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German Pages 46 [54] Year 1916
Kriegsgeographische Zeitbilder Land und Leute der SriegsschauplStze Lerausgegeben von den
Privatdozenten
Dr. Haus Spethmann
und
Dr. Erwin Schm
Die vorliegende Sammlung will in anregender und anschaulicher Form ein klares Bild der Kriegsschauplätze entwerfen, um eS jedem zu ermög lichen, den amtlichen Nachrichten von den Vorgängen auf den Kampf gebieten mit Verständnis folgen zu können. Di« Darstellung wird durch zahlreiche Abbildungen und Skizzen wirkungsvoll unterstützt.
ES liegen vor: Lest 1. Die wirtschaftlichen Grundlage« der kriegführende« Mächte. Von Professor Dr. A. Oppel-Bremen. Lest 2. Kohlennot und Kohlenvorräte im Weltkriege. heimem Bergrat Professor Dr. Frech-BreSlau.
Do« Ge
Lest 3. Der Kanal mit feine« Küste« n«d Flottenstützpunkten. Von Privatdozent Dr. L. Spethmann-Berlin. Lest 4. Antwerpen. Geographische Lage «nd wirtschaftliche Bedeutung. Do« Dr. LanS Praesent-Greifswald.
Lest 5. Der russisch - türkische Kriegsschauplatz. phll. Lugo Grothe-Leipzig.
Von Dr. jur. et
Lest 6. Der Kriegsschauplatz zwischen Mosel »nd MaaS. Dr. Karl Wolff-Leh>ztg. Lest
7. Japan m»d die Japaner.
Lest
8. Die Bogefe« «nd ihre Kampfstätte«. Adria« Mayer-Straßburg.
Bo»
Don Dr. Ed. Erkes-Leipzig.
Do« Redakteur
Jede- Heft im Umfangt von zirka 8 Druckbogen kostet M. —.80
Verlag von BeitLEomp.in Leipzig, Marienftr.18
Kriegsgeographische Zeitbilder Land und Leute der Kriegsschauplätze
Herausgeber
Dr. Hans Spethmann und Dr. Erwin Scheu in Leipzig
in Berlin
Lest 8 Die Vogesen und ihre Kampfstätten
Leipzig Verlag von Veit & ComP. 1915
Die Vogesen und ihre Kampfstärken
Redakteur Adrian Mayer in Straßburg
Mit 12 Abbildungen im Text
Leipzig Verlag von Veit & ComP. 1915
Copyright 1915 by Veit & Comp. in Leipzig.
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.
I. Zur Geschichte Elsaß-Lothringens. Vom Glanz der Sonne durchflutet und befruchtet, von
Völker- und Leereszügen seit alten Zeiten bedroht und umkämpft bis zur Gegenwart liegt das Land am Oberrhein zwischen dem Alpenstrom, dem Grenzkamm der Vogesen und des Gebirges
anmutigster Tochter, der Mosel.
Durch zwei Jahrtausende ge
schichtlicher Vergangenheit vollzogen sich die Kämpfe um das
Land fast nur in der Ebene am Rhein und auf den Lügeln Lothringens; durch die beiden historischen Völkertore, die Bur
gundische Pforte bei dem alten Bessert, dem heutigen Belfort, im Süden, den Paß von Zabern im Norden nahm stets der
Ansturm seinen Weg nach Osten gegen den Rhein.
Nur ver
einzelte Kriegsbegebniffe sah der Gebirgskamm: am Lohneck
erinnert der Name Soldatenschlatten daran, daß hier oben
1674 welsche Reiter nach einem gegen Münster unternommenen Raubzuge von den elsässischen Talleuten verfolgt und in das wilde Frankental hinabgeworfen wurden; auf dem Batteriekopf
sind Schanzen von 1814, beim Köhlerkopf Schützengräben der Franktireurs aus dem Moselgebiet von 1870 noch zu sehen. Der Völkerkrieg unserer Tage aber ist über das ganze Gebirge getragen
worden,
und nirgendwo sonst in deutschen Landen
werden fortan Berge gleich den Vogesen blutgetränkte geschicht
liche Stätten inmitten der reinen Schönheit einer ursprünglichen
Natur aufzuweisen haben.
Innerhalb des ganzen großen Völkerringens gewinnt bei Betrachtung der Arsachen seines Ausbruchs der Kampf in den
Vogesen eine hervortretende Bedeutung.
Denn es ist das schon
seit über ein Jahrtausend andauernde, durch die letzten drei Jahr hunderte, namentlich in den Raubzügen Ludwigs XIV. ver schärfte Vordrängen der ftanzösischen Machthaber über die, in
den Teilungsverträgen des alten Fränkischen Reiches einst fest gelegte Gebirgsgrenze der Vogesen nach Osten gegen die Strom-
des Rheins,
grenze
das
als
wesentlicher, von den jetzigen
Verbündeten Frankreichs lediglich als Gelegenheit zur Ver nichtung Deutschlands ausgenuhter Antrieb zu dem Kriege zu
gelten hat. Auf dem Boden des Elsaß hatte die deutsche Geschichte
ihren Anfang genommen, als im Jahre 72 v. Chr. der Ger
manenführer Ariovist, von den keltischen Sequanern gegen den
anderen Stamm der absterbenden Kelten, die Läduer, zu Äilfe gerufen,
letztere in der Schlacht bei Admagetobriga unweit
Belfort schlug.
Julius Cäsar erkannte die Gefahr, die der
römischen Herrschaft in Gallien von den Germanen drohte,
und 58 v. Chr. kam es zur Schlacht, die mit dem Siege des Römers endete.
Diese „Ariovistschlacht", als deren Ort das
neue Kampfgebiet von Sennheim, von anderen die Lügel von Epfig bei Schlettstadt oder die Burgundische Pforte angenommen
wird, ist zum entscheidenden Ausgangspunkt für die Zukunft
des
Elsaß
Römer
sowohl
besetzten
ganz
wie
das
linke
Deutschlands Rheinufer;
Die
geworden.
Argentoratum,
jetzige Straßburg, erhielt den Stab der achten Legion. Netz
von Straßen
zahlreiche
wurde
Befestigungen
über Land
zum Schutze
und Gebirge
das
Ein
gelegt,
der Vogesentäler
ge
schaffen. Neue germanische Scharen aber zogen über den Rhein heran, zu Ende des 3. Jahrhunderts die Alemannen, gegen die
6
Julian Apostat« 357 den entscheidenden Kamps aufzunehmen beschloß.
Sinter Chnodomar hatten sich die Alemannen um
Zabern versammelt; bei Straßburg kam es zur Schlacht, die
batavische Söldner zugunsten Julians entschieden.
Es war
der letzte große Kampf der Römer am Rhein; 403 räumten sie das Elsaß, in deffen vollen Besitz nun die Alemannen
gelangen, bis die Schlacht bei Tolbiacum
am Niederrhein
496 die Franken zu Lerrschern des Landes machte. ihnen
Sinter
hat sich der eigentliche Historisch-geographische Begriff
des Elsaß herausgebildet.
3m 7. Jahrhundert schufen Lerzog
Etichy und seine Söhne mit der Entwicklung des Christentums
eine neue hohe Kultur; noch im 12. Jahrhundert sagt der
Otto
Geschichtsschreiber
von
Freising:
„die
Kraft
Deutschen Reiches ruht zwischen Basel und Mainz".
des Eine
Tochter Etichos war die heilige Odilie vom Kloster Äohen-
burg, die als Beschützerin des Elsaß verehrt wird. Sinter
fränkischen
den
Kaisern Pipin
und
Karl dem
Großen entstand im 8. Jahrhundert durch Vereinigung der
germanischen und romanischen Völker jene große Staateneinheit, die für die Entwicklung des folgenden Jahrtausends Europa
die Bahn vorzeichnete.
Karl besaß im Elsaß, in Schlett-
stadt und Colmar, eigene Edelsitze; in Schlettstadt sammelte er 776 den fränkischen Äeerbann zum Zuge gegen die Longobarden.
Das Elsaß lag gesichert im Mittelpunkt des Reichs, solange
Karl lebte; die Teilungen unter seinen Nachfolgern aber ließen die heftigsten Kämpfe gerade um die Grenzländer am Rhein erwachen.
Das
Mittelfranken
in
schien
Burgund Aussicht
Verdun 843
geschaffene
zunächst
Elsaß,
dem
Zwischenreich
Lothringen und
aus staatliche Sicherheit zu geben; doch
bald war diese Schöpfung durch den Tod der beiden Lothar wieder zerfallen.
Der Vertrag von Meerffen 870 hat dann
zum erstenmal auf dem Kamm der Vogesen die Grenz-
7
pfähle zwischen den beiden Ländern Deutschland und Frankreich,
deren staatliche Begriffe sich damals entwickelt haben, auf gerichtet.
Das 10. Jahrhundert sah das Elsaß mit Schwaben zu einem Herzogtum vereinigt. Während jenseits der Burgundischen
Pforte das Französische vordrang, blieb das Elsaß in Sitte und
verbunden; die Bischöfe von
Sprache eng mit dem Reich
Straßburg und das Land standen fest zum Kaiser.
Das
11. Jahrhundert ließ
die
Staufer, Herzöge
von
Schwaben und Elsaß, zur kaiserlichen Würde gelangen und
hiermit eine neue, reichsstädtische Entwicklung für das Grenz land entstehen.
Durch die Burgundische Pforte zieht 1162
Friedrich Barbarossa westwärts zum Konzil mit dem franzö sischen Könige nach der Saöne; Burgund ist noch deutsche
Freigrafschaft.
Der erste größere Schlag traf das alte Reich,
als im 16. Jahrhundert in den Stürmen der Reformation
Frankreich das Metzer Land, Toul und Verdun in seinen
Besitz brachte; vergeblich versuchte Karl V. das stark befestigte
Metz in durch Krankheiten erschwerten Belagerungen zurück
zugewinnen.
Das 17. Jahrhundert brachte den auf deutschem Boden tobenden Dreißigjährigen Krieg, in den Frankreich eingriff, um
nach Ermattung der Kämpfenden seine Ostgrenze noch weiter
gegen den Rhein zu tragen.
