122 15 18MB
German Pages 213 Year 1999
MONIKA JOill..EN
Die vermögensrechtliche Stellung der weströmischen Frau in der Spätantike
Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Herausgegeben vom Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.
Neue Folge · Band 31
Die vermögensrechtliche Stellung der weströmischen Frau in der Spätantike Zur Fortgeltung des römischen Rechts in den Gotenreichen und im Burgunderreich
Von Monika Johlen
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Johlen, Monika: Die vermögensrechtliche Stellung der weströmischen Frau in der Spätantike : zur Fortgeltung des römischen Rechts in den Gotenreichen und im Burgunderreich I von Monika Johlen. Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Freiburger rechtsgeschichtliche Abhandlungen; N.F., Bd. 31) Zug!.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1996/97 ISBN 3-428-09289-9
Alle Rechte vorbehalten
© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6704 ISBN 3-428-09289-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068
Meinen lieben Eltern
Vorwort Diese Arbeit befindet sich auf dem Stand Anfang 1996 und hat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau im Wintersemester 1996/97 als Dissertation vorgelegen. An dieser Stelle sei all denen gedankt, die mich dabei unterstützt haben. Mein Dank gilt vor allem meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Detlef Liebs, für die aufschlußreichen Seminare zu Themen aus der Spätantike sowie die sorgfältige Betreuung, mit der er die Arbeit begleitet und gefördert hat, Herrn Prof. Dr. Elmar Bund für die Erstellung des Zweitgutachtens, meinen Kollegen am Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung, insbesondere Frau Dr. Kirsten Geißler für ihre Diskussionsbereitschaft und meinen lieben Eltern für die Mühe, die sie auf die Korrektur des Manuskripts verwandt haben. Über die Aufnahme der Arbeit in die Reihe "Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen" habe ich mich besonders gefreut.
Freiburg im Breisgau, im Herbst 1998
Monika Johlen
Inhaltsüberblick Einleitung.............................................................................................................
19
I. Die ledige gewaltunterworfene Frau..............................................................
21
I. Das Gewaltverhältnis und seine vennögensrechtlichen Konsequenzen..........
21
2. Zuwendungen des Vaters: Lebensunterhalt, Schenkung und peculium..........
28
3. Sondergüter von der Mutter............................................................................
36
4. Sondergüter von mütterlichen Vorfahren........................................................
51
5. Verlobungsgeschenke.....................................................................................
54
ß. Die ledige Frau in sua potestate.... ...... .. .. .. .................... .... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .... .. ...
63
I. Allgemeine Geschäftsfähigkeit.......................................................................
63
2. Regelungen über einzelne Vennögensmassen................................................
73
m. Die gottgeweihte Frau...................................................................................
89
I. Die Vestalin....................................................................................................
89
2. Nonnen und Diakonissinnen...........................................................................
90
IV. Die Ehefrau....................................................................................................
96
I. Ehewirkungen..... .. .. .. .. .. ... ... .. .... .. ... .. ....... ...... ..... ....... ..... .. ......... .. .. .. .. .. ......... ...
96
2. Eheliches Vennögen................................................. ......................................
102
3. Zuwendungen des Mannes..............................................................................
112
4. Zuwendungen zwischen Mutter und Kind......................................................
116
V. Die geschiedene Frau......................................................................................
121
I. Das Scheidungsrecht der westgotischen Römer..............................................
125
2. Das Scheidungsrecht der burgundischen Römer.............................................
134
3. Konsequenzen einer Wiederverheiratung.......................................................
136
VI. Die Witwe......................................................................................................
137
1. Gewaltverhältnis.............................................................................................
137
10
Inhaltsüberblick
2. Vermögen........................................................................................................
138
3. Vermögenssorge für unmündige Kinder.........................................................
155
4. Vermögensrechtliche Konsequenzen einer Wiederverheiratung.....................
160
VII. Die Sklavin und die Kolonin.. .... .. ...... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
166
1. Die Lage im Westgotenreich...........................................................................
168
2. Die Lage in Burgund.... ...................................................................................
170
VIII. Verlust der Verfügungsbefugnis...............................................................
172
1. Westgotisch-römisches Recht.........................................................................
173
2. Burgundisch-römisches Recht........................................................................
173
IX. Prozessuales...................................................................................................
175
1. Westgotisch-römisches Prozeßrecht...............................................................
176
2. Burgundisch-römisches Prozeßrecht...............................................................
177
X. Die Rechtslage bei den Ostgoten...................................................................
178
1. Die Haustochter..............................................................................................
179
2. Kinder sui iuris...............................................................................................
180
3. Aus dem Eherecht...........................................................................................
180
4. Scheidungsrecht.............................................................................................
181
5. Die Witwe.......................................................................................................
182
6. Die Sklavin und die Kolonin...........................................................................
183
7. Verlust der Verfügungsbefugnis.....................................................................
183
Ergebnis................................................................................................................
184
Quellen- und Literaturverzeichnis.....................................................................
188
Quellenregister............................ ...................... ........... .............................. ..........
198
Sachregister.........................................................................................................
210
Inhaltsverzeichnis
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
I. Die ledige gewaltunterworfene Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
1. Das Gewaltverhältnis und seine vermögensrechtlichen Konsequenzen . . . . . . .
21
a) Die personenrechtliche Stellung der westgotischen Römertochter . . . . . . . . .
24
b) Die personenrechtliche Stellung der burgundischen Römertochter . . . . . . . .
27
2. Zuwendungen des Vaters: Lebensunterhalt, Schenkung und peculium . . . . . . .
28
a) Zuwendungen an die westgotische Römertochter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
b) Zuwendungen an die burgundische Römertochter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
3. Sondergüter von der Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
a) Schenkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
aa) An die westgotische Römertochter .. . . . . . . . . . . . .. . . .. .. .. . . . . .. . .. . . . bb) An die burgundische Römertochter .. . .. . . . . .. . . . .. . . .. .. . .. . . . . . . . . .
37 39
b) bona matema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
aa) Die westgotische Römertochter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die burgundische Römertochter . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . ..
43 48
4. Sondergüter von mütterlichen Vorfahren . .. . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. .
51
a) Die westgotische Römertochter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
aa) Erbschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schenkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die burgundische Römertochter . . . . .. .. .. . . .. . . .. . . . . . . .. . . . .. .. .. .. . . . . .
51 52 53
aa) Erbschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schenkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53 54
5. Verlobungsgeschenke . . . . . .. . . . . . . .. . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . .
54
12
Inhaltsverzeichnis a) Die westgotische Römertochter
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
o
0
0
0
0
0
o
0
0
0
0
0
0
0
aa) Zur Terminologie der LRV: arra sponsalicia, sponsalitia largitas und donatio nuptialis 0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
bb) Rücktritt des Mannes von der Verlobung cc) Rücktritt der Frau von der Verlobung dd) Tod eines Verlobten 0
0
0
0
0
0
0
b) Die burgundische Römertochter
II. Die ledige Frau in sua potestate
a) Die westgotische Römerin
0
b) Die burgundische Römerin 2
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
o o
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
00
00
00
0
0
0
0
0
0
0
0
0
00
0
0
0
0
00
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
o
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
00
00
00
0
0
00
00
00
00
0
0
o
0
0
00
0
00
00
0
00
00
00
0
0
0
00
0
00
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
o
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Mütterlicher Nachlaß nach dem Tode des Vaters
o o
0
o
0
o o o
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0.
0
0
0
0
•••
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
•
•
.
0
0
0
•
0
•
0
0
0
0.
0
00
00
00
00
0
00.0
00
00
00
00
0
0
0
00
0
00
0
0
0
00
00
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
(5) Hinterlassenschaft für die Konkubine und die natürlichen Kinder bb) Erbgut der burgundischen Römerin (I) Mütterlicher Nachlaß der emanzipierten Tochter 0
(
2)
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
00
00
0
00
00
00
0
0
0
0
0
0
0
00
0
0
0
0
0
00
0
00
0
0
00
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0.
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
00
0
00
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
(5) Hinterlassenschaft für die Konkubine und die natürlichen Kinder b) Unterhalt, Schenkungen und früheres peculium aa) Die westgotische Römerin bb) Die burgundische Römerin c) Verlobungsgeschenke 00
00
00
0
0
0
0
aa) Die westgotische Römerin bb) Die burgundische Römerin
111. Die gottgeweihte Frau
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
00
0
0
0
00
0
0
00
0
0
00
0
0
00
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
00
0
0
0
00
00
0
00
0
0
0
00
0
0
0
0
00
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
00
0
0
0
0
0
0
0
0
00
0
0
00
00
00
0
0
00
00
0
0
00
00
00
00
0
0
0
0
0
00
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
00
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
•
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0.
0
0
0
0
0.
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
•••
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
•
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
58 59 60 61 63 63 67 70 73 73 75 75 76 77 77 78 80 80
Mütterlicher Nachlaß nach dem Tode des Vaters
(3) Nachlaß mütterlicher Vorfahren (4) Nachlaß des Vaters
56
0
0
(3) Nachlaß mütterlicher Vorfahren 0
56
0
0
(4) Nachlaß des Vaters
0
0
aa) Erbgut der westgotischen Römerin (I) Mütterlicher Nachlaß der emanzipierten Tochter (2)
0
0
Regelungen über einzelne Vermögensmassen a) Erbgut
0
0
1. Allgemeine Geschäftsflihigkeit
0
0
0
•
0
80 81 81 81 83 84 87 87 87 88
89
Inhaltsverzeichnis
13
1. Die Vestalin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
2. Nonnen und Diakonissinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
IV. Die Ehefrau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
1. Ehewirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
a) Ehewirkungen nach der LRV .. .. .. .. . .. .. .. .. . . . . .. . .. .. .. .. . . .. . . . .. .. ..
99
b) Ehewirkungen nach der RB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1 2. Eheliches Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) donatio nuptialis . . . .. .. . . . . .. .. . .. .. .. . . . . . . . .. .. . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . .. .. 102 aa) Die westgotisch-römische Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Die burgundisch-römische Regelung . . . . . .. .. . .. . . . . . . .. . . .. . .. .. .. .. 105 b) Die dos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Die westgotisch-römische Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Die burgundisch-römische Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Zuwendungen des Mannes . . . . . . . . . .. .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Zuwendungen zwischen Mutter und IGnd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Westgotisch-römisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Burgundisch-römisches Recht .. . .. . .. . . .. .. . . .. . . . . .. . . . .. . . .. . . . .. .. .. .. 120
V. Die geschiedene Frau . . . . . .. . . .. .. .. .. . .. . .. . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. .. .. 121 I. Das Scheidungsrecht der westgotischen Römer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Die einverständliche Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Scheidung durch die Frau
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
c) Scheidung durch den Mann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 d) Vermögensrechte der IGnder . . . .. .. . .. . . . .. . . .. .. .. .. .. .. . . .. .. . . .. .. .. .. 133 2. Das Scheidungsrecht der burgundischen Römer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Die einverständliche Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Scheidung durch die Frau . . . .. .. . . .. .. .. .. .. . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . 134 c) Scheidung durch den Mann . .. .. .. . . .. . .. .. . . .. .. . .. .. .. .. .. .. .. . . . .. .. . . 135
Inhaltsverzeichnis
14
3. Konsequenzen einer Wiederverheiratung
136
VI. Die Witwe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 137 1. Gewaltverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Verhältnisse im Westgotenreich . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . 137 b) Verhältnisse in Burgund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . 138 2. Vermögen
138
a) Diedas
139
aa) Die Rechtslage bei den Westgoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 bb) Die Rechtslage bei den Burgunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Die donatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Die Rechtslage im Westgotenreich . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . 140 bb) Die Rechtslage im Burgunderreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . 143 c) lntestaterbrecht nach dem Mann und den Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) lntestaterbrecht in der LRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 bb) lntestaterbrecht in der RB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . .. . 148 d) Vom Mann letztwillig hinterlassenes Gut . . . . . . .. . . . . . .. . . . .. . . .. . . . . . . . . . 149 aa) Die Rechtslage bei den westgotischen Römern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 bb) Die Rechtslage bei den burgundischen Römern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Vermögenssorge für unmündige Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . 155 a) Verhältnisse im Westgotenreich . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 156 b) Verhältnisse in Burgund . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 4. Vermögensrechtliche Konsequenzen einer Wiederverheiratung . . . . . . . . . . . . . 160 a) Die westgotische Römerwitwe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Die burgundische Römerwitwe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
VII. Die Sklavin und die Kolonin . . . . . . .. . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Die Lage im Westgotenreich . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . 168 2. Die Lage in Burgund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
VIII. Verlust der Verfügungsbefugnis
172
Inhaltsverzeichnis
15
1. Westgotisch-römisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Burgundisch-römisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 IX. Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Westgotisch-römisches Prozeßrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Burgundisch-römisches Prozeßrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 X. Die Rechtslage bei den Ostgoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Die Haustochter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Kinder sui iuris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 3. Aus dem Eherecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 4. Scheidungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 5. Die Witwe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 6. Die Sklavin und die Kolonin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 7. Verlust der Verfügungsbefugnis . . . .. .. .. .. . . .. . .. .. .. .. .. .. . .. .. . . . .. . . .. . . 183 Ergeboi:o: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Quellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
210
Abkürzungsverzeichnis AcP
Archiv für die civilistische Praxis; herausgegeben von Hellmut Georg Isele.
ADRC
Atti Dell'Accademia Romanistica Costantiniana; herausgegeben von der Universitll degli Studi di Perugia, Facolta di Giurisprudenza.
AHDE
Anuario de Historia del Derecho Espanol, Madrid.
BIDR
Bullettino Dell' Istituto di Diritto Romano "Vittorio Scialojo", Milano.
c.
Codex Iustinianus, in: Corpus luris Civilis, Volumen secundum; herausgegeben von Paul Krüger, 11. Auflage Berlin 1954.
CGreg
Codex Gregorianus, teilweise enthalten in der Lex Romana Visigothorum; herausgegeben von Gustav Haenel, Berlin 1849.
CIC
Corpus luris Civilis.
CPL
Corpus Papyrorum Latinarum; herausgegeben von Robert Cavenaile, Wiesbaden 1958.
CT
Codex Theodosianus; herausgegeben von Theodor Mommsen; 1. Auflage 1905; Auszug (oft zitiert) in LRV mit eigener Zählung.
D.
Digesten, in: Corpus Iuris Civilis, Volumen primum: Institutiones et Digesta; herausgegeben von Paul Krüger und Theodor Mommsen; 13. Auflage Berlin 1920.
ET
Edictum Theoderici Regis; herausgegeben von Friedrich Bluhme, in: Monumenta Germaniae Historica Legum Sect. 1, V, Hannover 1889.
FIRA
Fontes Iuris Romani Antejustiniani.
FS
Festschrift
Gaius
Gai Institutionum commentarii quattuor; herausgegeben von Ernil Seckel und Bernhard Kühler, 6. Auflage Leipzig 1903.
GE
Gaius Epitomae; enthalten in der Lex Romana Visigothorum, herausgegeben von Gustav Haene1, Berlin 1849.
INMai
Interpretation zu den Novellen des Kaisers Maiorian; enthalten in der Lex Romana Visigothorum, herausgegeben von Gustav Haenel, Berlin 1849.
INMart
Interpretation zu den Novellen des Kaisers Marcian (LRV: Martian); enthalten in der Lex Romana Visigothorum, herausgegeben von Gustav Haenel, Berlin 1849.
Abkürzungsverzeichnis
17
INS
Interpretationen zu den Novellen des Kaisers Severus; enthalten in der Lex Romana Visigothorum, herausgegeben von Gustav Haenel, Berlin 1849.
Inst.
Institutionen, in: Corpus luris Civilis, Volumen primum: Institutiones et Digesta; herausgegeben von Paul Krüger und Theodor Mommsen, 13. Auflage Berlin 1920.
INT
Interpretation zu den Novellen des Kaisers Theodosius II. in: Leges Novellae ad Theodosianum pertinentes, herausgegeben von Paul Meyer und Theodor Mommsen, 3. Auflage Berlin 1962; außerdem in der Lex Romana Visigothorum, herausgegeben von Gustav Haenel, Berlin 1849.
INV
Interpretation zu den Novellen des Kaisers Valentinian III, in: Leges Novellae ad Theodosianum pertinentes, herausgegeben von Paul Meyer und Theodor Mommsen, 3. Auflage Berlin 1962; außerdem in der Lex Romana Visigothorum, herausgegeben von Gustav Haenel, Berlin 1849.
IP
Interpretation zu den pseudopaulinischen Sentenzen; enthalten in der Lex Romana Visigothorum, herausgegeben von Gustav Haenel, Berlin 1849.
IT
Interpretation zu den Konstitutionen des Codex Theodosianus; herausgegeben von Theodor Mommsen, 1. Auflage 1905; außerdem enthalten in der Lex Romana Visigothorum; herausgegeben von Gustav Haenel, Berlin 1849.
IURA
Rivista Internazionale di Diritto Romano et Antico; pubblicata con la collaborazione degli Istituti di Diritto Romano delle Universita di Catania e Palermo, Napoli.
KLIO
KLIO. Beiträge zur Alten Geschichte, Berlin.
LABEO
LABEO. Rassegna di Diritto Romano, Napoli.
LB
Lex Burgundionum; herausgegeben von Ludwig Rudolf von Salis, in: Monumenta Germaniae Historica LL. Sect. 1, Il, Hannover 1892.
LRV
Lex Romana Visigothorum; herausgegeben von Gustav Haene1, Berlin 1849.
LV
Lex Visigothorum; herausgegeben von Kar! Zeumer, in: Monumenta Germaniae Historica Legum Sect. 1, I, Hannover- Leipzig 1902.
NMai
Novellen des Kaisers Maiorian, in: Leges Novellae ad Theodosianum pertinentes, herausgegeben von Paul Meyer und Theodor Mommsen, 3. Auflage Berlin 1962.
NMarc
Novellen des Kaisers Marcian, in: Leges Novellae ad Theodosianum pertinentes, herausgegeben von Paul Meyer und Theodor Mommsen, 3. Auflage Berlin 1962.
2 Johlen
18
Abkürzungsverzeichnis
NSev
Novellen des Kaisers Severus, in: Leges Novellae ad Theodosianum pertinentes, herausgegeben von Paul Meyer und Theodor Mommsen, 3. Auflage Berlin 1962.
NT
Novellen des Kaisers Theodosius II, in: Leges Novellae ad Theodosianum pertinentes, herausgegeben von Pau1 Meyer und Theodor Mommsen, 3. Auflage Berlin 1962.
NV
Novellen des Kaisers Valentiman III, in: Leges Novellae ad Theodosianum pertinentes, herausgegeben von Paul Meyer und Theodor Mommsen, 3. Auflage Berlin 1962.
PS
Pseudopaulinische Sentenzen, teilweise enthalten in der Lex Romana Visigothorum; herausgegeben von Gustav Haenel, Berlin 1849. Neue Ausgabe in: Detlef Liebs, Die Jurisprudenz in Africa: Mit Studien zu den pseudopaulinischen Sentenzen, Berlin 1993.
RB
Lex Romana Burgundionum; herausgegeben von Ludwig Rudo1f von Salis, in: Monumenta Germaniae Historica LL. Sect. 1, II, Hannover 1892.
RE
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Stuttgart.
RIDA
Revue Internationale des Droits de l'Antiquite, Bruxelles.
SC
Senatusconsultum.
SDHI
Studia et Documenta Historiae et luris, Romae.
Tijdschrift
Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis, Dordrecht I Boston I London und Antwerpen.
Vat.
Fragmenta quae dicuntur Vaticana, in: Fontes Iuris Romani Antejustiniani II; herausgegeben von Johannes Baviera und J. Furlani, Florenz 1940.
sz
Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Weimar.
Einleitung In dieser Arbeit sollen die Konsequenzen, die sich im ehemaligen weströmischen Reich aus dem Zusammentreffen der römischen Rechtskultur mit den einwandemden Germanen für die in diesen Gebieten verbliebene römische Bevölkerung ergeben haben, begrenzt auf die vermögensrechtliche Stellung der Frau betrachtet werden. Dabei konzentriert sich die rechtliche Betrachtung auf die beiden Kodifikationen, die in den neuen "Barbarenreichen" auf römischem Reichsboden für die dort lebende römische Bevölkerung erlassen wurden, nämlich die Lex Romana Visigothorum von 506 (wobei das Hauptaugenmerk auf der interpretatio liegen soll) und die Lex Romana Burgundionum um 5201• Am Ende soll noch ein Blick auf das sowohl für Römer, als auch für Goten geltende Edictum Theoderici aus der Zeit um 500 geworfen werden. In allen drei Gebieten, denen der Westgoten, Burgunder und Ostgoten, hatte zuvor der Codex Theodosianus von 438 gegolten; er wurde durch die nachfolgenden Gesetzeswerke nur im westgotischen Machtbereich außer Kraft gesetze. Besonders im Bereich der Lex Romana Burgundionum stellt sich daher vielfach die Frage, ob aus dem Schweigen des Textes schlicht auf die Fortgeltung des Codex oder auf das Verschwinden eines Rechtsinstitutes geschlossen werden kann. Ferner ist von besonderem Interesse, inwieweit in den genannten Gesetzeswerken über den Codex oder auch neben ihm her klassisches Rechtsdenken weitergeführt wurde, und ob auch germanische Rechtsideen mit in die Kodifikationen eingeflossen sind.
1 Zur Verbreitung römischer Rechtstexte im spätantiken Gallien siehe aktuell Liebs, in: Siems u.a. (Hrsg.), Recht im frühmittelalterlichen Gallien, 1995, S. I - 28, sowie Wood, in: Harries I Wood (Hrsg.), The Theodosian Code, 1993, S. 161 - 177. Die Datierung der Texte folgt im allgemeinen Siems, Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992, Kapitel II: Zu den frühmittelalterlichen Quellen des römischen Rechts; zur LRB jetzt begründeter Bauer-Gerland, Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, S. 23: nach 517; zum ET Liebs, Italien, S. 191 m. Fn. 6, worauf Siems Bezug nimmt.
2
Vgl. commonitorium (auctoritas Alarici regis) der LRV.
Einleitung
20
In den letzten Jahren sind viele Arbeiten erschienen, die sich mit der Stellung der Frau in der antiken Welt auseinandersetzen, auch mit ihrer rechtlichen Stellung3 ; meist steht aber ein soziologischer, religiöser oder allgemeinhistorischer Aspekt im Vordergrund4 • Zahlreiche (Sammel-) Werke finden sich über die klassisch-römische Familie als Ganzes5 • Auch wenn sich einzelne Arbeiten, aus denen sich etwas über die Rechtsstellung der Frau erfahren läßt, speziell mit der Spätantike befaßt haben, so konzentrieren sich diese Untersuchungen doch entweder auf die Familie insgesamt6 oder betreffen den Osten des früheren römischen Reiches7• Im Bereich des weströmischen Reiches haben sich Untersuchungen zur germanischen /eges-Forschung8 mit der Frage nach der Rechtsstellung der Frau bzw. dem Familienrecht auseinandergesetzt, die sich aber naturgemäß mehr für den germanisch-rechtlichen Aspekt interessierten9•
Z. B. Gardner, Women in Roman Law and Society, 1986; Heyse, Mulier non debet abire nuda, 1994; Garda Garrido,/us Uxorium. EI regimen patrimonial de Ia mujer casada en Derecho Romano, 1958.
3
4 Gründlich und umfangreich das vierbändige Werk von Krause, Witwen und Waisen im Römischen Reich, 1994, der demographische Untersuchungen vorgenommen hat; aus dem englischsprachigen Raum Balsdon, Roman Women, 1962, der hier in der deutschen Fassung verwendet wird; Hallett, Fathers and Daughters in Roman Society, 1984, oderPomeroy, Goddesses, Whores, Wives and Slaves, 1975.
Unter rechtlichen Gesichtspunkten z. B. Fayer, La Farnilia Romana, 1994; Rawson (Hrsg.), The Farnily in Ancient Rome, 1986.
5
Z. B. die kürzlich erschienenen Werke von Bauer-Gerland, Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, 1995, oder Evans Grubbs über die Gesetzgebung Konstantins im Bereich des Farnilienrechts, Law and Farnily in Late Antiquity, 1995; besonders aufschlußreich für den Bereich des spätantiken Farniliengüterrechts ist die demnächst erscheinende Arbeit von Memmer, Die Entwicklung des römischen Familiengüterrechts von Konstantin bis Justinian, der darin die unterschiedliche Rechtsentwicklung im West- und Ostteil des Reiches darstellt.
6
Beaucamp, Le statut de Ia femme 1990.
7
~
Byzance (4e- 7e siede), Vol. I, Le droit imperial,
Z. B. Leonhardt, Eheschließung und eheliches Güterrecht bei den Burgundem zur Zeit der Volksrechte, 1932. Eine Ausnahme macht das oben erwähnte Werk von Garcfa Garrido, der das Jus Uxorium mit ergänzenden Kapiteln zum nachklassischen und justinianischen Recht (segunda parte) sowie zum römisch-westgotischen Recht (tercera parte) versah, so daß es sich nun als Teil des Buches EI patrimonio de Ia mujer casada en e1 derecho civil, 1982, wiederfindet.
8
Problematisch sind Schriften hierzu aus den dreißiger Jahren, die teilweise von nationalsozialistischem Gedankengut durchdrungen sind, z. B. Merschberger, Die Rechtsstellung der germanischen Frau und Mutter, 1937. In einigen Fällen wird sorgfältige Forschungsarbeit durch Ideologie geradezu verdorben. 9
I. Die ledige gewaltunterworfene Frau "Was also unsere Kinder, die wir in der Gewalt haben ... durch mancipatio oder traditio erlangen oder das, was ihnen stipuliert wird, oder was sie aus irgendeinem anderen Grund erlangen, das erlangen sie für uns: Jener nämlich, der in unserer Gewalt ist, kann nichts eigenes haben;" Gaius II, 87.
1. Das Gewaltverhältnis und seine vermögensrechtlichen Konsequenzen
Die klassische Zeit kannte mit der patria potestas und der tutela mulieris zwei Rechtsinstitute, die eine freie ledige Frau der Herrschaft eines Mannes unterwarfen: Zunächst hatte der Hausvater die natürliche Gewalt über die Hauskinder aus legitimer römisch-rechtlicher Ehe, die patria potestas 1, die sich auch auf Adoptivkinder erstreckte2• Schied die Frau aus der väterlichen Gewale aus, so konnte sie der tutela mulieris, der Geschlechtsvormundschaft, unterstehen. Der Vormund übte allerdings keine personenrechtliche Gewalt über die Frau aus, sie war sui iuril; aus diesem Grunde soll hier zunächst nur die Rechtsstellung der Frau unter patria potestas behandelt werden. 1 Gaius I, 55 ff.; hierzu Gaudemet, in: RIDA II, S. 309 Fn. 2.; Fayer, S. 123 ff.; illegitime Kinder, d.h. solche, die nicht einem iustum matrimonium entstammten, waren sui iuris, siehe Rawson, in: Rawson (Hrsg.), Marriage, Divorce and Children, S. 26; zur Legitimität siehe Gardner, S. 142 ff.; zu den Statusproblemen bei "gemischten" Partnerschaften (ohne conubium) siehe Crook, Law and Life, S. 40 ff.
2 Gaius I, 97; unter patria potestas stand auch die uxor in manu des Sohnes, selbst wenn dieser emanzipiert war; sie hatte die Stellung einer Enkelin, Gaius II, 159; 111, 3. Eine mütterliche Gewalt gab es nicht, Gaius I, 104: "Feminae vero nullo modo adoptare possunt, quia ne quidem naturales Iiberos in potestate habent. " Gardner, S. 8.
Die patria potestas endete mit dem Tod des Vaters, Gaius I, 127, oder durch Emanzipation, I, 132. Bei Exil oder Gefangennahme ruhte sie nur, I, 128 f. ; vgl. Mitteis, Römisches Privatrecht I, S. 129 f. 3
4
Salier, S. 182.
22
I. Die ledige Gewaltunterworfene
Die vermögensrechtliche Konsequenz der patria potestas war, daß das Hauskind keinerlei Vermögen für sich selbst, sondern alles, auch Erbschaften, Legate, Rechte aus Verträgen etc., für den Gewalthaber erwarb5• Die von einer Gewaltunterworfenen vorgenommenen Verfügungen wurden also - falls überhaupt - für oder gegen den Vater wirksam. Schloß sie einen Vertrag, so war dieser nur aufgrund eines iussus des Vaters wirksam, Gaius IV, 70, da die Haustochter sich generell nicht selbständig verpflichten konnte6• Aus Gaius III, 104 ergibt sich ferner, daß es auch Geschäfte gab, die von einer Haustochter überhaupt nicht vorgenommen werden konnten. So war ihr die Stipulation, also der wichtigste Verbalkontrakt des römischen Rechts, versage. Diese Verpflichtungsform scheint einer Frau erst nach dem Ende des Gewaltverhältnisses offengestanden zu haben 8• Vielleicht auch deshalb wurden bestimmte Aufgaben nur Haussöhnen oder männlichen Sklaven übertragen, z. B. die Führung eines Handelsgeschäftes als institor oder die Verantwortung für ein Schiff als exercitor. Das ergibt sich daraus, daß nach Gaius IV, 71 der Vater für sämtliche Handlungen des Sohnes haftete, die im Zusammenhang mit den genannten Aufgaben standen. Hier fehlt es an dem sonst für Gaius typischen Hinweis auf entsprechende Befugnisse der gewaltunterworfenen Ehefrau oder Tochter, woraus zu schließen sein wird, daß sie nicht üblich waren9• Nach Ulpian 10 war es aber zumindest theoretisch möglich, daß die Führung sowohl eines Handelsgeschäftes, als auch eines Handelsschiffes einer Gewaltunterworfenen übertragen werden konnte.
5 Gaius II, 87: "Igitur quod liberi nostri, quos in potestate habemus ... accipiunt vel ex traditione nanciscuntur sive quid stipulentur vel ex aliqualibet causa adquirunt, id nobis adquiritur: ipse enim, qui in potestate nostra est, nihil suum habere potest; ... "; III, 163: "Expositis generibus obligationum, quae ex contractu nascuntur, admonendi sumus adquiri nobis non solum per nosmet ipsos, sed etiam per eas personas, quae in nostra potestate, manu mancipiove sunt."
6
Kaser I, S. 343.
"Servus quidem et qui in mancipio est et filia familias et quae in manu est, non solum ipsi, cuius iuri subiecti subiectaeve sunt, obligari non possunt, sed ne alii quidem ulli."
7
Gaius III, 114 a. E. spricht im Zusammenhang mit der adstipulatio nur von der Haustochter und der uxor in manu; Ulpian D. XXIV, 1, 33 pr. spricht von einer Stipulation der Frau gegenüber ihrem Mann.
8
Die bei Günther, S. 126 ff., aufgeführten Frauen, die Handelsgeschäfte führen, sind meist Freigelassene, evtl. auch Freigeborene, die Unfreien arbeiten nur als Gehilfinnen.
9
10 D. XIV, 1, 1 § 21 für den exercitor; D. XIV, 3, 7 § 1 für den institor; die bei Ulpian, D. XIV, 1, 1 § 16 und C. IV, 25, 4 (an Antigona) als Reeder genannten Frauen müssen nach den allgemeinen Grundsätzen gewaltfrei gewesen sein.
1. Das Gewaltverhältnis
23
Wenn auch die Haustochter keine Verpflichtungen nach ius civile eingehen konnte, so waren die von ihr übernommenen Verbindlichkeiten doch Naturalobligationen 11 • Im Innenverhältnis waren formgebundene Geschäfte wie die stipulatio zwischen Gewalthaber und Hauskind nicht möglich, ebensowenig gab es eine Klagemöglichkeit innerhalb des Gewaltverhältnisses 12 • Auch Verfügungen waren rechtlich nicht anerkannt, da der paterfamilias und seine Abkömmlinge nicht als rechtlich verschiedene Personen betrachtet wurden; so waren auch Schenkungen im Innenverhältnis nichtig, obwohl sie in spätklassischer Zeit mit dem Tode des Gewalthabers erstarkten 13 • Eigene Vermögensrechte und Verfügungsbefugnisse besaß das Hauskind also ohnehin nicht. Einzige Ausnahme war das peculium castrense, das aber seiner Natur nach nur Männern zustehen konnte und daher im Zusammenhang mit der vermögensrechtlichen Position der Haustochter nicht interessiert. Das noch genauer zu betrachtende gewöhnliche peculium war kein wirklich selbständiges Vermögen des Hauskindes, wenn auch Forderungen zwischen dem peculium und dem sonstigen Vermögen des Gewalthabers ebenfalls als Naturalobligationen betrachtet wurden 14• Während also die klassische Zeit noch das einheitliche, in der Hand des paterfamilias vereinigte Familienvermögen kannte, kennzeichnet die spätere Zeit, daß immer mehr Vermögensteile von diesem Vermögen getrennt werden15 • Diesen Vermögensteilen soll das Hauptaugenmerk der Untersuchung gelten. Zunächst ist aber nach der Entwicklung des Personenrechts in dieser Zeit zu fragen, da von dem personenrechtlichen Status der Beteiligten ihre Vermögensfähigkeit abhängt.
11
Kaser I, S. 481.
Gaius III, 104: "Praeterea inutilis est stipulatio, si ab eo stipuler, qui iuri meo subiectus est, item si is a me stipuletur. ";I, 137a: "Sedfilia quidem nullo modo patrem potest cogere, etiam si adoptiva sit: haec autem virum repudio misso proinde compellere potest, atque si ei numquam nuptafuisset." 12
13
Kaser I, S. 344.
14
Kaser I, S. 344.
15
Wesener, in: Benöhr u.a. (Hrsg.), luris professio, S. 331.
24
I. Die ledige Gewaltunterworfene
a) Die personenrechtliche Stellung der westgotischen Römertochter Im hier zu untersuchenden geographischen Raum besteht in der Spätantike die grundsätzliche Möglichkeit der persönlichen Unterordnung einer freien Römerin unter die Oberherrschaft einer anderen Person durch die patria potestas fort. Diese patria potestas wird aber trotz ihrer generellen Anerkennung immer stärker eingeschränkt. Neben der schon früher vollzogenen Abschaffung der väterlichen Entscheidungsmacht über Leben und Tod der Kinder 16 und der Einschränkung der Strafgewalt des Vaters bei Verfehlungen des Hauskindes 17 zeigt sich die Rückbildung der Macht des Vaters über das Vermögen der Familie auch in der Herausnahme verschiedener Güter aus seinem Eigentum, wie im einzelnen noch gezeigt werden wird. Nach dem der LRV zugrundeliegenden traditionell-römischen Verständnis der Familie hat der Vater von Natur aus die Gewalt über seine Kinder, die legitimen eigenen und die adoptierten, GE II, 8 pr. Die Mutter hingegen hat ihre Kinder nicht in der Gewalt; eine "matema potestas" wird auch im westgotischrömischen Recht nicht anerkannt, weshalb sie nicht adoptieren kann, GE I, 5 "De adoptionibus" § 2 18• Daher sind auch illegitime Kinder von Geburt an gewaltfrei 19• 16 LRV CT IV, 8, 2 pr. (= CT IV, 8, 6 pr.) von 323 spricht von einem Recht, das den Vorfahren zugestanden hatte: "Libertati a maioribus tantum impensum est, ut patribus, quibus ius vitae in Iiberos necisque potestas pennissa est, eripere libertatem non liceret. "; siehe Kaser II, S. 204 + Fn. 12 m.w.N.; die Interpretation zu dieser Konstitution, IT IV, 8, 2 beruhrt dieses Thema gar nicht mehr; zur frt1heren Rechtslage siehe Fayer, S. 140 ff. m.w.N.; Gardner, S. 6 ff.; der häufigste Fall war die Entscheidung über die Aussetzung von Neugeborenen, hierzu Fayer, S. 179 ff. m.w.N. 17 Nach IT IX, 10, 1 (Interpretation zu CT IX, 13, 1) sind schwere Verfehlungen des Hauskindes vor Gericht zu bringen, nur in leichteren Fällen wird das väterliche Züchtigungsrecht aufrechterhalten: "Propinquis senioribus lege pennittitur errorem vel cu/pas adolescentium propinquarum patria districtione corrigere ... Quod si gravior culpafuerit adolescentis, quae privatim emendari non possit, in notitiam iudicis deferatur." Die Datierung des CT-Textes ist unsicher, in Betracht kommen die Jahre 365, 368, 370 und 373, Mommsen, CT, S. 456 und Pharr, S. 235. 18 Darauf beruft sich auch Fayer, S. 308 ff., wenn sie den Fall der Syra, der Diocletian nach dem Tod ihrer ehelichen Kinder zum Trost ihre illegitimen Kinder als legitime Nachkommen zusprach (C. VIII, 47 (48), 5), als absolute Ausnahme hinstellt; einen ähnlichen Fall behandelt Evans Grubbs, S. 99, wonach eine Flavia Tertulla nach vierzig Jahren erfuhr, daß ihre Ehe mit ihrem Onkel nichtig war, und aufgrund einer Petition die Kinder aus dieser Verbindung durch Mare Aurel und Lucius Verus als ehelich zugesprochen bekam (D. XXIII, 2, 57a). Um eine Adoption handelte es sich jedoch nicht, da sich die Gewaltverhältnisse in diesen Fällen nicht änderten, was im römischen Recht die
1. Das Gewaltverhältnis
25
Diese patria potestas, die sich auch auf die Abkömmlinge der gewaltunterworfenen Söhne erstreckt, behält der Vater grundsätzlich bis zu seinem Tode, dem natürlichen Ende seiner Herrschaft, falls er sie nicht selbst durch Emanzipation des Kindes aufhebf0 • Die Ansicht von Otero21 , Valentinian III. habe im Jahre 452 mit NV XXXV, 1 § 10 (= LRV NV XII, 1 § 10 mit INV) die gesetzliche Emanzipation mit Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres eingeführt, ist nicht nur fraglich22 , sondern unvertretbar. Zwar bedeutet die in Bezug auf Erbteile von der mütterlichen Seite getroffene Regelung, auf die bei den Vermögensteilen der Haustochter genauer einzugehen ist, einen weiteren Schritt zur finanziellen Verselbständigung der Hauskinder, von einer gesetzlichen Emanzipation ist man hier aber noch weit entfernt. So wird der Anspruch des Hauskindes gegen die Erben des Vaters auf Fruchtersatz damit begründet, daß ihm der Verlust ersetzt werden soll, den es in der Zeit "quod in familia quis constitutus" erlitten har3• INV wird noch deutlicher, indem als Grund für die Unfähigkeit des Hauskindes, den ihm vom Gesetz gewährten Herausgabeanspruch gegen den Vater durchzusetzen, die patria potestas ausdrücklich genannt wird24 • Die patria potestas besteht also weiterhin unabhängig vom Alter des Hauskindes; denn obwohl LRV CT VIII, 9, 2 von 31925 bereits den Hinweis enthält, daß Emanzipation bei Eintritt in die Volljährigkeit üblich ist26, hängt sie doch weiter vom Willen des Vaters ab. Nach GE I, 6 § 3, wo die Emanzipationsprozedur ausführlich überliefert ist, werden Söhne durch drei Emanzipationsakte frei, Frauen und Enkel schon durch einen einzigen Akt. Es soll in der Macht Hauptfolge der Adoption war; eine matema potestas wird auch ausnahmsweise nicht begründet. 19 Rückschluß aus GE I, 3 § 2: "In potestate etiam patrum sunt filii ex legitimo matrimonio procreati." Zu den Statusfragen in der Spätantike siehe Evans Grubbs, S. 261 ff.
GE I, 6 pr., GE I, 6 § 3; zum Verkaufsrecht des Vaters, aus dem die Emanzipation stammt, siehe Fayer, S. 210 ff.
20
21
La mejora, in: AHDE XXXIII, S. 34 ff.
22
So Kaser II, S. 203, Fn. 10.
23
Siehe hierzu auch Bauer-Gerland, S. 125 f.
24 " ...
25
quos patri exigere pro sua potestate non valuit. "
Entspricht er VIII, 18, 2 von 319.
Vgl. Kaser II, S. 203, Fn. 10; der Text spricht in der Tat nur von Söhnen, die den Status eines paterfamilias erhalten sollen: "... ut quum aetates legitimae liberorum ad emancipationem parentes invitaverint, et patresfamilias videre Iiberos suos voluerint ... "Eine entsprechende Andeutung findet sich auch in er VIII, 18, I (= LRV CT VIII, 9, 1). Bei Töchtern dürfte diese Sitte weniger verbreitet gewesen sein. 26
26
I. Die ledige Gewaltunterworfene
des Vaters stehen, Söhne und Enkel in beliebiger Reihenfolge aus seiner patria potestas zu entlassen. Von Rechts wegen wird die patria potestas durch Exil oder Gefangenschaft des Vaters zeitweise aufgehoben27• Auf diese Details soll im Rahmen der Arbeit nicht näher eingegangen werden. Von Interesse ist hier nur, welche Konsequenzen die patria potestas während ihres Bestehens für die Verfügungsbefugnis der Haustochter hat. Ganz allgemein bedeutet die patria potestas auch hier, daß zwischen Vater und Tochter eine vermögensrechtliche Identität herrscht, die Verfügungen im Innenverhältnis unmöglich macht. Von der gewaltunterworfenen Frau im Außenverhältnis oder ihr gegenüber vorgenommene Handlungen werden für oder gegen den Vater wirksam. Grundsätzlich handelt und erwirbt die Haustochter nicht für sich selbst. Alles, was sie als Gewaltunterworfene durch Kauf, Schenkung oder Erbschaft etc. erlangt, soll nach IT VIII, 9, 328, GE II, 1 § 729 in das Vermögen des Vaters fallen. Somit kann auch nur dieser darüber verfügen, nicht die Tochter selbst. Nach PS II, 8, 130 kann der pateifamilias nicht nur Haussöhnen, sondern ausdrücklich auch Haustöchtern die Führung eines Handelsgeschäftes übertragen; möglicherweise ist das zur Zeit des Sentenzenverfassers eine größere Selbstverständlichkeit als noch z.Zt. des Gaius. Weibliche exercitores gibt es aber auch hier nicht. Im Rahmen dieser allgemeinen Geschäftsführung kann die Tochter die dazu notwendigen Verfügungen treffen. Nach dieser Vorschrift wird aus ihrem Handeln dann wie sonst auch der Vater verpflichtet. Eine Beschränkung bzgl. der Art oder Form der für den Vater durchgeführten Geschäfte scheint es nicht mehr zu geben, sofern nur sein iussus vorliege'. 27
GE I, 6 § 1 (Exil); GE I, 6 § 2; PS II, 26, 1 (Gefangenschaft).
"Sane si quae extraneorum donatione vel munere filiis in familia positis facultates accesserint, vel alii parentes, quam qui supra nominati sunt, contulerint, id totum patribus acquiratur, ut faciendi ex hoc, quod voluerint, habeant potestatem." 28
29 "Acquiritur autem nobis non so/um per nosmet ipsos, sed et per eos, qui in potestate nostra sunt, sicut filii vel servi: quia quicquid his a qualibet persona donatum vel venditum fuerit, aut heredes fuerint instituti, id patribus et dominis sine aliqua dubitatione conquiritur ... " 30 "Et ideo qui servum sive filium filiamve familias sive ancillam praeposuit negotiis vel mercibus exercendis, eorum nomine in solidum convenitur."
31 In PS I, 13, 2 heißt es, daß die Freilassung von Sklaven nur aufgrund eines väterlichen iussus, nicht eines mütterlichen geschehen kann: "Filiusfamilias iussu patris manumittere potest; matris non polest." Siehe hierzu Mitteis, Römisches Privatrecht I, S. 210, 211 Fn. 23.
1. Das Gewaltverhältnis
27
b) Die personenrechtliche Stellung der burgundischen Römertochter Im Gegensatz zu der doch recht ausführlichen Regelung der patria potestas in der LRV finden sich in der RB nur wenige Vorschriften, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Sie betreffen nur einzelne Aspekte des Komplexes. Es ist aber anzunehmen, daß neben diesen spezidien Vorschriften die weiteren Regelungen des Codex Theodosianus, der Novellen, des Gaius, der pseudopaulinischen Sentenzen und der Codices Gregorianus und Hermogenianus als das bisherangewandte römische Recht fortgehen, sofern sie den Normen der RB nicht zuwiderlaufen32• Daß die patria potestas auch hier fortbesteht, folgt aus RB XIV§§ 4, 5, und XXXVIII§ 1, wo von denfiliisfamilias und ihren Vertragsschlüssen gesprochen wird, sowie aus Titel XXII §§ 1, 2 zum Schenkungserwerb durch Hauskinder. Hier wird angenommen, daß sich der Ausdruck filiis jeweils auf Kinder beiderlei Geschlechts bezieht. In Titel XIV § 4 findet sich ein Hinweis auf die Wirkung von Geschäften, die ein Gewaltunterworfener tätigt. Danach ist es Gewaltunterworfenen grundsätzlich untersagt, Verträge zu schließen, wobei dieser Grundsatz anschließend erläutert wird33• Das Wichtigste ist hier zunächst, daß ein Hauskind nicht etwas ohne ein Mandat von Vater oder Mutter, citra mandarum patris matrisve, versprechen soll. Geschäfte, die im Auftrag des Gewalthabers oder sogar der Mutter vorgenommen werden, sind somit wirksam geschlossen. Erworben wird hier aber dasjenige, was aus dem Vertrag erworben wird, wie auch sonst dem Gewalthaber bzw. Auftraggeber. Ferner kann das Kind keine Geschäfte zum Nachteil der Eltern abschließen, wenn es sich in der gleichen Region aufhält. Diese Regelung mutet sonderbar an und bedarf der Erläuterung. Es könnte sich hierbei um eine Haftungs- oder Gläubigerschutzregelung handeln: Schließt ein Hauskind - dessen Stellung unter patria potestas nicht ohne weiteres erkennbar ist - einen Vertrag in Reichweite des Gewalthabers, so besteht die Möglichkeit 32 Leonhardt, S. 13; Bauer-Gerland, S. 176 ff., 192, 195 unten; angedeutet in§ 8 der prima constitutio zu LB: "Inter Romanos vero, interdicto simili conditione venalitatis crimine, sicut a parentibus 11ostris statutum est, Romanis legibus praecipimus iudicari; qui formam et expositionem legum conscriptam, qualiter iudicent, se noverint accepturos, ut per ignorantiam se nullus excuset." Wood, in: Rarries I Wood (Hrsg.), The Theodosian Code, S. 163, weist darauf hin, daß Romanis legibus sowohl die Lex Romana Burgundionum als auch den Codex Theodosianus (hinzuzufügen wäre: mitsamt Novellen, Paulussentenzen, Gaiusinstitutionen, Codex Gregorianus und Codex Hermogenianus) oder das Breviar meinen kann.
33 "Filiis familias ... nihil iuris in contractibus esse permissum, hoc est: nec filium familias in damnum parentum et in eadem regione positis posse pacisci, et si quid pacto adquisierit, patris iure indubitanter adquiri, nec citra mandatum patris matrisve aliquid posse promittere."
28
I. Die ledige Gewaltunterworfene
sowohl der Kontrolle durch den Vater als auch der Erkundigung durch den Vertragspartner. Bei größerer räumlicher Trennung ist das - wenn überhauptnur mit größerem Zeit- und Kostenaufwand möglich. Die Anerkennung von fern dem Elternhaus geschlossenen Verträgen schützt also gutgläubige Vertragspartner. Roels, S. 80, der sich nicht so weit vorwagt, bringt die Regelung hingegen mit dem nachfolgenden § 5 in Verbindung, der die Rechtslage während einer Gefangenschaft des Vaters regelt und im folgenden Kapitel noch untersucht werden soll. Auch wenn dieser Zusammenhang bestehen sollte, bleibt der Sinn der Vorschrift der gleiche: Der Vater ist nicht erreichbar und kann keinen iussus erteilen; die von einem Gewaltunterworfenen unter diesen Bedingungen geschlossenen Verträge bleiben wirksam, selbst wenn sie zum Nachteil des Gewalthabers ausgefallen sind. Von diesem Spezialfall abgesehen sind Vertragsschlüsse und Verfügungen des Hauskindes somit nur aufgrund und im Rahmen des elterlichen Mandates gül~ig und wirken dann für und gegen den Auftraggeber. Daraus ergibt sich, daß auch die Römertochter in Burgund während der Zeit, in der sie unter patria potestas steht, Eigentum grundsätzlich nicht für sich, sondern für den Gewalthaber erwirbt, ebenso wie auch nur dieser durch ihr Handeln verpflichtet wird, soweit das Gesetz keine Ausnahme macht.
2. Zuwendungen des Vaters: Lebensunterhalt, Schenkung und peculium Der Vater wurde im Laufe der klassischen Zeit nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich verpflichtet, den gewaltunterworfenen Kindern den Lebensunterhalt zu gewähren. Dies galt zunächst für Söhne, aber schon Antoninus Pius stellte in einem Reskript klar, daß die ledige eheliche Tochter dem Vater gegenüber einen Anspruch auf Unterhalt hatte34• Eine rechtliche Unterhaltspflicht der Mutter bestand hingegen nur gegenüber illegitimen Kindern 35 • Schenkungen des Vaters an ein Hauskind, also Zuwendungen, die über den bloßen Lebensunterhalt hinausgingen, waren in klassischer Zeit grundsätzlich nichtig wegen der vermögensrechtlichen Personenidentität von Schenker und Beschenktem, die eine Eigentumsübertragung unmöglich machte. Daß das Ulpian D. XXV, 3, 5 § 6:" /dem rescripsit, utfiliam suam pater exhibeat, si constiterit apud iudicium iuste eam procreatam. "; Sachers, in: FS Schulz I, S. 321.
34
Ulpian D. XXV, 3, 5 § 4. Siehe hierzu Sachers, in: FS Schulz, S. 327 f.; Weber, S. 176.
35
2. Zuwendungen des Vaters
29
römische Recht sich dennoch mit unentgeltlichen Zuwendungen von Eltern an ihre Kinder auseinandersetzen mußte, zeigen die Lex Cincia de donis et muneribus36 aus dem dritten Jahrhundert vor Christus und Fragmente von Paulus und Papinian einige Jahrhunderte später. Die Lex Cincia verbot eigentlich die Annahme übermäßiger Schenkungen37; sie enthielt aber auch eine ganze Liste von Personen, für die dieses Verbot nicht gelten sollte. Darunter finden sich nicht nur die gewaltunterworfenen Abkömmlinge des Schenkers38, sondern sogar dessen Sklaven39• Das wird damit erklärt, daß diese Personen Träger von ihnen faktisch selbständig gehörenden Pekulien waren40• Die Lex Cincia hätte danach also die Gewaltunterworfenen deshalb einbezogen, weil das peculium praktisch eine Schenkung sei. Zumindest zur Zeit Papinians heißt es jedoch noch eindeutig4\ daß der Tochter ein zu Lebzeiten vom Vater gemachtes Geschenk, das dieser im Testament nicht bestätigt, nicht zugesprochen werden soll, sondern ebenso wie das nicht vermachte peculium mit den Geschwistern zu teilen ist. Da die Eigentumsübertragung während der Dauer der patria potestas nichtig war, gehörten diese Güter weiterhin zum Vermögen des Vaters, also zum gemeinsamen Erbe der Geschwister42 • Die Erwähnung der Gewaltunterworfenen in der Lex Cincia bedeutet in diesem Zusammenhang also nur, daß die im Testament bestätigte - oder auch nach der Emanzipation nicht zurückgeforderte Schenkung an eine dieser Personen nicht aufgrund des Übermaßverbotes der 36 Paulus vat. 298: "libro LXXI ad edictum, ad Cinciam. Personae igitur cognatorum excipiuntur his verbis: 'Sive quis cogantus cognata inter se, dum sobrinus sobrinave propiusve eo sit, sive quis in alterius potestate manu mancipiove erit, qui eos hac cognatione attinget quorumve is in potestate manu mancipiove erit, eis omnibus inter se donare capere liceto'."
37
Mitteis, Römisches Privatrecht I, S. 156.
Paulus vat. 300: "Item. Excipiuntur et ii, qui in potestate eorum vel manu mancipiove, item quorum in potestate manu mancipiove erunt." Schenkungen unter Ehegatten waren bei manus-Ehe ebenfalls nach allgemeinen Regeln nichtig, später in der manus-freien Ehe verboten. 38
Paulus vat. 307; entgegen dem exakten Wortlaut interpretiert aber Paulus für seine Zeit die Sklaven als Freigelassene; vgl. Kaser I, S. 603 m. Fn 30.
39
40
Kaser I, S. 603, Fn. 29.
Papinian vat. 294: "Papinianus libro XII responsorum. Quod pater filiae, quam habuit ac retinuit in potestate, donavit, cum eam donationem testamento non confinnasset, jiliae non esse respondi; nam et peculia non praelegata communiafratrum esse constabat. Diversa ratio est contra Legern Cinciam factae donationis." 41
Anders hingegen, wenn der Vater die Schenkung der Tochter bei der Emanzipation beläßt, Papinian vat. 255: "Pater qui filiae quam habuit in potestate mancipia donavit et peculium, quamquam soluta potestate iure emancipationis vita decessit, ei non ademit, ex post facto donationem videbatur perfecisse. " 42
30
I. Die ledige Gewaltunterworfene
Lex Cincia angefochten werden konnte, nicht dagegen, daß die Schenkung während des Gewaltverhältnisses rechtlich anerkannt war. In klassischer Zeit galt die Lex Cincia insgesamt nur noch für die donatio impeifecta43 •
Erst im weiteren Verlauf des dritten Jahrhunderts nach Christus wurde die bis zum Tode des paterfamilias nicht zurückgeforderte Schenkung als wirksam erachtet und dem Kind belassen44• Offensichtlich konnte aber auch in dieser Zeit noch der Vater die Schenkung jederzeit und ohne besondere Gründe dem Kind entziehen, erst durch den Tod des Vaters wurde die Nichtigkeit der Schenkung geheilt. Für die klassische Zeit ist insgesamt festzuhalten, daß Schenkungen zwischen Gewalthaber und Hauskind nichtig waren, das Kind also keine solche Zuwendung des Vaters zu Eigentum erhalten konnte. Als pecu/ium hingegen wurde ein aus dem Vermögen des Vaters genommenes Sondergut bezeichnet, das dieser den Hauskindern (oder auch Sklaven) zur eigenen Lebens- und Geschäftsführung zur Verfügung stellte45 • Die Mutter konnte dem Kind kein pecu/ium bestellen, da sie die Kinder nicht in der Gewalt hatte46 • Ein peculium lag auch nur dann vor, wenn die Größe der Zuwendung über den schlichten Lebensunterhalt hinausging47 • Das Hauskind hatte diesbezüglich die Verwaltungsbefugnis im Rahmen der väterlichen Ermächtigung48 und zog den Nutzen aus dem Gut; es konnte normal damit wirtschaften, also kaufen, verkaufen oder vermieten etc., jedoch nichts tun, was das peculium in seinem Bestand zum Nachteil des paterfamilias beeinträchtigte, also etwas verschenken, einen Sklaven freilassen oder ein Testament über das peculium errichten49• Das peculium stand weiterhin im Eigentum des Vaters, der es dem Hauskind ursprünglich jederzeit wieder entziehen konnte. Allerdings bestand wohl eine moralische Verpflichtung des Vaters, das peculium dem Hauskind zu 43
Mitteis, Römisches Privatrecht I, S. 160.
Grund sollte der bis zum Tode fortdauernde Schenkungswille sein, Val. et Gall., 260 n. Chr., LRV CGreg VIII, 2; Diocl. et Max. im Jahre 286, vat. 281: "Proinde si pater, qui per epistulam res tibi dono dedit, non revocata liberalitate nec mutata voluntate fatalem diem intestato obiit, inlibata donatio permanet, si tarnen legis Falcidiae ratio comminui eam nec exegerit." Vgl. Mitteis, Römisches Privatrecht I, S. 167. 44
Hierzu Fayer, S. 250 ff. ; Garcfa Garrido, S. 12 f.; Liebs, Römisches Recht, S. 122 ff.; Kaser I, S. 287 f.; S. 344.
45
46
Wacke, in: IURA XLII, S. 54.
47
Wacke, in: JURA XLII, S. 56 f.
48
Wacke, in: IURA XLII, S. 45.
49
Daube, S. 83.
