spricht dafür, daß bereits vor 1547, mithin im Mittelalter eine Rechtsbeziehung zwischen Landesherrn als Gerichtsherrn und Richter in Form einer (inzidenten) Bannleihe bestand. Es könnten sich zudem Hinweise hinsichtlich der Zuordnung der Gerichtsherrschaft aufgrund der Bezeichnung eines Gerichtes, außerdem ganz wesentlich aufgrund der Zuordnung der zwei Herrschaftsdrittel aus den Gerichtsgefällen, später auch aufgrund der tatsächlichen Einflußmöglichkeit auf die jeweilige Gerichtsverfassung ergeben. Ursprünglich standen sämtliche Gerichtsgefälle aus den Dorfgerichten – nichts anderes waren die späteren Stadtschöffengerichte – dem Landes- oder Grundherrn als Dorfherrn, späteren Stadtherrn auch insoweit zu, wie sich aus den auch für das Untersuchungsgebiet erhaltenen bereits angeführten Lokationsurkunden ergibt. Im Jahr 1319 veräußerte der Landesherr als Gerichtsherr des Budißiner Erbgerichts „ciuibus nostris Budischinensibus, duos denarios, quos, in judicio ibidem in ciuitate Budischin obtinemus“,238 also die zwei Herrschaftsdrittel am Erbgericht zu Budißin an die Budißiner Stadtrechtsgemeinschaft. Damit wurde Budißin Gerichtsherrin des Erbgerichts. 1408 wird das Gericht vom Landesherrn denn als „ir [rath vnd gemeind zu Budissin] statgericht“ bezeichnet.239 Vor dem Verkauf des Erbgerichts Kamenz an den Rat der Stadt Kamenz kamen auch hier dem Erbrichter ein Drittel, dem Landesherrn beziehungsweise dem Landvogt zwei Drittel der Gerichtseinkünfte zu. Erst mit vom Landesherrn mit Urkunde von 1383240 erlaubtem Verkauf des Gerichts an „burger“ und „stadt“ zu Kamenz gelangte das Erbgericht unter städtische Gerichts236

RA Görlitz, Urkunde 1420. StadtA Bautzen, Eidbuch, Bl. 27. 238 CDLS I, S. 234, Z. 29, 235, Z. 1 ff.; VOU I, H. 1–4, S. 164; Sing. Lus. XXIV, S. 886. 239 VOU I, H. 1–4, S. 164. 240 CDS II, 7, S. 26 f., 27. 237

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herrschaft. Auch die Gefälle aus dem Zittauer Erbgericht standen wie überall zunächst zu zwei Dritteln dem Landesherrn zu.241 1366 überließ der Landesherr Richter, Rat und Bürgern der Stadt Zittau auf zwei Jahre das Gericht in der Stadt und auf dem Land Zittau gegen Geldzahlung.242 1377 erfolgte eine abschließende Zahlung von der Stadt Zittau an den Landesherrn von 310 Schock für das Zittauer Erbgericht,243 womit der Stadt die Gerichtsherrschaft zukam. In der Folgezeit hatten jedoch wiederum Thimo von Colditz, seine Erben und nach diesen die Brüder Anselm und Przydewar von Ronau die zwei landesherrlichen Drittel inne, wie sich aus einer Urkunde von 1396 ergibt. Aus dieser geht jedoch auch hervor, daß König Wenzel 1396 die zwei landesherrlichen Drittel wiederum dem Rat und den Bürgern der Stadt Zittau zuwandte.244 In der bereits vielfach erwähnten landesherrlichen Urkunde von 1303 wird hinsichtlich des Görlitzer Erbgerichts folgende Regelung getroffen: „Nostrum advocatum de fructibus judicii vel causarum judiciarium duas partes percipere et colligere, hereditarium judicem tertiam partem, exceptis duntaxat [die dem Vogtding vorbehaltenen Sachen – HvS] nostrum advocatum volumus judicare et hujusmodi causarum fructus nostre camere totaliter reservare.“ 245 Hier wird dem Erbrichter, soweit es das Erbgericht betrifft, das Richterdrittel übergeben, wärend in den ausgenommenen Obergerichtssachen dem Vogt als Richter im Vogtding, das insoweit weiterhin zuständig bleibt, das Richterdrittel (weiterhin) zukommen soll. Jedoch behält sich der Landesherr in beiden Fällen, also sowohl hinsichtlich des Vogtdings als auch hinsichtlich des Erbgerichts die zwei Herrschaftsdrittel vor. Dies sollte sich auch niemals ändern. In der landesherrlichen Urkunde von 1329, mit der die Zuständigkeitsverteilung zwischen Vogtding und Erbgericht Görlitz insbesondere hinsichtlich des Adels geregelt wurde, behält sich der Landesherr, soweit es beide Gerichte betrifft, „unser Recht unde Buez, die wir haben an unsern Gerichten, als ez von Alder an uns komen ist“, vor.246 In den Görlitzer Ratsannalen Melzers heißt es für das Jahr 1486 hinsichtlich der Gerichtsherrschaft im Görlitzer Erbgericht: „Wann vch vnd meniglich kvnnd offenbar vnnde landvnndig ist, dy gerichte by vns vnnsers allergnedigsten hern koniges vnnd nicht vnnser seyn, wir ouch domite nichts dann dy selbten koniglichen gerichte nach keisserlicher vnnde koniglicher schaffung gebotten vnnd be-

241 242

Carpzov, Ehrentempel, I, S. 292. VOU I, H. 1–4, S. 83 f.; Carpzov, Analecta, II, S. 251; Prochno, Urkundenbuch,

S. 93. 243

Prochno, Zittauer Urkundenbuch, S. 93. VOU I, H. 1–4, S. 142; Carpcov, Analecta, II, S. 289. 245 Tzschoppe, Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. 246 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 528 f. Vgl. auch die landesherrliche Bestätigungsurkunde von 1474 hinsichtlich der Urkunde von 1303 (VOU I, H. 5–8, S. 121). 244

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gnodung zcu handhaben vnnde zcu schutzen zcu thvn haben.“ 247 Die Görlitzer Ratsannalen Hasses aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts verlauten über die Gerichtsherrschaft im Görlitzer Erbgericht unter Verweis insbesondere auf die Zuordnung der Gerichtsgefälle und die Stellung des Erbrichters vor allem nach der landesherrlichen Urkunde von 1303: „Do mustu auch mercken, die gerichte, der richter vnd das einkommen von den peinlichen sachen [gemeint sind die Sachen, die nach der landesherrlichen Urkunde von 1303 vom Vogt gerichtet werden sollen248 – HvS] sein kor. mt. [Königlicher Majestät – HvS] vnd eines lantuoits an jrer mt. stadt, vnd habens die alden fur eine grosse herlikeit geacht, auch jn viel sachen zu einem schutze vnd gesaget, die gerichte sein nicht vnser, sein kor. mt., vns will nicht geburen, etwas doran zuenthengen, noch zu vbirgeben, auch mit nyemandis vmmb eynigen artickel, adir ordenung zu handeln, ane jrer mt. furwiessen, adir ratification, wie jsz den vnsere alden vehst gehalden haben [. . .]. Vnd so der rathe bisweilen der gerichthalb anefechtung gehabt, so hat er auch diesen brauch gehalten, vnd kor. mt., auch forderlich dem hern lantuoit angetzeiget, die gerichte weren kor. mt. vnd s. g. von wegen des einkomens.“ Das Erbgericht stand mithin „kor. mt. von wegen der obrikeit, des richters vnd des einkomens [zu] vnd [hatte] den namenn also.“ Jedoch „stehn sie doch dem rathe zu, von wegen des orbers, schoppen vnd schutz, also das der rathe dieselben gerichte, orbern handeln, mit des rats personen zu schoppen besetzen, vnd schutzen sal, alle gerichtshendel erkennen vnd richten.“ 249 Dabei „jst der lantuoit an stadt kon. mt. auff das orbir vnd einkomenn, wie vor alders superintendens, der doch alwege, so ferne jsz sich ymmer leiden will, zuuorhalden ist, damit er nicht vrsache habe, zugebietenn vnd zuuorbieten, den gerichten zuschaden vnd der stat zubeschuerung.“ 250 Hiernach standen also unabhängig von der Zuordnung der Gerichtsherrschaft über das Erbgericht, die mithin umfassend – ausgedrückt vor allem durch die Zuordnung der Gerichtgefälle251 – dem Landesherrn, vertreten durch den (Land-)Vogt, zukam, die Rechte hinsichtlich des „Urbars“, also des Gerichtsbetriebs, der „Schöffen“, also der Schöffenbesetzung, und „Schutz“ wohl vor Einschränkungen des Betriebs durch Dritte dem Rat zu, dies im Gegensatz etwa zum Recht am Erbrichteramt. Darauf wird noch einzugehen

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Melzer, Ratsannalen, S. 18. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. 249 Haß, Ratsannalen II, S. 126. 250 Haß, Ratsannalen II, S. 137. 251 Vgl. hierzu aber den weiteren Verlauf des Berichts Hasses, wonach weiterhin in der erste Hälfte des 16. Jahrhunderts die zwei Herrschaftsdrittel aus dem Gericht gemäß der landesherrlichen Urkunde von 1303 dem Landesherrn zukamen, „wiewol jsz heute also stracks nicht wirt gehalden“, als nämlich der Richter von den zwei Herrschaftsdritteln einen Teil erhielt, das „ochtschoc“. Dabei wurden nach dem Bericht Hasses „raub abir, mort, brandt, dewbe etc. [. . .] selden mit gelde abegeleget, den wie der Sachsse spricht: were deube bessert, der ist erlos etc.“ (Haß, Ratsannalen II, S. 139), das heißt insoweit erfolgte die Bestrafung stets an Leib und Leben. 248

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sein. Das gesamte Mittelalter hindurch wurde das Erbgericht Görlitz stets – auch von den Görlitzern selbst – als königlich böhmisches, also landesherrliches Gericht bezeichnet, wie wiederum etwa aus Hasses Ratsannalen, in denen ein „Vnderricht von den kon. gerichtten“ enthalten ist,252 hervorgeht. Die „decisio Ferdinandea“ von 1544, eine vorläufíge landesherrliche Entscheidung wegen des Streits zwischen landsässigem Adel und Städten hinsichtlich insbesondere der Weichbildzuständigkeiten der Stadtschöffengerichte, faßt zunächst die Vorträge der Parteien zusammen. Hiernach war die Zuordnung der Gerichtsherrschaft im Erbgericht Görlitz beim Landesherrn unstreitig. So äußert der Adel, er wolle „unsere [des Landesherrn – HvS] königlichen Gerichte [zu Görlitz – HvS], wie die an ihnen selbst geordnet, nicht fast anfechten, allein sich etzlicher Gebrechen und Mißbrauch [. . .] beklagen.“ 253 Die Stadt Görlitz meint, das Erbgericht sei zwar weiterhin landesherrlich, aber schon die Markgrafen von Brandenburg als Landesherren des Landes Görlitz hätten, nachdem sie die Gerichte selbst verwaltet hätten, diese dem Rat zu Görlitz „vertraut, zugestellt und an ihrer, der Markgrafen, statt jederzeit mit samt und neben dem Vogt und Erbrichter daselbst zu urbarn befohlen, auch daneben Maß und Regel gesetzt, wie die Gerichte von ihnen im Rat zu halten“.254 Insbesondere die Zuordnung der Herrschaftsdrittel aus den Gerichtsgefällen war nach der „decisio Ferdinandea“ unstreitig. Die Herrschaftsdrittel standen, wie aus dem unwidersprochenen Vortrag der Stadt Görlitz hervorgeht, allein dem Landesherrn zu: Die „Einkommen“ des Erbgerichts sollten stets bei „ihrer, der Marggrafen [König von Böhmen als Markgraf der Oberlausitz – HvS], Cammer“ verbleiben.255 Es sei „offenbahr, daß ein Rath zu Görlitz mit unsern [des Königs – HvS] Gerichts-Bussen und Straffen (dann so viel daß die Erb-Gerichte anlange) nichts zu schaffen habe, auch keinen Heller von denselbigen unsern Königlichen Gerichten einzukommen, sondern unser Land-Voigt.“ 256 Gemäß dem Privileg König Wenzels von 1409257 handelte es sich bei dem Erbgericht zu Görlitz auch nach dem Vortrag der Landschaft um ein königliches Gericht, das folglich der königlichen Hauptmannschaft zu Görlitz und nicht der Stadt unterstehe. Dennoch bestritt der Weichbildadel dabei nicht, indem er das Privileg von 1409 zitierte, daß der Rat der Stadt Görlitz das Erbgericht „genieße und gebrauche“.258 Was das Erbgericht Löbau betrifft, standen hier die zwei Herrschaftsdrittel bis Ende des 15. Jahrhunderts dem Landesherrn zu.259 Folglich wurde das Gericht in 252 253 254 255 256 257 258 259

Haß, Ratsannalen II, S. 126 ff. KW II, S. 1316. KW II, S. 1314. KW II, S. 1314. KW II, S. 1316 f. VOU I, H. 1–4, S. 172; LSDC, S. 26 f. KW II, S. 1310. CDS II, 7, S. XX.

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einer grundherrlichen Urkunde von 1483 und einer von 1503 als „die koniglichen gerichte“ bezeichnet.260 Wenig später wurde das Erbgericht jedoch auch „statgericht“ genannt.261 Bereits das Richterdrittel war an die Stadt gelangt.262 Dies läßt darauf schließen, daß sich die Bezeichung des Gerichts auch auf die Zuordnung des Richteramtes bezog. Die Gerichtsherrschaft gelangte bis 1491 wenigstens hinsichtlich eines Teils der sachlichen, personellen und räumlichen Gerichtszuständigkeiten an den Rat der Stadt Löbau. Im Löbauer Rügenbuch heißt es nämlich in diesem Jahr: „Item die stadt und rath hat die gerichte gentzlich mechtig allenthalben, mit den obirsten und erbgerichten zcu thun und zcu lassen habenn in der stadt und fur der stadt, als weyt der stadt fluerzcewne wenden und begreiffenn, denn alleyne ausgenohmen dreye aertickel, nemlich totschlege, dewberey und echtiger, wo sich in gnanten dreyen stucken ymant abkoufft und den gerichten thut abtrag, ßo geboren zweye teyl des abetrages dem hoferichter anstat koniglicher majestet und dem rathe eynn teyll. Desgleichen gebort sich auch zcu teylen und nehmen von gerichten, als weyt der stat weigbilde ruret; sunder suhst hat eyn rath zcu hengen, zcu blenden, blut zcu richten in der stat und weigbilde, als weyt es begreifft, gants vor sich selbist alleyne zcu thun mechtig; sunder was vom lande blutrunst ader ander gerichtfelle eynkomen, die geboren dem hoferichter zcweye teyl und dem rate eyn teyll; die abtrege sunder von der stat leuten hat der hoferichter keyn teyll zcu abtrage, denn alleyne in den dreyen obgezceygten stucken.“ 263 Wie erörtert ist hinsichtlich Löbaus bezogen auf den Zeitraum nach 1238/1239 das Bestehen eines besonderes Vogtdings nicht nachzuweisen. Das Löbauer Schulzen-/Erbgericht erwarb wie gezeigt auf anderem Wege Weichbildzuständigkeit hinzu. Zwei Drittel der Gerichtsgefälle wurden nach der genannten Quelle dem Hofrichter „anstatt“ des Landesherrn zuteil, wenn es um die drei genannten Obergerichte ging, und zwar soweit es sowohl den Zuständigkeitsbereich des Erbgerichts innerhalb der Stadtfluren als auch außerhalb davon, also im Weichbild betraf. Soweit es „das land“, also die Landrechtsgemeinschaft betraf, erhielt der Hofrichter auch hinsichtlich der übrigen Obergerichts- und auch der anderen Sachen zwei Drittel. Der Landesherr war Gerichtsherr, soweit ihm beziehungsweise dem Hofrichter die zwei Drittel zuflossen. Der Hofrichter wurde mithin der Sphäre des Landesherrn zugeordnet. Dieser handelte als Vertreter des Landesherrn als Gerichtsherrn des Stadtschöffengerichts jedoch – vergleichbar Görlitz – nur hinsichtlich der Zuständigkeiten dieses Gerichts hinsichtlich auch der Landrechtsgemeinschaft, insbesondere des Adels, mithin hinsichtlich der Weichbildzuständigkeit. Bezüglich der Zuständigkeit innerhalb der Stadtfluren, mithin hinsichtlich der Stadtrechtsgemeinschaft kam dem Rat der Stadt die Gerichtsherrschaft zu. Von seinen zwei Herrschaftsdritteln hatte der Landesherr 260 261 262 263

CDS II, 7, S. CDS II, 7, S. CDS II, 7, S. CDS II, 7, S.

273, Z. 24 f.; S. 291. 284, Z. 12. XXXI. 280, Z. 33 ff.; 34, Z. 1 ff.

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frühzeitig 12 Schock und weitere 20 Schock verpfändet beziehungsweise veräußert.264 1497 legte mithin der Landesherr fest, daß Christoph v. Gersdorff auf Baruth weiterhin die „jerliche rente vf dem statgerichte vnd geschosse daselbst“ innehaben solle,265 ohne daß klar wird, ob damit Gerichtsherrschaftsrechte verbunden waren. Im Zuge des Pönfalls 1547 wurden die landesherrlichen Städte als landesherrliche „Cammer-Güther“, mithin die Stadtrechtsgerichte als landesherrlich angesehen, wie sich etwa aus einer landesherrlichen Instruktion an den Landeshauptmann Hans v. Schlieben von 1561 ergibt. Hiernach hatte der Landeshauptmann die Einkünfte der königlichen Kammer zu verwalten, insbesondere die Einkünfte aus den landesherrlichen Städten. Die Instruktion spricht insgesamt von „Fälligkeiten, Bußen, Wandeln und Straffen“ „bey den Ober- und Niedergerichten- auch Land- und Hofgerichten, so Uns, als regierendem König zu Boheim und Marggraffen in Ober-Lausnitz, von Rechtswegen in Unser Cammer zuständig“.266 Damit waren also auch die Einkünfte aus den Stadtschöffengerichten, die weiterhin in Niedergerichtssachen zuständig waren, angesprochen. Die Gerichtsherrschaft lag also (wieder) hinsichtlich sämtlicher landesherrlicher Städte beim Landesherrn. Der Landesherr legte im Rahmen des Befehls an die landesherrlichen Kommissarien 1548 wegen der durch sie zu erfolgenden „vernewerung vnd ersetzung der Rätte vnd Schepffen in den Steten“ Wert, daß diese „dj AydtßPflicht wie gebräuchig von den Ratts Personen [. . .] aufnem[en]“.267 Dies veränderte sich auch nicht bis zum Ende des Untersuchungszeitraums, auch wenn den landesherrlichen Städten 1559 die freie Ratswahl ebenfalls, wie zu sehen sein wird, bezogen auf das Erb-/Stadtrichteramt wieder beziehungsweise neu eingeräumt wurde. Auch und gerade jetzt noch enthielten die Rats-, mithin die Eide der Gerichtspersonen die Nennung des Landesherrn, dem gegenüber der Eid abgelegt wurde. Der Budißiner Richtereid nach 1547 lautet: „Ich Richter, schwöre Gott einen eydt, Allergnedigst Herrn, Herrn Rudolpho, Könige zu Böhmen, Und der Cron zu Böhmen allezeit getreu und gewehr zu sein, den armen alß den Reichen schleunig Recht und Gerechtigkeit, meinem besten Verstande nach, ohn Ansehung der Persohn mittzutheylen, der Kayserl. confirmienten gerichts Ordnung, auch gemeiner Stadt Willkühr und Statuten, sonderlich aber auch der auffgerichteten Gerichtstax nachgehen, Und darüber niemandts zu beschweren [. . .]. So war mir Gott helfe.“ 268 Der Eid des Löbauer Stadtrichters, wie er etwa 1573 geleistet wurde, enthält einen vergleichbaren Inhalt: „Ich, Matz Schlockwerder, schwere

264

Näher CDS II, 7, S. XX, XXXI. VOU II, S. 50. 266 KW II, S. 1361 ff. Näher ausgeführt werden hierin insbesondere Einkünfte aus „Obergerichten“. 267 NA Prag, Kaiserliche Befehle 1548, Bl. 51 b f. 268 StadtA Bautzen, Eidbuch, Bl. 67. Auch abgedruckt Baumgärtel, Ratslinie, S. 17. 265

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zu Gott, das ich in diesem meynem mir befohlenen Richter Ambt der Ro. Kay. Mt., eynem Radt und gemeynder stadt getrew und gewertig sein will, Gericht und Recht dem armen als dem reichen und dem auslendischen als dem eynheimischen administriren und mitteilen will und hierinnen nicht ansehen feindtschafft noch freundtschafft, gifft, gunst noch gaben. Sonder eynem jeden die lautere und wahre gerechtigkeit nach meynem hochsten Vorstande und vormogen mir radt und hulff meyner beigeordneten Scheppen widerfahren und ergehen lassen. Das ich es erstlich kegen Gott, nachmals kegen hochstgedachte Ro. kay. Maj. und dan eynem Erbaren Radt und gemeyner stadt in meynem gewissen zu verantworten habe. Als mir got helffe und seyne götliche gnade. Amen.“ 269 Diese Eide beinhalten die Beeidung der Treuepflicht gegenüber dem Landesherrn wie dem Rat und der gesamten Stadt. Der zuerst zitierte Eid enthält sogar die Verpflichtung, „getreu und gewehr“ gegenüber dem Landesherrn zu sein. Er unterscheidet sich insoweit nicht von Eiden vor 1547. Die Rechtsbeziehung zum Landesherrn, mithin Gerichtsherr, wird also deutlich gemacht. Das Formular des Görlitzer Stadtrichtereides lautet nach einer „Eydes-Notul“ des 18. Jahrhunderts, soweit es die Rechtsbeziehung zur Gerichtsherrschaft betrifft, lautet: „Ich N.N. schwöre Gott dem Allmächtigen und dem [Kurfürsten von Sachsen sowie dessen Rechtsnachfolgern als Markgrafen der Oberlausitz], Daß Ihnen ich in diesem meinem und mir vertrauten Richter Amte, getreu und gewahrsam seyn will.“ 270. Anders als etwa beim Görlitzer Schöffeneid in derselben Akte findet sich daneben kein Hinweis auf eine zudem bestehende Rechtsbeziehung zum Rat beziehungsweise zur „ganzen Gemeinde“. Dies unterscheidet den Görlitzer Eid von seiner Budißiner Entsprechung. Deutlich wird also gerade insoweit, daß eine Rechtsbeziehung zum Landesherrn weiterhin bestand, dieser mithin als Gerichtsherr erscheint. Die Zuordnung der Gerichtsherrschaft in einer landesherrlichen Stadt im königlich sächsischen Markgraftum Oberlausitz im 19. Jahrhundert kann anhand der Budißiner Verhältnisse näher beleuchtet werden. Der Richtereid des Stadtrichters beinhaltete in dieser Zeit folgende Passagen: „Sie sollen geloben und schwören, daß nachdem E. Hochedler und Hochweiser Rath der Hauptstadt Budißin Ihnen als Mitglied des Rates des Collegii das Amt eines Stadtrichters und die Direction der Geschäfte anvertraut hat, dem Allerdurchlauchtigsten und Großmächtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Friedrich August, Könige von Sachsen [. . .], Marggrafen in Oberlausitz, unsern allerngnädigsten Erb- und Landesherrn, Sr. königl. Majestät Erben und Nachkommen in diesem Marggrafthum Oberlausitz, wie auch einem Hochedlen und Hochweisen Rathe [. . .] bei Verwaltung des [. . .] Richteramtes sich jederzeit treu, gewißenhaft, fleißig und unverdroßen zu bezeigen.“ Es folgt die Beeidung der bekannten Rich-

269

Abgedruckt Staudinger, Verfassung, S. 29. RA Görlitz, Eydes-Notuln, unpaginiert; vgl. Görlitzer Stadtrichtereid von 1731: RA Görlitz, Pflichtbuch, Bl. 2 f. 270

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terpflicht, „einem Jeden ohne Ansehn der Person gleichdurchgehends Recht und Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen.“ 271 Der Eid erfolgte also wie bei den älteren, teils zitierten Eiden nicht nur gegenüber der Stadt, sondern vor allem gegenüber dem Landesherrn. Beiden wurde auch jetzt Treue geschworen, und beiden gegenüber die Richterpflichten beeidet. Soweit es die Gerichtsherrschaft betrifft, spricht die landesherrliche Oberamtsregierung 1824, nachdem der Stadtrat um Genehmigung der Besetzung der Stadtrichterstelle mit einer bestimmten Person gebeten hatte, anläßlich der Anordnung einer Revision des Budißiner Stadtgerichts von diesem indes als einer landesherrlichen „delegierten Behörde“.272 Gerade im 19. Jahrhundert griff der Landesherr einseitig gestaltend in die Gerichtsverfassung Budißins ein. Der Landesherr erscheint damit auch und gerade Anfang des 19. Jahrhunderts noch als Gerichtsherr. Bis zum Ende des Untersuchungszeitraums trat insoweit keine Veränderung der Verhältnisse ein. Was das Recht auf Auswahl und Ernennung bezogen auf das Richteramt betrifft, ist zunächst zu prüfen, ob und wann das jeweilige Richteramt als ursprünglich herrschaftliches Amt etwa durch Veräußerung an den Rat Bestandteil der genossenschaftlichen Ordnung, mithin des Rats wurde. Dann ist nach den tatsächlichen Verhältnissen hinsichtlich Auswahl und Ernennung des Richteramtes zu fragen. In Magdeburg wurde das Schultheißenamt im 13. Jahrhundert zu einem landesherrlichen (erzbischöflichen) erblichen Lehn, das vom Landesherrn an Angehörige von Ministerialengeschlechtern vergeben wurde, wobei der Landesherr Gerichtsherr blieb. Der Schultheiß war landesherrlicher Amtsträger, mithin der erste des Stadtschöffenkollegiums und wie diese (zunächst) nicht Mitglied des Rates. 1294 erwarb der Rat das Schultheißenamt. Ab dann wählte der Rat auch die Person des Schultheißen unabhängig von der Zuordnung der Gerichtsherrschaft, die beim deutschen König beziehungsweise Landesherrn blieb, selbst aus und ernannte sie, die nun regelmäßig dem Rat entstammte. Dieses Amt war damit jedenfalls insoweit von der herrschaftlichen auf die genossenschaftliche Ordnung übergegangen.273 § 6 der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304 sagt wortgleich mit § XLVI § 5 der Weichbildvulgata: „Der Shultheize sol belehnt wesen unde diz sol sin rechte Len wesen.“ 274 Die Regelung bestimmt jedoch wiederum gleichlautend mit der Weichbildvulgata (Art. XLVI § 4): „En ist der Schultheize zu Huse nicht, geshiet ein Ungerichte, die Burgere setzen einen Richtere an den Shultheizen Stat umme eine handhafte Tat.“ 275 Hiernach hatten die Stadtrechtsgemeinschaften im gesamten Geltungsbereich dieses Rechtsbuchs in diesem Ausnahmefall das Recht, den Richter des Erbge271 272 273 274 275

StadtA Bautzen, Organisation, Bl. 179 ff. StadtA Bautzen, Organisation I, Bl. 34. Schranil, Stadtverfassung, S. 72 ff., 79 f.; Weitzel, Rechtsbegriff, S. 75 f., 77 f. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 450. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 450.

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richts auszuwählen, hatte mithin die genossenschaftliche Ordnung auf dieses an sich herrschaftlich geprägte Amt insoweit frühzeitig Einfluß erlangt. Die Urkunden, Gerichtsbücher, Ordnungen und annalistischen Aufzeichnungen erhellen das Bild noch mehr. Soweit es Budißin betrifft, erscheint in einer landesherrlichen Urkunde von 1262/1282 unter den Zeugen „Henricus scultetus hereditarius Budessinensis“ hinter und unter landesherrlichen Ministerialen.276 Zunächst handelte es sich demnach auch hierbei um ein erblich verliehenes landesherrliches Lehn oder Eigen. 1296 erscheint in einer Urkunde des im folgenden Erstgenannten „R. scultetus, Al. magister ciuium et omnes jurati ciuitatis in Budesin“, mithin ersterer gleich zu Beginn der Urkunde vor Bürgermeister und den anderen Ratspersonen.277 Zu Beginn der Budißiner Ratslinie 1318 wird ein Schulze oder Richter (iudex) überhaupt nicht genannt.278 Der Budißiner Schulze/ Erbrichter war mithin noch Anfang des 14. Jahrhunderts nicht Ratsmitglied, sondern ging als landesherrlicher Amtsträger dem Rat vor.279 Der Übergang des Rechts am Budißiner Erbrichteramt läßt sich nicht anhand des Übergangs des Richterdrittels vom Landesherrn an den Richter oder die Stadt nachvollziehen. Zurecht meint Litter, daß aus der Tatsache, daß der Landesherr mit der landesherrlichen Urkunde von 1319280 die zwei Herrschaftsdrittel am Erbgericht an den Rat der Stadt veräußerte, nicht abgeleitet werden könne, die Stadt sei bereits Inhaberin des Richterdrittels gewesen, habe mithin das Richteramt erworben. Jedoch konnte er dennoch hinsichtlich des Budißiner Erbrichteramtes nachweisen, daß „aus einem landesherrlichen Beamten, der Richter und Vertreter der Stadt zugleich war, in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein städtisches Organ wurde.“ Darin sah er einen Ausdruck der auch hier stattfindenden „Überwindung der Vormachtstellung des Schultheißen, der seine Machtbefugnis vom Vogt auf der Burg ableitete“, durch das „freie Streben der Kaufmannsgeschlechter, die vollständige Unabhängigkeit und Selbständigkeit [. . .] zu erzielen“.281 Daß das ursprünglich stadtherrliche Erbrichteramt jedenfalls um die Mitte des 14. Jahrhunderts ein solches der genossenschaftlichen Ordnung geworden war, ergibt sich insbesondere anhand der Ratslinie, wonach der der „iudex“ ab 1359 unter den Ratsmitgliedern hinter Bürgermeister und weiteren Ratspersonen erscheint.282 Was die Frage nach der tatsächlichen Weise der Auswahl und Ernennung angeht, erfolgte in Budißin die Wahl des Stadtrichters nach dem Übergang des Amtes an den Rat insbesondere nach dem ältesten Dingbuch283 und der Rats276 277 278 279 280 281 282 283

CDLS I, S. 86 f., 87, Z. 7 ff., 15 ff. CDLS I, S. 152, Z. 1 f. Baumgärtel, Ratslinie, S. 19 ff. So auch Litter, Verfassungsrecht, S. 18 ff. CDLS I, S. 234 f. Litter, Verfassungsrecht, S. 21 f. Baumgärtel, Ratslinie, S. 19 ff. Neumann, Dingbuch.

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linie284 jährlich im Rahmen der Ratskür. Ab 1365 ist hinsichtlich des Dingbuches eine namentliche Zuordnung der Richter möglich. 1365 ist es ein „Lobedow“, 1366 ein „Glattwitz“, 1367 wiederum ein „Glattwitz“ und 1368 ein „Gadow“.285 Freilich wurde trotz jährlicher Ratswahl das Richteramt manchmal mehrere Jahre hintereinander von ein und derselben, insoweit wiedergewählten Person bekleidet, wie von 1522 bis jedenfalls 1525 von „Augst[en]“.286 Das Erbgericht zu Lauban wurde vom Landesherrn 1427, nachdem, „Peter Goldner“, „etwa Richters doselbst“, ohne Erben gestorben und folglich das Lehn heimgefallen war, an „Burgermeister, Rat und Burger und der gantzen Gemeinde der Stadt zum Luban“ „vorliehen“.287 Soweit es Löbau betrifft, erwarb der Rat der Stadt 1478 „den drittin Teil des erbgerichtis in der stadt Lobaw“.288 Knothe meinte, es habe sich lediglich um einen Teil des ursprünglichen Richterdrittels gehandelt.289 Jedoch könnten auch die gesamten Gerichtsgefälle gemeint sein. Die Rechtsame Gericht wurde oft sprachlich gleichgesetzt mit den Einkünften daraus. Jedenfalls wird das Gericht in der Folge als „statgericht“ bezeichnet,290 ist mithin davon auszugehen, daß ab diesem Zeitpunkt der Rat das Erbrichteramt innehatte. Die zwei Herrschaftsdrittel standen der Stadt freilich noch nicht zu, was zeigt, daß sich die Benennung des Gerichts auch auf das Erbrichteramt beziehen konnte. In den Kamenzer Urkunden von 1356 und 1362 rangiert der Kamenzer Erbrichter vor Bürgermeister und Bürgerschaft („judex [. . .], magister civium et universiats civitatis Camencz“ 291) beziehungsweise vor dem Rat und den Bürgern („der richter, der rath und die bürger“ 292). Er ging diesen im Rang daher vor, war mithin kein Mitglied des Rates, sondern allein landesherrlicher Amtsträger. Er hatte das Amt als landesherrliches, früher wohl grundherrliches Lehen inne, wie sich aus einer landesherrlichen Urkunde von 1383 ergibt: Haben „wir vormals durch steter unnd getrawer dinste willenn, die uns unßer lieber getrawer, Hans von Mulheym, offt nutzlichenn unnd willigklichen gethan hatt unnd furbaß thun sal und mag in kunfftigen zceitten, ime, seinen erben und nachkomen das gerichte zcw Camentzs mit allen seynen rechten, nutzen unnd zcugehorungen gegebn [. . .], zcw habenn, zcw halden, und als eß von alder byß her komen ist, ewiglichen zcw besitzenn.“ Mit dieser Urkunde erlaubt jedoch der Landesherr dem „Mulheym“, das Gericht den „burgern unnd der stadt“ Kamenz zu ver-

284 285 286 287 288 289 290 291 292

Baumgärtel, Ratslinie. Neumann, Dingbuch, S. 37, 42, 41, 48. Baumgärtel, Ratslinie, S. 32. LSDC, S. 6 ff. CDS II, 7, S. 271 f. CDS II, 7, S. XXXI. CDS II, 7, S. 284, Z. 12. CDS II, 7, S. 16, Z. 11. CDS II, 7, S. 20, Z. 31.

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äußern.293 Nach Übergang des Richteramtes an den Kamenzer Rat erfolgte die Auswahl und Ernennung des Richters denn im Rahmen der jährlichen Ratswahl nach den insoweit geltenden Regeln.294 Bezüglich Löbaus erscheint in einer Urkunde des Löbauer Rates von 1336 „Petrus de Kemenicz“, „noster judex“, hinter dem Bürgermeister und vor den übrigen Ratspersonen.295 Dies könnte daraufhin deuten, daß das Erbrichteramt bereits zu dieser Zeit an die Stadt übergegangen war. Der Landesherr sah dies jedoch (zunächst) anders. Denn der Löbauer Erbrichter wird in einer landesherrlichen Urkunde von 1350, mit der ihm, „iudex“, „jurati et communitas“ das Recht gewährt wird, alle Lehngüter mit gleichem Recht wie die von Budißin zu besitzen, mithin vor den Ratspersonen genannt.296 Das Erbrichterlehn wurde vom jeweiligen Inhaber oftmals veräußert, gekennzeichnet durch den Übergang des Richterdrittels aus den Gerichtsgefällen, vom Erbrichter Predel an den Bürgermeister Porsche.297 Hinsichtlich Löbaus wurde ab dem 15. Jahrhundert der Erbrichter „statrichter“ genannt.298 Dieser wurde der Ratslinie und des ältesten Löbauer Rügenbuchs (Überlieferung eines besonderen Richteramtes ab 1491)299 zufolge und nach den Untersuchungen Seeligers300 sowie Knothes301 auch hier ab dieser Zeit jährlich im Rahmen der jährlichen Ratswahl aus den Reihen des Rates gewählt. Das Amt war auf den Rat übergegangen. Auch das Richterdrittel der Gerichtsgefälle aus dem Zittauer Erbgericht stand zunächst dem landesherrlichen Erbrichter zu.302 Das Zittauer Amt des „iudex hereditarius“, wie es bis 1423 außerhalb des Rates in der Ratslinie aufgelistet erscheint,303 war mithin landesherrliches erbliches Lehn, das regelmäßig an Bürger der Stadt verliehen wurde, so 1404 an Georg, Sohn des vormaligen Erbrichters, durch den landesherrlichenVogt.304 1399 verpachtete der landesherrliche Erbrichter Nicol Alters und Unvermögens halber seinen Anteil an den königlichen Erbgerichten zu Zittau an den Rat der Stadt Zittau,305 wodurch die Stadt Zittau neben den zwei Herrschaftsdritteln auch Inhaberin der Gefälle aus dem Richteramt wurde. 1400 begnadete der

293

VOU I, H. 1–4, S. 115, Nrn. 556, 557; CDS II, 7, S. 26 f., 27, Z. 3 ff. CDS II, 7, S. XIV f., XX f. 295 CDS II, 7, S. 227, Z. 35; 228, Z. 4 f. 296 CDS II, 7, S. 230, Z. 34; vgl. 231, Z. 21, 40. 297 CDS II, 7, S. XXXI. 298 CDS II, 7, S. 314, Z. 15. 299 Seeliger, Verwaltungsgeschichte, S. 98 ff.; HStA Dresden, Löbauer Rügenbuch. 300 Seeliger, Verwaltungsgeschichte, S. 86 ff. 301 CDS II, 7, S. XXXI. 302 Carpzov, Ehrentempel, I, S. 292. 303 Prochno, Ratslinie, S. 28 ff. 304 Prochno, Urkundenbuch, S. 198. 305 VOU I, H. 1–4, S. 151; Carpzov, Analecta, II, S. 290; Großer, Merckwürdigkeiten, I., S. 103. 294

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Landesherr den Erbrichter Nicol, daß dessen Sohn das Erbgericht nach ihm haben solle.306 1422 reichte der Landesherr dem Rat der Stadt Zittau erblich das Richterdrittel aus den Gerichtsgefällen des Erbgerichts, mithin das Erbrichteramt, das nach dem Tode des Erbrichters wieder an den Landesherrn heimgefallen war.307 Wie bereits Pescheck bezüglich Zittau nachwies, begannen auch insoweit „von jetzt an [nach Erwerb des Richteramtes durch den Rat – HvS] die [aus dem Rat – HvS] erwählten Richter, die sogenannten Stadtrichter; der erste war Nicol Nürnberger.“ 308 Nach der Ratslinie Prochnos erscheint denn ab 1423 nicht mehr ein außerhalb des Rates stehender „iudex hereditarius“, sondern unter den Ratspersonen ein „iudex“. Die Besetzung des Richteramtes erfolgte im Zuge der Ratswahl jährlich um den 17. bis 23. August, wobei auch hier oftmals dieselbe Person im nächsten oder übernächsten Jahr beziehungsweise nach einigen Jahren Unterbrechung wiedergewählt wurde.309 In Görlitz verlief die zunächst übereinstimmende Entwicklung später abweichend gegenüber allen übrigen landesherrlichen Städten im Untersuchungsgebiet. In einer landesherrlichen Urkunde von 1264 wird „Christianus scultetus in Gorlicz“ hinter dem landesherrlichen Vogt unter (ministerialen) landesherrlichen Zeugen genannt.310 „Nycolaus miles de Neueshoue“, Angehöriger des ministerialen Geschlechts von Neueshoven,311 erscheint in einer markgräflichen Urkunde von 1308 als „judex tunc hereditarius in Gorlicz“.312 Eine landesherrliche Urkunde von 1322 lautet: „Nos fideli nostro Rymondo de Neushove dicto omnibusque suis heredibus et successoribus judicium hereditarium in ciuitate nostra Gorlitz, cum omnibus utilitatibus usufructibus et pertinencijs ad ipsum judicium a retroactis temporibus spectantibus, veluti pater suus, dominus Nicolaus de Neushove idem judicium hucusque tenuit, concedimus conferimus et donamus jure hereditario, et absque omni seruitutis jugo in perpetuum possidendum.“ 313 Raimund von Neueshofen und seinen Nachfolgern verlieh also der Landesherr das Erbgericht, mithin das Erbrichteramt in der Stadt Görlitz erblich, nicht zu Lehn,314 mit allen Früchten und Nutzungen, wie es dessen Vater zu haben pflegte, und frei von Diensten. Dem Erbrichter stand bereits nach der landesherrlichen Urkunde von 1303 das Richterdrittel aus den Gerichtsgefällen des Erbge306

VOU I, H. 1–4, S. 152. VOU I, H. 5–8, S. 9; Prochno, Zittauer Urkundenbuch, S. 299; Carpzov, analecta, II, S. 291. 308 Pescheck, Handbuch I, S. 445. 309 Prochno, Ratslinie, S. 42 ff. 310 Urkunde 1264. 311 Näher Knothe, Adel I, S. 379 f. 312 CDLS I, S. 187 f., 188. 313 CDLS I, S. 249 ff., 250, Z. 3 ff. 314 Dieses wird im Gegensatz zu „ius hereditarius“ in derselben Urkunde „ius feudale“, nach welchem Raimund v. Neueshoven weitere Güter verliehen werden (CDLS I, S. 249 ff., 250, Z. 30), genannt. 307

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richts unter Vorsitz des Erbrichters zu.315 Ob folgende Regelung im Landrecht des Görlitzer Rechtsbuchs XLI § 10, das ja nach 1304 entstand, auf das Erbrichteramt zu beziehen ist, ist fraglich: „Of die lantliute den gravin von einer stat zo eime gravin kiesen, der ne mac an der graschaft nehein len behaldin.“ Diese Regelung ist Homeyers Anmerkung zu dieser Vorschrift zufolge Ssp.-Ldr. I 55 § 2; I 56, 57 entnommen und fällt dadurch auf, daß sie anders als der Sachsenspiegel die Formulierung: „den gravin von einer stat“ verwendet. War damit das Erbrichteramt gemeint, wäre dies ein früher Hinweis auf Auswahl des Erbrichters durch die Rechtsgemeinschaft, nicht den Herrschaftsträger. Jedoch den Haß’schen Annalen aus der ersten Hälte des 16. Jahrhunderts zufolge stand zwar das Erbgericht „kor. mt. von wegen der obrikeit, des richters vnd des einkomens [zu] vnd [hatte] den namenn also [wurde „königliche Gerichte“ genannt – HvS].“ Jedoch „stehn sie [die Gerichte, also das Erbgericht – HvS] doch dem rathe zu, von wegen des orbers, schoppen vnd schutz, also das der rathe dieselben gerichte, orbern handeln, mit des rats personen zu schoppen besetzen, vnd schutzen sal, alle gerichtshendel erkennen vnd richten.“ 316 Der Landesherr als Gerichtsherr hatte hiernach im Gegensatz zu den Verhältnissen hinsichtlich der Schöffen, worau noch einzugehen sein wird, also weiterhin, mithin noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts das Recht an Auswahl und Ernennung des Richters inne. Wesentliche Bestimmungen über Auswahl und Ernennung von Richter und Schöffen enthalten die normativen Rechtsquellen, und zwar soweit es die Zeit vor dem Pönfall betrifft, die Görlitzer Kürordnung von 1489,317 und, für die Zeit nach dem Pönfall, die Görlitzer Kürordnung von 1563.318 Behrisch stellt zurecht fest, daß nach der Zusammenschau beider Ordnungen „die Kontinuität der Ratsverfassung“ trotz des Pönfalls im wesentlichen erhalten blieb.319 Er ging auch zurecht davon aus, daß es sich bei beiden Quellen jeweils auch um einen deskriptiven Text handelte,320 dies zurecht vor allem deshalb, weil die Ratsordnung von 1489 auch als „löblich alt Herkommen“ bezeichnet wird.321 In der Ratsordnung von 1489 ist jedoch keine Regelung hinsichtlich der Wahl des Richters enthalten. In der Ratsordnung von 1563, also einer Quelle nach 1547 heißt es hinsichtlich Wahl und Ernennung des Görlitzer Erbrichters: „So fehet der new Bürgermeister an von der Chur des newen Richters meldung zuthun, Sagende: Nach dem nue des Raths Chur gehalden, So wolde auch von nöthen sein das Richterampt vnd wer auff diss Jar Richter sein solde zubestellen. – Folgende, so es den herren 315

Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. Haß, Ratsannalen II, S. 126. 317 Görlitzer Ratsordnung 1489. 318 Görlitzer Ratsordnung 1563. 319 Behrisch, Ratskür, S. 61. Freilich traten im einzelnen Veränderungen hinsichtlich der Art der Auswahl ein. 320 Behrisch, Ratskür, S. 54, 61. 321 Görlitzer Ratsordnung 1489, S. 305. 316

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mitte gefiele, so wolde man aus den Schöppen drey oder 4 sitzen lassen, vnd aus denselbigen einen Richter kiesen. – Vnd gehet mit den andern Schoppen in die Cammer, vnd Keust den Richter in allermosse, wie man den Bürgermeister gekoren hat, von den sitzenden personen, vnd einer jedern insonderheit, das sie alle tüglich darzu wehren, zureden: jedoch wolde er diesen N. aus sonderlichen bedencklichen vrsachen zu einem Richter vf diss jar gekoren haben. Vnd wann die andern herren auch dorein willigen, So gehen sie wider in die Rathsstuben, setzen sich alle zurathe.“ 322 Die Regelungen hinsichtlich der Bürgermeisterwahl, die nach der Ratsordnung von 1563 analog der Richterwahl erfolgte, gleichen sich, soweit es die Ratsordnungen von 1489 und 1563 betrifft. In beiden Ordnungen wird bei bemerkenswerter Übereinstimmung des Verfahrens davon ausgegangen, daß aus dem soeben gewählten Rat mit dessen Zustimmung drei bis vier Personen vom scheidenden Bürgermeister ausgewählt werden. Diese ziehen sich sodann mit ihm in einen anderen Raum zurück, um unter sich den neuen Bürgermeister zu bestimmen. Der Gewählte wird sodann dem Rat präsentiert, und wird der Rat um Zustimmung gebeten.323 Jedoch ist zu verneinen, daß sich dieses Verfahren auch vor 1547 auf den Richter bezog, mithin die Ratsordnung von 1563 insoweit alte Regelungen und Gewohnheiten enthält. Nach der Ratsordnung von 1563 wird der Richter „den schoppen“ entnommen, und zwar im Rahmen jährlicher Richterwahl.324 Dies widerspricht folgendem: Der Erbrichter war wie gezeigt zunächst adliger oder bürgerlicher Inhaber des landesherrliches Amtes (zu Eigen) durch landesherrliche Verleihung. Nach den Ratsannalen des Görlitzer Stadtschreibers Haß war der Erbrichter indes zwar „vor Zeiten [. . .] etwas namhafftig vnd geweldig [. . .], jst auch dem burgermeister furgangen, douon der brauch herkommet, das ein rathe, dem richter, so er eingeht jn rathe, kor. mt. vnd seinen gerichten zu ehren auffsteht.“ Jedoch erlangte der Rat hiernach bald Einfluß auf die Besetzung dieses Amtes, denn infolge der sogenannten Pulververschwörung von 1467 gegen den Rat, an der der damalige Erbrichter beteiligt war,325 wurde „keinem richter [mehr – HvS] so viel eingerewmet, auch zu solchem furtriet vnd hoffart nicht gelassen, sundern man hats yhe mit den lantuoiten also gehalden, wenne ein rathe einem lantuoite, einem richter angegeben, das es dobei gelassen, in dem bericht, das sich ein rate so viel dister bas mit dem richter vortragen, vnd die gerichte vorsorgen mochten, vnd das ein rathe dem richter so viel diester williger vndirweisung thete, so ein rathe den richter zu allen gerichtszgeschefften mit dienern und pferden vorsehn muste, das den viel gestunde, vnd allis ginge auf rats vnkosten.“ 326 Auch im richter322

Görlitzer Ratsordnung 1563, S. 246. Vgl. Görlitzer Ratsordnung 1489, S. 307; 1563, S. 245; vgl. Behrisch, Ratskür, S. 55 ff., 62. 324 Görlitzer Ratsordnung 1563, S. 246. 325 Hierzu Jecht, Geschichte I, S. 197 ff. 326 Haß, Ratsannalen II, S. 127. 323

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lichen Tagebuch des Görlitzer Erbrichters Schneider von 1517 bis 1520 heißt es eingangs: „Am sonnabende nach Pfingsten, das was am 6. tage des monats Juni, byn ich Paulus Schneyder, understatschreiber, eyn eingeborner, durch den edlen wolgeborenen hern hern Wilhelm hern von Eylenburg, landvoyten Oberlausitz, etc. zu eynem richter zu Gorlitz uffgenomen worden.“ 327 Diese Art der Auswahl bestätigen auch die Aufzeichnungen Scultetus’.328 Zwar erfolgte demnach keine (ausdrückliche) lehnrechtliche Vergabe des Amtes mehr, sondern der Rat schlug nunmehr jeweils einen Kandidaten vor. Jedoch kam dem Landvogt auch weiterhin das Recht zu, einen dem Landesherrn ungenehmen Kandidaten abzulehnen und, was vorkam, die Stelle mit einem eigenen Kandidaten zu besetzen.329 Der Landesherr (durch den Landvogt) behielt also das letztlich entscheidende Recht auf Auswahl und Ernennung. War ein Richter etwa durch Krankheit verhindert, wurde auch ein Stellvertreter zwar durch den Rat aus diesem ausgewählt, war jedoch auch insoweit die Annahme durch den Landesherrn, mithin den Landvogt erforderlich. So heißt es in einem Brief des Rats an den Landvogt von 1531: „Das richter ampt haben wir mit einer person des rats vorsorget, wywol wir horen, das es sich mit kon. und e. g. richter etwas bessert.“ 330 Der Görlitzer Erbrichter war – vergleichbar dem Schultheißen im Sächsisch-Magdeburgischen Recht, mithin als Inhaber des Richtergutes –331 lebenslänglich im Amt, auch nachdem eine ausdrückliche Belehnung nicht mehr erfolgte. Anderes ist bis 1547 nicht erkennbar. Er durfte und konnte jedoch auch nach mehrjähriger Amtszeit abgesetzt werden wie im Falle des Erbrichters Mehlfleisch, der an der sogenannten Pulververschwörung gegen den Rat 1467 beteiligt gewesen war.332 Anderes ergibt sich auch nicht etwa aus dem Kürbuch Scultets.333 Hiernach wurde etwa der Erbrichter Hirschmann nur deshalb nach mehrjähriger Amtszeit 1517 abgesetzt, weil er mit seiner Magd entlaufen war.334 Insgesamt läßt sich hinsichtlich der Görlitzer Verhältnisse vor 1547 feststellen, daß im Gegensatz zu den Gerichtsverfassungen der übrigen landesherrlichen Städte weiterhin der Landesherr beziehungsweise der Landvogt das entscheidende Recht an Auswahl und Ernennung behielt, auch wenn der Görlitzer Rat an Einfluß darauf gewonnen hatte, indem er im Rahmen eines faktischen Präsentationsrechts tatsächlich den Kandidaten bestimmte. Eine Veräußerung des Amtes an den Rat, mithin auch eine Annäherung der Verfassung hinsichtlich dieses Amtes an die der Ratsämter ist nicht zu beobachten. Vor allem Hinweise hinsichtlich einer der jährlichen Ratswahl 327 328 329 330 331 332 333 334

RA Görlitz, Schneider, Tagebuch, Bl. 87. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch, Jahre 1533 bis 1547. Vgl. Nachweise bei Schulze, Diarium, S. 3 f. Abgedruckt Schulze, Diarium, S. 4. Vgl. Schranil, Verfassung, S. 72 ff. Über diesen Vorfall Jecht, Geschichte I, S. 197 ff. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch, Jahre bis 1547. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch, Jahr 1517.