Der Friede von Münster 1648
gab ihm die Oberherrschaft im Elsaß, Beffert, der Hauptort des Sundgaus, schon zuvor besetzt, geht nach Aussterben der
Grafen von Pfirt mit Pfirt und Thann ebenfalls an Frank reich über.
Straßburg, die Hauptstadt, blieb noch beim Reich,
1681 fiel auch dieses letzte Bollwerk des Elsaß, das von dem durch lange Kriegszeit entkräfteten, uneinigen Reiche nicht mehr gegen den Bourbonen Ludwig XIV. gehalten werden konnte.
Des Großen Kurfürsten Sohn, Friedrich III., sagte in einem
8
Abb. 1. Die Vogesen und ihre Verkehrsstraßen.
an den Kaiser 1696 gerichteten Schreiben über das Elsaß und Straßburg: „daß man die Waffen in keiner Weise niederzulegen
oder sich mit Frankreich auf eine Gestalt wieder zu vergleichen
habe, es sei denn, daß erwähnte Stadt dem Reich wieder ab getreten werde und daß der Verlust, welchen das Reich durch
Zurücklassung dieses importanten Orts thun, und das Anglück, so demselben daraus in folgenden Zeiten unfehlbarlich zuwachsen würde, durch kein Äquivalent zu reparieren sei. Der Zweck, welchen man sich im Reich bei gegenwärtigen schwerem Krieg
vorzusetzen hat, muß billig der sein, daß durch den künftigen Frieden die Sachen zwischen dem Reich und Frankreich auf
einen solchen Fuß gerichtet werden, damit jenes von diesem nicht gleichsam alle Tage einer neuen Anruhe und Verheerung
in ipsis visceribus Imperii oder wohl gar einer gänzlichen Subjugation sich
zu befahren habe; hiezu nun ist eine er
wünschte Kommodität und Gelegenheit, wenn Straßburg in
selbigen Kron Länden bleibt." Diese berechtigten und die Gefahr
der Jahrhunderte bis zu unserer Gegenwart voraussehenden Worte des nachmaligen ersten Königs von Preußen gingen nicht in Erfüllung; im Friedensvertrage von Rijswijk 1697 blieb Straßburg mit dem übrigen Elsaß den Bourbonen über
lassen, doch erst 1801 trat das Reich im Frieden von Luneville endgültig das Land an Frankreich ab.
Der zweite Pariser
Frieden von 1815 gab nach dem unter Talleyrands Einfluß
verlaufenen
Wiener
Deutschland zurück.
Kongreß
nur
kleine
Grenzgebiete
an
Erst die Ereignisse von 1870 haben dann
das Elsaß, die deutschen Teile von Lothringen und das Metzer Land wieder an Deutschland gebracht.
Genau ein Jahrtausend
nach dem Vertrag von Meerssen von 870 standen die Grenz
zeichen der beiden Länder wieder auf dem Gebirgskamm der
Vogesen. Das unheilvolle Erbe eines Ludwig XIV., den schon sein
Zeitgenosse Erzbischof Fenelon der Rauzbüge wegen anklagte, In Frankreich wurde der Vergeltungs
sollte aber weiter wirken.
gedanke wachgehalten, den aus dem Elsaß der „Protest", in
den letzten Jahren der sogenannte „Nationalismus" immer mehr
Das Denkmal der Stadt
zum endlichen Ausbruch steigerten.
Straßburg auf der Place de la Concorde in Paris sah man stets von Fahnen und Kränzen behangen mit der unzweideutig
drohenden Aufschrift: „Qui vive! La France! Quand meme!“
Frankreich will das Elsaß wiederhaben, was auch kommen
möge!
In dieser und so vielfach anderer Gestalt hat man in
Frankreich ständig, und zuletzt immer stärker, die Drohung er hoben, die einstmals, wenn der Schuldspruch der Weltgeschichte
über die Verantwortung für diesen Krieg gefällt werden kann, entscheidend in die Wagschale fallen wird.
II. Landschaft und Besiedelung. In Friedenstagen vermochte der fast unerschöpfliche Formen
reichtum der Vogesen dem Wanderer eine Fülle von Schön heiten zu eröffnen.
sind
die Fern-
ragenden Gipfeln.
Malerisch und zu jeder Jahreszeit lohnend und
Nahsichten
von
den meist frei auf
Die Alpenkette der Schweiz mit dem Berner
Oberland bildet an klaren Tagen einen Abschluß des Rund bildes, wie ihn kaum ein anderes Mittelgebirge aufweist. dem Hochgebirge
haben
Vor
die Vogesen einen Vorzug in den
prachtvoll ursprünglichen Wäldern zu eigen.
In seinem treff
lichen Reisewerke „Die Vogesen" sagte schon vor Jahrzehnten
August Trinius: „Kein anderer deutscher Gau kann mit der
Fruchtbarkeit des Elsaß wetteifern,
wie auch kein deutsches
Mittelgebirge an Großartigkeit und Waldespracht sich mit den Vogesen messen darf."
Zu diesen natürlichen Schönheiten ge
sellt sich der ebenfalls einzigartige Reichtum an malerischen 11
Zeitgenosse Erzbischof Fenelon der Rauzbüge wegen anklagte, In Frankreich wurde der Vergeltungs
sollte aber weiter wirken.
gedanke wachgehalten, den aus dem Elsaß der „Protest", in
den letzten Jahren der sogenannte „Nationalismus" immer mehr
Das Denkmal der Stadt
zum endlichen Ausbruch steigerten.
Straßburg auf der Place de la Concorde in Paris sah man stets von Fahnen und Kränzen behangen mit der unzweideutig
drohenden Aufschrift: „Qui vive! La France! Quand meme!“
Frankreich will das Elsaß wiederhaben, was auch kommen
möge!
In dieser und so vielfach anderer Gestalt hat man in
Frankreich ständig, und zuletzt immer stärker, die Drohung er hoben, die einstmals, wenn der Schuldspruch der Weltgeschichte
über die Verantwortung für diesen Krieg gefällt werden kann, entscheidend in die Wagschale fallen wird.
II. Landschaft und Besiedelung. In Friedenstagen vermochte der fast unerschöpfliche Formen
reichtum der Vogesen dem Wanderer eine Fülle von Schön heiten zu eröffnen.
sind
die Fern-
ragenden Gipfeln.
Malerisch und zu jeder Jahreszeit lohnend und
Nahsichten
von
den meist frei auf
Die Alpenkette der Schweiz mit dem Berner
Oberland bildet an klaren Tagen einen Abschluß des Rund bildes, wie ihn kaum ein anderes Mittelgebirge aufweist. dem Hochgebirge
haben
Vor
die Vogesen einen Vorzug in den
prachtvoll ursprünglichen Wäldern zu eigen.
In seinem treff
lichen Reisewerke „Die Vogesen" sagte schon vor Jahrzehnten
August Trinius: „Kein anderer deutscher Gau kann mit der
Fruchtbarkeit des Elsaß wetteifern,
wie auch kein deutsches
Mittelgebirge an Großartigkeit und Waldespracht sich mit den Vogesen messen darf."
Zu diesen natürlichen Schönheiten ge
sellt sich der ebenfalls einzigartige Reichtum an malerischen 11
Burgruinen des Mittelalters, die einen besonderen Lauch von Romantik und historischen Erinnerungen über das Löhenland breiten.
*
*
Die Gesamtgröße von Elsaß-Lothringen beträgt 14513 qkm (Baden 15081 qkm), wovon auf das Oberelsaß 3505, Anter-
elsaß 4785 und Lothringen 6223 qkm entfallen.
Die Grenzen
bilden östlich der Rheinstrom, nördlich die Pfalz, Rheinprovinz und
Luxemburg,
westlich
die
französischen
Departements
Meurkhe-et-Moselle, Vosges und Belfort, letzterer 1871 fran zösisch gebliebene Teil des Elsaß in Frankreich Laut-Rhin benannt. Im Süden grenzen auf den Iurahöhen die Schweizer
Kantone Bern, Solothurn und Basel an.
Als
älteste Gesteine treten im Kaysersberger Tal,
bei
Markirch und im Weilertal Gneise, sowie die Weiler- und
Steiger-Schiefer auf.
In die Umwälzungen der Karbonzeit
ist die Entstehung des von Mittelfrankreich bis Schlesien rei
chenden großen Variskischen Gebirges zu rechnen, bei dessen Faltung die kristallinischen Tiefengesteine emporstiegen.
Ins
besondere nimmt der Granit in den Südvogesen mehr als ein Drittel der jetzigen Oberfläche ein; in den Mittelvogesen bildet
er das Massiv des Lochfeldes, in der nördlichen Laardt tritt er nur noch vereinzelt zutage. Überlagert wird das Granit gebirge in den nördlichen Vogesen vom Buntsandstein, dem
wiederum der die fruchtbaren Lochebenen Lothringens bildende Muschelkalk aufliegt. Den Perioden der Erdbildung folgte als letztes, das Land
umgestaltende Ereignis die diluviale Eiszeit, in der ein großer
Teil des Vogesenkammes mit Firn bedeckt war und Gletscher sich
beiderseits
in die Täler herabzogen.
Die Spuren der
Eisströme sind in den Schliffen der südlichen Vogesentäler, vom Schwarzen See aufwärts, und in Moränen erhalten; die
12
Talhornmoräne des Drumontgletschers über Odern gewährt ein
besonders eindrucksvolles Bild.
Als weiterer Rest der Eiszeit
gellen die Schotterterrassen, die in der Zeit des Abschmelzens
der Gletscher bis weit in die Täler und Ebene hinein ange schüttet wurden.
bildung
Zwischen die Glazialzeiten fällt die Aus
der Lößterrassen
auf dem
Vorlande der Vogesen,
Phot. 5. £uib.
Abb. 2.
Lochvogesen gegen den Lohneck.
Massen feinen Staubes, die vom Winde abgelagert wurden und sich durch Graswuchs befestigten.