2. Zuwendungen des Vaters
3I
belassen50. Den Geschäftspartnern des Hauskindes war es möglich, mit der actio de peculio gegen den paterfamilias vorzugehen; der Vater haftete für Geschäftsschulden des Kindes bis zur Höhe des Wertes des peculium51 , allerdings waren seine eigenen Ansprüche gegen das peculium zunächst davon abzuziehen, Ulpian D. XV, 1, 5 § 4 und XV, 1, 9. Auch der Haustochter konnte schon in klassischer Zeit ein solches peculium überlassen werden52, das unter anderem in regelmäßigen Geldzahlungen bestehen konnte53 • Dies galt insbesondere für die Ausübung typisch weiblicher Betätigungen, z. B. als Schneiderin54• Bis ins dritte Jahrhundert hinein verblieb das peculium - genau wie die Schenkung - als Eigentum des Vaters bei dessen Tode in seiner Hinterlassenschaft55, mit Ausnahme desjenigen peculium, das der Tochter bei ihrer Emanzipation nicht entzogen und damit ihr Eigentum geworden war, Papinian vat.
255,260.
Da sich die Position der Hauskinder gegenüber dem Vater in der Spätantikewohl unter hellenistischem und später christlichem Einfluß56 - verstärkte, stellt sich nunmehr die Frage, ob und wie sich das peculium in den hier zu untersuchenden Normen wiederfindet. Justinian war dieses Rechtsgebiet immerhin so wichtig, daß er dem peculium einen kompletten Titel mit 58 Texten widmete, Digesten XV, 1: De peculio; auch die beiden nachfolgenden Titel 2 (Quando de peculio actio annalis est) und 3 (De in rem servo) sowie C. N, 26 Der Haussohn wurde im öffentlichen Leben wie ein normaler Eigentümer behandelt (z. B. in Bezug auf census-Listen), auch seiner politischen und militärischen Karriere stand nichts im Wege,Crook, Law and Life, S. I09; Lacey, in: Rawson (Hrsg.), The Farnily in Ancient Rome, S. I27. 51 Liebs, Römisches Recht, S. I22; Kaser I, S. 606 m.w.N.; Weber, S. I60. 52 Hierzu und zu den Besonderheiten Garcfa Garrido, S. I2 ff. m.w.N.; Ulp. D. XV, I, I §§ I - 3: "Est autem triplex hoc edictum: aut enim de peculio aut de in rem verso aut 50
quod iussu hinc oritur actio. Verba autem edicti talia sunt: 'Quod cum eo, qui in alterius potestate esset, negotium gestum erit.' De eo loquitur, non de ea: sed tarnen et ob eam quae estfeminini sexus dabitur ex hoc edicto actio. ";Wacke, in: IURA XLII, S. 54. 53 54
Rawson, in: Rawson (Hrsg.), The Farnily in Ancient Rome, S. I7. Gaius D. XV, I, 27 pr.: "Et ancillarum nomine et filiarum familias in peculio actio
datur: maxime si qua sarcinatrix aut textrix erit aut aliquod artijicium vulgare exerceat, datur proprer eam actio." Zum peculium der Tochter insgesamt siehe Garcfa Garrido, S.
12 ff. und Gardner, S. 9 ff. ss Papinian, vat. 294: "... peculia non praelegata communia fratrum esse constabat." Diocletian C. 111, 36, 13: "Certum est liberorum peculia post mortem patris in hereditate dividenda ad communionem esse revocanda." [a. 293].
56
Kaser II, S. 202.
32
I. Die ledige Gewaltunterworfene
behandeln diese Materie, wobei eine große Anzahl von Vorschriften sich speziell mit dem peculium der Haustochter befaßt.
a) Zuwendungen an die westgotische Römertochter
Obwohl in der LRV keine spezielle Regelung bzgl. des Kindesunterhalts getroffen wird, ist anzunehmen, daß die Verpflichtung des Vaters, seine gewaltunterworfenen Kinder zu alimentieren, fortbesteht. Nach LRV CGreg VIII, 2~ 7 sind Schenkungen des Vaters an sein gewaltunterworfenes Kind rechtlich nicht wirksam. IT VIII, 6, 158 nennt nur das emanzipierte Kind als Empfänger einer rechtswirksamen Schenkung des Vaters. Allerdings konvaleszieren mit dem Tode des Vaters diese unwirksamen Schenkungen, PS V, 12, 3~9 • Bedenkt man das oben zu der Regelung in den Digesten Gesagte, so ist besonders auffallend, daß das peculium des Hauskindes in der doch sehr umfangreichen Kodifikation der Lex Romana Visigothorum weitestgehend fehlt. Die LRV behandelt das peculium im Gegensatz zum CIC nur unter einigen sehr speziellen, im Gesetz verstreuten Blickwinkeln; eine allgemeine Definition des schlichten peculium im klassischen Sinne fehlt ganz. Nur ein unscheinbarer Hinweis ergibt, daß in dieser Zeit der Haustochter noch ein solches Sondergut vom Vater gewährt wird. In LRV NT VII, 1 § 860 heißt es, eine donatio ante nuptias für eine gewaltunterworfene Tochter werde von ihr selbst erworben und daher nicht iure peculii auf ihren Vater vererbt; ein an den Vater nach dem Tode des Hauskindes zurückfallendes Sondergut scheint es somit noch zu geben. Auch wenn man hinzunimmt, daß filiusfamilias in vielen Fällen "Hauskind" und nicht bloß "Haussohn" bedeutet, finden sich im Zusammenhang "Si domum, cuius meministi, pater tuus, quum in potestate eius ageres, nomine tuo donandi animo comparavit, iure quidem non substitere donationem, scire debuisti; verum si in extremum fati diem pater eadem animi destinatione duravit, iudicium eius iuxta formam constitutam esse servandum, indubitati iuris est." 57
58 Interpretation zu Cf VIII, 13, 2 von 349: "Donatio in emancipatum filium a patre facta, si laesum pater se esse probaverit, revocatur." 59 "Pater si filiofamilias aliquid donaverit et in ea voluntate perseverans decesserit, morte patris donatio convalescit. "
60 Entspricht NT XIV, 1: "Quod autem satis prioribus continetur, nec a filia, quae in potestate est, do11ationem ante nuptias patri ... acquiri, ... ut, defunctis his adhuc in potestate patris, ... ad Liberos eorum eadem res iure hereditatis, non ad patrem iure peculii transmittatur ... "
2. Zuwendungen des Vaters
33
damit hauptsächlich Vorschriften, die das peculium castrense oder quasi castrense betreffen61 , d.h. nur Männern zustehende Sondergüter. Vorschriften, in denen ausdrücklich von Personen beiderlei Geschlechts die Rede ist, betreffen nur Sklavinnen und Koloninnen, wie überhaupt der größere Teil der Regelungen das peculium mit Unfreien in Verbindung bringt62• Die verbleibenden Regelungen betreffen Haftungsbegrenzungen auf das peculium des Hauskindes zugunsten des Vaters und enthalten keine konkrete Aussage zur hier interessierenden Frage. Aus den Quellen wird nur ersichtlich, daß es das peculium der Hauskinder noch gibt; eine grundsätzliche Regelung der Eigentums- und Verfügungsrechte fehlt jedoch. Kaser63 nimmt an, das peculium werde im Westen in der Spätantike selbstverständlich als Eigenvermögen des Hauskindes betrachtet. Dabei erklärt er offen lassen zu müssen, ob der Vaterkraft patria potestas in das Vermögen eingreifen kann. Daraus läßt sich schließen, daß Kaser mit "Eigenvermögen" tatsächliches Eigentum des Kindes meint, da der Vater sorist für ein Eingriffsrecht nicht auf seine personenrechtlichen Machtbefugnisse angewiesen wäre. Auch vermutet Kaser, daß das Hauskind über das Vermögen frei verfügen kann64 • Eine solche Eigentümerstellung des Hauskindes könnte das Ergebnis einer Entwicklung sein, in deren Verlauf die vermögensrechtliche Position des Hauskindes durch die Herausbildung von Sondergütern immer stärker wurde. Allerdings spricht einiges gegen diese Ansicht. Zum einen schweigen die Quellen dazu völlig; eine solche Änderung der Rechtsanschauungen hätte unweigerlich Arbeit für die Juristen gebracht, z. B. Entscheidungen in Erbschaftsstreitigkeiten nach dem Tode des Vaters über den Umfang der Erbmasse. Zum anderen kennt noch die oben erwähnte Novelle LRV NT VII, 1 § 8 von 439 den Heimfall von Gütern des verstorbenen Kindes iure peculii an den Vater; wäre das peculium selbstverständliches Eigentum des Hauskindes, so müßte es ebenso wie die dort besprochenen Hochzeitsgaben an die hinterbliebeneo Kinder des Hauskindes fallen. Außerdem ist zu beachten, daß es sich bei der Übertragung des Eigentums an den Pekuliargegenständen durch den Vater um eine Schenkung handeln würde; dies ist aber zwischen Gewalthaber und Hauskind nach altem Recht nicht möglich und eine Regelung im Sinne Kasers in keiner Weise auch nur angedeutet.
61
IT I, 11, 1; II, 10, 3; PS III, 4, 3.
62
ITIV, 8,1 ; IV, 8, 3; V,l1,1; INV Xll,l.
63
Kaser II, S. 103; 215.
64
Kaserll, S. 219. 3 Johlen
I. Die ledige Gewaltunterworfene
34
Zutreffend ist allerdings, daß das peculium im Vergleich zur klassischen Zeit stärker vom Vermögen des pateifamilias getrennt wird. Konnten Gläubiger früher mit der actio de peculio auch gegen das Privatvermögen des Gewalthabers vorgehen, so scheint er jetzt nur noch mit dem peculium selbst zu haften; zumindest kann man IP I, 4, 565 in diesem Sinne verstehen. Zudem wird zunächst der Gewalthaber mit seinen "Forderungen" gegen das peculium des Kindes befriedigt, die Gläubiger erhalten nur den Rest. Wirtschaftlich betrachtet stellt dies keine große Veränderung gegenüber den klassischen Regelungen dar. Auch in klassischer Zeit haftete der pateifamilias mit seinem Privatvermögen nur bis zum Wert des peculium, nachdem seine eigenen "Ansprüche" abgerechnet worden waren66 • Während Klagegegner der actio de peculio früher nur der Gewalthaber war, kann nun auch gegen das Hauskind selbst vorgegangen werden. Kreuter67 allerdings widerspricht Levys 68 Ansicht, aus der Formulierung "ex hoc inveniuntur obnoxii" könne auf eine Klagemöglichkeit gegen den Gewaltunterworfenen geschlossen werden, weil, wie sie betont, aus den Geschäften Gewaltunterworfener nur Naturalobligationen resultierten. Ein Vorgehen allein gegen den Pekuliumsträger ohne zusätzliche Haftung des Gewalthabers, wie Levy und ihm folgend Kase~9 annehmen, ist der genannten Paulusinterpretation in der Tat nicht zwingend zu entnehmen; der letzte Satz tantum damni pater vel dominus sustinebit, quantum in eorum peculio potuerit inveniri spricht eher dafür, daß der Vater immer noch Anspruchsgegner sein kann, die Ansprüche der Gläubiger aber bloß aus dem peculium befriedigen muß. Festzuhalten bleibt daher, daß die LRV das peculium des Hauskindes weiterhin als Eigentum des Vaters unter eigenständiger Verwaltung des Kindes betrachtet.
b) Zuwendungen an die burgundische Römertochter
Auch in der RB findet sich kein Hinweis auf Unterhaltspflichten innerhalb der Familie. Es kann davon ausgegangen werden, daß auch hier der Vater die
65 "Si .filiusfamilias aut servus sine iussu patris aut domini negotia gesserint aliena, et ex hoc inveniuntur obnoxii, tantum damni pater vel dominus sustinebit, quantum in eorum peculio potuerit inveniri." Dazu Levy, VR, S. 77 ff. 66
Kaserl, S. 607; Kreuter, S. 147 nach Ulpian D. XV, l, 9 § 2.
67
s. 146.
68
Levy, VR, S. 77 ff.
69
Levy, VR, S. 78; Kaser II, S. 103 mit Fußnote 29.
2. Zuwendungen des Vaters
35
Verpflichtung hat, die gewaltunterworfenen Kinder, die sich nicht eigenständig wirtschaftlich betätigen können, zu ernähren. Titel RB I "De patris vel matris donatione vel munificentia dominorum" behandelt in § 1 den Fall, daß ein Vater dem Sohn oder, was hier interessiert, der Tochter eine Schenkung macht70• Über den Status der Tochter, ob sie unter patria potestas steht oder sui iuris ist, macht der Text keine Angaben, ebensowenig seine Quelle CT VIII, 13, 2, welche Stelle dem RB-Text als Beleg für die Widerruflichkeit der Schenkung seitens des Vaters bei erwiesener Kränkung durch das Kind dient. Man könnte annehmen, daß es sich hier, wie auch von der westgotischen Interpretation für CT VIII, 13, 2 klargestellt wird, um eine emanzipierte Tochter handeln muß71 • Da die patria potestas in der RB fortbesteht, ohne daß der Gesetzestext ihre Rechtswirkungen in größerem Umfang ändert, wäre es folgerichtig, wenn Geschäfte zwischen dem Gewalthaber und dem Gewaltunterworfenen weiterhin rechtlich unverbindlich sind, da die Haustochter rechtlich kein eigenes Vermögen haben kann. Von dem Grundsatz, daß sämtliches den gewaltunterworfenen Kindern zugedachtes Vermögen den Vätern zufällt, wird nur in ausdrücklich so formulierten Ausnahmefällen abgewichen, siehe RB XXII §§ 1 und 2. Somit könnte es sich bei filium filiamve um emanzipierte Kinder handeln, ein Moment, das nach römischer Vorstellung von der patria potestas trotz gradueller Abschwächung immer noch so selbstverständlich gewesen sein könnte, daß es keiner besonderen Erwähnung bedurfte. Schenkungen des Vaters an die gewaltunterworfene Tochter wären hiernach rechtlich nicht möglich. Hierfür spricht auch die Gleichbehandlung mit einer Schenkung der Mutter in RB I § 2, denn stünde hier das Kind unter patria potestas, fiele ihre Schenkung nach römischem Recht in das Vermögen des Vaters und verstieße damit gegen das Schenkungsverbot unter Ehegatten72 • Andererseits ist zu bedenken, daß das peculium des Hauskindes in der RB ganz unbekannt ist. Das Wort peculium kommt zwar im Titel XIV "De ablatis pigneribus et fideiussoribus" vor; wie aber schon diese Überschrift erkennen läßt, geht es dort nicht um das peculium selbst. Dieses wird nur in § 6 flüchtig erwähnt im Zusammenhang mit Sklaven und Kolonen; diese dürfen ihr 70 "Donationem, quam pater de rebus propriis in filium filiamve conscripserit et gestis fuerit allegata, si eam pater probatis apud iudicem lesionum causis non revocaverit, aut ipsa donatio dodrantem, id est novem uncias, non excedit, secundum Legern Theudosiani libro octavo: De removendis donationibus, firmissimam permanere, ad Phillipum praefectum praeturio promulgatam."
So Barkow, S. 4. IT VIII, 13, 2: "Donatio in emancipato filio a patre facta, si laesum pater se esse probaverit, revocatur. Hic de iure requirendum de revocandis donationibus. " 71
72
Siehe zu den Einzelheiten unten S. 112 ff.
36
I. Die ledige Gewaltunterworfene
peculium nicht ohne Genehmigung des Herrn veräußern. Hier drängt sich die Gelegenheit, auch die Kinder zu erwähnen, geradezu auf, wird jedoch nicht wahrgenommen. Auch in keinem anderen Titel ist von einem Sondergut des Hauskindes die Rede. Daraus muß man schließen, daß der Verfasser der RB das peculium des Hauskindes nicht nur faktisch, wie die Kompilatoren der LRV, sondern auch rechtlich und begrifflich als Schenkung versteht. Damit wäre nicht nur die Frage nach dem Verbleib des peculium des Hauskindes in der RB, sondern auch die Frage nach dem personenrechtlichen Status des Kindes in RB I§ I beantwortet. Wenn in der RB peculium und Schenkung ineinander übergehen, so handelt es sich bei filium filiamve nicht notwendig um emanzipierte Kinder, sondern kann es sich eben auch um gewaltunterworfene handeln; dies erübrigt auch eine Entscheidung, die Vorschrift gilt für alle Kinder.
Dem steht nicht entgegen, daß es das Rechtsinstitut des peculium für die Sondergüter von Sklaven und Kolonen auch in der RB gibt. Die Kinder stehen dem Gewalthaber im Normalfall emotional näher als die Sklaven, so daß es dem natürlichen Verständnis der familiären Bindungen entspricht, zwischen den Zuwendungen an Abkömmlinge und sonstige Gewaltunterworfene zu unterscheiden. Zuwendungen des Vaters an seine Tochter nach RB I§ 1 werden somit ihr Eigentum. Die Konsequenz daraus ist dann, daß das Kind im Gegensatz zum Sklaven nicht die nur für diesen in RB XIV § 6 73 geforderte Einwilligung des Vaters in Verfügungsgeschäfte über Gegenstände des peculium benötigt, sondern nur noch den allgemeinen Geschäftsfähigkeitsbeschränkungen unterliegt, da das dem Kind zugewandte Vermögen ihm unbeschränkt anfällt.
3. Sondergüter von der Mutter In klassischer Zeit konnten Zuwendungen an eine Haustochter, gleich von wem, rechtlich nicht zustandekommen, da die Frau unter patria potestas nicht selbst vermögensfähig war. Alles, was sie erwarb, fiel in das vom paterfamilias gehaltene Familienvermögen. Da sich in der Spätantike auch für weibliche Gewaltunterworfene Sondervermögen herausbilden, die ihnen von Gesetzes wegen zustehen, wird ein individueller Erwerb möglich, der nun genauer untersucht werden soll. 73 "Nec servum veL coLonurn peculiurn suurn posse distrahere, insuper et ernentes furti actione tenendus, secundurn constitutionern Hennogeniani sub titutLo: De eornrn contractibus, qui alieno iuri subiecti sunt, veL Theudosiani Legern libro V. sub titulo: Nec coLonus inscio dornino suo aLienet peculiurn veL Litern inferat ei civilern, ad Nebridium vicariurn Asie." Die zitierte Hermogenian-Stelle ist nicht überliefert, die CT-Stelle findet sich nur in C. XI, 50, 2, von Salis, RB XIV § 6 Fn. 2.; siehe hierzu unten S. 170.
3. Sondergüter von der Mutter
37
a) Schenkungen
Auch Schenkungen der Mutter an die Tochter unter patria potestas waren mit Ausnahme der dos nichtig, Ulpian vat. 26974• Da die Tochter alles Vermögen für ihren Vater erwarb, hätte eine Zuwendung der Mutter, wie schon gesagt, gegen das Schenkungsverbot unter Ehegatten verstoßen75 ; die Mutter konnte der Tochter Dinge nur zum Gebrauch überlassen, das Eigentum auf sie zu übertragen war nicht möglich76 •
aa) An die westgotische Römertochter Schenkungen der Mutter an ein Kind behandelt die LRV in IT VIII, 6, 377 • Thema dieser Vorschrift sind allerdings riicht die Erfordernisse der Schenkung selbst, sondern die ihres gerichtlichen Widerrufs78• Daraus läßt sich zunächst schließen, daß Schenkungen der Mutter an die Tochter grundsätzlich möglich sind. Fraglich ist aber, ob es sich auch um eine gewaltunterworfene Tochter handeln kann oder ob sie sui iuris sein muß. Letzteres könnte man aus dem zweiten Satz der Interpretation schließen, der von der Wiederverheiratung der Mutter spricht, so daß man annehmen kann, daß der Vater tot und die Tochter somit gewaltfrei ist. Hierbei reflektiert die Interpretation allerdings den Inhalt des ursprünglichen Konstitutionstextes. Dieser wiederum ist eine Änderung zu dem nicht in die LRV übernommenen Gesetz CT VIII, 13, 1. Dort waren die Zulässigkeilsvoraussetzungen für die Widerrufsklage festgesetzt worden. Einige davon betrafen die Arten von Frauen, denen diese Klagemöglichkeit gewährt werden sollte; wiederverheiratete Frauen gehörten zu denen, die nicht "Ulpianus: constat, quod utendumfiliae datum est, non esse donatum; sed et si donatum esset, aeque donatio non valeret in filiam conlata, quae in patris erat potestate. Plane si in dotem mater filiae dedisset, valet quod factum est; potest enim donare filiae, cum, quamvis res mariti fiant, quandoque filia vel sola, si iuris sui fuerit, vel voluntate filiae pater habeat rei uxoriae actionem." 74
75
Wacke, in: JURA XLII, S. 44.
Nach Ulpian D. XL, 9, 12 §§ 4 und 7 konnte die Mutter der Tochter z. B. Sklaven zu Gebrauch überlassen.
76
77
Interpretation zu CT VIII, 13, 4 von 358.
"Si quis filius donatione matris aliquid fuerit consecutus et eam postmodum laeserit, probatis in iudicio laesionis causis, donationem mater, si voluerit, in integrum revocabit. Quod si mater haec, quae jilio donavit, ad secundas nuptias transierit, contra donationem per quamcunque occasionem veniendi nullam habeat potestatem, servatis de reliquo legibus, quae sub titulo De secundis nuptiis continentur. " 78
38
I. Die ledige Gewaltunterworfene
gegen ihre Kinder aus früherer Ehe auf Rückgabe der Geschenke klagen konnten. Offenbar meinte der Gesetzgeber im Falle von CT VIII, 13, 4 (hier: LRV CT VIII, 6, 3), erneut klarstellen zu müssen, daß die zweite Eheschließung ein echtes Klagehindernis darstellt, daran aber, im Gegensatz zur Wirkung einer erlaubten Klage79 , nichts geändert werden solle. Für die übrigen Inhalte wird auf die frühere Regelung durch Konstantin verwiesen. Die interpretatio greift nun den von LRV CT VIII, 6, 3 behandelten Regelungsinhalt kommentarlos auf; nichts deutet darauf hin, daß gegenüber der ursprünglichen Rechtslage eine Veränderung beabsichtigt ist. Allerdings ist der Verweis geändert worden: Da CT VIII, 13, 1 nicht in die LRV übernommen wurde, verweist der Interpret für zusätzliche Informationen nicht auf dieses Gesetz zurück, sondern auf die weiteren Vorschriften über die erneute Verheiratung einer Frau im Titel "De secundis nuptiis ". Offensichtlich hielt er mit dieser ausgesprochen knappen Vorgehensweise den Schenkungswiderruf für ausreichend klar behandelt. Aus alledem ergibt sich noch nicht, welche personenrechtliche Stellung die Tochter hat, da der Ausschluß des Schenkungswiderrufs bei Wiederverheiratung der Mutter als prozeßrechtliche Norm die materiellen Voraussetzungen der Schenkung nicht regelt. Die Möglichkeit, den Widerruf im Klageweg durchzusetzen, spricht nicht zwingend für ein Kind sui iuris, da schwere Verfehlungen von Hauskindern - und eine solche wird bei Widerruf in Rede stehen - gemäß IT IX, 10, 180 vor Gericht zu bringen sind. Zudem kann es sich bei der erneut heiratenden Mutter auch um eine geschiedene Frau handeln, deren früherer Mann noch lebt. IT VIII, 9, 381 zum Erwerb von Schenkungen durch gewaltunterworfene Kinder nennt zwar die entfernteren mütterlichen Verwandten, nicht jedoch die nächste davon, die Mutter selbst, ebensowenig der Verweis auf diesen Titel in IT VIII, 10, 1. Das kann allerdings daran liegen, daß die erstgenannte Vorschrift in erster Linie das Schicksal des mütterlichen Erbes regelt, der Tod der Mutter somit Ausgangspunkt der Regelung ist. Der Verweis auf eine entsprechende Geltung für großelterliche Güter ist somit nur ein Anhängsel.
79
Herauszugeben ist nicht mehr nur die halbe, sondern die ganze Schenkung.
Interpretation zu CT IX, 13, 1: "Quod si gravior culpa fuerit adolescentis, quae privatim emendari non possit, in notitiam iudicis deferatur." Adolescens kann nicht nur Jüngling, sondern auch Jungfrau bedeuten, Georges, Sp. 150, "adulescens" II) b). 80
Interpretation zu CT VIII, 18, 6 von 379: "... similiter et quaecunque avi vel proavi matemi nepotibus neptibus, ... donaverint ... in alias personas transferre patri quolibet ordine non licebit."
81
3. Sondergüter von der Mutter
39
Rückschlüsse lassen sich vielleicht aus denjenigen Normen ziehen, die eine Unwirksamkeit von Schenkungen an ein gewaltunterworfenes Kind bestimmen. So beruht die Unwirksamkeit einer Schenkung des Gewalthabers an seinen Abkömmling darauf, daß es sich rechtlich gesehen nicht um zwei verschiedene Parteien handelt. Für die Mutter gilt das aber nicht, da sie nicht in der Gewalt des Mannes oder dessen paterfamilias steht82, also dem Kind gegenüber eine zweite Person verkörpert. Daß sie in der Reihe der von IT VIII, 9, 3 genannten Personen, deren Gaben das Kind zu Eigentum erhalten kann, nicht vorkommt, kann z. B. daran liegen, daß die Möglichkeit, von der Mutter etwas wirksam geschenkt zu bekommen, so selbstverständlich ist, daß sie keiner Erwähnung bedarf. Für die Wirksamkeit solcher Schenkungen könnte sprechen, daß die Vorschriften über Schenkungen von väterlicher Seite immer ausdrücklich emanzipierte Kinder nennen, IT VIII, 6, 1 + 4, während IT VIII, 6, 3 schlicht vom ''filius" der Mutter spricht. Jedoch wird eine Schenkung der Mutter an das Kind nach den in der LRV fortgeltenden allgemeinen Grundsätzen dem Vater erworben; es würde sich also um eine Schenkung unter Ehegatten handeln, die auch über eine Zwischenperson verboten ist, PS II, 23, 3.83 Dieses Verbot gilt nicht für die oben genannten entfernteren Aszendenten. Es kann folglich davon ausgegangen werden, daß die Haustochter von der Mutter zugewandtes Guttrotz der in der LRV beibehaltenen Ausbildung von Sondergütern für Gewaltunterworfene weiterhin nicht zu Eigentum erhält.
bb) An die burgundische Römertochter In § 2 des Titels RB I wird für Schenkungen der Mutter an die Tochter auf das in§ 1 zu den Schenkungen des Vaters Gesagte verwiesen84• Auch hier suggeriert der nachfolgende Satz, der von der Wiederverheiratung der Mutter spricht, daß es sich um eine vaterlose Tochter handeln müsse. Aber auch hier soll wie im Vorbild CT VIII, 13, 4 85 , nur das Widerrufsrecht der Mutter für diesen Fall ausgeschlossen werden; die Regelung gehört normengeschichtlich in diesen Zusammenhang86 , Schlüsse auf den personenrechtlichen Status der 82
Siehe hierzu unten S. 96 ff.
83
Siehe ferner Ulpian D. XXIV, I, 3 § 9; Alexander Severus C. V, 16,4 f.
"De maternis etiam donationibus hoc totum, quod supra, simili conditione servabitur. Sane si mater, quae donationem in filium filiamve fecit, ad secundas nuptias transierit, donationem quam fecit nullam habebit licentiam removendi, secundum Iegern Theudosiani libro octavo ad Orfitum praefectum Urbis. "
84
85
Roels, S. 33 I 34.
40
I. Die ledige Gewaltunterworfene
Tochter erlaubt sie nicht. Auch in der RB sind Gaben aus der mütterlichen Linie von der väterlichen Oberherrschaft befreit. Titel XXII § 1 spricht jedoch nur von den entfernteren mütterlichen Aszendenten87; aus der Übergehung der Mutter kann geschlossen werden, daß deren Güter der Haustochter auch hier nicht wirksam übereignet werden können. Das Schenkungsverbot unter Ehegatten wird in der RB zwar nirgendwo erwähnt; doch bedeutet das Stillschweigen dieser Quelle, daß die alte Rechtslage nicht geändert werden sollte. Auch wenn die Schenkung des Vaters in Titel I § 1 zugleich Bestellung eines peculium bedeutet88, zwingt dies nicht zu dem Schluß, daß die Tochter in § 2 gleichfalls noch gewaltunterworfen sein kann; das Schenkungsverbot unter Ehegatten stellt im Falle der väterlichen Schenkung kein Hindernis dar. Das römische Recht differenzierte über Jahrhunderte hinweg selbstverständlich zwischen wirksamen Bestellungen von Sondergütern durch den Vater und gleichartigen unwirksamen durch die Mutter, die zwar ihren Sklaven ein peculium bestellen, einem Kind aber nur den Gebrauch von Sachen überlassen konnte. Eigentumsübertragungen der Mutter an die gewaltunterworfene Tochter sind also wohl ebenso wie bei den westgotischen Römern und im klassischen Recht rechtlich nicht möglich. Eine Gebrauchsüberlassung von Gütern wird dagegen weiterhin möglich sein.
b) bona materna Die klassische Zeit kannte aus verschiedenen Gründen keinen Erwerb des mütterlichen Nachlasses durch die gewaltunterworfene Tochter. Zum einen konnte die Haustochter, weil sie nicht vermögensfähig war, das, was ihr die (gewaltfreie) Mutter durch Testament hinterließ, nur iussu patris für den Vater erwerben89. Zum anderen beerbten Mutter und Kind einander nach der ursprünglichen Intestaterbfolge, wenn die Mutter eine uxor in manu gewesen war, so daß Erblasserio und Erbe rechtlich als agnatische Geschwister galten90 • Aber auch diese Erbfolge fand nur nach dem Tode des paterfamilias, also unter Das Vorbild CT VIII, 13, 4 von 358 bespricht die Thematik auch in diesem Zusammenhang, siehe oben S. 37 f.
86
"Donationes ab avo vel avia, proavo vel proavia matemis, ita ad eos, quibus conlate sunt, pertenere, ut patri nullatenus adquirantur; ... "
87
88 Siehe oben S. 34 ff. Fayer, S. 265. Gaius III, 24; siehe Kaser I, S. 701 f.; die Rechtsbeziehungen zwischen Mutter und Kind behandelt Dixon, The Roman Mother, S. 44 ff.
89
90
3. Sondergüter von der Mutter
41
Personen sui iuris, statt. Auch für den Fall, daß die Mutter noch unter patria potestas geblieben war und der Vater von der dem Schwiegervater zurückzuerstattenden dos ein Fünftel für jedes Kind zurückbehalten hatte91 , kam ein eigener Erwerb des Kindes nicht in Betracht. Da die manus-Ehe immer seltener wurde und deshalb die Geschwistererbfolge zwischen Mutter und Kindern nicht mehr allzu häufig vorkam, wurde das zivile Erbrecht zwischen Mutter und Kind durch die scnatusconsulta Tertullianum92 (unter Hadrian) und Orfitianum (178 n. Chr.) eingeführt. Letzteres verschaffte allen Kindern das Erbrecht nach ihrer Mutter an erster Stelle in der Klasse unde liberi, als ob sie sui der Mutter wären93 • Doch konnte dies wieder wegen der Vermögensunfähigkeit der Hauskinder nur für gewaltfreie Kinder gegolten haben. Einen erbrechtliehen Vermögenserwerb der Haustochter nach ihrer Mutter gab es in klassischer Zeit somit noch nicht94• Erst Konstantin, CT VIII, 18, 1 von 31595 , gewährt den Kindern die bona matema als Erbgut96 • Hierbei ist umstritten, in welchem Verhältnis die Rechte von Vater und Kindern zueinander standen97 • Zum einen wird vertreten, Konstantin habe hier eine unrömische, vulgr.re Zweiteilung des Eigentums in Nominalund Nutzeigentum vorgenommen98 ; danach hätte der Vater einen Nießbrauch an ihm selbst gehörenden Sachen gehabt99, die zugunsten der Kinder - die Treggiari, Roman Marriage, S. 350m. Fn. 153. Danach beerbte die Mutter mit ius liberorum die Kinder in der Klasse unde legitimi, also bei den Agnaten. Gaius III, 25 ist in diesem Zusammenhang etwas verwirrend, weil er im Anschluß an die Erläuterung des fehlenden Erbrechts zwischen Mutter und Kind sagt, diese Ungerechtigkeiten seien durch ein prätorisches Edikt beseitigt worden: "Sed hae iuris iniquitates edicto praetoris emendatae sunt." Aus dem folgenden Abschnitt ergibt sich jedoch, daß er an dieser Stelle lediglich die weiter vorne erläuterte Benachteiligung der emanzipierten Kinder meint. Das SC Orfitianum erwähnt er nicht, es wurde erst nach Fertigstellung der Institutionen erlassen. 93 Crook, Succession, in: Rawson (Hrsg.), The Farni1y in Ancient Rome, S. 68; Fayer, S. 284; Gardner, S. 198 ff.; Salier, S. 166. 91
92
Fögen, in: Sirnon (Hrsg.), Eherecht und Familiengut, S. 17. Die Datierung auf 315 bereitet Schwierigkeiten, vgl. Mommsen, Codex Theodosianus, Anm. zu Zeile 617 von CT VIII, 18, 1 (319); Vettius Rufinus war Stadtpräfekt vom 20. August 315 bis 3. August 316, was für 315 spricht, Seeck, S. 81 (17. Juni 315).
94
9~
96
Zur Herkunft dieses Instituts siehe Wesener, in: Benöhr u.a. (Hrsg.), Iuris professio,
s. 332 ff.
Eine Übersicht über die verschiedenen Ansichten bietet Memmer, S. 320 ff. Kaser li, S. 216 ff.; für die Zweiteilung des Eigentums auch Wesener, in: Benöhr u.a. (Hrsg.), Iuris professio, S. 336 ff.; Humbert, S. 397 ff., insb. S. 401 , spricht von einer "conception vulgaire de i'".
97 98
I. Die ledige Gewaltunterworfene
42
ebenfalls Eigentümer sein sollten - mit einem Verfremdungsverbot belastet worden waren. Zum anderen wird angenommen, der Vater habe ein durch ein Veräußerungsverbot verkürztes Eigentum gehabt100, die Kinder erhielten das Eigentum nur im Falle der Wiederverheiratung oder des Todes des Vaters. Dies hat für die Zeit Konstantins zuletzt Memmer101 vertreten. Des weiteren wird vertreten, die Kinder hätten das regelrechte Eigentum, der Vater einen Nießbrauch an den bona materna als einer fremden Sache gehabe 02 , welcher Ansicht sich jüngst Bauer-Gerland 103 angeschlossen hat. Die von Kaser selbst als "unrömisch" bezeichnete Zweiteilung des Eigentums ist wohl der am wenigsten befriedigende Ansatz. Warum hätte Konstantin eine neue, dem römischen Rechtsdenken fremde Konstruktion einführen sollen, wenn mit der Teilung in Nießbrauch und Eigentum oder der Belastung des betreffenden Gutes mit einem Veräußerungsverbot bekannte Rechtsformen zur Verfügung standen, die denselben begünstigenden Effekt für die Kinder hatten? Welche dieser beiden Konstruktionen nun von Konstantin beabsichtigt war, muß letztlich offen bleiben; für jede gibt es gute Argumente. Für die Aufteilung in Nießbrauch und Eigentum spricht, daß Konstantins Nachfolger diesen Weg gewählt haben und sich dabei anscheinend auf ihren Vorgänger berufen - wie sich im folgenden Abschnitt zeigen wird, haben auch die Interpreten der LRV diese Lösung gewählt. Für ein um das Veräußerungsrecht verkürztes Eigentum des Vaters wiederum läßt sich anführen, daß etwas Ähnliches den Römern schon seit Augustus' Zeit bei den Dotalgrundstücken bekannt war. Dieser von Memmer herausgearbeitete Vergleich spricht letztendlich am gewichtigsten für die These des väterlichen Eigentums zur Zeit Konstantins; dann wäre die Neuerung auch nicht ganz so revolutionär gewesen. An dieser Stelle soll auf Eigentum, dominium, und Nießbrauch, usufructus 104 , die in der Arbeit immer wieder von Bedeutung sein werden, kurz eingegangen werden. Eigentum, also dominium oder proprietas, war auch im klassischen römischen Recht die umfassende Sachherrschaft105• Die Vollgewalt des Eigentümers über eine Sache drückte sich im wesentlichen darin aus, daß er der einzige 99
SoLevy, VL, S. 34 ff.
100
Voß, S. 220.
101
S. 322 ff.; ausdrücklich so formuliert noch einmal aufS. 339.
So schon Mitteis, Reichsrecht, S. 238, und die überwiegende italienische Romanistik, z. B. Fayer, S. 266, wozu im Übrigen auf die Zusammenstellung bei Memmer, S. 321, verwiesen werden soll; Evans Grubbs, S. 115. 102
103
s. 132 ff.
104
Siehe zu beidem Kapitel V bei Crook, Law and Life, S. 139 ff.
105
Hierzu und zum Folgenden Kaser I, S. 374; 400 ff.
3. Sondergüter von der Mutter
43
war, der Rechte an dieser Sache weitergeben konnte (das römische Recht kannte keinen gutgläubigen Erwerb, nur Ersitzung), und gegenüber jedermann durch die rei vindicatio geschützt war. Der Nießbrauch, usufructus 106 , umfaßte schon dem Namen nach sowohl das höchstpersönliche Recht zum Gebrauch als auch das Recht zur Fruchtziehung. Er konnte an einem kompletten Vermögen- z. B. an einer Erbmasse- bestehen oder an einzelnen Sachen oder Rechten. Dabei konnte schwierig sein zu bestimmen, was alles unter die erlaubte Fruchtziehung fiel. Jedenfalls durfte nichts getan werden, was die Substanz der Sache angriff, z. B. Veräußerung oder Zerstörung. Ansonsten umfaßte fructus alle Sachen, die durch Bewirtschaftung aus anderen Sachen gewonnen wurden, einschließlich der Arbeitsleistungen von Sklaven 107•
aa) Die westgotische Römertochter In den Interpretationen der Lex Romana Visigothorum zeigt sich deutlich, wie die Kompilatoren der LRV die Rechte von Vätern und Kindern an den bona materna aufgefaßt haben. Die von Konstantin begonnene Berücksichtigung der Rechte der Kinder am mütterlichen Vermögen wird nun auf einen Nießbrauch des Vaters am Eigentum der Kinder festgeschrieben. Im Vergleich zu der oben favorisierten Konstruktion eines um das Veräußerungsrecht verkürzten Eigentums des Vaters bedeutet dies einen Theorienwechsel, der den Interpretenjedoch keine Mühe bereitet hat108 • Die Interpretationen IT VIII, 9, 1 - 6109 bestimmen, daß der mütterliche Nachlaß zwar in den Machtbereich des Vaters fällt, dieser jedoch auf den Nießbrauch, usufructus, beschränkt ist, während das Eigentum den Kindern zufällt. Es handelt sich um die materna bona filiorum . Die ursprüngliche Dauer des Nießbrauchs bis zum Ende der patria potestas wird von IT VIII, 9, 2 110 Hierzu Kaser I, S. 447 ff. Siehe zu dieser Definition die Auflistung von Kaser I, S. 384. 108 Während Kaser Il, S. 214 f., die Ansicht vertritt, erst Justinian habe das Nutzeigentum des Vaters in einen regelrechten Nießbrauch umgewandelt, zeigen Voci, Tardo Impero I, in: Studi Il, S. 141 ff., und Tardo Impero Il, in: Studi Il, S.217 ff. ; Voß, S. 221 und später Menuner, S. 331, daß sich diese Umwandlung schon früher vollzogen haben muß, wobei der genaue Zeitpunkt strittig ist: Nach Voß vor 379 und nach Memmer 422 -426. 109 Zu CT VIII, 18, 1, 2, 6, 7, 9, 10 aus den Jahren 315 (Pharr, S. 219 Fn. 17) bis 426; hierzu Voci, Tardo Impero Il, in: Studi Il, S. 217 ff. 106 107
44
I. Die ledige Gewaltunterworfene
durch die oben 111 erwähnte Regelung der Novelle LRV NV XII, 1 § 10 ersetzt. Dort heißt es, daß die Haustochter ab ihrem vollendeten 20. Lebensjahr die Hälfte ihres mütterlichen Erbteils vom Vater herausverlangen kann. Interessant daran ist aber, daß der Vaterkraft s~iner väterlichen Gewalt das Recht hat, die Herausgabe zu verweigern. Hätte er ein das Eigentum des Kindes überlagerndes Nutzeigentum, so würde sich sein Verweigerungsrecht nicht auf seine personenrechtliche Macht als pateifamilias stützen mü~sen. Konsequenz dieser Verweigerung ist ein späterer Anspruch der Tochter gegen die Erben des Vaters auf Erstattung der seit ihrem zwanzigsten Geburtstag gezogenen Früchte der nicht herausgegebenen Hälfte 112• Fraglich ist, welche Rolle die ehelichen Schenkungen im Vermögen der Mutter spielen. LRV NT VII, 1 legt besonderen Wert auf die Sonderstellung von dosund donatio im Vermögen der Eltern. Diese werden selbst dann von den Kindern erworben, wenn die Eltern noch in der Gewalt des jeweiligen Großvaters stehen, die Enkel also durch den Tod des Vaters nicht sui iuris geworden sind 113 • Außerdem wird klargestellt, daß die donatio ante nuptias als ursprünglich vom Vater herrührendes und diedosals ursprünglich von der Mutter stammendes Gut zu behandeln sind, so daß der Vater die ihm seinerzeit zugewandte dosnach dem Tode der Frau als Kindesgut zu bewahren hat, LRV NT VII, 1 §§ 2, 3. Dabei ist nach§ 3 bedeutungslos, ob ein Dritter diedoszur Verfügung gestellt hat. Das klassische Recht unterschied noch zwischen der dos profecticia, 110 "Matema bona filiorum defuncta uxore pater ita possideat, ut usumfructum de his habeat: sed quantum aut quam diu habeat, Lex Novella constituit: distrahendi tarnen aut donandi ex his nullam pater habeat potestatem." Ebenso IT VIII, 9, 5: "Uxor si supersrite marito defecerit, et omnes fiLios in patris potestate dimiserit, pater de matemis filiorum bonis ttsumfructum habeat usque ad illud tempus, quod Lex Novella constituit. " 111 112
Siehe oben zur patria potestas, S. 24 ff. INV XII, 1 § 10: "Mulier vero, quaefilios dereliquit, ... hoc est pater eorum, facuLta-
tes ab uxore dimissas pro usufructu in sua habeat potestate: ita ut quum unusquisque fiLiorum ad vicesimum aetatis suae annum pervenerit, medietatem portionis suae sine diLatione recipiat, et medietatem sibi pater in diem vitae suae ad usumfructum retineat. Quod si alicui transacto vicesimo anno medietatem portionis suae dare noLuerit, fructus eius medietatis, quam daturus erat, post mortem patris filius de paterna hereditate a successoribus eius habita aestimatione recipiat, quos patri exigere pro sua potestate non valuit." Zur Novelle Voci, Tardo Impero II, in: Studi II, S. 219.
m LRV NT VII, 1 (=NT XIV von 439) § 8:"Quod autem scitis prioribus continetur, nec afilia, quaein potestate est, donationem ante nuptias patri, nec afiLio dotem acquiri, eo addito confirmamus, ut, defunctis his adhuc in potestate patris, si liberis exstantibus moriantur, ad Liberos eorum eadem res iure hereditatis, non ad patrem iure pecuLii transmittatur, nec per nepotes avo videLicet acquirendae... "; hier wird noch einmal die Regelung von LRV CT VIII, 10, 1 (= CT VIII, 19, 1) mit IT bekräftigt.
3. Sondergüter von der Mutter
45
die vom Gewalthaber der Frau, und der dos adventicia, die von einem beliebigen anderen stammte 114• Während die dos profecticia an den paterfamilias der Frau zurückfiel, behielt der Ehemann die dos adventicia dann, wenn ihre Rückgabe nicht ausdrücklich vereinbart worden war; zugunsten der Kinder wird diese Unterscheidung nun aufgehoben, es gibt nur noch eine einheitliche dos. Die donatio ante nuptias in dotem redacta hingegen wird offensichtlich auch zu Lasten der Kinder als donatio behandelt, vgl. LRV NT VII, 1 § 3 a.E. Zunächst zur dos. Aus den vorgenannten Vorschriften ist noch nicht ersichtlich, ob sie im technischen Sinne zu den bona materna gezählt wird. Eine klarere Aussage findet sich in LRV CT III, 13, 3. Der Konstitutionstext von 422 (West) spricht zunächst nur davon, daß den Kindern das Eigentum an den Dotalsachen zusteht und diese vom Vater nicht verfremdet werden dürfen. Die Interpretation wird deutlicher: Zu Lebzeiten des Vaters dürfen die Kinder die dos nicht, als ob sie Muttergut wäre, vindizieren11' : sie tarnen, ut, si erunt .filii, non sibi hoc, dum advixerit pater eorum, quasi ex bonis maternis vindicent... Fögen116 schließt aus diesem Satz: "Das vorjustinianische Recht betrachtete also, ohne viel Worte zu machen, die Mitgift als (nicht notwendigerweise einzigen) Bestandteil des Muttervermögens." Zu einem solchen Schluß kommt hier auch Bauer-Gerland117• Dies erscheintjedoch fraglich. Der Interpret hat hier die nach dem Erlaß der Konstitution Konstantins entwickelte Rechtslage im Blick, nach der den Kindern nicht nur das nominelle Eigentum am Muttergut zusteht, sondern auch ein gegen den Vater gerichteter Herausgabeanspruch auf die Hälfte ihres Anteils ab vollendetem zwanzigsten Lebensjahr; gewaltfreie Kinder können ihn auch durchsetzen, da sich das Recht des Vaters auf seine Macht als paterfamilias stützt, die durch Emanzipation beendet wird. In Bezug auf die dos wird ihnen dieser Herausgabeanspruch verwehrt, sie können sie nicht gleichsam als bona materna vindizieren. Für die dos ergibt sich somit: Sie zählt hier nicht zu den bona materna, so daß der Tochter trotz ihrer nominellen Eigentümerstellung zu Lebzeiten des Vaters kein Anspruch auf Anteile daran zusteht.
114 Hierzu und zum Folgenden Bechmann, S. 422 ff. 11 ~ "Si rnortuafuerit rnulier, non poterunt eius heredes lwc sibirnet vindicare, sed marito etiam cum fructibus hoc iubetur debere restitui: sie tarnen, ut, si erunt filii, non sibi hoc, durn advixerit pater eorurn, quasi ex bonis rnatemis vindicent, nec pater aliquid aliud nisi usurnfructum exinde lulbere debebit, nec transferendi in aliam personarn lulbebit liberarn potestatern, sed ornnia post eius obiturn ad cornmunes filios revertantur." 116
In: Sirnon (Hrsg.), Eherecht und Familiengut, S. 18.
117
Bauer-Gerland, S. 126 ff., insb. S. 131.
46
I. Die ledige Gewaltunterworfene
Für die donatio gilt Folgendes: Nach der nicht in die LRV übernommenen Konstitution CT III, 5, 9 von 368 war die sponsalitia largitas beim Tod der Frau dem Mann zurückzugeben, ungeachtet etwaiger Ansprüche ihrer Erben. Fraglich ist, wie sich die Rechtslage beim Vorhandensein von Kindern aus dieser Ehe darstellt. Die oben erwähnte Novelle LRV NT VII, 1 § 8 regelt nicht das Verhältnis des Vaters zu den Kindern in Bezug auf die donatio, sondern die Rechtslage beim Tod eines gewaltunterworfenen Elternteiles und das Verhältnis der Enkel zu dessen bisherigem Gewalthaber: War die verstorbene Mutter eine Haustochter, so sollte sie die donatio nicht für ihren Vater erwerben. Diese Ausnahme von der patria potestas soll nach dem Tode der Frau insofern fortwirken, als ihr Vater die donatio nicht mit ihrem sonstigen Gut herausfordern kann, sondern das Eigentum den Kindern zufallen soll. Daraus könnte man mit Kaser 118 schließen, daß der Witwer an seinem eigenen Hochzeitsgeschenk nur den Nießbrauch habe. Dies geht aus dem Novellentext jedoch nicht zwingend hervor. Es wird nichts darüber ausgesagt, ob die Ehe beim Tode des Hauskindes noch besteht, Rechte des Partners werden nicht einmal angedeutet. Da jedoch in der Novelle vorher ausdrücklich die Zuordnung der Eheschenkungen zu den väterlichen bzw. mütterlichen Seiten erörtert worden war, drängt sich die Notwendigkeit einer solchen Erwähnung geradezu auf. Etwas anderes gilt nur, wenn entweder in dem § 8 zugrundeliegenden Sachverhalt der entsprechende Partner vorverstorben war oder der Gesetzgeber den weiteren Erbgang vor Augen hatte, der die Kinder irgendwann zu Erben der Eheschenkungen machen würde. Der Interpret greift diese Thematik nicht auf, sondern erklärt nur, der Rest der Novelle sei bereits in anderen Gesetzen enthalten. Offenbar erscheint ihm die Regelung überflüssig, da sie durch IT VIII, 10, 1119, die den eigenen Erwerb von Hochzeitsgeschenken durch Gewaltunterworfene bestimmt, hinreichend geklärt ist. Nach INV XII, 1 soll der überlebende Ehegatte an dos und donatio dann das volle, uneingeschränkte Eigentum haben, wenn weder Eltern noch Kinder vorhanden sind 120• Memmer121 hält diese im Novellentext nicht behandelte Fallvariante für einen Fehler des Kommentators, da der Rückfall der Schenkung an den Ehemann von dem Vorhandensein von Kindern oder Eltern der verstorbenen Ehefrau unabhängig ist. Diese Begründung ist richtig, doch ein Fehler des Interpreten liegt insofern nicht vor, als in der genannten Variante in einem Satz Kaser II, S. 196. Interpretation zu CT VIII, 19, 1 von 426. 120 Interpretation zu NY XXXV, 1 von 452: "Quod si nec parentes superstites fuerint, 118 119
nec filii, persona coniugis, quae altero supervixit, et dotem et donationem sibi iure perpetuo vindicabit, ita ut faciendi de his quicquid voluerit, habeat liberam potestatem." 121
s. 218.
3. Sondergüter von der Mutter
47
beide Möglichkeiten behandelt werden, sowohl der Tod der Ehefrau, als auch der des Mannes. Die Interpretation gestattet dem allein überlebenden Partner, auch die Schenkung des jeweils anderen zu vollem Eigentum zu erwerben. Die LRV hat nur Regelungen rezipiert, die einen Nießbrauch eines Ehegatten an den Schenkungen des jeweils anderen vorverstorbenen Ehegatten mit Verfremdungsverbot zugunsten des Eigentums der Kinder normieren. Sie kennt aber eine solche Rechtslage nicht für das eigene Gut, das in der Novelle ausdrücklich als väterliches bzw. mütterliches Gut gekennzeichnet wird. Hinzu kommt, daß die donatio sich in ihrer rechtlichen Ausgestaltung stark an der schon früher ausgeformten dos orientiert122 • Diese fälltjedoch in der LRV nach dem Tod des Mannes an seine Witwe zurück123 • Alles spricht dafür, anzunehmen, daß die donatio nach dem Tod der Frau uneingeschränkt an den Ehemann zurückfällt. Somit ergibt sich folgendes Bild für das Erbgut der gewaltunterworfenen Tochter nach dem Tod der Mutter: - sie wird Eigentümerin ihres Anteils an den bona matema, belastet mit einem befristeten Nießbrauchsrecht des Vaters; - sie wird ebenfalls Eigentümerin ihres Anteils an der dos ihrer Mutter, muß dem Vater aber lebenslänglich den Nießbrauch überlassen; - die der Mutter übereignete donatio nuptialis fällt unbelastet an den Vater zurück. Der Inhalt des Nießbrauchs ist in der LRV durch größtenteils uninterpretiert übernommene pseudopaulinische Sentenzen unter dem Titel III, 9, "De usufructu" geregelt. Aus der ersten Sentenz ergibt sich, daß ein Nießbrauch an jedweder Sache bestehen kann 124; Gegenstand des Nießbrauchs können auch Sklaven sein, die vom Nießbraucher so zu behandeln sind, daß sich ihr Zustand nicht verschlechtert, er darf sie nicht auspeitschen oder foltern lassen 125 ; dem Nießbraucher kommen nur die Erträge ihrer Arbeit zu, nicht das, was ihnen von Dritten zugewandt oder mit Sachen des Eigentümers erworben wird 126• Auch die Kinder einer Nießbrauchssklavin fallen in das Eigentum des dominus, nicht des Nießbrauchers 127 • Anders ist es bei Herdentieren, deren Junge in das 122 123
124
Kaser II, S. 193 ff. Siehe z. 8. LRV CT III, 13, 3 von 422; ausführlich unten im Kapitel über die Witwe. "Ususfructus uniuscuiusque rei legari potest ... "
s PS 111, 9, 7: "Servos nec torquere, neque flagellis caedere, neque in eum casum facto suo perducere usufructuarius potest, quo deterioris fiant. " 12
PS V, 8, 3: "Fructuarius servus si quid ex refructuarii aut ex operis suis acquirit, ad fructuarium pertinet: quidquid autem aliunde vel ex re proprietarii acquirit, domino proprietatis acquirit. " 126
127
PS III, 9, 3: "Ancillae usufructu legato, partus eius adfructuarium non pertinent."
48
I. Die ledige Gewaltunterworfene
Eigentum des Nießbrauchers fallen, soweit sie nicht Ersatz sind für Vieh aus dem ursprünglichen Bestand der Herde, für den der Nießbraucher haftet128 • Demjenigen, dem die Früchte zufallen, soll nach IP III, 9, 9 auch der Gebrauch der entsprechenden Gegenstände zustehen, da es Fruchtziehung ohne usus nicht geben kann; möglich ist dagegen der umgekehrte Fall des bloßen usus ohne Fruchtziehungsrecht Daß der Nießbrauch weiterhin höchstpersönlich ist, ergibt sich aus PS III, 9, 12; 13; 17. Er geht unter bei Tod oder capitis deminutio, also Statusverlust, d.h. bürgerlichem Tod des Berechtigten. In diesen Fällen kehrt er zum Eigentümer zurück.
bb) Die burgundische Römertochter Aus dem Erbrecht, das bei den burgundischen Römern herrscht, soll hier nur der Grundsatz von RB X § 1 Satz 1 erwähnt werden: Alle Kinder beerben die Eltern gleichberechtigt, unabhängig vom familienrechtlichen Status oder dem Geschlecht des Erben 129 • Das rechtliche Schicksal des mütterlichen Erbes regelt RB XXVI § 1 unter Berufung auf NV XXXV, 1 von 452 130, welche oben 131 bereits als LRV NV XII, 1 untersucht worden ist. Die Novelle erfaßt mit dem Begriff der bona materna nicht die Hochzeitsgaben der Eltern 132 • In Bezug auf RB XXVI § 1 wird dennoch die Ansicht vertreten, bona materna umfasse auch die dos. BauerGerland leitet dies unter anderem aus der Interpretation zu CT III, 13, 3 ab, was schon zurückgewiesen wurde 133 • Sie kommt zu dem Schluß, daß die bona materna seit dem zweiten Viertel des fünften Jahrhunderts auch die bona nuptialia PS III, 9, 4: "Gregis usufructu legato, grege integro manente, foetus ad usufructuarium pertinent: salvo eo, ut quidquid gregi deperierit, exfoetibus impleatur." 128
129 "Secundum Gai regulam patri matrive intestatis filii filieve aequo iure succedant." Siehe hierzu Bauer-Gerland, S. 25 f.
Roels, S. 115; RB XXVI§ 1: "Pater debit de matemis bonis medietatemfiliis dare, cum annorum XXfuerint. Quod si de proprietate rerum matemarum expressam non dederit portionem et per testamenturn res proprias a filiis alienare voluerit, ab heredibus repetendum est, quidquid in expressa portione a vicensimo anno filii de fructibus accepere potuissent, secundum legem novellarum." 131 s. 44. 130
132
So auch Bauer-Gerland, S. 123.