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vergleichbaren jährlichen Richterwahl mithin zwingend aus Mitgliedern des Schöffenkollegiums, wie es die Görlitzer Ratsordnung von 1563 be- und vorschreibt, liegen bezogen auf den Zeitraum vor 1547 nicht vor. Der Pönfall 1547 hatte vor allem Auswirkungen auf die Zuordnung des Rechts an Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen. Mit landesherrlicher Urkunde an die landesherrlichen Städte vom 7. September 1547, beinhaltend „Capitulation und strafartickel“, „verwirkten“ die landesherrlichen Städte gemäß der bereits genannten Vorschrift der damals geltenden böhmischen Landesordnung ihre sämtlichen Rechte,335 so auch im Hinblick auf die freie Ratskür, mithin insoweit die Gerichtsverfassung. Zwar wurde sämtlichen landesherrlichen Städten vom Landesherrn mit Urkunden 1. Oktober 1547 „verziehen und vergeben“,336 und es wurden ihnen bestimmte Rechte zurückübertragen.337 Jedoch heißt es in der entsprechenden Urkunde an Zittau, die jedoch mit den Urkunden an die anderen landesherrlichen Städte insoweit gleichlautet, hinsichtlich der Ratskür: „Nachdem die Stadt Zittau von unsern Vorfahren begnadet und befreyet gewesen, daß sie jährlichen unter ihnen selbst Bürgermeister und einen Rath erwehlet und gesetzet; so sollen sich hinführo, von dato an zu rechnen, solcher jährlichen Renovirung und Setzung des Bürgemeisters und Raths in Ewigkeit enthalten, und keine selbst eigene Raths-Chur nicht mehr haben, sondern soll uns [Landesherr – HvS] jederzeit bevorstehen: dergestalt, daß Verneuerung und Setzung eines Bürgermeisters und Raths jährlich durch unsern Rath oder Commissarien einen, der uns dazu gefällig, und wir ihme dasselbige zu verrichten auferlegen, und befehlen werden, und daß die Eydes-Pflicht uns, unsern Erben und Nachkommen, Königen zu Böheimb und Marggrafen in Ober-Lausitz von denselben erkießten Bürgermeister, Rathmannen und gantzer Gemeine unser Stadt Zittau gethan werden. Wir, unsre Erben und nachkommende Könige zu Böhaimb, auch Marggrafen in Ober-Lausitz, wollen uns auch hiermit der Gerichte, samt derselben Zugehörung in unserer Stadt Zittau vorbehalten haben. Welcher nun also aus unserm Befehl zu einem Richter vorgenommen und verordnet, derselbe soll bemeldtes Richtern Amt nach seinem Eyde, so wir ihm werden fürhalten lassen, und laut unserer Verordnung, so wir iederzeit hierinnen thun werden, ohne Verhinderung treulich und wohl verrichten.“ 338 Der Landesherr behielt sich, mithin seinen Vertretern jeweils also die Ratskür, mithin die Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen allein vor. Wie die Vorgehensweise der Auswahl und Ernennung tatsächlich jeweils erfolgte, ergibt sich hinsichtlich Budißins etwa aus einem Bericht des Budißiner Stadtschreibers Glowitz vom 9. Juni 1548 über die Maßnahmen der königlichen 335 336 337 338

VOU II, S. 168; Carpzov, analecta, II, S. 209. Vgl. VOU II, S. 168 f. Vgl. VOU II, S. 168 f.; siehe hinsichtlich Görlitz Weinart, Rechte IV, S. 167 ff. Großer, Merckwürdigkeiten, I, S. 82 ff., 186.

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Kommisarien in der Stadt Budißin am 6. Juni 1548339: „Und ist Hans meißner zum Bürgermeister ernanth und beruffen und Ihme einen sunderlichen harten Eydth vorgeleßenn, Dorauff ehr hott schworen schwerenn mussenn, Item Bastian Burscheidth [Röhrscheid340 – HvS] zum Erbrichter beruffenn der dann auch seinen sunderlichen Eydth hot thun mussen.“ 341 Vergleichbar erfolgte die Ernennung des Rates, mithin des Richters in den anderen Städten, wie Berichte aus Löbau und Kamenz zeigen.342 Das Budißiner Gerichtsbuch enthält für 1548 folgende Eintragung: „Am genannten Tage [der Ratskür – HvS] hat man Arm und Reich bei ernster Straf ufs Rathaus beschickt, und haben die drei Commissarien beneben dem Cantzler Jorge Fritzschen, eingeboren zu Budissin der Röm. kg. Maj. Instruction, Statuta und Concession vor der Gemein im Erker stehend, vorgelesen und endlich den alten Rat durchaus ersetzt, von ihnen Schlüssel, Sigill, Rechnung etc. abgefordert, Ein Neuen Rat berufen, vereydet und bestettigt, deren keine Entschuldigung und Ausreden hat gestattet oder helfen wollen, und nachdem der Eid erst vom Bürgermeister, nachmals von den Herrn des Raths, dornach vom Richter, letztlich von der Gemeine eingenommen, hat der alde rath abgedankt und begert, diese arme Commun von den Herrn Commissarien bei Röm. Maj. zu vorbitten, sie in Gnaden zu bedenken.“ 343 Aus Scultets Kürbuch ergibt sich für Görlitz dasselbe: Die königlichen Kommissarien hätten „Bürgermeister, Schoppen und Rathmannen verordnet und eingesatzt“. Die Ratskür, mithin die Richterbesetzung fand auch hier jedes Jahr aufs neue durch die landesherrlichen Kommissare statt.344 Der jeweilige Rat, mithin die jeweilige genossenschaftliche Ordnung verlor, insoweit bislang vorhanden, also mit der freien Ratskür jeweils völlig das Recht auf Auswahl und Ernennung beziehungsweise Absetzung ihrer Gerichtspersonen, so hinsichtlich des Richters zugunsten des Landesherrn als (neuen) Gerichtsherrn, also des herrschaftlichen Elements. Die „freie Ratskür und Wahl“ wurde indes den sechs landesherrlichen Städten mit landesherrlichen Urkunden jeweils vom 20. Juni 1559 neu verliehen, und zwar in dem Maß, „wie sie dieselbe vor der Veränderung des 47. Jahres gebraucht, gehalten und genossen“ hätten. Jedoch behielt sich der Landesherr bestimmte Rechte auf Einflußnahme vor, etwa das Genehmigungsrecht.345 Dies veränderte sich strukturell bis zum Ende des Untersuchungszeitraums, wie zu sehen sein wird, nicht. Nach Wiedererlangung der freien Ratskür wurde der Budißiner Richter wie folgt nach von Baumgärtel ausgewerteten Ratsprotokollen des 17. Jahrhunderts 339 340 341 342 343 344 345

Vgl. VOU II, S. 171. Vgl. Baumgärtel, Ratslinie, S. 34. Neumann, Regesten, S. 134 ff., 135. Vgl. Neumann, Regesten, S. 137 ff. Abgedruckt Baumgärtel, Ratslinie, S. 10. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch, Jahre 1547 bis 1559. Vgl. VOU II, S. 189 f.

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ausgewählt und ernannt: Zunächst erfolgte nach einem bestimmten, bei Baumgärtel näher beschriebenen Verfahren der Kooptation die Wahl und Ernennung des gesamten Rates durch den bisherigen Rat. Der neue Rat verteilte sodann bei der ersten Ratssitzung die Ämter unter sich, so auch das Amt des Stadtrichters. Dem Landesherrn wurde die Zusammensetzung des neuen Rates sowie die Besetzung der einzelnen Ämter angezeigt. Der Struktur nach war dies das bis 1832 gültige Verfahren.346 Starb ein Richter innerhalb eines Ratsjahrs, wählte der Rat aus seinen Reihen einen neuen, wie etwa 1823 geschehen. Jedoch war bei der Auswahl und Ernennung eines neuen Stadtrichters ab 1821 das königlich sächsische „Regulatif“ vom 4. Juli 1821 zu beobachten.347 Der Vorschlag des Budißiner Rates, das zweite Stadtrichteramt nach Vakanz wiederzubesetzen, wurde 1823 vom Landesherrn mit der Begründung, daß hinsichtlich eines Stadtgerichts unabhängig von der Einteilung in zwei „Departements“ (quasi unterschiedlich zuständige Kammern/Dezernate) nur ein Stadtrichteramt bestehen dürfe, verweigert und erfolgte tatsächlich dann auch nicht.348 Vielmehr ordnete der Landesherr 1823 an, daß nunmehr der zweite Bürgermeister das Amt des Richters im zweiten Departement des Budißiner Stadtgerichts wahrnehmen müsse.349 Damit mochte sich der Rat nicht abfinden. Auf seine Bitte, das Stadtgericht selbständig nach seinen Bedürfnissen organisieren zu dürfen, reskribierte der Landesherr 1824: Es handele sich bei dem Stadtgericht um eine landesherrliche „delegierte Behörde“. Es sei ausreichend, daß lediglich ein einziges Stadtrichteramt bestehe, wenn eingehalten werde, daß der Inhaber von Nebenämtern freigehalten werde und dieser auch nicht einer Nebentätigkeit als Advokat nachgehe. Das Stadtgericht sei durch „die Abtheilung in zwei Departments [. . .] im Wesentlichen nicht abgeändert worden.“ Es sei ausreichend, wenn der erste Schöffe, mit dem Richtereid belegt, ein Departement führe.350 Der Landesherr reskribierte 1829 an Budißin, daß der Stadtrat „in derselben Maasse, wie es auch bisher gegen die Revisions-Commission oblag, über alle wichtigen Vorgänge Anzeige an Unsere Oberamts-Regierung zu erstatten und insbesondere keine Wahlen, weder von Ratsmitgliedern, noch von Officianten, ohne deren [der Oberamtsregierung – HvS] vorzunehmen“ seien.351 Die Richter als Ratsmitglieder wurden also bis zum Ende des Untersuchungszeitraums vom Rat gewählt. Die Wahl bedurfte jedoch der Zustimmung des Landesherrn als Gerichtsherrn. Der Landesherr nahm Einfluß auf die Gestaltung der Verfassung des Gerichts.

346

Baumgärtel, Ratslinie, S. 12 ff. Vgl. z. B. StadtA Bautzen, Organisation, Bl. 1 ff. Vgl. StadtA Bautzen, Organisation, Bl. 175 ff.; StadtA Bautzen, Organisation I/II. 348 Vgl. StadtA Bautzen, Organisation, Bl. 124 ff.; StadtA Bautzen, Organisation I, II, jeweils Bl. 1 ff. 349 StadtA Bautzen, Organisation, Bl. 171 ff. 350 StadtA Bautzen, Organisation I, Bl. 34 ff. 351 StadtA Bautzen, Organisation I, Bl. 234. 347

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Der Görlitzer Richter wurde nach demselben Grundsatz nach der Görlitzer Ratsordnung von 1563, die wie gesagt auch als deskriptive Quelle dient, ausgewählt und ernannt: Nach der Ratskur „gehet man zu Kirchen. Des Richters Chur. Dornoch nach Essens balde, Lest der new Bürgermeister den Rath beschicken vnd werden als dann die Scheppen vnd Rathspersonen geordent, wie sie nacheinander gehen vnd sitzen sollen: Vnd sie sich dermossen, wie sie vom Stadschreiber gelesen seint, gesatzt haben: – So fehet der new Bürgermeister an von der Chur des newen Richters meldung zuthun, Sagende: Nach dem nue des Raths Chur gehalden, So wolde auch von nöthen sein das Richterampt vnd wer auff diss Jar Richter sein solde zubestellen. – Folgende, so es den herren mitte gefiele, so wolde man aus den Schöppen drey oder 4 sitzen lassen, vnd aus denselbigen einen Richter kiesen. – Vnd gehet mit den andern Schoppen in die Cammer, vnd Keust den Richter in allermosse, wie man den Bürgermeister gekoren hat, von den sitzenden personen, vnd einer jedern insonderheit, das sie alle tüglich darzu wehren, zureden: jedoch wolde er diesen N. aus sonderlichen bedencklichen vrsachen zu einem Richter vf diss jar gekoren haben. Vnd wann die andern herren auch dorein willigen, So gehen sie wider in die Rathsstuben, setzen sich alle zurathe. – Vnd zeiget als dann der Bürgerm. an, das der new Richter gekoren sey und zeiget solchs demselbigen an, mit bitte das Richter ampt vnbeschwert vf sich zunehmen. Vnd vormahnet den neuen Richter alsdann, das er bey den Gerichten wolde fleis haben, dem armen Recht mittheilen wolte als dem Reichen, sich vnparteysch vorhalten, die billigkeit in allen sachen ergehen lassen, Wie er [der neugewählte Richter – HvS] denn solches mit mehren worten zuthun weis.“ 352 Die Wahl des Richters erfolgte also nach der jährlichen Ratswahl nach demselben Verfahren wie die Bürgermeisterwahl aus den Reihen des zuvor neugewählten Rates, und zwar mithin vier Schöffen durch den neuen Rat nach dem Prinzip der Kooptation. Das Verfahren hatte sich mit Blick auf sämtliche landesherrlichen Städte also gegenüber dem vor den Veränderungen im Zuge des Pönfalls 1547 nicht, auch nicht hinsichtlich der Richterbesetzung geändert mit Ausnahme von Görlitz, wo indes nunmehr ebenfalls der Rat allein ohne Einfluß des Landesherrn (Landvogts) das alleinige Auswahl und Ernennungsrecht nach denselben Grundsätzen ausübte. Der Görlitzer Rat hatte also insoweit durch die (Spät-)Folgen des Pönfalls an Einfluß gewonnen, während die Räte der übrigen landesherrlichen Städte lediglich in den vorigen Stand zurückversetzt wurden. Diese Grundsätze bestätigt unter Nennung der bisherigen, auch vor dem Pönfall geltenden Rechtsgrundlagen die Görlitzer Ratsordnung von 1737, wonach (Cap. II §§ 1 ff., 11) der Rat, mithin der Stadtrichter allein durch den Rat ohne Einfluß des Landesherrn als Gerichtsherrn gewählt werden.353 Nach einem Beschluß des Rates von 1774 erfolgten in Ergänzung, nicht Ersetzung der Vorschriften der

352 353

Görlitzer Ratsordnung 1563, S. 246. RA Görlitz, Ratsordnung 1737, unpaginiert.

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Ratsordnung Regelungen hinsichtlich der „Wahlen bey Besetzung der Aemter“ der Ratsmitglieder bei Ausscheiden der bisherigen Inhaber. Im wesentlichen war Inhalt, daß nicht nur der Bürgermeister, sondern auch andere Ratsmitglieder Wahlvorschläge einreichen durften. Es fand geheime schriftliche Wahl statt, wobei jeder Ratsherr eine Stimme hatte. Mehrheit der abgegeben Stimmen entschied. Ergab sich keine eindeutige Mehrheit, erfolgte ein zweiter Wahlgang mit den drei Kandidaten, die im ersten die meisten Stimmen erhalten hatten. Diese Regelungen galten nicht, wenn kein endgültiges Ausscheiden vorlag, so ausdrücklich nicht im Fall der nach den Statuten weiterhin zwingenden jährlichen „Resignation“ des Stadtrichters, wenn dieser zur Wiederwahl anstand. Insoweit genügte ein Beschluß des Rates, womit dem bisherigen Richter das „resignirte Amt von neuem auf(ge)tragen“ wurde.354 bb) Schöffen Was die Schöffenauswahl und -ernennung im Zeitraum vor 1547 betrifft, wurden die Urteiler aus den Reihen der Stadtrechtsgemeinschaft im für sie zuständigen Gericht im deutschen Mittelalter allgemein regelmäßig aus dem Kreis besonders erfahrener und vertrauenswürdiger Mitglieder besetzt, etwa den Kaufleuten. Ursprünglich lag das Recht der Auswahl und Ernennung insoweit beim Stadtherrn. Hatte die Stadtrechtsgemeinschaft genossenschaftliche Mitwirkungsrechte erlangt, begann sich regelmäßig eine Stadtelite „der Besseren und Reicheren“ (Pitz) von den übrigen Bürgern (im Zuge der Entstehung der Ratsverfassung) abzusondern. Diese erlangte regelmäßig innerhalb der Stadtrechtsgemeinschaft maßgeblichen Einfluß auf Auswahl und Ernennung der Schöffen, mithin des Rates, dessen Bestandteil das Schöffenkollegium nach Einführung der Ratsverfassung in der Regel wurde. Bei der Wahl des Rates, mithin der Schöffen hatten sich frühzeitig die Grundsätze „Periodizität der Gemeindeversammlung“ 355 (Annuität) und Kollegialität herausgebildet. Diese Grundsätze erhielten sich auch trotz Herausbildung einer Stadtelite.356 Beim Magdeburger Schöffenkollegium handelte es sich zunächst ausschließlich um ein Organ der Stadt- als Gerichtsherrschaft. Auswahl und Ernennung erfolgte zunächst durch den Stadtherrn (König, später Landesherr), bestand mithin noch nach Entstehung der Landesherrschaft auch hier eine durch Eid bekräftigte Rechtsbeziehung neben dem Landesherrn zum König. Durch „die feste Organisation“ (Schranil) des Schöffenkollegiums verloren der Landesherr und schon früher der König jedoch sehr bald den Einfluß darauf. Das Schöffenkollegium ergänzte sich vielmehr bereits frühzeitig selbst durch Kooptation. Die Ergänzung des Kollegiums nach Ausscheiden 354

RA Görlitz, Wahlen, unpaginiert. Blickle, Kommunalismus II, S. 136. 356 Bader/Dilcher, Rechtsgeschichte, S. 329 ff., 362 ff.; Pitz, Verfassungslehre, S. 271 ff., 290 ff. 355

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eines Schöffen geschah also durch Wahl durch die übrigen Schöffen. Der Stadtherr genehmigte die Auswahl dann nur noch. Der Burggraf als (ehemals) königlicher Vertreter und später der Landesherr als Stadtherr blieben jedoch stets diejenigen, gegenüber denen der Amtseid im Rahmen der Ernennung abgelegt wurde. Die Wahl erfolgte nach Magdeburger Recht auf Lebenszeit. In den Tochterstädten wurde oftmals, was die Magdeburger Schöffen bald auch anerkannten, durch Rechtsgewohnheit jährliche Wahl eingeführt. Auch wurde, wenn insoweit eine Rechtsgewohnheit nachgewiesen wurde, den Tochterstädten zugestanden, daß der betreffende Rat, dessen Bestandteil wie gesehen das jeweilige Schöffenkollegium hier häufig wurde, die Schöffen wählte. Ein freies Absetzungsrecht des Stadtherrn, des Rats oder des Schöffenkollegiums bestand in Magdeburg nicht. Das Schöffenamt endete hier entweder durch Tod oder bei Absetzung aus einem rechtmäßigen Grund, im übrigen durch Wahl eines neuen Schöffenkollegiums.357 Bezüglich des Untersuchungsgebiets finden sich derzeit keine Quellen, nach denen Auswahl und Ernennung der Stadtschöffen der landesherrlichen Städte durch den Stadtherrn, hier den Landesherrn, erfolgten. Auch liegen keine Quellen mit Hinweis darauf vor, daß sich ein Schöffenkollegium, ohne Bestandteil eines Rates zu sein, jeweils selbst aus den eigenen Reihen ergänzte. Dies liegt wohl daran, daß die Quellenüberlieferung erst ab dem 14. Jahrhundert einsetzt, also in einem Zeitraum, in dem allgemein die genossenschaftliche Ordnung bereits an Einfluß gewonnen, mithin die Ratsverfassung mit der Folge der Verschmelzung jeweils des (dennoch weiterhin innerhalb dessen weiterbestehenden) Schöffenkollegiums auf den Rat auch im Untersuchungsgebiet Einzug gehalten hatte. Urkunden verraten mithin zwar, daß Stadtrechtsgemeinschaften, mithin Räte landesherrlicher Städte (durch landesherrliches Privileg) jeweils hinsichtlich der Besetzung des Rates, dessen Bestandteil das Schöffenkollegium jeweils nunmehr war, über die freie Ratskür verfügten, so etwa bezogen auf Budißin358 und Görlitz359, jedoch nichts über die nähere Ausgestaltung des jeweiligen Verfahrens der Auswahl und Ernennung der Ratspersonen, mithin Schöffen. Insoweit sind zunächst die Rechtsbücher heranzuziehen. § 1 der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304 sieht das Recht auf Auswahl und Ernennung der Schöffen ausschließlich beim Rat: „Do man die Stat zu Megedeburc erzt uz gab unde besazt wart zu Wigbildrechte, do gab man en Recht nach irre Willecure mit der Witzegesten Rate. Do wurde sie zu rate, daz sie curen Sheppen unde Ratman, die Sheppen zu langir Ciet, die Ratman zu eime Jare.“ 360 Dies entspricht der Rege357 Näher Lück, Gerichtsverfassung in den Mutterstädten, S. 167 ff.; ders., Schöffenstuhl, S. 141 ff.; Schranil, Stadtverfassung, S. 91 ff., 208 f.; Weitzel, Rechtsbegriff, S. 78; Planck, Gerichtsverfahren I, S. 108. 358 Nachweise bei Litter, Verfassungsrecht, S. 48 f. 359 Nachweise bei Behrisch, Ratskür, S. 51. 360 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 449.

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lung in Art. XLII § 1 der Weichbildvulgata. Nach dieser Regelung waren die Schöffen im Gegensatz zu den Ratspersonen auf Lebenszeit gewählt. In der Rechtsweisung heißt es weiter: „Die sworen do unde sweren noch alle Jar, swenne sie sie kyesen, der Stat Ere unde Vrumen zu bewarende, so sie beste cunnen unde mugen mit der Witzegesten Rate.“ 361 Die Eidesleistung in diesem Zusammenhang ist der Rechtsquelle bekannt, jedoch ausdrücklich nur hinsichtlich der Ratspersonen. Eine (durch Eid) bekräftigte Rechtsbeziehung besteht lediglich zwischen Schöffen und „der Stadt“. Von einer solchen zum König oder Landesherrn wird indes nichts gesagt. Hinsichtlich Schöffenauswahl und -ernennung in Kamenz lag wie allgemein die entsprechende Befugnus wohl anfänglich bei den Herren der Herrschaft Kamenz, den Herren von Kamenz. Erst nach 1318 wurde der Stadt nach Knothe die freie Ratskür eingeräumt.362 In der Folgezeit hatten zwar sämtliche Bürger der Stadt das Recht, Ratmannen und „scheppen“ zu „kören“, zu „setzen“ und zu „schicken“.363 Aus derselben Urkunde ergibt sich jedoch, daß zwischenzeitlich bis 1412 die Ratmannen und Schöffen vom Landesherrn ernannt wurden, was jedoch Episode blieb.364 In der Folge gelangte das Recht an Auswahl und Ernennung der Schöffen an die genossenschaftliche Ordnung, die Stadtrechtsgemeinschaft. Jedoch wurde auch hier die Ratswahl bald tatsächlich von den „Geschlechtern“, der Stadtelite, beeinflußt.365 Soweit es die Schöffenauswahl und -ernennung in Zittau betrifft, ist den Untersuchungen Prochnos zufolge frühzeitig jährliche Rats-, mithin Schöffenwahl durch die genossenschaftliche Ordnung zu beobachten, wobei nach der von Carpzov übernommenen Mitteilung ab 1389 Donnerstag nach Bartholomäi Wahltag war. Jedoch finden sich nach 1407 ganz unterschiedliche Daten: 27. Oktober, 13. September, 23. September, 21. November und so weiter. Ab 1419 sind regelmäßig Daten zwischen 17. und 30. August genannt.366 Es heißt in den Jahrbüchern Johanns von Guben für das Jahr 1367: „A. D. M CCC lx vij, alsich der ratht vornwht in deser stat, wurden die schepphen czu rathte, wy daz sy welden den rath sterken von der stat mit schepphen vnd wurden czu rathte, das dy sechsche, dy von den rate quamen in dem jare, solden das andir jar dor noch abir schepphen syn, vnd koren czu den sechschen andir sechsche in der stat ju von den hantwerker eynen, von tuchmacher eynen, von fleyscher eynen, und dy andern vs der gemeynde, vnd eyd dy als recht ist vnd varen schepphen mit desyn czwelfen.“ 367 Prochno untersuchte das Verfahren der Zittauer Rats-, mithin Schöffenkur näher. Zwar fand jährliche 361 362 363 364 365 366 367

Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 f., 449. CDS II, 7, S. XIV f. . CDS II, 7, S. 43, Z. 13. CDS II, 7, S. 43, Z. 17. CDS II, 7, S. XVI. Prochno, Ratslinie, S. 28 ff. Johann von Guben, Jahrbücher, S. 30 f.

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Rats-, mithin Schöffenwahl statt. Jedoch hieß dies nicht, daß auch tatsächlich jährlich sämtliche Schöffen ausgetauscht wurden. Vielmehr ergibt sich anhand der Ratslinie, daß ein Amt mehrmals hintereinander durch Wiederwahl von ein und derselben Person besetzt wurde.368 Die Regelung, daß zwei Gruppen im Rat bestanden, eine, die lebenslänglich oder für mehrere Jahre in den Rat gewählt war, die andere, die jährlich neu gewählt wurde, wobei es Übung war, daß insoweit die im vergangenen Jahr ausgeschiedenen Ratsmitglieder wiedergewählt wurden, die folglich das dazwischenliegende Jahr aussetzten, „feierten“, erscheint auch in späterer Zeit, so in dem von Prochno wiedergebenen Bericht Kapß’ vom Ende des 17. Jahrhunderts.369 Die drei Bürgermeister entschieden nach einer Beschreibung der Ratskür um 1600, ob acht oder neun neue Ratsmitglieder gewählt würden. Die Bürgermeister zusammen mit Stadtrichter, erstem und zweitem Assessor bildeten einen Ausschuß, der die Kandidaten vorschlug. Der bisherige Rat wählte diese. Der um diese Personen vermehrte Rat entschied, wer im Rahmen der Regelung, daß dieselbe Anzahl von Ratsmitgliedern auszuscheiden hatte, dafür ausschied. Im Anschluß vergab der Rat unter sich die Ämter, so etwa 1545 das Stadtrichteramt und die zwei Assessoren-, mithin Schöffenämter.370 Auch hier lag folglich die Wahl der Schöffen beim Rat, wurden die Schöffen aus den Reihen des Rates von diesem selbst mithin im Zusammenhang mit der jährlichen Ratskür kooptiert. Es galten also auch hier die Grundsätze Kooptation und Annuität. Diese Vorgehensweise war auch Kern der Budißiner Verfassung, wonach ebenfalls bei jährlicher Ratswahl durch den Rat selbst hier indes sechs Personen des alten Rates „gelassen“ wurden und dafür neue Mitglieder kooptiert wurden. Aus dem ältesten Budißiner Stadtbuch, beginnend ab 1359, geht hervor, daß die Schöffen jährlich gewählt wurden, und auch hier begann das Schöffenjahr am Michaelstag.371 Nach in sämtlichen landesherrlichen Städten wie erörtert erfolgter Verschmelzung des Schöffenkollegiums mit dem Rat lief die Schöffenwahl im Zusammenhang mit der (jährlichen) Ratswahl beziehungsweise im Anschluß an diese im Rahmen der Verteilung der Ratsämter ab. Dies ist hinsichtlich Budißins vor allem anhand der Gerichtsbücher mit Überlieferung ab 1359 erstellten Ratslinie Baumgärtels372 und hinsichtlich Löbaus anhand der von Seeliger anhand der Urkunden und auch hier vor allem der Löbauer Gerichtsbücher mit Überlieferung ab 1491 bearbeiteten Ratslinie vor 1547 ablesbar. In Löbau fand danach die Kür sämtlicher Ratspersonen, mithin die Schöffenbesetzung in den ersten Septembertagen jedes Jahres statt.373 Das strenge Kooptationsprinzip wurde in Budißin 368 369 370 371 372 373

Prochno, Ratslinie, S. 28 ff. Prochno, Ratslinie, S. 61 f. Prochno, Ratslinie, S. 62 ff. Vgl. Zusammenstellung bei Neumann, Budißiner Stadtbuch, S. 103 ff. Baumgärtel, Ratslinie, S. 19 ff. Seeliger, Verwaltungsgeschichte, S. 87 f., 92 ff.

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1391 für kurze Zeit gelockert, indem auch Vertreter der „Gemeine“ an der Ratswahl beteiligt wurden. Ab 1408 wurde wieder das strenge Kooptationsprinzip angewandt.374 Aus den Reihen des neuen Rates werden auch hier im Anschluß an die Besetzung des neuen Rates die Schöffen bestimmt worden sein, wie ein Vergleich mit den Verhältnissen nach 1559, die ja aufgrund der landesherrlichen Wiederverleihung der Ratskür, wie sie „vor dem 47. Jahre“ bestand, mit denen vor 1547 vergleichbar sind, zeigt. Exemplarisch ist näher auf die Görlitzer Verhältnisse einzugehen. Maßgebliche urkundliche Rechtsquelle ist das bereits zitierte landesherrliche Privileg zugunsten der Görlitzer wegen der freien Ratskür von 1420: Danach dürfen die Görlitzer „furbasmehr alle Jare, als offte das not sein würdet, Ire Rathmanne, selber kießen [. . .], In solche maße, und weise, als hirnach geschrieben stehet [;] Zum Ersten, das der Rathmanne vnd Scheppen sollen achtzehen sein, vnd der Burgirmeister der neuntzende, vnd die alle miteinander, wenn sie einen Rathe kyßen [,] sollen newn newe Rathmanne vnd Scheppen kysen, vnd wan die gekorn werden, so sollen die alten Rathmanne vnd Scheppen hinweg gehen, dornoch sal der Burgirmeister mit den newn gekornen Rathmannen vnd Scheppen zw in nehmen ire eltstenn, die dovor in den Rethen gesessen haben, vnd sollen zw den newen Rathmannen vnd Scheppen aus den alden Rathmannen vnd Scheppen, newe Rathmanne vnd Scheppen kysen in zuhulffe, Also das ir miteinander neuntzehn bleiben, Vnd also furbas alle Jare, Auch so sol kein Rathmanne ader Schoppe in dem Rathe nacheinander langer bleben sitzen, wenn drey Jare, Auch so sol man in dem Rathe, Vater vnd Sun, Zwene brüdere, vnd schweher, vnd eydem vnd Schwester vnnd Brudere Kinder, mit einander nicht kysen.“ Die Gekiesten werden vom Rat „gesetzt“, davor sie wie bereits erwähnt dem Landesherrn Treue und Gewehr sowie dem Rat Untertänigkeit, Gehorsam und Beständigkeit „schweren“ müssen.375 Hiernach erfolgte also auch die Rats-, somit auch Schöffenwahl und -„setzung“ (jetzt) durch den Rat selbst, mithin die genossenschaftliche Ordnung und nicht mehr durch den Landesherrn als Gerichtsherrn, und zwar abweichend vom Sächsisch-Magdeburgischen Recht, aber aufgrund dieses landesherrlichen Privilegs jährlich. Dabei durfte jedoch ein Ratmann, mithin Schöffe dreimal hintereinander für ein Jahr amtieren. Auch dem ältesten Görlitzer Stadtbuch, dem Roten Buch, beginnend 1305, zufolge erfolgte hier wie in vielen anderen Tochterstädten des Magdeburger Rechts jährliche Schöffenwahl. Es heißt an einer Stelle: „dy des jares zhepphin warin 1339“.376 Der Tag der Schöffenwahl war der St. Michaelstag (29. September). Das Schöffenjahr erstreckte sich also auf das letzte Viertel des alten und die drei ersten Viertel des nächsten Jahres.377 Jährliche Rats-, mithin 374 375 376 377

Im einzelnen Litter, Verfassungsrecht, S. 47 ff. RA Görlitz, Urkunde 1420. Zitiert nach Zander, Rotes Buch, S. 17. Zander, Rotes Buch, S. 13, 16, jeweils m.w. N.

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Schöffenwahl ergibt sich auch aus Scultets Kürbuch.378 Auch insoweit galten also die Grundsätze Annuität und Kooptation. Die genaue Vorgehensweise bei der Rats-, mithin Schöffenwahl zeigt sich genau an den Ratsordnungen, so etwa an der Görlitzer Kürordnung von 1489. Dieses Verfahren, das sich hinsichtlich des Zeitraums vor 1547 präzise bloß anhand der Ratsordnung von 1489 rekonstruieren läßt, untersuchte bereits Behrisch.379 Hier sollen lediglich die auf die Schöffenwahl und -ernennung bezogenen Passagen nochmals angeführt werden: „Am tage Egidij nach Essens so pfleget der Bürgermeister mit den Eldisten Herren zubegreiffen, vnd den Stadtschreiber vorzeichen zu lassen, Wie dy Rathmann diss jar an Rathstat sitzen sullen. Die dann der Stadschreyber, so sie alle in der Rathsstuben versamlet sind, also geordent, vnd einen itzlichen besundern Bith zusitzen an die stelle die er jm zeiget: also das die Seben Eldisten zum irsten vff die Bang vnder den Fenstern nach dem Bürgermeister gesatzt werden, die Newn darnach uff die Sydeln, vben gein dem Bürgermeister anzuheben, vnd dornoch die letzten zwene vff die bang vnter den fenstern. – Vnd so sie also geordent sitzen: spricht der Bürgermeister: js ist noth etzliche Amacht zubestellen, So is unser wille ist, Will ich etzliche herrn dorzu kysen. Vnd lest also die newn herren uff der Bang vnder den fenstern sitzen vnd geht mit den andern in die Cammer, dorinn sie aus den so hierawssen bleiben die Sieben nehst nach dem Bürgermeister sitzende zu Scheppen Vnd die Eldisten zwene Scheppen zu Cammerern kysen. – Vnd so sie wider hynaws kommen vorzelt jn das der Bürgermeister. Vnd bitt sie bey den königlichen Gerichten vnd solchen iren Amachten Fleyss zu haben.“ 380 Tatsächlich entscheidend für die Wahl zu einem der sieben vorgesehenen Schöffen war also die beschriebene Plazierung auf einem der sieben Plätze „unter den Fenstern“ „nach“ dem Bürgermeister, die zuvor durch diesen und bestimmte Ratsmitglieder festgelegt worden war, mithin die Bezeichnung „Älteste“. Die so Plazierten wurden vom Bürgermeister in einen besonderen Raum geführt, wo sie von ihm zu Schöffen „erkiest“ wurden. Blieb dies (wie stets) ohne Widerspruch des übrigen Rats, dem die Erkiesten sogleich nach Rückkehr in die Ratsstube präsentiert wurden, wurden die Gewählten vom Bürgermeister zu Schöffen ernannt und zu pflichtgemäßem Verhalten ermahnt, mithin wohl vereidigt. Bei den sieben Schöffenämtern handelte es sich der Sitzordnung nach um die höchstrangigen Ämter hinter dem Bürgermeister innerhalb des Rates. Wer in welchem Turnus und nach welchem verdeckten Verfahren unter die sieben so plazierten Personen gelangte, untersuchte auch anhand weiterer Quellen abschließend Behrisch. Zuerst muß jedoch ein Blick auf das von der Ratsordnung vorgeschriebene, unverdeckte Verfahren der Ratswahl im Vorfeld der Schöf378 379 380

UB Breslau, Scultetus, Kürbuch, Jahre 1264 bis 1547. Vgl. Behrisch, Ratskür, S. 54 ff. Görlitzer Ratsordnung 1489, S. 306 f.

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fenwahl geworfen werden: Zunächst fand Zuwahl neuer Ratsmitglieder aus den im vorherigen Rats-, mithin Schöffenjahr pausierenden Räten statt, und zwar durch die sieben Schöffen mit Bestätigung des gesamten alten Rates. Daraufhin wurde der gesamte alte Rat entlassen, damit die neun neuen Ratspersonen aus den Reihen des alten Rats neun weitere zu Ratspersonen erwählen dürften. Der neue Rat wählte sodann aus seinen Reihen einen neuen Bürgermeister nach einem bestimmten Verfahren. Daraufhin wurden aus den Reihen der übrigen Ratsmitglieder von diesen die übrigen Ratsämter, insbesondere die sieben Schöffenämter neu besetzt, und zwar wie erörtert anhand der von der Ratsordnung insoweit lediglich angeordneten Vorgehensweise bei der Plazierung. Behrisch rekonstruierte hinsichtlich der Schöffenbesetzung das dahinterliegende verdeckte Verfahren der Bestimmung der sieben „nach dem Bürgermeister“ Plazierten unter Zugrundelegung des Begriffs „Ältester“ als „Rangmerkmal“: „Die aus den im letzten Amtsjahr pausierenden Ratsmitgliedern neu ernannten neun Ratsleute bestanden neben den drei Handwerkern, die [, wie zu sehen sein wird, nach der Görlitzer Verfassung – HvS] nicht Schöppen werden konnten, zum Teil aus ,Ältesten‘ (im Wortsinne), zum Teil aus jüngeren Ratsmitgliedern; erstere wurden anschließend Schöppen, letztere Ratmannen. Dementsprechend blieben unter den im zweiten Wahlgang wiedergewählten Ratsleuten eine ausreichende Anzahl an Schöppen sitzen, um die Zahl von sieben zu gewährleisten.“ „Im Jahrestakt“ wurde folglich trotz formal jährlicher Schöffenwahl tatsächlich jährlich ohne Handlungsalternative lediglich „etwa die Hälfte der Schöppen [oder weniger – HvS] und der Ratmannen [. . .] ausgewechselt. Tatsächliche Wahloptionen dürften nur in Ausnahmefällen existiert haben: Der erste Wahlgang beinhaltete de facto lediglich die geschlossene Kooptierung der „Pausenbank“, der zweite Wahlgang das Ausscheiden einer entsprechenden Anzahl von Ratmannen und Schöppen. Lediglich ein längeres oder kürzeres Verweilen einzelner Ratsmitglieder konnte durch den zweiten Wahlgang beeinflußt werden,“ wobei tatsächlich unterschiedliche Verweildauern nachgewiesen sind.381 In der Regel waren also tatsächlich sämtliche – auch auf der „Pausenbank“ sitzenden – Ratsmitglieder lebenslang im Amt, wobei sie regelmäßig nacheinander unterschiedliche Ämter innerhalb des Rates, so auch hinsichtlich des Schöffenamtes nach einem kaum beeinflußbaren Verfahren innehatten. Die Schöffenbank wurde demgemäß nach einem bestimmten Verfahren im Rahmen der formal jährlich erfolgenden Ratswahl tatsächlich lediglich zum Teil neu besetzt, und zwar stets aus den Reihen des Rates, wobei hinsichtlich der Bestimmung der dafür geeigneten Person nach einem kaum veränderbaren Muster vorgegangen wurde. Nach den Anmerkungen Scultets allerdings aus späterer Zeit, nämlich um 1592, also weit nach dem Pönfall handelte es sich bei den sieben Ältesten um „2 Consulares vnd 5 Scabini“.382 Wohl han-

381 382

Behrisch, Ratskür, S. 56 f. Ratsordnung 1489, S. 307.

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delte es sich also bei den „Ältesten“, die jährlich die neuen Schöffen wurden, wie auch Behrisch wegen dieser Quelle annimmt, auch vor 1547 mit Ausnahmen regelmäßig neben fünf bisherigen Schöffen um den ausgeschiedenen und einen weiteren ehemaligen Bürgermeister.383 Auch nach den annalistischen Aufzeichnungen erscheinen im Untersuchungsgebiet die jeweiligen Stadtrechtsgemeinschaften jeweils selbst, mithin die jeweiligen Räte mit dem Recht an Auswahl und Ernennung der Schöffen ausgestattet. Der landesherrliche Richter hatte, soweit es Görlitz betrifft, lediglich das Recht, diese zu den Gerichtstagen zu erfordern. In den Görlitzer Ratsannalen Melzers vom Ende des 15. Jahrhunderts, die insoweit einen Brief der Görlitzer an die Budißiner wegen eines Streits der Görlitzer über die Zuständigkeit des Görlitzer Erbgerichts mit dem Kloster St. Marienthal aus dem Jahr 1486 wiedergeben, heißt es hinsichtlich der genossenschaftlichen Beteiligung an Auswahl und Ernennung der Schöffen: „Wann vch vnd meniglich kvnnd offenbar vnnde landvnndig ist, dy gerichte by vns vnnsers allergnedigsten hern koniges vnnd nicht vnnser seyn, wir ouch domite nichts dann dy selbten koniglichen gerichte nach keisserlicher vnnde koniglicher schaffung gebotten vnnd begnodung zcu handhaben vnnde zcu schutzen zcu thvn haben, vnnde wenn dy scheppen von dem koniglichen richter in gerichtesbangk zcu sitczenn gefordert werdenn, mussen sy, noch vssatczunge dieser stat vnnde ordnung von keissern vnnde konigen vssgesaczt vnnde bestettiget, den gerichten gehorsam leisten vnnde zcu gerichte neben dem koniglichen richter sitczen.“ 384 Nach den Görlitzer Annalen Hasses aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts stand das Erbgericht „von wegen der obrikeit, des richters vnd des einkomens“ dem Landesherrn zu. Jedoch „stehn sie [die Gerichte, also das Erbgericht – HvS] doch dem rathe zu, von wegen des orbers, schoppen vnd schutz, also das der rathe dieselben gerichte, orbern handeln, mit des rats personen zu schoppen besetzen, vnd schutzen sal, alle gerichtshendel erkennen vnd richten.“ 385 Er fährt fort: „Jsz aber jn viele langen jaren alhie gebraucht, das die schoppen, aus des rates mittel gewest sein, doraus erfolget, das dem rathe vnd nicht dem lantuoit adir kon. mt. das orber der koe. Gerichte, geburet zubestellen vnd zubesetzen, den jsz sollen burger sein.“ 386 Danach stand im Gegensatz zu den dargestellten Verhältnissen hinsichtlich des Görlitzer Erbrichteramtes, das ja bis 1547 ein herrschaftliches Amt darstellte, ausschließlich der Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft, also der genossenschaftlichen Ordnung das Recht auf Auswahl des Rates, mithin der Schöffen zu. Dies galt jedoch nach heutiger Überlieferung frühzeitig nicht (mehr) zugunsten der Gesamtheit der Stadtrechtsgemeinschaft, sondern das Recht lag wie etwa in Budißin und Zittau aus383 384 385 386

Behrisch, Ratskür, S. 57; ders., Obrigkeit, S. 69 f. Melzer, Ratsannalen, S. 18. Haß, Ratsannalen II, S. 126. Haß, Ratsannalen II, S. 141.

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schließlich beim Rat. Die Auswahl fand also auch insoweit nach dem strengen Kooptationsprinzip statt. Die Schöffen wurden vom neuen Rat nach der Ratswahl jährlich aus seiner Mitte bestimmt, bestand also auch hier der Grundsatz der Annuität. Die Auswahl- und Ernennungsverfahren hinsichtlich des Rates, mithin der Schöffen wichen also in den landesherrlichen Städten im Untersuchungsgebiet der Struktur (bereits) vor 1547 nicht voneinander ab. Hinsichtlich des Zeitraums im unmittelbaren Anschluß an den Pönfall 1547 ist, was Budißin betrifft, bezogen auf die Schöffen auf den bereits im Zusammenhang mit der Richterauswahl nach 1547 genannten Gerichtsbucheintrag für 1548 hinzuweisen, wonach die landesherrlichen Vertreter, „Kommissarien“, das im Zuge des Pönfalls dem Landesherrn vorbehaltene Recht an Auswahl und Ernennung mit Beeidung ausübten. Zwar wird im Gerichtsbucheintrag bei der Aufzählung der von den Kommissarien ausgewählten und ernannten Ratspersonen das Schöffenamt nicht genannt, sondern es wird pauschal von denen, die „dem neuen Rate angehörten“, gesprochen.387 Jedoch waren damit auch die, die (im Anschluß an die Ratskür im Rahmen der Verteilung der Ämter) Schöffen wurden, angesprochen. Dies bestätigt der erwähnte Bericht des Budißiner Stadtschreibers Glowitz.388 Dies war nach Scultets Kürbuch auch hinsichtlich der Stadt Görlitz der Fall, wo die landesherrlichen Kommissarien ebenfalls jährlich zur Ratskür erschienen und die Ratsmitglieder, mithin Bürgermeister und Schöffen auswählten und ernannten.389 Also wurden in sämtlichen landesherrlichen Städten wie die Richter auch die Schöffen von den landesherrlichen Vertretern ausgewählt und ernannt. Nach Wiederverleihung der freien Ratskür 1559 erfolgte in sämtlichen landesherrlichen Städten die Rats-, mithin Schöffenwahl dem Grundsatz nach wie vor 1547. Hinsichtlich Görlitz ergeben sich Hinweise auf die Verhältnisse nach 1559 aus den Anmerkungen Scultets um 1592 zur Ratsordnung von 1489.390 Folgende bereits ausgewertete Schilderung der Schöffenwahl, mithin Sitzordnung der „sieben Ältesten“ nach der Ratsordnung von 1489 ist mit einer Anmerkung versehen: „Also das die Seben Eldisten zum irsten vff die Bang vnder den Fenstern nach de Bürgermeister gesatzt werden.“ Die bereits genannte Anmerkung Scultets lautet: „Sieben Eldisten ingemeine, als 2 Consulares vnd 5 Scabini, tamquam hodie nur allein das der Judex dazwischen 1 Person mehr.“ 391 Insbesondere anhand der Formulierung „tamquam hodie“ in bezug auf die Regelungen von 1489 wird deutlich, daß das von der Ratsordnung von 1489 geschilderte und geregelte Verfahren, mithin das Kooptationsprinzip hinsichtlich der Schöffenwahl auch 387 388 389 390 391

Baumgärtel, Ratslinie, S. 10 f., 34. Neumann, Regesten, S. 134 ff., 135. Vgl. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch, Jahre 1547 bis 1558. Vgl. die Einleitung zur Übertragung der Rechtsquelle Ratsordnung 1489, S. 305. Budißiner Ratsordnung 1489, S. 307.

