Die Technik und die Musen: Kultur im Umfeld der TU Wien 9783205202349, 9783205201144


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Die Technik und die Musen: Kultur im Umfeld der TU Wien
 9783205202349, 9783205201144

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Technik für Menschen 200 Jahre Technische Universität Wien, herausgegeben von Sabine Seidler Band 14

Juliane Mikoletzky (Hg.)

DIE TECHNIK UND DIE MUSEN Kunst und Kultur im Umfeld der Technischen Universität Wien

TECHNOLOGY AND THE MUSES Art and Culture around the TU Wien

2016 BÖHLAU VERLAG WIEN · KÖLN · WEIMAR

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Graffito von „Ichiban“ im Stiegenhaus des Gebäudes Operngasse 11 (Perlmooser-Haus); Foto: Nicole Schipani © 2016 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co.KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, 1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Übersetzung: Word Up!, LLC Korrektorat: Kathrin Wojtowicz, Wien Graphisches Konzept: Büro mit Aussicht Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung: Theiss, St. Stefan Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-20114-4

INHALTSVERZEICHNIS TABLE OF CONTENT VORWORT DER REKTORIN FOREWORD FROM THE RECTOR

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VORWORT DER HERAUSGEBERIN FOREWORD FROM THE EDITOR

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Kunst & Technik Art & Technology Christoph Überhuber KUNST, WISSENSCHAFT UND TECHNIK ART, SCIENCE, AND TECHNOLOGY

Paulus Ebner „WEIL ES SONST NIEMAND TUT!“ – BEITRÄGE DER TU WIEN ZU ENTWICKLUNG, GESCHICHTE UND KULTUR DES FILMS “BECAUSE SOMEONE HAS TO DO IT!” – CONTRIBUTIONS OF THE TU WIEN TO THE DEVELOPMENT, HISTORY, AND CULTURE OF FILM 65

11 University Extension University Extension

Musik und Literatur Music and Literature Reinhard Winkler DREI VERSUCHE, EINE KULTURELL BEDEUTENDE UNIVERSITÄT ZU WERDEN THREE ATTEMPTS TO BECOME A CULTURALLY SIGNIFICANT UNIVERSITY

Film Film

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Fotografie am Wiener Polytechnischen Institut Photography at the Vienna Polytechnic Institute Monika Faber FOTOPIONIERE AM K. K. POLYTECHNISCHEN INSTITUT IN WIEN PIONEERS OF PHOTOGRAPHY AT THE IMPERIAL ROYAL POLYTECHNIC INSTITUTE IN VIENNA 53

Juliane Mikoletzky ZWISCHEN WISSENSVERMITTLUNG UND INTERESSENPOLITIK: TECHNISCHE VOLKSBILDUNG AN DER TECHNISCHEN HOCHSCHULE IN WIEN BIS 1938 BETWEEN KNOWLEDGE TRANSFER AND SPECIAL INTEREST POLICY: POPULAR TECHNICAL EDUCATION AT THE TH IN VIENNA BEFORE 1938 91 VERZEICHNIS DER AUTORINNEN UND AUTOREN INDEX OF AUTHORS

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BILDNACHWEIS PHOTO CREDITS

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Inhaltsverzeichnis  | 5

VORWORT DER REKTORIN FOREWORD FROM THE RECTOR Die Technische Universität Wien, gegründet am 6. November 1815 als k. k. polytechnisches Institut, feiert ihren 200. Geburtstag. Ihre institutionellen Wurzeln liegen im Bereich der militärischen und gewerblich-technischen Fachschulen, die in ganz Europa seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts entstanden. Hintergrund dieser Neugründungen war ein wachsender Bedarf der staatlichen Verwaltungen, des Militärs und der Wirtschaft an Fachkräften mit technisch-naturwissenschaftlicher Ausbildung. Heute sind wir eine moderne Forschungsuniversität. Mehr als 4.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten, forschen und lehren an Österreichs größter naturwissenschaftlich-technischer Forschungs- und Bildungseinrichtung. Voraussetzung für eine weiterhin erfolgreiche Weiterentwicklung der TU im Spannungsfeld von Forschung, Lehre und Innovation ist ein Forschungsumfeld, das qualitativ hochwertige Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung gleichermaßen fördert. Diese Ausgewogenheit, fokussiert in fünf Forschungsschwerpunkten, ist aktuell unser Erfolgsrezept. Im Herzen Europas gelegen, eingebettet zwischen Institutionen, die in Architektur, Musik, darstellender und bildender Kunst Weltruhm genießen, haben die TU Wien und ihre Angehörigen auch immer wieder Impulse im kulturellen Bereich gesetzt. Darunter waren und sind künstlerische Beiträge ebenso wie Innovationen an der Schnittstelle von Kunst und Technik und Aktivitäten in der Wissenschaftsvermittlung. Für die TU Wien ist Kultur damit auch ein wesentlicher Hebel, um die Universität zu öffnen und Berührungsängste zu nehmen. Sabine Seidler Wien, im September 2015

The TU Wien, founded on 6 November 1815 as the k.k. polytechnisches Institut (Imperial Royal Polytechnic Institute), is celebrating its 200th anniversary. The roots of the institution are the military and commercial-technical vocational schools that have existed across Europe since the beginning of the 18th century. These schools were founded to address the growing need in public administration, the military, and economics for skilled workers with an educational background in technology and the natural sciences. Today, the TU Wien is a modern research university. More than 4,500 employees work, research, and teach at Austria’s largest institution for research and education in the natural sciences and engineering. A prerequisite for the continued success of the TU Wien’s further development in the fields of research, teaching, and innovation is a research environment that equally encourages high-quality fundamental and application-oriented research. This balance, focused in five main research areas, is our current recipe for success. Situated in the heart of Europe, embedded amongst institutions famed the world around for their contributions to architecture, music, performing, and fine arts, the TU Wien and its members have also repeatedly influenced the cultural field in many ways. This includes artistic input as well as innovations at the crossroads of art, technology, and scientific awareness activities. For the TU Wien, culture is a significant means to open the university and help diminish inhibition thresholds. Sabine Seidler Vienna, September 2015

Vorwort der Rektorin | 7

VORWORT DER HERAUSGEBERIN FOREWORD FROM THE EDITOR Technik und Kunst wird oft ein besonderes Naheverhältnis zueinander bescheinigt. Tatsächlich haben beide gemeinsame begriffliche Wurzeln; die Ausdifferenzierung von „Kunst“ im Sinne der „schönen Künste“, als rein auf die Erzeugung von ästhetisch rezipierbaren Artefakten gerichtete Tätigkeit, ist historisch eine noch junge Entwicklung. Wie sehr die Nähe von „Kunst“ und „Technik“ noch im frühen 19. Jahrhundert präsent war, belegt eindrücklich das auf dem Mittelrisalit des Hauptgebäudes der TU Wien angebrachte Motto: „Der Pflege, Erweiterung, Veredelung der Gewerbsfleisses, der Bürgerkünste, des Handels.“ Die „Bürgerkünste“ – damit waren damals die von den Bürgern betriebenen Handwerke gemeint, für die technische „Kunstfertigkeit“ erforderlich war, und zu deren Steigerung auf wissenschaftlicher Grundlage das Wiener Polytechnische Institut beitragen sollte. Ein weiterer Verbindungsstrang läuft über die Menschen: Es ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass „Techniker“ auffallend häufig auch künstlerische, insbesondere musikalische Neigungen pflegen. Das lässt sich am Beispiel von Angehörigen der TU Wien in eindrücklicher Weise exemplifizieren. Technik, insbesondere technische Neuerungen, wurden und werden aber immer wieder auch für künstlerische Intentionen genutzt. Dies wird an zwei Beispielen, nämlich der Entwicklung der Fotografie und des Films, nachgewiesen: In beiden Fällen haben Angehörige der TU Wien und ihrer Vorgängerinstitutionen eine bedeutende Rolle sowohl bei der technischen und wissenschaftlichen Entwicklung und Verbreitung von Innovationen als auch bei ihrer künstlerischen Nutzung gespielt. Schließlich entstand um die Wende zum 20. Jahrhundert ein neuer Diskurs – vor allem angetrieben von der Technikerschaft selbst, die um ihre Anerkennung als gleichrangig mit anderen Akademikergruppen und damit auch um Zugang zu öffentlichen Führungspositionen kämpfte, der „die Technik“ und technisches Wissen

8 |  Vorwort der Herausgeberin

Technology and art are often credited with having a certain closeness to each other. In fact, the terms have common roots; the differentiation of art, in the sense of the fine arts, as an activity exclusively aimed at the production of artefacts to be perceived aesthetically, is a historically new development. The continuing proximity of art and technology in the early 19th century is clearly documented in the motto gracing the avant-corps of the TU Wien main building: “To nurture, expand, and cultivate the efforts of industry, the civic arts, and trade”. The Vienna Polytechnic Institute aimed to contribute to the civic arts – which in this period is referring to the crafts and trades demanding technical craftsmanship and exercised by citizens. The people themselves constitute a further connection. It has often been pointed out that a remarkable number of “technicians” have artistic, in particular musical, affinities. This is clearly illustrated by the example of the TU Wien members. Time and again, technology and in particular technological innovation has been – and still is – used for artistic purposes. This is demonstrated by two examples in particular: the development of photography and of film. In both cases, members of the TU Wien and its predecessor institutions played an important part in their technological and scientific development and dissemination, as well as their artistic application. Finally, a new discourse developed at the turn of the 20th century – mainly driven by technicians themselves, who were competing for recognition as equal to other groups of academics, and thus for access to leading public positions – aiming to position technology and technological knowledge as a part of our culture. The Technische Hochschule in Vienna spearheaded efforts to promote technical education, including of the general public, as a programme track of the new university extension movement.

selbst als Teil der Kultur positionieren wollte. Die TH in Wien war federführend bei dem Versuch, technische Bildung auch für Laien als Programmschiene im Rahmen der neu aufkommenden University-Extension-Bewegung zu positionieren. Die in diesem Band versammelten Beiträge reflektieren damit die vielfältigen Verbindungen zwischen „Technik“, „Kunst“, „Kultur“ und „Wissenschaft“, die sich an der TU Wien im Laufe ihrer 200-jährigen Geschichte ergeben haben.

The contributions to this volume thus reflect the multiple connections of technology, art, culture, and science that have been established over the course of the 200-year history of the TU Wien. Vienna, September 2015 Juliane Mikoletzky

Wien, im September 2015 Juliane Mikoletzky

Vorwort der Herausgeberin  | 9

Christoph Überhuber

KUNST, WISSENSCHAFT UND TECHNIK ART, SCIENCE, AND TECHNOLOGY Kunst und Wissenschaft stehen seit der Antike in einer spannenden und spannungsvollen Beziehung. „Téchne“ (τέχνη), ein in diesem Zusammenhang zentraler Begriff, wurde erstmals in der Ilias verwendet, ist also mindestens 2700 Jahre alt und war eine Bezeichnung für das Können der Handwerker. Später wurde dieses Wort nicht ausschließlich für handwerkliche Tätigkeiten verwendet, sondern auch für Verfahren und Methoden im Rahmen verschiedenster Tätigkeiten, bei denen es um zielbewusstes Handeln geht: Wo téchne das Tun bestimmt, gibt es ein τέλος, ein Ziel, ein Werk oder eine Tat, die verwirklicht werden sollen. Damit wird téchne zur Bezeichnung für ein Mittel zur planvollen Erreichung eines Zieles. Im antiken Griechenland wurden die Sprachkünste mit Kenntnissen der Mathematik und der Wissenschaften zusammengefasst. In der Neuzeit war diese Einheit von Kunst und Wissenschaft bei der Entstehung der modernen Wissenschaftsformen wie auch der modernen Ästhetik stärker beteiligt, als es heute den Anschein hat. Künstlerinnen und Künstler beanspruchten ihren Platz in den Wissenschaften, während sich umgekehrt die Wissenschaften künstlerischer Kompetenzen und Methoden bedienten, um ihre Ergebnisse angemessen aufzubereiten und zu präsentieren. Im dem 19. Jahrhundert traten Kunst und Wissenschaft in ein Konkurrenzverhältnis zueinander. Beide wollten wenig miteinander zu tun haben und tauschten auch kaum noch Inspirationen aus. Der Begriff „Wissenschaft“ wurde immer mehr zu einem Synonym für Naturwissenschaft. Es entwickelte sich ein Objektivitätside-

Since Antiquity, art and science have shared a relationship of mutual fascination, but also of tension. “Téchne” (τέχνη) is a key term in this context. Its first known use is in the Iliad, so the notion, used to describe the skills of artisans, is at least 2,700 years old. Later, the word was used not only for manual tasks, but also for all methods and procedures in practices that demanded targeted action. While “téchne” determines action, τέλος denotes a goal, a work, or a deed to be accomplished. And in this way, téchne came to designate a means for the planned achievement of goals. In Ancient Greece, the language arts were combined with knowledge in mathematics and science. In modern history, the development of modern forms of science, as well as modern aesthetics, was more influenced by this unity of the arts and science than we might think. Artists claimed their place in science, while science, on the other hand, used artistic expertise and methods to formulate and present its results in an understandable way. Starting in the 19th century, art and science entered into competition. Both were less than keen to interact with the other and rarely allowed the mutual seeding of inspiration. The term “science” increasingly became synonymous with “natural science”. The developing ideal of objectivity left little or no room for artistic thought. On the other hand, art celebrated a cult of genius, emphasising the unconscious and the blurred. Both extremes, however, also had an enduring need for self-reflection, which enabled philosophy to play the role of intermediary between the two fields. In recent times, these domains have re-converged: there is such a thing as artful science and scientific art.

Kunst, Wissenschaft und Technik  | 11

al, das keinen Platz für künstlerisches Denken ließ. Auf der anderen Seite feierten die Künste einen Geniekult, der das Unbewusste und Unscharfe suchte. In beiden Extremen gab es aber ein nachhaltiges Bedürfnis nach Selbstreflexion, auf Grund dessen die Philosophie eine Vermittlerrolle zwischen den beiden Bereichen einnehmen konnte und es in letzter Zeit zu einer neuen Annäherung der beiden Gebiete kam: kunstvolle Wissenschaften und wissenschaftliche Künste. Die künstlerische Forschung wird z.  B. seit 2009 im österreichischen Programm zur Entwicklung und Erschließung der Künste (PEEK) des österreichischen Wissenschaftsfonds gefördert. Solche Aktionen dienen einer zunehmenden Auflösung der Gegensätze zwischen Kunst und Wissenschaft und stärken deren Gemeinsamkeiten, beispielsweise das Interesse an Erkenntnisgewinn und Wissensvermehrung. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich erkennen, wenn man Kunst, Wissenschaft und Technik aus heutiger Sicht miteinander vergleicht? Bereiche hoher Kreativität Kreativität, verstanden als Schöpferkraft, als Fähigkeit, eine Erfindung oder ein Werk hervorzubringen, entwickelt sich in einem Zusammenspiel von Begabung, Wissen, Können, Motivation, Persönlichkeit und Umgebungsbedingungen. Sie wird mit Recht Personen zugeschrieben, die in der Kunst, den Wissenschaften oder der Technik tätig sind. Das Neue entsteht – mit Einschränkungen – fast immer durch Kombinatorik. Alle großen Innovationen sind nicht aus einem linearen, sondern aus einem kombinatorischen Denken entstanden. Die kreative Energie des Kombinierens zeigt sich sowohl in Wissenschaft und Technik als auch in der Kunst. In allen drei Bereichen gibt es große Ähnlichkeiten der Kreativität. Da ist zunächst das Herausarbeiten eines Themas, dann die Ideensammlung, die Materialbeschaffung, das Arbeiten im Unterbewussten, der erhellende Geistesblitz und seine Bändigung in der produktiven

12 |  Christoph Überhuber

Since 2009, artistic research is, for instance, promoted by the Austrian Science Fund’s Programme for Arts-based Research (PEEK). Such activities support an increasing dissolution of the contradictions between art and science, and emphasise their similarities, for example, their interest in gaining and increasing knowledge. Which similarities and differences can we identify when comparing art, science, and technology in a contemporary perspective? Fields of High Creativity Creativity, understood as creative power, i.e. the ability to produce an invention or an oeuvre, is developed in the interplay between talent, knowledge, skills, motivation, personality, and ambient conditions. It is correctly ascribed to individuals working in art, science, or technology. With some restrictions, innovation nearly always results from combinatorics. Great innovation never resulted from linear but from combinatorial thinking. The creative energy of combining becomes apparent in science, in technology, and in art. The creativity needed in these three fields is very similar. It involves the framing of a subject matter, collecting ideas, procuring material, putting one’s unconscious to work, a flash of inspiration, and its taming through productive realisation. It also involves playful enjoyment, fantasy, and intellectual freedom. The Freedom of Science and Art These freedoms are the result of centuries of struggle. In 1633, Galileo Galilei had to recant his scientific convictions before the Inquisition, saving himself from a death sentence. Nevertheless, he was condemned to permanent house arrest; the Roman Catholic Church formally rehabilitated him only as recently as 1992. Today, the freedom of science and research are part of our fundamental cultural rights in Austria, protected under the 1867 National Constitution (Staatsgrundge­ setz) and the 2002 University Act.

Realisierung. Dabei sind spielerische Freude, Phantasie und gedankliche Freiheit von Bedeutung. Freiheit von Wissenschaft und Kunst Diese Freiheiten sind das Ergebnis jahrhundertelanger Kämpfe. Galileo Galilei musste 1633 vor der Inquisition seinen wissenschaftlichen Überzeugungen abschwören, was ihn vor einem Todesurteil bewahrte. Trotzdem wurde er zu lebenslangem Hausarrest verurteilt und erst 1992 von der römisch-katholischen Kirche formal rehabilitiert. Freiheit von Wissenschaft und Forschung zählt in Österreich heute zu den kulturellen Grundrechten und werden durch das Staatsgrundgesetz von 1867 und das Universitätsgesetz 2002 geschützt. Die Freiheit der Kunst ist in Österreich erst seit 1982 ein verfassungsmäßig garantiertes Grundrecht. Bis ins 18. Jahrhundert schufen Künstler ihre Werke sehr oft nach klar formulierten Aufträgen innerhalb ideeller und formaler Grenzen. Seit etwa 200 Jahren arbeiten die meisten Künstlerinnen und Künstler ohne fixe Aufträge. Mit dieser Freiheit sind einerseits Möglichkeiten zu einer erweiterten Kreativität verbunden, andererseits müssen Künstlerinnen und Künstler aber ihre Werke auf dem Kunstmarkt verkaufen. Ein Teil von ihnen orientiert sich an diesem Markt und seinen Regeln, gibt aber damit einen Teil der gewonnenen Freiheit wieder auf. Formen der Zusammenarbeit Ein wichtiger Unterschied zwischen Kunst, Wissenschaft und Technik besteht darin, dass in der Kunst – bis auf wenige Ausnahmen – vorwiegend Einzelpersonen in Erscheinung treten, während in der Forschung und in der Technik sehr oft in Gruppen gearbeitet wird. Bewertung der Resultate Auf Grund der Freiheit von Wissenschaft und Kunst bleibt es Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten, unbenommen, was sie machen und wie sie tätig sein wollen. Somit können die Resultate im Prinzip auch beliebig, unsinnig oder schlecht sein. Erst durch Bewertung entsteht Wert.

The freedom of art, on the other hand, did not become a constitutionally guaranteed fundamental right in Austria until 1982. Until the 18th century, artists often created their work within the abstract and formal limitations of clearly stated instructions. Since about 200 years, most artists work without fixed commissions. On the one hand, enjoying this freedom means more creative options; on the other hand, artists now need to sell their work on the market. Some of them decide to conform to the market and its rules, thus surrendering part of their freedom. Forms of Collaboration One important difference between art, science, and technology is that in art – with only a few exceptions – individuals are the rule, while people in research and technology often work in groups. Evaluation of Results Based on the freedom of science and art, people working in these areas are free to choose what to do and how to work. In principle, therefore, their results may be random, nonsensical, or even unsound. Value is only created through evaluation. For science, there is a system to judge and evaluate results, i.e. peer reviewing. Independent experts from an applicable field of expertise review the quality of manuscripts submitted for publication. This system is based on competent experts (the editors of scientific journals) and competent reviewers chosen by the editors, who remain anonymous to the authors. Depending on the professional qualities of the reviewers, this quality management system also gives authors an opportunity to learn. There is no comparable system of appraisal in the field of art. When, for instance, an artist sends a proposal for an exhibition or a participation in an exhibition to a gallery, there will be no response at all in most cases, and if there is one, then no reason will be stated. Another essential difference in evaluation is the financial aspect. In the appraisal of artistic works, collectors are becoming increasingly important. For potent collec-

Kunst, Wissenschaft und Technik  | 13

In der Wissenschaft gibt es für die Beurteilung und Bewertung der dort erzielten Resultate das System des Peer-Reviewing. Unabhängige Experten aus einem passenden Fachgebiet begutachten die Qualität der zur Publikation eingereichten Manuskripte. Dieses System stützt sich auf fachlich kompetente Ansprechpartner (die Redakteure der Fachzeitschriften) und fachlich kompetente Gutachter, die von den Redakteuren ausgewählt werden, aber den Autoren gegenüber anonym bleiben. Dieses System der Qualitätssicherung bietet – abhängig von der Professionalität der Gutachter – den Autoren auch die Möglichkeit, sehr viel zu lernen. Nichts Vergleichbares gibt es bei der Begutachtung im Bereich der Kunst. Wenn beispielsweise eine Künstlerin oder ein Künstler einen Vorschlag für eine Ausstellung oder Ausstellungsbeteiligung an eine Galerie sendet, dann erfolgt in den meisten Fällen keinerlei Reaktion und wenn doch, dann ohne Begründung. Noch ein wesentlicher Unterschied bei der Bewertung ist der ökonomische Aspekt. Bei der Bewertung künstlerischer Arbeiten spielen Sammler eine immer größere Rolle. Für potente Sammler hat Kunst oft den Charakter von Spekulationsobjekten, die sich als ziemlich sichere Geldanlage eignen. Die Preise von internationalen Top-Kunstwerken steigen schneller als die der so genannten Blue-Chip-Aktien an der Börse. Im Bereich der Technik spielen praktische Anwendbarkeits- und ökonomische Verwertbarkeitsüberlegungen eine zentrale Rolle bei der Wertschätzung der Resultate.

tors, art is often an object of speculation, a convenient and safe financial investment. Prices for top international works of art rise faster than blue chip stock on stock markets. In technology, considerations of practical applicability and economic usability are key for its results to be appreciated.

Einfluss von Hilfsmitteln Die Verfügbarkeit neuer Hilfsmittel hat in den Bereichen Kunst, Wissenschaft und Technik seit jeher zu massiven Veränderungen geführt. In der Kunst hat die Entwicklung der Fotografie die Malerei von der Notwendigkeit befreit, möglichst naturgetreue Abbilder zu liefern und damit ganz wesentlich die Entstehung des Impressionismus gefördert. Andererseits wurde die Fotografie selbst erst ca. 80 Jahre nach der Erfindung Louis Daguerres als eigenständige Kunstform anerkannt.

Models

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The Influence of Tools The availability of new tools has always revolutionised the fields of art, science and technology. In art, the development of photography freed painting from the need to deliver realistic images, and was thus instrumental in the development of Impressionism. However, photography itself wasn’t accepted as an independent art form until around 80 years after Louis Daguerre’s invention. Later, screen-printing technology became the basis of Pop Art, with the works of Andy Warhol closely intertwined with the potential of screen-printing. In science and technology, computer technology has generated numerous completely new possibilities over the past decades. All fields have profited enormously from the so-called digital revolution. In research, computer simulation has been established as the third pillar in addition to experimentation and theory. In technology, CAD systems have revolutionised planning and development, and robots have allowed manufacturing to go in completely new directions. Currently, the fourth industrial revolution is proceeding to link physical and digital systems.

Models deeply influence processes of thought and action, and developments in art, science, technology, and culture. Not only consciously planned characteristics of the model have an effect, but also those we are not aware of, and even those we are consciously trying to exclude. Besides the concept of representing objects or processes, models also introduce an immense amount of undefined aspects, of unexpected role reversals, and intertwined reciprocal effects.

Später war es dann z.  B. die Siebdrucktechnik, die eine Grundlage der Pop-Art war. Die Werke Andy Warhols sind aufs Engste mit den Möglichkeiten des Siebdrucks verbunden. In Wissenschaft und Technik war es in den letzten Jahrzehnten die Computer-Technologie, die völlig neue Möglichkeiten eröffnet hat. Hier haben alle Gebiete von der so genannten digitalen Revolution enorm profitiert. In der Forschung haben sich Computer-Simulationen als dritte Säule neben Experiment und Theorie etabliert. In der Technik sind es CAD-Systeme, die Planung und Entwicklung revolutionierten und Roboter, mit denen die Fertigung völlig neue Wege gehen kann. Derzeit ist es die vierte industrielle Revolution, die eine Vernetzung physischer und digitaler Systeme mit sich bringt. Modelle Modelle greifen tief in Prozesse des Denkens und Handelns und in die Entwicklungen der Künste, der Wissenschaften, der Technologien und Kulturen ein. Dabei kommen aber nicht nur die bewusst geplanten Eigenschaften der Modelle zur Wirkung, sondern auch solche, von denen man keine Kenntnis hat oder sogar solche, die man bewusst auszuschließen versucht. Neben dem Konzept der Repräsentation von Objekten oder Vorgängen gibt es eine unübersehbare Menge an Unbestimmtheiten, überraschenden Rollentausch und ineinander verflochtene Wechselwirkungen. Eigenschaften eines Modells Unter einem Modell versteht man ein künstlich geschaffenes Objekt, das wesentliche Merkmale, Beziehungen (Struktur) und Funktionen eines zu untersuchenden Objekts (Originals) in vereinfachter Form wiedergibt, nachbildet und damit den Prozess der Informationsgewinnung über dieses Objekt erleichtert. Zwischen Original, Modell und Modellsubjekt (der Person, die das Modell entwickelt oder verwendet) bestehen drei charakteristische Relationen. Zwischen Original und Modell müssen Analogien existieren, und zwar insofern, als beide in bestimmten

Characteristics of a Model A model is an artificially created object that replicates, recreating in a simplified form, essential characteristics, relationships (structures) and functions of an object (the original) for the purpose of examination, and thus facilitates the process of collecting information about the object. Between the original, the model, and the model’s subject (the individual who develops or uses the model), we can define three characteristic interactions. There must be analogies between the original and the model insofar as both are similar to each other in certain structural or functional characteristics. The advantage of a model as compared to the original generally results from the simplifications achieved in model formation: A model is a reduction (abstraction) of the original. In addition to this characteristic of reduction – models always recreate only certain aspects of the original’s features – a model usually also has characteristics that do not correspond to any in the original. For any given original (object or phenomenon to be examined), there is not just a single possible model, but a multiplicity of models that allow for the examination and description of partial aspects of the original object or phenomenon to a greater or a lesser extent. Specific individuals use models for specific uses and purposes. The person developing the model “stores” information about the original in the model, and the person using the model obtains information about the original from the model. Crash Tests In the development of new cars, crash tests in which actual cars collide with obstacles are a significant cost factor. Modelling the new vehicle and simulating crashes by means of special computer programmes significantly reduces costs. The insight gained enables us to improve the safety of these vehicles. By replacing the original with a model, we aim to get information that we would not be able to get from the original, or only with great difficulty.

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Merkmalen strukturell und/oder funktional ähnlich sind. Die Vorteile des Modells gegenüber dem Original resultieren im Allgemeinen aus den bei der Modellbildung getroffenen Vereinfachungen: Das Modell ist eine Reduktion (Abstraktion) des Originals. Neben diesem Reduktionsmerkmal – Modelle erfassen immer nur einen Teil aller Eigenschaften des Originals – besitzt ein Modell meist auch Eigenschaften, für die es beim Original keine Entsprechung gibt. Für ein Original (ein zu untersuchendes Objekt oder Phänomen) gibt es nicht nur ein einziges Modell, sondern eine Vielfalt von Modellen, die eine Untersuchung und Beschreibung von Teilaspekten des ursprünglichen Objekts oder Phänomens mehr oder weniger gut gestatten. Modelle werden immer von bestimmten Personen zielgerichtet für bestimmte Zwecke verwendet. Die Person, die das Modell entwickelt, „speichert“ im Modell Information über das Original und die Person, die das Modell verwendet, bezieht vom Modell Information über das Original. Crash-Tests Bei der Entwicklung neuer Automobile sind Crash-Tests, im Zuge derer man Automobile gegen Hindernisse prallen lässt, ein signifikanter Kostenfaktor. Durch Modellierung des neuen Fahrzeugs und Simulation von Crashs mit Hilfe spezieller Computerprogramme können diese Kosten erheblich gesenkt werden. Durch den verbesserten Erkenntnisstand lässt sich die Sicherheit der Fahrzeuge erhöhen. Das Original kann durch ein Modell ersetzt werden mit dem Ziel, Information zu gewinnen, die am Original nicht oder nur schwer zugänglich ist. Erdbeben-Simulation Beim erdbebensicheren Bauen geht es darum, Bauwerke so zu errichten, dass sie Erdbeben bis zu einer gewissen Stärke überstehen. Die Vorhersage des Verhaltens von Gebäuden bei starken Erdstößen ist nur mit Hilfe von Modellen möglich. Das können entweder reale, in einem

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Earthquake Simulation Earthquake-resistant construction is about building in such a way that buildings can withstand earthquakes up to a defined magnitude. Predicting the behaviour of buildings under strong seismic shock is only possible with the use of models. These may be either real models on a smaller scale, or models created by applicable computer software. Models can also serve communication or didactics purposes when used for gaining or communicating insights. Mapping Visual models may be used to illustrate data. Any map, for instance, is a visual model representing geodesic data. In medical data processing and brain research, for example, the computed results of the computer tomography scanner (i.e. the results of the numerical inversion of the Radon transformation) are rendered as images. Autopilot Sometimes, a model can take over the function of the original system. For example, based upon models of flight dynamics, engine response, etc., an autopilot, a real-time computer system with special programmes, can take charge of steering an airplane according to predefined parameters (course, cruising altitude, etc.). Usually, the model user transfers the insights and information drawn from the model to the original in a read-across approach. The model user thus gathers information about the original from the model in order to be able to approach the original accordingly. It is evident that studies using models (simulations, etc.) cannot replace empirical experimentation. Any proposition about the original’s characteristics inferred from the model must be tested for their relevance to the original field.

verkleinerten Maßstab gebaute Modelle oder Modelle in Form von entsprechender Computersoftware sein. Modelle können auch eine kommunikative oder didaktische Funktion übernehmen, wenn sie zur Erkenntnisgewinnung oder Erkenntnisvermittlung verwendet werden. Kartierung Graphische Modelle können zur Veranschaulichung von Datenmaterial verwendet werden. So ist z. B. jede Landkarte ein graphisches Modell, in dem geodätische Daten dargestellt werden. In der medizinischen Datenverarbeitung oder in der Gehirnforschung werden die Rechen­ ergebnisse von Computer-Tomographen (d.  h. die Ergebnisse der numerischen Inversion der Radon-Transformation) bildhaft wiedergegeben. Autopilot Modelle können zeitweilig die Funktion originaler Systeme übernehmen. Der Autopilot, ein Computer-Echtzeitsystem mit speziellen Programmen, übernimmt – auf der Basis von Modellen für Flugdynamik, Triebwerksverhalten etc. – die Steuerung eines Flugzeugs nach vorgegebenen Parametern (Kurs, Flughöhe etc.). Die am Modell gewonnenen Erkenntnisse und Informationen werden gewöhnlich vom Modellanwender im Analogieschluss auf das Original übertragen. Der Modell­anwender entnimmt also dem Modell Information über das Original, um sich gegenüber dem Original angemessen verhalten zu können. Es darf dabei nicht übersehen werden, dass Untersuchungen an Modellen (Simulationen etc.) empirische Experimente nicht ersetzen können. Jede aus dem Modell erschlossene Aussage über die Eigenschaften des Originals muss auf ihre Signifikanz im Originalbereich geprüft werden. Wettervorhersage Die auf Grund von gemessenen meteorologischen Daten mit Hilfe mathematischer Modelle der Erdatmosphäre er-

Weather Forecast Weather forecasts derived from measurements of meteorological data by using mathematical models of the earth’s atmosphere allow for relatively precise weather dynamic estimates over the next few days. However, the real weather may differ considerably from the prognosis, i.e. the model prediction. Choice of Models In choosing a model, adequacy and simplicity are the two main criteria of choice: The model needs to provide a sufficiently precise qualitative and quantitative description of the modelled object or phenomenon. Between two otherwise equivalent models, we should give preference to the one operating with fewer assumptions and fewer resources. William Occam formulated this minimalist principle as early as the Middle Ages, and in English literature, it is often ironically referred to as “Occam’s razor”. The History of Models Although models have a long tradition in the history of science, technology, and arts such as architecture, we are only first starting to grasp the first rudiments of the impact of models on our thinking and acting. Models contribute to expanding the space of our imaginations: A scaled-down world helps us explore the big world out there. Theoretical models help us understand connections, architectural models make the building plan tangible – and models in art are increasingly becoming an independent art form. Historical examples lend themselves to studying the importance of models as connecting links between the fields of art, science, and technology. Gardens as Models Gardens have always been regarded as models, for instance as images or sketches of “Paradise” or “the World”. In many cultures, there are concepts of paradise as a garden: the biblical Garden of Eden, the Garden of Greek philosopher Epicurus, monastery gardens with

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stellten Wetterprognosen ermöglichen eine relativ genaue Einschätzung der Wetterentwicklung in den kommenden Tagen. Das tatsächliche Wetter kann aber von der Prognose – der Modellaussage – beträchtlich abweichen.

self-contained worlds, French Baroque gardens, and our contemporary ideal of a garden paradise in which the alienation of modern culture and technology will at last be overcome.

Modellauswahl Bei der Auswahl des Modelltyps sind Adäquatheit und Einfachheit die zwei wichtigsten Auswahlkriterien: Vom Modell ist eine für den geplanten Verwendungszweck hinreichend genaue qualitative und quantitative Beschreibung des zu modellierenden Objekts oder Phänomens zu fordern. Bei zwei sonst gleichwertigen Modellen ist jenes vorzuziehen, das mit weniger Annahmen und geringeren Mitteln auskommt. Dieses Minimalitätsprinzip wurde bereits im Mittelalter von William Occam formuliert und wird in der englischsprachigen Literatur oft ironisch als „Occam’s razor“ bezeichnet.

Architectural Models Even in antiquity, wax models of buildings, such as churches, were made before starting construction. Architectural drawings were finally introduced in the Gothic period. Until then, the personal presence of the master builders, who had the “plan in their head”, was indispensible. This kind of mental map is an example of what are called mental models.

Modellgeschichte Obwohl Modelle in der Geschichte von Wissenschaft, Technik und den Künsten, wie etwa in der Architektur, eine uralte Tradition besitzen, werden die Auswirkungen der Modelle auf das Denken und Handeln erst in Ansätzen verstanden. Modelle tragen zur Erweiterung von Vorstellungsräumen bei: Die verkleinerte Welt hilft uns, die große zu erkunden. Theoretische Modelle helfen uns, Zusammenhänge zu erkennen, Architekturmodelle machen den Bauplan konkret – und Modelle in der Kunst werden immer mehr zu eigenständigen Formen der Kunst. Die Bedeutung von Modellen als Bindeglieder zwischen den Bereichen Kunst, Wissenschaft und Technik lässt sich gut anhand von Beispielen aus der Geschichte studieren. Gärten als Modelle Seit Urzeiten werden Gärten als Modelle betrachtet, beispielsweise als Abbilder oder Entwürfe des „Paradieses“ oder der „Welt“. Vorstellungen vom Paradies als Garten gibt es in vielen Kulturen: vom Garten Eden der Bibel, dem Garten des griechischen Philosophen Epikur, den Klostergärten mit ihrer in sich geschlossenen Welt, den

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Working with Models Some of the key characteristics of models are clarity, malleability, and improvability. No one has ever said this better than Italian uomo universale Leon Battista Alberti (1404–1472), who was the first to try and develop a scientific foundation of art and architecture. In his works De Pictura and De re aedificatoria, he emphasises the importance of working with models: “[…] it will be possible to increase or decrease the size of those elements freely, to exchange them, and to make new proposals and alterations until everything fits together well and meets with approval.”1 Artists, Scientists, and Engineers as Model Builders Leonardo da Vinci (1452–1519) and Michelangelo (1475–1564) built and used all kinds of models, not just of buildings and sculptures, but also of all kinds of technical devices. Starting in his early childhood, Galileo Galilei (1564–1642) produced instruments and machines he invented himself or reproduced from existing designs. In one experiment, he rolled balls down a wooden beam with a groove. Depending on the angle of the inclined plane, the accelerating force acting on the ball increases or decreases. From the measured time of descent, Galilei was able to calculate gravitational acceleration. As a young man, Isaac Newton (1643–1727) spent a considerable amount of time building mechanical mod-

französischen Gärten des Barock bis hin zu den heutigen Vorstellungen eines Paradiesgartens, in dem die durch neuzeitliche Kultur und Technik ausgelöste Entfremdung überwunden ist. Architekturmodelle Bereits im Altertum wurden Wachsmodelle von Gebäuden, z. B. von Kirchen, vor dem Bau angefertigt. Erst seit der Gotik werden Architekturzeichnungen verwendet. Bis dahin war die persönliche Präsenz der Baumeister, die den „Plan im Kopf“ hatten, unverzichtbar. Diese Art von gedachten Plänen sind Beispiele von so genannten mentalen Modellen. Arbeiten mit Modellen Zu den wichtigsten Modelleigenschaften zählen Anschaulichkeit, Manipulierbarkeit und Verbesserungsfähigkeit. Keiner hat das schöner ausgedrückt als der italienische uomo universale Leon Battista Alberti (1404– 1472), der als Erster den Versuch gemacht hat, Kunst und Architektur auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen. In seinen Schriften De Pictura und De re aedifica­ toria misst er der Arbeit mit Modellen große Bedeutung zu: „Hier kann man ungestraft vergrößern, verkleinern, ändern, erneuern und gänzlich umgestalten, bis alles ordentlich zusammenstimmt und Beifall findet.“1 Künstler, Wissenschaftler und Techniker als ­Modellbauer Leonardo da Vinci (1452–1519) und Michelangelo (1475–1564) bauten und verwendeten alle Arten von Modellen, nicht nur für Bauwerke und Skulpturen, sondern auch für technische Geräte verschiedenster Art. Galileo Galilei (1564–1642) hat seit seiner Kindheit Instrumente und Maschinen hergestellt, die er selbst entwarf oder schon vorhandenen nachbildete. So ließ er z. B. Kugeln auf einem Holzbalken, in den er eine Rinne eingelassen hatte, hinunterrollen. Je nach Winkel der schiefen Ebene wirkte eine unterschiedlich große, beschleunigende Kraft auf die Kugel. Aus der gemessenen Zeit konnte er die Erdbeschleunigung rechnerisch bestimmen.

els and experimenting with them. One hundred years later, young James Watt (1736–1819) experimented with his father’s nautical instruments, trying to make them run like clockwork. Another 100 years on, James Clerk Maxwell (1831–1879) tinkered with mechanical models as a boy. The choice of personalities in this section reflects the fact that women were largely excluded from science from early modern times into the late 19th century. Mechanisation of the World View The so-called “mechanisation of the world view” started in the early 17th century, representing the transition from ancient to modern natural science. One decisive factor in this was the description of nature by means of mathematical models. This mathematisation of natural science reached its climax in 20th-century physics. Models of Human Beings Models of human beings have been made time and again, as well. Since the early 14th century, anatomical wax models have been made to illustrate blood vessels. Leonardo da Vinci (1452–1519) used this method to show the structure of the brain. Emperor Joseph II (1741–1790) had a great number of anatomical and gynaecological models made in Florence. These wax models – more than 1,000 – served as demonstration material for teaching at the Josephinum, a medical and surgical academy for the training of doctors. These aesthetically appealing models are highly important from an artistic as well as a scientific point of view; they can be viewed in a permanent exhibition today. Models of Mental Phenomena Models were not only developed for the human body, but also for the human soul. Carl Gustav Carus (1789– 1869), a medical doctor, introduced the concept of the unconscious into the terminology of psychology by outlining a model of the soul based on the construct of the “state of being unconscious”.2 In his early Project

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Isaac Newton (1643–1727) verbrachte als Jugendli­ cher sehr viel Zeit mit dem Bau mechanischer Modelle und dem Experimentieren damit. 100 Jahre später ex­ perimentierte James Watt (1736–1819) als Jugendlicher mit den nautischen Geräten seines Vaters und versuch­ te, sie wie ein Uhrwerk zum Laufen zu bringen. Weitere 100 Jahre später bastelte der junge James Clerk Maxwell (1831–1879) mechanische Modelle. Die Auswahl der Personen dieses Abschnitts reflek­ tiert die Tatsache, dass Frauen von der frühen Neuzeit bis zum späten 19. Jahrhundert weitgehend aus der Wis­ senschaft ausgeschlossen waren.  Mechanisierung des Weltbildes Ab dem Beginn des 17. Jahrhunderts beginnt die so genannte „Mechanisierung des Weltbildes“, der Über­ gang von der antiken zur modernen Naturwissenschaft. Wesentlicher Faktor ist dabei die Naturbeschreibung mit Hilfe mathematischer Modelle. Diese Mathematisierung der Naturwissenschaften findet dann in der Physik des 20. Jahrhunderts einen Höhepunkt. Modelle vom Menschen Auch Menschen wurden immer wieder modelliert. Seit dem frühen 14. Jahrhundert wurden anatomische Wachsmodelle zur Darstellung der Blutgefäße angefer­ tigt. Leonardo da Vinci (1452–1519) machte auf diese Weise die Strukturen des Gehirns sichtbar. Kaiser Joseph II. (1741–1790) ließ eine große Anzahl anatomischer und gynäkologischer Wachsmodelle in Florenz herstellen. Die mehr als 1000 Wachspräparate dienten als Anschauungsmaterial für den Unterricht am Josephinum, der medizinisch-chirurgischen Josephs-Aka­ demie zur Ausbildung von Ärzten. Diese hoch-äs­ thetischen Modelle, die heute in einer permanenten Ausstellung zu besichtigen sind, sind sowohl von wissen­ schaftlicher als auch von künstlerischer Bedeutung. Modelle psychischer Phänomene Nicht nur für den menschlichen Körper wurden Model­ le entwickelt, sondern auch für die menschliche Seele.

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for a Scientific Psychology, Sigmund Freud (1856–1939) used a hydraulic model to describe the mental dynam­ ics of instincts.3 He assumed that in an organism, there are no forces besides physics and chemistry, and that an analysis of the manifestations of life can be reduced to nothing more than movement and matter. Konrad Lorenz (1903–1989) also based his theory of instincts on a hydraulic model. Towards the end of the 19th century, Ivan Petrovich Pavlov (1849–1936) developed important basic princi­ ples of behavioural research and behavioural learning theory based on his models developed in animal ex­ periments. He discovered the origins of nervous system dysfunctions, and was thus able to experimentally create neuroses in dogs, and to cure them again. From this, he drew conclusions to explain the mechanisms of a num­ ber of mental illnesses and their cures. Mathematical Equations as Models Scottish physicist James Clerk Maxwell (1831–1879) made fundamental contributions to basic models of na­ ture. He confirmed the hypothesis of the identity of elec­ tricity and magnetism, which had been around since the early 19th century, with a mathematical model in the form of equations, named after him. These allowed him to de­ scribe the behaviour of electrical and magnetic fields, as well as their interaction with matter. Model Formation as a Process Ernst Mach (1838–1916), an Austrian physicist, philos­ opher, and scientific theorist, regarded the natural sci­ ences as a gradual process: Once the important facts of a natural science have been determined by observation, this science enters a new stage, the deductive phase. This means that we are then able to reproduce facts in our minds without recourse to observation. For French mathematician and physicist Henri Poin­ caré (1854–1912), the first and foremost source of knowl­ edge was experimentation and generalisation. However, “every generalisation is a hypothesis”, and “it should always be submitted to verification as soon as possible.

Der Arzt Carl Gustav Carus (1789–1869) führte den Be­ griff des Unbewussten in die psychologische Fachspra­ che ein, indem er ein Seelenmodell skizzierte, dem er das Konstrukt des „Unbewusstseins“ zugrunde legte.2 Sigmund Freud (1856–1939) verwendete in seinem frü­ hen Entwurf einer Psychologie ein hydraulisches Modell für eine Beschreibung der psychischen Triebdynamik.3 Er ging davon aus, dass im Organismus keine anderen Kräfte wirksam sind, als physikalisch-chemische und eine Analyse der Lebenserscheinungen auf nichts als Bewe­ gung und Materie zurückgeführt werden kann. Auch Konrad Lorenz (1903–1989) begründete seine Instinkt­ theorie auf einem hydraulischen Modell. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erarbeitete Iwan Petrowitsch Pawlow (1849–1936) anhand seiner in Tierex­ perimenten entwickelten Modellvorstellungen wichtige Grundlagen für die Verhaltensforschung und die beha­ vioristischen Lerntheorien. Er entdeckte, wie Störungen im Nervensystem entstehen, und konnte so bei Hunden experimentell Neurosen erzeugen und wieder heilen. Daraus zog er Schlüsse zur Erklärung des Mechanismus einer Reihe psychischer Erkrankungen und ihrer Heilung.