Die fruchtbare Löß
terrasse des Kochersbergs bei Straßburg gilt seit alters als
Kornkammer des Elsaß. Die Äochkämme der Vogesen sind meist nur gering be
waldet und tragen kurzgrasige Weideflächen, von steilen Ab stürzen unterbrochen; die schon gerühmten prächtigen Fernblicke
auf das elsässische und französische Bergland zu beiden Seiten, 13
die Rheinebene in der Tiefe, darüber in der Ferne Schwarz
wald und die Hochgebirge der Schweiz bieten sich dort dem Wanderer; kaum dringt ein Geräusch der Tiefe hinauf, und
das melodische Glockengeläute der Rinderherden, die über den
Sommer in den Sennhütten der Hochvogesen untergebracht sind, verstärkt den Eindruck der Hochlandschaft, in der eine
seltene voralpine Flora zu finden ist.
Wahrscheinlich hat der Wald einst auch die Kämme be deckt; er wurde ausgerodet, um die ebenen Flächen als Weiden zu gewinnen.
Die vielfach wechselnde Höhe der jetzigen Wald
grenze — die Buche kommt oft als oberer Abschluß in Höhen von über 1000 m vor — begründet diese Annahme. Es steht auch fest, daß nach dem Dreißigjährigen Krieg auf den verödeten
Lochweiden niederes Gehölz auswuchs, das erst nach der Neu
besiedelung zu Anfang des 18. Jahrhunderts.wieder beseitigt wurde.
In den Wäldern der Vogesen herrschen Edeltanne und Fichte vor, in den nördlichen Teilen des Gebirges und den
lieferen Lagen Laubbäume, namentlich Buchen.
Als knorrige
Wetterstämme, in Wuchs der Eiche nahekommend, zuletzt noch
strauchartig entwickelt, erscheint die Buche dann, wie erwähnt, wieder auf den Höhen des Gebirges, namentlich in den hohen
Südvogesen
an
der
oberen
Waldgrenze.
kommt in vereinzelten Beständen vor.
Die Edelkastanie
Ein den Vogesen be
sonders eigener Strauch ist die immergrüne Stechpalme (Ilex aquifolium), deren glänzende stachlige Blätter und rote Beeren
früchte dem Walde zum Schmucke dienen.
Der Vogesenklub,
der seit über vierzig Jahren die Aufgaben der Erschließung
der Höhen erfüllt, trägt das Blatt der Stechpalme als Ab
zeichen.
In
dem benachbarten Iura erzeugt der Kalkboden auf
den Hochflächen eine Wiesenvegetation von seltener Pracht;
14
in solchen Farben leuchtende Blütenteppiche wie hier im Früh sommer wird man nicht oft anderwärts wiederfinden. Auf den Diluvialablagerungen der Rheinebene ist die ur
sprüngliche
Flora
meist dem
Ackerbau
gewichen.
Einzelne
große Waldflächen sind hier erhalten, so der Nonnenbruchwald
im Thurgebiet bei Sennheim, der Brumather Wald bei Straß burg und der große „Heilige Forst" bei Lagenau.
Eine höchst
eigenartige, tropenartig mit Schlingpflanzen durchsetzte Arwald
vegetation
zeigt der sogenannte Rheinwald in der nächsten,
von Altwassern durchzogenen Umgebung des Stromes; auch manche vom Rhein mitgebrachte Alpenpflanzen sind hier zu finden.
Die Lochebene von Lothringen ist vorwiegend Acker
bauland, das von kleineren Waldgebieten durchseht ist.
Die Besiedelung von Elsaß-Lothringen durch Menschen
geht, nach zwischen älterem und jüngerem Löß aufgefundenen Kulturschichten, in die Diluvialzeit zurück.
Aus dem Zeitalter
der Bronze geben die Tumuli der Wälder des Ober- und Anter-Elsaß mit ihren Grabfunden von Waffen und Schmuck sachen ein gutes Kulturbild. Diese Hügelgräber reichen bis in die La Tene-3eit, den Beginn der historischen Überlieferung;
keltische Stämme der Sequaner im Süden, die Mediomatriker
im Norden, hatten das Land inne. Merkwürdige Werke sind die
sogenannten Briquetagen des Seilletals, Anlagen für Wohn bau und Salzgewinnung in den sumpfigen Niederungen.
Auf
die gleiche Bevölkerung dürfte auch die Anlage der großen
Amwallungen im Gebirge, insbesondere der Leidenmauer des
Odilienbergs, zurückzuführen sein.
Nach der mehr als 400jäh
rigen Römerherrschaft erfolgte im 5. Jahrhundert die Besiede
lung des Landes durch germanische Stämme; von Norden zogen
nach Lothringen die Franken, von Osten nach dem Elsaß die Alemannen ein.
Kelto-romanische Reste verblieben namentlich
in Lothringen, in Ortsnamen noch bis zur Gegenwart über-
15
liefert.
Tie Besiedelung der Lochvogesen beginnt im 7. Jahr
hundert durch die Klöster, doch liegen fast alle Ortschaften auf der Sohle der Täler und nur einige wenige auf den Lohen des Gebirges. Elsaß-Lothringen gehört ganz zum Flußgebiet des Rheins; nur auf der Löhe der Burgundischen Pforte im Sundgau nehmen einige Quellbäche noch diesseits der Grenze ihren Weg
nach Westen zur Rhone. Der Rhein zeigte in seinem Oberlauf
durch die Tiefebene von Basel an noch bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts eine starke Verwilderung und Zerfaserung in zahlreiche Arme, die Inseln und Kiesbänke einschloffen; die anliegenden Gebiete waren häufigen Überschwemmungen
Fast mehr noch als ein Gebirge konnte so der Strom eine trennende Linie zwischen Baden und dem Elsaß bilden. In hellgrüner, durch die Seebecken der Schweiz und den Bodensee geläuterter Alpenfarbe fließen die Wasser reißend ausgesetzt.
dahin. Das Gefälle beträgt von Basel abwärts fast 1 m, bei Straßburg noch 0,5 m auf den Kilometer. In den Jahren 1840—1874 fand nach den Plänen des badischen Ingenieurs I. G. Tulla die erste große Regulierung und Vertiefung des Lauptstromes durch Anlage eines von Lochwasserdämmen ein gefaßten, gestreckt verlaufenden Talwegs statt. Nach der Wiedervereinigung des Elsaß mit Deutschland erwuchs die
Aufgabe, das Land an die bis dahin in Mannheim endigende
Großschiffahrtsstraße des Stromes anzuschließen. Der anfäng
liche Plan eines linksufrigen Seitenkanals kam nicht zur Aus führung; 1907 wurde mit der Regulierung des Rheinlaufs selbst auf der Strecke von oberhalb Mannheim bis Straßburg begonnen. Das Gelingen des gewaltigen Werkes begegnete viel fachen Zweifeln, 1912 aber war die Regulierung in den Lauptarbeiten mit vollem Erfolge fertiggestellt und der Straßburger Lafenverkehr, der 1892 nur 11000 Tonnen betrug, hat sich bis 16
1913 auf fast 2 Millionen Tonnen im Jahre gesteigert, eine der stärksten Verkehrszahlen am ganzen Rheinstrome.
Die Fort
führung der Rheinregulierung bis Basel und zum Bodensee wird seither namentlich von der Schweiz angestrebt. Zwischen Rhein und Vogesen
durchzieht die
von den
Zurahöhen kommende Jll die Tiefebene und nimmt auf diesem Wege alle aus dem Sundgau und den Vogesen kommende
Flüsse auf; unterhalb Straßburg mündet sie in den Rhein, zu
dem erst im Anter-Elsaß, von Zabern nördlich, das Gebirge
die Flüsse direkt entsendet.
Am französischen Westhang der Vo
gesen entspringt die Mosel, deren Quelle bisher auf den Karten
unzutreffend bei Bussang angegeben war; der wirkliche Ursprung
ist beim Felleringer Kopf oberhalb des Winterungsattels in
etwa 950 m Meereshöhe vom Verfasser vor kurzem festgestellt worden.
Durch die Mosel und die auf dem Nordhang der
Vogesen am Donon entspringende Saar werden alle Flüsse
auf der französischen Seite der Vogesen und in Lothringen
ebenfalls dem Rheine zugeführt; nur am Welschen Belchen entsenden die Vogesen Wasser südlich zum Mittelländischen
Meer. Neben den ausgebauten natürlichen Schiffahttswegen von
Rhein, Mosel, Saar und Jll besitzt Elsaß-Lothringen ein aus gedehntes
Netz künstlicher Wasserstraßen.
Zu Beginn
der
französischen Zeit waren kleinere Kanäle anläßlich der Erbau
ung der Vaubanschen Festungen zur Äeranbringung der Bau steine aus den Vogesen angelegt worden, so 1682 der von einem Straßburger Bischof schon früher geplante Breuschkanal
zum Bau der Zitadelle von Straßburg.
sollte von Straßburg nach wurde aber nicht ausgeführt.
Ein anderer Kanal
der Festung Fort-Louis führen, Ein dritter Wasserweg entstand
1699 bei der Anlage von Neu-Breisach; zur Speisung dieses
Kanals wurde der Belchensee künstlich aufgestaut, die Stau17 2 Mayer, Die Vogesen.
mauer aber nicht weiter unterhalten, so daß 40 Jahre danach
der provisorische Damm brach und die herabstürzenden Wasser massen das unterhalb liegende Gebweiler Tal verwüsteten. Zur Verbindung des Elsaß mit den Stromgebieten der
französischen Nordsee und des Mittelmeeres wurden 1783—1834
der Rhein-Nhüne-Kanal und 1828—1853 der Rhein-MarneKanal erbaut.
Die Verbindung des letzteren mit dem Saar-
Phot. Adrian Mayer.
Abb. 3. Dorfbild aus Gondrexange (Lothringen).
kohlengebiet von Saarbrücken entstand 1862—1866 durch den
auf der Äochebene von Lothringen im See von Gondrexange abzweigenden Saar-Kanal.
Jene großen Kanäle erreichen Loth
ringen und Frankreich über die zwei natürlichen Durchgangs
tore im Norden und Süden der Vogesen.