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nach 1559, dem Jahr der Wiederverleihung der freien Ratskür, galt. Entgegenstehende Regelungen enthält zunächst die Ratsordnung von 1563 nicht.392 Anderes ergibt sich auch nicht aus Scultets Kürbuch.393 Hinsichtlich der Görlitzer Verhältnisse nach 1559 kann daher auf die Schilderungen der Verhältnisse vor 1547 verwiesen werden mit der Maßgabe, daß der Richter Teil des Schöffengremiums geworden war. Die Görlitzer Ratsordnung von 1737 bestätigt diese Grundsätze unter Nennung der bisherigen, auch vor dem Pönfall geltenden Rechtsgrundlagen (Cap. II), ohne jedoch besondere Regelungen hinsichtlich der Schöffenwahl zu treffen.394 Strukturell unwesentliche Änderungen des Auswahlverfahrens hinsichtlich der Ratsämter bei Ausscheiden des bisherigen Inhabers enthielt der bereits genannte Beschluß des Rates von 1774.395 Ein insoweit (mithin auch mit den eigenen Verhältnissen vor 1547) vergleichbares Verfahren wies Budißin auf, dargestellt von Litter und Baumgärtel anhand vor allem der ab dem 17. Jahrhundert überlieferten Ratsprotokolle. Hiernach wurden wiederum nach dem bereits vor 1391 und ab 1408 bis 1547 geltenden strengen Kooptationsprinzip im Anschluß an die ebenfalls insoweit gestaltete jährliche Ratswahl aus den Reihen des neuen Rates von diesem selbst die Schöffen ausgewählt und ernannt.396 Wie von Prochno untersucht, erfolgte auch die Zittauer Ratskür mit anschließender Schöffenbesetzung strukturell wie vor 1547,397 mithin vergleichbar den Budißiner und Görlitzer Verhältnissen. Auch im 18. und 19. Jahrhundert waren Schöffen weiterhin stets Ratsmitglieder, die vom Rat ausgewählt und ernannt wurden, wie sich etwa anhand des Stadtgerichts Budißin zeigt.398 Schöffenwahl hatte hier mit Ausnahme des Schöffen, der zugleich Vizeprätor war, nach einem Revisionsprotokoll von 1824 jedes Jahr aufs Neue stattzufinden. Jedoch waren Ausnahmen möglich, indem etwa ein Schöffe „seiner als Actuar erlangten Lokalkenntniß wegen“ länger „beim Stadtgericht zu behalten gewünscht“ wurde.399 Der sächsische Landesherr reskribierte 1829 an Budißin, daß der Stadtrat „in derselben Maasse, wie es auch bisher gegen die Revisions-Commission oblag, über alle wichtigen Vorgänge Anzeige an Unsere Oberamts-Regierung zu erstatten und insbesondere keine Wahlen, weder von Ratsmitgliedern, noch von Officianten, ohne deren (Anm. d. Verf.: der Oberamtsregierung) vorzunehmen“ seien.400 Die Schöffen wurden also bis zum Ende des 392

Budißiner Ratsordnung 1563, insbesondere nicht S. 245 am Beginn. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch. 394 RA Görlitz, Ratsordnung 1737, unpaginiert. 395 RA Görlitz, Wahlen, unpaginiert. 396 Näher Litter, Verfassungsrecht, S. 54 ff.; Baumgärtel, Ratslinie, S. 11 ff. 397 Prochno, Ratslinie, S. 62 ff. 398 Vgl. StadtA Bautzen, Abkündigungen, Bl. 1 ff.; StadtA Bautzen, Organisation, Bl. 1 ff. 399 StadtA Bautzen, Organisation I, Bl. 40 ff., 42. 400 StadtA Bautzen, Organisation I, Bl. 234. 393

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Untersuchungszeitraums vom Rat nach den bisherigen, schon vor 1547 geltenden Grundsätzen gewählt. Die Wahl bedurfte jedoch der Zustimmung des Landesherrn. c) Anforderungen und Pflichten an die/der Gerichtspersonen aa) Richter Was das Richteramt in der Magdeburger Stadtverfassung, mithin im Geltungsbereich des Magdeburger Rechts angeht, entstammten die Magdeburger Schultheißen der erzbischöflichen Ministerialität, die dieses Amt zeitweise (erblich) zu Lehn hatten. Sie mußten mithin lehnsfähig sein. Weitere Anforderungen bestanden, da der Schultheiß regelmäßig als erster unter den Schöffen genannt wird, gleichlaufend mit diesen. Als das Amt 1294 an den Rat gelangte, wurden Schultheißen stets Magdeburger Bürger, mithin Ratsmitglieder.401 Hinsichtlich des Untersuchungsgebiets sind zunächst die Urkunden heranzuziehen. Die landesherrliche Urkunde von 1303 zugunsten der Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft sagt lediglich aus, daß es sich um „judex hereditarius noster“ des Landesherrn handelte.402 Weiteres ergibt sich aus einer landesherrlichen Urkunde von 1322: „Inde est quod nos Henricus dux Silesiae [. . .] volumus notum quod [. . .] fideli nostro Rymondo de Neushoue dicto omnibusque suis heredibus et successoribus judicium hereditarium in ciuitate nostra Gorlitz, cum omnibus utilitatibus usufructribus et pertinencijs ad ipsum judicium a retroactis temporibus spectantibus, veluti pater suus, dominus Nicolaus de Neushove idem judicium hucusque tenuit, concedimus conferimus et donamus jure hereditario.“ 403 Bei den Genannten handelte es sich wie bereits erörtert um Angehörige des zum landsässigen Adel des Untersuchungsgebiets zählenden ministerialen Geschlechts v. Neueshoven.404 Daß die Genannten mit dem Erwerb des Erbrichteramtes auch Bürger der Stadt Görlitz wurden, wie Knothe behauptet,405 ist durch nichts erwiesen. Vielmehr zählten sie auch und gerade als Inhaber dieses landesherrlichen Amtes, das bis 1547 niemals wie gesehen ein städtisches, mithin Ratsamt wurde, auch weiterhin – wie in Magdeburg – nicht zu den Bürgern, sondern zum landsässigen Adel. Sie waren mit dem Amt erblich beliehen. Weitere Voraussetzungen sind aus (den zum Teil bereits genannten) Urkunden mit Bezug zu weiteren landesherrlichen Städten im Untersuchungsgebiet, hinsichtlich der in diesem Zeitraum das jeweilige Erbrichteramt in vergleichbarer Weise landesherrlich vergeben wurde, nicht zu ersehen. Etwa bei den Kamenzer Erbrichtern handelte es sich, bis die Stadt 401 Lück, Gerichtsverfassung in den Mutterstädten, S. 171 f.; Weitzel, Rechtsbegriff, S. 78; Schranil, Stadtverfassung, S. 79 ff., 94 ff., 170 ff., 207 ff., 210. 402 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. 403 CDLS I, S. 249 f., 250, Z. 4 ff. 404 Vgl. Knothe, Adel I, S. 379 f. 405 Knothe, Adel I, S. 379.

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das Erbrichterlehen im ausgehenden 14. Jahrhundert erwarb, nicht um Angehörige des Adels, sondern stets um Kamenzer Bürger, die dieses Amt zu Lehen trugen. 1404 belehnte der Zittauer Rat als nunmehriger Inhaber des Erbrichteramtes den Bürger und Rat „Peter Pesold“ mit diesem.406 Weitere Voraussetzungen werden, soweit es diesen Zeitraum betrifft, aus den Urkunden nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Zeit nach Übergang des jeweiligen Richteramtes auf den jeweiligen Rat beziehungsweise ab dem Zeitraum, ab dem der Görlitzer Rat auf das Görlitzer Erbrichteramt Einfluß erlangt hatte, führen andere Quellen, auf die sogleich einzugehen ist, weiter. Festzuhalten ist hier, daß die Erbrichter in den landesherrlichen Städten zunächst nicht der (werdenden) Stadtrechtsgemeinschaft entstammten beziehungsweise entstammen mußten, da es sich zunächst um ein herrschaftliches Amt handelte. Sodann sind die Rechtsbücher mit Bezug zum Untersuchungsgebiet heranzuziehen. Die Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304 (wie die Weichbildvulgata) enthalten insoweit keine Hinweise. Nach Görlitzer-Rechtsbuch XXXVIII § 5 steht entgegen Sachsenspiegel-Landrecht III 61 § 2 auch dem nicht im räumlichen Zuständigkeitsbereich des betreffenden Gerichts Geborenen das Schultheißenamt in diesem Gericht offen. Ergänzend geben die Gerichtsbücher, Ordnungen und Ratsannalen beziehungsweise Ratslinien der landesherrlichen Städte Auskunft insbesondere über die Zeit nach Übergang der Richterämter auf die Stadtrechtsgemeinschaften. So handelte es sich bei den Budißiner Stadtrichtern nach Übergang des Amtes auf den Rat nach der Ratslinie und den Gerichtsbüchern nicht nur um Bürger der Stadt, also Angehörige der Stadtrechtsgemeinschaft, sondern überdies um Ratsmitglieder.407 Nachdem der Kamenzer Rat das Kamenzer Erbrichteramt Ende des 14. Jahrhunderts erworben hatte, wurde dieses auch hier nach den Untersuchungen Knothes stets mit Ratsmitgliedern besetzt.408 Das Löbauer Richteramt wurde der Ratslinie und dem ältesten Löbauer Rügenbuch (Überlieferung eines besonderen Richteramtes ab 1491)409 zufolge sowie nach den Untersuchungen Seeligers410 und Knothes411 ebenfalls nach Übergang auf den Rat aus den Reihen des Rates besetzt. Festzuhalten ist danach, daß nach Übergang der Richterämter auf die Stadtrechtsgemeinschaften, mithin die Räte der landesherrlichen Städte diese mit Angehörigen der jeweiligen Stadtrechtsgemeinschaft, mithin des jeweiligen Rates besetzt wurden. Auch insoweit wichen die Görlitzer Verhältnisse (wenigstens der Theorie nach) bis 1547 ab. Der Görlitzer Stadtschreiber Haß berichtet hinsichtlich der Anforde406 407 408 409 410 411

Prochno, Zittauer Urkundenbuch, S. 198. Baumgärtel, Ratslinie, S. 19 ff.; Budißiner Gerichtsbuch 1359. CDS II, 7, S. XIV f., XX f. HStA Dresden, Löbauer Rügenbuch. Seeliger, Verwaltungsgeschichte, S. 86 ff. CDS II, 7, S. XXXI.

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rungen an den Kandidaten für das Amt des Görlitzer Erbrichters, wie sie im frühen 16. Jahrhundert gestellt wurden: „Vor zeiten ist der richter etwas namhafftig vnd geweldig, auch bisweilen vom adel gewest, vnd hat sich mit den schoppen jn den gerichtshendeln vielmals eingeleget, jst auch dem burgermeister furgegangen, douon der brauch herkommet, das ein rathe, dem richter, so er eingeht jn rathe, kor. mt. vnd seinen gerichten zu ehren auffsteht.“ 412 Wie sich auch an den Inhabern dieses Amtes zeigt, die etwa Neumann in einer Zusammenstellung erfaßte, handelte es sich bis in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts oftmals um Angehörige des landsässigen Adels, so etwa neben den genannten Neueshofen um Johann und Heinrich v. Salza, jedoch auch um (lehnsfähige) Bürger.413 Jedenfalls nachdem jedoch der Erbrichter zusammen mit dem Landvogt die sogenannte Pulververschwörung gegen die Stadt Görlitz geplant und durchgeführt hatte und der Erbrichter dafür von der Stadtrechtsgemeinschaft verurteilt und hingerichtet worden war,414 „ist keinem richter so viel eingerewmet, auch zu solchem furtriet vnd hoffart nicht gelassen, sundern man hats yhe mit den lantuoiten also gehalden, wenne ein rathe einem landuoite, einem richter angegeben, das ers dobei gelassen.“ 415 Dieses Amt wurde zwar wie erörtert mithin vor 1547 niemals ein genossenschaftliches, also Ratsamt. Der Erbrichter wurde ab dem 14. Jahrhundert jedoch regelmäßig nicht mehr dem Adel entnommen, sondern indem der Rat wie angesprochen Einfluß auf die Richterauswahl erhielt, handelte es sich praktisch in aller Regel um Görlitzer Bürger, mithin Ratsmitglieder. Die Richterbesetzung insoweit geht aus der von Neumann erstellten Liste der Görlitzer Erbrichter hervor.416 Vor allem wird dies aber deutlich anhand Scultets Kürbuch.417 Haß schreibt mit Blick auf seine Zeit, die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts: „Item dieser punct des priuilegij [Klausel, daß der Erbrichter gemäß der landesherrlichen Urkunde von 1303 bei Klage gegen ihn vom Stadtschöffengericht gerichtet werde418 – HvS] gibet dem adel eine grosse schewe, das sie vmmb das richter ambt nicht werben.“ 419 Er betont aber andererseits nicht, daß der Kandidat Ratsmitglied sein müsse. Auch dem Adel stand folglich dieses Amt – mithin kein Ratsamt – im Gegensatz zum Stadtschöffenamt, das wie angesprochen frühzeitig auf die genossenschaftliche Ordnung, den Rat, verschmolzen war, auch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts weiterhin zumindest theoretisch offen. Dies änderte sich erst nach 1547, mithin nach der Wiederverleihung der freien

412 413 414 415 416 417 418 419

Haß, Ratsannalen II, S. 127. Neumann, Geschichte, S. 638 f. Hierüber Jecht, Geschichte I, S. 197 ff. Haß, Ratsannalen II, S. 127. Neumann, Geschichte, S. 638 f. Ausnahme ist Heinrich v. Salza 1422, 1426. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. Haß, Ratsannalen II, S. 137.

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Ratskür 1559. Wie sich aus Scultets Kürbuch420 und der beschriebenen Art der Auswahl ergibt, handelte es sich fortan stets um (bürgerliche) Ratsmitglieder. Gelehrter Jurist zu sein, wurde hinsichtlich des Görlitzer Erbrichteramtes zunächst nicht verlangt. Bereits vor 1547 sind jedoch Juristen als Richter nachgewiesen. Aber erst nach 1547, nachdem mithin in allen landesherrlichen Städten das Richteramt als Bestandteil des Rates angesehen beziehungsweise mit Ratspersonen besetzt wurde, erscheinen als solche jedoch zuerst regelmäßig, später stets gelehrte Juristen, wie diese Anforderung überhaupt hinsichtlich sämtlicher Ratsposten verlangt wurde.421 Erster gelehrter Görlitzer Erbrichter war, soweit ersichtlich, Paul Schneider, ab 1517 Erbrichter, der sich 1503 an der Universität Leipzig immatrikuliert hatte und dort Baccalaureus wurde.422 Ausgebildeter Jurist war auch Scultetus, um die Wende zum 17. Jahrhundert Görlitzer Stadtrichter.423 Hinsichtlich der Zeit ab 1547 bringt dieser in seinem Kürbuch weitere Nachweise.424 Der Löbauer Rat faßte am 18. November 1767 folgenden Beschluß: „Als E. hochedler und hochweiser Rat bei heutigem Actu der freien Kür und Wahl in Erwägung zog, daß bei denen von Zeit zu Zeit sich vermehrenden Geschäften weit mehr Genauigkeit als ehedem nötig sei und bei mündlichen und schriftlichen Vorträgen und dergl. die Studia unentbehrlich werden, wenn der Nutzen und das Beste gemeiner Stadt nicht darunter leiden soll, so hat derselbe nach reiflicher Ueberlegung durch einhellige Stimmen festgesetzt, daß weiterhin im Collegio Jlliterati höher nicht als bis in den Skabinat ascendieren, das Kollegium Konsulare und das Stadtrichteramt mit keinen anderen als studierten und sonst wohl qualificierten Personen besetzt werden sollen.“ 425 Damit waren ausschließlich gelehrte Juristen gemeint. Der Kandidat für das Richteramt mußte anders als vor 1547 sogar nicht mehr zwingend das Bürgerrecht besitzen.426 Auch aus den im Stadtarchiv Bautzen überlieferten Akten des Stadtgerichts Budißin wird hinsichtlich des 18. und 19. Jahrhunderts deutlich, daß stets gelehrte Juristen das Richteramt bekleideten. Bereits die Budißiner Ratsordnung eröffnete zwar ungelehrten, aber „tüchtigen Personen“ aus dem Bürgerstand der Stadt den Weg in den Rat, mithin als Assessoren im Stadtgericht. Diese hatten sich jedoch gegenüber gelehrten Juristen mit einem geringeren Gehalt zu begnügen. Als Stadtrichter wurde stets nur ein gelehrter Jurist zugelassen.427 In der Folge handelte es sich regelmäßig um Oberlausitzer Advokaten. 1824 wurde vom Landesherrn angeordnet, daß der jedesmalige Stadtrichter nicht zugleich im Rahmen 420 421 422 423 424 425 426 427

UB Breslau, Scultetus, Kürbuch, Jahre 1548 ff., 1559 ff. So hinsichtlich Löbaus Staudinger, Verfassung, S. 12 f. Schulze, Diarium, S. 3. Kersken, Oberlausitz, S. 120. UB Breslau, Scultetus, Kürbuch. Abgedruckt Staudinger, Verfassung, S. 13. Staudinger, Verfassung, S. 13. StadtA Bautzen, Budißiner Ratsordnung 1724.

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einer Nebentätigkeit als Advokat arbeiten dürfe.428 Auch die Görlitzer Ratsordnung von 1737 geht davon aus, daß „Literati“ Mitglieder des Rates sein müßten, begrenzt deren Zahl aber zugunsten der „Kauffmannschaft und der Brauberechtigten“ (Cap. I § 4). Hinsichtlich des Richters wird Gelehrtsein indes nirgends ausdrücklich gefordert.429 Die Anforderung, Jurist zu sein, war mithin in den landesherrlichen Städten erst durch Gewohnheit, dann durch gesatztes Recht im Rat, mithin bei den Gerichtspersonen maßgeblich geworden. Als Richterpflicht formuliert § 44 der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304: „Der Richter sol Gerichtes warten und phlegen alle Tage an rechter Dingstat, iz en sie, daz ein Man umme Gelt clagen wil ane Gezug, daz mac her allenthalben wol richten.“ 430 Für den Fall des Todes eines Richters wird in § 96 hinsichtlich der schwebenden Verfahren angeordnet: „Stirbet ein Richtere, swas so binnen sinen Gecieten geshen ist, des schal sin Nachcumeling an deme Gerichte Gezu˚g wesen, alleine en seh hes nicht, swenne her mit den Shepphen der Warheit geinnert wird.“ 431 Die Blume von Magdeburg regelt die Richterpflichten genauer. Aus Part. II 2 c. 54 wird deutlich, daß der Grundsatz der Funktionsteilung galt, wonach ausschließlich die Schöffen Urteil und Recht fanden, und zwar auf Frage des Richters: „Der richter [. . .] sol urteilis frogin czwischin czweier manne rede. Frogit er wol nach seynen mutwillin und nicht nach rechte, iz in schat noch in fromet nymande nicht.“ Aufgabe des Richter war also lediglich, Urteil und damit Recht zu erfragen. C. 54 ff. regeln weitere Richterpflichten, so zunächst c. 55: „Der richter sol senftmutig und uornunftig sin vnd gelich gewegin in seim gerichte dem armen alz dem rychin, vnd sol sein gerichte wider durch lip, noch durch czorn, noch durg gobe, noch durch uorchte nicht uorkeren.“ C. 56 sagt: „Der richter, noch kein man mag nymande von seinr clage weisin one den, uf den dy clage get, odir im worde denne dy clage mit rechte gebrochin.“ C. 57: „Der richter sol dy gemeine nucz regirin mit seime gerichte und alle gebot, dy czu der gemeine nucz gehorin.“ C. 58: „Der richter mag mit rechte keinen czu clagin twingin, der er uor gerichte noch uor in nicht begunst hot.“ C. 61 regelt das Vefahren in einem Fall des Pflichtverstoßes: „Der richter, dem man vngerichte in hanthaftir tat clagt, vnd er nicht richtit, beweisit man dazu uf den richter alz recht ist, man richtit czu dem richter, alz man ubir yenen richtin solde.“ Die Blume des Sachsenspiegels (Rechter Weg Buch S Kapitel 50) formuliert etwa zudem: „Von beschirmen gemeyne nucz. – Der richter von seines amachts wegin sal helfin regiren und beschirmen den gemeynen nucz.“ Der Richter soll also das Gemeinwohl zu fördern helfen. Buch S Kapitel 53 sagt: „Des rechten gebot gehet obir alle gebot [. . .]. Des rechten rath und vornunft geht vor alle vornunft [. . .]. 428 429 430 431

Vgl. StadtA Bautzen, Organisation I, S. 34 f. RA Görlitz, Ratsordnung 1737, unpaginiert. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 459. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 468.

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Die richter und die scheppen sollin das recht nymande vorczyhen ane redeliche sache.“ Es besteht also die Pflicht zu gerechtem, vernünftigem, unparteiischem Handeln. Vergleichbare Inhalte finden sich mehr oder weniger übereinstimmend wie bereits gesehen beziehungsweise wie noch zu sehen in mittelalterlichen und neuzeitlichen Richtereiden auf sämtlichen Herrschaftsebenen. In der landesherrlichen Urkunde von 1427, mit der der Stadt Lauban das Erbgericht verliehen wird, werden denn auch folgende Anforderungen an die Gerichtspersonen formuliert: Das Erbgericht sei „mit einem redlichen Manne [zu] besetzen und bestellen, der jderman, reich und arm gleich Recht widefaren laße“.432 Das bereits zitierte landesherrliche Privileg zugunsten der Görlitzer wegen der Ratskür von 1420 sagt: „Zuvorn [bevor sie „gesetzt“ werden – HvS] [sollen] [die neu „erkiesten“ Ratspersonen – HvS] schweren, vns [dem Landesherrn – HvS] getrewe vnd gewere, vnd dem Rathe vndirthenig, gehorsam, vnd beistendig zusein, als billich ist.“ 433 Wie gesehen, wurden die Gerichtspersonen aus den Ratspersonen genommen, weshalb dieser Eidesinhalt vergleichbar denen der Gerichtspersonen sein wird. Es hat sich mit dem ältesten Budißiner Eidbuch wenn nicht das eines Richtereides so doch das des „Rattmann Eydts“ aus dem 15. Jahrhundert erhalten: „Ich swere gote eynen Eidt unserm allergnedigsten Herrn Herrn Khönige zu Behem vnd seiner Gnaden Cronen zu Behem alzeit getrew vnd gewehre zu sein Vnd Seinen gnaden zehelffen mit Leibe vnd gute wider allermeniglich vnd meynen burgermeister gehorsam ze sein In allen sachen nach meyne besten vermögen eyn recht zethun vnd eyn vnrecht zu krenkin, dem armen als dem reichn eyn recht orteil zefinden, Vnd den ratt nicht zemeiden, vnd vnstets allergsten. Herrn des Königes vnd der Cron zu Behem bestes Jn allen sachen ze suchen, Vnd das nicht lassen weder durch Lieb nach durch Leide, noch durch eynerlei handt gaben, das hulffe mir gote vnd seine gottliche genade, amen.“ 434 Auch insoweit werden die Gerichtspersoneneide einen vergleichbaren Inhalt aufgewiesen haben. Dies bestätigen spätere Eide. Der bereits angeführte Eid des Löbauer Stadtrichters, wie er etwa 1573 geleistet wurde, enthält einen vergleichbaren Inhalt: „Ich, Matz Schlockwerder, schwere zu Gott, das ich in diesem meynem mir befohlenen Richter Ambt der Ro. Kay. Mt., eynem Radt und gemeynder stadt getrew und gewertig sein will, Gericht und Recht dem armen als dem reichen und dem auslendischen als dem eynheimischen administriren und mitteilen will und hierinnen nicht ansehen feindtschafft noch freundtschafft, gifft, gunst noch gaben. Sonder eynem jeden die lautere und wahre gerechtigkeit nach meynem hochsten Vorstande und vormogen mir radt und hulff meyner beigeordneten Scheppen widerfahren und ergehen lassen. Das ich es erstlich kegen Gott, nachmals kegen hochstgedachte Ro. kay. Maj. und dan eynem Erbaren Radt 432 433 434

LSDC, S. 7. RA Görlitz, Urkunde 1420. StadtA Bautzen, Eidbuch, Bl. 27.

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und gemeyner stadt in meynem gewissen zu verantworten habe. Als mir got helffe und seyne götliche gnade. Amen.“ 435 Der Budißiner Richtereid lautete hinsichtlich der Pflichten seit dem Mittelalter nur leicht abgewandelt bis in die Neuzeit: „Ich, N.N., Richter, schwöre Gott einen Eid, Unserm allergnädigst Herrn [Name des Landesherrn – HvS] allezeit getreu und gewehr zu sein, dem Armen und dem Reichen schleunigst Recht und Gerechtigkeit meinem besten Verstande nach, ohne Ansehung der Person mitzuteilen, der konfirmierten Gerichtsordnung, auch gemeiner Stadt Willkür und Statuten, sonderlich aber auch der aufgerichteten Gerichtstaxe nachgehen und darüber niemand zu beschweren, die jederzeit deponierten Gelder in die hierzu geordnete Verwahrung der Gerichtsstube einzulegen, auch die Gelder ohne Vorteil oder Auswechselung wieder auszuzahlen, vor allen Dingen aber, das mir anvertraute Gerichtssiegel ohne des Rats oder meiner zugegebenen Schöffen Wissen und Rat nirgends zu gebrauchen, aller Gerichts Einnahme und Ausgabe richtige Register zu halten, auch mit Fleiss darob zu achten, dass dem Rate an seiner Gebühr bei Erbschaften nichts veruntreuet oder verschwiegen werde. Alles ohne List und arge Gefehrde. So war mir Gott helfe.“ 436 Die Görlitzer Ratsordnung von 1563 enthält folgenden Eid: „Vnd vormahnet den neuen Richter alsdann, das er bey den Gerichten wolde fleis haben, dem armen Recht mittheilen wolte als dem Reichen, sich vnparteysch vorhalten, die billigkeit in allen sachen ergehen lassen, Wie er [der neugewählte Richter – HvS] denn solches mit mehren worten zuthun weis.“ 437 Die Görlitzer Gerichtsordnung von 1593 regelt in „Tit. I. Von dem Richter“: Es soll zum Richter-Amt ein Gottesfürchtiger, unpartheiischer, bescheidener, fleissiger Mann erwehlet und bestätiget werden.“ 438 Allen genannten gerichtsverfassungsrechtlichen Eiden und Regelungen ist neben weiteren, insbesondere Treuepflichten gegenüber dem Landesherrn und dem jeweiligen Rat beziehungsweise der Stadt sowie teils neu hinzugekommenen Pflichten gemeinsam die Beeidung der bekannten mittelalterlichen Pflicht, jedermann ohne Ansehung der Person unbeeinflußt gleiches Recht und Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen. Hinsichtlich der späteren Zeit sind zunächst landesherrliche Regelungen heranzuziehen. Nach der kurfürstlichen „General-Verordnung, das Verfahren in Untersuchungs.Sachen“ betreffend, also hinsichtlich „Criminal-Sachen“ vom 27. Oktober 1770, veröffentlicht im Markgraftum Oberlausitz mit Oberamtspatent vom 12. Dezember 1770, mußten „in Städten“, mußten also die Stadtgerichte mit einem „der Stadt-Richter, oder statt dessen“ einer „andere[n], den Richter-Eyd auf sich habende[n] Raths-Person“ besetzt sein.439 Es mußte sich

435 436 437 438 439

Abgedruckt Staudinger, Verfassung, S. 29. Abgedruckt Baumgärtel, Ratslinie, S. 17. Görlitzer Ratsordnung 1563, S. 246. Weinart, Rechte IV, S. 112. KW III, S. 87 ff., 88.

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also in „Criminal-Sachen“ beim Richter um ein Mitglied des Rates, das mithin den Richtereid abgelegt hatte, handeln. Das kurfürstliche „Generale wegen des Verfahrens in Untersuchungs-Sachen“ vom 30. April 1783, mit Oberamtspatent vom 28. Juli 1783 im Markgraftum Oberlausitz veröffentlicht, bestätigte diese Regelung.440 Es bestand also weiterhin die Pflicht, daß der jeweilige Richter den Richtereid abgelegt haben mußte. Noch der Budißiner Richtereid von 1823 beinhaltete ebenfalls neben der Pflicht, „treu, gewißenhaft, fleißig und unverdroßen“ zu sein, und das geltende Recht zu beachten, die Beeidung der bekannten Richterpflicht, „einem Jeden ohne Ansehn der Person gleichdurchgehends Recht und Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen.“ 441 Das Formular des neuzeitlichen Görlitzer Stadtrichtereides lautet nach einer „Eydes-Notul“ des 18. Jahrhunderts: „Ich N.N. schwöre Gott dem Allmächtigen und dem [dem Kurfürsten von Sachsen sowie dessen Rechtsnachfolgern als Markgrafen der Oberlausitz – HvS], Daß Ihnen ich in diesem meinem und mir vertrauten Richter Amte, getreu und gewahrsam seyn will; fürnehmlich aber [des Landesherrn – HvS] auch dieser Stadt Nuz-Wohlfahrt, und Frommen helffen trachten und fördern, Friede und Einigkeit erhalten, Schaden und Nachtheil verhüthen, Gerechtigkeit schüzen, gleiches Recht, den Armen, als den Reichen mittheilen, und das Übel straffen, insonderheit in allen Sachen, welche vor die Stadtgerichte gehören, und dahin gebracht werden, nach Gemeinen und dieser Lande Gesezen, auch hiesigen Stadt Statuten meinem besten Verstande nach, gleich Recht sprechen, niemand in unnöthige Rechtfertigung sezen oder führen laßen, so viel möglichen, die Partheyen zu vergleichen, Fleiß anwenden, auch auf alle Verbrechungen acht haben und selbige straffen, was in denen Gerichten vorgehet, richtig aufzeichnen, und registiren laßen, diejenigen GerichtsSachen aber, so von Rechtswegen heimlich zun halten sind, Niemand offenbahren, wie auch des Raths und gemeiner Stadt Heimligkeiten, es sey gegen den einheimischen oder frembden, keineswegs entdecken, noch melden, sondern bis in die Grube verschwiegen halten, gegen E. E. Rath gehorsam, getreu, und gewärthig seyn; Nach der [vom Landesherrn – HvS] approbirten Neuen Raths-Ordnung aufs genaueste mich richten, und achten, auch mich sonst als einen Rechtliebenden Richter eignet und gebühret, verhalten, und solches nicht unterlaßen will, weder um Gunst, Geschenke, Freundschafft, Eigennuz, Ansehung der Person, noch einiger anderer Ursachen wegen, Als mir Gott helffe, und seine Göttl. Gnade!“ 442 Der Görlitzer Richtereid von 1731 weist einen identischen Inhalt auf.443 Die Richtereide beinhalteten mithin auch noch im 18. und 19. Jahrhundert im Kern den typischen, seit der Frankenzeit bekannten, auch für die Schöffen mit Ausnahme der Urteilsfindungspflicht geltenden Pflichtenkatalog, nämlich neben der Treue- und Gehorsamspflicht gegenüber dem Ge440 441 442 443

KW IV, S. 50 ff., 51. StadtA Bautzen, Organisation, Bl. 179 ff. RA Görlitz, Eydes-Notuln, unpaginiert. RA Görlitz, Pflichtbuch, Bl. 2 f.

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richtsherrn Arm und Reich ohne Ansehung der Person unbeeinflußt gerecht und gleich zu behandeln. bb) Schöffen Hinsichtlich der Anforderungen an die Magdeburger Schöffen stellte Lück fest, daß es sich allgemein um solche handelte, die „sich im Kern schon in fränkischer Zeit herausgebildet hatten.“ Die Magdeburger Schöffen, Teil der herrschaftlichen Ordnung, entstammten im Ursprung vor allem der erzbischöflichen Ministerialität, die den Kern der späteren bürgerlichen Oberschicht der Stadt, aus der sich fortan das Schöffenkollegium rekrutierte, bildeten. Die Kandidaten mußten frei und unbescholten sowie redegewandt sein. Im übrigen dürften die Qualifikationsmerkmale des spätmittelalterlichen Richters auch auf die Schöffen zutreffen.444 In der Magdeburg-Schweidnitzer Rechtsmitteilung von 1363 steht: „Und wene men tzo Sceffin kusit und irwelit, der sal syn eyn byterve, umbesprochin Man von synen Elderen, und sal ouch selber ey gut wort habin und sal vry syn.“ 445 Aus der landesherrlichen Urkunde von 1303 zugunsten der Görlitzer Stadtrechtsgemeinschaft geht hinsichtlich der Anforderungen an die Personen der Stadtschöffen im Görlitzer Erbgericht folgendes hervor: „Volumus et [. . .] statuimus, ut singulis horis et temporibus judicii oportunis, civitatis nostre in banccis, cum advocato nostro, judex hereditarius noster, qui fuerit, in persona propria adesse debeat et judicio presidere.“ 446 Damit wird deutlich, daß es sich bei den Schöffen um Angehörige der Stadtrechtsgemeinschaft handeln mußte. Näheres geht aus den Urkunden insoweit nicht hervor. Die Rechtsbücher sind ergänzend heranzuziehen. In der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304 heißt es hinsichtlich Schöffen und Ratmannen, die Magdeburger Verhältnisse beschreibend: „Die sworen do unde sweren noch alle Jar, swenne sie sie kyesen, der Stat Ere unde Vrumen zu bewarende, so sie beste cunnen unde mugen mit der Witzegesten Rate.“ 447 Die Görlitzer Ratsordnung von 1489 schreibt hinsichtlich der Wahl der Schöffen vor, daß diese im Anschluß an die im Rahmen der jährlichen Ratswahl erfolgte Zuwahl der neuen Ratsmitglieder anstelle der turnusgemäß ausscheidenen Räte und die sodann erfolgte Wahl des neuen Bürgermeisters aus den Reihen des neuzusammengesetzten Rates zu wählen seien.448 Der Görlitzer Stadtschreiber Haß berichtet noch Anfang des 16. Jahrhunderts folgendes hinsichtlich der Anforderungen an die Görlitzer Schöffen in Auslegung der landesherrlichen Ur444 Lück, Gerichtsverfassung in den Mutterstädten, S. 167 ff.; ders., Schöffenstuhl, S. 144; ders., Gerichtsorganisation, S. 314 f. 445 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 588 f., 589. 446 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. 447 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 f., 449. 448 Görlitzer Ratsordnung 1489, S. 307; vgl. Behrisch, Ratskür, S. 55.

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kunde von 1303: „Alhie siehet man das die schoppen burger sein sollen, ab sie abir des rathis sein sollen ader nicht, wirt hie nicht ausgedruckt.“ Er fährt mit Blick auf die Sozialstruktur der Stadt Görlitz fort: „Vnd dieweile man den alhie jn der stadt ein vntirscheidt heldet, vnd nennet, vndir den burgern vnd hantwergsleuten, so mussen die schoppen alleine aus den burgern [. . .] gekorn werden.“ 449 Auf derselben Seite steht, da ihm diese Feststellung offenbar sehr wichtig war, folgende Randbemerkung Hasses mit Verweis auf die Urkunde von 1303: „Die schoppen sollen burger sein, ex privilegio“, dies im Gegensatz zur Anforderung an den Bürgermeister, die „ex consuetudine“ bestehe.450 Und weiter: „Jsz ist aber jn vielen langen jaren alhie gebraucht, das die schoppen, aus des rats mittel gewest sein.“ 451 Zu Schöffen durften also im Gegensatz zum Richteramt nach Haß ausschließlich Ratsmitglieder gewählt werden. Ursache hierfür ist, daß wie angesprochen das – auch hier wohl ursprünglich stadtherrliche – Görlitzer Stadtschöffenamt frühzeitig auf die genossenschaftliche Ordnung, mithin den Rat verschmolzen war. Handwerkern war nach den Quellen indes das mithin nur „Bürgern“, also brauberechtigten Bürgern offene Schöffenamt – den höherrangigen Ämtern innerhalb des Rates – im Gegensatz zur allgemeinen Ratsmitgliedschaft versperrt.452 Etwa die Anforderung, gelehrter Jurist zu sein, wird auch hinsichtlich des Stadtschöffenamtes noch Anfang des 16. Jahrhunderts nicht aufgestellt. Haß, der wie erörtert ein ausgeprochener Gegner des fremden Rechts und seiner „doctoribus“, also der gelehrten Juristen, und Befürworter der uneingeschränkten Geltung des Magdeburgischen Rechts war, gibt für das Jahr 1511 folgende Ratslinie hinsichtlich der Schöffen: „Michael Swartze. Bernhardinus Meltzer. Gregorius Clett, licentiatus. Hans Schmidt. Hans Jobst. Bernhart Bernt. Daniel Goritz.“ 453 Mithin handelte es sich in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, sonst der Blütezeit des Gelehrten Rechts, in Görlitz lediglich bei einem von sieben Schöffen um einen Lizentiaten. Die Anforderung an den Kandidaten für das Schöffenamt, gelehrt zu sein, wird hier wohl demnach nicht gestellt worden sein. Bernhard Melzer wurde sogar später Erbrichter. Erst nach 1547 wurde es auch Anforderung an den Schöffen, gelehrter Jurist zu sein, so etwa in Löbau. Zwar konnten „Illiterati“, also juristisch Ungelehrte, im Löbauer Rat Ratspersonen, mithin Schöffen werden, jedoch nicht darüber hinaus. Die zwei Schöffen, das „Skabinat“, bildeten stets die fünfte und sechste Stelle im Löbauer Rat. Jedoch wurde auch hinsichtlich der Schöffen folgendes gemäß einem Ratsprotokoll vom 9. Mai 1780 verlangt: „Dieweil H. Skabin Reiband als ein Illiteratus bereits assessor judicii ist und solchem nach H. Senatori

449 450 451 452 453

Haß, Ratsannalen II, S. 141. Haß, Ratsannalen II, S. 141. Haß, Ratsannalen II, S. 141. Vgl. Behrisch, Ratskür, S. 54 f. Haß, Ratsannalen I, S. 163.

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Werner als einem gleichfalls Jlliterato die Assessur beim judicio nicht konferieret werden kann, so wird diese ad interim einem von den senatoribus literatis aufzutragen sein.“ 454 Hiernach wurde also Wert darauf gelegt, daß zumindest einer von beiden Schöffen juristisch gelehrt war. Auch die Görlitzer Ratsordnung von 1737 geht davon aus, daß „Literati“ Mitglieder des Rates sind und sein müssen, begrenzt deren Zahl aber zugunsten der „Kauffmannschaft und der Brauberechtigten“ (Cap. I § 4). Hinsichtlich der Schöffen als Bestandteil des Rats wird Gelehrtsein indes nirgends ausdrücklich gefordert. Gemäß Cap. I § 8 wurde vielmehr die bisherige Übung angeschafft, daß der Syndikus, ein gelehrter Jurist, „die Stelle des ersten Scabini bekleidet“, da beide Ämter miteinander „incompatibel“ seien. Gelehrt zu sein, war hiernach (vgl. Cap. II) nicht ausdrückliches Erfordernis, um Schöffe zu werden.455 Die Budißiner Ratsordnung von 1724 bestimmte, daß neben gelehrten Juristen auch tüchtige Personen aus dem Bürgerstande zu einem Ratsamt, mithin zur Assessur im Stadtgericht tauglich seien. Diese hatten sich jedoch mit einem geringeren Gehalt zu begnügen.456 Zwischenzeitlich war es indes in Budißin Praxis geworden, daß alle Senatorenstellen mit Oberlausitzer Advokaten besetzt wurden. Aus Akten des Stadtarchivs Bautzen über die Gerichtsverfassung des Stadtgerichts um 1825 wird deutlich, daß auch hinsichtlich der Schöffen, „Aßeßoren“, im Stadtgericht Wert auf juristische Kenntnisse gelegt wurde. So heißt es in der Meldung des Rats über die Wahl eines neuen Senatoren, der zugleich eine Assessorenstelle im Stadtgericht erhielt, an den Landesherrn von 1829: „Bei dieser Wahl sind wir von der Ansicht ausgegangen, daß der zu Wählende, außer anderen Qualitäten, gute juristische Kenntniße u. Erfahrung habe, auch als fähiger Arbeiter bekannt sey.“ 457 1830 bestimmte der Landesherr jedoch, „daß künftighin nicht sämmtliche Senatorenstellen, sondern nur zwei derselben, durch in der Provinz rezipierte Advokaten besetzt, anstatt der sonach wegfallenden zwei juristischen Rathsmitglieder aber vier Senatoren aus der Bürgerschaft in den Rath aufgenommen werden sollen.“ 458 Somit war es auch wieder Ungelehrten möglich, Gerichtsperson im Budißiner Stadtgericht zu werden. Zur Assessur bei den Stadtgerichten war es in der Folge (nur und weiterhin) erforderlich, Ratsperson und mit dem Schöffeneid belegt zu sein.459 Hinsichtlich der Anforderung, vereidet zu sein, verfügte etwa Görlitz noch im 18. Jahrhundert neben dem Formular eines allgemeinen Ratsherreneids über ein Formular eines besonderen Schöffeneids,460 was dafür spricht, daß die Schöffen stets als solche, nicht als Ratsherren (zudem) vereidigt wurden 454 455 456 457 458 459 460

Zitiert nach Staudinger, Verfassung, S. 13. RA Gorlitz, Ratsordnung 1737, unpaginiert. StadtA Bautzen, Budißiner Ratsordnung 1724. StadtA Bautzen, Organisation I, Bl. 231 f. StadtA Bautzen, Organisation II, Bl. 2 ff., 3. Vgl. hinsichtlich letzterer Anforderung StadtA Bautzen, Organisation II, Bl. 13 f. RA Görlitz, Eydes-Notuln, unpaginiert; RA Görlitz, Pflichtbuch.

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und werden mußten. Hinsichtlich der Schöffenanforderungen läßt sich insgesamt feststellen, daß neben den althergebrachten, mittelalterlichen Anforderungen, etwa der, als Schöffe besonders vereidet zu sein, die Anforderung, gelehrt zu sein, hinzutrat, wobei letztere Anforderung nicht immer auch ausdrücklich hinsichtlich der beziehungsweise aller Schöffen etwa in Ratsordnungen gefordert wurde. Weiterhin stand es auch Nichtgelehrten offen, nicht nur Ratsherr, sondern auch Schöffe zu werden, war dies später sogar (wieder) ausdrücklich gewünscht. Die Pflichten der Magdeburger Schöffen waren folgende: Sie besetzten das Gericht in der Stadt als Urteiler; sie handelten als Urkundspersonen bei rechtlichen Erklärungen; sie bildeten ursprünglich allein die Vertretung der Gemeinde.461 Schon die fränkischen Schöffeneide beinhalteten als Hauptpflichten, gerecht und unparteiisch gegenüber Arm und Reich zu urteilen und ungerechte Urteile insbesondere wegen Freundschaft, Feindschaft oder Bestechung zu unterlassen.462 Dieser Pflichtenkreis galt auch später im Geltungsbereich des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts, wie Lück etwa anhand kursächsischer Verhältnisse auf allen Herrschaftsebenen noch im 15. und 16. Jahrhundert nachwies.463 Die Hauptaufgabe der Schöffen auch nach Sächsisch-Magdeburgischem Recht war, Urteil zu finden. Der Richter durfte einen Schöffen aus der Mitte der Schöffenbank auswählen, den er um Urteil fragte. Jedoch ist nach 47 § 1 der Weichbildvulgata kein Schöffe pflichtig, dreimal nacheinander Urteil zu finden.464 Die Schöffen sind nach § 2 Schweidnitzer Handfeste von 1328, die für das Untersuchungsgebiet, mithin für den gesamten Geltungsbereich des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts zumindest als Vergleichsquelle herangezogen werden kann, durch einen Eid, den sie gegenüber dem Erbrichter schwören, verpflichtet, „nach irre Gewissen Recht [. . .] zu vinden und geben, deme Armen als deme Richen, nach iren Truwen, daz in sullen sie nicht lazen, wedir durch Lip noch durch Leit, noch keinerlege Sache wille.“ 465 Soweit es die Rechtsbücher mit besonderem Bezug zum Untersuchungsgebiet betrifft, heißt es in § 7 der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304: „Deme Burcgreve buzzen Dinge noch deme Schultheizen en ist nichein Sheppe noch Burgere phlichtic Orteil zu vinden buzen gehegetem Dinge, iz en sie in einer handhaftegen Tat.“ 466 Die Pflicht der Schöffen (und der Bürger, die nicht Schöffen waren) zur Urteilsfindung bestand aber nur im gehegten Ding. Die Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung enthält keinen Hinweis auf eine Eidesformel etwa vergleichbar § 2 Schweidnitzer Handfeste von 1328. 461 Näher zum Amt und dessen Schicksal Lück, Gerichtsverfassung in den Mutterstädten, S. 167 ff.; ders., Schöffenstuhl, S. 138 ff.; Schranil, Stadtverfassung, S. 90 ff., 208 f.; Weitzel, Rechtsbegriff, S. 78. 462 Scheyhing, Bannleihe, S. 9 ff. 463 Lück, Gerichtsorganisation, S. 315 f. 464 Vgl. Planck, Gerichtsverfahren I, S. 110 f. 465 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 519. 466 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 450.

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Die Pflicht, Urteil, mithin Urteil ohne Zweifel und in Kenntnis des Rechts zu finden, geht hervor aus Buch T Kapitel 47 des Rechtsbuchs „Der Rechte Weg“, einem Bestandteil des Rechtsbuchs „Ad decus“, dieses wiederum Bestandteil der Blume des Sachsenspiegels: „Item welch scheppe ortil yn czweyfel findet und nicht vor war weis, das recht sey, der ist meyneydig.“ Buch S Kapitel 53 sagt: „Des rechten gebot gehet obir alle gebot [. . .]. Des rechten rath und vornunft geht vor alle vornunft [. . .]. Die richter und die scheppen sollin das recht nymande vorczyhen ane redeliche sache.“ Es besteht also die Pflicht zur gerechten, vernünftigen, unparteiischen Urteilsfindung. Dies alles deckt sich insoweit im wesentlichen auch mit den Richterpflichten, jedoch freilich nicht, soweit es die Urteilsfindungspflicht betrifft. Es hat sich im Budißiner Eidbuch das Formular des „Rattmann Eydts“ aus dem 15. Jahrhundert erhalten, der, da insoweit keine besonderen Schöffeneide überliefert sind, vielmehr das Schöffenkollegium Bestandteil des Rates war, mithin in dem Eid auch, wie zu sehen sein wird, Schöffenpflichten beeidet werden, auch und gerade für die Schöffen galt: „Ich swere gote eynen Eidt unserm allergnedigsten Herrn Herrn Khönige zu Behem vnd seiner Gnaden Cronen zu Behem alzeit getrew vnd gewehre zu sein Vnd Seinen gnaden zehelffen mit Leibe vnd gute wider allermeniglich vnd meynen burgermeister gehorsam ze sein, In allen sachen nach meyne besten vermögen eyn recht zethun vnd eyn vnrecht zu krenkin, dem armen als dem reichn eyn recht orteil zefinden, Vnd den ratt nicht zemeiden, vnd vnstets allergsten. Herrn des Königes vnd der Cron zu Behem bestes Jn allen sachen ze suchen, Vnd das nicht lassen weder durch Lieb nach durch Leide, noch durch eynerlei handt gaben, das hulffe mir gote vnd seine gottliche genade, amen.“ 467 Nach 1635 lautete der Budißiner Ratmanneneid: „Ich N.N. schwöre Gott einen Eid, den Dchl. Fürsten und Herrn, Herrn [Name des Landesherrn – HvS] und der Stadt Budissin allezeit getreu und gewehr zu sein, Ihrer Kfstl. Dchl., wie auch E.E. Rats und gemeiner Stadt Bestes, Hoheit und reputation in unterhänigster und gebührender Acht zu haben, ihrem Schaden und Nachteil zu wehren und nach Vermögen verhüten und abwenden zu helfen und meinem Bürgermeister gehorsam zu sein in allen billigen und rechten Sachen, nach meinem besten Vermögen ein Recht zu thun und ein Unrecht zu kränken, dem Armen als dem Reichen ein recht Urteil zu finden und den Rat nicht zu melden, noch niemand zu eröffnen oder davor zu warnen, sondern bis an mein Ende geheim und verschwiegen zu halten, auch der mehrern Stimmen Gutachten, Raten und Urteilen mich zu accomodieren, mit denselben zu schliessen und solche ferner nicht anzufechten, weder heimlich noch öffentlich, sondern verantworten und verteidigen zu helfen und zu gutem Frieden, Ruhe und Einigkeit jederzeit zu raten und zu dienen, und das nicht zu lassen, weder durch Liebe noch durch Leide, noch durch keinerlei Handgabe. Das helfe mir Gott und seine 467

StadtA Bautzen, Eidbuch, Bl. 27.

