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German Pages 356 [360] Year 1994
Regina Doerfert Die Substantivableitung mit -heit/-keit, -ida, -t im Frühneuhochdeutschen
W DE G
Studia Linguistica Germanica
Herausgegeben von Stefan Sonderegger und Oskar Reichmann
34
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1994
Regina Doerfert
Die Substantivableitung mit -heit/-keif, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
Walter de Gruyter · Berlin · New York
1994
© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Doerfert, Regina: Die Substantivableitung mit -heit, -keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen / Regina Doerfert. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1994 (Studia linguistica Germanica ; 34) Zugl.: Bonn, Univ., Diss., 1993 ISBN 3-11-014195-7 NE: GT
© Copyright 1994 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen Printed in Germany Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin
Meinen Eltern
Danksagung Die vorliegende Arbeit ist in ihrer Entstehung eng mit den Arbeiten der Bonner Forschungsstelle Frühneuhochdeutsch verbunden. Für die freundliche Bereitstellung der Materialien und die stete Gesprächsbereitschaft danke ich daher allen Mitarbeitern der Forschungsstelle, insbesondere Frau Marietheres Schebben-Schmidt M.A. und Herrn Dr. Heinz-Peter Prell, die sich auch neben ihrem Tagesgeschäft die Zeit zur Diskussion genommen haben. Ihre vielfältigen Anregungen haben sehr zum Fortkommen meiner Arbeit beigetragen. Gedankt sei auch Herrn Professor Dr. Hans-Joachim Solms fur sein kritisches Interesse und seine Bereitschaft, das Zweitgutachten neben seinen zahlreichen anderen Verpflichtungen zu übernehmen. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. KlausPeter Wegera, der mein Interesse an der Germanistischen Sprachwissenschaft geweckt und mich darauf aufmerksam gemacht hat, daß die Beschäftigung mit dem Frühneuhochdeutschen eine lohnende Aufgabe sein kann. Er hat die vorliegende Untersuchung angeregt und mit geduldiger und wohlwollender Kritik betreut. Darüber hinaus hat er jedoch auch meinen bisherigen Berufsweg durch seinen Einsatz maßgeblich beeinflußt, wofür ich mich herzlich bei ihm bedanke. Gefördert wurde die Arbeit materiell und ideell durch ein Promotionsstipendium der Friedrich-Naumann-Stiftung aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft, das mir zusätzliche Freiräume verschafft hat.
Für die praktische Unterstützung, insbesondere in der Schlußphase der Arbeit, danke ich meiner 'nachsichtigen' Korrekturleserin Hildegard Aulenkamp sowie meinem Mann, der mir mit Rat und Tat im täglichen Kampf mit der EDV zur Seite gestanden hat.
Herdecke, im März 1994
Regina Doerfert
Inhalt I Einleitung 1 Thema der Untersuchung 1.1 Gegenstand und Zielsetzung 1.2 Nicht behandelte Substantivableitungen 1.3 Zum theoretischen Ansatz der Erfassung von Wortbildungsprodukten im Frühneuhochdeutschen 1.4 Der wortschatzbezogene Aspekt der Darstellung 2 Forschungsstand 3 Materialgrundlage: Bonner Korpus Frühneuhochdeutsch 3.1 Korpusvorstellung 3.2 Korpusbeurteilung 4 Umfang des untersuchten Materials 5 Untersuchungsmethode, Terminologie, Darstellungsweise 5.1 Untersuchungsmethode 5.2 Terminologie 5.3 Darstellungsweise II Die Entstehung und Entwicklung von -heit/-keit, -ida, -i bis zum Frühneuhochdeutschen
1 1 1 4 5 6 7 10 10 22 24 25 25 29 31
33
1 Die Entstehung und Entwicklung von -heit/-keit und Formvarianten ..33 1.1 -heit 33 1.2 -keit und Formvarianten 35 2 Die Entstehung und Entwicklung von -ida 40 3 Die Entstehung und Entwicklung von -i 42 4 Das Verhältnis der Suffixe -heit/-keit, -ida, -i bis zum Frühneuhochdeutschen 45 III Die Formvarianten von -heit/-keit, -ida, -i und ihre Entwicklung im Frühneuhochdeutschen 1 -heit/-keit und Suffixvarianten 1.1 Graphien 1.1.1 Die Monographie in -(c)(h)et 1.1.2 Die Diphthonggraphien , 1.1.2.1 Reduktion der Variantenvielfalt 1.1.2.2 Ursachen der abnehmenden Variantenzahl
49 49 50 51 52 52 54
χ
Inhalt
1.1.3 Der unbetonte einfache Vokal aus mhd. -ec-heit 1.1.4 Exkurs: Die Konsonantengraphien aus mhd. -ec-heit 1.1.5 im Binnenanlaut 1.1.6 im Binnenanlaut 1.1.7 im Binnenanlaut 1.1.8 im Binnenanlaut 1.1.9 Auslautendes hess. und rip. 1.1.10 Sonstige graphische Besonderheiten 1.2 Distribution 1.2.1 -heit 1.2.1.1 -heit mit BS 1.2.1.2 -heit mit BV 1.2.1.3 -heit mit BA 1.2.1.3.1 -heit mit primären BA 1.2.1.3.2 -heit mit sekundären BA 1.2.2 -keit 1.2.3 -cheit 1.2.4 -icheit/-ikeit 1.2.5 -igkeit 2 -ida 2.1 Graphien 2.2 Distribution 3 -/ 3.1 Graphien 3.2 Distribution
56 59 63 64 64 64 65 65 66 66 67 68 70 71 74 78 82 86 88 90 90 91 94 94 97
IV Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -t im Frühneuhochdeutschen
101
1 Grundfunktionen der Ableitung mit Suffixen: Modifikation und Transposition 1.1 Modifikation (semantische Abwandlung) 1.2 Transposition (semantische und syntaktische Umwandlung) 2 Übersicht über die Ableitungstypen mit -heitZ-keit, -ida, -i 2.1 -heit/-keit und Varianten 2.2 -ida 2.3 -i 3 Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i 3.1 -heitZ-keit und Varianten 3.1.1 Semantische Modifikation: Kollektiva 3.1.1.1 Definition 3.1.1.2 Frequenz 3.1.1.3 Bildungsweise
101 101 102 104 104 105 106 108 108 108 108 108 109
Inhalt
XJ
3.1.1.4 Belegte Lexeme 109 3.1.2 - 3.1.8 Semantische und syntaktische Transposition 111 3.1.2 Grammatische Abstrakte 111 3.1.2.1 Adjektivabstrakta: Nomina qualitatis mit BA 113 3.1.2.1.1 Definition 113 3.1.2.1.2 Frequenz 121 3.1.2.1.3 Bildungsweise 125 3.1.2.1.4 Belegte Lexeme 126 3.1.2.2 Deverbale Zustands- und Eigenschaftsbezeichnungen: Nomina qualitatis mit BV in Form und Funktion des Part. II bzw. des Part. 1 171 3.1.2.2.1 Definition 171 3.1.2.2.2 Frequenz 172 3.1.2.2.3 Bildungsweise 173 3.1.2.2.4 Belegte Lexeme 173 3.1.2.3 Deveibale Zustandsbezeichnung: Nomen qualitatis mit BV in der Funktion des Part. II 176 3.1.2.3.1 Definition 176 3.1.2.3.2 Frequenz 176 3.1.2.3.3 Bildungsweise 177 3.1.2.3.4 Belegtes Lexem 177 3.1.2.4 Desubstantivische Wesens· und Eigenschaftsbezeichnungen von Personen: Nomina qualitatis mit BS 177 3.1.2.4.1 Definition 177 3.1.2.4.2 Frequenz 178 3.1.2.4.3 Bildungsweise 179 3.1.2.4.4 Belegte Lexeme 179 3.1.2.5 Deverbale Vorgangsabstrakta: Nomina actionis mit BV(Inf) 180 3.1.2.5.1 Definition 180 3.1.2.5.2 Frequenz 181 3.1.2.5.3 Bildungsweise 181 3.1.2.5.4 Belegte Lexeme 181 3.1.2.6 Desubstantivische Vorgangsabstrakta: Nomina actionis mit BS 182 3.1.2.6.1 Definition 182 3.1.2.6.2 Frequenz 182 3.1.2.6.3 Bildungsweise 183 3.1.2.6.4 Belegte Lexeme 183
Inhalt
3.1.3 - 3.1.8 Sekundäre Prägungen 183 3.1.3 Bezeichnungen für sachliche und persönliche 'Träger' von im Prädikat benannten Merkmalen: Nomina ornativa 184 3.1.3.1 Bezeichnungen für das Subjekt einer adjektivischen Prädikation: Nomina ornativa mit BA 185 3.1.3.1.1 Definition 185 3.1.3.1.2 Frequenz 189 3.1.3.1.3 Bildungsweise 190 3.1.3.1.4 Belegte Lexeme 191 3.1.3.2 Bezeichnungen für das Subjekt einer partizipialen Prädikation: Nomina ornativa mit BV(Part. Ii/Part. I).... 213 3.1.3.2.1 Definition 213 3.1.3.2.2 Frequenz 214 3.1.3.2.3 Bildungsweise 216 3.1.3.2.4 Belegte Lexeme 216 3.1.4 Bezeichnungen für das Objekt der substantivischen Prädikation: Nomina ornativa mit BS 217 3.1.4.1 Definition 217 3.1.4.2 Frequenz 218 3.1.4.3 Bildungsweise 219 3.1.4.4 Belegte Lexeme 219 3.1.5 Bezeichnungen für das Subjekt der Prädikation aus einem Veib: Nomina subjecti mit BV(Inf) 220 3.1.5.1 Definition 220 3.1.5.2 Frequenz 221 3.1.5.3 Bildungsweise 221 3.1.5.4 Belegte Lexeme 221 3.1.6 Bezeichnungen für Zeitabschnitte des menschlichen Lebens. 222 3.1.6.1 Aus adjektivischen Prädikationen abgeleitete Bezeichnungen für Zeitabschnitte des menschlichen Lebens: Typ 'Zeit des BA-Seins' 222 3.1.6.1.1 Definition., 222 3.1.6.1.2 Frequenz 222 3.1.6.1.3 Bildungsweise 223 3.1.6.1.4 Belegte Lexeme 223 3.1.6.2 Aus substantivischen Prädikationen abgeleitete Bezeichnungen für Zeitabschnitte des menschlichen Lebens: Typ 'Zeit des BS-Seins' 223 3.1.6.2.1 Definition 223 3.1.6.2.2 Frequenz 224 3.1.6.2.3 Bildungsweise 224 3.1.6.2.4 Belegte Lexeme 224
Inhalt
3.1.7 Deadjektivische Kollektiva 3.1.7.1 Eigenschaftsbezogene Sammelwörter 3.1.7.1.1 Definition 3.1.7.1.2 Frequenz 3.1.7.1.3 Bildungsweise 3.1.7.1.4 Belegte Lexeme 3.1.7.2 Quantitätsbezogenes Sammelwort 3.1.7.2.1 Definition 3.1.7.2.2 Frequenz 3.1.7.2.3 Bildungsweise 3.1.7.2.4 Belegtes Lexem 3.1.8 Bezeichnungen für die lokative Angabe der Prädikation: Nomina locativa 3.1.8.1 Bezeichnungen für die lokative Angabe der adjektivischen Prädikation: Nomina locativa mit BA 3.1.8.1.1 Definition 3.1.8.1.2 Frequenz 3.1.8.1.3 Bildungsweise 3.1.8.1.4 Belegte Lexeme 3.1.8.2 Bezeichnung für die lokative Angabe der partizipialen Prädikation: Nomen locativum mit BV(Part II) 3.1.8.2.1 Definition 3.1.8.2.2 Frequenz 3.1.8.2.3 Bildungsweise 3.1.8.2.4 Belegtes Lexem 3.2 -ida 3.2.1 Grammatische Abstrakta 3.2.1.1 Adjektivabstrakta: Nomina qualitatis mit BA 3.2.1.1.1 Definition 3.2.1.1.2 Frequenz 3.2.1.1.3 Bildungsweise 3.2.1.1.4 Belegte Lexeme 3.2.1.2 Deverbale Zustandsbezeichnung: Nomen qualitatis mit Basisverb in der Funktion des Part. II 3.2.1.2.1 Definition 3.2.1.2.2 Frequenz 3.2.1.2.3 Bildungsweise 3.2.1.2.4 Belegtes Lexem 3.2.1.3 Deverbale Vorgangsabstrakta: Nomina actionis mit BV(Inf) 3.2.1.3.1 Definition 3.2.1.3.2 Frequenz
XIII
225 225 225 226 226 226 227 227 228 228 228 228 228 228 229 230 230 231 231 231 231 232 232 232 233 233 233 234 235 236 236 237 237 237 237 237 239
XIV
Inhalt
3.2.1.3.3 Bildungsweise 241 3.2.1.3.4 Belegte Lexeme 241 3.2.2 - 3.2.6 Sekundäre Prägungen 244 3.2.2 Bezeichnungen für sachliche 'Träger' von adjektivisch oder adverbial bezeichneten Merkmalen: Nomina ornativa mit BA bzw. mit BModadv 244 3.2.2.1 Definition 244 3.2.2.2 Frequenz 244 3.2.2.3 Bildungsweise 245 3.2.2.4 Belegte Lexeme 245 3.2.3 Bezeichnungen für das Objekt der Prädikation aus einem Verb: Nomina acti mit BV(Inf) 246 3.2.3.1 Definition 246 3.2.3.2 Frequenz 247 3.2.3.3 Bildungsweise 247 3.2.3.4 Belegte Lexeme 248 3.2.4 Bezeichnungen für das Subjekt der Prädikation aus einem Verb: Nomina subjecti mit BV(Inf) 249 3.2.4.1 Definition 249 3.2.4.2 Frequenz 250 3.2.4.3 Bildungsweise 250 3.2.4.4 Belegte Lexeme 251 3.2.5 Bezeichnung für die instrumentative Angabe der verbalen Prädikation: Nomen instrumentum mit BV(Inf) 252 3.2.5.1 Definition 252 3.2.5.2 Frequenz 252 3.2.5.3 Bildungsweise 252 3.2.5.4 Belegtes Lexem 253 3.2.6 Kollektive 253 3.2.6.1 Deadjektivisches, eigenschaftsbezogenes Sammelwort.... 253 3.2.6.1.1 Definition 253 3.2.6.1.2 Frequenz 254 3.2.6.1.3 Bildungsweise 254 3.2.6.1.4 Belegtes Lexem 254 3.2.6.2 Deveibales Mengenwort 255 3.2.6.2.1 Definition 255 3.2.6.2.2 Frequenz 255 3.2.6.2.3 Bildungsweise 255 3.2.6.2.4 Belegtes Lexem 256
Inhalt
χ γ
3.3 -ί 256 3.3.1 - 3.3.3 Grammatische Abstrakta 256 3.3.1 Abstrakta mit adjektivischer bzw. adverbialer Basis: Nomina qualitatis mit BA bzw. mit BModadv 256 3.3.1.1 Definition 256 3.3.1.2 Frequenz 257 3.3.1.3 Bildungsweise 260 3.3.1.4 Belegte Lexeme 262 3.3.2 Deverbale Zustandsbezeichnung: Nomen qualitatis mit BV in Form und Funktion des Part. II 271 3.3.2.1 Definition 271 3.3.2.2 Frequenz 272 3.3.2.3 Bildungsweise 272 3.3.2.4 Belegtes Lexem 272 3.3.3 Deveibale Vorgangsabstrakta: Nomina actionis mit BV(Inf). 272 3.3.3.1 Definition 272 3.3.3.2 Frequenz 273 3.3.3.3 Bildungsweise 273 3.3.3.4 Belegte Lexeme 273 3.3.4 Bezeichnung für die lokative Angabe der verbalen Prädikation: Nomen locativum mit BV(Inf) 274 3.3.4.1 Definition 274 3.3.4.2 Frequenz 274 3.3.4.3 Bildimgsweise 274 3.3.4.4 Belegtes Lexem 274 3.3.5 - 3.3.8 Sekundäre Prägungen 275 3.3.5 Bezeichnungen für sachliche und persönliche Träger' von adjektivisch oder adverbial bezeichneten Merkmalen: Nomina ornativa mit BA bzw. mit BModadv 275 3.3.5.1 Definition 275 3.3.5.2 Frequenz 276 3.3.5.3 Bildungsweise 277 3.3.5.4 Belegte Lexeme 279 3.3.6 Bezeichnung für das Subjekt der Prädikation aus einem Verb:Nomen subjecti mit BV(Inf) 283 3.3.6.1 Definition 283 3.3.6.2 Frequenz 284 3.3.6.3 Bildungsweise 284 3.3.6.4 Belegtes Lexem 284
Inhalt
XVI
3.3.7 Bezeichnungen für die lokative Angabe der adjektivischen Prädikation: Nomina locativa mit BA 3.3.7.1 Definition 3.3.7.2 Frequenz 3.3.7.3 Bildungsweise 3.3.7.4 Belegte Lexeme 3.3.8 Deadjektivische Kollektive 3.3.8.1 Eigenschaftsbezogene Sammelwörter 3.3.8.1.1 Definition 3.3.8.1.2 Frequenz 3.3.8.1.3 Bildungsweise 3.3.8.1.4 Belegte Lexeme 3.3.8.2 Quantitätsbezogenes Sammelwort 3.3.8.2.1 Definition 3.3.8.2.2 Frequenz 3.3.8.2.3 Bildungsweise 3.3.8.2.4 Belegtes Lexem V Zusammenfassung und Ausblick 1 -heit/-keit 1.1 Formenbestand und Distribution 1.2 Ableitungstypen 2 -ida 2.1 Formenbestand und Distribution 2.2 Ableitungstypen 3 -i 3.1 Formenbestand und Distribution 3.2 Ableitungstypen 4 Das Verhältnis der Suffixe -heitl-keit, -ida, -i bei der Substantivableitung Literaturverzeichnis 1 Quellen 2 Lexikographische Hilfsmittel 3 Wissenschaftliche Darstellungen Anhang 1 Nicht behandelte Substantivableitungen 2 Tabellen Lexem- und Morphemindex
284 284 285 286 286 288 288 288 288 288 289 289 289 290 290 290 291 291 291 295 299 299 300 302 302 304 306 313 313 313 314 325 325 325 335
Im Text werden die in der Sprachwissenschaft üblichen Abkürzungen ver wendet. Darüber hinausgebrauchte Abkürzungen werden an Ort und Stelle erläutert.
I Einleitung 1 Thema der Untersuchung 1.1 Gegenstand und Zielsetzung Die vorliegende Albeit hat zum Ziel, einen Ausschnitt aus der Wortbildung, die Ableitung von Substantiven mit den Suffixen -heit/-keit, -ida und -/' in Texten des Frühneuhochdeutschen unter graphematischen, morphologischen, funktionalen und lexikalischen Gesichtspunkten darzustellen. Die Untersuchung erfaßt mit dem Suffix -heit/-keit eines der im Bereich der Substantivableitung produktivsten Derivationsmorpheme des Deutschen,2 das hinsichtlich seiner vielfältigen formalen und funktionalen Ausdifferenzierung eine ergiebige Materialbasis verschafft. Die Einbeziehung der frequentiell deutlich hinter -heit/-keit zurückbleibenden Derivationsmorpheme -ida und -i beruht dagegen weniger auf ihrem quantitativen Vorkommen als vielmehr auf dem sprachhistorisch begründeten besonderen Verhältnis zu -heit/-keit. Dieses ist bereits seit frühester Zeit durch wechselseitige Konkurrenz auf Grund von Parallelen in der Bildungsweise und funktionalen Überschneidungen bei der Substantivableitung, hauptsächlich bei der Bildung von Adjektivabstrakta,3 gekennzeichnet. Für den hieraus resultierenden Verdrängungsprozeß der einstmals sehr produktiven und hochfrequenten Ableitungsmorpheme -ida und -i durch das sich zunehmend durchsetzende -heitAkeit ist das Frnhd. '
2
3
Aus Gründen der terminologischen Vereinfachung werden das Suffix -heit und seine morphologischen Varianten -keit, -igkeit u.a. (zur theoretischen Begründung der angenommenen Einheit von -heil und Formvarianten vgl. Kap. III.l) zusammengefaßt unter der Bezeichnung '-heit/-keit, wobei die gleichzeitige Nennung von -keit mit dem größeren 'Hinweiswert' dieser Form auf die übrigen Varianten auf Grund morphologischer Ähnlichkeit begründet wird. Die ahd. Suffixformen -ida und -f werden als "Referenzformen' für die frnhd. bereits zu -(e)de bzw. -e reduzierten Ableitungsmorpheme verwendet, um die Verwechslung mit formal deckungsgleichen Affixen bereits in der Benennung zu vermeiden. In der deutschen Sprache der Gegenwart ist es hinsichtlich seiner Frequenz mit einem relativen Anteil von ca. 13% das zweithäufigste Derivationsmittel zur Ableitung von Substantiven nach -ung mit 24% und vor -er (ca. 12%). Diese Werte ergeben sich aus den Übersichtstabellen zu den Ableitungsmustern der einzelnen Derivationsmorpheme in Band 2 der "Deutschen Wortbildung", 50 -104. Die Suffixe werden in der Literatur meistens als 'Abstraktsuffixe' behandelt und bezeichnet. Vgl. zum Beispiel Weisweiler/Betz in: Deutsche Wortgeschichte 1974:124.
2
Einleitung
insofern ein interessanter und wichtiger Untersuchungszeitraum, als hier, im Hinblick auf die nhd. Standardsprache, letztmalig alle drei Suffixe in systematisch bedeutsamer Weise funktional zusammenwirken. Während -heit/ -keit, aber auch -/ noch zunehmend neue Bildungen hervorbringen, ist am Beispiel von -ida der umgekehrte Fall, nämlich die zunächst abnehmende Produktivität bis hin zum nur noch relikthaften Vorkommen bereits im Frnhd. anhand des untersuchten Materials beschreibbar. Insofern beabsichtigt die vorliegende Albeit, einerseits in einem analytischen Sinne 'Charakteristika frühneuhochdeutscher Wortbildung '4 aufzuzeigen, andererseits Grundlage für die Ablesbarkeit bestimmter Entwicklungstendenzen zu sein, die zu Veränderungen in der Produktivität und insbesondere zum "systemverändernden Aufkommen oder Rückgang bestimmter Wortbildungstypen" (Erben in der Einfuhrung zur "Deutschen Wortbildung", Bd. 1 (DW1):12) fuhren. Die Darstellung der Substantivableitung mit -heit/-keit, -ida und -t erfolgt mit dem Ziel einer angemessenen Erfassung aller Formen und Funktionen als eine umfassende und systeimatische Bestandsaufnahme, d.h., es werden nicht nur einzelne Aspekte wie z.B. die in der Literatur (vgl. Anm. 3) vorwiegend behandelte abstraktbildende Funktion oder ausschließlich die deadjektivische Ableitung behandelt, sondern sämtliche funktionalen Ausprägungen der Suffixe. Mit diesem systembezogenen Ansatz wird der Forderung Rechnung getragen, das "Gesamt der funktionalen Leistungen" (Hartweg/Wegera 1989:3) einzelner Suffixe im Frnhd. zu erschließen. Der semasiologischen, d.h. hier suffixbezogenen Ausrichtung der Arbeit entspricht die Gliederung der Untersuchung nach den einzelnen Suffixen, wobei zum Teil durch Querverweise Verbindungen zu den anderen Derivationsmorphemen hergestellt werden, insbesondere aber in Kap. V eine synoptische Zusammenschau der Suffixe in ihren funktionalen Bezügen erfolgt. Nach einem Überblick über die sprachhistorische Entstehung und Entwicklung der einzelnen Ableitungsmorpheme sowie ihr Verhältnis bis zum Frnhd. (Kap. II) werden im Hauptteil der Arbeit zunächst Graphie und Morphologie von -heit/-keit, -ida und -/ beschrieben (Kap. III) und im Anschluß daran die funktionalen und lexikalischen Aspekte der Suffixe untersucht (Kap. IV)· Die abschließende Zusammenfassung (Kap. V) beinhaltet eine Gesamtdarstellung der funktionalen Leistungen der einzelnen Ableitungsmorpheme wie auch ihres Verhältnisses zueinander und gibt einen Ausblick auf die Verhältnisse im Neuhochdeutschen.
4
So der Titel eines Aufsatzes von Fleischer 1988.
Thema der Untersuchung
3
Der Untersuchungszeitraum, das Frühneuhochdeutsche (Frnhd.),5 umfaßt mit der Zeit von 1350 - 1700 eine sehr weitgespannte Periode. Aus diesem Grunde folgt die Analyse einer sowohl synchron als auch diaqhron orientierten Betrachtungsweise. Ermöglicht wird dies durch die Anlage des untersuchten Textkorpus, des Bonner Korpus Frühneuhochdeutsch, das die Materialbasis der vorliegenden Arbeit bildet (zur Vorstellung des Korpus vgl. Abschnitt 3).6 Es handelt sich hierbei um ein nach den Kriterien Raum, Zeit und ansatzweise auch Textsorten strukturiertes Textkorpus, das für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung in jeder Hinsicht 'gesamthaft1 ausgeweitet wurde und daher genaue statistische Angaben sowohl zu Wort- und Belegfrequenzen als auch zur sprachräumlichen und zeitlichen Verteilung einzelner Bildungen und Bildungsweisen erlaubt. Über die Betrachtung einzelner Zeitabschnitte sowie der frnhd. Periode als Ganzes hinaus wird als ergänzende Perspektive ein Vergleich mit der nhd. Sprache der Gegenwart (damit ist hier die deutsche Sprache des 20. Jahrhunderts gemeint) angestellt. Dabei wird nicht behauptet, daß eine geradlinige Entwicklung in dem dazwischenliegenden Zeitraum stattgefunden hätte, sondern es handelt sich vielmehr um ein kontrastives Vorgehen. Die materielle Folie und den methodischen Bezug liefern die Untersuchungen der Innsbrukker Forschungsstelle des Instituts für deutsche Sprache (Deutsche Wortbildung. Typen und Tendenzen in der Gegenwartssprache. [...] Zweiter Hauptteil: Hans Wellmann: Das Substantiv. Düsseldorf 1975; im folgenden abgekürzt als DW2). Die dort für die Gebrauchsnormen um 1800 tabellarisch angeführten Vergleichswerte, die auf dem Wörterbuch von Adelung (Ad.) basieren, können zumindest dazu beitragen, die zwischen dem Ausgang des Frnhd. und der Gegenwart klaffende Lücke von mehr als 200 Jahren zu überbrücken. Das von Wellmann auf das Nhd. angewendete Analyseverfahren konnte für die Untersuchung einer historischen Sprachstufe wie dem Frnhd. natürlich nicht ohne gewisse Änderungen übernommen werden (vgl. Abschnitt 5.1). Modifikationen ergaben sich außerdem bei der Bestimmung der Ableitungstypen, teilweise wegen des zugrundeliegenden historischen Materials, teilweise jedoch auch wegen unterschiedlicher Klassifizierungsansätze für das Nhd. (vgl. Abschnitt 5.3). Insgesamt war die methodische Übertragbarkeit jedoch gewährleistet. Hinsichtlich der inhaltlichen Übertragbarkeit haben sich Unterschiede in bezug auf das einzelne Suffix ergeben, die mit der zum Nhd. hin 5
6
Sowohl der Terminus 'Frtkhneuhochdeutsch' als auch die zeitliche Begrenzung dieser Sprachperiode gehen nach Erben 1970:386 zurück auf W. Scherer, Geschichte der deutschen Sprache. Berlin 2 1878:13. Zur Geschichte der Periodisiemng des Frnhd. vgl. den Überblick in Haitweg 1989. Wenn bei der Darstellung der Untersuchungsergebnisse aus Gründen der Praktikabilität in verknappter Form auf'das Frnhd.' referiert wird, so bezieht sich diese Aussage stets nur auf das zugrundeliegende Korpus Frnhd.
4
Einleitung
fortgeschrittenen Entwicklung der Derivationsmorpheme und der damit veränderten Darstellungsweise in DW2 zusammenhängen. Die diesbezüglichen Abweichungen werden jedoch in den zusammenfassenden Übersichten im Schlußteil der Arbeit (Kap. V) offengelegt.
1.2 Nicht behandelte Substantivableitungen Von der Untersuchung der mit -heit/-keit, -ida und -/ gebildeten Substantivableitungen, die alle als gemeinsames Kennzeichen feminines Genus aufweisen, sind aus sehr unterschiedlichen Gründen einige Bildungen ausgeschlossen worden. Diese lassen sich drei Gruppen zuordnen. 1. Nicht behandelt werden im Korpus belegte deverbale Derivate wie gelübde und geschöpfde,7 die zwar ursprünglich einmal feminine -/da-Abstrakta waren, sich jedoch bereits im Laufe des Ahd., veranlaßt durch das Präfix ge-, den Neutra auf -idi angeschlossen haben (vgl. Wilmanns 21899:350f). Im Korpus Frnhd. besitzen diese Substantivableitungen ausschließlich neutrales Genus. 2. Ebenfalls nicht Gegenstand der Untersuchung sind die folgenden, für das Frnhd. als lexikalisiert (in anderer Terminologie: idiomatisiert oder demotiviert)8 anzusehenden Bildungen: das -/'da-Deveibativum bürde sowie die -ί-Derivate fiille, menge, seuche und würde. Kriterium für eine vorliegende Lexikalisierung ist dabei nach der Definition von Fleischer/Barz die fehlende morphosemantische Motivation, die zur Aufnahme der Bildungen in den Wortschatz führt (vgl. Fleischer/Barz 1992:15f). Es ist also bei den genannten Wortbildungsprodukten im Frnhd. synchron nicht mehr möglich, ihre Bedeutung durch Zerlegung in ihre Bestandteile zu erschließen, da die Bezüge zwischen Basis und Ableitungsmorphem sowohl morphologisch als auch semantisch Verdunkelt' sind. Hingegen habe ich beispielsweise die Derivate sänfte, säure und höle mit in die Untersuchung aufgenommen, da sie m.E. Übergangsformen darstellen, insofern der morphologische und semantische Basisbezug noch transparent zu machen sind.9 3. Die in der dritten Gruppe versammelten Substantivableitungen, die nicht in der statistischen Ausweitung der Arbeit erscheinen, unterscheiden sich insofern von den unter 1. und 2. genannten Derivaten, als sie zwar einer eingehenden Wortbildungsanalyse unterzogen worden sind, jedoch in bezug auf ihre Basen nicht eindeutig festzulegen waren.10 Hierzu zählen einerseits Bil-
7
* 9 10
Zur Nennform der Bitdungen vgl. Abschnitt 5.2. Vgl. zur begrifflichen Klärung Fleischer/Barz 1992:13ff. Vgl. zum Vorhandensein von 'Abstufungen der Motivation' Fleischer/Barz 1992:18. Zur genauen Vorgehensweise bei der Untersuchung der Substantivableitungen vgl. Abschnitt 5.1.
Thema der Untersuchung
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düngen, die bereits hinsichtlich ihrer Basiswortart nicht zu bestimmen waren (schrecheit (Thür I), verlaimikait (Oschwäb III)), sowie andererseits Ableitungen, deren Basen zwar hinsichtlich ihrer Wortart einzuordnen sind, sich jedoch nicht zweifelsfrei nachweisen lassen. Es sind dies in ihrer (ortho)graphisch so belegten Form die Bildungen gutbeyspellichkeit, gutemyldikeyth (beide Schles IV), luwicheyt (Rip III), nauwicheit (Rip IV) und steigligkeit (Thür VI). Die genannten Substantivableitungen dieser dritten Gruppe sind mit einem kurzen Kontextbeleg im Anhang der Arbeit aufgeführt.
1.3 Zum theoretischen Ansatz der Erfassung von Wortbildungsprodukten im Frühneuhochdeutschen Die Wortbildung als der Teilbereich des Sprachsystems, der sich auf den "A u f b a u von N e u w ö r t e r n " (Eiben 21983:54) aus bereits vorhandenen Elementen nach bestimmten Mustern bezieht, ist hinsichtlich ihres Gegenstandes unter einem zweifachen Aspekt zu sehen, einem prozessualen und einem analytischen.11 Unter dem prozessualen Gesichtspunkt werden die Vorgänge sowie die Gesetzmäßigkeiten beim Entstehen neuer Wörter untersucht; in analytischer Hinsicht werden die Ergebnisse der wortbildenden Prozesse, die "Wortgebilde" (Dokulil 1968:203) oder Wortbildungsprodukte in bezug auf ihre Elemente und Strukturen betrachtet. Die 'Wortbildung* im prozessuellen Sinne einerseits und die "Wortgebildetheit" (Dokulil 1968:205), verstanden als Wortbildungsstruktur, andererseits sind jedoch nicht voneinander zu trennen, sondern stehen wie die zwei Seiten einer Medaille in unmittelbarem Zusammenhang und müssen daher beide berücksichtigt werden.12 Für den Untersuchungsgegenstand der Wortbildung bedeutet diese Auffassung in der Konsequenz eine Ausweitung auf den ganzen Wortschatz;13 Wortbildungslehre wird damit zur "Lehre von den Strukturbeziehungen der Wörter im Wortschatz und von den innersprachlichen Voraussetzungen der Vermehrung des Wortschatzes auf dem Wege der Wortbildung.".14 Damit werden jedoch, und dies ist für die vorliegende Untersuchung der wesentliche Punkt, nicht nur produktive, sondern sämtliche feststellbaren Bildungstypen berechtigter Gegenstand der Wortbildungsanalyse.15 Indem auch die nur 'ak11 12
13 14 13
Vgl. Fleischer 4 1975:19 sowie Dokulil 1968:203. Beide Sichtweisen sind sowohl bei einer diachronischen als auch bei einer synchronischen Betrachtung von Belang. Vgl. Dokulil 1968:203f. Unterstatzt wurde diese Ansicht unlängst von Fleischer/Barz 1992:9f. Zu den praktischen Auswirkungen dieses Ansatzes auf die vorliegende Arbeit vgl. Abschnitt 1.4. Dokulil 1968:205. Vgl. ähnlich Fleischer/Barz 1992:10. Diese schließt dann auch unproduktive Wortbildungsmuster ein. Vgl. bereits Dokulil 1968:205 sowie Fleischer 4 1973:20, ders. 1988a: 11 und Stepanowa/Fleischer 1985:157.
6
Einleitung
tiven1 Bildungsmuster analysiert werden, "nach denen nicht reihenhait Neubildungen geprägt werden, die sich aber an im Lexikon gespeicherten, synchron motivierten und entsprechend segmentier- und umformbaren Wortbildungen ablesen lassen",16 wird es möglich, das System der Wortbildungsstrukturen in seinen funktionalen Bezügen herauszuarbeiten und ggf. frnhd. Charakteristika der Substantivableitung mit -heit/-keit, -ida und -i zu spezifizieren. Die auf Grund der Analyse gewonnenen Erkenntnisse sind dann wiederum nutzbar, um auch Wortbildungsprozesse, wie die Produktivität bestimmter Muster, deutlich werden zu lassen (vgl. Prell 1991:9).
1.4 Der wortschatzbezogene Aspekt der Darstellung Aus dem im vorangehenden Abschnitt erläuterten 'Doppelcharakter' der Wortbildung17 ergibt sich ihre besondere Stellung im Sprachsystem, die zu charakterisieren ist als "Mittelstellung zwischen Syntax, Morphologie - Morphematik und Lexikologie" (Schippan 1984:44). Betrachtet man die Bildungsregularitäten beim Aufbau neuer Wörter, so rückt die syntaktische Seite in den Blick, bei einer Untersuchung der Wortstruktur hingegen die Morphematik bzw., auf Grund der Abhängigkeit von der Wortart sowie ihres Einflusses auf dieselbe, auch die Morphologie. Schließlich verweist der Umstand, daß Wortbildung durch die Neubildung von Wörtern zur "Bestandsvermehrung des Wortschatzes" (Erben 1964:83) beiträgt, auch auf den lexikalisch-semantisehen Aspekt und damit auf ihre Teilhabe an der Lexikologie (vgl. Schippan 1984:44). Wenngleich die Wortbildung als selbständige linguistische Teildisziplin neben der Syntax und der Lexikologie mittlerweile weitestgehend akzeptiert wird (vgl. Fleischer 1988a:9), wurde noch bis vor nicht allzu langer Zeit das Vorhandensein einer relevanten Wechselbeziehung zwischen Wortbildung und Wortschatz (Lexikon) mit dem Hinweis auf den fehlenden Systembezug abgelehnt.18 Diese Situation hat sich seit kurzem dahingehend geändert,19 daß sowohl die als Einheiten des Lexikons gespeicherten, 'fertigen' Wortbildungsprodukte analysiert werden (vgl. Fleischer 1988a: 14) als auch die Mög-
16
Prell 1991:9; vgl. auch Stepanowa/Fleischer 1985:77f. Der Begriff der 'Aktivität' wird in der vorliegenden Arbeit in dem nach Prell zitierten Sinne verwendet. Vgl. dagegen die Definition von 'Aktivität' als "Entfattungsgrad von Lexemen in der Wortbildung" bei Fleischer/Barz 1992:60 sowie bereits Fleischer 1988a: 14ff. 17 Vgl. ausführlich Fleischer/Barz 1992: Kap. 1.1. " Vgl. hierzu die Ausführungen von Prell 1991:9t. " Allerdings hat, nach einem Hinweis von Fleischer 1986:35, bereits H. Paul, bezogen auf das "Deutsche Wörterbuch" von J. und W. Grimm, eine "stärkere Berücksichtigung des Zusammenwirkens von Wortbildung und Wortschatz" (Fleischer ebd.) gefordert
Thema der Untersuchung
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lichkeit erkannt ist, daß die H Wortbildungsbeschreibung einen Beitrag zur Erforschung der Systemzusammenhänge im Wortschatz leisten [kann]." (Fleischer/Barz 1992:10). Unter den genannten theoretischen Prämissen erscheint es legitim, das System der Substantivableitung mit -heit/-keit, -ida und -/ wortschatzbezogen darzustellen, d.h. konkret, die Bildungen der einzelnen Ableitungstypen in kurzen 'Wortartikeln' zu präsentieren. Ich schließe mich mit dieser Entscheidung dem von Prell in seiner Untersuchung der desubstantivischen Verbableitung im Frnhd. eingeschlagenen Weg an.20 Abgesehen von den oben beschriebenen grundsätzlichen Erwägungen ist die Einbeziehung des Lexikons für eine sprachhistorische Untersuchung wie die vorliegende v.a. auch in der Hinsicht von Bedeutung, daß sie eine größere Anschaulichkeit und Verbindlichkeit in der Darstellung des 'wortgebildeten' Wortschatzes vermittelt (vgl. Prell 1991:10). Darüber hinaus ist insbesondere für das Frnhd. auf die noch "große Variabilität" (Hartweg/Wegera 1989:141) des Wortschatzes, hinzuweisen, so daß der lexikalische Aspekt der Wortbildung im Hinblick auf die Herausbildung der nhd. Schriftsprache von besonderer Bedeutung ist. Schließlich sind in forschungspraktischer Sicht einige Vorteile der wortschatzbezogenen Darstellung zu nennen:21 1. die größere Genauigkeit der Angaben zu einzelnen Belegen und Basen, die mit der raum-zeitlichen Struktur des zugrundeliegenden Textkorpus zusammenhängt; 2. die Überprüfbarkeit der "systembezogenen Aussagen" (Prell J 991:11); 3. die Nutzbarkeit als Vergleichsgrundlage für weitere Arbeiten sowie 4. die Möglichkeit der ausführlicheren Behandlung kontextabhängiger Phänomene (Darstellung der kontextuellen Einbettung, davon abhängige Besonderheiten der Wortbildungsbedeutung u.ä.), was insbesondere für die hier behandelten Substantivableitungen (vgl. zur Kontextabhängigkeit der 'grammatischen Abstrakta1 und der 'grammatischen Konkreta' Kap. IV) von Bedeutung ist.
2 Forschungsstand Trotz einer seit den 60er Jahren unter neuen methodischen Gesichtspunkten intensivierten Forschungstätigkeit auf dem Gebiet des Frnhd. hat sich erst in jüngster Zeit der Schwerpunkt der Forschungen auf den Bereich der Wortbildung des Frnhd. verlagert. Neben einer Reihe von Forschungsvorhaben, die unter verschiedenen Aspekten Teilbereiche der frnhd. Wortbildung untersu10
21
Heinz-Peter Prell, Die Ableitung von Verben aus Substantiven in biblischen und nichtbiblischen Texten des Frühneuhochdeutschen. Frankfurt a.M. u.a. 1991; zugleich Diss., Bonn 1991. Zur Begründung seines Vorgehens vgl. Prell ebd.: Kap.1.1.4. Zu den Punkten 1. - 3. vgl. ausführlich Prell 1991:11.
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Einleitung
chen, werden derzeit für die gesamte frnhd. Periode die Wortbildung des Veibs in Bonn sowie die Wortbildung des Adjektivs in Augsburg erarbeitet.22 Die Wortbildung des Substantivs, deren Untersuchung bislang noch aussteht, hat dagegen immer noch als Forschungsdesiderat zu gelten.^3 Einen ersten Beitrag soll die vorliegende Arbeit leisten, die sich zwar lediglich mit einem Ausschnitt aus der Substantivableitung, der Wortbildung mit -heit/-keit, -ida und -i beschäftigt, dies jedoch systematisch unter formalem und funktionalem Aspekt auf Grundlage eines den gesamten frnhd. Zeitraum abdeckenden, strukturierten Korpus. Wenngleich einige Arbeiten zur Substantivableitung mit den genannten Suffixen vorliegen, beziehen sich diese jedoch nicht auf den frnhd. Zeitraum, sondern, zumeist mit einem formalorientierten Wortbildungsansatz sowie mit Schwerpunkt auf der (Adjektiv-)Abstrakta bildenden Funktion der Suffixe, auf ältere deutsche Mundarten und Sprachstufen (von Bahder 1880, Hucko 1904, Baumann 1914, Gürtler 1923, Lindqvist 1936, Ahlsson 1960; zum Mittelniederdeutschen: Höge 1912, Grunewald 1944, Dahlberg 1962), auf einzelne Denkmäler oder Autoren (Fleischer 1901, Rattke 1906, Gutmacher 1914), oder es handelt sich um Einzelwortstudien (Kochs 1961, Wiesner 1968) sowie bedeutungsgeschichtlich (Piltz 1951, Franck 1958) und entwicklungsgeschichtlich orientierte Untersuchungen (Wells 1964, öhmann 1976), in denen überdies nicht immer alle drei Suffixe betrachtet werden bzw., wenn dies der Fall ist, gleichzeitig auch andere Ableitungsmorpheme Untersuchungsgegenstand sind. Die Suffixe -/ und -ida werden, eingebettet in übergeordnete Fragestellungen, bevorzugt im Rahmen der Mundartenforschung behandelt (Szadrowsky 1933, Sonderegger 1958, öhmann 1968, und vgl. die Literaturübersicht in öhmann 1921:37ff.). Neuere Arbeiten beschäftigen sich ausschließlich mit dem Suffix -heit und seinen Varianten im Nhd.: So erläutert Kolb 1985 in einem rein synchronen Vorgehen die distributionellen Regularitäten bezüglich der Suffixvariante -igkeit in Abhängigkeit von den Betonungsverhältnissen, die in den Derivaten herrschen. Oberle 1990 stellt in einer sehr materialreichen Untersuchung "Das System der Ableitungen auf -heit, -keit und -igkeit in der deutschen Gegenwartssprache" unter sowohl formalen (morphologischen) als auch funktionalen (semantisch-syntaktischen) Gesichtspunkten dar. Trotz der grundsätzlich synchron ausgerichteten Betrachtungsweise nimmt Oberle gelegentlich sprachgeschichtliche Entwicklungen zur Erklärung der Bildungen mit in den Blick. Die diesbezüglichen Hinweise konnten zum Teil auch in der vorliegen22
23
Vgl. zu den frnhd. Wortbildungsuntersuchungen die Übersichten in Besch/Wegera 1987:10f und Moser/Wolf 1989. Dies betrifft ebenso weite Teile der Syntax, die wie die Wortbildung des Substantivs v.a. in einem übergreifenden Sinne für das gesamte Fmhd. zu erarbeiten wären. Vgl. die Einschätzung von Besch/Wegera 1987:1 lf.
Forschungsstand
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den Albeit verwertet werden, ebenso wie einige Ergebnisse der sehr gründlichen Untersuchung der Ableitungsbasen, die insbesondere in bezug auf Restriktionen in der Distribution von -heit und Formvarianten zum Frnhd. Parallelen aufweisen. Als wichtig für die vorliegende Untersuchung haben sich auch Oberles Überlegungen zur semantisch-syntaktischen Einbindung der Ableitungen in den Kontext erwiesen, da diese mit den entsprechenden Modifizierungen grundsätzlich auch auf das Frnhd. angewendet werden können. Die von Oberle angeführten frequentiellen Werte zur Morphologie von -heit werden in Kap. III ergänzend zu den Angaben aus DW2 genannt, stehen allerdings unter dem besonderen Vorbehalt, daß Oberles Darstellung ein Korpus auf Wörteibuchbasis zugrundeliegt.24 Die einzige Arbeit, die sich ausschließlich mit den drei hier untersuchten Suffixen sowie ihrem Verhältnis zueinander beschäftigt und dabei den frnhd. Zeitraum explizit berücksichtigt, ist die Studie von Öhmann "Zur geschichte der adjektivabstrakta auf -ida, -i und -heit im deutschen" (1921). Allerdings ist der Raum für die Bemerkungen, die sich ausschließlich auf das Frnhd. beziehen, notwendigerweise relativ knapp bemessen, da auf nur 55 Seiten der gesamte deutschsprachige Zeitraum behandelt wird. Entscheidend für den Stellenwert der Arbeit ist jedoch vor allem, daß sich die formal und diachron orientierte Untersuchung öhmanns auf Angaben aus der Sekundärliteratur stützt und seine Ausführungen zum Frnhd. dementsprechend allgemein gehalten sind bzw. sich aus dem Forschungsinteresse des jeweils Untersuchenden ergeben.2S Der unbestrittene Wert der Darstellung öhmanns besteht darin, daß die allgemeine sprachgeschichtliche Entwicklung der Suffixe mit Bezug auf ihr gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis beschrieben wird und im Hinblick auf den hier interessierenden frnhd. Untersuchungszeitraum v.a. unter formalem Aspekt Beobachtungen zur Verwendungsweise und zur Verbreitung der Suffixe26 zusammengetragen werden, die grundsätzlich durch den Befund der Korpusanalyse bestätigt werden. Gemessen an dem gegenwärtigen Erkenntnisinteresse bleibt jedoch der Bedarf an einer systematischen, möglichst korpusbezogenen und anhand neuerer Wortbildungsmethoden erarbeiteten Darstellung der Formen und Funktionen der Suffixe im Frnhd. weiter bestehen. Damit soll nicht behauptet werden, daß die Suffixe -.heit/-keit, -ida und -i in Arbeiten zum Frnhd. völlig vernachlässigt würden; jedoch werden sie nicht unter dem speziellen Aspekt einer systematischen Wortbildungsbetrachtung analysiert, sondern zumeist unter übergreifenden Fragestellungen, vereinzelt, ünter graphematischen oder morphologischen 24 M
26
Vgl. die genaue Beschreibung der Materialgrundlage in Oberle 1990:52-58. So liegt der Schwerpunkt bei der Darstellung der Verhältnisse im Frnhd. auf den Suffixen -ida und -?, z.B. zu den Themen: Bevorzugung von -/-Bildungen bei verschiedenen Schriftstellern, insbesondere bei Luther, sowie mundartliche Verbreitung der Bildungen auf -ida und -i. Vgl. zur Verbreitung der Adjektivabstrakta auf -ida auch öhmann 1920.
Einleitung
10
Gesichtpunkten u.ä. Diese Arbeiten werden an dieser Stelle nicht im Einzelnen aufgeführt, sondern im Laufe der Untersuchung genannt. Die vorliegende Arbeit umfaßt neben dem strukturell-funktionalen auch einen morphologischen Teil, für dessen Ausarbeitung die diachron orientierten Grammatiken von Grimm, Wilmanns, Paul und Henzen miteinbezogen wurden, da sie in ihrem sprachhistorischen Überblick im Übergang vom Mhd. zum Nhd. auch das Frahd. streifen.27 Schwerpunktmäßig genutzt habe ich dabei die Grammatik von Wilmanns (Zweite Abteilung: Wortbildung. Straßburg 21899). Abschließend sei noch angemerkt, daß gemäß dem Forschungsstand die Behandlung der Wortbildung des Substantivs mit den Suffixen -heit/-keit, -ida und -/ sowohl in überblickartigen wie auch übergreifenden grammatischen Darstellungen gezwungenermaßen oberflächlich bleiben muß.28
3 Materialgrundlage: Bonner Korpus Frühneuhochdeutsch 3.1 Korpusvorstellung Die Materialgrundlage der vorliegenden Arbeit besteht aus insgesamt 64 Texten des Bonner Korpus Frühneuhochdeutsch, die nach einheitlichen Exzerptionsprinzipien vollständig ausgewertet wurden.29 Da das Bonner Korpus Frnhd. bereits mehrfach vorgestellt und diskutiert worden ist,30 beschränkt sich die folgende Vorstellung darauf, das Korpus in seinen Grundzügen zu skizzieren. 27
28
29
30
Allerdings wird auf Grund der jeweiligen Periodisierungsansätze das Frnhd. meistens nicht als eigenständige Epoche hervorgehoben. In den Einführungen zum Fmhd. wird der Bereich der Wortbildung bei Philipp 1980 gar nicht erwähnt Penzl 1984 beschäftigt sich nur am Rande damit (vgl. Penzl 1984:148-155, insbesondere 150), und Hartweg/Wegera 1989 behelfen sich damit, daß sie die Wortbildung im Bereich der Lexik im Zusammenhang mit der Wortschatzerweitemng behandeln. Der kurze Handbuch-Artikel zur frnhd. Wortbildung der Substantive mit den Suffixen -heit/-keit, -ida und -i von Wegera 1985:1349 verhilft noch am ehesten zu einem ersten Überblick, muß sich aber auf Grund der skizzierten Forschungslage auf die Darstellung der Morphologie der Suffixe beschränken. Detaillierte Angaben Ober den Umfang des so gewonnenen Belegmaterials sind dem Abschnitt 4 zu entnehmen. Vgl. zur Anlage des Gesamtkorpus (Prinzipien der Erstellung sowie Textumfang) Graser/Hoffinaim 1973:177-187; Henne 1974:91f; Reichmann 1978:64; Eggers 1978:79; Hoffmann/Wetter 1985: Di-XXVIII; zur Vorstellung der Teilkorpora vgl. ausführlich Graser/Wegera 1978:81-91 sowie die vollständigen Angaben in den Bänden III, IV und VI der Gr. d. Frnhd. (s. Literaturverzeichnis); zuletzt auch Prell 1991:21-32.
Materialgrundlage
11
Das Korpus Frnhd. ist ein systematisch nach sprachräumlichen, zeitlichen und ansatzweise auch textsortenspezifischen Kriterien angelegtes Quellenkorpus (Näheres s.u.), das insgesamt ca. 1.500 Texte umfaßt (vgl. Hoffmann/ Wetter 1985). Ursprünglich angelegt zur Erarbeitung der frnhd. Flexionsmorphologie des Veibs und des Substantivs (vgl. GraserAVegera 1987:82), wurde bereits damals eine Auswahl von 40 Texten (=Kemkorpus) getroffen, die strengen Zuordnungskriterien hinsichtlich Datierbarkeit, Lokalisierbarkeit wie auch der Biographie der Texthersteller (=sowohl Schreiber und Drucker als auch Verfasser, Bearbeiter und Übersetzer) genügen mußten.31 Jeder Text bzw. Textausschnitt hat aus Gründen der Vergleichbarkeit einen Umfang von 30 TsTormalseiten' zu je 400 Wörtern, das sind 12.000 Wörter pro Text bei einem Gesamtumfang der 40 Texte von 1.200 *Normalseiten' (vgl. Prell 1991:15). Diese Quellen liegen mit Angaben hinsichtlich Wortart, syntaktischer Position u.v.a.m. in EDV-gespeicherter Form vor. Teilweise wurden auch Segmentierungen vorgenommen, die einen Zugriff auf einzelne Phänomene erlauben. Auf diese Weise konnten die -Ae/7-Ableitungen vollständig erfaßt werden. Da die Derivate auf -ida und -i nicht als solche markiert waren, mußten sie aus dem Gesamtbestand der Substantive herausgefiltert werden. Die Klassifizierung als sprachhistorisch herzuleitende -ida- bzw. -{-Bildung geschah dabei auf der Basis von, in erster Linie, der Grammatik von Wilmanns (Zweite Abteilung: Wortbildung) sowie des DWB und der etymologischen Wörterbücher von Kluge unaPfeiffer. Das aus den 40 Texten bestehende Kernkorpus umfaßt in zeitlicher Hinsicht den Untersuchungszeitraum von 1350-1700, der schematisch33 in sieben 50Jahres-Abschnittc (Zeiträume I - VII) unterteilt wurde: Zeitraum Zeitraum Zeitraum Zeitraum
I III V VII
1350 -1400 1450 - 1500 1550 - 1600 1650 - 1700
Unter dem sprachräumlichen Aspekt deckt das Korpus das hochdeutsche Sprachgebiet ab, das auf Grundlage der Karte 56 des Deutschen Sprachatlasses (vgl. Graser/Hoffmann 1973:180) in die fünf Großlandschaften West- und Ostmitteldeutsch sowie Nord-, West- und Ostoberdeutsch gegliedert wurde. Diese wurden weiter unterteilt in insgesamt zehn Einzellandschaften, die in 31
12
"
Vgl. zu den qualitativen wie quantitativen Anforderungen insbesondere Graser/Hoffinann 1973:179-185, Graser/Wegera 1978:82-84 sowie Hoffinann/Wetter 1985:XIIIff. Vgl. hierzu die genauen Angaben im Literaturverzeichnis. Dies geschah, "um Präjudizierungen zu vermeiden" (Graser/Hoffinann 1973:182).
12
Einleitung
einigen Fällen durch "Ortspunkte" (Graser/Wegera 1987:82) repräsentiert werden. Es sind dies im einzelnen: Mittelbairisch (Wien), Ostschwäbisch (Augsburg), Schwäbisch, Elsässisch (Straßburg), Osthochalemannisch, Ostfränkisch (Nürnberg); Hessisch, Ripuarisch (Köln), Thüringisch, Obersächsisch. Die Korpuszusammensetzung ergibt sich konkret daraus, daß fur jeden der zehn Teilräume vier Texte vorliegen, die die vier oben genannten Zeiträume vertreten, d.h., jede Sprachlandschaft wird durch vier Texte repräsentiert. Diese insgesamt 40 Texte wurden vollständig, d.h. mit allen Kontextbelegen, ausgewertet. Eine gattungstypologische Gliederung, wie sie von Anfang an gefordert wurde,34 hat sich auf Grund des Forschungsstandes der historischen Textsortentheorie nicht realisieren lassen, sondern mußte beschränkt werden auf eine ansatzweise Strukturierung nach Textsorten in erbauliche, unterhaltende, kirchlich-theologische, chronikalische und Berichts- sowie Realientexte. Der nachfolgenden Aufstellung der Texte ist außer dem bibliographischen Nachweis auch der Umfang des jeweiligen Textes (d.h. Anfang und Ende, sofern der Text länger als. 30 Normalseiten ist) zu entnehmen." Vierwiesen wird auf die Quellen mittels Siglen (linke Seite), die aus einem Landschaftskürzel mit Zeitraumziffer (s.o. die Aufschlüsselung) bestehen. Sie werden in der vorliegenden Arbeit zur Referenz auf die Quellen verwendet. Mittelbairisch (Wien) (Mbair) Mbair I
= G.H. Buijssen, Durandus' Rationale in spätmittelhochdeutscher Übersetzung. Das vierte Buch nach der Hs. CVP 2765. Assen 1966 (Studia Theodisca). [Hs. wohl Wien 1384] Ausgewählt: S. 1-39.
Mbair III
= Die Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin (14391440). Hrsg. v. Karl Mollay. Wien 1971 (Wiener Neudrucke 2). [Hs. Wien um 1450] Ausgewählt: Gesamttext.
Mbair V
= Moscouia der Hauptstat in Reissen/ durch Herrn Sigmunden Freyherrn zu Herberstain [...] zusamen getragen [...]. Wien 1557 bei Michael Zimmermann. Ausgewählt: Bl. Br-Eijv,30.
M 35
Vgl. Graser 1974:355 sowie Henne 1974:92. Für weitere Daten wie Zuordnungsqualität, Überlieferungsform, Lokalisierung, Datierung und Biographie der Texthersteller vgl. Graser/Wegera 1978:84-91 sowie Hoffinann/Wetter 1985.
Matenalgnindlage
Mbair VII
=
13
Mercks wol Soldat! Das ist: Die Glon von dem Heiligen Ritter Georgio, Schuldige Lob=Red. [...] Durch P. F. Abraham ä S. Clara Reformirten Augustiner Baarffisser und Klyserlichen Prediger [sowie] Oesterreichisches Deo Gratias, Das ist: Eine ausführliche Beschreibung eines Hochfeyerlichen Danck=Fests [...] Samt einer kurtzen Predigt/ (...] vorgetragen. Durch P.F. Abraham έ S. Clara Reformirten Augustiner Baarffisser und Klyserlichen Prediger. Wien 1680 bei Peter Paul Vivian. Ausgewählt: Gesamttext (jeweils abgekürzt zitiert als GE bzw. GR). Ostschwäbisch (Augsburg) (Oschwäb)
Oschwäb I
=
Das "Buch von Troja" von Hans Mair. Kritische Textausgabe von Hans-Josef Dreckmann. München 1970. [Hs. Augsburg 1393] Ausgewählt: S.7-51,24.
Oschwäb III =
Das büch von dem leben vnd Sitten der heydnischen maister. Augsburg 1490 bei Anton Sorg. Ausgewählt: Bl. II r -XL r , 15.
Oschwäb V
=
Kurtzer vnd einfSltiger Bericht/ von des Herren Nachtmal [...] Durch Jacobum Andree [...] der hayligen Schlifft Doctor/ vnnd Prediger zfi Göppingen. Augsburg 1557 bei Hans Gegler. Ausgewählt: Bl. 18v-81r,13.
Oschwäb VII =
Medicus Eucharistico-Augustanus, Oder Göttlicher Augspurgischer Artzt [...] Durch R.P. Marcum Eschenloher, gedachten Orths [...] Priestern. Augsburg 1678 bei Johann Schönig. Ausgewählt: S.l-90. Schwäbisch (Schwäb)
Schwäb I
=
Cod. theol. et phil. 4° 74 der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart: Hie vahet an das bfich von den hailigen altvStern. [Hs. schwäb. Ende 14. Jh.] Ausgewählt: Bl. 67 Γ ,11-11Γ,10.
Schwäb III
=
Der Eunuchus des Terenz. Uebersetzt von Hans Neidhart 1486. Hrsg. v. H. Fischer. Tübingen 1915 (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart 265). [Dr. Ulm 1486 bei Konrad Dinckmut] Ausgewählt: S.3-71.
14
Einleitung
Schwäb V
= Leonhard Rauwolfen/ der Artzney Doctorn/ vnd bestehen Medici ζβ Augspurg. Aigentliche beschreibung der Raiß/ so er [...] inn die Morgenländer [...] selbs volbracht [...]. (Lauingen) 1582 (bei Leonhart Reinmichel). Ausgewählt: S. 1-45,24.
Schwäb VII
= Memminger Chronick [...] Durch Christoph Schorern/ der freyen Kfinsten vnd der Artzney D. Ffirstl. Wfirtenbergis. Mümpelgartischen Rath/ vnd bestellten Physicum zu Memmingen. Ulm 1660 bei Balthasar Kühn. Ausgewählt: Bl. (2)r-(4)v, S.l-36 (=B) sowie 1-20 (=C). Elsässisch (Straßburg) (Eis)
Elsl
= Des Gottesfreundes im Oberland [=Rulmann Merswin's] Buch von den zwei Mannen. Nach der ältesten Strassburger Handschrift hrsg. v. F. Laudiert. Bonn 1896. [Hs. Straßburg wohl zwischen 1352 und 1370] Ausgewählt: S. 1-36,33.
Eis III
= Das Buch der Cirurgia des Hieronymus Brunschwig. Begleit-Text von G. Klein. München 1911 (Alte Meister der Medizin und Naturkunde in Facsimile-Ausgaben und Neudrucken des 15.-18. Jahrhunderts 3). [Dr. Straßburg 1497 bei Johann Grüninger] Ausgewählt: Bl. XHP-XXXV*
Els V
= Georg Wickram. Sämtliche Werke. Hrsg. v. H.-G. Rolofif. Vierter Band: Von Güten und Bösen Nachbaurn. Berlin 1969 (Ausgaben deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts). P r . Straßburg 1556 bei Johann Knobloch d.J.] Ausgewählt: S.5-50,17.
Els VII
= Gesichte Philanders von Sittewald von Hanß Michael Moscherosch. Hrsg. v. F. Bobertag. Berlin 1883 (Deutsche National-Litteratur 32). P r . Straßburg 1650 bei Johann Philipp Mülbe und Josias Städel] Ausgewählt: S.7-55,30. Osthochalemannisch (Ohchal)
Ohchal I
= Die sogenannte "Mainauer Naturlehre" der Basler Hs. Β VIII27. Abbildung, Transkription, Kommentar. Hrsg. v. H. R. Plant, M. Rowlands und R. Burkhart. Göppingen 1972 (Litterae. Göppinger Beiträge zur Textgeschichte 18). [Hs. ohchal. Ende 14. Jh.] Ausgewählt: Gesamttext.
Materialgmndlage
15
Ohchal III
= Gerold Edlibach's Chronik mit Sorgfalt nach dem Original copirt und mit einer gleichzeitig verfertigten Abschrift genau verglichen und aus derselben vermehrt und ergänzt von J. M. Usteij. Zürich 1847. [Hs. Zürich 1485-86] Ausgewählt: S. 1,11-22,4.
Ohchal V
= Von Gespinsten vngehüren/ fSlen/ vfi anderen wunderbar dingen [...] kurtzer vnd einfaltiger bericht/ gesteh durch Ludwigen Lauater diener der Kirchen zfl Zürych. Zürich 1578 bei Christoph Froschauer d.J. Ausgewählt: Bl. 12r-41r,27.
Ohchal VII
= Mythoscopia Romantica: oder Discours Von den so benanten Romans, Das ist/ Erdichteten Liebes= Helde= und Hirten=Geschichten [...] Verfasset von Gotthard Heidegger/ V.D.M. Zürich 1698 bei David Geßner. Ausgewählt: S. 1-80,28.
Ostfränkisch (Nürnberg) (Ofr) Ofr I
=
[Mönch von Heilsbronn, Von den sechs Namen des Fronleichnams] Erster Text der Sammelhandschrift der Stadtbibliothek Nürnberg Cent IV, 38. [Hs. ofr. Ende 14. Jh.] Ausgewählt: Bl. ΙΙνβ,17-ΧΙΧΛ,31.
Ofr III
= Eine neue Quelle für die Kenntnis des mystischen Lebens im Kloster Pillenreuth. (Untersuchungen und Texte). [Hrsg.] v. Elvira Langen. Diss. Heidelberg 1960. [Hs. Pillenreuth 1463] Ausgewählt: Gesamttext.
Ofr V
= Summaria Vber die gantze Bibel [...] Durch M. Vitum Dieterich/ weyland Prediger zu Nürnberg [...]. Nürnberg 1578 bei Katharina Gerlach und Johann von Bergs Erben. Ausgewählt: NT Bl. XVIIIr,20-XXXv,41.
Ofr VII
= Spiegel der Ehren des [...] Erzhauses Oesterreich [...] 1212 anfallend [...] 1519 sich endend. Erstlich vor mehr als C Jahren verfasset/ Durch [...] Johann Jacob Fugger [...]; Nunmehr aber [...]/ Aus dem Original neu-fiblicher fimgesetzet [...] erweitert [...] Durch Sigmund von Birken. Nürnberg 1668 bei Michael und Johann Friedrich Endter. Ausgewählt: S.66-104.
16
Einleitung
Hessisch (Hess) Hess I
Oxforder Benedictinerregel. Hrsg. v. E. Sievers. [Beigefügt dem] Verzeichnis der Doctoren, weiche die Philosophische Facultät [...] in Tübingen im Decanatsjahre 1866-1887 ernannt hat. Tübingen 1887. [Hs. hess. 14. Jh.] Ausgewählt: S.l-40.
Hess III
[Johann Wonnecke von Cube], Hortus Sanitatis Germanice. Mainz 1485 bei Peter Schöffer d.Ä. Ausgewählt: Kap.lxxvj-cxxiij.
Hess V
Americae Achter Theil. In welchem Erstlich beschrieben wirt das MSchtige vnd Goldtreiche Königreich Guiana [...] durch [...] Walthern Ralegh Rittern vnd Haupzmann vber jrer Κδη. Mayest. auß Engellandt Leibs Guardi [...]. Alles erstlich in Engelländischer Sprach außgangen/ jetzt aber auß der Holländischen translation in die Hochteutsche Sprache gebracht/ durch Avgvstinvm Cassiodorvm Reinivm [...]. Frankfurt 1599 bei Matthäus Becker. Ausgewählt: Bl. ijr-iiijr und S. 1-23,42.
Hess VII
[Hiob Ludolf], Allgemeine Schau=B5hne der Welt/ Oder: Beschreibung der vornehmsten Welt=Geschichte [...]. Frankfurt 1699 bei Johann David Zunner d.J. Ausgewählt: Sp.27,16-66,56. Ripuarisch (Köln) (Rip)
Rip I
Dat nuwe Boych. In: Quellen zur Geschichte der Stadt Köln. Hrsg. v. L. Ennen und G. Eckertz. Bd. I. Köln 1860. [Hs. Köln 1396] Ausgewählt: S.422-444.
Rip III
Die Cronica van der hilliger Stat vä CoellS. [Köln 1499 bei Johann Koelhoff d.J.]. (Reprograph. Nachdr. Köln 1972). Ausgewählt: Bl. ΙΓ-ΧΙΓ.
Rip V
Vonn Warer/ Wesentlicher/ vnd Pleibeder Gegenwertigkeit des Leybs vnd Blfits Christi [...] Durch Iohannem Gropperum D. Archidiacö der H. Kirchen zu Cfillen. Köln 1556 bei Jaspar Gennep. Ausgewählt: Bl. ΠΓ-ΧΧΠΓ.11.
Rip VII
Außffihrliche Widerhol= vnd Vermehrung Der kfirtzen Bedencken Vom beständigen Baw auff den Felsen vnd nicht auf den Sand [...] Durch R. P. Iohannem Rosenthal der Societät Iesv Priestern [...]. Köln 1653 bei Hermann Mylius. Ausgewählt: S.4-43,29.
Materialgrundlage
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Thüringisch (Thür) Thür I
Zwei Psalter aus dem 14. Jahrhundert (Dresden Ms. 287 und Hamburg in scr. 142) und drei verwandte Bruchstücke [...] Hrsg. v. H. Eggers. Berlin 1962 (Deutsche Texte des Mittelalters 53). [Hs. Erfurt vollendet 1378] Ausgewählt: Dresden Ms. 287 S. 1-79,21.
Thür III
Düringische Chronik des Johann Rothe. Hrsg. v. R. von Liliencron. Jena 1859 (Thüringische Geschichtsquellen 3). [Hs. thür. 2. Hällle 15. Jh.] Ausgewählt: S. 11-42,24.
Thür V
Thüringische Chronick oder Geschichtsbuch [...] Anfenglich auss einem alten geschriebenen [...] Exemplar colligirt [...] vnd ferner durch weiland Ern Friderichen Schmidt Pfarherrn zu Grossen Beringen reuidirt vnd vermehret/ dann [...] von andern [...] continuirt. Jetzo aber [...] in Druck geben/ durch Johan Bangen. Mülhausen 1599 bei Andreas Hantzsch.r v Ausgewählt: Bl. l -25 ,19.
Thür VII
M. Georg Gfizens/ der Wohllöbl. Philos. Facult. zu Jehn Adjuncti, Leich=Abdankungen/ Nebenst einem Anhange ezzlicher Deutscher Reed=Ubungen/ Izzo Wieder6m fibersehen [...]. Jena 1664 bei Johann Jakob Bauhöfer. Ausgewählt: S. 162-318 (unter Ausschluß der Verspartien). Obersächsisch (Obs)
Obs I
Altdeutsche Predigten. Hrsg. ν. Α. E. Schönbach. Erster Bd.: Texte. Graz 1886. [Hs. obs. Mitte 14. Jh.] Ausgewählt: S.3-34,10.
Obs III
Sermon des grosz gelarten, in gnads erlaucht doctoris Johannis Thauleri predigen* ordens [...]. Leipzig 1498 bei Konrad Kachelofen. Ausgewählt: Γ-ΧνΓ*.
Obs V
Passionale Mathesij, Das ist/ CHristliche vnnd andechtige Erklerung vnd Auflegung des Zwey vnd Zwantzigsten Psalms/ vnd Drey vnd Funfitzigsten Capitels des Propheten Esaiae [...] geprediget Durch [...] M. Joharuiem Mathesium/ weyland Pfarrer in S. Joachimsthal. Leipzig 1587 bei Johann Beyer. Ausgewählt: Bl. 33r-56v,27.
18
Obs VII
Einleitung
=
Christian Weisens Neue Jugend=Lust/ Das ist/ Drey Schauspiele: [...] II. Von der Sicil. Argenis [...]. Wie selbige Anno MDCLXXXIII. Von den gesamten Studirenden im Zittauischen Gymnasio aufgef&hret worden. Leipzig 1684 bei Johann Köhler. Ausgewählt: S.79-155.
Die von vorneherein beabsichtigte 'gesamthafte' Auswertimg des Korpus erwies sich auf Grund des Befundes nach der Auswertung des Kernkorpus als sinnvoll, da so insbesondere die 'Lücken' um Zeitraum V, der v.a. in der deadjektivischen Substantivableitung mit -heit einen Einschnitt bedeutet,36 aufgefüllt und die sich abzeichnenden Entwicklungen präzisiert werden konnten. Das zu diesem Zweck herangezogene Zusatzkorpus umfaßt Texte aus den Zeiträumen IV (1500-1550) und VI (1600-1650), wobei jeder Einzellandschaft ein Text pro Zeitabschnitt zugeordnet ist (insgesamt 20 Texte). Zusätzlich wurden zwei weitere Landschaften, Schlesisch und 'Norddeutsch' mit je zwei Texten (^insgesamt vier Texte) in die Untersuchung miteinbezogen. Auch auf diese Texte treffen die oben beschriebenen Anforderungen hinsichtlich Qualität37 und Quantität zu. Der einzige Unterschied besteht darin, daß sie nicht für die EDV aufbereitet sind (s.o.), also ausschließlich manuell bearbeitet werden mußten. Gleichwohl wurden auch die Texte das Zusatzkorpus wie die des Kernkorpus vollständig ausgewertet.38 Es handelt sich um die folgenden Quellen: Mittelbairisch (Wien) (Mbair) Mbair IV
Ain löblicher vn nützlicher Tractat: Von Beraitüg vn brauchung der wein Wie er gesamelt/vnnd erkennt/daß er nit bruchig oder zerst6rlich/vnnd so er yetz gebrochen/widerumb zfi krafit gebracht werd. [...] Gemacht durch Arnoldum de nova villa. [Übers, ν. Wilhelm v. Hirnkofen], (Wien 1532 bei Hans Singriener). In Faksimile hrsg. und mit einem Vorwort versehen von Lothar Hempe. Stuttgart 1956. Ausgewählt: Bl. ΑΓ-Εί\Λ
Mbair VI
Probstein/Oder Censur deß Lutherischen Tractltls [...]: Wann wilt du Catholisch werden? [...] an die Hand gegeben Durch P. Matthiam Fabrum [...]. Wien 1650 bei Matthäus Rickhes. Ausgewählt: Bl. Ar-Exijr.
34
Vgl. die Ergebnisse in Kap. IV. D.h., sie unterliegen den gleichen strengen Auswahlkriterien, die auch für das Kernkorpus gelten. Vgl. Gr.d.Frnhd.VI:50. 3 * Gewisse Abstriche mußten aus arbeitstechnischen Gründen bei der innertextlichen Basenbestimmung gemacht werden; hier wurden stärker die unten angegebenen lexikographischen Hilfsmittel eingesetzt. Zum methodischen Vorgehen vgl. Abschnitt 5.1. 37
Materialgrundlage
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Ostschwäbisch (Augsburg) (Oschwäb) Oschwäb IV =
[Christoff Wirsung:] Ain Hipsche Tragedia νδ zwaien liebhabendfi mentschen ainem Ritter Calixstus vfi ainer EdlH junckfirawen Melibia [...]. (Augsburg 1520 bei Sigmund Grimm und Marx Wirsung). Ausgewählt: Bl. Dijv-Fjr und Ovijv-Pvijv.
Oschwäb VI = Des Augsburger Patriciers Philipp Hainhofer Beziehungen zum Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin. (Korrespondenzen aus den Jahren 1610-1619 im Auszuge mitgetheilt und commentiert v. Oscar Doering. Wien 1894 (= QuKK NF 6). Ausgewählt: S.l-43. Schwäbisch (Schwäb) Schwäb IV
=
WEltböch: spiegel vn' bildtniß des gantzen erdbodens von Sebastiano Franco Wördensi [...J. (Tübingen) 1534 (bei Ulrich Morhart d.Ä.). Ausgewählt: Bl. ijr-xvv.
Schwäb VI
= Reisen und Gefangenschaft Hans Ulrich Kraflts. Aus der Originalhandschrift hrsg. v. K. D. Haszier. Stuttgart 1861 (=BLV61). Ausgewählt: S.5-41. Elsässisch (Straßburg) (Eis)
Els IV
=
Von dem anfang und Wesen der hailigen Statt Jerusalem [...] Durch Sebastianum Brant [...]. Straßburg 1518 [bei Johann Knobloch d.Ä.]. Ausgewählt: Bl. Γ-ΧΧΙΙΙΓ.
Els VI
= Beschreibimg Vnd Widerlegung/Etlicher Mißbrluche vnd Irrthumb/so biß anhero in dem Gebrauch der Saurbrunnen/ vnd andern warmen vnd kalten BSdern bey vns f&rgangen [...] Durch Melchiorem Sebizium [...]. Straßburg 1647 bei Johann Philipp Mülbe. Ausgewählt: S.8-97. Osthochalemannisch (Ohchal)
OhchallV
= Bericht der krancken. [...] kurtzer vnnd einfalter bericht Heinrychen Bullßingers. [Zürich 1544 bei Christoph Froschauer d.Ä.]. Ausgewählt: Bl. Aiijr-Ejv.
20
Ohchal VI
Einleitung
= Raetia: Das ist/Außföhrliche vnd wahrhaffle Beschreibung Der dreyen Loblichen Grawen Bündten vfi anderer Retischen vÖlcker [...] an tag geben Durch Johansen Guler von Weineck [Zürich 1616 bei Johann Rudolf Wolf], Ausgewählt: Bl. Γ-1Γ. Ostfränkisch (Ofr)
Ofir IV
= Hierin sind begriffen vier bücher von menschlicher Proportion/durch Albrechten D6rer von Nfirenberg erfunden vnd beschriben [...]. (Nürnberg 1528 bei Hieronymus Formschneider). Reproduktion Unterschneidheim 1969. Ausgewählt: Bl. Siijv-Yijv.
Ofr VI
= Arcana naturae [...] zusamen getragen Durch [...] M. Zachariam Theobaldum Pfarrern Zum Kraffis-hof. Nürnberg. [Nürnberg 1628 bei Ludwig Lochner]. Ausgewählt: S.l-56. Hessisch (Hess)
Hess IV
= Der gantzen Artzenei gemeyner Inhalt [...]. Newlich in Truck verordnet durch D. loan. Dtyandrum Medicum, Ordinarium Zu Marpurgk. Frankfurt/M. (1542) bei Christian Egenolif. Ausgewählt: Bl. l v -4 r u. 33v-41v.
Hess VI
= Zwey Rechtliche Bedencken Von der Succession vnd Erbfolge defi Königlichen Geschlechts vnd Stamms in beyden Königreichen Hungern vnd Bßheim; [...] an tag gegeben Durch [...] Herrn Melchior Goldasten von Heiminsfeld [...]. Frankfurt/M. 1627 bei Wolfgang Hoffmann. Ausgewählt: S.l-31. Ripuarisch (Köln) (Rip)
Rip IV
= Dit ys die Hystorie van deme Strengen Rytter Tundalus. (Köln um 1509 bei Heinrich von Neuß). Ausgewählt: Bl. Ar-Fijr.
Rip VI
= Macht/Reichthum/vn Einkommen aller Keyser/K6nige vnd f&rnembsten Fürsten der gantzen Welt. [...] Erstlich durch [...] Johannem Boterum Geneser in Italienischer Sprach außf&hrlich [...] beschrieben [...] aber aus der verdolmetschung desselben die furnembste [...] materien außgezogen/und in gegenwertiges Handbfichlin verfasset durch Matthis Quaden [...]. Köln 1606 bei Wilhelm Lützenkirchen. Ausgewählt: Bl. *jr (Vorrede)-Divf.
Materialgrundlage
21
Thüringisch (Thür) Thür IV
Ein nutzlich Regiment wie man sich halten sol das man gesunden leyb behalt [...] durch Joanne Copp νδ Lantspurg [...] gemacht. (Erfurt 1S21 bei Matthes Maler). Ausgewählt: Bl. 2V-19V.
Thür VI
Artliche vnd nfitzliche Erklerung des Buchs Tobiae [...]. Gestellet vnd [...] geprediget Durch Michaelem Saxonem [.,.). Jena (1604) bei Tobias Steinmann. Ausgewählt: S.l-32.
Obersächsisch (Obs) Obs IV
Prognosticatio vnd Erklerung der grossen Wesse rung [...] so sich begebe [...] funfftzehenhundert νδ xxiiij. iar Durch mich Magistrü Johannem Carion vfi BQetikaym Churfurstlicher gnaden zu Brandenburg Astronomü [...]. Leipzig 1522 bei Wolfgang Stöckel. Ausgewählt: Bl. Ar-Biiijr.
Obs VI
[Christian Brehme], Die Vier Tage Einer Newen und Lustigen Schlfferey/Von der Schönen Coelinden Und Deroselben ergebenen Schiffer Corimbo. Dresden 1647 bei Gimel Bergens Erben. Ausgewählt: Bl. Br-Fviijv.
Schlesisch (Schles) Schles IV
Die große Legende der heiligen Frau Sankt Hedwig [...]. Faksimile nach der Originalausgabe [...], hrsg. v. Joseph Gottschalk, Wiesbaden 1963. (Breslau 1504 bei Konrad Baumgarten). Ausgewählt: Bl. Aijr-Evjr.
Schles VI
Auslegungen vber den Lobgesang des Herren Jesu Christi. In: Martin Opitz: Gesammelte Werke. Kritische Ausgabe. Hrsg. v. G. Schulz-Behrend. Bd. I: Die Werke von 1614 bis 1621. Stuttgart 1968, 318-380. (= BLV St Publikation 295). Ausgewählt: S.318-349.
22
Einleitung
Norddeutsch (Norddt) Norddt VI
= Das Grosse Pomrische Kirchen Chronicon D. Danielis Crameri. (Stettin 1628 bei Nikolaus Barthold). Ausgewählt: S.l-27.
Norddt VII
=
Norden/Oder Zu Wasser und Lande im Eise [...] Erfahrung und Vorstellung des Norden [...] dargereichet [...] von Rudolfif Capel [...]. Hamburg 1678 bei Johann Naumann. Ausgewählt: S.l-45.
Als wesentlich fiir die Bearbeitung des Materials erwiesen sich einige Wörterbücher, die jedoch nicht als Quellen, sondern als, allerdings unentbehrliche, lexikographische Hilfsmittel insbesondere zur Basenbestimmung gedient haben. Es sind dies v.a. die zeitgenössischen Wörterbücher von Dasypodius (D), Maaler (M), Schottelius (Sch), und Stieler (S) sowie das "Deutsche Wörterbuch" von J. und W. Grimm (DWB) und die neuzeitlichen Wörterbücher von Lexer (Lex) und Schiller/Lübben (Sch/L).39
3.2 Korpusbeurteilung Die Arbeit mit dem Korpus Frnhd. hat sowohl gewisse Beschränkungen als auch Möglichkeiten der Interpretation aufgezeigt, die im folgenden kurz zusammengefaßt werden sollen. Als ein veibesserungswürdiger Aspekt hat sich außer der nur 'ansatzweisen' Gliederung nach Textsorten, die schon in der Anfangsphase der Korpuserstellung Kritik hervorgerufen hat,40 die ungleichmäßige Streuung der Textsorten herauskristallisiert. Dem Ist-Zustand, daß jeder Zeitraum in jeder Landschaft mit einem Text besetzt ist, der aber nicht notwendigerweise derselben Textsorte angehört, steht die Idealvorstellung gegenüber, daß je Zeitabschnitt und Sprachraum eine je gleiche Anzahl der gleichen Textsorten vorliegt. Dies würde eine genauere Vergleichbarkeit ermöglichen sowie die Untersuchung von vermuteten textsortenabhängigen Phänomenen zuverlässiger gestalten. Allerdings sind dem Grenzen gesetzt durch die großen Schwierigkeiten, geeignetes Quellenmaterial zu beschaffen, also Texte, die den fur die Korpuserstellung aufgestellten Zuordnungskriterien genügen,41 so daß diesbezügliche Kompromisse unumgänglich erscheinen.
19 40 41
Vgl. die bibliographischen Angaben im Literaturverzeichnis. Vgl. bereits oben Abschnitt 3.1. Vgl. Graser/Hoffinann 1973:186 und vgl. Graser/ Wegera 1978:76 in Verbindung mit 82f.
Materialgrundlage
23
In Kombination mit der erstgenannten Beschränkung tritt der Umstand, daß die einzelnen Texte auf den Umfang der oben (s. Abschnitt 3.1) bereits erwähnten 30 'Normalseiten' reduziert sind. Diese forschungspragmatisch begründete Seitenzahl hat sich hinsichtlich ihrer Ergiebigkeit in der Vergangenheit bereits als abhängig von dem je untersuchten Phänomen erwiesen.42 Auch fur die vorliegende Albeit mögen einzelne Texte einen zu geringen Umfang haben, um insbesondere die seltener vertretenen Suffixe -ida und -i erschöpfend untersuchen zu können. Dem konnte allerdings zumindest teilweise begegnet werden durch die vollständige Exzerption der Texte des Zusatzkorpus. Wesentlich erscheint mir jedoch v.a., daß mit dem Korpus eine hinsichtlich der biographischen Daten der Texthersteller abgesicherte sowie nach den Kriterien Raum und Zeit systematisch strukturierte und somit recht verläßliche Textbasis vorliegt, die es ermöglicht, Strukturen von Phänomenen adäquat zu erfassen.43 Vor diesem Hintergrund ist auch das für die Beurteilung eines Korpus wichtige Kriterium der Repräsentativität zu sehen.44 Auf Grund der besonderen Bedingungen, die für die Beurteilung von Textkorpora älterer Sprachstufen gelten müssen,45 kann eine Repräsentativität im strengen statistischen Sinne nicht beansprucht werden. Stattdessen kann von einem strukturierten46 Korpus wie dem bearbeiteten exemplarische Gültigkeit angenommen werden.47 Hinsichtlich des einzelnen Textes darf zwar die Möglichkeit idiosynkratischer Züge nicht übersehen werden und muß durch das Korrektiv weiterer Exzerptionen relativiert werden;48 hingegen ist für "die Gesamtheit seiner Texte [...] eine solche Exemplarität des Korpus für die frnhd. Entwicklung zu behaupten." (Gr.d.Frnhd.VI:49).
43
41
44
45 46 47 48
So hat sich die Textgrundlage für Untersuchungen der Verbflexion (vgl. Gräser/ Wegera 1978:83) als ausreichend erwiesen, während einer umfassenden Analyse der Diminutivsuffixe materialbedingte Grenzen gesetzt waren (Wegera 1982:217). Ähnlich dem nhd. 'Vorbild', der "Deutschen Wortbildung", die die Darstellung der Tendenzen' in der Gegenwartssprache zum Ziel hat. Eine für das Nhd. so vorsichtig formulierte Zielsetzung wird um so mehr für eine zurückliegende Sprachstufe des Deutschen gelten müssen. Vgl. hierzu Hoffmann/Wetter 1985:XIIf, Gr.d.Fmhd.Vl:48-50 sowie insbesondere die eingehende Erörterung von Wegera 1987:22-26. Vgl. Hoffmann/Wetter 1985:XII sowie Wegera 1987:23. S.o. die Gliederungsaspekte Raum und Zeit sowie die strengen Kriterien der Textauswahl. Vgl. Solms 1984:29ίΤ. Vgl. Gr.d.Fmhd.VI:49f.
24
Einleitung
4 Umfang des untersuchten Materials Die Gesamtzahl aller exzerpierten und in ihrem Kontext bestimmten Substantivableitungen, auf denen die vorliegende Arbeit basiert, beläuft sich auf 763 Bildungen in 5.958 Belegen.49 Das Gros davon entfällt mit 600 Bildungen in 4.386 Belegen auf die Ableitungen mit -heit/-keit. Die zweitgrößte Gruppe repräsentieren die -/-Derivate mit 120 Lexemen in 961 Belegen, und die Substantivableitungen auf -ida sind mit 43 Lexemen in 611 Belegen vertreten. Die zu den -/-Ableitungen belegten Apokopeformen wurden zwar auch in die funktionale Untersuchung hineingenommen, allerdings jeweils getrennt gezählt, da bei diesen Derivaten im strengen Sinne der Untersuchungsgegenstand, nämlich das Suffix, fehlt. Diese apokopierten Formen machen einen Anteil von 29 Bildungen in 231 Belegen aus. Die Frequenzen der im Zuge der Untersuchung bestimmten Basen lassen sich aus arbeitstechnischen Gründen nicht beziffern. Inwieweit die Menge des Belegmaterials ausreicht, um die Substantivableitung mit -heit/-keit,-ida und-/ angemessen zu erfassen, läflt sich nur schwer beurteilen. Es darf jedoch vermutet werden, daß zumindest die Strukturen der Ableitung mit den untersuchten Suffixen adäquat beschrieben werden können. Dies betrifft die formale und funktionale Ausgestaltung der Derivation mit den Suffixen, die zeitliche und räumliche Verteilung und Entwicklung der Substantivableitungen unter Berücksichtigung ihrer Nutzungsfrequenz sowie das Zusammenspiel der Suffixe bei der Derivation, v.a. im Hinblick auf systemhaft ausgeprägte Konkurrenzen. Ähnliches gilt bezüglich des lexikalischen Inventars, das in seinem Grundbestand wohl vorliegen dürfte, dabei aber, insbesondere was die -ida- und -/-Bildungen angeht, noch ausbaufähig ist.
49
Die Zahlung der Bildungen (auch 'Lexeme' genannt; zur begrifflichen Festlegung vgl. Abschnitt 5.2) erfolgt in Anlehnung an DW2 (vgl. auch die Obersichten in Kap.V). Abweichungen der Lexemzahlen auf Grund der distributioneilen Übersichten in Kap. III sind durch den Ausschluß des funktionalen Aspektes sowie bzgl. der Varianten von -heit durch die zusatzliche Aufflcherung nach Suffixformen bedingt. Anders als in DW2 werden auch Belegzahlen aufgeführt; diese sind den Distributions-Übersichten aus Kap. III in der Spalte 'Belege' zu entnehmen.
Untersuchungsmethode, Terminologie, Darstellungsweise
25
5 Untersuchungsmethode, Terminologie, Darstellungsweise 5.1 Untersuchungsmethode Der Untersuchung von Wortbildungen im Frühneuhochdeutschen haftet ein grundsätzliches Problem an, das sich bei einer jeden Erforschung von historischen Stufen einer Sprache stellt: Es fehlt die 'native Speaker-Kompetenz, die ein induktives Vorgehen bei der Sprachbetrachtung, sogar bei einer zeiüich noch relativ nahe gelegenen Sprachstufe wie dem Frnhd. nicht angebracht erscheinen läßt. Aus diesem Grunde muß die gewählte Untersuchungsmethode Möglichkeiten der Objektivierung beinhalten, die dem Untersuchenden eine Art "Ersatzkompetenz' verschaffen. In der vorliegenden Arbeit wurde dieser objektivierende Zugriff anhand eiAes Verfahrens realisiert, das bereits bei der Untersuchung der Wortbildung des Verbs angewendet worden ist.50 Es besteht aus den folgenden sechs Schritten:51 1. In einem ersten Schritt erfolgt die Bestimmung deijenigen Substantivableitungen, die mit den zu untersuchenden Suffixen abgeleitet werden. Hier mußte in bezug auf die einzelnen Derivationsmorpheme und die beiden Korpustexte unterschiedlich vorgegangen werden: Die -Ae/f/-A:e/Y-Ableitungen liegen für das Kernkorpus in segmentierter Form vor, waren also per EDV abrufbar; aus dem nicht gespeicherten Zusatzkorpus mußten sie hingegen manuell herausgesucht werden. Die frnhd. Entsprechungen der Ableitungen auf -i und -ida sind in den Korpustexten nicht segmentiert; überdies handelt es sich um Bildungen, die im Frnhd. mit formal reduziertem Suffix auftreten und dadurch mit Formen anderer Herkunft deckungsgleich bzw. von diesen nicht ohne weiteres zu unterscheiden sind.S2 Aus diesem Grunde wurden sämtliche Substantivableitungen, die auf Dentalsuffix bzw. die Suffixform -e ausgehen, sprachhistorisch zurückverfolgt (vgl. auch Abschnitt 3.1), für die gespeicher-
50 51
,2
Vgl. Prell/Solms 1987:95f sowie Prell 1991:35ff. Diese greifen zum Teil ineinander, sind also nicht immer als eine strenge Aufeinanderfolge vorzustellen. Derartige Bildungen wie z.B. hitzde, das auf ein Femininum mit /-Suffix hitza 'Hitze' (vgl. Wilmanns J 1899:251) zurückzuführen ist, werden bei diesem Arbeitsgang von vorneherein aus der Untersuchung ausgeschlossen. Dies geschieht in dem BewuBtsein, daß eine solche Vorgehensweise insofern problematisch ist, als sie einer streng synchronen Analyse entgegensteht Wenn hier dennoch das synchrone mit dem diachronen Verfahren verbunden wird, so hat dies einen pragmatischen Grund: Die bei einer streng synchronen Untersuchung anfallende Belegmenge würde, unter Anwendung der hier zugrundegelegten Analyse- und Darstellungsmethode, den Rahmen der Arbeit sprengen.