133 Oben
S. 45 zu Bauer-Gerland, S. 126 ff.
3. Sondergüter von der Mutter
49
umfassen. Selbst dann ist aber noch fraglich, ob dieser Ansicht auch der Kompilator der RB war, dem die LRV zwar offensichtlich bekannt war, der sich in diesem Titel aber nur auf NV XXXV beruft; in dieser Novelle war die dos auch nach der Ansicht von Bauer-Gerland noch nicht in den bona materna enthalten. Nach § 2 von RB XXVI gelten besondere Regeln für die Nachfolge in die Hochzeitsschenkungen nach dem Tode der Mutter. Sie stehen dem Vater lebenslänglich zu Nießbrauch zur Verfügung, das Eigentum fallt an die Kindern aus dieser Ehe 134• Eine entsprechende Regelung trifft die LRV für die dos der verstorbenen Mutter, die RB spricht aber von donatio und das auch noch im Plural. Dabei könnte es sich um einen Fehler des Verfassers handeln. Geht man aber davon aus, daß der Text das sagen soll, was er zu sagen scheint, dann handelt es sich nicht nur um die dos, sondern zumindest auch um die donatio 135 • Diese fiele also dann nicht vollständig, sondern nur zu Nießbrauch von der Mutter an den Vater zurück. Für weitere Verwirrung sorgt § 3 des Titels 136• Er regelt in zwei Sätzen die Folgen eines nicht näher bezeichneten Verhaltens, wobei Satz l, der von der Pflicht zur Erstattung der seit dem vollendeten zwanzigsten Lebensjahr geschuldeten Früchte jener Hälfte spricht, zweifellos zu § l, der Pflicht zur Herausgabe der Hälfte des Muttergutes und ihren Folgen, gehört. Satz 2 hingegen sagt: "Wenn dies geschehen ist, steht ihnen das Recht zu, die mütterliche donatio zu vindizieren." Die Stelle wird allgemein als unverständlich und verdorben bezeichnet 137• Bauer-Gerland versteht sie so, daß hier von einer Schenkung der Mutter an die Kinder unter Lebenden die Rede sei 138• Das ist insofern vorstellbar, als für diese Güter während der Dauer der patria potestas eine besondere Gefahr der Verfremdung durch den Vater besteht, da sie den Kindern zwar zu Gebrauchszwecken überlassen, aber nicht wirksam übereignet werden können. Andererseits ist von den mütterlichen Schenkungen unter Lebenden bereits in Titel I die Rede, während in Titel XXVI § 2 nur Hochzeitsgeschenke erwähnt werden. Legt man § 3 S. 2 also zunächst einmal wörtlich und in Zusammenhang mit dem Rest der Vorschrift aus, so bezieht er sich auf die erwähnten donationes nuptiales und meint quod si factum fuerit einen Verstoß gegen das Verfremdungsverbot am Ende von§ 2. In diesem Fall ist aber fraglich, warum § 3 S. 2 nur von der donatio materna spricht und 134 § 2: "Nuptiales tarnen donationes, defuncta eorum matre, secundum veterem consuetudinem in usufructu liceat possedere, proprietate filiis in nullo inminuta."
Nur für die donatio, aber ohne Begründung Leonhardt, S. 61. "Quod si factum fuerit, fructus rerum ipsarum debentur, quibus tarnen et de ipsa medietate, cum annorum XX fuerint, debebit refundere. Quod si factum fuerit, vindicatio materne donationis iure debentur." 137 So schon von Salis in der Textausgabe der RB, Fn. 4 zu Titel XXVI. 135
136
138
Bauer-Gerland, S. 135. 4 Johlen
50
I. Die ledige Gewaltunterworfene
welche der Hochzeitsschenkungen damit gemeint ist: dos oder donatio? Am wahrscheinlichsten ist, daß hier von der dos im eigentlichen Sinne als einer Zuwendung aus dem mütterlichen Vermögen die Rede ist. Diese zählttrotzihrer nominellen Übereignung an den Ehemann im Erbfall allgemein zum Vermögen der Mutterseite, kann also durchaus als mütterliche Schenkung unter Verwendung des untechnischen Begriffs der donatio matema bezeichnet werden. Außerdem reflektiert die Verwendung des Begriffs donatio den Wortlaut des § 2. Dann ist aber zu fragen, warum § 3 S. 2 nur die Vindikation der verfremdeten dos anordnet, nicht aber die der donatio. Geschieht dies mit Rücksicht auf den Inhalt des § 2, so muß man davon ausgehen, daß donationes nuptiales sich doch nur auf die dos bezieht139, also trotz des Plurals keine rechtsändernde Bedeutung hat. Dafür spricht auch der Hinweis "secundum veterem consuetudinem", der eher zur dos paßt, da diese schon seit Honorius' Zeiten dem Vater entzogen und den Kindern unter allen Umständen zu Eigentum zugesprochen ist140, während eine entsprechende Regelung für die donatio zu Lebzeiten des Vaters nicht existierte. Die donatio fällt somit wieder uneingeschränkt an den Vater zurück. Festzuhalten ist somit: - das mütterliche Erbe steht den gewaltunterworfenen Kinder zwar mit Vollendung ihres zwanzigsten Lebensjahres zu, doch kann der Vater kraft patria potestas die Herausgabe verweigern; - die dos fallt zwar an die Kinder, steht dem Vater aber zu lebenslänglichem Nießbrauch zu; - die donatio steht allein dem Vater zu. Da in der RB immer wieder die pseudopaulinischen Sentenzen zitiert werden141 ("secundum sententiam Pauli''), wird man annehmen können, daß der Nießbrauch ebenso wie dort ausgestaltet als das höchstpersönliche Recht auf Gebrauch und Fruchterwerb bei Haftung für den Bestand des Gutes zu verstehen ist.
139 Hier für die donatio des Mannes Bauer-Gerland, S. 135 f.; Roe1s, S. 117 I 118 zweifelt, will sich aber nicht festlegen.
140 CT III, 13, 3 von 422: "Et sifortasse constante matrimonio a marito uxori dos refusa est, quod legibus stare non potest, quia donationis insrar perspicitur obtinere, eadem uxore defuncta marito ab eius heredibus cum fructibus ex die refusae dotis restituatur, ita ut proprietas eiusdem a liberis ex eadem susceptis alienari a marito non possit. "
141 Z. T. stillschweigend, insgesamt siebenundzwanzig Mal nach von Salis, Leges Bur-
gundionum, S. 169 f.
4. Sondergüter von mütterlichen Vorfahren
51
4. Sondergüter von mütterlichen Vorfahren Wie gesagt handelt es sich bei den hier untersuchten Vermögensteilen um Neuerungen der Spätantike. Der klassischen Zeit war eine solche Aufteilung des Familienvermögens in verschiedene Untergruppen fremd.
a) Die westgotische Römertochter
aa) Erbschaften LRV CT V, 1, 4 gewährt den Enkeln bei vorverstorbener Mutter ein Erbrecht nach den mütterlichen Großeltern. Sie sollen jedoch ein Drittel des Erbteils ihrer Mutter zugunsten von Onkeln und Tanten mütterlicherseits, sofern solche vorhanden sind, verlieren. Damit wird wohl dem Umstand Rechnung getragen, daß die Enkel nicht zur familia ihrer Mutter, sondern zu der ihres Vaters gehören142. Nach altem Recht hätten sie daher kein Intestaterbrecht gehabt. Nach IT VIII, 9, 3143 soll das für den mütterlichen Nachlaß geltende Verfremdungsverbot zugunsten der Hauskinder auch für die Erbschaften gelten, die der Haustochter von den mütterlichen Groß- und Urgroßeltern zufallen. Das bedeutet, daß ihre Rechte denen gleichen, die ihnen am mütterlichen Nachlaß zustehen, das Eigentum also den erbenden Enkeln zufällt, während der Vater das Gut in nießbräuchlichem Besitz hat. Anders ist die Rechtslage, wenn externe Personen oder väterliche Verwandte den Kindem etwas hinterlassen haben, so vermutlich im Falle des Reskriptes Elagabals an Victorina bzgl. des Nachlasses der Bassa Cassia in LRV CGreg XIII, 1144. Daher ist es nur konsequent, wenn IT VIII, 9, 4 von Gütern spricht, die auf Enkel und Enkelinnen avorum vel aviarum maternarum ... pervenerint, 142 143
Rawson, in: Rawson (Hrsg.), The Family in Ancient Rome, S. 8. Interpretation zu CT VIII, 18, 6 von 379: "Pater uxore mortuafiliorum bona ita pos-
sideat, ut ex his ei nec vendere aliquid liceat, nec donare, nec quolibet alio ordine alienare: similiter et quaecunque avi vel proavi materni nepotibus neptibus, pronepotibus proneptibusve donaverint vel fortasse relinquerint, in alias personas transferre patri quolibet ordine non licebit. " 144 "Si in potestate patris fuisti, quum hereditas Bassae Cassiae tibi obvenit, eamque patris iussu crevisti, iure patriae potestatis ei eam quaesisti. Jdeoque quod ab eo iure alienatum est, nulla ratione oblato pretio restitui tibi desideras."
52
I. Die ledige Gewaltunterworfene
obwohl LRV CT VIII, 9, 4 145 generell Großeltern und Urgroßeltern behandelt. Es kann sich eben nur um mütterliche Vorfahren handeln. Die von ihnen ererbten Vermögensgegenstände können die Enkelkinder nach dem Tode des Vaters als praecipuum herausverlangen; sie gehören als Sondergut nicht zum Nachlaß des paterfamilias. Das im Konstitutionentext ausführlich behandelte Verfremdungsverbot gegenüber dem Vater greift die Interpretation mit Recht nicht noch einmal auf, da es schon in IT VIII, 9, 3 zwar kurz, aber hinreichend festgestellt worden ist. Für die bona aviatica stellt sich die Lage somit wie folgt dar: Zu Lebzeiten des paterfamilias hat dieser das Gut zu Nießbrauch; zusätzlich wird ausdrücklich ein Verfremdungsverbot zugunsten der Kinder genannt, die das bloße Eigentum haben. Es besteht kein Herausgabeanspruch der Bedachten, sondern nur ein Aussonderungsrecht nach dem Tode des Vaters und dementsprechend auch kein Anspruch auf Fruchtersatz.
bb) Schenkungen Nach IT VIII, 9, 3 sind auch sämtliche Schenkungen aus der mütterlichen Ahnenreihe 146 an die gewaltunterworfenen Kinder von der väterlichen Oberherrschaft ausgenommen. Hier hat der Vater im Gegensatz zu den Schenkungen fremder Personen oder von Verwandten aus der eigenen Linie nicht die Veräußerungsbefugnis. Die Vorschrift gilt auch nicht für die Schenkungen von Seitenverwandten. Nur die mütterlichen Verwandten in gerader Linie sind hier gemeint; deren Gaben fallen also in das Eigentum der Haustochter. Außerdem gilt hier auch wieder IT VIII, 9, 4, dessen Bedeutung schon bei der Erbschaft nach den Großeltern besprochen wurde. Somit hat das Kind zwar das Eigentum, die Schenkung verbleibt aber im Besitz des Vaters, so daß sie erst nach dessen Tode als praecipuum an die Bedachten fällt. Die Haustochter hat bis zu diesem Zeitpunkt wohl keine Befugnisse in Bezug auf das geschenkte Gut, die ihr nicht vom Vater eingeräumt werden.
145
Entspricht Cf VIII, 18, 7 von 395.
146
Genannt sind Großeltern und Urgroßeltern.
4. Sondergüter von mütterlichen Vorfahren
53
b) Die burgundische Römertochter
aa) Erbschaften Bei der Beerbung von Großeltern aus der mütterlichen Linie gibt es ein gesetzliches Erbrecht der Enkelkinder nur bei vorverstorbener Mutter. Unbenommen bleibt den Großeltern aber die Möglichkeit, die Enkel testamentarisch zu bedenken. Für die gesetzliche Erbfolge gilt der Grundsatz, daß die Kinder einer Tochter nur zwei Drittel des mütterlichen Erbteiles erhalten, RB X§ 2 147• Daneben wird in Titel XXII "De donationibus" im Zusammenhang mit verschiedenartigen Schenkungen in § 9 auch ein erbrechtliches Thema aufgegriffen, das die großelterlichen Hochzeitsschenkungen betrifft. Für diese wird noch einmal klargestellt, daß die Kinder einer vorverstorbenen Tochter nur zwei Drittel des Schenkungsanteils erben sollen 148 • Die beiden Textstellen sagen nichts Konkretes über die Eigentumsverhältnisse an diesem großelterlichen Erbe aus. Die generelle Norm RB X § 2 verweist zwar auf CT V, 1, 4 149, diese Konstitution hält jedoch keine Antwort auf diese Frage bereit. Doch ist zu beachten, daß zum einen die Vorschrift über die Nachfolge in die Hochzeitsschenkungen, die den Enkeln gehören sollen, RB XXII § 9, im Zusammenhang mit Regelungen steht, die bestimmte Gütermassen aus der patria potestas herausnehmen; insbesondere gilt dies für die Schenkungen von mütterlichen Vorfahren nach§ 1. Zum anderen enthält die Konstitution CT VIII, 18, 6, die oben schon als LRV CT VIII, 9, 3 behandelt wurde, die Regelung, daß sowohl großelterliche Schenkungen als auch ihr Nachlaß einem Verfremdungsverbot gegenüber dem Vater zugunsten der Kinder unterliegen. Diese Regelung ist in der RB nirgendwo aufgehoben, obwohl die Konstitution, aus der RB XXII§ 1 schöpft150, dem Verfasser bekannt war. Außerdem gilt der Nachsatz des § 1, nach dem Schenkungen und sonstige Güter, die auf Hauskinder übertragen werden, in das Eigentum des Vaters fallen, nur für Güter aus der väterlichen Linie. Aus alledem läßt sich der Schluß ziehen, daß auch der großelterliche Nachlaß, der von der Mutterseite stammt, der patria potestas entzogen ist, also im Eigentum der Enkel steht. 147 "Si vero filia superstitibus parentibus obierit, tertiam de portione matris filii eius perdant et in bisse mateme portionis succedant. "
148 "In nuptialibus vero avorum donationibus nepotes vel neptes ex .filia cum avunculis vel materteris, perdito triante, in bisse debere succedere; ... " 149
Roels, S. 66.
150 Roels,
S. 104.
54
I. Die ledige Gewaltunterworfene bb) Schenkungen
RB XXII § 1 handelt von den Schenkungen mütterlicher Vorfahren an gewaltunterworfene Abkömmlinge. Danach werden die Schenkungen, die aus der Ahnenreihe der Mutter von Großvater und -mutter bzw. Urgroßvater und -mutter an die Nachfahren gelangen, nicht dem Vater erworben, sondern stehen allein im Eigentum der beschenkten Hauskinder 151 • Diese Regelung entspricht also dem oben zur westgotischen Römertochter Gesagten, ebenso wie der nachfolgende Hinweis, daß alle sonstigen den Kindern gemachten Schenkungen dem Vater erworben werden, nicht nur die aus der väterlichen Linie, sondern alle irgendwie erhaltenen Gaben. Bedeutung hat das sowohl für Schenkungen als auch für Erbschaften nur insofern, als diese Güter nicht für den Vater erworben werden, sondern das Kind selbst das Eigentum erhält. Anzunehmen ist aber, daß auch im burgundischen Raum der Vater diese Güter in Nutzung hat, bis er es für sinnvoll befindet, sie dem Kind zur Verfügung zu stellen. Einen gerichtlich durchsetzbaren Herausgabeanspruch gibt es zumindest für die Dauer der patria potestas nicht, erst nach dem Tode des Vaters kann gemäß CT VIII, 18, 7 dieses Gut als praecipuum herausverlangt werden.
5. Verlobungsgeschenke
In klassischer Zeit war die Verlobung ein tatsächliches Ereignis ohne rechtliche Form und Rechtswirkungen, ein sozialer Brauch 152• Insofern war es anscheinend auch bloß sozialüblich, daß anläßtich und im Zusammenhang mit der Verlobung Zuwendungen gemacht wurden; eine Rechtspflicht zu einer solchen Leistung bestand nicht, die Geschenke hatten ebenso wie das Verlöbnis selbst nur einen tatsächlichen, keinen rechtlichen Bezug zur zukünftigen Ehe 153 • Ein Hinweis darauf findet sich noch in CT III, 5, 2 aus dem Jahre 319. Konstantin bestimmt hier, daß die früher generell geltende Rechtslage aufgehoben werden 151 "Donationes ab avo vel avia, proavo vel proavia matemis, ita ad eos, quibus conlate sunt, pertenere, ut patri nullatenus adquirantur; a linea vero paterna memoratorum donationes, vel si quid filiis familias praeter expressas personas quarumcumque largitate conferetur, patrum proprietati indubitanter adquiri." 152 Gaudemet, S. 32 f.; zu den Formalitäten siehe Gardner, S. 45 ff.; zur Herbeiführung der Verlobung siehe Evans Grubbs, S. 140 ff.; Treggiari, Roman Marriage, S. 125 ff.; mit dem Erfordernis des Willens der filia familias beschäftigt sich Corbett, S. 2 ff. 153 Mitteis, Reichsrecht, S. 287.
5. Verlobungsgeschenke
55
soll, nach der donationes in sponsam auch dann gültig waren, wenn keine Eheschließung folgte. Aus dieser Konstitution ergibt sich auch, daß solche Verlobungsgeschenke nicht nur vom Mann seiner Braues4 , sondern auch umgekehrt gemacht wurden ISS. Fraglich ist aber, wer Eigentümer dieser Geschenke wurde. Handelte es sich bei der Braut um eine Haustochter, so erwarb sie nach den zivilrechtliehen Bestimmungen auch ihre Verlobungsgeschenke nicht für sich selbst, sondern nur für ihren paterfamilias. Anzunehmen ist aber, daß der Vater sozial verpflichtet war, die Gaben der Tochter uneingeschränkt zu belassen, so daß diese bei seinem Tode oder ihrer Emanzipation wie eine väterliche Schenkung ihr reguläres Eigentum wurden. Bei Geschenken der in Fn. 154 angeführten Art, insbesondere bei den Kleidungsstücken, ergibt sich das schon aus der Natur der geschenkten Dinge. Ulpian und Hermogenian erstreckten das Dotalprivileg bei Konkurs des Ehemannes auf die Braut, die dem Mann die Mitgift bereits übergeben, ihn aber noch nicht geheiratet hatte 156• Wenn nun der Mann in Konkurs fiel, sollte sie hinsichtlich dieser Quasi-Dotalgüter das Vorzugsrecht vor allen anderen Gläubigern haben, ebenso das heimgeführte Mädchen, das jünger als zwölf Jahre 1s4
Eine schöne Illustration eines solchen Geschenkes bietet die Biographie Maximins d.
J. in der Historia Augusta (um 400 n. Chr.), 19, 27: "(6) Er war verlobt mit lunia Fadilla
... ; sie wurde nachmals die Gattin des Toxotius ... (7) In Fadillas Besitz verblieben die fürstlichen Brautgeschenke; es sollen ... folgende Stücke gewesen sein: (8) ein einreihiges Halsband von neun weißen Perlen, ein Haarnetz mit elf Smaragden, ein Armband mit einer Garnitur von vier Hyazinthsteinen, dazu noch Gewänder, sämtlich goldgewirkt und einer Fürstin würdig, und anderer Brautschmuck." Anne, S. 88, nimmt an, Iunia Fadilla habe das Verlöbnis gebrochen, um den reichen Senator Toxotius zu heiraten, gemeint ist aber natürlich, daß die Ehe durch den frühen Tod Maximins nicht zustande kam. Glaubhaft ist die Erzählung selbst nicht, vgl. in der Übersetzung von Hohl Anm. 94, doch kann sie als Beleg für die Gültigkeit solcher Schenkungen betrachtet werden. Die Historia Augusta verwendet für das fürstliche Geschenk den Ausdruck arrae regiae, doch ist dies kein Beleg für einenjuristischen Fachbegriff, schon gar nicht aus der Zeit des Maximinus Thrax, sondern entspricht vermutlich dem Verständnis des Autors von dieser Schenkung. Vermutlich erschien ihm das Verbleiben der Schenkung im Besitz der Iunia Fadilla deshalb erwähnenswert, weil ihm die neuere Rechtslage nach Konstantin bekannt war. tss § 2: "Quae similiter observari oportet et si ex parte sponsae in sponsum donatio facta sit; ... "
ts6 Ulpian D. XLII, 5, 17 § 1 und Hermogenian D. XXIII, 3, 74:"Si sponsa dotem dederit nec nupserit vel minor duodecim annis ut uxor habeatur, exemplo dotis condictioni favoris ratione privilegium, quod inter personales actiones vertitur, tribui placuit." Siehe hierzu Liebs, Hermogenian, S. 57 ff.
56
1.. Die ledige Gewaltunterworfene
alt, weshalb die beabsichtigte Ehe noch nicht wirksam war!S7. Paulus D. XLII, 5, 18 begründete das Vorzugsrecht damit, daß ein öffentliches Interesse daran bestand, der Frau mit diesem Heiratsgut die Möglichkeit einer anderen Eheschließung zu erhalten.
a) Die westgotische Römertochter In der LRV findet sich eine Reihe von Vorschriften zum rechtlichen Schicksal von Verlobungsgeschenken. An dieser Stelle soll nur auf die Fälle eingegangen werden, in denen keine Eheschließung folgt.
aa) Zur Terminologie der LRV: arra sponsalicia, sponsalitia largitas und donatio nuptialis Die Terminologie der LRV im Zusammenhang mit der Verlobungsschenkung, der sponsalitia largitas, hat ihre Eigenheiten. Maßgeblich für den Fall, daß eine Ehetrotz Verlobung nicht zustande kommt, ist der Titel LRV CT III, 5: "De sponsalibus et ante nuptias donationibus". Hier findet sich in c. 1 zunächst die grundsätzliche Bestimmung, daß eine Schenkung zwischen Verlobten, von IT an dieser Stelle als "nuptialis ... donatio" bezeichnet, ohne nachfolgende Ehe ebenso wie jede andere Schenkung nur dann gültig ist, wenn sie formell wirksam vollzogen wurde. Das anschließend rezipierte Gesetz Konstantins von 319, CT III, 5, 2, macht deutlich, daß das Nichtzustandekommen einer Ehe trotz Verlobung vermögensrechtliche Konsequenzen haben soll. Hier wird das rechtliche Schicksal der "donationes in sponsam" betitelten Schenkung, welche die IT als "donatio sponsalitia largitas" bezeichnet, bei verschiedenen Fallgestaltungen behandelt. Im ersten Teil bei Rücktritt des Mannes von der Verlobung; § 1 nennt den Fall, daß die Frau oder ihr Gewalthaber von der Verlobung Abstand nimmt; § 2 die Möglichkeit, daß auch die Frau dem Mann etwas geschenkt hat; § 3 berücksichtigt den Tod eines der Verlobten und § 4 schließlich sichert die Ansprüche der Erben des Verstorbenen. Wichtig ist nun, daß die Interpretation dieser ausführlichen Regelung nur die erste Fallvariante, den Rücktritt des Mannes, aufgreift, während sie den Rest des Gesetzes durch nachfolgende Gesetze für überholt erklärt: "reliquum legis istius ... sequentibus legibus vacuatur". In der Tat behandelt die später folgende Konstitution 5 158 sowohl den Tod eines Verlobten 157
Ulpian D. XLVIII, 5, 14 (13) § 8 (über den Ehebruch).
5. Verlobungsgeschenke
57
als auch die Rechte der Erben und den Fall der Schenkung der Frau an den Mann, also die Thematik der§§ 2, 3 und 4. Die Konsequenzen eines Rücktritts seitens der Frau finden sich zwar in LRV CT ill, 5, 61s9 geregelt, diese Vorschrift spricht aber nicht von einer sponsalitia largitas, sondern von einer arra; das Gesetz aus dem Jahre 380 definiert die sponsalia als pignera (§ 1) bzw. als arra (§ 4) und ist ein Beleg für das Eindringen der Idee der arra, des orientalischen160 Verlobungspfandes, in die römischen Gesetze. Es handelt sich um ein Pfand, mit dem eine Verlobung rechtswirksam besiegelt werden soll 161 und das vom Bräutigam an die Braut bzw. den, der das Mädchen in die Ehe geben soll, geleistet wird. Auch LRV CT III, 10, 1 von 409 gibt sozusagen eine Legaldefinition der sponsalia als der anläßlich der Verlobung gegebenen arra: "... sponsalia, hoc est arrarum data nomine ... ". Für den westgotischen Interpreten ist nun diese arra mit der sponsalitia largitas, der aus der früher sozialüblichen römischen Verlobungsschenkung 162 hervorgegangenen Schenkung im Hinblick auf die Ehe, identisch, was sich aus den oben aufgeführten Regelungsinhalten des Titels III, 5 ergibt. Dieser Annahme steht nicht entgegen, daß das entsprechende Gesetz für die gotische Bevölkerung, LV III, 1, 3, von der arra als einem Ring, also einem noch heute üblichen Verlobungspfand, spricht. Handelte es sich auch hier im Gesetz für die Römer bloß um eine symbolische Gabe, so würde die mehrfache Erstattungspflicht bei einem Verlobungsbruch seitens der Frau keinen Sinn machen. Diese Schenkung mußte wegen des Schenkungsverbots unter Ehegatten 163 schon vor der Hochzeit, ante nuptias, vorgenommen werden. Die späteren Vorschriften 164 sprechen dann von donatio ante nuptias, donatio nuptialis oder schlicht res ante nuptias donatae. Daß es sich hierbei und bei der sponsalitia largitas ebenfalls um ein und dieselbe Gütermasse handelt 165 , ergibt sich zum 158 Entspricht Cf III, 5, 6 von 336. 159 Entspricht CT III, 5, 11 von 380. 160 Corbett, S. 18 ff.; Dupont, in: RIDA XXIII, S. 119; Koschaker, in: SZ XXXIII, S. 392; Francke, in: AcP XXVI, S. 74.
161 Mitteis, Reichsrecht, S. 266. 162 In den älteren Konstitutionen finden sich noch Hinweise auf diese früheren Verlo-
bungsgeschenke, die sich die Verlobten gegenseitig machten; so spricht LRV CT III, 5, 2 von 319 in§ 2 noch von der Schenkung der Frau an den Mann wie von einer Selbstverständlichkeit, während LRV CT III, 5, 5 von 336 bereits erklärt, daß es sich um etwas handelt, was selten vorkommt.
163 Francke, in: AcP XXVI, S. 70 f. ; Memmer, S. 158; siehe hierzu unten S. 112 ff. 164 LRV CT IX, 32, 3 von 396; NT VII, 1, § 3 und§ 8 von 439. 165 Caes, S. 8 f.; Garcfa Garrido, S. 150; Kaser II, S. 193 ff. m.w.N.; Mitteis, Reichs-
recht, äußert sich nicht konkret zu der Frage, scheint aber donatio und sponsalitia für
58
I. Die ledige Gewaltunterworfene
einen daraus, daß diese Begriffe in der LRV immer wieder in alternativer Verwendung als Gegenstück zur dos, also der Eheschenkung der Frau an den Mann, auftauchen 166; zum anderen findet sich auch der Fall, daß ein Kaisergesetz von donatio ante nuptias bzw. res ante nuptias donatae, die westgotische Interpretation hingegen an dieser Stelle von sponsalitia donatio spriche 67•
bb) Rücktritt des Mannes von der Verlobung Der einfachste Fall ist der von IT III, 5, 2 geregelte. Hat der Mann seiner Verlobten eine donatio sponsalitia largitas gemacht und wurde diese rechtskräftig verbrieft und übergeben, so soll das geschenkte Gut im Eigentum der Frau verbleiben, wenn der Mann von der Verlobung zurücktritt. Hierbei kann es sich sowohl um bewegliche Sachen als auch um Immobilien handeln, da die Interpretation als Alternative zur traditio die Einführung in die Örtlichkeiten nennt168 • Da im ersten Satz der Interpretation von einer Verabredung der Ehe zwischen sponsos und sponsas die Rede ist, stellt sich die Frage, ob es sich nur um eine Frau sui iuris handeln kann oder ob auch die gewaltunterworfene Tochter selbst das Eigentum an der sponsalitia largitas erwirbt. In der Interpretation wird die Frage der patria potestas nur im Zusammenhang mit der Person des Schenkcrs aufgeworfen: Dessen Eltern müssen der Schenkung zugestimmt haben, wenn er noch gewaltunterworfen ist. Der Text von LRV CT III, 5, 2 spricht in der Vorrede davon, daß die Regelung unabhängig davon gelten soll, ob die Beteiligten gewaltunterworfen sind oder nicht: Die noch im Besitz des Mannes befindlichen Gegenstände sollen in zwei verschiedene Dinge zu halten, S. 260 I 261 . Dabei übersieht er aber die zeitliche Entwicklung, da die Verwendung des Begriffs der donatio jüngeren Datums ist als die der sponsalitia. Eine Übersicht über die Verwendung der verschiedenen Begriffe gibt Memmer, S. 153 Fn. 2. 166
IT III, 7, 3; III, 16, 2; IX, 32, 3; INV XII 1 § 9; IGreg II, 1; IV, 2.
LRV CT 111, 7, 3 + IT; NT VII, I § 3 + INT über die donatio ante nuptias in dotem redacta. 167
168 "Quoties inter sponsos et sponsas de futuris nuptiis specialiter fuerit deftnitum, et donationem sponsalitiae largitatis vir in sponsam suam aut ex consensu parentum aut ipse, si sui iuris est, propria voluntate conscripserit et omni eam scripturarum solennitate finnaverit, ita ut et gesta legitime facta doceantw~ et introductio locorum vel rerum traditio subsequatur: ... si vir sponte eam ... accipere noluerit uxorem, omnia, quae sunt tradita, non reposcat. "
5. Verlobungsgeschenke
59
jedem Fall an die Frau herausgegeben werden 169 • Dies gilt auch für die Regelung der Interpretation: sponsas meint hier generell verlobte Frauen, unabhängig von ihrem personenrechtlichen Status. Auch nach IT VIII, 10, 1170 fallen Schenkungen zwischen gewaltunterworfenen Ehegatten nicht an die Väter; dies gilt insbesondere gemäß LRV NT I § 8 für die donatio ante nuptias 111 • Der Schlußsatz der Interpretation zu LRV CT III, 5, 2, nach dem der nicht erläuterte Teil der Konstitution durch nachfolgende Gesetze außer Kraft gesetzt worden ist, hat nichts mit dieser Regelung zu tun, sondern bezieht sich, wie bereits erläutert (oben aa), auf die §§ 1 - 4, deren Sachverhalte in der Tat durch die anschließenden Konstitutionen 5 und 6 aufgegriffen und differenzierter ausgestaltet werden. Somit fallt die sponsalitia largitas in jedem Falle gänzlich in das Eigentum der verschmähten Braut.
cc) Rücktritt der Frau von der Verlobung Der Rücktritt der Frau von der Verlobung kann unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen, die auch vom Alter der Frau zur Zeit der Verlobung abhängen. Grundsätzlich gilt, daß bei Verlobungsbruch durch die Frau eine Strafe an den Verlobten zu zahlen ist: Nach IT III, 5, 6 172 muß die arra vierfach zurückerstattet werden 173 • Davon gibt es jedoch Ausnahmen, die dem Schutz der Braut dienen. Zum einen entfällt nach IT III, 5, 4 eine Strafe, wenn das mit einem Soldaten verlobte Mädchen nach Ablauf einer Wartefrist von zwei Jahren einen anderen Mann heiratet. Hier wird die Schuld auf der Seite des Mannes gesehen, der es versäumt hat, daß Mädchen innerhalb dieser Zeit zu heiraten. Die Verlobungsschenkung selbst wird jedoch zurückzugeben sein, da nicht der Soldat von der Verlobung zurückgetreten ist.
169 " ... sive in potestate patris degere sive ullo modo proprii videantur esse iuris, et tanquam futuri causa matrimonii aliquid sibi ipse vel consensu parentum mutuo largiantur, siquidem sponte vir sortiri noluerit uxorem, id, quod ab eo donatum fuerit, nec repetatur traditum, et si quid apud donatorum resedit, ad sponsam summotis ambagibus transferatur. "
Interpretation zu CT VIII, 19, I von 426: "... ita et quicquid maritus uxori vel uxor marito in patris potestate positis donaverint aut testamento dimiserint, id ad patris dominium minime pertinebit, sed hoc sibi filii ad integrum vindicabunt. " 170
171
Zur Terminologie siehe oben aa).
172
Interpretation zu CT III, 5, II von 380.
173
Zu dieser Privatstrafe siehe Dupont, in: RIDA XXIII, S. 122 f.
60
I. Die ledige Gewaltunterworfene
Auch wenn die Braut zur Zeit der Verlobung jünger als zehn Jahre alt, also längst noch nicht heiratsfähig ist, sieht IT III, 5, 6 vor, daß die vierfache Strafe erlassen wird; die Verlobungsschenkung ist nur einfach zurückzuerstatten. Hier zeigt sich eine Parallele zur Pflicht der Einhaltung einer Wartefrist von zwei Jahren, nur beruht diese Wartezeit nicht auf einem Verschulden des Verlobten, sondern auf einem gesetzlichen Hindernis zur Eingebung der Ehe. War das Mädchen hingegen bereits zwischen zehn und zwölf Jahre alt, so soll die vierfache Strafe zu bezahlen sein, es sei denn, die sponsalia wurden vor Ende des elften Lebensjahres des Mädchens zurückgegeben. Bei einer Zwölfjährigen, also einer zwar noch minderjährigen, aber inzwischen ehefähigen Frau, soll die vierfache Strafe uneingeschränkt gelten; dann haftet nicht nur ihr Vater, sondern nach seinem Tode auch sie selbst, wobei ihr vorbehalten bleibt, deshalb bei den Verwandten, welche die Verlobung arrangiert und die sponsalia angenommen haben, Rückgriff zu nehmen.
dd) Tod eines Verlobten Nach der ursprünglichen Regelung Konstantins in LRV CT III, 5, 2 § 3 von 319 waren nach dem Tode eines Verlobten alle Geschenke wieder zurückzugeben, entweder an den überlebenden Schenker oder dessen Erben 174• Starb also der Mann, mußte die Frau die sponsalitia largitas an seine Familie zurückgewähren, erhielt aber auch ihre Geschenke zurück. Gemäß § 4 galt dies aber nur soweit, als die Erben die Eltern oder Kinder aus einer früheren Ehe des Verstorbenen waren; handelte es sich um entferntere Verwandte, so durfte die Verlobte das geschenkte Gut behalten. In der LRV wird diese Regelung gemäß dem letzten Satz der interpretatio - die immer um Aktualität bemüht ist - durch die noch von Konstantin selbst erlassene LRV CT III, 5, 5 ersetzt 175 • Die Vorschrift unterscheidet zunächst einmal nach der Person des Schenkers und dann danach, ob bei der Verlobung ein Kuß stattgefunden hat oder nicht. Bei einer Schenkung der Frau an den Mann - was selten vorkomme, "raro accidit", - ist nach dem Tode eines der Beteiligten alles an die Frau bzw. laut CT ihre Erben (IT: Eltern oder Verwandte) zurückzugeben, unabhängig davon, ob ein Kuß stattgefunden hat oder nicht. 174 Memmer, S. 154 Fn. 4; zu dieser konstantinischen Regelung Evans Grubbs, S. 156 ff.; hierzu und zu ihrer Modifikation durch die nachfolgenden Gesetze siehe Dupont, in: RIDA XXIII (1976), S. 121 ff.
175 Entspricht er III, 5, 6 von 356; IT III, 5, 2 a.E.: "Re/iquum legis istius opus nonjUit explanare, quia sequentibus legibus vacuatur."
5. Verlobungsgeschenke
61
Verstirbt der Bräutigam, so ist in bezugauf seine Schenkung zu differenzieren. Ist die Braut bei der Verlobung geküßt worden, so darf sie die Hälfte der Schenkung behalten, die andere Hälfte erhalten die Erben des Mannes 176 • Dabei wird klargestellt, daß die Teilung der Schenkung im Gegensatz zur alten Regelung unabhängig von der Gradnähe der Erben erfolgen soll. Wurde die Braut nicht geküßt, so ist die gesamte Schenkung an die Erben des Mannes herauszugeben 177 •
b) Die burgundische Römertochter
Im Gegensatz zur LRV kennt die RB Begriff und Institution der sponsalitia largitas als eine von dem Verlobten im Hinblick auf die Ehe gemachte Schenkung offensichtlich nicht mehr. Die donatio ante nuptias, die ja in der westgotischen Vorstellung mit der sponsalitia identisch ist, hat im burgundischen Reich einen Bedeutungswandel erfahren und wird nicht mehr vor der Ehe im Hinblick auf die Ehe gegeben. Ihre Übergabe ist nach RB XXXVII § 1 vielmehr Teil der Ehezeremonie und Voraussetzung für die Legitimität der Eheschließung178. Sie heißt daher generell donatio nuptialis. Im Zusammenhang mit der Verlobung findet sich nur die arra in ihrer ursprünglichen (orientalischen) Bedeutung als Verlobungspfand in Titel XXVII, "De puellis vel mulieribus desponsatis" 179 • Danach muß das Verlobungspfand von Vater oder Mutter vierlach erstattet werden, wenn sie das Mädchen trotz Annahme der arra innerhalb von zwei Jahren mit einem anderen verheiraten. Dies entspricht der oben beschriebenen Regelung durch Theodosius, CT III, 5, 11, wenn auch die RB nicht mehr nach dem Alter des Mädchens differenziert. 176 LRV CT 111, 5, 5: "Si quando sponsalibus celebratis, interveniente osculo, sponsus aliquid sponsae donaverit, et ante nuptias sponsus forsitan moriatur, tune puella, quae superest, mediam donararum solenniter rerum portionem poterit vindicare, et dimidiam mortui heredes acquirunt, quocunque per gradum successionis ordine venientes. "
177 IT 111, 5, 5: "Si vero osculum non intervenerit, sponso mortuo nihil sibi puella de rebus donatis veltraditis poterit vindicare." 178 "Nuptiae legitimae contrahuntur, si conventu parentum aut ingenuorum virorum intercurrente nuptiali donatione legitime celebrentur. " 179 § 1 Satz 1: "Si quis arras sponsalium nomine dederit, et pater vel mater acceptis arris, eo qui arras dedit refutato, alium fortasse receperunt, arras in quadruplum esse reddendas; ... " § 2: "Hoc etiam constitutum, ut quisque datis arris intra biennum nuptias celebrare tardaverit, sine arrarum solutione liceat parentibus puellam desponsatam alii matrimonio sociare." Siehe hierzu auch Leonhardt, S. 28, jedoch ohne weitere Differenzierung.
62
I. Die ledige Gewaltunterworfene
Da auch ein Verweis auf diesen Titel fehlt, kann angenommen werden, daß die Differenzierung weggefallen ist und sich die RB mit einer vereinfachten Rechtslage begnügt. Diese reicht auch völlig aus, da die Rechtsfolge auch nach der Regelung im CT gleich war, ob nun der Mann das Mädchen zwei Jahre warten ließ oder ob es wegen der gesetzlichen Ehevorschriften in den zwei Jahren nach der Verlobung nicht verheiratet werden konnte. Nach Ablauf von zwei Jahren und bei Rücktritt des Mannes von der geplanten Eheschließung darf die arra zwar behalten werden; sie fallt jedoch nicht an das unter patria potestas stehende Mädchen selbst. Die arra wird hier nicht wie in der LRV als eine Schenkung im Hinblick auf die Ehe verstanden, die später dem Lebensunterhalt dienen soll, sondern als Pfand für die Einhaltung des mit dem Verlobereingegangenen Verlobungsvertrages. Daher wird sie an den Gewalthaber als Vertragspartner gezahlt, der auch die Strafe zahlen muß, wenn die Seite der Braut für das Nichtzustandekommen der Ehe verantwortlich ist. In Titel XXVII § 1 Satz 2180 haftet zwar das Mädchen selbst, doch muß sie sich dort auch für das Handeln entfernterer Verwandter oder Tutoren verantworten. Die Regelung geht offensichtlich davon aus, daß das Mädchen verwaist und damit in sua potestate ist. Bei der Verlobung eines gewaltunterworfenen Mädchens wird folglich das Verlobungspfand an den Gewalthaber als Vertragspartner gezahlt und fallt nicht in das Vennögen des Mädchens.
180 " ... si vero puella aut per se aut per quamcumque propinquarum aut tutorum personam arras accipiat, et nuptias voluerit recusare vel alium fortasse recepere, poenam suprascriptae solutionis de propria facultate ipsa dissolvat; actione contra illum, qui illa inconsulta arras susceperit, reservata."
II. Die ledige Frau in sua potestate "Die Alten wollten, daß Frauen, selbst wenn sie volljährig wären, wegen ihres schwachen Geistes unter Vormundschaft seien." Gaius I, 144.
1. Allgemeine Geschäftsfahigkeit
Im Normalfall wurde die patria potestas durch den Tod des Gewalthabers beendet, durch Exil oder Gefangenschaft zeitweise aufgehoben•, mit der Folge, daß das Hauskind sui iuris wurde. Diese Rechtsfolge konnte auch durch den Gewalthaber durch Emanzipation bewirkt werden, Gaius I, 132, mit der Folge, daß der pateifamilias nach I, 166 der Tutor der Frau wurde; eine ähnliche Vorschrift gab es für die Freilassung von Sklavinnen, deren gesetzlicher Tutor der Patron wurde2• Eine Frau sui iuris sollte grundsätzlich lebenslänglich einen Tutor haben3 , ebenso wie Unmündige beiderlei Geschlechts bis zum Erreichen der Pubertät. Danach konnte der Minderjährige sich beim Magistrat einen Kurator, den curator minoris, erbitten, der ihm für bestimmte Geschäfte bis zum Erreichen der Volljährigkeit zur Seite stand4 • Solange ein Mädchen (oder Junge) unmündig, d.h. jünger als 12 (bzw. 14) Jahre war, wurde sein Vermögen durch den tutor impuberis vollständig verwaltet, der ein Vermögensverzeichnis anlegte, für den Unterhalt und die Erziehung des Mündels sorgte und angehalten war, das Gut zu vermehren5• Der Tutor war zur Offenlegung seiner Geschäftsführung verpflichtet und haftete mit der actio tutelae für dem Mündel entstandene Schäden6 • Geschäfte, die das Mündel mit 1
Gaius I, 127- 129.
2
Siehe Dixon, in: Tijdschrift LII, S. 345.
Gaius I, 144: "veteres enim voluerunt feminas, etiamsi perfectae aetatis sint, propter animi Ievitatem in tutela esse."; siehe hierzu insgesamt Fayer, S. 380 ff.; Gardner, S. 14ff. und Gratwick, in: Craik (Hrsg.), Marriage and Property, S. 40 f., sowie zur tutela generell Salier, S. 181 ff. 3
4
Siehe hierzu Kaser I, S. 369 ff.
s Gaius IV, 182; zum Aufgabenbereich des Tutors Salier, S. 184.
64
II. Die ledige Frau in sua potestate
seiner auetoritos abschloß, wirkten direkt zwischen dem Mündel und seinem Geschäftspartner7 • Vom oben genannten Alter an konnten die Minderjährigen ein Testament errichten, Frauen und Mädchen aber nur mit auetoritos des Geschlechtsvormunds, Gaius II, 112. Notwendig war die Erteilung der auetoriras des Tutors zu Geschäften der volljährigen Frau außer beim Testament bei einer Verfügung über res mancipi sowie bei schwerwiegenden Rechtsakten wie der Bestellung einer dos oder der Freilassung von Sklaven8 ; mit auetoritos des Tutors konnte die Frau auch stipulieren, ohne auetoritos dadurch zwar Forderungen erwerben, aber keine Verpflichtungen begründen9 • Über res nee mancipi konnte eine Frau selbständig verfügen, außerdem jegliches Geschäft abschließen, das ihre Rechtsposition verbesserte 10• Die tutela mulieris wurde während des Prinzipals immer mehr abgeschwächt. Das ius liberorum gewährte seit der Lex Iulia et Papia Poppaea in vielen Fällen Befreiung von der tutela; die agnatische tutela, die Vormundschaft durch den nächsten männlichen Verwandten, der zugleich der nächste Erbe des Vermögens der Frau war und daher ein Interesse an der Erhaltung des Vermögens hatte 11 , wurde von Claudius abgeschaffe 2• 6
Crook, Law and Life, S. 115 f.
7
Hierzu Salier, S. 185 f.
Dixon, The Roman Family, S. 43; ausführliche Auflistung bei Kühler I, in: SZ XXX, S. 168 f.
8
9
Kühler I, in: SZ XXX, S. 169.
Gaius II, 80- 85 mit mehreren Beispielen; siehe hierzu auch Heyse, S. 62 m.w.N.; während Pudentilla zum Erwerb einer Farm sich des Beistands ihres Tutors Cassius Longinus versicherte, Apuleius, 101, ist im Kaufvertrag der Andueia über eine Doppelhaushälfte in der kaiserlichen Provinz Dacia im Jahre 159 (FIRA III, Nr. 90, S. 289 f.; engl. Übersetzung bei Crook, Law and Life, S. 215 f.) oder 162 (Sotropa, S. 201) keine Rede von einem Tutor; dieser war auch rechtlich nicht erforderlich, da sie über die Geldstücke, die offenbar direkt dem Verkäufer ausgehändigt wurden, selbständig verfügen konnte; da der Verkäufer außerdem die öffentlichen Lasten bis zum nächsten census weiter tragen sollte, war es vielleicht ein Geschäft, das ihre Rechtsposition verbesserte. Jedenfalls wäre die mancipatio beim Provinzialgrundstück nicht nötig gewesen. Vielleicht war die Käuferin auch Peregrinin (so Sotropa, der diese Urkunde S. 200 ff. behandelt und Andueia als illyrische Peregrinin bezeichnet) oder hatte sie das ius liberorum. 10
11
Siehe Dixon, in: Tijdschrift LII, S. 345.
Crook, lnadequacy, in: Rawson (Hrsg.), The Family in Ancient Rome, S. 89; Kühler I, in: SZ XXX, S. 165; etwas zu weit geht Weber, S. 165, da unter die gesetzliche tutela auch die Patronatstutel fallt, die von Claudius nicht abgeschafft wurde. 12
l . Geschäftsfähigkeit
65
Ansonsten konnte der Tutor selbst gewählt oder ausgewechselt'\ die Erteilung der auetoriras des Tutors zu bestimmten Geschäften vor dem Prätor eingeklagt werden 14• Das ius liberorum konnte auch von ledigen Frauen erlangt werden, da auch illegitime Kinder hierzu beitrugen 13 ; möglich war auch die Verleihung als Privileg durch den Kaiser16• War die Frau von der tutela mulieris befreit, konnte ihr vom Magistrat auf Antrag ein Kurator bestellt werden, der sie bei bestimmten Geschäften beriet. Die geschlechtsspezifische Vormundschaft über die Frau hatte in der Kaiserzeit ernstere Bedeutung nur noch für die Freigelassene17, obwohl sie an sich jedenfalls bis Diocletian fortbestand 18 ; in der Spätantike ist sie völlig verschwunden 19•
13 Gaius I, 194; I, 115; vgl. hierzu die parallelen Beispiele aus dem griechischägyptischen Rechtsraum bei Kübler I, in: SZ XXX, S. 165 ff. 14 Gaius, I, 190 bezweifelt schon den Sinn der tutela mulieris: "Feminas vero perfectae aetatis in tutela esse fere nulla preriosa ratio suasisse viderur: nam quae vulgo creditur, quia Ievirate animi plerumque decipiuntur et aequum erar eas tutorum auetorirate regi, magis speciosa videtur quam vera; mulieres enim, quae perfecrae aetatis sunt, ipsae sibi negoria rractant, er in quibusdam causis dicis gratia turor inrerponir auetorirarem suam; saepe etiam invitus auctor fieri a praetore cogitur." 15 Rawson, in: Rawson (Hrsg.), Marriage, Divorce and Children, S. 27. Im Gegensatz zu einer verheirateten Frau war die ledige Mutter ihren Kindem gegenüber zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet, Sachers, in: FS Schulz, S. 327 f.; der Nachweis über die Anzahl der Kinder konnte normalerweise durch eine Kopie aus dem seit der Iex Aelia Sentia (4 n. Chr.) bestehenden Geburtenregister geführt werden, im Falle illegitimer Kinder, die dort nicht eingetragen wurden, wurde eine Art eidesstattlicher Versicherung abgegeben, Crook, Law and Life, S. 46 f.; seit Mare Aurel konnten auch nichteheliche Kinder eingetragen werden, Kaser I, S. 273. 16 Cassius Dio LV, 2, (5) Verleihung an Livia, und (6) über die Befugnisse zur Verleihung.
17
Kühler I, in: SZ XXX, S. 169 ff.
Nach Dixon, in: Tijdschrift LII, S. 348, stammt das letzte belegte Beispiel 293 I 294 aus dem konservativen Ägypten; Pomeroy, S. 151. 18
19 Kaser II, S. 222; Garcfa Garrido, S. 142 ff.; nach Mitteis, Reichsrecht, S. 219 f. schon vor Konstantin. Zwar findet sich in CT III, 17, 2 noch ein Fragment eines Gesetzes von 326, das dem väterlichen Onkel verbietet, die tutela legitima über seine Nichte abzulehnen, woraus z.T. geschlossen wird, Konstantin habe hiermit die rutela legitima für Frauen generell wieder einführen wollen; jedoch spricht mehr dafür anzunehmen, daß es sich hierbei um die Vormundschaft für Minderjährige handelte; siehe hierzu Evans Grubbs, S. 327 und 349; Kühler I, in: SZ XXX, S. 165 Fn. I.
5 Johlen
66
II. Die ledige Frau in sua potestate
Die gewaltfreie Frau konnte sich selbst rechtswirksam verpflichten, auch die stipulatio war ihr nicht mehr versagt, für ihre Sklaven konnte sie ein peculium bestellen20 und (institutores sowie) exercitores einsetzen21 • Allerdings konnte sie nach dem SC Velleianum keine Bürgschaft übernehmen22 ; nicht verboten war es aber, Geld zu verleihen (vom regulären Bankgeschäft blieben Frauen ausgeschlossen 23 ) oder fremde Schulden zu bezahlen24• Der Unterschied zur Bürgschaft war hierbei, daß die genaue Summe feststand, die Frau also absehen konnte, worauf sie sich einließ. Eine große Zahl römischer Frauen, insbesondere Freigelassene, betätigte sich als Händlerinnen, Handwerkerinnen oder betrieb sonstige Geschäfte, wie z. B. Eumachia, die in Pompeii eine Ziegelmanufaktur besaß, Patronin25 der Walker war und der Stadt eine Reihe von Bauwerken stiftete26 • Vermögen, das gewaltfreie Frauen in eigener Tätigkeit erwarben, gehörte ihnen offenbar unproblematisch selbst. Jedenfalls finden sich keine Quellen, in denen ein solches Vermögen ein rechtliches Problem dargestellt hätte, daher soll hierauf auch im Folgenden nicht weiter eingegangen werden.
Ulpian D. XV, I, I§ 3 und 3 § 2. Diocletian C. IV, 25,4 von 293 n. Chr. 22 Paulus D. XVI, 1, 1 pr.: "Velleiano senatus consulto plenissime comprehensum est, ne pro ullo feminae intercederent. "; Ulpian D. XVI, I, 2 pr.: "Et prima quidem Iernparibus divi Augusti, mox deinde Claudii edictis eorum erat interdictum, ne feminae pro viris suis intercederent." Zu den verschiedenen Ansichten über die Motivation dieses Gesetzes siehe Crook, Inadequacy, in: Rawson (Hrsg.), The Family in Ancient Rome, S. 83 ff., der selbst mit überzeugenden Argumenten die Entstehung dieser Schutzvorschrift mit der Abschaffung der agnatischen tutela in Verbindung bringt, S. 89 ff. ; diesen Zusammenhang sah schon Bachofen, in: Ausgewählte Lehren, S. 11 ff.; zum Begriff der lntercession Kattenhom, S. 33 ff. 20
21
23 Callistratus D. Il, 13, 12: "Feminae remotae videntur ab officio argentarii, cum ea opera virilis sit. " 24 Siehe Crook, Law and Life, S. 94 f., zu einem diesbezüglichen responsum an eine Frau, vertreten durch ihren Sohn (als Tutor?). 25 Zur Bedeutung von Frauen als Patroninnen, insbesondere von Städten und Gemeinden, siehe den Aufsatz von Nicols, in: Studies in Latin Literature and Roman History V (1989), S. 117- 142. Dieses Phänomen der patronae konzentriert sich anscheinend auf die Gebiete Zentralitalien und Nordafrika zwischen I90 und 3I 0, Nicols, S. I20. 26 Pomeroy, S. 200; zur gewerblichen Betätigung von Frauen insgesamt siehe Günther, S. 109 ff., sowie S. 126 ff. für Frauen im Handel; Gardner, S. 233 ff.; Reskripte an Geschäftsfrauen bei Huchthausen, in: KLIO 56 (1974), S. 219 f. und 222 ff.
1. Geschäftsfähigkeit
67
a) Die westgotische Römerin
Jungen unter 14 und Mädchen unter 12 sind unmündig, IT IV, 12, 127 und GE II, 2 § 2 (zur Testierfähigkeit). Bis zu diesem Alter werden ihre Angelegenheiten von einem Tutor besorgt, der ihr Vermögen verwaltet, INT V, 1; Tutor kann jetzt nach IT III, 17, 4 auch die volljährige Mutter sein. Es ist dem pupillus z. B. möglich, mit auetoriras des Tutors Sklaven freizulassen. Anzunehmen ist, daß dies ab einem Alter von sieben Jahren möglich ist, das im klassischen Recht als der Zeitpunkt angesehen wurde, ab dem das Kind für sich selbst sprechen konnte28 • Auch ansonsten scheinen die klassischen Regeln über die Befugnisse des Tutors fortzugehen, die in erster Linie darauf gerichtet sind, das Vermögen des Mündels vollständig zu bewahren, bis dieses es selbst verwalten kann29 • Die von Claudius abgeschaffte Agnatentutellebt auch in der LRV wieder auf. Konstantin hatte im Jahre 326 die tutela des nächsten Agnaten, nämlich des Onkels väterlicherseits, wieder eingeführt. Dieses Gesetz ist als LRV CT 111, 17, 2 kommentarlos in das westgotische Gesetzbuch übernommen worden: "In feminis tutelam legitimam et consanguineus patruus non recuset. " Dabei ist tutela legitima in der LRV nur als Vormundschaft über unmündige Frauen zu verstehen30, da nach dem Verschwinden der tutela mulieris für Minderjährige unabhängig von ihrem Geschlecht die cura vorgesehen ist. Minderjährig sind Personen unter 25 Jahren, GE I, 831 • Diese unterstehen jetzt regelmäßig einem Kurator, der ihr Vermögen verwaltet. Aus einer Konstitution Julians von 362, LRV CT III, 1, 3 und der gleichlautenden Interpretation32 ergibt sich zunächst, daß Minderjährige selbst - sowohl Männer als auch Frauen - grundsätzlich Teile ihres Vermögens veräußern 27 Interpretation zu CT IV, 14, 1 von 424: "... quod pupillis, quam diu sub tutoribus agunt ... sed, ubi ad eos annos pervenerint, quibus curatores habere possent, id est vir ad quintum decimum et puella ad tertium decimum annum ... ". GE II, 2 § 2: "Item testamenta facere non possunt impuberes, id est, minores quatuordecim annorum, aut puellae duodecim. " 28
Salier, S. 184.
Zu den Einzelheiten der tutela später bei der Vormundschaft der Witwe über ihre Kinder, unten S. 155 f.
29
30
Nachweise oben S. 65 Fn. 19.