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göttliche Gnade.“ 468 An den vor und nach 1547, mithin 1635 auf Ebene der landesherrlichen Städte im Untersuchungsgebiet geleisteten Eiden wird übereinstimmend erkennbar, daß auch hier auf der Linie fränkischer und Eiden des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts neben der vor allem in der Neuzeit hervorgehobenen Treue- und Gehorsamspflicht gegenüber Landesherrn und Rat Hauptpflicht der Schöffen (und anderer Personen als Urteiler anstelle der Schöffen wie etwa die „Nur-Räte“) war, gerecht, mithin unbeeinflußt gegenüber jedermann ohne Ansehung der Person zu urteilen. Hinsichtlich der Schöffen in der späteren Zeit fordert das kurfürstliche „Generale wegen des Verfahrens in Untersuchungs-Sachen“ vom 30. April 1783, veröffentlicht im Markgraftum Oberlausitz mit Oberamtspatent vom 28. Juli 1783,469 lediglich ausdrücklich bei Delikten, „so nach Vorschrift der Gesetze Lebensstrafe oder sonst eine harte Leib und Ehre betreffende Strafe nach sich ziehet“: „Wenn sich unter den ordentlichen verpflichteten Beysitzern des Gerichts Zween, welche der Sprache, die der Inquisit redet, mächtig sind, befinden, so sind diese, nebst dem Dollmetscher, zu den Vernehmungen des Inquisiten jedesmal zu ziehen [. . .]. Falls hingegen [in den genannten Fällen – HvS] Zweene dergleichen ordentliche Gerichts-Beysitzer nicht vorhanden sind [. . .]; so hat der Richter sich zu bemühen, Zweene Personen, die der fremden Sprache dergestalt kundig sind, daß sie die Richtigkeit des Protocolls und der Uebersetzung beurtheilen und bekräftigen können, zu erlangen, welche sodann zu außerordentlichen bey einer dergleichen Untersuchung behörig zu verpflichten [sind].“ Von der Pflicht zur Ablegung des Schöffeneides ist nicht die Rede. Das wohl auch früher und später gebrauchte Formular einer „Eydes-Notul“ der Görlitzer „Scabini“, ein von dem der bloßen Ratsherren verschiedener Eid, aus dem 18. Jahrhundert lautet: „Ich N. N. schwöre Gott dem Allmächtigen, und dem [Landesherrn – HvS]; Wie auch E. E. Rath der Sechs Stadt Görlitz, und ganzen Gemeinde, Armen und Reichen, daß in dem Amte eines Scabini, darzu ich von E. E. Rathe erkohren bin, allen möglichen Fleiß will anwenden, damit gemeiner Stadt Nuz, Frommen und bestes gefördert, hingegen Schaden und Nachtheil abgewendet, und verhüthet werde, auch daß ich die Gerechtigkeit will stärcken, die Ungerechtigkeit aber kränken, insonderheit will ich nebenst dem Stadt Richter, und assessore judicii in allen vorkommenden Gerichts-Sachen, nach meinem besten Verstande gleich Recht sprechen, diejenigen Gerichts-Sachen aber, so von rechtswegen heimlich zu halten sind, niemand offenbahren, wie auch des Raths, und der Stadt Heimlichkeiten, es sey gegen den Einheimischen oder Frembden keineswegs entdecken, noch melden, sondern bis in die Grube verschwiegen halten, gegen E. E. Rath gehorsam getreu, und gewärthig seyn, bey Besichtigungen und anderen Gerichts-Actibus darzu ich erfordert werde, alles wohl in acht neh468 469

Abgedruckt Baumgärtel, Ratslinie, S. 16 f. KW IV, S. 50 ff., 56.

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men, und wie ich es befunden, treulich eröffnen, nach der vo[m] [Landesherrn] gnädigst approbierten Neuen Raths-Ordnung, mich aufs genaueste richten, und achten, auch sonsten dasjenige, was einen rechtsschaffenen Scabino eignet und gebühret, besten Vermögen nach, verrichten, und solches nicht unterlaßen will, weder um Gunst, Geschenke, Freundschafft, Feindschafft, Eigennutz, Ansehung der Person, noch einiger andern Ursache wegen; Als mir Gott helffe, und seine Göttl. Gnade!“ 470 Im Pflichtbuch der Stadt Görlitz von 1731 erscheint bei Vorkommen einer Vielzahl von Eiden, selbst eines solchen des Totengräbers, neben dem Ratmanneneid kein besonderer Schöffeneid. Vielmehr enthält der Ratmanneneid die Formel, „gleich [. . .] Recht dem Armen als dem Reichen mit[zu]theilen und das Ubel [. . .] unangesehen Gunst, Gaben, Freundschafft oder Feundschafft“ mitzuteilen. 471 Wie gesehen, handelte es sich bei den Görlitzer Schöffen in diesem Zeitraum um Ratsmitglieder, weswegen dieser Eid auch insoweit heranzuziehen ist. Auch jetzt noch werden mithin neben besonders aufgeführten einzelnen Pflichten, die sich mit der Zeit herausbildeten beziehungsweise besonders aufgeführt wurden, und der Treue- und Gehorsamspflicht, hier insbesondere gegenüber dem Rat beziehungsweise der Stadt, die altbekannten Schöffenpflichten, gerecht und unbeeinflußt zu urteilen, genannt. d) Entscheidungsverfahren Betreffend die Frage nach der Entscheidungsfindung in den Stadtschöffengerichten im Untersuchungsgebiet geben die heute (noch) greifbaren Urkunden nur wenig Auskunft. Die landesherrliche Urkunde vom 22. Mai 1329 besagt: „Dar nach, ob ein Burger beclagen wolde derselben unserer Man Gepowren [. . .], der sol antwurten in der Stat vor dem Erberichter und vor den vier Benken, da der Stat Schepfen siczen und sol ir Urteyl leiden“. „Darnach, ob daz were, daz in der Stat, oder als verre der Stat Gerichte get, einen Ritter, oder ein rittermezzig Man, oder keyner irer Lehenmanne, oder irer Brotezze ein Unfug, oder ein Ungericht tet, ez wer groz oder clein, wurd er begriffen mit handheftiger Tot, so sol er antwurten in der Stat vor unserm Voyt und vor unserm Erberichter und sol der Gesworn Urteyl leiden.“ 472 Soweit es die Rechtsbücher des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts, insbesondere solche mit besonderem Bezug zum Untersuchungsgebiet betrifft, geht zunächst aus der Weichbildvulgata der Grundsatz der Funktionsteilung hervor. So heißt es in Art. XLVII § 1: „Is sal kein schepphe zu rechte driestunt nach eynander orteil vynden yn gehegetem dinge.“ In Art. LXXIII werden Regelungen hinsichtlich unrechter Urteile getroffen: „Welch man eynen schepphen an eynem orteile straffen will in gerichtis banne, der sal en straffen mit sollichen worten: ,Herre, er richter, daz orteil, daz der schepphe vunden hat, 470 471 472

RA Görlitz, Eydes-Notuln, unpaginiert. RA Görlitz, Pflichtbuch, Bl. 3. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 528 f.

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daz ist von unrecht‘.“Auch die Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304 ist diesem Grundsatz verpflichtet. In § 105, der überschrieben ist: „Von des Richteres Rechte (unde von Urteilen)“, wird dies so formuliert: „In allen Steten ist daz Recht, daz der Richter richte mit Urteilen. Swelches Urteiles man erst vraget, daz sol man von erst vinden.“ 473 In § 7 heißt es: „Deme Burcgreve buzzen Dinge noch deme Schultheizen en ist nichein Sheppe noch Burgere phlichtic Orteil zu vinden buzen gehegetem Dinge, iz en sie in einer handhaftegen Tat.“ 474 Diese Pflicht der Schöffen (und der Bürger, die nicht Schöffen waren) bestand aber nur im gehegten Ding. Auch § 7 sagt, soweit es die Zwangsvollstreckung in liegendes Gut betrifft: „Uwirt einem Manne sin Gut gevronet mit Rechte, daz sol jener besitzen, der iz in Vrone bracht hat, mit der Vrone drie Tage und Nacht. [Her sol] daz Gut uf bieten zu drien Dingen, ummer ubir viercen Nacht. Zu dem vierden Dinge sol im der Richter Vride dar ubir wirken unde sol iz im eigenen mit Shepphen Orteilen.“ 475 Aus § 86, der über die Urteilsschelte handelt, geht hervor, daß auch nach dieser Rechtsquelle der Richter einen Schöffen um Urteil fragte: „Swer ein Urteil shildet, der spreche alsus: daz Urteil, daz der Man gevunden hat, daz ist unrecht, daz shelde ich unde cie des, dar ich iz zu Rechte hin cien sol.“ 476 Diese Vorschrift läßt mithin erkennen, wie Urteil (nach Urteilsschelte) zu finden war: „Sitzende shol man Urteil vinden, under Kuniges Banne, manlich uff sime Stule. Der abir dar zu den Benken nicht geboren ist, der shol des Stules biten mit Urteilen, ein ander Urteil zu vindene, so sol jener im den Stul ru˚men, der daz erste Urteil vant.“ 477 Der Grundsatz der Funktionsteilung findet sich auch wenig später wieder in der Blume von Magdeburg, deren Particula II überschrieben ist: „Nu hebet sich dy ander particula an. Vnd sint vrteille, dy geteilt sein von den schepfin.“ Der Teil der Blume des Sachsenspiegels, der auch als Rechtsbuch „ad decus et decorem“ erschien, enthält eine Unterscheidung zwischen „Urteilsitzen“ (Rechter Weg Buch T Kap. 71: „zu dem ortil siczen“), was die Funktion der Schöffen darstellt, und die Form des „entscheydt[s]“ durch „suneman“, „entscheydesleute“ oder „korrichter“, eine Form der außergerichtlichen Einigung (Rechter Weg Buch T Kapitel 71; vgl. Buch S Kapitel 13). Letztere dürfen nicht im selben Verfahren Schöffen sein, mithin Urteil finden. Bei Verfahren vor den Entscheideleuten („korrichtern“) erfolgt keine Funktionsteilung. Sind sie sich nicht einig, kiesen sie einen „obirman“ (Rechter Weg Buch S Kapitel 13; Buch T Kapitel 72). Soweit es die Schöffen bei der Urteilsfindung betrifft, besteht jedoch der Grundsatz der Funktionsteilung fort, indem Angehörige der Rechtsgemeinschaft der Parteien Urteil über diese finden, niemals jedoch der Richter. Deutlich ist etwa die Regelung in Rechter Weg Buch T Kapi473 474 475 476 477

Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S.

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ff., 469. ff., 450. ff., 459. ff., 466. ff., 466.

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tel 31: „Von ortil und scheppen. – Wo sich scheppen besprechen umbe ein ortil, die sollen sich gleich bewaren an irem eyde, synt sie gemeynlich das ortil vorlworten al spricht is der eyne scheppe auß.“ Rechter Weg Buch T Kapitel 47 enthält folgende Regelung: „Von czweyfil, geduncken, ortil, scheppen, waen. – Welch ortil noch geduncken fundin wert, mag keyn ortil nicht gesein [. . .]. Item welch scheppe ortil yn czweyfel findet und nicht vor war weis, das recht sey, der ist meyneydig.“ Die Urteilsfindung erfolgte auch nach den hier ausgewerteten Gerichtsbüchern der landesherrlichen Städte (zunächst) allein durch die Schöffen beziehungsweise Urteiler. Festzustellen ist, daß Eintragungen hinsichtlich gerichtlicher Entscheidungen in sämtlichen Gerichtsbüchern im Untersuchungsgebiet nur vereinzelt erfolgten. Grund ist wohl, daß noch bis in die Neuzeit das Verfahren mündlich geführt wurde. Im ältesten Budißiner Stadtbuch, beginnend 1359, findet sich folgender Eintrag: „Wie scepphin bekennyn, daz Eckesteyn ist ledig geteylt von Ringynhan, in den virbenken.“ 478 Deutlicher ist ein Eintrag im Jahr 1362: „Johannes Apfil quam vor dy virbenke, do vrote Pauyl Czobeke eynis orteyls, ab her vorbas keyn hindirnis sulde habin von Hanus wene an synis vatir hofe, den Pauyl gekouft hat wedir Girske. Do wort orteyl gevrot, ab yn Hans icht gehindirn mochte, ab Aphil abginge. Do wart geteylt fuege, no zo sulde her swigin ymmir me.“ 479 1363 heißt es: „Heyczin von Bosthewicz wart getelt in den virbenken, daz her daz gelt vorburgen sal vnd daz en Bruno doran vmbillich hemit vnd hindirt.“ 480 Im selben Jahr heißt es: „Johanni Groschener hot recht vnd orteylt geteylt, daz her der vormundeschaft vnd Hannus Czugemantyls kint vnd alle synis gutis sal syn geualdik, als recht ist. Testes Heynich Grulich, Pomirlyn, Pecze Schreter.“ Die genannten Personen werden im nächsten Absatz ausdrücklich als „schepphin“ bezeichnet.481 1380 heißt es: „Crusen ist geteylt, daz man ym helfen sol czu der Batstoben.“ 482 Auch aus den Laubaner Schöffenbüchern mit dem Überlieferungszeitraum 1489 bis 1534 wird der Grundsatz der Funktionsteilung deutlich, so etwa anhand eines Eintrags bereits von 1489: „Der schoppe teilt ortel vnd Recht [es folgt der Spruch – HvS]“. Einträge dieser Art finden sich bis Ende des Überlieferungszeitraums.483 Im Löbauer Rügenbuch heißt es hinsichtlich einer Zwangsvollstreckung in ein Grundstück: „So haben sy noch orteyl vnd recht gefrogt, ab sy den selbigen hammer icht billich erstanden vnd ireclagt haben, dorvff ist inn dy hulffe geteylet vom scheppen ausz gehegitter bang vnd also

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Budißiner Stadtbuch 1359, S. 13. Budißiner Stadtbuch 1359, S. 16. 480 Budißiner Stadtbuch 1359, S. 24. 481 Budißiner Stadtbuch 1359, S. 24. 482 Budißiner Stadtbuch 1359, S. 88. 483 StA Breslau, Schöffenbücher Lauban I, Bl. 14 b; vgl. StA Breslau, Schöffenbücher III, Bl. 252 b, 258. 479

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hulffe vnd eynweysunge gescheen.“ 484 Weiteres ergibt sich aus dieser Quelle nicht. Hinsichtlich der Stadt Görlitz ergeben sich Hinweise auf die auch hier erfolgte Verwirklichung des Grundsatzes der Funktionsteilung bereits aus dem Privileg Markgraf Hermanns von 1303 zugunsten der Görlitzer, in welchem hinsichtlich der Gerichtsverfassung des Görlitzer Stadtschöffengerichts auf die „jura Magdeburgensia“ als Grundlage verwiesen wird,485 welche ihrerseits wie gesehen vom Grundsatz der Funktionsteilung ausgehen. Ein Bericht über die Görlitzer Gerichtsverhältnisse von 1533 besagt, daß die Regelungen des Privilegs von 1303 „bisher in stetem brauch gehalden wurden“ und verweist insbesondere darauf, daß allein die Schöffen das Urteil fänden und etwa auch beurteilten, ob Lemde, ein Tatbestand, auf den Leibesstrafe stand, vorliege.486 Undeutlich ist insoweit das älteste Görlitzer Stadtbuch, beginnend 1305. Auf die zentrale Stellung der Schöffen, nicht des Richters, mithin das Vorhandensein des Grundsatzes der Funktionsteilung bei der Urteilsfindung deutet jedoch bereits die oftmalige Wendung, daß eine Handlung „coram scabinis“ erfolge.487 Ausschließlich die Schöffen holten in manchen Fällen Urteil beim Magdeburger Oberhof und verkündeten es: 1338 kam Peter von Salza in gehegtes Ding vor den Erbrichter und die Schöffen und hat geteidingt gegen Heinrich von Salza „sime eldir vatir umme erbe und umme guth mit urteyl und mit rechte, des habin dy vorgenanthen zhepphin zcwishen irre beidir rede urteil geholt zyu Maideburch, des habin dy von Maideburch eyn recht her geteylit und gesprochin, als ir hy horet.“ 488 Vergleichbare Hinweise bietet das zweitälteste Görlitzer Stadtbuch.489 Deutlichere Hinweise auf das Vorhandensein des Grundsatzes der Funktionsteilung ergeben sich aus dem ältesten Görlitzer liber actorum, beginnend 1389, das sowohl Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit als auch streitige Sachen enthält. Funktionsteilung ist bereits an gerichtlichen Verfügungen während des Verfahrens erkennbar. So verlangte das Gericht etwa Beweis durch eine Partei: „Dy schepphin habin gesprochen vor eyn recht, das Swarcze [. . .] selbsebinde bewisen sal, das er des unmunden kindes muter, des Heynrich Schoff vormunde ist, beczalet habe, das ym mag gefulgen, und das sal her tun am Freitag noch Barthol.“ 490 Die Schöffen fällten auch die Entscheidungen im Rahmen der Zwangsvollstreckung: „Langen Cirstan habin dy schepphin geteilt, das man im rechtis und pfandis helfin mag zcu Barthus Bessers sone, ochsen und andir habe pro 4 mr. gr.“ 491 Einmal hielt sich das 484 485 486 487 488 489 490 491

HStA Dresden, Rügenbuch Löbau, Bl. 83 b. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. RA Görlitz, Die Gerichte zu Görlitz betreffende, Bl. 2, 6 ff. Jecht, Ältestes Stadtbuch, S. 8. Zander Rotes Buch, S. 57 f. Jecht, Zweitältestes Stadtbuch, S. 133 ff. Jecht, liber actorum, S. 129. Jecht, liber actorum, S. 131.

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Erbgericht in der Sache: „Judex de Zee contra Schreiber de Meraw 12 gr. et plasfemia und wegeloge im und seyme wybe“ nicht für zuständig und erließ entsprechende Entscheidung: „Dy schepphen habin geteilt, das dy zw clagen sullen abegehen, dy Czech der richter vom Zee geclaget hat zcu dem schriber von Meraw und sal ym doraussen entwarten und ist los von ym geteilt.“ 492 Dem siegreichen Kläger wurden die streitgegenständlichen Sachen „zugeteilt“: „Frenczel Berman de Lobaw habin dy schepphen und geheite bang zugeteilet dy sachen, dy Wendeler von Dulewicz seyn wedirsache keyn im gefurt hat, dy komen Wendeler zu schaden und Frenczel Berman czu fromen.“ 493 Urteil fällen und verkünden wurde regelmäßig „Urteil teilen“ genannt: „Dy schephin habin geteilt, das Heinrich Schoff seyne teding dirlanget hat von des unmundigen kindes wegin bis uff Otten sons helfe von der Wezen.“ 494 „Dy schepphin habin geteilt Lorenczen Teicheler zcu helffin czu Hippen von Kunerstorff und czu alle seynen gutern [. . .] umb 32 sch. gr.“ 495 Auch in peinlichen Sachen fanden die Schöffen das Urteil. Dies ist bereits daran erkennbar, daß nach dem ältesten Görlitzer Gerichtsbuch, in dem vor allem peinliche Sachen eingetragen wurden, dem ältesten liber vocacionum, beginnend 1390, „die schepen“ „dy wunden [. . .] besyn“ „schalen“.496 Noch bei Haß heißt es in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, hier bezogen auf vergangene Rechtsstreitigkeiten zwischen Görlitzer Bürgern und Bauern des Weichbildes Görlitz, jedoch mit Hinweis, daß es auch gegenwärtig so gehalten werde: „Hie mercke, das [der Bauer] aldo [vor dem königlichen Erbrichter – HvS] zu rechte hat stehn vnd der schoppen vrteil vnd erkentnus leiden mussen.“ 497 In peinlichen Sachen wurden nach diesem Bericht „die wnnde von dem schoppen besichtiget vnd erkant [. . .], ab sie lembde sey, adir nicht“,498 mithin ob die Zuständigkeit des Görlitzer Erbgerichts gemäß der landesherrlichen Urkunde von 1303 in sachlicher Hinsicht eröffnet war oder nicht. Auch der genannte Bericht über die Verfassung des Görlitzer Erbgerichts von 1533 bestätigt dies.499 Hinsichtlich der Entscheidungsfindung im Erbgericht Zittau heißt es in den Jahrbüchern Johanns von Guben für das Jahr 1361: „Do [. . .] quam der bischof her von meydburg, der do gewaldig was an keyser Karls stat, vnd saz eyn gerichte hy vnd liz ym eyn ding hegen, vnd di schephen in dirre stat sasen in den vir benken [. . .]. do sprach der bischof [. . .], wen iz unczemelich ist meyn keyserrechte by lichte tedingen vnd dingen, hyrumme, ir schepphen, bedenket vch hint mit vwern eldisten wi ir mynem herren eyn recht vint [. . .]. Dez gab man ding vf. 492 493 494 495 496 497 498 499

Jecht, liber actorum, S. 136. Jecht, liber actorum, S. 137. Jecht, liber actourm, S. 138. Jecht, liber actorum, S. 138. Jecht, liber vocacionum, S. 5. Haß, Ratsannalen II, S. 154. Haß, Ratsannalen II, S. 177. RA Görlitz, Die Gerichte der Stadt Görlitz betreffende, Bl. 6 ff.

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vnd des morgens wol vmme metten czit, [. . .] do wolde der bischof abir eyn dinc hegin. Do sprochen di schepphen czu dem bischof ,gnedeger herre, ir wolt, das wir vnserm herren eyn recht sprechen in dem keyserrechte, herre, daz vor ny gewonlich gewest ist, vnd ouch keyn man in dirre stat keyserrecht ny gelart hot: herre, hatte ymant vormolz icht czu tedingen gehat in dirre stat, der quam vor di vir benke; herre, dem sprach man eyn vrteyl noch rate der schepphen, ab si iz gelort mochten werden; waz aber dez nicht, so holte man iz an der stat, do man ander recht holt, daz keyn man in dirre stat keyn vrteyl noch keyserrechte ny geteylt hat. Herre, ir vroget mit vwerm vorsprechen vrteyl vber urteyl vnd aber vrteyl vber urteyl: hierum kunne wir uns, herre, nicht bewarn, von ersten keyn gote, do noch keyn vnserm rechten herren, do noch keyn arm vnd richen, daz wir noch keyserz rechte eyn vrteyl sulden teyln, dez wir nicht enwissen [. . .]. der bischof sprach ,ir herren, ich muz iz uch vor obil haben, daz ir mir nichtes gehorsam wolt syn.‘ vnd schit dez von hynne yn vnguten“.500 Daraus geht hervor, daß auch hier die Schöffen auf Befragen des Richters das Urteil fanden, wenn auch streitig war, nach welchem Recht dies zu erfolgen hatte. Deutlich wird aber insoweit, daß es die Schöffen waren, es also die genossenschaftliche Ordnung war, die das Urteil und damit allgemeinverbindliches Recht fand. Hinsichtlich der späteren Zeit insbesondere nach 1547 fragt sich, ob und inwiefern zum einen weiterhin das Prinzip der Funktionsteilung aufrechterhalten wurde und zum anderen auch weiterhin inhaltlich das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ galt, also durch das Urteil der Schöffen im Einzelfall auch allgemeinverbindliche Regeln für die Genossenschaft hierdurch gestaltet wurden. Hier sind zunächst die Gerichtsbücher dieser Zeit heranzuziehen. Ein Erbschaftsstreit wurde den Görlitzer libri actorum 1559–1577 zufolge 1559 „coram [zwei Namen] scabini“ ausgetragen. Eines Richters wird nicht gedacht. Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit erfolgten danach wenn nicht vor dem Rat vor regelmäßig einem Schöffen allein. Auch insoweit wird der Richter nicht genannt.501 Urteile in Obergerichten wurden regelmäßig von Oberhöfen eingeholt und schlicht publiziert, nach 1547 bis 1635, etwa 1585 und 1615 von der Appellationskammer Prag.502 Es scheint also, daß zumindest weiterhin in Richter und Schöffen geschieden wurde. Immer zahlreicher und auführlicher werden jetzt die normativen Quellen, etwa städtische Ordnungen und Statuten. Die Görlitzer Gerichtsordnung von 1593 beinhaltet auch Regelungen hinsichtlich der Urteilsfindung beziehungsweise der Herbeiführung eines Vergleichs: „Tit. IV. Von Sachen, in welchen der Richter allein zu erkennen oder zu handeln Bedenken hat. Wenn Sachen vorfallen, in welchen der Richter zu handeln, auch wegen der Wichtigkeit derselben

500

Johannes von Guben, Jahrbücher, S. 14 f. RA Görlitz, Stadtrecht, unpaginiert. 502 Vgl. etwa RA Görlitz, Schwarzes Buch 1561–1593; RA Görlitz, unpaginiert; RA Görlitz, Schwarzes Buch 1615–1629, Bl. 11. 501

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zu erkennen Bedenken hat; so soll ihm frey stehen, dieselben auf einen gewissen Tag in die verordnete Handels-Stube zu verlegen und darzu etliche Hrn. Schöppen, auch nach Schwere und Gelegenheit der Sache den Syndicum erfordern und bitten zu lassen, und was alsdenn nach genugsamer Verhör der Parthen, denen Rechten, der Stadt Willkühr, Gebräuchen und der Billigkeit gemäß befunden wird, darauf soll ein Abschiedt gerichtet und verfasset, oder wofern die Parthen durch persöhnliche Mittel verglichen, der Vertrag vermöge und laut der Abhandlung begriffen, beyden Theilen abgelesen, und in das Gerichts-Memorial-Buch einverleibet worden,“ soll Rechtskraft erlangen. Weiter heißt es: „Und nachdem sich bishero die Parthen zum öfftern aus geringen unerheblichen Ursachen, von dem Richter und seinen Abschieden, als beschweret an den Hrn. Burger-Meister und Rath gezogen, daraus denn nicht allein Verkleinerung des Richterlichen Amtes, sondern auch allerhand Unordnung und Weiterung erfolget, auch der Ungehorsam bey denen Leute gefährlich gestärket worden; so soll hinführo solche Beruffung ohne sonderlich erheblich und wichtige Ursachen vom Hrn. Burger-Meister und Rath nicht verstattet werden [. . .]. Da aber ja der Rath aus sonderlichen erheblichen Bedenken die Sache zu sich nehmen, und darinne fernern Verhör anstellen würde: So soll doch vornehmlich dahin gesehen werden, damit des Richters Bescheidt, so viel immer möglich salviret werden kann. Wenn aber gleichwohl aus etlichen Circumstantiis ein anderes erkannt werden müsse: So soll derselbe Abschiedt vor dem Rath schrifftlich verfasset und publiciret werden.“ 503 Wie erörtert geht daraus hervor, daß der Rat begonnen hatte, Sachen des Erbgerichts erst- und zweitinstanzlich an sich zu ziehen. Vor allem wird indes deutlich, daß, wie bereits die Überschrift dieses Abschnittes der Gerichtsordnung zeigt, die Gerichtsordnung von dem Grundsatz ausgeht, daß der Richter allein für Erkenntnis und „Abschied“, also Urteil zuständig war. Der Richter war der maßgeblich zur Entscheidung Berufene, dessen Ansehen dadurch, daß der Rat seine Entscheidungen überprüfte, „verkleinert“ wurde beziehungsweise seine Urteile von den Gerichtsunterworfenen nicht mehr ernst genommen wurden. Nur in bestimmten Fällen, wenn nämlich der Richter die Sache nicht allein beurteilen und richten wollte, durfte er Schöffen und sonstige Ratspersonen, mithin den Syndikus der Stadt hinzuziehen. Den Schöffen kam jetzt nur noch unterstützende Funktion des Richters zu, indem sie ihn bei der Urteilsfindung berieten. An anderen Stellen gibt die Gerichtsordnung jedoch althergebrachte Urteilsformeln wieder, und zwar im Hinblick auf verfahrens- und vollstreckungsrechtliche Entscheidungen: „Urthel. Schöppen sprechen für Recht, weil Beklagter nach Gewohnheit dieser Gerichte citiret worden, und aber weder für sich, noch sein Anwalt erschienen“; „Schöppen sprechen für Recht, weil Beklagter auf ergangene Citation für 3. unterschiedlichen Gerichten nicht erschienen“; „Schöppen sprechen für Recht: weil Beklagter sein Haus und Hoff, fahrende und unfahrende 503

Weinart, Rechte IV, S. 115.

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Haabe, als wären alle dinglichen Rechte darüber ergangen, verschrieben, und Kläger indem die Rechte noch Ordnung dieser Gerichte überall begangen; so wird ihm solches alles nach Verscheinung zweier Monathe [. . .] eingeräumet“. Solche Urteilsformeln werden hinsichtlich materiellrechtlicher Entscheidungen nicht aufgeführt, so vor allem nicht in peinlichen Sachen. In peinlichen Sachen kam dem Schöffen nach dieser Rechtsquelle die Aufgabe ausdrücklich nur als „Zeuge“ zu.504 Insoweit verweist die Gerichtsordnung hinsichtlich des Achtsurteils auf die Ausführungen in Chilian Königs „Practica“ aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts,505 wo steht: „Von der Acht. Vrteil vn erklerung der Acht oder Verfestung, im vierden Gerichte [. . .]. Derwegen erkennen vnd sprechen wie Richter vnd Schoppen.“ In dem dort mitgeteilten Formular eines „Achtbrieffs in ubernechtiger klage“ heißt es: „Wir N. Landrichter / N.N.N vnd N. Schöpffen deß Landgerichts [. . .] thn kund / vnd verkündigen hiermit.“ 506 Hiernach waren also abweichend sowohl Richter als auch Schöffen zur Urteilsfindung berufen. Die Gerichtsordnung folgt hier mithin den Ausführungen Königs hinsichtlich der Stellung des Richters und der Schöffen bei der Urteilsfindung: „Von den beisitzern oder Schöpffen. Cap. XXIII. Es hat eim jglich ordentlich Gerichte seine Rathgeber / Schöpffen vnd Beisitzer / welcher der Richter in seinem Process so vor jm gehalten / auch in den vrteilen / so in dem Gericht gesprochen werden / zu Rathe gebraucht [. . .] / Ein Assessor / Schöpffe oder Beisitzer wirdet der genannt / den der Richter zu sich zeucht / das er bey jme im gerichte sitze / vnd jme in den hendeln vnterrichtung thue / Rath gebe / vnd urteil finde [. . .] / Nu ist der gebrauch in gerichten nach Sechsischem Rechte / die wir halten / das der Richter kein urteil findet / sondern befihlet das seinen Schöpffen / vnd rathgeben ADDE zu finden / Vnd wenn sie das vrteil gefunden haben / als denn mus es der Richter selber aussprechen in seinem namen vnd nicht in der Schöpffen [. . .] namen [. . .]. Aber in diesem Fall mus der Richter auff das vrteil / das sein Schöpffe findet / mit auffmerckung haben / wie es darumb nach gelegenheit der acta stehe / ob es den gleichförmig vn gemess gefasset sey / vn bestehen möge / Denn findet jme der Schöpffe ein vnrecht vrteil / das sol er nicht zulassen / sondern sol jme sagen / das er sich mit seinen Compen weiter bespreche / anders ist der Richter des vnrechten urteils teilhafftig.“ 507 Hiernach bestand also zumindest bei größeren wie peinlichen Sachen keine Funktionsteilung zwischen Richter und Schöffen mehr, denn der Richter nahm Einfluß auf die Urteilsfindung, indem er (als gelehrter Richter) das von den (Laien als) Schöffen gefundene Urteil am geltenden Recht überprüfte und gegebenenfalls zurück an die Schöffen zu erneuter Beratung verwies. Bemerkenswert ist, daß einerseits der Grundsatz der Funktionstei-

504 505 506 507

Weinart, Rechte IV, S. 120 ff., 131. Weinart, Rechte IV, S. 133. König, Practica, unpaginiert. König, Practica, unpaginiert.

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lung als Merkmal des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts ausdrücklich anerkannt wird. Andererseits wird aber gemäß dem rezipierten Recht gefordert, daß der gelehrte Richter als Vertreter des herrschaftlichen Elements die Entscheidung überwache und gegebenenfalls korrigiere. Die Urteilsfindungskompetenz der Genossenschaft wird also inhaltlich entscheidend eingeschränkt, auch wenn formal die Funktionsteilung in Richter und Schöffen bestehen bleibt. Durch dieses Einfallstor verlor die Stadtrechtsgenossenschaft die Möglichkeit, nach den ihr bekannten Regeln Urteil im Einzelfall und damit allgemeinverbindliches Recht zu gestalten und zu bewahren. Es ist also jedenfalls bezogen auf Görlitz ab 1547 eine (jedenfalls zum Teil erfolgte) Ablösung des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ zugunsten herrschaftlich gesetzten Rechts zu beobachten. Hinsichtlich der Zeit der Zugehörigkeit des Untersuchungsgebiets zum landesherrlichen Herrschaftsraum des Kurfürsten beziehungsweise Königs von Sachsen sind die häufiger werdenden Oberamtspatente, die spätestens ab dem 18. Jahrhundert regelmäßig erbländische Regelungen inhaltlich unverändert übernahmen, heranzuziehen. Dies betrifft zunächst die kurfürstlichen General-Verordnung, „das Verfahren in Untersuchungssachen“ betreffend, vom 27. Oktober 1770, im Markgraftum Oberlausitz veröffentlicht durch Oberamtspatent vom 12. Dezember 1770, wurden, soweit es „Verbrechen“ betraf, „worauf die Todes- oder Leibesstrafe“ stehen konnte.508 Insoweit wurde für die Erblande und das Untersuchungsgebiet wie bei den Grundherrschaften auch hinsichtlich der „Städte“ davon ausgegangen, daß ein Schöffenstuhl oder eine Juristenfakultät Urteil fand. Das Stadtgericht hatte – unter „Führung“ des Stadtrichters – lediglich die Untersuchung durchzuführen und das Urteil zu verkünden. Dies galt auch nach dem kurfürstlichen „Generale“ vom 30. April 1783, durch Oberamtspatent im Markgraftum Oberlausitz veröffentlicht am 28. Juli 1783, betreffend dieselben Sachen,509 auch hinsichtlich der Städte. Ein Bericht über ein 1745 veranstaltetes „Hochnothpeinlichen HalßGericht“ des Görlitzer Stadtgerichts enthält folgendes über die Art der Urteilsfindung und -verkündung: „Der Richter saget zu der Angeklagten, Weil du der That geständig, sowohl du anietzo hören, was Urthel und Recht mit sich bracht. Der Richter saget zu dem Notario: Herr Notario: Er wolle der Angeklagten [. . .] den Sentenz publiciren. Hierauf giebt der Richter dem Gerichts Diener das Schwerdt zu halten und nimmt das auf dem Tische liegende Stäbgen in die Hände. Der Notarius aber saget zu der Angeklagten, dieweil du [Name der Angeklagten – HvS] auf deinem gethanen Bekänntniß vor öffentlich gehegtem Hochnothpeinlichen HalßGerichte nochmahls freywillig verharrst; Als erkennen auf Ihro Königl. Majth. in Pohlen und Churfürstl. Durchl. zu Sachsen Unsers Allergnädigsten Herrns erlangten allergnädigsten Befehls Wir, Richter und Schöppen der Königl. Pohln. und Churfürstl. Sächß. Sechs Stadt Görlitz vor 508 509

KW III, S. 87 ff. KW IV, S. 50 ff.

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Recht: Daß du gestalten Sachen nach [. . .] vermöge des aus dem Chur-Fürstlich Sächsischen Schöppen Stuhl zu Wittenberg eingehohlten Urthels [mit dem Feuertod bestraft wirst]. Von Rechts wegen.“ 510 Hiernach erfolgte die Urteilspublikation durch den Notarius. Urteilsfindung erfolgte durch „Richter und Schöppen“ mithin gemeinsam nach Urteilseinholung in Wittenberg. Interessant ist ein Gerichtshegungsformular der Herrschaft Schluckenau in Böhmen im Ratsarchiv Löbau aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, das analog mit leichten Abwandlungen jedoch auch in Löbau angewandt wurde, mithin der Löbauer Gewohnheit entsprach, wie zahlreiche Randbemerkungen, die auf die „Consuetudo Lobaviens.“ verweisen, beweisen. Hier heißt es hinsichtlich etwa der Entscheidungsfindung bezüglich eines Achturteils bei endgültigem Nichterscheinen des Beklagten im peinlichen Prozeß: „Darauff findet der Richter mir radt seiner Scheppen ein solchs vrtell vnd lests den Notarium ablesen. Dieweill N.N. peinlich beclagter vff gnungsame wider Jhme ausgangene ladung vnd jetzo zwei vnd eins beschehene heischung zur antwort nicht furkumben, sondern vngehorsamblich aussen blieben vnd derowegen peinliche ancleger seinen des peinlich beclagten vngehorsamb beschuldiget, So haben riechter vnd Scheppen vor recht erkantt vnd gesprochen, das er Ihmen inhalts der angestellten clagen auff den ersten geriechtstag vnd sein erstes geriecht auff Jhmen erstanden. Erleget vnd erfordert hat. Von rechts wegen.“ 511 Hinsichtlich der Art der Entscheidungsfindung im 19. Jahrhundert ergibt sich aus einem Revisionsprotokoll von 1824 hinsichtlich des Stadtgerichts Budißin: „Was [. . .] die Directorial Geschäfte anlangt, so versichern beide [bei der Revision – HvS] anwesende Rathsglieder [die Richter der jeweiligen Departements des Stadtgerichts – HvS], daß es ihnen und dem verstorbenen Stadtrichter Berger zur Zeit noch immer möglich gewesen sey, mit dem Vortrage der eingegangenen Nummern, Ertheilung der Decrete und Abfaßung der Entscheide und Berichte selbst auszukommen, ohne damit die Aßeßoren zu belästigen, welchen in der Regel blos die Durchgehung der Käufe zugetheilt wurde [. . .]. In Hinsicht der zu publicierenden Erkenntniße versichern die Anwesenden, daß nur wenige Acten zum Verspruche versendet würden. Die Decisia in Rügensachen so wie Interlocuta würden fast insgesamt sofort hier abgefaßt, und nur schwierige und weiläufige Sachen, wann darin Endurtel abzufaßen wären, in der Regel versendet.“ 512 Zwar waren hier stets auch die Schöffen während der Gerichtsverhandlungen anwesend. Ihrer Funktion als Entscheidungsfinder waren sie aber hiernach völlig entkleidet. Die Entscheidungsfindung kam allein dem jeweiligen Richter zu. Die Schöffen waren nur noch im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und bei Zeugenverhören beteiligt. Urteilsfindung durch Angehörige der betreffenden Genossenschaft im Einzelfall aufgrund der in 510 511 512

RA Görlitz, Hegung des Hochnothpeinlichen HalßGerichts, Bl. 9 ff. Abgedruckt Staudinger, Verfassung, S. 38. StadtA Bautzen, Organisation I, Bl. 40 ff., 43 f.

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der Genossenschaft weitergetragenen Regeln und damit Gestaltung allgemeinverbindlichen Rechts für die Genossenschaft erfolgte nicht mehr. Bei Betrachtung sämtlicher angeführter Quellen waren in jedem Fall (mit- oder alleinurteilender Richter) der Grundsatz der inhaltlichen Funktionsteilung bei der Entscheidungsfindung und das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ in der Frühen Neuzeit auf Ebene der landesherrlichen Städte aufgehoben. Die (zumindest) äußerlich weiterbestehende Funktionsteilung zwischen Richter und Schöffen zeigt sich auch auf Ebene der landesherrlichen Städte (über den Zeitpunkt des praktischen Endes des Grundsatzes der Funktionsteilung hinaus) an der Weise der Gerichtshegung und -aufgabe. Die Rechtsbücher künden hinsichtlich des Untersuchungsgebiets als erste vom Bestehen und von der Weise der Gerichtshegung auch auf städtischer Ebene. Die Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304, auf die nochmals in diesem Zusammenhang hingewiesen werden soll, enthält wie erörtert Regelungen über die Gerichtshegung, und zwar in § 110: „Wie daz Gerichte von erst beginne“: „Nu vornemet, welch das erste Urteil sie, daz er im [der Schultheiß dem Burggrafen in der Magdeburger Gerichtsverfassung – HvS] vinden sol. Her [der Burggraf – HvS] sol en [den Schultheißen als neben elf Schöffen dem zwölften Urteilsfinder – HvS] vragen, ab iz Ding-Ciet sie. Swanne im daz gevunden wirt, daz iz Ding-Ciet sie, so vrage her dar nach, ob her sin Ding hegen mu˚ze. So vindet man im zu Rechte, daz hez wol hegen muze, wanne her die Gewalt hat von Gerichtes halben. So vrage her vort, was her vor bieten shulle zu Rechte. So vindet man im zu Rechte, daz vorbieten shu˚lle, Dingslicht unde Uberbracht unde Unlust. Diz sint die ersten Urteil drie, die der Schultheize vinden sol deme Burcgreven. So vrage der Burcgreve vort den Shepphen, ob her deme Dinge icht zu Rechte Vride wirken shulle, daz niemant den anderen irre an siner Clage zu Unrechte. Obir disse Sache sol her Vride wirken bie deme Rechte, daz Recht ist.“ 513 Soweit es die tatsächlichen Verhältnisse betrifft, liegt hinsichtlich des Erbgerichts Görlitz ein Bericht des Görlitzer Erbrichters Schneider aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, mithin aus der Zeit vor den gerichtsverfassungsrechtlichen Veränderungen im Zuge des Pönfalls 1547 vor: „Dingen, Von ding hegen. – Item der richter seczt sich vor, dornoch dy scheppen. Denn so spricht er zu de eldisten scheppen und nendt in mit namen. Item her N. ich frage, ab rechte zeyt zu dingen sey? der denn antwort: her richter, je ist imant, der des rechts begert, so hegt je ein ding billich von des rechten und ewers ampts wegen. Denn spricht der richter: So hege ich eyn ding von gotes wegen, von wegen unszers aller[s] gn[edigsten] h[ern] und von wegen des rechts, und gebitten dysem dinge alles recht, das recht ist, und vorbitten alles unrecht, das unrecht ist, und beware das mit urteyl und frage, ab eyn dyng gehegt sey, wy recht ist? Und der richter mus geben dyse frage den nesten scheppen eben dem eldesten scheppen, der spricht denn: Je ir habt ein ding gehegt wy recht ist.“ Am 513

Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 470.

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Ende des Dings sprach der Richter nach dem Bericht: „So nymant mehr zuthun hot, so heb ich [ein] ding uff. Wen er das gesprecht, so ist das ding [uffgehoben], und ab gleich imant do wer und wolt wes anstellen, so must der richter eyn neie ding hegen: alzso geschach mir [dem Verfasser als Erbrichter – HvS] auch eyns.“ 514 Hieran wird auch hinsichtlich dieser Gerichte erkennbar, daß die Gerichtshegung nach dem Grundsatz der Funktionsteilung, also als – freilich ritualisiertes – Wechselspiel von Urteilsfrage und -antwort erfolgte. Auch spätere Quellen, hier vor allem jetzt auch normative Rechtsquellen wie Ordnungen geben Auskunft hinsichtlich der Art der Gerichtshegung auf städtischer Ebene und damit der weiterhin insoweit zumindest äußerlich aufrechterhaltenen Funktionsteilung. Überliefert ist hinsichtlich Budißin eine Beschreibung eines „Processes des ordentlichen Gedinges. An. 1594 confirmiret, und von einem Rath geordnet“: „Auf was Weise das Gedinge zu hegen sey? – Der Richter fraget den nechsten Schöppen, ob es an der Zeit sey, daß der Röm. Kays. Maj. Unser allergnä. Herrn und eines Raths Gedinge, einem zu ieden zu seinem Rechten geheget werde. – Schöppe. – Weil die Bank durch Richter und Schöppen besetzt, und Leute vorhanden, die ihr Recht zu befördern, so ist es rechte Dinges Zeit. – Richter. – So hege ich dieses Gedinge im Nahmen Gottes der heiligen Dreyfaltigkeit so wohl im Nahmen der Röm. Kays. Maj. Unsers allergnädigsten Herrn, und von wegen eines Erb. Raths, gebiete Recht und verbitte Unrecht und Dinges Verlust, und daß niemand sein selbst oder eines andern Wort rede, er thue es dann mit Verlaub der Gerichte. – Darauf fraget er den andern Schöppen, Ob das Ding geheget wie Recht? – Schöppe. – Das Geding ist geheget, wie recht ist. – Darauf befiehlet der Richter das Geding auszuruffen, welches der frohnbote, wie bräuchlich, verrichtet. Und dinget sich der Procurator an, wie Dinges brauch und Gewohnheit ist.“ 515 Abhängig von der Verfahrensart erfolgte auch die Weise der Gerichtshegung. Dies trifft auch auf die Hegung des Budißiner Stadtgerichts zu, wie sich aus dem weiteren Inhalt der eben zitierten Quelle ergibt: „Von dem Hochnothpeinlichen Hals Gerichte. – Wie soll das Hochnothpeinliche Halsgerichte geheget werden? – Es wird durch Hegung dieses Gerichts, Befragung der Schöppen und derselben Antwort, auch darauf erfolgeten Ausruffung, durchaus gleichergestalt gehalten, wie bey Hegung ordentlichen Gedinges, Nur wann von dem Hrn. Richter, Schöppen oder dem Frohnboten sonsten das Wort Gedinge gebrauchet wird, so werden zu diesem Gerichte diese Worte davor gesetzt Hochnothpeinlich Halßgerichte. – Als nehmlich. Ich frage, Ob es an der Zeit, daß man das Hochnothpeinliche Halßgerichte hegen soll? It. Ich hege das Hochnothpeinliche Halß Gerichte im Nahmen etc.“ 516

514 515 516

RA Görlitz, Schneider, Tagebuch, Bl. 94. Schott, Sammlungen II, S. 52 f. Schott, Sammlungen II, S. 53.

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Diese Regelung der Hegung des ordentlichen und des hochnotpeinlichen Gerichts findet sich wortwörtlich in der Görlitzer Gerichtsordnung von 1593,517 so daß davon auszugehen ist, daß insoweit vergleichbare Gerichtsverfassungen bestanden. Ein Bericht über die Hegung eines „Hochnothpeinlichen HalßGerichts“ 1745 enthält nahezu übereinstimmende Formulierungen. Es wird hier indes genau folgendes beschrieben: Bei Beginn der Verhandlung lagen auf einem Tisch in der Gerichtsstube „Schwerdt, Blechhandschuh und weiße Stäbgen“. Bei der Verkündung der Hegungsformel durch den Richter standen Richter und Schöffen. Der Richter hatte jetzt den Handschuh an und hielt das Schwert hoch. Der Stab lag vor dem Richter auf dem Tisch. Beim Schluß der Urteilsverkündung, bei den Worten: „Von Rechts wegen!“ „zerbricht der Richter das Stäbgen und wirft die zwey Stücke gegen der armen Sünderin zu.“ Nach Aufgabe des Gerichts, die vergleichbar der Hegung, mithin früherer Quellen mit Frage des Richters und Antwort eines Schöffen erfolgte, übergab der Richter Schwert und Handschuh dem Gerichtsfronen.518 Nahezu wortgleiche Gerichtshegungen und -aufgaben zeigen auch Gerichtshegungsformulare im Ratsarchiv Löbau aus der Zeit nach 1547.519 Damit ist hinsichtlich mehrerer landesherrlicher Städte nachgewiesen, daß bis in die Neuzeit nach dem mittelalterlichen, mithin nach dem Sächsisch-Magdeburgischen Recht das Gericht gehegt wurde, somit zumindest äußerlich Funktionsteilung bestand. 2. Gerichtsort/-zeit Nach den Erkenntnissen Plancks aus einer Vielzahl von Rechtsbüchern des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts kannte das Stadtrecht im Gegensatz zum Land- und Lehnrecht eine feste Gerichtsstätte, die rechte Dingstatt, etwa der Markt oder die am Rathaus erbaute Gerichtslaube beziehungsweise (später) die Gerichtsstube im Rathaus. Der Richter hatte jedoch das Recht, ausnahmsweise bei einem besonderen Bedürfnis einen anderen Gerichtsort zu wählen, etwa im Rahmen eines Notdings bei handhafter Tat.520 Hinsichtlich des Gerichtsortes formuliert die Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304: „Der Richter sol Gerichtes warten und phlegen alle Tage an rechter Dingstat, iz en sie, daz ein Man umme Gelt clagen wil ane Gezug, daz mac her allenthalben wol richten.“ 521 Es handelte sich also auch hiernach um eine dauernde Gerichtsstätte. Aus den Gerichtsbüchern ergibt sich Näheres über die tatsächlichen Verhältnisse in den einzelnen Städten. Der älteste Görlitzer liber actorum nennt verschiedene Gerichtsorte der Görlitzer Erbgerichts. Die Gerichtsverhandlungen des ordentlichen Din517 518 519 520 521

Weinart, Rechte IV, S. 112 ff., 118 f., 129. RA Görlitz, Hegung des Hochnothpeinlichen HalßGerichts, unpaginiert. Abgedruckt Staudinger, Verfassung, S. 32 ff., 38. Planck, Gerichtverfahren I, S. 125. Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 459.