26
Einleitung
ten Korpustexte anhand nach Nennformen geordneter Listen, für die Quellen des Zusatzkorpus auf Grundlage der Originaltexte.53 2. Die so gewonnenen Derivate werden in ihrem jeweiligen Kontext aufgesucht und semantisch-syntaktisch bestimmt. Zu diesem Zweck werden Kontextlisten ausgedruckt bzw. in bezug auf das Zusatzkorpus die Bildungen im Originaltext ermittelt. 3. Im dritten Schritt erfolgt die Segmentierung der Derivate in Basis und Suffix, indem die den Substantivableitungen zugrundeliegende Basis bestimmt wird. Es ist hierbei besonders sorgfältig vorzugehen, da sich auf dieser Grundlage eine erste Unterteilung nach Basiswortarten ergibt (z.B. Basissubstantiv (BS), Basisadjektiv (BA), Basisveib als zweites Partizip (BV(PII)) usw.), die bereits für die spätere funktionale Klassifizierung von Bedeutung ist. Die oben skizzierte historische Ersatzkompetenz wird dadurch ergänzt, daß bestimmte Bedingungen bei der Zuordnung der Basen zu beachten sind: - Die Basen sollten in möglichst großer räumlicher und zeitlicher Nähe zur jeweiligen Substantivableitung belegt sein, idealerweise in dem Text, in dem auch die Wortbildung auftritt, ansonsten in einem zeitlich und/oder landschaftlich benachbarten Text. Basen, die sich mit diesem Verfahren innerhalb des Korpus nicht nachweisen lassen, müssen mit lexikographischen Hilfsmitteln (s.o. Abschnitt 3.1) ermittelt werden. - Für die Basen, die sich innerhalb des Korpus nachweisen lassen, ist zusätzlich eine ausreichende Belegdichte54 erforderlich, um die "synchrone Motiviertheit" (Prell 1991:36) der Substantivableitungen begründen zu können. Insbesondere dieses Kriterium soll dazu beitragen, eine annäherungsweise 'frnhd. Sprecherkompetenz1 zu begründen. - Über die genannten Kriterien hinaus muß oft zusätzlich noch eine semantische Analyse der Basis erfolgen, um die Beziehung zwischen Basis und Ableitung angemessen zu erfassen.55
53
M
55
Vgl. auch Abschnitt 3.1. Auf die gleiche Weise ist Grunewald 1944:2 bei der methodischen Ermittlung von -ΐ-Bildungen verfahren: "Da die endung e im mnd. mehrfachen ursprung haben kann (z.b. -a, -o oder -i), kann die identität einer ableitung mit diesem suffix (=got. -ei, -eins, ahd. -! etc) im mnd. in der regel nur duch [sie !] heranziehung der entsprechenden Wörter in den Siteren germ, dialekten festgestellt werden." (Kleinschreibung ebd.). Den Grad der Basisnlhe einer Wortbildung unter räumlich-zeitlichen Aspekten in Zusammenhang mit ihrer Belegdichte bezeichnen Habennann/Maller 1989:55 als " M o t i v a t i o n s d i c h t e", die bei ihnen zu einer Klassifizierung der Bildungen nach BasisrSngen führt. Dieser Teilschritt spielt insbesondere eine Rolle bei der Identifizierung von idiomatisierten Bildungen oder eventuell vorliegender Doppelmotivation. Vgl. Habermann/Müller 1987:133.
Untersuchungsmethode, Terminologie, Darstellungsweise
27
Der beschriebene Segmentierungsvorgang ist fur die Analyse der Suffixe insofern von Bedeutung, als er die Voraussetzung für die graphisch-morphologische Beschreibung darstellt, die in Kap. III erfolgt. 4. Den vierten Schritt, die semantisch-syntaktische Analyse der Wortbildungen, habe ich abweichend von Prell/Solms und Prell (s.o.) in zwei Teilschritte gegliedert. Dabei liegt der Schwerpunkt im ersten Teilschritt eher auf der syntaktischen, im zweiten eher auf der semantischen Seite der Untersuchung. a) Um die funktionalen Beziehungen zwischen den Bestandteilen der Wortbildungen (im vorliegenden Fall: Basis und Suffix) zu bestimmen, werden die Ableitungen in syntaktische Konstruktionen umgeformt (transformiert, paraphrasiert), die "annähernd das Gleiche aussagen" (Wellmann 41984:389), z.B.: die Breite des Flusses -> 'die Tatsache, daß der Fluß breit ist'.56 Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß zwischen dem Basismorphem und dem Wortbildungsmorphem einer Bildung eine semantische Beziehung besteht, die durch Umformung in ein korrelates Basissyntagma (Transformation,57 Paraphrase) abbildbar ist. Der entscheidende Punkt bei der Umformung ist jedoch, daß es sich hierbei um eine "bereits metasprachliche Paraphrase [handelt], für die zwar semantische Angemessenheit, nicht aber objektsprachliche Usualität zu fordern ist."58 Der Sinn der Paraphrasemethode besteht darin, daß alle diejenigen Substantivableitungen, die sich bei identischer Basiswortart auf strukturell gleiche Basissätze zurückführen lassen, einen Ableitungstyp bilden.59 Die Technik der Umformung in semantisch-syntaktisch korrelate Syntagmen ist nicht unproblematisch;60 trotzdem ist sie als methodische^ Verfahren zur Erfassimg von synchronen Wortbildungsbeziehungen "zur Zeit so gut wie unumstritten". Verändert hat sich allerdings der Stellenwert der Transformationsmethode auf Grund der Entwicklungen der Wortbildungstheorie: Diese ist von einer starken Tendenz zur 'Syntaktisierung der Sprachwissenschaft' (von Polenz 1972:205) mit einem transformationali56
Der -» zeigt an, daB eine Umformung folgt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Transforniationsmethode', die jedoch deutlich abzugrenzen ist gegen die Transformationsgrammatik' der generativen Grammatik. Vgl. Stepanowa 1973:9 Iff sowie Stepanowa/Fleischer 1985:96. " Prell 1991:37. Unterstützen läßt sich die Forderung Prelis durch die Bemerkungen von Schaefer 1984:358ff zum Stellenwert der Paraphrasemethode insbesondere im Rahmen der historischen Wortbildungsforschung. 39 Auch 'Ableitungsmuster' oder 'Funktionsstand' genannt. Vgl. Abschnitt 5.2. 60 Hier ist insbesondere die Schwierigkeit zu nennen, wie fllr die Paraphrasebildung einheitliche Regeln gefunden werden können; vgl. Ortner 1984:151ff sowie Barz 1988:33. Abgesehen davon tritt Ar eine ältere Sprachstufe wie das Frnhd. die fehlende Sprecherkompetenz zum Bilden von 'fmhd.' Umformungssätzen hinzu. Wird trotzdem eine 'Ersatzkompetenz' angenommen, so legitimiert sich diese aus der Kontinuität der Sprache. 61 Prell 1991:37. Vgl. auch Stepanowa/Fleischer 1985:96$ Barz 1988:33, die Beiträge in Moser/Wolf 1989 sowie Fleischer/Barz 1992:11. 57
28
Einleitung
stisch-syntaktischcn Ansatz zu einer eher semantischen Betrachtungsweise übergegangen,62 die stärker Zusammenhänge sowohl innersprachlicher (z.B. die Kontextabhängigkeit von Wortbildungen) als auch außersprachlicher Art (z.B. die Bedeutung der Textsorte) berücksichtigt. Allerdings ist die Theoriebildung diesbezüglich noch nicht so weit vorangeschritten, daß ein zumindest allgemein akzeptiertes Konzept vorläge. b) Als Konsequenz aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich, daß über die Erfassung der 'Wortbildungsbedeutung' mittels Paraphrasierung auch ihre kontextuelle und kotextuelle Umgebung, das sind der Text- und der Situationszusammenhang (vgl. Wellmann 41984:390), zu berücksichtigen sind. Dies ist bei den frnhd. Texten insofern von besonderer Bedeutung, als der metaphorische Gebrauch von Substantivableitungen anscheinend häufiger als im Nhd. Auswirkungen auf die Zuweisung zu einem Ableitungstyp hat. So ist z.B. die deadjektivische Substantivableitung durchleuchtigkeit unter Einbeziehung des kontextuellen und situativen Bezugs zu disambiguieren als 'Name' für eine Person, der im speziellen Fall als Anrede gebraucht wird und sich in seiner Bezeichnungsfunktion auf einen adligen Würdenträger bezieht. So weit dies möglich ist, werden bei der Analyse der Wortbildungen in diesem 'semantischen' Teilschritt auch textsortenabhängige Erscheinungen festgehalten. 5. Nachdem die einzelnen Ableitungstypen ermittelt sind, werden diejenigen Ableitungsmorpheme, die im gleichen Funktionsstand zusammenwirken, zusammengestellt. Dabei werden sowohl funktionale Überschneidungen (Konkurrenzen) als auch systematische Aufteilungen (Konvergenzen) zwischen den einzelnen Suffixen deutlich.64 6. Die durch die Korpusgestaltung vorliegende Unterteilung in quasi synchrone Zeitabschnitte wird genutzt, um die im vorangehenden gewonnenen Ergebnisse unter synchronem Aspekt fur die einzelnen Zeiträume sozusagen 'schrittweise' darzustellen. Anhand der diachronen Zusammenschau dieser Befunde können dann unter verschiedenen Gesichtspunkten, wie z.B. Bildungsweise, sprachräumliche Abhängigkeit, Produktivität oder Vergleich mit dem Nhd., Entwicklungstendenzen aufgedeckt werden.
62
" 64
Auf die Notwendigkeit, sowohl die syntaktische als auch die semantische oder inhaltliche Seite der Wortbildung zu beachten, verweist bereitsfirOhErben in der Einführung zu DW1:9. Einen Überblick aber die skizzierte Entwicklung geben Ortner 1984:141-158 und Oberle 1990: 68-75. Zu den Begriffen 'Konkurrenz' und 'Konvergenz' s. Abschnitt 5.2.
Untersuchungsmethode, Terminologie, Darstellungsweise
29
5.2 Terminologie Die einzelne Substantivableitung, die als 'abstrakte Basiseinheit des Lexikons' (vgl. Bußmann 2 1990 s.v. Lexem) fungiert, wird als "Lexem' (auch 'Bildung') bezeichnet. Das Lexem kann in unterschiedlichen Wortformen im Text realisiert sein, die als *Belege' bezeichnet werden.65 In anderer Terminologie spricht man auch von der 'Type-Token-Relation' (vgl. Bußmann 2 1990 s.v.). Für die Repräsentierung des jeweiligen frnhd. Lexems habe ich mich auf Grundlage des von Reichmann für die Erstellung des "Friihneuhochdeutschen Wörterbuchs" beschriebenen Verfahrens66 dafür entschieden, eine 'Idealform' zu konstruieren,67 "die insbesondere seit der Reformation vorwiegend im Ostmittel- und Ostoberdeutschen in den literatur- und bildungssprachlichen Textsorten der sozialkulturell bestimmenden Schreibergruppen, vor allem natürlich der bedeutenden Drucker hätte verwendet werden können." (Reichmann in: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, Bd. 1:65.).
Es ist dies also eine "bessere Form', die so frnhd. nicht unbedingt existieren muß, aber kann. Die semantisch-syntaktischen Gruppierungen der Substantivableitungen (nach dem unter 5.1 beschriebenen Verfahren ermittelt) werden in Anlehnung an Prell (1991:38) als 'Ableitungsmuster' oder 'Ableitungstypen' bzw. synonym auch als 'Funktionsstände'68 bezeichnet. Kennzeichnend für einen Ableitungstyp ist: 1. Die allen Bildungen gemeinsame Basiswortart. Als Basiswortarten der untersuchten Derivate liegen vor: Basissubstantiv (BS), Basisadjektiv (BA), Basis-Modaladverb (BModadv), Basisverb in Form des Partizip Perfekt bzw. des Partizip Präsens (im laufenden Text als Part. II bzw. Part. I abgekürzt, in den Übersichten als BV(PII) bzw. BV(PI)) sowie Basisverb in Form des Infinitivs (BV(Inf)).
65
44
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68
In der vorliegenden Untersuchung werden sowohl Lexeme als auch Belege quantifiziert und ausgewiesen, da diese Unterscheidung teilweise systematisch bedeutsam ist (vgl. z.B. die Ausführungen zu den Ableitungstypen von -ida in der Zusammenfassung Kap.V.2.2. Vgl. hierzu auch Gersbach/Graf 1984:19f). DW2 macht dagegen zu der Gebrauchshäufigkeit der Derivate keine Angaben; dort wird nur die Anzahl der Bildungen (Lexeme) beziffert Vgl. die 'Lexikographische Einleitung' von Reichmann zu: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, Bd. 1:65ff, in der ausführlich die Grundlagen für die Festlegung der Nennformen im Rahmen der Lemmatisierung behandelt werden. Vgl. außerdem Anderson/Goebel/Reichmann 1979:53-122. Die Wiedergabe von frnhd. Lexemen wird in den Wortbildungsuntersuchungen zum Frnhd, noch sehr unterschiedlich gehandhabt. Habermann/MOller 1987:128 bedienen sich einer 'Leitform', die aus derjenigen graphischen Variante eines Lexems besteht, die am häufigsten belegt isL Prell 1991:38 zieht dagegen eine 'normalisierte', d.h. 'mhd.' oder nhd., Schreibung vor. Vgl. zum Begriff des 'Funktionsstands' auch Wellmann 4 1984:389 sowie Erben in der Einführung zu DW1:11.
30
Einleitung
2. Die reihenhafte Besetzung mit Substantivableitungen, deren Zusammengehörigkeit sich aus dem gleichen semantisch-syntaktischen Umformungsmuster ergibt. Es wurden allerdings auch einzelne Ableitungstypen bestimmt, die das Kriterium der Reihenbildung nicht erfüllen, da sie nur eine oder zwei Bildungen umfassen. Dies geschah unter dem Vorbehalt, daß erst die Analyse aller Wortbildungsstrukturen den tatsächlichen Bestand der Ableitungstypen erweisen wird.69 Die Benennung der einzelnen Ableitungstypen orientiert sich grundsätzlich an der syntaktisch-semantischen Gliederung von Wellmann in DW2.70 Um die Funktion der Suffixe bei der Ableitung begrifflich zu vergegenwärtigen, wurden den Abstraktbildungen noch zusätzlich semantische Beschreibungen wie z.B. 'Deverbale Vorgangsabstrakta' zugewiesen. Alle Ableitungstypen sind überdies zu identifizieren über die ergänzend hinzugefügten, traditionellen lateinischen Termini 'Nomina qualitatis', 'Nomina ornativa', 'Nomina actionis' usw., die auch in DW2 teilweise angegeben werden.71 In einigen Fällen waren neue Namen für Ableitungstypen zu schaffen, die aus verschiedenen Gründen in DW2 (vgl. Abschnitt 5.3.) nicht vorkommen. Dies geschah möglichst in Anlehnung an das syntaktisch-semantische Prinzip Wellmanns in DW2. Für das funktionale Verhältnis der Derivationsmorpheme -heit/-keit, -ida und -i bei der Bildung von Substantivableitungen ist insbesondere der Begriff der 'Konkurrenz' wichtig. Im Anschluß an die Definitionen von Prell (1991:38f) und Erben in der Einführung zu DWl:7ff liegt eine Konkurrenz dann vor, wenn verschiedene Suffixe synchron, d.h. innerhalb eines Textes oder Zeitraums, an die gleiche Basis treten und "im vorliegenden Kontext ohne Informationsunterschied austauschbar sind." (Erben in DW1:11), z.B.: Schönheit - schöne. Landschaftlich bedingte Suffigierung bewirkt dabei im strengen Sinne keine Konkurrenz, z.B. die tendenzielle Bevorzugung im 16./17.Jh. von gemeinde im Wmd. und Wobd. gegenüber gemeine im Omd. und Oobd. Seltener ist bezüglich der untersuchten Suffixe das Verhältnis der 'Konvergenz' festzustellen, das dann besteht, wenn verschiedene Derivationsmorpheme im gleichen Ableitungsmuster zusammenwirken (vgl. Erben in DW1:11). Das besondere Interesse bei Wortbildungsuntersuchungen richtet sich darauf, in welchem Maße die einzelnen Suffixe zur "Bestandsvermehrung des Wortschatzes" (Erben 1964:83) beitragen, d.h. wie 'produktiv' sie sind. Mit Prell (1991:33) wird der Begriff der 'Produktivität' für die besonderen Zwecke der historischen Korpusanalyse dahingehend abgewandelt, daß die '"dia69 70
71
Vgl. zu dieser Begründung Habermann/Müller 1987:129 in Verbindung mit Abschnitt 1.3. Die dabei verwendeten Begriffe wie 'Modifikation', Transposition', 'Grammatische Abstrakta', 'Sekundäre Prägungen' u.ä. werden jeweils an gegebener Stelle erläutert Vgl. zu den lateinischen Begriffen ansonsten Wellmann 41984:458fFsowie Kramer 1962:416ff.
Untersuchungsmethode, Terminologie, Darstellungsweise
31
chrone Zunahme der zu einem Muster belegten Bildungen1" (Prell ebd.) gemeint ist. Dabei wird die gestiegene Gebrauchsfrequenz der Bildungen so interpretiert, daß überhaupt Neubildungen zu einem Ableitungsmuster stattgefunden haben, d.h., es wird nicht behauptet, sie seien unbedingt in dem jeweiligen Zeitraum entstanden.
5.3 Darstellungsweise Die Darstellung der Untersuchungsergebnisse gliedert sich gemäß der eingangs beschriebenen Zielsetzung und dem methodischen Vorgehen in zwei Teile, einen formalen und einen funktionalen. Im formalen Teil (=Kap. III) werden die Suffixe -heitZ-keit, -ida und -/ in bezug auf ihre graphische Gestalt und ihre morphologische Struktur (Regularitäten in der Kombination von Basen und Suffixen) analysiert. Hieran schließt sich im funktionalen Teil (=Kap. IV) die semasiologisch nach den einzelnen Suffixen gegliederte Beschreibung der im Korpus Frnhd. vorgefundenen Ableitungstypen an. Unter den Überschriften zu den einzelnen Ableitungstypen erfolgt in Klammern der Querverweis auf das entsprechende Wortbildungsmuster in DW2, sofern das jeweilige Suffix dort in dieser Funktion beschrieben ist. In einigen Fällen liegen keine Entsprechungen in DW2 vor, so daß für den frnhd. Korpusbefund Ableitungstypen ergänzt wurden. Diese lassen sich drei verschiedenen Gruppen zuordnen: - Ableitungstypen, die in der dt. Gegenwartssprache nicht mehr produktiv sind, also Ergänzungen für das Frnhd. darstellen; - Funktionsstände, in denen noch aktive, aber in geringer Frequenz auftretende Bildungen versammelt sind und die, so die Annahme, deshalb in DW2 nicht vertreten sind; - Wortbildungsmuster, die in DW2 nicht vorkommen, die jedoch m.E. auch fur das Nhd. anzusetzen sind. Die Unterkapitel sind nach dem Vorbild von Prell73 einheitlich aufgebaut: In der einleitenden 'Definition* werden die für den Ableitungstyp charakteristischen Merkmale beschrieben, das sind insbesondere das zugrundeliegende Umformungsmuster (angezeigt durch den Transformationspfeil ->) mit 'Leitform', semantische und syntaktische Besonderheiten der Substantivableitungen und der Basisklassen sowie eventuelle kontextabhängige Verwendungsweisen.
72
"
Vgl. ebenso Grimm 1989:77f. Vgl. Prell 1991:33ff in Verbindung mit 59ff.
32
Einleitung
Im Abschnitt 'Frequenz' werden die genauen Lexem- und Belegzahlen in einer diachronen Übersicht für die einzelnen Zeitabschnitte mitgeteilt, besonders häufige Bildungen hervorgehoben sowie ggf. Hinweise auf die sprachräumliche Verteilung gegeben. Ergänzt wird der Befund für das Frnhd. durch die entsprechenden Angaben zum Nhd. aus DW2,74 soweit solche vorliegen. In dem sich anschließenden Abschnitt 'Bildungsweise' werden insbesondere vorliegende Konkurrenzen zwischen den Formvarianten eines Suffixes (dies betrifft -heit und seine Varianten) sowie der Ableitungsmorpheme untereinander behandelt. Darüber hinaus wird auch hier der Blick auf den Vergleichsbefund in DW2 gerichtet. Unter der Überschrift 'Belegte Lexeme' sind zum Abschluß einer Funktionsstandbeschreibung die im Korpus vorgefundenen Bildungen aufgeführt. Die in einer frnhd. 'Idealform' (vgl. Abschnitt 5.2) repräsentierten Substantivableitungen werden in segmentierter Form dargeboten und sind alphabetisch nach ihrer Basis geordnet. Dabei werden Umlaute wie Nichtumlaute behandelt, wobei Nichtumlaut jedoch vor Umlaut rangiert.75 Da die Nennform der -^//-Ableitungen von der (den) tatsächlich belegten Form(en) abweichen kann, werden die jeweils auftretenden Formvarianten im zugehörigen 'Wortartikel' benannt und quantifiziert. Neben Angaben zum zeitlichen und sprachräumlichen Vorkommen der einzelnen Bildungen wird in jedem Eintrag die Wortbildungsbedeutung umschrieben bzw. gelegentlich mittels Umformung verdeutlicht und durch Angaben zur kontextuellen Einbettung der Ableitung ergänzt. Befunde zu den zugrundeliegenden Basen werden ggf. mitgeteilt sowie Schwierigkeiten bei der Basenbestimmung thematisiert. Die Darstellung des Befundes wird stets begleitet von einem Kontext-Zitat,76 das bei mehrfachem Vorkommen einer Bildung so ausgewählt wurde, daß es das Typische' ihrer Verwendung zum Ausdruck bringt.
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Diese beziehen sich zum einen auf das Wörterbuch von Adelung (Ad.), zum anderen auf das zur Erforschung der deutschen Gegenwartssprache angelegte 'Corpus zur Gegenwartssprache' (CG). Dies geschieht wie die Bestimmung der Nennform in Anlehnung an Reichmann in: Frithneuhochdeutsches Wörterbuch:74. Bei Zitaten aus dem Kernkorpus erfolgt die Nennung der Belegstelle mit Seiten- und Zeilenangabe; bei solchen aus dem Zusatzkorpus aus arbeitstechnischen Gründen nur mit Seitenangabe. Die Zitierweise ist mit zwei Ausnahmen originalgetreu: J wird normalisiert als 's' wiedergegeben, ein hoch- bzw. nachgestelltes A entspricht dem in den Quellen verwendeten Abürzungszeichen für r bzw. er.
II Die Entstehung und Entwicklung von -heit/-keit, -ida, -i bis zum Frühneuhochdeutschen 1 Die Entstehung und Entwicklung von -heit/-keit und Formvarianten 1.1 - heit Anders als die beiden Derivationsmorpheme -ida und -i gehört -heit zu denjenigen Suffixen, die ursprünglich einmal selbständige Wörter waren1 und dann über eine Zwischenstufe, auf der sie den "Status eines reihenhaft vorkommenden Kompositionsgliedes" (Erben 21983:126) hatten, zu einem Affix wurden.2 Den Status eines wortfähigen Morphems (=erste Stufe) besitzt das selbständige Substantiv, zunächst noch mit maskulinem Genus, in allen germ. Sprachen, vgl. got. haidus,3 an. heidr, ae. hsd, as. hdd für 'Ehre, Art und Weise, Stand, Geschlecht, Eigenschaft'.4 Im Ahd. ist heid/heit mit maskulinem oder femininem Genus im 8./9. Jh. als substantivische Entsprechung für lat. persona und sexus belegt, und auch im Mhd. tritt noch ein feminines Substantivum heit für 'Beschaffenheit, Art und Weise' auf, wenngleich nur noch selten und in verblaßter Bedeutung.5
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3
Mundartlich kommt es auch heutzutage noch "(halbfrei) in bestimmten Wendungen" (Henzen 1965:188, Anm. 6) vor. Fleischer 4 1975:148 belegt dies mit dem Beispiel "ledicher Hait'in ledigem Zustand"'. Vgl. auch öhmann 1921:12. Diese stufenweise Entwicklung ist allerdings nicht als eine strenge Aufeinanderfolge einzelner, abgeschlossener Phasen vorzustellen, da die Strukturen auch parallel vorkommen. Betont werden soll lediglich, daß ein Entwicklungsschritt auf dem anderen aufbaut, ihn voraussetzt Wells 1964:54 stellt für die Entstehung von -heit als Suffix ebenfalls ein dreistufiges Entwicklungsmodell auf, das er jedoch mit der sich wandelnden Bedeutung des Morphems verknüpft. Erben 2 1983:126 nennt als Beispiel eine Stelle aus der got Wulfila-Bibel aus dem 4. Jh., in der haidus die Übersetzung für 'Art und Weise' ist Vgl. Wilmanns 2 1899:383 und Henzen 1965:188. Wibnanns verweist ebd. auf die etymologische Verwandtschaft mit dem Adjektiv heiter, das der gleichen Wurzel entstammt, nämlich cit (kit) für 'erglänzen, erscheinen, sehen'. Vgl. Ihnlich Henzen (ebd.), der eine idg. Wurzel "*kait- o.ä. hell sein, wie in heiter" ansetzt. Vgl. Erben J 1983:126, Wibnanns 2 1899:383 sowie Oberle 1990:76.
D i e Entstehung u n d E n t w i c k l u n g der Suffixe
34
Belege für die zweite Stufe, die Bildung von Abstrakta durch Zusammensetzung oder Komposition mit heit als Zweitglied, liegen ebenfalls schon früh vor,6 allerdings nur in den westgerm. Sprachen.7 Die entstehenden Abstraktbildungen sind zunächst maskulin, was auf das maskuline Geschlecht des zugrundeliegenden Substantivs zurückgeführt wird (vgl. öhmann 1921:11). Da die übrigen produktiven Abstraktsuffixe jedoch Feminina bildeten, entstanden im Ahd. neben Maskulina auch Ableitungen, die in das feminine Genus der /-Deklination übertraten.8 Die Zusammensetzungen mit -heit basierten zunächst v.a. auf Substantiven, die Personen bezeichneten (z.B. manaheit, narraheit),9 aber schon im Ahd. überwiegen Bildungen mit Basisadjektiven, wenngleich nicht vor dem 9. Jh.10 Schon frühzeitig zeichnet sich also die Entwicklung zum "beliebtesten Mittel der Abstraktion von Eigenschaftsnamen, mit fortgesetzter Neubildung in der spätmittelalterlichen Literatur"11 ab, wodurch -heit das konkurrierende -/ in den Hintergrund drängt (vgl. zum Verhältnis der Suffixe Abschnitt 4). Hierdurch läßt sich auch in etwa der Zeitraum bestimmen, in dem sich der Statuswechsel vom selbständigen Substantiv zum wortbildenden Suffix abschließend vollzieht: Im Mhd. ist das freie Morphem heit nur noch in Einzelfällen belegt, während seine Suffixfunktion deutlich dominiert. Erkennbar ist dies daran, daß in Handschriften des 11./12. Jhs. -/-Abstrakta vermehrt durch -heit-Derivate ersetzt werden (vgl. öhmann 1921:22), d.h., "ein eindeutiges Suffix wird durch ein suffixartiges Morphem ersetzt" (Erben21983:128). Die zunehmende Verbreitung von -heit als Abstraktsuffix vollzieht sich dabei sowohl in bezug auf die Ableitung von einsilbigen Adjektiven, obgleich sich mit diesen ja auch -/ und -ida verbinden, als auch und vor allen Dingen in bezug auf die Derivation von mehrsilbigen BA. Unter diesen haben diejenigen Adjektive, die auf -ag/-ig enden, den größten Anteil an der Ableitung mit -heit, ein Umstand, der schließlich zur Entstehung einer weiteren, selbständi-
6 7
Ζ. B. im " A b r o g a n s " a u s der zweiten Hälfte des 8. Jhs. Vgl. Erben 2 1 9 8 3 : 1 2 7 . Kluge 1 9 1 3 : 2 0 : "Die bildungsweise ist westgermanisch; im got. fehlt der typus." (Kleinschreibung ebd.).
*
Vgl. Ö h m a n n 1 9 2 1 : 1 1 sowie Erben
2
1 9 8 3 : 1 2 7 , der die Vorbildfunktion der -if;)-Abstrakta als
G r u n d f ü r diesen Wechsel in den Vordergrund stellt. '
Vgl. W i l m a n n s 2 1 8 9 9 : 3 8 3 f , Erben J 1 9 8 3 : 1 2 7 sowie B r i n k m a n n 1 9 5 4 : 4 1 8 . Seltener w u r d e n a u c h Sachbezeichnungen gebildet, die sich j e d o c h , im Gegensatz zu den Personenbezeichnungen, nicht bis ins Nhd. gehalten haben. Vgl. W i l m a n n s e b d . : 3 8 4 sowie Henzen 1963:188.
10
Vgl. W i l m a n n s 2 1 8 9 9 : 3 8 4 u n d Henzen 1 9 6 5 : 1 8 8 . N a c h B a u m a n n 1 9 1 4 : 7 3 ( = § 8 2 ) sind vor 8 0 0 n u r drei deadjektivische Abstrakta im Ahd. belegt: gemeitheit heit, u n d zwei im As.: späh Al 'Klugheit',
"
'Leichtsinnigkeit', tolaheil.
giwona-
IffhBd.
Henzen 1 9 6 5 : 1 8 8 . Allerdings ist der G e b r a u c h von -heil als Mittel der Abstraktbildung im Ahd. noch a u f die "fachsprache der gelehrten kreise" ( Ö h m a n n 1921:17; Kleinschreibung ebd.) beschränkt u n d breitet sich erst allmählich a u c h in der Umgangssprache aus. Vgl. Ö h m a n n ebd. sow i e Erben 2 1 9 8 3 : 1 2 7 f .
-heit/-keit und Formvarianten
35
gen Variante fuhrt, der Suffixform -keit,12 Außer mit Basisadjektiven verbindet -heit sich jedoch seit dem späten Mittelalter in wachsendem Maße mit zweiten Partizipien, v.a. starker Verben,13 sowie mit Zahlwörtern und Pronomina, z.B. einheit, selpheit (vgl. Oberle 1990:389).
1.2 -keit und Formvarianten Die Suffixform -keit sowie die anderen Suffixvarianten sind gewissermaßen Weiterentwicklungen von -heit und resultieren, allgemein gesagt, aus der "Lautentwicklung und einer Neuverteilung von Grundmorphemen".14 Da die einzelnen Bedingungen ihrer Entstehimg ineinander verzahnt sind, werden die Formvarianten hier gemeinsam behandelt.15 Zeitraum der Entstehung von -keit ist das Mhd.16 mit dem oben bereits angesprochenen Befund, daß das Gros der -Ae/Y-Ableitungen auf Adjektiven mit Basisauslaut -ic/-ec fußt. Durch die Verbindung von -heit mit BA auf -ic/-ec entstehen Bildungen wie beispielsweise einec-heit und trürec-heit,17 Das Aufeinandertreffen des Basisauslauts -ic/-ec und des anlautenden h- von -heit hat eine lautliche Veränderung zur Folge, die entweder als "Verschmelzung" (Öhmann 1921:19) bzw. als Assimilation des h an den auslautenden Konsonanten (vgl. Gr.d.Frnhd.,I.2:128) beschrieben werden kann oder aber als Schwund des h in wenig betonter Silbe (vgl. Wilmanns 21899:385). Für die Aussprache dieses zusammengezogenen c-h wird angenommen, daß sie entweder in einem 'echten' ch oder aber in einem aspirierten k bestand.18 Auf jeden Fall 12 13
M 19
16
17
18
Vgl. Wilmanns J 1899:384f sowie unter Abschnitt 1.2. Part. Ii-Formen schwacher Verben werden erst im Nhd. üblich; Kombinationen mit den anderen Nominalformen des Verbs, dem Part. Präs. und dem Inf., bilden von Anfang an selten Basen der Ableitung mit -heit. Vgl. Wilmanns 2 1899:389. Oberle 1990:76; vgl. auch ebd. 77. Es ist in diesem Zusammenhang nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß eine in jeder Hinsicht schlüssige Theorie Ober die Entstehung der Formvarianten v.a. durch drei Aspekte erschwert wird: I. durch die Unsicherheit hinsichtlich der genauen lautlichen Veränderungen beim Zusammentreffen von -ic/-ec und -heit sowie 2. der damit verbundenen Frage, inwieweit sich diese in der Schreibung widerspiegeln; 3. durch die in der Forschungsliteratur zum Teil ohne nähere Erläuterung vorgenommenen Segmentierungsschnitte, die auf die Festlegung einer Variante unmittelbaren Einfluß haben. Die genauen zeitlichen Einschätzungen sind unterschiedlich: Brinkmann 1934:420 nimmt für den Beginn der Entstehung von -keit das 12. Jh. an; Kluge 1913:20 sieht ein Vordringen von -keit seit dem 13. Jh.; Fleischer 1901:30 findet erste Belege im Spätahd., und öhmann 1921:19 schließt nicht aus, daß die seit dem 9. Jh. belegten Schreibungen wie z.B. (gita)cheit eventuell bereits eine verschmolzene Form darstellen. Vgl. Oberle 1990:77. Ebd. wird daraufhingewiesen, daß die Kombination von BA auf -ig + -heit auch im Ahd. schon verbreitet war. Vgl. DWB s.v. keit sowie Oberle 1990:78.
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Die Entstehung und Entwicklung der Suffixe
fuhrt die dargestellte lautliche Entwicklung im Mhd. dazu, daß der Eindruck entsteht, als sei -cheit das Suffix (vgl. DWB s.v. keif). Ein weiterer Umstand trägt vermutlich dazu bei, daß ein erweitertes Suffix -cheit bzw. später -keit angenommen wird: Vor dem Hintergrund, daß gleichzeitig Kurzformen, z.B. trure, existieren, findet wahrscheinlich eine Verschiebung der Silbengrenze statt,19 die nicht mehr -heit, sondern -cheit als Suffix erscheinen läßt. Bereits im Mhd. wandelt sich jedoch, mit gewissen regionalen Unterschieden, -cheit dadurch zu -keit, daß das -ch des Suffixes wie "die echten ch, die nicht dicht hinder dem ton und vocal der stammsilbe standen"20- zu -k wird und damit das Suffix -keit lautet, also statt trure-cheit/trüri-cheit > trüre-keit/trüri-keit. Die Suffixform -keit ist bei einer großräumigen Betrachtung als ein hd. Charakteristikum zu identifizieren (vgl. Öhmann 1921:20), da sie in Textzeugen aus dem nd. Sprachraum eher selten auftritt.21 Auf dem hd. Gebiet wiederum scheint die Verbreitung von -keit ihren Ausgang im Obd., genauer im Wobd., genommen zu haben (vgl. öhmann 1921:20), wenn man den Befund von Gleißner/Frings22 zur Urkundensprache des 13. Jhs. verallgemeinern darf. Neben dem insgesamt dominierenden -keit hält sich jedoch weiterhin die -cheit-Variante, die bei der Korpusuntersuchung in Resten noch in schwäb. und rip. Quellen des 15. Jhs. vorkommt (vgl. Kap.III.1.2.3).23 Die Entstehung der neuen Formvariante -keit zieht eine Neuordnung der Distribution nach sich, die an den Wortakzent geknüpft ist. Da das Suffix -keit ursprünglich in Verbindung mit BA auf -ic/-ec entstanden ist, d.h. im Anschluß an eine unbetonte Silbe, tritt es später folgerichtig an diejenigen Basen, mit denen derartige Betonungsverhältnisse herzustellen sind. Hieraus ergibt sich weitgehend eine komplementäre Verteilung der Suffixvarianten -heit und -keit:24 -heit folgt unmittelbar auf Stammsilben, -keit auf nicht oder nur schwach betonte Ableitungssilben, nämlich meistens -er und -el sowie -bar, -sam, -lieh und -ig.25 Diese Aufteilung führt dazu, daß, auf Grund der 19 20 21
22 23
24 23
So die These von Erben 21983:128, die sich wohl kaum weder verifizieren noch falsifizieren läßt. DWB s.v. keit, Kursivdnick und Kleinschreibung ebd. Vgl. Grunewald 1944:135, der für das Mnd. eine Abneigung der mnd. Obersetzer von Volksbüchern feststellt, das -keit der obd. Vorlage als solches zu übernehmen. Stattdessen wählen sie weitaus häufiger -heit: z.B. hd. grimmigkeit, mnd. Obersetzung grimmicheyt. DWB (s.v. keit) hält für das 'echte' Nd. fest, daß diesem die Form -keit gänzlich unbekannt sei. Vgl. Oleiflner/Frings 1941:109f. Auch nach DWB (s.v. keit) hält sich -cheit weiterhin neben -keit und "scheine sogar nachher theilweis wieder vorzuwiegen." (ebd.), wobei leider nicht deutlich wird, worauf sich diese Aussage bezieht In den Korpustexten sind noch Ober das 15. Jh. hinaus -c>>-haltige Formen belegt, die jedoch auf die jeweiligen Basen mit Ausgang -ich bzw. -lieh zurückgehen und mit -(h)eit abgeleitet werden, das dabei sein anlautendes h- verliert Vgl. Oberle 1990:79 sowie Wilmanns 21899:386. Bezüglich der Basen auf -lieh und -ig ist dabei festzuhalten, daß -keit sich, nach den Ergebnissen auf Korpusgrundlage, noch bis in das Frnhd. hinein nicht mit den Vollformen der genannten Basen
heit/-keit und Formvarianten
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großen Anzahl abgeleiteter Basisadjektive, die Frequenz der Bildungen mit -keit die der Derivate mit -heit deutlich übertrifft. Die endgültige Festlegung der distributionellen Aufteilung ist allerdings angesichts des Korpusbefundes als ein noch in das Frnhd. hineinreichender Vorgang anzusehen, denn auch im Untersuchungszeitraum sind noch Schwankungen festzustellen, die erst sukzessive abgebaut werden (vgl. Kap.III.1.2). Prinzipiell werden jedoch bereits im Mhd. die Grundlagen für die Distribution von -heit und -keit geschaffen, die auch für das Nhd. gültig sind. Bereits im Mhd. bildet sich neben -keit jedoch noch eine weitere Formvariante heraus: -ekeitl-ikeit (bzw. mit -ch: -echeitl-icheit). Sie kann entstehen, da neben den abgeleiteten Adjektiven auf mhd. -ed-ic oft in gleicher Bedeutung Simplizia stehen, z.B. mhd. giric neben gir und vrümecZvrumecZvrumic neben vrum. Hieraus ergibt sich eine doppelte Bezugsmöglichkeit auf das einfache oder auf das abgeleitete BA, die dazu führt, daß z.B. mhd. giric-heit auch gir-icheit/gire-keit (daneben zusätzlich gir-heit), vrumec-heitZvriimecheit auch als vrüm-(e)keit/vrum-keit segmentiert werden kann.26 Gleichzeitig sind jedoch auch Bildungen mit -ekeit/ikeit (-echeitZ-icheit) belegt, die nur auf ein Simplexadjektiv zurückgehen können, da es ein abgeleitetes BA nicht gibt,27 z.B. ganz(ec)heit. Dies bedeutet, daß -ekeitZ-ikeit (-icheitZ-echeit) als selbständige Suffixvariante in Erscheinung tritt, die adjektivische Basen ableiten kann,28 die normalerweise nicht auf -ecZ-ic bzw. später auf -ig ausgehen (z.B. gesundekeit, hertekeit).29 Aus welchem Grund das erweiterte Suffix an derartige Basen (Simplizia in Form von Einsilblern, BA auf -e sowie mit Präfix ge- und be-) angefügt wird, läßt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Die Ursache in der "besseren Kennzeichnung des adjektivischen Charakters der ersten Komponente bei solchen Adjektiven" (Oberle 1990:78) zu sehen, stellt insofern keine Lösung des Problems dar, als weiterhin die Frage offen bleibt, warum diese deutlichere Markierung bei bestimmten Bildungen unteibleibt, z.B. in frnhd. war-heit und bos-heit. Da die Problemstellung bezüglich -igkeit die gleiche ist, wird sie im Zusammenhang mit dieser Formvariante im folgenden noch einmal aufgegriffen.
26 37 28 29
verbindet, sondern noch bis in die erste Hälfte des 16. Jhs. Ableitungen auf -(li)keit bzw. -(i)keit (g-lose Form) bildet. Zu -(i)keit s. auch unten. Vgl. zu dem gesamten Komplex der Entstehung von -ekeitl-ikeit insbesondere Oberle 1990:78. Vgl. DWB s.v. keit. Zur Distribution im Fmhd. vgl. Kap. III. 1.2.4. Die Einschränkung 'normalerweise' ist dahingehend zu präzisieren, daß derartige Adjektive auf -ec/-ic "entweder gar nicht oder spät und spärlich belegt [sind]." (Wilmanns 21899:386). Daß diese Erscheinung keineswegs neu ist, belegt Wilmanns ebd.:385f mit dem Hinweis auf das Ahd., wo bereits Ableitungen auf -igheit wie bi-derbig-heit oder reinig-heit auftreten, zu denen keine Basisadjektive mit Endung -ig existieren.
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Die Entstehung und Entwicklung der Suffixe
Von der Suffixform -ekeitl-ikeit deutlich zu trennen ist die aus der Kombination aus BA auf -ig und -keit hervorgegangene, g-lose Form -(i)keit (s.o.), deren Weiterentwicklung bereits in den frnhd. Zeitraum hineinreicht und, so wird vermutet, die Entstehung einer weiteren Suffixvariante, -(i)keit, begünstigt hat. Bei Ableitungen mit der Suffixform -(i)keit wird im Laufe des Frnhd. das -g des Basisauslauts "infolge nachträglicher Ausrichtung nach dem Grundwort" (Henzen 1965:190) eingefugt,30 so daß sich die auf diese Weise deutlicher motivierte Form -(ig)kei^] ergibt, die eigentlich pleonastisch ist (vgl. Oberle 1990:79), da ja das g bereits im Suffix -keit enthalten ist.32 Analog zu der so entstandenen "'Verdeutlichung'"33 der Motivationsverhältnisse bei Ableitungen von BA auf -ig mit -keit wird auch die Formvariante -ikeit erweitert zu -igkeit (d.h., die Suffixform besteht aus -keit mit einer 'Bindesilbe' -/#-).34 Die neue Suffixform -igkeit löst dann -ikeit allmählich ab35 und tritt genau wie sie an Simplexadjektive, die nicht auf -ig enden, sondern v.a. Einsilbler sind oder auf -e ausgehen (dieses fällt im Derivat aus), z.B. frnhd. feucht-igkeit, härt-igkeit, müd-igkeit,36 Eine Begründung dafür, warum -igkeit (und auch vorher schon -ikeit) an Basen mit den beschriebenen morphologischen Strukturen tritt und nicht an andere, hat Kolb herausgearbeitet.37 Danach geben die Ableitungen mit der Suffixform -heit zwei Betonungsmuster der Form Ä (Stammsilbe + -heit, z.B. frnhd. weis-heit) sowie (Wechsel von haupttoniger und unbetonter Silbe + -heit, z.B. frnhd. erfaren-heit) vor,38 die als Vorbilder für die Betonungsverhältnisse der Derivate mit den anderen Suffixvarianten dienen, -keit folgt auf Grund seiner adjektivischen Basen prinzipiell dem zweiten Muster.39 -igkeit hingegen verbindet sich mit Basisadjektiven auf -e wie z.B. behende bzw. mit solchen, die einmal auf -e auslauteten wie beispielsweise süß (hier ist der ehemalige -e-Auslaut noch am markierten Umlaut erkennbar, was nicht immer der Fall ist).40 Der nebentonige Basisauslaut wird bei der Ableitung getilgt und die 'Bindesilbe'
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" 39 40
In die gleiche Richtung geht die Argumentation von Erben 1970:429. Die Einklammerung soll verdeutlichen, daß hier nicht die selbständige Formvariante -igkeit gemeint ist (hierzu s.u.), sondern daß das -ig- der Basisauslaut des vorangehenden Adjektivs ist. Vgl. Wilmanns 2 1899:387 sowie DWB s.v. keit. Zu den Verhältnissen im Frnhd. vgl. im einzelnen Kap.III. 1.2.2. Fleischer/Barz 1992:158 und vgl. Brinkmann 1954:421. Vgl. Henzen 1965:19; Gr.d.Frnhd.,I.2:128; Oberle 1990:79. Dieser Prozess fällt in die ihihd. Zeit. Vgl. Kap.III.1.2.5. BA auf -hafl und -los werden frnhd. erst ab dem 16./17.Jh. mit -igkeit abgeleitet. Vgl. Kap.III.1.2.5. Vgl. ausführlich Kolb 1985. Vgl. Kolb 1985:161. Zu den im Frnhd. teilweise noch abweichenden Verhältnissen vgl. Kap.III. 1.2.2. Vgl. Fleischer/Barz 1992:159.
-heitZ-keit und Fonnvarianten
39
-ig- zur Wiederherstellung der Nebentonigkeit eingefügt, wodurch die Anpassung an das oben genannte zweite "Akzentmuster" (Fleischer/Barz 1992:159) erfolgt.41 Wenngleich sich anhand der geschilderten Betonungsregularitäten mögliche Doppelformen auf -heit und -igkeit erklären lassen, so beantwortet dies noch nicht die Frage, warum die "verdeutlichte Form" (Oberle 1990:215) zum einen an bestimmte Basisadjektive tritt, die nicht auf -e enden oder geendet haben (z.B. feucht-igkeit), bzw. warum (s.o. zu -ekeit/-ikeit) andere Basen offenbar niemals die deutlichere formale Kennzeichnung durch -igkeit benötigt haben, sondern stets mit -heit abgeleitet wurden (z.B. stets frnhd. war-heit und nie *war-igkeit oder bos-heit, jedoch nie *bos-igkeit). Eine abschließende Antwort läßt sich jedoch auch auf Grundlage des untersuchten Materials nicht geben, da jeder scheinbar gefundenen Regel sofort eine Ausnahme zuzuordnen ist. Lediglich bestimmte Tendenzen lassen sich beschreiben. Sprachgeschichtlich zu erklären sind einige Bildungen auf -igkeit, die scheinbar auf einsilbige BA zurückgehen, z.B. s.o. feucht-igkeit. Sie erscheinen erst dadurch als 'isolierte Formen', daß die noch mhd. bestehenden motivierten Adjektive, im Beispiel: viuhtec/-ic 'feucht', untergegangen sind (vgl. Oberle 1990:215). Möglicherweise haben sich andere Bildungen, bei denen ähnliche lautlich-strukturelle Merkmale vorliegen,42 d.h. vor allem Basisauslaut auf Dental {-d,-t) oder Liquid (-/).43 oft auch noch in Kombination mit einem kurzen Mittelvokal, analog dazu dem Muster angeschlossen (im Korpus z.B. matt-igkeit). Es fällt z.B. auch auf, daß v.a. Ableitungen mit Präfix ge- und be- mit -igkeit und nicht mit -heit abgeleitet werden, wobei sich die Ausnahme gesundheit vermutlich darauf zurückfuhren läßt, daß ihr ursprünglich kein BA auf -e zugrundeliegt. Hinsichtlich der oben angesprochenen Frage, warum bestimmte Basen stets mit -heit und nicht mit -igkeit verbunden werden, kann ebenfalls nur eine Vermutung angestellt werden. Abgesehen von gewissen, auch hier festzustellenden strukturellen Merkmalen wie Kombinationen aus langem Mittelvokal und Basisauslaut, der kein Dental oder Liquid ist (s.o.), z.B. frnhd. bos-heit, war-heit, weis-heit, handelt es sich, zumindest zum Teil, um sehr häufig gebrauchte Derivate, deren Frequenz sie möglicherweise vor der Ableitung mit 41
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43
Fleischer/Barz setzen, anders als Kolb, darüber hinaus für die Ableitung von BA auf -hafl und -los noch ein drittes Betonungsmuster an: "Arglosigkeit = (Fleischer/Barz 1992:159). Ihrer Ansicht nach schließen sich diese Bildungen nicht lediglich dem Akzentmuster an, da nach dem Muster von z.B. Wachsam-keit dann auch eine Bildung *Arglos-keit möglich wäre. Vgl. demgegenüber Kolb 1985:166. Wenngleich Kolb mit Recht hinsichtlich der Variabilität zwischen -heit/-igkeit und dem Ausschluß von -keit lautliche Kriterien des BA nicht gelten lassen will (vgl. Kolb 1985:165), so steht doch noch zur Diskussion, ob lautliche Strukturen nicht für den Ausschluß zwischen -heit und -igkeit zumindest teilweise verantwortlich gemacht werden können. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Prell 1991:44 zum Basisauslaut von -igen-Verben.
40
Die Entstehung und Entwicklung der Suffixe
-igkeit 'geschützt' hat, das ja erst wesentlich später als -heit in Erscheinung getreten ist. Alle diese Beobachtungen können jedoch nur als Tendenzen beschrieben werden, die anhand des je einzelnen Derivats zu überprüfen sind.44
2 Die Entstehung und Entwicklung von -ida Anders als das Suffix -heit ist -ida nie ein wortfähiges Morphem gewesen, weshalb es von Henzen zu den Suffixen "im engern Sinn" (Henzen 1965:186) gezählt wird. Der Ursprung des Suffixes ist im Idg. zu finden. Rekonstruierbar ist eine Gruppe von /-Suffixen, von denen einige besonders häufig gebraucht wurden.45 Unter diesen trat besonders das als Sekundärsuffix gebrauchte -tä hervor, der Vorläufer der im Ahd. dann zu -ida gewandelten Form.46 Es wurde verwendet zur Ableitung von Abstrakta, und zwar in erster Linie von Adjektiven, aber auch von Substantiven und Verben (vgl. öhmann 1921:12). Von der Form des Stamms, an den das Suffix trat, war abhängig, ob und mit welchem Vokal es verbunden wurde. Nachdem dieser Vokal vermutlich zunächst eine Zeitlang wechselte, setzte sich im Germ, schließlich allgemein das i vor dem Dental durch, welches sowohl zu den /-Stämmen als auch zu den α-Stämmen gehörte.47 Der Dental entwickelte sich von idg. t in der Regel zu g. I>, ausgenommen in einigen wenigen Wörtern, deren Stamm bereits auf I> ausging.48 Im Ahd. tritt das Suffix allgemein in der Form -ida auf, die zum Mhd. weiter abgeschwächt wird zu -(e)de, häufig auch mit sekundärem t (z.B. genüegete für genüegde, genüegede), für dessen alternatives Auftreten eine jüngere, durch Unterdrückung des Vokals veranlaßte Veränderung der Artikulation (Lenis zu Fortis) vermutet wird (vgl. Wilmanns 21899:340). Die "Unterdrükkung des Mittelvokals" (Henzen 1965:174) überwiegt dann im Frnhd. in der Form -de, die oft sogar noch zusätzlich apokopiert wird zu -d.49
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49
Ausgeschlossen f&r das Frnhd. ist eine semantische Differenzierung der Bildungen durch die Wahl von -heil oder -igkeit, da diese Möglichkeit erst im 18. Jh in Gebrauch kommt. Vgl. Brinkmann 1954:421. Genauere Angaben sind der Literatur nicht zu entnehmen. Vgl. Wilmanns 2 1899:339, öhmann 1920:65 sowie Henzen 1965:173. Dies führte nach Wilmanns 2 1899:340 z.B. zu den Bildungen g. diupifa Tiefe' zu diups(a) und hrainiAa "Reinheit' zu hrains(i). Vgl. außerdem Öhmann 1920:65. In diesen Fallen wurde er zu d. Vgl. Öhmann 1920:65 sowie Wilmanns 21899:340. Wilmanns beziffert ebd. die Anzahl der Wörter, die auf Grund ihres Stammauslauts ein d führten, auf drei Bildungen: junda 'Jugend1, aupida 'Öde' und wairPida "Würdigkeit, Tugend*. Vgl. zur Graphie von -ida im Fmhd. Kap. III.2.1.
•ida
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Die bevorzugte Basiswortart zur Bildung von Abstrakte mit dem Derivationsmorphem war zunächst das Adjektiv, von dem im Got. fast alle Bildungen abgeleitet sind. 50 Das Suffix hatte hier noch insbesondere die Aufgabe, "zu solchen Adjektiven Praedikatswörter zu schaffen, die kein deutlich erkennbares Bildungselement hatten {mildiPa gegen managet).".51 Später erweiterte sich jedoch die Bezugsmöglichkeit auf die Basiswortart Veib. Die Adjektive, mit denen sich das Suffix zunächst hauptsächlich verbunden hatte, dienten oft auch als Basen für die Ableitung schwacher Verben, so daß deadjektivische Substantive und Verben nebeneinander standen, z.B. weihiPa - weihan (vgl. Wilmanns 21899:341). Hierdurch ergab sich die Möglichkeit einer doppelten Motivierung der Substantivableitungen, und zwar außer durch Adjektive auch durch Verben. Als Konsequenz wurde -ida daher allmählich auch zur Ableitung von Basisverben verwendet. Der Impuls zur weiteren Verbreitung der Bildungen mit dem Dentalsuffix ist jedoch nach herrschender Meinung von den Denominativa ausgegangen und nicht von den Deverbativa.52 Der Quellenbefund zeigt, daß noch im Weissenburger Katechismus, im Isidor, im Tatian und bei Otfried, also in den älteren Textzeugen des Ahd., deadjektivische Bildungen mit -ida vorherrschend sind, daß sich jedoch in den jüngeren Quellen dann deutlich die deverbalen Abstrakta durchgesetzt haben.53 Die Durchsetzung der deverbalen Ableitungen auf -ida ist begleitet von einem zunehmenden Schwund der deadjektivischen Bildungsweise, die zum Teil funktional mit der wachsenden Produktivität konkurrierender -/-Bildungen begründet wird,54 zum Teil auch lautlich mit der geschwächten Silbenstruktur des Suffixes, die es hinter den umfangreicheren -heit und -urtg zurücktreten läßt.55
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Vgl. die Liste der Beispiele in Wilmanns 21899:340. Brinkmann 1954:416 und vgl. Henzen 1963:173. 52 Vgl. die Ausführungen zur diesbezüglichen Kontroverse bei öhmann 1920:67, ders. 1921:12, Anm. 2, sowie Wilmanns 21899:341. Ausgelöst wurde die Diskussion durch von Bahder, der mit Bezug auf den gesamten ahd. Zeitraum ein Oberwiegen der deverbalen Ober die deadjektivische Bildungsweise mit -ida postuliert hatte. Die Kritik öhmanns richtet sich im wesentlichen gegen eine solche zeitlich nicht differenzierende Betrachtungsweise, da eine Analyse der Quellen unter Berücksichtigung ihres Alters als Zeitpunkt für die Dominanz der Denominativa erst das jüngere Ahd. ergibt. " Anknüpfen konnte das Suffix -ida dabei insbesondere an die jan-Verben wegen ihres Bindevokals -J-. Vgl. Henzen 1965:174. M Vgl Grimm 1878:233, Wilmanns 21899:342 sowie öhmann 1920:67f. " Vgl. Wilmanns 21899:342 und Henzen 1965:174. Der von Wilmanns ebd. geäußerten Ansicht, seine größere Tonstflrke habe -ida ursprünglich einen Vorteil gegenüber -i verschafft, halt Öhmann 1921:67 entgegen, daß dem die Entwicklung der beiden Suffixe entgegenstünde, da -ida zeitlich vor -i aufgetreten sei. Zum Verhältnis von -ida und -J sowie -heit/-keit vgl. Abschnitt 4. 31
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Die Entstehung und Entwicklung der Suffixe
Das Auftreten des Dentalsuffixes im Mhd. (und auch im Frnhd.) ist dann unter Berücksichtigung der Basiswortarten sprachräumlich nach einer Nord-/Südaufteilung zu differenzieren. Während im Norden, genauer im Ndd. und Md., -ida v.a. an Basisadjektive tritt, leitet es im Süden bevorzugt Basisverben ab (daneben, aber in geringerem Umfang, auch Adjektive).56 Die bevorzugt im Md. auftretenden Adjektivabstrakta sind dort von Ost nach West zunehmend verbreitet, d.h., der Schwerpunkt ihres Vorkommens liegt im Wmd. und hier besonders im Mittelfränk., während sie im Omd. dann schon seltener belegt sind. Die im Mhd. auf obd. Boden in wesentlich geringerer Zahl nachzuweisenden deadjektivischen Derivate betrachtet öhmann als Überreste einer dort bereits nicht mehr produktiven Bildungsweise, da sie meist in Textzeugen auftreten, die "archaistische züge" (öhmann 1920:71) tragen, das sind v.a. religiöse Schriften. Die Anbindung an bestimmte Sprachlandschaften bestimmt auch im Frnhd., zumindest in der ersten Hälfte, noch das Vorkommen von -ida.51 Das Dentalsuffix wird dann jedoch im weiteren Verlauf des Frnhd. sowohl bezüglich der Ableitung von Adjektiven als auch der von Verben unproduktiv (vgl. Kap. IV).
3 Die Entstehung und Entwicklung von -l Die Entstehungszeit des Suffixes -/, das ursprünglich als -fijn auftritt, wird auf Grund der Beleglage in den Quellen wie bei dem DentalsufFix -ida in die germ. Zeit datiert.58 Unterschiedliche Auffassungen bestehen hinsichtlich der Entstehungsweise: Zum einen kann das -(l)n als Schwundstufe zu -jöh bzw.
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Vgl. Brinkmann 1954:416, der ebd. die Vermutung anschließt, im südlichen Ahd. habe sich einmal die Tendenz abgezeichnet, (deadjektivische) -ΐ-Ableitungen für Begriffe des Seins und (deverbale) Ableitungen für Begriffe des Werdens zu unterscheiden. Die Differenzierung sei jedoch nicht verwirklicht worden, "weil es zu -i im Anschluss an das Gotische auch Ableitungen zu Verben gab (touj7)." (ebd.:416f). In bezug auf eine sprachräumliche Unterscheidung im Auftreten von -ida äußert auch Wilmanns 2 1899:344 bereits die Vermutung, daß "die verschiedenen Landschaften [...] augenscheinlich nicht in gleichem Maße beteiligt [sind].". Die Darstellung von Öhmann 1921:30, daß der Gebrauch von deadjektivischen ic/α-Abstrakta frnhd. v.a. auf mundartliche Einflüsse bei den Verfassern zurückzuführen sei, läßt sich im wesentlichen durch den Befund auf Korpusgrundlage bestätigen. Vgl. zur deadjektivischen und zur deverbalen Ableitung mit -ida die entsprechenden Abschnitte in Kap. III und IV. "Neben den abstrakten auf -ida stehen schon in diesen ältesten denkmälem - [...] - in erster reihe adjektivabstrakta auf -Γ' (Öhmann 1921:13; Kleinschreibung ebd.).
43
-jen gedeutet werden, zum anderen kann aber auch ein -/ angesetzt werden, das durch seinen Wechsel in die n-Deklination zu -(i)n erweitert wird.S9 Von Beginn an dient das Suffix dazu, feminine Abstrakta zur Bezeichnung von Eigenschaften zu bilden, die ganz überwiegend auf Adjektiven basieren.60 Im Ahd. schließt sich dann eine Gruppe von Verbalsubstantiva, die Tätigkeiten bezeichnen, den Adjektivabstrakta auf -i an. Diese Bildungen gehen auf das Got. zurück, wo mittels eines Suffixes -nischwache Verben abgeleitet werden.61 Im Ahd. fehlen die Entsprechungen für die so gebildeten Verbalabstrakta auf got. -öns und -ains, 2 und erhalten sind nur Ableitungen von jan- Verben, die durch Verlust des -n mit den adjektivischen -i-Derivaten zusammenfallen; vgl. z.B. die große formale Ähnlichkeit von ahd. touß Taufe' und tiufl Tiefe'. 6 Diese Deverbativa auf-/ sind jedoch bereits im Ahd. von untergeordneter Bedeutung, ja manchmal nur "seltenere Nebenformen zu andern",64 und im Mhd. auf Grund ihres Zusammenfalls mit den Verbalabstrakta auf -jö, -ö systematisch nicht mehr relevant.65 Die größere, systematische Bedeutung besitzt das Suffix -i jedoch, wie oben erwähnt, von Anfang an bei der Ableitung von Adjektiven. Diese Basisadjektive weisen eine große Vielfalt auf, sowohl hinsichtlich ihrer Stammausgänge (a-, i- und κ-Stämme) als auch ihrer morphologischen Struktur (einfache, abgeleitete und zusammengesetzte BA).66 Hieraus erklärt sich auch die zum Teil noch bis ins Mhd. anhaltende 'Lebendigkeit' der Bildungsweise, "da grundsätzlich zu jedem beliebigen Adjektiv ein Abstraktum gebildet werden konnte."67 Allerdings hat die Gestalt der adjektivischen Basis Auswirkungen für den weiteren Fortbestand der Bildungsweise mit -i: Nur im Got. und Ahd.
"
Vgl. öhmann 1921:13, Anm. 2, mit weiteren Literaturhinweisen sowie Henzen 1965:170, Anm. 4. Nach Auskunft von Wilmanns J1899:252 findet in funktionaler Hinsicht die Bildung von 'Konkreta' sehener statt. Ebenso tritt unter dem Gesichtspunkt der Distribution die Ableitung mit partizipialen Basen hinter der deadjektivischen Bildungsweise zurück (vgl. ebd.:255). Zur Derivation von Verben siehe den weiteren Text. " Zum Verhältnis der deadjektivischen und der deverbalen Abstrakta auf -(i)n im Got vgl. Wilmanns 21899:308f sowie Henzen 1965:173. 61 Als Gnind wird vermutet, daß sie, da sie ahd. auf -όη und -en hätten ausgehen müssen, mit den Infinitiven der -on- und -en-Verben zusammengefallen wären. Vgl. Wilmanns 21899:307 sowie Henzen 1965:172. 63 Vgl. Wilmanns 21899:307, Brinkmann 1954:415 und Henzen 1965:172. 64 Wilmanns 21899:308. Vgl. ebd. auch diverse Beispiele. 63 Zur Rolle der deverbalen Restbildungen mit -i, seit dem Mhd. reduziert zu -e, im Frnhd. vgl. Kap. IV.3.3.1.3. 44 Vgl. Wilmanns 21899:253. 67 Henzen 1965:171; vgl. auch Wilmanns 21899:253 und Paul 1920:67.
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Die Entstehung und Entwicklung der Suffixe
leitet -/ noch vermehrt zwei- oder mehrsilbige BA ab;68 im Mhd. wird das Suffix in dieser Position, in der es auf eine minder betonte Silbe folgt, apokopiert.69 Die so verlorengegangene formale Profilierung hat zur Folge, daß andere, formal deutlicher strukturierte Derivationsmorpheme an die Stelle von -/ treten, und zwar insbesondere -heit und -keit,70 Dieser Ersatz durch -heit ist auch bei den Ableitungen von partizipialen Basen mit -( zu beobachten. Diese von zweiten Partizipien überwiegend starker Verben abgeleiteten Bildungen, die in der Bedeutung substantivierter Infinitive ein 'Werden' bezeichnen,71 kommen im Ahd.72 noch massenhaft mit -i vor und dominieren deutlich über diejenigen mit -heit, während das Verhältnis im Mhd. genau umgekehrt ist, d.h., nur noch aus dem Ahd. erhaltene Derivate gehen auf -i aus, Neubildungen dagegen auf -heit (vgl. öhmann 1921:22f). Nicht nur bei der Ableitung zwei- oder mehrsilbiger BA wird -i jedoch bereits im Mhd. in seiner Bildungweise eingeschränkt; auch die Derivation von Einsilblern wird beeinträchtigt. Durch Abschwächung zu -e, wodurch die -/-Ableitungen formal mit den jö- und ö-Stämmen zusammenfallen, verliert -i "teilweise den Charakter eines suffixes" (öhmann 1921:16; Kleinschreibung ebd.), zum Vorteil des deutlicheren -heit. Allerdings sind abstrakte deadjektivische Neubildungen mit -i (nun als reduziertes -e) auch über das Mhd. hinaus möglich: So kommen im Frnhd. auf Korpusgrundlage -/-Abstrakta noch häufiger vor als im Nhd., wenngleich mit schwankender Bildungs- und Belegfrequenz.73
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Vgl. die umfangreichen Aufzählungen in Wilmanns (21899:254f), die nach den Kriterien der Betonung und der Morphologie der Basis in zwei Gruppen unterteilt sind: die Gruppe der Bildungen, in denen -f an eine unbetonte Ableitungssilbe tritt, und die Gruppe deijenigen, in denen -i sich mit einer minder betonten Stammsilbe verbindet (ebd.:255f). Wilmanns hebt für die Ableitungen der letztgenannten Gruppe hervor, daß sie am häufigsten in Obersetzungen von an Abstrakta reichen, lateinischen Vorlagen belegt sind, während Otfried weniger von ihnen Gebrauch macht. 69 Zwar stehen teilweise noch -f-haltige Bildungen neben apokopierten Formen, z.B. diemüete neben diemuot, jedoch sind sie wesentlich seltener als im Ahd. anzutreffen. Vgl. Wilmanns 21899:256f. 70 Vgl. Wilmanns 21899:253 sowie Henzen 1965:171. " Vgl. Wilmanns 21899:255. 71 Allerdings in unterschiedlicher Verbreitung. Vgl. Wilmanns 21899:235. 73 Vgl. Kap. IV.3.3.1.1.2 sowie Öhmann 1921:27, der die häufigere Belegung zum Teil auf die lange Tradition der Bildungen, v.a. in der poetischen Sprache, zum Teil auf den bewußten Rückgriff auf das klassische Mhd. (z.B. bei Luther) zurückführt. FOr das Korpus Frnhd. ist jedoch außerdem eine verstärkte Tendenz zu insbesondere wobd. Belegung festzustellen, eine gewisse sprachriumliche Bevorzugung also, die öhmann ebd.:33 für die -ί-Bildungen jedoch insgesamt nicht sieht.
Das Verhältnis der Suffixe bis zum Frühneuhochdeutschen
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4 Das Verhältnis der Suffixe -heit/-keit, -ida, -ι bis zum Frühneuhochdeutschen Für das Verhältnis der Suffixe -heitZ-keit, -ida, -i bis zum Frnhd.74 sind zwei Aspekte charakteristisch, die auch im Frnhd. ihre Bedeutung nicht verlieren: 1. die im Laufe der Zeit zunehmende Verdrängung von zunächst -ida durch -i und später beider Suffixe durch -heit, 2. der teilweise "Rückzug' der verdrängten Suffixe in die Mundarten, wo sie teils erhalten bleiben, weil sie auf Grund einer anderen Lautentwicklung funktionstüchtig bleiben, teils weil die Mundarten einen "Hang, an Altereibtem festzuhalten" (öhmann 1976:329), besitzen. Schon seit dem frühesten Ahd. ist zu beobachten, daß die zunächst zahlreichen deadjektivischen -/Ja-Bildungen vor den konkurrierenden -(-Ableitungen im Laufe der Zeit zurückweichen müssen.75 Erkennbar ist dies daran, daß die Verwendungsweise von -ida in den Quellen auf althergebrachte Abstrakta beschränkt bleibt und kaum Neubildungen stattfinden, während im gleichen Zeitraum die Konkurrenzformen auf -i stetig zunehmen.76 In Zusammenhang gebracht wird diese Entwicklung mit einer generellen Erscheinung in dieser Zeit, daß ältere, gemeinsprachliche Formen durch einen "kleineren, dafür aber entschiedener ausgebauten Kreis von konkurrierenden Doppelformen" (Gürtler 1923:108) ersetzt werden. Der Bedarf an neuen Abstraktbildungen ist durchaus vorhanden: Die Ausbreitung des Christentums macht im kirchlich-religiösen Bereich die Bildung deutscher Termini für die Übersetzung der lateinischen Vorlage erforderlich,77 und auch die allmähliche Durchsetzung der gelehrten Prosa bedingt eine verstärkte Nutzung deutschsprachiger Abstraktsuffixe. Da sich diese Entwicklung jedoch auf der Ebene der gehobenen Schriftsprache vollzieht, werden 'altertümliche' Wortbildungsmittel, z.B. -ida, die in der Gemeinsprache besonders verbreitet sind, verdrängt zugunsten von vorzugsweise schriftsprachlich genutzten Suffixen wie -/ (vgl. Gürtler 1923:106f). Begünstigt wird das Vordringen des Derivationsmorphems -i gegenüber -ida, aber auch anderen Adjektivabstrakta bildenden Suffixen dabei möglicherweise noch durch den Umstand, daß es an "alle Arten von Basisad74
75 76
77
Die nachfolgenden Ausführungen Ober das Verhältnis der untersuchten Suffixe zueinander bis zum Frühneuhochdeutschen sollen dazu dienen, den Stellenwert des einzelnen Suffixes bei seinem Eintritt in den frnhd. Zeitraum zu verdeutlichen. Es ist lediglich ein Überblick beabsichtig^; detailliertere Beschreibungen zu diesem Thema liegen vor von öhmann 1921 sowie, mit Schwerpunkt auf den -Aei r-Bildungen, von Oberle 1990:80ff. Vgl. Baumann 1914:33, Gürtler 1923:106 sowie öhmann 1921:13. Vgl. die Angaben zum frequentiellen Verhältnis von -ida und -ί-Bildungen in Texten zwischen 750 und dem Beginn des 9. Jhs. bei Baumann 1914:43f. Vgl. Gürtler 1923:106fund Baumann 1914:4.
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Die Entstehung und Entwicklung der Suffixe
jektiven" (Baumann 1914:4) treten kann, während -ida im wesentlichen auf "wurzelhafte" (Baumann 1914:35) Adjektive beschränkt ist. Auf diese Weise wird -i allmählich in der ersten Hälfte des Ahd. zum dominierenden Ableitungsmittel für die Bildung deadjektivischer Zustandsabstrakta, gleichwohl immer noch in Konkurrenz mit dem Abstraktsuffix -ida, das allerdings Sequentiell hinter zurücksteht. Einen ähnlichen Verlauf nimmt die Entwicklung im Bereich der Ableitung von Veibalabstrakta: Auch hier wird das ältere -ida von -i bald zurückgedrängt, ist dann zwar noch im Mhd. in Gebrauch, jedoch verlieren beide Suffixe durch das seit dem 11./12. Jh. dominierende -unga an Bedeutung.78 Zeitlich in etwa parallel zu den deadjektivischen Bildungen auf -ida und -i existieren bereits, wenngleich vereinzelt, Adjektivabstrakta auf -heit.19 Im späteren Ahd., d.h. ungefähr um 800, tritt nun allmählich das Ableitungsmittel -heit, das ja bis dato v.a. als selbständiges Wort verwendet wurde, verstärkt als zusätzliche Konkurrenzform hinzu, die ihrerseits die allmähliche Ablösung des Suffixes -i übernimmt. Zugute kommt dem Ableitungsmorphem -heit bei dieser Entwicklung seine deutlichere Profilierung, die dem Streben der ahd. Übersetzer und Dichter nach Deutlichkeit entspricht.80 Nachdem zunächst noch eine Zeitlang die Ableitungen auf -heit und -i die wichtigsten Typen zur Bildung denominativer Abstrakta sind (vgl. Gürtler 1923:108f), fallen dann später die -ΐ-Bildungen der deutschen Initialbetonung zum Opfer: -i wird abgeschwächt zu -e und damit homonym mit dem gleichlautenden Adjektiv, wodurch die Funktionsfähigkeit des Suffixes erheblich beeinträchtigt wird.81 Hinsichtlich des bereits von -i zunehmend zurückgedrängten Suffixes -ida ist im 9. Jh. erstmalig ein zumindest teilweises sprachräumliches Ausweichen zu beobachten (s.o. unter 2). Wenngleich für das Ahd. die mundartliche Verbreitung nur mit dem Vorbehalt festgestellt werden kann, daß die Textzeugnisse die, gleichwohl dialektal geprägte, Sprache der Gebildeten widerspiegeln (vgl. öhmann 1921:31), so ist doch festzuhalten, daß insbesondere nach 800 einige -ida-Bildungen dem Hd. zwar verlorengehen, jedoch danach im Nd. wieder hervortreten.82
18 79
M
81 81
Vgl. Gürtler 1923:109 sowie Öhmann 1976:327f. Vgl. Öhmann 1921:14. Vor 800 sind lediglich drei Bildungen belegt, zu denen dann im Laufe des 9. Jhs. zehn neue Bildungen hinzukommen. Vgl. Baumann 1914:73. Vgl. Lindqvist 1936:50. Im Extremfall führen die Bemühungen um eine deutliche Suffixstruktur sogar zu Suffixhäufüngen, indem ein beliebtes Suffix an eine bereits mit einem Ableitungsmorphem versehene Abstraktbildung tritt, z.B. -ida an Wörter auf-miss wie arpolganussida 'offensio, motus' oder folnussida 'plenituda'. Vgl. Lindqvist, ebd.: 51. Vgl. Öhmann 1976:328 in Verbindung mit 329. Vgl. Baumann 1914:43 sowie Öhmann 1921:33, der ebd. aus Gürtlers Sammlung als Beispiele für das Bair. bzw. Aletn. (un)sconida, suozzida und swärida anführt.
Das Verhältnis der Suffixe bis zum Fftihneuhochdeutschen
47
Die nach anfänglich spärlichem Vorkommen wachsende Verbreitung von -heit im Ahd. ist in Bezug zu setzen zu der Textsorte, in der das Suffix erscheint. Während von den Abstrakta auf -ida und -i bereits in der ältesten Übersetzungs- und Glossenliteratur reger Gebrauch gemacht wird, liegen mit -heit nur relativ wenige Bildungen vor, ein Befund, der noch schärfer ins Auge sticht, wenn man die volkstümliche Literatur betrachtet. Dort sind -heitAbstrakta in Relation zu anderen deadjektivischen Abstraktbildungen noch seltener vertreten (vgl. öhmann 1921:15f). Stattdessen ist die Bildungsweise mit -heit bereits in ihren ersten Belegen eng an die Sprache der Gebildeten und Gelehrten geknüpft (vgl. Wolf 1981:114), von wo sie erst allmählich 'stufenweise' in die Umgangssprache Eingang findet (vgl. öhmann 1921:17). Um einer genauen Vergleichbarkeit willen ist daher die weitere Entwicklung im Mhd., in dem ja die weltliche Dichtung bald an Bedeutung gewinnt, zunächst nur anhand der religiös-gelehrten Literatur zu verfolgen. Hier ist nun festzustellen, daß sich auch im Mhd. -Ae/'f-Abstrakta weiterhin auf Kosten von Bildungen mit -ida und -i verbreiten. Dies ist im übrigen nicht nur hinsichtlich der Ableitung von Adjektiven zu beobachten, sondern auch bezüglich partizipialer Derivate, die im Ahd. noch massenhaft mit -i gebildet werden neben wenigen Ableitungen mit -heit, während das Verhältnis im Mhd. genau umgekehrt ist.83 Die große Produktivität von -heit zeigt sich darin, daß im Prinzip von jedem beliebigen Adjektiv Augenblicksbildungen geschaffen werden können (vgl. Öhmann 1921:22), zum Teil sogar Konkurrenzformen zu Abstrakta wie Kälte und Wärme, "die durch den Umlaut vor der Homonymie mit dem entsprechenden Adjektiv geschützt waren".84 Allerdings ist das Vorkommen von -Ae/Y-Abstrakta, wie oben erwähnt, zunächst noch an lehrhafte und religiöse Prosa gebunden, und auf diesem Gebiet erfahren die Adjektivabstrakta mit -heit insbesondere in der Sprache der deutschen Mystiker seit dem 13. Jh. eine sprunghafte Vermehrung (vgl. Oberle 1990:82). Der Zeitpunkt, zu dem die Bildungsweise mit -heit schließlich auch die mhd. bedeutsame höfische Dichtung erreicht, läßt sich nicht genau bestimmen (vgl. öhmann 1921:23), zumal in der Textsorte Lyrik das konkurrierende Suffix -i deutlich dem Ableitungsmittel -heit vorgezogen wird, eine Erscheinung, die im übrigen bis in die Gegenwartssprache erhalten bleibt. Das Verhältnis der drei Suffixe -heit/-keit, -ida und -i beim Übergang von der mhd. in die frnhd. Zeit läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: Während -Ae/Y-Bildungen allgemein, d.h. ohne erkennbare sprachräumliche AnM M
Vgl. Öhmann 1921:22f und Oberle 1990:81. Öhmann 1976:325. Nach Öhmann 1921:22 ist diese Möglichkeit gelegentlich bereits seit dem 11. Jh. vorhanden, also keine neue Erscheinung.
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Die Entstehung und Entwicklung der Suffixe
bindung verbreitet und höchstens von der Textsorte beeinflußt sind, lassen die Ableitungen mit -ida und -i bereits einige dialektale Charakteristika erkennen. Nicht ganz so deutlich einzuordnen sind dabei die -z-Abstrakta, die "überall mehr oder weniger reichlich auftreten" (öhmann 1921:33), jedoch ist eine tendenzielle Bevorzugung im Obd. zu erkennen. Demgegenüber sind die meisten Adjektivabstrakta mit -ida deutlich an bestimmte Landschaften gebunden; sie kommen nur in nd. und md. Quellen vor.
III Die Formvarianten von -heit/-keit, -ida, -ι und ihre Entwicklung im Frühneuhochdeutschen 1 -heit/-keit und Suffixvarianten In den untersuchten frnhd. Texten werden -heit/-keit und die Formvarianten -cheit, -icheit/-ikeit sowie -igkeit als morphologische Varianten von -heit betrachtet,' die in ihrer Distribution zum Teil allerdings noch anderen Regeln unterliegen als im Nhd., und daher hier gemeinsam behandelt werden. Es gibt mehrere Gründe für diese Auffassung. Zum einen hat der historische Rückblick auf die Entstehung der untersuchten Suffixe (vgl. Kap. II) gezeigt, daß auf Grund ihrer Entwicklung zwischen -heit, -keit und -igkeit eine morphologische Verwandtschaft besteht. Zum anderen treffen außer diesem diachronen Aspekt jedoch auch synchrone Bedingungen zu, die die Annahme einer Allomorphie rechtfertigen. Dies sind: 1. die funktionale Gleichheit der Morpheme (vgl. hierzu Kap. IV); 2. ihre komplementäre Distribution; 3. ihr Auftreten in parallelen Konstruktionen; 4. die formale und phonologische Ähnlichkeit ihrer Grundstruktur.2 Im folgenden wird zu zeigen sein, daß diese Bedingungen prinzipiell und weitgehend zutreffen, daß die Verteilung der' Sufiixvarianten auf die Basen jedoch noch nicht wie im Nhd. für das gesamte frnhd. Sprachgebiet einheitlich festgelegt ist, sondern zumindest in der Frühphase des Frnhd. zeitliche und landschaftliche Unterschiede aufweist. Um die Voraussetzungen für diesen zum Teil noch schwankenden Gebrauch zu verdeutlichen, werden die Distributionsbedingungen einer jeden Sufiixvariante gesondert erläutert.
1
2
Ich schließe mich hiermit Wellmann an, der in DW2:30 die Allomorphie der nhd. Suffixvarianten -heit, -keit und -igkeit mit der Begründung postuliert, daB ausschließlich die Lautgestalt der Basis dafür verantwortlich sei, mit welcher Suffixvariante sie abgeleitet wird. Daß für das Fmhd. die Verhältnisse so klar und eindeutig noch nicht sind, wird an gegebener Stelle gezeigt. Zur Frage der Allomorphie bzw. des Suffixstatus von -heit/-keit/-igkeit im Nhd. vgl. DW2:490, Anm. 18, sowie Oberle 1990:373, Anm. 12. Vgl. Oberle 1990:373, Anm. 11. Oberle bezieht die ersten drei Kriterien aus Stepanowa 1973:62 und das vierte Kriterium aus Stepanowa/CemySeva 1975:98.
50
Die Formvarianten und ihre Entwicklung im Frühneuhochdeutschen
Gleichzeitig wird bei, den einzelnen Formvarianten beschrieben, auf Grund welcher Segmentierung sie zustande gekommen sind. Die im Hinblick auf das Nhd. zweifelsfreie Entscheidung darüber, wo die Grenze zwischen Basis und Suffix zu ziehen ist, stellt sich nämlich für das Frnhd. in vielen Fällen, v.a. hinsichtlich der Variante -cheit, weniger eindeutig dar. Nicht nur die Distributionsbedingungen weisen frnhd. Besonderheiten auf; auf der Ebene der graphischen Repräsentation von -heit/-keit und den anderen Suffixvarianten ist in frnhd. Zeit eine relative Vielfalt an Formen festzustellen, die jedoch gewissen Regularitäten unterliegt.
1.1 Graphien Die folgende Darstellung bezieht sich auf die Graphien von -heit/-keit und Suffixvarianten bzw. in den Abschnitten 2.1 und 3.1 auf die graphischen Repräsentanten von -ida und -
7 1 82
Ohchal ι e 1 1
e 1
-
-
i 19 1 8 1 7
I 6 I 4 -
VII 9
3
Erläuterung: Vokalgraphien aus BA auf -ig + -keit! BA + -igkeit
4 •
1 16 1 8 • 9 1 2
58
Die Form Varianten und ihre Entwicklung im Frohneuhochdeutschen
Für zwei von vier md. Sprachlandschaften des Korpus Frnhd. (Rip. und Obs.) und für drei von sechs obd. Sprachräumen (Ofr., Schwäb. und Mbair.) ist vom 14. bis 17. Jh. ausschließlich der Graphietyp zu verzeichnen. Der Typus findet sich lediglich in Texten des 14. Jhs. im Thür., Hess., Eis. und Ohchal. sowie in einer oschwäb. Quelle aus dem 15. Jh. und steht dort jeweils in Konkurrenz zum -Typus. Dominierend ist die Graphie allerdings nur im hess. Korpustext I (: = 15:7) und in Ohchal. I (: = 2:1), ansonsten überwiegt . Zum Vergleich die Übersicht nach Moser/Stopp (vgl. Gr.d.Frnhd.,I.2:128): 14./15.Jb. md.
16. Jh.
i;e* i
obd.
i(e)**
* = deutlich hinter i zurücktretende Graphie e ** = seltene Graphie e neben i Ein grundsätzlicher Nachteil der Übersicht von Moser/Stopp besteht darin, daß sie nur begrenzte Aussagekraft besitzt, da 1. unscharf bleibt, was unter "deutlich zurücktretend" sowie "selten" zu verstehen ist,32 und da 2. eine genauere Aufschlüsselung nach den einzelnen md. und obd. Sprachlandschaften nötig wäre, um einen exakteren Überblick über die Belegsituation zu gewinnen. Abgesehen von diesen Einschränkungen ist jedoch im Grundsatz Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen nach dem Korpus von Moser/Stopp und denen des Korpus Frnhd. festzuhalten. Die Relation zwischen den Verhältnissen im Md. im 14./15. Jh. und denen im Obd. ist im Korpus Frnhd. die gleiche wie bei Moser/Stopp; lediglich die prozentuale Häufigkeit der Graphie im Verhältnis zu ist im Bonner Kor32
"
Die mangelnde Exaktheit in diesem Punkt begründen Moser/Stopp (vgl. Gr.d.Fmhd.,I.2:18) mit der Art der zugrundegelegten Quellen, insbesondere den Angaben der Monographien, die es nicht erlaubten, Begriffe wie Vereinzelt' oder 'selten' mit Hilfe von Prozentzahlen in eine quantitative Relation zu stellen. In Band 1.3- der Gr.d. Frnhd versuchen Moser/Stopp allerdings dann doch noch, durch eine Auszählung an Einzelphänomenen eines Teilgebiets ihre Ergebnisse zu konkretisieren. Das Ergebnis: Verteilung x;y = 10 - 40 % y; Verteilung (y) = 6 - 9 % y. Vgl. Gr.d.Frnhd., 1.3:13. Vgl. zu den Präsentationstypen von Moser/Stopp bereits Besch 1979:147ff, der diese Art der Präsentation zwar nicht grundsätzlich ablehnt, jedoch daran kritisiert, daß sie bei der "Diskussion schwierig zu durchschauender Verhältnisse" (ebd.: 149) nicht geeignet sei, da sie zu sehr hinsichtlich der Unterteilung der Sprachlandschaften bzw. der Belegfrequenzen verallgemeinere.
•heit/'keit und Suffixvarianten
59
pus mit gut 9% im Md. (Moser/Stopp: 10-40%) zu knapp 3% im Obd. (Moser/Stopp: 6-9%) niedriger. Völlige Übereinstimmung herrscht angesichts der Tatsache, daß ab dem 16. Jh. ausschließlich die Graphie als unbetonter einfacher Vokal verwendet wird. Die Feststellung von Moser/Stopp, daß sich der "Ausgleich zugunsten der verbreitetsten Form" (Gr.d.Frnhd., 1.2:50) vollzieht, läßt sich anhand des Korpus Frnhd. bestätigen. Über das Erklärungsprinzip des 'Geltungsareals'34 hinaus sind allerdings auf Grundlage der Korpustexte noch zwei weitere Aspekte für die Durchsetzung von anzuführen: 1. Es tritt von Anfang an in einer größeren Frequenz auf ('Geltungsgrad'); 2. es ist, ebenfalls seit Beginn des Frnhd., die alleinige Variante im gesamten östlichen Bereich sowohl des md. als auch des obd. Sprachraums und dominiert überdies in den Randgebieten Thür I, Rip I und Els I CLandschaftskombinatorik'). Insbesondere in Mbair I und der "Grenzlandschaft" Ofr (ebenfalls in I) ist es in großer Frequenz belegt. Denkbar für die endgültige Dominanz des über wäre auch eine Erklärung struktureller Art ('Strukturprinzip'): Nach Moser/Stopp ist das Derivationsmonem -ig bereits seit dem 15. Jh. allein gültig35 und könnte daher die strukturelle Voraussetzung geschaffen haben für die Durchsetzung der Variante . 1.1.4 Exkurs: Die Konsonantengraphien aus mhd. -ec-heit (Gr.d.Frnhd.,I.2:§27.1.b) Die zwei im vorangehenden beschriebenen vokalischen Graphietypen, die dem unbetonten einfachen Vokal aus mhd. -ec-heit entsprechen, sind Iandschafts- und zeitspezifisch in Kombinationen mit bestimmten Konsonanten eingebunden. Die Vokalgraphie ist bis auf einen Beleg aus Hess I {-(e)cheide) im Korpus Frnhd. stets mit verbunden (-ekeit). Moser/Stopp bemerken ebenso: "Der e-Typ zeigt in der Masse der Belege k (-ekeit)\ nur noch selten erscheint md. und obd. ch (-echeit)." (Gr.d.Frnhd.,I.2:128, Anm. 10).
34
J5
Vgl. Besch 1979:132, der bezüglich der Regularitäten von Ausgleichsvorgängen vier durch die Forschung bislang festgestellte Erklärungsmöglichkeiten, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, benennt: 1. Geltungsareal, 2. Geltungsgrad, 3. Landschaftskombinatorik, 4. Strukturprinzip. Besch warnt allerdings mit konkretem Bezug auf die Entwicklung von -nis/-nus/-nüs davor, diese vier Faktoren isoliert voneinander zu betrachten (vgl. ebd.:136). Vgl. Gr.d.Frnhd.,I.2:50f sowie ebd.:33 (Tabelle).
60
Die Form Varianten und ihre Entwicklung im Frühneuhochdeutschen
Die Konsonantengraphien des i-Typs sind zusammengestellt in Tabelle 3,36 die sich aus den Übersichten über -keit, -cheit, -icheit/-ikeit und -igkeit (= Anhang: Tabellen 2-5) zusammensetzt. Angegeben ist die Anzahl der belegten Graphien je Text. Im Gegensatz zu Moser/Stopp unterscheide ich jedoch, ob die Konsonantengraphie durch Ableitung eines BA auf -ig entstanden (Angabe links des Mittelstrichs) ist oder ob das Suffix -igkeit bzw. eine Variante ein primäres BA ableitet (Angabe rechts des Mittelstrichs).37
36
31
Zur Begründung der hier gewählten, im Unterschied zu den Präsentationstypen von Moser/Stopp sprachräumlich und zeitlich genauer differenzierenden Darstellungsform vgl. oben sowie Anmerkung 33. Moser/Stopp weisen in der Einleitung zu der Gr.d.Frnhd.,I.2:15 selbst daraufhin, daß es Lücken in der Beschreibung des Nebensilbenvokalismus auf Grund fehlender oder nicht spezifizierter Angaben der Monographien gibt; beispielsweise werden nur bestimmte Graphien erwähnt ohne genauere Angabe ihrer Herkunft, d.h. "ob es sich um den Ausgang von Monemen oder um Morpheme oder um beides handelt, und eine Scheidung in verschiedene Morpheme ist ebenfalls unmöglich." (ebd.).
-heit/-keit und Suffixvarianten
Tabelle 3: Mhd. e im Nachton: -ec(-) Konsonantengraphien i-Typ
I III IV V VI VII
I III IV V VI VII
Rip -ich5 -ich37 -ich(h)41 -igk" 11 -igk6 -igk" 73
Thür -ik10
-
-ich3 -ich13 -igk" 1 -igk5
-
-ik23 -icic9 -ick21
Obs -ich- -ik- ! -ich42 3 ί 7 -ik- -igk- ick-j-igk28 14 4 ; 1 -igk- -ik- j-ik- H*9 1 ! 4 1 -igk! -igk10 : 7 -igk1 -igk43 1 6 -igki -igk17 • 1
-i(c)k9 -igk2 5 -igk17 -igk-'gk· 22 44 2 Hern OftI -ik- I -ik-ich- -i(c)k- -ich- -ik6 1 9 11 5 2 III -ik- I -ik-ik- -igk- Begierde ist ein Einzelfall und analog zu zieren > Zierde zu sehen.