"Hi, qui minores sunt, usque ad viginti et quinque annos impletos sub curatore sunt. " Im Falle selbst der emanzipierten Tochter hat der Vater, der nach der Emanzipation tutor legitimus ist, noch bis zu ihrer Volljährigkeit das Verheiratungsrecht, IT Ill, 7, I. 31
32 IT III, 1, 3; auf diese Vorschrift wird unter dem Titel IV "Die Ehefrau" noch einmal einzugehen sein.
68
II. Die ledige Frau in sua potestate
können. Voraussetzung ist jedoch die Zustimmung des iudex oder der curia, derer sich der Käufer versichern muß. Unter diesen Bedingungen soll der Kauf dann gültig sein. Anzunehmen ist, daß es sich hierbei um Minderjährige ohne Kuratoren handelt, deren Funktionen die curia übernimmt. Ferner bestimmt IT II, 16, 3, daß für minderjährige Frauen die gleichen Schutzvorschriften gelten sollen wie für minderjährige Männer3• Das bedeutet, daß nach den Regelungen des Titels "De integri restitutione", LRV CT II, 16, 1 und 2 mit IT, alles, was die Frauen selbst oder ihre Tutoren bzw. Kuratoren (zwischen denen korrekt zu unterscheiden man sich nicht immer bemühe4) während der Minderjährigkeit zum Nachteil der Frauen verfügt haben, von diesen ab Vollendung des 25. Lebensjahres mit der integri restitutio zurückgeholt werden kann. Eine vom Schutzzweck her ähnliche Regelung gab es schon im zweiten vorchristlichen Jahrhundert mit der Lex Plaetoria (oder Laetoria), nach der einem männlichen unter 25jährigen eine exeptio gegen eine Forderung gewährt wurde, wenn er sich mitjugendlicher Unerfahrenheit verteidigte35 • Die integri restitutio soll laut IT II, 16, 2 unabhängig davon gelten, ob der Frau das Privileg der sogenannten "venia aetatis" erteilt worden ist oder nicht. Im Titel LRV CT II; 17 "De his, qui veniam aetatis impetrarunt" zeigt sich nämlich, daß es für Minderjährige eine Möglichkeit gibt, schon vor Erreichen der Volljährigkeit die Geschäftsfähigkeit zu erlangen. Nach IT II, 17, I können Männer mit 20 und Frauen mit 18 Jahren voll geschäftsfähig werden. Bedingung hierfür sind der durch Zeugen oder Urkunden erbrachte Nachweis des erreichten Alters vor dem zuständigen iudex und ein ehrbarer, sittsamer Lebenswandel. Hierbei wird den Frauen im Gegensatz zu den Männern nicht zugemutet, in der Öffentlichkeit über ihr Alter Auskunft zu geben, sondern sie können für diese Aussage einen mit den entsprechenden Urkunden ausgestatteten procurator beauftragen36• Jedoch ist die vorausgesetzte persönliche Integrität nötigenfalls vor dem iudex zu beweisen. In der CT-Stelle sind die für die verschiedenen Stände zuständigen Richter aufgeführt. Unter diesen Voraussetzungen kann dann vom princeps, also dem westgotischen Herrscher, das Privileg der "venia aetatis" erteilt werden. Diese Stufe wird nach CT als "gefestigtes Alter", firmata aetas, bezeichnet. Gültigkeitsvoraussetzung bei Verkäufen ist dann, daß die Frau sich in der Unterschrift auch selbst als ehrbar und gefestigten 33
"Minoribus mulieribus, sicut et viris ita in causis omnibus subvenitur."
Siehe Kaser II, S. 223. Dixon, The Roman Family, S. 106. 36 Unter diesen Urkunden ist wohl der Auszug aus dem Geburtenregister zu verstehen, siehe Apuleius, 89, wo eine solche Urkunde vorgelegt wird; Abdruck von Dokumenten in CPL Nr. 148- 164 und The Oxyrhynchus Papyri, Nr. 2565. 34
35
l. Geschäftsfähigkeit
69
Alters bezeichnet. Für Verfügungen über Grundstücke gilt allerdings eine Sonderregelung, IT II, 17, 1 a.E. Hier ist, ebenso wie bei allen Geschäften sonstiger Minderjähriger, eine Ermächtigung durch iudex oder curia erforderlich. Bemerkenswert ist, daß den Frauen sowohl bei der Mündigkeit als auch bei dieser vorgezogenen vollen Geschäftsfähigkeit eine zwei Jahre frühere Reife zugebilligt wird als den Männern. Die Volljährigkeit erreicht sie dagegen im gleichen Alter. Nach Vollendung der Pubertät hat man den Entwicklungsstand beider Geschlechter offenbar als äquivalent angesehen37 • Die nach Erteilung dieser venia aetatis vorgenommenen Geschäfte der Frau sollen nach IT II, 16, 2 generell ebenfalls durch integri restitutio aufgelöst werden können. Allerdings unterliegt diese allgemeine Widerrufbarkeil der nachteiligen Geschäfte aus der Minderjährigkeit einigen Beschränkungen. Zunächst ist dem Rückforderungsanspruch durch IT II, 16, 2 eine Frist bis zum 28. Lebensjahr gesetzt, nach IP I, 9, 3 ist damit dessen Vollendung gemeint. IT bezieht sich dabei exakt auf diejenige Fristenregelung der CT-Stelle, die Konstantin seinerzeit für die außeritalischen Provinzen getroffen hatte, ein deutlicher Hinweis auf die Absicht der Verfasser der LRV, das regional geltende römische Recht weiterzuführen. Des weiteren ist IT II, 16, 3 zu beachten. Diejenigen Geschäfte, die nach Erteilung der venia aetatis öffentlich und in "feierlichen" Urkunden abgeschlossen wurden, bleiben in Kraft38• Das Gleiche muß auch für die oben erwähnten Grundstücksgeschäfte gelten, denen iudex oder curia zugestimmt haben, da auch hierdurch eine gewisse Rechtssicherheit und Öffentlichkeit gewährleistet wird und die Regelung zudem offensichtlich dem Schutz des Käufers dienen soll; dieser wird ja angehalten, sich der Zustimmung zu versichern. In dieser Vorschrift zeigt sich eine Abweichung der Interpretation von der ursprünglichen Konstitution von Kaiser Honorius aus dem Jahre 414: Während diese von Schutzvorschriften für "Frauen und Minderjährige" gleichermaßen spriche9vermutlich noch im Hinblick auf die alte Rechtslage, nach der die Frau lebenslänglich unter Geschlechtsvormundschaft stehen sollte -, geht die Interpretation von einer Unterscheidung zwischen minder- und volljährigen Frauen aus. Zwar gelten für letztere noch weitere Vorschriften wegen ihrer juristischen Ahnungslosigkeit, von der Grundeinstellung her scheint die Interpretation aber nicht 37
Arg. e contr. aus der Begründung zu IT li, 17, 1.
"Reliqui autem contractus, quos firma aetate publice et solennibus scripturis gesserint, in sua finnitate perdurent."
38
LRV CT li, 16, 3: "Et mulieribus et minoribus in his, quae vel praetenniserint vel ignoraverint, innumeris auctoritatibus constat esse consultum. " 39
70
II. Die ledige Frau in sua potestate
bereit zu sein, Frauen generell den Minderjährigen gleichzustellen, da sie die Geschlechtsvormundschaft nicht mehr kennt. Für die volljährige Frau gibt es in der LRV nach dem Verschwinden der tutela mulieris kaum noch Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit im Vergleich zu der von Männem: Lediglich die Fortgeltung des SC Velleianum muß hier erwähnt werden, nach dem Frauen - mit einer später noch zu behandelnden Ausnahme- keine Bürgschaften übernehmen können, IP II, 11, 1 und 2; IT II, 16, 3. Ferner behandelt diese IT den Fall, daß eine Frau mittels einer Urkunde Eigentum veräußert in der Annahme, sie erteile ein Mandat (zur Gutsverwaltung?). Begründet wird die Nichtigkeit solcher Verträge mit der geschlechtsbedingten Ignoranz, die es Frauen nach Ansicht des Gesetzgebers unmöglich macht, derart schwierige Rechtsverhältnisse zu durchschauen40• Andere Beschränkungen sind prozessualer Natur und werden ebenfalls gesondert zu betrachten sein41 • Eine generelle Unwirksamkeit bestimmter Geschäfte gibt es außer bei der Bürgschaft nicht. Eine Spezialvorschrift findet sich in IT IX, 33, 1 für den Fall, daß ein volljähriges Hauskind nur kurz durch das Exil des Vaters sui iuris wird (gleiches wird im Falle der Gefangennahme durch den Feind gelten, wofür parallele Vorschriften über die patria potestas existieren). Die vom Hauskind in der Zwischenzeit geschlossenen Geschäfte bleiben gültig, da es nach CT als "höchst absurd" anzusehen ist, wenn jemand gleichzeitig weder gewaltfrei noch gewaltunterworfen ist42 •
b) Die burgundische Römerin
Auch nach der RB wird z:wischen (gewaltfreien) Kindern, die unter einem Tutor, und solchen, die unter einem Kurator stehen, unterschieden. Wie sich aus dem Zusammenhang der §§ 1 und 3 des Titels XXXVI ergibt, stehen Knaben bis zum vollendeten 14., Mädchen bis zur Vollendung des 12. 40 IT II, 16, 3: "Maioribus vero mulieribus, pro fragilitate sexus in multis rebus, quas per ignorantiam praetermiserint, sicut Iex ipsa loquitur, iubet esse consultum; id est, ut si fideiussores pro quibuscunque accesserint, pro ipsa fideiussone non teneantur obnoxiae."
41
Siehe unten Titel IX, S. 175 ff.
Entspricht CT IX, 43, 1 § 1: "lta tarnen, ut gestaper filium, cuius consilia legitima aetas firmaverat, rata sint, eodem in potestatem patriam redeunte, ne eorum rescissio efficiat, quod est maxime absurdum, eodem tempore nec in patris nec in sua quemquam fuisse potestate. " 42
1. Geschäftsfähigkeit
71
Lebensjahres unter einem Tutor, werden folglich bis dahin als unmündig angesehen43. Danach sollen sie sich selbst einen Kurator erbitten, da sie insgesamt bis zum 25. Lebensjahr unter "Vormundschaft" stehen, also minderjährig sind (siehe auch RB XXII§ 644). Hierbei ist zu beachten, daß nach RB XXXVI§§ 1 und 245 zwar die alte agnatische tutela des gradnächsten männlichen Verwandten und Erben gilt, so wie Konstantin sie für die Unmündigen und Minderjährigen wieder eingeführt hatte, der Verfasser aber zugleich angehängt hat, daß auch die Mutter zur Übernahme des "Tutorats" berechtigt ist. Die Befugnisse des Tutors bzw. Kurators werden in der Vorschrift im Einzelnen nicht genannt. Aus § 3 ergibt sich jedoch, daß die Aufgabenverteilung weiterhin in der Weise erfolgt, daß die Tutoren das Vermögen direkt verwalten, während ein pupillus ab dem 12. bzw. 14. Lebensjahr das Vermögen selbst, aber mit Rat und Hilfe des Kurators verwaltet: "qua ratione conpleta, pupillus sub curatore positus facultatem suam gubernare debebit." In § 6 ist davon die Rede, daß der Tutor dem Minderjährigen für die von ihm vorgenommenen Geschäfte mit der actio tutelae bis zum dreißigsten Lebensjahr des Mündels haftet. Diese Fristenregelung stammt vermutlich aus der oben erwähnten Konstitution CT II, 16, 2, wobei diese aber zum einen nicht für die actio tutelae, sondern für die Geltendmachung der integri restitutio galt; zum anderen hätte die RB dann eigentlich ebenso wie die Westgoten die für die außeritalischen Provinzen geltende Frist bis zum 28. Lebensjahr übernehmen müssen46• RB XIV § 5 verbindet in stark verkürzter Form zwei Sonderregeln: Der Vertrag eines Kindes soll wirksam sein, wenn erstens der Vater "unter Feinden", d.h. in Gefangenschaft, ist und zweitens das Kind die firma etas hat47 • Dieser Regelungsinhalt erinnert an die oben erwähnte Konstitution LRV CT IX. 33, I (= CT IX, 43, 1).
§ 1: "Tutores legitimi agnati sunt ... qui ad tutillam post quintum decimum aetatis annum vocantur; ... quibus omnino mater, si tutelam suscipere voluerit, licito et iure praeponitur. "; § 3: "Pupilli vero post impletum quartum decimum annum curatores sibi ipsi petere debebunt, puelle vero impleto duodecimo anno curatores sibi ipse petant, quia tutor usque ad illud tempus rationem administrare tutillae debet; qua ratione conpleta, pupillus sub curatore positus facultatem suam gubemare debebit." 43
44 " ...
aetate minores, id est posite inter XXV annos... "
45
§ 2: "Sciendum tarnen, quod agnati, sicut ad successionem, sie ad tutillam vocantur."
46
Roe1s, S. 144m. Fn. 478.
"Quod si pater apud hostes est, et filius firmam etatem habuerit, contractus eius legitimus iudicetur. "
47
72
II. Die ledige Frau in sua potestate
Der erste Teil der Vorschrift entspricht dem Grundsatz, den auch die LRV in GE I, 6 § 2 und PS li, 26, 1 übernommen hat, daß nämlich für die Dauer der Gefangenschaft des Vaters die patria potestas aufgehoben ist, das Hauskind mit der Gefangennahme (vorerst) sui iuris wird. Hier kann man die Frage stellen, ob der jilius auch in diesem Fall eine filia sein kann, ob also auch die Tochter während der Abwesenheit des Vaters wirksame Rechtsgeschäfte vornehmen kann, vorausgesetzt, sie hat das erforderliche Alter (dazu nachfolgend). Hierfür sprechen zwei Erwägungen. Die erste ist systematischer Natur: § 5 ist im Zusammenhang mit § 4 zu lesen, der oben bei der Stellung der Haustochter erläutert wurde und allgemein die Vertragsfähigkeit von Hauskindern, Sklaven und Kolonen behandelt. Diese Regelung gilt auch für die weiblichen Angehörigen dieser Gruppen, weshalb anzunehmen ist, daß auch das Anhängsel des § 5 nicht nur für den jilius masculus gilt. Die zweite Erwägung ist eine praktische. Wenn männliche Vertreter des Vaters fehlten, ja noch nicht einmal die Mutter da wäre, könnte die Tochter für die Dauer der Gefangenschaft des Vaters - deren Ende immer ungewiß ist - keine wirksamen Verträge abschließen, was mit dieser rechtlichen Unsicherheit ein unhaltbarer Zustand wäre. Es kann somit angenommen werden, daß jilius auch hier Kinder beiderlei Geschlechts meint. Außerdem stellt§ 5 auf das "gefestigte Alter" ab, doch ist unklar, was damit gemeint sein soll. Es könnte sich nämlich um einen Ausdrucksfehler im Zusammenhang mit der von CT IX, 43, 1 gewählten Formulierung "legitima aetas jirmaverat" handeln; andererseits kann der Ausdruck auch tatsächlich im Sinne der jirma aetas gemeint sein, eines Instituts, das oben auf der Grundlage von LRV CT III, 17, 1 erläutert wurde. Fraglich ist, ob dieses Institut in der RB so wie in der LRV fortbesteht. Roels48 geht über das Problem hinweg, indem er es als "niet ondenkbaar" bezeichnet, daß man mit der Verwaltung der väterlichen Güter nur die volljährigen Kinder beauftragt habe. Hierbei übersieht er - zumal er die Ähnlichkeit mit CT IX, 43, 1 nicht bemerkt -, daß jirmata aetas als terminus technicus nicht Volljährigkeit bedeutet, sondern Fachausdruck für die vorzeitige Volljährigkeit nach Erteilung der venia aetatis ist. Im Gesetz findet sich kein Hinweis auf das Fortbestehen der venia aetatis im ursprünglichen Sinne. Daraus ergeben sich zwei Möglichkeiten. Einerseits könnte man meinen, daß die Rechtslage des Codex Theodosianus bei der jirma aetas weitergilt Andererseits ist es aber auch möglich, daß das Verfahren nicht mehr durchgeführt wird und die jirma etas nach burgundischer Ansicht die Altersstufe zwischen 18 und 25 Jahren bei Frauen und zwischen 20 und 25 bei Männern darstellt, also eine ohne besonderes Verfahren bestehende Qualifikation zur Führung von Geschäften. 48
s. 80/81.
2. Einzelne Vermögensmassen
73
Für die Auffassung der firma etas als einer eigenen Altersstufe spricht das völlige Schweigen der Quelle (auch der LB) darüber, ob das doch recht aufwendige Verfahren zur Erlangung der venia aetatis weiterhin durchgeführt wird. Im Gegensatz zu sonstigen, einfacheren römisch-rechtlichen Instituten, bei denen aus dem Schweigen auf ihr Fortgelten geschlossen werden kann, wäre hier ein wie auch immer gearteter Hinweis zu erwarten. Der Autor der Lex Romana Burgundionum bemüht sich bei nicht völlig selbstverständlichen Regelungen weitgehend um Belege aus der ursprünglichen Gesetzgebung, so daß anzunehmen ist, daß hier die firmata aetas der früheren Kodifikation als eigene Altersstufe zwischen Minderjährigkeit und Volljährigkeit verstanden wird. Somit kann die Tochter bei Gefangenschaft des Vaters während des Ruhens der patria potestas ab 18 Jahren die Geschäftsführung selbständig übernehmen. Sonst finden sich in der RB kaum Regelungen zur Geschäftsfähigkeit Minderjähriger. In XXXVIII § 1 Satz 1 heißt es, daß Volljährige an die von ihnen geschlossenen Verträge gebunden sind49 • Verträge Minderjähriger sind also nicht bindend. Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit volljähriger gewaltfreier Frauen sind in der RB nicht zu finden, abgesehen vom prozessualen Mandatsverbot in RB XI§ 2.
2. Regelungen über einzelne Vermögensmassen
a) Erbgut
Eine Frau sui iuris konnte in klassischer Zeit Eigentum sowohl durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden als auch durch gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge erwerben. In erster Linie zählte sie zu den sui heredes ihres Vaters, wenn sie durch dessen Tod gewaltfrei wurdes0• Auch die emanzipierte Tochter erbte nach prätorischem Recht in der Kategorie unde liberi, wobei sie allerdings die collatio bonorum zu beachten hatte: Wenn sie ihren Anteil erhalten wollte, mußte sie die dos und sonstiges seit der Emanzipation erworbenes Gut in die Erbschaft einbringen51 • 49
"Si quis maior aetate paciscitur, conditionibus pacti maneat obligatus; ... "
Gaius II, 156: "Sui autem et necessarii heredes sunt velut filius filiave ... qui modo in potestate morientis fuerunt ... " 50
51
Crook, Law and Life, S. 119.
74
II. Die ledige Frau in sua potestate
Bei der gewillkürten Erbfolge war für Angehörige der ersten census-Klasse die Iex Voconia zu beachten. Wer zu dieser Klasse zählte, durfte keine Frau zur Erbin einsetzen52• Es wurde versucht, dieses Verbot mit Fideikommissen und Legaten zu umgehen, wobei im Falle des Legates das Gesetz vorsah, daß es die Hälfte des Nachlasses nicht überschreiten durfte53 • Die Iex Voconia kam vermutlich schon während der Prinzipalszeit außer Gebrauch. Ihre verwitwete Mutter beerbte die Tochter als nächste Agnatin dann, wenn die Mutter cum manu verheiratet gewesen war4• Wie bereits erwähnt, hatte ein Kind erst seit dem SC Orfitianum aus dem Jahre 178 n. Chr. auch ein gesetzliches Erbrecht nach seiner Mutter vor allen Agnaten, wenn es bei ihrem Tod bereits sui iuris war. Dabei handelte es sich um eine Abkehr vom Agnationsprinzip, das Kind erbte als kognatischer Verwandter. War die Mutter eine Freigelassene, so erbten die Kinder je einen Kopfteil ihres Nachlasses neben dem Patron, wenn der Nachlaß mehr als 100.000 HS betrug, Gaius III, 4255 ; hatte die Mutter das ius liberorum oder war der Nachlaß weniger wert, erbten die Kinder allein. Die gewaltfreie Frau konnte auch durch Legate, Kodizille etc. Eigentum an Nachlaßgegenständen erwerben. Im Folgenden soll nur auf diejenigen Fallgestallungen eingegangen werden, die keinen unbelasteten, schlichten Eigentumsübergang bewirken, sondern in die noch andere Personen, insbesondere der Vater, verwickelt sind. Im Bereich der LRV ergeben sich ferner interessante Entwicklungen für illegitime Töchter, die mit der curia zu tun haben. In klassischer Zeit hatten illegitime Kinder kein gesetzliches Erbrecht nach dem Vater, da sie auch nicht unter seiner potestas standen56, sondern erbten nur nach der Mutte~7 • Ausnahmen gab es nur für Soldatenkinder, die nach einer epistulae Hadriani die bonorum possessio unde cognati nach ihrem Vater erhalten konnten58• Diese Kinder
52 Davon betroffen waren hauptsächlich Töchter, die oft als Erbinnen eingesetzt wurden, Treggiari, Roman Marriage, S. 366; Hallett, S. 92 ff. 53 Heyse, S. 107 ff., die auch die Probleme bei diesen Umgehungsversuchen schildert; ebenso Johnston, S. 24 f.; Salier, S. 167 f. 54 Crook, Succession, in: Rawson (Hrsg.), The Family in Ancient Rome, S. 61.
Hierzu Bund, in: Behrends u.a. (Hrsg.), FS Wieacker 1978, S. 54 m.w.N. D. XXXVIII, 8 "unde cognati", 2 (Gaius); 4 (Ulpian); 8 (Modestin); die Rechtsverhältnisse zwischen Konkubinenkindem und ihrem Vater behandelt Meyer, S. 54 ff. 57 Zur Rechtsstellung der Konkubine siehe Meyer, S. 60 ff., zu deijenigen der Konkubinenkinder S. 34 ff. 55
56
2. Einzelne Vermögensmassen
75
konnten aber wie andere extranei testamentarisch bedacht werden, was ausweislich Paulus D. XXVIII, 6, 45 pr. auch neben legitimen Kindern geschah59•
aa) Erbgut der westgotischen Römerin (1) Mütterlicher Nachlaß der emanzipierten Tochter Hat der Vater die Tochter schon zu Lebzeiten der Mutter aus seiner potestas entlassen, so findet gemäß IT VIII, 9, 560 eine Teilung des Muttergutes zwischen dem Vater und den bereits emanzipierten Kindern in der Art und Weise statt, daß der Vater vom Erbteil der emanzipierten Kinder einen Kopfteil erhält, nach IT also die Hälfte vom Anteil eines Kindes, ein Drittel vom Anteil zweier usw. Diesen Anteil erhält er aber nur zu Nießbrauch, das Eigentum erhält das Kind. Nach dem Tode des Vaters hat das Kind unbelastetes Eigentum. Hat der Vater die Tochter dagegen erst nach dem Erbfall emanzipiert, steht ihm nach IT VIII, 9, 1 und 261 und IT VIII, 9, 5 ein Drittel des Anteils der Tochter zu, das diese ihm zum Dank für die Emanzipation überlassen soll62 • Im Grunde aber handelt es sich bei allen diesen Teilungsregelungen wohl um einen Ersatz für den Nießbrauch am ganzen Muttergut, der dem Vater ansonsten zusteht63 • Das Dankesdrittel fällt dem Vater als reguläres Eigentum zu, gelangt 58 FIRA I, 7 A (Constitutiones Imperatorum) Nr. 78: "Epistula Hadriani de bonorum possessione liberis militum danda", a. 119; Crook, Law and Life, S. 129; Kaser I, S. 700 Fn. 34; zu den Soldatenkindem im Einzelnen siehe Meyer, S. 93 ff.; Gardner, in: LABEO 42 (1996), S. 87 f. 59 Crook, Law and Life, S. 107; in der Digestenstelle geht es um das Testament des "Lucius Titius", der seinen legitimen Sohn "Titianus" und dessen natürlichen Halbbruder zu Erben einsetzt. 60 Interpretation zu CT VIII, 18, 9 von 426: "Quod si supersrite matre pater filium vel filios emancipaverit, quia non potest matre viva de filiorum portionibus vindicare tertiam portionem, necesse erit ut post matris obitum, si superstes pater fuerit, a singulis emancipatis filiis virilem, id est de uno mediam, de duobus tertiam, de tribus quartam percipiat portionem in usumfructum, quoad usque vixerit, possidendam."
61 Interpretation zu CT VIII, 18, 2 von 319: "Sane si filium mortua matre emancipaverit, de bonis matemis, id est de emancipati filii portione ipse filius muneris causa de maternis bonis tertiam offerat portionem... " 62 Interpretation zu CT VIII, 18, 9 von 426: "Quod si post matris obitumfilios velfilium pater emancipaverit, de eorum portionibus, quos Liberos facit, trientem a filiis pro collata libertate percipiat, iuri suo perpetuo vindicandum." 63
Fögen, in: Sirnon (Hrsg.}, Eherecht und Familiengut, S. 22; siehe auch oben S. 43 ff.
II. Die ledige Frau in sua potestate
76
also nach dem Tode des Vaters nicht von selbst an dieses Kind allein, sondern gehört zum väterlichen Nachlaß. Die Anteile, welche die Tochter ausgefolgt erhält, stehen in ihrem unbeschränkten Eigentum, unbelastet durch väterliche Nutzungsrechte.
(2) Mütterlicher Nachlaß nach dem Tode des Vaters
Die Tochter, die sich beim Tode der Mutter noch in der patria potestas befindet, kann mit 20 Jahren vom Vater verlangen, daß er die Hälfte des von ihm genutzten mütterlichen Erbes herausgibt, was der Vater jedoch verweigern kann64 • Nach seinem Tode steht der dadurch gewaltfrei gewordenen Tochter gegen die Erben des Vaters ein Anspruch auf Herausgabe des mütterlichen Erbes und auf Ersatz der Früchte dieser Hälfte seit ihrem zwanzigsten Lebensjahr zu, wenn der Vater von seinem Verweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte, INV XII, 1 § 1065 . Sollte der Vater außerdem Gegenstände während seiner Nießbrauchszeit veräußert haben, kann die Tochter sie nunmehr zurückverlangen; einen gutgläubigen Erwerb des Käufers, Beschenkten, Pfandgläubigers etc. gibt es nicht, IT VIII, 9, 1 a.E.; INT VII, 166. Hinzu kommt nunmehr auch diedosder Mutter, an welcher der Vater ein lebenslanges Nießbrauchsrecht hat, während die Kinder Eigentümer sind67. Bezüglich dieses Gutes besteht ein Verfremdungsverbot zu Lasten des Vaters. Bei Verstoß gegen dieses Verbot hat die Tochter das V indikationsrecht Die Zuordnung einzelner Vermögensteile zum mütterlichen Erbe aufgrund ihrer Herkunft aus dem Vermögen der Mutter beschränkt sich allerdings nicht auf die dos. Zum Muttergut wird nun auch alles gerechnet, was durch Schenkung68, Testament oder mittelbar durch Beerbung eines Kindes aus dem früheren Eigentum der Mutter in das des Vaters übergegangen ist. Auch diese Güter Siehe oben S. 43 ff. Interpretation zu NV XXXV, 1 von 452, § 10; Text siehe oben S. 44 Fn. 112. 66 Interpretation zu CT VIII, 18, 1 von 315 oder 319: "... quia defuncto patre licet filiis 64 65
res suas a quibuscunque personis, sive venditae sive donatae a patre fuerint, in suum dominium revocare." Die Novelle entspricht NT XIV, I von 439. 67
Siehe oben S. 45 f.
Schenkung kann hier eigentlich nur Schenkung mortis causa bedeuten, da auch die LRV das Schenkungsverbot zwischen Ehegatten noch kennt, LRV Pap.; PS II, 24, 2- 5; IT III, 13, 3 § 1. Die zu Lebzeiten unwirksame Schenkung der Mutter an den Vater ist aber durch den Tod der Mutter konvalesziert.
68
2. Einzelne Vermögensmassen
77
kann die Tochter nach dem Tode des Vaters als mütterliches Erbe herausverlangen, der Begriff des mütterlichen Vermögens ist somit in der Erbfolge nach dem Vater weiter gefaßt als in der Erbfolge nach der Mutter selbst. Von besonderem Interesse ist dieser Anspruch dann, wenn der Vater Kinder aus anderen Ehen hat oder die Kinder das väterliche Erbe gar nicht oder nicht allein erhalten. Dieses Muttervermögen zählt nicht zum Vermögen des Vaters und geht separat und uneingeschränkt an sie.
(3) Nachlaß mütterlicher Vorfahren Diejenigen Güter, die der Tochter während der Dauer der patria potestas von mütterlichen Vorfahren zugefallen sind, stehen von Beginn an in ihrem Eigentum (oben zu IT VIII, 9, 4); sie soll sie nach dem Tode des Vaters unvermindert als praecipuum empfangen. Fraglich ist, ob diese Rechtslage auch gilt, wenn die Tochter nicht durch Tod des Vaters, sondern durch Emanzipation sui iuris geworden ist. LRV CT VIII, 9, 4 mit IT regelt zwar nur die Herausgabe im Erbfall, doch dürfte es sich hier um eine aus aktuellem Anlaß getroffene Regelung handeln, nämlich um die Schlichtung eines Streites zwischen Miterben über den Inhalt der Erbmasse. Grundlage der Herrschaft des Vaters über diejenigen Güter, die nominell im Eigentum seiner Kinder stehen, ist die patria potestas, die ihm die Nutzung dieser Güter gestattet. Fällt die patria potestas weg, gleichgültig ob durch Tod oder Emanzipation, so muß es dem Kind freistehen, seine Rechte aus dem Eigentum geltend zu machen. Die Tochter kann somit auch nach einer durch Emanzipation herbeigeführten Beendigung der patria potestas die Herausgabe der ihr zugefallenen Erbschaften verlangen.
(4) Nachlaß des Vaters Nach ihrem Vater erbt die durch seinen Tod gewaltfrei gewordene legitime Tochter als sua gleichberechtigt neben ihren Brüdern. Verwirrend wirkt in diesem Zusammenhang zunächst LRV PS IV, 8, 3. Nach dieser Sentenz soll die Iex Voconia für das lotestaterbrecht in der Weise gelten, daß Frauen von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind, abgesehen von Erbschaften hinter consanguine1.,9• Der Verweis auf die Iex Voconia in diesem Zusammenhang ist "Feminae ad hereditates legitimas ultra consanguineas successiones non admittuntur: idque iure civili Voconiana ratione videtur effectum. Ceterwn Lex XII tabularum nulla discretione sexus cognatos admittit." Entspr. PS IV, 8, 20, wo alle agnatos emendieren. Für die LRV muß es jedoch bei cognatos bleiben, vgl. Conrat, Paulus, S. 100. 69
78
II. Die ledige Frau in sua potestate
irreführend, denn die Sentenz besagt - wie auch die Interpretation klarstellt -, daß die agnatische Erbfolge der kognatischen vorgehen soll; erst dann, wenn keine Agnaten - gleichgültig, ob männlich, oder weiblich - vorhanden sind, tritt die kognatische Erbfolge ein. Da es sich bei der legitimen Tochter um eine agnatischeVerwandte ihres Vaters handelt, wird ihr Erbrecht von dieser Regelung nicht berührt. Zur gewillkürten Erbfolge ist noch GE II, 3 zu beachten, wo das Erbrecht der im Testament übergangenen Tochter geregelt ist: Sie vernichtet das Testament im Gegensatz zum übergangenen Sohn niche0, sondern erhält schlicht einen Kopfteil neben den Geschwistern. Ist ein extraneus eingesetzt, erhält sie die Hälfte von dessen Erbschaft.
(5) Hinterlassenschaft für die Konkubine und die natürlichen Kinder In der LRV finden sich mehrere Vorschriften über Konkubinen71 und illegitime Töchter. Da eine illegitime Tochter nie eine sua ihres Vaters ist, hat sie kein lntestaterbrecht. Es ist jedoch unter bestimmten Voraussetzungen möglich, ihr testamentarisch etwas zu hinterlassen. Wenn der Vater auch legitime Kinder, Enkel oder noch Eltern hat, beschränkt sich nach LRV CT IV, 6, I der Anteil des für die illegitimen Kinder und ihre Mutter verfügbaren Gutes auf ein Zwölfte!; ohne diese gesetzlichen Erben kann er drei Zwölftel, also ein Viertel, betragen72 • Im Titel CT IV, 6, der nur zum geringen Teil in die LRV übernommen wurde, aber im übrigen fragmentarisch überliefert ist, hieß es in Konstitution 7 (von 426) generell, daß ein Vater seinen freigeborenen natürlichen Kindern 70 Wie in GE li, 3 § 3 selbst festgestellt, ist die Lage der posthuma besser, da sie im Gegensatz zur bereits geborenen Tochter das Testament bricht und damit die gesetzliche Erbfolge auslöst; dabei werden testamentarische Auflagen hinfallig. 71 Zur Einstellung der christlichen Kaiser zum Konkubinat siehe Meyer, S. 125 ff.; zu den einzelnen spätantiken Gesetzen S. 134 ff.; speziell zum Breviar Conrat, Paulus, S. 106 ff. Das Nebeneinander von Ehe und Konkubinat ist in der LRV verboten, IP II, 21, 1 (zu PS li, 20, 1 =Liebs II, 22, 1): "Qui uxorem habet, eo tempore concubinam habere prohibetur, ne ab uxore eum dilectio separet concubinae." So schon Ulpian, D. XXIV, 2, 11 § 2 a a. E.; Konstantin im Jahre 326 C. V, 26, 1; in VII, I 5, 3 § 2 als "antiqua iura" bezeichnet. 72 Möglich war es allerdings, illegitime Kinder durch Adrogation zu legitimieren, so daß sie gesetzliche Erben wurden; dies galt aber nur für Söhne, da die adrogatio von Frauen nicht möglich war, Gaius I, 101; Crook, Law and Life, S. 112.
2. Einzelne Vermögensmassen
79
und ihrer Mutter nicht mehr als ein Achtel seines Vermögens zuwenden darf. Dabei geht es um den Fall, daß keine legitimen Kinder vorhanden sind. Die nachfolgende Konstitution 8 von 428, die unter CT IV, 6, 2 in die LRV übernommen wurde, formuliert dann etwas kryptisch, daß die erste Beschränkung aufgehoben und die neue auf alle Fälle anzuwenden sein soll. Somit können die illegitimen, freigeborenen Kinder von ihrem Vater insgesamt ein Achtel seines Vermögens hinterlassen bekommen. Nach der interpretatio bedarf diese Regelung keiner Erläuterung; sie sei nur aufgenommen worden, weil sie die aktuellste sei. Noch aktuellere Vorschriften zu diesem Thema finden sich allerdings in den theodosianischen Novellen. Nach LRV NT XI, 1 (=NT XXII, 1 von 442) standen die Kaiser vor dem Problem, daß niemand Mitglied der curia in den Munizipien sein wollte. Daher wurden Vorschriften unter anderem über das Erbrecht der natürlichen Kinder geschaffen, welche die Möglichkeit des testamentarischen Erwerbs dieser Kinder an ihre Mitgliedschaft in der curia knüpften. Diese Mitgliedschaft ist aber auf die männlichen Kinder beschränkt, denen dann das gesamte Vermögen mit Ausnahme des falcidischen Viertels hinterlassen werden kann, wenn keine legitimen Kinder da sind; sonst bleibt die Beschränkung auf ein Achtel bestehen. In INT XI, 273 findet sich eine noch speziellere Vorschrift über die illegitime Tochter eines Curialen: Wenn sie mit einem Curialen verheiratet ist, soll der Vater ihr aus seinem eigenen Vermögen nicht nur unter Lebenden etwas schenken können (da sie eine natürliche Tochter ist, steht dem kein Gewaltverhältnis entgegen), sondern darf er ihr auch etwas hinterlassen, sie also testamentarisch bedenken. Dieses Recht wird nur durch die Falcidia beschränkt, er darf ihr also nicht mehr als drei Viertel des freien Vermögens zuwenden, immer unter der Voraussetzung, daß legitime Kinder nicht vorhanden sind. Für das testamentarische Erbrecht der Konkubine und der natürlichen Tochter ergibt sich somit Folgendes: - neben legitimen Kindem können Mutter und Tochter immer nur ein Achtel erben; sind es mehrere Kinder, so muß das Achtel noch weiter geteilt werden; -sind nur illegitime Kinder da, ist der Vater in der Verfügung bis auf die Fa/cidia frei, soweit die Söhne Mitglieder der curia werden; da die Töchter dies nicht werden können, erhalten sie den ihnen zugedachten Anteil nur, wenn sie mit einem Curialen verheiratet sind. Interpretation zu NT XXII, 2 von 443: "Filia quoque naturalis si curiali nuptafuerit, licet ei proprias et donare et relinquere facultates, ea conditione, ut patrem matremve, vel quibus actio de inofficioso testamento competit, nullatenus praetermittat. Sed eis legibus debitam vel donationis vel mortis tempore, hoc est quartam portionem reservet. "
73
Zu den Curialen insgesamt siehe Jones, S. 737 ff.
80
II. Die ledige Frau in sua potestate
bb) Erbgut der burgundischen Römerin (1) Mütterlicher Nachlaß der emanzipierten Tochter Die vermögensrechtlichen Folgen der Emanzipation werden in der RB nicht geregelt, ebensowenig wie die Emanzipation selbst. Doch kann davon ausgegangen werden, daß die Emanzipation mit der patria potestas fortbesteht. Anzunehmen ist auch, daß mangels anderweitiger Regelung die Rechtslage des hier einschlägigen Titels 18 im 8. Buch des Codex Theodosianus, "De maternis bonis et materni generis et cretione sublata" gilt. Nummer 6 daraus hatte RB XXII § 2 als Vorlage gedient, der Titel war dem Verfasser somit bekannt. Nach CT VIII, 18, 9 von 426 überlassen die vor dem Erbfall emanzipierten Kinder, denen das mütterliche Erbe direkt anfällt, ihrem Vater einen Kopfteil ihres Erbteils zu Nießbrauch. Ein später emanzipiertes Kind gibt dem Vater nach der Regelung Konstantins, CT VIII, 18, 1 von 315 oder 319, ein Drittel seines Anteils zu Eigentum, zum Ausgleich für das bis zur Emanzipation des Kindes bestehende Nießbrauchsrecht des Vatersam ganzen Erbteil.
(2) Mütterlicher Nachlaß nach dem Tode des Vaters In RB XXVI§§ 1 und 374 wird festgelegt, daß die Kinder von den Erben des Vaters das mütterliche Erbgut herausverlangen können, wenn es ihnen durch ein Testament entfremdet worden ist. Den Kindem steht außerdem ab ihrem zwanzigsten Lebensjahr die Herausgabe der Hälfte ihres Erbteiles zu. Hatte der Vater diese nicht herausgegeben, so können sie von den (Mit-) Erben den Ersatz der Früchte ab ihrem zwanzigsten Lebensjahr verlangen. Dies entspricht der am Ende von § 1 zitierten Novelle Valentinians, NV XXXV, 1 § 10, aus dem Jahre 452.
§ 1: "Pater debit de matemis bonis medietatem filiis dare, cum annorum XX fuerint. Quod si de proprietate rerum matemarum expressam non dederit portionem et per testamentum res proprias afiliis alienare voluerit, ab heredibus repetendum est, quidquid in expressa portione a vicensimo anno jilii de fructibus accepere potuissent, secundum legem novel/arum." § 3: "Quod sifactumfuerit,fructus rerum ipsarum debentur, quibus tarnen et de ipsa medietate, cum annorum XXfuerint, debebit refundere. Quod sifactum fuerit, vindicatio mateme donationis iure debentur." 74
2. Einzelne Vennögensmassen
81
Die Hochzeitsschenkung der Mutter, die dos, die nach § 2 dem Vater lebenslänglich zu Nießbrauch zugestanden hatte75 , fällt nun ebenfalls unbelastet an die Kinder. Diese können sie im Falle der Verfremdung gemäß § 3 S. 2 vindizieren.
(3) Nachlaß mütterlicher Vorfahren Nach RB X§ 2 stehen den Enkeln, die Kinder einer Tochter sind, zwei Drittel des Erbteiles ihrer vorverstorbenen Mutter nach den Großeltern zu. Hinzu kommen gemäß RB XXII § 9 zwei Drittel des mütterlichen Anteils an den großelterlichen Hochzeitsschenkungen76 • Gemäß CT VIII, 18, 4 können die Enkel dieses Erbgut nach dem Tode des Vaters als praecipuum herausverlangen, es gehört nicht zur Erbmasse. Entsprechend dem oben Ausgeführten besteht dieser Herausgabeanspruch bei Beendigung der patria potestas durch Emanzipation auch hier gegen den Vater.
(4) Nachlaß des Vaters Auch für den Nachlaß des Vaters gilt die Regel von RB X § 1 Satz 1, nach dem die legitimen Töchter ihren Vater gleichberechtigt mit den Brüdern beerben, unabhängig davon, ob sie zum Zeitpunkt seines Todes bereits emanzipiert oder noch in potestate waren 77•
(5) Hinterlassenschaft für die Konkubine und die natürlichen Kinder Das Erbrecht der illegitimen Kinder behandelt RB XXXVII § 478 unter Berufung auf eine CT-Konstitution, die wohl verloren ist, wie von Salis in der § 2: "Nuptiales tarnen donationes, dejuncta eorum matre, secundum veterem consuetudinem in usufructu liceat possedere, proprietate filiis in nullo inminuta. "
75
76 77
Zur Begründung oben S. 53. Bauer-Gerland, S. 25 f.
"Quod si aut de ingenua fuerint naturales aut de liberta aut certe libertina, ultra sescunciam matri cum naturalibus filiis dari amplius non licebit, hac ratione, ut donatio nuptialis in hereditatis subputatione non veniat; sed de eo, quod supra donationem nuptialem juerit, inde sescuncia deputata naturalibus iure debetur. Quod si aliquid ultra aut per donationem aut per testamenturn aut per suppositam quamcumque personam il-
78
6 Johlen
82
II. Die ledige Frau in sua potestate
Anmerkung zu dieser Vorschrift angibt; er verweist auf die interpretatio zu NT XXII, 1, die den Inhalt der alten Vorschrift wiedergibt: eine Konkubine und ihre freigeborenen Kinder können nur ein Achtel des Vermögens erhalten. Ein Fragment dieser Vorschrift ist unter CT IV, 6, 7 zu finden. Parallel zu diesem Fragment enthält auch die RB die Regelung, daß in das den Kindern und ihrer Mutter zuwendbare Vermögen von einem Achtef9 die donatio nuptialis nicht einzurechnen ist. Auffallend hierbei ist, daß die RB nicht nach den verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten mit sonstigen Verwandten differenziert; es heißt lediglich, die gesetzlichen Erben könnten darüberhinaus hinterlassene Dinge nach den Gesetzen zurückholen. Die Stelle, auf die verwiesen, die aber nur fragmentarisch erhalten ist, enthält keine entsprechende Regelung (mehr). Doch wird klar, daß diese Beschränkung auf ein Achtel offenbar generell gelten soll, unabhängig davon, welche Personen konkret die sonstigen Erben sind80• Auch fehlt jeder Hinweis auf eine Bindung an die curia wie in den theodosianischen Novellen. Hier kann daher wieder angenommen werden, daß eine so komplizierte Regelung, die nicht einmal andeutungsweise erscheint, auch nicht gelten soll, zumal es sich nicht um eine alte Tradition, sondern um eine relativ neue Rechtsschöpfung handelt. Bei der Berechnung des Vermögensanteils soll entsprechend dem Verweistitel CT IV, 6, 7 das nicht eingerechnet werden, was "darüber hinaus" (supra) als donatio nuptialis gegeben worden ist. Der Text sagt nicht, welche donatio gemeint ist. Barkow81 ist der Ansicht, daß die RB hier die dos meint; dem widerspricht Bauer-Gerland82 zu Recht mit dem Argument, daß das Eigentum an der dosden Kindern aus der entsprechenden Ehe zusteht, der Vater also gar nicht arüber verfügen kann. Also muß es sich um eine echte donatio des Mannes handeln. Fraglich ist, wem diese zugewandt wurde. Bauer-Gerland ist der Ansicht, es handle sich um die donatio des Mannes an seine legitime Ehefrau, an der den Kindern aus dieser Ehe nach RB XXVI § 2 das Eigentum und dem Vater selbst nur ein Nießbrauch zugestanden habe83 ; da das der Rechtslage des Codex widersprach, habe diese eigentlich selbstverständliche Verfügungsbeschränkung wiederholt werden müssen. Gegen diese Argumentation spricht allerdings, daß die CT-Regelung genau den gleichen Inhalt hat; die CTlis j11erit derelictum, ab herede legitimo legibus revocetur, secundum Legern Theodosiani, quae de naturalibus filiis et matribus eorum lata est. " 7q
80
81 82
sescuncia bedeutet anderthalb Zwölfte[, also ein Achtel. So andeutungsweise auch Roels, S. 150.
s. 111.
s. 155 ff.
S. 157; gegen ihre Auffassung hinsichtlich der Rechte an der donatio schon oben S. 50.
83
2. Einzelne Vermögensmassen
83
Konstitution regelte gerade den Fall, daß keine legitimen Kinder vorhanden waren, denen ein primärer Anspruch auf das Erbe des Vaters und damit auf die an diesen nach der hier vertretenen Ansicht zu Eigentum zurückgefallenen donatio zustehen konnte. Möglicherweise handelt es sich um den Fall, daß der Mann nach Auflösung der ersten Ehe die Konkubine geheiratet hat; die Frau wird in dem RB-Titel auch nicht als Konkubine, sondern nur als mater bezeichnet. In der klassischen Zeit kam es häufig vor, daß ein Mann sowohl eine Konkubine als auch eine Ehefrau hatte 84; ebenfalls geschah es, daß ein Paar längere Zeit im Konkubinat lebte und später heiratete85 • Dadurch wurde allerdings die Stellung der Kinder nicht verbessert, diese galten weiterhin als illegitim86, mit allen Nachteilen, die diese Rechtsstellung beinhaltete. Daher kann davon ausgegangen werden, daß die Kinder zusammen zwar nur ein Achtel vom Vermögen des Vaters erben können, zusätzlich aber die donatio erhalten, die ihrer Mutter vor Eingehung der Ehe gegeben wurde.
b) Unterhalt, Schenkungen undfrüheres peculium Auch die emanzipierte Tochter hatte in klassischer Zeit einen Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Vater87 • Nach Beendigung des Gewaltverhältnisses stand einem eigenen Erwerb des Eigentums an Geschenken - also über den Unterhalt hinausgehenden Leistungen -, die der Frau nach diesem Zeitpunkt von ihrem Vater, ihrer Mutter oder anderen gemacht wurden, nichts mehr entgegen, solange diese Schenkungen Zu der Bezeichnung einer solchen Frau als paelex und der Herkunft dieses Wortes siehe Meyer, S. 7 ff. 85 Cervidius Scaevola D. XXIV, I, 58; Papinian D. XXXIX, 5, 31 pr.: "Donationes in 84
concubinam collatas non posse revocari convenit nec, si matrimonium inter eosdem postea fuerit contractum, ad irritum reccidere quod ante iure valuit. an autem maritalis honor et ajfectio pridem praecesserit, personis comparatis, vitae coniunctione considerata perpendendum esse respondi: neque enim tabulas facere matrimonium. "; Crook,
Law and Life, S. 102 Nach einem Gesetz Konstantins, zitiert von Zeno C. V, 27, 5 (477), wurden vor dem Erlaß des Gesetzes bestehende Konkubinate zur Ehe aufgestuft, wenn die beteiligten Personen ehefahig waren, und die aus der Verbindung hervorgegangenen Kinder nachträglich ehelich, legitimatio persubsequens matrimonium, Meyer, S. 130 ff. Dies galt aber nicht für nach diesem Gesetz eingegangene Verbindungen, Meyer, S. 132. 87 Sachers, in: FS Schulz, S. 323 ff. 86
84
II. Die ledige Frau in sua potestate
nicht gegen ein Verbot der Lex Cincia verstießen88• Ebenso wurden nach Papinian vat. 260 die ihr nicht entzogenen Geschenke des Vaters aus der Zeit des Gewaltverhältnisses ihr Eigentum. Anders war die Rechtslage, wenn die Frau durch den Tod des Vaters sui iuris wurde und dieser ihr die Geschenke nicht hinterlassen hatte. Bis in die spätklassische Zeit konvaleszierte die Schenkung durch den Tod des Vaters nicht; das war jedoch seit dem mittleren 3. Jahrhundert nach Christus der Fall89• Nach Papinian vat. 255 konnte die Tochter, die durch Emanzipation von der patria potestas frei wurde, das ihr vom Vater nicht entzogene peculium als gültige Schenkung behalten90 • Anders, wenn die Tochter nicht durch Emanzipation, sondern durch den Tod des Gewalthabers sui iuris geworden war. In diesem Falle fiel das peculium in den Nachlaß des Vaters und wurde mit den Miterben geteilt91 • Einen gesonderten Eigentumserwerb arn Sondergut gab es nur, wenn es dem Kind vom Vater eigens hinterlassen worden war92 •
aa) Die westgotische Römerin Über den Kindesunterhalt macht die LRV keine Angaben. Daher ist anzunehmen, daß die klassische Rechtslage fortgilt, nach der auch die emanzipierte bedürftige Tochter einen Unterhaltsanspruch gegen ihren Vater hatte. Nach der LRV werden Schenkungen des Vaters an die gewaltunterworfene Tochter mit dem Tode despaterfamiliasweiterhin ihr Eigentum93 • IGreg VIII, 2 ergänzt den Grundtext um eine erbrechtliche Komponente: Beträgt das restliche Vermögen des Vaters nicht einmal ein Viertel des Schenkungswertes, hat der Vater dem Hauskind also mehr als drei Viertel seines Gutes übertragen, so 88
Siehe hierzu oben S. 29 f.
Vielleicht schon 256 n.Chr., C. III, 29, 2; sicher bei Valerian 260 n. Chr., LRV CGreg VIII, 2: "indubitati iuris est"; vat. 281 aus dem Jahr 286: "... Proinde si pater, qui per epistulam res tibi dono dedit, non revocata liberalitate nec mutata voluntate fatalem diem intestato obiit, inlibata donatio permanet, si tarnen legis Falcidiae ratio comminui eam nec exegerit."
89
"Pater qui filiae quam habuit in potestate mancipia donavit et peculium, quamquam soluta potestate iure emancipationis vita decessit, ei non ademit, ex post facto donationem videbatur perfecisse." 90
91
Wacke, in: JURA XLII, S. 59 f.
92
Wacke, in: IURA XLII, S. 63 ff.
Siehe auch LRV PS V, 12, 3: "Pater sifiliofamilias aliquid donaverit et in ea voluntate perseverans decesserit, morte patris donatio convalescit."
93
2. Einzelne Vennögensmassen
85
muß für die übrigen Kinder das noch vorhandene Erbgut aus dem Geschenkten so weit ergänzt werden, daß es die Falcidia, den Pflichtteil von einem Viertel, erreicht94• Nach der ursprünglichen Regelung der Lex Falcidia aus dem Jahr 41 v. Chr. sollte allen von einem Erblasser eingesetzten Erben ein Viertel ihres Anteils frei von Belastungen, z. B. durch Legate, zustehen95 , Gaius II, 227. Diese Bedeutung ist auch in IP IV, 3, 3 noch zu finden 96 • Aus dieser Regelung entwickelte sich in der Kaiserzeit97 zudem das in den nachklassischen Quellen als Falcidia bezeichnete Pflichtteilsrecht. Danach muß den gesetzlichen Erben jeweils ein Viertel ihres gesetzlichen Erbteilesam Vermögen des Erblassers hinterlassen werden, so daß der Erblasser wertmäßig in Höhe von einem Viertel jeden Erbteiles in der Verfügung über sein Vermögen beschränkt ist. Da bei einer gleichmäßigen Verteilung des Vermögens auf die gesetzlichen Erben nach Köpfen bzw. Stämmen der absolute Anteil dieser Pflichtteile immer ein Viertel des gesamten Nachlasses beträgt (anders bei auf unterschiedliche Teile eingesetzten testamentarischen Erben), findet sich in den spätantiken Quellen gelegentlich die schlichte Bezeichnung der Quart als eines Viertels des Vermögens des Erblassers, anstelle der korrekten Bezeichnung als eines Viertels der gesetzlichen Erbteile, z. B. außer in der genannten IGreg-Stelle noch in IT VIII, 5, 1. IGreg VIII, 2 bestärkt die Bewertung der Schenkung unter Lebenden an die gewaltunterworfene Tochter als eine Verfügung, die erst mortis causawirksam wird und daher stark erbrechtlich geprägt ist. Da die Schenkung während des Bestehens der patria potestas ungültig ist, gehört das Geschenkte bis zum Tode des Vaters zu seinem Vermögen. Nach IT VIII, 6, 498 ist eine vom Vater oder von väterlichen Vorfahren an die emanzipierte Frau gemachte Schenkung von Anfang an wirksam, so daß das 94 "Sed hoc amplius habet, quod, si maior fuerit ista donatio, quae nomine filiifamilias facta est, ut omnis facultas patris quartam eius rei, quam filius donatam accepit, implere non possit, reliquis filiis de hac ipsa donatione Falcidia suppleatur." Dazu Kreuter, S. 47 f. und 62 f.
Zur Datierung der Lex Falcidia siehe Manthe, S. 16 mit Fußnote II; zu den Folgen eines Verstoßes siehe Wacke, in: Medicus I Seiler (Hrsg.), Studien im römischen Recht, s. 209- 251.
95
"Lex Falcidia, similiter et Pegasianum Senatusconsultum, facta hereditarii debiti ratione et separatis his, quae in honorem Dei ecclesiis relinquuhtur, quartam hereditatis ex omnibus ad scriprum heredem censuit pertinere."
96
97 Weber,
S. 159; Übersicht über die Wandlung gibt Kaser Il, S. 515, insb. Fn. 2.
Interpretation zu CT VIII, 13, 6 von 426: "Si quis filio, filiae ... emancipationis tempore aliquid donaverit, id nisi probatis in iudicio manifestis offensarum causis revocare non poterit. " 98
II. Die ledige Frau in sua potestate
86
geschenkte Gut in ihr Eigentum fällt. Es kann nur vor Gericht unter Nachweis von Beleidigungstatbeständen zurückgefordert werden. Die gleiche Rechtslage besteht bei Schenkungen der Mutter an das Kind gemäß IT VIII, 6, 399 , mit dem Zusatz, daß das Widerrufsrecht der Mutter bei erneuter Verheiratung erlischt. Wirksamkeitserfordernis ist die Errichtung einer Schenkungsurkunde, die zu den gesta gegeben wirdux>. Eine solche Zuwendung an das Kind mittels Urkunde ist nach IP III, 11, 3 nicht auf dessen Pflichtteil, die Falcidia, anzurechnen 101 ; die Schenkung scheidet also sofort aus dem Vermögen der Mutter aus und geht in das des Kindes über. Auch Schenkungen sonstiger Personen fallen nun direkt in das Eigentum der Frau, da nach Aufbebung der patria potestas keine dieser Eigentumserlangung entgegenstehenden Hindernisse mehr bestehen. Für Schenkungen, die der Frau während der Dauer der patria potestas von mütterlichen Vorfahren zugefallen sind, gilt das oben zu den Erbschaften Gesagte. Nach ihrer Emanzipation oder dem Tod des Vaters kann die Frau die Herausgabe ihrer Güter verlangen. Das Schicksal des peculium bei Emanzipation des Kindes ist in der LRV nirgendwo geregelt. Allerdings könnte IP V, 10, 4 einen Hinweis geben. Dort heißt es, daß die emanzipierten Kinder, die im Testament des Vaters übergangen wurden, trotzdem mit den Geschwistern erben können, wenn sie die zur Zeit der Emanzipation erhaltenen Dinge in die Erbschaft einwerfen 102; davon soll das peculium castrense ausgenommen sein. Hier zeigt sich eine deutliche Parallele zur klassischen Regelung, nach der das peculium beim Tode des Hausvaters zu dessen Erbmasse gehörte und unter den Erben geteilt wurde. Anzunehmen ist daher, daß es sich bei den "rebus, quas a patre emancipationis tempore perceperint" um das dem Kind belassene peculium handelt, das damit Eigentum des Kindes geworden ist.
Interpretation zu CT VIII, 13, 4 von 358: "Si quis filius donatione matris aliquid fuerit consecutus et eam postmodum laeserit, probatis in iudicio laesionis causis, donationem mater, si voluerit, in integrum revocabit. "; siehe hierzu oben S. 33 f.
99
100
IT III, 5, I; VIII, 5, l.
"Ea, quae mater superstes ftlio per legitimam scripturam donavit, in Falcidiam ei post mortem matris a germanis eius non possunt imputari: sed in partem sibi debitam salva donatione succedit. " 101
102 "Emancipati filii, si patris testamento fuerint praetermissi et se patemae hereditati cum reliquis fratribus miscere voluerint, de confundendis rebus, quas a patre emancipationis tempore perceperint, fideiussores dare compelluntur, qui eos omnia divisioni refusuros sua fideiussione promittant. "
2. Einzelne Vermögensmassen
87
bb) Die burgundische Römerin Wie sich aus dem bereits zur gewaltunterworfenen Frau Gesagten ergibt, unterliegen Schenkungen an die Frau sui iuris keinen Beschränkungen, weder auf der Seite des Schenkers noch auf der des Beschenkten. Beide Elternteile können der Tochter unter den Voraussetzungen von RB I § 1 Geschenke zukommen lassen. Das Gleiche können auch die Verwandten beider Seiten und sogar familienfremde Personen, da RB XXII § 1 Satz 2 nun keine Gültigkeit mehr hat und die Geschenke aller Personen der Frau selbst zufallen. Inwieweit die Frau dann darüber verfügen darf, hängt von ihrer aUgemeinen GeschäftsHihigkeit ab (siehe oben 1.).
c) Verlobungsgeschenke
aa) Die westgotische Römerin Für die westgotische Römerin, die eine donatio sponsalitia largitas erhält, ohne daß eine Eheschließung nachfolgt, gilt das oben zur westgotischen Römertochter unter patria potestas Gesagte. Wird die Eheschließung durch Rücktritt des Verlobten verhindert, kann die Braut die ganze Schenkung zur freien Verfügung behalten, IT III, 5, 2. Bei Rücktritt der Frau von der Verlobung wird nach den oben beschriebenen Altersstufen unterschieden; ab ihrem zwölften Lebensjahr haftet die Frau sui iuris selbst für die vierfache Erstattung der Verlobungsschenkung, wobei ihr der Regreß gegen die Verwandten, die sie verlobt haben, vorbehalten bleibt, IT III, 5, 6 103• Seit Konstantin war die Zustimmung des Tutors, Kurators bzw. der nächsten Verwandten, welche die Sorge für das Mädchen übernommen hatten, Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verlobung 104• 103 Interpretation zu CT 111, 5, 11 von 380: "Si pater mortuus est, et de nuptiis puellae mater, tutor aut curator aut propinquus aliquis definierit, et puella alteri nubere maluerit, ipsa sponso priori de propriis facultatibus satisfaciat in quadruplum, quod accipit: hac tarnen conditione servata, ut postmodum contra praedictas personas agere possit, si illius arras, quem renuit, illis cogentibus invita suscepit."