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ges fanden insoweit vor „geheiter Bank“, an „rechter Dingstat“ oder „in judicio bannito“ statt.522 Dies deutet auf das Rathaus, und zwar dort den Gerichtssaal, wo die vier Bänke standen, als Gerichtsort. In Görlitz ist bereits im Mittelalter eine als praetorium bezeichnete Versammlungsstätte, mithin als Gerichtsort bezeugt. Hier entstand, auch curia genannt, das Rathaus. Das Rathaus wurde immer mehr erweitert und ausgebaut. In ihm befindet sich nachgewiesenermaßen ab der frühen Neuzeit im ersten Stock der noch heute erkennbare Gerichtssaal, der auch anderen Zwecken, etwa Festen diente. 1564 entstand der Gerichtserker, in dem Richter und Schöffen saßen. Gericht wurde auch mindestens einmal, nämlich im Jahr 1586, zur Zeit einer Pest, auf einer heute noch vorhandenen Treppe zum Gerichtssaal gehalten.523 Als Gerichtsort ist im ältesten liber actorum mithin „stuba pretorii“ genannt. Gericht konnte aber auch an anderen Orten gehalten werden, so etwa „in stuba consulum“, „in parva stubella“, „in cellario“ oder „ante cellarium vini“, also dem Weinkeller. Auch das Haus des Bürgermeisters wird genannt. Ferner fand ein Gerichtstag „in limite ecclesie s. Nicolai“ statt.524 Hinweise auf einen Gerichtsort des Erbgerichts Kamenz ergeben sich erstmalig aus einer Urkunde von 1361, wonach Bernhart von Kamenz den Bürgern zu Kamenz seinen „teyl an der Patchow unde an dem akkir hy dyssyt deme gerichte geleyn“ 525. Es handelte sich dabei wohl um eine Gerichtsstätte mit Galgen, gelegen am sogenannten Galgenberg an der Viehweide.526 Das Löbauer Erbgericht hielt nach den Forschungen Boettichers in den Löbauer Gerichtsbüchern Gericht im Rathaus.527 Gemäß der Görlitzer Gerichtsordnung von 1593 fand der außerordentliche Gerichtstag, etwa das „Nothgedinge“ oder das „Gastrecht“ entweder „in loco judicii, oder bey dem, so es Leibes Schwachheit anderswo begehret“, statt,528 also entweder am genannten Sitz des Görlitzer Erbgerichts oder dort, wo sich die insoweit am Erscheinen verhinderte Partei gerade aufhielt. Soweit es die Rügezuständigkeit betrifft, hatte etwa das Görlitzer Stadtschöffengericht seinen Sitz in Görlitz und fand nicht wie etwa die grundherrlichen Rügengerichte im Dorf, dessen Gemeinde rügte, statt, denn es heißt in der Rügengerichtsordnung von 1418: „Von eyme iklichen dorffe sal komen der richter mit czweien schepphen, die rugungen anczubrengen.“ 529 Ende des 18. Jahrhunderts fanden die Gerichtsverhandlungen nach von Meißner in seinen „Materialien“ 1785 veröffentlichten zeitgenössischen Zeichnungen der Sitzordnungen bei den jeweiligen „Gerichts-Sessionen“ jeweils in den Rathäusern statt. In Budißin, Görlitz, Ka522 523 524 525 526 527 528 529

Jecht, liber actorum, S. 101. Näher Jecht, Geschichte I, S. 44; II, S. 340 ff. m.w. N. Jecht, liber actorum, S. 101 f. CDS II, 7, S. 17 f., 18, Z. 2. CDS II, 7, S. XXI. Boetticher, Rügengerichte, S. 224. Weinart, Rechte IV, S. 127. Abgedruckt Boetticher, Rügengerichte, S. 204 f.

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menz, Lauban und Löbau bestanden besondere „Gerichtsstuben“, die teils nach mittelalterlichem Brauch mit Schranken, durch die der Ort, wo das Gericht saß, vom Umstand abgetrennt war, ausgestattet waren. Bänke sind nicht mehr überliefert. Die Parteien mußten insoweit „hinter die Schranken“ treten. Die Gerichtspersonen saßen an Tischen.530 Die landesherrliche Urkunde vom 28. November 1303 äußert sich zur Gerichtszeit des Erbgerichts Görlitz nur ungenau: „Ymo volumus [. . .], ut singulis horis et temporibus judicii oportunis, civitatis nostre in banccis [. . .] judex hereditarius noster [. . .] judicio presidere“.531 Soweit es peinliche Sachen betraf, wurde regelmäßig sofort nach Bekanntwerden der Tat (etwa durch Auffinden der Leiche) peinliches Gericht als Notding gehalten. Denn soweit es die Weichbildzuständigkeit des Görlitzer Erbgerichts betraf, versuchte der Adel stets, die Tätigkeit dieses Gerichts zugunsten eigener Gerichtsbarkeit zu verzögern. Der „erste Pragerische Vertrag“ von 1530 bestimmte auf Betreiben des Adels etwa, daß in Fällen von „Mord, Raub und anderen zu den Obergerichten gehörenden Sachen“ das Erbgericht Görlitz erst nach acht Tagen nach der Tat Gericht halten dürfe.532 Aussagekräftiger als die Urkunden sind hinsichtlich der Gerichtszeiten auch hier die Rechtsbücher. § 6 der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung lautet hinsichtlich des „Gedinges“ des „Shultheizen“: „Der Shultheize hat drie echte Ding, ein nach deme zwelften Tage, daz andere des Dinstages so die Osterwoche zu get, daz dritte als die Pfingstwoche zu get [das Sächsische Weichbild stellt klar, daß es sich hierbei um die „drie voitding yn dem jare“ handelt – HvS]. Nach disen Dingen leget her sin Ding uz ummer ubir viercen Nacht. Kumet der Dingtac in eine Virtag, her mach wol ubir einen Tac oder ubir zwene sin Ding ubir legen.“ 533 Danach finden drei echte Dinge zu feststehenden Terminen im Anschluß an das jeweilige Vogtding statt. In Abständen von 14 Tagen werden weitere Gerichtstage zu fester Gerichtszeit also ebenfalls echte Dinge abgehalten, wenn nicht wegen eines Feiertags der Termin verschoben werden muß, dies jedoch höchstens um zwei Tage. Daneben werden Gerichtstage außerhalb fester Gerichtszeit, unechte Dinge, abgehalten, so Notdinge etwa bei handhafter Tat, die auch außerhalb der festen Gerichtszeite gehalten werden dürfen. Auch nach der Blume des Sachsenspiegels beruft der Richter die ordentlichen und außerordentlichen Gerichtstage ein: „Von scheppen ding. – Besendet der richter die scheppen umbe eyne sache, dy not ist, eyn ding zu hegin von gerichtis wegin“ (Rechter Weg Buch S Kapitel 45). Dies deckt sich mit den Verhältnissen in weiteren Städten im Geltungsbereich des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts außerhalb des Untersuchungsge-

530 Meißner, Materialien, S. 60 ff. mit schönen Zeichnungen. Vgl. hinsichtlich der Budißiner Verhältnisse 1824 StadtA Bautzen, Organisation I, Bl. 40 ff., 42 b f. 531 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 446 f. 532 VOU II, S. 140. 533 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung, S. 448 ff., 450.

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biets, wobei überall die dreimal im Jahr gehaltenen echten Dinge bald zugunsten der alle 14 Tage wiederkehrenden Dinge verschwinden.534 Aus den Gerichtsbüchern ergeben sich Nachrichten über die tatsächlichen Verhältnisse im Untersuchungsgebiet. Das älteste Budißiner Stadtbuch bildet leider nicht die Gerichtszeiten vollständig und richtig ab, da Eintragungen nachlässig erfolgten beziehungsweise etwa im Vorfeld des betreffenden Gerichtstages erfolgte Eintragungen nicht berichtigt wurden. Jedenfalls kann festgestellt werden, daß der Freitag der ordentliche Gerichtstag war. Die Gerichtstage erfolgten nach den vorhandenen Eintragungen höchstens dreimal im Monat, oft auch nur einmal. Feste Abstände zwischen den Gerichtstagen scheinen nicht bestanden, zumindest nicht eingehalten worden zu sein.535 Das älteste Görlitzer Stadtbuch enthält nur wenige Hinweise auf die Gerichtszeiten. Hiernach gab es ordentliche Gerichtstage, die freitags, „feria sexta“, abgehalten wurden und bei hohem Arbeitsanfall sonnabends fortgesetzt wurden. Daneben gab es außerordentliche Gerichtstage, deren einer etwa als „judicium speciale“ erwähnt wird.536 Das älteste Görlitzer liber actorum von 1389 bis 1413 enthält für 1390 folgende „offene“, das heißt ordentliche, für jedermann offenstehende Gerichtstage: 14., 15., 28. Januar, 4., 11., 18., 25. Februar, 4. März, 22., 29. April, 3., 4., 10. Juni, 1. Juli, 26., 27. August, 2., 9., 30. September, 10., 14. Oktober, 4., 18. November, 2., 9. Dezember. Im Jahr 1400: 9., 10., 23., 30. Januar, 13., 14., 20. Januar, 13., 14., 20. Februar, 5., 19. März, 2. April, 7., 8., 14., 21. Mai, 18., 19., 25. Juni, 9., 10. Juli, 27., 28. August, 3., 10. September, 15., 16., 29. Oktober, 12., 26., 27. November, 3., 10. Dezember. 1411 waren die ordentlichen Gerichtstage: 9., 10., 16., 23., 30. Januar, 27. Februar, 13., 20., 27. März, 8., 9., 13. Mai, 12., 13., 19., 26. Juni, 3. Juli, 28., 29. August, 4., 11., 25. September, 2., 16., 23., 30. Oktober, 6., 13., 20. November, 11. Dezember. Ein ordentlicher Gerichtstag wurde in der Regel im Abstand von einer Woche, auch nach dieser Quelle stets jeweils freitags abgehalten. Bei erhöhtem Arbeitsanfall wurde der Gerichtstag auch insoweit auf Sonnabend verlängert. Um Ostern war jeweils eine Unterbrechung von vier Wochen. Daneben fanden weiterhin außerordentliche Gerichtstage („judicia specialia“) statt.537 So konnte auch noch im ausgehenden Mittelalter vor allem in peinlichen Fällen das Notgericht beziehungsweise hochnotpeinliche Gericht zu jeder Zeit auch außerhalb der ordentlichen Gerichtstage stattfinden, wie Boetticher anhand zweier Gerichtsbücher aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ermittelte.538 Dies wies er auch bezogen auf Löbau anhand der ältesten Gerichtsbücher nach.539

534 535 536 537 538 539

Vgl. Planck, Gerichtsverfahren I, S. 120 ff. Budißiner Stadtbuch 1359, S. 99 ff. Zander, Rotes Buch, S. 15 f. Jecht, liber actorum, S. 101. Boetticher, Gerichtsbücher, S. 140. Boetticher, Rügengerichte, S. 235.

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Dreimal im Jahr erfolgende echte Dinge, die besonders hervorgehoben waren, sind nicht nachweisbar, was sich mit der allgemeinen Entwicklung im gesamten Geltungsbereich des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts deckt. Hinsichtlich des Erbgerichts Zittau heißt es in der bereits zitierten Passage aus den Jahrbüchern Johanns von Guben für das Jahr 1361: „Do [. . .] quam der bischof her von meydburg, der do gewaldig was an keyser Karls stat, vnd saz eyn gerichte hy vnd liz ym eyn ding hegen, vnd di schephen in dirre stat sasen in den vir benken [. . .]. do sprach der bischof [. . .] ,wen iz unczemelich ist meyn keyserrechte by lichte tedingen vnd dingen, hyrumme, ir schepphen, bedenket vch hint mit vwern eldisten wi ir mynem herren eyn recht vint [. . .]. Dez gab man ding vf. vnd des morgens wol vmme metten czit, [. . .] do wolde der bischof abir eyn dinc hegin.“ 540 Daraus geht hervor, daß das Ding auf Anordnung des Richters – hier der Stellvertreter des Landesherrn, des Gerichtsherrn des Erbgerichts – gehegt wurde, und zwar auch, ohne daß sich an eine feste Gerichtszeit gehalten wurde. Soweit es die Rügezuständigkeit betrifft, tagte das Görlitzer Erbgericht als Rügengericht einmal im Jahr, wie sich aus den vorhandenen Rügegerichtsprotokollen ergibt, mithin nach der Rügengerichtsordnung von 1418 „czwischen deme suntage letare.“ Brachten die Dörfer bis dahin ihre Rügen nicht an, „sol der richter [das] von der herrschaft wegin bussen adir X marg gorl. phenden.“ 541 Die Rügetermine des Löbauer Rügengerichts waren mit seltenen Ausnahmen zweimal im Jahr, Walpurgis und Michaelis, wie bereits Boetticher untersuchte.542 Auch insoweit sind dreimal im Jahr stattfindende, besonders hervorgehobene Dinge nicht (mehr) nachzuweisen. Was die spätere Zeit, insbesondere die Zeit nach 1547 angeht, erfolgte mancherorts eine Veränderung der Gerichtszeiten. Ausführlich wurde noch am Ende des 16. Jahrhunderts die Gerichtszeit des Budißiner Stadtgerichts durch einen Beschluß des Budißiner Rates „Von dem Process des ordentlichen Gedinges“ aus dem Jahr 1594 wie folgt geregelt, wobei Abweichungen von den mittelalterlichen Verhältnissen deutlich werden: „So viel immer möglichen soll es am Dienstage gehalten werden, wie vor Alters hergebracht. – 1. Nach gehaltener Raths Cur Dienstags nach Aegidii von vierzehn Tagen, zu 14 Tagen, bis auf den Advent. – 2. Vom Dienstag nach Trium Regium, gleichergestalt, bis den Dienstag nach Laetare. – 3. Von dem Dienstag nach Misericordias Domini bis auf Pfingsten. – 4. Mehr vom Dienstag nach Trinitatis, bis auf den Dienstag Johannis Baptistae. – 5. Nach den Ferien und also Dienstags nach Bartholomaei bis auf den Dienstag nach Aegidii, daß also ungefehrlich des Jahres in die 18 mal oder 19 Dinstag gehalten werden, und ohne sondere wichtige Ursachen nicht nachbleiben sollen,

540 541 542

Johannes von Guben, Jahrbücher, S. 14 f. Abgedruckt Boetticher, Rügengerichte, S. 204 f. Boetticher, Rügengerichte, S. 216 ff.

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damit sich männiglich einheimisch und frembder, darum so viel besser darnach zu richten haben mögen.“ 543 Der Bestimmung des Dienstages als ordentlicher Dingtag und der Regelung, daß die Gerichte in Abständen von vierzehn Tagen zu halten seien, nach lehnten sich diese Gerichtszeiten an die Regelungen des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts an. Diese Regelungen erscheinen wortgetreu in der Görlitzer Gerichtsordnung von 1593.544 Hierin wird zudem angeordnet, daß „der Richter“ das „Nothgedinge“, insbesondere „Gastrecht“, also die außerordentlichen Dinge (bei Beteiligung „Fremder“) „außerhalb der Dinge-Tage [. . .] zu hegen und zu halten Macht haben“ solle.545 Auch hinsichtlich der Scheidung in echte, zu festen Gerichtszeiten stattfindende, und unechte, nicht zu feststehenden Zeiten stattfindende Dinge (Notdinge) richtete man sich also weiterhin nach dem Sächsisch-Magdeburgischen Recht. Nach den heute vorhandenen Eintragungen auf losen Blättern in den Görlitzer libri actorum 1559–1577 fand „Juditium“. ohne daß insoweit ausdrücklich in ordentliche und außerordentliche Gerichtstage gechieden wird, tatsächlich unregelmäßig und in größeren Abständen statt, so 1562 am 9. Juni, 30. Juni, 7. Juli, 25. August, 1. September und 17. November.546 Noch 1824 fanden nach einem Revisionsprotokoll „die ordentlichen Sitzungen“ des Stadtdepartements des Stadtgerichts Budißin dienstags, beim Landdepartement jedoch mittwochs statt. Bei langen Prozessen konnten die Gerichtstage beim Stadtdepartement auf Mittwoch, beim Landdepartement auf Sonnabend verlängert werden. Die Sitzungen begannen stets morgens 8 Uhr und dauerten stets spätestens bis 13 Uhr.547 Auch hier wurde also nachmittags nicht verhandelt. 3. Ergebnis Auch im Untersuchungsgebiet entstanden durch Verleihung oder Bestätigung des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts an die (werdenden) sechs landesherrlichen Städte insoweit eigenständige, vom Landrecht abgeschlossene Stadtrechtsgenossenschaften. Gerichtsförmig handelten (auf dieser Grundlage) zum einen Schulzen/Richter als Richter, zunächst landesherrliche Amtsträger außerhalb der genossenschaftlichen Ordnung, insbesondere des Rats. Das Richteramt erscheint jedoch später, soweit es von der herrschaftlichen an die genossenschaftliche Ordnung gelangte, besetzt mit Angehörigen der genossenschaftlichen Ordnung, dem jeweiligen Rat. Daneben handelten Stadtschöffen, Angehörige der bürgerlichen Elite der jeweiligen Stadt, die jedoch zunächst nicht zugleich Ratsmitglieder wa-

543 544 545 546 547

Schott, Sammlungen II, S. 52. Weinart, Rechte IV, S. 117 f. Weinart, Rechte IV, S. 126 f., 129. RA Görlitz, Stadtrecht, unpaginiert. StadtA Bautzen, Organisation I, Bl. 40 ff., 42 b.

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ren, sondern ebenfalls außerhalb der genossenschaftlichen Ordnung standen. Es zeigt sich hinsichtlich der (Veräußerungsvorgänge bezüglich der) Richter- und Schöffenämter vor allem gerichtsverfassungsrechtlich die Scheidung in „Recht“ und „Willkür“, ein entscheidendes Merkmal des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts. Die Stadtschöffen als ursprünglich grundherrliches/stadtherrliches Organ verloren ihre zunächst ausschließliche Zuständigkeit im Hinblick auf das „Recht“ jedoch im Zuge der in sämtlichen landesherrlichen Städten im Untersuchungsgebiet erfolgten Verschmelzung des jeweiligen Schöffengremiums auf den jeweiligen Rat, also von der herrschaftlichen auf die genossenschaftliche Ordnung (Ratsverfassung). Der Rat war bislang jeweils nur hinsichtlich der „Willkür“ zuständig gewesen. Die Veränderung zeigte sich etwa daran, daß das betreffende Stadtrechtsgericht jetzt sowohl mit Schöffen als auch „Nur“-Ratmannen besetzt war. Dennoch bestand das Schöffengremium in allen landesherrlichen Städten im Untersuchungsgebiet als abgegrenzte, gerichtsverfassungsrechtlich zuständige Gruppe innerhalb des Rates fort. Die Zahl der Schöffen war, wie vor allem an Görlitz zu sehen, vor 1547 und noch bis 1559 abweichend von der Zahl elf des Magdeburgischen Rechts, aber übereinstimmend mit mancher Tochterstadt Magdeburgs sieben. Den Schöffen wurde ab 1548 der Richter entnommen. Nach Wieder- beziehungsweise Neuverleihung der freien Ratskür 1559 erscheinen in Abkehr vom bisherigen Recht einschließlich Richter acht Schöffen, Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts sogar zehn. Von den sieben Schöffen waren bereits nach dem ältesten Görlitzer Stadtbuch regelmäßig nicht alle auch in den Gerichtsverhandlungen anwesend, sondern (nach Görlitzer Recht beziehungsweise Willkür) meist nach verhandelter Angelegenheit zwei bis vier. Auch nach 1547, mithin bis kurz vor Ende des Untersuchungszeitraums wurde der Grundsatz der Funktionsteilung in jeder landesherrlichen Stadt zumindest äußerlich aufrechterhalten, indem weiterhin in Richter und Schöffen geschieden wurde, auch wenn beide Ämter jeweils der genossenschaftlichen Ordnung angehörten. Ursprünglich kamen die Gerichtsherrschaft, gekennzeichnet vor allem durch die zwei Herrschaftsdrittel aus den Gerichtsgefällen, und das Recht am Schulzen-/Richteramt, gekennzeichnet insbesondere durch das Richterdrittel, dem Landesherrn zu. Dieser verlieh das Richteramt als landesherrliches Lehn oder Eigen mit den Richtereinkünften erblich an landsässige Adlige oder Bürger der jeweiligen Stadt. Die Budißiner, Kamenzer, Laubaner, Löbauer und Zittauer Stadtgemeinden erwarben neben der Gerichtsherrschaft auch das Amt jeweils im 14. Jahrhundert, was einen wesentlichen Unterschied gegenüber Entwicklungen in den grundherrlichen Dörfern darstellt, wo Gerichtsherrschaft und Amt bis zum Ende des Untersuchungszeitraums stets herrschaftlich blieben. In der Folge wurde das Richteramt gemäß den wesentlichen Grundsätzen der Ratsverfassung, Kooptation und Annuität, jeweils vom Rat im Rahmen der jährlichen Ratswahl mit Ratspersonen, etwa Schöffen besetzt, verschmolz es auf den Rat und damit

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die genossenschaftliche Ordnung. Es bestand jedoch auch weiterhin zwischen Stadtherrn und Richter sowie zu den Schöffen eine Rechtsbeziehung, ausgedrückt durch Eid. In Görlitz erfolgte zwar vor 1547 keine Übertragung des Richteramtes. Jedoch erlangte die hiesige genossenschaftliche Ordnung spätestens im 15. Jahrhundert tatsächlich Einfluß auf Auswahl und Ernennung des Richters, indem es Übung wurde, daß der Rat einen Kandidaten – stets ein Görlitzer Bürger, mithin Ratsmitglied – dem Landesherrn vorschlug, den dieser beziehungsweise meist der Landvogt als landesherrlicher Vertreter regelmäßig nur noch „an-“ und „aufnahm“. Die genossenschaftliche Ordnung hatte zwar insoweit an Einfluß gewonnen. Das Amt blieb hier aber weiterhin landesherrlich. Der Landesherr behielt sich das maßgebliche Auswahl- und Ernennungsrecht weiterhin vor. Der Erbrichter wurde in Görlitz bis 1547, bis dahin mithin außerhalb des Rates stehend, wie ehedem auf Lebenszeit bestellt. Vor allem hier, aber auch in anderen Städten blieb, ausgedrückt durch einen Eid, eine Rechtsbeziehung zum Landesherrn als Gerichtsherrn in Form wohl der alten Bannleihe bestehen. 1548 zog der Landesherr die Gerichtsherrschaft auch hinsichtlich der übrigen landesherrlichen Städte (wieder) an sich. Er nahm jetzt (wieder) die Ratskür, mithin die Richter- beziehungsweise Schöffenauswahl und -ernennung allein vor. Das herrschaftliche Element lebte insoweit wieder auf. Auch hinsichtlich der Schöffenwahl galten nach Verschmelzung des jeweiligen Schöffenkollegiums auf den jeweiligen Rat die wesentlichen Grundsätze der Ratsverfassung, Kooptation und Annuität, zugunsten des jeweiligen Rates. Erst 1559 erwarben mit der Verleihung der Ratskür die Räte zu Görlitz, hier als Neuverleihung, und der übrigen landesherrlichen Städten, hier als Wiederverleihung, hinsichtlich des Untersuchungszeitraums wieder das Auswahl- und Ernennungsrecht. Das Richteramt wurde fortan neu beziehungsweise wiederum nach den bisherigen Grundsätzen Kooptation und Annuität besetzt. Dennoch blieb (weiterhin) eine Rechtsbeziehung zum Landesherrn als Gerichtsherrn, dem stets ein Zustimmungsrecht zur Wahl zustand. Dies galt bis zum Ende des Untersuchungszeitraums. Die Stadtschöffen waren auch im Untersuchungsgebiet wohl zunächst stadtherrliche Amtsträger, die vom Stadtherrn der Dorf-, späteren Stadtrechtsgemeinschaft entnommen wurden. Jedoch erlangten insoweit sämtliche Stadtrechtsgemeinschaften der landesherrlichen Städte, mithin jeweils das genossenschaftliche Element im Zuge der Verschmelzung des jeweiligen Schöffengremiums auf den Rat und damit die genossenschaftliche Ordnung das alleinige Recht auf Auswahl und Ernennung, wurde das Stadtschöffenkollegium mit Bürgern, mithin Ratsmitgliedern, als Schöffen besetzt. Ebenfalls insoweit galten fortan die Grundsätze Kooptation und Annuität. Auch dies änderte sich auch nach Wiedererlangung der freien Ratskür 1559 nicht, mithin nicht bis zum Ende des Untersuchungszeitraums, auch wenn ebenfalls in der Folgezeit dem Landesherrn stets die Wahl angezeigt wurde und dieser ein Genehmigungsrecht hatte.

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Hinsichtlich der Anforderungen mußte der Richter lediglich zunächst im Falle des Richterlehns lehnsfähig sein. Da es sich ursprünglich um ein herrschaftliches Amt handelte, durften auch Nichtangehörige der betreffenden Stadtrechtsgemeinschaft, etwa Angehörige des landsässigen Adels dieses Amt bekeiden, was auch tatsächlich erfolgte. Nach Übergang dieses Amtes auf beziehungsweise nach Erlangung tatsächlichen Einflusses durch die genossenschaftliche Ordnung der jeweiligen Stadt darauf wurde es jedoch Voraussetzung, Angehöriger der jeweiligen Stadtrechtsgenossenschaft, Bürger, mithin Ratsmitglied zu sein. Hinsichtlich der Schöffen handelte es sich bereits seit Beginn der Überlieferung ebenfalls um Angehörige der Stadtrechtsgemeinschaft, mithin der jeweiligen Stadtelite, der „Geschlechter“ der Stadt. Diese Ämter blieben also – bis zum Ende der alten Ratsverfassung Anfang des 19. Jahrhunderts – stets den Angehörigen der Patriziergeschlechter der jeweiligen Stadt nach dem Prinzip der Selbstergänzung vorbehalten. Sonstige Bürger und Einwohner waren ausgeschlossen. Nach Verschmelzung von der herrschaftlichen Ordnung auf die genossenschaftliche Ordnung, den Rat, mußten ebenfalls die Schöffen Ratsmitglieder sein. Handwerker durften regelmäßig, auch wenn sie ratsfähig waren, nicht Schöffen werden. Nach 1547 wurde es zudem Anforderung, daß Richter und (zumindest ein Teil der) Schöffen gelehrte Juristen zu sein hätten. Selbst die Anforderung, Bürger der jeweiligen Stadt zu sein, trat dafür mancherorts in den Hintergrund. Dies wurde jedoch nicht ausdrücklich etwa in Ratsordnungen wie der Görlitzer von 1737 gefordert, sondern „bürgerte“ sich mit der Zeit ein. Im 19. Jahrhundert wurde es wiederum ausdrücklich gewünscht, daß auch nichtgelehrte Ratspersonen, mithin Gerichtspersonen würden. Die Pflichten der Gerichtspersonen haben im wesentlichen denselben Inhalt wie die auch in Gerichten anderer Herrschaftsebenen gebräuchlich gewesenen mittelalterlichen Eide, die sich auch nicht maßgeblich bis zum Ende des Untersuchungszeitraum veränderten. Hauptpflicht der Schöffen war nach wie vor dem Pönfall 1547, ohne Ansehung der Person gerecht und unbeeinflußt zu urteilen. Dies galt auch für den Richter. Insbesondere durch die Erforschung der Gerichtsverfassung der sechs landesherrlichen Städte wird die Geltung des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ auch im Untersuchungsgebiet deutlich. Gerade anhand Görlitz wird erkennbar, daß es die Stadtschöffen aus den Reihen ihrer Rechtsgenossenschaft, der jeweiligen Stadtgemeinde, waren, die als „Träger des Rechts“ mit ihrem Urteil im Einzelfall allgemeinverbindliche Regeln für die Genossenschaft als ganzes schufen, fortentwickelten und bewahrten. Augenfällig wird gerade hier die „Dezentralität“ der mittelalterlich-dinggenossenschaftlichen Justiz, die ihre Grundlage in den örtlichen Schöffengerichten hatte, die im Zweifelsfall (lediglich) eine Rechtsfrage an die Mutterstadt sandten, im übrigen aber das Recht ihrer Genossenschaft durch eigene Spruchpraxis gestalteten und erhielten. Ausdruck davon ist das Görlitzer Rechtsbuch, ein bedeutendes Beispiel einer örtlichen Sonderform des SächsischMagdeburgischen Rechts. Nach dem Sächsisch-Magdeburgischen Recht, das

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sämtlichen sechs landesherrlichen Städten vom Landesherrn verliehen oder bestätigt war, fanden ausschließlich die Stadtschöffen, also die Angehörigen der jeweiligen Stadtgemeinde Urteil und Recht, ja es bildete – vom Landesherrn den Städten, vor allem Görlitz immer wieder bestätigt – über Jahrhunderte Rahmen und Grundlage genossenschaftlicher Rechtsfindung in den landesherrlichen Städten. Gerade in den landesherrlichen Städten im Untersuchungsgebiet veränderte sich die mittelalterlich-dinggenossenschaftliche Gerichtsverfassung jedoch nach 1547 grundlegend zugunsten der gelehrt-neuzeitlichen Justiz. Zwar blieb der Grundsatz der Funktionsteilung nicht nur wie erörtert erkennbar anhand der weiterhin erfolgten Scheidung der Gerichtspersonen in Richter und Schöffen, sondern auch anhand der noch lange Zeit nach dem Grundsatz der Funktionsteilung erfolgten Gerichtshegung. Da das Richteramt in den landesherrlichen Städten – in Görlitz spätestens nach dem Pönfall 1547 – schon bis Ende des Mittelalters wie gesehen auf die stadtgenossenschaftliche Ordnung übergegangen war, konnte sich hier der Verlust der Rechtsprechungs- und -gestaltungskompetenz aufseiten der Genossenschaft zugunsten des herrschaftlichen Elements jedoch gar nicht wie in Gerichten anderer Lebenswelten in dieser äußerlich gut wahrnehmbaren Weise äußern. Vielmehr zeigt sich der Verlust der Möglichkeit der Stadtgemeinde, durch Urteilsfindung im Gericht das Recht ihrer Genossenschaft zu gestalten und zu bewahren, also des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ an der Einbuße wesentlicher Voraussetzungen für die Weitergeltung des den Schöffen seit jeher bekannten und von ihnen angewandten Rechts, des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts, zugunsten gelehrt-neuzeitlichen Rechts im Zusammenhang mit dem Pönfall 1547. Gerade für Görlitz bedeutete diese Strafaktion den Verlust der Privilegien bezüglich der alten Weichbildverfassung, die maßgeblich auf der Geltung des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts beruht und die als institutioneller Rahmen für die Weitergeltung des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts im Untersuchungsgebiet gedient hatte. Zudem legte der Landesherr 1548 mit der Beseitigung des Rechtszugs nach Magdeburg und der Einrichtung eines Instanzenzugs zu einer mit gelehrten Räten besetzten landesherrlichen Appellation die Axt an die Wurzel des bis dahin geltenden Sächsisch-Magdeburgischen Rechts und damit der Urteilsfindung durch die (Laien-)Schöffen, die (nur) dieses Recht kannten, und öffnete dem fremden Recht, das nur von gelehrten Juristen angewandt werden konnte, und damit der gelehrt-neuzeitlichen Gerichtsverfassung Tür und Tor. Gerichtsort war meist das Rathaus. Die Gerichtszeit orientierte sich zunächst an den im Untersuchungsgebiet geltenden Regelungen des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts, wurden aber später auch nach örtlichem Bedürfnis jeweils umgestaltet.

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II. Oberlausitzer Femgericht Die Gerichtsverfassung des Oberlausitzer Femgerichts ist bereits Gegenstand einer rechtsgeschichtlichen Untersuchung Franckes548, die alle überlieferten Quellen berücksichtigt. Zwischenzeitlich konnten keine weiteren, insoweit weiterführenden Hinweise aufgefunden werden. Es folgt daher lediglich eine Überprüfung der Erkenntnisse Franckes und der bereits bekannten Quellen am Maßstab des heutigen Forschungsstandes. Femgerichte549 waren allgemein herrschaftlich privilegierte genossenschaftliche Zusammenschlüsse zur Wahrung des Rechts- beziehungsweise Landfriedens, und zwar regelmäßig dort, wo das herrschaftliche Element seine gerichtsverfassungsrechtlichen Rechte nicht selbst durchzusetzen vermochte. Die Errichtung des Oberlausitzer Femgerichts, die Francke zufolge nach 1346 und vor 1355 erfolgte, steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der vom Landesherrn betriebenen Gründung des Oberlausitzer Sechsstädtebundes, ein 1346 erfolgter landesherrlich privilegierter genossenschaftlicher Zusammenschluß der sechs landesherrlichen Städte zum Zweck der Schaffung und Erhaltung des Landfriedens, insbesondere der Sicherstellung des Handelsverkehrs auf den Straßen und Wegen im Untersuchungsgebiet anstelle beziehungsweise in Vertretung der im Untersuchungsgebiet zu der Zeit schwach ausgebildeten landesherrlichen Gewalt. Mittel war nach der Bundesabschlußurkunde von 1346 vor allem die auf die Zuständigkeitsbereiche der übrigen Stadtschöffengerichte, mithin Weichbilder erweiterte Zuständigkeit beziehungsweise Wirkung der Entscheidung eines Stadtschöffengerichts: Wer wegen Mord, Brand, Deube, Raub oder um andere „boze sache“ entweder in ein und derselben Stadt zu drei Malen und von drei verschiedenen Klägern oder in drei verschiedenen Städten beklagt ist, gilt als des Verbrechens überführt. Wer in einer Sache mit Recht in einer Stadt geächtet ist, gilt auch in den übrigen Städten als geächtet („Dorobir welch man in unserim gerichte voruestent adir vorrechtit wirt mit rechte der sal di selbe achte vnd das recht lydin glichyrwiz mit vns als zcu uch“). Verfolgt eine Stadt einen wegen der genannten Verbrechen Geächteten, stehen ihr die übrigen Städte bei.550 Dies richtete sich zwar tatsächlich insbesondere gegen das Raubrittertum, also Angehörige der Rechtsgemeinschaft des landsässigen Adels und deren Gehilfen. Die Zuständigkeit war aber nicht ausdrücklich auf diesen Stand, mithin diese Rechtsgemeinschaft beschränkt, sondern war personell umfassend. Um die Rechtspflege in diesem Zusammenhang noch schlagkräftiger zu gestalten, wurde die von der Bundesabschlußurkunde von 1346 zunächst bei den einzelnen Stadtschöffengerichten belassene Gerichtszuständigkeit, mithin dezentrale Gerichtsverfassung mit einer heute verlorenen landesherrlichen Urkunde aus der Zeit zwischen 1346 und 1355 dahin verändert, daß mit dem Ober548 549 550

Francke, Femgericht. Zum Begriff Lück, Feme, Femgericht, Sp. 1535 ff. CDLS I, S. 377 ff., 378, Z. 5 ff.

II. Oberlausitzer Femgericht

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lausitzer Femgericht ein einziges Gericht mit einem einzigen, die bisherigen durch die Bundesabschlußurkunde von 1346 festgelegten Zuständigkeitsbereiche der einzelnen Stadtschöffengerichte sowie Erweiterungen umfassenden Zuständigkeitsbereich eingerichtet wurde. Dieses Gericht hatte mithin die personell umfassende Zuständigkeit hinsichtlich Raub, Brand, Mord und Mordbrand, soweit diese Tatbestände auf „offener Landstraße“ im böhmischen Herrschaftsraum im Untersuchungsgebiet begangen wurden. Francke kam nach zu dem Schluß, daß es sich auch bei diesem Gericht bei den Beklagten tatsächlich regelmäßig um adlige Raubritter handelte.551 Hinsichtlich des Zeitraums nach 1419 ist das Oberlausitzer Femgericht nicht mehr nachgewiesen. Erst bezogen auf das Jahr 1383 wird nach heutiger Überlieferung erstmals ein Femrichter genannt, ohne daß anhand dieser und späterer Hinweise bekannt wird, um wen es sich handelte beziehungsweise welcher Rechtsgemeinschaft, mithin welchem Stand er angehörte.552 Näheres ergibt sich über einen Femrichter bezogen auf 1390, nämlich daß es sich um einen Angehörigen des landsässigen Adels handelte.553 Das Amt blieb den heute überlieferten Quellen zufolge nun stets in der Hand des landsässigen Adels. Das Vorhandensein eines nachweisbar bürgerlichen Femrichters ist nach heutiger Quellenlage nicht bezeugt. Das Gericht war auf der Urteiler-/Schöffenseite jedenfalls vor 1390 ausschließlich mit Angehörigen der Stadtrechtsgemeinschaften besetzt. Francke zufolge fand das Femgericht anläßlich der Städtetage statt. Es „bildeten daher in der Zeit die dort versammelten Abgeordneten der Sechsstädte selbst das Femgericht.“ 554 Mithin handelte es sich sowohl, soweit vorhanden, wohl beim Richter als auch – sicher – bei den Schöffen zunächst ausschließlich um Angehörige der Stadtrechtsgemeinschaften, obwohl, was insbesondere hinsichtlich der Schöffenbesetzung bemerkenswert ist, dem Gericht wie gesehen von Anfang an auch der Adel unterworfen war. Francke nimmt ohne Quellenanführung an, daß ab ungefähr 1390 neben bürgerlichen auch zwei adlige Femschöffen vorhanden gewesen seien.555 Solche erscheinen jedoch nachweisbar erst in einer landesherrlichen Urkunde von 1409: Vor den Landesherren seien „komen [. . .] die Burgermeister und Ratmannen der Stete Budissin, Görlicz, Sittau, Lubaw, Luban und Camencz [. . .] und [. . .] baten uns [. . .], das wir In einen Femrichter unnd etliche Femschepfen benennen und In ouch gunnen etliche Femschepfen, die dorzu tuglich sein, zu kysen, gnediclich geruchten. Das haben wir angesehen der egenanten unser Bfleißige bete und haben In dorumb [. . .] zu bestellen [. . .] den strengen heinrichen Schof zu einem gemeinen

551

Näher Francke, Femgericht, S. 26 ff. CDLS III, S. 97, Z. 13: „vemerichter“. Weitere Nachweise bei Francke, Femgericht, S. 35, Anm. 14. 553 CDLS III, S. 184, Z. 14 f.: „Ern Tschaslow von Gersdorff [. . .] vehimrichter“. 554 Francke, Femgericht, S. 34 f. 555 Francke, Femgericht, S. 35, 37. 552

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F. Landesherrliche Städte

richter und Wicziln von Dobrswicz heinel von Nosticz zu Oderwicz gesessen, unsern lieben getrewen zu Femschepfen gegeben, und In ouch erlaubt und gegdas sie andere Schepfen us den Steten zu den egenannten Schepfen die sie bei irem eyde dorczu tuglich erkennen, kysen und erwelen mWenn ouch der Femrichter und der Femschepfen einer oder mer von todes wegen abgeen und sterben, So geben wie den egenannten Burgermeistern und Ratmannen volle macht mit craft dicz brives, das sie einen andern Femrichter und Femschepfen, die sie bei irem eyde dorzu tuglich erkennen kysen und welen sollen und mals ofte des not geschicht, von allermeniclich ungehindert.“ 556 Beim neuen Femrichter handelte es sich um einen Angehörigen des Geschlechts von Schaff(gotsch)557, bei den neuen Schöffen um Angehörige der Familien von Doberschütz558 und von Nostitz559, bei allen mithin um Angehörige des landsässigen Adels jeweils der Vogteien Budißin, Görlitz und Zittau. Diese Urkunde stellt, wie zu sehen sein wird, eine Bestätigung einer 1409 erfolgten Wahl durch Land und Städte dar. Diese Wahl auch adliger Personen hatte nach Francke den Grund, daß der landsässige Adel Widerstand gegen dieses Gericht, dem auch und vor allem er unterworfen war, geleistet hätte, solange Angehörige seines Standes, mithin seiner Rechtsgemeinschaft als Schöffen nicht hinzugezogen worden wären.560 Dem ist zu folgen. Mit der Hinzunahme von Schöffen aus dem landsässigen Adel wurde dem mittelalterlichen Grundsatz Rechnung getragen, daß (zumindest auch) Angehörige der dem Gericht unterworfenen Rechtsgemeinschaft als Schöffen über die Parteien urteilten. Die Stadtrechtsgemeinschaften stellten jedoch weiterhin die Mehrheit der Schöffen. Die Städte durften ja der Urkunde von 1409 zufolge selbständig weitere Angehörige der Stadtrechtsgemeinschaften hinzuwählen. Görlitz entsandte etwa 1402 drei und 1418 vier Schöffen. Nach Tod des Femrichters scheinen die Städte das Gericht zunächst wieder ohne jedenfalls adligen Femrichter gehalten zu haben.561 Aus den Quellen wird insgesamt deutlich einerseits, daß über den gesamten Zeitraum des nachgewiesenen Vorhandenseins des Gerichts zumindest personell Funktionsteilung zwischen Richter und Schöffen bestand, andererseits, daß der Grundsatz, daß die Angehörigen der dem Gericht unterworfenen Genossenschaft die Schöffen des Gerichts stellten, (hinsichtlich des Adels zumindest im Verlauf des Bestehens des Gerichts) berücksichtigt wurde. Mit der Frage nach Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen ist die Frage nach der Gerichtsherrschaft über das Oberlausitzer Femgericht verbunden.

556 557 558 559 560 561

Abgedruckt Pescheck, Handbuch I, S. 684 f. Zu Familie und Person Knothe, Adel I, S. 471 ff., 473. Zu Familie und Person Knothe, Adel I, S. 147 f., 148. Zu Familie und Person Knothe, Adel I, S. 380 ff., 384. Francke, Femgericht, S. 35. Näher Francke, Femgericht, S. 35 ff.

II. Oberlausitzer Femgericht

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Die westfälischen Femgerichte standen trotz ihrer vor allem hinsichtlich der Auswahl der Gerichtspersonen genossenschaftlich geprägten Gerichtsverfassung stets in Rechtsbeziehung mit dem deutschen König. Dieser beziehungsweise dessen Vertreter (ein Landesherr) übertrug dem jeweiligen Femrichter (Freigrafen) die Gerichtsgewalt im Rahmen der Bannleihe. Dem König beziehungsweise dessen Vertreter wurde der durch die betreffende Genossenschaft ausgewählte Kandidat für ein Freigrafenamt präsentiert.562 Das Oberlausitzer Femgericht stellt sich nach Francke dar als „Landfriedensgericht, getragen von dem Landfriedensverband des Sechsstädtebundes“,563 einem genossenschaftlichen Verband. Eine Errichtungsurkunde liegt heute nicht mehr vor. Jedoch ergibt sich aus einer landesherrlichen Urkunde von 1381: „Wir Wenczlaw von Gotis gnaden bömischer Kunig [. . .], bekennen und tun kunt offentlich [. . .] dacz wir [. . .] den noch geschreben Steten Budißin, Gorlitz, Zittaw, Luban, Lobow und Camentz [. . .] Gunnen und Irlauben ouch in das Feymgerichte in aller der maßen puncten artikeln, meynunge und begryfungen wy daz der allerdurchluchtigste Fürste und herre, her Karl Seligl. gedechtnisses etwan Romischer Kayser und Kunig zu Beheym unser lyber herre und Vater gemacht gesetzet und geschicket hot daz sie dazselbe Femgerichte ouch vorbaz dywill wir daz nicht daz nicht weddirrufen halden und haben.“ 564 In dieser Urkunde wird auf eine Errichtungsurkunde Kaiser Karls IV., hier jedoch als böhmischen Königs, also Landesherrn des Untersuchungsgebiets bezuggenommen. Das Oberlausitzer Femgericht wurde danach vom Landesherrn „gesetzt“ und „geschickt“. Die landesherrlichen Städte sollten dieses indes zukünftig „halten und haben“. Aus einem Bittgesuch der landesherrlichen Städte an den neuen Landesherrn nach Tod König Wenzels ergibt sich: „Ouch beten wir ewir gnode das Ihr den Fehmen adir den Landfrieden in euren Landen zu Budißin, Gerlicz, Zittaw, Luban, Lobow, geruhet vor sich gehen als der vorzeiten von Keyser Karl ewrn Vater geschicket was und doch in disen Landen sein Lebetage gehaldin ist und darnach die König Wenczlauen ewirm bruder [. . .] auch gehalden ewrn Landen zu Gemache und Frede.“ 565 Diese Quelle enthält dieselben Formulierungen, wonach die Landesherren dieses Gericht „gehalten“ hätten. Dem Gericht wurden mit der Übertragung der Zuständigkeit in Obergerichten hinsichtlich der landesherrlichen Straßen im Untersuchungsgebiet vogteiliche, also landesherrliche Zuständigkeiten übertragen. Heute fehlen weitere Hinweise auf die Zuordnung der Gerichtsherrschaft, so etwa Quellen über Bannleihe oder die Zuordnung von Gerichtsgefällen. Bereits der Inhalt der genannten Quellen deutet indes daraufhin, daß es sich bei und nach Errichtung um ein landesherrliches Gericht handelte, das, mithin dessen Gerichtsverfassung jedoch von den Städten ausgeübt beziehungsweise (mit-)gestaltet wurde. 562 563 564 565

Lück, Feme, Femegericht, Sp. 1535 ff. Näher Francke, Femgericht, S. 42 ff. Abgedruckt Pescheck, Handbuch I, S. 683 f. Abgedruckt Anonymus, Beytrag, S. 217 f.

472

F. Landesherrliche Städte

Weiteres ergibt sich möglicherweise aus der Zuordnung des Rechts an beziehungsweise der tatsächlichen Vorgehensweise bei der Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen. Zunächst handhabten die sechs landesherrlichen Städte das Gericht allein, indem die von den Städten jeweils entsandten Abgeordneten zu den Städtetagen Gericht bei dieser Gelegenheit hielten. Landesherrliche Einflußnahme auf die Besetzung ist nicht zu beobachten.566 Nach 1383 handelten neben einem Femrichter (dieser ab 1390 adlig) wohl auch adlige Schöffen,567 wobei unklar ist, wer diese auswählte und ernannte und wie der jeweilige Vorgang ausgestaltet war. Mit einer Urkunde von 1408 gibt der Landesherr „dem rate zu Budissin [. . .] gantze vnd folle macht [. . .], wenn das notsam wirt, das femen gerichte zu sytzen, abbruch sein wurde an dem Richter oder Schephen, wenn sie aus dem lande adir aus der stadt dorczu vornamen vnd schicken, das die oder der folle vnd gantze macht haben sollen, glich als wir sie selbir dotzu geschafft hetten.“ 568 Bereits hieraus wird deutlich, daß dem Landesherrn das Auswahl- und Ernennungsrecht hinsichtlich sämtlicher Gerichtspersonen zukam. Dieses wurde vom Landesherrn an den Budißiner Rat übertragen. Dieser nahm das Recht anstelle des Landesherrn wahr. 1409 trafen sich den Görlitzer Ratsrechnungen zufolge Görlitzer Ratspersonen in Löbau „zu tage mit den [übrigen – HvS] stetin of eine köre eins femrichters.“ 569 Die Städte wählten also den Richter aus. Im selben Jahr trafen sich jedoch nicht nur Vertreter der Städte, sondern „lande und stete“ „umme den femrichter.“ 570 Hier muß von Adel und Städten gemeinsam eine Wahl eines Femrichter und von Femschöffen vorgenommen worden sein, denn aus den Görlitzer Ratsrechnungen für 1409 geht hervor, daß „Niclos Gunczil mit landen unde stetin kein Proge unde vorbas kein dem Betelern zu unserm [herrn] deme konige umme ein nuen femrichter unde femschepphin zu bestetigen.“ 571 Daraufhin wurde zu Tocznik bei Bettlern die bereits zitierte landesherrliche Urkunde von 1409, gerichtet an die sechs landesherrlichen Städte, erlassen, womit der Landesherr „In“, also den „Burgermeistern und Ratmannen“ der sechs landesherrlichen Städte, an die allein die Urkunde gerichtet ist, die Wahl der genannten Angehörigen des landsässigen Adels zum Femrichter und zu Femschöffen mithin bestätigt. Der Landesherr „erlaubt“ den Räten der Städte, weitere Schöffen aus den Reihen der Stadtrechtsgemeinschaften zu den von ihm bestellten hinzuzukiesen. Nach Ausscheiden durch Tod der mit der Urkunde vom Landesherrn bestellten Richter und Schöffen haben die Räte der Städte „volle macht“ „bei unsern hulden“, stets, „als ofte des not geschicht“, sämtliche Ge-

566 567 568 569 570 571

Francke, Femgericht, S. 32 ff., 35. Francke, Femgericht, S. 35. Urkunde 1408. CDLS III, S. 594, Z. 13 f. CDLS III, S. 600, Z. 17 ff.; 601, Z. 17 ff. CDLS III, S. 602, Z. 29 ff.