It goes without saying that, if it cannot stand testing, it must be abandoned without hesitation.”4 According to Poincaré, this moment is the window of opportunity for discovery and new insight. Digital Model Formation and Simulation Since roughly 1960, all traditional methods of model building in the fields of architecture, vehicle construc­ tion, in the development of electrical circuits, etc., have been replaced by digital simulation and modelling. Current computer-aided design (CAD) is based on com­ plex expert systems for the design and construction of technical solutions. CAD is used in all but a few fields of technology: architecture, civil engineering, mechanical engineering, electrical engineering, and all their branch­ es and combinations. Cabinets of Wonder

Mathematische Gleichungen als Modelle Der schottische Physiker James Clerk Maxwell (1831– 1879) lieferte fundamentale Beiträge zu grundlegenden Naturmodellen. Er untermauerte die seit Beginn des 19. Jahrhunderts verbreitete Hypothese der Identität von Elektrizität und Magnetismus durch ein mathematisches Modell in Gestalt der nach ihm benannten Gleichungen. Damit konnte er das Verhalten von elektrischen wie auch magnetischen Feldern beschreiben, ebenso auch deren Wechselwirkung mit Materie.

In their time, Cabinets of Wonder were models of the world and precursors of our museums. Their content re­ flected the worldview of the 16th century: a fruit stone finely chiselled by an artist was considered a wonder equal to an exotic animal with an armoured body. The strange, the scurrilous, crafted treasures, and works of art were collected in the Cabinets of Wonder of Renais­ sance princes and sovereigns in seemingly haphazard treasure chambers. These Cabinets of Wonder repre­ sented a kind of microcosm of the world and symbol­ ised their owner’s power and mastery of the world. In addition to the Cabinets of Wonder of ruling houses and aristocrats, scientists of the time also established such collections.

Modellbildung als Prozess Der österreichische Physiker, Philosoph und Wissen­ schaftstheoretiker Ernst Mach (1838–1916) sah in den Naturwissenschaften einen stufenartigen Prozess: Sind einmal die wichtigen Tatsachen einer Naturwissenschaft durch Beobachtung festgestellt, so beginnt für diese Wissenschaft eine neue Periode, die deduktive. Es ge­

The Vienna Art History Museum The Cabinet of Art and Wonder at the Kunsthistorisches Museum (KHM) in Vienna is the most important collec­ tion of its kind worldwide. It goes back to earlier col­ lections of the Habsburgs. Thanks to the efforts of Di­ rector General Sabine Haag, it reopened to the public in March 2013, in a grand new layout. On an area of

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lingt dann, die Tatsachen in Gedanken nachzubilden, ohne Beobachtungen zu Hilfe zu rufen. Für den französischen Mathematiker und Physiker Henri Poincaré (1854–1912) waren zunächst die einzige Erkenntnisquelle das Experiment und die Verallgemeine­ rung. Aber „jede Verallgemeinerung ist eine Hypothe­ se“, und sie „muss immer sobald wie möglich und so oft wie möglich der Verifikation unterworfen werden; es ist selbstverständlich, dass man sie ohne Hintergedan­ ken aufgeben muss, sobald sie diese Prüfung nicht be­ steht“.4 Und genau darin liegt, nach Poincaré, eine Gele­ genheit für neue Entdeckungen und neue Erkenntnisse. Modellbildung und Simulation am Computer Seit etwa 1960 werden die klassischen Methoden des Modellbaus im Bereich der Architektur, des Fahrzeug­ baus, der Entwicklung elektrischer Schaltkreise, etc. durch Simulation und Modellierung am Computer er­ setzt. Computer Aided Design (CAD) beruht heute auf komplexen Expertensystemen für den Entwurf und die Konstruktion technischer Lösungen. CAD wird in fast allen Zweigen der Technik verwendet: Architektur, Bauingenieurwesen, Maschinenbau, Elektrotechnik und all deren Fachrichtungen und Kombinationen. Wunderkammern Wunderkammern waren Weltmodelle ihrer Zeit und Vorläu­ fer der heutigen Museen. Ihr Inhalt spiegelte das Weltver­ ständnis des 16. Jahrhunderts wider: Ein von Künstlern fein beschnitzter Obstkern galt als ebensolches Wunder wie ein exotisches Tier, das um seinen Körper einen Panzer trug. Fremdes, Skurriles, kunsthandwerkliche Kostbarkeiten und auch Werke der Kunst wurden in den Wunderkammern der Fürsten und Herrscher der Renaissancezeit in scheinbar ungeordneten Schatzkammern gesammelt. Diese Wunder­ kammern waren eine Art Mikrokosmos der Welt und sym­ bolisierten die Macht und die Beherrschung der Welt durch deren Besitzer. Neben Wunderkammern der Herrscherhäu­ ser und der Aristokraten gab es auch solche, die von Wis­ senschaftlern der damaligen Zeit angelegt wurden. 

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roughly 2,700 square meters, more than 2,200 objects are exhibited across 20 thematic rooms. Some of the most important exhibits are the Saliera by Benvenuto Cellini, sculptures like the Krumau Madonna, bronze fig­ urines, ivory work, and stone vessels, but also clocks, mechanical automats and, last but not least, scientific instruments. Modern Cabinets of Wonder There are several reasons for the Cabinets of Wonder to attract interest again today: their playful attitude, their juxtaposition of opposites, their supposed chaos, their encyclopaedic moment, their exuberant abundance, their anti-specialisation; but also the charm of the exotic and the fascination with stage-like and dramatic quali­ ties. What, in the beginnings, had only been subject to the order imposed by a princely benefactor or his serv­ ants, came to be subjected to a species-specific order and analysis in the Enlightenment. Today, however, in a world of unlimited secrets available online, the ob­ server is meant to once again learn to marvel – just like the newly discovered target group of children. Howev­ er, before we can marvel, don’t we have to learn how to see again, to be observers instead of mere visitors at an exhibition? Cabinets of Wonder provide the ide­ al school of seeing, can seduce us into marvelling and looking. In our current time, art, science, and technology are showing a tendency to examine aspects of social context, e.g. when we want to reflect on the condi­ tions and implications of the production of science, technology, or art. A world marked by increased sci­ entification forces art to engage with science, and its own status problems lead science to engage with art, at least in some cases. Rapprochement and co­ operation become apparent mainly in the increase of joint problem statements, which lately have also led to inter- and transdisciplinary projects between dif­ ferent scientific and technical disciplines and art, for instance regarding environmental issues or questions

Kunsthistorisches Museum in Wien Die Kunst- und Wunderkammer im Kunsthistorischen Museum (KHM) in Wien ist die weltweit bedeutendste Sammlung dieser Art. Sie geht auf die früheren Samm­ lungen der Habsburger zurück. Dank der Bemühungen der Generaldirektorin Sabine Haag ist sie in einer groß­ artig gestalteten, neuen Form seit März 2013 wieder all­ gemein zugänglich. Auf einer Fläche von rund 2700 m² sind mehr als 2200 Objekte zu sehen, welche in 20 The­ menräumen präsentiert werden. Zu den  bedeutenden Exponaten zählen Goldschmiedearbeiten wie die Saliera von Benvenuto Cellini, Skulpturen wie die Krumauer Madonna, Bronzefiguren, Elfenbeinarbeiten und Steingefä­ ße, aber auch Uhren, mechanische Automaten und nicht zuletzt wissenschaftliche Instrumente. Moderne Wunderkammern Es sind verschiedene Gründe, die das Thema der Wun­ derkammer heute wieder attraktiv erscheinen lassen: das Spielerische, das Nebeneinander von Gegensätzlichem, das vermeintliche Chaos, das enzyklopädische Moment, die überbordende Fülle, die Anti-Spezialisierung, aber auch der Reiz des Exotischen und die Faszination durch das Bühnen- und Theaterhafte. Was in den Anfängen der Wunderkammer nur der Ordnung des fürstlichen Stifters oder seiner Angestell­ ten unterlag, wurde seit der Aufklärung einer gattungs­ spezifischen Ordnung und Analyse unterworfen. Heute jedoch, in einer Welt mit grenzenlos online verfügbaren Geheimnissen, soll der Betrachter wieder lernen zu stau­ nen – so wie die neu entdeckte Zielgruppe der Kinder. Aber müssen wir nicht, bevor wir staunen können, zu­ nächst einmal das Sehen wieder erlernen, um in einer Ausstellung Betrachter und nicht bloß Besucher zu sein? Wunderkammern bieten sich als ideale Sehschule an, sie können zu Staunen und Anschauung verführen. Gegenwärtig sind in Kunst, Wissenschaft und Technik Tendenzen zu beobachten, Aspekte des gesellschaftli­ chen Kontextes zu untersuchen, wenn etwa Bedingun­ gen und Folgen von Wissenschafts-, Technik- und Kunst­ produktion reflektiert werden. Die verwissenschaftlichte

about the future direction of society. So-called artistic research is starting to establish itself, aiming to gener­ ate knowledge by artistic means. Without a doubt, the internet provides the most im­ pressive model of a contemporary Cabinet of Wonders. Its availability and abundance, its juxtaposition of order and disorder are stunning, and it would never cross any­ body’s mind to try and get an overall picture of it. documenta 2012 In 2012, there was a notable impulse to (re-)approach art and science when experiments of physics were present­ ed at the most important global exhibition of contempo­ rary art, the documenta in Kassel. The Encyclopaedic Palace 2013 At the 2013 Venice Biennale, curator Massimiliano Gioni attempted a visual structuring of the knowledge of hu­ manity in the Encyclopaedic Palace. For him, art is not an end in itself, and he reduced it to what it had once been: a key to understanding the world. Gioni based his show on a search for “other images”, finding them in the world of art amateurs and esotericism. Instead of so-called re­ ality, he looked for the surreal and irrational.5 Vienna Cabinet of Wonders 2014 Spinning on these events – rapprochement of art and science at the documenta 2012, re-opening of the Cab­ inet of Wonders at the KHM, and presentation of the Encyclopaedic Palace at the 2013 Biennale – we had the idea to establish a contemporary Cabinet of Won­ ders in the spirit of the tradition of the TU Wien, com­ bining science, technology, and art under one roof. A call for proposals invited scientists and artists to submit contributions to this modern Cabinet of Wonders. A jury composed of prominent representatives of science, art, and the media – Valie Export, Elisabeth von Samsonow, Renée Schröder, and Martin Bernhofer – chose 35 con­ tributions from 125 submissions to be presented in the exhibition. Christoph Überhuber, a scientist as well as an artist, curated the exhibition.

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Welt zwingt die Kunst zur Auseinandersetzung mit der Wissenschaft, und die Frage nach dem eigenen Status bringt die Wissenschaft mindestens punktuell dazu, sich mit der Kunst auseinanderzusetzen. Annäherung und Kooperation zeigen sich vor allem in der Zunahme von gemeinsamen Problemformulierungen, die in der jüngsten Vergangenheit häufiger zu inter- und transdis­ ziplinären Projekten geführt haben zwischen verschie­ denen Wissenschafts- und Technikdisziplinen und den Künsten, etwa bei ökologischen Themen oder bei Fra­ gen möglicher zukünftiger Gesellschaftsentwicklungen. Institutionell beginnt sich die so genannte künstlerische Forschung zu verankern, die den Anspruch erhebt, mit künstlerischen Mitteln Wissen zu generieren.  Das einprägsamste Modell einer zeitgenössischen Wunderkammer bietet zweifellos das Internet. Seine Verfügbarkeit und Fülle sowie das Nebeneinander von Ordnung und Unordnung sind überwältigend und nie­ mandem käme es mehr in den Sinn, im Internet einen Überblick über das Ganze gewinnen zu wollen. documenta 2012 Einen bemerkenswerten Impuls zur (Wieder-)Annähe­ rung von Kunst und Wissenschaft gab es im Jahr 2012 mit der Präsentation physikalischer Experimente auf der weltweit bedeutendsten Ausstellung im Bereich zeitge­ nössischer bildender Kunst, der documenta in Kassel. Enzyklopädischer Palast 2013 Auf der Biennale 2013 in Venedig machte der Kurator Massimiliano Gioni im „Enzyklopädischen Palast“ den Versuch, das Wissen der Menschheit in visueller Form zu strukturieren. Für ihn war Kunst nicht Selbstzweck, son­ dern wurde zurückgeführt auf das, was sie einmal war: ein Schlüssel zum Verständnis der Welt.  Als Grundlage seiner Schau machte sich Gioni auf die Suche nach den „anderen Bildern“ und fand sie in der Welt der Kunstlai­ en und Esoteriker. Statt der so genannten Realität suchte er gerade das Surreale und Irrationale.5

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In the first week of April 2014, the Vienna Cabinet of Wonders 2014 presented an ensemble of artistic, scien­ tific, and technical “wondrous things” to more than 1,200 visitors. Their aesthetic and material presence evoked just that moment of curiosity that perception theory re­ gards as the precondition for research and knowledge.

Vienna Cabinet of Wonders 2015 On the occasion of the TU Wien’s bicentennial, there will be another Cabinet of Wonders exhibition from 5–11 November 2015, dedicated to the encountering of art, science, and technology. Just like the 2015 Venice Bien­ nale, titled All the World’s Futures, we now look ahead into the future: the Vienna Cabinet of Wonder 2015’s motto is “WHAT’S NEXT”?

Further Reading Contiguities between art, science, and technology are addressed by Andreas Mayer, Alexandre Métraux (eds.), Kunstmaschinen – Spielräume des Sehens zwischen Wis­ senschaft und Ästhetik, Frankfurt am Main, 2005; ­Dieter Mersch, Michaela Ott (eds.), Kunst und Wissenschaft, Munich, 2007; Elke Bippus (ed.), Kunst des Forschens, Zürich – Berlin, 2009; Corina Caduff, Fiona Siegenthaler, Tan Wälchli (eds.), Kunst und künstlerische Forschung, Zürich, 2010, and Doris Ingrisch, Wissenschaft, Kunst und Gender, Bielefeld, 2012. On the subject of models and the history of models, cf. e.g. Henri Poincaré, Science and Hypothesis, London and Newcastle, 1905; Eduard Jan Dijksterhuis, The Mech­ anization of the World Picture, reprint of the 1961 edi­ tion, Princeton, MA, 1986; Reinhard Wendler, Das Modell zwischen Kunst und Wissenschaft, Munich, 2013; Roland Müller, Modellgeschichte ist Kulturgeschichte – Eine Chronik von Modellgebrauch und Modellbegriff: http:// www.muellerscience.com/MODELL/Begriffsgeschichte/ ModellgeschichteistKulturgeschichte.htm (last accessed 7 July 2015).

Wiener Wunderkammer 2014 Aus einer gedanklichen Fortsetzung dieser Ereignisse – Annäherung von Kunst und Wissenschaft bei der do­ cumenta 2012, Wiedereröffnung der Wunderkammer im KHM in Wien und Präsentation des „Enzyklopädischen Palasts“ auf der Biennale 2013 – ergab sich der Wunsch nach einer zeitgemäßen Wunderkammer im Geist der Tradition der Technischen Universität Wien, die Wissen­ schaft, Technik und Kunst unter einem Dach vereinigt. Im Rahmen einer Ausschreibung wurden Wissenschaft­ ler und Künstler eingeladen, Beiträge für eine moderne Wunderkammer zu liefern. Eine prominent besetzte Jury mit Mitgliedern aus Wissenschaft, Kunst und  Medien – Valie Export, Elisabeth von Samsonow, Renée Schröder, Martin Bernhofer – wählte aus 125 eingelangten Einrei­ chungen jene 35 Beiträge aus, die in der Ausstellung präsentiert  wurden. Kurator der Ausstellung war Chris­ toph Überhuber, der sowohl Wissenschaftler als auch Künstler ist. Die „Wiener Wunderkammer 2014“ zeigte in der ers­ ten Aprilwoche 2014 ein Ensemble aus künstlerischen, wissenschaftlichen und technischen „Wunderdingen“, die mit ihrer ästhetischen wie materiellen Präsenz bei mehr als 1200 interessierten Besuchern jenen Moment der Neugierde wachriefen, den die Wahrnehmungstheo­ rie als Voraussetzung für Forschen und Erkenntnis sieht.

On the subject of old and new Cabinets of Wonder: Julius von Schlosser, Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance: ein Beitrag zur Geschichte des Sammel­ wesens, Leipzig 1908; Friedrich Klemm, Geschichte der naturwissenschaftlichen und technischen Museen, Mu­ nich 1973; Gabriele Beßler, Wunderkammern – Weltmo­ delle von der Renaissance bis zur Kunst der Gegenwart, Berlin, 2012 (2nd edition); Christoph Überhuber: Wie­ ner Wunderkammer 2015, http://www.wunderkammer 2015.at/ (last accessed 7 July 2015). On the subject of old and new Cabinets of Wonder: Julius von Schlosser, Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance: ein Beitrag zur Geschichte des Sam­ melwesens, Leipzig 1908; Friedrich Klemm, Geschichte der naturwissenschaftlichen und technischen Museen, Munich 1973; Gabriele Beßler, Wunderkammern – Welt­ modelle von der Renaissance bis zur Kunst der Gegen­ wart, Berlin, 2012 (2nd edition); Christoph Überhuber: Wiener Wunderkammer 2015, http://www.wunderkam­ mer2015.at/ (last accessed 7 July 2015).

„Wiener Wunderkammer 2015“ Anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der Gründung der Technischen Universität Wien gibt es vom 5. bis zum 11. November 2015 wieder eine Wunderkammer-Ausstel­ lung, die der Begegnung von Kunst, Wissenschaft und Technik gewidmet ist. Wie auch bei der Biennale in Ve­ nedig 2015, die den Titel All the World‘s Futures trägt, steht diesmal der  Blick in die Zukunft:  Das Motto der „Wiener Wunderkammer 2015“ lautet WHAT’S NEXT? Weiterführende Literatur Zusammenhänge zwischen Kunst, Wissenschaft und Technik werden behandelt von Andreas Mayer, A ­ lexandre

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Métraux (Hrsg.), Kunstmaschinen – Spielräume des Sehens zwischen Wissenschaft und Ästhetik, Frankfurt am Main 2005; Dieter Mersch, Michaela Ott (Hrsg.), Kunst und Wissenschaft, München 2007; Elke Bippus (Hg.), Kunst des Forschens, Zürich – Berlin 2009; Corina Caduff, Fiona Siegenthaler, Tan Wälchli (Hrsg.), Kunst und künstlerische Forschung, Zürich 2010, sowie Doris Ingrisch, Wissenschaft, Kunst und Gender, Bielefeld 2012. Zur Thematik „Modelle und Modellgeschichte“ vergleiche u. a. Henri Poincaré, Wissenschaft und Hypothese, Berlin 1928; Eduard Jan Dijksterhuis, Die Mechanisierung des Weltbildes, Reprint der Ausgabe 1956, Berlin/ Heidelberg/New York 1983; Reinhard Wendler, Das Modell zwischen Kunst und Wissenschaft, München 2013; Roland Müller, „Modellgeschichte ist Kulturgeschichte – Eine Chronik von Modellgebrauch und Modellbegriff“: http://www.muellerscience.com/MODELL/Begriffsgeschichte/ModellgeschichteistKulturgeschichte.htm (07.07. 2015). Zum Thema „Alte und neue Wunderkammern“: Julius von Schlosser, Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance: ein Beitrag zur Geschichte des Sammelwesens, Leipzig 1908; Friedrich Klemm, Geschichte der naturwissenschaftlichen und technischen Museen, München 1973; Gabriele Beßler, Wunderkammern – Weltmodelle von der Renaissance bis zur Kunst der Gegenwart, Berlin 2012 (2. Aufl.); Christoph Überhuber, „Wiener Wunderkammer“ 2015, http://www.wunderkammer2015.at/ (07. 07. 2015).

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Anmerkungen/Notes 1  Roland Müller, Innovatives Lernen am Modell, in ders., Innovation gewinnt. Kulturgeschichte und Erfolgsrezepte, Zürich 1997, 127–137. 2  Carl Gustav Carus, Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele, Pforzheim 1846. 3  Sigmund Freud, Entwurf einer Psychologie, in: Gesammelte Werke, Nachtragsband, Frankfurt/M. 1987, 375–486. 4  Henri Poincaré, Wissenschaft und Hypothese, Berlin 1928, 122. 5  Vgl. Stefan Heidenreich, Anders ist möglich, in: Freitag online, 07. 06. 2013, https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/andersist-moeglich (20. 02. 2015).

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Reinhard Winkler

DREI VERSUCHE, EINE KULTURELL BEDEUTENDE UNIVERSITÄT ZU WERDEN THREE ATTEMPTS TO BECOME A CULTURALLY SIGNIFICANT UNIVERSITY Eine Art Einleitung, aus der alleine allerdings noch wenig hervorgeht

A Sort of Introduction, From Which Alone, However, Nothing Develops

Geht es darum, das Überragende der eigenen kulturellen Bedeutsamkeit durch konkrete Anknüpfungspunkte zu belegen, so steht eine technische Universität vor einer anspruchsvollen Herausforderung. Denn geisteswissenschaftliche Koryphäen, Malerfürsten, Großschriftsteller und Komponistengenies widmen ihre karge Freizeit in den allermeisten Fällen anderen Aufgaben als der Eroberung oder gar Ausübung einer Professur in einem technischen Fach. Deshalb beziehen sich in einschlägigen Würdigungen Formulierungen wie „Er“ oder gar „Sie wirkte an unserer Universität …“ nur selten auf Persönlichkeiten, die nach gängigem Verständnis unter den Begriff der Kulturschaffenden fallen. Doch wollen wir uns nicht vorschnell entmutigen lassen. Vielleicht sind im Bereich der Kultur jene Disziplinen nur noch nicht erfunden, in denen auch die TU Wien1 als strahlende Siegerin hervorgehen und einschlägige Ranglisten anführen kann. Solchen Disziplinen soll nun in drei Versuchen unser Sinnen und Trachten gelten.

In the matter of substantiating its exceptionality and cultural significance with actual references, a technological university is faced with quite a formidable challenge – luminaries in the humanities, master painters, great writers, and genius composers generally devote their meagre spare time to other tasks than achieving the position of professor in a technical subject, and still less to working in this capacity. In pertinent accolades, therefore, formulations such as, “He”, or even, “She worked at our university …” rarely refer to individuals who we would usually designate when speaking of creative artists. But let us not be too quickly discouraged. Might it not be that, in the field of culture, those disciplines have not yet been invented in which the TU Wien1 could emerge victorious and head up at the top of the list. We shall now proceed to envision those disciplines, in three attempts.

Erster Versuch: die TU Wien im hellen Glanze ehemaliger Studenten

The lack of professors of technical subjects amongst great artists and creative workers, mentioned above, does not affect our university as much as might be expected. This can essentially be attributed to the fact that, since its foundation, architecture has had a place amongst the subjects taught at the TU Wien. Its professors include, for instance, Heinrich Freiherr von Ferstel (1828–1883), the architect of the Votive Church and the Palais Ferstel in Vienna. There are also a great number

Dass der eingangs erwähnte Mangel an Technikprofessoren unter den großen Künstlern und Kulturschaffenden unsere Universität nicht mit voller Härte trifft, ist fast ausschließlich dem Umstand zu verdanken, dass an der TU Wien seit ihrer Gründung unter den vertretenen Fächern die Architektur einen festen Platz hat. So fin-

First Attempt: The TU Wien in the Splendour of Former Students

Drei Versuche, eine kulturell bedeutende Universität zu werden  | 29

det man unter den Professoren beispielsweise Heinrich Freiherr von Ferstel (1828–1883), den Architekten der Votivkirche und des Palais Ferstel in Wien. Noch zahlreicher sind ehemalige Studenten mit klingenden Namen wie Clemens Holzmeister (1886–1983), Richard Neutra (1892–1970), A ­ ugust Sicard von Sicardsburg (1813–1868, ab 1835 auch Assistent), Camillo Sitte (1843–1903) und Otto Wagner (1841–1918). Will man sich auch abseits von Architektur nicht mit allzu magerer Beute begnügen, empfiehlt es sich, den suchenden Blick auf eine größere Personengruppe auszuweiten.2 Konzentrieren wir uns auf Kulturschaffende im engeren Sinn, so fällt unter den Absolventen unsere Aufmerksamkeit auf Fritz von Herzmanovsky-Orlando (Abb.  1, Studienabschluss in Architektur 1903). Zwar war er einige Zeit tatsächlich als Architekt tätig, seine Weltberühmtheit in Österreich verdankt er aber weniger seinen architektonischen Schöpfungen3 als seinem schriftstellerischen Werk, das er teilweise auch zeichnerisch illustrierte. Kontrovers bewertet wird die 1957 bis 1963, also erst posthum erschienene Ausgabe durch Friedrich Torberg.4 Einerseits machte erst sie den Autor Herzmanovsky-Orlando bekannt, andererseits nahm sich Torberg diesem gegenüber große Freiheiten heraus. Torberg selbst soll immer wieder betont haben, dass, wann immer drei Sätze von Herzmanovsky-Orlando zitiert werden, mit Sicherheit einer davon von ihm, Torberg, sei.5 Eine vollständige wissenschaftliche Ausgabe des literarischen Werks in zehn Bänden erschien im Zeitraum von 1983 bis 1994,6 eine Ausgabe des grafischen Werks in acht Bänden von 1987 bis 1997.7 Zur Kurzcharakterisierung von Herzmanovsky-Orlandos Schaffen, in dem meist die untergegangene Habsburger Monarchie als historischer Bezugspunkt fungiert, dürfen wir Werner Hofmann zitieren, der in der Einführung zu seinem Buch meint, Herzmanovskys Einfälle bezögen sich „auf jenes merkwürdigste aller europäischen Staatswesen, in dessen Weltreich nicht nur die Sonne, sondern auch das Absonderliche niemals unterging, niemals untergehen durfte, da in ihm die Staatsräson jenen Nährboden besaß, der sie am langweiligen

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of former students with resounding names, such as Cle­ mens Holzmeister (1886–1983), Richard Neutra (1892– 1970), August Sicard von Sicardsburg (1813–1868, also an assistant professor after 1835), Camillo Sitte (1843– 1903), and Otto Wagner (1841–1918). However, if we aim to find some prey beyond architecture, we would be wise to expand our search to a larger circle.2 Focussing on creative artists in a narrower sense, our interest is captured by one graduate in particular, Fritz von Herzmanovsky-Orlando (who graduated in Architecture in 1903, Fig. 1). He did, in fact, work as an architect for a time. His fame in Austria, however, is not so much due to his architectural work3 but to his literary oeuvre, which he sometimes also illustrated with drawings. There is a controversy regarding the merits of the 1957–1963, i.e. posthumous edition of his work by Friedrich Torberg4. Though it did a lot to popularise Herzmanovsky-Orlando as an author, Torberg took many liberties with his work. Torberg himself is said to have emphasised time and again that whenever someone quoted three phrases by Herzmanovsky-Orlando, one could be sure that one of them was by himself, Torberg.5 Between 1983 and 1994, a complete academic edition of his literary oeuvre in ten volumes6 was published, and his graphic oeuvre appeared in eight volumes from 1987–1997.7 For a short characterisation of Herzmanovsky-Orlando’s work, which usually uses the lost Habsburg Monarchy as a historical point of reference, we quote Werner Hofmann, who says in the introduction to his book that Herzmanovsky’s ideas referred to “this most strange of all European states, a world empire in which not only the sun never set, but also the bizarre never ceased, never could cease, as it provided its raison d’état with just that fertile ground that stopped it from mere tedious functioning and saved it from rationalist torpor.”8 One example is the novel The Tragic Demise of a Faithful Court Official from 1928. Its subject is, amongst others, the anniversary of the Emperor’s accession to the throne – a motif we will encounter again at a later stage, and which will prove to lend itself to considerable crea-

Funktionieren hinderte und vor der rationalistischen Erstarrung bewahrte.“8 Beispielhaft genannt sei der Roman Der Gaulschreck im Rosennetz. Eine Wiener Schnurre aus dem modern­ den Barock aus dem Jahr 1928. Darin geht es u. a. um ein Thronjubiläum – ein Motiv, das uns später nochmals begegnen und sich als beträchtlicher Vertiefung fähig erweisen wird. Der Held des Romans, der Wiener Hofsekretär Jaromir Edler von Eynhuf versucht im Jahr 1829, seinem Kaiser zu dessen 25-jährigem Regierungsjubiläum als Franz I. von Österreich eine Sammlung von 25 Milchzähnen als Geschenk zu verehren. Die Handlung rankt sich, voll fantastischer Ornamente (von denen im Fall des „Handgängers“ in Kapitel 2 die Herausgeber der Gesamtausgabe sogar biographische Bezüge zur TU nachweisen können9), um die ungewöhnlichen Versuche Jaromirs, die Sammlung durch den noch ausständigen letzten Zahn zu vervollständigen. Von Herzmanovskys Roman Maskenspiel der Geni­ en sei hier nur verraten, dass er in einem Fantasieland namens „Tarockei“ beziehungsweise (bei Torberg) „Tarockanien“ irgendwo in der Übergangszone zwischen Österreich und dem Orient spielt. Sehr populär ist das Theaterstück Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter, schon wegen der Liste der Personen der Handlung, deren Wiedergabe den hier vorgegebenen Rahmen sprengen würde. Diesbezüglich unkundigen Leserinnen und Lesern muss das Studium wenigstens dieser Liste dringlichst ans Herz gelegt werden. Doch zurück zu berühmt gewordenen ehemaligen Studenten der TU Wien. Machen wir einen offiziellen Studienabschluss nicht zur Bedingung (eine Abschlussprüfung gab es erst ab 1878, die ersten Promotionen zum „Doctor der technischen Wissenschaften“ im Jahr 1902), so ragen unter den zahlreichen prominenten Studenten an Berühmtheit die Brüder Johann und Josef (manchmal auch Joseph) Strauss heraus. (Im Gegensatz zur weitverbreiteten Schreibweise „Strauß“ folgen wir hier der von Johann und Josef selbst bevorzugten.) Entsprechend prangt an der Ostseite des Hauptgebäudes der TU eine Gedenktafel (Abb. 2).

Abbildung 1: Fritz von Herzmanovsky-Orlando (1877–1954) Figure 1: Fritz von Herzmanovsky-Orlando (1877-1954).

tive exploits. At the 25th jubilee of Francis I of Austria in 1829, the novel’s protagonist, Jaromir Edler von Eynhuf, a Viennese Court Secretary, attempts to present his Emperor with a collection of 25 baby teeth. The storyline is full of fantastically ornamental subplots (for instance the case of the “handwalker” in Chapter 2, for which the editors of the complete edition were even able to demonstrate a biographical reference to the TU Wien9) surrounding Jaromir’s attempts at completing his collection with the last missing tooth. We shall only reveal this much about Herzmanovsky’s novel Masquerade of the Spirits (Maskenspiel der Ge­ nien): It takes place in a fantasy land called “Tarockei”, or (in Torberg’s edition) “Tarockanien”, somewhere in the zone of transition between Austria and the Orient.

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Abbildung 2: Johann und Josef Strauss an der TU Figure 2: Johann and Josef Strauss at TU

Weniger bekannt als Donauwalzer und Fledermaus (beide von Johann, zur Unterscheidung von seinem Vater auch „Johann Strauss Sohn“ genannt, jenem Strauss mit dem berühmten Denkmal im Wiener Stadtpark) dürfte sein, dass Josef nach seinem Studium wirklich als Bauingenieur tätig war und außerdem eine Straßenkehrmaschine erfand, bevor er seinen Bruder musikalisch vertreten musste und in der Folge nach und nach zur Musik wechselte. Doch ist fraglich, ob damit die Bedeutung der TU Wien aufgrund beeindruckender kultureller Leistungen ehemaliger Studenten bereits so hoch gehoben ist, dass sie im rauen globalen Wettbewerb jedes Ranking gewinnt. Schließlich gibt es auch andere Universitäten mit Studenten, die sich später noch auf unverhofftem Gebiet kulturell hervortaten. Man denke nur an den aus Frankfurt stammenden, tüchtigen Leipziger und Straßburger Jusstudenten und später bekannten Autor Johann Wolfgang Goethe. Auch wenn man sich auf die musikalischen Sträusse dieser Welt beschränkt, fällt der ehemalige Münchner Student der Philosophie und Kunstgeschichte und spätere Dr. Richard auf, den die Universitäten Heidelberg und Oxford mit Ehrendoktoraten würdigen sollten. Und selbst aus Herzmanovsky-Orlandos Domäne, dem absurden Humor, werden wir später ein Beispiel kennenlernen, durch welches gleich nochmals Ruhm auf die Universität Oxford fällt. Die Konkurrenz ist also groß.

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His play Emperor Joseph and the Lineman’s Daughter (Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter) is extremely popular, if only because of its list of dramatis personae, the citation of which would far exceed our scope here. Readers unfamiliar with it are urgently advised to study at least this list. But let us return to former TU Wien students who became famous. We shall not insist on a formal graduation (a final exam wasn’t introduced until 1878, and the first promotions to “Doctor of Technical Sciences” took place in 1902); foremost amongst the many prominent students are the brothers Johann and Josef (sometimes also spelled Joseph) Strauss. (Contrary to the popular spelling “Strauß”, we shall here use the one preferred by Johann and Josef themselves.) Appropriately, a memorial plaque graces the eastern façade of the main building of the TU Wien (Fig. 2). What probably is less well known than The Blue Dan­ ube and The Bat (both by Johann, who is distinguished from his father by the sobriquet “Johann Strauss son”, the Strauss with the famous monument in Vienna’s Stadtpark) is that Josef actually worked as a civil engineer after his studies, and also invented a street sweeping machine, before he had to substitute for his brother and subsequently switched to music. However, it remains doubtful whether, based on the impressive cultural achievements of its former students, the TU Wien’s significance has managed to rise to such heights that it would head any ranking at all in the harsh climate of global competition. There are, after all, other universities that can boast students who have excelled in unexpected fields of culture. Let us remember Frankfurt-born, able law student in Leipzig and Strasbourg, who later became a well-known author: Johann Wolfgang Goethe. Even confining ourselves to the world’s musical Strausses, we cannot fail to notice former Munich student of philosophy and art history who became Dr. Richard, and was awarded honorary doctorates by the universities of Heidelberg and Oxford. And even in the domain of Herzmanovsky-Orlando, absurd humour, we will later come across an example that again shares

Wollen wir die TU Wien ganz an die Spitze bringen, sollten wir es, dem modernen Schlagwort „Stärken stärken“ folgend, besser auf andere Weise versuchen. Zweiter Versuch: Komponistenapotheosen auf dem erweiterten Kunstplatz Karlsplatz mit der TU im Zentrum Wir wollen an Johann und Josef Strauss anknüpfen. Allerdings lassen wir die institutionelle Verbundenheit der beiden mit der TU Wien als Studenten nun in den Hintergrund treten gegenüber der geographischen Betrachtungsweise des Standortes der TU an einem urbanen Verkehrsknotenpunkt, den Otto Wagner einst statt eines Platzes eine „Gegend“ genannt haben soll, der aber heute unter dem Schlagwort „Kunstplatz Karlsplatz“ bei uns an der TU wie auch bei anderen Anrainerinstitutionen Hoffnungen auf großen kulturhistorischen Ruhm nährt. Beginnen wir mit einem Spaziergang rund ums Hauptgebäude der TU bei der bereits erwähnten Strauss-Gedenktafel ganz nahe der Karlskirche. Ganz gleich, welche der beiden möglichen Richtungen wir wählen, in beiden Fällen stoßen wir bald auf weitere Tafeln am Hauptgebäude (Abb. 3 und Abb. 4), in südlicher Richtung auf eine Gedenktafel für Johannes Brahms, in nördlicher Richtung lesen wir schon nach wenigen Schritten eine Erinnerung daran, dass auf dem Gelände unter dem heutigen Karlstrakt einst Vivaldi begraben wurde. Obwohl weder der viel zu frühe Vivaldi, zur Zeit der Gründung der TU Wien bereits 74 Jahre lang tot, noch Brahms institutionelle Beziehungen zur TU pflegten, sollte uns die thematische Koinzidenz zu denken geben. Denn nicht nur in Wien selbst wird dem Hinscheiden großer Komponisten Aufmerksamkeit zuteil.10 Die Sogkraft dieses Themas kann auch durch die Beobachtungen einer neutralen Instanz untermauert werden, nämlich jene eines ehemaligen Studenten der Universität Oxford namens Michael Palin, der als Mitglied der englischen Komikertruppe Monty Python nicht nur Bekanntheit erlangte, sondern gemeinsam mit seinen fünf Kollegen international für eine ganze Generation zum Inbegriff

Abbildung 3: „Denn alles Fleisch es ist wie Gras.“ (Ein deutsches Requiem, op.45) Figure 3: “Behold, all flesh is as the grass.” (A German Requiem Op. 45)

its glory with the University of Oxford. Competition, therefore, is fierce. If our aim is to put the TU Wien in the lead, we should better try the following path, true to the modern catchphrase “strengthening strengths”. Second Attempt: Apotheoses of Composers on the Extended Art Square Karlsplatz, Centring the TU We shall take up Johann and Josef Strauss. Now, however, we will allow their institutional bonds with the TU Wien to take a backseat, and favour a geographical approach to the location of the TU Wien in an urban traffic node that Otto Wagner supposedly called an “area” instead of a square. Today, under the tagline “Karlsplatz Art Square”, it nourishes hopes of great cultural and historical glory at the TU as well as at neighbouring institutions. Let us begin with a promenade around the TU main building, starting at the Strauss memorial plaque we have already mentioned, close to Karlskirche. Whichever direction we choose, in both cases, we soon come

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Abbildung.  4: „O quam tristis et afflicta“ (Stabat Mater für Soloalt und Orchester, RV 621) Figure 4: “O quam tristis et afflicta” (Stabat Mater for Solo Alto and Orchestra, RV 621)

seines Genres wurde. Das Nichtbestehen eines persönlichen Naheverhältnisses von Palin zur TU Wien verleiht dem Faktum, dass er zu einem Lied, welches sich unseres Themas annimmt, inspiriert wurde, Objektivität und somit besonderes Gewicht. Der Titel des Liedes lautet „Decomposing Composers“.11 Nach einer ganz kurzen gesprochenen Einleitung setzt die Musik zu folgendem Text ein (Abb. 5): „Beethoven’s gone, but his music lives on, and Mozart don’t go shoppin’ no more,” Und das, obwohl sich an der Stelle von Mozarts Sterbehaus heute das Kaufhaus Steffl befindet (Abb. 6):

Abbildung 5: „Muß es sein? Es muß sein! Es muß sein!“ (Streichquartett op. 135 in F-Dur) Figure 5: “Must it be? It must be! It must be!” (String quartet Op. 135 in F major)

„You’ll never meet Liszt or Brahms again.” Brahms hatten wir schon, deshalb zu Liszt: Wenn man, teils widersprüchlichen, Berichten über den aus dem mittelburgenländischen Raiding stammenden Franz Liszt glauben darf, spielte er als etwa elfjähriger Knabe Beethoven in dessen späterem Sterbehaus vor und erntete dafür großes Lob vom Altmeister. Gesichert ist, dass Liszt, anders als sein Schwiegersohn Wagner, in Bayreuth nicht nur begraben liegt, sondern auch starb. „And Elgar doesn’t answer the door.”

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across more plaques on the main building (Fig. 3 and 4), in a southerly direction, there is a commemorative plaque for Johannes Brahms. In a northerly direction, we read after only a few steps a reminder, that in this area of the actual Karls Wing once Vivaldi had been buried. Even though neither Vivaldi, who had already been dead for 74 years when TU Wien was founded, nor Brahms had any institutional bonds with the TU Wien, we should reflect on this thematic coincidence – for it is not

Abbildung 7: „Eine Straße muss ich gehen, die noch keiner ging zurück“ (Der Wegweiser, Winterreise, op.89, D 911) Figure 7: “I must travel a road by which no one has ever returned” (The Guide-Post, Winterreise, Op. 89, D 911)”

Abbildung 6: „Dies irae, dies illa“ (Requiem KV 626) Figure 6: “Dies irae, dies illa” (Requiem KV 626)

Ein überraschendes Beispiel ohne auffälligen Wienbezug! „Schubert and Chopin used to chuckle and laugh, Whilst composing a long symphony,” Chopin hinterließ keine Symphonien. Deshalb kann damit nur Schubert gemeint sein, vor allem mit den legendären „himmlischen Längen“ (Schumann) der sogenannten Großen C-Dur-Symphonie, D 944. „But one hundred and fifty years later, There’s very little of them left to see.” (Abb. 7)

only in Vienna that the deaths of great composers attract great attention.10 We may substantiate the gravitational force of this theme with the observations of a neutral authority: a former student at the University of Oxford, Michael Palin, who not only became famous as a member of the comedy group Monty Python, but also epitomises the genre together with his five colleagues. The nonexistence of any personal proximity of Palin to the TU Wien lends objectivity and thus adds weight to the fact that he was inspired to write a song that addresses the issue. The song’s title is Decomposing Composers.11 After a brief, spoken introduction, the music starts to the following lyrics (Fig. 5): “Beethoven’s gone,” (Fig. 5) “but his music lives on, and Mozart don’t go shoppin’ no more,” And this, even though the place of Mozart’s last residence is now occupied by the Steffl department store (Fig. 6): “You’ll never meet Liszt or Brahms again.”

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„They‘re decomposing composers, There‘s nothing much anyone can do, You can still hear Beethoven, But Beethoven cannot hear you.“ Es ertönt das Schicksalsmotiv aus Beethovens Fünfte Symphonie, und auch der unbefangene Zuhörer kann sich schwer des Eindrucks der dadurch besiegelten Endgültigkeit erwehren.

We have already mentioned Brahms, so let’s turn to Liszt: If we may believe the somewhat contradictory reports on Franz Liszt, who hailed from the mid-Burgenland village of Raiding, he performed Beethoven when he was around eleven years old, at the house the latter later died in, and was much applauded by the master. And we have positive proof that Liszt, contrary to his son-in-law Wagner, was not only buried in Bayreuth, but also died there.

„Handel and Haydn and Rachmaninov, Enjoyed a nice drink with their meal, But nowadays no one will serve them, And their gravy is left to congeal.”

“And Elgar doesn’t answer the door.”

Eine Besonderheit, die Palin hier bestenfalls andeutet: Die sterblichen Überreste Haydns (Abb. 8) gingen doppelt, man könnte auch sagen: zerstreut verschlungene Wege. Das erste offizielle Grab (Abb. 9) befand sich am Hundsturmer Friedhof, dem heutigen Haydnpark am Gaudenzdorfer Gürtel in Meidling. Bei der Überführung nach Eisenstadt 1820 stellte man fest, dass Haydns Kopf fehlte. Tatsächlich tauchten in Wien Schädel auf – zuerst ein falscher, Jahre später der richtige. Erst nach mehreren Zwischenstationen12 wurde dieser im Jahr 1954 im Eisenstädter Mausoleum mit all dem, was von Haydns Physis sonst noch übrig war, vereint.

“Schubert and Chopin used to chuckle and laugh, Whilst composing a long symphony,”

“Verdi and Wagner delighted the crowds, With their highly original sound. The pianos they played are still working, But they’re both six feet underground.” Verdi starb in Mailand und wurde auch dort beigesetzt, nämlich in der Kapelle der Casa di Riposo, durfte also in Italien ruhen. Wagner hingegen wurde vom Palazzo Vendramin-Calergi in Venedig, wo er starb, bis nach Bayreuth überführt. Zu Lebzeiten war er natürlich immer wieder Gast in Wien gewesen. In unserem Kontext ist vor allem interessant, dass Tristan und Isolde, der Inbegriff kunstgewordener Verschmelzung von Liebes- mit Todessehnsucht

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A surprising example without any clear reference to ­Vienna!

Chopin did not write any symphonies. So we may safely assume that the reference is to Schubert, especially with regard to the legendary “heavenly lengths” (Schumann) of the so-called Great Symphony in C major, D 944. “But one hundred and fifty years later, There’s very little of them left to see.” (Fig. 7) “They’re decomposing composers, There’s nothing much anyone can do, You can still hear Beethoven, But Beethoven cannot hear you.” This is accompanied by the fate motif from Beethoven’s Fifth Symphony, and even the most unbiased listener can hardly avoid the impression of finality it conveys. “Handel and Haydn and Rachmaninoff, Enjoyed a nice drink with their meal, But nowadays no-one will serve them, And their gravy is left to congeal.” One particularity Palin at best hints at is that Haydn’s mortal remains (Fig. 8) went their separate, double, or

– naturgemäß, wie uns scheint – ursprünglich hätte in Wien uraufgeführt werden sollen. Doch leider waren die Orchestermusiker in Wien um das Jahr 1863 den neuartigen (“highly original”) und außergewöhnlich hohen künstlerischen Anforderungen nicht gewachsen. Die tatsächliche Uraufführung kam erst 1865 in München zustande. Indem wir unsere Gedanken von Wagners Grab bei der Villa Wahnfried und den imaginierten melancholischen Tristanklängen wieder ab- und dem Lied von Palin zuwenden, vernehmen wir den Refrain in veränderter Form. Er erinnert uns daran, dass die Wege alles Irdischen auch in Frankreich nicht grundsätzlich anders verlaufen als in Italien, Deutschland und Wien: “They’re decomposing composers, There’s less of them every year, You can say what you like to Debussy, But there’s not much of him left to hear.” Gegen Schluss des Liedes tritt die Musik in den Hintergrund und der Kollege aus Oxford zieht sich zurück zu sachbezogener, schmuckloser Nüchternheit: “Claude Achille Debussy, died 1918. Christoph Willibald Gluck, died 1787.“ (Abb. 10) “Carl Maria von Weber, not at all well 1825, died 1826. Giacomo Meyerbeer, still alive 1863, not still alive 1864.