Im Paffe von
Jabern steigt der Nhein-Marne-Kanal mit 30, von Straßburg
im ganzen 51 Schleusen auf die Äöhe von 365 m, 133 m über
dem Rhein, an und unterfährt den Vogesenkamm in zwei Tunnels
von 2300 m und 500 m Länge; nach der Mosel abwärts liegen noch 18
13 Schleusen auf deutschem Gebiet.
Der Nhein-Rhöne-Kanal
überschreitet in offener Führung die 340 m hohe Wasserscheide zwischen Rhein- und Doubsgebiet in der Burgundischen Pforte
bei Belfort; der Aufstieg von 206 m bis zur Scheitelhaltung wird durch 85 Schleusen überwunden.
In alte Zeiten gehen von anderen wafferbaulichen Anlagen die in großartigen Resten erhaltene römische Wasserleitung von
Metz, dem einstigen Divodurum Mediomatrikorum, zurück, die auf einem Aquädukt
das
breite Moseltal überschritt.
Die
Wasserleitung des römischen Straßburg war aus dem Kochers
berger Äügellande unterirdisch in Tonröhren geführt.
Die elsässische Seite der Vogesen ist nicht allzu wasser reich, da sie als Osthang im sogenannten Regenschatten liegt
und die Niederschläge mehr auf dem französischen Westhang
erfolgen.
Eine Reihe von Stauweihern zur Ansammlung der
bei der Schneeschmelze und
durch
Regenfälle vom Kamm
herabkommenden Wassermengen in Gebirgskaren und anderen natürlichen Becken sind deshalb zur Wasserversorgung von In dustrie und Landwirtschaft am elsässischen Osthang. angelegt worden.
Anter die älteren dieser Seen fallen der 29 ha große,
in 1055 m Meereshöhe gelegene Weiße See und sein Nachbar, der mit 16 ha Fläche 100 m tiefer liegende Schwarze «See.1
Von der deutschen Landesverwaltung in den letzten Jahrzehnten angelegt wurden u. a. der 11 ha große Lauchensee beim Sulzer 1 Eine eigenartige Ausnutzung der beiden Seebecken zu elektrischer Kraftgewinnung mittels Übertragung von Nachtkraft des Nheinstrom werkes Rheinfelden bei Basel und Amwandelung durch Akkumulierung in elektrische Tageskraft ist geplant. Durch Übertragung der, infolge Stillstands der Industrien bei Nacht weniger absatzfähigen elektrischen Rheinkraft soll das Wasser aus dem Schwarzen See mit Pumpwerken in den Weißen See allnächtlich hinaufgepreßt werden, um bei Tage wieder in sein ersteres Becken zurückzulaufen; hierbei wird alsdann in einem Turbinenwerk neue absatzfähige Tageskraft gewonnen. Die Arbeiten sind durch den Krieg unterbrochen worden.
Belchen, der Alfeldsee an der Ostwand des Welschen Belchen,
Altenweiher und Schießrothried beim Lohneck.
Auf dem Loth
ringer Lügelland liegen mehrere große Lochseen, deren Ent
stehung auch auf künstliche Aufstauung zurückzuführen ist.
Die
größten sind der Linderweiher, Stockweiher, die Weiher von Mittersheim und Gondrexange.
Letzterer dient zugleich als
Speisebecken für den Rhein-Marne-Kanal.
Phot. Braun & do.
Abb. 4. Weißer See und Grenzkamm.
Von den elsässischen Lauptlinien der Eisenbahnen zweigen zahlreiche Seitenstrecken in die Vogesentäler ab, die am Lauptkamm
des
Gebirges
endigen.
Weiter nach
Westen
gegen
Frankreich führen die Strecken Straßburg-Zabern-Nancy und Mülhausen-Belfort ebenfalls durch die beiden geschichtlichen
Tore im Norden und Süden, zur Seite der großen Kanäle.
Als älteste Bahnstrecke wurde schon 1839 die kleine Teillinie Lutterbach-Thann eröffnet.
Gebirgsbahnen steigen aus dem
Münstertal in den beiden elektrisch betriebenen Strecken von Türkheim nach dem Luftkurort Drei-Ähren und von Münster
nach dem 1139 m hohen Schluchtpasse an; letztere Bahn setzt
sich auf französischem Gebiet nach dem Gipfel des Lohneck und nach Gerardmer fort. Der Reichtum des Landes an Mineralquellen wird in alten Chroniken gerühmt; ihre Zahl ist heute zurückgegangen,
doch sind vorzügliche Tafel- und Heilquellen darunter enthalten. Zhr Versand hat in letzter Zeit wieder zugenommen, während die
Bäder durch
früheren Kriege
die nationalen Verschiebungen nach
einen
dem
großen Teil der Besucher eingebüßt
haben, da man in Deutschland die vollkommener ausgestatteten rechtsrheinischen Bäder vorzog.
Zu nennen sind das zu römi
scher Zeit schon geschätzte Bad Niederbronn, wo der Neu ausbau der Kuranlagen geplant ist, ferner Sulzmatt, Nappolts-
weiler-Carolabad, Kestenholz-Badbronn, Sulzbad, Sulzbach im Münstertal, letzteres im 18. Jahrhundert ein beliebtes Modebad,
Wattweiler und das Soolbad Saaralben.
In neuerer Zeit
sind dazu gekommen Reipertsweiler bei Lichtenberg, Romans weiler und die St. Michaelsquelle am Fuße des Großen Lohneck bei Drei-Ähren. Eine heiße Quelle ist vor wenigen Jahren
aus 600 m Tiefe in Morsbronn bei Woerth erschlossen worden,
deren Wasser mit einer Temperatur von 45° zutage tritt.
Im Bodenbau des Landes erscheinen Wein und Lopfen als ihm besonders eigentümlich. Der Weinbau von Elsaß-Lothringen nimmt dem Llmfang
der Erzeugung nach im Deutschen Reich die erste Stelle ein.
Von der Gesamtfläche des Landes von 1451770 ha waren in den letzten Jahren gegen 30000 ha von im Ertrag stehenden Weinbergen bedeckt, die sich auf 1014 (von im ganzen 1705)
Gemeinden verteilten, unter denen etwa 200 als besondere Wein-
21
orte zu betrachten waren.
in
Lothringen
3m Elsaß wird fast nur Weißwein,
vorwiegend
erzeugt,
Rotwein
auch der hellrote Claret, sogenannter Vin gris.
daneben
hier
Von den el
sässischen Weinorten sind die bedeutendsten Reichenweier (Ries
ling),
Rappoltsweiler
(Zahnacker),
Türkheim,
Beblenheim,
Leiligenstein (Clevner), Kaysersberg, Gebweiler (Kitterle) und Thann (Rangen), sodann St. Pilt und Ottrott für Rotweine.
Das im Weinbau angelegte Kapital ist auf 320 Millionen Mark berechnet.
Im Elsaß sind fast alle vor dem Ostrand des Ge
birges liegende Lügel, in den vorderen Gebirgstälern die süd
lichen, der Sonne zugewandten Lagen bis zu einer Seehöhe von 350 m mit Reben bepflanzt. Der Lopfenbau wurde vor einem Jahrhundert durch einen aus Baden eingewanderten Bierbrauer in das Elsaß eingeführt
und breitete sich in den 20 er Jahren des vorigen Jahrhunderts
aus, nachdem elsässische Lopfenbauer sich zum Studium der An baumethode nach Böhmen begeben hatten.
Mittelpunkt und
Laupthandelsplatz für den, seiner Eigenart halber geschätzten Elsässer Lopfen ist Äagenau.
Die frühere Aufleitung der
Pflanzen an Stangen ist in den letzten Jahrzehnten meist durch
Drahtgerüste ersetzt worden.
Die gesamte Anbaufläche beträgt
400 ha, fast alles im Anter-Elsaß, nur je etwa 200 ha ent fallen auf das Ober-Elsaß und Lothringen.
In den Wirtschaftsformen der Lochvogesen erscheinen als diesen eigentümlich die schon erwähnten Sennhütten, sogenannte „Melkereien", die seit alten Zeiten der Almwirtschaft und der
Verstellung der vorzüglichen Münsterkäse dienen.
Sie werden
meist auch auf der französischen Seite von elsässischen „Melkern"
als Pächter der Gemeinden betrieben.
Der französische Ge
lehrte Dr. Pierre Boys begründet dies in seinem trefflichen Werke „Les Hautes-Chaumes des Vosges“, die französische Be
zeichnung der Lochweiden, damit, daß der bewegliche Romane
22
nicht die Ruhe und Ausdauer für den Aufenthalt durch lange
Sommermonate auf diesen abgelegenen einsamen Sennhütten be
sitze und dafür der schweigsame alemannische Elsässer besser ge Als eine eigenartige Form der Talförderung des
eignet sei.
Lolzes in den Vogesen verdient noch das Gewerbe der so genannten „Schlitter" erwähnt zu werden, die mittels Schlitten
die schweren Ladungen des zersägten Stammholzes abwärts führen und das Gefährt hierbei mit den Füßen gegen auf den Pfaden, den sogenannten Schlittwegen, befestigte Querschwellen
bremsen.
In den Tälern sind die früher zahlreichen malerischen,
mit Wasser betriebenen Sägemühlen in neuerer Zeit zum Teil durch Dampfsägewerke, insbesondere im Bereiche der in den
Quellgebieten von Saar, Zorn und Breusch angelegten Wald bahnen, ersetzt worden.
In der Industrie von Elsaß-Lothringen sind die Textil und die Montanindustrie zu hervorragender Bedeutung gelangt. Die Baumwollindustrie nahm ihren Anfang um die Mitte des 18. Jahrhunderts durch Verstellung bedruckter Stoffe in Mülhausen. im
1803 wurde die erste Spinnerei in Wesserling
Thurtal errichtet.
In
den
letzten Jahren
waren etwa
80000 Personen in der gesamten Textilindustrie beschäftigt,
wovon
60000
im
Oberelsaß
und
16000
im
Anterelsaß.
Die ersten Fabriken wurden, veranlaßt durch die vorhandenen Wasserkräfte, in den Tälern gebaut, denen sie als meist ver
altete, geschmacklose Bauten keineswegs zur Zierde gereichen.