II. Oberlausitzer Femgericht

473

richtspersonen zu „kysen“ und zu „[er]welen“.572 Aus der Urkunde geht hervor, daß der Landesherr weiterhin an Auswahl und Ernennung der Richter und Schöffen beteiligt war. Der Landesherr gibt in der Urkunde „bei seinen Hulden“ das Auswahlrecht weitgehend ab, indem er einerseits anordnet, daß die Räte der Städte weitere Schöffen zu den vom Landesherrn mit dieser Urkunde bestätigten hinzukiesen mögen, andererseits, daß die Räte der Städte nach Tod der vom Landesherrn mit dieser Urkunde bestellten Femrichter und Femschöffen diese Ämter von den Räten der Städte besetzen dürften. Indes war der Landesherr stets am Auswahl- und Ernennungsvorgang beteiligt. Die zuvor durch Land und Städte erfolgte Wahl wird von ihm mit der Urkunde bestätigt. Die Gewählten waren zuvor dem Landesherrn an dessen Hof präsentiert worden, wohin eine Delegation der Städte zu diesem Zweck angereist war. Der Landesherr hatte sich also (zumindest bis zum Zeitpunkt der Erteilung dieser Urkunde) stets das Bestätigungsrecht vorbehalten. Die Ernennung sowohl eines Femrichters als auch der Femschöffen erfolgte nach dieser Urkunde auf Lebenszeit. Nicht nur die Städte, sondern „lande und stete“ trafen sich indes nach dem Tod des Femrichters Schaff 1419 zu einem Tag in Löbau „umme einen neuhen fhemrichter“. Es wurde gemeinsam „gekoren“ „Foitlender“, also Niclas Voigtländer von Gersdorff, ein Angehöriger des landsässigen Adels573.574 In der folgenden Woche trafen sich Vertreter von „landen und steten“ wieder, um „fehem schepphen zu kisen.“ 575 Entgegen den Wortlauten der landesherrlichen Urkunden von 1408 und 1409 wählten tatsächlich wiederum nicht die Städte oder eine Stadt allein, sondern Land und Städte, also Angehörige des landsässigen Adels wie der Stadtrechtsgemeinschaften gemeinsam die Gerichtspersonen. Francke betont gestützt auf den Wortlaut der Urkunde von 1409 beziehungsweise den Regelungsgehalt der Urkunde von 1408 und der zunächst geübten Praxis zurecht, daß der Landesherr den Städten allein das Auswahl- und Ernennungsrecht verlieh. Die Städte ließen den Adel jedoch wohl aus politischen Gründen, um diesen nämlich in ihr Interesse zu ziehen, an der Wahl teilhaben, ohne daß dem Adel ein entsprechendes, vom Landesherrn verliehenes Recht zukam.576 Alle insoweit aufschlußreichen Quellen sprechen dafür, daß ursprünglich und weiterhin Gerichtsherrschaft des Landesherrn bestand. Er übertrug jedoch das Auswahl- und Ernennungsrecht hinsichtlich der Gerichtspersonen regelmäßig an die oder eine der sechs landesherrlichen Städte, mithin den Sechsstädtebund, einen genossenschaftlich organisierten Landfriedensverband. Es handelte sich also um die Übertragung des Rechts an Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen unter Vorbe-

572 573 574 575 576

Abgedruckt Pescheck, Handbuch I, S. 684 f. Zu Familie und Person Knothe, Adel I, S. 185 ff., 61. CDLS III, S. 758, Z. 18 ff. CDLS III, S. 759, Z. 29 ff. Francke, Femgericht, S. 38.

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F. Landesherrliche Städte

halt der Bestätigung des Gewählten vom Landesherrn auf einen genossenschaftlich organisierten Landfriedensverband, den sechs landesherrlichen Städten als Sechsstädtebund.577 Die Gerichtsverfassung des Oberlausitzer Femgerichts ist insoweit mit denen der Femen im übrigen Reich vergleichbar. Was die Anforderungen und Pflichten betrifft, handelte es sich bei den den Stadtrechtsgemeinschaften entstammenden Schöffen nach Görlitzer Quellen aus der Zeit um 1400, soweit es zumindest die von Görlitz gesandten Schöffen angeht, um Görlitzer Ratspersonen.578 Soweit es die adligen Schöffen betrifft, handelte es sich etwa bei den in der bereits zitierten landesherrlichen Urkunde von 1409 genannten „Wiczilin von Dobrswicz“ und „heinel von Nosticz“ 579 wie gesagt um Angehörige des landsässigen Adels im Untersuchungsgebiet, mithin um in verschiedenen Vogteien des Untersuchungsgebiets Ansässige. Anforderungen über das nicht beeinflußbare Kriterium der durch Geburt bestimmten Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rechtsgemeinschaft, mithin zu einem bestimmten Stand hinaus sind nach heutiger Quellenlage nicht zu erkennen. Über die Art der, mithin die Beachtung des Grundsatzes der Funktionsteilung bei der Entscheidungsfindung liegen heute keine Zeugnisse vor. Als Richterfunktion wird lediglich genannt, daß der Femrichter „ein Ding“ „sas“.580 Diese Wendung deutet darauf, daß das Verfahren nach mittelalterlichem deutschem Gerichtsverfassungsrecht, mithin unter Beachtung des Grundsatzes der Funktionsteilung stattfand. Hinsichtlich des Gerichtsortes nimmt Francke an, daß das Gericht zunächst anläßlich der Städtetage stattfand, die zunächst stets in Löbau stattfanden. Später, nachdem auch der Adel an der Gerichtsbesetzung beteiligt war, mithin den Femrichter stellte, „saß“ der Femrichter auch „Ding“ etwa in Görlitz und Zittau oder man ließ ihn holen. Letzteres deutet darauf, daß das Gericht – feste Gerichtszeiten sind heute nicht überliefert – nur bei Bedarf einberufen wurde. Das Gericht tagte überall im Zuständigkeitsbereich.581 Als Ergebnis ist festzuhalten: Das Oberlausitzer Femgericht sollte nach der Vorstellung des Landesherrn landesherrliche Aufgaben, die dieser nicht wahrnehmen konnte, übernehmen. Hierbei bediente er sich der zu jener Zeit im Untersuchungsgebiet maßgebenden Kräfte, der sechs landesherrlichen Städte. Das Oberlausitzer Femgericht war also von Anfang als genossenschaftlich, und zwar maßgeblich von den Stadtrechtsgenossenschaften getragenes, wenn auch weiterhin landesherrliches Gericht gedacht. So handhabten (Stadtrechts-)Genossenschaften praktisch das Gericht anstelle des Landesherrn.Das Oberlausitzer Femgericht, nachgewiesen zwischen spätestens 1355 und 1419, war besetzt mit einem (Fem-) 577 578 579 580 581

So auch in der Sache Francke, Femgericht, S. 42 f. Abdruck aus dem „Albo consulari“ bei Anonymus, Beytrag, S. 218. Abgedruckt Pescheck, Handbuch I, S. 684 f. CDLS III, S. 258, Z. 15. Francke, Femgericht, S. 36.

II. Oberlausitzer Femgericht

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Richter und mehreren (Fem-)Schöffen. Das Gericht war als Landfriedensgericht zuständig für Mord, Brand, Raub, Diebstahl, soweit diese Tatbestände auf „offener Landstraße“ im böhmischen Herrschaftsraum im Untersuchungsgebiet verwirklicht wurden. Es verband dabei insoweit die einzelnen Zuständigkeitsbereiche der Stadtschöffengerichte mit Weichbildzuständigkeit. Der personelle Zuständigkeitsbereich war zwar ausdrücklich nicht beschränkt. Jedoch stellten diejenigen Angehörigen des landsässigen Adels, die als Raubritter die Straßen unsicher machten, die Masse der Beklagten. Die Schöffen entstammten indes zunächst ausschließlich den Genossenschaften der sechs landesherrlichen Städte. Eines Richters wird zunächst nicht beziehungsweise ohne nähere Angaben über ihn gedacht. Wohl ab 1390, sicher ab 1409 kamen Schöffen aus dem landsässigen Adel hinzu, sicherlich (wohl in Kenntnis des Konflikts vor allem zwischen Stadt und Adel des Weichbilds Görlitz) der Erkenntnis zuschulde, daß der Grundsatz berücksichtigt werden müsse, daß zumindest auch Angehörige der dem Gericht unterworfenen Genossenschaft über die Parteien urteilen müßten, damit die Entscheidung von der betreffenden Genossenschaft angenommen werde. Insoweit ergeben sich vergleichbare Erkenntnisse zur Geltung des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ wie im Rahmen der Gerichte mit Weichbildzuständigkeit. Der Richter entstammte ab 1390, soweit ersichtlich, durchgängig dem landsässigen Adel. Die Gerichtsherrschaft kam stets dem Landesherrn zu. Dieser übertrug jedoch umfangreiche Rechte an die im Sechsstädtebund, einem landesherrlich privilegierten, jedoch genossenschaftlich verfaßten Landfriedensverband, zusammengeschlossenen sechs landesherrlichen Städte. Der Landesherr übertrug den Städten vor allem Recht an Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen. Er hatte sich aber stets zumindest bis 1409 das Recht zur Bestätigung der Gewählten, die ihm bei Hofe präsentiert werden mußten, vorbehalten. Insbesondere dies macht die Gerichtsverfassung des Oberlausitzer Femgerichts mit denen der übrigen Femen im Reich vergleichbar und läßt dieses weiterhin als ein herrschaftliches, hier landesherrliches Gericht erscheinen. Die Städte verfügten zwar allein über das Auswahl- und Ernennungsrecht, banden aber den landsässigen Adel insoweit freiwillig ein, um die Akzeptanz dieses Gerichts auch bei diesem, dessen Stand, mithin Genossenschaft ja wie gesehen tatsächlich hauptsächlich diesem Gericht unterworfen war, herzustellen. Anforderung an eine Gerichtsperson war gemäß mittelalterlichen Grundsätzen, der Genossenschaft einer landesherrlichen Stadt im Untersuchungsgebiet, mithin einem Rat anzugehören beziehungsweise der des landsässigen Adels. Über die Art der Entscheidungsfindung ist nichts überliefert. Anzunehmen ist aber, daß auch in diesem Gericht der mittelalterliche Grundsatz der Funktionsteilung und mithin das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ galten. Auch hier fanden die Schöffen des Gerichts das Urteil und damit allgemeinverbindliche Regeln für die dem Gericht unterworfene Genossenschaft. Auch hier tritt wie bei den bereits untersuchten Weichbildgerichten die Besonderheit zutage, daß einem Gericht,

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F. Landesherrliche Städte

das maßgeblich mit Angehörigen der Genossenschaften der sechs landesherrlichen Städte auf der Schöffenseite besetzt war, weitere Genossenschaften, insbesondere der landsässige Adel (hier sogar nicht nur bezogen auf das jeweilige Weichbild, sondern der gesamte landsässige Adel des Untersuchungsgebiets) unterworfen waren. Vor allem daraus, daß es dem Adel auch hier ersichtlich darum ging, ebenfalls Angehörige seiner Genossenschaft auf die Schöffenbank zu senden, und dies gewährt wurde, ergibt sich, daß die Urteilsfindungskompetenz und im Sinne des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ damit die Rechtsfindungskompetenz für den betreffenden Rechtskreis auf der Schöffenseite, also bei den jeweils dort vertretenen Genossenschaften gelegen haben muß. Denn sonst wäre es auch für die dem Gericht unterworfenen Genossenschaften nicht so wichtig gewesen, Angehörige der eigenen Genossenschaft dort zu plazieren. Auch im Oberlausitzer Femgericht galt demnach das „dinggenossenschaftliche Prinzip“, welches insoweit Besonderheiten unterlag vergleichbar den im Rahmen der Untersuchung der „Weichbildgerichtsverfassung“ dargestellten. Hierbei bestehen am ehesten Parallelen zum Löbauer Weichbild, da auch hier (lediglich) vereinzelt Angehörige des Adels als Schöffen erscheinen. Im Görlitzer Weichbild waren ausschließlich Stadtschöffen zugegen, während im Zittauer Weichbild gleichsam paritätisch Adel und Bürger nebeneinander auf der Schöffenbank saßen. Gerichtsort war zunächst der Ort des Städtetages, mithin Löbau, später überall im Zuständigkeitsbereich, wohin das Gericht gerufen wurde. Es bestanden, soweit ersichtlich, keine festen Gerichtszeiten, sondern das Gericht tagte bei Bedarf. Es zeigt sich deutlich, daß in Ersetzung landesherrlich gesicherten Schutz und Schirms die von den sechs landesherrlichen Städten über das Femgericht getragene Landfriedensbewegung starke kommunale Werte im Sinne Blickles, insbesondere Frieden, tief im Alltagsleben des Untersuchungsgebiets verankerte und aufrechterhielt, solange das Femgericht bestand und möglicherweise darüber hinaus.

G. Rechtszug und Appellation I. Rechtszug Der Rechtszug kannte lediglich Rechtsmittel (Urteilsschelte), durch die das gescholtene Urteil an Oberhöfe und Schöffenstühle gezogen wurde. Im Gegensatz zur Appellation handelte es sich jedoch um ein einstufiges Verfahren. Höhere Gerichte im Sinne eines Instanzenzuges kannte der Rechtszug nicht.1 Mit Urteilsschelte erfolgte insbesondere im Sächsisch-Magdeburgischen Rechtskreis die Anfechtung des gefundenen Urteils durch denjenigen, der damit unzufrieden war. Mit der Urteilsschelte ersetzte dieser das Urteil durch ein Gegenurteil. Die Urteilschelte enthielt den Vorwurf, daß das Urteil nicht nur inhaltlich falsch, sondern auch im Sinne einer Rechtsbeugung ungerecht sei. Das Verfahren war so ausgestaltet, daß der Scheltende den Platz des Schöffen einnahm, der das gescholtene Urteil gefunden hatte, und dann ein „besseres“ Urteil sprach. Die Urteilsschelte eröffnete den Rechtszug an ein anderes Gericht (einen Oberhof). Diesem wurden beide Urteile vorgelegt, woraufhin die Richtigkeit des einen oder des anderen Spruchs festgestellt wurde.2 Das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ war jedoch stets gewahrt, indem die Schöffen aus dem Kreis der Rechtsgenossen handelten. Auch im Untersuchungsgebiet erfolgten Urteilsschelte und daraufhin Rechtzug an einen Oberhof. § 86 der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung von 1304 enthält eine ausführliche Beschreibung der Voraussetzungen und des Verfahrens der Urteilsschelte: „Swer ein Urteil shildet, der spreche alsus: daz Urteil, daz der Man gevunden hat, daz ist unrecht, daz shelde ich unde cie des, dar ich iz zu Rechte hin cien sol. Stehnde sol man Urtheil shelden. Sitzende shol man Urteil vinden, under Kuniges Banne, manlich uff sime sime Stule. Der abir dar zu den Benken nicht geboren ist, der shol des Stules biten mit Urteilen, ein ander Urteil zu vindene, so sol jener im den Stul ru˚men, der daz erste Urteil vant. Swelch Urteil jener danne vindet, daz bite her zu behaldene mit sime Rechte unde cie des, dar hes durch Recht cien sol unde bite dar der Boten zu. Umme ein besholden Urteil en sol man nicheinen Volburt vragen, der is ouch gevunden hat, her en muz dar nicht abe lazen ane jenes Willen, deme daz Urteil gevunden ist zu sineme Vromen.“ Dem gescholtenen Urteil wird mit der Schelte ein weiteres an die Seite gesetzt. Mit der Schelte wird überdies der Rechtszug an einen Oberhof eröffnet, dem beide Urteile durch einen Boten vorgelegt werden. Die Stelle ist 1 2

Näher Weitzel, Oberhöfe, S. 19 ff. Kaufmann, Urteilsschelte, Sp. 619 ff.

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G. Rechtszug und Appellation

wortgleich mit Ssp.-Ldr. II 12 §§ 11, 13, 14 und diesem entnommen. Die vielen überkommenen Sprüche des Magdeburger Oberhofs etwa für Görlitz belegen eine entsprechende Praxis.3 Nur ein dem Urteilsfinder Ebenbürtiger darf dessen Urteil schelten. Auch nach Görlitzer Rechtsbuch-Landrecht 45 § 4 gilt dies, wobei wie gesagt der Stand der Schöffenbarfreien im Untersuchungsgebiet nicht nachweisbar ist und diese Regelung daher wohl nur sinngemäß zu verstehen ist: „Ein scheffinbare man des kuniges mac wol scheldin eines vorstin orteil unde mu˚z ouch wol mit ime vechtin, unde de vorste mit ime.“ Damit erscheint auch in diesem Zusammenhang ein wichtiger Grundsatz der mittelalterlichen Gerichtsverfassung. Das Oberhofsystem, in dem das Untersuchungsgebiet eingebunden war, stellten bereits ausführlich und abschließend Becker4 – dieser vor allem anhand noch vorhandener Schöffensprüche – und Schubart-Fikentscher5 dar. Dem ist anhand des heutigen Forschungsstandes nichts hinzuzufügen, so daß hier lediglich ein Überblick erfolgt. Magdeburg war der wichtigste Oberhof für das Untersuchungsgebiet. In direktem Rechtsverkehr mit den Magdeburger Schöffen standen alle sechs landesherrlichen Städte, vor allem Bautzen und Görlitz, und zwar nicht nur im Rahmen der Urteilsschelte, sondern auch dann, wenn die Stadtschöffen im Vorfeld einer Entscheidung rechtsunsicher waren. Es handelte sich um Anfragen in Ober- und Niedergerichtssachen. In Lehnssachen (aber auch darüber hinaus) wandte man sich gern an den Schöffenstuhl zu Dohna. Daneben erfolgten Rechtssprüche etwa des Schöffenstuhls zu Leipzig, wie sich anhand einer sogleich vorzustellenden landesherrlichen Urkunde von 1548 ergibt. Anhand einer von Becker gefertigten Karte kann die Ausbreitung des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts im Rahmen eines Oberhofsystems innerhalb des Untersuchungsgebiets abgelesen werden.6 Bautzen, Görlitz und Zittau erscheinen ihrerseits als Oberhöfe für kleinere landesherrliche sowie grundherrliche Städte und Dörfer. Görlitz war durch Rechtsverleihung oder Rechtsbelehrung Oberhof für Lauban und für grundherrliche Städte wie Reichenbach, Weißenberg, Bernstadt, Marklissa und Seidenberg. Nach Bautzen wandten sich neben Löbau Pulsnitz und Wittichenau. Zittau war Oberhof etwa für Ostritz und Gersdorf, daneben für einige nordböhmische Städte. Der Rechtszug nach Magdeburg beziehungsweise anderen Städten des Magdeburger Rechtskreises außerhalb des Herrschaftsraums der Krone Böhmen stand mit Becker „der [ab ungefähr 1500 – HvS] immer deutlicher in Erscheinung tretenden territorialen Politik“ der böhmischen Landesherrschaft, die auch mit gerichtsverfassungsrechtlichen Mitteln, nämlich durch einheitlichen Rechtszug an 3 4 5 6

Vgl. Becker, Magdeburger Recht, S. 40, 21. Becker, Magdeburger Recht, S. 13 ff., 38 ff., 79 ff. Schubart-Fikentscher, Verbreitung, S. 116 ff. Becker, Magdeburger Recht, Anhang.

I. Rechtszug

479

den Landesherrn ihren Herrschaftsbereich zu einem Territorialstaat entwickeln wollte, im Weg.7 Eine landesherrliche Urkunde von 1504, in der angeordnet wird, daß keine „Rechtsbelehrung“ hinfort weiter nach Magdeburg gelangen noch daselbst eingeholt werden dürfe,8 wurde zwar nicht beachtet, indem noch wie gesehen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Rechtseinholungen etwa in Magdeburg erfolgten. Auf das nach 1547 im Zuge des Pönfalls erfolgte landesherrliche Verbot an die landesherrlichen Städte, auch künftig „um Belehrung des Rechts, und Einholung der Urtheile [. . .] gen Magdeburg, Leipzig, oder andern Orten [die Urkunde nennt weiter oben auch Dohna – HvS] zu schicken“,9 fand jedoch, wie Becker anhand insbesondere der Schöffenspruchsammlungen und anderer Stadtrechtsquellen nachweist, auch tatsächlich kein Rechtszug mehr an diese Oberhöfe statt. An deren Stelle traten neben dem Oberamt und der Appellationskammer Prag die Juristenfakultäten in Leipzig, Wittenberg und Prag.10 Dies sollte sich auch und gerade nicht ändern durch den Übergang des Markgraftums Oberlausitz an den Kurfürsten von Sachsen. Noch in einer landesherrlichen Resolution von 1769 wurde auf eine Beschwerde der Landstände verordnet, daß „die an das Churfürstliche Appellation-Gericht [das ab 1635 die Stelle der Prager Appellationkammer einnahm – HvS], ingleichen an die Discasteria zu Leipzig und Wittenberg“ „in Ober-Lausitzischen Rechts-Sachen [. . .] bey dem Verspruch [nach Oberlausitzer Territorialrecht – HvS]“ verfahren werden solle.11 Hinzuweisen ist abschließend auf das privilegium de non evocando zugunsten der Oberlausitzer Landstände. Das Evokationsrecht (jus evocandi) war die Befugnis des Gerichtsherrn, jeden noch nicht entschiedenen Prozeß an und damit die betreffenden Parteien vor sich zu ziehen und über diese etwa von seinem Hofgericht, besetzt mit von ihm ernannten Schöffen, entscheiden zu lassen. Um ihre eigene Gerichtsbarkeit und in diesem Fall ihre landesherrliche Gewalt zu stärken, waren etwa die Reichsstände frühzeitig bestrebt, privilegia de non evocando vom deutschen König zu erlangen.12 Bereits aus dem Jahr 1485 stammt ein erster Hinweis auf – zumindest behauptete – Rechte der Landstände im Untersuchungsgebiet in diesem Zusammenhang. Im Bericht Johanns von Guben heißt es, in diesem Jahr sei ein gewisser „Steynechen“, also Balthasas Pretzsch, Bürgermeister von Budißin,13 vor den Landesherrn wegen eines Rechtstreits vorgeladen worden „zu gesteyn“, also Recht zu stehen. Als dies bekannt geworden war, wurde von „mannen vnd stehten“ ein Landtag einberufen, darauf „eyntrechteklich von mannen vnd stethen gerathen vnd beslossen, dass Steynechen jn eygener persone 7

Becker, Magdeburger Recht, S. 63. Abgedruckt Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 18 f.; vgl. VOU II, S. 67. 9 Urkunde an Zittau abegdruckt Großer, Merckwürdigkeiten I, S. 186, Anm. h. 10 Becker, Magdeburger Recht, S. 65. 11 KW III, S. 948 ff., 950. 12 Eisenhardt, Jus evocandi, Sp. 1462 ff. 13 Johann von Guben, Jahrbücher, S. 205. 8

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G. Rechtszug und Appellation

nicht solde gesteyn, wen ess weren widder jre privilegia, dass men jn sulde lassen auss zcien; sunder sso der voyt adder eyn ander etczwess zcu jm hette zcu sprechen, her solde jn schuldigen vor mannen vnd stethen vnd nicht vor den koningk heischen, wen sso ess jtzcunder deme geschege, uf eyn ander zceyt geschewt eym andern, sso furde nymandes sicher sseynn.“ Es wurde also befürchtet, daß Heischungen direkt vor den Landesherrn unter Umgehung der an sich zuständigen Gerichte im Untersuchungsgebiet, insbesondere des Gerichts von Land und Städten auch künftig erfolgen würden, ließe man die Heischung Pretzschs zu. Gesandte von Land und Städten sollten nun den Landesherrn darum bitten, daß „her ssy bey jren priuilegien altherkommen vnd vnd gewanheyten wolle lassen, dy jn seyn kon. g. och hot bestetiget.“ Nach diesem Bericht müssen die Landstände bereits seit längerem mit dem privilegium oder ius de non evocando ausgestattet gewesen sein. Der Landesherr äußerte sich jedoch nur wie folgt: „Szo manne vnd stethe sulche privilegia haben, als sich berumen, wolle wir sy jn nicht swechen jn geborlichen sachen, sunder jn der sache Steynechen betreffende jst crimen lesse majestatis, quia jnfidelitas, quod nullus judicare habet nisi superior princeps.“ 14 Der Landesherr ließ es der Quelle zufolge also offen, ob die Landstände über das privilegium de non evocando verfügten. Jedenfalls sei es das Recht des Landesherrn, eine Sache in Fällen der Untreue gegenüber dem Landesherrn an sich zu ziehen. In späterer Zeit wurde jedoch den Landständen vom Landesherrn ausdrücklich das jus de non evocando bestätigt, so 1611 und auch noch nach Übergang des Markgraftums Oberlausitz an den Kurfürsten von Sachsen.15 Auch dies ist ein deutliches Zeichen im gerichtsverfassungsrechtlichen Zusammenhang für eine auch allgemein gegenüber der genossenschaftlichen Seite schwach ausgeprägte landesherrliche Gewalt.

II. Appellation Über Appellation als Rechtsmittel mit Suspensiv- und Devolutiveffekt an ein im Sinne eines Instanzenzuges höheres Gericht, das im Rahmen der Rechtskontrolle hinsichtlich einer erstinstanzlichen Entscheidung eine eigene (neue) Entscheidung trifft, geben hinsichtlich des Untersuchungsgebiets ab dem 16. Jahrhundert einsetzende normative als auch erzählende Quellen Auskunft. Heute noch vorhandene Quellen für die Zeit vor 1547 bieten keine Hinweise auf von der Appellation im genannten Sinn geprägte Gerichtsverfassungsstrukturen in diesem Zeitraum. Die Gerichtsverfassung im Untersuchungsgebiet war bis 1547 einstufig. Der heute ältesten vorhandenen Quelle mit Hinweis auf das Bestehen des später, wie zu sehen, mit Appellationszuständigkeit ausgestatteten Gerichts von Land und Städten, dem bereits genannten Schreiben Michael von Tschirn14 15

Johann von Guben, Jahrbücher, S. 94 ff. Nachweise bei Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 15 ff.

II. Appellation

481

haus’ an den Görlitzer Rat von 1483 zufolge ging es darum, vor diesem Gericht zu klären, welche Ansprüche dem Görlitzer Rat gegenüber dem Bruder Michael von Tschirnhaus’, dem zuvor vom Görlitzer Rat gefänglich eingezogenen Nickel von Tschirnhaus, zustanden.16 Es handelte sich mithin um einen Rechtsstreit zwischen Angehörigen verschiedener Rechtsgemeinschaften, die wie gesehen von jeher unmittelbar vor dem Gericht von Land und Städten im Rahmen einstufiger Gerichtsverfassung verhandelt wurden. Auch als der Landesherr dem Landvogt 1499 befahl, „[von] landt vnd stete[n] eine mergliche anzcal zu sich zu setzen, vnd nach der sachin jrmessung zu irkennen,“ ging es darum, erstmalig darüber zu entscheiden, daß sich Caspar von Rechenberg widerrechtlich in den Besitz einiger Eisenhämmer gesetzt hatte.17 Dem Gericht von Land und Städten kam also nach den heute noch vorliegenden Quellen aus der Zeit vor 1547 im Rahmen der einstufigen Gerichtsverfassung lediglich – im Sinne der neuzeitlichen Appellation erstinstanzliche – Zuständigkeit hinsichtlich besonders gewichtiger Rechtsstreite mit Bedeutung für das gesamte Untersuchungsgebiet beziehungsweise Rechtstreite zwischen Eximierten oder Angehörigen verschiedener Rechtsgemeinschaften, die nicht vor den Ämtern zu verhandeln waren und von dort unmittelbar vor das Oberamt gezogen wurden, zu. Diese Zuständigkeit behielt dieses Gericht wie gesehen (neben der Appellationszuständigkeit) bis ins 19. Jahrhundert. Hinweise auf eine Zuständigkeit als Appellationsgericht bestehen für die Zeit vor 1547 nicht.18 Auch Hinweise auf das Bestehen einer Appellationsinstanz direkt beim Landesherrn, wovon ab 1547, wie zu sehen, die Rede ist, liegen für die Zeit davor nicht vor. Eine Appellationskammer zu Prag wurde bekanntermaßen erst 1548 im Zuge der Niederschlagung des Aufstandes der Landstände im Königreich Böhmen und des Pönfalls gegenüber den Sechsstädten im Untersuchungsgebiet 1547 mit Zuständigkeit auch hinsichtlich der Nebenländer der Krone Böhmen eingerichtet.19 Eine landesherrliche Urkunde von 1504, in der angeordnet wird, daß weder „Appellation“ noch „Rechtsbelehrung“ hinfort weiter nach Magdeburg gelangen noch daselbst eingeholt werden dürften, ist zunächst kein Beweis des Gegenteils. Hiernach sollte statt dessen ein „judicium ordinarium“ eingerichtet werden, auf dessen Entscheidungen die „Appellation“ an die „Königl. Majest. oder die Kron Böhmen“ möglich sein sollte.20 Was genau mit dem Wort „Appellation“ gemeint war, läßt sich anhand des spärlichen Quelleninhalts nicht ermitteln. Es liegen auch keine Hinweise dafür vor, daß tatsächlich ab diesem Zeitpunkt Appellation an das Gericht von Land und Städten oder an den Landesherrn erfolgte. Wie gesehen, wurde trotz dieser Urkunde bis 16

VOU I, H. 5–8, S. 148; Käuffer, Abriß II, S. 372 ff., Anm. 39. VOU II, S. 46. 18 So auch Kapras, Rechtsgeschichte, S. 71. 19 Näher zu Zuständigkeit und Verfassung dieses Gerichts Peterka, Rechtsgeschichte II, S. 98 ff. 20 Abgedruckt Behrnauer, Gerichtsverfassung, S. 18 f.; vgl. VOU II, S. 67. 17

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G. Rechtszug und Appellation

1547 weiterhin Recht beim Magdeburger Oberhof eingeholt, was darauf hindeutet, daß die Urkunde wirkungslos blieb. Gegen Appellationszuständigkeit des Gerichts von Land und Städten beziehungsweise des Landesherrn im Rahmen eines Instanzenzuges vor 1547 sprechen vor allem die bereits genannten Restitutionsprivilegien König Ferdinands I. an die sechs landesherrlichen Städte vom 1. Oktober 1547, mit denen diesen nach dem Pönfall bestimmte Rechte wieder eingeräumt wurden. In der Urkunde an Zittau, die insoweit hinsichtlich aller sechs Städte gleichlautet, heißt es: „Nachdem auch verschiener Zeit, von denen von Zittau gen Magdeburg, Leipzig, Dohna und dergleichen Oerter [. . .] um Belehrung des Rechts geschicket, und alldar Urtheil eingeholet, und nicht gestatten wollen, vor uns oder anders wohin zu appelliren, und derowegen den armen Mann der Weg und Zuflucht zu uns gesperret worden, und also nicht geringe Unkosten ihnen aufgegangen seyn. [So] befehlen [wir] und wollen, daß die Belehrungen des Rechts, die Urtheil-Einholungen und Appellationes von Zittau, wo ein bürgerlicher Inwohner, oder ein anderer, wer sich wegen des von Zittau gesprochenen Urtheils beschweret zu seyn vermeynet / wenn wir persönlich in der Cron Böhmen seyn werden, für uns, unsere Erben und nachkommende Könige zu Böheimb und Marggrafen zu Lausitz, und aber in unsre Abwesenheit für unsre Räthe, so zu dieser Handlung auf unsern Königl. Schloß Prag zu sitzen werden verordnet seyn, gehen und gelangen lassen.“ 21 Aus der Differenzierung zwischen den Worten „Belehrung des Rechts“, „Urtheil-Einholung“ und „Appellation“ kann geschlossen werden, daß mit dem Begriff „Appellation“ hier die Appellation im Rahmen eines Instanzenzuges und nicht Urteilsschelte gemeint war. Zittau und den anderen Städten wurde das Recht genommen, wie bisher die Appellation auf Entscheidungen ihrer Gerichte an den Landesherrn zu versagen. Dieser beabsichtigte vielmehr, einen Instanzenzug neu einzurichten. Als oberstes Appellationsgericht sollte die Prager Appellationskammer fungieren, deren Neueinrichtung der Landesherr bereits in dieser Urkunde ankündigt. Auch bezogen auf das Untersuchungsgebiet kann als Grund der Einrichtung des Instanzenzuges mit der Prager Kammer als oberstes Appellationsgericht in Böhmen und seiner Nebenländer mit Peterka also festgestellt werden: „Der Auffassung der königlichen Gewalt, wie sie Ferdinand I. unter Einwirkung des römischen Vorbildes hatte, mußte auf dem Gebiete der Gerichtsbarkeit das Streben entsprechen, die oberste Gerichtsgewalt des Königs zu stärken, insbesondere einen ordentlichen Rechtszug an den König zu schaffen.“ 22 Die landesherrlichen Maßnahmen gegenüber den Landständen in Böhmen und seinen Nebenländern im Jahr 1547 äußerten sich im Untersuchungsgebiet im Pönfall gegen die sechs landesherrlichen Städte, damals maßgebliche Träger der landständischen Rechte im Untersuchungsgebiet. Auch hier handelte es sich also bei 21 22

Abgedruckt Großer, Merckwürdigkeiten I, S. 186, Anm. h. Peterka, Rechtsgeschichte II, S. 98.

II. Appellation

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der Einrichtung des Instanzenzuges nach den Intentionen des Landesherrn um ein gerichtsverfassungsrechtliches Instrument zur Stärkung der landesherrlichen Gewalt, mithin des Territorialstaats – jedoch tatsächlich auf Kosten der Landstände, mithin der tonangebenden Genossenschaften im Untersuchungsgebiet? Darzustellen ist der Instanzenzug hinsichtlich Entscheidungen erstinstanzlicher Gerichte im Untersuchungsgebiet. In der bereits genannten „Confirmation einer Abhandlung“ zwischen dem Landvogt Graf Dohna und den Landständen von 1561 verordnete beziehungsweise bestätigte der Landesherr, daß hinsichtlich der Entscheidungen der Ämter, Hof- und Landgerichte sowie der grundherrlichen und städtischen Gerichte die „Appellation und Beruffung an den Land-Voigt und Verordnete von Land und Städten, welche den beschwerten Theil fürzunehmen (im Fall sie alldar beschwert worden,) bevorstehen, auch ferner zugelassen werden soll, an Uns und unsre verordneten Appellation-Räthe zu appeliren, wie solches nicht allein alldar Herkommen und gebräuchlich, sondern auch Rechtens ist.“ 23 Auch nach der landesherrlichen „Konstitution“ von 1582, die insoweit auf die „Abhandlung“ von 1561 verweist, erfolgten Entscheidungen „mit Vorbehalt der Appellation und Beruffung an Unsern Land-Voigt, und die Verordnete der von Land und Städten, und ferner an Uns und Unsere verordnete AppellationRäthe, so soll es darbey auch gelassen werden.“ 24 In der Instruktion des Landesherrn an den Landvogt von 1554 heißt es: „Und da [im Entscheidungsverfahren – HvS] die Verordneten von Land und Städten, sich mit dem Land-Voigt nicht vergleichen könten, oder möchten, so sollen sie mit ihrem fernern Bericht an Uns, oder unsre verordnete Appellation-Räthe, gelangen laßen, und darüber Bescheid und Erledigung erwarten. Im Fall aber, da sich Land und Städte über Malefiz-, oder sonst gerichtlichen Process, vergleichen und rechtlich sprechen [. . .]; So behalten wir Uns die Appellation [. . .] bevor. [. . .] Und da nun einigerley RechtsSpruch ausgienge, und ein oder ander Parthey sich deßelben beschweren und an Uns appeliren wollten, so soll einem ieden die Appellation vor unsere verordnete Appellation Räthe [. . .] bevorstehen.“ 25 Ab 1548, als die Prager Appellationskammer eingerichtet wurde, bestand daher ein Instanzenzug sowohl von den landesherrlichen Ämtern und Hofgerichten sowie von den grundherrlichen und städtischen Gerichten zunächst an das Oberamt. Auf dessen Entscheidungen war die Appellation an den Landesherrn beziehungsweise die von ihm geschaffene Appellationskammer auf dem Prager Schloß eröffnet. Daneben bestand die Möglichkeit der Rechtsholung bei Uneinigkeit der Urteiler fort. Das Prager Appellationsgericht, die 1548 infolge der ständischen Aufstände in den böhmischen Kronländern königliche Appellationskammer auf dem Prager Schloß, war nach dem Willen König Ferdinands I. dazu gedacht, den herrschaftlichen Einfluß un23 24 25

KW II, S. 1354 ff., 1357. KW I, S. 373, 377. KW II, S. 1337 ff., 1338 f.; vgl. S. 1350 ff.

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ter anderem in diesem, dem gerichtsverfassungsrechtlichen Wege in Böhmen und den Kronländern auszubauen und durchzusetzen. Die Mitglieder des Gerichts wurden allein vom Landesherrn ausgewählt und ernannt. Es handelte sich einerseits um landesherrliche Räte, die den drei böhmischen Ständen entnommen waren: zwei Herren, drei Ritter, vier Prager Bürger, sowie um vier Doktoren der Rechte. Im Gericht bestand insgesamt ein Übergewicht gelehrter Juristen. Eine Besetzung unter maßgeblicher Beteiligung der Rechtsgenossen der Partei erfolgte nicht.26 Mit Übertragung des Markgraftums Oberlausitz vom König von Böhmen an den Kurfürsten von Sachsen änderte sich der Instanzenzug, wie sich aus dem zwischen dem König von Böhmen und dem Kurfürsten von Sachsen am 30. Mai 1635 vereinbarten „Recess, die Abtretung Ober- und Nieder-Lausitz betreffend“, hervorgeht: „Auch dahero aus obangeregten beyden Marggrafthümern Ober- und Nieder-Lausitz, alle und jede Appellationes und alle andere Remedia suspensiva, an Se. Chur-Fürstl. Durchl. zu Sachsen, und an Dero obgemeldte Lehens-Erben und Nachkommen, und nicht mehr an die Cron Böhmen, gehen, dirigiret und allda justificiret, auch daran unter keinem Schein einiger Einhalt gethan werden. [. . .] Welche Gerechtigkeit [. . .] Ihr. Kayserl. Majestät, als König zu Böhmen, Sr. Chur-Fürstl. Durchl. Krafft dieser erblichen Verhandlung, und demnach ex speciali hoc pacto mit verliehen, und also dieselbe der Belehnung ausdrücklichen mit einverleibet werden soll.“ Es war den Parteien ausdrücklich untersagt, gegen Entscheidungen der kursächsischen Appellationsinstanz beim König von Böhmen Recht zu suchen.27 Zu kursächsischer Zeit war oberste Appellationsinstanz daher der Kurfürst als Landesherr selbst, der diese Aufgabe jedoch an das Geheime Consilium, mithin den Geheimen Rat delegierte. Das Appellationsgericht zu Dresden war hinsichtlich der Oberlausitzer Sachen nicht zuständig.28 Die 1821 anstelle des Oberamts gebildete Oberamtsregierung wurde als „Appellationsinstanz“ zuständig für „alle, gegen das Verfahren bei ihr und den untergeordneten Gerichtsbehörden, in rechtshängigen oder in Polizei- und Steuersachen eingewandte Berufungen“. Hinsichtlich der Appellationen gegen die „den Parteien publicirten, Rechtssprüche über unmittelbar bei der Ober-Amtsregierung, oder bei den Unterinstanzen anhängige Rechtsstreitigkeiten“ war das „Appellationsgericht“ in Dresden zuständig. Die bisher zuständige „Appellationsinstanz“ des „Geheimen Raths“ wurde aufgelöst.29 Zu klären ist, ob die Quellen aus der Zeit nach 1547, wenn sie von Appellation sprechen, nicht etwa (auch) die Urteilsschelte meinen. Am aussagekräftigsten ist 26

Peterka, Rechtsgeschichte II, S. 99. KW II, S. 1408 ff., 1412 f.; vgl. Generalkonfirmation des neuen Landesherrn vom 2. Oktober 1637 (KW II, S. 1419 ff., 1420) und 16. Juli 1657 (KW II, S. 1429 f., 1430) wegen der Rechte und Privilegien der Landstände. 28 Römer, Staatsrecht, S. 175 ff. 29 GS Sachsen 1821, S. 17 ff. 27

II. Appellation

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der Bericht des Görlitzer Amtshauptmanns um 1585: „Für die Gerichte [von Land und Städten – HvS] kommen die Sachen, welche zuvor durch die Amtshaubtleute undt Ihre Verordneten Beysitzer Jedes Ambtshaubtmannes genugsam Verhöret, tractiret, durch Vergleichung oder rechtmäßige Verabschiedung erlediget, undt bey den Abschieden in gebührlicher Frist von Zehen Tage Appeliret worden.“ „Da auch einigerley Rechts Sprüche ergingen, und eine oder die andere Parthey sich der selben beschweren und die Königl. Mayth. in gebührender Zeit appeliren wolten, so soll einen Jeden die Appellation für Ihro Mayth. Verordnete Appellation Räthe frey und unverschrenckt bevorstehen.“ „Wirdt aber von Abschieden inner zehen Tagen nicht appeliret so gehen die Abschiede in rem judicatam und erreichen ihre Krafft und Würckung.“ 30 Nichts deutet also darauf hin, daß dem gescholtenen Urteil ein weiteres an die Seite gesetzt wurde. Vielmehr wurde allein die erstinstanzlich gefällte Entscheidung dem Oberamt als nächster Instanz zur Entscheidung vorgelegt, auf die sodann eine neue Entscheidung des Oberamts erfolgte. Auf diese Entscheidungen durfte in vergleichbarer Weise an den Landesherrn und dessen Appellationsräte zu Prag appelliert werden. Daneben erfolgte weiterhin Rechtsbelehrung durch die Prager Kammer. Außerdem spricht auch der Umstand der Frist von zehn Tagen für Appellation im neuzeitlichen Sinn.31 Die Quellen über die Gerichtsverfassung des Oberamts jedenfalls ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts meinen daher auch32 im Untersuchungsgebiet die Appellation im neuzeitlichen Sinn, wenn sie den Begriff gebrauchen. Hinsichtlich der Appellationszuständigkeit des Oberamts gibt die Gerichtsordnung des Gerichts von Land und Städten um 1600 Auskunft. Im Kapitel „Materia Judicii Ordinary“ wird nach sachlichen Gesichtspunkten erläutert: „Handtlungen, so vor dem ordentlichen Gericht, derer von Land und Städten vorkommen, sind vielfältig also erstlich, wann von des Land Voigts, beyder Hauptleuthe und Hofgerichts Abschieden, appeliret [wird].“ Zweitens wird die bereits dargelegte erstinstanzliche Zuständigkeit dargelegt.33 Im Kapitel „Personae, quae agunt in Judicio“ wird die personelle Zuständigkeit des Gerichts als Appellationsinstanz beschrieben: „Diesem Ordinario Judicio sindt alle Landtsassen dieses Marggrafthumbs, nach Wichtigkeit der Sachen, oder wann von Abschieden und gravam: des Ambts provocirt so wohl der Landsaßen unterthanen, wenn gradatim debito et legitimo modo appeliret, und dann auch die Bürger der Städte wann Appellation eingewendet, unterworfen.“ 34 Auch von den grundherrlichen Gerichten der Geistlichkeit wurde hierher appelliert, wenn diese „in mundanis“,35 also im Rah30 31 32 33 34 35

StFilA Bautzen, Salza, Bericht II, 2. Vgl. Kern, Hofgerichtsordnungen, S. 155. vgl. allgemein Weitzel, Appellation, Sp. 268. StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 124 f. StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 120 f. StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt, Bl. 127 b f.

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G. Rechtszug und Appellation

men der weltlichen Gerichtsbarkeit handelten. Es findet also eine positive Aufzählung der appelablen Fälle in sachlicher wie personeller Hinsicht statt. Es durfte von den Entscheidungen der Ämter und Hofgerichte appelliert werden. Außerdem fand die Appellation von den Gerichten der weltlichen und geistlichen Grundherrschaften – bei letzteren nur im Rahmen der weltlichen Gerichtsbarkeit – und der Städte statt. Die Appellation an das Oberamt stand also allen Ständen mithin auch auf Urteile der grundherrlichen beziehungsweise städtischen Ratsgerichtsbarkeit offen. Insoweit war es also gerade für die nicht in den Landständen verfaßten unteren Stände, für die Bauern und die nicht zu den Stadteliten gehörigen Bürger und Einwohner einer Stadt, möglich, hier ihr Recht zu suchen. Dies zeigt, daß im Untersuchungsgebiet trotz Vorhandenseins einer starken, weitgehend vom Landesherrn freien „lokalen Mediatgewalt“ Bauernschutz, wenn der Begriff im vorliegenden Zusammenhang überhaupt angemessen ist, durch die Möglichkeit der Appellation gegen nichtlandesherrliche Entscheidungen an den Landesherrn jedenfalls de jure gewährleistet wurde. Die Frage, wie sich dies im Einzelfall praktisch vollzog, insbesondere welche tatsächlichen Hindernisse wie etwa hohe Prozeßkosten und zeitlicher Aufwand für die Appellanten bestanden, sprengt den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, die eine andere, nämlich die eingangs dargestellte spezifisch gerichtsverfassungsrechtliche Aufgabenstellung aufweist. Welches Recht der Landesherr beziehungsweise das oberste Appellationsgericht bei der Beurteilung Oberlausitzer Sachen anwendete beziehungsweise anzuwenden hatte, ergibt sich bereits aus der genannten landesherrlichen Urkunde vom 1. Oktober 1547, mit der der Landesherr ankündigt, daß zukünftig wegen Entscheidungen der Städte die Appellation an die Prager Appellationskammer stattfinde: „[Der vorgelegte Fall soll nach den] in Ober-Lausitz gebräuchlichen Processis und Urtheilen“ beurteilt werden.36 Nach der landesherrlichen Resolution vom 6. September 1611 war „bey der Appellation [. . .] nach den Land- und Gerichtsordnungen Privilegiis Statutis & Juribus Municipalibus, sowohln Landüblichen Sächßischen Rechten“, also unter Zugrundelegung Oberlausitzer Territorialrechts zu entscheiden.37 Auch nach dem Anfall des Markgraftums Oberlausitz an den Kurfürsten von Sachsen änderte sich daran nichts, wie etwa aus einer aufgrund einer Beschwerde der Landstände erfolgten landesherrlichen Bestätigung der Rechte der Landstände von 1733 hervorgeht. Um dies sicherzustellen, sollte auch „künftig, wie bisher geschehen, bey Ersetzung der Raths-Stellen in Dero Appellation-Gerichte, auf einige Ober-Lausitzische hierzu tüchtige Subjecta, sowohl von Adel, als graduirte Personen“ der Blick gerichtet werden.38 Die 36

Abgedruckt Großer, Merckwürdigkeiten I, S. 186, Anm. h. KW III, S. 920 ff., 923. 38 KW II, S. 1483 ff., 1486; vgl. ältere Einlassungen des Landesherrn, z. B. Resolution auf verschiedene Beschwerden der Landstände von 1694 (KW II, S. 1462 f., 1464); und jüngere: Resolution von 1769 (KW III, S. 948 ff., 950 f.). 37

II. Appellation

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Beispiele solcher landesherrlicher Zusicherungen ließen sich fortsetzen. Insoweit wird auf die eingangs vorgestellten Rechtsquellen insbesondere des Oberlausitzer Territorialrechts verwiesen. In der Umsetzung gab es aber Schwächen. Nach einem Bericht des Oberamts an den Landesherrn von 1789 hatten sich die Landstände beschwert, daß von der Dresdner Appellationsinstanz sowie den Juristenfakultäten und Schöppenstühlen zu Leipzig und Wittenberg „bei Abfassung der Urteile in Oberlausitzer Rechtssachen teils Gesetze, welche in besagtem Markgraftum niemals publiziert worden, zum Grunde der Entscheidung geleget, teils aber auch auf dasige besondere eigentümliche Verfassung keine Rücksicht genommen worden“, insbesondere „auswärtige Gesetze“ wie die „kursächsischen Konstitutionen, die alte kursächsische Prozessordnung“ angewandt worden seien. Der landständischen Beschwerde werde mithin abgeholfen, wenn die Stellen hinsichtlich der Beurteilung Oberlausitzer Sachen angewiesen würden, „der matthiasischen Vorschrift [bereits genannte Deklaration König Matthias II. von 1611, die Grundlagen des Oberlausitzer Territorialrechts enthaltend – HvS] nachzugehen, die durch das Oberamt [. . .] publizierten Gesetze zum Grunde der Entscheidungen zu legen und sich dieserhalb [. . .] nach der durch die Oberlausitzer Stände in drei Teilen veranstalteten Kollektion dieser Gesetze und Verordnungen [die Bände KW I–III; die restlichen Bände waren zum Zeitpunkt der Abfassung des Berichts noch nicht erschienen – HvS] zu achten, etwaige Beziehung aber auf kursächsische, hier nicht publizierte Gesetze [sich] zu enthalten“.39 Deutlich wird mithin, daß der Landesherr zwar einerseits im Wege der Appellation Einfluß auf die jeweilige letztinstanzliche Gerichtsentscheidung und damit auch die untergerichtliche Rechtsanwendung im Untersuchungsgebiet gewinnen wollte und gewann. Dies wurde erreicht durch die bewußte Gestaltung der personell-organisatorischen Seite ohne (maßgeblichen) Einfluß der betreffenden Genossenschaft. Trifft dies zwar nur hinsichtlich der Prager Appellationskammer beziehungsweise des Geheimen Rats zu, wurde jedoch jedes abweichende Urteil des weiterhin nach dem „dinggenossenschaftlichen Prinzip“ besetzten Gerichts von Land und Städten vom Spruch des letztinstanzlichen Gerichts korrigiert. Hinsichtlich des Geheimen Rats nahm zwar der Kurfürst von Sachsen sogar in personell-organisatorischer Hinsicht Rücksicht auf die Belange der Oberlausitzer Landstände als Genossenschaft, wobei jedoch nicht davon auszugehen ist, daß sich das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ in einer Mehrheit der Oberlausitzer Urteiler bei Verfahren unter Beteiligung Oberlausitzer Parteien niederschlug und überhaupt niederschlagen sollte. Der Landesherr sicherte im übrigen zwar zu, daß rechtsinhaltlich trotz Fehlens entsprechender Rechtsgenossen als Mitglieder im obersten Appellationsgericht Oberlausitzer Territorialrecht berücksichtigt

39

Hartstock/Kunze, Lausitz, S. 26 ff., 27 f.