94
Die Fonnvarianten und ihre Entwicklung im FrQhneuhochdeutschen
Form der Vokalveränderung bis auf eine Ausnahme (Rip IV starckte) in allen fünf Bildungen mit umlautfähiger Basis. Beispiele: Ohchal I: warm - wermede Rip III: hoich - hoechde Rip III: starcken - sterckden Rip V: lange - lengde Hess III: lamen - lemde Zusammenfassend ist festzuhalten, daß das Dentalsuffix -ida in den Quellen des Korpus Frnhd. zwar, v.a. im Md. (bes. wmd. im Rip. mit BA) und im Wobd., noch aktiv ist,172 jedoch ist diese Aktivität im wesentlichen beschränkt auf das 14. bis (nur noch Rip. und wenige schles. Belege) 16. Jh.173 Neue Bildungen entstehen danach nicht mehr; das Suffix ist nicht mehr produktiv und beschränkt sich in der Derivation auf einige wenige, auch nhd. noch gebräuchliche Bildungen (s.o.). Stattdessen treten andere Wortbildungsmittel wie -heit und -e an seine Stelle.174
3 -ϊ 3.1
Graphien
Die Suffixgraphie ahd. wird in den frnhd. Texten in der Mehrzahl als wiedergegeben; daneben tritt jedoch in den schwäb.-alem. Quellen die Variante , meist parallel zu , in Schwäb I und Oschwäb I jedoch ausschließlich. Die -Graphie ist hauptsächlich vom 14. bis ins 16. Jh. belegt, letzte Belege sind allerdings noch im 17. Jh. im Korpus zu finden (vgl. die Übersicht im Anhang: Tabelle 8). Dieser Befund deckt sich mit der Untersuchung von Moser/Stopp zur Entsprechung von mhd. unbetontem -e. 175 Danach ist im Wobd. seit dem 14. Jh.
171
Zur Unterscheidung von Aktivität und Produktivität vgl Fleischer 41975:Abschnitt 1.4.11. In der ersten Hälfte des 17. Jhs. ist dann nur noch eine vereinzelte deadjektivische Ableitung gefirde im Obs. belegt. Die 'Blütezeit' der deadjektivischen -ιΛι-Abstrakta datiert Öhmann mit gebotener Vorsicht (Beleglage!) "auf ndd. und md. boden in die spätere mhd. zeit" (öhmann 1920:72; Kleinschreibung ebd.), wobei seine Periodisierung auf Grund der angeführten Belege noch in die hier als Frnhd. bestimmte Zeit hineinreicht. 174 Eine Gegenüberstellung mit Adelung und DW2 erfolgt in Kap. IV. 173 Vgl. Gr.d.Fmhd.,I.2:33f,50f sowie 105ff. 173
-ί
95
neben Leitgraphie, ein Zustand, der sich bis ins 17. Jh. hält, im Hochalem. auch noch bis ins 18. Jh. 176 Die Aussage von V. Moser: "Die alten femininabstrakta auf -i(n) und daran anschließende zeigen sich noch fast durch das ganze Frnhd. mit der endung -in -/' (sterkin, lengin, wßstin, kettin usw.)" 177 , die dieser anschließend allerdings sprachgeographisch differenzierter betrachtet, wird von Moser/Stopp dahingehend auf den Punkt gebracht, daß die frnhd. Graphie der femininen Substantive "in erster Linie ein schwäbisch-alemannisches Phänomen"178 ist. Außer auf das nicht abgeschwächte Suffix -i verweist Besch179 als weiteres Indiz für das Fortleben ahd. Verhältnisse in der schwäb.-alem. Schriftsprache auf die "Bewahrung der schwachen Flexion , die er am Beispiel des Wortes tiefle demonstriert, das in den von ihm untersuchten Quellen in 9 Hss. im Dat.Sg. steht und die Endung -in trägt. Der von Beschs Untersuchung abgedeckte Zeitraum ist auf das 15. Jh. beschränkt. Im Korpus Frnhd. sind jedoch noch Belege für die schwache Flexion mit -in in Texten aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs. (Schwäb V, 10 Belege) und sogar noch der ersten Hälfte des 17. Jhs. (Oschwäb VI, 1 Beleg) zu finden, d.h., es handelt sich hier in der Tat um eine sehr langlebige, wenngleich regional begrenzte Endung. Besch führt am Beispiel des Wortes tieffe vor, daß die Vollform -i(n) dazu beigetragen hat, die Apokope zu tie/φ zu verhindern. Erkennbar wird dies daran, daß der Abfall des gleichzeitig belegten -e (tieffe) erst "im weiteren Abstand vom alem. Kerngebiet -in, nämlich im Baltischen und Ostfränkischen" 182 stattfindet. Dieser Befund deckt sich weitestgehend mit der Situation im Korpus Frnhd. Auch hier sind einige apokopierte Formen belegt, schwerpunktmäßig im Ofr., bereits weniger häufig im Mbair., aber auch vermehrt im Oschwäb. Anders als bei dem von Besch betrachteten Lexem treten in den Korpustexten auch schon im 14. und 15. Jh. im Eis. einzelne ApokopeFormen auf (Els I: liep; Eis III: leng). Da sich die vorliegende Untersuchung nicht nur auf ein einzelnes Lexem wie tiefe bezieht, sondern generell auf Ableitungen auf-ί, ergibt sich überdies eine ausschnitthafte Ubersicht über die Verteilung der Apokope auf bestimmte Lexeme. Hier fällt auf, daß unter den deadjektivischen Derivaten mit 108 Belegen das Lexem liebe weitaus am häufigsten apokopiert wird (lieb); an zweiter Stelle rangiert kälte (kelt) mit nur noch 16 Belegen, gefolgt von gemeine (gemein), höhe (höch) und länge (leng) mit je 9 Belegen. 174
177 178 179
180 1,1
Vgl. Gr.d.Frnhd.,1.2:33, Übersicht. Unter 1. sind hier die Leitgraphien des Derivationssuffixes -/ (frnhd. -e bzw. -i(n)) vom 14. bis 16. Jh. dargestellt. Vgl. außerdem ebd.: 107. Moser 1909:143(§77). Gr.d.Frnhd.,1.2:106. Vgl. Besch 1967:284-286 sowie Karten 65 und 86. Auch Moser/Stopp verweisen auf diese Untersuchung in Gr.d.Frnhd.,1.2:106. Besch 1967:284. Vgl. Besch 1967:284 und Karte 86. Besch 1967:284.
96
Die Formvarianten und ihre Entwicklung im Frühneuhochdeutschen
Bezüglich der zeitlichen Verteilung der Apokope ist zu bemerken, daß sie zunächst schwankt, ab Zeitraum IV jedoch nach Lexemen deutlich rückläufig ist. Die Anzahl der Belege variiert von Zeitraum zu Zeitraum, was mit der hohen Freauenz einzelner Lexeme zusammenhängt, z.B. ist ein einziges Lexem, Heb, in Zeitraum VII mit 43 von 45 Belegen vertreten.183 Die -Form hält sich in den (alem.) Mundarten noch bis in die Gegenwart,184 da das durch sie repräsentierte Suffix in der Abstraktbildung noch produktiv ist, d.h., Abstraktbildungen können "nach Bedarf jeweils frei aus Adjektiven erfolgen", z.B. in "Ärmi, Hübschi, Jungi",185
In den übrigen Sprachlandschaften ist dagegen ausschließlich die aus ahd. abgeschwächte Form 186 gültig; in den Korpustexten ist dies bereits in den frühesten Quellen aus dem 14. Jh. der Fall. Der (nhd.) Ausgleich hat also zugunsten der verbreitetsten Form stattgefunden, d.h. zugunsten von . Allerdings weisen Moser/Stopp darauf hin, daß angesichts der Tatsache, "daß / aus den Flexionsmorphemen und e weitgehend aus den Derivationsmonemen ausgeschieden wurde",187 es bemerkenswert sei, daß sich die obd. Variante des Typs schöni, güti nicht durchsetzen konnte. Ihre Vermutung geht u.a. dahin, daß die mangelnde Verbreitung der -Form ein Grund war, da sie sowohl in der oobd. als auch in der gesamtmd. Schreibtradition gefehlt habe. Als Beleg dafür, daß es sich um einen funktionstüchtigen Derivationstyp gehandelt hat, fuhren Moser/Stopp an, daß das Wobd. relativ lange an der -Graphie festgehalten hat (s.o. stellenweise bis ins 18. Jh.).188
1,1
m 185 186
187 188
Die Verteilung der Apokope-Formen von deadjektivischen -ί-Ableitungen im Zeitverlauf, ohne Berücksichtigung der landschaftlichen Unterschiede, sieht wie folgt aus (Lexeme/Belege): I III IV V VI VII 11/30 8/31 14/69 6/12 7/27 3/45 Darüberhinaus gibt es auch zu den Vollformen der wenigen deverbalen -i-Derivate apokopierte Formen, die sogar anteilmäßig überwiegen: Neben begere (IV) sind zwei Apokopeformen in V und VI belegt, und der 8x belegten Vollform taufe (V, VII) stehen 15 apokopierte Ableitungen in I, III, V und VII gegenüber. Vgl. Kluge 1913:17(§18) sowie Moser 1909:144(§77). Henzen 1965:172. Die Entwicklung von -t zu -e sowie die sich daraus ergebenden Konsequenzen erläutert Erben 1965:149f. Gr.d.Fmhd.,1.2:50. Vgl. Gr.d.Fmhd.,I.2:50.
97
3.2 Distribution Das Abstraktsuffix -/ leitet (bezogen auf die Lexeme) zu 92% Adjektive ab, tritt in vier Ableitungen an Basisveiben in Form des Infinitivs sowie in zwei Derivaten an Basen, die als Modaladverb des Grades oder Maßes ('genug') bzw. der Zeit Cbald') einzuordnen sind, und ist einmal mit einem Partizip Perfekt kombiniert. Übersicht über die Distribution von -i189
BA BV(Inf) BModadv BV(PII) Gesamt
+-/ + -t + -i + -i
Lexeme Anteil Belege Anteil 80 92,0% 942 98,0% 4 4,6% 12 1,3% 2,3% 4 2 0,4% 1 3 0,3% 1,1% 87 100% 100% 961
Die Masse der Ableitungen von BA, nämlich 99%, basiert auf Simplizia, von denen wiederum die meisten Einsilbler sind (z.B. in fäule, breite, küle), auf -er enden (heitere, finstere, säure190 )191 oder mit der Vorsilbe ge- versehen sind (geheime, gemeine, gerichte). Auch Zusammensetzungen der Form morgenröte, lebenskiirze oder meeresenge sind belegt,192 allerdings hauptsächlich in den Quellen ab der zweiten Hälfte des 16. Jhs. Im Gegensatz zum Nhd. findet in den frnhd. Korpustexten auch die Ableitung von sekundären BA statt,193 wenngleich nur noch 11 Bildungen in 32 Belegen vorkommen: einbare, (un-)gehorsame, gemeinsame, gestaltsame, gewaltsame, gutliche, speislose, streitbare, ungestüme, unwarhaße, widermute.
190 1.1
1.2
193
Zählt man die apokopierten Formen zu den Lexem- bzw. Belegsummen hinzu (vgl. Abschnitt 3.1), so vergrößert sich der Lexembestand nicht, die Zahl der Belege belauft sich jedoch dann auf 1.177. Mit Ausfäll des -e des Basisauslauts sowie Basisumlaut. Bildungen auf -er, das sind gleichzeitig Ableitungen, in denen sich das Ableitungssuffix -i an eine unbetonte Ableitungssilbe anschließt, findet Wilmanns J 1899:255 v.a. noch im Mhd. (bittere, heitere, liutere 'Lauterkeit', nidere "Niederung', vinstere) sowie in späterer Zeit in der Dichtung {Finstere, Heitere). Wellmann benennt in DW2:269 für die Zeit um 1800 aus Adelung noch die Bildung Finstere ('für Finsternis' Ad.). Zusammensetzungen und auch präfi gierte Formen werden nicht gesondert gezählt, wenn die Grundform bereits erfaßt ist (s.o. Abschnitt 1.2.1, Übersicht Ober die Distribution von -heit). Im CG (= Corpus der deutschen Gegenwartssprache) sind nach Wellmann, DW2:268, nur Derivate aus Simplexadjektiven belegt, sofern man nicht davon ausgeht, daß Güte von gütig, Ruhe von ruhig oder Würde von würdig abgeleitet sind, also von sekundären BA.
98
Die Formvarianten und ihre Entwicklung im Frühneuhochdeutschen
Die Derivation von abgeleiteten BA ist im Got. und Ahd. noch sehr häufig gewesen, seltener bei Otfried, aber v.a. in Übersetzungen von lateinischen Texten, die noch eine Vielzahl von Abstrakta aufwiesen.194 Im Mhd. nimmt die Zahl derartiger Feminina dann bereits stark ab,195 und im Nhd. sind nur noch vereinzelte Bildungen bewahrt, die überdies meistens in apokopierter Form (diese auch schon mhd.) vorliegen, z.B. in Gegenwart.196 Durch den Untergang der sie motivierenden Adjektive sind nach Wilmanns alle diese Bildungen (außer Gehorsam, das im übrigen maskulines Genus angenommen hat) heute isoliert, und dort, wo "ein lebendiges Verhältnis zwischen Adjektiv und Subst. geblieben ist, brauchen wir -keit und -igkeit,".197 Unter den Basiswortarten, die außer den Adjektiven noch zur Bestandsvermehrung der -/-Bildungen beitragen, nimmt das Verb in Form des Infinitivs nach Lexemen und Belegen die erste Stelle ein. Deverbale -/-Ableitungen liegen mit begere ('das Verlangen'), bleiche (Ort, an dem man bleicht'), blühe ('die Blüte') und taufe198 insgesamt zwölfmal vor. Eine weitere Basiswortart, mit denen sich -i in den Korpustexten verbindet, ist das Modaladverb, das die Basis der Bildungen genüge und bälde repräsentiert. Die Basis der Ableitung genüge, im Korpus insgesamt dreimal belegt, kann sowohl als BA als auch als Modaladverb klassifiziert werden. Laut DWB (s.v.) wird genug im Mhd. noch als Adj. gebraucht, so daß auf Grund der angeführten Belege für die Ableitung gnvge aus Thür I als Basis ein BA angesetzt werden kann. Später wird das Grundwort als eine "art unbestimmtes zahlwort" oder besser "maszwort" (DWB, s.v.) benutzt, so daß sich für die beiden übrigen Bildungen aus Thür VII und Ohchal VI eine Bestimmung als Modaladverb zur Bezeichnung des Grades oder Maßes anbietet.199 194
Vgl. Wilmanns 2 1899:2J5f, der for das Got. und Ahd. zahlreiche Beispiele nennt. Nach Wilmanns 2 1899:256 sind es insbesondere die Feminina auf -müele wie die-, ein-, hoch-, dt-, über-, widermüete, die mhd. noch belegt sind, neben einzelnen nur noch wenig gebrauchten Ableitungen von BA auf -beere wie dankbare ('Dankbarkeit'), erbare ("Ehrbarkeit'), dienestbcere f Dienstbaikeit1) neben häufigem gebcere ('das Benehmen'; das Suffix folgt hier nach betonter Silbe). 196 Die Apokope des Abstraktsuffixes, die schon im Mhd. beginnt, wurde begünstigt durch die Stellung nach minder betonter Silbe sowie die zur Verfügung stehenden "Ersatzsufiixe" -heit und -keit. Vgl. Wilmanns 2 1899:253. 1,7 Wilmanns 2 1899:257. "* Das Verbalabstraktum taufe gehört zu einer Gruppe von Substantivableitungen, die sich erst im Hochdeutschen zu jenen schwachen Verben bilden, die im Gotischen mit einem «/-Suffix versehen sind, also der starken Deklination unterliegen. Diese Gnippe ist also erst nachträglich in das Bildungsmuster der ursprünglichen -ifn)-Feminina eingetreten. Vgl. Wilmanns 21899:252 in Verbindung mit 307. 199 Vgl. zu dieser Klassifizierung Duden-Gr. 4 1984:349, Randziffer 590. 199
99 Das Derivat genüge kommt im Korpus nur in bestimmten Wendungen vor und hat sich in dieser Form auch noch bis ins Nhd. gehalten, z.B. 'einer Sache Genüge tun/leisten'.200 Ebenfalls in einer festen Umgebung, nämlich in präpositionaler Fügung mit 'in', ist die zweite von einem Adverb abgeleitete Bildung des Korpus belegt, bälde. Hier liegt ein temporales Modaladverb zugrunde.201 Eine bereits im Mhd. selten gewordene Form der Derivation mit -i ist in einem Text des Zusatzkorpus, Els IV, noch belegt: die Ableitung eines Partizip Perfekts (PII) in der Bildung gelegene ('Lage, Beschaffenheit'). Das zweite Partizip repräsentiert die häufigste Form der partizipialen Basen bei der Ableitung mit -?;202 ein Part. Präs. als verbale Basis ist ungleich seltener anzutreffen, obgleich die meisten partizipialen Ableitungen mit -i "die Bedeutung substantivierter Infinitive" haben, d.h., sie "bezeichnen das Werden, nicht das Gewordensein".203 Charakteristisch für die zweiten Partizipien ist überdies, daß sie weitaus häufiger von starken als von schwachen Verben gebildet werden, was auch auf die im Korpus belegte Bildung gelegene zutrifft. Bei der Ableitung der Basen durch -i verändern sich die sekundären BA sowie die partizipiale Basis in der Regel nicht, während sowohl bei den nicht abgeleiteten BA als auch bei den Modaladverbien der bereits beschriebene Basisumlaut (vgl. Abschnitt 1.2.1.3), wo dies möglich ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, regelmäßig eintritt (Beispiele: BA: scharf - schärfe, groß größe, kurz - kürze', BModadv: genug - genüge, bald - bälde).204 Konsonantenalternationen der Basen treten in der Regel nicht auf. Einzige Ausnahme ist die Ableitung von hoch. Hier gilt, wie im Nhd., daß für das Derivat höhe, eine "kombinatorische Variante hoh-/hoch als Basis anzusetzen" (DW2:45), die in Verbindung mit einem Vokalwechsel auftritt. Als Beleg können die Flexions- und Komparationsformen {hohes, höher etc.) dienen. Wenngleich auch im Korpus diese kombinatorischen Varianten fur den Wechsel zwischen Basis und Ableitung in der Regel zur Verfugung stehen, ist 200
201
202
203 204
Vgl. Duden-DUW 21989:s.v. Wellmann geht auf die Bildung Genüge in DW2 nicht ein, so daB sich für ihn die Frage nach der Wortartzugehörigkeit der Basis nicht stellt. Ich schließe mich mit dieser Einschätzung Fleischer 1971:123 sowie Henzen 1965:171 an; Wellmann dagegen setzt als Basis ein Adjektiv an, das in adverbialer Verwendung die präpositionale Fügung ersetzen kann. Vgl. DW2:497, Anm. 173 sowie genauer Kap. IV. Vgl. Wilmanns 21899:255. Außer ein paar Belegen aus dem Got. führt Wilmanns v.a. Substantivableitungen aus dem Ahd. an und verweist darauf, daß nur wenige Ableitungen mit einer Basis in Form eines Part. Präs. existieren, und wenn, dann nur in den "ältesten Quellen" (ebd.). Beide Zitate bei Wilmanns J1899:255. Vgl. für das Nhd. DW2:267: Umlautßhige Basen wechseln, bis auf ein paar Ausnahmen, bei der Ableitung mit -e regelmäßig den Vokal a:ä, au:äu, o:ö, u:Q, d.h., sie haben Basisumlaut.
100
Die Formvarianten und ihre Entwicklung im Frühneuhochdeutschen
ebenso die Möglichkeit belegt, daß sich aufler der bereits beschriebenen Vokalalternation im Derivat nichts verändert, vgl. Oschwäb IV und VI: hoch höche.
IV Die Typen der Ableitung mit -heitAkeit, -ida, -ι im Frühneuhochdeutschen 1 Grundfunktionen der Ableitung mit Suffixen: Modifikation und Transposition Die Ableitung mit Suffixen erfüllt generell zwei Funktionen:1 sie dient entweder der semantischen Abwandlung der Basis (Modiiikation) bei gleichzeitigem Erhalt der Wortart,2 ζ. B. Haus - Häuschen, oder der semantischen und syntaktischen Umwandlung (Transposition) in eine andere Wortart, z.B. verstehen - Verständnis, oder Wortklasse,3 z.B. das Kind - die Kindheit.
1.1 Modifikation (semantische Abwandlung) Bei der Ableitung nach dem Muster der Modifikation bewirkt das Hinzutreten des Suffixes an die Basis, daß dieser eine semantische Komponente hinzugefügt und sie damit semantisch abgewandelt wird. Im Rahmen der Substantivableitung bezieht sich die Modifikation stets auf Basissubstantive,4 d.h., die Wortart der Ausgangsbasis bleibt erhalten.s Daß lediglich eine semantische Abwandlung vorliegt, ist daran erkennbar, daß der die Grundbedeutimg tragende Bestandteil der Ableitung auch ohne das Suffix im gleichen Satz bei annähernd gleicher Bedeutimg6 stehen kann, "nur um diejenige Komponente vermindert, die durch den WB-Zusatz ausgedrückt wird (z.B. Ich lese ein Buch / Büch + -lein).".7 1 2 3
4 3
6 7
Vgl. Weltmann 4 1984:459 sowie Oberle 1990:236. Erben J 1983:43: "d.h. Subst. 1 Subst 2, Adj. 1 - » Adj. 2, Verb 1 -> Vert) 2". Während der Begriff der "Wortklasse' bei Bußmarm 2 1990 s.v. synonym verwendet wird mit dem Terminus "Wortart', hebt Wellmann mit seiner Unterscheidung offenbar darauf ab, daß bei gleichbleibender Wortart auch lediglich die 'Bezeichnungsklasse' (^Wortklasse) gewechselt werden kann. Vgl. S. 102 sowie von Polenz 1980:176. Vgl. die graphische Obersicht in Wellmann 4 1984:459. Vgl. Oberle 1990:236, die dies anhand der Moviening verdeutlicht: In Leser Leserin bleibt die Wortart erhalten und hinzu tritt lediglich das semantische Merkmal "weiblich'. Erben 2 1983:77: "mit nicht allzu großer Inhaltslnderung". von Polenz 1980:176. Im angeführten Beispiel besteht die semantische Abwandlung in der Diminution (Verkleinerung) durch das Suffix -lein.
]02
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frtthneuhochdeutschen
Von den untersuchten Suffixen übt nur -heit die Funktion der Modifikation aus, da es sich als einziges Ableitungsmittel mit Substantiven als Basis der Ableitung verbindet. Seine modifizierende Funktion besteht dabei ausschließlich in der Kollektion, d.h. der Ableitung von Sammelbezeichnungen für Personen wie z.B. Menschheit (vgl. Kap. 3.1.1).
1.2 Transposition (semantische und syntaktische Umwandlung) Anders als bei der semantischen Modiiikation bewirkt das Hinzutreten des Suffixes8 zur Basis im Rahmen der Transposition eine semantische und syntaktische Umwandlung.9 Dies äußert sich entweder in einem Wortartwechsel (z.B. BV + -heit oder BA + -z = Substantivableitungen) oder aber zumindest in einem "Wechsel syntaktischer Positionen"10, der verbunden ist mit einem Wechsel der Bezeichnungsklasse. Der zuletzt genannte Fall tritt ein, wenn die abzuleitende Basis aus einem Substantiv besteht wie bei der lokativen Ableitung Büch + erei. Das Derivat modifiziert nicht nur das Ausgangswort Buch, sondern es steht darüber hinaus an einer völlig anderen Stelle im Satz und bezeichnet gleichzeitig einen anderen Gegenstand: "Ich lese ein Buch / eine *Büch + erei.".11 Während die Substantivableitung mit den untersuchten Suffixen hinsichtlich der (semantischen) Modifikation ausschließlich dem Suffix -heit mit BS zukommt, sind alle drei Derivationsmorpheme, -heit/-keit, -ida und -i, an der (semantischen und syntaktischen) Transposition beteiligt. Der Anteil der einzelnen Basiswortarten ist dabei unterschiedlich und richtet sich zum Teil nach dem jeweiligen Ableitungssuffix.
*
9
10 11
Während die Modifikation v.a. auf der Derivation mit Präfixen oder präfixartigen Morphemen beruht (z.B. Un-tat, Mini-rock), stützt sich die Transposition, abgesehen von einem kleineren Anteil an kombinierter Präfix- und -e- bzw. Nullableitung, in der Hauptsache auf die Ableitung durch Suffixe. Vgl. Eiben 2 1983:77 sowie Wellmann 4 1984:4J9, Anm. 1. Wellmann äußert allerdings hinsichtlich der Ableitungsmittel im Rahmen der Modifikation genau das Gegenteil, nämlich daß "im allgemeinen nur die Suffixableitung" der Modifikation diene. Oberle 1990:256 legt bei der Einteilung der grundsätzlichen Suffixfunktionen eine dreigeteilte Systematik zugrunde, die sich gliedert in 1. die semantische Modifikation, 2. die syntaktische Transposition, "d.h. die Übernahme der syntaktischen Funktion einer anderen Wortklasse durch formale Mittel ohne wesentliche semantische Ergänzungen, beispielsweise Rückführung eines Nomen qualitatis auf ein prädikatives Syntagma: lesbar Lesbarkeit' sowie 3. die semantosyntaktische Mutation (z.B. lesen -» lesbar). Die an letzter Stelle genannte Funktion entspricht der von mir als Transposition bezeichneten Wirkung des Suffixes. Vgl. ebenso DW2:209 sowie Wellmann 4 1984:464 und von Polenz 1980:176. von Polenz 1980:176. von Polenz 1980:176.
Grundfunktionen der Ableitung mit Suffixen: Modifikation und Transposition
]Q3
Ein geringer Teil besteht auch hier aus Substantiven, die, ebenfalls nur mit -heit, zwar nicht in eine neue Wortart, wohl aber in eine andere Wortklasse überführt werden, d.h., "Genus, Flexionsklasse und Pluralfähigkeit" 12 werden neu festgelegt. Mit zunehmender Häufigkeit folgen die Verben, die vor allem als Basen der Derivate mit -ida (in Form des Inf.) dienen, daneben aber auch Ableitungen mit -heit (v.a. in Form des Part. II, außerdem auch als Part. I oder als Inf.) bilden. Deveibale Derivation kommt mit den übrigen Suffixen ansonsten in der Regel nicht vor (mit -keit und den Varianten -icheit/-ikeit sowie -igkeit überhaupt nicht, mit -cheit genau dreimal und mit -/ nur einmal). Anders als die Basissubstantive vollziehen die Basisverben bei der Ableitung einen Wortartwechsel (s.o.), genau wie die als Basen der Ableitung bei weitem dominierenden Adjektive. Sie verbinden sich zur Substantivbildung hauptsächlich mit -heit/-keit und Varianten sowie mit -i, aber auch, in geringerem Umfang, mit -ida. Die Funktionen der Suffixe im Rahmen der Transposition sind, anders als bei der Modifikation, die in der vorliegenden Untersuchung nur zum Zwcckc der Bildung von Kollektiva durchgeführt wird (vgl. Abschnitt 1), vielfältig. Im wesentlichen sind jedoch zwei Hauptfunktionsgruppen zu unterscheiden: die grammatischen Abstrakta und die Konkreta. Ihre Charakteristika werden im Zusammenhang mit den einzelnen Ableitungstypen besprochen. Einen ersten Überblick verschafft die nachfolgende Übersicht über die Ableitungstypen mit -heit/-keit, -ida und -i.
13
Wellmann 4 1984:459. Vgl. das oben genannte Beispiel das Kind-die
Kindheit.
104
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
2 Übersicht über die Ableitungstypen mit -heitZ-keit, -ida, 4 2.1 -heit/-keit und Varianten - Semantische Modifikation: Kollektiva (Kap. 3.1.1): menschheit - * 'die gesamten Menschen' - Semantische und syntaktische Transposition: - Grammatische Abstrakte (Kap. 3.1.2) - Adjektivabstrakta: Nomina qualitatis mit BA (Kap. 3.1.2.1): gesundheit -> 'die Tatsache, daß jmd. gesund ist' - Deverbale Zustands- und Eigenschaftsbezeichnungen: Nomina qualitatis mit BV in Form und Funktion des Part. II bzw. des Part. I (Kap. 3.1.2.2): erfarenheit -> 'die Tatsache, daß jmd. erfahren ist' -Deverbale Zustandsbezeichnung: Nomen qualitatis mit BV in der Funktion des Part. II (Kap. 3.1.2.3): zierheit 'die Tatsache, daß jmd. geziert ist' - Desubstantivische Wesens- und Eigenschaftsbezeichnungen von Personen: Nomina qualitatis mit BS (Kap. 3.1.2.4): torheit 'die Tatsache, daß jmd. ein Tor ist' - Deverbale Vorgangsabstrakta: Nomina actionis mit BV(Inf) (Kap. 3.1.2.5): unterscheidenheit -> 'die Tatsache, daß jmd. etw. unterscheidet' [d.h. "bestimmt' oder 'festsetzt'] - Desubstantivische Vorgangsabstrakta: Nomina actionis mit BS (Kap. 3.1.2.6): menschheit (Christi) 'die Tatsache, daß (Christus) Mensch wird/geworden ist' - Sekundäre Prägungen (Kap. 3.1.3 - 3.1.8) - Bezeichnungen für sachliche und persönliche 'Träger' von im Prädikat benannten Merkmalen: Nomina ornativa (Kap. 3.1.3) - Bezeichnungen für das Subjekt einer adjektivischen Prädikation: Nomina ornativa mit BA (Kap. 3.1.3.1): garstigkeit -> 'garstige Handlung/etw., das garstig ist' - Bezeichnungen für das Subjekt einer partizipialen Prädikation: Nomina ornativa mit BV(Part. Ii/Part. I) (Kap. 3.1.3.2): begebenheit -> 'etw., das sich begeben hat'
Obersicht Ober die Ableitungstypen mit -heitZ-keit,
-ida, -i
105
- Bezeichnungen für das Objekt der substantivischen Prädikation: Nomina ornativa mit BS (Kap. 3.1.4): torheit 'das, was ein Tor tut' - Bezeichnungen für das Subjekt der Prädikation aus einem Verb: Nomina subjecti mit BV(Inf) (Kap. 3.1.5): Obliegenheit -> 'das, was jmdm. obliegt' - Bezeichnungen für Zeitabschnitte des menschlichen Lebens (Kap. 3.1.6) - Aus adjektivischen Prädikationen abgeleitete Bezeichnungen fur Zeitabschnitte des menschlichen Lebens: Typ 'Zeit des BA-Seins' (Kap. 3.1.6.1): altheit 'Zeit des Altseins/Zeit, in der man alt ist' - Aus substantivischen Prädikationen abgeleitete Bezeichnungen für Zeitabschnitte des menschlichen Lebens: Typ 'Zeit des BS-Seins' (Kap. 3.1.6.2): kindheit 'Zeit des Kindseins/Zeit, in der man Kind ist' - Deadjektivische Kollektiva (Kap. 3.1.7) - Eigenschaftsbezogene Sammelwörter (Kap. 3.1.7.1): geistlichkeit 'Gesamtheit von geistlichen Personen' - Quantitätsbezogenes Sammelwort (Kap. 3.1.7.2): Vielheit -> 'Menge von vielen Gegenständen/Personen' - Bezeichnungen fur die lokative Angabe der Prädikation: Nomina locativa (Kap. 3.1.8) - Bezeichnungen für die lokative Angabe der adjektivischen Prädikation: Nomina locativa mit BA (Kap. 3.1.8.1): heimlichkeit ->• 'Ort/Stelle/Raum, der/die heimlich ist' - Bezeichnung für die lokative Angabe der partizipialen Prädikation: Nomen locativum mit BV(Part. II) (Kap. 3.1.8.2): gelegenheit -> 'Ort, der gelegen ist'
2.2
-ida
- Grammatische Abstrakta (Kap. 3.2.1) • Adjektivabstrakta: Nomina qualitatis mit BA (Kap. 3.2.1.1): längde -¥ 'die Tatsache, daß etw. lang ist' -Deveibale Zustandsbezeichnung: Nomen qualitatis mit BV in der Funktion des Part. II (Kap. 3.2.1.2): bekerde -> 'die Tatsache, daß jmd. bekehrt ist' - Deverbale Vorgangsabstrakta: Nomina actionis mit BV(Inf) (Kap. 3.2.1.3): begierde 'die Tatsache, daß jmd. etw. begehrt'
106
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
- Sekundäre Prägungen (Kap. 3.2.2 - 3.2.6) - Bezeichnungen für sachliche 'Träger' von adjektivisch oder adverbial bezeichneten Merkmalen: Nomina ornativa mit BA bzw. mit BModadv (Kap. 3.2.2): lämde -> 'lahme Körperstelle/das, was lahm ist' - Bezeichnungen für das Objekt der Prädikation aus einem Verb: Nomina acti mit BV(Inf) (Kap. 3.2.3): hebede 'das, was jmd. hat' [d.h. "besitzt'] - Bezeichnungen für das Subjekt der Prädikation aus einem Verb: Nomina subjecti mit BV(Inf) (Kap. 3.2.4): beschwerde -> 'das, was jmdn. beschwert' - Bezeichnungen für die instrumentative Angabe der verbalen Prädikation: Nomen instrumentum mit BV(Inf) (Kap. 3.2.5): gehörde -> 'das, womit jmd. hört' - Kollektiva (Kap. 3.2.6) - Deadjektivisches, eigenschaftsbezogenes Sammelwort (Kap. 3.2.6.1): gemeinde -» 'Gruppe von Menschen, die etw. gemein hat/der etw. gemein ist' - Deverbales Mengenwort (Kap. 3.2.6.2): zugehörde 'Gebäude/Ländereien, die als Ausstattung zu einem Besitz gehören, sowie die Rechte, die sich aus diesem Besitz ergeben'
2.3 -i - Grammatische Abstrakta (Kap. 3.3.1 - 3.3.3) - Abstrakta mit adjektivischer bzw. adverbialer Basis: Nomina qualitatis mit BA bzw. mit BModadv (Kap. 3.3.1): breite 'die Tatsache, daß etw. breit ist' -Deverbale Zustandsbezeichnung: Nomen qualitatis mit BV in Form und Funktion des Part. II (Kap. 3.3.2): gelegene 'die Art und Weise, wie etw. gelegen ist' - Deverbale Vorgangsabstrakta: Nomina actionis mit BV(Inf) (Kap. 3.3.3): begere -> 'die Tatsache, daß jmd. etw. begehrt' - Bezeichnung für die lokative Angabe der verbalen Prädikation: Nomen locativum mit BV(Inf) (Kap. 3.3.4): bleiche -> Ort/Stelle, wo jmd. etw. bleicht'
Obersicht über die Ableitungstypen mit -heit/-keit,
-ida, -i
107
- Sekundäre Prägungen (Kap. 3.3.5 - 3.3.8) - Bezeichnungen für sachliche und persönliche 'Träger' von adjektivisch oder adverbial bezeichneten Merkmalen: Nomina ornativa mit BA bzw. mit BModadv (Kap. 3.3.5): •weiche -> 'weicher Körperteil/das, was weich ist' - Bezeichnung für das Subjekt der Prädikation aus einem Verb: Nomen subjecti mit BV(Inf) (Kap. 3.3.6): blühe - » blühender Teil einer Pflanze/das, was blüht' • Bezeichnungen für die lokative Angabe der adjektivischen Prädikation: Nomina locativa mit BA (Kap. 3.3.7): höhe -> 'da, wo es hoch ist' - Deadjektivische Kollektive (Kap. 3.3.8) - Eigenschaftsbezogene Sammelwörter (Kap. 3.3.8.1): gemeine -*• 'Gruppe von Menschen, die etw. gemein hat/der etw. gemein ist' - Quantitätsbezogenes Sammelwort (Kap. 3.3.8.2): viele -*• 'Menge von vielen Gegenständen/Personen'
108
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
3 Die Ableitungsmuster von -heitAkeit, -ida, -i 3.1 -heit/-keit und Varianten 3.1.1 Semantische Modifikation: Kollektive (DW2: Abschnitt 3.5.16.) 3.1.1.1 Definition Die kollektive Funktion des Suffixes -heit läßt sich anhand der Ersatzprobe13 verdeutlichen, bei der die Ableitung gegen die Pluralform des Ausgangssubstantivs ausgetauscht und durch Attribute wie 'alle, die gesamten1 u.ä. näher bestimmt wird ("attributive Syntagmen")14; z.B. Christenheit 'die gesamten Christen' (der Erde) menschheit 'die gesamten Menschen' (der Erde) Das Suffix dient also zur "Bildung von einzelnen umfassenden Gesamtheitsbez." (DW2:176). Die durch Ableitung entstandenen Kollektiva bezeichnen stets Personen. 3.1.1.2 Frequenz Das Muster führt mit 5 Bildungen in insgesamt 41 Belegen eher ein Nischendasein und hat sich in diesem Umfang auch bis heute gehalten, wie der Vergleichsbefund zeigt: Adelung bucht 4 desubstantivische Kollektivbildungen (darunter Weltgeistlichkeit für 'die gesamten Weltgeistlichen eines Bezirkes'), das CG enthält 6.15 Die Anzahl der Lexeme je Zeitabschnitt ist relativ gleichmäßig, ähnlich wie das Belegaufkommen, das lediglich in I und VII (text- bzw. themenabhängig?) wesentlich höher ist als in den übrigen Zeitabschnitten:
15
14 15
Für die Ersatzprobe bei der Überprüfung einer kollektiven Funktion vgl. Erben 21983:77 und Wellmann 41984:462. Oberle 1990:319. Vgl. die Obersicht in DW2:176.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit. -ida, -i
I III IV V VI VII Gesamt
109
Lexeme Belege 3 15 1 3 3 2 3 1 1 3 14 3 41 5
Eine Konstante unter den Bildungen stellt das Lexem Christenheit dar, daß in jedem Zeitraum vertreten ist und mit 36 Belegen am weitaus häufigsten genutzt wird. Es fällt auf, daß die Hälfte (18) der Belege des Lexems Christenheit in Texten auftreten, die in die Gruppe der erbaulichen Texte eingeordnet worden sind (vgl. Kap. 1.3). Die hohen Belegzahlen könnten also in diesem Fall in einer gewissen Abhängigkeit von der Textsorte gesehen werden; gleichwohl ist zu beachten, daß an zweiter Stelle chronikalische Texte als Quellen zu finden sind, was wiederum eher auf eine thematische Bindung des Vorkommens schließen läßt. 3.1.1.3 Bildungsweise Außer den auch nhd. noch üblichen Kollektiva Christenheit und menschheit finden sich im Korpus Frnhd. 4 Bildungen, die heute nicht mehr usuell sind: mannheit (Oschwäb I) als kollektive Bezeichnung für 'alle Männer, die eine Gruppe zu kriegerischen Zwecken bilden', nachkommenheit (Rip VII) für die 'Gesamtheit aller Nachkommen' sowie pfaffheit (Schwäb VII), eine pejorative Bezeichnung (vgl. Abschnitt 3.1.1.4) für 'alle Pfaffen'. Die Basis von Christenheit kann in den Texten aus den Zeitabschnitten I und III noch als Adjektiv bestimmt werden (vgl. Kap. III. 1.2.1.1 sowie DWB s.v.). Um den Überblick über die Nutzung dieser Kollektivbildung zu erleichtern, sind jedoch auch die als deadjektivische Ableitungen zu bestimmenden Bildungen von Christenheit im folgenden mit aufgeführt. 3.1.1.4 Belegte Lexeme christen-heit: 36 Belege in I-VII. Die adjektivische Verwendung der Basis sowie die dazugehörige Ableitung sind dem folgenden Kontextbeleg aus Els I zu entnehmen: "do die heilige cristenheit anelrfp, do hettent die criston menschen alle ein herze vnd eine götteliche minne" (28,21). Daß eine substanti-
HQ
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frohneuhochdeutschen
vische Basis auch schon im 14. Jh. vorliegen kann, zeigt der folgende Kontcxtbeleg: "in disen akker sante er zwelef ochsen, daz waren die zwelf apostoicn die disen phluch ziehen ob den akker, daz ist die den cristen gelouben lerten und predigten ober al die werlt" (Obs 1:29,39). Häufig wird der Gesamtheitsaspekt, der eigentlich bereits in der Ableitung enthalten ist, noch durch ein entsprechendes Attribut verstärkt: "daß er durch diese Mittel der allermSchtigste Monarch der gantzen Christenheit ist worden" (Hess V: 7,16). mann-heit: Zur Bezeichnung einer '(kriegerischen) Schar von Männern1 zweimal in Oschwäb I: "aber wir, die dort sullend verborgen ligen, sullend ze stund und der küng uss der stat komt, mit unser manhait in die stat vallen." (30,7). Die kolligierende Funktion von -heit in Verbindung mit mann ist jedoch deijenigen der Wesensbezeichnung untergeordnet; vgl. Abschnitt 3.1.2.3 sowie ebenso DWB. mensch-heit: Je 1 Beleg in Ofr I sowie Rip IV zur Bezeichnung der 'Gesamtheit der Menschen': "nach vnserm pilde der armen menschait" (Ofr I: Vir,32). nachkommen-heit: Einmal in Rip VII: "Solch hohe F&rtrefilichkeit dieser vnnd anderer Tugenten will S. Augustinus/daß man ansehen vnd bedencken soll in der Kirch/welche Catholisch ist/vnnd Catholisch genent wird/nit nur von den Jhrigen/sonderen auch von allen Feinden/bey welcher der Apostolische Stuhl mit seiner Nachkommenheit vnd Hohem ansehen gefunden wird" (7,1). Das Kollektivum, das die 'Gesamtheit aller Nachkommen' bezeichnet, wird im Nhd. mit dem Suffix -schaff6 gebildet. Zur Motivierung des Derivats vgl. Kap. ΙΠ. 1.2.1.1. pfafT-heit: Nur Schwäb VII. Die Gesamtheitsbezeichnung fur 'alle Pfaffen', für die im DWB vermerkt ist, daß sie seit der Reformation fast nur noch pejorativ verwendet wird, wird im Korpustext auf einer metasprachlichen Ebene genau unter diesem Aspekt erläutert: "Hier ist zu mercken/daß das Wort PfaflTbey vnsern Zeiten vor verlchtlich gehalten werden will/also daß ein Geistlicher/so man jhn einen Pfaffen nenet/vermeinet gescholten zu seyn: da sie doch vor Alten Zeiten sich selber also genennet/wie nicht allein auß oberzehltem/sondern auch auß einem Vertrag/welchen Bischoff Seybot von Speyr/mit selbiger Statt im Jahr Christi 1302. gemachet/zuersehen: in deme Er darinnen/die Geistlichen die Pfaffheit vnd hernacher Pfaffen nennet" (C14,2).
16
Bis zum Frnhd. war es noch möglich, daß -heit und -schaft sowie auch -tum sich in ihren Funktionen so weitgehend deckten, daß sie gegeneinander austauschbar, d.h. quasi synonym waren. Vgl. Oberle 1990:363. Im Korpus Frnhd. ist f&r den Zeitraum VII, in dem nachkommenheit im Rip. belegt ist, ebenfalls eine entsprechende -sc/ia/i-Ableitung im Ofr. bezeugt.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit,
-ida, -i
111
3.1.2-3.1.8 Semantische und syntaktische Transposition 3.1.2 Grammatische Abstrakta Die quantitativ dominante Funktion der Suffixe -heit/-keit, -ida und -/ besteht in der Ableitung grammatischer Abstrakta.17 Sie werden nach der ihnen zugrundeliegenden Basiswortart präzisierend als Verbal- (freude), Adjektiv(gesundheit, länge) oder Substantivabstrakta (torheit) bezeichnet.18 Die den Abstrakta zugeschriebene Eigenschaft, Nicht-Gegenständliches oder Begriffliches zu bezeichnen, ergibt sich aus ihren grammatischen Charakteristika.19 Grammatische Abstrakta nehmen prädikative Konstruktionen im Rahmen eines Satzes, aber auch eines Textes20 wieder auf und überfuhren sie in eine Nominalisierung. Korpusbeispiel: "Item in krangheyt deß gedermtz genant colica sali man quidden nit nutzen wante sy stopffent." (Hess III: C.,35; meine Kursivschreibimg). Die Rückführung auf ein äquivalentes Syntagma verdeutlicht die Nominalisierung der Prädikation: 'Ebenso soll man, wenn das Gedärm krank ist, keine Quitten gebrauchen, denn sie stopfen.1.21 Die Funktion der abstraktbildenden Suffixe, prädikative Komplexe zu nominalisieren und in eine entsprechende Nominalgruppe zu. überfuhren, hat bereits Porzig erkannt, der Abstrakta als Substantive definiert, "die einen Satzinhalt vom Prädikat aus vergegenständlichen.".22 In diesem Sinne können
17
Es sei noch einmal daraufhingewiesen, daß im folgenden von 'grammatischen' oder 'sprachlichen' Abstrakta gehandelt wird, d.h., daß die Perspektive auf eine rein linguistische Betrachtungsweise eingeengt wird (vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. I). 18 Porzig 1950:373 zählt lediglich zwei Arten von Abstrakta, die Verbal- und die Adjektivabstrakta, die die Vergegenständlichung eines Satzinhaltes vom Prädikat aus darstellen. Hinzu gehören jedoch auch die Substantivabstrakta, die durch Transformation aus Prädikatskomplexen entstehen, "die das BS als Prädikatsnomen enthalten" (DW2:308). " Vgl. hierzu DW2:209f. 10 Zur Bedeutung der Textkonstitution durch Abstrakta vgl. von Polenz 1980:178 sowie Oberle 1990:286ff. Ohne die Bedeutung der textverflechtenden Funktion von Abstrakta schmälern zu wollen, ist allerdings mit Oberle (ebd.:292) daraufhinzuweisen, daß Abstrakta nicht in allen Fällen der Textverflechtung dienen, sondern "auch im Kontext häufig selbständig, das heißt ohne Vorhererwähnung ihrer Basisadjektive oder bedeutungsverwandter Strukturen [stehen].". Vgl. zur textlinguistischen Verflechtungsfunktion der-Aeif-Abstrakta auch Abschnitt 3.1.2.1.1. 21 Als unbedingt notwendig für die Einordnung eines Derivats als Abstraktum ist seine Einbettung in einen Kontext anzusehen. Vgl. dazu Oberle 1990:261, die sich allerdings in ihrer Arbeit gerade nicht auf ein Textkorpus, sondern auf Wörterbücher stützt Anhand des von mir gewählten Beispielderivats krankheit läßt sich die Notwendigkeit des Kontextes für die Bestimmung als Abstraktum besonders deutlich demonstrieren, da gerade diese Ableitung in einem anderen Kontext als Konkretum zu identifizieren wäre, was im übrigen in bezug auf dieses Lexem die weitaus häufigere Klassifizierung ist 11 Porzig 1950:373.
112
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
Abstrakta auch als 'Satzwörter'23 bezeichnet werden, nicht jedoch, wie Oberle (1991:270) bemerkt, als 'Wörter für Satzinhalte'.24 Wie die Umformung des oben genannten Beispiels zeigt, dient die Abstraktbildung der sprachlichen Ökonomie, indem durch die Ableitung ein konditionaler Nebensatz zusammengefaßt wird. Darüber hinaus ermöglicht sie jedoch oft die Einsparung von Ergänzungsbestimmungen, die auf der Ebene der Prädikation unverzichtbar sind. So sind z.B. in dem Satz 'Die Firma führt das Projekt durch.' die Ergänzungen 'Firma' und 'Projekt' obligatorisch; in der Ableitung besteht jedoch die Möglichkeit, davon zu abstrahieren: 'die Durchführung [des Projekts] [durch die Firma]',2S d.h. die Ergänzungsbestimmungen sind nur noch fakultativ. Diese Möglichkeit der Einsparung auf der Ebene der Nominalisierung besteht allerdings nur in grammatischer Hinsicht. In kommunikativer Perspektive jedoch erweisen sich derartige Ergänzungen oft als unentbehrlich für das Verständnis.26 Die grammatische Eigenschaft der Abstrakta, die auf Satzebene noch obligatorischen Größen innerhalb der Nominalgruppe aufgeben zu können, d.h. davon zu abstrahieren, reicht als alleiniges Charakteristikum zur Bestimmung von Abstraktbildungen jedoch nicht aus.27 Es lassen sich anhand von Kopulaproben zwei weitere Abgrenzungskriterien ausmachen.28. Erstens unterscheiden sich grammatische Abstrakta dadurch von anderen Substantivableitungen, daß man sie meistens auf mit 'daß' eingeleitete Inhaltssätze oder vergleichbare Infinitivkonstruktionen zurückführen kann: "Dem Frauenzimmer steht die Barmhertzigkeit zu." (Obs VII: 108,13) -> 'Dem Frauenzimmer steht es zu, daß es barmherzig ist/ barmherzig zu sein.'. Diese Umformungsmöglichkeit erfaßt jedoch noch nicht alle Abstraktbildungen. Als zweites Kriterium hat Kolde29 die Möglichkeit der Wiederaufnahme durch pronominale Satzkonstruktionen wie z.B. 'das, danach, darauf23 14
23 26
27
" 29
Der Begriff stammt von Brinkmann 1962. So lautet der Titel der Arbeit von Franck 1938. Mit Weltmann, DW2:495, Anm. 133, ist zu ergänzen, daß die angeführte Franck'sche Definition der Abstrakta insofern zu weit gefaßt ist, "als für den Satz die Angabe eines Subjekts erforderlich ist, wahrend das Abstraktum oft davon 'abstrahiert' [...].". Beispiel in DW2:209. Auf den Gegensatz zwischen grammatischer und kommunikativer Notwendigkeit von Ergänzungsbestimmungen innerhalb der Nominalgruppe verweisen Wellmann in DW2:209 und Oberle 1990:266. Wellmann betont in DW2:209, daß die Fähigkeit, Ergänzungen der Basis bei der Ableitung grammatisch fakultativ werden zu lassen, auch auf andere Nominalbildungen zutrifft, wie z.B. "y leitet x* und 'y ist ein Leiter1. Vgl. DW2:210 sowie Oberle 1990:273ff. Die im folgenden für das Nhd. genannten syntaktischen Charakteristika sind prinzipiell auf das Frnhd. abertragbar. Vgl. Kolde 1972:185ff.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keil, ·ida, -i
113
hin, dies, nachdem' benannt: 30 Der Satz 'Otto hörte Hugos lautem Singen zu. lä£t zwar keine Transformation der Art '"Otto hörte zu, daß Hugo laut sang, zu, stattdessen jedoch: 'Hugo singt laut. Otto hört dem zu.'. 3.1.2.1 Adjektivabstrakta: Nomina qualitatis mit BA (DW2: Abschnitt 4.4.1.) 3.1.2.1.1 Definition Die Struktur der Abstraktbildungen mit BA besteht darin, daß ein Prädikatskomplex mit (prädikativem oder adverbialem) Adjektiv nominalisiert wird: 'die Sonne ist/scheint klar' —> die klarheit (der sonne) Die Einklammerung des auf der Ebene der Nominalisierung zum Genitivobjekt gewordenen Subjekts des Basissatzes weist darauf hin, daß die Bezugsgröße neben der Abstraktbildung grammatisch fakultativ ist, d.h. sie kann auf der Ebene der Nominalisierung fehlen. Kommunikativ ist sie allerdings oft notwendig zum Verständnis der Bildung (vgl. DW2:264). Bei der syntaktischen Einbindung der Wortbildungen wird häufig dadurch auf die jeweilige Bezugsgröße verwiesen, daß sie entweder durch ein begleitendes Personalpronomen ("seine Allmächtigkeit" (Hess V:ijr,19) 'Er ist allmächtig.') oder durch ein Genitivobjekt ("die Freygebigkeit des KSysers" (Mbair VII:GE38,19) -> 'Der Kaiser ist freigebig.') benannt werden. Allerdings ist dies eine Kann-Bestimmung; oft stehen die Derivate auch, korrespondierend mit ihrer "Bezeichungsfunktion, Eigenschaften als Größen darzustellen" (DW2:262), völlig losgelöst im Satz: Treygebigkeit ist bey den Soldaten ramm und carum (Mbair VII:GE14,7). Entscheidend für die Klassifizierung von Wortbildungskonstruktionen als Abstrakta ist also ihre Einbettung in den jeweiligen Kontext. Das Korrelat für das zum Objekt gewordene Subjekt des Basissatzes besteht dabei am häufigsten in einem Genitivobjekt oder aber einem Personal- bzw. Demonstrativpronomen (vgl. die oben angeführten Beispiele).31 Daneben ist jedoch häufig zu beobachten, daß Derivate ohne jedwede Begleiter sowohl Subjekt- als auch 30
31
Vgl. hierzu auch DW2:210 (ebd. ist das nachfolgend angeführte Beispiel zu finden) und Oberle 1990:274f. Oberle kritisiert jedoch an der Pronominalisierungsmethode, daß sie zu allgemein sei, um neue Erkenntnisse zu zeitigen, ausgenommen hinsichtlich der Funktion der Textverflechtung. Vgl. Oberle ebd. Eine Syntax der frnhd. Nominalphrase zu schreiben, kann hier nicht geleistet werden; die Darstellung muß sich auf einige Hinweise auf gewisse Auffälligkeiten bei der syntaktischen Einbettung frnhd. Wortbildungskonstruktionen beschränken. Vgl. die grundsätzlichen Bemerkungen zur Valenz nhd. -Ae/r-Abstrakta sowie zur Rolle des Kontextes bei ihrer Disambiguierung in Oberle 1990:268ff.
114
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
Objektpositionen besetzen (s. das obige Beispiel). In diesen Fällen muß der nähere und oil auch weitere Kontext zur Monosemierung bemüht werden, da dort hinweisende Elemente für die Rekonstruktion eines Basissatzes zu finden sind, z.B. "wan wil sie den rost zu sere abe fegen, daz vaz mach lichte brechen, und sal ummer die brodikeit mirken und sal ummer gehogen daz man den zuguetzseden halm nit zuriben insal." (Hess 1:35,19) -> '... und (sie) soll immer darauf achten, daß (das Faß) zerbrechlich ist/wie zerbrechlich (das Faß) ist'. Die frnhd. Abstraktbildungen verlangen jedoch nicht nur nach Bezugsmöglichkeiten, sie werden häufig auch selbst kommunikativ unverzichtbar, indem sie v.a. als Genitivobjekte ('genitivus defmitivus')32 metaphorisch eingesetzt werden: "die Finsternfisse der Unwissenheit" (Thür VII:275,18), "Maria, dy himel kunigin, dy muter der parmherczikait" (Ofr 111:176,14), wodurch die Abgrenzung gegen okkasionelle Personifizierungen, die als Nomina ornativa klassifiziert worden sind (vgl. Abschnitt 3.1.3), oft nicht ganz einfach ist. Die Einbettung in einen bestimmten Kontext ist nicht nur im Hinblick auf die Monosemierung der Derivate von Bedeutung; die Wortbildungen besitzen auch selbst eine textverflechtende Funktion,33 fur die hier nur einige Beispiele angeführt werden können. Eine Verflechtungsfunktion der -Ae/7-Abstrakta besteht bereits per definitionem, da sie als Bildungen beschrieben wurden, die Prädikate bzw. Prädikatskomplexe wieder aufgreifen. Grundsätzlich gibt es zwei mögliche Richtungen der Satz- oder Textverflechtung:34 die vorwärtsweisende (kataphorische, z.B. Anfangssätze, Titel, Oberschriften) und die rückwärtsweisende (anaphorische) Verknüpfung, bei der "ein bestimmter Begriff im nachfolgenden Satz oder Text wieder aufgenommen und variiert wird".35
31
33
34 35
Nach Schröbler 1975:287 legt der definierende Genitiv (genitivus definitivus oder explicativus) "den Inhalt des übergeordneten Substantivs aus oder gibt auch seinen Geltungsbereich an". Er eignet sich daher besonders für den uneigentlichen Gebrauch, da durch den Genitiv die spezielle (übertragene) Erscheinungsform des Bezugssubstantivs angegeben wird. In dieser metaphorischen Funktion treten die Wortbildungskonstruktionen in den frnhd. Texten mehrfach auf Die dem Bereich der Syntax oder der Textlinguistik angehörende Behandlung der Textverknüpfüng berührt die Wortbildung zwar nur marginal, sollte jedoch gleichwohl gerade bei der Untersuchung von Abstrakta als Nominalisierungen von Satzinhalten nicht übersehen werden. Es ist insofern sowohl Oberle 1990:287 als auch von Polenz 1980:178 zuzustimmen, die die Rolle det Wortbildung bei der Textkonstitution als ein wesentliches Desiderat zukünftiger Wortbildungsforschung ansehen. Vgl. Oberle 1990:291. Oberle 1990:291.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
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Der Annahme Oberles, daß die Textverflechtung durch -/re/Z-Abstrakta überwiegend rückwärts gerichtet stattfinden dürfte,36 trifft auch in bezug auf die Texte des Korpus Frnhd. zu. Das folgende Beispiel einer anaphorischen Verflechtung zeigt überdies, daß die Referenz zwischen Ableitung und zugrundeliegendem Prädikatsadjektiv nicht unbedingt etymologischer Art sein muß; es genügt vielmehr, wenn das Abstraktum eine Aussage aufnimmt, "die das Basisadjektiv des Derivats nicht oder nur sinngemäß enthält, indem es den Tatbestand mit anderen synonymen, spezifizierenden oder semantisch allgemeineren lexikalischen Einheiten ausdrückt.".37 An die Wiedergabe von Pro- und Contra-Argumenten im Rahmen eines längeren Diskurses in indirekter Rede schließt sich in dem Korpustext Ohchal VII der folgende Satz an: "Jn der Antwort wollte man zwar diser gelehrten Feder ohngern widersp&chig werden: Allein (gedachte man) ist die Ohnschlfcsigkeit diser Grönden nandgreifllich/und ihre Befestigung gantz ohnnfitzlicn." (23,4). Nur sinngemäß ist das Bezugsprädikat auch in dem Beleg für eine der selteneren kataphorischen Verknüpfungen vorhanden: "Von mässigkhait des weins. Es spricht auch derselbig Allmansor/Das vill weins zü trincken/sey nit gesunt" (Mbair IV^iv*). Die Vermittlung via etymologische Äquivalenz kann auch mittelbar stattfinden. Ein Beispiel hierfür ist die Bezugsmöglichkeit der Wortbildung auf ein Verb, das im vorangehenden Halbsatz genannt wird und aus dem das entsprechende Basisadjektiv der Substantivableitung abgeleitet ist: "weil es noch nicht sterben solte/ehe seine geburt vndt sterbligkeit verkündigt weren." (Schles VI:331).38 Als letztes Beispiel für die in Korpustexten belegten textverflechtenden Wirkungen von Adjektivabstrakta sei noch das stilistische Mittel der Verwendung gleicher Affixe und die damit erzielte Analogiewirkung erwähnt,39 z.B.: "Jedoch flammet unter denselben allen vortrefflich hervor die Vollkommenheit
" 17
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39
Vgl. Oberle 1990:291. Oberle 1990:289. Man spricht hier auch mit einem Begriff von Schippan 1967:220 von "zusammenfassender Verflechtung". Ein ahnliches Beispiel nennt Wellmann in DW2:264 für das Nhd.: '"Die Nachgiebigkeit der Frau - s i e g a b ihm η a c h - sie wurde von ihm übermannt" (Kursivdrock und Sperrung von Wellmann). Vgl. hierzu für das Nhd. Oberle 1990:290, insbesondere auch den relativierenden Hinweis, daß die unmittelbar textverflechtende Wirkung von Suflixen oft durch ihre primäre Funktion, Wörter auf ihre Wortarten festzulegen, eingeschränkt ist.
115
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im FrOhneuhochdeutschen
in Philosophie Practica, und die Unvergleichlichkeit in selzamer Beredsamkeit" (Thür VII:289,7ff). Eine textveiflechtende Funktion der Abstraktbildungen liegt jedoch in den frnhd. Texten wie auch im Nhd. nicht immer vor.40 Es gibt genügend Fälle, in denen die -Ae//-Ableitungen völlig selbständig ohne Bezug auf ihr Basisadjektiv oder sonstige bedeutungsverwandte Strukturen stehen, d.h., Wortbildungen sind "häufig in erster Linie durchsichtige Benennungen komplexer Inhalte"41 und ihre textlinguistische Verflechtungsfunktion ist dann als weiteres, sekundäres Ergebnis anzusehen. Als ein Kennzeichen grammatischer Abstrakta wurde bereits ihre Umformbarkeit in mit daß eingeleitete Inhaltssätze bzw. vergleichbare Infinitivkonstruktionen genannt. Die Basissätze der untersuchten Ableitungen geben jedoch häufig nicht nur den Inhalt der Wortbildungen wieder, sondern sie modifizieren ihn zusätzlich. Der Satz "Nun sehe ich wohl, sprach der Alte, daß du auch nach gebrauch der eitelen Weltkinder deine Geschicklichkeit wilt sehen lassen" (Els VII: 51,19) kann sowohl auf einen daß-Sa\z zurückgeführt werden (1), als auch auf eine modale Konstruktion (2): (1) —• '..., daß du auch nach Gebrauch der eitlen Weltkinder sehen lassen willst, daß du geschickt bist'. (2) daß du auch nach Gebrauch der eitlen Weltkinder sehen lassen willst, wie geschickt du bist'. Hier wird deutlich, daß eine Wortbildungskonstruktion "nicht alle morphologisch-syntaktischen Exponenten explizit zu machen"42 in der Lage ist, sondern daß diese vielmehr erst bei der Transformation in die Basissätze offenbar werden. Außerdem zeigt sich, daß die durch die Nebensätze ausgedrückte Art der Modifikation davon abhängt, mit welchen Präpositionen die Nominalsubstantive kombiniert sind. Es sind also, wie Wellmann auch für das Nhd. festgestellt hat, "die verschiedenen Entsprechungsmöglichkeiten zwischen der Konjunktion eines Gliedsatzes und der Präposition eines Satzgliedes zu berücksichtigen" (DW2:263), beispielsweise im folgenden die kausale Relation zwischen wegen und weil sowie die finale Entsprechung zwischen zu und damit.
40
41 42
Vgl. Oberle 1990:292. Oberle 1990:292. Oberle 1990:273, und vgl. die weiterführenden Literaturhinweise ebd., Anmerkung 137.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keil, -ida, -J
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- "so ist doch gewiß/daß er diß Fräulein geheuratet/und sie/wegen ihrer Schönheit... dermassen geliebet/daß er ..." (Ofr VII:83b,24) ->·'... daß er dieses Fräulein geheiratet und sie, weil sie [so] schön war, dermaßen geliebet, daß er...'. - "Wann schon die liebe Kirch zur Ehr deiner MajestSt/vnnd zu ihrer ... BestSndigkeit/in deinem öffentlichen Lob sich nit allerley Sprachen gebraucht" (Rip VII:35,33) -> 'Wenn schon die liebe Kirche zur Ehre deiner Majestät una damit sie ... beständig ist, in deinem öffentlichen Lob nicht allerlei Sprachen gebraucht'. Außer den bereits genannten modalen, kausalen und finalen Transformationssätzen sind auch Paraphrasen konditionaler, konzessiver und konsekutiver Art vertreten.43 Unter den Nebensatztypen fehlen ganz, wie im Nhd.,44 die Relativsätze (vgl. dazu Abschnitt 1.3), und Umformungen in Gestalt von Temporalsätzen sind im Korpus Frnhd. nur vereinzelt (im Nhd. hin und wieder; vgl. DW2:263) vorhanden, da Adjektivabstrakta "gewöhnlich eine Zuständlichkeit bezeichnen und nicht etwas Vorganghaftes." (DW2:263).45 Viele der frnhd. präpositionalen Konstruktionen, die den genannten Transformationstypen entsprechen, sind auch im Nhd. wiederzufinden. Daneben gibt es jedoch einige Kombinationen, die frnhd. üblich, im Nhd. jedoch nicht mehr usuell sind. Die mit Sicherheit vielfältigen Gründe hierfür gehören in den Bereich der Syntax und verlangen eine gründlichere Untersuchung, die hier nicht erfolgen kann. Ein paar Beispiele sollen jedoch die frnhd. vorhandenen Möglichkeiten andeuten: - Der sogenannte 'Ergänzungsverband'46 sieht im Nhd. anders aus als im Frnhd.: 'an' entspricht 'darauf, daß': "sunder alleine hatte einen vff sehen/an di czemelichkeit ires wesen" (Schles IV:Bvvb) -» 'sondern (sie] hatte alleine darauf acht, daß ihr Wesen geziemend war.' - In der frnhd. üblichen Verbindung von Verb und Präposition ist zum Nhd. hin die Präposition durch eine andere ersetzt worden: Von' entspricht 'dadurch, daß': "so syn vnser eyrste aiders beschampt worden van der bloisheit vre lichame." (Rip III: VIin,4) -»· 'So sind unsere Vorfahren dadurch beschämt worden, daß ihre Körper bloß waren.' 43 44 45
4
'und indem sie für die Gottesfurcht verständig ('getwede') ist,...'. gewar-heit: Nur 1 Beleg in Hess I fur 'die Tatsache, daß jmd. einer Sache gewahr ist/wird': "Des sal auch die ebdissen ir gewarheit han daz sie ..." (33,28). gewiß-heit: 7 Belege in IV-VII. Bezeichnet 'die Tatsache, daß etwas gewiß (sicher) ist': "so ist dis Capitel eine Weissagung/Prophecey vnd verkfindigung/ der kfinfftigen Passion vnd Leidens des HERRN Christi/so da fast an 800. Jahr hernach geschehen ist/wiewol der Prophet in Prsterito, als were es schon geschehen/vmb der gewißheit [damit es gewiß ist/erscheint/klingt] vnd warheit willen/redet." (Obs V:37r,12). Manchmal auch mit Nennung der Bezugsgröße, wie im folgenden Beispiel, das gleichzeitig der einzige Beleg fur die mit un- negierte Form ist: "Vermittels Eines Biyllenrohrs,[...], durch welches [...] Er [...] sogar die vngewißheit vnserer vnfehlbarer Principiorum Theologicorum entdecket" (Els VII: 43,28).
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Flühneuhochdeutschen
gewogen-heit: lx in Thür VII als {Compositum belegt: "erweisen sie nicht alleine gegen die Seelige Fr. Krullin ihre beständige Ehren=Gewogenheit un Freundschaft" (178,6). Als BA ist lediglich gewogen belegt, so daß das Kompositum in etwa wie folgt zu transformieren ist: -> 'erweisen sie nicht alleine ...das, daß sie ihr beständig in Ehren gewogen sind.'. gier-heit: Nur in I (3 Belege) und nur Md. Bezeichnet die 'Eigenschaft, (hab-)gierig zu sein' (BA gir s. Lex s.v.): "noch sie insal nit fliszic sin zu girheide [noch soll sie eifrig darum bemüht sein, (hab-)gierig zu sein]" (Hess I: 18,12).
gierig-keit: Nur Rip, III und IV, mit Suffix -(h)eit. Die 'Eigenschaft, begierig zu sein, etwas zu tun': "Dese Caym was eyn buwman vn was der eyrste acker man als die leirre sage vn he buwede viss gijricheyt" (Rip IILDC^i). giftig-keit: lx in Eis III: "so dz puluer oder sin giffiikeit dar innen bliben" (ΧΧΧΓ*,24). gleich-heit: 8 Belege in V-VII. Die Bildung ist im Satz häufig mit entweder dem unbestimmten Artikel oder einem Demonstrativpronomen verbunden (s.o. 3.1.2.1.1 zur Hinweisfunktion solcher Begleiter), ist aber trotzdem im Kontext als Abstraktum einzuordnen. Bezeichnet wird stets ein 'Gleichsein': "daß sie der Leib vnd Blfit Christi genennet werden/nicht darumb allain/daß sy ain gleichhait mit dem Leib vnd Blüt Christi haben/sonder ..." (Oschwäb V:21v,5). Auch das negierte Lexem ist belegt: "So wissen jme die gläubigen wol zugeben/vnd zunemen/vnnd jrret sy dise vngleichait gar nichts an jrem verstand/." (Oschwäb V:55v,9).. gleichförmig-keit: 2 Belege in Rip VII, als 'Eigenschaft der Kirche, gleichförmig' (BA gleichförmig im Kontext belegt), d.h. 'einheitlich zu sein': "Wann schon die liebe Kirch zur Ehr deiner Majestät/vnnd zu jhrer Gleichförmigkeit/ Eynigkeit/vnd Beständigkeit/in deinem öffentlichen Lob sich nit allerley Sprachen gebraucht" (35,33). glückselig-keit: 19 Belege in III, IV, VI, VII, dabei 2x mit -(h)eit. Die Bildung bezeichnet allgemein den 'Zustand des Glückseligseins': "Bittet Gott/ den Ursprung aller Glfikkseeligkeit und Wohlstandes" (Thür VII: 178,16) bzw. zweimal den 'Zustand des Unglückseligseins': "daß ich mit niemand an Vnglfickseligkeit zu vergleichen bin" (Obs VI:Cvv). gnädig-keit: Nur lx in Rip IV mit Formvariante -(h)eit\ 'die Tatsache, daß jmd. (hier: Gott) gnädig ist': "Wreuwe dich sele. wät gotz barmhertzicheit vnd gnedicheit sal dyr nu bewijst werde." (Dv). göttlich-keit: 1 Beleg in Schles VI: "vndt hatt die äugen vnserer seelen mit der göttligkeit seines [Christi] geists erleuchtet." (323). gottlos-igkeit: Nur Rip, V und VII. 'Die Tatsache, daß jmd. gottlos ist': "das Christus (der jren künftigen vnglauben vnd Gotlosigkeit/zuuor erkendt hat) [...]" (Rip V:XV*,4).
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -l
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gottselig-keit: IV, VI, VII (8 Belege) für 'die Tatsache, daß jmd. gottselig', d.h. 'fromm ist'. Im folgenden Kontextbeispiel wird die Motivierung durch die in unmittelbarer Nähe belegte Basis ersichtlich: "Ein köstlich zier vnnd Tugendt ist Willig/viel mehr Aibeitselig/allermeist aber Gottselig sein/denn Gottseligkeit ist zu allen dingen gut vnd n&tz." (Norddt VI:5). grausam-keit: 4 Belege in V, VI, VII. Die 'Eigenschaft einer Person, grausam zu sein': " kamen alle Nacht etliche zu vns/die vber seiner strengen Regierung vnd vnbarmhertzige Grausamkeit schmertzlich klageten" (Hess V: 3,29); die Bildung wird auch nach Art einer Personifikation genutzt: "O verfluchte Grausamkeit/wenn man unglückliche Personen doppelt unglficklich macht!" (Obs VII: 113,17), und der Übergang zu einem Konkretum wird damit fließend. Vgl. Abschnitt 3.1.3.1. grimmig-keit: 3x in I und IV; abgeleitet mit -heit bzw. -ikeit. "Alflo das her dy giymmikeyt seynes herczen/dy vormals vnbeweglich was/gentzlich hinlegite" (Schles IV:(V). grob-heit: 4 Belege in I, IV, VI. Bezeichnung dafür, 'daß etwas grob ist', wobei die Bezugsmöglichkeiten vielfältig sind. Die Korpusbelege beziehen sich auf Kleidung, auf die Art und Weise der Rede (dabei meint grob wohl 'einfach'), auf einen 'geistigen Zustand des Grob-, d.h. Einfachseins' ("in was grobheit/vnwissenheit/[...] die Völcher [...] aufferzogen" (Rip Vl:*ijv)), und auf Wein: "von seiner [des weins] schwären grobhait [...] wegen" (Mbair IV: Aiijr). In dem letztgenannten Beispiel ist wohl die im DWB s.v. beschriebene Bedeutung des 'Dickflüssig-' oder 'Verdicktseins' anzunehmen. groß-heit: Nur lx in Ofr III für 'Größe': "Nu daz ich es kurcze, so sprach er auch, das ich mich der großheit der offenwarung nicht vberhebe vnd vberneme" (189,4). groflmächtig-keit: lx in Schles IV für 'die Tatsache, daß Gott (der Schöpfer) 'groß und mächtig',74 also großmächtig ist: "vnd sy künde sich nicht vor wundern in der Creaturen/der großmechtikeyt des schepffers" (Ev1). groDmQtig-keit: IV, VI, VII (4 Belege). Bezeichnet wird die 'Eigenschaft einer Person, großmütig, im Sinne von edler Gesinnung zu sein'. Das BA ist für den folgenden Kontextbeleg aus Ofr VII im selben Text nachzuweisen; vgl. ansonsten DWB s.v. (bei D ist nur die Ableitung vermerkt). "Diese Rede wurde von dem Abt und den seinigen/beydes mit bewunderung der Großm&tigkeit Rudolphi, und mit erfrölichung ob seinem begehren/angehöret." (Ofr VII:72b,10). Im Zusammenhang mit der Schilderung von Kriegstaten kommt noch das Moment des Selbstvertrauens hinzu: "Dann in Belegerung wirt Gedult erfordert in Feldschlachten aber k&nheit vnd Großm&htigkeit." (Rip VLBivO. 74
Vgl. i&r den Basisbeleg DWB s.v. Danach ist das BA eine asyndetische Zusammenrückung der beiden Adjektive groß und mächtig, die einmal teilweise synonym verwendet wurden.
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Die Typen der Ableitung mit
-heitZ-keit, -ida, -i im FrQhneuhochdeutschen
guderteren-heit: Rip IV, 1 Beleg. Die Basis dieser Bildung ist im gesamten Korpus nicht belegt. Sch/L verzeichnet jedoch gudertere(n), -tirefnj (s.v.) als Adjektiv für guder tere = Von guter Art, Beschaffenheit, gutartig, freundlich'. Es handelt sich daher im Kontext des Derivats darum, 'daß jmd. gutartig' oder 'freundlich ist' bzw. 'sich so verhält': "vnd hain in deser werlt geystelich mit jnnicheit. mit mildicheit. mit gudertierSheit vnd mit gerechticheit altzijt geleuet." (Eiv1). gut-heit: III, IV (12 Belege). 'Das Gutsein* (einer Person): "Aber zeletßt nach des gelückes Verwandlung vnd manigmal bewißne gfltheit" (Oschwäb III: V*, 19). gütig-keit: 17 Belege in I-VII; in Rip VI als gut-igkeit mit Sufiixform -igkeit. Die 'Eigenschaft1 einer Person oder Gottes, 'gütig zu sein', wird überwiegend entweder mit einem Bezugswort, das auf die jeweilige Person hinweist, verbunden: "durch dero unergrfindliche Gfitigkeit" (Mbair VII:GR4,5) oder vorzugsweise mit der Präposition mit: "dar umb das sie in mit gütigkait überwunde" (Schwäb III:34b,23). gütlich-keit: 2 Belege in I und VI; in Rip I mit Suffixform -(h)eit. 'Die Tatsache, daß jmd. gütlich ist', d.h. 'sich freundschaftlich verhält', und zwar im juristischen Sinne von 'freundschaftlich einvernehmlich' (vgl. zur Basis und der angefühlten Erläuterung DWB s.v.)75: "gegen denselben haben die verordneten meines Gnädigsten Herrn Rlthe/nach dem wir allein zur Gütligkeit gefertiget gewesen seyn" (Hess VI:26). gutwillig-keit: I, III (4 Belege); je 2x mit Formvarianten -(i)keit und -(h)eit. 'Die Tatsache, daß jmd. einen tugendhaften, frommen Willen hat' (für das BA vgl. DWB s.v. gutwillig)·, "sol dz mit gütwillikeit nit mit dez schwert an sich prlgen" (Oschwäb III:XVIIr,21). härt-igkeit: 11 Belege in I-VI. Konkurrierend wird die Basis auch mit -keit, -cheit (Obs I, je lx bzw. 3x) und -ikeit (4x) abgeleitet. 'Das Hartsein'; von Gegenständen: "vnd die aller schlechsten waren von Silber vnd Kupffer/ von mehrer HSrtigkeit wegen." (Hess V:6,32); "aber die HSrtigkeit ewers gleichen mag sich eher aus solchen HSndeln finden können." (Obs VIiDvij1); in übertragenem, moralischen Sinne, als menschliche Eigenschaft, häufig mit Nennung der Bezugsgröße im Genitiv bzw. mit einem Personalpronomen: "die selbig stat lSg zeit νδ graußlicher hörtikeit des tyrän vnd wötrich beschwärt was" (Oschwäb III: XXXVT.23); "die hertikeit des geeders zü milte" (Eis III: X5Cb,32). hartnäckig-keit: lx in Hess VII: "Nachdem er aber die Lage des Orts wol betrachtet/und derer darin wohnenden Flfichtlinge Hartnäckigkeit bey sich erwogen/zog er nach ffinff Tagen wieder davor hinweg." (28b,28).
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Im rip. Text ist das BA überdies in unmittelbarer Umgebung der Ableitung belegt.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
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hartselig-keit: 1 Beleg in Ohchal IV für 'die Tatsache, daß etwas (hier: das menschliche Geschlecht) unglücklich (hartselig; BA s. DWB s.v.) ist': "vR hüb an von stundan zebeweinS die hartsäligkeit vnd kurtze wyl des menschlichen geschlichts" (BivY). heilig-keit: 34 Belege in I-IV, VI, VII. Zum Teil konkurrierend sind Ableitungen mit -(h)eit(2x) und -cheit (9x) belegt. Die Bildung tritt v.a. in religiösen Kontexten auf und bezeichnet allgemein die 'Eigenschaft, daß etwas oder jmd. heilig ist': "die Heyligkeit der geheymnuß" (Rip VII:9,11); "Mer Jacobus Alphei sun hat die ersten mess gesprochen under den czwelifpoten, wenn di czwelifpoten durich seiner grossen heilichait teten im die er daz er [...]" (Mbair 1:8,28). Das Derivat wird auch metaphorisch gebraucht: "der wie ein Sonn mit unzahlbaren Strahlen der Tugenden und Heiligkeit glantzte." (Mbair VII:GE42,33). Die Funktion des Suffixes in Verbindung mit der Basis heilig ist jedoch v.a. im mbair. Text aus I weitaus vielfältiger, als nur Abstrakte hervorzubringen. Es liegen mehrere Möglichkeiten der Bezeichnungsverschiebung vor. Vgl. dazu unter Abschnitt 3.1.3.1. heilwertig-keit: 1 Beleg in Schles IV für den 'Umstand, daß etwas auf das Heil zielend oder zum Heil gereichend ist' (vgl. DWB s.v. heilwertig fur den Basisbeleg): "vfi auch den genäten kyndern fromete zu gesütheyth vfi heilwertikeit" (Ciij™). heimlich-keit: 2x, in Mbair I (mit Suffix -(h)eit) und Ofr III. Der 'Zustand, daß etwas heimlich1 im Sinne von 'geheim' oder Verborgen ist': "Ich han anpfunden von got verporgner haymlickait." (Ofr 111:219,7). Die Bildung wird jedoch weitaus häufiger für den Gegenstand oder den Ort selbst, der geheim ist, verwendet. Vgl. Abschnitt 1.3.1. heiser-keit: 1 Beleg in Hess III: "die heyserkeyt in der kelen oder an der styme" (cx,6). her-heit: Nur lx belegt in Hess I; bezeichnet die 'Eigenschaft einer Person, her' (BA s. Sch/L s.v.), wie ein Herr, also 'hochstehend/vornehm zu sein': "Iz ist gescriben von den aposteln 'Man deilite in sunderlichen also ir ieclicheme noth waz'. Na dissen dingen insal man nit mirken der herheit noch der niderkeit" (19,11). herrlich-keit: 16 Belege in III-VII; in Rip III 2x mit Formvariante -(h)eit. 'Das Herrlichsein', besonders häufig von Gott bzw. Christus: "DJse wort gehören nu zur herrligkeit des Sohnes GOttes." (Obs V:46r,18), aber auch von Ereignissen: "Daher etliche Künig gewonliche eer vnnd herrligkeit der begrebniß haben manglen müssen" (Schwäb IV:xr). Die Bildung wird jedoch weitaus häufiger verwendet, um den Gegenstand, der herrlich ist, zu bezeichnen. Vgl. Abschnitt 3.1.3.1. herzhaft-igkeit: 1 Beleg in Thür VII. Die 'Eigenschaft, beherzt zu sein': "Simeon/ [,..]/dem es sonst weder an Herzha£ftigkeit/noch Verstände gefehlet" (225,7).
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Die Typen der Ableitung mit
-heit/-keit, -ida, -! im
Frühneuhochdeutschen
hinlessig-keit: Nur Obd. (Oschwäb. und Els.) in IV, 2 Belege. 'Die Tatsache, dafl jmd. hinlessig', d.h. 'fahrlässig ist'(das BA belegt D s.v. hinlSssig mit dem Zusatz 'metaph.'): "vertrawt seinen aignen henden nitt vermag nit jm selbst sein prot zfi schneiden/fircht dein hinlesigkait" (Oschwäb IV: Dvij1). hitzig-keit: lx in Obs VI; hier: 'seelischer Zustand des Hitzigseins': "so ist sich hierumb destomehr zuverwundern/daß der Hitzigkeit gantz widrige/und ungehewre Kälte ein auß hitzigen und verliebten Hertzen geschriebenes Lied/ mit jhren frfihren verbessern helffen wolte." (Bvijy). ho-heit: 12 Belege in III, IV, VI, VII (nur md). Hauptsächlich zur Bezeichnung des 'hohen Ansehens' einer Person oder des Amtes, das diese Person innehat: "Bißhero/that sie hinzu/habe ich die Hoheit seiner Persohn mit meiner in Vergleichung gezogen" (Obs VI:Fviijr); "sol doch nichts desto minder die Hochheit Jhr. Mayest. Ampts/[...]/ablegen vnd außleschen." (Hess VI:29). Daneben auch von Gegenständen: "Das Ansehen vnd die Hoheit der Bibel" (Thür VI:7). In Rip III einmal auch für 'Höhe', d.h. als einfache Größenangabe: "ind sachte ym vortan wie die gestalt des schiffs syn soulde van lanckheit ind hoicheit" (ΧΙΓ,16). höflich-keit: Els V, Obs VI (5 Belege), mit deutlichem Schwerpunkt in VI, wo auch zweimal die mit un- negierte Form belegt ist. Bezeichnet wird die menschliche 'Eigenschaft, höflich' bzw. 'unhöflich zu sein': "wann jhm nicht die angebohrne [...] HÖffligkeit eijnnert hette/solches nicht zu unterlassen." (Cv); "ich bitte aber umb Erlassung meiner Vnhfiffligkeit" (Eivv). Bezüglich des letztgenannten Beispiels ist die Grenze zur Bezeichnung für die unhöfliche Handlung (= Bezeichnungsverschiebung) nur schwer zu ziehen. holdselig-keit: Nur VII (2 Belege). 'Die Tatsache, daß jmd. holdselig', d.i. 'anmutig' oder 'liebreizend ist' bzw. 'sich so verhält1: "wie sie dann durch ihre Freund= und Holdseeligkeit/ihren Gemahl nachmahls zubewegen wüste" (Ofr VII:83*,25). Das BA ist im landschaftlich benachbarten Text aus Oschwäb VII belegt; für den zweiten Beleg aus Thür VII Basisbelegung im Kontext. hurtig-keit: 1 Beleg im Zusatzkorpus Obs VI (Div^: "und ob zwar deses Schrecken seinem Alter eine zimliche Hurtigkeit eintriebe". innig-keit: 14 Belege in I-IV, davon 6x mit Variante -(h)eit. Die Ableitung wird oft mit der Präposition mit sowie häufig außerdem noch mit einem Begleiter verbunden: "vnd vermanet sie mit groisser innycheit" (Rip IV:Fijr). V.a. auch in religiösen Kontexten vertreten: "ßo sal der mSsch in die innikeit des geistes altzuhät auff got legenn" (Obs III: VmA,25). irdisch-heit: Nur lx in Mbair IV für 'die Tatsache, daß etwas (hier: der Wein) von der Erde (irdisch) ist/ zur Erde gehört': "so bleibt/das wässerig ist/ von seiner schw&ren grobhait vnd irrdischhait wegen/an dem boden." (Aiijr). jamerig-keit: 3 Belege in I, davon in Obs I lx mit -(h)eit und 3x mit -cheit. Der 'Zustand, in dem man leidvoll ist' (BA jämerec, -ic s. Lex s.v.; Ausfall des Basisauslauts): "ich bin geborn zu der aibeit und zfi der jamercheit." (Obs
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit,
-ida, -i
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1:8,19). Auch in metaphorischer Verwendung: "Jch wil mit andahtigem hertzzen di mirren vnd die iamerckait vnsers herren zesammen tragen in mel hertzze zv ainem häufen" (Ofr Ι:ΧΠΛ,3). karg-heit: I, III, IV (4 Belege). Bezeichnet die Tiigenschaft, sparsam' bzw., auch negativ wertend, 'knauserig zu sein': "vnd do der selb karg abt hört das der hailig vater hilarion in nit wolt gesehen von siner karkhait wegen" (Schwäb I:68v,19); "verflflcht sein karckhait das er dir so wenig geben hat." (Oschwäb IV:Dvij·). In Rip IV tritt das Derivat in der Form karrich-(h)eit auf. Ich habe die Basis hierfür nur in Sch/L belegt gefunden, und zwar s.v. karch, karich, -ech, kerch für 'sparsam, geizig'. Die Ableitung ist im Kontext gemäß der oben beschriebenen Funktion als Bezeichnung für 'das Sparsamsein1 zu deuten: "Dyt syn de seien der ghenre die mit groisser karricheit vfi nauwicheit eyn vprechtich leu5 voerg." (Div1). keck-heit: Nur 2x in IV zur Bezeichnung der (menschlichen) 'Eigenschaft, keck zu sein': "er wirt mich verspotten vfi billich sprechen/ob das mein großmfitigkait vnd keckhait sey der ich mich so dapffer beriempt hab" (Oschwäb ΐν:ΕΛ keusch-heit: 59 Belege in I-VII (Schweφunkt in I-IV), von denen knapp die Hälfte (27) mit un- negiert ist. Als konkurrierende Varianten sind außer -heit nur in Zeitraum I je lx -keit und -ikeit belegt. Typisch für die syntaktische Einbettung der Bildung ist das überwiegende Fehlen der Bezugsgröße, d.h., daß die Person, deren Eigenschaft es ist, keusch zu sein, meistens nicht genannt wird. Beispiele: "Die ander geburt. die man heut beghet. das ist die muterlich berhaftikeit. dy geschach in iücfreulicher keuschheit" (Obs III: Ira,24); "mer de schrifft meynt ey sundich Ieu5. [...] mit vnkuyscheit." (Rip IV: Ciijv). Auch in metaphorischer Verwendung vereinzelt belegt: "ein Spiegel missiger Keuschheit" (Thür VII:290,8). klar-heit: I-VII, 20 Belege. Die Ableitung bezeichnet zunächst ganz allgemein den 'Zustand'/die 'Eigenschaft des Klar- oder Reinseins' eines Objekts, das oft erst im weiteren Kontext genannt wird: "wurd es [das Licht] aber nu gewädelt in ein lauter clare sonne al tzu mal. so mochte nymät des andern bilde gesehS vö der clarheit." (Obs III:Xiiivb,18); "Dann es bringts der geruch/ der geschmack/die farb/die consistenz, die lauterkeit vnnd klarheit mit sich/ daß das Saurwasser ..." (Eis VI:S3). In dieser Bedeutung erfolgt auch die Übertragung auf den religiösen Bereich für 'das (moralische) Reinsein': "dieselbige Kirch/von deren Klarheit S. Augustinus redet" (Rip VII:21,3). In religiöser Thematik wird die Bildung oft auch zur Wesensbezeichnung Gottes bzw. Christi gebraucht: "Als ob Christus nicht mehr den leib nach der Substantz vnnd wesen hette/so vor seiner herrlichen Auferstehung von den Todten/ain natülicher leib genät [...] der nicht allein in der klarhait/sonder auch in seiner Substanz vnnd Wesen nicht anders dann Gott sey worden." (Oschwäb V:49r,10). Der angeführte Kontextbeleg könnte auch interpretiert
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
werden als Ausdruck fiir die 'Verklärung' Christi, eine Erklärungsmöglichkeit, die fur das folgende Beispiel insofern mit Sicherheit zutrifft, als der zugrundeliegende lateinische Originaltext das Ausgangswort 'glorificatio' vorgibt: "Und darumbe hab wfr die engel hie helfer im pet, d! wir in der chlarhait haben werden gesellen." (Mbair 1:21,19). klein-heit: 2x nur in VI. Bezeichnung für die 'Eigenschaft des Kleinseins', sowohl von Personen: "wann wir von seiner kleinheit [des Herrn] reden" (Schles VI:338) als auch von Sachen: "Versehe mich auch/Ew.Eh.vnnd Gunsten werden die kleinheit vnd geringheit des libelli nit ansehen" (Rip VI: iijv). Ideinmütig-keit: 3 Belege in Oschwäb IV für 'die Tatsache, daß jmd. kleinmütig', d.h. 'ohne Selbstvertrauen' oder 'verzagt ist': "bistu gütt beladen mit forcht vü klainmfitigkait" (Eijv). klug-heit: I-V, VII (9 Belege). Die Funktion des Suffixes besteht darin, die (menschliche) 'Eigenschaft des Klugseins' zu bezeichnen. Dies geschieht oft, ohne den Träger der Eigenschaft in unmittelbarer Nähe der Ableitung (z.B. im Genitiv) zu nennen: "Dieser Berrheo ist ein Edelmann eines grossen Geschlechts/der dem König von Hispanien/zu Neapolis, zu Meylandt/vnd in den Niderlanden gar trewe vnd schwere Dienst mit sonderlicher Klugheit hatte geleystet" (Hess V:4,36). komlich-keit: 1 Beleg in Hess V für die 'Eigenschaft, angenehm (komlich) zu sein' (BA s. DWB s.v.): "die/wenn sie nicht so braun weren gewesen/jres Leibs Kömligkeit halben mit den Weibern in gantz Europa wol hetten mögen verglichen werden." (17,15). kostlich-keit: 3x in V und VII. Die 'Eigenschaft einer Sache, köstlich zu sein'. Im angeführten Kontextbeispiel wird die abstrakte Bedeutung der Bildung durch die syntaktische Parallelstellung mit einem weiteren Abstraktum, schöne, unterstrichen: "das sie bald alle andere gebSw in jrer Schöne vnnd kostlichkait vbertreffen" (Schwäb V:28,12). krank-heit: 128 Belege in I-VII in ziemlich gleichmäßiger Verteilung, wobei lx die Ableitungsmöglichkeit mit -keit (Hess I) belegt ist. Die Ableitung bezeichnet den allgemeinen 'Zustand des Krankseins', im Unterschied zu speziellen Ausprägungen des Krankseins (Pluralfähigkeit!), die, grammatisch gesehen, zu den Konkreta zu rechnen sind (vgl. Abschnitt 3.1.3.1).76 Der Unterschied äußert sich auf der syntaktischen Ebene dadurch, daß das Lexem meistens neben einem Personalpronomen oder einem (Genitiv-)Objekt steht, das die Person bezeichnet, die krank ist: "DErhalben/Er/der HErr Christus/als 76
Vgl. dagegen Oberle 1990:314, die für das Nhd. einige Bildungen aufführt, die nach ihrer Aussage "nicht mehr als Prädikatsbegriffe verstanden werden". Dazu zählt sie auch Krankheit und die damit gebildeten Komposita, die "weniger einen abstrakten Zustand als die konkret benennbare Funktionsstörung" bezeichnen. In der Tat ist der Anteil der konkret verwendeten Ableitungen von krank sehr hoch (ca. 30%); gleichwohl können meiner Ansicht nach auf Grund des jeweiligen (Contexts einige Bildungen als Abstrakta klassifiziert werden.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -ι
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ein Knecht Gottes/vnd getrewer Bischoff vnser Seelen/vnnd frommer Ertzhirt/ hat groß mitleiden mit vnser Kranckheit" (Obs V:53r,28); "were aber dz der vorgeschribnen botten deheinner von krankheitt wegen sinnes lips zu der sach nüt kommen möcht" (Ohchal III: 4,23). Es ist allerdings auch möglich, daß von den Begleitern völlig abstrahiert wird: "überflüssige freud/bringt grosse kranckheyt" (Hess IV:41V) -> 'überflüssige Freude bringt (es mit sich), daß man/jmd. sehr krank wird'. kün-heit: 8 Belege in I-IV, VI, VII; auch lx in Rip VI mit der Variante -igkeit. Bezeichnet die 'Eigenschaft einer Person, kühn zu sein': "GEORGIUS Podiebrachius war wegen seiner grossen Kriegs=Erfahrnus und Martialischer Kfihnheit/[...] erwöhlt worden" (Mbair VII:GE29,25). Meistens wird der Bezug auf die Person, die als kühn bezeichnet werden soll, jedoch nicht unmittelbar, sondern mittels einer präpositionalen Konstruktion hergestellt: "Zwen Englische Obersten haben mit vnglaublicher k&nheit vnd gutem gl&ck die Welt vmbsegelt." (Rip VI:Aijv). kundig-keit: 4x nur in I, davon je lx mit -(h)eit und -cheit. 'Die Tatsache, daß jmd. listig' oder Verschlagen ist': "iz ist nicht sünde und zu besitzenne mit der gotes minnen, also daz der mensche othmfintich si und nicht kflntich. als aber sente Augustinus spricht: [...] richer man, wirf oder tu von dir die kundikeit, so schadet dir der richtum niht." (Obs 1:7,10). Für die Ableitung aus Obs I ist die Basis im Text als käntich belegt; vgl. ansonsten Lex s.v. kiindec, -ic.
kurios-heit: Die einzige Ableitung von einem Fremdwort (BA kurios) ist lx in Rip III belegt. Gemeint ist vermutlich die 'Eigenschaft der Menschen, neugierig zu sein': "Viss dissen vurß punts is zo myrcken dat Lamechs kinds hauen eyrst vonde vn erdaicht die natuerlich vn wercklich kunste off hatwerck die da diene d' curiosheyt vnd genoichlicheyt d' mynschen" (X",28). kurz-heit: Nur lx in Rip III fur nhd. 'Kürze': "die kurtzheit der iairen" (XT,43). lang-heit: 2 Belege nur in Rip III für nhd. 'Länge': "van dem began vnd langheyt eyns ycklichen alders" (IV, 18). Weiteres Kontextbeispiel s. ho-heit. langmutig-keit: 1 Beleg in Ohchal IV fur die 'Eigenschaft des Langmütig-', d.h. 'Geduldigseins' (BA DWB s.v. langmütig): "Das er [Gott] etwan wartet/ ist siner langm&tigkeit schuld/damit er zfi d' büß reitzt." (Avy). langsam-keit: lx im Zusatzkoφus Oschwäb IV: "strafft er sy vmb jr langksamkait" (DvjY) 'straft er sie, weil sie so langsam sind'. lauter-keit: 6 Belege in III, IV, VI, davon lx mit -ikeit. 'Das Lautersein', d.h. 'Klar- oder Reinsein': "dy [Geburt] geschach in iOcfreulicher keuschheit vn in rechter lautterkeit." (Obs III:Ira,25); mit umlautbezeichneter Basis in Schles IV: "von lewterkeyt der gewissenheit" (C1). Auch für 'das Reinsein Gottes': "ein vernuftiges bekennen götlicher lautrikait" (Ofr 111:226,3).