104 Evans Grubbs, S. 141; dies erklärt auch den Brief des Sidonius an Sagittarius, den Vormund der Tochter des kürzlich verstorbenen Opantius, worin Sidonius empfiehlt, den Antrag eines Mannes mit Wohlwollen aufzunehmen, der bei der Witwe des Opantius um die Hand der Tochter angehalten, diese auch gewährt bekommen hat und sich jetzt um die Zustimmung des ihm unbekannten Vormunds bemüht, Briefe II, 4 § 2.
88
II. Die ledige Frau in sua potestate
Bei Tod des Mannes nach der Verlobung wird unterschieden: War die Braut nicht geküßt worden, muß sie die ganze Schenkung herausgeben; im anderen Falle behält sie die Hälfte in ihrem uneingeschränkten Eigentum, IT III, 5, 5 105 •
bb) Die burgundische Römerin Da das burgundisch-römische Recht diese Verlobungsschenkung nicht kennt106, aber eine arra, ist an dieser Stelle nach der rechtlichen Zuordnung des Verlobungspfandes zu fragen. Nach Titel XXVII § 1 Satz 2 kann die Frau, die in sua potestate ist107, die arra selbst empfangen. Tritt sie von der Verlobung zurück, muß sie folglich auch selbst die vierfache Strafe zahlen, und zwar aus ihrem eigenen Vermögen, wie der Text sagt. Der Regreß gegen den Verlober, der ohne ihr Wissen handelte, bleibt dabei vorbehalten. Das entspricht der oben geschilderten Rechtslage nach CT III, 5, 11. Hier ist nicht nur Zustimmung der Verwandten bzw. Vormünder erforderlich, sondern die Verlobung ist sogar ohne Zustimmung oder Wissen des Mädchens wirksam. Tritt hingegen der Mann zurück, so darf sie die arra behalten. Entsprechendes gilt, wenn die Hochzeit nach zwei Jahren nicht zustande kommt. § 2 spricht zwar nur davon, daß die Eltern das verlobte Mädchen nach zwei Jahren ohne Verlust der arra einer anderen Ehe zuführen dürfen. Die Bestimmung ist jedoch analog auf den in § 1 geregelten Fall anzuwenden, daß das elternlose Mädchen selbst einen anderen heiratet oder auf andere Weise von der Verlobung zurücktritt.
Interpretation zu CT III, 5, 6 von 336; oben S. 61 f. Oben S. 62 f. 107 Dies folgt daraus, daß als Alternative Verwandte oder Tutoren als Empfänger genannt werden, durch die das Mädchen selbst die arra erhält: "... si vero puella aut per se 105
106
aut per quamcumque propinquarum aut tutorum personam arras accipiat, et nuptias voluerit recusare vel alium fortasse recepere, poenam suprascriptae solutionis de propria facultate ipsa dissolvat; actione contra illum, qui illa inconsulta arras susceperit, reservata."
111. Die gottgeweihte Frau " Kinder männlichen Geschlechts scheiden aus der väterlichen Gewalt aus, wenn sie zu flamines Dia/es geweiht werden, Kinder weiblichen Geschlechts, wenn sie zu vestalischen Jungfrauen erwählt werden." Gaius I, 130.
1. Die Vestalin Von der Vestalin heißt es in Gaius I, 130 und 145, sie sei sowohl von der patria potestas als auch von der tutela mulieris befreie. Die Vestalin war folglich sui iuris und genoß uneingeschränkte persönliche und vermögensrechtliche Freiheit; die potestas, die der pontifex maximus über sie besaß, betraf nur ihre religiösen Pflichten2• Das Erbrecht nach ihrer Familie hatte die Vestalin zwar durch die Emanzipation verloren3 ; da sie aber üblicherweise eine Art von Mitgift in Höhe von bis zu zwei Millionen Sesterzen empfing, hatte sie beträchtliches Vermögen. Allerdings gab es nicht allzuviel, wofür sie es ausgeben durfte. Sie unterlag insofern einer Verfügungsbeschränkung, als sie keinerlei Schmuck oder aufwendige Kleidung tragen durfte; auch sollte sie den Tempel nur zu offiziellen Anlässen verlassen; dann allerdings durften die Vestalinnen als einzige Frauen Roms z. B. einen zweirädrigen Wagen fahren und wurden von einem lictor begleitd. In den vollenGenuß ihres Vermögens kam eine Vestalin erst, wenn sie den Tempel nach ihrem vierzigsten Lebensjahr endgültig verließ, was ihr gestattet war5• 1 Gaius I, 145: "... tantum enim ex lege Julia et Papia Poppaea iure liberorum a tutela liberantur feminae. loquimur autem exceptis virginibus Vestalibus, quas etiam veteres in honorem sacerdotii liberas esse voluerunt: itaque etiam lege XII tabularum cautum est."
Hierzu Gardner, S. 22 ff. und Lacey, in: Rawson (Hrsg.), The Family in Ancient Rome, S. 127. 3 Balsdon, S. 261. 4 Siehe zu den Pflichten und Privilegien die Kapitel bei Balsdon, S. 260 ff. und Pomeroy, S. 210 ff.
2
90
III. Die gottgeweihte Frau
2. Nonnen und Diakonissinnen Vor dem Ende des vierten Jahrhunderts bestand im Westen kein Bedürfnis, die Rechtsverhältnisse von Ordensleuten gesetzlich zu regeln; denn das erste Frauenkloster wurde 360 in Rom gegründet, die ersten Klöster in Südfrankreich gar erst zu Beginn des sechsten Jahrhunderts 6• So findet sich im Codex Theodosianus nur einmal ein Hinweis auf ein Kloster, in CT V, 3, 1 von 4347 • Vorher erlangte man den Status einer gottgeweihten Frau durch ein Gelübde vor der Gemeinde und das Tragen eines Schleiers; die Frauen lebten aber weiter bei ihrer Familie8• Die Regelungen im 16. Buch des Codex Theodosianus, das sich mit religiösen Angelegenheiten befaßt, enthalten keine Hinweise auf die Rechtsstellung von Nonnen. Solche sind daher auch in der LRV nicht zu finden. Über die Rechtsstellung der Nonne in der Spätantike gibt die Novelle Maiorians aus dem Jahre 458, NMai VI, Aufschluß. Zwar wurde sie später durch NSev I, 1 als "iniusta Iex" aufgehoben - und deshalb nicht in die LRV übernommen -, doch betrifft die Aufhebung nur die durch NMai VI getroffenen Regelungen, nicht die in der Novelle geschilderten Rechtszustände. NMai spricht nicht ausdrücklich davon, daß die sanctimoniales in einem Kloster leben, worauf auch Noethlichs9 hinweist. Zwar vermittelt der Text insgesamt den Eindruck, daß das Mädchen im vorliegenden Sachverhalt nicht nur zum Ablegen des Gelübdes vor der Gemeinde, sondern auch zur räumlichen Trennung von der Familie gezwungen wird; doch kann sich die Formulierung "quae a fratrum consortio ... subtrahitur" auch auf den rein rechtlichen Ausschluß aus der Erbengemeinschaft beziehen. Zu den damit verbundenen Schwierigkeiten und Unsicherheiten Gardner, S. 25 f. Ketsch, S. 267; ein einzelnes (Männer-?) Kloster gab es seit 372 in Tours, Jones, S. 930; zum Aufkommen des Zölibatsgedankens z.Zt. Konstantins Evans Grubbs, S. 131 ff. Frauenklöster wurden schon im frühen Mittelalter oft von reichen Frauen gestiftet, die sich damit auch selbst eine Rückzugsmöglichkeit schufen, z. B. die Königin Chrodechilde, Gregor v. Tours III, l8a, IV, 1; Ingotrude, eine Verwandte König Gunthramns, IX, 33 oder die in 34 genannte Beretrude. Zu dem von der hl. Radegunde gestifteten Kloster in Poitiers und dem berühmten Nonnenaufstand, geschildert bei Gregor IX, 3943 und X, l 0 - 17 siehe auch Ennen, S. 52 ff. 7 Noethlichs, in: SZ (kan.) LXXX, S. 29; CT XVI, 3 "De Monachis", mit dem sich Falchi, ADRC IV, S. 223 - 247 befaßt, betrifft Einsiedler, denen der Aufenthalt in den Städten untersagt wird. 8 Ketsch, S. 267. 9 In: SZ (kan.) LXXX, S. 30. 5
6
2. Nonnen und Diakonissinnen
91
Zunächst wird deutlich, daß das abgelegte Gelübde das Gewaltverhältnis nicht ändert: NMai VI pr. prangert es als einen unhaltbaren Zustand an, daß Mädchen schon als unmündige Kinder, die aufgrund ihrer Unreife noch keine eigenen Vorstellungen von ihrer Lebensführung haben, von ihren Eltern zum Gelübde der Keuschheit gezwungen werden 10• Doch bezieht sich dieses Verhalten der Eltern nicht allein auf Unmündige, da dem Text weiter zu entnehmen ist, daß auch ältere Mädchen, die zu heiraten wünschen, durch die patria potesras davon abgehalten werden 11 • In§ 2 heißt es ferner, das Mädchen werde erst durch den Tod der Eltern sui iuris, wobei im juristischen Sinne aber nur der Tod des Vaters gemeint sein dürfte. Maiorian nimmt dem Vater nicht die potesras über die zur Keuschheit gezwungene Tochter, sondern verbietet nur dem Mädchen, vor dem vierzigsten Lebensjahr "den Schleier zu nehmen". Bis zu diesem Zeitpunkt darf sie also nicht inordiniert werden und befindet sich im Stadium des Noviziats. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift wird mit dem Verlust eines Drittels des Vermögens der Eltern oder sogar des Vermögens des Mädchens selbst, wenn sie in der Zwischenzeit ihre Eltern verloren hat - also sui iuris ist -, bestraft12• Die patria potestas erlischt mit dem Gelübde somit nicht. Erst Justinian gewährt Hauskindem die persönliche Freiheit bei Eintritt in hohe kirchliche Positionen 1\ von einfachen Ordensleuten spricht aber auch er nicht14• Als Motivation der Eltern, ihre Tochter zu einem Leben als Nonne zu zwingen, wird angegeben, die Eltern wollten ihr weder eine Mitgift bestellen noch den gesetzlichen Erbteil hinterlassen 15• 10 NMai VI pr.: "Quis enimferat parentesfilias, quas oderunt, hisnon tam dicare quam damnare consiliis, ut eas in annis adhuc minoribus constitutas necessitati continuae virginitatis addicant ac, ne adulascentibus animis aliud velle sit liberum, ... ". Diese Praxis, bis in die Neuzeit geübt, war auch bei den Germanen verbreitet; eine der Beteiligten des Nonnenaufstandes von Poitiers war eine gegen ihren Willen ins Kloster geschickte merowingische Prinzessinnamens Basina; Ennen, S. 53.
11 NMai VI pr.: "Quid enim prodest, si cupiditas virginalis patria potestate conpressa subdolam voluntatem nubendi alte concipiat et a legitimo revocata consortio ad inlicitas trahatur incelebras ?"
12 NMai VI § 2: "Quod si ante definitum temporis spatium sanctimonialem puellam aliis adulti sexus sui votis ca/entern memoratorum quisquam parentum velari fecerit atque permiserit, tertia bonorum parte multetur. Eadem poena constringet etiam illam, quae parentibus destituta intra praedictae aetatis annos voluerit consecrari."
13
Alivisatos, S. 58; Kaser II, S. 214.
14
Zur Rechtsstellung der Ordensleute bei Justinian siehe Alivisatos, S. 98- 112.
15 NMai VI § 3: "... ne aut copulae tradenda marilali patris matrisve congrua largitate auf eorum decedentium aequa cum reliquis filiis successione potiatur... "
92
111. Die gottgeweihte Frau
Dieser Grund führt somit zur Frage, ob eine Nonne kein gesetzliches Erbrecht hat, obwohl sie weiterhin eine sua bzw. die nächste gesetzlich Berechtigte ist. Dafür spricht außer der genannten Stelle eine Äußerung des Hieronymus, aus der sich entnehmen läßt, daß das Mädchen Eustochia, eine gottgeweihte Jungfrau, von ihrer Mutter nichts erbte; möglicherweise hatte sie sich durch ihr Gelübde selbst enterbe6 ; daher fiel auch das Vermögen ihrer Mutter Paula, die es vor ihrer Pilgerreise in den Osten an ihre Kinder verteilte, nur an Eustochias Geschwister17• Nimmt man an, daß mit dem Gelübde der Keuschheit das gesetzliche Erbrecht entfallt, dann erklärt sich auch die Nachfolge in das Vermögen der Römerin Albinia: Diese hinterließ ihr Vermögen den Kindern ihres Bruders, obwohl ihre Tochter Marcella, die das Gelübde abgelegt hatte, noch lebte; Marcella war als gesetzliche Erbin ausgeschieden 18 • Nun wird auch NMai VI § 3 verständlich. Dort heißt es zunächst, daß die Frau unter vierzig, die also noch nicht inordiniert ist, das Recht haben soll zu heiraten, wenn sie sui iuris wird. An späterer Stelle wird gesagt, daß ein Mädchen, das heiratet (also sein Gelübde bricht), den gesetzlichen Erbteil empfangen soll, auch wenn die Eltern es deshalb- "ob hoc"- enterbt oder ihm nur die Falcidia hinterlassen haben 19• Diese Passage erscheint widersprüchlich; sie erweckt den Eindruck, als sei das Mädchen für den Fall seines Eidbruchs enterbt worden, während weiter oben im Text die Enterbung als Motiv für das erzwungene Gelübde genannt ist. "ob hoc" muß sich deshalb auf das am Anfang von §3 genannte Motiv - Enterbung der Tochter mit abgelegtem Gelübde - beziehen. Die Frau verliert ihr Erbrecht gemäß § 3 a.E. entgegen den Vorstellungen ihrer Eltern erst dann, wenn sie bei ihrem vierzigsten Lebensjahr freiwillig den Schleier nimmt. Zwar wurden die von der Novelle getroffenen Regelungen durch NSev I, 1 aufgehoben; die Erbunfähigkeit der Nonne, die in NMai VI nicht geregelt, sondern vorausgesetzt wird, ist hiervon aber nicht betroffen.
Hieronymus, Das Leben der hl. Witwe Paula, Einsiedleein zu Bethlehem. Epistula 108 §§ 2, 4, 15, 30; Harries, S. 60.
16
17
Hieronymus, ebenda § 6.
18
Hieronymus, Zur Erinnerung an die Witwe Marcella. Epistula 127 § 4; Harries, S. 62.
"Cum itaque in matrimonium nuptias secuta convenerit, exheredatio illi ob hoc a parentibus veniens aut sola Falcidiae quantitas relicta non noceat, sed scriptis heredibus vel suis in virilem portionem vel extraneis in dimidiam tamquam praeterita secundum normam veteris iuris adcrescat." 19
2. Nonnen und Diakonissinnen
93
Des weiteren ist zu beachten, daß die Nonne zwar erb-, nicht aber vermögensunfähig ist. Zwar soll sie nach dem Gelübde der Armut kein persönliches Eigentum haben20, doch spricht zum einen NMai VI § 3 davon, daß ihr die Falcidia hinterlassen wurde; zum anderen ist es durch IT V, 1 und INMart V, 121 den Gottgeweihten erlaubt, die Kirche oder bestimmte Kleriker testamentarisch zu Erben ihres Vermögens einzusetzen. Dies setzt voraus, daß sie Vermögen haben; der Nonne sui iuris sind also keine weiteren Schranken für einen Vermögenserwerb gesetzt. Unfreie, also Sklavinnen und Koloninnen, die Nonne werden wollen, hindert daran ein Gesetz Valentinians von 452. In LRV NV XII, 1 § 3 heißt es, daß Unfreie nicht in Klöster aufgenommen werden dürfen, damit sie nicht der ihnen gebührenden Abhängigkeit entkommen22 • Die Vorschrift könnte so verstanden werden, daß die Unfreien vorher durch den Eintritt in das Kloster frei wurden. Aus dem Wortlaut kann das aber nicht geschlossen werden; die Formulierung spricht eher dafür, daß das Kloster zwar ein Zufluchtsort war, die Freiheit durch den Eintritt jedoch nicht erlangt wurde. Auch die freie Frau wurde, wie oben gezeigt, von der patria potestas nicht befreit, eine Statusänderung nicht bewirkt. Die westgotische Interpretation fügt die Regel hinzu, daß Unfreie, die nach kirchlichen Ämtern streben, wahrscheinlich auch Nonnen, dreißig Jahre lang von den Herren zurückgeholt werden können23 • Danach haben sie anscheinend die Freiheit ersessen. Die Rechtsstellung der Diakonissinnen ist in CT XVI, 2, 27 von 390 geregelt. Die Vorschrift wurde nicht in die LRV übernommen, so daß anzunehmen ist, daß sie im Reich der Westgoten nicht gelten soll. Die Konstitution bestimmt zunächst, daß nur Frauen, die über sechzig Jahre alt sind und Kinder haben, Diakonissinnen werden dürfen. Sinn der Vorschrift ist wohl, nur solche Frauen Siehe hierzu die Regula des hl. Cesarius aus dem Jahre 512, Titel XV; abgedruckt bei Ketsch, S. 278.
20
Interpretation zu NMarc (LRV: NMart) V, 1 von 455: "Sanctimonialibus, viduis, diaconissis omnibusque religiosis matronis hac lege permittitur, ut seu testamento, seu ftdeicommisso, seu per nuncupationem, seu per codicil/os vel quibuslibet aliis scripturis, quod voluerint, ecclesiae, episcopis, presbyteris vel diaconibus et omnibus clericis relinquendi habeant potestatem. Et si voluerint heredibus suis quoscunque post eorum obiturn substituere, habeant potestatem. " 21
22 Entspricht NY XXXV, 1 § 3: "Nullus orginarius, inquilinus, servus vel colonus ad clericale munus accedat, neque monachis et monasteriis aggregetur, ut vinculum debitae conditionis evadat." Siehe hierzu Klein, in: Dietz u.a. (Hrsg.), Klassisches Altertum, Spätantike und frühes Christentum, S. 476 f.; Jones, S. 931.
INV XII, 1: "Originarios vero vel servos, qui ad honorem ecclesiasticum adspiraverint, debere intra triginta annos a dominis revocari. "
23
94
111. Die gottgeweihte Frau
zum Diakonat und damit zu einem keuschen Leben zuzulassen, die ihre Verpflichtung, Kinder zu bekommen, bereits erfüllt haben24 • Allerdings kann davon ausgegangen werden, daß diese Voraussetzung für kinderlose Frauen über 60 nicht gilt, da wenig Wahrscheinlichkeit besteht, in diesem Alter noch Kinder zu bekommen. Eine Diakonissin unterliegt einer Reihe von vermögensrechtlichen Beschränkungen: Zunächst muß sie ihr Vermögen durch geeignete Personen verwalten lassen. Über die Substanz von Grundstücken darf sie nicht mehr verfügen; sie behält nur den Nießbrauch. Über das Einkommen aus ihren Gütern kann sie aber frei verfügen, sowohl unter Lebenden als auch von Todes wegen. Nicht gestattet ist es ihr, der Kirche Juwelen, Schmuck, Gold und Silber sowie Hausrat für religiöse Zwecke zu übereignen. Alle diese Dinge hat sie ihren Kindern oder nächsten Verwandten zu hinterlassen2s. Sie kann auch sonstige Personen zu Erben einsetzen, jedoch nicht die Kirche, Kleriker oder Waisen. Dahinter verbirgt sich die Sorge, vom Christentum begeisterte Frauen (und auch Männer) könnten zum Nachteil ihrer Angehörigen ihr gesamtes Vermögen für kirchliche Zwecke ausgeben26 • Auch in CT XVI, 2, 20 aus dem Jahr 370 wird Klerikern die Annahme der Hinterlassenschaft von Frauen versagt. Diese Gesetze werden aber später aufgehoben. NMarc V, 1 hatte zunächst über die Gültigkeit des Testaments einer Witwe namens Hypatia zu entscheiden, die einen Teil ihres Vermögens einem Priester hinterlassen hatte; außerdem enthielt das Testament auch Vermögenszuwendungen für religiöse oder barmherzige Zwecke, z. B. für den Freikauf von Gefangenen. Dieses Testament war aufgrund der genannten Regelungen angefochten worden. Marcian befindet nicht nur das Testament für gültig, sondern trifft auch in § 2 die Regelung, daß zukünftig alle der Kirche nahestehenden Frauen, auch Nonnen, Witwen und Diakonissinnen, die Kirche oder Kleriker zu Erben oder Nacherben einsetzen dürfen. Durch INMart wird die Regelung unverändert aufgenommen27 • Es ist anzunehmen, daß die gesamte 24 Vgl. auch die Begrundung zur Wiederverheiratungspflicht für Witwen unter vierzig Jahren bei NMai VI § 5; zu den vermögensrechtlichen Folgen Wenger, in: SZ LXVII, S. 593 zu Caes, S. 82 ff. 25 Krause I, S. 178 scheint davon auszugehen, daß die Vorschrift nur für Mütter gilt. Dann aber wären an dieser Stelle nur Kinder als Erben genannt. 26 Siehe hierzu Harries, in: Craik (Hrsg.), Marriage and Property, S. 54 ff., insb. S. 58 und die Beispiele aufS. 70. Auch Sidonius, Briefe III, I, lobt Avitus dafür, daß er und seine Schwester der Kirche Güter aus dem Nachlaß einer weiteren Schwester zukommen ließen; dabei handelt es sich offenbar um größeren Grundbesitz, genauer gesagt um Landgüter. Zur Spende der Melania an die Kirche von Tagaste, die größer war als die Stadt selbst, Jones, S. 787.
2. Nonnen und Diakonissinnen
95
hier dargestellte Rechtslage für gottgeweihte Frauen im westgotischen Reich gilt. In der Lex Romana Burgundionum finden sich keine genauen Angaben über die Rechtsstellung gottgeweihter Frauen. Nur Titel IX § 4 RB regelt die Rechtsfolgen einer Raubehe zwischen einem Entführer und einer Nonne, die in die Entführung eingewilligt hat. Daraus läßt sich zwar entnehmen, daß es gottgeweihte Frauen im Burgunderreich gab (wie es sich auch für die sowohl vermögens- als auch erbfahige burgundische Nonne aus LB XIV §§ 5 - 7 ergibt), über ihre Rechtsposition während der Dauer des Gelübdes sagt der Titel aber nichts aus. Anzunehmen ist daher, daß die oben aufgrund des Codex Theodosianus und der LRV ermittelte Rechtslage auch hier gilt.
"Sanctimonialibus, viduis, diaconissis omnibusque religiosis matronis hac lege permittitur, ut seu testamento, seu fideicommisso, seu per nuncupationem, seu per codicillos vel quibuslibet aliis scripturis, quod voluerint, ecclesiae, episcopis, presbyteris vel diaconibus et omnibus clericis relinquendi habeant potestatem. Et si voluerint heredibus suis quoscunque post eorum obiturn substituere, habeant potestatem." 27
IV. Die Ehefrau Die Macht der Frauen behandelnd sagte er: "Alle ande· ren Männer beherrschen ihre Frauen; wir beherrschen alle anderen Männer und unsere Frauen beherrschen uns." Plutarch, Marcus Cato VIII, 2.
1. Ehewirkungen Das gelebte Eheverhältnis 1 allein hatte in klassischer Zeit keine Folgen für die persönliche und vermögensrechtliche Stellung der Frau: Die Frau sui iuris, die grundsätzlich weiterhin unter Geschlechtsvormundschaft stand, Gaius I, 144, behielt ihr Vermögen. Die Frau unter patria potestas besaß weiterhin ihr peculium2, sie verblieb in ihrem angestammten Familienverband3• Zwischen den Ehegatten herrschte somit Gütertrennung•, nur die dos gelangte unter die Herrschaft des Mannes, während alles andere Gut der Frau als paraphernalia ihr eigenes Vermögen blieb5; das galt, obschon viele Frauen auch dieses Eigenvermögen durch ihren Mann verwalten ließen. Die gewaltfreie Ehe war nach ihrer Anerkennung als matrimonium iustum wohl die normale Eheform der klassischen Zeit6 • Diese Entwicklung der 1 Zur freien Ehe Hasse, S. 88 ff. Eine Ehe lag vor, wenn die (mit conubium ausgestatteten) Partner ihre Lebensgemeinschaft (diese ist notwendig, Levy, Ehescheidung, S. 74) mit fortgesetzter affectio maritalis, dem Willen zur ehelichen Gemeinschaft, führten (zur Ehe insgesamt siehe Gardner, S. 31 ff.; Gaudemet, in: RIDA II, S. 311 ff.; Treggiari, Roman Marriage, S. 37 ff.). Dem stand nicht entgegen, daß die Ehen meist von Vätern oder nahen Verwandten (auch Müttern) beschlossen wurden, Dixon, The Roman Family, S. 63 f. und The Roman Mother, S. 62 f., 215 ff.; zum Verheiratungsrecht des Vaters Hasse, S. 123 ff.; Gardner, S. 41 f.
2
Kaser I, S. 329 f.; Kunkel, RE "matrimonium", Sp. 2261.
3
Dixon, The Roman Family, S. 41 I 42.
4
Gaudemet, S. 39.
Hierzu Weber, S. 167; über die paraphemalia wurde ebenfalls ein Verzeichnis ange· legt, Evans Grubbs, S. 143 m.w.N.
5
1. Ehewirkungen
97
manus-freien Ehe wird als Stärkung der väterlichen Gewalt beurteilt, weil dadurch der paterfamilias die Macht über die Haustochter nicht verlor'. Aus der Sicht einer Haustochter hatte diese Ehefonn aber den Vorteil, daß sie mit dem Tod des Vaters gewaltfrei wurde und dazu nicht erst Witwe werden mußte.
Die klassische Zeit kannte aber auch noch die conventio in manum, den Übergang der Frau in die Gewalt des Ehemannes bzw. dessen Hausvaters, die früher üblicherweise mit der Eheschließung einhergegangen war. Da die manus des Ehemannes in etwa der potestas des paterfamilias entsprach, führte das dazu, daß die Frau im Verhältnis zu ihrem Mannfiliae loco stand8 • Nach Gaius I, 110 gab es dafür drei Modalitäten: usu, farreo und coemptione9• Im Anschluß daran bezeichnet Gaius die usucapio, die Ersitzung der Frau samt deren Unterbrechung durch das trinoctium, als aufgehoben bzw. nicht mehr gebräuchlich10•
Kunkel, RE "matrimonium", Sp. 2261 I 2262; Gratwick, in: Craik (Hrsg.), Marriage and Property, S. 30 f. Spekulationen über die Entstehungsgründe bei Dixon, The Roman Family, S. 75 ff., Pomeroy, S. 155 und Bartsch, S. 24. Wenn Bartsch, S. 28, sagt, daß "diese ganze Umwandlung nur ein mißglückter Fortschritt, der Beginn des Verfalls und der Entartung ist", und sich hierfür auf M. Porcius Cato beruft, den "Kämpfer gegen das Eindringen fremden, namentlich griechischen Geistes, gegen die Lockerung nationaler Sitte und Zucht", so wird deutlich, daß diese Anschauung einer zeitgebundenen Denkweise verpflichtet ist, die sich bis in die 40er Jahren kundtut. Zu ähnlichen Ansichten siehe Späth, in: Dettenhofer (Hrsg.), Reine Männersache?, S.l70 ff. Gewiß finden sich viele Beispiele leichtfertig eingegangener und ebenso wieder gelöster Ehen in der römischen Literatur; doch ist bei den Berichten davon zu bedenken, daß für alle Sittenchronisten das Verhalten der Oberschicht und deren Skandale das Hauptmaterial abgeben, damals wie heute. Vgl. Dixon, The Roman Farnily, S. 68, zum Bericht von Aulus Gellius und Valerius Maximus über die "erste" römische Scheidung.
6
7
Späth, in: Dettenhofer (Hrsg.), Reine Männersache?, S. 168.
Hierzu Gardner, S. 11 ff.; Kunkel, RE "matrimonium", Sp. 2260; Weber, S. 159. Zu den religiösen Implikationendes Familienwechsels Pomeroy, S. 152, die im Folgenden auch Beispiele für das Tötungsrecht von Vater und Ehemann aus republikanischer Zeit behandelt; hiermit beschäftigt sich auch Piro, S. 75 ff. 8
Eine Beschreibung der verschiedenen Zeremonien findet sich bei Balsdon, S. 199 ff., 202 ff., eine Analyse der verschiedenen Eheformen bei Treggiari, Roman Marriage, S. 17 ff.
9
10 I, 111: "... hoc totum ius partim legibus sublatum est, partim ipsa desuetudine obliteratum est." Hierzu Weber, S. 164 f., welche die Aufhebung der usucapio auf Augustus zurückführt; auch Corbett, S. 90, hält es für möglich, daß die Iex lulia et Papia Poppaea über die usucapio befand. Ausführlich zur Rechtsnatur der usus-Ehe Piro, S. 151 ff. 7 Johlen
98
IV. Die Ehefrau
Die confarreatio war nach Gaius I, 112 noch zu seiner Zeit in Gebrauch 11 , was mit den Herkunfts- und Ehevorschriften für die flamines Diales, Martiales und Quirinales zusammenhing. Es wird angenommen 12, daß die confarreatio möglicherweise über ihre letzte Bezeugung im späten 2. Jahrhundert 13 hinaus fortbestand. Da sie aber schon früher ihre zivilrechtliehen Wirkungen verloren hatte 14, ist sie für das hier behandelte Thema ohne Interesse. Die dritte, gebräuchlichste Form der manus-Begründung war die coemptio, also die (Selbst-) Manzipation der Frau an den Mann 1s. Diese hatte - wie ursprünglich auch die erstgenannten Formen - zur Folge, daß die Frau wieder die Rechtsstellung einer Haustochter hatte 16, jetzt aber in der Familie ihres Mannes, während sie jeden rechtlichen Bezug zu ihrer leiblichen Familie verlor 17 • Nur die Frau in manu mariti hatte den ehrenvollen Titel der materfamilias 18• Die Frau trat mitsamt ihrem Vermögen in die Gewalt des Mannes über, verlor somit durch diese capitis deminutio minima 19 das Vermögen und ihre Geschäftsfähigkeit. Ebenso wie die Haustochter konnte sie aber ein peculium erhalten20 • Ging sie direkt aus der potestas ihres Vaters in die manus des Ehemannes über, änderte sich für sie nichts. Nach Treggiari21 bestand aber eine Wahrscheinlichkeit 11 " ... quod ius etiam nostris temporibus in usu est..." Nach Tacitus, Annalen IV, 16 gab es nur noch einen sehr kleinen Kreis solcher Ehepartner, da die Zeremonie umständlich war und die Frauen nicht durch die Eheschließung in die Gewalt des Priesters gelangen wollten; hierzu Corbett, S. 71 ff. 12 Kaser I, S. 324. 13 Kaser I, S. 324, Fn. 42.
14 Gaius I, 136; Hasse, S. 81; Manigk, RE "manus", Sp. 1383 I 1384. Nach Tacitus, Annalen IV, 16 wurde unter Tiberius ein Gesetz erlassen, nach dem die Frau des flamen Dialis zwar in Bezug auf den Gottesdienst der Gewalt ihres Mannes unterstehen, sonst aber die gleichen Rechte wie andere Frauen haben sollte. 15 Gaius I, 113; hierzu Corbett, S. 78 ff.; Piro, S. 43 ff. 16 Gaius I, 136; II, 98; 139; 159; detailliert zu den Folgen III, 83: "Etenim cum pater familias se in adoptionem dedit mulierve in manum convenit, omnes eius res incorporales et corporales, quaeque ei debitae sunt, patri adoptivo coemptionatorive adquiruntur exceptis his, quae per capitis deminutionem pereunt, quales sunt usufructus, operarum obligatio libertorum, quae per iusiurandum contracta est, et lites contestatae legitimo iudicio." 17
18
Weber, S. 161. Gardner, S. 61; Treggiari, Roman Marriage, S. 28.
19 Manigk, RE "manus", Sp. 1380; Gaius I, 162; capitis deminutio minimatrat dann ein, wenn eine Person sui iuris alieni iuris wurde, Crook, Law and Life, S. 62. 20 Garcfa Garrido, S. 25 f.; zum Vermögensverlust Hasse, S. 85 ff. 21 Treggiari, in: Rawson (Hrsg.), Marriage, Divorce and Children, S. 32.
1. Ehewirkungen
99
von 50 %, daß die Frau zur Zeit ihrer ersten Eheschließung bereits (großvaterund) vaterlos und damit sui iuris war.
a) Ehewirkungen nach der LRV Die spätantike Eheideologie, die von christlichen Vorstellungen beeinflußt ist, findet ausführliche Darstellung in dem kürzlich erschienenen Werk von Evans Grubbs über Recht und Familie der Spätantike22 , auf das hier verwiesen wird. Die LRV erlaubte Eheschließungen zunächst nur unter Römern, nicht mit "Barbaren". Ein Verstoß gegen dieses Mischeheverbot wurde nach IT III, 14, 1 kapital bestraft23 • Eine westgotischen Römerin konnte danach eine legitime Ehe nur mit einem Römer schließen, und diese unterlag notwendig römischem Recht. Dieses zunächst geltende Gesetz wird aber durch die Lex Visigothorum aufgehoben. Nach LVIII, 1, 1 sollen Mischehen unter Aufhebung der Bestimmung des alten Gesetzes24 nunmehr erlaubt sein, solange es sich um freie Partner handelt und die Familie einverstanden ist. Fraglich ist, welcher Rechtsordnung solche Mischehen dann unterstehen sollen; das Gesetz sagt darüber nichts. Die Folgen der Ehe mit einem römischen Mann werden nach römischem Recht zu beurteilen sein; es ist jedenfalls äußerst unwahrscheinlich, daß sich ein freier Römer aufgrund seiner Ehe gotischem Recht unterwerfen sollte und würde, weshalb die Frau wahrscheinlich dem Rechtsstatus des Mannes folgt. Diese Folgerung wird allerdings auch für den umgekehrten Fall gelten müssen, wie es z. B. bei den Burgunden ausdrücklich geregelt ist25 , so daß die Ehe einer Römerin mit einem Goten vermutlich gotischem Recht unterliegt. Für das Gewaltverhältnis ist zu beachten, daß die Ehefrau einerseits noch ihrem Vater gewaltunterworfen sein kann, was sich aus IT VIII, 10, 126 ergibt und auch in IT III, 7, 1; IT III, 11, 1 erkennbar wird. Andererseits kann sie Law and Family in Late Antiquity, Kapitel 2., 'Pagan' and 'Christian' Marriage, S. 54102.
22
23 "Nullus Rarnanorum barbaram cuiuslibet gentis uxorem habere praesumat, neque barbarorum coniugiis mulieres Romanae in matrimonio coniungantur. Quod si fecerint, noverint se capitali sententiae subiacere. " Die Datierung des ursprünglichen Gesetzes von Valentinian I. ist ungewiß; in Betracht kommen die Jahre 370 und 373, siehe Bianchini, in: ADRC VII, S. 229, welche die besseren Argumente für 373 nennt.
24 " .. .
prisce legis remota sententia ... "Hierzu Bianchini, in: ADRC VII, S. 246 ff.
25
Siehe unten S. 101 f.
26
Interpretation zu CT VIII, 19, 1 von 426.
100
IV. Die Ehefrau
auch durch Emanzipation oder Tod des Vaters sui iuris geworden sein; nach allgemeiner Ansicht ist die zur Zeit des Gaius zwar noch bekannte, aber nicht mehr verbreitete Form der Gewalterlangung durch den Ehemann, die conventio in manum, in der Spätantike verschwunden27 ; sie kommt auch in der sehr ausführlichen LRV nicht mehr vor. Auch die tutela mulierii8 existiert in der LRV nicht mehr. Zwar finden sich in den Gesetzen noch Spuren des früheren Verständnisses der Ehe, nach dem die Frau filiae loco stand. Gemäß PS V, 4, 3 kann eine gegenüber Hauskindern oder Ehefrau begangene iniuria vom Gatten bzw. Vater als diesem gegenüber verübt verfolgt werden29 • Am Vermögen der Frau stehen dem Ehemann jedoch keine Rechte mehr zu. So wird in IT III, 1, 3 festgestellt, daß die Bestimmung, nach der Verkäufe durch minderjährige Ehefrauen bei Zustimmung des Ehemannes rechtsgültig sind, abgeschafft ist. Für diese Fälle gilt nunmehr die normale MinderjährigenRegelung, nach der solche Verkäufe der Zustimmung des iudex oder der curia bedürfen30. Zum Verkauf von Vermögensteilen der volljährigen Frau muß der Mann von ihr ermächtigt sein, sonst kann die Frau das Veräußerte vindizieren31; wenn sie ihm ein Mandat zur Verwaltung ihres Vermögens erteilt, ist der Ehemann wie ein gewöhnlicher procurator verpflichtet, sich an die Grenzen des Mandats zu halten, IT II, 12, 432 . Auch sind zwischen den Ehegatten grundsätzlich normale Vertragsschlüsse möglich, LRV Pap., nur keine Siehe Kaser II, S. 160. Garcfa Garrido, S. 142 ff.; Kaser II, S. 222. 29 Siehe hierzu für die klassische Zeit Gardner, S. 76. 27
28
30 "Constantini imperatoris fuerat lege praeceptum, ut minores aetate feminae, si maritos haberent, cum illorum consensu possent de facultatibus suis aliqua vendere. Sed hoc praesenti lege remotum est, atque id observandum erit, ut in annis minoribus constituti, seu vir seu femina, si ita necessitas exegerit, ut aliquid vendere velint, qui comparare voluerit, auctoritate iudicis aut consensu curiae muniatur: nam aliter a minoribus facta venditio non valebit."
31 LRV CGreg VI, 5, an Aurelia Mamma: "Si neque mandato tuo, neque ratum habente maritus tuus possessionem iuris tui alienavit, non prohiberis rem tuam vindicare, intercedente rectore provinciae." 32
"Qui uxoris suae negotiumfuerit prosecutus, quamvis maritus sit, nihil aliud agat, ni-
si quod ei agendum per mandatum illa commiserit." Nach Ansicht von Garcfa Garrido, S. 141, schränkt die interpretatio hier den von der Konstitution auf Prokuratoren allgemein bezogenen Sachverhalt auf den Ehemann, der das (getrennte) Vermögen seiner Frau verwaltet, ein, wobei "quamvis maritus sit" wegen des vorgenannten Erfordernisses, daß es sich um Sachen der Ehefrau handelt, überflüssig ist und dem Wunsch entspringt, den Konstitutionstext zu imitieren: "Procurator, licet maritus sit, id solum exsequi debet, quod procuratio emissa praescripserit. "
1. Ehewirkungen
101
Schenkungen33 • Hinweise auf Ausnahmen bei manus-Ehen fehlen völlig, so daß anzunehmen ist, daß diese Ehen nicht mehr existieren. Obwohl der soziale Rang und der Gerichtsstand der Ehefrau nach IT II, 1, 7 dem des Gatten folgen, bleibt ihre vermögensrechtliche Stellung unverändert. Die Eheschließung hat keine Auswirkungen auf die Verfügungsbefugnis der Frau, diese richtet sich nach der Art des betroffenen Gutes und den allgemeinen Regeln der GeschäftsfaltigkeiL Was das Verhältnis zu den Kindem aus dieser Ehe betrifft, so sei noch einmal daran erinnert, daß es eine "materna potestas" nicht gibt, die Mutter also keine personenrechtliche Gewalt ausübt, GE I, 5 § 2. Da es also die manus-Ehe nicht mehr gibt und der Mann über das Eigenvermögen auch seiner minderjährigen Frau nicht mehr verfügen kann, bleibt die Frau weiterhin Herrin ihres Gutes. Erbschaften und Schenkungen aus der eigenen Familie und sonstige ihr unter den oben besprochenen Voraussetzungen angefallene Vermögensmassen bilden ihr Eigengut Auch wenn sie solches Gut während der Ehe erwirbt, fällt es nicht in das Ehevermögen, sondern in ihr eigenes, immer unter der Voraussetzung, daß es nicht kraft väterlicher Gewalt ihrem paterfamilias erworben wird.
b) Ehewirkungen nach der RB
Wie sich aus den Titeln XII§ 534 und C35 LB ergibt, werden bei den Burgunden Mischehen als rechtlich gültig anerkannt: Eine Römerin, die einen Burgunden heiratet, unterfällt mit ihrem gesamten Vermögen der Gewalt des Ehemannes, ihre Ehe ist also eine burgundische rechte oder Munt-Ehe 36• Die Rechtslage der Römerin beurteilt sich nach burgundischem Eherecht. Eine Ehe zwischen einem römischen Mann und einer burgundischen Frau scheint von der Zahlung eines pretium puellae an ihre Familie abzuhängen37 , das vom Zweck her der Dotierung der römischen Frau entspriche8• Zwar ist auch die ohne die Siehe unten S. 112 f.; LRV Pap: "Inter virum et uxorem pacta non solum verbis, sed voluntate contrahentium constituuntur, ut neuter coniugum locupletior fiat. "
33
34 "Romana vero puella, si sine parentum suorum voluntate aut conscientia se Burgundionis coniugio sociaverit, nihil se de parentumfacultate noverit habituram." 35 "Quaecumque mulier Burgundia vel Romana voluntate sua ad mariturn ambulaverit, iubemus, ut maritus ipse facultatem ipsius mulieris, sicut in ea habet potestatem, ita et de omnes res suas habeat. " 36 Heiratete sie ohne Zustimmung der Eltern, so verliert sie nach Titel XII § 5 ihr Erbrecht; vgl. Kottje, in: Affeldt (Hrsg.), Frauen in Spätantike und Frühmittelalter, S. 217.
37
Leonhardt, S. 24.
102
IV. Die Ehefrau
Zustimmung der Eltern geschlossene Ehe gültig, dann verliert die Frau jedoch ihr Erbrecht in der Herkunftsfamilie, LB XII § 5 39• In LB und RB ist nichts ersichtlich, was auf eine Ausnahme für den Fall einer Eheschließung mit einem Römer schließen läßt. Es ist deshalb anzunehmen, daß der Rechtsstatus der Frau ebenso wie bei den westgotisch-römischen Mischehen dem des Mannes folgt. Für die Ehe mit einem römischen Mann gilt also das römische Eherecht unabhängig von der Nationalität der Frau. Für die römischem Recht unterliegende Verbindung kennt auch die RB keine manus-Ehe mehr40• Eine Frau, die bei Eheschluß sui iuris ist, bleibt somit gewaltfrei; steht sie noch unter patria potestas, so bleibt sie gewaltunterworfen, Titel XXII § 241 • Die Eheschließung erfolgt aufgrund des Konsenses beider Partner unter Hingabe der donatio nuptialis, Titel XXXVII § 242 • Ihr vor der Ehe erworbenes Vermögen bleibt Eigengut der Frau. Vermögensteile, die ihr während der Ehe zufallen, erwirbt sie uneingeschränkt selbst, da dem Mann keine Rechte daran eingeräumt sind43 , vorausgesetzt auch hier, daß der Vater der Frau nicht noch die Nutzgewalt aufgrund der patria potestas hat.
2. Eheliches Vermögen
a) donatio nuptialis
Unter dem Kapitel "Die ledige gewaltunterworfene Frau" ist das Schicksal der rechtsgültig übertragenen Verlobungsgeschenke ohne nachfolgende Ehe
38
Siehe Kottje, in: Affeldt (Hrsg.), Frauen in Spätantike und Frühmittela1ter, S. 214 f.
39
Kottje, in: Affeldt, (Hrsg.) Frauen in Spätantike und Frühmittelalter, S. 215.
40
Vgl. Leonhardt, S. 26 ff.
Worin die "eigentümlich eheherrliche Gewalt" besteht, die Leonhardt (S. 28 I 29), hier Sohm folgend, annimmt, ist der RB nicht zu entnehmen. Nach Sohm, S. 511 f., zeichnet sich diese eheherrliche Gewalt durch Verbindung des Unterordnungsprinzips mit dem Genossenschaftsprinzip, sowie durch hausmütterliche Rechte der Frau und eine Reihe bestimmter Rechte des Mannes (Dornizilsbestimmung, interdieturn de uxore exhibenda ac ducenda) aus, für die sich in der RB aber keine Anhaltspunkte finden lassen. Vielleicht spielten hier zeitbedingte Idealvorstellungen eine Rolle. 41
42 "Quod si pares fuerint honestate persone, consensus perficit nuptias; sie tarnen, ut nuptialis donatio sollenniter celebretur... "
43
Vgl. Leonhardt, S. 49 f.
2. Eheliches Vermögen
103
behandelt worden. In diesem Kapitel soll nun erörtert werden, welchen Charakter die donatio nuptialis bzw. sponsalitia largitas44 durch die Ehe erhält. Dem klassischen Recht war die donatio nuptialis als Rechtsbegriff noch fremd. Wie erläutert45 waren Verlobungsgeschenke in dieser Zeit sozialüblich, aber rechtlich bedeutungslos. Zwar finden sich schon in klassischer Zeit Fälle, in denen Männer ihren mittellosen Verlobten Geld zur Verfügung stellten, damit diese es ihnen als dos zurückgewähren konnten46 , frühe Vorläufer der donatio ante nuptias in dotem redacta. Doch erst mit der Verrechtlichung des Schicksals der Verlobungsschenkung bei nicht zustandegekommener Ehe seit dem frühen vierten Jahrhundert (CT III, 5, 2 von 319) entwickelte sich ein festes Bild der donatio ante nuptias als einer Hochzeitsgabe des Mannes an die Frau47, die wegen des Schenkungsverbotes unter Ehegatten vor der Hochzeit vollzogen oder zumindest versprochen werden mußte48 • Bei den westgotischen Römern handelt es sich bei der donatio nuptialis, wie oben gezeigt, bereits um eine feste Institution.
aa) Die westgotisch-römische Regelung Vorauszuschicken ist, daß in der LRV der Austausch von donatio und dos nicht zwingende Voraussetzung für den Eheschluß ist. Nach IT III, 7, 3 soll bei Personen gleichen Standes für die Eheschließung der übereinstimmende Wille der Parteien und eine Erklärung desselben nach außen in der Weise, daß er unter den Freunden bekannt wird, ausreichen49 • NMai VI §§ 9 und 10 von 458, die eine dos-Bestellung als Ausgleich für die Gewährung der donatio zur Voraussetzung der Eheschließung machte50, wurde schon fünf Jahre später durch 44
Zu den Problemen der Terminologie oben S. 56 ff.
45
Oben S. 54 f.
46
Daube, S. 110 f.
47
Memmer, S. 154.
Erst Justinian gestattet die Schenkung nach der Hochzeit als donatio propter nuptias und ermöglicht auch die nachträgliche Erhöhung oder Verminderung von dos und donatio unter bestimmten Voraussetzungen, siehe hierzu Memmer, S. 185 ff. 48
49 Interpretation zur entsprechenden CT-Stelle von 428: "Si occasio talis emerserit, ut nuptiae solennitate debita careant, aut etiam donationes sponsalitiae fieri aut dos celebrari non possit, sed convenientibus animis se matrimonio copulaverint, sufficiet aequalibus personis conveniens electio atque consensus, sie tarnen, ut conscientia intercedat amicorum, et tune, si ita res cesserit, et coniunctio stabilis et filii legitimi probabuntur."
50
Siehe hierzu Memmer, S. 167 ff.
104
IV. Die Ehefrau
NSev I, 1 als "iniusta lex" aufgehoben und auch nicht in die LRV aufgenommen. Eine Rechtspflicht zur Bestellung, wie sie das justinianische Recht später wieder normiert51 , sieht dieses Gesetz gemäß IT III, 7, 3 ausdrücklich nicht vor. Bei der minderjährigen Ehefrau sui iuris ist hier LRV CT III, 5, 3 mit IT zu beachten. Diese Konstitution Kaiser Konstantins betraf das Schicksal des Eigentums an der donatio bei Scheidung. Zugunsten der zum Zeitpunkt der Eheschließung minderjährigen Ehefrau entschied er, daß die Schenkung auch dann ihr Eigentum wird, wenn sie nicht in den gesta eingetragen wurde. Ein weiterer Hinweis auf diese Entscheidung findet sich am Ende von LRV CT III, 5, 852 mit IT: In diesem Falle ging es nicht nur um eine minderjährige, sondern auch noch um eine vaterlose Frau, die also zwar sui iuris war, aber des väterlichen Rates und Schutzes entbehrte. Ihr kam die Konstitution in der Weise zu Hilfe, daß sie bestimmte, die Verlobungsschenkung solle unabhängig von ihrem Wert in jedem Fall gültig sein. Die nachfolgende Ehe heilt also den FormmangeL Wenn es nicht zur Eheschließung kommt, ist hingegen eine rechtsgültige Schenkung erforderlich53 . Zu beachten ist allerdings, daß die Heilung in dieser Allgemeinheit nur zugunsten der besonders schutzwürdigen vaterlosen Minderjährigen eintritt. Bei Volljährigkeit der Frau zum Zeitpunkt der Eheschließung gilt ebenfalls IT III, 5, 8: Danach sind Schenkungen bis zum Wert von 200 solidi immer gültig, auch wenn ein Wirksamkeitserfordernis, z. B. Eintragung oder traditio, fehlt. Für die Ehefrau unter patria potestas wird die donatio nuptialis im Novellentext LRV Nf VII, 1 § 8 behandelt. Die Hochzeitsschenkung an die gewaltunterworfene Tochter geht nicht in das Eigentum des Vaters über und wird auch nicht auf diesen iure peculii vererbt, sondern geht im Todesfall an ihre Kinder54. Die Interpretation greift diese Thematik nicht auf. Der Verfasser vermerkt lediglich, der Rest der Novelle sei bereits in anderen Gesetzen ausgeführt. Damit verweist er wohl auf IT VIII, 10, 155 : Auch nach dieser 51 C. V, 11, 7 § 2 von 531; Justinian verwandelt außerdem die donatio ante nuptias in eine donatio proprer nuptias, die auch nach Eheschluß wirksam gegeben werden kann, C. V, 3, 20; siehe hierzu Memmer, S. 160 f. 52 Entspricht CT III, 5, 13 von 428: "... illa manente lege, quae minoribus aetatefeminis etiam actorum testificatione omissa, si patris auxilio destitutae sint, iuste consuluit ect." 53
Siehe oben S. 58 f.
"Quod autem scitis prioribus continetur, nec afilia, quaein potestate est, donationem ante nuptias patri, nec a filio dotem acquiri, eo addito confirmamus, ut, defunctis his adhuc in potestate patris ... ad Liberos eorum eadem res iure hereditatis, non ad patrem iure peculii transmittatur... " 54
2. Eheliches Vermögen
I05
Vorschrift fallen Schenkungen des Ehemannes an die gewaltunterworfene Ehefrau nicht in das Vennögen des Vaters, sondern in das alleinige Recht der Bedachten. Obwohl hier die donatio nuptialis nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist davon auszugehen, daß sie mit dieser Regelung gemeint ist. Schenkungen unter Ehegatten sind nämlich, mit Ausnahme von Schenkungen mortis causa, IP II, 24, 6, grundsätzlich unwirksam, Pap.; PS II, 24, 2- 5; IT III, 13, 3 § 1. Folglich kann sich die genannte IT-Stelle nur noch auf dos oder donatio ante nuptias beziehen. Diese Eheschenkungen, die dem ehelichen Unterhalt dienen sollen, sind nicht nur kein Bestandteil des Vennögens des Vaters, sondern wahrscheinlich auch jeder sonstigen Macht, die dieser darüber ausüben könnte, entzogen - im Gegensatz zu den früher besprochenen Gütern aus der Verwandtschaft des Kindes. Sie bilden somit von Anfang an ein Sondergut, das nicht nur im Eigentum des Kindes, sondern auch unter seiner alleinigen Nutzungsgewalt steht.
bb) Die burgundisch-römische Regelung Nach RB XXXVII§§ 1 und 2 ist die Übergabe der donatio nuptialis Voraussetzung für das Zustandekommen einer legitimen Ehe. Diese Regelung wird auf eine Abwandlung von NMai VI § 9 aus dem Jahre 458 zurückgeführt56, die eine dos-Bestellung zur Bedingung gemacht hatte. Nimmt man zu dieser Novelle die ältere Bestimmung NT XIV, 1 § 3 hinzu, die der Frau ohne Vennögen die Rückgewähr der empfangenen donatio als dos gestattet, wird die Entwicklung deutlich. NT bezeichnet dieses Verfahren schon als üblich; wenn nun die Frau zur Bestellung der dos verpflichtet wird, liegt als nächster Schritt nahe, auch den Mann zur Bestellung der donatio zu verpflichten, aus der die dos üblicherweise genommen wird. Daß dem Gesetzgeber dennoch die Unterscheidung zwischendosund donatio bekannt ist, zeigt sich z. B. in RB XXII § 257, wo unter Berufung auf CT VIII, 19, 1 der eigene Erwerb vondosund donatio durch Hauskinder nonniert ist. Die Vorschrift bezieht sich auf einige Gesetze des Codex Theodosianus, die in die LRV unverändert übernommen wurden, so So Conrat, S. 34I Fn. 2 in Bezug auf LRV NT VII, I § 8. LRV CT VIII, 10, I entspricht CT VIII, I9, I.
55
56
Brunner, in: Abhandlungen II, S. 90; zustimmend Leonhardt, S. 2I f., 51.
"Donationes etiam vel dotes, quae ex matrimonio ftlius vel ftlia in familia positi consecuntur, ad eorum proprietatem, quibus conlate sunt, remota parrum adquisitione sine dubio pertenere, secundum Legern Theudosiani libro VIII. sub titulo: De matemis bonis [et] de cretione sublata, et aliam sub sequenti [titulo] eodem libro: De bonis, quae ftliis familias ex matrimonio adquiruntur." 57
106
IV. Die Ehefrau
daß von der gleichen Regelung wie bei den westgotischen Römern auszugehen ist. Da dort die Hochzeitsgaben den Zweck hatten, dem ehelichen Unterhalt zu dienen, kann angenommen werden, daß auch im Burgunderreich nicht bloß das nominelle Eigentum, sondern auch die Nutzungsgewalt an den geschenkten Gütern in die Macht der Tochter bzw. der Ehegatten fällt. RB XXII § 6 bestimmt, daß Hochzeitsschenkungen ohne Eintragung in den gesta nur gültig sind, wenn sie an Minderjährige gemacht werden, und zwar auch bei Schenkungen über 200 solidi. Dies entspricht der oben beschriebenen Regelung durch CT III, 5, 13. Schenkungen an volljährige Frauen sind somit nur bis 200 solidi ohne Eintragung in die gesta wirksam.
b) Die dos
Mit dos wurde die Hochzeitsgabe58 des Gewalthabers der Frau (dos profecticia) an den Mann bezeichnet bzw., wenn sie gewaltfrei war, ihre eigene Gabe, die evtl. mit auetoriras des Tutors bestellt wurde. Auch Dritte konnten der Frau eine dos bestellen (dos adventicia). Eine Rechtspflicht zur Bestellung bestand nicht, nur eine Anstandspflicht59• So gab es z. B. auch Abreden, nach denen die dos zwar versprochen (dos dicta), aber nicht ausbezahlt wurde60; stattdessen verpflichtete sich der pateifamilias der Ehefrau, weiterhin für den Unterhalt seiner Tochter zu sorgen61 • Die Mitgift wurde Eigentum des Mannes bzw. von dessen pateifamilias62 ; daher konnte auch die Mutter Beiträge zur .dos ihrer gewaltunterworfenen Zum Dotalrecht finden sich zwei umfangreiche Untersuchungen, zum einen Sechmann, Das römische Dotalrecht, 1863, zum anderen von Czyhlarz, Das römische Dotalrecht, 1870. Zu den möglichen Mitgiftbeträgen siehe die Zusammenstellungen bei Krause li, S. 49 ff. und Salier, S. 213 ff.; Pudentilla, die vier Millionen Sesterzen Vermögen besaß, versprach Apuleius eine Mitgift von 300.000, die als vergleichsweise bescheiden angesehen wurde, Apuleius, Apologia 71 und 91 f.; Crook, Law and Life, S. 104 f.; zur ZusammensetzungTreggiari, Roman Marriage, S. 340 ff. 59 Crook, His and Hers, S. 155; Kaser I, S. 334 f.; Memmer, S. 153, Fn. 1; Salier, S. 205; Wolff, in: SZ LIII, S. 349; die Bestellung einerdoskonnte aber als Nachweis einer erfolgten Eheschließung dienen; eine Frau, die keine solche Mitgift hatte, konnte leicht in den Verdacht geraten, nur eine Konkubine zu sein, vgl. Bechmann, S. 33; zur Anstandspflicht S. 41; siehe weiter Gardner, S. 56; Treggiari, Roman Marriage, S. 323. 58
60
Zur dotis datio siehe Gardner, S. 100 f.