Infolge des wechselnden Wafferstandes wurde später die Dampfkraft zu Lilfe genommen, doch hat in den letzten Jahr
zehnten durch die Anlage der Stauweiher in den Lochvogesen
die Verwertung der Wasserkräfte wieder eine Steigerung er fahren.
Mittelpunkt der
Textilindustrie
ist Mülhausen
ge23
blieben; zugleich haben sich hier Maschinenbau und chemische Industrie entwickelt.
Die Montanindustrie weist als hauptsächliche Erzeugnisse
des Bergbaus Eisenerze (Minette), Steinkohle und Salz in Lothringen, Kalisalze im Ober-Elsaß, Erdöl und Asphalt im Anter-Elsaß
auf.
Alle
Abbaugebiete
liegen außerhalb
der
Vogesen; der einst bedeutende Silberbergbau im Markircher, sowie Kohlen- und Schieferbergbau im Weilertal sind seit Jahr
hunderten eingegangen und Versuche der Wiederaufnahme in den letzten Jahrzehnten erfolglos geblieben.
Aus dem Gebirge
ist dagegen noch die große Zahl der Steinbruchbetriebe, besonders im Sandsteingebiet der Nordvogesen, zu erwähnen, deren Absatz
in den letzten Jahren allerdings durch die Verwendung des Betons als Baustoff gelitten hat.
Die Volkssprache des Elsaß ist das Alemannische, das im Norden des Landes gegen die Pfalz, ebenso an der Saar Übergänge in das Fränkische zeigt. Seit früher Zeit hat das Elsaß eine Reihe der bedeutendsten deutschen Dichter hervor gebracht: Otfrid von Weißenburg, dessen Evangelienharmonie
eines der vollendetsten Denkmäler der althochdeutschen Sprache darstellt; Gottfried von Straßburg, der Dichter von „Tristan
und Isolde", der als Epiker auf die alemannische Dichtkunst weitreichenden Einfluß gewann; Reimar, die „Nachtigall von
Äagenau", Johannes Tauler und die Mystiker des 14., der
Prediger Geiler von Kaysersberg, die Satyriker Sebastian Brant
und Thomas Murner aus dem 16. Jahrhundert seien genannt.
Im 17. Jahrhundert treten die neuhochdeutsche Schriftsprache und zugleich auch erstmals im Elsaß die dialektische Literatur
auf, di« aber größere Dichtungen erst im 19. Jahrhundert her
vorbringt. 24
Arnolds Pfingstmontag, der 1816 erscheint, wird
von Goethe, der als Student im Jahre 1770 in Straßburg französisches Wesen
kennen
lernen
wollte,
statt dessen aber
deutsche Art und Kunst vorfand, als lebendiges Idiotikon der
elsässischen Mundart gerühmt.
Phot. Adrian INayer.
Abb. 5. Am Rathaus in Buchsweiler (Anter-Elsaß). Diese deutsche Volkssprache hatte sich auch nach der An
nexion des Elsaß durch Frankreich bis gegen Ende des 18. Jahr
hunderts allgemein erhalten.
Nur im oberen Weiler-, Leber
und Weißtal war, durch Romanisierung von den angrenzenden französischen Gebieten her, das noch heute zu findende eigen25
artige Patois entstanden.
Im 16. Jahrhundert ließ die Ein
wanderung sächsischer Bergleute im Lebertal die Sprachgrenze etwas gegen Westen verschieben, wogegen im 18. Jahrhundert durch Einwanderung aus Frankreich das obere Breuschtal der deutschen Sprache verloren ging. Etwas alemannische Kultur ist auch umgekehrt durch die Besiedelung der französischen
Sennhütten mit elsässischen Melkern über den Vogesenkamm hinübergetragen worden. Die Revolution und die Zeit des
Phot. (Elf. Rundschau.
Abb. 6. Straße in Schillersdorf bei Zabern.
ersten Napoleon ließen den französischen Einfluß in den Städten anwachsen, wenn auch das alemannische „Ditsch" noch fast ausschließlich gesprochen wurde. Dem sollte unter Napoleon III.
planmäßig begegnet und das Französische an Stelle der Muttersprache eingeführt werden, als der Krieg von 1870/71 diese Absicht vereitelte. Im Elsaß ist zwischen der ober- und unterelsässischen Mundart zu unterscheiden; die Sprachgrenze läuft zwischen 26
Markirch und Schlettstadt durch.
In Lothringen, dessen lite
rarische Entwicklung nicht mit der des Elsaß verglichen werden
kann,
rechnen das Saargebiet zum fränkischen, Mosel- und
Niedgegend mehr zum niederdeutsch-mittelfränkischen Dialekt;
bei dem Mangel an natürlichen Grenzen ist hier eine Ab grenzung
schwer
zu
geben.
Das
westliche Lothringen
mit
Metz und ChLteau-Salins ist französisches Sprachgebiet; hier hatte der Dreißigjährige Krieg im 17. Jahrhundert die Aus
breitung
gegen Osten
des Französischen
In Elsaß-Lothringen ist
erheblich
gefördert.
etwa ein Achtel der Gesamt
für
bevölkerung das Französische die Muttersprache. Für die Kunstgeschichte des Landes bilden die alten karo
und
lingischen
romanischen Baudenkmäler,
wie
die Kirchen
von Ottmarsheim, Murbach, Rosheim und Schlettstadt wert
volle Denkmäler der romanischen, die Münster von Straßburg, Thann,
weise.
Schlettstadt und Colmar solche der gotischen Bau
Die Kathedrale von Metz ist wesentlich von der fran
zösischen Bauart beeinsiußt. wie im
geistigen
Leben
Die Zeit der Renaissance hat,
des
Schlettstadter Lumanistenschule,
Architektur hinterlassen.
großen Einsiuß
Landes
namentlich
durch die
so auch in der bürgerlichen
geübt und wertvolle Denkmäler
Die Rathäuser von Ensisheim und Mülhausen,
das alte Rathaus in Straßburg, zahlreiche Bürgerhäuser in Schlettstadt, das Pfisterhaus in Colmar und das Kammerzellsche in Straßburg gehen auf diese Zeit zurück.
Auch der
Fachwerkbau wird von ihr zur Blüte gebracht und hat in
kleineren Städten, wie Reichenweier, Kaysersberg, Oberehn-
heim und Zabern schöne Bauten' entstehen lassen. 1 In Plastik und Malerei haben die Fehden des 14. und 15. Jahr hunderts, der Dreißigjährige Krieg und die Zerstörungen der Revolution wenig auf unsere Zeit überkommen lasten, doch haben das Kloster Anterlinden in Colmar in dem Isenheimer Mar mit den Gemälden von 27
III. Gebirgspässe und Burgen. Ein Blick auf die Karte von Frankreich zeigt uns fast
neun Zehntel seiner Grenzen vom Meere und hohen Gebirgs wällen, Alpen, Iura und Vogesen, gebildet; als einziges offenes
Tor erschließt sich zwischen den beiden letzteren Gebirgen die vielgenannte Burgundische Pforte, der Paß von Belfort, nach der elsässischen Rheinebene.
Nur im Nordosten, auf der im
Verhältnis zur Gesamtgrenze kurzen Strecke von den Donongipfeln in den Vogesen bis zur flandrischen Meeresküste, reicht offene Landschaft an Lothringen, Luxemburg und das wallo
nische Belgien heran.
Diese fast insular abgeschiedene Lage
von Frankreich mag dazu beigetragen haben, daß man dort so wenig Verständnis für fremde Länder, insbesondere Deutschland,
erlangte.
Indes war die Gestaltung der Vogesenkette in ihrem vom Donon bis zum Welschen Belchen reichenden Hauptzuge nicht
ganz dazu geschaffen, den Begriff eines Grenzwalles entstehen
zu lassen.
Denn nach der französischen Westseite senkt sich von
dieser Kammlinie das Gebirge zumeist in sanfter Abdachung gegen die Ouelltäler von Meurthe und Mosel; durchweg liegen
hier die Ortschaften höher, als auf der elsässischen Ostseite. Diese Kammlinie ist ferner von einer Reihe tiefer Einsattelungen durchschnitten, über die gute Straßen führen, die wiederum von
Westen her mit geringerer Steigung die Paßhöhe erreichen, vom Elsaß aber in zahlreichen Kehren den bis zu 800 m betragenden
Höhenunterschied überwinden müssen. Zu römischer Zeit führten aus der Nheinebene die großen Straßen nach Gallien und der weströmischen Residenz Trier
Mathias Grünewald aus Aschaffenburg, das Münster St. Martin da selbst in der „Madonna im Rosenhag" des Colmarer Malers Martin Schongauer kostbare Werke altdeutscher Kunst aufzuweisen. 28
über das Gebirge; gepflasterte Strecken sind auf dem Odilien-
berg und im Donongebiet noch erhalten.
Wegen der Ver
sumpfung der Täler Pflegte man noch bis zum späten Mittel alter die Straßen nicht durch die Täler, sondern steil ansteigend
über die Äöhen zu legen; an die Stelle der älteren Gebirgs straßen sind dann in der Zeit nach der Besiedelung der Täler
neuere, in guten Steigungsverhältniffen angelegte Übergänge getreten.
Im Norden ist es zunächst die von Goethe in seinen Reise bildern aus dem Elsaß als ein „Werk von unüberdenklicher
Arbeit" gerühmte Zaberner Steige, die aus dem elsässischen Wald- und Felsentale der Zorn unvermittelt auf die weite
Ackerbaufläche der Lothringischen Äochebene führt.
Als Glied der nördlichen alten Einfallspforte in das Elsaß, der Trouee de Saverne, hat die einst so bewunderte Kunst
straße im ganzen kaum mehr als 200 m Steigung zu bewältigen;
größere Höhenunterschiede folgen im Verlaufe des bei Zabern
beginnenden Äauptkammes der Vogesen, je weiter wir nach Süden kommen.
Zwischen Zabern und den Donons quert den Vogesenkamm die neuere Straße Straßburg-Wasselnheim-Dagsburg-Saarburg.