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Die Typen der Ableitung mit
-heit/-keit, -ida, -i im
Frohneuhochdeutschen
leichtfertig-keit: III-V, VII (6 Belege); in Rip III konkurrierend mit der Variante -(h)eit (Ix). 'Das Leichtfertigsein': "darnach ward er auch durch h&lfie deß Marij oberster Raht zu Rom/als das geschach/thet er sich seiner Leichtfertigkeit ab/vnnd ward ein Hochgeachter Man" (Thür V: 10v,5). leichtig-keit: 1 Beleg in Rip III mit Suffixform -0i)eit\ "vfi dat erdachte sy dairub. vmb die lichticheyt der cleyder" QC,25) -> 'damit die Kleider leicht waren'. leichtmfitig-keit: 2 Belege in Schwäb III und Hess IV. 'Die Tatsache, daß jmd. leichtmütig', d.i. 'leichten Mutes ist': "man muß by hercle die lychtmütigkait hinwerffen." (Schwäb III:4lU0). leichtsinnig-keit: Nur im Zusatzkorpus IV und VI, 2x: "freud vnnd leychtsinnickeyt mach einn bequeme hitz gleich wie die naturlich hitze ist" (Thür IV:8V). leutselig-keit: Nur Oft und Thür VII, 3 Belege: "zumal auch gelocket von seiner Demut und Leutseeligkeit/krafft deren sie an ihme mehr einen Spißgesellen als Obristen hatten." (Ofr VII:74b,10). lieblich-keit: 3 Belege in Rip VII und Thür VII. "Die Tatsache, daß jmd. lieblich', d.h. 'freundlich, gütig' oder 'angenehm ist'; im Kontextbeleg von Gott: "aber seine Mayestlt vnd Lieblichkeit ist so groß vnd vnendlich" (Rip VII:30,19). In Thür VII ist ein Kompositum belegt, zu dem keine Basis in der zusammengesetzten Form zu belegen ist: "Es wird allhier noch weiter erfordert die selzame Gabe/seine Wissenschaft andern anmuhtig und ohne Verdruß bei zubringen und mitzutheilen/welche grosses theils beruhet in schöner Redens=Lieblichkeit und genauer Eintheilung vorgenommener Materien." (273,22). Die Transformation dürfte in etwa wie folgt lauten: -> 'welche großenteils darauf beruht, auf angenehme Weise reden zu können'. lind-igkeit: Schles IV, lx mit Suffixform -ikeit. 'Das Weich-' oder 'Mildesein' (BA lind, -e s. DWB s.v.): "Do antwortte sy mit aller lyndikeyt vnd gerusamen herczen" (Cv™). listig-keit: 2 Belege in III, im rip. Text mit Formvariante -(h)eit. "Er nimbt hie wort für die gantzen rede das lauter geredt sein on Vermischung der listigkait." (Schwäb III:35b,4). los-heit: Nur 1 Beleg in Rip IV. Bezeichnet die 'Eigenschaft des (lose-) Durchtrieben-/ Verschlagen-' oder 'Frechseins' (BA lose s. DWB s.v.): "Die beeste heischet [heißt] achernus achiro. vn verslyndet [verschlingt] niet allein die tzijtlich guyt gewynnen [,..]/mit loeßheit" (Bij1)· lustbar-keit: Nur im Zusatzkorpus in IV (Hess, und Obs.). Für 'die Tatsache, daß etwas Vergnügen bringend ist' (vgl. für die Basis DWB s.v.): "vnd etwan groß Fürsten vnd herren/sich vnterwunden solcher naturlicher kunst/ von wegen yrer lustbarkeit zulernen." (Obs IV:Av). lüstern-heit: lx in Ohchal VII für den 'Zustand des Lüsternseins': "Denn die Romans setzen das Gem&th mit ihren gemachen Revolutionen/freyen Vor-
Die Ableitungsmuster von -heitZ-keil, -ida, -i
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Stellungen/feurigen Außdruckungen/und andren bunden HSndeln in Sehnen/ Unruh/Lfisternheit und Brunst" (70,27). lustig-keit: lx in Obs III zur Bezeichnung der lustigen, d.i. der 'genußvollen Art und Weise': "seint schuldig alle die menschen die do gebrauchen yrer lust in synnelicher lustikeit in welcherley weiß das sey." (νΐΐΓ*,25). lustlich-keit: 1 Beleg in Rip III (mit -(h)eit). Die in diesem Fall metaphorisch gebrauchte 'Eigenschaft, lustlich' (BA lustlich im Text belegt), d.h. 'angenehm oder vergnüglich zu sein': "vnd bracht yn in dat paradijss. dat is. vp duytsche in den boemgarden der genoechden vnd lustlicheyt." (ΥΙΐΓ,Ιό). mager-keit: 1 Beleg in Obs I mit Suffixform -icheif. "durch des lichnames magericheit" (21,28) 'deswegen, weil der Körper mager ist'. mannigfaltig-keit: 4 Belege in I, III und VI; dabei in Obs I mit -(h)eit (lx). Die Bezeichnung dafür, 'daß etwas mannigfaltig ist': "Vnd der sin zü finden würt geübt durch die betrachtunge der natur vnnd manigfaltikeit der ingeschossenenn [Geschosse in den Körper]" (Eis ΙΙΙ:ΧΧνΐΐΓ\6). mäOig-keit: 9 Belege in I, III, IV, VII. Auch mit Fonnvariante -cheit (Mbair I) belegt. 'Das Mäßigsein': "vnd da von bedürfen wir wol das wir disen lip mit mSssikait klain ffig machend" (Schwäb 1:103", 18); "Von mlssigkhait des weins" (Mbair IViBiv1) -> 'davon, daß der Wein mäßig sein (genossen werden) soll'. Die mit un- präfigierte Form ist dreimal belegt: "vfi in gemein von allen dingen vnmSssikeit" (Oschwäb III:XXXr,7). mäßlich-keit: 1 Beleg in Hess I; nhd. 'Mäßigkeit': "an mezlichkeide der spisen" (27,16). Das BA mezlich ist im Kontext belegt. matt-igkeit: 2 Belege in Obs V und Els VII: "wie jener Apt; gienge langsam vnd als ob er vor mattigkeit erligen wolte." (Eis VII:46,28). michel-keit: 1 Beleg in Thür I: "Gotis stimme ist in der togende, gotis stimme ist in einer michhelkeit." (62,7) -» 'Gottes Stimme, ist in einem Zustand der Größe/der Großartigkeit'. Die Basis michel ist im Text belegt. mild-igkeit: 16 Belege in I-IV, VI, VII, davon lx mit Präfix un-. Neben das Derivationsmorphem -igkeit treten teilweise konkurrierend -keit (lx), -icheit (lx) und -ikeit (6x). Die Semantik der Basis bewirkt, daß die Bezeichnung des Derivats schwankt zwischen dem 'Freundlichsein' und dem 'Wohltätig-' oder 'Freigebigsein': "daz er waz ein vollkomer ritter, der sich in aller manhait, klughait, miltikait züchtig mit allen seinen sach wol kund mit allen andern tugenden halten" (Oschwäb 1:7,24); "Herr ich sag das baß an gelegt wer dein miltigkait in schäcküg vfl dienst" (Oschwäb IV:Diiijr). Die einzige präfigierte Bildung liegt in Els IV vor: "Vnd durch Ordnung Gottes zorns/ist er mit jm in streyt gangen/vnd von wegen seiner grossen boßhait/vnd allergröster vnmilttigkait/ist er sigloß vnd überwunden." (VUV). mitsam-keit: Nur Schles IV, 6 Belege. Das BA, das im DWB s.v. mitsam zu finden ist, steht für die 'Eigenschaft, zum Mit- oder Vereintsein sich eignend, umgänglich' oder 'freundlich zu sein': "Darumme czu dem ersten wyrt
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
hy gehädelt von yrer mitsamkeyt in de kyntlichen alder vnd vor der czeyth der Ee" (Avjra). mittelmäßig-keit: Nur Zusatzkorpus Hess IV, 1 Beleg: "So du aber in alle weg mittelmSssigkeyt befindest/so magstu dasselbig ding in kein grad setzen." (39v). m5glich-keit: 4 Belege in III, IV, VI; stets mit -(h)eit. Die Ableitung wird überwiegend mit den Präpositionen in sowie nach kombiniert: '"Nu wil ich, das alle wasser fische brengen noch irer mogelicheit."' (Thür III: 14,9). mffid-igkeit: 2x in Obs VI und Oschwäb VII: "dann sie wegen Trawr- und Mfitigkeit auff der Reiß vom Schlaff fiberfallen worden" (Oschwäb VII: 43,24) 'weil sie traurig und müde waren1. mfißig-keit: 5 Belege in I und III, in Ofr I lx mit -(h)eit. 'Das Müßigsein': "Alle muzzekeit ist vint der seien." (Hess 1:25,23). nachlässig-keit: 2 Belege in VII: "Es partirte sich durch Nachlässigkeit der Wachten viel Volcks hinein" (Hess VII:29a,42). nackt-heit: Nur lx in Rip III: 'die Tatsache, daß jmd. nackt ist': "vnd Schemde sich van yre nackheyt" (VHIV,2). neidig-keit: 1 Beleg in Oschwäb I. Für die Basis s. Lex s.v. nidec, -ic\ der Basisauslaut fällt in der Ableitung aus. 'Das Neidischsein1: "diu neidkait diser wellt" (11,20). nernstich-keit: 1 Beleg in Rip III mit Variante -(h)eit: "die nernsticheit duppelde sy quait zo bedrijue." (XT,3). Die Basis ist nur in Sch/L s.v. belegt und wird dort als Form mit assimiliertem n- beschrieben. Bezeichnet wird mit der Ableitung 'das Eifrig-, Fleißig- oder Sorgfältigsein'. neu-igkeit: Oschwäb III, lx mit Formvariante -ikeit. 'Das Neusein': "S6Ilichs von newekeit wegen des dinges" (ΙΙΓ,Ι). nichtig-keit: lx in Els VII für 'die Tatsache, daß etwas nichtig ist': "die Nichtigkeit der Edelen Medicin" (43,27). niedrig-keit: 4 Belege in I und VI. 'Die Tatsache, daß jmd. niedrig ist', d.h. 'eine niedrige Stellung hat': "Na dissen dingen insal man nit mirken der herheit noch der niderkeit" (Hess 1:19,12). Im Zusatzkorpus außer mit Bezug auf den Menschen auch von der niedrigen Stellung Jesu: "daß ein Christiichs gemüte/wann es von der niedrigkeit des Herren redet [...]" (Schles VI:338). notdürftig-keit: 2x in Thür IV und Hess IV zur Bezeichnung der Tatsache, daß jmd. notdürftig', d.h. 'unentbehrlich notwendig' oder 'nötig ist' (BA s. DWB s.v.). In den Kontexten ist die Bezugsgröße in beiden Fällen nicht genannt. Beispiel: "du solt eeren den artzt wann von wegen der notturfftigkeyt hat yn got beschaffen" (Thür IV: 3r). nötig-keit: 1 Beleg in Ohchal VII: "gleicher Ursachen und mehrerer Νδthigkeit wegen" (15,1) -*• 'aus den gleichen Ursachen und weil es auf mehrere Weise nötig war'.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
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notwendig-keit: Nur in VII, 3 Belege: "So hat auch S. Augustinus/demnach er die nothwendigkeit Göttlicher Hilff vnd Gnad erklärt hat/hinzugesetzt [...]" (Rip VII:24,5). nutzbar-keit: 8 Belege in IV und VII. 'Das Nutzbar-/Nützlichsein': "Er sol auch Ifigen das die gesundtheyt sein endtlich fürnemen sey/nit allein das gelt/ sonder betrachten das heyl vnnd nutzbarkeyt seiner krancken" (Hess IV:2V). Die Bildung steht sehr häufig neben einer Genitivergänzung, die im angeführten Beispiel als genitivus objectivus (auf welche Weise irgendetwas für die Kranken nützlich ist) zu verstehen ist, manchmal auch als genitivus subjectivus: "Nutzbarkeyt des Weins" (Hess IV^ö1). nützlich-keit: 4 Belege in Rip III, abgeleitet mit Formvariante -(h)eit. 'Die Tatsache, daß etwas nützlich ist': "Dye vorrede des boichs Und is van der manichfeldiger nutzlicheyt historien zo lesen vnd is sere mircklich." (If ,8). ober-keit: lx in Els IV zur Bezeichnung der 'Tatsache, daß jmd. ober' (aus oberig, vgl. DWB s.v.), d.h. 'der höchste ist': "besunnder gott vß wfilches oberkeit/er zfi priester verordnet sie" (XIV). Die dominante Funktion ist jedoch nicht die der Abstraktbildung, sondern die Ableitung von Sammelwörtern (s. Abschnitt 3.1.7.1). otmutig-keit: Nur Md., und zwar Obs I, Hess I und Rip IV,77 insgesamt 45x belegt (stets mit Belegung der Basis im Text); dabei alleine in Hess I 36 (!) Belege. Es überwiegt die Derivation mit -keit (36x); daneben wird das BA jedoch auch mit -(h)eit (8x) bzw. auch lx mit der Vollform -heit abgeleitet. Die Bildung bezeichnet die 'Eigenschaft, demütig zu sein'. Die Kombination des Derivats mit der Präposition mit, aber auch von (Rip IV) oder an ist häufiger anzutreffen: "wir gode fleen mit otmutkeide" (Hess 1:14,6) -> 'indem wir demütig sind1. Außerdem wird die Bildung auch mehrfach metaphorisch verwendet, u.a. indem in dem hess. Text aus Zeitraum I, einer Ordensregel für Nonnen, eine Art Stufenlehre der Tugend der Demut entwickelt wird, in der die Grade der Demut aufgezeigt werden: "Daz ist der achte grad der otmudkeide, daz [...]" (Hess 1:12,23). Durch die in Obs I mit der Vollform des Suffixes -heit erhaltene Ableitung wird die Eigenschaftsbezeichnung auch auf Gott übertragen: "Zacharias der propheta und Johannes ewangelista die habent als vil gesprochen von unser heren gotes othmuntiheit" (11,27). peinlich-keit: 2 Belege in III (hier im rip. Text mit Suffixform -(h)eit) und IV für 'die Tatsache, daß etwas peinlich', d.i. 'schmerzhaft ist': "durch schwSre anfechtung vfi pynligkeit der schmertzen" (Ohchal IV:Ev). 77
Das anlautende of- ist nach Besch 1967:152 eine sprachgeographische Schreibvariante, die sich in ripuarischen, niederländischen und niederdeutschen Hss. des 15. Jhs. nachweisen läßt als Ersatz für anlautendes de- bzw. die- (diese beiden Formen gelten im Obd. nebeneinander). Es handelt sich hierbei um einen "alten, mindestens bis ins 8. Jh. zurückführenden Gegensatz bei der Verdeutschung christlicher Begriffe: Im angelsächsischen Missionsbereich des Festlandes wird humilitas mit ödmddfi), im Süden mit deomöt(i) wiedergegeben." (Besch ebd.).
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
recht-igkeit: 18 Belege in I und III, davon 15 nur in Thür I; 3x Präfigierung mit un-; in formaler Konkurrenz sind die Varianten -heit (lx), -keit (lx) und -icheit (lx) belegt. Die Bildung bezeichnet 'das Gerechtsein1, das v.a. auf Grund des religiösen Kontextes auf Gott bezogen wird. Dabei ist die Verbindung mit dem Personalpronomen, das die Bezugsperson kennzeichnet, charakteristisch: "Got wirt gekundiget daz künftige gesiechte, vi! dy himele kundent sine rechtikeit deme volke" (Thür 1:47,13). Dies gilt auch fiir die negierte Ableitung: "Dine missetete tet ich dir kunt, vfl mine vnrechtikeit vorbarg ich nicht." (Thür 1:69,17). Auch übertragener Gebrauch ist, ebenfalls in religiösem Kontext, belegt: "Do ich vn anerif, da gehörte he mich, der got miner rechteheite" (Thür 1:4,12). rechtfertig-keit: 3x in III, IV und VI; in Schles VI mit -keit, die übrigen rip. Belege mit -(hjeit. Für das BA vgl. Sch/L s.v. rechtverdich sowie DWB s.v. rechtfertig. Das Rechtfertigsein, d.h. 'das Gerecht-' oder 'Gutsein': "daß noch andere eigenschafften/die Gott zuegeschrieben werden/nicht allein die jenigen so auch etzlicher maßen in dem menschen sindt (als da ist das leben/ die wißenschaffi/die warheit/der wille/die rechtfertigkeit/die in Gott zwar vollkommener vndt anders/aber doch auch etzlicher maßen im menschen sindt)" (Schles VI:337). rechtmäßig-keit: 1 Beleg in Thür V für die 'Eigenschaft, rechtmäßig' (BA s. DWB s.v.), d.h. 'dem Recht gemäß zu sein' bzw. 'sich so zu verhalten': "Bruder Tito der wegen seiner Gfitigkeit vnnd Rechtmässigkeit/Amor & delitias, generis humani genennet ward" (14r,16). redlich-keit: 7 Belege in I-IV, VI, VII, davon 2x mit der Formvariante -(h)eit. 'Das Redlichsein' stellt sich in den Belegen noch in einer durch das BA motivierten, zweifachen semantischen Unterteilung dar, die 'das Verständigsein' ("Du salt mit vnbegerten sinnen dich erschwingenn vber dich selber, vnnd vber alle crefite vber redlikeyt. vnnd vber vornunfit." (Obs III:VIV",33) wie auch das nhd. noch übliche 'Rechtschaffensein' ("daß wir an HORSTEN einen unvergleichlichen Redner/einen vollkommenen Philosophum, einen untadelichen Professoren!, einen Spiegel Deutscher Reedligkeit gehabt." (Thür VII:298,19)) umfaßt. Der letztgenannte Beleg ist gleichzeitig ein Beispiel für die metaphorische Verwendung der Bildung. Im schwäb. Text aus IV wird außerdem die 'Eigenschaft, kunstvoll reden zu können', mittels einer Zusammensetzung benannt: "sund* von jugent fahen an sein leben als tugentreich auffzümutzen vnd erzfilS/all sein kunst redlicheyt/wolthat/treüw/gerechtigkeyt/glaubS vnd liebe/gegen Gott" (xjv). Eine Basis *kunstredlich ist allerdings nicht belegt. rein-igkeit: 33 Belege in IV-VII, davon 3 in präfigierter Form mit un-, Die mit dem Suffix -igkeit (13x) abgeleitete Form ist, anders als im Nhd., nach der Ableitung mit -ikeit (16 Belege) die bei weitem dominante Form der Deri-
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
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vation von rein.19 Mögliche Derivationsmorpheme sind außerdem noch nur in Zeitraum I -cheit (2x), -heit (lx) und -icheit (lx). Bezeichnet wird meistens das 'moralische Reinsein', das, wie der folgende Kontextbeleg zeigt, bis hin zur im Text durch parallele Nennung ausgedrückten Synonymität mit 'Keuschheit' gehen kann: "An statt er [der Apostel Paulus] Reinigkeit (Keuschheit) rathet/ seyn dise mit Buhler-Sachen erfüllet." (Ohchal VII: 61,13). Seltener bezieht sich das Derivat jedoch auch auf das im eigentlichen Sinne 'Rein-' bzw. 'Unreinsein', nämlich in körperlicher Hinsicht, hier: der Haut: "Hat aber zum Baden grossen Ruhm in alten/offnen/faulen/vnd fistulierten sch&den/Jtem in [...] vnreinigkeit der Haut" (Eis VI:26). reulich-keit: 2 Belege in Oschwäb IV mit Formvariante -(h)eit. 'Die Tatsache, daß etwas reulich', d.h. 'im Überfluß vorhanden ist': "gelaub mir auch/ das ich diser lieber will hundert guldin geben haben daß ainer andern fünff. Par. die wainend klag haben wir schon im hauß/so mä sollicher reülichait gewon wirt" (Diiij1). Die Basis der Ableitung ist nicht im Korpus belegt, jedoch im DWB s.v., als Nebenform zu reichlich, das laut DWB im Sinne von 'in großer Fülle vorhanden' als auch 'freigiebig' gebraucht wird. richtig-keit: 1 Beleg in Ohchal VI: "so hat sie doch auch grad so wol/als ein jede andere sprach/ihre besondere eigenschaflt/richtigkeit/vollkommenheit vnd zierligkeit" (9v). ringfertig-keit: Schwäb III, 1 Beleg fur die 'Eigenschaft des Ringfertigseins', d.h. 'des Leichtsinnig- oder Unbedachtseins' (vg. DWB s.v. ringfertig): "Mer wie lycht wir von der erberkait vallen in ringfertigkait durch vermalgen böser gesellschaffi." (49b,7). rosch-heit: 1 Beleg in Ohchal I mit Suffixform -(h)eit. Bezeichnung für den 'Zustand des Munter-(roscA-)Seins' (BA rosch im Kontext belegt): "vS so man morgens von dem slafe gat so sol [...] den munt vfi die zene vf\ hende weschen dur swerheit vn dur roscheit" (297™, 14). rusam-keit: Oschwäb IV, lx fur 'das Ruhsamsein1 (BA nur DWB s.v.), das ist 'das Ruhigsein': "den reichen mangelt rösamkeit/wann sy nun stettzs inn arckwon lebend/sichrer ist verschmecht zfi sein dann geförcht/rfiwiger ist der schlaff des armen dann des reichen" (Eviij1). samwitzig-keit: 2 Belege in I, davon lx mit -(h)eit. 'Die Tatsache, daß man sich einer Sache bewußt ist/das Bewußtsein' (BA s. Lex s.v. samwizzichy. "daz sie in der selben gehorsamkeide bit stillicher samwitzkeide gedult hat ingegen allen wederwurdigen dingen" (Hess 1:11,19). sanft-heit: 2x in Hess I mit Formvariante -keit zur Bezeichnung des 'Sanftseins': "Etliche sal sie berichten mit senftekeide, etliche mit scheldene" (5,16). 78
Laut DWB s.v. Reinheit hat die -heit-form erst splt die mit -igkeit gebildete Ableitung ersetzt. Wahrend Adelung nur reinigkeit buche, unterscheide Campe stilistische Gebrauchsgewohnheiten: reinigkeit "im gemeinen leben (DWB:ebd.), dagegen reinheit und reine in vornehmer Sprechweise.
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
sanftmütig-keit: 4 Belege in III, IV, VII. 'Eigenschaft des Sanftmütigseins': "Solche Sanffimütigkeit ist der ärgste Stolz und Ehrsüchtigkeit" (Els VII: 9,21); "mit grosser senftmutikeit" (Schles IVCiv1). sauber-keit: 4x in I, VI, VII, davon lx mit urt- und lx mit Suffixform -heit. Der 'Zustand des Sauber-' bzw. 'des Unsauberseins', bezogen sowohl auf Menschen als auch auf Dinge: "Die Retische sprach/so Romanisch vnd Latein geheissen wirt/vnd anfänglich Tuscanisch vnd Latein gewesen/ist allbereit vor Christi geburt vnter den Retiern von ihrer rechten Sauberkeit zü sonderem abfahl vnd Verböserung gerahten" (Ohchal VI: 10*); "weil die Weiber entweders durch ihre böse halßstarrige Köpffe, oder aber durch ihren Vngehorsam, Vnfreundlichkeit, Vnhäußlichkeit, vnsauberkeit vnd andere dergleichen Vntugenden ihren Männern vielmahl Vrsach geben sich der Hochzeit zugereuen" (Els VII: 18,31). schädlich-keit: 5 Belege in IV und VII, davon 4x mit Formvariante -(h)eit. Die Bildung wird stets mit ihrer Bezugsgröße in Verbindung gebracht, entweder durch ein begleitendes Personalpronomen oder durch Nennung als Genitivobjekt: "darum wil ich dir sagen sein [des Weines] schldlicheyt" (Hess IV: 35v); "die Schädlichkeit derselben [der Romane] mercken oder erklären werden" (Ohchal VII: 12,24). schamhaftig-keit: lx in Obs VII; 'das Schamhaftsein': "Das Frauenzimmer sucht ihren besten Ruhm in der Schamhaftigkeit." (139,8). scharf-heit: 2x belegt in Schles IV statt nhd. 'Schärfe' zur Bezeichnung der 'Eigenschaft eines Gegenstandes, scharf zu sein': "Auch trüge sy allerzeit ein schnüre vö pferdes hären gemacht mit vil knotten gestricket vmb yre lendn/dy selbige scharpffheyt der schnure/hatte als hertiglich yr fleisch zu schwellet" (Dyj *).
scharfsinnig-keit: 2 Belege nur in Thür VII: "mit des Senecae Scharfsinnigkeit" (287,3). scheinheilig-keit: Ohchal VII, 1 Beleg. 'Die Tatsache, daß jmd. scheinheilig ist' bzw. 'sich scheinheilig verhält': "Einiche gehen ganz sacht und mit viler Scheinheiligkeit" (39,28). schicklich-keit: 5 Belege in III-V, davon lx mit Präfix un- und lx auch mit der Formvariante -(h)eit. Die Basis ist in DWB belegt s.v. schicklich. Bezeichnet wird zum einen die 'Eigenschaft, schicklich', d.h. 'geschickt zu sein': "so hat er doch mit schicklichkait vil Land vnd leut von newem bekhumen" (Mbair V:Cijv,39) und zum anderen 'die Tatsache, daß etwas schicklich', d.h. 'passend ist': "Es ist alles not zü rechter schicklichait diser fabel" (Schwäb III: 65b,8). schlaff-heit: Nur Hess I, 1 Beleg. Die Bildung bezeichnet 'die Tatsache, daß jmd. schlaff ist/sich schlaff verhält': "obe daz gebot irwullit wirt ane trachkeit und slafheit" (8,19).
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schläfrig-keit: 1 Beleg in Obs I für den 'Zustand des Schläfrigseins': "da von kumit unkfischeit und slafrkeit" (7,37). schmach-heit: 2 Belege in I (auch mit Formvariante -cheit) für 'die Tatsache, daß jmd. schmäch/schmähe' (für das jüngere Frnhd. noch mit dem BA zu belegen; vgl. DWB s.v.), d.h. 'schmählich' oder 'schlecht ist' bzw. 'handelt' oder 'gehandelt hat': "Ind vmb des wille wart Johann van Drese vyant der Stede Ind gesan des vurss. syns maigs [Verwandten] smaheit gericht vnd dat gelt weder gekiert, dat die Schelfen also van erne genomen hadden." (Rip I: 427,3). schnell-igkeit: 3 Belege in I-IV, wobei außer dem Ableitungsmorphem -igkeit auch -ikeit (Oschwäb III) und -heit (s.u.) möglich sind: "der bedeütten vnd figur sy gewon waren zfluersteen/ als bey dem Greiffen die Schnelligkeit" (Schwäb IV:vjr). Nicht immer bezeichnet die Bildung die schnelle Geschwindigkeit: "darumbe daz sie bit gereiden wusze navolgen der stimmen des gebodes mit den werken, daz in einer hantwilen [im Handumdrehen, augenblicklich] daz gebot der meisteren und die werch der jungersen mit snelheide der gotes vorten irvullet werden" (Hess 1:8,9). Die Ergänzung der Ableitung um ein Genitivobjekt macht hier deutlich, daß die Suffixfiinktion hier nicht darin besteht, die Schnelligkeit im Sinne der 'schnellen Geschwindigkeit einer Person' zu kennzeichnen, sondern 'die Tatsache, daß eine Person/jmd. schnell bereit und begierig ist, etwas zu tun'. Der Satz ist daher folgendermaßen zu transformieren: -> '[...], damit im Handumdrehen das Gebot der Priorin und die Werke der Novizinnen dadurch erfüllt werden, daß sie schnell bereit und begierig auf Gottes Worte sind.'. schön-heit: 23 Belege in I, IV, VI, VII. Die Bildung bezeichnet die (menschliche) 'Eigenschaft, schön zu sein'. Syntaktisch drückt sich dies oft durch Nennung der Bezugsperson im Personalpronomen aus: "so ist doch gewiß/daß er diß Fräulein geheuratet/und sie/wegen ihrer Schönheit und Tugend dermassen geliebet/daß er ..." (Ofr VII:83b,24). Manchmal wird dieser Bezug auch erst vermittelt durch eine präpositionale Konstruktion: "deßwegen denn öffentliche Einladungs Schreiben an viel Oerther geschicket worden/in welchen nicht alleine streitbare Ritter/sondern auch die mit Schönheit begabten hohen Damen zu beywohnen erbeten worden" (Obs VI:Evy). schuldig-keit: Nur VII, 4 Belege. 'Die Tatsache, daß man jmd. etwas schuldig ist': "So wird unsere Schuldigkeit erfodern/den Uberwinder einzuholen." (Obs VII: 138,11). schwach-heit: IV-VII (18 Belege). Zur Bezeichnung der 'Tatsache, daß jmd. schwach ist', wird oft die gemeinte Person unmittelbar, z.B. als Genitivobjekt, genannt: "Denn der Herr Christus hatt die Natur an sich genommen/ die von Adam beflecket war: auff daß er/sagt Cyrillus/von der schwacheit Adams vnsere Natur erlösete" (Schles VI:333) oder ein mittelbarer Bezug hergestellt: "Herr Μ Johannes Lang/Pfarrherr zu S. Martin/vnd Superinten-
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dens/welcher zwar Alters vnd Schwachheit halber/deß Predigens fiberhebt..." (Schwäb VII: 13,6). Manchmal steht die Bildung jedoch auch völlig losgelöst von ihrer Bezugsgröße: "Die gegenwärtige Schwachheit gibt ihm zu solchen Lobe ein schlechtes Zeugnis." (Obs VII: 100,3). schwermütig-keit: lx in Oschwäb IV: "aber Ο fraw wer möcht dir erzÖlen die vnrfi vfi arbait seligkait des alters [...] sein [...] schwermfitigkait" (Eviij1). selig-keit: 73 Belege in I-VII, davon lx Präfixbildung mit un- sowie 8x die Variante -(h)eit. Die Bildung ist überwiegend in religiösen Kontexten und dort häufig in Verbindung mit dem Adjektiv ewig belegt: "kein ewige Seeligkeit" (Mbair VII:GE33,28). Ebenfalls häufig ist die Kombination mit der Präposition zu: "vnd wie wir vns diese grosse SchStze/so vns der H E R R Christus mit seinem leiden vnd Todt erarnet vnd erworben/durch sein selbst erkentnis/vnd durch eignen Glauben an jhn/sollen vnd können zur Gerechtigkeit/Seligkeit vnd zum ewigen Leben/ appliciren vnd zueignen." (Obs V: 36r,8). Seltener ist die Bezeichnung für den allgemeinen 'Zustand des Seligseins' im weltlichen Sinn: "mit diser deiner edlen dochter wölcher gott verleichen wfill daß sy in firewden jr iuget verzörn müg/ wann die grössest seligkait der weit ist" (Oschwäb IV:Evijv). Im religiösen Kontext (Bestandteil einer Psalmauslegung) ist auch die einzige mit un- präfigierte Bildung zu sehen: "rupgenis vfl vnselikeit ist an iren wegen" (Thür 1:24,13). sicher-heit: 16 Belege in I-VII. Bezeichnet wird der 'Zustand des Sicherseins', vorzugsweise in Kombinationen mit den Präpositionen in und zu: "Und die gedoppelte Gnade habe ich erfahren/als ich sahe/daß mein Poliarchus noch in Sicherheit war" (Obs VII: 101,15); "Vnd gelobet auch die Welt nimmermehr Zuertrencken/ vnnd gab jhnen zur Sicherheit den .Regenbogen in den Wolcken/der zuuor nicht gesehen war." (Thür V:2r,4). sichtbar-keit: Nur 3x in Rip VII zur Bezeichnung der 'Tatsache, daß etwas sichtbar ist', in allen drei Kontexten stets mit Bezug auf die katholische Kirche: "Das Ander Bedencken von der Klarheit oder Sichtbarkeit der Catholischen Kirchen." (10,22). Im Text, der auf diese Überschrift folgt, wird die Nominalisierung ausdrücklich noch einmal aufgenommen und auf ihre Basis zurückgeführt, d.h., die Textverflechtung findet rückwärts (anaphorisch; vgl. Abschnitt 3.1.2.1.1) statt: "Es stehet die Kirch da/welche allen klar vnd sichtbar ist/weil sie die Statt ist/so nit kann verborgen werden" (10,26). simpel-heit: 2 Belege in Rip III und Rip IV zur Bezeichnung der 'Tatsache, daß jmd. simpeF, d.h. 'einfach ist' oder 'handelt': "vnd wat gudes ich tzo vorens hadde versmait dat begüde ich tzo verkundige vfi tzo predigen and'n myschS. vnd vermanet sie [...] mit simpelheit." (Rip IV:Fij·). sinnlich-keit: 9 Belege in I-IV, davon 4x mit Suffixvariante -(h)eit. Die 'Eigenschaft, sinnlich zu sein', d.h. 'durch die Sinne wahrzunehmen': "Das wachsen hat er [der Mensch] mit den pflantzen/die sinlicheyt vnd empfinden mit allen thieren" (Hess IV:4r).
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sinnreich-heit: 2x in Ohchal VII. Das Suffix bezeichnet in Kombination mit der im Text belegten Basis 'die Tatsache, daß jmd. sinnreich (= 'reich an Verstand, klug, scharfsinnig', evtl. auch 'erfinderisch'; vgl. hierzu DWB s.v.) ist' oder 'handelt': "sondern es hat auch bald nach ihme Achilles Tatius ein Alexandriner/da er noch ein Heid ware/mit dessen Kalbel sehr gepflfiget/ (wiewol ohne vergleichliche Sinnreichheit/)" (28,5). sittig-keit: 1 Beleg in Rip III mit Suffixform -(h)eit. Die 'Eigenschaft, gesittet, bescheiden, anständig zu sein' (BA sedich s. Sch/L s.v.): "eyn jungelinge. geschickt vnd geneigt van ingeborner sedicheyt" (III",27). (in-)sonderheit: 55 Belege in I-VII, davon 20x Sonderheit in relativ gleichmäßiger Verteilung auf die Zeiträume I-VII und 35x insonderheit mit Konzentration auf die Zeiträume VI und VII (nur lx in IV). Die Bildung ist laut DWB s.v. zurückzuführen auf ein Adverb sonder, das DWB weist s.v. insonder Belege fur ein zugrundeliegendes Adjektiv mit Präfix in- ab der zweiten Hälfte des 16. Jhs. im Straßburger Raum nach. Die Entstehung der Bildung mit Präfix wird darauf zurückgeführt, daß die präfixlose Ableitung zunächst in freier Stellung neben der Präposition in stand, mit der sie dann seit dem 16. Jh. "vielfach, später immer" (DWB s.v. Insonderheit, Kursivdruck nach DWB) zusammengerückt wurde (dies läßt sich auf Grund der Korpuslage prinzipiell bestätigen). Wegen dieses Zusammenhangs sind die beiden Bildungen hier gemeinsam aufgeführt. Die Bezeichnungsfunktion besteht bei beiden Abstraktbildungen darin, eine adverbiale Wendung wie besonders oder insbesondere zu ersetzen: "Auß disem kan auch ain Christenlicher Leser wol vememen/warum ich ains yeden Euangelisten zeügknus in sonderhait hierher gesetzt" (Oschwäb V:27r,8); "vnd daß der gemeine Nutz/ Fried/vnd Wolfahrt der Cron insonderheit/[...]/durch solchen Vertrag gefördert sey" (Hess VI:24). Gelegentlich wird Sonderheit auch mit der Präposition mit kombiniert: "das er sich selber scholt vor mit dem heiligen sacrament bewaren, die piten vmb das leben, vnd mit sunderhait allczuhant, ee er keines sichtagen gewar würd." (Ofr 111:212,18). sorgfSItig-keit: III, IV, VI (10 Belege); in Rip III auch mit -(h)eit. Häufig syntaktisch mit der Präposition mit verbunden: "Der hat sein junger die in gehörte habs mit sorgfeltikeit gereyczt" (Oschwäb III:XXVIir, 14). sparsam-keit: 1 Beleg in Norddt VI: "Das er aber so viel anwenden vnd doch eröbern können/hat er mit seiner Sparsamkeit zu wegen gebracht" (10). standhaft-igkeit: lx in Hess VII: "umb die Bfirger zur Standhaffiigkeit zu ermähnen" (46b,26). stark-heit: lx in Rip III. Das Suffix hat die Funktion, die 'Eigenschaft, daß eine Person stark ist' (nhd. 'Stärke'), auszudrücken: "dan alleyn dairumb dat Sij veruarenheyt hauen van vyll dyngen. dye gescheen synt in langen verledenen zijden Vnd niet vmb yr starckheyt off koenheyt dan Sij syn vnmechtich vnd swach van kreffig" (IIIV,25).
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sterblich-keit: 15 Belege in I und IV-VII, 8 davon mit Präfix urt-. Die 'Eigenschaft, sterblich' bzw. 'unsterblich zu sein': "Anstatt daß sie sich bey diesem Exempel erspieglen, sich der Sterblichkeit vnnd ihres Endes erinneren" (Els VII:47,35); "dardurch nit alleyn vnsere seel/sonder beide leib vnd seel zur vnsterbligkeit gespeiflt" (Rip V:IXV,4). stetig-keit: I-VI (10 Belege), davon lx negierte Form mit un-\ auch die Derivation mit -(h)eit ist möglich. Die menschliche 'Eigenschaft, stetig' bzw. 'unstetig zu sein', manchmal auch mit Benennung der Person: "das dv an dich nemest vnd lerest Aberhams gehorsam vnd Jobes gedult vnd öch Jobes stettekeit" (Eis 1:15,18); "welches sie jetzund durch vnstltigkeit des wanckelbaren Glücks widergeben" (Ohchal VI:3V). still-heit: 2x in I und III, davon lx mit -ikeit. Die Bildung wird im Kontext synonym mit 'Stille' verwendet, d.h. sie bezeichnet 'die Tatsache, daß es/jmd. still ist': "Es muß sein yn eyner stille vnnd yn eynem schweygen do diß wort sal gehört werden. Vnnd man magk dyßem wort mit nicht baß gedienen, dann mit stillheit vnnd mit schweigenn." (Obs ΙΙΙ:Χνΐ Λ ,3). stolz-heit: Nur Hess I mit 4 Belegen für die 'Eigenschaft einer Person, stolz zu sein/sich stolz zu verhalten' (nhd. 'Stolz'): "und obe sie sich noch dan nit inbezzeret und sich in stoltzheide irhebet und ir unrech beschirmen wilt, ..." (17,2). streng-heit: 2x in Schwäb I und Schles IV, Ableitungsform ist -keit. Beide Belege stehen in religiösen Kontexten und bezeichnen 'das Strengsein' einer Person mit sich selbst: "vnd was da etwie lang in also grosse strengkait das er sprach er vieng erst an got zedienefi" (Schwäb I:74v,21). subtilig-keit: 2 Belege in Mbair IV und Hess IV. Die 'Eigenschaft des Feinseins' von Substanzen, im genannten Beispiel bezogen auf Wein: "das geschieht mit seiner subtiligkhait" (Mbair IV:Aijv). Das BA subtilig, eine Parallelform zu subtil, ist laut DWB eine "Wucherungsbildung" (DWB s.v.) ohne Bedeutungsveränderung. suB-igkeit: 20 Belege in I-IV. Es stehen neben -igkeit (2x in Hess IV) noch vier weitere Derivationsmorpheme zur Ableitung zur Verfügung: -keit (6x), -cheit (4x), -icheit (2x) und -ikeit (6x). Bezeichnet wird stets die 'Eigenschaft, süß zu sein', jedoch zumeist im übertragenen Sinne: "so ist sein complexion im ersten grad/ als süsse mandel/ auß welcher sfissigkeyt du befindst wärme" (Hess IV:39V); "dy sussikeyt seyner lybe" (Schles IV:Eijv). tapfer-keit: 25 Belege in VI und VII. 'Das Tapfersein'; die Bildung ist fast immer mit Bezug auf eine namentlich oder mit einem Personalpronomen genannte Person belegt: "durch List/Glfick und Dapferkeit Rudolphi" (Ofr VII: 68",4); "bin ich genung/daß seine TapfFerkeit der Furcht und Schrecken kein Gehör geben wird" (Obs VI:D¥). taub-heit: lx in Oschwäb IV für den 'Zustand des Taubseins': "so das sy nit das alter besunder des lebes begernd der iung begert das alter/d9 alt der iu-
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gent/also das ain yeder des andern stats begert/aber Ο fraw wer möchte dir erzfilen die vnrfl [...] /taubhait/" (Eviijr). tobig-heit: Mbair IV, 1 Beleg: "dz ich ain frawe auß d* statt Pariß geboren/ gesehen hab/die offi auß etlichem zorn vfi Melancoley yhr sin beraubt/ward schwetzen/vn schentliche wort außschreyen/also/dz mä sy in yren Hauß so lang/biß dy tobhait aufhöret/gebundfi haben mfist" (D1)· -> 'dafl man sie in ihrem Haus so lange, bis sie damit aufgehört hatte, rasend/toll zu sein, (an-)gebunden haben mußte.'. Das Suffix -heit hat also hier die Funktion, auf den 'Zustand des tobig-Scins', d.h. 'des Rasend-ZTollseins' hinzuweisen. Das -ig der Basis, die nicht im Korpus, jedoch im DWB s.v. nachgewiesen ist, fällt im Derivat aus. trSg-heit: I-IV, VI (9 Belege). Die 'Eigenschaft (des Menschen), träge zu sein': "wofern wir keine degeneres animi die edle vnd köstliche freiheit/welche vnsere Vorfaren mit jhrem leib vnd blut so thewr erworben/durch bl6digkeit vnd trlgheit der gemuter wider auß die hend reissen lassen" (Rip VI:*ijv). In den Bildungen aus Ohchal I (dracheif) und Rip III (traicheit) verliert das Suffix sein anlautendes h- und wird zu -(h)eit. In Hess I ist das Derivat mit dem Ableitungssuffix -keit als trachkeit belegt. In den frühen Texten sind Basis und Derivat überwiegend nicht umlautbezeichnet bzw. nur mit Längungs-/' versehen. traurig-keit: 36 Belege in I-VII, in Rip III auch lx mit -(h)eit. Das Derivat wird oft mit unmittelbarer Nennung der Bezugsgröße gebraucht: "do frageten in sin länger was dü sach siner trurikait wSr" (Schwäb 1:70",22); häufig steht die Bildung jedoch auch losgelöst: "so wir mit zorn/mit wiethuung des gem&hts/mit traurickeyt ader bek&mmernus/seher angefochtS werden" (Thür IV: 8V). Einen ausgesprochenen Schweφunkt der Belege gibt es in Zeitraum IV und dort v.a. im Thür, mit allein 7 Belegen, da der Zustand des Traurigseins dort in einem Realientext über gesundheitsbewußtes Leben thematisiert wird. überflQssig-keit: 2 Belege in Obs III: "Wan von vberflussigkeit des vberwesenlichen reichthumbs" (Π8,7). überflutig-keit: 2 Belege in Rip III mit Formvariante -(h)eit. 'Die Tatsache, daß etwas overvlodich (BA s. Sch/L s.v.)', d.i. 'überreichlich vorhanden ist': "genoichtsamheit vnd ouervlodicheit aller dinge." (IX\5). übernemlich-keit: lx in Oschwäb III mit Suffixvariante -(h)eit. Die Bildung, deren Basis im Kontext belegt ist, bezeichnet die menschliche 'Eigenschaft, übermütig zu sein' in dem Sinne, 'daß jmd. sich übernimmt und zu sehr von sich selbst überzeugt ist': "Der mensch ist nit frey de sei gem&t mit übernlmlicheit vnd hoffart entzldet ist." (XXX^O). unachtsam-keit: III, V, VII (4 Belege): "Da Horcado mit seinem LSger in dem Hafen Morequito still lag/vnd durch Vnachtsamkeit ein Fewer vnder jhnen außkam" (Hess V:7,38). In Norddt VII auch mit Nennung der Person,
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die unachtsam ist: "Durch der ihnen vorgesetzten Priester Unfleiß und Unachtsahmkeit" (S). unbegreiflich-keit: lx in Rip V mit Formvariante -(h)eit. 'Die Tatsache, daß etwas unbegreiflich ist': "durch die höhe vfi vnbegreifilicheit/solcher seiner Verheissung" (XVT.8). unbehilflich-keit: lx in Thür VII zur Bezeichnung der 'Tatsache, daß jmd. unbehilflich ist' (BA s. DWB s.v.), d.h. im angegebenen Kontext, 'daß er andern nicht behilflich ist': "hfitet er sich vor zweien sehr schidlichen Wolken/ als durch welche alle seine Klarheit hinterhalten werden kan/als nehmlich vor Mißgunst und Unbeh&lflichkeit" (276,13). unendlich-keit: VI, VII (3 Belege). Zur Bezeichnung der 'Tatsache, daß Gott bzw. Jesus unendlich ist'. Im Textbeispiel wird dies noch durch die Gegenüberstellung mit der menschlichen Eigenschaft der Schwachheit hervorgehoben: "Wie die mahler/sagt Gregorius in seinem gespreche über die geburt vnsers Herren/jhre erste wercke ohn färben abmahlen: wegen seiner vnendtligkeit/vndt vnserer Schwachheit." (Schles VI:335). unfriedlich-keit: lx in Oschwäb IV; abgeleitet mit -(h)eit: "aber Ο frawwer mficht dir erzölen die vnr& vfi arbait seligkait des alters [...] /sein vnfridlichait" (Eviij1). ungerusam-keit: 1 Beleg in Schles IV. 'Das Ungemütlichsein' (vgl. DWB s.v.): "Das her sy auch von der vngerusamkeit dy czu czeytenn/sich vonn etzlicher geschichte dergeth durch wundersame kreffte bewarthet." (Eiijvb). unhäuslich-keit: 1 Beleg in Els VII: 18,31, der in einer Aufzählung weiterer Eigenschaften steht, die Frauen zugeschrieben werden. Vgl. den Kontextbeleg unter sauber-keit. unledig-keit: Ofr III, 1 Beleg (BA s. DWB s.v.). Hier wohl 'das Unfreisein' im Sinne von 'Besessenheit': "wan got/der mag in sie nicht komen, noch seines/werckes gepranckent vor der vnledikait/jr vernunftigen pildung." (213,11). unmögen-heit: 1 Beleg in Ohchal III zur Bezeichnung des menschlichen 'KrafUos-/Schwach-(«n/wögem/-)Seins' (zur Basis vgl. Kap. III. 1.2.1.3.1): "dar zu wir vns ouch gern persönlichen gefugt hettend, den dz wir von vnmugenheit vnssere lips vnd [...] ouch von ander notsach wegen vns anligende, ..." (6,1). unnosel-heit: Nur lx in Rip III: "Bij des vurß jareths zijds so leuede Seths kynd* noch als vrome eyrber mane. haldSde die lere vn die gebode yrs vaders in aller vnoeselheit des hertze ..." (XIr,39). Das BA habe ich nur bei Sch/L belegt gefunden als unnosel für 'nicht schadend, unschuldig'. Damit ergibt sich als Transformation: -> '[...] Hielten die Lehre und die Gebote ihres Vaters, indem sie im Herzen unschuldig waren'. unschlfissig-keit: 1 Beleg in Ohchal VII fur 'die Tatsache, daß etwas unschlüssig (BA bei S s.v.), d.h. 'falsch geschlossen oder unrichtig ist': "Jn der
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Antwort wollte man zwar diser gelehrten Feder ohngern widersp&chig werden: Allein (gedachte man) ist die Ohnschl&ssigkeit diser Gr&nden handgreifflich/und ihre Befestigung gantz ohnn&tzlich." (23,4). Das Derivat faßt in der zitierten Passage die kontroversen Ansichten eines Disputs zusammen, die nicht auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden konnten. unsichtig-keit: Obs I, 1 Beleg mit Suffixform -(h)eit. 'Das Unsichtbarsein': "wiltu aber ein spotter sin des gelouben und dar umme niht gelouben, wanne di daz unsichticheit ist, als er kümet an den du niht gelouben woldes" (10,3). unsinnig-keit: III, IV (2 Belege). 'Die Tatsache, daß jmd. unsinnig', d.h. 'nicht bei Verstände ist': "Aber homerus het sein gedencken allein auf die fisch geseczt. Vfi gedacht in jm selbs wie das zfl geen m6cht/das sy die vysche noch nit gefangen heten. vnd die gefögen nit heten. Darumb sagent auch ettlich das er sich vmb das also betrübt hab. VR von seiner vusinnigkeyt wegen sich selber erhenckt hab." (Oschwäb ΙΙΓΧΧίν,Ι). unterschiedlich-keit: lx in Oschwäb IV; BA mit -(h)eit. 'Die Tatsache, daß etwas unterschiedlich ist' (nhd. Unterschiedlichkeit'): "od* auß herschüg des stats vnd vnterschidlichait deß geschlechts" (Diiijv). untertänig-keit: 8 Belege in III, IV, VI, VII. Es ist v.a. die Kombination mit der Präposition in und einem Begleiter belegt: "in aller Untertänigkeit" (Thür VII:313,4). unvergleichlich-keit: Thür VII, lx: "die Unvergleichlichkeit in selzamer Beredsamkeit" (289,8) 'daß jmd. unvergleichlich in besonderer Beredsamkeit ist'. unverrücklich-keit: lx in Schles IV: "in vnuorruckllichkeit/des gehorsamen herczen" (Bvyb). unwissen-heit: 20 Belege in I-IV, VI, VII, davon 2x mit der Suffixvariante -keit (in Hess I). Die -Ae/'f-Bildung bezeichnet 'die Tatsache, daß jmd. unwissend ist', und wird häufig in Kombination mit der Präposition aus zur Angabe des Grundes gebraucht: "doch vß vnwissenheit die hinderung der heilung des wassers geschit." (Eis III: XIX™, 3). Die metaphorische Verwendung belegt das folgende Beispiel: "die Finsternfisse der Unwissenheit" (Thür VII:275,18). fippig-keit: 12 Belege in III, V, VII. 'Das Üppigsein', v.a. auch in dem Sinne, 'wie üppig jmd. lebt': "Mit falschem werden wir betrogen durch gedieht wol erfröwet üppigkait verschmSch wir." (Schwäb III:26KX7) ; "was er verschuldet hette/ob er vmb gyts/üppigkeit/hoffart willen/[...] bschihen were" (Ohchal V:31r,2). verdienstlich-keit: lx in Oschwäb III mit -(h)eit (BA s. DWB s.v.): "Außerwöl dir lancksam vnnd wol ermessen freünd. Vnnd halt die in einer begird/ nit in einer verdienstlicheit" (XV,22) -> 'und halte die in einem Zustand, daß sie begierig sind und nicht, daß sie verdienstlich sind, d.h. etwas Empfangenes vergelten müssen.'.
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vergeßlich-keit: 2 Belege in Oschwäb IV, mit Formvariante -(h)eit. 'Die Tatsache, daß jmd. vergeßlich ist': "der abgot Nacia der vergessung beklagt sich seiner vergeßlichait" (Diijv). verharrlich-keit: 1 Beleg in Mbair VI. 'Das Beharrlichsein' (BA s. DWB s.v.): "Die Apostel lehren/wir seyen vnserer Gerechtigkeit nit vergwißt/wie Paulus selber/[...] Nit weniger auch vnserer Verharrligkeit im Glauben vnd Gnad" (Diijr). vernunftig-keit: 2 Belege in I. Die 'Eigenschaft, vernünftig', d.h. "verständig zu sein': "Ich spreche wol mime gote, der mir vorgab dy vornunftikeit" (Thür 1:27,13). verschieden-heit: Nur Ohchal VII (1 Beleg): "Dises ist der Zettel; der Eintrag ist bey den meisten von geringer Verschiedenheit" (59,24). versumig-keit: 3 Belege in Hess I (lx auch mit der Vollform -heit abgeleitet) fur 'die Tatsache, daß jmd. säumig' oder 'nachlässig ist': "welche ir aber e deme verse den sie alle zusamene sprechen sollen zu deme dische nit inkummet und durch ir versumkeit dar nit inilet, die sal man [...]" (24,11). Das BA ist nachgewiesen bei Lex s.v. versümec, d.h., im Kontextbeispiel fällt die Basisendung in der Ableitung aus. vertraulich-keit: VI und VII, 3 Belege: "begäbe es sich endlich in einer nacht/bey einem Dantz und Freudenmahl/daß die Ritter und Edlen mit der Burger ihren Weibern und Töchtern sich etwas gemein machten: wie dann die Nacht/die Lieb und der Wein zu dergleichen Üppigkeit anlaß zugeben pfleget. Diese vertriulichkeit/wolte den B&rgern gar nicht gefallen" (Ofr VII: 69b,18) -> 'daß sie so vertraulich [miteinander] waren, wollte den Bürgern gar nicht gefallen.1. v511ig-keit: 3 Belege in III; 'das Übermäßigsein': "Solon hatt auch gesprochen vnd gesaget/die vfillikeit auß reichtumbe entspringet, vnnd auß vSllikeit das laster kömet." (Oschwäb III:VHIr,20f). Der Kontext der Bildung im rip. Text weist eher darauf hin, daß dort die Tatsache, daß etwas vollständig ist, benannt wird: "So sy doch gheynre van allen den ghenen. die dat anschrijuen künden vnd sulden. der die selue dynge angezeichent haue vmb der luwicheyt vnd vuyllicheyt willen." (Rip 111:1X^,16). vollkommen-heit: 36 Belege in I-IV, VI, VII. In der Nominalphrase sind häufig die Präpositionen in und zu vertreten: "im gab och got hohö vnd könftigii dink zeerkSneü vnd do er in diser volkumenhait was [...]" (Schwäb I: 108v,6); "Zcu diser warheit vnd zcu disem saligen leben vnd zcu diser hohen volkomenheit mag nyemant komen, den mit lawter verstantnus vnd mit clarer Vernunft." (Ofr 111:214,10). Auch die mit un- präfigierte Form kommt vor: "Vermittels Eines Bryllenrohrs, das Er La Gamba pflegt zu nennen, durch welches bequemlichkeit Er nicht nur die unvollkommenheit vnserer bißhero außgeübten Philosophi [...] entdecket" (Eis VII:43,25).
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
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vorsichtig-keit: 12 Belege in III-VII; in Rip III mit -(hjeit. Bis einschließlich Zeitraum VI heißt das Präfix des BA ftir- (Rip III: vur-), in VII dann vor-. Die Bildung bezeichnet 'das Vorsichtigsein', wobei jedoch in der überwiegenden Anzahl der Belege anders als im Nhd. das Moment des Vorausschauens von Bedeutung ist. Dies wird besonders deutlich in bezug auf Gott: "Dieser ist der wahre GOTT/ [...]/durch dessen Vorsichtigkeit alles gehet und stehet" (Mbair VII: GE25.10), aber auch im weltlichen Bereich: "Vnd lang zeit sy mit seiner fiirsichtikait vor dienstberkeit d* wfitrich vnd Tyrannen aufen thai ten." (Oschwäb III: V\16). Einmal ist die mit un- negierte Bildung belegt: "Wo ihr durch eure Unvorsichtigkeit etwas verderbet" (Thür VII:227,6). vortrefflich-keit: 8 Belege nur in Thür und Rip VII. Im rip. Text trägt die Basis das Präfix ftir-, im thür. vor-. Häufig ist die Ableitung im Satz mit dem Bezugsobjekt im Genitiv verbunden: "Dann ist auch dieses Saeculum solcher Beschaffenheit/daß es nicht eher die Vortrefflichkeit eines Dinges ermSssen kan/als biß [...]" (Thür VH:280,3). wachsam-keit: 1 Beleg in Obs VII: "Die Wachsamkeit ist uns von nöthen" (127,5). wandelbarlich-keit: lx in Rip III mit Formvariante -(h)eit. 'Die Tatsache, daß etwas wandelbarlich (BA nur s. DWB s.v.)', d.h. Veränderlich ist': "Wät in sulcher groisser v'anderüge vn wädelberlicheit d* dyge so is it niet moeglich dat [...]" (X,5). war-heit: 75 Belege in I-VII. Das Suffix hat hier zum einen die Funktion, den allgemeinen 'Zustand des Wahrseins', 'die Tatsache, daß etwas wahr ist', zu bezeichnen. Die Bezugsgröße wird oft als Genitiv ergänzt oder durch ein Pronomen benannt: "so mustu ablassen alle dein werck vfi müssen dä schweige alle dein creffi. saltu warheit entpfinden diser geburt in dir." (Obs III: XVIvb,27); "Nehet dir der stoub der erden, oder kundigit her dine warheit?" (Thür 1:64,24). Das folgende Kontextbeispiel demonstriert die textverknüpfende Funktion des Suffixes: "Wer aber den wahr zfi seyn nit bekennenn will/ der verleugnet gewißlich Gottes Wort/ vn vnderstehet gotsllsterlich Christum die ewige Wahrheit" (Rip V:IIF,19). Gleichzeitig stehen die zwei zuletzt angeführten Belege beispielhaft für die Verwendung v.a. in religiöser Thematik, meistens zur Kennzeichnung der Eigenschaft Gottes oder Christi, wahr zu sein. Eine negierte un- Ableitung ist zu verzeichnen: "der leidige Satan habe die Traurspiel/in denen man vor zeiten hohe Halbstiffel gebraucht/erdacht/ damit er die Worte Christi der Unwahrheit zohe [zeihe]/" (Ohchal VII: 19,13). Als zweite und frequentiell bedeutendere (46 Belege) Funktion des Abstraktums ist die Bildung von adverbialen Wendungen zu nennen, die als Ersatz für Adverbien dienen. Am häufigsten sind Kombinationen mit den Präpositionen in und mit: "Und in Warheit verdienen sie keinen bessern Name als Kuppler und Huren=wirte benamset zu werden" (Ohchal VII: 10,15); "Sehet
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -J im Frühneuhochdeutschen
jhr nu zu/das ich nicht auch dergleichen mit warheit vber euch klagen m&sse" (Obs V:47r,24). Die Wendungen in warheit oder mit warheit stehen hier für Adverbien wie wirklich oder tatsächlich. warhaftig-keit: 1 Beleg in Rip III mit Suffixform -(h)eit: "Van der Sicherheit vnd wairaffticheit der historien ind geschichten die in desem boich geschreuen syn." (IV, 1). wlsserig-keit: 2x in Hess IV. 'Die Tatsache, daß etwas wässerig ist': "diser geschmack hat der wlsserigkeyt mehr dan die s&sse" (38v). wechsel-keit: lx in Eis III mit Variante -heit. 'Die Tatsache, daß etwas wechselig, wechsellich', d.h. 'abwechselnd' oder 'veränderlich ist':79 "wann in der knytschung würt das fleisch zermürschet vnd die torpor der ädern arteria vnd nerui wan von gebiirliche wechselheit des gebeines seltS würt geknytschet wan es im widerwertig ist" (ΧΧΧΙΓ,33). weich-heit: Schles IV, 1 Beleg mit Suffix -keif, "dy weichkeit ires frewlichen herczen" (Cv™). weis-heit: 94 Belege in I-VII. Das Suffix dient dazu, die 'Eigenschaft, weise zu sein1, anzuzeigen. Meistens geschieht dies in Bezug auf Menschen, wobei das Objekt als Pronomen oder als Genitiv auftritt: "So wundert etlich siner grossen wisshait die er [Hilarion] hatt" (Schwäb 1:7 l v , 16); "Darumb/weil man dieses Mannes Weißheit/Trew vnd Gottseligkeit an allen orthen gesp&hret" (Norddt VI:5). In Abhängigkeit von der (religiösen) Thematik ist die Bezugsgröße auch oft Gott: "Aber Gottes .weißheit machet aller menschen weißheit zur narrheit" (Ofr V: ΧΧΙΧ^Ιί). Die Bildung wird auch gerne metaphorisch verwendet: "vnd vnder den seluen was eyn boum des leuens vnd d* wijsheyt." (Rip III:VIir,39). Ein Beleg liegt vor, in dem -heit das negierte BA ableitet: "Min got, ich rufe allen tag, vfi du en hörst mich nicht, vfi des nachtes, daz in ist mir nicht zeu unwisheit." -+ "... das ist (heißt/bedeutet) für mich, daß ich unverständig bin.' (Thür I: 43,14). weitläufig-keit: Obs VII, 1 Beleg: "DJeser WeitlSufltigkeit hätten wir uns nicht versehen." (145,19). wenig-keit: 1 Beleg in Schles IV: "Doch sy sich inn dem geyste fleisiglich muhete ym nach czu folgenn/als vil vnnd sy mochte/Nemlichenn in der wenikeyt vü darbunge der cleyder" (Dijve). wesenlich-keit: Obs III und Hess IV (hier mit Suffixform -(h)eif), je 1 Beleg. 'Die Art und Weise, in der jmd. wesenlich (eigentlich wesentlich, vgl. DWB s.v.) ist', d.h. 'in der sein Wesen beschaffen ist': "darzü ist not das der selbig mensch anzeyg persönlich dem artzt sein natürlich Complexion/sein al-
79
Die Basis habe ich nur im DWB s.v. belegt gefunden. Im Korpus fällt also in der Ableitung die Endung des BA (-ig bzw. -lieh) aus. Im DWB ist s.v. als Derivat Wechseligkeit in der Bedeutung 'Veränderung' belegt.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
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ter rc. die wesenlicheyt seins leibs/ob er lang odder kurtz sey/feyßt oder mager" (Hess IV:2r). wichtig-keit: 3 Belege in VI und VII: "Der Ort war an sich selbst von schlechter Wichtigkeit" (Hess VII:28b,7). widersetzlich-keit: lx in Thür VII für 'die Tatsache, daß etwas widersetzlich', d.h. 'widerspenstig' oder 'ungehorsam ist': "bald mit der ganz=erboßten Welt/die durch falsche List/b6se Zungen/durch Wiedersezzlichkeit und Schlangen=giiftige Mißgunst das ihrige weidlich wieder sie gethan" (172,6). widerspenstig-keit: Nur Rip, III (mit -(h)eit) und VII, je 1 Beleg: "laß vns nit in stoltze freventliche Vrtheil wider die von dir bestehe Obrigkeit fallen/ auß welche widerspentztigkeit vnnd trennung zu folgen pflegt." (Rip VII: 33,27). widerwärtig-keit: 10 Belege in III (in Rip III lx mit Formvariante -(h)eit) und IV. Die Nominalisierung der 'Tatsache, daß etwas widerwärtig ist', ergibt sich im folgenden Beleg unmittelbar aus der kurz zuvor genannten Basis: "vnnd also werden widerwertige ding/durch widerwertigkhait ganncz gerechtfertiget." (Mbair IV:CV). Das Suffix übt jedoch häufig die durch eine Bezeichnungsverschiebung entstandene Funktion aus, eine widerwärtige Situation zu bezeichnen. Vgl. Abschnitt 3.1.3.1. widerzimig-keit: 1 Beleg in Ofr I. 'Die Tatsache, daß jmdm. etwas zuwider' oder 'widerwärtig ist' (BA widerzcemic bei Lex s.v.): "di tvn daz mit vnruch vnd mit wider zemickait" (XI™,1). willfärig-keit: 2 Belege in Thür VII: "Er mag sich aber hiermit nicht befriedigen/sondern suchet durch behlgliche Willfährigkeit ihm die Gemfihter der sämmtlichen Jugend viel höher zuverbinden" (294,5). wirklich-keit: 5 Belege nur in Obs IV. 'Die Tatsache, daß etwas wirklich'™ d.h. 'wirksam ist': "Czu zeiten sein sie etzlicher wurcklikeit vn bedeutung" (Bv). Auch diese Bildung ist in einer adverbialen Wendung belegt, die am ehesten durch bestimmt zu ersetzen wäre: "Dan die aller sorglichste influentz disser zusammenfugunge kompt mit aller wurcklikeit vber die selben." (Aiijv). wolgewogen-heit: lx in Els VII (BA nur in DWB s.v. wohlgewogen)·. "Und ist keiner so Reich oder Arm, so jung oder alt, so groß oder klein, der nicht in etwas sich mit diesem Laster, offt vnder dem Schein grosser Heiligkeit, gros80
Die in Obs IV belegte u-haltige Form (wurcklikeit) spiegelt eine landschaftliche Unterscheidung wider, die seit dem Mhd. geprägt ist durch die Dominanz der u- bzw. β-Form im obd. und der /•Form im md. Sprachraum. Spater sind diese Fonnvarianten nicht mehr eindeutig den jeweiligen Regionen zuzuordnen, da bis ins spate 18. Jh. auch mittel- und norddeutsche Autoren die obd. Variante würken verwenden (s. auch das Korpusbeispiel). Die regelmäßige Form bei Luther ,die /-Form, hat dann in Drucke der süddeutschen Offizine Eingang gefunden, ohne sich allerdings durchsetzen zu können. Erst Ende des 18. Jhs. wird wirken auch im Obd. zur schriftsprachlichen Norm. Vgl. zu dieser Entwicklung DWB s.v. wirken (die Verteilung im vom BA wirklich abgeleiteten Derivat ist die gleiche).
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Die Typen der Ableitung mit -heitZ-keit,
-ida,
-/" im Frühneuhochdeutschen
ser Freundschafft vnd Wolgewogenheit, tugentlichen hätte vergriffen." (25,30). wollustig-keit: 2 Belege, in Rip III und IV, beide Belege mit Suffixvariante -(h)eit. 'Die Tatsache, daß etwas wollustig', d.h. 'schön/angenehm ist1, in beiden Kontextbelegen auf das Paradies bezogen: "Do got Adam vnd Euam geschaffen hadde vp de. vj. dach vp dS seluen dach satzde he Sy in dat paradijss der waillusticheyt." (Rip III:VIIIr,38). Das BA ist im selben Text belegt. würdig-keit: 22 Belege in I, IV, VI, VII, davon 3x mit Präfix un-; auch mit den Varianten -(h)eit (lx) und -cheit (5x) belegt. Die Bildung bezeichnet die 'Eigenschaft einer Person, würdig' bzw. 'unwürdig zu sein', wobei diese Person oft mit dem als Begleiter auftretenden Personalpronomen benannt wird: "Durch daz sal ein andere geliche minne sin under uns und eine zucht erboden werden ieclicher na irre wirdekeide." (Hess 1:4,29); "Meine Vnwfirdigkeit/sagte Corimbo/ macht mich gar Schamroth" (Obs VI:Cvijy). zart-heit: Nur Ofr I, 1 Beleg. Bezeichnet wird die 'Eigenschaft, zart zu sein': "wann alles daz vns von der andern vnserr menschait an stozzet daz main ich allez dz ist gaistlichev hofart zarthait [...] und manig ander gepreste" (18VA4). zeitig-keit: 5 Belege, nur Mbair I (lx mit -cheit) und IV (BA s. DWB s.v.): "das von zeytigkait wegen der wein nit zü essich werde" (C1) -> 'damit, weil er reif (zeitig) ist, der Wein nicht zu Essig werde'. In Mbair I wohl eher zur Bezeichnung der 'Tatsache, daß etwas zeitig', d.h. 'der Zeit angemessen ist': "so Schöll wir die wort fuegen czum sinn, [...], die weg$r der frewd, der frewd zeittigchait der siten, zeytigen sitten diemuttigehait, [...]" (12,32). zergänglich-keit: Nur im Ohchal, I und IV; das BA zergänglich ist stets im Text belegt. 'Die Tatsache, daß etwas vergänglich ist': "hie ist zit zergenclikeit" (Ohchal 1:294*27). zerstörlich-keit: lx in Mbair IV für 'die Tatsache, daß etwas zerstörlich' (BA s. DWB s.v.), d.h. 'zerstörbar ist': "Jn sollichen fassen/die also beraitt seind/werden die wein/vor aller zerstörligkhait/bewaret." (Aiijr). ziemlich-keit: 1 Beleg in Schles IV: "sunder alleine hatte einen vff sehen/ an di czemelichkeit ires wesen" (Bvvb) -> 'sondern [sie] hatte alleine darauf Acht, daß ihr Wesen geziemend war.'. zierlich-keit: 5 Belege in III (Oschwäb III mit Formvariante -(h)eif), IV und VI für 'das Zierlichsein', d.h. 'das Schönsein': "hat sie doch auch grad so wol/als ein jede andere sprach/ihre besondere eigenschafft/richtigkeit/vollkommenheit vnd zierligkeit" (Ohchal VI:9V). zufrieden-heit: Thür VII, 1 Beleg: "alle drei iezt eröffneten Felder erfüllet Er mit solcher Zufriedenheit/daß wir uns seiner hohen Vortrefflichkeiten verwundem müssen." (283,8). zwieträchtig-keit: 3 Belege in Eis III: "Wä grosse irrung vn zwitrechtikeit dar mit nider geleit werdent/die sunst vff erstöt." (XVHra,7).
Die Ableitungsmuster von
-heitZ-keit, -ida, -i
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3.1.2.2 Deverbale Zustande- und Eigenschaitsbezeichnungen: Nomina quali· tatis mit BV in Form und Funktion des Part. II bzw. des Part. I (DW2: Abschnitt 4.3.1.) 3.1.2.2.1 Definition Die synchron als grammatische Partizipialform zu wertende Basis der deverbalen Abstraktbildungen erscheint in der Umformung im Prädikat mit Kopula: wegen seiner erfarenheit -> 'weil er erfahren ist' Das Partizip von Bildungen dieses Musters läßt sich synchron durch ein zugrundeliegendes Verb motivieren. Insofern hebt es sich ab von den Partizipialadjektiven, die ebenfalls als Basen für Nomina qualitatis dienen (vgl. Abschnitt 3.1.2.1).81 Aus diesem Grund und wegen der besseren Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen von Wellmann für das Nhd. werden die deverbalen Zustands- und Eigenschaftsbezeichnungen mit partizipialer Basis hier getrennt behandelt. Die Partizipien stellen "eine Gegebenheit, Beschaffenheit, ein Resultat einer Handlung als gegenwärtig und andauernd" (Oberle 1990:300) dar und zwar als Zustands- oder Eigenschaftsbezeichnung. Sichtbar wird dies daran, daß das Partizip in der Umformung entweder als Zustandspassiv oder als adjektivisches Prädikat erscheint (vgl. Oberle 1990:300), wie z.B. 'Sie ist erfahren' oder 'Er ist erhaben'. Der Anteil der Basisverben nach ihren Valenzen82 stellt sich ähnlich dar wie im Nhd. (vgl. DW2:258), d.h., das Gros der Partizipialformen wird zu 2wertigen transitiven Verben gebildet (besessenheit, erfarenheit, erhabenheit, trunkenheit, unterscheidenheit, Verborgenheit, verfarenheit, Vergessenheit, Verschwiegenheit, vertrunkenheit), mit einem etwas kleineren Anteil sind reflexive 1-wertige bzw. 2-wertige Basisverben vertreten (begebenheit, gelassenheit, Unterworfenheit, vermessenheit), und nur zu einem intransitiven Verb wird ein Partizip gebildet, das allerdings die weitaus höchste Frequenz aufweist (gelegenheit, 53 Belege). Im Gegensatz zum Nhd. ist jedoch nur ein einziges Partizip zu einem schwachen Verb (3-wertiges Transitivum gelertheit) belegt.
81
82
Allerdings können die Partizipialformen häufig prädikativ gebraucht werden und erfüllen damit wie die Nomina qualitatis mit BA, mit denen sie einige weitere Gemeinsamkeiten hinsichtlich Gesetzmäßigkeiten und Selektionsbeschränkungen haben, die Voraussetzung, um als Basen für Abstraktbildungen dienen zu können. Vgl. Oberle 1990:299ff. Vgl. zur Distribution von -heit mit Basisverben generell Kap. III. 1.2.1.2.
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit,
-ida, -i im
Frühneuhochdeutschen
Die Ergänzungen, die von den transitiven Basisverben auf Grund ihrer Valenz normalerweise gefordert werden, können auf der Ebene der Abstraktbildung zum Teil fehlen. Im folgenden Beispiel wird noch nicht einmal das Subjekt als Träger der genannten Eigenschaft explizit gemacht wird: "Wir Memminger seyn wegen deß lebendigen Wassers so gl&ckselig als ein Ort seyn kan/wann nun die Kunst/die Erfahrenheit/vnd die gr&ndliche Wissenschaft darzu kime/was kfindte man nicht mit geringem Vnkosten außrichten?" (Schwäb VII: B21,8) ->'... wenn nun die Kunst, daß wir/jmd. erfahren sind/ist und die gründliche Wissenschaft dazukäme,...'. Abweichend vom Nhd. sind im Korpus Frnhd. noch vier Ableitungen von Verben in Form eines ersten Partizips vertreten, mogenheit, vermögenheit und wissenheit mit 2-wertigem transitivem Basisverb und wolredenheit mit intransitiver verbaler Basis. Die vier Bildungen sind hier mitgenannt, da sie die Bedingungen des Musters (s.o.) erfüllen und als deverbale Zustands- und Eigenschaftsbezeichnungen die gleiche Bezeichnungsfunktion ausüben. 3.1.2.2.2 Frequenz a) Basisverb in Form und Funktion des Part. II Deveibale Ableitungen mit Part. II sind mit 16 Lexemen in 125 Belegen vertreten. Dem Muster ist in dem durch das Korpus belegten Zeitraum keine Produktivität zu bescheinigen: Die Lexemzahlen schwanken zwischen 4 und 8 je Zeitabschnitt, wie die folgende Übersicht zeigt:
I III IV V VI VII Gesamt
Lexeme Belege 6 13 8 29 4 22 5 10 8 30 4 21 16 125
Nach dem Vergleichsbefund in Wellmanns Untersuchung (DW2:258f) ist auch um 1800 (repräsentiert durch das Wörterbuch von Adelung sowie einem Textkorpus aus der Goethezeit) noch keine nennenswerte Zunahme an Bildungen (lediglich 19 Abstrakta mit partizipialer Basis) zu verzeichnen, sondern erst im Nhd. erreicht das Muster mit 157 Bildungen seine "große systematische Bedeutung" (DW2:259). Zurückzuführen ist diese Entwicklung insbesondere auf die "Wirkung der Zeitungssprache und
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit. -ida. -i
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auch populärwissenschaftlicher Darstellungen" (DW2:259), durch die die hohe Produktivität dieses Ableitungstyps im Nhd. v.a. bedingt ist. b) Basisverb in Form und Funktion des Part. I Die 4 Lexeme dieses Musters sind in 6 Belegen verteilt auf Zeitraum III mit 2 Belegen, V und VI mit je einem sowie VII mit 2 Belegen, d.h., die Bildungsweise mit einem Part. I als Basis der Ableitung ist bereits im Frnhd. nur noch in Resten vorhanden und wird dann zum Nhd. hin ganz aufgegeben. Wellmann zieht zur Unterstützung seiner Aussage "Ein Part. I kann nicht als Basis fungieren." (DW2:260) die beiden scheinbaren Ausnahmen' Unwissenheit und Abwesenheit heran, deren Basen, so die Begründung, "im heutigen Dt. wie Adjektive und nicht wie Partizipien gebraucht" (DW2:ebd.) werden. Erkennungsmerkmal ist ihre prädikative Verwendbarkeit, im Unterschied zu den grammatischen Partizip I-Formen, bei denen dies nicht möglich ist. 3.1.2.2.3 Bildungsweise Abgesehen davon, daß die Basisverben der Derivate unterscheidenheit, Unterworfenheit, verfarenheit und vertrunkenheit im Nhd. nicht mehr zur Ableitung mit -heit herangezogen werden (vgl. auch Kap. III. 1.2.1.2), stimmt die frnhd. Bildungsweise hinsichtlich der Basen mit der nhd. überein. Auch frnhd. findet die Ableitung von Verben im Partizip grundsätzlich nur mit -heit statt, abgesehen von zwei Ausnahmen in Texten aus dem 14. Jh. (Obs I und Thür I): Dort sind noch Abstrakta mit den Suffixvarianten -keit bzw. -cheit konkurrierend zu -heit belegt (trunkencheit, Vergessenheit). Berührungspunkte mit den Suffixen -ida und -i gibt es in der Regel ebenfalls nicht, ausgenommen ein -7-Abstraktum gelegene in Els IV (vgl. Abschnitt IV.3.3). 3.1.2.2.4 Belegte Lexeme a) Mit Part. II begeben-heit: lx in Obs VI zur Bezeichnung der 'Art und Weise, wie sich etwas begeben hat': "wir haben dem gnSdigen Himmel zu dancken/daß er uns und unsern Feldern so gfinstig verbleibet/denn er befeuchtet sie nicht allein zur besten Zeit/sondern er verwehret auch nach Begebenheit den hietzigen Sonnen=Stich mit einer d&cken Wolcken=Decke" (CV) '[...], sondern er verhindert auch, je nachdem, wie es sich begeben hat, den hitzigen Sonnenstich mit einer dicken Wolkendecke'. besessen-heit: 1 Beleg in Obs III. Die 'Eigenschaft, besessen zu sein' (Basisbelegung im Kontext): "so vstirbet mächer mSsch leiplich vn geistlich dz do vff sei eigg gemach vB besessSheit baut" (νΐΙΙ*,36). erfaren-heit: 8 Belege in V-VII. Der größte Teil der Belege (7) konzentriert sich in den Texten aus Zeitraum VII. 'Die Tatsache, daß jmd. erfahren ist'
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im FrQhneuhochdeutschen
(häufige Basisbelegung im Korpus), wird gelegentlich im Kontext noch mit dem Umstand in Verbindung gebracht, daß jmd. sich im wahrsten Sinne des Wortes viel er-fahren hat, indem er sich durch die Welt bewegt hat: "Mancher kan mit Vorteil die Materi seines Handwercks zurfisten vnd zubereiten/vnd hat solches durch die Erfahrenheit vnd durch das Wandern zu wegen gebracht" (Schwäb VII:B22,6). Außer mit der Präposition durch wird das Derivat auch häufig präpositional mit wegen angebunden. erhaben-heit: lx in Hess V (Basis s. DWB s.v. erhaben)·. "Von welcher Grösse/Erhabenheit/Hofifhaltung/ [...] schreibet vns Franciscus Lopez" (6,15). gelassen-heit: 10 Belege in I und III. Die Bezeichnung für 'das Gelassensein' wird in den ausschließlich religiösen Kontexten ergänzt um den Aspekt des Gottergebenseins. Dies wird im folgenden Kontextbeleg durch das begleitende Adjektiv noch unterstrichen: "Sie sol in gewarer gotlichen gelassenheit also gar festiglichen stende sein alle zeit" (Ofr 111:200,9). gelegen-heit: 53 Belege in I-VII, mit Schwerpunkten in IV (17) und VI (18). Anders als im Nhd. bezeichnet die Bildung frnhd. auch noch die 'Art und Weise, wie etwas gelegen ist' (nhd. 'Lage') mit vielfältiger Basisbelegung im Korpus. Der Gegenstand, der irgendwie gelegen ist, ist in der Mehrzahl der Fälle ein Ort: "So viel von gelegenheit dieses Landes" (Norddt VI: 16); möglich sind jedoch auch beliebige andere Gegenstände: "nach gstalt vnd gelSgenheit siner Sachen" (Ohchal IV:Bvijr). gelert-heit: 1 Beleg in Mbair VI. Die einzige partizipiale Ableitung von einem schwachen Verb im Korpus Frnhd. dient wie im Nhd. zur Bezeichnung des 'Gelehrtseins' einer Person: "Was sein gelertheit anbelangt" (Avv). trunken-heit: 13 Belege in I-V, auch mit Formvariante -cheit. 'Das Trunken-' oder Trunksüchtigsein', oft mit den Präpositionen aus oder von verbunden: "Dein knechte auß trunckenheit übelrede den solt nitt straffen/dann er wirt gesehen auß trunckiheit das zetün." (Oschwäb III:XVIv,21f); "Adam vil von vraidicheit, Lot vil von trunkencheit" (Obs 1:7,34). Der Zustand des Trunkenseins wird mehrfach explizit als Laster dargestellt: "Der wyß Solomon vermanet in Wysen Sprüchen am 23. cap. mengcklichen/daß man sich vor dem laster der trunckenheit hüte" (Ohchal V:17v,9). unterscheiden-heit: lx in Mbair I. 'Die Tatsache, daß etwas unterscheiden' (Basis im Text belegt), d.h. Verschieden ist': "und darumb ziemleich nach dem ersten alter dl andern elter geraucht werden, pey dem czw vorsten ist die underschaidenhait der heiligen." (33,8) '... worunter zu verstehen ist, daß die Heiligen verschieden sind.' Das im lat. Ausgangstext zugrundliegende Wort 'gradus' in der Formulierung 'diversi gradus sanctorum'83 gibt einen Anhaltspunkt dafür, daß -heit in dieser Ableitung eines transitiven Verbs die Funktion hat, einen graduellen Zustand zu bezeichnen. 83
Vgl. Buijssen, Anhang zu Mbair 1:130.
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-heit/-keit, -ida, -i
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unterworfen-heit: 1 Beleg in Obs III: "Wä gotliche liebe ist ein muter der warS lauter demut vfl der vorkleinQg des mensche gegen im selber mit einer vnderworffenheit vnds den gotlichen wills" (X™,10). verborgen-heit: 4 Belege in I, IV, VI. Zum Teil wird die Bildung mit der Präposition in verbunden: "dy geschach in der vinstern vorborggheit vnbekanter gotheit." (Obs 111:1*, 1); zum Teil mit dem Demonstrativpronomen: "Darumb last vns wißen lernen/daß wir nicht wißen/als was Gott gewolt hatt das wir sollen wißen/durch den Herren Christum: durch welchen wir können wißen alles was wir mußen wißen. Ja laßt vnß lernen/daß wir mehr nicht können wißen; Vndt diese Verborgenheit fahren laßen." (Schles VI: 328). verfaren-heit: 7 Belege in Rip III. 'Das Erfahrensein' (vgl. erfaren-heit); die Basis tritt mehrfach im Kontext auf: "Dat kennisse ind vervarenheyt der historien ind geschichten bouen trit andere kunste." (IIr,35). Außer der häufiger belegten Genitivkonstruktion ist auch einmal die Kombination mit dem Infinitiv haben belegt: "dan alleyn dairumb dat Sij veruarenhevt hauen \an vyll dyngen." (ΙΙΓ.24). vergessen-heit: 13 Belege in I-IV, VI, VII, in Thür I auch mit Suffixvariante -keit. Die Bezeichnung für 'das Vergessensein' steht wie im Nhd. mit der Präposition in: "vnd nit so leichtlich in Vergessenheit geriethe" (Oschwäb VII: 7,26). Häufiger belegt ist jedoch auch die Möglichkeit, daß die Bildung mit dem Genitiv steht und dann 'die Eigenschaft, vergeßlich zu sein', bezeichnet: "Die missetete miner jugent vfi mine vorgesenkeit gedencke nicht, herre." (Thür 1:51,16). vermessen-heit: 7 Belege in V-VII. 'Das Vermessensein': "als ob er aus Ehrgeitz und Vermessenheit/auff des Volcks Gunst sich verlassend/irgend etwas grosses gegen Jhre MajestSt und dero Regierung unternehmen dörffte" (Hess VII: 40b,7). Der folgende Kontextbeleg soll zeigen, daß gelegentlich die Grenze zur Bezeichnungsverschiebung nicht ganz eindeutig zu ziehen ist: "Er that hinzu/diese Vermessenheit rechne sie mir nicht bey/daß mein armes Hertze sich so erheben wolte" (Obs VI:Cijv). verschwiegen-heit: 3x in Obs VI: "Sonsten war gleich fiber der Taffei in der Höhe ein wohlverschlossener Mund/nebenst zweyen Ohren sehr k&nstlich gemahlt/dieses sollte deuten auff die Verschwiegenheit/daß nicht alles was zur Taffei im Vertrawen vorgangen/wiederumb solte nachgesagt werden" (Dviif)· vertrunken-heit: 1 Beleg in Hess I. 'Die Tatsache, daß jmd. vertrunken', d.i. 'trunksüchtig ist' (Basis s. Lex s.v. vertrunken): "und des hude in allen, daz da nit abe inkumme fraszheit oder verdrunkenheit." (22,13). b) Mit Part. I mogen-heit: lx in Rip III. 'Die Tatsache, daß jmd. mogent (s. Sch/L s.v.) ist', d.h. 'die Kraft hat' oder 'imstande ist, etwas zu tun': "Jnd dair jnne wirt
176
Die Typen der Ableitung mit
-heit/-keit, -ida, -i im Frohneuhochdeutschen
offenbairt die ouerste volkomenheit des scheppers want he is ym selffs genoichsam ind behouet der creaturen niet/mer die creature behouen sijnre wät die krafft ind mogenheit des scheppers is allen creature eyn vrsach des Wesens" (Vir,49). vermögen-heU: 1 Beleg in Mbair VII. 'Die Tatsache, daß jmd. vermögend (vgl. DWB s.v.) ist', d.h. 'die Fähigkeit zu etwas besitzt': "weilen aber die Gegenwärtige Christum den HErrn eyffrigst ersuchten/Er wolle doch mittels seiner wunderthltigen Vermögenheit ihr die gewfinschte Gesundheit erstatten" (GR4,16). wissen-heit: Je 1 Beleg in Rip III und Mbair V. Die Bezeichnung für 'die Tatsache, daß jmd. wissend ist1, wird in beiden Kontextbelegen verknüpft mit der Bildung erfaren-heit (Mbair) bzw. verfaren-heit (Rip) (s.o.): "Es ist gleichwol an jme die erfarnhait vnd merere wissenhait abganngen" (Mbair V: Ev,20). wolreden-heit: 2x in Mbair VI und Ohchal VII. 'Die Fähigkeit, gut reden zu können/wolredend zu sein' (BA s. DWB s.v.): "Das Wort Gottes braucht kein Faib oder Zierd der Wolredenheit." (Mbair VI:Cvjr). 3.1.2.3 Deverbale Zustandsbezeichnung: Nomen qualitatis mit BV in der Funktion des Part. II 3.1.2.3.1 Definition Nur als Einzelbildung ist ein Derivat belegt, dessen Funktion darin besteht, eine Zustandsprädikation mit Basisverb in Form des Infinitivs, aber in Funktion eines zweiten Partizips substantivisch wiederaufzunehmen, Die Transfermation der Ableitung in einen Basissatz ergibt das Muster: zierheit -> 'die Tatsache, daß jmd. geziert ist' Strukturell läßt sich die Bildung also auf ein prädikatives Syntagma bestehend aus Kopula und Part. II zurückfuhren und ähnelt diesbezüglich der vorangehend beschriebenen Gruppe von -Ae/Y-Abstrakta (vgl. Abschnitt 3.1.2.2), deren BV allerdings auch formal als zweites Partizip in der Ableitung erscheint. Funktional dient das Veibalabstraktum zierheit genau wie die partizipialen -Ae/Y-Bildungen dazu, einen physischen Zustand bzw. eine Eigenschaft eines Menschen zu bezeichnen. 3.1.2.3.2 Frequenz Der Gebrauch der Bildung zierheit ist beschränkt auf einen Text aus dem Zusatzkorpus, Schles IV, in dem die Ableitung 2x belegt ist. Reihenbildend wirkt das Derivat offenbar deshalb nicht, weil es in Konkurrenz zu den Sub-
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit,
-ida, -!