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G. Rechtszug und Appellation

werde. Trotzdem oder, sollte man sagen, wegen des Fehlens von Rechtsgenossen kam es zu Protesten der Landstände hinsichtlich mangelnder Anwendung des Oberlausitzer Rechts. Dies stand wohl in Zusammenhang mit der fehlenden oder unzureichenden personell-organisatorischen Beteiligung von Angehörigen der Rechtskreise sowohl an der Besetzung der Prager als auch der Dresdner Appellationskammer. Festzustellen ist also, daß die letztinstanzliche Appellation ein Einfallstor für vom Herrschaftsträger ausgehende zentrale, somit „genossenschaftsunabhängige“ Rechtsanwendung und damit -bildung war. In dieser Hinsicht konnte die von Ferdinand I. angestoßene „Monarchisierung“ zulasten der genossenschaftlichen Befugnisse im Untersuchungsgebiet verwirklicht werden. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß in den Quellen nach 1547 und insbesondere auch den eben näher dargestellten vermehrt von landesherrlichen Gesetzen gesprochen wird, die ohnehin ohne Einfluß der betreffenden Genossenschaft mithin „am Urteil vorbei“ zustandekamen.

III. Ergebnis Für den Zeitraum bis 1547 liegen klare Hinweise auf das Bestehen eines Rechtszugs vor. Das Untersuchungsgebiet lag im Geltungsbereich des SächsischMagdeburgischen Rechts. Rechtszug erfolgte insbesondere von den Stadtschöffengerichten der landesherrlichen Städte, vor allem Görlitz, aufgrund der Weichbildzuständigkeit seines Stadtschöffengerichts Zentrum des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts im Untersuchungsgebiet, an den Magdeburger Oberhof. Die landesherrlichen Städte waren ihrerseits Oberhof für grundherrliche Städte und Dörfer in der Umgebung. In Verfahren des Rechtszugs oblag es stets den Schöffen der betreffenden Rechtsgenossenschaft, das Urteil zu finden. Rechtszug bedeutet lediglich Rechtseinholung durch die Rechtsgenossen bei einem Oberhof, jedoch nicht die Ersetzung ihrer Entscheidung durch die etwa einer anderen Rechtsgenossenschaft oder eines Herrschaftsträgers. Recht wurde daher auch hier durch die betreffenden Rechtsgenossen durch Urteil gebildet. Das Vorhandensein eines Rechtszugs deutet klar auf die Geltung der einstufigen mittelalterlich-dinggenossenschaftlichen Gerichtsverfassung, mithin des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ im Untersuchungsgebiet hin. Im Zuge des Pönfalls wurde der Rechtszug nach Magdeburg verboten und ein solcher an die 1548 neugebildete Appellationskammer zu Prag geschaffen. Außerdem wurde ein Instanzenzug eingeführt. Appellation stand nunmehr allen Ständen auf sämtliche Entscheidungen nicht nur der landesherrlichen, sondern auch der grundherrlichen und städtischen Gerichte an das Gericht von Land und Städten als Appellationsgericht und auf dessen Entscheidungen an die Appellationskammer zu Prag offen. Ob und inwieweit diese Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung praktisch insbesondere für die Bauern und die nicht zu den Stadteliten gehörigen Bürgern und Bauern der Städte echten Rechtsschutz bot, muß

III. Ergebnis

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einer anderen Untersuchung vorbehalten bleiben. Im Gericht von Land und Städten waren es – auch in Appellationssachen – bis zum Ende seines Bestehens (maßgeblich) die Angehörigen der Landstände, die Urteil über ihre Rechtsgenossen und die Appellanten der übrigen Stände fanden und damit, auch wenn der Anteil des herrschaftlich gebildeten Gesetzesrechts wuchs, zumindest in den noch zahlreichen (dringend näher zu untersuchenden!) „gesetzesfreien“ Bereichen des Oberlausitzer Territorialrechts durch Urteil Recht schufen und fortentwickelten. Insoweit konnte sich zumindest bezogen auf die Genossenschaft der Landstände auch hinsichtlich der Appellation das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ in gewisser Weise erhalten. Die höhere Instanz, zunächst also die Prager Appellationskammer, war dagegen ausschließlich mit vom Landesherrn ausgewählten und ernannten landesherrlichen Räten und Doktoren des Rechts besetzt. Eine Besetzung unter Berücksichtigung des jeweiligen Rechtskreises der Partei erfolgte nicht. Die Appellationskammer zu Prag ist nach Besetzung und Verfahren als „gelehrtes Gericht“ zu bezeichnen. Der dort gefällte Spruch korrigierte unterinstanzliche, gegebenenfalls unter Mitwirkung von Genossenschaften ergangene Entscheidungen. Daher konnte der von König Ferdinand I. unternommene Versuch der „Zentralisierung“ der Gerichtsverfassung und damit auch der Rechtsbildung insoweit erfolgreich umgesetzt werden. Zwar sollte nach dem Willen des Kurfürsten von Sachsen als ab 1620/35 neuem Landesherrn „in Oberlausitzer Sachen“ der entsprechende Rechtskreis bei der Besetzung der Dresdner Appellationskammer durch Angehörige des Oberlausitzer Adels beteiligt sein. Jedoch war es auch hier nicht (maßgeblich) die betreffende Genossenschaft, die an der Urteilsfindung beteiligt war. Wohl wegen der mangelnden oder unzureichenden Beteiligung der betreffenden Rechtskreise in personell-organisatorischer Hinsicht wurde auf Oberlausitzer Sachen nicht stets wie zugesichert ausschließlich Oberlausitzer Territorialrecht angewandt. Insoweit kam es zu Protesten. Der Instanzenzug zu einer landesherrlichen Appellation bot wenigstens de jure wie erörtert einerseits insbesondere den unteren, nicht personell in den Landständen vertretenen und von der Gerichtsbarkeit der „lokalen Mediatgewalt“, insbesondere der Grundherren eximierten Ständen, hier vor allem den Bauern die Möglichkeit, eine Entscheidung der „lokalen Mediatgewalt“ überprüfen zu lassen, andererseits aber auch damit dem Landesherrn und seiner Appellationskammer die Gelegenheit, das von ihr gesprochene Recht durch Korrektur des untergerichtlichen Urteils auf die unteren Instanzen durchschlagen zu lassen, indem diese sich tunlichst nach dem in der Appellationsintanz gesprochenen Recht richteten, wollten sie nicht eine Kassierung ihrer Entscheidung in höherer Instanz riskieren. Wie sich dies in der Praxis vor allem angesichts dessen, daß die „mittlere Appellationsinstanz“, das Gericht von Land und Städten, wie gesehen gemäß dem dinggenossenschaftlichen Prinzip von den in den Landständen verfaßten Eliten des Landes unter Ausschluß etwa des Bauerntums dominiert wurde, nieder-

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G. Rechtszug und Appellation

schlug, muß gesondert untersucht werden. Gerade in dieser Instanz wird für die Urteiler die Herausforderung bestanden haben, sowohl unter Anwenung heimischen hergebrachten (Laien-)Rechts der Genossenschaft als auch gelehrten, von den Appellationsräten in Prag beziehungsweise Dresden gesprochenen Rechts ausgewogene Entscheidungen zu treffen.

H. Gesamtergebnis Auch die Gerichtsverfassung in der Oberlausitz war zunächst überall mittelalterlich-dinggenossenschaftlich, mithin vom dinggenossenschaftlichen Prinzip geprägt. Recht und Gericht erscheinen bezüglich aller Genossenschaften im Untersuchungsgebiet – insbesondere Landstände, Adel, Bürger und Bauern – als im Weitzelschen Sinn „eins“. Über die Urteilsfindung im Gericht durch die Rechtsgenossen der Partei als Urteiler wurden allgemeinverbindliche Regeln der jeweiligen Genossenschaft durch diese selbst gebildet, stabilisiert und fortentwickelt. Hierüber definierte sich maßgeblich die betreffende Genossenschaft als Rechtsgenossenschaft. Konflikte wurden ausgelöst, wenn dieser Zirkel durchbrochen wurde. Weitzel hat auch vor dem Hintergrund der vorliegenden Untersuchung der Oberlausitzer Gerichtsverfassung Recht, wenn er meint, daß „das Gericht in das Zentrum der fränkisch-deutschen Rechtsbildung zu stellen“ sei.1 Das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ ist erkennbar am Grundsatz der Funktionsteilung, der ebenfalls im Untersuchungsgebiet Ausdruck des gerichtsverfassungsrechtlichen Zusammenwirkens von herrschaftlicher und genossenschaftlicher Ordnung, also des (Vertreters des) Herrschaftsträgers und der ihm unterworfenen Genossenschaft war. Dieser Grundsatz zeigt sich auch im Untersuchungsgebiet an der Scheidung der Gerichtspersonen im engeren Sinn in Richter als Vertreter der herrschaftlichen Ordnung und Urteiler als Mitglieder der dem Gericht unterworfenen Genossenschaft. Inhaltlich wird dieser Grundsatz auch hier erkennbar an der Scheidung des Gerichtsverfahrens in Verfahrensleitung und Rechtszwang als Aufgabe des Richters und in Urteilsfindung, die auch hier auf allen Herrschaftsebenen ausschließlich oder maßgeblich durch die Urteiler aus der betreffenden Genossenschaft erfolgte. Auch im Untersuchungsgebiet war bei Geltung des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ durch Auswahl und Ernennung und im Rahmen der Anforderungen und Pflichten an die/der Gerichtspersonen sichergestellt, daß es die Genossenschaft war, in deren Händen das für sie geltende Recht lag. Zur Zeit der Geltung des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ im Untersuchungsgebiet hatte nur die betreffende Genossenschaft Einfluß auf beziehungsweise war entscheidendes Auswahlkriterium die Genossenschaftsangehörigkeit für die Auswahl der Urteiler, auch wenn die Ernennung – und in letzterem Fall die Auswahl – durch den Herrschaftsträger als Gerichtsherrn erfolgte. Hinsichtlich der Anforderungen und Pflichten für die Tätigkeit als Urteiler war es ausreichend, aber auch erforderlich, der jeweiligen Genossenschaft anzugehören. 1

Weitzel, Dinggenossenschaft, S. 92.

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H. Gesamtergebnis

Genossenschaftliche Rechtsbildung und -wahrung durch genossenschaftliche Urteilsfindung im Gericht ist zwar bereits hinsichtlich des zur Zeit der ersten böhmischen Periode nachgewiesenen landesherrlichen „placitum provinciale“ und des Budißiner Burggrafendings erkennbar, indem zumindest die Gerichtspersonen aus den Reihen der dem Gericht unterworfenen Genossenschaft erkennbar werden und die übrigen Merkmale durch Vergleichsziehung mit Blick auf benachbarte Landschaften, insbesondere die Mark Meißen ermittelt werden können. Deutlich scheint das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ jedoch erst in den heute greifbaren Quellen hinsichtlich der ab der askanischen Zeit nachgewiesenen, insbesondere landesherrlichen Gerichte auf. Dies trifft vor allem auf die Vogtdinge zu. Konkrete Beispiele lassen sich insoweit vor allem an Veränderungen der jeweiligen Gerichtsverfassung zeigen. Ein deutlicher Hinweis auf die Geltung des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ im Untersuchungsgebiet sind die ab Beginn des 14. Jahrhunderts zu beobachtenden weitgehenden landesherrlichen Exemtionen der (werdenden) Stadtrechtsgenossenschaften vom Landrecht. Bislang waren die Bewohner der entstehenden Städte als Angehörige der Landrechtsgenossenschaft dem Vogtding, in dem Angehörige des Landrechts nach Landrecht verfuhren, unterworfen gewesen. Nunmehr entwickelten sich jedoch die Stadtbewohner aufgrund eines gegenüber der bäuerlich-dörflichen Lebenswelt veränderten wirtschaftlichen und sozialen Umfelds jeweils zu einer selbständigen Genossenschaft. Sie hatten mithin ein Bedürfnis nach neuen oder weiteren allgemeinverbindlichen Regeln, die die Elemente der veränderten Lebenswelt in sich aufnahmen und weiterentwickelten. Es entstand ein gegenüber dem Landrecht verselbständigtes Stadtrecht. Deutlich wird anhand der nunmehr erfolgten Exemtionen der Stadtrechtsgenossenschaften vom Landrecht/-gericht zugunsten eines eigenen, mithin mit eigenen Rechtsgenossen als Urteiler besetzten Gerichts, daß es offenbar entscheidende Voraussetzung für eigenständig weiterentwickelte allgemeinverbindliche Regeln, mithin für die Ausbildung einer besonderen Stadtrechtsgenossenschaft war, über ein mit nach diesen Regeln urteilenden Rechtsgenossen besetztes Gericht zu verfügen. Plastisch wird der Zusammenhang zwischen Herrschaft, Genossenschaft, Recht und Gerichtsurteil im Untersuchungsgebiet vor allem anhand weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Veränderungen ab Beginn des 14. Jahrhunderts im Kontext mit der dem Untersuchungsgebiet eigenen, bis zum Pönfall 1547 vorhanden gewesenen Weichbildverfassung und eines daraus entstandenen, somit über mehr als zwei Jahrhunderte währenden Konflikts. Bisher getrennte Genossenschaften des Adels einerseits, die bislang dem mit Angehörigen des Landrechts als Urteiler besetzten Vogteigericht/Landgericht unterworfen gewesen waren, und andererseits der Bürger als Angehörigen des Stadtrechts wurden – in der Vogtei Görlitz aufgrund der landesherrlichen Urkunde für Görlitz von 1303 – nunmehr im Rahmen bestimmter Zuständigkeiten, also sachlich und damit genossenschaftsübergreifend angebunden, einem Gericht unterstellt, welches – einerseits

H. Gesamtergebnis

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etwa in Görlitz ausschließlich, in Zittau beispielsweise andererseits gleichberechtigt neben Landschöffen – aus Stadtschöffen bestand, die nunmehr Urteil für beide bisher getrennten Rechtsgemeinschaften fanden. Besonders wird an dem von 1303 bis zum Pönfall 1547 dauernden Konflikt zwischen dem Adel der Görlitzer Vogtei/des Görlitzer Weichbilds und dem Görlitzer Rat/den Görlitzer Stadtschöffen deutlich, daß sich eine Genossenschaft maßgeblich über ihr Gericht, wo durch Urteil ihrer Rechtsgenossen Recht gefunden und bewahrt wurde, definierte. Der Adel wollte durch Urteiler seines Rechtskreises an der Urteils- und damit Rechtsfindung auch im Rahmen der Weichbildzuständigkeit beteiligt sein, was ihm die genannte landesherrliche Urkunde von 1303 für Görlitz und die daran anschließende Praxis bezüglich der wesentlichen Obergerichtszuständigkeit bis 1547 verwehrten. Die Forderung hatte angesichts des dinggenossenschaftlichen Prinzips ihre Berechtigung: Der Adel nahm nicht hin und konnte nicht hinnehmen, daß mit Görlitzer Bürgern „der niedere Stand [. . .] den obern“, also Angehörige einer anderen, hier nach den Verhältnissen der damaligen Zeit ständisch definierten Genossenschaft über die eigenen Rechtsgenossen urteilte und damit insoweit allgemeinverbindliches Recht auch für diese gestaltete. Dem Adel wurde damit die Befugnis genommen, im Gericht, dem insoweit damals maßgeblichen Ort, durch das Urteil der eigenen Rechtsgenossen allgemeinverbindliches Recht, mithin das Wesen seiner Genossenschaft eigenständig zu gestalten und zu bewahren. Bezüglich des Weichbilds Zittau beispielsweise lag dagegen kein Grund für derartige Auseinandersetzungen vor, da der Adel hier durch eigene Urteiler an der Urteils- und damit Rechtsfindung hinsichtlich der Rechtsgenossen im Weichbildrecht beteiligt war. Bezüglich des Oberlausitzer Femgerichts weist eine vergleichbare Problematik auf die Geltung des „dinggenossenschaftlichen Prinzips“ auch in diesem Gericht hin. Das Vorhandensein der mittelalterlich-dinggenossenschaftlichen Justiz im Untersuchungszeitraum zeigt sich zudem anhand des Vorhandenseins eines Rechtszugs. Das Untersuchungsgebiet war bis 1547 wie die übrigen Landschaften des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts von einer einstufigen Gerichtsverfassung geprägt. Durch Urteilsschelte beziehungsweise bei Zweifel oder Uneinigkeit der Urteiler im Vorfeld einer Entscheidung erfolgte der Rechtszug von allen sechs landesherrlichen Städten – unter Geltung des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts und der Weichbildverfassung die Zentren des Rechts im Untersuchungsgebiet – an verschiedene Oberhöfe des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts. Dabei stellte der Schöffenstuhl zu Magdeburg den wichtigsten Oberhof dar. Innerhalb des Untersuchungsgebiets bildeten ihrerseits Bautzen, Görlitz und Zittau Oberhöfe für die kleineren landesherrlichen Städte sowie grundherrliche Ortschaften. Daneben erfolgten auch Rechtssprüche aus Dohna und durch die Schöffenstühle zu Leipzig und Wittenberg. Die Sprüche wurden dann als eigene Entscheidungen von einem Gericht im Untersuchungsgebiet verkündet. Im Gegensatz zur frühneuzeitlichen Appellation war das System des Rechtszugs mithin „von unten“, also de-

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H. Gesamtergebnis

zentral von den einzelnen Genossenschaften her aufgebaut. Diese waren stets die maßgeblichen Entscheidungsfinder, deren Entscheidung der Oberhof nicht etwa durch ein eigenes Urteil ersetzte, sondern die dieser bei ihrer eigenen Entscheidung lediglich unterstützte. Auch insoweit war also im Untersuchungsgebiet das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ verwirklicht. Nach seinem Regierungsantritt 1526 unternahm der erste habsburgische Landesherr auf dem böhmischen Thron, König Ferdinand I., den Versuch einer Umgestaltung der Corona Bohemica – darunter das Markgraftum Oberlausitz – von einem mittelalterlich-landständisch, dezentral verfaßten zu einem neuzeitlichfrühabsolutistischen, zentral verwalteten Länderverband auch mit gerichtsverfassungsrechtlichen Mitteln. Gelegenheit bot sich ihm im Untersuchungsgebiet nach dem Pönfall 1547, der sich neben den protestantischen böhmischen Ständen auch gegen die innerhalb der Oberlausitzer Landstände zu jener Zeit maßgeblichen sechs landesherrlichen Städte richtete. Der Übergang von der mittelalterlichdinggenossenschaftlichen zur neuzeitlich-gelehrten Gerichtsverfassung im Untersuchungsgebiet steht mithin maßgeblich im Zusammenhang mit den landesherrlich in diesem Zusammenhang veranlaßten grundlegenden gerichtsverfassungsrechtlichen Umgestaltungen, mit welchen die einstufige (Weichbild-)Gerichtsverfassung abgeschafft und ein Instanzenzug zu einer landesherrlichen Appellationsinstanz eingerichtet wurde. Indem nicht mehr die Rechtsgenossen durch Urteiler aus ihren Reihen Urteil und damit Recht für die ihren fanden, sondern – in der Appellationsinstanz – gelehrte Juristen (später anhand von der herrschaftlichen Ordnung geschaffenen [Gesetzes-]Rechts) unabhängig von einer Rechtsgemeinschaft, verlor das mittelalterliche Genossenschaftswesen auch im Untersuchungsgebiet seine Bedeutung zugunsten neuer Formen der Organisation des Gemeinwesens bis hin zum neuzeitlichen Staat. Diese Strafaktion hatte mit Sicherheit zumindest auch den Zweck, im Rahmen der „Monarchisierungsbestrebungen“ König Ferdinands I. von Böhmen genossenschaftliche, dezentrale Strukturen – hier der die Verhältnisse im Markgraftum Oberlausitz zu jener Zeit entscheidend bestimmenden Städte – zugunsten zentraler Herrschaftsstrukturen zumindest zu beschränken. Ab 1547 sind denn deutliche Zeichen für das Aufkommen der gelehrt-neuzeitlichen Gerichtsverfassung zu erkennen. Dies zeigt sich vielerorts daran, daß ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Grundsatz der inhaltlichen Funktionsteilung (wenn auch unter Beibehaltung der organisatorischen Scheidung in Richter und Schöffen) zugunsten des allein- oder miturteilenden Richters, der nicht mehr das Recht der betreffenden Genossenschaft anwandte, aufgeweicht beziehungsweise aufgegeben wurde. Inhaltlich bedeutete dies das Eindringen fremden Rechts, das eben nicht das (mündlich im jeweiligen Urteil überlieferte) der Rechtsgenossen, sondern oftmals das (Gesetzesrecht) der herrschaftlichen Ordnung war. Hinsichtlich Auswahl und Ernennung der Gerichtspersonen brachte die Rezeption fremden Rechts eine Stärkung des herrschaftlichen Ele-

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ments, hinsichtlich Anforderungen und Pflichten regelmäßig zudem die Einführung des Kriteriums, gelehrt zu sein, ohne daß mehr (entscheidend) auf die Herkunft der Person aus dem Kreis der betreffenden Genossenschaft Wert gelegt wurde. Das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ ging etwa auf Ebene der bäuerlichen Genossenschaften greifbar ab dem 16. Jahrhundert verloren. Die Funktionen der Bauern als Beisitzer im grundherrlichen und Dorfgericht waren auf solche als Zeugen oder im Rahmen der zum bloßen Ritual gewordenen Hegung des Gerichts beschränkt, während gelehrte Juristen das Urteil nach fremdem Recht fanden. Es ist zu beobachten, daß dies im engen zeitlichen Zusammenhang mit Entstehung und Ausbildung der Gutsherrschaft im Untersuchungsgebiet erfolgte, in deren Rahmen wie erörtert eine weitgehende Schlechterstellung der Bauern hinsichtlich ihres Besitzrechts und ihrer persönlichen Rechte vor allem als Genossenschaft zu beobachten ist. In den Städten wurde von gemeinsam urteilenden Richter und Schöffen nicht mehr (ausschließlich) heimisches Stadtrecht (Sächsisch-Magdeburgisches Recht), sondern (jedenfalls auch) fremdes (Gesetzes-)Recht angewandt. Der Übergang von der mittelalterlich-dinggenossenschaftlichen zur gelehrtneuzeitlichen Gerichtsverfassung im Untersuchungsgebiet ist auch deutlich erkennbar anhand des infolge des Pönfalls 1547 im Jahr 1548 erfolgten landesherrlichen Verbots des Rechtszugs nach Magdeburg und alle anderen Oberhöfe sowie der parallel eingeführten Einführung der Appellation im neuzeitlichen Sinn. Dem wurde auch Folge geleistet. Es sollte nunmehr Appellation an die neueingerichtete Prager Appellationskammer, besetzt mit gelehrten Räten, erfolgen. Daneben und vor allem nach Anfall des Markgraftums Oberlausitz an die Kurfürsten von Sachsen wurde bei den Leipziger und Wittenberger Juristenfakultäten Recht eingeholt. Das Gericht von Land und Städten erscheint ab dieser Zeit als Appellationsinstanz. Auf dessen Entscheidungen durfte an den Landesherrn und „seine Appellationsräte“, die Appellationskammer zu Prag, als höchste Instanz appelliert werden. Der Pönfall und dessen unmittelbare Folgen erzeigen sich also auch unter diesem Gesichtspunkt als ein Wendepunkt hinsichtlich des Übergangs von der mittelalterlich-dinggenossenschaftlichen zur neuzeitlich-gelehrten Gerichtsverfassung im Untersuchungsgebiet. Die landesherrliche Zentralgewalt, die wie erörtert unter König Ferdinand I. von Böhmen starken „Monarchisierungsdruck“ aufbaute, konnte so auch im Untersuchungsgebiet, ohne hier zwar die stark genossenschaftlich geprägte Besetzung der Untergerichte formal beseitigen zu können, jedoch über die Appellation inhaltlich in die Instanzgerichte hineinwirken und somit das Laienschöffentum nach und nach aus der Urteils- und Rechtsfindung zugunsten gelehrten, nicht mehr dezentral von der betreffenden Genossenschaft durch Urteil, sondern mehr und mehr durch landesherrliches Gesetz gebildeten Rechts verdrängen. Zum Schluß stellt sich die Frage, ob der „von unten“ zunächst mit dem Ziel, soweit vorhanden, „dezentrale“ Strukturen aufzudecken, gerichtete Blick auf die

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Oberlausitzer Gerichtsverfassung die verfassungsgeschichtlichen Besonderheiten des Untersuchungsgebiets bis zum Ende des Untersuchungszeitraums deutlicher werden läßt. Hinsichtlich der Zeit der Markenverfassung und der Ostsiedlung bis ungefähr 1300 wurden auch unter diesem Aspekt keine Besonderheiten festgestellt. Vor allem Gerichte, die im Zuge der Entstehung der Landesherrschaft geschaffen wurden, etwa die Placita provincialia, Burggrafengerichte und Vogtei-/ Landgerichte, erscheinen mit übereinstimmender Gerichtsverfassung bereits zuvor in benachbarten Landschaften des Ostsiedlungsgebiets, insbesondere in der Mark Meißen. Besonderheiten sind jedoch für die Zeit der Herrschaft der Askanier im Untersuchungsgebiet zu erkennen, in die sich die Vogtdinge/Landgerichte als einzige, aber fortan zunächst entscheidende (landesherrliche) Gerichtsverfassungsstruktur hinüberretten konnten. Daneben erscheinen jedoch bald weitere Gerichte insbesondere auf anderen Herrschaftsebenen, indem der Landesherr durch Exemtionen vogteiliche Zuständigkeiten abgab. Dies ist ein Vorgang, der zwar ähnlich im gesamten Ostsiedlungsgebiet verlief. Er ist jedoch hinsichtlich des Untersuchungsgebiets bemerkenswert, als die hiesigen Landesherren im Gegensatz etwa zu den Markgrafen von Meißen, die auf Grundlage der Villikations-/Vogteiverfassung eine stabile landesherrliche Ämterverfassung und damit Lokalverwaltung zu errichten vermochten, durch die umfangreichen Zuständigkeitsverlagerungen vergleichbare Möglichkeiten gerade verspielten. Nutznießer waren neben dem Adel vor allem die Gemeinden der landesherrlichen Städte. Im Gegensatz zur Markgrafschaft Meißen erfolgte im Untersuchungsgebiet durch den Landesherrn – bewußt – zulasten einer landesherrlichen Lokalverwaltung eine Stärkung genossenschaftlicher Strukturen vor allem zugunsten der landesherrlichen Städte, was den Grund für die weitere besondere, gegenüber dem Landesherrn stark genossenschaftlich und bis 1547 vor allem stark von den Stadtgemeinden geprägte verfassungsgeschichtliche Entwicklung des Landes legte. Eine äußerst wichtige besondere verfassungsgeschichtliche Entwicklung des Untersuchungsgebiets ist die in diesem Zusammenhang vom Landesherrn bewußt geförderte Entstehung der Weichbildverfassung, die auf gerichtsverfassungsrechtlichem Weg die Stadtgemeinden in die Lage versetzte, als Ersatz für eine starke landesherrliche Lokalverwaltung Einfluß über ihre Genossenschaften hinaus auf bedeutende Teile der Landrechtsgenossenschaften zu erlangen. Grundgelegt wurde diese Entwicklung durch die in dieser Arbeit vielbesprochene landesherrliche Urkunde für Görlitz von 1303, in der den Görlitzern das Magdeburgische Recht jedenfalls bestätigt und mit welcher nunmehr einem ausschließlich mit Stadtschöffen besetzten Gericht wesentliche Zuständigkeiten auch über die Genossenschaften des Adels und der Bauern in der Vogtei Görlitz zugewiesen wurde. Im Sinne Weitzels waren es gerade mithin auch im Untersuchungsgebiet gerichtsverfassungsrechtliche Gründe, die – in Görlitz trotz des aufgezeigten Konflikts zwischen Adel und Bürgern – durch diese Entwicklung zu einem „Ineinandergreifen“ der Rechte der zunächst noch gerichtsverfassungsrechtlich und

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damit inhaltlich streng voneinander abgeschlossenen Land- und der Stadtrechtsgemeinschaften zu einem „städtischen Dorfrecht“ führten. Die Schöffen im Weichbildrecht – in Görlitz zum Beispiel ausschließlich die Stadtschöffen, in Zittau etwa gleichermaßen auch Landschöffen – urteilten hier nicht mehr nach reinem (Sachsenspiegel-)Landrecht beziehungsweise (Magdeburger) Stadtrecht. Vielmehr zeigt sich vor allem an den nach 1303 für Görlitz entstandenen Rechtsbüchern Görlitzer Rechtsbuch, Blume des Sachsenspiegels und Blume von Magdeburg, daß nunmehr das aus land- und stadtrechtlichen Elementen gewordene Sächsisch-Magdeburgische Recht genossenschaftsübergreifend zu allgemeinverbindlichem Recht geworden war. Ebenfalls für das Untersuchungsgebiet gilt also, daß – auf diese Weise – Sachsenspiegel-Landrecht und Magdeburger Recht auf ihrem gemeinsamen Weg nach Osten zum Sächsisch-Magdeburgischen Recht verschmolzen. Das Untersuchungsgebiet stellt sich daher mit Blick auf den gesamten ostmitteleuropäischen Raum auch aus gerichtsverfassungsrechtlicher Perspektive betrachtet als „Transit-“ oder „Durchgangsland“ dar. Die Entwicklung im Untersuchungsgebiet läßt insoweit schlesischen Einfluß deutlich werden, weswegen bezogen auf den schlesisch-oberlausitzischen Raum nach hier vertretener Ansicht zumindest auch eine Westwärtsbewegung anzunehmen ist. Dies zeigt sich zum einen daran, daß sich die Weichbildverfassung lediglich bezogen auf die Länder Görlitz, Lauban, Löbau und Zittau, also in den im östlichen, an Schlesien angrenzenden Teil des Untersuchungsgebiets liegenden Städten entwickelte, während etwa Bautzen wegen der dort weiterhin umfassend auf dem Lande zuständig gebliebenen landesherrlichen Lokalgerichtsbarkeit in Form etwa des rein landrechtlich besetzten Landgerichts keine Weichbildzuständigkeit aufbauen konnte. Zum anderen erscheinen die Rechtsquellen, die Land- und Stadtrecht zum Sächsisch-Magdeburgischen Recht vereinen, bereits im 13. Jahrhundert in Schlesien, während das Görlitzer Rechtsbuch von ungefähr 1304 das erste (bekannte) Rechtsbuch des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts bezogen auf die Oberlausitz darstellt. Mithin sind schon im 13. Jahrhundert in Schlesien Stadt-Land-Verbindungen in Form von Weichbildern mit weitreichenden nicht nur rechts-, sondern vor allem wirtschafts-, kultur- und sozialgeschichtlichen Konsequenzen zu beobachten, was insbesondere für eine Übernahme dortiger Verhältnisse im Untersuchungsgebiet spricht. Eine Besonderheit der Oberlausitzer Verfassungsgeschichte ist hier vor allem Görlitz, das sich sein Weichbild bis 1547 bewahren konnte. Über mehr als zwei Jahrhunderte bis zum Pönfall 1547 war das Görlitzer Stadtschöffengericht mit dieser seiner Weichbildzuständigkeit Symbol für die Bedeutung von Görlitz als Stadt des Rechts, aber auch für die unter dem Schutz seines Weichbilds gewachsene politische, wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung, die die Stadt in dieser Zeit zur wichtigsten zwischen Erfurt und Breslau werden ließ. Diese Bedeutung strahlte auf weite Teile des umliegenden Landes aus. Die in der Weichbildverfassung deutlich werdende enge Beziehung zwischen der jeweiligen Weichbildstadt

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und einer – wie im Fall von Görlitz – Vielzahl von in einem weiträumigen Gebiet um die Stadt liegenden Weichbilddörfern war mit Sicherheit wesentliche Ursache für das besondere Gepräge der Oberlausitz als „Städtelandschaft“, das die Oberlausitz mit Schlesien gemein hat.2 Die Oberlausitzer Landstände entwickelten sich zu dem für die Oberlausitz charakteristischen „Zwei-Stände-System“ gerade deswegen, weil die erstarkten landesherrlichen Städte mit dem berechtigten Anspruch, in für das Land bedeutsamen Fragen mitzusprechen, eine landständische Stellung gleichberechtigt neben Geistlichkeit und Adel erlangen konnten und mußten. Grundlage hierfür waren vor allem die Weichbildverfassung und das Oberlausitzer Femgericht. Der Landesherr, der aufgrund mangelnder landesherrlicher Lokalverwaltung hierzu nicht (mehr) in der Lage war, übertrug den Genossenschaften der landesherrlichen Städte neben der Weichbildzuständigkeit durch Einräumung vogteilicher Zuständigkeiten über ihre Genossenschaften hinaus die an sich ebenfalls landesherrliche Aufgabe der Landfriedenswahrung, was zur Gründung des rein beziehungsweise entscheidend stadtrechtsgenossenschaftlich geprägten Oberlausitzer Femgerichts führte. Die frühzeitig entwickelte maßgebliche Stellung der sechs landesherrlichen Städte insbesondere aufgrund der Weichbildverfassung und des Oberlausitzer Femgerichts ließ diese mit Blaschke zu den entscheidenden Trägern früher Staatlichkeit in der Oberlausitz jedenfalls für die Zeit bis zum Pönfall 1547 werden.3 Auch wenn die Weichbildverfassung und die städtisch geprägte Landfriedensgerichtsbarkeit mit dem Pönfall 1547 beseitigt worden war, konnten sich die Städte nicht zuletzt aufgrund ihrer im Mittelalter, mithin zur Zeit der Weichbildverfassung grundgelegten mannigfaltigen Bedeutung für das Land ihre Position als weiterhin gleichberechtigter Partner – vor allem gerichtsverfassungsrechtlich – innerhalb der Landstände bis zum Ende des Untersuchungszeitraums im 19. Jahrhundert erhalten. Ob die Oberlausitz bis 1547, wie Blaschke folgert,4 insoweit ein gutes Beispiel für Kommunalismus mit seinen Werten Gemeiner Nutzen und Frieden im Blickleschen Sinne ist, muß angesichts der Ratsverfassungen aller sechs landesherrlichen Städten, die bereits frühzeitig den „gemeinen Mann“ von der politischen Mitwirkung ausschlossen und die städtischen Eliten insoweit begünstigten, bezweifelt werden. Gegen die Kommunalismusthese spricht, daß die politisch maßgebenden Ratsmitglieder als Angehörige der städtischen Patriziergeschlechter möglicherweise nicht mehr allein kommunal agierten, sondern etwa als Grundherren ihrer eigenen Dörfer, als Handhaber grundherrlicher Befugnisse in einer im Vergleich zu vielen anderen Städten des Alten Reichs teils bemerkenswert großen Anzahl von Ratsdörfern oder auch als Exekutive abgeleiteter landesherrlicher Gewalt in der jeweiligen 2 3 4

Weber, Strukturähnlichkeit, S. 105 ff. Blaschke, Sechsstädtebund, S. 53 ff. Blaschke, Sechsstädtebund, S. 60.

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Stadt eventuell überwiegend von Wesensmerkmalen des herrschaftlichen Elements beeinflußt waren. Bis zum Ende des Untersuchungszeitraums waren es schießlich lediglich die städtischen Eliten, die bis in die Landstände hinein die Stimme der Städte darstellten. Andererseits konnten sich jedenfalls mit der von den sechs landesherrlichen Städten ausgehenden Landfriedensbewegung (Oberlausitzer Femgericht) auch im Untersuchungsgebiet kommunale Werte im Sinne Blickles verwirklichen, auch wenn dies, wie anhand der Oberlausitzer Landstände zu sehen, entgegen Blickle nicht zwingend mit mangelnder Beteiligung der (Stadt-)Gemeinden innerhalb der Landstände einhergehen muß. Das dinggenossenschaftliche Prinzip konnte sich dort erhalten, wo Gerichtsverfassungsstrukturen aufgrund der besonderen landständischen Verfassung der Oberlausitz maßgeblich von den Landständen mitgestaltet wurden, wenn auch mit der – noch näher zu betrachtenden – Einschränkung, daß dinggenossenschaftliche Beteiligung nur (noch) dort möglich war, wo nicht bereits (territorialstaatliches) Gesetzesrecht Platz gegriffen hatte. Besondere Gerichtsverfassungsstrukturen im Untersuchungsgebiet entwickelten sich mithin im Zusammenhang mit Entstehen und Erstarken der Oberlausitzer Landstände ab dem 14. Jahrhundert. Die Landstände, ein im wesentlichen den landsässigen Adel einerseits und die Eliten der sechs landesherrlichen Städte andererseits umfassendes „Zwei-StändeSystem“, konnten frühzeitig starke genossenschaftliche Rechte ausbilden und sich bis zum Ende des Untersuchungszeitraums erhalten, was sich unmittelbar in den Verfassungen solcher Gerichte wie etwa des Gerichts von Land und Städten und der Ämter, denen diese Rechtsgenossenschaft unterworfen war, bis zum Ende des Bestehens jener Gerichte im 19. Jahrhundert widerspiegelte. Insbesondere im Gericht von Land und Städten, das ab 1548 auch Appellationsinstanz war, galt bis zum Ende seines Bestehens formal und inhaltlich der Grundsatz der Funktionsteilung und mithin das „dinggenossenschaftliche Prinzip“ fort. Auch über Appellationssachen entschied so bis ins 19. Jahrhundert die Genossenschaft der Landstände, auch wenn die Quellen zeigen, daß das Votum des Richters, des Landvogts, als Miturteiler den Ausschlag gab, wenn zwischen den beiden Gruppen der Landstände, zwischen Adel und Städten, Uneinigkeit bestand. Bei Einigkeit zwischen Land und Städten waren deren Stimmen jedoch stets entscheidend. Es handelte sich bei den Urteilern aus der Genossenschaft der Landstände stets um Angehörige des Adels beziehungsweise der städtischen Eliten, der Räte der landesherrlichen Städte. Die Anforderung, gelehrt zu sein, konnte niemals die weiterhin entscheidende Anforderung an einen Vertreter der genossenschaftlichen Ordnung, einer Gruppe der Landstände anzugehören, ersetzen. Die bis ins 19. Jahrhundert währende echte dinggenossenschaftliche Beteiligung der Vertreter des Adels und der Eliten der landesherrlichen Städte als Urteiler/Schöffen im Gericht von Land und Städten an der Urteilsfindung (später auch als Appellationsinstanz) sicherte den Landständen die Möglichkeit, das Recht des Landes, später auch des Territoriums, soweit es weiterhin durch das

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Urteil gestaltet wurde, als Genossenschaft mitzugestalten. Das Territorialrecht konnte hier also insoweit nicht einseitig herrschaftlich geprägt werden. Dies zeigt sich an den eingangs erwähnten Quellen materiellen Rechts für das Untersuchungsgebiet, die noch im Zeitraum weit nach Einführung des gelehrt-neuzeitlichen, fremden Rechts in vielen Landschaften des Alten Reichs wesentliche Elemente des heimischen Rechts, insbesondere des Sächsisch-Magdeburgischen Rechts bewahrten. Dabei ist bei Betrachtung der umfangreichsten Sammlung des frühneuzeitlichen Gesetzesrechts der Oberlausitz, dem Kollektionswerk5, nicht zu verkennen, daß auch das fremde Recht ab dem 16. Jahrhundert im Untersuchungsgebiet in Anwendung kam und daß insbesondere seit dem Augusteischen Zeitalter eine intensive landesherrliche/territorialstaatliche Gesetzgebungstätigkeit einsetzte. Sicherlich ergänzte und ersetzte das landesherrliche Gesetz das Urteil auch im Untersuchungsgebiet immer mehr im Rahmen der Rechtsbildung. Diesen Übergang zu erforschen, muß jedoch anderen Untersuchungen vorbehalten bleiben. Auch muß Gegenstand anderer Arbeiten sein, inwieweit und vor allem ab wann möglicherweise die Spruchpraxis der Urteiler etwa im Gericht von Land und Städten von fremdem Recht beeinflußt war. Bereits im Rahmen dieser Untersuchung wird dagegen gezeigt, daß ab einem gewissen Zeitpunkt nicht überwiegend, aber jedenfalls auch gelehrte Juristen unter den Urteilern zu finden waren, wenngleich dies nie Voraussetzung war. Wichtiges Beispiel für maßgeblich landständisch geprägte Gerichtsverfassungsstrukturen sind die im Jahr 1548 vom Landesherrn neugeschaffenen Landgerichte, um die durch die Abschaffung der Weichbildgerichtsverfassung freigewordenen Zuständigkeiten in Obergerichtssachen neu zuzuordnen. Der Landesherr überließ die Ausgestaltung ihrer Gerichtsverfassung weitgehend landesherrlichen Kommissarien aus dem Oberlausitzer Adel, die diese Gerichte wiederum mit Vertretern des Adels und der landesherrlichen Städte des jeweiligen Zuständigkeitsbereichs, also mit Angehörigen beider Teile der Landstände besetzten. Nunmehr waren die in den Landständen organisierten maßgeblichen Gruppen Adel und landesherrliche Städte jedoch in Abkehr von und wohl zur Vermeidung von Konflikten im Zusammenhang mit der alten Weichbildverfassung gleichermaßen auf der Schöffenbank vertreten und wurden damit zu gleichen Teilen entscheidend für die Erhaltung mittelalterlich-dinggenossenschaftlicher Gerichtsverfassungstrukturen im Untersuchungsgebiet. Die Landgerichte waren auf der Schöffenbank weiterhin ausschließlich mit (Laien-)Vertretern aus landsässigem Adel und Räten der landesherrlichen Städte besetzt. Auszugehen ist davon, daß in den Landgerichten tatsächlich noch genossenschaftlich durch Laien Urteil gefunden und damit Recht gebildet wurde. Im Verhältnis zum Landesherrn ist klar festzustellen: Der nach 1548 von diesem unternommene Versuch zur Monarchisierung auch mit gerichtsverfassungsrechtlichen Mitteln konnte im Untersuchungsgebiet 5

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nur stark eingeschränkt (nämlich nur bezogen auf die Appellation) umgesetzt werden, denn der Landesherr vermochte hier nicht die bisherigen, auf Laienschöffentum und Dezentralität, also maßgeblich an den bestehenden Genossenschaften der Landstände ausgerichteten Strukturen zugunsten eines ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Genossenschaft (mit gelehrten Juristen) besetzten Gerichts zu verändern. Die starken Landstände verhinderten, daß der Landesherr ein herrschaftlich geprägtes landesfürstliches Gericht vergleichbar etwa den Hofgerichten süddeutscher Prägung schaffen konnte.6 Die Landgerichte von 1548 stellen eine dem Untersuchungsgebiet aufgrund seiner besonderen Verfassungsverhältnisse eigene, insbesondere von böhmischen Verhältnissen trotz dort zeitgleich erfolgter gerichtsverfassungsrechtlicher Veränderungen abweichende Gerichtsverfassung dar. Hinsichtlich vor allem der Bauern ist festzustellen, daß diesen (weiterhin) die personelle Beteiligung an der Gerichtsverfassung auf landesherrlicher Ebene verwehrt blieb. Vielleicht war neben entsprechenden Eingaben der Grundherren und der Räte der landesherrlichen Städte die Tatsache, daß die Landgerichte von 1548 weiterhin stark genossenschaftlich und von Laienschöffentum geprägt waren, ein Grund für den Landesherrn, mit der Obergerichtskonzession von 1562 die Obergerichtszuständigkeit über die Bauern in den Grundherrschaften und den nicht zu den Stadteliten gehörigen Bürgern und sonstigen Stadteinwohnern von den Landgerichten auf die Gerichte der Grundherren aus Adel, Städten und Bürgertum, also die „lokalen Mediatgewalten“ zu verlagern. Denn bei den grundherrlichen Gerichten handelte es sich bereits ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts um herrschaftliche, mithin von gelehrtem Richtertum geprägte Gerichte. Hieran zeigt sich zudem deutlich, daß – auf der Linie Willoweits – die adlig und bürgerlich dominierten Landstände auch gerichtsverfassungsrechtlich gegenüber den Bauern eigene Interessen als Grund- und Gerichtsherren verfolgten. Im sächsischböhmischen Vergleich erscheinen die Verhältnisse im Untersuchungsgebiet damit anhand dieses Beispiels vergleichbar jenen in Böhmen, wo der habsburgische Landesherr staatliche Funktionen ebenfalls weitgehend auf die lokalen, allerdings hier im wesentlichen adligen Herrschaftsträger übertrug. In bezug auf wesentliche Gerichtszuständigkeiten hinsichtlich der Bauern in den Grundherrschaften und der nicht zu den Stadteliten gehörigen Bürger und sonstigen Stadteinwohner kann somit auch hinsichtlich des Untersuchungsgebiets von einem weitgehend „absenten Staat“ zugunsten der – allerdings nicht nur adligen, sondern in starkem Maß auch bürgerlichen – lokalen Herrschaftsträger in den Grundherrschaften und landesherrlichen Städten ausgegangen werden. Die bäuerlichen Dorfgemeinden verfügten zur Zeit der Grundherrschaft des Spätmittelalters auch im Untersuchungsgebiet über eine den Umständen der Zeit entsprechende voll ausgebildete gemeindliche Autonomie, mithin insbesondere 6

Hierzu Kern, Gerichtsordnungen; ders., Hofgerichtsordnungen.