Abbildung 8 (links): „Licht und Leben sind geschwächet“ (Die Jahreszeiten, Hob. XXI:3) Figure 8 (left): “Licht und Leben sind geschwächet” (Die Jahreszeiten, Hob. XXI:3) Abbildung 9 (rechts): „[…] in des Abgrunds Tiefen hinab zur ewigen Nacht“ (Die Schöpfung, Hob. XXI:2) Figure 9 (right): “…in des Abgrunds Tiefen hinab zur ewigen Nacht” (Die Schöpfung, Hob. XXI:2)

intricately dispersed ways. The first official grave (Fig. 9) was at Hundsturmer Friedhof, today’s Haydn Park at the Gaudenzdorfer Gürtel in Meidling. When his remains were transferred to Eisenstadt in 1820, it was discovered that the head was missing. In fact, skulls surfaced in Vienna – first a false one, and, years later, the real one. After several intermediate stops,12 the head was reunited with the rest of what was left of Haydn’s physical remains at the Eisenstadt mausoleum in 1954. “Verdi and Wagner delighted the crowds, With their highly original sound. The pianos they played are still working, But they’re both six feet underground.” Verdi died in Milan and was buried there, in the chapel of the Casa di Riposo, and may thus rest in Italy. Wagner, on the other hand, was transferred to Bayreuth from the

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Abbildung. 10: „Ah! se intorno a quest’urna funesta“ (Orfeo ed Euridice). Figure 10: “Ah! se intorno a quest’urna funesta” (Orfeo ed Euridice)

Modest Mussorgsky, 1880 going to parties, no fun anymore 1881. Johann Nepomuk Hummel, chatting away nineteen to the dozen with his mates down the pub every evening 1836, 1837 nothing.” Hummel verbrachte auf seinem Lebensweg, der in Pressburg/Bratislava begann, lange und wichtige Abschnitte in Wien, starb aber in Weimar, der Stadt seines letzten Wirkens. Mit der Protokollierung seines Verschwindens endet auch Palins Lied. Wir resümieren: Zwar heißt es nicht wie bei Dirk Stermann Sechs Österreicher unter den ersten fünf13 (ein Roman, der übrigens zu großen Teilen in unmittelbarer TU-Nähe spielt). Doch immerhin 6 von 18 großen Komponisten, die der unbestechliche Palin der Erwähnung für würdig befindet, starben in Wien – eine beachtliche Bilanz, vor allem wenn man bedenkt, dass davon nur einer, nämlich Schubert, auch aus Wien stammte (Abb. 11). Mehr als einen Treffer können außer Wien sonst nur Paris mit drei Treffern (Chopin, Debussy und Meyerbeer) und London mit zwei (Händel und Weber) für sich verbuchen. (Warum ausgerechnet Leipzig hier einen Totalausfall zu verzeichnen hat, möge Palin erklären.)

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Palazzo Vendramin-Calergi in Venice where he died. During his lifetime he had, of course, visited Vienna several times. What is most interesting for our context is that Tristan und Isolde, the epitome of the artistic fusion of yearning for love and yearning for death – naturally, it seems to us – originally should have premiered in Vienna. But, sadly, the orchestral musicians in 1863 Vienna were not up to its new (“highly original”) and extraordinarily demanding artistic standards. The premiere in fact took place in Munich in 1865. Tearing our thoughts away from Wagner’s grave near Villa Wahnfried and the resonance of melancholy Tristan airs, and returning to Palin’s song, we hear the chorus in a different version. It reminds us that the ways of all earthly things are no different in France than in Italy, in Germany, or in Vienna: “They’re decomposing composers, There’s less of them every year, You can say what you like to Debussy, But there’s not much of him left to hear.” Towards the end of the song, the music slowly recedes and our Oxford colleague returns to factual, plain sobriety: “Claude Achille Debussy, died 1918. Christoph Willibald Gluck, died 1787.“ (Fig. 10) “Carl Maria von Weber, not at all well 1825, died 1826. Giacomo Meyerbeer, still alive 1863, not still alive 1864. Modest Mussorgsky, 1880 going to parties, no fun anymore 1881. Johann Nepomuk Hummel, chatting away nineteen to the dozen with his mates down the pub every evening 1836, 1837 nothing.” On his path of life that started in Bratislava, Hummel spent long and productive periods in Vienna, but he died in Weimar, the place of his last engagement. The protocol of his demise also closes Palin’s song.

Abbildung 11: Europäische Sterbeorte der in Michael Palins Lied gewürdigten Komponisten. Figure 11: European places of death of the composers mentioned in Michael Palin’s song.

Man ahnt schon den Bezug zur TU Wien und zum Kunstplatz Karlsplatz. Von den sechs Wiener Dekompositions-Favoriten Palins starben drei (Gluck, Schubert und Brahms) in unmittelbarer TU-Nähe im vierten Bezirk, ein weiterer (Haydn) im sechsten Bezirk, wo immerhin zwei der acht TU-Fakultäten ihren Sitz haben, und ein anderer (Mozart) auch nicht sehr weit vom Kunstplatz Karlsplatz entfernt, wenn auch im jetzigen ersten Bezirk. Lediglich zu einem (Beethoven) braucht es von der TU aus zu Fuß etwas mehr als nur wenige Minuten. Selbst wenn man, über Palins Kanon der ganz Großen hinausgehend, noch weitere namhafte, in Wien verstorbene Komponisten einbezieht, zeigt der entsprechend vergrößerte kartographische Maßstab eine beeindruckende Ballung (Abb. 12).

Let us summarise: While there are not, as in Dirk Stermann’s novel “Six Austrians Amongst the Top Five”13 (the novel, incidentally, is set for the most part in the immediate vicinity of the TU Wien), six of the 18 great composers our incorrigible Michael Palin deems worth mentioning died in Vienna – an impressive bottom line, in particular when taking into account that only one of them, Schubert, actually came from Vienna (Fig. 11). Besides Vienna, only Paris (three: Chopin, Debussy, and Meyerbeer) and London (two: Handel and Weber) can claim more than one hit. (Why Leipzig of all places registers a total loss is up to Palin to explain.) The reader may already suspect the connection to the TU Wien and Karlsplatz Art Square. Of Palin’s six Viennese favourites of decomposition, three (Gluck, Schubert, and Brahms) died in the immediate vicinity of the TU in the fourth district; one more (Haydn) died in the sixth district, where two of the eight TU Faculties are located, and one (Mozart) came to his demise not far from the Karlsplatz Art Square, in what is today the first

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Abbildung 12: Sterbehäuser bedeutender Komponisten in Wien (groß die in Michael Palins Lied erwähnten). Figure 12: Last residences of important composers in Vienna (those mentioned by Michael Palin shown larger).

Kaum eine andere Universität dieser Welt kann es in dieser Hinsicht mit der TU Wien aufnehmen. Auch wenn Hugo Wolf in der damaligen Niederösterreichischen Landesirrenanstalt am Brünnlfeld auf dem Territorium des Neuen AKH starb, also der heutigen Medizinuniversität zuzuordnen ist, so wie auch Gustav Mahler, dessen Sterbehaus sich ganz in der Nähe, also ebenfalls im neunten Bezirk befindet; in TU-Nähe kommen zum Ausgleich die Sterbehäuser von Antonio Vivaldi, Anton Bruckner und Johann Strauss hinzu. Die Leserin und der Leser sind eingeladen, eigene Gewichtungen vorzunehmen. Schwer werden sie am Resümee vorbeikommen: War Wien global ein übermächtiger Anziehungspunkt für große Komponisten an deren

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district. There is only one (Beethoven) that takes more than a few minutes on foot to reach from the TU. Even if we go beyond Palin’s canon of the greatest of the great and include other well-known composers who died in Vienna, the enlarged scale map shows an impressive concentration (Fig. 12). There is hardly any other university in the world that rivals the TU Wien in this respect. Even if Hugo Wolf died in the Lower Austrian Regional Lunatic Asylum, at the time in Brünnlfeld, on the site of what is now the General Hospital, and therefore must be attributed to the Medical University, which is also the case with Gustav Mahler, whose last residence is close by in the ninth district; as a consolation, we may add the deathbeds of Antonio Vivaldi, Anton Bruckner, and Johann Strauss in the direct vicinity of the TU. Readers are invited to judge these facts according to their own criteria. They will hardly be able to avoid the conclusion that, while Vienna was a mighty attraction to

Lebensabend, so spielt innerhalb Wiens – also auf Welt­ spitzenniveau – die Umgebung der TU diese Rolle. Man beachte, dass in diese Überlegungen die Nähe der TU zu Konzerthaus, Musikverein, Staatsoper und Theater an der Wien noch überhaupt nicht eingeflossen ist. Erwähnt sei immerhin, dass im Theater an der Wien, vom heutigen TU-Gebäudekomplex am Getreidemarkt nur durch die Lehargasse getrennt, im Jahr 1805 die erste Fassung von Beethovens Fidelio uraufgeführt wurde, ebenso wie zahlreiche andere wichtige Werke. Noch enger ist der TU-Bezug von Schuberts Deutscher Messe, D 872, deren Text von Johann Philipp Neumann, dem damaligen Physikprofessor und Bibliotheksdirektor14 stammt, und die Schubert den Hörern der TU widmete. Die Uraufführung fand 1827, also ein Jahr vor Schuberts Tod, in der Karlskirche statt. Doch damit nicht genug: Vor der Eröffnung des Theaters an der Wien im Jahr 1801 gab es schräg gegenüber auf der anderen Seite des Wien­flusses, dort wo sich jetzt das Freihausgebäude mit zwei Fakultäten der TU befindet, seit 1785 den großen Freihauskomplex mit dem Wiedner Freihaustheater. In ihm fand am 30. September 1791, also nur 66 Tage vor Mozarts Tod, die Uraufführung seiner Zauberflöte statt. Selbst wenn wir Antonin Dvořak, der häufig gegenüber dem Freihaus im damaligen Hotel Goldenes Lamm in der Wiedner Hauptstraße 7, heute Sitz von Einrichtungen der TU, zu Gast war, wegen des vergleichsweise nur vorübergehenden Charakters seiner Besuche nicht gelten lassen, kann die TU also die eindrucksvolle Trinität gestorben (Brahms) – begraben (Vivaldi) – uraufgeführt (Die Zauberflöte) territorial für sich verbuchen. Eine Universität mit musikhistorisch prominenterer geographischer Lage wird sich schwerlich finden lassen. Doch auch in einer dritten kulturellen Disziplin, die wir nun ans Licht heben wollen, erweist sich, diesmal weitgehend abseits von Musik, die TU Wien als wohl gerüstet.

great composers at the end of their lives, within Vienna – and thus on the top international level – it is the surroundings of the TU that play a special role. Please note that so far, we have not even included the vicinity of the TU to the Konzerthaus, Musikverein, State Opera, and Theater an der Wien in our reflections. We shall therefore mention that the first version of Beet­ hoven’s Fidelio, as well as many other important works, premiered at the Theater an der Wien, which is only separated from today’s TU Wien buildings on Getreidemarkt by Lehargasse. The TU connection is even closer in Schubert’s German Mass, D 872, the lyrics of which were written by Johann Philipp Neumann, a Professor of Physics and Library Director at the time14; Schubert dedicated the Mass to the TU students. It premiered in 1827, i.e. one year before Schubert’s death, at Karlskirche. But there is more: Before the Theater an der Wien opened in 1801, diagonally opposite across the Wien River, at the current location of the Freihaus building with two TU faculties, was the site of the Freihaus complex, which included the Wieden Freihaus theatre since 1785. On 30 September 1791, 66 days before Mozart’s death, his Magic Flute premiered there. Even if we disregard Antonin Dvořak, who often lodged across from the Freihaus at the Hotel Goldenes Lamm at Wiedner Hauptstraße No. 7, which today houses TU institutions, because of the comparatively passing character of his visits, the TU can still lay claim to an impressive territorial trinity of died (Brahms) – buried (Vivaldi) – premiered (The Magic Flute). It will be hard to find a university with a more prominent geographical location in music history. However, there is a third cultural discipline the TU Wien proves to be well armed for, this time mostly off the musical track, and which we will now bring to light. Third Attempt: Literary Parallels

Dritter Versuch: literarische Parallelen „Über dem Atlantik befand sich ein barometrisches Minimum; es wanderte ostwärts, einem über Rußland

“A barometric low hung over the Atlantic. It moved eastward toward a high-pressure area over Russia without as yet showing any inclination to bypass this high in a

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lagernden Maximum zu, und verriet noch nicht die Neigung, diesem nördlich auszuweichen. […] Der Wasserdampf in der Luft hatte seine höchste Spannkraft, und die Feuchtigkeit der Luft war gering. Mit einem Wort, das das Tatsächliche recht gut bezeichnet, wenn es auch etwas altmodisch ist: Es war ein schöner Augusttag des Jahres 1913.“15 Zu dieser Zeit, genauer vom 1. März 1911 bis zum 2. Februar 1914, war Robert Musil (Abb. 13), der Autor der zitierten Zeilen, Bibliothekar an der TU Wien – wenn auch gerade ab August/September 1913 aufgrund ärztlicher Atteste vorwiegend freigestellt.16 Seine Bibliothekarsstelle, zunächst als „nichtadjustierter Praktikant“, ab 1.  Jänner 1912 als „Bibliothekar II. Klasse“, entsprach nicht Musils Träumen. Lieber hätte er sich ausschließlich seinen schriftstellerischen Projekten gewidmet. Und wenn er schon als Bibliothekar arbeiten sollte, dann lieber an der Hofbibliothek. Doch war Musil während seines Lebens nur selten in der Situation, beliebig wählen zu können, obwohl er durch seinen Erstlingsroman Die Verwirrungen des Zöglings Törless (1906)17 schon früh zu literarischem Ruhm gelangt war, ähnlich dem jungen Goethe mit dem Götz von Berlichingen und den Leiden des jungen Werthers oder Thomas Mann, über dessen Verhältnis zu Musil Karl Corino interessante Auskunft gibt,18 mit seinen Buddenbrooks. Doch zurück zu jenem umfangreichen Roman mit dem Titel Der Mann ohne Eigenschaften, aus dessen erstem Kapitel „Woraus bemerkenswerter Weise nichts hervorgeht“ das obige Zitat stammt. Es handelt sich um ein Fragment, bestehend aus mehr als 1000 Druckseiten, die zu Lebzeiten des Autors veröffentlicht wurden (1930) und den ersten Band in der Ausgabe bei Rowohlt bilden. Dazu kommt ein zweiter Band ähnlichen Umfangs aus Musils Nachlass.19 Obwohl unvollendet, wurde dieses Werk bei einer Umfrage unter deutschen Kritikern und Literaturwissenschaftlern zum bedeutendsten Roman deutscher Sprache des 20. Jahrhunderts gewählt.20 Musil hatte eine Gliederung in drei Teile vorgesehen. Der vergleichsweise sehr kurze erste trägt den Titel „Eine

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northerly direction … The water vapor in the air was at its maximal state of tension, while the humidity was minimal. In a word that characterizes the facts fairly accurately, even if it is a bit old-fashioned: It was a fine day in August 1913.”15 At that time, more precisely from 1 March 1911 to 2 February 1914, Robert Musil (Fig. 13), the author of these lines, worked as a librarian at the TU Wien – although he was mostly exempted from work for medical reasons since August/September of 1913.16 His post of librarian, first as a “nichtadjustierter Praktikant” (unpaid intern), and then from 1 January 1912 as a “second-class librarian” was not Musil’s dream job. He would have preferred to dedicate himself exclusively to his literary projects. And if he had to work as a librarian, he would have preferred the Court Library. But in the course of his life, Musil was rarely in a position to choose, despite having gained early literary acclaim with his first novel, The Con­ fusions of Young Törless (1906),17 a parallel to young Goethe with Götz von Berlichingen and The Sorrows of Young Werther, or Thomas Mann with his Budden­ brooks, on whose relationship to Musil Karl Corino provides some interesting insights.18 But let us return to this substantial novel, titled The Man without Qualities, from which we have taken the above citation from the first chapter, “From which, remarkably enough, nothing develops”. It is a fragment of more than 1,000 printed pages, which were published during the author’s lifetime (1930), and which form the first volume of the Rowohlt edition (and also of the recent English translation published by Knopf). To this, we have to add a second volume of similar weight from Musil’s literary remains.19 The book was voted the most important German novel of the 20th century in a survey amongst German critics and scholars, despite being incomplete.20 Musil had planned a three-part arrangement. The comparatively short first section is titled “A Sort of Introduction”, the second one “Pseudoreality Prevails” (or, in an earlier translation by Eithne Wilkins and Ernst Kaiser, 1953: “The Like of it Now Happens”). The third part, “Into the Millennium (the Criminals)”, remains unfin-

Art Einleitung“, der zweite „Seinesgleichen geschieht“. Der dritte Teil „Ins Tausendjährige Reich (Die Verbrecher)“ blieb unvollendet. Im Gegensatz zu den verstorbenen Komponisten bestehen im Falle des Romans Chancen, dem Inhalt durch nähere Betrachtung Leben zu verleihen. Der Roman spielt in Wien, damals Reichshaupt- und Residenzstadt der habsburgischen k. u. k. Monarchie, für die Musil die populär gewordene Bezeichnung „Kakanien“ prägte, mit der auch das Kapitel 8 des Romans überschrieben ist. Im Roman wird immer wieder darauf Bezug genommen, etwa in Kapitel 42, worin wir über das kompliziert Dualistische des kaiserlich-königlich österreichisch-ungarischen Staatsgefühls erfahren, dass die Geheimnisse seines Dualismus „mindestens ebenso schwer einzusehen waren wie die der Trinität“.21 „Kakanien“ ist nicht das einzige geflügelte Wort der Alltagssprache, das aus Musils Roman stammt. Mindestens ebenso beliebt ist in Österreich die „Parallelaktion“. Heutzutage wird dieses Schlagwort oft in einem recht weiten Sinn gebraucht, obwohl man, wie wir sehen werden, auch sehr authentische Anwendungsmöglichkeiten findet. Das historische Umfeld der Parallelaktion wird sehr konzise in Kapitel 19, dem letzten des Ersten Teils geschildert. Im Rahmen eines längeren Briefes eines Kakaniers an seinen Sohn Ulrich, den Titelhelden des Romans, heißt es: „In Deutschland soll im Jahre 1918, u. zw. in den Tagen um den 15. VI. herum, eine große, der Welt die Größe und Macht Deutschlands ins Gedächtnis prägende Feier des dann eingetretenen 30jährigen Regierungsjubiläums Kaiser Wilhelms II. stattfinden; obwohl es bis dahin noch mehrere Jahre sind, weiß man doch aus verläßlicher Quelle, daß heute schon Vorbereitungen dazu getroffen werden, wenn auch selbstverständlich vorläufig ganz inoffiziell. Nun weißt Du wohl auch, daß in dem gleichen Jahre unser verehrungswürdiger Kaiser das 70jährige Jubiläum seiner Thronbesteigung feiert und daß dieses Datum auf den 2. Dezember fällt. Bei der Bescheidenheit, die wir Österreicher allzusehr in allen Fragen haben, die unser Vaterland betreffen, steht

Abbildung/Figure 13: Robert Musil (1880–1942)

ished. Unlike with the deceased composers, in the case of this novel we may hope to bring its content to life by looking at it more closely. The novel is set in Vienna, then the Imperial Capital and Residence of the Habsburg Imperial and Royal Monarchy, for which Musil coined the name “Kakania” (from the abbreviation k.u.k.), which also is the heading of Chapter 8 of the novel, and which has become rather popular. The novel refers to it several times, for instance in Chapter 42, in which we learn more about the complicated dualistic structure of the Imperial and Royal Austro-Hungarian emotional state, the mysteries of which “Dualism […] were at the very least as recondite as those of the Trinity”.21

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zu befürchten, dass wir, ich muß schon sagen, wieder einmal ein Königgrätz erleben, das heißt, daß uns die Deutschen mit ihrer auf Effekt geschulten Methodik zuvorkommen werden, so wie sie damals das Zündnadelgewehr eingeführt hatten, bevor wir an eine Überraschung dachten. […] Da der 2. XII. natürlich durch nichts vor den 15.  VI. gerückt werden kann, ist man auf den glücklichen Gedanken verfallen, das ganze Jahr 1918 zu einem Jubiläumsjahr unseres Friedenskaisers auszugestalten.“22 Erst im Zweiten Teil, und zwar in Kapitel 21 mit dem Titel „Die wahre Erfindung der Parallelaktion durch Graf Leinsdorf“ (ein Kapitel, das hier nicht vollständig wiedergeben zu können äußerst bedauerlich ist) wird die Parallelaktion beim Namen genannt: „Die wahrhaft treibende Kraft der großen patriotischen Aktion – die von nun an, der Abkürzung wegen und weil sie ‚das volle Gewicht eines 70jährigen segens- und sorgenreichen Jubiläums gegenüber einem bloß 30jährigen zur Geltung zu bringen‘ hatte, auch die Parallelaktion genannt werden soll – war […] Se. Erlaucht Graf Leinsdorf.“ Diesem Graf Leinsdorf nämlich war klar, „daß etwas geschehen müsse, was Österreich allen voranstellen sollte, damit diese ,glanzvolle Lebenskundgebung Österreichs‘ für die ganze Welt ,ein Markstein‘ sei, somit ihr diene, ihr eigenes Wesen wiederzufinden, und daß dies alles mit dem Besitz eines 88jährigen Friedenskaisers verknüpft war. Mehr oder Genaueres wußte Graf Leinsdorf in der Tat noch nicht. Aber es war sicher, daß ihn ein großer Gedanke ergriffen hatte.“23 In dieser Konkurrenzstellung Kakaniens gegenüber Deutschland bei der Vorbereitung der Thronjubiläen erkennen wir die entscheidende Parallele zur TU. Denn das Schicksal wollte es, dass sie fürs Jahr 2015, genauer für den 6.  November, die Feier ihres 200-jährigen Bestandes nicht nur vorzubereiten, sondern dass sie ebenfalls gegen harte Konkurrenz zu bestehen hat. Auch an der Veterinärmedizinischen Universität Wien nämlich gilt es, des Erlasses zu ihrer Gründung vom 24. März 1765 durch Kaiserin Maria Theresia zu gedenken. Besonders schwer schließlich wiegt im harten Wettbewerb um Aufmerksam-

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“Kakania” is not the only familiar quote Musil introduced into everyday language with his novel. In Austria, the “Parallel Campaign” is at least as popular. This catchphrase is used in a rather broad sense nowadays, although, as we shall see, there are some very authentic uses available. The historical environment of the Parallel Campaign is concisely sketched in Chapter 19, the last chapter of Part I. In a rather long letter of a Kakanian to his son Ulrich, the novel’s protagonist, it says: “There will take place in Germany in 1918, specifically on or about the 15th of June, a great celebration marking the jubilee of Emperor Wilhelm II’s thirtieth year upon the throne, to impress upon the world Germany’s greatness and power. Although that is still several years away, a reliable source informs us that preparations are already being made, though for the time being quite unofficially, of course. Now you are certainly aware that in the same year our own revered Emperor Franz Josef will be celebrating the seventieth jubilee of his accession and that this date falls on December 2nd. Given the modesty which we Austrians display far too much in all questions concerning our own fatherland, there is reason to fear, I must say, that we will experience another Sadowa, meaning that the Germans, with their trained methodical aim for effect, will anticipate us, just as they did in that campaign, when they introduced the needle gun and took us by surprise. […] Inasmuch as December 2nd cannot of course possibly be moved ahead of June 15th, someone came up with the splendid idea of declaring the entire year of 1918 as a jubilee year for our Emperor of Peace.”22 Only in the second part, in Chapter 21, headed “The real invention of the Parallel Campaign by Count Leinsdorf” (a chapter we regrettably cannot reproduce in its entirety here), the notion of “Parallel Campaign” is introduced: “The real driving force behind the great patriotic campaign – to be known henceforth as the Parallel Campaign, both for the sake of abbreviation and because it was supposed to ‘bring to bear the full weight of a seventy-year reign, so rich in blessings and sorrows, against a jubilee of a mere thirty years’ was […] His Grace the

keit (vgl. auch einen über die Technik hinauswirkenden sozialwissenschaftlichen Beitrag eines Professors der TU Wien24), das 650-Jahr-Jubiläum der Universität Wien: Am 18.  Juni 1365 bestätigte Papst Urban V. die Stiftungsurkunde Herzog Rudolfs IV. vom 12.  März desselben Jahres. In gewissem Sinn ist unsere Situation an der TU noch unausweichlicher als die der Kakanier im Jahr 1913. Denn sie durften auf neue Kaiser mit anderen Jubiläumsjahren hoffen (eine Hoffnung, die sich bekanntlich sogar rechtzeitig erfüllte), während die Gründungsjahre der Universitäten und damit auch ihre Jubiläen bis in alle Ewigkeiten festgeschrieben sind. Wer also kann garantieren, dass die TU nicht alle 50 Jahre zu einem König­ grätz verdammt ist, so wie es Ulrichs Vater für Kakanien im Jahr 1918 befürchtet? Pessimisten sehen darin, dass bei der Fernsehübertragung des Neujahrskonzerts 2015 die Balletteinlagen aus dem Hauptgebäude der Universität Wien und nicht, wie eine höhere Gerechtigkeit aus Sicht der TU es nahelegt, vom Kunstplatz Karlsplatz zwischen Musikverein und Strauss-Gedenktafel eingespielt wurden, ein böses Omen. Trost findet sich in Musils Original. Er schildert die Suche nach „Wesen und Inhalt einer großen Idee“ (Kapitel 27), und dass dabei die Erwartung eines großen Jubiläums und der Wunsch, der Größe dieses Jubiläums geistig gerecht zu werden, noch keine Garantie für kongeniale Eingebungen sind. Hingegen mehr als kongenial, weil von herzerwärmendem Einfühlungsvermögen durchdrungen, sind Musils Beschreibungen (etwa in den Kapiteln 21, 27, 36, 42, 44, 71), wie die Parallelaktion gerade Dank derartiger Widrigkeiten üppig wuchert und gedeiht. Neben „Kakanien“ und „Parallelaktion“ finden wir im Mann ohne Eigenschaften ein drittes Schlagwort, dessen sich auch der allgemeine Sprachgebrauch bemächtigt hat. Es taucht bereits im Titel von Kapitel 4 auf: „Wenn es Wirklichkeitssinn gibt, muß es auch Möglichkeitssinn geben.“ Der Möglichkeitssinn ist für den Titelhelden Ulrich besonders charakteristisch und hat sehr viel damit zu tun, dass er sich als Mann ohne Eigenschaften empfindet. Aus Sicht von Ulrichs Vater ist das ein Mangel. Dass

Imperial Liege-Count Leinsdorf.” For this Count Leinsdorf knew “that something had to be done to put Austria in the vanguard, so that this ‘splendorous rally of the Austrian spirit’ would prove a ‘milestone’ for the whole world and enable it to find its own true being again; and all of this was connected with the possession of an eightyeight-year-old Emperor of Peace. Anything more, or more specific, Count Leinsdorf did not yet know. But he was certain that he was in the grip of a great idea.”23 In this competition between Kakania and Germany in preparation for their accession jubilees, we recognize a decisive parallel to the TU Wien. For fate chose that it not only is called upon to prepare its bicentennial celebrations in 2015, more specifically on 6 November, but that it must also hold its own against harsh competition – for one, the University of Veterinary Medicine in Vienna is also commemorating its foundation by Empress Maria Theresa’s decree of 24 March 1765. However, a particularly difficult task in the competition for attention (cf. also a social sciences contribution by a TU Wien professor that reaches beyond technology24) is standing our ground next to the 650-year anniversary of the University of Vienna: On 18 June 1365, Pope Urban V ratified the founding deed of Duke Rudolf IV, dated 12 March of the same year. In a certain sense, our situation at the TU is even more inescapable than the one of the Kakanians in 1913. They could allow themselves to hope for new Emperors and other jubilees (a hope that we know to have been fulfilled just in the nick of time), while the founding years of universities and thus their jubilees are fixed for all eternity. Who, then, is to guarantee that the TU is not condemned to a Sadowa every 50 years, as Ulrich’s father fears for Kakania in 1918? Pessimists see it as a bad omen that the ballet intermezzi for the broadcast of the 2015 New Year’s Concert were filmed in the main building of the University of Vienna, and not, as it would have seemed a more justified fit from the TU perspective, at the Karlsplatz Art Square, between the Musikverein and the Strauss memorial plaque. We may find consolation in Musil’s original. He narrates the search for “Nature and substance of a great

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Robert Musil, der Autor, sich mit Ulrich aber in hohem Maße identifiziert, ist bei der Lektüre auch dann deutlich spürbar, wenn man nicht durch Corinos Musil-Biographie auf die zahlreichen Übereinstimmungen hingewiesen wird: Im August 1913 ist Ulrich 32 Jahre alt (Kapitel 3), so wie Robert Musil selbst, der am 6. November 1880 geboren wurde. Ulrichs Vater, der alle Verbindungen nutzt, um seinen Sohn in der Parallelaktion unterzubringen, erinnert sehr an Musils eigenen Vater, dem an der Bibliothekarsstelle für seinen Sohn viel mehr gelegen war als diesem selbst. Näher einzugehen ist hier besonders auf die Kapitel 9 bis 11, die uns an der TU mancherlei zu sagen haben. Sie handeln von Ulrichs „drei Versuchen, ein bedeutender Mann zu werden“. Der erste Versuch (Kapitel 9) stellt eine Parallele zu Musils militärischer Ausbildung in den Jahren 1892–1897 dar. Ulrichs militärische Karriere scheint von ungestümem Ehrgeiz getrieben. „Er ritt Rennen, duellierte sich und unterschied nur drei Arten von Menschen: Offiziere, Frauen und Zivilisten; letztere eine körperlich unterentwickelte, geistig verächtliche Klasse, der von den Offizieren die Frauen und Töchter abgejagt wurden.“25 Entsprechendes Verhalten hat aber zur Folge, „daß Ulrich eine längere Aussprache mit seinem Obersten hatte, in der ihm der Unterschied zwischen einem Erzherzog und einem einfachen Offizier klargemacht wurde. Von da an freute ihn der Beruf des Kriegers nicht mehr“.26 Nach Musils Entlassung aus der Technischen Militärakademie Wien dauerte es nicht einmal einen Monat, bis er gegen Ende Jänner 1898 ein Maschinenbau-Studium an der Deutschen Technischen Hochschule Brünn aufnahm, wo sein Vater Professor war (so wie er auch Ulrichs Vater Professor sein lässt, allerdings als Jurist). Obwohl Musil im Juli 1901 die Zweite Staatsprüfung mit der Gesamtnote „sehr befähigt“ absolvierte, versandete auch seine Laufbahn als Ingenieur recht bald. Ganz ähnlich verläuft „Der zweite Versuch. Ansätze zu einer Moral des Mannes ohne Eigenschaften“ (Kapitel 10) auch für Musils Alter Ego im Roman: „Aber Ulrich wechselte nur das Pferd, als er von der Kavallerie zur Technik überging; das neue Pferd hatte Stahlglieder und lief zehnmal

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idea” (Chapter 27), and the fact that the expectation of a great jubilee and the wish to do justice to the greatness of this jubilee are both no guarantee for congenial inspiration. What is more than congenial, however, are Musil’s descriptions (e.g. in Chapters 21, 27, 36, 42, 44, and 71) of how the Parallel Campaign proliferates and thrives thanks to just such adversity. Besides “Kakania” and “Parallel Campaign”, there is a third catchword to be found in The Man without Qualities that has also been appropriated into general use: It first appears in the heading of Chapter 4: “If there is a sense of reality, there must also be a sense of possibility.” The sense of possibility is especially characteristic of its protagonist Ulrich, and does much towards him feeling that he is a Man without Qualities. In Ulrich’s father’s opinion, this is a shortcoming. But, reading the novel, it is obvious that Robert Musil, the author, identifies strongly with Ulrich, even if we are not aware of the many correspondences pointed out in Corino’s Musil biography: In August 1913, Ulrich is 32 years old (Chapter 3), just like Robert Musil, who was born on 6 November 1880. Ulrich’s father, who takes advantage of his connections to find Ulrich a position in the Parallel Campaign, strongly reminds us of Musil’s own father, who was much more interested in the librarian’s position than his son himself was. In this context, we must take a closer look at Chapters 9 to 11, which offer a great deal of pertinent advice for us at the TU. They deal with Ulrich’s “three attempts to become a great man”. The first attempt (Chapter 9) parallels Musil’s military training in 1892–1897. Ulrich’s military career appears to be driven by unbridled ambition. “He rode in steeplechases, fought duels, and recognized only three kinds of people: officers, women, and civilians, the last-named a physically underdeveloped and spiritually contemptible class of humanity whose wives and daughters were the legitimate prey of army officers.”25 Such behaviour, however, led to “a lengthy interview with his colonel, in which the difference between an archduke and a simple army officer was made clear to him. From then on the profession of warrior lost its charm for him.”26

so schnell.“27 Ulrich erkennt die Möglichkeiten der modernen Technik und entwickelt zunächst entsprechend heroische Vorstellungen von jenen, die sie betreiben. Doch wird er enttäuscht: „Es ist schwer zu sagen, warum Ingenieure nicht ganz so sind, wie es dem entsprechen würde. […] Sie zeigten sich als Männer, die mit ihren Reißbrettern fest verbunden waren, ihren Beruf liebten und in ihm eine bewundernswerte Tüchtigkeit besaßen; aber den Vorschlag, die Kühnheit ihrer Gedanken statt auf Maschinen auf sich selbst anzuwenden, würden sie ähnlich empfunden haben wie die Zumutung, von einem Hammer den widernatürlichen Gebrauch eines Mörders zu machen. So endete schnell der zweite und reifere Versuch, den Ulrich unternommen hatte, um auf dem Wege der Technik ein ungewöhnlicher Mann zu werden.“28 Musils Studien in Berlin (Philosophie und Psychologie, Nebenfächer: Mathematik und Physik) kann schließlich Kapitel 11, „Der wichtigste Versuch“, zugeordnet werden: „Über die Zeit bis dahin vermochte Ulrich heute den Kopf zu schütteln, wie wenn man ihm von seiner Seelenwanderung erzählen würde; über den dritten seiner Versuche nicht.“29 Dieser ist der Mathematik gewidmet. Von der Mathematik lasse sich nicht sagen, was für eine Maschine gilt, nämlich dass sie nicht imstande sei, „die ihr zugrunde liegenden Infinitesimalgleichungen auf sich selbst anzuwenden“.30 Die Mathematik nämlich sei „die neue Denklehre selbst, der Geist selbst“. Das gesamte Kapitel liest sich aus Sicht eines Mathematikers wunderbar, ebenso wie Musils Artikel „Der mathematische Mensch“,31 der bemerkenswerter Weise im Jahr 1913 entstand, also während seiner Zeit als Bibliothekar an der TU. Darin findet sich u. a. die folgende Passage, deren letzter Satz oft zitiert wird: „Wir andern haben nach der Aufklärungszeit den Mut sinken lassen. Ein kleines Mißlingen genügte, uns vom Verstand abzubringen, und wir gestatten jedem öden Schwärmer, das Wollen eines d’Alembert oder Diderot eitlen Rationalismus zu schelten. Wir plärren für das Gefühl gegen den Intellekt und vergessen, daß Gefühl ohne diesen – abgesehen von Ausnahmefällen – eine Sache so dick wie ein Mops ist. Wir haben damit unsre Dichtkunst schon so weit ru-

After Musil’s discharge from the Military Technical Academy in Vienna, not even a month passed before he began studying mechanical engineering at the German University of Technology in Brno, where his father was a professor (he also makes Ulrich’s father a professor, though as a jurist). Although Musil graduated in July 1901 with an overall grade of “very able” in his Second State Exam, his career as an engineer quickly ran dry. “The second attempt. Notes toward a morality for the man without qualities” (Chapter 10) ends in a very similar vein for Musil’s alter ego in the novel: “But when Ulrich switched from the cavalry to civil engineering, he was merely swapping horses. The new horse had steel legs and ran ten times faster.”27 Ulrich recognises the potential of modern technology and at first develops suitably heroic ideas of those who pursue it. But he is disappointed: “It is hard to say why engineers don’t quite live up to this vision (…) They all turned out to be men firmly tied to their drawing boards, who loved their profession and were wonderfully efficient at it. But any suggestion that they might apply their daring ideas to themselves instead of to their machines would have taken aback, much as if they had been asked to use a hammer for the unnatural purpose of killing a man. And so Ulrich’s second and more mature attempt to become a man of stature, by way of technology, came quickly to an end.”28 Musil’s studies in Berlin (philosophy and psychology, and in addition mathematics and physics) can lastly be correlated to Chapter 11, “The most important attempt of all”: “Thinking over his time up to that point today, Ulrich might shake his head in wonder, as if someone were to tell him about his previous incarnations; but his third effort was different.”29 This is dedicated to mathematics. You cannot say about mathematics what is true of a machine, that it was unable “to apply to itself the differential calculus upon which it is based”.30 The mathematical, however, was “the new method of thought itself, the mind itself”. The whole chapter reads exceptionally well from a mathematician’s point of view, as does Musil’s essay The Mathematical Man31, which was, remarkably, written in 1913, that is during his time as a librarian at

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iniert, daß man nach je zwei hintereinander gelesenen deutschen Romanen ein Integral auflösen muß, um abzumagern.“ Die Mathematiker seien eine „Analogie für den geistigen Menschen, der kommen wird“.32 Ulrich ist also Mathematiker. Das spiegelt sich in vielen Aspekten seines und damit wohl auch seines Autors Denkens wider. Schon in Kapitel 2 wird uns Ulrich kaum durch sein Handeln vorgestellt, sondern durch die Art und Weise, wie er harmlose Beobachtungen, die er von seinem Fenster aus macht, reflektiert. Die Neigung Ulrichs, alle Denkmöglichkeiten auszukosten, eben sein „Möglichkeitssinn“, wird auf den über 1000 Seiten des Romans in einer Weise vertieft, die in der Literatur ihresgleichen sucht. Wie die oben zitierte Passage über Ulrichs Versuch, im Bereich der Technik ein bedeutender Mann zu werden, nahelegt, scheint es Musil darum zu gehen, die Gedankenschärfe, die in Technik, Naturwissenschaft und Mathematik regiert, auch auf Belange anzuwenden, die dem Menschen existenziell näher stehen als Maschinen. In Kapitel 61 beispielsweise ist von einer „Utopie des exakten Lebens“33 die Rede, auch wenn die Schwierigkeit der angestrebten Verbindung von Denken und Leben eingestanden wird. Denn Ulrich (Kapitel 116) „gab sich keiner Täuschung über den Wert seiner Gedankenexperimente hin; wohl mochten sie niemals ohne Folgerichtigkeit Gedanke an Gedanke fügen, aber es geschah doch so, als würde Leiter auf Leiter gestellt, und die Spitze schwankte schließlich in einer Höhe, die weit entfernt vom natürlichen Leben war. Er empfand tiefe Abneigung dagegen.“34 Mit ähnlicher Abneigung jedoch kritisiert Ulrich, „daß die Bemühungen aller, die sich berufen fühlen, den Sinn des Lebens wiederherzustellen, heute das eine gemeinsam haben, daß sie dort, wo man nicht bloß persönliche Ansichten, sondern Wahrheiten gewinnen könnte, das Denken verachten; dafür legen sie sich dort, wo es auf die Unerschöpflichkeit der Ansichten ankommt, auf Schnellbegriffe und Halbwahrheiten fest!“35 Die Diskussionen, im Rahmen derer diese Worte Ulrichs fallen, kulminieren in einem Vorschlag an Graf Leinsdorf für die Parallelaktion: „Wir müssen ungefähr das tun,

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the TU. It contains, amongst other gems, the following passage, the last phrase of which is often quoted: “After the Enlightenment the rest of us lost our courage. A minor failure was enough to turn us away from reason, and we allow every barren enthusiast to inveigh against the intentions of a d’Alembert or a Diderot as mere rationalism. We beat the drums for feeling against intellect and forget that without intellect – apart from exceptional cases – feeling is as dense as a blockhead. In this way we have ruined our imaginative literature to such an extent that, whenever one reads two German novels in a row, one must solve an integral equation to grow lean again.” Mathematicians were an “analogy for the intellectual of the future.”32 So Ulrich is a mathematician. This fact is reflected in many facets of his, and therefore probably also his author’s, thinking. Even in Chapter 2, Ulrich is introduced to us less by his action but in the way in which he reflects on innocuous observations from his window. Ulrich’s tendency to taste all possible lines of thought, precisely his “sense of possibility”, is developed to great extent in the more than 1,000 pages of a novel that has no equal in literature. The passage on Ulrich’s attempt to become a man of stature in technology seems to suggest that Musil aims to apply the precision of thought governing technology, natural science, and mathematics to other concerns that are closer to the heart of man than machines. Chapter 61, for instance, is about the “utopia of exact living”33 even though the difficulty of the proposed connection of thought and life is acknowledged. Ulrich (Chapter 116) “had no illusions about the value of his philosophical experimentation; even if he observed the strictest logical consistency in linking thought to thought, the effect was still one of piling one ladder upon another, so that the topmost rungs teetered far above the level of natural life. He contemplated this with revulsion.”34 With similar revulsion, however, Ulrich criticises that “those who feel called upon to act, in order to restore some meaning to life, have one thing in common: they despise ‘mere’ thinking just at the point where it could lead us

was notwendig wäre, wenn ins Jahr 1918 der Jüngste Tag fiele, der alte Geist abgeschlossen werden und ein höherer beginnen sollte. Gründen Sie im Namen Seiner Majestät ein Erdensekretariat der Genauigkeit der Seele; alle anderen Aufgaben sind vorher unlösbar oder nur Scheinaufgaben!“36 In dem riesenhaften Romanwerk kommen natürlich noch viele andere Themen zur Sprache. Aus Sicht einer Universität kann beispielsweise Kapitel 72, „Das In den Bart Lächeln der Wissenschaft oder Erste ausführliche Begegnungen mit dem Bösen“, wärmstens zur Lektüre empfohlen werden. Um Thanatos, dem wir in unserem zweiten Versuch ausführlich gehuldigt haben, ein Gegengewicht gegenüberzustellen, läge es nahe, auch Eros Raum zu geben. Tatsächlich treten im Mann ohne Eigenschaften zahlreiche Frauenfiguren auf, in deren Verhältnis zu Ulrich einschlägige Spannung selten ausbleibt. In der ersten Version des vorliegenden Textes folgten an dieser Stelle auch zahlreiche köstliche Zitate aus Musils Roman. Unter Probelesern dieser früheren Version herrschte aber die Meinung vor, dass Eros – ganz im Gegensatz zur Parallelaktion und zu Ulrichs drei Versuchen – nichts mit der TU Wien zu tun habe. Deshalb müssen wir uns hier mit zwei minimalen Kostproben begnügen. Kapitel 7, welches den Titel „In einem Zustand von Schwäche zieht sich Ulrich eine neue Geliebte zu“ trägt, ist gespickt mit den verheißungsvollsten Wortwechseln, endet aber lapidar: „Zwei Wochen später war Bonadea schon seit vierzehn Tagen seine Geliebte.“37 Ganz anders entwickelt sich im dritten Teil des Romans die Beziehung Ulrichs zu seiner Schwester, die er anlässlich des Todes des Vaters nach langer Zeit erstmals wieder trifft. Ob es zum Inzest kommt, darf Spekulationen über die von Musil selbst nicht veröffentlichten Teile des Romanfragments überlassen bleiben. Jedenfalls schließt eines der nachgelassenen Kapitel – es trägt den Titel „Es ist nicht einfach zu lieben“ – mit dem Gedanken, dass es „bei weitem nicht so einfach sei zu lieben, wie die Natur dadurch glauben machen will, daß sie jedem Stümper unter ihren Geschöpfen die Werkzeuge dazu anvertraut hat.“38

to truths rather than simple personal opinions; instead, where everything depends on pursuing those views to their inexhaustible wellspring, they opt for shortcuts and half-truths.”35 The discussion that provokes Ulrich to utter these words culminates in the proposal of the Parallel Campaign to Count Leinsdorf: “We must act more or less as if we expected the Day of Judgment to dawn in 1918, when the old spiritual books will be closed and a higher accounting set up. I suggest that you found, in His Majesty’s name, a World Secretariat for Precision and Soul. Without that, all our other tasks cannot be solved, or else they are illusory tasks.”36 Obviously, this tremendous novel also raises many other topics. From a university perspective, Chapter 72, “Science smiling into its beard, or a first full-dress encounter with Evil” is warmly recommended reading. In order to provide a balance to Thanatos, to whom we have rendered extensive homage in our second attempt, it would make sense to make some space for Eros, too. Indeed, in The Man without Qualities, there are a number of female characters in whose dealings with Ulrich the respective tensions are rarely absent. In the first version of this text, we continued in this vein with a number of exquisite citations from Musil’s novel. The prevailing opinion amongst proofreaders of that version was, however, that Eros – contrary to the Parallel Campaign and Ulrich’s three attempts – has nothing to do with the TU Wien. Therefore, we need to content ourselves with two minute samples. Chapter 7, which is titled “In a weak moment Ulrich acquires a new mistress”, is brimming with the most promising exchanges, but ends rather brusquely: “Two weeks later Bonadea had been his mistress for fourteen days.”37 In the third part of the novel, Ulrich’s relations to his sister, whom he sees again after some time on the occasion of his father’s death, take a completely different turn. Whether incest is committed may be left to speculation on those parts of the novel fragment not published by Musil himself. At any rate, one of the posthumous chapters – it is headed “It is not easy to love” – closes with the thought that “it was by far not as easy to love as Nature wants to make believe by

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Musils Roman steht in dem unglücklichen Ruf eines schwierigen Buches, das zwar berühmt, aber kaum gelesen sei. Das ist äußerst bedauerlich, zumal der Roman auch in kleinen Stücken genossen – die einzelnen Kapitel sind im Durchschnitt nur fünf bis zehn Seiten lang – verständlich und äußerst kurzweilig ist. Sollte es gelingen, ein paar neue Leser für das epochale literarische Werk zu interessieren, so hat der vorliegende Text neben der Darstellung von Glanz und Gloria der TU Wien in drei kulturellen Disziplinen, nämlich erstens Künstlerische Leistungen ehemaliger Studenten, zweitens Geogra­ phischer Anziehungspunkt für moribunde Komponisten und drittens Literarische Erzeugnisse von Bibliothekaren auch noch einen zusätzlichen legitimen Zweck erfüllt. Nicht einmal Musil selbst möge die Lektüre seiner Werke verhindern, wenn er in Kapitel 100 seines Hauptwerks einen Bibliothekar angesichts der unüberschaubaren Menge von Büchern sagen lässt: „Sie wollen wissen, wieso ich jedes Buch kenne? Das kann ich Ihnen nun allerdings sagen: Weil ich keines lese! [ …] Wer sich auf den Inhalt einlässt, ist als Bibliothekar verloren.“39

having entrusted any fumbler amongst its creatures with the necessary tools.”38 Musil’s novel has the unfortunate reputation of being a difficult read and is, however famous, seldom read. This is extremely regrettable, even more so as the novel can also be enjoyed in small segments – its individual chapters are only five to ten pages on average – and is comprehensible and fun. If they should succeed in interesting a few new readers in this epochal literary text, the present lines will have served an additional legitimate purpose; in addition, of course, to presenting the glory and splendour of the TU Wien in three cultural disciplines, i.e. firstly Artistic Achievements of Former Stu­ dents, secondly Geographical Centre of Attraction for Moribund Composers, and thirdly Literary Products of Librarians. Not even Musil himself may prevent his works from being read, even though, in Chapter 100 of his main oeuvre, he has a librarian say: “If you want to know how I know about every book here, I can tell you: Because I never read any of them! … Anyone who lets himself go and starts reading a book is lost as a librarian.”39

Anmerkungen/Notes 1  Der Einfachheit halber verwenden wir die Abkürzung „TU Wien“ oder auch nur kurz „TU“ sowohl für das K. k. polytechnische Institut (ab 1815), für die Technische Hochschule (ab 1875) als auch für die Technische Universität (seit 1975). 2  Als Quelle verwendet wurde: Juliane Mikoletzky/Erich Jiresch, K. k. polytechnisches Institut – Technische Hochschule – Technische Universität Wien, Veröffentlichungen des Universitätsarchivs der Technischen Universität Wien, Heft 3, Wien 1997. 3  http://www.architektenlexikon.at/de/223.htm (05. 01. 2015). 4  Friedrich Torberg (Hg.), Das Beste von Herzmanovsky-Orlando. Erzählungen und Stücke, Wien 1995. 5  Klaralinda Ma, Im Schatten der Zwerge, in: Die Presse, 15. 05. 2004, Spectrum Seite IV. 6  Fritz von Herzmanovsky-Orlando: Sämtliche Werke in zehn Bänden. Texte, Briefe, Dokumente, hrsg. im Auftrag des Forschungsinstituts „Brenner-Archiv“ unter der Leitung von Walter Methlagl und Wendelin Schmidt-Dengler. Salzburg-Wien 1983–1994. 7  Fritz von Herzmanovsky-Orlando, Das grafische Werk in acht Bänden, Krems 1987–1997. 8  Fritz von Herzmanovsky-Orlando/Werner Hofmann, Zeichnungen, (2. Auflage) Salzburg 1977, 7. 9  Fritz von Herzmanovsky-Orlando, Der Gaulschreck im Rosennetz, Salzburg 1983, 20, besonders aber Anm. 200. Englische Übersetzung: Fritz von Herzmanovsky-Orlando, The Tragic Demise of a Faithful Court Official. Translated by David A. Veeder, Riverside, CA, 1997. 10  Journal-Panorama vom 6. Juli 2014 mit André Heller. Sendungsinformation bei: http://dmg.tuwien.ac.at/winkler/composers/ (05. 01. 2015). S. auch die CD „Geschichte und Geschichten ums Radio“. Radio-Legenden im Gespräch mit Rudolf Nagiller. ORF-CD 776, 2014. Das Gespräch mit Heller befindet sich als track 6 auf der zweiten von drei CDs. 11  Druckversion: The Fairly Incomplete & Rather Badly Illustrated Monty Python Song Book, Methuen 1994. Im Arrangement von John Du Prez auch auf Tonträger festgehalten und z. B. auf „Monty Python’s Contractual Obligation Album“ und auf der LP „Monty Python sings“ veröffentlicht. 12  http://www.meduniwien.ac.at/homepage/fileadmin/pdfs/News/hintergrundinformation_haydn_schaedel.pdf (01. 08. 2014) 13  Dirk Stermann, Sechs Österreicher unter den ersten fünf. Roman einer Entpiefkenisierung, Berlin 2010. 14  Eduard Fechtner, Die Bibliothek, In: Die k. k. Technische Hochschule in Wien 1815–1915, hrsg. v. Professorenkollegium, redigiert von Joseph Neuwirth, Wien 1915, 602–609, hier 602.