177
stantiven zier und Zierde steht, so daß sich die "md. bildung selbst im eigenen sprachraum nicht voll entfalten [kann].".84 3.1.2.3.3 Bildungsweise Als motivierende Basis von zierheit ist für das Frnd. ein Verb zieren anzusetzen,85 das partizipial gebraucht wird, aber nicht in dieser Form im Derivat erscheint, sondern in der um das auslautende Infinitiv- -en verkürzten Gestalt. Die Bildungsweise ist im Nhd. untergegangen. Die auf die gleiche Weise gebildete -ύ/α-Ableitung Zierde stellt keine Konkurrenz dar, da sie nicht in abstrakter Funktion belegt ist. 3.1.2.3.4 Belegtes Lexem zier-heit: 2 Bildungen in Schles IV. Bezeichnung für 'die Tatsache, daß jmd./etw. geziert', d.h. 'geschmückt oder schön ist1: "in dem si doch nicht suchte den preyß/der werlt nach czirheyt des leibes noch irkeine weichikeyt" (Bvvb). 3.1.2.4 Desubstantivische Wesens- und Eigenschaftsbezeichnungen von Personen: Nomina qualitatis mit BS (DW2: Abschnitt 4.5.5.) 3.1.2.4.1 Definition Die Abstrakta mit Basissubstantiv lassen sich nach dem folgenden Muster umformen: seiner torheit halb -> 'weil er ein Tor ist' Die desubstantivische Abstraktbildung nimmt also einen Prädikatskomplex, bestehend aus der Kopula sein und einem Basissubstantiv als Prädikatsnomen wieder auf. Das Subjekt der Prädikation wird dabei auf der Ebene der Wortbildung fakultativ und kann in Gestalt eines Genitiv- oder Präpositionalattributs erscheinen (vgl. Oberle 1990:315): "von wegen der schalckhait Achatz" (Els IV: Vif) -> 'weil Achatz ein boshafter Mensch [=Schalk] ist' Die Basissubstantive bestehen in einsilbigen, auf Personen bezogenen Appellative, die entweder allgemein einstufend (z.B. kind, mensch) oder wertend (z.B. narr, schalk, tor) sind. Die Derivate haben die Funktion, das Wesen, die
84
"
DWB s.v. Kursivdruck und Kleinschreibung ebd. Dort wird ebenfalls daraufhingewiesen, daß insbesondere die abstrakte Verwendung eher selten ist. Vgl. Prell 1991:172 sowie Kap. III. 1.2.1.2.
178
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
Beschaffenheit, die Eigenschaft, den Charakter oder den Stand der Person zu bezeichnen, die mit dem BS benannt wird (vgl. Oberle 1990:315). 3.1.2.4.2 Frequenz Mit 8 Bildungen in 96 Belegen ist das Muster im Frnhd. noch stärker ausgeprägt als im Nhd. und auch als zur Adelungzeit um 1800 (im CG und bei Adelung sind je 6 desubstantivische Abstrakta belegt; vgl. DW2:305), wenngleich kein Ausbau des Paradigmas festzustellen ist. Es sinkt im Gegenteil nach einer Lexemzahl von 6 in Zeitraum I der Anteil auf zwischen 2 (Zeiträume III und IV) und 4 (Zeiträume V bis VII) Bildungen je Text mit unterschiedlich hoher, weil thematisch bedingter Frequenz:
I III IV V VI VII Gesamt
Lexeme Belege 6 26 2 5 2 4 4 28 4 26 4 7 8 96
Zwei Abstraktbildungen sind besonders häufig vertreten, gottheit (43x) für 'die göttliche Natur' und menschheit (25x) für 'das Menschsein; die menschliche Natur'. Die Gebrauchshäufigkeit der abstrakten Bezeichnungsiunktion von -heit mit BS gott bzw. mensch ist also im Korpus Frnhd. noch recht groß, v.a. in religiösen Kontexten. Auch Adelung verzeichnet noch die abstrakte Bedeutung von gottheit in Konstruktionen wie "die Gottheit Christi, des heiligen Geistes" (DW2:305; Kursivdruck ebd.); im CG ist sie jedoch nicht mehr nachzuweisen. Gleiches gilt für das Abstraktum menschheit, das in Adelungs Wörterbuch noch vorkommt, im CG jedoch nicht mehr vertreten ist. 6
116
Im WOrteibuch der deutschen Gegenwartssprache wird Menschheit nach DW2:30S mit dem Hinweis Veraltet' noch in einem Schillerbeleg nachgewiesen. Vgl. im übrigen zu der semantischen Entwicklung der desubstantivischen Abstrakta Oberle 1990:3 lSff.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
179
3.1.2.4.3 Bildungsweise Die desubstantivischen Nomina qualitatis werden in den frnhd. Texten konkurrenzlos mit der Variante -heit abgeleitet und unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht von den nhd. Bildungen. Lediglich bezüglich der abgeleiteten Basissubstantive bestehen insofern Unterschiede, als einige (gott, mensch) zwar im Nhd. noch zur Derivation bereitstehen, allerdings nicht zur Bildung von Abstrakta (vgl. oben Abschnitt 3.1.2.3.2), während andere entweder ganz untergegangen sind (fraß) oder zwar noch erhalten sind, aber sich semantisch verändert haben (schalk). 3.1.2.4.4 Belegte Lexeme fraß-heit: lx in Hess I. 'Die Tatsache, daß jmd. ein Vielfraß ist' (BS vräz s. Lex s.v.): "und des hude in allen, daz da nit abe inkumme fraszheit oder verdrunkenheit." (22,13). gott-heit: 40 Belege in I, V, VI, VII. Besonders starke, thematisch bedingte Konzentrationen liegen in Zeitraum V (17 Belege, davon allein 12 in Rip V) und Zeitraum VI (18 Belege, nur Schles.) vor. Bezeichnet wird 'die Eigenschaft des Wie-Gott-Seins' oder 'Göttlichseins', die auf Christus bezogen wird: "Das fleisch vor sich alleyn ist nit nütz/Aber meyn Fleisch/so voller Gotheit vnd Geists yst" (Rip V:XVHr,10). Kennzeichnend fur diese Bezeichnungsfiinktion ist die häufige Kombination mit dem Personalpronomen: "vngeachtet seiner Gottheit" (Schles VL318) oder mit dem Genitiv: "Die Gothait Christi" (Oschwäb V:55r,21). Es ist mehrere Male die Verbindung des Derivats mit der Präposition nach belegt, die in den jeweiligen Kontexten wohl modal zu deuten ist und damit die Zuordnung zu den Abstrakta nahelegt: "Das ist/der vnendtlich ist/wie der Herr Christus ist nach seiner Gottheit." (Schles VI:344). Die genannten kontextuellen Einbindungen sind deshalb nicht ganz eindeutig zu disambiguieren, weil auch die Funktion, Vorgangsabstrakta zu bilden, die im Kontext häufig mit nach (temporal!) kombiniert sind, belegt ist (vgl. Abschnitt 3.1.2.6). kind-heit: 1 Beleg in Thür VII. 'Das Kindsein': "Denn nach dem dieselbe durch den Willen des Schöpfers aller Welt die bißhero ernennte Pilgrimschafft angetretten/und solcher Gestalt erst bei zarter Kindheit das Wesen/ [,..]/dennoch gleichwohl angeschauet" (171,10). mann-heit: 11 Belege in I, V, VI. 'Das Männlich-' oder 'Mannhaftsein': "nu erkenn ich, daz du von edler art bist, und daz dich dein jugentlichiu manhait braht hät in ditz land" (Oschwäb 1:17,23). Außer der Verbindung mit schmückenden Adjektiven ist syntaktisch die Kombination mit Präpositionen wie mit und durch typisch: "erhebet sich bald ein nachdencken ob jener solches durch seine stercke/oder durch seine weißheit: durch reichthumb oder durch manheit erwoiben habe" (Rip VI:*iijr).
I go
Die Typen der Ableitung mit -heitZ-keit, -ida, -J im Frtlhneuhochdeutschen
mensch-heit: 21 Belege in I und V-VII. Der Schwerpunkt der Belege liegt in Zeitraum I, v.a. im mbair. und im oft. Text, die beide eine religiöse Thematik zum Inhalt haben. Es geht stets um 'das Menschsein Christi', oft auch in Abhebung von seinem gleichzeitigen Gottsein: "und w!rt der ingang ains gesprochen mit dem gloria patri zu lob der menschhait Christi." (Mbair I: 37,5). In der zitierten mbair. Quelle gibt außer der syntaktischen Konstellation die lateinische Vorlage, die übersetzt wurde, einen Hinweis auf die Suffixfunktion. Lat. 'humanitas' erscheint in der frnhd. Übersetzung wie folgt: "di arch bedewtt Christum nach der menschait" (Mbair 1:11,7). narr-heit: 2x in V. 'Die Tatsache, daß jmd. ein narr ist': "Aber Gottes weißheit machet aller menschen weißheit zur narrheit" (Ofr V:XXIXr,42). schalk-heit: 3 Belege in I-IV. 'Die Tatsache, daß jmd. ein schalk ist', d.i. 'ein Mensch "von knechtisch böser artm bzw. 'ein "arglistiger, ungetreuer mensch"'87: "von wegen der schalckhait Achatz" (Els IV: VII1). Das BS ist außer im DWB in Lex und Sch/L in dieser Bedeutung nachzuweisen. tor-heit: 10 Belege in I-IV, VI, VII. 'Die Tatsache, daß jmd. ein tor ist/sich wie ein tor verhält': "Du solt nit bald reden/dann es entdecket torheit." (Oschwäb III.XVU4). 3.1.2.5 Deverbale Vorgangsabstrakta: Nomina actionis mit BV(Inf) 3.1.2.5.1 Definition Die nhd. nicht mehr vorhandene Möglichkeit der Ableitung von Verbalabstrakta mit -heit erfolgt nach dem Muster unterscheidenheit
'die Tatsache, daß jmd. etw. unterscheidet' (d.h. 'bestimmt' oder 'festsetzt')
Wie bei den Nomina qualitatis wird das Prädikat thematisiert (vgl. Erben 1983:83), das hier allerdings aus einem Verb in Form eines Infinitivs besteht. Die abgeleiteten Basisveiben sind bis auf die intransitive Basis von gleichsenheit alle 2-wertig transitiv, d.h., sie benötigen in der Umformung eine Ergänzung, die auf der Ebene der Nominalisierung entbehrlich sein kann, wie die Kontextbelege zeigen (vgl. unter Abschnitt 3.1.2.4.4). Als Nomina actionis bezeichnen die Derivate dieser funktionalen Nische das, "was 'geschieht' bzw. 'geschehen ist'" (Erben 21983:91), also einen Vorgang bzw. auch den daraus resultierenden Zustand. Abgesehen von einer Ausnahme {mücheit -> 'die Tatsache, daß etw. jmdm. Mühe bereitet') haben die Basisveiben dieser Veibalabstrakta stets ein persönliches Subjekt, z.B. gleichsenheit für 'die Tatsache, daß jmd. heuchelt'. 2
>7
DWB s.v. Kuravdnick und Kleinschreibung ebd.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
181
3.1.2.5.2 Frequenz Die Bildung von Verbalabstrakta mit -heit stellt eine ausgesprochene Nischenfunktion dar, die sich an den niedrigen Lexem- und Belegzahlen ablesen läßt. Das Muster ist mit 5 Lexemen in 6 Belegen vertreten, die alle in Texten aus Zeitraum I angesiedelt sind. Bereits frnhd. kann sich also diese Bezeichnungsfunktion von -heit nicht halten, vermutlich weil in dem Bereich der Bildung von Nomina actionis andere Suffixe wie v.a. -urtg ihr Hauptbetätigungsfeld haben und -heit dadurch verdrängt wird. 3.1.2.5.3 Bildungsweise Die Möglichkeit, deverbale Vorgangs- und Zustandsbezeichnungen zu bilden, ist frnhd. hauptsächlich der Suffixform -heit vorbehalten; nur in einer Ableitung, mücheit, tritt die Formvariante -cheit auf. Mit den anderen, hier untersuchten Suffixen -ida und -i treten keine Konkurrenzbildungen auf. Die Bildungsweise, die auch schon frnhd. nur noch zu Beginn dieser Periode aktiv ist, hat im Nhd. überhaupt keine Nachfolge mehr. 3.1.2.5.4 Belegte Lexeme anfSrtig-keit: 1 Beleg in Rip I mit Suffixform -(h)eit und Ausfall des auslautenden -en des Basisinfinitivs. Die Basis habe ich nur in Sch/L als anverdigen für 'anklagen, angreifen' gefunden. Die Bildung bezeichnet also 'das Anklagen oder Angreifen': "Darna do derselue man alsus eyne wile vp der straissen gegangen hadde, do quamen die andere vrunt, den der doitslach angienck, Ind beschruwen den man vurs. mit gross klagen vnd anverdicheit" (426,37). gleichsen-heit: 2 Belege in I. 'Das Heucheln/die Heuchelei' (Basis s. Lex s.v. gelichesen, gelihsen): "Zwm andern mal von dem pot Christi, do er spricht in dem ewangelii Mathei: Sunder wenn du vast, scholt du salwen dein haup und waschen dein antlucz, und bedett domit daz wir in unsern heiligen werkchen von uns tfin schulten trugnuzz, efiung und geleichsenhait." (Mbair 1:28,15; Kursivdruck ebd.). Die Tätigkeitsvorstellung des Heuchelns/der Heuchelei wird syntaktisch dadurch angedeutet, daß die Ableitung in einer Aufzählung mit zwei anderen Derivaten kombiniert wird, die für Nomina actionis typische Ableitungssuffixe tragen. Daß dem Übersetzer auch ein anderes Derivationsmorphem zur Verfugung stand, betont Buijssen mit dem Hinweis auf Lexer, der als Ableitungsmöglichkeiten auch Belege mit -ung und -nuzz angebe (gelichesunge, gelichsenisse).88 mü-cheit: 1 Beleg in Obs I mit Suffixform -cheit. Die Tatsache, daß etwas jmdm. Mühe bereitet, ihn belästigt/ die Mühe' (zur Basis vgl. Prell 1991:164): "bi den dorn ist uns bezechent der richtum, wanne als der dorn ist hart und stechelich, also gibt der richtum drier hande mflicheit." (28,32).
88
Vgl. Buijssen, Anhang zu Mbair 1:75.
182
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frtkhneuhochdeutschen
trugen-heit: 1 Beleg in Oschwäb I. 'Die Tatsache, daß jmd. jmdn. betrügt/ betrügerisches Wesen' mit Basisbeleg in Els I: "ach ο du betrogen trugenhait dez manns" (20,28). unterscheiden-heit: lx in Hess I für 'die Tatsache, daß jmd. etwas unterscheidet' (BV im Text belegt), d.h. hier 'bestimmt1 oder 'festsetzt': "Den sustern sal man gewant geben na der geleginheide des landes und der lüde die da wonent, wan in den Calden Steden bedurfent siz me, in den warmen minre. Daz sal in der ebdissen underscheidinheide stan." (30,3) 'Das soll bei der Äbtissin liegen, daß sie (dies) bestimmt.'. 3.1.2.6 Desubstantivische Vorgangsab'strakta: Nomina actionis mit BS 3.1.2.6.1 Definition Die als desubstantivische Vorgangsabstrakta klassifizierten Bildungen unterscheiden sich transformationell dadurch von den Nomina qualitatis mit BS, daß eine Umformung nach dem Muster 'Kopula sein + BS' nicht möglich ist, da im Kontext der Bildung nicht eine Eigenschaft oder ein Wesen bezeichnet wird, sondern der Vorgang, das Werden zu etwas, das durch das Substantiv benannt wird. Dem entspricht in dem zu bildenden korrelaten Syntagma die Verbindung des Vollverbs werden mit BS, wobei das Tempus des Verbs kontextabhängig ist: die menschheit Christi
'die Tatsache, daß Christus Mensch wird/geworden ist'
Welches Tempus zu wählen ist, kann angezeigt werden durch die begleitende Präposition nach, die dann eine temporale Funktion hat (vgl. dagegen oben Abschnitt 3.1.2.3): "nach der Gottheit" heißt dann 'nach der Gottwerdung/ nachdem er (wie) Gott geworden ist'. Die Ableitung bleibt ausschließlich beschränkt auf den religiösen Bereich und wird dort nur verwendet, um die Gott- bzw. Menschwerdung Christi zu bezeichnen. 3.1.2.6.2 Frequenz Da die Bildungsmöglichkeit thematisch gebunden ist, d.h. die fest umrissene theologische Vorstellung der Gott- bzw. Menschwerdung Christi wiedergibt (s.o. Abschnitt 3.1.2.5.1), gibt es nur zwei Lexeme, die den Sachverhalt spiegeln: gottheit und menschheit. Diese sind in insgesamt 6 Belegen vertreten, von denen auf die Ableitung menschheit alleine 5 entfallen (3χ in I, je lx in III uns V). gottheit ist in dieser Funktion lx in Zeitraum V belegt. Das Muster besetzt also eine relativ kleine Nische, deren Nutzung v.a. in der ersten Hälfte des Frnhd. belegt ist (s.o. alleine 4 Belege in I und III).
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -t
183
3.1.2.6.3 Bildungsweise Wie für die Wesens- und Eigenschaftsbezeichnungen mit BS, so gilt auch für die desubstantivischen Vorgangsabstrakta, daß sie ohne Konkurrenz der anderen Varianten oder fremder Suffixe ausschließlich mit -heit gebildet werden. 3.1.2.6.4 Belegte Lexeme gott-heit: 1 Beleg in Rip V für den 'Vorgang der Gottwerdung Christi'. Diese Klassifizierung ergibt sich einerseits aus der Verbindung mit der temporalen Präposition nach (vgl. jedoch oben Abschnitt 3.1.2.4) und andererseits aus dem Kontext: "Nü kunt aber solche Jrdische creatur/denn Herren Christo/ das lebendig Brot/so nach der Gotheit vß dem Hymel körnen" (XT,26). mensch-heit: 5 Belege in I, III, V. In den religiösen Kontexten bezeichnet die Bildimg 'die Menschwerdung Christi': "der selbig Vorgang bedewtt d! weyssagung der weyssagen und die begtr der heiligen vSter mit lobsang gocz sun, die warten der zuechunft und der menschhait Christi." (Mbair 1:35,14). Aus den Erläuterungen zu der zitierten mbair. Quelle (vgl. 120) geht hervor, daß die Bildung u.a. auch zur Übersetzung des lat. 'incarnatio' gedient hat, eine Möglichkeit, die angesichts des vorliegenden Kontextes am wahrscheinlichsten ist. 3.1.3 - 3.1.8 Sekundäre Prägungen Als 'sekundäre Prägungen' werden mit DW2 all jene Bildungen bezeichnet, die im Unterschied zu den primären Ableitungen "erst 'sekundär' durch eine Umprägung" (DW2:494, Anm. 116) in den jeweiligen Funktionsstand eingetreten sind, diesem also nicht von vorneherein auf Grund ihrer Suffixfunktion angehören. Beispiel: grammatische Abstrakta, die im Zuge von Funktionserweiterungen als sekundäre Prägungen zu Nomina ornativa oder Kollektiva werden.89 Die sekundären Prägungen von frnhd. -Ae/f-Ableitungen, die in ihrer Hauptfunktion grammatische Abstrakta sind, sind sowohl in ihrer Bezeichnungsfunktion vielfältig (s. Abschnitte 3.1.3 - 3.1.8) als auch in ihrer systematischen Bedeutimg unterschiedlich, d.h., es sind einerseits reihenbildende Ableitungstypen vertreten wie z.B. die deadjektivischen Nomina ornativa, andererseits existieren aber auch kleinere Funktionsnischen wie die Nomina locativa sowie Einzelbildungen (z.B ein Nomen acti), bei denen bereits im Frnhd. keine musterbildende Bedeutung mehr nachzuweisen ist. Die nähere
89
Bei der hier getroffenen Unterscheidung handelt es sich also um eine funktionale Festsetzung, wahrend die ursprünglich von Meid für die historische Grammatik getroffene Bestimmung, daB Suffixe primär an eine Wurzel antreten können, sekundär aber auch an einen bereits abgeleiteten Stamm, formaler (genau: morphologischer) Art ist Vgl. DW2:494, Anm. 116.
184
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -J im Frühneuhochdeutschen
Beschreibung dieser 'sekundären' Ableitungstypen erfolgt in den sich anschließenden Abschnitten 3.1.3 - 3.1.8. 3.1.3 Bezeichnungen für sachliche und persönliche 'Träger' von im Prädikat benannten Merkmalen: Nomina ornativa Die größte systematische Bedeutung unter den sekundären Prägungen mit -heit kommt den Bezeichnungen für sachliche und persönliche 'Träger' von im Prädikat benannten Merkmalen zu (Nomina ornativa). Es handelt sich hierbei um Bezeichnungen für das Subjekt einer Prädikation (vgl. DW2:314), die aus einem Adjektiv oder einem adjektivisch gebrauchten Partizip bestehen kann. In der Umformung läßt sich dies folgendermaßen verdeutlichen: a) garstigkeit b) begebenheit
'garstige Handlung/eine Handlung, die garstig ist' 'ein Ereignis, das sich begeben hat'
Das Ableitungssuffix signalisiert also ein Determinatum, das in der Umformung durch ein Adjektiv-Attribut (s. a)) oder durch einen Attributsatz, bestehend aus Relativpronomen + Prädikatsadjektiv bzw. adjektivisch gebrauchtes Partizip im Prädikat + Verb (s. b)) festgelegt werden kann.90 Es ist dieses determinative Verhältnis zwischen Basisadjektiv/-partizip und Suffix, das den Unterschied zwischen den grammatischen Abstrakta und den Nomina ornativa (den sogenannten 'Konkreta') ausmacht (vgl. DW2:320). Die gemeinsame Basiswortart hingegen ermöglicht es, daß viele primäre Abstrakta "im Zuge einer Funktionserweiterung auch in die Reihe der deadj. Personen- und Sachbez. eintreten [können]" (DW2:320). Die geänderte Bezeichnungsfunktion äußert sich bei der Umformung in ein korrelates Syntagma darin, daß das Ableitungsmorphem ersetzt wird durch Substantive, die v.a. Gegenstände, Handlungen, Taten, Gesten u.ä. sowie selten - Personen bezeichnen. "Manchmal läßt sich für alle Ableitungen des gleichen Musters genauer angeben, welcher semantischen Klasse sie gemeinsam angehören." (DW2:315), z.B. haben Bildungen aus der kleinen Nische der desubstantivischen Bezeichnungen für Zeiträume (Zeit des BS-Seins, z.B. kindheit) das gemeinsame Merkmal [+ menschlich]. Außer durch Substantive kann das Ableitungssuffix in der Transformation auch durch ein entsprechendes "Pro-Element" (DW2:315) wie jmd. oder etw.
90
Vgl. DW2:314. Dort wird die Umformungsprozedur allerdings als eine Art 2-Stufen-Verfahren (1. Stufe: Umformung durch ein Adj.-Attr.; 2. Stufe: Umformung durch einen Attributsatz) beschrieben, das auf aUe deadjektivischen Bezeichnungen für sachliche oder persönliche Triger" angewendet werden kann. Dies ist jedoch weder bei den nhd. noch bei den frnhd Nomina ornativa mit partizipialer, adjektivisch gebrauchter Basis immer möglich, wie das oben angeführte Beispiel begebenheit zeigt (nicht: * 'sich begeben habendes Ereignis1), so daß dann nur in einen Attributsatz transformiert werden kann.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
185
ersetzt werden (z.B. kleinheit -*• 'etw., das klein ist1), nimmt also hier die Aufgabe von Pronomina wahr.91 3.1.3.1 Bezeichnungen iür das Subjekt einer adjektivischen Prädikation: Nomina ornativa mit BA (DW2: Abschnitt 5.5.) 3.1.3.1.1 Definition Die Bildung von Nomina ornativa mit BA oder sogenannten 'Konkreta' vollzieht sich, indem das Subjekt der adjektivischen Prädikation thematisiert wird. Transformationen zeigt sich dieser Vorgang darin, daß die Ableitung auf eine Nominalgruppe mit dem BA als Attribut bzw. auf einen Relativsatz rückführbar ist:92 kleinheit
'kleiner Gegenstand/etw., das klein ist'
Kontextbeispiel: "vnd mein gnedige fraw was fia, daz ich ir die klainhait gepracht het" (Mbair 111:13,20) 'und meine gnädige Frau war froh, daß ich ihr die kleine Sache/den Gegenstand, der klein war, gebracht habe' Möglich wird diese Bezeichnungsverschiebung durch eine Funktionserweiterung der Abstrakta, die von den "Bedingungen des sprachlichen Umfelds" (Oberle 1990:304) abhängt, d.h. vom Kontext der Bildung. Die erweiterte Funktion der Abstraktbildungen ist zunächst einmal nur potentiell vorhanden und muß erst in einem konkreten Kontext als solche aktualisiert werden.93 Es muß also in jedem Einzelfall geprüft werden, ob bei einer -Ae/i-Ableitung eine abstrakte oder eine 'konkrete' Verwendung vorliegt.94 Hierfür lassen sich ei-
91
n 93
94
DW2:315 gibt für das Nhd. ein Beispiel dafür, daß Ableitungen dieser Art mit Komposita des BA innerhalb eines Kontextes konkurrieren können. Vgl. DW2:321 sowie Oberle 1990:302. Vgl. im obigen Beispiel die -Ae/f-Ableitung kleinheit, die dort nicht als abstrakte Eigenschaftsbezeichnung für 'das Kleinsein' verwendet wird, sondern auf Grund der Kombination mit dem Verb bringen und dem unbestimmten Artikel als Bezeichnungsverschiebung ausgewiesen wird. Dies hangt damit zusammen, daß der okkasionelle Gebrauch der ursprünglichen -Ae/r-Abstrakta als Nomina ornativa überwiegt. Allerdings gibt es, was sich zumindest für das Nhd. mit relativer Sicherheit feststellen läßt, auch einige usuelle Bildungen dieser Art, d.h., Derivate, die überhaupt nicht mehr als Abstrakta verwendet werden, z.B. Neuigkeit und Flüssigkeit (vgl. DW2:322 sowie Oberle 1990:313f). Auch im Korpus Frnhd. scheint solche usuelle Verwendung bestimmter Ableitungen vorzuliegen, wie z.B. bei cmnemlichkeit, botmäßigkeit, flüssigkeit, zu denen keine abstrakten Bildungen vorliegen. Eine definitive Bestimmung des usuellen Charakters dieser und anderer Derivate vorzunehmen, erlaubt jedoch der begrenzte Umfang eines Korpus nicht, der zudem, anders als im Nhd., nicht durch eine finhd. Sprecherkompetenz ergänzt werden kann.
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit,
-ida, -i im Frtihneuhochdeutschen
nige Indikatoren bestimmen, die sich aus dem lexikalischen und dem grammatischen Kontext der Derivate ergeben.95 Zu den lexikalischen Bedingungen gehört z.B. die "parallele Verwendung von Substantiven" (Oberle 1990:304), die inhaltlich eine Reihe darstellen: "die stat vnd uesty utznang mit der herlikeit vnd mit allen dingen" (Ohchal III: 8,12). Durch die Parallelisierung von herlikeit mit einem Konkretum, dingen, wird die konkrete Bezeichnungsfunktion von herlikeit für 'die Gesamtheit von Herrschaftsrechten' deutlich. Im lexikalischen Kontext kann weiterhin das Beziehungswort des attributiven Derivats Aufschluß über eine konkrete Verwendung geben: "nach Verrichtung der Brluchligkeit" (Obs VI:Biiijv), wie auch v.a. die Verbindung mit Verben, die auf Sachsubjekte bzw. -Objekte hinweisen, eine Bezeichnungsverschiebung anzeigen kann:96 "went diß wasser ist nit also krefltig daz eß möge erweychen die hertikeyt in dem lybe" (Hess III:xciiij,15). Die insgesamt seltener vorhandene Möglichkeit der Personenbezeichnung ist im lexikalischen Kontext monosemierbar, wenn das Derivat als Subjekt mit Prädikaten kombiniert wird, "die eine ausschließlich von Menschen ausgehende Tätigkeit oder eine menschliche Eigenschaft bezeichnen" (Oberle 1990:305), z.B. in "Darumb sol mich ewr lautterchait gnedich versten" (Mbair 1:4,28) fiir den Titel des Herrschers. Schließlich können in lexikalischer Hinsicht auch ergänzende Attribute die konkrete Verwendungsfunktion anzeigen, wie z.B. die Kombination mit Numeralia. In dem Satz "Dise sehs ertikeit hat der geistlich brvnne" (Ofr I: X I V ^ ) wird das ursprüngliche Abstraktum für die 'Eigenschaft, von guter Beschaffenheit zu sein' durch Hinzufügung des Zahlwortes sechs zur Bezeichnung für die verschiedenen konkreten Ausprägungen dieser Eigenschaft. Im grammatischen Kontext der Bildungen sind zum einen syntaktische, zum anderen morphologische Bedingungen für eine Funktionserweiterung der Abstrakta festzustellen. In syntaktischer Hinsicht ist v.a. die "Tilgung des subj. Genitivs" (DW2:322) zu nennen: z.B. "weil man dieses Mannes Weißheit/[...] an allen orthen gesp&hret" (Norddt VI:5) -» 'weil man an allen Orten gespürt hat, daß dieser Mann weise ist/wie weise dieser Mann ist' (grammatisches Abstraktum), aber "weil viel vnd mancherley Bficher sind/[...]/die von freyen K&nsten vnd natürlichen Ding vnd Weisheit handeln" (Thür VI:5) -> 'weil es viele und mancherlei Bücher gibt, [...] die von freien Künsten und natürlichen Din95
94
Die Unterscheidung zwischen lexikalischem und grammatischem Kontext treffe ich mit Oberle 1990:304ff; allerdings sind beide Bereiche nicht immer exakt gegeneinander abzugrenzen. Dies ist gleichzeitig auch ein grammatisches Merkmal, weil es mit der syntaktischen Konstruktion der Verbverbindung zusammenhängt.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit,
-ida, -i
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gen und weisen Gedanken/Lehren handeln*. Ist die konkret verwendete -Ae/Y-Ableitung in der Nominalgruppe dennoch mit einer Genitivergänzung versehen, so ist dies meist ein Genitiv der Zugehörigkeit oder genitivus possessivus, der den Besitzer, Geber, Träger oder Verursacher des mit dem Derivat bezeichneten Gegenstandes oder der Tat bezeichnet (vgl. Oberle 1990:306), z.B.: "[sie] sahen so viel herrlicher Kauffmanns=Läden von allerley köstlichen Wahren und andern Herrligkeiten der Stadt" (Norddt VII:25). Unter den moφhologischen Merkmalen haben v.a. der Gebrauch des unbestimmten Artikels (bzw. auch vergleichbarer Begleiter wie solch(e), dies(e), kein(e), dergleichen, alle oder ander(e)) sowie des Plurals eine besondere Hinweisfunktion für eine konkrete Verwendung der Ableitungen. Zwar ist das Vorhandensein eines unbestimmten Artikels nicht immer ein Zeichen für eine Bezeichnungsverschiebung, aber tendenziell signalisieren ein oder eine die Funktionserweiterung der Bildung.97 Beispiel: "Die Stadt Zfirich/besorgte sich/bey solchem fortwfirigen Unwesenfeiner Feindseeligkeit von ihren Nachbaren" (Ofr Vll:64i,25). Die Pluralform einer Bildung ist bei den frnhd. Korpusbelegen ein recht verläßliches Indiz für den nicht mehr abstrakten Gebrauch einer Ableitung,98 in der Umformimg daran erkennbar, daß sie nicht auf ein Subjekt oder eine Veitiform im Plural zurückgeführt werden kann. So ist die -Ae/Y-Ableitung in dem Satz "theils auch mit des gegenwärtigen Leebens Mfihseeligkeiten und Elende sein Gemfihte zu besänftigen gesucht" (Thür VII:206,3) nicht etwa umzuformen in ""sie sind mühselig' oder 'die Tatsache, daß sie mühselig sind', sondern z.B. in 'die Umstände (des Lebens), die mühselig sind/die mühseligen Umstände'. Nomina ornativa mit BA bezeichnen meistens Nichtbelebtes, wobei ein Schwerpunkt auf der Bezeichnung von Verhaltensweisen liegt: "denn ein Hirte kan in seinem Dörffischen Kopffe nicht die Gebfihrligkeiten eines solchen Pallasts ertragen" (Obs VI:CV), "Rudolphus [...]/verwunderte sich fiber dieser ungewöhnlichen Höflichkeit" (Ofir VII:80a,49); ein anderer auf der Bezeichnung von Handlungen oder Taten: "sie treben ouch ander stumme sunde unde bossheit" (Thür 111:21,16). Die Bildungen werden oft näher charakterisiert durch die in den zugrundeliegenden Basisadjektiven enthaltene Wertung, z.B. scheinheiligkeit 'scheinheiliges Verhalten' und tumkünheit 'dummdreiste Stimmung'. 97
M
Abstrakte haben im Unterschied dazu überwiegend entweder den bestimmten oder keinen Artikel bei sich. Vgl. auch Oberle 1990:307. Abstrakte sind im Deutschen wie auch in anderen Sprachen eher selten im Plural anzutreffen, weniger deshalb, weil dies nicht möglich wäre, sondern, nach einer Vermutung von M. Szadrowsky, wohl deshalb, weil kein Bedarf dafür besteht. Vgl. die eingehenden Ausführungen bei Oberle 1990:308f sowie öhmann 1942:134-152 und ders. 1970:32-36.
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Auffällig im Vergleich zum Nhd. ist eine kleine Gruppe von ursprünglichen Abstrakta, die nach Bezeichnungsverschiebung Stellen oder Partien des menschlichen Körpers bezeichnen, die erkrankt sind: aussätzigkeit (Von Hautausschlag befallene Stelle'), härtigkeit (Verhärtete Stelle am Körper1), lämigkeit ('lahme Körperpartie'), räudigkeit ('räudige Stelle am Körper'). Eine weitere kleine Gruppe von Bildungen ist im Nhd. in dieser Vielfalt ebenfalls nicht mehr vorhanden; sie umfaßt Bezeichnungen für (zäh-)flüssige Stoffe bzw. Substanzen: feuchtigkeit ('feuchte Substanz'), flüssigkeit ('flüssiger Stoff), schleimigkeit ('schleimige Substanz'), überflüssigkeit ('überflüssiger Stoff), wässerigkeit ('wässriger Stoff). Personenbezeichnungen werden mittels Funktionserweiterung von -heit-Abstrakta im Frnhd., wie auch im Nhd.,99 nur in wenigen Fällen gebildet. Sie bestehen v.a. in Titeln, die oft als Anreden gebraucht werden. Wenige sind usuell: Heiligkeit ("die PSbstliche Heiligkeit", Hess VI: 13), hoheit ("In Irer hochhaytt gemach", Schwäb IV: 14), die meisten dagegen okkasionell: durchleuchtigkeit ("Ihr Durchleuchtigkeit", Mbair VII:GE13,27), edelkeit ("der haizzt deiner edelkait sagen", Oschwäb 1:40,22), lauterkeit ("ewr lautterchait", Mbair 1:4,28), Weisheit ("daz iur weisshait woll waizz", Oschwäb I: 49,25), Wertigkeit ("daß sich iemand &ber meine Wenigkeit erfreuen will", Obs VII: 116,2). Eine in den Korpustexten sehr häufig genutzte Bezeichnungsmöglichkeit, die auch auf Personen angewendet werden kann, ist die Verwendung nach Art einer Personifikation, d.h., daß "bestimmte Größen als Träger einer aufiälligen Eigenschaft, eines hervorstechenden Wesens oder charakteristischen Zustands" (Oberle 1990: 303) in metaphorischer Übertragung festgelegt und auf eine Person bezogen werden, z.B. "wann [...] mir eine andere Schönheit [schöne Frau] ins Hertze käme" (Obs VIiBvO; "So ist auch gewiß/daß Christus [...]/demnach die AllmSchtigkeit selbs ist." (Oschwäb V:54v,13). Daneben stehen jedoch auch viele Personifikationen, die nicht zur Identifikation mit Personen dienen, sondern lediglich aus stilistischen Gründen der Vergegenständlichung bestimmter (abstrakter) Eigenschaften: "Jch weiß/was die Klugheit und die Billigkeit haben will." (Obs VII: 139,3); "Die keüscheit lieb haben" (Oschwäb ΙΙΙ:ΧΙΙΓ,9). Derartige Personifikationen werden bevorzugt in religiösen Kontexten gebraucht. Einige der durch Funktionserweiterung entstandenen Nomina ornativa mit BA werden bevorzugt in bestimmte thematische Kontexte eingebunden, und zwar v.a. des Rechts und der Religion. Aus dem religiösen Bereich sind u.a. die Bildungen heiligkeit und heimlichkeit hervorzuheben, die überdies noch die Besonderheit aufweisen, verschiedene Bezeichnungsfunktionen erfüllen zu können. So kann beispielsweise heiligkeit neben seiner abstrakten Funkti99
Vgl. DW2:321 sowie Oberle 1990:303.
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on sowohl auf ein Heiligtum als auch auf die Hostie, das Meßopfer sowie das Sakrament der Taufe referieren. In bezug auf das genannte Beispiel ist für die Disambiguierung der Ableitung der Umstand, daß die lateinische Vorlage der frnhd. Übersetzung existiert, eine große Hilfe. Der Rechtsterminologie gehören in ihrer Bezeichnung verschobene Begriffe an, die meist irgendeine Art Recht oder die Befugnis, dieses Recht wahrzunehmen, bzw. die Institution, die dieses Recht ausübt, bezeichnen: freiheit für 'das Recht, nach freiem Ermessen etw. zu tun', botmäßigkeit für 'das Recht zu herrschen oder Gewalt auszuüben' oder gerichtbarkeit für 'die Befugnis zur Rechtsprechung bzw. die Gerichtshoheit'. Bei diesen Bildungen ist die Umformung in einen entsprechenden Relativsatz auf Grund ihrer Lexikalisierung oft nur schwer möglich. 3.1.3.1.2 Frequenz Deadjektivische Nomina ornativa sind im Korpus Frnhd. mit 173 Lexemen in 1.328 Belegen vertreten und stellen damit nach den -Ae/Y-Abstrakta (Nomina qualitatis mit BA) die zweitgrößte Funktionsklasse dar. Die diachrone Verteilung von Lexemen und Belegen sieht folgendermaßen aus:
I III IV V VI VII Gesamt
Lexeme Belege 45 211 54 239 61 272 79 22 54 215 80 312 1.328 173
Im Vergleich zu den deadjektivischen Abstraktbildungen mit -heit ist zweierlei festzuhalten: 1. Die Nomina ornativa weisen jeweils ungefähr halb so viele Lexeme und Belege auf wie die Nomina qualitatis, ein Indiz dafür, daß die Bildung von Abstrakta in der Tat die vorrangige Ableitungsfunktion des Suffixes -heit und seiner Varianten ist. 2. Die diachrone Entwicklung in der Verteilung der Lexeme und Belege auf die einzelnen Zeiträume verläuft ähnlich wie bei den Abstrakta, d.h. Zunahme der -Ae/Y-Ableitungen nach Lexemen und Belegen bis Zeitraum IV, starker Rückgang in V (zu den möglichen Gründen hierfür vgl. Abschnitt 3.1.2.1.2) und erneuter Anstieg ab VI. Anders als bei den Abstrakta ist jedoch die Zunahme an Nomina ornativa ab Zeitraum VI (Lexeme 2,5x, Belege ca. 3x soviel) deutlich höher (Abstrakta:
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Lexeme 2x, Belege l,5x soviel), und der Befund für den letzten belegten Zeitabschnitt im Korpus zeigt, daß es die zweite Hälfte des 17. Jhs. (VII) ist, in der die Nomina ornativa sowohl nach der Anzahl der Bildungen als auch der Belege den höchsten Stand erreicht haben. Das Muster hat also v.a. in der zweiten Hälfte des Frnhd. (ab Zeitraum VI) einen enormen Produktivitätszuwachs erfahren, der eine Vielzahl von Bildungen hervorgebracht hat, von denen viele offenbar zum Nhd. hin jedoch nicht mehr genutzt worden sind. Während Oberle auf Grund der Struktur ihres Korous (Wörterbücher) keine Häufigkeitsangaben für Nomina ornativa auf -heit im Nhd. treffen kann,100 weist DW2 auf Grundlage des CG für das Nhd. 144 Bildungen des Typs Nomina ornativa mit BA nach, eine Zahl, die bereits bei Adelung mit 140 Bildungen fast erreicht ist (vgl. die Übersicht in DW2:323). Vergleicht man hiermit die Anzahl von 174 Bildungen für das Frnhd., so kann die Schlußfolgerung gezogen werden, daß anscheinend die Möglichkeit, per Ableitung mit dem Suffix -heit eine Funktionserweiterung originärer Abstrakta zu Nomina ornativa zu bewirken, zum Nhd. hin auf weniger Lexeme beschränkt worden ist. Diese Entwicklung könnte u.a. mit der oben beschriebenen Kontextabhängigkeit der Nomina ornativa zusammenhängen. So werden beispielsweise in den Korpustexten 22 Bildungen ausschließlich nach Art einer Personifikation gebraucht, d.h., hier wird ein stilistisches und damit kontextabhängiges Mittel verwendet, durch das die Bildungen auf eine konkrete Bedeutungsvariante festgelegt werden. Umgekehrt bedeutet dies: Ist das stilistische Mittel weniger gebräuchlich, sinkt die Anzahl der verschobenen Bezeichnungen. 3.1.3.1.3 Bildungsweise Die deadjektivischen Nomina ornativa haben überwiegend wie im Nhd. bereits abgeleitete Basen, v.a. auf -ig (63x) und auf -lieh (36x).101 Allerdings steht auch noch eine Anzahl von Simplexadjektiven als Basen zur Verfügung. Wie bei den Abstraktbildungen mit BA (vgl. Abschnitt 3.1.2.1.3) konkurrieren auch bei den Nomina ornativa die verschiedenen Varianten von -heit teilweise miteinander. Insgesamt sind 24 Konkurrenzbildungen belegt,102 die meisten davon in Zeitraum I (12). In den nachfolgenden Zeitabschnitten nimmt die Zahl tendenziell weiter ab; III (4), IV (7), V (2), VI (1). Bei der leichten Zunahme in IV wirkt sich vermutlich die Übergangszeit aus, in der BA auf -lieh regional sowohl mit -keit als auch mit -heit abgeleitet werden können und in der parallel -ikeit bzw. -igkeit als Ableitungsmittel zur Verfugung stehen. 104
101 102
Als Gründe hierfür nennt Oberle die Kontextabhängigkeit sowie die zumindest vorläufig anzunehmende, okkasionelle Verwendung der Nomina ornativa. Beide Aspekte werden, so nicht nur die Kritik Oberles, in den Wörterbüchern "nicht zuverlässig oder Oberhaupt nicht erfaBt." (Oberle 1990:313). Vgl. für das Nhd. DW2:322 sowie Oberle 1990:312. Mit zeitlichen Doppeln 26. Zur Zählweise vgl. Abschnitt 3.1.2.1.3.
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Während die Formvarianten -cheit, -icheit/-ikeit und -igkeit insgesamt seltener zur Bildung von Nomina ornativa beitragen, sind es v.a. -heit und -keit, die als Derivationsmorpheme in dieser Funktion genutzt werden. Im Unterschied zu den Abstrakta ist jedoch die Anzahl der mit -heit abgeleiteten Belege wesentlich höher als die mit -keit, nach Lexemen führt jedoch -keit (-heit 71 Lexeme/685 Belege; -keit 106 Lexeme/419 Belege), d.h., die einzelnen Bildungen mit -heit werden jeweils häufiger gebraucht, während offenbar die Bildungsweise mit -keit an Produktivität gewonnen hat. Die von öhmann für das Nhd. geäußerte Vermutung, daß die Bildungen auf -keit "anscheinend doch oft eine größere neigung zur konkretisierang als diejenigen auf -heit haben" (Öhmann 1921:20; Kleinschreibung ebd.), läßt sich fur das Frnhd. auf Korpusgrundlage nicht eindeutig bestätigen. Das Verhältnis für die -Ae/Y-Bildungen als Nomina qualitatis und als Nomina ornativa beträgt 1:0,41, dasjenige für die -£e/Y-Bildungen 1:0,47, d.h., -keit neigt in Relation zu seiner Funktion der Abstraktabildung nur wenig mehr zur Konkretabildung.1 Nur bei der Betrachtung der absoluten Lexemzahlen führt -keit bei der Ableitung 'grammatischer Konkreta' (s.o.). Neben den Konkurrenzen der Formvarianten von -heit untereinander stehen außerdem Parallelbildungen mit den beiden anderen Suffixen: -ida konkurriert 2x (Schönheit - schonde in IV, gewonheit - gewonde in Rip III) und -i bildet 6 konkurrierende Formen (vgl. die Übersicht unter -i, Abschnitt 3.3.3.3).
3 .1.3 .1.4 Belegte Lexeme abscheulich-keit: lx in Ohchal VII. 'Abscheuliche Dinge' (Plural als ein Kennzeichen der Bezeichnungsverschiebung): "hat einen Roman verfast under dem Titul Satyricon, eines Hirtenspiels/das es doch nicht ist/mit sonderen Abscheuwlichkeiten angefüllt." (32,23). allmächtig-keit: lx in Oschwäb V. Die personifizierte 'Eigenschaft, allmächtig zu sein'; wie das Abstraktum allmächtigkeit in religiösem Kontext: "So ists auch gewiß/daß Christus nicht ohn seinen Gaist ist/der auch sein natur/vnd demnach die Allmächtigkait selbs ist." (54v,13). alt-heit: lx in Rip III. 'Das Altertum': "Vnd dat selue bezuget ouch der wijse meyster Tullius sprechende also Historia dye is eyn gezuyge d" zijt eyn liecht der wairheyt. eyn leuen der memorie off der gedechtnisse. eyn meystersche des leuens. vnd eyn verkundersche der altheyt." (IIIV,49).
103
In bezug auf die Belegfrequenz neigt sogar -heit eher zur Bildung von sekunderen Prägungen; hier sind die Relationen -heit: 1:0,64; -keit: 1:0,37.
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anmutig-keit: 2 Belege in Thür VII. Es handelt sich in beiden Belegen um Pluralbildungen, die 'etwas' bezeichnen, 'das anmutig ist', im folgenden Kontext vermutlich Duftnoten (des Weihrauchs): "Der Weihrauch ist ein beliebtes R&uchwerk/welches den Geruch durch seine Anmuhtigkeiten treflich vergnügen/und die Herzen der Sterblichen sonderlich stärken kan" (277,19). annemlich-keit: lx in Obs VI. Die Pluralbildung bezeichnet 'Arten des angenehmen Zeitvertreibs' (BA s. DWB s.v.): "Darum lasse doch/wann kfinfftiger Zeit bey täglicher und nichtlicher/ja stündlicher Betrachtung jhrer Vntrew/ich dero gintzlichen vergessen w&rde/und mir eine andere Schönheit ins Hertze käme/mich dieselbe mit mehr annehmlichem Annehmligkeiten unterhalten." (BV). arg-heit: Thür I, lx. Okkasionelle Personifikation des 'Böseseins/der Schlechtigkeit' (im Text in der Superlativform ergist belegt): "er stund zcu allen wegen, di nicht gut warn, aber di arkeit in hasset er nicht." (78,22). argherzig-keit: lx in Obs III. Die personifizierte 'Eigenschaft, bösen Sinnes (argherzig) zu sein': "Der dritte veindt ist arckhertzikeit." (IX™, 16). aufrichtig-keit: lx in Els VII. Die okkasionelle Personifikation der 'Eigenschaft, aufrichtig zu sein': "Der Kie£fer düncket sich auch eines bessern Namens werth seyn vnnd nennet sich deswegen [...]. Der Stallknecht träumet sich einen Stallmeister; [...] Lügen Auffrichtigkeit" (45,4). aussätzig-keit: 4 Belege in III und IV. 'Aussätzige Stelle', d.h. 'Hautausschlag'. Das Derivat ist stets in Realientexten belegt, in denen es im Kontext um Heilungsvorschläge für Krankheiten geht: "Mit dem saflt der würtzeln gestrichen die vßsetzikeyt an dem lybe benympt die" (Hess III:lxxxv,33). auswendig-keit: Obs III, lx. Nach dem im Kontext belegten BA 'das, was äußerlich ist', d.h. 'der äußeren Welt (im Gegensatz zur inneren, geistlichen) angehört': "do er sprach wer sei selbs nicht vorlaucket vfl v*lesset vater vn muter. vfi alles das äußerlich, der ist mein nicht wirdick. Als ab er spreche wold Der nit leet alle außwSdigkeyt der creaturen. der mag in dyße gotliche geburt nicht werdS enpfangen noch geboren werden" (VIT*,30). balt-heit: lx in Ofr I. 'Das, was kühn ist/kühne Tat' (BA bait s. Lex s.v.): "wider sage mit kvnem mut wann daz ist ain kvnhait vnd ain starckev palthait" (IX™,7). barmherzig-keit: 14 Belege in I, III-V, VII, davon lx mit Präfix un-. Auch in der Variante barmherzigheit sowie mit -(h)eit (6x) und in Mbair I mit Suffixform -cheit (lx) belegt. Einerseits bezeichnet die Bildung 'barmherzige' bzw. 'unbarmherzige Behandlung': "damit [...] seinem volck barmhertzigkait mittailt würde." (Eis IV:VHIV); "Wer aber nicht vergeben will/dem soll solche vnbarmhertzigkeit gerathen/wie hie disem knecht" (Ofr V:XXV,45); andererseits wird das Derivat personifiziert in religiösem Kontext gebraucht: "daz ist die gerechtichait. Die hat bie sich die barmherzicheit und die warheit, daz
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die barmherzicheit tempere die warheit und die warheit temperet die barmherzicheit" (Obs 1:25,36ff). barmig-keit: lx in Ofr I. Okkasionelle Personifikation aus dem religiösen Bereich: "Dise fünf brvnne fliezzen auz seinem gotlichen hertzzen an fünf steten seiner menschait wä dev minne flevzzet auz d£ hertzzen [...] Sin parmkeit zv dem ob'n fuzz" (ΧΙΙΙ Λ ,2). begierlich-keit: 3x in III und VII; von diesen lx mit Suffixvariante -(h)eit. Die Pluralbildung bezeichnet 'Wünsche': "Es seind böse Mchte/daß den armen vnd mit begirlichkeiten angef<en Menschlichen Hertzen die Th&r vnnd Weg der fleischlichen Freyheit so weit eröffnet werden" (Rip VII:40,24). Als Pluralbildung in Veibindung mit einem Zahlwort auch personifiziert: "dann dye zwfl begirlicheyten dye liebe vnd den haß wiewol sy gancz grpmige seind hat Chilo gesaget dye also zfl bezwingen vnd benötigen" (Oschwäb ΠΙ: ΧΓ,5). behaglich-keit: 1 Beleg in Thür VII. Im Plural werden 'behagliche Arten des Zeitvertreibs' bezeichnet: "Dein Weltber&hmter Herr Vater sazzte auch dich zum Stabe seines Alters/und gedachte alsdann seine Lust und Freude an dir zu haben/ wann andere BehSglichkeiten ihm ents&nken" (200,4). bequemlich-keit: 2x in VI. 'Bequeme Einrichtung': "Aber nach etlichen Tagen warde sie auch dieser Beqvemligkeit beraubet" (Obs VLFvf). Die Ableitung ist auch im Plural belegt. bescheiden-heit: Hess IV, lx. Okkasionelle Personifikation der 'Eigenschaft, bescheiden zu sein': "So mfiß die bescheydenheyt der vernunfft darüber vrtheylen." (39v). beständig-keit: 2x in Obs VI. Okkasionelle Personifikation der 'Eigenschaft, beständig zu sein': "Bestlndigkeit du bist bey mit Vnd nimmermehr weich ich von dir" (Evijr). betruglich-keit: lx in Oschwäb III mit Formvariante -(h)eit. Betrügerische Tat (unbestimmter Artikel!): "Vnd ein schedliche betrfiglicheit vnuerhoft/ ist grimmiger vnd krefftiger czü schaden dienene" (XVIV,2). beweglich-keit: Els IV, lx (Plural) zur Bezeichnung von 'beweglichen', d.h. hier wohl "veränderlichen Stimmungen' (vgl. DWB s.v. beweglich)·. "Wie läsen offenbarlich/das zfl denen zeyten in dem volck des erdtrychs/vnuernünfftig beweglikaiten/vnd gottes eer Verachtung gewesen." (Iv). billig-keit: 3x in VI, VII. 'Das, was billig', d.h. 'angemessen' oder 'berechtigt ist': "geschah wieder Gott vnd alle billigkeit" (Norddt VI:8). Auch in der Negation mit un-\ "zu welcher grossen vnbilligkeit dieser schein vorgewandt ward" (Norddt VI:8). Als personifiziertes Angemessensein: "Jch weiß/was die Klugheit und die Billigkeit haben will." (Obs VII:139,3). bitter-keit: 11 Belege in III, IV, VII, davon 4x als bitterheit. 'Bittres Leid': "Darumb sol kein mensch sprechen/das er aller ander bitterkeit vnd betrfibung die vnleydlichisten trage" (Oschwäb III:VHV,23).
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bos-heit: 16x in I-V, VII. 'Böse' (regelmäßig ohne Umlautbezeichnung im Derivat), d.h. *boshafte Handlung': "sie treben ouch ander stumme sunde unde bossheit" (Thür 111:21,16). Die Bildung wird gelegentlich gerne in personifizierter Form gebraucht; fast ein Drittel (5) der Nomina ornativa sind okkasionelle Personifikationen: "Wir brauchen keinen Keyser/dessen Macht und Reichtum nur seine Boßheit waffnet/die Unschuld unterzudrucken" (Ofir VII: 77b,48). boshaft-igkeit: lx in Obs IV mit Suffixform -ikeit. Die 'Eigenschaft, boshaft zu sein', wird hier okkasionell personifiziert: "daß möge sein boßhafltikeit Volbringen" (B1). botmäßig-keit: 5 Belege nur in VII. Es handelt sich bei der Ableitung um einen Begriff aus der Rechtsterminologie (vgl. DRWB s.v.), der das 'Recht zu herrschen' oder 'Gewalt auszuüben' bzw. die 'Herrschaft' selbst, bezeichnet: "Seind die jenigen falsche Commissarien/Bottschaffier/Verwalter/die von den Ober-Herrn/welchen solches zustehet/keine Sendung noch BottmSssigkeit haben" (Rip VII:39,26). In Hess VII ist außerdem lx ein Kompositum mit dem BA botmäßig belegt, das als Steigerung die 'oberste Herrschaft' bezeichnet: "Worauff dieselben mit Anföhrung ihrer Ursachen sich gegen den Klyser und das Reich entschuldiget/wie sie dessen Hoheit und Oberbotmlssigkeit keinen Eintrag zu thun gedlchten" (59a,42). bräuchlich-keit: lx in Obs VI. 'Das, was bräuchlich' (BA s. DWB s.v.), d.h. 'hergebracht' oder 'üblich ist/Brauch': "Selbes Augenblicks lieff Corimbo/ als wie er das nfithigste Ding der Welt zuverrichten hette/nach dem Tempel zu/und hienge gedachtes Conterfect alldar auff: Aber nach Verrichtung der Bräuchligkeit schwieg er etwas stille" (Biiijv). brustkrank-heit: lx in Oschwäb VII; BA brustkrank s. DWB s.v. 'Name fur eine Krankheit': "Jst gar gefährlich an der Brustkranckheit ein gute Zeit kranck gelegen" (71,5). christen-heit: 8 Belege in I, lx mit Sonderform -heite. Nur in Zeitraum I besteht in einem kirchlich-theologischen Fachtext und in zwei erbaulichen Texten (also in religiösen Kontexten) die Möglichkeit der Bezeichnungsverschiebung dieser Ableitung. Das Derivat kann referieren auf die 'christliche Kirche': "Und danunb sind si nicht gelider des leichnam der christenhait, sam noch die juden oder di haiden" (Mbair 1:24,20); auf die 'christliche Messe' (evtl. ist aber auch hier die Kirche gemeint): "wilt aber du diner schult, daz ist diner sunde, bekennen in disses herre hove, daz ist in der cristenheit nu vor dinem pristere, er vorgibt dir alle dine sunde." (Obs 1:27,28) sowie auf den 'christlichen Glauben': "du solt einveltikliche der cristenheite gebot halten, wenne dv wurst inwendig gntfg gerbet werden mit demme daz dv dise zit liden ntfst" (Eis 1:20,3).
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dienstbar-keit: 5 Belege in IV, V, VII. Bezeichnung für ein 'Abhängigkeitsverhältnis, in dem man die Pflicht hat, Dienste zu erbringen': "Sie waren in einer harten Dienstbarkeit bei den Egyptern" (Mbair VII:GR17,13). dreieinig-keit: 4 Belege in Schles VI. Theologischer Begriff für 'Gott als das dreieinige Wesen bestehend aus Vater, Sohn und Heiligem Geist' ('Dreifaltigkeit'): "die Dreyeinigkeit in ansehung das sie eines ist/ist ohn begin: die personen aber haben einen begin/vndt wiederumb keinen begin." (326). dreifaltig-keit: 76 Belege in I, ΙΠ-V und VII, davon alleine 54 (!) in einem einzigen Text, Mbair VII. Auch in der Form drivaltichait in Mbair I (Suffix -cheif) sowie dreifaltigheit in Obs I und Rip III und IV belegt. Die Bildung, die die theologische Vorstellung von 'Gott als Wesen, das aus drei Personen besteht' (vgl. dreieinig-keit), also dreifaltig ist, wiedergibt, ist häufiger in erbaulichen Texten belegt. Oft ist die Verbindung mit verstärkenden Adjektiven wie v.a. (aller)heilig(ste) anzutreffen: "durch die Gnad und Schutz GOtt deß Vatters und deß Sohns/und deß H. Geists/dieser Allerheiligsten Dreyfaltigkeit." (Mbair VII: GR13.17). durchleuchtig-keit: Mbair VII, lx. 'Name bzw. Titel für den Träger der Eigenschaft, durchleuchtig (vgl. zur Basis auch Abschnitt 3.1.2.1.4, s.v. durchleuchtig-keit) zu sein1: "Die Sonn/[...]/diese Lieb= und Lebenhafite Ammei aller Erden=Gesch6pff heist nicht allein Jhr Durchleuchtigkeit/sondern auch Jhr Gnaden" (GE13,27). dürre-keit: lx in Ohchal I mit Formvariante -cheit. Die personifizierte 'Dürre': "vfi och dise de du wissest de die durrecheit vfl keltene die vehtent wid5 die nature" (297*,27). edel-keit: lx in Oschwäb I. Die 'Eigenschaft, vorzüglich (edel) zu sein', ist durch Bezeichnungsverschiebung zum Namen des Trägers geworden, im Kontext in der Anrede: "ich bin ain bot Priamus, dez küngs von Troy. der haizzt deiner edelkait sagen, daz du [...]" (40,22). einfältig-keit: lx in Obs III. 'Etwas, das einfältig' im Sinne von 'einfach ist': "Das nu die synlikeit sey eintzihg in die vornufft. vn die vornufit in den geist so wurt dz schwartz gelb, vn dz gelb weiß, vü wurde ein lauter einfeldikeit." (ΧΙΐΛδ). einig-keit: 7 Belege in III-VII, davon 5x mit Präfix un-, Die nicht negierte Form der Ableitung ist als Personifikation des Einigseins belegt: "Vnd also seind sie inwendig reissende Wölfl": sie tfidten die Seelen/sie zerstrewen die Herd/sie zerbrechen die Eynigkeit/ohn welche die Seeligkeit nit erlangt wirdt." (Rip VII:40,14). Diese Bezeichnungsfunktion existiert auch für die mit un- präfigierten Derivate; häufiger werden diese jedoch zur Bezeichnung von Streit(igkeiten) benutzt, einmal auch verdeutlicht durch den Plural: "Nach Weltweisen/weyl es sich ihme also glücket/vnd in Gallia bürgerlicher zweytracht/vnd stete immerwährende vneinigkeiten waren/[...]" (Ohchal VI: 3r).
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eitel-keit: 4 Belege in I, VI, VII. Als okkasionelle Personiiikation der 'Eigenschaft, eitel zu sein1, 3x belegt: "war zcu minnet ir dy itelkeit vfi suchet dy lugene?" (Thür 1:4,17). Im ohchal. Text aus der zweiten Hälfte des 17. Jhs. ist die Pluralform der Ableitung außerdem in der durch Bezeichnungsverschiebung entstandenen Funktion belegt, 'etwas, das eitel1, d.h. 'nichtig ist' (*Nichtigkeiten'), zu benennen: "Eine gewisse Nation wird besten fleiß anwenden/ daß es ihr mit zurückbringen der Heidnischen Bilderen und Contrafait-Arten nicht weniger gelinge/ alß mit andren Eitelkeiten" (3,17). erbar-keit: 2x in IV für das 'ehrsame Verhalten' (BA s. DWB s.v. ehrbar): "Die Griechen haben sollichs mitt yhren fablen/ darmit sy die lebendigen zfi solcher erberkeit verhofften zö erschrecken/nit vermögt" (Schwäb IV:xijr). ergetzlich-keit: 8 Belege in V-VII. Bezeichnung für 'das, was ergetzlich ist', d.h. 'Vergnügen bereitet'; oft im Plural (BA s. M, S und DWB s.v. ergetzlich): "Nachdem er nun also etliche Zeit seiner Liebsten genossen/mit unbeschreiblichen Ergetzligkeiten/und beyderseits Vergn&gung" (Obs VI:Fijv). Im Singular häufig mit dem unbestimmten Artikel sowie die Bedeutung des Derivats verstärkenden Adjektiven verbunden. ersprieBlich-keit: lx in Thür VII. 'Das, was ersprießlich', d.h. 'angenehm' oder 'erfreulich ist' (Plural!): "Jm gleichen alle andere Anwesende mit selbst verlangten Ersprießlichkeiten viel Zeit lang also beseeligen/daß[...]" (315,19). ertig-keit: 2x in Ofir I, davon lx mit Suffixform -cheit. Pluralisierung der 'Eigenschaft, von guter Beschaffenheit (BA ertec, -ic s. Lex s.v.) zu sein', und damit Bezeichnungsverschiebung: "Dise sehs ertikeit hat der geistlich brvnne" (XIV*^). erwfirdig-keit: Schles IV, lx. 'Ehrwürdige Erinnenmg': "Vnnd yn grosser erwyrdikeyt/hat gehalden" (Cvj™). ewig-keit: 25 Belege in III, VI, VII, davon 2x als ewigheit und lx als ewichait (Suffixform -cheit). Die Bildung bezeichnet v.a. in religiösen Kontexten die 'ewige Zeit': "Durch disen Geliebten wird nach Meinung der Gelehrten vnser Seeligmacher Christus JEsus verstanden/welcher Weiß ist wegen seiner reinesten vnd hellglantzenden Gottheit/die er von Ewigkeit her hat" (Oschwäb VII:2,4). fabelweis-heit: 3 Belege in Ohchal VII. 'Die Kunst, Fabeln zu ersinnen' (BA fabelweise s. DWB s.v.): "Huetius erweise trefflich/vor's erste/daß dise Nationen so wol vor den Griechen die Fabel=Weißheit im gebrauch gehabt/ alß noch heut zu tag derselben sehr ergeben bleiben" (22,22). falsch-heit: 6 Belege in I-IV, VI, VII. Die Bezeichnungsverschiebung erhält auf Grund der Semantik der Basis zwei Ausprägungen: 1. überwiegend wird 'etwas' bezeichnet, 'das falsch' im Sinne von 'unrichtig ist' (einmal auch im Plural): "Aber wie jhre falschheiten in den folgenden Concilien vnd Schrifften entdeckt seind" (Rip VII: 16,37); 2. daneben steht die Ableitung für 'falsches', d.i. 'hinterhältiges Verhalten': "Vnd als Parcus mit seinem volck
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit,
-ida, -i
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z&samen berüffi/wie sie Herodem nur listen/betrug oder falschait/ergreiffen möchten radtschlagtent." (Eis IViXX"). feindselig-keit: 3x nur in VII. 'Feindselige Handlung' (auch im Plural belegt): "Die Stadt Z&rich/besorgte sich/bey solchem fortw&rigen Unwesen/einer Feindseeligkeit von ihren Nachbaren" (Ofir VII:64',25). fest-igkeit: 8 Belege in Thür I und III; in I mit -ikeit. Im Kontext eines Schöpfungsberichtes (Thür III; chronikalischer Text) bezeichnet die Bildung eine 'feste' oder tefestigte Stelle': "do sprach abir got alsso 'Nu werde eyne vestickeit mitten yn den wassern, die sie teile von eynander.'" (11,27). Vgl. auch die Luther-Übersetzung derselben Stelle: "Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern, die da scheide zwischen den Wassern." (Bibel, AT:3). Schwierigkeiten bereitet die Interpretation der folgenden Einbettung: "Daz si azen vfi anebetten alle dy festikeit der erden" (Thür 1:47,2). Die Stelle ist Bestandteil eines Psalms, in dem die Ableitung "festikeit der erden" vermutlich die Verstorbenen bezeichnet; vgl. hierzu die Luther-Übersetzung: "Ihn allein werden anbeten alle,/ die in der Erde schlafen" (Bibel, AT:562). feucht-igkeit: 70 Belege in I-VII; es konkurrieren die Varianten -igkeit (29x), -ikeit (40x) und -keit (lx). Die Ableitung ist, v.a. in höherer Frequenz, schwerpunktmäßig in Realientexten belegt, die sich thematisch in irgendeiner Weise mit der Gesundheitsvorsorge oder der Heilung des menschlichen Körpers befassen. In diesem Zusammenhang bezeichnet die Bildung allgemein alles 'das, was feucht ist/eine feuchte Substanz' bzw. vereinzelt sogar eine 'Flüssigkeit', die oft durch beigefügte Adjektive als negativ (böse, schleimig u.ä.) charakterisiert wird: "Sw* aber erbeitet rehter zit biz de er begerunge gewinnet zessenne der sol alzestunt essen anders der mage wirt zehant vol böser fuhtekeit" (Ohchal I: 297Λ,18); Jtem botter genutzt ynwendig vn vßwendig machet vßwerffen schlymige feuchtikeyt in der brüst sungende." (Hess III: lxxxij,25); "darauß {...] eine rothe Feuchtigkeit lieffe." (Obs VI:Bvv). Gelegentlich ist auch eine Pluralform anzutreffen: "vfi rainigt die natur von allen bösen dünsten vnd vnrainen feüchtigkaiten" (Mbair IV: BivY). finster-keit: Thür III, 2x. 'Die Finsternis': "do schiet her das liecht von der vinsterkeit unde nante das liecht den tagk unde die vinsterkeit die nacht." (ll.llf). flüssig-keit: lx in Mbair IV. 'Flüssiger Stoff: "Er ist auch nütz z& de hüstS vn keichen/vfl natürlich machet er den hörten leib flüssig/[...]/vR das an jm das fumemlichest ist/so verzert er die übrigen flüssigkait" (D1)· frei-heit: 36 Belege in I-VII mit größerer Konzentration in Zeitraum VII mit 14 Belegen. Allgemein das 'Recht, nach freiem Ermessen etwas zu tun': 1. auf einzelne Personen bezogen: "Er hatte sonst die gewonheit und freyheit/ als Rudolphi Vetter und vertrauter Freund/unangemeldt in sein Gemach einzutretten" (Ofr VH:80",42); 2. in der Rechtsterminologie bezogen auf Städte oder Institutionen: "want yd der meysten vrijheit eyne is, die de Stat van Coel-
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -! im Frühneuhochdeutschen
ne hait" (Rip I: 425,19), "in Ansehung/daß ein jeglicher König/die Stinde bey jhren Freyheiten bleiben zulassen" (Hess VI:21). Pluralformen sind häufig belegt. Möglich ist allerdings auch die Verbindung mit einem Genitivobjekt, was in diesem Fall kein Kennzeichen für eine abstrakte Funktion ist: "Es haben hernach etliche in Polln mich in verdacht ziehen wellen/Als soldt ich dem groß fürsten solche fireyhait des Titls oder Khfinigckliche wird bracht haben." (Mbair V:DV,43). Im zitierten Kontextbeleg ist die Genitivergänzung als 'genitivus objectivus' zu klassifizieren: freiheit des titels meint hier 'zustehendes Recht auf den Titel'. freudig-keit: lx in Thür VI. 'Freudiges Gefühl': "vnd wie sie in diesem Creutz drey Tage vnd Nacht mit fasten/weinen vnd beten zu Gott geschrien habe/auch nach gethanem Gebet/Trost vnd Freudigkeit im Hertzen geffihlet durch wirckung des heiligen Geistes." (16). freundlich-keit: Rip I, lx, mit Formvariante -(hjeit. Das 'freundliche', d.h. 'freundschaftliche Verhältnis': "Darna in kurten zijden, do man nyet anders vnder yn en wiste dan vruntliche eyndrechticheit, we vurssr. steit, do vergaissen sij der zedulen vnd yrs eydtz Ind braichen vnder yn die vruntlicheit Ind mit nuwem hasse vnd nijde [...]" (430,20). garstig-keit: lx in Obs VI. 'Garstige Handlung': "Vor diesem/sagte der Schiffer lachend/war wohl dieses eine Garstigkeit" (Ciijv). gebürlich-keit: Obs VI, lx. 'Das, was sich gebührt/angemessene Form des Verhaltens' (BA s. Sch s.v. gebfrlich): "denn ein Hirte kan in seinem Dörffischen Kopffe nicht die Gebfihrligkeiten eines solchen Pallasts ertragen" (Cv). gedeilich-keit: Thür VII, lx. 'Das, was gedeihlich' oder 'gut ist': "Deßgleichen wolle eben derselbige auch [...]/alle Gedeiligkeit ihnen an gnädigem Uberflusse schenken" (214,18). gefärlich-keit: 8 Belege in V, VI. 'Gefährliche Situation', auch im Plural belegt: "daß einer dem andern das Erbfall jhme verpflicht/werde nach dem Leben stellen vnd trachten/damit solche Gefälligkeiten verhindert werden" (Hess VI: 29). Ein Kompositum ist vertreten, das die 'gefährliche Situation für Leib und Leben' bezeichnet: "were vor Zorn bald in LeibsGeflhrligkeit gerathen" (Obs VI: Biiijr). gehorsam-keit: lx in Hess I. Personifikation des 'Gehorsamseins': "zu dinene den geboden der heiigen gehorsamkeide" (3,7). geistlich-keit: lx in Els IV mit Suffixvariante -(h)eit. Das 'geistliche Leben': "Aber disen Anthiochum haben sie all von liephabung der geistlicheit/ den milten genennt" (XVinY). gerecht-igkeit: 74 Belege in I-VII, auch mit den Formvarianten -keit (lx), -icheit (13x) und -ikeit (9x). In Wendungen wie "gerechticheit doen" (Rip III: XT,2) bezeichnet die Bildung 'das, was gerecht ist/gerechtes Verhalten'. Weiterhin kann die Ableitung stehen für das 'Vorrecht/Privileg', wie der folgende Kontextbeleg zeigt, in dem die syntaktische Parallelstellung mit dem Derivat
Die Ableitungsmuster von -heit/-keil,
-ida, -i
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freiheiten den Bezug verdeutlicht: "yre gerechticheit vnd vrijheyden" (Rip III: ΙΓ.29). In der Funktion, 'Vorrechte' oder 'Privilegien' zu bezeichnen, ist das Derivat in Hess VI sogar auf Grund der Thematik (Erbfolge eines Königshauses) 39x belegt, z.B.: "die haben Jhr. May. Gerechtigkeiten damit nicht verleschen lassen" (Hess VI: 15). In religiösen Kontexten wird das Derivat häufiger zur Bezeichnung der Gerechtigkeit Gottes eingesetzt. In theologischer Fachsprache ist damit nicht "eine Eigenschaft Gottes, sondern sein Heilshandeln am Menschen, das den Sünder in die Gemeinschaft mit Gott aufnimmt und ihm neues Leben schenkt",104 gemeint: "O du erschreckelicher got. wair ys nu dyn gerechticheit." (Rip IV:Aiijv). Schließlich ist das Gerechtsein auch in personifizierter Form belegt: "Denn so durchs Gesetz die Gerechkeit kömpt/so ist Christus vergeblich gestorben." (Obs V:38\26). Insgesamt 6x tritt die Ableitung mit dem Negationspräfix un- auf, überwiegend, um eine 'ungerechte Handlung' zu benennen: "daß sich niemand finden wird/ welcher mit Warheit das Justitiae-Wesen einer vorsetzlichen Vngerechtigkeit wird beschuldigen können." (Schwäb VII:B23,11). Daneben wird auch die negierte Form als okkasionelle Personifikation gebraucht: "Du solt die vngerechtikeit fliehen." (Oschwäb III:XVIV,15). Die Bildung liegt ein einziges Mal als Kompositum zur Bezeichnung des Erbanspruches (erbgerechtigkeit fur den "berechtigten Anspruch auf das Erbe') vor: "Darinnen außgeföhret/was das Hauß Oesterreich ffir Erbgerechtigkeit zu dem Königreich Hungern von alters gehabt" (Hess VI: 1). gerichtbar-keit: lx in Hess VII. Die 'Befugnis zur Rechtsprechung/Gerichtshoheit' (BA gerichtbar s. DWB s.v.): "Übung der hohen und niedern Gerichtbarkeit in der Stadt" (58b,6). geschicklich-keit: 5 Belege in III, IV, VI, VII; 2x mit der Formvariante -(h)eit belegt. *Eigenschaften' bzw. 'Arten der Beschaffenheit' (des Körpers und des Geistes); zur Basis vgl. Abschnitt 1.2.1.4 unter geschicklich-keit: "DJe kunst der artzenei ist nicht anders dann ein kunst/durch welche erkandt werden die geschickligkeyten des menschlichen leibs" (Hess IV: Γ). Auch im Plural: "mit mauren/gewören/grSben/vnd sunst geschicklichaiten der hoffstett" (Els IV: Iv). geschwind-igkeit: 3 Belege in VI und VII. Bezeichnung für 'hohes Tempo': "und lieffe mit solcher Geschwindigkeit den Weg hin" (Obs VI:Diiijr). Auch als okkasionelle Personifikation belegt: "Der Kieffer düncket sich auch eines bessern Namens werth seyn vnnd nennet sich deßwegen [...]. Der Stallknecht
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Bibel, Anhang: 17. Ebd. wird erwähnt, daß Luther in Erwägung gezogen haben soll, die Wendung Gerechtigkeit Gottes mit 'die Gott macht, wirkt' zu übersetzen.
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Die Typen der Ableitung mit
-heit/ keit, -ida, -i im
Fitihneuhochdeutschen
träumet sich einen Stallmeister; [...] Betriegerey Geschwindigkeit" (Els VII: 45,3). gesund-heit: lx in Els VII. Okkasioneller metaphorischer Gebrauch: "der Medicus stihlet das Leben mit dem Todt, der Apothecker stihlet die Gesundheit mit der Artzney" (25,10). gewiß-heit: lx in Oschwäb IV. 'Sicheres Wissen über etwas': "betrachtsd waß verzug jnen die ee beschehen abschlagung gebracht hat/vn mit diser gewißhait gang ich getröst zö dem hauß Pleberiz" (Eij1). gewissen-heit: lx in Schles IV für das im engeren religiösen Sinne bezeichnete 'Gewissen' (vgl. DWB s.v.): "vonn lewterkeyt der gewissenheit" (C1). gewon-heit: 52 Belege in I und III. 'Das, was jmd. gewohnt ist' (zur Basis vgl. Kap. III. 1.2.1.2). Häufig in Verbindung mit sein; im folgenden Kontextbeleg fast nach Art eines Hendiadyoin: "darummb sölle man ouch die selben sach in jren grichten da das beschechen ist fiirnemen vnd berechtigen won dass allenthalben sitt vnd gewohnheit ist." (Ohchal 111:21,23). Häufig auch in Kombination mit charakterisierenden Adjektiven, v.a. gut und alt: "dz man vns beliben liesse bin vnsser stat recht, frigheitten vnd alten gütten gewonheitten" (Ohchal 111:17,24); einziger Pluralbeleg mit BA. Eine weitere häufige Konstruktion ist die Verbindung mit einer Genitivergänzung: "do mflst ich sin friwen vnd sinö kint anbetten nach der haiden gewonhait" (Schwäb I:88r,12). gIGckselig-keit: 2 Belege in VI, VII. 'Glückseliges Ereignis' oder 'Beisammensein': "Darinnen ich dann auch mit jhr unbeschreibliche Gl&ckseligkeit gepfleget habe." (Obs Vl.Cvj1)· gnädig-keit: lx in Thür I. Bezeichnung fur das personifizierte 'Wohlwollen': "Brenget gote gnetikeit vfl ere, brenget gote gutikeit" (61,23). göttlich-keit: lx in Els IV; Suffixvariante -(h)eit.'Göttliches Wesen': "Jst er allein zfl dem fürsten d* priester gangen/vnd hat die gfitlicheit angebettet" (XIV). grausam-keit: 3 Belege in V und VII. 'Grausame Behandlung': "Der Rath ist gut; Aber ein Vater/der ihn practiciren will/der muß gegen seine Tochter die höchste Grausamkeit versuchen." (Obs VII: 137,7). gut-heit: Schwäb III, 4x. Die 'gute Tat': "so hebt er ir zwifach die gfithait uff von im beschehen." (33b,24). Daneben wird die Bildung auch als personifizierte Bezeichnung für das 'Gutsein/Güte' gebraucht: "darumb phedria begere ich fnind zemachen mit meiner guthait." (31',3). gütig-keit: lx in Thür I. Personifizierte 'Güte'; Kontextbeleg s. gnädig-keit. härt-igkeit: lx in Hess III mit Suffixform -ikeit. Bezeichnung für eine 'harte Stelle im menschlichen Körper': "went diß wasser ist nit also krefftig daz eß möge erweychen die hertikeyt in dem lybe" (xciiij,15).
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit,
-ida, -f
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hartnäckig-keit: lx in Rip III mit Formvariante -(h)eit. Personifizierter Gebrauch der 'Eigenschaft, hartnäckig zu sein': "dat welche so dieff vnd so sweirlich in der hartneckicheyt gewurtzelt is [...]" (IX1,1). hartselig-keit: Ein Beleg in Ohchal IV. Die Pluralbildung bezeichnet hartselige (BA s. DWB s.v.; bei D ist nur das Derivat belegt), das sind 'unglückliche Ereignisse/Unglücksfälle': "So sind die hartsäligkeiten vnd vnfSl der menschen/anderer not vfi anligen so manigfalt/[...]n (Biijv). häßlich-keit: Ofr IV, lx. Oas, was häßlich ist'; inr Kontext von mir interpretiert als Subjekt einer Nominalgruppe mit genitivus objectivus: "Aber ye mer man alle heßlickeit der obgemeltö ding außlest/vü macht dargege gerade starcke/[...] ding" (Tiijv). häuslich-keit: lx in Els VII. Personifizierte Eigenschaft des Häuslichseins': "Der Kieffer düncket sich auch eines bessern Namens werth seyn vnnd nennet sich deßwegen [...]. Der Stallknecht träumet sich einen Stallmeister; [...] Wucher, Häuslichkeit" (45,3). heilig-keit: 44 Belege in I-III, VI, VII, auch mit den Formvarianten -(h)eit (3x) und -cheit (25x) sowie der Sonderform -cheitn (lx) belegt. 'Das, was heilig ist'. Die Ableitung besitzt in den stets religiösen Kontexten, die v.a. in den Texten aus Zeitraum I auftreten, mehrere Bezugsmöglichkeiten. Sie referiert entweder allgemein auf ein 'Heiligtum': "vnd hatten ym och sin closter zerstöret vnd die mitnich all vertaget vnd ser gestagen vnd die Slter zertretten die hailikait versmahet [...]" (Schwäb I:76r,14), auf das 'heilige Brot', d.i. die Ήοstie': "in diser heilicheit untphes du unsern herren Jesum Christum" (Obs I: 9,18), auf das 'Meßopfer': "in diser heilicheit des lichnames unsers herren Jesum Christum sone wirt niht mer vollenbracht von dem güten pristere und niht min vollenbracht von dem bösen" (Obs 1:8,39), auf das 'Sakrament der Taufe':'05 "wenn daz new volkch der christen, daz anderwaid geporn ist mit der heilichait der tauf' (Mbair 1:30,21) oder auf einen Titel: "Welchen auch die PSbstliche Heiligkeit/[...]/hat bereden vnd beschliessen helffen" (Hess VI: 13). heimlich-keit: 17 Belege in I, IV-VII, davon 9x mit der Suffixvariante -(h)eit. 'Das, was heimlich' • oder 'geheim ist'. Überwiegend bezeichnet das Derivat in den frnhd. Texten allgemein ein 'Geheimnis': "Nicht weit hiervon befände sich ein grosses Glaß mit zweyen Flfigeln/als ob es willens were eine Nachtbarschafft mit denen Sternen zu machen/diese Heimligkeit eröffneten mir untengesatzte Worte" (Obs VI:Dviijv). Auch im sakralen Bereich bietet sich diese Bezeichnungsmöglichkeit an. Die Ableitung benennt dort "alles, was verborgen ist, ein Geheimnis enthält
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Als Obersetzung von sacramentum Buijssen, Anhang zu Mbair 1:123.
baptismi
der lateinischen Vorlage. Vgl. den Hinweis von
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
oder nicht laut, sondern in der Stille vor sich geht.",106 z.B. für ein Gebet in der Stille: "und darnach gencz oder sprechencz ffirbaz und sprechen alz vil haimleichait" (Mbair 1:17,16). herrlich-keit: 36 Belege in I, III, V-VII; in Rip I und V 4x mit Formvariante -(h)eit. Bezeichnung für 'das, was herrlich ist'. Allgemein bezeichnet werden damit'herrliche Gegenstände': "Wann sie dann höreten so viel Glocken leuten/sahen so viel herrlicher Kauflmanns=L5den von allerley köstlichen Wahren und andern Herrligkeiten der Stadt/[...]" (Norddt VII: 25). Der Rechtssprache gehört die Bezeichnung für die 'Gesamtheit von Herrschaftsrechten' an, hier mit Bezug auf Stadt und Festung (vgl. DRWB s.v.): "die stat vnd uesty utznang mit der herlikeit vnd mit allen dingen" (Ohchal 111:8,12). Als Steigerung hierzu ist ein pluralisch gebrauchtes {Compositum mit dem Grundwort herrlich für die 'obersten Herrschaftsrechte' belegt: "Gott hat einem michtigen Keyserthumb/Löblichen Königreich/schönen F&rstenthumb/ vnnd allen Oberherrligkeiten/Land vnd Gebieten/die Grintz als Ging gesetzt" (Ofr VI:35). In religiöser Terminologie kann sich die Bildung auf 'das, was Gott Herrliches geschaffen hat' oder 'was ihn umgibt', beziehen: "Groß seindt die werck des Herren/ außersucht nach al seing willen/lob vnnd herlicheit ist sein werck" (Rip V:XXMv,9) oder aber auf die "sichtbare Erscheinung der göttlichen Majestät, die als strahlender Lichtglanz zu denken ist" (Bibel, Anhang:20), beziehen: "da gesagt wirdt/daß die herrligkeit Gottes sich erhub über den Cherub/über welchem sie war." (Schles VI:345). ho(ch)-heit: 13 Belege in VI, VII. Am häufigsten ist die Verwendung als Titel für eine 'hochstehende Persönlichkeit': "Als bald hochgedachtter Cardinal ermelttes meines herrn Manlichs schreyben geiessen, hab Ich mich In Irer hochhaytt gemach selbsten persönlich miessen verfliegen" (Schwäb VI: 14). In dieser Funktion wird die Bildung auch als Anrede gebraucht: "Die Supplicanten sind vorhanden. Jst es Jhr. Hoheit gefällig/so können sie hieher gelassen werden." (Obs VII: 104,22). Darüber hinaus bezeichnet die Ableitung im Rechtsgebrauch die 'Rechtsmacht über ein Gebiet' (vgl. DRWB s.v.): "Fast dergleichen Streit hatten die Hertzoge zu Braunschweig Lfineburg mit der Stadt Braunschweig/welche sie f&r eine nur mit gewissen Freyheiten begabte Landstadt hielten/und die Lands=F&rstl. Hoheit darfiber/[...] prätendierten" (Hess VII:60,3). höflich-keit: 6 Belege in VI, VII, von denen 3 mit un- präfigiert sind. 'Höfliches' bzw. 'unhöfliches Verhalten': "Rudolphus, der von seiner Erwehlung nichts wuste/auch dieselbe ihm nicht träumen lassen/verwunderte sich fiber dieser ungewöhnlichen Höflichkeit" (Ofr VH:80",49); "weil bey diser Nation ein fiberauß freyer Umgang mit dem Frauen=Volck nit nur vor keine OhnhÖf104
Buijssen, Anhang zu Mbair 1:128.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
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lichkeit/sondern vor die bey nahem einige Geschicklichkeit vorkommet" (Ohchal VII:35,28). höl-igkeit: lx in Eis III mit Suffixform -ikeit. 'Das, was hohl isXJhohle Stelle/Aushöhlung', hier bezogen auf den menschlichen Körper: "Ob die wöd hab ein tiefife hölikeit vnd verborgenn so mfistü betrachten ob die wunde oder stich wol mög gereiniget werde oder nit." (XXXIV™, 10). holdselig-keit: lx in Mbair VII. Okkasionelle Personiiikation der 'Eigenschaft, holdselig', d.i. 'anmutig' oder 'liebreizend zu sein': "Siehe Georgi! deine schöne Gestalt/weil dir die Natur so gfinstig gewest/und dir zwey mit Lieb vermengte Wangen in das Gesicht gesetzt/aus denen/wie aus einem poliertem Spiegel die Holdseeligkeit heraus schauet" (GE37,22). keck-heit: Mbair VII, lx.'Kecke Tat': "ich unterfange mich ebenm&ssig ihnen einen Soldaten einzulegen/hoffe aber/weil sie ohne das Cives oder Civiles genennt/daß sie mir diese Keckheit nicht werden tauffen ein Unhöfligkeit" (GB4.3). keusch-heit: 14 Belege in I-IV, VII, davon 12 mit Präfix un-\ auch mit Formvariante -ekeit. Das Derivat wird sehr häufig als okkasionelle Personifikation des '(Un-)Keuschseins' v.a. in religiösen Kontexten gebraucht: "Die keüscheit lieb haben" (Oschwäb ΙΠ:ΧΠΓ,9); "daz ist sie folgen der unkuscheit und allen suntlichen dingen" (Obs 1:33,41). Seltener bezeichnet das Derivat auch alles, 'was (un-) keusch ist': "Hfit dich flyssig min sun vor aller vnküschheit" (Ohchal IV:Bvijv). klar-heit: 8 Belege in I, IV, VII. 'Das, was klar', d.h. 'hell ist'. Im folgenden Kontextbeleg wird die Bezeichnungsverschiebung deutlich durch die Gleichsetzung mit dem Konkretum nebel·. "der zur lincken heyßt Chorus oder Cirnus/Westnordt/bringet nebel vnd clarheyt" (Schwäb IV:iijr). Außerdem wird klarheit gerne personifiziert gebraucht, und zwar v.a. in religiösen Kontexten: "in der Krahne der Göttlichen Klarheit" (Thür VII:209,12). klein-heit: lx in Mbair III. 'Etwas, das klein ist/Kleinigkeit': "vnd mein gnedige fraw was fra, daz ich ir die klainhait gepracht het" (13,20). klug-heit: 5 Belege in I, III, VI, VII. Das Derivat ist ausschließlich als okkasionelle Personifikation der 'Eigenschaft, klug zu sein', belegt: "man sol d' treü erfarüg geschicklicheit freüntschaft vii klfigheit nachfolgt" (Oschwäb III: ΧΙΙΓ,ΙΙ). krank-heit: 129 (!) Belege in I-VII (davon 2x mit Formvariante -cheit in I) mit einer Häufung von 69 Belegen in Zeitraum IV. Die Bildung ist eine der frequentesten Nomina ornativa überhaupt, die quer durch alle Textsorten auftritt. Bezeichnet werden genau benennbare 'Funktionsstörungen' des Menschen, deren Vielfalt sich grammatisch darin widerspiegelt, daß die Pluralbildung möglich und auch oft belegt ist, z.B.: "Wyter sendet Gott die kranckheiten nit nun das er damit züchtige" (Ohchal IV:Aiiijv). Vgl. auch zum Abstraktum krank-heit Abschnitt 3.1.2.1.4.