Hierzu Koschaker, in: Studi Bonfante IV, S. 8 ff.; Krause II, S. 47 nach Scaevo1a D. XVII, 1, 60 § 3 und XLIV, 4, 17; Sachers, in: FS Schulz, S. 319m. Fn. 4.
61
2. Eheliches Vermögen
107
Tochter leisten, ohne daß dies gegen das Schenkungsverbot unter Ehegatten verstieß63 • Diedoshatte aber im Eigentum des Schwiegersohnes eine Sonderstellung, so daß sie nur bei einer manus-Ehe völlig im Eigentum der Familie des Mannes aufging64• Tryphonin65 formuliert das so: "Obwohl die dos Teil des Vermögens des Mannes ist, gehört sie doch der Frau." Der Familie der Frau gingen alle Rechte an derdosfür die Dauer der Ehe verloren66 • Als Eigentümer konnte der Ehemann frei über die Dotalsachen verfügen, aber er haftete für Verluste durch Nachlässigkeit oder gar Betrug67 ; auch durfteertrotz seiner nominellen Eigentümerstellung nur über die Früchte der zur dos gehörenden Grundstücke verfügen68 , nicht über ihre Substanz. Einer Verfügung über die Substanz zumindest italischer Grundstücke mußte nach der Lex lulia de adulteriis die Frau zustimmen, eine Verpfändung war auch mit Zustimmung der Frau unwirksam69• Das gleiche galt für die Freilassung von Dotalsklaven. Die Fruchtziehung hatte den - allerdings rechtlich nicht fixierten - Zweck, zu den sogenannten onera matrimonii beizutragen und damit der ehelichen Lebensführung zu dienen70, insbesondere derjenigen der Frau. So sollte der 62
Wolff, in: SZ LIII, S. 297.
63
Schlei, S. 70.
Balsdon, S. 209; Gratwick, in: Craik (Hrsg.), Marriage and Property, S. 39; Weber, S. 166.
64
65
D. XXXIII, 3, 75: "Quarnvis in bonis rnaritis dos sit, rnulieris tarnen est ... "
66
Memmer, S. 162.
67
Treggiari, Roman Marriage, S. 327.
68
Zu den "Früchten" derdossiehe Treggiari, Roman Marriage, S. 327.
Gaius II, 62: "Accidit aliquando, ut qui dorninus sit, alienandae rei potestatern non habeat, et qui dorninus non sit, alienare possit. 63. Narn dotale praedium maritus invita rnuliere per Iegern luliarn prohibetur alienare, quarnvis ipsius sit vel rnancipaturn ei dotis causa vel iure cessum vel usucapturn. ... "Zu den Einzelheiten Bechmann, S. 445 ff.; Czyhlarz, S. 196 ff. Aus den Inskriptionen zu D. XXIII, 5, 2. 6. und 12. - 14. ergibt sich, daß es sich um die LexJuliade adulteriis handelt; Kaser I, S. 334. 69
Bechmann widmete sein Werk dem Nachweis, daß die früher herrschende Meinung, die dos habe auch rechtlich den Zweck gehabt, zu den onera beizutragen "grundfalsch und die Mutter einer langen Reihe von Irrtbüroern sei", S. 17; heute wird allgemein vertreten, daß diesbezüglich zunächst nur eine sittlich begründete Tradition bestand, Balsdon, S. 207; Dixon, The Roman Farnily, S. 51 f.; umfangreicher Quellennachweis bei Krause II, S. 45 Fn. I; Kaser I, S. 332 f. m. Fn. 2.; dort auch Übersicht über die Stimmen, welche die fraglichen Stellen für interpoliert halten und die Gegner dieser Ansicht, z. B. Wolff, in: SZ LIII, S. 348 f.; zuletzt Treggiari, Roman Marriage, S. 332 ff. Daß der Ehemann noch zur Zeit Ciceros auch aus der dos nicht für die Ausgaben seiner Frau aufkommen mußte, zeigt Dixon, in: Rawson, The Family in Ancient Rome, S. 104 ff. , arn Beispiel von Tullia, die sich in einer finanziellen Notlage an ihre Mutter Terentia
70
IV. Die Ehefrau
108
Mann die Frau ihrer Mitgift entsprechend ausstatten71 • Die dos-Erträge über den Unterhalt hinaus auszuzahlen war allerdings eine verbotene Schenkung72 • Auch die Rückgabe der dos während bestehender Ehe war grundsätzlich unwirksam, da sie gegen das Schenkungsverbot unter Ehegatten verstieß; das entsprach den allgemeinen Regeln der klassischen Zeit, wenn es auch erst in einer Konstitution von 422 eigens geregelt wurde73 • Andererseits konnte es Fälle geben, in denen der Mann auch das Kapital der dos zur Verfügung stellen konnte, um dringende sittliche Verpflichtungen der Frau zu erfüllen, ohne daß dies gegen das Rückgabeverbot verstieß74• Insbesondere kam es vor, daß der Ehemann diedosder Frau für den Unterhalt ihrer Kinder (unter Umständen aus einer früheren Ehe) rechtlich wirksam zurückgeben konnte75, wenn der eigentlich zuständige Vater zum Unterhalt nicht in der Lage war. Die Einzelheiten, insbesondere das Schicksal der dos bei Beendigung der Ehe, wurden zwischen den beteiligten Familien in den pacta dotalia vor der Eheschließung ausgehandelt; auch wurden die zur dos bzw. zu den paraphernalia gehörenden Gegenstände in Urkunden festgehalten76 • Bei Beendigung der Ehe mußten nicht genau diese Dotalgegenstände, sondern etwas von gleicher Art und Güte oder der Wert zurückgegeben werden77 • aa) Die westgotisch-römische Rechtslage Unter dos versteht die LRV gemäß IP II, 22, 178 noch korrekt die Hochzeitsschenkung der Frau an den Ehemann, also die Mitgift. Sie kann vor oder nach der Eheschließung gegeben werden, wobei die ante nuptias gegebewenden mußte; Dolabella war hier offenbar nicht zuständig oder gütlich nicht zu bewegen. In C. V, 14, 2 wird Theodota belehrt, daß die Erträge aus dem als dos eingebrachten praedium auf ihren Unterhalt und den der Kinder angerechnet werden dürfen, Huchthausen, in: KLIO 56 (1974), S. 215/216. Crook, His and Hers, S. 158; Heyse, S. 91 ff.; Kaser I, S. 334m. Fn. 12; Krause I, S. 109. Zu den Schwierigkeiten bei der Heirat mit einer reichen Frau siehe Treggiari, Roman Marriage, S. 329 ff.
71
72
Koschaker, in: Studi Bonfante IV, S. 7.
73
CT III, 13, 3; Schlei, S. 76 f.; Wo1ff, in: SZ LIII, S. 322.
74
Wolff, in: SZ LIII, S. 322 ff.
75
Sachers, in: FS Schulz, S. 331; 340 ff.
Dixon, The Roman Farnily, S. 65 f.; Gaudemet, S. 35; ägyptische Dokumente bei Krause Il, S. 256 ff.; Apuleius, Apologia 91 über die Vereinbarungen zum Schicksal der dos bei Beendigung der Ehe; zu den pacta Czyhlarz, S. 429 ff. 76
77
Gaius D. XXIII, 3, 42.
2. Eheliches Vermögen
109
ne nach dem Text der Sentenz erst mit dem Eheschluß wirksam wird. Dies unterscheidet die dos von der donatio ante nuptias des Mannes, die bei formell korrekter Übertragung sofort wirksam ist und bei Nichtzustandekommen der Ehe als sponsalitia largitas unter bestimmten Bedingungen zurückgefordert werden kann79 • Die dos der gewaltunterworfenen Frau wird üblicherweise von ihrem Vater bestellt, vgl. IGreg IV, 2 und GE II, 9 § 3. Des weiteren gibt es Fälle, die offensichtlich die Bestellung einer dos durch eine Frau sui iuris betreffen. Nach GE II, 9 § 3 kann die dotis dictio, die einseitige Verpflichtungserklärung zur Bestellung einer dos, auch von der Frau selbst wirksam abgegeben werden, und zwar in Bezug auf bewegliche Sachen und auf Grundstücke80• Ebenfalls durch dotis dictio kann sich ein Schuldner der Frau verpflichten, indem er die geschuldete Summe dem Gatten zur dos verspricht. Die Vorschrift in LRV NV XII, 1 § 9, nach der die Höhe derdosderjenigen der donatio entsprechen soll, ist in der interpretatio nicht behandelt. Möglicherweise trägt die Interpretation damit dem Umstand Rechnung, daß es sich wohl nur um eine - nicht sanktionierte - Empfehlung handelt81 • Zudem ist es nach INT VII, 182 der Frau, die kein eigenes Vermögen hat, gestattet, die dos aus der Hochzeitsschenkung des Mannes zu nehmen - donatio ante nuptias in dotem redacta. Diese Verfahrensweise, die der Novellentext bereits als üblich bezeichnet, führt in den Ieges mitunter zu einer Vermischung und Verwechslung der Begriffe dos und donatio 83 • Diese Zweckbestimmung der donatio als dos, die schon in der Schenkungsurkunde vereinbart werden kann 84, 78 "Dos dicitur, quae aparte sponsarnm viris datur: quae tarnen potest ante nuptias aut post nuptias dari. "
Siehe oben S. 58 ff. Sidonius besaß zum Beispiel ein ziemlich großes Landgut namens Aviaticum (bei Clermont Ferrand), das zur dos seiner Frau gehörte, Briefe II, 2 (an Domitius) § 3. 81 Memmer, S. 166 f. 82 Interpretation zu NT XIV, 1 § 3 von 439: ''Nam permisit, ut mulierde sponsalitia do-
79
80
natione, quam a marito suscepit, si proprium mulier nihil habeat, dotem exinde ipsi marito possit offere." Die Interpretation verwendet in diesem Zusammenhang übrigens den Begriff der sponsalitia donatio anstelle des Ausdrucks donatio ante nuptias im Novel-
lentext, ein Zeichen für die unsichere Terminologie der LRV bezüglich der Eheschenkung des Mannes an die Frau, siehe oben S. 56 ff.
Z. B. RB XXI § 3: "Quod si unum ex his probaverit, et mariturn demittat, et conlatam in se donationem iure tuebitur, et dotem, quam ei maritus fecerit, vindicabit... "
83
84
Auch in betrügerischer Absicht, LRV CT III, 5, 8 (entspricht CT III, 5, 13 von 428):
"Haec enim commoda nec maritifraude ... si et imperite vel callide rerum offerendarum
110
IV. Die Ehefrau
ändert nichts an ihrer Zuordnung zum ursprünglichen Vermögen des Ehemannes85, was sich besonders beim Erbrecht der Kinder an väterlichen bzw. mütterlichen Gütern auswirkt. Weiter stellt sich die Frage, ob die dos völlig in das Eigentum des Ehemannes übergeht oder ob der Frau Verfügungsrechte an ihrer Mitgift zustehen. Einschlägig sind hier LRV PS II, 22, 2 und IP II, 23, 1. Danach stehen dem Mann zwar die Früchte des Dotalgrundstücks zu, veräußern darf er es jedoch nicht ohne den Willen seiner Ehefrau. Dies entspricht der Rechtslage nach der Lex lulia de adulteriis, die zunächst nur für italische Grundstücke galt. Durch die Übernahme in die LRV wird das Erfordernis der Zustimmung der Frau auf alle Grundstücke im Westgotenreich ausgedehnt, während die sozusagen "offizielle" Ausdehnung auf die Provinzialgrundstücke erst durch Justinian erfolgte86. Allerdings war das ius italicum schon vorher in Spanien fast allgemein verbreitet und fand auch in vielen gallischen civitates Anwendung. Nach Lösung der Ehe fällt die dos an die Frau zurück und wird auch in sonstigen Spezialfällen nicht als zum Vermögen des Mannes gehörig angesehen. IT IX, 32, 387 z. B. gewährt der Frau ein Recht auf Aussonderung der dos aus dem Vermögen ihres zu Vermögenseinziehung verurteilten Ehemannes. Der Mann darf die dos auch nicht testamentarisch mit einer Treuhandverwaltung belasten, IP IV, 1, 1. Ebenfalls in diesen Zusammenhang gehört INV I, 1: Der Mutter soll es nicht erlaubt sein, nach dem Tod des Mannes die aus ihrem Gut gemeinschaftlich verbrauchten Früchte von den Kindern oder sonstigen Erben zurückzufordern. Nach dem letzten Satz des Novellentextes soll dies unabhängig davon gelten, ob eine dos gegeben wurde oder nicht. Dieser generellen Entscheidung lag wohl der Sachverhalt zugrunde, daß Mütter, die nach dem Tode des Mannes ihre dos aus dem Ehevermögen zurückerhielten, Ersatz der Früchte verlangten, welche die Ehemänner aus den Dotalsachen gezogen hatten, wozu die Männer nach den oben erwähnten PS-Stellen berechtigt sind. Es läßt sich nicht immer in dotem habeat donatio mentionem, denegari uxoribus deceptis patimur ... sed a marito ... eius exacta restitui. " 85
Memmer, S. 160.
86
Czyhlarz, S. 197. Interpretation zu CT IX, 42, 15 von 396: "Quicunque damnari proscribique meruerit,
87
ab eius facultatibus bona uxoria sequestrentur, ita ut de dotem, quam marito uxar aut eius parentes obtulerunt, et donationem, quam ante nuptias pro coniunctione susceperat, uxor retineat, sibique vindicet a bonis proscriptae facultatis aliena, quia mariti crimine uxor non potest obligari."
2. Eheliches Vennögen
111
feststellen, wofür die Früchte im Einzelfall verwendet worden sind. Auch wird angenommen, daß die Ausstattung einer Frau kostspielig ist. Deshalb wird hier die gesetzliche Vermutung aufgestellt, daß die während der Ehe angefallenen Kosten der gemeinsamen Lebensführung dienten, zu der auch das Gut der Frau heranzuziehen ist. Die Interpretation entwickelt daraus die allgemeine Regel, daß Früchte, die während der Ehe ausgegeben wurden, nicht ersatzfähig sind88• Damit fixiert sie zugleich die Zuordnung der dos als Beitrag der Frau zur ehelichen Lebensführung. Daraus ergibt sich folgende Rechtslage: Die Dotalgrundstücke werden dem Mann für die Dauer der Ehe übertragen, aber nicht zu unbeschränktem Eigentum, sondern nur zu einer Art Nießbrauch, wobei er gehalten ist, die gezogenen Früchte für die gemeinsame Lebensführung zu verwenden. Über die Substanz der Grundstücke kann er nur gemeinsam mit seiner Frau verfügen. Über die sonstigen Dotalgegenstände, insbesondere die Früchte, verfügt der Mann allein.
bb) Die burgundisch-römische Rechtslage Wie oben erläutert, findet man die dos in der RB in erster Linie als donatio ante nuptias in dotem redacta. Trotzdem gibt es Hinweise darauf, daß die dos auch in ihrer alten Bedeutung als Ehegabe seitens der Frau noch bekannt ist, und zwar zum einen in Titel XXII § 2, wo den Hauskindern der eigene Erwerb von donatio und dos frei von Rechten ihrer Väter gestattet wird. Zum anderen ist die Scheidungsvorschrift XXI § 3 aufschlußreich, die der Frau bei begründeter Scheidung nicht nur die donatio, sondern auch die dos, "quam ei maritus fecerit", zuspricht. Hier wäre die Nennung beider Begriffe überflüssig, wenn es sich nur um eine einzige hin- und herübereignete Gütermasse handelte. Diese Formulierung bedeutet daher, daß die Frau nicht nur die dos zurückerhält, sondern auch die donatio, auch soweit sie als dos zurückgegeben wurde, behalten d~9 • Ferner gewährt RB XXVI den Kindern das Eigentum an der donatio materna der vorverstorben Mutter90• Auch ist unwahrscheinlich, daß nun nur noch der Mann mit der donatio, die unverändert als dos in die Ehe eingebracht würde, einen Beitrag zur ehelichen Lebensführung leisten soll; immerhin hatte die dos in den vorangegangenen Jahrhunderten den Zweck erhalten, insbesondere "Si vir uxore supersrite moriatur, fructus, quos stante coniugio constat expensos, nullam postea a communibus filiis seu ab heredibus mater repetendi habeat facultatem. "
88
89
Leonhardt, S. 63.
Nach der hier vertretenen Auffassung handelt es sich dabei um die dos, siehe oben S. 48 f.
90
112
IV. Die Ehefrau
der kostspieligen Ausstattung der Frau zu dienen. Die Novelle NT XIV, 1 § 3 erlaubte die Gewährung der dos aus der donatio der Frau ohne eigenes Vermögen, enthielt also zunächst nur eine Ausnahme von der Regel, daß beide Ehegatten zu den Lasten des gemeinsamen Lebens beitragen sollten. Deshalb werden auch in den Fällen, in denen die Frau die donatio als dos zurücküberträgt und dies vermutlich nur teilweise, siehe RB XXI § 3 -, eigene Güter der Frau im Sinne der klassischen dos hinzukommen91 • Fraglich ist, wie die Rechtsverhältnisse an der dos aussehen; da die RB hierzu keine Aussagen macht, ist anzunehmen, daß die Regelung fortbesteht, nach der die dos Eigentum des Mannes wird. Dieser kann während der Ehe darüber verfügen, soweit es sich nicht um Grundstücke handelt. Zur Verfügung über Grundstücke braucht er nach der in den pseudopaulinischen Sentenzen festgehaltenen Regelung der Lex Iulia de adulteriis die Zustimmung der Frau.
3. Zuwendungen des Mannes
Woher das Verbot von Schenkungen zwischen Ehegatten letztendlich stammt, ist ungewiß 92. Rechtlich unmöglich war die Schenkung in der manusEhe93, weil die Ehefrau dort keine rechtlich eigenständige Person war. Diese Konstellation gilt aber nicht für den Normalfall der manus-freien Ehe in der klassischen Zeit. Fest steht jedoch, daß es beim erstmaligen Auftauchen des Schenkungsverbotes in der juristischen Literatur z.Zt. des Augustus94 zu einer strengen Regel geworden war, also bereits seit längerer Zeit galt95, daß sich keine Seite auf Kosten der anderen bereichern sollte. Das Schenkungsverbot wurde auf bestimmte nicht als Ehe anerkannte Beziehungen ausgedehnt96 und wirkte nicht nur auf das schuldrechtliche Geschäft, sondern auch auf die dingliche Übereignung97. Zugelassen wurden aber Schenkungen in begrenztem Umfang 91 Hiervon scheint Leonhardt, S. 60 und 63, auszugehen; auch Memmer, S. 160, hält für die Zeit der spätklassischen Konstitutionen einen Zuschlag für möglich. 92
Zu den verschiedenen Ansätzen vgl. Kaser I, S. 331 m.w.N. und Schlei, S. 4 ff.
93
Schlei, S. 28.
Hierzu und zum Folgenden Kaser I, S. 331 f., insb. Fn. 23; Treggiari, Roman Marriage, S. 366 ff.
94
95 Crook, His and Hers, S. 167; Schlei, S. 13. 96 Z. B. auf die Gemeinschaft eines Soldaten mit seiner Haushälterin, C. V, 16, 2 von
213 oder zwischen einer Senatorentochter und einem Freigelassenen bzw. einer Provinzialin und dem Provinzgouvemeur, Ulpian D. XXIV, 1, 3 §§ 1 f.; zur Rechtsstellung der focaria und zu C. V, 16,2 sieheMeyer, S. 97 ff.
3. Zuwendungen des Mannes
113
bei besonderen Gelegenheiten98, also solche, die man als Anstandsschenkungen bezeichnen könnte, und Schenkungen im öffentlichen Interesse99 • Da jedoch als verbotene Schenkung nur anzusehen war, was zu einer dauerhaften Bereicherung eines Partners unter Entreicherung des anderen führte, wurde einander geleisteter Unterhalt, z. B. die (gemeinsame) Nutzung von Sklaven oder des Hauses, für zulässig erachtd 00, es waren keine verbotenen Schenkungen 101 • Eine Rechtspflicht zur Gewährung von Unterhalt bestand allerdings nicht, nur eine Anstandspfliche02 • Dafür, daß der Frau viele Dinge aus eigenen Mitteln des Mannes zugewandt wurden, sprechen die zahlreichen Beschwerden von Männem über die Kosten einer Ehe 103• Im Jahre 206 initiierten Septimius Severus und Caracalla durch die sogenannte oratio Severi104 einen Senatsbeschluß, nach dem diese zu Lebzeiten der Ehegatten unwirksamen Schenkungen durch den Tod des Schenkers wirksam wurden, wenn der Schenker bis zum Augenblick des Todes bei diesem Willen geblieben war105 • Schlei106 ist der Ansicht, die oratio Severi sei über eine Schenkung mortis causa hinausgegangen. Dabei übersieht sie aber, daß eine vollzogene Schenkung mortis causa den Schenker schon zu Lebzeiten bindet, von einigen Rückforderungsgründen abgesehen 107• Nach der oratio Severi bleibt die Ehegattenschenkung dagegen zunächst nichtig108 ; daher kann sie bis 97 Dies ergibt sich aus C. V, 16, 2, wonach dem Soldaten die der Haushälterin geschenkte Sklavin zurtickgegeben werden soll.
98
Beispiele bei Gardner, S. 69 f.; Schlei, S. 75.
Gaius D. XXIV, 1, 41: Eine Frau schenkt ihrem Mann etwas für die Ausrichtung von Spielen oder für den sozialen Aufstieg, der außer Geld auch den Beginn der Ämterlaufbahn erfordert.
99
100 Crook, His and Hers, S. 156 f. , 161; das galt auch dann, wenn der Partner im Exil lebte, Paulus D. XXIV, 1, 43, zumal wenn das Exil mit capitis deminutio verbunden war, welche die Ehe beendete; Treggiari, Roman Marriage, S. 436. 101
Ulpian D. XXIV, 1, 21 pr.: "... non enim donat, qui necessariis oneribus succurit."
Koschaker, in: Studi Bonfante IV, S. 5; zum Unterhalt siehe Treggiari, Roman Marriage, S. 332 ff. 102
103 Krause I, S. 109. Als geschenkt wurden auch Dinge angesehen, die nach Scheidung der Ehe dem anderen überlassen wurden; so heißt es von Tiberius, er habe Julia die Geschenke belassen, nachdem er von seiner Scheidung durch Augustus erfahren hatte, Sueton, Tiberius 11. 104 Überliefert
durch Ulpian D. XXIV, 1, 32; Kaser I, S. 331 f.
Zu den Schwierigkeiten, die sich hinsichtlich des Todeszeitpunktes ergeben können, siehe Misera, in: The lrish Jurist, Liber Memorialis John Kelly, 1994, S. 338 ff. 105
106
s. 80 ff.
107
Siehe hierzu Kapitel IV bei Simonius, S. 101 ff. 8 Johlen
114
IV. Die Ehefrau
zum Tod des Schenkers beliebig widerrufen werden, bei Vorversterben des Beschenkten freilich fällt sie genauso wie die Schenkung von Todes wegen an den Schenker zurück109• Simonius 110 stellt zudem heraus, daß die donatio mortis causa bewußt im Hinblick auf den Tod geschieht, während die eigentlich verbotene Eheschenkung eher zufällig wirksam wird. Ebenso wie bei den zu Lebzeiten des pateifamilias nichtigen Schenkungen an das Hauskind heilt hier somit der Tod des Schenkers die Unwirksamkeit der Übereignung und des Grundgeschäfts 111 , man könnte von einer Heilung mortis causa sprechen. Parallel zur donatio mortis causa ist jedoch die Abhängigkeit des Erwerbs von der Bedingung, daß der Schenker vor dem Beschenkten stirbt, und infolgedessen der endgültige Erwerb durch den Beschenkten bis auf den Todeszeitpunkt des Schenkers verschoben wird 112 • Da auch die konvaleszierte Ehegattenschenkung einen erbrechtliehen Bezug aufweist- sie wird an das Fideikommiß angelehnt-, muß die Lex Falcidia beachtet werden. Den Erben muß ein Viertel der Erbschaft erhalten bleiben, weshalb die Schenkung an die Ehefrau drei Viertel der Erbschaft nicht übersteigen darf. Im westgotisch-römischen Recht sind Schenkungen des Mannes an seine Frau zu Lebzeiten ebensowenig gültig; Verträge zwischen Ehegatten, durch die einer der Vertragspartner bereichert wird, werden von der LRV nicht gebilligt, Pap. 113 ; PS II, 24, 2 - 5; IT III, 13, 3. Haben sich die Ehegatten doch etwas geschenkt, so soll beim Tod des Beschenkten das geschenkte Gut beim Schenker verbleiben, IP II, 24, 5 114; es geht also nicht auf die Erben des Beschenkten 108 Ulpian D. XXIV, 1, 32 § 3:"Paenitentiam accipere debemus supremam. proinde si uxori donavit, deinde eum paenituit, mox desiit paenitere, dicendum est donationem valere, ut supremum eius spectemus iudicium, quemadmodum circa fideicommissa solemus... " 109 C. V, 16, 6 von 229: "... cum donatio in matrimonio facta prius mortua ea quae Liberalitalern excepit irrita sit. " 110
s. 297 f.
Ulpian D. XXIV, 1, 32 § 1: "Oratio autem imperatoris nostri de conjirmandis donationibus non solum ad ea pertinet, quae nomine uxoris a viro comparata sunt, sed ad omnes donationes inter virum et uxorem factas, ut et ipso iure res fiant eius, cui donatae sunt et obligatio sit civilis et de Falcidia ubi possit locum habere tractandum sit: cui locum ita fore opinor, quasi testamento sit conjirmatum quod donatum est. " 111
112
Misera, in: The Irish Jurist, Liber Memorialis John Kelly, 1994, S. 340 f.
"Inter virum et uxorem pacta non solum verbis, sed voluntate contrahentium constituuntur, ut neuter coniugum locupletior fiat." Zur Verbreitung der papinianischen Responsen Liebs, in: Siems u.a. (Hrsg.), Recht im frühmittelalterlichen Gallien, S. 13 f. 113
"Si manente coniugio vir uxori vel uxor marito aliquid donaverit, si is, cui donatum est, prior mortuus fuerit, apud donatorem ea, quae donata fuerant, remanebunt." 114
3. Zuwendungen des Mannes
115
über, weil die tatsächliche Schenkung rechtlich keine Wirkung entfaltet. Das entspricht der Rechtslage der klassischen Zeit. Fraglich ist aber, ob die Schenkung im umgekehrten Fall, nämlich beim Tode des Schenkers, weiterhin wirksam wird, so wie es in der LRV auch im Fall der eigentlich ungültigen Schenkung des Vaters an das gewaltunterworfene Kind vorgesehen ist 115 und für die Ehegattenschenkung seit der oratio Severi rechtens war. Obwohl der Titel PS II, 24 "De donationibus inter virum et uxorem" eine Reihe von Spezialregeln enthält, wird dieser Fall nicht behandelt; man kann aber aus IP II, 24, 5 den Umkehrschluß ziehen, daß die Schenkung im nicht behandelten Fall des vorverstorbenen Schenkers wirksam ist. Eine Veränderung der durch die oratio Severi geschaffenen Rechtslage wäre erwähnt worden. Anzunehmen ist ferner, daß auch hier die Lex Falcidia zu beachten ist, die in der LRV immer wieder als das Recht auf den Pflichtteil von einem Viertel auftaucht. Schenkungen unter Ehegatten zu Lebzeiten werden trotz allem unangefochten möglich sein, solange sie keinen Wert erreichen, der die zukünftigen Erben allzu sehr beeinträchtigt. Die in PS Il, 24 genannten Beispiele betreffen stets Sklaven, Häuser und Grundstücke, die res mancipi des klassischen Rechtes 116, die als Sachen von großem Wert schon immer besonderen Regeln unterworfen waren 117• Dies entspricht der oben erwähnten klassischen Ansicht, daß Geschenke in mäßigem Umfang zu besonderen Anlässen rechtswirksam gemacht werden können. Das römisch-burgundische Gesetzbuch behandelt die Schenkungen zwischen Ehegatten an keiner Stelle. Da eine Änderung dieser relativ unkomplizierten, seit langem geltenden und im Burgunderreich über die dort ebenfalls verwendeten vollständigen pseudopaulinischen Sentenzen mit Sicherheit bekannten Rechtslage regelungsbedürftig wäre, ist davon auszugehen, daß das auch im Codex Theodosianus in CT III, 13, 3 § 1118 angedeutete Schenkungsverbot in m Siehe oben S. 32. 116 Liebs,
Römisches Recht, S. 163.
Hierzu zählen außer dem komplizierten Manzipationsakt (Beschreibung in Gaius I, 119 ff. ; siehe hierzu Liebs, Römisches Recht, S. 169 ff.) z. B. auch die augusteischen Ieges Aelia Sentia und Fufia Caninia, welche die Anzahl der Sklaven, die der Eigentümer freilassen durfte, beschränkten; hierzu Mette-Dittmann, S. 187 ff.; Dixon, The Roman Family, S. 91; Gardner, in: LABEO 42 (1996), S. 89. 117
118 "Et si fortasse constante matrimonio a marito uxori dos refusa est, quod legibus stare non polest, quia donationis instar perspicitur obtinere, eadem uxore defuncta marito ab eius heredibus cum fructibus ex die refusae dotis restituatur, ita ut proprietas eiusdem a liberis ex eadem susceptis alienari a marito non possit etc."
IV. Die Ehefrau
116
dieser Form weiterhin gilt. Nichtig zu Lebzeiten des Schenkers, wird die Schenkung durch seinen Tod geheilt. Auch die Falcidia, die den Autoren der RB noch bekannt ist, wird zu beachten sein, so daß der Ehefrau nicht mehr als drei Viertel des Vermögens zugewandt werden können. Anzunehmen ist ebenfalls, daß auch im burgundisch-römischen Recht Anstandsschenkungen als rechtsgültig anerkannt werden.
4. Zuwendungen zwischen Mutter und Kind
In klassischer Zeit waren Schenkungen zwischen Mutter und Kind nur gültig, wenn beide Parteien gewaltfrei waren. Das Kind unter patria potestas war nicht selbständig vermögensfähig; alles, was es erwarb, fiel in das Vermögen des Vaters, so daß eine Zuwendung durch die Mutter gegen das Schenkungsverbot unter Ehegatten verstoßen hätte. Umgekehrt galt dies auch für Schenkungen des Kindes an seine Mutter. Das Kind besaß kein eigenes Vermögen; eine Zuwendung aus dem peculium hätte ebenfalls gegen das Schenkungsverbot unter Ehegatten verstoßen, da es sich um Vermögen des Vaters handelte119• In der manus-Ehe wäre die Schenkung des emanzipierten Kindes an die Mutter dem Ehemann erworben worden; die Frau unter patria potestas hätte für ihren Vater erworben. Waren Mutter und Kind sui iuris, stand einem eigenen Erwerb des Beschenkten nichts entgegen. Der Wert der Schenkung war auch nicht durch die Lex Cincia begrenzt, da Mutter und Kind als Kognaten ersten Grades davon ausgenommen waren 120• Vielleicht waren solche Schenkungen durch andere Vorschriften dem Umfang nach beschränkt. Jedenfalls stand den gleichrangigen Erben der Mutter, nämlich den Geschwistern des beschenkten Kindes, seit Alexander Severus analog zur querela inofficiosi testamenti die querela inofficiosi donationis 121 zu, wenn ihnen nicht der Pflichtteil von einem Viertel des gesetzlichen Erbteiles am verbliebenden Vermögen hinterlassen wurde 122, dem solche Vorabschenkungen hinzuzurechnen waren. Zwischen freiwilligen Schenkungen und gebotenen Unterhaltsleistungen wird streng unterschieden. Nach Gaius D. XXVI, 7, 13 § 2123 wird dem Tutor 119 Rückschluß aus Neratius D. XXIV, 1, 44: "idemque iuris erit, si is, qui in potestate viri erat, credens se patremfamilias esse uxori patris donaverit."
120 Paulus,
vat. 298.
121
Simonius, S. 58 ff.
122
Kaser I, S. 713.
4. Zuwendungen zwischen Mutter und Kind
117
des Kindes versagt, der Mutter auf Kosten des Kindes ein Hochzeitsgeschenk zukommen zu lassen. Der Tutor durfte keine Verfügungen vornehmen, die dem Vermögen des Mündels schadeten, also unentgeltlich waren. Dieses Prinzip wurde ersichtlich streng gehandhabt, so daß nicht einmal Schenkungen, die von der Sitte gefordert wurden, davon ausgenommen waren. In der gleichen Stelle wurde es dem Tutor jedoch gestattet, zu Lasten des Mündelvermögens Unterhaltsleistungen an die Mutter zu erbringen. Sachers 124, der die vielfach angezweifelte Stelle mit überzeugenden Argumenten für echt hält, begründet dies damit, daß schon in klassischer Zeit nicht nur eine sittliche, sondern bereits eine rechtliche Pflicht des Kindes bestand, seiner in Not geratenen Mutter den Lebensunterhalt zukommen zu lassen, wenn keine primär unterhaltsverpflichteten Personen vorhanden waren. a) Westgotisch-römisches Recht
Zu den Schenkungen der Mutter an ihre Kinder ist auf das oben zum Schenkungserwerb durch die gewaltunterworfene Frau Gesagte zu verweisen. Eine Schenkung ist nur an gewaltfreie Kinder möglich. Wirksamkeitsvoraussetzung ist, daß diese Güter zum uneingeschränkten Eigenvermögen der Mutter gehören. In diesem Zusammenhang ist noch IT II, 24, 2 125 zu erwähnen: Dort heißt es, daß eine zu Lebzeiten der Mutter mit ihrem Einverständnis vorgenommene Verteilung ihres Vermögens unter ihren Kindem mit ihrem Tode Bestandskraft erhält, wenn die Mutter bis zum Schluß bei ihrer Einwilligung geblieben ist, sie 123 "In solvendis legatis et fideicommissis attendere debet tutor, ne cui non debitum solvat, nec nuptiale munus matri pupilli vel sorori mittere. aliud est, si matri forte aut sorori pupilli tutor ea quae ad victum necessaria sunt praestiterit, cum semet ipsa sustinere non possit: nam ratum id habendum est; nec enim eadem causa est eius, quod in eam rem impenditur et quod muneris legatorumve nomine erogatur." Ebenso Ulpian über die Ansicht Labeos D. XXVII, 3, 1 § 5: "Sed si munus nuptiale matri pupilli miserit, non eum pupillo imputaturum Labeo scripsit: nec perquam necessaria est ista muneratio. " 124 In: FS Schutz, S. 355; bei der zitierten Gaius-Stelle spricht Sachers nur von einer sittlichen Pflicht, doch ist bereits hier eine Rechtspflicht anzunehmen, wie es auch Sachers für Ulpian D. XXVII, 3, 1 §§ 2 und 4 annimmt, FS Schu1z, S. 354. Nur bei einer Rechtspflicht hatte der Tutor einen klagbaren Rückforderungsanspruch gegenüber dem Mündel. 125 Interpretation zu CT Il, 24, 2 von 327: "Licet vivorum bona, ut dividantur, iniustum sit, tarnen si mater vivens facultates suas filiis praeceperit et permiserit dividendas, et usque ad exitum vitae suae in eadem voluntate perstiterit, divisio inter filios facta perduret."
118
IV. Die Ehefrau
also nicht widerrufen bzw. geändert hat. Daraus kann man schließen, daß diese (unentgeltliche) Realteilung schwebend unwirksam ist, möglicherweise wegen fehlender gesla, wegen Verstoßes gegen das Schenkungsverbot unter Ehegatten, falls die Kinder gewaltunterworfen sind, oder Sittenwidrigkeit eines Vertrages über Erbgut eines Lebenden 126; mit dem Tode, quasi morlis causa, konvalesziert sie. Die beschriebene Vermögensverteilung ist zwar äußerlich eine Schenkung, letztlich handelt es sich aber um eine vorweggenommene Erbauseinandersetzung, da es sich um das gesamte Vermögen, nicht um einzelne Teile handelt. Daher können die Kinder auch gewaltunterworfen sein, da die bona malerna ihnen von Gesetzes wegen gehören, die Mutter also nur die Verteilung vorwegnimmt. Fraglich ist, ob die Verfügungsbefugnis der Mutter durch die Höhe der Schenkung begrenzt wird, wie es bei Gaben des Vaters nach IGreg VIII, 2 der Fall ist. Dort muß den übrigen Kindern die Falcidia erhalten bleiben. Eine solche Verpflichtung der Mutter wird nur im Zusammenhang mit der testamentarischen Erbeinsetzung im entsprechenden Gesetzestext erwähnt, IT II, 19, 2; IP III, 11, 3; IGreg VIII, 1. Doch könntegerade IP III, 11, 3 gegen eine solche Limitierung sprechen, da dort bestimmt ist, daß das Kind sich die Schenkung nicht auf den eigenen Pflichtteil anrechnen lassen muß 127, die Schenkung unter Lebenden folglich nicht in rechtlichem Zusammenhang mit dem Erbfall gesehen wird. IGreg schweigt dazu; dabei hätte es nahegelegen, c. 2, welche die Erhaltung der Falcidia bei Schenkungen des Vaters vorschreibt, um eine entsprechende Regelung für die Mutter zu ergänzen, da c. 1 nur von der Falcidia im mütterlichen Testament spricht. Außerdem besteht bei einer Schenkung des Vaters an ein Hauskind die für die Mutter nicht geltende Besonderheit, daß es sich wegen der palria poleslas nur um eine morte geheilte Schenkung handeln kann, die im Falle der Überschreitung der Höchstgrenze von drei Vierteln einer Erbeinsetzung gleichkommt. Andererseits wird in IT VIII, 5, 1 unmißverständlich klargestellt, eine wie auch immer geartete Schenkung sei unwirksam, wenn es Klagen wegen des Übermaßes des Geschenkes, immodica donatione, geben könne 128• Der nächste 126 Diocletian
C. VIII, 38, 4 von 293.
"Ea, quae mater superstes filio per legitimam scripturam donavit, in Falcidiam ei post mortem matris a germanis eius non possunt imputari: sed in partem sibi debitam salva donatione succedit. " 127
Interpretation ZU er VIII, 12, 1 von 316 (fraglich, siehe Pharr, s. 212, Fn. 10) : "Quae tarnen omnes donationes superius comprehensae si modum excesserint lege conscriptum, unde possint certae personae de immodica donatione proponere, hoc est si quartam sibi facultatis suae donatornon reservaverit, non valebunt." 128
4. Zuwendungen zwischen Mutter und Kind
119
Teil der Interpretation erläutert dies näher: Die Schenkung soll insgesamt unwirksam sein, wenn der Schenker nicht ein Viertel seines Vermögens behält - si quartam sibi facultatis suae donator non reservaverit, non valebunt. Im Zusammenhang mit dem Hinweis auf die Klage wegen übermäßigen Geschenkes besagt dies also, daß auf den Einbehalt der Pflichtteile der gesetzlichen Erben geachtet werden muß. Dies gilt insbesondere im Eltern-Kind-Verhältnis. Es findet sich auch nirgendwo eine Ausnahme von dieser Regel, deren Bedeutung noch dadurch unterstrichen wird, daß sie eine Ergänzung zur ursprünglichen Konstitution Konstantins darstellt. Dort ist die beschriebene Voraussetzung für die Wirksamkeit der Schenkung zwar angedeutet 129, aber nicht im einzelnen erklärt. Gilt also die Notwendigkeit, das Pflichtteilsviertel zu erhalten, auch für die Mutter, so stellt sich die Frage nach der Beurteilung der oben angesprochenen Stelle IP III, 11, 3 erneut. Nunmehr ist dort zu unterstellen, daß sich die Mutter bei der Schenkung an die gesetzlichen Bestimmungen gehalten, also den Erben den Pflichtteil bewahrt hat. Dann muß das Kind weder auf den eigenen Pflichtteil verzichten bzw. die Schenkung darauf anrechnen lassen, noch den Pflichtteil der anderen Erben aus der Schenkung ergänzen. Andernfalls wäre die Schenkung nach der allgemeinen Vorschrift unwirksam gewesen. Von Interesse ist hier außerdem, daß die Konstitutionen 4, 5, 7 und 8 des Titels CT VIII, 12, die Geschenke zwischen Eltern und Kindern von bestimmten Form- und Übergabevorschriften befreiten, nicht in die LRV übernommen worden sind. Hier gelten somit wieder die strengen allgemeinen Vorschriften für Schenkungen nach IT VIII, 5, 1. Zur Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber ihrer Mutter ist anzunehmen, daß sietrotzdes Schweigens der LRV zu diesem Thema fortbesteht. Auch über Schenkungen von Kindern an ihre Mutter sagt das Gesetz nichts aus. Doch ist anzunehmen, daß solche Zuwendungen nach den allgemeinen Regeln möglich sind. Da die manus-Ehe nicht mehr existiert, kommt nur noch die patria potestas als rechtliches Hindernis einer wirksamen Übertragung in Betracht. Eine Schenkung des gewaltfreien Kindes an seine ebenfalls gewaltfreie Mutter ist folglich möglich. Dabei ist hier zu bedenken, daß eine Beschränkung bzgl. des Schenkungswertes durch die Lex Falcidia besteht, wenn z. B. das schenkende Kind bereits selbst Nachkommen hat; die Falcidia wird in den nachklassischen Quellen in CT VIII, 12, 1 (= LRV CT VIII, 5, 1): "... sub hac fieri debet observatione, ut, quas Ieges indulgent, actiones, conditiones pactionesque contineat... "
129
120
IV. Die Ehefrau
erster Linie als der Pflichtteil der gesetzlichen Erben verstanden, der diese vor Benachteiligung sowohl durch Schenkungen unter Lebenden als auch durch übermäßige Verfügungen von Todes wegen schützen soll. Daher ist anzunehmen, daß die Lex Falcidia immer gelten soll, wenn Pflichtteilsberechtigte, also gesetzliche Erben, vorhanden sind, auch wenn ihre Beachtung nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist. Dementsprechend regelt IT VIII, 5, 1 die Unwirksamkeit solcher Schenkungen wegen Übermaßverbotes allgemein für alle in Frage kommenden Konstellationen. Erst, wenn gesetzliche Erben nicht (mehr) vorhanden sind, ist eine Person in der Verfügung über ihr Vermögen völlig frei.
b) Burgundisch-römisches Recht
Auch im Burgunderreich sind Schenkungen aus dem Eigengut der Mutter nur an ihre gewaltfreien Kinder rechtlich wirksam 130• Diese Schenkungen unterliegen allerdings den in Titel I § l RB genannten Wirksamkeitserfordernissen. Sie haben nur Bestand, wenn sie zunächst formell gültig, d.h. in den gesta eingetragen sind, und außerdem "dodrantem, id est novem unicas" nicht übersteigen. Die Mutter ist also bei der Schenkung an ein einzelnes Kind auf drei Viertel des ihr zur Verfügung stehenden Vermögens beschränkt, eine Limitierung, die sich aus dem Weiterleben des Rechtes der Falcidia als einem Pflichtteil auch in der RB ergibt131 • Der Pflichtteil von einem Viertel darf nicht durch vorangehende unentgeltliche Zuwendungen geschmälert werden. Der umgekehrte Fall der Schenkung eines Kindes an seine Mutter ist nicht geregelt. Hier gelten also wiederum die allgemeinen Regeln, nach denen beide Parteien gewaltfrei sein müssen und auch die Falcidia, die in der RB an einigen Stellen als Pflichtteil auftaucht, zu beachten ist.
130
Siehe oben S. 39 f.
131
Hierzu Bauer-Gerland, S. 108 ff.
V. Die geschiedene Frau "... als sehr unbillig ist es anzusehen, daß der Mann von seiner Ehefrau eine Sittsamkeit fordert, die er selbst nicht zeigt ... " Ulpian D. XLVIII, 5, 14 § 5.
In klassischer Zeit war die einverständliche Scheidung der manus-freien Ehe an keine rechtlichen Voraussetzungen geknüpft; möglicherweise war sie auch nicht an Formvorschriften gebunden 1• Die Ehe beruhte auf dem fortgesetzten Willen beider Partner, ihre tatsächliche Lebensgemeinschaft als Ehe zu führen (affectio maritalisi. Bestand dieser Wille nicht mehr, gab es auch keine Ehe. Wirksamkeitsvoraussetzung war die räumliche Trennung der Ehegatten3 • Problematisch konnte die einseitige Scheidung sein. Zwar bewirkte auch der wegfallende Ehewille einer Partei die Auflösung der Ehe, ebenso wie die Scheidung durch den paterfamilias eines gewaltunterworfenen Ehepartners4 ; wirksam war die Scheidung selbst dann, wenn der andere Partner nichts davon wußte. Dies konnte jedoch zu Beweisschwierigkeiten führen, so daß es seit dem Ende der Republik zumindest üblich geworden war, einen Boten oder eine 1 Levy, Ehescheidung, S. 67; Visky, in: RIDA XXIII, S. 241; anderer Ansicht, aber ohne Belege Weber, S. 168. 2
Treggiari, in: Rawson (Hrsg.), Marriage, Divorce and Children, S. 33.
Levy, Ehescheidung, S. 77 ff. Über die Form der Scheidung wird seit langem gestritten. Levy, Ehescheidung, S. 38 ff., hat vertreten, daß bei Scheidung einer manusEhe, die nicht von der Frau initiiert werden konnte, die Entlassung aus der manus hinzutrat und dies an die Gegenwart von sieben Zeugen geknüpft war. Dagegen hat sich kurz darauf schon Corbett, S. 228 ff. gewandt; auch Dixon, The Roman Family, S. 79, und Visky, in: RIDA XXIII, S. 242, scheinen dies als Alternative zum Scheidebrief zu verstehen, als formelle Voraussetzung der Scheidung aller Ehen seit Augustus. Die Debatte stellt im einzelnen dar Mette-Dittmann, S. 53 ff., die der Ansicht folgt, das Verfahren vor sieben Zeugen sei wegen der Mitbestrafung des Ehemanns bei Ehebruch der Frau nach der Iex lulia erforderlich geworden; Evans Grubbs, S. 95.
3
Hierzu Treggiari, Roman Marriage, S. 459 ff.; Gratwick, in: Craik (Hrsg.), Marriage and Property, S. 37; Weber, S. 160; ein Reskript des 2. Jahrhunderts untersagte das für den Fall einer glücklichen Ehe, Gaudemet, S. 40.
4
122
V. Die geschiedene Frau
schriftliche Scheidungsnotiz zu schicken5. Die Scheidungsnotiz wird in späteren Gesetzen erwähnt6, scheint aber keine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Scheidung gewesen zu sein; denn erst im Jahre 439 verlangte Theodosius II. ausdrücklich die Scheidungsnotiz, repudium, als formelle Scheidungsvoraussetzung7. Grundsätzlich konnte die manus-freie Frau die Ehe selbständig lösen, nicht jedoch die Freigelassene, die ihren Patron geheiratet hatte8 • Seit Augustus bestand bei Ehebruch9 Scheidungszwang mit Durchführung des Kriminalverfahrens; Nichtdurchführung war mit Strafe bedroht 10• Um eine Ehe aufzulösen, mußten keine Gründe vorliegen 11 , doch sollte sogar der Ehemann, der eine manus-Ehe geschlossen hatte, der grundlos verstoßenen Frau ihr gesamtes Gut zurückgeben, das er eigentlich mit der manumissio erworben hatte12. Die Vermögensauseinandersetzung war unproblematisch, wenn sich die Partner einverständlich und getreu der Scheidungsformel "tuas res tibi habeto "13 trennten, jeder unter Mitnahme seiner Sachen; welche das waren, wurde oft schon bei der Eheschließung vertraglich festgehalten und beurkundet. Yaron 14 vertritt gegen Kaser, der ihm später folgt 15 , die Meinung, daß auch bei 5 Nicht erforderlich war allerdings, daß diese Notiz den Partner auch erreichte, siehe Treggiari, in: Rawson (Hrsg.), Marriage, Divorce and Children, S. 37 und den Prozeß aufS. 35; dazu auch Levy, Ehescheidung, S. I5 f., der für die spätere Zeit insofern zu einem anderen Ergebnis kommt, S. 84 ff., als seiner Ansicht nach der erklärte Scheidungswille dem anderen Partner bekannt werden mußte; Yaron, in: Tijdschrift XXX, S. 60, nimmt an, daß zumindest der ernsthafte Versuch der Zustellung unternommen werden mußte. 6
Z. B. CT III, I6 "De repudiis" mit c. 1 von 331 und c. 2 von 421.
NT XII, I von 439: "Consensu licita matrimonia passe contrahi, contracta non nisi misso repudio dissolvi praecipimus." Siehe hierzu Vannucchi Forzieri, in: SDHI 1982, S. 304 f. m.w.N. Zur unterschiedlichen Bedeutung der Wörter divortium und repudium siehe Treggiari, Roman Marriage, S. 435 ff.
7
8
Zu dieser Problematik siehe Gardner, S. 57; Crook, Law and Life, S. 51.
9
Zur Definition des Ehebruchs und den verwandten Delikten Mette-Dittmann, S. 34 ff.
Ulpian D. XLVIII, 5, 2 §§ I ff.; dazu Dixon, The Roman Famiiy, S. 80 ff.; Evans Grubbs, S. 203 ff. 10
11 Zu dieser herrschenden Meinung Memmer, S. 25I; anders anscheinend in der frühen Republik, Gardner, S. 83.
12 Gratwick, in: Craik (Hrsg.), Marriage and Property, S. 39.
13 Gaius D. XXIV, 2, 2 § 1: "In repudiis autem, id est renuntiatione comprobata sunt haec verba: 'tuas res tibi habeto', item haec: 'tuas res tibi agito'." Zur Geschichte dieser Formeln siehe Yaron, in: Tijdschrift XXVIII, S. 2 ff.; Treggiari, Roman Marriage, S. 446 ff.
V. Die geschiedene Frau
123
Ende der manus-Ehe die Frau ihre eingebrachten Güter zurückerhielt, da der Satz "tuas res tibi habeto" zu einer Zeit entstand, in der die manus-Ehe die normale Eheform war. Grundsätzlich hatte die Frau einen Anspruch auf Herausgabe der dos 16• War die Frau noch unter patria potestas, so stand ihr die Rückforderungsklage gemeinsam mit ihrem Vater zu 17 • Wenn der Vater allein gegen den ehemaligen Ehemann vorging, war zumindest das Einverständnis der Tochter erforderlich, da ihr die dos in jedem Fall erhalten bleiben sollte 18 • Ein eigenes Klagerecht der Tochter gab es nur in Ausnahmefällen, etwa bei Geisteskrankheit, Gefangennahme oder Exil des Vaters 19• Alleiniges Vorgehen der Tochter zu seinem Nachteil brauchte der Vater nicht gegen sich gelten zu lassen20• Die Macht des Gewalthabers erstreckte sich allerdings nur auf den vermögensrechtlichen Aspekt der Scheidung; zur Auflösung der Ehe bedurfte weder die filia familias der Zustimmung des Vaters noch die gewaltfreie Frau der des Tutors21 • Dem Mann war es bei Herausgabe der dos erlaubt, auf Dotalgegenstände gemachte Aufwendungen abzurechnen. Dabei wurde zwischen notwendigen, nützlichen und luxuriösen Aufwendungen unterschieden. Als notwendige Ausgabe wurde alles angesehen, was die Dotalgegenstände vor Verfall bewahrte, für den der Mann haftbar gemacht werden konnte, z. B. Hausreparaturen, Heilungskosten für einen kranken Sklaven etc. Nützlich waren Aufwendungen dann, wenn der Dotalgegenstand ohne sie zwar nicht verfallen wäre, durch sie aber profitabler geworden war, z. B. Anlage eines Weinbergs auf dem Landgut. Luxuriöse Aufwendungen waren solche für Verbesserungen, die dem Vergnügen dienten, z. B. die Anlage von Springbrunnen im Garten oder von zusätzlichen Bädern. Diese Aufwendungen mußten von der Frau nicht einmal dann getragen werden, wenn sie ihnen zugestimmt hatte, sofern sie dem Mann gestattete, die vorgenommenen Verbesserungen wieder zu entfernen, soweit dies möglich war2 • 14
In: Tijdschrift XXVIII, S. 5 ff.
1s
Kaser I, S. 82, Fn. 10.
Ulpian D. XXIV, 3, 2 pr.: "Soluto matrimonio solvi mulieri dos debet. "; Gardner, S. 112 ff.; Gratwick, in: Craik (Hrsg.), Marriage and Property, S. 39.
16
17
Ulpian D. XXIV, 3, 2 §§ 1 ff.; hierzu Wolff, in: SZ LIII, S. 301 ff.
18
Wacke, in: IURA XLII, S. 46; Wolff, in: SZ LIII, S. 310.
19
Ulpian D. XXIV, 3, 22; Wolff, in: SZ LIII, S. 314 ff.
20
Wolff, in: SZ LIII, S. 311.
21
Levy, Ehescheidung, S. 17 f.
22
Hierzu Treggiari, Roman Marriage, S. 354 ff. m.w.N.; Czyh1arz, S. 276 ff.
124
V. Die geschiedene Frau
Nachteilige Konsequenzen für das Vermögen der Frau konnten sich auch ergeben, wenn die geschiedenen Ehepartner Kinder hatten. Unterhaltsverpflichtet war in erster Linie der Vater3, da eine Scheidung der Eltern das Gewaltverhältnis zu den Kindern nicht berührte. Das galt selbst dann, wenn die Kinder bei der Mutter blieben und von ihr unterhalten wurden; dann konnte die Mutter beim Vater der Kinder Rückgriff nehmen24 • C. V, 49, l von 223, von Sachers25 als Beleg dafür angeführt, daß die Erziehungspflicht bei geschiedener Ehe allgemein die Mutter trifft, die dann auch den Unterhalt zu leisten hat, ist an den Vormund eines Kindes gerichtet26, betrifft daher den Fall einer Witwe. Die Tatsache, daß auf Grabsteinen häufiger Stiefmütter als Stiefväter erwähnt werden, wird damit erklärt, daß die Kinder nach der Scheidung meistens beim Vater blieben27 • Im Einzelfall konnte in spätklassischer Zeit der Richter nach freiem Ermessen über die Zuweisung der Kinder an ein Elternteil entscheiden28 • Danach konnte die Unterhaltspflicht wohl denjenigen treffen, bei dem die Kinder sich aufhielten. Grundsätzlich mußte aber der Mann zahlen. Dafür war es ihm erlaubt, Teile der dos (ein Sechstel pro Kind, höchstens die Hälfte) für den Kindesunterhalt einzubehalten, retentio propter liberoi9 ; wenn die Seite der Frau die Scheidung verursacht hatte, gab es eine retentio propter mores.