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15  Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften. Erstes und zweites Buch, hrsg. v. Adolf Frisé, Reinbek bei Hamburg 1978, 9. Die englische Übersetzung folgt: Robert Musil, The Man without Qualities. Translated by Sophie Wilkins and Burton Pike. New York, 1995. 16  Als Quelle diente Karl Corino, Robert Musil. Eine Biographie, Reinbek bei Hamburg 2003, 403ff., 1887ff. 17  Robert Musil, Gesammelte Werke. Prosa und Stücke, Kleine Prosa, Aphorismen, Autobiographisches, Essays und Reden, Kritik, Reinbek bei Hamburg 2000, 7ff. Englische Übersetzung: Robert Musil, The Confusions of Young Törless. Translated by Shaun Whiteside, with an introduction by J.M. Coetzee. London/New York, 2001. 18  Karl Corino, Robert Musil – Thomas Mann. Ein Dialog, Pfullingen 1971. 19  Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, Band 2. 20  Corino, Robert Musil. Eine Biographie, 13. 21  Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, Bd. 1, 170. 22  Ebd., 78f. 23  Ebd., 87–89. 24  Georg Franck, Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf, München 2007. 25  Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, Bd. 1, 36. 26  Ebd., 36. 27 Ebd. 28  Ebd., 38. 29 Ebd. 30  Ebd., 39. 31  Robert Musil, Der mathematische Mensch, in: ders., Gesammelte Werke, 1004ff. Englische Übersetzung: Robert Musil, The Mathematical Man. In: idem, Precision and Soul. Essays and Addresses, translated and edited by Burton Pike and David S. Luft. Chicago, 1990, 39-43. 32  Ebd., 1007. 33  Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, Bd. 1, 244. 34  Ebd., 594. 35  Ebd., 595f. 36  Ebd., 596f. 37  Ebd., 30. 38  Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, Bd. 2, 1232. 39  Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, Bd. 1, 462.

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FOTOPIONIERE AM K. K. POLYTECHNISCHEN INSTITUT IN WIEN PIONEERS OF PHOTOGRAPHY AT THE IMPERIAL ROYAL POLYTECHNIC INSTITUTE IN VIENNA Die Rolle, die die Fotografie in der Zeit nach ihrer Erfindung ab 1839 am Polytechnischen Institut in Wien spielte, lässt sich am ehesten mit einer epidemischen Krankheit vergleichen, mit der sich vor allem die Mitglieder der physikalischen und chemischen Lehrkanzeln reihenweise infizierten. Vom Direktor bis zum Hausknecht scheint kaum jemand davor gefeit gewesen zu sein, und auch eine unbekannte Anzahl an Studenten wurde angesteckt. Eine Ausnahme bildeten nur jene, die sich vehement gegen den Zug der Zeit stemmten, wie etwa Paul Traugott Meißner, damals Professor für Spezielle technische Chemie. Er nannte die Begeisterung für alles Neue – neben der Daguerreotypie auch für den Rotationsmagnetismus, die Galvanoplastik oder die Telegrafie – eine „ebenso lächerliche wie eckelhafte Parforcejagd“,1 was aber nicht einmal seine nächsten Mitarbeiter tatsächlich von der Beschäftigung mit den aktuellen Erfindungen abhielt. Meißners von Justus Liebig als anachronistisch verworfene Thesen über die Wirkungsweise eines „Aräotikon“ genannten, chemischen Elementes, das für Elektrizität, Wärmeentwicklung oder Lichterscheinungen verantwortlich sein sollte, sind in der weltweit ersten erhaltenen Serie von fotografischen Aufnahmen der Innenräume eines Laboratoriums als Formel dokumentiert.2 Die Vorstellung, dass Licht ein Bild zeichnen könne, war für alle der Technik und dem Fortschritt gegenüber Aufgeschlossenen ebenso unwiderstehlich wie die Idee, dass sich mit Hilfe von Wasserdampf schwere Lasten befördern ließen. Das Lichtbild hatte aber einen unerhörten Vorteil im Hinblick auf das Engagement Einzelner: Hier waren die chemischen und physikalischen Pro­zesse

The role of photography at the Polytechnic Institute in Vienna in the period following its invention in 1839 is best compared to an epidemic spreading through the ranks, mainly amongst the professors in physics and chemistry. Hardly anyone, from the director down to the humblest servant, seems to have escaped this infection, including an unknown number of students. An exception were those who vehemently sought to stem the tide of progress, for instance Paul Traugott Meißner, Professor of Special Technical Chemistry. He called the enthusiasm for every novelty – including Daguerreotypes, rotatory magnetism, galvanoplastics, and telegraphy – an “equally ridiculous and disgusting steeplechase hunt”.1 This, however, did not deter even his closest collaborators from exploring these new inventions. Meißner’s theses on the effects of a chemical element called “Aräotikon” supposedly responsible for electricity, heat generation, and emanations of light, which Justus Liebig rejected as anachronistic, are documented as a formula in the oldest existing series of photographic images of a laboratory interior.2 For those open to technology and progress, the idea that light was able to create an image was as irresistible as the idea that heavy loads could be moved with steam. Photographic images, however, had an immense advantage with respect to the interest of individuals: The chemical and physical processes were active on a small scale, the necessary equipment was manageable – and in the end, you held the result in your hands, which permitted a direct comparison to traditional methods of making images of nature.

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im Kleinen wirksam, die nötigen Apparaturen waren überschaubar – und schließlich hielt man etwas in der Hand, das einen direkten Vergleich mit den herkömmlichen Verfahren, ein Abbild der Natur herzustellen, ermöglichte. Eine Aufzählung aller bisher bekannten Personen, die sich in den ersten Jahrzehnten am Wiener Polytechnikum mit der Fotografie beschäftigten, kann auf der Suche nach einer Zusammenfassung dessen, was an Pionierleistungen in dieser Institution geleistet wurde, wenig hilfreich sein. Daher konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf die zwei auffallendsten Exponenten der Frühzeit der Anwendung des neuen Mediums an diesem Haus: Anton Martin (1812–1882) und Andreas Groll (1812–1872). Ihr unmittelbares Umfeld und ihr Wirken umreißt die ganze Breite der Erfindungen und Anwendungen des ersten Dutzends Jahre der Fotografie in Österreich. Johann Josef Prechtl, der Gründer und Leiter der Anstalt, mit seinen speziellen Interessen im Bereich Chemie und Optik, scheint schon gleich nach den noch sehr vagen Meldungen über Louis Daguerres Erfindung ab Februar 1839 größtes Interesse gezeigt zu haben. Es wird von sofort einsetzenden Experimenten berichtet, die jedoch ohne nennenswerten Erfolg blieben.3 Erst nachdem Andreas von Ettingshausen, Professor für Physik an der Universität Wien, Daguerres offizieller Vorstellung der Erfindung an der Akademie in Paris im Sommer desselben Jahres beigewohnt und eine dort erworbene Kamera nach Wien gesandt hatte, änderte sich die Lage. Mit Hilfe einer Kopie dieser Kamera, die vom Wiener Optiker Simon Plössl angefertigt wurde, begann der damals als Assistent an der Lehrkanzel für Physik beschäftigte Anton Martin im Auftrag Prechtls mit seinen Versuchen.4 Nach der publizierten französischen Rezeptur, der nach dem Erfinder „Daguerreotypie“ genannten Bilder musste, sehr verkürzt beschrieben, eine versilberte Kupferplatte mit einer fotosensiblen Schicht versehen werden. Die Lichtempfindlichkeit von Silbersalzen war allerdings schon lange bekannt gewesen. Die wahre Neuerung war, dass mit Hilfe von Quecksilberdämpfen

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Enumerating all individuals at the Viennese Polytechnic whom we know to have been engaged in photography in its first decades of existence will be of little use in the quest to summarise all pioneering achievements at this institution. Therefore, the following remarks will focus on the most conspicuous exponents of the early use of this new medium: Anton Martin (1812–1882) and Andreas Groll (1812–1872). Their immediate environment and their activities cover the whole breadth of inventions and applications of photography in Austria over its first dozen years. Johann Joseph Prechtl, the founder and director of the institution, with his special interest in the area of chemistry and optics, seems to have been highly interested from the first, if rather vague, reports of Louis Daguerre’s invention in February 1839. There are re­ ports of immediate experiments, which, however, did not meet with any noteworthy success.3 Things didn’t change until Andreas von Ettingshausen, a Professor of Physics at the University of Vienna, attended Daguerre’s official presentation of his invention at the Paris Academy in the summer of the same year and sent a camera he had acquired there to Vienna. With a copy of this camera, made by the Viennese optician Simon Plössl, Anton Martin, who was employed as an assistant at the Chair of Physics at the time, began his experiments on behalf of Prechtl.4 In an abridged version of the published French formulation of the images, named Daguerrotypes after their inventor, a light-sensitive layer was applied to a sheet of silver-plated copper. The light-sensitive properties of silver salts had already been known for quite some time. The true innovation was the ability to stop and fixate the process initiated by sunlight during the exposition of the plate in a Camera obscura using mercury vapour. The whole procedure, however, only seems comparatively simple in theory. The first results usually left much to be desired. In 1846, Anton Martin still remarked: “The production of photographic images is an experiment.”5 Therefore, an informal circle of men formed in Vienna and met regularly in the Fürstenhof apartment of Carl

der vom Sonnenlicht bei der Exposition der Platte in einer Camera obscura in Gang gesetzte Prozess gestoppt und fixiert werden konnte. Die ganze Prozedur wirkte jedoch nur in der Theorie vergleichsweise einfach, die ersten Ergebnisse ließen meist zu wünschen übrig. Anton Martin musste noch 1846 feststellen: „Die Erzeugung von Lichtbildern ist ein Experiment.“5 In Wien formierte sich daher spätestens Anfang 1840 eine informelle Runde von Männern, die sich in der Wohnung des aus Berlin stammenden Physikers Carl Schuh im Fürstenhof regelmäßig traf, um die auftretenden Schwierigkeiten zu analysieren und, wenn möglich, Abhilfe zu ­schaffen.

Abbildung 1: Inneres des Chemischen Laboratoriums am Wiener Polytechnischen Institut, um 1845 (Daguerrotypie). Figure 1: Interior of the Chemistry Lab at the Vienna Polytechnic Institute, about 1845 (daguerrotype).

Schuh, a physicist originally from Berlin, in order to analyse and solve its problems. They came from diverse professional backgrounds, united by the far-flung interests and hopes for the new medium: apothecaries and doctors versed in the use of chemicals, opticians and art dealers attracted by a new field of activity, but also public servants with a general interest in science. The majority, however, were members of the teaching staff

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Sie kamen aus den unterschiedlichsten Berufen, die die weitgespannten Interessen am und Hoffnungen auf das neue Medium einten: Apotheker und Ärzte, die im Umgang mit Chemikalien geübt waren, Optiker und Kunsthändler, denen sich ein neues Berufsfeld öffnete, aber auch allgemein an der Wissenschaft interessierte Beamte. Zahlenmäßig in der Mehrzahl waren allerdings Mitglieder des Lehrkörpers von Universität und Polytechnikum.6 Fast alle waren Mitglieder des Niederösterreichischen Gewerbevereins, der ersten in Wien zugelassenen Gesellschaft, in der freies Zusammentreffen und Diskutieren über wissenschaftliche und technologische Themen erlaubt war. Wie dort zeigte man einander im Fürstenhof die Ergebnisse der eigenen Versuche und besprach mögliche Verbesserungen des von Daguerre vorgelegten Verfahrens. Es musste darum gehen, rascher auf das Licht reagierende chemische Prozesse zu erproben (hier wirkten Franz Kratochwila und die Brüder Johann und Joseph Natterer bahnbrechend) oder mittels neuer Poliermethoden die versilberten Platten als Bildträger zu vervollkommnen, was vor allem Anton Martin beschäftigte.7 Noch in Paris hatte Ettingshausen – auch er wie alle anderen hier Genannten regelmäßiger Besucher des Fürstenhofes – unter der Anleitung von Daguerre selbst erste eigene Fotografien hergestellt und eine der wesentlichen Schwächen des neuen Bildherstellungsverfahrens erkannt: Die Linsen der Optik der Kameras waren zu lichtschwach. Daraus ergaben sich zwangsweise außerordentlich lange Belichtungszeiten. Auf Ettingshausens Anregung hin begann Josef Petzval, Professor für Höhere Mathematik an der Universität, der sich schon früher mit Themen der Dioptrik beschäftigt hatte, mit der Berechnung neuer Linsen.8 Er bediente sich Martins, der im selben Haus wie er in der Karlsgasse wohnte,9 um die vom Optiker Peter Wilhelm Voigtländer nach seinen Angaben geschliffenen Linsensysteme in der Praxis zu überprüfen. Tatsächlich gelangen bereits im Sommer 1840 mit einer behelfsmäßigen Kamera erste Aufnahmen mit einer Expositionszeit von etwa einer Minute – eine Sensation, die durch die nun vielfach gesteigerte Lichtstärke des Objektivs aus zwei

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at the University and the Polytechnic Institute.6 Nearly all of them were members of the Niederösterreichischer Gewerbeverein (Lower Austrian Trade Association), the first society in Vienna permitted to hold free gatherings and discussions of scientific and technological issues. The Fürstenhof meetings also showed results of experiments and discussed possible improvements on the procedure presented by Daguerre. Their concern was to test chemical processes with faster reactions to light (in this field, Franz Kratochwila and the brothers Johann and Joseph Natterer were leading figures), and to perfect the image-carrying, silver-plated sheets using new polishing methods, which was Anton Martin’s main concern.7 Still in Paris, Ettingshausen – who was, like all the others mentioned here, a regular guest at the Fürstenhof – had himself produced a number of photographs under Daguerre’s guidance, and recognised one of the essential weaknesses of the new method of image production: The lenses of the camera’s optics were not sensitive enough to light. This inherently led to extremely long exposure times. At the suggestion of Ettingshausen, Josef Petzval, a Professor of Higher Mathematics at the university who had experience with dioptrics, began to calculate new lenses.8 He used Martin, who lived in the same house at Karlsgasse,9 to test these lenses, which were manufactured by optician Peter Wilhelm Voigtländer according to his specifications. Eventually, they succeeded in taking the first pictures with a makeshift camera at an exposure time of roughly one minute – a sensation that was made possible by the much-improved lens speed of the objective through the complementary combination of lens and glass. This first lens system, designed by Petzval, was mainly intended for the production of portraits, an explicit desideratum of these early days, which Daguerre himself had failed to achieve. It wasn’t until 1842 that a landscape objective was produced, again in collaboration with the mathematician, the Voigtländer company, and Anton Martin – both objectives remained unmatched in precision and lens speed into the first decades of the 20th century. All innovations emerging from the

komplementären Linsen- bzw. Glaskombinationen möglich wurde. Dieses erste von Petzval entworfene Linsensystem war primär zum Herstellen von Porträts bestimmt, einem expliziten Desiderat der ersten Stunde, an dem Daguerre selbst noch gescheitert war. Erst 1842 entstand, wiederum im Zusammenwirken zwischen dem Mathematiker, der Firma Voigtländer und Anton Martin ein Landschaftsobjektiv – beide Objektive blieben bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts hinein in ihrer Präzision und Lichtstärke unübertroffen. Alle Neuerungen der „Fürstenhofrunde“ wurden von den auch international gut vernetzten Protagonisten innerhalb kürzester Zeit in der Wiener Zeitung kommuniziert, aber auch in den weit verbreiteten wissenschaftlichen Magazinen des deutschen Sprachraums, etwa in Dingler’s polytechnischem Journal oder in Poggendorffs Annalen publiziert. Getreu dem Prinzip des Wiener Polytechnischen Instituts, nicht nur theoretische Grundlagen zu unterrichten, sondern auch die praktische Anwendung innovativer Technologien im Auge zu behalten, unterstützte man auch die Markteinführung der Voigtländer’schen Kamera, die ab Anfang 1841 ausgeliefert wurde. Anton ­Martin, dessen Assistentenverhältnis am Institut inzwischen ausgelaufen war, reiste mit einem ihm zur Verfügung gestellten Apparat als „Wanderdaguerreotypist“ porträtierend in Richtung Dresden. Zweck der Fahrt war aber nicht nur, Martin mit Hilfe des Anfertigens von fotografischen Bildnissen ein finanzielles Auskommen zu sichern, sondern auch die Propagierung des Produkts des Wiener Optikers. Dies gelang dem jungen Physiker und anderen mit Voigtländer-Metallkameras reisenden Fotografen rasch. Zwar war die gesamte Ausstattung sehr kostspielig, aber von den Objektiven allein konnten binnen drei Jahren 7000 Stück verkauft werden.10 Nach seiner Rückkehr erhielt Anton Martin am Polytechnischen Institut wieder eine Anstellung, ab 1843 als Kustos der Bibliothek. Er gab das berufsmäßige Porträtieren auf, das jedoch rasch von einer ganzen Reihe anderer Personen als kommerzielle Betätigung übernommen wurde. Seine fotografischen Versuche betrieb

Abbildung 2: Anton Martin, erstes Selbstporträt im Sommer 1840 (Daguerrotypie). Figure 2: Anton Martin, first self portrait, summer 1840 (daguerrotype).

“Fürstenhof circle” were published by its protagonists, who had well-established international networks, with the shortest of delays in the Wiener Zeitung, as well as in widely-read German scientific journals like Dingler’s Polytechnisches Journal or Poggendorff’s Annalen. True to the gospel of the Vienna Polytechnic Institute, to not only teach theoretical fundamentals, but also to keep an eye on the practical application of innovative technologies, the group also supported the Voigtländer camera’s market launch; it was introduced in early 1841. Anton Martin, whose term as an assistant had by then come to an end, travelled to Dresden as a “touring daguerrotypist”, making portraits with a camera made available for his use. The aim of this journey, however, was

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Abbildung 3: Andreas Groll, Anton Schrötter (von Kristelli), Daguerrotypie. Figure 3: Andreas Groll, Anton Schrötter (von Kristelli), daguerrotype.

er allerdings weiter und beschäftigte sich nun bevorzugt mit der in Wien noch nicht ernsthaft betrieben Methode nach Fox Talbot, dem zweiten weithin anerkannten Erfinder der Fotografie, der seit 1835 Bilder auf lichtempfindlichen Papiernegativen hergestellt hatte. Der durch die Bemühungen des Arztes und Universitätslehrers ­Joseph Berres nur unvollkommen gelöste Versuch, das Unikat Daguerreotypie durch Ätzen druckfähig zu machen, stand einer breiteren Anwendung dieses Verfahrens im Weg, das auf einem Positiv-Negativ-Prozess beruhende Verfahren hingegen war zukunftsweisend. Einen Überblick über alle bisherigen wichtigen Protagonisten der sogenannten „Kalotypie“ und seine eigenen Versuche publizierte Martin dann 1846 in einem Repertorium, das zu Recht als das erste Handbuch zur Fotografie im deutschen Sprachraum gilt. Dieses Werk erfuhr zahlreiche, zum Teil wesentlich erweiterte Auflagen bis in die

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not just to secure a livelihood for Martin in the production of photographic portraits, but also to promote the Viennese optician’s product. The young physicist and other photographers travelling with Voigtländer metal cameras quickly succeeded. In spite of the high cost of the equipment, 7,000 lenses were sold within three years.10 After his return, Anton Martin was again employed by the Polytechnic Institute, as a curator at the library, in 1843. He abandoned professional portrait photography, which was quickly taken up as a commercial enterprise by a number of individuals. However, he continued his photographic experiments and now began to mainly study a method not yet seriously pursued in Vienna, the one following in the vein of Fox Talbot, the second widely recognised inventor of photography, who had been producing images on light-sensitive paper negatives since 1835. The challenge of finding ways to print the unique copies produced by the Daguerrotype process, which the doctor and university teacher Joseph Berres had unsatisfactorily attempted through etching, prevented a wider use of this technique. This other method, based on a positive-negative process, was visionary. In 1846, Martin published an overview of all previous important protagonists of so-called “Calotype” and his own experiments in a “Repertorium”, which is rightly regarded as the first photography manual written in the German language. This work was re-edited and expanded a number of times by the 1860s, when the new medium finally entered a phase of generally accepted professionalism with the foundation of the Photographische Gesellschaft (Photographic Society, 1861), the first president of which was Martin. The successor of Meißner, the chemist previously mentioned, was Anton Schrötter, who was also a founding member of the Photographic Society. From the moment he took office in 1843, he had strongly promoted photography amongst his collaborators and students. Andreas Groll was indebted to him for his remarkable career.11 Contrary to Martin, he had no academic training, but came to the chemical laboratory of the Polytechnic in

1860er Jahre, als durch die Gründung der Photographi­ schen Gesellschaft in Wien (1861), deren erster Präsident Martin war, das neue Medium endgültig ein Stadium der allgemein akzeptierten Professionalität erreicht hatte. Auch Anton Schrötter, Nachfolger des erwähnten Chemikers Meißner, war Gründungsmitglied der Pho­ tographischen Gesellschaft. Bereits seit seinem Antritt in Wien 1843 hatte er die Lichtbildnerei unter seinen Mitarbeitern und Studenten kräftig gefördert. Ihm verdankte Andreas Groll seine ungewöhnliche Karriere.11 Im Gegensatz zu Martin hatte er keine akademische Ausbildung, sondern kam als Hausknecht 1844 an das chemische Laboratorium des Polytechnikums. Er hatte bereits als Diener des Arztes Ignaz Menz daguerreotypieren gelernt und übte diese Tätigkeit mit Billigung Schrötters weiterhin aus. Wie Martin begann auch er spätestens 1847, sich mit dem Negativ-Positiv-Prozess auseinanderzusetzen. Die wenig präzise Zeichnung der Details beim Kopieren der damals üblichen Papiernegative erkannte er zu Recht als ungenügend und entwickelte ein eigenes Verfahren, Glas mit einer lichtempfindlichen Schicht zu überziehen und damit die „schon lange gewünschte Feinheit und Schärfe“ der Lichtbilder auf Papier zu erreichen.12 Dieser Prozess sollte sich nicht durchsetzen, beeindruckte aber seinen Vorgesetzten Schrötter ganz sichtlich: Dieser ermöglichte es dem Laboranten Groll, im November 1850 vor der mathematischen Klasse der Akademie der Wissenschaften seine Methode vorzutragen, wo auch Anton Martin – der allerdings ein ausgewiesener Wissenschaftler war – bereits über seine Versuche berichtet hatte. Seine besondere Fertigkeit in der immer noch komplizierten Materie verschaffte Groll trotz seiner untergeordneten Stellung eine Reihe von Schülern innerhalb und außerhalb des Instituts.13 Zusätzlich nützte er sein wachsendes Renommee, indem er für den Wiener Optiker Franz Waibl in Zeitungsannoncen warb. Groll wusste also sein bescheidenes Einkommen als Laborant mit Hilfe der Fotografie aufzubessern. Sie bot ihm eine gesellschaftliche Aufstiegsmöglichkeit und bewog ihn schließlich wenig später auch zum Austritt aus den Diensten

Abbildung 4: Andreas Groll, Giebel des Wiener Stephansdoms, 1852. Figure 4: Andreas Groll, Pediment of St. Stephen’s Cathedral in ­Vienna, 1852

1844 as a servant. He had already learned to daguerreotype in the service of Ignaz Menz, a doctor, and, with Schrötter’s approval, continued his activities. Like Martin, he began to study the negative-positive process no later than 1847. He rightly recognised the unsatisfactory lack of detail in the copies of the paper negatives used at the time, and developed his own method of coating glass with a light-sensitive layer, thus achieving “long-desired subtlety and focus” in paper photographs.12 This process was not destined to succeed, but clearly impressed his superior Schrötter. He allowed laboratory assistant Groll to present his method to the mathematical class of the Academy of Sciences in

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des chemischen Laboratoriums. 1853 ersuchte Groll um ­ inen viermonatigen Urlaub, um sich „mit aller Kraft auf e die Fotografie zu verlegen“, wie er selbst formulierte.14 Schrötter befürwortete dieses Gesuch nicht nur, sondern scheint seinen Mitarbeiter, der nicht mehr ans Polytechnische Institut zurückkehren sollte, auch mit seinen persönlichen Beziehungen zu anderen Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften und des Niederösterreichischen Gewerbevereins unterstützt zu haben. Bereits 1852 hatte Groll für den Architekten Ludwig Förster einen Giebel der Wiener Stephanskirche aufgenommen; nach dieser Aufnahme ließ Förster dann eine Druckgraphik anfertigen, um sie in der „Allgemeinen Bauzeitung“ zu publizieren.15 Die Verbindung mit den an der sich eben formierenden Denkmalpflege interessierten Architekten, Künstlern und Historikern sollte sich als tragfähig erweisen für ein ganz neues Berufsmodell für Fotografen, die bisher praktisch mehrheitlich mit dem Porträtieren ihren Lebensunterhalt bestritten hatten. Wir dürfen uns Grolls Leben daher nicht als das eines „Atelierfotografen“ in dem Sinne vorstellen, wie wir das von den anderen frühen, in Wien ansässigen Lichtbildnern kennen. Soweit wir wissen, hatte er kein regelrechtes „Atelier“ mit den üblichen Kulissen und Versatzstücken. Abgesehen von einigen Bildern aus den 40er Jahren, die noch im chemischen Laboratorium am Polytechnischen Institut angefertigt wurden, entstanden seine Bilder „vor Ort“, nicht nur an verschiedenen Plätzen Wiens, sondern auch auf weiten Reisen mit der damals noch schweren und kompliziert zu handhabenden Ausrüstung zwischen Prag und Krakau, zwischen Regensburg und dem Banat, zwischen Zwettl und Friesach, entlang der Strecke der im Bau befindlichen Westbahn oder auf Schloss Rosenberg in Südböhmen. Hier entstanden vor allem Ansichten mittelalterlicher Bauten, die von den Mitgliedern der 1853 gegründeten kaiserlichen Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunstdenkmale als Belegstücke für die beabsichtigte Katalogisierung der wichtigsten alten Gebäude geschätzt wurden. Aber auch die Architekten, die ihre Entwürfe an historische Stile anlehnten, sammelten

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November 1850, where Anton Martin had also reported on his experiments. The latter, however, was an acknowledged scientist. In spite of his subordinate status, and thanks to his special abilities with this still-complicated matter, Groll acquired a number of students from within and beyond the Institute.13 In addition, he used his growing fame to promote the Viennese optician Franz Waibl in newspaper ads. Groll was thus able to add to his modest income as a laboratory assistant with photography. It offered him an opportunity for social advancement and shortly afterwards, he quit the service of the chemical laboratory. In 1853, Groll petitioned for a four-month leave in order to “concentrate all his forces on photography”, according to his own words.14 Schrötter not only supported this petition, but also seems to have helped his former employee, who would not return to the Polytechnic Institute, with his personal contacts to other members of the Academy of Sciences and the Lower Austrian Trade Association. As early as 1852, Groll took a photograph of one of the gables of St. Stephen’s Cathedral in Vienna for L­ udwig Förster, an architect, who had a print produced from it that was published in the Allgemeine Bauzeitung.15 The connection to architects, artists, and historians from the emerging preservation of monuments movement was to prove a viable career model for photographers, who had so far made their living with portraits. We therefore should not imagine Groll’s life as a “studio photographer” in the sense we know from other early Viennese photographers. As far as we know, he never had a regular “studio” with the usual backdrops and requisites. Apart from a few images in the 1840s, which were still made at the chemical laboratory of the Polytechnic Institute, his images were produced “on the spot”, not only at different places in Vienna, but also on long journeys with heavy and complicated equipment, to Prague and Cracow, Regensburg and the Banat, Zwettl and Friesach, along the Westbahn railway line, or at Rosenberg Palace in South Bohemia. Once arrived, he mainly took views of medieval buildings to be evaluated by the members of

solche Fotografien als Anregung und Vorlage.16 Und sie ließen auch ihre eigenen Pläne und Zeichnungen von ihm reproduzieren – in einer Zeit ohne Kopiergerät die einzige einfache und relativ preiswerte Möglichkeit, diese Blätter zu vervielfältigen. Schon 1854 begann Groll, reihenweise die Rüstungen der „Ambraser Sammlung“ – heute Teil des Bestands des Kunsthistorischen Museums – aufzunehmen, was schließlich unter Mitwirkung von Mitgliedern der Akademie der bildenden Künste in der

Abbildung 5: Andreas von Ettingshausen, Das Hauptgebäude der TH in Wien, Mittelrisalit (Daguerrotypie). Figure 5: Andreas von Ettingshausen, The main building of the Technische Hochschule in Vienn, central projection (daguerrotype).

the Imperial Commission for the Study and Preservation of Artistic Monuments, founded in 1853, as references for a projected catalogue of the most important ancient buildings. But architects, too, who turned to historical styles for their designs, collected such photographs for

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ersten umfangreichen mit Lichtbildern illustrierten Publikation Österreichs münden sollte.17 Gleichzeitig wurde der Fotograf von der Österreichischen Staatseisenbahngesellschaft (StEG) beauftragt, alle seit 1847 in ihre Dienste genommenen Lokomotiven zu dokumentieren. Für dieses Unternehmen reiste er wenig später in den Banat, um dessen dort jüngst erbaute Fabriken, Minenund Verwaltungsgebäude zu fotografieren. Das daraus resultierende Album wurde von der StEG dann auf der Weltausstellung 1862 in London als Leistungsbeleg gezeigt. Groll war inzwischen als erster spezialisierte Architektur-, Reproduktions- und Industriefotograf ebenfalls Mitglied der Photographischen Gesellschaft geworden. Doch nicht nur die gesamte Themenbreite der frühen Fotografie wurde in ihren Pionierleistungen von Mitarbeitern des polytechnischen Institutes abgedeckt und das erste Handbuch dort verfasst. Hier nahm auch die staatliche Ausbildung für Fotografen ihren Anfang. Ab 1858 hielt der Professor für Chemische Technologie, Johann Josef Pohl, die „erste öffentliche Unterrichts­ veranstaltung über Photographie“ dort ab.18 Josef ­Maria Eder, ursprünglich Pohls Assistent, sollte schließlich 1892 am selben Ort A. o. Professor für Photochemie werden, nachdem er 1888 die k. k. Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie und Reproduktionsverfahren gegründet hatte, die er als Direktor leitete. In der Verbindung von Forschungs- und Prüfanstalt mit einem Ausbildungsinstitut war diese in ihrem Feld eine europäische Novität, doch stand sie damit in der Tradition der Praxis am Polytechnikum, das inzwischen bereits den Namen „Technische Hochschule“ trug.

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inspiration and as models.16 And they had their own plans and drawings reproduced by him – in a time without duplicating machines, this was the only simple and relatively cheap method to reproduce these documents. In 1854, Groll already started to take serial photos of the armours of the “Ambras collection” – which today is part of the collection of the Kunsthistorisches Museum – which, in collaboration with members of the Academy of Fine Arts, finally culminated in the first comprehensive publication illustrated with photographs in Austria.17 At the same time, the photographer was commissioned by the Austrian State Railway Company (StEG) to document all locomotives commissioned since 1847. Shortly afterwards, he travelled to the Banat for this enterprise, to photograph its recently-built factory, mine and administration buildings. The StEG showed the resulting album as a proof of its achievements at the 1862 International Exhibition in London. In the meantime, Groll had also become a member of the Photographic Society, as the first specialised photographer of architecture, of industrial buildings, and for reproduction. The members of the Polytechnic Institute not only covered the whole spectrum of early photography in its pioneering achievements and wrote its first manual, it was also the birthplace of the state-sponsored education of photographers. From 1858, Johann Josef Pohl, Professor of Chemical Technology, held the “first public lecture on photography” at the institute.18 Josef Maria Eder, originally Pohl’s assistant, finally was to become its first Professor of Photochemistry in 1892, after he had founded the k.k. Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie und Reproduktionsverfahren in 1888, of which he was director. This institute, with its combination of research and experimentation with an educational institute, was a European novelty in this field; however, it followed the Polytechnic Institute’s practice, which by then was called a “Technische Hochschule”.

Anmerkungen/Notes 1  P. T. Meißner, Justus Liebig analysiert, Frankfurt/ Main, 1844, 6. 2  Über mögliche Datierungen und Zuschreibungen dieser Bilderserie vgl. Monika Faber, „…ein gutmüthiger Privat-Thor“. Die Fotografie am Chemischen Laboratorium des Polytechnicum in Wien, in: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, Jg. 22, Heft 83, 2002, 21–37. 3  Franz Hebenstreit, „Fleiß, Reinlichkeit und Geduld“ – Anton Martin (1812–1882), in: Silber und Salz: Zur Frühzeit der Fotografie im deutschen Sprachraum, hrsg. v. Bodo von Dewitz/Reinhard Matz, Köln 1989, 142–159, hier 145. Ich beziehe mich auch bei allen, nicht im Einzelnen ausgewiesenen, biographischen Daten zu Martin auf diesen Aufsatz. 4  Auch Prechtl selbst hat weiterhin Experimente angestellt, vgl. Meldung in Dingler’s polytechnisches Journal, Bd. 76, 1840, 318. 5  Anton Martin, Repertorium der Photographie, Wien 1846, 46. 6  Genauere Angaben zu allen beteiligten Personen lassen sich in der bio-bibliographischen Datenbank von Timm Starl über www.albertina. at finden. Eine Liste ist ebenfalls publiziert in: Monika Faber, Timm Starl, „Wäre die Zeit gleich Null“. Daguerreotypie in Wien 1839 bis 1841, in: Fotogeschichte (zit. Anm. 2) 3–20. Eine Analyse der Tätigkeit der „Fürstenhofrunde“ und ihrer Überlieferung durch Anton Martin in: Maren Gröning, „Inkunabeln einer neuen Zeit. Pioniere der Daguerreotypie in Österreich“, in: Inkunabeln einer neuen Zeit. Pioniere der Daguerreotypie in Österreich 1839–1850, Beiträge zur Geschichte der Fotografie in Österreich, Bd. 4, hrsg. v. Maren Gröning/Monika Faber, Wien 2006, 8–46, insbes. 21–24. 7  Eine Aufzählung aller Verbesserungen, die die Mitglieder der „Fürstenhofrunde“ bewirkten, findet sich zeitnahe in: Joseph Berres, Neue Aufschlüsse über das Daguerreotyp, in: Dingler’s polytechnisches Journal, Bd. 81, 1841, 149. 8  Eine ausführliche Darstellung der Bedingungen, unter denen Petzvals Berechnungen entstanden, ist zusammengefasst bei: Anton Holzer, Die Zähmung des Lichts. Der militärische Blick und die frühe Fotografie, in: Die Schärfung des Blicks. Joseph Petzval: Das Licht, die Stadt und die Fotografie, Ausstellungskatalog des Technischen Museums, hrsg. v. Manuela Fellner/Anton Holzer, Wien 2003, 10–57. 9  Ebd., 22. 10  Vgl. kommentierte Preisliste der Voigtländer-Produkte im Anhang des Martin’schen Repertorium (zit. Anm. 5). 11  Die folgenden Ausführungen beruhen auf den Forschungen der Autorin für eine im Herbst 2015 im Wien Museum stattfindende, monografische Ausstellung über Andreas Groll. 12  Andreas Groll, Photographie oder Lichtbilder auf Glas, in: Sitzungsberichte der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der Akademie der Wissenschaften 1850, Bd. 5, 347–351. 13  Vgl. die kleine Publikation Fotografie. Lichtbilder aus Papier, Hrsg. von meinem Schüler R. J[ohanny]. des Andreas Groll, Laborant am k. k. politechnischen Institut, Wien 1851. 14  Gesuch Andreas Grolls vom 27. April 1853, AT TUWA, Direktionsakten Nr. 649 ex 1853. 15  Allgemeine Bauzeitung, 18. Jg. 1853, Blatt 537. 16  Die größten Bestände im Umfang von bis zu mehreren hundert Blättern von Fotografien Andreas Grolls haben sich in Nachlässen von Architekten erhalten: Wien Museum (Nachlass Architekt Viktor Luntz), Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste, Wien (Nachlass Theophil Hansen), Technisches Museum Wien (Nachlass Josef Horky) sowie Akademie der Wissenschaft und Museum für Angewandte Kunst in Prag (Nachlass Josef Hlávka). 17  Eduard von Sacken, Die vorzüglichsten Rüstungen und Waffen der k. k. Ambraser Sammlung in Originalphotographien von Andreas Groll, 2 Bände in Lieferungen ab 1857. Das Werk umfasst 128 Abbildungen. 18  Josef Maria Eder, Geschichte der Photographie, Erste und Zweite Hälfte, 2 Bde., Halle/Saale, 4. Aufl.1932 (= Ausführliches Handbuch der Photographie, Bd. 1, Teil 1), 995.

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Paulus Ebner

„WEIL ES SONST NIEMAND TUT!“ – BEITRÄGE DER TU WIEN ZU ENTWICKLUNG, GESCHICHTE UND KULTUR DES FILMS “BECAUSE SOMEONE HAS TO DO IT!” – CONTRIBUTIONS OF THE TU WIEN TO THE DEVELOPMENT, HISTORY, AND CULTURE OF FILM Die „Siebte Kunst“,1 wie der Film in Ergänzung zu G. W. F. Hegels Einteilung der Künste genannt wurde, ist die wohl am engsten mit der Technik verbundene Kunstform. Im Gegensatz zu den klassischen Künsten kann er nur mit erheblicher technischer Unterstützung erzeugt und reproduziert werden. Film ist aber nicht nur Kunst, sondern auch Unterhaltung und/oder Informations- und Wissensvermittlung. Seine ästhetische und inhaltliche Entwicklung war zu einem nicht geringen Teil von technischen Innovationen abhängig, die parallel und in Ergänzung zur kommerziellen Entwicklung zur Verfügung gestellt wurden und werden (Farbfilm, Tonfilm, Video, 3-D-Film etc.). Eine gewisse Affinität zu einer Institution wie der Technischen Universität Wien und ihren Vorgängerinstitutionen ist daher zwar naheliegend, aber – wie der Blick auf ähnliche Institutionen im deutschen Sprachraum zeigt – keineswegs zwingend. Die TU Wien ist jedenfalls durchaus prominent mit der Vor- und Frühgeschichte des Kinos verbunden und trug auch später in vielfältiger Weise zur Filmkultur bei. Die Geschichte dieser Verbindung ist aber keine lineare, sie hat wechselnde Protagonisten. Der Bogen spannt sich von im Haus tätigen Professoren über Filmschaffende, die nach ihrem Studium an der TH/TU Wien in dieser Branche tätig waren, bis hin zu Studierenden, die während ihrer Studienzeit wichtige Beiträge zur Entwicklung der Cineastik in Österreich geleistet haben.

The “seventh art,”1 as film was called in a supplement to G.W.F. Hegel’s Einteilung der Künste, is the art form most connected to technology. In contrast to the classical arts, it can only be produced and reproduced with considerable technical support. Film, however, is not only art, but also a way to provide entertainment and/or convey information and knowledge. Both aesthetically and in terms of content, its development was dependent in no small part on technical innovations that were and still are provided in parallel and in supplement to commercial development (colour film, sound film, video, 3D movies, etc.). Therefore, a certain affinity with an institution such as the TU Wien and its predecessor institutions is natural, yet – as shown by similar institutions in German-speaking countries – by no means mandatory. In any case, the TU Wien was prominently connected to the pre- and early history of cinema, and later continued to contribute to the culture of film in many ways. The history of this connection is, however, not linear. It has changing protagonists. The curve ranges from professors who were active in-house, to filmmakers who became active in the field after studying at the TH/TU Wien, and students who made important contributions during their studies to the development of cinephilia in Austria. The following overview provides highlights of the relationship between the TH/TU Wien and the history of film. It is by no means an attempt to narrate the complete history.