Westlich des Großen Donon steigen die Paßstraßen
aus dem elsässischen Breuschtal zur französischen Grenze an:
zunächst die Dononstraße von Schirmeck nach dem französischen
Plainetal und
die Straße über
den Paß des Lantz nach
Senones, der einstigen kleinen Residenzstadt der bis 1793 deut
schen
Grafschaft
Salm.
Die Talstraße
der Breusch
über
schreitet die Grenze nahe dem Ursprung des Flusses bei dem
nun zerstörten Saales, von wo die Fortsetzung sich in das Tal der Meurthe nach Saint-Diö herabsenkt.
Vogesen
kreuzen
die Straßen
In den mittleren
vom Weilertal
und auf der
St. Didler Löhe vom Markircher Tal nach Saint-Die.
Aber die südlichen Äochvogesen führen die eigentlichen Ge
birgsstraßen.
Aus dem Weißtal steigt die Straße von Colmar-
Kaysersberg über den 951 m hohen Paß von Diedolshausen, den Col du Bonhomme, an1. Als höchster und in der Anlage schwierigster Übergang folgt die Schluchtstraße, die aus dem
Münstertal durch malerische Landschaft an Stelle eines alten, früher nur für Fußgänger und Saumtiere gangbaren Pfades
Abb. 7. Lochvogesen bei der Schlucht mit Steilabbruch des Grenzkamms.
über die Paßhöhe von 1139 m in die belebten französischen
Täler von Meurthe und Mosel führt.
Sie wurde unter Na
poleon III., der die Schlucht öfters von Plombwres aus be1 Wo im September 1828 der französische König Karl X. nach einer über die Zaberner Steige begonnenen siebentägigen Reise das
Elsaß verließ.
Ein 1829 in Straßburg erschienenes, durch seinen über
schwänglichen Ton heiter anmutendes Werk schildert die prunkvolle Fahrt
und gewährt dabei Einblicke in die elsässischen Zustände jener Zeit.
30
suchte, 1842 bis 1869 gebaut.
Tunnels zu beiden Seiten der
Paßhöhe zeigen noch die ursprüngliche Stärke und Gestaltung der Felsen.
Zm Süden des Gebirges führen drei letzte, ebenfalls kunst voll angelegte Übergänge aus dem oberen Thurtale nach dem In 958 m Meereshöhe kreuzt auf dem Bramont-
Moselgebiet.
sattel die Straße von Wildenstein nach La Bresse, in 889 m
auf dem Winterungsattel
die Straße Krüt-Ventron,
und
schließlich in dem tief auf 720 m eingeschnittenen Bussangsattel die Straße Wesserling-Bussang den Gebirgskamm. Letztere Straße ist ein alter Übergang, in früheren Zeiten „die Steig"
oder „Paß zur Linden"
genannt.
Mit Rücksicht auf den
Steilabsturz der beiderseitigen Bergwände, von 1200 m auf
fast 700 m, ist die Bussangstraße nicht offen, sondern zum Schutz gegen Felssturz in einem 250 m langen Tunnel über die Paß
höhe geführt. Das südlichste der Vogesentäler, das von der Doller durch
stossen und von der steilen felsigen Ostwand des Welschen Belchen abgeschlossen wird, besitzt keinerlei Straßenverbindung über das Gebirge. Über den von genanntem Lauptgipfel nach
Osten gegen den Rhein verlaufenden Seitenkamm, den letzten des Gebirges, biegt die von den Donons an nord-südlich ver
laufende Grenze nach Osten um, da Belfort und die jenseits folgende Burgundische Pforte beim Friedensvertrag von 1871
in den Länden Frankreichs blieben. Landschaft und geschichtliche Bedeutung der Burgundischen Pforte werden in Mündels
Reisehandbuch
„Die Vogesen"
wie folgt dargestellt:
„Der
Boden dieses Tores ist ausgesüllt mit den hügeligen Aus
läufern der Vogesen und mit niedrigen Vorbergen des Iura im Süden.
In der Mitte dieses Durchlasses geht die Wasser
scheide von Gebirge zu Gebirge.
Lier auf dieser Schwelle, in
der Mitte des Passes, stieß deutsches und französisches Wesen
31
aufeinander und setzte sich fest, wenn auch im Laufe der letzten
Jahrhunderte die Sprachgrenze etwas weiter nach Osten zurück
geschoben wurde.
Wie im Frieden auf Landstraße, Kanal und
Eisenbahn, so trafen sich aber auch hier die Völker mit dem Schwerte; ein Blick vom Welschen Belchen auf das breite Tor zu den Füßen und in die Jahrhunderte rückwärts ist ein gut
Teil römischer, deutscher und französischer Geschichte". Aus
allen Zeiten der Vergangenheit des so viel um
kämpften Landes sind im Gebirge und der Ebene Verteidigungs anlagen zu finden, die auf den Löhen vorwiegend in der Nähe
der zu den Paßübergängen führenden Täler oder am Ostrande gegen die Rheinebene errichtet wurden.
Anbekannten prähistorischen Arsprungs sind die vielfach
erhaltenen Ringwälle,
die,
aus
roh
aufeinandergeschichteten
Steinen errichtet, als Sammel- und Zufluchtstätten der Völker
der Arzeit dienten.
Zu dem gleichen Zwecke erbaut wurden in
schon späterer, doch ebenfalls vorgeschichtlicher Zeit die aus ge waltigen behauenen Felsblöcken mit Lolzriegelverbindung be
stehenden cyklopenhaften Ringmauern, vom Volke als Leiden mauern bezeichnet.
Wir finden sie auf dem Odilienberg, der
Frankenburg und dem Tännchel; die erstere Mauer umzog in einem Ring von etwa 10 km Länge die ganze Löhe des Odilien-
bergs und stellt, an manchen Stellen noch 3 m hoch erhalten,
eines der großartigsten Denkmäler aus der Arzeit Europas dar. Zm 10. Jahrhundert beginnt die Erbauung der Burgen des frühen Mittelalters, vorwiegend auf den Randbergen der
Vogesen, nahe den großen Landelsstraßen und den zu den Gebirgspässen führenden Tälern.
Die Bauformen sind roma
nisch und frühgotisch; die Lauptentwicklung des Burgenbaus
rechnet von der für das Elsaß bedeutungsvollen Zeit der Lohen staufen, dem 11. Jahrhundert, an. 32
Der Reichtum an Bau-
Phot. Adrian Mayer.
Abb. 8. Ruine Landsberg bei Barr.
Abb. 9.
Phot. Adrian Maner.
Odilienberg mit prähistorischer Äeidenmauer und Dreisteinburgen. Mayer, Die Vogesen.
3
steinen in Vogesen und Laardt, dazu die so vielfache Gelegen
heit der Anlage auf frei anstehenden, schwer angreifbaren Felsen mußten den Burgenbau begünstigen, und kein anderes Land er reicht die Vogesen an Zahl. Merian der Ältere sagt in seiner 1663
nach
dem
„großen teutschen Krieg"
herausgegebenen
„Topographia Alsatiae“ über den Reichtum des Landes an alten Schlössern sowohl wie in allen anderen Beziehungen: Drey Schlösser auf einem Berg, Drey Kirchen auf einem Kirchhoff, Drey Städt in einem Thal, Drey Offen in einem Sahl, Ist das ganz Elsaß überal.
Die vielfachen Raubzüge und Einfälle, die von Westen aus das Land überzogen, so der Engländer im 14., der Armag-
naken
und
Burgunderherzogs
des
Karls
des
Kühnen im
15. Jahrhundert ließen die Burgen bis nach dem Dreißigjährigen Kriege hinaus strategischen Wert behalten.
Von den
Felsenburgen im
Sandsteingebiet der Nord
vogesen ist der Fleckenstein die gewaltigste und mit den zahl reichen in den Fels gehöhlten Kammern und Gängen eigen
Am den nahen Wasigenstein hat das Wal
artigste Anlage.
tharilied altdeutsche Leldensage, als Stätte des Kampfes zwischen Walther von Aquitanien, Gunther und Lagen, geflochten. Lichten
berg ist- zu französischer Zeit zu einer starken Bergfeste aus gebaut worden; im Breuschtal stellt das Lohenstaufenschloß
Girbaden den größten Burgenbau des Landes dar, an Aus dehnung noch die Lohkönigsburg übertreffend.
Aus Granit
erbaut und daher int Mauerwerk noch wohl erhalten sind bei
Dambach
und
Scherweiler die schönen Schlösser Bernstein
und Ortenberg.
In der letzterem gegenüber auf prächtigem
Sandsteinkegel aufragenden Lohkönigsburg hatte wiederum die Lohenstaufenzeit,
nach
Zusammenfassung
mehrerer
älterer
Burgenbauten des Gipfels, gegen Ende des 15. Jahrhunderts 34
ein besonders großartiges, in spätgotischen Formen gehaltenes Werk geschaffen, dessen auf Veranlassung Kaiser Wilhelms II.
Phot. 3. Manias.
Abb. 10. Lohkönigsburg, Lochschloß.
zu Beginn unseres Jahrhunderts durch den Architekten Bodo Ebhardt erfolgter Wiederausbau ein eindrucksvolles Denkmal der
Vergangenheit des Landes darstellt.
Der Lohkönigsburg südlich 35
benachbart liegt die berühmteste Burgengruppe des Landes, die
im Merianschen Spruch genannten „drey Schlösser" der Grafen von Rappoltstein, deren Pfeiferkönigtum als freundliche Erschei
nung aus der alten Volksüberlieferung des Elsaß hervorleuchtet.
In der elsässischen Ebene ist von der Burg Lagenau, einer Schöpfung der Lohenstaufen, nichts mehr erhalten.
Viel
fach dagegen finden wir noch die alten Mauern und Tortürme
der Ortsbefestigungen am Fuße des Gebirges, so in Türkheim, Reichenweier, Rappoltsweiler, Gemar, Bergheim, Oberehnheim und Boersch.
Kaysersberg besitzt eine befestigte Brücke,
Lunaweier und in Lothringen Chazelles bei Metz bieten treff liche Beispiele der befestigten Kirchhöfe des Landes.