C. V, 25, 3 aus dem Jahre 162. Sachers, in: FS Schutz, S. 331. 25 In: FS Schutz, S. 331.
23
24
26 "lmp. Alexander A. Dionysodoro. Educatio pupillorum tuorum nulli magis quam matri eorum, si non vitricum eis induxerit, committenda est. " 27 Pomeroy, S. 169; Rawson, in: Rawson (Hrsg.), The Family in Ancient Rome, S. 36; Gardner, S. 146, leitet dies aus der potestas ab. 28 C. V, 24, l von 294: "lmpp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Caelestinae. Licet neque nostra neque divorum parentium nostrorum ulla constitutione caveatur, ut per sexum liberorum inter parentes divisio celebretur, competens tarnen iudex aestimabit, utrum apud patrem an apud matrem matrimonio separato filii morari ac nutriri debent." Hierzu Sachers, S. 331. Anscheinend hatte ein Richter bei Scheidung die Kinder
nach Geschlecht auf die Eltern verteilt, wogegen die Mutter Caelestina sich bei den Kaisem beschwert hatte. Diese befanden die Entscheidung für richtig und schufen damit eine rechtliche Grundlage für die Zukunft.
Bechmann, S. 87 ff.; Corbett, S. 192 ff.; Treggiari, in: Rawson (Hrsg.), Marriage, Divorce and Children, S. 39; Weber, S. 166; Wolff, in: SZ LIII, S. 352. Schon Cicero finanzierte den Aufenthalt seines Sohnes in Athen aus Dotalgütem, die er von seiner geschiedenen Frau Terentia für den Unterhalt des Sohnes zurückbehalten hatte, Dixon, in: Rawson (Hrsg.), The Family in Ancient Rome, S. 108 ff. 29
I. Scheidungsrecht der westgotischen Römer
125
1. Das Scheidungsrecht der westgotischen Römer
a) Die einverständliche Scheidung In der Literatur gehen die Meinungen über die Zulässigkeil einvernehmlicher Scheidungen in der Spätantike auseinander30. Y aron hält die gesetzliche Regelung für die einzig zulässige Möglichkeit der Scheidung, was zur Folge hätte, daß bei einvernehmlicher Scheidung dieselben Rechtsfolgen wie bei grundloser Scheidung galten31 . Dixon dagegen vertritt die Ansicht, die Einführung der Scheidungsgründe habe den Fortbestand der einvernehmlichen Scheidung nicht berührt32• Damit sind die Vorschriften über die Scheidung jedoch kaum vereinbar33. Für den Geltungsbereich der LRV jedenfalls findet sich eine Bestimmung in NV XII, 1 § 11 34, welche die durch frühere Gesetze (NT XII, 1) befürwortete Rückkehr zur einverständlichen Scheidung aufhebt. Die Bestimmung verweist auf eine ältere Anordnung von Constantius III., womit wohl die Konstitution 2 im CT-Titel III, 16, "De repudiis" gemeint ise5• Konstantin hatte mit (LRV) CT III, 16, 1 die römische Scheidungsfreiheit aufgehoben 36, was von Constantius in (LRV) CT III, 16, 2 bestätigt wurde. NT XII, 1 "De repudiis", welche die früheren Strafvorschriften von CT III, 16, 1 und 2 authob37, ist im Gegensatz zu den benachbarten Novellen gar nicht erst in den Text der LRV eingegangen, ein Zeichen dafür, daß die Verfasser dieses Gesetzes Wert auf die eingeschränkte Scheidungsmöglichkeit legten. Deshalb ist Scheidung ohne Nachteile 30 Siehe hierzu die Aufstellung bei Memmer, S. 306 ff. 31 Yaron, in: Tijdschrift XXXII, S. 551 f. 32 Dixon, The Roman Family, S. 81 , meint: "Divorce by mutual consent remained straightfonvard even under Justinian 's legislation... "; Kaser II, S. 179; schon Weber, S.
188.
33 Yaron, in: Tijdschrift XXXII, S. 550. Entspricht NV XXXV, I § ll: "In ipsorum autem matrimoniorum reverentia et vinculo, ne passim et temere deserantur, antiquata novella lege, quae solvi coniugia sola contraria voluntate permiserat, ea, quae a divo patre nostro Constantio decreta sunt, intemerata serventur." INV: "De divortiis vero inter coniuges, sublata Novella lege, quae sunt a divo Constantio ordinata, praecipit observari." 35 Conrat, S. 120; Pharr, S. 547 Fn. 24 hält die konkrete Stelle wohl für verloren, rät aber zum Vergleich mit CT III, 16, I. 34
Memmer, S. 252; zu den Ansichten über die Herkunft des Gesetzes aus Kirchenkreisen dort Fn. 12; zu christlichen Ansichten über die Scheidung Visky, in: RIDA XXIII, s. 243 ff. 37 Yaron, in: Tijdschrift XXXII, S. 547. 36
V. Die geschiedene Frau
126
nur noch möglich, wenn bestimmte, gesetzlich fixierte Gründe vorliegen. Scheidungswilligen Partnern wäre es dann immerhin möglich, durch Vorbringen milderer Gründe die schweren Folgen grundloser Scheidung zu vermeiden. Wenn die einverständliche Scheidung der grundlosen entspricht, dann stellt sich die Frage, an wen die verfallenen Ehegüter gehen sollen. Möglich wäre ein Anfall an die gesetzlichen Erben; es findet sich jedoch nirgends ein solcher Fall erwähnt, was vielleicht die abschreckende Wirkung der Sanktionen einer grundlosen Scheidung bestätigt. Andererseits wird die Meinung vertreten, daß sich die vermögensrechtlichen Folgen der beiderseits grundlosen Scheidung gegenseitig aufheben, dosund donatio also schlicht ausgetauscht werden38• Dafür spricht, daß die einverständliche Scheidung zwar der Intention Konstantins widerspricht, aber im Vergleich zur einseitigen Scheidung, die gegen den Willen des Partners durchgeführt wird, weniger gravierend erscheint. Zu beachten ist, daß eine Scheidung in jedem Fall zur Auflösung der Ehe führt, auch die verbotene, letztere hat nur Sanktionen zur Folge39• Das oben erwähnte Gesetz von Theodosius II. von 439 über die Notwendigkeit des repudium als eines Scheidebriefes ist weder in der LRV überliefert, noch konnte es im Codex Theodosianus enthalten sein (die Titelüberschrift "de repudiis" kann auch "über Scheidung" bedeuten). Das repudium hatte sich aber seit der klassischen Zeit als notwendiges Instrument der Praxis herausgebildet40, daher ist vermutlich auch bei den Westgoten die (begründete) Scheidung nur mit Scheidebrief rechtswirksam.
b) Scheidung durch die Frau
Wenn die scheidungswillige Frau keine gesetzlichen Scheidungsgründe nachweisen kann, sie sich also im rechtlichen Sinne grundlos von ihrem Mann trennt, verliert sie sowohl ihre dos als auch die donatio nuptialis (sponsalitia largitas) nach IT III, 16, 1 und 2 an den Mann. Des weiteren wird sie ins Exil geschickt und darf nicht wieder heiraten. Geht sie trotzdem später eine neue Verbindung ein, so hat ihr früherer Ehemann das Verfolgungsrecht wegen Ehebruchs41 • 38
Memmer, S. 308.
39
Wo1ff, in: SZ LXVII, S. 268.
Levy, Ehescheidung, S. 134; erwähnt auch in LRV er III, 16, 1 (= CT III, 16, 1) von 331.
40
Dies bedeutet nicht, daß etwa die Scheidung unwirksam ist, sondern hat reinen Strafcharakter, da der Ehemann ja wieder heiraten darf, Wolff, in: SZ LXVII, S. 269.
41
I. Scheidungsrecht der westgotischen Römer
I27
Trennt sich die Frau wegen minderer Gründe als den gesetzlich geforderten von ihrem Mann, so muß sie ihm nach IT III, 16, 2 die donatio zurückerstatten und darf er ihre das behalten42 • Die vermögensrechtlichen Folgen hinsichtlich des Ehegutes sind also die gleichen. Hingegen wird sie nicht ins Exil relegiert43 • Dies war offenbar noch bei Konstantin (c.l) die Konsequenz der Scheidung aus leichteren Gründen gewesen44• Die interpretatia folgt nun der Regelung des Gesetzes von Honorius und Constantius III. 45 • Diese Kaiser stuften die Scheidungsfolgen nach den Gründen ab. Der Frau ist eine begründete Trennung nicht so sehr vorzuwerfen wie eine grundlose, mögen die Gründe auch nicht gesetzlich anerkannt sein. Das Verbot der erneuten Heirat und das Verfolgungsrecht des früheren Ehemannes bei Wiederverheiratung gelten aber weiterhin. Im Hinblick auf den Umfang vondosund donatio ist hier LRV CT III, 5, 846 zu beachten. Zwar ist in diesem Titel, der die Gültigkeit von Eheschenkungen behandelt, nicht ausdrücklich von einer Scheidung die Rede; doch gibt die Konstitution einer Frau unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch gegen den Ehemann oder seine Erben auf Herausgabe der danatio, so daß von einer Beendigung der Ehe durch Tod des Mannes oder Scheidung auszugehen ist. Der Konstitutionstext regelt in § 1 den Fall, daß die Frau sich durch Unkenntnis oder Täuschung in den pacta dotalia verpflichtet hatte, die donatia als dos zurückzubringen. Das führt normalerweise dazu, daß die als das bezeichneten Gegenstände nach Beendigung der Ehe als Mannesgut gelten, da sie eigentlich danatia sind47 • Nach der Entscheidung von Kaiser Theodosius II. soll eine solche Täuschung oder Unkenntnis nicht zuungunsten der Frau wirken, der bei Beendigung der Ehe nun ein Anspruch auf Herausgabe dieser Dinge zugestanden wird. Die Ehefrau, die sich aus den vom Gesetz geforderten Gründen von ihrem Mann scheidet, also weil er ein Mörder, Giftmischer (IT: Zauberer) oder 42 ''Nam si leves culpas edocuerit, quibus divortium videatur appetere, et dote careat et donationem refundat, neque alteri viro nubendi habeat potestatem." 43 Insofern stellt dieses Gesetz gegen Memmer, S. 262, eine Verbesserung der Lage der Frau gegenüber der konstantinischen Gesetzgebung dar. 44 Memmer, S. 254. 45 Das Gesetz wird nach Ansicht einiger Autoren Constantius III. zugeschrieben, siehe Memmer, S. 258 mit Fn. 3I. 46 Entspricht Cf III, 5, 13 von 428: "Haec enim commoda nec mariti fraude ... si et im-
perlte vel callide rerum offerendarum in dotem habeat donatio mentionem, denegari uxoribus deceptis patimur ... sed a marito ... eius exacta restitui." 47
LRV NT VII, I § 3; entspricht NT XIV, I § 3; Memmer, S. I60.
128
V. Die geschiedene Frau
Grabschänder ist, wird nach IT III, 16, 1 als schuldlos geschieden angesehen. Die Folge ist, daß sie ihre dos zurückerhält48 • In IT III, 16, 2 wird das nochmals bekräftigt; danach darf die Frau auch die sponsalitia largitas in Anspruch nehmen49 • Fraglich ist außerdem, ob nicht die Stellung der begründet geschiedenen Frau insgesamt mit der einer Witwe übereinstimmt, welche ebenfalls dos und donatio nuptialis zu ihrer Verfügung hat50• Wie sich nämlich aus IT IX, 4, 651 ; III, 13, 1 ergibt, muß der Mann, der sich von seiner Frau aus den gesetzlich vorgesehenen Gründen (Ehebruch, Zauberei, Kuppelei) scheiden will, vor der zivilen Klage das Kriminalverfahren durchführen. Hierbei handelt es sich wohl um eine Fortführung der augusteischen Ehegesetzgebung, die die Scheidung wegen Ehebruchs mit der Durchführung des Kriminalverfahrens durch den Ehemann verband, der sich sonst zum Mitschuldigen dieses von Augustus unter Strafe gestellten Handeins machte 52• Im Falle der Zauberei beispielsweise, die nach PS V, 25, 9-11 53 ; CT IX, 13, 354 nebst IT mit dem Tode bestraft wird, würde sich der Ehemann auf diesem Wege zum Witwer machen. Ebenso müßte folgerichtig der Mann bestraft werden, den die Frau als ma/eficus erwiesen hat, die Ehefrau würde dann Witwe. Die LRV sagt aber im Gegensatz zum erläuterten umgekehrten Sachverhalt nichts darüber aus, daß die Frau gegen ihren Mann wegen der genannten Scheidungsgründe einen Kriminalprozeß führen soll oder darf. Hier gelten also die allgemeinen Prozeßregeln. Frauen sind grundsätzlich nur soweit anklagebefugt, wie sich das strafbare Verhalten des Mannes direkt gegen sie selbst richtet, IT IX, 1, 255, es sich also, wie es auch in IT II, 12, 5 für
non propterea repudiandus est, nisi forte eum aut homicidam aut maleficum aut sepulcri violatorem esse docuerit, quibus criminibus convictus sine culpa mulieris merito videtur excludi, et mulier recepta dote discedit... "
48 " •••
"Quod si mulier, quae discedit, in virum gravia crimina et certa probaverit, et dotem revocabit et quod ei maritus in sponsaliciam largitatem contulerat, vindicabit et post quinquennium nubendi habebit liberam facultatem. "
49
so Ein Unterschied liegt zumindest darin, daß die geschiedene Frau erst nach fünf Jahren wieder heiraten darf, LRV CT III, 16, 2 + IT, die Witwe dagegen schon nach einem Jahr, LRV CT III, 8, 3 + IT. Interpretation zu CT IX, 7, 7 von 392: "Quum adulterium maritus accusator obiecerit, dotis aut donationis repetitio conquiescat quia civilem repetitionem misceri criminali accusationi non oportet. "
51
52
Mette-Dittmann, S. 38; Mommsen, S. 691 ff.; Weber, S. 174.
Nach diesen Vorschriften besteht die Strafe in der Kreuzigung bzw. in der Verurteilung "ad bestias", also darin, im Zirkus wilden Tieren vorgewerfen zu werden. 53
54
Entspricht CT IX, 16, 7 von 364.
1. Scheidungsrecht der westgotischen Römer
129
den Zivilprozeß ausgedrückt wird, um ihre eigene Sache handelt. Im Kriminalprozeß kann das bei (versuchtem) Mord und Grabschändung selten der Fall sein, bei Zauberei nur, wenn sie gegen die Frau gerichtet war. Folglich bleibt es wohl in der Mehrzahl der Fälle bei einer schlichten Ehescheidung. Sollte sich im Anschluß an die Scheidung ein Ankläger für das Kriminalverfahren finden und dieser erfolgreich sein, wären die Folgen die in IT IX, 32, 356 genannten: dos und donatio nuptialis werden aus dem Vermögen des Mannes ausgesondert und der Frau zugesprochen. Insofern entsprechen die Konsequenzen für die Frau denen der Scheidung.
c) Scheidung durch den Mann
Wie ausgeführt, muß der Mann, der sich wegen mores, d.h. Ehebruch57, Zauberei oder Kuppelei von seiner Frau scheiden will, das Kriminalverfahren gegen sie durchführen, IT IX, 4, 6; III, 13, 1. Nachdem die Bestrafung erreicht ist (CT III, 16, 2), kann er die dos in Anspruch nehmen und die donatio zurückerhalten. Die Bestrafung kann sogar in der Exekution der Frau bestehen, so PS V, 25, 9-11; CT IX, 13, 358 mit IT für die malefica; auch die Ehebrecherio trifft die seit Beginn des vierten Jahrhunderts 59 geltende Todesstrafe, die auch in LRV CT IX, 30, 1 mit IT noch vorgesehen ist. Dies veranlaßte Conrat anscheinend dazu, expulsae uxoris dotem in IT 111, 16, 2 mit "die dosder verstorbenen Frau" zu übersetzen 60 • In PS II, 27, 2 wird die von Augustus eingeführte Bestrafung des Ehemannes als Kuppler, wenn er die ehebrecherische Frau nicht anzeigt, für die LRV übernommen. Hingegen hat die LRV folgerichtig nicht die augusteischen Ehebruchsstrafen für die Frau aufgenommen, die in PS II, 26, 1461 überliefert sind: Die Frau wird relegiert, verliert die Hälfte ihrer dos und Interpretation zu CT IX, 1, 3: "Feminis nisi in sua suorumque causa quemquam accusare non liceat, quia susceptione alienarum causarum legibus prohibentur. Advocati etiam commonendi sunt, ne contra leges suscipiant in alienis causis feminas litigare cupientes. ";siehe zu dieser Thematik Mommsen, S. 369. 55
56
Interpretation zu CT IX, 42, 15 von 396.
Zu den rechtlichen Vorausetzungen des Ehebruchs seit Konstantin siehe Evans Grubbs, S. 205 ff. 57
58
Entspricht CT IX, 16, 7 von 364.
CT IX, 40, 1 iVm. XI, 36, 1 (entspricht LRV CT IX, 30, 1 und XI, ll, 1) setzt diese Strafe 313 schon als bestehend voraus, Liebs, in: Behrends u.a. (Hrsg.), Römisches Recht in der europäischen Tradition, S. 99 m. Fn. 75; hierzu auch Simon, in: SZ 87 (1970), s. 340 ff. 59
60
Breviar, S. 601. 9 Johlen
130
V. Die geschiedene Frau
ein Drittel ihres sonstigen Vermögens62 • Da die Frau bei einer Scheidung wegen Ehebruchs seit Konstantin sowohl dos als auch donatio verliert, sich die Ehebruchsfolgen also zumindest hinsichtlich derdosüberschneiden (die donatio war zur Zeit des Augustus noch nicht rechtlich geregelt) und der Mann zur Anklage des Ehebruchs und Scheidung von der Frau gezwungen ist, hat die Vorschrift über die Folgen der begründeten Scheidung die Strafe der Lex Iulia de adulteriis ersetzt. Vor allem wurde die Ehebrecherio von Augustus mit Inselexil bestraft, seit Beginn des 4. Jahrhunderts dagegen mit dem Tod. Es entspricht also dem Bemühen der LRV um Aktualität, wenn die inzwischen veraltete Sentenz PS II, 26, 14 nicht in die Kompilation übernommen wurde. Nach IT III, 16, 2 gilt die neue Abstufung der Scheidungsgründe auch für den Mann. Danach kann er sich auch wegen lockerer Sitten seiner Frau, also aus einem weniger schweren Grund als von Konstantin gefordert, von ihr trennen. Dies führt im Wesentlichen zu einem Güteraustausch zwischen den Partnern. Der Mann erhält die donatio nuptialis zurück, muß aber die von der Frau gemachten Schenkungen herausgeben63 • Diese Herausgabepflicht beschränkt sich nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht auf die dos, sondern erstreckt sich auf alles, was der Mann von der Frau erhalten hat. Das kann, abgesehen von der dos, auch eine rechtlich unwirksame Schenkung zwischen Ehegatten64 und eine Verlobungsschenkung im klassischen Sinne sein, die aber laut LRV CT 111, 5, 5 als Schenkung der Frau an den Mann nur noch selten vorkommt. Eine Wartezeit für die Wiederverheiratung der Frau oder ein Heiratsverbot spricht der Text nicht aus. Daher wird angenommen, daß für diesen Fall die Wartefrist für Witwen von einem Jahr gleichermaßen gilt65 • Kann der Mann die gesetzlich geforderten Gründe nicht nachweisen oder liegt von vorneherein nur eine Unstimmigkeit vor, so stehen der Frau nach IT Liebs, Africa, S. 153, PS II, 37, 14: "Adulterii convictas mulieres dimidia parte dotis et tertia parte bonorum ac relegatione in insulam placuit coerceri, adulteris vero viris pari in insulam relegatione dimidiam bonorum partem auferri, dummodo in diversas insulas relegantur." Mette-Dittmann, S. 39. 61
Siehe zu den Strafen Mommsen, S. 698 f. Wenn Richlin, in: Foley (Hrsg.), Reflections of Women in Antiquity, S. 382, erklärt "the women lost half her property and a third of her estates", also nicht zwischen dos und paraphema, sondern zwischen beweglichem und unbeweglichem Gut unterscheidet, handelt es sich offensichtlich um ein Mißverständnis.
62
63 " ••• nam si crimina certa non fuerint, sed, ut solet fieri, femina morum Ievitare displiceat, maritus donationem suam revocet et illi, quicquid ab ea perceperat, mox refundat et post biennium aliam ducat uxorem." 64
Pap.; PS II, 24, 2-5; IT III, 13, 3 § 1; siehe oben S. 112 f.
65
Yaron, in: Tijdschrift XXXII, S. 546; entsprechend Memmer, S. 261.
1. Scheidungsrecht der westgotischen Römer
131
III, 16, 1 dosund donatio zu. In diesem Falle ist es auch dem Mann verboten, sich erneut zu verheiraten, während der Frau eine Heirat nach einem Jahr, wie beim gesetzlichen Trauerjahr für Witwen, wieder erlaubt ist. Falls der Mann es doch wagen sollte, eine zweite Ehe einzugehen, soll nach IT III, 16, I die unschuldig verstoßene Frau Haus und Vermögen des Mannes an sich nehmen, damit ihr auch die dos der zweiten Frau zufällt66 • Der ursprüngliche Konstitutionstext spricht hingegen nur davon, daß es der Frau erlaubt ist, in das Haus des Mannes einzudringen und die dos der zweiten Frau an sich zu nehmen67 • Yaron68 bemerkt, daß es reichlich sonderbar ist, hier der Frau nur ein Selbsthilferecht zu geben, während sie im umgekehrten Fall der Kriminalstrafe unterliegt. Da jedoch erst seit der Lex lulia der Ehebruch, der in der zweiten Eheschließung gesehen werden mag, bestraft wird, und zwar nur der einer Frau, nicht der des Mannes, stellt dieses (in der Tat seltsame) Selbsthilferecht schon eine Verbesserung der Stellung der Frau dar. Die Interpretation verschärft insoweit also die von der Konstitution verhängte Strafe zugunsten der Frau, und es fragt sich nur, ob bewußt oder durch ein Mißverständnis des Konstitutionstextes. Gegen ein Mißverständnis spricht, daß der Verfasser der Interpretation darauf hinweist, die LRV-Regelung sei angeordnet worden, damit der verstoßenen Frau die dos der zweiten Gattin zukommt. Der Inhalt der ursprünglichen Vorschrift war ihm also bekannt. Bedeutet das aber schon, daß die Interpretation bewußt von ihrer Vorlage abweicht, also das Recht geändert wurde? Dafür spricht vielleicht, daß die Lex Visigothorum in Titel III, 6 "De divortiis nuptiarum et discidio sponsorum", 2 eine ähnliche Regelung treffen wird. Die Frau, die aufgrund der Liederlichkeit, nequitia, des Mannes aus der Ehe entlassen wurde, soll dessen gesamtes Vermögen an sich nehmen69 , vorausgesetzt, es sind keine Kinder dieses Mannes vorhanden, weder aus dieser noch aus einer früheren Ehe. Sind Kinder des Mannes vorhanden, erhält die Frau nur dos70 und eigenes Vermögen zurück, alles sonstige Vermögen erhalten die Kinder. Der Mann verliert also in jedem Fall sein ganzes Vermögen, und zwar unabhängig davon, ob er eine neue Ehe eingeht oder domum mariti sui atque omnem eius substantiam sibimet vindicare. Quod dignoscitur ordinatum, ut etiam secundae uxoris dotem repudiata iniuste mulier iubeatur acquirere." Leonhardt, S. 172 kommt zu dem Schluß, daß der Gatte der unschuldig 66 " •••
verstoßenen Frau Haus und Vermögen überlassen muß, führt diese Rechtsfolge jedoch auf Konstantin zurück; diese Folge ist dem CT-Text selbst aber nicht zu entnehmen. 67 " ••• domum eius invadere et omnem dotem posterioris uxoris ad semet ipsam transferre pro iniuria sibi illata. " 68
In: Tijdschrift XXXII, S. 545.
69 " •••
70
universum viri facultatem mulier ... incunctanter poterit obtinere ... "
Auch hier wieder in der Bedeutung der vom Mann herrührenden Gabe.
132
V. Die geschiedene Frau
nicht. Auch die Lex Burgundionum nennt in XXXIV § 4 diese Strafe für den Mann, die gleichzeitig die Versorgung der Frau und der Kinder sicherstellt71 • Andererseits ist auch umgekehrt möglich, daß LB XXXIV § 4 auf demselben Mißverständnis der CT-Regelung, nämlich auf IT beruht72 • Es ist anzunehmen, daß die Frau das Vermögen des Mannes nur gemeinsam mit den Kindern besitzen soll. Die Kinder sind die gesetzlichen Erben ihres Vaters, während der Frau von Gesetzes wegen keine weiteren Rechte am Mannesvermögen eingeräumt sind. Daher kann die Frau zwar den Besitz des Vermögens ergreifen, das Eigentum daran soll aber den Kindern zustehen, wie es die Lex Visigothorum vorsehen wird. Möglicherweise wird von Mutter und Kindern auch eine Hausgemeinschaft wie in der Lex Burgundionum geführt. Bei Kinderlosigkeit des Mannes würde das Gut der Frau allein zufallen. Fraglich ist, ob eine solche Verschärfung des Rechts zu Lasten der weiteren Verwandten wahrscheinlich ist. Doch kannte auch das römische Recht verschiedene Fälle von Vermögenseinziehung durch den Staat, z. B. bei Infamie und Relegation ins Exil. Ein Vermögensverlust zugunsten der Frau ist daher nicht völlig von der Hand zu weisen. In IT III, 16, 1 haben wohl germanische Rechtsvorstellungen zur Verschärfung römischen Rechts auf dem Territorium der Westgoten geführt. Die Mitgift der zweiten Frau wird die geschiedene Frau zusätzlich als Eigenvermögen erhalten, unabhängig vom Vorhandensein von Kindern aus erster Ehe. Nach IP ll, 23, 1 stehen dem Mann auch für das Jahr, in dem die Ehe geschieden wird, die Früchte des Dotalgrundstückes zu 73 • Diese Regelung muß sich auf diejenigen Fälle beziehen, in denen die dos der Frau wieder herauszugeben ist. Erhält nämlich der Mann die dos endgültig, so stehen ihm auch die Früchte fraglos zu, die Regelung wäre in diesem Fall überflüssig. Der Mann muß die dos herausgeben bei begründeter Scheidung durch die Frau, grundloser Scheidung durch den Mann und bei Scheidung wegen lockerer Sitten der Frau. Hierbei kann aber davon ausgegangen werden, daß dem Mann, dessen Frau sich begründet, also wegen eines der drei genannten Verbrechen, von ihm scheidet, die Früchte der dos nicht zukommen sollen. Deshalb kann die "Quod si de his tribus facinoribus nihil admiserit, nulli virorum liceat de altero crirnine uxorern suarn dirnittere. Sed si rnaluerit, exeat de dorno, rebus ornnibus dirnissis; et illa curn filiis suis quae maritus habuit potiatur. "
71
72
Für Herkunft aus dem römischen Recht Leonhardt, S. 58 m.w.N.
"Fructus agri dotalis rnanente coniugio ad mariturn pertinent. Sed et illius anni, quo rnatrirnoniurn divortio separatur, ad mariturn pertinere certissirnurn est."
73
1. Scheidungsrecht der westgotischen Römer
133
begründet geschiedene Frau die dos mit der Scheidung vollständig in Anspruch nehmen, während in den anderen Fällen dem Mann noch bis zum Jahresende die Früchte zustehen.
d) Vermögensrechte der Kinder Es stellt sich die Frage, in welchem Umfange die Frau nach vollzogener Scheidung über die Vermögensteile verfügen darf, die ihr verblieben sind. Verfügungsbeschränkungen können sich aus dem Vorhandensein von Kindern aus der geschiedenen Ehe ergeben. Zu untersuchen ist daher, ob den Kindern verfügungsbeschränkende Rechte, etwa ein Eigentumsvorbehalt, der zu einem Verfremdungsverbot führen würde, an den hier zur Debatte stehenden Vermögensmassen dos und donatio nuptialis zustehen. Die Fälle der Scheidung des Mannes von seiner Frau aus den gesetzlich vorgesehenen Gründen und der grundlosen Trennung der Frau von ihrem Mann interessieren hier nicht, da die Frau in diesen Fällen alles verliert. In Bezug auf die dos ist die Frage schnell beantwortet. Dieses Vermögen gehört nach alten, unveränderten Regeln vollständig der Frau; Ansprüche der Kinder auf Unterhalt werden dadurch abgegolten, daß der Ehemann einen Teil der dos einbehält, die retentio proprer Iiberos, die in der LRV durch IT III, 16, 2 a.E. aufrechterhalten wird74• Allerdings gilt das nur für den Fall des Verstoßes wegen minderer Gründe, die schuldlos verstoßene Frau erhält ihre dos unvermindert zurück. Problematisch ist jedoch die Lage der donatio. Bei Beendigung der Ehe durch den Tod des Mannes steht die donatio der Witwe zu Nießbrauch zu (das ist im nächsten Kapitel ausführlicher zu behandeln), während das Eigentum den Kindem verfangen ist. Gerade im Fall der schuldlos verstoßenen Frau, die ihre dos unvermindert erhält und auch die donatio behalten darf, wäre ein Anrecht der Kinder an der väterlichen Schenkung angebracht, da sie sonst völlig unberücksichtigt blieben. Einen Anhalt bietet hier die folgende Regelung. Nach LRV NT VII, 1 §§ 3 und 4 nimmt die donatio ante nuptias in dotem redacta eine Sonderstellung ein7'. Hier werden die Rechte der Kinder an den elterlichen Hochzeitsschenkungen im Falle der Auflösung der Ehe durch Tod eines Partners oder Scheidung gleichermaßen geregelt. Zugunsten der Kinder wird "Propter communes vero Liberos, si fuerint, ea praecepit observari, quae in iure de retentionibus statuta pro numero jiliorum, quod Paulus in libro Responsorum dicit sub titulo de Re Uxoria. "; hierzu Memmer, S. 287; Vannuchi Forzieri, in: SDHI 1982, S. 302m. Fn. 27. 75 Entspricht NT XIV, 1 von 439; siehe hierzu Vannuchi Forzieri, in: SDHI 1982, S. 307 f. 74
134
V. Die geschiedene Frau
festgestellt, daß das Gut so zu behandeln ist, daß es demjenigen zugerechnet wird, von dem es ursprünglich gekommen ist. Im Falle derjenigen Scheidungsvariante, bei der die Frau dos und donatio behalten darf, bedeutet das, daß diejenigen Güter, die der Mann ihr zunächst als donatio zugewandt und die sie ihm als dos zurückübereignet hat, als donatio gelten und somit für die Kinder zu bewahren sind. Folglich erhält die Mutter mit der Scheidung einen Nießbrauch an der donatio ihres geschiedenen Mannes.
2. Das Scheidungsrecht der burgundischen Römer a) Die einverständliche Scheidung
Im Gegensatz zur strikten Einschränkung der Scheidungsfreiheit in der LRV kennt die RB auch die einverständliche Auflösung der Ehe, XXI§ C6 • Vermögensrechtliche Folgen werden nirgendwo genannt; da bei einer einverständlichen Scheidung keiner der Partner als schuldiger Teil anzusehen ist, werden die wechselseitig eingebrachten Ehegüter ausgetauscht worden sein.
b) Scheidung durch die Frau
Die einseitige Scheidung ist auch hier an bestimmte Gründe geknüpft. Nach RB XXI § 3 sind diese Gründe Mord, Grabschändung und Giftmischerei entsprechend dem Verweistext CT III, 16, 177• Kann die Frau einen solchen Grund nachweisen, stehen ihr ebenso wie dort dos und donatio zu. Der RB-Text spricht hier von "dotem, quam ei maritus fecerit". Dieses Verständnis der dos als einer vom Mann herrührenden Schenkung stammt aus der Sitte der donatio ante nuptias in dotem redacta, die in den Germanengesetzen zu einem unscharfen Gebrauch der im früheren römischen Recht klar getrennten Begriffe führte. Hier soll zum Ausdruck gebracht werden, daß die Frau die gesamte Eheschenkung einschließlich dessen, was sie dem Mann wieder zurückgebracht, also nominell rückübereignet hat, herausverlangen kann78 • 76
"Consensu partis utriusque repudiurn dare et rnatrirnoniurn posse dissolvi."
n "Quod si mulier nolente marito repudiurn ei dare voluerit, non aliter fieri hoc licebit, quarn si mariturn hornicidam probaverit, aut sepulchrorurn violatorern, aut veneficurn. Quod si unurn ex his probaverit, et mariturn dernittat, et conlatarn in se donationern iure tuebitur, et dotern, quarn ei maritus fecerit, vindicabit, secundum Iegern Theudosiani sub titulo: De repudiis, prornulgatarn."
2. Scheidungsrecht der burgundischen Römer
135
Die Frage, was geschieht, wenn die Frau die Scheidungsgründe nicht nachweisen kann, wird in der RB nicht geregelt. Folglich gilt hier weiterhin die Rechtslage des Verweistexts CT III, 16, 1, die oben dargestellt wurde. Das burgundische Recht sieht für den Fall der einseitigen, unbegründeten Scheidung durch die Frau nach LB XXXIV, 1 die Todesstrafe vor. Da sich diese scharfe Bestimmung vermutlich durch die germanische Muntgewalt erklären läße9, ist nicht anzunehmen, daß sie auf die römische Bevölkerung übertragbar ist.
c) Scheidung durch den Mann Auch der Mann kann sich von seiner Frau legitimerweise nur bei Ehebruch, Giftmischerei oder Kuppelei scheiden, RB XXI § 280 aufgrund von CT III, 16. In diesem Falle soll er die donatio nuptialis zurückerhalten. Über die dos sagt die Bestimmung nichts aus, der Mann wird sie aber behalten dürfen 81 • Zum einen zählt die dos aus den oben genannten Gründen in vielen Fällen ohnehin zur donatio im Sinne einer vom Mann herrührenden Schenkung, zum anderen wurde sie ihm anläßlich der Eheschließung übereignet; solange der Gesetzestext also keine Herausgabepflicht normiert, ist von einem Verbleib der dos beim Mann auszugehen. Ferner ist kein Grund ersichtlich, warum der Mann bei begründeter Scheidung schlechter stehen sollte als die Frau bei gleicher Rechtslage. Auch die einseitige, unbegründete Scheidung durch den Mann wird nicht geregelt. Daher ist wiederum anzunehmen, daß die Regelungen von CT III, 16 fortgehen.
78 79
Siehe oben S. 105 f. und 111 f.; vgl. Leonhardt, S. 63. Kottje, in: Affeldt (Hrsg.), Frauen in Spätantike und Frühmittelalter, S. 217.
"Quod si pars viri repudium dare uxore Contradieente voluerit, non aliter illi licebit, nisi aut adulteram esse convincat, aut veneficam, aut conciliatricem; quorum uno probato crimine, licebit ei uxori dare repudium, ad ius suum nuptiale donatione revocata. " 80
81
So auch Leonhardt, S. 63.
136
V. Die geschiedene Frau
3. Konsequenzen einer Wiederverheiratung Im klassischen römischen Recht war die Wiederverheiratung nach Scheidung schlicht wirksam. Hingegen ist im westgotisch-römischen Recht die nach einer grundlosen Scheidung verbotswidrig eingegangene neue Ehe der Frau nichtig, LRV CT III, 16, 2; die Wiederverheiratung wird als Ehebruch (der für die Frau die Todesstrafe zur Folge hat, s.o. 1. c) bezeichnet, IT III, 16, 2 Satz 3. Bei erlaubter Wiederverheiratung nach Scheidung sind zwar keine vennögensrechtlichen Folgen überliefert, doch müssen sie zum Schutz der Kinder den bei Wiederverheiratung einer Witwe geltenden Regelungen entsprochen haben, so daß hier nur auf die Behandlung dieses Themas am Ende des folgenden Kapitels verwiesen werden soll. Entsprechendes gilt für das burgundisch-römische Recht.
VI. Die Witwe "Als Mündel hinterlassen war er bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr unter der Vormundschaft seiner Tutoren, unter der Vormundschaft seiner Mutter immer." Seneca ad Marciam 24, 1.
1. Gewaltverhältnis Die persönliche Stellung der Ehefrau änderte sich in klassischer Zeit durch den Tod des Mannes dann, wenn sie eine damals schon selten gewordene manus-Ehe geschlossen hatte. In diesem Falle wurde sie durch die Witwenschaft sui iuris und damit selbständig vermögens- und verpflichtungsfahig. Blieb sie noch unter patria potestas, etwa ihres Schwiegervaters, oder war sie bereits vorher sui iuris, so änderte sich für sie nichts. Nach dem Todesfall erhielt die ehemalige uxor in manu einen Geschlechtsvormund, wenn sie nicht das ius liberorum hatte. Ebenso erhielten ihre noch nicht mündigen Söhne und alle Töchter einen Tutor, den die Mutter für die unmündigen Kinder beantragen mußte; sie selbst konnte nicht Tutorin sein 1•
a) Verhältnisse im Westgotenreich Die Lage der Witwe klingt in LRV CT III, 7, 1 mit IT an: "Viduae ... etiamsi emancipationis libertate gaudent ... ". Dabei kann es sich um eine aus der patria potestas des Vaters entlassene Frau handeln, die auch durch ihre Ehe nicht der patria potestas des paterfamilias der Mannesfamilie verfiel 2• Allerdings ist selbst eine emanzipierte Witwe nicht in allem völlig unabhängig, wie die Konstitution ergibt. Ist sie jünger als 25 Jahre, also minderjährig, so bestimmt der Vater über ihre nächste Ehe. Nur die volljährige emanzipierte Frau kann also 1 2
Hierzu ausführlicher unten S. 155 f. Die "conventio in manum" existiert in der LRV nicht mehr, siehe zur Ehefrau oben S.
99 f.
138
VI. Die Witwe
selbst über ihre Heirat entscheiden. Wie aus der Formulierung "etiamsi" zu schließen ist, kann es sich bei der Witwe auch um eine trotz Verheiratung in der potestas ihres Vaters verbliebene Frau handeln. Daran ändert sich durch eine Verwitwung zu Lebzeiten des Vaters nichts. Gegenüber den Kindem wird die Position der Mutter nunmehr verstärkt. Sie kann die tutela in der Spätantike grundsätzlich übernehmen, IT III, 17, 4 zu einem Gesetz aus dem Westen von 3903, während früher die Auffassung herrschte, daß Frauen nicht fähig seien, die Sorge für die Kinder zu übernehmen.
b) Verhältnisse in Burgund
Zur persönlichen Stellung der Witwe macht die RB keine Angaben. Daher ist anzunehmen, daß sie auf der Basis des Codex Theodosianus die gleiche Rechtsstellung hat wie die römische Witwe im Westgotenreich. Sie ist entweder emanzipiert und daher völlig frei oder weiterhin unter patria potestas, CT III, 7, 1. Was ihr Verhältnis zu den Kindern betrifft, so stellt RB XXXVI§ 1 a. E. fest, daß die Witwe als Vormund ihrer unmündigen Kinder allen anderen Verwandten vorzuziehen ist. Darauf ist zurückzukommen.
2. Vermögen
Zunächst sind diejenigen Güter zu betrachten, die vormals als eheliches Vermögen dienten, alsodosund donatio. Von Interesse sind ferner die der Witwe von Todes wegen hinterlassenen Vermögensteile des Mannes. Da sich außerdem in der Spätantike das Verhältnis der Witwe zu ihren Kindern geändert hat, stellt sich auch die Frage nach dem Umgang der Mutter mit dem Kindesvermögen.
3 "Mulieres mortuis maritis, si ipsae voluerint tutelam suscipere filiorum, priusquam hoc assumant, actis profiteantur, se non esse nupturas."
2. Vermögen
139
a) Die dos Im klassischen römischen Recht hatte die dos die rechtlich abgesicherte Funktion erhalten, die Versorgung der Witwe nach dem Tod des Mannes sicherzustellen4. Während ursprünglich nur eine moralische Verpflichtung des Mannes als des Eigentümers der dos bestand, sie der Frau als legatum dotis zu hinterlassen, konnte die Frau seit der Gewährung der actio rei uxoriae auf Herausgabe der Mitgift klagen~. Dabei hatte sie nach dem edictum de alterutro ein Wahlrecht zwischen dieser Klage und der Annahme etwa hinterlassener Erbteile oder sonstiger testamentarischer Begünstigungen6 • War sie noch unter patria potestas ihres Vaters, fiel die dos an diesen zurück. Erhielt die Witwe selbst die dosoder Wertersatz, war sie in der Verfügung über dieses Vermögen frei.
aa) Die Rechtslage bei den Westgoten Nach IT III, 13, 3 geht die dos an die Witwe zurück7• Sie hat in der Spätantike den Zweck behalten, die Witwe zu versorgen. Da sich jedoch inzwischen die Rechtslage der Kinder in Bezug auf das elterliche Vermögen erheblich verstärkt hat, ist fraglich, ob die Witwe an der zurückerhaltenen dos das volle, unbeschränkte Eigentum oder nur einen Nießbrauch hat. Aus dem Schluß der Stelle ergibt sich, daß den Kindern bei Zuerstversterben der Mutter das Eigentum an der dos zusteht, während der Vater auf den Nießbrauch beschränkt ist. Also wird die dos grundsätzlich als eigenständiges Muttergut behandelt und der Ehemann kann sie auch nicht mit testamentarischen Auflagen zuungunsten der Witwe, nämlich mit einer treuhänderischen Verwaltung, belasten, PS IV, 1, 1 mit IP8 • Nach IT IV, 2, I und V, 1, 5 können die Frau selbst und nach ihrem Tode die Kinder die dos in die Erbschaft nach dem Vater der Frau einwerfen, um daraus den vollen Erbteil zu erhalten9• Tut die Frau dies nicht, gilt die dos Heyse, S. 95 ff.; Kaser I, S. 336 f. m.w.N.; Humbert, S. 275, sieht hingegen als den Hauptzweck an, ihr eine erneute Eheschließung zu ermöglichen. 5 Gaius IV, 62: "Sunt autem bonaefidei iudicia haec: ... rei uxoriae." 4
6
Heyse, S. 100 ff.
"Si contigerit, ut maritus uxore superstite moriatur, quaecunque a mutiere marito in dotem data fuerant, ad suum dominium femina revocabit, nec heredes defuncti mariti hoc vindicare praesumant... "
7
IP: "Uxori, cui maritus testamento suo dotem, quam ab ea accepit, legati titulo dereliquit, ex eafideicommissum, hoc testator si iubeat, dare non cogetur: quia non de mariti bonis aliquid consequitur, sed quod dederat, recepisse videtur. "
8
140
VI. Die Witwe
als Erbe. Folglich steht diedosauch hier im Eigentum der Frau 10, da es in ihrer Macht steht, frei darüber zu entscheiden, ob sie die dos in das Erbgut einwerfen will oder nicht, obwohl sie Kinder hat. In der Verfügungsfreiheit beschränkt ist nur der Witwer, der diedosfür die Kinder bewahren muß. Vergleichbare Regelungen für die Witwe gibt es nur in Bezug auf die donatio, so daß anzunehmen ist, daß die dos in das volle, unbeschränkte Eigentum der Witwe zurückkehrt, selbst wenn sie Kinder hat. Für das gesamte Vermögen der Frau, auch die dos, gilt, daß die Witwe gemäß INV I, 1 S. 1 nach dem Tode des Mannes die während der Ehe verbrauchten Früchte von den Kindem nicht zurückfordern kann 11 •
bb) Die Rechtslage bei den Burgunden In der RB sind die Rechte der Witwe an der dos nicht eigens geregelt. Da aber diedosder Versorgung der Frau dient und sie diese Funktion in der nachklassischen Zeit behalten hat12, ist anzunehmen, daß die oben beschriebene Rechtslage fortbesteht.
b) Die donatio
aa) Die Rechtslage im Westgotenreich In der LRV finden sich viele Vorschriften, die sich mit dem Schicksal der donatio nuptialis bzw. sponsalitia largitas 13 nach dem Tod des Mannes befassen. Mit Ausnahme von INV XII, 114 betreffen sie allerdings alle die Wiederverheiratung der Frau: IT III, 8, 1 - 3; III, 9, 1; INT VII, 115 ; INS I, 1. 9
Die Enkel jedoch·nur unter Verlust eines Drittels des mütterlichen Anteils, siehe oben
s. 51.
10 Da während der Ehe der Ehemann die Eigentumsrechte an der dos hat und sie der Frau nur in eng geregelten Ausnahmefällen zurückgeben darf, kann es sich im Falle von IT IV, 2, 1 nur um eine Witwe handeln; a.A. anscheinend Gardner, S. 109 ff.
11
Siehe oben S. 1l 0.
12
Kaserll, S. 188; Memmer, S. 201.
13
Zur Terminologie oben S. 56 ff.
14
Interpretation zu NV XXXV, l von 452.
2. Vermögen
141
Aus all diesen Regelungen ergibt sich der Grundsatz, daß die Witwe die donatio nuptialis zu lebenslangem Nießbrauch erhält, während den Kindern das Eigentum zusteht, wenn sie wieder heiratet. Daher unterliegt dieses Vermögen einem genau beschriebenen Verfremdungsverbot Das gilt sowohl für Rechtsgeschäfte unter Lebenden als auch für testamentarische Verfügungen. Fraglich ist, ob diese Rechtslage nur für den Fall der Wiederverheiratung gilt, wie Memmer16 aus CT III, 8, 3 (Honorius im Jahre 412) schließt. Dafür spricht ein weiteres Gesetz des Honorius von 422, C. V, 9, 4. Kinder aus erster Ehe wurden Eigentümer der ersten donatio, während die donatio des zweiten Mannes zum gemeinsamen Erbe aller Kinder nach der Mutter gehören sollte. Diese Ungerechtigkeit wird von Honorius 422 abgeschafft. Der Text von CT III, 8, 3 spricht aber eher dafür, bloßen Nießbrauch an der donatio schon für den Fall der Verwitwung ohne erneute Heirat anzunehmen. Die Formulierung "etiamsi ad secundas nuptias ... migraverint, in diem vitae usumfructum circa eas debere durare ... " (selbst wenn sie zu einer zweiten Ehe schreiten, soll ihnen der lebenslange Nießbrauch verbleiben) weist darauf hin, daß der ususfructus unabhängig von der zweiten Ehe besteht. Die Witwe soll die donatio weiterhin nutzen dürfen, obwohl sie sich wieder verheiratet. Diesen Formulierungssinn sieht auch Memmer (S. 388), der ihn als Gegenmaßnahme zu einer tendenziösen Interpretation der Iex Feminae von Theodosius 1., CT III, 8, 217 versteht. Allerdings kann man ebenso das Gesetz von Honorius als eine solche Gegenmaßnahme ansehen, da die ursprüngliche Regelung nicht eindeutig formuliert ist. Auch die von Memmer 18 ebenfalls als Beleg herangezogene interpretatio spricht nicht zwingend für seine These. Der erste Teilsatz "Notissimum valde est, luls facultates, quas tempore nuptiarum mulieres a maritis accipiunt, suo dominio vindicare" bedeutet nicht, daß die Frau mit dem Tode des Mannes Eigentümerin der donatio wird. Das wird sie schon mit der Übereignung anläßtich der Hochzeit. Die anschließende Bedingung "et si mariturn mori contigerit" ist durch das et si deutlich von der Aussage des ersten Teilsatzes getrennt. Fraglich ist nun, ob die interpretatio mit der Wiederverheiratungsklausel im zweiten Teilsatz nur dem Inhalt des Konstitutionstextes folgt oder im Gegensatz zur Vorlage die zweite Ehe zur Bedingung für den Eigentumserwerb der Kinder macht.
Interpretation zu NT XIV, I. S. 205 f. und 390 f. 17 Ausführlich zu dieser sogenannten Lex Feminae von Theodosius I. Caes, S. 15 ff.; Memmer, S. 379 ff. 18 s. 206. 15
16
142
VI. Die Witwe
Gegen diese Annahme spricht INV XII, 1. Die Interpretation fügt dem Novellentext den Hinweis hinzu, daß nach dem Tode eines Ehepartners, der weder Eltern noch Kinder hinterläßt, beide Eheschenkungen in das uneingeschränkte Vermögen des anderen fallen sollen. Diese Aussage ist selbstverständlich für die vom überlebenden Ehegatten selbst stammende Gabe, im Falle der Frau also die dos. Die donatio hingegen soll ihr nur dann uneingeschränkt anfallen, wenn weder Eltern noch Kinder ihres Mannes leben, unabhängig von einer erneuten Heirat. Dafür spricht auch, daß beim Tod der Frau die dos sofort den Kindern der Schenkerin anfällt, während der Witwer auf den Nießbrauch daran beschränkt ist. Da dos und donatio weitestgehend den gleichen Regeln unterworfen sind, spricht viel dafür, eine entsprechende Rechtslage für den Fall des Todes des Schenkers der donatio anzunehmen. Folglich hat jedenfalls in der LRV die Mutter Nießbrauch bei Eigentum der Kinder nicht erst bei Wiederverheiratung, sondern schon bei Verwitwung. Vermutlich kann es sich bei diesen Kindern des Mannes auch um Stiefkinder der Frau handeln, da die donatio als väterliches Vermögen betrachtet wird, ohne dabei zwischen den verschiedenen Ehen zu differenzieren. Dafür spricht auch das oben genannte Gesetz des Honorius von 422, das diesen Mißstand zwar abschaffte, in der LRV jedoch fehlt. Die vorgenannte Regelung zugunsten der Kinder wird durch die Novelle für den Fall der Kinderlosigkeit der Ehe ergänzt. Nach INV XII, 1 Satz 22 f. 19 soll die Frau die Hälfte der donatio den Eltern oder einem Elternteil des Mannes übergeben; die andere Hälfte steht in ihrem unbeschränkten Eigentum. Für den Fall, daß auch die Eltern nicht mehr leben, hat die interpretatio den Novellentext insofern ergänzt, als die Schenkung in diesem Falle ganz der Witwe zusteht. Daraus ergibt sich: - die Witwe mit Kindern (und seien es nur Stiefkinder) hat grundsätzlich einen lebenslangen Nießbrauch an der donatio; - die kinderlose Witwe gibt überlebenden Schwiegereltern die Hälfte des Gutes und erhält das unbeschränkte Eigentum an der anderen Hälfte; - die kinderlose Witwe ohne Schwiegereltern ist unbeschränkte Eigentümerin der ganzen donatio.
19
Interpretation zu NY XXXV, 1 von 452, §§ 8 f.
2. Vermögen
143
bb) Die Rechtslage im Burgunderreich Titel XVI RB gewährt der Witwe, die erst nach Ablauf eines Jahres wieder heiratet, einen Nießbrauch an der donatio. Heiratet sie vor Fristablauf, soll sie den Nießbrauch nach § 1 verlieren. Verwiesen wird hier auf eine Konstitution des Codex Theodosianus, CT III, 8, 3, gerichtet an den Prätorianerpräfekten Johannes, die ebenfalls die Wiederverheiratung betrifft. Daraus geht hervor, daß die Witwe, wenn sie Kinder hat, den Nießbrauch an der donatio auf Lebenszeit haben soll, während den Kindem das Eigentum zustehe0• Zur näheren Ausgestaltung verweist CT III, 8, 3 zurück auf CT III, 8, 221 • Danach unterliegt die donatio zum Schutze der Eigentümer einem Verfremdungsverbot Bei Verstoß ist die Witwe zur Restitution aus ihrem eigenen Vermögen verpflichtet. Ist die Ehe kinderlos oder versterben die Kinder vor der Witwe, so soll sie das Eigentum an der donatio haben. Diese Regeln werden auf die römischburgundischen Gesetze zu übertragen sein, denen dieser CT-Titel als Vorlage gedient hat22• Die Schwiegereltern werden hier nicht berücksichtigt, erst in der Novelle NY XXXV, 1 § 8 aus dem Jahre 452. Daher stellt sich die Frage, ob für die burgundische Römerwitwe im Falle der Kinderlosigkeit die durch die Novelle geschaffene Rechtslage in gleicher Weise gelten soll wie für die westgotische Römerwitwe. Daß die Novelle dem Verfasser der RB bekannt war, geht aus ihrer Verwendung an anderen Stellen hervor23 • Nach der Zitierweise der RB muß man wohl annehmen, daß nur die ältere Rechtslage nach CT III, 8, 2 und 3 gelten soll, da anderenfalls ein Hinweis auf die neuere Gesetzgebung angebracht gewesen wäre. Auch im Text selbst findet sich kein Hinweis darauf, daß es außer auf die Kindem noch auf weitere Personen ankommen könnte. Für die entsprechende Rechtslage beim Witwer verweist RB XXVI § 1 wegen des sonstigen Muttergutes auf NY XXXV, 1 § 10, für die Hochzeitsgaben soll aber gemäß § 2 die alte Rechtslage maßgebend sein. Zwar sind hier die Regelungen für den Fall des Vorhandenseins von Kindern getroffen; es hätte sich aber angeboten, zusätzlich NY XXXV, 1 § 9 zu verwenden, wenn bei kinderloser Ehe wieder die neue Rechtslage eingreifen sollte.
Zur Unabhängigkeit dieser Regelung von der zweiten Ehe siehe oben aa). Pharr, S. 72 Fn. 10; zu dieser Modifikation des SC Tertullianum siehe Rüegger, S. 204. 22 Brunner, Abhandlungen II, S. 101 . 23 Z. B. RB XXVI, vgl. Roe1s, S. 115.
20
21
144
VI. Die Witwe
Zu Recht verweist Bauer-Gerland24 in diesem Zusammenhang auf die Lex Burgundionum. Nach LB XXN § 2 soll die Hälfte der donatio den Schwiegereltern anfallen, wenn die Frau keine Kinder hat25• Diese Teilung gilt jedoch erst für die Erbfolge nach dem Tod der Frau im Verhältnis zwischen ihren Eltern und den Schwiegereltern. Das kann als weiterer Hinweis darauf gewertet werden, daß die Schwiegereltern tatsächlich zu Lebzeiten der Frau von einer Beteiligung an der donatio auch unter Römern ausgeschlossen sein sollen. Somit ergibt sich für die Rechte an der donatio: - die Witwe mit Kindern aus dieser Ehe hat einen lebenslangen Nießbrauch an der donatio; - die von Anfang an kinderlose oder kinderlos gewordene Witwe hat das volle Eigentum; - Schwiegereltern werden nicht berücksichtigt.
c) Intestaterbrecht nach dem Mann und den Kindem
Ein lotestaterbrecht der Witwe nach ihrem Mann kam in klassischer Zeit nach ius civile in Betracht, wenn die Frau bei der Eheschließung durch conventio in manum in die Gewalt des Ehemannes übergegangen war. In diesem Fall stand sie im Verhältnis zu ihm filiae loco und erbte gleichberechtigt mit den Kindern26• Nach prätonsehern Recht erhielt die ehemalige uxor in manu die bonorum possessio in den Klassen unde liberi, unde legitimi und unde vir et uxor. Diese letzte Kategorie galt zwar auch für die manus-freie Ehefrau, doch kam sie erst nach den Verwandten siebten Grades zum Zuge. Ein lotestaterbrecht in der manus-freien Ehe gab es also nur in seltenen Fällen27 • Seit Augustus konnte eine Witwe ohne ius liberorum nur ein Zehntel der Hinterlassenschaft ihres Mannes erhalten28 ; dies galt zwar in erster Linie für 24
s. 143.
"Si forte filios mulier illa non habuerit, quidquid ad eam de donatione nuptiali pervenerat, post mortem mulieris medietatem parentes eius, medietatem defuncti mariti parentes, hoc est donatoris, accipiant." Siehe Rüegger, S. 201 ff., der diesen Titel als "völlig willkürlich" eingefügt bezeichnet, da er ihn gänzlich aus CT III, 8, 2 ableitet, wo nur von einer hälftigen Teilung der Erbschaft nach einem Kind zwischen seiner Mutter und seiner Schwester die Rede ist. 25
26 Hierzu und zum Streitstand über die Anfange dieser Erbenstellung siehe Heyse, S. 22ff., insb. Fn 98.
Heyse, S. 26 ff.; nach Kaser I, S. 671, ist dies auf die Abneigung der Römer gegen Vermögensverschiebungen von einer Familie zu einer anderen zurückzuführen.