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Der folgende Überblick liefert Streiflichter auf die Berührungspunkte der TH/TU Wien mit der Filmgeschichte. Es wird nicht versucht, eine kontinuierliche Geschichte zu erzählen. Die stroboskopische Scheibe und die Laterna magica Im Archiv der TU Wien werden die „Privilegien“, d. h. die Erfindungspatente, die in Österreich zwischen ca. 1800 und ca. 1850 entstanden sind, aufbewahrt. Diese Privilegiensammlung ist für die österreichische Industrialisierungsgeschichte von eminenter Bedeutung und umfasst nahezu alle Lebensbereiche, von Fortbewegung (Ressel/Schiffsschraube) über Industrie (Thornton/Stick- und Strickgarnmaschine) bis hin zu Wohnen (Thonet/Bugholz) und Musik (Bösendorfer/Klavier).2 Mindestens zwei dieser Privilegien beschäftigen sich mit „bewegten Bildern“ und stellen Meilensteine in der Vorgeschichte der Kinematographie dar. Beiden gemeinsam ist, dass sie sich einerseits auf der Höhe der damaligen wissenschaftlichen Entwicklung befinden, und dass sie andererseits Gespür für die aufkommende Vergnügungsindustrie verraten und zunächst keine Anwendungsgebiete außerhalb dieses Rahmens hatten. Simon Stampfer und Mathias Trentsensky reichten im April 1833 ein Ansuchen auf Privilegierung folgender Erfindung ein: „Figuren und farbige Formen, überhaupt Bilder aller möglichen Art nach mathematischen, und physischen Gesetzen, so zu zeichnen, oder auf irgendeine andere Weise herzustellen, daß, wenn dieselben mit gehöriger Schnelligkeit durch irgendeinen Mechanismus, vor dem Auge in zweckmäßiger Entfernung vorbeygeführt werden, während die von diesen bewegten Bildern kommenden Lichtstrahlen ständig unterbrochen werden, die mannigfaltigsten optischen Täuschungen, in zusammenhängenden Handlungen, und Bewegungen sich darstellen.“3 Stampfers Erfindung, die übrigens fast zeitgleich mit der des belgischen Physikers Joseph Plateau erfolgte, stellte einen wesentlichen Schritt zur Entwicklung des

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The Stroboscopic Disc and Laterna Magica The TU Wien Archives house the “privileges”, or the patents of inventions issued in Austria between around 1800 and 1850. This collection of “privileges” is of eminent significance for the history of industrialisation in Austria and includes nearly all areas of life, from locomotion (Ressel/marine propeller) and industry (Thornton/ sewing and knitting machine), to housing (Thonet/bentwood), and music (Bösendorfer/piano).2 At least two of these patents have to do with “moving pictures” and represent milestones in the history of cinematography. They share the fact that, on one hand, they represent the state-of-the-art in scientific development at that time and, on the other, reveal a hint of the emerging entertainment industry. They also did not have any fields of application outside of this scope at first. In April 1833, Simon Stampfer and Mathias Trentsensky submitted an application for a patent on the following invention: “Figures and coloured shapes, in general images of all possible kinds according to mathematical and physical laws, drawn or produced in such a way so that when said images are directed in front of the eye at the proper speed using a mechanism of some sort to emanate constantly disrupted light beams that create moving pictures that represent the most diversified optical illusions of connected actions and movements.”3 Stampfer’s invention, which incidentally occurred nearly simultaneously with Belgian physicist Joseph Plateau’s, represented an important step in the development of film, because it used the principle of the decomposition of movement into individual images and the remerging of these images by the human eye.4 Within just a few weeks, the patent he was pursuing for the “wheel of life”, or stroboscopic disk, was issued. Stampfer’s partner, Trentsensky, marketed it with immediate success and went on to continue its development. Simon Stampfer, born 1790 in Matrei, East Tyrol, was not just an inventor, starting in 1826, he was also a Full Professor of Practical Geometry at the Imperial Royal Polytechnic Institute. In this function, he was both the

Films dar, weil sie das Prinzip der Zerlegung der Bewegung in Einzelbilder und der Neuverschmelzung dieser Einzelbilder durch das menschliche Auge nutzte.4 Innerhalb weniger Wochen wurde das angestrebte Privileg auf das „Lebensrad“ bzw. die stroboskopische Scheibe erteilt. Stampfers Partner Trentsensky vermarktete diese sofort höchst erfolgreich und entwickelte sie in der Folge auch weiter. Der 1790 in Matrei/Osttirol geborene Simon Stampfer war aber nicht nur Erfinder, sondern seit 1826 auch ordentlicher Professor der praktischen Geometrie am k. k. polytechnischen Institut. In dieser Funktion war er Vorgänger (1826–1848) und Nachfolger (1850–1853) von Christian Doppler. Gemeinsam mit dem Leiter der mechanischen Werkstätte des polytechnischen Instituts, dem Mechaniker Christoph Starke, entwickelte er optische Geräte, die für ihre Präzision berühmt waren.5 Das zweite, für die Vorgeschichte des Kinos wichtige Privileg hielt der damals in ganz Europa bekannte Zauberkünstler Ludwig Döbler (1801–1864). Döbler,6 der unter anderem Privatvorführungen für Johann Wolfgang v. Goethe und Kaiser Franz I. gab, reichte im Jänner 1847 die Erfindung „Beschreibung einer neuen laterna magica, welche bewegliche Figuren an der Wand hervor-

Abbildung  1: Illustration zu Döblers Privileg „Beschreibung einer neuen laterna magica“. Figure 1: Illustration of Döbler’s “privilege”: Description of a New Laterna Magica

predecessor (1826-1848) and successor (1850-1853) to Christian Doppler. Together with the head of the Polytechnic Institute’s mechanics workshop, the machinist Christoph Starke, Stampfer developed optical devices that were famous for their precision.5 Magician Ludwig Döbler (1801-1864), known throughout Europe in his time, held a second patent that was highly important to the prehistory of cinema. In January 1847, Döbler6, who performed for Johann Wolfgang v. Goethe and Emperor Francis I, among others, submitted the invention titled “Description of a New Laterna Magica That Creates Moving Figures on the Wall”.7 This was the result of Döbler’s development of Stampfer’s invention by adding projection.8 As with Stampfer/Trentsensky, this invention, the socalled phantascope, was also immediately used commercially and was adopted into Döbler’s magic act directly after the patent was issued.

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bringt“7 ein. Ihm gelang damit eine Weiterentwicklung der Stampfer’schen Erfindung, die auch die Projektion berücksichtigte.8 Wie bei Stampfer/Trentsensky wurde auch diese Erfindung, das sogenannte „Phantaskop“, sofort kommerziell genutzt und fand unmittelbar nach der Privilegierung Eingang in das Programm des Magiers Döbler. Die Entwicklung der Kinematographie und die Technische Hochschule in Wien Die bahnbrechenden Erfindungen und Erkenntnisse im Bereich der Kinematographie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgten fast ausschließlich außerhalb der Hochschulen. Kleinere (z. B. die Gebrüder Lumière, Skladanowsky) oder größere (z.  B. Edison) Unternehmungen waren der Antriebsmotor der Filmentwicklung. Eine direkte Beteiligung von Angehörigen des k. k. polytechnischen Instituts bzw. der TH in Wien an der technischen Entwicklung des Films in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts scheint es nicht gegeben zu haben. „Die grosse Bedeutung der Kinematographie, einerseits als bedeutende technische Industrie, andererseits als wertvolles Hilfsmittel technischer und wissenschaftlicher Forschung, weiters der Wert der Kinematographie für den technischen Unterricht, haben bereits vor längerer Zeit an der Wiener technischen Hochschule zur Bildung eines Ausschusses für Kinematographie geführt, dessen Zweck die Einführung der Kinematographie an der Technik, sowohl für Zwecke des Unterrichtes als auch der wissenschaftlichen Forschung ist.“9 So lautete die positive Begründung des unter dem Vorsitz des Chemikers Max Bamberger stehenden Ausschusses des Professorenkollegiums, der bereits im November 1921 eingesetzt worden war und die Rolle der Kinematographie an der TH in Wien zum Thema hatte. Neben Informationen über Kosten und technische Voraussetzungen für die Installierung von Projektoren in Hörsälen wurde auch der Bedarf an Lehrfilmen mittels einer Umfrage bei den Lehrkanzeln erhoben. Sondiert wurde ferner der Status der Kinematographie an deut-

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The Development of Cinematography and the Technische Hochschule in Vienna Groundbreaking inventions and new knowledge in the field of cinematography in the second half of the 19th century occurred almost exclusively outside of universities. Small (e.g. the Lumière brothers, Skladanowsky) and larger (e.g. Edison) ventures were the driving forces behind the development of film. There does not appear to have been any direct participation by members of the Imperial Royal Polytechnic Institute or the TH in Vienna in the technical development of film in the second half of the 19th century. “The immense significance of cinematography, on one hand as a significant technical industry, on the other hand as a valuable resource for technical and scientific research, as well as the value of cinematography for technical education, had led to the formation of a committee for cinematography at the TH in Vienna a long time ago, the purpose of which was the integration of cinematography with technology for the purpose of education and scientific research.”9 Such was the positive rationale of the Council of Professors, chaired by chemist Max Bamberger, which was assembled in November 1921 with the task of strengthening the role of cinematography at the TH in Vienna. In addition to information about the costs and technical requirements for the installation of projectors in the lecture halls, the Chairs were also surveyed regarding the need for educational films. Furthermore, the status of cinematography at German educational institutions was also explored. In particular, contact was established to the TH in Berlin-Charlottenburg, which played a leading role in the areas of photography and cinematography in German-speaking countries because of its photochemical laboratory.10 By January 1924, a positive conclusion had been drawn and the establishment of an Honorary Lectureship was supported. In addition to being thoroughly farsighted, this decision also had a tangible political background, as made clear by the following quote:

schen technischen Hochschulen. Insbesondere wurde mit der TH Berlin-Charlottenburg Kontakt aufgenommen, die mit ihrem photochemischen Laboratorium in den Bereichen Fotografie und Kinematographie im deutschen Sprachraum eine führende Rolle spielte.10 Im Jänner 1924 wurde nun ein positives Fazit gezogen und die Einrichtung einer Honorardozentur befürwortet. Neben einer durchaus zu konstatierenden Weitsicht hatte diese Entscheidung aber auch einen handfesten politischen Hintergrund, wie aus dem zitierten Antrag hervorgeht: „Es sind auch an Dr. Schrott einige Hörer mit dem Ersuchen herangetreten, ihnen zur Erlangung der Operateurbefugnis behilflich sein kann. […] Nun sind die Operateure sozialistisch organisiert, und haben derzeit die Aufnahme von Praktikanten überhaupt gesperrt. Dr. Schrott hat nun bezüglich Nachsicht dieser Praxis Erkundigungen bei der nö. Landesregierung eingeholt. Es wurde ihm mitgeteilt, dass […] ein staatsgiltiges Zeugnis der technischen Hochschule in Wien über die Absolvierung der Vorlesungen und Uebungen aus Kinematographie wohl als Ersatz der verlangten Praxis gewertet werden könne.“11 Damit konnte die TH in Wien ihren Studierenden ein weiteres Berufsfeld erschließen und auch Operateure für den eigenen Bedarf heranbilden. Dass damit in ein gewerkschaftlich organisiertes Terrain eingedrungen wurde, nahm man somit bewusst in Kauf. Wohl auch deswegen waren es nicht nur die technischen Aspekte der Kinematographie, die in der Lehrveranstaltung mit dem Titel „Technische und Wissenschaftliche Kinematographie“ erstmals im Studienjahr 1924/25 behandelt wurden. Der ausführliche Eintrag im Vorlesungsverzeichnis zeigt die ganze Breite der in der Lehrveranstaltung verhandelten Themen: „Geschichtlicher Überblick. Filmmaterial. Projektionstechnik. Die Lichtquellen. Kondensorlinsen und -spiegel. Der Projektormechanismus. Projektionsoptik, Gesetzliche Vorschriften. Die Aufnahmetechnik. Negativ- und Positivfilm. Aufnahmeapparat und Stativ. Aufnahmen bei künstlichem Lichte. Zeichen- und Trickfilms. Theaterauf-

“A few students also approached Dr. Schrott with the offer to help attain an operator’s license. […] The operators are now socialistically organised and have currently restricted the acceptance of new trainees. Dr. Schrott has made inquiries to the Lower Austrian government regarding the leniency of this practice. He was informed that […] a valid state certificate issued by the Technische Hochschule in Vienna after completing the lectures and exercises in cinematography could be deemed a replacement for the requested experience.”11 This meant that the TH in Vienna was able to establish an additional vocational field for its students while also training operators for its own purposes. The fact that a union-controlled field had been thus entered was consciously accepted. It was probably also because of this that more than just the technical aspects of cinematography were addressed for the first time in the 1924/25 academic year with a seminar titled “Technical and Scientific Cinematography.” The detailed entry in the university course schedule shows the entire breadth of topics offered in the seminar: Historic overview. Footage. Projection technology. Light sources. Condenser lenses and mirrors. The projector mechanism. Projection lenses, legal provisions. Recording technology. Negative and positive film. Recording devices and tripods. Recording with artificial light. Animated films and cartoons. Theatre recordings. Nature recordings. Measurement recordings. Time registration. Synthetic and analytical recordings. High frequency and radio recordings. Micro-cinematography. Development, copying, toning, and virage. Stereoscopic and coloured cinematographic sound images. The film industry and trade.”12 With the exception of the area of film aesthetics, this seminar offered comprehensive information on the technical, legal, and commercial aspects of cinematography. The multi-semester, one-hour lecture offered in the course schedule as part of the “technological disciplines” was supplemented with a lab course. Since the attendance of the seminar provided authorisation to work as a cinema operator, Schrott‘s seminars

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nahmen. Naturaufnahmen. Die messende Aufnahme. Zeitregistrierung. Synthetische und analytische Aufnahmen. Hochfrequenz- und Funkenaufnahmen. Mikrokinematographie. Entwicklung, Kopierung, Tonung, Virage. Stereoskopische und farbige kinematographische Tonbilder. Filmindustrie und -handel.“12 Mit Ausnahme des Bereiches der Filmästhetik bot diese Lehrveranstaltung also umfassende Informationen zu den technischen, rechtlichen und kommerziellen Aspekten der Kinematographie. Die semesterübergreifende einstündige Vorlesung, im Vorlesungsverzeichnis unter den „Technologischen Fächern“ angeboten, wurde durch eine Übung ergänzt. Da der erfolgreiche Besuch der Lehrveranstaltung mit der Erlaubnis, als Kinooperateur zu arbeiten, verbunden war, waren Schrotts Lehrveranstaltungen außerordentlich gut besucht. In den ersten fünf Jahren besuchten ca. 300 Studierende, überwiegend aus der Fakultät für Maschinenwesen und Elektrotechnik Schrotts Vorlesung und Übung.13 Verglichen mit anderen Hochschulen technischer Richtung fand der Film damit sehr früh Eingang in das Lehrangebot der TH in Wien. Wer war nun dieser Paul (Ritter von) Schrott (geb. 1880 in Triest, gest. 1978 in Wien), der als Pionier der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Film an einer österreichischen Hochschule bezeichnet werden kann? Nach einem Maschinenbaustudium an der TH in Wien und der Ablegung der II. Staatsprüfung 1904 war er ein Jahr als Assistent am Elektrotechnischen Institut beschäftigt. 1906 legte er seine Dissertation Das elektrische Ver­ halten der allotropen Selen-Modifikationen unter dem Einfluß von Wärme und Licht vor und bestand die Rigorosen mit Auszeichnung.14 Beruflich war Schrott zunächst bei der Staatsbahndirektion, danach bei den städtischen Straßenbahnen und schließlich bei der Österreichischen Staatsdruckerei tätig. In dieser Position verfasste Schrott seine Studie Die Arbeitsweise und der Energieverbrauch von Tiegel­ druck- und Zylinder-Flachformschnellpressen, die 1913 als Habilitationsschrift an der TH in Wien angenommen wurde.15 Seine erste Lehrveranstaltung im Wintersemes-

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were extremely well attended. In the first five years, approximately 300 students, primarily from the disciplines of mechanical and electrical engineering, attended Schrott’s lectures and lab course.13 Compared with other technical universities, film had a very early start in the course programme at the TH in Vienna. Who was this Paul (Ritter von) Schrott (born 1880 in Trieste, deceased 1978 in Vienna), who can be deemed the pioneer of scientific involvement in film at an Austrian educational institute? After studying Mechanical Engineering at the TH in Vienna and passing the second state examination in 1904, he was employed for a year as an Assistant at the Electrotechnical Institute. In 1906, he presented his dissertation, The Electrical Behaviour of Allotropic Selenium Modifications Under the Influence of Heat and Light and passed the review board with flying colours.14 Professionally, Schrott was first employed with the state railway administration, then by the Vienna city tramway, and finally with the Austrian state printing office. In this position, Schrott drafted his study titled, The Mode of Operation and Energy Consumption of Platen Presses and Cylindrical Flat Form Quick-action Presses, which was accepted by the TH in Vienna in 1913 as his habilitation treatise.15 His first seminar in the winter of 1913/14 was titled, “Methods and Machines in the Graphic Arts and Industries” and addressed the topic of “printing” in a very broad sense.16 Until 1944/45, Schrott held at least one, then two, and finally three seminars every year at the TH in Vienna. Starting in 1913, Schrott occupied himself intensively with issues in cinematography. Schrott’s work Leitfaden für Kinooperateure und Kinobesitzer (A Guide for Cinema Operators and Owners),17 was published for the first time in this year became a standard work and, by 1930, he had released seven editions, continually addressing changes in technology and legal status. The book was also translated into Czech. Starting in the 1920/21 academic year, Schrott also integrated the concept of Cin­ ematography: Uses in Scientific and Technical Measure­ ment18 into his lectures on the graphic arts.

ter 1913/14 trug den Titel Die Verfahren und Maschinen der graphischen Künste und Industrien und widmete sich dem Thema Druck in einer sehr breiten Art und Weise.16 Bis 1944/45 bot Schrott jedes Jahr mindestens eine, dann zwei, schließlich sogar drei Lehrveranstaltungen an der TH in Wien an. Seit 1913 befasste sich Schrott intensiv mit Fragen der Kinematographie. Sein in diesem Jahr erstmals erschienener Leitfaden für Kinooperateure und Kinobesitzer17 avancierte zum Standardwerk und erlebte bis 1930 sieben Auflagen, in denen Schrott die Veränderungen von Technologie und Rechtslage abhandelte. Das Buch wurde auch ins Tschechische übersetzt. Ab dem Studienjahr 1920/21 baute Schrott in seine Vorlesung über die graphischen Künste auch den Bereich Die Kinematographie, ihre Anwendungen zu wissenschaftli­ chen und technischen Messungen18 ein. Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis des „Leitfadens“ lässt den Schluss zu, dass es zunächst die Basis für die Kinematographie-Lehrveranstaltung bildete. Der enge Zusammenhang der Vorlesung mit Schrotts publizistischer Tätigkeit erlaubte eine sehr schnelle Reaktion auf aktuelle Innovationen, die das Filmwesen nachhaltig veränderten: So wurde bereits im Studienjahr 1928/29 der Tonfilm in der Lehrveranstaltung behandelt,19 also zu einer Zeit, als der Tonfilm sich in Hollywood langsam durchzusetzen begann, in Deutschland und Österreich aber noch gar keine „talking pictures“ produziert wurden.20 Auch wenn Schrotts Honorardozentur sehr erfolgreich war, so passte sie nicht so recht in das Fakultätengefüge der TH in Wien. Daher einigte man sich 1929 im Professorenkollegium nach einigen Diskussionen darauf, sie zu je einem Drittel der Fakultät für Maschinenwesen, der Fakultät für Technische Chemie und der Fakultät für Angewandte Mathematik und Physik zuzuordnen.21 Schrotts Stellung an der TH in Wien wurde 1931 mit seiner Ernennung zum tit. a. o. Professor aufgewertet, und er verblieb auch als Beamter der Staatsdruckerei bis 1945 Mitglied des Lehrkörpers. Abgehalten wurde die Lehrveranstaltung zunächst im großen Chemie-Hörsaal am Getreidemarkt, wo 1925 eine

Abbildung 2: Titel der Erstausgabe des Leitfadens für Kinooperateure. Figure. 2: Title of the first edition of the Leitfaden für Kinooperateure

A glimpse at the contents of the handbook leads to the conclusion that it initially formed the basis of Schrott’s cinematography lectures. The close correlation of the lectures with his publishing activities allowed for an extremely fast reaction to current innovations that lastingly changed cinema. This meant that sound films were already being addressed in the seminar during the 1928/29 academic year,19 in other words, at a time when sound films were only slowly beginning to take hold in Hollywood, but when “talkies” were not yet being produced in Germany or Austria.20

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entsprechende Vorführ-Einrichtung angeschafft wurde. Der Bedarf an Filmabspielgeräten war auch an anderen Hochschulen wie der Akademie der bildenden Künste gegeben. Dies illustriert ein Ansuchen an das Rektorat der TH in Wien um Nutzungserlaubnis, das noch Monate vor der Installierung der Anlage gestellt wurde.22 1927 wurde dem vermehrten Einsatz von Lehrfilmen Rechnung getragen und auch im Hörsaal VII im Hauptgebäude am Karlsplatz eine Kinoanlage eingerichtet.23 Diese Anlage wurde nicht nur für den Lehrbetrieb, sondern auch vom „Lichtspieldienst“, der Filmstelle der Deutschen Studentenschaft der TH in Wien, genutzt. Bis 1931/32 fanden Schrotts Lehrveranstaltungen im Elektrotechnischen Institut statt, nach der Einrichtung des „Instituts für Technische und Wissenschaftliche Kinematographie“24 dann am Getreidemarkt, wo sich auch der Standort des Instituts bis 1945 befand. Ein Blick auf die in den Vorlesungsverzeichnissen angegebenen Inhalte der Lehrveranstaltungen zeigt, dass sich im Laufe der 1930er-Jahre Schrotts Kinematographie-Vorlesung von einer umfassenden Beschäftigung, die auch auf Fragen der Filmgestaltung und Filmpräsentation eingegangen war, auf eine stärker naturwissenschaftliche, genauer noch chemische Betrachtung des Films konzentrierte. Gleich nach dem „Anschluss“ suchte Schrott, der bis dahin politisch nie aufgefallen war, um Mitgliedschaft in der NSDAP an, die Aufnahme in die Partei erfolgte wegen der 1938 verhängten vorläufigen Aufnahmesperre erst 1943.25 1941 wurde er zum außerplanmäßigen Professor für wissenschaftliche Kinematographie ernannt. Folgt man einem Gutachten, das Josef Maria Eder in Befürwortung von Schrotts Ernennung 1941 verfasste, dann hatte dieser sowohl mit seinen Lehrveranstaltungen als auch mit der Ausstattung seines Instituts Pionierarbeit geleistet.26 Alle Gutachter hoben Schrotts Pionierleistung hervor, seine Ernennung erfolgte trotz einer nicht uneingeschränkt positiven Stellungnahme des Dozentenbundführers und späteren Rektors Sequenz.27 Anfang 1945 organisierte Schrott die Auslagerung der Geräte seines Instituts nach Niederösterreich. Leider

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Although Schrott’s Honorary Lectureship was extremely successful, it did not quite fit into the faculty framework of the TH in Vienna. Therefore, after some discussion amongst the faculties in 1929, there was agreement to divide the position amongst the Faculties of Mechanical Engineering, Technical Chemistry, and Applied Mathematics, each carrying a third.21 Schrott’s position at the TH in Vienna was revaluated in 1931 with his appointment to Professor. Nonetheless, he continued as a civil servant at the state printing office until 1945, in addition to being on the teaching staff. Lectures were initially held in the large chemistry auditorium at the Getreidemarkt, where a corresponding demonstration facility was established in 1925. Other institutes, such as the Academy of Fine Arts, also needed film playback devices. This is illustrated by a request to the Rectorate of the TH Vienna for a usage permit, which was issued months before the installation of the system.22 In 1927, the demand for the increased use of educational films was met and a cinema system was installed in Auditorium VII in the main building at Karlsplatz.23 This system was used not only for teaching, but also by the Lichtspieldienst, which was the filming organisation of the German Student Association of the TH in Vienna. Until 1931/32, Schrott’s seminars took place at the Electrotechnical Institute and then, after the establishment of the Institute for Technical and Scientific Cinematogra­ phy24 at the Getreidemarkt, which is where the institute remained located until 1945. A glimpse at the contents of the seminars listed in the course schedule shows that during the 1930s, Schrott’s cinematography lecture addressed issues in filmmaking and film presentation with a greater concentration from the perspective of the natural sciences and, more specifically, chemistry. Directly after the “Anschluss”, Schrott, who had until then remained politically neutral, applied for membership in the NSDAP, yet was not accepted into the party until 1943 due to a previously imposed acceptance restriction in 1938.25 In 1941, he was named Adjunct

Abbildung 3: Auch im Hörsaal XVIII sollte eine Kinovorrichtung eingebaut werden (Planzeichnung, nicht ausgeführt, Unterschrift von Paul Schrott). Figure 3: A cinema was also planned for Auditorium XVIII, but never installed (signed by Paul Schrott).

gibt es keine Unterlagen darüber, was konkret ausgelagert wurde und was mit den Gerätschaften in Niederösterreich geschehen ist.28 Nach der Befreiung Österreichs wurde Schrott wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP von der Institutsleitung und den Lehraufträgen entbunden. Dies bedeutete zugleich das Ende des Instituts.29 Schrott, der 1945 bereits 65 Jahre alt war, kehrte nicht mehr an die TH in Wien zurück, seine Lehrbefugnis wurde für erloschen erklärt.30 An seiner Stelle wurde 1946 Walter Mutschlechner mit einem Lehrauftrag für „Photographische Meß- und Untersuchungsverfahren einschließlich der Kinematographie“ beauftragt.31 Doch bereits im Dezember 1947

Professor for Scientific Cinematography. According to an expert assessment written by Josef Maria Eder as an endorsement for Schrott’s appointment in 1941, he performed pioneering work in his seminars, as well for the establishment of his institute.26 All experts emphasised Schrott’s pioneering achievements and his appointment occurred despite a not unconditionnally positive opinion by the then Dozentenbundführer and later Rector Sequenz.27

suchte der ehemalige führende Agfa-Mitarbeiter um Beurlaubung an. Damit war die über 20-jährige Geschichte von Lehrveranstaltungen zum Thema Kinematographie an der TH in Wien zu ihrem Ende gekommen.

In early 1945, Schrott organised the relocation of his institute’s equipment to Lower Austria. Unfortunately, there were no documents on the subject as to what was relocated and what then happened with the equipment

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Die Anlagen, die unter anderem auf Schrotts Betreiben in einigen Hörsälen installiert worden waren, wurden schon in den frühen 1930er-Jahren auch von der nationalsozialistisch dominierten Deutschen Studentenschaft verwendet. Der „Lichtspieldienst“ veranstaltete bis zur Auflösung der Studentenschaft im Jahr 1933 Filmvorführungen im Hörsaal VII des Hauptgebäudes am Karlsplatz. Zunächst sollten ausschließlich Streifen gezeigt werden, die „die Verwertung und Anwendung der Fachkenntnisse in der Praxis“32 möglich machen sollten. Das Angebot wurde sehr bald um wirtschafts- und wehrpolitische Themen sowie Streifen zu Themenbereichen wie Hygiene und Unfallverhütung erweitert. Spielfilme kamen nicht zur Aufführung. Insgesamt wurden im Studienjahr 1931/32 34 Veranstaltungen abgehalten, der durchschnittliche Besuch lag bei mehr als 100 Personen, am besten besucht waren Filme mit medizinischen Themen.33 Ehemalige TH-Studenten in der Filmbranche Unter den Studierenden der TH in Wien gab es einige, die nach ihrem Studium in das Filmgeschäft eingestiegen sind und dabei sowohl künstlerisch als auch kommerziell große Erfolge feiern konnten. Irgendeine Verbindung mit den Lehrveranstaltungen Paul Schrotts ist dabei aber auszuschließen, denn mit einer Ausnahme hatten die Betreffenden altersbedingt keine Gelegenheit dazu: Sie studierten, bevor Schrott seine Kinematographie-Vorlesungen begann. Schon Walter Benjamin hat auf die innere Verwandtschaft von Architektur und Film bei der Schaffung von Werken hingewiesen, die imstande sind, „den Gegenstand einer simultanen Kollektivrezeption darzubieten, wie es seit jeher für die Architektur, wie es einst für das Epos zutraf, wie es heute für den Film zutrifft.“34 In diesem Sinne ist es wohl kein Zufall, dass es sich bei den in der Folge vorgestellten vier ehemaligen Hörern der TH Wien, die im Filmgeschäft Fuß fassen konnten, ausnahmslos um Architekturstudenten handelt.

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in Lower Austria.28 After Austria was liberated, Schrott was dismissed from the institute’s administration and teaching position due to his membership in the NSDAP. This also meant the end of the institute.29 Schrott, who was already 65 years old in 1945, did not return to the TH in Vienna and his teaching license was declared null and void.30 In his place, Walter Mutschlechner was appointed in 1946 to a Professorship for Photographic Measuring and Testing Procedures Including Cinematography.31 As early as December 1947, the former leading Agfa employee requested a leave of absence. With this, the more than 20-year history of classes on the topic of cinematography at the TH in Vienna had come to an end. The systems, which were installed in some auditoriums at Schrott’s own initiative, were already being used in the 1930s by the predominately national-socialist oriented German Student Association. The “Lichtspieldienst” hosted film screenings in Auditorium VII of the main building at Karlsplatz until the dissolution of the organisation in 1933. Initially, only films that were supposed to enable “the utilisation and application of specialised knowledge in practice”32 were to be shown. The programming, however, was quickly expanded to include economic and defence policy topics, as well as films about specific themes such as hygiene and accident prevention. Feature films were not shown. Altogether, 34 events were held in the 1931/32 academic year, with an average attendance of 100 people; films covering medical topics saw the highest attendance.33 Former TH Students in the Film Industry Of the students at the TH in Vienna, a few entered the film industry after finishing their studies and enjoyed great success in both artistic and commercial endeavours. Any connection to Paul Schrott’s seminars is ruled out, however, since with only a single exception these students never had the opportunity to take his course, having studied at the TH before Schrott began holding cinematography lectures.

An erster Stelle ist hier Harry (während des Studiums noch: Heinrich) Horner zu nennen. 1910 in Holitz/ Holic geboren, verbrachte er Kindheit und Jugend in Wien. Nach Ablegung der Realmatura in Wien inskribierte er 1928 an der TH in Wien und begann hier sein Architekturstudium.35 Auch sein Vater Felix Horner hatte bereits an der Hochschule Maschinenbau studiert und 1907 mit der II. Staatsprüfung abgeschlossen.36 Heinrich Horner legte 1931 die I. Staatsprüfung mit sehr gutem Erfolg ab. Im März 1933 absolvierte er die II. Staatsprüfung.37 Eine Frequentierung der Lehrveranstaltung von Paul Schrott lässt sich nicht nachweisen. Und dass er die Filmveranstaltungen des „Lichtspieldienstes“ besucht hat, kann ausgeschlossen werden, denn die Deutsche Studentenschaft akzeptierte keine jüdischen Mitglieder. Dafür schuf Horner während seiner kurzen und erfolgreichen Studienzeit für eine Festdekoration vier großformatige Karikaturen, die auf drastische Weise die Prüfungsangst von Studenten mit dem Betrieb von Prüfmaschinen verknüpften und sein zeichnerisches Talent zeigen.

Abbildung: H. Horner, Der Alpdruck des Prüfungskandidaten (1931) 148 x 281cm Figure 4: H. Horner: The Nightmare of the Examination Candidate

Walter Benjamin referred to the inner relationship between architecture and film in the creation of works that are capable of “presenting the object of a simultaneous collective reception, as it has always applied to architecture, as it once applied to the epic, and as it applies to film today.”34 Seen this way, it is no coincidence that the four former students of the TH in Vienna who were able to nudge their way into the film industry were all architecture students. Harry (during his studies he still went by the name of Heinrich) Horner should be named here, first and foremost. Born in Holitz/Holic in 1910, he spent his childhood and youth in Vienna. Upon completing his high school diploma in Vienna’s first district, he enrolled at the TH in Vienna in 1928, where he began studying architecture.35 His father, Felix Horner, had studied Mechanical Engineering at the Hochschule and passed his 2nd state examination in 1907.36 Heinrich Horner suc-

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Parallel zu seinem Architekturstudium und auch noch danach genoss Horner eine Ausbildung am Max Reinhardt Seminar. Knapp nach dem Abschluss des Architekturstudiums wurde er von Otto Preminger ans Theater in der Josefstadt und von Max Reinhardt persönlich für die Salzburger Festspiele engagiert. Ab 1937 war er, parallel zu seinem Engagement in Salzburg, wieder auf Betreiben von Max Reinhardt, in den USA, unter anderem an der Metropolitan Opera in New York, als Ausstatter tätig.38 Ab 1943 arbeitete Horner für den Film und erwarb sich sehr schnell den Ruf eines ausgezeichneten Art Directors, also eines für die gesamte Ausstattung zuständigen Mitglieds einer Filmcrew. Er bekam – nicht zuletzt wegen seiner ausgezeichneten Referenzen von Opern und Theatern – Engagements bei Meistern des „anspruchsvollen“ Hollywood-Kinos. So stattete er 1949

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Abbildung 5: H. Horner, Kerbschlag-Biegeprüfung (1931) 147 x 205 cm Figure 5: H. Horner: Notched Bar Impact Bending Test (1931), 147 x 205 cm

cessfully passed his 1st state examination in 1931 and the 2nd in March 1933.37 Whether he attended Paul Schrott’s classes is unknown. It is known, however, that he did not attend the film events of the “Lichtspieldienst”, since the German Student Association did not accept Jewish members. In his short and successful time at the TH, however, Horner did make a party decoration of four large caricatures that dramatically linked the exam fears of students with the operation of testing machines, also demonstrating his talent for drawing. During and after his architecture studies, Horner enjoyed an education at the Max Reinhardt Seminar.

die Henry-James-Adaption The Heiress/Die Erbin (Regie: William Wyler, in den Hauptrollen Olivia de Havilland und Montgomery Clift) aus. 1950 gewann er dafür in der Kategorie Art Direction – Set Decoration/Bestes Szenen­ bild seinen ersten Oscar. Danach versuchte sich Horner auch als Regisseur, konnte mit Genrearbeiten wie dem Krimi Beware My Lovely (1952, mit Ida Lupino und Robert Ryan) und dem Western Man from Del Rio (1956, mit Anthony Quinn) Achtungserfolge, aber keinen großen Kassenhit landen. Nach einigen Ausflügen in das Terrain der TV-Serien gab Horner die Regie Ende der 1950er-Jahre auf, kehrte zur Art Direction zurück und gewann mit seiner architektonisch überaus gelungenen Gestaltung der Billard-Spielhallen in The Hustler/Haie der Großstadt (Regie: Robert Rossen, in der Hauptrolle Paul Newman) 1962 seinen zweiten Oscar in der Kategorie „Art Direction – Set Decoration“. Noch ein drittes Mal war Harry Horner für einen Academy Award nominiert, und zwar 1970 für sein eindrucksvolles Design des riesigen Tanzsaals in dem Depressionsdrama They Shoot Horses, Don’t They? (Regie: Sydney Pollack, in der Hauptrolle Jane Fonda). Harry Horner beendete seine Karriere 1980 mit der Ausstattung von The Jazz Singer (Regie: Richard Fleischer) und starb 1994. Sein Sohn, der 2015 bei einem Flugzeugabsturz verunglückte Filmkomponist James Horner, wurde ebenfalls mit einem Oscar, und zwar 1998 für Titanic, ausgezeichnet. Eine Generation älter war Luis Trenker (1892–1990), dessen Filmkarriere einen völlig anderen Verlauf nahm. Er begann sein Architekturstudium 1912/13 an der TH in Wien, wechselte aber nach einem Jahr nach Graz. Nach seiner Entlassung aus dem Kriegsdienst nahm er sein Studium an der TH in Wien wieder auf, beendete es jedoch erst im Juni 1923 mit Ablegung der II. Staats­ prüfung an der TH Graz.39 Trenker arbeitete zunächst in einer Ateliergemeinschaft mit Clemens Holzmeister in Bozen als Architekt,40 beendete diese Laufbahn aber nach ersten Erfolgen als Schauspieler in Bergfilmen, die unter der Regie von Arnold Fanck entstanden und in denen er meist an der Seite von Leni Riefenstahl zu se-

Shortly after concluding his architecture studies, he was employed by Otto Preminger at the Theater in der Josefstadt and was hired by Max Reinhardt personally for the Salzburger Festspiele. Starting in 1937, during his engagement in Salzburg, he was employed once again at the initiative of Max Reinhardt in the USA as a set and costume designer at the Metropolitan Opera in New York, among other great theatres.38 Starting in 1943, Horner worked in film and quickly developed a reputation as an outstanding Art Director, or the member of the film crew responsible for the entire set design. He was hired – certainly also due to his outstanding references from opera and theatre – by the masters of “sophisticated” Hollywood cinema. As such, he was responsible for the set design of Henry James’ adaptation of The Heiress (directed by William Wyler and starring Olivia de Havilland and Montgomery Clift). In 1950, he won his first Oscar in the category of Art Direc­ tion/Set Decoration. Afterwards, Horner tried his hand at directing, and while he enjoyed moderate success with genre films such as the thriller Beware My Lovely (1952, starring Ida Lupino and Robert Ryan) and the western Man from Del Rio (1956, with Anthony Quinn), he failed to achieve blockbuster status. After attempting a few TV series, Horner gave up directing in the 1950s and returned to art direction, which resulted in his second Oscar in 1962, in the category of Art Direction/Set Decoration for his architectural design of the pool halls in The Hustler (directed by Robert Rossen and starring Paul Newman). Harry Horner was also nominated for a third Academy Award in 1970 for his impressive design of the enormous dance hall in the depression-era drama They Shoot Horses, Don’t They? (directed by Sydney Pollack and starring Jane Fonda). Harry Horner ended his career in 1980 with the set design for The Jazz Singer (directed by Richard Fleischer) and passed away in 1994. His son, film composer James Horner, who passed away in a 2015 airplane crash, was awarded an Oscar in 1998 for Titanic. One generation older, Luis Trenker’s (1892-1990) film career took a completely different path. He began

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hen war, z. B. 1926 in Der heilige Berg und 1927 in Der große Sprung. Zu Beginn der Tonfilmzeit gelang Trenker zusätzlich zu seinen schauspielerischen Aktivitäten der Wechsel in das Regiefach. Mit Filmen wie Der Rebell (1932 Regie gemeinsam mit Kurt Bernhardt) erregte er das Interesse und die Sympathie der Nationalsozialisten. So konnte er nach der Machtübernahme der NSDAP seine Karriere unter besseren Bedingungen fortsetzen. Seine beiden interessantesten Werke, Der verlorene Sohn (1934) und Der Kaiser von Kalifornien (1936), entstanden als deutsche Produktionen wenigstens zum Teil in den USA.41 Insbesondere Der verlorene Sohn gilt als visuell außergewöhnlich und lässt in vielen Einstellungen den gelernten Architekten Trenker zu erkennen. Nachdem Trenker wegen seiner lange unentschiedenen Haltung in der Sache der Südtirol-Option bei ­Goebbels in Ungnade gefallen war, ging er nach Rom und setzte seine Karriere in Italien fort. Diese Unentschiedenheit, die er nach dem Krieg auch als Widerstandshandlung gegen den Nationalsozialismus ins Treffen führte, zeigte sich schon während seines Studiums in Wien: Trenker gab im Laufe der Zeit unterschiedliche Angaben zu seiner Muttersprache. Bei der Erstinskription 1912/13 hatte er bei Muttersprache „ladinisch“, 1917/18 „deutsch“ angeführt.42 Trenkers Nachkriegsfilme konnten nicht mehr an die Erfolge der Produktionen aus den 1930er-Jahren anschließen; interessant ist auf jeden Fall Flucht in die Do­ lomiten (1956), wegen der Mitwirkung des jungen Pier Paolo Pasolini als Drehbuchautor. Dass Luis Trenker in den 1960er- und 1970er-Jahren neuerlich einen Popularitätsschub erlebt hat, verdankte er dem Fernsehen. Zwei weitere Architekten, die ihr Studium an der TH in Wien abgeschlossen haben, waren, wie Harry Horner, als Filmausstatter aktiv. Beide starben, als ihre Laufbahn beim Film gerade erst begonnen hatte: Oskar Strnad (1879–1935) war als Professor für Architektur an der Kunstgewerbeschule tätig.43 Er hatte zuvor schon für die Oper (mit Bruno Walter) und das Theater (mit Max Reinhardt) gearbeitet. Sein Design von Maskerade (1934) und Episode (1935), die zu den größten internationa-

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his study of architecture in 1912/13 at the TH in Vienna, but then transferred after just one year to Graz. After he was discharged from military duty, he went back to school at the TH in Vienna and did not complete his studies until June 1923, when he passed his 2nd state examination at the TH Graz.39 Trenker first worked as an architect in a studio community together with Clemens Holzmeister,40 but ended this career path after enjoying success as an actor in mountain films under the direction of Arnold Fanck, mostly alongside actress Leni Riefenstahl in, for example, The Holy Mountain (1926) and Der große Sprung (1927). When sound films were beginning to emerge, Trenker became active as a director in addition to acting. With films like Der Rebell (1932, co-directed with Kurt Bernhardt), he received the interest and sympathy of the national socialists. As a result, he was able to continue his career under more favourable conditions after the NSDAP gained power. His two most interesting works were German productions that were filmed in part in the USA, namely Der verlorene Sohn (1934) and Der Kaiser von Kalifornien (1936).41 In particular, Der verlorene Sohn was visually stunning and revealed Trenker’s advanced architectural skills in many scenes. After Trenker lost favour due to his long indecisive position with regard to Goebbels’ South Tyrol option, he went to Rome and continued his career in Italy. This indecisiveness, which he put forward as an act of resistance against National Socialism after the war, was already apparent during his studies in Vienna. Over the course of time, Trenker made different indications about his native language. With his first enrolment in 1912/13, he indicated his native language was Ladin, and in 1917/18 German.42 Trenker’s post-war films did not follow in the footsteps of the success of his productions from the 1930s; interesting in any case is Flucht in die Dolomiten (1956), due to his collaboration with a young Pier Paolo Pasolini as screenwriter. Thanks to television, Luis Trenker experienced a renewed boost in popularity in the 1960s and 1970s.

len Erfolgen des jungen österreichischen Tonfilms gehörten, wurde sehr positiv bewertet. Bei beiden Filmen führte Walter Reisch Regie und Paula Wessely war in den Hauptrollen zu sehen. Strnad starb bald nach der Fertigstellung von Episode an einer Herzkrankheit. Bereits in den 1920er-Jahren wanderte der Architekt und TH-Absolvent Arthur Grünberger (1882–1935) in die USA aus, wo er sehr bald als Filmzeichner für Hollywood-Produktionen tätig war. Grünberger hielt weiterhin Kontakt mit seiner Heimat und war beim Bau der Werkbundsiedlung für die Planung eines Hauses zuständig.44 Ab den frühen 1930er-Jahren avancierte er in Hollywood zum Art Director. Nachdem er in dieser Funktion an drei Filmen, unter anderem an Traveling Saleslady (1935, Regie: Ray Enright) beteiligt gewesen war, starb Grünberger 1935 in Los Angeles. Posthum erschien der Essay „Das Lichtspiel als Kunstwerk“, in dem Grünberger dem Film zwar künstlerisches Potential zusprach, dieses aber noch keineswegs annähernd genutzt sah.45 In seinem Vergleich von Theater und Film kommt der Wiener Architekt zu sehr ähnlichen Schlussfolgerungen wie Walter Benjamin in seinem im gleichen Jahr erschienenen Essay „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“.46 Der ohne Zweifel prominenteste Student der TH in Wien, der in die Filmgeschichte eingegangen ist, war Fritz Lang (1890–1976). Der Regisseur von Filmklassikern wie Die Nibelungen (1924), Metropolis (1927) oder M – Eine Stadt sucht einen Mörder (1931) war aber nur ein Semester lang an der Ingenieurschule der TH in Wien inskribiert und hat keine Prüfungen abgelegt,47 daher kann eine Prägung seines künstlerischen Schaffens durch seine Erfahrungen an der TH in Wien ausgeschlossen werden. Sein großes Interesse an Fragen der Architektur ist aber bei fast allen seinen Arbeiten zu erkennen und besonders bei der Gestaltung von Metropolis offensichtlich.

Two additional architects who completed their studies at the TH in Vienna were also active as film set designers, as was Harry Horner. Sadly, both died just as their careers in film were beginning: Oskar Strnad (18791935) was employed as a Professor of Architecture at the Kunstgewerbeschule.43 He had previously worked for the opera (with Bruno Walter) and the theatre (with Max Reinhardt). His design of Maskerade (1934) and Episode (1935), which were among two of the most internationally successful films of the young Austrian sound film industry received positive reviews. Both films were directed by Walter Reisch and starred Paula Wessely. Strnad died of heart disease soon after completing Episode. As early as the 1920s, architect and TH graduate Arthur Grünberger (1882-1935) emigrated to the USA, where he was quickly employed as an animator for Hollywood productions. Grünberger maintained contact with his homeland and became active with the planning of the construction of a centre for the Werkbundsiedlung.44 In the early 1930s, he advanced to become an art director in Hollywood. After working on three films, including Trave­ ling Saleslady (1935, directed by Ray Enright), Grünberger died in Los Angeles in 1935. The essay “Das Lichtspiel als Kunstwerk” (Cinema as Art) was published posthumously, in which Grünberger’s spoke of the artistic potential of film, which, however, he saw as by no means fully used.45 In his comparison of theatre and film, the Viennese architect came to a similar conclusion as Walter Benjamin in his essay “The Work of Art in the Age of Mechanical Reproduction”, which appeared in the same year.46 Without a doubt, the most prominent student at the TH in Vienna to have been involved in the history of film was Fritz Lang (1890-1976). The director of film classics such as Die Nibelungen (1924), Metropolis (1927), and M – Eine Stadt sucht einen Mörder (1931) was only enrolled at the TH in Vienna for one semester in the engineering school and did not take any exams.47 Therefore, his artistic endeavours cannot be attributed to his experience at the TH in Vienna. His great interest in issues of architecture, however, is evident in nearly all of this work and particularly obvious in the set design of Metropolis.