Von den
späteren, namentlich durch Vauban und Turenne zu Ende des
17. Jahrhunderts geschaffenen Stadtbefestigungen der französischen Zeit haben Reu-Breisach, Straßburg, Pfalzburg, Lützelstein und Metz noch manche Reste der eigenartigen, bei der da
maligen Waffentechnik
sehr
widerstandsfähigen
polygonalen
Bastionsanlagen aufzuweisen, deren Grundform auch schon aus älterer Zeit in einigen Außenwerken der Lohkönigsburg be
tont erscheint.
Das oberhalb der „Steige" liegende Pfalzburg
war 1680 von Vauban zur Sperrung des Zaberner Paffes befestigt worden; in den Freiheitskriegen 1814 und 1815 wider
stand die Stadt mit Erfolg den Verbündeten; die Belagerung ist von dem hier geborenen Schriftsteller Emil Erckmann zum Gegenstand eines seiner Romane gemacht worden.
Lagenau,
1867
Weißenburg
und Lauterburg
aufgegeben.
Eine Landesbefestigung entstand 1706 in den von
Marschall Villars
wurden
als
Festungen
beim spanischen Erbfolgekrieg
angelegten
Weißenburger Linien, die von der Löhe der Scherhohl über Weißenburg sich als fast 20 km langer Wall, mit vorspringen
den Schanzen und Stauanlagen für den Lauterfluß, bis an den
Rhein bei Lauterburg hinzogen und in den Revolutionskriegen 36
mehrfach umstürmt wurden, heute bis auf wenige Reste ein
geebnet. Auch den alten Vaubanschen Werken, die im Kriege von
1870 noch als starke Verteidigungsanlagen den deutschen Vor
marsch aufhielten, ist durch das neue Geschützwesen die Be deutung genommen worden.
An ihrer Stelle sind den großen
Phot. Adrian Mayer.
Abb. 11. Befestigte Kirche in Lunaweier. Einzelwerken und Lagerfestungen in der Gegenwart die Auf gaben des Landesschutzes zugefallen.
IV. Die Kampfstätten der Vogesen. Alte Zeit.
Mit der Ariovistschlacht von 58 v. Chr. und der Ale mannenschlacht 357 n. Chr., der Einleitung und dem Ausklang
der römischen Epoche, hatten sich die ersten großen geschicht
lichen Kämpfe auf elsässischem Boden abgespielt, der seither
Kampfplatz geblieben ist.
Die Kriegsgeschichte des Grenzlandes 37
mehrfach umstürmt wurden, heute bis auf wenige Reste ein
geebnet. Auch den alten Vaubanschen Werken, die im Kriege von
1870 noch als starke Verteidigungsanlagen den deutschen Vor
marsch aufhielten, ist durch das neue Geschützwesen die Be deutung genommen worden.
An ihrer Stelle sind den großen
Phot. Adrian Mayer.
Abb. 11. Befestigte Kirche in Lunaweier. Einzelwerken und Lagerfestungen in der Gegenwart die Auf gaben des Landesschutzes zugefallen.
IV. Die Kampfstätten der Vogesen. Alte Zeit.
Mit der Ariovistschlacht von 58 v. Chr. und der Ale mannenschlacht 357 n. Chr., der Einleitung und dem Ausklang
der römischen Epoche, hatten sich die ersten großen geschicht
lichen Kämpfe auf elsässischem Boden abgespielt, der seither
Kampfplatz geblieben ist.
Die Kriegsgeschichte des Grenzlandes 37
durch die beiden Jahrtausende weiter verfolgend, erscheint als ferneres,
die Zukunft in den Teilungsverträgen des
Fränkischen
Reiches Karls des Großen beeinflussendes
alten Er
eignis die Unterwerfung Ludwigs des Frommen unter seine
Söhne auf dem Lügenfeld bei Colmar im Jahre 833.
In
der reichsunmittelbaren Zeit des Elsaß wird 1262 wieder an der Stätte jener Alemannenschlacht auf den Lausbergen bei Straßburg gerungen, wo die Lauptstadt des Landes ihre Frei
heiten gegen Bischof Walter von Geroldseck verteidigt. Das Vorspiel zu dem, was sich durch Ludwig XIV. in
der Annexion des Elsaß vollendete, beginnt im 14. und 15. Jahr hundert mit den Einfällen von Franzosen und Burgundern. Labsburgischer Erbschaftsstreit ließ die Lilfe des englischen
Königs Eduard III. anrufen, der 1365 und 1375 Leere von verrohten, beutegierigen Söldnern entsandte, deren Plünderungen
nur die festen Burgen und Städte zu widerstehen vermochten; das Eingreifen des Reiches befreite schließlich das Land von
diesen „wilden Engländern".
Das Schauspiel wiederholt sich
im 15. Jahrhundert durch die von Lothringen über den Zaberner
Paß unter dem Dauphin von Frankreich gekommenen Armagnaken.
Im Bauernkrieg 1525 werden bei Zabern und Scher
weiler 40000 elsässische Bauern vom Lothringer Lerzog hin
geschlachtet und von 1621 an durch zwei Jahrzehnte fast alle Teile des Elsaß von wechselnden Gegnern in Belagerungen und Zerstörungen betroffen.
Dem Westfälischen Frieden folgen
wiederum Plünderungszüge der Lothringer in das Elsaß und, nach der späteren völligen Annexion des Elsaß durch Frankreich,
Kämpfe des letzteren gegen das mit Deutschland verbündete Lolland ebenfalls auf dem Boden des Elsaß.
1674 kämpfen
die Franzosen unter Turenne gegen die Kaiserlichen bei Enz heim nahe Straßburg und nochmals im folgenden Jahre bei
Türkheim; der Große Kurfürst von Brandenburg, der hier 38
zugegen war, zog sich, als die uneinige Führung der Kaiserlichen
nach unentschiedenem Kampfe die Stadt Türkheim gegen seinen Rat
hatte
Landes
aufgeben
aus
lassen,
zur Sicherung
seines
eigenen
dem Elsaß zurück; mit diesem Tage war das
Land erstmals im Kampfe Frankreich überlassen worden. Spanische
Erbfolgekrieg
bringt von
1703
an
Der
Einfälle der
Kaiserlichen in das Land; nach Landau werden Weißenburg und
Der
Lagenau von ihnen
französische
genommen und Barr geplündert.
Marschall
Villars
schlägt
sie
1706
bei
Drusenheim an der Moder und errichtet die „Weißenburger Linien".
Llm diese wird noch säst ein Jahrhundert danach
1793 in den Revolutionskriegen gekämpft, Weißenburg selbst, abwechselnd von den Österreichern unter Feldmarschall von Wurmser, der aus dem Elsaß stammt, und danach von den
Franzosen Alliierten
unter Loche gegen
genommen. In
Napoleon
wurden
Straßburg, Metz, Diedenhofen und
den
Kriegen der
Lüningen,
Schlettstatt,
Sierck blockiert, Rapp
von den Weißenburger Linien zurückgedrängt; Belfort 1814 und 1815 vergeblich von den Deutschen belagert.
Mit der
zweiten Belagerung von Lüningen klingt im August 1815 die bewegte Napoleonische Zeit auf elsässischem Boden aus.
1870/71. Wieder in einem Augustmonde, 55 Jahre nach Lüningen,
ließ der Raub des Sonnenkönigs, der 1815 nicht beglichen
worden war — mit Frankreich hatte England den Wiener Kongreß und die europäische Lage schon damals beeinflußt —
Deutschland in Waffen gegen Westen ziehen.
Aus dem noch
französischen Elsaß waren auf den Zitadellen von Straßburg
und Neu-Breisach die Kanonen gegen die Rheingrenze gerichtet.
Von den Löhen Lothringens gingen die Franzosen am 2. August über die Grenze gegen Saarbrücken; zwei Tage danach er-
39
stürmen verbündete nord- und süddeutsche Truppen die Stellungen
bei den einstigen Linien von Weißenburg, nochmals zwei Tage später bei Spichern in Lothringen und Wörth-Fröschweiler im
elsässischen,
den
Vogesen
vorgelagerten
Lügellande.
Am
Paffe von Jabern stand die Hauptmacht der Franzosen zum
an dieser Stelle überlieferten Einfall durch das ihnen noch
gehörende Grenzland gegen den Rhein bereit; die Ereignisse des 6. August ließen sie sich rückwärts wenden und bis in die
Nähe der Katalaunischen Felder von 451 nach dem Lager
von Chalons an der Marne zurückgehen.
Vom Elsaß war der Kampf hiermit westwärts getragen.
Am 14. August wird östlich Metz bei Colombey gekämpft; am folgenden Tag schon überschreitet die deutsche Armee die Mosel bei Pont-ä-Mouffon. Westlich des Flusses wird am 16. August
bei Mars-la-Tour, am 18. bei Gravelotte-St. Privat die Armee Bazaines vom Lochrande der Moselberge gegen die Festung zurückgedrängt, aus der zu Ende des Monats noch ein Durch
bruch auf der Ostseite versucht wird. Im Elsaß waren die kleinen Bergfesten Lichtenberg und
Lützelstein schon bald nach Wörth am 9. August genommen
worden.
Straßburg blieb vom 11. August bis 27. September,
Metz vom 10. August bis 27. Oktober belagert; von den klei
neren Festungen
hatte
sich Schlettstadt im Oktober,
Neu-
Breisach und Diedenhofen im November, Pfalzburg erst im Dezember ergeben; in Lothringen blieb Bitsch bis zum Frie
densschluß eingeschlossen.
Im Süden des Elsaß war es wieder
die alte drohende Burgundische Pforte, wo Belfort die Ent scheidung beeinflußte.
Nach Abweisung der Bourbaki'schen
Ersatzarmee an der Lisaine durch General v. Werder und Ein
nahme der Vorwerke erfolgte am 18. Februar bei schon ein getretenem Waffenstillstand die Übergabe auch dieser letzten bedeutsamsten Feste des Landes. 40
1914/15. And nochmals im August haben der nun tausendjährige
Streit um die Vogesengrenze und die stets erhobene Vergeltungsdrohung Frankreichs für 1870 die Völker Deutschlands
in noch niemals gesehener Zahl und Lnngabe an des Vater landes Sache gegen West und Ost zugleich aufstehen lassen. Belfort war im Frieden von Frankfurt bei Frankreich ge
blieben; die ewige Drohung der Burgundischen Pforte gegen
das Elsaß konnte fortwirken.