27
2. Vermögen
145
testamentarische Erbeinsetzungen oder Legate, wurde wahrscheinlich aber schon im Prinzipat auf das lotestaterbrecht erstrecke9• Der Rest der Hinterlassenschaft fiel an den Fiskus30• Diese Beschränkung wurde auch nicht von Konstantin durch CT VIII, 16, 1 von 320 mit den anderen Strafen für Ehe- und Kinderlosigkeit aufgehoben. Die Beschränkungen für Erbschaften zwischen Ehegatten sollten ausdrücklich bestehen bleiben31 • Die Güter, die der Witwe sui iuris zukamen, standen dann in ihrem unbeschränkten Eigentum. Warenres mancipi darunter, benötigte sie zur Verfügung darüber die auetoriras ihres Tutors, es sei denn, sie war durch das ius liberorum davon befreie2• Die Witwe, die weiterhin unter der potestas ihres Vaters stand, erwarb die in der Kategorie unde vir et uxor erlangten Güter nach den allgemeinen Regeln für ihren Vater. Ein lotestaterbrecht der Mutter nach ihren Kindern gab es zunächst nur, wenn die Mutter in der manus des Vaters gewesen war, so daß sie nach ius civile als nächste Agnatin, nach prätonsehern Recht in der Klasse unde legitimi als Schwester ihrer Kinder erbte, wenn ihr Mann nicht mehr lebte. Für die manusfreie Frau gewährte die dritte Klasse unde cognati der Mutter ein Erbrecht nach ihrem Kind33 . Erst das SC Tertullianum aus der Zeit Hadrians gab der Mutter ein gesetzliches Erbrecht nach ihren Kindern34• Doch auch dieses mütterliche Erbrecht wurde nur einer Witwe gewährt, da der Vater die Mutter ausschloß, ebenso direkte Abkömmlinge und vaterblütige Brüder des verstorbenen Kindes35. Weitere Voraussetzung war, daß die Mutter das ius liberorum besaß; 28 Hierzu Heyse, S. 131 ff.; eine völlig kinderlose Frau konnte hingegen die Hälfte der Zuwendung eines Außenstehenden erwerben, siehe Gaius li, 111 und 286 a; der Rest der Hinterlassenschaft fiel an das aerarium bzw. später denfiscus, wenn keine sonstigen Erben da waren, siehe hierzu Bund, in: Behrends u.a. (Hrsg.), FS Wieacker 1978, S. 60 m.w.N. 29
Heyse, S. 131, Fn. 463.
Evans Grubbs, in: Harries I Wood (Hrsg.), The Theodosian Code, S. 122; zu solchen Einnahmequellen der Kaiser siehe den Aufsatz von Bund, in: Behrends u.a. (Hrsg.), FS Wieacker 1978, S. 50- 65. 30
"Verum huius beneficii maritis et uxoribus inter se usurpationon patebit, quorumfallaces plerumque blanditiae vix etiam opposito iuris rigore cohibentur, sed maneat inter istas personas legum prisca auctoritas." Zur Aufhebung der augusteischen Strafsanktionen insgesamt Evans Grubbs, S. 103 ff.
31
32
Siehe oben S. 64.
33
Kaser I, S. 700.
34
Hierzu Fayer, S. 284; Gardner, S. 196.
35
Inst. III, 3 § 3.; Ulpian Epitome XXVI, 8; hierzu Meinhart, S. 181 ff. 10 Sohlen
146
VI. Die Witwe
dann erbte sie entweder zu gleichen Teilen mit den Schwestern des verstorbenen Kindes oder, wenn auch keine Schwestern da waren, allein. Das Vermögen, das der Mutter aus dem Nachlaß zufiel, stand in ihrem freien Eigentum, unabhängig von der Herkunft der Güter; die Witwe unter patria potestas allerdings erwarb eine solche Erbschaft für ihren Vater36• Seit Konstantin, CT V, 1, 137 konnte auch die Mutter ohne ius liberorum die Erbschaft nach ihren Kindern antreten, doch mußte sie mit den agnatischen Onkeln des Kindes und deren Nachkommen teilen; sie erhielt nur ein Drittel des Nachlasses ihres Kindes. Die Mutter mit ius liberorum war nach dieser Konstitution schlechter gestellt, sie mußte ein Drittel an die agnatischen Verwandten abgeben 38 • In beiden Varianten ist davon auszugehen, daß es sich nur um die Mutter handelt, die nach dem SC Tertullianum Alleinerbin geworden wäre, also nicht mit Schwestern des verstorbenen Kindes erbte. Aber auch nach dieser Konstitution erhielt die (gewaltfreie) Mutter ihren Erbteil unbeschränkt zu Eigentum. aa) lotestaterbrecht in der LRV Die Lex Romana l1isigothorum hat den klassischen Rechtszustand hinsichtlich des Ehegattenerbrechts der manus-freien Ehefrau bewahrt. Nach IT V, 1, 9 39 wird die Ehefrau von der Intestaterbfolge durch sämtliche Verwandten ausgeschlossen. Fraglich ist, wie weit omnes propinqui hier zu verstehen ist, da die interpretatio und die Konstitution das nicht näher ausführen. In IP IV, 10, 8 findet sich der klassische Grundsatz, daß Verwandte bis zum siebten Grad erben40. Danach tritt das Erbrecht der Ehefrau ein, die nur noch den Fiskus ausschließt, IT V, 1, 9. Die Ehefrau unter patria potestas erwirbt nur für ihren 36
Inst. III, 3 § 2. a. E.
37
Die Datierung ist unsicher, am wahrscheinlichsten ist 318, Pharr, S. 103.
Auf die Einzelheiten dieser erbrechtliehen Regelungen soll im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden; hinzuweisen wäre noch auf die Konstitution CT V, 1, 2 von 368 I 369, welche die Nachfolge nach bzw. neben adoptierten und emanzipierten Söhnen regelt. Diese Konstitution verbessert die Lage der Mutter insofern, als sie neben emanzipierten Brüdern mit ius liberorum zwei Drittel, ohne ius liberorum ein Drittel erhält. 38
39 "Haec Iex id constituit, ut omnes propinqui uxorem ab intestati mariti successione prohibeant et mariturn similiter a successione intestatae uxmis excludent. Sed si propinqui omnino defuerint, tune sibi invicem, excluso fisco, maritus vel uxor succedant. "
"In his septem gradibus omnia propinquitatum nomina continentur: ultra quos nec affinitas inveniri, nec successio potest amplius propagari. " 40
2. Vennögen
147
Vater, die gewaltfreie Ehefrau erwirbt das unbeschränkte Eigentum, da keine weiteren Berechtigten vorhanden sind. Das Erbrecht der Witwe nach ihren Kindern entspricht der Rechtslage, die Konstantin durch seine Modifikation des SC Tertullianum geschaffen hatte. Gemäß IT V, 1, 1 erbt die Mutter mit ius liberorum neben agnatischenOnkeln und ihren Nachkommen zwei Drittel vom Nachlaß des Kindes, die Mutter ohne ius liberorum ein Drittel 41 • Die Mutter mit ius liberorum erhält neben Schwestern des Kindes, unabhängig vom Geschlecht des Verstorbenen, immer die Hälfte des Nachlasses, IT V, I, 842, während die Mutter ohne ius liberorum nach der Abwandlung der Iex Voconia durch IP IV, 8, 3 wohl durch Schwestern ausgeschlossen wird, da die Schwestern Agnaten sind. Weiter soll auf das Erbrecht im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden. Es ist aber festzustellen, daß die Mutter ihren Anteil am Nachlaß ihres Kindes nicht mehr vollständig zur freien Verfügung erhält: In INT VII, I a.E. wird der Grundsatz aufgestellt, daß jeder einzelne Gegenstand, den ein Elternteil auf irgendeine Weise aus dem Vermögen des anderen erhalten hat, den Kindern nach dem Tode des länger lebenden Elternteiles unangetastet zukommen muß43 • Dabei nennt die interpretatio weiter oben im Text ausdrücklich das Beispiel, daß ein Vater etwa einen ursprünglich der Mutter gehörenden Gegenstand durch Beerbung eines Kindes erwirbt; dieser Gegenstand muß dann für die Geschwister dieses Kindes aufbewahrt werden44 • Das soll ebenso für die Mutter auch dann gelten,
41 Hierbei handelt es sich um eine Privilegierung der Mutter insofern, als Frauen nach der in der LRV auf das lntestaterbrecht angewandten Lex Voconia neben Agnaten nicht erben können, PS IV, 8, 3: "Feminae ad hereditates legitimas ultra consanguineas successiones non admittuntur: idque iure civili Voconiana ratione videtur effectum... " IP: "Feminae nisi fratribus consanguineis intestatis aliter cum agnatis succedere non possunt: quia nec cognati masculi ad successionem intestatorum vocantur, nisi quando agnatos deesse constiterit... " 42 "Mater ius liberorum habens, mortuo filio vel filia, si superstites alias filias habuerit et filium non habuerit, cum filiabus aequali sorte succedat, hoc est ut mater mediam er filiae, quantae fuerint, mediam vindicent portionem: ita ut, si alium mariturn non acceperit, portionem, quam consecuta est, faciendi de ea, quod voluerit, habeat potestatem... " Hierzu Bauer-Gerland, S. 74 f.
"Simili ratione, si et mater marito mortuo, etiamsi ad secundas nuptias non venerit, si hereditatem eius filii adire noluerint, omnia, quae de patemis facu/tatibus mater eorum quoquo modo, ut superius dieturn est, acquisivit, filiipost mortem matris, cuius hereditatem repudiaverint, ad integrum sibi vindicent et defendant: quia iustitiae intuitu constat esse prospectum, ut, quia nihil de illius parentis rebus, qui posterior moritur, habere dignoscitur, vel ea, quae ex prioris mortui parentis bonis esse co11stat, ad filios debeant integra pertinere."
43
148
VI. Die Witwe
wenn sie sich nicht wieder verheiratet. Beerbt die Mutter also eines ihrer Kinder, so muß wegen ihrer Rechte an der Erbschaft danach unterschieden werden, woher das Vermögen stammte. Handelt es sich um regelrechtes Eigenvermögen des Kindes, so erbt die Mutter es zu vollem Eigentum; handelt es sich um Gut, welches das Kind zuvor vom Vater geerbt hatte, erhält die Mutter es nur zu Nießbrauch. Hat die Mutter es verfremdet, so können die Kinder es nach dem Tode der Mutter wie alles väterliche Vermögen in ihr Eigentum zurückrufen45 • bb) Intestaterbrecht in der RB Das lntestaterbrecht der Ehegatten untereinander wird in der RB nicht behandelt. Daher ist anzunehmen, daß auch im Burgunderreich die Witwe ihren verstorbenen Mann erst nach allen anderen gesetzlich Berechtigten beerbt; dann erhält sie das Gut zu unbeschränktem Eigentum. Das gesetzliche Erbrecht der Mutter nach einem Kind kommt auch nach RB XXVIII § 1 nur dann in Betracht, wenn der Vater vorverstorben, die Mutter also Witwe ist, da die Erbschaft eines kinderlosen Verstorbenen zunächst dessen Vater oder Großvater anfällt. Die nächsten Erben sind dann die Brüder; erst nach den männlichen Verwandten soll die Mutter erben, zusammen mit den Schwestern, § 346• Hierbei wird nicht nach dem ius liberorum differenziert, das aus der RB verschwunden ist47• "Sane de omnibus rebus uxoris, quae ad proprietatem mariti ... morte filii pervenerint ... filii sibi, sicut reliquas matemas facultates, apud quoscunque invenerint, vindicabunt. "
44
INT VII, 1 S. 1: "Haec Lex confirmat sicut mulier post mortem mariti omnia, quae ad eam de rebus mariti quolibet ordine pervenerunt, totum filiis profuturum debeat conservare ... si ad secunda vota venerint aut forte non venerint: post quorum obiturn si alienatae vel obligatae quoquo pacto fuerint res, quae filiis iussae sunt reservari, ubicunque eas potuerint invenire, ad suum dominiumfilios praecipit revocare."
45
Problematisch ist das Verhältnis dieser Regelung zu Titel X § 6. Dort heißt es, daß der väterliche Großvater und die väterliche Großmutter Erben werden, wenn der Verstorbene weder Mutter noch Kinder und Enkel hat. Nach Bauer-Gerland, S. 76 f. löst sich dieser scheinbare Widerspruch dadurch auf, daß in RB X § 6 keine Erbfolge geregelt ist, sondern nur die Verwandten nach Gradnähe aufgelistet werden, so daß die Mutter insofern vor den Großeltern erbt, als der agnatische Großvater vor ihr, die väterliche Großmutter nach ihr an die Reihe kommt. 46
Siehe Bauer-Gerland, S. 45 ff., die zeigt, daß die Regelungen, die nach dem ius liberorum unterschieden, in der Weise in die RB übernommen wurden, daß der Mutter neben männlichen Verwandten die schlechtere Rechtslage zugesprochen wurde, neben weiblichen die bessere.
47
2. Vermögen
149
Die Eigentumsverhältnisse an diesem Erbgut regelt die Vorschrift nicht. Da die RB gegenüber der LRV ein sehr vereinfachtes Erbrecht normiert, kann angenommen werden, daß nicht nur die Differenzierung nach dem Status der Mutter in den entsprechenden Konstitutionen nicht übernommen wurde, sondern auch kein Unterschied mehr nach der Herkunft des Kindesgutes gemacht wird. Danach erhält die Mutter ihren Anteil zu vollem Eigentum, unabhängig von den verschiedenen Möglichkeiten, wie die einzelnen Gegenstände dem Kind zugefallen sind.
d) Vom Mann letztwillig hinterlassenes Gut Der Ehemann war schon in vorklassischer Zeit zumindest moralisch verpflichtet, seiner Frau testamentarisch ihre dos als legatum dotis zu hinterlassen. Ansonsten scheint er weitgehend frei gewesen zu sein, das Vermögen auch der Witwe zu hinterlassen48 • Beschränkt wurde die Freiheit, die Ehefrau zu bedenken, 169 v. Chr. durch die Iex Voconia, die es den Römern der ersten Zensusklasse verbot, Frauen mehr als die Hälfte des Vermögens letztwillig, durch Erbeinsetzung oder Legat, zuzuwenden49 • Typisches Legat für eine Frau war die Hinterlassung der Gegenstände, die während der Ehe für die Frau angeschafft und von ihr benutzt worden waren, das legatum uxoris causa paratorum. Dieses konnte auch spezifiziert werden, etwa als legatum mundi, legatum ornamentorum und legatum vestimentorum50. Weiter gab es das legatum supellicis und penoris, das Vermächtnis von Hausrat und Vorräten51 • Die augusteische Ehegesetzgebung brachte zahlreiche Vorschriften zum Erbrecht von Ehegatten52• Danach konnte ein Ehemann seiner Frau ohne ius liberorum nur ein Zehntel seines Vermögens testamentarisch zuwenden, als Erbteil oder Legat53 • Dieses Vermögen erwarb sie wohl zu unbeschränktem Heyse, S. 130m. Fn. 461, wonach es lediglich Einschränkungen für die Witwe eines Freigelassenen gab, die mit dem Patron teilen mußte. 49 Gaius II, 274: "/tem mulier, quae ab eo, qui centum milia aeris census est, per Iegern Voconiam heres institui non potest... "; II, 226: "ldeo postea lata est Iex Voconia, qua
48
cautum est, ne cui plus legatorum nomine mortisve causa capere liceret quam heredes caperent." Zur Iex Voconia siehe Heyse, S. 47 ff., Hallett, S. 92 ff. und Gardner, S. 170 ff., sowie oben S. 74 f.
Ulpian D. XXXIV, 2, 25 § 10 und 23 § 1; siehe Heyse, S. 78 f. Gardner, S. 70 f.; Salier, s, 82 über penus. 52 Zum Folgenden Heyse, S. 131 ff. 50 31
150
VI. Die Witwe
Eigentum, konnte also bei allgemeiner Geschäftsfähigkeit frei darüber verfügen. Mit jedem Kind konnte sich der Erbteil um ein weiteres Zehntel erhöhen54 , das die Witwe zu Eigentum erhielt. Ein weiteres Drittel konnte sie zu Nießbrauch erhalten, der zu Eigentum wurde, wenn sie in einer späteren Ehe noch Kinder bekam. Das Verhältnis dieser augusteischen Ehegesetzgebung zur lex Voconia ist kürzlich von Heyse55 umfassend untersucht worden. Sie kommt zu dem einleuchtenden Schluß, daß ein Römer der ersten Zensusklasse nach der lex Voconia mit seiner Frau nur dann die testamenti factio besaß. wenn das Einsetzungsverbot aufgehoben war oder er aus sonstigen Gründen zu ihren Gunsten verfügen durfte56• Das konnte mit Erlangung des ius liberorum der Fall sein57• Die lex Voconia soll nach den Flaviern mit dem Verschwinden des census außer Gebrauch gekommen sein58• Ebenfalls als letztwillig hinterlassen kann eine zu Lebzeiten nichtige Ehegattenschenkung betrachtet werden, die seit der oratio Severi von 206 mit dem Tod des Schenkers - hier: des Mannes - wirksam wurde, wenn er sie vorher nicht widerrief. Nach der oratio lehnt sich diese Heilung an das Rechtsinstitut des Fideikommisses an, eine formlose letztwillige Bestimmung, die hier fingiert wird. aa) Die Rechtslage bei den westgotischen Römern Zunächst ist zu bedenken, welche Folgen die in der Spätantike ausgeprägte Aufteilung des Familienvermögens in verschiedenen Personen zugeordnete Sondervermögen hat. Nicht über alle in der Gewalt eines paterfamilias befindlichen Güter kann er testamentarisch verfügen. Die Kinder sind gesetzliche Dixon, The Roman Family, S. 120 geht dagegen davon aus, daß die kinderlose Witwe nach der Lex lulia et Papia Poppaea nur die Hälfte der ihr von ihrem Mann zugedachten Hinterlassenschaft erlangen kann, das ist jedoch unzutreffend, da diese Regelung die Zuwendungen Dritter betraf, siehe oben S. 145 Fn. 28. 54 Zu den Einzelheiten siehe Heyse, S. 132 ff. 55 s. 134 ff. 56 Heyse, S. 142 I 143. 57 Heyse, S. 144 f. 53
Gardner, S. 170; in der LRV erwähnt sie zwar noch PS IV, 8, 3, doch hat sie hier bereits einen Bedeutungswandel insofern erfahren, als sie als Legitimation für den Vorrang der agnatischenvor den kognatischenVerwandten im lotestaterbrecht zitiert wird; zum Gebrauch von agnatio und cognatio in der LRV Conrat, Paulus, S. 100 ff. 58
2. Vermögen
151
Eigentümer der donatio, so daß diese der Witwe nicht letztwillig zu Eigentum, sondern nur zu Nießbrauch hinterlassen werden kann. Außerdem scheiden diejenigen Güter aus, die den Kindern als ihr Eigentum zustehen, aber während der Dauer der patria potestas vom Vater genutzt werden, also die Schenkungen und Erbteile mütterlicher Vorfahren. Auch darf der Mann die dos, die ihm übereignet wurde, nicht mit einem Fideikommiß belasten, da sie als Sondergut der Frau behandelt wird, PS IV, 1, 1 mit IP. Aus LRV CT III, 8, 2 geht hervor, daß der Mann seine Frau durch Schenkung mortis causa, mit einem Legat oder durch ein Fideikommiß bedenken oder durch Testament zur Erbin einsetzen kann. Die Art der Zuwendung von Todes wegen steht ihm also frei. Fraglich sind die inhaltlichen Grenzen einer solchen Zuwendung: Das ältere "papianische Recht" sah vor, daß Ehegatten einander nur auf ein Zehntel des Vermögens einsetzen konnten; durch Erlangung des ius liberorum aufgrund kaiserlichen Reskriptes konnte diese Beschränkung wegfallens9 • Diese Regelung wurde durch eine Konstitution von Theodosius II. im Jahre 410 erweitert. Die nicht in die LRV aufgenommene Vorschrift CT VIII, 17, 2 bestimmte, daß Ehegatten, selbst wenn sie keine Kinder hatten, einander in unbeschränkter Höhe zu Erben einsetzen konnten. Davon ausgenommen sollte der Teil sein, der das Hinterlassene aufgrund einer "Iex alia" verminderte. Darunter ist das Pflichtteilsrecht der Lex Falcidia zu verstehen60• Ebenfalls in diesen Zusammenhang zu stellen ist die ebensowenig in die LRV übernommene Konstitution CT VIII, 17, 361 , wahrscheinlich ein Teil desselben Gesetzes, wonach keine Petitionen mehr wegen des ius liberorum an den Kaiser zu richten seien, da dieses Recht nunmehr allen gleichermaßen verliehen sein sollte. Somit war weder die Zahl der Kinder noch das Privileg des Kaisers Voraussetzung für die wechselseitige Erbeinsetzung in unbeschränkter Höhe. Vor diesem historischen Hintergrund ist die Regelung der LRV erklärlich, wie sie sich in INV IV, 162 darstellt. Dort heißt es nämlich, auf deri ersten Blick 59
So die Darstellung der früheren Rechtslage in CT VIII, 17, 2; Kübler I, in: SZ XXX,
s. 164.
Otto I Schilling I Sintenis, Corpus Juris Civilis VI, S. 300 Fn. 86 (zu C. VIII, 58, heute 57, 2 = CT VIII, 17, 2).
60
Sie findet sich aber im Codex Iustinianus wieder, C. VIII, 58 (59), 1, ebenso wie CT VIII, 17, 2 unter C. VIII, 57 (58), 2.
61
62 Interpretation zu NY XXI, 1 von 446: "Haec Iex de aliis titulis testamentorum id amplius habet,. ut in coniugio positi, si filios non habeant, seu maritus uxorem, seu uxor mariturn voluerit, relinquant heredem, quod ius dicitur liberorum ... ita tarnen, ut his personis, quibus Iex concedit, sifuerit de inofficioso querela, actio reservetur."
152
VI. Die Witwe
paradox, das Recht kinderloser Ehegatten, sich gegenseitig zu Erben einzusetzen, werde ius liberorum genannt. Auch hier wird aber, ebenso wie im Novellentext, die querela inofficiosi testamenti übergangener Personen vorbehalten. Die gegenseitige Erbeinsetzung steht also unter dem Vorbehalt, daß den Pflichtteilsberechtigten (z. B. Eltern des Erblassers) die Falcidia hinterlassen wird. Die korrekt bedachte kinderlose Witwe wird unbeschränkte Eigentürnenn des hinterlassenen Gutes. Da die LRV dafür nur kinderlose Ehepaare in Betracht zieht, stellt sich nunmehr die Frage nach der Rechtslage bei beerbter Ehe. An erster Stelle sind die Kinder pflichtteilsberechtigt, d.h. der Vater muß ihnen im Todesfall ein Viertel seines frei verfügbaren Vermögens hinterlassen. Es ist anzunehmen, daß diese Verpflichtung neben die gesetzliche Vererbung der donatio tritt, da diese weiterhin von der Mutter genutzt wird, den Kindem also zu ihren Lebzeiten entzogen ist. Die Witwe kann somit höchstens drei Viertel des sonstigen Vermögens ihres Mannes erben. Natürlich kann der Ehemann ihre Verfügungsfreiheit auch beschränken, etwa seiner Witwe das Gut nur zu Nießbrauch oder mit einem Fideikommiß belastet hinterlassen, so daß sie auf Erwerb und Verwendung der Früchte beschränkt ist. Fraglich ist, ob das Erbe auch ohne solche letztwillige Beschränkung wirklich Eigentum der Witwe wird. Nach IT III, 8, 2 ist die Befugnis der Mutter, über das von ihrem Mann hinterlassene Gut zu verfügen, auf Verfügungen zugunsten der Kinder aus dieser Ehe beschränkt. Da dieser Titel sich insgesamt mit der Wiederverheiratung der Witwe beschäftigt und hier von der Frau die Rede ist, die nach Ablauf der Trauerfrist eine neue Ehe eingeht, ist es möglich, daß diese Verfügungsbeschränkung nur für den Fall einer erneuten Eheschließung gelten soll. Dies entspräche dem hauptsächlichen Schutzzweck der Norm: Die Kinder aus der ersten Ehe sollen vor allem vor einer Gefährdung ihres Vermögens durch den neuen Ehemann und eventuelle Halbgeschwister geschützt werden63 , denen die Mutter das väterliche Gut zukommen lassen könnte, statt es ihnen bei ihrem Tod zu hinterlassen. Aber auch externen Personen darf die Witwe solches Gut nach dem Gesetz nicht zukommen lassen, so daß sehr fraglich ist, ob diese Regelung nur für den Fall der Wiederverheiratung gelten 63 Siehe Krause I, S. 174; die Römer hatten schon in vorklassischer und klassischer Zeit großes Mißtrauen gegenüber Stiefmüttern, das zu dem Vorurteil führte, sie könnten eine Enterbung der Stiefkinder beabsichtigen, Watson, S. 146 ff. Gegenüber Stiefvätern bestand ein solch stereotypes Vorurteil nicht, Watson, S. 175. Das kann auch daran liegen, daß Kinder nach einer Scheidung üblicherweise bei ihrem Vater lebten, Rawson, in: Rawson (Hrsg.), The Farnily in Ancient Rome, S. 36. In den Gesetzen zum Schutz von Kindem aus erster Ehe gelten Beschränkungen gleichermaßen für die Wiederverheiratung von Witwern und Witwen.
2. Vermögen
153
sollte. Immerhin wäre es der Witwe dann möglich, das Erbe der Kinder auch ohne Wiederverheiratung vollständig auszugeben. Zur Entscheidung dieser Frage muß der Zweck der Erbeinsetzung oder sonstigen Bedenkung betrachtet werden: Offenbar wollte der Erblasser seiner Witwe die Möglichkeit geben, ihren Lebensunterhalt frei zu bestreiten, wobei ihr jetzt auch die Versorgung der Kinder obliegt. In diesem Falle muß sie uneingeschränkt mit dem Familienvermögen wirtschaften können. Geht sie eine neue Ehe ein, so wird sie von ihrem neuen Ehemann versorgt. Jene Zweckbestimmung der Erbeinsetzung fällt also fort. Daher kann angenommen werden, daß die Frau (zunächst) uneingeschränkte Eigentürnenn des ihr hinterlassenen Gutes wird. Einen Fingerzeig in diese Richtung gibt wohl auch LRV CT VIII, 10, 1. Danach ist Gut, welches einer Witwe hinterlassen wurde, die noch unter väterlicher Gewalt stand, vom Eigentumserwerb durch ihren Vater ausgenommen. Die Formulierung spricht für Eigentumsübergang auf die gewaltfreie Witwe, da sonst wohl nur von einem Nießbrauchserwerb für ihren Vater die Rede gewesen wäre. Über die typischen Legate, die einer Frau hinterlassen werden, gibt der LRVTitel PS III, 9 ( 8) Auskunft. Dort werden die Güter genauer definiert, die sich hinter den Bezeichnungen "muliebri veste legata64 ", "mundo muliebri legato65 " und "ornamentis legatis66 " verbergen. Zwar finden sich diese Definitionen im Titel über den Nießbrauch, aber schon die vorangegangenen Definitionen beschäftigen sich von Nr. 18 an nicht mit dem Nießbrauch, sondern mit Vermächtnissen von Sachgesamtheiten zu Eigentum67 • Deshalb ist auch hier davon auszugehen, daß diese Dinge der Frau zu vollem Eigentum, nicht bloß zu Nießbrauch vermacht werden, was bei Gegenständen wie Schminktöpfchen mit Inhalt oder Fläschchen besonders deutlich wird. Wie oben bereits erläutert, heilt der Tod des Mannes die bis dahin nichtigen Schenkungen, die er seiner Frau zu Lebzeiten gemacht hatte und die als letztwillig hinterlassen angesehen werden68 • PS III, 9 (8), 65: "Muliebri veste legata, omnia, quae ad usum muliebrem spectant, debebuntur. "
64
PS III, 9 (8), 67: "Mundo muliebri legato, ea cedunt, per quae mundior mulier lautiorque efficitur: velut speculum, conchae, situli: item buxides, unguenta et vasa, in quibus ea sunt: item sella balnearis et cetera eiusmodi."
65
PS III, 9 (8), 68: "Omamentis legatis, ea cedunt, per quae omatio efficitur mulier: veluti anuli, catenae, reticuli et cetera, quibus collo vel capite vel manibus mulieres omantur."
66
Liebs, Africa, S. 121 f.; ab Nr. 18 in den LRV- Ausgaben, in den PS- Ausgaben ab Nr. 34.
67
VI. Die Witwe
154
bb) Die Rechtslage bei den burgundischen Römern Die Lex Romana Burgundionum erwähnt in XVI § 1 die Möglichkeit, daß die Witwe etwas von ihrem Mann hinterlassen bekommen hat69 • Die Formulierung des § 2 deutet die Möglichkeit an, daß sie das Hinterlassene nur zu Nießbrauch besitzen, also nicht die volle Verfügungsmacht darüber haben soll 70• Dabei wird die Rechtslage für donatio und testamentarische Zuwendungen angeglichen. CT III, 8, 3, worauf hier verwiesen ist, hatte nach der hier vertretenen Auffassung durch den Weiterverweis auf CT III, 8, 2 bereits den gesetzlichen Nießbrauch der Witwe an der donatio vom Zeitpunkt der Verwitwung an bestimmt. Seit der severischen Novelle NSev l, 1 besteht diese Rechtslage hinsichtlich der donatio zweifelsfrei71 • Fraglich ist, ob sie sich auf letztwillig hinterlassene Güter übertragen läßt. Im Bereich der LRV reduzierte sich das Recht der Witwe auf den Nießbrauch an solchen Gütern erst mit der Wiederverheiratung, doch beruft sich die RB bezüglich der Rechte an donatio und sonstiger Hinterlassenschaft einheitlich auf CT III, 8, 3. Nimmt man an, daß nach der RB der Nießbrauch unabhängig von einer Wiederheirat gelten soll, so hätte das zur Folge, daß der Ehemann nicht in der Lage wäre, seiner Frau letztwillig Eigentum zuzuwenden, da sie nach dem Gesetz automatisch nur den Nießbrauch erhielte. Bedenkt man, daß unentgeltliche Verfügungen unter Lebenden bei Ehegatten ohnehin verboten sind, dann wäre damit die letzte Möglichkeit genommen, der Frau eine unentgeltliche Zuwendung zu machen. Vielleicht hat ja der Verfasser der RB die Vorschriften CT III, 8, 3 (und 2) so verstanden, daß der Witwe trotz der erneuten Eheschließung zumindest der Nießbrauch an der donatio verbleiben sollte; dann hätte er an passender Stelle, nämlich bei der Behandlung der zweiten Ehe im Titel "De mulieribus ad secundas aut tertias nuptias transeuntibus", schlicht den zusätzlichen Vermerk angefügt, daß die rechtmäßig geschlossene Zweitehe der Frau ebensowenig den Nutzen der Hinterlassenschaft entziehen soll. Damit hätte er aber keine Regelung für die Situation zwischen Tod des Mannes und 68
Siehe oben S. 112 ff.
"Mulieres ad secundas aut tertias nuptias ante anni spatium transire non licet; quod si fecerint, infames habentur, ita ut de facultate mariti prioris, etiam si ei dimissa fuerit, nihil habeat; pari et de donatione nuptiali conditione servata. " 69
"Ad secundas vero nuptias post designatum anni spatium transeuntes donationem mariti prioris usufructuarie possedere, et a marito dimissa ei passe proficere, secundum eius tituli Iegern imperatoris Honorii et Theodosii, ad lohannem praefectum praetorio datam." 70
So auch Bauer-Gerland, S. 142 f., die nachweist, daß dem Verfasser der RB severische Novellen bekannt waren.
71
3. Vermögenssorge für unmündige Kinder
155
Wiederverheiratung getroffen oder auch nur beabsichtigt, so daß anzunehmen ist, daß die Witwe die Hinterlassenschaften zunächst wie vom Erblasser verfügt erwirbt.
3. Vermögenssorge für unmündige Kinder Wie bereits erwähnt, hatte die verwitwete Mutter die Pflicht, für die unmündigen Kinder einen Tutor zu beantragen. Tat sie das nicht, verlor sie das Erbrecht nach den unmündig verstorbenen Kindern72 • Die Mutter selbst konnte die tutela grundsätzlich nicht übernehmen, obwohl es Hinweise darauf gibt, daß manche Kaiser in Ausnahmefallen auch einer Frau die tutela überließen73 • Diese Regelung wird u.a. damit erklärt, daß Frauen in klassischer Zeit grundsätzlich nicht gewaltfrei waren. Außer der väterlichen gab es damals noch die Gewalt des Ehemannes sowie die Geschlechtsvormundschaft Wurde die Frau durch den Tod des Ehemannes sui iuris, erhielt sie einen Tutor, wenn sie nicht das ius liberorum besaß. Jemand, der selbst unter Vormundschaft stand, konnte nicht die Vermögenssorge für seine Kinder übernehmen74 • Andererseits konnte ein Tutor durchaus ein filius familias sein75 • Ferner bezeichnet noch Alexander Severus im Jahre 224 die Vormundschaft deshalb als Männersache, weil die Frauen aufgrund ihrer infirmitas hierfür nicht geeignet seien; sie galten als amtsunfahig, ihr Auftreten in der Öffentlichkeit war nicht erwünscht. Jedoch sollten sie die Arbeit der Tutoren kontrollieren76• Außerdem scheinen Mütter zumindest mit der Erziehung der Kinder betraut worden zu sein77• Die Tutoren verwalteten das Kindesvermögen und waren verpflichtet, daraus den Unterhalt der Kinder zu bestreiten. Wenn die Mutter Unterhaltsleistungen an die (vermögenden) Kinder erbrachte, hatte sie einen klagbaren Erstattungsanspruch78• Reichte das Vermögen der Kinder nicht aus und waren Hierzu Chiusi, in: SZ CXI, S. 155 ff.; Antragsbeispiele auf Papyri von Römerinnen in Ägypten bei KUbler II, in: SZ XXXI, S. 192; im gräko-ägyptischen Raum scheint die Vormundschaft durch die Mutter üblich gewesen zu sein, Liebs, Hermogenian, S. 100 m.Fn. 49 - 51.
72
Crito, in: BIDR LXVII, 87 - 166; auch Fayer, S. 436 ff. ; gegen Interpolation der entsprechenden Stellen auch Masiello, S. 9 ff. und S. 79.
73
Vgl. Kaser II, S. 222 f. + Fn. 7; S. 227, Fn. 30; entsprechend Ober die potestas Bartsch, S. 22.
74
75
Fayer, S. 432.
76
C. V, 35, 1 und 31, 6; Chiusi, in: SZ CXI, S. 157.
77
Bartsch, S. 36.
VI. Die Witwe
156
weitere Aszendenten nicht vorhanden, war die Witwe zum Unterhalt der Kinder verpflichtee9 • Allerdings gab es auch schon in klassischer Zeit Fälle, in denen die Mutter das Kindesvermögen verwaltete, wie C. IV, 29, 6 von 228 belegt. Dort wird die Haftung der Mutter gegenüber den Tutoren für das von ihr verwaltete Kindesvermögen begründet; die Tatsache der Vermögensverwaltung, Aufgabe der Tutoren, die ihr von Rechts wegen gar nicht zustand, wird kommentarlos hingenommen. Daraus auf eine rechtliche Zulässigkeil des mütterlichen Tutorates schon in klassischer Zeit zu schließen80, geht wohl zu weit. Offensichtlich handelt es sich um ein seit längerer Zeit praktiziertes Arrangement, bei dem zwar Tutoren bestellt, die Angelegenheiten der Kinder aber gänzlich der Mutter überlassen wurden81 • Dieses Arrangement konnte auch vom Vater herbeigeführt werden, indem er seine Frau (falls er sie zur Erbin einsetzen konnte) "zur Alleinerbin ernannte und ihr ein Universalfideikommiß zugunsten der Kinder auferlegte" 82, wodurch er die Mutter im Ergebnis zur Vermögensverwalteein für die Kinder bestellte. Diese Praxis führte vermutlich dazu, daß in der Spätantike die Mütter offen zum Tutorat für ihre Kinder zugelassen wurden. Die einschlägige Konstitution CT III, 17, 4 scheint diese Möglichkeit eher als Tatsache festzustellen und rechtlich fixieren zu wollen als neu einzuführen83 • a) Verhältnisse im Westgotenreich
In der Spätantike ist die Übernahme der tutela durch die volljährige Mutter nach LRV CT III, 17,4 an strenge Voraussetzungen geknüpft: Erste Voraussetzung ist, wie oben dargestellt, daß die Frau selbst gewaltfrei ist. Des weiteren müssen auch die Kinder gewaltfrei, d.h. der Vater der Kinder in sua potestate gewesen und somit die Enkel nicht in der Gewalt des väterlichen Großvaters verblieben sein. Neben dessen patria potestas bliebe kein Raum für eine Tutorin. Ferner muß die Mutter, welche die tutela übernehmen will, zu den Akten kundgeben, daß sie sich nicht noch einmal verheiraten wird, und das auch beeiden, IT III, 17, 484, INT V, 1. Diese Formalitäten haben zur Folge, daß im 78
Sachers, in: FS Schulz, S. 339.
79
Krause I, S. 129.
80
Crifo, in: BIDR LXVII, S. 129 f.; Salier, S. 173 ff.
81
Siehe die Beispiele bei Dixon, The Roman Mother, S. 63 ff.
Kübler II, in: SZ XXXI, S. 187 f. Zur Unwirksamkeit einer direkten Bestimmung der Mutter zur Tutorin nach Papinian D. XXVI, 2, 26 siehe Crifo, in: BIDR LXVII, S. 94 f., und Kübler II, in: SZ XXXI, S. 185.
82
83
CrifO, in: BIDR LXVII, S. 87.
3. Vermögenssorge für unmündige Kinder
157
Falle einer entgegen dem Versprechen eingegangenen zweiten Ehe nicht nur die Mutter selbst den Kindern mit ihrem persönlichen Vermögen auf die Vollständigkeit des Gutes haftet, sondern auch der neue Ehegatte. Nach dem Novellentext wurde der Eidbruch früher offenbar mit Infamie und Verlust von Testier- und Schenkungsflihigkeit bestraft85 • Ursprünglich bezog sich tutela auf das Tutorat, also die Sorge für einen Unmündigen86; für Mädchen bedeutet das die Sorge bis zum 12., für Knaben bis zum 14. Lebensjahr, IT IV, 12, I; GE II, 2 § 2. Anschließend soll die Sorge durch einen Kurator bis zur erreichten Volljährigkeit übernommen werden. Fraglich ist, ob die Mutter nur zum Tutoral oder auch zur cura zugelassen ist, da der Begriff tutela in der spät- bzw. nachklassischen Zeit verschwimmt87 und oft im Zusammenhang mit Tutorat und cura gleichermaßen verwendet wird88 ; außerdem ist an vielen Stellen von tutores minorum89 oder tutela minoris die Rede statt von tutela oder Tutorat über impuberes. IT III, 17, 4 spricht aber auch davon, daß der iudex einen Tutor bestellen soll, wenn die Mutter die tutela nicht übernehmen will, und schließlich bestimmt IP I, 4, 2, daß die tutela mit Vollendung der pupillares anni beendet ist und der Tutor ab diesem Moment dem Kind oder seinem Kurator nicht mehr aus tutela, sondern aus negotiorum gestio haftet90• Die LRV verwendet also zwar stellenweise eine undifferenzierte Ausdrucksweise, vor allem dort, wo es nicht auf eine korrekte Unterscheidung zwischen Tutorat und Kurat ankommt, da die Regeln für beide Arten der Sorge die gleichen sind. Sie macht aber grundsätzlich einen Unterschied in der Weise, 84 . "Mulieres mortuis maritis, si ipsae voluerint tutelam suscipere filiorum, priusquam lwc assumanl, actis profiteantur, se non esse nupturas ... Sciant hoc etiam viri, qui sibi ilmgendas matres postulant parvulorum, quod, si mulieres tutelam administrare coeperint filiorum et postea nupserint, ille, qui in consortio recipitur maritali, bona sua noverit obligata et se ad rationem reddendam minoribus obnoxium esse futurum." Vergleiche hierzu Kaser II, S. 227 f.; bei der Novelle handelt es sich um NT XI, I aus dem Jahr 439.
85
Vgl. Chiusi, in: SZ CXI, S. 161.
86
Kaser II, S. 222.
Kaser II, S. 223 und 227 f.; er scheint davon auszugehen, daß die Mutter nur das Tutorat übernehmen kann, im Zusammenhang mit der cura ist von der Mutter keine Rede. 87
88
Für die LRV vgl. z. B. IT III, 17, 3; zu diesem Thema auch Conrat, Paulus, S. 118 ff.
IT III. 1!1, 1 - 4 spricht vom Tutor im Zusammenhang mit "minoribus" oder "pupillo, dum in annis minoribus fuerit".
89
"Tutor, si peracta tutela, id est, impletis pupillaribus annis, voluerit in ipsa administratione persistere, de actis negotiis pupillo vel curatori eius non tutelae, sed negotiorum gestorum cogendus est reddere rationem."
90
158
VI. Die Witwe
daß sich tutela als Fachbegriff immer noch auf das Tutorat bezieht. Somit kann die westgotische Römerwitwe zwar Tutorin, aber nicht Kuratorin ihrer Kinder sein. Diese Regelung dient wohl dem Schutz der Kinder. Die Geschäfte, die der Tutor für die Unmündigen abschließt, werden, wie oben geschildert, bis zum siebten Lebensjahr des Mündels nur im Verhältnis zwischen Tutor und Drittem wirksam; für die später mit auetorilas des Tutors abgeschlossenen Geschäfte, die für das Kind selbst Wirksamkeit erlangen, haftet der Tutor persönlich, wenn die Geschäfte nachteilig sind. Möglicherweise hielt man die Mutter nicht für so kompetent, daß man ihr die insofern verantwortungsvollere Position des Kurators überlassen wollte, unter dessen Leitung das Kind weitestgehend selbständig agiert. Hat die Mutter rechtswirksam die tutela über ihre Kinder erhalten, so ist sie auch befugt, im Rahmen der für alle Tutoren geltenden Gesetze das Kindesvermögen zu verwalten. Hierbei ist besonders IT III, 19, 491 zu beachten. Der Tutor ist für die Sicherung des Kindesvermögens verantwortlich. Daher ist ihm vorgeschrieben, alle unverderblichen Wertsachen des Mündels nach Kennzeichnung mit amtlichem Siegel aufzubewahren. Ansonsten ist das bewegliche Vermögen des Mündels zu verkaufen und in Land zu investieren. Sollte dafür nicht genug Geld vorhanden sein, muß alles vorhandene Geld wertbildend angelegt werden. Die Mutter kann also als Tutorin ihrer Kinder alle Verfügungen über deren Vermögen treffen, die zu einer Bereicherung führen. Daneben regelt PS I, 4, 4 den Fall, daß die Mutter zwar nicht das Tutorat ausübt, sich aber trotzdem in die Vermögenssorge für ihre Kinder "einmischt". Dies führt aber nicht zu einer Unwirksamkeit der Maßnahme, sondern nur zu einer Rechenschaftspflicht der Mutter gegenüber Tutoren und Kindern. Hier zeigt sich auch eine Ausnahme von dem Grundsatz des SC Velleianum, nach dem Frauen keine Bürgschaft übernehmen können. Nach IP II, ll, 2 soll die Frau ihren Kindem haften, wenn sie für die von ihr erbetenen Tutoren gebürgt hat. Levy92 will diese Ausnahme, die offenbar keine Vorläufer hat, auf eine Übung im Osten und Westen zurückführen. Doch lautete ursprünglich die Interpretation zu CT III, 30, 6 von vermutlich 396 (siehe hierzu Pharr, S. 80 Fn. 22): "... et si quid erit in pecunia vel argento, vel quae non possunt vetustate perire, praedictorum annulis obsignata reponat ... in reliquis rebus proficiente diligentia ... sciant tutores sibi esse pennissum, ut vendere praesumant mobilia et agros comparare, ut minoribus in ea parte prospiciant; si vero non est eiusmodi substantia, unde praedium comparetur, hanc iubentur habere diligentiam, ut pecunia colligatur, et compendiis usurarum aut quibuslibet aliis rebus commodum pupillis acquirant... " 91
92
Levy, VR, S. 203.
3. Vermögenssorge für unmündige Kinder
159
entsprechende Ausnahme wohl so, wie sie durch C. IV, 29, 6 konstruiert wurde: Die Frau, die das Vermögen der Kinder verwaltet, soll entgegen dem SC haften, wenn sie den Tutoren gegenüber für eine ordnungsgemäße Verwaltung gebürgt und dann das Vermögen für eigene Zwecke verwendet hat93 • Die anderslautende Auslegung der Sentenz kommt dadurch zustande, daß in PS II, 11, 2 das Wort pro überliefert ist, obwohl es im ursprünglichen Text nicht vorhanden war und daher zu einer mißverständlichen Deutung führte 94 • Aus einer Haftung für das Handeln der Mutter selbst wird eine Haftung für das Handeln der Tutoren. In beiden Fällen sind aber immer noch die Kinder begünstigt, deren Vermögen gesichert werden soll. b) Verhältnisse in Burgund
In Bezug auf das Verhältnis der Witwe zu ihren minderjährigen Kindern stellt auch RB XXXVI in § 1 a.E. fest, daß die Mutter als Vormund allen anderen Verwandten vorzuziehen ise5 • Hier läßt sich wiederum fragen, ob die Mutter nur Tutorin oder auch Kuratorin sein kann. Die Regelung der RB ist aber in diesem Punkt von erfreulicher Eindeutigkeit: § 1 befaßt sich nur mit dem Tutorat, während§ 3 die Vorschriften über die cura enthält. Von der Mutter ist nur im Zusammenhang mit dem Tutorat die Rede, so daß sie auch im Burgunderreich nur Tutorin, nicht aber Kuratorin für die Kinder sein kann. Über die Befugnisse eines Tutors sagt der Titel nichts weiter aus; daher ist wieder einmal auf die alte Rechtslage zurückzugreifen, wie sie auch in die LRV eingegangen ist. Folglich ist auch hier anzunehmen, daß die Mutter das Vermögen der Kinder in der oben beschriebenen Weise, sozusagen "mündelsicher", anlegt und für eine Vermögensverschlechterung haftet. "lmp. Ale:xander A. Torquato. Si mater, cum filiorum suorum gereret patrimonium, tutoribus eorum securitatem promiserit ..., quoniam quodammodo suum negotium gessisse videtur, senatus consulti auxilio neque ipsa ... adiuvalltur. " (228)
93
Liebs, Africa, S. 81, der eine absichtliche Umdeutung durch die Westgoten ablehnt, Fn. 144. Anderer Ansicht Conrat, Paulus, S. 199, der annimmt, daß sich der Verfasser des Breviars eher an die petitio tutoris anlehnt. 94
§ 1: "Tutores legitimi agnati sunt ... qui ad tutillam post q'-lintum decimum aetatis annum vocantur... ; quibus omnino mater, si tutelam suscipere voluerit, licito et iure praeponitur. "; § 3: "Pupilli vero post impletum quartum decimum annum curatores sibi ipse petere debebunt, puelle vero impleto duodecimo anno curatores sibi ipse petant, quia tutor usque ad illud tempus rationem administrare tutillae debet; qua ratione conpleta, pupillus sub curatore positus facultatem suam gubemare debebit." 95
VI. Die Witwe
160
4. Vermögensrechtliche Konsequenzen einer Wiederverheiratung Die Wiederverheiratung war der römischen Witwe trotz der Wertschätzung der univira96 zu allen Zeiten gestattet; dabei hatte sie sich jedoch an die Wartefrist von einem altrömischen Jahr, 10 Monaten, zu halten, um die denkbare Geburt eines posthumus abzuwarten97 • Augustus machte es der Witwe, die noch keine drei Kinder hatte, unter Androhung erbrechtlicher Sanktionen sogar zur Pflicht, nach Ablauf einer gewissen Frist wieder zu heiraten98 • Allerdings hatte seine Ehegesetzgebung bekanntlich wenig Erfolg, zumal Legate bis zum sechsten Verwandtschaftsgrad und die gesetzliche Erbfolge von den Sanktionen nicht betroffen waren99• In klassischer Zeit unterschieden sich die Rechtswirkungen der zweiten Ehe nicht von denen der ersten, auch nicht, wenn Kinder aus der ersten Ehe lebten. Vermögensrechtliche Folgen aus der erneuten Eheschließung ergaben sich z.B. dann, wenn der erste Mann der Frau ein Legat hinterlassen hatte unter der Bedingung, daß sie sich nicht wieder verheiraten sollte. Mit der cautio Muciana erhielt sie das Legat gegen Abgabe einer Garantie und verlor es bei Wiederverheiratungux>. Von Gesetzes wegen hatte die Wiederverheiratung in klassischer Zeit jedoch keine vermögensrechtlichen Konsequenzen, diese ergaben sich erst in christlicher Zeit101 •
a) Die westgotische Römerwitwe
In der LRV besteht keine Wiederverheiratungspflicht. Sie folgt der Aufhebung der augusteischen Sanktionen ·durch Konstantin aus dem Jahre 320, CT 96
Dixon, The Roman Family, S. 89; Krause I, S. 102 ff.
97
Gardner, S. 50 ff., mit Beispielen; zu diesem Zusammenhang Memmer, S. 372 ff.
Dazu Humbert, S. 146 ff.; Kaser I, S. 318 ff.; Krause I, S. 77; S. 120; MetteDittmann, S. 132 ff.
98
99
Crook, Succession, in: Rawson (Hrsg.), The Family in Ancient Rome, S. 67; Krause I,
s. 94. 100
Gardner, S. 54 f.
Über den Einfluß christlicher Motive auf den Schutz der Kinder besteht Streit; während Humbert, S. 334 ff., christlichen Einfluß annimmt, kommt Krause I, S. 171 ff., zum Schluß, daß eine solche Motivation schon in heidnischer Zeit bestanden hatte. Nach Dixon, The Roman Mother, S. 50 f., wurde von einer Witwe zwar erwartet, das väterliche Erbe bei einer erneuten Ehe an die Kinder herauszugeben, eine allgemeine Rechtspflicht bestand jedoch nicht. 101
4. Konsequenzen einer Wiederverheiratung
161
VIII, 16, 2 zwar nicht ausdrücklich, da der Titel nicht in die LRV übernommen wurde; bei Wiederheirat treffen die Witwe aber vermögensrechtliche Beschränkungen, bei Unterlassung dagegen nicht. Die kurzfristige Einführung der Wiederverheiratungspflicht für Witwen unter vierzig Jahren durch die iniusta Iex NMai VI § 5 wurde kurz darauf von Severus zurückgenommen und von der LRV ignoriert. Über die Wiederverheiratung einer noch unter patria potestas stehenden und einer minderjährigen Witwe bestimmt ihr Vater, IT III, 7, 1. Das Verheiratungsrecht der nächsten Verwandten der vaterlosen Frau hingegen unterliegt der richterlichen Kontrolle, da Profitinteressen beim Zustandekommen der Ehe oder ihrer Verhinderung ausgeschlossen werden sollen. Gedacht ist dabei an das mögliche Bestreben der Familie, die Frau mit ihrer zurückerhaltenen Mitgift und eventuellem Nachlaß vom verstorbenen Mann im Familienverband zu behalten und später zu beerben 102 • Ferner können die Verwandten bestrebt sein, gerade die jungen Witwen, von denen hier die Rede ist, mit reichen älteren Männer zu verheiraten, um diese nach ihrem Ableben zu beerben. Ansonsten gilt, daß sich die Witwe erst nach Ablauf eines Jahres wieder verheiraten darf, IT III, 8, 1. Im Jahre 381 wurde die bis dahin geltende Frist von 10 Monaten des altrömischen Jahres durch Theodosius I. auf ein volles Jahr von 12 Monaten verlängert, LRV CT III, 8, 1103 • Heiratet die Witwe vor Ablauf dieser Frist, so soll sie der Infamie unterliegen und alles Vermögen, das sie von ihrem Mann durch Hochzeitsgabe oder Testament erhalten hat, verlieren. Es ist vollständig an die Kinder herauszugeben; fehlen sie, an den gesetzlichen (gradnächsten) Erben des Mannes. Diese Vorschrift entzieht ihr somit zur Strafe auch diejenigen Güter, die bei Kinderlosigkeit der Ehe in ihrem Eigentum stehen. Zu betrachten sind jetzt die Folgen der Wiederverheiratung nach Ablauf der Wartefrist Die Frau, die Kinder aus erster Ehe hat, kann ihrem zweiten Mann keine beliebig große Mitgift bestellen. Die Konstitutionen 1 und 2 des Titels LRV CT II, 21 "De inofficiosis dotibus" schreiben vor, daß der Wert der zweiten dos drei Viertel der Hinterlassenschaft der Frau nicht überschreiten darf104• Im Einklang mit den erbrechtliehen Vorschriften soll den Kindern aus 102 Krause I,
S. 151.
"tametsi id ipsum exiguum putemus"- Entspricht CT III, 8, 1. Nach römischem Verständnis ist die Einhaltung der Wartefrist auch Ausdruck der Ehrfurcht vor dem Verstorbenen, nicht nur eine erbrechtlich-biologische Notwendigkeit (vgl. Kaser I, S. 317 f., und Krause I, S. 106, für die klassische Zeit), wofür auch die frühere Frist von 10 Monaten ausgereicht hätte. Aus dieser Sicht erklärt sich auch die Bestrafung mit Infamie, die nach dem Konstitutionstext den völligen Ehrverlust bedeutet. Memmer, S. 374. 103
11 Johlen
162
VI. Die Witwe
erster Ehe ihr - also auch von der Mutter zu beachtender - Pflichtteil von einem Viertel nicht entzogen werden, indem die Frau ihr Vermögen schon zu Lebzeiten dem zweiten Mann als Mitgift gibt. Hier bestand die Gefahr, daß Witwen, deren "Heiratswert" beeinträchtigt war105, versuchten, Freier durch eine hohe Mitgift anzulocken106 und dafür ihr gesamtes Vermögen aufboten. Was die früheren Ehegüter betrifft, so tritt bzgl. derdoskeine Änderung ein, da sie Eigengut der Frau ist. Nach dem ersten Teil von IT III, 8, 2 und gemäß INS I, 1 § 1 behält sie die donatio weiterhin nießbrauchsweise 107• Die ihr von ihrem Ehemann hinterlassenen Güter bleiben in ihrem Eigentum, fallen also nicht an die Kinder; zugunsten der Kinder werden diese Güter mit einer Verfügungsbeschränkung belastee08 • Der Mutter bleibt aber das ius eligendi vorbehaltenul9. Dies bedeutet, daß sie die hinterlassenen Güter nach eigenem Ermessen auf die Kinder verteilen darf; bei der donatio, INS I, 1 § 1, ist das ius eligendi ausdrücklich ausgeschlossen, da diese im Miteigentum aller Kinder steht. Diejenigen Güter, die der Ehemann seiner Witwe nur zu mit der Nießbrauch hinterlassen hatte, sind nach IT III, 9, Wiederverheiratung an die Kinder herauszugeben 110•
104 IT II, 21 , 1: "Quoties per dotem ita omnis hereditas evacuata probatur, ut quarta hereditatis ipsius non fuerit reservata, liceat filiis ad similitudinem inofficiosi testamenti contra dotem agere et debitam sibi portionem ex lege repetere. " IT II, 21, 2: "Si mulier marito secundo dotem dederit, et ex priore marito filios habuerit, et non eis tres uncias, id est quartam portionem de rebus suis reservaverit, dos, quae contra Iegern Papiam secundo marito data est, non valebit. " Dupont, in: RIDA XXIII, S. 129, geht von einer Beschränkung auf ein Drittel aus; siehe auch Memmer, Kapitel 8.
105 Zu den Ehehindernissen des Alters, der fehlenden Jungfräulichkeit, der Kinder und der Armut siehe Krause I, S. 114 ff.
106 Apuleius, 92, 9: "ob haec et alia viduae dote aucta procos sollicitant. "; hierzu Krause I, S. 133 ff. 107 Siehe auch IT III, 8, 3 zu einer Konstitution von 412, die anscheinend aus aktuellem Anlaß den Inhalt von CT III, 8, 2 aus dem Jahr 382 noch einmal bestärkte; Memmer geht in seinem Kapitel über die Wiederverheiratung, S. 371 ff., von anderen Voraussetzungen aus; die genaue zeitliche Entwicklung läßt sich auch nach seiner Ansicht letztlich nicht präzise nachvollziehen; siehe auch oben S. 141 f. 108 So schon Caes, S. 18 f., entgegen der Ansicht der Anhänger des Vulgarrechts, die in der facultas possidendi einen bloßen Nießbrauch sehen wollten; zustimmend Wenger, in: SZ LXVII, S. 589 ff. 109 Dies schließt auch Kaser II, S. 181 m. Fn. 14, aus CT III, 8, 2 und CT III, 9, 1; Memmer, S. 382 ff., hat Zweifel, legt sich aber nicht fest. Im Zusammenhang mit INS I, 1 § 1 ist die Rechtslage zumindest für die LRV eindeutig.
4. Konsequenzen einer Wiederverheiratung
163
Stirbt aus dieser ersten Ehe ein Kind, so unterscheiden sich die Rechte der (sohnlosen, siehe oben 2.