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Die Gründung des Österreichischen Filmmuseums aus dem ÖHTHW-Filmreferat

The Establishment of the Austrian Film Museum by the Student Union Film Department

Nach dem Ausscheiden von Paul Schrott und der Aufhebung seiner Honorardozentur spielte der Film an der TH in Wien für ca. 15 Jahre keine Rolle, und zwar weder in Lehre und Forschung noch als ästhetisches Produkt. Die gute Ausstattung der Hörsäle 3 und 7 im Elektrotechni-

After the resignation of Paul Schrott and the annulment of his Honorary Lectureship, film did not play a role at the TH in Vienna for about another 15 years, not in teaching or research, nor as an aesthetic product. The well thought-out configuration of Auditoriums 3 and 7 of the Electrotechnical Institute and Auditorium VII in the main building, which were used solely for showing educational films after the war, made the upcoming developments radically easier. The impulse towards the now aesthetic and content-related preoccupation with the topic of film emanated from the Student Union Cultural Department at the Technische Hochschule in Vienna. The office was initially involved for the most part in procuring reduced price tickets for the federal theatre, the Vienna Festwochen, and basement theatres. It also organised a few of its own events, including the Ball der Technik (Technology Ball), as well as several festivals and parties. In 1961, a film department emerged from the cultural office, led by culture advisor and electrical engineering student Peter Konlechner. Konlechner had been interested in film from the very beginning of his studies and was active for a while in the Austrian Club for Cinema Amateurs (Klub der Kinoamateure Öster­ reichs – KdKÖ). With the support of Cultural official in charge Günther Gfatter, Konlechner founded the cinestudio der Österreichischen Hochschülerschaft an der Technischen Hochschule in Wien, or the cinestu­ dio ö.h.t.h. wien (Austrian Student Union Cine-studio) for short. The first cinestudio event took place in October 1961.48 Among the first films to be shown were classics like M – Eine Stadt sucht einen Mörder (Fritz Lang 1931), and special presentations of award-winning Polish experimental films.49 During the 1962/63 academic year, these events took place on a subscription basis and were very well attended. In addition, the cinestudio regularly put on a short film week and held special presentations. The students

schen Institut und des Hörsaals VII im Hauptgebäude, die nach dem Krieg nur für die Lehrfilme benutzt worden waren, erleichterte die kommenden Entwicklungen entscheidend. Der Anstoß zu einer nun ästhetisch/inhaltlichen Beschäftigung mit dem Thema Film ging vom Kulturreferat der Hochschülerschaft der Technischen Hochschule in Wien aus. Dieses war zunächst vor allem mit dem Beschaffen von verbilligten Eintrittskarten für Bundestheater, Festwochen, aber auch für Kellertheater beschäftigt. An eigenständigen Veranstaltungen hatte es den Ball der Technik und einige weitere Feste und Partys zu organisieren. 1961 entstand innerhalb des Kulturreferats eine Abteilung Film, die vom Kultur-Korreferenten, dem Elektrotechnik-Studenten Peter Konlechner, geleitet wurde. Konlechner hatte sich seit Beginn seines Studiums für Film interessiert und war eine Zeit lang beim Klub der Kinoamateure Österreichs (KdKÖ) aktiv gewesen. Mit Unterstützung des Kulturreferenten Günther Gfatter gründete Konlechner das cinestudio der Österreichischen Hochschülerschaft an der Technischen Hochschule in Wien, kurz cinestudio ö .h. t. h. wien. Im Oktober 1961 fand die erste Veranstaltung des cinestudios statt.48 Unter den ersten Filmen, die gezeigt wurden, befanden sich Klassiker wie M – Eine Stadt sucht einen Mörder (Fritz Lang 1931), aber auch eine Sondervorstellung von preisgekrönten polnischen Experimentalfilmen.49 Im Studienjahr 1962/63 fanden diese Vorstellungen im Abonnement statt und waren sehr gut besucht. Daneben veranstaltete das cinestudio regelmäßig eine Kurzfilmwoche und bot auch Sondervorstellungen an. Damit wurde den Studierenden „zu extrem niedrigen

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Eintrittspreisen“ der Besuch von „Meisterwerken der Filmkunst“ angeboten.50 Ein weiteres Ziel der Filmabteilung des Kulturreferats der HTU war es, eine Art Informationsbörse über in Wien gezeigte Filme von hohem künstlerischem Wert anzubieten.51 Im Programmheft zur Kurzfilmwoche 1962 stellte Peter Konlechner dann jene Frage, die sich wohl vielen Kulturschaffenden in diesen Jahren aufdrängte: „Sie werden sich vielleicht gefragt haben, weshalb veranstaltet gerade die Hochschülerschaft der Technischen Hochschule diese ‚Internationale Kurzfilmwoche‘. Die Antwort ist provokant einfach. Weil es sonst niemand tut! Und das müßte zu denken geben! Sollte Wien wirklich nur eine Provinzstadt der Kunst sein, in der zwar Musik und Theater in hoher Blüte stehen, Film, Literatur und bildende Kunst aber zweitrangig bleiben?“52 Der Erfolg des Programms im Studienjahr 1962/63 war so groß, dass sich aus dem cinestudio im Studienjahr 1963/64 das Filmreferat der ÖHTHW,53 das nun gleichberechtigt neben dem Kulturreferat stand, entwickelt hatte. Der Publikumszustrom blieb trotz des mutigen Programms ungebrochen. Deutlich lässt sich bei der Programmierung bereits jener – später nicht immer unumstrittene – Kanon erkennen, der in der Ära Konlechner/ Kubelka auch für das Österreichische Filmmuseum so typisch war: Die Bandbreite reichte vom japanischen Kino (Yasujiro Ozu im Jänner 1964) über Stummfilmklassiker (Buster Keaton im Oktober 1963) bis zum US-Avantgardekino (von Bruce Baillie bis Stan Brakhage).54 Dies alles konnte nach dem Einbau einer neuen Kinoanlage um die gewaltige Summe von 180.000 öS in den Hörsaal 3 des Elektrotechnischen Instituts in deutlich verbesserter Projektionsqualität gesehen werden – wenn die Vorstellungen nicht ausverkauft waren.55 Spätestens nach dem erfolgreichen Jahr 1963 war das Cinéstudio (der Accent aigu wurde 1963 hinzugefügt) zu klein für den teilweise unerwarteten Publikumsansturm geworden. Bei der Planung der Kurzfilmwoche 1962 hatte Konlechner den Avantgardefilmemacher Peter Kubelka, dessen Film Schwechater er unbedingt zur Aufführung bringen wollte, kennengelernt. Die beiden

were able to view “masterful works of cinematic art at extremely low entry prices.”50 Another objective of the cultural office’s film department was to create an information exchange for films of high artistic value being shown in Vienna.51 In the programme for the 1962 short film week, Peter Konlechner posed a question that made an impression upon many creative artists that year: “Perhaps you ask yourself why the Student Union of the Technische Hochschule is putting on an ‘international short film week.’ The answer is provocatively simple: Because someone has to do it! Think about it! If Vienna is supposedly an art hub where music and theatre are in full bloom, then how can film, literature, and the visual arts remain in the back seat?”52 The success of the programme in the 1962/63 academic year was so great that the ÖHTHW Filmreferat was created from the cinestudio in the 1963/64 academic year53, giving it equal standing with the Cultural Office. Despite the daring programme, the public influx continued without interruption. The overall canon that became clear in the programming – and was later not always uncontested – was also typical for the Austrian Film Museum during the Konlechner/Kubelka era. Showings ranged from Japanese cinema (Yasujiro Ozu in January 1964) and classic silent films (Buster Keaton in October 1963), to US avant-garde films (from Bruce Baillie to Stan Brakhage).54 These were all viewed in a newly installed cinema facility in Auditorium 3 of the Electrotechnical Institute that cost the tremendous sum of 180,000 öS (Austrian schillings), but made it possible to view movies in a much better projection quality – when the events were not sold out, that is.55 By 1963 at the latest, the Cinéstudio (the accent aigu was added in 1963) had become too small for the unexpectedly popular public response. When planning the 1962 short film week, Konlechner met avant-garde filmmaker Peter Kubelka, whose film Schwechater he had hoped to present. The two remained in contact and sought to create an Austrian film archive with a permanent venue in late 1963.

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Abbildung 6: Plakat zur Eisenstein-Retrospektive im Oktober 1964 Figure. 6: Placard for the Eisenstein retrospective in October 1964.

blieben im Kontakt und bemühten sich ab Ende 1963 gemeinsam um die Schaffung einer österreichischen Cinemathek mit permanenter Spielstätte. Im Februar 1964 war es dann soweit: Konlechner und Kubelka wagten die Gründung des Vereins Österreichi­ sches Filmmuseum, ein Schritt, der bei Presse und Konkurrenz (Österreichisches Filmarchiv) nicht nur auf Wohlwollen stieß. Bei der konstituierenden Vollversammlung des Österreichischen Filmmuseums war die wichtige Rolle der ÖH noch deutlich zu bemerken: Der in der ÖH aktive Jurist Heinrich Wille fungierte als Obmann, sein Stellvertreter war der damalige Vorsitzende der ÖH an der TH in Wien, Hermann Kert, die beiden eigentlichen

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Abbildung 7: Plakat für die letzte Veranstaltungsreihe des Österreichischen Filmmuseums, die an der TH in Wien stattfand. Figure 6: Placard for the last event series of the Austrian Film Museum, which took place at the TH in Vienna.

They did just that in February 1964: Konlechner and Kubelka ventured to establish an association called the Österreichisches Filmmuseum (Austrian Film Museum), a step that was not only well received in the press and amongst competitors (Österreichisches Filmarchiv/Austrian Film Archives). In the constituent general meeting of the Austrian Film Museum, the important role of the ÖH was crystal clear: Active in the ÖH, the young lawyer Heinrich Wille functioned as chairman; his vice-chair was also the chairman of the ÖH at the TH in Vienna at the time, Hermann Kert. The two founders, Kubelka and Konlechner, functioned as members of the board.56

Protagonisten, Kubelka und Konlechner, fungierten als Vorstandsmitglieder.56 Die langsame Ablösung von der ÖH und die Suche nach einem dauerhaft einsetzbaren Kino prägten das erste Bestandsjahr des Österreichischen Filmmuseums. Die Kinosaalfrage konnte schließlich gelöst werden, am gewählten Standort in der Albertina mussten die Räumlichkeiten noch adaptiert werden. Deshalb war das Filmmuseum im ersten Jahr seines Bestehens auf permanenter Wanderschaft, einige Programme dieser Spielzeit fanden auch an der TH in Wien statt. Unter anderem wurde im Oktober 1964 im Hörsaal 3 des Elektrotechnischen Instituts eine Gesamtretrospektive der Filme von Sergej Eisenstein gezeigt. Da es die Organisatoren verabsäumt hatten, rechtzeitig um eine Zusatzkonzession für die Vorführung anzusuchen, wurde über das Filmmuseum eine Geldstrafe verhängt.57 Im Jahr darauf endete die gemeinsame Geschichte von Filmmuseum und Hochschülerschaft mit der Reihe „Cinéma Vérité, Living Cinema, Direct Cinema – Filme von Richard Leacock, Albert & David Maysles“, die von 27. März bis 3. April 1965 stattfand.58 Cinéstudio und Filmreferat seit den 1960er-Jahren Auch nachdem das Filmmuseum der Hochschülerschaft der Technischen Hochschule in Wien entwachsen war, blieb das Cinéstudio bzw. das Filmreferat der ÖHTHW ein Fixpunkt in der Kinolandschaft der Stadt. Parallel zum Niedergang des traditionellen österreichischen Kinos in den 1960er-Jahren und der Entwicklung einer neuen Filmszene in den 1970ern förderte das Cinéstudio eine Kinokultur, die international ausgerichtet war und Filmen eine Chance gab, die in Österreich sonst nur kurz oder gar nicht im Kino zu sehen waren. „Das Cinéstudio ist bemüht, den Studenten das Medium Film in all seinen Ausdrucksformen näherzubringen. Wir halten Kontakte mit verschiedenen Filmclubs, um Ihnen auch die neuesten Produktionen des In- und Auslandes zugänglich zu machen und einen Überblick über das allgemeine Filmschaffen geben zu können.“59

The slow separation from the ÖH and the search for a permanent cinema home characterised the Austrian Film Museum’s first year of existence. The movie theatre dilemma was solved, although the premises found – located in the Albertina – had to be adapted. This kept the Film Museum in a state of permanent flux during this first year, and a part of its programming during this period still took place at the TH in Vienna. A complete retrospective of Sergej Eisenstein’s films were shown, among others, in October 1964 in Auditorium 3 of the Electrotechnical Institute. The organisers failed to apply in time for additional concessions for the screening, and a fine was imposed on the Film Museum.57 The following year, the joint history of the Film Museum and the student union ended with the series, “Cinéma Vérité, Living Cinema, Direct Cinema – Films by Richard Leacock, Albert & David Maysles,” which took place from the 27th of March through the 3rd of April 1965.58 The Cinéstudio and the Filmreferat since the 1960s Even after the Film Museum of the student union outgrew the TH in Vienna, the Cinéstudio and the Film Department of the ÖHTHW remained anchored in the cinema landscape of the city. In conjunction with the decline of traditional Austrian cinema in the 1960s and the development of a new film scene in the 1970s, the Cinéstudio promoted a cinema culture that was internationally oriented and gave films that otherwise were only available for a short time or not at all in Austria a chance to be seen. “The Cinéstudio endeavours to bring students closer to the medium of film in all its forms of expression. We maintain contact with a wide variety of film clubs in order to provide you with access to the newest domestic and foreign productions and be able to bring audiences an overview of cinematography in general.”59 Initially, the Filmreferat was still staffed with TH students: Heinz Weigner (1965/66-1966/67), Egbert Mayer (1967/68-1968/69), Manfred Berger (1969/70-

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Zunächst war das Filmreferat noch mit TH-Studenten besetzt: Heinz Weigner (1965/66–1966/67), Egbert Mayer (1967/68–1968/69), Manfred Berger (1969/70– 1975/76), Kurt Schramek (1971/72–1975/76 gemeinsam mit Manfred Berger, 1976/77–1980/81 allein verantwortlich). Mit der Bestellung von Otto Reiter (1981/82– 1990/91) wurde von dieser Praxis abgegangen, auch Kurt Hofmann (1991/92–2001/02) und Wilhelm Klösch (2002/03) studierten nicht an der TU in Wien. Ab 1973 fanden Einzelvorstellungen im Audi Max am Getreidemarkt statt, Filme mit thematischen Schwerpunkten und Retrospektiven (unter anderem von Werner Herzog, Luis Buñuel, Robert Bresson oder Sam Peckinpah) verblieben am alten Schauplatz in der Gußhausstraße. Legendär war das ab Mitte der 1970er-Jahre bis Ende der 1980er-Jahre regelmäßig durchgeführte Horrorfilmfestival. Zu einer Zeit, in der der zeitgenössische Horrorfilm sehr wenig Anerkennung unter Cineasten genoss, setzte das Filmreferat auf dieses Genre und erwarb damit einen weit über die TU Wien hinausgehenden Ruf. Die Vorführungen waren aber nichts für Filmpuristen, sie wurden vom Publikum in Happenings verwandelt und sorgten regelmäßig für Konflikte mit der Universitätsdirektion, die sich wegen der hohen Sachschäden und Reinigungskosten bei der HTU schadlos halten wollte.60 In den 1980er-Jahren konnte sich das Cinéstudio sehr gut neben der sich langsam etablierenden Wiener Programmkino-Szene (Movie, Schikaneder, Stadtkino, Star, Stöbergasse) als fixe Größe etablieren. Mit der Übernahme des Filmreferats durch Kurt Hofmann folgte eine Erweiterung und Zuspitzung des Angebots: Im Rahmen des Cinéstudios fanden nun regelmäßig Veranstaltungen zum österreichischen Film statt. Besonders erwähnenswert ist auch die seit 1996 bestehende Reihe „Film und Theorie“, in der sich die junge Generation der österreichischen Filmjournalistik und Filmtheorie vor Publikum versuchen konnte. Kuratiert von Kurt Hofmann und Robert Buchschwenter referierten unter anderem Vrääth Öhner, Isabella Reicher und Drehli Robnik. Diese Reihe sollte „interessierten

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1975/76), Kurt Schramek (1971/72-1975/76 together with Manfred Berger, solely responsible in 1976/771980/81). This practice was abandoned with the appointment of Otto Reiter (1981/82-1990/91); Kurt Hofmann (1991/92-2001/02) and Wilhelm Klösch (2002/03) likewise did not study at the TU in Vienna. After 1973, only single events were held in the Audi Max at Getreidemarkt, with films on thematic emphases and retrospectives (from Werner Herzog, Luis Buñuel, Robert Bresson oder Sam Peckinpah) being shown at the old location at Gußhausstraße. The Horror Film Festival, which took place regularly starting in the mid-1970s until the end of the 1980s, was legendary. Because the contemporary horror film genre received very little attention from cineastes, the Filmreferat focused on it for a time and, as a result, garnered a reputation that went far beyond the TH in Vienna. The showings were not for film purists, however; the public made them into “happenings” and regularly created conflict with the university administration, which did not want to be held responsible for the high material damages and cleaning costs of the HTU.60 In the 1980s, the Cinéstudio was a very well established name in the Vienna repertory cinema scene ­(Movie, Schikaneder, Stadtkino, Star, Stöbergasse). When Kurt Hofmann took over the Filmreferat, the programming was expanded and intensified: The Cinéstudio now had regular events featuring Austrian films. Especially noteworthy is the “Film and Theory” series, which has existed since 1996 and allows young Austrian film journalists and theorists to present themselves to the public. Curated by Kurt Hofmann and Robert Buchschwenter, lecturers have included Vrääth Öhner, Isabella Reicher, and Drehli Robnik, among others. This series is intended to “expose interested viewers to new levels of meaning above and beyond the mere ‘naïve’ viewing of a film.”61 The corresponding films were then analysed and discussed based on central themes, such as rituals, houses as symbols, or the mechanics of laughter in film. Film series such as one on Cuban film were well received

Abbildung 8: Plakat für das Horrorfilmfestival 1977 Figure 8: Placard for the 1987 Horror Film Festival

ZuschauerInnen über das ‚naive‘ Sehen eines Filmes hinaus neue Bedeutungsebenen erschließen“.61 Ausgehend von zentralen Themen wie „Rituale“, „Häuser als Zeichen“ oder „Über die Mechanik des Lachens im Film“ sollten entsprechende Filme analysiert und diskutiert werden. Sehr gut angenommen wurden Filmreihen wie „Der kubanische Film“, sie gewannen sehr schnell ein treues Publikum. Hofmann arbeitete auch mit anderen Referaten der HTU zusammen, so fanden etwa immer wieder Frauenfilmtage statt. Im Studienjahr 2002/03 hatte das Filmreferat sehr stark unter Einsparungsmaßnahmen zu leiden. Die Zahl

Abbildung 9: Plakat zur Filmreihe „Der kubanische Film“ aus dem Jahr 2001 Figure 9: Placard for the film series on Cuban film from the year 2001.

and quickly won a loyal audience. Hofmann also worked with other departments from the HTU, for example, to regularly put on women’s film days. In the 2002/03 academic year, the Filmreferat suffered greatly from budget cuts. The number of events declined significantly and the independent Filmreferat was disbanded in 2003/04. The HTU-Cinéstudio, however, came to life again, organising cinema events at the TU Wien until 2009 (thanks to Martin Gössler, Kurt Hofmann, Stefan Lintl, and Manfred Rakousky among others). In the process, new ground was broken, with the planning of complete semester programs being aban-

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der Veranstaltungen ging deutlich zurück, das eigenständige Filmreferat wurde 2003/04 abgeschafft. Das HTU-Cinéstudio, zu nennen sind Martin Gössler, Kurt Hofmann, Stefan Lintl und Manfred Rakousky, bestand aber weiter und veranstaltete bis 2009 Kinovorführungen an der TU Wien. Dabei wurden neue Wege bestritten und die Planung von kompletten Semesterprogrammen wurde aufgegeben, dafür fanden nun sogar Erstaufführungen statt. Besonders erfolgreich und auch in den Medien sehr präsent war etwa 2007 die Uraufführung von Keine Insel – Die Palmers-Entführung 1977 (Regie: Alexander Binder/Michael Gartner). Inzwischen gibt es keine Kinovorführungen an der TU Wien mehr, diese Tradition ist nach 2009 zu ihrem Ende gekommen. Nur mehr ein Hörsaal, der Hörsaal 7 im Elektrotechnischen Institut, verfügt nach wie vor über eine Abspielvorrichtung für analogen Film. Wenn Film in der Lehre eingesetzt wird, dann geschieht dies ausschließlich über digitale Medien. Auch wenn die gemeinsame Geschichte von TU Wien und Kinematographie gerade wieder einmal ein Wellental zu durchlaufen scheint, so sollten voreilige Schlussfolgerungen auf ein Ende dieser Beziehung unterbleiben. Die TU Wien und ihre Angehörigen sind auch in dieser Geschichte immer für Innovationen gut. In das Festprogramm anlässlich der 200-Jahr-Feier fand das Kino jedenfalls Aufnahme: Vielleicht bietet die Beteiligung der TU Wien am „Kino unter Sternen“ im Juli 2015 am Karlsplatz einen Anknüpfungspunkt für weitere Aktivitäten.

doned and only film premiers being shown. Especially successful and also with good media coverage was the 2007 premiere of No Island – The Palmers Kidnapping of 1977 (Direction. Alexander Binder/Michael Gartner). After that, there were no longer any cinema events at the TU Wien; the tradition came to an end in 2009. Only one auditorium, Auditorium 7 at the Electrotechnical Institute, still has a machine that could even play analogue films. Educational films are now exclusively shown using digital media. Although the shared history of the TU Wien and cinematography seems to have fallen into a lull, hasty conclusions about the end of the relationship should not yet be made. The TU Wien and its members are still part of the history of filmic innovation. Cinema was given a place in the festival programme on the occasion of the 200-year anniversary. Perhaps TU Wien’s participation in “Kino unter Sternen” at Karlsplatz in July 2015 is an opportunity for further activities.

Anmerkungen/Notes 1  Zur Begriffsgeschichte vgl. Joachim Felix Leonhard (Hg.), Medienwissenschaft: ein Handbuch zur Entwicklung der Medien und Kommunikationsformen, Bd. 3, Berlin 2002, 1790. 2  Grundlegend zur Privilegiensammlung: Erich Jiresch/Juliane Mikoletzky, „Zur Aufmunterung der Erfindungen im Fache der Industrie“. Die Sammlungen der Erfindungsprivilegien im Archiv der Technischen Universität Wien, Heft 7, Wien 2001. 3  AT TUWA, Privilegiensammlung, Priv. Reg. Nr. 1553 von Simon Stampfer und Mathias Trentsensky am 24. April 1833. 4  Meinrad Pizzinini, Chronik der Entwicklung des Films, in: L’incanto dello schermo/Zauber der Leinwand. 100 Jahre Film in Alt-Tirol, o. O. 1995, 15, und Johanna Brückl/Gerhard Zavratil (Hg.), Festschrift zum Simon von Stampfer Symposium, Wien 2004, bes. die Beiträge von Martin Staudinger und Otto Beck. 5  Martina Pesditschek, „Stampfer, Simon von“, in: Österreichisches Biographisches Lexikon, Band 13, Wien 2010, 86. Ausführlich: Franz Allmer, Simon Stampfer 1790–1864. Ein Lebensbild, Graz 1990. 6  Artikel „Ludwig Döbler“, in: Österreichisches Biographisches Lexikon, Band 1, Wien 1957, 190. 7  AT TUWA, Privilegiensammlung, Priv. Reg. Nr. 4829 von Ludwig Döbler am 03. 1. 1847.

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8  Pizzinini, Chronik, 17. 9  AT TUWA, Rektoratsakten, 1750–1923/24, Bericht des Ausschusses zur Errichtung einer Honorardozentur für Kinematographie und Projektionstechnik vom 10. Jänner 1924. Im Professorenkollegium beschlossen am 23. Jänner 1924. 10  Ausschuss-Unterlagen in: Ebd., RZl. 156–1921/22. 11 Ebd. 12  Vorlesungsverzeichnis, Studienpläne und Personalstand der Technischen Hochschule in Wien für das Studienjahr 1924/25, Wien 1924, 19. 13  AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 647–1928/29. Vgl. auch Personalakten, PA Paul Ritter von Schrott, 2010–1938/39, fol. 17 (Stellungnahme von Dekan Eckert). 14  Ebd., Rigorosenakten, RZl. 2/143/1901–1910 (Rigorosenakt Paul Ritter von Schrott). 15  Ebd., Habilitationsakten, Habilitationsakt Paul Ritter von Schrott. 16  Vorlesungsverzeichnis, Studienpläne und Personalstand der Technischen Hochschule in Wien für das Studienjahr 1913/14, Wien 1913, 33. 17  Paul Ritter von Schrott, Leitfaden für Kinooperateure und Kinobesitzer, Wien 1913. Die siebte Auflage aus dem Jahr 1930 trug den geänderten Titel Leitfaden zur Vorführung von Lauf- und Tonbildern. 18  Vorlesungsverzeichnis, Studienpläne und Personalstand der Technischen Hochschule in Wien für das Studienjahr 1920/21, Wien 1920, 23. 19  Vorlesungsverzeichnis, Studienpläne und Personalstand der Technischen Hochschule in Wien für das Studienjahr 1928/29, Wien 1928, 39. 20  Der erste österreichische Kurz-Tonfilm hatte im August 1929 Premiere. 21  AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1340–1928/29. 22  Ebd., RZl. 2721–1923/24. 23  Ebd., RZl. 64–1927/28. 24  Zur räumlichen und technischen Ausstattung vgl. Paul Schrott, Das Institut für technische und wissenschaftliche Kinematographie an der Technischen Hochschule in Wien, in: Die Kinotechnik 16 (1934), Heft 24, 383–385. 25  AT TUWA, Personalakten, PA Paul Ritter von Schrott, RZl. 1081/1946 (Eidesstattliche Erklärung). 26  Ebd., RZl. 2010–1938/39, fol. 18. 27  Ebd., fol. 12. 28  Ebd., RZl. 1494/1944. 29  Die genauen Umstände der Auflösung des Instituts lassen sich nicht nachvollziehen, die Streichung des Instituts ist dokumentiert in AT TUWA, Allgemeine Rektoratsakten, 744/1945. 30  AT TUWA, Personalakten, PA Paul Ritter von Schrott, RZl. 1081/1946 (27. Mai 1946). 31  Ebd., RZl. 1186/1946. 32  Jahrbuch der Deutschen Studentenschaft der TH in Wien 1932/33, Wien 1932, 45. 33  Ebd., 46–49 (Programm und Besuchszahlen). 34  Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt/M. 1977, 33. 35  AT TUWA, Hauptkatalog der ordentlichen Hörer 1928/29, Matr. Nr. 65–1928/29. 36  AT TUWA, Protokoll der II. Staatsprüfung aus Maschinenbau (Felix Horner) Nr. 1091 vom 21. März 1907. 37  AT TUWA, Protokoll der II. Staatsprüfung aus Architektur (Heinrich Horner) Nr. 1005 vom 30. März 1933. 38  Vgl. das ausführliche lebensgeschichtliche Interview aus dem Jahr 1993 in: Aufbruch ins Ungewisse, hrsg. von Christian Cargnelli/Michael Omasta, Wien 1993, 133–142. Zu Horners Zeit am Reinhardt-Seminar: Die vergessenen Jahre. Zum 75. Jahrestag der Eröffnung des Max Reinhardt Seminars, hrsg. von Peter Roessler/Günter Einbrodt/Susanne Gföller, Wien 2004, 71 (Liste der Studierenden). 39  Archiv der TU Graz, Studienblätter nach 1900, Studienblatt Luis Trenker. Allgemein Winfried Posch, Holzmeister und Trenker, Architekten in Bozen und das Kraftwerk Kardaun, http://www.tecneum.eu/index.php?option=com_content&task=view&id=605 (17. 12. 2014). 40  Vgl. dazu Marina Marquet, Zwischen Zerstörung und Denkmalschutz. Holzmeisters Bauten für den Tourismus, in: Clemens Holzmeister, hrsg. v. Georg Rigele/Georg Loewit, Innsbruck 2000, 28–32. Ausführlich bei Wilfried Posch, Clemens Holzmeister: Architekt zwischen Kunst und Politik, Salzburg/Wien 2010. 41  Paulus Ebner, Die USA als Gegenentwurf zu „Heimat“: Das Amerikabild in Der verlorene Sohn (1934) und Der Kaiser von Kalifornien (1936) von Luis Trenker“, in: Identität, Kultur, Raum, hrsg. v. Susan Ingram/Markus Reisenleitner/Cornelia Szabo-Knotik, Wien 2001, 183–198. 42  AT TUWA, Hauptkatalog der ordentlichen Hörer 1912/13, Matr. Nr. 351–1912/13 und Hauptkatalog der ordentlichen Hörer 1917/18, Matr. Nr. 840–1917/18. 43  Biographischer Abriss und Werkverzeichnis: http://www.architektenlexikon.at/de/635.htm (17. 12. 2014). 44  Biographischer Abriss und Werkverzeichnis: http://www.architektenlexikon.at/de/189.htm (17. 12. 2014). 45  Arthur Grünberger, Das Lichtspiel als Kunstwerk, in: profil 4 (1936), Heft 1, 6ff.

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46  Vgl. Grünberger, Lichtspiel, 6 und Benjamin, Kunstwerk, 13. 47  AT TUWA, Hauptkatalog der ordentlichen Hörer 1909/10, Matr. Nr. 209–1909/10. 48  Vgl. Eszter Kondor, Aufbrechen. Die Gründung des Österreichischen Filmmuseums, Wien 2014, 44. 49  Programmliste in Kondor, Aufbrechen, 193. 50  Studienführer der Österreichischen Hochschülerschaft an der Technischen Hochschule Wien, Studienjahr 1962/63, Wien 1962, 57. 51 Ebd. 52  Peter Konlechner, Warum gerade wir. Internationale Kurzfilmwoche, 20 – 27. 10. 1962, zit. nach Kondor, Aufbrechen, 49. 53  Aufgabenbereich des Filmreferats bei Kondor, Aufbrechen, 50. 54  Kondor, Aufbrechen, 193–196. 55  Studienführer der Österreichischen Hochschülerschaft an der Technischen Hochschule Wien, Studienjahr 1963/64, Wien 1963, 96. 56  Kondor, Aufbrechen, 60. 57  Ebd., 82. 58  Programmfaksimile und Begleittext unter http://www.filmmuseum.at/jart/prj3/filmmuseum/data/uploads/50jahreprogrammarchiv/1965_03-04/1965_03-04.PDF (17. 12. 2014). 59  Österreichische Hochschülerschaft, Technische Hochschule Wien: Studienführer 68/69, Wien 1968, 221. 60  Schreiben des HTU-Vorsitzenden Dovalil an die Universitätsdirektion der TU Wien vom 25. 11. 1987, in dem die – von der HTU akzeptierten – Schäden aufgelistet sind. TUWA, Depot HTU, HTU-Korrespondenz 1977–1993. 61  HTU Wien: Studienführer 2000/01, Wien 2000, 114.

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Juliane Mikoletzky

ZWISCHEN WISSENSVERMITTLUNG UND INTERESSENPOLITIK: TECHNISCHE VOLKSBILDUNG AN DER TECHNISCHEN HOCHSCHULE IN WIEN BIS 1938 BETWEEN KNOWLEDGE TRANSFER AND SPECIAL INTEREST POLICY: POPULAR TECHNICAL EDUCATION AT THE TH IN VIENNA BEFORE 1938 Wissenschaftspopularisierung ist eines der Anliegen, denen sich auch die TU Wien widmet: Veranstaltungsreihen wie das TU-Forum, die Beteiligung von Angehörigen des Hauses an der „Langen Nacht der Forschung“ und an Programmen wie „University meets Public“, die Abhaltung von „Street Lectures“ und andere Aktivitäten sollen dem allgemeinen Publikum einerseits verdeutlichen, worum es in der Forschung geht und welchen Nutzen ihre Ergebnisse für die Gesellschaft stiften können, andererseits dazu dienen, eine vermutete „irrationale“ Skepsis gegenüber Technik und (Natur-)Wissenschaften zu überwinden. Neu sind solche Bemühungen nicht: In der Geschichte der TU Wien hat es wiederholt vergleichbare Aktivitäten gegeben, die teilweise bis in die Gründungszeit des Wiener Polytechnischen Instituts zurück reichen. Organisatorisch Gestalt angenommen haben sie allerdings erstmals um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Am 25. Oktober 1919 teilte der scheidende Rektor der Wiener Technischen Hochschule, Karl Zsigmondy, dem zur Inauguration seines Nachfolgers versammelten Festpublikum mit, dass nunmehr auch an der TH in Wien „volkstümliche Hochschulkurse“ abgehalten würden, wie sie an der Wiener Universität schon „seit fast einem Vierteljahrhundert eingerichtet sind.“1 Getragen werden sollten diese Kurse durch eine in Gründung befindliche

Popularising science is one of the issues that the TU Wien devotes itself to. Event series such as the TU Forum, employee participation in the “Long Night of Research” and programmes such as “University meets Public”, holding “street lectures” and other activities aim to illustrate to the public what happens in research and what benefits it could provide for society, while at the same time serving to overcome any presumed, “irrational” scepticism towards technology and the (natural) sciences. These efforts are nothing new: Throughout the TU Wien’s history, there have repeatedly been comparable activities, which, in part, go back to the founding of the Vienna Polytechnic Institute. However, they first took on an organised form around the turn of the 19th to 20th century. On 25 October 1919, the outgoing Rector of the TH in Vienna, Karl Zsigmondy, informed the audience congregated for the inauguration of his successor that, from now on, “popular college courses” would be held at the TH in Vienna “just as had been the case at the University of Vienna for almost a quarter century.”1 These courses would be supported by the Free Association of Popular Technical Education at the TH in Vienna, which was being established at the time. However, whereas the Pop­ ular University Lectures series, founded in 1895, have garnered broad regard in research,2 the Free Association

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Freie Vereinigung für technische Volksbildung an der Technischen Hochschule in Wien. Während jedoch die 1895 gegründeten Volkstümlichen Universitätsvorlesun­ gen in der Forschung breite Beachtung gefunden haben2, ist über die Freie Vereinigung sowie die Vortragsreihen an der TH in Wien nur wenig bekannt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Grundsätzlich ist die Geschichte der technischen Bildung und ihrer Institutionen nach wie vor ein Stiefkind der Bildungsforschung in Österreich. Die kurze Lebensdauer und die zwangsweise Auflösung der Freien Vereinigung für technische Volksbildung durch die nationalsozialistischen Machthaber 1938 haben, wie in vielen anderen Fällen auch, die Erinnerung daran verschüttet. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs haben die bis in die Zwischenkriegszeit geübten Formen popularisierender Vermittlung wissenschaftlichen Wissens durch universitäre Einrichtungen an Bedeutung verloren; inzwischen war diese Aufgabe durch andere, modernere Institutionen mit neuen Konzepten, insbesondere die Volkshochschulen, übernommen worden. Somit war das Programm der „volkstümlichen Hochschulkurse“ mit technischer Ausrichtung im Grunde schon bei seiner Entstehung ein „Spätkömmling“, ins Leben gerufen zu einer Zeit, als diese Form der University Extension bereits überholt war.3 Schließlich wurden gerade von Seiten der „Techniker“ mit ihrem Angebot keineswegs nur Bildungsabsichten, sondern auch gesellschafts- und standespolitische Ziele verfolgt. Die dafür maßgebenden Motive haben zumindest teilweise nach 1945 ihre Grundlage verloren. Dennoch erscheint es lohnenswert, sich die Aktivitäten der damaligen TH in Wien im Zusammenhang mit der Volksbildungsbewegung näher anzusehen, gerade in einer Zeit, in der die breitenwirksame Förderung von Technikverständnis und/oder Technikakzeptanz wieder zum politischen Programm erhoben und das Fehlen einer positiven Einstellung zur Technik beklagt wird.

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and the lecture series at the TH in Vienna are not widely known, for which there are many reasons. Generally, the history of technical education and its institutions is still just a stepchild of educational research in Austria. The short lifespan and compulsory dissolution of the Free Association of Popular Technical Ed­ ucation by National Socialist leaders in 1938 buried its remembrance, as happened in so many other instances as well. After the end of World War II, the forms of popularising scientific knowledge dissemination practised by university institutions into the inter-war period became less significant. The task had been taken over by other, more modern institutions with new concepts, adult education centres in particular. This is why the technically oriented “popular college courses” were already late-comers when first started, since they were, for the most part, established at a time when this form of university extension was already obsolete.3 Moreover, educational goals were by no means the only ones being pursued by the “technicians” with their programme. Rather, socio-political and professional policy objectives were prioritised as well. The decisive motives for this lost their foundation, at least in part, after 1945. Nevertheless, it seems worthwhile to take a closer look at the activities of the former TH in Vienna in conjunction with the popular educational movement, precisely at a time in which the wide-ranging advancement of technological understanding and/ or acceptance is once again being elevated in political precedence, with the lack of positive attitudes towards technology being lamented. Predecessors: The “Public Sunday Lectures” at the Vienna Polytechnic Institute The Vienna Technische Hochschule – like almost all THs of the former Hapsburg Monarchy – was able to look back upon a long tradition of popularising technical and scientific knowledge dating back to the foundation of the Imperial Royal Polytechnic Institute.4 Even before the institute officially opened, its designated director, Johann

Vorläufer: Die „Populären Sonntagsvorlesungen“ am Wiener Polytechnischen Institut Die Wiener Technische Hochschule konnte – wie fast alle technischen Hochschulen der ehemaligen Habsburger Monarchie – auf eine lange Tradition der popularisierenden Vermittlung technisch-naturwissenschaftlicher Kenntnisse zurückblicken, die bis in die Gründungszeit des k. k. polytechnischen Instituts zurückreichte.4 Schon vor der offiziellen Eröffnung des Instituts begann dessen designierter Direktor, Johann Joseph Prechtl, im Jahr 1813, auf ausdrücklichen Wunsch von Kaiser Franz I., mit der Abhaltung populärer Sonntagsvorlesungen für Handwerker und Gewerbetreibende zu technisch-wissenschaftlichen Fragen und ihrer praktischen Anwendung. Zielsetzung war hierbei primär nicht „Bildung“ in einem allgemeinen Sinne, sondern Technologietransfer: Die Populären Vorlesungen waren Teil einer breit angelegten Strategie zur raschest möglichen Verbreitung modernen technisch-praktischen Wissens unter der gewerbetreibenden Bevölkerung im Rahmen eines nationalen Industrialisierungsprogramms: Es ging letztlich um das Einholen des englischen Entwicklungsvorsprungs im technisch-industriellen Bereich.5 In der Folge blieben die Populären Vorlesungen, die regelmäßig in der Wiener Zeitung angekündigt wurden, eine ständige Einrichtung des polytechnischen Instituts, zu der übrigens auch Frauen zugelassen waren.6 Namhafte Professoren, wie der Chemiker Anton Schrötter, beteiligten sich daran ebenso wie in zunehmendem Maße die Assistenten und Dozenten. Diese sahen hierin eine willkommene Übungsgelegenheit für selbständiges Unterrichten. Viele von ihnen waren zudem durch genuin volksbildnerische Impulse angetrieben: Sie hatten oft vor ihrer Anstellung am Polytechnischen Institut als (Schul-)Pädagogen gearbeitet, und die meisten gehörten ihrer politischen Einstellung nach zur kleinen Gruppe der „Altliberalen“, die sich bald mit den Zielen der 1848er Revolution identifizierte. Das Ende dieser Aktivitäten kam mit der großen Organisationsreform des Wiener Polytechnischen Instituts

Joseph Prechtl, began to hold public Sunday lectures on matters of technical science and their practical application for craftsmen and tradesmen in 1813 at the explicit request of Emperor Francis I. “Education” in the general sense was not the main objective here, but rather the transfer of technology. The public lectures were part of a widely defined strategy to disseminate modern, practical, technical knowledge among tradesmen as quickly as possible as part of the national industrialisation programme. Ultimately, this was about catching up to England’s developments in the technical industrial field.5 Subsequently, these popular public lectures, which were regularly announced in the daily Wiener Zeitung newspaper and which, incidentally, women were permitted to attend as well, became a permanent fixture of the Polytechnic Institute.6 Notable professors, such as chemist Anton Schrötter, became involved, along with an increasing number of assistants and associate professors who saw a welcome opportunity for practicing instruction. Many were also driven by the genuine impetus to provide popular education: Before being appointed at the Polytechnic Institute, they had often worked as (school) educators and most of them, in accordance with their political views, belonged to the small group of “classic liberals”, who soon identified themselves with the 1848 Revolution. The large-scale organisational reform of the Vienna Polytechnic Institute in 1865 ended these activities. At the request of the majority of the Council of Professors, who considered the popular education activities, meanwhile classified asas “unscientific” and therefore as disadvantageous for the institute (a Technische Hochschule since 1872) and its goal of being ranked as a university institution, the public lecture programme was abandoned when the new Organisational Statute came into force in 1866.7 Even more remarkable then, is the fact that, immediately after the Council of Professors’ decision to put an end to public lectures, a representative of the assistantship, Friedrich Kick, immediately proposed re-introduc-

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von 1865. Auf Wunsch einer Mehrheit des Professorenkollegiums, das die inzwischen als „unwissenschaftlich“ eingestufte volksbildnerische Tätigkeit als Nachteil für die angestrebte Positionierung des Instituts (seit 1872 „Technische Hochschule“) als Einrichtung im Universitätsrang betrachtete, wurden die Populären Vorlesun­ gen mit dem Inkrafttreten des neuen Organisationsstatuts 1866 aufgelassen.7 Umso bemerkenswerter ist es, dass unmittelbar nach dem Beschluss des Professorenkollegiums, die Populä­ ren Vorlesungen endgültig einzustellen, ein Vertreter der Assistentenschaft, Friedrich Kick, umgehend den Antrag stellte, sie wieder einzuführen8 – er wird uns später bei den Bemühungen um die Einrichtung „technischer Hochschulkurse“ wieder begegnen. Die „Volkstümlichen Universitätsvorträge“ In der Folge beteiligten sich Angehörige des Lehrkörpers der TH in Wien zwar weiterhin in privatem Rahmen an der popularisierenden Verbreitung technisch-naturwissenschaftlichen Wissens, etwa durch Vorträge in Einrichtungen wie dem 1860 gegründeten Verein zur Verbrei­ tung naturwissenschaftlicher Kenntnisse. Als Institution begann sich die Wiener Hochschule jedoch erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wieder für dieses Thema zu engagieren. Das neu erwachte Interesse stand in engem Zusammenhang mit der Einrichtung der Volkstümlichen Universitätsvorträge (VUV) an der Universität Wien und war mindestens ebenso stark standes- wie bildungspolitisch motiviert. Die Gründung der VUV ging auf die Initiative einer Gruppe von 53 Lehrenden der Universität Wien aus dem Jahr 1893 zurück, die im Oktober 1895 vom Ministerium für Cultus und Unterricht (CUM) genehmigt wurde. Die ersten Kurse wurden noch im Jahre 1895 abgehalten.9 Zur Organisation des Programmangebots hatte der Senat der Universität Wien einen Ausschuss eingesetzt, dem seit November 1898 auf Einladung des Senats auch Vertreter des Professorenkollegiums der TH in Wien angehörten.