Nördlich dieser Pforte, vom
Welschen Belchen an, standen wohl die Grenzpfähle wieder
auf dem First der Vogesen, der äußerlich, bei nicht näherer Kenntnis, ja den Eindruck einer natürlichen Grenze vortäuscht
und im Jahre 870, als er erstmals zur politischen bestimmt
wurde, zweifellos auch in strategischer Äinsicht als solche be wertet werden konnte.
Nicht aber ein Jahrtausend danach in
unserer Gegenwart, wo das schwere Feldgeschütz dem Herrn
des Wefthanges der Vogesen infolge der Gestaltung des Kammes das Übergewicht ohne weiteres auch nach dem Osten, dem Elsaß hin, gewährt.
Nach dem Ober-Elsaß, gegen Belfort, waren die Blicke
Deutschlands gerichtet, und von dort setzte alsbald auch der
Angriff Frankreichs gegen Mülhausen und den Sundgau ein, der am 10. August siegreich abgewiesen wurde.
Die Franzosen
zogen sich wieder auf ihre alte Trutzfeste zurück, rückten aber
noch einmal im August und September aus der Burgundischen
Pforte gegen den Sundgau und über die Moselpässe in die südlichsten Vogesentäler vor.
Bei der Zurückweisung dieser
neuen Einfälle konnten die Ostforts von Belfort Ende August
in den Kampf erstmals eingreifen.
Sennheim, Burnhaupt und
Aspach werden schön damals in den Kampfberichten oft genannt. Oben am Vogesenkamm hielten unsere Truppen seit Wochen den auch dort über die Grenze drängenden Massen stand.
für viele
Inzwischen aber waren die Franzosen,
über
raschend und doch der alten historischen Linie, wie wir sie ge zeichnet haben, folgend, auch im Norden der Vogesen von Luncville her gegen den Paß von Zabern und damit zugleich
auch in die parallel im Elsaß verlaufenden Täler der Breusch
und von Weiler gegen Straßburg und Schlettstadt mit gewal tigen Äeereskörpern vorgegangen.
Am 11. August hatte sich
zwischen den Vortruppen bei Lagarde, wo der Rhein-MarneKanal die Grenze überschreitet, ein blutiges, für uns erfolg
reiches Treffen abgespielt, wogegen am 14. kleinere, im obersten Breuschtal vorgegangene deutsche Abteilungen von einer über ganzen
auf dem
mächtigen,
bewaldeten Gebirgskranz
beim
Arsprung des Tales aufgestellten französischen Artillerie zum Zurückgehen
Einfall
veranlaßt
schon
20. August vollzog
Im
wurden.
am 19.
sich
völlig
Weilertal
zurückgewiesen;
wurde der
am folgenden
dann unerwartet unter dem Kron
prinzen von Bayern in Lothringen die große Entscheidungs
schlacht
von Lothringen
Meldung
nahm
der
nördlich
unsere
einen
Vogesen,
die,
nach
Raum
ein
ganze Armee beanspruchte.
Es
Heeresleitung,
als 1870/71
der
größeren
folgte von der Breuschseite her unmittelbar die heldenhafte Erstürmung der auf 1008 m ansteigenden Donongipfel und die
völlige Räumung des Landes zu beiden Seiten des Nordzuges
der Vogesen; der Kampf tritt auf französisches Gebiet über. Am 23. August wird Luncville von unseren Truppen besetzt
und der Fall von Longwy fördert den Fortgang der Ereig nisse.
Westlich der Vogesen wird das die Bahn nach Paris
beherrschende vorgeschobene Sperrfort Manonviller durch die Wirkung der 42 cm Geschütze zur Übergabe gezwungen. Ende August stehen unsere Armeen im französischen Lothringen in
ständigem Kampf.
Am 11. September ist die Armee des deut
schen Kronprinzen vor Verdun angelangt. 42
Für den ganzen
Westen wirkt im Oktober der Fall von Antwerpen wiederum
entscheidend.
Von
den Lochvogesen
bei Markirch
bis zur
flandrischen Küste steht die deutsche Front, nachdem der Vor marsch gegen Paris von der Marne zur Aisne zurückgenommen
worden war, auf französischem und belgischem Boden. Im Ober-Elsaß haben die Franzosen die beiden Täler
von Thann und Masmünster, nahe bei Belfort und beherrscht vom hohen Grenzkamm der Vogesen, noch in Länden behalten.
Aus allen Einfallsgebieten wurden zahlreiche altdeutsche wie elsässische Bürger und Beamte von ihnen als „Geiseln" rechts
widrig nach Frankreich verschleppt, Männer und Frauen jeden
Alters; der Amstand, daß die Listen für die Festnahme vor dem Kriege von im Elsaß wohnenden Persönlichkeiten auf
gestellt und nach Paris geliefert worden waren, läßt wohl am besten erkennen, von welchen Gehässigkeiten schon in den Jahren
vor dem Kriege die politische Atmosphäre des Landes erfüllt war. an
Aus den südlichen Vogesentälern erfolgten vom Dezember
zahlreiche vergebliche Vorstöße der Franzosen gegen die
deutschen Linien bei Sennheim; diese Täler sind tief in das Gebirge eingeschnitten und besitzen im Elsaß keine Übergänge
nach den Nachbartälern; nur von der Rheinebene führen die
Talstraßen auf der Sohle in ihnen aufwärts.
Das Thur
tal oberhalb Thann hat jene drei zuvor erwähnten Paßüber
gänge nach der französischen Mosel, die über den Bussang-, Ventron- und Bramontsattel führen, für die weitere Ver
bindung nach Belfort aber in Frankreich einen nochmaligen
Anstieg aus dem Moseltal auf den 1200 m hohen Gipfel des Ballon d'Alsace, des Welschen Belchen unserer Benennung, er
fordern.
Dies und der heranrückende Winter mögen wohl die
Veranlassung jener Vorstöße der Franzosen gewesen sein, zu
dem angestrebten Zwecke, eine Verbindung mit Belfort vorn östlich um den Gebirgsfuß herum zu sichern.
Der vorsprin-
43
gende 957 m hohe Lartmannsweilerkopf, die Dörfer Steinbach und Affholz, sowie die Thann überragende „Löhe 425" werden
Abb. 12. Ufer der Thur und Münster von Thann.
bei diesen Versuchen vielfach umkämpft und die Ortschaften zerstört; das nördlich der Belchengruppe eingeschnittene Geb44
Weiler Tal wird im Februar von unseren Truppen auch in seinen oberen Teilen wiedergenommen. In den mittleren Vogesen blieb Markirch unter dem Feuer
der noch auf dem nahen Grenzkamm stehenden französischen
Geschütze; südlich davon wird andauernd um den 1219 m hohen
Buchenkopf bei Diedolshausen gekämpft.
Nach längerer Ruhe
beginnt im Februar ein neues Vorgehen unserer Truppen auch
im
Der Lauptort desselben,
oberen Münstertal.
das alte
„Münster im Gregoriental", war schon seit dem Kerbst ständig wieder in unseren Länden geblieben, aber die nächsten Ort schaften und Löhen oberhalb wurden von den Franzosen noch
gehalten.
Bei
Münster
Llrtäler der Fecht,
Gipfeln
vereinigen
sich
die
deren oberer Abschluß
des Vogesenkammes
Lohneck gebildet wird.
beiderseits
beiden
großen
von den alpinen
des
1361 m hohen
Großartig ist stets das Bild dieser
Talschlüffe, die an das Lochgebirge erinnern, namentlich wenn im Frühjahr oder Spätherbst die, Wände schneebedeckt weiß Das Landschaftsbild läßt
über den grünen Tälern aufragen.
wohl schon ohne weiteres erkennen, welch schwere Aufgabe es bedeutet, unter solch schroffen, vom Gegner schon vor Kriegs
ausbruch leicht und unbeobachtet besetzten Löhen die Zurück treibung des Gegners durchzuführen.
Vielfach wird bei diesen
Kämpfen, in denen int südlichen Tale Mühlbach und Metzeral, sowie oberhalb Münster das schön auf den Löhen gelegene
und stark betroffene Lohrodberg wiedergenommen werden, der
westlich Münster liegende 771 m hohe Reichsackerkopf genannt,
hinter dem das Gebirge aber noch in fünf Gipfeln mit ständig wachsender Erhebung zum Kamme ansteigt.
*
*
*
Die Beherrschung dieses Grenzkammes zu Beginn des
Krieges hat es Frankreich doch nicht ermöglicht, größere Teile 45
des Elsaß in seiner Gewalt zu behalten; wir sehen im Früh
jahr 1915 nur jene äußersten Grenzgebiete, die von dem alpinen Steilhange des Gebirgskammes im Süden des Landes über
ragt werden und hinter denen seit 1648 die alte Drohung der Burgundischen Pforte lauert, von ihnen besetzt.
In dieser
ganzen Vergangenheit ist Deutschlands Geschichte ebenso frei von Eroberungsplänen außerhalb seiner natürlichen Grenzen geblieben, wie die Frankreichs davon erfüllt wird.
Am Arc
de l'Etoile in Paris stehen allein aus der Napoleonischen Zeit
gegen 200 Namen von allen Erdteilen eingemeißelt, wohin die Schlachten getragen wurden, deren Kriegsbeute aus Deutsch land, den Niederlanden und Italien nahe jenem Triumphbogen
die Sammlungen des Louvre füllt. Der Sicherheit und dem Wohle des Elsaß aber, wie der
Ruhe der Welt kann es nur dienen, wenn durch künftige Ver einigung des ungeteilten Grenzkammes der Vogesen und der
vor drei Jahrhunderten abgetrennten Burgundischen Pforte mit unserem so oft erschütterten Grenzlande das Erbe jenes Sonnen königs endgültig in der Aufrechnung beglichen wird.
Geschichte der Erde und des Lebens von
Dr. Johannes Walther o. ö. Profeffor der Geologie und Paläontologie an der Universität Halle
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