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
kün-heit: 3x in I, VII. 'Kühne Handlung': "Jndem nun ihrer viel in den Gedancken geblieben/als wire König Sebastian noch am Leben/so hat endlich ein verschmitzter Kerl/so demselben an Jahren und Gestalt ziemlich gleich die Kfinheit genommen/sich ffir den K6nig außzugeben" (Hess VII:38b,l 1). läm-igkeit: Eis III, lx mit Suffixform -ikeit. Das im Kontext der Bildung belegte BA lam erscheint in der Ableitung mit Umlautbezeichnimg. 'Das, was lahm ist/Lähmung': "Darvm ist min rat. das ein sßleher verdachter zfl besehen in der wundenn vR allen wundS/müß swerenn liplich zö got vnnd zfi den heiigen die warheit zu sage was man in frage würt. VR ob er vor gerad oder vngerad gewesS ist auch dz er keinerlei lemikeit mit generds νδ im gezeüg werde." (ΧνΓ*,43). lauter-keit: lx in Mbair I mit Formvariante -cheit. Personenbezeichnung als Titel, hier vom Verfasser des Textes in der Anrede des Herrschers, dem er sein Werk gewidmet hat, gebraucht: "Darumb sol mich ewr lautterchait genedich versten" (4,28). Für den Basisbeleg vgl. DWB s.v. lauter. leichtfertig-keit: Schles IV, lx. 'Leichtfertiges Verhalten': "darvmb hat sy sich nach nye mit dS spelindS strefflich vormeget/weder mit den dy do wanderte in leichtfertikeyten/[...]" (B*). lieblich-keit: 5 Belege in VI, VII, auch lx (Oschwäb VI) mit -(h)eit. 'Das, was lieblich ist'. Das Bezeichnete kann recht unterschiedlich sein: so kann das Derivat 'liebliche Unterhaltung' oder wie im folgenden Kontextbeleg vermutlich 'liebliche Züge' benennen: "Je hats denn geschehen dfufen/daß der unholde Tod auf deine Lieblichkeiten ein Auge geworfen" (Thür VII: 196,3). los-heit: Hess I, 2x. 'Freche' oder 'leichtfertige Bemeikung' (BA s. Sch/L s.v. los): "wilt du han daz ewige leben, so were dine zunge von ubele und dine lespen, daz sie inkeine loisheit insprechen." (2,3). lustig-keit: lx in Obs VI.'Lustige Unterhaltung' oder 'Zerstreuung': "der alte redliche Moibanzo/dem sonsten viel Lustigkeit zuwieder/ließ es gleichwohl damahls nicht ermangeln" (Bijv). mißhellig-keit: lx in Rip VII. 'Mißheiligest (BA s. DWB s.v.), d.h. 'stimmungsverschlechterades Vorkommnis': "wöllen von deiner jmmerwehrender sichtbaren Catholischer Kirchen/in der Eynigkeit des Glaubens/welche zwischen anderen Mißhelligkeiten allezeit bleibt/[...]" (18,2). möglich-keit: 2x in Obs III, mit der Formvariante -(h)eit. 'Das, was möglich ist/Gelegenheit': "Du magst das nicht gelassen was moglicheyt du yrn keinez meister gibest. du must die selben moglicheit gote geben an alle masse" (V*,15fi). müd-igkeit: lx in Ofr VII. Okkasionelle Personiiikation des 'Müdeseins': "Doch ist es ohne Scharm&tzel nicht abgangen: in derer einem/Rudolphus, sich einst zutieff unter die Feinde geschwungen/da er/von ihnen umringet/in gefahr seines Lebens stunde/gleichwol aber sich so dapfer wehrte/daß sie wol sahen/wie er sein Leben ihnen theuer genug zuverkauffen gesonnen wSre/und
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sie also/ungeacht sie ihm sein Pferd erstochen/sich nicht wol zu ihm nahen dorften/auser daß sie hofften/die M&digkeit w&rde ihn endlich selber zu platz legen." (Oft VII: 66a,52). muselig-keit: Thür VII, lx. 'Mühselige Umstände': "theils auch mit des gegenwärtigen Leebens M&hseeligkeiten und Elende sein Gem&hte zu besänftigen gesucht" (206,3). neu-igkeit: lx in Oschwäb III mit Formvariante -ikeit. 'Neue Nachricht': "Vit begert von jm wz küst er am maisten v*jehe. vnd sich d* tröstet. Pythagoras gab die antwurt. Er het keiner küst wissen/sund* er wir ein philosophus/ het d' küng noch grösser verwüdern von d* neüekeit des mSns philosophi VR fraget in [...]" (XXVir,17). notdurftig-keit: 4 Belege in I-IV, VI; lx mit der Sonderform -(h)et (Rip III). 'Das, was notdurftig' (Basisbelege in dieser Form im Korpus; vgl. für Rip VI auch DWB s.v.), d.h. 'notwendig ist/notwendige Dinge/notwendiges Zubehör*: "vnd ist durch die gnad Gottes wol begabet/mit Land/leut/herschafflen vß dergleichen notturfftigkeit" (Rip VI:Ciijv). Auch als okkasionelle Personifikation belegt. ndtig-keit: Ohchal VII, lx. 'Das, was nötig' oder 'notwendig ist': "da sie wegen reifferen Uhrtheils weniger Gefahr haben/und Heydnische HSndel undersuchen müssen/die Spracharden Allerthums Gebräuche und andre Nötigkeiten als auß ihrer Quell nutzlich herauß zugraben" (Ohchal VII:49,20). notwendig-keit: 2x in VI und VII. 'Etwas, das notwendig ist': "So verwerffen wir zwar nit alle Ceremonien/allein daß kein Aberglaub/kein nothwendigkeit/kein zwang/kein verdienstlich Werck drauß gemacht" (Mbair VLEvij1). nutzbar-keit: 8 Belege in IV und VII. 'Das, was nützlich ist/Nutzen': "ein Fabel/wenn man sie lesen muß/soll nicht allein keusch seyn/sondern auch ohnlangbare Nutzbarkeiten und Gem&ths=Verbesserung mitbringen" (Ohchal VII:76,4). nutzig-keit: 2x in Rip III und IV mit Suffixform -(h)eit. 'Das, was nützlich ist/Nutzen': "Viss allen dissen vur vnd nae geschreuen punten is gantz clair ind offenbair/dat dye boicher/die historien vnd geschichte der zijt beschrijuen. hauen in sich beslossen eynen groissen schätz vnd nutzicheyt" (Rip III: ΙΙΓ,41). Die Basis läßt sich nur eingrenzen durch Belege bei Lex s.v. nützic und DWB s.v. nutzig, nützig (noch belegt bei Logau, 1654) für 'nützlich'. otmutig-keit: Obs I, lx, mit Suffixvariante -(h)eit. Die personifizierte 'Eigenschaft, demütig zu sein': "Der hochmfit benimet den menschen unsern herren got und sin riche und dikke hie den lip, diz gibt die othm&ticheit alles wider." (26,37). prächtig-keit: lx in Obs VI. 'Das, was prächtig ist': "bey selben Beylager nun unvergessen aller andern Prlchtigkeit/ward auch nicht hindan gesetzt/etliche Ritterliche Spiele anzufangen" (Evv).
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quartierfrei-heit: 1 Beleg in Hess VII. Das 'Recht auf freies Quartier' (vgl. DWB s.v.): "Hiedurch achtete sich der König in Franckreich in der Person seines Ambassadeurs höchlich beleidiget/und das Gesandten Recht in Verletzung seiner Quartier-Freyheit gebrochen/[...J" (33",9). rSudig-keit: Hess III, lx. 'Räudige Stelle am Körper' (BA rudick im Text belegt): "Jtem eyn plaster gemacht von camillen blomen vnd das geleyt vff die rudikeyt oder flecken an dem lybe benympt die behendiglichen" (lxxxiiij,46). recht-igkeit: 4 Belege in Thür I mit Formvariante -ikeit, davon 3x mit Präfix un-, Die Bildung ist eine um die Vorsilbe ge- gekürzte Variante von gerechtigkeit (vgl. DWB s.v.). Die positive Form der Ableitung bezeichnet in dem folgenden Textbeleg, der eine Stelle aus Psalm 34 (bzw. je nach Zählung 35) wiedergibt, das 'strafende und lohnende rechte Handeln Gottes' (vgl. die Erläuterungen unter gerecht-igkeit): "Vrteile mich noch diner rechtikeit" (77,19). Vgl. auch hierzu die Luther-Übersetzung: "HERR, mein Gott, verhilf mir zum Recht nach deiner Gerechtigkeit" (Bibel, AT:568). Die mit un- präfigierten Bildungen bezeichnen das 'unrechte Handeln': "Dine missetete tet ich dir kunt, vfi mine vnrechtikeit voibarg ich nicht." (69,17). redlich-keit: 2x, in IV und V. Die Pluralform bezeichnet die 'Betätigungen redlicher Gesinnung': "wen des heilige weybes man auch selig sey dem sy wol in allen redlichkeyten vndertenig was" (Schles IViBvj*). rein-igkeitf Insgesamt 9 Belege in I, III, V-VII, von denen 8 mit un- negiert sind. Außer -igkeit (4x) sind die Formvarianten -keit (lx), -cheit (2x) und -ikeit (2x) vertreten. Die einzige positive Form der Ableitung ist in Hess I als okkasionelle Personifikation des 'Reinseins' belegt: "Reinkeit minnen" (7,21). 2x in Mbair I und Obs I mit der Formvariante -cheit zur Bezeichnung dessen, 'was unrein ist', d.h. 'Schmutz': "we 6uch die gelich sint den wizen grebern die uzwendich vil schone sin und inwendich voller totenbein und aller unreincheit." (Obs 1:13,36). Der Schmutz wird gelegentlich auch genauer benannt: "Vnd hüt dich das keinerlei wüst oder vnreinikeit von stoub har 61/ oder das kein ander ding dar in kum oder falle" (Eis ΙΙΙ:ΧΧΙΛ,14). Eine weitere Bezugsmöglichkeit ist die 'moralisch unreine Handlung': "Euclides, under dem Schein in Socratis Nacht=Schul zuwandern/ist offi auff der graden Straß nach dem Huren=Hauß ertappt worden. Horatius hat sich mit seinen Ohnreinigkeiten ins Grab gebracht." (Ohchal VII:58,18). schSbig-keit: Ein Beleg in Els VI. Das BA schebig bedeutet 'mit der Schabe (Schäbe) oder Krätze behaftet (vgl. DWB s.v., auch M), so daß die Ableitung der Name für die Hautkrankheit, die 'Krätze', ist: "beissen vnd jucken der Haut/Krätze vnnd schäbigkeit/deren das scharffe cholerische/oder gesaltzne Gebl&tanlaß geben" (13). schidlich-keit: lx in Hess IV mit Formvariante -(h)eit.'Schädliche Einflüsse/Ursachen': "Salbey wein ist güt den geschädigten glidern/vonn dem schlag odder krampff vnd andern schädlicheren" (37v).
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scheinheilig-keit: lx in Schwäb VII. 'Scheinheiliges Verhalten': "Mann solle zwar das böse vnder lassen/vnd das gute thun/nicht vmb Schand vnd Ruhm willen/sonderm weil es Gott der HErr befohlen/sonsten were alles nur ein Scheinheiligkeit" (3V,10). schicklich-keit: 2 Belege in Eis ΙΠ und in Oft IV, davon lx mit un- sowie lx mit Suffixvariante -(h)eit. In Eis III Bezeichnung für die 'schickliche' (zum BA vgl. Abschnitt 1.2.1.4 unter schicldich-keit), d.h. 'den Umständen angemessene Bewegung': "vff das die wund dester e geheilt vnd dester miner gefult würt von dem eytter das selbig mag mä ouch thün/mit dem arm mag mä aber nit eyn schicklicheit thfin das sich dz eyter her vsser setzet." (XXXIV™,3). In Oft IV für das personifizierte Ungeschick': "das sich die vngestalt vnd vnschicklickeyt nit in vnser werck flecht" (Tiijv). schleimig-keit: 2 Belege in IV. 'Schleimige Substanz': "wafi die [...] schleimigkeyt der fisch vereinigt sich gar hart in dem magen." (Hess IV:35r). schmach-heit: 9 Belege in I und III, davon 6x mit Suffixvariante -cheit. 'Verschmähung/Schimpf (für den Basisnachweis vgl Abschnitt 3.1.2.1.4 unter schmach-heit): "ez ist iu und mir gnug offenbar, wie vil wir schänden, schaden und smähait von den kriechen haund geliten" (Oschwäb 1:51,10); "Da die ding offenbar wurden, und der bfllerin die schmachait wee thet." (Schwäb 111:4',6). schmackhaft-igkeit: lx in Schles IV mit Suffixform -ikeit. Die Bildung bezeichnet hier 'das, was schmackhaft ist', also eine "Leckerei': "vil mit dem gomme yres mundes kostete den schmack seyner wondersamen süssen schmackhaffiikeyth" (Eij™). schön-heit: 14 Belege in IV, VI, VII. 'Etwas, das schön ist'; von Personen und Gegenständen. Im folgenden Kontextbeleg sowohl im Singular als auch im gelegentlich verwendeten Plural: "Aus dem seeligen Anblikke der Schönheit aller Schönheiten/der Göttlichen hoch=heiligen MajestSt." (Thür VII: 175,9). schuldig-keit: 2x in Obs VII. 'Das, was man schuldig ist', d.h. 'wozu man sich verpflichtet fühlt': "Ach Mutter/ihr habt mich zu aller Tugend auferzogen; Verhindert mich an dieser letzten Schuldigkeit nicht." (89,7). schwach-heit: 3x in Vi, VII. 'Schwacher Punkt/Fehler', v.a. charakterlicher Art, auch mit Pluralmarkierung: "Meine Seel preyse den Herrn/vnnd vergiß nit aller seiner Vergeltungen: welcher vber alle deine Missethaten versöhnet wird/welcher alle deine Schwacheiten heilet" (Rip VII:31,14). selbständig-keit: lx in Schles VI. Die 'selbständige Natur': "da der Sohn das ebenbildt der selbstendigkeit Gottes genennt wirdt." (325). selig-keit: 9 Belege in III-V, VII. Das Derivat wird im wesentlichen mit zwei Bezeichnungsfunktionen verwendet: 1. zur Bezeichnung eines 'seligen Glücksgefühls': "Achten für die höchst seligkeit/der ding zü mangle die einich leyd dem dörfftigen mögen züf&gen" (Schwäb IV:xivy); 2. als Be-
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Zeichnung der personifizierten Vollendung im Reich Gottes (vgl. DudenDUW s.v.), in dieser Funktion oft in Verbindung mit dem Adjektiv ewig: "thu ym auff dy thur der ewigen selikait" (Ofr 111:183,6). Daneben dient die Bildung einmal dazu, ebenfalls in religiösem Kontext ein 'seliges Reich' zu benennen: "so könne ouch den selben menschen Gott nit in die sSligkeit nemen" (Ohchal IV:Cvij'). selten-heit: 2x in Obs VI. 'Etwas, das selten vorkommt': "und was die Götter jhres gleichen Himlischen Schönheiten und Gemfithern ertheilen/muß vor eine seltzame Seltenheit gehalten werden." (Cvjv). seltsam-keit: Schles IV, lx; mit Suffix -heit. 'Etwas, das fremdartig ist/ fremdartige Erscheinung': "als her sy am lebenn/wunderlich mit sunderlichem forteyle der heylickeyt hot der hoeth/Alßo hath her sy auch am tode myt auswendigen geczirden/vnd der wonderwercke seltzamheit hoch derhaben" (ΑνΛ). sicher-heit: 8 Belege in I-IV, VI, VII. 'Etwas, das sicher ist'; hier: 'sichere Zusage/Versicherung': "vnd wie grossä wunder got mit im tfitt das er im selber sölle ain sicherhait geben die wil lib vnd sei by enander ist" (Schwäb I. 110r,25). sinnlich-keit: lx in Els I mit Suffixform -(h)eit. Die 'Sinne' (ein BA sinnelichen ist in näherer Umgebung der Ableitung belegt): "vnd dise gedenke flvssent alle durch mine sinnelicheit in bildericher vernvnft" (23,25). streitig-keit: 5 Belege nur in VII. "Welches die gewöhnlichsten Ursachen aller innerlichen Kriege und Streitigkeiten seynd." (Hess VII:44b,17). streng-heit: lx in Oschwäb III. 'Strenge Lebensweise': "Ktinig jch sag dir/ dz jch vmain das dz leben d' menschen geleich sey einer versamlüg des volcks zö den freüden spilen/die dann zfi prScht des ganczS kriechenland gehalten werden, darzü die menschen auß gesünderten begirden kamen. Etlich auß gethaner strenckheit die ere zfl erlangen/[...]" (XXVHIr,2). sQO-igkeit: 8 Belege in III, IV, VII, davon 3x mit Suffixvariante -ikeit. Bezeichnung für 'etwas, das süß ist', allerdings kein einziges Mal wie nhd. für 'Bonbons1 oder *Pralinen'. Es handelt sich stets um einen oft nicht näher definierten Stoff oder 'Gegenstand, der süß ist': "Das wein missig vn ordenlich getrunckhs/ nymbt dem gemüet alle bitterkait/vü verwandelt es zu s&ssigkait." (Mbair IV:Bivy). Auch eine übertragene Verwendung ist möglich: "vff das dy heylige frawe sant hedwick dy sussikeyth/Dy yr gott schanckte vnnd sy also gewonet was czu kostenn [...]" (Schles IV.Ev*). tapfer-keit: 2x in VII. Nur in personifizierter Form: "Es scheinet/als wenn diese Tapfferkeit mit keinem geringen Lohne werde zufrieden seyn." (Obs VII: 136,18). tollkun-heit: lx in Els VII. Personifizierte Form der 'Eigenschaft, tollkühn zu sein' (S verzeichnet das BA tollkSn s.v.): "Der Kiefer düncket sich auch
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eines bessern Namens werth seyn vnnd nennet sich deßwegen [...] Der Stallknecht träumet sich einen Stallmeister; [...] Dollkühnheit Dapfferkeit." (45,5). träg-heit: Obs VI, lx. 'Träges Verhalten': "Gleich Augenblicks entschlösse sich Corimbo/dieses Hauß zubesehen/damit jhm nicht etwan diß vor eine Trägheit könte beygemessen werden/wann er dieses unbesichtiget liesse." (Bviif). traurig-keit: lx in Oschwäb IV. Okkasionelle Personifikation des Traurigseins': "ain gewiße sach ist/das die traurigkait gedancken gebirdt" (Oviif). trübselig-keit: 2x in III und VII. 'Trübselige Stimmung': "so hat nichts desto weniger der liebreiche GOtt auf vnderschidliche Weg sein Gegenwart anzeigen wollen/dardurch vns Menschen anzureitzen/vnser Zuflucht in vnsera Nöthen/Angst vnd Trfibseeligkeiten bey ihm zu suchen" (Oschwäb VII: 17,16). Auch als Personifikation belegt. tumkfin-heit: lx in Hess VII. 'Dummdreiste Stimmung' (BA s. DWB s.v. dummkühn): "ES hatte König Sebastian in Portugal auß einer jugendlichen Tumkfihnheit einen gantz unbedachtsamen Krieg wider den König zu Fez und Marocco in Africa angefangen." (37b,5). übereinzig-keit: lx in Hess I. 'Das, was überflüssig ist' (BA übereinzic s. Lex s.v.); hier: 'überflüssiger Anspruch': "und selbe die sichen sollen myrken daz man in dienet durch godes ere, und insollen die sustere die in dinent nit besweren mit keiner uberenzikeide" (20,21). überflussig-keit: 19 Belege in III, IV, VI. Bezeichnung für 'das, was überflüssig ist'. In den Korpustexten wird das Derivat stets in bezug auf Stoffe, sowohl fester als auch flüssiger Natur, im menschlichen Körper gebraucht: "Du solt auch haben zwü scheren da mit zfi schnidenn etliche vberflüssikeit der hut oder des fleisches." (Eis IILXDC»; "Die außtreibung der überflüssigkeyt oder feuchte" (Hess IV:40V). Syntaktisch wird die Ableitung oft mit einem partitiven Genitiv107 eingebunden; vgl. bereits den eis. Kontextbeleg sowie: "Vfi von solcher vberfl&ssigkeit des grossen gewissers wirt das erdtreich also mit grossen dunsten vmgeben" (Obs IV:Aiiij*). unbesonnen-heit: lx in Obs VI. 'Unbesonnenes Verhalten': "damit sie mir mein Stillschweigen hernachmahls nicht etwan vor eine grobe Vnbesonnenheit zumessen möchte" (Cijv). ungelegen-heit: 13 Belege in VI und VII. 'Etwas, das ungelegen ist', d.h. 'Mühe' oder 'Schwierigkeiten macht': "Dann den Saurbrunnen zu löschung deß Durst/oder zum lust in geringer Mensur trincken/oder sich vnterweilen darinn abwaschen/wfird verhoffentlich Schwangern Weibern keine gefahr/ oder vngelegenheit machen." (Eis VI:31). Die Bildung steht öfter in Kombination mit Verben des Veranlassene wie machen, erwecken oder zufügen. In
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Zum 'genitivus partitivus' vgl. Schröbler 1975:286f sowie Bußmann 2 1990 s.v. Genitiv.
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D' e Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
den frnd. Texten ist das Derivat stets im Singular belegt; nhd. ist jedoch (laut Duden-DUW 2 1989 s.v.) meist die Pluralform üblich. ungleich-heit: 1 Beleg in Ofr IV. 'Etwas, das ungleich ist'; hier: 'ungleiche Teile beim Zeichnen': "Doch soltu keyn ding gar zu lang/kurtz/[...]machen/ vnnd on zweyffel bistu geschickt/so magstu durch dise ob beschrybne ding wunderbarlich verenderung der gestalt machen/vn grosse vngleycheyt gegSeinander fflrn" (Tij1). unhöfisch-keit: lx in Thür III mit Suffixvariante -(h)eit. 'Unhöfliches, unangemessenes Verhalten' (BA unhövesch s. Lex s.v.): "Dorumbe sso clagitte das Yason unde Hercules allen yren fnmden, konigen fursten unde herren, die umbe sie gesessen waren, unde boten sie umb hulffe, das sie die unhobischeit unde hochfarte, alsso Hercules gesprochen hette, an dem konige von Troyan gerechen mochten" (33,13). unlauter-heit: Ofr III, lx. 'Unlautere Tat': "Daz solten mercken, dy etwan raten vnlauterhait zw thun" (172,4). unriibig-keit: lx in Schwäb VI. Die Basis ist im Text belegt: "wegen meiner vnruebigen Ambttsgeschefit" (3); gleichwohl bereitet die Interpretation des Derivats Schwierigkeiten. Vermutlich bezeichnet die Bildung im folgenden Kontext die 'unruhigen Verhältnisse': "Die vnRüebigkaytt des landes Zu Gouerniren, dahin gesötzt worden" (11). unsauber-keit: 8 Belege in I, IV, VI, auch lx mit Formvariante -ikeit. 'Das, was unsauber ist/Schmutz': "du wilt ain notturft von dir werfen wan wissest zegelicher wis als des libes vnsuberkait wirt abgeweschen mit wasser das er schön wirt" (Schwäb I:100r,6); "zv dem Vierde mal daz man in seinem wazzer vnsubrikeit vindet gewahsen" (Ofr I:XIV 8 ,30). unsinnig-keit: lx in Oschwäb IV. 'Unsinnige Lage': "so magstu der vnsynnigkait villeicht gar dem tod nit entrinne" (Diijv). üppig-keit: 2 Belege im Ohchal VI und VII. 'Das, was üppig ist'. Einmal als Bezeichnung für üppige, d.h. 'übertriebene Beschreibungen' in der Literatur: "Hier wurde nicht geleugnet/daß solche Authores manchmal die Üppigkeiten verdammen/und 6bel ausschlägig vormahlen/worauß man dann ihre ernste Meinung erkennen soll." (Ohchal VII:56,14); zum anderen als Bezeichnung für eine üppige Lebensweise: "großer mfitwill vnnd Üppigkeit in selbigen landen [...]/gefibt ward" (Ohchal VI:3r). versiumlich-keit: lx in Schles IV. 'Etwas, das man nicht hätte versäumen dürfen/Versäumnis' (BA s. DWB s.v. versäumlich): "Auch czu czeytten geschähe es der heyligen frawen durch eynn vorgessenheyt ader vorseumlichkeyt/[...]" (Div*). vertraulich-keit: 5 Belege nur in VII. 'Vertrauliches Verhältnis': "Aber wo es mir zugelassen ist/werde ich so kfihne seyn/einigen Vorschlag zu thun/wie unsere Vertrauligkeit auf viel Jahre könne fortgesetzet werden." (Obs VII: 140,23).
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vorsichtig-keit: 2x in III und VI. Zum einen als Personifikation des 'Vor· sichtigseins', vermutlich im Sinne von 'Verständigsein': "Du solt nit bald reden/dann es endecket torheit. Hab lid) fürsichtikeit." (Oschwäb IILXV.M); zum anderen als Bezeichnung für 'umsichtiges Verhalten': "mit was Ffirsichtigkeit ein ding anzugreiffen sey" (Thür VI:4). vortrefflich-keit: 5 Belege nur in VII. 'Vortreffliche Eigenschaft': "alle drei iezt eröffneten Felder erfüllet Er mit solcher Zufriedenheit/daß wir uns seiner hohen Vortrefflichkeiten verwundern mfissen." (Thür VII:283,9). Häufiger im Plural belegt. wacker-heit: lx in Els VII mit Suffixvariante -keit.m Okkasionelle Personifikation der 'Eigenschaft, wacker zu sein': "Der Kieffer düncket sich auch eines bessern Namens werth seyn vnnd nennet sich deßwegen [...]. Der Stallknecht träumet sich einen Stallmeister; [...]; Die Boßheit Wackerkeit" (45,4). war-heit: Mit 200 Belegen ist dies die weitaus häufigste, in allen Zeiträumen mit wechselnden Frequenzen belegte Bildung unter den Ornativa. Sx ist die Negierung mit un- belegt. Bezeichnet wird 'das, was wahr ist', d.h. der 'wahre Sachverhalt' oder 'Tatbestand'. Da es in den Kontextbelegen häufig um die Äußerung, das Erinnern oder Wissen bzw. Nichtwissen desselben geht, treten Verbindungen mit entsprechenden Verben oft auf: "die Warheit zu reden" (Mbair VII:GE21,13); "Die warheit zu sagen" (Rip VI:DV); "sich der warhait zu erindern" (Mbair V: Djv,5); "die warhait nicht wissen" (Mbair III: 12,18). Zahlreich sind die okkasionellen Personifikationen, in denen die Ableitung erscheint, z.B.: "dieweil sie nit neben der Warheit hinumb spatzieren kan" (Mbair VI:Ciiijv). wässerig-keit: lx in Hess IV. Wässerige Substanz': "wafl die materi des saltz ist wSsserigkeyt" (38v). weich-heit: lx in Schles IV mit Formvariante -ikeit. Bezeichnung für 'etwas, das weich ist': "in dem si doch nicht suchte den preyß/der werlt nach czirheyt des leibes noch irkeine weichikeyt" (ΒνΛ). weis-heit: 64 Belege in I-VII, davon lx mit un-, 'Das, was weise isUweise Erkenntnis/Lehre': "weil viel vnd mancherley Bficher sind/[...]/die von fireyen K&nsten vnd natfirlichen Dingen vnd Weisheit handeln" (Thür VI:5). Im religiösen Bereich auch verwendet zur Bezeichnung der Bibel: "das Buch der Weisheit" (Thür VI: 9). Gelegentlich wird die Bildung auch als Titel gebraucht, im folgenden Kontextbeleg in der Anrede: "daz iur weisshait woll waizz, von vil Sachen, die ich iu vor gesagt han." (Oschwäb 1:49,25). Besonders in religiösen Kontexten wird das Derivat personifiziert gebraucht: "da die Weißheit/daß ist/der Sohn Gottes/ [...]/also sagt:[...]" (Schles VI:321). Das einzige Kompositum, Gottesweisheit, stammt ebenfalls aus dem sakralen Be-
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DWB s.v. bezeichnet die Formvariante -keit in dieser Ableitung als seltene Nebenform zu -heil.
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keil, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
reich: "also tflt der wise mensche: swenne er gelernet die gotes wisheit, er heldet sie lange in sinem herzem" (Obs 1:3,10). weitlSufig-keit: Thür VII, lx. 'Weitläufiges Reden, Schreiben" etc.: "Er trägt so wohl in Schriften/als m&ndlichen Unterweisungen das/was er vortrügt/in genauen und sehr scheinbahren Abtheilungen vor/also/dafl die allerdunkelste Sache auch von den langsamsten ergriffen/und nunmehro vor ein bekanntes Spiel geachtet werden darf. Zu dem ist ihm ein grauender Ekel alle übrige Weitläufigkeit/ und eine Freude" (293,13). weltweis-heit: 2x in VI und VII. Die 'weisen Lehren der Welt' (BA weltweise s. DWB s.v.): "Es sinket aber demselben frühzeitig zu Gem&hte/daß ohne der Obern Facultlten Beitrag die Weltweisheit selten glfikklich gelehret wird" (Thür VII:288,8). wenig-keit: 3 Belege in VI, VII. Selbstbezeichnung einer Person, die ihren geringen Wert (wenig) mittels eines Bescheidenheitstopos zu Ausdruck bringen will; £rnhd. nicht scherzhaft gebraucht:109 "Ach mein Patron/ich erfreue mich/daß sich iemand über meine Wenigkeit erfreuen will. Gel. Vornehme Leute haben mehr als diese geringe Aufwartung verdienet." (Obs VII: 116,2). wesenlich-keit: lx in Hess IV mit Suffixform -(h)eit. Das 'Wesen/physische Erscheinung': "bringets dem leib/vernunffi vnd allen leblichen geysten vnd weßlicheyt des menschen/grossen abbruch vnd schwechung." (31). widerwärtig-keit: 26 Belege in I-VII. 'Widerwärtige Situation': "Sie seind in anhaimische inlenndische schwäry widerwertigkait kommen." (Els IV: XIX"). widrig-keit: lx in Rip VII. 'Das, was widrig' im Sinne von 'gegensätzlich ist'. Die Pluralbildung bezeichnet im Kontext 'gegensätzliche Ansichten': "Es haben auch die Wiedersacher solchen vnderscheidt auß Gottes Wort nie dar gethan/ob schon bekannt ist/daß etliche Glaubens Lehren mehr können verschwiegen pleiben/als die andere. Es gehet eben so wenig ab/daß sie alle mit jhren Widrigkeiten den Vorsprung aufif die Zeiten der Aposteln thun wollen" (16,20).
won-heit: lx in Obs I; BA won nach Lex s.v. Laut DWB s.v. die nicht präfigierte Nebenform zu gewonheit. Die 'Gewohnheit': "swenne der mensche aller erst in die sunde körnet, so mochte man sie vil lichte zubrechen als ein gewebe der spinnen; dar nach so wirt sie stark als ein reif, daz kflmt von der wonheit" (17,23). würdig-keit: 8 Belege in I, IV und VI, auch mit Formvariante -(h)eit (Obs I). 'Würdige Stellung/hohes Ansehen': "die priester seind in d* gr6st5 würdigkeit/darnach die Radtsweisen" (Schwäb IV:vij·).
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Vgl. dagegen für das Nhd. Duden-DUW 21989 s.v.: Der Gebrauch der Kombination meine Wenigkeit wird dort als "(scherzh., in scheinbarer Bescheidenheit; ich)" beschrieben.
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zerbrfichlich-keit: lx in Ohchal IV. 'Das, was zerbrüchlich' (BA s. Μ s.v.), d.h. 'sterblich ist': "Es wirt aber vß allen disen kundtschafften vermercket das vnser lyb in die erden geseyt wirdt/das er in der zQkunflt Christi mit schöner zierd herfür wachsen/widerumb zfl der seel gethon vnd aller zeibrüchligkeit entlediget werde." (Diijv). zerstörlich-keit: lx in Mbair IV fur 'das, was zerstörlich' (vgl. das BA bei Μ s.v. zerbrüchlich), d.h. Verderblich ist': "der most von wolzeytigen trawben/die von aller zerstörlichkait gerainiget seind" (C). ziemlich-keit: Schles IV, lx. Oas, was ziemlich', d.h. 'gehörig' oder 'angemessen ist': "Jn das bette welches yr nach fürstlicher czymlichkeyt bestalt warth" (Ε"). zierlich-keit: 4 Belege in III und VII, davon 2x mit Suffixvariante -(h)eit. Die Bildung bezeichnet zum einen die zierliche, d.h. 'schmückende Eigenschaft': "Ja ie mehr und unterschiedlicher die Blumen sein/ie hefftiger reizt der Krug die Lust der Schauenden/ie höher werden auch seine Zierlichkeiten geschSzzet." (Thür VII:271,14). In dieser Bezeichnungsfunktion tritt das Derivat zweimal im Plural auf. Außerdem steht die Ableitung jedoch noch für den Schmuck selbst: "Vnd also gelernet/dz zyerlicheyt d* weyber sey die schäm vnd nitt die klaider." (Oschwäb III:XXVir,4). zwieträchtig-keit: lx in Obs IV. 'Unharmonisches (zwieträchtiges) Verhältnis': "Welcher zweyer influentz vndter den planeten die allerboßhafitigest ist/wirt sich berfimen in allen bfibereyen/Wirt in hoffart/neyd/haß/zwitrechtikeit/[...] leben" (Aiiijv). 3.1.3.2 Bezeichnungen für das Subjekt einer partizipialen Prädikation: Nomina ornativa mit BV(Part. Ii/Part. I) (DW2: Abschnitt 5.5.) 3.1.3.2.1 Definition Von den Nomina ornativa mit Basisadjektiv werden die von partizipialen Basen abgeleiteten sekundären Bezeichnungen für Sachen oder Personen hier zum einen aus systematischen Gründen (Abhängigkeit der Funktionsklasse von der Basiswortart) getrennt; es ermöglicht überdies einen genaueren Vergleich, inwieweit Bildungen mit partizipialen Basen außer abstrakt auch in einer erweiterten Funktion genutzt werden. Außerdem ist auch die Bezeichnungsfunktion der partizipialen Nomina ornativa etwas anders gelagert als bei den deadjektivischen Prägungen: vermutlich auf Grund der verbalen Basis bezeichnen sie kaum Gegenstände oder Personen, sondern vielmehr Handlungen, Ereignisse u.ä. (s.u.). Die Bildungen sind nach dem folgenden Muster umzuformen: vermessenheit -> 'eine vermessene Tat/Handlung, die vermessen ist'
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
Hinsichtlich der Modalitäten fiir die Transformation gelten prinzipiell dieselben Bedingungen wie für die deadjektivischen Nomina ornativa mit der oben bereits genannten Einschränkung, daß es nicht immer wie beim oben angeführten Beispiel vermessenheit möglich ist, die Bildung im ersten Schritt in eine Nominalgnippe aus Substantiv + als Attribut verwendetes BA umzuformen (vgl. hierzu Abschnitt 3.1.3). Als Basen der sekundären Prägungen werden noch seltener erste Partizipien verwendet als bei den Abstraktbildungen. Die verbalen Basen sind, bis auf eine Ausnahme (wolredenheit, Part. I), zweite Partizipien und werden wie die Abstraktbildungen in erster Linie zu transitiven 2-wertigen Basen (erfarenhe it, Vergessenheit, Verschwiegenheit, Verworfenheit) sowie zu reflexiven 1-
und 2-wertigen Basen (begebenheit, gewonheit, vermessenheit) und schließlich auch zu intransitiven Basen (Angelegenheit, gelegenheit) gebildet. Die Funktionserweiterung bei den Nomina ornativa mit Partizip äußert sich darin, daß sie fast ausschließlich Ereignisse, Anlässe, Umstände oder Handlungen, also Dinge, die sich aus ihrer verbalen Basis ergeben, bezeichnen. Es sind nur zwei Sachbezeichnungen im engeren Sinne belegt: erfarenheit für 'Erfahrungen' und Verworfenheit für 'etw. Verabscheuungswürdiges'. Eine einzige okkasionelle Personenbezeichnung liegt vor, Verschwiegenheit, eine Bildung, die nach Art einer Personifikation gebraucht wird (s.u. 'Belegte Lexeme'). Auch die bei den deadjektivischen Nomina ornativa so häufig genutzte Möglichkeit, durch eine Bezeichnungsverschiebung in Form einer Personifikation Eigenschaften zu vergegenständlichen, wird nur einmal verwendet bei einer Bildung mit einer Basis in Form eines ersten Partizips, wolredenheit.
3.1.3.2.2 Frequenz Die Texte des Korpus Frnhd. weisen als Nomina ornativa mit BV(Part II) 9 Lexeme in 123 Belegen aus, die sich folgendermaßen auf die einzelnen Zeitabschnitte verteilen:
I III IV V VI · VII Gesamt
Lexeme Belege 1 1 -
3 3 4 5 9
•
-
30 17 27 48 123
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
215
Hinzu kommt noch in Zeitraum VII eine einmal belegte Bildung mit einem ersten Partizip als Basis. Die Übersicht macht erstens deutlich, daß die Möglichkeit, sekundäre Prägungen mit partizipialer Basis zu bilden, zu Beginn der frnhd. Periode nur in sehr geringem Umfang besteht (in I nur 1 Lexem/1 Beleg, in III kein Beleg), während der abstrakte Ableitungstyp in dieser Zeit bereits mit mehreren Bildungen vertreten ist (I: 6 Lexeme/13 Belege; III: 8 Lexeme/29 Belege). Zweitens zeigt ein Blick auf die weitere Entwicklung jedoch, daß die Anzahl der Bildungen mit erweiterter Bezeichnungsfiinktion im Verlaufe des Frnhd. kontinuierlich zugenommen hat bei insgesamt gestiegener Nutzungshäufigkeit, die in Zeitraum VII mit 48 Belegen verteilt auf 5 Lexeme ihren Höhepunkt erreicht. Die Betrachtung der Gesamt-Belegzahlen für das Frnhd. läßt die hohe Gebrauchsfrequenz der Nomina ornativa mit Partizip noch augenfälliger werden: obgleich die Anzahl der Abstraktbildungen nach Lexemen um ca. ein Drittel höher liegt als die der Nomina ornativa (16 vs. 9), ist die Anzahl der Belege fast identisch (125 vs. 123), d.h., die insgesamt weniger vorhandenen sekundären Prägungen werden wesentlich häufiger gebraucht. Diese Erscheinung wird bei einem genaueren Blick auf die einzelnen Bildungen verständlich. Es sind v.a. zwei Ableitungen, gelegenheit und gewonheit, die mit jeweils 59 bzw. 52 Belegen fast 90 % der Gesamtbelegzahl ausmachen, wobei fur die Bildung gelegenheit eine besonders starke Belegung in den Zeiträumen VI (22 Belege) und VII (31 Belege) festzustellen ist. Beide Derivate werden vermutlich deshalb so häufig genutzt, weil sie vielfältig einsetzbar sind. Als usuelle Bildungen haben sich die beiden Ableitungen, wie auch angelegenheit, begebenheit und vermessenheit, bis ins Nhd. gehalten. Die genannten Derivate sind auch gleichzeitig am häufigsten belegt (ausgenommen vermessenheit mit nur einem Beleg), während die übrigen okkasionellen Nomina ornativa nur je einmal vertreten sind. Der Vergleich mit DW2 zeigt, daß das Muster zum Nhd. hin noch beträchtlich ausgebaut worden ist; im CG sind 19 Ableitungen aus zweiten Partizipien belegt, die allerdings auch dort den kleineren Teil der Nomina ornativa stellen. Der eigentliche Zuwachs an sekundären Prägungen mit partizipialer Basis fällt jedoch offensichtlich in die Zeit nach 1800, denn bei Adelung sind nach DW2 lediglich 7 Bildungen bezeugt (vgl. DW2: ebd.), eine Entwicklung, die im übrigen parallel zu den partizipialen Abstraktbildungen verläuft. 1 110
111
Vgl. DW2:323, Obersicht. Oberle macht auf Gmnd der Koipusstiuktur ihrer Arbeit (WöitefbOcher) keine Häufigkeitsangaben. Vgl. Abschnitt 3.1.3.1.1 sowie 3.1.3.1.2. Vgl. DW2:259, Obersicht. Dort werden bei Adelung 46 partizipiale Abstraktbildungen, für das CG jedoch 184 nachgewiesen.
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3.1.3.2.3 Bildungsweise Anders als bei den Nomina qualitatis mit Partizip wird die überwiegende Anzahl der Basen der Nomina ornativa auch im Nhd. noch zur Ableitung verwendet. Lediglich die Basen von Verworfenheit und wolredenheit sind nhd. nicht mehr üblich. Die Nomina ornativa mit partizipialer Basis werden ausnahmslos mit -heit abgeleitet. Formenkonkurrenzen mit den Varianten von -heit treten nicht auf, weil die Bildungsweise hauptsächlich seit dem 16. Jh. zunehmend gebräuchlich ist und damit in eine Zeit fällt, in der die Distribution nach Basiswortarten auf die noch vorhandenen Varianten festliegt. Konkurrierende Bildungen mit -ida bzw. -Ϊ treten ebenfalls nicht auf, da diese Suffixe schwerpunktmäßig andere Basiswortarten ableiten. 3.1.3.2.4 Belegte Lexeme a) Part. II angelegen-heit: 2 Belege in VI und VII. 'Das, was angelegen ist/Sache, Problem': "Als nun endlich die Fürsten auf den Pfaltzgraven drungen/und ihm nicht linger verschub geben wolten: träte er auf/widerholte kfirtzlich die gegenwärtige des Reichs Angelegenheiten/denen nach nohtdurft vorzustehen/er keinen tfichtigern w6ste/als [...]" (Ofr VII:80a,7). begeben-heit: 5 Belege nur in VII. 'Das, was sich begeben hat/Ereignis'; ausschließlich im Plural und stets in Kombination mit einer Präposition sowie einem Begleiter (Adjektiv oder Indefinitpronomen) verwendet: "und allerseits nachgegeben die ROMANS wSren erdichtete Historien/von underschidlichen wundersamen Begebenheiten und ZufShlen der verliebten/in loser Rede geschriben." (Ohchal VII: 15,16). erfaren-heit: lx in Thür VII. 'Das, was jmd. erfahren hat/Erfahrungen': "und ist nicht allein von Herzen begierig/alle seine Wissenschaft und Erfahrenheit/ohne Unterschlagung einzigen Vortheils denen Bed&rfenden mit zu theilen" (276,15). Die Bezeichnungsverschiebung wird zum einen ersichtlich aus der Paarung mit Wissenschaft, hier einer Bezeichnung für das 'gesammelte Wissen, über das jmd. verfügt', und zum anderen aus der Verbindung mit dem Verb mitteilen, das sich auch auf Erfahrenheit bezieht und ein Konkretum als Objekt erfordert. gelegen-heit: 59 Belege in IV-VII. Die Bildung tritt mit Schwerpunkt in Zeitraum VI (22 Belege) und in Zeitraum VII (31 Belege) auf. Die Ableitung bezeichnet wie im Nhd. 'das, was jmdm. gelegen ist', d.h. den 'günstigen Augenblick' oder den 'Anlaß' (vgl. Duden-DUW s.v.). Am häufigsten ist die Bezeichnung für den 'günstigen Augenblick', erkennbar an der Kombination mit Adjektiven wie gut und groß: "allain mueß es mit guetter gelegenheit beschehen" (Oschwäb VI:41); "dann diese Red gibt grosse gelegenheit daß man an haltung der Gebotten verzweiffeie" (Rip VII:36,30). Daneben jedoch auch
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -J
217
häufig für den 'Anlaß': "Nun wollen wir weiter fahren/vnd vermercken was f&r gelegenheit gewesen/das dieses Landt zum Christlichen Glauben/ [...]/endtlich gebracht worden." (Norddt VI: 18). Charakteristisch fur die Bezeichnungsfunktion der Bildung sind immer wieder gleiche syntaktische Einbettungen wie z.B. bei/mit (guter) Gelegenheit, was etw. flir eine Gelegenheit hat, um etw. eine Gelegenheit haben. gewon-heit: 52 Belege in IV-VII. Das Gros der Belege ist für Zeitraum IV zu verzeichnen (28 Belege). Die Bezeichnung für 'das, was jmd. gewohnt ist1, wird meistens mit der Präposition nach sowie einem begleitenden Personalpronomen bzw. einer Genitivergänzung kombiniert, die das Bezugsobjekt benennen: "Auff sein deß Herren begeren traten wir hinzfi/theten jhm sein gebürliche Reuerentz/ nach jrer gewohnheit/vns mit dem haupt vnd gantzen leib fur sich naigende/vnd die rechte hand auff der brüst haltendt" (Schwäb V: 20,2); "SeinS sun hat er nach gewonheit der ChananeischS mit dem fettr angezünt" (Els IV: VIF). vergessen-heit: lx in Schles IV. 'Etwas, das jmd. vergessen hat': "Auch czu czeytten geschähe es der heyligen frawen durch eynn vorgessenheyt ader vorseumlichkeyt/das [...J" (Div*). vermessen-heit: lx in Oschwäb V. Vermessene Tat/Handlung': "Ein grosse vermessenhait zwar were es/in so tieffem Gehaimnuß/vnd souil hochgelerter leüten zwyspalt/sich selbs zfl ainem Richter oder Schidmafi setzen." (41v,10). verschwiegen-heit: Obs VI, lx. Okkasionelle Personifikation der 'Eigenschaft, verschwiegen zu sein': "Aber/sagte Caelinda: darff meine Verschwiegenheit solches wohl erfahren" (Eiiij1). verworfen-heit: lx in Thür I. 'Das, was verworfen ist1 (die Basis ist im Text als vorwerfen belegt), d.h. Verabscheut wird': "Ich ben abir eyn worm vfi keyn mensche, ein edurz der lute vii eyn vorworfenheit dez volkes." (43,22). b) Part. I wolreden-heit: Els VII, lx. Okkasionelle Personifikation der 'Eigenschaft, wohlredend zu sein' (Basis wohlredend s. DWB s.v., dort allerdings als Adj. eingestuft): "Die Liebe stihlet ja mit den Augen, die Wohlredenheit mit dem Mund, der Musicant mit der Stimm vnd Fingern, das Hertz die Sinne, die Ohren." (25,6). 3.1.4 Bezeichnungen für das Objekt der substantivischen Prädikation: Nomina ornativa mit BS 3.1.4.1 Definition Primäre Substantivabstrakta können im Zuge einer Funktionserweiterung zur Bezeichnung von a) Handlungen oder Taten sowie b) Personen dienen.
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
a) torheit 'das, was ein Tor tut' b) gottheit'das, was Gott genannt wird' Die Bezeichnungsverschiebung erfolgt in Richtung auf das Objekt der zugrundeliegenden Prädikation, in a) erkennbar an der Tun-Prädikation, bei der das BS das Subjekt ist und das Pro-Element das stellvertretend für das Suffix die Bezeichnung eines Nomen ornativum als Objekt anzeigt, in b) verdeutlicht durch die passivische Satzkonstruktion, in der ebenfalls das BS die Subjektposition einnimmt, während das Objekt durch das Pronomen 'das' bezeichnet wird. Die Bezeichnungsklasse der desubstantivischen Nomina ornativa ist in DW2 nicht aufgenommen, obgleich auch im Nhd., wie Oberle anhand ihres Materials belegt (vgl. Oberle 1990:316f), Handlungsbezeichnungen wie narrheit, schalkheit, torheit sowie gottheit als Bezeichnung für 'Wesen, das Gott genannt wird' üblich sind. Als Erkennungszeichen für die oben beschriebene Bezeichnungsverschiebung sind im wesentlichen wie für die deadjektivischen Sach- und Personenbezeichnungen die Veibindung mit dem unbestimmten Artikel oder auch einem Demonstrativpronomen sowie der Gebrauch der Bildung im Plural zu nennen. Daneben kann auch die Kombination mit Verben, die ein Handlungsobjekt erfordern, Indiz sein für den erweiterten Gebrauch, z.B. 'eine mannheit begehen' für 'eine mannhafte Tat begehen' (Kontextbeleg s. Abschnitt 3.1.3.3.4). Besonders hinsichtlich des Derivats gottheit ist der lexikalische Kontext zur Klassifizierung heranzuziehen, beispielsweise bei der Formulierung "von der anesichte der gotheide" (s.u. Abschnitt 3.1.3.3.4), die im Kontext sowohl als 'Anblick der Gottheit' als auch als 'Angesicht der Gottheit' verstanden werden kann, was jedoch an der Einordnung als Nomen ornativum nichts ändert. 3.1.4.2 Frequenz Desubstantivische Nomina ornativa liegen im Korpus Frnhd. mit 6 Lexemen in 43 Belegen vor, die relativ gleichmäßig über den belegten Zeitraum hinweg verteilt sind, wie die folgende Übersicht zeigt:
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit,
I III IV V VI VII Gesamt
-ida, -i
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Lexeme Belege 4 10 2 6 3 6 3 7 3 6 3 8 6 43
Zwei Bildungen heben sich mit einer besonders hohen Gebrauchshäufigkeit ab: gottheit (19 Belege) und torheit (15 Belege), die zusammen mehr als 75% der Belege stellen. Beide Derivate sind auch im Nhd. in den unten beschriebenen Bezeichnungsfunktionen erhalten, wie im übrigen auch narrheit und schalkheit (vgl. Oberle 1990:316f). Ausgeschieden aus dieser Nische sind zum Nhd. hin mannheit (nur noch "gehoben veraltet 'das Mannsein, Männlichkeit und die Tugenden derselben'", Oberle 1990:316) sowie menschheit (nur noch als Kollektivum 'Gesamtheit der Menschen'; vgl. DW2:Abschnitt 3.5.16.). Eine Bindung an eine bestimmte Textsorte ist nicht festzustellen; es ist lediglich bei zwei Ableitungen, gottheit und menschheit ('menschliche Gestalt'), zu beobachten, daß sie bevorzugt in religiösen Kontexten und in diesem Zusammenhang häufiger in erbaulichen Texten verwendet werden. 3.1.4.3 Bildungsweise Da -heit von den hier untersuchten Suffixen das einzige Derivationsmorphem für die Ableitung von Substantiven darstellt, sind Konkurrenzen auf diesem Gebiet nicht vorhanden. 3.1.4.4 Belegte Lexeme gott-heit: 19 Belege in I-VII. Bezeichnung für 'das, was gott genannt wird': "daß diß wort nicht nur ein eiteler schall/[...] gewesen sey: sondern die andere person in der Gottheit" (Schles VI:322); "Sie sal merken daz sie von gode ummer und alle zyt beszauwet wirt von dem hymele und ir dede in allen Steden gesien werdent von der anesichte der gotheide und gode von den engelen alle zyt gekundigit werdent." (Hess 1:10,12). Die Bildung ist unter diachronem Aspekt recht gleichmäßig über alle Zeitstufen verteilt, in bezug auf die Texsorte jedoch in der Hauptsache in erbaulichen Texten anzutreffen. Stets wird mit der Ableitung gottheit das 'göttliche Wesen' im christlichen Sinne, also als Dreipersoneneinheit, begriffen. mann-heit: 3 Belege in Oschwäb I. 'Mannhafte Tat': "Achilles, der mit seinem leib vor der stat Troy grozz manhait begangen hät." (7,7).
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frtlhneuhochdeutschen
mensch-heit: 4 Belege in I, VI, VII. 'Menschliche Gestalt': "Diß ist ein großer trost für die seele/daß die menscheit/welche der Sohn Gottes angenommen hatt/mitt der Gottheit also vereiniget ist/daß er nicht gelitten hatt als mensch" (Schles VI:324). narr-heit: lx in Rip V. 'Tat eines narren': "Aber soliche Argutationes/seind ein narheit vor Got/der da rüefit dem/das nit ist das es sei/vnd macht alles nach seinem wolgefallen/in Hymel vii in erdtreich." (XV,27). schalk-heit: Els IV, lx. 'Tat eines schalte, d.h. "böse, arglistige Tat': "das er jesum im tempel zfitod geschlagen/[...]. Darumb hat got solliche schalckheit vngestraffi nit gelassen" (XIV). tor-heit: 15 Belege in I-VII. 'Tat eines toreri. Oft mit unbestimmtem Artikel verwendet: "Fraw nach ds ich all mein kraft syn vR lebe gebraucht hab/ dise gnad zfl bekamen/wer ain grosse thorhait yetzund so ich stat vß weil hab deßselben mich nit ζβ gebrauchen" (Oschwäb IV:Pivv). Einmal auch im Plural: "Das gute Land muste der Thorheiten seines Herrn entgelten/Städte und Dörffer waren in Grund verwfistet" (Hess VII:64,30). 3.1.5 Bezeichnungen fUr das Subjekt der Prädikation aus einem Veib: Nomina subjecti mit BV(Inf) 3.1.5.1 Definition Zwei nur vereinzelt belegte deverbale Bildungen weisen sich hinsichtlich ihrer syntagmatischen Struktur als 'Nomina subjecti'112 aus: Obliegenheit 'Pflicht, die jmdm. obliegt' zierheit -> 'Gegenstand, der jmdn. ziert'113 Die Auflösung in ein Determinatum mit Attributsatz zeigt, daß hier eine Größe als "Subjekt der Tätigkeit"114 bestimmt wird. 112
113
Auch "Nomina agentis'. Vgl. DW2:12, Oberschrift zu Kap. 6.1.: "("nomina subjecti"; oft "nomina agentis")". Die von mir bevorzugte Bezeichnung "Nomina subjecti' resultiert aus dem oft zu eng gefaßten Begriffsinhalt von "Nomina agentis' als "Handlungsträger" (Erben 21983:83, Anm. 60), da in diesem Fall "Bildungen zu nichtaktionalen (durativen) Basisverben wie Hungerleider, [...] und Bez. für Nichtbelebtes wie Leuchter" (DW2:339) ausgeschlossen werden, also auch die hier zu klassifizierenden -Ae//-Ableitungen Obliegenheit und zierheit. Um dem beschriebenen MiBversUndnis vorzubeugen, werden übrigens oft erweiternde Anmerkungen oder Ergänzungen im Zusammenhang mit der Bezeichnung von Derivaten als "Nomina agentis' angebracht; vgl. z.B. Wellmann 41984:465, Abschnitt 836 (Übersicht Ober die Bezeichnungsfunktionen von Substantivableitungen): "Lebewesen, insbesondere Personen, vereinzelt auch Sachen (Nomina agentis)", sowie Eiben 2 1983:83 (Übersicht): '"nomina agentis' (im weiteren Sinne)". Die Ableitung zierheit liegt in einem Grenzbereich zum instrumentativen Gebrauch, d.h.-, es wäre auch eine Umformung nach dem Muster —> "Gegenstand, mit dem jmd. jmdn. ziert' denkbar.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
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Die Bildungen sind hinsichtlich ihrer Bezeichnungsfunktion Beispiele für die auch verwendete, irreführende Bezeichnung 'Handlungsträger' (s.o. Anmerkung), da im einen Fall eine 'aufliegende Verbindlichkeit/Pflicht' (Obliegenheit), im anderen ein 'schmückender Gegenstand' (zierheit) bezeichnet wird, also Nichtbelebtes, das keiner 'Handlung' im engeren Sinne fähig ist. 3.1.5.2 Frequenz Beide Bildungen sind als Einzelfälle nur im Md. belegt, Obliegenheit mit einem Beleg in Rip VII, zierheit mit einem Beleg in Obs I und drei Belegen in Rip III. Wellmann ordnet die Bildung Obliegenheit für das Nhd. einer nicht näher erläuterten Restgruppe zu, die mit 4 Bildungen einen Anteil von 0,3% an den Ableitungen mit -heit/-keit hat (vgl. DW2:72, Übersicht). Auch Oberle zählt das Derivat zur Gruppe der 'Besonderheiten' (vgl. Oberle 1990:13 lf), die in ihrem Korpus 9 -Ae/Y-Ableitungen bzw., mit weiteren 13 Komposita, die eine dieser Bildungen zur Basis haben, 1,4% stellen (vgl. Oberle 1990:134). Nhd. wird die Ableitung, die als dem gehobenen Sprachgebrauch angehörig charakterisiert wird, meistens im Plural gebraucht und ist außerdem Grundlage eines Kompositums Dienstobliegenheit (vgl. ebd.). Für das Nomen subjecti zierheit gibt es nach DWB (s.v.) einen späten Beleg noch nach 1700; danach scheint die Bildung jedoch erloschen. 3.1.5.3 Bildungsweise Beide Bildungen basieren auf 2-wertigen transitiven Verben, die eine Akkusativ- (zierheit) bzw. eine Dativergänzung (Obliegenheit) auf Basisebene erfordern. Zum BV von zierheit vgl. Abschnitt 3.1.2.3.3. Während Obliegenheit im Korpus konkurrenzlos bleibt, steht der Ableitung zierheit gleich mehrfach die -/rfa-Bildung Zierde auch im Md., dem 'Stammgebiet' (vgl. Abschnitt 3.1.2.3.2) des Derivats, in I und III gegenüber. 3.1.5.4 Belegte Lexeme obliegen-heit: Ix in Rip VII. 'Das, was jmdm. obliegt/aufliegende Verbindlichkeit, Pflicht' (BV im Text belegt): "Eß hat auch keinen verfang/daß durch Menschliche Satzimg ein solches Werck mit solcher Einbildung der Obligenheit hette können eingeführt werden" (38,32). zier-heit: 4x in Obs I und Rip III. 'Das , was jmdn. ziert: "sündiger men- sehe, waz du unrein bist worden nach der tflfe, da du inne weres gewashen, und hast dine zirheit sere vorlorn" (Obs 1:15,14).
114
DW2:336. Der Elegrilf Tätigkeit' ist hier durch die oben ausgeführten Vorbehalte einzuschränken.
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
3.1.6 Bezeichnungen für Zeitabschnitte des menschlichen Lebens Als gesonderten Ableitungstyp, unterteilt nach den Basiswortarten Adjektiv und Substantiv, habe ich die Bezeichnungen für Zeitabschnitte des menschlichen Lebens des Typs 'Zeit des BA-' bzw. 'des BS-Seins' bestimmt. Der Typ nimmt eine Zwischenstellung zwischen den primären Abstrakta und den sekundären Prägungen ein: Einerseits hat eine adjektivische bzw. substantivische Prädikation Anteil an der Thematisierung ('jmd. ist alt' bzw. 'Kind'); andererseits aber besteht ein determinatives Verhältnis zwischen dieser Prädikation und dem das Suffix ersetzenden Proelement 'Zeit'.115 Der Stellvertreter des Suffixes bildet jedoch nicht, anders als etwa bei der -i-Ableitung älte 'alte Zeit, Altertum* (vgl. Kap. 3.3.3.4), das Subjekt der Prädikation. 3.1.6.1 Aus adjektivischen Prädikationen abgeleitete Bezeichnungen fur Zeitabschnitte des menschlichen Lebens: Typ 'Zeit des BA-Seins' 3.1.6.1.1 Definition Die deadjektivischen Bezeichnungen für Zeiträume oder Zeitabschnitte lassen sich anhand der folgenden Transformation erklären: altheit -> 'Zeit des AltseinsTZeit, in der man alt ist' Es zeigt sich, daß auch hier eine Bezeichnungsverschiebung stattfindet, die allerdings nicht wie bei den sogenannten Konkreta (vgl. Abschnitt 3.1.3.1) darin besteht, daß das Subjekt einer adjektivischen Prädikation bezeichnet wird (nicht: altheit -> ""das, was alt ist'), sondern daß die Nominalisierung der adjektivischen Prädikation zum Namen für einen Zeitraum (das einzusetzende Pro-Element lautet stets 'Zeit') wird, der stets einen Abschnitt des menschlichen Lebens umfaßt. Die abgeleiteten Basisadjektive tragen daher alle die semantischen Merkmale [+ menschlich], [+ graduierbar] und in einem Fall {männlichkeif) zusätzlich das geschlechts-spezifische Merkmal [+ männlich]. 3.1.6.1.2 Frequenz Der Ableitungstyp ist mit 3 Bildungen in 3 Belegen auf einen einzigen Text, Rip III, beschränkt. Alle Derivate sind in denselben Kontext eingebettet, in dem auf einer metasprachlichen Ebene der Inhalt der Bildungen erläutert wird. 1,3
Es erscheint daher angemessen, derartige Bildungen, zumal sie im Korpus zwar in geringer Anzahl, aber doch mehrfach auftreten, einem eigenen Funktionsstand zuzuweisen. In DW2 ist diese Entscheidung anders ausgefallen: Dort wird die Ableitung Kindheit mit der kurzen Zusatzbemerkung, daß sie durch die zusätzliche semantische Komponente 'Jugendzeit' eingegrenzt sei, den Nomina qualitatis mit BS zugeordnet. Vgl. DW2:72, Anm. b).
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
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Das offenbar vom Sprachraum abhängige Vorkommen der Ableitungsfunktion, noch dazu in einer Landschaft, die für die Herausbildung eines nhd. Standards keine maßgebliche Rolle gespielt hat, mag dazu geführt haben, daß bereits bei Adelung die Wortbildungsmöglichkeit der deadjektivischen Bezeichnung von Zeiträumen nicht mehr verzeichnet ist. 3.1.6.1.3 Bildungsweise Den stets mit -heit (bzw. -(h)eit in manlicheyt) gebildeten Derivaten stehen weder konkurrierende Formen mit den Formvarianten von -heit noch mit den Suffixen -i oder -ida gegenüber. Lediglich im Kontext des Derivats altheit ist eine Konkurrenzbildung mit dem Suffix -tum, alderdoem, in derselben Bezeichnungsfunktion belegt (vgl. den Textbeleg unter Abschnitt 3.1.4.4 altheit). 3.1.6.1.4 Belegte Lexeme alt-heit: lx in Rip III. Die 'Zeit des Altseins/Alter1: "der gantze louff der zijt van anbegynne der werlt bis vp dat leste ougenblick der lesten zijt. wyrt gedeih in vj. off.viij. alder nae den .vj. alderen des mynschens. [...] Dat sesde alder is genoempt dat alderdoem off die altheyt vnd is van .1. jairen bis an des mynschens ende" (IV,31). jung-heit: lx in Rip III. Die 'Zeit des Jungseins/Jugend'. Die Bildung ist in den gleichen Kontext eingebettet wie die vorstehende Ableitung altheit: "[...] Dat derde is genoempt dat wassende alder vnd is genoempt die junckheyt vnd is vä .xxiiij. bis an die .xxx. jair." (IV\28). männlich-keit: lx in Rip III mit Sufflxform -(h)eit. Die 'Zeit des Mannseins/Mannesalter'; im Text belegtes BA menlich mit Wechsel des Stammvokals. Auch dieses Derivat ist im Kontext der beiden anderen Bezeichnungen für Lebensabschnitte des Menschen belegt: "[...]Dat vunflte alder is genoempt dye manlicheyt vnd is van .xxx. bis an gen .lx. iair." (IV*,29). 3.1.6.2 Aus substantivischen Prädikationen abgeleitete Bezeichnungen für Zeitabschnitte des menschlichen Lebens: Typ 'Zeit des BS-Seins' 3.1.6.2.1 Definition Die Derivate sind gebildet nach dem Muster: kindheit
'Zeit des Kindseins/Zeit, in der man Kind ist'
Wie bei den deadjektivischen Bezeichnungen für Lebensabschnitte des Menschen, gehen diese Ableitungen auf Prädikationen zurück, in denen hier allerdings Substantive prädikativ eingesetzt werden. Diese bestehen in allgemein
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frtlhneuhochdeutschen
einstufenden Appellativa, die ausschließlich auf Personen bezogen sind (kind, mann). Auch bezüglich der desubstantivischen Bezeichnungen für Zeiträume gilt, daß sie zwar sekundäre Prägungen sind, da die Bildungen primär der Wesens- oder Eigenschaftsbezeichnung ('die Tatsache, daß jmd. kind/mann ist') dienen. Gleichwohl entstehen sie nicht durch eine Bezeichnungsverschiebung der Perspektive vom Prädikat hin zum Subjekt des Prädikats; es wird vielmehr das Nomen qualitatis selbst zum Namen iür eine hinzugefügte Komponente, den Zeitraum. 3.1.6.2.2 Frequenz Die geringe Bedeutung des Musters zeigt sich darin, daß es nur 2 Bildungen (kindheit, mannheit) in 10 Belegen umfaßt, von denen nur eine, kindheit, sich bis ins Nhd. hat halten können. Sie ist auch, anders als mannheit (nur lx in I), frnhd. in Texten verschiedener Zeitstufen vertreten: lx in I, 3x in IV und lx in VI. Adelung verzeichnet die Funktion von mannheit für 'das Mannesalter' bereits nicht mehr, führt jedoch noch Kindheit an für 'das kindliche Alter' (vgl. Adelung s.v.). Die auch nhd. noch usuelle Bezeichnung für die 'Zeit des Kindseins' (vgl. Duden-DUW 21989 s.v.) erscheint bei Wellmann im Funktionsstand der Substantivabstrakta (s.o. die Anmerkung unter Abschnitt 3.1.6). Oberle (1990:322f) streift die Bildung kurz im Hinblick auf die historisch gewachsene Unterscheidung zwischen Kindlichkeit als abstrakte Wesensbezeichnung und Kindheit als "Bezeichnung des entsprechenden Zeitraumes" (ebd.:323). 3.1.6.2.3 Bildungsweise Die desubstantivischen Bezeichnungen für Zeiträume bleiben ebenfalls ohne Konkurrenzbildungen. Die Bildungsweise ist im Nhd. reduziert auf das Lexem Kindheit. 3.1.6.2.4 Belegte Lexeme kind-heit: 9 Belege in I-IV, VI. Die 'Zeit des Kindseins': "wan daz gancz leben des menschen ist kurcz von der kinthait piß in daz leczt alter." (Ofr III: 154,11); "denn von zarter Kindheit an/als sie nur die Mutter erblicket und jhre Schönheit beschawet hatte" (Obs VI:Cvijv). Gelegentlich wird die Bildung auch metasprachlich benannt sowie abgesetzt gegen weitere Lebensphasen des Menschen: "also teilit man dez menschen lebtage in vier, de erste ist die kintheit. iugent. manheit. vn de alter" (Ohchal 1:298* 13). mann-heit: lx in Ohchal I. Die 'Zeit des Mannseins/Mannesalter'. Kontextbeleg s. kind-heit.
Die Ableitungsmaster von -heit/-keit, -ida, -J
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3.1.7 Deadjektivische Kollektive Im Korpus Frnhd. sind drei einzelne Bildungen, geistlichkeit, oberkeit und Vielheit, belegt, die als deadjektivische Kollektiva zu klassifizieren sind. Nach semantisch-syntaktischen Kriterien ergibt sich eine weitere Unterteilung in eigenschaftsbezogene Sammelwörter und in ein quantitätsbezogenes Sammelwort. Diese Einteilung stützt sich auf eine Untersuchung von Wellmann über "Kollektiva und Sammelwörter im Deutschen" (Diss. Bonn 1969), auf die sich die folgenden Verweise beziehen. 3.1.7.1 Eigenschaftsbezogene Sammelwörter 3.1.7.1.1 Definition Der Ableitungstyp umfaßt diejenigen Sammelwörter, die in der Systematik Wellmanns als Zusammenfassungen 'unter dem Gesichtspunkt einer Eigenschaft' (vgl. Wellmann 1969:107) firmieren. Sie lassen sich mit der folgenden Transformation umschreiben: geistlichkeit116
'Gesamtheit von geistlichen Personen/alle Geistlichen'
Als charakteristisch für diese Art der Ableitung gilt, daß "Unterschiedliches unter dem mit der adjektivischen Basis gegebenen Gesichtspunkt zusammengefaßt [wird]" (Oberle 1990:320). Das BA alleine liefert allerdings keinen Hinweis auf das Zuordungskriterium des Sammeins; dieses wird "vielmehr erst vom Suffix aus und in Wechselwirkung mit dem Grundwort angedeutet." (Oberle ebd.). Das oben angeführte korrelate Syntagma verdeutlicht diese Beziehung, indem die Ableitung vertreten wird durch einen Indikator für die kollektive Größe in Verbindung mit dem substantivierten BA ('alle Geistlichen') bzw. mit dem um eine Personenangabe erweiterten, attributiv gebrauchten BA ('Gesamtheit von geistlichen Personen').117 Die beiden im Korpus belegten, deadjektivischen Kollektiva dieses Typs, geistlichkeit und obrigkeit, liegen hinsichtlich ihrer Bezeichnungsfunktion dicht beieinander, da sie beide Personengruppen bezeichnen." 8 Von den 'ech-
1.6
1.7
118
Die Bildung geistlichkeit habe ich aus dem von Oberle 1990:477, Anm. 453, vertretenen Grund nicht als desubstantivisches Kollektivum, sondern als deadjektivisches Sammelwort klassifiziert, um eine abstrakte Bedeutung nicht ausschließen zu müssen. Diese ist im Korpus Fmhd. belegt; vgl. Abschnitt 3.1.2.1.4. Diese Möglichkeit der Transformation besteht allerdings bei diesem Typ wegen der "unterschiedlich ausgeprägten Lexikalisierung nur in eingeschränktem Ausmaß" (Oberle 1990:321). Vgl. z.B. die Bildung oberkeit (nhd. Obrigkeit), die eigentlich nur noch umschrieben werden kann (vgl. den Lexemartikel zu oberkeit). Grundsätzlich können Ableitungsmorpheme in dieser Funktion sehr unterschiedliche Größen vertreten, d.h. außer für Personen auch f&r Gegenstände stehen (vgl. Wellmann 1969:109). Mög-
226
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
ten1 (d.h. primären desubstantivischen) Kollektiva unterscheiden sich die eigenschaftsbezogenen Sammelwörter insbesondere dadurch, daß sie teilweise im Plural verwendbar sind (vgl. unten oberkeit), d.h. neben ihrer kollektiven können sie auch eine konkrete, individuierende Funktion ausüben.119 3.1.7.1.2 Frequenz Eine systematische Funktion des Musters ist frnhd. nicht zu erkennen: Deadjektivische Sammelwörter liegen mit lediglich 2 Bildungen in insgesamt 49 Belegen vor, wobei auf oberkeit deutlich die meisten Belege entfallen (46), vermutlich weil diese Sammelbezeichnung sowohl im säkularen als auch im sakralen Bereich vielfältig einsetzbar ist.120 Die Derivate verteilen sich folgendermaßen auf die Zeiträume IV bis VII: beide Bildungen sind in IV und V vertreten in insgesamt 6 bzw. 13 Belegen; in VI und VII ist ausschließlich obrigkeit 6x bzw. 24x belegt. Die relativ hohen Belegzahlen in V und VII ergeben sich aus einem thematisch bedingt hohen Aufkommen von oberkeit.121 Für das Nhd. bezeugen sowohl Oberle (Oberle 1990:321) als auch Wellmann (Wellmann 1969:175) weitere deadjektivische Sammelwörter. In DW2 wird auf diese Funktionsnische nicht eingegangen. Lediglich das Derivat geistlichkeit wird dort auf Grund eines analeren Klassifizierungsansatzes unter den primären Kollektiva aufgeführt (vgl. DW2:Abschmtt 3.5.16.). 3.1.7.1.3 Bildungsweise Während sich bei der Ableitung geistlichkeit bereits in V die auch nhd. noch gültige Formvariante -keit durchgesetzt hat, dominiert in bezug auf oberkeit in IV und V noch die -keit-Form, ab VI gewinnt jedoch auch bei diesem Lexem die nhd. Standardvariante -igkeit die Oberhand. Konkurrenzen durch die Suffixe -ida bzw. -i sind nicht belegt. 3.1.7.1.4 Belegte Lexeme geistlich-keit: 3 Belege in Obs IV und Mbair V, auch mit Formvariante -(hjeit. Die 'Gesamtheit der Personen, die geistlich sind/Klerus': "nach solcher
119 120
121
licherweise wirkt hier noch die einstmals dem selbständigen Wort heit zugehörige Bedeutung von u.a. 'persona' (vgl. Kap. III) nach. Vgl. Oberle 1990:321 sowie Wellmann 1969:122. Überdies hat nach Wellmann 1969:176 die Bildung oberkeit dadurch als Vorbild für die Entstehung weiterer deadjektivischer Sammelwörter gedient, daß sie v.a. durch Luthers bekannte Übersetzung des Römerbriefes 'jedermann sey unterthan der Oberkeit' allgemein verbreitet wurde. Die Bildung tritt hier schwerpunktmäßig in erbaulichen und kirchlich-theologischen Texten auf, aber auch in großer Zahl in einem chronikalischen Text (Schwäb VII), so daß hier die thematische Bindung wichtig wird fbr die Gebrauchshäufigkeit.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
227
Verrichtung so khumen der Metropolit/Ertzbischoff/Bischoffe/vnnd die gantz Geistligkhait zu baiden Großfürsten" (Mbair V:Diijr,4). ober-keit: 46 Belege in IV-VII, auch mit Suffixvariante -igkeit. Mit -keit wird das BA vorwiegend in den Zeiträumen IV und V abgeleitet, mit -igkeit hauptsächlich in VI und VII. Ein BA ober ist vielfach in den Texten belegt. Die Bildung faßt alle "'Träger der weltlichen oder geistlichen Macht, der Regierungsgewalt"1 (Oberle 1990:320) zusammen. Die genaue Spezifizierung als 'weltlich' oder 'geistlich' wird häufig durch das begleitende Adjektiv vorgenommen: "Was aber die weltliche Oberkeit nit straffet/ oder nicht kan straffen/solches wird Gott an jenem tage straffen" (Ofr V:XXHr,21); "Die Gmain kan wol taugliche MSnner der Geistlichen Obrigkeit vorschlagen [...], aber dieselbige nit erwßhlen" (Mbair VI:Cixv). Im Unterschied zu den desubstantivischen Kollektiva können die deadjektivischen Sammelwörter auch als "zählbare Konkreta" (Oberle 1990:321) im Plural bzw. mit unbestimmtem Artikel verwendet werden: "was jemals von den Teutschen/biß auff das Jahr Christi 1200. hinauß/vnd biß auff Rudolphum primum, in Versamblungen/ Cantzeleyen/vor Gerichten vnd Obrigkeiten/public£ vnd privatim geschrieben" (Schwäb VH:B3,15); "Nach dem man aber gesehen/wie viel an der Schul gelegen/hat eine Obrigkeit allen Fleiß angewendet/wie neben der reinen Lehre deß H. Evangelij auch die Schul/[...] möchte in Auffnehmen gebracht werden" (Schwäb VII:B14,29). 3.1.7.2 Quantitätsbezogenes Sammelwort 3.1.7.2.1 Definition Im Unterschied zur Gruppe der Sammelwörter, die Mehreres unter einem durch das BA vorgegebenen, qualitativen (eigenschaftsbezogenen) Aspekt zusammenfassen, besteht die kolligierende Funktion des quantitätsbezogenen Sammelworts Vielheit darin, den Umfang dieser Zusammenfassung, wenngleich unscharf, anzugeben. Dies geschieht nach dem Muster Vielheit
-> 'Menge von vielen Gegenständen/Personen'
Hier besteht, wiederum anders als bei den eigenschaftsbezogenen Sammelwörtern, das Attribut aus einem "Adjektiv mit quantitativer Angabe, zu dem ein (nicht notwendigerweise personales) Subjekt ergänzt werden muß" (Oberle 1990:321) ('viele Gegenstände/Personen'). Das abgeleitete Basisadjektiv, das auch als unbestimmtes Zahlwort klassifiziert werden kann, drückt also den quantitativen Aspekt expressis verbis aus,122 während offen bleibt, wor122
Vgl. weitere von Oberle 1990:321 zusammengetragene Ableitungen von unbestimmten Zahlwörtern: Zweiheit, Dreiheit, Gesamtheit, Mehrheit, Minderheit.
228
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -J im Friihneuhochdeutschen
auf sich die Mengenangabe bezieht. Allerdings wird dieser Bezug auf die gemeinten Größen durch eine Genitivergänzung hergestellt: "vielheit deß Hönniges vnd Weitzen" (Norddt VI:12).123 3.1.7.2.2 Frequenz Die Funktion wird nur von einer einzigen Bildung, Vielheit, in zwei Belegen (Norddt VI und Rip VII) wahrgenommen. Für das Nhd. wird die Bildung sowohl bei Oberle 1990:321 als auch bei Wellmann 1969:113 sowie 175 in der beschriebenen Funktion nachgewiesen. DW2 trifft diesbezüglich keine Aussage. 3.1.7.2.3 Bildungsweise Die in zwei md. Texten belegte Ableitung Vielheit konkurriert sowohl in VI als auch in VII mit der v.a. im Obd. vertretenen -/-Bildung viele (Vgl. Kap. 3.3.6.2.). 3.1.7.2.4 Belegtes Lexem viel-heit: 2 Belege in Norddt VI und Rip VII. 'Menge von vielen Gegenständen/Personen'. Die Ableitung ist in beiden Kontexten mit einer Genitivergänzung verbunden, die die Gegenstände benennt, die in großer Zahl vorhanden sind:124 "So ist auch nit gleich darumb die hohe Bottmessigkeit des Apostolischen Stuhls verneint/daß man sich in Africa vnderstanden die Freyheit vnnd vilheit der Appellationen vnd darauß entstehende Beschwärn&ssen zu verhinderen" (Rip VII: 22,24). 3.1.8 Bezeichnungen für die lokative Angabe der Prädikation: Nomina locativa 3.1.8.1 Bezeichnungen für die lokative Angabe der adjektivischen Prädikation: Nomina locativa mit BA 3.1.8.1.1 Definition Eine lokative Beziehung zwischen Basis und Suffix läßt sich bei einigen deadjektivischen Ableitungen anhand der folgenden Umformungsoperation verdeutlichen: heimlichkeit -> 'Ort/Stelle/Raum, der/die heimlich ist' 113
124
Vgl. auch Wellmann 1969:113, der als weiteres syntaktisches Bezugsmittel das Präpositionalattribut nennt (eine Vielheit von). Die Ergänzung durch ein Genitiv- oder Präpositionalattribut wird von Oberle 1990:321 als ein häufiges Charakteristikum der von Zahlwörtern abgeleiteten Sammelwörter genannt
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -J
229
Das lokative Moment ist also lediglich an dem einen Ort benennenden ProElement (Ort/Stelle/Raum) erkennbar, das durch das Hinzutreten des Suffixes ergänzt wird. Die deadjektivischen Lokativa sind damit beispielhaft für die Grenzen der rein paraphraseabhängigen Bestimmung von Wortbildungen, zumindest bezogen auf das Frnhd. Der Schlüssel zur Disambiguierung dieser Bildungen liegt vielmehr im Kontext der Derivate, in dem z.B. die syntaktische Gleichsetzung mit anderen Lokativa die Funktion der Ortsbezeichnung signalisiert (vgl. z.B. nutzbarkeiten)\ im Zusammenhang damit wird oft die lokative Funktion durch die auch lokativ gebrauchten Präpositionen in und auf angedeutet. Auf Grund der geringen Besetzung dieser Nische (vgl. Abschnitt 3.1.7.2) fällt es schwer, die Gebräuchlichkeit der deadjektivischen Nomina locativa genau festzulegen. Auffällig ist jedoch, daß ein großer Teil in religiösen Kontexten vorkommt und als sekundäre Prägung bestimmte theologische Konstrukte benennt, z.B. zeitlichkeit für 'die irdische Welt1, ein von den Mystikern geschaffener Ausdruck (vgl. DWB s.v.). Unter diesen theologischen Spezialprägungen ist jedoch auch eine Bildung hervorgegangen, die sich bis ins Nhd. gehalten und auch in die Standardsprache Eingang gefunden hat (vgl. Duden-DUW s.v.): ewigkeit für 'das ewige Reich, das jenseits des Todes liegt'. Inwiefern die theologische Fachsprache für das Hervorbringen dieses Ableitungstyps verantwortlich ist, läßt sich allerdings auf Grund des bescheidenen Belegumfangs nicht abschließend feststellen. Genutzt wird die lokative Ableitungsmöglichkeit im Korpus jedoch auch in bezug auf säkulare örtlichkeiten, wie beispielsweise Heimlichkeit für den 'Abort'. 3.1.8.1.2 Frequenz Die von BA abgeleiteten Lokativbildungen liegen im Korpus mit 4 Lexemen in 10 Belegen vor, die sehr gleichmäßig über alle Zeiträume verteilt sind (je Zeitabschnitt sind 1 bis 2 Lexeme in 1 bis 2 Belegen vorhanden). Eine deutliche Konzentration ist in landschaftlicher Hinsicht zu erkennen: das Muster wird so gut wie ausschließlich im md. Sprachraum genutzt (Ausnahme ist ein einziger Beleg aus Mbair I). Wegen der schmalen Belegbasis erscheint es jedoch nicht angebracht, weitergehende Schlußfolgerungen aus diesem Befund zu ziehen. Der vorangehende Überblick zeigt, daß der lokativen Bezeichnungsfunktion deadjektivischer -Ae/Y-Ableitungen schon frnhd. keine Produktivität beschieden ist. Zum Nhd. hin ist der Ableitungstyp dann, abgesehen von ewigkeit (s.o.), untergegangen, scheint allerdings zumindest übergangsweise in bezug auf bestimmte Prägungen je nach Sprachlandschaft noch üblich gewesen zu sein: Adelung bemerkt zur Ableitung heimlichkeit, daß sie in einigen Gegenden zur Bezeichnung des Abtritts oder des heimlichen Gemachs noch verwendet wird (vgl. Adelung s.v.).
230
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -f im Frühneuhochdeutschen
3.1.8.1.3 Bildungsweise Zu den ausschließlich mit -heit/-keit abgeleiteten deadjektivischen Lokativa gibt es keine konkurrierenden -ida- oder -/-Bildungen im Korpus. 3.1.8.1.4 Belegte Lexeme ewig-keit: 3x in III und VI, in Rip III auch mit Formvariante -(h)eit. Als theologischer Fachterminus Bezeichnung für das 'jenseits des Todes liegende ewige Reich': "Dat der seuende dach haue geyn auent want dairnae in der ewicheyt is alltzijt dach sunder nacht." (Rip 111:^,34). heimlich-keit: 4 Belege in I, IV und V. Allgemein ist das Derivat eine Bezeichnung für den 'Ort', das 'Gemach, zu dem nur die Vertrauten Zugang haben' (vgl. auch DWB und Lex s.v.): "Wenn he hatte mich voiborgen in sime gezeelde; in deme tage der vbeln beschermit her mich in der heimelikeit sines zeeldes." (Thür 1:58,9). Außerdem kann die Bildung sich auf einen speziellen Ort, den 'Abort', beziehen: "Ward aber von Gott greulich gestrafft/dann er auff einer Heimligkeit sein Eingeweide auß dem Leibe dr&ckete/daß der Rumpff gantz ledig war" (Thür V:16r,2). Schließlich existiert auch noch die Bezeichnungsmöglichkeit für die 'geheime Stelle'/den 'geheimen Ort am menschlichen Körper*, d.h. ein 'Geschlechtsteil1: "Jnd mit de pyne worde beyde vrouwS vfl mS gepynicht an yrS geledere vfl heymlichg stedS dair mit sy wayllust vnd vukuyßheit begange haddS. vil mich duchte dat de heimlicheit vfl Schemde geistelich vfl weratlich vol grymiger vfl lelycher worme wars." (Rip IV:C). Auch im sakralen Bereich wird die Bezeichnungsfunktion genutzt, und zwar als Benennimg für einen Teil des Altarraumes: "Und darumb alz daz geschiecht in der mess vor der haymleichait, daz ist im ersten tail des tempel" (Mbair 1:10,17). nutzbar-keit: lx in Hess V. Die Pluralform des Derivats bezeichnet als sekundäres Nomen loci 'Orte, die nutzbar sind' (BA s. DWB s.v. nutzbar). Die lokale Funktion wird unterstrichen durch den Kontext, in dem die Gleichsetzung mit einer weiteren Ortsbezeichnung {Bergwerk) erfolgt: "Aber durch die H&lff deß Carapana köndte er noch weiter handlen/wenn er 10. Hispanier hielte/die allezeit in der Statt blieben/vnd das Landt durchsucheten/so wol am Bergwerck/als andern bequem vfl Nutzbarkeiten." (16,42). zeitlich-keit: 2x in Thür VII. Die 'zeitliche', d.i. die 'irdische Welt und ihre Dauer' (vgl. DWB s.v.): "Er hat den Lauff seiner Jahre vollendet/ist zum gewöhnlichen Zwekk gelanget/und durch den Weg alles Fleisches/den Tod/aus dieser Zeitlichkeit ausgangen." (188,14).
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
231
3.1.8.2 Bezeichnung fur die lokative Angabe der paitizipialen Prädikation: Nomen locativum mit BV(Part II) 3.1.8.2.1 Definition Das einzige Nomen locativum mit partizipialer Basis folgt prinzipiell dem Muster der deadjektivischen Lokativa: gelegenheit
Ort, der gelegen ist'
Als Pro-Element des Entsprechungssyntagmas ist allerdings stets Ort einzusetzen. Anders als die Lokativa mit BA, die auch kleinflächigere Stellen oder Räume bezeichnen können, steht die deverbale Lokativbezeichnung stellvertretend nur für großflächige Orte wie Dörfer, Städte, Gebiete oder sogar Länder. Wie für die Lokativa mit BA gilt auch hier, daß dem Kontext für die Entschlüsselung der Suffixfunktion die entscheidende Rolle zukommt, wobei als zusätzliches Erkennungsmerkmal oft noch die Verbindung mit bestimmten Verben (vgl. unter Abschnitt 3.1.8.4) die Funktion der Ortsbezeichnung indiziert. Das Lokativum gelegenheit ist in seinem Auftreten, ebenfalls im Unterschied zu den meisten deadjektivischen Nomina locativa, überhaupt nicht an religiöse Kontexte gebunden. Stattdessen wird es bevorzugt in chronikalischen Texten benutzt, in denen z.B. von Reisen oder der Geschichte - und damit auch der Ortsansässigkeit - von Herrscherhäusern berichtet wird. 3.1.8.2.2 Frequenz Die deverbale Einzelbildung gelegenheit ist in ihrer lokativen, genau wie in ihren weiteren Funktionen (vgl. Abschnitte 3.1.2.2.4 und 3.1.3.2.4), mit 27 Belegen ein häufig verwendetes Derivat, v.a., vgl. Abschnitt 1.8.1, in chronikalischen Texten. Es ist hauptsächlich, abgesehen von einem Beleg in III, in Texten aus den Zeiträumen V (2), VI (22) und VII (2) in unterschiedlichen Sprachräumen belegt, mit Schwerpunkt in VI. Dieser rührt jedoch v.a. von einem einzigen Text her, Ohchal VI (Chronikalischer Text), in dem alleine 17 der 22 Belege aus diesem Zeitraum vorkommen. Weder Adelung noch DW2 erwähnen gelegenheit in lokativer Funktion für das Nhd.; im Duden (DUW 2 1989 s.v., Pkt. 4) ist jedoch noch die euphemistische Bezeichnungsmöglichkeit für "Toilette: wo ist hier die G.?" verzeichnet. 3.1.8.2.3 Bildungsweise Es gibt zu dem mit -heit von einem zweiten Partizip abgeleiteten Lokativum gelegenheit keine konkurrierende Form.
232
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
3.1.8.2.4 Belegtes Lexem gelegen-heit: 27 Belege in III, V-VII. Der Schwerpunkt der Bildung liegt mit 22 Belegen in Zeitraum VI. Bezeichnet wird ein irgendwie 'gelegener Ort', wobei dem Kontext eine entscheidende Rolle bei der Disambiguierung zukommt. Oft geschieht dies durch die Gleichsetzung der Ableitung mit offenkundigen Ortsbezeichnungen: "das Kloster Set Francisci vnd Andere schöne gelegenhaytt" (Schwäb VI:33), und ein sicheres Erkennungsmerkmal ist die Verbindung mit bestimmten Verben wie im folgenden Beispiel bewohnt worden, die keine andere als die lokative Funktion zulassen: "Es seind aber dise jetz erzehlte gelegenheiten nit grad auff eine zeit besetzt/sondern etliche Mer/etliche dargegen etwas spSter bewohnt worden" (Ohchal VI:3V). Meistens hat die Verwendung als Nomen locativum zur Folge, daß der 'genitivus subjectivus', der beim Abstraktum gelegenheit (für *Lage'; vgl. Abschnitt 3.1.2.2.4) die Bezugsgröße nennen kann, die irgendwie gelegen ist, entfallt. Dies ist jedoch nicht immer so; gelegentlich wird ein Genitivattribut zur näheren Ortsbestimmimg (Name des Ortes, der gelegen ist) angefügt, und nur durch die kontextuelle Einbindung, oft auch im weiteren Umkreis, kann dann die eindeutige Klassifizierung als Lokativbildung erfolgen: "Es seind auch zü beyden seiten desselbigen sees die fläcken vnd gSgnene Tertzen/Quarten/ Quinten/vfi 9η der Sera/rc. Retischs namens also genannt von der zahl der vorhfits vfl wachten/die sie für vnd für/je lenger je fehrner erstreckt hatten/ biß sie auch vnterhalb sees/Wesen/Schefiis/vnd die gelegenheit der Herrschaft Windeck/biß an die brücken des wassers Steinen gar einnamen: welchs fünfitzig vnd acht jähr vor Christi geburt [...] geschehen seyn soll." (Ohchal VI: ll v ).