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ing them8 – we will meet him again later on during efforts to establish “popular technical lectures”. The “Public University Lectures” Consequently, faculty members of the TH in Vienna continued to be privately involved in the public dissemination of technical scientific knowledge, for example, by lecturing at institutions such as the Association for the Dissemination of Natural Science Knowledge, founded in 1860. However, the TH in Vienna did not become officially involved in the matter again until the late 19th century. This newly awakened interest was closely tied to the founding of the Public University Lectures (Volk­ stümliche Universitätsvorträge – VUV) at the University of V ­ ienna and was at least as strongly motivated by reasons of professional policy as it was by education policy. The VUV’s founding can be traced back to an 1893 initiative by a group of 53 University of Vienna lecturers, which was approved by the Ministry of Education and Church Affairs in 1895. The very first lectures were held in 1895.9 The Senate of the University of Vienna implemented a committee to organise the lecture programme, with representatives of the TH’s Council of Professors being invited to join in 1898. At a meeting on 17 June 1898, the Senate passed the decision that “public courses” should be held at the TH in Vienna as well, first by Full Professor of Mechanical Technology Friedrich Kick (on “New Machine Tools”) and the Honorary Professor of Electrical Railway Engineering and later Titular Professor Max Jüllig (on “Electrical Telegraphy”).10 Kick, who had already devoted himself to popular technical education as an Assistant in Vienna and then as a Professor at the TH in Prague, was Rector of the TH in Vienna in 1895/96. In addition to its declared task of popular education, the VUV also provided the generally poorly paid up-andcoming Assistants and Associate Professors an additional source of income.11 It is therefore no coincidence that many young scientists were among the lecturers, including staff from the TH in Vienna. In addition to Kick and

Dieses hatte in seiner Sitzung vom 17. Juni 1898 beschlossen, dass an der TH Wien ebenfalls „volkstümliche Kurse“ abgehalten werden sollten, zunächst durch den o. Professor für Mechanische Technologie, Friedrich Kick („Über neue Werkzeugmaschinen“) und den Honorardozenten für elektrisches Eisenbahnwesen und späteren Titularprofessor Max Jüllig (über „Elektrische Telegraphie“).10 Kick, der sich ja bereits als Assistent in Wien und dann als Professor an der TH in Prag für die technische Volksbildung engagiert hatte, war 1895/96 Rektor der TH in Wien. Die VUV erfüllten, neben ihrer deklarierten volksbildnerischen Aufgabe, auch die Funktion, dem überwiegend schlecht bezahlten wissenschaftlichen Nachwuchs der Assistenten und Dozenten eine zusätzliche Einkommensquelle zu erschließen.11 So ist es kein Zufall, dass sich unter den Vortragenden sehr viele junge Wissenschaftler befanden, darunter auch Angehörige der TH in Wien. Dazu gehörten, neben Kick und Jüllig, der Konstrukteur (seit 1870 Professor) Johann Radinger, der Kon­strukteur Richard Knoller, später Professor und Begründer der österreichischen Luftfahrtwissenschaft, sowie die Assistenten für Maschinenzeichnen Carl Alexander Fieber (1900 und 1906) und Ludwig Kallir.12 Diese Personen beteiligten sich offenbar erstmals im Herbst 1898 an den Volkstümlichen Universitätsvorträgen. Am 23. September bedankte sich der damalige Rektor der Universität Wien, Julius Wiesner, in einem Schreiben an das Rektorat der TH in Wien für die Kooperation und die Überlassung der Hörsäle IX und X an die beiden Vortragenden und stellte eine „Entschädigung“ für den beizustellenden Saaldiener in Aussicht. (Wiesner war vor seiner Berufung an die Universität Wien zunächst als Dozent, 1868–1870 als a. o. Professor für Technische Warenkunde und Mikroskopie und bis 1880 als Supplent an der TH in Wien tätig gewesen, also an der Hochschule wohlbekannt.) Dem Schreiben Wiesners war auch je ein gedrucktes Programm der geplanten Vorlesungszyklen für Oktober/November und für November/Dezember 1898 beigegeben, und es war vor allem die Textierung des Letzteren, die den Unmut des Rektorats hervorrief (Abbildung 1). 13

Abbildung 1: Vortragsprogramm der Volkstümlichen Universitätsvorträge November/Dezember 1898 Figure 1: Lecture programme of public university lectures in November/December 1898.

Jüllig, these included designing engineer (Professor as of 1870) Johann Radinger, designing engineer Richard Knoller (later Professor and founder of aeronautics sciences in Austria), and machine design assistants Carl Alexander Fieber and Ludwig Kallir (1900 and 1906).12 These persons participated in the public university lectures for the first time in the fall of 1898. On 23 September, the Rector of the University of Vienna at the time, Julius Wiesner, wrote a letter of thanks to the Rectorate of the TH in Vienna for its collaboration and for allowing both lecturers to use Lecture Halls IX and X, promising that “compensation” would be provided to make up for the costs of the necessary ushers. (Before being appointed at the University of Vienna, Wiesner first worked as

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Man war irritiert, dass dabei „nicht ganz so vorgegangen wird, wie es von Seiten der technischen Hochschule erwartet wird“, insbesondere „sollten die Curse zunächst nicht als ‚Universitäts’ – Curse bezeichnet werden, noch weniger sollten dieselben als ‚im Auftrage der Universität‘ abgehalten bezeichnet werden, nachdem auch Dozenten der h. o. Hochschule beteiligt sind.“14 Ferner wurde moniert, dass das Programm für Oktober/ November einen Kurs von Max Jüllig ankündige, der vom Professorenkollegium noch gar nicht genehmigt worden sei. Zur Begutachtung und Berichterstattung an das Professorenkollegium wurde von Rektor Perger im Oktober ein Comité eingesetzt, dem neben Friedrich Kick die Professoren Franz Toula und Josef Finger angehörten. Der Vorgang wurde, zusammen mit weiteren Ansuchen um Genehmigung der Hörsaalbenutzung für „Volkstümliche Vorträge“, in der Sitzung des Professorenkollegiums vom 22. Dezember 1898 behandelt und, da sich das Comité befürwortend aussprach, letztlich positiv erledigt. Rangstreitigkeiten der geschilderten Art waren für das Konkurrenzverhältnis zwischen Universität und Technischer Hochschule in Wien in diesen Jahren bezeichnend, standen doch die technischen Hochschulen – nicht nur in der Monarchie – um die Jahrhundertwende kurz vor der Erreichung eines lange erstrebten Ziels: der Verleihung des Promotionsrechts (in Österreich 1901, in Deutschland schon 1899), was einen wesentlichen Schritt in Richtung formaler Gleichstellung von Universitäten und technischen Hochschulen bedeutete. Die wechselseitigen Empfindlichkeiten waren also beträchtlich, und sie dürften mit dazu geführt haben, dass sich die Technische Hochschule in Wien 1901 aus den VUV ausklinkte und ihre Vertreter aus dem Ausschuss zurückzog.15 Vorüberlegungen zu eigenständigen „Technischen Hochschulkursen“ Die Assistenten und Privatdozenten waren mit diesem Entschluss allerdings nicht zufrieden, und zwar nicht nur an der „Technik“: Kollegen von der TH in Wien und der

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an Associate Professor, as a Professor of Technical Merchandise Studies and Microscopy from 1868 to 1870, and as a Substitute Professor at the TH in Vienna until 1880, and was thus well-known at the institute.) Printed programmes of the planned lecture series for October/ November and for November/December were added to Wiesner’s letter in 1898, and it was above all the text of the latter that provoked the Rectorate’s displeasure (Fig. 1).13 The Rectorate was irritated by the fact that “things were not quite executed as the TH expected”. Specifically, “the courses should, first of all, not be called ‘university’ courses at all, and they should definitely not be described as being ‘held by the university’, since Associate Professors from the TH are equally involved.”14 Furthermore, there was criticism of the fact that the October/November programme announced a course by Max Jüllig that had not yet been approved by the Council of Professors. In order to provide the Council of Professors with expert opinions and reports, Rector Perger implemented a committee in October, the members of which were Professors Franz Toula, Josef Finger, and Friedrich Kick. The process was addressed, together with additional requests for permission to use the TH’s lecture halls for public lectures, at the Council of Professors meeting on 22 December 1898 and, due to the Committee’s favourable recommendation, ended on a positive note. Hierarchical disputes like the ones depicted here were a reflection of the competition between the University of Vienna and the TH in Vienna in those years. However, at the turn of the century, Technische Hochschulen – and not just those in the monarchy – were about to achieve a long sought-after goal: the right to confer doctorates (awarded in 1901 in Austria, but in 1899 in Germany), which meant a significant step towards the achievement of equality between universities and THs. The conflicting sensitivities were thus considerable at the time, and they may have led to the TH in Vienna’s resignation from the VUV in 1901 and the withdrawal of their representatives from the committee.15

Hochschule für Bodenkultur bildeten ein „Aktionskomitee“,16 das nach Abhilfe suchte. Sie befürchteten wohl

Early Considerations on Autonomous “Popular College Courses”

vor allem das Wegbrechen einer zusätzlichen Einnahmequelle für den wissenschaftlichen Nachwuchs, der sich kurz vor dem Ersten Weltkrieg ohnehin als Interessengruppe zu organisieren begann. An der TH in Wien legte eine Gruppe von „mehreren Privatdozenten (Dr. Girtler an der Spitze)“ Anfang Juni 1909 dem Rektor Eduard Doležal einen Statutenentwurf für die Gründung einer eigenen Vereinigung zur Abhaltung volkstümlicher Vorlesungen der TH in Wien und der Hochschule für Bodenkultur vor.17 Zur Beratung dieses Vorschlages wurde wiederum ein Comité eingesetzt, bestehend aus den Professoren Josef Finger, Max Bamberger und Gustav Jäger als Berichterstatter. In der Folge trat dieses Comité wiederholt zusammen, wobei es bereits in seiner Sitzung vom 25. Juni 1909 beschloss, zu den Beratungen auch Rudolf Girtler (1877–1952) als Sprecher der Proponentengruppe und die Vertreter der Privatdozenten im Professorenkollegium, Hugo Strache und Emil Abel, beizuziehen. Parallel dazu tagte wiederholt das gemeinsame Aktionskomitee der Dozenten, Konstrukteure und Assistenten der TH in Wien und der Hochschule für Bodenkultur, wobei am 11. Dezember 1909 auch die beiden Rektoren Baudiss (TH Wien) und Marchet (BOKU) sowie Professor Bamberger teilnahmen.18 Die recht hochrangige Besetzung dieser Komitees indiziert die Bedeutung, die den Bemühungen um eigenständige „technische Hochschulkurse“ beigemessen wurde. Am 28. Januar 1910 konstituierte sich an der Hochschule für Bodenkultur auch noch ein eigenes Beratungskomitee des dortigen Professorenkollegiums.19 Bis zum Sommer 1910 wird von diesen drei Komitees ein gemeinsamer, für alle beteiligten Hochschulen akzeptabler Statutenentwurf zur Gründung einer Vereinigung zur Abhaltung populärer Vorlesungen aus dem technischen Bereich erarbeitet. In seinem Bericht vom 22. Juni 1910 empfahl das Comité der TH in Wien dem Professorenkollegium, es möge diese Statuten dem Unterrichtsministerium zu Genehmigung unterbreiten; der Rektor der Hochschule für Bodenkultur habe mündlich

However, the Assistants and Associate Professors were not satisfied with this decision, and not just those at the Technische Hochschule. Colleagues from the TH in Vienna and the Hochschule für Bodenkultur (BOKU – College of Natural Resources) formed an “action committee”,16 searching to relieve the situation. They predominantly feared the collapse of an additional source of income for young scientists, who had already begun organising themselves into a special interest group shortly before World War I. In early June 1909, a group of “several private lecturers (headed by Dr. Girtler)” at the TH in Vienna presented Rector Eduard Doležal with a draft statute for the foundation of an in-house association for public lectures at the TH in Vienna and the BOKU.17 A committee was once again formed and consulted for advice on the proposal, consisting of Professors Josef Finger, Max Bamberger, and Gustav Jäger as rapporteur. The committee proceeded to convene several times, deciding as early as its 25 June 1909 meeting to call in Rudolf Girtler (1877–1952) as a spokesperson for the proponents, and Hugo Strache and Emil Abel, representatives of the private lecturers in the Council of Professors, to join the consultations as well. Parallel to this, the Joint Action Committee of Associate Professors, Design Enigneers, and Assistants of the TH in Vienna and the BOKU also held several meetings, with Rectors Baudiss of the TH in Vienna and Marchet of the BOKU, and Professor Bamberger participating on 11 December 1909.18 The clearly high-ranking composition of this committee indicated the importance that was attributed to the efforts to establish “technical college courses”. On 28 January 1910, the BOKU Council of Professors set up their own advisory committee.19 By the summer of 1910, these three committees had worked out a joint draft statute, amenable to all participants, on the foundation of an association to hold popular lectures in the technical sector. In its 22 June 1910 report, the TH in Vienna’s committee proposed to the Council

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ebenfalls Zustimmung zu der vorliegenden Fassung des Statutenentwurfs signalisiert.20 Als Zweck der zu gründenden Vereinigung war dort in § 2 angegeben: „[…] weiten Kreisen des Volkes, denen die Erwerbung einer vertieften akademisch-technischen Bildung durch den Besuch ordentlicher Vorlesungen einer Hochschule technischer Richtung unmöglich ist, Einblick in das Gebiet der Industrie, Technik, Baukunst, Land- und Forstwirtschaft, Verwaltungs- und Wirtschaftstechnik und der Natur- und Rechtswissenschaften in ihrer Anwendung auf die obgenannten Gebiete zu verschaffen.“21 Der Entwurf wurde vom Professorenkollegium in seiner Sitzung vom 14. Juli 1910 einstimmig angenommen, in Anwesenheit von Prorektor Doležal.22 Am folgenden Tag wurden der Beschluss des Professorenkollegiums sowie die letzte Fassung der Statuten von Girtler als Sprecher des Proponentenkomitees zur Kenntnis genommen und am 20. Juli 1910 beide Dokumente dem Unterrichtsministerium zur Entscheidung vorgelegt. Diese Entscheidung verzögert sich nun allerdings beträchtlich, und zwar aus mehreren Gründen: Zunächst einmal wurden Beschluss und Satzungsentwurf vom Unterrichtsministerium am 8. August 1910 der Hochschule für Bodenkultur zur Stellungnahme übermittelt, da diese bisher noch keine schriftliche Äußerung dazu abgegeben hatte.23 Dort ließ man sich offenbar Zeit: Eine Äußerung wurde mit 12. Januar 1911 abgegeben, langte jedoch erst am 18. Januar 1912 (!) beim zuständigen Departement IX des Ministeriums ein.24 Beide Äußerungen wurden nun zur Begutachtung an den „Beirat in technischen Studienangelegenheiten“, den Hofrat und Professor der Photogrammetrie an der TH in Wien, Eduard Doležal (1862–1955), weiter geleitet. Doležal war erst im Oktober 1911 vom damaligen Unterrichtsminister Graf Stürgkh in diese Position berufen worden, eigentlich als Berater für die damals anstehende Reform des technischen Hochschulwesens; er wurde aber immer wieder auch mit verschiedensten verwandten Problemen befasst, so u. a. auch mit der Frage des Frauenstudiums an technischen Hochschulen, und dürfte bis zu seiner Enthebung von dieser Position mit 1. Januar 1919

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of Professors that it submit these statutes to the Ministry of Education for approval; the Rector of the BOKU had already verbally indicated his approval of the present version of the draft statute.20 The purpose of the association to be founded was specified in §2: “(…) to provide broad sectors of the population, who are otherwise unable to obtain a profound academic and technical education by attending a proper TH study programme, with insight into the fields of industry, technology, architecture, agriculture and forestry, administration and business procedures, natural sciences, and law as applied to the aforementioned fields.”21 On 14 July 1910, the draft was unanimously accepted by the Council of Professors in the presence of Prorector Doležal.22 Girtler, the Speaker of the Committee of Proponents, acknowledged the Council of Professors’ decision the following day, and on 20 July 1910, both documents were presented to the Ministry of Education for approval. However, the approval was to be significantly delayed, and for many reasons. Firstly, the decision and draft statute were sent to the BOKU by the Ministry of Education for comment on 8 August 1910, since they had still not issued a written statement.23 They apparently took their time: a statement was issued on 12 January 1911, but it did not reach the responsible Ministerial Department IX until 18 January 1912(!).24 Both statements were subsequently forwarded to the Advisor for Technical Studies Affairs (Beirat in technischen Studienangelegenheiten), the Hofrat, and Professor of Photogrammetry at the TH in Vienna Eduard Doležal (1862–1955) for assessment. Doležal, who was actually an advisor for the upcoming reform of technical higher education, was appointed to the position by the Minister of Education at the time, Graf Stürgkh, in October 1911. Doležal had already dealt with a wide variety of related problems as well, such as the issue of female enrolment at THs, and thus had the privilege of being one of the more influential individuals in the field, before being divested of the position on 1 January 1919.25 Doležal – who had advised on and voted for the presented draft statute at the TH in Vienna’s Council of Pro-

zu den einflussreichsten Persönlichkeiten in diesem Bereich gehört haben. 25 Doležal – der im Juli 1910 im Professorenkollegium der TH in Wien laut Protokoll den vorgelegten Statutenentwurf mit beraten und beschlossen hatte – erstattete sein Gutachten erst am 14. Dezember 1912 und begründete die Verzögerung damit, dass er „zwecks nötiger Informationen Monate brauchte“.26 (Hervorhebung im Original, J. M.) Er erwies sich nun nicht gerade als Unterstützer dieses Vorschlags. Zwar sprach er sich grundsätzlich für eigene populäre technische Vorlesungen aus, da die Technik derzeit in den VUV unterrepräsentiert sei; entsprechende Aktivitäten von Seiten der technischen Hochschulen seien nicht nur „begreiflich“, sondern notwendig, andernfalls müsse man ihnen sogar „Interesselosigkeit in der wichtigen Aufgabe der Volksaufklärung“ vorwerfen; er bezweifle aber die Fähigkeit der technischen Hochschulen, „die Organisation bewältigen zu können“, die „harte und schwere Arbeit“ bedeute und „erfahrungsgemäß“ nur dann gelinge, wenn sich eine einzelne Person dafür einsetze (wie es für die Universität Wien Ludo Moritz Hartmann getan hatte). „Ob die Techniker in ihren Kreisen eine solche Kraft haben, möchte der Unterzeichnete [= Doležal, J. M.] sehr bezweifeln.“ Finde sich eine solche Persönlichkeit nicht, müsse man unter Umständen mit einem „blamierenden Fiasko“ rechnen. Außerdem befürchte er, dass sich angesichts zahlreicher ähnlicher Vereine nicht ausreichend Subventionen einwerben lassen könnten – ein Argument, das in der Folge vom Unterrichtsministerium gerne aufgegriffen wurde. Stattdessen plädierte er für ein Zusammengehen mit den bereits gut etablierten VUV. Mit deren „Leitung“ habe er bereits Kontakt aufgenommen und von dieser eine positive Einschätzung erhalten, falls das Ministerium seine Subventionen entsprechend erhöhen würde.27 Folglich schlug das Ministerium im Dezember 1912 den Proponenten der „technischen Volksbildung“ vor, man möge über ein Zusammengehen mit den VUV nachdenken – ein Ansinnen, das sowohl die TH in Wien als auch die Hochschule für Bodenkultur als „aus prakti-

Abbildung/Figure 2: Eduard Doležal (ca. 1919)

fessors in July 1910 – did not provide his expert opinion until 14 December 1912, justifying his delay by stating that he “needed months to obtain important information” (emphasis in the original, J.M.).26 He did not exactly prove to be a supporter of the proposal. Overall, he did argue in favour of holding in-house, popular technical lectures, since technology was under-represented at the VUV at the time. He stated that corresponding activities at THs were thus not only “understandable”, but also necessary, since otherwise one could even accuse them of “disinterest in the important task of public enlightenment”. However, he had doubts in the THs “ability to successfully organise”, which was “hard and difficult work” and, “according to experience”, was only successful when a specific person was dedicated to it (as Ludo Moritz Hartmann had been for the University of Vienna). “The undersigned (= Doležal, J.M.) has serious doubts as to whether the technicians have an individual with the necessary strengths among their ranks.” If such a person could not be found, then one might possibly have to deal with a “blundering fiasco”. Furthermore, he feared that it would be difficult to procure sufficient funding due to the high number of similar associations – an argument that the Ministry of Education was subsequently happy to adopt. Doležal instead argued for a merger with the already well-established VUV. He had even made contact with

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schen Gründen nicht empfehlenswert“ ablehnte.28 Stattdessen wurde vorgeschlagen, dass beide Hochschulen sofort entsprechende Organisationsausschüsse für die Funktionsperiode 1913–1916 konstituieren und Subventionsgesuche an das Unterrichtsministerium richten sollten. Das Professorenkollegium der TH in Wien fasste dazu am 11. Juni 1913 einen einstimmigen Beschluss, wiederum in Anwesenheit von Doležal. Für die TH Wien wurde sogleich ein Ausschuss zur Vorbereitung „technischer Hochschulkurse“ eingesetzt, als dessen Mitglieder die Professoren Bamberger, Doležal, Fabiani, Jäger, Reckenschuss und Reithoffer benannt wurden.29 Diesen Beschluss erhielt Doležal in seiner Eigenschaft als Beirat im Ministerium am 3. Februar 1914 neuerlich zur Begutachtung. Seine Einstellung hatte sich offenbar nicht geändert; am 11. Februar 1914 ersuchte das Ministerium die TH in Wien neuerlich, eine Kooperation mit den VUV anzustreben, erneut mit dem Hinweis darauf, dass nach Doležal die Leitung der VUV dem wohl keine Hindernisse in den Weg legen werde, und wies darauf hin, dass „schon im Interesse der Finanzlage des Staates eine Zersplitterung der für derartige Zwecke zur Verfügung stehenden Mittel möglichst verhindert werden muss.“30 Diese Antwort wurde zwar von Rektor Sahulka den Professoren Bamberger und Jäger sofort zur Stellungnahme und Berichterstattung zugewiesen, doch scheint die Angelegenheit vorerst liegen geblieben zu sein – der Ausbruch des Ersten Weltkriegs hat dann wichtigere Angelegenheiten in den Vordergrund treten lassen. Bemerkenswert an den geschilderten Vorgängen ist einerseits die von Seiten der TH in Wien in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg erkennbare Intention, die „Technik“ auch auf dem Feld der Volksbildungs- und damit der Kulturpolitik explizit als gleichrangig mit der Universität zu positionieren, als Teil ihrer Strategie zur Aufwertung der technischen Hochschulen. Vor diesem Hintergrund berührt andererseits das Verhalten Eduard Doležals, der als Beirat im Unterrichtsministerium eine Schlüsselstellung innehatte, doch etwas merkwürdig: Während er sich in den Sitzungen des Professorenkollegiums bei den einschlägigen Diskussionen nie zu Wort

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its administration and received a positive response from it, if the ministry were to accordingly increase funding.27 As a result of this, in December 1912, the ministry suggested to the proponents of “technical national education” that joining forces with the VUV should be contemplated – a request that both the TH in Vienna and the BOKU rejected as “not recommendable due to practical reasons”.28 In lieu thereof, a proposal was made that both institutions immediately set up the responsible organisation committees for the 1913–1916 term of office and send funding requests to the Ministry of Education. The TH in Vienna’s Council of Professors unanimously approved the proposal, in the presence of Doležal, on 11 June 1913. A committee for preparing “technical college courses” was immediately implemented at the TH in Vienna, and Professors Bamberger, Doležal, Fabiani, Jäger, Reckenschuss, and Reithoffer were appointed as members.29 In his capacity as an advisor for the ministry, the proposal was passed to Doležal for assessment on 3 February 1914. His opinion had apparently not changed: on 11 February 1914, the ministry once again requested that the TH in Vienna strive to collaborate with the VUV, pointing out the fact that, according to Doležal, the VUV’s administration would not be likely to put up any obstacles and that, in addition, “it is in the financial interest of the state to ensure that fragmentation of the funding available for such purposes must be prevented to the fullest extent possible”.30 Rector Sahulka immediately forwarded this response to Professors Bamberger and Jäger for comment and assessment, but the matter still seemed to have come to a standstill for the time being – the outbreak of World War I brought more important matters to the fore. One notable thing about the depicted events is the TH’s intention, noticeable in the years leading up to World War I, to explicitly position “technology” in the realm of public education and therewith in cultural policy as having the same importance as the university, part of its strategy to strengthen the position of THs. On the other hand, this makes the behaviour of Eduard Doležal, who held a key position as Advisor to the Ministry of

meldete (obwohl die von ihm in seinen Stellungnahmen vorgebrachten Argumente ja durchaus bedenkenswert waren) und die anschließenden einstimmigen Beschlüsse offenbar stets mitgetragen hat, agierte er „hinter den Kulissen“ in ganz anderer Richtung und war damit zumindest für die Verzögerung von Entscheidungen mit verantwortlich. „Volkstümliche technische Hochschulkurse“ an der TH in Wien, 1918/19 Mit dem Ende der Donaumonarchie und der Gründung der Republik Österreich veränderten sich die Rahmenbedingungen auch für den Bildungsbereich grundlegend. Durch die Schaffung des „Staatsamts für Unterricht“ als Vorläufer des späteren Bundesministeriums für Kultus und Unterricht und seine Übernahme durch den sozialistischen Unterstaatssekretär Otto Glöckel 1919 ergab sich ein schmales Zeitfenster, in dem eine Reihe von Reformen, die schon vor dem Ersten Weltkrieg angedacht worden waren, umgesetzt werden konnten. Dazu gehörte auch eine Neuordnung des inzwischen sehr zersplitterten Umfeldes der Volksbildung.31 Zugleich hatte sich das Selbstgefühl der Techniker nach den durch den Krieg induzierten technischen Entwicklungsschüben enorm gesteigert – Technik wurde zunehmend als „Kulturfaktor“ artikuliert und insbesondere im Rahmen der Technokratiebewegung die Kompetenz der Techniker und Ingenieure für die Lösung nahezu aller, auch sozialen und moralischen Probleme der Nachkriegszeit reklamiert – Ansprüche, deren Uneinlösbarkeit bald deutlich werden sollte.32 Vor diesem Hintergrund wurde auch der Gedanke spezieller Veranstaltungen zur „technischen Volksbildung“ bald wieder aufgenommen. Im Juli 1918 wurde der Akt aus 1914 betreffend die Schaffung technischer Hochschulkurse von Gustav Jäger, der an die Universität Wien berufen worden war, an Professor Rudolf Halter übergeben. Auch das Staatsamt für Unterricht blieb nicht untätig: Im Festsaal der Universität Wien fand am 1./2. November 1918 (ohne Beteiligung der TH Wien) eine Tagung

Education, appear even more strange: While he never spoke during the Council of Professors’ discussions during meetings on the topic (although the arguments he submitted in his opinion report were indeed quite worthy of consideration) and appears to have consistently supported the subsequent unanimous decisions, he acted completely differently “behind the scenes” and, through this, was at least partially responsible for delaying decisions. “Popular Technical College Courses” at the TH in Vienna, 1918/19 The end of the Danube Monarchy and the founding of the Republic of Austria fundamentally changed the framework conditions in the educational field, along with many others. A “State Office of Education” was established, the predecessor to the subsequent Federal Ministry of Education and Church Affairs. The office was taken over by socialist Undersecretary Otto Glöckel in 1919, creating a narrow time window in which it was possible to enact a series of reforms that had already been planned prior to World War I. This included a restructuring of the popular education sector, which was very fragmented at the time.31 At the same time, the self-confidence of engineers had increased tremendously through the technical development boosts brought about by the war. Technology was increasingly seen as a “cultural factor” and, especially within the technocracy movement, the technicians’ and engineers’ competency for solving nearly all postwar problems, including social and moral problems, was highly acclaimed – claims that would soon prove to not be particularly valid.32 Against this backdrop, the idea of special “popular technology education” events was soon taken up once again. In July 1918, the 1914 file by ­Gustav Jäger, who had been appointed to the University of Vienna, on the establishment of technical college courses was passed on to Professor Rudolf Halter. And neither did the State Office of Education remain idle: A conference on the future administration of the

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zur zukünftigen Organisierung des Volksbildungswesens in Österreich statt, in deren Verlauf einerseits eine staatliche Zentralisierung der Volksbildung, andererseits die Schaffung einer Organisation für die Fortsetzung der Hochschulkurse unter Leitung des Ausschusses der VUV beschlossen wurde. Zu diesem Thema lud die Wiener Urania für den 1. Februar 1919 zu ihrer Hauptversammlung ein, wozu das Rektorat der TH in Wien zur Entsendung eines Vertreters ersucht wurde „mit Rücksicht auf den hervorragenden Anteil, welcher den an Ihrer Hochschule gelehrten Fächern an dem neu zu organisierenden Volksbildungsorgan zuzufallen hat“.33 Die Einladung erreichte allerdings das Rektorat der TH Wien verspätet, so dass kein Vertreter der Hochschule daran teilnehmen konnte. Daher richtete Rektor Karl Zsigmondy am 27. Februar ein Schreiben an die Dekane Bamberger und Wagner sowie an die Professoren Kobes und Sahulka, in dem er auf dieses Missgeschick hinwies, ebenso wie auf den Wunsch der Urania nach einer zukünftigen Beteiligung der TH in Wien an der Volksbildung. Er ersuchte sie, einen Ausschuss zu bilden, an dem auch er als Rektor teilnehmen wolle, um über das weitere Vorgehen in dieser Angelegenheit zu beraten.34 Dieser Ausschuss legte seinen Bericht per 10. März 1919 vor. Die angekündigte öffentliche Förderung der Volksbildungswesens wird darin „freudig“ begrüßt und die besondere Bedeutung der technischen Wissenschaften hervorgehoben, zumal als Folge der im Kriege gemachten Erfahrungen und der Bedeutung der Technik für den notwendigen Wiederaufbau Österreichs: „Die technischen Wissenschaften sind der Rettungsanker, der uns geblieben ist.“35 Notwendig seien eigene technische Hochschulkurse aber auch, um das Interesse der Allgemeinheit zu befriedigen und um die Erkenntnisse des technischen Fortschritts an Arbeiter und Gewerbetreibende zu vermitteln – hier knüpfte man bruchlos an die Intentionen der „populären Vorlesungen“ des 19. Jahrhunderts an. Vermittlungsformen sollten sowohl längere „Lehrcurse“ als auch Einzelvorträge sein. Dem Staatsamt wurde für eine zukünftige Zentralstelle für Volksbildung ein

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Austrian popular education system took place in the University of Vienna’s ceremonial hall on 1-2 November 1918 (without the participation of the TH Wien), during the course of which the centralisation of popular education and the establishment of an organisation for the continuation of popular courses under the direction of the VUV committee were both stipulated. The Vienna Urania sent invitations to a general meeting on 1 February 1919 on this topic, for which the TH in Vienna’s Rectorate was requested to send a representative: “taking into consideration the outstanding percentage of subjects taught at your institution that will be the responsibility of the newly reorganised popular education institute.’”33 However, the invitation to the TH in Vienna’s Rectorate was delayed, and it was not possible for a representative from the TH to participate. For this reason, Rector Karl Zsigmondy wrote a letter on 27 February to Deans Bamberger and Wagner and Professors Kobes and Sahulka, notifying them of the mishap and of the Urania’s wish that the TH in Vienna become involved in popular education in the future. He requested that it form a committee, in which he, the Rector, wished to participate as well, to provide council on how to proceed further in this matter.34 This committee presented its report on 10 March 1919. The promised government funding of popular education is “happily” welcomed in the report, and the special significance of the technical sciences highlighted, especially considering the experience made during war and the importance of technology for the necessary re-construction work in Austria: “Technical sciences are the saving anchors with which we are left.”35 The report mentions that in-house technical college courses are necessary, both to satisfy the interest of the general public and to convey knowledge about advances in engineering to workers and traders – seamlessly continuing the intentions of the 19th century “popular lectures”. The means of disseminating knowledge should be longer courses as well as single lectures. The State Office received a proposal for a “Technical Advisory Board” for the future Central Department of Popular Education, and

„technischer Beirat“ vorgeschlagen sowie die Errichtung einer „technischen Zweigabteilung“ mit „einer Anzahl ständig angestellter Techniker“, um die entsprechende fachliche Kompetenz zu gewährleisten. Für deren Leitung empfohlen wurde der Baurat im Patentamt Ing. Gustav Adolf Witt (1879–1959), Absolvent der TH Wien und damals bereits als Fachreferent für Technik im Vorstand der Wiener Urania tätig. (Tatsächlich wurde noch 1919 ein Ständiger Ausschuss für Volksbildung im Staatsamt für Unterricht gegründet – später „Zentralstelle für Volksbildung“ – , in dem alle wesentlichen Trägerorganisationen der Volksbildung vertreten waren. Als Leiter wurde Witt bestellt, der auch Mitglied des „Technischen Beirats“ war.) Grundsätzlich möge das Professorenkollegium die Volksbildung „in jeder Weise fördern“. Dazu stellte der Ausschuss den Antrag, an der TH in Wien einen permanenten Ausschuss für Volksbildung einzurichten, der auch Vortragende gewinnen solle – so wie es ein bereits bestehender Ausschuss des Österreichischen Ingenieurund Architektenvereins (ÖIAV) halte. Außerdem möge das Professorenkollegium einen Antrag an das Staatsamt richten, die Hochschule in die weiteren Planungen zur Volksbildung einzubinden. Beide Anträge wurden vom Professorenkollegium in seiner Sitzung vom 2. April beschlossen und ein ständiger Volksbildungsausschuss eingerichtet, dem Vertreter aller Fakultäten angehörten: die Professoren Halter und F. Hartmann (Ingenieurschule), Neuwirth und Simony (Bauschule), K. Kobes und P. Ludwik (Maschinenbauschule), H. Wagner (Schiffbau), Bamberger und H. Strache (Chemisch-technische Schule) sowie Kirsch und Zsigmondy für die Allgemeine Abteilung.36 Am 22. Mai 1919 traf sich dieser Ausschuss zu seiner konstituierenden Sitzung.37 Zum Vorsitzenden wurde Rudolf Halter (1860–1938) gewählt (Abbildung 3), als Referent J. Sahulka. In der folgenden Diskussion über die Ziele der Ausschusstätigkeit kam die Spannung zwischen volksbildnerischen und standespolitischen Motivationen ebenso zum Ausdruck wie eine gewisse Unbeholfenheit ge-

a proposal for the creation of a “Technical Sub-department” with “a number of permanently employed enigneers” to ensure the necessary professional competence. The person recommended to lead it was the Baurat at the Patent Office, engineer Gustav Adolf Witt (18791959), a graduate of the TH in Vienna who had already worked as a subject specialist for technology on the Vienna Urania’s Board of Directors. (As a matter of fact, a Standing Committee for Popular Education was founded by the State Office of Education in 1919 – later called the Central Department of Popular Education – in which all significant head organisations of popular education were represented. Witt, who was also a member of the Technical Advisory Board, was appointed Director.) The Council of Professors was to generally “promote popular education in any way”. To this end, the committee submitted a proposal to establish a Standing Committee for Popular Education at the TH in Vienna, which would also obtain lecturers – as did an already existing committee of the Austrian Engineers and Architects Association (ÖIAV). Furthermore, the Council of Professors was also to send a proposal to the State Office for the integration of the TH in any further popular education planning processes. Both proposals were voted on by the Council of Professors in a meeting on 2 April and a Standing Popular Education Committee was created, which included the following representatives from all faculties: Professors Halter and F. Hartmann (School of Engineering), Neuwirth and Simony (School of Architecture), K. Kobes and P. Ludwik (School of Mechanical Engineering), H. Wagner (Shipbuilding), Bamberger and H. Strache (Chemical-Technical School), and Kirsch and Zsigmondy for the General Department.36 On 22 May 1919, this committee convened for its inaugural meeting.37 Rudolf Halter (1860–1938) was elected Chairman (Fig. 3), and J. Sahulka was elected Speaker. In the subsequent discussion on the objectives of the committee, tensions surfaced regarding popular education interests versus professional policy motivations, and a certain awkwardness towards organisation-

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genüber organisatorisch-praktischen Fragen. So wurde festgehalten, dass Volksbildung als Mittel des „Bildungsaufstiegs“ für den „Mann aus dem Volke“ ja bereits von anderen Einrichtungen erfolgreich wahrgenommen werde, und dass die Professoren ohnehin bereits so überlastet seien, dass sie sich kaum aktiv beteiligen könnten (Kirsch, Neuwirth, Zsigmondy); Prof. Kobes beklagte die Unübersichtlichkeit der Institutionenlandschaft – es fehle „ein Kataster des Volksbildungswesens“. Sahulka argumentierte eher strategisch und wies einerseits auf die zusätzlichen Honorarquellen für Assistenten (und Privatdozenten) hin, die in der Hauptsache die zukünftigen Vorträge übernehmen sollten; andererseits hob er die Notwendigkeit für die TH in Wien hervor, ihren Mitwirkungsanspruch deutlich anzumelden, damit die Techniker nicht wieder übergangen würden. Wagner fragte in diesem Zusammenhang nach der Vertretung der Hochschule im neuen Departement für Volksbildung (er wurde wenig später selbst auf Vorschlag von Witt als Vertreter des ÖIAV in dieses Gremium entsandt).38 Schließlich resümierte Halter die Ergebnisse der Beratungen: Grundsätzlich sei es wichtig, ein Programm vorzubereiten, um „in dem Momente, wo das Staatsamt an die Hochschule herantritt, schon Richtlinien zu haben. So wie die Universität das volkstümliche Bildungswesen in ihrer Sphäre pflegt und beherrscht, sei dies auch seitens der technischen Hochschule der Fall.“ Bestehende gleichgerichtete Bestrebungen des Nö. Gewerbevereins, der Urania und des ÖIAV sollten nicht konterkariert, sondern unterstützt werden, wobei die Rolle der Hochschule in der „Herausarbeitung richtunggebender Grundlinien“ und in der „geistigen Führung der Sache“ gesehen wurde, nicht darin, alles selbst ausführen zu müssen. Es wurde beschlossen, dass sich Rektor Zsigmondy sowie Halter und Sahulka direkt an das Staatsamt für Unterricht wenden und dort sowohl die Einbeziehung der TH in Wien fordern als auch ihre Mitwirkung bei der zukünftigen Ausgestaltung des Volksbildungswesens anbieten sollten. In der nächsten Sitzung des Ausschusses am 5. Juni sollte ein Arbeitsprogramm als Antrag an das Professorenkollegium erarbeitet werden.

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al and practical issues came to light. It was recognised that popular education was a means of “increasing the education level” of the “man of the people” that was already successfully carried out by other institutions, and that professors were already so overworked that they could hardly become active participants (Kirsch, Neuwirth, and Zsigmondy). Prof. Kobes lamented the complexity of the institutional landscape, saying a “cadastre of popular education” was lacking. Sahulka made a more strategic argument, on the one hand pointing out the additional source of remuneration for the assistants (and private lecturers) who would mainly make up the future lecturers; on the other hand, he also emphasised the TH in Vienna’s need to clearly declare their right to participate so that the technical sciences would not be ignored yet again. In this context, Wagner asked about the TH’s representation in the new Department of Popular Education (soon afterwards, he was sent to this committee as a representative of the Austrian Engineers and Architects Association (ÖIAV), at the suggestion of Witt38). Halter subsequently summarised the results of the discussion: It is generally important to prepare a programme, “so that guidelines would be readily available when the State Office approaches the TH. Just as the university nurtures and masters popular education in its realm, this is also the case for the TH.” Similar, existing efforts by the Lower Austria Trade Association, the Urania, and the Austrian Engineers and Architects Association (ÖIAV) should not be counteracted, but rather supported, whereby the TH’s role in “establishing guiding baselines” and “intellectual leadership of the matter” was not seen as having to carry out everything itself. It had been decided that Rector Zsigmondy, Halter, and Sahulka would directly contact the State Office of Education and both request the inclusion of the TH in Vienna and offer to be involved in shaping future popular education. The next committee meeting on 5 June would develop a work programme proposal for the Council of Professors. Halter reported to the Council of Professors on the results on 9 July 1919.39 It had been decided that in-house

Über deren Ergebnisse berichtete Halter dem Professorenkollegium am 9. Juli 1919.39 Es wurde beschlossen, dass an der TH in Wien zukünftig eigene Vorträge abgehalten werden sollten, und zwar analog den VUV sowohl als Einzelvorträge wie als Vortragsreihen. Der Ausschuss wurde ermächtigt, entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Das Staatsamt für Unterricht begrüßte diesen Beschluss und wünschte, dass die Vorträge möglichst noch im Studienjahr 1919/20 beginnen sollten. Daher wurde der Beginn der Vorträge mit dem 7. Oktober 1919 festgelegt. Noch im Juli wurde vom Ausschuss ein Rundschreiben an alle Professoren und Dozenten der Hochschule mit der Aufforderung zur Mitwirkung versandt, was 58 Anmeldungen von Vorträgen erbrachte. Ende Juli richtete das Rektorat auf Vorschlag des Volksbildungsausschusses Subventionsgesuche an das Staatsamt und an die Gemeinde Wien. Das Ergebnis war eine Subvention des Staatsamts von 15.000 Kronen und eine Subventionszusage der Gemeinde Wien.40 Abgehalten werden sollten die Kurse zum größeren Teil (26 Kurse) in der Urania, die hier auch die Kosten übernehmen würde, zu einem geringeren Teil (17 Kurse) an der TH Wien selbst. So konnte Rektor Zsigmondy im Herbst 1919 auf das neue Angebot hinweisen, in Erkenntnis der „Wichtigkeit, die der Volksbildung in technischer Richtung, d. h. nicht nur der weitesten Verbreitung technischer Kenntnisse sondern auch insbesondere der möglichsten Förderung des Verständnisses für die gewaltigen, unser ganzes Kulturleben beherrschenden Schöpfungen der Technik sowie für das wesentlich vom Ökonomieprinzip beeinflusste technische Denken zukommt“.41 Am 5. November 1919 berichtete Halter dem Professorenkollegium über erste Ergebnisse.42 Die Bestandsaufnahme fiel etwas ernüchtert aus: Die Anmeldungszahlen für die angebotenen Vorträge lagen zwischen 20 und 155 Personen – hier hatte man sich offenbar mehr erwartet. Die Ursachen wurden teils in zu geringer Werbung geortet: Aus Kostengründen hatte man auf öffentliche Anschläge verzichtet und die Plakate nur

Abbildung/Figure 3: Rudolf Halter

lectures were to be held at the TH in Vienna in a similar fashion to the VUV, with both individual lectures and lecture series. The committee was authorised to make all necessary preparations. The State Office of Education welcomed this decision and expressed a wish for the lectures to begin as early as the 1919/20 academic year, if possible. Accordingly, the start of lectures was set for 7 October 1919. The committee sent a circular to all Professors and Associate Professors of the TH in July requesting that all participate, which resulted in 58 registrations for lectures. The Rectorate, at the proposal of the Popular Education Committee, directed its search for subsidies to the State Office and the City of Vienna at the end of July. This resulted in a subsidy of 15,000 Austrian Kronen from the State Office and a grant promise from the City of Vienna.40 A majority of courses (26) would be held in the Urania, which would bear the costs, and a smaller percentage (17 courses) would be held at the TH in ­Vienna itself. In Autumn of 1919, Rector Zsigmondy was therefore able to point to the new course programme, recognising: “The importance that is given technical popular education, that is to say, not only the broad dissemination of technical knowledge, but also promoting, to the greatest extent possible, an understanding of the great technological creations that dominate our entire cultural

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privat an Einzelpersonen und Vereine geschickt sowie „sporadisch“ Anzeigen in Tageszeitungen geschaltet. Teils schien das Angebot den Zielgruppen auch nicht zu entsprechen, jedenfalls wollte der Ausschuss die Kursvorschläge in Zukunft sorgfältiger auf „Angemessenheit und Volkstümlichkeit“ prüfen, eventuell selbst thematische Anregungen geben und für eine Schulung der Vortragenden sorgen. Ähnlich wie bei den VUV sollten in Zukunft Vorträge der Hochschule auch an anderen Orten abgehalten werden, Interesse hätten bereits das Technische Museum, der Wiener Volksbildungsverein und der Wiener Fortbildungsschulrat angemeldet. Ferner wolle man das Angebot durch neue Medien bereichern und habe daher über Doležal Kontakt zur staatlichen Lichtbild- und Filmstelle aufgenommen. Auch sei inzwischen der Obmann der „Sektion T.  H. des Vereins der Hochschulassistenten“, Roman Grengg, in den Ausschuss kooptiert worden. Es zeigte sich also sehr schnell, dass ein dauerhaftes und attraktives Kursangebot eines gewissen professionellen Aufwandes bedurfte, was, wie von Doležal vor dem Krieg vorausgesagt, tatsächlich „harte und schwere Arbeit“ bedeutete. Auch auf einem anderen Feld hatte man Enttäuschungen erleben müssen: Die Einbindung der Techniker in die Neugestaltung der österreichischen Volksbildungslandschaft war bisher nicht erfolgt. Bei der Enquete des Staatsamts über die Organisation des gesamten Volksbildungswesens am 28. Juli 1919 sei „auch nicht ein Techniker beigezogen worden“, klagte Halter. Daher sei in dem grundlegenden Regulativ des Staatsamts vom 31. Juli den Interessen der Technik „nicht genugsam Rechnung getragen worden.“43 Zwar habe Unterstaatssekretär Glöckel bei einem gemeinsamen Termin mit Vertretern von TH Wien, Hochschule für Bodenkultur, ÖIAV und dem Technischen Museum versichert, man sei bereit, „der Technik im Volksbildungswesen den breitesten Einfluss einräumen zu wollen“; dennoch sei im September die „Führung eines zweiwöchigen Kurses für die österreichische Lehrerschaft“ wieder „der Wiener Universität übertragen worden“. Die Technik sei dabei nur in Gestalt eines Nachmittagsausflugs ins Technische

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life and of our technical thinking, which is fundamentally influenced by economic principles.”41 On 5 November 1919, Halter gave a report on initial results to the Council of Professors.42 The appraisal turned out to be rather sobering: The number of registrations for the lectures offered was between 20 and 155 people – obviously less than what had been expected. The causes were attributed partly to insufficient advertising: Due to cost considerations, public placards had been ruled out, with posters only sent privately to individuals and groups, and “sporadic” ads placed in daily newspapers. Also, the programme, at least in part, did not seem to match the target audience. In any case, the committee wanted to more closely scrutinise future course suggestions for “adequacy and popularity”, perhaps giving thematic suggestions themselves, and ensuring that lecturers receive proper training. Similar to the VUV, TH lectures would also be held at other locations in the future: the Technical Museum, the Vienna National Education Association, and the Vienna Continuing Education School Inspectorate had all already indicated their interest. Furthermore, there was a desire to enrich the courses through new media, and contact was thus made with the State Photography and Film Office, through Doležal. The Chairman of the TH Section of the Assistants Association, Roman Grengg, had now been co-opted into the committee. It quickly became apparent that a permanent and attractive course programme required a certain amount of professional effort, which, as predicted by Doležal before the war, meant “hard and difficult work”. Disappointment was also felt in another area as well: Engineers had not yet been integrated into the reshaping of the Austrian popular education landscape. Halter lamented that “not a single engineer was involved” in the State Office’s 28 July 1919 survey on the overall organisation of popular education. This is why the interests of technology had “not been sufficiently taken into account” in the State Office’s basic regulation of 31 July.43 At a joint meeting with representatives from the TH in Vienna, the BOKU, the Austrian Engineers and Ar-

Museum vertreten gewesen, wo Halter einen Vortrag über die Bedeutung der Technik habe halten dürfen. Der dabei geäußerte Wunsch eines Teilnehmers, auch einen technischen Volksbildungskurs einzurichten, sei sofort „der Kosten wegen abgelehnt“ worden. Halters Schlussfolgerung daraus: „Die jüngsten Ereignisse haben nun die Notwendigkeit ergeben, dass die Technikerschaft im Interesse der Förderung der Technik im Volksbildungswesen einen gemeinsamen Schritt unternehme.“44 Auf seine Anregung hin habe daher der ÖIAV die „Bildung einer Freien Vereinigung der d. ö. [deutsch-österreichischen, J.  M.] Technikerschaft für Volksbildung“ in die Wege geleitet, der auch technische Schulen, technische Vereinigungen und Korporationen sowie sonstige Volksbildungseinrichtungen mit technischer Orientierung angehören sollten. Er appellierte zugleich an das Professorenkollegium der TH Wien, sich möglichst zahlreich daran zu beteiligen. Die „Freie Vereinigung für technische Volksbildung“ Die gründende Versammlung der „Freien Vereinigung“ fand am Sonntag, den 9. November 1919 um 10:00 Uhr im Festsaal des ÖIAV in der Eschenbachgasse 9 statt. Die Erarbeitung der Statuten zog sich jedoch noch bis zum Sommer 1921 hin, die behördliche Genehmigung erfolgte am 27. September 1921.45 Als Ziele der neuen Vereinigung wurden angegeben: die Verbreitung der „technischen Bildung“, insbesondere durch Herausstellen der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Relevanz von Technik, und dadurch die Anregung von „Schaffensfreude“, Selbstbewusstsein und Unternehmungsgeist der Österreicher; die Lenkung der so mobilisierten Kräfte auf ein „wohlgeordnetes, friedliches, dem Volksganzen dienliches Zusammenwirken“ sowie die Heranziehung von Technikern und „Freunden der Technik“ zu diesen Aufgaben. Erreicht werden sollten diese Ziele durch die Organisation von Vorträgen und Kursen, Wettbewerben, die inhaltliche Beeinflussung von Schulbüchern, die Herausgabe von Publikationen, die Abhaltung von Kur-

chitects Association (ÖIAV), and the Technical Museum, Undersecretary Glöckel ensured that they were prepared “to provide influence for technology in popular education at the highest level”. Nevertheless, “administration of a two-week course for Austrian teachers” was “once again given to the University of Vienna”. Technology was only represented by an afternoon field trip to the Technical Museum, where Halter had been permitted to hold a lecture on the importance of technology. During the lecture, a participant’s wish to set up a technical popular education programme was immediately “rejected due to costs”. Halter arrived at the conclusion that: “The latest results have now made it necessary for engineers as a whole to take a joint step in the interest of promoting technology in popular education.”44 At his suggestion, the Austrian Engineers and Architects Association (ÖIAV) engineered the “development of a Free Association of German-Austrian Technicians for Popular Education”, which also included Technische Hochschulen, technical associations, corporations, and other technically-oriented popular education institutes. At the same time, he also appealed to the TH in Vienna’s Council of Professors to become involved to the greatest extent possible. The “Free Association for Technical Popular Education” The “Free Association’s” founding meeting took place on Sunday, 9 November 1919 at 10:00 a.m. at the ceremonial hall of the Austrian Engineers and Architects Association (ÖIAV) at Eschenbachgasse 9. However, preparation of the statutes was delayed until the summer of 1921, and legal approval wasn’t given until 27 September 1921.45 The following stated goals of the new association were issued: Spreading technical education, particularly by highlighting the scientific, social, and cultural relevance of technology, thereby stimulating the “joy of creation”, self-confidence, and entrepreneurial spirit of Austrians; guiding this mobilised strength towards “well-ordered, peaceful collaboration that serves the whole nation”; and the commissioning of engineers and

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Abbildung 4a (links) und 4b (rechts): Briefköpfe der Freien Vereinigung für technische Volksbildung mit verschiedenen Adressen. Figure 4a (left) and 4b (right): Free Association for Technical National Education letterheads with different addresses.

sen für Lehrer, die Herstellung von Lehrfilmen und die Sammlung von Lehrmaterialien (Bilder, Filme, Modelle etc.). Dieses äußerst anspruchsvolle Programm ging weit über eine populäre Wissensvermittlung hinaus – skizziert war hier eine Lobbying-Organisation für „die Technik“, mit der Funktion eines Dachverbandes aller an der Förderung der technischen Erwachsenenbildung interessierten Institutionen. Die Finanzierung sollte über Mitgliedsbeiträge sowie ganz wesentlich durch (öffentliche) Subventionen erfolgen. Ihren Sitz („Geschäftsstelle“) hatte die Vereinigung im Hauptgebäude der TH Wien am Karlsplatz, Zimmer 352 (später 358) im 3. Stock (Abbildung 4a und 4b).