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dörfliche Gerichtsverfassung. Die Urteiler aus dem Kreis der Rechtsgenossen, die Dorfschöffen, gestalteten und bewahrten gemäß dem dinggenossenschaftlichen Prinzip ihr Recht durch Urteile im Gericht. Auch im Untersuchungsgebiet wandelte sich jedoch das Verhältnis zwischen Bauer und Grundherr im Zuge der Entstehung der Gutsherrschaft. Gerichtsverfassungsrechtlich zeigte sich dieser Wandel vor allem in der Verdrängung der bäuerlichen Genossenschaften aus der dörflichen und grundherrlichen Gerichtsverfassung zugunsten des herrschaftlichen Elements, mithin des gelehrten Richtertums. Auch wenn möglicherweise letzte Reste gemeindlicher Autonomie in anderen Bereichen des Alltags bestehen blieben, fiel doch mit dem Verlust der Dorfgemeinden, ihr Recht durch ihre Rechtsgenossen zu gestalten und zu erhalten, ein wesentliches Element gemeindlicher Autonomie weg. Der Weg war nun frei für nicht aus der Sphäre der Bauern stammendes, sondern durch gelehrtes Richtertum im grundherrlichen Gericht oder in der Appellationsinstanz beziehungsweise landesherrliches Gesetz gestaltetes Recht. Nach hier vertretener Auffassung war es entscheidend der Verlust der genossenschaftlichen Teilhabe an der Urteils- und damit Rechtsfindung für die jeweilige Dorfgenossenschaft, der die Verkümmerung der bäuerlichen Gemeinden wenn nicht einleitete, so doch förderte. Hinweise auf Widerstand gegen den Verlust gemeindlicher Autonomie im Bereich genossenschaftlicher Urteils- und Rechtsfindung ließen sich jedoch nicht auffinden. Es wird sich wohl um einen schleichenden Prozeß gehandelt haben, der in engem Zusammenhang mit der Einführung des fremden, gelehrten Rechts, das die Laienschöffen nicht mehr kannten und verstanden, stand. Hier muß die Frage offen bleiben, ob und inwieweit das ländliche Gemeinwesen von den Grundherren im Rahmen ihrer Eigeninteressen zu ihren Gunsten beispielsweise auf der Ebene der Landstände im Zusammenwirken mit dem Landesherrn durch landesherrliches Gesetzesrecht gestaltet wurde. Eine Reihe von Regelungen in frühneuzeitlichen Oberlausitzer Landesordnungen, die Bauern/Erbuntertanen betreffend, bieten sich für entsprechende Forschungen an. Andererseits ist angesichts der seit 1548 jedenfalls de jure auch im Untersuchungsgebiet vorhandenen Möglichkeit aller Stände, gegen Entscheidungen der Untergerichte Appellation einzulegen, zu fragen, ob und inwieweit sich die Möglichkeit auch der Bauern, an den Landesherrn zu appellieren, tatsächlich im Sinne eines Bauernschutzes auswirkte. So bleibt die – in diesem Rahmen nicht zu beantwortende – Frage offen, ob und inwieweit trotz umfangreicher Zuständigkeitsverlagerungen vom Landesherrn auf die lokalen Herrschaftsträger, so durch die Obergerichtskonzession 1562, effektiver Rechtsschutz zugunsten der unteren Stände in Form der Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur der untergerichtlichen Entscheidungen durch die landesherrliche Appellationsinstanz bestand. Die Frage ist bezogen auf die Oberlausitz besonders spannend, als ja im Instanzenzug das weiterhin gemäß dem dinggenossenschaftlichen Prinzip von den Landständen geprägte Gericht von Land und Städten der

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gelehrten Appellationskammer zu Prag vorgeschaltet war. Möglicherweise wurde ein durch landesherrliches Gesetzesrecht und hieran ausgerichtete Rechtsprechung der landesherrlichen Appellationsräte geförderter landesherrlicher Bauernschutz von der Rechtsprechung der – gegebenenfalls im Eigeninteresse als Grundherren handelnden – Landstände behindert, wenn nicht doch „katalysiert“. Den Bauern als der im vorindustriellen Zeitalter größten Bevölkerungsgruppe sollte jedenfalls dauerhaft die Repräsentation im Rahmen der Oberlausitzer Landstände und der von diesen beeinflußten Gerichtsverfassungsstrukturen verwehrt bleiben. Genossenschaftliche Teilhabe des „gemeinen Mannes“ im Sinne Blickles hätte sich hier nur über die Städte verwirklichen können, wenn diese wie erwähnt nicht frühzeitig eine Ratsverfassung ausgebildet hätten, die die städtischen Eliten begünstigte. Die Entwicklung der Gerichtsverfassung in den hier untersuchten sechs landesherrlichen Städten insbesondere im Übergang von der mittelalterlich-dinggenossenschaftlichen zur gelehrt-neuzeitlichen Justiz ist vor allem bemerkenswert wegen der Zugehörigkeit zum Geltungsbereich des Sächsisch-Magdeburgischen Recht und der damit zusammenhängenden Entstehung der Weichbildverfassung sowie wegen des landesgeschichtlichen Ereignisses des Pönfalls 1547. Vor diesem Hintergrund ergeben sich Ähnlichkeiten, aber auch Abweichungen zur Entwicklung der Gerichtsverfassungen weiterer Städte im ostmitteleuropäischen Raum, insbesondere in den benachbarten Ländern Böhmen und Schlesien, die ebenfalls zur Corona Bohemica gehörten. Auch in den landesherrlichen Städten im Untersuchungsgebiet war das dinggenossenschaftliche Prinzip zunächst voll ausgebildet, indem Urteil und damit Recht (ausschließlich) durch Schöffen beziehungsweise nach Ausbildung der Ratsverfassung Ratsmitgliedern aus dem Kreis der jeweiligen Stadtgemeinde gefunden wurde. Hinzuweisen ist auf die Zugehörigkeit der sechs landesherrlichen Städte zur Magdeburgischen Stadtrechtsfamilie, das sich gerade bezüglich Görlitz in einer örtlichen Sonderform, manifestiert im Görlitzer Rechtsbuch, ausbilden konnte. Gerade hieran zeigt sich, daß mittelalterlich-dinggenossenschaftliche Justiz, mithin mittelalterliches Recht stark dezentral aufgebaut war, nämlich mit Leben erfüllt wurde durch die jeweiligen örtlichen Schöffengerichte, in deren Händen die Urteils- und damit die Rechtsfindung lag. Gerade das Wirken der Görlitzer Stadtschöffen als Trägern des Rechts ihrer Genossenschaft und im Görlitzer Weichbild ist noch heute gut überliefert. Nach 1547 schwand – vom Landesherrn beabsichtigt – vor allem in den landesherrlichen Städten im Untersuchungsgebiet das dinggenossenschaftliche Prinzip zugunsten der gelehrt-neuzeitlichen Gerichtsverfassung und des gelehrt neuzeitlichen Rechts. Darauf, ob der Richter des städtischen Gerichts (weiterhin beziehungsweise nunmehr) der genossenschaftlichen Ordnung, nämlich dem Rat entstammte, kam es nicht (mehr) an. Denn Urteil wurde nicht mehr von den hiesigen (Laien-)Schöffen oder doch zumindest zwingend Angehörigen der Stadtrechtsgenossenschaft nach dem ihnen seit jeher bekannten und fortentwickelten

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Recht, dem von den Städten im Rahmen der Weichbildverfassung und des Rechtszugs nach Magdeburg bewahrten und verteidigten Sächsisch-Magdeburgischen Recht in den jeweiligen örtlichen Ausprägungen, gefunden. Vielmehr erfolgte dies personell und inhaltlich genossenschaftsunabhängig durch gelehrte Juristen nach gelehrtem fremdem (Gesetzes-)Recht. Dem war durch den Verlust der Weichbildzuständigkeit infolge des Pönfalls 1547 sowie im Jahr 1548 durch das landesherrliche Verbot des Rechtszugs nach der Mutterstadt Magdeburg und dem Gebot der Einrichtung einer neuzeitlichen Appellation an die mit gelehrten Räten besetzte Appellationskammer zu Prag, also durch Entzug entscheidender Voraussetzungen für ein lebendiges Sächsisch-Magdeburgisches Recht zugunsten herrschaftlich geförderten gelehrten fremden Rechts der Boden bereitet worden. Der Pönfall 1547 bewirkte also vor allem eine ganz grundlegende Veränderung der städtischen Gerichtsverfassungen hin zu gelehrt-neuzeitlich geprägten Gerichten und damit zum gelehrt neuzeitlichen Recht.

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Quellenverzeichnis

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Hartstock/Kunze, Lausitz: Erhard Hartstock/Peter Kunze, Die Lausitz zwischen Französischer Revolution und Befreiungskriegen 1789–1815. Eine Quellenauswahl, Bautzen 1978 Haß, Ratsannalen I/II: Johannes Haß, Görlitzer Ratsannalen, in: Oberlausitzische Gesellschaften der Wissenschaften (Hg.), Scriptores Rerum Lusaticarum. Sammlung Ober- und Niederlausitzischer Geschichtsschreiber. Neue Folge, Bände 3–4, Görlitz 1850–1870 Haupt/Huth, Zinsregister: Walther Haupt/Joachim Huth (Hg.), Das Zinsregister des Klosters Marienstern, Bautzen 1957 Helbig/Weinrich, Quellen: Herbert Helbig/Lorenz Weinrich (Hg.), Urkunden und erzählende Quellen zur deutschen Ostsiedlung im Mittelalter; – Teil 1: Mittel- und Norddeutschland, Ostseeküste, Darmstadt 1968; – Teil 2: Schlesien, Polen, Böhmen-Mähren, Österreich, Ungarn-Siebenbürgen, Darmstadt 1970 Johann von Guben, Jahrbücher: Jahrbücher des Zittauischen Stadtschreibers Johannes von Guben und einiger seiner Amtsnachfolger, in: Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften (Hg.), Scriptores Rerum Lusaticarum. Sammlung ober- und niederlausitzischer Geschichtsschreiber, Neue Folge, Band 1, S. 1–213, Görlitz 1839 Knothe, Urkundenbuch: Hermann Friedrich Knothe, Urkundliche Geschichte des Eigenschen Kreises, nebst Urkundenbuch, in: Neues Lausitzisches Magazin 47 (1870), S. 1–45 Kötzschke, Quellen: Rudolf Kötzschke (Hg.), Quellen zur Geschichte der ostdeutschen Kolonisation im 12. bis 14. Jahrhundert, 2. Auflage, Leipzig/Berlin 1931 KW: Landstände des Markgraftums Oberlausitz (Hg.); Collection derer den Statutum des Marggrafthums Oberlausitz in Justiz Policey- Lehns- Cammer- Accis- PostBier- Steuer- Saltz- Zoll- Stempel- Impost- Müntz- Bergwercks- Commercien- JagdFisch- Forst- Holtz- Militair- Geistlichen und andern die Landes-Verfassung betreffenden Sachen [. . .], Bände 1–6; Budißin 1770–1824 Laband, Rechtsquellen: Paul Laband (Hg.), Magdeburger Rechtsquellen. Zum Akademischen Gebrauch, Königsberg 1869 LSD: Nicklas Sigismund v. Redern und Probishayn (Hg.), Lusatia superior diplomatica, das ist: Ober-Laußnitzische Sammlung von verschiedenen dieses Markgraftums betreffenden [. . .] Kayser- und Königl. Böhmischen Diplomatibus, Privilegien und andern wichtigen Dokumenten, von A.C. 1000 biß 1622, Hirschberg 1724 LSDC: Johann Caspar Gemeinhard (Hg.), Lusatia Superior Diplomatica continuata, Das ist: Fortsetzung Ober-Lausitzischer Sammlungen Von unterschiedenen dieses Marggraffthums betreffenden [. . .] Diplomatibus, Privilegien und andern wichtigen Documenten, o. O. 1734 Lübke, Regesten: Christian Lübke, Regesten zur Geschichte der Slaven an Elbe und Oder (vom Jahr 900 an), Bände 1–5, Berlin 1984–1988 Melzer, Ratsannalen: Joachim Melzer, Görlitzer Ratsannalen, in: Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften (Hg.), Scriptores rerum lusaticarum. Sammlung oberund niederlausitzischer Geschichtsschreiber, Neue Folge, Band 2, Görlitz 1839

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Neumann, Regesten: Neumann, Regesten über den Pönfall der Sechsstädte, und die Folgen desselben, in: Neues Lausitzisches Magazin 24 (1847), S. 1–190 Nove Constitutiones: Hugo Böhlau (Hg.), Nove Constitutiones Domini Alberti. D. i. der Landfriede v. J. 1235, Weimar 1858 Opitz, Stadtgründungsurkunde: Albert Opitz, Eine altböhmische Stadtgründungsurkunde, in: Zittauer Geschichtsblätter 96 (1913), S. 1 Prochno, Urkunde: Joachim Prochno, Eine bedeutsame Urkunde Heinrichs I. von Zittau, in: Zittauer Geschichtsblätter 12 (1935), S. 40 Prochno, Urkundenbuch: Joachim Prochno (Hg.), Zittauer Urkundenbuch I. Regesten zur Geschichte der Stadt und des Landes Zittau 1234–1437, in: Zittauer Geschichtsund Museumsverein (Hg.), Mitteilungen des Zittauer Geschichts- und Museumsvereins 19/20 (1939), S. 1–421. RBM: Regesta Diplomatica nec non epistolaria Bohemiae et Moraviae; – Teil 1: 600–1253, Karl Josef Erben (Hg.), Prag 1855; – Teil 2: 1253–1310, Joseph Emler (Hg.), Prag 1882 Sachsenspiegel: Friedrich Ebel (Hg.), Sachsenspiegel. Landrecht und Lehnrecht, Stuttgart 1999 Sächsisches Weichbild: Alexander v. Daniels/Franz v. Gruben (Hg.), Das Sächsische Weichbildrecht. Jus municipale saxonicum. Erster Band. Weltchronik und Weichbildrecht in 136 Artikeln mit der Glosse, Berlin 1857 Schneider, Diarium: E. Schulze (Hg.), Paul Schneider, Diarium consulare 1532–1545, in: Neues Lausitzisches Magazin 71 (1895), S. 1–69 Schneider, Kapitularien Reinhard Schneider, Kapitularien, Göttingen 1968 Schott, Sammlungen I/II: Friedrich August Schott, Sammlungen zu den deutschen Land- und Stadtrechten, Bände 1–2, Leipzig 1772–1779 Statuta Weißenberg: Statuta des Städtleins Weißenberg, in: Lausitzisches Magazin 1773, S. 277; 1774, S. 157–159 Tzschoppe/Stenzel, Urkundensammlung: Gustav Adolf Tzschoppe/Gustav Adolf Stenzel, Urkundensammlung zur Geschichte des Ursprungs der Städte und der Einführung und Verbreitung Deutscher Kolonisten und Rechte in Schlesien und der OberLausitz, Hamburg 1832 Urkunde 1264: Anonymus (Hg.), Markgraf Otto schenkt dem Hospitale zu Görlitz vor der Stadt, 12. April 1264, in: Neues Lausitzisches Magazin 22 (1844), S. 397–398 Urkunde 1408: Hermann Baumgärtel (Hg.), Urkunde über das Oberlausitzer Fehmgericht aus dem Jahre 1408, in: Neues Lausitzisches Magazin 73 (1897), S. 301–302 Urkunde 1501: Anonymus (Hg.), König Wladislaw befiehlt dem Landvogt [. . .], Geschickte von Mannen und Städten [. . .] zu sich zu nehmen, Montags vor Simonis und Jude 1501, in: Dresdner gelehrter Anzeiger 1762, S. 634 Urkunde Zeidlerwesen: Eintrag im Görlitzer liber actorum 1478–1485, abgedruckt Neues Lausitzisches Magazin 71 (1895), S. 302–303

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VOU: Johann Gottlob Zobel (Hg.), Verzeichnis Oberlausitzischer Urkunden, Bände 1– 2, Görlitz 1799–1824 Zepernick, Miscellaneen: Karl Friedrich Zepernick (Hg.), Miscellaneen zum Lehnrechte, Halle 1787

II. Ungedruckte Quellen DA Bautzen, Anstellung der Syndici: Diözesanarchiv der Diözese Dresden-Meißen (Bautzen), loc. 0333bis/ter DA Bautzen, Bekenntnis des Hans Schwarze: Diözesanarchiv der Diözese DresdenMeißen (Bautzen), loc. X, No. 7 DA Bautzen, Bestellung der Syndici: Diözesanarchiv der Diözese Dresden-Meißen (Bautzen), loc. 0333ter DA Bautzen, Dreigedinge zu Sdier: Diözesanarchiv der Diözese Dresden-Meißen (Bautzen), loc. 2659quator DA Bautzen, Entscheidung Martin Cappla: Diözesanarchiv der Diözese Dresden-Meißen (Bautzen), loc. 2584xx DA Bautzen, Gerichtsfronboten: Diözesanarchiv der Diözese Dresden-Meißen (Bautzen), loc. 0357 DA Bautzen, Revision 1829: Diözesanarchiv der Diözese Dresden-Meißen (Bautzen), loc. 2377 DA Bautzen, Gerichtstag Wehrsdorf: Diözesanarchiv der Diözese Dresden-Meißen (Bautzen), loc. 2420 DA Bautzen, Instruktion Johann Gottfried Kuntze: Diözesanarchiv der Diözese Dresden-Meißen (Bautzen), loc. 0333ter DA Bautzen, Jahrding Göda: Diözesanarchiv der Diözese Dresden-Meißen (Bautzen), loc. XII, No. 1 DA Bautzen, Peinliches Gericht Cunewalde: Diözesanarchiv der Diözese Dresden-Meißen (Bautzen), loc. XI IV, No. 8 DA Bautzen, Rügengerichte: Diözesanarchiv der Diözese Dresden-Meißen (Bautzen), loc. 2416 DA Bautzen, Zivilgerichtssachen: Diözesanarchiv der Diözese Dresden-Meißen (Bautzen), loc. 2484xx KlA St. Marienstern, Entscheidung: Archiv des Zisterzienserinnenklosters St. Marienstern, Nr. 128 (alte Zählung: 95) KlA St. Marienstern, Ding zusitzen zu Gedaw: Archiv des Zisterzienserinnenklosters St. Marienstern, Nr. 154 (alte Zählung: 212) NA Prag, Aufnahme Landrichter: Národní archiv, Lzˇ III 15/2 NA Prag, Hofberichte 1546–1548: Národní archiv, RG 37 NA Prag, Instruktion: Národní archiv, Lzˇ III 15/4

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NA Prag, Kaiserliche Befehle 1548: Národní archiv, RG 39 NA Prag, Landrichteramt: Národní archiv, Lzˇ III 10/3 NA Prag, Landschoppen: Národní archiv, Lzˇ III 10/1 NA Prag, Reskript: Národní archiv, Lzˇ III 15/4 NA Prag, Richterordnung: Národní archiv, Lzˇ III 15/4 RA Görlitz, Die Gerichte zu Görlitz betreffende: Ratsarchiv Görlitz, Repertorium I, S. 200b, Nr. 6 (R VI F 25) RA Görlitz, Eydes-Notuln: Ratsarchiv Görlitz, Repertorium I, S. 36, Nr. 11 (R II F 33) RA Görlitz, Forum: Ratsarchiv Görlitz, Repertorium I, S. 202, Nr. 17 (R VI F 25) RA Görlitz, Gerichtsbuch Landgericht I: Ratsarchiv Görlitz, Gerichtsbücher 7 RA Görlitz, Gerichtsbuch Landgericht II: Ratsarchiv Görlitz, Gerichtsbücher 8 RA Görlitz, Gerichtsprocurator Instruction: Ratsarchiv Görlitz, Repertorium I, S. 39, Nr. 42 (R II F 36) RA Görlitz, Hegung des Hochnothpeinlichen HalßGerichts Ratsarchiv Görlitz, Repertorium I, S. 202, Nr. 20 (R VI F 25) RA Görlitz, Instruction Gerichts-Procuratores Ratsarchiv Görlitz, Varia 172 RA Görlitz, Instruction Ober Stadtschreiber Ratsarchiv Görlitz, Repertorium I, S. 36, Nr. 13 (R II F 33) RA Görlitz, Instruction Stadtsyndicus in Budißin: Ratsarchiv Görlitz, Repertorium I, S. 39, Nr. 45 (R II F 36) RA Görlitz, Judicium Provinciale Gorlicense: Ratsarchiv Görlitz, Repertorium I, S. 201, Nr. 14 (R VI F 25) RA Görlitz, Memoriale: Ratsarchiv Görlitz, Gerichtsbuch 6 RA Görlitz, Pflichtbuch: Ratsarchiv Görlitz, Repertorium I, S. 35, Nr. 4 (R II F 32) RA Görlitz, Rathsgerichtsbarkeit: Ratsarchiv Görlitz, Repertorium I, S. 39, Nr. 44 (R II F 36) RA Görlitz, Ratsordnung 1737: Ratsarchiv Görlitz, Varia 167 RA Görlitz, Schneider, Tagebuch: Ratsarchiv Görlitz, Gerichtsbücher 5 RA Görlitz, Schwarzes Buch 1561–1593: Ratsarchiv Görlitz, Gerichtsbücher 9 RA Görlitz, Schwarzes Buch 1615–1629: Ratsarchiv Görlitz, Gerichtsbücher unnumeriert RA Görlitz, Stadtrecht: Ratsarchiv Görlitz, Repertorium I, S. 24, Nr. 5 (R II F 9) RA Görlitz, Urkunde 1420: Ratsarchiv Görlitz, Selecta, 235/186 RA Görlitz, Urkunde 1434: Ratsarchiv Görlitz, Selecta, 276/219; vgl. 277/219 RA Görlitz, Wahlen: Ratsarchiv Görlitz, Repertorium I, S. 38, Nr. 32 (R II F 35) RA Görlitz, Wahl zweyer Stadtrichter: Ratsarchiv Görlitz, Repertorium I, S. 38, Nr. 33 (R II F 35)

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StA Breslau, Amtsprotokolle (Jahr): Wojewodskie Archiwum Panstwowe we Wrocławiu, Archiwum Stanów Krajowich Górnych Łuz˙yc, Nr. 2147–2191 StA Breslau, Landgerichtsprotokolle: Wojewodskie Archiwum Panstwowe we Wrocławiu, Marggrabstwo Górnołuz˙yckie, Nr. 124 StA Breslau, Muskauer Hofgerichtsordnung: Wojewodskie Archiwum Panstwowe we Wrocławiu, Marggrabstwo Górnołuz˙yckie, Nr. 90 StA Breslau, Oberamtsprotokolle I/II/III: Wojewodskie Archiwum Panstwowe we Wrocławiu, Archiwum Stanów Krajowich Górnych Łuz˙yc, Nrn. 2369, 2413, 2445 StA Breslau, Schöffenbücher Lauban I–III: Wojewodskie Archiwum Panstwowe we Wrocławiu, Marggrabstwo Górnołuz˙yckie, Nrn. 187–189 StA Breslau, Schöffenbuch Rengersdorf: Wojewodskie Archiwum Panstwowe we Wrocławiu, Marggrabstwo Górnołuz˙yckie, Nr. 190 StadtA Bautzen, Abkündigungen: Stadtarchiv Bautzen, Altes Archiv I.R.3.4 StadtA Bautzen, Bestallungen: Stadtarchiv Bautzen, 62001-1259 StadtA Bautzen, Budißiner Ratsordnung 1724: Stadtarchiv Bautzen, Altes Archiv I.R.9 1,2 StadtA Bautzen, Eidbuch: Stadtarchiv Bautzen, U III 204/1 StadtA Bautzen, Instruction: Stadtarchiv Bautzen, 62001-1261 StadtA Bautzen, Instructiones: Stadtarchiv Bautzen, 62001-1262 StadtA Bautzen, Organisation: Stadtarchiv Bautzen, 62001-814 StadtA Bautzen, Organisation I: Stadtarchiv Bautzen, 62001-815 StadtA Bautzen, Organisation II: Stadtarchiv Bautzen, 62001-817 StadtA Löbau, Rügenbuch Löbau: Stadtarchiv Löbau, Rep. 34, Nr. 30, Dep Loeb X, grau StFilA Bautzen, Abtretungen: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 660, 662,663 StFilA Bautzen, Adlige Assessoren: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 425 StFilA Bautzen, Advokatenbestellungen: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50120 (D), Gutsherrschaft Baruth, Nr. 1071 StFilA Bautzen, Assessores: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 424 StFilA Bautzen, Baruthische Registraturen: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50120 (D), Gutsherrschaft Baruth, Nr. 84, 1484; vgl. Nr. 7 StFilA Bautzen, Bericht Landgericht: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50001, Landstände Sächsische Oberlausitz, Nr. 2200 StFilA Bautzen, Bericht Landrichteramt: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 426 StFilA Bautzen, Bestallung: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50120 (D), Gutsherrschaft Baruth, Nr. 243

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Quellenverzeichnis

StFilA Bautzen, Bestallung Klengel: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50133, Gutsherrschaft Gaußig, Nr. 1529 StFilA Bautzen, Bestallung Printz: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50133, Gutsherrschaft Gaußig, Nr. 2095 StFilA Bautzen, Bestellung Hofrichter: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 420 StFilA Bautzen, Criminalgerichte: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 854 StFilA Bautzen, Dinglich Gerichte zu Baruth: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50120 (D), Gutsherrschaft Baruth, Nr. 331 StFilA Bautzen, Dinglich Gerichte zu Klein-Saubernitz: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 856 StFilA Bautzen, Gedingsgericht Seidau: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 857 StFilA Bautzen, Gerichte auf der Seidau: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 153 StFilA Bautzen, Gerichtsamt: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 855 StFilA Bautzen, Gerichtsordnung Oberamt: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 57, Bl. 118–131 StFilA Bautzen, Gerichtsprotokolle Baruth 1705–1713: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50120 (D), Gutsherrschaft Baruth, Nr. 30 StFilA Bautzen, Gerichtsprotokoll Brösa: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50133, Gutsherrschaft Gaußig, Nr. 1723 StFilA Bautzen, Gerichtsprotokoll Diehmen: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50133, Gutsherrschaft Gaußig, Nr. 1947 StFilA Bautzen, Gerichtsprotokoll Gaußig: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50133, Gutsherrschaft Gaußig, Nr. 2078 StFilA Bautzen, Gutachten Hartranft: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 186 StFilA Bautzen, Hofgericht: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 152 StFilA Bautzen, Hofrichter: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50001, Landstände Sächsische Oberlausitz, Nr. 2200 StFilA Bautzen, Hofgerichtsassessoren: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 421 StFilA Bautzen, Memorial: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 419 StFilA Bautzen, Personen in fremden Territorien: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 756 StFilA Bautzen, Revision: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr.753 StFilA Bautzen, Salza, Bericht: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 37; vgl. Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 56; Biblioteka Universitecka we Wroclawiu, Akc. 1948/316; Biblioteka Universitecka we Wroclawiu, Mil. II/317

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StFilA Bautzen, Schöffenbuch Döbschütz 1663–1804: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50051, Amtsgericht Görlitz (SB), Nr. 6 StFilA Bautzen, Schöffenbuch Döbschütz 1803–1823: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50051, Amtsgericht Görlitz (SB), Nr. 7 StFilA Bautzen, Schöffenbuch Hohkirch 1519–1589: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50051, Amtsgericht Görlitz (SB), Nr. 27 StFilA Bautzen, Schöffenbuch Markersdorf 1537–1587: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50051, Amtsgericht Görlitz (SB), Nr. 67 StFilA Bautzen, Schöffenbücher Oberneundorf: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50051, Amtsgericht Görlitz (SB), Nr. 102, 103, 104, 127 StFilA Bautzen, Schöffenbuch Zodel 1528–1578: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50051, Amtsgericht Görlitz (SB), Nr. 115 StFilA Bautzen, Schreiben: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 654 StFilA Bautzen, Seidauer Statuten 1572: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 857 StFilA Bautzen, Statuta Lauban: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 185 StFilA Bautzen, Urbarium Baruth: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50129, Gutsherrschaft Baruth, Nr. 1474; vgl. Nr. 1452 StFilA Bautzen, Veränderungen Gerichtshalterstellen: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009, Oberamt, Nr. 759, 760 StFilA Bautzen, Verpflichtung Starke: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50133, Gutsherrschaft Gaußig, Nr. 1527 StFilA Bautzen, Vogel gegen Baderk: Staatsfilialarchiv Bautzen, 50565, Gutsherrschaft Baruth (Patrimonialgericht) UB Breslau, Berna’sche Gedingsordnung: Biblioteka Universitecka we Wroclawiu, Akc. 1948/296 UB Breslau, Görlitzer Gerichtsbuch 1595: Biblioteka Universitecka we Wroclawiu, Akc. 1947/23 UB Breslau, Crudelius, Extract: Biblioteka Universitecka we Wroclawiu, Akc. 1947/48 UB Breslau, Scultetus, Kürbuch: Biblioteka Universitecka we Wroclawiu, Akc. XI 5

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Battenberg, Friedrich: Herrschaft und Verfahren. Politische Prozesse im mittelalterlichen Römisch-Deutschen Reich, Darmstadt 1995 – Schöffen, Schöffengericht, in: Adalbert Erler/Ekkehard Kaufmann (Hg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Band 4, Berlin 1990, Sp. 1463–1469 – Schöffenstuhl, in: Adalbert Erler/Ekkehard Kaufmann (Hg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Band 4, Berlin 1990, Sp. 1474–1478 Bauermann, Johannes: Die ältesten Urkunden für das Kloster Marienthal aus den Jahren 1234–1245, in: Neues Lausitzisches Magazin 99 (1923), S. 99–127 Baumgärtel, Hermann: Geschichte des Pönfalls der Oberlausitzer Sechsstädte, Bautzen 1898 – (Hg.): Rathsverfassung und Rathslinie der Stadt Bautzen, Bautzen 1901 Becker, Walter: Magdeburger Recht in der Lausitz. Sein Geltungsbereich und seine Denkmäler. Ein Beitrag zur Geschichte des Magdeburger Rechts, Stuttgart 1931 Behrisch, Lars: Städtische Obrigkeit und soziale Kontrolle. Görlitz 1450–1600, Epfendorf 2005 – Die Görlitzer Ratskür im 15. und 16. Jahrhundert, in: Neues Lausitzisches Magazin Neue Folge, Band 3 (2000), S. 49–64 – Stadtverfassung, Justiz und Kriminalität in Görlitz im 15. und 16. Jahrhundert, in: Joachim Bahlcke (Hg.), Die Oberlausitz im frühneuzeitlichen Mitteleuropa. Beziehungen – Strukturen – Prozesse, Stuttgart 2007, S. 479–504 Behrnauer, Gottlieb Jeremias: Etwas von der Gerichts- und Rechts-Verfassung des Marggrafthums Ober-Lausitz, besonders denen Chefs der beyden Aemter Budißin und Görlitz, Görlitz 1779 Belzyt, Leszek/Rautenberg, Hans-Werner: Die Oberlausitz vom Wiener Kongreß bis zum Ende des Ersten Weltkriegs (1815–1918), in: Joachim Bahlcke (Hg.), Geschichte der Oberlausitz. Herrschaft, Gesellschaft und Kultur vom Mittelalter bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, 2. Auflage, 2004, S. 181–220 Bergmann, Alwin: Geschichte der Oberlausitzer Sechsstadt Löbau, Bischofswerda 1895 Berkel, Paul: Geschichte der Stadt Lauban, Lauban 1896 Bertram, Franz: Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang. I. Sühne, Rache und Preisgabe in ihrer Beziehung zum Strafprozeß der Volksrechte (= Konrad Beyerle (Hg.), Deutschrechtliche Beiträge 10 [1915], Heft 2, Heidelberg 1915 Bertram, Fritz: Chronik der Sechsstadt Lauban, Neuötting 1951 Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht, Leipzig 1843 Billig, Gerhard: Der Adel Sachsens im hohen und späten Mittelalter. Ein Überblick, Kathrin Keller/Joseph Matzerath (Hg.), Geschichte des sächsischen Adels, Köln/ Weimar/Wien 1997, S. 31–52 – Die Burgwardorganisation im obersächsisch-meißnischen Raum. Archäologisch-archivalisch vergleichende Untersuchungen, Berlin 1989

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Stichwortverzeichnis Adel (landsässiger) 12 f., 33, 47 f. (auch Anm. 264), 51 (auch Anm. 273), 53, 56–59, 71, 89, 91–94, 102, 104 f., 116 f., 119, 122, 124, 130 f., 133–138, 140 f., 143, 146–150, 155–163, 165, 170, 172, 179, 182–184, 189 ff. (auch Anm. 482), 192 ff., 200 ff., 208–211, 216, 218 f., 221, 224 ff., 230, 233 ff., 237 ff., 243 ff., 247 f., 250, 259 f., 262–265, 267 f., 270, 272 f., 275 f., 277 ff., 281 (Anm. 976), 283, 285, 296, 306, 369 f., 404, 406 f., 432 ff., 460, 466, 468 ff., 472–476, 486, 489, 491 ff., 496, 498–501 Amt Stolpen 44 (Anm. 243), 284 f., 287, 305 Amtshauptmann (Oberamtshauptmann, -verwalter) (-leute) 48 (Anm. 264), 50 (auch Anm. 267), 114, 117 f. (auch Anm. 179), 188, 191–194, 196, 198, 200, 204–210 (auch Anm. 560), 212– 230, 232 ff., 239–248, 250 f., 258 ff., 268, 277 f., 370, 406

Bann, Bannleihe 31, 35, 79–84 (auch Anm. 48), 86, 90 f., 102, 125–129, 182, 197, 304, 360, 401 ff., 446 f., 465, 471, 477 Bauer, bäuerlich, Bauernstand, Bauerntum 12, 15, 33 f., 42, 44 (Anm. 243), 51 f. (auch Anm. 279 f.), 56 f. (Anm. 302), 63, 69, 92, 94, 102 f., 104, 116 f., 131, 133–141, 143, 146 ff., 155–163, 166–172, 182 ff., 188, 219, 225, 230, 233, 236, 238, 247 ff., 259 f., 264, 266, 268, 273 f., 277, 284–288, 291, 299, 324, 328 f., 330, 334 f., 339, 349 f., 355, 357 f., 360, 367, 371, 450, 486, 488 f., 491 f., 495 f., 501 ff.

Bischof von Meißen 86–88, 112, 114, 139, 170–173, 285, 287, 295 Bürger, bürgerlich (landesherrliche Städte) 12, 34, 36 (Anm. 172), 47 f. (auch Anm. 263), 51, 54, 117, 125, 130, 133 f., 136 ff., 140, 143, 147 f., 149 f., 153–156, 158–161, 163–166, 172, 179, 182, 184, 188 f., 190 (Anm. 482), 209 f., 219, 235 f., 247, 249 f., 253, 259 f., 264 ff., 268, 270, 272 ff., 278, 303 f., 325, 342, 365 f., 369 f., 379–385, 388, 403 f., 410, 412 f., 416, 422, 424, 429, 432–435, 440–443, 446 f., 450, 459, 463–466, 469, 476, 482, 485 f., 488, 491 ff., 496, 501 Bürgermeister (landesherrliche Städte) 13, 122, 147, 163, 194, 202, 249, 308, 314, 327, 350, 361, 367 ff., 371 f., 374–379, 383, 385, 387, 392 f., 395 f., 398, 403, 411 ff., 415 f., 418–422, 425, 427–430, 434, 437, 440 f., 444, 459, 469 f., 472, 479 Burggraf, Burggrafschaft 44 (auch Anm. 241), 45 (auch Anm. 250), 63 (Anm. 349), 88, 92, 95–105, 109, 111, 113, 142, 364 Burggrafenverfassung, Burggrafschaftsverfassung siehe Burggraf, Burggrafschaft Burgward, Burgwardorganisation, Burgwardverfassung 42 (Anm. 225), 51, 79, 86 f., 89, 96, 305 Deditz 52 (auch Anm. 278), 63 (Anm. 346), 138, 335, 359–362 Deutscher König, königlich 31, 35, 42 (auch Anm. 225), 44 f. (auch Anm. 243, 250), 78–84, 86–91, 95 ff. (auch Anm. 28, 41, 50, 52), 100 ff., 104

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Stichwortverzeichnis

Dinggenossenschaftliches Prinzip, mittelalterlich-dinggenossenschaftliche Gerichtsverfassung 16–19, 28 ff., 32 ff., 37, 39, 46 f., 53, 93 f., 104 f., 144, 146, 148, 150, 159 f., 162, 164, 172, 182 ff., 194, 197 f., 201, 206, 210 f., 225 f., 228, 231, 253, 260 f., 272, 282, 327, 359, 361 f., 451, 454, 456, 466 f., 474 ff., 477, 487 ff., 491–495, 499 f., 502 f. Dorf (Dörfer), Dorfbevölkerung, Dorfbewohner, Dorfgemeinde, dörflich, Dorfverband 13 ff., 23 f. (Anm. 69), 25, 35, 42 (Anm. 225), 44 (Anm. 243), 51 f., 54, 57, 62 ff. (auch Anm. 345), 69 f. (auch Anm. 383), 87, 90, 93, 99 f., 103 f., 108, 112, 114 f., 133 ff., 138–141, 143, 146 ff., 155 f., 158–165 (auch Anm. 367, 380), 177 f., 182, 184 f., 210, 239, 261, 273 f., 284–289, 291–313, 321–328, 328–359, 360 f., 363 f., 365, 367, 371, 375 f., 382, 387 f., 391, 394, 397, 459, 462, 464 f., 478, 488, 492, 498, 501 f. Dorfherr siehe auch Grundherr 291, 293 f., 329 ff., 334, 340–347, 353 ff., 357 f., 403 Einwohner (Bewohner) (landesherrliche Städte) siehe auch Bürger, bürgerlich (landesherrliche Städte) 12, 34, 36 (Anm. 172), 54, 136, 147, 166, 184, 235, 264, 273 f., 466, 486, 492, 501 Erbrichter, Stadtrichter(-amt) (landesherrliche Städte) 108, 114 ff., 119– 123, 131, 148, 152 f., 155 ff.,194, 233, 311, 365–372, 374–379, 385, 390, 394–398, 403–406, 408–417, 419–422, 425, 429, 432–435, 437, 439, 441, 443, 449 f., 454–456, 463 ff. Erbuntertan, untertänig 14, 24, 52 (Anm. 280), 53 f., 140, 145 ff. (auch Anm. 321), 219, 232 (Anm. 700), 253, 283, 294, 304, 306, 322, 324, 334, 348 f., 502 Fremdes Recht (gelehrtes Recht, rezipiertes Recht) 18, 68 f. (auch Anm. 378),

72–75 (Anm. 397, 402, 404), 195, 353 (Anm. 314), 441, 454, 467, 494 f., 500, 502, 504 Gelehrt-neuzeitliche Gerichtsverfassung 18, 28 f., 30, 37 ff., 467, 494 f., 500, 503 f. Gerichtsgefälle 32, 35, 63, 79, 88, 95, 98 (Anm. 57), 101 f. (auch Anm. 80), 110 ff., 123 f., 153, 196 f., 241, 293, 302 f., 329, 340, 342, 353, 365 f., 403, 405 ff., 412 ff., 464, 471 Gerichtshalter (Gerichtsdirektor, -verwalter) 292, 297 f., 302, 307–310, 312– 320 (auch Anm. 142), 326 f., 339, 344, 349, 356, 396 Graf (fränkische Reichsverfassung) siehe auch Markgraf (Markenverfassung) 31, 33 (Anm. 159), 35 (Anm. 166), 42 f. (auch Anm. 225), 78–82, 84 ff., 90 f. Grundherr, grundherrlich, Grundherrschaft siehe auch Dorfherr 12, 15, 19, 20 (Anm. 49), 21, 24 f., 30 (Anm. 137), 34 f., 36 f. (Anm. 172), 42 f., 45, 50 ff. (auch Anm. 269, 273, 280), 57, 63 f., 69 f., 73 (Anm. 401), 90, 94, 99 (Anm. 65), 107, 111 (auch Anm. 142), 114, 135 f., 143, 146, 148, 155, 157, 160 f., 164 ff., 177, 184, 189, 201, 220, 225, 237, 264, 273 f., 287 f., 291–361, 391, 394 (Anm. 187), 403, 407, 412, 454, 459, 464, 478, 483, 485 f., 488 f., 493, 495, 498, 501 ff. Gutsherr, gutsherrlich, Gutsherrschaft 24, 52 ff. (auch Anm. 280), 70, 167, 274, 291, 327, 330, 333 f., 337, 341 f., 357, 359, 495, 502 Hochstift Meißen 40 ff. (auch Anm. 217, 225), 44 (auch Anm. 243), 50 (Anm. 269), 86–89, 96, 99, 118, 139, 171 ff., 284 f., 287 Hofrichter (landesherrliches Hofgericht) 191, 194, 217, 232–235, 238–255, 258 ff., 262, 297, 311, 345

Stichwortverzeichnis Hofrichter (Stadtschöffengericht Löbau) 122, 125, 156 (Anm. 358), 162, 164, 263, 367, 395, 407 Kastellan, Kastellanei, Kastellanatsverfassung 44 f., 99 f. (auch Anm. 65) König, deutscher, königlich siehe deutscher König, königlich Königsgut, Krongut siehe auch Reichsgut 42 (Anm. 225), 86, 88 f., 97 Krongut siehe Königsgut, Krongut Landesälteste (-r) 48 (auch Anm. 264), 163, 188, 191–194, 198, 203, 208, 211, 214, 221–225, 230, 238, 240, 244 Landesbestallter 193 f. Landeshauptmann 50 (Anm. 267), 58 f. (Anm. 313), 191 f., 194, 198, 208, 211, 215, 241, 289, 408 Landesherr, landesherrlich, Landesherrschaft 11 ff. (auch Anm. 2), 15, 17, 19, 22–25, 31 ff., 35 (auch Anm. 170), 36, 40 (auch Anm. 212), 41 (Anm. 217), 42 (Anm. 225), 43 f. (auch Anm. 241, 243), 45 (auch Anm. 244, 250 f.), 46 (auch Anm. 257), 47 (auch Anm. 261), 48 (auch Anm. 261, 263 f.), 49 f. (auch Anm. 269), 51 ff. (Anm. 280), 54 f. (auch Anm. 295), 56 (auch Anm. 302), 57 (auch Anm. 302), 58 (auch Anm. 308, 310, 313), 59, 61 (Anm. 329), 63 (Anm. 349), 64 (auch Anm. 351, 352), 65 (Anm. 359), 66 (Anm. 359), 67, 68, 69, 70 (auch Anm. 385), 71 (auch Anm. 397), 72 (auch Anm. 397, 400), 73 ff. (auch Anm. 400, 401, 402, 404), 76 ff., 80 f., 83 ff. (auch Anm. 41), 86–168 (auch Anm. 10, 25, 52, 65, 80, 95, 133, 142 f., 151, 267, 321, 331, 347, 380), 170, 175, 177 ff., 181–191 (auch Anm. 447, 483), 193 f., 196–206, 208–230, 231–237, 241–251, 254 (Anm. 844), 256 f., 259–275, 279 f. (auch Anm. 965), 282–294, 297– 300, 302 f., 308–131, 315 (Ann. 142), 317, 321 (Anm. 162), 323, 325, 328 f., 333–337, 340, 342, 344 f.,

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347 f., 357, 359 ff., 363–391 (auch Anm. 72), 394 ff., 398 f., 401–426 (auch Anm. 251), 429–446, 448, 450, 454, 456, 458, 460, 462–469, 471–489 (auch Anm. 38), 492–504 Landrecht, landrechtlich 15, 55, 57, 63 ff., 66 f. (Anm. 359, 361), 104, 117, 122, 126, 129 f., 133–137, 141–148, 150 f., 154 ff., 158–161, 164 f., 168 f., 171, 176 ff., 183 f., 240, 262, 272, 328, 337, 363, 379, 381, 407, 415, 433, 463, 478, 492, 497 Landstände, landständisch 12–16, 23, 33, 35, 43, 45, 50, 54, 56 (auch Anm. 302), 57–61, 72, 74, 75 (Anm. 404), 76 (Anm. 404), 94, 121, 124, 128 (auch Anm. 245), 130, 136, 146 (auch Anm. 323), 162, 179 f., 185 (auch Anm. 443), 186 ff., 190 ff., 201, 203 ff., 210 ff., 215 ff., 220, 223 ff., 227 (Anm. 675), 228 (Anm. 683), 229 ff., 234 ff., 238, 242 ff., 250, 254, (Anm. 844), 256, 260, 262, 266, 271 ff., 292, 373, 479 ff., 486 ff. (auch Anm. 38), 489, 491, 494, 498 ff., 503 Landvogt 11 (Anm. 2), 23 f., 45 (auch Anm. 248), 48 ff. (auch Anm. 264 ff.), 55, 57, 66 (Anm. 361), 74 (Anm. 404), 77, 79, 95, 99 (Anm. 64 f.), 102 (auch Anm. 80), 103, 105–132, 135 ff., 139– 142 (auch Anm. 300), 145–167, 169– 172, 175, 177 f., 180–183, 185 f. (auch Anm. 447), 187 f., 190 f. (auch Anm. 482), 193, 196 ff. (auch Anm. 527), 199–221 (auch Anm. 560 ff., 579), 224–227 (auch Anm. 675), 228, 230 ff. (auch Anm. 699 f.), 234–244, 247 f., 250, 253, 256 f., 260 ff., 265, 267–272, 275, 277 f., 280, 283 f., 291, 293 f., 296, 299, 303, 321 f. (Anm. 163), 325, 328 f., 347, 356, 364–367, 380 f., 394, 403–407, 411, 413 f., 417, 421, 434, 465, 470 f., 474, 481, 483, 492 f., 496, 498 f. Lehnbauer siehe auch Witsasse 103, 182, 305, 316, 335 f., 361

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Stichwortverzeichnis

Lehnrecht (Sachsenspiegel, Sächsisches) 33 f. (Anm. 159), 42 (Anm. 225), 67, 74 (Anm. 404), 80 ff., 124, 126, 129, 133 f., 135, 137, 144, 160, 168, 171, 173 f., 176 ff., 180 ff., 184, 237, 240, 249 f., 255, 257, 259, 261, 332, 341, 417, 458 Lokator 51, 292, 329 ff., 341 f., 357 Mark siehe Markgraf (Markenverfassung) Markenverfassung siehe Markgraf (Markenverfassung) Markgraf (Markenverfassung) 19, 42 ff. (auch Anm. 225, 243), 61 f., 78–91, 96 f., 101 f., 111, 128, 496 Patrimonialgericht 20 (Anm. 48), 53, 291 f., 297 f., 301 f., 306, 308–328, 341, 358 Rat, Ratsmitglied, Ratsverfassung, Ratswahl (Ratskür) (landesherrliche Städte) 12, 13, 26, 35 (Anm. 170), 36 (Anm. 172), 47, 55 ff. (auch Anm. 295), 70, 120, 122, 124 f. (auch Anm. 233), 130 f., 147 (auch Anm. 331), 149, 157, 161, 164 f., 179, 185, 189 f., 193 f., 200, 202 f., 209, 211, 215, 221, 224 f., 230, 237, 256, 264, 268, 272 ff., 304 f., 310, 325, 345 (Anm. 286), 348 (Anm. 297), 349 ff. (Anm. 312), 352 (Anm. 314), 364–467, 469 f., 472–475, 479, 481, 493, 498–501, 503 Ratsdorf siehe Dorf Ratsfähige Geschlechter siehe Städtische Elite (landesherrliche Städte) Recht und Willkür 55, 75 (Anm. 404), 368, 370, 380, 382, 384, 388 f., 438, 464 Reichsgut siehe auch Krongut 100 (Anm. 67), 11 (Anm. 142), 178 (Anm. 422) Richter (Bedarfs-, Erb-, Lehn-, Setzrichter) (Dorf) siehe auch Schulze, Starost, Supan 52 (Anm. 278), 53, 177, 236, 285, 287, 296 f., 300, 302, 306, 311, 322, 326, 329–333, 340–345 (auch

Anm. 286), 347, 349 ff. (auch Anm. 312), 352, 355–358, 394 Sächsisch-Magdeburgisches Recht 27, 66 (Anm. 359), 67 (Anm. 361), 71, 73, 75 (Anm. 404), 144, 151, 173, 177, 179 ff., 185, 255, 257, 259, 288, 313, 348, 358, 360, 363, 367, 417, 426, 443, 445 f., 454, 458, 460, 462 ff., 466 f., 477 f., 488, 493, 495, 497, 500, 503 f. Schöffen, -kollegium (landesherrliche Städte) 57, 119, 137 f., 142 f., 147 f., 152–161, 163–167, 172, 178, 183 f., 235, 261, 271 f., 363–467, 476 ff., 488, 493, 495 ff., 503 Schulze (Bedarfs-, Erb-, Lehn-, Setzschulze) siehe auch Richter (Dorf) 53, 103, 108, 134 f., 138, 169, 296, 329 f., 336, 342, 346 f., 356 f., 361 Sechsstädtebund (Sechsstädte) 24 f., 26, 57 f., 74 (Anm. 404), 165, 468–476, 481, 497 Sorben, sorbisch 41 (auch Anm. 216), 51 f. (auch Anm. 278), 54, 104, 118, 138–141, 156, 169, 182, 284–287, 330 f., 334 ff., 357, 359–362 Stadt, Stadtgemeinde, Stadtrechtsgemeinschaft, -genossenschaft (landesherrliche Städte) 12 f., 15, 19, 20 (Anm. 49), 21 f., 26, 34 f., 36 (Anm. 172), 37, 45 (auch Anm. 251), 47 (auch Anm. 261), 48 (Anm. 264), 50, 54 f. (auch Anm. 295), 56 f. (auch Anm. 302), 58 f. (auch Anm. 310), 61 (Anm. 329), 64 (auch Anm. 351), 65 (Anm. 359), 66– 71, 73 (auch Anm. 401), 94 (Anm. 25), 105 f., 108, 111 (Anm. 142), 114 f., 120–125, 130–138, 139 (auch Anm. 304), 141–167, 182–185, 189–194, 200, 202 f., 204, 208, 210, 216, 220– 226, 230 ff., 236 f., 247 f., 250, 253, 256, 261 (auch Anm. 868), 264 f., 270–274, 334, 357, 363–467, 468–476, 478 f., 482 f., 485 f., 488, 492 ff., 497 ff., 503 ff. Städtische Elite (landesherrliche Städte) 12, 55 f. (auch Anm. 299), 142, 194,

Stichwortverzeichnis 210 f., 226, 272 ff., 422, 424, 463, 466, 486, 488, 498 f., 501, 503 Stadtrecht (Magdeburger), stadtrechtlich 15, 27, 33 f. (auch Anm. 159), 37, 55 ff., 64, 66 f., 69 (Anm. 378), 74 f. (Anm. 404), 132–137, 141–164, 177 f., 180–184, 272, 363 ff., 369 ff., 379– 385, 388, 393, 401, 403, 407 f., 410, 422 ff., 429, 432 ff., 440, 454, 458, 463, 465 f., 469 f., 472 ff., 479, 492, 495, 497 f., 503 Stadtrichter siehe Erbrichter, Stadtrichter (-amt) (landesherrliche Städte) Starost siehe auch Richter (Dorf) 52 (Anm. 278), 138 f., 161, 169, 171 f., 182, 334 ff., 357, 360 Supan siehe auch Richter (Dorf) 103 f., 134, 138, 140, 169, 182, 236, 285, 288, 334 ff., 357, 360 f. Villikationsverfassung siehe Landvogt Vogt (Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau) siehe Landvogt Vogt (Hochstift Meißen) 86–88

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Vogtei, -en (Budißin, Görlitz, Lauban, Zittau) siehe Landvogt Vogteiverfassung siehe Landvogt Weichbild, Weichbildverfassung, Weichbildzuständigkeit 11 (Anm. 2), 23–26 (auch Anm. 86), 48 (auch Anm. 264), 57 f., 66 f., 71, 120, 122, 138, 142 (auch Anm. 310), 145, 147 ff. (auch Anm. 328), 151, 156–159, 161, 164– 167, 171 f., 184, 188, 233, 235, 238, 248 f., 261–266, 271–274, 277, 362, 367, 382, 391 f., 394, 406 f., 450, 460, 467 f., 475 f., 488, 492 ff., 496–500, 503 f. Wenden, wendisch siehe Sorben, sorbisch Willkür siehe Recht und Willkür Willkür und Recht siehe Recht und Wilkür Witsasse siehe auch Lehnbauer 103 f., 134, 138, 140, 169, 182, 236, 285, 288, 334 ff., 360 f. Zeidler siehe Deditz