3 .2
-ida
3.2.1 Grammatische Abstrakte Die Ableitung grammatischer Abstrakta stellt frnhd. die Hauptfunktion des Suffixes -ida dar. Während im Nhd. nur noch (vorwiegend deverbale) Reste von -/ifa-Ableitungen wie z.B. Begierde, Freude, Gebärde vorhanden sind, ist das Spektrum im Frnhd. noch weiter aufgefächert und umfaßt sowohl deverbale als auch deadjektivische Bildungen. Allerdings zeichnet sich bereits in dieser Periode der Untergang der deadjektivischen Bildungsweise, die im Got. einmal die Hauptquelle für -/cfa-Abstrakta war (vgl. Kap. II), zugunsten der Ableitung von Basisverben bzw. der Ableitung mit anderen Suffixformen (insbesondere -l und -heif) ab.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
233
3.2.1.1 Adjektivabstrakta: Nomina qualitatis mit BA 3.2.1.1.1 Definition Die Funktion der Adjektivabstrakta mit -ida wird deutlich in der Umformung: des magen natürliche wärmde
'die Eigenschaft des Magens, von Natur aus warm zu sein'
Das Transformationsbeispiel zeigt, daß die -κ/α-Abstrakta in dieser Funktion mit den Nomina qualitatis auf -heit/-keit vergleichbar sind, indem sie adjektivische Prädikate substantivisch wiederaufnehmen. Die damit verbundenen syntaktischen Besonderheiten wie beispielsweise die fakultative Nennung der Bezugsgröße sowie die Umformbarkeit in einen modalen Nebensatz treffen auch auf deadjektivische -ΰ/α-Ableitungen zu. Hinsichtlich ihrer Bezeichnungsfunktion zeigt sich allerdings ein Unterschied. Zwar bezeichnet gut die Hälfte der Bildungen auf -ida genau wie -heitAkeit-Abstrakta auch charakterliche bzw. körperliche Eigenschaften oder Zustände des Menschen (z.B. otmutde, sehende, serde); die andere Hälfte der Derivate besteht jedoch in Bezeichnungen für meßbare Eigenschaften. Dies sind zum einen Bezeichnungen für die räumliche Ausdehnung (z.B. dickte, längde) bzw. einmal auch zur Maßangabe (höhede), zum anderen Bezeichnungen iur grundlegende physikalische Eigenschaften (trockende, wärmde). Damit berühren die -/'da-Ableitungen Bereiche, die v.a. von -f sowie -heit abgedeckt werden, so daß verständlich wird, warum das Suffix sich in dieser Funktion zum Nhd. hin nicht mehr hat halten können. 3.2.1.1.2 Frequenz Der nhd. nicht mehr produktive Ableitungstyp ist mit 13 Lexemen in 33 Belegen repräsentiert, die sich auf die Zeiträume I-IV verteilen (s. Übersicht). Die Tendenz ist von I-IV nach Lexemen und Belegen leicht steigend, ab V wird die Funktion jedoch nur noch von zwei vereinzelt auftretenden Bildungen wahrgenommen.
234
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
I III IV V VI VII Gesamt
Lexeme Belege 4 9 6 9 6 13 1 1 1 1 -
13
-
33
Das Vorkommen der deadjektivischen -/'da-Abstrakta ist jedoch nicht nur zeitlich, sondern auch sprachgeographisch eingeschränkt. Bis auf zwei Bildungen im Ohchal. (dünnede und wärmde) treten sie ausschließlich in md., v.a. wmd., Texten auf.125 Dieses sprachräumlich begrenzte Vorkommen sowie die konkurrierenden Formen -heit/-keit und -i fuhren dazu, daß dieser einstmals126 sehr stark ausgebaute Ableitungstypus gegen Ende der frnhd. Periode bereits inaktiv geworden ist.127 3.2.1.1.3 Bildungsweise Die adjektivischen Basen der Nomina qualitatis mit -ida bestehen fast ausschließlich in Simplizia, die überwiegend Einsilbler sind. Hieraus ergeben sich Konkurrenzen v.a. mit Ableitungen auf -/ sowie auf -heit/-keit:
-ida höhede (Rip III) otmutde (Hess I) schände (IV) stärkde (Rip III)
-heit -keit hochheit (Rip III) otmutheit (Hess I) otmutkeit (Hess I) Schönheit (IV) starkheit (Rip III) -
-
-
Die Übersicht zeigt, daß zu 4 von insgesamt 13 Lexemen mindestens eine konkurrierende Form mit -heit bzw. -keit existiert, und zwar überwiegend innerhalb eines Textes. 133
126 117
Vgl. bereits die Erläuterungen zur Distribution von Ableitungen mit -ida in Kap. III.3.2. Nach öhmann lassen sich einzelne -ic/α-Ableitungen bestimmten Sprachräumen zuweisen und aus anderen ausgrenzen; so sei beispielsweise scherpfede nur im Wmd. (und Ndd.) belegt, küelde jedoch zwar außerhalb des md. Gebiets, aber nicht im Obd. Vgl. öhmann 1921:34. Im Got bildete -ida noch reihenhaft Adjektivabstrakta. Vgl. Wilmanns 21899:340. Erhalten geblieben sind einige deadjektivische -ida-Abstrakta in den Mundarten. Vgl. Fleischer 4 1975:189 in Verbindung mit Anm. 478.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -t
235
Noch häufiger treten Parallelformen mit dem Suffix -i auf; insgesamt fünfmal steht einer -/i&z-Ableitung ein -/-Derivat gegenüber, mit Schwerpunkt in den Zeiträumen III und IV: dickte (IV) - dicke (IV), höhede (III) - höhe (III), längde (IV) - länge (IV), liebde (III) - liebe (III) und schonde (III,IV) - schöne (III,IV). Diese Parallelbildungen sind allerdings auf eine sprachräumliche Bevorzugung des jeweiligen Ableitungsmorphems zurückzufuhren: Im Md., insbesondere im Wmd., erfolgt die Ableitung mit -ida, im Obd. mit -i. Diese frnhd. noch vorhandene Vielfalt der Konkurrenzen bzw. Parallelformen wird zum Nhd. hin insofern abgebaut, als Basisadjektive, v.a. in Gestalt von Simplizia, nur noch von -i bzw. -heit abgeleitet werden und als -ida im wesentlichen auf die Derivation bestimmter Verben beschränkt wird (vgl. die folgenden Abschnitte). 3.2.1.1.4 Belegte Lexeme dick-te: lx in Rip IV. Bezeichnung für den 'Zustand des Dickseins': "Dese selue tzail vfi gesteltenisse van lengde vnd dickte hadde sy ouch an yre voessen." (DijO. dunn-ede: Ohchal I, lx: "vn danach en sol man nit zestunt essen biz d' mage itel werde de sol man kiesen bi der düneda der speicholter vn bi der gerunge dez magen." (297 A ,7) '...das soll man daran erkennen, wie dünn der Speichel ist,...'. gefär-de. lx in Obs VI (BA gefähr s. DWB s.v.): "Nehm ich sfisse Kfisse/ Vnd verliebte Schmisse. Ohn GefShrd." (Eix") 'Nehm ich süße Küsse und verliebte Schmisse, ohne daß ich hinterlistig bin/ohne hinterlistig zu sein.'. höh-ede: lx in Rip III für den 'Grad, wie hoch etwas ist': "ind voirten die Arch so hoich. dat sy was .xv. elenbogen bouen alle berge, wie hoich sy ouch waren. Jn der seluer hoechde stonden die wasser C.L. dage bouen all ertrijch" (ΧΙΓ,13). läm-de: Hess III, 2x. BA lamen im Text belegt; Wechsel des Stammvokals in der Ableitung. Das 'Lahmsein': "Jtem camillen blomen geleyt in wyn vber nacht vnd des gedrücken stercket die gewerbe vnd benympt die lemde." (lxxxiiij,15). läng-de: 2x nur im Rip, in IV und V. In Rip IV Bezeichnung für den 'Zustand des Langseins1; Kontextbeleg s. dick-te. In Rip V wird das Derivat wie eine feststehende Wendung gebraucht für 'ausführlich' und bezieht sich dabei auf den langen bzw. beträchtlichen Umfang eines Textes: "Sonder es zwyngen vns die vorgehende vnd nachfolgende wort fil mehe bei dem schlechten vnd eigentlichen sirl der wort/nach dem Büchstaben/zu blieben/Wie hiernach in die lengde sol angezeigt werden." (VT,1). lieb-de: 4 Belege nur in Rip, III und IV. Die Bildung ist jeweils auf das Adjektiv lieb, auch im Syntagma lieb haben vertreten, zu beziehen, z.B.: "Sie
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frohneuhochdeutschen
brandefi alle in der Iieffde godes." (Rip IV:Eijr) -» 'Sie brannten alle darin, daß sie Gott lieb hatten.'. otmut-de: 2x in Hess I. Das 'Demütigsein' (BA otmutdige im Text belegt; d.h. Abfall der Basisendung im Derivat): "An deme uffstigene und an dem nederstigine der engele mögen wir ane zwivel daz verstan daz wir mit otmutde nider stigen und mit otmutde off stigen." (9,29). schon-de: 9 Belege nur im Md., davon 3 in Thür III und 6 in Schles IV. Das ohne Umlaut in den Texten belegte BA erscheint auch in der Ableitung umlautlos. Die Bezeichnung für das 'Schönsein' wird sowohl auf den Körper als auch auf den Geist bezogen; dabei wird oft das Bezugsobjekt im Genitiv genannt: "Nu was ouch do hyn komen die unmessliche schone frawe Helena, von der schonde man obir alle lant sagitte" (Thür 111:36,14); "Dy edelkeyt vnd schonde des gemutes" (Schles IV:Bra). ser-de: lx in Thür I (BA ser s. Lex s.v.): "Wwan myn lieb ist zcugangen in serde vfi mine jar in den sufzcungen." (67,5) -» 'Denn mein Leben ist vergangen in einem Zustand des Schmerzlichseins, meine Jahre in Seufzen.'. stärk-de: 2x nur im Rip., in III und IV. Das 'Starksein': "wa is nu al dyn groisse starckte." (Rip IV:Aiijr). Den zweiten Beleg, der in Pluralform vorliegt, habe ich auf Grund der kontextuellen Einbettung ebenfalls als Abstraktum klassifiziert: "Wat hoicheyt ind lofif meinstu sail dan den junge manne dair viss vntstain/ die beyde [...] in sterckden des lijchams. dye seluen ouertreffen vn yn bouen gaen." (Rip III:IIF,38) -> '..., die beide darin, wie stark ihr Körper ist, dieselben übertreffen und über ihnen stehen.'. trocken-de: lx in Thür III. Bezeichnung für den 'Zustand des Trockenseins/die Trockenheit* (die Basis ist in der Form trucken im Text belegt): "Her satzte die zwelff zeichen mit dem gestirne yn den hymmel, die denselben sobene genanten planeten ere kraft mynren unde meren mit hitze kelde fuchte unde truckende." (13,21). wärm-de: 6 Belege in Ohchal I (5) und Rip IV (1). Das 'Warmsein': "so en vindet div spise niht dez magS naturliche w'mede davon kvmit vngesuntheit." (Ohchal 1:297* 12). 3.2.1.2 Deverbale Zustandsbezeichnung: Nomen qualitatis mit Basisverb in der Funktion des Part. II 3.2.1.2.1 Definition Die deverbale -/ifa-Ableitung bekerde geht zwar der Form ihrer Basis nach auf einen Infinitiv zurück, erweist sich jedoch in funktionaler Hinsicht als Stellvertreter für ein prädikatives Syntagma aus der Kopula sein und einem zweiten Partizip: bekerde -» 'die Tatsache, daß jmd. bekehrt ist'
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
237
Die Umformung zeigt, daß die Bildung strukturell den -Ae//-Abstrakta mit partizipialer Basis (vgl. Abschnitt 3.1.2.2) vergleichbar ist. Auch ihre Bezeichnungsfunktion ist parallel gelagert: bekerde ist eine deverbale Zustandsbezeichnung; sie bezeichnet den am Ende eines Vorgangs stehenden geistigen Zustand eines Menschen. Der -/ifa-Ableitung bekerde entspricht im Nhd. das mit -ung gebildete Derivat Bekehrung. 3.2.1.2.2 Frequenz Die Bildung bekerde erlangt firnhd. auf Korpusgrundlage keine reihenbildende Funktion, sondern bleibt als nominale Wiederaufnahme einer Zustandsprädikation mit verbaler Basis in infinitivischer Form, aber partizipialer Funktion ein Einzelfall. 3.2.1.2.3 Bildungsweise Das Derivat ist zurückzuführen auf das mit Präfix be- gebildete, transitive 2wertige BV bekerert. Es liegt keine konkurrierende Form mit einem anderen der hier untersuchten Suffixe vor, wenngleich eine Konkurrenz mit einer partizipialen -heitAbleitung auf Grund der oben beschriebenen strukturellen und funktionalen Ähnlichkeit möglich wäre. Parallelformen sind jedoch auch wegen ähnlich gelagerter Voraussetzungen wie bei -heit (vgl. DW2:253f.) von einer -ungAbleitung des entsprechenden Basisverbs zu erwarten. 3.2.1.2.4 Belegtes Lexem beker-de: lx in Schwäb I. 'Die Tatsache, daß jmd. bekehrt ist1: "O wie menger wider zü got kert der e verzwifelet hatt ο wie meniger der e vor got tott was do man sin bekerd sah der wider lebend ward von dem grossen wunder das got an im begieng" (107v,25) '... o, wie mancher, der früher vor Gott tot war, [jedoch] als man sah, daß er bekehrt war, wieder lebendig wurde...'. 3.2.1.3 Deverbale Vorgangsabstrakta: Nomina actionis mit BV(Inf) (DW2: Abschnitt 4.1.12.) 3.2.1.3.1 Definition Der im Nhd. nicht mehr produktive Ableitungstyp folgt dem Grundschema begierde -*• 'die Tatsache, daß jmd. etw. begehrt'
128
Zum Wortstand dieses Derivats im Nhd. vgl. DW2:253f.
238
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
Die Funktion des Abstraktsuffixes -ida besteht also darin, "verbale Prädikate substantivisch aufzunehmen." (DW2:236). Es handelt sich bei den Nominalisierungen durchweg um Feminina, die in erster Linie auf transitiven 2-wertigen Verben mit Akkusativ-Ergänzung basieren (begierde, fede, gehörde, gewerde, unfreude, verschmäde) sowie außerdem auf reflexiven, vorwiegend 1wertigen Verben, bei denen eine präpositionale Ergänzung möglich ist (erbärmde, freude, gebärde, schämde). Wie bei den deadjektivischen -/'ώζ-Abstrakta gilt, daß Ergänzungen des Basissatzes auf der Ebene der Nominalisierung grammatisch fakultativ werden: "Sich hatte Adam vor schemden behalden under den reissern" (Thür III: 16,2) 'Adam hatte sich, weil er sich schämte, unter den Reisern versteckt' Im angeführten Beispiel vertritt die Wortbildung einen Nebensatz inclusive der Subjektergänzung und trägt durch diese Einsparung zur sprachlichen Ökonomie bei. Diese Funktion der Komprimierung durch Abstraktion ist bei den Nomina actionis auf -ida häufig damit verbunden, daß sie hinter eine Präposition treten (z.B. durch schämde, vor freude, ohne gewerde), die in der Umformung durch eine entsprechende Konjunktion ersetzt wird (vgl. im obigen Beispiel: vor wird zu weil). Es können hierdurch verschiedene Typen von Nebensätzen gebildet werden, die denen der -Ae/Y-Abstrakta entsprechen (vgl. Abschnitt 3.1.2.1.1). Außer der Stellvertreterfunktion können die Wifa-Abstrakta jedoch auch eine besondere Art der textverknüpfenden Funktion wahrnehmen,129 nämlich die der Textfortfiihrang innerhalb eines Satzes. Beispiel: "das wir des libes wolnöst me begerend denne wir söllent vnd von der begird [...]" (Schwäb I: 104r,10). Ein typisches Merkmal für die Verbalabstrakta auf -ida ergibt sich aus dem Umstand, daß sie einen Prädikatsinhalt als Größe darstellen (vgl. DW2:243f). Sie sind dadurch einerseits selber in der Lage, "Gegenstand einer grammatischen Prädikation" (DW2:243) zu werden, z.B.: "Wie sich die fede zwuschen den Krichen unde den Troyern hup" (Thür 111:32,21). Andererseits können sie als selbständige Größe auch als Objekt, insbesondere als Akkusativergänzung, verwendet werden: "do wurden all min M n d gar ser erzörnet vnd müst vil versmSht von in liden" (Schwäb I:86v,7). Dies führt v.a. bei den sehr firequenten Ableitungen begierde und freude dazu, daß sie in Verbindung mit immer denselben Verben treten, v.a. jedoch mit haben, also: begierde haben, freude haben. Es entstehen so nach Art von Funktionsverbgefügen Umschreibungen, die sich auch durch die den Ablei139
Vgl. allgemein zur Funktion der Textkonstitution bezüglich der Ableitungen mit -heil Abschnitt 3.1.2.1.1.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
239
tungen zugrundeliegenden Basisverben ausdrücken lassen, d.h. begierde haben durch begehren und freude haben durch sich freuen. Ebenfalls in bezug auf begierde und freude gibt es neben diesen festen Kombinationen mit bestimmten Verben auch präpositionale Konstruktionen, die wie feststehende Wendungen gebraucht werden: mit großer begierde kann ersetzt werden durch sehr begierig sein, in großer freude durch sich sehr freuen. Dies kann, wie bei freude, so weit führen, daß das Derivat stellvertretend für eine adverbiale Bestimmung steht, die im Kontext sogar durch das Stilmittel des Hendiadyoin gleichzeitig erscheint: "gern vnnd mit freuden" (Schwäb V: 12,16). Die Pluralform der -i 'das, was lahm ist/lahme Körperstelle1 b) genügde -> 'das, was genug ist1 (im Sinne von 'was zufriedenstellt bzw. vergnügt') Es wird also nicht, wie bei den deadjektivischen -/cfa-Abstrakta, das Prädikat nominalisiert, sondern durch eine Verschiebung der Perspektive wird das Subjekt des Prädikats zum Träger des adjektivisch oder auch adverbial bezeichneten Merkmals. Hauptkennzeichen für die Bezeichnungsverschiebung sind wie bei den Nomina ornativa auf -heit/-keit die Verbindung mit dem unbestimmten Artikel ein sowie der Pluralgebrauch. Aufgrund der Kombination mit Verben, die Sachobjekte erfordern, erlangen in zwei Fällen ursprüngliche Abstrakta, die mit subjektiven Genitiven kombiniert sind, den Status eines Nomen ornativum (vgl. die Kontextbelege unter schonde und serde). Die beiden Bildungen schonde und serde werden auf Grund der jeweiligen Kontexte metaphorisch bzw. nach Art einer okkasionellen Personifikation gebraucht, d.h., daß dem Kontext auch hier eine entscheidende Rolle für die Monosemierung der Wortbildung und damit der Bestimmung der Suffixfunktion zukommt. Die nicht sehr zahlreichen Bildungen lassen sich hinsichtlich ihrer Bezeichnungsfunktion auf keinen gemeinsamen Nenner bringen; Personenbezeichnungen werden jedoch in der Regel nicht gebildet, sondern im weitesten Sinne Bezeichnungen für Gegenständliches, womit sowohl Vorfälle oder Situationen als auch beispielsweise der Name für eine Körperstelle gemeint sind. 3.2.2.2 Frequenz a) Mit BA Mit 5 Lexemen in 5 Belegen, verteilt auf die Zeiträume I-VI (je 1 Lexem/1 Beleg in I, IV und VI sowie je 2 Lexeme/2 Belege in III), stellt -ida seine Funktion, Nomina ornativa mit BA zu bilden, bereits im Frnhd. ein. In DW2
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
245
wird der Ableitungstyp dementsprechend nicht mehr erwähnt. Der Untergang dieses Musters dürfte mit seiner sprachgeographischen Beschränkung zusammenhängen, denn die Derivate treten ausschließlich in md. Texten auf. b) Mit BModadv Als adverbiale Basis einer Bezeichnungsverschiebung mit -ida ist im Korpus nur genügde belegt, allerdings mit immerhin 14 Belegen, die sich auf die Zeiträume III (9) und IV (5) verteilen. Auch die Ableitung genügde ist in ihrem Vorkommen landschaftlich gebunden (nur md.) und kann sich letztendlich nicht gegenüber dem Suffix -i als Ableitungsmittel für das Modaladverb genug behaupten; vgl. nhd. Genüge 3.2.2.3 Bildungsweise Die Derivate sind so gut wie ausschließlich von Simplizia abgeleitet, wodurch sich zwei Konkurrenzformen mit -heit ergeben: In Texten aus unterschiedlichen Sprachräumen desselben Zeitraums konkurriert schonde mit Schönheit (IV); innertextlich sind einmal die Parallelformen gewonde und gewonheit (Rip III) belegt. Außerdem treten die Bildungen lämde (Hess III) und läme (Eis III) in landschaftlicher Distribution auf. 3.2.2.4 Belegte Lexeme a) Mit BA gefär-de: lx in Obs VI. Bezeichnung für 'Situationen' (Pluralform), 'die hinterhältig sind': "Wie solt ich dann/Errettung han/Von meiner Angst/ Schmerz/Noth/ und viel GefShrden." (Fvift. gewon-de: lx in Rip III. 'Das, was jmd. gewohnt ist/Gewohnheit': "off warumb leist got alsulche dynge gescheen Jnd dairumb bedroeuen. Sij sich in den widderwerdigen dyngen vnd anfechtungen. dye yn ouerkomen buyssen gewoenden vnd gemeynem louff yrer zijt" (IIIr,36). läm-de: Hess III, lx. Bezeichnung für 'das, was lahm vsXJlahme Stelle': "Jtem Plinius spricht daz diß wflrtzel fast gflt sy gesotten mit gebranten wyn vnd die lamen glidder do mit gestrichen want sye durchdringet die lemde vud wormet die selbigen gliedder festiglich." (cvij,35). schon-de: lx in Schles IV. 'Etw., das schön ist', hier übertragen gebraucht mit Bezug auf ein als Genitivobjekt genanntes Abstraktum: "das auch wüderlich gecziret was mit schöde der keusschheit" (Blip).
114
Im Korpus Fmhd. ist allerdings in der Funktion des Nomen omativum keine direkte landschaftliche Distribuierung zwischen genügde und genüge vorhanden, da die Belege aus unterschiedlichen Zeitabschnitten stammen (vgl. für die -ί-Ableitung Abschnitt 3.3.3).
246
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im
Frühneuhochdeutschen
ser-de: Thür I, lx. Nach Art einer okkasionellen Personifikation gebrauchte Bezeichnung für 'das, was ser\ d.h. 'qualvoll ist/Qualen': "Dy serde der helle dy vmmegaben mich" (31,20). b) Mit BModadv genüg-ede: 14 Belege nur im Md. (Obs und Rip) in III und IV. Bezeichnet wird mit der Ableitung 'das, was befriedigt bzw. vergnügt': "Als nun der mensch sich tzu dez ersten keret νδ der werlt tzu got ee er dan alle lust vnd genugde auß getribe" (Obs ΙΙΙ:ΧΙΑ,12); "Vnd de myschS in vnsen zijden die niet glichmoedich verdragS dat yr genoichte van yn getrent werde vnd yr waillust enwenich gehindert werde" (Rip ΙΙΙ:ΙΙΓ,Ι3). 3.2.3 Bezeichnungen für das Objekt der Prädikation aus einem Veib: Nomina acti mit BV(Inf) 3.2.3.1 Definition Neben der Bildung von Verbalabstrakta leitet -ida sekundär auch Bezeichnungen für das Objekt der veibalen Prädikation ab nach dem Muster hebede -» 'etw., das jmd. hat', d.h. "besitzt' Es wird hier also nicht wie bei den grammatischen Abstrakta die Prädikation thematisiert, sondern es findet, wie die Umformung verdeutlicht, eine Bezeichnungsverschiebung statt, die darin besteht, daß sich die Perspektive vom Prädikat auf das Objekt des prädikativen Verbs verlagert. Syntagmatisch wird die Stellvertreterfunktion der Nomina acti, wie oben vorgeführt, wiedergegeben als eine Nominalgruppe bestehend aus pronominalem Nukleus und verbalem Attribut. Das stellvertretende Pronomen steht teils im Nominativ, teils sind in Abhängigkeit vom abgeleiteten Basisverb auch der Genitiv bzw. ein adveibialer Platzhalter möglich: z.B. schämde -» 'etw., dessen jmd. sich schämt' (für 'das Geschlechtsteil'); sterbte -> 'etw., woran man stirbt/sterben kann' (für 'die Epidemie/Pest'). Die Bezugsverben bestehen aus einem transitiven 2-wertigen Verb mit Akkusativobjekt (hebede) sowie daneben einem 3-wertigen Transitivum (gewerde), zwei intransitiven 2-wertigen Verben mit Nominativ und präpositionaler Ergänzung (benügede,135 sterbte) und zwei reflexiven Verben, die inhaltssyntaktisch 1-wertig sind (freude, schämde), jedoch um eine präpositionale Erweiterung bzw. um ein Genitivobjekt ergänzt werden können. 135
Das BV werden.
benügen kann statt mit einer präpositionalen auch mit einer Genitivergänzung verbunden
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit,
-ida, -t
247
Das von den Nomina acti136 Bezeichnete ist hauptsächlich gegenständlicher Natur; hierzu gehören greifbare Dinge wie hebede ('die Habe'), aber auch z.B. der Name für 'die Epidemie/Pest', sterbte. Personenbezeichnungen liegen nur dann vor, wenn die Derivate nach Art einer okkasionellen Personifikation verwendet werden, z.B.: "du hist [bist; sie!] mein fr6d" (Schwäb III:24b,16). 3.2.3.2 Frequenz Der Ableitungstyp wird repräsentiert durch 6 Bildungen in 63 Belegen vor, die sich folgendermaßen verteilen:
I III IV V VI VII Gesamt
Lexeme Belege 3 14 4 12 1 13 1 11 8 1 1 5 6 63
Im 14. und 15. Jh. ist das Muster noch in bescheidenem Umfang produktiv, bleibt jedoch in der Mehrzahl seiner Bildungen landschaftlich beschränkt auf den wobd. und den wmd. Sprachraum. Ab der ersten Hälfte des 16. Jhs. (Zeitraum IV) ist -ida in seiner Funktion, Nomina acti zu bilden, dann jedoch bereits reduziert auf die Ableitung eines einzigen Lexems, freude, das bis ins Nhd. erhalten bleibt. Der Produktivitätsverlust wird begleitet von einer bereits ab Zeitraum I tendenziell rückläufigen Gebrauchshäufigkeit. 3.2.3.3 Bildungsweise Die abgeleiteten Basisverben sind überwiegend unpräfigierte Verben, 3x mit ge-Präfix versehen137 und lx mit Präfix be-. Auch bei den Nomina acti ist
ni
1,7
Ein anderer Name ist "Nomina facti*. Vgl. DW2:14 und 415 (Überschrift Abschnitt 7.) sowie Wellmann 4 1984:465. Kram er 1962:417 trifft überdies noch eine etwas vage anmutende semantische Unterscheidung zwischen den Nomina acti als Bezeichnung für einen abgeschlossenen, allgemeinen Zustand und den Nomina facti, die ein "umgrenztes, bestimmbares Ergebnis geistiger (...] oder materieller Natur" (ebd.) benennen. Zum damit verbundenen Genuswechsel s.o. Abschnitt 3.2.3.1.
248
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frohneuhochdeutschen
das Dentalsuffix -ida entweder abgeschwächt zu -de oder oil sogar reduziert auf -d. Da die anderen untersuchten Suffixe -heit/-keit und -i in erster Linie Basisadjektive ableiten, füllt -ida die Nische der Nomina acti alleine aus und erhält keine Konkurrenz durch die anderen Derivationsmorpheme. 3.2.3.4 Belegte Lexeme benüg-ede: 2x in Els I mit Basisbeleg benügen im selben Text. Die Bildung ist in beiden Kontexten mit dem Veib finden und der Präposition in verbunden zu dem Syntagma benügede finden in etw. Darauf folgt in beiden Fällen ein genitivus objectivus miner seien, so daß die Ableitung als Bezeichnung für 'das, was im Überfluß/in reichlicher Fülle vorhanden ist' zu interpretieren ist: "ich vinde in allen disen grosen lüstlichen bilden kein benügede miner seien" (13,5). freu-de: 53 Belege in I-VII (zum BV vgl. Abschnitt 2.1.3.4 unter freu-de). Die Ableitung bezeichnet in ihrer erweiterten Funktion 'das, was jmdn. erfreut/die Vergnügung'. Sie wird überwiegend im Plural genutzt und dabei gleichzeitig häufig mit der Präposition mit und oft auch noch mit einem verstärkenden Adjektiv verbunden. Daß nicht die abstrakte Funktion vorliegt, läßt der Kontext erkennen, in dem z.B. in syntaktischem Bezug Substantive erscheinen, die eindeutig Gegenständliches bezeichnen. Beispiel: "Also wurden die zwey nach Christlicher Ordnung zamen vermähelet/demnach ward der ymbis mit grossen freuden volbracht/allein das gar kein seitenspiel da gebraucht ward" (Eis V:40,29). Ein weiteres Kennzeichen für die Bezeichnungsverschiebung ist die Kombination mit Verben, die ein Sachobjekt erfordern: Hvnd ist [...] ain besitzerin alles gutes vnd aller der frewden, die got gelaisten mag in ewigkait." (Ofr 111:220,9). Bei Gebrauch in religiösen Kontexten wird der Bildung oft das Adjektiv ewig hinzugefugt: "Nü bittend got das er vns helf das wir disem hailigen vater also nächvolge das wir mit im die ewigen fröd besiezen" (Schwäb I:86r,17). Das Derivat wird okkasionell mehrfach zur Bezeichnung von Personen nach Art einer Personifikation eingesetzt: "Du hist [bist] mein ft6d und truren wann du trurest so truren ich." (Schwäb III:24b,16). gewer-de: lx in Ohchal III. Oas, was gewährt wird' (ΒV gewern, vgl. DWB s.v.) 'das Besitzrecht': "die von Zürich bin jr sträff vnd jr gewerde sölind bliben" (Ohchal 111:19,28). hebe-de: 2x in Hess I. 'Das, was jmd. hat/die Habe': "hat sie auch nit der hebede zu gebene, gebe gut antworte" (18,14). Im zweiten Beleg erscheint der vollständige Infinitiv in der Ableitung: "Von der hebende." (18,24 Überschrift). schSm-de: 4 Belege nur im Md. in III, Rip und Hess. Bezeichnung für 'etw., dessen man sich schämtlSc\ma- oder Geschlechtsteil' (BV Schemen in Rip
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -Ida, -i
249
III): "dar vß gemacht eyn plaster vfi das gebQden vff die schemd der firauwen reyniget ir die müter also daz sie darnach geberen mag." (Hess III:xciij,17). sterb-te: lx in Rip III. Oas, woran man s//>A//Epidemie\ Der Kontext der Bildung liefert als zusätzlichen Anhaltspunkt für die Monosemierung eine Aufzählung von Beispielen für Epidemien: "Item van den groissen sterffden as durch pestilencien vnd ander plage." (ΙΙΓ,24). 3.2.4 Bezeichnungen fur das Subjekt der Prädikation aus einem Verb: Nomina subjecti mit BV(Inf) 3.2.4.1 Definition Hinsichtlich ihrer syntagmatischen Eigenschaft, das Subjekt der Prädikation aus einem Verb zu bezeichnen, sind die vier -ΰώ-Bildungen beschwerde, gezierde, ungebürde und zierdei3S der Gruppe der Nomina subjecti zuzurechnen (vgl. zum Begriff bereits Abschnitt 3.1.5.1). Sie basieren auf dem Grundmuster beschwerde -> 'Last, die jmdn. beschwert' Die Umformung verdeutlicht die den -/Wa-Ableitungen zugrundeliegende Struktur der Attributsatzeinbettung, auf die im wesentlichen die bereits für die entsprechenden -heit-Ableitungen beschriebenen Merkmale zutreffen (vgl. Abschnitt 3.1.S). Als Basis der negierten Ableitung von ungebürde ist ein reflexives Verb anzusetzen. Die anderen drei -/da-Bildungen sind wie die -Ae/i-Derivate von transitiven 2-wertigen Verben abgeleitet. Für beschwerde wird das motivierende Verb gar explizit in einer passivischen Konstruktion genannt. "do ward er gar ser beswSrt vnd do in d i beswaerd an gieng [...]" (Schwäb 1:77,8). Da diese funktionale Nische auch mit -/c/a-Ableitungen nur sehr schwach besetzt ist, können systematische Aussagen über die Bezeichnungsfunktion nicht getroffen werden. Wie die -Ae/Y-Bildungen bezeichnen auch die -ida-Derivate Unterschiedliches: Zierde und gezierde schmückende Gegenstände, ungebürde einen Vorfall, der sich nicht gebührt, beschwerde meist in
,J
* Für die beiden Ableitungen gezierde und Zierde gilt, ähnlich wie für zierheit (vgl. Abschnitt 3.1.5.1), daB eine Klassifikation als Nomen instrument! vorstellbar wire nach dem Muster 'Gegenstand, mit dem jmd. jmdn./etw. ziert bzw. schmQclct'.
250
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -J im Frohneuhochdeutschen
übertragenem Sinne Anstrengungen oder körperliche Leiden und Schmerzen. 139 3.2.4.2 Frequenz Nomina subjecti auf -ida liegen im Korpus mit 4 Lexemen in SO Belegen vor:
I III IV V VI VII Gesamt
Lexeme Belege 3 9 2 4 19 3 2 4 3 4 10 2 4 50
In der Verteilung der Bildungen gibt es deutliche Unterschiede: Während gezierde nur in I und IV belegt ist (lOx) und ungebürde lediglich lx in Zeitraum VI, sind Zierde und beschwerde in Texten aller Zeitstufen vertreten, und zwar mit annähernd gleicher Häufigkeit (Zierde 21x; beschwerde 18x). In sprachräumlicher Hinsicht ist eine tendenzielle Bevorzugung der Nomina subjecti auf -ida im Obd. festzustellen. Die hochfrequenten Derivate Zierde und beschwerde sind im Gegensatz zu gezierde und ungebürde, auch nhd. noch gebräuchlich. 3.2.4.3 Bildungsweise Die Ableitung beschwerde geht auf ein mit be-, das zusätzlich mit Negationspräfix versehene Derivat ungebürde auf ein mit ge- präflgiertes Verb zurück. Die beiden anderen Derivate basieren auf einfachen Verben, da in gezierde erst in der Ableitung das als verstärkend zu wertende Präfix ge- hinzutritt.141 Zu beschwerde und gezierde werden Komposita gebildet: faßgezierde in Eis IV und leibsbeschwerden in Schwäb VII. 139
140
141
Für die -ί-Bildungen desselben Ableitungstyps befindet DW2 hinsichtlich ihrer uneinheitlichen Bezeichnungsfünktion sogar, "daß sie keine andere systematische Bedeutung haben als die, einzelne Leerstellen zu besetzen." (DW2:360). Vgl. Wilmanns 2 1899:344 sowie Henzen 1965:174. DW2 erfaßt die bei Wilmanns und Henzen, allerdings ohne funktionale Bestimmung, angeführten -; 'die Tatsache, daß etw. eng ist' Die -?-Abstrakta sind in ihrer Bezeichnungsfunktion auch frnhd. bereits auf bestimmte semantische Gruppen 'spezialisiert',>SI zu denen zwar von -heit/ -keit gelegentlich auch Ableitungen gebildet werden, ohne jedoch die Dominanz von -/-Derivaten entscheidend einzuschränken. Schwerpunkte der Verwendung liegen in der Bezeichnung von sogenannten elementaren physikalischen Eigenschaften (Temperatur, Gestalt von Gegenständen) (vgl. 149
150 ,31
Vgl. Abschnitt 3.1.2. Auch DW2:267 weist auf die Vergleichbarkeit der beiden Suffixe in dieser Funktion hin, allerdings mit der Einschränkung, daß sich das Zusammenspiel der Derivationsmorpheme nur auf Basen beziehe, die Simplizia sind. Diese Restriktion gilt A r das Fmhd. nicht mit der gleichen Ausschließlichkeit; zwar tritt -i auch fmhd. Oberwiegend an Simplexadjektive, daneben jedoch auch an sekundere BA. Vgl. Kap. III.3.2. Vgl. Abschnitt 3.1.2.1.1 sowie für das Nhd. ebenso DW2:267. Vgl. für das Nhd. ebenso DW2:268.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -Ϊ
257
DW2:268) wie kälte, wärme, dürre, feuchte, schärfe,152 sowie von räumlichen Verhältnissen, z.B. ferne, gerichte ('gerade Richtung'), nähe, weite. Ebenfalls stark ausgebaut ist die Ableitung von sogenannten 'Dimensionsadjektiven'' 53 zu Bezeichnungen für die räumliche und zeitliche Ausdehnung, z.B. breite, dicke, größe, kürze, länge }iA Viele dieser Dimensionsbezeichnungen werden über ihre Funktion, die im BA genannte Eigenschaft als Größe darzustellen, hinaus im Kontext mit einer Maßangabe verbunden, die dann zusätzlich den Grad der prädikativ bezeichneten Eigenschaft angibt (vgl. auch DW2:267f), z.B.: "darzü sie/[...]/hültzine Schlüssel haben/die inn der lenge ainer gflten spannen/vnd eines daumen dück seind" (Schwäb V:27,2) —>'... Schlüssel haben, die eine gute Spanne lang ... sind' Während sich konkurrierende -Ae/Y-Formen in diesem Bereich selten zeigen, treten die Bildungen, die Geschmacksrichtungen bezeichnen, eher vereinzelt auf, da hier -Ae///-fce/Y-Entsprechungen größtenteils dominieren: bittere, säure, süße. Die für das Nhd. zu formulierende Regel, daß zu einem BA, welches eine Farbe bezeichnet, eine -ί-Ableitung gebildet wird (vgl. DW2:268), läßt sich anhand des Korpus Frnhd. nicht verifizieren, da lediglich röte (konkurrenzlos) vorkommt. Die Bezeichnungsfunktion der -/-Abstrakta erstreckt sich jedoch nicht nur auf "objektiv meßbare Eigenschaften" (DW2:268). Ungefähr die Hälfte der Derivate sind deadjektivische Bezeichnungen fur entweder charakterliche Eigenschaften des Menschen (diese sind überwiegend positiv wertend) wie güte, milde, sänfte, schwäche, stärke oder fur körperliche Zustände wie heisere, läme oder speislose. In diesem Sektor ist die Konkurrenz mit -heit, wie im übrigen auch im Nhd. (vgl. DW2:268), stärker ausgeprägt als in den oben genannten Bereichen. 3.3.1.2 Frequenz a) Mit BA Das Muster ist im Korpus Frnhd. mit 62 Lexemen in 642 Belegen in allen Zeiträumen vertreten:155 1.2
1.3 1M
133
Eine auffällige Ausnahme ist zu beobachten: das BA hart wird grundsätzlich nur mit den Formvarianten von -heit/-keit abgleitet; es ist kein einziges -/-Abstraktum belegt! Zu den Dimensionsadjektiven im Nhd. vgl. Wurzel 1987:459-516. Wurzel 1987:504 stellt hinsichtlich der Derivate mit Dimensionsbedeutung fest, daß die "Pluspolnominalisierungen" (das ist z.B. das Derivat Länge im Gegensatz zur Minuspolableitung Kürze) im Deutschen bemerkenswerterweise morphologisch einheitlich strukturiert sind. Ober die genannten Vollformen der -iAbstrakte hinaus liegen mit 18 Lexemen in 172 Belegen noch apokopierte Formen mit Schwerpunkt im Obd. (Wobd. und Oobd.) vor. Dadurch erhöht sich die Gesamtzahl der Lexeme um 3 auf 65 (die meisten Bildungen sind audi als Vollform belegt),
258
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -! im Frühneuhochdeutschen
I III IV V VI VII Gesamt
Lexeme Belege 70 23 18 81 33 204 16 58 139 27 90 20 642 62
Aus der Übersicht geht hervor, daß sowohl die Lexem- als auch die Belegfrequenzen von Zeitraum zu Zeitraum variieren mit frequentiellen Lexem- und Beleg- 'Gipfeln' in IV und VI. Zeitabschnitt V ist auch für diesen Ableitungstyp schwächer mit -ί-Abstrakta besetzt als die übrigen Zeiträume, wenngleich der Unterschied nicht so deutlich ausfällt wie bei dem entsprechenden Funktionsstand der deadjektivischen Nomina qualitatis mit -heit/-keit (vgl. Abschnitt 3.1.2.1.2). Eine Ursache für die Schwankungen läßt sich in Gegenüberstellung mit dem nhd. Befund verdeutlichen: Während im Nhd. das -ί-Suffix vor allem an sehr gebräuchliche, frequenzreiche BA tritt und daher die Häufigkeit der Abstraktbildungen im Textkorpus (= CG) insgesamt nur wenig schwankt (vgl. DW2:269), sind im Korpus Frnhd. mehr als 50% der Derivate auf -i nur einoder zweimal belegt156 und tragen, abhängig von ihrem gehäuften Vorkommen in bestimmten Texten, zu den oben angeführten wechselnden Werten bei. Ungefähr 75% dieser seltener auftretenden Bildungen sind gleichmäßig auf die drei Zeitabschnitte I, IV und VI verteilt, also diejenigen Zeiträume mit den höchsten Lexemzahlen. Eine gewisse Korrelation mit der Textsorte, in der die Bildungen belegt sind, ist festzustellen: In Zeitraum IV überwiegen Realien- und chronikalische Texte, in Zeitraum VI stellen die chronikalischen Texte einen hohen Anteil der Quellen. Allerdings ist daneben eine größere Anzahl an erbaulichen Texten vorhanden, die auch in Zeitraum I dominieren. Daß hierin kein Widerspruch liegen muß, hängt mit dem frnhd. noch hohen Anteil an Eigenschaftsbezeichnungen für den Charakter und körperliche Zustände des Menschen zusammen (s.o. Abschnitt 3.3.1.1). Während derartige Bezeichnungen v.a. in eibaulichen, unterhaltenden u.ä. Textsorten auftreten, sind Bezeichnungen für physikalische Eigenschaften sowie die räumliche und zeitliche Ausdehnung in Realien- und chronikalischen Texten besonders verbreitet.
136
die der Belege auf insgesamt 814. Die Zahlen zu den einzelnen Lexemen der Apokopeformen sind im Belegteil jeweils gesondert ausgewiesen. Von insgesamt 62 Bildungen sind 33 nicht häufiger als lx oder 2x vertreten.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -f
259
Darüber hinaus spielt jedoch nicht nur die Textsorte eine Rolle, sondern auch der thematische Bezug. Texte mit einer thematischen Ausrichtung, die auch die Verwendung der allgemeineren und frequenzreichen Nomina qualitatis auf -i erlauben, weisen ein höheres Lexem- und Belegaufkommen auf.157 Unter den Derivaten mit der höchsten Gebrauchshäufigkeit fuhrt das -/-Abstraktum liebe]SS (173x), an zweiter Stelle steht kälte (88x), gefolgt von größe (43x), länge (35x), güte (34x), stärke (29x), breite (24x), höhe (23x) sowie schöne159 (21x). Für die variierende Anzahl der Bildungen ist schließlich auch noch ein gewisser landschaftlicher Einfluß festzustellen, wobei zwischen Lexemen mit hoher und solchen mit niedriger Gebrauchsfrequenz zu unterscheiden ist. Bezüglich der häufig verwendeten -{-Ableitungen (s.o.) ist keine sprachräumliche Konzentration zu bemerken. Mit Beschränkung auf diese Derivate ist daher Öhmanns Einschätzung zur mundartlichen Verbreitung der -/-Abstrakta zuzustimmen, nach der die Nomina qualitatis auf -/ "überall mehr oder weniger reichlich" (öhmann 1921:33) auftreten.160 Nicht zutreffend ist diese Aussage jedoch auf Korpusgrundlage in bezug auf die seltener vorkommenden Bildungen, von denen mehr als 70% ausschließlich im Obd. belegt sind und dort mit deutlicher Dominanz im Wobd. Für das Frnhd. ist also noch, offenbar bereits mit sprachräumlichem Schwerpunkt im Wobd., von einer Produktivität des -/-Suffixes bei der Bildung von Adjektivabstrakta auszugehen, die nach dem Befund von DW2 auch um 1800 noch vorhanden ist.161 Der Vergleichsbefund in DW2 ergibt noch insgesamt 71 Bildungen bei Adelung (25 Bildungen davon nur bei ihm und nicht im CG) gegenüber einer Gesamtzahl von 55 -(-Abstrakta im CG, von denen nur 9 Bildungen neue Formen sind,162 die nicht bei Adelung vorkommen. Dies bedeutet, daß das Suffix zur Gegenwart hin seine Produktivität weitgehend eingebüßt hat, zumindest was die nhd. Standardsprache angeht. Insbesondere in 1.7
1.8 139
160
161
162
Für das Nhd. stellt Wellmann fest: "Sachtexte mit enger thematischer Einschränkung weisen eine geringe Häufigkeit a u f ' (DW2:269). Zur Motivierung der Ableitung durch ein BA vgl. Abschnitt 3.3.1.4 s.v. Die -i-Ableitung schöne wird mit 21 Belegen fast so häufig in der abstrakten Funktion genutzt wie die Konkurrenzform auf -heit, Schönheit (23x). Öhmann sieht darin einen wesentlichen Unterschied zu den Ableitungen auf -ida, deren Verwendung durch die Mundart der Verfasser zu erklären sei, während die -ί-Abstrakta als "nachklänge einer alten schriftsprachlichen tradition" (öhmann 1921:30) zu werten seien, die den Erhalt dieser Bildungen insbesondere in der Dichtersprache bewirkt habe (vgl. Öhmann 1921:27f). Texte aus dieser Zeit enthalten Formen, "die Ad. nicht bucht und die auch heute nicht in Gebrauch sind, mithin als Gelegenheitsbildungen der Goethezeit gehen können." (DW2:269). Insofern ist Henzen zu widersprechen, der die -i-Abstrakta im Nhd. gegenüber dem Mhd. lediglich auf "eine Anzahl überkommener Fälle eingeschränkt" (Henzen 1965:171) sieht. Diese sind Wörter, die "aus der älteren dt. Sprache wieder aufgegriffen worden sind" (DW2:269), wie z.B. Kränke und Späte.
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -l im Frühneuhochdeutschen
den alem. Mundarten sind jedoch auch in der Gegenwartssprache Neubildungen "nach Bedarf" (Henzen 1965:172) möglich.163 b) Mit BModadv Adverbiale Basen für -/-Derivate sind im Korpus mit 2 Lexemen in 3 Belegen vertreten: bälde (2x in Schwäb VI) und genüge (Ix in Thür VII). Die Bildungen stellen wie im Nhd. Einzelfälle dar und sind auch ebenso "phraseologisch gebunden" (Fleischer 41975:148): bälde ist in der präpositionalen Fügung in bälde belegt,164 genüge in der feststehenden Wendung einer Sache genüge tun. 3.3.1.3 Bildungsweise Das Abstraktsuffix -i tritt in den iirnhd. Texten überwiegend in der auf -e reduzierten Form auf; nur in schwäb.-alem. Quellen hält sich, meist parallel dazu, die -/-Form.165 Die neben den Vollformen der Ableitungen belegten apokopierten Formen sind mit Schwerpunkt in obd. Texten vertreten (zu den Frequenzen s. Abschnitt 3.3.1.2). Die von -ι abgeleiteten BA sind hauptsächlich Simplizia, oft sogar Einsilbler; daneben tritt das Morphem jedoch auch, anders als im Nhd., an sekundäre Adjektive wie z.B. in gestaltsame und speislose. Zweimal bilden auch Modaladveibien die Basen der Ableitung und bleiben in dieser Funktion konkurrenzlos. Da auch -heit mit seinen Varianten sowie -ida Simplexadjektive ableiten, bestehen zu mehr als einem Drittel der -ί-Abstrakta Konkurrenzbildungen (insgesamt 32, teilweise mit Doppel- bzw. Mehrfachbelegung, s.u.), die sich hier, wie für die -/c/a-Abstrakta geschehen (vgl. Abschnitt 3.2.1.1.3), nicht mehr in einer Übersicht darstellen lassen. Es werden daher die wesentlichen Grundzüge beschrieben. Wie bereits in Abschnitt 3.3.1.1 kurz angerissen, sind die meisten Konkurrenzformen bei den Bezeichnungen für menschliche, v.a. charakterliche Eigenschaften und Zustände zu finden. Zu 10 -/-Ableitungen gibt es konkurrierende Formen166 - auf -heit zu 5 Bildungen: güte, keusche, schöne, schwäche, stille; - auf -keit zu 4 Bildungen: gehorsame, Sänfte, stete, ungestüme;
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Nach Öhmann ist die Lebendigkeit der Bildungsweise in der Gegenwartssprache auch noch im Schwab, und Bair. anzutreffen. Vgl. öhmann 1967. Auch für das Nhd. ist auf Grundlage des CG der Gebrauch von in Bälde als Ersatz für das zugrundeliegende bald, das in DW2 allerdings als BA in adverbialer Verwendung bestimmt wird, festzustellen mit der zusatzlichen Gebrauchsbeschränkung als Veraltet'. Vgl. DW2:497f, Anm. 173. Vgl. zu den Graphien Kap. III.3.1 sowie die Obersicht Ober die sprachräumliche Verteilung von -i im Anhang: Tabelle 8. Bei 3 Ableitungen besteht doppelte Konkurrenz, also z.B. stille - stillheit - stillikeit, so dafi die Addition der bei den Suffixen genannten Zahlen 17 statt 14 ergibt.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -I
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- auf -igkeit zu 1 Bildung: ungestüme; - auf -ikeit zu 2 Bildungen: keusche, stille. Die Bildungen konkurrieren zum Teil in mehreren Zeiträumen,167 v.a. jedoch in I-IV. Parallelbildungen innerhalb eines einzigen Textes sind achtmal belegt, ansonsten sind die Konkurrenzen intertextuell bedingt. Mit landschaftlicher Bevorzugung im Rip. und Omd. (also im strengen Sinne nicht konkurrierend) treten überdies 4 -; 'die Tatsache, daß jmd. etw. begehrt' Das Prädikat, das zur Bezeichnung eines Vorgangs substantivisch wiederaufgenommen wird, besteht hier aus 2-wertigen Transitiva, deren Ergänzungen "* Vgl. Wilmanns J 1899:255. 179 Das entsprechende Muster der Nomina actionis auf -e im Nhd. zeichnet sich dagegen durch seine Produktivität aus (vgl. DW2: Abschnitt 4.1.11.). Ein direkter Vergleich ist allerdings nicht möglich, da die Verbalabstrakta des in DW2 beschriebenen Funktionsstandes mit einem Suffix -e gebildet sind, das "nicht als ein eigenes Wortbildungsmorphem, sondern als Klassencharakteristikum der alten -0-und -jO- Deklination" (DW2:234) anzusehen ist. 180 Zur sprachhistorischen Entstehung vgl. Wilmanns 3 1899:252f sowie Henzen 1965:172f.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
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in den Kontextbelegen der Bildungen meistens wegfallen. Eine Ausnahme stellt das einzige {Compositum, kindtaufe, dar, in dem das Akkusativobjekt des Basisveibs als Bestimmungswort kind- des Kompositums verwendet wird. 3.3.3.2 Frequenz Die Funktion wird repräsentiert durch die beiden Bildungen begere und taufe in 8 Belegen (7x in V, lx in VII). Wesentlich frequenter sind die apokopierten Formen der Bildungen: beger, 2x (V und VI), tauf, 15x (in I, III, V und VII). 3.3.3.3 Bildungsweise Das Suffix -i hat in allen Belegen die auf -e reduzierte Form, sofern es nicht ganz durch Apokope abgefallen ist (vgl. oben Abschnitt 3.3.3.2). Sowohl zu einer Vollform als auch zu einer Apokopeform existieren Komposita: jeweils in VII sind kindtaufe (Schwäb.) und wiedertauf (Rip.) belegt. Als formale Konkurrenz ist im Korpus nur zu begere die parallele -üfa-Ableitung begierde (mit Vokalwechsel) belegt. 3.3.3.4 Belegte Lexeme beger-e: lx in Schles IV ( + 2x Apokopeform im Els, V und VI). 'Die Tatsache, daß jmd. etw. begehrt/Verlangen, Wunsch': "Alßo dassy auch reyne hilde yre ßele von aller boßer begere" (BA). tauf-e: 8 Belege in V und VII (+ 15x Apokopeform in I, III, V und VII). 'Die Tatsache, daß jmd. jmdn. tauft: "der d&rffe sich nicht nach grossem gewalt vnd reichthumb sehnen/Sondern soll sich zur Tauffe [...] bereiten." (Ofr V:XXVIF,2). Oft nicht nur die- Bezeichnung für den Vorgang des Taufens, sondern für das kirchliche Sakrament: "Darumb sie auch also schmehlich vnd Gotteslesterlich/wie die Mahometisten vom Abendmal des HERRN/von der Tauffe/J...]/gedencken vnd reden." (Obs V:51v,19). Die Bildung liegt nur in VII überdies als Grundwort des Kompositums kindtaufe vor: "Nun were auch etwas zu melden von ein vnd andern Stadtgebräuchen/bey den Hochzeiten/Kindtluffen/Leichbegängnussen vnd dergleichen" (Schwäb VII:B23,26). Ein weiteres Kompositum ist nur in der apokopierten Form ebenfalls in Zeitraum VII belegt: "Wie es mit der meinung vom Wiedertauff deren/so auß der Ketzerey kSmen/geschehen" (Rip VII: 14,6).
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Die Typen der Ableitung mit
-heit/-keit, -ida, -i im FrOhneuhochdeutschen
3.3.4 Bezeichnung für die lokative Angabe der verbalen Prädikation: Nomen locativum mit BV(Inf) (DW2: Abschnitt 9.1.2.) 3.3.4.1 Definition Eine im Korpus Frnhd. mit einer einzigen Bildung belegte primäre Prägung hat die Funktion, Orte, Stellen oder Räume zu bezeichnen ('Nomen locativum'). Das Derivat läßt sich folgendermaßen umformen: bleiche -> 'Ort/Stelle, an dem/der jmd. etw. bleicht' Die lokative Funktion des Suffixes ist hier an der lokalen Präposition an des Transformationssatzes zu erkennen. 3.3.4.2 Frequenz Die Bildung bleiche ist einmal in Schwäb VII in usueller Verwendung belegt (Kontextbeleg s.u.). Der Ableitungstyp bringt in der Folgezeit etliche weitere Bildungen hervor, so daß um 1800 insgesamt 20 Lokativa auf -/ bei Adelung belegt sind. Das Muster bleibt in seiner Produktivität, die v.a. durch die gesprochene Sprache bestimmt zu sein scheint (vgl. DW2:453), bis in die Gegenwart ziemlich konstant (24 Bildungen im CG), wird jedoch von DW2 auf Grund seiner geringen Frequenz nur als in seiner Bedeutung den anderen lokativen Bildungen untergeordneter Typ dargestellt (vgl. DW2:453). 3.3.4.3 Bildungsweise Das abgeleitete BV ist ein 2-wertiges Transitivum, das mit der auf -e reduzierten Form des -ί-Suffixes verbunden ist. Parallelformen sind im Korpus nicht belegt. 3.3.4.4 Belegtes Lexem bleich-e: lx in Schwäb VII. Ort/Stelle, wo jmd. etw. bleicht·. "Vor dem Kalchsthor ist der Gottsacker/der Todten Ruhstatt/ein Kalchofen/Ziegelh&tten/Schießh&tten/das Brechen= oder Krancken=Hauß/die Blaiche/ein Papiermfile vnd das Berger Bad." (B7,16).
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
275
3.3.5 - 3.3.8 Sekundäre Prägungen 3.3.5 Bezeichnungen für sachliche und persönliche 'Träger' von adjektivisch oder adverbial bezeichneten Merkmalen: Nomina ornativa mit BA bzw. mit BModadv (DW2: Abschnitt 5.6.) 3.3.5.1 Definition Auf die gleiche Weise wie bei den Nomina ornativa auf -heit und -ida (vgl. Abschnitt 3.1.3.1 bzw. Abschnitt 3.2.2) können primäre i-Abstrakta durch Funktionserweiterung v.a. Sachbezeichnungen und seltener auch Personenbezeichnungen bilden, die die vom Adjektiv bzw. vom Modaladverb benannte Eigenschaft besitzen. Diesen liegen die folgenden Transformationen zugrunde: a) weiche -> 'das, was weich ist/weicher Körperteil "zwischen Brustkorb und Becken"'181 b) genüge -> 'das, was genug oder im Überfluß vorhanden ist' Grammatische Indikatoren für die Bezeichnungsverschiebung sind auch hier die Kombination mit dem unbestimmten Artikel ("ein 61ige faißte", Schwäb V:38,8) sowie der Pluralgebrauch ("alle breyten des leybs", Oft IV:W), oft noch unterstützt durch begleitende Indefinitpronomina wie alle, etliche, viele. Darüber hinaus gibt auch der Kontext Aufschluß darüber, daß die sekundären Prägungen der ursprünglichen -i-Abstrakta dazu dienen, "den Inhalt einer attr. erweiterten Nominalgruppe aufzunehmen" (DW2:323), insbesondere durch die Kombination mit Verben, die ein Sachobjekt erfordern, z.B.: "d* schmähe geliten hat" (Oschwäb III:X\12). An den wenigen Komposita, die mit einer -ΐ-Ableitung als Grundwort gebildet werden, läßt sich außerdem die in DW2 beobachtete Eigenschaft, "durch Komposition noch stärker auf die nichtabstrakte Verwendung festgelegt" (DW2:323) zu werden, demonstrieren. Während morgenröte allgemein 'die rote Farbe des Himmels beim morgendlichen Sonnenaufgang' bezeichnet, sind die zwei Komposita mundfäule und färberröte schon zu festen Lexikoneinheiten182 als Namen für eine Krankheit bzw. für eine Pflanze geworden.183
ln
Fleischer/Barz 1992:147. In bezug auf einfache -(-Ableitungen wie insbesondere Sanfte, Säure und Höhle bemerkt auch Fleischer fÖr das Nhd., daß Adjektivabstrakta auf -i eine "Tendenz zu mehr oder weniger ausgeprägter begrifflicher Sonderung von der adjektivischen Basis, zur Idiomatisierung" (Fleischer 4 1975:133) haben. Sie unterscheiden sich hierdurch von den Konversionsformen, die "den begrifflichen Inhalt des Adjektivs lediglich grammmatisch substantivieren" (ebd.), z.B. die Fäule - das Faule.
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit,
-ida, -i im Frtihneuhochdeutschen
DW2 stellt für die im Nhd. belegten Nomina ornativa auf -i fest, daß etliche der Bildungen "ausschließlich oder überwiegend" (DW2:323) als Gegenstandsbezeichnungen verwendet werden. Diese Aussage trifft auf die frnhd. Derivate nicht in der gleichen Weise zu, da zu den meisten der Ableitungen ein entsprechendes Abstraktum belegt ist. Die Bezeichnungsfunktion der -{-Bildungen umfaßt hauptsächlich Gegenständliches im weitesten Sinne wie Bezeichnungen für eine Stelle {breite), eine Fläche (ebene), eine Substanz (feuchte) oder ein Gebäude (feste). Außerdem können jedoch auch Handlungen (schmähe) oder Vorkommnisse (widermute) benannt werden. Seltener als Sachbezeichnungen sind die Bezeichnungen für Personen, die ausschließlich als okkasionelle Personifikationen (vgl. z.B. dv pist mein stercke) gebildet werden. Im Gegensatz zum Nhd. treten frnhd. jedoch noch einige Bildungen auf, die offenbar stilistisch bedingt sind. Für das Nhd. gilt, daß fast alle deadjektivischen Nomina qualitatis mit ·ϊ usuell sind, d.h., sie sind wesentlich weniger als die entsprechenden deadjektivischen -Ae/Y-Derivate durch die "stilistischen Absichten und Möglichkeiten eines Autors bestimmt." (DW2:324). 3.3.5.2 Frequenz a) Mit BA Deadjektivische Nomina ornativa mit -/ liegen mit 36 Lexemen in 144 Belegen vor.184 Die Verteilung nach der Anzahl der Bildungen ist unregelmäßig, so daß sich eine Produktivität des Ableitungsmorphems nicht ausmachen läßt.
I III IV V VI VII Gesamt
Lexeme Belege 27 11 19 8 12 56 8 10 10 25 7 6 36 144
Die Schwankungen in den Lexem- und Belegzahlen hängen zum Teil von den Texten ab, in denen die Bildungen belegt sind. Beispielsweise stammen gleich 183
>M
Wenn diese Derivate hier trotzdem als Untersuchungsgegenstand der Wortbildung behandelt werden, so ist dies damit zu begründen, daß die Motivierung der Bildungen noch analysierbar ist. Bei Hinzunahme der Apokopeformen erhöht sich nur die Belegzahl um 23 auf 167.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit,
-ida, -t
277
mehrere Realientexte aus Zeitraum IV, so daß der Anteil an Sachbezeichnungen nach Lexemen und Belegen hier am höchsten ist. DW2 bemerkt für das Nhd. zur Relation zwischen den Ornativa auf -i und den -i-Abstrakta einerseits sowie den entsprechenden Ableitungstypen auf -heit, daß die sekundären Gegenstandsbezeichnungen auf -i wesentlich seltener vorkämen als diejenigen auf -heit, da bereits die Anzahl der primären grammatischen -i-Abstrakta niedriger als diejenigen auf -heit sei (vgl. DW2:324). Diese Feststellung trifft prinzipiell auch auf das Korpus Frnhd. zu, ist aber noch zu ergänzen durch die Beobachtung, daß zwar absolut gesehen ornative Bildungen auf -i und auch -ida in wesentlich kleinerer Anzahl vorliegen als auf -heit,185 daß aber die Relation Lexemzahl Ornativa/Lexemzahl Abstrakta jeweils fast die gleiche ist, nämlich ungefähr 1:2 (jeweils doppelt soviele Abstrakta wie Ornativa).186 Die für das Korpus Frnhd. belegte Zahl von 36 Bildungen wird auf Grundlage des Vergleichsbefundes in DW2 bei Adelung mit 38 Bildungen leicht übertroffen, d.h., noch um 1800 kann dem Ableitungstyp eine leichte Produktivität bescheinigt werden. In der Folgezeit wird der Gebrauch jedoch reduziert: Im CG sind noch 32 Bildungen belegt, von denen 7 im Material bei Adelung nicht auftreten, während umgekehrt Adelung noch 13 Bildungen bucht, die nicht mehr im CG vorkommen, also untergegangen sind (vgl. DW2:324). Die vergleichsweise seltene Nutzung von -t im heutigen Deutsch zur Prägung von Sachbezeichnungen konzentriert sich v.a. auf den Bereich der Fachtermini, z.B. bei Begriffen wie Feuchte in der Meteorologie für den Wasserdampfanteil der Luft" oder "Schräge in der Architektur für einen Teil des Daches" (DW2:324). b) Mit BModadv Als einzige ornative Bildung mit adverbialer Basis ist genüge mit 2 Belegen in Thür I und Ohchal VI vertreten. Das Derivat steht als Einzelprägung; es dient nicht als Muster für weitere Bildungen dieser Art, d.h., es ist nicht produktiv. Seine Aktivität im Nhd. ist nur noch in idiomatisierten Wendungen wie 'zur Genüge' oder 'Genüge [an etw.] finden/haben' belegt (vgl. DudenDUW 21989 s.v.). 3.3.5.3 Bildungsweise Für die Graphie von -f wie auch die -ί-Apokope gilt im wesentlichen das unter Abschnitt 3.3.1.3 Gesagte. Auch bei den deadjektivischen Nomina ornativa dominieren als Basen Simplexadjektive; 4x tritt -f in dieser Funktion an sekundäre BA (geheime, gewaltsame, ungestüme, widermute). Das Modaladverb genug als Basis der Ab185
Die Werte sind (Anzahl der Lexeme): -heit (173), -i (36), -ida (5). "* Die Vergleichszahlen im einzelnen (Lexemzahl Omativa/Lexemzahl Abstrakta): -heit (173/355), -i(36/62), -ida (5/13).
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Die Typen der Ableitung mit
-heit/-keit, -ida, -t im
FrOhneuhochdeutschen
leitung bleibt ein Einzelfall; eine Konkurrenz mit einer gleichfalls belegten Abstraktbildung derselben Basis ergibt sich wegen fehlender synchroner Belegung nicht. Entsprechend der geringeren Anzahl an Nomina ornativa auf -i im Verhältnis zu den -ί-Abstrakta fällt auch die Zahl der konkurrierenden Formen mit 6 Derivaten kleiner aus.
-f -Ableitungen lerne (Eis ΙΠ) fähti(T) föchte (Eis III) feuchte (IV) schmähe (III)
Formen mit konkurrierenden Suffixen -ikeit: lemikeit (Eis III) -keit: fuhtekeit (I) -ikeit: föchtikeit (Eis III), feuchtikeyt (III) -ikeit: feuchtickeyten (IV) -igkeit: feüchtigkait (IV) -heit: schmachait (III)
schöne (Thür VII) -heit: Schönheit (Thür VII, Ohchal VII)
Die Übersicht zeigt, daß den Bildungen mit -/-Suffix je 2 Ableitungen mit -heit und -ikeit sowie je eine Parallelform mit -keit und -igkeit gegenüberstehen, wobei mit dem Lexem feuchte gleich zwei Formen in Zeitraum IV konkurrieren. Zeitlich konzentrieren sich die Parallelbildungen insbesondere auf das 15./16. Jh. (III/IV). Das Gros der Konkurrenzen ist auf Unterschiede zwischen Texten aus verschiedenen Landschaften zurückzuführen; seltener (dreimal) ist der uneinheitliche Gebrauch innerhalb desselben Textes Ursache für Doppelbildungen.187 Zum Ornativum lerne aus Eis III erscheint landschaftlich distribuiert überdies in Hess III die Bildung lemde. Die Parallelformen zu zwei weiteren Bildungen, feste und weiche, wurden als Scheinkonkurrenzen nicht in die Übersicht aufgenommen, da sie auf unterschiedliche Gegenstände referieren, also nicht im Kontext gegeneinander austauschbar sind: Die -ί-Ableitung feste bezeichnet die 'Festung' oder die "befestigte Burg', die konkurrierenden Derivate auf -ikeit beziehen sich hingegen unspezifisch auf einen 'sicheren Ort' bzw. eine 'feste Stelle'; ebenso benennt das mit -i gebildete Substantiv -weiche den 'weichen Körperteil', die Parallelform auf -ikeit dagegen ist vermutlich eine Gelegenheitsbildung, die in übertragener Weise in etwa 'weiche Lebensumstände' bezeichnet. Im Hinblick auf die weitere Entwicklung der -(-Ableitungen gegenüber ihren Konkurrenzformen ist zu beobachten, daß bis auf das im Nhd. nur noch apokopiert vorliegende schmähe (nhd. 'die Schmach') alle Bildungen auch noch im Nhd. erhalten sind, allerdings mit genauen Gebrauchsre1,7
Bei diesen Bildungen ist außer der Zeitraumziffer auch das Landschaftskürzel angegeben.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
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Striktionen, die entweder fachsprachlicher Art sind (z.B. Lähme für 'Lähmung1 als tiermedizinischer Fachterminus; vgl. Duden-DUW 21989 s.v.), einer anderen Stilebene angehören (Schöne = dichterisch für 'Schönheit'; vgl. Duden-DUW 2 1989 s.v.) oder als veraltet gelten (.Feste für die 'Festung' oder "befestigte Burg'; Duden-DUW 21989 s.v.). 3.3.5.4 Belegte Lexeme a) Mit BA ält-e: 1 Beleg in Ohchal VII. Das Derivat benennt die 'Zeit, die alt ist', d.h., 'die lange zurückliegt'/das 'Altertum': "Von der Römeren Poetischen Romanen/!...] wollen wir nichts sagen/sondern hier den Liebhaber der Antiquiteten berichten/daß die Römer auch die Materien und Sachen selbst schon in der ersten Site von den Griechen erborgt." (31,10). breit-e: 3 Belege nur in Ofir IV. Der von Dürer verfaflte Text enthält Anweisungen dafür, wie menschliche Proportionen zeichnerisch erfaßt werden können. In diesem Zusammenhang wird die Ableitung wie ein terminus technicus für die breiten, das sind die 'breiten Stellen des menschlichen Körpers', verwendet: "Darnach zeuch ich auß dem vbertrag mit den zwerch barlinien alle höch vnd nidern der verenderten ding in des nebensichtigenn gebognen weybs leyb in das f&rsichtig bild/vnd mach dann alle breyten des leybs wie for beschryben" ( W ) . dick-e: lx nur in Ofr IV. Zur Einordnung des Textes s. breit-e. Die 'dicke Stelle', hier: in der Zeichnung eines menschlichen Körpers: "So nun die leng der ding geteylt sind/dann mustu erst die dicke vn breytenn finden zu teylen" (Siiif). eben-e: 9 Belege nur in Ofr IV und Eis IV.Die 'ebene Fläche': "Vn merck im teutsche sol ein gefierte ebne von einem gefierten corpus vnderschidlich verstanden werden" (Ofr IV:XvjY). fäul-e: 4 Belege in IV-VI. Bezeichnung für 'das, was faul ist': "Man sagt auch/daß die Thier/so von der Sonnen/von der Feule der Erden/[...] wachsen" (Thür V:l r ,21). Neben dieser allgemeinen Bezeichnung wird die Ableitung dann auch noch zum Namen für eine Krankheit: "wan der zuccar dient vonn eygentschafft wider die feber wan er behelt das blut vor der feberlichen feule" (Thür IV:19r). Der Bereich, den diese Krankheit befällt, geht aus dem folgenden Kompositum hervor: "Will manndan damit Gurgeln/vnnd den Mund außschwencken/so heilet es die MundfSule" (Els VI: 16). feist-e: lx in Schwäb V. 'Fetthaltige Substanz' (BA feißt s. Μ s.v.): "Dise bayde Kreüter/werden nit weit von dannen gefunden/vnd auff den hohen bergen herumb/zfi äschen gebrandt/in welcher sich zfl vnderst am boden ein ölige faißte findet" (38,8). fest-e: 20 Belege in I-IV und VI mit Schwerpunkt in Ohchal VI, einem chronikalischen Bericht über Graubünden und seine Landschaft mit typischen Gebäuden. Das Derivat bezeichnet eine Gebäudeform, die 'befestigte Burg'
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Die Typen der Ableitung mit
-heit/-keit, -ida, -i im Frohneuhochdeutschen
oder 'Festung': "von ihnen möchten vileicht auch hSrlangen die alten vestenen vnd bürg Ymburg zfi Chur/BSrneck zö Talfreisen [...]" (Ohchal VI:6r). feucht-e: 25 Belege in I-IV (+ lx Apokopeform in Hess IV). Mit 22 Belegen ist eine deutliche Konzentration in Hess IV festzustellen, einem Arzneibüchlein. Das Derivat bezeichnet 'das, was feucht ist'/eine feuchte Substanz'. Oft wird die Bildung begleitet von Adjektiven, die diesen feuchten Stoff näher charakterisieren: "sie sind auch dafi gflt denen die vil schleimiger feuchte haben in dem magen." (Hess IV:35r). finster-e: 8 Belege in nur im Oschwäb, I und IV. Die 'Finsternis': "und alz bald daz weib zu im kom, ze stund gieng er mit ir durch die finstriu dez balastz" (Oschwäb 1:20,14). geheim-e: 2 Belege in Schles IV und Ohchal VII (+ 2x Apokopeform in Schwäb III). 'Das, was geheim ist'. Bezeichnet wird einmal das 'Geheimnis1: "(denn die Geheime war etwas anders beschaffen:)" (Ohchal VII:21,1); außerdem kann die Ableitung im folgenden Kontextbeleg als Personenbezeichnung interpretiert werden für die 'Person, die jmdm. vertraut ist': "Des was hy eyne swester yr sunderliche geheytne" (Schles IV:Bvjyb). gewaltsam-e: 2 Belege in Ohchal III. Bezeichnung für 'das, was unter der Gewalt steht' (BA gewaltsam s. DWB s.v.); einmal bezogen auf die obrigkeitliche Gewalt: "vnd darumm dz sömlich entwerung widerbracht werd, und wir zu unsser gewer vnd gewaltsami der optgenanten stet schloss land vnd lüt kommen mugent, [...]" (6,3), einmal in bezug auf das herrschaftliche Gebiet, auf das sich diese Gewalt erstreckt: "Wir elsbet von mätsch gräffin zu togenburg tund kunt aller mencklichen mit dissem brieff als die ersammen wissen amman vnd lantlüt gemeinlich der länder schwitz vnd glaris vnss etliche gewaltzsami an utznach dem stetle an smärikon am utznacher berg, [...]" (5,29). größ-e: lx in Oschwäb VI, wohl als Bezeichnung fur den 'größeren Teil': "Auf E. Frl. Gn. gnädiges begern schücke deroselben Ich hiemit Vnderthänig die gröse meines stambuchs" (11). güt-e: 5 Belege in I und VII. Okkasionelle Personifikation der 'Eigenschaft, gut zu sein': "Dise fünf brvnne fliezzen auz seinem gotlichen hertzzen an ffinf steten seiner menschait wä dev minne flevzzet auz de hertzzen Sein trewe auz der rehten hant Sein gfte auz der linken hant" (Ofr Ι:ΧΙΙΓ,34). Die Bildung wird auch als Anrede gebraucht: "O grundlose Gfite! Ο gfitigste Dreyfaltigkeit!" (Mbair VII:GR37,26). heiter-e: lx in Schwäb I. Das 'heitere' oder 'helle Licht': "ab der haiteri in die vinstri" (91v,17). höh-e: 2 Belege in Eis III, einem Text aus einem Chirurgiebuch. Bezeichnung für 'etw., das hoch ist', hier: eine krankhafte Ausbeulung ('Erhebung') am menschlichen Körper: "do samelt sich der eyter vmb das ysen wnd wart ein höhin vnd ein rfittin Do greiff er das isin glich vorn an der spitzenn der h6hin/vnd schneid dar in kum durch die hut" (ΧΧΙΧΛ10/12).
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit,
-ida, -i
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kilt-e: lx in Ohchal I. Bezeichnungsverschiebung nach Art einer Personiiikation: "vli och dise de du wissest de die durrecheit vfi keltene die vehtent wid' die nature" (297Λ,27). krümm-e: 5 Belege in IV-VII. 'Das, was krumm ist', stets mit Umlautbezeichnung 6 in der Ableitung. In 4 Belegen als Bezeichnung für die 'Krümmung eines Flusses': "Nach vier Tagen/kamen wir in so ein schön Wasser/als ich die zeit meines Lebens habe gesehen/welchs sie den grossen Amana nenneten/vnd flöß strack/nicht mit so viel Krfimmen vnd Ecken/wie die andern Wasser." (Hess V:22,15). Einmal auch für eine 'krumme Linie' in einer Zeichnung: "So nun da forn verstanden ist inn den zweyen gefierten corpora so mancherley vndersehyd der biegen/krfimen/vnnd andern ding" (Qfir IV:Yijr). lfim-e: 2x in Eis III. 'Das, was lahm ist': "Du solt ouch wissen das zfi zitten grosse irrOg vii zwitrechtikeit vfif erstatt in den wunden der hend/ob es vm ein gantz gelid oder ein teil eines glides sy. oder ein ware leme/oder ein halbe lerne." (XVT,30). läng-e: 5 Belege in Ofr IV und Schwäb VI (+ 4x Apokopeform in Ofr IV). Bezeichnung für eine Maßeinheit: "Also wil ich auch des selben b&chleins letzten man vnnd weyb von zehen haubt lengen biegen" ( Q f i r IV: W ) . Außerdem auch Bezeichnung für ein 'langes Stück'/eine Hange Strecke': "Jn disen zweyen puneten c.d. beug die lini hin vnnd her wie du wild/Aber die lengen zwischen [...] beleyben alweg gestrackt" (Ofr IV:V). lieb-e: 6 Belege in VI und VII (+ lOx Apokopeform in I, III und V-VII). Okkasionelle Personifikation: "Die Liebe stihlet ja mit den Augen, die Wohlredenheit mit dem Mund, der Musicant mit der Stimm vnd Fingern" (Els VII: 25,6). liecht-e: lx in Schwäb V. 'Das, was hell ist' (BA liecht s. D s.v.): "darinnen herumb vil löcher züsehen/die [...] mit Scheiben so meisterlich versetzt seind/ das sie dem gantzen Bad ain gfite liechte [...] geben." (30,17). richt-e: lx in Ohchal I für die 'gerade Richtung' (BA rieht oder recht bei Lex s.v.): "die rihte gengen der sunne ist gestellet" (298vd,15). röt-e: 3 Belege in III und V (+ lx Apokopeform in Oschwäb IV als Kompositum morgen rStt). Bezeichnung für 'das, was rot ist'. Dies kann eine rote Stelle am menschlichen Körper sein (Kontextbeleg s. höh-e), aber auch, bezeichnet durch ein Kompositum, die rote Färbung des Himmels beim Sonnenaufgang: "Die morgenröte/mit gar frölichem anblick/in rosienroter färben/ [...]/sich sehen liess" (Eis V:46,5). Außerdem liegt die Bildung als Grundwort eines weiteren Kompositums vor, das als Name für eine Pflanze dient: "Jm raysen ersähe ich die scharpffe Winden/Ferberr6te/[...], Cistum mit weiß vnnd Purpurfarben Blflmen" (Schwäb V:8,24). rund-e: Obs VI, lx. 'Das, was rund ist'/die 'runde Strecke': "und ließ es drey oder vier mal mit halb und gantzem Galoppe in die Rfinde laufen" (Fijv).
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Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
sänft-e: lx in Els V. Die im Text belegte Basis bezeichnet eine sanfte, d.h. 'angenehme' Stimme. Das Derivat bezeichnet ein 'Tragegestell, in dem man angenehm sitzen kann': "Bald ließ der alt ein senffti oder ein rossbar machen/ damit er den jungen vollend gen Lisabona bringen m5cht" (30,30). schmah-e: 2x in Oschwäb III. 'Schmähliche Behandlung': "Vnd d* schmähe geliten hat nit gedultiklich mügen leyden." (X",12). schön-e: Thür VII, lx. Personifizierter Gebrauch der Bezeichnung für die 'Eigenschaft, schön zu sein': "und wird alle deine Schöne verzehret/wie von Motten." (199,12). schwärz-e: lx in Obs VI. Okkasionelle Personifikation: "Abends als die SchwSrtze fast die Oberhand behalten wolte" (Dij1). stärk-e: 4 Belege in I und V. Personifizierter Gebrauch der Bezeichnung für die 'Eigenschaft, stark zu sein': "vnd die Göttliche stercke vnd krafft hat in diesem Göttlichem gemßthe/[...]/verborgen gelegen" (Obs V:56r,24). Auch als Anrede für Gott: "herre ich minne dich wann dv pist mein stercke" (Ofr I: süß-e: lx in Ofr I. Okkasionelle Personifikation, im Kontext gebraucht als Anrede: "O minniclichev svzze" (VI™,9). ungestüm-e: lx in Schwäb V. 'Heftige 0ungestüme) Bewegungen' (BA s. D s.v. vngest&n): "Dise seind aber in wenig Jaren von vngest&minen deß Möhrs so gar verwüstet" (25,13). unkeusch-e: lx in Schwäb I. 'Das, was unkeusch ist/unkeusche Handlungen': "da ward sin hercz also ser enz&ndet das er aller vnköschi gedaht" (105r,19). weich-e: 9 Belege in Eis III und Oft IV. In der erweiterten Funktion bezeichnet die Nominalisierung den 'weichen Körperteil': "hat er ein gütte wüd artzet so ist es ei groß plfit ruß würt einer gestoche in die lincke syte abwenig ds weiche biß vfif die rip dz ist ei große plflt ruß." (Eis III:XVir,36). weih-e: 2x in I. Das vom BA weich 'heilig' (vgl. DWB s.v.) abgeleitete Derivat bezeichnet das 'Sakrament der Priesterweihe': "do fräget er vns ob kainer vnder vns prister wir NO was ainer vnder vns ain ewangelier der was der längst vnder vns vnd wolt die wihi durch reht dem&ttikait verewigen hän" (Schwäb I:99v,6). Außerdem dient die Ableitung als Grundwort eines Kompositums in der Bezeichnungsverschiebung dazu, das 'Fest der Einweihung einer Kirche' zu benennen: "vn die zal schriben wir och an drier hande briefe [...J da mitte man kirwihe betröget." (Ohchal I:299vd,25). weit-e: 4 Belege in IV und VI. Der 'weite Abstand': "Nym [...] die grfist weyten zwischen der geraden lini vnd des bogens/vnnd leg sie [...]" (Ofr IV: Siiij1). widermut-e: 6 Belege nur in I. 'Das, was widerwärtig ist/widerwärtiges Geschick' (BA widermüete oder wiedermüetic bei Lex s.v.): "so saltu gote bewi-
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
283
sen wie stark du sis widermüte und ungemach zu lidene und zu vortragen" (Obs 1:26,15). b) Mit BModadv genug-e: 2 Belege in Thür I188 und Ohchal VI. Die Ableitung bezeichnet 'das, was genug' oder 'im Überfluss vorhanden ist', wobei diese Gegenstände in beiden Kontextbelegen als Genitivobjekt erscheinen: "Dann sie ein vberfluß vnd gnfige aller dingen/auch in gfitem fried vnd rflhe/vor der Galliern vberfahl grfineten/vnd (also z&reden) in den rosen sassen." (Ohchal VI:9r). 3.3.6 Bezeichnung für das Subjekt der Prädikation aus einem Veib: Nomen subjecti mit BV(Inf) (DW2: Abschnitt 6.1.13.) 3.3.6.1 Definition Die im Korpus Frnhd. belegte Einzelbildung blühe ist zwar nhd. nicht mehr gebräuchlich und wird daher in DW2 auch nicht ausgewiesen; die -{-Ableitung läßt sich jedoch ebenfalls nach dem ihr zugrundeliegenden Basissatz als ein 'Nomen subjecti'189 erklären läßt: blühe
"blühender Teil einer Pflanze/das, was blüht'
Das Derivat ist syntaktisch auf eine "Attributsatzeinbettung" (DW2.337) zurückzuführen, d.h., in einem ersten Schritt erscheint das Verb in der adjektivisch gebrauchten Form des Partizips als Attribut ("blühender Teil einer Pflanze'), und in einem zweiten Schritt läßt sich die Bildung in ein Determinatum mit Attributsatz auflösen ('das, was blüht') (vgl. DW2:338). Daß blühe keine deverbale Abstraktbildung ist, die den 'Zustand des Blühens' bezeichnet, sondern eine sekundäre Prägung, die als Sachbezeichnung verwendet wird, geht aus dem Kontext der Ableitung hervor. Das Derivat steht einerseits in lexikalischer Parallele mit Gegenstandsbezeichnungen (Laub, Frücht) und bezieht sich überdies grammatisch-syntaktisch auf ein Verb 0wachsen), das ein Sachsubjekt erfordert (Kontextbeleg s. Abschnitt 3.3.5.4). Die Bezeichnungsfunktion der wenigen nhd. Bildungen dieses Typs ist nach Wellmann im CG derart uneinheitlich, "daß sie keine andere andere systematische Bedeutung haben als die, einzelne Leerstellen zu besetzen." (DW2:360).
188 189
Hier kann noch ein BA genug angenommen werden. Vgl. Kap. III.3.2. Zur Erläuterung des Begriffs s. Abschnitt 3.1.5.1.
284
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
3.3.6.2 Frequenz Das Derivat ist zweimal im Zusatzkorpus in Ofr VI als Einzelbildung belegt. Im Nhd. stellt das Muster mit insgesamt 16 Bildungen, deren Suffix -e allerdings unterschiedlicher Herkumt ist, den frequentiell kleinsten Funktionsstand unter den Feminina auf -e.' 3.3.6.3 Bildungsweise Die Basis der Ableitung bildet das intransitive Veib blühen (vgl. DWB s.v.), an das das -/-Morphem in seiner abgeschwächten Form als -e tritt. Konkurrenzen sind nicht belegt. 3.3.6.4 Belegtes Lexem blüh-e: 2 Belege in Ofir VI. Bezeichnung für 'das, was blüht': "Zu der Zeit steiget auß den Grundwurtzeln der Erd2/der Wasserichte/vermehrende/ernehrende/Samhaffte Saffi/nach Art eines jeden Baums in den gantzen Stamm/in alle Ast vnd Astlein/auß welchem Laub/Bl&he vfi Frücht wachsen" (48). 3.3.7 Bezeichnungen für die lokative Angabe der adjektivischen Prädikation: Nomina locativa mit BA 3.3.7.1 Definition Bei einer ganzen Reihe primärer -/-Abstrakta bewirkt die Ableitung durch das Derivationsmoiphem, dafl eine lokative Komponente hinzugefügt wird. Auf diese Gebrauchsmöglichkeit hat bereits Porzig im Zusammenhang mit seiner Behauptung, daß prinzipiell alle Gegebenheiten der Realität durch die "Prädikatsfiinktionen" (Porzig 1965:267) in der Sprache erfaßbar seien, hingewiesen. Als Beispiel führt Porzig u.a. die Ableitung Hohe an, die "nicht nur den Satzinhalt, daß es hoch ist, sondern auch den, wo es hoch ist"m thematisiere. Damit ist auch bereits die Art der Transformation genannt, auf die alle deadjektivischen Nomina loctiva auf -i im Korpus Frnhd. zurückzuführen sind: ebene -> 'ebenes Land/da, wo es eben ist' enge -> 'enge Stelle/da, wo es eng ist' höle -> 'hohler Raum/da, wo es hohl ist' Die lokative Beziehung zwischen Basis und Suffix spiegelt sich in dem Relativpronomen wo der Umformung sowie darin, daß als Platzhalter des Suffixes
190 191
Vgl. in der Obersicht in DW2:58, unter -e(fem)7. Porzig 1965:267; Kursivdnick ebd.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
285
in Verbindung mit dem attributiv gebrauchten BA Substantive, die örtlichkeiten wie Ort, Raum, Stelle, Land bezeichnen, einzusetzen sind. Zur Monosemierung der Bildungen in ihrem jeweiligen Kontext tragen vor allem lokale Präpositionen wie auf aus, in bei sowie Verbindungen mit Verben zu Kombinationen wie stehen auf oder liegen in, die die lokative Funktion der Ableitung verdeutlichen. Der lokative Gebrauch ist schwerpunktmäßig bei Ableitungen von Basisadjektiven, die räumliche Dimensionen (wie in breite, enge, höhe, tiefe) oder räumliche Verhältnisse (wie in ferne, weite) sowie auch die räumliche Gestalt von Gegenständen (ebene, fläche, höle) bezeichnen. Seltener sind lokative Derivate von eigenschaftsbezeichnenden BA (wie in fremde, rauhe). Ob sich die lokative Funktion für das Nhd. systematisch nicht mehr erfassen läßt, muß dahingestellt bleiben; zumindest ist der deadjektivische lokative Ableitungstyp in DW2 nicht beschrieben. Allerdings werden Belege für die lokative Verwendung von -i-Ableitungen genannt, 1 die jedoch als Ornativa klassifiziert werden: "die Fremde ('fremdes Land )", ein Schiff durch gefährliche Engen steuern"' (DW2:323). 3.3.7.2 Frequenz Das Muster zählt mit 11 Lexemen in 132 Belegen noch zu den größeren 'Nischen' unter den sekundären Prägungen.'92 Es nimmt im Verlauf des Frnhd. nach der Anzahl der Bildungen an Bedeutung leicht zu und wird, abgesehen von Zeitraum I, relativ gleichmäßig genutzt, wie di^e Übersicht zeigt:
I III IV V VI VII Gesamt
Lexeme Belege 4 8 3 22 5 22 7 21 7 34 7 25 11 132
Da die Funktion von DW2 nicht erfaßt wird, ist ein systematischer Vergleich mit dem Nhd. nicht möglich. Dialektal sind in der Gegenwartssprache noch Bildungen nach diesem Muster belegt; vgl. Orts- und Flurnamen in der Schweiz wie Ebni, Engl, Nassi, Tüft. 1,2
193
Die Gesamtzahl der Lexeme erhöht sich durch die Apokopeformen nicht, die der Belege um 8 auf 140. Vgl. Sonderegger 1958:495ff(=§256).