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“friends of technology” for these tasks. These objectives would be achieved by organising lectures and courses, contests, influencing schoolbook content, printing publications, holding courses for lecturers, creating educational films, and collecting teaching materials (images, films, models etc.). This extremely ambitious programme went well beyond the mere dissemination of knowledge – a lobbying organisation for technology was also outlined, that was to serve as an umbrella organisation for all institutes interested in promoting technical adult education. It would be financed through membership contributions and, at a very basic level, through (government) subsidies. The association was headquartered (“administrative office”) in the main building of the TH in Vienna at Karlsplatz, Room 352 (later 358) on the 3rd floor (Fig. 4a and b).

Abbildung/Figure 5: Ernst Felix Petritsch

Abbildung/Figure 6: Roman Grengg

Als erster Präsident fungierte Rudolf Halter (1860–1938), der bisher schon der Motor der Volksbildungsaktivitäten an der TH in Wien gewesen war; er blieb über seine Pensionierung 1929 hinaus bis 1932 in dieser Funktion. Seit 1921 war er zudem auch stellvertretender Obmann des wissenschaftlichen Beirats der Wiener Urania. Sein Nachfolger wurde Prof. Ernst Felix Petritsch (1878–1951; Abbildung 5); nach dessen erzwungenem Abgang im März 1938 folgte ihm kommissarisch Roman Grengg (1884–1972; Abbildung 6). Als (bezahlter) Sekretär bzw. Geschäftsführer fungierte bis 1923 der damalige Assistent an der Lehrkanzel von Prof. Findeis, Robert Hanker (1890–1980), danach der Ministerialrat i.  R. des Bundesministeriums für Handel und Verkehr Hermann Baravalle (v. Brackenburg, 1864– 1947), auch er zeitweise als wissenschaftliche Hilfskraft an der Hochschule beschäftigt. Die Freie Vereinigung für technische Volksbildung stand also sowohl personell als auch räumlich in enger Beziehung zur TH in Wien.

Rudolf Halter (1860–1938) was the first President. He had been the driving force of popular education activities at the TH in Vienna up to that point. He continued, even beyond his 1929 retirement, in this function until 1932. He was also the Vice Chairman of the Vienna Urania’s Scientific Advisory Council since 1921. His successor was Prof. Ernst Felix Petritsch (1878–1951; Fig. 5), who was temporarily succeeded by Roman Grengg (1884–1972; Fig. 6) after being forced to depart in March 1938. The assistant to the Chair of Prof. Findeis, Robert Hanker (1890–1980), served as (paid) Secretary and/or General Manager until 1923. Afterwards, Hermann Baravalle (v. Brackenburg, 1864–1947), a retired Ministerial­ rat of the Federal Ministry of Trade and Transport and also temporarily employed at the TH as a Scientific Aide, took over the position. As can be seen from this, the Free Association for Technical Popular Education had a close relationship with the TH in Vienna with respect to both personnel and space.

„Technische Volksbildung“ an der TH in Wien, 1920–1938

Technical Popular Education at the TH in Vienna, 1920–1938

Unterlagen über die Tätigkeit der Freien Vereinigung sowie des Volksbildungsausschusses der TH in Wien haben sich nur unvollständig erhalten. Informationen liefern in erster Linie die – zunächst regelmäßigen, gegen Ende

Documents on the activities of the “Free Association” and the TH in Vienna’s Popular Education Committee are only partly preserved. Information is primarily provided by the initially regular, but then towards the end of the

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Abbildung 7: Einladung zu Vorträgen von Franz Strunz und Gustav Witt zur Volksbildung, 1920 Figure 7: Invitation to lectures on national education by Franz Strunz and Gustav Witt, 1920.

der 1920er Jahre spärlicher werdenden – Berichte Halters an das Professorenkollegium, fallweise auch Hinweise in den Inaugurationsberichten sowie vereinzelte Akten aus der Überlieferung der Rektoratskanzlei. Daraus lässt sich in Umrissen ein Bild der Aktivitäten zur „technischen Volksbildung“ an der TH in Wien zeichnen. Für die konkrete Arbeit an der Hochschule war der ständige Volksbildungsausschuss verantwortlich, der 1920 einige Mitglieder austauschte (die Professoren Neuwirth und Ludwik schieden aus, die Professoren Artmann, Mache und der Honorardozent G. Linnerth wurde neu hineingewählt). Franz Strunz (1875–1953), eben er-

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1920s increasingly sparse reports of Halter to the Council of Professors. In some cases, information can also be found in sporadic files of the written records of the Rectorate’s Office. This allows to draw an outline of the technical popular education activities of the TH in Vienna. The Standing Popular Education Committee, which replaced several members in 1920 (Professors Neuwirth and Ludwik retired, while Professors Artmann, Mache, and Honorary Professor G. Linnerth were newly elected), was responsible for concrete work on the matter. Franz Strunz (1875–1953), who had been appointed Professor of Natural Science History and had already given a lecture on “General Popular Education” in February 1920, was co-opted (See Fig. 7).46 Efforts were soon underway to expand the field of activity: a “popular teaching course” was established in 1920, and starting in 1921 at the request of the Office of Education, technical courses for school teachers were also established.47 For the 1921/22 academic year, it was possible to procure funds amounting to 57,500 K and 50,000 K from the Office of Education and the City of Vienna, respectively. However, due to the economic crisis, the course programme for the winter semester had to be cut back. It covered a wide range of subjects, content was generally very up-to-date, and included popular education courses as well as individual lectures. These included Prof. Eugen Schwiedland, who lectured on “Political Education and Psychology of Nations”, W. Hollitzer on “Choosing a Profession and Vocational Aptitude in the Industry”, Eduard Doležal on “Photography from Aircrafts”, Richard Neudeck on “Accident Prevention”, and Bernhard Schiller from the Siemens Company with a lecture on “Taylorism”, which was particularly noted for bringing in a full house. There were also two female lecturers from the middle-class women’s movement, National Council Member Emmy Stradal and President of the ROHÖ (Reich Organisation of Austrian Housewives) Fanny Freund-Markus, who gave lectures on “Women and Technical Professions” and “Women and Technical Popular Education”. Even self-reflection did not come up short: The

nannter a. o. Professor der Geschichte der Naturwissenschaften, der im Februar 1920 bereits einen Vortrag über „Volksbildung im Allgemeinen“ gehalten hatte, wurde kooptiert (s. Abbildung 7).46 Bald ging man daran, das Tätigkeitsfeld auszuweiten: Ein „Volksbildnerkurs“ wurde noch 1920 eingerichtet, auf Ersuchen des Unterrichtsamts ab 1921 auch technische Kurse für die Lehrerschaft.47 Für das Studienjahr 1921/22 konnten Subventionen von Unterrichtsamt und Gemeinde Wien in Höhe von 57.500 K bzw. 50.000 K lukriert werden. Dennoch musste aufgrund der wirtschaftlichen Krise das Kursangebot auf das Wintersemester beschränkt werden. Die Palette der Themen war sehr breit, inhaltlich teilweise hochaktuell und umfasste Volksbildungskurse ebenso wie Einzelvorträge: So trug u.  a. Prof. Eugen Schwiedland zu „Politischer Bildung und Völkerpsychologie“ vor, Ing. W. Hollitzer zum Thema „Berufswahl und Berufseignung in der Industrie“, Eduard Doležal zum Thema „Photographie aus Luftfahrzeugen“, Ing. Richard Neudeck zu „Unfallverhütung“ und Ing. Bernhard Schiller von der Firma Siemens hielt einen Vortrag zum Thema „Taylorismus“, zu dem ausdrücklich angemerkt wurde, dass er eine „volles Haus“ gebracht habe. Mit Nationalrätin Emmy Stradal und der Präsidentin der ROHÖ (Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs) Fanny Freund-Markus gab es auch zwei weibliche Vortragende aus dem Umfeld der bürgerlichen Frauenbewegung, die über „Die technischen Berufe und die Frau“ und über „Die technische Volksbildung und die Frau“ referierten. Auch die Selbstreflexion kam nicht zu kurz: Der damalige Präsident der Urania, Ludwig Koessler, hielt am 17. November 1921 einen Vortrag über „Gründung und Organisierung von Bildungsvereinen“.48 Dennoch war die Zahl der Besucher gegenüber dem vorherigen Semester rückläufig (750 Teilnehmer in 15 Kursen). Auch strukturell entwickelte sich das Zielpublikum, vor allem wegen der steigenden Inflation, anders als gedacht: Zu den allgemein zugänglichen Vorträgen kamen kaum Arbeiter, sondern in der Mehrzahl gehörten die Besucher „dem verarmenden Mittelstande an“,

Abbildung 8: Das erste Programm von Volksbildungskursen für Arbeiter, 1924/25 Figure 8: The first national education course programme for workers, 1924/25.

President of the Urania, Ludwig Koessler, gave a lecture on “Founding and Organising an Educational Association” on 17 November 1921.48 Nevertheless, the number of attendees declined compared to the previous semester (750 participants in 15 courses). The target audience, primarily due to increasing inflation, had structurally developed differently than previously assumed: Barely any workers attended the lectures for the general public. Instead, the majority of visitors were composed of the “increasingly impoverished

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während, anders als an der TH Graz, „die studierende Jugend die Darbietungen sichtlich mied“.49 Ein großer Erfolg waren dagegen die technischen Lehrerkurse:50 Am 1. Oktober 1921 in Anwesenheit des Vizekanzlers Breisky eröffnet, zogen die 34 Vorträge, die bis zum Juni 1922 abgehalten wurden, jeweils zwischen 100 und 200 Besucher an. Da die Hörsäle II und III im Elektrotechnischen Institut, wo die meisten Vorträge abgehalten wurden, groß genug waren, wurden diese auch für „zahlendes Publikum“ geöffnet – die Abendgebühr betrug 2000 Kronen. Insgesamt schätzte Halter in seinem Bericht, dass etwas 1 % der Wiener Lehrerschaft daran teilgenommen habe. Für die Fortsetzung des Programms 1922/23 sollten jedoch Umfang und didaktische Aufbereitung der Vorträge adaptiert werden. Daneben hielten Angehörige der TH Wien volksbildnerische Vorträge in anderen Institutionen (Urania, Technisches Museum u.  a.). Außerdem stellte die TH Wien ihre Räume fallweise auch für das Programm der Hochschule für Bodenkultur zur Verfügung, da diese „zu abgelegen“ sei.51 Insgesamt nahmen die Bemühungen der TH in Wien um die technische Volksbildung bis in die Mitte der 1920er Jahre eine sehr positive Entwicklung. Das Programm wurde ausgeweitet; so wurden ab 1923/24 auch spezielle Kurse für Arbeiter angeboten, selbstverständlich frei von „jedweder Parteipolitik“,52 wie betont wurde, um einen Sozialismusverdacht gar nicht erst aufkommen zu lassen (s. Abbildung 8). Geplant war die Einrichtung einer eigenen Bibliothek – für die die Freie Vereinigung eine Liste empfehlenswerter Titel zusammenstellte53 – ebenso wie die Veranstaltung von Schulungen für die Vortragenden, die Auslobung von Preisausschreiben sowie die „fallweise Hinausgabe von Flugblättern“. Da die Kassenlage sich positiv gestaltete, da neben den Subventionen Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge, Eintrittsgebühren und den Verkauf von Unterrichtsmaterialien erzielt wurden, konnte das Honorar für die Vortragenden auf 100.000 Kronen angehoben und mit Hermann Baravalle ein hauptamtlicher Sekretär angestellt werden.

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middle class”, with, unlike at the TH Graz, “the university youth visibly avoiding presentations”.49 In contrast, the technical courses for teachers were a great success.50 The 34 lectures, which were inaugurated on 1 October 1921 in the presence of Vice Chancellor Breisky and were held until June 1922, each attracted between 100 and 200 attendees. Since Lecture Halls II and III at the Electrotechnical Institute, where most of the lectures were held, were large enough, they were also open to a “paying audience” – the fee for an evening was 2,000 Kronen. In his report, Halter estimated that a total of approximately 1% of Vienna’s teachers had attended. However, in the continuation of the 1922/23 programme, it was recommended that the scope and didactic preparation of the lectures be adapted. In addition, members of the TH in Vienna also held popular education lectures at other institutions (the Urania and the Technical Museum, among others). Furthermore, the TH in Vienna occasionally made its facilities available for the BOKU’s programme, since theirs were “too remote”.51 All in all, the TH in Vienna’s efforts for technical popular education developed very positively up into the mid1920s. The programme was expanded – this allowed for special courses for workers to be offered as of 1923/24, naturally free from “party politics”52, as was emphasised so as to not arouse suspicions of socialism (see Fig. 8). There were plans to create an in-house library – for which the “Free Association” assembled a list of recommended titles53 – and to organise training sessions for lecturers, hold competitions, and “occasionally distribute flyers”. Since the cash flow situation had taken a positive turn, owing to the fact that money was now earned from membership contributions, entry fees, and the sale of educational materials in addition to public funding, it was possible to increase remuneration for the lecturers to 100,000 Kronen, and appoint Hermann Baravalle as full-time secretary. This is how Halter concluded his November 1924 report: “In contrast to the views of leading statesmen, in my opinion, not only has technology not yet reached its

So konnte Halter seinen Bericht vom November 1924 abschließen: „Entgegen den Anschauungen führender Staatsmänner hat die Technik meines Erachtens ihren Höhepunkt nicht nur noch nicht überschritten, sondern steht im Begriff in Verbindung mit Wirtschaftswissenschaft eine führende Stellung im Gesellschaftsleben einzunehmen, an Stelle leerer Phrasen und Schlagworte die nüchterne Tat zu setzten.“54 Niedergang und Auflösung So zukunftsweisend diese Vision sich heute anhören mag – für die Bewegung der „technischen Volksbildung“ an der TH in Wien war der Höhepunkt Mitte der 1920er Jahre wohl erreicht. Einen ersten Rückschlag gab es, als im Sommer 1926 die Gemeinde Wien für die Vorträge die Abführung der neuen „Lustbarkeitssteuer“ verlangte, wogegen sich Halter und der Rektor Heinrich Mache energisch zur Wehr setzten.55 Ein schwerer Schlag war jedoch der Rückzug Halters, der mit Ende des Studienjahrs 1927/28 um Versetzung in den Ruhestand ansuchte: Er wurde zwar vom Professorenkollegium gebeten, auch nach seiner Pensionierung weiterhin als Präsident der Freien Vereinigung und als Obmann des Volksbildungsausschusses an der TH in Wien zu fungieren, was er auch zusagte;56 dennoch fehlte merklich die treibende Kraft. Der Bericht über die Tätigkeit des Volksbildungsausschusses für das Kalenderjahr 1928 weist noch 30 Vorträge mit durchschnittlich 130 Teilnehmern aus sowie drei längere Kurse über Fotografieren, Architektonische Formenlehre und über die Entwicklung der bildenden Kunst Europas mit insgesamt 98 Teilnehmern; außerdem wurden mehrere Exkursionen und Stadtrundgänge veranstaltet und populär gehaltene, technische Aufsätze veröffentlicht. Zudem konnte der ÖIAV als Mitglied der Freien Vereinigung gewonnen werden, und das Handelsministerium erhoffte sich Unterstützung bei seiner Werbeaktion für „die Ausdehnung der Technik im Haushalt“.57 Auch die Verleihung der Ehrenbürgerschaft der TH in Wien an Ministerialrat Gustav Adolf Witt und an den Technikphilosophen Friedrich Dessauer, der sich

peak, it is also about to assume a leading position in society and the economy, going into action instead of using empty phrases and buzzwords.”54 Decline and Dissolution As forward-looking as this vision may sound today, the technical popular education movement at the TH in Vienna had probably reached its peak by the mid-1920s. The first setback came in about the summer of 1926, when the City of Vienna demanded payment of a new “entertainment tax” for the lectures, something which Halter and Rector Heinrich Mache vigorously fought back against.55 Halter’s withdrawal promised to be another difficult blow, as he wished to retire upon the completion of the 1927/28 academic year. However, the Council of Professors requested that he continue to serve as President of the “Free Association” and Chairman of the Popular Education Committee at the TH in Vienna even after his retirement, to which he agreed.56 A lack of initiative, however, was noticeable. The report on the Popular Education Committee’s activities for the 1928 year mentioned 30 lectures, with an average of 130 participants each, along with three longer courses on photography, architectural morphology, and on the development of Europe’s visual arts with a total of 98 participants. Multiple excursions and city tours were organised and essays on technology, written in a language for the general public, were published. Furthermore, it was possible to obtain the Austrian Engineers and Architects Association (ÖIAV) as a member, and the Ministry of Commerce hoped for support in its publicity campaign to “expand technology into the household”.57 Even the TH in Vienna’s 1928 awarding of honorary citizenship to Ministerialrat Gustav Adolf Witt and Technical Philosopher Friedrich Dessauer, who had both done a considerable amount for popular education in the technical field, goes back to an initiative of Halter.58 However, the outbreak of the economic crisis in the fall of 1929 brought about a decrease in public subsidies, making the “Free Association” increasingly de-

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ebenfalls für die Volksbildung auf technischem Gebiet engagiert hatte, im Jahr 1928 gehen auf eine Initiative Halters zurück.58 Mit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise ab Herbst 1929 gehen jedoch die öffentlichen Subventionen zurück, so dass die Freie Vereinigung immer stärker auf Mitgliedsbeiträge angewiesen ist, und auch der enge Kooperationspartner Urania muss sparen.59 In seinem letzten Bericht über die Tätigkeit der Freien Vereinigung vom 14. Juni 1932 kündigte Halter an, dass zwar für den Herbst 1932 noch ein Vortragszyklus zur Philosophie der Technik geplant ist,60 aber Ende 1932 mit einer vorläufigen Einstellung der Veranstaltungstätigkeit mangels Ressourcen zu rechnen sei. Tatsächlich wurden 1933 die Subventionen des Unterrichtsministeriums in Höhe von jährlich 4.000 S gänzlich gestrichen, so dass die Tätigkeit im Bereich der technischen Volksbildung eingestellt werden musste. Außerdem teilte Halter mit, dass schon im März 1932 Ernst Petritsch als Vizepräsident der Freien Vereinigung gewählt worden sei, um ihn ggf. zu vertreten.61 Er selbst trat mit 17. Dezember 1932 endgültig von seinen Ämtern zurück. Die politischen Ereignisse der Jahre 1933/34 mit der Machtübernahme des Austrofaschismus, der Ermordung von Dollfuss und zahlreichen politischen Unruhen verändern die Rahmenbedingungen auch an den Hochschulen in Österreich grundlegend. Ernst Petritsch als neuer Präsident der Freien Verei­ nigung beantragte im Juni 1934 eine Neuerrichtung des Ausschusses für technische Volksbildung an der TH Wien, dem nunmehr die Professoren Seidler, Mache, Hartmann, Stiny, Holey, Keller, Lechner und Grengg sowie Petritsch selbst angehörten.62 Von 1935 bis 1937 wurde das Vortragsprogramm offenbar wieder aufgenommen und aus Mitteln der TH in Wien unterstützt.63 In der Kulturorganisation der neuen Einheitspartei „Vaterländische Front“ wurde eine „Arbeitsgemeinschaft Technische Volksbildung im VF-Werk ‚Neues Leben‘“ eingerichtet, die vom 2.–6. Dezember an der TH in Wien eine Techniker-Tagung veranstaltete, um „die Bedeutung der

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pendent on membership fees, with their close cooperation partner Urania likewise having to cut costs.59 In his last report on the “Free Association’s” activities, from 14 June 1932, Halter announced that a lecture cycle for philosophy was being planned for the fall of 1932,60 but a temporary halt in event activities was to be expected at the end of 1932 due to lack of resources. In 1933, the Ministry of Education’s 4,000 schilling subsidy was completely eliminated, thereby compelling a full halt to activities in the field of technical popular education. Moreover, Halter announced that Ernst Petritsch had been elected Vice President of the “Free Association” in March 1932 in order to substitute himself, if necessary.61 Halter permanently left office on 17 December 1932. In addition to all of the above, the political events of 1933/34, which included the rise to power of Austrian fascism, the murder of Dollfuss, and numerous political riots, fundamentally changed the framework conditions of Austrian educational institutions. Acting as the new President of the “Free Association”, Ernst Petritsch proposed the creation of a new Committee on Technical Popular Education at the TH in Vienna in 1934, of which Professors Seidler, Mache, Hartmann, Stiny, Holey, Keller, Lechner, Grengg, and Petritsch were now members.62 It appears that the lecture programme was begun anew from 1935 to 1937 and supported by funding from the TH in Vienna.63 In the new Fatherland Front (Vaterländische Front) unity party, a “Work Consortium for Technical Popular Education in the Fatherland Front organisation ‘New Life’” (Arbeitsgemeinschaft Technische Volksbildung im VF-Werk ‚Neues Leben‘) was created, which organised a conference on technology at the TH in Vienna from 2-6 December 1936 to “demonstrate the significance of technology for our cultural and economic life, for all facets of our era in general, and specifically for the great building up and development of our homeland Austria.” This included, among other activities, a lecture on “technology and art” by Prof. Alfred Keller and a lecture on “technology and culture” by Petritsch.64 Petritsch was elected Vice President of the Vienna Urania in May 1937.65

Technik für das kulturelle und volkswirtschaftliche Leben aller Gebiete unserer Zeit im allgemeinen und für das große Aufbauwerk unseres Heimatlandes Österreich im besonderen aufzuzeigen“. Dabei hielt u. a. Prof. Alfred Keller einen Vortrag über „Technik und Kunst“, Petritsch referierte über „Technik und Kultur“.64 Petritsch selbst wurde im Mai 1937 zum Vizepräsidenten der Wiener Urania gewählt.65 Wenige Monate später kam das endgültige Aus: Nach dem „Anschluss“ Österreichs wurde Petritsch als „Systemvertreter“ sofort als Professor suspendiert und später entlassen; damit endeten auch seine Funktionen im Bereich der technischen Volksbildung. Am 4. Juni 1938 erfolgte die Vermögensanmeldung der Freien Vereinigung beim Stillhaltekommissar, mit dem gleichzeitigen Ersuchen des kommissarischen Rektors der TH in Wien, Rudolf Saliger, Prof. Roman Grengg zum interimistischen Leiter zu ernennen; diesem Wunsch wird auch stattgegeben.66 Schon im April 1938 hatte der Geschäftsführer Baravalle alle Schlüssel und Unterlagen der Freien Vereinigung an Grengg übergeben. Der bisher als Geschäftszimmer genutzte Raum 358 im 3. Stock des Hauptgebäudes wurde ab Juli 1938 als Amtszimmer der NSBO-Leitung der TH in Wien genutzt.67 Der Schlussbericht des Stillhaltekommissars vom 6. März 1939 fasst das weitere Schicksal der Freien Verei­ nigung für technische Volksbildung in wenigen Worten zusammen: Der Verein wurde „gleichgeschaltet“ und aus dem Vereinsregister gelöscht, das Vermögen in Höhe von RM 248,89, abzüglich der „Aufbauumlage“ von RM 24,89 und einer Verwaltungsgebühr von RM 4,97, wird dem NS-Bund der Technik (NSBDT) zugewiesen. Abschließend wird verfügt: „Die Aufgaben des bisherigen Vereins sind in Zukunft wahrzunehmen von den bei den Gauen des NSBDT einzurichtenden Arbeitskreisen.“68 Nach Kriegsende wurde das Volksbildungswesen in Österreich neu organisiert. Schon im Herbst 1945 wurde beim Staatsamt für Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung und für Kultusangelegenheiten, offenbar auf eine Anregung der Wiener Rektorenkonferenz vom 27.  September 1945 hin, ein Komitee gegründet, dass

A few months later, the final blow was dealt. After the Anschluss of Austria, Petritsch, considered a “representative of the [Austro-fascist] system”, was immediately suspended in his capacity as Professor and later terminated entirely, thus also ending his functions in the field of technical popular education. On 4 June 1938, the “Free Association” carried out its declaration of property at the Liquidation Commission (Stillhaltekommissar) while simultaneously requesting the Commissarial Rector of the TH in Vienna, Rudolf Saliger, to appoint Prof. Roman Grengg as its temporary director; a wish that was granted.66 By April 1938, Secretary Baravalle had already handed over all of the “Free Association’s” keys and documents to Grengg. Room 358 on the 3rd floor of the main building had, up to now, been used as the main office, but was now used as the office of the TH in Vienna’s National Socialist Factory Cell Organisation (NSBO) as of July 1938.67 The Liquidation Commission’s final report from 6 March 1939 summarises the fate of the Free Association of Technical Popular Education in a few words: The organisation was “phased out” and erased from the register of associations; assets in the amount of RM 248.89, minus a “contribution to the establishment fund” equalling RM 24.89 and a RM 4.97 administration fee, were appropriated by the National Socialist German Technical Assocition (NS-Bund deutscher Technik – NSBDT). Subsequently the decree followed: “The tasks of the current association are to be performed by the work groups created under the auspices of the NSBDT.”68 Austrian popular education as a whole underwent a full reorganisation after the end of the war. As early as autumn 1945, a committee was founded at the State Office of Popular Enlightenment, for Education and Upbringing, and for Church Affairs (Staatsamt für Volks­ aufklärung, für Unterricht und Erziehung und für Kultus­ angelegenheiten), apparently based on a suggestion by the Vienna Rectors’ Conference from 27 September 1945. This committee was to maintain the connection between the universities and the new Section I (popular education) at the State Office, and to which each

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die Verbindung zwischen den Hochschulen und der neuen Sektion I (Volksbildung) im Staatsamt halten und in die jede Hochschule einen Vertreter entsenden sollte. Die TH in Wien entsandte zunächst Franz Strunz, nach dessen Versetzung in den Ruhestand 1946 neuerlich Ernst Petritsch.69 Ebenfalls im Herbst 1945 ließ die Abteilung Volksbildung im Staatsamt für Volksaufklärung bei den Hochschulen anfragen, ob sich Angehörige neuerlich aktiv am Vortragswesen für Volksbildung beteiligen wollten; für die TH in Wien gab es 20 positive Meldungen.70 Diese wurden vom Staatsamt erfreut entgegengenommen; zugleich wurde nach dem Schicksal der Freien Vereinigung und einer allfällig geplanten Neugründung gefragt; außerdem wurde angeregt, Professor Petritsch wieder als Verbindungsmann der Hochschule im Volksbildungskomitee zu benennen. Nachdem sich diese Anfrage offenbar mit der inzwischen erfolgten Wahl von Strunz als Vertreter gekreuzt hatte, wurde von Seiten der TH in Wien nichts weiter veranlasst. Die Frage nach einem möglichen weiteren Engagement der Hochschule im Rahmen der Volksbildung wurde nicht behandelt – ganz offensichtlich war die Frage der Vermittlung von technischer Bildung in populärer Form zu dieser Zeit kein drängendes Thema. Es sollten mehrere Jahrzehnte vergehen, bis hier in den 1980er und 1990er Jahren erneut Handlungsbedarf gesehen wurde.

institution must send a representative. The TH in Vienna first sent Franz Strunz; after his retirement in 1946, they once again sent Ernst Petritsch.69 Also in the fall of 1945, the Popular Education Department of the State Office of Popular Enlightenment made an inquiry as to whether members of the higher education institutions wished to once again become involved in popular education lectures. There were 20 positive responses from the TH in Vienna.70 This was well-received by the State Office, which asked about the fate of the “Free Association” and about possible plans for its re-establishment. Additionally, a suggestion was made to reappoint Professor Petritsch as the TH’s liaison to the Popular Education Committee. Since this inquiry had apparently crossed paths with the by then already finalised election of Strunz as representative, no further action was taken by the TH in Vienna. The question of the continued engagement of the TH in popular education was not addressed, as it was quite clear that the matter of providing technical education in a popular form was at the moment not an urgent issue. Indeed, several decades were to pass, until the 1980s and 1990s, before a need for action would once again be seen.

Anmerkungen/Notes 1  Bericht über die feierliche Inauguration des für das Studienjahr 1919/20 gewählten Rector magnificus Ing. Dr. Karl Kobes, Wien 1920, 9f. 2  Vgl. dazu u.a. Günter Fellner: Ludo Moritz Hartmann und die österreichische Geschichtswissenschaft, Wien – Salzburg 1985, bes. 250-259. Hans Altenhuber, Universitäre Volksbildung in Österreich 1895-1937, Wien 1995. 3  Vgl. dazu Altenhuber, Universitäre Volksbildung, 121ff., in Bezug auf die „Wiener Universitätsvorträge“; das dort Gesagte gilt auch und erst recht für die entsprechende Einrichtung an der Wiener Technischen Hochschule. 4  S. dazu u.a. Die k.k. Technische Hochschule in Wien 1815 – 1915, hg. von Joseph Neuwirth, Wien 1915, 95 f. u.ö.; Juliane Mikoletzky u.a., „Dem Zuge der Zeit entsprechend …“. Zur Geschichte des Frauenstudiums in Österreich am Beispiel der Technischen Universität Wien, Wien 1997 (Schriftenreihe des Universitätsarchivs der TU Wien, Band 1), 21ff. 5  S. dazu u. a. Harald Steindl, „Anton von Krauss (-Elislago) und die Gründung des Polytechnischen Instituts“, in: Johann Joseph Prechtl. Sichtweisen und Aktualität seines Werkes (Perspektiven der Wissenschaftsgeschichte 8), hrsg. v. Christian Hantschk, Wien/Köln 1990, 21–54. 6  S. Mikoletzky u. a., Dem Zuge der Zeit entsprechend, 21ff. 7  Vgl. AT TUWA, Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums vom 30. Juni und vom 26. Juli 1865. 8  Mikoletzky u. a., Dem Zuge der Zeit entsprechend, 24 und Anm. 59. 9  Vgl. Altenhuber, Erwachsenenbildung, 34ff.; Fellner, Ludo Moritz Hartmann, 252–259. 10  AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 2676/1898; s. auch Altenhuber, Erwachsenenbildung, 58.

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11  Fellner, Ludo Moritz Hartmann, 253. 12  AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 2676/1898 und 2869/1898. 13 Ebd. 14  AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 2676/1898, fol. 1r. 15  Laut Altenhuber, 58f., seien die Mitglieder der THW ausgeschieden, weil sich „die Verhandlungen über eine Angliederung der Technischen Hochschule an die Organisation der volkstümlichen Universitätsvorträge zerschlugen.“ 16  Vgl. zum Folgenden AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1845–1913/14. 17  Ebd., darin RZl. 2134–1908/09. 18  Bericht des Rektorats der Hochschule für Bodenkultur an das Unterrichtsministerium, Österreichisches Staatsarchiv, AVA/Unterricht, Dept. IX, Zl. 32994 ex 1910. 19 Ebd. 20  AT TUWA, Rektoratsakten RZl. 1845–1913/14, darin 1315–1912/13: Comitébericht vom 22. 06. 1910. 21  AT TUWA, Rektoratsakten RZl. 1845–1913/14, darin 1315–1912/13. 22  AT TUWA, Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums, Protokoll Nr. XIII ex 1909/10, TOP 5. 23  Österreichisches Staatsarchiv, AVA/Unterricht, Dept. IX, Zl. 32994 ex 1910. 24  Österreichisches Staatsarchiv, AVA/Unterricht, Dept. IX, Zl. 2468 ex 1912. 25  Vgl. dazu Mikoletzky, Frauenstudium, 62. S. auch AT TUWA, Personalakt Doležal. 26  Vgl. für das Folgende Österreichisches Staatsarchiv, AVA/Unterricht, Dept. IX, Zl. 32994 ex 1910, Stellungnahme Doležal vom 14. Oktober 1912. 27 Ebd. 28  AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1315–1912/13, Bericht der Professoren Jäger und Bamberger an das Professorenkollegium der TH Wien vom 11. Juni 1913. 29  Vgl. AT TUWA, Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums, Protokoll vom 11. Juni 1913, Nr. II, 1912/13, TOP 21. 30  AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1845–1913/14; s. auch Österreichisches Staatsarchiv, AVA/Unterricht, Dept. IX, Zl. 30386 ex 1913. 31  Vgl. Altenhuber, Erwachsenenbildung, 99ff.; speziell zur Urania vgl. Wilhelm Petrasch, Die Wiener Urania. Von den Wurzeln der Erwachsenenbildung zum lebenslangen Lernen, Wien/Köln/Weimar 2007, bes. 95ff. 32  Vgl. dazu u. a. Karl-Heinz Ludwig, Technik und Ingenieure im Dritten Reich, Kronberg/Ts. 1979, bes. 44ff.; Juliane Mikoletzky, „Der ,österreichische Techniker‘. Standespolitik und nationale Identität österreichischer Ingenieure 1850–1950, in: Technik – Politik – Identität. Funktionalisierung von Technik für die Ausbildung regionaler, sozialer und nationaler Selbstbilder in Österreich, hrsg. v. Klaus Plitzner, Stuttgart 1995, 111–123. Zur Technokratiebewegung siehe u. a. Stefan Willeke, Die Technokratiebewegung in Nordamerika und Deutschland zwischen den Weltkriegen. Eine vergleichende Analyse (Studien zur Technik-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte 7), Frankfurt/M./Berlin/Bern/ New York/Paris/Wien, 1995. 33  Zum Folgenden siehe AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1060–1918/19. Vgl. auch Petrasch, Urania, 97. 34  AT TUWA, Rektoratsakten, RZl, 1060–1918/19, Konzept auf dem Umschlagbogen 1r/1v. 35  Ebd., Ausschussbericht vom 10. März 1919. 36  AT TUWA, Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums Nr. XIV vom 2. April 1919, TOP 1. 37  Vgl. zum Folgenden AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1060–1918/19, Protokoll der ersten Sitzung des ständigen Ausschusses für Volksbildungswesen. 38  Ebd., Schreiben von Witt vom 27. 05. 1919. 39  AT TUWA, Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums Nr. XXI vom 9. Juli 1919, TOP IV f). 40  AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 2846–1918/19. 41  Rektoratsbericht Zsigmondy, in: Inaugurationsbericht 1919/20, Wien 1919, 9f. 42  AT TUWA, Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums Nr. I vom 5. November 1919, TOP 3; Bericht Halter: RZl. 557–1919/20. 43 Ebd. 44 Ebd. 45  Österreichisches Staatsarchiv, AVA/Inneres, Vereinsbehörde, Zl. 152201/1921. 46  AT TUWA, Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums Nr. XV vom 17. Juli 1920, TOP 16; Rektoratsakten RZl. 1531–1919/20. 47  AT TUWA, Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums Nr. III vom 15. Dezember 1920, Mitteilungen Nr. Z, und Protokoll Nr. VII vom 29. April 1921, TOP 13. 48  Text teilweise abgedruckt bei Petrasch, Urania, 153f. 49  Bericht des Volksbildungsausschusses der Technischen Hochschule in Wien über die Volksbildungstätigkeit im Studienjahre 1921/22, RZl. 2544–1921/22; 2448-1921/22. 50  Vgl. für das Folgende RZl. 2523–1921/22 51  Bericht 1921/22, RZl. 2544–1921/22.

Zwischen Wissensvermittlung und Interessenpolitik:  | 117

52  AT TUWA, Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums Nr. X vom 4. Juli 1923, TOP 9; RZl. 2424–1922/23; 435–1924/25. 53  AT TUWA, Rektoratsakten RZl. 382–1926/27. 54  Ebd., RZl. 435–1924/25. 55  Ebd., RZl. 2462–1926/27; Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums Nr. IX vom 7. Juni 1926, TOP 14. 56  Ebd., RZl. 1395–1927/28; Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums Nr. II vom 14. Dezember 1927, Schriftliche Mitteilungen. 57  Ebd., RZl. 1473–1928/29. 58  Ebd., Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums Nr. VIII vom 13. Juni 1928, TOP 6 und Nr. IX vom 3. Juli 1924, TOP 4. 59  Ebd., Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums Nr. VIII vom 22. Juni 1932, TOP 8; RZl. 1211–1931/32. 60  Möglicherweise handelte es sich dabei um eine von der Studentenschaft organisierte Veranstaltung, deren Ergebnisse publiziert wurden: Rassl, Hermann (Hg.), Kultur und Technik: ein Vortragskreis der Deutschen Studentenschaft der Technischen Hochschule in Wien, Wien 1932. 61  Ebd., RZl. 1857–1931/32. 62  Ebd., Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums Nr. VIII vom 27. Juni 1934, TOP 12; RZl. 1708–1933/34. 63  Ebd., RZl. 1166–1937/38. 64  Bericht über das Studienjahr 1936/37, erstattet vom abtretenden Rektor Friedrich Böck, Wien 1937, 17. 65  AT TUWA, Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums Nr. VII vom 2. Juni 1937, TOP D. 66  Ebd., RZl. 2203–1937/38; vgl. auch AT ÖSTA/AdR, Stillhaltekommissar, IV Aa/10x6/Zl. XXI, 170–6888. 67  AT TUWA, RZl. 2398–1937/38. 68  AT ÖSTA/AdR, Stillhaltekommissar, IV Aa/10x6/Zl. XXI, 170–6888. 69  AT TUWA, RZl. 1131/1945. Vgl. dazu auch die Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums, Nr. 1 vom 24. Oktober 1945, TOP 26 und Nr. 1 vom 6. November 1946, TOP 17. 70  AT TUWA, RZl. 1009/1945.

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VERZEICHNIS DER AUTORINNEN UND AUTOREN INDEX OF AUTHORS Paulus Ebner, Mag. phil. Dr. phil. E010 F – Universitätsarchiv der TU Wien Monika Faber, Dr. phil. Photoinstitut Bonartes Juliane Mikoletzky, Mag. phil. Dr. phil E010f – Universitätsarchiv der TU Wien Christoph Überhuber, A. o. Univ. Prof i. R. Dipl.-Ing. Dr. techn. E101 – Institut für Analysis und Scientific Computing Reinhard Winkler, A. o. Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. E104 – Institut für Diskrete Mathematik und Geometrie

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren  | 119

BILDNACHWEIS PHOTO CREDITS COVER Graffito von „Ichiban“ im Stiegenhaus des Gebäudes Operngasse 11 (Perlmooser-Haus): © TU Wien, Foto: Nicole Schipani VORWORT DER REKTORIN Foto S. Seidler: © Raimund Appel KUNST UND TECHNIK Auftaktseite: © Christoph Überhuber MUSIK UND LITERATUR Auftaktseite: Privat Abb. 1: Brenner-Archiv Innsbruck, Sig. 10-36-001-006001; Abb. 2, 3: Juliane Mikoletzky; Abb. 4, 5, 8: Thomas Györik; Abb. 6, 7, 9, 10: Mathias Beiglböck; Abb. 11, 12: Grafik: Manuela Schmidt, Forschungsgruppe für Kartographie am Department für Geodäsie und Geoinformation der TU Wien; Abb. 13: © IMAGNO/Austrian Archives

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FOTOGRAFIE AM WIENER POLYTECHNISCHEN INSTITUT Auftaktseite: Norris-Lokomotive der k.k. Südbahn-Gesell­ schaft, 1846: © Photoinstitut Bonartes Abb. 1, 2: © Albertina, Wien; Abb. 3, 5: © Photoinstitut Bonartes ; Abb. 4: © Wien Museum/Peter Kainz FILM Auftaktseite: HTU, Foto Thomas Györik Abb. 1–5: TU Wien, Universitätsarchiv, Fotos: Thomas Györik; Abb. 6, 7: © Sammlung Österreichisches Filmmuseum/Plakat: Gertie Fröhlich; Abb. 8, 9: HTU, Fotos: Thomas Györik UNIVERSITY EXTENSION Auftaktseite: TU Wien, Universitätsarchiv Abb. 1–8: TU Wien, Universitätsarchiv