286
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
3.3.7.3 Bildungsweise Die deadjektivischen Lokativa auf -i sind ausnahmslos von einsilbigen Simplizia abgeleitet und nehmen diese Funktion konkurrenzlos wahr. Auch in lokativer Verwendung werden Komposita gebildet, die dazu dienen, die räumliche Angabe näher zu präzisieren, z.B. meeresenge, eckhöhe oder grabeshöle. 3.3.7.4 Belegte Lexeme breit-e: lx in Thür I. Bezeichnimg fur den 'breiten' bzw. 'weiten Raum': "Vnde got leyte mich in eine breite" (34,8) -> 'und Gott führte mich in die Weite'. eben-e: 7 Belege in I, IV-VII. 'Da, wo es eben ist/ebenes Land': "vnd ligt inn ainer lustigen gegne/an den vorbergen des hohen Gebürges Libani, die gegen dem M6hr gar eben/in welcher ebne herumb vil Wein vnnd wolgepflantzte KrautgSrten zusehen" (Schwäb V:23,28). eng-e: 15 Belege in V-VII, mit Schwerpunkt in einem einzigen Text, Norddt VII, einer Reisebeschreibung des Nordens. Die Ableitung bezeichnet eine 'enge Stelle in der Landschaft': "Alß wir nun demnach die Segel gewendt/[...]/vnd also auch den 9 Septembris inn die engin Sardinian vnnd Africae kamen" (Schwäb V: 12,21). Überwiegend bezieht sich das Derivat auf eine 'enge Stelle im Meer', das zum Teil im Genitiv genannt wird: "Der Spanier Magellanes hatte schon im Jahr 1520. diese Umschiffung gewaget/von welchem auch die Enge des Meers in dem Mittäglichen Theil von America [...] ihren Namen bekommen." (Hess VII: 30®,30). Teilweise wird sie jedoch auch mit einem Kompositum, bestehend aus der Genitivergänzung und dem nominalisierten BA, bezeichnet: "Meers=Engen hat es hier" (Norddt VII:5). fern-e: 6 Belege in V-VII. 'Fernes Gebiet' oder 'Land': "O hltten sie noch die seelige Hoffhung/[...]/gehabt: hltten sie nur/wie aus der weiten Ferne/sehen d&rfen/zu was ein Gläubiger durch ein solch sanftes Erblassen ftbertritt" (Thür VII:305,12). flach-e: lx in Hess V. 'Da, wo es flach is\Jflache Gegend': "wurden wir getrieben in die Flache deß Meerbusems bey Guanipa" (19,34). fremd-e: 5 Belege nur in VII. 'Fremdes', d.h. 'unbekanntes, weit entfernt liegendes Land': "man muß in die Welt/in die Frembde hinauß." (Schwäb VII: B20,6). höh-e: 54 Belege in I-VII (+ 7x Apokopeform in I, IV, V); gehäuftes Vorkommen in IV-VI. "Da, wo es hoch ist/Anhöhe': "Die vbrigen alten Landleüth/so an den zämeren orten gesessenen sich nicht/wievon vilen beschehen/ in die hShenen begeben hatten" (Ohchal VI:?'). Gelegentlich wird durch einen ergänzenden genitivus definitivus die Art der Anhöhe näher bestimmt: "Die hfihe des bergs daruffdas Schloß gestäden" (Eis IV:XVIIIr). Mit dem im folgenden belegten Kompositum wird die lokative Angabe räumlich dahin·
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -Γ
287
gehend präzisiert, daß ausgedrückt wird, daß sie an einer Ecke liegt: "Neben gesagtem dorff7[...]/auff einer eckhöhe stehet die veste Rauchaspermont" (Ohchal VI:6r). höl-e: 18 Belege in III, IV, VII. 'Da, wo es hohl ist/hohler Raum': "Hr. Poliarchus hat sich in einer Höle verborgen" (Obs VII:96,13). Der Belegschwerpunkt liegt in Eis III (15x), einem Chirurgiebuch, in dem die Höhlen des menschlichen Körpers thematisiert werden: "Ob aber sach were dz die wüd vil genge vS hüle het gewunnS" (Els IILXXXIV*,^). In den Korpustexten ist aus thematischen Gründen der Bezug auf einen Hohlraum im menschlichen Körper sehr häufig, im folgenden Kontextbeleg explizit im Genitiv genannt: "Der wein ist gfit für die neydwürm/vnnd für die schleymigen materi/die in der hSle des leybs vnnd ann haimlichen Stetten verborgen ligen" (Mbair IV: Eij1)- Als Kompositum nur in Thür VII wird die Bezeichnung auf einen bestimmten Hohlraum, hier: das Grab, eingegrenzt: "und so lange wir mit den Augen an der Erden/an der Grabes-H61e/hangen" (202,17). Die Umlautbezeichnung der Basis hol im Derivat erfolgt stets, entweder als δ oder als ü. rauh-e: lx in Ohchal VI. 'Rauhe Gegend/Wildnis': "Sie namen ihr flucht vnd abzug gegen dem hohen Gebirg/vnd wurden [...]/anfangs in die nichstgelegnen Alpes getrengt: da sie sich in der reühe [...] niderliessen" (3V). tief-e: 15 Belege in III-VII (+ lx Apokopeform in Oschwäb IV). 'Da, wo es tief ist/tiefgelegener Bereich1 oder auch 'Vertiefung': "Die Gassen seind zimlich eng/mit grossen stainen vnd blatten gepflestert/vnnd haben [...] inn der mitte ein tieffe einer stapfei [Stufe]/welche so brait/das in deren ain geladner Camel wol eingehn/oder einer darüber schreiten mag/welche tieffe in den strassen darzfi gemachet sein sollen/damit [...]" (Schwäb V:27,12/14). Das Derivat wird in der verschobenen Funktion auch in bezug auf tiefgelegene Bereiche des Wassers verwendet: "sandte ich Dowglaß mit meinem Nachen/daß er jhme solte zu Hfilff kommen/vnnd die Tieffe der Wasser weiter erkundigen." (Hess V:I9,8). Die Pluralform ist ebenfalls mehrfach belegt: "Denn der Herr ist der Allerhöchste; und thut was er wil/im Himmel/und auf Erden/im Meer und in allen Tieffen." (Thür VII:240,8). Die Bildung kann außerdem auch übertragen verwendet werden: "herwiderumb wie er die rychen vonder höhe herab in die tieffe grosser armut stürz" (Ohchal IV:C). weit-e: 9 Belege in I, IV-VI (nur wobd. Belege). 'Da, wo es weit ist/weite Fläche' oder 'weiter Raum': "In dem Wir nun In die weytte des Möres khomen" (Schwäb VI:24); "ain überzogenes langes rohr, [...], dardurch in die weittin zu sehen." (Oschwäb VI: 11). Auch bezogen auf die 'weite Stelle eines Gegenstandes' gebraucht: "wan man die nath in der mittin fasset, gehets von ainander, vnd wan mans in der weittin fasset, gehets zusammen" (Oschwäb VI:22).
288
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -t im FrQhneuhochdeutschen
3.3.8 Deadjektivische Kollektiva 3.3.8.1 Eigenschaftsbezogene Sammelwörter 3.3.8.1.1 Definition Zu den deadjektivischen Sammelwörtern auf -i gehören im Korpus Frnhd. zwei Bildungen des Typs gemeine -> 'Gruppe von Menschen, die etw. gemein hat/ der etw. gemein ist' Die zwei Bildungen dieses Musters sind transformationell gekennzeichnet durch ihre Umformbarkeit in den die kollektive Größe anzeigenden Stellvertreter mit einem das BA enthaltenden Attributsatz. Der Sammelcharakter der beiden Derivate besteht, wie bei dem konkurrierenden Gegenstück auf -ida (vgl. Kap. 3.2.6.1), darin, daß eine Personengruppe nicht "nach einem allen Mitgliedern eigentümlichen Merkmal" (Wellmann 1969:110) bezeichnet wird (vgl. geistlichkeit, Kap. 3.1.7.1), sondern nach der Ait ihrer Beziehung zueinander.194 Diese wird durch das Grundwort, das "Gegebenes von einem Beziehungsadjektiv aus" (Wellmann 1969:110) zusammenfaßt, in den Ableitungen gemeine und gemeinsame spezifiziert. 3.3.8.1.2 Frequenz Als eigenschaftsbezogene Sammelwörter sind die zwei Bildungen gemeine und gemeinsame in 13 Belegen'95 in den Zeiträumen I und IV-VII repräsentiert. Während gemeinsame nur lx im ohchal. Text aus IV belegt ist, ist gemeine mit leicht steigender Tendenz in I (lx), V und VI (je 3x) sowie VII (5x) vertreten mit sprachräumlichem Schwerpunkt auf dem Omd. und Oobd. Im Nhd. ist auf Grundlage des Duden (Duden-DUW 21989 s.v.) gemeinsame nicht mehr nachzuweisen. Zu gemeine vgl. Kap. 3.2.6.1.2. 3.3.8.1.3 Bildungsweise Die deadjektivischen Bildungen werden stets mit dem auf -e reduzierten Derivationsmorphem -t abgeleitet, wobei die Apokope bezüglich gemeine nicht selten ist (9x gemein nur im Wobd. (4x) und Oobd. (5x)). Der häufiger ge194
193
Die beiden Ableitungen gemeine und gemeinsame stellen daher, wenn in Relation gesetzt zu dem Strukturtypus der eigenschaftsbezogenen Sammelwörter bei Wellmann (vgl. Wellmann 1969: 110), auf Grund ihres Basisadjektivs eine Unterabteilung in dieser Systematik dar. Bei Hinzunahme der apokopierten Formen erhöht sich die Belegzahl, bei konstanter Lexemzahl, um 9 (nur gemein) auf 22.
Die Ableitungsmuster von -heit/-keit, -ida, -i
289
nutzten Ableitung gemeine steht in Abhängigkeit von der jeweiligen Sprachlandschaft in den Zeiträumen V-VII die Parallelform auf -ida, gemeinde, gegenüber (vgl. Abschnitte 3.2.6.1.2 und 3.2.6.1.3). 3.3.8.1.4 Belegte Lexeme gemein-e: 12 Belege in I und V-VII (+ 9x Apokopeform in III, IV, VI und VII). Bezeichnung für eine 'Gruppe von Menschen, die gemeinsam leben' oder 'die etw. Gemeinsames verbindet/Gemeinde'. Das Sammelwort bezieht sich am häufigsten auf die Bewohner eines kleinen Verwaltungsbezirks: "Meine B&rgerschaft hat mich betrogen. [...] Und unsere Gemeine machte mich zum Narren." (Obs VII:94,21). Es kann sich jedoch auch auf die Religionsgemeinschaft beziehen: "wann sie von der liebe des Herren zue seiner gemeine reden" (Schles VI:332). Schließlich kann das Derivat auch für 'die Gemeinschaft' stehen: "Zwischen diesem Schloß [...], erfinden die Muscowiter noch täglich viel V61cker/[...]/deren etliche sich Ostachios nSnnen/uü numehr mit den Tartarn/Samojeden und Reussen in eine Gemeine seynd erwachsen/ und friedlich mit einander handeln." (Norddt VII:32). gemeinsam-e: lx in Ohchal IV. Die 'Gemeinschaft', im Kontext überdies ersichtlich aus der syntaktischen Parallelstellung mit diesem Substantiv: "Dali der Tod ist ye nützid anders dann ein straaß von der gfencknuß zur fryheit/ [,..]/vonn der menschen gemeinsame zfi der Englen gsellschaft" (Bijv). 3.3.8.2 Quantitätsbezogenes Sammelwort 3.3.8.2.1 Definition Die einzige Bildung, die für diesen Ableitungstypus steht, folgt dem Grundmuster viele
'Menge von vielen Gegenständen/Personen'
Das Derivat ähnelt in seiner Struktur der -Ae/Y-Ableitung mit demselben Grundwort, Vielheit (vgl. Kap. 3.1.7.2). Hier wie dort ist der Platzhalter für die kollektive Größe um ein Attribut zu ergänzen, das aus dem BA in Form einer quantitativen Angabe in Verbindung mit einem (Sach- oder Personen-) Subjekt besteht. Auch in ihrer Bezeichnungsfunktion stimmen die beiden Ableitungen insofern überein, als auch bei viele als kolligierender Aspekt eine quantitative Angabe fungiert, die darüber hinaus keinerlei Hinweis auf die Art des Zusammengefaßten gibt (d.h., ob es sich um Gegenstände oder um Personen handelt).
290
Die Typen der Ableitung mit -heit/-keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen
3.3.8.2.2 Frequenz Als quantitätsbezogenes Sammelwort bleibt viele im Korpus eine Einzelbildung, die mit 11 Belegen (sowie einer apokopierten Form) in IV noch 7x, in V und VII je lx und in VI 2x vorkommt, also mit eher abnehmender Tendenz.196 Das Sammelwort wird landschaftlich im Obd. deutlich bevorzugt. 3.3.8.2.3 Bildungsweise Das -/-Morphem liegt in viele nur in der zu -e abgeschwächten Form vor; lx ist die apokopierte Form belegt. Die v.a. obd. belegte Ableitung viele erhält in den Zeiträumen VI und VII Konkurrenz durch Vielheit in zwei md. Texten (vgl. Kap. 3.1.7.2). 3.3.8.2.4 Belegtes Lexem viel-e: 11 Belege in IV-VII (+ lx Apokopeform in Mbair IV); insgesamt wesentlich häufiger in obd. Texten belegt. Bezeichnung fur eine 'größere Anzahl/v/e/e Gegenstände' oder 'Lebewesen'. Meistens wird das, was viel vorhanden ist, im Genitiv erwähnt: "aus viele der Jahren" (Eis VII:29,3); "sich der vile jhres volcks entladen" (Ohchal VI:6V). Gelegentlich steht das Derivat jedoch auch ohne direkten Bezug auf die gemeinte Größe in Kombination mit einer Präposition sowie einem verstärkenden Adjektiv: "in grosser vile" (Schwäb V:8,20).
194
Duden-DUW 2 1989 bucht die -ί-Ableitung viele nicht mehr.
V Zusammenfassung und Ausblick Die Substantivableitung mit -heit/-keit, -ida, -i unterliegt im Frnhd. Veränderungen, die gekennzeichnet sind durch eine Tendenz, deren Auswirkungen sich auch über den frnhd. Zeitraum hinweg auf unterschiedlichen Ebenen verfolgen lassen: sie ist zu beschreiben als ein Abbau von im Sprachsystem redundanten, weil doppelt oder sogar mehrfach vorkommenden formalen und funktionalen Varianten (sprachökonomischer Grund).1 Diese Entwicklung ist immer zu sehen im Hinblick auf eine allmählich sich herausbildende, überregionale Sprachnorm2. Die Veränderungen vollziehen sich an den hier untersuchten Derivationsmorphemen in sehr unterschiedlicher Weise. Daher werden zunächst zu jedem Ableitungssuffix im einzelnen, auch mit Blick auf die nhd. Zeit, die wichtigsten Charakteristika zusammengefaßt, um im Anschluß daran das Verhältnis der drei Suffixe bei der Substantivableitung zu beschreiben, das ebenfalls vor dem Hintergrund der in DW2 dargestellten Verhältnisse beleuchtet wird.
1
-heit/-keit
1.1 Formenbestand und Distribution Das für das Frnhd. festgestellte Formeninventar von -heit/-keit ist noch breitgefächerter als im Nhd.; es besteht aus den Varianten -heit, -keit, -cheit, -icheitl-ikeit und -igkeit sowie ein paar Sonderformen, von denen jedoch nur die Suffixform -heit von Anfang an durchgängig und in allen Sprachräumen vertreten ist. Das generelle wie auch frequentielle Vorkommen der anderen Varianten erscheint als abhängig von den Faktoren Sprachraum und Zeit mit je unterschiedlichen Auswirkungen fur die einzelnen Suffixformen. Es findet dabei ein sukzessiver Umbau im Formenbestand statt, der insgesamt gekennzeichnet ist durch den Abbau der Varianten -cheit und -icheitl-ikeit einerseits sowie den Ausbau der Formvarianten -heit, -keit und -igkeit andererseits.3 Das Ausscheiden der Formvarianten vollzieht sich jedoch auf unterschiedli' : 3
Vgl. hierzu auch mit konkretem Bezug auf die Entwicklung von -heil· und -i-Bildungen Oberle 1990:85. Auf landschaftliche Besonderheiten wird an gegebener Stelle verwiesen. ' Vgl. hierzu im einzelnen Kap. III. 1.
292
Zusammenfassung und Ausblick
che Art und Weise: Während die Anzahl der Bildungen und Belege mit -cheit bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. bis auf einige Reste zusammengeschrumpft ist,4 um schließlich in der ersten Hälfte des 16. Jhs. ganz von -keit abgelöst zu werden, nimmt die Ableitung mit -icheitl-ikeit sowohl nach Lexemen als auch Belegen vom 14. bis in die erste Hälfte des 16. Jhs. stetig zu, um dann ab V durch die seit dem IS. Jh. belegte und anschließend stark an Verbreitung zunehmende Suffixvariante -igkeit ersetzt zu werden. Die Sonderformen, die ohnehin nur in Einzelfällen auftreten, werden mit letzten Belegen in Zeitraum III dann vollständig aufgegeben. Mit der Reduzierung auf die drei Suffixformen -heit, -keit und -igkeit ist der nhd. Stand auf Korpusgrundlage in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. (= Zeitraum V) erreicht. Parallel hierzu ist auch eine Vereinheitlichung der Suffixgraphien erfolgt, wenngleich in Einzelfällen noch bis in die zweite Hälfte des 17. Jhs. (= Zeitraum VII) Abweichungen vom Standard zu beobachten sind (vgl. Anhang: Tabelle 1-5). Bereits frnhd. ist die grundsätzliche Verteilung der Basiswortarten auf die Suffixe vorhanden, d.h., nur -heit verbindet sich mit substantivischen und verbalen Basen (wie im Nhd. in Form des Part. II, daneben jedoch auch noch in Form des Part. I sowie des Inf.), und -heit sowie alle weiteren Suffixformen werden mit Basisadjektiv kombiniert.5 Unterschiede zum Nhd. in bezug auf die auch nhd. vorkommenden Suffixformen liegen v.a. im Bereich der adjektivischen Basen bzw. ihrer Kombination mit -heit und den Formvarianten. So leitet -heit zu etwas mehr als der Hälfte wie im Nhd. Simplizia ab, zur anderen Hälfte jedoch, landschaftlich und zeitlich gestaffelt, sekundäre BA v.a. auf -ig bzw -lieh, an die nhd. nur -keit tritt. Die Suffixform -keit wiederum wird, allerdings zu einem vergleichsweise geringen Prozentsatz, sprachräumlich konzentriert ebenfalls mit Simplizia, darunter auch Einsilblern, kombiniert, in der Hauptsache jedoch mit sekundären BA. Unter diesen erreichen die BA auf -ig und -lieh bereits den nhd. Anteil an der Ableitung mit -keit, wenngleich ihre volle Form im Derivat erst im 16./17. Jh. erhalten bleibt (vgl. Kap. III. 1.2.2). BA mit Ausgang auf -bar, -sam und -isch sind in Relation zum Nhd. nur spärlich vertreten und werden in größerem Umfang erst ab Zeitraum IV mit -keit abgeleitet. Auch die Formvariante -igkeit weicht in ihrer Distribution insofern noch vom Nhd. ab, als sie primär an Simplexadjektive (v.a. Einsilbler, aber auch Zweisilbler auf -e bzw. mit Vorsilbe be- oder ge-) tritt und erst relativ spät (frühestens ab dem 16. Jh.) an wenige BA auf -haft und -los.6 4 5
4
Von 28 Lexemen/101 Belegen in I auf 3 Lexeme/7 Belege in III. Für -keit und -cheit ist nur im 14. Jh. in Einzelbildungen auch noch die Kombination mit verbalen Basen möglich. Diesen stehen überdies, zumindest teilweise, offenbar noch BA auf -haftig und -losig gegenüber. Vgl. Kap. III. 1.2.5.)
-heit/-keit
293
Die Frage, warum -igkeit bestimmte Basisadjektive ableitet, andere jedoch nicht, läßt sich nicht eindeutig beantworten. Offenbar wirken sich hierbei mehrere Faktoren wie Betonungsmuster, sprachhistorische Entwicklung, Analogiewirkung, lautlich-strukturelle Basisgestalt sowie die Gebrauchsfrequenz der Ableitungen aus (vgl. hierzu ausführlich Kap. II). Die beschriebenen distributioneilen Überschneidungen fuhren in einigen Fällen zu Konkurrenzen, deren Anzahl jedoch im Laufe des Frnhd. merklich abnimmt. Auch im Nhd. sind dann noch Doppelbildungen sowohl zwischen -heit und -keit (z.B. Finsterheit - Finsterkeit) als auch v.a. zwischen -heit und -igkeit (z.B. Dreistheit - Dreistigkeit) belegt. Diese beruhen jedoch nur zum Teil auf einer semantischen Differenzierung, wie z.B. Kleinheit - Kleinigkeit (vgl. DW2:31), eine Unterscheidungsmöglichkeit, die für das Frnhd. als systematisches Charakteristikum noch nicht festgestellt werden kann, sondern sich erst seit dem 18. Jh. herausgebildet hat (vgl. Oberle 1990:80). Das Suffix -heit und seine Formvarianten erweisen sich im Frnhd. als besonders produktive Derivationsmorpheme, ablesbar an der im Zeitverlauf großen Zunahme an Bildungen wie auch der insgesamt wachsenden Gebrauchshäufigkeit (zur funktionalen Nutzimg vgl. Abschnitt 1.2). Dabei sind allerdings Unterschiede in Anbindung an die jeweiligen Basiswortarten zu verzeichnen, wie die folgende Tabelle zeigt. Bildungsweise von -heit/-keit und Formvarianten 7 I 1350-1400 BA BS
IV 1500-1550
1
%
!
%
1 6 8
!
8 8 , 9
1 9 6
!
9 1 , 6
1 9 9 !
6 7 9
!
8 9 , 7
6 6 9
|
9 2 , 5
7 9 7
8 ; 5 7
BV(PII)
III 1450-1500
4 , 2 1
7 ! 14
7 , 6 3 , 7
j
1,8
6 ! 1 8
j
6 !
2 , 8 2 , 5 4 , 2 |
4 , 3
-
:
16
VI 1600-1650
! %
%
VII 1650-1700
1
%
9 4 , 4
7 1
!
8 5 , 6
131
!
8 8 , 6
1 7 0 !
9 2 , 3
3 1 4
j
8 2 , 2
5 7 6
j
8 3 , 4
8 6 7
2 , 8
!
9 ! 3 1
!
V 1550-1600
6 ! 3 9
|
2 , 3
5
i
5,7
2 8 !
j
1,8
5
1
4 9
j
7,2
6 1
4 , 0
10,2
3 2 !
4 , 6 6,7
1
1
8 9 , 5
j
2 , 8
6 ! 2 7
·/.
9 1 , 0
3,2
6 , 0
1 0 !
7,3
8 2
j
11,9
0,3
1
j
0,1
3 !
lj
0,1
1 0 0
1 8 7 !
1 0 0
1 0 0
9 6 9 1
1 0 0
8 ! 7 1
4 , 3 j
7 , 3
BV(PI) :
2 ;
0 , 3
.
1
]
0 , 3
BV(lnf) Gesamt
3
7 j
0 , 9
1 8 9 !
1 0 0
2 1 4 !
7 5 7 !
1 0 0
7 2 3
!
|
0 , 4
2
j
0,2
1 0 0
2 1 1
!
1 0 0
8 3
i
1 0 0
8 6 4 !
1 0 0
3 8 2 !
!
-
-
1 0 0
1 4 8 !
1 0 0
6 9 1
i
1
Zu jeder Basiswortart sind hier, wie auch in den Obersichten für -ida und -i, in der oberen Zeile die Lexeme, in der unteren Zeile die Belege angegeben sowie dahinter der jeweilige prozentuale Anteil an der Summe aller Lexeme/Belege.
294
Zusammenfassung und Ausblick
Die Übersicht über die Bildungsweise von -heit/-keit und Formvarianten verdeutlicht die einleitend erwähnte Strafiung des Systems: Die Derivation von Basissubstantiven, ohnehin nur wahrgenommen von -heil, bleibt lexematisch relativ konstant, verliert jedoch frequentiell stark an Bedeutung. Die deverbale Ableitung, die auch so gut wie ausschließlich von -heit ausgeübt wird, wird prinzipiell eingeschränkt auf Basisverben in Form und Funktion des Part. II (erste Partizipien und Infinitive nur in vereinzelten Bildungen). Diese Bildungen mit partizipialer Basis erhalten nach Lexemen zwar keinen Zuwachs, werden aber zunehmend intensiver genutzt. Sie sind in ihrer prädikativen Verwendbarkeit den Adjektiven ähnlich, die als die wichtigste Basiswortart der Ableitung mit -heit und Suffixvarianten zur Bestandsvermehrung beitragen. Die Zunahme an deadjektivischen Bildungen und Belegen verläuft auf Grundlage des Korpus Frnhd. jedoch nicht ungebrochen: Nach einem stetigen Zuwachs an Lexemen und parallel dazu kontinuierlich steigender Frequenz bis inklusive Zeitraum IV erfolgt in Zeitraum V ein drastischer Rückgang sowohl hinsichtlich der Lexem- als auch der Belegzahlen. Diesem Einbruch folgt in VI ein erneuter starker Zuwachs an Bildungen und Belegen, der im letzten für das Frnhd. belegten Zeitraum VII in lexematischer Hinsicht den Stand von Zeitraum I (168 Bildungen) leicht übertrifft (VII: 170 Bildungen) und unter frequentiellem Gesichtspunkt sogar auf einem deutlich höheren Niveau liegt (I: 672 Belege; VII: 867 Belege).8 Die Betrachtung der einzelnen Suffixformen bei diesem Vorgang zeigt, daß zwar -heit und -keit gleichermaßen von dem Einschnitt in V betroffen sind (das noch jüngere -igkeit nur in bezug auf seine Frequenz), daß jedoch trotz nachfolgend wieder stark zunehmender Produktivität beider Suffixformen -keit diejenige Variante ist, die bis zum Ausgang des Frnhd. in jeder Hinsicht an Produktivität gewonnen hat. Als Gründe fiir den deutlichen Rückgang an deadjektivischen Bildungen mit -heit und seinen Varianten scheinen Veränderungen im Bestand der zugrundeliegenden Basisadjektive verantwortlich zu machen zu sein, und auch die Zeitraum V repräsentierenden Textsorten haben möglicherweise einen Anteil an dem beschriebenen Phänomen. Auswirkungen auf Grund eines zurückgegangenen Abstraktionsbedürfnisses der Verfasser der Texte scheinen weniger in Betracht zu kommen, da sowohl die Funktionstypen der deadjektivischen Nomina qualitatis als auch die der Nomina ornativa betroffen sind.
Die genannten Zahlen relativieren sich insofern vor dem Hintergrund des insgesamt belegten Substantivwortschatzes (vgl. hierzu Wegera 1987:22f; angegeben sind dort Belegzahlen) in den Untersuchungszeiträumen, als der Beleganteil der deadjektivischen Bildungen mit -heit/-keil am Gesamt aller Substantivbelege in Zeitraum I 3,75% und in Zeitraum VII 3,88% beträgt. Allerdings ist auch in Relation zum gesamten Substantivwortschatz für Zeitraum V lediglich ein frequentieller Beleganteil von 1,75% festzustellen.
•heit/-keit
295
1.2 Ableitungstypen Die Substantivableitung mit -heitl-keit im Frnhd. ist gekennzeichnet durch eine erheblich größere funktionale Auflächerung als im Nhd. Allerdings stellen die auch im Nhd. vertretenen Ableitungstypen mit 95,2% den Hauptanteil der Ableitung mit -heitl-keit. Die restlichen 4,8% verteilen sich auf insgesamt 10 weitere Funktionsnischen, die nicht reihenhaft besetzt sind, die ich jedoch trotzdem nach ihren Funktionen klassifiziert habe.9 Für das Nhd. sind derartige nicht systembildende Derivate in einer 'Restgruppe' zusammengefaßt, die nur noch einem Anteil von 0,3% entspricht. Aus der nachstehenden Übersicht, die der Berechnungsweise von DW2 folgt,10 geht die Rangfolge der einzelnen Ableitungstypen hervor.
® Vgl. zu dieser Entscheidung Kap. I.S.2 und 1.3.3. 10 Vgl. DW2: Abschnitt 2.16. (= Obersicht über die Ableitungstypen von -heit (-keit, -igkeitj). Den Funktionsstandsbezeichnungen -heit1, -heil2 usw. entsprechen hier die Rangziffern 1, 2 usw. Vgl. zu dieser Form der Darstellung Prell 1991:231.
Zusammenfassung und Ausblick
296
heitZ-keii frnhd. Rang
Typ
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 7. 9. 10. 11.
15.
Nomina qualitatis Nomina ornativa Nomina qualitatis Nomina ornativa Nomina qualitatis Nomina ornativa Kollektive Nomina actionis Nomina locativa Typ 'Zeit des BA-Seins' Eigen schaftsbezogene Sammelwörter Typ 'Zeit des BS-Seins' Nomina actionis Nomina subjecti Nomen locativum Quantitfltsbezogenes Sammelwort Nomen qualitatis
-
-
11. 11. 11. 15. 15.
Gesamt
Basiswortart BA BA BV(PII/PI) BV(PII/PI) BS BS BS BV(Inf) BA BA BA
Lexeme
BS BS BV(Inf) BV(PII) BA BV(Inf) -
355 173 20 10 8 6 5 5 4 3 2
Anteil in% 59,2 28,9 3,3® 1,7® 1,3 1.0 0,8 0,8 0,7 0,5 0,3
2 2 2 1 1
0,3 0,3 0,3 0,2 0,2
1 -
0,2
-
100
-
5.
0,4
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
Restgruppe®
-
600
nhd. Rang AnteU in % 1. 76,6 3. 9,3 11,8 2. 4. 1.2 6. 0.4
0,3 100
Anmerkungen und Legende: Gleiche Rangnummem ergeben sich aus gleichen Lexemzahlen. - = keine Belege ® Anteil ohne Derivate mit erstem Partizip: 2,6%. ® Anteil ohne Ableitungen mit erstem Partizip: 1,5%. θ In der als "Restgruppe' bezeichneten Rubrik fuhrt DW2:72, Obersicht 2.16, die vier Einzelbildungen an, d.h., es handelt sich um eine kleine, hinsichtlich Basiswortart und Ableitungsfunktion unkonventionelle Ansammlung von Derivaten, die sich einer systematischen Klassifizierung entziehen.
Hinsichtlich der Relation zwischen den für das Nhd. festgestellten Funktionen und den frnhd. Entsprechungen ist dabei zu beobachten, daß die Rangfolge fast deckungsgleich ist, daß jedoch bezüglich der Anteile nach Basiswortarten noch Verschiebungen stattfinden. Die größte systematische Bedeutung kommt -heit auch im Frnhd. bereits bei der Ableitung von Adjektivabstrakta (Nomina qualitatis mit BA), die insbesondere körperliche und geistige Eigenschaften und Zustände des Menschen bezeichnen, mit einer Belegstärke von 2.503 Belegen zu. Dieser Typ gewinnt dann zum Nhd. hin noch an Produktivität und hat dort einen noch größeren Anteil bezogen auf die übrigen Funktionsstände (76,6%
-heitZ-keit
297
im Nhd. vs. 59,2% im Frnhd.). Ebenfalls starken Zuwachs erhalten die Nomina qualitatis mit partizipialer Basis, deren Bezeichnungsfunktion wie im Nhd. in der deverbalen Zustands- und Eigenschaftsbezeichnung besteht. Ihr Anteil" hat sich im Nhd. in Relation zum Frnhd. mehr als verdreifacht12. Hieraus erklärt sich auch zu einem Teil der Rangwechsel im Nhd. zwischen den deadjektivischen Nomina ornativa und den partizipialen Nomina qualitatis. Beeinflußt wird die frnhd. noch leicht veränderte Reihenfolge jedoch auch durch den relativ starken Ausbau des deadjektivischen ornativen Musters, das knapp 1/3 der Lexeme umfaßt und mit 1.328 Belegen auch eine sehr hohe Gebrauchshäufigkeit aufweist. Da, wie bereits in Kap IV.3.1.3.1.1 hervorgehoben, die Klassifizierung der Nomina ornativa ein besonders kontextabhängiges Phänomen ist, ist in diesem Zusammenhang auf die starke Tendenz in firnhd. Texten hinzuweisen, ursprüngliche Abstrakte aus stilistischen Gründen metaphorisch bzw. als okkasionelle Personifizierungen zu verwenden. Generell bezeichnen die deadjektivischen Nomina ornativa im Frnhd. wie im Nhd. insbesondere Verhaltensweisen, aber auch Handlungen oder Taten. Reine Sachbezeichnungen lassen sich zum Teil zu kleinen Gruppen zusammenfassen, die v.a. der Bezeichnung von Körperstellen sowie von (zäh-) flüssigen Stoffen und Substanzen dienen. Eine Bestandsvermehrung des Lexikons durch Ornativa auf -heit findet daneben besonders im Bereich der Rechtsterminologie sowie theologischer Begrifflichkeit statt. Bezüglich der letztgenannten fällt die oft mehrfache Referenzmöglichkeit einer Bildung als Ornativum auf (vgl. die Bildung heiligkeit, Kap. IV.3.1.3.1.1). Ausgeprägter als im Nhd. ist die ornative Funktion von -heit in bezug auf Personenbezeichnungen in Form von Titeln, die oft als Anreden gebraucht werden. Auf die partizipialen Nomina ornativa, die fast ausschließlich Ereignisse, Anlässe, Umstände oder Handlungen bezeichnen, wirkt sich die noch wenig übliche Verwendung der Basiswortart in einer - in Relation zur deadjektivischen Bildungsweise in gleicher Funktion - niedrigeren Lexemfrequenz aus, wenngleich der Anteil am gesamten Lexemaufkommen den Befund im Nhd. (frnhd.: 1,7%; nhd.: 1,2%) sogar leicht übertrifft.13 Eine etwas größere Bedeutung als im Nhd. kommt frnhd. der desubstantivischen Ableitung von Wesens- und Eigenschaftsbezeichnungen von Personen zu (frnhd.: Rang 5, nhd.: Rang 6), während die Bildung von Kollektiva mit " 12
13
Der frnhd. Anteil, bereinigt auf Ableitungen mit Basen in Form eines zweiten Partizips, beträgt 2,6%. Vgl. den Befund in DW2:239, nach dem dies ein Phänomen der jüngsten Sprachgeschichte ist, da auch bei Adelung die anteilmäßige Nutzung dieses Musters noch relativ gering ist. Dies gilt auch, wenn man die Bildungen, deren Basis ein erstes Partizip ist, abzieht. Der Anteil beträgt dann 1,5% im Frnhd.
298
Zusammenfassung und Ausblick
BS nur an 7. Stelle liegt. Diese rangiert, nach DW2 im Nhd. auf Platz 5, wobei allerdings die prozentualen Werte von Nomina qualitatis mit BS und desubstantivischen Kollektive identisch sind. Es stellt sich diesbezüglich die Frage, ob die von DW2 trotzdem getroffene Differenzierung in der Rangfolge eventuell von Unterschieden in der Belegfrequenz beeinflußt wird. Diese sind allerdings den Übersichten in DW2 nicht zu entnehmen. Für die an 6. Stelle piazierten Nomina ornativa mit BS ist in DW2 keine Entsprechung ausgewiesen. Gleichwohl sind auch für das Nhd. desubstantivische Ornativa festzustellen, wie z.B. Torheit für 'die Handlung eines Toren'.14 Außer hinsichtlich der genannten Nomina ornativa mit BS ist eine genaue Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen aus DW2 noch in ein paar weiteren Punkten, von allerdings systematisch geringer Bedeutung, nicht möglich, da das Material des CG nirgends näher aufgeschlüsselt ist, sondern nur exemplarisch dargeboten wird. Beispielsweise habe ich für das Frnhd. die Funktionsnische der eigenschaftsbezogenen Sammelwörter bestimmt, die die Bildungen geistlichkeit und obrigkeit beinhaltet. Das erstgenannte Derivat fällt in DW2 unter die desubstantivischen Kollektive (vgl. DW2:176), das zweite wird nicht eigens benannt. Die Ableitung Obliegenheit, die in DW2 einer 'Restgruppe' zugeschlagen ist (vgl. DW2:72), ist in der vorliegenden Untersuchung der Gruppe der Nomina subjecti zugeordnet. Von den zehn übrigen Funktionsnischen von -heit/-keit, zu denen in DW2 keine Entsprechungen ausgewiesen werden, besteht etwas mehr als die Hälfte aus Ableitungstypen, die für das Frnhd. zu ergänzen sind (in der Rangfolge: deverbale Nomina actionis, deadjektivische Nomina locativa, Typ 'Zeit des BA-Seins', desubstantivische Nomina actionis, partizipiales Nomen locativum und deverbales Nomen qualitatis). Der Typ 'Zeit des BS-Seins' ist ebenfalls mit der Einschränkung hinzuzuzählen, daß die Ableitung Kindheit in DW2 erfaßt, jedoch als Abstraktum eingeordnet wird.15 Die drei nur mit Einzelbildungen vertretenen Typen' (eigenschaftsbezogene Sammelwörter, Nomina subjecti sowie quantitätsbezogenes Sammelwort) sind in DW2 nicht vermerkt, weil sie entweder zur 'Restgruppe' gezählt werden (Obliegenheit, s.o.) oder weil sie vermutlich das Kriterium der Reihenbildung nicht erfüllen.
14
13
Vgl. Oberle 1990:316 sowie Duden-DUW 21989:s.v. Frequentielle Angaben sind allerdings diesen Quellen nicht zu entnehmen. Vgl. DW2:72, Anm. b) sowie Kap. IV.3.1.6 und IV.3.1.6.2.
-ida
299
2 -ida 2.1 Formenbestand und Distribution Das Suffix -ida, das bereits mhd. auf -(e)de reduziert wird, ist frnhd. v.a. belegt in der durch Unterdrückung des Mittelvokals (Synkope) weiter abgeschwächten Form bzw. oft sogar noch zusätzlich apokopiert zu , das graphisch auch als stimmloser Dental ( und ) realisiert werden kann. Diese graphischen Formenvariationen sind landschaftlich und zeitlich allerdings nicht eindeutig zu systematisieren. Insgesamt ist auch beim Suffix -ida eine Reduzierung der graphischen Varianten festzustellen, die in Zeitraum VII weitestgehend zu einer Beschränkung auf die nhd. übliche stimmhafte Variante mit insbesondere obd. noch möglicher Apokope führt. Die Distribution von -ida ist im Frnhd. sprachräumlich beeinflußt. Das Suffix leitet außer Basisverben in Form des Infinitivs auch Basisadjektive ab, wobei jedoch die deverbale Ableitung deutlich häufiger im obd. (schwerpunktmäßig im wobd.) Sprachraum vertreten ist, die deadjektivische hingegen bevorzugt im Md., v.a. im Rip.16 In beiden Bildungsweisen stellt -ida jedoch im Laufe des Frnhd. zunehmend seine Ableitungstätigkeit ein, wenngleich, wie die Tabelle zeigt, in unterschiedlichem Maße. Bildungsweise von -ida I 1350-1400 1 % 5 1 26,3 17 j 10,6
BA BModadv BV(Inf) Gesamt
-
!
-
·
14 i 144 : 19! 161 |
-
.
73,7 89,4 100 100
III 1450-1500 i % 8 ! 40,0 20 j Ϊ8,5 1 ! 5,0 9 1 8,3 11 1 55,0 79 j 73,2 2 0 ! 100 108 | i ö ö
IV 1500-1550 1 % 7 ! 41,2 16 j 10,2 1 ! 5,9 5 ! 3,2 9 ! 52,9 136 ; 86,6 1 7 ! 100 157! iÖO
V 1550-1600 i % 2 ! 25,0 3 j 5,9 -
i 6 ! 48 ! 8! 51 ;
75,0 94,1 100 i ö'ö
VI 1600-1650 i % 2 ! 25,0 3 ; 7,9 -
i 6! 35 ! 8! 38!
75,0 92,1 100 100
VII 1650-1700
% 1 7
167 7,3
5 89 6 96
83,3 92,7 100 100
•
-
Besonders betroffen ist die deadjektivische Derivation: Von anfänglich 5 Bildungen in 17 Belegen in Zeitraum I ist in Zeitabschnitt VII nur noch eine einzige in 7 Belegen übriggeblieben. Die Ableitung von Adjektiven mit -ida kann sich hier nicht halten, da -heit und v.a. auch -J erfolgreich konkurrieren. "
Vgl. hierzu auch Öhmann 1921:30 sowie ders. 1920:67ff.
300
Zusammenfassung und Ausblick
Pie Derivation von BV(Inf) unterliegt ebenfalls der Schrumpfung, wenngleich auf einem höheren Niveau. Hier sinkt die Anzahl der Bildungen mit -ida stetig von 14 Lexemen im 14. Jh. auf 5 Bildungen in Zeitraum VII. Parallel dazu sinkt tendenziell auch die Anzahl der Belege von 144 in I auf 89 Belege in Zeitraum VII, mit einer größeren Häufung auf Grund kontextuell bedingter, hoher Nutzung einzelner Bildungen in Zeitraum IV. Im Ausgang des Frnhd. hat sich das Verhältnis von deadjektivischer zu deverbaler Bildungsweise allerdings trotzdem prozentual deutlich zugunsten der deverbalen Derivation entwickelt. Da -ida als Ableitungssuffix von BV weder in Konkurrenz zu -heitAkeit noch zu -l steht, ist die Frage, welche anderen Derivationsmittel an die Stelle von -ida getreten sind. Die Betrachtung der Wortbildungen ergibt, daß zum Teil das zugrundeliegende BV untergegangen ist (z.B. bentigede) oder durch eine konkurrierende, ähnliche -/'da-Bildung verdrängt wurde (gezierde durch zierde)·, teilweise ist das Dentalsuffix auch völlig getilgt worden (frnhd. schämde - nhd. 'Scham'), manchmal bei gleichzeitigem Genuswechsel (frnhd. gehörde (f.) - nhd. 'das Gehör'). Bei einer Bildung ist das Suffix -ida durch ein profilierteres Derivationsmorphem, -ung, verdrängt worden: frnhd. bekerde - nhd. 'Bekehrung'. Entscheidend bei diesem Verdrängungsprozeß ist jedoch, daß -ida keine anderen Ableitungsnischen gefunden hat, so daß Neubildungen unterblieben und bereits vorhandene Derivate häufiger genutzt worden sind, zum Teil auch durch die v.a. ab VII verstärkt aufkommende Kompositionsmöglichkeit (z.B. herzensfreude, rachbegierde).
2.2 Ableitungstypen Während auf Grundlage von DW2 (vgl. DW2:236) für das Nhd. noch drei vereinzelte Verbalabstrakta auf -ida zu verzeichnen sind (in der nachstehenden Übersicht mit einem Anteil von 100% gleichgesetzt), die die nhd. noch aktiven Derivate repräsentieren (z.B. Freude), nimmt das Dentalsuffix -ida frnhd. noch eine wesentlich größere Fülle von Ableitungsfunktionen wahr. In der folgenden Übersicht werden die Ableitungstypen in der Rangfolge, die sich aus der Anzahl ihrer Bildungen ergibt, präsentiert.
301
-ida
-ida frnhd. Rang
Typ
1. 2. 3. 3.
Nomina Nomina Nomina Nomina
5. 6.
Nomina subjecti Eigenschafts bezogenes Sammelwort Nomen instrumentum Mengen wort Nomen qualitatis Gesamt
6. 6. 6.
qualitatis actionis acti ornativa
Basiswortart BA BV(Inf) BV(Inf) BA/ BModadv BV(Inf) BA BV(Inf) BV(Inf) BV(Inf)
Lexeme 13 10 6 6
Anteil in % 30,2 23,3 14,0 14,0
4 1
9,3 2,3
1 1 1 43
2,3 2,3 2,3 100
nhd. Anteil Rang in % -
(1.)
-
(100)
-
-
-
-
(100)
Anmerkungen und Legende: Gleiche Rangnummern ergeben sich aus gleichen Lexemzahlen. - = keine Belege ( ) Im CG sind nur noch 3 Verbalabstrakta mit -ida ausgewiesen (vgl. DW2:236, Obersicht), die daher einem Anteil von 100% entsprechen.
Wie bei der Derivation mit -heitl-keit steht die Bildung von Abstrakte als wichtigste Funktion von -ida an erster Stelle. Allerdings ist die Dominanz dieses Typs weniger deutlich als bei den Adjektivabstrakta auf -heitl-keit. Überdies macht sich bei den deadjektivischen Nomina qualitatis auf -ida, anders als bei -heit/-keit, ein größerer regionaler Einfluß geltend, da Adjektive als Basen der Ableitung mit -ida schwerpunktmäßig auf den md., insbesondere den wmd Sprachraum beschränkt sind.17 Die an den Lexemzahlen orientierte Rangfolge verschiebt sich, wenn man die Belegfrequenzen in den Blick nimmt. Der auf Rang 2 piazierte Typ der Nomina actionis weist zwar eine etwas geringere Anzahl an Bildungen auf, ist jedoch mit 405 Belegen gegenüber 33 belegten deadjektivischen Nomina qualitatis frequentiell von wesentlich größerer Bedeutung. Ähnliches gilt für das Verhältnis zwischen den deadjektivischen Nomina ornativa (19 Belege) und den deveibalen Nomina acti (63 Belege). Nur zu dem (nach Belegen) hochfrequenten Ableitungstyp der Verbalabstrakta werden in DW2 noch drei Einzelbildungen mit dem Dentalsuffix ausgewiesen, das nhd. grundsätzlich als unproduktiv einzustufen ist.' 8 Demzufolge erscheinen Bildungen wie zier-
17
Deadjektivische Bildungen sind im Nhd. nur noch dialektal vertreten. Vgl. nach einem Hinweis von Fleischer41975:189, Anm. 478, z.B. Albrecht 1881:34 (=§157). " Die wenigen deverbalen -ida-Ableitungen haben sich wohl deshalb gegenüber -heitl-keit und -i behauptet, weil das Dentalsuffix hier eine distributionelle Lücke füllt, die nicht von -heitl-keit oder
302
Zusammenfassung und Ausblick
de und beschwerde, die sich fur das Frnhd. noch einem eigenen Ableitungstyp der 'Nomina subjecti' zuordnen lassen, in DW2 nicht als Gegenstand der Wortbildung. Von den übrigen frnhd. noch erfaßten Einzelbildungen (= Rang 6) tritt nhd. nur noch das eigenschaitsbezogene Sammelwort gemeinde auf, das in DW2 jedoch aus dem oben genannten Grund nicht festgehalten ist. Hinsichtlich der Bezeichnungsfunktionen von -ida ist festzuhalten, daß -/ifa-Abstrakta mit BA zur einen Hällte charakterliche oder körperliche Eigenschaften oder Zustände von Menschen und zur anderen objektiv meßbare Eigenschaften, z.B. der räumlichen Ausdehnung, sowie grundlegende physikalische Eigenschaften bezeichnen, d.h., sie überschneiden sich hierbei funktional teils mit -heitl-keit, teils mit -/. Hingegen bleiben sie bei der Ableitung von Verben konkurrenzlos: Deverbale w'da-Abstrakta (Nomina actionis) dienen hauptsächlich der Bezeichnung von, in Abhängigkeit vom BV, emotional geprägten oder neutralen Vorgängen in oder bezogen auf Menschen; die als Nomina acti klassifizierten -/'da-Ableitungen mit BV benennen in erster Linie Gegenständliches, sowohl Greifbares, wie z.B. hebede ('die Habe'), als auch Namen wie beispielsweise sterbte für 'die Epidemie/Pest'. Die nach Belegen weniger frequenten ornativen -/cfa-Bildungen, die hinsichtlich ihrer Bezeichnungsfunktion recht heterogen sind (sowohl Bezeichnungen für Vorfälle oder Situationen als z.B. auch eine Körperstelle), können, wie die entsprechenden -Ae»Y/-A:e/Y-Ableitungen, darüber hinaus durch stilistisch bedingten, metaphorischen oder personifizierenden Gebrauch entstehen. Das Derivationsmorphem -ida stellt als einziges der drei untersuchten Suffixe seine Produktivität im Laufe des Frnhd. ein und fällt damit dem Systemdruck anheim, der einerseits v.a. durch die Konkurrenten -heitl-keit und -/, andererseits aber auch offenbar durch andere, systematisch bedeutsame Ableitungsmittel ausgeübt wird.19
3 -i
3 .1 Formenbestand und Distribution Das Suffix -i ist in den frnhd. Texten allgemein in der bereits seit dem Mhd. reduzierten Form repräsentiert;20 ausgenommen hiervon ist der schwäb.alem. Sprachraum, wo, meist parallel zu , die -Variante bevorzugt
19
20
-f beansprucht wird, da diese mit deutlicher Bevorzugung BA ableiten. Zum Verhältnis der drei Suffixe vgl. Abschnitt 4. Vgl. z.B. auf Rang 6 das Nomen qualitatis bekerde, dem im Nhd. das -ung-Derivat Bekehrung entspricht, oder das Nomen instmmentum gehörde - nhd. mit Genuswechsel 'das Gehör1. Vgl. öhmann 1921:16.
303
-/
wird. Im Korpus Frnhd. ist die Graphie hauptsächlich vom 14. bis zum 16. Jh. nachzuweisen; letzte Belege treten allerdings noch im 17. Jh. auf. In den (alem.) Mundarten bleibt die -Form sogar bis in die Gegenwart erhalten. Bedingt durch die geringe formale Profilierung von -e, die teilweise sogar seinen Suffixcharakter vergessen läßt,21 unterliegt die Form mit regionalen Schwerpunkten im Ofr. und Mbair. der Apokope. Die apokopierten Formen nehmen zwar im Verlauf des Frnhd. in lexematischer Hinsicht tendenziell ab, jedoch bleibt die Nutzung der wenigen noch verbliebenen Bildungen weiterhin hoch. In seiner Distribution beschränkt sich -i im Frnhd., abgesehen von wenigen deverbalen Ableitungen mit Basisinfinitiv bzw. zweitem Partizip, ausschließlich auf die Ableitung von Basisadjektiven (sowie Modaladverbien). Diese haben überwiegend die Form von Simplizia, v.a. Einsilbler; daneben sind jedoch auch noch einige Bildungen mit sekundärem BA belegt, und zwar nicht nur zu Beginn des Frnhd., sondern auch noch im 16./17.Jh. Insbesondere bezüglich dieser Derivate mit sekundärem BA wird auf Korpusgrundlage eine tendenzielle Bevorzugung der -/-Ableitungen im Obd. deutlich.22 Die folgende Übersicht zeigt die diachrone Entwicklung der Bildungsweise von -/ auf. Bildungsweise von -i
BA BModadv
I 1350-1400 I % 35 ; 97,2 110 ! 99,1
BV(PII)
1 ! 2,8 1 1 0,9 . i
BV(Inf)
-1 -i - ;
Gesamt
3 6 ! 100 111 i 100
III 1450-1500
! % 2 5 | 100 1 2 2 ! 100 -: -; -: - ;
- !
-: 25 ! 100 1 2 2 ! 100
IV 1500-1550
V 1550-1600
! % 41 ! 95,3 290 I 98,6 -i -i 1 ! 2,3 3 Ι 1,0 1 1 2,3 1 I 0,4 43 ! 100 2 9 4 ! 100
VI 1600-1650
! %
! % 30 93 -
; 93,8 j 92,0 : :
37 ! 92,5 199 ! 98,0 2 ! 5,0 3 j 1,5
- ;
-
- ;
- ;
2 ; 8 i 32! 101!
6,2 8,0 100 100
:
1 ί 1 ! 40: 203!
2,5 0,5 100 100
VII 1650-1700
! % 30 | 127 j 1 ! 1 ! -i
90,9 97,7 3,0 0.8
-: 2 ! 6,1 21 1,5 33 ! 100 130i 100
Die deadjektivische Bildungweise mit -i nimmt, anders als diejenige mit -ida, frnhd. nicht kontinuierlich ab; sie schwankt vielmehr zwischen 30 und 41 21 22
Vgl. Öhmann 1921:16. Dieser Befund steht der Aussage Öhmanns entgegen, nach der die deadjektivischen -i-Bildungen überall in unterschiedlicher Anzahl verbreitet sind, ohne daß eine Anbindung an eine bestimmte Sprachlandschaft feststellbar wire (vgl. öhmann 1921:33). Dies trifft insbesondere auf die auch nhd. noch erhaltenen und frequenten Bildungen wie z.B. kälte, breite und warnte auch zu, nicht jedoch, wie dargestellt, für die mittlerweile untergegangenen Ableitungen mit sekundärem BA
Zusammenfassung und Ausblick
304
Bildungen je Zeitraum (einzige Ausnahme: III mit nur 25 Lexemen). Gleichzeitig bietet sich hier, vergleichbar mit der Entwicklung von -keit das Bild, daß vom 14. bis zur ersten Hälfte des 16. Jhs. die Lexemzahlen stetig steigen, in V plötzlich absinken noch unter den Stand von I, ab VI fast auf dem zahlenmäßigen Niveau von IV sind, um dann jedoch nach VII hin weiter zu sinken. Anders als bei -heitAkeit ist bei der Bildungsweise mit -i jedoch keine erhöhte Nutzungsfrequenz am Ende des Frnhd. (= Zeitraum VII) festzustellen, was vermutlich auf das zunehmende Vordringen von -heitAkeit zurückzufuhren ist.
3.2 Ableitungstypen Die Schwierigkeit eines Vergleichs mit den Ergebnissen für das Nhd. besteht hinsichtlich Α darin, daß DW2 auch Bildungen auf nhd. -e erfaßt, die sprachhistorisch nicht auf -^-Ableitungen zurückgehen. Aus diesem Grunde können insbesondere die Werte für die Ränge 4. und 7. v.a. nur den Nutzen haben, zu verdeutlichen, welchen Stellenwert die -{-Ableitungen innerhalb des nhd. Systems aller -e-Derivate einnehmen. -f Rang
Typ
1.
Nomina qualitatis
2.
Nomina ornativa
3. 4.
Nomina locativa Eigenschaftsbezogene Sammelwörter Nomina actionis Quantit&tsbezogenes Sammelwort Nomen qualitatis Nomen subjecti Nomen locativum Gesamt
4. 6. 6. 6. 6.
frnhd. Basiswortart BA/ BModadv BA/ BModadv BA BA
Lexeme 64
AnteU in*/· 53,4
37
30,8
11 2
9,2 1.7
BV(Inf) BA
2 1
1,7 0,8
BV(PII) BV(Inf) BV(Inf)
1 1 1 120®
0,8 0,8 0,8 100
nhd. Rang AnteU in % 3. (14,2) 5.
(8,2)
-
-
-
-
1.
(41,1)
-
-
7. 6.
-
-
(4,1) (6,2) 73,8®
Anmerkungen und Legende: Gleiche Rangnummern ergeben sich aus gleichen Lexemzahlen. - = keine Belege ( )In DW2 beinhalten die %-Angaben auch Substantivableitungen auf -e , die sprachhistorisch nicht auf -/-Ableitungen zurückgehen. Es ist also keine echte Vergleichbarkeit gewährleistet (abgesehen wohl von den deadjektivischen Nomina qualitatis und Nomina ornativa), sondern die Werte geben nur insgesamt die Bedeutung der Paradigmen im Nhd. wieder, in die sich die ursprünglichen -/-Bildungen eingereiht haben.
305 ® Die Zahl beinhaltet nicht die apokopierten Bildungen. Rechnet man sie hinzu, so erhöht sich die Gesamtzahl der Lexeme um 3 auf 123, die alle auf die Nomina qualitatis entfallen. β Für das Nhd. sind hier nur diejenigen Anteile wiedergegeben, für die eine funktionale Entsprechung im Frnhd. besteht, d.h., mit einem Restanteil von 26,2% sind in DW2 wettere Ableitungstwen belegt, die jedoch sprachgeschichtlich nicht durch die Derivation mit -1 zu erklären sind. Vgl. oben zu dieser zusätzlichen Einschränkung in der Vergleichbarkeit.
Die wichtigste Basiswortart für die Ableitung mit -/ ist wie bei den anderen beiden, hier untersuchten Suffixen das Adjektiv, mit dem in erster Linie Abstrakta gebildet werden. Sie haben nach Lexemen einen Anteil von mehr als 50% aller -^-Bildungen (645 Belege). Im Nhd. belegt das Suffix in dieser Funktion nur noch den 3. Rang, da die deverbale Ableitung von Abstrakta mit -e (das auch auf sprachhistorisch andere Derivationsmorpheme als -i zurückgeht) an die erste Stelle getreten ist (frnhd. nur mit 2 Einzelbildungen in 9 Belegen auf Rang 4). Auch in bezug auf die Funktionserweiterungen ist diese Erscheinung zu beobachten: Während die deadjektivischen Nomina ornativa auf -< im Korpus auf dem 2. Rang liegen (die Belegstärke beträgt hier 146), besetzen sie im Nhd. Platz 5.23 Typologisch habe ich auf Korpusgrundlage noch einen deadjektivischen lokativen Funktionsstand festgestellt (z.B. höhe oder meeresenge), der in DW2 offenbar in die Nomina ornativa mit BA eingegangen ist (vgl. Kap. IV).Eine Zusammenlegung der deadjektivischen Nomina ornativa mit den Nomina locativa würde jedoch für das untersuchte Material im Grundsatz keine Veränderung nach sich ziehen; es würde lediglich den Anteil der Nomina ornativa auf 36%,24 den der Nomina qualitatis auf 57% erhöhen. Die auf den ersten drei Rängen angesiedelten deadjektivischen -f-Bildungen stellen einen Anteil von 93,3% aller Lexeme. Unter den übrigen 6 Funktionsnischen, die von Einzelbildungen besetzt werden, heben sich die bereits oben angesprochenen Verbalabstrakta (Nomina actionis, Rang 4) sowie je ein de-1 verbales Nomen subjecti und Nomen locativum (Rang 7) ab, die sich im Nhd. in die mit anderen -«-Ableitungen erweiterten entsprechenden Paradigmen einfügen lassen. Die eigenschaftsbezogenen Sammelwörter, das quantitätsbezogene Sammelwort sowie das Nomen subjecti sind für das Nhd. nicht mehr nachzuweisen.25
21
24
23
Sie liegen damit hinter dem Funktionsstand der Nomina acti auf -e, z.B. Aussage, Spende, der in der vorliegenden Übersicht nicht erscheint, da er filr die Ableitung mit -i im Fmhd. nicht vertreten ist. Statt 37 Bildungen 41, da die meisten der ornativ verwendeten ursprünglichen Abstrakta auch als Lokativa gebraucht werden. Hierdurch erhöht sich der Lexembestand nur unwesentlich; die Belegfrequenz wachst jedoch von 146 (nur Ornativa) um 132 (Lokativa) auf278 an. Einzige Ausnahme: Das eigenschaftsbezogene Sammelwort gemeine, allerdings nur mit der Kennzeichnung Veraltet'. Vgl. Duden-DUW 2 1989 s.v.
306
Zusammenfassung und Ausblick
Abgesehen von dem in DW2 für das Nhd. nicht klassifizierten Typus der Nomina locativa mit BA, die Orte oder Räume bezeichnen, sind auch in den Bezeichnungsfunktionen der -ί-Abstrakta sowie der -ί-Ornativa Unterschiede im Frnhd. festzustellen. Die deadjektivischen Abstraktbildungen mit -/ bezeichnen einerseits zwar wie im Nhd. elementare physikalische Eigenschaften (z.B. schärfe), räumliche Verhältnisse (z.B. weite) sowie räumliche und zeitliche Eigenschaften (z.B. dicke, kürze)·, andererseits stehen aber fast die Hälfte der Ableitungen zur Bezeichnung charakterlicher Eigenschaften oder körperlicher Zustände des Menschen (z.B. giite, heisere) zur Verfugung, die ansonsten auch mit -heitl-keit· und -/Ja-Bildungen bezeichnet werden. Hinsichtlich der ornativen Derivate ist zu beobachten, daß, abgesehen von den auch nhd. üblichen Bezeichnungen fur Gegenständliches (z.B. ebene oder feuchte), die stilistisch bedingten Ornativa, wie okkasionelle Personifikationen, offenbar noch häufiger sind.
4 Das Verhältnis der Suffixe -heitl-keit, -ich, -ι bei der Substantivableitung Mit der nachstehenden Synopse wird abschließend der Versuch unternommen, den Anteil der Suffixe -heitl-keit, -ida und -/ an der Substantivableitung im Frnhd. in einer unmittelbar vergleichenden Übersicht darzustellen sowie mit den Veränderungen zum Nhd. hin anhand der Ergebnisse aus DW226 für die Zeit um 1800 (Adelung) und die Gegenwartssprache (CG) zu kontrastieren. Präsentiert wird jedoch nicht das vollständige Typenspektrum, sondern eine Auswahl, die sich auf die reihenhaft ausgebildeten Ableitungstypen der einzelnen Suffixe beschränkt. Auf diese Weise soll das systematisch bedeutsame, funktionale Zusammenspiel der Suffixe in Abhängigkeit von den jeweiligen Basiswortarten deutlich werden. Die Zahlen geben die Anzahl der Bildungen (Lexeme) wieder.
26
Die jeweils für Adelung und das CG angegebenen Zahlen sind den Ubersichten in DW2 zu den einzelnen Ableitungstypen zu entnehmen. Vgl. außerdem die Präsentationen dieser Vergleichsbefunde in Kap. IV.
Das Verhältnis der Suffixe bei der Substantivableitung
307
Anteil der Morpheme -heitZ-keit, -ida, -t an reihenhaft ausgebildeten Ableitungstypen -heit/-keü -ida Ableitungs-t frnhd. CG frnhd. Ad. Ad. CG frnhd. Ad. CG typen Nqu (BA/ BModadv) Nom (BA/ BModadv) Nqu (BV (ΡΠ/ΡΙ)) Nora (BV (ΡΠ/ΡΙ)) Nqu (BS)
355
991
1186
13
-
-
64
71
55
173
140
144
6
-
-
41*
38
32
20
46
184
-
-
-
10
7
19
-
-
-
8
6
6
-
-
-
-
Nom (BS)
6
Koll (BS)
5
Nacts
5
Nact
-
-
-
4
6
-
-
10
-
-
6
1
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
11 -
3 -
2 -
(123)
(160)
(29)
(34)
Anmerkungen: * Die Lexemzahl beinhaltet aus Gründen der Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen aus DW2 auch die Anzahl der deadjektivischen Nomina locativa. ( ) Zur eingeschränkten Vergleichbarkeit dieser Zahlen mit den Werten auf Korpusgrundlage vgl. die Anm. unter der Ubersicht der Ableitungstypen von -i (siehe S. 304).
Die Übersicht zeigt zum einen, daß das Morpheminventar aller drei Suffixe -heitl-keit, -ida und -/ frnhd. noch systematisch bedeutsam ist. Zum anderen verdeutlicht sie die generell zum Nhd. hin gewachsene Bedeutung der Substantivableitung mit -heitl-keit bei gleichzeitiger Verdrängung der Ableitung mit -ida und -f. -heit/ -keit gewinnt dabei gleich auf verschiedenen Gebieten an Produktivität: bei der deverbalen Ableitung von sowohl Nomina qualitatis als auch Nomina ornativa mit partizipialer Basis und bei der Bildung von Adjektivabstrakta. Insbesondere im letztgenannten Bereich werden die Auswirkungen für die konkurrierenden Suffixe -ida und -i sichtbar:27 Während -/ zum Nhd. hin weitgehend seine Produktivität bei der Derivation von deadjektivischen Nomina qualitatis verliert, ist -ida diesbezüglich bereits um 1800 nicht einmal mehr aktiv. Ähnliches ist hinsichtlich der deadjektivischen Ableitung von Nomina ornativa zu beobachten: die Anzahl der Bildungen mit -heit/-keit nimmt
21
Zu den jeweiligen Konkurrenzen s.u.
308
Zusammenfassung und Ausblick
zwar, gemessen am Stand um 1800, zunächst ab,28 bleibt jedoch danach in etwa stabil, wohingegen die Gebrauchsweise der 'grammatischen Konkreta' mit -i zurückgeht und v.a. noch spezialisiert genutzt wird zur Neubildung von Sachbezeichnungen im Bereich der Fachsprachen. Das Suffix -ida hingegen hat bereits um 1800 seine Aktivität verloren. Die zumindest irnhd. und offenbar auch um 180029 noch vorhandene Produktivität von -ida besteht in der Ableitung von Veibalabstrakta (z.B. freude). Hier konvergiert -ida mit den beiden anderen Suffixen -heitZ-keit und -i, obgleich auch diese gelegentlich Basisverben ableiten. Insgesamt liegt in der deverbalen Derivation mit BV(Inf) unter Einbeziehung der Nutzungsfrequenz frnhd. der Schwerpunkt für das Ableitungsmorphem -ida. Wie die Übersicht zeigt, ist das Dentalsuffix jedoch auch in diesem Bereich im heutigen Dt. auf einige wenige Einzelbildungen reduziert, vermutlich bedingt durch die Konkurrenz weiterer Suffixe, die eine systematische Bedeutung bei der Bildung von Nomina actionis innehaben (vgl. Abschnitt 2.1). Für die anderen beiden Suffixe stellt die deverbale Ableitung von Nomina actionis frnhd. eine untergeordnete Funktion dar, die daher von -heit/-keit auch bereits in der ersten Hälfte des Frnhd. aufgegeben wird (vgl. Kap.IV.3.1.2.5). Das -iSuffix tritt dagegen in seiner zu -e abgeschwächten Form in ein Paradigma mit weiteren -e-Bildungen ein, die jedoch historisch auf andere Ursprünge (vgl. DW2:234) zurückzuführen sind (dies wird durch die Einklammerung ( ) der Lexemzahlen verdeutlicht). Das Zusammenspiel der Suffixe -heit/-keit, -ida und -i bei der Substantivableitung führt, wie oben erwähnt, bezüglich der Ableitung von Adjektiven, die für alle drei Suffixe frnhd. den wichtigsten Bildungsbereich darstellt, zu einer Vielzahl von Konkurrenzen, die mit zeitlichem Schwerpunkt in den Zeiträumen I - IV auftreten. Die Überschneidungen in den Anwendungsbereichen der drei Derivationsmorpheme betreffen v.a. die Bildung von Abstrakta (Nomina qualitatis), aber auch, wenngleich in geringerem Umfang, die Ableitung von 'grammatischen Konkreta' (Nomina ornativa). Nomina qualitatis mit BA Anzahl der Konkurrenzen zwischen 1. -heit/-keit und -i « 2330 (CG: -heit und -e = 35; vgl DW2:293) 2. -heitZ-keit und -ida = 531 28 29 10
Hier wirken sich geänderte stilistische Absichten aus. Die Lexemzahlen für Adelung habe ich auf Grund der Obersicht in DW2:236 ermittelt. Die 23 Konkurrenzformen verteilen sich auf die Varianten von -heit wie folgt: -heit lOx, -keit 7x, -cheit 1 x, -ikeit 2x, -igkeit 3x. Rechnet man die Doppel aus den verschiedenen Zeiträumen jeweils hinzu, so beträgt die Zahl der Parallelformen 33 (in diesem Fall konkurrieren -heit 17x und -keit lOx).
Das Verhältnis der Suffixe bei der SubsUntivableitung
309
Nomina ornativa mit BA Anzahl der Konkurrenzen zwischen 1. -heit/-keit und -i - 6 32 2. -heit/-keit und -ida = 2 In landschaftlicher Distribution stehen sich überdies bei den Nomina qualita· tis 8 Bildungen auf -ida und -i, 33 bei den Nomina ornativa eine Ableitung mit sowohl dem Dental- als auch dem -/-Suffix gegenüber. Die zahlreichen Konkurrenzen und landschaftlich bedingten Parallelformen von -heit/-keit einerseits und -ida, -t andererseits, deuten auf das Vordringen der formal stärker konturierten Form -heit/-keit auf Kosten der anderen beiden Morpheme hin. Die ohnehin regional begrenzte deadjektivische Ableitung mit -ida (s.o. Abschnitt 2.2) wird daher bereits frnhd. aufgegeben, während der Derivation mit -i zum Nhd. hin semantische Gebrauchsbeschränkungen auferlegt werden. Diese sehen bei der Ableitung von Abstrakta beispielsweise vor, daß mit -/ vor allem Faibbezeichnungen sowie Dimensionsbezeichnungen und Bezeichnungen für grundlegende physikalische Eigenschaften gebildet werden, während -heit/-keit vorzugsweise zur Bezeichnung intellektueller und charakterlicher Eigenschaften des Menschen verwendet wird 34 . Bezüglich der deadjektivischen Nomina ornativa wurde bereits oben darauf hingewiesen, daß ihre Nutzung bei Neuprägungen v.a. in den fachsprachlichen Bereich verlegt wird (vgl. auch DW2:324). Die in DW2 leider nur für die Ableitung von Abstrakta vorliegenden Vergleichszahlen beziffern die Zahl der Konkurrenzformen zwischen -heit/-keit und -i für das Nhd. auf 35 (s.o. Übersicht) gegenüber 23 Parallelbildungen in den frnhd. Korpustexten. Die von DW2 sprachgeschichtlich begründete Erscheinung, daß sich im Sprachgebrauch -Ae//-Abstrakta zunehmend gegen abstrakte -/-Bildungen durchsetzen (z.B. Trockenheit statt Trockene und Rundheit statt Ründe\ vgl. DW2:267), ist also auch nhd. weiterhin von Bedeutung. Abschließend ist zum Zusammenspiel von -heit/-keit, -ida und -/ bei der Substantivableitung folgendes festzuhalten: Im Frnhd. wird außer den Suffixen -heit/-keit und -t auch -ida, im Gegensatz zum Nhd., in einem systemrelevanten Sinne funktional genutzt. Charakteristisch für alle drei Suffixe ist, daß sie, anders als im Nhd., neben ihren Hauptableitungstypen (v.a. deadjektivische Nomina qualitatis und Nomina ornativa sowie bezüglich -ida auch deverbale Nomina actionis und Nomina acti) noch einige kleinere funktionale Nischen bilden. Jedoch steht bei allen drei Derivationsmorphemen die Ableitung von
31
D.h. 4x-heit, \x-keit.
"
Inklusive der zeitlichen Doppel betragt die Zahl 8. Werden die Doppel der einzelnen Zeiträume mitgezählt, so erhöht sich die Zahl auf 11. Vgl. DW2:293 sowie in Kap IV.3.3.1.1 die noch unterschiedliche Handhabung im Frnhd.
33 34
310
Zusammenfassung und Ausblick
Adjektivabstrakta an erster Stelle, mit deutlicher frequentieller Dominanz von •heit/-keit vor -i und -ida.
Hieraus erwachsen zahlreiche Formenkonkurrenzen sowohl bei der Ableitung 'grammatischer Abstrakta' wie auch 'grammatischer Konkreta'. Auf Grund einer Tendenz, die als sprachliche Ökonomie bezeichnet werden kann, findet in der Folgezeit zum Nhd. hin zum einen eine funktionale 'Straffung' statt, d.h., "im Zuge einer Standardisierungstendenz wird die Konkurrenz semantisch naher oder identischer Modelle mit verschiedenen Formativen gemindert" (Fleischer 1988:187). Nicht reihenhaft ausgebaute Funktionen der Suffixe fallen zugunsten systematisch bedeutsamer Ableitungstypen aus dem System heraus; gleichzeitig setzt sich der bereits im Ahd. begonnene Verdrängungsprozeß zwischen den drei Suffixen, die ja in ihrer Hauptfunktion miteinander konkurrieren, fort. Das Ergebnis ist ein stufenweises Ausscheiden von -ida und -i zugunsten von -heitZ-keit. Während mit -heit/-keit noch massenweise Neubildungen bis ins Nhd. erfolgen, stellt das Dentalsuffix -ida schon im Frnhd. seine Produktivität ein und bleibt nur noch in einigen wenigen Restbildungen (v.a. Deverbativa wie Begierde, Freude, Gebärde,
Zier-
deiS), die allerdings intensiv genutzt werden (hohe Gebrauchshäufigkeit), bis ins Nhd. erhalten. Im Gegensatz zur Standardsprache wird -ida in den Mundarten, v.a. im Md. und Nd., jedoch weiterhin konserviert.36 Das Suffix -/ kann bei der Ableitung deadjektivischer Abstrakta noch bis um 1800 Neubildungen prägen, und erst für das Nhd. ist keine nennenswerte Produktivität mehr zu verzeichnen (auch hier mit Ausnahme der Mundarten, insbesondere des Alem., aber auch des Schwäb. und Bair., wo -i auch weiterhin produktiv bleibt 37 ). Trotzdem konkurrieren auch im heutigen Dt. noch einige Bildungen auf -heit und -i miteinander, wenngleich die Gebrauchsbeschränkungen im Vergleich zum Frnhd. weiter eingeengt worden sind. Als Begründung für die Verdrängimg von -ida und -i durch -heit/-keit ist außer der funktionalen Redundanz auf das Streben nach einer deutlicheren formalen Profilierung (vgl. Hartweg/Wegera 1989:156) zu verweisen. Schon im Mhd. hatte die Abschwächimg von -i zu -e dazu geführt, daß das Derivationsmorphem teilweise seinen Suffixcharakter verlor. Hinzu trat bei -i und bei dem schon frühzeitig vor -i zurückgewichenen -ida eine Verschmelzung von Stamm und Suffix zu einer Einheit. Demgegenüber besaßen Bildungen mit dem durch seine schwere Nebensilbenbetonung wie auch umfangreichere Graphie deutlicher profilierten -heit eher den Charakter von Zusammen35
36
37
Vgl. die Nennungen in Grimm 1878:235, Wilmanns 1 1899:344, Paul 1920:69 sowie Henzen 1965:174. Vgl. zur Situation in den Dialekten im einzelnen Grimm 1878:235, öhmann 1921:37fFund Henzen 1965:174f. Vgl. öhmann 1921:49ff, Szadrowsky 1933, Sonderegger 1958:495ff, Henzen 1965:172 sowie Ohmann 1968.
Das Verhältnis der Suffixe bei der Subsfauitivableitung
311
Setzungen (vgl. öhmann 1921:16), so daß sich -heit mit seinen Formvarianten zum "meistverwendeten Mittel der deadjektivischen Abstraktbildung" (Oberle 1990:367) entwickeln konnte.
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Anhang 1 Nicht behandelte Substantivableitungen Die folgenden Substantivableitungen konnten hinsichtlich ihrer Basis bzw. Basiswortart nicht eindeutig bestimmt werden und wurden daher von der statistischen Auswertung ausgeschlossen. gutbeyspeUichkeit. "mit glantze der gutbeyspellichkeit" (Schles IV:Bvv). gutemyldikeyth: "vonn denn werckenn der barmherczikeyth vnnd gutemildikeyth kegenn dem nesten" (Schles IViAvj")· luwicheyt: "So sy doch gheynre van allen den ghenen. die dat anschrijuen künden vnd sulden. der die selue dynge angezeichnet haue vmb der luwicheyt vnd vuyllicheyt willen." (Rip ΙΙΙ:ΐν,16). nauwicheit: "Dyt syn de seien der ghenre die mit groisser karricheit vfi nauwicheit eyn vprechtich leu5 voere." (Rip IVtDiiij1)schrecheit. "Min tvgent ist in schrecheit." (Thür 1:67,6). steigligkeit: "weil sie [die Stadt] einen hohen Berg an jhr ligen hat/darauff man seiner steigligkeit halben nicht steigen oder kommen kan." (Thür VI:32). verlaimikait: "Wiltu dich wören in nöten tö das mit götem filrsacz nit mit verlaimikait/wann sterben hat das gelück allen menschen verordnet/aber wol sterben ist allein ds gflten zü geaignot." (Oschwäb IIIiXXXDO).
2 Tabellen Tabellen 1 - 8 siehe folgende Seiten.
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Lexem- und Morphemindex Der folgende Index listet die untersuchten Substantivableitungen wie im Fließtext in der segmentierten Form auf. Die alphabetische Gliederung erfolgt daher nach der Basisgestalt (Umlaut wird, wie in der Darstellung, wie Nichtumlaut behandelt, wobei jedoch Nichtumlaut vor Umlaut rangiert). Außerdem werden wichtige Abschnitte zu den einzelnen Suffixen angezeigt. Die Zahlen verweisen auf Seiten. abgeschieden-heit 126 abecheulich-keit 191 abwesen-heit 126 adelich-keit 126 allgemein-heit 126 allmAchtig-keit 126,191 ah-heit 191,223 4H-e 262,279 andSchtig-keit 127 anftitig-keit 181 angelegen-beit 216 angstig-keit 127 anmutig-keit 127,192 annemlich-keit 192 ' aibefeam-keit 127 arbeitselig-keit 127 arg-heh 127, 192 argjierzig-keit 192 arglistig-keit 127 argwillig-keit 127 irmlich-keit 127 artig-keit 127 aufrichtig-keit 128, 192 aufsetzlich-keit 128 aussAtzig-keit 192 auswendig-keit 192 bäld-e 271 balt-heit 128, 192 bang-igkeit 128 barmherzig-keit 128, 192 barmig-keit 128, 193 begeben-heit 173,216 beger-e 273 begier-de 241 begierlich-keit 128, 193 behaglich-keit 193
behend-igkeit 129 behutsam-keit 129 beker-de 237 benQg-ede 248 bequem-igkeit 129 bequemlich-keit 129,193 beredsam-keit 129 berhaft-igkeit 129 beschaffen-heit 130 beschaulich-keit 130 bescheiden-heit 130, 193 beschwer-de 251 besessen-heit 173 besUndig-keit 130, 193 betrieglich-keit 130 betrfiglich-keit 193 beweglich-keh 130, 193 billig-keit 131,193 bitter-e 262 bitter-keit 131, 193 bleich-c 262,274 blind-heit 131 blöd-igkeit 131 blofi-heh 131 bos-heit 132,194 boshaft-igkeit 132, 194 botmißig-keit 194 bräuchlich-keh 194 brechlich-keit 132 breit-e 262,279,286 brode-keit 132 bnistkrank-heit 194 bufifettig-keit 132 -cheit (Distribution) 82 christen-heit 109,132,194 dankbar-keit 132
336 danknemig-keit 132 demOtig-keit 133 dick-e 262, 279 dick-te 235 dienstbar-keit 133, 195 dienstbarlich-keit 133 dienstfertig-keit 133 dreieinig-keit 195 dreifaltig-keit 133,195 dunkel-heit 133 dOim-ede 235 durchleuchtig-keit 134,195 dflrftig-keit 134 durnechtig-keit 134 dürr-e 262 dOrre-keit 134,195 durstig-keit 134 eben-e 279,286 edel-keit 134, 195 eilfeitig-keit 134 einbar-e 262 einfthig-keit 134,195 einfÄrmig-keit 135 einhellig-keit 135 einig-keit 135, 195 einsam-keit 135 einträchtig-keit 135 eislich-keit 135 eitel-keft 135, 196 elendig-keit 135 empftnglich-keh 136 empfindlich-keit 136 emsig-keit 136 eng-e 263,286 engegenwertig-keit 136 erbar-keit 136,196 erbaim-de 242 erbaimherzig-keit 136 erbännlich-keit 136 erenbietig-keit 136 erenwillig-keit 136 eresOchtig-keit 136 erfaren-heit 173,216 ergeizig-kett 136 ergetzlich-keit 136, 196 ertiaben-heit 174 erlich-keit 137 ernstig-keit 137 ersam-keit 137 ersprieBlich-keit 196 ertig-keit 196 erwürdig-keit 137,196 ewig-keit 137, 196,230 fäbelweis-heit 196 falsch-heit 137, 196
Lexem- und Morphemindex
faul-heit 137 ftul-e 263,279 fe-de 242 feindselig-keit 197 feist-e 263,279 feist-igkeit 137 fern-e 263, 286 fertig-keit 138 fest-e 263,279 fest-igkeit 138, 197 feucht-e 263, 280 feucht-igkeit 138,197 feurig-keit 138 finster-e 280 finster-keit 197 flach-e 286 flOssig-keit 197 frafi-heit 179 frei-heit 138, 197 freidig-keit 138 &eigebig-keit 138 freimQtig-keit 138 fremd-e 286 freu-de 242, 248 freudig-keit 198 freundlich-keit 139, 198 freundwillig-keit 139 fiiedsam-keit 139 frOlich-keit 139 fromm-keit 139 fruchtbar-keit 139 furchtsam-keit 139 Rlmemig-keit 139 garstig-keit 139, 198 gebar-de 243 gebrechlich-keit 140 gebürlich-keit 140,198 gedeilich-keit 198 geduldig-keit 140 gefällig-keit 140 gefär-de 235, 245 gefirlich-keit 140, 198 gegenwlrtig-keit 140 geheim-(e) 263,280 gehör-de 243,253 gehorsam-e 263 gehorsam-keit 140,198 geil-heit 140 geistlich-keit 141, 198, 226 geitig-keit 141 gelassen-heit 174 gelegen-e 272 gelegen-heit 174,216,232 gelert-heit 174 gelind-igkeit 141
Lexem- und Morphemindex
gemachsam-keit 141 gemein-de 254 gemein-e 289 gemein-heit 141 gemeinsam-e 263, 289 genug-e 271,283 genüg-ede 246 genOglich-keit 141 genügsam-keit 141 gerad-e 263 gerecht-igkeit 142,198 gericht-e 263 gerichtbar-keit 199 gering-igkeit 142 geschicklich-keit 142, 199 geschwind-igkeit 142,199 gestaltsam-e 264 gestreng-heit 143 gestüm-igkeit 143 gesundheit 143,200 getwede-keit 143 gewaltsam-e 280 gewar-heit 143 gewer-de 243,248 gewiß-heit 143,200 gewisseit-heit 200 gewogen-heit 144 gewon-de 245 gewon-heit 200,217 gezier-de 251 gier-heit 144 gierig-keit 144 giftig-keit 144 gleich-heit 144 gleichförmig-keit 144 gleichsen-heit 181 g)Ockselig-keit 144,200 gnädig-keit 144,200 gott-heit 179, 183, 219 göttlich-keit 144,200 gottlos-igkeit 144 gottselig-keit 145 grausam-keit 145,200 grimmig-keit 145 grob-heit 145 groß-heit 145 gröft-e 264,280 großmächtig-keit 145 großmütig-keit 145 gudeiteren-heit 146 gut-heit 146,200 gOt-e 264,280 gütig-keit 146,200 gutlich-e 264 gütlich-keit 146
337
gutwillig-keit 146 härt-igkeit 146,200 haitnäckig-keit 146,201 hartselig-keit 147,201 h&ßlich-keit 201 h&uslich-keit 201 hebe-de 248 heil-e 264 heilig-keh 147,201 heilwertig-keit 147 heimlich-keit 147,201,230 heiser-e 264 heiser-keit 147 -heit (Distribution) 66 •heit (Entstehung und Entwicklung) 33 -heitZ-keit und Varianten (Graphien) 50 heher-e 280 her-heit 147 herrlich-keit 147,202 heizhaft-igkeit 147 hinlessig-keit 148 hitzig-keit 148 ho(ch)-heit 148,202 höflich-keit 148,202 höh-e 264.280,286 hOh-ede 235 höl-e 287 hOl-igkeit 203 holdselig-keit 148,203 hübsch-e 265 huld-e 265 huitig-keh 148 -((Distribution) 97 -i (Entstehung und Entwicklung) 42 -i (Graphien) 94 •icheit/-ikeit (Distribution) 86 -)da (Distribution) 91 -ida (Entstehung und Entwicklung) 40 -ida (Graphien) 90 -igkeit (Distribution) 88 innig-keit 148 irdisch-heit 148 jamerig-keit 148 jung-heit 223 kilt-e 265,281 karg-heit 149 keck-e 265 keck-hett 149,203 -keit (Distribution) 78 -keit und Formvarianten (Entstehung und Entwicklung) 35 keusch-e 265 keusch-heit 149,203 kind-heit 179,224 klar-heit 149,203
338 klein-heit 150,203 kleinmQtig-keit ISO klug-heit 130,203 komlich-keit 150 ktalich-keit 150 krank-heit 150,203 krOmm-(e) 266,281 kOl-e 265 kQn-heit 151,204 kundig-keh 151 kurios-heit 151 kuiz-heit 151 kürz-e 266 Mm-de 235,245 iBnvc 266,281 IBm-igkeit 204 lang-heit 151 Mng-de 235 lbig-e 266,281 langmOtig-keit 151 langsam-keit 151 lauter-keh 151,204 leichtfeitig-keit 152,204 leichtig-keit 152 leichtmOtig-keit 152 leichtsinnig-keit 152 leutselig-keh 152 lieb-de 235 lieb-e 266,281 Iieblich-kcit 152,204 liecht-c 281 lind-igkeh 152 listig-keit 152 los-heit 152,204 lustbar-keit 152 lüstem-heit 152 lustig-keit 153,204 lustlich-keit 153 mager-keh 153 mann-heit 110, 179,219,224 maimigfaltig-keit 153 männlich-keit 223 mSBig-keit 153 miBlich-keit 153 matt-igkeit 153 mensch-heit 110,180,183,220 michel-keit 153 mild-e 267 mild-igkeit 153 miBhellig-keit 204 mftsam-keit 153 mittelmäßig-keit 154 mogen-heit 175 möglich-keit 154.204 mO-cheit 181
Lexem- und Morphemindex
mad-igkeit 154,204 mOselig-keit 205 maBig-keit 154 nachkommen-heit 110 nachlässig-keit 154 nackt-heit 154 nih-e 267 nair-heit 180,220 neidig-keit 154 nemstich-keit 154 neu-igkeit 154,205 nichtig-keit 154 niedrig-keit 154 notdurftig-keit 205 notdOrftig-keit 154 nötig-keit 154,205 notwendig-keit 155,205 nutzbar-keit 155,205,230 nutzig-keit 205 nQtzlich-keit 155 ober-keit 155,227 obliegen-heit 221 otmut-de 236 otmutig-keit 155,205 peinlich-keit 155 pfaff-heit 110 prichtig-keit 205 quartierfrei-heit 206 rludig-keit 206 rauh-e 267,287 recht-igkeit 156,206 rechtfertig-keit 156 rechtmäßig-keit 156 redlich-keit 156,206 reif-e 267 rein-igkeit 156,206 reulich-keit 157 richt-e 281 richtig-keit 157 ringfertig-keit 157 rosch-heit 157 röt-e 267,281 nind-e 281 nisam-keit 157 samwitzig-keit 157 sanft-heit 157 sSnft-e 267,282 sanflmOtig-keit 158 sauber-keit 158 sftur-e 267 schibig-keit 206 schtdlich-keit 158,206 schalk-heit 180,220 schSm-de 243,248 schamhaftig-keit 158
Lexem- und Morphemindex
scharf-heit 158 schlrf-e 267 scharfsinnig-keit 158 scheinheilig-keit 158,207 schicklich-keit 158,207 schlaff-heit 158 schltfiig-keit 159 schleimig-keit 207 schmach-heit 159,207 schmackhaft-igkeit 207 schmah-e 282 schnell-e 268 schnell-igkeit 159 schon-de 236,245 schön-e 268,282 schön-heit 159,207 schuldig-keit 159,207 schwach-heit 159,207 schwäch-e 268 schwärz-e 282 Schwerte) 268 schwermOtig-keit 160 selbstindig-keit 207 selig-keit 160,207 selten-heit 208 seltsam-keit 208 ser-de 236.246 ser-e 268 sicher-heit 160,208 sichtbar-keit 160 simpel-heit 160 sinnlich-keit 160,208 sinnreich-heit 161 sittig-keit 161 (in-)sonderheit 161 sorgflltig-keit 161 sparsam-keit 161 speislos-e 268 standhaft-igkeit 161 stark-heit 161 stärk-de 236 stärk-e 268, 282 sterb-te 249 sterblich-keit 162 stet-e 269 stetig-keit 162 still-e 269 still-heit 162 stolz-heit 162 streitbar-e 269 streitig-keit 208 streng-heit 162,208 subtil-e 269 subtilig-keit 162 süß-e 269, 282
süß-igkeit 162,208 tapfer-keit 162,208 taub-heit 162 tauf-e 273 tief-e 270,287 tobig-heit 163 tollkOn-heit 208 tor-heit 180,220 trtg-heit 163,209 traurig-keit 163,209 trocken-de 236 trocken-e 270 trikbselig-keit 209 tmgen-heit 182 trunken-heit 174 tumkün-heit 209 Obereinzig-keit 209 aberflOssig-keit 163,209 Oberflutig-keit 163 Obeinemlich-keit 163 unachtsam-keit 163 unbcgreiflich-keit 164 unbehilflich-keit 164 unbesonnen-heit 209 unendlich-keit 164 unfreu-de 243 unfriedlich-keh 164 ungeb0r-de 251 ungelegen-heit 209 ungerusam-keit 164 ungestOm-e 270,282 ungleich-heit 210 ungut-e 270 unhäuslich-keit 164 unhOfisch-keit 210 unkeusch-e 282 unlauter-heit 210 unledig-keit 164 unmögen-heit 164 unnosel-heit 164 unrObig-keit 210 unsauber-keit 210 unschlüssig-keit 164 unsichtig-keit 165 unsinnig-keit 165,210 unterscheiden-heit 174,182 unterschiedlich-keit 165 untertibiig-keit 165 unterworfen-heit 175 unvergleichlich-keit 165 unverrücklich-keit 165 unwarhaft-e 270 unwissen-heit 165 Qppig-keit 165,210 verborgen-heit 175
339
340 verdienstlich-keit 165 verfaren-heit 175 vergessen-heit 1 7 5 , 2 1 7 vergeBlich-keit 166 verharrlich-keit 166 vermessen-heit 1 7 5 , 2 1 7 vermögen-heit 176 vernOnftig-keit 166 versSumlich-keit 2 1 0 verschieden-heit 166 verschmä-de 2 4 3 verschwiegen-heit 1 7 5 , 2 1 7 versumig-keit 166 vertraulich-keh 1 6 6 , 2 1 0 vertrunken-heit 175 verworfen-heit 2 1 7 viel-e 2 9 0 viel-heit 2 2 8 völlig-keit 166 vollkommen-heit 166 vorsichtig-keit 1 6 7 , 2 1 1 vortrefflich-keit 1 6 7 , 2 1 1 wachsam-keit 167 wacker-heit 211 wandelbarlich-keit 167 war-heit 1 6 7 , 2 1 1 warhaftig-keit 168 wäim-de 2 3 6 wärm-e 2 7 0 wässerig-keit 1 6 8 , 2 1 1 wechsel-keit 168 weich-e 282 weich-heit 1 6 8 , 2 1 1 weih-e 282 weinfeucht-e 271
Lexem- und Morphemindex
weis-heit 1 6 8 , 2 1 1 weit-e 271, 282, 2 8 7 weitllufig-keit 1 6 8 , 2 1 2 weltweis-heit 212 wenig-keit 1 6 8 , 2 1 2 wesenlich-keit 1 6 8 , 2 1 2 wichtig-keit 169 widermut-e 282 widersetzlich-keit 169 widerspenstig-keit 169 widerw9rtig-keit 1 6 9 , 2 1 2 widerzimig-keit 169 widrig-keit 212 willflrig-keit 169 wirklich-keit 169 wissen-heit 176 wolgewogen-heit 169 wollustig-keit 170 wolreden-heit 1 7 6 , 2 1 7 won-heit 212 würdig-keit 1 7 0 , 2 1 2 zart-e 271 zart-heit 170 zeitig-keit 170 zeitlich-keit 230 zerbrüchlich-keit 213 zergSnglich-keit 170 zerstörlich-keit 1 7 0 , 2 1 3 ziemlich-keit 1 7 0 , 2 1 3 zier-de 251 zier-heit 1 7 7 , 2 2 1 zierlich-keit 1 7 0 , 2 1 3 zufrieden-heit 170 zugehör-de 256 zwieträchtig-keit 170, 213
STUDIA LINGUISTICA GERMANICA SUSANNE Μ. RAABE
Der Wortschatz in den deutschen Schriften Thomas Murners Band 1: Untersuchungen — Band 2: Wörterbuch Band 1: XVIII, 404 Seiten. 1990. Band 2: XXXVIII, 816 Seiten. 1990. Ganzleinen ISBN 3 11 012456 4 (Band 29)
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Mundart und Schriftsprache in Bayern (1450-1800) Untersuchungen zur Sprachnorm und Sprachnormierung im Frühneuhochdeutschen XIII, 371 Seiten. 1993. Ganzleinen ISBN 3 11 013556 6 (Band 32)
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Etymologisches Wörterbuch der germanischen Primäradjektive VIII, 719 Seiten. 1993. Ganzleinen ISBN 3 11 013666 X (Band 33)
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Wortbildung des Nürnberger Frühneuhochdeutsch Herausgegeben von Horst Haider Munske und Gaston Van der Eist
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Substantiv-Derivation in den Schriften Albrecht Dürers Ein Beitrag 2ur Methodik historisch-synchroner Wortbildungsanalysen XX. 531 Seiten. Mit 1 Abbildung und 164 Tabellen. 1993. Gebunden ISBN 3 11 012815 2
Frühneuhochdeutsches Wörterbuch Herausgegeben von Ulrich Goebel und Oskar Reichmann Begründet von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann Ca. 10 Bände. Erscheint in Lieferungen (4 Lieferungen pro Band) Ganzleinen
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Walter de Gruyter
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